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German Pages 931 [936] Year 1995
Festschrift für Ralf Vieregge zum 70. Geburtstag
Festschrift für
RALF VIEREGGE zum 70. Geburtstag am 6. November 1995
herausgegeben von
Jürgen F. Baur Manfred Lieb
• Rainer Jacobs
• Peter-Christian Müller-Graff
w DE
G 1995
Walter de Gruyter • Berlin • New York
© Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-ANSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt.
Die Deutsche Bibliothek -
CIP-Einheitsaufnahme
Festschrift für Ralf Vieregge zum 70. Geburtstag am 6. November 1995 / hrsg. von Jürgen F. Baur ... - Berlin ; New York : de Gruyter, 1995 ISBN 3-11-014561-8 NE: Baur, Jürgen F. [Hrsg.]; Vieregge, Ralf : Festschrift
© Copyright 1995 by Walter de Gruyter & Co., D-10785 Berlin. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Saladruck, D-10997 Berlin Buchbindearbeiten: Lüderitz & Bauer GmbH, D-10963 Berlin
Vorwort Am 6. November 1995 vollendet Ralf Vieregge sein 70. Lebensjahr. Freunde, Kollegen, Wissenschaftler und Weggefährten haben sich zu diesem Anlaß zusammengefunden, um ihn mit einer Festschrift zu ehren. Ralf Vieregge zählt zu den herausragenden Anwaltspersönlichkeiten der Nachkriegszeit. Sein unermüdliches Engagement für das Recht und für seine Mandanten, seine immer wieder bewiesene kollegiale Hilfsbereitschaft, die brillante Schärfe seines Verstandes und vor allem seine gewinnende, stets auf Ausgleich bedachte und in sich ruhende Persönlichkeit faszinieren jeden, der ihm begegnet, der mit ihm zu tun hat, der seinen Rat sucht, der das Glück hat, mit ihm als Partner, als Kollege oder auf anderer Ebene zusammenzuarbeiten. Wer ihn in Diskussionen und in Gesprächen erlebt - als Mandant, als Mitstreiter, aber auch als Gegner - , kann sich dem Zauber seiner Persönlichkeit nicht entziehen. Geboren am 6. November 1925 als Sohn eines Gießerei-Direktors in Lorenzdorf/Schlesien verbrachte er seine Jugend in Lorenzdorf und Niesky und diente in den letzten Kriegsjahren als Oberfähnrich zur See in der Marine. Nachdem er aus Kriegsgefangenschaft entlassen wurde, nahm er im Sommersemester 1947 das Studium der Rechtswissenschaften und der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Mainz auf und wechselte später an die Universität Köln, wo er bei Prof. Dr. Nipperdey zum Doktor juris utriusque promovierte. Schon während seiner Referendarzeit entdeckte er seine Liebe zum Anwaltsberuf und begann im Mai 1956 als Anwaltsassessor in der damals auf gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht spezialisierten Praxis von Ludwig Heydt, der gleichzeitig Generalsekretär der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht (Grüner Verein) war. Von Heydt übernahm er im September 1969 das Amt des Generalsekretärs des Grünen Vereins und blieb dies 23 Jahre lang bis zum Oktober 1992. In dieser Zeit hat er in vertrauensvoller und glücklicher Zusammenarbeit mit den Präsidenten des Grünen Vereins - Robert Ellscheid, Walter Oppenhoff und Karlheinz Quack - den Grünen Verein zu einer Institution geformt, die die Interessen aller am gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht Interessierten und damit Befaßten in eindrucksvoller Weise gebündelt und nachdrücklich und mit großem Erfolg vertreten hat. Der sachkundige Rat des Grünen Vereins, seines Vorstandes, seiner Fachausschüsse und seiner herausragenden Mitglieder - unter ihnen die Richter des I. und des X. Zivilsenates des Bundesgerichtshofs, die Richter der Fachsenate der Oberlandesgerichte und der Fachkammern der
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Vorwort
Landgerichte, die Richter am Bundespatentgericht - wird seit Jahren von den zuständigen Ministerien, insbesondere vom Bundesjustizministerium gerne und mit Achtung in Anspruch genommen. In zahlreichen Gesetzesvorhaben, die während der Tätigkeit von Ralf Vieregge als Generalsekretär des Grünen Vereins realisiert worden sind, spiegeln sich die Ratschläge und Empfehlungen des Grünen Vereins wider. Für diese Leistung ist Ralf Vieregge im Juli 1991 von dem Bundespräsidenten das Große Bundesverdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen worden. Seine unermüdlichen Aktivitäten, seinen Weitblick und seinen Ideenreichtum hat er auch in den Dienst seiner Sozietät gestellt. Er war es, der die zunächst relativ kleine, auf gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht spezialisierte Praxis von Ludwig Heydt zu einer der führenden Anwaltskanzleien des Rheinlands aufgebaut hat, und auf seine Initiative gehen die Erweiterung der Praxis durch Fusionen mit anderen Kanzleien und die schließliche Gründung der überörtlichen Sozietät Gaedertz Vieregge Quack Kreile zurück, die heute zu den großen überörtlichen Sozietäten in Deutschland gehört. Die Beiträge dieser Festschrift reflektieren fast alle Facetten des ungewöhnlich vielseitigen und erfolgreichen Berufslebens von Ralf Vieregge. Die zahlreichen Beiträge auch von Wissenschaftlern belegen, daß der Jubilar auch auf dem akademischen Feld großes Ansehen und eine hohe Reputation genießt. Sein loyaler und unabhängiger Rat wird auch von vielen Unternehmen genutzt, denen er als Beirat oder Aufsichtsrat dient. Die Autoren und die Herausgeber der Festschrift wünschen Ralf Vieregge, daß ihm auch in seinem neuen Lebensabschnitt Glück und Gesundheit und die Lebensfreude und der Optimismus erhalten bleiben, die ihn zu einer so eindrucksvollen und faszinierenden Persönlichkeit machen. Jürgen F. Baur
Rainer Jacobs Peter-Christian
Müller-Graff
Manfred
Lieb
Inhalt WALTER OPPENHOFF, D r . iur., R e c h t s a n w a l t , K ö l n :
Geleitwort
XIII
HORST ALBACH, D r . rer. p o l . , o. P r o f e s s o r an d e r H u m b o l d t -
Universität Berlin: Unlauterer Wettbewerb
1
KURT BAUER, D r . iur., R e c h t s a n w a l t , K ö l n :
Wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs JÜRGEN F. BAUR, Dr. iur., o. Professor an der Universität Köln: Salvatorische Klauseln
21 31
FRIEDRICH-KARL BEIER, D r . iur., D r e s . h. c., em. o. P r o f e s s o r an
der Universität München: Objektive oder subjektive Marktabschottung? - Ein Beitrag zur Auslegung des Art. 36 Satz 2 EWGV
43
GÜNTER BERG, Dr. iur., Rechtsanwalt, Leipzig, api. Professor an der Universität Leipzig: Vom Verbandszeichen zur Kollektivmarke
61
OLIVER C. BRÄNDEL, Dr. iur., Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe: Die Erledigung aktienrechtlicher Anfechtungsverfahren durch Vergleich
69
HANS ERICH BRANDNER, D r . iur., R e c h t s a n w a l t b e i m B u n d e s -
gerichtshof, Honorarprofessor an der Universität Karlsruhe: Wann ist Rufausnutzung im Wettbewerb nicht unlauter?
81
KARL BRUCHHAUSEN ( t ) , D r . iur., V o r s i t z e n d e r R i c h t e r a m B u n -
desgerichtshof a. D., Karlsruhe, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Dresden, Honorarprofessor an der Technischen Hochschule Karlsruhe: Der manipulierte Bundesrichter
91
HERMANN BÜTTNER, Dr. iur., Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe: Anwaltswerbung zwischen Berufsrecht und Wettbewerbsrecht.
99
Vili
Inhalt
HELMUT EICHMANN, Dr. iur., Rechtsanwalt, München:
Die dreidimensionale Marke
125
GÜNTHER EISENFÜHR, Dipl.-Ing., Patentanwalt, Bremen: Hurricane - Zuviel Wind! - Zur Verwechslungsgefahr mehrteiliger Wortmarken 173 WILLI ERDMANN, Dr. iur., Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe: Die zeitliche Begrenzung des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes 197 KURT VON FALCK, Dr. iur., Rechtsanwalt, Düsseldorf:
Brauchen wir den Begriff eines patentrechtlichen Teilschutzes?.
217
KARL-HEINZ FEZER, Dr. iur., o. Professor an der Universität Kon-
stanz: Die Nichtakzessorietät der Marke und ihre rechtliche Konnexität zu einem Unternehmen 229 ULRICH FRITZE, Dr. iur., Rechtsanwalt und Notar, Frankfurt am Main: Doppelte Rechtshängigkeit in USA und Deutschland. Ein bemerkenswertes Urteil des UNITED STATES COURT OF APPEALS FOR THE ELEVENTH CIRCUIT 241 ALFRED-CARL GAEDERTZ, Rechtsanwalt, Wiesbaden:
Die Ermittlung der Verbrauchervorstellungen im Lebensmittelrecht 253 OTTO-FRIEDRICH FREIHERR VON GAMM, D r . iur., R e c h t s a n w a l t ,
Hamburg/München, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof a. D., apl. Professor an der Universität Würzburg: Zur sog. Drittauskunft bei Wettbewerbsverletzungen 261 HANS-WERNER GIEFERS, Dr. iur., Rechtsanwalt, Justitiar der
Muelhens GmbH & Co. KG, Köln: Die rechtserhaltende Benutzung der Marke in abgewandelter Form - Fortsetzung oder Ende von „ Arthrexforte "?
267
WOLFGANG GLOY, Dr. iur., Rechtsanwalt, Hamburg:
Brauchen wir eine neue UWG-Novelle?
297
Inhalt
IX
Dr. iur., Dr. h. c., o. Professor an der Universität Köln: Nationale Regelungen für internationale (europäische) Betriebsräte 319
PETER HANAU,
Dr. iur., Rechtsanwalt, Stuttgart: Der Schutz geographischer Herkunftsangaben nach dem Markengesetz 335
HORST HELM,
Dr. iur., o. Professor an der Universität Köln: Die Haftung der Partnerschaft und ihrer Gesellschafter - Ein haftungsrechtlicher Vergleich mit der Kooperationsform der Gesellschaft Bürgerlichen Rechts 361
MARTIN HENSSLER,
RAINER JACOBS, Dr. iur., Rechtsanwalt, Köln, Honorarprofessor an der Universität Köln: Die Katalogbildfreiheit 381 Dr. iur., Geschäftsführendes Präsidiumsmitglied der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, Bad Homburg v. d. H.: Schlankheitswerbung im Zwielicht 401
MARCEL KISSELER,
RAINER KLAKA, Rechtsanwalt, München:
Die Markenteilung
421
Dr. iur., o. Professor an der Universität Köln: Das Strafrecht - wirksame Waffe gegen den Insider-Handel? Skeptische Bemerkungen zu einer „unendlichen Geschichte" . . . 443
GÜNTER KOHLMANN,
REINHOLD KREILE, Dr. rer. pol., Rechtsanwalt, München, Honorarprofessor an der Hochschule für Fernsehen und Film, München, Vorstand und Generaldirektor der GEMA, München: Die rechtliche Situation der privaten Vervielfältigung in der Europäischen Union 459 Dr. iur. h. c., Ministerialdirektor im Bundesministerium der Justiz a. D., Bonn: Der Grüne Verein und sein Generalsekretär - eine Institution für den Schutz des geistigen Eigentums in Deutschland 481
ALBRECHT KRIEGER,
ULRICH KRIEGER, Rechtsanwalt, Düsseldorf:
Geschmacksmuster - Schutzrecht ohne „Beschreibung" ?
