Fundort Wien 12/2009


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Fundort Wien
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Ein neuzeitliches Bestattungsareal im Bereich der Sensengasse in Wien 9
Gefäßkeramisches Material aus ausgewählten Befunden der Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3
Anthropologische Grundbestimmungen und ausgewählte Pathologien aus den drei neuzeitlichen Friedhöfen der Grabungen Wien 9, Sense
Ein Bleietikett mit Zenturiengraffito von der Freyung in Wien 1
Erste Ergebnisse von Pflanzengroßrest-Analysen der Grabung Am Hof 7–10, Wien 1
Perchhof“ zu Heiligenstadt. Ein klösterlicher Profanbau und Kleinadelssitz
Ein historistischer Holzpavillon auf dem Tivoli in WienMeidling: Geschichte und Rekonstruktion
Tagungsberichte
Rezensionen
Impressum
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Fundort Wien 12/2009

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Fundort Wien Berichte zur Archäologie 12/2009

Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Vorwort

Die Hauptaufgabe der Stadtarchäologie Wien ist die Dokumentation und Erforschung des kulturellen Erbes auf Wiener Stadtgebiet. Das Betätigungsfeld reicht hier von der Urgeschichte bis in die Neueste Zeit. Auch heuer können wir wieder ein breites Spektrum an historischen Themen präsentieren, und zwar nicht nur aus der Sichtweise der Archäologie im klassischen Sinn, sondern auch aus jener unterschiedlichster Wissenschaftsdisziplinen. War in früheren Jahrhunderten ein Wissenschafter oft noch ein „Universalgelehrter“, so hat sich im Laufe der Zeit das Wissen derart vermehrt, dass letztlich eine Aufteilung in Spezialgebiete – die wohl noch immer weiter fortschreiten wird – unausweichlich wurde. Die Spezialisierung birgt natürlich die Gefahr einer einseitigen Sichtweise in sich. Umso wichtiger ist es, eine Zusammenarbeit der historischen Wissenschaften untereinander immer im Auge zu behalten, da nur so ein umfassendes und allgemein verständliches Bild von unserer Vergangenheit erhalten werden kann. In diesem Sinne ist es ein besonderes Anliegen der Stadtarchäologie Wien, sich mit möglichst vielen Fachdisziplinen auszutauschen. Ein Beispiel dieser Zusammenarbeit zeigt sich in den Ergebnissen der ausgedehnten Ausgrabungen auf den Grundstücken Wien 9, Sensengasse 1–3, einer Auswertung dreier neuzeitlicher Friedhöfe. Der Archäologe/die Archäologin kann sich zwar mittels der ausgegrabenen Befunde und Funde sowie unter Hinzuziehung von Schrift- und Bildquellen ein durchaus gutes Bild von der Anlage des Friedhofs und dem Totenkult verschaffen, über die Bestatteten selbst können jedoch vor allem die anthropologischen Untersuchungen wertvolle Erkenntnisse bringen. Ähnlich verhält es sich bei der Auswertung der Ausgrabungen in der Feuerwehrzentrale in Wien 1, Am Hof: Die Untersuchung von Pflanzenresten durch ArchäobotanikerInnen ergänzen das Bild von Umwelt und Ernährungsverhalten in der damaligen Zeit. In dieselbe Kerbe schlägt die von der Stadtarchäologie Wien standardmäßig durchgeführte archäozoologische Beurteilung der Tierknochenfunde. Eine weitere wichtige Disziplin ist die Epigraphik, die durch die Entzifferung und Interpretation etwa eines römerzeitlichen Bleietiketts Informationen zum damaligen Wirtschaftsleben liefert. Zuletzt soll noch auf die Bauforschung hingewiesen werden, für die (und natürlich vice versa) die Berücksichtigung historischer Quellen ebenfalls einen essentiellen Faktor darstellt, wie an der Studie zum Berg- oder Zehenthof in Heiligenstadt und an einer Bauaufnahme eines Holzpavillons in Meidling zu sehen ist.

2 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Inhalt

Inhaltsverzeichnis Fundort Wien 12, 2009. Berichte zur Archäologie

Aufsätze

Fundchronik

4

190 Übersichtskarte 192 Grabungsberichte 2008

Constance Litschauer/Thomas Pototschnig Ein neuzeitliches Bestattungsareal im Bereich der Sensengasse in Wien 9

42

Ingeborg Gaisbauer Gefäßkeramisches Material aus ausgewählten Befunden der Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3

80

Maja Gebetsroither/Karl Großschmidt Anthropologische Grundbestimmungen und ausgewählte Pathologien aus den drei neuzeitlichen Friedhöfen der Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3

224 232 234 235 236 237 237 237

Tagungsberichte Rezensionen MitarbeiterInnenverzeichnis Namenskürzel Abkürzungsverzeichnis Abbildungsnachweis Inserentenverzeichnis Impressum

104 Reinhold Wedenig Ein Bleietikett mit Zenturiengraffito von der Freyung in Wien 1

114 Silvia Wiesinger/Ursula Thanheiser Erste Ergebnisse von Pflanzengroßrest-Analysen der Grabung Am Hof 7–10, Wien 1

124 Heike Krause/Gerhard Reichhalter Der „Perchhof“ zu Heiligenstadt. Ein klösterlicher Profanbau und Kleinadelssitz

176 Andreas Berthold/Ingrid Mader Ein historistischer Holzpavillon auf dem Tivoli in Wien-Meidling: Geschichte und Rekonstruktion

„Gruss vom Tivoli“. Kolorierte Postkarte (© Sammlung G. Gruber) Rötel-Darstellung im Berghof zu Heiligenstadt (Foto: H. Krause) Kurzzitat: FWien 12, 2009

Die Deutsche Bibliothek – CIP-Einheitsaufnahme Fundort Wien : Berichte zur Archäologie / hrsg. von Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie Erscheint jährlich – Aufnahme nach 1 (1998) kart.: EUR 34,– (Einzelbd.) 1 (1998) –

3 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

C. Litschauer/Th. Pototschnig, Ein neuzeitliches Bestattungsareal in Wien 9

Ein neuzeitliches Bestattungsareal im Bereich der Sensengasse in Wien 9 Constance Litschauer/Thomas Pototschnig Durch die Lage der Sensengasse in unmittelbarer Nähe zu den Gebäuden der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses der Stadt Wien drängt sich bei dem Namen unbewusst eine Assoziation mit dem Tod (Stichwort Sensenmann) auf. Tatsächlich geht die ab 1862 übliche Benennung auf ein am Haus Währinger Straße 33–35 angebrachtes Schild „Zur goldenen Sense“ zurück. 1 Dennoch befindet man sich historisch gesehen auf der richtigen Spur. Nicht zuletzt die Vorgängernamen der Sensengasse wie „Todengäßl“ (ab 1768) und „To(d)tengasse“ (ab 1804)2 weisen darauf hin. Im Bereich zwischen der heutigen Alser Straße und der Währinger Straße waren schon seit Jahrhunderten verschiedene Kranken- und Siechenhäuser mit nahe stehenden Armenhäusern und den oft zugehörigen Friedhöfen angesiedelt. 3 An Versorgungsanstalten wären etwa das auf das 13. Jahrhundert zurückgehende Siechenhaus Johannes in der Siechenals (1529 zerstört) oder das Bäckenhäusel (1656–1868), das Spanische Spital (1718–1784), das Bürgerversorgungsspital (1860–1927) und der sog. Kontumazhof (1657–1784), der Vorgänger des Allgemeinen Krankenhauses, zu nennen. 4 An zugehörigen Friedhöfen konnten auf dem in den Jahren 2005 und 2006 untersuchten Areal zwischen Sensengasse und Spitalgasse der zum Spanischen Spital gehörende Spanische Friedhof, der Gottesacker des Armensiechenhauses Bäckenhäusel sowie der Neue Schottenfriedhof aufgedeckt werden (Abb. 1 und 3). Sämtliche Friedhöfe innerhalb des Linienwalls – entspricht dem heutigen Gürtel – wurden per Hofdekret vom 23. August 1784 aufgelassen. Das umgewidmete Areal auf dem Alsergrund beherbergte in der Folge die k. k. medizinisch-chirurgische Josephsakademie (Eröffnung 1785) – heute befindet sich im Josephinum das Museum der Medizinischen Universität – mit angeschlossenem botanischem Garten sowie das k. k. Militär-Garnisons-Spital (Eröffnung 1787) mit dem beinahe 100 Jahre später errichteten Offiziersspital. Unter staatlicher Verwaltung stehend, wurde um 1950 der Garten in eine große 1 Czeike, Wien Lexikon 5, 205 s. v. Sensengasse. 2 Ebd. 3 Bauer 2004, 39. 4 Czeike, Wien Lexikon 3, 364 s. v. Johannes in der Siechenals; Hofbauer 1861, 100 f. 5 H. Mück, Quellen zur Geschichte des Bezirks Alsergrund. Forsch. u. Beitr. Wiener Stadtgesch. 3 (Wien 1978) 66; vgl. auch Grundbucheinträge und Pläne bei der MA 37 – Baupolizei, KG Alsergrund, EZ 908 sowie die mündl. Auskunft von Bediensteten des Sportinstituts der Universität Wien. 6 Siehe auch Sörries, Lexikon 2, 103 f. s. v. Friedhof, archäologisch untersucht.

Sportanlage der „Bundesanstalt für Leibesübungen und staatliche Lichtbildstelle“ umgebaut und in der Folge auf dem Gelände eine Trainingsstätte des Sportinstituts der Universität Wien eingerichtet. 5 Zu mittelalterlichen und neuzeitlichen Friedhöfen in Wien Nekropolen sind in der Archäologie eine bedeutende Quellengattung. Leider wurden Friedhöfe der Neuzeit lange nicht so intensiv erforscht wie zum Beispiel Reihengräber aus dem Frühmittelalter. In den letzten Jahren hat sich dieser Umstand jedoch geändert und damit einhergehend auch die Meinung, dass die archäologische Erforschung von neuzeitlichen Friedhöfen nicht viele Erkenntnisse bringen würde. Im Falle einer Großstadt wie Wien ergibt sich das

4 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

C. Litschauer/Th. Pototschnig, Ein neuzeitliches Bestattungsareal in Wien 9

Aufsätze

Abb. 1: „Scenographie oder Geometrisch Perspect. Abbildung der Kayl. Königl. Haupt u. Residenz Stadt Wienn in Oesterreich“, aufgenommen von Joseph Daniel Huber 1769–1773. Ausschnitt mit den Friedhöfen im Bereich der heutigen Sensen-/Spitalgasse. (Bildarchiv der ÖNB, Wien, NB 200.115-C)

Problem, dass viele relevante Areale innerstädtisch gelegen sind und im Laufe der Zeit überbaut und somit oft auch ge- bzw. zerstört wurden. Daneben gibt es natürlich Friedhöfe, die noch immer belegt werden. 6 In Wien hat sich in den letzten Jahren die Möglichkeit ergeben, gleich mehrere Friedhöfe aus der frühen Neuzeit und der Neuzeit zu untersuchen. Grund dafür war hauptsächlich der steigende Bedarf an Tiefgaragen im Stadtgebiet, die unterhalb von Parks angelegt wurden, oder anderweitige Baumaßnahmen. So konnten neben den hier vorzustellenden Friedhöfen an der Sensengasse im 18. Wiener Gemeindebezirk der ehemalige Währinger Ortsfriedhof im Schubertpark (1769–1873)7 oder der ehemalige Allgemeine Währinger Friedhof im Währinger Park (1783–1874)8 untersucht werden. Ebenfalls aufgrund eines Tiefgaragenbaus wurde im Märzpark (Wien 15) ein Teil des ehemaligen Friedhofs auf der Schmelz (1782–1874) ausgegraben. 9 Im Innenhof des Bundesrealgymnasiums Wien VI, Marchettigasse deckte man erst kürzlich den ehemaligen Friedhof des Militärspitals in Gumpendorf (Belegungszeit: 1769–1784) auf. 10

7 E. H. Huber, Wien 18, Währinger Straße – Schubertpark. FWien 5, 2002, 296–299; C. P. Huber/K. Traunmüller, Wien 18, Währinger Straße – Schubertpark. FWien 6, 2003, 262– 264. 8 C. P. Huber/K. Traunmüller, Wien 18, Franz-Klein-Gasse – Währinger Park. FWien 6, 2003, 266–268. 9 E. H. Huber, Wien 15, Märzpark. FWien 6, 2003, 259 f. 10 M. Binder/M. Mosser, Ein Militärfriedhof der Barockzeit und ein Beitrag zur Geschichte von Gumpendorf – Grabungen im Innenhof des Bundesrealgymnasiums Wien VI, Marchettigasse 3. FWien 9, 2006, 226–247; M. Binder, Der Soldatenfriedhof in der Marchettigasse in Wien. Die Lebensbedingungen einfacher Soldaten in der theresianisch-josephinischen Armee anhand anthropologischer Untersuchungen. MSW 4 (Wien 2008).

5 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

C. Litschauer/Th. Pototschnig, Ein neuzeitliches Bestattungsareal in Wien 9

Abb. 2: Neuer Schottenfriedhof, Grab 162: Holzreste eines Sarges in situ, nach Südosten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Die Friedhöfe an der Sensengasse nehmen unter allen bisher ergrabenen Arealen – mit Ausnahme des Soldatenfriedhofs in der Marchettigasse – eine Sonderstellung ein. Es sind die einzigen, die innerhalb des Gürtels, also innerhalb des ehemaligen Linienwalls situiert sind. Mit dem 23. August 1784, an dem Joseph II. verfügte, dass alle Friedhöfe innerhalb des Liniewalls aufzulassen sind,11 steht auch das zeitliche Ende der drei Friedhöfe im Bereich der Sensengasse fest. Die Gründe für die Verlegung von Friedhöfen aus dem Zentrum an die damalige Peripherie waren mannigfaltig. Die im Mittelalter angelegten Friedhöfe rund um die Kirchen waren zum Bersten voll. Da die Toten nur sehr seicht bestattet waren, vermutete man weiters eine Gesundheitsgefährdung für die Bevölkerung. Also wurden die Friedhöfe in der Stadt sukzessive geschlossen – jener bei St. Michael beispielsweise 150812 – und alternative Plätze gewählt. So war es nur naheliegend, die Plätze nicht wieder im Bereich der zumeist ohnedies schon umbauten Kirchen zu wählen, sondern die Anlagen großzügiger im Bereich von Siechenanstalten und Krankenhäusern zu planen, die sich in den Vorstädten befanden. 13 Vor allem die Pfarren und Klöster waren gegen diese Verord11 „Es sollen von nun an alle Grüfte, Kirchhöfe oder sogenannten Gottesäcker die sich inner in dem Umfange der Ortschaften befinden, geschlossen und statt solcher diese außer den Ortschaften in einer angemessenen Entfernung ausgewählt werden.“ Zitiert nach Bauer 2004, 27. 12 Ackerl et al. 2008, 37 f. 13 Ackerl et al. 2008, 17 f. 14 Siehe auch Sörries, Lexikon 1, 295 f. s. v. Stolgebühren. 15 Siehe auch Sörries, Lexikon 1, 348 f. s. v. Transportsarg.

nung der Stadt, da sie die Stolgebühren14 – Abgaben für die Beerdigung – als einträgliche Einnahmequelle verloren. Grundlegende Änderungen konnten allerdings erst durch das bereits mehrfach erwähnte kaiserliche Hofdekret von Joseph II. erwirkt werden. In diesem Dekret wurde nicht nur die Verwendung eines „Sparsargs“ – der/die Tote wurde mittels eines Sarges transportiert, jedoch ohne diesen bestattet15 – vorgeschrieben, sondern es wurden auch die Größe und Tiefe der Gräber, der Abstand zwischen den Gräbern, die Bestattungskosten und vieles mehr geregelt. Der wichtigste Punkt war allerdings jener, dass fortan nur mehr Friedhöfe außerhalb des Linienwalls liegen sollten. Daraufhin wurde die Großzahl der häufig im spä-

6 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

Abb. 3: Überblicksplan zu den Befunden der Grabungen 2005/2006 auf den Grundstücken Wien 9, Sensengasse 1–3. (Plan: C. Litschauer/I. Mader/Ch. Reisinger)

C. Litschauer/Th. Pototschnig, Ein neuzeitliches Bestattungsareal in Wien 9

7 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

C. Litschauer/Th. Pototschnig, Ein neuzeitliches Bestattungsareal in Wien 9

ten Mittelalter und der frühen Neuzeit entstandenen Friedhöfe Wiens geschlossen. Dies waren unter anderem der Pfarrfriedhof bei St. Leopold (Wien 2), der Spitalsfriedhof des St. Marxer Bürgerspitals (Wien 3), der Matzleinsdorfer Friedhof bei der Blechturmgasse (Wien 5), der Pfarrfriedhof St. Ulrich (Wien 7; siehe Beitrag H. Krause, 217 ff.) und der Pfarrfriedhof Lichtenthal (Wien 9). Bis heute erhalten blieb nur der jüdische Friedhof in der Seegasse (Wien 9). Obwohl das Hofdekret bereits im Jänner 1785 teilweise – der „josephinische Sparsarg“ konnte sich beispielsweise nicht durchsetzen – aufgehoben werden musste, wurde hauptsächlich auf den fünf kommunalen, nun außerhalb des Linienwalls gelegenen Friedhöfen bestattet. Es waren dies der St. Marxer Friedhof (Wien 3), der Matzleinsdorfer Friedhof (Wien 10), der Hundsturmer Friedhof (Wien 12), der Schmelzer Friedhof (Wien 15) und der Allgemeine Währinger Friedhof (Wien 18). 16 Des Weiteren wurden Ortsfriedhöfe, wie der Währinger Ortsfriedhof (Wien 18), belegt. Doch auch die Kapazitäten dieser Bestattungsplätze waren bald ausgeschöpft. Die Wiener Stadtregierung fasste daher im Jahre 1863 den Entschluss, einen für Wien geeigneten, großen kommunalen Friedhof anzulegen. Letztlich einigte man sich auf ein Gelände in Simmering, wo der Zentralfriedhof als Bestattungsplatz für Angehörige aller Konfessionen 1874 eröffnet wurde. 17 Zugleich wurden die anderen fünf kommunalen Friedhöfe geschlossen und die Ehrengräber auf den Zentralfriedhof übersiedelt. Lediglich im Bereich der Israelitischen Abteilung des Allgemeinen Währinger Friedhofs durfte bis 1884 bestattet werden. 18 Anfang der 1920er-Jahre wurden die stillgelegten Friedhöfe teilweise in Parkanlagen umgewandelt und nur der St. Marxer Friedhof und die Israelitische Abteilung des Allgemeinen Währinger Friedhofs blieben erhalten. Bestattungssitten und Totenkult Wien ist nicht nur die Stadt mit dem einzigen Bestattungsmuseum weltweit, sondern generell wird den Wienern auch ein Hang zum Tod nachgesagt. Laut Georg Kreisler soll der Tod ja auch ein Wiener sein. 19 Totenkult und Bestattungsriten unterlagen nicht nur den zeitlichen Modeströmungen, sondern vor allem auch der Stellung der Verstorbenen in der Gesellschaft. Da Begräbnisse von herausragenden Persönlichkeiten bis ins kleinste Detail dokumentiert wurden, ist hier die Quellenlage besonders gut. Je schlechter die soziale Stellung der/des Verstorbenen war, umso weniger Informationen sind überliefert. Vor allem in diesem Bereich kann die Archäologie und Anthropologie durch Grabungen und Auswertungen einen großen Beitrag leisten. Wie bereits erwähnt, unterlagen die Bestattungssitten im Laufe der Zeit auch 16 Ackerl et al. 2008, 36 f.; Czeike, Wien Lexikon 3, 562 s. v. Kommunalfriedhöfe. 17 Zur Geschichte des Zentralfriedhofs siehe Bauer 2004, 93–119. 18 M. Feurstein/G. Milchram, Jüdisches Wien. Stadtspaziergänge (Wien 2001) 191. 19 G. Kreisler, Der Tod das muss ein Wiener sein (Preiser Records 1969).

gewissen Moden: Im Mittelalter wurde der Tote noch in Leinen eingeschlagen und mit einem Transportsarg, einem Korb oder einer Trage auf den Friedhof gebracht und begraben. Beigaben waren eher selten. Das Grab an sich spielte im Totenkult eine untergeordnete Rolle. Mit dem Beginn der Neuzeit wurden Beigaben wieder üblich sowie Sargbestattungen immer gebräuchlicher (Abb. 2). Gleichzeitig erhob man Begräbnisse hochstehender Personen zum Ereignis.

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C. Litschauer/Th. Pototschnig, Ein neuzeitliches Bestattungsareal in Wien 9

Aufsätze

Im Biedermeier hielt wiederum die Zurückgezogenheit Einkehr: Bestattungen fanden im Familienkreis oder gar ohne Familie statt. 20 Dies änderte sich erst wieder mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts – ein Begräbnis wurde wieder zum Ereignis. 21 Es ist auch die Zeit, in der die ersten Bestattungsunternehmen in Wien entstanden. 22 Die Friedhöfe wurden mit Beginn des 17. Jahrhunderts nicht mehr locker um Kirchen herum, sondern geplant angelegt, was auch zum Entstehen von Wegsystemen führte. Schachtgräber waren dabei neben Massengräbern die häufigste Grabform. Schachtgräber sind tiefe, langrechteckige Gruben, in denen mehrere Bestattungen übereinander Platz fanden. 23 Vor allem durch die Tiefe der Gräber wollte man auch Verbesserungen im Hygienebereich erzielen. Nach der üblicherweise sarglosen Bestattung im Mittelalter wurden spätestens ab der Einführung von Leichenhäusern – zur zweitägigen „Zwischenlagerung“ der Toten, um das Begraben etwaiger Scheintoter zu verhindern – Särge vor allem aus hygienischen Gründen unverzichtbar. 24 In Österreich wurde die Leichenschau bereits 1714 zur Pflicht, womit es nicht mehr möglich war, die Leiche sofort zu bestatten. 25 Wie wichtig der Sarg als Bestandteil des Begräbnisritus mittlerweile angesehen wurde, zeigte sich in der Empörung des Volkes, als Joseph II. den sog. Sparsarg verpflichtend einführen wollte und mit diesem Ansinnen letztlich scheiterte. Waren Särge am Ende des Mittelalters und zu Beginn der Neuzeit noch einfache, rechteckige Holzkisten, wurden sie in der Neuzeit durch Holzsärge mit überhöhtem Deckel abgelöst. Die Form verjüngte sich vom Kopf- zum Fußteil und der Querschnitt war zuerst fünf-, dann sechseckig. Vor allem im Barock war die Bemalung der Särge mit Motiven wie Sanduhr und Totenköpfen sowie mit floralem Dekor gängig. 26 Dass diese Sitte im 18. Jahrhundert noch nicht gänzlich ausgestorben war, beweisen ornamental bemalte Reste des Holzsargs eines männlichen Verstorbenen in Grab 148 am Neuen Schottenfriedhof. 27 Barocke Särge wurden – wie auch bei Exemplaren aus der Grabung Sensengasse nachgewiesen – noch vernagelt, erst später setzte man Sargschrauben ein, die auch als Zierrat dienten. 28 Zu Beginn des 19. Jahrhunderts lösten formale Verzierungen die Bemalung am Sarg endgültig ab. Vor allem Sarggriffe und -beschläge waren im 19. Jahrhundert in Papier ausgeführt. 29 Särge aus Blech blieben aufgrund ihres Preises wiederum nur den reichsten Bürgern vorbehalten. Die Ausstattung der Särge war ebenfalls von der finanziellen Lage der/des Verstorbenen abhängig. Grundsätzlich wurden alle Särge mit Sägespänen oder Stroh ausgelegt. Das Material sollte die entstehende Leichenflüssigkeit aufsaugen. 30 Über der Lage aus Stroh oder Sägespänen folgte grobes Leinen. Der Kopf der Leiche wurde auf ein Kissen, welches ebenfalls mit Stroh gefüllt war, gelegt. Die Leiche selbst trug ein sog. Totenkleid, welches oft mehr Schein als Sein war. Viele der prächtig aussehenden Wäschestücke wurden aus Ersatzmaterialien wie Papier und billigen Stoffen gefertigt, womit wiederum sehr gut die soziale Stellung differenziert werden kann. 31 Die Toten wurden mit einem sog. Übertan aus Leinen oder Seide zugedeckt. 32

20 Man denke nur an die Berichte von Mozarts Tod und die Bestattung am 5. Dezember 1791. 21 Ackerl et al. 2008, 37 f. 22 F. Knispel, Zur Geschichte des Bestattungswesens in Wien (Wien 1982) 9. 23 Sörries, Lexikon 2, 321 f. s. v. Schachtgrab. 24 Sörries, Lexikon 1, 262 f. s. v. Sarg. 25 Sörries, Lexikon 1, 202 f. s. v. Leichenschau/Leichenbeschau. 26 A. Rainer, Sargmalereien. In: A. Rainer (Hrsg.), Die Michaeler Gruft in Wien. Retten, was zu retten ist (Wien 2005) 77–81. 27 Aus diesem Grab stammen auch ein Miniaturglasfläschchen in einer Bronzekapsel (siehe unten, 31 und Abb. 27) sowie eine bemalte, in Bronze gefasste Porzellanmedaille. 28 Sörries, Lexikon 1, 267 f. s. v. Sargschrauben. 29 Sörries, Lexikon 1, 237 s. v. Pappsargbeschläge. 30 Sörries, Lexikon 1, 264 f. s. v. Sargausstattung. 31 Sörries, Lexikon 1, 329 f. s. v. Totenkleid. 32 Ullermann 2005, 65.

9 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Aufsätze

C. Litschauer/Th. Pototschnig, Ein neuzeitliches Bestattungsareal in Wien 9

Durch die Ausstattung der Toten mit Gewändern werden auch die Funde wieder zahlreicher. So finden sich in Gräbern ab der frühen Neuzeit unter anderem Gürtelschnallen, Knöpfe, Beschläge und Besatzfragmente. Ab dem Ende des 16. Jahrhunderts werden der/dem Toten generell wieder vermehrt Grabbeigaben mitgegeben. Vor allem die Gegenreformation mit der Intensivierung von Wallfahrten, des Marienglaubens und der Rosenkranzgebete bewegte die Menschen, Wallfahrtsmedaillen, Rosenkränze, Heiligenbildnisse und Kreuze mitzugeben. 33 Die neuzeitlichen Friedhöfe auf den Grundstücken Sensengasse 1–3 Das Bestattungsareal, welches in den Jahren 2005 und 2006 von der Stadtarchäologie archäologisch untersucht wurde,34 liegt im 9. Wiener Gemeindebezirk. Das rund 1,2 ha große Grabungsgelände befindet sich im Zwickel zwischen der Sensengasse (Nr. 1–3) im Südosten und der Spitalgasse im Westen. Im Norden schließt der Arne-Carlsson-Park an (Abb. 3). 33 N. Hofer, Die Funde aus dem Friedhof nördlich des Schlosses. In: M. Müller et al., Die archäologischen und bauhistorischen Untersuchungen im Schloss Kaiserebersdorf. MSW 3 I (Wien 2008) 365. 34 Zu Vorberichten siehe C. Litschauer, Wien 9, Sensengasse 1–3. FWien 9, 2006, 313– 315; dies., Wien 9, Sensengasse 1–3. FWien 10, 2007, 253–260. Ständige Mitarbeiter der Stadtarchäologie waren I. Mader, Ch. Reisinger sowie tageweise J. Groiß. Mein besonderer Dank geht an I. Mader für ihre Recherchen zur Geschichte des Bezirks. An dieser Stelle sei auch allen Studenten gedankt, ohne deren Mitarbeit die Umsetzung der Grabung nicht möglich gewesen wäre. 35 An weiteren Ansichten ist z. B. jene von Joseph Nagel („Grundriß der Kayserlich-Königl.en Residenz-Stadt Wien, Ihrer Vorstädte, und der anstoßenden Orte“; WStLA, Kartographische Sammlung 5), aufgenommen ab dem Jahr 1770, zu nennen. 36 Eine detaillierte Aufarbeitung und Auswertung soll in der Dissertation von Th. Pototschnig mit dem Arbeitstitel „Neuzeitliche Bestattungsplätze in Wien aus archäologischer Sicht“ vorgelegt werden. 37 Czeike, Wien Lexikon 1, 225 s. v. Bäckenhäusel. 38 www.meduniwien.ac.at/histmed/stoerckbiographie.htm (14.7. 2009) sowie de.wiki source.org/w/index.php?title=ADB:Stoerck,_A nton_Freiherr_von&oldid=564353 (14.7.2009). 39 W. Regal/M. Nanut, Kein Geld für Arme. Das Bürgerspital – Spurensuche im Alten Medizinischen Wien. Ärzte Woche 18. Jg. Nr. 4, 2004 (www.aerztewoche.at/viewArticlePrint Details.do?articleId=3234).

Topographisch gesehen liegen die Friedhöfe auf der ersten Terrasse über dem Donaukanal, deren Abbruchkante sich zwischen der Nußdorfer und der Liechtensteinstraße befindet. Ursprünglich waren die Friedhöfe im Westen von dem aus Hernals kommenden Alserbach begrenzt, dessen Bachbett in diesem Abschnitt weitgehend dem Verlauf der heutigen Spitalgasse entspricht. Neben den schriftlichen Überlieferungen ist vor allem die Vogelschau von Joseph Daniel Huber (Abb. 1), aufgenommen in den Jahren 1769–1773, eine wichtige Quelle. 35 Die Ansicht wurde bereits im Vorfeld der Grabungen in digitaler Form über den heutigen Stadtplan gelegt und erleichterte sowohl die Grabungskampagnen als auch die Aufarbeitung bedeutend. Es überraschte die Genauigkeit des Kupferstichs, was die Annahme zulässt, dass der Künstler einen Katasterplan als Vorlage benutzte. Das historische Wissen konnte nun durch die Grabungen auch archäologisch untermauert und ergänzt werden. Die vorläufigen Ergebnisse zu den Befunden und Kleinfunden der Friedhöfe36 sollen hier in chronologischer Reihenfolge vorgestellt werden sowie die Auswertung des keramischen Fundmaterials und die anthropologischen Analysen in den nachfolgenden Artikeln (siehe die Beiträge von I. Gaisbauer, 42 ff. und M. Gebetsroither/K. Großschmidt, 80 ff.). Der Bäckenhäusel Gottesacker Das in etwa an der Währinger Straße/Ecke Boltzmanngasse im Bereich des heutigen Chemischen Instituts der Universität Wien gelegene Bäckenhäusel war ursprünglich eine Anstalt für gebrechliche Mitglieder der Bäckerzunft. 37 Im Jahr 1656 wurde es zu einem Armen- und Siechenhaus für verarmte Wiener Bürger umfunktioniert. 38 Im Jahr 1706 wurde es schließlich neben dem Spital zu St. Marx (heute Landstraße) vom Bürgerspital als Filiale erworben um die unterschiedlichen Krankheitskategorien – „infektiöse Kranke, Schwangere, Irrsinnige und Findelkinder“ – auf die verschiedenen Häuser aufteilen zu können. 39 1868 wurde die Anstalt geschlossen.

10 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

C. Litschauer/Th. Pototschnig, Ein neuzeitliches Bestattungsareal in Wien 9

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Abb. 4: Bäckenhäusel Gottesacker, Massengrab 371: Skelettlage in einem Massengrab, nach Westen. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Der zum Bäckenhäusel gehörige Friedhof konnte in etwa in der Mitte des Areals lokalisiert werden (Abb. 3) und war somit auch in diesem Fall im Nahbereich des Siechenhauses angesiedelt. Der 1656 angelegte Friedhof wurde im Jahr 1784 aufgelassen. Bestattungen Anders als bei Schachtgräbern für Sargbestattungen manifestierte sich dieser Bestattungsplatz durch zumindest sechs teilweise nur angeschnittene Massengrabgruben (Abb. 3 und 4). Die Gruben waren einerseits durch die Erbauung des k. k. Offiziersspitals massiv gestört, andererseits aber auch durch dessen Einplanierung. Die zuletzt genannten Störungen zeigten sich durch eine starke Durchwühlung der obersten Skelettlagen, aber auch durch ein massives Auftreten von Bauschutt in den oberen 1–2 m der Gruben. Die Form der Massengräber ist im Querschnitt als annähernd rechteckig mit abgerundeten Kanten zu beschreiben. Die Ränder fielen beinahe vertikal ab, wobei sie im Bereich der Oberkante und der Unterkante abgeflacht verliefen. Der Grubenboden (UK 14,70–15,10 m über Wr. Null) war eben. Die durchschnittlichen Ausmaße in der Fläche betrugen rund 465 m, die Tiefe ca. 4 m. Die Verfüllung bestand aus gelbgrauem Schotter, in den die Skelette eingebettet waren. Die alternierende und möglichst platzsparende Positionierung der Toten neben- und übereinander lässt auf eine Beerdigung in Stoffsäcken schließen. Drei bis vier Skelettlagen bildeten je ein Paket, das mit rund 20– 30 cm Schotter aufgeschüttet wurde, ehe sich der Ablauf wiederholte (Abb. 4). Grob hochgerechnet kann man also mit einer Mindestbelegung von rund 300 Verstorbenen pro Massengrab rechnen. Die Orientierung der Toten wechselte mit den Skelettlagen bzw. je nach Platzangebot zwischen einer NordSüd- und einer West-Ost-Lage, wobei Erstere insgesamt überwog. Gelegentlich wurden auch Gebeine geborgen, die gänzlich anders orientiert waren. In den Massengräbern konnte vereinzelt Chlorkalk dokumentiert werden. Ob einige der Gruben auch als Pestgruben genutzt wurden, kann zwar nicht beant-

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wortet werden, da dies ohne sehr kostspielige Spezialuntersuchungen nicht an den Knochen ablesbar ist (siehe Beitrag M. Gebetsroither/K. Großschmidt, 80 ff.), es ist aber anzunehmen. Chronologisch würde sowohl die verheerende Pestepidemie aus dem Jahr 1679 infrage kommen, die zwischen 77 000 und 140 000 Tote forderte und vor allem auch die Epidemie 1713–1714, der weitere unzählige Menschen zum Opfer fielen. 40 Dass auch anders Verstorbene hier bestattet wurden, zeigt ein aus der Massengrabgrube 372 stammender Schädel, der eine Schusswunde am Hinterkopf aufweist. Funde Funde sind kaum aufgetreten, obwohl gerade im Bereich des Bäckenhäusel Gottesackers in den sechs Massengräbern geschätzte 1800 Tote lagen. Insgesamt sind 26 Funde dem Friedhof zuzuordnen. Eine stark korrodierte, unkenntliche Münze, Perlen von Rosenkränzen, drei Medaillen mit unkenntlichen Motiven, ein Kreuz sowie drei Ringe aus Bein zählen zu den prominenteren Funden. Weiters sind Textilreste (darunter ein Stück von einer Perücke), Knöpfe und Häkchen zu erwähnen. Das Fehlen von Sargnägeln im Fundspektrum unterstützt die Annahme, dass die Toten in Tüchern oder Säcken bestattet wurden. Die geringe Zahl an Beigaben kann einerseits mit der Zugehörigkeit des Friedhofs zum Bäckenhäusel und dessen sozial am unteren Rand der Gesellschaft stehender Klientel begründet sein oder mit Toten, die einer Seuche zum Opfer gefallen sind und eine liebevolle Bestattung daher nicht durchgeführt werden konnte. Der Spanische Friedhof In der Nordost-Ecke des Grabungsareals lag der Spanische Friedhof (Abb. 3). 41 Es handelte sich hier um den Bestattungsplatz für das 1717 gegründete Spanische Spital (heute Wien 9, Boltzmanngasse 9–9 a), das anstelle des Prunn’schen Hauses, welches bereits 1713 während einer Pestepidemie als Lazarett genutzt wurde, im Jahr 1718 errichtet und 1759 erweitert wurde. 42 Es wurde unter Karl VI. im Zuge der Spanischen Erbfolgekriege (1701–1714) für seine getreuen spanischen Veteranen und deren Familienangehörige sowie für die Angehörigen der neuen welschen (Neapolitanien, Sizilien, Mailand) und niederländischen Untertanen eingerichtet. Unter anderem war der niederländische Arzt Anton de Haen (1704–1776)43 hier tätig, der später der erste Vorstand der Medizinischen Klinik an der Wiener Universität wurde. Bekannt ist auch sein Kontakt zu Gerhard van Swieten44, dem Leibarzt Maria Theresias von ebenfalls niederländischer Herkunft, der heute als Gründer der Älteren Wiener Medizinischen Schule gilt. 40 P. Pleyel, Friedhöfe in Wien. Vom Mittelalter bis heute (Wien 1999) 22; 25; 29. 41 Hofbauer 1861, 120 f. mit Anm. 4. 42 Czeike, Wien Lexikon 5, 259 s. v. Spanisches Spital. 43 Czeike,Wien Lexikon 3, 19 s. v. Haen Anton de. 44 Czeike, Wien Lexikon 5, 404 s. v. Swieten Gerhard van.

Nach der Eröffnung des Allgemeinen Krankenhauses im Jahr 1784 wurde das Spanische Spital aufgelöst und diente weitere vier Jahre als Wiener Findelhaus. Bestattungen Insgesamt wurden in diesem Bereich 61 in Reihen angelegte Grabgruben dokumentiert, welche als Schachtgräber mit Mehrfachbestattungen anzusprechen sind. Es konnten rund 100 Individuen geborgen werden. Meist beinhalte-

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Abb. 5: Spanischer Friedhof: Doppelsargbestattung in Schachtgrab 309, nach Osten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

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Abb. 6: Spanischer Friedhof, Grab 261: Am Schädel der Toten ist deutlich der Abdruck eines Totenkranzes und im Beckenbereich der Chlorkalk zu sehen; nach Osten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

te ein Grab ein bis zwei übereinander Bestattete in situ sowie Knochen von weiteren umgelagerten Individuen. Die Gräber waren einheitlich Nordost-Südwest orientiert, wobei der Schädel im Norden positioniert war. Die Toten waren vorwiegend in rund 1,8060,60–0,70 m großen Särgen bestattet worden, was aufgrund von zahlreichen Lagen von Holzresten nachgewiesen werden konnte. Die Grabgruben waren lediglich minimal größer. Besonders interessant erscheint, dass es neben einfachen Holzsärgen auch Doppelsärge gegeben hat (Abb. 5). Diese manifestierten sich im Befund besonders durch den fehlenden Zwischenraum zwischen den in einer Grabgrube Bestatteten. Gelegentlich wurde eine weiße Substanz in pulvriger Form dokumentiert. Dabei dürfte es sich um Chlorkalk handeln (Abb. 5 und 6), der zur Desinfektion diente. Vom Friedhof konnten rund 700 m2 Fläche dokumentiert werden, wobei die ursprünglichen Ausmaße unbekannt sind, da keine Umfriedungen zutage getreten sind. Rund 5 m westlich und parallel zur Sensengasse führte – aufgrund der fehlenden Gräber – ein Weg im Randbereich der Bestattungen in den hinteren, nördlichen Bereich des Friedhofs. Das Gehniveau ist in etwa 1–1,50 m über der Grabgrubenunterkante (durchschnittlich 15,50 m über Wr. Null) zu rekonstruie-

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ren und wird somit in etwa auf einem Niveau von 16,50–17 m über Wr. Null gelegen haben. Funde Am Spanischen Friedhof wurden Militärangehörige und ihre nächsten Verwandten bestattet. Dementsprechend höher ist das Fundvorkommen mit 52 Stück. Neben zwei Pilgerzeichen und einigen Medaillen, die nicht mehr zuordenbar sind, befinden sich im Fundgut auch zwei Anhänger mit der Mariazeller Gnadenmutter und ein Benediktuspfennig. Von den aufgefundenen Münzen konnte nur eine als Krone aus dem Jahre 1751 bestimmt werden. An Trachtbestandteilen wurden diverse Knöpfe, Schnallen und Textilreste, darunter zwei Totenhäubchen, geborgen. Die im Bereich des Spanischen Friedhofs gefundenen Sargnägel und Holzreste bestätigen die Sitte von Sargbestattungen in den Schachtgräbern. Einbauten Im Südwesten des Spanischen Friedhofs waren die Ausrisse eines Baukörpers erkennbar (Abb. 7). Die wenigen erhaltenen, ungestempelten Ziegel des Formats 2661466 cm in Originallage sowie der dazugehörige hellgraue Kalkmörtel indizieren eine Datierung ins 18. Jahrhundert. Die den Gräbern entsprechende Orientierung des Baus sowie eine auf dem Plan von J. D. Huber dargestellte Kapelle an dieser Stelle (Abb. 1) lassen darauf schließen, dass es sich bei den erfassten Resten um die ehemalige Friedhofskapelle gehandelt hat. Die Längsausdehnung des Gebäudes (UK ca. 14 m über Wr. Null) betrug gute 11 m, die Breite konnte aus bautechnischen Gründen nur bis 4,50 m dokumentiert werden, sollte aber 8 m nicht überschritten haben. Als einer der wenigen Baureste in situ konnte im Norden ein 0,8060,90 m großer Stützpfeiler in Form eines Gussmauerwerks mit Ziegelschalung (UK 15,50 m über Wr. Null) dokumentiert werden. Eine in der Nordost-Ecke angrenzende, rechteckige und etwa 0,4060,60 m große Ziegellage in Mörtelbettung (zwei Lagen erhalten) könnte aufgrund der seichten Fundamentierung (UK ca. 16,35 m, OK 16,50 m über Wr. Null) eine Basis für ein Denkmal darstellen (Abb. 7). Im Gegensatz zum fehlenden Baubefund der Kapelle konnte die angewendete Abrisstechnik umso besser dokumentiert werden. Die wellenförmigen Negativabdrücke (Abb. 7, im Bild rechts) lassen darauf schließen, dass einzelne Mauerteile der Reihe nach auf eine relativ weiche Unterlage – mit einem hohen Anteil an Ziegelmehl der zuvor aussortierten Mauerteile – gestürzt und in der Folge das verwertbare Baumaterial aussortiert wurde. Nur so lässt sich beispielsweise die abgeschrägte Nordost-Ecke im Ausriss erklären, da sich die Kante nach unten hin verjüngt. Außerdem entspricht sie nicht der Darstellung von Huber, die einen rechteckigen Abschluss zeigt. Vermutlich wurde in diesem Bereich mit den Abbrucharbeiten begonnen. Hintergrund für die beinahe vollständige Entfernung der Baubestandteile wird die Wiederbenutzung des hier vorhandenen und somit leicht zu beschaffenden Baumaterials für neue Bauten gewesen sein.

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Östlich der Kapelle wurde ein weiterer, ebenfalls nur als Ausriss erhaltener Befund (UK 16 m über Wr. Null) dokumentiert, der als Basis eines Denkmals oder wahrscheinlicher eines auf dem Plan von Huber dargestellten Kreuzes zu interpretieren sein wird (Abb. 1). Es handelte sich dabei um zwei unterschiedlich große, rechteckige Ausrisse mit annähernd vertikal abfallenden Rändern und flachem Boden. Der Neue Schottenfriedhof Auf der Suche nach Ersatz für den 1751 aufgelassenen sog. Vogelsangfriedhof auf der Freyung im 1. Wiener Gemeindebezirk45 stellte der Wiener Stadtrat noch im Namen des damaligen Leiters des Schottenstiftes, Abt Robertus (Robert Stadler, 1750–1765), im Jahr 1764 den Antrag zur Überlassung eines Grundstücks für die Errichtung eines neuen Friedhofs an die Landesregierung. 46 Die Bewilligung umfasste schließlich ein rund 2 Joch großes Ackerland zwischen Alserbach und Kontumazhof, das ab 1765 als Friedhof eingerichtet wurde und zuvor im Besitz des Leinwandbleichers Mathias Neukam war. 47 Die Durchführung des Projekts fand allerdings erst unter der Leitung – ab 1765 – des Abtes Benno Pointner (1722–1807) statt.

Abb. 7: Spanischer Friedhof: Ausrissgrube mit einem der wenigen erhaltenen baulichen Reste (seicht fundamentiert, links unten) der Friedhofskapelle; nach Osten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Zwischen der Schließung des Vogelsangfriedhofs im Jahr 1751 und der Eröffnung des neuen Schottenfriedhofs 1765 wurden die Verstorbenen am Mariazeller Friedhof (Wien 9)48 bestattet. Dieser lag im Bereich der Schwarzspanierkirche, wurde im 16. Jahrhundert am Gelände des 1529 zerstörten Klosters St. Maria Magdalena als „kaiserlicher Gottesacker (vor dem Schottenthore)“ angelegt und im Jahr 1576 eingeweiht. Nach der beinahe vollständigen Zerstörung während der Zweiten Türkenbelagerung im Jahr 1683 ging das Areal in den Besitz des Stiftes Montserrat (Schwarzspanier) über, das hier den nach einer in der Friedhofskapelle aufgestellten Kopie des Mariazeller Gnadenbildes benannten Mariazeller Friedhof einrichtete. 49 Die Akten des Wirtschaftsarchivs des Schottenstifts, Priorats Journal 1765– 1767, lassen darauf schließen, dass Bestattungen nach der Auflösung des Neuen Schottenfriedhofs im Jahr 1784 am Allgemeinen Währinger Friedhof (Wien 18; siehe oben) stattfanden. 50 Dieser wurde bereits im Jahr 1783 eingerichtet und in der Mitte des 19. Jahrhunderts erweitert, um den Toten der Schotten- und der Liechtenthal-Pfarre sowie des Allgemeinen Krankenhauses und des Garnisonsspitals Platz bieten zu können. 51 Bestattungen Der Friedhof war im Westen des Grabungsareals gelegen und verlief parallel zur Spitalgasse bis zum Arne-Carlsson-Park (Abb. 3). Das Bestattungsareal konnte auf rund 8400 m2 dokumentiert werden, wobei seine westlichen Ausmaße durch die Spitalgasse beschnitten waren. Die östliche Begrenzung entsprach

45 Hauswirth 1858, 141; H. Wohlrab, Die Freyung. Wiener Geschichtsbücher 6 (Wien, Hamburg 1971) 35. 46 L. Senfelder, Der kaiserliche Gottesacker vor dem Schottenthor. BMAVW 37, 1902, 21. 47 Hofbauer 1861, 107; Hauswirth 1858, 141. 48 Entspricht heute etwa den Höfen 8 und 9 im rückwärtigen Trakt des Alten Allgemeinen Krankenhauses. 49 Bauer 2004, 40 f. 50 Dies widerspricht Bauer 2004, 197 f., der annimmt, dass der allerdings erst 1807 eröffnete Friedhof von Breitenlee (Wien 22) als Ersatz diente. 51 Bauer 2004, 84 f.

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Abb. 8: Neuer Schottenfriedhof, Grab 112: Leichnam mit Medaille in der Hand; im rechten Brustbereich Reste eines Holz-Bronze-Kreuzes sowie ein Bronzering am linken Ringfinger; nach Osten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Abb. 9: Neuer Schottenfriedhof, Grab 134: männlicher Bestatteter mit Schuhschnallen in situ; nach Osten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

dem Verlauf der Rückwand des hier als Sakristei angesprochenen Gebäuderestes (siehe unten, 21 ff.). Aufgrund der jüngeren Störungen konnte kein eindeutiges Begehungsniveau festgestellt werden. Erfahrungswerte lassen jedoch auf ein Gehniveau 1– 1,50 m über den Grabgrubenunterkanten schließen, womit es mit einem leichten Nord-Süd-Gefälle auf rund 16–18 m über Wr. Null zu rekonstruieren sein wird. Dem entspricht auch das Gehniveau (OK durchschnittlich 16,50 m über Wr. Null) der Baukörper beiderseits der Friedhofskirche. Insgesamt wurden 232 Grabgruben mit über 300 Bestattungen freigelegt. Die Grabgruben waren langrechteckig ausgeführt, hatten im Durchschnitt eine Größe von 1,80–260,60–0,80 m und waren in Reihen angeordnet. Die Holzsärge waren lediglich geringfügig kleiner. In den Schachtgräbern befanden sich jeweils mindestens zwei Individuen. Diese waren in gestreckter Rückenlage bestattet, mit auf der Brust oder im Bauchraum situierten, zumeist gekreuzten oder angewinkelten Armen (Abb. 8 und 9). Gelegentlich waren die Arme ausgestreckt entlang des Körpers positioniert (Abb. 10). Die Bestatteten lagen, mit einer minimalen Abweichung nach Westen Nord-Süd orientiert, mit dem Kopf

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Abb. 10: Neuer Schottenfriedhof (ohne Grabnr.): Kinderbestattung im dafür vorgesehenen Areal im Norden. Der Schädel des rund 3 Jahre alten Kindes weist Abdrücke eines Totenkranzes auf; nach Norden. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

im Norden. Die Schädelhaltung ist bei rund 80% als en face zu bezeichnen. In einzelnen Fällen, wie der Bestattung eines ca. 10 Monate alten Säuglings in Grab 212 und der Bestattung eines 35–40 Jahre alten Mannes in Grab 122, war der Schädel im Süden positioniert. Dies ist vermutlich auf einen sorglosen Umgang der Bestatter zurückzuführen. Gelegentlich konnte auch am Neuen Schottenfriedhof Chlorkalk im Bereich der Toten zur Desinfektion dokumentiert werden. Weiters konnten vereinzelt auch obduzierte Körperteile festgestellt werden. So findet sich ein entsprechender Befund in Grab 14 des Neuen Schottenfriedhofs. Hierbei handelt es sich um Knochen einer fachgerecht obduzierten Leiche. Die Kalotte des Individuums wurde abgesägt, um die Kopfhöhle zu öffnen und das Gehirn des Verstorbenen zu weiteren Untersuchungen zu entnehmen. Dies ist heute noch die gängige Praxis bei Obduktionen sowohl der Pathologie als auch der Gerichtsmedizin. 52 Aber auch in einigen anderen Grabgruben des Neuen Schottenfriedhofs und des Spanischen Friedhofs sowie in den Massengrabgruben des Bäckenhäusel Gottesackers konnten vereinzelt obduzierte oder zumindest bearbeitete Gebeine festgestellt werden.

52 M. Hochmeister/M. Grassberger/T. Stimpfl, Forensische Medizin für Studium und Praxis (Wien 2006) 7.

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Im Norden des Friedhofs wurden offensichtlich ausschließlich Kinder bestattet (siehe Beitrag M. Gebetsroither/K. Großschmidt, 85). Funde Der Neue Schottenfriedhof ist mit 389 Stücken der fundreichste der hier vorgestellten Friedhöfe. Zu den prominenten Funden gehören neben Kreuzen aus Metall (zum Teil mit Resten einer Vergoldung), Holz und Bein auch Ringe aus Metall und Bein sowie diverse Pilgerzeichen und Medaillen. Die geborgenen Trachtbestandteile umfassen unter anderem Knöpfe, Manschettenknöpfe und Textilreste sowie die Reste von 21 Totenhäubchen. Aber auch Persönliches, wie ein Fingerhut, der einem drei bis vier Jahre alten Kind in Grab 211 mitgegeben wurde, kam zutage. Die Einfachheit und die schlichte Ausführung der Funde sowie die körperliche Konstitution der Bestatteten deutet auf eine ärmere, hart arbeitende und schlecht ernährte Bevölkerungsschicht hin (siehe Beitrag M. Gebetsroither/K. Großschmidt, 80 ff.). Die der Hl. Maria Mutter Gottes und dem Hl. Odilo 1767 geweihte Friedhofskirche53 In der Mitte der ehemaligen östlichen Begrenzung des Neuen Schottenfriedhofs konnte die durch die Darstellung von J. D. Huber (Abb. 1) bekannte Friedhofskirche auch archäologisch nachgewiesen werden. Der Kirchturm des Ostsüdost-Westnordwest orientierten Sakralbaus lag im Osten. Unter einer rund 2,50–3 m dicken Planierschicht aus überwiegend kleinfragmentiertem Bauschutt befanden sich die allerdings zum größten Teil nur noch als Ausriss erhaltenen Reste der Friedhofskirche (Abb. 3 und 11–12). 54 Auch hier legt der Grabungsbefund nahe, dass das Baumaterial systematisch abgebaut wurde, um es für andere Bauprojekte wiederverwenden zu können. Die Maße können im Folgenden nur Annäherungswerte sein, da davon auszugehen ist, dass die dokumentierten Ausrisse um mindestens 0,20 m größere Ausmaße55 hatten als die nicht erhaltene originale Baustruktur. Dem entsprechen auch die leicht divergierenden, vom Befund her allerdings vergleichbaren Maße. Vom Bau erhalten geblieben sind lediglich das getreppte Fundament des rechteckig oder quadratisch zu rekonstruierenden Altarraums, von dem jedoch nur 53 Hauswirth 1858, 141: „Im Jahr 1766 wurde der neue Schottische Pfarrfriedhof am Alserbache und im folgenden Jahre die dazu gehörige Kapelle zu Ehren der heiligen Jungfrau und des heiligen Abtes Odilo eingeweihet.“ Der Benediktinerabt Odilo von Cluny (961– 1049) wurde als Patron der Armen Seelen im Fegefeuer verehrt. 54 Ein Grundrissplan konnte nicht aufgefunden werden. 55 Dies wurde anhand der Pfeilerreihe rekonstruiert bzw. hier anhand des Unterschieds zwischen den als Ausrisse erhaltenen Pfeilern und dem original erhaltenen Pfeiler.

der nordwestliche Teil dokumentiert werden konnte, sowie die Reste von zwei parallelen Mauern, die vermutlich zum Kirchturm gehörten und für einen späteren Einbau weiterverwendet wurden. Weiters einer der insgesamt vier Pfeiler der zentralen Pfeilerstellung und Reste einer Ost-West verlaufenden Mauer unklarer Funktion im Bereich der Pfeilerreihe. Die Westseite des Baus konnte lediglich anhand von Ausrissen dokumentiert werden. Die Mauerstärke des dokumentierten Fundaments (UK 11,70 m über Wr. Null), dessen innere Nordwest-Ecke durch eine abgeschrägte, um 0,90 m vorstehende und 1,20 m lange Kante charakterisiert wird, betrug durchschnittlich 1,20–1,40 m (Abb. 11). Das Bindemittel des Gussmauerwerks war hellgrauer Kalkmörtel. Auf einer 0,05–0,10 m dicken Mörtelunterlage saßen bis zu 1 m

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Abb. 11: Neuer Schottenfriedhof, Friedhofskirche: Fundament des Altarraums und sekundär weitergenützte Kirchenmauer; nach Südosten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

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Abb. 12: Neuer Schottenfriedhof, Überreste der Friedhofskirche: Fundament des Altarraums (oben) und zentrale Pfeilerstellung; nach Südosten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

große, nur grob zugehauene Sandsteine, darüber eine vergossene, rund 0,05 m zurückspringende Läuferlage. Die Höhe dieses unteren Fundamentteils betrug rund 0,90 m. Darauf folgten eine Lage massiver, ebenfalls nur grob zugehauener Kalksteine etwas kleineren Formats, eine weitere Ziegelschar sowie eine Lage aus kleineren Werksteinen. Dieser Abschnitt umfasste eine Höhe von bis zu 0,50 m. Das südliche Pendant konnte nicht dokumentiert werden, da die Schubkraft des angrenzenden Kellers zu groß war. Südlich schließt die aufgehende Nordmauer des vermeintlichen Kirchturms an (Abb. 11), die aufgrund ihrer sekundären Nutzung – vermutlich als Aufgang zum Offiziersspital – bis zu einer Höhe von annähernd 5,50 m (erh. OK rund 17,20 m über Wr. Null) erhalten geblieben ist. Die Mauer wurde zu ca. 90% aus Ziegeln des Formats 6613627 cm errichtet, die in relativ sandreichem Kalkmörtel in unregelmäßigem Verband lagig verlegt waren. Ohne erkennbare Anordnung waren dazwischen vereinzelt nur grob bearbeitete Werksteine versetzt, wobei diese im Sockelbereich verstärkt anzutreffen waren. Die Mauerstärke sowohl der Nordmauer als auch der lediglich an der erhaltenen Oberkante dokumentierbaren Südmauer betrug knappe 0,50 m. Die äußere Nord-Süd-Ausdehnung des Turms betrug annähernd 3 m, die innere somit rund 2 m. Die

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West-Ost-Ausdehnung und absolute Unterkante konnte aus sicherheitstechnischen Gründen nicht erfasst werden. In einer Flucht mit der Nordmauer des Turms läuft eine Reihe aus vier Pfeilern (Abb. 12) – die Unterkante entspricht jener des Fundaments des Altarraums – in Richtung Westen, von denen die untersten 0,30 m des westlichsten Pfeilerfundaments 4 als originaler Baubefund erhalten waren (UK 11,90 m über Wr. Null). Sie sind zentriert im auch aufgrund der Ausmaße wahrscheinlich zweischiffigen Langhaus des Sakralbaus zu rekonstruieren. Die restlichen drei Pfeiler waren gänzlich ausgerissen. Der Fundamentausriss war ca. 161 m groß, der Abstand zwischen den Pfeilern betrug rund 2,10 m. Der östlichste Pfeiler 1 hatte vom vermeintlichen Kirchturm einen Abstand von 2,50 m, der westlichste Pfeiler 4 von der als Ausriss erfassten westlichen Kirchenmauer einen Abstand von 2,30 m. Es ist anzunehmen, dass daher im Saalinneren eine entsprechende längs verlaufende, zentrale Pfeilerstellung das Dach trug, das analog zur Darstellung von J. D. Huber als Satteldach zu rekonstruieren ist. Im Bereich von Pfeiler 2 und 3 konnten außerdem die zwei untersten Scharen einer 0,35 m starken Ziegelmauer (UK 11,85 m über Wr. Null) mit hellgrauem Kalkmörtel als Bindemittel dokumentiert werden. Das Ziegelformat, die Bauart und die Lage sprechen für einen baulichen Zusammenhang mit dem Sakralbau, wobei die Funktion nicht klar ist. Möglicherweise handelte es sich um einen kleinen unterkellerten Bereich (Gruft?) unterhalb des Hauptgebäudes. Gegen die Interpretation als Gruft spricht allerdings, dass zumindest die Patres des Schottenstifts in dieser Phase weiterhin in der stiftseigenen Gruft auf der Freyung bestattet wurden. 56 Das Langhaus war gemäß der als Ausrisse erhaltenen Außenkanten rund 10,50612 m groß bzw. die gesamte Länge des Sakralbaus betrug rund 15 m. Die Ausrisskanten legen außerdem für die westliche Außenmauer eine Mauerstärke von 1,30 m und zwei vorkragende, rund 362,50 m große Eckpfeiler nahe, was auch der Darstellung von Huber entspricht. Dieser stellt allerdings zusätzlich in der Mitte der Längsmauer einen allerdings nur geringfügig vorkragenden Pfeiler dar, was im Grabungsbefund nicht verifiziert werden konnte. Vermutlich ist dies jedoch auf die nur mäßig erhaltenen Ausrisskanten zurückzuführen. In der Mitte der Westmauer ist der Eingang zu rekonstruieren, da sowohl auf dem Stich als auch im Befund aufgrund fehlender Gräber ein von Westen auf die Mitte der Kirche zulaufender Weg erkennbar ist. Das bei Huber dargestellte, in das Friedhofsareal führende Tor ist außerhalb des Grabungsgeländes zu rekonstruieren. In den Akten aus dem Wirtschaftsarchiv des Schottenklosters, Priorats Journal 1765–1767, wird auch von der Einrichtung des Friedhofs berichtet. 57 Die Auf56 Hauswirth 1858, 152. 57 Ich möchte mich an dieser Stelle sehr herzlich bei Andreas Prantl bedanken, der mir nicht nur die besagten Wirtschaftsakten bereitstellte, sondern sich auch selbst mit der Materie befasst, mit mir diskutiert und nicht selten entscheidende Hinweise geliefert hat.

listung umfasst relativ genaue Angaben zum Einkauf von Ziegelsteinen bei den Zieglern Baldauf und Stelzer sowie von Dachziegeln aus „Inzerstorf“. Weiters sind die Aufwendungen für die Arbeiter und Gewerbetreibenden genauso wie die Kosten für den Hausmeister und Friedhofswärter aufgeführt. Der Vermerk im Wirtschaftsblatt aus dem Jahr 1767, „dem Maler Bergel sei für das Altarbild zu zahlen“, lässt auf den Kunstmaler schließen, der das nicht erhaltene

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Abb. 13: Neuer Schottenfriedhof, „Sakristei“: Gewölbe im Untergeschoß, nach Süden. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

oder verschollene Altarbild gestaltete. Demzufolge handelte es sich um Johann (Baptist) Wenzel Bergl (1718–1789),58 der 1767 auch die nicht mehr erhaltenen Deckengemälde in der Bibliothek des Schottenklosters entwarf. Die Werke des Schülers von Paul Troger (1698–1762)59 sind dem barocken Illusionismus zuzuordnen. Als eines seiner Hauptwerke gilt das um 1770 entstandene sog. Bergl-Zimmer im Schloss Schönbrunn sowie die 1764–1765 entstandenen Fresken und Altarbilder der ehemaligen Stiftskirche in Klein-Mariazell. Baukörper beiderseits der Kirche – Sakristei? Südlich an den Altarraum angrenzend befand sich ein Baukörper, von dem der Keller vollständig erhalten war (Abb. 3). Die Lage erlaubt es zu vermuten, dass es sich bei dem Einbau in seiner ursprünglichen Funktion um eine unterkellerte Sakristei gehandelt hat. Der rund 1665 m große, im rechten Winkel zur Kirchenachse angelegte Bau wurde aus durchschnittlich 2661366 cm großen, ungestempelten Ziegeln errichtet, die in sandigem, hellgrau bis ockerfarbenem Mörtel mit nur wenig Kalkanteil als Binder in regellosem Verband verlegt und lediglich grob verputzt waren. Gelegentlich fanden sich Ausgleichsschichten aus Kalkmörtel und Ziegelbruch. Ein 1,40 m breiter Zugang mit einer Schwelle (OK 15,90 m über Wr. Null) aus schön bearbeiteten Kalksteinen befand sich im nördlichen Viertel der Westmauer. Vermutlich werden zwei bis drei Stufen hinauf zum Gehniveau der Innenräume geführt haben, da dieses analog zum sekundär eingerichteten Abgang in den Keller und zur Oberkante des Pendants nördlich der Kirche (siehe unten, 24) auf rund 16,50 m über Wr. Null zu rekonstruieren sein wird. Im Westen, dem Einbau vorgelagert, wurde eine rund 1,70 m starke, aus sehr kleinteiligem Schutt mit hohem Ziegelanteil bestehende Schicht dokumentiert.

58 Czeike, Wien Lexikon 1, 332 s. v. Bergl Johann (Baptist) Wenzel. 59 Czeike, Wien Lexikon 5, 480 s. v. Troger Paul.

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Abb. 14: Neuer Schottenfriedhof, „Sakristei“: vermauerter, ursprünglicher (?) Aufgang im Bereich des tonnenförmigen Gewölbes im Norden des Kellers; nach Nordosten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Abb. 15: Neuer Schottenfriedhof, „Sakristei“: sekundär eingezogene Trennmauer im Keller mit einem vermauerten, bogenförmigen Durchgang, der durch eine Tür und eine fensterförmige Öffnung ersetzt wurde; nach Süden. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Möglicherweise handelte es sich aufgrund der steil abfallenden Ränder und des flachen Bodens hier um den ausgerissenen westlichen Bereich des Baus, von dem lediglich der östliche Teil unterkellert war. Somit könnte das Erdgeschoß – das vermutlich die Sakristei beherbergte – eine Größe von rund 14612 m gehabt haben. Der Kupferstich von Huber zeigt wohl aus perspektivischen Notwendigkeiten lediglich sehr schmale Bauten beiderseits der Kirche. Der langgestreckte, Nord-Süd orientierte Kellerraum besaß drei Kuppelgewölbe mit Gurtbögen (Abb. 13) – die Leergerüstabdrücke im spärlichen Verputzrest sind teilweise erhalten geblieben – sowie ein im Norden vorgelagertes, in der Gebäudeachse liegendes, tonnenförmiges Gewölbe, das eine Vermauerung aufwies. Die unten um ca. 2 cm vorspringende Vermauerung mit Ziegeln im Binderverband (Abb. 14) könnte ein Indiz dafür sein, dass sich hier im Nordosten der ursprüngliche Abgang befunden hat. Die in etwa 0,70 m starken Außenmauern wurden als Läufer in regellosem Verband – stellenweise diente Ziegelbruch für Ausgleichslagen – in Kalkmörtelbettung errichtet. Zusätzlich waren vereinzelt grob zugehauene Werksteine (bis 0,4060,60 m) eingearbeitet, die im Sockelbereich verstärkt anzutreffen waren. In den Raumecken sprangen Eckpfeiler um knapp 0,50 m vor, die neben weiteren, ebenfalls um rund 0,50 m vorspringenden Pfeilern im Rauminneren die Träger der Gewölbe waren (Abb. 15). Die Mauertechnik der Pfeiler ist als lockerer Blockverband anzusprechen. Sowohl im Erdgeschoßbereich als auch im Keller konnten mehrere Umbauten dokumentiert werden, die mit der unterschiedlichen Nutzung des Gebäudes zusammenhängen. Im Erdgeschoß wurde nachträglich eine West-Ost verlaufende Mauer eingezogen, die das Geschoß – neben einem bereits vorhandenen, rund 2 x 3 m großen Eingangsbereich im Norden – in einen rund 4,564 m großen Nord- und einen 7,564 m großen Südraum teilte. Im nördlichen Teil des Südraumes

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Abb. 16: Neuer Schottenfriedhof, „Sakristei“: ein nachträglich mit Ziegeln vermauerter Abgang in den Keller, nach Osten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Abb. 17: Neuer Schottenfriedhof, „Sakristei“: nachträglich eingebauter Schlot im Süden der Westmauer des Gebäudes, nach Nordosten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

bzw. etwa in der Gebäudemitte befand sich eine 162 m große sekundäre und später mit Ziegeln der Firma Drasche vermauerte Öffnung (OK 16,50 m über Wr. Null), die in den Keller führte (Abb. 16). Im Süden der Westmauer wurde ein 160,45 m großer Schacht mit einer rund 0,3060,50 m großen Öffnung eingebaut, die mit einem grob bearbeiteten Kalkstein abgedeckt war (Abb. 17). Brandspuren legen eine Verwendung als Schlot nahe. Im Kellergeschoß wurde unmittelbar nördlich des sekundären Abgangs in der Gebäudemitte eine Ziegelwand eingezogen, welche den Raum in eine Süd(764 m) und eine Nordhälfte (ca. 5,5064 m) trennte (Abb. 15). Das Mauerwerk bestand aus einem unregelmäßigen Verband aus als Binder verlegten Ziegeln in Mörtelbettung. Für die Mauer, bzw. für die südlich angrenzende jüngere Öffnung nach oben, wurde aus statischen Gründen ein zweiter Gurtbogen eingezogen, der an den älteren angestellt wurde. Die Wand besaß ursprünglich einen 1,10 m breiten, rund 2 m hohen, bogenförmigen Durchgang – Ziegelhöhe des gemauerten Bogens 0,35 m –, der in einer zweiten Bauphase mit Ziegelsteinen in unregelmäßigem Verband vermauert wurde. In der Folge wurde die Wand mit einer Tür (1,8561,05 m) und einer östlich davon durchgebrochenen fensterartigen Öffnung (0,4560,40 m) ausgestattet (Abb. 15). In beiden Räumen wurde ein unterschiedlich gut erhaltener, an die Mauern ankehlender Lehmstampfboden (OK 12,70 m über Wr. Null) angetroffen. Dabei lassen spärliche Holzreste im südlichen Raum vermuten, dass sich hier zumindest in einer jüngeren Nutzungsphase ein Holzboden befunden haben könnte. In der östlichen Außenmauer des Nordraumes wurde ebenfalls ein sekundär eingebauter Schlot angetroffen, analog zu jenem in der westlichen Außenmauer des Südraumes. Da im Fundmaterial der Kellerverfüllung eine große Anzahl von Blumentöpfen angetroffen wurde, ist anzunehmen, dass das Untergeschoß nach der Säkularisierung als Lagerraum für den k. k. Botanischen Garten und das k. k. Offiziers-

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Abb. 18: Neuer Schottenfriedhof: Überreste eines Brunnens mit getrepptem Vorbau, nach Nordwesten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

spital genutzt wurde und die jüngeren Um- bzw. Einbauten somit ins 19. Jahrhundert datieren. Bei den Aushubarbeiten für die Tiefgarage konnte im Jänner 2007 auch das bis dahin aus Sicherheitsgründen nicht freilegbare nördliche Pendant zur Sakristei im Profil dokumentiert werden. Es handelte sich um einen 2,30 m nördlich des ehemaligen Kirchturms gelegenen, allerdings nicht unterkellerten, rund 12 m langen Ziegelbau. Ein estrichartiges Band im Profil auf rund 16,50 m über Wr. Null verband die Kirche mit dem Bau, wobei es sich vermutlich auch um das Gehniveau der Kirche gehandelt haben wird. Das Profil verriet weiters, dass das Gebäude ursprünglich in drei aufeinanderfolgende Räume unterteilt war. An den südlichsten, rund 4 m breiten Raum grenzte in Richtung Norden ein rund 1 m breiter Raum – wahrscheinlich ein Gang – an, gefolgt von einem rund 5 m breiten Raum. Aufgehendes Mauerwerk war nicht erhalten, die tiefsten Fundamentausrisse konnten bis rund 15,70 m über Wiener Null beobachtet werden. Das keramische Fundmaterial (siehe Beitrag I. Gaisbauer, 42 ff.) aus der Verfüllung des Kellers datiert zwischen dem 17. und dem Ende des 19. Jahrhunderts bzw. kann in einem Fall auch eine Datierung eines Porzellanfragments ins 20. Jahrhundert angenommen werden. Das Material umfasst sowohl reduzierend wie auch oxidierend gebrannte Irdenware. Zu den reduzierend gebrannten Formen zählt unter anderem ein Fragment eines großen Schmelztiegels. Oxidierend gebrannte Irdenware liegt in verschiedenen Formen und mit unterschiedlichen Oberflächendekoren vor und datiert vom 17. bis zum 19. Jahrhundert. Steingut und Porzellanfragmente aus dem 19. Jahrhundert stammen ebenso aus dieser Verfüllung wie Mineral- und Bitterwasserflaschenfragmente aus Steinzeug. Auffällig ist auch ein großer Anteil an Kacheln aus dem 19. Jahrhundert.

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Weitere Einbauten Den bereits oben beschriebenen Weg vom im Westen befindlichen Friedhofstor zur Kirche flankierten ein Brunnen sowie ein wohl für ein Denkmal gebauter Sockel (Abb. 3). Des Weiteren konnten auch die Friedhofsmauern im Norden und Süden dokumentiert werden sowie eine Kalklöschgrube nördlich der Kirche. Brunnen Der Brunnen (Abb. 18) lag nördlich des Wegs, von wo aus er auch zugänglich war. Dies indizierte ein ansatzweise noch erkennbarer getreppter, plateauförmiger Vorbau (erh. OK 15,70 m über Wr. Null). Er führte zur etwas mehr als halbrunden Brunnenöffnung, die im Süden einen geraden Abschluss hatte (Breite 1,20 m), der maximale Radius der Rundung in Richtung Norden belief sich auf 0,95 m. Die Gesamtausmaße des Einbaus betrugen 3,5062,90 m. Während die Außenseite des Brunnens bis zu 0,5060,40 m große Steine und Ziegel in Kalkmörtelbettung aufwies, war die Innenwand des Schachtes (UK nicht erreicht) bis auf die oberen, grob verputzten 0,30 m in Trockenbauweise errichtet: Hier wurden bis zu 0,40–0,60 m große, grob bis gut zugehauene Kalkquader versetzt, wobei die Fugen mit kleinen Steinen und Ziegelsplitt verfüllt waren bzw. auch ausgeglichen wurden. An der Südseite befand sich eine 1 m breite Kanalöffnung, die oben von einem halbrunden Bogen aus radial gesetzten Ziegeln abgeschlossen wurde. Es konnte keine Verbindung zu einem der beiden weiter südlich dokumentierten West-Ost verlaufenden Känale (siehe unten und Abb. 3) festgestellt werden. Im kiesig lehmigen Verfüllungsmaterial des Brunnenschachtes wurden auffallend viele Pfeifenköpfe aus dem 18. und 19. Jahrhundert geborgen. 60 Die Keramik aus der Verfüllung des Brunnens (siehe Beitrag I. Gaisbauer, 42 ff.) erwies sich als eher kleinteilig zerscherbt. Der Erhaltungszustand weist auf mehrfache Verlagerung hin. Die ältesten Fragmente reduzierend gebrannter Keramik aus diesem Bereich zeigen noch deutlich spätmittelalterliche Züge, weitere Fragmente können aufgrund des Erhaltungszustands nur sehr allgemein als neuzeitlich angesprochen werden. Die oxidierend gebrannten und glasierten Fragmente datieren ins 16. und 17. Jahrhundert, einige Kachelfragmente mit grüner Glasur lassen sich ebenfalls dem 17. Jahrhundert zuordnen. Einige sehr kleine Fayence-Wandstücke können aufgrund ihres schlechten Erhaltungszustands nicht genauer zeitlich abgegrenzt werden. Sockel Ein 160,90 m großer Sockel mit abgestrichener Oberkante (OK 15,40 m über Wr. Null) hatte eine Höhe von 0,63 m und verjüngte sich nach unten auf eine Größe von rund 0,9060,80 m. Oberhalb einer 0,05 m dicken, hellgrauen Kalkmörtelunterlage mit Kies- und Ziegelsplitteinlagen wurde eine Ziegelschar im Läuferverband angetroffen. Darauf folgten nur grob bearbeitete Werksteine, ehe der Sockel von drei weiteren Ziegelscharen nach oben hin abgeschlossen wurde. Der hellgraue Kalkmörtel diente auch als Bindemittel. Der Sockel ent-

60 Für diese Pfeifenköpfe ist eine eigene Publikation angedacht.

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spricht möglicherweise einer Basis für ein auf dem Plan von Huber dargestelltes Kreuz, das den Weg zur Kapelle im Süden flankiert (Abb. 1). Friedhofsmauern Reste der Friedhofsmauer wurden im Norden (erh. OK rund 17 m über Wr. Null) und im Süden (UK ca. 15,80, erh. OK ca. 16,30 m über Wr. Null) des Areals angetroffen (Abb. 19). Die im Kalkmörtelverbund errichteten Mauern aus ungestempelten Ziegeln sitzen in den dokumentierten Bereichen auf einem beidseitig rund 0,70 m hohen und ca. 0,05 m vorspringenden Fundament aus massiven, nur grob zugehauenen Kalksteinquadern, deren Oberfläche abgeflacht war. Das durchschnittlich 0,80 m dicke, aufgehende Mauerwerk – Schale aus lagig verlegten Ziegeln mit einem mit Ziegelbruch in Mörtelbettung verfüllten Kern – besaß in unregelmäßigen Abständen – in etwa alle 2 m – verlegte, bis 0,50 m große Kalksteine. Mit Ausnahme der Südansicht der Südmauer konnten keine Verputzreste dokumentiert werden. Die Nordmauer wies in Richtung Norden fünf 0,30–0,60 m starke Mauern auf, die im rechten Winkel ohne erkennbare Baufuge zeitgleich errichtet wurden. Vermutlich sind in diesem Bereich kleine Kammern mit einer Breite von 2,30 bis Abb. 19: Neuer Schottenfriedhof: nördliche Friedhofsmauer mit nach außen gerichteten Quermauern, rechts anschließend die aus Beton errichtete Ruderbeckenanlage; nach Osten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

5 m zu rekonstruieren, deren Funktion allerdings unklar ist. Gut vorstellbar wäre, dass hier Lagerräume und vor allem Geschäfte für Blumen, religiöse Anhänger und Ähnliches untergebracht waren. Die Unterkante der Mauer konnte

nicht verifiziert werden, da eine Abtiefung aufgrund des angrenzenden Bunkers im Arne-Carlson-Park in diesem Bereich nicht möglich war. Ein vergleichbarer Befund konnte auch im Bereich der Südmauer beobachtet werden, wo eine parallel geführte Mauer mit dazwischenliegenden Quermauern Raumeinheiten bildete. Die in diesem Fall allerdings unter starkem Zeitdruck baubegleitend durchgeführten archäologischen Arbeiten lassen keine eindeutigen Schlüsse zu. Eine nach Süden vorspringende Ecke im Bereich der Südmauer ist aufgrund einer Fuge und im Vergleich mit dem Franziszeischen Kataster aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts einem jüngeren Einbau zuzuordnen. Kalklöschgrube Unmittelbar nördlich der Kirche wurde außerdem eine quadratische (1,2561,25 m), 0,50 m tief erhaltene Kalklöschgrube (UK 14,70 m über Wr. Null) mit vertikal abfallenden Rändern und einem flachen Boden unbekannter neuzeitlicher Zeitstellung dokumentiert. Im westlichen Drittel der Südkante befand sich ein halbrunder (0,1560,17 m) Fortsatz. Die Lage in unmittelbarer Nä-

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he zur Kirche lässt vermuten, dass hier der für die Errichtung des Sakralbaus benötigte Kalk gelöscht wurde. Die Funde aus den neuzeitlichen Friedhöfen Die Funde aus den drei Friedhöfen61 entsprechen weitestgehend jenem Fundensemble, welches auf Grabungen auf neuzeitlichen Friedhöfen und in den Wiener Grüften aus dieser Zeit zu erwarten ist. Die Funde setzen sich vor allem aus persönlichen Stücken, wie Trachtbestandteilen und Gegenständen mit religiöser und kultischer Bedeutung, zusammen sowie aus Objekten, die dem Totenbehältnis, wie vor allem Sargnägel, zuzurechnen sind. Insgesamt wurden auf allen drei Friedhöfen 499 Kleinfunde dokumentiert. Auf den Neuen Schottenfriedhof entfallen 389 Objekte, auf den Spanischen Friedhof 52 und auf den Bäckenhäusel Gottesacker 26 Stücke. 32 Objekte stammen aus diversen Störungen durch jüngere Einbauten, wobei ein Großteil thematisch dem Friedhofskontext zuzuordnen ist und somit sekundär verlagert wurde. In Prozent sind 78% der aus Friedhofsbefunden stammenden Funde Gräbern des Neuen Schottenfriedhofs, 10,4% Gräbern des Spanischen Friedhofs und 5,2% Gräbern des Bäckenhäusel Gottesackers zuzuweisen. Die restlichen 6,4% entfallen auf die umgelagerten Funde. Sieht man sich nun die Struktur und die Bestatteten der drei Friedhöfe an, so verwundert die Verteilung der Funde nicht sonderlich. Der Bäckenhäusel Gottesacker bestand aus Massengräbern, von denen sechs Gräber dokumentiert werden konnten. Hier wurden die Toten aus dem Bäckenhäusel Siechenhaus eingebracht. Jedes dieser Gräber beinhaltete hochgerechnet etwa 300 Skelette. Das heißt, die geringste Anzahl an Funden wurde in jenem Friedhof mit den meisten Bestatteten geborgen. Allerdings handelte es sich hier um Armengräber bzw. um sog. Pestgruben. In den Schachtgräbern des von der ansässigen Bevölkerung eingenommenen Neuen Schottenfriedhofs befand sich in beinahe jedem Grab eine Beigabe. Genau dazwischen liegt der besonders von Veteranen und deren Familien belegte Spanische Friedhof. Dort sind rund 50% der Toten mit Beigaben bestattet worden. Die trockenen statistischen Zahlen spiegeln somit sehr gut den historischen und sozialen Hintergrund der Friedhöfe wider. Die Funde vom Areal der drei Friedhöfe werden in sieben Gruppen sortiert, die wiederum in Untergruppen unterteilt werden. Die Hauptgruppen sind Sargbestandteile, religiöse Objekte, Münzen, Trachtbestandteile, Schmuck und sonstige Gegenstände. Sargbestandteile Neben den bereits erwähnten, in Grün, Gelb und Rot gehaltenen dekorativen Malresten eines Holzsarges in Grab 148 am Neuen Schottenfriedhof (Inv.-Nr. MV 73205/4) konnten des Öfteren Holzreste von Särgen und verrostete Eisennägel dokumentiert werden. Die Stifte waren durchschnittlich 5–8 cm lang und hatten in unkorrodiertem Zustand vermutlich einen Durchmesser von rund 0,3 cm, der Kopf hatte einen Durchmesser von rund 0,5–1 cm.

61

Siehe Anm. 36.

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Abb. 20: Neuer Schottenfriedhof, Grab 104: Sterbekreuz in situ. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Abb. 21: Bronzene Kreuzanhänger vom Neuen Schottenfriedhof. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Religiöse Objekte Kreuze und Kreuzanhänger Das Kreuz fand erst relativ spät Eingang in die Sepulkralkultur. 62 Im Mittelalter wurde es vom Schandzeichen zum Zeichen der Überwindung des Todes und im Barock setzte man es vor allem als Kontrast zu den Memento-mori-Motiven63 ein. Die Kreuze wurden aus Holz, Metall und metallischen Legierungen hergestellt oder waren mit diversen Einlagen versehen. Kreuze sind in zwei große Funktionsgruppen einzuteilen. Zum einen handelt es sich um sog. Sterbekreuze, zum anderen um Kreuzanhänger, die als Anhänger für Rosenkränze oder Kettchen dienten. Kreuzanhänger weisen Lochungen oder Ösen als Aufhängevorrichtung auf. Sterbekreuze zeichnen sich vor allem durch ihre Handlichkeit und das häufige Fehlen von Stand- und Hängevorrichtungen aus. Sie wurden den Verstorbenen als Beistand in die Hand gegeben, ehe diese aufgebahrt und begraben wurden (Abb. 20). Das Fundmaterial aus der Grabung Sensengasse beinhaltet insgesamt 49 Kreuze. Davon sind 19 Stücke als Kreuzanhänger zu bezeichnen, die vorwiegend aus Bronze gegossen, aber auch aus Blei und Holz hergestellt waren (Abb. 21). Die 30 weiteren Kreuze sind Sterbekreuze (Abb. 22). Diese sind in Metall (Blei, Bronze)64 und/oder aus Holz bzw. auch aus Holz mit Einlegearbei62 Sörries, Lexikon 1, 182 f. s. v. Kreuz. 63 Sörries, Lexikon 1, 221 f. s. v. Memento mori. 64 Blei: z. B. Neuer Schottenfriedhof, Grab 160, Inv.-Nr. MV 73237/3; Grab 200, Inv.-Nr. MV 73371/1. – Bronze: z. B. Neuer Schottenfriedhof, Grab 244, Inv.-Nr. MV 73305/1. 65 Etwa Neuer Schottenfriedhof, Grab 33, Inv.-Nr. MV 73069/1. 66 Etwa Spanischer Friedhof, Grab 300, Inv.Nr. MV 73593/1. 67 Etwa Neuer Schottenfriedhof, Grab 69, Inv.-Nr. MV 73422; Grab 200, Inv.-Nr. MV 73289/2. 68 Ullermann 2005, 65.

ten ausgeführt. Vereinzelt konnten auch Reste einer Vergoldung festgestellt werden. Auf diesen Kreuzen findet sich jeweils die Applikation oder Darstellung eines Christus. Die Kreuze aus Holz sind entweder in Bronze gefasst65 oder mit Einlegearbeiten aus Perlmutt versehen66. Häufig sind auch nur die aus Metall gefertigten – zumeist gegossenen – Christusfiguren erhalten geblieben, während das Holzkreuz bereits vergangen ist. 67 Unter den Beigaben für die Bestatteten in der Michaelergruft im 1. Wiener Gemeindebezirk, die zur selben Zeit belegt wurde und deren Särge äußerst gut erhalten sind, sind Kreuze mit Einlagen ausschließlich als Bestandteile von Rosenkränzen dokumentiert. 68 Auch im Fundspektrum der Sensengasse konnten Kreuze dieses Typs aufgefunden werden, allerdings gibt es bei jenen vom

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Neuen Schottenfriedhof nicht immer Aufhängevorrichtungen wie Ösen oder Befestigungsringe. Sie sind hier also nicht zwingend als Kreuze von Rosenkränzen anzusprechen. Kreuzanhänger finden sich in singulärer Verwendung (z. B. an Ketten), aber auch als Bestandteil von Rosenkränzen. Der Verwendungszweck kann daher nur über weitere Funde, wie etwa Rosenkranzperlen, bestimmt werden. Ein Sterbekreuz wurde am Bäckenhäusel Gottesacker dokumentiert, fünf am Spanischen Friedhof und 24 am Neuen Schottenfriedhof. Qualitative Unterschiede, die soziale Differenzen zwischen den Friedhöfen aufzeigen könnten, lassen sich bei den gefundenen Kreuzen nicht feststellen. Religiöse Anhänger Unter religiösen Anhängern werden Objekte mit religiösen Motiven sowie entsprechende Medaillen zusammengefasst. Alle Gegenstände dieser Gruppe haben religiöse Bedeutung und sind mit Aufhängevorrichtungen diverser Art versehen. Diverse Anhänger Amulette und Devotionalien sind Gegenstände, welche man am Körper oder in der Kleidung trug, um sich beispielsweise vor Krankheiten oder dem Tod zu schützen. 69 Während Amulette nicht zwingend Elemente der christlichen Bot-

Abb. 22: Bronzenes Sterbekreuz vom Neuen Schottenfriedhof, Grab 1. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

schaft aufweisen müssen, ist es bei Devotionalien stets so. 70 In diese Gruppe der Anhänger fallen weiters Teile, die zu Anhängern gehört haben, wie zum Beispiel zwei ovale Glasplättchen oder ein rechteckiges Stück Bronzeblech mit Öse, dessen ursprüngliche Auflage nicht mehr erhalten ist. 71 Die 14 aufgenommenen Anhänger bestehen aus Bronze, Glas, Blei, Kunstharz und Gagat. Das Spektrum reicht von einfachen ovalen Anhängern, die etwas aus Bronzeblech getrieben sind, bis zu einem Stück, das zwei übereinanderliegende, in Blei gefasste Glasplättchen aufweist, zwischen denen sich eine in Wasserfarbe auf Papier gefertigte, schwarzweiß gehaltene Darstellung der Mariazeller Muttergottes befindet (Abb. 23). 72 Die Darstellung auf der Rückseite ist nicht mehr erkennbar. Ein ähnliches Beispiel besteht aus zwei Glasscheiben, die durch eine gelötete Blechfassung aus Bronze zusammengehalten werden, dazwischen liegt ein Stück bemaltes Papier. 73 Die zentrale Darstellung ist eine in Schwarz,Weiß, Grün und Rot gehaltene Pieta. Zusätzlich wurde Filigrandraht dekorativ drapiert. Es finden sich im Fundmaterial aber auch Anhänger, die aus Gagat gefertigt sind und einen gegossenen, nachgeahmten Brillantschliff aufweisen. 74 Die restlichen Anhänger verteilen sich wie folgt: 12 Stück sind dem Neuen Schottenfriedhof zuzuordnen, zwei Stück dem Spanischen Friedhof. Am Bäckenhäusel Gottesacker wurden keine Anhänger sichergestellt, womit auch hier die Verteilung den Erwartungen entspricht. Medaillen Medaillen sind zumeist runde, münzähnliche Objekte, die jedoch keine Zahlungsfunktion besaßen. Medaillen waren in der Neuzeit sehr beliebt, vor allem

69 70 71 MV 72 MV 73 MV 74 MV

Sörries, Lexikon 1, 12 s. v. Amulett. Fassbinder 2003, 39 f. Neuer Schottenfriedhof, Grab 69, Inv.-Nr. 73417/1; Grab 196, Inv.-Nr. MV 73297/4. Neuer Schottenfriedhof, Grab 20, Inv.-Nr. 73073/4; Grab 196, Inv.-Nr. MV 73309/1. Neuer Schottenfriedhof, Grab 66, Inv.-Nr. 73457. Spanischer Friedhof, Grab 303, Inv.-Nr. 73556/2.

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Abb. 24: Benediktuspfennig vom Neuen Schottenfriedhof, Grab 63. Die Vorderseite zeigt den Hl. Benedikt im Mönchshabit mit Handkreuz und Regelbuch, die Rückseite ist als Benediktusschild mit umlaufendem Benediktussegen ausgeführt. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

solche mit religiösem Charakter. Sie variierten vom Bildprogramm und waren Massenprodukte. 75 Für die nicht sehr einheitliche Gruppe der Medaillen werden mehrere Begriffe, wie Weihemünze, Medaillon oder diverse Pfennigbezeichnungen, verwendet. 76 Abb. 23: Neuer Schottenfriedhof, Grab 196: Im Beckenbereich des Toten befanden sich Rosenkranzperlen und eine in Blei gefasste Mariendarstellung auf Papier zwischen Glas, an Trachtbestandteilen haben sich halbrunde Hosenknöpfe aus Bronze erhalten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Medaillen sind mit 86 Fundstücken sehr reichhaltig vertreten. Man kann sie ikonographisch nach folgenden Bildinhalten trennen: Hl. Dreifaltigkeit (4 Stück), Kreuzigung Christi (7 Stück), Mariazeller Gnadenmutter (16 Stück) sowie Mutter Gottes und Jesukind (7 Stück). Des Weiteren

befinden sich Benediktuspfennige (10 Stück) und diverse andere Weihemedaillen (27 Stück) im Fundspektrum. Bei 15 Stück ist der Bildinhalt nicht mehr feststellbar. Zumeist aus Bronze oder Blei gefertigt, sind einige Medaillen aber auch aus Ton produziert. Ein Beispiel hierfür weist nur auf der Vorderseite die Darstellung der Hl. Dreifaltigkeit auf (Abb. 25). 77 Eine weitere Medaille mit der Dreifaltigkeit als Thema ist kreuzförmig gestaltet und aus Bronze gegossen. 78 Auf beiden Seiten befinden sich Darstellungen der Eucharistie in Form eines Herzens, welches von dekorativen Punkten und Linien umgeben ist. Auf der Vorderseite ist in der oberen Bildhälfte der Medaille weiters ein gekreuzigter Christus dargestellt. Eine weitere, ovale Medaille aus einem geprägten Bronzeschrötling zeigt auf der Vorderseite den gekreuzigten Christus mit Märtyrerpalme und auf der 75 Fassbinder 2003, 28 f. 76 Fassbinder 2003, 34. 77 Neuer Schottenfriedhof, Grab 116, Inv.Nr. MV 73227/1. 78 Neuer Schottenfriedhof, Grab 168, Inv.Nr. MV 73356/1. 79 Neuer Schottenfriedhof, Grab 53, Inv.-Nr. MV 73449. 80 Neuer Schottenfriedhof, Grab 159, Inv.Nr. MV 73209.

Rückseite die Eucharistie in Form eines Herzens mit klaffender Wunde, aus der Flammen züngeln und ein Kreuz wächst sowie im Abschnitt die Aufschrift VIEN 1729. 79 Wie zu erwarten, ist die Magna Mater des Habsburgerreiches, die Mariazeller Madonna, am häufigsten unter den Medaillenabbildungen zu finden. Ein Beispiel ist eine ovale Medaille aus Bronze mit der Mariazeller Madonna mit der Beschriftung S.MARIA-CELLER auf der Vorderseite und Christus am Kreuz mit dem heiligen Vater im Hintergrund auf der Rückseite. 80

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Eigens zu erwähnen sind die sog. Benediktuspfennige, die sich angesichts ihres breiten Wirkungsspektrums großer Beliebtheit erfreuten. 81 Auf diesen Medaillen finden sich entweder der Hl. Benedikt und/oder ein Kelch mit Schlange sowie eine Krähe mit Brot als Hinweis auf zwei fehlgeschlagene Vergiftungsversuche. 82 Ein geprägter Benediktuspfennig aus Bronze zeigt beispielsweise auf der Vorderseite den Hl. Benedikt im Mönchshabit, mit Stab, Buch und Bischofsmütze sowie dem Raben zu seinen Füßen (Abb. 24). 83 Um den Heiligen herum führt ein Schriftband mit dem Text CRVX S.P.-BENEDICT. Auf der Rückseite ist ein Benediktusschild mit Abbreviation des Benediktussegens zu sehen, dem ebenfalls apotropäische Wirkung zugesprochen wurde. Sebastianspfeil Sebastianspfeile sind Anhänger, die aufgrund ihrer Pfeilform eine gewisse Sonderstellung einnehmen. Sebastianspfeile wurden zur Pestabwehr getragen. Oft finden sich drei Kreuznägel, das Monogramm S S für Sankt Sebastian und das Jesusmonogramm auf den Objekten. Ein Stück von den Grabungen Sensengasse ist ein einfach gestalteter Sebas-

Abb. 25: Tonmedaille mit der Darstellung der Hl. Dreifaltigkeit vom Neuen Schottenfriedhof, Grab 116. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

tianspfeil aus gestanztem Bronzeblech mit beidseitig angebrachten Kerben für die Fiederung des Pfeilendes sowie dem Monogramm S S am runden zentralen Teil. 84 Pilgerzeichen Pilgerzeichen sind kleine Anhänger, die von Pilgerreisen mitgebracht wurden. Unter den elf Stück Pilgerzeichen finden sich verschiedene Beinobjekte wie Totenkopfperlen, Schnitzereien in Form von Füßen und weitere Schnitzereien mit Bemalung. 85 Hierbei handelt es sich um einen plastisch modellierten Kopf mit Bart und (dornen-)kranzartiger Kopfbedeckung sowie um ein Herz und einen roten Fuß (Abb. 26). Ein besonderes Objekt ist eine zweiteilige Bronzekapsel, in der sich ein geblasenes, unverziertes Glasfläschen befindet, welches mit Leder verschlossen ist und ursprünglich wohl eine Flüssigkeit enthielt (Abb. 27). 86 Die Bronzekapsel weist neben konzentrischen Rillen und zwei konzentrischen Kreisen auf dem abnehmbaren Oberteil auch ein eingeritztes W auf. Als Schriftart wählte man die gerade Antiqua, wobei zwei einander überlappende V das kapitale W bilden. Pilgerzeichen fallen im Fundmaterial besonders auf, da sie zum Ersten im Komplex nicht besonders häufig vorkommen und zum Zweiten besonders schön gearbeitet sind. So verwundert es auch nicht, dass acht von den elf Pilgerzeichen am Neuen Schottenfriedhof aufgefunden wurden, die zwei verbleibenden am Spanischen Friedhof. Wiederum gibt es am Bäckenhäusel Gottesacker keine Funde dieser Kategorie. Rosenkränze Der Rosenkranz ist einfach gesagt ein Gebetszählgerät, auf dem die Reihenfolge und Anzahl bestimmter Gebete festgelegt sind. 87 Diese Kette aus Perlen kann verschiedentlich ausgeführt sein. Im Lauf des 16. und 17. Jahrhunderts

81 Fassbinder 2003, 236. 82 Fassbinder 2003, 231 f. 83 Neuer Schottenfriedhof, Grab 63, Inv.-Nr. MV 73440/1. 84 Neuer Schottenfriedhof, Grab 170, Inv.Nr. MV 73358/2. 85 Totenkopfperlen: Neuer Schottenfriedhof, Kindergrab 237, Inv.-Nr. MV 73274; Grab 196, Inv.-Nr. MV 73297/2; Spanischer Friedhof, Grab 256, Inv.-Nr. MV 73568; Grab 310, Inv.-Nr. MV 73590/1. – Füße: Neuer Schottenfriedhof, Grab 111, Inv.-Nr. MV 73176. – Schnitzereien mit Bemalung: Neuer Schottenfriedhof, Grab 2, Inv.-Nr. MV 73006/1. 86 Neuer Schottenfriedhof, Grab 148, Inv.Nr. MV 73205/1. 87 Sörries, Lexikon 1, 259 s. v. Rosenkranz; vgl. auch Fassbinder 2003, 107 f.