491
X
Inhalt
Rechtsanwalt, Köln: Entwicklung der neueren Rechtsprechung zur Schutzfähigkeit fremdsprachiger Begriffe 501
PHILIPP KRINGS,
Dr. iur., Chefpräsident des Oberlandesgerichts Köln; CORINNA D Y L L A - K R E B S , Dr. iur., Richterin, Köln: Der Minderjährige mit beschränkter Haftung? - Zum Entwurf eines Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetzes (MHbeG). 513
DIETER L A U M ,
Dr. rer. nat., Dipl.-Chemiker, Patentanwalt, München: Die offenkundige Vorbenutzung nach neuem Recht 547
FRANZ LEDERER,
Dr. iur., o. Professor an der Universität Köln: Zufallsgeschenke, Haftungsfallen, Unternehmensvernichtungen und Sanierungshindernisse - Einige Gedanken zur Reichweite der Haftung gemäß § 25 HGB 557
MANFRED LIEB,
Dr. iur., o. Professor an der Universität Frankfurt am Main: Gealterte und gefärbte Jeans - Zur Benutzung der Marke an veränderter Originalware 569
ULRICH LOEWENHEIM,
Dr. iur., Rechtsanwalt, Köln: Der Titelschutz als besonderes Kennzeichnungsrecht
MICHAEL LOSCHELDER,
585
Dr. iur., Dr. h. c., o. Professor an der Universität Bonn: Die kleine Aktiengesellschaft - ein Angebot an die Praxis 603
M A R C U S LUTTER,
Dr. iur., Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe: Zum Erfordernis der Spürbarkeit bei Wettbewerbsverletzungen durch Normverstöße 617
H A N S - K U R T MEES,
Dr. iur., Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe: Die Verbreitung wahrer geschäftsschädigender Tatsachen über Gewerbetreibende unter dem Schutz der Meinungsfreiheit Anmerkungen zu den Urteilen des EGMR vom 20. 11.1989, 3/1988/146/201 und des BGH vom 8. 2.1994, VI ZR 286/93 . . . 629
HERBERT MESSER,
Inhalt
XI
ALEXANDER VON MÜHLENDAHL, D r . iur., V i z e p r ä s i d e n t d e s E U -
Harmonisierungsamtes für den Binnenmarkt (Marken, Muster und Modelle), Alicante/Spanien: Die Heilung einer wegen mangelnder Benutzung löschungsreif gewordenen Markeneintragung im europäischen und im deutschen Markenrecht
641
PETER-CHRISTIAN MÜLLER-GRAFF, D r . iur., o. P r o f e s s o r an der
Universität Heidelberg: Eigenkapitalerhöhung öffentlicher Banken durch Fusion in den beihilferechtlichen Wettbewerbsregeln des EG-Vertrages
661
WILHELM NORDEMANN, D r . iur., R e c h t s a n w a l t , H o n o r a r p r o f e s -
sor an der Freien Universität Berlin: Ist Martin Luther noch geschützt? Zum urheberrechtlichen Schutz revidierter Bibeltexte
677
ALBRECHT PILTZ, D r . iur., R e c h t s a n w a l t , K ö l n / P r a g :
Rechtsentwicklung in Osteuropa - am Beispiel tschechischen und slowakischen Kartellrechts
693
HENNING PIPER, Dr. iur., Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe: Zur wettbewerbsrechtlichen Beurteilung von Werbeanzeigen und redaktionellen Beiträgen werbenden Inhalts insbesondere in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs
715
HANNS PRÜTTING, Dr. iur., o. Professor an der Universität Köln: Die Vermutungen im Kartellrecht
733
KARLHEINZ QUACK, Rechtsanwalt und Notar, Berlin: Der Ausschluß der Nebenintervention in den Fällen des Art. 37 Abs. 2, 2. Halbsatz der Satzung des Europäischen Gerichtshofes
747
JÜRGEN SALZWEDEL, Dr. iur., Rechtsanwalt, Köln, em. o. Professor an der Universität Bonn: Gentechnische Forschungsarbeiten der Sicherheitsstufe 1 und staatliche Kontrolle
755
GERHARD SCHRICKER, D r . iur., D r e s . h. c., o. P r o f e s s o r an der
Universität München, Direktor des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, München: Der Schutz des Werktitels im neuen Kennzeichenrecht
775
XII
Inhalt
MARTIN SEIDEL, D r . iur., Ministerialrat i m
Bundesministerium
für Wirtschaft, Bonn, Honorarprofessor an der Universität Münster: Probleme der Währungsordnung der Europäischen Union
793
KLAUS SPÄTGENS, Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Köln: Umwelt und Wettbewerb - Stand der Dinge
813
JOSEPH STRAUS, Dr. iur., o. Professor an der Universität Ljubljana, Abteilungsleiter am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Patent-, Urheber- und Wettbewerbsrecht, München: Verhinderung trotz Beachtung der „gebotenen Sorgfalt" als Wiedereinsetzungsgrund bei Fristversäumnis im europäischen Patenterteilungsverfahren
835
OTTO TEPLITZKY, D r . iur., R i c h t e r a m B u n d e s g e r i c h t s h o f i. R . ,
Karlsruhe: Zur Methodik der Interessenabwägung in der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 3 UWG
853
WINFRIED TILMANN, D r . iur., R e c h t s a n w a l t , D ü s s e l d o r f , apl. P r o -
fessor an der Universität Heidelberg: Horaz 2000 - Persicos odi
863
FRITZ TRAUB, Dr. iur., Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht Frankfurt am Main a. D., Honorarprofessor an der Universität Gießen, Bad Homburg v. d. H.: Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung durch eine wettbewerbsrechtliche Schlichtung?
869
WILHELM UHLENBRUCK, Dr. iur., Richter am Amtsgericht Köln a. D., Honorarprofessor an der Universität Köln: Bankrechtliche Aspekte der Insolvenzrechtsreform 1994
883
GUSTAV-ADOLF ULRICH, D r . iur., V i z e p r ä s i d e n t des O b e r l a n d e s -
gerichts Koblenz a. D., Neuwied: Der wettbewerbsrechtliche Schutz der Privatsphäre
901
Geleitwort Dr. Ralf Vieregge - Generalsekretär des „Grünen Vereins" Gemeinsam waren wir rund 13 Jahre der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht („Grüner Verein") verpflichtet, er als Generalsekretär, ich als Präsident. In diesen 13 Jahren hat es nicht einen einzigen Fall gegeben, in dem wir bezüglich eines von uns zu behandelnden Vorgangs unterschiedlicher Meinung gewesen wären. Die 13 Jahre waren geprägt von einer ungewöhnlichen Homogenität zwischen uns, die zustande kam nicht durch geistige Trägheit, indem der eine oder der andere sich zu einem Vorgang keine Gedanken gemacht hätte und ohne weiteres akzeptierte, was der jeweils andere vorschlug. O nein!; unsere Hausaufgaben hatten wir beide stets gemacht, d. h., jeder von uns hatte zunächst für sich sorgfältig überlegt, wie man den jeweils anstehenden Vorgang angehen könne, was wir dem Gesamtvorstand vorschlagen sollten oder was wir für uns entschieden. Und das Erstaunliche war, daß in den 13 Jahren Vieregge und ich stets zu demselben Resultat kamen, obgleich auch andere Lösungen theoretisch möglich gewesen wären. Wir arbeiteten zusammen wie zwei Dioskuren. Dies erleichterte nicht nur unsere Aufgaben, sondern führte automatisch dazu, daß die jeweilige Abstimmung zwischen uns nur geringe Zeit erforderte. Natürlich haben wir jeden Vorgang kurz erörtert, aber es bedurfte keiner langen Diskussion. Dritte mag es gelegentlich verwundert haben, wie schnell wir uns verständigten, was natürlich auch aus der ungewöhnlich schnellen geistigen Reaktion Vieregges folgte. Vieregge war und ist über 20 Jahre jünger als ich. Aber ich habe nie einen Altersunterschied gespürt. Wir waren Spielgefährten auf gleicher Ebene. Der göttliche Funke der Harmonie zwischen uns beließ uns in einem Bewußtsein des Glücklichseins, und keiner von uns hatte jemals das Gefühl, durch unsere Tätigkeit für die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht zeitlich belastet oder mit Problemen beschwert zu sein. Das Gegenteil war der Fall: Unsere Zusammenarbeit für die Deutsche Vereinigung blieb für uns, auch wenn Fingerspitzengefühl gefragt war und heikle Fragen anstanden, stets frei von Druck und Streß und strahlte höchst positiv auf unsere sonstige berufliche Tätigkeit aus. Dafür, daß dieser Lebensabschnitt mit so viel Genugtuung, Befriedigung und Freude verbunden war, bin ich Herrn Vieregge auf Dauer zu höchstem Dank verpflichtet. Dr. Walter Oppenhoff
Unlauterer Wettbewerb Horst Albach I. Einleitung
1.
Problemstellung
Ralf Vieregge hat sich große Verdienste erworben in der schriftstellerischen wie der praktischen Ausgestaltung des Gesellschaftsrechts und des Wettbewerbsrechts. Der Schutz seiner Mandanten vor unlauterem Wettbewerb wie ihre Bewahrung vor unlauteren Maßnahmen waren ihm stets ein besonderes Anliegen. Dabei ging der überzeugte Marktwirtschaftler davon aus, daß die Marktwirtschaft nur funktioniert, wenn der Wettbewerb fair geführt wird. Mit Ralf Vieregge habe ich auf vielfältigen Gebieten zusammengearbeitet. Es war nicht nur immer lehrreich, sondern auch meist vergnüglich. Am vergnüglichsten war wohl die Zusammenarbeit im Bereich des Urheberschutzes von Werken der Musik, am lehrreichsten die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Designschutzes. Nicht immer vergnüglich war die Zusammenarbeit bei mittelständischen Unternehmen - die Probleme waren dazu nicht angetan. Mit meinen besten Glückwünschen zum siebzigsten Geburtstag von Ralf Vieregge verbinde ich den Dank für Jahre guter und intensiver Zusammenarbeit. Die wissenschaftliche Zusammenarbeit kreiste stets um Fragen des Urheberrechtes. Wenn daher hier über ein Problem des unlauteren Wettbewerbs gehandelt wird, so ist der Verdacht abwegig, Unvollkommenheiten der Analyse seien nicht mir allein zuzuschreiben. Den Jubilar trifft kein Mitverschulden an dem Versuch zu zeigen, daß der Markt für Bildung einer marktwirtschaftlichen Ordnung bedarf, die unlauteres Verhalten von Wettbewerbern verhindert. 2. Unlauterer
Wettbewerb
Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb war ursprünglich ein Gesetz zum Schutz des Unternehmers vor seinen Konkurrenten. Wer gegen die Fairneß im Wettbewerb verstößt, soll - im allgemeinen auf Antrag des geschädigten Unternehmers - bestraft und zu fairem Verhalten gezwungen werden. In den letzten Jahren ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb aber auch immer mehr zu einem Schutzgesetz zugunsten des Konsumenten ausgebaut worden. Der Konsument soll vor unfairen Prak-
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Horst Albach
tiken des Unternehmers im Wettbewerb um den Kunden geschützt werden. Wenn ich hier vom unlauteren Wettbewerb spreche, so meine ich auch diese zwei Aspekte. Zum einen geht es um Klagen des privaten Anbieters von Bildung, seine Mitwettbewerber verhielten sich im Wettbewerb um den „Kunden", den Schüler oder Studenten also, unfair. Zum anderen geht es um Klagen der privaten Nachfrager nach Bildung, sie würden von Anbietern auf dem Markt für Bildung unfair und mit unlauteren Methoden behandelt. Bedürfen wir, so lautet die Frage, eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb auf dem Markt für Bildung? 3, Wettbewerb auf dem Markt für Bildung Daß ein Ökonom von einem „Markt für Bildung" spricht, wird ihm sogleich als eine déformation professionelle ausgelegt werden. Bildung ist doch, so meint man, kein handelbares Gut, sondern eine Form der Entfaltung der Persönlichkeit, Ausdruck der Würde des Menschen als ein Geschöpf Gottes! Selbst diejenigen, die durchaus bereit sind, von Bildungsnachfrage und von Bildungsangeboten zu sprechen, werden die Koordination von Angebot und Nachfrage nicht privatrechtlich organisieren wollen. Sie sehen darin eine hoheitliche Aufgabe. Die Weigerung, von einem Markt für Bildung zu sprechen, beruht auf der These, daß dieser Markt unweigerlich versagen müsse. Uberlasse man, so die These, die Bildung dem Markt, dann käme es wegen der externen Effekte von Bildung zu einer Unterinvestition in Bildung. Daher müsse der Staat die notwendigen Investitionen in Bildung selbst tätigen. Die staatlichen Investitionen in Bildungsplätze müßten die gesamte Nachfrage nach Bildung, die sich bei einem Preis von Null für Bildung ergibt, decken. Andernfalls würde es zu Wettbewerb um Bildungsplätze unter Menschen kommen, die noch zu jung seien, sich diesem Wettbewerb zu stellen. Wettbewerb um Arbeitsplätze wird bejaht, Wettbewerb um Schulplätze wird mit pädagogischen und humanitären Argumenten abgelehnt. Die Ablehnung von Wettbewerb um Bildungsplätze wird auch mit dem Argument begründet, daß über die Verteilung unterschiedlicher Lebenschancen nicht bereits auf der Schule oder der Hochschule entschieden werden dürfe. Vielmehr müsse auch hier - wie bei Post und Bahn - das Gebot gleicher Lebensverhältnisse gelten. Das Hochschulrahmengesetz fordert die Gleichheit von Studien- und Prüfungsbedingungen. Der Zufall darf über die Verteilung der Studenten auf Studienplätze entscheiden, weil es grundsätzlich doch gleich sei, an welcher
Unlauterer Wettbewerb
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Schule oder Hochschule der junge Mensch sein Wissen erwirbt. Hochschulen besserer oder schlechterer Ausbildungsqualität darf es - Palmström läßt grüßen - nicht geben, und Elitehochschulen schon gar nicht. Die Wirklichkeit ist, das sollte deutlich sein, nicht so wie die - übrigens auch nicht von allen und von mir allemal nicht - akzeptierte Theorie. Es gibt Wettbewerb um Ausbildungsplätze, es gibt einen Markt für Bildung. Auf ihm tummeln sich staatliche und private Bildungseinrichtungen. Das Regelwerk, das diesen Wettbewerb ordnet, behandelt nicht immer alle Marktpartner gleich gut oder gleich schlecht. Unlauterer Wettbewerb auf diesem Markt ist unser Thema. II. Privatinitiative und staatliche Verantwortung im Bildungswesen - eine historische Perspektive 1. Die nationale
Entwicklung
a) Die Entwicklung im allgemeinen Bildungswesen am Beispiel der betriebswirtschaftlichen Ausbildung Auf dem Markt für allgemeine Bildung ist die Angebotsmacht des Staates in der Bundesrepublik Deutschland überwältigend. Die Rechtfertigung dafür liefert heute die Humankapitaltheorie des Nobelpreisträgers Gary Becker, die im Kern eine Unterinvestitionstheorie ist. Die Dominanz des Staates ist aber nicht zu allen Zeiten und nicht in allen Ländern charakteristisch für das allgemeine Bildungswesen gewesen. Es erscheint daher sinnvoll, einen Blick auf die nationale und die internationale Entwicklung der Anbieter auf dem Markt für allgemeine wirtschaftliche Bildung sowie für berufliche Bildung zu werfen. Ich wähle die wirtschaftliche Bildung als Beispiel, weil ich davon am meisten verstehe. Die wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten an den Universitäten des 19. Jahrhunderts - genauer: die Wirtschaftswissenschaftler in den philosophischen Fakultäten - produzierten am Bedarf vorbei. Benötigt wurden qualifizierte Führungskräfte für die Fabriken, die in und unmittelbar nach der industriellen Revolution entstanden waren. Ausgebildet wurden Wirtschaftshistoriker und bestenfalls Kameralisten. Es gab keinen Markt für betriebswirtschaftliche Bildungsangebote, und die Bereitschaft der Universitäten, eine solche Innovation zu tätigen, war bemerkenswert gering. Große deutsche Ökonomen, wie z. B. Lujo v. Brentano, lehnten sie rundherum ab. So schufen die Kaufleute des ausgehenden 19. Jahrhunderts den Markt für die Befriedigung der Nachfrage nach betriebswirtschaftlichen Bildungsangeboten. Im Jahre 1898 gründete die Sächsische Industrie- und Handelskammer (in Verbindung mit der Königlich Sächsischen Staatsregierung und der Kramer-Stiftung) die Handelshochschule Leipzig, in Frankfurt war es der Verein der
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Horst Albach
Kaufleute, der im Jahre 1901 die Handelshochschule Frankfurt gründete. Die Berliner Korporation der Kaufmannschaft gründete nach anfänglichem Zögern im Jahre 1906 eine selbständige Einrichtung zur Aus- und Weiterbildung des kaufmännischen Führungsnachwuchses, die Handelshochschule Berlin. In Köln war es die großzügige Stiftung Gustav von Mevissens, die im Jahre 1901 die Stadt Köln veranlaßte, die Handelshochschule Köln zu gründen. In Mannheim war es der HeinncÄ-Liiwz-Gedächtnisfonds, der den Grundstock für die Gründung der Handelshochschule Mannheim durch die Industrie- und Handelskammer und die Stadt Mannheim legte. Der große Erfolg der Handelshochschulen vor dem Ersten Weltkrieg zwang die Universitäten dazu, sich diesem Wettbewerb zu stellen. Lehrstühle für Privatwirtschaftslehre wurden geschaffen. Die Gleichheit der Waffen in diesem Wettbewerb wurde durch wachsende Steuerlasten als Folge des Ersten Weltkrieges und durch die Inflation als Folge seines Verlustes aufgehoben. Die Handelshochschulen gingen in staatlichen Universitäten auf. In Berlin entledigte sich der Staat des privaten Wettbewerbers mit dem Argument, nur eine staatliche Hochschule könne das Promotionsrecht erhalten. Das war im Jahre 1926. Die privaten Bildungsangebote gingen in einem bemerkenswerten Konzentrationsprozeß in den staatlichen Einrichtungen auf. Finanzielle Stärke und Regelungshoheit des Staates führten zur Ausschaltung der privaten Wettbewerber. Möglicherweise aber entledigten sich diese auch nur allzu gern der finanziellen Lasten, die mit einer privaten Hochschule verbunden sind. Blickt man auf die letzten dreißig Jahre zurück, zeigt sich eine bemerkenswerte Analogie zur Entwicklung nach der Jahrhundertwende. Die staatlichen Bildungseinrichtungen erwiesen sich als bemerkenswert unfähig zu Reformen. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrats zur Reform des tertiären Bereichs scheiterten durchweg an der Starrheit der staatlichen Bildungsbürokratie und an der Unfähigkeit der Fakultäten, sich auf institutionelle Reformen zu einigen. Die Folge war eine zunehmende Praxisferne der wirtschaftswissenschaftlichen Ausbildung und eine wissenschaftliche Kirchturmspolitik. Die Praxis aber forderte immer nachdrücklicher größere Praxisnähe und internationale Ausrichtung des Studiums. Auch die Gleichmacherei unter den Hochschulen und die Explosion der Studentenzahlen als Folge einer nachfrageorientierten Ausbaupolitik der Hochschulen standen im Gegensatz zu den Interessen der Wirtschaft. Sie trieben die Suchkosten der Praxis nach gut ausgebildeten Absolventen enorm in die Höhe. Und die Praxis verlangte nach einer anderen Ausbildung; sie verlangte nach Elitehochschulen. Da die staatlichen Bildungseinrichtungen diese Nachfrage nicht befriedigen konnten, kam es zu Beginn der achtziger Jahre zu privaten Gründungen: Witten-Herdecke, Koblenz, Flensburg, Eltville.
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Im Falle von Koblenz, den ich am besten kenne, war es in guter deutscher Tradition die Industrie- und Handelskammer, die die Initiative zur Gründung ergriff und auch die notwendigen finanziellen Bürgschaften übernahm. b) Die Entwicklung im beruflichen Bildungswesen Ganz anders ist die Entwicklung im beruflichen Bildungswesen verlaufen. In Deutschland hat der Staat die berufliche Bildung - stets ein Stiefkind der deutschen Bildungspolitik - weitgehend den privaten Unternehmen überlassen. Im dualen System ist der Staat für die schulische Ausbildung zuständig, die privaten Unternehmen tragen die Verantwortung für die betriebliche Ausbildung. Beide Bereiche weisen jedoch eine hohe staatliche Regulierungsdichte auf. Wettbewerb zwischen den beiden aneinander gekoppelten Bereichen der beruflichen Bildung gibt es nicht. Weit verbreitet im In- und Ausland ist der Mythos, die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen sei zu einem großen Teil auf das bewährte duale System zurückzuführen. Tatsächlich ist aber eine Fülle von Mängeln dieses Systems durch die Edding-Kommission aufgedeckt worden. Das Handwerk bildet mehr junge Menschen aus, als schließlich im Handwerk als Fachkräfte verbleiben. Der Wettbewerb um qualifizierte Fachkräfte am Arbeitsmarkt wird von den großen Industrieunternehmen gewonnen. Die Folge ist eine immer geringere Beteiligung des Handwerks an der beruflichen Bildung einerseits und eine immer höhere Beteiligung des Staates an den Bildungsausgaben im Handwerk andererseits gewesen. Die staatliche Regelungsdichte in der beruflichen Ausbildung ergab sich aus dem Wunsch, eine Mindestqualität der beruflichen Bildung auch dann zu gewährleisten, wenn die Kosten der Ausbildung die Erträge des Ausbildungsbetriebes übersteigen. Die Folge war aber auch eine Erstarrung der Ausbildungsordnungen, die die Anpassung der beruflichen Bildung an die technologische Entwicklung verzögerte und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Unternehmen gefährdete. Fehlender Wettbewerb zwischen Staat und Privaten ist, so scheint es, nicht minder problematisch als unlauterer Wettbewerb. Fehlender Wettbewerb auf dem Markt für berufliche Bildung ermöglicht unfairen Wettbewerb am Arbeitsmarkt. Der Markt für berufliche Fortbildung ist im Gegensatz zum Markt für die berufliche Ausbildung weitgehend ungeregelt. Hier herrschen, jedenfalls in der Wirtschaft, die ich besser überblicke als andere Bereiche, private Bildungsangebote vor. Dabei soll die Bedeutung der Volkshochschulen für die allgemeine, aber auch für die berufliche Fortbildung
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Horst Albach
keineswegs unterschätzt werden. Auch die Verwaltungs- und Wirtschaftsakademien decken einen nicht unbeträchtlichen Teil der individuellen Nachfrage nach beruflicher Fortbildung. Soweit nicht staatlich anerkannte Bildungsabschlüsse angestrebt werden, ist die Regulierungsdichte auf dem Markt für berufliche Weiterbildung außerordentlich gering. Dies hat zur Folge, daß das Angebot auf dem Markt für berufliche Fortbildung für den einzelnen Bildungsnachfrager sehr unübersichtlich ist. Entsprechend groß ist die Gefahr, daß es zu Angeboten kommt, die die Unkenntnis des Nachfragers ausbeuten. Viele Weiterbildungsangebote, die in den neuen Bundesländern in den ersten Jahren nach der Wende erbracht wurden, müssen dieser Kategorie unlauteren Wettbewerbs zugerechnet werden. Aber auch heute hat sich die Spreu immer noch sauber vom Weizen getrennt. Die unheilige Allianz von Beratung und Fort- oder Weiterbildung gehört zu diesen unlauteren Formen des Wettbewerbs. In der Theorie heißt diese Form: „Hold-ups". Der Berater drängt den Kunden, den er als Berater in der Hand hat, auch noch das Bildungsangebot zu kaufen. Auch die Bildungsangebote, die mit dem staatlich nicht anerkannten universitären Titel „Master of Business Administration (MBA)" locken, sind hier zu nennen. Hier wird die Unkenntnis des Nachfragers zum Teil massiv ausgenutzt. Davon wird noch zu reden sein. Möglicherweise ist auf diese asymmetrische Information über die Qualität von beruflichen Weiterbildungsangeboten zurückzuführen, daß sich auf diesem Markt eine kollektive Nachfrage nach Bildungsangeboten entwickelt hat. Große, kollektiv für ihre Mitglieder nachfragende Institutionen können besser auf die Einhaltung von Qualitätsversprechen von Anbietern dringen als einzelne Individuen. In der Managementfortbildung tritt einem Angebot von Weiterbildungseinrichtungen eine institutionelle Nachfrage der Unternehmen entgegen, die ihre Mitarbeiter in die Weiterbildungsprogramme entsenden. 2. Die internationale Entwicklung a) Die U.S.A. Die Vereinigten Staaten von Amerika gelten im allgemeinen als der Prototyp eines Bildungsmarktes, auf dem der Wettbewerb funktioniert. Die staatlichen Bildungsangebote sind durchweg schlecht und billig, die privaten Angebote sind gut und teuer. Die Elite-Hochschulen und -Universitäten prägen das Bild dieses Marktes. Die staatlichen Hochschulen erhalten institutionelle Förderung vom Staat, die privaten Hochschulen werden institutionell weitgehend von privaten Stiftungen finanziert. Die Spendenbereitschaft der Privaten ist hoch, sie beruht nicht nur auf einer großzügigen steuerlichen Begünstigung von Spenden