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Abb. 26: Gelochte Pilgerzeichen aus Bein vom Neuen Schottenfriedhof, Grab 2. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

werden die Rosenkränze formal vereinheitlicht: Sie bestehen in der Folge aus fünf mal zehn kleineren „Ave-Maria-Perlen“, die durch je eine größere „Paternoster-Perle“ getrennt werden. Auf dem abgesetzten Ende finden sich drei „Ave-Maria-Perlen“ und zwei „Paternoster-Perlen“. Den Abschluss bildet zumeist das „Credo-Kreuz“, gelegentlich können dies aber auch Anhänger mit amuletthaftem Charakter oder Totenköpfe wie in Grab 256 des Spanischen Friedhofs (Inv.-Nr. MV 73568) sein. 88 Zusätzlich können religiöse Anhänger eingehängt sein. Die Kette geht auf die Tradition der Marienverehrung in der römisch-katholischen Kirche zurück. Rosenkränze wurden den Verstorbenen ebenso wie Handkreuze in die Hände gelegt bzw. um die Hände geschlungen (Abb. 23). Ein Großteil der Rosenkränze war aus billigen Materialien wie Bein und Holz gefertigt. 89 29 Fundnummern umfassen die Überreste von Rosenkränzen. Es handelt sich dabei vorwiegend um Perlen aus Holz,Glas und Bein, aber auch um Stücke aus Gagat und aus Bronze. 90 Mit Abstand die meisten Rosenkränze wurden aus Bein gefertigt (Perlen von 15 Rosenkränzen), Holz folgt an zweiter Stelle, Glas, Gagat und Bronze finden sich vereinzelt. Die meisten Reste von Rosenkränzen stammen aus 24 Gräbern des Neuen Schottenfriedhofs. Am Spanischen Friedhof und am Bäckenhäusl Gottesacker waren jeweils zwei Bestattungen mit Rosenkränzen ausgestattet, wobei die 36 Holzperlen aus dem Massengrab 372 (Inv.-Nr. MV 73490) noch auf einem Faden aufgefädelt waren. Die Funde aus den drei Friedhöfen zeigen kaum qualitative Unterschiede. 88 Hofer (Anm. 33) 366. 89 Ullermann 2005, 65. 90 Gagat: Neuer Schottenfriedhof, Grab 12, Inv.-Nr. MV 73062; Grab 29, Inv.-Nr. MV 73100/1. – Bronze: Neuer Schottenfriedhof, Grab 19, Inv.-Nr. MV 73064.

Münzen Münzen haben im Zusammenhang mit dem Tod mehrere Bedeutungen. Neben dem Lohn für den Fährmann Charon, der die Toten über den Styx bringt, gibt es die Bedeutung des Judaslohns, den Judas für die Auslieferung Jesus be-

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kam. Münzen im Vanitas-Stilleben91 dienen als Erinnerung daran, dass man Geld und angehäuften Reichtum nicht in das zu erwartende Himmelreich mitnehmen kann. Die positive Assoziation kommt mit dem Almosenbild und dem barmherzig Gebenden. In ländlichen Regionen wurden den Toten bis in das 20. Jahrhundert Marsch- oder Weggeld und Zehrpfennige mitgegeben. 92 Dem Fundmaterial entstammen 29 neuzeitliche Münzen, die allerdings nur zu rund 70% aus Gräbern stammen. Der Rest ist anderen Befunden zuzuordnen oder wurde sekundär aus dem Gräberbefund gerissen. Zehn Stück sind aus Silber, 18 aus Bronze und bei einer Münze ist nicht genau festzustellen, aus welchem Material sie gefertigt ist. Teilweise sind die Prägungen abkorrodiert, was eine Bestimmung der Münzen nicht mehr möglich macht. Das Münzspekt-

Abb. 27: Neuer Schottenfriedhof, Grab 148: Pilgerzeichen in Form einer Miniaturflasche in einer Bronzekapsel. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

rum der lediglich acht bestimmbaren Münzen umfasst zumindest einen zeitlichen Rahmen von 1631 bis 1816. Sie sind als Pfennige, Kreuzer und Halbkreuzer anzusprechen. Unterschiede zwischen den Friedhöfen konnten anhand der Prägungen nicht festgestellt werden, wobei anzumerken ist, dass vom Bäckenhäusel Gottesacker kein Münzfund stammt. Inv.-Nr. MV 73208/1 MV 73226 MV 73024/3 MV 73018 MV 73015 MV 73154/1 MV 73269/2 MV 73414/61

Friedhof Schottenfriedhof Schottenfriedhof Schottenfriedhof Schottenfriedhof Schottenfriedhof Schottenfriedhof Schottenfriedhof Schottenfriedhof

Grab/Befund Grab 140 Grab 106 Grab 6 Streufund Grab 4 Streufund Grube 188 Kellerverfüllung

Nominal Silbermünze ½ Kreutzer Pfennig Pfennig Pfennig Kreutzer Kreutzer Kreutzer

Datierung 1631 1750 1742 1748 1749 1762 1762 1816

Prägestätte Bayern Oberpfalz Wien – – – – –

Tab. 1: Spektrum der bestimmbaren Münzen aus den neuzeitlichen Friedhöfen.

Trachtbestandteile Durch die ab der jüngeren Neuzeit übliche Bestattung der Toten in ihren Kleidern93 ist die Anzahl und Vielfältigkeit der Trachtbestandteile beträchtlich. Neben Textilien und Totenhauben zählen auch Häkchen, Knöpfe, Manschetten, Nieten/Doppelknöpfe, Nadeln und Schnallen zu den Trachtbestandteilen. Totenhäubchen/-krone/-kranz Besonders ab dem Barock war es Mode, unverheiratet Verstorbene mit einem Häubchen oder Schleier einzusargen, so dass den Toten die nicht erfolgte, jedoch erstrebenswerte Vermählung zu ihren Lebzeiten zumindest symbolisch doch noch zuteil wurde (Abb. 6 und 10). 94 Die Hauben, die aus verschiedenen Materialien bestanden, waren gelegentlich auch mit Rüschenbändchen versehen. Sie wurden den Verstorbenen entweder auf das Haupt oder in die Hände gelegt, aber auch das Auflegen auf den Sarg war bekannt. Hierfür boten sich die ab der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eingeführten Leihkronen an. Auf den dokumentierten Friedhöfen waren 90% der Totenhäubchen auf dem Haupt positioniert, die restlichen 10% wurden in die Hände gelegt. Insgesamt konnten in 23 Gräbern Reste von Kopfbedeckungen dokumentiert werden. Meist sind nur die nichtorganischen Bestandteile, wie geformte Drähte und gestanzte Pailletten, in mehr oder minder guter Qualität erhalten. Da Totenhäub-

91 Sörries, Lexikon 2, 394 s. v. Vanitas/-stilleben. 92 Sörries, Lexikon 2, 264 f. s. v. Münze. 93 Ullermann 2005. 94 Ullermann 2005, 69; Sörris, Lexikon 1, 332 s. v. Totenkrone.

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chen und -kronen nur zu Bestattungszwecken dienten, waren sie sicherlich nicht besonders langlebig gebaut. Umso bemerkenswerter sind daher ein fragmentarisch erhalten gebliebenes Textilgewebe und eine Näharbeit mit geringer Fadendichte vom Neuen Schottenfriedhof. 95 Textilien In den Gräbern sind in geringen Mengen auch Textilfragmente (13 Stücke) erhalten geblieben. Der Großteil der Textilreste – zumeist leinenartige Gewebe – ist locker gewebt und nur schlecht erhalten. Ein besonderes Exemplar ist der Abb. 28: Neuer Schottenfriedhof, Grab 283: bemalte Manschettenknöpfe aus farbigem Kunstharz in Blechhalterung. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Rest einer Perücke, bestehend aus einem locker gewebten Stoffstück, an das das Perückenhaar geklebt ist. 96 Interessant erscheint auch ein Streufund, bei dem es sich um eine fragmentierte Näharbeit handelt: Auf einem ovalen Leinenträger sind bestickte Bordüren in unterschiedlicher Form appliziert. Häkchen Bei den acht Fundstücken handelt es sich um Gewandhäkchen. Sie sind allesamt aus Bronze. Knöpfe Drahtknöpfe Im Fundmaterial finden sich 29 Stücke, die als Drahtknöpfe anzusprechen sind. Lediglich bei einem Knopf könnte es sich auch um einen Ohrring handeln. Die Drahtknöpfe bestehen aus zu einem Geflecht gebogenem Draht. Ursprünglich war das Geflecht mit Textilien überzogen, die aber kaum mehr erhalten sind. Flache Knöpfe Die Untergruppe der flachen Knöpfe lässt sich noch einmal in Materialgruppen unterteilen. Es gibt im Fundmaterial flache Knöpfe aus Bein (12 Stück), die gestanzt oder geschnitzt waren. Des Weiteren gibt es Knöpfe aus Blei, Eisen und Silber (je 1 Stück) sowie aus Bronze (21 Stück), die jeweils gegossen waren. Runde Knöpfe Die runden Knöpfe sind aus Metall gegossen (Bronze oder Messing) und meist mit Bein, Porzellan und Holz belegt. Insgesamt gibt es 25 Fundnummern mit 77 Knöpfen. Manschettenknöpfe

95 Nr. 96 Nr. 97 Nr.

Neuer Schottenfriedhof, Grab 264, Inv.MV 73404; Grab 400, Inv.-Nr. MV 73522. Neuer Schottenfriedhof, Grab 425, Inv.MV 73561. Neuer Schottenfriedhof, Grab 283, Inv.MV 73425/1.

Manschettenknöpfe wurden ausschließlich am Neuen Schottenfriedhof gefunden. Es handelt sich um neun Paar Knöpfe, die allesamt verziert sind. Als Beispiel sollen jene angeführt werden, die aus farbigem Kunstharz in Blechfassung gefertigt sind. 97 Auf dem türkisfarbenen Untergrund sind eine weiße Blüte mit roter Feinzeichnung sowie zwei schwarze Punkte aufgebracht (Abb. 28).

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Nieten/Doppelknöpfe Fünf Nieten aus dem Fundmaterial bestehen aus Bronzeblech. Zwei weitere Nietknöpfe sind aus gestanztem und gefeiltem Bein gefertigt. 98 Ebenfalls aus Bein geschnitzt sind zwei Doppelknöpfe vom Neuen Schottenfriedhof. 99 Nadeln Bei den Nadeln handelt es sich primär um bronzene Stecknadeln (13 Stück), die zum Drapieren der Totenkleidung dienten. Des Weiteren gibt es neben einer Nadel oder Ohrstäbchen noch zwei Haarnadeln, die aus Bein gefertigt wurden. 100 Schnallen Von den insgesamt 14 Schnallen sind acht als Gürtelschnallen anzusprechen. Ein ganzer Gürtel sei erwähnt (Inv.-Nr. MV 73312/1), der allerdings vom Beginn des 20. Jahrhunderts stammt. 101 Des Weiteren finden sich Schließen und

Abb. 29: Neuer Schottenfriedhof, Grab 116: bronzener Fingerring mit herzförmiger Ringplatte mit der Aufschrift I[-?]ES. M 2:1 (Zeichnung: C. Litschauer)

Schnallen von Schuhen (Abb. 9) in den Gräbern sowie von Knickerbockern und von solchen, deren Verwendung nicht mehr geklärt werden kann. 102 Schmuck An Schmuck wurden vor allem Fingerringe, Ohrringe, Armreife und Gliederketten den Toten mitgegeben. Insgesamt fallen in diese Gruppe 35 Fundstücke. Die größte Untergruppe sind Fingerringe, die man nach ihrem Material in Objekte aus Bein (zehn Stück) und Metall (16 Stück) trennen kann. Die Ringe sind mannigfaltig verziert. So gibt es Rillen-, Ranken-, Herz- und Eierstabverzierung. 103 Jene aus Metall bestehen vorwiegend aus Bronze und Messing. 104 Ein Ring aus Bronze besitzt eine abgesetzte, herzförmige Ringplatte mit der Aufschrift I[-?]ES. 105 Der Reif verbreitert sich zur Ringplatte hin und schließt mit einer Querkerbe ab (Abb. 29). Erwähnenswert ist auch ein aus antithetisch angeordneten, stilisierten Herzen geformter Ring aus Bronze. 106 Die beinernen Ringe sind entweder gestanzt oder geschnitzt und stammen größtenteils vom Neuen Schottenfriedhof. Lediglich zwei Beinringe konnten Befunden des Spanischen Friedhofs zugewiesen werden. Ein ähnliches Bild zeigt sich auch bei den metallenen Ringen, von denen lediglich je ein Stück vom Bäckenhäusel Gottesacker und vom Spanischen Friedhof stammen. Der Rest wurde im Neuen Schottenfriedhof geborgen. Eine bronzene Gliederkette ist möglicherweise als Uhrkette anzusprechen. 107 Sie weist eine erhaltene Länge von 10,4 cm auf und besteht aus geformtem Draht. Neben einer blütenförmig aus Filigrandraht gefertigten, 7 cm langen Haarspange, die am Schädel einer 20- bis 30-jährigen Verstorbenen geborgen werden konnte,108 sind weiters verschiedene Objekte, wie Ohrringe, Anhänger, Gliederketten, ein möglicherweise als Armreif zu identifizierendes Objekt und Schmucksteine aus Glas oder Kunstharz, die vermutlich Ringen zuzuordnen sind, aufgetreten. Vor allem bei den Schmuckstücken – insbesondere bei den Ringen – sind die Unterschiede zwischen den drei Friedhöfen sehr gut zu erkennen. Während auf

98 Bäckenhäusel Gottesacker, Massengrab 372, Inv.-Nr. MV 73482/3. 99 Neuer Schottenfriedhof, Grab 20, Inv.-Nr. MV 73073/2; Grab 28, Inv.-Nr. MV 73089/1. 100 Neuer Schottenfriedhof, Grab 28, Inv.-Nr. MV 73089/2; Grab 91, Inv.-Nr. MV 73341/1. 101 Inv.-Nr. MV 73312/1; aus Grube 229 (ca. 2,20 6 0,70 m), die vermutlich bei der Erbauung der Trainingsstätte angelegt wurde. 102 Neuer Schottenfriedhof, Grab 134, Inv.Nr. MV 73248/1; Grab 180, Inv.-Nr. MV 73281/3; Grab 134, Inv.-Nr. MV 73249/2; Grab 159, Inv.-Nr. MV 73249/1. 103 Etwa Neuer Schottenfriedhof, Grab 121, Inv.-Nr. MV 73196. 104 Etwa Neuer Schottenfriedhof, Grab 9, Inv.-Nr. MV 73032/2; Grab 112, Inv.-Nr. MV 73224/3. 105 Neuer Schottenfriedhof, Grab 116, Inv.Nr. MV 73227/2. 106 Neuer Schottenfriedhof, Grab 105, Inv.Nr. MV 73189/3. 107 Neuer Schottenfriedhof, Grab 16, Inv.-Nr. MV 73065. 108 Neuer Schottenfriedhof, Grab 158, Inv.Nr. MV 73323.

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dem Bäckenhäusel Gottesacker neben einem Streufund nur ein Ring einem Individuum zuzuordnen ist, sind es am Spanischen Friedhof drei Ringe. Die größte Anzahl an Ringen – 21 Stück – stammt vom Neuen Schottenfriedhof. Die überwiegend männliche Belegung des ursprünglich für Veteranen und gegebenenfalls für deren Angehörige angelegten Spanischen Friedhofs (siehe Beitrag M. Gebetsroither/K. Großschmidt, 80 ff.) könnte die Ursache für den geringeren Schmuckanteil sein. Sonstige Gegenstände Hier werden alle Stücke zusammengefasst, die nicht zur typischen Grabausstattung zählen, jedoch gesichert aus Grabbefunden stammen. Alle diese Objekte wurden im Neuen Schottenfriedhof geborgen. So finden sich darunter Kämme (z. B. Grab 55, Inv.-Nr. MV 73437/1), ein Zierschlüssel (Grab 68, Inv.-Nr. MV 73461/2), ein Spielstein (Grab 79, Inv.-Nr. MV 73333/3), Beschläge aus den Gräbern 86 und 173 (Inv.-Nr. MV 73349/1; MV 73443/3), ein Buchscharnier aus Grab 227 (Inv.-Nr. MV 73399), aber auch Pfeifenteile aus Grab 86 und 1 (Inv.-Nr. MV 73349/2; MV 73019). Ebenso wurde ein kleiner Fingerhut (Inv.-Nr. MV 73287/1) im Kindergrab 211 im für Kinderbestattungen vorgesehenen Areal geborgen. Die Nutzung des Areals nach Auflassung der Friedhöfe Der k. k. botanische Garten der „k. k. medicinisch-chirurgischen JosephsAcademie“ (Josephinum) Im Bereich des Fußballplatzes (Abb. 3) konnten während der Abhubarbeiten unter einer obersten Schuttschicht auch spärliche Reste des botanischen Gartens der „k. k. medicinisch-chirurgischen Josephs-Academie“109 dokumentiert werden. Die Eröffnung der vom Hofarchitekten Isidore Canevale110 geplanten medizinisch-chirurgischen Josephsakademie fand am 7. November 1785 statt. 111 Mit der Überreichung des Gründungsdiploms durch Joseph II. wurden dem chirurgischen Zweig der Arzneiwissenschaften alle Vorrechte verliehen, welche die Universitäten in den kaiserlichen Staaten und Ländern besaßen. Der an das Josephinum angegliederte botanische Garten beherbergte zahlreiche Alpenpflanzen, sämtliche inländische Heil- und Giftpflanzen sowie die wichtigsten internationalen Nutz- und Heilpflanzen – oder anders gesagt über 2500 Pflanzenarten. 112 Bei den dokumentierten, über die gesamte Fläche des ehemaligen Neuen Schottenfriedhofs verstreuten Befunden auf einem durchschnittlichen Niveau von 16 m über Wr. Null handelte es sich zumeist um ein109 Bauer 2004, 40. 110 Czeike, Wien Lexikon 1, 544 s. v. Canevale Isidore. 111 H. Wyklicky, Das Josephinum. Biographie eines Hauses. Die medicinisch-chirurgische Josephs-Akademie seit 1785. Das Institut für Geschichte der Medizin seit 1920 (Wien, München 1985) 57; Wiener Zeitung 1785, 2590 f.; vgl. auch Czeike, Wien Lexikon 3, 389 s. v. Josephinum. 112 Mück (Anm. 5) 67.

fache, nicht unterkellerte bzw. nur seicht fundamentierte Einbauten, die man sich unter anderem als teilweise in Holzbauweise errichtete Laubengänge vorzustellen haben wird. Störungen im Bereich der Gräber des Neuen Schottenfriedhofs können als Indizien für mitunter eingefriedete Blumenbeete gewertet werden. Im Südosten des ehemaligen Fußballplatzes wurde außerdem eine Mistgrube großer, unregelmäßiger Ausdehnung (erh. OK rund 15,50 m über Wr. Null) dokumentiert, deren Fundmaterial ebenfalls bis in die Benützungszeit des Geländes als botanischer Garten datiert. Spärliche Ziegelreste lassen die

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Abb. 30: Fassade des ehemaligen k. k. Offiziersspitals, nach Westen. (Foto: Bildarchiv der ÖNB, Wien, 226.637 A/B)

Vermutung zu, dass die Mistgrube ursprünglich durch ein Ziegelmäuerchen eingefriedet war. Ein runder Brunnen (erh. OK bei 15,30 m über Wr. Null) mit einem maximalen Durchmesser von 1,72 m und einem inneren Durchmesser von 1,28 m konnte westlich der Mistgrube dokumentiert werden. Der Einbau wurde aus Ziegeln der Firma Drasche gesetzt, die Wandstärke betrug 0,22 m und somit eine Ziegellänge. Die als Läufer in einer sandig lehmigen Bettung verlegten Ziegel alternieren in relativ regelmäßigen – alle acht bis zehn Scharen – Abständen mit einer Reihe aus hochkant verlegten Ziegeln. An der Brunnenaußenseite konnte ein mit Schotter und Ziegelbruch versetzter Grobputz dokumentiert werden. Verfüllt war der Brunnen mit kalkhaltigem Sand mit Schotter- und Ziegelbrucheinschlüssen. Die Unterkante wurde nicht erreicht. Das gefäßkeramische Fundmaterial (siehe Beitrag I. Gaisbauer, 42 ff.) und die Ofenkeramik aus der Verfüllung der oben erwähnten Mistgrube präsentiert sich als sehr umfangreich und vielgestaltig, obwohl auch hier viele Fragmente deutliche Spuren mehrfacher Verlagerung zeigen. Das Spektrum der reduzierend gebrannten Keramik umfasst formal verschiedene Deckelfragmente sowie Sichelränder von Töpfen und Krempränder sowohl von Töpfen als auch von Schüsseln. An Oberflächenbehandlung konnte unterschiedlich gut erhaltene Graphitierung festgestellt werden. Die ältesten Fragmente können dem 15./16. Jahrhundert zugeordnet werden, der Großteil der reduzierend gebrannten Irdenware dürfte aber dem 17./18. Jahrhundert zuzurechnen sein.

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Abb. 31: Bogenförmige Substruktion eines Glashauses im Bereich des ehemaligen Spanischen Friedhofs, nach Nordosten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Auch die oxidierend gebrannte Irdenware zeichnet sich durch Formen- und „Farben“-Reichtum aus. Neben grün glasierten Kachelfragmenten des 17. Jahrhunderts konnten verschiedene Teller-, Topf- und Schüsselfragmente sowie Bruchstücke von Tiegeln mit einem Schwerpunkt im 18. bzw. 17./18. Jahrhundert geborgen werden. Formal sind hier verschiedene Typen von Kragen- und Kremprändern zu erwähnen. Bruchstücke von Grifflappen weisen wiederum auf Godenschalen hin. Einige Fragmente, Stücke von Porzellantellern, Steingut, aber auch Steinzeugmineralwasserflaschen und Blumentopfbruchstücke datieren später und können dem 19. Jahrhundert zugerechnet werden. k. k. Offiziersspital Das Hauptgebäude des k. k. Offiziersspitals113 im Osten des Grabungsareals (Abb. 3 und 30) zeigte sich in überwiegend massiven Fundamenten und aufgehenden Kellermauern aus Ziegelmauerwerk und Beton (Gehniveau Keller: 17,90 m über Wr. Null). Der Grundriss des als Ergänzung zum zwischen der Sensengasse und der Van-Swieten-Gasse gelegenen k. k. Militär-GarnisonsSpital errichteten Gebäudes stimmt bis auf wenige Ausnahmen mit den 1880 eingereichten Bauplänen überein. 114 Der nicht geschleifte Bauteil umfasste anhand der Lage in der Fläche und dem Abrissplan neben Abstellräumen auch 113 Hofbauer 1861, 100 ff.; Czeike, Wien Lexikon 2, 464 f. s. v. Garnisonsspital. 114 MA 37 – Baupolizei, KG Alsergrund, EZ 908. 115 Czeike,Wien Lexikon 2, 464 f. s. v. Garnisonsspital. 116 MA 37 – Baupolizei, KG Alsergrund, EZ 908, Umbauplan aus dem Jahr 1926 mit handschriftlichen Vermerken zum späteren Abriss.

Kohle-, Holz- und Gaskellerräume. Die Errichtung des 1035 m2 großen, dreistöckigen Gebäudes mit einem Belegplatz für 49 Offiziere, erfolgte in den Jahren 1881–1883. Der beinahe vollständige Abbruch des Anfang des 20. Jahrhunderts an die Bundeslehranstalt für Körperpflege übergegangenen und später zur Universität Wien gehörigen Gebäudes erfolgte nach ersten Demolierungsarbeiten 1974115 endgültig im Jahr 1982. 116

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Abb. 32: Betonierte Ruderbeckenanlage aus dem Jahr 1926, nach Südosten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Auch die im Nordosten, im Bereich des ehemaligen Spanischen Friedhofs gelegenen Nebengebäude – Glas- und Treibhäuser für die Heilkräuter sowie Mistbeete – konnten verifiziert werden. Es handelte sich um Ziegeleinbauten wie beispielsweise einer Nordost-Südwest orientierten Pfeiler-SegmentbogenKonstruktion für ein teilweise unterkellertes Treibhaus (OK Gehniveau 16,80 m über Wr. Null; Abb. 31). Als Abgang in den westlich vorgelagerten k. k. botanischen Garten der Josephsakademie diente der zu einer Treppe umfunktionierte ehemalige Kirchturm der Friedhofskirche des Neuen Schottenfriedhofs. Somit ist anzunehmen, dass auch die im Offiziersspital untergebrachten Patienten den aus Blumenbeeten und Wegen gestalteten Garten nutzten. Eine Ruderbeckenanlage aus dem Jahr 1926 Eine Ruderbeckenanlage (UK 15,40 m über Wr. Null) der Bundesanstalt für Leibeserziehung aus dem Jahr 1926 konnte im Norden des ehemaligen Fußballplatzes, dem Arne-Carlsson-Park vorgelagert, dokumentiert werden (Abb. 3 und 32). 117 Der aus Beton errichtete, ursprünglich überdachte Bau war von Osten her über eine betonierte Türschwelle (OK 16,40 m über Wr. Null) zu betreten. Rechts vom Vorraum befand sich die Garderobe, von der aus der langgestreckte Übungsraum mit dem langovalen Becken zu betreten war. Eine weitere Tür im Westen des Vorraums ermöglichte den Zugang zu einem der Übungsanlage im Süden vorgelagerten, 1,42 m breiten Bereich, von wo aus vermutlich Lehrer und Kollegen das Rudertraining beobachten konnten. Die Rudervorrichtung im Hauptraum bestand aus dem eingetieften, 15,18 m langen und 5,15 m breiten Umlaufkanal und dem erhabenen, 11,50 m langen und 1,60 m breiten Ruderkasten, auf dem die Rudervorrichtung befestigt war. Die Einrichtung war so konzipiert, dass man die Strömung des Wassers kontrollieren bzw. einstellen

117 Vgl. die 1928 errichtete Mainzer Ruderbeckenanlage: www.mainzerruderverein.de/in dex.php?menu_id=138&jahr=1928&foto_id=1 95 (18.6. 2009).

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konnte, wobei der Zu- und Ab- bzw. Überlauf im Süden der Anlage lokalisiert war. Im Westen waren weiters die Fundamente der sanitären Einrichtungen, wie Duschräume und WC, erhalten. Einbauten fraglicher Zeitstellung In der südlichen Hälfte des ehemaligen botanischen Gartens bzw. des Neuen Schottenfriedhofs konnten zwei parallele, West-Ost verlaufende Kanäle unbekannter neuzeitlicher Zeitstellung dokumentiert werden. Die beiden mit Ziegeln errichteten Objekte waren mit rund 0,20 m dicken und bis zu 0,70 m großen, abgeflachten Werksteinen abgedeckt. Zusammenfassung Die Ausgrabungen der Stadtarchäologie Wien bestätigten und erweiterten das anhand schriftlicher und graphischer Quellen überlieferte Wissen um die historische Nutzung des Areals. Die Auswertung der drei zu unterschiedlichen Zeiten angelegten und 1784 im Zuge der josephinischen Reformen stillgelegten Friedhöfe vermittelt dabei sehr gut ein Bild von der Bestattungskultur im Wien des 18. Jahrhunderts. Neben dem in Form von Massengräbern angelegten Armen- und Siechenfriedhof des Lazaretts Bäckenhäusel, der noch im 17. Jahrhundert angelegt wurde und wohl den Pesttoten der Epidemien 1679 und 1713–1714 diente, tragen vor allem der um 1717 angelegte Spanische Friedhof und der 1765 angelegte Neue Schottenfriedhof zum Verständnis für den Umgang mit dem Tod am Übergang zur Moderne bei. So indizieren der Chlorkalk in vielen Grabgruben, die Tiefe der Schachtgräber und die Anlage der Friedhöfe in der Nähe von Spitälern bzw. die Entfernung zur Wiener Kernsiedlung bereits hygienebedingte Maßnahmen, die Joseph II. später rigoros durchsetzte. Wie die Stressmarker an den Gebeinen (siehe Beitrag M. Gebetsroither/K. Großschmidt, 80 ff.) verraten auch die eher einfachen Beigaben und Trachtbestandteile, dass der Großteil der hier Bestatteten Mitglieder der Arbeiterklasse oder Gewerbetreibende gewesen sein werden, die von ihren nächsten Angehörigen auch ohne großen finanziellen Aufwand liebevoll für ihren letzten Weg vorbereitet wurden. Verraten dies die wenig aufwendig und zumeist als Massenware produzierten Trachtbestandteile, Schmuck und persönlichen Beigaben, zeigt sich auch durch die hohe Anzahl an religiösen Beigaben die ausgeprägte Gläubigkeit der Bevölkerung. Die am Spanischen Friedhof und am Neuen Schottenfriedhof in Reihen angelegten, über Wege erreichbaren Schachtgräber waren etwa Nord-Süd orientiert – die Bestatteten blickten nach Süden. Im Nordosten des Neuen Schottenfriedhofs wurde auch ein Bereich aufgedeckt, der ausschließlich der Bestattung von Kindern diente. Die zum Neuen Schottenfriedhof gehörige Friedhofskirche war Großteils nur mehr in Form eines Ausrisses erkennbar. Die baulichen Reste konnten generell mit Ausnahme des sekundär weitergenutzten und somit vollständig erhaltenen Untergeschoßes der vermeintlichen Sakristei der Friedhofskirche kaum in situ dokumentiert werden, da das wiederverwertbare Baumaterial im Zuge der Sä-

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kularisierung und des anhaltenden Baubooms in Wien systematisch abgebaut wurde. Wie oft in Bereichen von aufgelassenen Friedhöfen blieb auch das Areal Sensengasse 1–3 bis auf das 1881–1883 errichtete k. k. Offiziersspital unverbaut. Die Freifläche wurde vom k. k. botanischen Garten der „k. k. medicinisch-chirurgischen Josephs-Academie“ eingenommen, der auch von den Patienten des Spitals genutzt werden konnte. Die 1926 errichtete Ruderbeckenanlage leitete schließlich die sportliche Nutzung des Areals im 20. Jahrhundert ein.

Abgekürzt zitierte Literatur Ackerl et al. 2008 Czeike,Wien Lexikon Bauer 2004 Fassbinder 2003 Hauswirth 1858 Hofbauer 1861 Sörries, Lexikon 1 Sörries, Lexikon 2 Ullerman 2005

I. Ackerl/R. Bouchal/I. Schödl, Der schöne Tod in Wien. Friedhöfe, Gruften, Gedächtnisstätten (Wien 2008). F. Czeike, Historisches Lexikon Wien 1–62 (Wien 2004). W. T. Bauer, Wiener Friedhofsführer. Genaue Beschreibung sämtlicher Begräbnisstätten nebst einer Geschichte des Wiener Bestattungswesens5 (Wien 2004). S. Fassbinder, Wallfahrt, Andacht und Magie. Religiöse Anhänger und Medaillen. Zeitschr. Arch. Mittelalter Beih. 18 (Bonn 2003). E. Hauswirth, Abriß einer Geschichte der Benedictiner-Abtei U. L. F. zu den Schotten in Wien (Wien 1858). C. Hofbauer, Die Alservorstadt mit den Besitztümern der Benediktiner-Abtei Michelbeuern am Wildbach Als (Wien 1861). R. Sörries, Großes Lexikon der Bestattungs- und Friedhofskultur. Wörterbuch zur Sepulkralkultur 1: Volkskundlichkulturgeschichtlicher Teil: Von Abdankung bis Zweitbestattung (Braunschweig 2002). R. Sörries, Großes Lexikon der Bestattungs- und Friedhofskultur. Wörterbuch zur Sepulkralkultur 2: Archäologischkunstgeschichtlicher Teil: Von Abfallgrube bis Zwölftafelgesetz (Braunschweig 2005). M. Ullermann, Ausstattung und Kleidung der Toten in der Michaeler Gruft. In: A. Rainer (Hrsg.), Die Michaeler Gruft in Wien. Retten, was zu retten ist (Wien 2005) 64–73.

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I. Gaisbauer, Gefäßkeramisches Material der Grabungen Wien 9, Sensengasse

Gefäßkeramisches Material aus ausgewählten Befunden der Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3 Ingeborg Gaisbauer Im Zuge der Auswertung der Grabung Sensengasse 1–3 wurde nach eingehender Sichtung und Absprache mit der Projektleitung das Fundmaterial aus drei Bereichen der Grabung für eine Vorlage in diesem Rahmen ausgewählt. Es handelt sich um Material aus der Verfüllung des Kellers (Sakristei) südlich der Friedhofskirche und aus der Verfüllung eines Brunnens auf dem Areal des Neuen Schottenfriedhofs sowie um Material aus einer Abfallgrube auf dem Gelände des späteren k. k. botanischen Gartens des Josephinums (siehe Beitrag C. Litschauer/Th. Pototschnig, 24; 25; 37 f.). Im Zuge der Bearbeitung erwies es sich dann als notwendig, weitere Streufunde aufzunehmen, um das typologische Spektrum der Gefäßkeramik besser wiedergeben zu können, da das Material aus dem Brunnen lediglich aus nicht weiter auswertbaren Fragmenten sowie Kacheln unterschiedlicher Zeitstellung und Baukeramik bestand. So konnte man dem bescheidenen Anspruch dieser Arbeit näherkommen – einen Überblick über die Gefäßkeramik, Formen und Spielarten zu geben. Diese Bescheidenheit in der Zielsetzung ergab sich aus der nicht feststellbaren Untergliederung der Befunde und der Tatsache, dass von besagten drei sehr umfangreichen Befunden aus Sicherheitsgründen nur der Brunnen vollständig ergraben werden konnte. Die meisten Fragen, die auf der Verknüpfung von Fund und Befund, Typen und ihrer Häufigkeit im Spannungsfeld einer Scherbentypenbestimmung, Formen und Dekoren beruhen, konnten hier nicht gestellt werden. Die folgende Materialvorlage ist lediglich als Übersicht über Formen und Spielarten zu werten, die zwar einen formen- und farbenfrohen „Punkt“ auf der Landkarte neuzeitlicher Keramikfunde aus Wien setzt, aber nicht in der Lage sein kann, neue Erkenntnisse zur Datierung der einzelnen Formen beizutragen, im Gegenteil in dieser Frage vollkommen abhängig von Parallelen und deren zeitlicher Einordnung ist. Dementsprechend schließen sich im Bedarfsfall auch nur das eine oder andere Detail erläuternde Anmerkungen an die Nennung der Vergleichsobjekte an und keine expliziten Datierungen. 1 Zur Vorlage Die Stücke sind zum Teil sehr klein fragmentiert und ließen sich nur in den seltensten Fällen wieder zu vollständigeren Objekten fügen. 2 Das Material war da1 Siehe auch I. Gaisbauer, Der derzeitige Forschungsstand der Stadt-Archäologie zum Wiener „Siedlungsbeginn“. Eine Bestandsaufnahme nach Wertigkeiten. Forsch. u. Beitr. Wiener Stadtgesch. (in Vorbereitung). 2 Für die engagierte Hilfe bei der Erstaufnahme des Materials möchte ich Ulrike Schulz (Rostock) herzlich danken.

her prinzipiell eher zur Erstellung eines Katalogs von Randtypen, denn zu einer Ordnung nach Gefäßformen geeignet. Auch wenn der Randtyp überwiegt, wurde doch – und allen Topf/Schüssel-, Teller/Schale- und sogar Teller/Deckel-Dualismen zum Trotz – auch eine grobe Einteilung nach Gefäßformen versucht, beginnend mit einem Schwerpunkt bei Topf-/Schüsselformen über Deckel zu Schalen und Tellern/Schüsseln und abschließend zu vermutlich hohen

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I. Gaisbauer, Gefäßkeramisches Material der Grabungen Wien 9, Sensengasse

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Formen, bei denen es sich um Krüge und Kannen3 und letztendlich Flaschen handeln dürfte. Eine Ordnung nach Befunden wurde als nachrangig betrachtet und folglich das Vorkommen der einzelnen Typen auch nur als Zusatzinformation angeführt. Jeder formal definierten Gruppe wurden einige Informationen vorangestellt, die für alle Fragmente dieser Gruppe gültig sind. Aus den bereits genannten Gründen wurde auch auf eine Einteilung in Scherbentypen zugunsten einer gröberen Einteilung in Keramikarten (Tab. 1), basierend auf Brand und prominentestem Magerungselement, verzichtet. Bei der Vorstellung jedes Typs wird der typdefinierende Referenzscherben angegeben, auf eine Häufigkeitsangabe wird, wie schon ausgeführt, verzichtet, da sie eine verzerrte Realität widerspiegeln könnte. Die Farbbestimmung der Scherben erfolgte mittels Revised Soil Color Charts (1997) nach M. Oyama/H. Takehara, die Farbbestimmung der Glasur nach MICHEL-Farbenführer36 (München 1992).

3 Krug und Kanne würde hier prinzipiell über das Vorhandensein eines Ausgusses unterschieden werden, das aber aufgrund des Erhaltungszustandes ohnehin nicht feststellbar ist.

Irdenware Oxidierend gebrannte Irdenware Ox. I. 1 Bruch: 7.5 YR 8/2, 8/3, 7/2, 7/3 Magerung: Bruch geprägt durch Quarz/Feldspat, wenig Eisenkonkretionen bis zu mit freiem Auge sichtbarer Größe; Bruchstruktur körnig Oberfläche: 7.5 YR 8/2, 8/3, 7/2, 7/3; glatt bis schwach rau Referenz: Inv.-Nr. MV 73392/44 Ox. I. 2 Bruch: 7.5 YR 6/4, 6/3, 5/3 Magerung: ähnlich Inv.-Nr. MV 73392/44, aber gröber; Bruchstruktur grobkörnig Oberfläche: 7.5 YR 6/4, 6/3, selten 5/1 Referenz: Inv.-Nr. MV 73392/37 Ox. I. 3 Bruch: 2.5 YR 7/6 Magerung: Quarz/Feldspat und Eisenkonkretionen bis zu mit freiem Auge sichtbarer Größe; Bruchstruktur rau Oberfläche: 2.5 YR 7/6; glatt Referenz: Inv.-Nr. MV 73392/60 Ox. I. 4 Bruch: 2.5 YR 7/8 Magerung: Quarz/Feldspat und Eisenkonkretionen nur bei 20 facher Vergrößerung sichtbar; Bruchstruktur sandig Oberfläche: 2.5 YR 7/6; glatt Referenz: Inv.-Nr. MV 73392/61 Ox. I. 5 Bruch: 2.5 YR 6/8, 6/6, 5/8 Magerung: mit freiem Auge gut sichtbare, vollständig opake graue bis schwarze Partikel, weiters Quarz/Feldspat; Bruchstruktur grobsandig Oberfläche: 2.5 YR 4/1, 5/6; schwach rau Referenz: Inv.-Nr. MV 73392/55 Ox. I. 6 Bruch: 10 YR 8/2 Magerung: ganz vereinzelt Quarz/Feldspat nur bei 20 facher Vergrößerung sichtbar; Bruchstruktur feinsandig Oberfläche: 10 YR 8/2; glatt soweit feststellbar, da Ox. I. 6 fast immer in Zusammenhang mit opaker Glasur auftritt (Fayence) Referenz: Inv.-Nr. MV 73392/87 Reduzierend gebrannte Irdenware Red. I. 1 Bruch: 10 YR 4/1, zum Kern hin zum Teil auch 10 YR 3/2 Magerung: viel Quarz/Feldspat in verschiedenen Korngrößen, zum Teil auch mit freiem Auge sichtbar; Bruchstruktur körnig Oberfläche: N 4/0; Anm.: zumeist graphitiert, was die Aussage über die Oberfläche erschwert Referenz: Inv.-Nr. MV 73392/65 Red. I. 2 Bruch: N 6/0 Magerung: Quarz/Feldspat in kleinen Korngrößen, mit freiem Auge fast nicht erkennbar; Bruchstruktur feinkörnig Oberfläche: N 4/0–7.5 Y 4/1; glatt; Anm.: sehr oft mit metallischem Anflug Referenz: Inv.-Nr. MV 73392/63 Steinzeug dicht gesinterter, färbiger Scherben mit muscheligem Bruch; Oberfläche trägt zumeist eine Salzglasur (Kaltenberger 2000, 118) Steingut poröser, gelblicher bis weißer Scherben; Oberfläche trägt beidseitig farblose Glasur (Kaltenberger 2000, 117) Porzellan dicht gesinterter, weißer Scherben mit muscheligem Bruch (Kohlprath o. J. [1982] 216)

Tab. 1: Einteilung der Keramikarten nach Brand und Magerung.

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Töpfe und Schüsseln Umgeknickte Horizontalrandformen Die drei Fragmente, die unter dieser Beschreibung subsumiert werden, haben lediglich die Ausformung der Randpartie gemeinsam und dies wohl aus unterschiedlichsten Gründen. Während die Fragmente Kat.-Nr. 1–2 sowohl aufgrund ihrer enormen Größe als auch aufgrund der reduzierend gebrannten Keramikart als Vorratsgefäße angesprochen werden können, dürfte es sich bei der kleineren Form Kat.-Nr. 3 um einen Nachttopf handeln. Kat.-Nr. 1 Rand horizontal umgeknickt, darunter umlaufende Rille; Gefäßtyp: Topf („Vorratsgefäß“) (Taf. 1,1) Keramikart: Red. I. 1 Anm.: Über den Graphitgehalt des Scherbens kann dieses Stück nur als neuzeitlich angesprochen werden. Eine Datierung ins 17./18. Jh. bietet sich allenfalls parallel zum übrigen Material an. Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm (außen) 51 cm, Wst 0,7–1,1 cm Inv.-Nr.: MV 73628/2 Kat.-Nr. 2 Rand horizontal umgeknickt; Gefäßtyp: Topf („Vorratsgefäß“) (Taf. 1,2) Keramikart: Red. I. 1, mit besonders deutlicher Graphitierung Anm.: Datierung siehe Kat.-Nr. 1; in diesem Fall untermauert die Oberflächenbehandlung in Form einer Graphitierung durchaus eine Datierung ins 17./18. Jh., vielleicht sogar ins 19. Jh. Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm (außen) 42 cm Inv.-Nr.: MV 73167/1 Kat.-Nr. 3 Rand horizontal umgeknickt und verdickt; Gefäßtyp: Topf („Nachttopf“) (Taf. 1,3) Keramikart: Ox. I. 6 Oberfläche: soweit feststellbar innen u. außen auf einer opaken weißen Glasur grüner Dekor – der Erhaltungszustand macht eine Farbbestimmung unmöglich Vgl.: Wien 18.–1. H. 19. Jh. (Kaltenberger 2008, 153 Kat.-Nr. 31) Anm.: Formal stellt das Vergleichsstück keine genaue Entsprechung dar, was umso bemerkenswerter ist, da es sich bei besagtem Fragment um eine Übergangsform in der Entwicklung der Nachttöpfe zu handeln scheint. Es zeichnet sich der Wechsel von den markant umgeknickten Horizontalrändern zu den gerundet umgebogenen Formen des späten 18. und 19. Jh. ab. 4 Aus der Zeit dieser formalen Umstellung dürfte auch das vorliegende Fragment stammen und damit wahrscheinlich dem 18. Jh. zuzuordnen sein. Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm (außen) 23,4 cm Inv.-Nr.: MV 73627/9

Gerundet ausgebogene Randformen Töpfe mit einem gerundet ausgebogenen und zumeist auffällig weit bis horizontal ausladenden Rand, der in einigen Fällen auch noch durch Verstärkungsdreiecke unterstützt wird, treten in verschiedenen Ausgestaltungen ab dem 16. Jahrhundert auf und werden aufgrund ihrer zum Sitzen einladenden Randgestaltung fast ausschließlich funktional als Nachttöpfe interpretiert. Im Laufe des 19. Jahrhunderts werden Nachttöpfe aus Irdenware durch solche aus Steingut ersetzt. 5 Für konkrete Fragmente ergibt sich aufgrund der Funktiona4 5

Kaltenberger 2008, 153. Kaltenberger 2000, 112.

lität einer Form, an der offenbar wenig zu verbessern war, ein zum Teil weiterer Datierungsrahmen.

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Kat.-Nr. 4 Rand ausladendend, schwach verdickt; Verstärkungsdreieck zur Stabilisierung der Randzone; Gefäßtyp: Topf („Nachttopf“) (Taf. 1,4) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung6 „gelblichorange“; am Rand Farbwirkung „dunkelorange“ Vgl.: Wien 17./Anf. 18. Jh. (Kaltenberger 2002, Kat.-Nr. 18) und Wien spätes 18. bzw. 1. H. 19. Jh. (Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 35); Wien ab 17. Jh. (Scharrer-Liška 2008, 291 Kat.-Nr. 234) Vorkommen im Befund: Abfallgrube, Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 23 cm Inv.-Nr.: MV 73627/4 Kat.-Nr. 5 Rand annähernd horizontal ausladendend, schwach verdickt und durch eine Rille profiliert; Gefäßtyp: Topf („Nachttopf“) (Taf. 1,5) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelgrauoliv“ Vgl.: Wien 16./17. Jh.–(Anf.) 18. Jh. (Kaltenberger 2002, 206 Kat.-Nr. 17, auch hier zeigt sich die Langlebigkeit dieser Form); Graz 1. H. 17. Jh. (J. Kraschitzer, Zwei datierte frühneuzeitliche Fundkomplexe aus Graz. FÖ 42, 2003, 209 Kat.-Nr. 40 Taf. 16, Datierung über Parallelen); Melk E. 16.–18. Jh. (Kraschitzer 2007, 20 Kat.-Nr. 115) Vorkommen im Befund: Abfallgrube, Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 22,4 cm Inv.-Nr.: MV 73627/3 a Kat.-Nr. 6 Rand ausladend und verdickt; schräg über den Körper verlaufen breite, aber seichte Lummeln; Gefäßtyp: Topf („Nachttopf“) (Taf. 1,6) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen u. außen glasiert, Farbwirkung „dunkelgraugrün“ Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 61); Niederösterreich 16./17. Jh. (Bors 1994, Taf. 4 Typ M7) Anm.: Auch das Vergleichsstück aus Wien wird der Funktion „Nachttopf“ zugeordnet. 8 Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm 21 cm Inv.-Nr.: MV 73628/1 Kat.-Nr. 7 Rand ausladend und deutlich verdickt; Gefäßtyp: Topf („Nachttopf“) (Taf. 1,7) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „lebhaftolivgrün“ Vgl.: Wr. Neustadt/Neunkirchner Tor vermutlich 17. Jh. (Kühtreiber 1999, Kat.-Nr. A 81, Datierung über gesamten Fundposten) Anm.: formale Kombination der Eigenschaften von Kat.-Nr. 5–6. Es liegt also nahe, auch dieses Stück als Nachttopf zu sehen und entsprechend den anderen beiden Exemplaren eine Datierung ins 17./18. Jh. vorzuschlagen. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 32 cm Inv.-Nr.: MV 73367/6 Kat.-Nr. 8 Rand ausladend, an einer Seite deutlich gebaucht; Gefäßtyp: Topf („Nachttopf“) (Taf. 1,8) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelocker“ Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, 168 Kat.-Nr. 66) Anm.: Diese spezielle Randform könnte mit dem Vergleichsstück eines Fayence-Nachttopfes übereinstimmen, der aufgrund seiner ungewöhnlichen Bauchung funktional geschlechtsspezifisch interpretiert wurde. 9 Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73628/6 a

6 Von einer „Farbwirkung“ wird bei nichtopaken Glasuren gesprochen, da hier auch die „Eigenfarbe“ des Scherbens eine Rolle spielt. 7 Ein Fragment stammt aus einer vor 1672 abgekommenen Wüstung. Glasiert wird Typ M auf jeden Fall später als das 15. Jh. angesetzt (Bors 1994, 12). 8 Kaltenberger 2008, 166. 9 Kaltenberger 2008, 168.

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Krempränder Krempränder treten sowohl bei Töpfen als auch bei Schüsseln in verschiedensten Ausformungen und in verschiedenen Keramikarten auf. Krempränder an reduzierend gebrannter Irdenware zeigen sich hier meist deutlich verdickt und entweder gerundet oder kantig umgebogen, was sich aber nicht unbedingt als datierungsmächtiger Unterschied manifestiert. In einigen Fällen lässt der stark umbiegende und fast schon wieder an die Wand des Gefäßes angedrückte Kremprand auch bereits an die Herstellung von Sichelrändern, die in einer eigenen Gruppe behandelt werden, denken. In der Folge werden die Krempränder nach formalen Tendenzen geordnet vorgelegt. Gerundet umgebogene Krempränder Kat.-Nr. 9 Kremprand gerundet umgebogen, spitz zulaufend wieder zur Gefäßwand gezogen, stark untergriffig; Ansatz von eingeritzten, umlaufenden Zacken am Rand; Gefäßtyp: Topf (Taf. 1,9) Keramikart: Red. I. 1, mit deutlicher Graphitierung Vgl.: Wien 16./17. Jh. u. vor allem 17. Jh. (Kaltenberger 2002, 200 f. Kat.-Nr. 2); Salzburg/St. Peter 16. Jh. (Kaltenberger 1999, Kat.-Nr. 112) Anm.: Generell kann bei diesen Rändern noch keine Aussage darüber gemacht werden, wie lange sie im 18. Jh. noch produziert wurden. Bei Kat.-Nr. 10 spricht die Töpfermarke für eine Datierung ins 17. Jh., da diese Markenformen vorher nicht auftreten. Aufgrund der Lückenhaftigkeit des Materials, es handelt sich lediglich um Randstücke in meist schlechtem Zustand, ist eine Beurteilung der ganzen Form nicht möglich. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 26,6 cm Inv.-Nr.: MV 73367/2 Kat.-Nr. 10 Kremprand gerundet umgebogen, spitz zulaufend wieder zur Gefäßwand gezogen, stark untergriffig; sehr schlecht erhalten, aber Kat.-Nr. 9 offenbar formal entsprechend; Reste eines Stempels; Gefäßtyp: Topf (Taf. 1,10) Keramikart: Red. I. 1, mit deutlicher Graphitierung Vgl.: Wien 2. H. 16. Jh. (Kaltenberger 2002, Kat.-Nr. 1) Anm.: Der Stempel spricht eher für eine Datierung ins 16./17. Jh. nicht aber unbedingt die Randform an sich. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (innen) 30 cm Inv.-Nr.: MV 73367/13 Kat.-Nr. 11 Kremprand extrem verdickt, gerundet umgebogen, zylindrischer Körper und randständiger, gestempelter Henkel; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 1,11) Keramikart: Red. I. 2, mit deutlichem metallischem Anflug10 Vgl.: Melk 16. Jh. (Kraschitzer 2007, 24 Kat.-Nr. 145, Datierung über Parallelen) 10 Metallischer Anflug tritt ab dem 15. Jh. auf, stellt aber wie sich hier zeigt „nach oben hin“ kein Datierungsmerkmal dar und scheint eine lange Laufzeit zu haben. 11 S. Felgenhauer-Schmiedt in: Keramische Bodenfunde aus Wien. Mittelalter – Neuzeit. Kat. Museen Stadt Wien (Wien o. J. [1982]) Kat.-Nr. 84 (15. Jh.). 12 Kraschitzer 2007, 24.

Anm.: Hier handelt es sich zweifellos um eine Form mit einer gewissen Laufzeit – ähnliche Stücke finden sich schon in spätmittelalterlichen Zusammenhängen11. Der Stempel deutet in diesem Fall eher auf eine Datierung ins 16./17. Jh. hin, wobei die weitere Laufzeit und damit eine noch jüngere Datierung offen bleiben muss. Dass diese Stücke auch gerne als Halbtopf12 bezeichnet werden, verdeutlicht noch einmal die Schwierigkeit, einen isolierten Kremprand korrekt der Form „Schüssel“ oder „Topf“ zuzuordnen. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 16,6 cm, BDm 17 cm, H 6 cm Inv.-Nr.: MV 73392/18

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Kat.-Nr. 12 Kremprand gerundet umgebogen, etwas weniger verdickt; zylindrischer Körper, randständiger, gestempelter Henkel; als Beizeichen bei der Marke nur noch ein „A“ erkennbar; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 2,12) Keramikart, Vgl. u. Anm.: siehe Kat.-Nr. 11 Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (innen) ca. 15 cm, BDm 15 cm, H 6,3 cm Inv.-Nr.: MV 73392/17 Kat.-Nr. 13 Kremprand schwach verdickt, gerundet umgebogen und tendenziell wieder an die Gefäßwand geführt; Gefäßtyp: Topf (Taf. 2,13) Keramikart: Red. I. 2 Anm.: Möglicherweise handelt es sich hier um eine Übergangsform zum Sichelrand, die damit am ehesten ins 17. Jh. datieren dürfte. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73392/64

Kantig umgebogene, deutlich verdickte Krempränder Kat.-Nr. 14 Kremprand kantig umgebogen, verdickt, spitz zulaufend wieder zur Gefäßwand gezogen, untergriffig, am Rand setzt ein aufgestellter Henkel mit annähernd rundem Querschnitt an; Gefäßtyp: Doppelhenkelschüssel (Taf. 2,14) Keramikart: Red. I. 2 Vgl.: Wien 15./16. bzw. 16./17. Jh. (Kaltenberger 2002, 203 Kat.-Nr. 8) Anm.: Auch hier zeigt sich ein deutlicher Datierungsspielraum. Der im Vergleich zu anderen Stücken dieser Art stark eingerollte Rand könnte für eine Datierung ins 17., vielleicht auch ins 18. Jh. sprechen. 13 Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (innen) 34 cm Inv.-Nr.: MV 73392/20 Kat.-Nr. 15 Kremprand extrem verdickt, kantig umgebogen, spitz zulaufend wieder zur Gefäßwand gezogen, untergriffig; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 2,15) Keramikart: Red. I. 1, mit deutlicher Graphitierung Vgl.: siehe Kat.-Nr. 14 Anm.: Die Graphitierung stützt eine Datierung ins 17./18. Jh. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (innen) 41 cm Inv.-Nr.: MV 73367/3 Kat.-Nr. 16 Kremprand extrem verdickt, kantig umgebogen, spitz zulaufend wieder zur Gefäßwand gezogen, untergriffig; randständiger Henkel mit Stempel am Ansatz; Gefäßtyp: Topf (Taf. 2,16) Keramikart: Red. I. 1, mit Resten von Graphitierung Vgl.: Wien 16. Jh. (Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 18) Anm.: Auch wenn die Randform durchaus für das 16. Jh. 14 sprechen könnte, weist der Rest einer Marke am Rand doch eher auf eine Datierung ins 17. Jh. – vielleicht auch später – hin. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73392/23

Horizontal kantig umgebogene, zum Teil verdickte Krempränder Nur in Zusammenhang mit oxidierend gebrannter Irdenware finden sich mäßig verdickte, horizontal und kantig umgebogene Krempränder. Die Krempe ist dabei so breit ausgeformt, dass sie diesem Namen auch wirklich alle Ehre macht. Diese spezielle Form tritt verschieden ausgestaltet ausschließlich als Schüssel-

13 14

Kaltenberger 2002, 203. Kaltenberger 2000, 107 f.

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rand auf, wobei sich eine Tendenz zum Wiedereinrollen dieser Ränder zeigt. Fast alle diese Schüsselfragmente aus dem vorliegenden Material weisen deutliche Gebrauchsspuren auf – die zumeist im Ansatz noch erkennbaren Fußzapfen15 ermöglichten eine Verwendung direkt in der Glut. 16 Für Dreibeinschüsseln mit Doppelhenkel wird für die Stücke vom Michaelerplatz in Anlehnung an Funde aus der Alten Universität in Wien eine Datierung ins 17. bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts vorgeschlagen. 17 Über ein Auftreten der Form gegen Ende des 16. Jahrhunderts könnte hier nur spekuliert werden. Kat.-Nr. 17 Kremprand mit breiter Krempe, horizontal kantig umgebogen, verdickt; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 2,17) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelocker“; deutlich Kochspuren Vgl.: Wien 17./18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 57; Kaltenberger 2002, Kat.-Nr. 23) Anm.: Ohne genaue Entsprechung für die spezielle Ausformung des Randes. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 21 cm Inv.-Nr.: MV 73392/7 Kat.-Nr. 18 Kremprand horizontal kantig umgebogen, verdickt, zylindrischer Körper und Fußzapfenansätze; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 2,18) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelgrünlicholiv“; deutlich Kochspuren Vgl.: Wr. Neustadt/Neunkirchner Tor (Kühtreiber 1999, Kat.-Nr. A 236) und Wien 17./18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 57; Kaltenberger 2002, Kat.-Nr. 23) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 13,6 cm, BDm 11,6 cm Inv.-Nr.: MV 73392/10 Kat.-Nr. 19 Kremprand mit breiter Krempe, horizontal kantig umgebogen, verdickt; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 2,19) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelgrauoliv“; deutlich Kochspuren Vgl. u. Anm.: siehe Kat.-Nr. 17 Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 21,6 cm Inv.-Nr.: MV 73627/5 Kat.-Nr. 20 Kremprand mit breiter Krempe, horizontal kantig umgebogen, verdickt; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 2,20) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelocker“; deutlich Kochspuren Vgl.: siehe Kat.-Nr. 17 Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 25,8 cm Inv.-Nr.: MV 73392/9 Kat.-Nr. 21 Kremprand mit breiter Krempe, horizontal kantig umgebogen, verdickt und wieder zur Wand gebogen; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 2,21) 15 16 17

Kohlprath o. J. (1982) Kat.-Nr. 336–337. Kaltenberger 2002, 207. Kaltenberger 2008, 164 f.

Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelgrauoliv“; deutlich Kochspuren Vgl. u. Anm.: siehe Kat.-Nr. 17

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Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 25,4 cm Inv.-Nr.: MV 73392/6 Kat.-Nr. 22 Kremprand mit breiter Krempe, horizontal kantig umgebogen, verdickt und wieder zur Wand gebogen; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 2,22) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelgelbocker“; deutlich Kochspuren Vgl.: Wien 16./17. bzw. 17./18. Jh. (Kaltenberger 2002, Kat.-Nr. 23) Anm.: Der zeitliche Schwerpunkt liegt hier wohl eher im 17. Jh. 18 Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 22 cm Inv.-Nr.: MV 73162/1 Kat.-Nr. 23 Kremprand mit breiter Krempe, horizontal kantig umgebogen, verdickt und wieder an die Wand angedrückt; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 2,23) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelgrünoliv“; deutlich Kochspuren Vgl.: Niederösterreich 2. H. 16. Jh. (Bors 1994, 13 Taf. 4 Typ R 4, frühestes Vorkommen in einer vor 1565 abgekommenen Wüstung) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 21,8 cm Inv.-Nr.: MV 73367/4

Sichelränder Tonnenförmige Henkeltöpfe mit Sichelrand erscheinen mit 4-Stempel ab dem 17. Jahrhundert, werden aber bis ins 19. Jahrhundert hergestellt und weisen häufig Graphitengobe auf. 19 Sichelränder treten in verschiedenen Ausformungen auf, die zurzeit aber noch kein Datierungskriterium darstellen. Auch wenn der Sichelrand für gewöhnlich mit reduzierend gebrannter Irdenware assoziiert wird, erscheinen auch im Bereich der oxidierend gebrannten Irdenware Randfragmente, die diese Bezeichnung verdienen. Kat.-Nr. 24 Sichelrand; Gefäßtyp: Topf (Taf. 2,24) Keramikart: Red. I. 1 Vgl.: Linz/Martinsfeld 17. Jh. (A. Kaltenberger, Mittelalterliche und neuzeitliche Keramik vom Martinsfeld. In: 1200 Jahre Martinskirche Linz [799–1999]. Kat. Oberösterr. Landesmus. N. F. 143 [Linz 1999] 100 Kat.-Nr. 7) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (innen) 15 cm Inv.-Nr.: MV 73392/66 Kat.-Nr. 25 Sichelrand; Gefäßtyp: Topf (Taf. 2,25) Keramikart: Red. I. 1 Vgl.: Wien ab dem 17. Jh. (Kaltenberger 2002, Kat.-Nr. 3) Vorkommen im Befund: Abfallgrube, Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 17,6 cm Inv.-Nr.: MV 73627/3 Kat.-Nr. 26 Sichelrand; gestempelter, randständiger Henkel; Marke mit zwei „A“ als Beizeichen; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,26)

18 19

Keramikart: Red. I. 1, deutlich graphitiert

Kaltenberger 2002, 207. Kaltenberger 2002, 201.

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Vgl.: Wien ab dem 17. Jh. (Kaltenberger 2002, Kat.-Nr. 3) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73392/22 Kat.-Nr. 27 Sichelrand, leicht unterschnitten; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,27) Keramikart: Red. I. 1 Vgl.: Wien (Kaltenberger 2002, Kat.-Nr. 3) und Salzburg/St. Peter (Kaltenberger 1999, Kat.-Nr. 115–116) ab dem 17. Jh. Vorkommen im Befund: Abfallgrube, Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 22 cm Inv.-Nr.: MV 73394/1 Kat.-Nr. 28 Sichelrand, profiliert; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,28) Keramikart: Red. I. 1 Anm.: Ohne direkte Parallele wird eine zeitliche Einordnung parallel zu den vorhergehenden Fragmenten vorgeschlagen. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (innen) 24 cm Inv.-Nr.: MV 73392/68 Kat.-Nr. 29 Sichelrand, randständiger Henkel; auf dem Henkel Fingerdruckmulden; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,29) Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: außen u. innen opak glasiert, am Rand „dunkelgraugrün“, innen „gelblichweiß“ Vgl.: rein formal Wien 2. H. 16./17. Jh. (Kaltenberger 2002, 211 Kat.-Nr. 30); Salzburg/St. Peter 17./18. Jh. (Kaltenberger 1999, Kat.-Nr. 144) Vorkommen im Befund: Abfallgrube, Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 9 cm Inv.-Nr.: MV 73392/12 Kat.-Nr. 30 Sichelrand, schwach ausgeprägter Grat unter dem Rand; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,30) Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „lebhaftbraunocker“ Vgl.: Linz/Martinsfeld 19. Jh. (A. Kaltenberger, Mittelalterliche und neuzeitliche Keramik vom Martinsfeld. In: 1200 Jahre Martinskirche Linz [799–1999]. Kat. Oberösterr. Landesmus. N. F. 143 [Linz 1999] 102 Kat.-Nr. 13) Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm 15 cm Inv.-Nr.: MV 73628/3

Kragenränder Kragenränder treten in den verschiedensten Ausformungen kombiniert mit unterschiedlichen Gefäßformen und -typen auf. Entsprechend weitläufig ist auch der Datierungsspielraum. Die folgende Unterteilung spiegelt im Endeffekt keine chronologisch sinnvolle Ordnung wider, es wurde lediglich versucht, nach formalen Tendenzen zu gruppieren. Gerundet ausgeformte Kragenränder Kat.-Nr. 31 Kragenrand gerundet ausgeformt, deutlich ausladende Schulter; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,31) Keramikart: Ox. I. 2 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelrotbraun“ bis „dunkelsiena“

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Vgl.: Wr. Neustadt/Neunkirchner Tor 16./17. Jh. (Kühtreiber 1999, 156 Kat.-Nr. A 190, Datierung über Fundposten) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 17 cm Inv.-Nr.: MV 73627/2 Kat.-Nr. 32 Kragenrand gerundet ausgeformt, schwacher Einzug an der Außenseite; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,32) Keramikart: Ox. I. 1, sekundär reduzierend gebrannt Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelgrauoliv“ Vgl.: Melk 17./18. Jh. (Kraschitzer 2007, 20 Kat.-Nr. 104–105, Datierung über Parallelen) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 13 cm Inv.-Nr.: MV 73392/8 Kat.-Nr. 33 Kragenrand gerundet ausgeformt, schwacher Einzug an der Außenseite und deutliche Auszipfelung; randständiger Henkel mit sternfömiger Ritzmarke; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,33) Keramikart: Ox. I. 1, sekundär reduzierend gebrannt Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelocker“ Vgl.: Wien 18. Jh. (Kaltenberger 2000, 111 Kat.-Nr. 25–26) Anm.: Da es sich nur um eine grobe Entsprechung handelt, soll eine Datierung ins 18. Jh. lediglich angedacht werden. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73392/20 Kat.-Nr. 34 Kragenrand gerundet ausgeformt; Marke auf Henkelansatz, als Beizeichen zwei „A“; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,34) Keramikart: Red. I. 2 Vgl.: Melk 18. Jh. (Kraschitzer 2007, 21 Kat.-Nr. 119, Datierung über Parallelen) Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung, Abfallgrube Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73627/4 Kat.-Nr. 35 Kragenrand gerundet ausgeformt; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,35) Keramikart: Red. I. 2 Vgl.: Melk 17./18. Jh. (Kraschitzer 2007, 20 Kat.-Nr. 109, Datierung über Parallelen); Niederösterreich 2. H. 16./17. Jh. (Bors 1994, 12 Taf. 3 Typ H1–H2) Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) ca. 18 cm Inv.-Nr.: MV 73628/9 Kat.-Nr. 36 Kragenrand gerundet ausgeformt; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 3,36) Keramikart: Red. I. 2, mit deutlicher Graphitierung Vgl.: Melk 17. Jh. (Kraschitzer 2007, 24 Kat.-Nr. 143); Frickenhausen 16./17. Jh. (R. Großmann, Hafnerhandwerk in Frickenhausen. In: Forschungen zur Geschichte der Keramik in Schwaben. Arbeitsh. Bayer. Landesamt Denkmalpfl. 58 [München 1993] 314 Abb. 2 a) Anm.: Formal ist die Randausbildung Kat.-Nr. 35 sehr ähnlich, was zeigt, dass diese Randform nicht auf den Typus Topf beschränkt ist. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 23 cm Inv.-Nr.: MV 73367/1 Kat.-Nr. 37 Kragenrand gerundet ausgeformt, randständiger Henkel mit Fingerdruckmulde an Schulter angarniert; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,37) Keramikart: Ox. I. 1

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Oberfläche: innen u. außen opak glasiert, „rotschwarz“ Vgl.: Melk 2. H. 16.–frühes 19. Jh. (Kraschitzer 2007, 18 Kat.-Nr. 8) Anm.: Da es sich dabei nicht um eine vollständige formale Entsprechung handelt und da auch die Glasur eine jüngere Datierung annehmen lässt, wird hier von einer Zeitstellung 17./18. Jh. ausgegangen. Vorkommen im Befund: Abfallgrube, Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 4,8 cm Inv.-Nr.: MV 73393/3

Unprofilierter Kragenrand mit gerundeter Oberkante Kat.-Nr. 38 Kragenrand unprofiliert, mit gerundeter Oberkante, randständiger Henkel mit Fingerdruckmulde angarniert; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,38) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „braungelb“ Vgl.: Wien 16./17. Jh. (Kaltenberger 2002, 205 Kat.-Nr. 14); Melk 2. H. 16.–frühes 19. Jh. (Kraschitzer 2007, 18 Kat.-Nr. 33; 46) Vorkommen im Befund: Abfallgrube, Kellerverfüllung Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73367/10 Kat.-Nr. 39 Kragenrand unprofiliert, mit gerundeter Oberkante und deutlicher Auszipfelung; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,39) Keramikart: Ox. I. 1, deutlich sekundär reduzierend gebrannt Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelocker“ Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, 162 Kat.-Nr. 47); Melk 2. H. 16.–frühes 19. Jh. (Kraschitzer 2007, 18 Kat.-Nr. 7; 39; 52) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73367/7 Kat.-Nr. 40 Kragenrand unprofiliert, mit gerundeter Oberkante, schwach unterschnitten; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,40) Keramikart: Ox. I. 1, deutlich sekundär reduzierend gebrannt Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelocker“ Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, 162 Kat.-Nr. 46) Anm.: Ein hoher, dünner Kragenrand mit eingezogener Außenseite und gerundeter Oberkante wird durchaus als kennzeichnend für das fortgeschrittene 18. Jh. angesehen. 20 Vorkommen im Befund: Abfallgrube, Kellerverfüllung Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73367/8 Kat.-Nr. 41 Kragenrand unprofiliert, mit gerundeter Oberkante und deutlicher Auszipfelung; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,41) Keramikart: Ox. I. 1, deutlich sekundär reduzierend gebrannt Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „gelbocker“/„dunkelgelbocker“ Vgl.: Wien spätes 18.–M. 19. Jh. (Kaltenberger 2008, 154 f. Kat.-Nr. 25) Vorkommen im Befund: Abfallgrube, Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 16,8 cm Inv.-Nr.: MV 73392/3 Kat.-Nr. 42 Kragenrand unprofiliert, mit gerundeter Oberkante, kaum unterschnitten, randständiger Henkel an der Schulter mit Druckmulde angarniert; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,42) Keramikart: Ox. I. 1, deutlich sekundär reduzierend gebrannt 20

Kaltenberger 2008, 162.

Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelocker“

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Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 47); Melk 2. H. 16.–frühes 19. Jh. (Kraschitzer 2007, 18 Kat.-Nr. 28; 51) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (innen) 16 cm Inv.-Nr.: MV 73392/11 Kat.-Nr. 43 Kragenrand unprofiliert, mit gerundeter Oberkante; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,43) Keramikart: Ox. I. 1, deutlich sekundär reduzierend gebrannt Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelocker“ Vgl.: Wien 2. H. 18.(–19.) Jh. (Kaltenberger 2008, 154 Kat.-Nr. 22) Vorkommen im Befund: Abfallgrube, Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 13,6 cm Inv.-Nr.: MV 73367/5 Kat.-Nr. 44 Kragenrand unprofiliert, mit gerundeter Oberkante, eingezogener Außenseite und deutlicher Auszipfelung, schwach unterschnitten; Gefäßtyp: Topf (Taf. 3,44) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „gelbocker“/„dunkelgelbocker“ Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 49); Niederösterreich 2. H. 16. und 17. Jh. (Bors 1994, 12 Taf. 2 Typ E4) Anm.: Bei dem Vergleichsstück aus Wien wird der relativ dünne Kragenrand mit der eingezogenen Außenseite für das fortgeschrittene 18. Jh. als kennzeichnend betrachtet. Es seien hier auch Ausgüsse und Henkel anzunehmen. 21 Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 10 cm Inv.-Nr.: MV 73392/4 Kat.-Nr. 45 Kragenrand unprofiliert, mit gerundeter Oberkante, stark eingezogener Außenseite und deutlicher Auszipfelung, ein Henkel reicht vom Rand bis zur Schulter und weist eine Fingerdruckmulde auf; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,45) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „braungelb“ Vgl.: tendenziell Wien 19. Jh. (Kaltenberger 2008, 183 Kat.-Nr. 103)22 Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73367/9 Kat.-Nr. 46 Kragenrand unprofiliert, mit gerundeter Oberkante und schwacher Auszipfelung; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,46) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: außen u. innen glasiert, Farbwirkung am Rand „dunkelolivgrün“, innen „dunkelgelbocker“ Vgl.: Wien 19. Jh. (Kaltenberger 2008, 183 Kat.-Nr. 111)23 Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 15,6 cm Inv.-Nr.: MV 73414/1 Kat.-Nr. 47 Kragenrand unprofiliert, mit gerundeter Oberkante, eingezogener Außenseite und deutlicher Auszipfelung; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,47) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelocker“ Vgl.: Wien spätes 18.–M. 19. Jh. (Kaltenberger 2008, 155 Kat.-Nr. 27); Wr. Neustadt/Neunkirchner Tor 16.–18. Jh. mit einem Schwerpunkt im 17. Jh. (Kühtreiber 1999, 90 Kat.-Nr. A 4) Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm 20 cm Inv.-Nr.: MV 73414/55

21 Kaltenberger 2008, 162. 22 Als Vergleiche werden hier Töpfe aus Niederbayern angeführt, die in die 2. H. des 19. Jh. und zumindest bis um 1900 datiert werden. 23 Siehe Anm. 22.

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Kat.-Nr. 48 Kragenrand unprofiliert, mit gerundeter Oberkante, stark eingezogener Außenseite und deutlicher Auszipfelung; über den Körper breite, schräg verlaufende Lummeln; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,48) Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: außen u. innen glasiert, Farbwirkung am Rand „dunkelgrünoliv“, innen „dunkelgelbocker“ Vgl.: Wien 19. Jh. (Kaltenberger 2008, 183 Kat.-Nr. 112)24 Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 22 cm Inv.-Nr.: MV 7353/1 Kat.-Nr. 49 Kragenrand unprofiliert, mit gerundeter Oberkante, stark eingezogener Außenseite und undeutlicher Auszipfelung, auf deren Höhe eine Leiste mit Eindrücken verläuft; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,49) Keramikart: Ox. I. 4 Vgl.: Wr. Neustadt/Neunkirchner Tor 19./20. Jh. (Kühtreiber 1999, 108 Kat.-Nr. A 20) Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm 19 cm Inv.-Nr.: MV 73415/18

Abgestrichene Kragenränder Im Falle der Töpfe mit abgestrichenem Kragenrand mit einer mehr oder weniger deutlichen Einziehung an der Außenseite fällt eine gewisse Nähe zu jenen Formtypen auf, die K. Bors im Wüstungsbereich – also in einem nicht städtischen Umfeld – definiert hat. Tatsächlich sind die Zulieferwege und Quellen, die das neuzeitliche Wien mit Keramik belieferten, bzw. die Veränderungen, denen diese Versorgung unterlag, noch weitgehend unbekannt. Weiters muss man sich wohl die Frage stellen, ob und wie sich die städtische Keramiklandschaft von der vorstädtischen oder der dörflichen abhebt. Lassen sich hier Unterschiede feststellen, so stellt sich weiter die Frage, zu welchem Zeitpunkt der Stadtentwicklung sich diese verschleifen und eine einheitliche „städtische“ Keramik vorherrscht. Kat.-Nr. 54 wurde hier nur aufgrund des nach innen abgestrichenen Randes angeführt, passt sonst aber nicht in das formale Schema. Kat.-Nr. 50 Kragenrand abgestrichen, schwach unterschnitten mit schwach eingezogener Außenseite und deutlicher Auszipfelung; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,50) Keramikart: Ox. I. 2 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „gelbocker“/„dunkelgelbocker“ Vgl.: Niederösterreich ab 2. H. 16. Jh. (Bors 1994, 13 Taf. 3 Typ K 8) Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73415/22 Kat.-Nr. 51 Kragenrand abgestrichen, nicht unterschnitten; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,51) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „gelbocker“/„dunkelgelbocker“ Vgl.: Niederösterreich Schwerpunkt im 16./17. Jh. (Bors 1994, 12 Taf. 3 Typ L7) Vorkommen im Befund: Abfallgrube, Kellerverfüllung Maße: RDm (innen) 24 cm Inv.-Nr.: MV 73392/21 Kat.-Nr. 52 Kragenrand abgestrichen, deutlich unterschnitten mit stark eingezogener Außenseite und deutli24

Siehe Anm. 22.

cher Auszipfelung; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,52)

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Keramikart: Ox. I. 1, deutlich sekundär reduzierend gebrannt Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelocker“ Vgl.: Niederösterreich 17.(/18.?) Jh. (Bors 1994, Taf. 3 Typ L6 – frühestes Vorkommen in einer vor 1730 abgekommenen Wüstung) Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 22 cm Inv.-Nr.: MV 73414/4 Kat.-Nr. 53 Kragenrand abgestrichen, deutlich unterschnitten mit auffällig stark eingezogener Außenseite und besonders deutlicher Auszipfelung; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,53) Keramikart: Ox. I. 1, deutlich sekundär reduzierend gebrannt Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „lebhaftocker“ Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, 154 Kat.-Nr. 23); Wien 16./17. Jh. (Scharrer-Liška 2008, 279 Kat.-Nr. 578) Vorkommen im Befund: Abfallgrube, Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 28 cm Inv.-Nr.: MV 73414/3 Kat.-Nr. 54 Kragenrand sehr hoch, nicht unterschnitten, nach innen abgestrichen mit einer Einziehung nach innen; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,54) Keramikart: Ox. I. 1, sekundär reduzierend gebrannt Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelocker“ Anm.: keine direkten Vergleiche Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 25,4 cm Inv.-Nr.: MV 73392/7

Profilierte Kragenränder Profilierte Kragenränder mit gerundetem Abschluss Kat.-Nr. 55 Kragenrand profiliert, mit gerundetem Abschluss; Gefäßtyp: Topf („Nachttopf“?) (Taf. 4,55) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelgrünoliv“ Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, 165 Kat.-Nr. 59) Anm.: Das Vergleichsfragment wird als Nachttopf angesprochen, was für das vorliegende Fragment dieselbe Verwendung nahelegt. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 19 cm Inv.-Nr.: MV 73628/6 Kat.-Nr. 56 Kragenrand profiliert, mit gerundetem Abschluss; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,56) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „oliv“ bis „dunkeloliv“ Vgl.: Niederösterreich ca. 16. Jh. (Bors 1994, 13 Taf. 3 Typ K4 – frühestes Vorkommen in einer vor 1600 abgekommenen Wüstung, die Form wird generell ins 16. Jh. datiert) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm 16 cm Inv.-Nr.: MV 73392/52 Kat.-Nr. 57 Kragenrand profiliert, mit gerundetem Abschluss; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,57) Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: außen u. innen glasiert, Farbwirkung am Rand „dunkelolivgrün“, innen „dunkelgelbocker“ Vgl.: Melk 2. H. 16.–18. Jh. (Kraschitzer 2007, 19 Kat.-Nr. 81) Vorkommen im Befund: Abfallgrube

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Maße: RDm 22 cm Inv.-Nr.: MV 73627/2 Kat.-Nr. 58 Kragenrand profiliert, ausladend; Gefäßtyp: Topf („Nachttopf“?) (Taf. 4,58) Keramikart: Ox. I. 2 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelolivbraun“, außen „dunkelbraun“ Vgl.: Wien 2. H. 17. Jh. (Kohlprath o. J. [1982] Kat.-Nr. 360; Melk ohne konkrete Datierung, vermutlich 17./18. Jh. (Kraschitzer 2007, 16 Kat.-Nr. 84) Anm.: Aufgrund des ausladenden Randes könnte es sich auch in diesem Fall um ein NachttopfFragment handeln, wie eine Parallele aus Wien nahelegt. Bei einem fast identischen Stück aus Melk findet sich allerdings keine solche Interpretation. Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm (außen) 21 cm Inv.-Nr.: MV 73628/4

Profilierte Kragenränder mit abgestrichenem Abschluss Kat.-Nr. 59 Kragenrand profiliert, mit abgestrichenem Abschluss und leichter Einziehung an der Innenseite; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,59) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelgrauoliv“ Vgl.: Melk 2. H. 16.–18. Jh. (Kraschitzer 2007, 19 Kat.-Nr. 80); Wien bis 18. Jh. (Scharrer-Liška 2008, 279 Kat.-Nr. 139) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 14 cm Inv.-Nr.: MV 73392/5 Kat.-Nr. 60 Kragenrand profiliert, mit abgestrichenem Abschluss und leichter Einziehung an der Innenseite; randständiger Henkel; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,60) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „lebhaftgrünoliv“ Anm.: Aus Mangel an direkten Vergleichen wird eine Datierung entsprechend den anderen Fragmenten mit dieser Ausformung vorgeschlagen. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73367/11 Kat.-Nr. 61 Kragenrand profiliert, mit abgestrichenem Abschluss; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,61) Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelbraun“ Anm.: Datierung wie Kat.-Nr. 62 Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73414/60 Kat.-Nr. 62 Kragenrand profiliert, mit abgestrichenem Abschluss; Gefäßtyp: Topf (Taf. 4,62) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen opak glasiert, „rotschwarz“ Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, 163 Kat.-Nr. 61) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 31 cm, (innen) 29 cm Inv.-Nr.: MV 73628/8 Kat.-Nr. 63 Kragenrand profiliert, mit abgestrichenem Abschluss und leichter Einziehung an der Innenseite; randständiger Henkel; Gefäßtyp: Topf (Taf. 5,63) Keramikart: Ox. I. 1

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Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelorangegelb“ Vgl.: Melk 2. H. 16.–18. Jh. (Kraschitzer 2007, 19 Kat.-Nr. 79) Vorkommen im Befund: Abfallgrube, Kellerverfüllung Maße: RDm (innen) 18,4 cm Inv.-Nr.: MV 73627/8 Kat.-Nr. 64 Kragenrand profiliert, mit abgestrichenem Abschluss und deutlicher Einziehung an der Innenseite; Gefäßtyp: Topf (Taf. 5,64) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelsiena“ Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 50) Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm (außen) 19 cm Inv.-Nr.: MV 73628/5 Kat.-Nr. 65 Kragenrand profiliert, mit abgestrichenem Abschluss und deutlicher Einziehung an der Innenseite; randständiger Henkel an Schulter mit einer Druckmulde angarniert; Gefäßtyp: Topf (Taf. 5,65) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung am Rand „dunkelgelboliv“ und dann verlaufend „gelboliv“ Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 50) Anm.: Auch bei dem Vergleichsstück ist der Rand in einer anderen Farbschattierung betont. Töpfe mit dieser Randgestaltung und Betonung dürften ab der Mitte des 18. Jh. auftreten, wobei ihre Laufzeit im 19. Jh. noch unbekannt ist. 25 Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 11 cm Inv.-Nr.: MV 73627/1 Kat.-Nr. 66 Kragenrand profiliert, mit abgestrichenem Abschluss und starker Einziehung an der Innenseite, randständiger Henkel; am Henkelansatz eine 4-Marke mit den erkennbaren Beizeichen „K“ und „M“; primär angebrachtes Loch etwas unter Henkel; Gefäßtyp: Topf (Siebgefäß?) (Taf. 5,66) Keramikart: Red. I. 2 Vgl.: formal Wr. Neustadt/Neunkirchner Tor 2. H. 15. Jh. (Kühtreiber 1999, 82 Kat.-Nr. A 6) Anm.: Angesichts des Stempels ist eine Datierung ins 15. Jh. nicht möglich. Eher muss von einer Zeitstellung ins 17. Jh. oder jünger ausgegangen werden. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm 19 cm Inv.-Nr.: MV 73393/5

Kelchförmig aufgestellte, profilierte Randformen Der kelchförmig aufgestellte und profilierte Rand findet sich hier und bei den zitierten Parallelen nur mit Schüsselformen kombiniert. Kat.-Nr. 68 weist Reste von Füßen auf. Bei allen Fragmenten finden sich mehr oder weniger deutliche Spuren von sekundärem Brand – vergleichbar mit den Schüsselformen mit breitkrempigem Horizontalrand (Kat.-Nr. 17–23) –, die auf eine Verwendung als Kochgeschirr schließen lassen. Kat.-Nr. 67 Rand kelchförmig aufgestellt, profiliert, mit Innenkehlung; Gefäßtyp: Topf (Taf. 5,67) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen u. außen glasiert, innen Farbwirkung „lebhaftocker“ bis „ocker“, außen „dunkelgrün“ Vgl.: Wien spätes 18.–1. H. 19. Jh. (Kaltenberger 2008, 183 Kat.-Nr. 109); Wien (Scharrer-Liška 25

2008, 284 f. Kat.-Nr. 633)

Kaltenberger 2008, 163.

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Anm.: Diese spezielle Randform kommt sowohl mit Töpfen als auch mit Dreibeinschüsseln kombiniert vor. Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 35 cm Inv.-Nr.: MV 73415/1 Kat.-Nr. 68 Rand kelchförmig aufgestellt, profiliert mit Innenkehlung und randständigem Henkel; Ansatz eines Fußes vorhanden; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 5,68) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen u. außen glasiert, innen Farbwirkung „dunkelockerbraun“, außen „dunkeloliv“ Vgl.: siehe Kat.-Nr. 67 Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 15 cm Inv.-Nr.: MV 73414/2

Profilierte Randformen Profilierte, an der Innenseite unterschiedlich stark eingezogene und zum Teil abgestrichene Randformen finden sich ebenso wie die aufgestellten und profilierten Kelchränder nur in Kombination mit Schüsselformen. Kat.-Nr. 69 Rand profiliert; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 5,69) Keramikart: Red. I. 2 Vgl.: Salzburg/St. Peter 2. H. 16. Jh. (Kaltenberger 1999, Kat.-Nr. 171) Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73628/12 Kat.-Nr. 70 Rand profiliert und nach innen abgestrichen, mit Einziehung an der Innenseite; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 5,70) Keramikart: Red. I. 2 Vgl.: Salzburg/St. Peter 2. H. 16. Jh. (Kaltenberger 1999, Kat.-Nr. 171) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73392/73

Kleine Topfformen/Tiegel Als Tiegel bezeichenbare kleine Topfformen aus Fayence finden sich vereinzelt und dann stets nur sehr fragmentiert im vorliegenden Material. Typisch für diese Form ist hier der ausgebogene Rand, bei zwei von drei Formen ist allerdings lediglich der untere Teil des Körpers erhalten. Kat.-Nr. 71 Rand einfach ausgebogen; Gefäßtyp: Topf (Taf. 5,71) Keramikart: Ox. I. 6 Oberfläche: opak glasiert, „weiß“ Vgl.: Wien 17./18. Jh. (Kaltenberger 2008, 169 Kat.-Nr. 67–68); Wr. Neustadt/Neunkirchner Tor vermutlich 18. Jh. (Kühtreiber 1999, 104 Kat.-Nr. A 8) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm 5,4 cm Inv.-Nr.: MV 73392/97 Kat.-Nr. 72 Unterteil mit schwach abgesetztem Fuß; Gefäßtyp: Topf (Taf. 5,72) Keramikart: Ox. I. 6 Oberfläche: opak glasiert, „weiß“

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Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 67) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: BDm 3,4 cm Inv.-Nr.: MV 73393/2 Kat.-Nr. 73 Unterteil mit kaum merklich abgesetzem Fuß; Gefäßtyp: Topf (Taf. 5,73) Keramikart: Ox. I. 6 Oberfläche: opak glasiert, „weiß“ Vgl.: tendenziell wiederum Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 67) Anm.: Auffällig sind hier sekundäre Lochungen mit unklarem Zweck. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: BDm 3,6 cm Inv.-Nr.: MV 73393/1

Hohldeckelformen Im vorliegenden Material finden sich sowohl reduzierend als auch oxidierend gebrannte Hohldeckel-/Glockendeckelformen, die allerdings das gleiche formale Spektrum aufweisen. Unterschieden wurden hier verschiedene leicht differierende Ausformungen, die sich in erster Linie beim Knauf zeigen. Diese Unterschiede scheinen allerdings nicht datierungsrelevant zu sein. Wie bereits in einem anderen Wiener Material festgestellt, handelt es sich hier um vom Stock gedrehte Hohldeckel. 26 Die Formen sind alle relativ flach und haben – soweit vor allem an den einzelnen Randstücken feststellbar – einen eingezogenen Rand. Ebenfalls um Hohldeckel, genauer gesagt um Stülpdeckel handelt es sich bei einem glasierten Fragment mit geschnittener Kante (Kat.-Nr. 78) und einem Fragment, das man wohl als funktionale Kombination aus Stülpdeckel und Teller ansprechen darf (Kat.-Nr. 77). Letzteres verfügt über Füßchen/Handhaben, von denen eine von einem Metallring umschlossen wird. Ob es sich dabei um Reste einer Aufhängevorrichtung handelt, muss aufgrund der Zartheit des Rings unsicher bleiben. Ein Steckdeckel liegt mit der reich verzierten Kat.-Nr. 79 vor. Kat.-Nr. 74 Fragment mit gedrungenem, unprofiliertem Knauf; Gefäßtyp: Hohl-/Glockendeckel (Taf. 6,74) Keramikart: Ox. I. 4 Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 37) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73392/33 Kat.-Nr. 75 Fragment mit deutlich abgesetztem Knauf; Gefäßtyp: Hohl-/Glockendeckel (Taf. 6,75) Keramikart: Ox. I. 3 Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 39); Melk 18. Jh. (Kraschitzer 2007, Kat.Nr. 216; 221) Anm.: Obwohl auf die lange Laufzeit dieser Formen vom Spätmittelalter bis in die Neuzeit hingewiesen wird, wird auch eine Häufung in Fundkomplexen des 17. und 18. Jh. betont. 27 Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 10,4 cm, H 4,2 cm

26 27

Inv.-Nr.: MV 73392/31

Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 160. Kraschitzer 2007, 29 Kat.-Nr. 222.

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Kat.-Nr. 76 Fragment mit doppelkonisch profiliertem Knauf; Gefäßtyp: Hohl-/Glockendeckel (Taf. 6,76) Keramikart: Ox. I. 3 Vgl.: Wien (2. H.) 18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 41); Melk 18. Jh. (Kraschitzer 2007, Kat.Nr. 216; 221) Anm.: Auch hier ist die genaue Laufzeit unbekannt. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73392/71 Kat.-Nr. 77 Fragment mit zwei pilzförmigen Knäufen/Füßen; Reste eines Metallrings an einem Knauf; Gefäßtyp: Hohl-/Stülpdeckel/Teller (Taf. 6,77) Keramikart: Ox. I. 6 Oberfläche: innen u. außen opak glasiert, außen „gelblichweiß“, darauf „dunkelopalgrün“, innen „gelblichweiß“, schlecht erhalten Anm.: Um eine funktionale Mischform aus Deckel und Schale handelt es sich bei diesem Fragment, das wahrscheinlich als zu einer Godenschale zugehörig gewertet werden darf. An der Oberseite bzw. am Boden (je nach gerade gewünschter Verwendung) befinden sich Anbringungen, die als Knauf bzw. Fuß angesprochen werden können. Es liegen keine direkten Vergleiche vor, aufgrund des Gesamteindrucks wird allerdings eine Datierung ins 17./18. Jh. angedacht. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm 14,8 cm, H 3 cm Inv.-Nr.: MV 73627/4 a Kat.-Nr. 78 Fragment mit geschnittener Kante und pilzförmigem Knauf; Gefäßtyp: Hohl-/Stülpdeckel (Taf. 6,78) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „gelbocker“/„dunkelocker“ Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, 165 Kat.-Nr. 58, Datierung parallel zum übrigen Material) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm 10,4 cm, H 3 cm Inv.-Nr.: MV 73392/29+30 Kat.-Nr. 79 Fragment, gewölbt; Gefäßtyp: Hohl-/Steckdeckel (Taf. 6,79) Keramikart: Ox. I. 6 Oberfläche: opak glasiert, „weiß“; außen florale Motive in „Lebhaftultramarinblau“ Vgl.: Wien 1. H. 18. Jh. (Kohlprath o. J. [1982] Kat.-Nr. 397) Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm (innen) 13,6 cm Inv.-Nr.: MV 73628/1

Schalen Grifflappenschalen (Godenschalen) Gemeinsam ist allen Exemplaren ein in unterschiedlichen Formen gemodelter Grifflappen. In einigen Fällen finden sich kleine Löcher in den Grifflappen, die ein Aufhängen ermöglichen sollen. Die Verwendung dieser speziellen Form als Geschenk an die Wöchnerin oder an das Kind – hierfür würde auch die Bezeichnung „Godenschale“ in Verbindung mit einem Taufpaten sprechen – wurden schon detailliert abgehandelt. 28 Kat.-Nr. 80 Fragment mit Grifflappen, die wahrscheinlich ein stark verschliffenes Puttenmotiv zeigen; zwei pri28

Kaltenberger 2002, 212 f.

märe Lochungen im Griff; Gefäßtyp: Schale (Taf. 6,80)

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Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: an Grifflappenoberseite und innen glasiert, Farbwirkung „dunkelorangebraun“, Unterseite „dunkelorange“ Vgl.: Wien 2. H. 17. Jh. (Kohlprath o. J. [1982] Kat.-Nr. 310); Melk 2. H. 17. und 18. Jh. (Kraschitzer 2007, Kat.-Nr. 299, Datierung über Parallelen) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 17 cm Inv.-Nr.: MV 73393/4 Kat.-Nr. 81 Fragment mit fächerförmigen Grifflappen; Gefäßtyp: Schale (Taf. 6,81) Keramikart: Ox. I. 6, aber nicht opak glasiert Oberfläche: innen „braunocker“, zum Rand hin „mittelolivbraun“ Vgl.: Wien spätes 17. Jh. – um 1700 (Kaltenberger 2002, 232 Kat.-Nr. 34); Melk 2. H. 17. und 18. Jh. (Kraschitzer 2007, 26 Kat.-Nr. 166, Datierung über Parallelen) Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm (außen) 17,2 cm Inv.-Nr.: MV 73415/1 Kat.-Nr. 82 Fragment mit fächerförmigen Grifflappen; Gefäßtyp: Schale (Taf. 6,82) Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „braunocker“, zum Rand hin „mittelolivbraun“ Vgl.: Wien spätes 17. Jh.–um 1700 (Kaltenberger 2002, 232 Kat.-Nr. 34); Melk 2. H. 17. und 18. Jh. (Kraschitzer 2007, 26 Kat.-Nr. 166, Datierung über Parallelen) Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm (außen) 11,8 cm Inv.-Nr.: MV 73627/3 Kat.-Nr. 83 Fragment mit fächerförmigen Grifflappen mit verschliffenem Motiv; einzelne Lochung in Grifflappen; Gefäßtyp: Schale (Taf. 6,83) Keramikart: Ox. I. 6 Oberfläche: opak glasiert, umlaufende Linie in „Lebhaftultramarinblau“ auf „Weiß“ Vgl.: Wien spätes 17. Jh.–um 1700 (Kaltenberger 2002, Kat.-Nr. 34) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm 11,4 cm Inv.-Nr.: MV 73392/87

Schale mit Henkel Kat.-Nr. 84 Fragment mit horizontal angebrachtem Henkel, der in Voluten ausläuft; Gefäßtyp: Schale (Taf. 6,84) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: Innenseite u. außen an Rand u. Henkel opak glasiert, Träufeldekor in „Dunkelolivgrün“ auf Weiß (10 YR 8/4) Anm.: Es liegen keine direkten Vergleiche vor, aufgrund des Gesamteindrucks wird allerdings eine Datierung ins 17./18. Jh. angedacht. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 13,8 cm Inv.-Nr.: MV 73392/11

Schalen mit schwacher Fußbildung Kat.-Nr. 85 Fragment mit einfach ausgebildetem Rand und leicht abgesetztem Fuß; Gefäßtyp: Schale (Taf. 7,85) Keramikart: Ox. I. 6

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Oberfläche: innen opak glasiert, „gelblichweiß“; Träufeldekor in „Ultramarin“ bis „Dunkelultramarin“ Anm.: In Dekor, Größe und Gestaltung erinnert dieses Fragment doch deutlich an die anderen hier vorgelegten Schalenformen. Eine Datierung ins 17./18. Jh. wird parallel zu diesen Exemplaren vorgeschlagen. Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm 12 cm, H 5,4 cm Inv.-Nr.: MV 73628/(2) Kat.-Nr. 86 Fragment mit Standring; Gefäßtyp: Schale? (Taf. 7,86) Keramikart: Porzellan Oberfläche: Marken am Boden: unterglasurblauer Bindenschild, darunter unterglasurblaue Blaumalernummer „3“; Blindmarke in den Scherben geritzt „16“, „25“ oder „91“, „25“ Vgl.: formal „Koppchen“ Wien (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 87) Anm.: Der unterglasurblaue Bindenschild engt die Datierung auf 1749–1827 ein (Kaltenberger 2008, 172 f.), die Blaumalernummer auf 1771–1821 (Name des Blaumalers: Johann Michaud; W. Mrazek/W. Neuwirth, Wiener Porzellan 1718–1864. Kat. Österr. Mus. angewandte Kunst N. F. 32 [Wien 1971] 67) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: BDm 3,4 cm Inv.-Nr. MV 73415/52 Kat.-Nr. 87 Fragment mit leicht abgesetztem Fuß; Gefäßtyp: Schale (Taf. 7,87) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen u. außen opak glasiert, „gelblichweiß“, Träufeldekor in „Dunkelopalgrün“ Anm.: Ein direktes Vergleichsstück fehlt. Aufgrund des Dekors dürfte eine Datierung ins 17./18. Jh. anzunehmen sein. Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: RDm 8 cm, H 2,4 cm Inv.-Nr.: MV 73415/39

Teller/Schüsseln Für das Material aus der Grabung Sensengasse lassen sich verschiedene Teller- und damit verbunden Dekorformen feststellen. Meist handelt es sich dabei allerdings um eher schlecht erhaltene Randformen. Die Fragmente werden in diesem Falle nicht nach Rand, sondern nach Dekorformen gruppiert vorgelegt. Neben monochrom und zweifärbig glasierten Stücken finden sich verschiedene Formen von Träufeldekor, der in Wien ab dem späten 17. bis ins späte 18. Jahrhundert und auch noch in die 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts datiert wird29, wobei stellenweise weißer Träufeldekor auf braunem Grund in die 2. Hälfte des 17. Jahrhunderts gestellt wird30. In der Regel ist bei Tellern mit Träufeldekor auch die Außenseite durchscheinend glasiert, man kann also nur eine Farbwirkung feststellen. Was die Randformen anbelangt, so werden aufgestellte, profilierte Ränder eher dem Übergang 18./19. Jahrhundert zugeordnet, Stücke mit breiter Fahne werden als älter angesehen und treten bereits gegen Ende des 17. Jahrhunderts auf. 31 29 30 31

Kaltenberger 2008, 167. Kohlprath o. J. (1982) Kat.-Nr. 316–318. Kaltenberger 2008, 167.