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und Stiftungen, sondern auch auf der hohen Sichtbarkeit der hohen Qualität des Ausbildungsangebots der privaten Elite-Hochschulen. Die hohe Qualität der Ausbildungsangebote ist zugleich ein strategischer Wettbewerbsvorteil im Wettbewerb um staatliche Forschungsmittel. In der Projektforschung sind die privaten Elite-Hochschulen durchweg im Vorteil gegenüber den staatlichen Universitäten. Ausnahmen wie die Universität von Kalifornien in Berkeley mögen da eher die Regel bestätigen als sie widerlegen. Die Wirkung dieses funktionsfähigen Wettbewerbs auf dem amerikanischen Bildungsmarkt ist ein „duales System". Auf der einen Seite gibt es die breite Masse der Bildungsangebote, die deutlich unter dem Niveau der allgemeinen Bildung in Deutschland bleiben. Auf der anderen Seite hat sich in diesem System eine elitäre Spitze privater Bildungsangebote entwickelt, deren Qualität über dem deutschen Niveau liegt. Wer die Anzahl der Nobelpreise zum Maßstab für die Güte eines Bildungssystems nimmt, wird das amerikanische System für besser halten als das deutsche. Der Wettbewerb unter den staatlichen und privaten Einrichtungen der allgemeinen Bildung in den USA hat natürlich auch Wettbewerb unter den Nachfragern nach Studienplätzen zur Folge. Der Wettbewerb ist hart. Die Kellogg Gradúate School of Management in Evanston bei Chicago hat in diesem Jahr nicht einmal alle Bewerber aufgenommen, die im G M A T 700 Punkte und mehr erreicht hatten. Der Wettbewerb ist aber nicht unfair. Das offene Beschäftigungssystem erlaubt Korrekturen des Marktergebnisses auf dem Bildungsmarkt. Der funktionsfähige Wettbewerb zwischen staatlichen und privaten Bildungsangeboten bewirkt ein qualitativ differenziertes Angebot. Die Theorie zeigt, daß dies eine höhere gesellschaftliche Wohlfahrt zur Folge hat als ein breites Massenangebot gleicher Qualität. Anders ist es dagegen in der beruflichen Ausbildung. Sie ist das Paradebeispiel für Gary Beckers' Humankapitaltheorie, die besagt, daß der Wettbewerb auf den Gütermärkten den Markt für private Angebote allgemein verwendbarer beruflicher Bildung vernichtet. Es gibt praktisch nur betriebsspezifische berufliche Ausbildung, kurze, auf den jeweiligen Job bezogene Anlernprozesse, die sich schnell amortisieren. Die Folge ist Unterinvestition in berufliche Bildung. Das hat sicher auch zu der viel beklagten Verminderung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit der amerikanischen Industrie beigetragen. Der intensive Wettbewerb am Arbeitsmarkt vernichtet den Wettbewerb am Bildungsmarkt. b)
Japan
In Japan werden die Lebenschancen mit dem Eintritt in die Hochschule verteilt. Der Absolvent einer Elite-Universität erhält einen
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Arbeitsplatz in den angesehensten und qualitativ besten Ministerien und Unternehmen. Entsprechend brutal ist der Wettbewerb um den Eintritt in eine der Elite-Universitäten. Ahrens hat die These vertreten: da die erwachsenen Japaner Wettbewerb untereinander zu vermeiden suchen, zwingen sie ihn ihren Kindern auf. Die Elite-Universitäten sind die kaiserlichen Universitäten. Hinzu kommen inzwischen einige wenige private Universitäten. Die Masse der Universitäten sind private Hochschulen. Das Fehlen von Wettbewerb am Arbeitsmarkt bewirkt einen intensiven Wettbewerb auf dem Bildungsmarkt, vor allem auf der Sekundarstufe. Da das Bildungsangebot der staatlichen Oberschulen nicht gewährleisten kann, daß ein Schüler die Aufnahmeprüfung in eine der staatlichen Elite-Universitäten besteht, wird es ergänzt durch ein großes Bildungsangebot privater Bildungseinrichtungen. Sie bereiten den Schüler auf die Eintrittsprüfung einer Elite-Hochschule vor. Dieser Wettbewerb funktioniert ebenso vorzüglich wie der Wettbewerb der vielen privaten Universitäten um einen Rangplatz hinter den staatlichen EliteUniversitäten. Da nämlich die Hochschule wegen der geltenden Rekrutierungspraxis der Unternehmen ( a o t a g a i ) die Arbeitsplätze für eine zumeist lebenslange Beschäftigung vermittelt, gibt es praktisch keine externen Effekte, die zu Unterinvestition in Bildung durch Private und private Unternehmen führen könnten. Private Investition in Bildung lohnt sich. Da der Staat sich in seinen Bildungsangeboten bewußt zurückhält und das Bildungsangebot in seinen Elite-Hochschulen bewußt begrenzt, wird der Wettbewerb zwischen staatlichen und privaten Bildungsträgern nicht als unlauter empfunden. c)
Skandinavien
Wie sieht es nun in den Ländern aus, die uns räumlich näher liegen als die Vereinigten Staaten von Amerika und Japan? Finnland, Schweden und Norwegen verfügen über eine bedeutende Tradition privater Gründungen von Handelshochschulen, zumeist wohl auch nach deutschem Vorbild. Betrachtet man nun aber die Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg, so stellt man fest, daß sich diese privaten Hochschulen vorwiegend aus finanziellen Gründen in staatliche Hochschulen umgewandelt haben. Die schwedische Handelshochschule in Stockholm ist nach meinem Wissen die einzig noch privat zu nennende Hochschule in Schweden auf meinem Fachgebiet, aber auch sie ist in erheblichem Maße auf staatliche Zuschüsse angewiesen. Der finnischen Handelshochschule in Helsinki ist es gelungen, ihre Autonomie weitgehend zu wahren, als sie in eine staatliche Hochschule umgewandelt wurde. In Schweden hat die konservative Regierung Bildt bei der Umwandlung der Arbeiter-
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Fonds Stiftungsfonds geschaffen, die der Hochschulfinanzierung dienen. Die alte große Chalmers Technische Hochschule in Göteborg und die neugegründete, derzeit noch kleine Handelshochschule in Jönköping sind solche Stiftungsuniversitäten. Beide sind keine privaten Hochschulen, doch gibt die Rechtsform der Stiftung den Hochschulen bessere Möglichkeiten, unter der staatlichen Stiftungsaufsicht Privatinitiativen an der Hochschule größeren Freiraum einzuräumen, als das bisher der Fall war. III. Unlauterer Wettbewerb - Erfahrungen 1. Unlauterer Wettbewerb
zwischen Anbietern von
Bildungsleistungen
a) Die Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung
(WHU)
Nach diesem allgemeinen geschichtlichen Uberblick über nationale und internationale Erscheinungsformen des Wettbewerbs auf dem Markt für allgemeine und berufliche Bildung wende ich mich nun speziellen Erfahrungen im Wettbewerb der Bildungseinrichtungen zu. Dabei geht es einmal um den unlauteren Wettbewerb zwischen Anbietern, zum anderen um den unlauteren Wettbewerb gegenüber den Nachfragern. Die Probleme des unlauteren Wettbewerbs unter den Bildungsangeboten seien am Beispiel der Wissenschaftlichen Hochschule für Unternehmensführung - Otto-Beisheim-Hochschule - in Vallendar bei Koblenz erörtert. Die W H U hat in diesem Jahr ihr zehnjähriges Bestehen gefeiert. Sieben Jahrgänge von Absolventen haben die Hochschule inzwischen verlassen. In den ranking-Listen der deutschsprachigen betriebswirtschaftlichen Fakultäten nimmt die W H U stets einen der obersten fünf Plätze ein, zumeist den ersten. Die Hochschule wird getragen von einer privaten Stiftung. Eine institutionelle Förderung durch den Staat erhält sie nicht. Mittel aus der staatlichen Forschungsförderung müssen im harten Wettbewerb mit Projektanträgen staatlicher Hochschulen eingeworben werden. Die Hochschule hat Promotions- und Habilitationsrecht. An der Hochschule arbeiten acht hauptamtliche Professoren. Drei Honorarprofessoren und eine Reihe externer Dozenten ergänzen den Lehrkörper. Das Jahresbudget beträgt rund 10 Millionen DM. b) Strategische
Wettbewerbsvorteile
Die W H U ist aus der Privatinitiative des Präsidiums der Industrieund Handelskammer Koblenz, insbesondere ihres Präsidenten Hanno Ludwig und ihres Hauptgeschäftsführers Karl Darscheid hervorgegangen. Versteht man die W H U als eine Innovation auf dem Bildungs-
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markt, dann waren Ludwig und Darscheid die Machtpromotoren dieser Innovation. Der Hochschullehrer Paul Glittenberg, der sich von der EBS getrennt hatte, hatte die innovative Idee. Er war der Fachpromotor im Sinne der Innovationstheorie. Man wird nicht sagen können, daß diese Privatinitiative von Anfang an vor dem Wind segelte. Eher blies ihr eine steife Brise ins Gesicht. Der Anspruch, Elite-Universität zu werden, stieß in der Öffentlichkeit auf Unverständnis und bei vielen Bildungspolitikern, sogar bei Frau HammBrücher., auf entschiedene Ablehnung. Ohne die positive Einstellung von Ministerpräsident Bernhard Vogel und Kultusminister Gölter wäre die staatliche Anerkennung der Hochschule nicht möglich gewesen. Die große öffentliche Aufmerksamkeit, die die Gründung der WHU im positiven wie im negativen Sinne fand, half ihr natürlich, einen strategischen Wettbewerbsnachteil von Unternehmensgründungen schnell zu überwinden: die mangelnde Bekanntheit am Markt. So konnte sie die strategischen Wettbewerbsvorteile einer privaten Bildungseinrichtung am Markt schnell und umfassend ausspielen. Drei strategische Wettbewerbsvorteile sind zu nennen: - die Auswahl der Studierenden - die Gestaltung des Leistungsangebots - die Finanzautonomie. Die Auswahl der Studierenden in einem rigorosen Auswahlverfahren darf wohl als der entscheidende Wettbewerbsvorteil der WHU bezeichnet werden. Im Gegensatz zu den staatlichen Hochschulen kann die WHU die besten Studenten und Studentinnen unter den Bewerbern auswählen. Das ist die entscheidende Voraussetzung dafür, daß sie das Versprechen, allen Studenten den Abschluß des Studiums nach acht Semestern zu ermöglichen, strikt einhalten kann. Inzwischen ist das Bestehen des schriftlichen Aufnahmetests so etwas wie ein Qualitätssiegel, wie ein goldenes bayerisches Sportabzeichen geworden. Abiturienten bewerben sich um Aufnahme, um festzustellen, ob sie den hohen Anforderungen des Aufnahmetests an der WHU gerecht werden. Sie wollen vielfach ein ganz anderes Fach als Wirtschaftswissenschaften studieren. Die staatlichen Hochschulen, die unter dem Druck der Studentenmassen leiden und um die Aufrechterhaltung der Qualität der Ausbildung kämpfen, empfinden die Aufnahmeprüfung der WHU gelegentlich als eine Form unlauteren Wettbewerbs. Aber auch in der Gestaltung des Bildungsangebots hat die private WHU einen wichtigen strategischen Wettbewerbsvorteil. Jüngst haben sich die Wirtschaftsminister der Länder darüber verständigt, die Rahmenprüfungsordnungen und die Studienordnungen für die staatlichen Hochschulen dahingehend zu ändern, daß die betriebswirtschaftliche
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Ausbildung nur noch 140 Semesterwochenstunden umfaßt. Das bedeutet eine Reduktion der Stundenzahl um 12,5 % . Die Begründung dafür liegt weniger in dem Ziel einer Verkürzung der Studienzeit auf Kosten der Qualität der Ausbildung, als vielmehr in den Haushaltsproblemen der Hochschulfinanzierung. Eine Reduktion der Stundenzahl hat eine entsprechende Verminderung der Hochschullehrerstellen zur Folge. Diesen Unsinn macht eine private Hochschule natürlich nicht mit. Die Wirtschaft fordert, wie bereits gesagt, größere Praxisnähe der Ausbildung und eine stärkere internationale Ausrichtung des Studiums. Die W H U hat dem einerseits unter anderem durch Einführung einer Praxisarbeit Rechnung getragen. Dabei handelt es sich um eine Projektarbeit, die in einem Unternehmen unter der pädagogischen Aufsicht der Hochschule und der fachlichen Aufsicht des Unternehmens geschrieben wird. Andererseits hat die W H U für Internationalität dadurch gesorgt, daß die Studenten das 4. und 5. Semester an Partnerhochschulen in zwei verschiedensprachigen Ländern verbringen. Die Anpassungsfähigkeit und Reaktionsfähigkeit im Studienangebot einer privaten Hochschule ist ungleich größer als an einer staatlichen Hochschule. Das Management der Verteilung von 50 Studenten auf 50 Partneruniversitäten in aller Welt ist für die W H U möglich. In einer Fakultät mit 5000 Studenten wäre ein solches Verteilungsverfahren nicht zu bewältigen. Man mag sich wundern, daß die Finanzautonomie hier als ein strategischer Wettbewerbsvorteil bezeichnet wird. Gemeint ist mit Finanzautonomie die Tatsache, daß die starren Regeln des staatlichen Haushaltsrechts in privaten Hochschulen nicht beachtet werden müssen. Das erlaubt der Hochschule, Chancen zur Einnahmenerzielung schnell und unbürokratisch zu nutzen, soweit sie mit den strategischen Zielen der Hochschule übereinstimmen. An staatlichen Hochschulen dagegen kommen die Einnahmen aus zusätzlichen Initiativen der Hochschule bzw. der Fakultät nicht zugute, sondern müssen an den Staatshaushalt abgeführt werden. Das erstickt jede Initiative zur Erweiterung des Bildungsangebots im Keime. Die Möglichkeit, die Qualität des Bildungsangebots durch derartige Aktivitäten zu verbessern, ist sicherlich ein strategischer Wettbewerbsvorteil privater Hochschulinitiativen. Die Professoren an staatlichen Hochschulen empfinden dies vielfach als eine unfaire Durchbrechung der starren Regeln, die für sie im Wettbewerb gelten. c) Strategische Wettbewerbsnachteile Den strategischen Wettbewerbsvorteilen privater Bildungsinitiativen im Hochschulbereich stehen nicht unbeträchtliche Wettbewerbsnachteile gegenüber. Drei strategische Wettbewerbsnachteile sind zu nennen:
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- diskriminierende Wettbewerbsregeln - diskriminierende Sicherheitsanforderungen - diskriminierende Finanzierungsbedingungen. Es mag verwundern, daß die Finanzierungsbedingungen nicht an erster Stelle genannt werden. Tatsächlich aber zeigen unsere Erfahrungen, daß die diskriminierenden Wettbewerbsregeln sich viel nachteiliger auswirken als die Probleme der Finanzierung. Drei diskriminierende Wettbewerbsregeln sind zu nennen: - das Beamtenrecht - die Vergaberichtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft für Forschungsmittel - die Vergaberichtlinien des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Alle drei Regelungsbereiche sind auf die Förderung staatlicher Initiativen im Bildungsbereich zugeschnitten, nicht dagegen auf die Wettbewerbsfähigkeit privater Initiativen im Bereich der tertiären Bildung. Unter den diskriminierenden Regeln spielt das Beamtenrecht nach unseren Erfahrungen noch die geringste Rolle. Tatsache ist, daß manche jungen Kollegen wegen des Beamtenstatus eines Universitätsprofessors eine Berufung an eine staatliche Hochschule einer Berufung an eine private Hochschule vorziehen. Tatsache ist auch, daß eine private Hochschule ältere Kollegen wegen der Probleme und finanziellen Lasten, die mit der Übernahme der Pensionsverpflichtungen verbunden sind, nicht mehr berufen kann. Im ersten Falle findet in den Berufungsverfahren vielfach eine positive Auslese statt: wer den Ruf an eine staatliche Hochschule vorzieht, ist im allgemeinen weniger der Typ des dynamischen Schumpeter-Professors, den private Hochschulen brauchen, um den Herausforderungen einer sehr anspruchsvollen Studentenschaft gewachsen zu sein. Im zweiten Falle haben die staatlichen Hochschulen inzwischen fast gleichgezogen. Die Finanzminister widersprechen inzwischen der Berufung eines Kollegen oder einer Kollegin, die älter als 45 Jahre ist (so z. B. in Mecklenburg-Vorpommern). Geht man davon aus, daß die Habilitation im allgemeinen nicht vor dem 35. Lebensjahr erfolgt, so bleibt ein Zeitfenster für die Berufung an eine staatliche Hochschule von maximal 10 Jahren. In dieser Zeit muß man drei oder vier Rufe erhalten, um das Spitzengehalt eines Professors zu erreichen. Da mag das Beamtenrecht von einer privaten Hochschule sogar in einen strategischen Vorteil umgewandelt werden: da man von einer privaten Hochschule jederzeit ohne Einhaltung der Schamfrist von drei Jahren für Berufungen an staatliche Hochschulen wegberufen werden kann, sind hervorragende, selbstsichere, junge Professoren durchaus bereit, an einer privaten Hochschule ihre akademische Laufbahn zu beginnen, weil das die
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Chance verbessert, in den genannten zehn Jahren auch wirklich drei oder vier Rufe zu erhalten. Tatsächlich sind es denn auch die Vergaberichtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft, die sich am stärksten nachteilig für private Bildungseinrichtungen auswirken. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat vor Jahren mit Recht festgestellt, daß Elite-Universitäten nicht durch ihren elitären Anspruch, auch nicht durch elitäre Ausbildung, sondern durch Elite-Forschung gekennzeichnet sind. An der Kellogg Gradúate School of Management beruhen alle Kurse auf Forschung, und jedes Semester wird jeder zehnte Kurs vollständig neu geplant, damit die Ergebnisse der Management-Forschung auch zügig in die Lehre umgesetzt werden. Die finanziellen Ressourcen für umfangreiche Forschungsprogramme sind an den privaten Hochschulen Deutschlands nicht in dem Maße vorhanden, wie das an den privaten Elite-Hochschulen der Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch an staatlichen Universitäten Deutschlands der Fall ist, wo die Ausstattung mit Räumen und Personal auf die Forschungsaufgaben zugeschnitten ist. Die privaten Hochschulen sind also darauf angewiesen, daß sie Forschungsmittel von öffentlichen und privaten Einrichtungen der Forschungsförderung einwerben. Die Vergaberichtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft gehen nun von der Annahme aus, daß die Infrastruktur, also Räume, Sekretariat, Bibliothek, Computer, die für die Durchführung des Forschungsvorhabens erforderlich sind, von der Universität bereitgestellt werden. Einen solchen Zuschnitt haben private Hochschulen im allgemeinen nicht. Sie müssen z. B. Räumlichkeiten für die Durchführung von Forschungsprojekten anmieten und die Bibliothek um die Spezialliteratur ergänzen, die für die Durchführung des Forschungsvorhabens erforderlich ist. Hier mögen in jedem Einzelfall Engpässe entstehen, die einen Wettbewerbsnachteil der privaten Hochschule bei Anträgen an die Deutsche Forschungsgemeinschaft begründen. Aber auch die Regeln des Stifterverbandes für die Deutsche "Wissenschaft haben sich als nachteilig für private Hochschulen erwiesen. Der Stifterverband geht z. B. in seinem Programm „Stiftungsprofessuren" davon aus, daß es sich um die Finanzierung einer „nackten" Professur auf Zeit handelt. „Nackt" ist die Professur, weil die Mittel nur für das persönliche Gehalt des Stiftungsprofessors ausreichen, nicht dagegen für die Bezahlung von Assistenten und Sekretariat. Auf Zeit ist die Professur gedacht, weil der Stifterverband die Zusage der staatlichen Hochschule erwartet, daß die Professur nach Ablauf von fünf Jahren im Haushalt der Hochschule ausgewiesen wird. Beide Regeln machen die Stiftungsprofessur für die private Hochschule unattraktiv. Die inzwischen geschaffene Möglichkeit, aus den Mitteln der Stiftungsprofessur Lehraufträge für Gastdozenten zu bezahlen, helfen der privaten Hoch-
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schule nicht nachhaltig: die Last der Betreuung der Studenten verteilt sich dann auf nur wenige hauptamtliche Professoren, die dadurch von der Forschung abgehalten werden. Die Regeln des Stifterverbandes haben also einen strategischen Wettbewerbsnachteil zur Folge. Private Hochschulen verzichten daher lieber auf Stiftungsprofessuren, als daß sie die mit ihnen verbundenen Nachteile in Kauf nehmen. Es gibt heute auch eine regionale Diskriminierung, die sich als Nachteil für private Hochschulen im Westen im Wettbewerb auswirkt. Mit der Erweiterung der Bundesrepublik um die fünf neuen Bundesländer hat sich die Konkurrenz auf dem Markt für tertiäre Bildung dramatisch verschärft. Während die Universitäten in den neuen Bundesländern ganz erhebliche Nachteile im Wettbewerb um gute Dozenten haben, sehen sich die privaten Hochschulen im Wettbewerb um Spenden aus der privaten Wirtschaft einem erheblichen Wettbewerbsnachteil gegenüber. Zum Teil werden die Mittel, mit denen diese Hochschulen langfristig gerechnet haben, zugunsten von staatlichen Universitäten in den neuen Bundesländern abgezogen. So sehr wir alle die Notwendigkeit des Aufbaus in den neuen Bundesländern betonen - ich darf in diesem Punkte nicht mißverstanden werden - , sowenig darf man die Probleme, die mit dieser Verlagerung der Wettbewerbsbedingungen zugunsten des Ostens Deutschlands für die privaten Initiativen im Westen verbunden waren, übersehen. Als Schatzmeister einer Privatinitiative an der Universität Bonn, des Internationalen Hauses, eines 16-Millionen-DM-Objektes, vermag ich ein Lied davon zu singen. Wir waren auf Spenden zur Finanzierung des Hauses angewiesen. Nach der Wende bin ich nachts oft schweißgebadet wach geworden, weil ich geträumt hatte, auf dem Wege zum Amtsgericht zu sein, um den Konkurs anzumelden. Nun ein Wort zu den diskriminierenden Sicherheitsanforderungen. Ich halte die staatliche Forderung für berechtigt, daß private Anbieter von Hochschulbildung gegenüber ihren Studenten gewährleisten müssen, daß sie ihr Studium auch zu Ende führen können. Das heißt, in Kapital umgerechnet, bei 100 Studenten pro Jahrgang ein Sicherheitskapital von 20 bis 30 Millionen DM. In der unterschiedlichen Struktur, aber auch der unterschiedlichen Kapitalausstattung der Anbieter von tertiärer Bildung liegen nicht unbeträchtliche Möglichkeiten zu unlauterem Wettbewerb. Wenn z. B. eine private Hochschule nur ein Hauptstudium anbietet, dann braucht sie nur die Hälfte dieses Kapitals. Sie verschafft sich einen finanziellen Wettbewerbsvorteil zu Lasten derjenigen Hochschulen, die das Grundstudium anbieten. Wenn diese Hochschule dann auch noch bei der Rekrutierung ihrer Studenten gezielt die besten Absolventen des Grundstudiums an staatlichen und alle Absolventen des Grundstudiums an privaten Elite-Hochschulen anspricht, dann werden die vom Verlust
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ihrer besten Studenten betroffenen Institutionen dies sicher als unlauteren Wettbewerb empfinden - und das nicht ganz zu Unrecht. Das Hauptstudium an privaten Hochschulen verliert nämlich die economies of scale und gerät in finanzielle Schwierigkeiten, die staatlichen Hochschulen verlieren dadurch das Potential, aus dem sie traditionellerweise den wissenschaftlichen Nachwuchs rekrutieren. Natürlich werden sich die betroffenen Institutionen mit lauteren, aber auch mit unlauteren Mitteln wehren, aber ein solcher Wettbewerb wird auf den Köpfen der Studenten ausgetragen. Das ist sicher nicht wünschenswert. Diskriminierende Sicherheitsanforderungen sind eng verbunden mit diskriminierenden Finanzierungsbedingungen. Die Kapitalstruktur der verschiedenen privaten Bildungseinrichtungen ist durchaus unterschiedlich. Wir rechnen im allgemeinen die kirchlichen Bildungseinrichtungen nicht zu den privaten Anbietern am Bildungsmarkt, weil sie sich aus den Mitteln der Kirchensteuer und aus nicht unerheblichen staatlichen Zuschüssen finanzieren. Aber auch andere private Bildungseinrichtungen weisen durchaus unterschiedliche Finanzierungsformen auf. Die W H U finanziert sich zu 100 % aus privaten Mitteln. Aber es gibt auch private Hochschulen, die sich zu 50 % aus privaten und zu 50 % aus staatlichen Mitteln finanzieren. Wenn ein Land einer solchen privaten Bildungseinrichtung die Zusage gibt, jede D M an privaten Spenden durch eine D M aus Steuermitteln zu ergänzen, dann wird damit dieser privaten Einrichtung der direkte Griff in die Staatskasse ermöglicht. Das stellt ein nicht unbedeutendes Argument in der Werbung um private Spenden dar und verschlechtert die Wettbewerbschancen der anderen privaten Bildungseinrichtungen erheblich. Natürlich kann man argumentieren, daß diesem finanziellen Wettbewerbsvorteil der Verlust an Glaubwürdigkeit der privaten Bildungsinitiative als strategischer Wettbewerbsnachteil gegenübersteht, und ich halte das auch für wichtig. Bei eher kurzfristiger Betrachtung des Wettbewerbs der privaten Bildungseinrichtungen untereinander aber wird mancher Beobachter vor allem aber die Schatzmeister einer rein privaten Hochschule darin eine Form des unlauteren Wettbewerbs sehen. Einen besonderen Nachteil im Wettbewerb mit staatlichen Hochschulen stellt das Finanzierungsrisiko dar, dem private Hochschulen ausgesetzt sein können. Die private Nordische Hochschule in Flensburg konnte davon ein Lied singen. Aber auch an der W H U haben wir Erfahrungen mit diesem Risiko. Private Kapitalgeber neigen verständlicherweise dazu, finanzielle Zusagen zeitlich zu begrenzen und flexibel zu gestalten. Das steht natürlich im Gegensatz zu den Interessen der Hochschule, die an einer langfristigen und festen finanziellen Zusage interessiert ist. N u r so kann sie nämlich die Qualität ihres Bildungsangebots nachhaltig gewährleisten. Als die Klöckner K G a A in finanzielle Schief-