Eine weitere Gruppe sind Teller mit Malhorndekor, die generell vom 16. bis in die 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts datiert werden können, und zuletzt eine Schüssel, bei der es sich um Fayence handelt.

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Kat.-Nr. 88 Rand unprofiliert aufgestellt, breite Fahne; Gefäßtyp: Teller/Schüssel (Taf. 7,88) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: innen glasiert, Farbwirkung „dunkelolivgrün“ Anm.: zu Rand und Dekor siehe Einleitung; vermutlich 17./18. Jh. Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm 40 cm Inv.-Nr.: MV 73628/5 Kat.-Nr. 89 Fragment mit breiter Fahne, Rand verdickt; Gefäßtyp: Teller (Taf. 7,89) Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: glasiert, außen Farbwirkung „mittelbraunocker“, innen Träufeldekor in „Dunkelgrün“ auf unbestimmbarem Untergrund Anm.: zu Rand und Dekor siehe Einleitung; vermutlich 17./18. Jh. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 30 cm Inv.-Nr.: MV 73627/(2) Kat.-Nr. 90 Rand aufgestellt und profiliert; Gefäßtyp: Teller (Taf. 7,90) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: glasiert, außen schwache Farbwirkung „orangebraun“, innen „dunkelsiena“ mit „grauweißem“ Träufeldekor Anm.: Aufgrund des Dekors vermutlich 17., vielleicht auch 18. Jh. 32 Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 30 cm, Wst 0,6 cm Inv.-Nr.: MV 73627/1 Kat.-Nr. 91 Fragment mit breiter Fahne, umlaufende Rille an der Innenseite des Randes; Gefäßtyp: Teller (Taf. 7,91) Keramikart: Ox. I. 6 Oberfläche: glasiert, außen weiß, innen Farbwirkung „hellblaugrün“ – für eine sichere Farbangabe ist das Stück zu schlecht erhalten Anm.: zu Rand und Dekor siehe Einleitung; vermutlich 18./19. Jh. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 26 cm, H 3 cm Inv.-Nr.: MV 73393/6 Kat.-Nr. 92 Fragment mit breiter Fahne, Rand verdickt; Gefäßtyp: Teller (Taf. 7,92) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: glasiert, innen „weißer“ Träufeldekor auf Untergrund in „Gelboliv“ bis „Dunkeloliv“ Anm.: zu Rand und Dekor siehe Einleitung; vermutlich 17.(18.) Jh. Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm (außen) 21,4 cm Inv.-Nr.: MV 73628/4 a Kat.-Nr. 93 Rand profiliert aufgestellt; Gefäßtyp: Teller (Taf. 7,93) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: glasiert, außen schwache Farbwirkung „orangebraun“, innen „dunkelsiena“ mit „grauweißem“ Träufeldekor Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 64) Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm (außen) 22 cm 32

Inv.-Nr.: MV 73628/7

Kaltenberger 2008, 167.

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Kat.-Nr. 94 Fragment mit breiter Fahne, Rand schwach verdickt; Gefäßtyp: Teller (Taf. 8,94) Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: glasiert, außen Farbwirkung „orangebraun“, innen Träufeldekor in „Weiß“ auf „Dunkelsiena“ Vgl.: Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 64) Anm.: Da es sich hier nur um eine ungefähre Entsprechung handelt, ist auch eine frühere Datierung ins 17./18. Jh. durchaus möglich. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 23,6 cm Inv.-Nr.: MV 73392/(10) Kat.-Nr. 95 Fragment mit breiter Fahne; Gefäßtyp: Teller (Taf. 8,95) Keramikart: Ox. I. 5 Oberfläche: Malhorndekor: auf der Fahne florale Motive in „Weiß“ und „Dunkelorangerot“ auf „Dunkelsiena“, darunter, unter einer umlaufenden Linie in „Weiß“, Farbwirkung „dunkelrötlichorange“ Vgl.: Melk 18. Jh. (Kraschitzer 2007, Kat.-Nr. 197) Anm.: Da es sich hier nur um eine ungefähre Entsprechung handelt, ist auch eine frühere Datierung ins 17./18. Jh. durchaus möglich. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73627/1 a Kat.-Nr. 96 Fragment mit verdicktem Rand; Gefäßtyp: Teller (Taf. 8,96) Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: Malhorndekor: auf der Fahne Reste von Spiralmotiven in „Dunkelorangerot“ und Strichen in „Weiß“ auf „Dunkelbraun“ Vgl.: möglicherweise ähnlich Melk 18. Jh. (Kraschitzer 2007, Kat.-Nr. 196) Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm 26 cm Inv.-Nr.: MV 73628/4 Kat.-Nr. 97 Fragment mit breiter Fahne und verdicktem Rand; Gefäßtyp: Teller (Taf. 8,97) Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: Malhorndekor: Strichbündel in „Weiß“ auf „Dunkelbraun“, darunter, unter einer umlaufenden Linie in „Weiß“, Farbwirkung „dunkelrötlichorange“ Anm.: kein direkter Vergleich Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm 21 cm, H 3,3 cm Inv.-Nr.: MV 73628/11 Kat.-Nr. 98 Fragment mit breiter Fahne und verdicktem Rand; Gefäßtyp: Teller (Taf. 8,98) Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: Malhorndekor: Strichbündel in „Weiß“ auf „Dunkelbraun“, dazwischen florale Elemente in „Weiß“ u. „Lebhaftopalgrün“ auf „Dunkelbraun“ Vgl.: Melk 18. Jh. (Kraschitzer 2007, Kat.-Nr. 202, auch wenn hier die Strichbündel anders ausgerichtet sind) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm 34 cm, Wst 0,6–1 cm Inv.-Nr.: MV 73392/76 Kat.-Nr. 99 Fragment mit breiter Fahne und verdicktem Rand; Gefäßtyp: Teller (Taf. 8,99) Keramikart: Ox. I. 2

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Oberfläche: Malhorndekor: floraler Dekor in „Weiß“, „Lebhaftopalgrün“ und vor allem „Dunkelorangerot“, zwischen diesen Elementen Ranken/Spiralmotive in „Weiß“, Untergrund „dunkelsiena“ Vgl.: Melk 18. Jh. (Kraschitzer 2007, Kat.-Nr. 194, allerdings mit etwas anderer Farbzusammenstellung) Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm 33 cm, Wst 0,6–0,8 cm Inv.-Nr.: MV 73628/6 Kat.-Nr. 100 Fragment mit breiter Fahne und verdicktem Rand; Gefäßtyp: Teller (Taf. 8,100) Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: Malhorndekor: auf der Fahne offenbar in zwei Zonen angeordneter floraler Dekor in „Weiß“, „Lebhaftopalgrün“ und vor allem „Dunkelorangerot“, Untergrund „dunkelsiena“ Anm.: Kein direkter Vergleich, eine Datierung ins 17./18. Jh. kann nur ganz generell vorgenommen werden. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm 34 cm, Wst 0,3–0,4 cm Inv.-Nr.: MV 73392/74 Kat.-Nr. 101 Fragment mit relativ breiter Fahne und Öse unter der Fahne Rand verdickt; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 9,101) Keramikart: Ox. I. 3 Oberfläche: Malhorndekor: auf der Fahne Augenmotiv in „Weiß“ und „Dunkelorangerot“, dazwischen Strichbündel in Farbwirkung „weiß“ bis „lebhaftopalgrün“, Untergrund „dunkelbraun“ Vgl.: Melk 18. Jh. (Kraschitzer 2007, Kat.-Nr. 188) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 35 cm Inv.-Nr.: MV 73392/9 Kat.-Nr. 102 Fragment mit aufgestelltem Rand und relativ kurzer Fahne; Gefäßtyp: Schüssel (Taf. 9,102) Keramikart: Ox. I. 6 Oberfläche: auf einer opaken weißen und von vielen Rissen durchzogenen Glasur eine Bordüre in „Lebhaftblau“ bis „Blau“ Anm.: Ohne direkten Vergleich wird auch aufgrund des Bordürenmusters eine Datierung ins 18./ 19. Jh. vorgeschlagen. Maße: RDm 28 cm, BDm 15 cm, H 8,4 cm Inv.-Nr.: MV 7353/1-14 Kat. Nr. 103 Fragment mit Standring, Fahne einfach ausladend; Gefäßtyp: Teller (Taf. 9,103) Keramikart: Porzellan Oberfläche: über der Glasur auf der Fahne zwei umlaufende Linien in „Dunkelgelblichgrün“, auf Fahne und in Mulde kleine Blüten in verschiedenen Farbtönen („dunkelgelb“, „lebhaftrötlichkarmin“ und „dunkelbraunrot“) Vgl.: Wien 1. D. 19. Jh. bzw. spätes 18.–1. H. 19. Jh. (Kohlprath o. J. [1982] Kat.-Nr. 436; Kaltenberger 2000, Kat.-Nr. 55) Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm 18,2 cm, BDm 10 cm, H 3 cm Inv.-Nr.: MV 7353/2 Kat. Nr. 104 Fragment mit Standring, Fahne einfach ausladend; Gefäßtyp: Teller (Taf. 9,104) Keramikart: Porzellan Oberfläche: Rand plastisch ausgeprägt und zusätzlich über der Glasur in „Dunkelultramarin“ akzentuiert Anm.: Ein direkter Vergleich fehlt, als Datierung wird das 19., vielleicht sogar 20. Jh. vorgeschlagen. Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm 22,8 cm, BDm 14 cm, H 3,3 cm Inv.-Nr.: MV 7353/4

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Kat.-Nr. 105 Fragment mit in den Rand übergehendem Körper und Ansatz eines Henkels; Gefäßtyp: proportional am ehesten einer Schüssel, funktional auf den ersten Blick einer Sauciere entsprechend, da das ganze Fragment durch deutliche Einziehungen eine gequetscht längliche Form aufweist. Ansprache: Sanitärkeramik/Bourdalou (Taf. 9,105) Keramikart: Steingut Oberfläche: auf opaker weißer Glasur Bordüre in „Dunkelkobalt“ Anm.: Bourdalous (siehe Abb. 1) sind aus bodenarchäologischem Zusammenhang in Wien bisher unbekannt. Eine zeitliche Einordnung über den Dekor weist ins 19. Jh. 33 Bemerkenswert ist, dass damit, was die geschlechtsspezifische Spezialisierung anbelangt, das „weibliche“ Gegenstück zu dem Nachttopffragment Kat.-Nr. 8 vorliegt. Vorkommen im Befund: Streufund Maße: RDm unbest., H 9 cm Inv.-Nr.: MV 7353/1–3 Kat.-Nr. 106 Rand einfach geformt, knapp unter dem Rand Henkel, der in eine schlecht ausgebildete Volute ausläuft; Gefäßtyp: unklar, Schüssel? (Taf. 10,106) Keramikart: Ox. I. 6 Oberfläche: außen u. innen opak glasiert, „weiß“ darauf Träufeldekor in „Lebhaftopalgrün“ und „Dunkelsiena“ Vgl.: Dekor Wien 2. H. 18. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 76) Anm.: Formal könnte es sich um eine Art von Schüssel handeln, setzt man den Durchmesser in Beziehung zu dem doch recht kleinen Henkel, könnte man sogar von einer zweihenkeligen Schüssel ausgehen. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 14,8 cm Inv.-Nr.: MV 73392/13

Krug-/Kannenformen Kat.-Nr. 107 Rand stark eingezogen, verdickt; randständiger Henkel; Marke am Henkelansatz; Gefäßtyp: Krug (Taf. 10,107) Keramikart: Red. I. 2, ohne deutlichen metallischen Anflug Vgl.: Kamptal u. Horner Becken 16. Jh. (B. Cech, Die mittelalterliche Keramik aus dem Kamptal und dem Horner Becken. ArchA 71, 1987, 192 Kat.-Nr. C54) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm unbest. Inv.-Nr.: MV 73392/16 Kat.-Nr. 108 Rand einfach ausgebildet, sehr schwach profiliert; Gefäßtyp: Krug (Taf. 10,108) Keramikart: Ox. I. 1 Oberfläche: aufgrund des Zustandes keine genaue Farbbestimmung möglich Vgl.: Wien spätes 16./1. H. 17. Jh. (Kaltenberger 2008, Kat.-Nr. 17–18) Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: RDm (außen) 11 cm Inv.-Nr.: MV 73392/27 Kat.-Nr. 109 Bodenfragment, zylindrischer Körper; Gefäßtyp: Krug („Walzenkrug“) (Taf. 10,109) Keramikart: Ox. I. 6 Oberfläche: opak glasiert, Dekor in „Lebhaftultramarinblau“ auf „Weiß“ soweit feststellbar Vgl.: Melk 17./Anf. 18. Jh. (Kraschitzer 2007, 23 Kat.-Nr. 139–140); Wien 18. Jh. (Kaltenberger 2008, 170 Kat.-Nr. 77) 33 Kaltenberger 2008, 184 Kat.-Nr. 116 – das Bordürenmuster findet sich hier allerdings auf Porzellan wieder.

Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: BDm 9 cm Inv.-Nr.: MV 73367/11

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Abb. 1: Bourdalou aus Salzburg, 2. Hälfte 19. Jahrhundert. (Foto: Bundesmobilienverwaltung – Silberkammer, Hofburg Wien, Inv.-Nr. MD 180032/016A) Kat.-Nr. 110 Boden mit schwacher Fußbildung, Fragment eines zur Volute ausgeformten Henkels; Gefäßtyp: Krug (Taf. 10,110) Keramikart: Ox. I. 6 Oberfläche: Dekor in Grün auf Weiß – aufgrund des Zustandes keine genaue Farbbestimmung möglich Vgl.: Melk 18. Jh. (Kraschitzer 2007, 23 Kat.-Nr. 136) Anm.: Leider lässt sich über die Gefäßform an sich in diesem Fall nichts mehr sagen. Lediglich der zur Volute ausgeformte Henkel ist als bemerkenswertes Detail erhalten geblieben. Vorkommen im Befund: Abfallgrube Maße: BDm 6,4 cm Inv.-Nr.: MV 73392/25

Flasche Eine vollständig erhaltene Mineralwasserflasche aus dem 19. Jahrhundert liegt aus dem Bereich der Kellerverfüllung vor. Kat.-Nr. 111 Zylindrische Gefäßform mit schulterständigem Henkel; Stempel auf der Schulter „Herzogthum Nassau“; Gefäßtyp: Mineralwasserflasche (Taf. 10,111) Keramikart: Steinzeug Vgl.: Wien Anf. 19. Jh. (Kohlprath o. J. [1982] Kat.-Nr. 424; Scharrer-Liška 2008, 291; 313 Kat.Nr. K82) Vorkommen im Befund: Kellerverfüllung Maße: BDm 7,2 cm, H 25 cm Inv.-Nr.: MV 73415/53

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Conclusio Wie schon einleitend festgestellt, ist die vorliegende Typenübersicht sicherlich kein Schritt in Richtung einer sichereren Datierung neuzeitlichen Keramikmaterials. Was sich hier aber überdeutlich zeigen lässt, ist die Vielfalt an Formen und Formunterschieden, die vor allem unseren Mangel an Wissen über neuzeitliche Gefäßkeramik deutlich macht. Hier sei nur noch einmal an die formal und wohl auch in der praktischen Verwendung unterschiedliche Sanitärkeramik erinnert sowie an den bemerkenswerten Anteil an unterschiedlich dekorierten Godenschalen in diesem Material. Verschiedene Kragenrandformen mit Parallelen im Wüstungsbereich werfen die Frage nach der Deckung des Keramikbedarfs in Wien auf und laden dazu ein, die Begriffe „städtische“ und „ländliche“ Keramik in der frühen Neuzeit genauer zu beleuchten.

Abgekürzt zitierte Literatur Bors 1994 Kaltenberger 1999 Kaltenberger 2000 Kaltenberger 2002 Kaltenberger 2008 Kohlprath o. J. (1982) Kraschitzer 2007

Kühtreiber 1999 Scharrer-Liška 2008

K. Bors, Glasierte Keramik in Ortswüstungen. BeitrMAÖ 10, 1994, 5–22. A. Kaltenberger, Ausgrabung St. Peter, Salzburg III. Römerzeitliche Feinware, oxidierend gebrannte Ware und Glas. ÖJh 68, 1999, Beibl. 409–590. A. Kaltenberger, Das Fundmaterial der Grabung Wien 3, Eslarngasse 20. FWien 3, 2000, 104–145. A. Kaltenberger, Frühneuzeitliches Fundmaterial aus Wien 3, Barmherzigengasse 17. FWien 5, 2002, 198–240. A. Kaltenberger, Die neuzeitliche Keramik aus den Grabungen Wien 1, Michaelerplatz (1990/1991). FWien 11, 2008, 144–240. G. Kohlprath, Neuzeitliche Keramikfunde aus Wien. In: Keramische Bodenfunde. Mittelalter – Neuzeit. Kat. Museen Stadt Wien (Wien o. J. [1982]) 140–227. J. Kraschitzer, Das keramische Fundmaterial aus dem Keller des Hauses Rathausplatz 11 in Melk. In: M. Krenn et al., Koch- und Tafelgeschirr des 18. Jahrhunderts. Ein Keramikfundkomplex aus Niederösterreich. FÖMat A 17 (Wien 2007) 17–132. K. Kühtreiber, Die Funde der Ausgrabung am Neunkirchner Tor in Wiener Neustadt. CarnuntumJb 1999 (2000) 77– 181. G. Scharrer-Liška, Die Keramik aus den Grabungen 1994–1995 im Schloss Kaiserebersdorf. In: M. Müller et al., Die archäologischen und bauhistorischen Untersuchungen im Schloss Kaiserebersdorf. MSW 3 I [Wien 2008] 259–331.

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Taf. 1: Töpfe und eine Schüssel (Kat.-Nr. 1–11) aus den Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3. M 1:3 (Graphik: C. Litschauer)

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Taf. 2: Töpfe und Schüsseln (Kat.-Nr. 12–25) aus den Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3. M 1:3 (Graphik: C. Litschauer)

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Taf. 3: Töpfe und eine Schüssel (Kat.-Nr. 26–44) aus den Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3. M 1:3 (Graphik: C. Litschauer)

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Taf. 4: Töpfe (Kat.-Nr. 45–62) aus den Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3. M 1:3 (Graphik: C. Litschauer)

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Taf. 5: Töpfe, Schüsseln und Tiegel (Kat.-Nr. 63–73) aus den Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3. M 1:3 (Graphik: C. Litschauer, Fotos: Ch. Ranseder)

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Taf. 6: Hohldeckel und Schalen (Kat.-Nr. 74–84) aus den Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3. M 1:3 (Graphik: C. Litschauer, Fotos: Ch. Ranseder)

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Taf. 7: Schalen und Teller/Schüsseln (Kat.-Nr. 85–93) aus den Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3. M 1:3 (Graphik: C. Litschauer, Fotos: Ch. Ranseder)

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Taf. 8: Teller (Kat.-Nr. 94–100) aus den Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3. M 1:3 (Graphik: C. Litschauer, Fotos: Ch. Ranseder)

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Taf. 9: Schüsseln,Teller sowie ein Bourdalou (Kat.-Nr. 101–105) aus den Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3. M 1:3 (Graphik: C. Litschauer, Fotos: Ch. Ranseder)

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Taf. 10: Schüssel (?), Krüge und eine Mineralwasserflasche (Kat.-Nr. 106–111) aus den Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3. M 1:3 (Graphik: C. Litschauer, Fotos: Ch. Ranseder)

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Anthropologische Grundbestimmungen und ausgewählte Pathologien aus den drei neuzeitlichen Friedhöfen der Grabungen Wien 9, Sensengasse 1–3 Maja Gebetsroither/Karl Großschmidt1 Einleitung Nach einer ersten Kampagne 2005 führte die Stadtarchäologie Wien im Jahr 2006 eine umfangreiche Notgrabung auf den Grundstücken Sensengasse 1– 3 in Wien 9 durch. Diese sind historisch der ehemaligen Vorstadt Siechenals zuzuordnen (siehe Beitrag C. Litschauer/Th. Pototschnig, 4 ff.). Hier wurden in der Zeit von 1656 bis 1784 Kranke versorgt und Tote begraben. An den im Jahr 2006 geborgenen Individuen dreier neuzeitlicher Friedhöfe – Neuer Schottenfriedhof (1765–1784), Bäckenhäusel Gottesacker (1656– 1784) und Spanischer Friedhof (1717–1784) – wurden ausgrabungsbegleitend anthropologische Basisuntersuchungen durchgeführt, von denen in der vorliegenden Arbeit einige Ergebnisse vorgestellt werden, die unter anderem die Feststellung des Erhaltungszustandes, der Geschlechter- und Sterbealterverhältnisse, die Rekonstruktion der Körperhöhen sowie Diagnosen krankhafter Veränderungen an Zähnen und Knochen beinhalten. Körperliche Relikte sind im Gegensatz zu archäologischen Artefakten weder kulturabhängig noch besitzen sie symbolischen Charakter. Sie stellen ein biologisches Archiv dar, denn sie speichern dauerhaft Einflüsse und Auswirkungen des vergangenen Lebens des betreffenden Menschen: Ablesbar sind Arbeitsbelastung und Krankheiten, seine damalige Ernährung und sogar sein erlebter Stress bis hin zu Belastungen durch seine Umwelt; die Summe der Einzelbefunde ermöglicht eine Rekonstruktion des Gesundheitsstatus. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ist ebenfalls feststellbar. Können Gräberfelder oder Friedhöfe anthropologisch untersucht werden, sind derartige Aussagen für ganze Bevölkerungsgruppen bis hin zu historischen Populationen möglich. 2 Die Ergebnisse der anthropologischen Forschung stehen dabei stets in interdisziplinärem Kontext mit denjenigen der Kulturwissenschaften. Hochmittelalter und Neuzeit gelten dabei nach wie vor als „Stiefkinder“ der archäo1 Medizinische Universität Wien, Institut für Histologie, Abteilung für Skelettgewebe- und Biomaterialforschung. 2 M. Schultz, Zur Morbidität neolithischer Populationen. Ein Beitrag zur Paläopathologie. Homo 40, 1990, 81–98. 3 S. Kirchengast/E.-M. Winkler, Populations- und schichtspezifische Körperhöhenunterschiede in Österreich von der Römerzeit bis zum Barock. MAG 121, 1991, 203–220.

logischen und anthropologischen Forschung. 3 Material Im Zuge der Grabungskampagne 2006 konnten insgesamt 400 Skelette geborgen werden: 265 Skelette (66,3%) aus dem Neuen Schottenfriedhof (NSFH), 66 (16,5%) aus dem Armenfriedhof Bäckenhäusel Gottesacker (B-FH) und 69 (17,2%) aus dem Spanischen Friedhof (SP-FH). Zusätzlich zu diesen Skelettindividuen aus Einzel- bzw. Mehrfachgräbern wurden in mehreren Mas-

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sengrabgruben die Knochen von mindestens 254 (MNI) und maximal 1068 (MAX) Individuen entdeckt. Was den Erhaltungszustand der Skelette betrifft, so kann dieser generell als mäßig bis gut bezeichnet werden: Bei etwas mehr als einem Drittel der Individuen waren über 75% der Skelettelemente vorhanden, bei einem Drittel waren 25–75% erhalten und bei 29,5% der Individuen war weniger als ein Viertel des Skelettes vollständig. Während Kinderleichen zwar schneller verwesen, haben ihre Knochen bei guten Liegebedingungen dasselbe Überdauerungspotenzial wie die Knochen von Erwachsenen. 4 In der Sensengasse waren dennoch die Skelette der erwachsenen Individuen im Vergleich zu den geborgenen Kinderskeletten deutlich besser erhalten. Der Erhaltungsgrad der Knochen variiert zudem höchst signifikant (X2 = 48,35 bei p 5 0,0001) zwischen den einzelnen Friedhöfen: Am Spanischen Friedhof ist der Erhaltungszustand am besten, am Bäckenhäusel Gottesacker dagegen deutlich schlechter als erwartet. Dies ist mit hoher Wahrscheinlichkeit auf die unterschiedlichen Bodenbeschaffenheiten zurückzuführen. In den Massengrabgruben lag der Großteil der Knochen nur mehr in Bruchstücken vor. Dennoch war eine weitgehende Rekonstruktion der entsprechenden Skelettabschnitte und damit auch eine Ermittlung der minimalen bzw. maximalen Individuenzahl möglich. Methode Für jedes Individuum wurden mehrere standardisierte Erfassungsbögen angelegt. Die Geschlechtsbestimmung der adulten Individuen erfolgte in Anlehnung an die Merkmalslisten von Acsádi und Nemeskéri5. Zusätzlich wurden auch das Flügel-Basis-Verhältnis des Kreuzbeines und die allgemeine Robustizität der Knochen in die Bewertung miteinbezogen. Die Geschlechtsproportion (= Anzahl der erwachsenen Frauen dividiert durch die Anzahl der erwachsenen Männer) wurde nach Acsádi und Nemeskéri6, der Maskulinitätsindex (= Anzahl der erwachsenen Männer*1000/Anzahl der erwachsenen Frauen) nach UngernSternberg und Schubnell7 berechnet. Bei subadulten Individuen wurde aufgrund der großen Fehleranfälligkeit keine morphologische Geschlechtsbestimmung durchgeführt. Die Bestimmung des individuellen Sterbealters erfolgte beim erwachsenen Individuum anhand des Abrasionsgrades der Zähne nach Brothwell8 bzw. nach Lovejoy9, nach dem Relief der Facies symphysealis10 sowie anhand der degenerativen Gelenksveränderungen und Ausprägung der Muskelmarken. Bei peri- und neonatalen Individuen wurde eine Sterbealtersschätzung anhand der Langknochenlänge nach Fazekas und Kósa11 durchgeführt. Individuen der Altersklassen Infans I (0–6 Jahre) und Infans II (7–12 Jahre) wurden nach den Tabellen von Schmid und Künle12 und dem Zahnmineralisationsschema von Ubelaker13 klassifiziert. Zusätzlich zum Zahndurchbruchsalter wurde bei jugendlichen Individuen der Epiphysenfugenschluss nach dem Schema von Ferembach et al. 14 bestimmt.

4 Grupe 2005. 5 Gy. Acsádi/J. Nemeskéri, History of Human Life Span and Mortality (Budapest 1970). 6 Gy. Acsádi/J. Nemeskéri, Paläodemographische Probleme am Beispiel des frühmittelalterlichen Gräberfeldes von Hilimba-Cseres Kom. Veszprém, Ungarn. Homo 8, 1957, 133–148. 7 R. Ungern-Sternberg/H. Schubnell, Grundriß der Bevölkerungswissenschaft (Demographie) (Stuttgart 1950). 8 D. R. Brothwell, Digging up Bones3 (London 1981). 9 C. O. Lovejoy, Eight Papers on Todd and Libben Skeletal Material. American Journal of Physical Anthropology 68, 1985, 1–106. 10 T. W. Todd, Age Changes in the Pubic Bone. I. The Male White Pubis. American Journal of Physical Anthropology 3, 1920, 285–334. 11 I. Gy. Fazekas/C. S. Kósa, Forensic Fetal Osteology (Budapest 1978). 12 F. Schmid/A. Künle, Das Längenwachstum der langen Röhrenknochen in Bezug auf Körperlänge und Lebensalter. Fortschritte auf dem Gebiete der Röntgenstrahlen 89, 1958, 350–355. 13 D. Ubelaker, Human Skeletal Remains. Excavations, Analysis, Interpretation (Chicago 1978). 14 D. Ferembach/I. Schwidetzky/M. Stoukal, Empfehlungen für die Alters- und Geschlechtsdiagnose am Skelett. Homo 30, 1979, 1–32.

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Abb. 1: Relative Anteile der Männer, Frauen und Subadulten pro Friedhof.

Von jedem Individuum wurden mittels Gleit- und Tasterzirkel, Bandmaß und osteologischem Messbrett bestimmte metrische Daten erhoben, die Maße wurden standardisiert an den Knochen der rechten Körperhälfte abgenommen. Die durchschnittliche Körperhöhe wurde aus den Längen der Langknochen für männliche adulte Individuen nach Breitinger15 bzw. für weibliche nach Bach16 geschätzt. Makroskopisch erkennbare krankhafte Veränderungen, im Speziellen Stressparameter wie transversale Schmelzhypoplasien und poröse Lochdefekte am Schädeldach, in den Augenhöhlen oder am harten Gaumen, wurden ebenfalls systematisch erfasst und hinsichtlich der Häufigkeit ihres Auftretens analysiert. Die Erfassung krankhafter Veränderungen an Zähnen und Wirbelsäule erfolgte mittels spezieller Befundbögen. Zur Bestimmung der Minimalanzahl der Bestatteten (MNI – minimal number of individuals)17 in den Massengrabgruben wurden nach Vorerhebungen die fünf am häufigsten erhaltenen Skelettregionen ausgewählt, auf bilaterale Zugehörigkeit ausgewertet und anschließend gezählt. Die schließlich am häufigsten repräsentierte Region – das Femur – wurde dann zur Berechnung der MNI herangezogen. Darüber hinaus wurde anhand der Gesamtzahl der Knochen einer Körperhälfte die Maximalanzahl der Bestatteten (MAX) ermittelt. Die statistische Auswertung aller erhobenen Befunde und Daten erfolgte in MS EXCEL und SPSS 13.0. 15 E. Breitinger, Zur Berechnung der Körperhöhe aus den langen Gliedmaßenknochen. Anthropologischer Anzeiger 14, 1937, 249– 274. 16 H. Bach, Zur Berechnung der Körperhöhe aus den langen Gliedmaßenknochen weiblicher Skelette. Anthropologischer Anzeiger 29, 1985, 12–21. 17 T. D. White, Human Osteology2 (Elsevier, USA 2000) 291–292; 483–485.

Ergebnisse An dieser Stelle erfolgt die Darstellung der Geschlechter- und Sterbealterverhältnisse sowie die Rekonstruktion der Körperhöhen von Männern und Frauen. Daran anschließend wird im Kapitel Pathologien auf einzelne krankhafte Veränderungen und pathologische Formenkreise wie Mangelerkrankungen, Infektionskrankheiten, Zahnerkrankungen, degenerative Gelenkserkrankungen und Traumata eingegangen.

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Geschlechterverhältnis Von den insgesamt 303 geschlechtsbestimmten adulten Individuen sind fast zwei Drittel (63,4%) männlich und über ein Drittel (36,6%) weiblich. Die Geschlechtsproportion liegt bei 0,58 und dem Maskulinitätsindex zufolge kamen auf 100 Frauen 1729 Männer (Tab. 1 und Abb. 1). Friedhof NS-FH B-FH SP-FH Gesamt

n 265 66 69 400

n< 109 34 49 192

n, 80 18 13 111

%< 57,7 65,4 79,0 63,4

%, 42,3 34,6 21,0 36,6

Gp 0,73 0,53 0,26 0,58

MI 1362 1889 3769 1729

Tab. 1: Geschlechterverteilung, -proportionen (Gp) und Maskulinitätsindex (MI) auf den Friedhöfen.

Am Neuen Schottenfriedhof wurden 41,1% der Individuen dem männlichen Geschlecht und 30,2% dem weiblichen Geschlecht zugeordnet. 28,7% der Bestatteten starben vor dem Erreichen des Erwachsenenalters. Das Geschlechterverhältnis der adulten Individuen liegt bei 57,7% Männern und 42,3% Frauen. Auf 100 Frauen kamen 1362 Männer. Die Geschlechtsproportion liegt bei 0,73. Von den insgesamt 66 geborgenen Skeletten des Bäckenhäusel Gottesackers konnte die Hälfte (51,5%) dem männlichen Geschlecht und etwas mehr als ein Viertel (27,3%) dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden. Hinzu kommen 18,2% subadulte Individuen sowie 3% geschlechtsunbestimmbare adulte Skelette. Das Geschlechterverhältnis der adulten Individuen liegt bei 65,4% Männern und 34,6% Frauen. Die Geschlechtsproportion liegt bei 0,53 und der Maskulinitätsindex bei 1889. Am Spanischen Friedhof waren 71% der Individuen männlich und nur 18,8% weiblich. Hinzu kommen 8,7% subadulte Individuen sowie ein geschlechtsunbestimmbares adultes Skelett (1,4%). Das Geschlechterverhältnis der adulten Individuen liegt bei 79% Männern und 21% Frauen, die Geschlechtsproportion liegt bei 0,26 und dem Maskulinitätsindex zufolge kamen auf 100 Frauen 3769 Männer. Unterschiede hinsichtlich der Geschlechterverteilung innerhalb der drei Friedhöfe wurden mittels Chi-Quadrat-Test auf ihre statistische Signifikanz geprüft: Es besteht ein höchst signifikanter Zusammenhang (X2 = 20,595 bei p50,0001) zwischen Geschlecht und Friedhofszugehörigkeit. Am Spanischen Friedhof, der besonders von Veteranen belegt war (siehe Beitrag C. Litschauer/ Th. Pototschnig, 12 ff.), waren mehr als dreimal so viele Männer wie Frauen begraben, am Neuen Schottenfriedhof dagegen mehr Frauen als erwartet. Die Knochen von mindestens 254 (MNI) und maximal 1068 (MAX) Individuen stammen aus mehreren Massengrabgruben. Davon waren 63,4% der Individuen dem männlichen und 24,4% bzw. 29,4% dem weiblichen Geschlecht zuzuordnen, 12,2% bzw. 7,2% der Individuen verstarben vor dem Erreichen des Erwachsenenalters.

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Abb. 2: Relative Anteile der Subadulten pro Sterbealtersklasse und Friedhof.

Sterbealterverhältnisse Von allen erwachsenen Individuen waren zwei Drittel zum Zeitpunkt ihres Todes zwischen 20 und 40 Jahre alt, in der maturen Altersklasse von 40 bis 55 Jahren waren 31% und nur 3,5% waren bereits über 55 Jahre alt. Für die Gesamtstichprobe besteht ein höchst signifikanter Zusammenhang (X2 = 26,147 bei p50,0001) zwischen Sterbealter und Geschlecht: Mehr Männer und weniger Frauen als erwartet verstarben im Alter von 20 bis 35 Jahren, d. h. es gab eine erhöhte Männersterblichkeit in der jung- bis mitteladulten Altersgruppe. In der maturen Altersklasse (40–55 Jahre) ist das Gegenteil der Fall. Ein Drittel der Individuen aller Friedhöfe starb vor Erreichen des Erwachsenenalters: 29% vor bzw. kurz nach der Geburt und 22,1% innerhalb der ersten sechs Lebensjahre. 15,3% der Individuen waren zwischen 7 und 12 Jahre alt und ein Drittel verstarb im jugendlichen Alter zwischen 13 und 19 Jahren (Abb. 2 und 3). Am Neuen Schottenfriedhof waren zwei Drittel der erwachsenen Individuen zwischen 20 und 40 Jahre alt, 31,8% gehörten der maturen Altersgruppe an und nur 1,2% hatten ein Lebensalter über 55 Jahre erreicht. Es besteht ein höchst signifikanter Zusammenhang (X2 = 27,05, p 5 0,001) zwischen Sterbealter und Geschlecht: In der Altersgruppe zwischen 20 und 35 Jahren ist eine erhöhte Männersterblichkeit zu verzeichnen. Ein Drittel der geborgenen Individuen des Neuen Schottenfriedhofs verstarb bereits subadult: 41,2% vor bzw. kurz nach der Geburt und 30,6% innerhalb der ersten sechs Lebensjahre; 11,8% der Individuen waren zum Todeszeitpunkt zwischen 7 und 12 Jahre alt und 16,5% verstarben im Alter von 13 bis 20 Jahren. Weit mehr als die Hälfte (60,6%) der erwachsenen Individuen des Bäckenhäusel Gottesackers war zum Zeitpunkt des Todes zwischen 20 und 40 Jahre alt, ein Drittel erreichte ein Alter von 40 bis 55 Jahren und nur ein Individuum war über 55 Jahre alt. Zwischen den Geschlechtern zeigen sich zwar Unterschiede in der Sterbealtersverteilung, die jedoch statistisch keine Relevanz haben. Von allen Individuen verstarb die Hälfte bereits vor dem Erreichen des Erwachsenenalters: 9,4% der Kinder verstarben innerhalb der ersten sechs Lebensjahre, ein Viertel war zum Todeszeitpunkt zwischen 7 und 12 Jahre alt und ca. zwei

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Abb. 3: Anzahl der Bestatteten pro Sterbealtersklasse und Friedhof.

Drittel verstarben im jugendlichen Alter von 13 bis 20 Jahren. Es wurden keine Knochen von Feten oder Neugeborenen auf dem Bäckenhäusel Gottesacker geborgen. Am Spanischen Friedhof waren 62,3% der erwachsenen Individuen zum Zeitpunkt des Todes zwischen 20 und 40 Jahre alt, über ein Viertel (26,4%) befand sich im Alter von 40 bis 55 Jahren und 11,3% waren bereits über 55 Jahre alt. Es besteht kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Sterbealter und Geschlecht. Von den Bestatteten sind 20,9% bereits subadult verstorben: 21,4% vor bzw. kurz nach der Geburt, 14,3% zwischen 7 und 12 Jahren und 64,3% im jugendlichen Alter von 13 bis 20 Jahren. Ein Areal im Norden des Neuen Schottenfriedhofs wurde ausschließlich für die Bestattung von Kindern genutzt. Es gibt weltweit und zu allen Zeiten zahlreiche Beispiele für Kinderbestattungen außerhalb der gewöhnlichen Friedhofsgrenzen.

18

In einigen Gesellschaften wurde Kindern sogar ein eigener Begräbnisri-

tus zuteil. 19 In England beispielsweise wurden vor 1066 Kleinkinder entlang der Ostseite der Kirche begraben, um sie über das „heilige“, den Dachvorsprung hinabtropfende Wasser nachträglich zu „taufen“. 20 Aufgrund protestantischer und katholischer Dogmen wurden Kinder im späteren Mittelalter auf den kommunalen Friedhöfen bestattet. Allerdings werden diese – aus praktischen oder rituellen Gründen – im Friedhofbereich häufig in Clustern vorgefunden. Ungetauften oder totgeborenen Kindern blieb die Bestattung auf „gesegnetem“ Boden gänzlich verwehrt. 21 Bestattungsweisen, Grabbeigaben, ethnographische und osteologische Befunde können Einsichten in die Beziehung zwischen Kind, dessen physischer Umwelt und der Welt der Erwachsenen geben. 22

18 E. Scott, The Archaeology of Infancy and Infant Death. BAR Internat. ser. 819 (Oxford 1999). 19 N. Cauwe, Skeletons in Motion, Ancestors in Action: Early Mesolithic Collective Tombs in Southern Belgium. Cambridge Arch. Journal 11, 2001, 147–163; A. Chamberlain, In this Dark Cavern thy Burial Place. British Arch. 26, 1997, 1–5. 20 C. Daniell, Death and Burial in Medieval England 1066–1550 (London 1997). 21 N. Orme, Medieval Children (New Haven, CT 2001) 24. 22 G. Lillehammer, A Child is Born: the Child’s World in an Archaeological Perspective. Norwegian Arch. Rev. 22, 1989, 89–105.

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Abb. 4: Mittlere Körperhöhen der Männer und Frauen pro Friedhof.

Körperhöhen Die Körperhöhe ist in hohem Maße genetisch determiniert. 23 Sie ist eine wichtige, von sozioökonomischen und demographischen Prozessen beeinflusste Variable und gewährt in einer Zeitreihenanalyse wesentliche Einblicke in die Lebensumstände vergangener Epochen. So hat die kumulative Nahrungsaufnahme in einer Population während der Wachstumsjahre einen starken Einfluss auf die durchschnittliche Körpergröße der Menschen: Ausgeprägte und lang andauernde Unterernährung kann dazu führen, dass die Körperhöhe geringer ausfällt. Dabei ist auch die substanzielle Zusammensetzung der Ernährung von Bedeutung, d. h. die Kombination von Kalorien und Proteinen, bereits geringfügige Abweichungen können zu bedeutenden Veränderungen des Wachstumsprozesses führen. Wird der Genpool einer Population durch massive Migrationsströme verändert, kann sich dies auch auf die mittlere Körperhöhe auswirken. Es zeigen sich zudem schichtspezifische Unterschiede: Angehörige niedriger sozialer Schichten wurden in diesem Zusammenhang stets als kleiner beschrieben als jene aus höheren sozialen Schichten. 24 Bei frühneuzeitlichen Stichproben wurden deutliche Unterschiede in der Kör23 R. Knußmann, Entwicklung, Konstitution, Geschlecht. In: P. E. Becker (Hrsg.), Humangenetik (Stuttgart 1968) 280–437. 24 J. Komlos/J. M. Tanner, The Growth of Boys in the Stuttgart Carlschule: 1771–1793. Ann. Human Biology 19, 1992, 143–150; Ph. B. Eveleth/J. M. Tanner, Worldwide Variation in Human Growth2 (Cambridge 1990) 198– 200; J. M. Tanner, The Potential of Auxological Data for Monitoring Economic and Social WellBeing. Social Science History 6, 1982, 571– 581. 25 Kirchengast/Winkler (Anm. 3). 26 J. Komlos, Ernährung und wirtschaftliche Entwicklung unter Maria Theresia und Joseph II: eine anthropometrische Geschichte der industriellen Revolution in der Habsburgermonarchie (Wien 1991) 26; 32–45; 85.

perhöhe zwischen den Bestatteten innerhalb und außerhalb der Kirche festgestellt. Innerhalb der Kirche beigesetzte Männer waren im Durchschnitt fast 6 cm größer, bei den Frauen fiel der Körperhöhenunterschied mit 0,2 cm dagegen vergleichsweise gering aus. 25 Wenn man die menschliche Körperhöhe als Ersatzindikator für die durchschnittliche Ernährung ansieht, korrelieren Veränderungen in der Körperhöhe positiv mit jenen der Bevölkerungswachstumsrate. Die Körperhöhe ist also gewissermaßen ein Maßstab und zugleich auch eine Komponente des biologischen Lebensstandards. 26 Ergebnisse Die metrischen Auswertungen erfolgten an 244 adulten (154 männlichen und 90 weiblichen) und an 134 subadulten Individuen. Aus Platzgründen wird an dieser Stelle eine detailliertere Beschreibung nur für die Körperhöhe angeführt:

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Abb. 5: Körperhöhen der Männer: relative Anteile pro Kategorie und Friedhof.

Abb. 6: Körperhöhen der Frauen: relative Anteile pro Kategorie und Friedhof.

Die mittlere Körperhöhe der Männer beträgt 169,3 cm (± 4,1 cm) und jene der Frauen 160,9 cm (± 3,5 cm) (Abb. 4). Trotz kleiner Unterschiede zwischen den drei Friedhöfen besteht weder bei den Männern noch bei den Frauen ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der Körperhöhe und der Friedhofszugehörigkeit: Die Mittelwerte der Männer fallen auf allen drei Friedhöfen in die übermittelgroße Kategorie27 (167,0–169,9 cm), während jene der Frauen bereits in die Klasse der „Großen“ (159,0–167,9 cm) einzureihen sind (Abb. 5 und 6). Die durchschnittliche Körperhöhe der Männer vom Neuen Schottenfriedhof beträgt 169,2 cm (± 4,1 cm) und jene der Frauen 161,3 cm (± 3,4 cm). Am Bäckenhäusel Gottesacker liegt sie bei 168,4 cm (± 4,0 cm) bzw. 159,6 cm (± 3,3 cm). Die mittlere Körperhöhe der Männer vom Spanischen Friedhof beträgt 169,8 cm (± 4,2 cm) und jene der Frauen 160,2 cm (± 4,1 cm). Der Sexualdimorphismus ist mit 9,6 cm am Spanischen Friedhof am größten, gefolgt vom Bäckenhäusel Gottesacker mit 8,8 cm. Am Neuen Schottenfriedhof sind die Geschlechtsunterschiede bezogen auf die mittlere Körperhöhe mit 7,9 cm am geringsten ausgeprägt.

27 R. Martin/K. Saller, Lehrbuch der Anthropologie2 (Stuttgart 1914).

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Cribra cranii (1) Cribra palatinae (2) Cribra orbitalia (3) Diploe verdickt Lamina interna verändert Mastoiditis Schmelzhypoplasien (4) Abszess Karies Zahnstein Zahnerkrankungen allg. Knorpelhernien Osteoarthritis Osteophyten Osteochondrose WS-Erkrankungen Verschmelzungen Fusion L5 und S1 Skoliose Frakturen Periostitiden Osteoporose Verdacht auf Tuberkulose Verdacht auf Rachitis (5) Verdacht auf Syphilis Mangelerkrankungen (1–5)

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GESAMT (n = 247) Fälle % von n 21 8,5 117 47,4 28 11,3 15 6,1 32 13,0 12 4,9 104 42,1 52 21,1 106 42,9 152 61,5 190 76,9 83 33,6 136 55,1 121 49,0 33 13,4 171 69,2 46 18,6 17 6,9 18 7,3 17 6,9 26 10,5 16 6,5 7 2,8 10 4,0 23 9,7 173 70,0

NS-FH (n = 162) Fälle % von n 10 6,2 67 41,4 16 9,9 11 6,8 18 11,1 8 4,9 76 46,9 29 17,9 64 39,5 103 63,6 122 75,3 48 29,6 78 48,1 76 46,9 25 15,4 106 65,4 32 19,8 14 8,6 11 6,8 9 5,6 11 6,8 12 7,4 4 2,5 4 2,5 8 4,9 109 67,3

B-FH (n = 33) Fälle % von n 2 6,1 17 51,5 4 12,1 3 9,1 6 18,2 0 0,0 7 21,2 6 18,2 13 39,4 11 33,3 21 63,6 9 27,3 18 54,5 12 36,4 2 6,1 21 63,6 6 18,2 2 6,1 1 3,0 2 6,1 4 12,1 2 6,1 1 3,0 6 18,2 0 0,0 22 66,7

SP-FH (n = 52) Fälle % von n 9 17,3 33 63,5 8 15,4 1 1,9 8 15,4 4 7,7 21 40,4 17 32,7 29 55,8 38 73,1 47 90,4 26 50,0 40 76,9 33 63,5 6 11,5 44 84,6 8 15,4 1 1,9 6 11,5 6 11,5 11 21,2 2 3,8 2 3,8 0 0,0 15 28,9 42 80,8

Tab. 2: Übersichtstabelle zu den erfassten Pathologien auf den Friedhöfen.

Pathologien Im Rahmen der anthropologischen Grundbestimmungen wurden standardmäßig bestimmte Zeichen krankhafter Veränderungen an den Skelettelementen erfasst. Bereits dabei zeigte sich eine außergewöhnlich hohe Krankheitsbelastung. Ein ungewöhnlich großer Anteil von 72,8% der Individuen weist makroskopisch erkennbare Pathologien auf (siehe Tab. 2). Es besteht zudem ein höchst signifikanter Zusammenhang (X2 = 20,219 bei p 5 0,0001) zwischen der allgemeinen Krankheitsbelastung und der Friedhofszugehörigkeit: 72,1% der Bestatteten des Neuen Schottenfriedhofs, 60,6% der Bestatteten des Bäckenhäusel Gottesackers und 87% der Bestatteten des Spanischen Friedhofs weisen krankhafte Veränderungen an den Knochen auf. Die allgemeine Krankheitsbelastung ist damit am Bäckenhäusel Gottesacker am niedrigsten und am Spanischen Friedhof am höchsten. Detaillierte Beschreibungen bzw. Differentialdiagnosen können erst nach weiterführenden radiologischen, computertomographischen, histologisch-mikroskopischen und chemischen Untersuchungen getroffen werden. Trotzdem sind beim derzeitigen Stand der Erhebungen nachstehende allgemeine Aussagen über einige Mangelerkrankungen, ausgewählte Infektionskrankheiten wie Syphilis, Tuberkulose und Pest, über Zahnerkrankungen, degenerative Gelenkserkrankungen sowie Traumata möglich. Ausgewählte, seltene, auch makroskopisch diagnostizierbare Einzelfälle werden anhand von Bildtafeln vorgestellt. Es handelt sich dabei um den Fall einer Hirnhautentzündung (Taf. 1 B), einen seltenen Tumor des Innenohrs (Taf. 2), eine Oberschenkelhalsfraktur mit Pseudogelenksbildung (Taf. 3), Krebsmetasta-

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sen im Wirbelkörper (Taf. 4 unten) oder den seltenen Fall einer Bluterkrankung (siehe dazu Abb. 11). Mangelerkrankungen Der Ernährungsstand einer Population ist von biologischen, demographischen und wirtschaftlichen Prozessen abhängig. Zwischen einer ausgewogenen Ernährung mit ausreichender Vitaminzufuhr bzw. einer Mangelernährung und der Widerstandskraft eines Organismus gegenüber Infektionen besteht ein direkter kausaler Zusammenhang. 28 Mangelerkrankungen sind Ausdruck von physiologischem Stress und lassen indirekt Rückschlüsse auf die Lebensbedingungen (Arbeitsbelastung, Ernährung, Hygiene) und das soziale Gefüge (medizinische Versorgung usw.) einer Bevölkerungsgruppe zu. Alimentäre Erkrankungen, verursacht durch Vitamin- oder Spurenelementmangel, treten gehäuft bei Kindern im Abstillalter auf und sind am Knochen dann morphologisch diagnostizierbar, wenn der Skelettstoffwechsel ebenfalls betroffen ist. Dies ist zum Beispiel bei Eisenmangelanämien, Vitamin-D- und Vitamin-C-Mangel der Fall, wobei die Vitaminosen häufig zusammen auftreten. 29 Bei einem Mangel an Vitamin C (Skorbut) entsteht aufgrund krankhafter Veränderungen im Bindegewebe bzw. im Kollagen eine Gewebebrüchigkeit. Als Reaktion des Knochens darauf werden initial vor allem an Orten hoher mechanischer Belastung stark poröse Knochenauflagerungen gebildet, oft ist in der Folge auch ein Sporn am distalen Femur- bzw. proximalen Tibiaende ausgebildet. 30 Charakteristisch für Vitamin-D-Mangel (Rachitis) sind dagegen gut erkennbare Verbiegungen der Skelettelemente aufgrund unzureichender Mineralisierung sowie die mikrostrukturelle Ausbildung von flächigen, porösen Knochenauflagerungen und Resorptionslakunen. 31 Femur und Tibia zeigen an ihren Enden oft eine becherförmige Auftreibung. 32 Aufgrund von Mangelernährung oder einer zeitweiligen Störung des KalziumStoffwechsels kommt es auch zu Fehlbildungen des Zahnschmelzes in Form von rillenförmigen Vertiefungen an den Zahnkronen – sogenannte transversale Schmelzhypoplasien. An den Milchzähnen deuten diese darauf hin, dass das Kind im Säuglingsalter unregelmäßig gestillt wurde bzw. die Mutter an Mangelernährung litt. Perinatale Komplikationen wie Frühgeburt, Infektionen oder fetale Mangelernährung zeichnen sich in Form von breiteren „Neonatenlinien“ ab. Bei Rachitis findet man transversale Schmelzhypoplasien in bandartiger Anordnung. 33 Porosierte, lochförmige Defekte an der äußeren Schädelkalotte (Cribra cranii/ porotische Hyperostosis), an den Dächern der Augenhöhlen (Cribra orbitalia) und am harten Gaumen (Cribra palatinae) gelten als unspezifische Anzeichen von Mangelerkrankungen34 und anämisch bedingten Erkrankungen35. Chronischer Eisenmangel wird als die wahrscheinlich häufigste Ursache für porotische Hyperostosis am Schädel angesehen. 36 Porosierungen am Schädel und an den Orbitadächern treten gehäuft bei Kindern auf. Cribra orbitalia kommen in einer Population gewöhnlich häufiger vor als eine porotische Hyperostosis und werden daher als der empfindlichere Stressmarker angesehen. Epidemio-

28 P. Carli-Thiele, Spuren von Mangelerkrankungen an steinzeitlichen Kinderskeletten. Fortschritte in der Paläopathologie und Osteoarchäologie I (Göttingen 1996). 29 O. Templin, Die Kinderskelette von Bettingen im Kanton Basel-Stadt (Schweiz). Eine paläopathologische Untersuchung (Diss. Univ. Göttingen 1993). 30 W. Swoboda, Das Skelett des Kindes. Entwicklung, Fehlbildungen und Erkrankungen2 (Stuttgart 1969). 31 Grupe 2005. 32 Swoboda (Anm. 30). 33 Templin (Anm. 29); W. Meyer, Pathologie der Zähne und des Gebisses. In: W. Meyer (Hrsg.), Die Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (München 1958) 467–721. 34 M. Schultz, Erkrankungen des Kindesalters in der Bronzezeit. Niedersächsisches Ärzteblatt 9, 1989, 28–34. 35 H. Hamperl/P. Weiss, Über die spongiöse Hyperostose an Schädeln aus Alt-Peru. Virchowa Archiv [Pathol. Anatom.] 327, 1955, 629–642. 36 P. L. Stuart-Macadam/S. Kent (eds.), Diet, Demography, and Disease (New York 1955) 151–156.

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logische Studien haben zudem eine erhöhte Sterblichkeit im Zusammenhang mit dem Vorkommen von Cribra orbitalia gezeigt. 37 Ergebnisse An insgesamt 173 Individuen haben sich Stresszeichen wie Zahnschmelzfehlbildungen (60,1%) und poröse Lochdefekte an Gaumen (67,6%), Augenhöhlen (16,2%) und am Schädel (12,1%) manifestiert. Zehn subadulte Skelette (5,8%) weisen klassische Symptome der Rachitis, wie Verbiegungen der langen Röhrenknochen, auf. Es gibt einen höchst signifikanten Zusammenhang (X2 = 13,75 und p 5 0,0001) zwischen der Frequenz von Mangelerkrankungen und der Friedhofszugehörigkeit: Am Neuen Schottenfriedhof und am Bäckenhäusel Gottesacker ist die Anzahl der Individuen mit Mangelerkrankungen niedriger, am Spanischen Friedhof ist sie dagegen höher als erwartet. Am Neuen Schottenfriedhof zeigen 41,13% der Skelette Mangelerscheinungen: Fast zwei Drittel davon haben Porosierungen am harten Gaumen, 9,2% am Schädel und 14,7% am Augenhöhlendach. Vier subadulte Skelette (3,7%) weisen klassische Symptome der Rachitis auf und 69,7% haben transversale Schmelzhypoplasien an den Zähnen. Auch bei über einem Drittel (36,6%) der Skelette des Bäckenhäusel Gottesackers sind Mangelerkrankungen nachweisbar: Mehr als die Hälfte der Individuen (51,5%) zeigen Porosierungen am harten Gaumen, 6,1% am Schädel und 12,1% am Augenhöhlendach. Sieben Individuen (21,2%) haben transversale Schmelzhypoplasien an den Zähnen. Am Spanischen Friedhof weisen 60,9% aller Skelette Mangelerscheinungen auf: 63,5% dieser Individuen haben Porosierungen am harten Gaumen, 17,3% am Schädel und 15,4% am Augenhöhlendach. Transversale Schmelzhypoplasien an den Zähnen wurden bei 40,4% der Skelette diagnostiziert. Periostale Knochenveränderungen Häufig findet man vor allem an den Außenseiten der Langknochendiaphysen lokal begrenzte reaktive Knochenneubildungen mit oder ohne Umbauzeichen. Diese Veränderungen werden durch Entzündungen der Knochenhaut (Periost) verursacht bzw. laufen unter dessen Beteiligung ab. Die Erscheinungsbilder sind vielgestaltig und relativ unspezifisch. Sie weisen nur begrenzt auf bestimmte Krankheitsbilder hin wie zum Beispiel Syphilis,Tuberkulose, Rachitis, Osteomyelitis oder Skorbut. 38 Ergebnisse Bei insgesamt 6,5% der Skelette waren entzündliche periostale Reaktionen feststellbar: am Neuen Schottenfriedhof und Spanischen Friedhof bei jeweils elf Individuen (4,2% bzw. 15,9%) und am Bäckenhäusel Gottesacker bei vier Individuen (6,1%). Infektionskrankheiten 37 A. C. Aufderheide/C. Rodríguez-Martin, The Cambridge Encyclopedia of Human Paleopathology (Cambridge 1998). 38 Herrmann et al. 1990.

Vom Skelettindividuum durchgemachte und erlittene Infektionskrankheiten sind am Knochen nur dann diagnostizierbar, wenn hier der primäre Infektionsherd war oder der Knochen infolge einer längeren Krankheitsdauer der Weich-

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Abb. 7: Männlich/adult (20–40 Jahre), B-FH, Massengrab 371, Blick auf die beiden Temporalknochen des Individuums: Der Porus acusticus externus entspricht dem Außenrand des knöchernen äußeren Gehörganges, die Fossa mandibularis der Pfanne des Unterkiefergelenkes. Auffällig ist der linke, vergrößerte und postmortal eröffnete Warzenfortsatz, in dem die durch chronische, eitrige Mittelohrentzündungen miteinander verschmolzenen und dadurch vergrößerten Cellulae mastoideae deutlich zu erkennen sind. Der rechte Warzenfortsatz ist nicht vergrößert. (Foto: M. Gebetsroither/K. Großschmidt)

gewebe oder Organe verändert worden ist. Letzteres ist bei chronisch verlaufenden Infektionskrankheiten wie Lepra, Syphilis oder Tuberkulose der Fall. 39 Mangelernährte Individuen leiden zusätzlich unter einem geschwächten Immunsystem, welches besonders schwere Manifestationen der Krankheit zulässt. 40 Hier werden nur Ergebnisse hinsichtlich Syphilis, Tuberkulose und Pest vorgestellt; zusätzlich wird für die häufig vorkommende Mittelohrentzündung (Otitis media) ein Fallbeispiel in Abb. 7 präsentiert. Syphilis Syphilis (Lues venera), eine Infektion mit Treponema pallidum (Spirochäten), führt langfristig zu schweren Knochenzerstörungen in Form einer Osteomyelitis, welche vor allem die Tibia und die Schädelkalotte betrifft. An den langen Röhrenknochen steht anfangs die luetische Beinhautentzündung (Periostitis ossificans) im Vordergrund. Im Spätstadium entwickeln sich innerhalb der Knochen gummöse Höhlen und am Schädel manifestieren sich wurmfraßähnliche Zerstörungen mit begleitenden, glattrandigen Knötchen (Caries sicca). Die angeborene, diaplazentar durch die Schwangere auf den Fetus übertragene Syphilis verzögert die Ossifikation: Neben säbelartig nach vorne gekrümmten Tibiae (Säbelscheidentibiae) und verbreiterten, „ausgefransten“ Epiphysenfugen können massive Schmelzfehlbildungen der oberen Schneidezähne (Hutchinson’s teeth) und der ersten Dauermolaren (Mulberry teeth) auftreten (Taf. 5 oben). 41 Levin42 zeigte 1970 eine ungewöhnliche Häufung von äußerst charakteristischen luetischen Veränderungen an der Elle: Das proximale Gelenksende ist großteils erodiert und die benachbarten Epiphysen von Radius und Humerus

39 Grupe 2005. 40 E. Barnes, Diseases and Human Evolution (Albuquerque 2005) 203. 41 Herrmann et al. 1990; Aufderheide/Rodríguez-Martin (Anm. 37); Pschyrembel 2002; Adler 2005. 42 E. J. Levin, Healing in Congenital Osseous Syphilis. American Journal of Roentgenology 110, 1970, 591–597.

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sind zum Teil aufgelöst (siehe dazu Taf. 5). Auffallend ist zudem eine starke Periostitis ossificans. – Ergebnisse Bei insgesamt 24 Skeletten (6%) besteht der Verdacht auf Syphilis: bei acht Individuen (3,1%) vom Neuen Schottenfriedhof und bei 15 Individuen (21,7%) vom Spanischen Friedhof. Auf fünf subadulte Individuen (1,3%) – vier (1,5%) vom Neuen Schottenfriedhof und eines (1,4%) vom Spanischen Friedhof – wurde die Krankheit bereits während der Schwangerschaft übertragen. Tuberkulose Tuberkulose ist eine weltweit verbreitete, chronisch verlaufende bakterielle Infektionskrankheit, hervorgerufen durch Mycobacterium tuberculosis. Obwohl sie vor allem in den Atmungsorganen lokalisiert ist, können grundsätzlich Abb. 8: Männlich/adult (30–40 Jahre), NS-FH, Grab 183: Die massiven Deformationen des rechten Calcaneus (Fersenbein) und die beiden Lochbildungen im rechten Talus (Sprungbein) sind wahrscheinlich durch eine Tarsaltuberkulose verursacht worden. Differentialdiagnostisch müssten u. a. eine neurogene Osteoarthropathie oder eine vorangegangene unbehandelte Fraktur und/oder eine Osteomyelitis ausgeschlossen werden. Zum Vergleich siehe die entsprechenden, normal ausgebildeten Knochen des linken Fußes. (Foto: M. Gebetsroither/K. Großschmidt)

alle Organe befallen werden. Hauptinfektionsquelle ist der erkrankte Mensch. Die Häufigkeit von Tuberkuloseinfektionen ist wesentlich von sozialen Faktoren abhängig. 43 Knochentuberkulose, eine Spätform der Tuberkulose, entsteht immer sekundär und wird durch eine geschwächte Immunabwehr besonders begünstigt. In 3–5% der Fälle einer generalisierten Tuberkulose wird auch das Skelett befallen (Abb. 8) – entweder in der hämatogenen Phase

durch Streuung zum Beispiel aus einer Lungentuberkulose oder in der Phase der Organtuberkulose. Die Ausbreitung folgt der Verteilung des aktiven roten Knochenmarks, wodurch sich hinsichtlich der betroffenen Skelettelemente im Kindes- und Erwachsenenalter Unterschiede im Befallsmuster ergeben: Bei Kindern sind hauptsächlich die kurzen Hand- und Fußknochen betroffen, bei Erwachsenen ist dagegen die Wirbelsäule im Bereich zwischen dem sechsten Brust- und dritten Lendenwirbelkörper die häufigste Lokalisation, gefolgt von Hüft- und Kniegelenk. 44 Bei der Spondylitis tuberculosa kommt es in der Wirbelsäule zur Kavernenbildung, zur Verschmälerung der Wirbel-Zwischenräume und anschließend zur Zerstörung der Bandscheiben mit Deckplatteneinbrüchen. Aufgrund der Destruktionen des Knochens entstehen keilförmige Wirbelkörper, deren Spongiosa verschmilzt miteinander (Blockwirbelbildung) und die Zwischenwirbelräume werden gänzlich knöchern überbrückt. 45 – Ergebnisse Bei insgesamt sieben Skeletten (1,75%) besteht der dringende Verdacht auf 43 44 45

Pschyrembel 2002. Adler 2005. Adler 2005.

Tuberkulose: bei vier Individuen (1,5%) vom Neuen Schottenfriedhof, einem Individuum (1,5%) vom Bäckenhäusel Gottesacker und zwei Individuen (2,1%) vom Spanischen Friedhof.

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Pest Pest (lat. pestis = Seuche, Verderben) ist eine hochgradig ansteckende, bakterielle Infektionskrankheit, verursacht durch das Bakterium Yersinia pestis. Die Pest ist eine Zoonose – sie wird durch Flöhe auf Nager und vom Nager auf den Menschen übertragen – mit vier Ausprägungsformen: der Beulenpest, der Lungenpest, der Pestsepsis und der abortiven Pest. 46 Im Mittelalter wurde der Begriff „Pest“ zugleich für mehrere andere schwere Erkrankungen verwendet. In Wien brach die Seuche zwischen den Jahren 1410 und 1713 dreizehnmal aus. Eines der schlimmsten Pestjahre wurde 1679 verzeichnet: Die Angaben über die Gesamtzahl der Toten schwanken zwischen 77 000 und 140 000. Aus zeitgenössischen Berichten weiß man, dass die Leichen erst dann mit Erde verschüttet wurden, wenn die speziell dafür ausgehobenen Grabgruben „der Länge und Breite nach ganz voll“47 waren. Die Friedhöfe und Gärten des Spitalviertels im 9. Bezirk dienten damals der Bestattung von Pestleichen. 48 – Ergebnisse Es liegt der Verdacht nahe, dass es sich bei den entdeckten Massengrabgruben in der Sensengasse um sogenannte Pestgruben handelt (siehe Beitrag C. Litschauer/Th. Pototschnig, 11 f.). Da die Erkrankten meist innerhalb einer Woche starben – die Lungenpest raffte ihre Opfer sogar binnen weniger Stunden hinweg –, ist die Pest am Skelett nicht diagnostizierbar und ein Nachweis könnte nur mit mikro- und molekularbiologischen Methoden erfolgen. Zahnerkrankungen Zu den häufigsten „Zivilisationskrankheiten“ zählt heute die Zahnkaries. Abhängig von der Nahrungszusammensetzung und -verarbeitung, von konstitutionellen Faktoren und Hygienemaßnahmen kommt es zu einer bakteriell induzierten chemischen Demineralisierung des Zahnschmelzes. Da sich dieser nicht regenerieren kann, führt Karies ohne Behandlung letztlich zum Zahnverlust. Auch Erkrankungen des Zahnhalteapparates sind häufig, die Parodontopathien können entzündlichen oder nicht-entzündlichen Ursprungs sein und führen zu Zerstörungen des Alveolarknochens mit anschließendem Zahnverlust: Paradontitis, die entzündliche Form, wird mehrheitlich durch Bakterien (Streptokokken) hervorgerufen, wohingegen Paradontose die Folge von hoher physikalischer Belastung des Gebisses ist (Gebrauch der Zähne als Werkzeug, Zähneknirschen im Schlaf etc.). Nicht zuletzt können Erkrankungen des Zahnhalteapparates auch mit anderen Grunderkrankungen wie Diabetes oder diversen Stoffwechselerkrankungen wie Skorbut einhergehen. 49 Zahnstein wird durch Ausfällung der mineralischen Bestandteile des Speichels bei alkalischem Milieu gebildet und kann bei großflächiger Ausdehnung zu Entzündungsherden in der Schleimhaut mit möglichen Folgeschäden am Kieferknochen führen (Abb. 9). 50

46 Pschyrembel 2002. 47 Zitiert in: P. Pleyel, Friedhöfe in Wien: vom Mittelalter bis heute (Wien 1999) 29. 48 Pleyel (Anm. 47) 22. 49 Herrmann et al. 1990; Grupe 2005. 50 Herrmann et al. 1990.

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Abb. 10: Weiblich/adult (20–30 Jahre), NS-FH, Grab 159: Im linken Oberkiefer ist durch ein Abszess an der Zahnwurzel (Prämolar) der Knochen zerstört und die Oberkieferhöhle am Boden nach außen eröffnet worden. Rund um die Läsion ist als porosiertes Areal eine entzündliche Knochenreaktion des Periostes deutlich zu erkennen. (Foto: M. Gebetsroither/K. Großschmidt)

– Ergebnisse Bei den Bestatteten der Sensengasse ist der allgemeine Zustand der Zähne generell sehr schlecht, bei vielen GeAbb. 9: Männlich/spätmatur (450 Jahre), SP-FH, Grab 305, Blick auf die linke Gesichtshälfte: Besonders auffällig ist der massiv ausgebildete Zahnstein an der Buccalfläche des ersten Backenzahns und der eitrig entzündete Alveolarknochen der Zahnwurzel. (Foto: M. Gebetsroither/ K. Großschmidt)

bissen sind die Zähne aufgrund von Parodontopathien bereits intravital ausgefallen (siehe dazu Taf. 1 A), 42,9% der 247 untersuchten Gebisse adulter Individuen hatten Karies, 61,5% hatten Zahnstein und 21,1% der Individuen wiesen Abszesse im Kiefer auf (Abb. 10).

Beinahe die Hälfte (46,9%) der untersuchten Individuen am Neuen Schottenfriedhof hatte transversale Schmelzhypoplasien an den Zähnen, 39,5% hatten Karies, 63,3% Zahnstein und 17,9% der Individuen wiesen Abszesse im Kiefer auf. Am Bäckenhäusel Gottesacker hatten 21,2% der Skelette transversale Schmelzhypoplasien an den Zähnen, ein Drittel hatte Zahnstein, 39,4% hatten Karies und 18,2% der Individuen Abszesse im Kieferknochen. Am Spanischen Friedhof wurden bei 40,4% der Individuen transversale Schmelzhypoplasien, bei fast drei Viertel (73,1%) Zahnstein und bei über der Hälfte (55,8%) Karies festgestellt. Ein Drittel (32,7%) wies Abszesse im Kieferknochen auf. Degenerative Gelenkserkrankungen Degenerative Gelenkserkrankungen sind primäre Erkrankungen der Skelettgewebe und daher in der Regel anthropologisch gut feststellbar. Altersbedingte Gelenksveränderungen entsprechend einem normalen Gelenkverschleiß sind dabei von echten Pathologien zu unterscheiden. Bei degenerativen Gelenkserkrankungen geht der Gelenkknorpel aufgrund unphysiologisch hoher Belastung zugrunde. Ursache können Gelenksfehlstellungen, Übergewicht oder

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physische Arbeitsbelastung sein. Als Reaktion des Körpers findet ein Umbau des Gelenkes statt: Es werden knöcherne Überbrückungen in Form von Randosteophyten ausgebildet, welche mithelfen sollen, das schmerzende Gelenk ruhig zu stellen. Sukzessive kommt es auch zur Deformierung der betroffenen Gelenksanteile (Abb. 11) und zu einer kompaktknöchernen Verstärkung der Kortikalis. Bei vollständiger Erosion des Gelenkknorpels reibt schließlich Knochen auf Knochen, ein äußerst schmerzhafter Vorgang, zweifelsfrei erkennbar an einer wie poliert erscheinenden Knochenfläche, die besonders häufig an den großen Gelenken des Körpers zu beobachten ist (ein Beispiel dazu in Taf. 3). Das Verteilungsmuster degenerativer Erkrankungen zum Beispiel auf die einzelnen Abschnitte der Wirbelsäule kann sogar die Rekonstruktion täglicher Aktivitätsmuster sowie einer arbeitsteiligen Lebensweise zwischen den Geschlechtern ermöglichen. 51 Durch Einbrüche der Wirbelkörperdeckplatte mit begleitendem Bandscheibenvorfall

Abb. 11: Männlich/frühmatur (45–55 Jahre), SP-FH, Grab 269: Osteoarthropathie des rechten Hüftgelenkes mit erosiven Destruktionen bzw. Osteonekrosen des Femurkopfes. Die Vergrößerung des Trochanter minor kann infolge einer Außenrotationskontraktur auf eine koagulopathische Hüftosteoarthropathie und andere hämophile Ursachen (Bluterkrankung) hinweisen. Zum Vergleich siehe den normal konfigurierten linken Oberschenkel (Femur). (Foto: M. Gebetsroither/K. Großschmidt)

bilden sich Gruben, Löcher und Rinnen. Diese Vertiefungen werden als Schmorl’sche Knorpelhernien bezeichnet. 52 Ergebnisse An der Wirbelsäule wurden bei einem Drittel der Skelette Knorpelhernien, bei über der Hälfte (55,1%) Osteoarthritis und bei 49,0% Osteophyten festgestellt. 18 Individuen (7,3%) hatten zu Lebzeiten skoliotische Fehlhaltungen (Rückenbuckel). Bei 13,4% sind osteochondrotische Veränderungen an den Wirbelkörpern erkennbar und 6,5% weisen eine verminderte Knochendichte im Sinne einer Osteoporose auf. Am Neuen Schottenfriedhof hatten 29,6% der Individuen Knorpelhernien und etwa die Hälfte Osteoarthritis (48,1%) und Osteophyten (46,9%). Skoliotische Fehlhaltungen traten bei 6,8% auf, bei 15,4% sind osteochondrotische Veränderungen an den Wirbelkörpern erkennbar und 7,4% der Skelette weisen eine verminderte Knochendichte auf. Bei über einem Viertel (27,3%) der Individuen vom Bäckenhäusel Gottesacker wurden Knorpelhernien festgestellt. Mehr als die Hälfte (54,5%) hatten Osteoarthritis und über ein Drittel (36,4%) hatte Osteophyten an der Wirbelsäule. Nur ein Individuum hatte zu Lebzeiten eine skoliotische Fehlhaltung im Sinne eines Buckels. Bei zwei Skeletten (6,1%) sind osteochondrotische Veränderungen an den Wirbelkörpern erkennbar und zwei weitere Individuen weisen eine verminderte Knochendichte auf. Am Spanischen Friedhof wurden bei der Hälfte der Individuen Knorpelhernien, bei fast zwei Drittel (63,5%) Osteophyten und bei über drei Viertel (76,9%) der Skelette Osteoarthritis an der Wirbelsäule festgestellt. Sechs Individuen (11,5%) hatten zu Lebzeiten eine skoliotische Fehlhaltung. Bei weiteren sechs

51 52

Grupe 2005. Herrmann et al. 1990.

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Skeletten sind osteochondrotische Veränderungen an den Wirbelkörpern erkennbar und zwei Individuen (3,8%) weisen eine verminderte Knochendichte auf. Traumata Verletzungen, die neben den Weichteilen auch den Knochen betreffen und an diesem noch erkennbar sind, können bei kriegerischen Handlungen, im Alltagsleben oder in Zusammenhang mit der Berufsausübung entstehen. Prinzipiell muss zwischen perimortalen, postmortalen und intravitalen Verletzungen unterschieden werden. Schwierigkeiten bei der Diagnose machen vor allem perimortale Verletzungen, wenn sie unmittelbar zum Tode führen und auch mikroskopisch-histologisch keine Reaktionen an den Wundrändern zu erkennen sind. Eine Knochenfraktur ist per definitionem eine vollständige oder unvollständige Kontinuitätstrennung eines Knochens durch direkte oder indirekte Gewalteinwirkung und ist in jeglicher Form ein häufiges Ereignis. Man unterscheidet eine traumatische Fraktur (Momentanbruch) von einer Dauerfraktur (Ermüdungs-, Stress- oder Spontanfraktur I) und einer pathologischen Fraktur (Spontanfraktur II). 53 Frakturen am Knochen heilen unter Kallusbildung aus, werden die Bruchenden aber dabei nicht ruhig gestellt, kann es zu einer schiefen Verwachsung oder zur Ausbildung eines Scheingelenkes (Pseudoarthrose) kommen. 54 Ergebnisse Bei den vorliegenden Skeletten der Sensengasse konnten insgesamt 17 wiederverheilte Brüche diagnostiziert werden: bei neun Skeletten (3,4%) des Neuen Schottenfriedhofs, bei zwei Skeletten (3,0%) des Bäckenhäusel Gottesackers und bei sechs Skeletten (8,7%) des Spanischen Friedhofs. Zusammenfassung Die von der Stadtarchäologie Wien im Jahr 2006 durchgeführte Notgrabung in der Sensengasse 1–3 in Wien 9 erbrachte 400 menschliche Skelette aus Einzel- bzw. Mehrfachgräbern dreier neuzeitlicher Friedhöfe: 265 Skelette aus dem Neuen Schottenfriedhof (Belegzeit 1765–1784), 66 Skelette aus dem Armenfriedhof Bäckenhäusel Gottesacker (1656–1784) und 69 Skelette aus dem Spanischen Friedhof (1717–1784). Zusätzlich zu diesen Skeletten wurden Einzelknochen von mindestens 254 und maximal 1068 Individuen aus mehreren Massengrabgruben geborgen, welche historischen Quellen nach wahrscheinlich ehemaligen Pestgruben entsprechen. Alle Skelette und Knochen wurden ausgrabungsbegleitend einer anthropologischen Grundbestimmung unterzogen und morphologisch und metrisch erfasst. Unter den Skelettindividuen aus den Gräbern befanden sich 48% männliche Erwachsene, 27,8% weibliche Erwachsene und 23,5% Kinder, wobei am Spanischen Friedhof mehr als dreimal so viele Männer wie Frauen begraben waren. Von den Individuen aus den Massengrabgruben waren 63,4% Männer, 24,4% Frauen und 12,2% Kinder. 53 54

Adler 2005. Herrmann et al. 1990.

Am Neuen Schottenfriedhof ist bei den Männern in der Altersgruppe zwischen 20 und 35 Jahren eine erhöhte Sterblichkeit zu verzeichnen, zudem verstarb ein

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Drittel aller Individuen bereits subadult. Ein Areal im Norden des Neuen Schottenfriedhofs wurde ausschließlich für die Bestattung von Kindern genutzt. Am Bäckenhäusel Gottesacker gibt es hinsichtlich der Sterblichkeit keine Unterschiede zwischen den Geschlechtern, die Hälfte aller Individuen verstarb vor Erreichen des Erwachsenenalters, es wurden keine Knochen von Neugeborenen oder Ungeborenen gefunden. Am Spanischen Friedhof besteht ebenfalls kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Sterbealter und Geschlecht, von allen hier Bestatteten sind 20,9% subadult verstorben. Was die mittlere Körperhöhe der Männer (169,3 cm ±4,1 cm) und jene der Frauen (160,9 cm ±3,5 cm) betrifft, so besteht kein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen Körperhöhe und Friedhofszugehörigkeit. Die Mittelwerte bei den Männern fallen auf allen drei Friedhöfen in die „übermittelgroße“ Kategorie (167,0–169,9 cm), die der Frauen dagegen in die Klasse der „Großen“ (159,0–167,9 cm). Die Unterschiede zwischen Männern und Frauen (Sexualdimorphismus) sind mit 9,6 cm am Spanischen Friedhof am größten, gefolgt vom Bäckenhäusel Gottesacker mit 8,8 cm und vom Neuen Schottenfriedhof mit 7,9 cm. In Bezug auf krankhafte Veränderungen, die makroskopisch noch am Knochen feststellbar sind, zeigt sich, dass fast drei Viertel aller Skelettindividuen von Krankheiten betroffen waren, wobei die Krankheitsbelastung am Spanischen Friedhof am höchsten ist. Bei den Mangelerkrankungen ist sie hier mit über 60% höher als statistisch zu erwarten wäre. Am Neuen Schottenfriedhof und am Bäckenhäusel Gottesacker ist sie dagegen niedriger. Die hier vorgestellten anthropologischen bzw. paläopathologischen Ergebnisse wurden parallel während der Dauer der archäologischen Ausgrabung gewonnen. Weiterführende, für Differentialdiagnosen unbedingt notwendige Untersuchungen mit histologischen, radiologischen und chemischen Methoden wurden in Einzelfällen bereits begonnen, müssen aber für eine Gesamtschau auch wegen der damit verbundenen hohen Kosten später erfolgen.

Abgekürzt zitierte Literatur Adler 2005 Grupe 2005 Herrmann et al. 1990 Pschyrembel 2002

C.-P. Adler, Knochenkrankheiten. Diagnostik makroskopischer, histologischer und radiologischer Strukturveränderungen des Skeletts3 (Berlin et al. 2005). G. Grupe, Anthropologie: ein einführendes Lehrbuch (Berlin et al. 2005). B. Herrmann/G. Grupe/S. Hummel/H. Piepenbrink/H. Schutkowski, Prähistorische Anthropologie. Leitfaden der Feld- und Labormethoden (Berlin et al. 1990). W. Pschyrembel, Pschyrembel Klinisches Wörterbuch259 (Berlin, New York 2002).

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Taf. 1: Männlich/spätmatur (450 Jahre), SP-FH, Grab 305. (Fotos: M. Gebetsroither/K. Großschmidt)

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Taf. 2: Männlich/adult (20–40 Jahre), SP-FH, sekundär verlagerter Schädel aus Befund 415. (Fotos: M. Gebetsroither/K. Großschmidt)

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Taf. 3: Männlich/adult (25–35 Jahre), NS-FH, Grab 142. (Fotos: M. Gebetsroither/K. Großschmidt)

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Taf. 4: Männlich/frühmatur (45–55 Jahre), SP-FH, Grab 302. (Fotos: M. Gebetsroither/K. Großschmidt)

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Taf. 5: Oben: Kind/infans I (3–5 Jahre), SP-FH, Grab 206. – Unten: Kind/infans I (2–3 Jahre), NS-FH, Grab 242. (Fotos: M. Gebetsroither/K. Großschmidt)

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R. Wedenig, Ein Bleietikett mit Zenturiengraffito von der Freyung in Wien 1

Ein Bleietikett mit Zenturiengraffito von der Freyung in Wien 1 Reinhold Wedenig mit einem Beitrag von Michaela Kronberger Vorbemerkung Aus Blei gefertigte oder bleihaltige Gegenstände waren im römischen Alltag gang und gäbe. Dazu zählen so unterschiedliche Dinge wie Wasserleitungsrohre, Gewichte, Behälter, Gefäßverschlüsse, Spiegelrahmen, Statuetten oder Schleudergeschoße. Der vielseitig genutzte Werkstoff wurde zum Flicken von Keramikgeschirr genauso verwendet wie zum Vergießen von Dübeln und war in Bronzelegierungen, Farben, Keramikglasuren, medizinischen und kosmetischen Produkten enthalten. Mit Bleiplomben wurden Schriftstücke oder Waren (Zollplomben) versiegelt; mit Bild oder Schrift versehene tesserae unterschiedlicher Form fungierten als Eintrittsmarken. 1 Weiters diente Blei zu Schreibzwecken: weniger als Schreibgerät („Bleistift“) selbst, sondern vor allem als Beschreibgrund. Klein dimensionierte Schreibunterlagen aus Bleiblech waren sowohl im profanen als auch im religiös-magischen Bereich gebräuchlich, wie das zahlreiche Fluchtäfelchen (tabellae defixionum), Votivplättchen oder Amulettscheiben zeigen. Die Schrift wurde in der Regel mit einem spitzen Gegenstand eingraviert. 2 Dafür eigneten sich Griffel (stili) aus Bronze oder Eisen, mit denen sonst auf hölzernen, wachsüberzogenen Schreibtäfelchen geschrieben wurde. Frische Einritzungen auf Bleiblech sind bei Lichteinfall gut sichtbar, da sich solche Schnitte vom grauen Untergrund metallisch glänzend abheben. Erst nach einiger Zeit entsteht beim Lagern an der Luft eine schützende dunkelgraue Oxidschicht. 3 Ältere Ritzungen, die dadurch ihren Glanz eingebüßt hatten, wirkten also im Fall einer Wiederbeschriftung oder Überschreibung nicht unbedingt störend. Nötigenfalls ließ sich eine frühere Beschriftung wegkratzen oder durch Flachhämmern tilgen. Diese praktischen Umstände und weil es leicht zu beschaffen, schneiden und lochen war, machen verständlich, warum kleine Anhänger bzw. Etiketten mit temporärer Beschriftung gerne aus Bleiblech gefertigt wurden. Zahlreiche römerzeitliche Bleietiketten vermerken Namen, Dienstleistungen, Waren oder Geldbeträge und liefern mit diesen Notizen über Alltagsgeschäfte wichtige Rohdaten zum lokalen Wirtschaftsleben. Angesichts verstreuter Veröffentlichungen und einer fehlenden überregionalen Sammlung fällt ein Überblick schwer. 4 Vergleichsweise gut aufgearbeitet ist der Ostalpenraum, nachdem sich Rudolf Egger, Ekkehard Weber und insbesondere Elizabeth Römer-Martijnse mit Stücken aus Noricum, Raetien und Pannonien beschäftigt haben. 5 Fundkontext (Michaela Kronberger) Das hier besprochene Bleietikett wurde im Frühjahr 1991 bei Ausgrabungen der Stadtarchäologie Wien, die mit der Restaurierung des Palais Harrach ein-

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R. Wedenig, Ein Bleietikett mit Zenturiengraffito von der Freyung in Wien 1

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Abb. 1: Fundort des Bleietiketts westlich vom Legionslager. (Plan: M. Kronberger/M. Mosser)

hergingen, entdeckt. Das zwischen 1689 und 1696 zwischen der Freyung und der Herrengasse errichtete Gebäude zählt zu den bedeutendsten hochbarocken Gebäuden Wiens. Glückliche Umstände zogen nach sich, dass weder der Hofbereich noch ein Großteil der im Erdgeschoß befindlichen Räumlichkeiten unterkellert waren. Somit bestand die Möglichkeit, im Zuge einer in etwa dreijährigen archäologischen Untersuchung, wichtige Informationen zur Stadtgeschichte Wiens zu gewinnen. In der mittleren römischen Kaiserzeit war das Areal Teil des westlichen Vorfeldes des Legionslagers, der canabae legionis (Abb. 1). Erste Aufzeichnungen zu antiken Baustrukturen und Funden sind bereits aus dem späten 19. Jahrhundert bekannt,6 großflächigere Einblicke erlaubten erst die Sanierung des gesamten Platzes im Jahr 1987 und die oben besprochenen Grabungen im Palais Harrach7. Sie lieferten Nachweise für die Ansiedlung von Handwerksbetrieben hier in der unmittelbaren Nähe des Ottakringer Baches, der das nötige Brauchwasser bereitstellte. Durch das Fundmaterial der Grabungen sind metallverarbeitende Betriebe und Töpfereien belegt. Weitere Indizien lassen auch auf eine Walkerei/Wäscherei und auf Beinverarbeitung schließen. Die Bauwerke selbst orientierten sich an der im Süden der Freyung vorbeiziehenden Limesstraße, die eine gute verkehrstechnische Anbindung gewährleistete. 8 Der Fundkomplex selbst ist wenig aussagekräftig, da das mit dem Bleietikett vergesellschaftete Material beim Putzen des gesamten Planums aufgesammelt wurde. 9 In der zugehörigen Befundzeichnung können Balkengräbchen und eine Grube ausgemacht werden. Das Bleietikett selbst wurde nicht als Einzelfund eingemessen und kann daher mit keiner der Strukturen in Verbindung gebracht

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R. Wedenig, Ein Bleietikett mit Zenturiengraffito von der Freyung in Wien 1

Abb. 2: Bleietikett: oben Vorderseite, unten Rückseite. M ca. 2:1 (Foto/Zeichnung: R. Wedenig)

werden. Die mitvergesellschaftete Keramik spiegelt dies: Von sieben auswertbaren Geschirrfragmenten datieren drei Stück in die Zeit vom Ende des 1. bis an den Beginn des 2. Jahrhunderts, drei Gefäße können bis in die Zeit um 170/ 180 n. Chr. weiterlaufen und ein Terra-Sigillata-Becher der Form Dragendorff 33 aus Rheinzabern, der in einem Fragment vorliegt, hat wohl den Beginn des 3. Jahrhunderts erreicht. Einen weiteren chronologischen Anhaltspunkt als Terminus post quem liefert ein in die Zeit des Vespasian (69–79 n. Chr.) oder Titus (79–81 n. Chr.) datierbarer As. Das Bleietikett ist seit 2008 im neu eröffneten Römermuseum am Hohen Markt ausgestellt. 10 Beschreibung und Restaurierung Das annähernd rechteckige Bleiplättchen (34,8616,661,2 mm) weist beim linken Rand eine mittelständige Öse auf, die an der Rückseite einen flachen Randwulst besitzt (Abb. 2). Das Objekt ist grau mit rötlichen, hellbraunen und weißlichen Stellen. Bei der eingehenden Restaurierung des Stückes im Jahr 2007 stellte sich heraus,11 dass große Teile der ursprünglichen Oberfläche bei einer früheren Reinigung bis auf den blanken Metallkern abgetragen worden waren: Entsprechende Schleifspuren stammen vermutlich von rotierenden Werkzeugen. Stärker davon betroffen ist jeweils die linke Hälfte beider Seiten, besonders auf der Rückseite. Die noch an einigen Stellen vorhandene Erdauflage wurde jetzt entfernt und die originale Oberfläche darunter freigelegt. Dabei kamen weitere Buchstabenreste zum Vorschein, die wichtige Fortschritte für die Lesung erbrachten. Einige Korrosionsprodukte in Form harter, weißlich brauner Berei-

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che, die die originale Oberfläche nachzeichnen, ohne die Lesbarkeit zu beeinträchtigen, wurden so belassen und abschließend wurde eine Schutzschicht mit Paraloid aufgetragen. Die Lesung wird also nicht – wie bei vielen anderen Bleietiketten – durch eine Korrosionsschicht beeinträchtigt,12 sondern durch die stark rissige Oberfläche sowie deren stellenweise Entfernung bei der ersten Reinigung des Stückes. Transkription, Auflösung und Übersetzung Vorderseite jüngere Beschriftung

ältere Beschriftung

Majuskeltranskription

Majuskeltranskription

> VRBICI

[- - -?]MA. +2?+

AIIR.TI(?) SV+4–6?+

P..I.I (?)S [- - -?] +3+(?)[- - -?]

Auflösung

Auflösung

(centuria) Urbici / Aer.ti(i)(?) / Su+4–6?+

[- - -?]MA. +2?+ / p.(ondo?) .I.I (?) s(emis) [- - -?] / +3+(?)[- - -?]

Übersetzung

Übersetzung

„(Besitz des) aus der Zenturie des Urbicus (stammenden

„ -MA- (?), Gewicht zweieinhalb Pfund (?), …“

Soldaten) Aertius(?) Su- “ Rückseite jüngere Beschriftung

ältere Beschriftung (?)

Majuskeltranskription

Majuskeltranskription

LT.R

*IS

- - - - - -? [- - -?]M . (?)[- - -?] [- - -?]+?[- - -?] - - - - - -?

Auflösung

Auflösung

LT.R (denarii) (unus) s(emis)

- - - - - -? / [- - -?]M . (?)[- - -?] / [- - -?]+(?)[- - -?] / - - - - - -?

Übersetzung

Übersetzung

„LTR (kostet/kauft um) eineinhalb Denare“

„…“

Kommentar Vorderseite Jüngere Beschriftung Das schwach gekrümmte Winkelzeichen in Zeile 1 ist eine gängige Abkürzung, die hier in Hinblick auf den Personennamen in Zeile 2–3 im Ablativ („aus der Zenturie …“) aufgelöst wird. Unsicher ist, ob sich der Zenturienvermerk auf die centuria einer Legion bezieht – wie zu vermuten ist – oder einer Auxiliartruppe, bei der ebenfalls Zenturionen dienten. Benannt war eine Zenturie in der Kaiserzeit gewöhnlich nach dem Cognomen ihres Kommandeurs im Genetiv. Des-

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halb ist eher Urbici zu verstehen als Urbici(i) mit kontrahierter Genetivendung -ii. Sowohl der Gentilname Urbicius als auch das Cognomen Urbicus sind für Soldaten belegt,13 im oberpannonischen Heer für zwei Namenträger niederen Ranges: Urbicius Firmus in einer Namenliste mit Angehörigen der leg(io) X Gem(ina) 14 und S. Gellius Urbicus von der leg(io) I Adiut(rix) auf einem Grabstein aus dem Raum Carnuntum15. Die Buchstaben nach dem A in Zeile 2 sind nicht einwandfrei zu lesen: So kommt anstatt des R mit fehlendem Oberteil auch ein A, L oder N infrage. Obwohl der Gentilname des Soldaten nicht feststeht, kann eine Tria-nomina-Formel mit Praenomen A(ulus) außer Betracht bleiben. Bei der Lesvariante AIIRTI folgt dem A die Längshaste eines zweistrichigen E, bei der weniger befriedigenden Lesvariante ATIRTI ein T mit schwach ausgeprägtem Querbalken. Es dreht sich auch bei Aertius um ein Hapax legomenon, doch kann es vielleicht zu Aeretius gestellt werden. 16 Die alternative Lesvariante AIIRII führt zu dem in Italien öfter belegten Gentilnamen Aerius. 17 Allerdings spricht der ausgeprägte Querstrich beim vorletzten Buchstaben eher für ein T, weshalb auch der Lesung ATINII kein Gewicht zukommt. 18 Vom anzunehmenden Cognomen in Zeile 3 sind die Anfangsbuchstaben SV gut erhalten, danach nur unsignifikante Reste. Als dritter Buchstabe käme ein R oder S (vielleicht auch ein A oder N) infrage, als vierter oder fünfter Buchstabe ein A, was aber nicht zu der von Ivan Radman Livaja erwogenen Lesung Su(b)stiti passen würde19. Vorstellbar wäre weiters Suriani, doch ist das mit den nachfolgenden Strichresten kaum vereinbar. 20 Ältere Beschriftung Die Buchstaben MA+ in Zeile 1 unterscheiden sich von den vorangehenden (VRBICI) durch geringere Größe und Rillentiefe und ähneln in dieser Hinsicht jenen am Anfang von Zeile 2. Das S in Zeile 2 eröffnet als Abkürzung s(emis) die vage Möglichkeit, dass die vertikalen Strichreste davor zu einer Zahlenangabe mit p(ondo) oder p(es) gehörten. 21 Vollends unklar ist, ob in Zeile 3 unleserliche Buchstabenreste oder zufällige Risse und Kratzer vorliegen. Rückseite Jüngere Beschriftung Die Buchstaben LTR in Zeile 1 wirken auf den ersten Blick unverdächtig, doch fällt auf, dass der Balken des T rechts offenbar unvollständig ist. So wie hier könnten auch an anderer Stelle – etwa vor oder nach dem L – Buchstaben (-partien) mit geringer Rillentiefe verlorengegangen sein, womit die Buchstabenfolge LTR unvollständig oder irreführend wäre. Akzeptiert man aber diese als Originalbestand, so fragt sich, was sie bedeuten. Der nebenstehende Denarbetrag lässt daran denken, dass es die berechnete Ware oder Leistung war, was bei derartigen Notizen auf Bleietiketten oft der Fall ist. 22 I. Radman Livaja erwägt die Abkürzung l(ana) tr(acta) oder l(ana) t(incta) r(ubore) – „vorbehandelte Wolle“ oder „rötlich getunkte/gefärbte Wolle“. 23 Einige Bleietiketten

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aus Pannonien und Oberitalien haben mit Wolle zu tun,24 bieten jedoch keine Analogie zur Buchstabenkombination LTR. In dieser Hinsicht betont Roger S. O. Tomlin, dass formelhafte Abkürzungen mit mehreren Einzelbuchstaben nebeneinander auf Bleietiketten ungebräuchlich waren. 25 So kommt auch ein Namenkürzel L(ucius) T(- - -) R(- - -) nicht in Betracht, während ungekürzte Personennamen vor einem Denarbetrag durchaus belegt sind. 26 Das durchgestrichene X in Zeile 1 repräsentiert die Geldeinheit denarius, die auf Inschriften selten ausgeschrieben wurde;27 der kennzeichnende Mittelstrich ist – wie öfter bei kursivschriftlichen Texten28 – stark nach links gerückt. Als Kaufpreis für eine Ware erscheinen Tomlin 1½ Denare relativ wenig. 29 Einige Beispiele mögen die Wertrelation veranschaulichen: Die Reinigung einer Tunika in Pompeji kostete 1 Denar30 und höchstens so viel bekam damals ein unspezialisierter Arbeiter als Tageslohn;31 20 Asse (= 1¼ Denare) sind als Kaufpreis für eine mittelgallische Terra-Sigillata-Reliefschüssel im fortgeschrittenen 2. Jahrhundert überliefert;32 der einzelne römische Soldat konnte „mit seinen rund 50–60 Denaren, die er pro Jahr an Bargeld zur freien Verfügung hatte“, individuelle Ausgaben machen. 33 Ältere Beschriftung (?) Es ist fraglich, ob die schwachen Linienreste der Zeilen 1–4 von einer früheren intentionellen Beschriftung herrühren. Vergleichbare Bleietiketten in militärischem Kontext Bleietiketten ähnlicher Art wie unser Stück (gelochter, viereckiger Anhänger) aus dem militärischen Umfeld lassen sich nach Inhalt und Funktion folgendermaßen gruppieren,34 wobei ein Funktionswechsel bei wiederbeschrifteten Stücken vorstellbar ist: „Gewöhnliche“ Bleietiketten mit privatgeschäftlichen Notizen Von den „gewöhnlichen“ Bleietiketten mit privatgeschäftlichen Notizen, wie sie von zivilen Fundorten her bekannt sind, ist beispielsweise ein Stück aus dem Legionslager Carnuntum bekannt. 35 Einfache Personennamen in solchen Etiketten müssen nicht ausschließlich von Zivilisten herrühren: Trotz fehlender Truppen- oder Rangangabe können dahinter bisweilen Soldaten stecken, wie ja auch diverse Militaria bloß mit einfachen Personennamen markiert waren. 36 Bleietiketten als Eigentumsmarke mit Nennung von Truppe, Namen oder Rang Aus Britannien sind mehrere Bleietiketten von dieser Sorte bekannt,37 darunter auch eines, wo nach Truppenangabe und Soldatennamen als weitere Person offenbar ein Diener folgt, der für Gepäckstück und Packtier – doss(u)ario (i)um(ento) – zuständig war. 38 Aus Österreich kommt ein bemerkenswertes Stück aus dem Auxiliarkastell Zwentendorf. 39 Dessen jüngere Beschriftung lautet Novelli / signife/ri || sin(gular-?) / ab Astur(is?) und „kennzeichnet den Gegenstand, an dem sie [die Bleietikette] befestigt war, als das Eigentum eben

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des Feldzeichenträgers Novellus“. 40 Damit zählt es zu jener „Gruppe von Etiketten, die als Anhänger am Gepäck der Soldaten befestigt waren“. 41 Weitaus öfter finden sich solche Besitzernamen von Soldaten auf Blechtäfelchen und verschiedenartigen Beschlägen aus Bronze, wie sie auch in Vindobona und Carnuntum an den Tag getreten sind. 42 Dabei muss die Reihenfolge von Name und Truppenangabe nichts über die Eigentumsverhältnisse besagen. 43 Bleietiketten mit Nennung von Soldat und Geldbetrag Diese Angaben begegnen bei zwei Bleitetiketten aus Britannien, jeweils mit Resten älterer Beschriftung auf beiden Seiten. 44 Auf der Vorderseite steht dort ein Soldatenname mit Truppen- oder Rangangabe, auf der Rückseite eine inhaltlich unklare Buchstabenfolge (LOTO bzw. TR) neben einem geringen Denarbetrag (1½ bzw. 1). Bei diesen Etiketten wie auch bei unserem Stück ist ungewiss,45 ob der Geldbetrag etwas mit dem umseitigen Soldatennamen zu tun hatte. Die Geschäftsnotiz war vielleicht auf die Rückseite beschränkt oder bezog sich auf einen früheren Vorderseitentext, der bei der Wiederverwendung des Etiketts als militärische Eigentumsmarke getilgt worden war. Falls aber die beidseitigen Beschriftungen zusammengehörten, wäre an Privatgeschäfte der Soldaten zu denken. Es ist wohlbekannt, dass römische Soldaten Geldgeschäfte untereinander und mit Zivilisten tätigten,46 diverse Bedarfsartikel (Haushaltsware, Kleidung etc.) kauften oder Geld für Freizeitaktivitäten ausgaben. Als Kundschaft privater Handwerker, Kleinhändler und Dienstleister waren sie besonders in Lagernähe ein entscheidender Wirtschaftsfaktor. 47 Inschriftlich ist davon wenig greifbar, da alltäglicher Zahlungsverkehr selten aufgezeichnet wurde. Datierung und Schrifttyp Inhalt und Personennamen bieten keinerlei Anhaltspunkte für eine konkrete zeitliche Einordung; umso wichtiger ist deshalb die Aussage des Fundkontextes (siehe oben). Die Buchstabenformen entsprechen der geläufigen Majuskelkursive (sog. ältere römische Kursive), die in den ersten drei Jahrhunderten n. Chr. verbreitet war. Sie lassen sich vage der mittleren Kaiserzeit zuschreiben, zumal etliche frühkaiserzeitliche Bleietiketten einen anderen Schrifttyp (Kapitalbuchstaben ohne kursive Züge) aufweisen. 48 Schlussbemerkung Das Bleietikett von der Freyung zählt zu jenen äußerst seltenen Stücken, die neben Soldatennamen und Truppenangabe auch eine Notiz mit Geldbetrag enthalten. Als epigraphischer Beleg für Alltagsgeschäfte ist es von besonderer Bedeutung wegen der Fundsituation in unmittelbarer Nähe des Legionslagers.

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Anmerkungen 1 Vgl. E. Römer-Martijnse, Blei in der Antike. In: M. Hainzmann/Zs. Visy, Instrumenta Inscripta Latina. Das römische Leben im Spiegel der Kleininschriften (Pécs 1991) 46–47; zur Bandbreite von (unbeschrifteten) Kleinfunden aus Blei in einem pannonischen Militärlager siehe K. Kuzmová, Bleigegenstände aus IžaLeányvár – dem Brückenkopf des Legionslagers Brigetio. Antaeus 24, 1999, 296–305; zu Bleistempelabdrücken, -siegeln, -plomben und -bullen im militärischen Umfeld vgl. K. Dietz, Vom Rhein zur Donau: Die legio I Adiutrix auf Bleisiegel aus Carnuntum. In: K. Kuzmová/ K. Pieta/J. Rajtár (Hrsg.), Zwischen Rom und dem Barbaricum. Festschrift für Titus Kolník zum 70. Geburtstag. Commun. Inst. Arch. Nitriensis Acad. Scien. Slovacae 5 (Nitra 2002) 79–83 bes. 79 f. 2 Zu tintenbeschriebenen Bleiblechen siehe L. Schwinden, Blei mit Tintenschrift. In: Reuter/Scholz 2004, 15; zu Bleistift und Schreibblei vgl. H. Drescher, Römisches Schreibgerät aus dem Hafen von Ostia antica. Arch. Korrbl. 18, 1988, 285–289 bes. 287 f. 3 V. Kösling, Vom Feuerstein zum Bakelit. Historische Werkstoffe verstehen. AdR-Schriftenreihe zur Restaurierung und Grabungstechnik 5/6 (Stuttgart 1999) 183–189. 4 Vgl. neuere Funde aus Kärnten (H. Dolenz, Die Ausgrabungen im Tempelbezirk bei St. Michael am Zollfeld im Jahre 2005. Rudolfinum 2005 [2007] 143–152 bes. 150 ff.; H. Graßl, Eine littera Claudiana am Magdalensberg. Zeitschr. Papyr. u. Epigr. 153, 2005, 241–242), Slowenien (M. Lovenjak, Roman Lead Tablet from Ribnica with an Inscription in Cursive Writing. Bull. instrumentum 21, 2005, 42–43), Oberitalien (L. Bizzarini, Quattro laminette plumbee da Altino. Ann. Mus. Civ. Rovereto 21, 2005, 121–135) oder dem Rheingebiet (M. Scholz, Informativer Schrott: Bleietiketten für Lebensmittel und Amulettscheibe aus Mainz. Mainzer Arch. Zeitschr. 5/6, 1998/99 [2005] 243–252). Der altbekannte umfangreiche Fundkomplex von Siscia wird erstmals aufgearbeitet: I. Radman Livaja, In Segestica …/ In Segestica … Prilozi Zagreb 24, 2007, 153–172 bes. 153 f. 5 Siehe bes. E. Römer-Martijnse, Römerzeitliche Bleietiketten aus Kalsdorf, Steiermark. DenkschrWien 205 (Wien 1990); Martijnse 1993; E. Römer-Martijnse, Eine frühkaiserzeitliche Handelsstation an der via Claudia Augusta im Forggensee bei Dietringen, Lkr. Ostallgäu (Teil II). Die beschrifteten Bleietiketten. Jahrb. Hist. Ver. „Alt-Füssen“ 1997 (1998) 5–48. 6 GC 1874_24: Freyung 3 (vor dem Palais Harrach): F. v. Kenner, Die archäologischen Funde aus römischer Zeit. In: Geschichte der Stadt Wien I (Wien 1897) 42–159 bes. 112. – GC 1897_30: Freyung (vor der Schottenkir-

che und Palais Harrach bis zur Mündung der Naglergasse): F. v. Kenner, Bericht über römische Funde in Wien in den Jahren 1896 bis 1900 (Wien 1900) 52. – GC 1907_45: Freyung 7: F. v. Kenner, Forschungen in Vindobona. JA 3, 1909 (1910) Beibl. 35–85 bes. 67 Fig. 31; 68 Fig. 31–34 Plan 24; FA-RZ I, Freyung, 10. September 1906 bis 22. November 1907; FT VI, 2. 7 GC 1987_02 (Freyung, Platz) und GC 1992_02 (Freyung, Palais Harrach): H. Stadler/K. Süss, Wien 1 – Freyung. FÖ 31, 1992, 516 f.; K. Süss, Die archäologischen Ausgrabungen auf der Freyung und im Palais Harrach. In: Palais Harrach. Geschichte, Revitalisierung und Restaurierung des Hauses an der Freyung in Wien (Wien 1995) 131–143; K. Süss/W. Bauer, Wien 1 – Freyung. FÖ 36, 1997, 870–876; M. Kronberger, Wien 1, Freyung. In: F. Krinzinger (Hrsg.), Vindobona – Beiträge zu ausgewählten Keramikgattungen in ihrem topographischen Kontext. AForsch 12 (Wien 2005) 191–195; dies., Siedlungschronologische Forschungen zu den canabae legionis von Vindobona. Die Gräberfelder. MSW 1 (Wien 2005) 60–62. 8 O. Harl, Der Verlauf der Limesstraße im Stadtgebiet von Wien. In: V. A. Maxfield/M. J. Dobson (ed.), Roman Frontier Studies 1989. Proc. XVth Internat. Congr. Roman Frontier Stud. (Exeter 1991) 225–229; S. SaklOberthaler, Untersuchungen zur Limesstraße in Wien-Simmering. FWien 2, 1999, 110–127 bes. 110–112 Abb. 1 mit weiterführender Literatur. 9 Fundkomplex 139, Raum E, SF 1 Ost, Pl. 8, Putzen des gesamten Teilbereiches. 10 Wien Museum Römermuseum, 1010 Wien, Hoher Markt 3, Inv.-Nr. MV 43.139/2. 11 Laut Restaurierungsdokumentation von A.-K. Klatz, ARGE Restaurierung & Konservierung, Kleinsemmering, A‑8160 Gutenberg an der Raabklamm (Bericht vom 7.10. 2007). 12 Vgl. K. Dolenz, Konsolidierende Reduktion von Bleietiketten. Rudolfinum 2006 (2008) 295–297 zu einer adäquaten Behandlungsmethode. 13 Vgl. L. R. Dean, A Study of the Cognomina of Soldiers in the Roman Legions (Diss. Univ. Princeton 1916) 300. 14 CIL III 4568; Zeit: frühes 3. Jh. (E. Weber in: Vindobona – Die Römer im Wiener Raum. 52. Sonderausst. HMW [Wien 1977] 191 f. Kat.-Nr. S 74). 15 CIL III 11221: S. Gellio Urbico mil. leg. I Adiut. chor. VI natione Cilix; Zeit: 2. Jh. (E. Vorbeck, Militärinschriften aus Carnuntum2 [Wien 1980] 15 Nr. 3) oder etwa 118–215 n. Chr. (www.ubi-erat-lupa.org – Römische Steindenkmäler, ID-Nr. 193). 16 W. Schulze, Zur Geschichte lateinischer

Eigennamen. Abhandl. Kgl. Ges. Wiss. Göttingen phil.-hist. Kl. N. F. 5,5 (Berlin 1904) 111 f. führt im Zusammenhang mit Aeretius auch den Namen Aerentius an; vgl. den Eintrag opt. M. Aeretius M. f. Pal. Sucessus Ost. in einer Entlassungsliste der cohortes urbanae (CIL VI 32526 a IV 8, Rom, 218 n. Chr.). Nicht verifizierbar ist ein Gentilname Heretius, denn der missverständliche Eintrag L. Hereti. Papias in einer Namenliste der cohortes vigilum (CIL VI 1057 VII 52, Rom, 210 n. Chr.) bezieht sich auf einen Herennius (Namenindex CIL VI 6, 1 p. 96). 17 H. Solin/O. Salomies (Hrsg.), Repertorium nominum gentilium et cognominum Latinorum. Alpha–Omega, R. A 802 (Hildesheim et al. 1994) 7; Schulze (Anm. 16) 111. 18 Vgl. Atinius in B. Lo˝ rincz, Onomasticon provinciarum Europae Latinarum I2 (Budapest 2005) 96. 19 Für die wertvollen Auskünfte und Hinweise sei I. Radman Livaja, Arheološki muzej u Zagrebu, gedankt. 20 Sustitus: I. Kajanto, The Latin Cognomina. Soc. Scien. Fennica: Comment. Humanarum Litt. 36,2 (Helsinki 1965) 356 s. v. Substitutus; Surianus: B. Lo˝ rincz, Onomasticon provinciarum Europae Latinarum IV (Wien 2002) 101. 21 Freundl. Mitteilung I. Radman Livaja. 22 Martijnse 1993, 361 ff. führt mehrere Abkürzungen mit drei Buchstaben (CAS, ISP, MOR, PAE, PAS, PVR, RVC, SAR) an, die mit Textilien zusammenhängen, sowie einige ungeklärte (GRV, MVL, PAN, RNN). – Eine kontraktive Abkürzung LTR für lotura (= lavoratura: „Waschen“ im Sinne einer Kleiderreinigung) ist kaum vorstellbar. 23 Freundl. Mitteilung I. Radman Livaja. 24 Carnuntum: vel5l4i5m4num laut Martijnse 1993, 376 Kat.-Nr. 110. – Siscia: lana bei A. Móscy, Ólom árucímkék Sisciából (Bolli romani da Siscia). Folia Arch. 8, 1956, 97–104 bes. 102 Nr. 15; davon inspiriert sind die Auflösungen lan(ae) cora(cinae) oder l(anae) m(ixtae) (ebd. Nr. 2), l(anae) m(ixtae) (Nr. 5), la (na) (Nr. 6), la(nae) p(ullae) (Nr. 9); hinsichtlich (lana) r(utila) m(ixta) (ebd. Nr. 3; 4; 14) favorisiert Radman Livaja (Anm. 4) 155 f. eine völlig andere Deutung. – Altinum (Venetia): purgat (a) (scil. lana) laut A. Buonopane, La produzione tessile ad Altino: le fonte epigrafiche. In: G. Cresci Marrone/M. Tirelli (a cura di), Produzioni, merci e commerci in Altino preromana e romana. Altinum 3 = Stud. e ricerche sulla Gallia Cisalpina 17 (Roma 2003) 285–297 bes. 289 und 296 Fig. 1 e. 25 Für die wertvollen Hinweise und Auskünfte sei R. S. O. Tomlin, Wolfson College Oxford, gedankt. 26 Beispielsweise Octa5v4ia (denarii) VII

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auf einem Bleietikett aus Kalsdorf (Römer-Martijnse 1990 [Anm. 5] 144 Nr. 83; Martijnse 1993, 322 und 374: „eine Kundin oder Person, die die Arbeit ausführte“) oder Pude(n)s (denarios) LXX auf einem Stück aus dem Legionslager Carnuntum (E. Weber, Ein beschriftetes Bleitäfelchen. In: M. Grünewald, Die Kleinfunde des Legionslagers Carnuntum mit Ausnahme der Gefäßkeramik [Grabungen 1968– 1974]. RLÖ 31 [Wien 1981] 29–31 bes. 29 f.; AE 1982, 773: ein Verkäufer oder Käufer von zumindest einer scutela). 27 St. Mrozek, Die Sesterz- und Denarbezeichnungen auf römischen Inschriften während des Prinzipates. Eos 57, 1967/68, 288– 295 bes. 293 f. 28 So beispielsweise Tab. Vindol. II 182 (A. K. Bowman, Life and Letters on the Roman Frontier. Vindolanda and its People3 [London 2003] 168 Pl. V, Appendix II, Nr. 8). 29 R. S. O. Tomlin in: M. W. C. Hassall/ R. S. O. Tomlin, Roman Britain in 1988: II. Inscriptions. Britannia 20, 1989, 327–345 bes. 334 f. Anm. 17. 30 CIL IV 1392. 31 St. Mrozek, Prix et rémunération dans l’occident romain (31 av. n.è.- 250 de n.è.). Soc. Scien. Gedanensis Ser. Monogr. 55 (Gdan´sk 1975) 38 und 75; zu Preisen und Löhnen vgl. H.-J. Drexhage/H. Konen/K. Ruffing, Die Wirtschaft des Römischen Reiches (1.–3. Jahrhundert). Eine Einführung (Berlin 2002) 177 ff. und die Geldbeträge in den Schreibtäfelchen von Vindolanda aus der Zeit um 100 n. Chr. (z. B. Tab. Vindol. II 181; 182; 184; 190–192; III 596, angeführt bei Bowman [Anm. 28] 100 ff. Appendix II, Nr. 7–12; 15). 32 R. Noll, Eine Sigillataschüssel mit Eigentumsvermerk und Preisangabe aus Flavia Solva. Germania 50, 1972, 148–152 bes. 151 f. (Flavia Solva). 33 Einschätzung von L. Wierschowski, Heer und Wirtschaft. Das römische Heer der Prinzipatszeit als Wirtschaftsfaktor. Habelts Disser-

tationsdrucke, Alte Gesch. 20 (Bonn 1984) 203, bezogen auf die ersten beiden Jahrhunderte n. Chr. 34 Vgl. R. S. O. Tomlin (Anm. 29). 35 Weber (Anm. 26) 29–31; vgl. weitere Etiketten aus den dortigen canabae legionis (E. Römer-Martijnse, Ein beschriftetes Bleitäfelchen – Zeugnis handwerklicher Tätigkeit in Carnuntum? CarnuntumJb 1987 [1988] 119– 122) und dem Auxiliarkastell (Martijnse 1993, 222 f. Kat.-Nr. 125). 36 Nuber 1972, 494; Wiegels 1989, 450. 37 Mit Angabe der Zenturie (RIB II [1] 2410.4.5: Caerleon; RIB II [8] 2504. 8: Carlisle), der Zenturie und Kohortennummer (RIB II [1] 2410.6.7.8: Chester), der Turma (RIB II [1] 2410.12: Castell Collen), der Legion? (RIB II [1] 2410.11: London) oder der Rangbezeichnung eq(ues) (R. S. O. Tomlin, Roman Britain in 1996: II. Inscriptions. Britannia 28, 1997, 455–472 bes. 468 f. Nr. 41: Caerleon). Für die geographische und zeitliche Fundstreuung derartiger Etiketten dürften nach Wiegels 1989, 448 ff. eher regionale oder lokale Gepflogenheiten ausschlaggebend gewesen sein als unterschiedliche Bleivorkommen. 38 RIB II (1) 2410.8. 39 Abgebildet und beschrieben von E. Römer-Martijnse in: Hainzmann/Visy (Anm. 1) 150 f. Kat.-Nr. 241. 40 E. Weber, Beschriftete Bleitäfelchen. In: Berichte vom 1. Österreichischen Althistorikertreffen am Retzhof/Leibnitz 27.–29. Mai 1983. Publ. Inst. f. Alte Gesch. u. Altkde. Karl-Franzens-Univ. Graz 3 (Graz 1983) 58–62 bes. 60. 41 Martijnse 1993, 336. 42 Bronzebeschläge aus Wien (Vindobona – Die Römer im Wiener Raum. 52. Sonderausst. HMW [Wien 1977] 253 Kat.-Nr. M 18): (centuria) Romuli || C. Atti (?) und Carnuntum (AE 1982, 775): (centuria) Restuti Ing(e)nui). – Zahlreiche Beispiele bei Nuber 1972; M. Gschwind, Abusina. Das römische Auxiliarkastell Eining an der Donau vom 1. bis 5. Jahrhun-

dert n. Chr. Münchner Beitr. Vor- u. Frühgesch. 53 (München 2004) 155 Taf. 42; zur direkten Beschriftung von Waffen vgl. R. MacMullen, Inscriptions on Armor and the Supply of Arms in the Roman Empire. Am. Journal Arch. 64, 1960, 23–40 bes. 33 ff. und Reuter/Scholz 2004, 31 ff.; hinsichtlich anderer Gegenstände siehe beispielsweise ein Bronzelot aus Carnuntum (AE 1995, 1266; E. Weber, Ein beschriftetes Lotgewicht aus Carnuntum. Specimina Nova Diss. Inst. Hist. [Pécs] 11/1, 1995, 231–236). 43 Ist die Militäreinheit vor dem Soldatennamen genannt, könne laut H. U. Nuber Eigentum der Truppe vermutet werden und das würde im Fall eines Zenturienkürzels die Auflösung im Genetiv c(enturiae) rechtfertigen (Nuber 1972, 499 f.). Ein Truppenvermerk nach dem Namen wäre hingegen eine erweiterte Angabe zur Person und ließe eher an persönlichen Besitz des Soldaten denken (vgl. Weber [Anm. 42] 234). Meist wird jedoch dieser Reihenfolge keine derartige Bedeutung beigemessen (vgl. Wiegels 1989, 451; Beispiele bei Reuter/Scholz 2004, 31 ff. Nr. 45; 49; 54; 56C). 44 RIB II (8) 2504.8 (Carlisle); Tomlin (Anm. 37) 468 f. Nr. 41 (Caerleon). 45 Die unterschiedliche Buchstabenform beim R in Zeile 1 auf Vorder- und Rückseite ist kein überzeugendes Indiz für unterschiedliche Schreiberhände. 46 M. A. Speidel, Die römischen Schreibtafeln von Vindonissa: lateinische Texte des militärischen Alltags und ihre geschichtliche Bedeutung. Veröff. Ges. Pro Vindonissa 12 (Brugg 1996) 80 mit weiterer Literatur. 47 Wierschowski (Anm. 33) 114 ff. 148 ff. 48 Vgl. R. Egger, Fünf Bleietiketten und eine Gußform. Die neuesten Magdalensbergfunde. AnzWien 104, 1967 (1968) 195–210 bes. Taf. I–V Abb. 1–10 (Magdalensberg); RömerMartijnse 1998 (Anm. 5) 23 f. (Forggensee bei Dietringen).

Abgekürzt zitierte Literatur Martijnse 1993 Nuber 1972 Reuter/Scholz 2004 Wiegels 1989

E. Martijnse, Beschriftete Bleietiketten der Römerzeit in Österreich (ungedr. Diss. Univ. Wien 1993). H. U. Nuber, Zwei bronzene Besitzermarken aus Frankfurt/M.-Heddernheim. Zur Kennzeichnung von Ausrüstungsgegenständen des römischen Heeres. Chiron 2, 1972, 483–507. M. Reuter/M. Scholz, Geritzt und entziffert. Schriftzeugnisse der römischen Informationsgesellschaft. Schr. Limesmus. Aalen 57 (Stuttgart 2004). R. Wiegels, Zwei Blei-Marken aus dem frührömischen Truppenlager Dangstetten. Fundber. Baden-Württemberg 14, 1989, 427–456.

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S. Wiesinger/U. Thanheiser, Erste Ergebnisse von Pflanzengroßrest-Analysen

Erste Ergebnisse von Pflanzengroßrest-Analysen der Grabung Am Hof 7–10, Wien 1 Silvia Wiesinger/Ursula Thanheiser1 Während der 2007 und 2008 durchgeführten Grabungen auf dem Vorplatz und 1 S. Wiesinger, Leopold-Steiner-G. 39, 1190 Wien, E-Mail: [email protected]; U. Thanheiser, VIAS – Archäobotanik, Institut für Paläontologie, Althanstraße 14 – Geozentrum (UZA 2), 1090 Wien; E-Mail: ursula.than [email protected]. 2 Siehe Jandl/Mosser 2008; M. Mosser, Wien 1, Am Hof 7–10. FWien 11, 2008, 340 und im vorliegenden Band Beitrag M. Mosser, 195 ff. 203 ff. 3 Als botanische Großreste oder Makroreste werden Pflanzenteile bezeichnet, die größer als ca. 0,1 mm sind, also Samen, Früchte, Stängel, Blätter, Holz etc.; dagegen sind Pollen (Blütenstaub) und Sporen meist kleiner als 0,1 mm, sie gelten als botanische Mikroreste. Vgl. St. Jacomet et al., Archäobiologischer Feldkurs 2009. Inst. Prähist. u. Naturwiss. Arch. Univ. Basel, 2009, 5 (http://pages.uni bas.ch/arch/archbiol/ArchBiol_Feldkurs_2009 _Skript_mBeil.pdf; 21.9. 2009). 4 Eine ausführliche Beschreibung des Vorgangs und der dabei verwendeten Flotationstonne findet sich z. B. bei M. Schneider/W. Kronberger, Die Flotation archäobotanischer Proben. AÖ 2/1, 1991, 63–64. Für umfassende Informationen zur Aufbereitung von Bodenproben siehe z. B. Jacomet/Kreuz 1999, 114– 123. 5 Nach Jacomet/Kreuz 1999, 62 werden bei der Mineralisierung „Hohlräume in Samen, Früchten etc. durch Phosphate und/oder Kalke durchsetzt“, sodass nach dem Zerfall der organischen Substanz die jeweilige Form als „Innen-Abdruck“ zurückbleibt. Samen oder Früchte mit charakteristischer Form sind so noch zu erkennen, wenn auch eine Artbestimmung wegen der fehlenden Oberflächenstruktur nicht immer möglich ist. 6 „Frühmittelalter“ ist im derzeitigen Stadium der archäologischen Aufarbeitung als Arbeitsbegriff zu verstehen. Es handelt sich um offensichtlich nachantike Verfalls- und Verödungsschichten, die chronologisch erst nach einer detaillierten Fundbearbeitung exakter definiert werden können. 7 Unter Taxon versteht man in der botanischen Nomenklatur einen Begriff zur Beschreibung einer Verwandtschaftsgruppe im hierarchisch gegliederten Rangstufensystem der

in den Garagen der Feuerwehrzentralwache Am Hof in der Wiener Innenstadt2 wurden Erdproben aus 22 Befunden, die von den frühen Bauphasen des römischen Legionslagers Vindobona bis zur Errichtung des Bürgerlichen Zeughauses am Beginn der Neuzeit datieren, mit einem Gesamtvolumen von 170 Litern für archäobotanische Großrest-Untersuchungen3 entnommen. Die Gewinnung der Pflanzenreste erfolgte durch Flotation; dazu wurde die Erde in Wasser gelöst und die aufschwimmenden Bestandteile in Sieben mit Maschenweiten von 4 bis 0,5 mm aufgefangen. 4 Nach dem Trocknen wurden daraus unter einem Binokular 2415 verkohlte und 144 mineralisierte5 botanische Makroreste ausgelesen und bestimmt. Dabei handelt es sich in erster Linie um Samen und Früchte sowie um vegetative Pflanzenteile wie Spelzen- und Stängelreste von Gräsern. Eine Sonderstellung nimmt der Fund von 3000 unverkohlt erhaltenen, bereits sehr fragilen Steinkernen des Zwerg-Holunders (Sambucus ebulus) ein, die alle aus einer einzigen Probe aus einem spätrömischen Verfallshorizont stammen. Neben den Pflanzenresten wurden auch Knochen- und Eierschalenfragmente, einige Fischschuppen, kleine Schneckenhäuser sowie Keramikund Glasbruchstücke, Metall- und Schlackereste geborgen. Zeitabschnitte und Funddichten Obwohl die Grabungen Am Hof noch andauern und laufend weitere Erdproben für archäobotanische Analysen entnommen werden, soll hier bereits ein erster Überblick des bisher nachgewiesenen Pflanzenspektrums gegeben werden. Demzufolge sind die angeführten Funddichten, ebenso wie die unter den entsprechenden Zeitabschnitten dargestellten Verteilungen der botanischen Makroreste, als vorläufige Werte zu verstehen. Die Lage der Schnitte, aus denen Proben für archäobotanische Untersuchungen entnommen worden sind, vermittelt der Plan der westlichen retentura (rückwärtiger Lagerbereich) des Legionslagers Vindobona (Abb. 1), der zudem eine Zusammenstellung aller bisher dokumentierten römerzeitlichen Fundstellen im Bereich des Platzes Am Hof bietet. Da die Proben überaus unterschiedlichen Zeithorizonten angehören, schien es sinnvoll, eine Unterteilung in römerzeitliche (RÖM, Ende 1.–Anfang 5. Jh.), frühmittelalterliche (FMA, 5.–8. Jh.)6 und mittelalterlich/neuzeitliche (MA/NZ, 15./ 16. Jh.) Befunde zu treffen. In jedem der 22 untersuchten Befunde waren Pflanzenreste vorhanden, deren Erhaltungszustand insgesamt als gut bis mittel einzustufen ist. Es konnten bisher 13 Kulturpflanzenarten und 81 weitere Taxa7 bestimmt werden.

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Abb. 1: Westliche retentura des Legionslagers Vindobona – Fundstellenkartierung und Rekonstruktion der Legionslagergebäude um den Platz Am Hof. (Plan: M. Mosser)

Wie ein Vergleich der Funddichten (Abb. 2) zeigt, liegt nach derzeitigem Kenntnisstand die höchste Konzentration an Pflanzenresten mit 30 Stück pro Liter Erde in den frühmittelalterlichen Proben vor, die alle der „Schwarzen Schicht“8 entnommen wurden. Deutlich geringer ist die Anzahl der botanischen Makroreste in den mittelalterlich/neuzeitlichen Proben mit durchschnittlich 14 Stück pro Liter. In den römerzeitlichen Proben sind schließlich im Mittel nur 11 verkohlte bzw. mineralisierte Pflanzenreste pro Liter Erde enthalten. 9

Pflanzen, vgl. Fischer/Oswald/Adler 2008, 35– 37. 8 Zur Definition des Begriffs und Vielfalt an Deutungsmöglichkeiten siehe z. B. I. Gaisbauer, „Schwarze Schicht“ – Kontinuität/Diskontinuität. FWien 9, 2006, 182–190. 9 Die zahlreichen Steinkerne des ZwergHolunders wurden zwar in einer spätrömischen Schicht gefunden, bilden aber aufgrund

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Abb. 2: Konzentration der pflanzlichen Makroreste in den römerzeitlichen (RÖM), frühmittelalterlichen (FMA) und mittelalterlich/neuzeitlichen (MA/NZ) Proben.

Römerzeit Wild- und Sammelpflanzen machen etwas mehr als die Hälfte der römerzeitlichen botanischen Makroreste aus, dicht gefolgt von Getreide mit rund 40% (Abb. 3). Hinweise auf Hülsenfrüchte, Ölpflanzen und Kulturobst fehlen nahezu vollständig. Die 13 Proben kommen aus fünf Schnitten und umspannen mehr als drei Jahrhunderte, wobei der Schwerpunkt bei spätrömischen Befunden liegt. Schnitt 110 Während sich eine frührömische Fundamentgrabenverfüllung mit einem einzigen botanischen Makrorest als äußerst fundarm erwies, enthielten die Proben aus spätrömischen Kontexten mehr Pflanzenreste. Weizen und Gerste wurden sowohl in einer aschigen Verfüllung als auch im verbrannten Lehm einer Feuerstelle innerhalb eines spätrömischen Gebäudes nachgewiesen, das anstelle der Wallanlage entlang der Lagermauer errichtet worden war. Im Bereich der Feuerstelle kam zudem die bisher einzige römerzeitliche Linse (Lens culinaris) der Grabung zum Vorschein. Vertreten sind auch Halmfruchtunkräuter wie Scharlach-Adonis (Adonis flammea) und Kornrade (Agrostemma githago), die eng an den Getreidebau angepasst und mittlerweile bei uns selten geworihres konzentrierten Auftretens und ihrer Erhaltungsform eine Ausnahme und wurden hier bei der Berechnung der Funddichte nicht miteinbezogen. 10 Zu den Befunden in Schnitt 1 vgl. Jandl/ Mosser 2008, 9–12. 11 Vgl. Jandl/Mosser 2008, 29. 12 Unter diesem Überbegriff werden WeichWeizen (Triticum aestivum s.l.), Hart-Weizen (Triticum durum) und Rau-Weizen (Triticum turgidum) zusammengefasst, deren Körner große Ähnlichkeit aufweisen können. Da bei Nacktweizen die Körner nicht mit den Spelzen verwachsen sind, lassen sie sich beim Dreschvorgang leicht von der Spreu trennen.

den sind. In einer mit zahlreichen Ziegelbruchstücken durchsetzten Planierschicht des 4. Jahrhunderts, die über einer tief reichenden Pfostengrube (der mittelkaiserzeitlichen Wallbegrenzung?) angelegt wurde, waren zwar keine Kulturpflanzenreste zu finden, dafür Grünland-Arten wie Klee (Trifolium-Typ), eine Wiesen-Platterbse (Lathyrus pratensis) und Gräser (Poaceae). Auch das Fragment einer Haselnussschale (Corylus avellana) stammt aus dieser Schicht. Schnitt 2 Die Probe aus einer vermuteten Malerwerkstatt (Ende 3./Anfang 4. Jh.)11 wies neben wenigen verkohlten Nacktweizen- (Triticum aestivum s.l./durum/turgi-

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dum) 12 und Wildpflanzenresten die zwei einzigen römerzeitlichen mineralisierten Samen der Grabung auf. Allerdings sind diese so schlecht erhalten, dass keine eindeutige Bestimmung möglich war. Schnitt 4 Ein spätrömischer Ofenbefund in einem Kasernenraum13 enthielt bis auf zwei Gräserkaryopsen14 nur Holzkohle. Schnitt 5 Im Innenbereich der fabrica (Werkstättengebäude) des Legionslagers wurde in der Nähe eines Ofenbefundes aus spätrömischer Zeit eine holzkohlereiche Probe geborgen, in der auch Nacktweizen und Roggen (Secale cereale) mit wenigen Exemplaren vertreten waren. Hier wurden außerdem das Samenbruchstück einer wildwachsenden

Abb. 3: Zusammensetzung der Pflanzengroßreste aus römerzeitlichen Proben (Ende 1. – Anfang 5. Jh.), n = Anzahl der Pflanzenreste.

Leinart (Linum sp.) sowie der Kern einer Wilden Weinrebe (Vitis vinifera ssp. sylvestris) 15 entdeckt. Als besonders ergiebig an Pflanzenresten erwies sich eine Probe aus dem südwestlichen Raum des Werkstättengebäudes. An Getreide wurden vor allem verkohlter Nacktweizen und etwas Spelzgerste (Hordeum vulgare) geborgen, allerdings war ein Teil der Körner bereits stark erodiert. Daneben waren Ruderalpflanzen16 wie Weiß-Gänsefuß (Chenopodium album) und Ampfer-Knöterich (Persicaria lapathifolia) sowie Grünlandarten vertreten. In dieser Probe fanden sich die unverkohlten Kerne des Zwerg-Holunders, deren Erhaltung in dieser Form unter den Bedingungen eines Mineralbodens ungewöhnlich ist (dazu Näheres unten). Schnitt 617 Die Verfüllung eines 60 cm breiten Grabens der ältesten römischen Bauphase, der zwischen Kasernenmauer und via vallaris (umlaufender Lagerstraße) verlief, barg nur wenige botanische Reste. Im Gegensatz dazu erbrachte die Probe von einer großflächig in spätrömischer Zeit planierten mittelkaiserzeitlichen Herdstelle im Hauptraum eines Kontuberniums18 eine Vielfalt an Getreidearten. Zum überwiegenden Teil handelt es sich dabei um Nacktweizen, zusätzlich sind Rispenhirse (Panicum miliaceum), Gerste, Roggen und Hafer (Avena sp.) 19 vertreten. Auch die Verfüllung eines spätrömischen Heizkanals aus dem Hauptraum eines weiteren Kontuberniums enthielt vorwiegend Nacktweizen, eine beträchtliche Zahl an Hirsekörnern sowie etwas Roggen und Gerste; hier fanden sich zudem die ersten Walnussschalenfragmente (Juglans regia) der Fundstelle aus spätrömischer Zeit. Die über diesem Heizkanal erfolgte Planierung enthielt neben einem vergleichbaren Getreidespektrum auch Druschreste von Weizen und Gerste. In dieser Planierschicht wurde außerdem der Same eines Saat-Leindotters (Camelina sativa) gefunden, einer Ölfrucht, die entfernt mit Raps verwandt ist. In allen Pro-

13 Vgl. Jandl/Mosser 2008, 18 sowie Abb. 17 und 23 (im Plan als FS2 eingetragen). 14 Als Karyopsen werden die Früchte von Süßgräsern (Poaceae) bezeichnet, zu denen auch die meisten Getreidearten zählen. Vgl. Fischer/Oswald/Adler 2008, 102. 15 Die Vermessung der Am Hof gefundenen Weinrebenkerne erfolgte nach der von M. Mangafa und K. Kotsakis entwickelten Methode. Vgl. M. Mangafa/K. Kotsakis, A New Method for the Identification of Wild and Cultivated Charred Grape Seeds. Journal Arch. Scien. 23, 1996, 409–418. 16 Diese Pflanzen wachsen an Standorten, die nicht bewirtschaftet, aber vom Menschen stark beeinflusst (gestört) sind, wie häufig betretene Plätze in Siedlungen, Wegränder, Müllund Schuttplätze, Erdaufschüttungen. Vgl. Fischer/Oswald/Adler 2008, 1295. 17 Siehe Beitrag M. Mosser, 195 ff. 203. 18 Dieser Begriff bezeichnet den von jeweils acht Soldaten bewohnten Teil einer Mannschaftsbaracke. Ein contubernium bestand aus zwei Räumen, von denen der hintere mit einer Herdstelle ausgestattet war und vermutlich als Wohn- und Schlafraum diente. Vgl. M. Junkelmann, Panis militaris. Kulturgesch. ant. Welt 753 (Mainz/Rhein 2006) 94. 19 Es ist unklar, ob es sich dabei um eine Kultur- oder Wildform handelt. In der spätrömischen Planierschicht wurden nur Haferkörner gefunden, die zur genauen Bestimmung notwendigen Druschreste fehlen leider.

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Abb. 4: Zusammensetzung der Pflanzengroßreste aus dem Frühmittelalter (5.–8. Jh.), n = Anzahl der Pflanzenreste.

Abb. 5: Zusammensetzung der Pflanzengroßreste aus Mittelalter/Neuzeit (15./16. Jh.), n = Anzahl der Pflanzenreste.

ben aus dem Bereich der Mannschaftsbaracke konnten zahlreiche Ackerunkräuter und Ruderalpflanzen sowie Gräser und Wiesenpflanzen nachgewiesen werden. Frühmittelalter Die pflanzlichen Makroreste aus den frühmittelalterlichen Proben bestehen zu 70% aus Getreide, deutlich geringer ist der Anteil an Wild- und Sammelpflanzen mit 29%; Hülsenfrüchte und Nüsse machen zusammen nur knapp 1% aus (Abb. 4). Das Erdmaterial für die botanischen Untersuchungen wurde in den Schnitten 4 und 5 (im Bereich der römischen Kasernen und der fabrica) jeweils der „Schwarzen Schicht“ entnommen, die hier zwischen mittelalterlichen und römerzeitlichen Befunden dokumentiert werden konnte. 20 Die „Schwarze Schicht“ zeigte sich dabei als über Jahrhunderte gewachsener Verfallshorizont, durchsetzt von Dachziegel- und Mauerverstürzen der römischen Gebäude. Wie sich herausstellte, zählen die Proben aus diesem Zeitabschnitt im Mittel zu den fundreichsten der ganzen Grabung. Schnitt 4 Innerhalb der „Schwarzen Schicht“ fiel eine aschehältige kreisrunde Stelle auf,21 die zusätzlich zur Schicht selbst extra beprobt wurde. Während Nacktweizen (Abb. 6) und Roggen in beiden Bereichen vorkommen, wurde Dinkel nur innerhalb des Ascheflecks und Gerste nur außerhalb desselben nachgewiesen. Neben dem geringfügig abweichenden Getreidespektrum enthielt die kreisrunde Verfärbung zahlreiche mineralisierte Gänsefuß-Samen (Chenopodium sp.) und deutlich mehr Holzkohle als die Umgebung. Schnitt 5 20 Zur „Schwarzen Schicht“ der Grabung Am Hof siehe zuletzt Jandl/Mosser 2008, 29– 31. 21 Vgl. Jandl/Mosser 2008, 31 Abb. 31.

Der südöstliche Bereich des Schnittes (über R1, dem südwestlichen Raum der fabrica) war durch ungewöhnlich viele Stein- und Ziegelbruchstücke gekennzeichnet, die sich durch den Verfall des spätrömischen Werkstättengebäudes

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erklären lassen. In einer Probe aus diesem Areal wurde eine große Menge kleiner Schneckenhäuser gefunden, die möglicherweise als Hinweis auf ein längeres Brachliegen der Fläche zu deuten sind. Außerdem waren hier mit Abstand die meisten Getreidereste aller bisher untersuchten Befunde enthalten, wobei ausschließlich Karyopsen von Nacktweizen, Spelzgerste, Roggen und nicht mehr näher bestimmbare Kornfragmente, aber kein einziger Druschrest vorhanden sind. Daneben wurden Schalenbruchstücke von Hasel- und Walnuss bestimmt.

Abb. 6: Verkohlte Nacktweizenkörner aus der „Schwarzen Schicht“ (Bef.Nr. 241/Fnr. 146). M 1 mm (Foto: A. G. Heiss)

Mittelalter/Neuzeit Den überwiegenden Anteil der mittelalterlich/neuzeitlich datierten Pflanzenreste nehmen mit ca. 64% Wild- und Sammelpflanzen ein, nur knapp 30% stammen von Getreide (Abb. 5). Erstmals ist ein deutlicher, wenn auch kleiner Obstanteil mit 4% fassbar, der Anteil der Hülsenfrüchte bleibt unter 1%. Auffallend ist die große Anzahl an Haferkörnern; da die Karyopsen der in Europa vorkommenden Kultur- und Wildformen jedoch große Ähnlichkeit aufweisen, ist eine sichere Unterscheidung bei Hafer nur anhand von Spelzenmerkmalen möglich. Nur in zwei Fällen sind die Körner noch von ihren Deckspelzen umhüllt und eindeutig dem

Abb. 7: Die beiden Körner links sind aufgrund der Spelzenreste als SaatHafer bestimmbar, die drei spelzenlosen Körner können auch von einer anderen Haferart stammen (Bef.-Nr. 13/Fnr. 11). M 1 mm (Foto: A. G. Heiss)

Saat-Hafer (Avena sativa) zuzuordnen (Abb. 7). Schnitt 1 Im Bereich eines Feuerstellenrestes (15./16. Jh.) wurden Dinkel, Gerste und Linsen gefunden; mit Ausnahme eines Wild-Rebenkerns und eines Fichtennadelfragments fehlen Nachweise von Wildpflanzen hier weitgehend. Im südlichen Drittel des Schnittes konnten Reste von Planierungen und Fußbodenniveaus aus dem Mittelalter/der frühen Neuzeit dokumentiert werden. Ein Planierhorizont aus dem 16. Jahrhundert und ein tiefer liegendes Lehmbodenniveau erwiesen sich als besonders reich an verkohlten Pflanzenresten. Viele Hafer-Spelzenfragmente und Druschabfälle von Roggen (Abb. 8) wurden in der Planierschicht entdeckt. Zahlreiche Halmteile von Gräsern liefern zudem einen Hinweis auf Stroh oder Heu. An Wildpflanzen kommen in erster Linie Gräser, Klee und andere Schmetterlingsblütler vor. Erwähnenswert ist, dass im Lehmboden auch Schwarzer Holunder (Sambucus nigra) sowie in der Planierschicht Pfirsich- (Prunus persica), Weintrauben- und Walnussreste nachgewiesen wurden, da Obst im Allgemeinen nur spärlich vertreten ist.

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Schnitt 6 Die Pflanzenreste wurden aus dem Areal des ehemaligen jüdischen Fleischhofes geborgen, der nach dem Judenpogrom von 1421, spätestens im 16. Jahrhundert, zum „Zeugstadl“ umgewidmet wurde und schließlich 1562 dem neu errichteten Bürgerlichen Zeughaus weichen musste. 22 Vor der Errichtung des Bürgerlichen Zeughauses erfolgte eine Planierung der Fläche, wobei offenbar Abfallmaterial des jüdischen Fleischhofes Verwendung fand, wie angesichts unzähliger Tierknochenfragmente in dieser Schicht vermutet wird. Es wurden aber auch Pflanzenreste nachgewiesen, eine Probe aus diesem Bereich enthielt überwiegend Hafer, weiters geringe Anteile an Gerste und Nacktweizen sowie verschiedene Ackerunkräuter. Es gibt spärliche Hinweise auf gesammeltes und importiertes Obst durch je einen Himbeer- (Rubus idaeus) und Feigenkern (Ficus carica). Auch die Untersuchung einer runden Feuerstelle innerhalb des Planier- und Grubenhorizonts ergab einige GetreideAbb. 8: Fragmente von Roggen-Ährenspindeln (Bef.-Nr. 13/Fnr. 11). M 1 mm (Foto: A. G. Heiss)

und Grünlandarten. Als besonders fundreich erwies sich die Verfüllung einer Grube mit Brandspuren am oberen Rand, was ein Anzeichen für eine Nutzung als Gargrube sein könnte. Die Grube enthielt wiederum zahlreiche Haferkörner (Kultur- oder Wildform), etwas Gerste und Rispenhirse sowie ein einziges Weizenkorn. Bemerkenswert sind die hier gefundenen Wacholdernadeln und -samen (Juniperus communis) (Abb. 9); daneben sind Getreideunkräuter und Ruderalarten ebenso vorhanden wie Wiesenpflanzen. Sonderfall Zwerg-Holunder Als außergewöhnlich ist der Fund von etwa 3000 Steinkernen des Zwerg-Holunders (auch Attich genannt) einzustufen, die unverkohlt, weder mineralisiert noch durch (Me-

Abb. 9: Verkohlte Samen des Echt-Wacholders (Bef.-Nr. 59/Fnr. 39). M 1 mm (Foto: A. G. Heiss)

tall-)Salze konserviert, unter einem massiven Dachziegelversturz der fabrica aus spätrömischer Zeit zum Vorschein

kamen (Abb. 10). Da in unseren Böden organisches Material in der Regel rasch zersetzt wird, haben Pflanzenteile nur dann eine Chance über Jahrhunderte 22 W. Hummelberger, Das Bürgerliche Zeughaus. Wiener Geschichtsbücher 9 (Wien 1972) 34 f. 23 So konnte unter besonderen Umständen ein Stück Birkenrinde aus dem Endneolithikum Jahrtausende überdauern, weil es am Rand eines Ofenbereichs vor Feuchtigkeit und Luftzutritt durch eine Gefäßscherbe geschützt zu liegen kam. A. Caneppele, Verkohlte Pflanzenreste aus einer jungsteinzeitlichen Hütte der

oder gar Jahrtausende im Boden zu überdauern, wenn sie entweder in einer für Bodenorganismen nicht abbaubaren Form vorliegen (verkohlt, mineralisiert) oder das Wachstum der Organismen durch ungünstige Bedingungen in der betreffenden Schicht verhindert wird (Salze,Trockenheit, Kälte, Sauerstoffmangel). In Mineralböden mit ihren luftführenden, mehr oder weniger feuchten Bodenschichten bleiben organische Reste nur in Ausnahmefällen von mikrobiellem Abbau verschont. 23 Gewöhnlich werden unkonservierte Pflanzenteile, die sich in direktem Kontakt mit dem Erdreich befinden, in Abhängigkeit von der

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Abb. 10: Steinkerne des Zwerg-Holunders (Bef.-Nr. 378/Fnr. 273). M 1 cm (Foto: A. G. Heiss)

dort herrschenden Bodenaktivität und der Widerstandsfähigkeit der pflanzlichen Zellwände in relativ kurzer Zeit zersetzt. Im Bereich des spätrömischen Dachziegelversturzes in Schnitt 5 wurden keine Anzeichen für Störungen durch bodenbewohnende Tiere gefunden, deren Vorhandensein auf eine mögliche Verlagerung der Holunderkerne aus jüngeren Schichten hätte schließen lassen; außerdem ist bemerkenswert, dass neben Attich keine andere Pflanzenart in dieser Erhaltungsform vorlag. Zwerg-Holunder ist an Waldwegen und Hecken, aber ebenso an offenen Böschungen oder Schuttstellen anzutreffen. Vielleicht wuchsen die Pflanzen im Bereich des bereits baufällig gewordenen Werkstättengebäudes und wurden beim Einsturz des Daches von den Ziegeln begraben. Es ist auch vorstellbar, dass die Holunderbeeren zum Beispiel zum Färben genutzt24 und die Kerne als Abfall noch vor dem Einsturz des Daches auf der Fläche entsorgt wurden. Im Laufe der Zeit brachen selbst die Wände der ehemaligen fabrica ein. Der Verfall des Gebäudes scheint sich über einen längeren Zeitraum erstreckt zu haben und Zwerg-Holunder könnte gleichfalls erst später auf/zwischen dem Schutt gewachsen sein, wo reife Beeren zu Boden fielen und zum Beispiel durch Insekten oder Regenwasser in Hohlräume zwischen den Ziegeln und in tiefere Schichten transportiert wurden. Möglicherweise ist sogar eine Verlagerung aufgrund von Bioturbation in Betracht zu ziehen25, wenn die Fläche längere Zeit unverbaut blieb. Jedenfalls scheinen die robusten Steinkerne des Holunders als einzige Pflanzenteile ohne chemische Umwandlung der Zersetzung über Jahrhunderte hinweg widerstanden zu haben. Da nur mehr die Außenwand der Kerne erhalten ist, sind sie jedoch in sehr zerbrechlichem Zustand. Unbekannt ist, wie lange sie unter den Bedingungen eines Mineralbodens tatsächlich erhalten bleiben können. Der unerwartete Fund der annähernd 3000 subfossilen26 Steinkerne des Zwerg-Holunders zeigt, dass bei archäologischen

Jevišovice-Kultur vom Kleinen Anzingerberg (Dunkelsteiner Wald, Niederösterreich) (Dipl. Univ. Bodenkultur Wien 2003) 89. 24 Die reifen Beeren enthalten blau färbende Cyanidinglykoside und können zum Färben von z. B. Textilien oder Leder verwendet werden. Allerdings weisen diese Anthocyanfarbstoffe eine eher geringe Licht- und Waschechtheit auf und sind empfindlich gegen Säuren und Alkalien. In: H. Schweppe, Handbuch der Naturfarbstoffe: Vorkommen, Verwendung, Nachweis (Landsberg/Lech 1992) 399; 400. 25 Siehe dazu z. B. M. G. Canti, Earthworm Activity and Archaeological Stratigraphy: A Review of Products and Processes. Journal Arch. Scien. 30, 2003, 135–148. 26 Mit „subfossil“ wird hier ein Erhaltungszustand beschrieben. Ist die pflanzliche Materie zwar partiell abgebaut, aber nicht chemisch/ physikalisch umgewandelt worden, liegt eine subfossile Erhaltung vor. Vgl. Jacomet/Kreuz 1999, 55.

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Grabungen immer wieder überraschende biologische Reste entdeckt werden können und es noch viele offene Fragen gibt. Zusammenfassung Die bisherigen archäobotanischen Untersuchungen liefern den Nachweis für eine Reihe von Nutzpflanzen, die der Bevölkerung Wiens von der Römerzeit bis zum Beginn der Neuzeit zur Verfügung standen. Zahlreiche Arten von Wildpflanzen gewähren Einblick in die Flora vergangener Jahrhunderte und erlauben Rückschlüsse auf unterschiedliche Standorte. Für das Verkohlen von Pflanzenteilen bestanden in Siedlungen stets verschiedene Möglichkeiten: In Herdbereichen ist ein versehentliches Verstreuen und Verkohlen einzelner Getreidekörner während der Essenszubereitung ebenso vorstellbar wie zum Beispiel ein Larenopfer in römischer Zeit. Heu oder Stroh könnten zum Entfachen eines Feuers verwendet worden sein oder es wurden Kehricht und Abfälle verbrannt, was auch außerhalb geschlossener Räume geschehen konnte. Planierungen enthalten oft viele Pflanzenreste, doch ist dabei eine Durchmischung zeitlich und räumlich getrennt abgelagerten Materials nicht auszuschließen. Wie die Auswertungen zeigen, war Nacktweizen besonders in spätrömischer Zeit, als nach einem Teilabzug der Legion innerhalb der Lagermauern Raum für die Zivilbevölkerung zur Verfügung gestellt wurde, das am häufigsten verkohlte Getreide. Während der römischen Kaiserzeit war Nacktweizen in vielen Gebieten zur wichtigsten Brotfrucht geworden. Die Bevorzugung dieses Getreides hielt den bisherigen Ergebnissen zufolge Am Hof bis ins Frühmittelalter an. Im Mittelalter und in der beginnenden Neuzeit übernahmen Roggen und Spelzgerste, möglicherweise auch Hafer (sofern es sich um Saat-Hafer handelt), die Vorrangstellung unter den Getreidearten. Ausgehend von den Küstengebieten an der Nord- und Ostsee wurde der Reinanbau von Hafer in Zentraleuropa erst ab dem Mittelalter üblich. 27 Die Echte Rispenhirse kommt in allen Zeitabschnitten vor, ihre Anteile bleiben aber deutlich hinter jenen von Weizen und Hafer zurück. Dinkel (Triticum spelta) ist ab dem Frühmittelalter in geringer Konzentration vorhanden. Als einzige kultivierte Leguminosenart wurden Linsen in den Proben nachgewiesen. Es liegen zwar nur wenige Exemplare vor, doch ist der Anteil an Hülsenfrüchten in verkohltem Pflanzenmaterial gewöhnlich deshalb gering, weil die Samen beim Verkohlen leicht bersten. Umso bemerkenswerter ist es, dass Linsen sowohl in spätrömischen, frühmittelalterlichen als auch in frühneuzeitlichen Befunden vorhanden sind. Linsen stellen wegen ihres hohen Eiweißgehalts eine wesentliche Ergänzung zu den Cerealien dar. Sie werden nicht nur in gekochter Form verzehrt, sondern können in gemahlenem Zustand auch 27 U. Körber-Grohne, Nutzpflanzen in Deutschland2 (Stuttgart 1988) 57–68. 28 Ölreiche Samen sind in verkohltem archäobotanischem Fundgut generell unterrepräsentiert, weil sie bei hohen Temperaturen schnell zerplatzen.

dem Brotmehl beigemischt werden. Ein spätrömischer Saat-Leindotter-Same ist der bislang einzige Nachweis einer Ölpflanze bei dieser Grabung. 28 Doch sollte der Fund nicht überbewertet werden, denn eine Nutzung der Pflanze kann daraus noch nicht abgeleitet werden. Wenn auch zum Beispiel für den norddeutschen Raum ein gezielter Anbau des

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Leindotters bis 300 n. Chr. belegt ist, hat sich seine Bedeutung bereits im Mittelalter zum lästigen Unkraut in Leinfeldern gewandelt. 29 Sichere Nachweise von Kulturobst liegen Am Hof erst ab dem 15. Jahrhundert vor,Weintraubenkerne, die eindeutig der Kulturform der Echten Weinrebe (Vitis vinifera ssp. vinifera) zuzuordnen sind, ein einziger Feigenkern, der vermutlich von einer importierten Frucht stammt, und ein Pfirsichkernfragment. Die Hinweise auf Wildobst sind ebenfalls dürftig, belegt sind das Früchtchen einer Hagebutte (Rosa sp.) aus dem Frühmittelalter sowie Schwarzer Holunder und Himbeere am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit. Fragmente von Haselnuss- und Walnussschalen finden sich ab spätrömischer Zeit, bei Letzteren ist allerdings unklar, ob die Nüsse importiert oder Bäume in Siedlungsnähe gepflanzt wurden; möglicherweise waren Walnussbäume auch bereits verwildert in Wäldern anzutreffen. Beeren der Wilden Weinrebe könnten sowohl zu Nahrungszwecken gesammelt worden als auch unabsichtlich zusammen mit Brennholz in den Bereich der Siedlung gelangt sein. Die wenigen Obstnachweise lassen sich dadurch erklären, dass Früchte meist roh verzehrt und die bei ihrer Verarbeitung anfallenden Abfälle wohl nur selten verbrannt wurden; dagegen landeten Nussschalen doch gelegentlich im Feuer. Erfreulich ist die Tatsache, dass ein breites Sortiment an Wildpflanzenresten erhalten ist. Ein Teil war sicherlich Bestandteil der Unkrautflora in Feldern oder wuchs an Ruderalstandorten, aber es sind auch Grünlandarten vertreten, die auf Mähwiesen oder Heugewinnung schließen lassen. Nicht zuletzt gibt es Hinweise auf Waldstandorte, wie Kerne der Wilden Weinrebe, das Keimblatt einer Eichel (Quercus sp.) und ab dem Mittelalter zudem Fragmente von Koniferennadeln zeigen. Die ersten archäobotanischen Ergebnisse der Grabung Am Hof machen deutlich, dass mit der Untersuchung der Pflanzenreste wertvolle zusätzliche Erkenntnisse zur Lebens-Umwelt der Menschen längst vergangener Zeiten gewonnen werden können. Im Kontext mit weiteren Proben der noch nicht abgeschlossenen Grabung und einer folgenden intensiven Befund- und Fundbearbeitung werden in Zukunft noch weitere, über den jetzigen Wissensstand hinausgehende Erkenntnisse zu den historischen Umweltbedingungen möglich sein.

29

U. Körber-Grohne (Anm. 27) 391–394.

Abgekürzt zitierte Literatur Fischer/Oswald/Adler 2008 Jacomet/Kreuz 1999 Jandl/Mosser 2008

M. A. Fischer/K. Oswald/W. Adler, Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol3 (Linz 2008). S. Jacomet/A. Kreuz, Archäobotanik (Stuttgart 1999). M. Jandl/M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil IV: Vallum, fabrica und Kasernen in der westlichen retentura – Vorbericht zu den Grabungen Am Hof im Jahr 2007. FWien 11, 2008, 4–34.

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Der „Perchhof“ zu Heiligenstadt. Ein klösterlicher Profanbau und Kleinadelssitz Heike Krause/Gerhard Reichhalter Topographie und Siedlungsgeschichte Hört man heute den Namen Heiligenstadt, denkt man zunächst an den stark frequentierten Bahnhof oder den Karl-Marx-Hof, der sich entlang der Heiligenstädter Straße erstreckt. Heiligenstadt besitzt aber auch noch seinen alten Ortskern mit dem Pfarrplatz als Zentrum, der abseits der Hauptverkehrsrouten liegt und seinen reizvollen dorfartigen Charakter weitgehend bewahrt hat. Er gehört heute zum 19. Wiener Gemeindebezirk und liegt rund 5,2 km nördlich des Wiener Stadtzentrums auf einem donaunahen Ausläufer des Krapfenwaldlrückens1. Der gegen Südosten ziehende Rücken wird von zwei zur Donau entwässernden Bächen begrenzt, im Norden vom Schreiberbach, im Süden vom Grinzinger- oder Nesselbach (auch Nestelbach). Schon Adalbert Klaar vermutete den ältesten mittelalterlichen Siedlungskern um den heutigen Pfarrplatz,2 in dessen Umfeld römische Siedlungsreste und spätantike Gräber nachgewiesen werden konnten. 3 Nach Klaar und Karl Lechner verlief die römische Limesstraße zwischen Hoher Warte und Nußdorf entweder über die heutige Armbrustergasse oder über die heutige Eroicagasse. 4 Für diese Straßenverläufe sprächen einerseits der römische Speicherbau unter der Kirche St. Jakob, der eine Siedlung an der Stelle nahelegt, andererseits der anzunehmende Steinbruch am nördlich gelegenen Nußberg sowie die spätrömischen Gräber in der Eroicagasse 75, die einen Verlauf über die heutige Eroicagasse denkbar erscheinen lassen. Dennoch scheint Vorsicht geboten, heutige Straßenverläufe in die Römerzeit zurückzuprojizieren, denn eindeutige archäologische Nachweise stehen noch aus. Nach der Topographie könnten beide bzw. weitere Trassen infrage kommen. Die heutige Probusgasse soll nach der auf A. Klaar basierenden Lehrmeinung auf eine vom Stift Klosterneuburg im 14. Jahrhundert initiierte Siedlungserweiterung zurückgehen. 6 Sollte die Limesstraße über die Armbrustergasse verlaufen sein, könnte dieser Weg einen idealen, östlich abzweigenden Zubringer zur römischen Ansiedlung gebildet haben. Aber auch hier ist die Beweislage unzureichend, denn die älteste bislang nachweisbare Bausubstanz in der Probusgasse stammt aus dem 14. Jahrhundert und genaue historische Karten liegen erst seit der frühen Neuzeit vor. Dieser durch Streifenparzellen kenntliche Siedlungsteil nahm auf den kleinen Anger (Pfarrplatz) deutlich Bezug. Westlich reichte er wahrscheinlich bis zum heutigen „Beethovenhaus“, Probusgasse 6. 7 Auch an der Kreuzung Armbrustergasse/Grinzinger Straße wird man wohl seit dem Mittelalter mit einer Bebauung zu rechnen haben. Hier steht die Pfarrkirche St. Michael. 8 Die gesamte Situation ist auf dem Franziszeischen Kataster von 1819 gut nachvollziehbar (Abb. 1). 9 Denkbar wäre aber auch, dass die Probusgasse schon im Hochmit-

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Abb. 1: Topographische Detailübersicht von Heiligenstadt mit den archäologischen Fundpunkten. Überlagerung der Mehrzweckkarte der Stadt Wien mit dem Franziszeischen Kataster von 1819.

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Abb. 2: Blick von Südwesten auf das sog. Beethovenhaus („Mayer am Pfarrplatz“) und die Einfahrt zum Pfarrhof. (Foto: G. Reichhalter)

telalter eine bebaute Zeile bzw. Straße bildete, die mit dem Burg- bzw. Kirchenareal am heutigen Pfarrplatz gleichzeitig angelegt wurde. 10 Lechner hielt eine Entstehung der kleinen Kirchensiedlung im 9./10. Jahrhundert für wahrscheinlich, Alfred Neumann postulierte einen karolingerzeitlichen Vorgängerbau der Kirche St. Jakob und mit Vorsicht gar eine Siedlungskontinuität seit der Spätantike. 11 Die Hypothesen zur Siedlungsentwicklung, insbesondere zum hohen Alter des Ortes sowie der Jakobskirche sind somit divers und weder durch schriftliche noch durch archäologische Quellen ausreichend belegbar. Erste schriftliche Überlieferungen, die aber mehr Fragen aufwerfen als Antworten liefern, setzen spärlich erst ab dem ersten Viertel des 12. Jahrhunderts ein. Da sich Personen nach Heiligenstadt nannten, ist anzunehmen, dass – wie nahezu in jedem Dorf im Wiener Umland – auch hier ein Adelssitz bestand12, der – aufgrund der günstigen, geschützten Lage – wohl am äußersten Ende des Geländerückens gelegen sein könnte, wo sich heute die Jakobskirche und der Pfarrhof befinden. Es stellt sich jedoch die Frage nach dem genauen Standort innerhalb des doch recht ausgedehnten Areals. Die Gebäude östlich und südlich des Pfarrplatzes Um die östliche Seite des Pfarrplatzes gruppiert sich ein malerisches Ensemble aus dem Mittelalter stammender Gebäude (Abb. 2–3). Von Interesse sind – im Uhrzeigersinn gesehen – das sog. Beethovenhaus13 (Pfarrplatz 2), der Pfarrhof mit Kooperatorenhaus und weiteren Nebengebäuden (Pfarrplatz 3), die Kirche St. Jakob, das frühere Mesnerhaus (ehemaliges Schulhaus; Pfarrplatz 4) und das Gebäude, dem hier unsere besondere Aufmerksamkeit gilt: das heutige Restaurant „Pfarrwirt“ (Pfarrplatz 5).

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Abb. 3: Blick von Nordwesten auf den Pfarrplatz mit der Einfahrt zum Pfarrhof, der Jakobskirche, dem ehemaligen Mesnerhaus und der Einfahrt zum „Pfarrwirt“. (Foto: G. Reichhalter)

Beim „Beethovenhaus“ handelt es sich um ein typisches dörfliches Winzerhaus, in dem sich der Überlieferung nach Ludwig van Beethoven 1817 aufhielt und das heute einen renommierten Heurigenbetrieb beherbergt, den „Mayer am Pfarrplatz“ (Abb. 2). 14 Nach Rudolf Geyer handelt es sich hier um den „Engelhartszellerhof“, „der bis 1441 zurück als untertäniger Besitz des Stiftes Klosterneuburg nachweisbar ist“. 15 Das vorwiegend eingeschoßige Haus zeigt lediglich bäuerliche, für Wohnen und Wirtschaften konzipierte Architektur, repräsentative Bauteile, die für einen Sitz sprechen würden, fehlen. 16 Vom Pfarrplatz etwas zurückgesetzt, umgeben von Freiflächen, Gärten und weitläufigen Umfassungsmauern, erheben sich der Pfarrhof und das sog. Kooperatorenhaus (auch Kooperatorenstöckl)17, die ein komplexes bauliches Gefüge mit zahlreichen spätmittelalterlichen Bauelementen zeigen. Östlich und südlich erstreckt sich bis zum Steilabfall des Geländerückens ein unbebautes Areal, der heutige Pfarrgarten. An seiner zum Grundstück Pfarrplatz 5 gewandten Umfassungsmauer weisen vermauerte Öffnungen auf weitere, nunmehr abgekommene mittelalterliche Gebäude. Westlich von Pfarrhof und Kooperatorenhaus steht die Jakobskirche, deren Westwand unmittelbar an den Platz grenzt. Sie ist eine romanische Chorquadratkirche, deren qualitätsvolles Quadermauerwerk und deren Detailformen eine Datierung ins 12. Jahrhundert nahelegen (Abb. 4–5). 18 Für die Lokalisierung des Sitzes ist wohl in erster Linie das Areal von Pfarrkirche und Pfarrhof heranzuziehen, das eine unverkennbare Gunstlage aufweist. Zudem könnte man in Analogie zu mehreren anderen Sitzstandorten des Wiener Raumes, die durch ein räumliches Naheverhältnis von Sitz und Kirche charak-

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Abb. 4: Romanisches Rundbogenfenster in der Nordfassade der Jakobskirche, Zustand 2007. (Foto: G. Reichhalter)

Abb. 5: Der südöstliche Traufstein der Jakobskirche, Zustand 2007. (Foto: H. Krause)

terisiert sind,19 auch in Heiligenstadt auf eine derartige Anlage schließen, für die der geläufige Verabredungsbegriff „Burg-Kirchen-Anlage“ zutreffen dürfte. 20 Die Begrenzung des Platzes südlich der Kirche bildet das ehemalige Mesnerhaus. 21 Das zweigeschoßige Gebäude mit schlichter Fassade enthält auch mittelalterliche Bauteile. Aufgrund struktureller Hinweise dürfte sich im südlichen Teil des Hauses vermutlich ein kleines zweigeschoßiges, stöckelartiges Gebäude des 14. Jahrhunderts verbergen, an dessen Südseite neben einem spätmittelalterlichen Fenster auch die Fenstergruppe einer ehemaligen Block- oder Bohlenstube (zu weiteren Befunden und Definition siehe unten) freigelegt ist (Abb. 6). Auf einer Ansicht aus der Zeit um 1800 ist dieses Gebäude wahrscheinlich noch unverändert dargestellt (Abb. 7). Ob das Haus einst Sitzfunktionen ausübte, bleibt unbekannt. Aus topographischen Gründen wie vor allem der Beengtheit des Standortes kommt es als Nachfolger des hochmittelalterlichen Sitzes wohl eher nicht infrage. Ganz im Süden erstreckt sich schließlich das Areal des Hauses Pfarrplatz 5. Geyer stellte fest: „Kirche, Pfarrhof, Schule und Zehenthof stehen auf stiftlichem Dominikalgrund. Der Zehenthof (Paktur) ist wohl identisch mit dem ,Berghof‘, wo der ,Bergmeister‘ des Stiftes seinen Sitz hatte und ,Bergrecht‘ und ,Zehent‘ einnahm.“22 Unsere Untersuchung23 soll zeigen, dass dieses Objekt begründet als ehemaliger Zehenthof bzw. Berghof des Stiftes Klosterneuburg gelten kann, der sich bis in das späte Mittelalter zurückverfolgen lässt. Das Gebäude liegt innerhalb eines Gartens, der im Norden vom Pfarrplatz und vom Mesnerhaus sowie im Osten vom Pfarrgarten begrenzt wird (Abb. 10). Im Süden wird er vom Geländeabfall zur Grinzinger Straße begleitet, im Westen vom Einschnitt der Nestelbachgasse. 24 Im Süden, wo das Gelände spornartig zum Grinzinger- oder Nesselbach vorspringt, ist eine markante Überhöhung gegeben, während es vom Pfarrplatz aus ebenen Weges zu erreichen ist. Das Anwesen wird seit knapp zwei Jahrhunderten gastronomisch genutzt und wurde wiederholt nutzungsbedingt adaptiert. 2007 letztmals restauriert, präsentiert es sich – nunmehr als „Pfarrwirt“ – in einem hervorragenden baulichen Zustand.

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Abb. 6: Fenstergruppe an der Südseite des ehemaligen Mesnerhauses, Pfarrplatz 4, Zustand 2007. (Foto: G. Reichhalter)

Schriftliche Überlieferung Heiligenstadt ist erstmals ca. 1120/25 unter dem Namen St. Michael historisch fassbar: Ebero schenkte dem Stift Klosterneuburg einen Acker apud sanctum Michaelem. In einem Randvermerk, der Ende des 12. Jahrhunderts hinzugefügt wurde, wird die Lage des Ackers apud Sanctum locum, also bei Heiligenstadt, angegeben und zudem auch noch, dass hier die Weinpresse des Kustos aufgestellt sei. 25 Beide Kirchen von Heiligenstadt, St. Jakob und St. Michael, reichen in das Mittelalter zurück. Nach Baubefund und Siedlungstopographie dürfte die Jakobskirche die ältere der beiden sein, das Michaelspatrozinium ist jedoch das früher belegte. Dieser scheinbare Widerspruch führte zu Diskussionen bzw. unterschiedlichen Erklärungsversuchen. 26 Genannte von St. Michael bzw. Heiligenstadt Annähernd zur selben Zeit, um 1120, bezeugte ein Isi von St. Michael (de Sancto Michahele) eine Weingartenschenkung in Niunburc (Klosterneuburg) an das dortige Kloster. 27 Um 1190 erscheint mit Chunradus videlicet de Sancto loco erstmals eine sich nach Heiligenstadt nennende Person. 28 Von ca. 1220 bis 1262 kommt mehrmals ein Wisint von Heiligenstadt als Zeuge in Urkunden vor. Richard Perger vermutet, dass er der Sohn Konrads sei. 29 Der Titel dominus (Herr) ist für Wisint seit 1258 bezeugt. 30 Bei diesen Vertretern haben wir es folglich mit einer Adelsfamilie, den Herren von Heiligenstadt, zu tun. Aus den Aufzeichnungen aus der Zeit vor 1230 über die Einkünfte des Stiftes Klosterneuburg geht hervor, dass fünf Höfe (chvrtes) in Heiligenstadt Abgaben leisten mussten, aber der Hof (curia: Meierhof) des Wisintonis apud Sanctum Mychahelem in Grinzing mehr als die anderen. 31 Wisint nannte sich hier ein ein-

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Abb. 7: „Das Pfarrhaus in Heiligenstatt.“ Aus: F. de Paula Gaheis,Wanderungen und Spazierfahrten in die Gegenden um Wien 8 (Wien 1808) zw. S. 32 u. 33. (© Wienbibliothek, Sign. A 15223)

ziges Mal noch nach St. Michael. In den landesfürstlichen Urbaren aus der Zeit der Babenberger um 1220–1240 wird auch aufgeführt, welche Kleinabgaben Wisint von Heiligenstadt (de Sancto Loco) aus den Klosterneuburger Ämtern an den Landesherren zu geben hatte. 32 Das älteste, in einer späteren Abschrift erhaltene Urbar des Stiftes Klosterneuburg stammt aus dem Jahr 1258. Auch hier wird der Hof Wisints in Grinzing aufgeführt, aber auch sein Bergrecht in Nußdorf, zudem Weingärten des plebanus (Weltpriesters) in Heiligenstadt und Weingärten des Dietmar von Sancto Loco in Langenzersdorf. 33 Wisints Söhne Dietrich und Konrad sind ebenfalls schriftlich fassbar. Dietrich nannte sich nach Heiligenstadt (1258–1293), aber auch nach Kahlenberg, er ist 1270 als Bergmeister sowie ab 1275 als dominus und miles bezeugt. Konrad kommt zwischen 1264 und 1285 in Schriftquellen vor,34 er nannte sich aber auch wie sein Bruder nach Kahlenberg, 1275 auch nach Heiligenstadt. Weiters scheinen Dietmar (1276–1291, 1291 dominus und Bergherr), Ortolf (1293–1306, 1293 als dominus) und Otto (1274–1293), Sohn des Dietrich, von Heiligenstadt bzw. Kahlenberg auf. 35 1310 verkaufte Dietrich von Heiligenstadt seinem Bruder Johann Gelddienste zu Kahlenberg, Stetten und Piesting. Unter den Zeugen waren Johannes der Schenk von Ried, Herr Ruger von Nußdorf, Johannes von Nußdorf und Ruger von der heiligen Stat. 36 Von diesem letztgenannten Ruger, Rudger bzw. Rüdiger erfahren wir aus einem anderen Zusammenhang, dass er auch Bergmeister war (dazu siehe unten, 133). Auch in Urkunden aus den Jahren 1297 bis 1314 tritt Rüdiger von Heiligenstadt als Zeuge auf,37 der offensichtlich, von der Stellung in der Zeugenreihe zu urteilen, nicht zu den oben genannten Herren von Heiligenstadt zu rechnen ist. 38 Zudem kommt auch ein Johannes von Heiligenstadt in Urkunden zwischen 1303 und 1323 als Zeuge vor. 39 Nach Lechner dürften auch die Schifer von Heiligenstadt – nachweisbar von 1286 bis 1388 – eine Adelsfamilie sein, denn Familienvertreter wurden mit

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„Herr“ oder „Ritter“ bezeichnet, zudem siegelten sie auch. Neben diesen adeligen Familien sind auch Vertreter des niederen ritterständischen Adels fassbar wie zum Beispiel Niklas in dem Berghof zu Heiligenstadt. Bei Jans von Heiligenstadt, von 1367 bis 1387 schriftlich belegt, und Niklas der Weinreich zu Heiligenstadt (1403–1414 bezeugt) handelte es sich um Wiener Bürger, die sich nach Heiligenstadt nannten. 40 Lechner vermutete den Sitz der Herren von Heiligenstadt bei der heutigen Jakobskirche, die wohl ursprünglich als adelige Gründung41 und somit möglicherweise als einstige Eigenkirche anzusehen ist. Er meinte zunächst, dass der Herrschaftssitz an der Stelle des heutigen Hauses Pfarrplatz 2 gelegen sei, wo der im 14. Jahrhundert genannte Berghof seinen Standort gehabt haben dürfte. Worauf sich diese Annahme gründete, bleibt völlig offen. 42 In einem späteren Aufsatz revidierte er diese Meinung: Er schloss sich Geyers Vorschlag an, den einstigen Sitz des „,Wisinto apud Sanctum Michaelem‘, ein landesfürstlicher ritterlicher Gefolgsmann“, im Berghof (alte Hausnr. 3, heute 5) zu sehen, da „hier eine Situation gegeben ist: hochgelegener Vorsprung gegen den Grinzinger Bach mit alter Erdbefestigung [!], die anderen ,Berghöfen‘ analog ist“. 43 Die Kirchen von Heiligenstadt Bemerkenswert ist, dass Heiligenstadt zwei Kirchen besitzt: die Kirche St. Jakob am Pfarrplatz und die Pfarrkirche St. Michael an der Grinzinger Straße. Bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts ist allerdings nur eine Kirche schriftlich belegt. Um die Zugehörigkeit der reich dotierten Kirche Heiligenstadt kam es im 13. Jahrhundert zwischen dem Papst und dem Stift Klosterneuburg zu Streitigkeiten. 44 Letzteres versuchte zunächst vergeblich glaubhaft zu machen, dass die Kirche in Heiligenstadt der Pfarrkirche St. Martin in Klosterneuburg, demnach auch dem Stift unterstehe und es damit das Recht habe, die Pfarre Heiligenstadt zu pastorieren. Möglicherweise ist dieser Streit um die Kirche Heiligenstadt daraus zu erklären, dass sie ursprünglich eine adelige Eigenkirche war und daher bislang mit Weltpriestern besetzt wurde. 45 1304 verlieh schließlich Bischof Wernhard von Passau dem Stift Klosterneuburg das Recht, die Kirche Heiligenstadt (Ecclesiam in sancto loco) nach dem Tod des Pfarrers Heinrich sofort in Besitz zu nehmen. Bereits im April desselben Jahres hatte der Bischof die Inkorporierung der Kirche in Aussicht gestellt, zwar habe die Kirche ursprünglich zum Stift gehört, doch habe dieses die Kirche durch widrige Verhältnisse verloren. 46 Die „neuerliche“ Inkorporierung erfolgte schließlich 1307. 47 1308 schien Jakob, der Chorherr von Klosterneuburg war, als Pfarrer von Heiligenstadt auf. 48 Er begründete „die fortlaufende Reihe der aus den Stiftsgliedern gewählten Pfarrer zu Heiligenstadt“. 49 Seit wann es tatsächlich zwei Kirchen in Heiligenstadt gegeben hat, lässt sich nicht genau sagen. Eine Abschrift in deutschem Wortlaut, offenbar eine spätere Übersetzung einer Urkunde Propst Konrads II. von Klosterneuburg, nennt beide Kirchen: Plebanus tenetur ambabus ecclesiis in nocturno lumine providere 50 steht in der entsprechenden lateinischen Version (Original?), die jedoch nicht mehr vollständig erhalten ist. 51 In der deutschen Übersetzung, die das Ausstellungsjahr 1256 angibt, steht, dass der Pfarrer von den Einkünften beide Kir-

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chen jede Nacht mit Licht versehen solle. 52 Als Zeuge trat hier auch Wisint von Heiligenstadt auf. Aus dem Stiftungsbrief der Kapelle zu Sievering aus dem Jahr 1330 geht hervor, dass die Gemeinden Ober- und Untersievering, Salmannsdorf und Neustift zur Pfarre Heiligenstadt (dem Gotshaus zu der heiligen stat) gehörten. 53 Aus dem Jahr 1348 ist das Siegel der Pfarre erhalten. Es stellt den Hl. Michael mit der Waage (Jüngstes Gericht) dar. 54 Die von 1372 stammenden Statuten der Weinhauerzeche zu Heiligenstadt erwähnen auch Goczhaeuser ze der Heiligenstat […], die paid chirichen. Die Kirchtage sind am St.-Michaels- und am St.-Jakobs-Tag, die somit einen Hinweis auf die Patrozinien der Kirchen geben dürften. 55 Auf dem Siegel der Zeche findet sich ebenfalls der Hl. Michael mit der Waage, auf dem Siegel des Pfarrers Michael mit der Lanze, den Drachen tötend. 56 Die erste Nennung einer St. Jakobskapelle scheint 1385 in einem Testament eines Klosterneuburger Bürgers auf, der der Weinhauerzeche Geld zukommen lassen wollte, damit man die Jakobskapelle jährlich bessere, und aus einer anderen Testamentsbestimmung erfahren wir, dass die Friedhofsmauer – wohl der Michaelskirche im Tal – vollendet werden solle, so wie sie begonnen wurde. 57 1411 wurde in Zusammenhang mit der Gründung einer Thomaskapelle in Nußdorf bestimmt, dass bis zu ihrer Vollendung die gestiftete Messe in der Heiligenstädter Jakobskirche gelesen werden solle. 58 Mehr kann bei derzeitigem Forschungsstand nicht gesagt werden. Auffällig ist, dass erst um die Mitte des 13. Jahrhunderts zwei Kirchen überliefert sind und dies genau in die Zeit der Konflikte um die Pfarre Heiligenstadt fällt. Interessant ist auch, dass 1385 die Jakobskirche lediglich als Kapelle bezeichnet wurde,59 so dass der Schluss naheliegt, dass zu jener Zeit die eigentliche Pfarrkirche St. Michael unten im Tal war. Möglicherweise war die Jakobskapelle ursprünglich eine grundherrliche Kirche, die erst später zum Stift Klosterneuburg kam. 60 Die Patrone der Kirchen und der Hl. Severin Es war der humanistische Gelehrte Wolfgang Lazius (1514–1565), der zum ersten Mal eine Verbindung von Heiligenstadt mit dem Hl. Severin herstellte. 1551 nannte er einen sanctus locus, der gewöhnlich Hayligstatt (Heiligenstadt) genannt werde, wo einst das Kloster des Hl. Severin gestanden sei. Zwischen Dornen und Gestrüpp seien noch seine Trümmer sichtbar. 61 Heiligenstadt wurde bis ins 19. Jahrhundert62 – und wird zum Teil noch heute – als Ort des spätantiken Klosters des Hl. Severin bzw. seiner Grabstätte angesehen. Der Theologe und Historiker Matthias Fuhrmann wusste 1734 zudem zu berichten, dass sich in Heiligenstadt „nach der Zeit die Tempelherren niedergelassen und daselbst nebst zweyen Wohnungen auch zwey Kirchen, eine große unten im Thal so bey St. Michael und die kleiner [sic!] auf der Anhöhe, die zu St. Jacob genennet wird, erbauet“ hätten. 63 Er vermutete das Kloster des Hl. Severin an einer der beiden Stellen. Vielfach wurde der Ortsname Heiligenstadt entweder mit Severin und seinem Kloster, mit der Reliquienverehrung bereits zu damaliger Zeit oder den Wunderheilungen Severins in Zusammenhang gebracht. 64 Zu all diesen „Theorien“ gibt

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es jedoch keine zeitgenössischen schriftlichen Belege. Im Mittelalter ist eine Severinsverehrung in Heiligenstadt nicht bezeugt. Auch die Patrozinien der beiden Kirchen geben keinen Grund zu dieser Annahme. Allein die Bedeutung des Namens „Heiligenstadt“ bzw. „heilige Stätte“ wäre zu klären. Der auch in anderen Regionen auftretende Name kann entweder von einer Reliquienverehrung oder von einem Hostienwunder abgeleitet werden. Nach Ernst Klebel dürften die Patrozinien Michael und Jakob in dieser Hinsicht keinen Anhaltspunkt liefern. 65 Auch Elisabeth Schuster sieht keinen Zusammenhang zwischen den Nennungen einer „heiligen Stätte“ und der Verehrung des römischen Missionars Severin. 66 Vielleicht ist der Name auch in Beziehung mit den antiken Bauresten bzw. Gräbern zu bringen, die man bei der Errichtung der Kirche bzw. anderer Bauten eventuell wahrgenommen hatte und möglicherweise als eine einstige heilige Stätte deutete und auf die man bewusst die Kirche baute. 67 Schließlich steht die Jakobskirche ziemlich genau auf den antiken Überresten, die zwei leeren Gräber liegen im Langhaus unmittelbar vor dem Chor. 68 Da darüber aber ebenfalls keine schriftlichen Nachweise vorliegen, bleiben diese Gedanken rein hypothetisch. Über die überlieferten Patrone der beiden Kirchen lässt sich Folgendes sagen: Der Apostel und Märtyrer Jakob der Ältere ist vor allem der Patron der Pilger, aber auch der Krieger, des Wetters, der Äpfel- und Feldfrüchte. Oft liegen die ihm geweihten Kirchen an einem Arm des Jakobsweges, einer bedeutenden Pilgerroute im Hoch- und Spätmittelalter, oder wurden nach einer Pilgerschaft als Dank gestiftet. Der Erzengel Michael ist dagegen unter anderem Patron der katholischen Kirche, der Ritter, der Sterbenden, der Armen Seelen, der Friedhöfe sowie Beschützer gegen Blitz und Unwetter. 69 In der Literatur geht man davon aus, dass die Jakobskirche ursprünglich das Michaelspatrozinium besaß, das erst später auf die größere, wahrscheinlich auch jüngere Pfarrkirche an der Grinzinger Straße übertragen worden sei. Warum und wann dies passiert sein dürfte, bleibt aber unbekannt. Ein gegenseitiger Patroziniumstausch ist wohl eher auszuschließen. 70 Möglicherweise war ein Neubau einer größeren Pfarrkirche aufgrund eines gestiegenen Platzbedarfs nötig, da auch die Dörfer Nußdorf, Grinzing, Sievering und Unter-Döbling ursprünglich nach Heiligenstadt eingepfarrt waren und erst später selbstständige Pfarren wurden. 71 Der Berghof, der Zehenthof bzw. das Pakturgebäude Bergmeister und der Berghof von Heiligenstadt Bereits aus dem 13. Jahrhundert gibt es Schriftquellen, in denen Vertreter der Heiligenstädter als Bergmeister (Wisint und Dietrich von Heiligenstadt) und als Bergherr (Dietmar) genannt wurden. 72 Daraus lässt sich ein Naheverhältnis zum Stift Klosterneuburg ableiten. Später folgt auch Rüdiger von Heiligenstadt in der Funktion des Bergmeisters des Stiftes Klosterneuburg nach. 73 1313 wurde neben Rüdiger von Heiligenstadt auch Ortolf von Grinzing als Bergmeister bezeichnet. 74 Ein Bergmeister war der Amtmann eines Bergherrn, der grundherrliche – im engeren Sinne bergherrliche – Güter verwaltete und den Grundherrn – in Wein-

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bauorten Bergherr genannt – vertrat. Er hatte seinen Sitz meistens in einem Hof, der in der historischen Überlieferung auch als Berg- bzw. Zehenthof aufscheint (siehe unten). Heute ist für derartige Höfe, die demnach grundherrschaftliche Einrichtungen waren, der Begriff Lesehof gebräuchlich. Der Propst von Klosterneuburg hatte das Recht, Bergmeister in den Weingärten von Nußdorf, Heiligenstadt und Grinzing zu bestellen. 75 Oft waren es Personen aus dem niederen oder mittleren Adel, die dieses Amt bekleideten. Am 1. September 1339 stellte Herzog Albrecht II. dem Propst und Kapitel des Stiftes Klosterneuburg ein Weinzehent-Privileg aus, in dem festgeschrieben wurde, dass seine zehentner von Heiligenstadt, Nußdorf, Grinzing, Ober- und Untersievering, Salmannsdorf, Neustift und halben Döbling, das in die Pfarre Heiligenstadt gehöre, das Recht hätten, alle Weinpressen zu besuchen, nach dem Zehnt zu fragen und die Keller und Gaden zu inspizieren. Darüber hinaus erfahren wir auch, dass das Geld des Gotteshauses aller meist im Wein leit. 76 1412 gab es 26 dem Stift Klosterneuburg zehentpflichtige Häuser in Heiligenstadt, 1436 waren es 29 und 1437 25. 77 Die Bezeichnung „Berghof“ kommt in der schriftlichen Überlieferung zu Heiligenstadt nur in Zusammenhang mit einem Niklas vor,78 der mehrfach um die Mitte des 14. Jahrhunderts aus Urkunden als Siegler bekannt ist (Abb. 8). 79 Aus einer Urkunde, ausgestellt am 24. April 1360, geht der Verkauf von Haus und Hofstatt samt daran befindlichem Weingarten zu Heiligenstadt durch Adelheid von Neuburg hervor. Der Besitz ging an Jans den Ringshäutlein aus Heiligenstadt und Stefan den Chuttner, der Amtmann Marquards des During, Pfarrer von Heiligenstadt, war. Es siegelte hier Niclas in dem Perchhof dacz der heiligen stat. Die Einkünfte der Pfarre Heiligenstadt waren um diese Zeit anscheinend so bedeutend, dass der Pfarrer Marquard der During einen eigenen Amtmann hatte. 80 Zehenthof bzw. Pakturgebäude Die Gleichsetzung des heutigen „Pfarrwirts“ mit dem mittelalterlichen Berghof und späteren Zehenthof findet sich erstmals bei Geyer und erneut im Dehio. 81 Ein Zehenthof in Heiligenstadt ist auch durch schriftliche Quellen überliefert: 1353 urkundete ein Ulrich, der sich selbst als Wirt in seines Herren (des Propstes von Klosterneuburg) Zechent hof zu der heyligen stat bezeichnete. 82 Somit sind nahezu zeitgleich die Namen Berghof als auch Zehenthof belegt. Offenbar hatte neben Niklas in dem Berghof auch jener Ulrich gleichzeitig eine Funktion in der stiftlichen Verwaltung inne. Der Historiograph Ladislaus Suntheim (1440–1513) berichtet in seiner Beschreibung des „Donautales“ über einen Zehenthof in Heiligenstadt (Heiligstat). Es sei ain schöns dorf und pharr und daselb ain schöner hof, genannt der Zehethof, und umb die dörfer wechst auch gueter wein. 83 In einer Urkunde von 1480, deren spätere Abschrift erhalten ist, wird eine Presse im Zehnthof zu Heiligenstadt erwähnt. 84 In verschiedenen Grund- und Gewährbüchern aus der Zeit von 1454 bis 1515 wird eine Mühle unter dem Zehenthoff genannt, die wiederum 1759 als Mühle zu Heiligenstadt unter dem Zehenthof oder sog. Pactur Hof im Nutz- und Gewährbuch aufscheint.