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läge geriet, verlor die Klöckner-Stiftung, die die Aktien an Klöckner hielt, ihre Einnahmequelle. Die WHU verlor den Lehrstuhl, den die Klöckner-Stiftung an der WHU finanzierte. Wenn die Gewinne, die der HUK-Stiftung für die Förderung von Privatinitiative im Bildungswesen aus der Anlage ihres Kapitals bei mittelständischen Unternehmen zufließen, im Konjunkturverlauf schwanken, atmet das Budget der WHU entsprechend mit. Eine sichere finanzielle Basis stellen daher nur Kapitalstiftungen dar. Otto Beisheim hat der WHU eine solche Kapitalstiftung gemacht. Ich habe in dem größeren finanziellen Risiko der WHU nie einen ernstzunehmenden wettbewerbsverzerrenden Faktor gesehen. Ich habe mich stets, auch in den schwierigen Anfangsjahren der WHU, auf das Wort von Alfred Herrhausen verlassen, der einmal sagte: Wenn die privaten Hochschulen in Deutschland untergehen, dann ist der Gedanke von privaten Hochschulen auf mindestens eine Generation hin tot. Aber ich weiß auch, daß dieses Wort Herrhausens manchen Kollegen nicht ausreichte, faire Wettbewerbsbedingungen mit den staatlichen Hochschulen herzustellen. Ich komme zu dem Ergebnis, daß es Formen des unlauteren Wettbewerbs zwischen den Anbietern von Bildungsleistungen gibt. Die strategischen Wettbewerbsvorteile privater Bildungseinrichtungen scheinen mir ihre Wettbewerbsnachteile nicht aufzuwiegen. Daraus folgt Handlungsbedarf. 2. Unlauterer
Wettbewerb
gegenüber
den Nachfragern
von
Bildung
Ich wende mich nun den Formen des unlauteren Wettbewerbs am Bildungsmarkt zu, die vorwiegend die „Konsumenten" schädigen. Bedarf es, so möchte ich fragen, des Schutzes der Nachfrager nach Bildungsleistungen vor unlauteren Praktiken der Anbieter von Bildung? Bei den staatlich anerkannten Studiengängen ist die Gefahr, daß die Erwartungen der Nachfrager vom Angebot nicht erfüllt werden, naturgemäß relativ gering. Zur Transparenz dieses Bildungsangebots haben auch die von privaten Verlagen herausgegebenen Studienführer sowie die Fachzeitschriften beigetragen, die die Hochschulen und ihre Fakultäten evaluieren. Große Probleme aber treten auf dem Markt für Fortbildungsleistungen auf. Dies sei, entsprechend meinen Erfahrungen, am Beispiel des Bildungsmarktes für den wirtschaftlichen Führungsnachwuchs einerseits und am Markt für den Master of Business Administration andererseits dargelegt. Als das Universitäts-Seminar der Wirtschaft (USW) im Jahre 1968 gegründet wurde, war die Diskussion um die Bildungskatastrophe, die
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Picht ausgelöst hatte, in vollem Gange. Die Frage, ob Bedarf an Fortbildung des wirtschaftlichen Führungsnachwuchses bestände, durfte daher als positiv beantwortet gelten. Unsicherheit bestand jedoch über das Angebot und seine Qualität. Private Fortbildungsinitiativen schössen wie Pilze aus dem Boden. Die Gründung des USW dürfte daher auch der Tatsache zuzuschreiben sein, daß sich damit diejenigen, die die Nachfrage finanzierten, auch in die Gestaltung des Angebots einschalten und die Qualität des Bildungsangebots überwachen konnten. Qualitätsunsicherheit führt zu vertikaler Integration, würde Williamson sagen: der Markt wird durch Hierarchie ersetzt. Das lehrt das Beispiel USW. Allgemein gilt: Die Vielfalt der privaten Initiativen im Weiterbildungsbereich führt zu mangelnder Transparenz des Marktes. Die Suchkosten der Nachfrager nach qualifizierten Angeboten werden so hoch, daß auch qualitativ minderwertige Programme eine Chance haben, Nachfrage zu finden. Das diskreditiert schließlich auch viele seriöse Fortbildungsangebote und reduziert die Nachfrage nach Fortbildung des Managernachwuchses allgemein. Bemühungen, mehr Transparenz zu schaffen, waren im konkreten Falle nicht von nachhaltigem Erfolg. Dabei sollen die Leistungen des Wuppertaler Kreises nicht geringgeschätzt werden. Die Erfahrung lehrt also, daß zu viele private Bildungsinitiativen zu unvollkommenem Wettbewerb und zu zum Teil unlauteren Wettbewerbsmethoden führen. Es bedarf der Schaffung eines Gütesiegels, damit der Markt weiter funktionsfähig bleibt und seriöse private Bildungsinstitute erfolgreich arbeiten können. Das Risiko, daß der Markt sich durch ein Überangebot an Bildungsangeboten, deren Qualität nicht ausreichend überwacht werden kann, selbst zerstört, scheint mir auch gegenwärtig wieder zu bestehen. Der Erwerb des Titels eines Masters of Business Administration (MBA) hat offenbar für viele Bildung Suchende (oder Titel Suchende) eine große Faszination. Nachdem in Zürich die erste private Business School entstanden war, die den Titel eines MBA verlieh, haben sich in Europa eine ganze Reihe von privaten Bildungsinitiativen entwickelt, die entweder in eigener Regie oder in Kooperation mit mehr oder weniger bekannten amerikanischen Business Schools Bildungsangebote machen, die zum MBA führen. Inzwischen ist die Anzahl dieser Angebote so groß, daß der Markt unübersichtlich geworden ist. Das begünstigt das Entstehen unseriöser Institute. Um die Kunden vor unseriösen Angeboten zu bewahren, haben sich zunächst die deutschen Spitzenverbände zusammengetan, um eine Instanz zur Evaluierung von MBA-Programmen zu gründen und ihre Mitgliedsfirmen zu beraten. Gegenwärtig versucht die European Foundation for Management Development (EFMD) eine Instanz zur Evaluierung von MBA-Programmen in Europa zu schaffen, um Kunden vor unqualifizierten Angeboten zu bewahren. Ob es zu
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einer wirksamen Kontrolle des Angebots und damit zu einem wirksamen Schutz der Konsumenten kommt, erscheint gegenwärtig fraglich. In der Theorie nennt man dieses Problem das der asymmetrischen Information. Der Kunde hat geringere Informationen über die Qualität eines Angebots als der Anbieter. Dieser kann die Unkenntnis des Kunden zu seinem Vorteil ausnutzen. Da der Kunde diese Möglichkeit durchaus erkennt, wird er aus Angst vor Ubervorteilung überhaupt keine Leistung mehr nachfragen. Der Markt versagt in seiner Funktionsfähigkeit, er bricht zusammen. Dem kann nur durch Beseitigung der Informationsasymmetrie begegnet werden. Das erfordert staatliche Qualitätskontrolle. Die Gefahr unlauteren Wettbewerbs unter vielen qualitativ unterschiedlichen privaten Bildungsinitiativen erzwingt also die staatliche Aufsicht über die Qualität dieser Institutionen. Dies ist aber wirksam nur möglich, wenn die Anzahl der privaten Bildungseinrichtungen beschränkt wird. Dies erfordert ein staatliches Akkreditierungsverfahren mit scharfen Qualitätskriterien. IV. Konsequenzen Im Ergebnis ist festzuhalten: 1. Am Markt der Aus- und Weiterbildung gibt es Formen unlauteren Wettbewerbs. 2. Unlauterer Wettbewerb verdrängt qualitativ gute Angebote vom Markt. 3. Es bedarf daher einer Ordnung des Marktes für Bildungsangebote, die die seriösen privaten Anbieter besser schützt. 4. Vordringlich sind die Anpassung der Vergaberichtlinien der Deutschen Forschungsgemeinschaft an die spezielle Situation privater Hochschulen und die Änderung der Förderrichtlinien des Stifterverbandes für die Deutsche Wissenschaft. Hier ist vor allem an die Regelungen über die Einrichtung von Stiftungsprofessuren gedacht. 5. Die Neigung privater Spender, finanzielle Zusagen zeitlich zu befristen und flexibel zu gestalten, ist verständlich. Sie hat aber erhebliche Wettbewerbsnachteile für private Hochschulen zur Folge. Gleiche Wettbewerbschancen können nur durch den Ausbau des Instituts der Kapitalstiftung für private Hochschulen hergestellt werden. Von diesem Instrument sollte die private Wirtschaft verstärkt Gebrauch machen. 6. Kapitalstiftungen stellen nicht nur eine Lösung der Finanzierungsprobleme privater Hochschulen dar. Sie sind auch ein wichtiges Signal für die Öffentlichkeit, daß der Stifter Vertrauen in die Kontinuität der
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Institution und in die hohe Qualität ihrer Ausbildungsangebote setzt. Die Hochschule erwirbt also auch Reputationskapital. Reputationskapital ist im Wettbewerb der privaten Bildungsangebote so wichtig wie Geldkapital. Es schützt den seriösen Anbieter vor unlauterem Wettbewerb. 7. Markttransparenz auf dem Bildungsmarkt ist Voraussetzung für funktionsfähigen Wettbewerb. Die staatliche Anerkennung von Studiengängen an privaten Hochschulen stellt eine notwendige Voraussetzung für Transparenz her. Die privaten Bildungseinrichtungen sollten aber mehr tun. Sie sollten im eigenen Interesse Vorreiter für ein Hochschulmarketing sein, das die Transparenz der Qualität von Bildungsangeboten für die Öffentlichkeit verbessert. 8. Auf dem Markt für allgemeine und berufliche Weiterbildung ist die Transparenz der Bildungsangebote unzureichend. Hier bedarf es einer privaten oder staatlichen Einrichtung zur Akkreditierung von Bildungsangeboten. Nur so kann unlauterer Wettbewerb auf diesem Markt verhindert und funktionsfähiger Wettbewerb hergestellt werden.
Wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs K U R T BAUER
I. Durch die jüngste Novellierung1 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb ist u. a. die Bestimmung des § 13 Abs. 2 U W G geändert worden. Hiernach kann in Fällen der §§ 1, 3, 4, 6 bis 6 c, 7 und 8 U W G der Anspruch auf Unterlassung geltend gemacht werden 1. von Gewerbetreibenden, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, soweit der Anspruch eine Handlung betrifft, die geeignet ist, den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen; 2. von rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen, soweit ihnen eine erhebliche Zahl von Gewerbetreibenden angehört, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, soweit sie insbesondere nach ihrer personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande sind, ihre satzungsgemäßen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich wahrzunehmen, und soweit der Anspruch eine Handlung betrifft, die geeignet ist, den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Ziel der vorgenommenen Änderung ist die Eindämmung von Aktivitäten von Mitbewerbern und gewerblichen Verbänden bei der Verfolgung von Wettbewerbsverstößen. Zur Begründung verweist der Regierungsentwurf auf das unter dem Stichwort „Abmahn- und Gebührenvereine" bekannt gewordene Phänomen, welches die Gefahr einer Diskreditierung des gesamten Rechtsgebiets mit sich bringe, weil das massenhafte Abmahnen und auch die massenhafte klageweise Verfolgung von häufig nur marginalen Verstößen (Bagatellverstößen) in Kreisen der Wirtschaft zunehmend zu einem Unverständnis über die deutsche Praxis geführt habe2. In der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages vom 23. 6. 1994 (Drucksache 12-80 89) ist von einer teilweise mißbräuchlichen Inanspruchnahme der Klage- und Abmahnbefugnis der Wettbewerber und insbesondere „Abmahn- und Gebührenvereine" die Rede. ' BGBl. 1 1738. W R P 1994, S. 369 ff, 370, 371.