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Abb. 8: Urkunde mit der Nennung (vorletzte Zeile) und dem Siegel (rechts) des Nychlas in dem Perchhof ze [der] Heiligenstat. Original im Stiftsarchiv Klosterneuburg, Urkunde 1348 IV 04. (Foto: www.monasterium.net)

Damit ist bewiesen, dass das auch später so bezeichnete Pakturgebäude mit dem Zehenthof identisch ist. 85 Aus dem Bestandsvertrag zwischen dem Stift Klosterneuburg und Johann Bittner, Gastwirt in Heiligenstadt, geht hervor, dass das stiftliche Haus Konskriptionsnummer 3 (gleichzeitig als Pfarrplatz 5 bezeichnet), noch 1898 Pakturgebäude genannt wurde. 86 Berghöfe – Zehenthöfe – Lesehöfe im historischen und bauhistorischen Vergleich Berg- bzw. Lesehöfe waren grundherrschaftliche Einrichtungen, die der Weinwirtschaft des Landesfürsten, des Adels, mehrheitlich aber der Klöster dienten. 87 Der Name Lesehof ist eine Funktionsbezeichnung, die nicht historischen Quellen entstammt, sondern heute allgemein im Sprachgebrauch üblich ist. Weinberge – oder Einkünfte davon – gehörten mitunter schon im Frühmittelalter zur Grundausstattung der Klöster, ab dem 13. Jahrhundert waren sie fixer Wirtschaftsbestandteil. Wein diente zunächst dem Eigenkonsum (Messwein, Festtagsgetränk, Nahrungsmittel), war aber auch ein begehrtes Handelsgut und somit eines der bedeutendsten Wirtschaftsprodukte, für das mitunter auch die Beschaffung aus weit entfernten Gebieten in Kauf genommen wurde. 88

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Klöster außerhalb der Weinbaugebiete benötigten lokale Stützpunkte, um Weinwirtschaft betreiben zu können. 89 Die zahlreichen Lesehöfe auswärtiger, auch oberösterreichischer und bayerischer Klöster in Klosterneuburg bieten entsprechende Beispiele. 90 Dagegen besaß das Stift Klosterneuburg auch in Krems einen von Amtsleuten verwalteten Lesehof, der zudem eine Weinpresse beherbergte. 91 Klösterliche Guts- bzw. Lesehöfe lagen also nicht immer in unmittelbarer Nähe der Weinberge, sie konnten sich auch innerhalb der Stadt befinden, wie zum Beispiel in Krems und Stein an der Donau (siehe unten). 92 Der Lesehof war Sitz entsprechender Funktionsträger,Verwahrort für Betriebsmittel und Werkzeuge und schließlich Sammel- und Verarbeitungsort der Ernte, bis der Transport in die Keller des Klosters erfolgen konnte. 93 Er diente auch zur Lagerung des Weinzehents (Zehenthof). Von hier aus wurde der Weingartenbesitz durch einen Berg- oder Zehentmeister verwaltet. Daraus wird klar, dass die Begriffe Berghof und Zehenthof in vielen Fällen synonym gebraucht wurden. Die Bezeichnung „Zehenthof“, wie sie auch für den „Berghof“ in Heiligenstadt in Gebrauch war, muss jedoch nicht unbedingt auf Weinbau, sondern kann auch allgemein auf einen Hof wirtschaftlicher Funktion im herrschaftlichen Umfeld weisen, der etwa als Zehentsammelstelle diente. Ähnlich müssen nicht alle Höfe, die den Namen „Berghof“ trugen bzw. tragen, mit Weinbau zu tun gehabt haben, denn wie eine Reihe von Objekten – zum Teil schon im voralpinen Hügelland – vermuten lässt, kann auch eine erhöhte Lage zur Entstehung dieses Hausnamens geführt haben. Bei den Berghöfen in Wimpassing an der Pielach (Bezirk St. Pölten) sowie bei Lilienfeld (Bezirk Lilienfeld) scheint dies wohl eher zuzutreffen. 94 Berghöfe in historischen Überlieferungen In Klosterneuburg, Kierlinger Straße 13, befindet sich ein „Berghof“ benanntes Anwesen, das im 17. und 18. Jahrhundert Sitz der lokalen landesfürstlichen, überwiegend auf Weinbau ausgerichteten Güterverwaltung war. Dieses im 16./17. Jahrhundert veränderte Gebäude wird mit einer im 12. Jahrhundert fassbaren Adelsfamilie in Zusammenhang gebracht, die sich „de Monte“ (vom Berg) nannte. 95 Der „Berghof“ (auch „Oberer Melkerhof“) von Gumpoldskirchen fällt durch seine prominente Lage im bergwärtigen Teil der Siedlung, unmittelbar neben dem Burgbereich, auf. 96 Ein weiterer „Berghof“ befindet sich in Bad Fischau (Bezirk Wr. Neustadt), der (ab) 1397 Lesehof des steirischen Stiftes Neuberg war. 97 Der „Hof zu Währing“, der die Siedlungszelle des späteren Dorfes (heute 18. Bezirk,Währing) gewesen sein soll, wurde auch als „Berghof“ oder „Freihof“ bezeichnet und war Sitz der lokalen Gutsverwaltung des Klosters Michaelbeuern bei Salzburg. 98 Auch in diversen anderen Schriftquellen finden sich Hinweise auf Berghöfe: 1325 verkaufte Johannes Rädler von Sichtenberg seine Anteile an dem perckhoff, der da leit auf dem alten Kirchberg zu Paden an den Pfarrer von Baden. 99 1338 gaben die österreichischen Herzöge ihre Berghöfe in Baden und Pfaffstätten der von ihnen gestifteten Kartause Gaming. 100 Als 1395 Hans von Maissau der Kartause Aggsbach ein Haus zu Stiefern überließ, wurde man über dessen

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Funktion unterrichtet: Es sollte als perckchof für die Weinlese und die Unterbringung der Weinpressen zur Verfügung stehen. 101 Schwieriger scheint die Funktionszuschreibung des mittelalterlichen Berghofes in Wien 1 zu sein, der unweit der Ruprechtskirche auf dem Areal stand, das heute von der Marc-Aurel-Straße, der Sterngasse, der Judengasse und dem Hohen Markt umschlossen wird. Dieser Berghof gilt – allerdings auf brüchiger Quellenbasis stehend – als gesicherter Fixpunkt der frühmittelalterlichen Stadtentwicklung. 102 Aus dieser frühen Zeit ist der Name Berghof als solcher jedoch nicht tradiert. Er wird erst 1280 im Fürstenbuch des Jans Enikel genannt. 103 Schon Hertha Ladenbauer-Orel vermutete, dass der Berghof ein „Verwaltungsgebäude für ein Weingebiet“ gewesen sein könnte. 104 Nach Perger handelte es sich möglicherweise sogar um die „Verwaltungszentrale der landesfürstlichen Weingärten“. 105 Wien kann durch den verbreiteten Weinbau in seinem Umland im Mittelalter als Weinstadt bezeichnet werden. Der Weinbau war hier im späten Mittelalter der bedeutendste Wirtschaftszweig. 106 So wäre es nicht verwunderlich, dass es in der Stadt auch einen landesfürstlichen Berghof gab, der – berücksichtigt man das zur Verfügung stehende Areal – wohl ein ausgedehnter, stattlicher Komplex war. Und gerade bei diesem ist eine Multifunktionalität im Sinne eines Wirtschaftshofes sowie eines repräsentativen Verwaltungs- und Wohnsitzes naheliegend. Lesehöfe im baulichen Vergleich Zu den Bauelementen von Wirtschaftshöfen gehörte in erster Linie das als doppelgeschoßiger Saal konzipierte Hauptgebäude, das im Keller Wirtschaftsräume, im Obergeschoß Wohn- und Repräsentationsräume enthielt. Während der Keller in der Regel über eine große Einfahrt zu erreichen war, besaß das Obergeschoß einen hoch gelegenen, architektonisch hervorgehobenen Zugang. In manchen Fällen mit Umfassungsmauern, Toranlagen und Nebengebäuden – mitunter auch Türmen – ausgestattet, lässt sich ein burgartiges, der mittelalterlichen Herrschaftssymbolik verpflichtetes Baukonzept nicht übersehen, wobei vor allem bei klösterlichen Anlagen eine Kapelle die Ausstattung vervollständigte. Der „Weinhof“ (auch „Weinhaus“) in Senftenberg (Bezirk Krems) bildet ein ausgezeichnetes Beispiel eines grundherrschaftlichen Lesehofes (Abb. 9). Nach Franz Fux weisen ihn schriftliche Belege als auf Weinbau spezialisierten Wirtschaftshof der Burg Senftenberg aus, der zwischen 1580 und 1625 auch Verwaltungssitz der Herrschaft war. 107 Der Kernbau ist ein zweigeschoßiger Saalbau (20,98 x 9,76 m, Mauerstärke 0,77–0,96 m), dessen Untergeschoß regelmäßig angeordnete Lichtscharten aufweist und dessen Obergeschoß durch hochrechteckige, verschließbare Fenster belichtet wird. Hofseitig besitzt er einen (wohl sekundären) Erschließungsbau, der als Kellerhals mit seitlicher Freitreppe zum Obergeschoß ausgebildet ist. Ursprünglich besaß das Untergeschoß eine eigene, ebenerdige Zufahrt, die das Einbringen schwerer Lasten ermöglichte. Das Gewölbe des Untergeschoßes ist eine sekundäre, wohl frühneuzeitliche Zutat. Mauerwerk und Detailformen datieren den sehr funktionell geprägten Primärbau in das 14. Jahrhundert. 108

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Abb. 9: Der sog. Weinhof von Senftenberg (Bezirk Krems), Blick auf den Kernbau von Westen, Zustand 2000. (Foto: G. Reichhalter)

Der „Florianihof“ in Wösendorf (Bezirk Krems)109 war Lesehof des Stiftes St. Florian. Der gestreckte, neuzeitlich veränderte Rechteckbau, der wohl auf einen zweigeschoßigen Saalbau zurückgeht, dürfte aufgrund freigelegter Architekturformen (Hocheinstieg) dem 14. Jahrhundert zuzuweisen sein. Klassische und bekannte Beispiele klösterlicher Lesehöfe sind der ungewöhnlich repräsentativ mit Saalbau, Kapelle, Nebengebäuden und Turm ausgestattete „Passauerhof“ in Krems110 oder der ähnlich ausgedehnte und ausgestattete „Göttweigerhof“ in Stein an der Donau, der mit seiner großartigen freskengeschmückten Torkapelle beeindruckt111. In diese Reihe ist auch der ergrabene „Passauerhof“ in Klosterneuburg112 zu stellen, dessen Umfassungsmauern einen Saalbau, eine Kapelle, einen Turm und weitere Nebengebäude umgaben. Funde von Bodenfliesen belegen die wohnlich-repräsentative Ausstattung des Obergeschoßes des Saalbaues. 113 Das Schloss von Oberstockstall (Bezirk Tulln) geht auf einen Hof des Bistums Passau zurück, der neben pfarrlichen auch wirtschaftlichen Funktionen diente. Als Kernbau zeigt sich ein rechteckiger, saalbauartiger Bau, der nebeneinander zwei Block- bzw. Bohlenstuben besaß. Mit ihm steht die Kapelle in Verbindung, die zu den kunsthistorisch wertvollsten Bauten des frühen 14. Jahrhunderts des Landes zu zählen ist und gemeinsam mit der übrigen Ausstattung der Anlage zeigt, welche Bedeutung man dieser zumaß. 114 Wirtschaftshöfe als multifunktionale Bauten und Adelssitze Derartige grundherrschaftliche Wirtschaftsmittelpunkte (wobei hierzu nicht nur solche für den Weinbau zählen) wurden oft mit Verwaltern bzw. Funktionsträgern besetzt, die mitunter auch dem Niederadel entstammten. Zunächst ist an den „Berghof“ in Klosterneuburg (siehe oben) zu denken, wo wohl bereits im 12. Jahrhundert niederadelige Personen saßen. Auch die Nennungen einer

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niederadeligen Familie nach Weinhaus (heute Teil des 18. Bezirkes,Währing) im späten 13. Jahrhundert geben zu entsprechenden Vermutungen Anlass. 115 Ein aussagekräftiges, weil nahezu unverändert erhaltenes Beispiel, das die Multifunktionalität solcher wirtschaftlich genutzter Anlagen belegt, bildet der „Zehentturm“ von Baierdorf (Bezirk Murau). 116 Als Sitz der regionalen Zehentverwaltung der Salzburger Erzbischöfe war er mit Funktionsträgern besetzt, die sich aus der obersteirischen Ritterschaft konstituierten. 117 Der mächtige, mit Bering und Graben leicht befestigte Turm aus dem ausgehenden 13. Jahrhundert setzte ein signifikantes Herrschaftszeichen. Analog zu den verbreitet und bis in die Neuzeit auftretenden kleinen Turmspeichern besaß er mehrere, übereinander angelegte Speichergeschoße, darüber aber auch zwei Wohngeschoße. Letztere waren mit zeitgemäßem Komfort ausgestattet, so mit einer ofenbeheizten Block- bzw. Bohlenstube, mit einem „Sommerraum“ mit großen Fenstern und verschiedenen sanitären Anlagen. Eine ähnliche Funktion ist wohl dem „Binderstadl“ im Stift Zwettl zu unterstellen, der ebenfalls wirtschaftlich genutzt war, im Obergeschoß aber die relativ aufwendige Fenstergruppe einer Block- bzw. Bohlenstube zeigt. 118 Ein isoliertes, beinahe palasartiges Gebäude der Burg Niederkraig (Bezirk St. Veit an der Glan)119, das aufgrund seiner Strukturen zweifellos wirtschaftlichen Zwecken diente, war im obersten Geschoß mit einer bedarfsgerechten „Wohnung“ samt Stube für den Verwalter ausgestattet. 120 Auch für den oben genannten „Weinhof“ von Senftenberg ist aufgrund der Ausstattung und der historischen Belege eine zumindest temporäre Sitzfunktion anzunehmen. 121 Ähnliches gilt für die Anlage von Oberstockstall. Wirtschaftshöfe, wie nachweislich auch „unser“ Berghof, konnten somit auch die Funktion eines Adelssitzes ausüben. Die Verwaltung derartiger Höfe, die für die Versorgung der Grundherrschaft eine maßgebliche Rolle spielten, überließ man offensichtlich Vertrauenspersonen, die – wie beim vorliegenden Beispiel – dem Niederadel entstammen konnten, die sich auf diesem Weg diverse Einkünfte sicherten. Schwierig ist die klare Abgrenzung zwischen Wirtschaftsbauten und Kleinadelssitzen. Beide bedienen sich bis zu einem gewissen Maß ähnlicher baulicher Strukturen bzw. Elemente, die einerseits von reiner Funktionalität und andererseits von allgegenwärtiger Herrschaftssymbolik geprägt sind. 122 Bei fehlender Quellenevidenz ist zumindest Vorsicht angebracht. 123 Der Berg- oder Zehenthof als Saal- oder Hallenbau Da der Berghof in Heiligenstadt zweifellos auf einen derartigen Bautypus zurückgeht, soll etwas eingehender darauf eingegangen werden. Der von der Halle des Frühmittelalters124 abgeleitete Saal- oder Hallenbau bildete im Hochmittelalter einen universell einsetzbaren, funktionellen und entsprechend verbreiteten Bautypus. Dessen Herleitung, Entwicklung, Typisierung und Terminologie sind vor allem bei deutschen Burgenforschern Thema reger Diskussion. 125 Gegenwärtig wird der Saalbau des Hochmittelalters als zweioder dreigeschoßiger Bau, der aus übereinanderliegenden, nicht unterteilten Räumen besteht, definiert. Als Wohnbau wird hingegen ein in allen Ebenen unterteilter Bau gesehen, während der Palas (auch als Saalgeschoßhaus oder

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-bau bezeichnet) eine Kombination aus Wohnbau mit einem Saal im obersten Geschoß darstellt. 126 In Österreich ist der Saalbau ein weiteres Desiderat der Burgenforschung. Lage, Größe, Ausstattung etc. waren unter anderem von topographischen, sozialen, finanziellen, funktionellen, nicht zuletzt auch von repräsentativen Aspekten abhängig. Die bekannten österreichischen Beispiele127 zeigen sich als langrechteckige, meist zweigeschoßige Bauten, deren Länge nicht selten um bzw. jenseits der 30 m und deren Breite um 10 m liegt. Gemeinsam mit der praktisch nicht vorhandenen Wehrhaftigkeit und der relativen Dünnwandigkeit (durchschnittlich 0,90 m) zeigt sich ein strukturelles Charakteristikum: die überproportionale Länge gegenüber der Breite. Dabei wäre zu bedenken, dass bei einer gebundenen, von Decken- und Dachkonstruktionen abhängigen Breite eine große Raumfläche nur mittels entsprechender Länge gewonnen werden konnte und man wohl eher auf runde Klafter- oder (wie bei den Mauerstärken deutlich) Fußmaße Bezug nahm. 128 Was den österreichischen Raum betrifft, so sind die hochmittelalterlichen Saalbauten meist der Oberschicht des Adels oder des Klerus zuzuweisen, ein Umstand, der in der Forschung relativ früh erkannt wurde. 129 Wichtiger erscheint deshalb, dass dieser Bautypus nicht nur wohnlich-repräsentativen, sondern nachweislich auch wirtschaftlichen Bedürfnissen diente und daher unterschiedlichste Ausstattungsvariationen und -niveaus zeigt. Saalbauten blieben aber keineswegs auf das Hochmittelalter beschränkt und sie traten auch in räumlich reduzierter und architektonisch vereinfachter Form auf. 130 Saalbauten unterschiedlicher Funktion Eines der ältesten bekannten Beispiele Ostösterreichs stellt wohl der Saalbau des sog. Gertrudshospizes in Klosterneuburg dar, der wohl noch in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts im Umfeld der markgräflichen Residenz entstand. 131 Mit äußeren Abmessungen von 34,90 x 10,50 m und einer Mauerstärke von 0,95 m132 steht er stellvertretend für eine Reihe ähnlich dimensionierter Bauten. Sein mit Biforien erhelltes Obergeschoß zeigt aber die ungewöhnlich repräsentative Ausstattung des Baues. Ein annähernd gleich großer zweiter Bau, der wohl untergeordneten Zwecken diente, stand an der südöstlichen Umfassungsmauer des Hospizareals. 133 Relativ früh ist auch der „Romanische Palas“ im Stift Heiligenkreuz (Bezirk Baden) anzusetzen, der einen Teil des „Kaiser-“ bzw. „Gästetraktes“ bildet. Das Obergeschoß des ursprünglich wohl frei stehenden Profanbaues weist eine Abfolge von Biforien und Okuli sowie einen Hocheinstieg auf, womit der „gegen 1200“134 errichtete Bau eine funktionale Trennung von wirtschaftlich genutztem Untergeschoß und repräsentativem Obergeschoß aufweist. Der „Heiligenkreuzerhof“ in Wien (1. Bezirk, Innere Stadt)135 integriert einen ursprünglich zweigeschoßigen Saalbau (ca. 26 x 11 m), der im Erdgeschoß mit einem dreijochigen Kreuzrippengewölbe ausgestattet ist. In der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden, ist er wohl zu den ältesten und bedeutsamsten Bauten des Stiftshofes zu zählen.

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Nach 1231 entstand auf dem Propsteiberg in Zwettl (Bezirk Zwettl)136 als Teil des neu etablierten Pfarrhofes ein zweigeschoßiger Saalbau (32,90 x 10,30 m, Mauerstärke 0,90–0,95 m), dessen wirtschaftliche Funktion die Bezeichnung „Kasten“ entstehen ließ. Klaar vermutete, dass der sog. Binderstadl im Stift Zwettl137 selbst auf einen zweigeschoßigen hochmittelalterlichen Saalbau (ca. 30,85 x 10,80 m, Mauerstärke 1,33 m) zurückgeht, der möglicherweise Teil des im frühen 13. Jahrhundert gegründeten Stiftsspitals war. 138 Der „Passauer Kasten“ in Ybbs an der Donau (Bezirk Melk)139 bildete ursprünglich einen zweigeschoßigen saalbauartigen Baukörper (24,85 x 10 m, Mauerstärke ca. 1,20 m), der dem zweiten Viertel des 13. Jahrhunderts zuzuweisen ist. Über dem rein funktionellen Erdgeschoß befanden sich mit Biforien ausgestattete Wohn- und Repräsentationsräume der lokalen Passauer Verwaltung. Als Gutshof der Herzöge von Mödling soll der „Toppelhof“ in Mödling (Bezirk Mödling)140 fungiert haben. Im 15. Jahrhundert war er Sitz niederer Adeliger. Kern der stattlichen, von Mauern umgebenen Anlage ist ein randständiger zweigeschoßiger Saalbau (27,30 x 9,20 m, Mauerstärke 0,95 m), der aufgrund diverser Detailformen wohl erst in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden ist. 141 Der „Passauerhof“ in Klosterneuburg (Bezirk Wien-Umgebung)142 (auch „Chorhof“ oder „Steinhaus“) wurde archäologisch ergraben. Dabei kamen unter anderem die Reste eines zweigeschoßigen Saalbaues (ca. 29 x 9,30 m, Mauerstärke 1–1,10 m) zum Vorschein, der wohl den Kernbau der großen, mehrere Gebäude umfassenden Anlage aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts bildete. Der „Müstinger Keller“ ebenfalls in Klosterneuburg wurde vermutlich um 1300143 als Speicherbau errichtet. 1433 kam er an den Klosterneuburger Bergmeister Wolfgang Müstinger, Ende des 15. Jahrhunderts an das Chorherrenstift Klosterneuburg, das ihn als Speicher und Weinkeller verwendete. Der stattliche Saalbau (30,40 x 15,20 m, Mauerstärke ca. 1,30 m) besaß einen sekundär eingewölbten Keller144 und ein mittels Hocheinstieg erreichbares Obergeschoß. Der oben erwähnte „Florianihof“ in Wösendorf (Bezirk Krems) integriert wohl einen zweigeschoßigen Saalbau des 14. Jahrhunderts. In Mauer bei Melk (Bezirk Melk) befindet sich das „Steinhaus“ (auch „Steinhof“)145, das man als Sitz der hier nachweisbaren ritterständischen Familie Flemming sieht. Kern ist ein zweigeschoßiger Saalbau reduzierter Größe, der nach dem Baubefund dem 14. Jahrhundert entstammt. Schließlich lässt auch der bereits oben genannte „Weinhof“ in Senftenberg, dessen einstige Funktion wohl außer Zweifel steht, einen zweigeschoßigen Saalbau als Kern erkennen, dessen Dimensionen etwas reduziert, für einen grundherrschaftlichen Lesehof des 14. Jahrhunderts aber durchaus stattlich erscheinen. Saalbauten auf Burgen Auch hier ist zunächst auf Klosterneuburg zu verweisen, wo im Bereich der ehemaligen Babenbergerresidenz eine Gruppe von Saalbauten erhalten ist. Klaar nahm zunächst einen rechteckigen Baukörper in der Südecke des eins-

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Abb. 10: Lageplan des Berg- oder Zehenthofes in Heiligenstadt. (Plan: H. Krause/G. Reichhalter)

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Abb. 11: Der Kernbau des Berg- oder Zehenthofes von Westen, Zustand 2007. (Foto: H. Krause)

tigen Römerlagers als Teil der „Markgrafenburg“ in Anspruch. 146 Anderer Meinung zufolge soll diese in Form eines großen Saalbaues im heutigen „Kuchl-“ oder „Leopoldihof“ erhalten sein. Der als „Alter Fürstentrakt“ bezeichnete Bau bedeckt die beachtliche Fläche von 40 x 13,50 m. 147 Unter Leopold VI. entstand neben der „Capella Speciosa“ ein weiterer Saalbau, der aufgrund seiner architektonischen Ausstattung zu den Spitzenleistungen des Profanbaues jener Zeit gehört und mit Reichsbauten verglichen werden kann. 148 „Echte“ Saalbauten finden sich zumeist nur auf frühen Burgen, wie zum Beispiel auf der vor 1148 errichteten bischöflich-bambergischen Burg Griffen (Bezirk Völkermarkt). 149 Adelige Wohn- und Repräsentationsbedürfnisse, nicht zuletzt wohl der Wunsch nach einem privaten Bereich, führten relativ rasch zur Ausbildung von ausdifferenzierten Baukörpern, wie dem Saalgeschoßhaus oder dem Palas. 150 Der Baubefund Ausgerüstet mit historischem und bauhistorischem Vergleichsmaterial soll nun der ehemalige Heiligenstädter Berg- bzw. Zehenthof, das heutige Restaurant „Pfarrwirt“, dokumentiert und bewertet werden. 151 Er stellt sich als isolierter, Nord-Süd orientierter Baukörper dar, der mit Ausnahme der Nordseite durch Bauteile verschiedener Perioden erweitert wurde (Abb. 10). Er liegt etwas dezentral innerhalb einer unregelmäßigen Gartenparzelle, deren teilweise polygonale Umgrenzung auf den gewachsenen Strukturen ehemaliger Umfassungsmauern basiert, die ihn in entsprechender Form umgaben, heute aber nur noch

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Abb. 12: Detail- und Baualtersplan des Keller- bzw. Untergeschoßes des Berg- oder Zehenthofes. (Plan: G. Reichhalter)

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Abb. 13: Detail- und Baualtersplan des Erdgeschoßes des Berg- oder Zehenthofes. (Plan: G. Reichhalter)

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Abb. 14: Detail aus dem Kellergewölbe des Berghofes mit einem der integrierten Gurtbögen, Zustand 2007. (Foto: G. Reichhalter)

Abb. 15: Die Nordmauer des Berghofkellers mit zum Teil sichtbarem Bruchsteinmauerwerk, Zustand 2007. (Foto: G. Reichhalter)

im Norden, Osten und Süden in unterschiedlicher Höhe erhalten sind. Der Zugang erfolgt von Norden, vom Pfarrplatz her, über eine Toranlage, die wohl Teil einer umfassenderen randständigen Bebauung war. Die nordöstlichen und östlichen Umfassungsmauern grenzen das Areal vom ehemaligen Mesnerhaus und vom Pfarrgarten ab. Kernbau Der Kernbau ist als zweigeschoßiger Saal- bzw. Hallenbau zu typisieren, der eine Grundfläche von 24,65 (24,60) x 10,35 (10,05) m in Anspruch nimmt. Die Mauerstärke beträgt im unteren Geschoß durchschnittlich 0,85 m, im oberen zwischen 0,79 und 0,85 m. Das untere ragt teilweise über das heutige Hofniveau und bildet daher einen Halbkeller, das obere hingegen ein erhöhtes Erdgeschoß. 152 Der Keller ist gewölbt, das Erdgeschoß weist durchgehend flache Deckenkonstruktionen auf. Abgeschlossen wird der Bau durch ein relativ flaches Walmdach (Abb. 11).

Abb. 16: Detail der Westseite des Berghofes mit Fenstern zweier Bauphasen, Zustand 2007. (Foto: G. Reichhalter)

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Abb. 17: Der stark restaurierte Erker im sog. Beethovenhaus, Probusgasse 6 mit den ähnlich gestalteten Fenstern, Zustand 2007. (Foto: G. Reichhalter)

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Abb. 18: Segmentbogiges Trichterfenster zwischen nördlichem Endraum und östlichem Anbau des Berghofes, Zustand 2007. (Foto: G. Reichhalter)

Keller Der durchschnittlich 23 x 8,50 m große Raum ist nicht unterteilt (Abb. 12). Die Belichtung erfolgt durch hoch gelegene, an der Außenseite knapp über dem Boden liegende Fenster mit einfach abgefasten Steingewänden (lichte Weite 0,36 x 0,70 m) mit innerem Ladenfalz. Die Fenster sind in regelmäßigen Abständen angelegt, wobei an der westlichen und östlichen Langseite grundsätzlich vier Fenster, an der nördlichen Schmalseite zwei Fenster vorhanden sind. 153 Der heutige Zugang, ein rundbogiges Tor mit einfach abgefastem Steingewände, liegt an der Westseite und nimmt die Stelle der zweiten Fensterachse (von Norden) ein. Es ist vom Hof aus über eine Stiege innerhalb eines vorgelegten Erschließungsbaues zu erreichen. Der Keller wird von einem mächtigen Tonnengewölbe überspannt, dessen tiefe Stichkappen auf die Fenster der Langseiten und den Zugang Rücksicht nehmen. Die segmentbogigen Stürze der Fenster werden ein wenig von den Schildbögen der Stichkappen überschnitten, die beiden Fenster der nördlichen Schmalseite sind von der tief angesetzten Wölbung aber fast zur Hälfte überlagert. Im Scheitel des Gewölbes zeigen sich im Abstand von 5,25 bis 5,35 m insgesamt drei schmale, quer zur Raumachse verlaufende Zonen, die offensichtlich nicht mit der Wölbung binden und auch einen teilweise abweichenden Krümmungsradius aufweisen (Abb. 14). Ausschließlich im Keller ist das Mauerwerk des Baues einzusehen. Es besteht aus großen blockhaften Bruchsteinen, die partiell zu Lagen zusammengefasst sind, jedoch mit kleineren Steinen und Zwickelmaterial durchsetzt sind (Abb. 15). 154 Das Gewölbe besteht komplett aus Ziegeln, die – bezogen auf die Sichtfläche – als Läufer versetzt wurden. Erdgeschoß Wie im Keller befindet sich (ursprünglich) auch in dieser Ebene ein 23 m langer und 8,42–8,78 m breiter Saal mit einer Fläche von 195 m2. Zwei Quermauern bilden eine (sekundäre) Binnengliederung mit je einem kleinen Raum im Norden und Süden sowie einem größeren Raum im Zentrum (Abb. 13). 155

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Abb. 19: Rötel-Inschriften in der linken Leibung des ehemaligen Zuganges zum Kernbau des Berghofes, Zustand 2007. (Foto: H. Krause)

Die offensichtlich bewusste Anordnung der beiden rund 0,65 m starken Mauern lässt eine modulare, exakte 1:2:1-Gliederung erkennen. Während die kleineren Endräume jeweils 5,23 bzw. 5,35 m beanspruchen, erreicht der Mittelsaal 11–11,15 m Länge. Weitere, deutlich schwächere (abermals später eingebaute) Binnenmauern teilten den nördlichen Endraum und bildeten insbesondere im Mittelsaal eine mehrteilige, einen Flur integrierende Raumfolge. Sie wurden jedoch mit Ausnahme einer Quermauer im Mittelsaal und eines Ansatzes an der Ostseite dieses Raumes im Zuge der Adaptierungen von 1989 und 2007 abgebrochen. Die äußeren Mauern dieser Ebene sind von zahlreichen Öffnungen unterschiedlicher Zeitstellung durchbrochen. Die Belichtung erfolgt hauptsächlich durch große, relativ regelmäßig angeordnete und auf die Binnengliederung Bezug nehmende Fenster mit profilierten Steingewänden und rezenten Kastenfenstern. Daneben findet sich eine Reihe offensichtlich älterer Fenster, die keine systematische Anordnung zeigen (Abb. 16). Nachweisbar sind insgesamt acht dieser Fenster, „funktionsfähig“ und komplett erhalten sind aber nur noch zwei davon. Die Übrigen sind durch freigelegte Gewände oder restaurierte Putzfaschen indiziert. 156 Die meisten sind (bzw. waren) mit breiten, segmentbogigen Leibungen ausgestattet und besitzen hochrechteckige, mit Falz, Hohlkehle, Fase und Bank profilierte und mit innerem Ladenfalz versehene Steingewände (lichte Weite 0,46 x 1,21 m157). Ein Fenster der Ostseite besaß abweichend eine schmälere, leicht getrichterte Leibung. An der Ostseite findet sich zusätzlich ei-

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Abb. 20: Rötel-Darstellungen und Inschriften in der rechten Leibung des ehemaligen Zuganges zum Kernbau des Berghofes, Zustand 2007. (Foto: H. Krause)

ne schmale Lichtscharte mit einfach abgefastem Steingewände. Die konische Leibung der Scharte wird von der südlichen Binnenmauer fast komplett verstellt, die daher eine schräge Aussparung erhielt, um die Funktion der Öffnung noch teilweise zu gewährleisten. Eine weitere Fensteröffnung, die heute vom nördlichen Endraum in den östlichen Anbau weist, weckt wegen ihrer Form Interesse. Sie besitzt raumseitig eine querrechteckige Lichtöffnung (0,45 x 0,25 m) mit rezenter Verglasung und erweitert sich zum Anbau in Form eines segmentbogig überwölbten, breiten Trichters (Abb. 18). Der ursprüngliche Zugang in das Erdgeschoß befand sich an der Westseite, unmittelbar über dem Kellerabgang. Das heute als Fenster genutzte und verglaste ehemalige Portal liegt rund 0,80 m über dem heutigen Niveau des Erdgeschoßes. Es besitzt – eigentlich unüblich – ein innen liegendes Steingewände und eine stark nach außen getrichterte Leibung. Das Gewände ist über einem einfachen Ablauf abgefast und zeigt innen einen Falz für die Aufnahme des Türflügels. Der Sturz des Gewändes, der stark beschädigt und restauriert erscheint, kann wohl als ehemaliger Schulterbogen rekonstruiert werden. An den beiden Seiten der stark abgeschrägten Leibung sind originale Putzschichten mit Röteldarstellungen und -inschriften erhalten. Auf der linken Seite finden sich Schriftzeichen und zumindest ein interpretierbares Symbol, der Drudenfuß. Die Schriftzeichen sind jedoch nur noch rudimentär erhalten. So sind „Sebasch“, „Lat“ und die Ziffer 8 gerade noch lesbar (Abb. 19). Auf der rechten

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Abb. 21: Die südliche Binnenmauer im Erdgeschoß des Berghofes mit Öffnungen mehrerer Bauperioden zum „Prälatensaal“, Zustand während des Umbaues 2007. (Foto: H. Krause)

Seite ist neben einigen erhaltenen Schriftzeichen eine (?) Burg mit Türmen, Wohnbau, Torbau und Zinnenmauern gut erkennbar (Abb. 20). Diese dürften aus derselben Zeit stammen. Die linearen Darstellungen sind sekundär auf den Putz aufgebracht, während die vollflächig angelegten Dächer der Gebäude al fresco ausgeführt sind und zumeist eingeritzte Dachziegelstrukturen zeigen. Es liegen mehrere Darstellungen, Kritzeleien und auch Ritzungen übereinander, die nicht mehr alle vollständig zu lesen bzw. zu deuten sind. Vor allem in den Dachflächen finden sich zudem vielfältige Einritzungen, darunter kaum mehr lesbare Wörter, die später wieder zum Teil ausgekratzt wurden, sowie Wappen, unter anderem das des Stiftes Klosterneuburg. 158 Nördlich benachbart liegt der heutige Zugang, eine rechteckige Tür mit einfach profiliertem Steingewände, die in der Leibung Ausnehmungen für einen Balkenschub (?) zeigt. Vor Abbruch der Binnenmauern führte sie zunächst in einen Raum im Nordwesten des Mittelsaales, der wohl die Funktion eines Flurs besaß und von dem über einen schmalen Raum im Osten der östliche Anbau zu erreichen war. An der Ostseite zeigen sich raumseitig, unmittelbar nördlich der oben genannten Lichtscharte, die Reste eines steinernen Gewändes mit innerem Falz, das von einer kleinen Tür stammt. Die einstige Funktion dieser Öffnung, deren Schwelle ebenfalls über dem heutigen Begehungsniveau liegt, bleibt unbekannt. 159 Weitere Türen, die zum Teil durch Umbau großer Fenster entstanden, führen in den östlichen Anbau bzw. in die östlich angebaute Veranda. Die beiden Binnenmauern besitzen bzw. besaßen eine Reihe von Öffnungen unterschiedlicher Form und Zeitstellung. Im Westen der nördlichen Mauer, zum Teil in die Leibung des Zugangs ragend, ist die Hinterladeröffnung eines Ofens mit eisernem Flügeltürchen erhalten. In der Mitte der südlichen Binnen-

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mauer ist eine Rundbogentür mit abgefastem, beschädigtem Steingewände freigelegt, deren Schwelle 0,95 m über dem heutigen Boden liegt. Zur Erschließung des südlichen Endraumes dienen heute zwei Türen, die westliche besitzt eine rechteckige, profilierte Steinrahmung, die östliche an ihrer Südseite eine hölzerne Zarge mit Ohrenrahmung (Abb. 21). Im Westen ist die Mauer für die ehemalige Hinterladeröffnung eines Ofens leicht verstärkt. Eine weitere Ofentür befand sich an der Ostseite des Mittelsaales im entsprechend verstärkten und erhalten gebliebenen Teil einer sonst abgetragenen Binnenmauer. Der Aufbau der flachen Deckenkonstruktionen des Erdgeschoßes konnte anlässlich der Umbauarbeiten 2007 beobachtet werden. Zumindest im Bereich des Mittelsaales bestehen quer zur Hauptachse gespannte Dippelbaumdecken, die in der Mitte des Raumes gestoßen sind. Sie ruhten auf der abgetragenen, Nord-Süd orientierten Binnenmauer, die durch einen modernen Unterzug ersetzt wurde. Eine ähnliche Situation zeichnet sich auch im nördlichen Raum ab, wo offensichtlich der obere Teil einer entsprechend verlaufenden Binnenmauer als Träger der Dippelbäume belassen wurde. Als Putzträger wurden Strohmatten aufgebracht. Im zentralen und im nördlichen Raum finden sich an der Decke einfache, auf die einstige Binnengliederung Bezug nehmende Putzfelder. Der südliche Endraum, der auch als „Prälatensaal“ bezeichnet wurde, besitzt hingegen eine Spiegeldecke mit relativ aufwendigem, aus Medaillons und zartem Rankenwerk bestehendem Stuckdekor, darunter sich mit Weinranken und Trauben vergnügende Putten. Das zentrale Putzfeld rahmt ein ovales Ölbild, das in einem Band die Inschrift ECCE DABANT SUAE DEI SUNT DEO („Siehe, sie gaben Gott, was Gottes ist“)160 trägt. Die hervorgehobenen Buchstaben sind im Original in roter Farbe und ergeben in der Summe die Jahreszahl 1711. Einblicke in das Mauerwerk im Bereich des Erdgeschoßes waren nur punktuell während des Umbaues möglich und ließen erkennen, dass für die Außenmauern und die beiden Binnenmauern wohl ausschließlich reines Bruchsteinmauerwerk zur Anwendung kam. Lediglich die verbliebene schwache Trennmauer innerhalb des Mittelsaales besteht aus Ziegeln. Östlicher Anbau Der Ostseite ist dezentral ein kleiner zweigeschoßiger Anbau vorgelegt (Abb. 12–13). Er bedeckt eine Fläche von 6,95 x 5,52 m, die Mauerstärke beträgt zwischen 0,94 und 0,80 m. Durch das Einrücken des Anbaus um knapp 2,40 m von der Nordfront wurde auf ein vorhandenes Fenster im Erdgeschoß des Kernbaues Rücksicht genommen, das seine Funktion beibehalten sollte. Beide Geschoße sind gewölbt, ihre Höhe korrespondiert nicht mit jener des Kernbaues, so dass die jeweiligen Zugänge nur über kurze Stiegenläufe zu erreichen sind. Der Bauteil besitzt ein Satteldach mit gemauertem Giebel an der Ostseite. Erdgeschoß Der 5,15 x 4,49 m in der Lichte messende Raum wurde ausschließlich von Süden durch eine konische Scharte mit abgefastem Steingewände (lichte Weite

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0,24 x 0,60 m) belichtet. Betretbar ist der Raum von Norden her über eine spitzbogige Tür mit abgefastem, mittelschlüssigem Steingewände (lichte

Weite 0,86 x

1,89 m), das von einer breiten, weißen Putzfasche mit krönendem Kreuz gerahmt wird (Abb. 22). Später wurde nutzungsbedingt ein weiterer Zugang von Süden angelegt. Der Raum besitzt ein einfaches Kreuzgratgewölbe. Sein Begehungsniveau liegt 1,32 m über dem des Kellers. Daher war eine kleine Stiege nötig, um die Differenz zwischen der Türschwelle und dem Raumniveau zu überbrücken. Obergeschoß Dieser 5,35 x 4,69 m in der Lichte messende Raum weist im Gegensatz zum Erdgeschoß mehrere Fenster auf. An der Nordseite besitzt er eine segmentbogige Öffnung (Abb. 22) mit profiliertem (Falz und Fase) Steingewände (lichte Weite 1 x 1,05 m),161 an der Südseite ein Fensterchen (lichte Weite 0,36 x 0,70 m) mit ähnlicher Profilierung (mit zusätzlichem Ablauf) und Steckgitter. Später wurde an der Nord- und Südseite je ein weiteres Fenster angelegt. An der Westseite befindet sich das bereits angesprochene trichterförmige Fenster, das heute vom nördlichen Endraum des Kernbaues in den Anbau weist (Abb. 18). Der Zugang erfolgt vom zentralen Raum des Kernbaues über eine rechteckige Tür mit profiliertem Steingewände. Da Abb. 22: Nordseite des östlichen Berghofanbaues mit Spitzbogenportal (mit Kreuzfasche) und Segmentbogenfenster, Zustand 2007. (Foto: G. Reichhalter)

der Boden des Anbaus um 0,86 m höher liegt, war zusätzlich eine kleine, zum Teil in der Türleibung liegende Stiege notwendig. Unmittelbar benachbart liegt das Gewände ei-

ner analog ausgebildeten, später vermauerten Tür, die den nördlichen Endraum des Kernbaues mit dem Anbau verband. Der Raum weist eine relativ komplizierte Gewölbelösung auf. Ein abgefaster Pfeiler und zwei Gurtbögen stützen eine in die Südost-Ecke eingebaute, mehr als ein Viertel des Raumes beanspruchende Rauchabzugshaube. Der verbleibende L-förmige Teil ist mit drei kleinen Kreuzgratgewölben geschlossen, die sich auf den Mittelpfeiler und die Gurtbögen stützen. Westlicher Anbau Ein schmaler Anbau befindet sich fast genau gegenüber an der Westseite. Sein Untergeschoß integriert einen gewölbten Kellerhals mit der steilen Stiege zum Keller. Über eine Freitreppe gelangt man von Norden in die obere Ebene, die als verglaste Veranda gestaltet ist und den Zutritt zum Erdgeschoß des Kernbaues ermöglicht (Abb. 11). Die Veranda schützt heute auch das ursprüngliche, nunmehr außer Funktion gesetzte Portal, das wie oben beschrieben scheinbar verkehrt – mit breiter äußerer Leibung – angelegt ist. Dies ließe vorwegnehmend vermuten, dass auch ein äußeres Portal bzw. ein äußeres Tor vorhanden war, das innerhalb eines kleinen Erschließungsbaues lag. Das mas-

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sive Untergeschoß des Anbaues würde auf einen solchen Bauteil hindeuten. Außen ist sein Mauerwerk aber verputzt und das Gewölbe des Kellerhalses, dessen Scheitel zum Teil in das Obergeschoß ragt, besteht aus Ziegeln, die heute weiß übertüncht sind. Südlicher Anbau Die Südfront des Kernbaues ist durch einen Erker akzentuiert, der zum südlichen Endraum des Erdgeschoßes gehört (Abb. 23). Seine stark nach Westen verschobene Lage erklärt sich wohl ebenfalls durch eine vorhandene Fensteröffnung in der östlichen Hälfte der Mauer, die bestehen bleiben sollte (Abb. 13 und 23). Der 3,09 m breite Erker ragt 1,54 m vor die Baulinie. Er wird von zwei bis zum Boden reichenden Mauerwangen getragen, zwischen denen ein kleines Tonnengewölbe gespannt ist. Zwei freigelegte Konsolen lassen aber vermuten, dass der Bauteil ursprünglich nur auf solchen ruhte und erst später massiv unterfangen wurde. An der Vorderseite wird der Erker von einem großen Rechteckfenster durchbrochen, das denen des Kernbaues gleicht, seine Flanken besitzen kleine Spionfenster. Die Kanten tragen eine grau-weiße Putzquaderung, die Spione breite, „auf Gehrung“ geschnittene Putzfaschen. Das Innere ist mit einem kleinen Tonnengewölbe geschlossen, das mit teilvergoldetem Stuckdekor versehen ist.

Abb. 23: Südfront des Berghofes mit Erker, Blick von Südosten, Zustand 2007. (Foto: G. Reichhalter)

Zwei Putten halten das Stifts- und Propstwappen, im darüber angebrachten Schriftband ist zu lesen (Abb. 24): ERNESTI PALMAE FLORENT IN MONTIBUS

Abb. 24: Das stuckierte Gewölbe des Erkers im Süden mit Spruchband, Stifts- und Propstwappen, Zustand 2009. (Foto: G. Reichhalter)

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ALMAE („Ernests segenspendende Palmen blühen auf den Bergen“)162. Die raumseitigen Ecken des Erkers sind zum Teil stark abgeschrägt. Östliche Veranda An der Ostseite wurde für die gastronomische Nutzung eine hölzerne Veranda errichtet, die den einspringenden Winkel zwischen dem Kernbau und dem kleinen Anbau nutzt, wegen des Geländeabfalles an der Südseite aber stark abgeschrägt werden musste. Sie ist zweigeschoßig, wobei ihre Ebenen den heutigen Niveaus des Kernbaues entsprechen. Äußere Stiegen im Norden und Süden vermitteln zwischen Hof und den einzelnen Geschoßen, eine innere Stiege dient der Interkommunikation zwischen sämtlichen Gebäudeteilen bzw. deren Ebenen. Das Hofareal Der Kernbau wird im Norden, Osten und Süden von Resten von UmfassungsAbb. 25: Ehemaliges, heute von Anbauten verstelltes Tor in der nördlichen Umfassungsmauer, Zustand 2007. (Foto: H. Krause)

mauern umgeben, die durchschnittlich 3–4 m hoch erhalten sind und deren Verlauf von den angrenzenden gewachsenen baulichen Strukturen und vom Gelände abhing (Abb. 10). 163 Toranlage und Ostabschnitt der nördlichen Umfassungsmauer Der Zugang vom nördlich gelegenen Pfarrplatz erfolgt über ein breites Rundbogentor mit einfach abgefastem Steingewände. Das Tor liegt in einem schräg, etwa Südwest-Nordost verlaufenden Abschnitt der Mauer, die an die Südwest-Ecke des benachbarten Hauses Nr. 4 anschließt. An der Innenseite der Tormauer setzt rechts des Tores unverzahnt (?)164 eine rechtwinkelig ablaufende, somit Nordwest-Südost orientierte Mauer an, die einen aus verwitterten Sandsteinen bestehenden Schrägsockel aufweist. Durch zwei stumpfe Abwinkelungen ist sie gegenüber dem „Berghof“ zunächst konvex ausgebildet und läuft erst im östlichen Abschnitt geradlinig nach Osten. Als Teil der nördlichen Umfassungsmauer bildet sie gleichzeitig die Grenze zum Haus Nr. 4. An der ersten Abwinkelung springt ein 0,30 m breiter Mauerpfeiler vor, dessen Basis von einem stark abgenutzten Radabweiser gebildet wird. Dies deutet wohl auf eine einstige Torhalle, die sich zum Hof mit einem großen Bogen öffnete und hypothetisch Teil eines Torbaues war. Der zentrale Abschnitt der Mauer ist beidseitig durch jüngere Zubauten verdeckt, erst der östliche Abschnitt ist bzw. war wieder sichtbar. 165 Hier findet sich der Rest eines Rundbogentores, das großteils unter dem heutigen Niveau liegt. Der Bogen besteht aus mehreren, sauber bearbeiteten Werksteinsegmenten und ist nicht abgefast. Darüber ist ein Entlastungsbogen aus radial versetzten Bruchsteinen zu sehen (Abb. 25). Die zugänglichen Abschnitte der Mauern zeigen ein bedingt lagerhaft versetztes, eher kleinformatiges Bruchsteinmauerwerk. Der Ziegelanteil ist gering, lediglich punktuell, wie an den Kanten der Leibungen, wurde offenbar häufiger zu Ziegeln gegriffen. An wenigen Stellen, beispielsweise im Bereich der Torhalle, ist alter Flächenputz erhalten. Der östliche Teil zeigt – im Garten des Hauses

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Nr. 4 – eine durchgehende rötliche Verfärbung, die wohl auf Brandeinwirkung zurückzuführen ist. 166 Die Umfassungsmauer im Osten Die relativ gerade verlaufende östliche Umfassungsmauer bildet zugleich die Grenze zum Pfarrgarten und endet südlich am Geländeabfall zur Grinzinger Straße. Im nördlichen Abschnitt findet sich eine Gruppe zugesetzter Öffnungen, drei kleine Fensterluken und eine Tür, die aufgrund ihrer Orientierung einer nicht mehr erhaltenen Bebauung im Bereich des Pfarrgartens zuzuweisen sind (Abb. 26). 167 Die Steingewände der Fenster sind allseitig abgefast, die Leibungen, die vom Pfarrgarten aus zu beobachten sind, bestehen aus Bruchsteinen und die flachen Stürze aus dünnen Steinplatten. 168 Etwa in der Mitte der Mauer ist das abgefaste Gewände eines zugesetzten Schulterbogenportals zu beobachten. An der Seite zum Pfarrgarten befindet sich in diesem Bereich eine kleine vermauerte Nische mit giebeligem Sturz. Ob sie lagemäßig übereinstimmen, konnte nicht überprüft werden. 169 Im Süden endet die Mauer mit einer geraden Abmauerung. Das durchwegs vorhandene Bruchsteinmauerwerk ist nur bedingt lagerhaft,

Abb. 26: Zugesetzte Fensterluke eines nicht mehr erhaltenen Gebäudes an der östlichen Umfassungsmauer, Zustand 2007. (Foto: G. Reichhalter)

sehr kleinteilig und gering mit Mauerziegeln (bzw. Ziegelbruch) durchsetzt. Die Vermauerungen der Öffnungen bestehen überwiegend aus Ziegeln bzw. aus Mischmauerwerk, in dem auch Dachziegel auftreten. Südlich des Schulterbogenportals ist ein Wechsel zu reinem Ziegelmauerwerk zu beobachten. Die Umfassungsmauer im Süden Im Süden ist die Umfassungsmauer als durchschnittlich 4–5 m hohe, mehrfach abgewinkelte und durch Pfeiler gestützte Futtermauer ausgebildet, die den Geländeabfall zur Grinzinger Straße verkleidet. Die Mauern bestehen aus Bruchsteinen, die zum Teil netzhafte, zum Teil blockhafte Strukturen zu bilden scheinen, in den oberen Zonen jedoch stark mit Ziegeln durchsetzt bzw. ausgezwickelt sind. Die westliche Begrenzung An der Westseite, zur Nestelbachgasse hin, sind nur niedrige Terrassenmauern und Einfriedungen vorhanden. Hier finden sich jedoch zum Teil regelmäßige, hammerrecht bearbeitete Blöcke und einige Werksteine mit Gitterlöchern, die als Spolien zu werten sind. Die nördliche Umfassungsmauer westlich des Torbaues Die nördliche Umfassungsmauer westlich des Torbaues weist eine relativ komplexe Befundsituation auf. Die flankenförmig vorspringende Tormauer schließt an den Rest einer West-Ost verlaufenden Mauer (Mauerstärke 0,77 m) an, die wohl den ursprünglichen Abschluss gegen den Platz hin bildete. Dem westlichen Abschnitt dieser Mauer ist außen ein kleines eingeschoßiges Gebäude (Kiosk) angebaut. Östlich, wo die schräge, zusätzlich einmal abgewinkelte Mauer der Toranlage ansetzt, ist sie hofseitig durch einen jüngeren (?) Stützpfeiler abgesichert. In dem kurzen, unverbauten Abschnitt zwischen Gebäude und

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Abb. 27: Spitzbogenfenster an der nördlichen Umfassungsmauer, westlich der Einfahrt, Zustand 2007. (Foto: G. Reichhalter)

Toranlage befindet sich knapp über dem heutigen Boden ein stark nach außen getrichtertes, gedrücktes Spitzbogenfenster (Die lichte Weite vergrößert sich von innen nach außen von 0,51 auf 1,61 m, die Scheitelhöhe bei fast ebener Sohle von 0,67 auf 1,49 m). Die Leibung ist rezent weiß verputzt, eine ebensolche Putzfasche hebt die Öffnung vom rosafarbenen Verputz an der Außenseite der Mauer ab (Abb. 27). Innen ist die Mauer unverputzt und zeigt ein kleinteiliges, regelloses Bruchsteinmauerwerk aus rundlichen Steinen, in dem sich kleine, abgegrenzte Einschübe aus Ziegeln mit Handabstrich finden. Im Bereich der Öffnung ist ein stärkerer Ziegelzusatz zu beobachten, der Bogen besteht komplett aus radial versetzten Ziegeln, die hinsichtlich Farbe und Format differieren und ebenfalls Handabstrich erkennen lassen. Ein geringer Anteil der Steine zeigt eine rötliche Verfärbung, die wohl auf Brandeinwirkung deutet. 170 Durch zwei unterschiedliche Mörtel ist auf zumindest einen späteren Eingriff zu schließen. 171 An der Ostmauer des kleinen Gebäudes, die die Öffnung westlich flankiert, ragen auf einem 2,30 m breiten Abschnitt die Köpfe rundlicher, unregelmäßig angeordneter Steine aus dem Verputz. 172 Zusammenfassende Beurteilung Der Kernbau Der Kernbau der Anlage stellt sich als langrechteckiger, zweigeschoßiger Baukörper dar, der als (ehemaliger) Saalbau anzusprechen ist (Abb. 12–13). Beide Geschoße besaßen spezielle Funktionen. Das nicht unterteilte Keller- bzw. Untergeschoß bot ausreichend Raum für wirtschaftliche Nutzung. Die kleinen, rundum angebrachten und nach Bedarf zu verschließenden bzw. zu öffnenden Fenster dienten der Regelung des Temperatur- und Feuchtigkeitshaushalts. 173 Das erhöhte Erdgeschoß, das ursprünglich eine dem Keller entsprechende Nutzfläche bot, war schon primär mit überwiegend großen Fenstern wohn-

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lich-repräsentativ ausgestattet. Die Fenster sind aufgrund der überhöhten Form174 und den allseitigen Profilierungen der Gewände, die noch keinen Ablauf besitzen, dem 14. Jahrhundert zuzuweisen (Abb. 16). 175 Sie sind vergleichbar mit den zwei Fenstern im Erker des nahen „Beethovenhauses“, Probusgasse 6 (Abb. 17). 176 Die etwas unregelmäßige Anordnung der Fenster, die innen breite, segmentbogige, ursprünglich bis zum Boden reichende Nischen besitzen, lässt kaum Rückschlüsse auf die ursprüngliche innere Organisation zu. Lediglich die schmale Lichtscharte und die benachbarte Tür an der vom Zugang abgewandten Ostseite in der südlichen Hälfte des Baues lassen vermuten, dass sich hier zunächst ein untergeordneter Bereich, möglicherweise auch ein Abtritt befand. Zugang Die unterschiedlichen funktionellen Bedürfnisse zeigen sich auch anhand der Zugänge zu Keller- und Erdgeschoß. Jener des Kellers im Westen ist in Form einer (Stiegen-)Rampe ausgebildet, über die auch schwere Lasten direkt vom Hof eingebracht werden konnten. Anstelle der heutigen Veranda dürfte sich primär ein massiver Erschließungsbau befunden haben, der einen für Wirtschaftsanlagen typischen Kellerhals bildete. Derartige Bauteile bestanden aus zwei, dem Tor außen vorgelegten Mauerwangen und einem dazwischen gespannten kleinen Tonnengewölbe und dienten dem (Witterungs-)Schutz der Abgangsrampe und des eigentlichen Tores. Über sie führte meist auch der Zugang in das Obergeschoß. Eine Untersuchung ergab jüngst,177 dass derartige Erschließungsbauten schon im 14. Jahrhundert zum Standard von Speichern gehörten. Regional sind sie auch in Form eines internen, Z-förmigen Kellerganges ausgebildet, womit sie Schutz vor Wetter und Feuer gaben. 178 Mitunter finden sich derartige Erschließungsbauten auch an Sitzen des Niederadels. 179 Die „verkehrte“ Orientierung des Gewändes des ursprünglichen Zugangs zum Erdgeschoß180 im Westen setzt zweifellos ein weiteres Portal voraus, das entsprechend angelegt und auch verschließbar war. In Anlehnung an adelige Profanbauten ist dieses als Hocheinstieg zu denken, der im oberen Geschoß des wohl zweigeschoßig ausgebildeten Erschließungsbaues lag und möglicherweise über eine Treppe oder hölzerne Rampe erreichbar war. 181 Das Ziegelmauerwerk des heutigen Kellerhalses stammt möglicherweise von einem späteren Umbau. Auch das Portal zum Keller, dessen rundbogiges Gewände mit dem Raum innen fluchtet und daher keine Verschließbarkeit bot, dürfte einer sekundären Veränderung angehören. Inwieweit sich der mittelalterliche Erschließungsbau innerhalb der heutigen Bausubstanz erhalten haben könnte, ist durch den weitgehend deckenden Putz nicht zu erfahren gewesen. Graffiti Die mit Rötel ausgeführten Graffiti in der Leibung des alten Zugangs sind für den Wiener Raum eine Besonderheit (Abb. 19–20). 182 Für Österreich und angrenzende Gebiete finden sich für das Mittelalter und die frühe Neuzeit einige, in unterschiedlichen Techniken ausgeführte Vergleiche an Objekten verschiedener Funktion. 183 Das vorliegende Bild der Burg könnte aufgrund der Darstel-

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lung von Schlüssellochscharten ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstanden sein. 184 Die Schrift datiert dagegen in die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts. 185 Das auf der linken Seite lesbare Lat[…] ist in Kanzleischrift verfasst. Der – hier etwas verzogen gezeichnete – Drudenfuß wurde im Mittelalter und in der frühen Neuzeit häufig an Fenstern oder Türen angebracht, um die Bewohner vor Unheil zu schützen. 186 Eine Stube? Das trichterförmige Segmentbogenfenster (Abb. 18), das heute den nördlichen Endraum mit dem östlichen Anbau verbindet, lässt möglicherweise Rückschlüsse auf die einstige innere Organisation des Kernbaues zu. Die Form der Öffnung ähnelt den charakteristischen Fenstern von Block- oder Bohlenstuben. 187 Ein derartiger Raum diente dem Aufenthalt während der kalten Jahreszeit und war daher komplett aus Holz gezimmert sowie mit einem Kachelofen188 rauchlos beheizbar. Sie ist seit dem 13. Jahrhundert nachweisbar189 und gehörte ab dem 14. Jahrhundert in relativ entwickelter Form zum Wohnstandard adeliger, bürgerlicher und wohl auch bäuerlicher Schichten. Die Stube besaß speziell ausgebildete Fenster, die mit den hölzernen Elementen in Verband standen sowie klein und gut verschließbar waren. Um einen besseren Lichteinfall zu gewährleisten, wurden die Öffnungen im Mauerwerk stark getrichtert ausgeführt. 190 Darüber hinaus waren die Fenster beinahe regelhaft zu mehrteiligen Gruppen zusammengefasst (Abb. 6). 191 Bezüglich des Berghofes lässt dies vermuten, dass die Öffnung nur Teil einer solchen Gruppe war, die womöglich durch spätere Einbauten, wie die der beiden Türen südlich davon, vollständig zerstört wurde. Aufgrund des Umstandes, dass sich in der West-, Nord- und (eng benachbart) auch in der Ostmauer des Baues primäre Fenster befanden, die nichts mit der vermuteten Stube zu tun haben können, dürfte diese nur mit der Ostmauer mit dem Trichterfenster in Verband gestanden sein, westlich und nördlich hingegen Platz für schmale Räume gelassen haben. Nach der Fensterform ist auf eine Entwicklungsstufe der Stube zu schließen, die ab dem späten 13. und während des 14. Jahrhunderts nachweisbar ist. 192 Datierung des Kernbaues Die aussagekräftigen Detailformen datieren den primär mit einem Erschließungsbau ausgestatteten Kernbau in das 14. Jahrhundert. Das vermutete Stubenfenster ist als weiteres Indiz für diese Zeitstellung zu betrachten. Unverputztes Mauerwerk ist nur an den beiden Stirnseiten des Kellers bzw. war während der letzten Renovierung 2007 an einigen kleinen Bereichen des Erdgeschoßes zu sehen (Abb. 15). Soweit sichtbar, widerspricht es der Datierung nicht. Der östliche Anbau Der östliche Anbau zeigt sich als sekundäre Erweiterung, die zwischen zwei vorhandene Fenster des Kernbaues gestellt wurde. Geht man von der Existenz der Stube aus, hätte er ab diesem Zeitpunkt deren Befensterung außer Funktion gesetzt. Sein Untergeschoß weicht vom Niveau des Kellergeschoßes des

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Kernbaues ab, sein Obergeschoß korrespondierte jedoch genau mit dessen ursprünglicher oberer Ebene (siehe unten). Der primäre Zugang zum Untergeschoß erfolgte durch das Spitzbogenportal an der Nordseite (Abb. 22), jener zum Obergeschoß ist wohl durch spätere Umbauten verschwunden. Die Formen der Türen und Fenster weisen in verschiedene Zeiten. Das Portal an der Nordseite spricht aufgrund des mittelschlüssigen Gewändes und der kreuzgekrönten Putzfasche für das 14. Jahrhundert. Putzfaschen an Fenstern und Türen waren im Spätmittelalter durchwegs üblich, wobei sowohl monochrome wie auch polychrome, überaus prächtige Varianten bekannt sind. 193 Die Form mit aufgesetztem Kreuz besitzt eine Reihe von Parallelen. Naheliegend erscheinen sie an Sakralbauten oder -räumen, wie der Filialkirche von Kleinzwettl (Bezirk Waidhofen an der Thaya)194, der Pfarrkirche von Mariahof (Bezirk Murau)195, der Burgkapelle von Freistadt (Bezirk Freistadt)196 oder einem Fenster der Burgkapelle von Kronsegg (Bezirk Krems)197. Aber auch am Burgtor von Hohenwang (Bezirk Mürzzuschlag)198, am Eingang zum Wohnturm von Drasendorf (Bezirk St. Veit an der Glan)199 oder an einem hoch gelegenen (ehemaligen) Portal am Bergfried der Burg Finstergrün (Bezirk Tamsweg)200 finden sich Beispiele. Obwohl Sakralbauten die Mehrheit bilden, tritt derartiger Schmuck somit eindeutig auch an profanen Bauten bzw. Bauteilen auf. Ob damit auf einen kirchlichen Eigentümer hingewiesen werden sollte oder – wie die Beispiele an Toren zeigen – ein apotropäisches Zeichen gesetzt werden sollte, bleibt offen. Für Kronsegg und Finstergrün steht eine Datierung in das 14. Jahrhundert aufgrund des Baubefunds außer Zweifel, für Drasendorf erscheint sie zumindest möglich. Das segmentbogige Fenster an der Nordseite erinnert aber an die erst im 15. Jahrhundert auftretenden Ausgabefenster von Küchen (Abb. 22). 201 Auch das vergitterte Fenster an der Südseite spräche aufgrund der Profilierung und des einfachen Ablaufs für das 15. Jahrhundert. Beide könnten aber im Zuge eines späteren Umbaues hinzugekommen sein. 202 Das tief herabgezogene Kreuzgratgewölbe des Untergeschoßes überschneidet ein wenig die Leibung des Portals und ist somit als späterer Einbau zu werten. Das Gewölbe des Obergeschoßes, das sich zusammen mit dem Rauchabzug auf einen polygonal abgefasten Mittelpfeiler stützt und daher eine entsprechende Basis benötigte, dürfte zeitgleich anzusetzen sein. Durch die Gewölbe war das Bodenniveau des Obergeschoßes festgelegt, so dass es bei der Absenkung des Bodens im Kernbau (siehe unten) belassen werden musste. Die Gewölbe sind daher vor diesem Umbau anzusetzen. Nach dem Dehio erfolgte der Einbau der „Rauchküche“ im zweiten Drittel des 16. Jahrhunderts, was hinsichtlich der Pfeiler- und Gewölbeform plausibel erscheint. Die wohl von der Kreuzfasche abgeleitete Angabe, dass es sich bei dem Anbau um eine Kapelle handelte, lässt sich jedoch durch kein einziges schlüssiges Indiz bestätigen und auch mit der Struktur des Bauteils nicht vereinbaren. 203

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Spätmittelalterlicher Innenausbau Dass der große Saal schon anfangs durch hölzerne Wände abgeteilt war, ist nicht nur denkbar, sondern hinsichtlich der Schaffung einer funktionell ausdifferenzierten Raumfolge, die letztlich wohl auch einen Wohnbereich mit Stube umfasste (siehe oben), vielmehr wahrscheinlich. 204 Erst sekundär wurde der große Saal durch zwei massive Binnenmauern im Norden und Süden abgeteilt, wodurch zwei kleinere „Endräume“ und ein größerer Mittelraum entstanden. Als Indiz für diesen Umbau ist die von der südlichen Mauer verstellte Lichtscharte an der Ostseite zu werten. Für sie musste die neue Mauer mit einer schrägen Aussparung versehen werden, um ihre Funktion zumindest teilweise zu erhalten. Während an der nördlichen Binnenmauer nur mehrere jüngere Durchbrüche zu beobachten sind, wurde an der südlichen ein zentrales Rundbogenportal freigelegt, das den Zutritt zum südlichen Raum gestattete (Abb. 21). Durch das Detailaufmaß zeigte sich, dass die beiden Binnenmauern genau dort verlaufen, wo sich im Kellergewölbe zwei der nicht einbindenden Zonen befinden, die nördliche und südliche. Dabei handelt es sich offensichtlich um ehemalige Gurtbögen, die den Keller in vier gleich große Abschnitte gliederten (Abb. 14). Bei der Errichtung der beiden Binnenmauern wurden der nördliche und südliche Gurtbogen als Auflager verwendet. Die systematische Anordnung der Gurtbögen und die halb vermauerte Lichtscharte an der Ostseite lassen schließen, dass die Bögen bei der Errichtung der Mauern vorhanden waren und ihren Verlauf festlegten. 205 Die aus Ziegeln gemauerten Gurtbögen gehörten wohl zu einer älteren hölzernen Deckenkonstruktion. Wie der Niveauunterschied von durchschnittlich 0,86 m zwischen den Schwellen der alten Öffnungen im Erdgeschoß und dem heutigen Boden zeigt, lag diese ursprünglich entsprechend höher. Das Gewölbe des Kellers ist demnach eine jüngere, neuzeitliche Baumaßnahme, bei der die älteren Bögen fast komplett eingeschlossen wurden und das Niveau des Erdgeschoßes tiefer gelegt wurde, was dann auch eine komplett neue Erschließung und Befensterung erforderte. Der an der Südseite vorspringende Erker ist wahrscheinlich im Zuge der Abteilung des südlichen Endraumes entstanden. Er wurde seitlich durch typische Spionfensterchen belichtet. Das obligate primäre Frontfenster, das wohl einen Blick in das Tal des Grinzinger Baches bot, ging bei einem späteren Umbau verloren. Die Absenkung des ursprünglichen Bodenniveaus ist auch an diesem Bauteil abzulesen. Die Ecken der Erkerleibung sind durch starke, oben gekehlt auslaufende Abschrägungen ersetzt, die bis zum alten Boden reichten und dann nach unten verlängert werden mussten. Auch die Unterfangung des Erkers an der Außenseite wurde durch diesen Umbau notwendig (Abb. 23). Im Süden war somit ein ca. 46 m2 großer Raum vorhanden, der neben dem Erker durch mehrere große Fenster belichtet wurde und als eindeutig bevorzugter Wohn- und Repräsentationsbereich zu deuten ist. Möglicherweise war auch der nördliche Endraum entsprechend gestaltet, denn in beiden wurden Reste übermalter Wandmalereien festgestellt. 206 Zur Zeit des Umbaues im Jahr

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2007 waren im südlichen Raum noch spärlichste, unzusammenhängende Reste zu sehen, die heute unter dem deckenden Neuverputz verborgen sind. Die Binnenwände und der Erker wurden aufgrund der Detailformen im Spätmittelalter, nicht zwingend gleichzeitig, hinzugefügt. Der Erker ist frühestens um 1400, wahrscheinlicher im Laufe des 15. Jahrhunderts entstanden. 207 Frühneuzeitliche Umbauten Der Kernbau wird heute durchgehend von großen Rechteckfenstern belichtet, die zumeist klar auf die Binnengliederung Bezug nehmen. Sie besitzen leicht konisch nach innen erweiterte Leibungen und steinerne, einfach profilierte Gewände, die auf mehrfach profilierten Sohlbänken ruhen (Abb. 11 und 16). Die mehrere Zentimeter vor die Mauerschale tretenden Leistenprofile weisen die Fenster als frühneuzeitliche Zutat aus. Gleichartig profiliert sind auch der westliche Zugang, das westliche Portal in der südlichen Binnenmauer sowie die beiden Portale zum östlichen Anbau. Während dieser frühneuzeitlichen Adaptionen bzw. Erneuerungen dürfte wohl auch eine neue Binnengliederung entstanden sein (Abb. 13). Der nördliche Endraum wurde durch eine mittige, Nord-Süd verlaufende Mauer unterteilt. In ihrer Verlängerung wurde auch der zentrale Raum mittels einer entsprechenden Mauer gegliedert, so dass mit Ausnahme des südlichen Endraumes nunmehr ein durchgehend zweihüftiges Gefüge vorhanden war. Im Norden des Mittelsaales wurde dabei ein schmaler flurartiger Raum angelegt, der die Verbindung zum östlichen Anbau herstellte. Die Trennmauer des nördlichen Endraumes wurde vermutlich nach 1989 bis auf einen als Unterzug dienenden Rest abgetragen, jene des Mittelsaales ebenfalls nach 1989208 bzw. (der nördliche Teil zusammen mit dem kleinen Flur) erst 2007. 209 Die einfachen Stuckspiegel an den Decken nehmen auf die ehemaligen frühneuzeitlichen Raumfolgen Bezug und sind somit entsprechend zu datieren. Da zu erkennen war, dass die Dippelbaumdecken des zentralen Raumes und vermutlich auch des nördlichen Endraumes oberhalb der frühneuzeitlichen Mauern gestoßen waren, diese daher als Auflager benötigten, ist von einem zeitlichen Bezug dieser Bauteile untereinander auszugehen. Nach Abbruch der Mauern musste diesem Umstand durch moderne Unterzüge Rechnung getragen werden. Wie die Deckenkonstruktion im südlichen, wohl nie unterteilten Endraum gestaltet ist, konnte nicht festgestellt werden. 210 In dieser Zeit wurden auch mehrere Kachelöfen errichtet bzw. auch die nötige Infrastruktur dafür geschaffen. Einer der Öfen stand vermutlich in der SüdwestEcke des nördlichen Endraumes. Seine Hinterladeröffnung, die sekundär in die mittelalterliche nördliche Binnenmauer gebrochen werden musste, ist im Nordwesten des Mittelsaales, teilweise in die Leibung des Zugangs ragend, erhalten geblieben. Ein weiterer Ofen stand in der Nordwest-Ecke des südlichen Endraumes. Seine Bedienöffnung wurde durch die südliche Binnenmauer gebrochen, die wegen der Aufnahme des Rauchabzuges in diesem Bereich etwas verstärkt werden musste. Ein dritter Ofen ist im Nordosten des Mittelsaales zu rekonstruieren, wo er vom Flur zum östlichen Anbau bedient werden konnte. Die Hinterladeröffnung ist im verstärkten Rest der Mauer erhalten geblieben, die

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den Flur abtrennte. Die Bedienöffnungen waren mit eisernen, in einen schmalen Falz eingreifenden Türen zu verschließen. Die Kachelöfen gehörten samt Infrastruktur offensichtlich zum frühneuzeitlichen Gefüge. Die gesamten frühneuzeitlichen Öffnungen beziehen sich auf das bereits tiefere Begehungsniveau des Erdgeschoßes. Es ist daher wohl davon auszugehen, dass auch das Kellergewölbe, das dieses Niveau – mit Ausnahme des östlichen Anbaus211 – herstellt, diesem Umbau angehört. Irritierend ist lediglich, dass der Gewölbescheitel des Kellerhalses über den Boden der heutigen Eingangsveranda ragt. 212 Die einfachen Fensterformen (Abb. 11), die ab der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts belegt sind, erlauben keine engere Datierung. 213 Der durchgreifende frühneuzeitliche Umbau, der wohl relativ gleichzeitig erfolgte, könnte daher schon in der späten Renaissance anzusetzen sein,214 eher handelt es sich aber um Maßnahmen, die vermutlich nach dem Türkeneinfall von 1683 erforderlich wurden215. Die starken Abplatzungen und Rötungen der Steingewände des ursprünglichen Hauptportals und des ursprünglichen Zugangs zum südlichen Endraum, die wohl beim barocken Umbau außer Funktion gesetzt und vermauert wurden, deuten auf Brandeinwirkung in der Zeit davor hin. Im Dehio werden auch barocke Holztüren des ausgehenden 17. Jahrhunderts erwähnt, was sich vermutlich auf die östliche Tür zum südlichen Endraum bezieht, die als Einzige eine in situ befindliche (?) hölzerne Zarge besitzt. Ihre geohrte Rahmung lässt diese Datierung möglich erscheinen,216 doch handelt es sich auch hier um eine bis in das 18. Jahrhundert in Gebrauch stehende barocke Form. 217 Der dekorative Stuck- und Malereidekor an der Decke und im Erker des südlichen Endraumes datiert in das Jahr 1711. Die Zahl ist als Kryptogramm im Spruchband des Deckengemäldes enthalten (siehe oben). Bauherr war Propst Ernest Perger,218 der dieses Amt von 1707 bis zu seinem Tod 1748 bekleidete. Sein Name erscheint im Spruchband des Erkers, darunter ist neben dem Stiftswappen auch sein persönliches Wappen angebracht, das den Berg (als Bezugnahme auf seinen Namen) und die fruchtbare Palme (als Symbol für den „gerechten und frommen Menschen“) zeigt (Abb. 24). 219 Die Weinranken und -reben des Stuckdekors deuten auf die Funktion des Baues. Veränderungen im 19./20. Jahrhundert sowie 2007 Ab dem frühen 19. Jahrhundert wurde das Gebäude gastronomisch genutzt, zunächst als Kaffeehaus, später als Gasthaus. In dieser Zeit dürfte der Name „Zur schönen Aussicht“ in Gebrauch gekommen sein. 220 Größere Umbauten dürften seit der Barockzeit jedoch nicht mehr stattgefunden haben, zumindest gibt es dazu keine Quellen. Erst ab dem späten 19. Jahrhundert finden sich Belege für Adaptierungen. 1872 brach im stiftlichen Kaffeehaus zu Heiligenstadt ein Brand aus, der auf die Schule und die Kirche übergriff und die Dächer dieser Gebäude zerstörte. 221 Die Wiederherstellung dürfte relativ bald danach erfolgt sein, denn 1872 wurde zur Vergrößerung des Gastraumes an der Ostseite eine hölzerne Veranda angebaut und an der nördlichen Umfassungs-

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mauer ein eingeschoßiger Bau für die Dienstboten, ein Holzlager und eine Waschküche errichtet. 222 1884 wurde um die Baugenehmigung für einen Abort mit Pissoir angesucht, der als schmaler Anbau an der Südseite, östlich des Erkers, entstand. Der Zugang erfolgte offensichtlich über eine durch die Ostwand des Erkers gebrochene Tür. Zur Entsorgung wurde südlich des Kernbaues eine Sickergrube angelegt. 223 1904/05 wurde der Abort gegen Osten hin vergrößert und mit einem Kanal versehen. Die Veranda zeigte sich damals noch im Zustand von 1872. 224 Aus schriftlichen Aufzeichnungen und Einreichplänen von 1912/13 geht hervor, dass durch den damaligen Pächter Johann Bittner weitere Adaptierungen und Zubauten geplant waren bzw. auch erfolgten. Der vorgesehene Abbruch des Küchengewölbes kam glücklicherweise nicht zur Ausführung. 225 Während dieser Zeit dürfte der Bau ein relativ schlichtes und von der Nutzung als Kaffeehaus geprägtes Bild geboten haben. 226 Ein gesteigertes Interesse des Bundesdenkmalamtes setzte offensichtlich erst in den 50er-Jahren des 20. Jahrhunderts ein, das Augenmerk lag jedoch lediglich auf dem barocken Deckenschmuck. 227 Als in den 60er-Jahren Verkaufsabsichten seitens des Stiftes Klosterneuburg bekannt wurden, leitete das Bundesdenkmalamt die Unterschutzstellung ein. In der Folge wurden Mittel für die Restaurierung der Stuckdecke bereitgestellt. 228 Als nach der Übernahme durch Michael Reinprecht 1988 aufgrund geplanter Umbauten für einen Restaurantbetrieb 1989 ein erster Augenschein durch den Bauhistoriker Gerhard Seebach erfolgte, wurde erkannt, dass der Kernbau und der östliche Anbau durchgehend mittelalterliches Mauerwerk aufweisen. 229 Ab 1989 erfolgte die denkmalpflegerische Restaurierung, die 1991 abgeschlossen war. 230 Die Einreichpläne dazu zeigen im Prinzip den jetzigen Bau, insbesondere die im heutigen Umfang bestehende Veranda. 231 Sie lassen erschließen, dass einige Zubauten, speziell die Abortanlage an der Südseite, entfernt wurden und das Öffnen und Vermauern von Fenstern und Türen vorgesehen war. Die barocke Trennmauer im nördlichen Endraum erscheint als Bestand, wurde somit später, wohl im Zuge einer nicht belegten Planänderung entfernt. Ebenso unbelegt ist die Veränderung des Gefüges im zentralen Raum. Im Zuge dieser Arbeiten wurden offensichtlich auch die mittelalterlichen Fenster und Türen entdeckt bzw. zum Teil geöffnet. Nach Abbruch des Aborts musste wohl auch der Erker teilweise wiederhergestellt werden. 232 Mit der Erneuerung des Außenputzes mit dezenten Putzfaschen und -quaderungen an Fenstern und Gebäudekanten wurde das mittelalterliche Bild zum Teil rekonstruiert. 233 Anlässlich der neuerlichen Adaptierung für das Restaurant „Pfarrwirt“ 2007, bei der sehr einfühlsam der Zustand nach 1989 beibehalten wurde, entfernte man allerdings den letzten Teil des barocken Binnengefüges im zentralen Raum, der nunmehr nur noch durch ein schmales Quermäuerchen West-Ost unterteilt ist. 234

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Das Hofareal Wie der oben dargestellte Baubefund zeigt, war der Kernbau von weitläufigen Umfassungsmauern umgeben, an die sich offensichtlich mehrere Gebäude lehnten und eine Fläche von rund 58 x 42–48 m einschlossen. Das Areal grenzt an Bereiche im Norden und Osten an, wo sich im Mittelalter weitere Bauten befanden. Insbesondere das nördlich anschließende Gelände mit der Jakobskirche, dem Pfarrhof und dem Kooperatorenstöckl ist als Standort des hochmittelalterlichen Sitzes und gewissermaßen als ursprünglicher Siedlungskern zu vermuten. In diesem Zusammenhang fällt die starke, zum Berghof gewandte Krümmung der nördlichen Umfassungsmauer auf (Abb. 10), die somit als Umfassung des nördlich anschließenden Bereiches, wo sich das Haus Nr. 4 befindet, zu werten wäre. Etwa in der Mitte der Mauer findet sich auch der Rest eines Rundbogentores, das seine Außenseite zum Berghof wendet (Abb. 25). Das heutige Tor zum Berghof gehörte offensichtlich zu einem möglicherweise mehrgeschoßigen Torbau, der durch seine schräge Stellung auf einen Abschnitt der gekrümmten Umfassungsmauer Bezug nahm und in einer sekundären Phase vor den älteren Westabschnitt der Umfassungsmauer gestellt wurde. Die östliche Umfassungsmauer war zugleich die Westmauer eines mittelalterlichen Gebäudes, das mehrere Öffnungen, darunter drei winzige Fensterluken und ein Schulterbogenportal, gegen den Berghof richtete. Auf dem heute unbebauten, zum Pfarrgarten gehörenden Gelände standen wohl seit dem 14. Jahrhundert Gebäude. Am westlichen Abschnitt der nördlichen Umfassungsmauer lag im Mittelalter offenbar ein zum Berghofareal gehöriges Gebäude. Nach Abtragung und starken neuzeitlichen und rezenten Eingriffen in diesem Bereich ist es nur noch durch das breit getrichterte, zum Pfarrplatz weisende Spitzbogenfenster rekonstruierbar. Größe und Gefüge bleiben unbekannt, ebenso die Verbindung zum übereck stehenden Torbau. Das Spitzbogenfenster (Abb. 27), das als originales, lediglich restauriertes Bauelement zu werten ist,235 stammt eindeutig von einer ehemaligen Bohlen- bzw. Blockstube. Mit dem gedrückten, getrichterten Spitzbogen zeigt es die „klassische“ Form von Stubenbefensterungen. Aufgrund der regelhaften Gruppierung muss es aber weitere gleichartige Öffnungen gegeben haben, entweder in stark veränderten bzw. bereits abgebrochenen Teilen der Mauer oder aber in den nicht mehr erhaltenen hofseitigen Mauern des Gebäudes. 236 Das unregelmäßige, schalenlose Mauerwerk an der Innenseite der Mauer im Bereich des Fensters rührt wohl daher, dass die fertige Holzkonstruktion der Stube wie üblich erst sekundär ummauert wurde und die Bohlenwand somit als Schalung für den herausquellenden Konstruktionsmörtel und das kleinteilige Stein- und zum Teil auch Ziegelmaterial der Mauerfüllung wirkte. 237 Es bestand demnach im Nordwesten des Hofareals ein Gebäude, das aufgrund der Stube Wohnfunktion besaß. Wer hier wohnte, bleibt unbekannt, möglicherweise handelte es sich um einen Funktionsträger innerhalb des klösterlichen Wirtschaftsbetriebes. Für die Datierung des Gebäudes eignet sich nur das ehemalige Stubenfenster, das ebenfalls in das 14. Jahrhundert weist.

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Für die nördliche und östliche Umfassungsmauer ist nach den Detailformen und dem Mauerwerk eine allgemeine Zeitstellung ins 14. bzw. 15. Jahrhundert zu erschließen, wobei das große befahrbare Tor und somit auch der Torbau wohl erst dem fortgeschrittenen 15. Jahrhundert angehören. Möglicherweise stammen das Rundbogentor im Norden und Teile der anschließenden Umfassungsmauer aber noch aus dem 13. Jahrhundert. 238 Anders zu bewerten ist die mehrfach abgewinkelte Südmauer, die trotz der altertümlich wirkenden Bruchsteinstrukturen neuzeitlich ist und wohl eine relativ pragmatische Maßnahme zur Stützung des Steilhanges zur Grinzinger Straße darstellt. Ebenfalls neuzeitlich ist der südlichste Abschnitt der Ostmauer, die aus reinem Ziegelmauerwerk besteht. Im Südosten und Süden wurden die mittelalterlichen Umfassungsmauern demnach zur Gänze erneuert, wobei dies möglicherweise nach Bauschäden im Bereich des Steilhanges erforderlich war. Auch an der Westseite wurde die mittelalterliche Umfassungsmauer komplett abgetragen und durch eine Umzäunung ersetzt. Weitere Gebäude lassen sich innerhalb des Hofareals nach dem Baubefund nicht rekonstruieren. Es gibt jedoch eine schriftliche Nachricht aus dem Jahr 1679 über das neu erbaute Weinzirl Hauß im Zehenthof. 239 Es wird später zusammen mit dem Pakturgebäude (dem Berghof) erwähnt und gehörte auch zu diesem. 240 Das Weinzierlhaus ist möglicherweise mit dem zweigeschoßigen Haus identisch, das auf einer 1808 publizierten Ansicht (Abb. 7) rechts des Tores liegt und offensichtlich bis weit in die heutige Nestelbachgasse hineinreichte, heute aber nicht mehr vorhanden ist. 241 Dieses Haus wird auch auf einem Lageplan des Pfarrplatzes, der dem Einreichplan von 1880 zur Adaptierung des Hauses Pfarrplatz 2 angeschlossen ist, noch dargestellt. 242 Der Franziszeische Kataster von 1819 zeigt an der Stelle widersprüchlich nur ein kleines quadratisches Gebäude innerhalb der Nordwest-Ecke. Auch im Bestandsvertrag zwischen dem Stift Klosterneuburg und J. Bittner von 1898 ist das Weinzierlhaus noch erwähnt, das aber vom Vertrag ausgenommen war. 243 Das heute einstöckige Gebäude östlich der Einfahrt, das sich innen an die nördliche Umfassungsmauer lehnt, ist erst 1872 an freier Stelle entstanden,244 kann also nicht das Weinzierlhaus sein. Das kleine, im Franziszeischen Kataster von 1819 dargestellte Gebäude in der Nordwest-Ecke bildete – sollte kein Fehler vorliegen – vielleicht den Rest des mittelalterlichen Wohngebäudes an der nördlichen Umfassungsmauer. Die genannten Öffnungen, die mitunter nur noch teilweise aus dem Boden ragen, lassen auf eine massive Aufplanierung des Geländes schließen. Das mittelalterliche Bodenniveau muss demnach wesentlich tiefer gewesen sein. Wann und aus welchen Gründen die Höherlegung erfolgte, ist nicht schlüssig zu klären. Denkbar erscheint eine Maßnahme nach den Zerstörungen von 1683, als vermutlich große Mengen von Bauschutt, auch von abgetragenen Gebäuden, „entsorgt“ werden mussten. Entsprechende Befunde waren auch im Bereich des Pfarrhofes festzustellen. 245

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Zusammenfassung Östlich und südlich des Pfarrplatzes in Heiligenstadt erhebt sich ein Komplex von Gebäuden unterschiedlichster Funktion, die bis ins Mittelalter zurückreichen und die möglicherweise in einen herrschaftlichen Zusammenhang gehörten: Es sind dies die Jakobskirche, der Pfarrhof, das sog. Kooperatorenstöckl, das Mesnerhaus und schließlich der heutige „Pfarrwirt“. Wie sich dieser gesamte Komplex chronologisch im Einzelnen entwickelte, ist heute nicht mehr so ohne weiteres zu klären. Die relativ aufwendig gestalteten Bauten mit Erkern, Portalen, Werksteinrahmungen und Fenstern, die auf beheizbare Stuben hindeuten, zeugen vom Reichtum dieser Herrschaft, der zweifellos auf den vor Ort betriebenen umfangreichen Weinbau zurückzuführen ist. Auch wenn die frühere Behauptung, das „älteste Haus von Wien“ sei das Gebäude des heutigen „Pfarrwirts“, nicht zutrifft, ist es aufgrund seiner Zeitstellung, seiner Ausprägung und seines Erhaltungszustandes doch zu den wertvollsten Profanbauten des heutigen Stadtgebiets zu zählen. Die Beschäftigung mit dem Gebäude erforderte auch, sich mit dem bislang wenig behandelten Thema der Wirtschafts- bzw. Lesehöfe sowie der Grauzone zwischen diesen und den Kleinadelssitzen auseinanderzusetzen. Relativ schlüssig ließ sich nachvollziehen, dass das beschriebene Objekt mit dem im 14. Jahrhundert genannten „Berghof“ identisch ist, das relativ früh als „Zehenthof“ und ab dem 18. Jahrhundert auch als „Pakturgebäude“ bezeichnet wird. Das Weinzehent-Privileg von 1339 deutet auf eine straffer strukturierte Verwaltung durch das Stift Klosterneuburg, die letztendlich auch zur Errichtung eines neuen Gebäudes (Berghofes) geführt haben mag. Die bislang in der Literatur auftauchenden Datierungen des Baues in die Zeit um 1180 bzw. in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts waren nicht verifizierbar. 246 Ein erster Ausbau, bei dem es sich aber nicht – wie behauptet247 – um eine Kapelle gehandelt haben kann, ist mit großer Wahrscheinlichkeit noch dem 14. Jahrhundert zuzuweisen, weitere Umbauten erfolgten wohl im 15. und 16. Jahrhundert, wobei die zunächst anzunehmenden hölzernen Binnenstrukturen durch Steinmauern ersetzt wurden. Die zum Teil hochwertigen mittelalterlichen Detail- und Schmuckformen verraten, welche Bedeutung dem Bau ursprünglich beigemessen wurde. Ein durchgreifender Umbau ist erst für die Barockzeit, wohl nach Zerstörungen durch den Türkeneinfall im Jahr 1683, zu erschließen, wobei der Einbau des Kellergewölbes das Niveau des Erdgeschoßes veränderte, dem auch die neuen Öffnungen angepasst werden mussten. 1711 datiert die zurückhaltende Barockausstattung des „Prälatensaals“ und somit wohl auch der Abschluss entsprechender Tätigkeiten unter Propst Ernest Perger, der sich hier einen kleinen repräsentativen Saal schuf. Der Kernbau war Teil einer umfangreicheren, mit einer Mauer umgebenen Anlage, die neben einem Torbau auch mehrere Nebengebäude umfasste. Eindeutig nachweisbar ist ein Gebäude an der Nordseite, das, wie vermutlich auch der Kernbau, mit einer Block- bzw. Bohlenstube ausgestattet und somit ganzjährig bewohnbar war. Auch an der Nordwest-Ecke des Areals hat sich ein zweige-

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schoßiges Gebäude befunden, wahrscheinlich das sog. Weinzierlhaus, das möglicherweise in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts errichtet worden ist. Die komplexe, burgartige Anlage kann somit in die Reihe klösterlicher, teilweise auch adeliger Wirtschafts- bzw. Lesehöfe eingeordnet werden. Das Fehlen einer eigenen Kapelle lässt sich möglicherweise mit dem Vorhandensein der nahen Jakobskirche erklären, die 1385 und auch in der Literatur des 19. Jahrhunderts als Kapelle und nicht als Pfarrkirche bezeichnet wird. Als Lesehof zeigt der Bau die typische vertikale Trennung in eine Wirtschafts- und eine Wohnebene. Dies gründet darauf, dass derartige Bauten in der Regel auch Wohnsitz eines Funktionsträgers (Verwalters) waren und somit auch entsprechende Aufgaben (mitunter auch als Kleinadelssitz) erfüllen mussten und daher in Anlehnung an Adelsbauten repräsentativ gestaltet sein konnten. Dies bezieht sich primär auf das Obergeschoß, durch das eine symbolische Distanzierung von den unteren sozialen Schichten möglich war und das entsprechend nur über einen hoch gelegenen, architektonisch betonten Zugang zu erreichen war. Ausgestattet mit einem Wohnbereich (mit Stube) und einem gewissermaßen öffentlichen Bereich für Empfang und Verwaltung bot es – wie beim vorliegenden Beispiel – eine große Nutzfläche und wohl recht angemessenen Komfort. Neben einer Reihe angeführter Objekte kann „unser“ Berghof hierfür als geradezu klassisches Beispiel gelten. Der Saal- bzw. Hallenbau, als welcher der Berghof einzuordnen ist, zeigt sich während des gesamten Mittelalters somit als universell einsetzbarer Bautypus, der nur geringe Adaptionen benötigte, um sowohl wirtschaftlich-funktionelle wie auch herrschaftlich-repräsentative Aufgaben erfüllen zu können. Anmerkungen 1 R. Wismeyer, Eine Gebietskunde des Wienerwaldes. In: E. Arnberger/R. Wismeyer (Red.), Ein Buch vom Wienerwald. Vom Wesen und der Gestaltung seiner Landschaft (Wien 1952) 157–183 bes. 181; 183. 2 Klaar 1971, 113 Taf. 12; Dehio 1996, 591. 3 Lechner 1953, 55–65 bringt im Rahmen der „Forschungsgeschichte“ einen Überblick zu diesem Thema. Hauptergebnis der 1952/ 53 durchgeführten Grabungen in der Jakobskirche (GC: 1953_10) war die Entdeckung eines zweiphasigen römischen Gebäudes und zweier leerer, in die Spätantike datierte Gräber: A. Neumann, Die Ausgrabungen in der Jakobskirche von Wien-Heiligenstadt 1952/53. Bonner Jahrb. 162, 1962, 480–506 Taf. 45– 49; Neumann 1968, 78–83 Taf. LIV–LVI; zuletzt zur Sanierung der Mauerreste: U. Scholz, Reinigungsarbeiten in der Jakobskirche in Wien-Heiligenstadt. FWien 6, 2003, 238–242. Bei einer Ausgrabung unmittelbar südlich und südöstlich der Jakobskirche in den Jahren 1984–86 (GC: 1985_05) traten ein weiteres leeres spätrömisches Ziegelgrab und ein Massengrab mit ca. 400 Kinderbestattungen aus der frühen Neuzeit zutage. Funde waren nur

spärlich vorhanden (freundl. Mitteilung F. Blakolmer, Universität Wien). Zu weiteren Fundstellen siehe www.kulturgut.wien.at. 4 Klaar 1971, 113; Dehio 1996, 591; Lechner 1953, 75 Anm. 106. 5 Neumann 1968, 83 f. u. freundl. Mitteilung M. Mosser; Grabbefunde Eroicagasse 7 (GC: 1966_02): A. Neumann, Zur römischen Besiedlung von Heiligenstadt. PAR 16, 1966, 23 f.; H. Ladenbauer-Orel/A. Neumann, Wien 19 – Eroicagasse. FÖ 9/1, 1966 (1969) 24. 6 Lechner 1953, 68; 75 f.; Klaar 1971, 114; Dehio 1996, 591. 7 Dehio 1996, 594 s. v. Beethovenhaus. 8 Tietze 1908, 409 f.; Lechner 1953, 65; K. Kafka, Wehrkirchen im Bereiche der Stadt Wien. JbVGW 21–22, 1965–66, 101–119 bes. 102; Klaar 1971, 113 f.; W. J. Bandion, Steinerne Zeugen des Glaubens. Die heiligen Stätten der Stadt Wien (Wien 1989) 376– 378; Dehio 1996, 526 f. s. v. Heiligenstädter Pfarrkirche hl. Michael. 9 Franziszeische Landesaufnahme Viertel Unter Wiener Wald Nr. 117 „Gemeinde Heiligenstadt samt Enclave Nussdorf“, 1819; die hier in Abb. 1 gezeigte Überlagerung des aktuellen Stadtplans von Wien mit dem Franzis-

zeischen Kataster zeigt ein leicht verschobenes Bild, da einerseits die Positionierung des Katasters in den Außenbezirken aufgrund oft fehlender Fixpunkte schwierig ist und andererseits das Einpassen des Katasterblattes über eine größere Fläche hinweg Kompromisse erfordert. 10 Eine auffallende Ähnlichkeit zeigt die ergrabene Ortswüstung Hard (Bezirk Waidhofen an der Thaya), ein niederadeliger Rodungsaufschluss der 2. Hälfte des 13. Jh. (hier aber als Sackgassendorf angesprochen): S. Felgenhauer-Schmiedt, Hard. Ein Wüstungskomplex bei Thaya im niederösterreichischen Waldviertel. Arch. Forsch. Niederösterr. 6 (St. Pölten 2008). 11 K. Lechner, Ein letztes Wort in der Frage: Severin – Sanctus locus – Heiligenstadt. WGBl 9–12, 1954–57, 31; Neumann 1968, 83. 12 Die Bearbeitung des Burgenstandortes ist im Rahmen des Forschungsprojektes „Burgeninventar Wien“ vorgesehen, das von der Stadtarchäologie Wien durchgeführt wird und die Erfassung sämtlicher auf heutigem Wiener Stadtgebiet gelegener Adelssitze zum Ziel hat. 13 Nicht zu verwechseln mit dem ebenso benannten Anwesen Probusgasse 6.

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14 Tietze 1908, 413; Dehio 1996, 592 s. v. Beethovenhaus: „Winzerhaus, im Kern 17. Jh.“; nach Katzberger 1996, 67–70 wäre es wohl als für das Wiener Umland typischer „Parallelhof“ anzusprechen. 15 Geyer 1954, 18. 16 Das Haus ist stark von der gastronomischen Nutzung geprägt, ob es mittelalterliche Bauteile enthält, ist nicht erkennbar. Es wurde vor ein mittelalterliches, später abgetragenes Gebäude des Pfarrhofareals gestellt, dessen vermauerte Fenster in einem Gastraum des Heurigenbetriebs zu sehen sind. 17 Benannt nach den Mitarbeitern des Pfarrers; seit wann das Gebäude so heißt, ist bislang unbekannt. Tietze 1908, 412 f.; Dehio 1996, 526 s. v. Pfarrhof. 18 R. K. Donin, Die romanische Baukunst in Wien. In: R. K. Donin (Hrsg.), Geschichte der bildenden Kunst in Wien 1. Von der Urzeit bis zur Romanik (Wien 1944) 145–183 bes. 176 f.; H. Zeis, Heiligenstädter Pfarrführer (Wien 1988); Bandion (Anm. 8) 374–376; Dehio 1996, 524–526 s. v. Heiligenstädter Kirche hl. Jakob. Eine ähnlich dimensionierte Chorquadratkirche lässt sich in Sievering rekonstruieren: H. Krause/G. Reichhalter, „Die einzige Merkwürdigkeit des Dorfes ist die Kirche“ – Ein Beitrag zum „Burgenstandort Sievering“ und zur Baugeschichte der Sieveringer Pfarrkirche. FWien 9, 2006, 192–225 bes. 204– 224. 19 Krause/Reichhalter (Anm. 18) 202 f. 20 Der Begriff wurde vermutlich von G. Seebach eingeführt und gehört seither zur burgenkundlichen Terminologie. Vgl. z. B. Pongratz/ Seebach 1971, 10; G. Streich spricht von der „Disposition Burg mit einer dicht danebenliegenden Eigenkirche“, welche besonders bei Burgsiedlungen des späten 11. und 12. Jh. auftritt: G. Streich, Burg und Kirche während des deutschen Mittelalters. Untersuchungen zur Sakraltopographie von Pfalzen, Burgen und Herrensitzen. Vortr. u. Forsch. Sonderbd. 29,2 (Sigmaringen 1984) 510–512. 21 Dehio 1996, 592 s. v. Ehem. Volksschule bzw. Mesnerhaus. 22 Geyer 1954, 18. 23 Gelegenheiten zu Begehungen und zum ergänzenden Detailaufmaß boten sich im Zuge der Umbauarbeiten im Jahr 2007. Herrn P. Schicht (BDA) sei für die Vermittlung, Herrn W. Balanjuk (seinerzeit Geschäftsführer Pfarrplatz Gastronomiebetriebs GmbH) für die freundliche Erlaubnis und Unterstützung dazu herzlich gedankt. 24 Ob dieser natürlichen oder rezenten Ursprungs ist bzw. auf einen ehemaligen Hohlweg oder einen evtl. Graben gegen das westliche Vorgelände zurückgeht, muss offenbleiben.

H. Krause/G. Reichhalter, Der „Perchhof“ zu Heiligenstadt

25 FRA II/4, Nr. 218; HONB 3 (1970) H 224; Lechner 1953, 66; Perger 1961–62, 37; Lohrmann/Opll 1981, 37 Reg. 38. 26 Siehe dazu v. a. Lechner 1953, 68 f.; Geyer 1954, 18. 27 FRA II/4, 250; nach H. Dienst, Regionalgeschichte und Gesellschaft im Hochmittelalter am Beispiel Österreichs. MIÖG Ergbd. 27 (Wien, Köln 1990) 261 f. Reg. 27; HONB 3 (1970) H 224: ca. 1130; Lohrmann/Opll 1981, 40 Reg. 57; zur Gleichsetzung von St. Michael mit Heiligenstadt: Lechner 1953, 66; Perger 1961–62, 37. 28 FRA II/4, 399; 1218 ist ein Chunradus de heiliginstat Zeuge in einer Urkunde des Bistums Passau, der möglicherweise mit jenem identisch ist (E. Boshof, Die Regesten der Bischöfe von Passau 2. Regesten bayer. Gesch. 2 [München 1999] 49 Nr. 1367). 29 Perger 1961–62, 42; Lechner 1953, 66. 30 FRA II/10, 10 Nr. 12; 11 Nr. 13; QGW I/9 (1921) Nr. 17204 (1259 August 21); V. O. Ludwig, Das älteste Urbar des Stiftes Klosterneuburg. Jahrb. Stift Klosterneuburg 5, 1913, 249; Perger 1961–62, 40. 31 FRA II/4, Nr. 807; 808; Lechner 1953, 67; Datierung nach Lohrmann/Opll 1981, 118 Reg. 433; 121 Reg. 461. 32 A. Dopsch (Hrsg.), Die landesfürstlichen Urbare Nieder- und Oberösterreichs aus dem 13. und 14. Jahrhundert. Österr. Urbare I/1 (Wien, Leipzig 1904) Urbare aus der Zeit der Babenberger ca. 1220–1240 A. Niederösterreich, S. 53 Nr. 198: De sancto loco Wisinto de officiis in Neumburch dantur 60 mod. avene et 400 pulli. Siehe auch Lohrmann/Opll 1981, 151 Reg. 612. 33 Ludwig (Anm. 30) 249 f. s. v. Nuzdorf u. 238 s. v. Officium Enzinsdorf. 34 Z. B. QGW I/1 (1895) Nr. 867 (1284 Oktober 20, Wien). 35 Nach Perger 1961–62, 39–42; Perger 1961–62, 46 stellte die Hypothese auf, dass sich die Bezeichnung nach Kahlenberg von der Ausübung des Burggrafenamts der Burg auf dem Kahlenberg (heute Leopoldsberg) ableite. 36 FRA II/10, 121 f. Nr. 131. 37 FRA II/10, 56 Nr. 62 (1297); 76 Nr. 80 (1301); 99 f. Nr. 105 (1306); 121 f. Nr. 131 (1310); 123 Nr. 133 (1311); 132 Nr. 145 (1312); 146 f. Nr. 159 (1314). 38 Bei Perger 1961–62, 42 ist dieser Rüdiger auch nicht unter den Herren von Heiligenstadt aufgeführt. 39 FRA II/10, 83 Nr. 87 (1303); 142 Nr. 155 (1313); 189 Nr. 199 (1323). 40 Lechner 1953, 72. 41 Lechner 1953, 75. 42 Lechner 1953, 67 f. 43 Lechner (Anm. 11) 32. Lechner 1953, 68

bemerkte zudem, dass der Berghof „zweifellos als Hof auf dem Berg zu deuten sei“. Dem ist wohl nicht generell zuzustimmen. 44 Dazu siehe Fischer 1815 II, 202 Nr. 51; 202 f. Nr. 52; 215 f. Nr. 58; 216 f. Nr. 59; Lohrmann/Opll 1981, 156 Reg. 642; 162 Reg. 666; 163 Reg. 669; F. Schönsteiner, Die kirchlichen Freiheitsbriefe des Stiftes Klosterneuburg (Wien, Leipzig 1916) 57 f.; Boshof (Anm. 28) 193 Nr. 1796 u. 1797; 259 Nr. 1988; Klosterneuburg, CanReg, Anagni 1233 IX 30, www.monasterium.net (28.5. 2009); Klosterneuburg, CanReg, 1251 VI 24 u. 1252 III 9, www.monasterium.net (28.5. 2009). In diesen Kontext gehört auch der Eintrag von ca. 1250/60 (sog. Lonsdorfer Codex) in A. Maidhof (Hrsg.), Die Passauer Urbare I. Die Urbare des Hochstifts im 13. und 14. Jahrhundert (Passau 1933) 212. Hier wird angegeben, dass der Herzog die Kirche Heiligenstadt dem Stift Klosterneuburg geschenkt habe. Siehe auch E. Klebel, Zur Frühgeschichte Wiens (Wien 1932) 37. 45 Wolf 1955, 100 geht von einer grundherrlichen Gründung aus. 46 Klosterneuburg, CanReg, 1304 VII 10, www.monasterium.net (28.5. 2009); FRA II/ 10, 90 f. Nr. 93. 47 Lechner 1953, 71; Fischer 1815 II, 327 f. Nr. 132. 48 Klosterneuburg, CanReg, 1313 I 06, www.monasterium.net (28.5. 2009): Anmerkung zum Chorherrn Jakob: Er war bis 1306 Stiftsdechant, übernahm die Pfarre Heiligenstadt und kehrte 1310 in das Stift zurück. FRA II/10, 138 Nr. 152. 49 FRA II/10, 116 Nr. 124 (Kommentar). 50 Zitiert nach Tietze 1908, 404. 51 Lechner 1953, 71; siehe auch V. Darnaut (Hrsg.), Historische und topographische Darstellung von Klosterneuburg und der Umgegend mit besonderer Berücksichtigung auf Pfarren, Stifte, Klöster, milde Stiftungen und Denkmäler. Topographie des Erzherzogthums Oesterreich 1/1 (Wien 1819, Reprint 2003) 194. 52 Fischer 1815 II, 237 Nr. 74. 53 Klosterneuburg, CanReg, 1330 IV 24, www.monasterium.net (28.5. 2009); FRA II/ 10, 235 f. Nr. 238. 54 Lechner 1953, 71; FRA II/10, 326 Nr. 333. 55 FRA II/10, 447 Nr. 458. 56 Lechner 1953, 72; FRA II/10, Nr. 458, zu den Siegeln 448. 57 Lechner 1953, 72; H. Zeibig (Bearb.), Urkundenbuch des Stiftes Klosterneuburg bis zum Ende des vierzehnten Jahrhunderts. 2. Theil. FRA II/28 (Wien 1868) 28 f. Nr. 524, zur Friedhofsmauer 14 f. Nr. 507. 58 Lechner 1953, 72; Tietze 1908, 446.

168 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

H. Krause/G. Reichhalter, Der „Perchhof“ zu Heiligenstadt

Aufsätze

Jt. 8 (Rahden/Westf. 2004) 52–54. A. Neumann leitete den Namen Heiligenstatt vom römischen Friedhof (sanctus locus) ab, dessen Reste auch unterhalb der Jakobskirche angetroffen wurden (A. Neumann, Vindobona. Die römische Vergangenheit Wiens [Wien et al. 1972] 111). In Schwechat (ehemaliges römisches Kastell Ala nova) wurden in der erstmals 1360 erwähnten Pfarrkirche St. Jakobus der Ältere (ursprüngl. Chorquadratkirche) römische Spolien in der „romanischen“ Kirche festgestellt. Des Weiteren fand sich auf dem Areal ein bereits gestörter frühmittelalterlicher Friedhof, der vermutlich einen römischen Vorgänger hatte (A. Neumann, Ausgrabungen und Funde im Wiener Stadtgebiet 1948/49. Veröff. Hist. Mus. Stadt Wien 1 [Wien 1951] 8; M. Kandler/H. Vetters [Hrsg.], Der römische Limes in Österreich. Ein Führer [Wien 1986] 187–192). 68 Die aufgefundenen Mauerreste in der Michaelskirche sind nicht ausreichend publiziert, um das postulierte römische mehrräumige Haus verifizieren zu können. GC 1963_02: Neumann 1968, 84–86; A. Neumann, Wien XIX, Heiligenstadt. FÖ 8, 1961–1965 (1974) 132. 69 www.heiligenlexikon.de/BiographienJ/Jakobus_der_Aeltere_der_Grosse.htm (28.5. 2009); www.heiligenlexikon.de/BiographienM/ Michael.htm (28.5. 2009). 70 Lechner 1953, 68 f. spricht von einem „Patroziniumswechsel“. Zudem sieht Lechner im Michaelspatrozinium ein Indiz für eine karolingerzeitliche Entstehung (Lechner 1953, 69; Klaar 1971, 113). Dies allein ist kein ausreichender Beweis für das hohe Alter der heutigen Jakobskirche. Neu gegründete Kirchen wurden auch im Hochmittelalter dem Hl. Michael geweiht. Ebenso ist das Argument, dass Michaelskirchen vorrangig auf Anhöhen errichtet wurden, nicht unbedingt für eine Klärung ausreichend. Jakobskirchen wurden auch auf Bergen bzw. Anhöhen errichtet: vgl. Bamberg, Kirche St. Jakob (auf dem Jakobsberg). 71 Geyer 1954, 18; Wolf 1955, 100. 72 Perger 1961–62, 42. 73 QGW II/1 (1898) 12 Nr. 49 a (1311). 74 WStLA, Hauptarchivsurkunde Nr. 54; QGW II/1 (1898) 14 Nr. 54. 75 Haushofer 1992, 544 f. 76 FRA II/10, 274 f. Nr. 283. 77 Sitftsarchiv Klosterneuburg, Grundbücher 12/18 Nr. 45; 12/20 Nr. 42; 12/22 Nr. 45. Herrn K. Holubar (Stiftsarchiv Klosterneuburg) sei für seine freundliche Unterstützung herzlich gedankt. 78 1340 ist bereits als Urkundenzeuge ein Nychlas von der Heiligenstadt belegt (QGW I/ 3 [1897] Nr. 3053 [1340 September 17, Wien]), ohne den Zusatz „in dem Berghof“; andererseits ist ein Nichlas in dem Perchhof (QGW I/

3 [1897] Nr. 3046 [1340 Februar 3]) ohne Bezug auf Heiligenstadt genannt. Wahrscheinlich ist in beiden Fällen „unser“ Niklas gemeint. 79 1347: als Zeuge (QGW I/3 [1897] Nr. 3090 [1347 November 11]). – 1348: Nychlas in dem Perhhof ze der heiligenstat (FRA II/10, 325 f. Nr. 333). – 1353 Mai 19: hern Nyclas […] in dem Perchhof dacz der Heiligenstatt (FRA II/10, 346 Nr. 355). – 1355: Nyclon in dem perchof datz der Heiligen stat (FRA II/ 10, 365 Nr. 373) und 1356 (FRA II/10, 368 f. Nr. 377). Das Siegel ähnelt dem des Weichart von Toppel (FRA II/10, 325 Nr. 333). 80 FRA II/10, 394 f. Nr. 404. 81 Geyer 1954, 18; Dehio 1996, 592: als Berghof für die Weingüter des Stiftes Klosterneuburg in Heiligenstadt. 82 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Urkunde 1353 IV 24. 83 Zitiert nach F. Pfeiffer, Das Donauthal von Ladislaus Suntheim. Jahrb. vaterländische Gesch. 1 (Wien 1861) 292. 84 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Kart. 78, Alte Rapulatur AKB XIII, Nr. 6; 54. 85 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Grundbücher 8/1, 1454–1543, fol. 22v u. 100v; 8/2, 1512, fol. 4v; 8/4, 1754, fol. 59v. 86 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Kart. 2431, Fasz. 11, Nr. 2415. 87 K. Holubar/K. Mazakarini, Lesehöfe in Klosterneuburg. In: K. Holubar/W. Ch. Huber (Hrsg.),Von Rebstock und Riesenfaß. Ein Buch über Weinbau und Kellerwirtschaft in alter Zeit (Klosterneuburg, Wien 1994) 58–68 bes. 58; zur Entwicklung klösterlicher Weinwirtschaft (am Beispiel Altenburg, Geras/Pernegg, Zwettl, Göttweig): Malli 2001, 82–114. 88 Malli 2001, 60. 89 Zwettl, Altenburg, Geras/Pernegg und Raitenhaslach betreffend: Malli 2001, 176– 187. 90 Büttner/Faßbinder 1988, 137–141; Holubar/Mazakarini (Anm. 87) 58–68; Haushofer 1992, 558–561. 91 Buchmann/Faßbinder 1990, 59; K. Holubar, Der stiftliche Lesehof in Krems. In: Holubar/Huber (Anm. 87) 69–73. 92 Buchmann/Faßbinder 1990, 58–62; 68– 74. 93 Malli 2001, 152–173; 192 f. 94 R. Büttner, Burgen und Schlösser Dunkelsteiner Wald. Burgen u. Schlösser Niederösterr. II/2 (Wien 1973) 76; ders., Burgen und Schlösser zwischen Araburg und Gresten. Burgen u. Schlösser Niederösterr. II/3 (Wien 1975) 23 f. Evtl. ist ein 1394 erwähnter hoff, genant auf dem Perig mit Letzterem identisch: F. Fuchs (Bearb.), Urkunden und Regesten zur Geschichte des Benedictinerstiftes Göttweig, 1. Theil 1058–1400. FRA II/51 (Wien 1901) 755 f. Nr. 836 (1394 Februar 6).

59 A. Bergenstamm, Geschichte des Dorfes Heiligenstadt (Wien 1811) 6, rechnet die Kapelle St. Jakob dem Pfarrhof zu; Darnaut (Anm. 51) 199. 60 Wolf 1955, 100. 61 Zitiert nach Lechner 1953, 59. 62 Lechner 1953, 63. 63 Zitiert nach Lechner 1953, 61. Über eine Niederlassung der Templer ist aus schriftlichen Quellen des Mittelalters nichts bekannt, sie gehört daher ins Reich der Fantasie. Zu den sagenhaften Überlieferungen über die „Tempelherren“ in Niederösterreich siehe bereits A. Mailly, Der Tempelherrenorden in Niederösterreich in Geschichte und Sage (Wien 1923). 64 Lechner 1953, passim. Die aufgefundenen Gräber bei den Grabungen in der Jakobskirche (siehe Anm. 3) waren erneut Auslöser für kontroverse Diskussionen. Ausgehend von der fälschlichen Annahme, dass Wien das römische Favianis sei, wurde eines der Gräber von lokalen Forschern als Ruhestätte des Hl. Severin in Anspruch genommen, das andere als Taufbecken gedeutet. Die Versuche, diese Interpretation und den daraus resultierenden, bis heute gepflegten Severinkult zu legitimieren, werden deutlich bei K. Kramert, Ausgrabungen unter der St. Jakobskirche dokumentieren 1500 Jahre Heiligenstadt (Wien o. J.). Siehe dazu kritisch K. Genser, Der österreichische Donaulimes der Römerzeit. RLÖ 33 (Wien 1986) 277 f. 65 Klebel (Anm. 44) 38. Vgl. auch Heiligenberg, Gemeinde Kreuttal, VB Mistelbach, mit der Bedeutung „beim heiligen Berg, Berg mit einer als Heiligtum verehrten Kirche“ (E. Schuster, Die Etymologie der niederösterreichischen Ortsnamen. HONB R. B 2 [Wien 1990] H 219). 66 Schuster (Anm. 65) H 224. 67 L. Clemens, Tempore Romanorum constructa. Zur Nutzung und Wahrnehmung antiker Überreste nördlich der Alpen während des Mittelalters. Monogr. Gesch. Mittelalter 50 (Stuttgart 2003) 185. Eine ähnliche Situation findet sich auf dem Heiligenberg bei Heidelberg. Hier entstand auf dem Gelände eines antiken Heiligtums im 9. Jh. ein dem Erzengel Michael geweihtes Oratorium (Clemens a. a. O. 190 Anm. 662). Der Name Heiligenberg stammt allerdings erst aus dem späten Mittelalter (R. Ludwig/P. Marzolff, Der Heiligenberg bei Heidelberg. Führer arch. Denkmäler Baden-Württemberg 20 [Stuttgart 1999] 16); zu Göttweig siehe Clemens a. a. O. 191–193. – Zur Frage der Nachfolge von Michaelskirchen über römischen Kultplätzen siehe St. Eismann, Frühe Kirchen über römischen Grundmauern. Untersuchungen zu ihren Erscheinungsformen in Südwestdeutschland, Südbayern und der Schweiz. Freiburger Beitr. Arch. u. Gesch. 1.

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Aufsätze

95 Büttner/Faßbinder 1988, 139; Dehio 2003/1, 1081 f. s. v. Berghof; Haushofer 1992, 545; 552; 558 f.; HONB 1 (1964) B 123. H. Dienst führt hier 1114–1136 Hartwich (de Monte), ca. 1130/50 Amelbert „vom Berghof“ und 1168–1180 Hecil (de monte) namentlich an: Dienst (Anm. 27) 144 Anm. 74; 260 Reg. 8; 261 Reg. 24; 144 Anm. 75. 96 F. Dworschak, Zur Geschichte des kaiserlichen Berghofes in Gumpoldskirchen. UH 7/6–7, 1934, 165–184; Büttner/Faßbinder 1988, 26 f.; Dehio 2003/1, 619 s. v. Berghof; J. Hagenauer, 800 Jahre Gumpoldskirchen, 1140–1990. Wege in die Gegenwart2 (Gumpoldskirchen 2006) 13; 141 f. 152 f. 97 Dehio 2003/1, 125 s. v. Berghof. 98 F. Reischl, Die Wiener Prälatenhöfe. Eine kulturhistorische Studie über Alt-Wien (Wien 1919) 75–82; 1226 besaß der Hof auch eine Kapelle: Lohrmann/Opll 1981, 110 Reg. 396. 99 R. Maurer, Urkunden und Aktenstücke zur Geschichte des Augustiner-Eremiten-Klosters zu Baden bei Wien (1285–1545). FRA II/ 89 (Wien 1998) 107–109 Nr. 28 (1325 April 9). 100 Maurer (Anm. 99) 110–113 Nr. 30 Anm.; 160–163 Nr. 51 Anm. 2. 101 A. F. Fuchs (Hrsg.), Urkunden und Regesten zur Geschichte der aufgehobenen Kartause Aggsbach. FRA II/59 (Wien 1906) 131 f. Nr. 129 (1395 April 24). 102 Darauf soll in diesem Zusammenhang nicht näher eingegangen werden. Siehe dazu kritisch I. Gaisbauer, Neue Überlegungen zu einem nicht ganz neuen Problem: Der „Berghof“ in Wien. BeitrMAÖ 22, 2006, 51–60. 103 MGH SS Dt. Chron. III/2 (1900) 600. 104 H. Ladenbauer-Orel, Der Berghof. Wiener Geschichtsbücher 15 (Wien 1974) 26; verschiedene Haus- bzw. Gassennamen in unmittelbarer Nachbarschaft, die auf Weinverarbeitung weisen, stammen erst aus späterer Zeit: R. Perger, Straßen, Türme und Basteien. Das Straßennetz der Wiener City in seiner Entwicklung und seinen Namen. Forsch. u. Beitr. Wiener Stadtgesch. 22 (Wien 1991) 139 f. s. v. Sterngasse. 105 Perger (Anm. 104) 23 s. v. Berghof. 106 So auch überliefert bei Enea Silvio Piccolomini um die Mitte des 15. Jh.; R. Perger, Weinbau und Weinhandel in Wien. In: F. Opll (Hrsg.), Stadt und Wein. Beitr. Gesch. Städte Mitteleuropas 14 (Linz 1996) 212 f.; siehe auch E. Landsteiner, Weinbau und bürgerliche Hantierung. Weinproduktion und Weinhandel in den landesfürstlichen Städten und Märkten Niederösterreichs in der frühen Neuzeit. In: Opll a. a. O. 21. 107 Dehio 1990, 1082 s. v. Kirchenberg Nr. 1; F. Fux, Senftenberg. Vom Herrensitz zum Gesundheitszentrum (Senftenberg 1995) 127 f.; G. Reichhalter/K. und Th. Kühtreiber,

H. Krause/G. Reichhalter, Der „Perchhof“ zu Heiligenstadt

Burgen. Waldviertel und Wachau (St. Pölten 2001) 354. 108 Nach Aufmaß und Autopsie durch den Verf. (gemeinsam mit Th. Kühtreiber) 2003. 109 Buchmann/Faßbinder 1990, 155; Dehio 1990, 1307 s. v. Florianihof; www.florianihofwachau.at (5.6. 2009). 110 Buchmann/Faßbinder 1990, 58 f.; Dehio 1990, 559 f. s. v. Passauerhof. 111 Buchmann/Faßbinder 1990, 70 f.; Dehio 1990, 608 f. s. v. Göttweigerhof. 112 J.-W. Neugebauer, Vom römischen Lagerdorf zum mittelalterlichen Lesehof des Dom- oder Hochstiftes Passau. In: Neugebauer 1998, 9–22; J.-W. Neugebauer/Ch. Neugebauer-Maresch/F. Preinfalk, Die archäologischen Ausgrabungen am Kardinal-PifflPlatz Nr. 8. In: Neugebauer 1998, 23–32; R. Koch, Baugeschichte und Rekonstruktion des spätmittelalterlichen Lesehofkomplexes. In: Neugebauer 1998, 65–78. 113 J.-W. Neugebauer/Ch. Neugebauer-Maresch, Zum figural verzierten Fliesenboden der Kapelle des Lesehofes. In: Neugebauer 1998, 93–132. Bei der Kapelle scheint es sich jedoch eher um das „Kellergebäude“ zu handeln, das als „voll ausgebildeter gotischer Strebepfeilerbau“ charakterisiert wird, während sich am vermuteten Standort des Sakralraumes im Obergeschoß des Saalbaues wohl Wohnräume befanden (Anm. des Verf.). 114 G. Reichhalter/K. u. Th. Kühtreiber, Burgen Weinviertel (Wien 2005) 227–231. 115 E. Hauswirth (Hrsg.), Urkunden der Benedictiner-Abtei Unserer Lieben Frau zu den Schotten in Wien vom Jahre 1158 bis 1418. FRA II/18 (Wien 1859) 54–62 Nr. 43; 79–80 Nr. 63. 116 H. Ebner, Burgen und Schlösser im Ennstal und Murboden. Burgen u. Schlösser Steiermark 12 (Wien 1976) 21–27. 117 H. Dopsch, Recht und Verwaltung; ders., Der auswärtige Besitz. In: H. Dopsch (Hrsg.), Geschichte Salzburgs. Stadt und Land 1. Vorgeschichte, Altertum, Mittelalter 2 (Salzburg 1983) 867–950; 951–981 bes. 931; 968. 118 M. Aigner, Blockwerkkammern im Österreichischen Profanbau des 13.–15. Jahrhunderts (unpubl. Mskr.) s. v. Stift Zwettl, sogenannte Binderei; Schriftquellen sind nicht bekannt. 119 H. Wiessner/G. Seebach, Burgen und Schlösser um Friesach, St. Veit, Wolfsberg. Burgen u. Schlösser Kärnten 12 (Wien 1977) 72–75; der Baubefund ist bislang unpubliziert. 120 Nach mündl. Mitteilung H. Steiners (Bauhistoriker) sind leider keine Schriftquellen bekannt, die über Identität oder Stand der Bewohner Auskunft geben könnten. 121 Reichhalter/Kühtreiber/Kühtreiber (Anm. 107) 354.

122 Schon die baulich sich absetzenden Wohngeschoße und deren Erschließung durch eigene, architektonisch betonte Zugänge (Hocheinstiege) ist entsprechend zu bewerten. 123 Die Mehrzahl der in der Sekundärliteratur als „Wehrturm“ und somit als Sitz postulierten Türme stellte sich mangels Bewohnbarkeit und urkundlicher Belege als Turmspeicher heraus. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet z. B. der „Kälberhof“ (Bezirk Melk), dessen Turm sowohl Hinweise auf Speicherfunktion (Kellerhals, getrennte Zugänge zu Keller und Erdgeschoß) als auch auf eine einstige Sitzfunktion (Balkenlöcher eines Obergadens oder Wehrganges) zeigt und der den Quellen nach Sitz einer ritterständischen Familie war: W. Pongratz/G. Seebach, Burgen und Schlösser Ysper – Pöggstall – Weiten. Burgen u. Schlösser Niederösterr. III/2 (Wien 1972) 48–50. 124 U. Albrecht, Der Adelssitz im Mittelalter. Studien zum Verhältnis von Architektur und Lebensform in Nord- und Westeuropa (München, Berlin 1995) 7–22. 125 Z. B. Albrecht (Anm. 124) 7–34; 53–63; Th. Biller, Die Adelsburg in Deutschland. Entstehung – Gestalt – Bedeutung2 (München 1998) 148–151; G. Strickhausen, Saalbau, Wohnbau, Palas – zu Terminologie, Typologie und Entwicklung der Hauptbauten auf Burgen des 12. Jahrhunderts. In: Th. Biller (Red.), Schloß Tirol. Saalbauten und Burgen des 12. Jahrhunderts in Mitteleuropa. Forsch. Burgen u. Schlösser 4 (München, Berlin 1998) 153– 172; ders., Burgen der Ludowinger in Thüringen, Hessen und dem Rheinland. Studien zu Architektur und Landesherrschaft im Hochmittelalter. Quellen u. Forsch. hessische Gesch. 109 (Darmstadt, Marburg 1998) 47–54. 126 Strickhausen, Saalbau (Anm. 125); Strickhausen, Burgen (Anm. 125); Wörterbuch der Burgen, Schlösser und Festungen (Stuttgart 2004) 197 s. v. Palas; 220 f. s. v. Saalbau, Saalgeschoßbau (C. Meckseper). 127 Basis des Forschungsstandes sind die von A. Klaar vorgestellten „klassischen“ Beispiele: Klaar 1972. 128 Klaar 1972, 118. 129 Klaar 1972. 130 Dies wurde schon bei Klaar 1972 betont, einige seiner frühen Datierungen sind allerdings zu revidieren. 131 Klaar 1962, 102 f.; K. Holubar, Das Stiftsspital St. Gertrud. In: M. Duscher (Hrsg.), Klosterneuburg. Geschichte und Kultur. 1. Die Stadt (Klosterneuburg 1992) 627 f.; K. Bleicher, Das ehemalige Stiftshospiz bei St. Gertrud in Klosterneuburg (Leopoldstraße 31). In: H. Dikowitsch (Red.), Der Wienerwald. Denkmalpfl. Niederösterr. 22 (St. Pölten 1999) 42 f.; Dehio 2003/1, 1055–1057 s. v. Kirche hl. Gertrud und ehem. Pilgerhospiz.

170 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

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Aufsätze

145 Büttner 1973 (Anm. 94) 182 f.; DehioHandbuch Niederösterreich (Anm. 140) 1348 s. v. Loosdorfer Straße Nr. 4, 6; Kaltenegger et al. 2007, 91 f. 146 Klaar 1972, 119. Bei Büttner/Faßbinder 1988, 127 wird der Bau noch als „frühmittelalterliches Festes Haus“ beschrieben, heute wird dieser sichtlich jüngere Bau Leopold VI. zugewiesen: Dehio 2003/1, 1049 s. v. Rechteckgebäude. 147 Büttner/Faßbinder 1988, 127 f.; Dehio 2003/1, 1036 s. v. Alter Fürstentrakt. 148 Büttner/Faßbinder 1988, 129; U. Seeger, Zisterzienser und Gotikrezeption. Die Bautätigkeit des Babenbergers Leopold VI. in Lilienfeld und Klosterneuburg. Kunstwiss. Stud. 69 (München, Berlin 1997) 105–115; Dehio 2003/1, 1048–1050 s. v. Ehem. Herzogspfalz Leopolds VI. mit ehem. „Capella Speciosa“. 149 H. Wiessner/G. Seebach, Burgen und Schlösser Klagenfurt, Feldkirchen, Völkermarkt. Burgen u. Schlösser Kärnten 22 (Wien 1980) 120–122. 150 Bei hochrangigen Bauherren mit entsprechenden Raum- und Repräsentationsbedürfnissen entstanden mitunter Bauten beeindruckender Größe, so im ausgehenden 12. Jh. auf Hardegg (Bezirk Hollabrunn, ca. 49 x 10,50 m) oder im (frühen) 13. Jh. auf Aggstein (Bezirk Melk, ca. 52 x 12 m): P. Schicht, Burg Hardegg. Entstehung – Gestalt – Geschichte der bedeutendsten Grafenburg Niederösterreichs (Retz 2008) 109–120; J. Zeune, Burg Aggstein in der Wachau, Niederösterreich. Großer Burgführer (Schönbühel 2006) 23; Kaltenegger et al. 2007, 261–266. Im 13. Jh. wurden auf Kaja (Bezirk Hollabrunn) und Weitenegg (Bezirk Melk) saalbauartige Baukörper von ca. 30 bis 32 m Länge gebaut. Zuletzt ist auf die landesfürstliche Burg auf dem Leopoldsberg (19. Bezirk, Döbling) zu verweisen, wo ebenfalls erst im späten Mittelalter anlässlich eines durchgreifenden Neubaues ein saalbauartiger Palas von beachtlichen Dimensionen (63 x 11 m) entstand. 151 Zu den Rahmenbedingungen der Untersuchung siehe Anm. 23. 152 Teile des Geländes (siehe S. 165) wurden offensichtlich in späterer Zeit beträchtlich aufplaniert. 153 Aufgrund der regelmäßigen Anordnung könnten zwei weitere Fenster an der südlichen Schmalseite bestanden haben und später vermauert und überputzt worden sein. An der Ostseite fehlt das Fenster der ersten Achse (von Norden). Entsprechende Reste könnten sich aber unter dem deckenden Putz verbergen, jene der dritten und vierten Achse sind überdies vermauert. 154 Die starken Putzanhaftungen im Bereich der Auszwickelungen lassen zum Teil nur die

Köpfe der großen Steine frei, was eine Beurteilung erschwert. Eine allgemeine Lagerhaftigkeit ist jedoch vorhanden. 155 Im Dehio 1996, 593 wird von einem „Mittelsaal mit Endräumen“ gesprochen, was hier beibehalten werden soll. 156 Im Inneren sind diese Fenster durch den Putz verdeckt. 157 Bezogen auf das nördlichste Fenster der Westseite. 158 Für die paläographische Analyse sei M. Jeitler, ÖAW, Kommission für Kunstgeschichte, sowie für die restauratorische Stellungnahme P. Berzobohaty, selbstständiger Restaurator, herzlich gedankt. 159 Möglicherweise handelte es sich um einen Sekundärzugang oder Abtritt. Sonst ist die ehemalige Tür unter glattem Flächenputz verborgen. 160 R. Gnevkow-Blume, Wien XIX. Ein restaurierter Barocksaal. UH 10/1, 1937, 30 f. 161 An zwei Segmenten des Gewändes finden sich einfache gotische Steinmetzzeichen. 162 F. Röhrig, Ernest Perger als Ordensmann und Propst. In: E. Rabl (Red.), Ernest Perger. 1707–1748 Propst des Stiftes Klosterneuburg, ein großer Sohn der Stadt Horn. Ausstellungskat. (Horn 1998) 53–64 bes. 55; GnevkowBlume (Anm. 160). 163 Die Beschreibung erfolgt im Uhrzeigersinn, ausgehend von der Einfahrt. 164 Die untersten Zonen zeigen eine deutliche Baunaht, während im Garten des Hauses Nr. 4 eine durchgehende Verzahnung zu beobachten ist. 165 Heute ist auch dieser Teil mit einem niedrigen Gebäude für Technik und Entsorgung verbaut. 166 Hier befindet sich ein von niedrigen Mauern umsäumtes, leicht erhöhtes Plateau, das möglicherweise die Stelle eines Gebäudes bezeichnet. 167 Im Dehio 1996, 526 werden generell „Reste von großteils abgerissenen Häusern 14.–15. Jh.“ erwähnt. 168 Berghofseitig sind nur zwei der Fenster zu sehen, das dritte dürfte sich unter einem Putzrest verbergen. 169 Alle Öffnungen liegen relativ tief, vom Schulterbogenportal ragt nur der obere Teil aus dem Boden. 170 In diesem Fall wäre aber von einer Sekundärverwendung des Materials auszugehen. 171 Da die Innenseite der Mauer fast komplett mit Efeu bewachsen ist, ist eine durchgehende Befundung nicht möglich gewesen. 172 Der jetzige Zustand, der wohl auf einer durchgreifenden Restaurierung beruht, macht eine Einordnung dieses Befundes unmöglich. 173 Auf die entsprechende Orientierung der Kellerbauten und die Anlage der Fenster wurde

132 Jedes der beiden Geschoße besaß somit einen ursprünglich durchgehenden Saal von rund 33 x 8,60 m Fläche: Klaar 1962, 101. 133 Auf diesen möglicherweise 38 m langen Bau, von dem nur noch die feldseitige (südliche) Mauer mit mehreren Lichtscharten erhalten ist, wies wohl erstmals Klaar 1962, 102 hin. 134 Dehio 2003/1, 758 s. v. Rom. Palas. 135 Reischl (Anm. 98) 83–102; H. Watzl, „… in loco, qui nunc ad sanctam crucem vocatur …“. Quellen und Abhandlungen zur Geschichte des Stiftes Heiligenkreuz (Heiligenkreuz 1987) 214–218; M. Kaltenegger/P. Mitchell, Zur Baugeschichte des Heiligenkreuzerhofes. ÖZKD 56/4, 2002, 377–401, zum Saalbau 381–385. 136 Pongratz/Seebach 1971, 147–150; Th. Kühtreiber/R. Zehetmayer, Zur Geschichte des Propsteiberges. Zwettler Zeitzeichen 2 (Zwettl 1999) 29–31; Th. Kühtreiber, Studien zur Baugeschichte des Gebäudekomplexes auf dem Zwettler Propsteiberg. Die Ergebnisse der Bauuntersuchungen von 1998. JbVLkNÖ N. F. 69–71, 2003–2005 (2007) 366–382. 137 Pongratz/Seebach 1971, 156; 159; Dehio 1990, 1347; 1363 f. s. v. Binderhof. 138 Der heute komplett verputzte, wirtschaftlich genutzte Bau wurde laut Dehio erst 1643 errichtet, was angesichts verschiedener Befunde nicht glaubhaft erscheint: Aigner (Anm. 118). 139 A. Klaar, Die Burg von Ybbs. UH 32/5–6, 1961, 91–98; Klaar 1972, 120; R. Büttner, Burgen und Schlösser zwischen Ybbs und Enns. Burgen u. Schlösser Niederösterr. 8 (Wien 1979) 28–30; Kaltenegger et al. 2007, 393– 395. 140 A. Weiss, Mödling. Karner, Spitalskirche, Toppelhof, Herzoge von Mödling. Kunsthist. Führer Mödling 1 (Mödling o. J.) 54–59; ders., Dorf und Markt Mödling 800 bis 1875. In: K. Stingl/W. Breitschedl (Hrsg.), Mödling. Landschaft, Kultur und Wirtschaft (Mödling 1975) 89–156 bes. 120 f.; Büttner/Faßbinder 1988, 80 f.; Dehio-Handbuch Niederösterreich. Südlich der Donau 2. M bis Z (Horn, Wien 2003) 1469 f. s. v. Toppel-Hof. 141 Die auf Weiss o. J. (Anm. 140) basierende Datierung in das 12. Jh. ist durch den Baubefund nicht belegbar. 142 Koch (Anm. 112); Neugebauer/Neugebauer-Maresch/Preinfalk (Anm. 112) 24–26. 143 Klaar 1972, 119 f.; Dehio 2003/1, 1062 f. s. v. Müstinger Keller. Die im Dehio angegebene Errichtung im 12. Jh. ist aufgrund des Mauerwerks und der Detailformen zu korrigieren. 144 Die Wölbung erfolgte wohl im ausgehenden 15. Jh., wurde jedoch im 17. Jh. weitgehend erneuert: Dehio 2003/1, 1063.

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Aufsätze

z. B. in frühneuzeitlicher Literatur hingewiesen: Malli 2001, 152–159; ähnliche Vorgaben galten für Getreidespeicher: H. Knittler, „dass alles zur rechten Zeit aufs beste versilbert werde“. Getreidespeicher in der frühen Neuzeit. In: H. Dikowitsch (Red.), Speicher, Schüttkästen. Die Schwierigkeit einer zeitgemäßen Nutzung. Denkmalpfl. Niederösterr. 21 (St. Pölten 1999) 10–15. 174 Die lichte Weite zeigt das Verhältnis von 1:2,63. 175 Die reduziert ausgebildeten Fensterbänke sind nicht als Datierungsargument für das 15. Jh. bzw. die späte Gotik heranziehbar. Nach Beobachtungen an Profanbauten (Burgruine Sparbach, Burgruine Unterthurm) sind einfache Fensterbänke bereits im 14. Jh. denkbar. 176 Die lichte Weite zeigt ein ähnliches Verhältnis (0,37 x 0,91 m = 1:2,46), die Profilierung allerdings eine deutliche Steigerung (Falz-Kehle-Falz-Kehle). Statt einer Fensterbank sind glatte, stark fallende Sohlen vorhanden. Hochproportionierte Fensteröffnungen finden sich an einer Gruppe oberösterreichischer Burgen, so z. B. an der Burg Neuhaus (Bezirk Rohrbach, 0,45 x 1,50 m) oder an der Burgruine Stauf (Bezirk Eferding, 0,35 x 1 m u. 0,43 x 1,02 m): W. Götting/G. Grüll, Burgen in Oberösterreich. Schriftenr. Oberösterr. Landesbaudirektion 21 (Linz 1967) 91– 108; 259–265; ähnlich proportioniert zeigen sich die Fenster des „Weinhofes“ in Senftenberg (siehe S. 137), der hinsichtlich Zeitstellung und Funktion einen ausgezeichneten Vergleich bietet; als überregionales Beispiel der Zeit um 1320 seien die fast gleich profilierten (Kehle-Falz-Kehle) und proportionierten Fenster der Burg von Kühnsdorf (D) genannt: E. Altwasser, Die Johanniterburg Kühnsdorf und ihr architektonisches Erscheinungsbild im Jahre 1320. In: Th. Biller (Red.), Burgen kirchlicher Bauherren. Forsch. Burgen u. Schlösser 6 (München, Berlin 2001) 255–270. 177 Th. Kühtreiber/G. Reichhalter, Ländliche Speicherbauten. Turmartige Gebäude zwischen Funktion und Repräsentation unter besonderer Berücksichtigung Ostösterreichs. BeitrMAÖ Beih. (in Vorbereitung). 178 M. Bitschnau, Bauernhäuser und verwandte Bautypen des Mittelalters in Tirol und Vorarlberg. Ein Forschungsbericht zur gemauerten anonymen Architektur. In: B. Furrer (Hrsg.), Kulturaustausch im ländlichen Hausbau. Inneralpin und transalpin. Beitr. Hist. Hausforsch. Alpen 1 (Petersberg 2003) 77– 92. Der Autor unterscheidet zwischen eingestellten Kellerzugängen, seitlichen Kellergängen und (wie beim Berghof) angesetzten Kellerzugängen. 179 Vgl. W. Hauser, Ergebnisse der Bauuntersuchungen des Thurnerhofes, Gem. Lang-

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kampfen, in Tirol. Nearchos Beih. 4 (Innsbruck 1997) 32–42; Bitschnau (Anm. 178). 180 Die Ausbildung als Schulterbogenportal ist – wie nunmehr ausreichend Parallelen zeigen – kein Widerspruch für eine Datierung des Baues in das 14. Jh. 181 Ein vorgesetzter Erschließungsbau mit Zugang zum Erd- sowie zum Obergeschoß, der sogar mit einer seitlichen Zugbrücke ausgestattet war, findet sich auf der Burgruine Steinschloß (Bezirk Murau) an einem Wohnund Wirtschaftsbau des 14. Jh.: J. Wagner/ M. Küttner, Baugeschichte aus archäologischer Sicht. In: W. Brunner, Mariahof. Geschichte des Lebens und Leidens der Menschen einer Kleinregion von den Anfängen bis zur Gegenwart (Mariahof 2004) 556–564 bes. 559. Der Baubefund basiert auf Beobachtungen des Verf. 182 Dehio 1996, 593. 183 Ensembles finden sich z. B. auf der Kronburg (Bezirk Landeck): H. Arnold-Öttl, Kronburg. In: Tiroler Burgenbuch 7. Oberinntal und Außerfern (Bozen et al. 1986) 184–206 bes. 204 Abb. 138 a; bei M. Huber/G. Pichler, Die Ritzinschriften auf dem älteren Christophorus-Fresko von St. Peter in Holz. Carinthia 191, 2001, 189–194; W. u. W. Kirchner, Spätmittelalterliche Rötelzeichnungen als private Andachtsbilder in einem Grödner Bauernhaus. In: G. U. Großmann (Hrsg.), Hausbau im Alpenraum – Bohlenstuben und Innenräume. Jahrb. Hausforsch. 51 (Marburg 2002) 293– 300; H. Keim/A. Weidlich, „Graffiti“ auf der Kasertür? Überlegungen zu Ritzzeichnungen in einem Kaser aus Berchtesgaden. In: H. May (Hrsg.), Alles unter einem Dach. Häuser – Menschen – Dinge. Festschr. Konrad Bedal. Quellen u. Mat. Hausforsch. Bayern 12 (Petersberg 2004) 203–214; unpublizierte Beispiele (nach Beobachtungen des Verf.) finden sich an den Stubenwänden in einem Turm der Burg Aspang (Bezirk Neunkirchen) und – geschnitzt bzw. geritzt und zahlreiche Burgen darstellend – an einer Stubenwand der Burg Mauterndorf (Bezirk Tamsweg). 184 Im Dehio 1996, 593 wird es in das ausgehende 15. Jh. datiert. 185 Freundl. Mitteilung von M. Jeitler. 186 H. Biedermann, Knaurs Lexikon der Symbole (Augsburg 2000) 329 f. s. v. Pentagramm. 187 In der Literatur zunächst als „Blockwerkkammer“ bezeichnet, werden sie in der Fachterminologie heute sehr unterschiedlich – zum Teil auch die konstruktiven Varianten unterscheidend – angesprochen. Zum Überblick: D. Menclová, Blockwerkkammern in Burgpalästen und Bürgerhäusern. Acta Hist. Acad. Scien. Hungaricae 9/3–4 (Budapest 1963) 245–267; J. Zeune, Kleinfenstergruppen und

Trichterfenster an mittelalterlichen Burgen. In: B. Schock-Werner/K. Bingenheimer (Hrsg.), Fenster und Türen in historischen Wehr- und Wohnbauten. Veröff. Dt. Burgenver. B 4 (Stuttgart 1995) 51–60; K. Bedal, Wohnen im hölzernen Gehäus’. Zur Geschichte, Verbreitung und Bedeutung der Bohlenstuben in Süddeutschland. In: A. Bedal (Hrsg.), Haus(ge)schichten: Bauen und Wohnen im alten Hall und seiner Katharinenvorstadt. Kat. HällischFränkisches Mus. Schwäbisch Hall 8 (Sigmaringen 1994) 93–124; Reichhalter 2006. 188 In der Regel waren die Öfen als Hinterlader ausgebildet und wurden von einem benachbarten Raum, zumeist vom Flur aus bedient: Reichhalter 2006, 182. 189 Zu den bislang frühesten Befunden (aus der Zeit um 1235/45) gehören jene auf der Frauenburg (Bezirk Judenburg). Zur Datierung: W. Deuer, Ulrich von Liechtenstein als Auftraggeber und Bauherr. In: F. V. Spechtler (Hrsg.), Ich – Ulrich von Liechtenstein. Literatur und Politik im Mittelalter. Schriftenr. Akad. Friesach 5 (Klagenfurt 1999) 133–154 bes. 137. Der Baubefund basiert auf Beobachtungen des Verf. 190 Die Fenster treten in einer Vielzahl von Formen (rundbogig, spitzbogig, rechteckig etc.) auf, segmentbogige sind nach Beobachtungen des Verf. mehrfach belegbar. 191 Die Gruppierung (in meist zwei Ebenen) basiert, vergleichbar mit den „Rauchstubenfenstern“ bäuerlicher Wohnhäuser, auf den konstruktiven Voraussetzungen des Blockbaues: Reichhalter 2006, 181. 192 Ab dem späten 14. sowie im 15. Jh. ist der Übergang zu ausgereifteren Konstruktionsformen festzustellen, die im Gegensatz zu den archetypischen Frühformen, die sekundär vom Massivbau ummauert wurden, schon mit großen Leibungsfenstern ausgestattet waren und auch nachträglich eingebaut werden konnten. 193 Siehe Martin Aigner’s Burgenseite: www. burgenseite.com/faschen/faschen_txt.htm (9.6. 2009). 194 H. Plach/K. Kubes, Zur Filialkirche von Kleinzwettl (Zwetlarn). JbVLkNÖ N. F. 46–47, 1980–1981, 387–399; Dehio 1990, 530 s. v. Filialkirche hl. Jakob. 195 Dehio-Handbuch Steiermark (Wien 1982) 277–279 s. v. Pfarrkirche hl. Maria. 196 Th. Kühtreiber/G. Reichhalter, Der spätmittelalterliche Burgenbau in Oberösterreich. In: L. Schultes (Hrsg.), Gotikschätze Oberösterreich. Kat. Oberösterr. Landesmus. N. F. 175 (Weitra 2002) 72–86 bes. 78 u. Anm. 57; Dehio-Handbuch Oberösterreich 1. Mühlviertel (Horn, Wien 2003) 152 s. v. Kapelle. 197 B. M. Buchmann/B. Faßbinder, Burgen und Schlösser zwischen Gföhl, Ottenstein

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Klosterneuburg sei für die Genehmigung zur Akteneinsicht herzlich gedankt. 207 Frühe Vergleiche (um/nach 1400) finden sich wahrscheinlich auf der Burgruine Sparbach; als frühes Beispiel für Tirol gilt der 1435/37 entstandene Erker der Burg Berneck (Bezirk Landeck): E. u. M. Hörmann, Berneck. In: Tiroler Burgenbuch 7. Oberinntal und Außerfern (Bozen et al. 1986) 57–104 bes. 83– 86 Abb. 52. 208 Beide Mauern sind im Einreichplan von 1989 noch als Bestand ausgewiesen: MA 37 – Baupolizei, KG Heiligenstadt, EZ 1018. 209 Diese Teile sind auf dem Bestandsplan von 2007 noch verzeichnet: Bestandsplan vom 25.4. 2007 (Kellergeschoß, Erdgeschoß), Vermessung Angst ZT GmbH (GZ 12001). 210 Vermutlich sind die Dippelbäume hier um 90 Grad gedreht und über die Schmalseite des Raumes (Nord-Süd) gespannt. 211 Das Gewölbe gehört wie oben berichtet einer Bauphase des (frühen) 16. Jh. an, als im Kernbau noch das mittelalterliche Begehungsniveau vorhanden war. 212 Damit würde zumindest dieses kleine Gewölbe noch auf das höhere mittelalterliche Bodenniveau Bezug nehmen. 213 Zum Teil inschriftlich datierte Beispiele finden sich bei Katzberger 1996, 291–300 (um 1564/87); 347–360; 361–370 (1582); 418– 434; 471–486 (1572). Sie sind jedoch, vielfach variiert und oft auch mit Überdachungen versehen, bis in das 18. Jh. zu finden. 214 Es liegt nur eine undatierte (wohl aus dem 16. Jh. stammende) Abrechnung über Ausbesserungsarbeiten am Zehenthof vor: Stiftsarchiv Klosterneuburg, Kart. 57, Nr. 4. 215 Da 1684 Zimmermannsarbeiten am Pfarrhof stattfanden und 1686 das Dach der Kirche gedeckt wurde, ist davon auszugehen, dass Teile des Ortes und somit auch der Zehenthof beim zweiten Türkeneinfall 1683 Zerstörungen erlitten haben: Stiftsarchiv Klosterneuburg, Kart. 600, Nr. 14; HS 102, pag. 130; 1685 wurden insgesamt neun öde Brandstätten in Heiligenstadt aufgelistet: Stiftsarchiv Klosterneuburg, Kart. 600, Nr. 15; nach Czeike 2004 (ohne Angabe von Quellen) fand Ende des 17. Jh. ein barocker Umbau statt; ebenso ist im Dehio 1996, 592 von einem Umbau „nach Zerstörung 1683“ zu lesen. 216 Wie Beispiele zeigen, sind Ohrungen zumindest ab der Mitte des 17. Jh. in Gebrauch: F. Polleroß, … dem Antiquario zu Rom für sein trinckgeldt undt gemachte spesa. Kunst-Reisen und Kunst-Handel im 17. und 18. Jahrhundert. In: F. Polleroß (Hrsg.), Reiselust & Kunstgenuss. Barockes Böhmen, Mähren und Österreich (Petersberg 2004) 9–36 bes. 13 (Entwurf für Stift Geras, 1650); ein inschriftlich 1652 datiertes Portal findet sich am „Hof-

haus“ in Kirchschlag (Bezirk Wr. Neustadt): Dehio 2003/1, 961 f. s. v. Hofhaus; ein inschriftlich 1690 datiertes Portal mit hölzerner Zarge, das sich relativ ähnlich darstellt, befindet sich nach Befund der Verf. im Pfarrhof von Stammersdorf, vgl. Dehio 1996, 629 s. v. Pfarrhof. 217 Katzberger 1996, 308 f. 503; 517. 218 Unter Pergers Amtszeit wurde 1715 auch mit der Planung für den Neubau des Stiftes Klosterneuburg begonnen. Die Grundsteinlegung erfolgte jedoch erst 1730, obwohl Perger als Bauherr fungierte, erfolgte der Neubau auf Initiative Kaiser Karls VI. und des Hofes. Perger wirkte vielmehr bei der 1723 wieder aufgenommenen Barockisierung der Stiftskirche und kleineren Bauvorhaben pfarrlicher Bereiche: H. Weigl, Propst Ernest Perger als Bauherr der Klosterresidenz Kaiser Karls VI. In: Rabl (Anm. 162) 65–75. 219 Röhrig (Anm. 162) 53–64 bes. 55; Tietze 1908, 413. 220 Czeike 2004. 221 Stiftsarchiv Klosterneuburg, HS 21/3, pag. 201 (9. März 1872). Anlässlich der Renovierung 2007 konnten oberhalb der geöffneten Decke der Veranda Teile des Mauerwerks der Ostseite eingesehen werden, die noch starke Rußschwärzungen zeigten. Es ist zu schließen, dass die heutige, relativ flache und nicht besonders kräftig ausgebildete Dachkonstruktion aus dieser Zeit stammt. 222 MA 37 – Baupolizei, KG Heiligenstadt, EZ 1018 (genehmigt am 18. April 1872). Die Veranda nahm jedoch nur die Breite des östlichen Anbaues auf, wann sie auf das heutige Maß vergrößert wurde, geht aus den Unterlagen nicht hervor. 223 MA 37 – Baupolizei, KG Heiligenstadt, EZ 1018 (Einreichplan vom 24. Juli 1884, genehmigt am 13. August 1884). 224 MA 37 – Baupolizei, KG Heiligenstadt, EZ 1018 (Einreichpläne vom 18. Mai 1904 und vom April 1905). 225 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Kart. 523, Nr. 6–7, Kammeramtsakten (24. Juli 1912; 4. Juni 1913; 5. Juni 1913). 226 In der Kunsttopographie von 1908 wird der schon stark zerstörte Deckenschmuck des südlichen Endraumes erwähnt (Tietze 1908, 413). 227 BDA, Amtsarchiv-Akten 7143, Mappe 1, GZ 3023/58. 228 BDA, Amtsarchiv-Akten 7143, Mappe 1, GZ 2816/67; 3611/67; 8663/69; 5770/70; 6144/70; 6229/70; 6398/70; 6423/70. 229 BDA, Amtsarchiv-Akten 7143, Mappe 2, GZ 7143/1/88. In den Unterlagen finden sich Hinweise über eine geplante Bauuntersuchung, es geht daraus jedoch nicht hervor, in welchem Maß diese erfolgte. Es liegt nur ein

und Grafenegg. Burgen u. Schlösser Niederösterr. 17 (St. Pölten, Wien 1990) 93–96. 198 www.burgenseite.com/faschen/hohenwa ng_farb_03.jpg (9.6. 2009). 199 Wiessner/Seebach (Anm. 119) 17 f. 200 F. Zaisberger/W. Schlegel, Burgen und Schlösser Pongau, Pinzgau, Lungau. Burgen u. Schlösser Salzburg 1 (Wien 1978) 58–60; ein Sakralraum ist aufgrund der Platzverhältnisse innerhalb des Fünfeckturmes wohl auszuschließen. 201 Wie z. B. auf Aggstein (Bezirk Melk), um 1429/36, oder auf Neuhaus (Bezirk Rohrbach), wohl spätes 15. Jh. Die Lage im Obergeschoß lässt eine derartige Funktion jedoch fraglich erscheinen. 202 Der deckende Putz, unter dem sich weitere Befunde verbergen könnten, verhinderte eine nähere Untersuchung. So verzeichnet der Einreichplan aus dem Jahr 1989 an der Ostseite im Bereich des nördlichen Gewölbejoches ein weiteres in Funktion befindliches Fenster, das heute nicht mehr sichtbar ist: MA 37 – Baupolizei, KG Heiligenstadt, EZ 1018. 203 Dehio 1996, 593. 204 Ähnlich vorzustellen sind z. B. die ehemaligen, ausschließlich hölzernen Binnengliederungen im Wohnturm der Frauenburg (siehe oben Anm. 189) und im Palas der Burg Gallenstein (Bezirk Liezen). Letzterer integrierte neben einer Stube auch einen kleinen Kapellenraum: Ebner (Anm. 116) 43–45; 49–51 (kein Baubefund). 205 Ansonsten hätte man wohl auf die Lichtscharte mehr Rücksicht genommen; auch die Tatsache, dass der mittlere Gurtbogen keine Mauer trägt, weist auf den Bestand vor dem Einbau der Binnenmauern. Gurtbögen sind bei Balkendecken als Gliederungselement oder zusätzliche Lastableitung (der Unterzüge) belegt. Wie die Beispiele von der Burg Oberwallsee (Bezirk Urfahr-Umgebung) oder vom Salzhof in Freistadt zeigen, können sie schon im 14. Jh. aus reinem Ziegelmauerwerk bestehen. 206 Im Dehio 1996, 593 wird von „Stadtveduten 15. Jh. bzw. illusionistische Scheinarchitekturen um 1700“ berichtet. In den Akten des BDA sowie in anderer Sekundärliteratur finden sich keinerlei weitere Angaben oder Fotos. Es ist lediglich ein Bericht von G. Seebach vorhanden, der von „bar. Wandmalereien an allen vier Seiten, illusionistisch etc.“ berichtet. Es sollen zwei Phasen zu erkennen gewesen sein, von denen die jüngere der ersten Hälfte des 18. Jh. zugewiesen wurde, in den Fensternischen waren zudem Dekorationsmalereien zu erkennen: BDA, Amtsarchiv-Akten 7143, Mappe 2, GZ 7143/1/88, Beibl., handschriftlicher Bericht vom 30.1. 1989. Dem Stift

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H. Krause/G. Reichhalter, Der „Perchhof“ zu Heiligenstadt

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handschriftlicher Bericht von G. Seebach vom 30.1. 1989 vor. 230 BDA, Amtsarchiv-Akten 7143, Mappe 2, GZ 7143/1/90. Über die genauen Tätigkeiten finden sich keine Unterlagen, letzte Arbeiten wurden 1993 durchgeführt: BDA, Amtsarchiv-Akten 7143, Mappe 2, GZ 7143/1/93. 231 MA 37 – Baupolizei, KG Heiligenstadt, EZ 1018 (Einreichpläne vom Jänner 1989); BDA, Amtsarchiv-Akten 7143, Mappe 2, GZ 7143/ 1/89. Anlässlich von Fundamentfreilegungen 2007 war zu sehen, dass es sich aufgrund der Ausführung um keinen modernen Neubau handeln kann, sondern um einen Altbau des späten 19./frühen 20. Jh., für den allerdings keine Planunterlagen vorliegen. 232 Das östliche Fensterchen ist somit rezent. 233 Aufgrund spärlicher Notizen ist anzunehmen, dass die Putzfaschen auf Originalbefunden basieren: BDA, Amtsarchiv-Akten 7143, Mappe 2, GZ 7143/1/88, Beibl., handschriftlicher Bericht vom 30.1. 1989. Von der erwähnten Sonnenuhr finden sich jedoch keine Spuren. 234 Der westliche Teil der Mauer, die ein wenig in eine barocke Fensternische greift, stammt vermutlich aus der „Reinprecht-Periode“ ab Ende der 80er-Jahre des 20. Jh., der östliche Teil war zumindest 1904/05 vorhanden. Der Versprung in der Mitte rührt von der Zweiphasigkeit und dem Anschluss an die nicht mehr erhaltene barocke Binnenmauer her.

235 BDA, Amtsarchiv-Akten 7143, Mappe 2, Notiz und Foto zu GZ 7143/1/89. 236 Viele Stuben, wie z. B. auf Finstergrün, Frauenburg, Liebenfels oder Mauterndorf, besaßen zwei übereck angelegte Fenstergruppen: Reichhalter 2006, 181 f. 183 Abb. 5; 187 Abb. 13–14. 237 Negativabdrücke der Holzkonstruktion finden sich nach dem kompletten Auswittern des Mörtels jedoch nicht. 238 Viele Fragen, die sich bezüglich Alter, Bauphasen etc. hier aufwerfen, sind aufgrund der jüngeren Verbauungen und des starken Efeubewuchses zurzeit nicht klärbar. 239 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Schreibkalender 1679, Bericht 10., 17., 18. Oktober, 10. November (sich nacher heilligen Statt begeben […] in dem Zehet Hof in den neu Erbautten Weinzirl Hauß ein Zimmer eingenommen); ein Weinzierl (auch Weinzürl, Weinzettl) war ein vom Bergherrn beauftragter Vorarbeiter, der leitende und überwachende Tätigkeiten auszuführen hatte: Haushofer 1992, 546 f. 240 Im Rahmen von Bestandsverträgen erscheint das Pakturgebäude Nr. 3 in Verbindung mit dem Weinzierlhaus bzw. erscheinen (1869) die Kaffeehauslokalitäten samt Weinzierlhaus Nr. 3: Stiftsarchiv Klosterneuburg, Kart. 2677, Nr. 4; Kart. 1151, Rechnungsbeil. Nr. 1; 1898 nahm Johann Bittner das stiftliche Haus C. Nr. 3 Pfarrplatz C. Nr. 5 […] das sogenannte Pacturgebäude sammt Garten in Bestand. Aus diesem Dokument geht hervor,

dass es zwei Nummerierungssysteme gab und sich Nr. 3 und Nr. 5 auf den Berghof bezogen (Stiftsarchiv Klosterneuburg, Kart. 2431, Fasz. 11, Nr. 2415). 241 Das Hofareal dürfte sich demnach weiter nach Westen erstreckt haben. Der dem Einreichplan von 1904/05 angeschlossene Lageplan zeigt neben der leeren (?) Parzelle des Gebäudes schon die geplante Verbreiterung der Nestelbachgasse, anlässlich derer der Bau wohl abgebrochen wurde: MA 37 – Baupolizei, KG Heiligenstadt, EZ 1018. 242 MA 37 – Baupolizei, KG Heiligenstadt, EZ 216. 243 Stiftsarchiv Klosterneuburg, Kart. 2431, Fasz. 11, Nr. 2415. 244 MA 37 – Baupolizei, KG Heiligenstadt, EZ 1018 (genehmigt am 18. April 1872). 245 Zumindest an der Nordseite der Kirche dürfte sich jedoch weitgehend das mittelalterliche Niveau erhalten haben, denn sowohl die Schwelle des Nordportals als auch der Wechsel vom sichtbaren Quadermauerwerk zum untertägigen Fundamentmauerwerk korrespondieren mit dem heutigen Bodenniveau. 246 Czeike 2004; Dehio 1996, 592; 593: „Hochgot. Bau 2. H. 13. Jh. […] Kellerfenster hochrechteckig abgefast 2. H. 13. Jh. […].“ Möglicherweise sind hier Teile des Berichts von G. Seebach (siehe Anm. 206) eingeflossen, wonach er Steingewände in das 12. und Putze in das 13. Jh. datiert. 247 Dehio 1996, 593.

Abgekürzt zitierte Literatur Buchmann/Faßbinder 1990 Büttner/Faßbinder 1988 Czeike 2004 Dehio 1990 Dehio 1996 Dehio 2003/1 Fischer 1815 FRA II/4 FRA II/10 Geyer 1954 Haushofer 1992 HONB Kaltenegger et al. 2007 Katzberger 1996 Klaar 1962 Klaar 1971 Klaar 1972

B. M. Buchmann/B. Faßbinder, Zwischen Krems, Hartenstein und Jauerling. Burgen u. Schlösser Niederösterr. 16 (St. Pölten, Wien 1990). R. Büttner/B. Faßbinder, Burgen und Schlösser zwischen Mödling, Purkersdorf und Klosterneuburg. Burgen u. Schlösser Niederösterr. 22 (St. Pölten, Wien 1988). F. Czeike, Historisches Lexikon Wien 12 (Wien 2004) 204 s. v. Aussicht, Zur schönen. Dehio-Handbuch Niederösterreich. Nördlich der Donau (Wien 1990). Dehio-Handbuch Wien. X. bis XIX. und XXI. bis XXIII. Bezirk (Wien 1996). Dehio-Handbuch Niederösterreich. Südlich der Donau 1. A bis L (Horn, Wien 2003). M. Fischer, Merkwürdigere Schicksale des Stiftes und der Stadt Klosterneuburg aus Urkunden gezogen I–II (Wien 1815). M. Fischer (Hrsg.), Codex Traditionum Ecclesiae Collegiatae Claustroneoburgensis. Fontes Rerum Austriacarum Abt. 2, Diplomataria et Acta 4 (Wien 1851). H. J. Zeibig (Hrsg.), Urkundenbuch des Stiftes Klosterneuburg bis zum Ende des vierzehnten Jahrhunderts, 1. Theil. Fontes Rerum Austriacarum Abt. 2, Diplomataria et Acta 10 (Wien 1857). R. Geyer, Zur Häusergeschichte von Heiligenstadt. WGBl 9, 1954, 17 f. H. Haushofer, Weinbau in Klosterneuburg. In: M. Duscher (Hrsg.), Klosterneuburg. Geschichte und Kultur. 1. Die Stadt (Klosterneuburg, Wien 1992) 539–580. H. Weigl, Historisches Ortsnamenbuch von Niederösterreich. R. A 1–7 (Wien 1964–1975). M. Kaltenegger/Th. Kühtreiber/G. Reichhalter/P. Schicht/H. Weigl, Burgen Mostviertel (Wien 2007). P. Katzberger, Weinhauer- und Bürgerhäuser von Perchtoldsdorf. Perchtoldsdorfer Kunsttopogr. 7 (Perchtoldsdorf 1996). A. Klaar, Das Stiftsspital in Klosterneuburg. UH 33/5–7, 1962, 97–105. A. Klaar, Die Siedlungsformen Wiens. Wiener Geschichtsbücher 8 (Wien, Hamburg 1971). A. Klaar, Saalbauten des Hochmittelalters. ÖZKD 26/3–4, 1972, 118–122.

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H. Krause/G. Reichhalter, Der „Perchhof“ zu Heiligenstadt

Lechner 1953 Lohrmann/Opll 1981 Malli 2001 Neugebauer 1998 Neumann 1968 Perger 1961–62 Pongratz/Seebach 1971 QGW Reichhalter 2006 Tietze 1908 Wolf 1955

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K. Lechner, Heiligenstadt – Sanctus Locus. Legende und Geschichte um einen Wiener Vorort. WGBl 8/3–4, 1953, 54–76. K. Lohrmann/F. Opll, Regesten zur Frühgeschichte von Wien. Forsch. u. Beitr. Wiener Stadtgesch. 10 (Wien 1981). R. Malli, Der Schatz im Keller. Zur Weinwirtschaft der Waldviertler Klöster. Schriftenr. Waldviertler Heimatbund 41 (Horn, Waidhofen/Thaya 2001). J.-W. Neugebauer (Hrsg.), Von der Herren Hof von Passau. Vom römischen Lagerdorf zum mittelalterlichen Lesehof. Kat. Stadtmus. Klosterneuburg (Klosterneuburg 1998). A. Neumann, Forschungen in Vindobona 1948 bis 1967. II. Teil: Zivilstadt und Landbezirk. RLÖ 24 (Wien 1968). R. Perger, Kahlenberger, Heiligenstädter und Schenken von Ried. JbVGW 17–18, 1961–62, 30–52. W. Pongratz/G. Seebach, Litschau, Zwettl, Ottenschlag, Weitra. Burgen u. Schlösser Niederösterr. III/1 (Wien 1971). Quellen zur Geschichte der Stadt Wien. Hrsg. v. Alterthums-Vereine zu Wien (Wien 1895–1937). G. Reichhalter, „Blockwerkkammern“ des 13. bis 15. Jahrhunderts aus österreichischen Burgen. In: M. Krenn/A. Krenn-Leeb (Hrsg.), Burg und Funktion. AÖ Spezial 2 = Castrum Bene 8 (Wien 2006) 179–192. H. Tietze, Die Denkmale der Stadt Wien (XI.–XXI. Bezirk). ÖKT 2 (Wien 1908). H. Wolf, Erläuterungen zum Historischen Atlas der österreichischen Alpenländer 2. Die Kirchen- und Grafschaftskarte 6. Niederösterreich (Wien 1955).

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A. Berthold/I. Mader, Ein historistischer Holzpavillon auf dem Tivoli

Ein historistischer Holzpavillon auf dem Tivoli in WienMeidling: Geschichte und Rekonstruktion Andreas Berthold/Ingrid Mader Die Geschichte des Tivoli vom 19. bis in das 20. Jahrhundert Im September des Jahres 1830 wurde auf dem grünen Berg1 in Obermeidling, einem Vorort von Wien, ein Ausflugs-Etablissement mit dem Namen Tivoli eröffnet. 2 Das Gelände lag östlich des Schlossparkes Schönbrunn, etwa zwischen der heutigen Hohenbergstraße, der Grünbergstraße und der Tivoligasse. Als Friedrich Gericke und Ernst Wagner das Grundstück im Jahre 1830 erwarben (Abb. 1),3 stand dort bereits eine Landvilla. 4 Die Berliner Unternehmer adaptierten den Bau und ließen eine viergleisige Rutschbahn für zweisitzige Wagen errichten, die alsbald eine große Attraktion darstellte (Abb. 2). Die Anlage erfreute sich bei der Bevölkerung großer Beliebtheit und fand auch medialen und literarischen Niederschlag. 5 Das „Tivoli“, wie die Anlage bald im Volksmund genannt wurde, war auch Schauplatz großer Volksfeste: Hier fanden etwa Hahnenkämpfe statt und zweimal wöchentlich wurde zum Tanz aufgespielt. Wegen der hohen Betriebskosten hatte das Unternehmen nicht sehr lange Bestand. In den folgenden Jahren wechselte der Besitzer mehrmals,6 bis es schließlich im Jahre 1873 von dem Tiroler Johann Wallner zunächst gepachtet und 1888 erworben wurde7. In den folgenden Jahren erfuhr das Gelände eine beträchtliche Veränderung. Ein großer Holzpavillon wurde südlich des bestehenden Ausflugslokals (Meierei) errichtet. 8 Mit Stolz verwies der neue Besitzer auf seine Herkunft: Im Giebeldreieck über der Eingangstür war ein Bild angebracht, das eine stehende, unbekleidete männliche Figur wiedergab, die in ihrer linken Hand einen Schild mit dem Tiroler Adler hielt. 9 Die Meierei bekam 1892 an ihrer Nordseite eine verglaste, hölzerne Veranda (Abb. 3). 10 Beide Gebäude wurden mit Tiroler Landschaftsbildern des österreichischen Malers Anton Hlavacˇ ek (1842–1926)11 ausgestattet. Um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war das Tivoli noch immer ein beliebter Treffpunkt der Wiener Gesellschaft. So verkehrten Mitglieder des Kaiserhauses, aber auch zahlreiche Künstler dort. Während des Ersten Weltkrieges wurde der gesamte Betrieb geschlossen und danach wieder eröffnet. Der Holzpavillon wurde zu einem großen Teil abgebrochen und im Jahre 1929 von einem Urenkel J. Wallners als Clubhaus für die inzwischen eingerichteten Tennisplätze adaptiert. Diesem Umstand ist es vermutlich zu verdanken, dass ein Teil des Holzgebäudes erhalten geblieben ist. Eine Flugbildaufnahme aus dem Jahr 1938 bestätigt, dass der westliche Teil des Pavillons nicht mehr vorhanden war. 12 Der Betrieb der Meierei, des ehemaligen Ausflugsetablissements, wurde 1967 eingestellt. Im Jahre 1977 erfolgte die Unterschutzstellung durch das Bundesdenkmalamt. 13 1980 vernichtete ein Brand die historistische Holzveranda der

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A. Berthold/I. Mader, Ein historistischer Holzpavillon auf dem Tivoli

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Abb. 2: Ausflugslokal und Rutschbahn des Tivoli, Farblithographie. (© Wien Museum, Inv.-Nr. 57378)

Abb. 1: Situationsplan des im Jahre 1830 von Gericke und Wagner erworbenen Grundstückes am Grünen Berg. (© Stiftsarchiv Klosterneuburg, Inv.-Nr. SP 482, Kart. 2250)

ehemaligen Meierei und damit wurden auch die dort verbliebenen Landschaftsbilder von A. Hlavacˇ ek zerstört. 14 Im Jahre 1990 wurde das gesamte Areal von einer Baugesellschaft erworben und die Reste der Bauwerke wurden zum Abbruch freigegeben. Bevor dieser jedoch durchgeführt wurde, erfolgte in Zusammenarbeit mit dem neuen Besitzer, der Schlosshauptmannschaft Schönbrunn, und durch die Vermittlung des Bundesdenkmalamtes sowie der Technischen Universität Wien eine Bauaufnahme des Pavillonrestes. 15 Auf dem Areal entstand, nach dem Abbruch in den Jahren 1995–1997, ein Seniorenwohnheim. Der späthistoristische Holzpavillon auf dem Tivoli Stilistische Einordnung In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts fand ein Baustil in weiten Teilen Europas Verbreitung, der dem Späthistorismus16 zuzuordnen ist und vielerorts zusammenfassend als „Heimatstil“ bezeichnet wird. 17 In Mitteleuropa wurden in diesem Zusammenhang auch die Begriffe „Laubsägestil“ oder „Schweizerhausstil“ eingeführt18, im angelsächsischen Raum „Carpenter Style“ oder „English Rural Style“19. Seinen Ursprung hatte der „Heimatstil“ vermutlich in dem seit dem Beginn des 18. Jahrhunderts sich verbreitenden romantischen Gedankengut, das die Natur und Landschaft als Raum entdeckte und den man durch künstlich geschaffene Objekte akzentuierte. Das gesunde Landleben wurde geschätzt und diese Einstellung begünstigte das Entstehen von Villen und Herrschaftshäusern in

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A. Berthold/I. Mader, Ein historistischer Holzpavillon auf dem Tivoli

Abb. 3: Die Meierei auf dem Tivoli, dahinter der Holzpavillon sowie ganz hinten die Gloriette. Postkarte von 1915. (© Bezirksmuseum Meidling, Inv.-Nr. 1/1742)

diesem Stil. 20 Waren vorerst der Adel und wohlhabende Bürger Träger in der Verbreitung dieser historistischen Ausformung, entstanden alsbald auch Einfamilienhäuser und Zinshäuser im städtischen Bereich und Pavillons in diesem Stil. In Wien wurde 1872 auf Initiative namhafter Architekten der Zeit der „Wiener Cottage Verein“ ins Leben gerufen. In den Folgejahren entstanden im 18. Wiener Gemeindebezirk zahlreiche „cottages“, die mit Holzattributen des „Laubsägestils“ akzentuiert waren. 21 Begeistert aufgenommen wurde der „Heimatstil“ zur Zeit der Wiener Weltausstellung, die im Jahre 1873 in der Leopoldstadt, im Oberen Prater stattfand. Zahlreiche Länderpavillons waren aus hölzernen, vorgefertigten Teilen zusammengebaut. Die einzelnen Teile waren häufig mit kunstvoll geschnitzten und gesägten Elementen verziert oder mit Türmchen, steilen Giebeln und anderem Schmuckwerk bekrönt. 22 Die Frage des ursprünglichen Standorts Diverse mündliche Überlieferungen stellten infrage, dass der Pavillon ursprünglich für den Tivoli konzipiert war (Abb. 4–5). Da vor allem oft von einem „Weltausstellungspavillon“23 gesprochen wurde, lag es nahe, auf dem Gelände der Weltausstellung 1873, die in Wien stattgefunden hat, den entsprechenden Gebäudegrundriss zu eruieren. Ein möglicher Standort des Holzpavillons auf dem Gelände der Weltausstellung 1873 in Wien Die Errichtung von Pavillons zur Selbstdarstellung oder Schaustellung der Nationen wurde mit dem fortschreitenden 19. Jahrhundert immer bedeutender. 24 An die zweihundert Pavillons, viele davon auch aus Holz gefertigt, dominierten

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A. Berthold/I. Mader, Ein historistischer Holzpavillon auf dem Tivoli

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Abb. 4: Der Pavillon auf dem Tivoli. Ausschnitt einer kolorierten Postkarte aus dem Jahr 1905. (© Sammlung G. Gruber)

das äußere Erscheinungsbild der Weltausstellung. Ausgestellt waren die Produkte technischer Errungenschaften der Nationen. Für die Unterhaltung sorgten diverse Musik-

Abb. 5: Detailaufnahme des Pavillons, Ansicht von Nordwesten. Postkarte von 1927. (© Bezirksmuseum Meidling, Inv.-Nr. 1/0195)

und Restaurationspavillons. 25 Um nicht mit enormen Erhaltungskosten konfrontiert zu werden, wurde bereits im Jänner 1874 mit dem Abtragen der Gebäude begonnen. Bis zum Sommer waren alle Holzpavillons entfernt. 26 Einige wurden als Baumaterial weiterverkauft, andere wiederum als Gesamtheit an einem neuen Ort wieder aufgestellt. Bekannt ist, dass Erzherzog Carl Ludwig das aus Holz gefertigte „Vorarlberger Bauernhaus“ erworben hat und auf seinem Grund am Semmering wieder errichten ließ. 27 Ein anderer Holzpavillon wurde nach Berlin überstellt und diente dort am Bahnhof „Wannensee“ (später Berlin-Wannsee) bis 1927 als Empfangsgebäude. 28 Tatsächlich fanden sich auf dem Projektplan der Weltausstellung einige Grundrisse, die in ihren Maßen eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Grundriss des Holzpavillons vom Tivoli haben. 29 Vor allem ein Gebäudegrundriss entspricht in seiner Größe und Form in etwa den eruierten Originalmaßen. Es handelt sich um das „I. Caféhaus“, welches an der Prater Hauptallee lag – also eigentlich außerhalb des Ausstellungsgeländes – und das westlichste von zwei weiteren darstellte. Dieses „Caféhaus“ war Teil der schon viele Jahrzehnte zuvor errichteten Praterhütten und Restaurationsbetriebe, die mehrmals umgebaut worden sind. Im Gegensatz zu dem Projektplan ist auf weiteren Ausgaben von Situationsplänen der Weltausstellung, die anlässlich der Ausstellung publiziert worden sind, zu erkennen, dass das Kaffeehaus letztlich ein anderes Aussehen bekommen hat. 30 Es erhielt einen rechteckigen Grundriss mit einer geschwungenen Rampe rechts und links vom Eingang. Nachdem der Grundriss in eine Aufnahme

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Abb. 6: Der Osttrakt des Pavillons vor dem Abbruch, Ansicht von Osten. (Foto: A. Berthold)

des Praters von 1879 ebenfalls Eingang gefunden hat, ist davon auszugehen, dass letztendlich wirklich eine andere Konzeption zur Ausführung gekommen ist. 31 Damit konnte nicht nachgewiesen werden, dass der gegenständliche Pavillon vor dem Tivoli tatsächlich am Weltausstellungsgelände oder den nahe gelegenen Örtlichkeiten gestanden hat. Ein möglicher Standort auf der Internationalen Ausstellung für Musik- und Theaterwesen 1892 in Wien Ein Nachfahre Johann Wallners, Johann Innerhofer, war der Meinung, dass der Pavillon ursprünglich aus der Masse der Internationalen Musik- und Theaterausstellung von 1892 stammte. Diese Ausstellung fand wiederum im Prater, auf dem ehemaligen Weltausstellungsgelände, statt und auch die eigens dafür aufgestellten Bauten mussten nach Beendigung der Ausstellung wieder entfernt werden. 32 Gestützt wird diese These durch die Tatsache, dass bis einschließlich 1891 der Grundriss des Holzpavillons auf keinem der erhaltenen Stadtpläne von Wien, inklusive der Vorstadt Obermeidling, dargestellt worden ist. Erst ab 1892 wird der Grundriss in vereinfachter Form auf zahlreichen Stadtplänen wiedergegeben. 33 Die Ausstellungspläne selbst erbrachten jedoch keine mit dem Pavillon vom Tivoli übereinstimmenden Grundrisse oder Ansichten. 34 Der Bestand Schadensfeststellung Der bereits schwer beschädigte Pavillonteil war zur Gänze aus Holz gefertigt und stand auf einer Ziegelauflage (Abb. 6–7). Da zur Beurteilung der notwendigen Maßnahmen für die Erhaltung und Rekonstruktion eine umfassende Erhebung der Schäden notwendig war, wurde neben der Katalogisierung des Fehlenden auch eine Untersuchung des substanziellen Zustandes des Gebäudes notwendig.

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Abb. 7: Detailaufnahme des Pavillonrestes vor dem Abbruch, Ansicht von Norden. (Foto: A. Berthold)

Das Gutachten, das von W. Beck35 erstellt wurde, ergab, dass die Konstruktionshölzer zu einem erheblichen Teil zerstört waren, der Fußboden und die Dachhaut zur Gänze und die übrigen Bretter von Pilz (Abb. 8) teilweise stark befallen waren. Daraus war zu schließen, dass bei einem etwaigen Wiederaufbau nur ungefähr 50% der Zierhölzer wiederverwendet werden könnten. Die Bauaufnahme Gerüstet mit diesem Wissen erfolgte im Frühjahr und Sommer 1991 die Bauaufnahme des Objektes. 36 Nachdem das Gebäude durch Teilabbrüche seiner Originalgröße im Laufe der Zeit verlustig gegangen war, wurde ein Suchschnitt angelegt, um auf diesem Weg die Ausmaße des ursprünglichen Grundrisses bestimmen zu können (siehe unten). Anschließend wurde jeder Bauteil dokumentiert und in einen Schadensbestandskatalog aufgenommen, der auch eine graphische und farbliche Kennzeichnung der geschädigten bzw. fehlenden Teile beinhaltete (Abb. 9). Die Bauaufnahme bildete die Grundlage für die systematische Demontage, die im Herbst 1991 durchgeführt wurde. Die Demontage Der Abbruch des Bauwerkes erfolgte in drei Arbeitsvorgängen. Zuerst wurden die Zierelemente der Innen- und Außenwände abgelöst. Erschwert wurde der Arbeitsschritt durch die Tatsache, dass die Holzteile, vor allem an den Innenwänden, ausgetrocknet und mit langen, stark verrosteten Nägeln befestigt waren. Die Elemente wurden zur Lagerung auf Spanplatten montiert. In einem weiteren Vorgang wurden die Schalungsbretter der Dachhaut abgetragen. Diese Bretter waren durch Schädlingsbefall und Feuchtigkeit sehr stark zerstört und kamen daher für einen etwaigen Wiederaufbau nicht mehr infrage. Schließlich konnte die völlig entkleidete Holzkonstruktion, die mit Zimmermannszeichen versehen war, abgetragen werden (Abb. 10).

Abb. 8: Bauaufnahme 1991: beschädigter Eckpfeiler des Holzpavillons. (Foto: A. Berthold)

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Abb. 9: Bauaufnahme 1991, Auszug aus dem Bauschadenskatalog: graphische Darstellung der Bauschäden an der Südseite des Osttraktes. M 1:125 (Graphik: A. Berthold)

Insgesamt stellte sich heraus, dass die Schäden an den Holzteilen größer waren als im ursprünglichen Gutachten festgestellt. An eine Weiterverwendung eines Großteils der Konstruktionshölzer war nicht zu denken. Die demontierten Zierelemente wurden zur Lagerung in den Bauhof des Schlosses Schönbrunn überstellt. Die Rekonstruktion (Abb. 11–12) Grundlagen für die vollständige Rekonstruktion im Aufgehenden waren neben der minuziösen Erfassung aller vorhandenen Bestandteile des Pavillons und den Ausgrabungstätigkeiten vor Ort auch das Heranziehen von zeitgenössischen Postkarten und Fotos. Letztere haben den Nachteil, dass das Objekt oft aus einem verzerrenden Blickwinkel wiedergegeben wurde (Abb. 3–5). Die Erkenntnis, dass sich Verzierungselemente und Konstruktionselemente im Aufriss und im Grundriss wiederholten (Baukastenprinzip), ermöglichte die vorliegende Rekonstruktion, die einen Zustand gegen Ende des 19. Jahrhunderts widerspiegeln soll. 37 Die Arbeitsschritte der Rekonstruktion Eine wichtige Frage für die Rekonstruktion des Gebäudes war die nach seiner ursprünglichen Größe. Da davon ausgegangen werden konnte, dass die beiden Seitenflügel von den Abmessungen her identisch waren, war nur mehr die Breite des Mittelteiles zu ermitteln. Es wurde daher ein Suchgraben durch den fraglichen Teil des Geländes angelegt, um allfällig vorhandene Fundamentreste zur Bestimmung heranziehen zu können. Im dichten Gestrüpp wurden die Reste der Freitreppe gefunden. Diese Treppe ist auf allen zeitgenössischen Ansichten eindeutig zu erkennen (Abb. 4). Sie führte vom Gastgarten der niedriger gelegenen Meierei im Nordosten zum Mittelteil und damit zum Hauptein-

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gang des Pavillons. Durch Ausmessen der Mittelachse konnte somit das Gesamtmaß des Pavillons mit einer Länge von 35,50 m bestimmt werden. Die Bestandsaufnahme des östlichen Seitentrakts ermöglichte die virtuelle Ergänzung der fehlenden Elemente, wie Schalungsbretter, Friese, Sockel und Dächer. Der nächste Schritt beinhaltete die Totalrekonstruktion des gesamten Gebäudes. Um Fehler in der Rekonstruktion zu minimieren, wurden nur jene Bauteile oder Zierelemente herangezogen, von denen mehrere der gleichen Art vorgefunden worden waren. Die Vervollständigung des östlichen Seitenflügels Zierelemente, wie die Attikaverkleidung, die Eckakroterien, Hängezapfen an Attikaecken, Dachreiter und der Attikaaufsatz wurden anhand von historischem Bildmaterial38 ergänzt. Einzig auf die Rekonstruktion des Vordaches über dem Eingang an dessen Ostseite wurde verzichtet, da die historischen Abbildungen keine eindeutigen Aussagen zulassen. Die Rekonstruktion des westlichen Seitenflügels Der westliche Seitenflügel ist, wie aus allen historischen Aufnahmen zu ersehen war, als spiegelbildliches Abbild des Ostflügels zu betrachten. Die Rekonstruktion be-

Abb. 10: Abbruch des Osttraktes des Pavillons 1991: Detailansicht der hölzernen Tragkonstruktion. (Foto: A. Berthold)

schränkte sich daher auf die Spiegelung des Gebäudeteiles an der Mittelachse. Der Mittelbau Die Rekonstruktion des Mittelbaues war, auf Basis von historischen Fotos aus dem 19. Jahrhundert und unter Zuhilfenahme der weiter oben schon erwähnten Baukastenbauweise, zum Großteil möglich. Lediglich die Rekonstruktion der Kuppel des Vorbaues konnte nur durch eine „Neukonstruktion“ erfolgen. Zum Glück ließ die gute Qualität der Fotos für diesen Bauteil das Erkennen selbst kleiner Details zu. Es wurde Wert darauf gelegt, dass die Proportionen mit dem dahinterliegenden mittleren Gebäudeaufbau gut zusammenpassen. Die Gebäudehöhe des nahezu quadratischen mittleren Teiles war, unter der Voraussetzung, dass die Dachneigung gleich wie beim Seitentrakt war, gut rekonstruierbar. Die Ausmaße der Dachsparren und der Konstruktionshölzer wurden vom Seitentrakt übernommen. Die Tiefe des Kernbaues war nicht eindeutig festlegbar und wurde daher durch die Tiefe des Längsbaues des Seitentraktes bestimmt. Diese Annahme stützte sich auf die Beobachtung, dass die Vorderkante des Mittelbaues mit der vorderen Fassade des Seitenflügels bündig abschließt (Abb. 12). Der zentrale quadratische Dachaufsatz war, wie auf Fotos zu erkennen ist, vollständig verglast.

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Abb. 11: Dreidimensionale Rekonstruktion des Gesamtbaues. (© A. Berthold; Rendering: V. Ratkov)

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Abb. 12: Dreidimensionale Rekonstruktion des Gesamtbaues. (© A. Berthold; Rendering: V. Ratkov)

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Abb. 13: Detailaufnahme eines Zierelementes des Pavillons mit erhaltenen Farbresten, Aufnahme 2009. (Foto: A. Berthold)

Die Konstruktion des Vordaches über dem Haupeingang ist auf dem vorhandenen Fotomaterial gut erkennbar. Das obere Feld, die Lünette, war eingerahmt von einem Bogen, der von gedrechselten Säulchen getragen wurde. Die Säulen des Portalvorbaues sind vergleichbar mit den Ecksäulen des Seitentraktes und wurden auch dahingehend konstruiert. Auf die Rekonstruktion der Südseite des Mittelbaues wurde verzichtet, da keine Aufnahmen vorhanden sind, die diese Seite zeigen. Ein Katasterauszug aus dem Jahre 1912 lässt an der Südseite des Mittelbaues nach Osten und nach Westen Vorsprünge erkennen, welche auf zwei seitliche Eingänge schließen lassen. Die vorhandenen Elemente lassen jedoch keine eindeutige Rekonstruktion zu. 39 Die farbliche Ausstattung Zur Zeit der Dokumentation des Gebäudes war die Außenseite des Pavillons in einem dunklen Grün mit dünnen weißen Kanten an markanten – und auch gliedernden – Zierelementen gehalten. Die Fensterrahmen und -flügel waren ebenfalls mit weißer Farbe lackiert (Abb. 6–7). Die Innenräume wiesen kräftige Farben auf: Gelb, Rosa,Türkis und Rot; nur die Decke und der obere Teil der Wände des nordseitigen Raumes sowie die nichtverbauten Teile der südseitigen Räume des Längstraktes waren mit einer farblosen Lasur überzogen. Gliedernde Zierelemente, wie zum Beispiel die Aufsätze über den Durchgängen, waren farblos – und somit um einiges heller – lasiert, aber Details, wie die Schneckenlinie in den Voluten, waren mit einem dunklen Rot hervorgehoben. Im Revitalisierungskonzept von 1994 sind diese Farben auch für das neu zu errichtende Bauwerk vorgesehen. Eine neuerliche Untersuchung (2009) hat zumindest für die erhaltenen Teile eine andere Information erbracht. Die Oberfläche der Holzteile war ursprünglich ockerfarben gestrichen und die Einkerbungen der Zierteile waren in Rot hervor-

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gehoben. Offensichtlich wurde die grüne Lackierung zu einem späteren Zeitpunkt angebracht (Abb. 13). Diese Farbgebung entsprach jener der Pavillons im Parterre des Schlossgartens von Schönbrunn, ein Umstand, der wohl auch mit der Nähe des Schlosses zu begründen sein dürfte. Die ursprüngliche Farbgebung des Bauwerkes war und ist nicht mehr mit eindeutiger Sicherheit feststellbar, da die vorhandenen zeitgenössischen Postkarten zwar koloriert sind, jedoch nicht die exakten Farbverhältnisse wiedergeben. Gedanken zur möglichen Wiederaufstellung Auf Wunsch des zukünftigen Nutzers, der Schlosshauptmannschaft Schönbrunn, sollte ein neuer Standort innerhalb des Parkgeländes für eine Wiederaufstellung des Pavillons gefunden werden. 40 Als Favorit galt die Möglichkeit der Neuaufstellung im Bereich des ehemaligen Mensa-Gebäudes. Dieses nicht mehr existente Gebäude stand ursprünglich nordwestlich, auf dem Abhang unterhalb der Gloriette. Das Bauwerk, das 1775 gemeinsam mit dieser errichtet wurde, diente als Versorgungsstützpunkt für zahlreiche Feste. Dieser Ort wurde jedoch bald wieder verworfen, da zur Durchführung der Wiederaufstellung zahlreiche Rodungsmaßnahmen vorgenommen hätten werden müssen, die von umweltschützerischen Überlegungen her nicht vertretbar gewesen wären. Schließlich einigte man sich auf einen Standort im Bereich des Tirolergartens. In der Verlängerung der Achse Hohenbergstraße–Gloriette nach Westen gibt es einen geländebedingten Abfall. Bei genauerer Betrachtung fällt auf, dass sich der Weg anfänglich sanft neigt, um dann etwas steiler abzufallen (ca. 20%). Die Aufstellung des Pavillons mit einer errechneten Höhe von 8,10 m, einer Länge von 35,50 m und einer maximalen Tiefe von 16 m auf dieser Geländekante hätte keinerlei Einfluss auf die Aussicht von der Gloriette aus. Damit würde ganz im Sinne des Architekten der Gloriette, Johann Ferdinand Hetzendorf von Hohenberg, gehandelt werden, nämlich die schöne Aussicht von der Gloriette aus auch weiterhin ungehindert genießen zu können. Die Nähe zum Tiergarten hätte zudem den Vorteil, dass die Erhaltung von historischer Substanz mit der Notwendigkeit einer Funktionsänderung verbunden werden könnte. Als Nutzungsmöglichkeit wäre die Gestaltung eines neuen Eingangsbereiches in den Tiergarten vorgesehen. Dazu auch das Einrichten von Sanitärräumen nach den modernsten Anforderungen und einem Kassenbereich. Auch ein eigener Restaurationsbetrieb zur Versorgung der Parkbesucher und der Tiergartenbesucher sollte in dem 450 m2 großen Gebäude Aufnahme finden. Denkmalpflegerische Vorgabe ist, dass der Pavillon in vollkommen gleicher Weise ausgeführt werden müsste, basierend auf der vorangegangenen Bauaufnahme, die den Zustand des Gebäudes im 19. Jahrhundert dokumentiert. Das inkludiert auch die hölzerne Grundkonstruktion, die im Original nicht erhalten werden konnte. Das einzige Zugeständnis wäre die Anpassung an die Vorgaben der modernen Bauphysik im Hinblick auf die Örtlichkeit, die Geländekante, und die Anpassung der Innenraumgestaltung an die neue Nutzung.

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Zusammenfassung Der Holzpavillon ist ein typischer Vertreter des Späthistorismus, wie er vielerorts auch heute noch anzutreffen ist. Nach dem heutigen Stand der Forschungen ist nicht mehr eindeutig nachzuweisen, ob das Gebäude aus der Baumasse der Weltausstellung von 1873 einerseits oder der Musik- und Theaterausstellung von 1892 anderseits stammte. Vielmehr besteht auch die Möglichkeit, dass er eigens für das „Tivoli“ gebaut worden ist. Die früheste Kartierung ist auf einem Stadtplan aus dem Jahr 1892 zu finden, wobei nicht auszuschließen ist, dass der Pavillon schon vor 1892 aufgebaut worden ist. Die ältesten bildlichen Darstellungen (Postkarten und Fotos) sind ab 1898 greifbar. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgte aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen der Abbruch des Westteils des Gebäudes und des Mitteltraktes. In dem östlichen Teil wurde ein Clubhaus eingerichtet. Im Jahre 1990 erwarb eine Baugesellschaft das Areal zum Zwecke der Errichtung eines Seniorenwohnheimes. Die bestehenden Gebäudeteile mussten nach einer eingehenden Bauaufnahme abgetragen werden. Neuer Besitzer des hölzernen Pavillons wurde die Schlosshauptmannschaft Schönbrunn. Diese hatte die Absicht, das Gebäude an einem anderen Ort, in der Nähe der Gloriette, im Bereich des Tirolergartens, wieder aufstellen zu lassen. Nach erfolgter Bauaufnahme wurden die Reste der Zierelemente im Bauhof des Schlosses gelagert, wo sie sich noch heute befinden. Anmerkungen 1 Die Siedlung „Am grünen Berg“ wurde 1806 vom Ort Meidling, der bis 1794 zu großen Teilen der Klosterneuburger Grundherrschaft unterstellt war, abgetrennt und erhielt den Namen Ober-Meidling. H. W. Bousska, 12 Bezirksmuseum Meidling. WGBl Beih. 4 (Wien 2002) 24. 2 Im 19. Jh. benannte man oftmals Ausflugsorte in der Umgebung einer Stadt „Tivoli“, als Reverenz an die östlich von Rom gelegene Stadt, die auf eine antike Gründung zurückgeht. Zur Geschichte der Meidlinger Vergnügungsanlage siehe v. a. G. Berger, Das Tivoli in Meidling (Wien 1989). 3 Ab 1830 scheinen F. Gericke und E. Wagner als Grundstückseigentümer auf. Grundbuch Klosterneuburg, Grundbücher 20, Dienstbuch 96 b s. v. Spittlsbraiten, fol. 703– 705. Für die freundliche Unterstützung bei der Recherche im Stiftsarchiv Klosterneuburg und die Abbildungsgenehmigung möchten wir uns bei Karl Holubar bedanken. 4 Zu den verschiedenen Umbaustufen und der weiteren Entwicklung des Gebäudes siehe M. Vyoral-Tschapka, Die Meierei Tivoli in WienMeidling. ÖZKD 45, 1991, 87–92. 5 Über die Eröffnung der Anlage am 5.9. 1830 siehe A. Bäuerle, Allgemeine Theaterzeitung und Originalblatt für Kunst, Literatur und geselliges Leben, 18.9. 1830, 457 f. und

19.10. 1830, 512; Berger (Anm. 2) 6–8. Adalbert Stifter erinnerte in späteren Jahren an diese Anlage, als sie längst nicht mehr so erfolgreich war: A. Stifter, Aus dem alten Wien 1844 (Wien 1914) 205. 6 Vyoral-Tschapka (Anm. 4) 90 f. 7 Kaufvertrag vom 30.11. 1872 der Allgemeinen Österreichischen Baugesellschaft, eingetragen am 16.1. 1873, AZ 28929: Grundbuch Klosterneuburg, Grundbücher 20, Gewerbuch 108, fol. 1871–1874. Diese verkaufte es am 7.2. 1888 an J. Wallner: M. VyoralTschapka, Das Tivoli in Wien-Meidling. Jahrb. Stift Klosterneuburg N. F. 15, 1994, 107. 8 Bei Vyoral-Tschapka (Anm. 4) 91 wird das Jahr 1888 als Errichtungsjahr des Pavillons erwähnt, jedoch ohne Angabe von Quellen. 9 Farblithographierte Postkarte um 1900, Bezirksmuseum Meidling, Inv.-Nr. 1/2727e; die Ikonographie der stehenden Figur konnte aufgrund der nicht sehr detailreichen Abbildung nicht eindeutig identifiziert werden. 10 Vyoral-Tschapka (Anm. 4) 91. 11 Als sein Hauptwerk gilt das Kolossalgemälde „Panorama von Wien und seinen Umgebungen vom Nußberg bei Nußdorf“ für den Steinernen Saal des Rathauses. Siehe F. Czeike, Historisches Lexikon Wien 32 (Wien 2004) 206 s. v. Hlavacˇ ek Anton.

12 Hansa Luftbild München, Bl. 89, aufgenommen Oktober/November 1938; Archiv Stadtarchäologie Wien. 13 Vyoral-Tschapka (Anm. 4) 92 Anm. 19. 14 Sachverständigengutachten von F. Thalndorfer anlässlich des Brandes vom 22.5. 1981; BDA, GZ 10461/1/91, Tivoligasse 79. 15 Die Untersuchungen vor Ort sind in die Diplomarbeit von A. Berthold eingeflossen: A. Berthold, Der hölzerne Pavillon am Tivoli, Wien 12 (Dipl. Techn. Univ. Wien 1994). 16 Zum Späthistorismus in Wien allgemein: R. Wagner-Rieger, Wiens Architektur im 19. Jahrhundert (Wien 1970) 252–264; H. Fillitz, Der Traum vom Glück. Das Phänomen des europäischen Historismus. In: H. Fillitz (Hrsg.), Der Traum vom Glück. Die Kunst des Historismus in Europa 1 (Wien 1996) 15–25. 17 E. Pusch/M. Schwarz, Architektur der Sommerfrische (St. Pölten, Wien 1995) 69 f. 85; G. Hajós, Heimatstil – Heimatschutzstil. ÖZKD 43, 1989, 156 f.; A. Lehne, Heimatstil – Zum Problem der Terminologie. ÖZKD 43, 1989, 159–164. 18 M. Pippal, Kleine Kunstgeschichte Wiens (München 2000) 182. Kritik an den „bizarren Schnörkeleien“ übte z. B. G. Blohm, der meinte, dass sich noch kein eigener Holzbaustil in der Neuzeit entwickelt hätte: G. Blohm (Hrsg.),

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24 Ch. Rapp, Die Welt im Modell. Weltausstellungen im 19. Jahrhundert. In: Fillitz (Anm. 16) 49. 25 E. Simsky, Kaiserlich Königlicher ausschließlich privater Weltausstellungs-Universal-Fremdenführer mit Begünstigungs-Bons zum Eintritt in alle grössere Vergnügungs-Locale Wiens (Wien 1873). Zur Weltausstellung von 1873 allgemein: J. Pemsel, Die Wiener Weltausstellung von 1873 (Wien 1989); Roschitz (Anm. 22). 26 Pemsel (Anm. 25) 86 Anm. 418 und 419. 27 Pusch/Schwarz (Anm. 17) 91. 28 P. Bley, 150 Jahre Eisenbahn BerlinPotsdam (Düsseldorf 1988) 72 Abb. 29 „Completer Situations-Plan der Wiener Weltausstellung. 1873“, Beilage zum Amtskalender 1873; Wien Museum, Inv.-Nr. 51142. 30 Z. B. Situationsplan des Weltausstellungsplatzes 1873 (Wien 1873); Zur Erinnerung an Wien und die Weltausstellung im Jahre 1873. Beilage zu A. R. v. Gatti’s „Fremdenführer“. Plan des Weltausstellungs-Central-Bureau für Reise und Wohnung (Wien 1873). 31 „Plan des K. K. Praters nach der neuesten Aufnahme vom Jahre 1879“; Wien Museum, Inv.-Nr. 15159. 32 U. Storch, Alt-Wien dreidimensional. Die Altstadt als Themenpark. In: W. Kos/Ch. Rapp (Hrsg.), Alt-Wien. Die Stadt die niemals war

(Wien 2004) 159 f. 162. 33 Th. Bannwarth, Neuester Plan von Wien mit der neuen Bezirkseinteilung und den Wiener Tramway Signalen (Wien 1892). 34 Internationale Ausstellung für Musik= und Theaterwesen Wien 1892 (Wien 1892); S. Schneider (Hrsg.), Die internationale Ausstellung für Musik und Theaterwesen Wien 1892 (Wien 1894). 35 Sachverständiger für Holzschutz, im Auftrag des BDA, Gutachten vom 3.2. 1991. 36 Die Aufnahme der Reste des Holzpavillons wurde vom Architekturbüro O. Madritsch durchgeführt: O. Madritsch/A. Berthold, Ein historistischer Holzpavillon auf dem Tivoli. Steine sprechen 35, 1995, 13–24. 37 Der Pavillon wurde mehrmals umgestaltet. Zuletzt wurde er als Dusch- und Umkleidemöglichkeit von Tennisspielern genützt. 38 Als gute Quelle hat sich die Postkartensammlung des Bezirksmuseum Meidling erwiesen. Für die Unterstützung und die Abbildungsgenehmigung sei Herrn Ludwig Varga an dieser Stelle gedankt. 39 Madritsch/Berthold (Anm. 36) Abb. 1. 40 Schreiben des Schlosshauptmanns vom 19.8. 1991 an das BDA, AZ 4120/22/91. Zu möglichen neuen Standorten siehe Berthold (Anm. 15).