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Kurt Bauer
Ob die geschilderten Zustände stets und immer Ausdruck und Folge einer mißbräuchlichen Handhabung der Klagebefugnis waren, mag man bezweifeln. Was beispielsweise die massenhafte Verfolgung von „Bagatellverstößen" betrifft, ist mit Kissler3 auch zu fragen, ob gesetzliche Vorschriften noch als sinnvoll angesehen werden können und weiter beibehalten werden sollen, deren Nichtbeachtung vom Gesetz- bzw. Verordnungsgeber selbst als „marginale Wettbewerbsverstöße" eingestuft werden, zumal wenn solche Vorschriften „massenweise" - sei es aus welchen Gründen auch immer - von den betroffenen Wirtschaftskreisen nicht beachtet werden. Beide in § 13 Abs. 2 UWG jeweils in den Nummern 1 und 2 geregelten Tatbestände enthalten das Merkmal „soweit der Anspruch eine Handlung betrifft, die geeignet ist, den Wettbewerb auf diesem Markt wesentlich zu beeinträchtigen". Dieses Merkmal - kurzgefaßt und umschrieben als „wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs" - ist neu und findet sich in der bisherigen Nomenklatur des Rechts gegen den unlauteren Wettbewerb nicht. Bei der Anwendung und insbesondere bei der Auslegung dieses neuen Tatbestandsmerkmals kann also nicht auf eine lange und bewährte Spruchpraxis zurückgegriffen werden. Es gibt allerdings in der relativ kurzen Zeit seit Inkrafttreten der Novellierung bereits eine nicht unbeachtliche Literatur sowie eine Reihe bekannt gewordener Entscheidungen von Instanzgerichten sowie des Bundesgerichtshofes, die zumindest in Ansätzen erkennen lassen, wie jedenfalls die Praxis zukünftig den Aspekt der wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs beurteilen wird. II. Nach überwiegender Auffassung 4 ist das Merkmal der wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs nicht Prozeß- bzw. Sachurteilsvoraussetzung, sondern gehört zur materiellen Klagebegründung 5 . So wird in der Begründung des Regierungsentwurfes unter Hinweis auf die unterschiedliche Beurteilung des bisherigen § 13 Abs. 2 Nr. 1 UWG ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es sich jedenfalls bei dem neu hinzugekommenen Merkmal der wesentlichen Wettbewerbsbeeinträchtigung
WRP 1994, S. 768 ff, 772. Wiehe (WRP 199, S. 75 ff, S. 78) hält es für problematisch, die Merkmale des § 13 Abs. 2 UWG der einen oder anderen Kategorie zuzuordnen. 5 Von der jeweiligen Zuordnung hängt es ab, ob die Klage als unzulässig oder als unbegründet abzuweisen ist, ferner ob die tatsächlichen Voraussetzungen von Amts wegen zu prüfen sind und zwar unabhängig davon, ob die beklagte Partei eine entsprechende Rüge erhoben hat (vgl. dazu BGH NJW 1991, S. 2707 f, 2708). 3 4
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um eine Frage des materiellen Rechts (Aktivlegitimation) und somit der Begründetheit des Anspruches handelt6. Gröning7 plädiert für die Annahme einer Prozeßvoraussetzung u. a. mit der Erwägung, andernfalls (also wenn man das Merkmal zu den materiell-rechtlichen Anspruchsvoraussetzungen rechnen würde) wäre ein und dieselbe Handlung einmal als wettbewerbswidrig zu beurteilen und zum anderen nicht, je nachdem, ob ein unmittelbar verletzter oder aber ein nur „abstrakt" betroffener Mitbewerber klagt 8 . Diese Erwägung erweist sich indes nicht als stichhaltig. Es ist ja gerade erklärte Absicht des Gesetzgebers, mit Ausnahme des unmittelbar Verletzten die Aktivlegitimation der Mitbewerber sowie der rechtsfähigen Verbände einzuschränken mit der Folge, daß bestimmte Wettbewerbsverstöße, insbesondere soweit sie von geringer Bedeutung sind, nicht mehr von diesen verfolgt werden können. Tilmanri' „empfiehlt" aus praktischen Gründen, bei Nr. 1 eine sogenannte doppelrelevante Tatsache (Prozeß- und gleichzeitig materiellrechtliche Voraussetzung) anzunehmen und bei Nr. 2 (rechtsfähige Verbände) eine Aufteilung dahingehend vorzunehmen, einerseits die verbandsinternen Voraussetzungen ebenfalls als doppelrelevante Tatsache anzusehen und andererseits das Merkmal der wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs als materiell-rechtliche Voraussetzung für den geltend gemachten Anspruch zu werten. Der Bundesgerichtshof geht in seiner - soweit ich sehe - ersten Entscheidung10 zu § 13 Abs. 2 UWG n. F. ohne eine nähere Begründung davon aus, daß die verbandsinternen Voraussetzungen, insbesondere das Erfordernis einer erheblichen Zahl von Gewerbetreibenden, die Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben, ausschließlich die Prozeßführungsbefugnis betreffen, während die Eignung der beanstandeten Handlung, den Wettbewerb auf dem einschlägigen Markt wesentlich zu beeinträchtigen, ein neben § 1 UWG zu prüfendes, materiell-rechtliches Erfordernis darstellt". Wichtiger als die Einordnung als materiell-rechtliche Voraussetzung ist für die praktische Anwendung die Frage nach der inhaltlichen Bedeutung des Begriffs der wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs.
WRP 1994, S. 396 ff, 374 rechte Spalte. WRP 1994, S. 435 ff und WRP 94, S. 475 ff. 8 WRP 1994,475 ff, S. 799. ' BB 1994, S. 1793 ff, 1797. 10 ZIP 1995, S. 152 ff, WRP 1995, S. 104 ff. 11 BGH aaO, S. 155. 6
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Versucht man, diese Frage zu beantworten, so zeigt sich sogleich, daß der Wortlaut der Bestimmung wenig hilfreich ist. Nimmt man nämlich die Formulierung wörtlich, so wäre das Merkmal nur erfüllt, wenn die beanstandete Handlung den Wettbewerb auf dem einschlägigen Markt in seiner Gesamtheit berühren, d. h. die Interessen der Beteiligten, darunter auch die der Marktgegenseite (Verbraucher), insgesamt beeinträchtigen würde, und zwar noch dazu in einer Weise, die zumindest eine erhebliche Wirkung auf das Geschehen im Markt nach sich zieht12. Eine derartige Tragweite der neugefaßten Bestimmung wird indes der mit der Novellierung verfolgten Intention nicht ganz gerecht. Tilmannn meint nicht ganz zu Unrecht, daß der Gesetzgeber „bedauerlicherweise den Mund recht voll" genommen habe. Ebensowenig hilft es weiter, wenn man bei der Auslegung des Begriffes der wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs Anleihen im Kartellrecht suchen würde. Zwar findet sich dort der Begriff in § 18 GWB 14 . Die unterschiedliche Zielsetzung beider Gesetze läßt jedoch eine inhaltliche Gleichsetzung oder auch nur „analoge Übernahme" nicht zu. Während das GWB die Wettbewerbsfreiheit als solche gegen Beeinträchtigung schützt und im Kern „strukturelle" Einwirkungen erfaßt, hat das U W G den einzelnen Wettbewerber im Auge, soweit durch sein unlauteres Verhalten der Wettbewerb im Markt in unzulässiger Weise beeinflußt wird. Die jeweilige Dimension der Beeinträchtigung dort sowie der Beeinflussung hier ist also grundsätzlich verschieden zu beurteilen15. Mehr Aufschluß über unseren Begriff könnte ein Tatbestandsmerkmal geben, welches zwar nicht wortgleich jedoch zumindest ähnlich gefaßt ist. Es handelt sich um die Voraussetzung für die Klagebefugnis von Verbraucherverbänden, soweit Verstöße gegen § 1 U W G verfolgt werden. Nach Maßgabe von § 13 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 U W G ist die Aktivlegitimation nur gegeben, wenn der geltend gemachte Unterlassungsanspruch Handlungen betrifft, durch die wesentliche Belange der Verbraucher berührt werden. Nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur16 läßt sich nur im Einzelfall entscheiden, ob und wann wesentliche Be-
Vgl. dazu auch Gröning WRP 1994, S. 436 ff. AaO, S. 1796. 14 Im Zusammenhang mit der Befugnis der Kartellbehörde, Ausschließlichkeitsbindungen unter bestimmten Voraussetzungen aufzuheben. 15 So im Ergebnis auch Gröning WRP 1994, S. 780 und Wiehe WRP 1995, S. 75, 77. 16 Vgl. Baumbach/Hefermehl, 17. Aufl. § 1 3 U W G Anm. 13; Großkommentar zum UWG, § 13 Anm. 102 sowie die dort zitierte Spruchpraxis. 12
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lange der Verbraucher berührt sind. Einerseits reicht es nicht ohne weiteres aus, wenn das beanstandete Verhalten nur die Interessen einzelner Verbraucher berührt. Andererseits genügt es, daß eine größere Anzahl von Verbrauchern betroffen ist. Der Verstoß muß allerdings ein gewisses Gewicht haben. So hat der B G H beispielsweise im Falle der unerbetenen Telefonwerbung im privaten Bereich die persönlichen Belange der Endverbraucher in einem Ausmaß als betroffen angesehen, welches es rechtfertigt, sie als wesentlich einzustufen17. Da das U W G über seine ursprüngliche Intention hinaus nicht nur den Schutz der Mitbewerber, sondern gleichermaßen den Schutz der Verbraucher vor unlauteren Verhaltensweisen bezweckt, ist meines Erachtens eine Handlung, die wesentliche Belange der Verbraucher berührt, zugleich geeignet, den Wettbewerb auf dem einschlägigen Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Insofern kann die bisherige Rechtsprechung zu § 13 Abs. 2 Nr. 3 U W G auch für die Anwendung der neugefaßten Bestimmungen der Nr. 1 und 2 nutzbar gemacht werden18. Mehr als aus dem Wortlaut selbst läßt sich aus den Gesetzesmaterialien, insbesondere der Begründung zum Regierungsentwurf19 zumindest in der Tendenz erkennen, was der Gesetzgeber unter einer wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs verstanden wissen will. Hiernach sollen im Allgemeininteresse gegen Wettbewerbsverstöße vorgehende Kläger nur in solchen Fällen aktivlegitimiert sein, in denen die Auswirkungen auf das Wettbewerbsgeschehen so erheblich sind, daß die Interessen der Allgemeinheit ernsthaft betroffen werden. Ergänzend wird ausgeführt, daß die vorgenommene Einschränkung auf denselben Erwägungen beruhe, welche für den im Entwurf vorgesehenen neuen § 2 U W G sprechen. Nach dieser Bestimmung, die nicht Gesetz geworden ist, sollten Verstöße gegen sogenannte wertneutrale Vorschriften (also Rechtsvorschriften außerhalb des U W G ) nur noch dann in Verbindung mit § 1 U W G unzulässig sein, wenn der Verletzer sich dadurch einen erheblichen Wettbewerbsvorsprung vor seinen gesetzestreuen Mitbewerbern verschaffe. Damit - so ausdrücklich die Begründung solle vor allem erreicht werden, daß Bagatellverstöße nicht als sittenwidrige Wettbewerbshandlungen geahndet werden. Eben die nach Auffassung des Gesetzgebers „massenhafte Verfolgung" derartiger Bagatellsachen hat - wie bereits eingangs ausgeführt zugleich den Anstoß zu der jetzigen Novellierung gegeben.
17 B G H G R U R 1989, 753 ff Telefonwerbung II; vgl. B G H G R U R 1990, S. 280 ff, Telefonwerbung III. 18 S. dazu auch Kissler W R P 1994, S. 768 ff, 771 f. " W R P 1994, S. 369 ff.
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Zur Verdeutlichung dessen, was er unter „Bagatellsachen" versteht, nennt der Gesetzgeber mehrere Fallbeispiele, so die PS-Werbung (ohne gleichzeitige Angabe der Meßeinheit „kw")20, die Verwendung von Zollangaben für Computerschirme anstelle der gesetzlich vorgeschriebenen „cm"-Angaben21 sowie die Werbung mit Preisbestandteilen ohne Angabe des vorgeschriebenen Endpreises. Läßt sich aus den zuvor dargelegten Erwägungen des Gesetzgebers entnehmen, daß jedenfalls Bagatellfälle der geschilderten Art nicht geeignet sind, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen, so ermöglicht diese negative Abgrenzung nicht ohne weiteres die Feststellung, wann nun die Grenze erreicht ist, ab der die Aktivlegitimation gem. § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG n. F. zu bejahen ist. Generelle Regeln sind insoweit nicht greifbar. So findet die Auffassung von Kissler21, Verstöße gegen Bestimmungen des UWG, der Zugabeverordnung sowie das Rabattgesetz, also die Kernbereiche der unlauteren Werbung betreffend, seien von Hause aus geeignet, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen, im Gesetz keine Stütze. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 13 Abs. 2 UWG bezieht sich die Regelung ohne jede Einschränkung auf alle Fälle der §§ 1, 3, 4, 6 bis 6 c, 7 und 8 UWG mit der Folge, daß neben den Voraussetzungen der genannten Bestimmungen zusätzlich noch das Merkmal der wesentlichen Wettbewerbsbeeinträchtigung zu prüfen ist23. Gleichermaßen begegnet die Feststellung des OLG Karlsruhe24 Bedenken, der Verstoß gegen ein im Gesetz - insbesondere im UWG ausdrücklich geregeltes wettbewerbsrechtliches Verbot sei - wenn nicht ganz gewichtige Gründe entgegenstehen - aus der Natur der Sache als geeignet anzusehen, den Wettbewerb auf dem jeweils betroffenen Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Ob und wieweit eine wesentliche Wettbewerbsbeeinträchtigung vorliegt, ist vielmehr jeweils nach den besonderen Umständen des Einzelfalles zu beurteilen25 ähnlich wie bei dem bereits erwähnten Tatbestandsmerkmal der „wesentlichen Belange der Verbraucher" im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 3 UWG. Maßgebend ist für die Prüfung im Einzelfall - wie der BGH zutreffend anführt - die Art und Schwere des Verstoßes, wobei dieser nach der Intention des Gesetzes ein gewisses Gewicht haben muß. Bei der
BGH GRUR 1993,679. O L G Hamm NJW-RR 1994, S. 623 f. 22 WRP 1994, 768 ff, 771. 23 S. dazu BGH ZIP 1995, S. 152 ff, 155. 2* WRP 1994, S. 895. 25 S. dazu B G H ZIP 1995, S. 152 ff. 20 21
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Festlegung der Spürbarkeitsgrenze - so der B G H weiter26 - seien alle Umstände des Einzelfalles zu berücksichtigen, zu denen ein besonderes Interesse der Allgemeinheit einschließlich der Verbraucher, eine besondere Anreizwirkung der Werbung für den Umworbenen, die Größe eines erzielten Wettbewerbsvorsprungs, bei Nebengesetzen insbesondere das geschützte Rechtsgut, der Grad der Nachahmungsgefahr für Mitbewerber u. a. gehören können. Die aufgezeigten Prüfungskriterien sind sicherlich „flexibel" genug, um den jeweiligen Besonderheiten des Einzelfalles gerecht zu werden. Gleichwohl werden die Gerichte im Rahmen der Gewichtung der einzelnen Umstände als solche und in ihrem Zusammenwirken nicht immer zum gleichen Ergebnis kommen. Es bleibt abzuwarten, ob es gelingt, im Laufe der Zeit bestimmte Fallgruppen herauszuarbeiten, welche die Wertung der maßgeblichen Umstände auch im Einzelfall und damit die „Vorhersehbarkeit" gerichtlicher Entscheidungen erleichtern. III. Wie die Wertung in konkreten Fällen aussehen kann, sei an einigen wenigen Beispielen aus der bisher bekannt gewordenen Rechtsprechung verdeutlicht. In seiner bereits mehrfach zitierten Entscheidung27 hatte der B G H die wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit einer Werbeaktion zu prüfen, bei der ein Augenoptiker seinen Kunden sogenannte Punkte-Schecks aushändigt und Sachprämien für den Fall verspricht, daß andere Kunden unter Vorlage eines dieser Schecks bei ihm einkaufen. Der B G H bejaht die Eignung zur wesentlichen Wettbewerbsbeeinträchtigung mit dem Hinweis, im Streitfall stehe die Stärke des wettbewerblichen Anreizes im Vordergrund. Eine Laienwerbung der vorliegenden Art sei besonders geeignet, Kunden durch unsachliche Beeinflussung zu veranlassen, unkritisch bestimmte Unternehmen als Anbieter zu bevorzugen. Zugleich begründe diese besondere Anreizwirkung die Gefahr, daß andere Unternehmen die Werbemethode übernehmen, um im Wettbewerb nicht benachteiligt zu sein28. Gegenstand der Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 23. 8. 199429 ist die Werbung für Mobiltelefone unter blickfangmäßiger Nennung von Preisen, ohne hinreichend deutlich darauf hinzuweisen, daß der Telefonapparat nur zusammen mit einer Netzkarte und damit 24 27 28 29
BGH BGH BGH WRP
aaO, S. 155. ZIP 1995, S. 152 ff. aaO, S. 155. 1994, S. 866 ff.