Das deutsche Zimmerhandwerk. Ein praktisches Hand-, Lehr- und Nachschlagewerk zur Anfertigung und Kalkulation aller Zimmererarbeiten (Leipzig 1912) 609–611. 19 M. Schwarz, Stilfragen der Semmeringarchitektur 1. Die Semmeringbahn und der Villenbau der Gründerzeit. In: W. Kos (Hrsg.), Die Eroberung der Landschaft. Semmering, Rax, Schneeberg. Kat. Niederösterr. Landesmus. N. F. 295 (Wien 1992) 513. 20 Noch heute kann man die v. a. in der 2. Hälfte des 19. Jh. entstandenen Villen, Häuser und Hotels am Semmering bewundern. M. Schwarz (Hrsg.), Semmering-Architektur. 2 Bde. (Wien 2006); Pusch/Schwarz (Anm. 17) Abb. 27; 28; 45. 21 Heute noch zu sehen im 18. Wiener Gemeindebezirk, z. B. entlang der Hasenauerstraße oder in der Sternwartestraße. 22 M. Fellner-Feldhaus/E. Krasny/U. Felber, Welt Ausstellen. Schauplatz Wien 1873. Eine Ausstellung des Technischen Museums Wien (Wien 2004) Abb. 32; 51; 52; K. Roschitz,Wiener Weltausstellung 1873 (Wien 1989) Abb. 107; 127. 23 BDA, GZ 10461/1/91, Tivoligasse 79: In diesem Akt, der den Abbruch der weiter nördlich gelegenen Meierei betrifft, wird der „von der Weltausstellung 1873“ stammende Holzpavillon erwähnt.

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Wien 3, Landstraßer Hauptstraße 48 Am 15. und 16. Dezember 2008 wurde vonseiten der Stadtarchäologie Wien im Bereich Landstraßer Hauptstraße 48/Sechskrügelgasse das Ausheben einer Baugrube archäologisch beobachtet. Notwendig war dies aufgrund der im näheren Umfeld zu lokalisierenden, allerdings nicht gänzlich geklärten Lage und Ausdehnung der befestigten mittelalterlichen Siedlung um das erstmals im 12. Jahrhundert erwähnte Kloster St. Niklas, welches während der Ersten Türkenbelagerung im Jahr 1529 restlos zerstört und nicht mehr wiedererrichtet wurde. 1 Von Relevanz in diesem Bereich sind auch Fragen nach der neolithischen und vor allem keltischen Siedlungsentwicklung. Befunde konnten aufgrund moderner Störungen nicht dokumentiert werden, Abb. 1: Fundpunkt 1 (GC: 2008_10). Wien 3, Landstraßer Hauptstraße 48.

allerdings wurde keramisches Fundmaterial geborgen. Neben Funden aus dem 18. und 19. Jahrhundert sind dies vor allem fünf Keramikfragmente – Graphittonware und mit einer langsam gedrehten Töpferscheibe produzierte Stücke – der Periode Latène D, die sich gut in den spätlatènezeitlichen Siedlungsbereich auf der geologischen Terrasse zwischen dem Wien- und dem Donautal, der sog. Stadtterrasse, im heutigen 3. Wiener Gemeindebezirk einfügen. 2

1 F. Czeike, Historisches Lexikon Wien 42 (Wien 2004) 411 s. v. Nikolaikloster. 2 Siehe dazu zuletzt E. Pichler, Ein spätlatènezeitlicher Grubenhausbefund aus Wien 3, Rudolfstiftung. FWien 9, 2006, 4–44 mit Fundstellenkartierung.

Zwei weitere Keramikfragmente datieren aufgrund der Machart und der organischen Magerung vermutlich noch ins Spätneolithikum. Das Fehlen mittelalterlicher Keramik lässt darauf schließen, dass die im Bereich des Rochus-Marktes vermutete Siedlung mit dem Kloster St. Niklas sich nicht bis auf das untersuchte Areal erstreckt hat.

(C. L.)

Wien 22, Groß-Enzersdorfer Straße 74 Im März 2008 wurden Mitarbeiter der Stadtarchäologie Wien auf Abhubarbeiten zur Errichtung einer Wohnhausanlage Ecke Groß-Enzersdorfer Straße/ Flugfeldstraße (Parz. 674/4) aufmerksam (Abb. 1). Da aufgrund von Scherbenfunden auch archäologische Befunde zu erwarten waren, wurde ein kontrolliertes flächiges Abziehen des Terrains mittels eines Löffelbaggers veranlasst. Alle aufgelesenen Keramikfragmente stammen von einem spätlatènezeitlichen Vorratsgefäß und fanden sich in einem ca. 1,50 x 2 m großen Fundbereich, der als Gruben- bzw. Schichtrest nur noch maximal 10 cm tief erhalten geblieben war. Von der rezenten Humusauflage (generell hier 0,50–0,70 m stark) ließ sich dieser Befund jedoch nicht abgrenzen; darunter standen abrupt sterile Donauschotter und -sande an. In unmittelbarer Nachbarschaft befand sich ein Pfostenloch, das ebenso wie zwei weitere in isolierter Lage fundleer blieb. In der Folge kamen auf der gesamten Fläche keinerlei weiteren Funde oder Verfärbungen zum Vorschein. Der topographische Kontext Die betroffene Parzelle liegt östlich des alten Ortskernes von Aspern, unmittelbar gegenüber dem Opel/General-Motors-Werk, wo 1979/80 Notgrabungen 1 Aspern, von der Steinzeit zum Motorenwerk. 70. Sonderausst. HMW (Wien 1981); Ch. Spiegel, Siedlungsfunde der frühen Urnenfelderzeit aus Wien XXII – Aspern (Diss. Univ. Innsbruck 1985).

des Historischen Museums der Stadt Wien bedeutende Siedlungsfunde, hauptsächlich aus der Urnenfelderzeit, aufdecken konnten. 1 Bekanntlich finden sich im näheren und weiteren Umfeld (vor allem nördlich bis östlich) von Aspern zahlreiche Fundpunkte vom Frühneolithikum bis (nahezu ohne Unterbrechung)

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Latènezeit

Abb. 1: Fundpunkt 2 (GC: 2008_03). Wien 22, Groß-Enzersdorfer Straße 74: Übersichtsplan. (Plan: M. Penz)

ins Frühmittelalter. 2 Diese dicht besetzte ur- und frühgeschichtliche Siedlungszone folgte hier dem sog. Kleinsten Wagram, der einstigen Uferböschung der Donau, deren geringe Anhöhe doch die regulären Donauhochwässer zurückzuhalten imstande war. Ihr ungefährer ehemaliger Verlauf lässt sich am besten an der geschlossenen Kette der heute noch existierenden Altsiedlungen ablesen, als Bodenwelle im Gelände ist sie heute so gut wie nicht mehr erkennbar. Kleinräumig muss man auch mit Siedlungsspuren südlich dieser Linie rechnen, da die Donauniederung mit ihrem Netz an Nebenarmen immer wieder auch von dauerhafteren (halb-)inselartigen Anschüttungen („Haufen“) durchsetzt war. 3 So liegen eben auch für den unmittelbaren Bereich südlich der Groß-Enzersdorfer Straße alte Fundnachrichten vor. 4 Die nächstgelegenen Fundpunkte der (Spät-)Latènezeit sind auf verschiedensten Teilen des ehemaligen Flugfeldes zu verzeichnen, deutlichere Hinweise (mehrere Gruben mit größeren Fund-

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2 Bester Überblick nach wie vor bei L. Franz/A. Neumann, Lexikon ur- und frühgeschichtlicher Fundstätten Österreichs (Wien, Bonn 1965) 206 f. 3 Vgl. J. Fink, Die Entwicklung der Landschaft. In: Aspern (Anm. 1) 10–19; H. Margl, Die ökologischen Grundlagen für die Besiedlung durch den Menschen. In: Aspern (Anm. 1) 20–26. 4 In der ehem. Schottergrube Reiter (Parz. 673; GC 3002_11) sowie am Gelände einer Gärtnerei (Parz. 674/4?; GC 3002_12) wurde mittelneolithische Keramik aufgelesen (J. F. Kastner, unpubl. Fundstellenverzeichnis, Wien Museum). 5 V. Holzer, Die latènezeitlichen Siedlungsund Gräberfeldfunde aus Wien XXI und XXII (Leopoldau und Aspern) (Diss. Univ. Wien 1989) 29 ff. 160; 260 ff. Taf. 59–70; P. Donat/E. Pichler/H. Sedlmayer, Aspekte spätkeltischer und frührömischer Siedlungsentwicklung in Wien-Landstraße. FWien 5, 2002, 76– 100 bes. 78 Nr. 34–37 und Abb. 2.

mengen) wurden aber aus dem Bereich des westlichen Ortskernes von Aspern (Oberdorfstraße/Rueberstraße/ Pfarrkirche) vermeldet. 5 Das spätlatènezeitliche Vorratsgefäß Von den aufgesammelten 39 Keramikbruchstücken (2 Randstücke, 6 Bodenstücke, 31 Wandstücke, davon 1

Abb. 2: Verziertes Rand- und Wandstück des Vorratsgefäßes. (Foto: M. Penz)

Abb. 3: Zeichnerische Rekonstruktion des Doliums. M 1:8 (Graphik: M. Penz)

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Latènezeit

Schulterfragment) ließen sich zwar nur wenige, aber aussagekräftige Gefäßteile zusammensetzen, wodurch eine zeichnerische Rekonstruktion möglich wurde (Abb. 2–3). 6 E. Pichler, Ein spätlatènezeitlicher Grubenhausbefund aus Wien 3, Rudolfstiftung. FWien 9, 2006, 4–44 bes. 18 f. 20 Taf. 2,32; 6,67.73. 7 O. H. Urban, Zur Chronologie der jüngeren Latènezeit in Ostösterreich. Arh. Vestnik 47, 1996, 197–207 bes. 199 sowie 202 Abb. 3 (Gefäßtypen-Übersicht); É. B. Bónis, Die spätkeltische Siedlung Gellérthegy-Tabán in Budapest. Arch. Hungarica S. N. XLVII (Budapest 1969) 182; 191 ff. (z. B. Abb. 93,1.7.9). 8 Urban (Anm. 7) bes. 200 Abb. 2; O. H. Urban, Der Leopoldsberg. Archäologische Forschungen auf dem Wiener Hausberg. WAS 2 (Wien 1999) 224 f. Abb. 179–180. 9 Ch. Gugl/R. Kastler (Hrsg.), Legionslager Carnuntum. Ausgrabungen 1968–1977. RLÖ 45 (Wien 2007) 195 Abb. 131 F und Taf. 6,0378-3. 10 Bónis (Anm. 7) 230 ff. sieht etwa bei der spätkeltischen Siedlung am Gellértberg in Budapest einen Weiterbestand bzw. eine Weiterentwicklung der Latène-D-Ware bis weit in römische Zeit hinein (1. H. 2. Jh.). 11 Bzw. „spätestens frühflavisch“ – Gugl/ Kastler (Anm. 9) 193; 197 ff. 12 M. Grünewald, Die Gefäßkeramik des Legionslagers von Carnuntum (Grabungen 1968–1974). RLÖ 29 (Wien 1979) 37 f.; dies., Die Funde aus dem Schutthügel des Legionslagers von Carnuntum. Die Baugrube Pingitzer. RLÖ 32 (Wien 1983) 50 f. 13 Zum speziellen Fall: V. Gassner, „Boische“ Keramik und „boische Grabstelen“. Zur Problematik ethnischer Zuweisungen in der Interpretation der materiellen Kultur in den römischen Provinzen. In: Ch. Franek/S. Lamm/T. Neuhauser et al. (Hrsg.), Thiasos. Festschr. Erwin Pochmarski (Wien 2008) 291–297. 14 Diese Keramik kam wiederum in den letzten Grabungskampagnen im Vicus von WienUnterlaa zutage; vgl. M. Penz, Wien 10, Unterlaa – Klederinger Straße. FWien 8, 2005, 218– 222; K. Adler-Wölfl, Einheimische Traditionen in der Keramikherstellung in Vindobona. In: F. Humer/M. Kandler/A. Krenn-Leeb (Hrsg.), Kelten – Römer – Germanen im Spannungsfeld von Integration und Konfrontation. Akten des Internationalen ÖGUF-Symposiums vom 25. bis 28. Oktober 2006 in Hainburg an der Donau. AÖ Spezial (Wien, im Druck).

Vorratsgefäß (Dolium) mit einziehendem Rand, bauchigem Körper und abgesetztem Boden. Der flache, nach innen wie nach außen waagrecht verbreiterte Rand trägt an seiner profilierten Oberseite ein umlaufendes, eingeglättetes Gittermuster, auf der Schulter innerhalb einer horizontal abgegrenzten Zone (nur unterer Abschluss erhalten) abwechselnd senkrechte Linien und Zick-ZackMuster in Einglätt-Technik. Scheibengedrehte Tonware; seifiger, feiner Ton, im Bruch dunkelgrau, innen hellbraune, raue Oberfläche; außen über dem hellbraunen Mantel schwarzbraune bis graubraune Oberfläche (Schlickerüberzug?), die in den oberen Gefäßpartien zusätzlich glänzend überglättet bzw. poliert erscheint. An der Oberfläche sowie an den alten Brüchen durch Abrollung und Verwitterung (Staunässe?) stellenweise starke Abblätterungen bzw. Beschädigungen. RDm 31 cm; rek. Bauch-Dm ca. 55 cm; BDm 14 cm; rek. H ca. 62 cm; Wst 0,70–1,20 cm.

Die charakteristische Dolienform als auch die Einglättmuster gelten als kennzeichnende Erscheinungen der Spätlatènezeit; für sie gibt es auch aus einem jüngst publizierten Grubenhausbefund in Wien-Landstraße entsprechende Belege. 6 Tendenziell werden Dolien – vor allem solche mit breiten und geschwungenen Rändern – in eine jüngere Phase bzw. gegen das Ende der Stufe Latène D gestellt, und vor allem die kleineren und feintonigen Formen wurden gerne mit Einglättverzierungen versehen. 7 Zusammenstellungen von bekannten Dolienrändern aus ostösterreichischen Fundorten deuten einen größeren Variantenreichtum der Randgestaltung an, wobei aber geschwungene, wulstige und unverzierte Exemplare vorherrschen. 8 Eine Parallele zu unserem Stück mit entsprechender Verzierung stammt aus dem Legionslager Carnuntum,9 wodurch wir mitten in die Problematik des Fortbestandes der spätkeltischen Materialkultur im ersten nachchristlichen Jahrhundert gelangen:10 Das Carnuntiner Stück erscheint hier im Kontext der Keramikware „feine Boii“ und wird von Ch. Gugl in claudisch-neronische Zeit datiert. 11 Erstmals herausgestellt wurde diese provinzialrömische Keramikware mit unübersehbarer Latène-Tradition von M. Grünewald, und sie brachte sie auch mit den keltischen Boiern in Zusammenhang, da ihr Verbreitungsgebiet mit historischen Nachrichten einer „Civitas Boiorum“ (gegen Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr.) in Verbindung gebracht werden kann. 12 Lässt man die grundsätzliche Problematik von ethnischen Zuweisungen archäologischer Funde bzw. archäologischer Kulturen beiseite,13 kann man festhalten, dass diese charakteristische Keramik offensichtlich nur im südlichen Wiener Becken, im Raum zwischen Carnuntum, Scarbantia und Vindobona,14 in zumeist etwa flavisch datierten Verbänden auftritt. Inwieweit sich nun diese „Boierware“ mit hiesigem Latène D stringenter verknüpfen lässt (es bleibt eine chronologische Lücke von mindestens einem halben Jahrhundert), bleibt beim derzeitigen Quellen- und Forschungsstand jedoch noch rein spekulativ.

(M. P.)

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Römerzeit

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Abb. 1: Die in den Jahren 2007 und 2008 aufgedeckten römischen Befunde im Nord- (Schnitt 6) und im Westtrakt (Schnitte 1 und 7) der Feuerwehrzentrale in Wien 1, Am Hof 10. (Plan: M. Mosser)

Wien 1, Am Hof 10 Die im Jahr 2007 infolge von Umbauarbeiten im Bereich der Wiener Zentralfeuerwehrwache (Am Hof 7–10) durchgeführten umfangreichen archäologischen Untersuchungen der Stadtarchäologie Wien1 wurden 2008 im Zuge von Unterkellerungen zweier Räumlichkeiten des ehemaligen Bürgerlichen Zeughauses (Am Hof 10) fortgesetzt (Schnitt 6 und 7, Abb. 1; siehe auch Beitrag M. Mosser, 203 ff.). Die römerzeitlichen Befunde in Schnitt 6 waren der westlichsten Kaserne – der zwischen dem praetorium und der Lagermauer des Legionslagers Vindobona befindlichen Kohorte – und der an diese an-

1 M. Jandl/M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil IV: Vallum, fabrica und Kasernen in der westlichen retentura – Vorbericht zu den Grabungen Am Hof im Jahr 2007. FWien 11, 2008, 4–34; M. Mosser, Wien. 1. Bezirk, Am Hof 7–10. FÖ 46, 2007, 716–718.

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Abb. 2: Römische Befunde in Schnitt 6 im Bereich der Fahrzeughalle im Nordtrakt der Feuerwehrzentrale in Wien 1, Am Hof 10. (Plan: M. Mosser)

grenzenden Lagerstraße (via vallaris) zuzuordnen. In Schnitt 7 kamen, in Ergänzung der Befunde aus dem Jahr 2007 (Schnitt 1), die spätrömische Überbauung des Erdwalls an der Legionslagermauer sowie die Verlängerung des bereits 1953 aufgedeckten Abwasserkanals2 entlang der via vallaris zutage. Schnitt 6 Vom 30. Jänner bis 14. November 2008 fanden, mit zum Teil mehrwöchigen Unterbrechungen, die archäologischen Grabungen innerhalb der rückwärtigen Fahrzeughalle im Haus Am Hof 10 statt (Abb. 1–2). 3 Eine archäologisch relevante Schichtabfolge zeigte sich hauptsächlich im südwestlichen Bereich des Raumes auf einer Fläche von 27 m2. Der übrige Teil der Halle war einerseits durch den fast bis zu 3 m unter den Raum reichenden Keller des östlich anschließenden Trakts, andererseits durch einen verschütteten Stiegenabgang 2 A. Neumann, Forschungen in Vindobona 1948 bis 1967. I. Teil: Lager und Lagerterritorium. RLÖ 23 (Wien 1967) 12–15; 20–23. 3 Vom 10.3.–14.4. 2008 nahmen Studenten der Universität Wien an dieser Ausgrabung im Rahmen einer Lehrgrabung teil. 4 Zu den botanischen Resten in den römischen Befunden siehe Beitrag S. Wiesinger/ U. Thanheiser, 114 ff.

stark gestört. Allerdings zeigten sich unterhalb des Schuttmaterials im Stiegenbereich noch intakte römische und mittelalterliche Befunde. Zusammenfassend waren folgende Erkenntnisse zur römerzeitlichen Bebauung aus den Grabungen zu gewinnen (Abb. 2): Die römischen Baureste sind der westlichsten von sechs Kasernen südlich der via principalis des Legionslagers Vindobona und der westlich an diese anschließenden via vallaris zuzuordnen. 4 Von dieser Kaserne konnten Teile von insgesamt drei Raumeinheiten er-

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fasst werden, wobei es sich dabei um die rückwärtigen Wohn- und Schlafräume (papiliones der contubernia) der Legionssoldaten handelt. Innerhalb des nördlichsten ergrabenen Raumes konnte ein in Nord-Süd-Richtung5 verlaufender schmaler Fundamentgraben einer Holzwand dokumentiert werden, der sich auch im südlich anschließenden Raum fortsetzte (UK 15,46 m über Wr. Null). Dazu fand sich innerhalb einer Grube ein vollständiger eiserner Schildbuckel (Abb. 3). Im südlich folgenden Raum zeigte sich in der Nordwest-Ecke eine weitere Grube sowie an der Nordmauer, im mittleren Abschnitt, eine Ofenanlage, die als Herd oder Backofen anzusprechen ist (OK 15,73 m über Wr. Null). Ein älterer Fundamentgraben (UK 14,98 m über Wr. Null), knapp nördlich und parallel zur Südmauer des Raums, korrespondiert eventuell mit dem Nord-Süd orientierten Balkengräbchen. Der dritte ergrabene Raum ist durch den Einbau einer Schlauchheizung in spätrömischer Zeit charakterisiert. Diese Heizung bestand aus einem etwas schräg in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Kanal, der seitlich von gemauerten Ziegeln und Bruchsteinen begleitet wird. Die Grund-

Abb. 3: Römerzeitlicher Schildbuckel (Inv.-Nr. MV 62079/1) aus einer Grubenverfüllung innerhalb des nördlichsten ergrabenen Kontuberniums der in Schnitt 6 aufgedeckten Kaserne. (© Wien Museum, Foto: faksimile digital)

rissform (X-, Y-, oder T-förmige Kanalheizung?) der Heizanlage konnte allerdings nicht ermittelt werden. Der Kanalgraben schneidet ein älteres Estrichniveau (OK 15,93 m über Wr. Null) mit darüber gesetzter Herdstelle (OK 16,10 m über Wr. Null). Eine weitere Herdstelle ist wie im nördlich anschließenden Raum an der Nordmauer zu identifizieren. Ein spätrömischer Mauerausriss teilte den mittelkaiserzeitlichen Kasernenraum in etwa zwei Hälften. Westlich der im aufgehenden Bereich 0,40 m breiten Außenmauer der Kaserne zeigten sich hauptsächlich Schotterungen und Planierungen eines Gehsteigs und des daran anschließenden Straßenbereichs. In der Spätantike waren diese durch einen Anbau an die Kaserne überbaut worden. Dieser Anbau konnte in Form einer Ost-West orientierten, 0,50 m breiten Bruchsteinmauer in Lehmbindung (OK 17,15, UK 16,17 m über Wr. Null) auf einer erhaltenen Länge von 4,30 m als dessen südlicher Abschluss dokumentiert werden. In der ältesten Bauphase – vor Anlage des Gehsteigs – verlief ein ca. 1,70 m breiter Graben

5 Eigentlich in Nordost-Südwest-Richtung verlaufend, jedoch der Einfachheit halber werden sämtliche Angaben zu den Himmelsrichtungen am „Grabungsnord“ ausgerichtet.

Abb. 4: Schnitt 6 mit Nord-Süd verlaufendem Graben der ältesten römischen Bauphase mit Fußsohlenabdrücken im anstehenden Löss, Richtung Süden. (Foto: C. Litschauer)

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Abb. 5: Römische Befunde in Schnitt 1 und Schnitt 7 im Bereich der Offiziersgarage im Westtrakt des Hauses Wien 1, Am Hof 10. (Plan: M. Mosser)

parallel zur Außenmauer der Kaserne (UK 14,99 m über Wr. Null). An der Grabensohle konnten Fußabdrücke festgestellt werden (Abb. 4). Die Funktion des Grabens ist noch nicht eindeutig geklärt,6 jedenfalls ist in dessen Verfüllung ein weiterer, allerdings weit schmälerer (Fundament?-)Graben gesetzt worden (UK 15,22 m über Wr. Null), der eventuell in Beziehung zu den beiden Fundament6 Es könnte sich evtl. um einen „offenen“ Abwasserkanal handeln, wie er in ähnlicher Dimension auch in Savaria/Szombathely in Fortsetzung eines „geschlossenen“ Kanals aufgedeckt werden konnte: P. Kiss, Raum, Konstruktion, Funktion. Einige typische Merkmale der Außen- und Innenraumgestaltung in Savaria. In: P. Scherrer (Hrsg.), Domus. Das Haus in den Städten der römischen Donauprovinzen. Akten des 3. Internationalen Symposiums über römische Städte in Noricum und Pannonien. SoSchrÖAI 44 (Wien 2008) 205 Abb. 5–8. 7 Jandl/Mosser (Anm. 1) 9–12. 8 Die Grabung dauerte bis zum 26. November 2008.

gräben im Bereich der östlich anschließenden Kaserne auf einen Vorgängerbau hinweist. Schnitt 7 (Abb. 5) Bereits 2007 war in der Offiziersgarage in der Feuerwehrzentrale (Am Hof 10) ein 3 x 4 m großer Probeschnitt (Schnitt 1) angelegt worden, um den finanziellen und zeitlichen Rahmen weiterer Untersuchungen besser einschätzen zu können. 7 Nachdem die Unterkellerung der 53 m2 großen Garage beschlossen worden war, begannen Mitarbeiter der Stadtarchäologie Wien am 6. Oktober 20088 mit den Ausgrabungen der restlichen noch nicht untersuchten Flächen um den im Vorjahr angelegten, zentral im Raum gelegenen Schnitt 1 herum. Da

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die Mauern der Garage an drei Seiten nicht bzw. kaum fundamentiert waren, konnten aus statischen Gründen nur kleinflächige Schnitte angelegt werden. Ein Abwasserkanal des 19. Jahrhunderts führte quer über den nordöstlichen Bereich der Grabungsfläche und störte alle Kulturschichten bis in eine Tiefe von ca. 15,15 m über Wr. Null (ursprüngliches Garagenbodenniveau 18,20 m über Wr. Null). Wie bereits 2007 in Schnitt 1 festgestellt, konnte in diesem Abschnitt knapp östlich der römischen Legionslagermauer nachgewiesen werden, dass der anzunehmende Wall an der Innenseite der Befestigungsanlage in spätrömischer Zeit abgetragen und durch ein an die Lagermauer gesetztes Gebäude ersetzt wurde. 9 Von dem bereits 2007 aufgedeckten Ost-West orientierten Bruchstein-Fundamentsockel einer Lehmziegelmauer konnte die Verlängerung nach Westen in etwas abweichender Bauweise (mit gleicher Mauerstruktur zwischen Fundament und aufgehendem Steinsockelbereich, im Gegensatz zu dem weiter östlich dokumentierten Abschnitt) festgestellt werden. Im Fundament dieser Mauer wurde ein Wandfragment einer Einglättware gefunden, was den spätantiken Charakter des Gebäudes bestätigte. Ein niedrigeres, knapp 0,60 m breites, Nord-Süd orientiertes Bruchsteinfundament (OK 16,04, UK 15,68 m über Wr. Null) einer weiteren Lehmziegelmauer verläuft im rechten Winkel zu dem Ost-West orientierten Fundamentsockel. Dieses weist im nördlichen Gra-

Abb. 6: Ziegelsohle des römerzeitlichen Kanals der via vallaris mit darüberliegender Kanalverfüllung und rechts anschließender mittelalterlicher Mauerausrissverfüllung im Profil, nach Süden. (Foto: M. Mosser)

bungsabschnitt eine Türschwelle auf. Der Gebäudeabschluss im Osten wurde nicht vorgefunden. Es ist anzunehmen, dass nicht nur die Seitenwände des römischen Kanals von den mittelalterlichen Ausrissmaßnahmen betroffen waren (siehe unten und Beitrag M. Mosser, 203 ff.), sondern auch die Ostmauer des spätantiken Gebäudes. Dem spätrömischen Gebäude sind eine Reihe von Planierungen, ein Lehmbodenniveau (OK 16,02 m über Wr. Null) westlich, ein Mörtelestrichboden (OK 15,89 m über Wr. Null) östlich der Nord-Süd-Mauer sowie mit Sicherheit eine, vielleicht auch eine zweite Herdstelle zuzuordnen. Die mittelkaiserzeitliche Wallanlage zeigte sich wie in Schnitt 1 nur noch durch unregelmäßig erhaltene Steinrollierung und Tegel unmittelbar oberhalb der humosen Vegetationsschicht, die nach Osten hin abfällt. 10 Markante Pfostengruben, wie sie in Schnitt 1 am Ostrand des Walles festzustellen waren, sind 2008 nicht zum Vorschein gekommen. 11 2007 sollte auch die Führung des 1953 aufgedeckten römischen Abwasserkanals der via vallaris verifiziert werden. 12 Da dieser allerdings innerhalb des Probeschnitts 1 nicht zu finden war, musste er etwas weiter östlich, unmittelbar am Rand der Grabungsfläche angenommen werden. Zunächst konnten hier nur die entsprechenden mittelalterlichen Ausrissgruben dokumentiert werden, die bis auf 13,65 m über Wr. Null, also knapp 4,50 m unter dem heutigen Gehniveau, in die Tiefe gingen. Auf diesem Niveau waren dann tatsächlich insgesamt fünf tegulae, die jeweils paarweise mit den Leisten nach oben nebeneinander gelegt waren, als Kanalsohle des römischen Abwasserkanals zu identifizieren (Abb. 6). Bei den jeweils äußeren Ziegelleisten waren noch die Vermörtelungsspuren der aufgehenden Seitenmauern festzustellen. Die Seitenmauern selbst

9 Jandl/Mosser (Anm. 1) 10 f. 10 Jandl/Mosser (Anm. 1) 11 f. Abb. 6. 11 Jandl/Mosser (Anm. 1) 11 Abb. 5; im Jahr 2009 konnten dagegen drei weitere, in einer Reihe in einem regelmäßigen Abstand von 3,60 bis 3,80 m liegende, bis zu 1,20 m tiefe Pfostengruben aufgedeckt werden. 12 Vgl. Neumann (Anm. 2).

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waren, wie oben schon erwähnt, vollständig ausgerissen. Die Ziegel trugen – soweit vollständig freigelegt – alle unterschiedliche Stempel der 13. Legion. Unmittelbar über der Ziegelkanalsohle war – von den mittelalterlichen Ausrissmaßnahmen unberührt – eine offensichtlich noch römerzeitliche Verfüllschicht bis zu einer Höhe von 15,50 bis 15,65 m über Wr. Null erhalten geblieben (Abb. 6). 2009 erbrachten die weiteren Grabungstätigkeiten in den südlich und nördlich anschließenden Räumlichkeiten des Bürgerlichen Zeughauses (Schnitte 8 und 9) die Verlängerung des römischen Abwasserkanals sowie neue, gut erhaltene spätrömische Baustrukturen entlang der westlichen Legionslagermauer. (M. M.) Wien 10, Unterlaa – Klederinger Straße (Johannesberg) Unmittelbar östlich anschließend an die Grabungsfläche der vorangegangenen Kampagne des Jahres 20061 wurde im Sommer 2008 eine neue Fläche von ca. 1 400 m2 (25 x 56 m) maschinell abgezogen (Abb. 1). Am nördlichen Grabungsrand wurde aus Rücksicht auf die Böschungsvegetation ein breiterer Streifen (ca. 6 m) hin zu den Befunden aus dem Jahr 1999 nicht ausgegraben. Drei größere Speicher- bzw. Abfallgruben nahe der nördlichen Grabungsbegrenzung beinhalteten nur wenig Keramikfunde, möglicherweise sind sie in mittelalterliche Zeit zu stellen: Ihre Verfüllungen weichen von den sonstigen römischen Befunden etwas ab; vom Bodenbereich der Doppelgrube stammt ein grün glasierter Ausguss einer hochmittelalterlichen Bügelkanne, in der westlichsten Grube fand sich als verlagertes Altstück ein neolithisches Flachbeil. An römerzeitlichen Befunden konnten im südlichen und im östlichen Grabungsbereich zwei etwa West-Ost orientierte Pfostenbauten erfasst werden (mit 1 Vgl. zuletzt M. Penz, Wien 10, Unterlaa – Klederinger Straße (Johannesberg). FWien 10, 2007, 241 f.

12,50 m bzw. ein zweischiffiger mit 7 x 7 m Ausdehnung). Westlich einer etwa Nord-Süd gerichteten, ca. 17 m langen Pfostenreihe (nördlich schließt in gleicher Flucht ein Gräbchen an) bleibt eine größere Fläche auffällig befundleer.

Abb. 1: Fundpunkt 4 (GC: 2008_08). Wien 10, Unterlaa: Grabungsplan 2008. (Plan: M. Penz)

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Mittelalter

Abb. 2: Das fertig ausgegrabene eingetiefte Siedlungsobjekt, Richtung Osten. (Foto: M. Penz)

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Abb. 3: Detail der ehemaligen Wandkonstruktion: Pfostengrube mit Pfostenstandspur. (Foto: M. Penz)

Erst wieder im westlichen Randbereich des Grabungsareals wurde ein annähernd quadratisches (6,50 x 7,30 m) eingetieftes Siedlungsobjekt aufgedeckt (Abb. 2), an dem auch eine Reihe architektonischer Details dokumentiert werden konnte. Ähnlich den bislang bekannten sechs Grubenhäusern in Unterlaa kamen im Lössboden mittig zwei Pfostengruben (ca. 0,90 m unter Bodenniveau) zum Vorschein, die ursprünglich runde Stützen (Dm ca. 0,33 m) für den Firstbalken des Daches aufgenommen haben. Zusätzlich traten an der Nord- als auch an der Südwand jeweils fünf kleinere Pfostengruben zutage (rundlich bzw. annähernd rechteckig, ca. 0,40 x 0,55 m), wo sich (mitunter nach einem Absatz bei ca. 0,25–0,35 m unter Bodenniveau) jeweils eine rechteckige Pfostenverfärbung noch bis zu 0,40 m senkrecht weiterverfolgen ließ (Abb. 3; Maße dieser Kanthölzer ca. 15 x 25 bis 20 x 34 cm). Zwischen diesen Pfostensetzungen konnten Gräbchen festgestellt werden (ca. 20–30 cm breit, 10–20 cm eingetieft), die auf eine entsprechende Wandverzimmerung schließen lassen. 2 Als Ausbesserungsmaßnahme wurden die Wandpfeiler an der Südseite nach innen versetzt bzw. sie wurden zur Verstärkung verdoppelt. Überall verstreut wurden im Boden spitz zulaufende Stangenlöcher angetroffen, die sich vor allem in einem Streifen zwischen Firstlinie und einem rinnenförmigen Gräbchen im Norden massiv konzentrierten. Im Nordosten des Gebäudes konnte das Wandgräbchen nicht nachgewiesen werden, weitere bzw. deutlichere Hinweise auf einen Eingangsbereich fehlen jedoch. Das bis zu ca. 0,30 m tief erhaltene Siedlungsobjekt war einheitlich verfüllt, es konnte aber ein verdichteter, 2–12 cm unregelmäßig starker Bodenhorizont stratigraphisch deutlich differenziert werden, der ebenso wie viele Pfostengrubenverfüllungen reichlich Fundmaterial erbrachte (prima vista gleichartig wie die übrige Verfüllung: südgallische Sigillata, pannonische Glanztonware und sog. Einheimischenware – „grobe und feine Boier“).

(M. P.)

2 Römerzeitliche holzverschalte Keller zum Vergleich etwa bei M. Dinkelmeier/M. Erdrich/ M. Klein, Ausgrabungen im römischen Kastellvicus von Weißenburg in Bayern. Arch. Jahr Bayern 1987, 114–118 oder J.-W. Neugebauer (Hrsg.), Von der Herren Hof von Passau. Vom römischen Lagerdorf zum mittelalterlichen Lesehof (Klosterneuburg 1998) 26 f. Abb. 9.

Wien 1, Wipplingerstraße 33/Helferstorferstraße 17 Vom 2. Juni bis zum 4. Juli 2008 führte die Stadtarchäologie Wien auf dem Gelände der Parzelle Wipplingerstraße 33/Helferstorferstraße 17 eine Denk-

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Mittelalter

malschutzgrabung durch (Abb. 1). Anlass war der Abriss eines Gebäudes aus dem Jahr 1916 – vormals Sitz des Gisela-Vereines, zuletzt im Besitz des ÖGB (Österreichischer Gewerkschaftsbund) – zum Zweck der Errichtung eines mehrstöckigen Bürogebäudes als künftiges Hauptquartier der OPEC (Organisation erdölexportierender Länder). 1 Das abgerissene Gebäude besaß eine dreigeschoßige Unterkellerung (UK ca. 6 m über Wr. Null). Für den vierstöckig unterkellerten Neubau war eine Fundamentunterkante auf ca. 1,50 m über Wr. Null geplant. Daher war zu vermuten, dass sich unter dem Niveau der ehemaligen Unterkellerung die Fortsetzungen der Mauern der auf den Nachbarparzellen (Wipplingerstraße 35/Hohenstaufengasse 12)2 angetroffenen Elendbastion (ab 1821 Schottenbastion) befinden würden (siehe Beitrag S. Sakl-Oberthaler, Abb. 1: Fundpunkt 5 (GC: 2008_04). Wien 1, Wipplingerstraße 33/Helferstorferstraße 17.

209 ff.). Wie sich während der Bauarbeiten herausstellte, mussten zusätzlich große Bereiche der Baugrube aus statischen Gründen bis auf die Obergrenze des anstehenden Schotters (ca. 0,50 m über Wr. Null) ausgehoben und anschließend ein vollflächiges Betonniveau (ca. 1,20 m über Wr. Null) geschaffen werden. Die kurze Grabungsdauer ergab sich durch den äußerst gedrängten Zeitplan für die Errichtung des neuen OPEC-Sitzes. Dennoch konnten sämtliche ergrabenen Befunde fotografisch und zeichnerisch (mit TachyCAD) dokumentiert werden. Das wohl wichtigste Ergebnis der hier beschriebenen Rettungsgrabung ist die Auffindung eines Teilstückes der mittelalterlichen Ringmauer (MA2, Stärke ca. 1,60 m, im Fundamentbereich ca. 2 m; Abb. 2) und einer zweiten schmäleren (Stärke im Fundamentbereich ca. 1,35 m, im Aufgehenden ca. 0,80 m), parallel zu ihr verlaufenden Mauer (MA1, Abb. 3) etwa 5 m weiter nördlich. Mauer MA1 war mit der Fundamentunterkante bei 0,82–0,79 m über Wr. Null deutlich tiefer fundamentiert als die mittelalterliche Ringmauer MA2 (UK 1,43–1,47 m über Wr. Null). Die äußere Mauer MA1 diente zugleich als Fundament einer Mauer (M15) der renaissancezeitlichen Elendbastion (siehe Beitrag S. Sakl-Oberthaler, 210 f. Abb. 1–2). Die Mauern MA1 und MA2 bestanden aus Bruchsteinen (Sandsteine sowie schiefrige, schwarzgraue Steine) in Mörtelbindung. Die schmälere Mauer MA1 brach am Ansatzpunkt einer ungefähr rechtwinkelig gegen Nordosten abgehenden Mauer (M12) ab. Sie war gegen Osten vermutlich

Abb. 2: Mittelalterliche Ringmauer MA2, Blick nach Osten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

abgetragen worden und tauchte auch in der östlichen Bohrpfahlwand (Grabungsgrenze) nicht mehr auf. Aus Schichten, die im Zusammenhang mit diesen beiden Mauern stehen, wurde Keramik geborgen, die vom späten 14. bis ins 15. Jahrhundert datiert. Aus Schwemmschichten in demselben Bereich (Niveau unter 4 m über Wr. Null), die noch etwa 30 m nördlich (in einem Such-

1 Baufirmen: PORR Projekt- und Hochbau AG, STRABAG, HAZET, SIEMENS ELIN; Bauherr: EuroPRISA Holding GmbH & Co. 2 GC 2005_18: M. Mosser,Wien 1,Wipplingerstraße 35. FWien 9, 2006, 302–307; ders., Wien 1 – Wipplingerstraße 35. FÖ 44, 2005, 647 f.; ders., Wien 1, Hohenstaufengasse 12. FWien 10, 2007, 242–244; ders., Wien. 1. Bezirk, Hohenstaufengasse 12. FÖ 45, 2006, 773 f.

schnitt an der Nordseite von M10) sowie ca. 25 m nordwestlich in Schnitt 1 (S1, Niveau 2,51 m über Wr. Null) angetroffen wurden und wohl zum mittelalterlichen Stadtgraben gehören dürften, fanden sich zudem zahlreiche Hornzapfen von Ziegen, Schafen und Rindern sowie Lederfragmente. Bei Mauer MA1 dürfte es sich um eine Zwingermauer zur Stadtmauer handeln, da sowohl auf dem Stadtplan von Bonifaz Wolmuet aus dem Jahr 1547 als auch auf jenem des Augustin Hirschvogel aus demselben Jahr im Bereich der Elendbastion ein solcher Zwinger dargestellt ist.

(S. S.-O.)

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Abb. 3: Mittelalterliche Mauer MA1, Blick nach Süden. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

Wien 1, Am Hof 10 Die im Jahr 2008 in der Feuerwehrzentrale in Wien 1 (Abb. 1) untersuchten Grabungsflächen (Schnitte 6 und 7; siehe Beitrag M. Mosser, 195 ff.) liegen im Nord- und Westtrakt des 1562 errichteten ehemaligen Bürgerlichen Zeughauses (Am Hof 10). Dieser Bereich gehörte einst zum südwestlichen Areal des bis 1421 bestehenden jüdischen Ghettos. 1 Von den beiden auf dieser Parzelle nachgewiesenen Ghettohäusern ist das nördliche als jüdischer Fleischhof überliefert. Schnitt 6 Nach Abnahme der Betondecke (OK ca. bei 18,20 m über Wr. Null) zeigten sich eine Reihe von meist gemörtelten, zum Teil auch mit Ziegeln ausgelegten Bodenniveaus der Räumlichkeiten im Nordtrakt des einstigen Bürgerlichen Zeughauses Am Hof. Diese korrespondierten mit der noch heute genutzten südlich anschließenden Mauer, deren Fundament und nicht verputzte aufgehende Scharen in typisch renaissancezeitlicher Mauertechnik errichtet waren. Unter dem ältesten Bodenniveau des Zeughauses folgte eine bis zu 30 cm hohe Planierung, die eine Unzahl an fragmentierten Tierknochen und Keramik enthielt. Bei diesem Material dürfte es sich – nach ersten Bestimmungen des Knochenmaterials2 – um die planierten Überreste des bis 1421 existierenden jüdischen Fleischhofes handeln. 3 Von diesem Fleischhof des mittelalterlichen Ghettos zeigten sich zum Teil tief reichende Gruben und Pfostenlöcher, die nach bisheriger Auswertung jedoch noch keine Gebäuderekonstruktion zulassen. Von einer Grube unterhalb des neuzeitlichen Stiegenabganges konnte die Unterkante nicht erreicht werden (bis ca. 14 m über Wr. Null), was eventuell auf eine Latrine oder eine Brunnenanlage schließen lässt. Schnitt 7 Auffallend ist im Bereich der Offiziersgarage, im Westtrakt des Bürgerlichen Zeughauses, das vollständige Fehlen der sonst im Innenstadtbereich regelmä-

Abb. 1: Fundpunkt 3 (GC: 2008_02). Wien 1, Am Hof 10. 1 H. Helgert, Die Or Sarua-Synagoge auf dem Judenplatz. Ausgrabungen im spätmittelalterlichen Judenviertel Wiens. FWien 1, 1998, 19; zur Geschichte des Platzes: M. Jandl/M. Mosser, Befunde im Legionslager Vindobona. Teil IV: Vallum, fabrica und Kasernen in der westlichen retentura – Vorbericht zu den Grabungen Am Hof im Jahr 2007. FWien 11, 2008, 4–6. 2 Freundlicher Hinweis K. Kunst, der im Rahmen einer von ihm und U. Thanheiser geleiteten Lehrveranstaltung der Universität Wien einen Überblick über das entsprechende Tierknochenmaterial gewinnen konnte. 3 W. Hummelberger, Das Bürgerliche Zeughaus. Wiener Geschichtsbücher 9 (Wien 1972) 34; P. Mitchell, Synagoge und jüdisches Viertel im mittelalterlichen Wien. In: E. Wamers/ F. Backhaus (Hrsg.), Synagogen, Mikwen, Siedlungen. Jüdisches Alltagsleben im Lichte neuer archäologischer Funde. Schr. Arch. Mus. Frankfurt 19 (Frankfurt a. M. 2004) 145

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Abb. 2: Nordprofil in Schnitt 7 mit Versturz einer Lehmziegelmauer oberhalb römischer und frühneuzeitlicher Planierungen und Gehniveaus sowie frühneuzeitliches (links) und spätrömisches (im Vordergrund) Mauerfundament, Richtung Norden. (Foto: M. Mosser)

ßig in mehr oder minder mächtiger Form auftretenden „Schwarzen Schicht“, welche die römischen von den mittelalterlichen Schichtabfolgen trennt. Als älteste mittelalterliche Maßnahme ist die Beschaffung von Baumaterial zu werten, bei der die Seitenmauern des römerzeitlichen Kanals der via vallaris bis zur Sohle entfernt wurden (siehe Beitrag M. Mosser, 198 f. Abb. 5–6). Stratigraphisch über der Verfüllung der entsprechenden Ausrissgrube wurde ein Ost-West orientiertes Mauerfundament gesetzt, das bereits 2007 in Schnitt 1 festgestellt werden konnte. 4 Dieses Mauerfundament bestand aus einer Abfolund Abb. 2; vgl. auch K. Lohrmann, Begegnungen zwischen Christen und Juden. Wiener Jahrb. Jüd. Gesch., Kultur u. Museumswesen 4, 1999/2000, 62 f.; H. Helgert, Das mittelalterliche Judenviertel Wiens und die Lage der Synagoge. In: O. Harl et al., Die mittelalterliche Synagoge auf dem Judenplatz in Wien. Version 2. 1 (Mskr. Stadtarchäologie Wien 2004) 17 f.; zur mittelalterlichen Bausubstanz im südöstlichen Kellertrakt des Hauses Am Hof 10 siehe G. Buchinger/P. Mitchell/D. Schön, Wien 1 – Am Hof 10. FÖ 44, 2005, 628 f. 4 Jandl/Mosser (Anm. 1) 10 Abb. 3. Die Orientierung richtet sich nach dem „Grabungsnord“. 5 Vgl. Helgert (Anm. 1) 13; P. Mitchell/D. Schön, Zur Struktur und Datierung des Mauerwerks in Wien. ÖZKD 56/4, 2002, 463–465. 6 Die Flucht der Mauer liegt in etwa im Bereich der im südöstlichen Trakt des Bürgerlichen Zeughauses angenommenen spätmittelalterlichen Parzellengrenze (zwischen 1KG3 und 1KG4); vgl. Buchinger/Mitchell/Schön (Anm. 3) 628 f. Abb. 417. 7 Hummelberger (Anm. 3) 34 f.

ge von lagerhaft verlegten Bruchsteinen – zum Teil sorgfältig in opus spicatum gesetzt –, jeweils getrennt von dünnen Ausgleichsschichten (UK 15,90, OK 16,40 m über Wr. Null). Es wurde 2007 mangels stratigraphischer Interpretationsmöglichkeiten noch als spätrömische Trockenmauer angesprochen – es dürfte sich aber nach der Bautechnik um ein hochmittelalterliches Mauerfundament handeln, das wohl mit den jüdischen Ghettohäusern in Verbindung gebracht werden kann. 5 Eventuell handelt es sich bei dem ca. 0,90 m breiten Fundament um die Trennmauer zwischen den beiden auf der heutigen Parzelle ursprünglich vorhandenen Ghettohäusern, wobei das nördliche dieser Gebäude als jüdischer Fleischhof anzusprechen wäre. 6 Mittelalterliche, zu dieser Mauerstruktur passende Bodenniveaus blieben allerdings nicht erhalten. Zwei Gruben im Nordwesten der Grabungsfläche, welche nur die spätrömischen Schichten schneiden, könnten ebenfalls mittelalterlichen Ursprungs sein. Der Nordseite des mittelalterlichen Fundaments wurde frühestens mit der Anlage des Bürgerlichen Zeughauses (1562)7 ein stark vermörteltes Ziegelmauerwerk vorgesetzt, das mit einer am Westrand der Grabungsfläche dokumentierten, ebenfalls stark vermörtelten Bruchstein-/Ziegelmauer korrespondiert. Dieser nördliche Raum des Bürgerlichen Zeughauses war tiefer gesetzt und zeigte eine vielfache Abfolge von Planierungen, Estrichen und Lehmböden. Die obers-

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te, relativ mächtige Planierung oberhalb eines rötlichen Mörtelestrichs – sie beinhaltete unter anderem, neben neuzeitlichem auch zahlreiches spätmittelalterliches Fundmaterial – bestand aus einem Lehmziegelversturz mit einer Reihe gut erhalten gebliebener ockergelber, ungebrannter Lehmziegel (Abb. 2). Diese Lehmziegel scheinen vom aufgehenden Mauerwerk über dem erhaltenen Bruchstein-/Ziegelmauersockel der westlichen Raumbegrenzung zu stammen. Die tiefer gesetzten Niveaus des Bürgerlichen Zeughauses dürften auch dafür verantwortlich sein, dass mittelalterliche Gehniveaus nicht mehr feststellbar waren.

(M. M.)

Wien 1, Neutorgasse 4–8 Vom 13. Juni bis zum 17. Oktober 2008 wurde von der Stadtarchäologie Wien auf den Grundstücken Neutorgasse 4–8 anlässlich der Errichtung eines Bürogebäudes mit Tiefgarage, parallel zum Baubetrieb, eine Denkmalschutzgrabung durchgeführt. Historische Ausgangssituation Die Wahrscheinlichkeit, auf diesem Areal auf archäologisch aufschlussreiche Befunde zu stoßen, war einerseits aufgrund der bereits dokumentierten Funde unterschiedlichster Zeitstellung im Baustellenbereich und dessen näheren Umgebung sehr hoch. 1 Andererseits war aus dem Kartenmaterial des 19. Jahrhunderts zu schließen, dass sich ein Teil der renaissancezeitlichen Stadtbefestigung in diesem Areal befinden würde. Ganz konkret sollte es sich um den westlichen Teil der Neutorbastion mit der daran anschließenden Kurtine, welche die Verbindung zur weiter westlich gelegenen Elendbastion (siehe Beitrag S. Sakl-Oberthaler, 201 f.) darstellte, handeln. 2 Dieser Abschnitt der Befestigung wurde in den Jahren 1558–1561 errichtet. Nach der Freigabe der Befestigung zum Abbruch unter Kaiser Franz Joseph I. wurde dieser Teil in den Jahren 1859/1860 geschleift. Auf den neu geschaffenen Bauparzellen entstanden in der Folge Wohnhäuser. Archäologische Ausgangssituation Im Juli 2007 wurde im Auftrag des Bauherren, der Firma Immorent, von MMConsulting & Partner unter der Aufsicht der Stadtarchäologie ein Suchschnitt mit den Maßen von ca. 3 x 13 m auf dem Grundstück Neutorgasse 6 angelegt. Etwa 4 m unter der Gehsteigoberkante (ca. 4,70 m über Wr. Null3) kam die Oberkante des Stadtbefestigungsrestes (Kurtine und Traverse) zum Vorschein. Im Frühjahr 2008 begannen schließlich die Abbrucharbeiten auf dem gesamten Bauareal. Nach dem Abtragen der Kellergrundmauern auf ein Niveau von ca. 1,60–1,80 m unter der Gehsteigoberkante (ca. 7,10–6,90 m über Wr. Null) wurden die bei den folgenden Abbrucharbeiten abgebauten Befunde im Zeitraum vom 3. bis zum 20. März 2008 von der Stadtarchäologie Wien dokumentiert. Nachdem die Baugrubensicherung rund um die Grundstücke Neutorgasse 4–8 durchgeführt worden war, konnte mit 13. Juni 2008 mit der archäologischen Ausgrabung begonnen werden.

1 Etwa Neutorgasse 7 (GC 2000_14): Teil der neuzeitlichen Stadtbefestigung; P. Mitchell, Wien 1 – Neutorgasse/Werdertorgasse. FÖ 39, 2000, 767 f. – Neutorgasse 8 (GC 1967_10): mittelalterliche Keramikfragmente; J. Offenberger, Wien 1. – Neutorgasse. FÖ 9, 1967 (1969) 99. – Neutorgasse 12 (GC 1897_48): einzelne römische Objekte; F. v. Kenner, Bericht über römische Funde in Wien in den Jahren 1896–1900 (Wien 1900) 42. Für weitere Fundstellen in der Umgebung siehe www.kulturgut.wien.at. 2 Die Neutorbastei wechselte mehrmals den Namen: Arsenalbastei bis 1602, Minnigbastei 1642–1684, Neutorbastei 1766–1821 und Elendbastei ab 1821. F. Czeike, Historisches Lexikon Wien 22 (Wien 2004) 167 s. v. Elendbastei. 3 Wr. Null = 156,68 m über Adria.

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Abb. 1: Fundpunkt 6 (GC: 2008_01). Wien 1, Neutorgasse 4–8: Übersichtsplan über die renaissancezeitlichen Befunde. (Plan: I. Mader)

Archäologische Dokumentation (Abb. 1)4 Im Nordbereich des Grundstückes Neutorgasse 4 (Bauabschnitt 1) wurde bei ca. 5,50 m über Wr. Null die erhaltene Oberkante eines Teilstückes der renais4 Zu danken für die gute Zusammenarbeit habe ich an dieser Stelle vor allem E. Pal (Polier der Firma Universale), R. Podany (Örtliche Bauaufsicht) und G. Grabmann (Projektsteuerung Immorent). 5 I. Mader, Bericht über die archäologischen Untersuchungen im Etablissement Ronacher 2006/2007. FWien 11, 2008, 56–73. 6 Quermauern zur Kurtinenmauer.

sancezeitlichen Stadtmauer (M3) ergraben. Wie schon an anderer Stelle beobachtet5 wurden auf einem im Querschnitt umgedreht T-förmigen Sockel, bestehend aus Mischmauerwerk/Gussmauerwerk, ein Ziegelbogen und ein Ziegelgewölbe angefügt, die sich jeweils nach Westen und Osten spannten. An der Nord- und an der Ostseite sind das Sockelmauerwerk und der Ziegelbogen zu einem späteren Zeitpunkt abgearbeitet worden. Mauer 3 ist als Teil der östlichsten der vorgefundenen Traversen6 anzusprechen, die eine Fortsetzung in

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Abb. 2: Bastionsmauer M16, von Südwesten. (Foto: I. Mader)

Mauer 8 in Richtung Kurtine hatte. Die Unterkante wurde bei ca. 3,70–3,90 m über Wr. Null vorgefunden. Bemerkenswert ist, dass östlich von Mauer 3 mittelalterliche Funde und Befunde zutage kamen. Die Keramik aus der Verfüllung dreier Pfostenlöcher weist auf eine Datierung in das 12. Jahrhundert. Da die mittelalterlichen Befunde örtlich gesehen außerhalb der mittelalterlichen Stadtmauer gelegen haben, ist mit einer Besiedlung dieses Areals vor dem 16. Jahrhundert zu rechnen. Im Bauabschnitt 2, im Bereich der Parzelle Neutorgasse 6, konnte ein Teil der Kurtine (M9), die in Ost-West-Richtung verlief, dokumentiert werden und weitere, südlich anschließende Traversen, die mit Mauer 9 teilweise verzahnt waren (M14, M4, M6). Die Unterkante der Kurtinenmauer lag bei ca. 0,90 m über Wr. Null, die der Traversen, wo sie dokumentiert werden konnte, bei ca. 1,30 m über Wr. Null. In einem ehemaligen Hofareal der gründerzeitlichen Bebauung, südöstlich von Mauer 9, konnte von 3,80 bis ca. 2 m über Wr. Null eine Schichtengrabung durchgeführt werden. Nördlich von Mauer 9, also weitgehend in Bauabschnitt 3, welcher ungefähr dem Grundstück Neutorgasse 8 entsprach, wurde der westliche Teil der Bastionsflanke (M12), ein Teil der Innenhöfe (unterteilt durch M11) derselben und ein Teil der südlichen Bastionsmauer (M16) angetroffen. Die Ansichtsseite der Bastionsmauer (Abb. 2) hatte ihre Unterkante bei ca. 0,40 m unter Wr. Null, die Flankenmauer (Bastionsflanke) bei ca. 0,50 m unter Wr. Null. Die Ansichtsseiten dieser Mauern und der Kurtine (M9) waren ab einer Höhe von ca. 2,70 m über bis ± Wr. Null mit Blendmauerwerk versehen. An einigen Blöcken der Flankenmauer wurden auf der Sichtseite eingetiefte Symbole (vier Kreuze und ein Haken) bemerkt, die möglicherweise als Steinmetzzeichen zu deuten sind. An der Ostseite hatte die Mauer 12 zwei unterschiedlich hohe und breite Fundamentvorsprünge. Die Unterkante lag bei ca. 0,70 m über Wr. Null. In den

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Ecken der Fundamentvorsprünge, welche die Mauer 12 im Norden mit Mauer 11 und im Süden mit Mauer 9 bildete, fanden sich an drei Stellen Holzpfosten, die möglicherweise als Absteckpfosten zu interpretieren sind. Die Bastionsmauer war gestützt von Traversen (M19, M20, M22), die in einem Abstand von ca. 5,50 m großteils mit Mauer 16 verzahnt waren. Die Unterkanten dieser Mauern lagen bei ca. 0,90–1 m über Wr. Null. Die Ost-West gerichtete Mauer 11 unterteilte den Flankenhof in einen nördlichen und einen südlichen Bereich. Im nördlichen Hof konnte bis zu einer Tiefe von ca. 3,80 bis 2,60 m über Wr. Null eine Schichtengrabung durchgeführt werden. Mauer 11 war unterschiedlich tief fundamentiert. Im östlichen Bereich lag die Unterkante bei ca. 2 m, im westlichen Bereich bei ca. 1,20–1,30 m über Wr. Null. Alle erwähnten Mauern der renaissancezeitlichen Befestigung waren, soweit sie dokumentiert werden konnten, in ein Schotter-Kiesel-Bett gesetzt worden. (I. M.) Wien 1, Bäckerstraße 7/Sonnenfelsgasse 8 Zwischen 14. und 25. April 2008 konnte die Stadtarchäologie Wien im Zuge von Innenhofrenovierungen im Haus Wien 1, Bäckerstraße 7/Sonnenfelsgasse 8 Baubeobachtungen durchführen (Abb. 1). Die Hofrenovierung war Teil einer Gesamtrenovierung des Hauses durch den Grundeigentümer. Die Stadtarchäologie Wien wurde von Dr. G. Seebach (Bauleitung) auf diese Arbeiten hingewiesen, die mit Bodeneingriffen von bis zu 0,80 m unter dem Begehungsniveau verbunden waren und wodurch archäologische Befunde zu erwarten waren. Durch die Lage des Hauses im ehemaligen Bereich der canabae legionis konnten auch römische Befunde nicht ausgeschlossen werden. Das Haus selbst Abb. 1: Fundpunkt 7 (GC: 2008_06). Wien 1, Bäckerstraße 7/Sonnenfelsgasse 8.

besitzt aufgrund seines nachgewiesenen und auch äußerlich sichtbaren mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kerns bauhistorischen Wert. 1 Die mittelalterliche Substanz ist in erster Linie im Keller anhand freiliegender Mauerstrukturen und baulicher Details zu befunden, der Südtrakt2 lässt auch im Erdgeschoß einen mittelalterlichen Baukörper erkennen, der an der Ostseite, im Bereich der heutigen Einfahrt, zwei frühgotische Fenster besitzt. Von Bedeutung ist der zweiseitige, an der Nord- und an der Westseite in allen Geschoßen vorgeblendete Renaissance-Arkadengang, der inschriftlich „1566“ datiert ist. Die Eingriffe in den Boden dienten der Erneuerung des Kanals und der anschließenden Neuverlegung der Hofpflasterung. Die Arbeiten wurden mit einem kleinen Bagger mit Böschungslöffel ausgeführt, wobei zunächst das Pflaster entfernt wurde (Abb. 2). Römische Befunde traten nicht zutage. Es konnte aber

1 G. Buchinger/D. Schön, Das Haus Stampa – Zur Baugeschichte eines renaissancezeitlichen Bürgerhauses in Wien. ÖZKD 56/4, 2002, 499–505. 2 Aus Gründen der Lesbarkeit werden im Folgenden die Himmelsrichtungen der Hausorientierung angepasst, d. h. SSW = Süden.

festgestellt werden, dass die Säulen des Arkadengangs, selbst im Bereich der ehemaligen nördlichen Durchfahrt zur Sonnenfelsgasse, auf durchgehenden Streifenfundamenten aus Bruchsteinen und Ziegeln sitzen. An der Südseite des Hofs, wo an den mittelalterlichen Baukörper im späten 19. Jahrhundert ein Abortturm angebaut wurde, trat knapp unter dem Hofniveau ein sekundär an die Mauer des Hauses angebauter Schacht zutage, der ur-

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sprünglich wohl als Entsorgungsschacht einer Latrine diente. Der durchschnittlich 2,48 x 0,95 m große Schacht war mit 0,24–0,27 m starken Mäuerchen aus Ziegeln eingefasst, die auf großen Bruchsteinen auflagen. Von der Oberkante der Mäuerchen wurde bis auf eine relative Tiefe von –1,30 m abgetieft. Bei –0,62 m war die Unterkante des Schachts erreicht. Bei –0,43 m verlief ein Boden aus Ziegeln in Mörtelbettung, der offensichtlich sekundär eingebaut, später aber zum größten Teil wieder entfernt worden war. Der Schacht enthielt entsorgten Bauschutt mit Ziegelbruch, Mörtelresten, Stuckresten, Ofenkacheln, Keramikresten, teilweise ganzen Glasfläschchen, aber auch Textil-, Leder- und Metallreste (Spielzeugeisenbahn) neuzeitlicher Zeitstellung. Möglicherweise hängt die Deponie mit dem Bombentreffer zusammen, den das Haus in der letzten Kriegsphase 1945 im nordöstlichen Bereich erhielt. Unmittelbar westlich des Schachts fanden sich Reste eines Kanals, der wohl der Entsorgung aus dem Inneren des Hauses diente und keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Schacht erkennen ließ. Der Bereich war durch den rezenten Kanal des in Funktion stehenden Aborts gestört, ein Zusammenhang des Schachts mit dem Abortturm ließ sich daher ebenfalls nicht feststellen. Im Hof trat lediglich planierter Schutt mit vereinzelten neuzeitlichen Streufunden zutage. Die Pferdestallung, die an der Nordseite des Hofs lag, hat im Boden keinerlei Spuren

Abb. 2: Blick vom westlichen Teil des Arkadengangs nach Nordosten. (Foto: G. Reichhalter)

hinterlassen, lediglich in den westlichen Jochen des Arkadengangs sind die ehemaligen Tränken und Futterkörbe erhalten.

(G. R./J. G.)

Wien 1, Wipplingerstraße 33/Helferstorferstraße 17 Der Abriss eines Gebäudes aus dem Jahr 1916 auf dem Gelände der Parzelle Wipplingerstraße 33/Helferstorferstraße 17 zum Zwecke der Errichtung eines Neubaus bot Gelegenheit für eine archäologische Untersuchung des Areals. Die Denkmalschutzgrabung wurde vom 2. Juni bis zum 4. Juli 2008 von der Stadtarchäologie Wien durchgeführt (siehe auch Beitrag S. Sakl-Oberthaler, 201 f.). Wie vermutet, waren die Fundamentmauern der renaissancezeitlichen Elendbastion unmittelbar unter der Bodenplatte des abgerissenen Gebäudes (also unter einem maximalen Niveau von 6 m über Wr. Null) erhalten. Sie waren allerdings durch massive Einbauten aus Stahlbeton stellenweise stark zerstört worden, wodurch auch die erhaltenen Oberkanten beträchtlich variierten. Die Elendbastion, erbaut 1558–1561, demoliert 18591, war unmittelbar vor die mittelalterliche Stadtmauer gesetzt worden, wie sich durch die Ausgrabung auch tatsächlich bestätigen ließ.

1 Siehe M. Mosser, Wien 1, Wipplingerstraße 35. FWien 9, 2006, 302–307 mit kurzem historischem Abriss.

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Abb. 1: Fundpunkt 5 (GC: 2008_04). Wien 1,Wipplingerstraße 33/Helferstorferstraße 17: Umgebungsplan der Grabungsbefunde. (Plan: S. Sakl-Oberthaler)

Ein erster Teil des Kehlbereiches der Elendbastion wurde bereits 2006 auf dem Grundstück Hohenstaufengasse 12 freigelegt. 2 Einerseits konnte die Fortsetzung des Fundamentes (M15) am Kehlbereich gefunden werden, welche durch die gesamte Baugrube nach Südosten weiterlief (Abb. 1). Andererseits war im Profil entlang der Grundstücksgrenze die dazugehörige Traverse (M28) noch im 2 Siehe M. Mosser, Wien 1, Hohenstaufengasse 12. FWien 10, 2007, 242 f. u. Abb. 1.

Querschnitt zu erkennen (Abb. 2). Auf ihrer Innenseite wies Mauer 15 auch im weiteren Verlauf zwei Traversen auf (M17, M18). Durch die tiefere Baugrube

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Abb. 2: Etwa in der Mitte die mittelalterliche Mauer MA1 unter der renaissancezeitlichen Mauer 15 mit Traverse 28, Blick nach Südwesten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

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Abb. 3: Steinerner Sockel von Mauer 8 im Inneren des rechten Kanonenhofes, Blick nach Nordosten. (Foto: Stadtarchäologie Wien)

konnte hier auch dokumentiert werden, dass M15 die mittelalterliche Mauer MA1 als Fundament diente (Abb. 2; siehe Beitrag S. Sakl-Oberthaler, 201 f.). Erwartungsgemäß wurde im nördlichen Untersuchungsbereich die Rückwand des Flankenhofes (M5) freigelegt. Sie durchquerte die Baugrube ungefähr von Norden nach Süden und wies vier nach Westen (also von der Hauptmauer nach innen) gerichtete Traversen (M1, M2, M3, M4) auf. Rechtwinkelig von Mauer 5 nach Osten abzweigend zeigte sich in der Nordecke der Baugrube zudem ein kurzes Stück der nördlichen Begrenzungsmauer des Flankenhofes (M6), wieder mit einer Traverse (M7) nach Norden versehen. Am südlichen Ende von Mauer 5 setzte, parallel zu Mauer 6, die Südmauer des Flankenhofes (M10) an, ihrerseits mit einer Traverse nach Süden (M11) ausgestattet. Von Mauer 10 zweigten zwei Mauern (M12, M16) in südwestliche Richtung ab, die bereits zum Bereich der Kurtine, also der Verbindungsmauer zur nächsten Bastion, gehörten. Auch Mauer 12 hatte zwei Traversen, diesmal nach Osten weisend (M13, M14). Mauer 16 war hingegen durch einen massiven Mauerblock (M17), der zugleich eine der Traversen zu Mauer 15 bildete, verstärkt. Südlich von Mauer 12, zwischen der mittelalterlichen Ringmauer MA2 und der ihr vorgesetzten Mauer MA1, waren die Fundamente der renaissancezeitlichen Festungsmauer besonders stark zerstört worden. Das Mauerwerk aller zur Elendbastion gehörigen Mauerteile war grundsätzlich aus Bruchsteinen (Sandsteinen) und Ziegeln hergestellt worden, verbunden durch weißen, auffallend harten Kalkmörtel. Ein Teil der Mauerschalen bestand hingegen komplett aus Ziegeln. Die Beschaffenheit des Mauerwerks gleicht damit weitgehend jenem in der Nachbarparzelle. Einige Mauerteile (z. B. M12 und M16) wiesen Einbauten wie Balkenwiderlager auf. Die Hauptmauern 5, 6, 10, 12 und 15 erreichten eine Stärke von bis zu 3,50 m, die Traversen waren zwischen 2,50 und 3 m stark. Fundamentunterkanten konnten an mehreren Stellen durch Suchschnitte punktuell gemessen werden. Sie lagen mehrheitlich auf einem Niveau von 1,04–0,67 m über Wr. Null (maximale Tiefe 0,30 m über Wr. Null bei M1). Somit war das renaissancezeitliche Mauerwerk an einigen Stellen bis zu einer Höhe von 4,50 m erhalten.

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Im untersten Fundamentbereich der Bastionsmauern wurden an verschiedenen Stellen Bogenkonstruktionen dokumentiert. Die Analyse aller weiteren Baudetails, ihr Platz in der Konstruktion der Elendbastion sowie allfällige daraus ablesbare Bauphasen wird Aufgabe und Hauptgegenstand der geplanten wissenschaftlichen Auswertung sein. Von besonderem Interesse in diesem Zusammenhang sind auch die Einbauten unterhalb des Kanonenhofes, die u-förmig, Mauer 10 mit den Mauern 8 und 9 (OK bei 4,01–5,29 m, UK bei 0,73 m über Wr. Null), angeordnet waren. Mauer 8 wies einen sorgfältig ausgeführten Sockel aus Quadern aus schiefergrauem Gestein auf (Abb. 3). Die nach Osten abschließende Mauer 9 hatte eine Öffnung, die in einen niedrigen gewölbten Gang mündete. Diese Öffnung war mit einer Türe versehen, deren Einlassspuren noch in der steinernen Einfassung zu erkennen waren. Der Boden zwischen den Mauern 8, 9 und 10 wurde von einer ca. 30 cm starken Brandschicht (OK 3 m über Wr. Null) bedeckt. Darüber lag eine mit viel Bauschutt versetzte Schicht. Aus beiden, vor allem aber aus der chronologisch älteren Brandschicht, konnten zahlreiche Keramikscherben geborgen werden. Dabei handelte es sich überwiegend um glasierte, sekundär im Zuge eines Schmelzvorganges (?) verbrannte Keramik, die nicht der üblichen Haushaltsware entspricht. Die Brandschicht enthielt Material aus der zweiten Hälfte des 16. bis zur ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, die darüberliegende Bauschuttschicht hingegen Keramik aus dem 17./18. Jahrhundert. Zusammenfassung Durch diese Ausgrabung wurden die Ergebnisse der im Winter 2005/2006 von der Stadtarchäologie durchgeführten Denkmalschutzgrabungen auf den Grundstücken Wipplingerstraße 35/Hohenstaufengasse 12 nochmals ergänzt und erweitert. Es war möglich, weitere wichtige Partien der Elendbastion freizulegen, insbesondere einen Großteil ihres rechten Kanonenhofes und Teile ihrer Kehle. Da aus bautechnischen Gründen teilweise ein deutlich tieferes Niveau (bis maximal 0,50 m über Wr. Null) als auf den Nachbargrundstücken erreicht wurde, konnten nun auch die Unterkanten der Fundamente an mehreren Stellen gemessen werden. Kenntnisse zur Funktion spezieller Bereiche der Bastion sind vor allem von der Auswertung der Keramikfunde aus der Brandschicht im 3 Die Grabungen der Grundstücke Wipplingerstraße 35 (GC 2005_18) und 33 (GC 2008_04) werden gemeinsam aufgearbeitet.

Einbau unterhalb des Kanonenhofes zu erwarten. 3 Die Ergebnisse der Ausgrabung im Bereich der östlich von der Elendbastion gelegenen Neutorbastion (siehe Beitrag I. Mader, 206 ff.) werden ebenfalls miteinzubeziehen sein. (S. S.-O.)

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Wien 2, Praterstern – Tegetthoffdenkmal Im Zuge umfangreicher Bauarbeiten am Praterstern wurden unter dem Sockel des 1886 fertiggestellten Denkmals für Admiral Wilhelm von Tegetthoff unterirdische Räume vorgefunden (Abb. 1). Bei einer aus diesem Grund anberaumten Baubesprechung am 22.7. 2008 konnten diese vor Ort besichtigt werden. Es handelt sich dabei um 2,30 m hohe, tonnengewölbte Hohlräume, die eine Grundfläche von 2–2,2063,70–5,60 m aufweisen. Nach der Entfernung der Asphaltdecke war zu erkennen, dass die Substruktionen in der Flucht des Denkmals liegen und maximal 1 m über den getreppten Sockel hinausragen. Insgesamt wurden 16 Raumeinheiten rekonstruiert. Bevor elf von diesen mit einer „stabilisierten Sandmischung“ unter Beigabe von Zement aus statischen Gründen verfüllt wurden,1 konnten Mitarbeiter der Stadtarchäologie Wien und der MA 41 – Stadtvermessung am 13. und 27. 8. 2008 die Oberkanten der un-

Abb. 1: Fundpunkt 8 (GC: 2008_07). Wien 2, Praterstern – Tegetthoffdenkmal.

terirdischen Substruktionen, soweit möglich, digital vermessen und deren Grundrisse in einen Gesamtplan einfügen (Abb. 2). Der Unterbau des Denkmals besteht also aus Räumen mit aus Ziegeln gemauerten Tonnengewölben (Abb. 3). Die Seitenwände der Räume sind dagegen zonal gegliedert, wobei jeweils zwei Lagen Ziegel und verputztes (Bruchstein?-)Mauerwerk einander abwechseln. Unterhalb der getreppten, ovalen Denkmalbasis, unmittelbar über und neben den Substruktionen, wurden in abwechselnder Reihenfolge Bruchsteinmauerwerk – aus Sand- und Kalksandsteinen, zum Teil mit Muschelkalk in massiver Mörtelbindung – und Ziegelmauerwerk festgestellt. Die Ziegel der Konstruktion tragen den Stempel R Ö des Ziegelfabrikanten Robert Ötzelt, der von 1875 bis ca. 1887 tätig war. 2 Das Denkmal, das in der Achse Heinestraße – Prater Hauptallee aufgestellt wurde, entspricht einer sog. columna rostrata (Abb. 4). 3 Die 11 m hohe, mit Schiffsutensilien (Fahnen, Anker, Ruder) und Kränzen verzierte Granitsäule weist sechs bronzene Schiffsschnäbel mit Siegesgöttinnen als Gallionsfiguren

1 Die fünf übrigen Hohlräume wurden, nach Probebohrungen zu schließen, offensichtlich bereits zu einem früheren Zeitpunkt mit gebundenem Füllmaterial verschlossen; vgl. Schlussbericht der MA 28 – Straßenverwaltung und Straßenbau vom 21.11. 2008, AZ G-O31567/07. 2 G. Zsutty, Wiener Ziegelöfen: 4, Wieden. Wiener Ziegelmus. 13/14 (Wien 1996) 312. 3 Dehio Wien. II. bis IX. und XX. Bezirk (Wien 1993) 43; F. Czeike, Historisches Lexikon Wien 52 (Wien 2004) 424 s. v. Tegetthoffdenkmal.

Abb. 2: Plan mit den eingezeichneten Substruktionen des Tegetthoffdenkmals. (Plan: Stadtarchäologie Wien, MA 41 – Stadtvermessung)

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Abb. 3: Eine der insgesamt 16 unterirdischen Kammern unterhalb des Tegetthoffdenkmals. (Foto: H. Krause)

auf. 4 Auf der Säule steht die 3,50 m hohe Statue des mit Fernrohr und Degen ausgestatteten Admirals. Im unteren Abschnitt, auf der ovalen Basis bis hin zum Sockel der Säule, sind Trophäen und zwei Seestreitwagen zu sehen, die von einer kämpfenden und einer siegenden Göttin, mit einem Lorbeerkranz in der rechten Hand, gelenkt werden. Jeweils zwei Tritonen flankieren je eine auf der Vorder- und Rückseite der ovalen Basis angebrachte Tabula ansata, deren Inschriften an die Seesiege Tegetthoffs am 9. Mai 1864 vor Helgoland 4 Zu den Materialangaben des Denkmals siehe HHStA, General-Direktion der a. h. Privat- und Familienfonde, Kart. 142, ad No. 1839/1892: Schreiben der Union-Baugesellschaft, Ebendorferstr. 6, Offert vom 5. Februar 1885: Säulenschäfte aus Baveno-Granit; nach F. Geréni, Wilhelm von Tegetthoff. Ein Festblatt zur Enthüllung seines Monumentes in Wien am 24. September 1886 (Wien 1886) 24 stammt der Granit für die 11 m hohe Säule aus Baveno am Lago Maggiore. Der Aufbau, der Sockel, die Basis und das Kapitell der Säule sind aus Sterzinger Marmor (Südtirol). Die Gesamthöhe des Monuments wird von Geréni a. a. O. mit ca. 23 m angegeben. Nach den von den Autoren durchgeführten Messungen beträgt die Gesamthöhe ca. 21 m. 5 HHStA, 556 PA I, Präsidialsektion 1871– 1873, Tegetthoff Denkmal, fol. 55: Schreiben von Friedrich Ferdinand Graf von Beust, Wien, am 1. Mai 1871. Graf von Beust war von 1866–1871 österreichischer Außenminister und ab 1867 auch Ministerpräsident, ab 1868 mit dem Titel Reichskanzler. 6 HHStA, 556 PA I, Präsidialsektion 1871– 1873, Tegetthoff Denkmal, fol. 146: Neueste Nachrichten aus dem Gebiete der Politik, Donnerstag, den 11. Mai 1871, 24. Jg., Nr. 131. 7 HHStA, 556 PA I, Präsidialsektion 1871– 1873, Tegetthoff Denkmal, fol. 81.

und am 20. Juli 1866 bei Lissa erinnern. Auf dem Postament der Säule ist auf der Blickseite des Admirals die Inschrift Wilhelm / von / Tegetthoff zu lesen, während jene auf der Rückseite Dem / heldenmüthigen Sieger / seine / dankbaren Mitbürger / 1886 auch an die Geldgeber des Denkmals erinnert. Auch die k. k. Kunst Erzgiesserei von J. Röhlich und F. Pönninger in Wien, die die Bauplastik des Monuments ausgeführt hat, hat sich im Bereich der Basis inschriftlich verewigt. Recherchen zu den Umständen bei der Errichtung des Tegetthoffdenkmals haben Folgendes ergeben: Wenige Wochen nachdem Admiral Wilhelm von Tegetthoff am 7. April 1871 an einer Lungenentzündung im Alter von 43 Jahren verstorben war, wurde ein Comité zur Errichtung eines Teggetthoff-Denkmals in Wien gebildet. 5 Wie auch aus der rückseitigen Inschrift auf dem Postament hervorgeht, wurde die Bevölkerung aufgerufen, für die Errichtung des Denkmals Geld zu spenden: Zum ehrenden Gedächtnis des k. k. Viceadmirals von Tegetthoff beabsichtiget ein unter dem Vorsitze Sr. k. k. Hoheit des Herrn Erzherzogs Ludwig Victor gebildetes Comité die Errichtung eines Denkmales in Wien aus freiwilligen Beiträgen Angehöriger der österr. ungar. Monarchie, woran sich auch die im Auslande befindlichen betheiligen können. 6 Daraufhin trafen zahlreichen Spendengelder ein. Sie sollten beim kaiserlichen Hofzahlamt deponiert und es sollten großteils Pfandbriefe der Boden-Credit Anstalt „elociert“ werden. 7 An die Fachmänner Oberbaurat Theophil von Hansen sowie die Professoren des Polytechnischen Instituts Heinrich von Ferstel und Wilhelm von Doderer

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Abb. 4: Zwischen 1902 und 1906 entstandene Ansichtskarte vom Praterstern mit dem Tegetthoffdenkmal. (© Sammlung W. Chmelar)

wurde die Aufgabe herangetragen, einen geeigneten Standort für das Denkmal in Wien zu wählen. Unter neun möglichen Standorten wurde der Platz vor der Votivkirche präferiert. Der […] Platz am Praterstern fand keinen Beifall indem geltend gemacht wurde, daß in dem dortigen Wagengewühle und Geschaeftsgedraenge die noethige Sammlung zur Betrachtung eines Kunstwerkes fehlen müsse, und das Monument selbst, wenn nicht in sehr kolossalen Dimensionen ausgeführt, sich allzu sehr verlieren dürfte. 8 Das Denkmalkomitee entschied jedoch in einer Sitzung am 18. Oktober 1884, den Vorschlag des Komiteemitglieds Kaspar von Zumbusch anzunehmen und den Praterstern in Wien für das zu errichtende Denkmal zu bestimmen. 9 1885 begann man im Juni mit den Erdaushebungen für das Fundament des Tegetthoffdenkmals. Aus dem Protokoll des Denkmalkomitees über seine Sitzung am 26. Oktober 1885 erfahren wir über Schwierigkeiten bei den Fundamentierungsarbeiten, die zu der im Jahr 2008 festgestellten Lösung geführt hatten. Neben den Komiteemitgliedern waren auch Carl von Hasenauer, der die Architektur des Denkmals entwarf, und Carl Kundmann, der die Kolossalstatue Tegetthoffs und die weiteren Plastiken kreierte10, als Experten anwesend. Freiherr von Mayr schilderte in der Sitzung die ungeahnten Probleme bei der Fundamenterrichtung, wodurch Mehrauslagen entstanden seien, die gegenüber der veranschlagten Summe von ca. 18 300 Gulden um ca. 16 200 Gulden höher seien, und ersuchte das Komitee, die Mehrauslagen zu genehmigen. Im Protokoll ist vermerkt, dass die Tiefe des Fundaments ursprünglich umgerechnet 4,36 m sein sollte, tatsächlich aber 6,64 m notwendig waren, wobei vor allem 3 Locomobilen [Dampfmaschinen], Centrifugal Pumpen samt Personale die Mehrkosten verursachten. Für das Wasserschöpfen durch die Arbeiter wurden dagegen nur 2 309 Gulden und 24 Kreuzer veranschlagt. Der Kern des Monumentes, welcher durch eine Spundwand eingeschloßen war, betrug 7° 4’ 6’’ [14,69 m] Länge und 4° 4’ [8,85 m] Breite, die Tiefe des auszuschöpfenden

8 HHStA, 556 PA I, Präsidialsektion 1871– 1873, Tegetthoff Denkmal, fol. 325: Schreiben vom 1. Juli 1871. 9 HHStA, General-Direktion der a. h. Privatund Familienfonde, Kart. 142, ad No. 1839/ 1892: Schreiben vom 20. Oktober 1884 an den Ministerpräsidenten Eduard Graf Taaffe. 10 WStLB, Handschriftensammlung, Mappe K. Kundmann, Inv.-Nr. 104.528: Vertrag vom 15. April 1880.

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Wassers war täglich 8’ 0’’ [2,53 m], das täglich auszuschöpfende Quantum daher 10,416 Cubikfuß Wasser. Die Mehrauslagen wurden schließlich genehmigt. 11 Vom 26. Oktober 1885 liegt zudem eine Auflistung der Baumeisterarbeiten vor, aus der hervorgeht, dass die Fundamentierung des Denkmals tiefer als geplant reichen musste und für die Erdaushebung, Betonirung und Mauerung mit hydraulischem Kalkmörtel nach den genehmigten Preisen eine Summe von ca. 4 913 Gulden ausgegeben wurde. 12 Auch Fedor Geréni schildert die Probleme, die während der Fundamentierungsarbeiten auftraten, da man auf ein altes Brückenjoch des an dieser Stelle bestandenen Fugbaches gestoßen ist und die Betonirung 5 ½ Meter unter dem Straßen-Niveau im Grundwasser ausgeführt werden musste. 13 Da die Höhe der 2008 festgestellten tonnengewölbten Räume nur 2,30 m beträgt, kann man davon ausgehen, dass unter den gesichteten Substruktionen noch weitere tragende Elemente vorhanden sein müssen. Die feierliche Monumententhüllung fand schließlich am 24. September 1886 statt. 14 Doch gab es ein für die Mitglieder des Denkmalkomitees unangenehmes Nachspiel. Der Baumeister des Tegetthoffdenkmals Johann Schieder, k. u. k. Hofbaumeister in Wien, reichte durch seinen Advokaten Franz Perlep am 26. August 1892 eine Klage ein. 15 Es ging ihm um noch unbeglichene Zahlungen. Seine Schlussrechnung betrug 39 112 Gulden und 27 Kreuzer. Carl von Hasenauer, als technischer Beirat des Komitees, prüfte die Rechnung anhand der Angaben, die einst der die Denkmalarbeiten überwachende Baumeister Madele gemacht hatte, und stellte sie mit 33 618 Gulden und 51 Kreuzern richtig. Schieder hätte demnach unter Einbeziehung der bereits erhaltenen Akontozahlungen lediglich den Restbetrag von ca. 3 200 Gulden erhalten, womit er aber nicht einverstanden war. Auch ein Versuch, sich auf gütlichem Wege zu einigen, blieb ohne Erfolg. Er wollte seinen Anspruch im Prozeßwege gegen die Mitglieder des mittlerweile aufgelösten Comités geltend […] machen. So hoffte man auf einen für die ehemaligen Komiteemitglieder günstigen Prozessausgang. Schließlich urteilte das Gericht aber doch zugunsten Schieders. Im Laufe des Prozesses starben nämlich die wichtigsten Zeugen Hasenauer 11 HHStA, General-Direktion der a. h. Privatund Familienfonde, Kart. 142, ad No. 1839/ 1892: Protokoll vom 26. Oktober 1885. 12 Siehe Anm. 11. 13 Geréni (Anm. 4). 14 Wie auch aus dem Titel von Geréni (Anm. 4) hervorgeht. 15 HHStA, General-Direktion der a. h. Privatund Familienfonde, Kart. 142, ad No. 1839/ 1892. 16 HHStA, General-Direktion der a. h. Privatund Familienfonde, Kart. 142, Zahl 3270/1898: Vortrag des General-Direktors des Ah. Fonde Emil Freiherrn von Chertek, Wien 17. August 1898, Zahl 1323. 17 HHStA, General-Direktion der a. h. Privatund Familienfonde, Kart. 142, Zahl 3270/1898: K. und k. General- Direction der Ah. Fonde vom 25. August 1898.

und Madele, so dass es keine sachverständige Kontrolle und Widerlegung mehr geben konnte. Nach dem Gerichtsurteil musste eine Summe von 10 200 Gulden (inklusive Zinsen und Klagekosten) von den einstigen Mitgliedern des Komitees sowie durch die Erben der bereits verstorbenen Mitglieder an Schieder entrichtet werden. 16 Mit den Anwaltskosten ergab sich schließlich eine Gesamtforderung von circa 12 350 Gulden. Aus dem Denkmalfonds konnten dafür 10 283 Gulden und 58 Kreuzer vom verbliebenen Kassarest verwendet werden. Eine Summe von ca. 2 100 Gulden war dennoch ausständig. Seine k. u. k. Apostolische Majestät bewilligte schließlich in einem Gnadenakt diesen Betrag aus der Ah. [allerhöchsten] Privatkassa zur Deckung der noch aushaftenden Kosten. 17 Damit konnte schließlich der Akt zum Tegetthoffdenkmal 1898 geschlossen werden. Das Monument erfuhr im 20. Jahrhundert noch geringfügige bauliche Veränderungen, auch Instandsetzungsarbeiten wurden durchgeführt, wobei die Erhö-

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hung der getreppten Granitbasis von drei auf sechs Stufen optisch die auffälligste Maßnahme war.

(H. K./M. M.)

Wien 7, Zollergasse 32 – ehemaliger Friedhof zu St. Ulrich Während der Aushubarbeiten für einen Lift (Baugrube 2,80 x 3,10 m) im Hof des Hauses Zollergasse 32 traten im Mai 2008 menschliche Skelettreste zutage. Die Stadtarchäologie Wien wurde daraufhin von der Baufirma verständigt. Zunächst fanden sich zahlreiche, bereits dislozierte menschliche Knochen. Schließlich wurden ab einer Tiefe von 2,35 m unter heutigem Hofniveau (45,94 m über Wr. Null) die Überreste von sechs West-Ost orientierten Einzelgräbern freigelegt (Abb. 1–2). Gräber und Beifunde In einer Tiefe von 2,35 m unter heutigem Hofniveau befand sich direkt an der Ostmauer des Wohnhauses Zollergasse 32 ein zum Teil bereits gestörtes Kindergrab (Grab 1). Oberkörperknochen und ein Teil des Schädels lagen in situ.

Abb. 1: Fundpunkt 9 (GC: 2008_05). Wien 7, Zollergasse 32.

Das Gebiss wies zum Teil noch Milchzähne auf, die auf ein Kind schließen lassen, welches bei seinem Tod ca. 8 bis 9 Jahre alt gewesen sein dürfte. Es war ca. 1,35 m groß. Hand- und Fingerglieder waren bereits großteils disloziert. Die Reste einer um das Handgelenk gebundenen Perlenkette (insgesamt 20 Perlen zumeist doppelkonischer Form) dürften als Rosenkranz zu interpretieren sein. Wahrscheinlich waren die Perlen auf einen nicht mehr erhaltenen Metallfaden (Lahn) gefädelt, der wohl die Grünfärbung der Knochen und der Perlen aus Bein verursachte. Im Halsbereich fand sich ein kleiner Gewandhaken, der möglicherweise zum Verschließen eines Hemdchens diente. Das Skelett lag auf einem dünnen, schlecht erhaltenen Holzbrett. Grab 2, bei dem sich Fragmente eines hölzernen Sarges feststellen ließen, lag in einer Tiefe von 2,40 bis 2,50 m unter Hofniveau. Der Schädel des ca. 10 bis 15 Jahre alten Individuums war nicht mehr vorhanden. Die erhaltenen Knochen waren in schlechtem Zustand. Grab 3 lag direkt im nördlichen Baugrubenprofil, so dass nur ein Teil des Skeletts freigelegt werden konnte. Das Grab befand sich in einer Tiefe von 2,80 m unter Hofniveau und wies ein Holzbrett unter dem Skelett auf. Auch diese Bestattung war im Bereich des Schädels gestört, was vermutlich mit dem Anlegen der Baugrube des Wohnhauses in Zusammenhang zu bringen ist. Im Beckenbereich wurde eine Gnadenmedaille Christus-Maria (Abb. 3) in situ angetroffen. Von Grab 4, das sich in einer Tiefe von ca. 2,90 m befand, war nur wenig Knochenmaterial erhalten. Es handelte sich um die Reste der unteren Extremität eines weiblichen Individuums, das zum Zeitpunkt seines Todes zwischen 25 und 40 Jahre alt gewesen sein dürfte. Das Grab erstreckte

Abb. 2: Wien 7, Zollergasse 32 – ehemaliger Friedhof St. Ulrich. Übersichtsplan der Grabungsbefunde. (Plan: Ch. Reisinger)

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Abb. 4: Grab 5: Bestattete mit Resten des Holzsargs, Blick nach Süden. (Foto: H. Krause)

sich bis in das östliche Baugrubenprofil hinein, so dass eine vollständige Freilegung nicht möglich war. Auch hier lag ein Holzbrett unter dem Skelett, der rechte Oberschenkel wies im Kniebereich eine Grünfärbung auf. Grab 5 wurde in einer Tiefe von ca. 2,85 m unter Hofniveau angetroffen. Hier war der hölzerne Sarg – sowohl sein Deckel als auch sein Unterteil – gut erhalten. Sargnägel wurden noch an Ort und Stelle vorgefunden. Die Knochen der Frau, die im Alter zwischen 30 und 40 Jahren gestorben war, wiesen einen schlechten Erhaltungszustand auf (Abb. 4). Ihre geringe Körperhöhe von ca. 1,50 m ist vermutlich auf Wachstumsstörungen infolge einer Rachitis (VitaAbb. 3: Gnadenmedaille Christus-Maria aus Grab 3.

min-D-Mangelerkrankung) im Kindesalter zurückzuführen, da die Oberschenkel der Frau auch auf die für diese Erkrankung charakteristische Weise deformiert waren. Reste feiner, bronzefarbener Fäden (Lahn) konnten auf dem Schädeldach beobachtet werden, die vielleicht von einer einstigen Totenkrone oder -haube stammten. 1 Eine Perle fand sich im Bauchbereich. Aus dem Grab wurden außerdem zwei weitere Perlen und der Rest einer kleinen Metallnadel mit rundem Kopf sowie fremdes Knochenmaterial anderer ehemaliger Bestattungen geborgen. Unterhalb des Hüft- und Bauchbereichs lag ein weiterer dislozierter Oberschenkelknochen. Der Überrest eines weiteren Grabes (Grab 6) lag unmittelbar an der nördlichen Baugrubenkante in gleicher Tiefe wie die Gräber 4 und 5. Auch hier zeigten sich

1 Vgl. dazu: M. Ullermann, Ausstattung und Kleidung der Toten in der Michaeler Gruft. In: A. Rainer (Hrsg.), Die Michaeler Gruft in Wien. Retten, was zu retten ist (Wien 2005) 66 f.; J. Lippok, „Bei den Toten unten …“ – Ergebnisse einer archäologischen Annäherung. In: Totenhochzeit mit Kranz und Krone. Zur Symbolik im Brauchtum des Ledigenbegräbnisses. Hrsg. v. Zentralinstitut und Museum für Sepulkralkultur, Kassel (Kassel 2007) 253–277.

Holzbretter als Teile eines Sarges. Es wurden auch Beigaben geborgen, die sich nicht mehr in situ befanden. Dazu gehört eine Wallfahrtsmedaille Mariazell/Maria Taferl (Abb. 5), die aus dem Umfeld von den Gräbern 4 und 5 stammte. Sie ist ins 17./18. Jahrhundert zu datieren. Weiters kamen unter anderem Perlen aus verschiedenen Materialien, die wohl einst zu Rosenkränzen gehörten, ein Schmuckeinsatzstein aus Glas, ein Rest eines weiteren Gewandhakens, zahlreiche eiserne Sargnägel sowie einige Eisenbeschlagreste zum Vorschein. Erwähnenswert ist der Fund

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Abb. 5: Wallfahrtsmedaille Mariazell/Maria Taferl aus dem Umfeld der Gräber 4 und 5.

eines leider schlecht erhaltenen Papierrestes mit Druckgrafik, auf dem die Wörter Maria vobis zu lesen sind. Er haftete auf einem ca. 2 x 2 cm großen, 0,02 cm starken, weißen, leichten und fragilen Plättchen und weist eine Grünfärbung auf, die von einem Objekt aus einer Kupferlegierung stammen könnte, in dem sich dieses Gebetstextfragment ursprünglich befunden hat. Diese Reste dürften einst zu einem „Breverl“ (Amulett) gehört haben, das vor Unheil schützen sollte. Die vorgefundenen Grabbeigaben wie Rosenkränze, Wallfahrts- bzw. Gnadenmedaillen dienten als „Ausweis der Frömmigkeit des Verstorbenen“. 2 Aus dem Baggeraushub stammen auch einige wenige Keramik- und Porzellanfragmente, die vom späten Mittelalter bis in das 20. Jahrhundert datieren, sowie Glasscherben von Flaschen und Fensterglas aus dem 19./20. Jahrhundert und wenige Beinschnitzabfälle. Auswertung In der Anordnung der Gräber 4 bis 6 lässt sich eine Grabreihe erkennen. Die Gräber 2 und 5 lagen übereinander. Dadurch, dass man mehrfach an derselben Stelle bestattete, wurden bereits in der Zeit des Bestehens des Friedhofs Gräber zerstört und Knochen umgelagert. Anhand der Brüche an den Knochen ließ sich auch feststellen, dass dies zum Teil bereits kurze Zeit nach der Bestattung erfolgt ist. Beim Hausbau zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam es zu weiteren Dislozierungen. Insgesamt wurden ca. 2 500 einzelne Knochen geborgen. Die anthropologische Auswertung ergab, dass diese von mindestens 41 Erwachsenen und 32 Kindern stammen. Der Anteil der Säuglings- und Kleinkinderknochen liegt bei 33,61% und entspricht damit annähernd der durchschnittlichen Sterblichkeitsrate von Säuglingen und Kleinkindern urbaner Unterschichten in der frühen Neuzeit. Bemerkenswert ist der relativ hohe Anteil von Bestattungen von Frühgeburten. An einigen Knochen, insbesondere bei den von Kindern stammenden, waren pathologische Veränderungen erkennbar, die auf einen Mangel an Vitamin D (Rachitis) und Vitamin C (Skorbut) zurückzuführen sind. Darüber hinaus konnten auch Hinweise auf Infektionskrank-

2 R. Sörries, Großes Lexikon der Bestattungs- und Friedhofskultur. Wörterbuch zur Sepulkralkultur 2: Archäologisch-kunstgeschichtlicher Teil: Von Abfallgrube bis Zwölftafelgesetz (Braunschweig 2005) 129 s. v. Grabbeigaben (Mittelalter und Neuzeit).

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heiten wie Meningitis, Tuberkulose und Lungenentzündung gefunden werden. Auffallend ist auch ein hoher Prozentsatz von intravitalem Zahnausfall, der auf schlechte Zahnhygiene, aber auch auf Vitamin-C-Mangel zurückgeführt werden könnte. Daraus lässt sich ableiten, dass die auf dem Friedhof Bestatteten 2

3 F. Czeike, Historisches Lexikon Wien 5 (Wien 2004) 501 s. v. Ulrichskirche; M. Aschinger, Geschichte der Pfarre St. Ulrich (Maria Trost) in Wien-Neubau (Wien 1920) 10; 32. 4 Aschinger (Anm. 3) 33. 5 Mondscheingasse 12 (GC 1876_07) und Ecke Zollergasse/Mondscheingasse (GC 3002_36): Großstadtlärm über 100000 Gräbern. Neues Wiener Tagblatt, 1. November 1938, Nr. 301, 29; Zollergasse: FA-MA/NZ, I– XXIII (GC 1935_15); Zollergasse 31/Ecke Mondscheingasse 13: R. Engelmayer, Wien 7 – Zollergasse. FÖ 9, H. 3, 1968, 162 (GC 1967_07); Mondscheingasse 10 und Zollergasse: Skelettreste im NHM Wien (freundl. Mitteilung M. Binder; GC 1991_04 und 3002_35). 6 W. Griehbaum, Beiträge zur Geschichte der Vorstädte St. Ulrich–Neubau–Schottenfeld (1620–1820) (unpubl. Mskr. 1958 [WStLA Archivbliothek]) 61; 67; 71; 152; E. Faber, Neubau. Geschichte des 7. Wiener Gemeindebezirks und seiner alten Orte (Wien 1995) 80. 7 F. Dolfin, Lustra Decem Coronae Viennensis … (Wien 1734). Auch auf der Vogelschau von Joseph Daniel Huber aus den Jahren 1769–1773 ist der Friedhof mit Kapelle zu sehen. Ein ausführlicher Artikel ist für den nächsten „Fundort Wien“ geplant. 8 Griehbaum (Anm. 6) 25.

wohl weitgehend ungesunden Lebensbedingungen und einer hohen Krankheitsbelastung ausgesetzt waren. Auf dem Areal, das von den heutigen Straßen Mondscheingasse, Zollergasse und Siebensterngasse umschlossen wird und zu dem auch der Fundplatz Zollergasse 32 gehört, bestand von 1590 bis Ende 1783 der Friedhof zu St. Ulrich. 3 Die Zollergasse hieß früher auch Totengassel oder Leichenhofgasse. 4 Im Zuge von Aufgrabungen innerhalb dieser Fläche traf man bereits im 19. und 20. Jahrhundert mehrmals auf menschliche Skelettreste. 5 Aus historischen Überlieferungen lässt sich schließen, dass sich im 17. und 18. Jahrhundert die Bevölkerungsstruktur des Ortes St. Ulrich wandelte. Lebten die Dorfbewohner seit dem Mittelalter hauptsächlich von der Landwirtschaft, so kam es seit dem 17./18. Jahrhundert zu einschneidenden Veränderungen. Es siedelten sich zunehmend Handwerker und Gewerbetreibende an, die maßgeblich nach der Zweiten Türkenbelagerung von 1683 vor allem aus Niederösterreich und Bayern kamen und großteils in der aufkeimenden Industrie Arbeit fanden. 6 Man wird – auf Grundlage der anthropologischen Auswertung, der Art der Bestattungen sowie der historischen Überlieferungen – wohl davon ausgehen können, dass auf dem Friedhof zu St. Ulrich vorwiegend Personen bestattet wurden, die aus „einfachen Verhältnissen“ stammten. Auf einem Perspektivplan von St. Ulrich aus dem Jahr 1734 ist der Friedhof mit einer Kapelle dargestellt. 7 Das 1784 aufgelassene Friedhofsareal wurde 1790 verkauft. Einige Jahre später entstanden darauf 15 Mietzinshäuser. 8

(H. K./M. B.)

Wien 10, Unterlaa – Klederinger Straße (Johannesberg) Unmittelbar östlich anschließend an die Grabungsfläche der vorangegangenen Kampagne des Jahres 2006 wurde im Sommer 2008 eine neue Fläche von ca. 1 400 m2 (25 x 56 m) maschinell abgezogen (siehe Beitrag M. Penz, 200 f. mit Abb. 1). Am nördlichen Grabungsrand wurde aus Rücksicht auf die Böschungsvegetation ein breiterer Streifen (ca. 6 m) hin zu den Befunden aus dem Jahr 1999 nicht ausgegraben. Richtung Nordosten konnte die Humusauflage bis zu 1,60 m stark werden, was nicht nur durch die Böschungskante begründet ist, sondern offensichtlich vor allem mit Planierungsarbeiten kurz nach 1945 in Zusammenhang zu bringen ist, konnten doch zwei verfüllte Bombentrichter in diesem Grabungsbereich lokalisiert werden; ein dritter wurde nahe Abb. 1: Fundpunkt 4 (GC: 2008_08). Wien 10, Unterlaa – Klederinger Straße (Johannesberg).

der Südost-Ecke angeschnitten. Ob auch die weiteren Befunde, die moderner Zeit zuzuordnen sind, mit Kriegshandlungen zu tun haben, konnte bislang noch nicht zufriedenstellend geklärt werden. Die kreisrunde Vertiefung mit ebenem Boden (Dm ca. 2 m und 0,20 m tief erhalten, dazu korrespondierend eine bogenförmig gekrümmte Künette, 0,50 m breit, 4,30 m lang und bis zu 0,60 m tief) etwa in der Mitte der Grabungsfläche lässt sich jedenfalls sehr gut mit dem Befund eines kreisrunden Unterbaues eines MG-Standes vergleichen, wie er bei archäologischen Grabungen in Niederzier (Nordrhein-Westfalen) dokumentiert

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werden konnte. 1 Es wurden zwar im Zuge der Grabungen keinerlei militärische Kleinfunde getätigt, jedenfalls befanden sich aber gegen Ende des 2. Weltkrieges auf der nahen Kuppe des Johannesberges Bunker sowie eine FLAK-Stellung, was einzelne Deckungslöcher bzw. -gräben im Umfeld vermuten lässt. Ebenso unsicher bleibt die Ansprache der vereinzelten kleinen, langrechteckigen Gruben (ca. 1,50 x 0,50 m), die neuzeitlich bis rezent zu datieren sind; denkbar wäre hier eine Interpretation als Pflanzgruben.

(M. P.)

1 R. Smani/P. Tutlies, Auf den Spuren der jüngsten Vergangenheit – unerwartete Relikte des Zweiten Weltkriegs. Arch. Rheinland 2007, 174–176 bes. Abb. 194.

Wien 22, Aspern – ehemaliges Flugfeld Da der gesamte Bereich des ehem. Flugfeldes Aspern als archäologische Verdachtsfläche einzuschätzen ist, wurden im Auftrag der „Wien 3420 Aspern Development AG“ zwischen 27. Oktober und 5. November 2008 auf Parzelle 672/7 Probesondagen mittels eines Löffelbaggers angelegt, die unter Beobachtung bzw. Anleitung von Mitarbeitern der Stadtarchäologie Wien durchgeführt wurden. Ziel war es, eine derzeit landwirtschaftlich genutzte Fläche auf archäologische Befunde hin zu prospektieren, um die Situation in Hinblick auf die zukünftige Projektentwicklung (Errichtung der „Zukunfts-“ bzw. „Seestadt Aspern“) besser abschätzen und einkalkulieren zu können. Ursprünglich war geplant, eine Fläche von ca. 5 500 m2 unmittelbar nördlich anschließend an die große (NW-SO verlaufende) Start- und Landebahn des ehemaligen Flughafens zu untersuchen. Aufgrund ausbleibender archäologi-

Abb. 1: Fundpunkt 10 (GC: 2008_09). Wien 22, Aspern – ehemaliges Flugfeld.

scher Befunde konnten die Sondierungen in der Folge auf das beinahe gesamte zukünftige „See-Grundstück“ ausgeweitet werden: Es wurden insgesamt sieben Suchschnitte angelegt, die in etwa gleichmäßigen Abständen über die ca. 68 100 m2 große Fläche verteilt waren (Abb. 1). Unter dem rezenten, 0,30–0,50 m starken Humuspaket erschien bereits der gewachsene Boden (gelber Löss bzw. heller, sandiger Lehm). Mitunter fiel dieser gewachsene Boden stärker ab, in solchen Fällen wurden darüber relativ einheitliche Kolluvien, meist braune und graue (Au-)Lehme, angetroffen. Hierbei handelt es sich wahrscheinlich zumeist um verfüllte Mulden, Gerinne bzw. Nebenarme der Donau. Einige vereinzelt angetroffene moderne Bodenstörungen mit Bauschutt bzw.

Abb. 2: Betonrinne Richtung Westen. (Foto: M. Penz)

221 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Fundchronik

Neuzeit

schottrigen Einfüllungen werden als verfüllte Bombentrichter oder als Reste von Flughafeneinbauten zu interpretieren sein. Letzteres gilt auch für eine Betonrinne, die ca. 0,60 m unter Humusoberkante über eine Strecke von mindestens 145 m feststellbar war und in einem Abstand von ca. 120 m parallel zur Start1 J. F. Kastner, Prähistorische Funde in Aspern, Wien XXI. WPZ 5, 1918, 48–50; ders., Neue jungneolithische Funde in Aspern, Wien XXI. WPZ 7/8, 1920/21, 82 f.; ders., Funde der Vucˇ edol (Laibacher)-Kultur und der Glockenbecherkultur von Aspern (Wien, 22. Bez.). WPZ 26, 1939, 118–134; J. F. Kastner/H. Mitscha-Märheim, Germanische Siedlungsreste in Aspern, Wien. WPZ 19, 1932, 194–214; V. Lindinger, Eine Gefäßdeponierung (?) der mittleren Bronzezeit aus Wien 22, Aspern. FWien 6, 2003, 198–210; ders., Die Siedlungen Csokorgasse, Wien 11, und Aspern, Wien 22. Untersuchungen zum Siedlungswesen der älteren Urnenfelderzeit in Ostösterreich (Diss. Univ. Wien 2005). 2 Aspern, von der Steinzeit zum Motorenwerk. 70. Sonderausst. HMW (Wien 1981); Ch. Spiegel, Siedlungsfunde der frühen Urnenfelderzeit aus Wien XXII – Aspern (Diss. Univ. Innsbruck 1985).

und Landebahn verlief (Abb. 2). Die Ausriss-Verfärbung im Erdprofil als auch die Nutschienen an der Oberseite des Betonelementes weisen auf eine ursprünglich vorhandene massive Abdeckung hin; eine Funktion als Drainage oder aber als Leitungsschacht wären dafür in Betracht zu ziehen. Daneben gab es keinerlei Hinweise auf ältere Befunde, auch der rezente Humus war durchgehend auffallend fundleer (auch keine neuzeitlich-rezenten Funde). Gerade letzterer Umstand legt nahe, dass hier scheinbar das Gelände kurz nach den Kriegshandlungen 1945 maschinell flächig bereinigt wurde. Schon zuvor fanden größere Bodeneingriffe (Kommassierungen, Lehm- und Sandgruben) sowie massive Planierungen bzw. Geländeabtragungen beim Flughafenausbau 1939 statt, die zur Entdeckung der zahlreichen ur- und frühgeschichtlichen Fundstellen führten. 1 Dass aber streckenweise noch weiterhin mit durchaus unversehrt gebliebenen Befunden gerechnet werden darf, bekräftigen die Ergebnisse der Rettungsgrabungen anlässlich der Errichtung des General-Motors-Werkes 1979/80 im südlichsten Teil des ehemaligen Flughafengeländes. 2

(M. P.)

222 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

223 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

Tagungsberichte

„ArcGIS-Forum“

„3. Österreichischer Numismatikertag“

von Haldenstein und dem Fund der Reste der

Wien (A)

Wien (A)

Münzstätte samt Inventar im Schloss Halden-

30. Jänner 2008

3.–4. April 2008

stein selbst bot Rahel C. Ackermann einen gu-

Nach der Begrüßung durch Obersenatsrat Jo-

Die von der Numismatischen Kommission der

ten Einblick in die Herstellungstechnik der zu-

hann Mittheisz und ViennaGIS-Koordinator

Akademie der Wissenschaften veranstaltete

meist qualitativ minderwertigen Scheidemün-

Mag. Wolfgang Jörg hielt Letzterer einen Vor-

zweitägige Tagung widmete sich aktuellen na-

zen.

trag über das Geographische Informationssys-

tionalen und internationalen Forschungsfragen

Nachdem Karl Peitler die Sammlung der vene-

tem der Stadt Wien mit dem Titel „ViennaGIS –

und -ansätzen in der Numismatik. Die chrono-

zianischen Münzen und Medaillen des Münzka-

vom internen Dienstleister zum Aushängeschild

logisch gereihten Vorträge deckten somit ein

binetts am Landesmuseum Joanneum in Graz

für

insgesamt sehr breites Spektrum ab, ohne ei-

vorgestellt hatte und Martin Štefánik über Mün-

Der Vortrag gab zunächst einen Überblick über

nen Schwerpunkt zu setzen.

zen als Gegenstand der Kriminalität im späten

die vielschichtigen Aufgaben des ViennaGIS

Es wurden einzelne Fundkomplexe unter-

Mittelalter referierte, folgten mit einem Vortrag

vom magistratsinternen Datenaustausch über

schiedlicher Epochen und ihre Aussagen vor-

zur Wiener Graveurakademie – wo auch die

behördenübergreifende Projekte (Datenaus-

gestellt, aber auch allgemeine Fragestellungen

Graveure der Münzstätte Kremnica im 18.

tausch mit anderen Behörden auf Länder-

kamen nicht zu kurz. Widmete sich Edith

Jahrhundert ausgebildet wurden – und einem

und Bundesebene) bis hin zu europaweiten Ak-

Specht der Münzprägung der dank der Schiff-

Vortrag über den Banknotenentwerfer Iwan

tivitäten (INSPIRE, die EU-Initiative mit dem Ziel

fahrt zu Wohlstand gekommenen Insel Tene-

Iwanowitsch Dubasow eher „kreative“ Themen.

eines europaweiten Geodatenportals). An-

dos, wo sich in der Folge eine im Bezug auf

Ein Überblick über die Medaillen der Gewerbe-

schließend informierte W. Jörg über die wich-

Münzbilder eher konstante Typologie entwi-

schulen und der Handelsakademie im Wien der

tigsten Neuerungen im Jahr 2007 (z. B. die Ein-

ckelte, behandelte Franziska Schmidt-Dick an-

zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bis zur

bindung hochauflösender Orthofotos und nicht

hand des Themas „Congiarium/Verteilungssze-

Mitte des 20. Jahrhunderts rundete das Pro-

zuletzt die Vorstellung des Webportals „Wien

nen“ die Nutzung der Münze als Mitteilungsob-

gramm ab.

Kulturgut“, das seit Beginn des Jahres 2008

jekt und die stilistisch typologische Entwicklung

Aus aktuellem, wenig erfreulichem Anlass wur-

online zur Verfügung steht) und präsentierte ei-

der Darstellung. Auch die Problematik der Dif-

de im Zuge der Abschlussdiskussion nach Lö-

nige statistische Highlights: ViennaGIS hat im

ferenzierung der Münzprägungen der Faustina

sungen und Möglichkeiten gesucht, die derzei-

Vergleich zu anderen österreichischen Geoda-

II. und Lucilla wurde aufgegriffen, für die Wolf-

tige Situation des Instituts für Numismatik und

tenportalen die höchste Zugriffszahl: So wur-

gang Szaivert Datierungskriterien für Lucilla

Geldgeschichte der Universität Wien zu ver-

den bis zum 9. Jänner 2008 mit der zentralen

vorstellte, um die Unterscheidung zumindest

bessern, da bekanntlich seit 2008 das Studium

WebMapService-Komponente (Eigenentwick-

ein wenig zu vereinfachen.

der Numismatik kein eigenständiger Diplom-

lung der MA 14 – ADV) 210 000 Karten online

Parthische Prägungen wurden in zwei weiteren

studienzweig mehr ist.

generiert.

Beiträgen behandelt, wobei Michael Alram im

Es folgten Produktpräsentationen und Work-

Zuge der für heuer geplanten Erscheinung

shops zu verschiedenen GIS-relevanten The-

des zweiten Bandes der Reihe „Sylloge Num-

„25. Sitzung der Österreichischen Karto-

menbereichen:

ViennaGIS-WEB-Framework

morum Sasanidarum“ die Münzprägung der

graphischen Kommission (ÖKK)“

(modernste Technologie für WebGIS-Applika-

Sasanidenkönige Narseh und Ohrmazd II. be-

Wien (A)

tionen), ViennaGIS-ArcGIS-Extension (Vienna-

züglich ihrer typologischen, stilistischen und

15. Mai 2008

GIS-Geodatenverbund für ArcGIS-Anwender),

nominalen Strukturen untersuchte.

Die 25. Sitzung der ÖKK gliederte sich in zwei

ViennaGIS-mobil (GIS-Einsatz im Gelände,

Mit der Vorstellung des zwischen dem 12. und

Teile: eine Fachpräsentation zum Thema „Der

Geodatenerfassung vor Ort), ViennaGIS im na-

14. Jahrhundert geprägten Raja-Nataraja-Ty-

Hydrologische Atlas von Österreich (HAÖ) –

tionalen und internationalen Umfeld (Geoland,

pus aus Südindien und Ceylon wurde auch ei-

zum Abschluss des Gesamtwerkes“ sowie die

INSPIRE, GeoKatalog, profil.at).

ne für uns sehr exotische Münzsorte präsen-

eigentliche Sitzung der Österreichischen Karto-

tiert. Anhand der typologischen Entwicklung

graphischen Kommission.

der Darstellung des Königs im Avers und Shiva

Der „Hydrologische Atlas Österreich“ wurde

internationale

Geodateninfrastrukturen“.

(S. U.)

(C. L.)

im Revers erfolgte eine chronologische Gliede-

bereits am Weltwassertag 2007 (22. März

rung.

2007) mit der dritten Lieferung im Bundesminis-

In der Folge ging Hubert Emmerig auf Berüh-

terium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt

rungspunkte der Münzgeschichte Salzburgs

und Wasserwirtschaft der Fachwelt und Öffent-

und Bayerns im 15. Jahrhundert im Zuge der

lichkeit vorgestellt. Mit neuen Kartentafeln zu

münzpolitischen Verhandlungen und Konflikte

den Themen Niederschlag, Schnee und Glet-

ein. Anhand der Münzprägung der Herren

scher, Fließgewässer und Seen, Wasserhaus-

224 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

halt, Stoffhaushalt und Wasserwirtschaft in der

andere in der Forschung neu vorgeschlagene

le gemme. Itinerario glittico tra la città dei vivi e

Schlusslieferung gilt dieser Fachatlas als abge-

Herstellungsorte konnten noch nicht bewiesen

la città dei morti“ (Aquileia, die strahlende

schlossen. Er besteht nun insgesamt aus 52

werden. Chalzedon soll Aquileia aus Thrakien

Schönheit der Gemmen. Glyptischer Führer

Kartentafeln mit 100 Karten. Zu diesem Ge-

importiert haben.

durch die Stadt der Lebenden und die Stadt

meinschaftswerk haben 16 Institutionen und

Annalisa Giovannini von der Associazione Nazi-

der Toten).

über 60 Autorinnen und Autoren beigetragen.

onale per Aquileia berichtete über die Ge-

Dies war eine interessante Gelegenheit, denn

Das Gesamtwerk wird für die nächsten Jahre

schichte der Auffindung der Aquileienser Gem-

die Gemmen waren gut sichtbar – zum Teil

als wichtiges Planungs- und Analyseinstrument

men. Diese begann in der 2. Hälfte des 17.

mit Lupen, die sich über eine Gemme platzieren

im Bereich der Hydrologie angesehen. Autoren

Jahrhunderts. Der Erste, der ein Werk über

ließen – angeordnet. Eine Vitrine behandelte die

des HAÖ referierten zu verschiedenen Aspek-

Gemmen verfasste, war Giandomenico Bertoli

Entstehung und Herkunft der Steine und den

ten der Organisation eines so komplexen Atlas-

(1676–1763). Ab dieser Zeit erkannte man die

Handel mit Gemmen. Hier gab es auch eine

werkes, zu Strukturen, Inhalten und Funktiona-

Bedeutung der Gemmen für die lokale Ge-

große Vielfalt an Rohmaterialien bis zu grob

litäten sowie zu den Themenbereichen Visuali-

schichte. Nach der napoleonischen Zeit ging

vorbereiteten Steinen zu sehen. Einige kleine

sierung und kartographische Gestaltung. Es

das Interesse vom privaten auf den öffentlichen

rote Jaspisstücke scheinen durchaus Ähnlich-

entstand im Anschluss eine lebhafte Diskussion

Bereich über. Heute gibt es geschnittene Stei-

keit zu besitzen mit einem kleinen Fundstück

– besonders zum Themenbereich Namensgut

ne mit gesicherter Herkunft aus Aquileia in den

in Wien aus einer römischen Fundschicht in

– zwischen allen anwesenden Sitzungsteilneh-

Civici Musei von Udine und Trieste sowie im

der Klimschgasse 40, bei welchem es sich

mern.

Kunsthistorischen Museum in Wien. Sowohl

um einen Gemmenrohling handeln könnte.

Danach fand die ordentliche Sitzung der Öster-

in Siedlungs- als auch in Bestattungskontexten

Am Nachmittag gab es kurze Präsentationen

reichischen

wurden Gemmen aufgefunden: verlorene und

der Poster. Darunter war eine Sammlung von

statt. Neben den Berichten aus den Arbeits-

deponierte (in Gräbern beigegebene) Stücke.

in Slowenien gefundenen Gemmen, von denen

kreisen und Beteiligungen österreichischer Kar-

Ende des Jahres 1815 begannen reguläre

einige Ähnlichkeiten mit Gemmen aus Aquileia

tographen an internationalen Tagungen war die

Ausgrabungen in Aquileia im Auftrag des Kai-

haben (dürften).

Neugestaltung der Gebührenordnung diesmal

sers von Österreich, Franz I. Die Aufsicht über

Die Stadtarchäologie Wien stellte den Poster-

ein besonders heiß diskutiertes Thema.

die Grabungen sowie die Verantwortung für

beitrag „Vindobona: zwei Gemmen mit göttli-

In der Einladung zur Sitzung wurde in einem

die Befunde und Funde wurde Gerolamo de’

chen Darstellungen im archäologischen Kon-

Kurzbeitrag bereits das Projekt „ViennaGIS –

Moschettini (1755–1832), der auch als Aqui-

text“ vor. Die beiden Gemmen stammen aus

Kulturgüterkataster der Stadt Wien in neuer In-

leienser „inspettore alle acque“ eingesetzt

Schichten mit anderen datierbaren Funden

Kartographischen

Kommission

ternet-Version“ umrissen, welches in der Fach-

war, übertragen. Die ersten Funde wurden

von den Grabungen Wien 3, Rennweg 44

präsentation der 26. Sitzung ausführlich vorge-

1816 Franz I. bei seinem Besuch in Aquileia ge-

und Wien 1, Herrengasse 23.

stellt werden wird. Die Stadtarchäologie Wien

zeigt, der sogar selbst die Gemmendarstellun-

Mit einem sehr interessanten Vortrag von Maria

ist an diesem Projekt maßgeblich beteiligt.

gen interpretiert hat. Es waren Verzeichnisse

Paola Lavizzari Pedrazzini über Gemmenab-

der in Aquileia befindlichen antiken Objekte zu

drücke auf Aco-Bechern ging es weiter. Hélène

führen und dem k. k. Münz- und Antikenkabi-

Guiraud präsentierte in Gallien gefundene

nett in Wien zur Auswahl zu übermitteln. Die

Gemmen und verglich sie mit Stücken aus

für die damalige Zeit ausführliche Dokumenta-

Aquileia.

tion befindet sich heute in Trieste im Archivio

Wichtig war der Vortrag von Gertrud Platz-

Diplomatico della Biblioteca Civica A. Hortis

Horster über neue Gemmen aus Xanten und

und im Archivio di Stato sowie in Wiener Archi-

Augsburg, da diese alle aus Grabungskontex-

ven (Akten des k. k. Münz- und Antikenkabi-

ten stammten und manche ebenfalls eigenwilli-

netts, Kunsthistorisches Museum).

ge Stile haben dürften. Für manche lassen sich

Auch Gegenstände, die bereits in Privatsamm-

nach der Vortragenden auch im Zusammen-

lungen in Italien waren, wurden angekauft. Be-

hang mit anderen Funden Termini ante quem

sondere Steine wurden in der Folge auch in

oder Termini post quem postulieren. Fraglich

Gold- und Silberringe eingefasst, vielleicht als

ist, ob ein Grab mit Münzen wirklich einen Ter-

repräsentativer Schmuck für Mitglieder der Kai-

minus post quem vorgeben kann, da ja sowohl

serfamilie. So gelangten zwischen 1817 und

die Gemme als auch die Münze Altstücke sein

1826 über 90 geschnittene Steine und Glas-

können. Spannend ist die geschlechtsspezifi-

pasten mit der Fundortangabe Aquileia in die

sche Verteilung der Gemmen in den Gräbern,

Antikensammlung des heutigen Kunsthistori-

die noch weiter untersucht werden sollte, da

schen Museums. Später wurden nur mehr we-

erst eine kleine Gruppe erfasst ist.

nige Gemmen in Aquileia gefunden.

Die Überlegungen von Martin Henig zu Werk-

Dazu referierte auch Ludovico Rebaudo von

stattzuweisungen wurden von einem Kollegen

der Universität Udine mit einem Vortrag über

vorgetragen. Henig meint, zwei bis drei Gem-

Aquileienser Gemmenabdrücke in der Archiv-

menschneider-Hände im römischen Britannien

dokumentation in habsburgischer Zeit.

unterscheiden zu können. Es sind auch an-

Vor dem Mittagessen gab es eine Eröffnungs-

scheinend unfertige Gemmen vorhanden und

führung zur Ausstellung „Aquileia, il fulgore del-

lokale Elemente, zum Beispiel in der Kleidung,

(S. U.)

„Aquileia. Il Fulgore Delle Gemme“. Aquileia e la glittica di età ellenistica e romana Aquileia (I) 19.–20. Juni 2008 Am 19. und 20. Juni 2008 fand in Aquileia ein internationaler Kongress zu Gemmen (Aquileia und die Glyptik der hellenistischen Zeit und der Römerzeit) statt. Zu Anfang sprach die Direktorin des archäologischen Nationalmuseums von Aquileia, Franca Maselli Scotti, über aquileiensische Gemmensammlungen und die Entwicklung der musealen Anordnung. Anschließend referierte Gemma Sena Chiesa von der Universität Milano über 30 Jahre des Studiums der Gemmen und die jüngsten Forschungsergebnisse: Zur Technik der Gemmenherstellung gibt es eine hilfreiche Publikation von M. Maaskant-Kleibrink. Meist lässt sich anhand von Spuren auf der Gemme auf den verwendeten Bohrer schließen. Anscheinend gab es nur wenige Werkstätten, und zwar in Rom und in Aquileia,

225 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

kommen vor.

zum 1. Jahrhundert n. Chr. und einige neuzeit-

freundlichkeit (Usability) speziell für User mit

Erika Zwierlein-Diehl beschäftigte sich mit der

liche, wohl des 18. Jahrhunderts, verarbeitet

Handicaps verbessern und erleichtern sollen.

Frage, ob es sich bei einer Kamee in Wien um

wurden.

Eröffnet wurde der Workshop von James

die Darstellung von Tiberius oder Caligula han-

In der abschließenden Diskussion meinte Sena

Hensley (London), dem Gründer und derzeiti-

delt.

Chiesa, dass Werkstattzuschreibungen sehr

gen Vorsitzenden der EVA-Konferenzen, wel-

Tamás Gesztelyi gab einen ausführlichen Über-

schwierig seien. Nach Gesztelyi könnten aber

che erstmals 1990 in London abgehalten wur-

blick über die römischen Gemmen aus Nord-

Werkstätten in Ungarn angenommen werden.

den. In seinem Beitrag skizzierte er den Aus-

ost-Pannonien. Die meisten Gemmen sind

Durch die technischen Entwicklungen wie bes-

gangspunkt für den Einsatz von Technologie

aus Carnuntum bekannt, danach sind jene

sere, günstigere Abbildungsmöglichkeiten in

im Bereich der Kultur („Origin of Culture and

aus Brigetio anzuführen. Von diesen ist bei ei-

den letzten Jahren ist die Bestimmung der

Technology“) und gab einen Überblick über

nem Drittel der genaue Fundort bekannt, nur

Gemmen und die Aussagemöglichkeit verbes-

die bereits veranstalteten EVA-Konferenzen

zwei stammen aus dem Lager. Sie wurden sei-

sert worden.

und deren bisherige Projekte. Auch zukünftige

(M. Mü.)

ner Einschätzung nach in Aquileia hergestellt und sind nach dem Fundkontext zwischen der 2. Hälfte des 2. und dem 3. Jahrhundert zu datieren. Die Motive beziehen sich auf Macht, Kraft, Wohlbefinden, Glück und (militärischen) Erfolg. Für Aquincum erwähnte er 44 Gemmen aus der flavischen Zeit bis ins 4. Jahrhundert, von denen ein Drittel aus Gräbern stammt. Bei den 46 Gemmen aus Intercisa wurden 19 in Gräbern und sechs in Gräben gefunden. Auffällig ist, dass hier nicht die sonst üblichen Götterfiguren vertreten sind, vielleicht weil um 176 n. Chr. viele Orientalen in den Canabae anwesend waren. Gorsium ist mit 22 Gemmen, die zwischen der 1. Hälfte des 1. Jahrhunderts und 260 n. Chr. datiert wurden, der wichtigste Fundort abseits des Limes. Es ergibt sich im Umkreis von 100 km ein differenziertes Verteilungsschema, das möglicherweise mit den Siedlungsarten in Zusammenhang steht. Im ersten Vortrag am Samstag von Francesca Ghedini und Isabella Colpo ging es um die auf kaiserzeitlichen Gemmen dargestellten Themen und den Einfluss von Literatur und Großplastik. Es treten mehrere Szenen/Akte nach Ovid auf, ähnlich wie auch in der pompeianischen Wandmalerei. Auch die folgenden Beiträge beschäftigten sich mit der Frage nach diversen Vorbildern in der Literatur und der bildenden Kunst und deren Variationen, zum Beispiel gibt es Abbildungen von Leda auf Gemmen, die mehr erotisch als sakral sind. Jeffrey

Spier

sprach

über

spätantiken

Schmuck und die Verlagerung von Werkstätten nach Konstantinopel. Zu Mittag konnten die laufenden Ausgrabungen vor dem Dom, der Dom und die ausgestellten Grabungen unter fachkundiger Erklärung besucht werden. Um Sammlungstätigkeit, Privateigentum und Raubgut ging es bei den letzten Vorträgen. Carina Weiss von der Universität Würzburg stellte ein Kollier in Privatbesitz vor, in dem etliche Gemmen des 2. Jahrhunderts v. Chr. bis

Pläne und Termine, wie die in absehbarer Zu„Quality, Accessibility and Usability of Cultural Websites“ (MINERVA EC – Workshop)

Die technische Koordinatorin von MINERVA co vom italienischen Kulturministerium referier-

25. August 2008 Workshop

wurden angesprochen. EC, Antonella Fresa, und Giuliana De Frances-

Wien (A) Der

kunft anberaumte Veranstaltung in Mosambik

über

das

Netzwerk

„MINERVA EC (Ministerial Network for Valorising Activities in digitisation, eContentplus)“ fand als Teil der Veranstaltung „EVA Vienna 2008 (Electronic Visualisation and the Arts)“, die vom 25. bis zum 28. August 2008 in der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und in den Räumlichkeiten der Oesterreichischen Computergesellschaft (OCG) abgehalten wurde, statt. MINERVA EC (www.minervaeurope.org) ist ein themenbezogenes Netzwerk der Europäischen Gemeinschaft mit der Zielsetzung, eine Plattform für die Digitalisierung von kulturellen und wissenschaftlichen Inhalten zu schaffen. In dieser Plattform sollen Empfehlungen und Richtlinien zur Digitalisierung, zu Langzeitdatensicherungen und zur Datenpflege diskutiert und harmonisiert werden. MINERVA EC geht auf das 2006 initiierte Projekt MINERVA zurück. Es ist Teil des EU-Programms eContentplus, welches den leichten Zugang zu digitalen Inhalten sowie deren Nutzung und Verwertung bei Anbietern und Nutzern fördert. In diesem Programm werden spezielle Bereiche wie geografische Informationen, digitale Lerninhalte sowie digitale Bibliotheken mit kulturellen und wissenschaftlichen Inhalten unterstützt (siehe dazu den Tagungsbericht „Informationsaustausch zur Digitalisierung des kulturellen Erbes in Österreich“). Im Rahmen des Netzwerks MINERVA EC werden in den Partnerländern in ganz Europa Workshops zum Thema Digitalisierung des kulturellen Erbes abgehalten. Ziel des zuletzt in Wien veranstalteten Workshops (www.prip.tu wien.ac.at/eva08/index.php [9.7. 2009]) war die Präsentation von Projekten mit barrierefreien Webdesigns, welche die Benutzer-

ten über die Entwicklung und den Fortgang des Projektes und die daraus resultierenden Projekte „MICHAEL (Multilingual Inventory of Cultural Heritage in Europe)“ und „ATHENA (Access to cultural heritage networks across Europe, museums towards Europeana)“. Ein weiterer Schwerpunkt des Vortrages galt der Vorstellung technischer Richtlinien (Guidelines) für die Umsetzung von Web-Projekten, welche online über die Homepage www.minervaeurope.org abrufbar sind. Daniela Hackl von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) stellte das EU-Programm eContentplus vor, welches unter anderem das Projekt „Digitale Bibliotheken“ beinhaltet. Das Programm eContentplus läuft am 31.12. 2008 aus. Es wird 2009 in das EU-Rahmenprogramm für Wettbewerbsfähigkeit und Innovation (CIP ICT – Cooperation including priority for Information and Communication Technologies) integriert werden. Klaus Miesenberger vom Institut Integriert Studieren an der Johannes Kepler Universität Linz ging in seinem Vortrag „equality = e-QUALITY: Equal Access to the Information Society depending on the Quality of Cultural Information Systems“ auf die Möglichkeiten des Zugangs zu Webpages für Benützer mit verschiedenen Handicaps ein. Seiner Ansicht nach muss „Accessibility“ (Zugänglichkeit des WWW für möglichst viele Menschen) erstmals richtig verstanden, um dann sinnvoll eingesetzt werden zu können. Die Dringlichkeit entsprechende Voraussetzungen zu schaffen, sei umso größer, wenn man bedenkt, dass weltweit nur ca. 2% der gedruckten Werke für blinde Menschen zugänglich seien. In weiterer Folge stellte er eine Anzahl von interaktiven Technologien (wie Virtual Reality oder Augmented Reality) vor, die beim Aufbau von Webseiten verwendet werden

226 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

könnten. Als Best-Practice-Beispiel für die Um-

page zur Verfügung gestellt. Derzeit sind über

bung bzw. Bauforschung wird zum Beispiel

setzung von „Web-Accessibility“ verwies er auf

100 000 Dokumente abrufbar. Insgesamt sind

die Vermarktung der Arbeit und der Ergebnisse

die Homepage des Jüdischen Museums Eisen-

ca. 2 bis 3 Millionen Urkunden in Mitteleuropa

vorgenommen, was bereits zu interessanten

stadt (www.ojm.at).

vorhanden, die im weiteren Rahmen von Mo-

Aufträgen geführt hat. Einige davon wurden

Gerhard Nussbaumer, ebenfalls von der Jo-

nasterium.Net gescannt werden sollen.

bei diesem Vortrag vorgestellt.

hannes Kepler Universität Linz, präsentierte

Zum Abschluss referierte Werner Schweibenz

Zwei Vorträge beschäftigten sich mit der gesell-

verschiedene Möglichkeiten des barrierefreien

von der Universität des Saarlandes über das

schaftlichen Stellung von Denkmalen und der

Webdesigns. Seiner Meinung nach, führt die

BAM-Portal (Bibliotheken – Archive – Museen).

Denkmalpflege heute. M. Krenns Beitrag trug

Nichteinhaltung von Grundregeln zur Gestal-

Das BAM-Portal ermöglicht die übergreifende

den vielsagenden Titel „Das unsichtbare Denk-

tung barrierefreier Seiten zur Ausgrenzungen

Recherche über die Bestände der beteiligten

mal“. M. Pollak referierte über die Beziehung

von Menschen und zum Vorenthalten von Infor-

Bibliotheken, Archive, Museen und weiterer

Mensch–Denkmal im Wandel der Zeit und die

mationen. Als besonders krasses Beispiel einer

Quellen in Deutschland (www.bam-portal.de).

Situation heute und brachte auch für jene, die

Homepage mit Barrieren stellte er jene des

Ziel des BAM-Portals ist es, Kulturgut auf natio-

sich schon sehr lange mit diesem Metier be-

Kunsthistorischen Museums in Wien vor

naler Ebene zentral zugänglich zu machen. In

schäftigen, neue Aspekte.

(www.khm.at). Häufigste Fehlerquellen seien

einem Suchvorgang können hier die Kataloge

Die weiteren Vorträge waren archäologischen

unter anderem Tabellen – hier komme es bei

mehrerer regionaler Bibliotheksverbünde, des

Ausgrabungen oder Prospektionen gewidmet.

der Auflösung für den Screenreader zu Fehl-

Bundesarchivs und der staatlichen Archive

Zwei Vortragende seien hier kurz herausgegrif-

zuordnungen – sowie fehlende Alternativtexte

aus mehreren Bundesländern Deutschlands,

fen:

bei Grafiken und Bildern, falsch zugewiesene

die Objektdatenbanken einer Vielzahl von

H. Gruber stellte eine Stadtgrabung vor, im Zu-

Beschriftungen bei Eingabefeldern oder durch

Museen und Museumsverbünden sowie die

ge derer eine neuzeitliche Brücke der Linzer

Farbe codierte Informationen sowie gleichlau-

Angebote anderer kulturgutbewahrender Ein-

Stadtbefestigung freigelegt wurde. Besonders

tende Linktexte. Im Anschluss daran präsen-

richtungen durchsucht werden. Die technische

interessant ist die Art der Präsentation: Von ei-

tierte er einfache Möglichkeiten,Webseiten bar-

Betreuung erfolgt durch das Bibliotheksser-

nem parallel angelegten Gehweg aus kann

rierefrei zu gestalten.

vice-Zentrum Baden-Württemberg (BSZ).

durch Glasfenster die alte Struktur besichtigt

Jürgen Pischel von der Firma VoiceCorp AB

Abgeschlossen wurde der Workshop durch ei-

werden. Das wäre in Hinblick auf die Stadt-

präsentierte einen neuen Screenreader (Read-

ne intensive Diskussionsrunde, in der nochmals

mauer-Grabungen der letzten Zeit in Wien ein

speaker), wobei er hier die vereinfachte Bedien-

darauf hingewiesen wurde, wie wichtig es sei

durchaus wünschenswertes Modell.

barkeit sowie die angenehme, natürliche Stim-

Barrieren auf Webseiten zu beseitigen und

Aus Tirol berichtete J. Pöll von einer Prospek-

me hervorhob.

den Zugang für alle zu ermöglichen.

tion in Kühtai. Dort wurde in Vorbereitung auf

(W. B.)

Der Vortrag von Sandra Murg und Christian Derler vom Institut für Informationssysteme & Informationsmanagement, JOANNEUM RESEARCH Forschungsgesellschaft mbH, über die Software „eXhibition: editor3D“, mit deren Hilfe Ausstellungen in 3D geplant werden können, hob sich etwas vom Themenschwerpunkt dieses Workshops ab. Informationen über das Projekt Monasterium (www.monasterium.net) erhielten die Besucher des Workshops im Beitrag „Monasterium.Net – Auf dem Weg zum europäischen Urkundenportal“. Karl Heinz vom International Centre for Archival Research in Wien berichtete, dass dieses Projekt in Österreich seit 2002 auf Initiative des Landes Niederösterreich – einem Bundesland mit zahlreichen Klöstern, Abteien und den zugehörigen Archiven – existiert. Ziel des Projektes (in Zusammenarbeit mit internationalen Wissenschaftlern) sei es, neben der virtuellen

Wiederherstellung

der

mittelalterlichen

Netzwerke innerhalb Österreichs und über die Grenzen hinaus, die Archive Mitteleuropas zu dokumentieren (sprich zu scannen) und somit die politische, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung dieses Raumes bis zurück ins frühe Mittelalter zugänglich zu machen. Zahlreiche historische Dokumente werden als digitale Faksimiles Interessenten kostenfrei auf der Home-

einen Kraftwerksbau Hinweisen auf Siedlungs„Archäologische Denkmalpflege in Österreich 1992–2008“

spuren des Mesolithikums, der späten Bronzezeit und der frühen Eisenzeit nachgegangen. Ebenso wird dort eine Almwüstung aus der Zeit

Graz (A)

nach dem 13. Jahrhundert vermutet. Dafür

10. Oktober 2008 Die Fachabteilung Bodendenkmalpflege des Bundesdenkmalamtes Steiermark lud am 10. Oktober 2008 zu einem Fachgespräch nach Graz. Hintergrund der Veranstaltung war die Feier eines Jubiläums der Leiterin der Fachabteilung Bodendenkmalpflege, HR Dr. Christa Farka. Das Themenspektrum war denkbar weit gestreut, die Vortragenden waren Mitarbeiter des Bundesdenkmalamtes und Kolleginnen und Kollegen anderer Dienststellen sowie privater Organisationen. Einen Themenkomplex machte die Vorstellung

wurden das gesamte infrage kommende Gelände begangen und anhand von Geländeformationen mögliche Fundstellen sondiert. Das ist gerade in alpinem Gelände eine ebenso spannende wie fordernde Aufgabe und stellt zu den Arbeitsumständen einer Stadtarchäologie einen krassen Gegensatz dar. Ein Block über Carnuntum mit Vorträgen vom Ausgrabungsleiter F. Humer und dem Architekten K. F. Gollmann bildete den Abschluss dieses ebenso spannenden wie intensiven Tages.

(Ch. Ö./K. F. A.)

verschiedener Forschungs- und Grabungsunternehmen aus. Neben den aufgrund langer

„Europäische Städte im Mittelalter“

Aktivität bekannten Vereinen ASINOE (B. We-

Wien (A)

werka) und ARGIS (Archäologie-Service, S.

14.–17. Oktober 2008

Müller) präsentierte sich FIALE, Interdisziplinä-

Stadtanfang, Stadtentwicklung, Stadtplanung,

res Arbeiten als Brücke zwischen Forschung

soziale Strukturen sowie wirtschaftliche und to-

und Öffentlichkeit (J. Kraschitzer, A. Steineg-

pographische Einbindung – die Kernthemen

ger, J. Wagner). Ansatz dieser Gruppe junger

der internationalen Tagung „Europäische Städ-

Kolleginnen und Kollegen ist, nicht nur die For-

te im Mittelalter“, abgehalten im Wiener Stadt-

schung selbst, sondern die gesamte Abwick-

und Landesarchiv – werden naturgemäß auf-

lung eines Projektes anzubieten. Nach Gra-

grund der differierenden Quellenbeschaffenheit

227 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

und gegebenenfalls auch ungleichen Quellenla-

im Oktober 2009 ansetzen, die ArchäologIn-

portunities for the archaeological community

ge von ArchäologInnen und HistorikerInnen un-

nen und HistorikerInnen zu denselben Themen

in the approach to creating and publishing

terschiedlich wahrgenommen und bewertet.

vergleichend referieren lassen soll.

Web content: open communication, decentra-

Dementsprechend vielfältig waren die präsen-

(I. G./K. F. A.)

Aus archäologischer Sicht wurden anhand der Beispiele London, Dublin, Wien und einem Überblick über den zentralskandinavischen Raum verschiedene und sehr unterschiedliche Stadt- und Stadtentwicklungsmodelle präsentiert. Hier zeigte sich wieder einmal deutlich der signifikante Unterschied zwischen Stadtanfang auf ehemals römischem Gebiet bzw. in Interaktion mit römischen Überresten und den deutlich anderen Siedlungsstrukturen auf von römischer Aktivität und zum Teil sogar römischer Herrschaft „unberührtem“ Territorium. In diesem Zusammenhang drängte sich die Frage auf, ab welchem Zeitpunkt bzw. ab welchem Grad von Komplexität eine bestimmte Siedlungsstruktur überhaupt als Stadt bezeichnet werden kann. In diesem Punkt konnte eine gewisse Übereinstimmung erzielt werden, dass nämlich der Versuch, allgemeingültige Regeln und Definitionen zu formulieren, eher hinderlich als nützlich wäre. Ein direkter Vergleich zwischen vollkommen unterschiedlich strukturierten Siedlungszentren ist nicht ratsam. Als kontroversiell erwies sich die Frage nach Planung und Vermessung im Rahmen von Stadtanfang und Stadtentwicklung. Grundsätzliche BefürworterInnen der Theorie einer groß angelegten Vermessung ausgehend von einem markanten Mittelpunkt – für Wien wurde hier das Portal des Stephansdomes genannt – vertraten das Modell einer geplanten Stadt. Andere TeilnehmerInnen der Tagung wiederum wollten dieses Thema differenzierter behandelt wissen und plädierten dafür, weder Wachstumsprozesse noch Planungsschritte im Entwicklungsgefüge einer Stadt von vornherein zu verwerfen oder überzubewerten, sondern anhand von historischen und archäologischen Quellen möglichst unvoreingenommen an diese Fragestellung heranzugehen. Weitere Referate beschäftigten sich anhand verschiedener Beispiele wie Köln, Regensburg, Wien und einem Überblick über die ungarische Städtelandschaft mit den Einflüssen der Umwelt, mit der Beschaffenheit der Versorgungsstrukturen und mit dem ökologischen Fußabdruck einer Stadt an sich. Die Vielfalt der Sichtweisen und Themengebiete machte vor allem die Notwendigkeit einer genaueren Beleuchtung der Differenzen, die zwischen archäologischen und historischen Quellenbetrachtungen bestehen, überdeutlich. Genau an diesem Punkt soll eine weitere Tagung

lization of authority, and freedom to share, create and re-use on-line content, etc.

tierten Themen und Ansätze. „Kulturelles Erbe und neue Technologien“ (Archäologie und Computer 2008 – Workshop 13) Wien (A) 3.–5. November 2008 Among many international scientific conferences is one forum which has great social significance for real integration of information technologies and cultural heritage as imperatives of sustainable development in a global era. It is the 13th International Congress “Cultural Heritage and New Technologies” held in Vienna from November 3–5, 2008. This forum was organized by the Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie as a significant and permanent interdisciplinary platform for the exchange of innovative ideas and positive practices in the field of cultural heritage and new technology. The Congress gathered more than 160 various specialists from around the globe in Vienna – theorists and practitioners – who were interested in the development of intercultural dialogue, scientific integration and public communication

We live in a very troubled and unstable world. To our eyes the world changes more and more rapidly. Culture is in transition. And these changes and transition create great challenges for humanity. But we should remember that we have great resources of archaeology for integration and reconciliation in our world. Archaeological artifacts embody the complex of high and significant human values – life, beauty, peace, harmony, creativity, dialogue, etc. After the Congress I was convinced once again that archaeological matters are the best manifestations in the study of multicultural awareness and nature of reciprocity. That is why I consider that we can use archaeology and its heritage as a means against war, violence, xenophobia, nationalism, etc. Thus, we can also consider the 13th International Congress “Cultural Heritage and New Technologies” in Vienna as an important contribution to the UN Decade (2005–2014) of Education for Sustainable Development and the European Year of Intercultural Dialogue. (V. I. I.)

through the archaeological resources and IT. I should say that thanks to the Congress we ob-

„26. Sitzung der Österreichischen Karto-

tained excellent experience in using IT in the

graphischen Kommission (ÖKK)“

management of cultural heritage and educatio-

Wien (A)

nal practice for Samara and the Mid-Volga Re-

20. November 2008

gion of Russia.

Die 26. Sitzung der ÖKK begann mit einer

Thanks to the energetic and highly professional

Fachpräsentation anlässlich der neuen Inter-

efforts of Karin Fischer Ausserer,Wolfgang Bör-

net-Version des Kulturgüterkatasters der Stadt

ner and others from the Stadtarchäologie, and

Wien. Zunächst stellte Mag. Wolfgang Jörg,

also the conference’s partners and assistants,

ViennaGIS-Koordinator des Magistrats, in ei-

this forum became the great event for the inter-

nem einführenden Vortrag „ViennaGIS – Strate-

national cultural and scientific community.

gie und Technologie“ die Geodaten der Stadt

The 13th Congress strongly underlines its pro-

Wien im Überblick vor. Anschließend referierte

fessional mission for archaeological science.

Mag. Robert Saul, Projektleiter der MA 14 –

This mission is the humanistic aspect of ar-

ADV für das vorgestellte Kultur-Portal, über

chaeology that is based on interdisciplinary in-

die neue Internet-Version des Kulturgüterka-

tegration and intercultural dialogue. Thematic

tasters „Wien Kulturgut“ und weitere neue

priorities of the Congress are connected with

GIS-Auskunftsdienste.

urgent tasks of educational and public activity,

Der sowohl inhaltlich als auch technologisch

including issues of the archaeological resour-

neu

ces of social transformations and development,

Stadt Wien wurde am 8. Jänner 2008 der Öf-

cultural process and social survival, social dy-

fentlichkeit vorgestellt. Unter www.kulturgut.

namics of culture, archaeology of peace and in-

wien.at können nun umfassende Informationen

tercultural reconciliation, cross-cultural ar-

zu Kulturgütern der Stadt Wien digital abge-

chaeology, public archaeology, management

fragt werden. Fünf Themenbereiche werden in

of cultural heritage, archaeology and tourism,

der vorliegenden ersten Ausbaustufe zusam-

teaching and aesthetic archaeology, for exam-

men mit Links auf die Museen und Theater in

ple.

Wien angeboten: Architektur, Kunst im öffentli-

The emerging generation of IT brings new op-

chen Raum, Stadtgeschichte, Stadtarchäolo-

überarbeitete

Kulturgüterkataster

der

228 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

gie und Kunstsammlung der Kulturabteilung –

umfassend erforscht. Für weitere archäologi-

des Freilichtmuseums, in welchem Ausstellun-

Museum auf Abruf.

sche Untersuchungen steht eine ausreichende

gen zu bestimmten Themen (z. B. Mode in

Historisches, digital neu aufbereitetes Karten-

und gut strukturierte Infrastruktur (vom Archiv

der Römerzeit) veranstaltet werden, sowie

material ermöglicht eine Zeitreise in Wiens Ver-

bis zur Restaurierung) zur Verfügung. Während

das alte Museum gut ausgenützt. Dieser histo-

gangenheit. Die Stadtarchäologie – seit Beginn

es bis vor einigen Jahren klar war, dass das

ristische Museumsbau gibt – neben kleinen

federführend am Projekt beteiligt – steuerte ne-

Team des Aquincum Museums Ausgrabungen,

Vermittlungsstationen für Kinder – vor allem ei-

ben der digitalen Aufbereitung des Franziszei-

die sich im Zuge von Baugeschehen ergeben,

nen repräsentativen Rahmen für Wechselaus-

schen Katasters (Wien: 1817–1824) im The-

durchführt, gibt es nun eine andere Vorgangs-

stellungen, in welchen die wichtigsten Funde

menbereich „Stadtgeschichte“ im Bereich

weise. Auch das Museum muss beim ungari-

der jeweils vergangenen Grabungssaison vor-

„Stadtarchäologie“ archäologische Fundpunk-

schen Landesdenkmalamt um Grabungser-

gestellt werden. Als eine Art „Preview“ wird

te und somit auch die Kartierung antiker Sied-

laubnis ansuchen. Das ist mit bürokratischem

an einem Abend auch ein Empfang für Kolle-

lungsgebiete bei.

Aufwand verbunden und oft erhalten andere ar-

gInnen, Presse und Kooperationspartner und

Das neue Portal ist auch technologisch gese-

chäologische Körperschaften den Auftrag zur

auch Investoren/Bauträger veranstaltet.

hen ein Meilenstein, zumal das der Applikation

Ausgrabung, besonders wenn im Finanziellen

Abendessen gab es im Museum und dabei

zugrundeliegende, neu entwickelte GIS-WEB-

ein gewisses Auftragsvolumen überschritten

konnte noch viel über die Arbeitsbedingungen

Framework sämtliche Services, wie Kachelser-

wird. Diese Grabungen wurden bislang nicht

und Forschungstätigkeiten erfahren werden.

ver, WebMap-Service, WebFeature-Service,

ausreichend ausgewertet und publiziert. Dem

So sind in Ungarn die Investoren (Bauherren)

vollkommen asynchron abarbeitet und damit

Aquincum Museum ist es dadurch oft nicht

gesetzlich verpflichtet, für alle Grabungskosten,

bestmögliche Performance sowie Auslastung

aber auch (zumindest soweit vorhersehbar) für

der Webserver garantiert.

mehr möglich, Forschungslücken zu schließen. Der Vortrag von Anna Endro˝ di und Gábor Szi-

Weiters wurde der speziell für die EURO 2008

las („Die Erforschung der prähistorischen Sied-

aufzukommen. Bevor nicht ein entsprechender

(Fußballeuropameisterschaft) von der Stadt

lungsstrukturen auf dem Gebiet der ungari-

Vertrag unterzeichnet ist, kann weder ausge-

Wien publizierte Stadtplan vorgestellt, der ne-

schen Hauptstadt bzw. Angaben zur prähisto-

graben noch das Baugelände genutzt werden.

ben EURO-spezifischen Informationen, wie

rischen Topographie von Budapest“) gab einen

Aber natürlich gibt es auch hier wirtschaftlichen

Fanzonen und Public-Viewing-Plätze, auch

Einblick in die Forschungsgeschichte der prä-

Druck und es wird versucht, Grabungsunter-

neue Stadtplaninhalte mit Schwerpunkt Touris-

historischen Fundstellen, die topographischen

nehmungen zu finden, die die Untersuchungen

mus und Verkehr enthält.

Gegebenheiten und die Voraussetzungen für

schnell und kostengünstig durchführen, mit

die römische Besiedlung.

Verlusten für die Wissenschaft und den Kultur-

András Végh sprach in seinem Vortrag “Topo-

güterschutz. Ebenso besteht Sorge über die

graphical Researches in the Víziváros” über

Auswirkungen der Wirtschaftskrise. Aber im-

mittelalterliche und frühneuzeitliche Baureste

merhin gelang es dem Aquincum Museum im

in der Wasserstadt unterhalb des Burgberges.

Jahr 2007 etwa 70 Rettungs- und Probegra-

Die MitarbeiterInnen der Stadtarchäologie Wien

bungen durchzuführen. Interessant ist, dass

haben folgende Vorträge gehalten: „Stadtar-

das Team der fix beim Museum Beschäftigten

chäologie: Aufgaben und Management“ (Karin

etwa gleich groß ist wie das der Stadtarchäolo-

Fischer Ausserer), „Der Umgang mit archäolo-

gie Wien und durch andere KollegInnen vom

gischen (Be-)Funden – ein historischer Abriss

Budapester Historischen Museum unterstützt

am Beispiel Wiens“ (Constance Litschauer),

wird. Für Grabungen werden mindestens 100

„Forschungs- und PR-Grabungen im Rahmen

Leute zusätzlich vorübergehend aufgenom-

einer ,Stadtrandarchäologie‘“ (Martin Penz),

men.

„Archäologisches Baustellenmanagement –

Am zweiten Tag folgte ein Vortrag von Orsolya

Planung und Durchführung“ (Sylvia Sakl-Ober-

Láng (“Fast and Effective? Laser Scanning and

thaler/Christoph Öllerer), „Methoden, Proble-

Geophysical Surveys in Preventive Excavations

matik und Perspektiven in der wissenschaftli-

in Aquincum”). Sie kam zu dem Schluss, dass

chen Erforschung des Legionslagers Vindobo-

die geophysikalischen Methoden im verbauten

na“ (Martin Mosser), „Methoden, Problematik

(verbaut gewesenen) Gebiet (noch immer) kei-

und Perspektiven in der wissenschaftlichen Er-

ne brauchbaren Erkenntnisse liefern. Gute Er-

forschung der Zivilstadt von Vindobona“ (Mi-

gebnisse konnten hingegen mit einem Laser-

chaela Müller).

scanner zur Aufnahme von Bauresten erzielt

Daneben konnte das Aquincum Museum im

werden. Attila J. Tóth berichtete in seinem Vor-

neuen Gebäude, in welchem in einem kleinen

trag “River in the City – Underwater Archaeolo-

Vortragssaal auch der Workshop stattfand, be-

gy in Urban Environment” über die schwierigen

sichtigt werden. Auch die Pausen waren mit

Bedingungen von Unterwasserarchäologie in

durchaus anregenden (Beschriftungsmaschi-

einem fließenden, verschmutzten Gewässer

ne, Rekonstruktionsversuche bzw. experimen-

wie der Donau. Vor allem Müll der Jahrhunder-

telle

te und Jahrtausende lässt sich finden, aber

(S. U.)

„Aquincum-Vindobona – Problems of Urban Archaeology in Vienna and Budapest“ Budapest (HU) 20.–22. November 2008 Am ersten Tag der Veranstaltung ging es vor allem um die Forschungsgeschichte und die Institutionalisierung sowie um die Problematiken der archäologischen Arbeit. Den Beginn machte die Direktorin des Aquincum Museums, Paula Zsidi, mit ihrem Vortrag „Geschichte der stadtarchäologischen Forschungen in Budapest und die heutige Situation“. Dabei berichtete sie über die ersten Funde in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und anschließende „Untersuchungen“ und Entdeckungen, die erste Schutzverordnung der Stadt für römische Reste in Óbuda hundert Jahre später und die Eröffnung des Aquincum Museums 1894. Besonders wichtig war die Entwicklung der archäologischen Forschung und Grabungstätigkeit. Seit über 100 Jahren ist das Aquincum Museum Teil des Budapester Historischen Museums (Budapesti Történeti Múzeum) und seine Beschäftigten sind mit den prähistorischen, römischen und mittelalterlichen Siedlungsgebieten in Budapest vertraut und haben das römische Lager, Theater, besonders die Zivilsiedlung, Villen, Contra Aquincum und Nekropolen

Erforschung

Vermittlungsideen)

der

Metallbearbeitung,

Führungen

durch

die Restaurierung und Deponierung der Funde

die

auch zum Beispiel Hinweise auf Holzhandel.

Restaurierwerkstätten und einen Schutzbau

Der Verlauf der Donau hat sich in Budapest we-

229 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

niger stark geändert als in Wien.

„Informationsaustausch zur Digitalisie-

unten zum Beitrag von Robert Kristöfl) sowie

Katalin Éder hat in ihrem Beitrag “Registering of

rung des kulturellen Erbes in Österreich“

die Erweiterung der Suchmöglichkeiten mittels

the Archaeological Heritage of Budapest” über

Wien (A)

Thesauri und des Online-Bestandes geplant.

das umfangreiche Archiv der archäologischen

25. November 2008

Irene Hyna (BMUKK) berichtete über die „i2010

Forschung, dessen Entstehung und seine

Die vom Bundesministerium für Unterricht,

Initiative“ der EU, deren vorrangiges Ziel die

Strukturierung und Nutzungsmöglichkeiten be-

Kunst und Kultur (BMUKK) am 25. November

Förderung von Wissen und Innovation sei, um

richtet.

2008 im Festsaal des Ministeriums in Wien or-

in weiterer Folge mehr und bessere Arbeitsplät-

Der zweite Teil des Vormittags war der Öffent-

ganisierte Veranstaltung (www.kulturleben.at/

ze zu schaffen (europa.eu/legislation_summa

lichkeitsarbeit und Vermittlung gewidmet. Mi-

Themen/Digitalisierung.xml [9.7. 2009]) bot ei-

ries/employment_and_social_policy/job_creati

chaela Kronberger (Wien Museum – Depart-

nen Überblick über derzeit laufende und bereits

on_measures/c11328_de.htm [7. 8. 2009]). Im

ment Archäologie und Geschichte bis 1500)

abgeschlossene Projekte zur Digitalisierung

Bereich des kulturellen Erbes sei die primäre

stellte „Das neue Römermuseum in Wien: pub-

des kulturellen Erbes in Österreich.

Aufgabe dieser Initiative die Erstellung einer di-

likumsorientierte Präsentation wissenschaftli-

In seiner Eröffnungsrede erwähnte Norbert

gitalen Bibliothek (EDL = European Digital Lib-

cher Forschungen“ vor.

Riedl (BMUKK) die positiven Auswirkungen,

rary), um Europas reichhaltiges kulturelles und

Bei den Vorträgen von Annamária Facsády

die der EU-Vorsitz Frankreichs (zweite Jahres-

wissenschaftliches Erbe online zugänglich zu

(“Possibility of Social Exploitation of the Exca-

hälfte 2008) auf die Förderung von Digitali-

machen. Es werden demnach nicht nur Biblio-

vation: Exhibitions and Publications”), Katalin

sierungsprojekten hatte. Auch die von der

theksobjekte, sondern auch Bestände aus Mu-

Kurucz und Enikö Bögi („Archäologie und Mar-

Europäischen Kommission initiierte Internet-

seen, Archiven und audiovisuellen Archiven er-

keting. Grabungen vorstellende Veranstaltun-

plattform „Europeana“ wurde in dieser Zeit vor-

fasst. Bis 2010 sollen mindestens 6 Millionen

gen im Aquincum Museum“) sowie Annamária

gestellt. Er betonte ferner, dass es überaus

Objekte online sein. Aufbauend auf dem EDL-

Szu („Die gefürchtete Aufgabe: Archäologen

wichtig sei, geeignete nationale Strategien

Projekt wurde die Online-Bibliothek „Europea-

als Wissenschaftsvermittler“) wurde die Wich-

auszuarbeiten, damit Österreich eine wichtige

na“ (www.europeana.eu) entwickelt. Am Tag

tigkeit der allgemein verständlichen und faszi-

Position in den Gremien der Europäischen Ge-

der Freischaltung ihres Prototyps, dem 20. No-

nierenden Aufbereitung der wissenschaftlichen

meinschaft im Bereich des kulturellen Erbes

vember 2008, enthielt „Europeana“ bereits 3,5

Untersuchungen und die unbedingt notwendi-

einnehmen könne.

Millionen Objekte aus mehr als 100 europä-

ge Zusammenarbeit von ArchäologInnen und

Ulrike Winkler (BMUKK) präsentierte einen

ischen Institutionen (z. B. aus dem Louvre in

VermittlerInnen betont. Es ist sehr sinnvoll, Kin-

Überblick über die im Auftrag des Bundesmi-

Paris, dem Rijksmuseum Amsterdam, der Bri-

der und Jugendliche für das kulturelle Erbe zu

nisteriums für Unterricht, Kunst und Kultur ge-

tish Library in London, dem Österreichischen

begeistern, denn diese können die zukünftigen

förderten Digitalisierungsprojekte und erwähn-

Staatsarchiv, der Österreichischen National-

Investoren werden.

te einige Good-Practice-Beispiele, wie die Bild-

bibliothek, der Mediathek …). Aufgrund des

Zusätzlich zu den Vorträgen waren zahlreiche

datenbanken des Kunsthistorischen Museums

übergroßen Interesses an dieser Internetplatt-

Poster mit ausführlichen Texten von ungari-

Wien (bilddatenbank.khm.at), der Albertina

form, welches sich in über 10 Millionen Zugrif-

schen KollegInnen zu sehen: “New Archaeolo-

(gallery.albertina.at/eMuseum/code/emuseum.

fen in der ersten Stunde manifestierte, brach

gical Results from the North-Western Region of

asp) und des Belvedere (bilddatenbank.belve

das System jedoch zusammen. Der reguläre

the Military Town in Aquincum” (Anita Kirchhof),

dere.at). Als weitere hervorragende Anwen-

Zugriff ist seit Mitte Dezember 2008 wieder

“III. Miklós tér: An Ordinary Urban Excavation”

dungen nannte sie einige Projekte der Österrei-

möglich.

(Péter Vámos), “Urban Archaeology and Public

chischen Nationalbibliothek, wie die Internet-

Im Anschluss an die Ausführungen über die in-

Relations in Budapest: The New Homepage of

plattform „Bildarchiv Austria“ (www.bildarchiv

ternationalen Aktivitäten zur Digitalisierung des

the Budapest Historical Museum” (Gábor Las-

austria.at), die Filmografie und Bilddatenbank

kulturellen

sányi), “Large Scale City Excavations: How to

zu den Filmplakaten von 1914 bis 1945 (steht

(BMUKK) das Webportal Kulturpool (www.kul

Fight for Square Meters?” (Tibor Hable), “Exca-

nur als CD-ROM „Filmplakate der Österreichi-

turpool.at) vor, welches als Such- und Service-

vations at the 2 nd–3 rd c. Legionary Fortress of

schen Nationalbibliothek 1910–1955“ zur Ver-

portal einen zentralen Zugang zu digitalisiertem

Aquincum” (József Beszédes), “III. VÖRÖSVÁ-

fügung) und die Bilddatenbank der politischen

österreichischem Kulturgut ermöglicht. Mithilfe

RI ÚT 103–105” (Tibor Budai Balogh).

Plakate der Ersten Republik.

des Kulturpools können sämtliche kulturelle

Auch die Beiträge der Stadtarchäologie Wien

Im Anschluss daran informierten Gerlinde Gru-

Einrichtungen wie Museen, Archive und Biblio-

(„Vindobona-Research: Zielsetzungen zur Er-

ber und Christina Abzieher (KHM) über die Bild-

theken durchsucht werden. Sein Datenumfang

forschung des römischen Vindobona“ und

datenbank des Kunsthistorischen Museums

wird ständig erweitert.

„Wien Kulturgut – Der kulturgeschichtliche

Wien, deren Ziel die digitale Erfassung der

Daniela Hackl (Österreichische Forschungsför-

Stadtplan der Stadt Wien“) waren ausgestellt.

wichtigsten Bestände der Sammlungen des

derungsgesellschaft mbH, FFG) listete den Teil-

Den Abschluss bildeten eine Führung durch die

Museums und seiner angegliederten Institutio-

nehmerInnen der Veranstaltung eine Reihe von

Budapester Burg mit einem Mittelalterarchäo-

nen (Theatermuseum und Museum für Völker-

europäischen Förderprogrammen für Projekte

logen (András Végh) und die Besichtigung

kunde) ist. In der Datenbank, die seit 3. No-

zur digitalen europäischen Bibliothek auf

des Archivs, in welchem die Systematisierung

vember 2006 online ist, wurden bis zum Ende

(www.ffg.at).

und digitale Erfassung gezeigt wurde. (M. Mü.)

der Ausbauphase 127 406 Bilder (images) ab-

In mehreren Kurzpräsentationen, die dem Er-

gespeichert. Von 30 000 Objekten standen im

fahrungsaustausch dienten und einen Über-

November 2008 39 000 Bilder im Netz. Als

blick über den Stand der Projekte verschaffen

nächste Schritte seien die Anbindung der Bild-

sollten, wurde über die Digitalisierung der Ös-

datenbank an das Webportal Kulturpool (siehe

terreichischen Mediathek (Rainer Hubert, Ös-

Erbes

stellte

Robert

Kristöfl

230 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Tagungsberichte

terreichische Mediathek, Technisches Museum

„Europeana“ unterstützt (www.europeana-lo

Wien), den Stand der Digitalisierung in österrei-

cal.at). EDLocal ist ein eContentplus Best-

Sammlungen digitalisiert, in der gesamten EU

chischen naturkundlichen Museen (Projekt

Practice-Netzwerk mit 32 Partnern aus 27 Län-

18%. Nur 50% aller EU-Institutionen im kulturel-

„ODINS“ – Martin Götzl, Umweltbundesamt),

dern, mit einer Projektlaufzeit von 2008 bis

len Bereich gestatten freien Zugriff auf digitali-

die Erfassung von audiovisuellen Beständen in

2011. Bereits in den Jahren 2006/07 diente

siertes Material.

Europa (Projekt „TAPE“ – Dietrich Schüller,

das Serviceportal „DIS (Dokumentations- und

In einer kurzen Abschlussdiskussion wurde

Phonogrammarchiv der Österreichischen Aka-

InformationsService)“ der Sammlung und Bear-

nochmals auf das Projekt „Europeana“ einge-

demie der Wissenschaften) und über die

beitung von lokalen und regionalen Wissen-

gangen. Von Mitarbeitern der Universitätsbib-

Digitalisierung in europäischen Nationalbiblio-

schafts- und Bildungsdaten. Dieses Portal ist

liotheken Österreichs kam der Vorwurf, dass

theken (Hans Petschar, Österreichische Natio-

die Grundlage für den Aufbau der „österreichi-

sie trotz der großen Anzahl an Projekten zu we-

nalbibliothek) berichtet.

schen Europeana“.

nig Informationen über den Stand der Digitali-

Danach referierte Gerda Koch (Angewandte

Beendet wurden die Kurzpräsentationen mit

sierung des kulturellen Erbes erhielten. Es sei

Informationstechnologie,

das

dem Bericht von Irene Hyna (BMUKK) über

wünschenswert, die Universitätsbibliotheken

Verbundportal „Europeana-Local (EDLocal)“,

die Studie „Numeric“ (www.numeric.ws) der

in diverse Projekte verstärkt einzubinden.

welches seit Juni 2008 österreichische Kultur-

Europäischen Kommission, die Aufschluss

und Wissenschaftseinrichtungen bei der Auf-

über den Stand der Digitalisierung der Bestän-

bereitung ihrer Daten für die digitale Bibliothek

de des kulturellen Erbes Europas geben soll.

Graz)

über

So sind in Österreich 10% der kulturellen

(W. B.)

231 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Rezensionen

Rezensionen

stattfand als in anderen Gegenden. Dement-

lizeiliche Funktionen ausübten. Das Kastell in

sprechend interessant ist das Fundmaterial

Obernburg war bereits seit 1771 bekannt,

von diesem 50 km langen Abschnitt, in dem

1884 fanden die ersten Ausgrabungen statt.

neun Kastelle nachgewiesen sind.

Die Benefiziarierstation wurde schon 1954

Im ersten Teil des Buches wird die historische

erstmals angeschnitten, doch erst von 2000

Entwicklung des Mainlimes von der Latènezeit

bis 2007 vollständig freigelegt.

bis unter Antoninus Pius dargestellt. Dabei fin-

Die Anlage wurde zwischen 140 und 144

det die römische Expansionspolitik vom 1.

n. Chr. errichtet und war bis in die Mitte des

Jahrhundert v. Chr. bis in das 2. Jahrhundert

3. Jahrhunderts in Funktion, danach verfiel sie

n. Chr. im Allgemeinen genauso Niederschlag

langsam. Das Amtsgebäude war etwa 18 x

wie die Ausbreitung des germanischen Sied-

30 m groß und in Steinbauweise errichtet. Die

lungsgebietes in diesem Zeitraum. Da diese

Front scheint als porticus zur Straße hin aufge-

Ausführungen detailliert ausfallen, wäre ein ge-

führt gewesen zu sein, rechts vom Eingang lag

Bernd Steidl (mit Beiträgen von Ludwig

naueres Kartenmaterial sowie ein Anmerkungs-

ein rechteckiger Anbau in Fachwerktechnik.

Wamser und Horst Zimmerhackl),

apparat (der übrigens in der gesamten Publika-

Das Gebäude war nach italischem Muster um

Welterbe Limes. Roms Grenze am Main

tion fehlt) wünschenswert. Der archäologische

einen zentralen Innenhof erbaut. Im vorderen

Ausstellungskataloge

Befund wird nur erwähnt, um bestimmte Ent-

Teil waren die Büros untergebracht, der hintere

Staatssammlung 36

wicklungen wie zum Beispiel kurzfristige

Teil hat Wohn- und Wirtschaftszwecken ge-

Logo Verlag Eric Erfurth, Obernburg am Main

Grenzkorrekturen unter Kaiser Hadrian zu il-

dient. Im gepflasterten Innenhof befand sich ei-

2008

lustrieren.

ne Brunnenanlage mit ständiger Frischwasser-

300 Seiten, 276 Farbabb., 1 Faltkarte; 23 x 21

Der zweite Teil ist dem Leben am Limes gewid-

zufuhr. Im hinteren Teil des Grundstückes er-

cm, gebunden

met. Dabei wird ein Thema angesprochen und

streckte sich ein Weihebezirk, in dem noch 30

ISBN 978-3-939462- 06- 4, EUR 22,50

nach allgemeiner Erläuterung anhand eines

erhaltene Inschriften gefunden wurden und

Fundplatzes näher beleuchtet.

die Aufstellungsplätze von 75 weiteren Steinen

Der bisher eher unbeachtet gebliebene Limes-

Im ersten Kapitel werden am Beispiel der Epi-

festgestellt werden konnten.

abschnitt am Main wurde durch eine neue Aus-

graphik die unterschiedlichen Herkunftsländer

Das dritte Kapitel beleuchtet die Wirtschaft ent-

grabung in den Blickpunkt der archäologischen

der hier stationierten Auxiliarsoldaten vorge-

lang des Limes, und zwar Landwirtschaft sowie

Öffentlichkeit gerückt, nämlich durch die erst-

stellt. Die Verbreitung der lateinischen Sprache

Abbau und Verarbeitung des lokalen Sandstei-

malige Freilegung einer vollständigen Benefizia-

wird durch Graffiti dokumentiert. Zur Verdeutli-

nes. Als Beispiel wird die Legionsziegelei im

rierstation in Obernburg. Dieser Umstand wur-

chung des Entstehens und des Einsatzes von

Kastell Großkrotzenburg angeführt, wobei be-

de von den Autoren B. Steidl, L. Wamser und

militärischen Einheiten wird die Geschichte

dauernswerterweise nur die Verbreitung der

H. Zimmerhackl zum Anlass genommen, im

der cohors I Civium Romanorum equitata pia fi-

Ziegel und die Datierung, nicht allerdings der

Zuge einer Sonderausstellung in der Archäolo-

delis, die vom Anfang des 1. bis in die zweite

archäologische Befund dargestellt werden.

gischen Staatssammlung München eine Ge-

Hälfte des 3. Jahrhunderts n. Chr. in Seligen-

Die Götterwelt wird im vierten Kapitel themati-

samtdarstellung des Mainlimes in Angriff zu

stadt stationiert war, beschrieben.

siert und anhand der orientalischen Kulte in

nehmen.

Das zweite Kapitel ist Verkehr und Besiedelung

Stockstadt illustriert, das letzte Kapitel dieses

In der Einleitung wird, dem Titel des Buches

gewidmet. Unter Verkehr wird einerseits der

Teils behandelt die römische Lebensweise am

entsprechend, anhand der historischen Ent-

Verlauf der Limesstraße beschrieben, anderer-

Limes.

wicklung und der Fundstellen dargelegt, wa-

seits der Moenus, wie der Main in römischer

Der Titel des dritten Teils lautet: „Ende des Li-

rum dieser Abschnitt des obergermanischen

Zeit genannt wurde. Anlage und Aufbau der

mes und germanischer Neuanfang“. Es wird

Limes, der bereits zum Weltkulturerbe erklärt

Kastelle werden durch jenes in Wörth vorge-

beschrieben, wie das rechtsrheinische Gebiet

wurde, eine spezielle Würdigung verdient.

führt, die der vici durch Ausgrabungen mehre-

im Laufe des 3. Jahrhunderts n. Chr. aufgrund

Dem Verfasser zufolge fällt dieses Gebiet durch

rer Siedlungen.

von Germaneneinfällen und römischen Bürger-

die Fülle an Steininschriften und imposanten

Unter dieses Kapitel fällt auch die eingangs er-

kriegen vernachlässigt und am Ende des Jahr-

Architekturfragmenten auf. Dies könnte daran

wähnte Benefiziarierstation Obernburg, die als

hunderts als Barbarenland betrachtet wurde.

liegen, dass die Berge im nahe gelegenen

Beispiel für einen Teil des römischen Ord-

Zu Beginn des Mittelalters wurde das Land

nördlichen Odenwald reichlich Sandstein liefer-

nungssystems näher beschrieben wird. Benefi-

von den Franken besiedelt, am Beispiel von

ten, weshalb einerseits damit nicht gespart

ziarier waren Legionssoldaten, die aus den

Miltenberg wird veranschaulicht, wie sich der

werden musste und andererseits der Steinraub

regulären Einheiten abgezogen wurden und in

Übergang von den römischen Ruinen zur mit-

in späterer Zeit in deutlich geringerem Umfang

eigenen Stationen Verwaltungsdienste und po-

telalterlichen Stadt vollzogen hat.

der

Archäologischen

232 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Rezensionen

Das Werk ist als eine allgemein verständliche

Luftkrieg, zu den kämpfenden Truppen oder

Zusammenfassung

den Luftschutzeinrichtungen, sind in „Bomben

des

derzeitigen

For-

schungsstandes auf hohem Niveau zu bezeich-

auf Wien“ nachzulesen.

nen. Das Kartenmaterial stellt die in Wahrheit

Jeder der nun folgenden insgesamt 25 Berich-

sehr komplexe Entwicklung der Grenzlinie in

te stellt ein eigenes Kapitel dar. Die Verfasser

pointierter Weise dar. Unter den Abbildungen

schildern ihre Schicksale von den letzten

stechen besonders gemalte Szenen aus dem

Kriegstagen bis zum Ende der Besatzungszeit,

römischen Alltag hervor, die in Zeiten der Com-

manche auch darüber hinaus, wie zum Beispiel

puteranimation eine erfreuliche Abwechslung

Herr Jacoangeli, der als Kriegsgefangener nach

darstellen. An archäologischen Details darf sich

Wien zur Zwangsarbeit an den Flaktürmen de-

der Leser nicht allzu viel erwarten. Die Gesamt-

portiert wurde. Hier lernte er eine Wienerin ken-

ausrichtung des vorliegenden Werkes ist eher

nen, die er nach dem Krieg heiratete. Seine An-

historisch, abgesehen von vereinzelten Grund-

gaben enden erst 1980, als er schließlich die

rissplänen und Abbildungen von Fundstücken

österreichische Staatsbürgerschaft erhielt.

bleiben genaue Grabungsdokumentationen

Neben der Schilderung des Alltags stehen in

aus. In Anbetracht des räumlichen und zeitli-

den meisten Geschichten ein oder zwei beson-

chen Umfanges, den die Publikation zum Ge-

ders markante Erlebnisse im Vordergrund. Be-

genstand hat, ist eine tiefergehende Darstellung allerdings kaum möglich.

(Ch. Ö.)

sonders bedrückend ist die Erinnerung eines Marcello La Speranza,

damals 15-jährigen, der im Volkssturm aufge-

Wien 1945–1955. Zeitzeugen berichten

boten wurde. Nachdem seine Truppe zer-

Ares Verlag, Graz 2007

sprengt worden war und er überlegte, unterzu-

232 Seiten, zahlreiche SW-Bilder; 23 x 15 cm,

tauchen, kam er zum Floridsdorfer Spitz, wo

gebunden

drei Widerstandskämpfer am Galgen hingen,

ISBN 978-3-902475- 44- 2, EUR 19,90

woraufhin ihn sein Mut verließ und er sich bei einer anderen Einheit meldete und damit dem

In Weiterführung von „Bomben auf Wien“ (Re-

Wahnsinn bis zuletzt ausgeliefert war.

zension siehe FWien 8, 2005, 242) widmet M.

Zu besonderen angesprochenen Themen oder

La Speranza seine neue Publikation den letzten

Personen fügt der Autor kurze erklärende Pas-

Kriegstagen und der Besatzungszeit in Wien.

sagen ein, die das Geschehene in einen größe-

Er bleibt dabei dem Prinzip der „Oral History“

ren Zusammenhang stellen. Durch eine Vielzahl

treu und legt von ihm zusammengetragene Er-

an Abbildungen, Fotografien, Plakaten, per-

lebnisberichte von Zeitzeugen vor.

sönlichen Dokumenten und dergleichen mehr

Der Aufbau unterscheidet sich allerdings deut-

wird das Geschilderte noch lebendiger.

lich vom ersten Buch. Die Einführung ist sehr

Das Buch ist ein wertvolles Zeitdokument, in

kurz gehalten, erläutert den Zugang zu den

dem durch das Festhalten historischer Fakten

Zeitzeugen und deren Texten und greift ledig-

und Daten einerseits und persönlicher Erlebnis-

lich einige Aspekte aus den folgenden Berich-

se andererseits die Erinnerung an diese schwe-

ten heraus, um den Lesern die Umstände vor

re Zeit erhalten bleibt und das denen, die sie

Augen zu führen, die in der hier vorgelegten

nicht miterlebt haben, als eindringliche War-

Zeitspanne vorherrschten. Die Details zu den

nung dient.

(Ch. Ö.)

Geschehnissen 1945, wie zum Beispiel zum

233 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

MitarbeiterInnenverzeichnis

MitarbeiterInnen der Stadtarchäologie Wien 2008 In der Auflistung nicht angeführt sind die zahlreichen temporären Mitarbeiter auf den Ausgrabungen der Stadtarchäologie Wien, deren Bezahlung dankenswerterweise von den jeweiligen Bauträgern übernommen wurde. Name

Projekt

Tätigkeit

Adler-Wölfl, Dr. Kristina

Judenplatz

Grabungsaufarbeitung

Börner, Mag. Wolfgang

Chinelli, Dott.ssa Rita

Chmelar, Werner

Czeika, Dr. Sigrid

Ausstellung

Konzept

EDV

Betreuung und Koordination

Internetportal „Wien Kulturgut“

Projektleitung und Koordination

Tagung „Kulturelles Erbe und neue Technologien“

Tagungsorganisation

Rennweg 44

Grabungsaufarbeitung

Projekte „Glasierte Keramik“ und „Oxidierend gebrannte Gebrauchskeramik“

Projektleitung, zeichnerische Aufnahme der Funde

Depot des Wien Museum

Mitbetreuung der archäologischen Bestände

Judenplatz

Grabungsaufarbeitung

Etablissement Ronacher, Am Hof 10, Neutorgasse 4–8

Ausgrabung

Judenplatz

Wissenschaftliche Bearbeitung der Tierknochenfunde, Restaurierung von Tierknochen

Dollhofer, Mag. Lotte

Publikationswesen

Redaktion

Eisenmenger, Dr. Ursula

Rennweg 44, Schützengasse 24

Grabungsaufarbeitung

Öffentlichkeitsarbeit

Living Books

Eisenmenger-Klug, Dr. Ursula

Publikationswesen

Redaktion

Am Hof 10

Ausgrabung

Eleftheriadou, Mag. Eleni

Klimschgasse 19–21 und 40, Hafengasse 14, Rennweg 44

Grabungsaufarbeitung

Neutorgasse 4–8

Ausgrabung

Fischer Ausserer, Mag. Karin

Leitung Stadtarchäologie Wien

Projektkoordination, Management

Gaisbauer, Mag. Ingeborg

Öffentlichkeitsarbeit

Junior- und Seniorarchäologie, Ausstellungen

Weihburggasse, Sensengasse 1–3

Grabungsaufarbeitung

Groiß, Mag. Johannes

Bodendenkmalpflege

Baustellenbeobachtung, Transporte

Gruber, Dr. Gertrud

Publikationswesen

Redaktion

Bibliothek

Inventarisierung, Bücherankauf und -tausch

Hanus, Petra

Restaurierung

Restaurierung von Keramik- und Knochenfunden in Zusammenarbeit mit der Initiative Seniorarchäologie

Helgert, Mag. Heidrun

Administration

Personalangelegenheiten

Jäger-Wersonig, Mag. Sabine

Öffentlichkeitsarbeit

Medienkontakte, Homepage

Judenplatz, Schützengasse 24

Grabungsaufarbeitung

Jandl, Markus

Am Hof 10

Grabungsaufarbeitung, Tutorium Lehrgrabung

Kaltenberger, Dr. Alice

Michaelerplatz

Grabungsaufarbeitung

Krause, Mag. Heike

Ausstellung

Konzept, Gestaltung

Michaelerplatz, Weihburggasse

Grabungsaufarbeitung

Wipplingerstr. 33, Neutorgasse 4–8

Ausgrabung

Zollergasse 32, Praterstern

Örtliche Grabungsleitung, Grabungsaufarbeitung

Burgenprojekt

Burgeninventarisierung Wien

Krüger, Doris

Restaurierung

Restaurierung von Keramik- und Knochenfunden in Zusammenarbeit mit der Initiative Seniorarchäologie

Litschauer, Mag. Constance

Antike Münzfunde Wiens

Bearbeitung der Münzen

Diverse Grabungen

Zeichnerische Aufnahme der Funde

Mader, Dr. Ingrid

Mosser, Dr. Martin

Sensengasse 1–3

Grabungsaufarbeitung

Am Hof 10

Ausgrabung

Neutorgasse 4–8

Örtliche Grabungsleitung

Projekt Stadtbefestigung

Recherche, Bauforschung

Öffentlichkeitsarbeit

Juniorarchäologie

EDV

Digitalisierung

Judenplatz

Grabungsaufarbeitung

Am Hof 10, Praterstern

Örtliche Grabungsleitung

Ausstellung

Digitale Bauaufnahme der Tribunenhäuser

234 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

MitarbeiterInnenverzeichnis/Namenskürzel

Müller, Mag. Michaela

Öllerer, Dr. Christoph

Rennweg 44

Koordination der Fundbearbeitung

Zivilstadt – Klimschgasse 19–21 und 40, Hafengasse 14

Auswertung für Museum und Vorträge

Öffentlichkeitsarbeit

Juniorarchäologie

Wissenschaftliche Koordination Bodendenkmalpflege

Baustellenbeobachtung, Transporte

Judenplatz

Fundbearbeitung

UVP-Gutachten

Gutachten Kulturgut

Penz, Mag. Martin

Unterlaa, Aspern – Flugfeld, Groß-Enzersdorfer Straße 74

Örtliche Grabungsleitung, Grabungsaufarbeitung

Piperakis, Nikolaos

Kaiserebersdorf, Rennweg 44, Klimschgasse 19–21 und 40, Hafengasse 14

Planbearbeitung

Am Hof 10, Neutorgasse 4–8

Ausgrabung

Fundbearbeitung

Fotografieren

Ranseder, Mag. Christine

Publikationswesen

Gestaltung von Publikationen und Werbemitteln, Anzeigenverwaltung

Ausstellungen

Konzept, Gestaltung

Reichhalter, Dipl. Graph. Gerhard

Michaelerplatz, Rennweg 44, Palais Porcia, Herrengasse 10, Klimschgasse 19–21 und 40, Weihburggasse

Zeichnerische Aufnahme der Funde

Burgenprojekt

Burgeninventarisierung Wien

Burgenprojekt

Burgeninventarisierung Niederösterreich (Kooperationsprojekt)

Michaelerplatz

Bauforschung, Aufarbeitung

Reisinger, Dr. Christian

Sakl-Oberthaler, Mag. Sylvia

Schulz, Mag. Michael Skomorowski, Roman

Wipplingerstraße 33, Neutorgasse 4–8

Bauforschung, Ausgrabung

Stadtbefestigung

Vorerhebungen

EDV

Aktualisierung der Fundort-Datenbank

Kulturgüterkataster

GIS-Anwendung (ArchKat)

Am Hof 10

Ausgrabung

U-Bahn-Archäologie

Baustellenbetreuung, Grabungsleitung

Wipplingerstraße 33

Örtliche Grabungsleitung, Grabungsaufarbeitung

Michaelerplatz, Judenplatz

Grabungsaufarbeitung

Kulturvermittlung

Ausstellungskonzepte, Vorträge, Führungen

Inventarisation

Diathek, Inventar

Administration

Personalangelegenheiten

Am Hof 10

Ausgrabung, Tutorium Lehrgrabung

Neutorgasse 4–8

Ausgrabung

Stipanits, M. A. Ute

Publikationswesen

Redaktion

Tarcsay, Dr. Kinga

Michaelerplatz, Judenplatz, Klimschgasse 19–21 und 40

Grabungsaufarbeitung (Glasfunde)

Neutorgasse 4–8, Herrengasse 10

Ausgrabung

Uhlirz, DI Susanne

Ausstellung

Gestaltung

EDV

GIS, Homepages, Systemadministration, User-Betreuung

Tagung „Kulturelles Erbe und neue Technologien“

CD-ROM-Publikation, Tagungsorganisation

Namenskürzel C. L. Ch. Ö. G. R. H. K. I. G. I. M. J. G. K. F. A.

Constance Litschauer Christoph Öllerer Gerhard Reichhalter Heike Krause Ingeborg Gaisbauer Ingrid Mader Johannes Groiß Karin Fischer Ausserer

M. B. M. M. M. Mü. M. P. S. S.-O. S. U. V. I. I. W. B.

Michaela Binder Martin Mosser Michaela Müller Martin Penz Sylvia Sakl-Oberthaler Susanne Uhlirz Vladimir I. Ionesov Wolfgang Börner

235 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis Zitate und Abkürzungen basieren im Allgemeinen auf den Publikationsrichtlinien der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts. Abkürzungen antiker Autoren und deren Werke erfolgen nach Der Neue Pauly 1 (Stuttgart 1996).

Weitere Abkürzungen ADV

AE AForsch Anf. Anm. AnzWien AÖ ArchA AZ B BAR BDA BDm Bearb. Bef. Beih. BeitrMAÖ bes. Bl. BMAVW BS Bst CarnuntumJb CIL D. DenkschrWien Dig. Dipl. Diss. Dm E. ebd. erh. EZ FA Fnr. FÖ fol. FÖMat FP FRA FT FWien GC GZ H H. HHStA HMW HS Inv.-Nr. JA JbVGW JbVLkNÖ Kart. Kat.-Nr.

Automationsunterstützte, elektronische Datenverarbeitung, Informations- und Kommunikationstechnologie Année Épigraphique Archäologische Forschungen Anfang Anmerkung Anzeiger der philosophisch-historischen Klasse der Österreichischen Akademie der Wissenschaften Archäologie Österreichs Archaeologia Austriaca Aktenzahl Breite British Archaeological Reports Bundesdenkmalamt Österreich Bodendurchmesser Bearbeiter/in Befund Beiheft/e Beiträge zur Mittelalterarchäologie in Österreich besonders Blatt Berichte und Mittheilungen des Alterthums-Vereines zu Wien Bodenstück Bodenstärke Carnuntum Jahrbuch Corpus Inscriptionum Latinarum Drittel Denkschriften der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, phil.-hist. Klasse Digitalisiert Diplomarbeit Dissertation Durchmesser Ende ebenda erhalten Einlagezahl Fundakten des Wien Museum Karlsplatz Fundnummer Fundberichte aus Österreich folio Fundberichte aus Österreich Materialheft Fundprotokolle des Wien Museum Karlsplatz Fontes Rerum Austriacarum Fundtagebücher des Wien Museum Karlsplatz; verfasst von J. Nowalski de Lilia und F. v. Kenner Fundort Wien Grabungscode Geschäftszahl Höhe Hälfte Österreichisches Staatsarchiv, Haus-, Hof- und Staatsarchiv Historisches Museum der Stadt Wien – jetzt Wien Museum Karlsplatz Handschrift Inventarnummer Jahrbuch für Altertumskunde Jahrbuch des Vereins für die Geschichte der Stadt Wien Jahrbuch für Landeskunde von Niederösterreich Karton Katalognummer

KG KHM Wien L M M. MA MAG MGH MIÖG Mskr. MSW MV

MZK N. F. NHM Wien ÖAW o. J. ÖJh OK ÖKT ÖNB ÖStA ox. ÖZKD PAR Parz. r RDm red. Reg. rek. RIB RLÖ RS Rst RZ SoSchrÖAI T Tab. Vindol. UH UK Univ. unpubl. v VB Verf. vgl. WAS WGBl WM WPZ Wr. Null WS Wst WStLA WStLB

Katastralgemeinde Kunsthistorisches Museum Wien Länge Maßstab Mitte Magistratsabteilung Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien Monumenta Germaniae Historica Mitteilungen des Institutes für Österreichische Geschichtsforschung Manuskript Monografien der Stadtarchäologie Wien Museum Vindobonense – Inventarisationskürzel für Objekte aus der archäologischen Sammlung der Museen der Stadt Wien Mehrzweckkarte der Stadt Wien Neue Folge Naturhistorisches Museum Wien Österreichische Akademie der Wissenschaften ohne Jahr Jahreshefte des Österreichischen Archäologischen Institutes Oberkante Österreichische Kunsttopographie Österreichische Nationalbibliothek Österreichisches Staatsarchiv oxidierend Österreichische Zeitschrift für Kunst- und Denkmalpflege Pro Austria Romana Parzelle recto Randdurchmesser reduzierend Regest/en rekonstruiert R. G. Collingwood/R. P. Wright (ed.), The Roman Inscriptions of Britain Der römische Limes in Österreich Randstück Randstärke Römerzeit Sonderschriften des Österreichischen Archäologischen Institutes Tiefe Tabulae Vindolandenses Unsere Heimat. Zeitschrift des Vereines für Landeskunde von Niederösterreich Unterkante Universität unpubliziert verso Verwaltungsbezirk Verfasser/in vergleiche Wiener Archäologische Studien Wiener Geschichtsblätter Wien Museen Wiener Prähistorische Zeitschrift Wiener Null = 156,68 m über Adria Wandstück Wandstärke Wiener Stadt- und Landesarchiv Wiener Stadt- und Landesbibliothek

236 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

Abbildungsnachweis/Impressum/Inserentenverzeichnis

Abbildungsnachweis FWien 12, 2009 Die Stadtarchäologie Wien war bemüht, sämtliche Bild- und Urheberrechte zu eruieren und abzugelten. Bei Beanstandungen ersuchen wir um Kontaktaufnahme. Als Grundlage für Pläne und Kartogramme (Fundchronik) wurde, wenn nicht anders vermerkt, die MZK der Stadt Wien (MA 14 – ADV, MA 41 – Stadtvermessung) verwendet. Wir danken den Kollegen für die gute Zusammenarbeit. Für die Drucklegung wurden sämtliche Pläne und Tafeln von L. Dollhofer, G. Gruber, Ch. Ranseder und S. Uhlirz nachbearbeitet. Einband: Keramik von der Grabung Wien 9, Sensengasse 1–3, Foto: Ch. Ranseder, © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie – S. 2, Foto: © MDW/Wilke – S. 5, Abb. 1, © ÖNB Wien, Bildarchiv, Sign. NB 200.115-C – S. 37, Abb. 30, © ÖNB Wien, Bildarchiv, Sign. NB 226.637-A/B – S. 67, Abb. 1, © Bundesmobilienverwaltung – Silberkammer, Hofburg Wien, Inv.-Nr. MD 180032/016A – S. 130, Abb. 7, © Wienbibliothek, Sign. A 15223 – S. 135, Abb. 8, © www.monasterium.net – S. 177, Abb. 1, © Stiftsarchiv Klosterneuburg, Inv.-Nr. SP 482, Kart. 2250 – S. 177, Abb. 2, © Wien Museum, Inv.-Nr. 57378 – S. 178, Abb. 3, © Bezirksmuseum Meidling, Inv.-Nr. 1/1742 – S. 179, Abb. 4, © Sammlung G. Gruber – S. 179, Abb. 5, © Bezirksmuseum Meidling, Inv.-Nr. 1/0195 – S. 184, Abb. 11, © A. Berthold – S. 185, Abb. 12, © A. Berthold – S. 197, Abb. 3, © Wien Museum, Inv.-Nr. MV 62079/1, Foto: faksimile digital – S. 215, Abb. 4, © Sammlung W. Chmelar.

Impressum

Inserentenverzeichnis

Fundort Wien. Berichte zur Archäologie erscheint einmal jährlich.

Universale Hochbau Wien

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MediaHistoria.com

103

Einzelpreis: EUR 34,–

Wiener Geschichtsblätter

113

Herausgeber: Stadtarchäologie Wien. Leitung: Karin Fischer Ausserer

Pfarrwirt

189

79

Redaktion und Lektorat: Lotte Dollhofer, Ursula Eisenmenger-Klug, Gertrud Gruber, Ute Stipanits

Beilage: Pfarrwirt

Layout: Christine Ranseder Satz/Umbruch: Roman Jacobek Umschlaggestaltung: Pink House Studio Anzeigenverwaltung: Karin Fischer Ausserer, Heidrun Helgert Schriftentausch: Gertrud Gruber Obere Augartenstraße 26–28/32, A–1020 Wien Tel.: (+43) 1/4000 81 157 E-Mail: [email protected] Druck: Robitschek & Co Ges.m.b.H., 1050 Wien Auslieferung/Vertrieb: Phoibos Verlag Anzengrubergasse 16 A–1050 Wien, Austria Tel.: (+43) 1/544 03 191; Fax (+43) 1/544 03 199 www.phoibos.at, [email protected] Kurzzitat: FWien 12, 2009 Alle Rechte vorbehalten © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie ISBN 978-3- 85161- 027-7, ISSN 1561- 4891 Wien 2009

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239 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie

240 Fundort Wien 12, 2009. – Urheberrechtlich geschützt, Vervielfältigung und Weitergabe an Dritte nicht gestattet. © Museen der Stadt Wien – Stadtarchäologie