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verbundenen weiterer Kosten wie Anschlußgebühr und monatliche Grundgebühren erworben werden kann. Das Kammergericht verneint eine wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs mit der Begründung, für die zunächst irregeführten Interessenten würden sich bei näherem Hinsehen die Zusammenhänge der Preisgestaltung aufklären. Vor allem würden die Interessenten, sofern sie erst im Geschäftslokal der werbenden Vertriebsfirma feststellen, daß das angebotene Gerät allein nur zu einem wesentlich höheren Preis als angepriesen gekauft werden könne, sich „verärgert abwenden und eine andere Bezugsquelle" suchen. Diese Auffassung vermag nicht zu überzeugen. Zunächst wird nicht hinreichend dem bisher allgemein anerkannten Grundsatz Rechnung getragen, daß die Blickfangwerbung als solche wahr sein muß und eine irreführende Werbung nicht dadurch entfällt, daß es dem interessierten Kunden bei genauerem Studium der Begleittexte vielleicht möglich sein mag, zutreffende Vorstellungen über Art und Inhalt des Angebots zu gewinnen. Ebensowenig kann, wie ich meine, davon ausgegangen werden, daß der Kunde - ist er erst einmal im Geschäftslokal - dieses „verärgert" wieder verläßt und sich eine andere Bezugsquelle sucht. In nicht wenigen Fällen wird er vielmehr das Kopplungsgeschäft akzeptieren in der Erwartung, daß auch die angebotene Kombination durchaus günstig sei, ohne sich dabei zunächst der Mühe zu unterziehen, einen Preisvergleich in bezug auf das zusätzliche Dienstleistungspacket vorzunehmen. In einer anderen Entscheidung des Kammergerichts Berlin30 geht es um die Werbung für Magnetarmbänder „viele tausend Menschen tragen heutzutage Magnetarmbänder und sie fühlen sich wohl und fit". In diesem Falle bejaht das Kammergericht die wesentliche Wettbewerbsbeeinträchtigung mit dem Hinweis, die Antragsgegnerin sei ein marktstarkes Versandhandelsunternehmen und im übrigen sei es stets ein Verstoß von Gewicht, täuschend zu werben. Ebenso bejaht das Kammergericht 31 eine wesentliche Wettbewerbsbeeinträchtigung im Falle einer irreführenden Werbung für ein Diätprodukt in einer bundesweit vertriebenen Zeitschrift. Zutreffend weist das Kammergericht in diesem Zusammenhang u. a. darauf hin, daß gerade „übergewichtige" Personen danach streben, „mit Genuß und ohne Qual" schlanker zu werden, und - wie man hinzufügen kann - daher geneigt sind, die entsprechenden Angebote weniger kritisch als geboten zu prüfen.
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WRP 1994, S. 865 f. WRP 1994, S. 871 ff.
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Das O L G Karlsruhe 32 hatte sich mit einem Fall der außergewöhnlichen Verkaufsveranstaltungen nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 U W G zu befassen. Das Gericht bejaht die Wesentlichkeit der Wettbewerbsbeeinträchtigung mit der Feststellung, Verstöße gegen ein im Gesetz ausdrücklich geregeltes wettbewerbsrechtliches Verbot seien - wenn nicht ganz gewichtige Gründe entgegenstehen - aus der Natur der Sache als geeignet zu sehen, den Wettbewerb auf den jeweils betroffenen Markt wesentlich zu beeinträchtigen. Diese Begründung ist nicht ganz bedenkenfrei. Zum einen ist - wie schon an anderer Stelle ausgeführt - die wesentliche Beschränkung des Wettbewerbs als zusätzliches Merkmal neben den Voraussetzungen der einzelnen im neugefaßten § 13 Abs. 2 U W G ausgeführten Bestimmungen zu prüfen. Zum anderen kann ein Verstoß gegen § 7 Abs. 1 U W G , insbesondere was seine Wirkung auf den Wettbewerb im einschlägigen Markt betrifft, durchaus unterschiedlich zu beurteilen sein, je nachdem, ob es sich beispielsweise um einen Grenzfall oder aber um eine eklatante Verletzung handelt, ob eine solche Verkaufsaktion von einem großen Kaufhaus im Zusammenhang mit einer breit angelegten Werbekampagne oder aber einem kleinen Geschäft durchgeführt wird, wobei im letzteren Falle lediglich einige wenige Verbraucher betroffen sind. Schließlich sei noch die Entscheidung des L G Kiel 33 erwähnt. Es geht um den Verkauf von alkoholischen Getränken in einer Tankstelle außerhalb der gesetzlichen Ladenöffnungszeiten. Das Gericht meint, in diesem Falle die wesentliche Beeinträchtigung des Wettbewerbs und damit zugleich die Aktivlegitimation des klagenden Verbandes bejahen zu müssen, da - nach Erfahrung der Kammer - vergleichbare Verstöße in der Regel nur von Verbänden verfolgt würden, denen unmittelbar bzw. mittelbar angeschlossene Einzelhandelsunternehmen ihr jeweiliges Interesse an der Erhaltung des lauteren Wettbewerbs auf diesem Markt anvertraut hätten. Wären diese Verbände im Sinne des § 13 Abs. 2 n. F. an der Verfolgung solcher Verstöße gehindert, käme es im Ergebnis zu einer „Relativierung der Geltung des Ladenschlußgesetzes" auf diesem Markt zu Lasten der gesetzestreuen Mitbewerber. Es liegt auf der Hand, daß mit einer solchen Begründung im Ergebnis die mit der Novellierung verfolgte Absicht des Gesetzgebers „unterlaufen" wird.
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WRP 1994, S. 895 f. WRP 1995, S. 141 ff.
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I. Die Problematik 1. Der Einbau einer salvatorischen Klausel1 in komplexe, meist auf längere Zeit angelegte Vertragsgebilde gehört heute in vielen Bereichen längst zum Standard moderner Vertragsgestaltung durch die Kautelarjurisprudenz. Salvatorische Klauseln finden sich, wie die einschlägige Rechtsprechung aufweist, in Bezugsverträgen, etwa über Energie2, aber auch über Getränke 3 , in Franchiseverträgen 4 , Lizenzverträgen 5 , Pachtverträgen 6 , Unternehmenskaufverträgen 7 , Kreditverträgen 8 in Gesellschaftsverträgen 9 und anderen10. Regelmäßig handelt es sich bei diesen Verträgen um langfristige Vereinbarungen zwischen Unternehmen (oder über ein zu gründendes Unternehmen) mit entsprechend auf lange Zeitdauer angelegten strukturellen Festlegungen in Absatz, Bezug, Finanzierung und dergleichen. Erweist sich ein Teil der Vereinbarungen als unwirksam, als ungültig, so besteht die Gefahr, daß die gesamte Grundlage der Kooperation in den Strudel der Unwirksamkeit hineingezogen wird (§139 BGB). Erhebliche wirtschaftliche Schäden jedenfalls für einen der Beteiligten sind dann unvermeidlich 11 . Strukturelle Festlegungen lassen sich kaum rückabwickeln, sie können in jedem Fall auch ohne weitere Begründung für die Zukunft beendet werden. Salvatorische Klauseln sollen verhindern, daß eine solche Katastrophe eintritt. Sie sollen den Vertrag retten, deshalb werden sie als salvatorische bezeichnet. 1 Hierzu H. Westermann, in: Festschrift für Philipp Möhring, 1975, 135 ff; Beyer, Salvatorische Klauseln, 1988. 2 OLG Düsseldorf, WuW/E OLG 3221, „Belieferung von Sonderabnehmern". 3 BGH, WuW/E BGH, 1988; OLG Frankfurt, WuW/E OLG, 2105. 4 BGH, WuW/E BGH, 2909, „Pronuptia //"; OLG Köln, WuW/E OLG, 1715, „ Wimpy Hamburger"; OLG Düsseldorf, WuW/E OLG, 1683, „ Wimpy". 5 BGH, WuW/E BGH, 1259, „Bremsrollen"-, BGH, WuW/E BGH, 1525, „Fertighäuser"; OLG Hamburg, NJW-RR 1987, 179. ' OLG Hamm, WuW/E OLG, 2187, „ Gaststättenunterpacht". 7 Vgl. BGH WM 1989, 954 (dort stellt der BGH ausdrücklich auf das Fehlen einer solchen Klausel ab). 8 BGH NJW 1977, 38; BGHZ 72, 309. ' BGHZ 49, 364; BGH BB 1955, 750; BGH WM 1973, 900; BGH DB 1976, 2106. 10 Aber auch in Automatenaufstellverträgen; BGH, WuW/E BGH, 1426 „Celler Imbiß"-, BGH NJW 1983, 159. 11 S. a. H. Westermann, in: Festschrift für Philipp Möhring, 1975, S. 135 ff, 136; Beyer, Salvatorische Klauseln, S. 97.
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2. Die Bedeutung, welche die Praxis salvatorischen Klauseln zumißt, steht nach alledem außer Frage. Im Gegensatz hierzu steht, jedenfalls in Teilen, die Ansicht des wissenschaftlichen Schrifttums. Pierer von Esch12 hält salvatorische Klauseln zur Gänze, Johannes Hager13 hält sie jedenfalls oft für überflüssig. Auch ohne sie sei der Richter in der Lage, das Problem der Teilnichtigkeit von Verträgen zu lösen; die schematische Formulierung der Klauseln sei für eine gerechte Bewertung der Interessen der Vertragspartner durch den Richter eher hinderlich. Und Herbert Rothu konstatiert, daß die Wirkkraft salvatorischer Klauseln im Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen ohnehin in weitgehendem Maße schwindet, ein Eindruck, der bei der Lektüre mancher AGB-rechtlicher Schriften durchaus bestätigt wird. Sind also salvatorische Klauseln kein Ergebnis sorgfältiger kautelarjuristischer Arbeit15, sondern ein überflüssiges, ohne Nachdenken16 in den Vertrag nach Formular eingefügtes Anhängsel? Die Festschrift zu Ehren des erfolgreichen Anwalts und Beraters der Wirtschaft, Ralf Vieregge, gibt Anlaß, über salvatorische Klauseln noch einmal nachzudenken. II. Salvatorische Klauseln: Arten, Funktion, Strukturen 1. Salvatorische Klauseln suchen die Probleme zu meistern, die dadurch entstehen, daß Teile eines Vertrages unwirksam sind oder werden. Ihr Ziel ist es, die Durchführung des Vertrages trotz dieses einschneidenden, von den Vertragspartnern nicht vorausgesehenen Ereignisses weiter zu ermöglichen. a) Um diese Aufgaben in umfassender Weise zu meistern, ist eine salvatorische Klausel in aller Regel zweigliedrig angelegt17. aa) Der erste Klauselteil versucht Schadensbegrenzung: Die Nichtigkeit der von der Ungültigkeitssanktion betroffenen Vertragsbestimmung soll begrenzt bleiben, der Restvertrag soll hiervon nicht betroffen werden. Dieser „Erhaltungsklausel" genannte Bestandteil lautet überwiegend wie
Teilnichtige Rechtsgeschäfte, 1968, S. 80 f. Gesetzes- und sittenkonforme Auslegung und Aufrechterhaltung von Rechtsgeschäften, 1983, S. 114 f, s. a. S. 41. " JZ 1989,411,415. 15 So aber BGHZ 49, 364, 365, für solche Klauseln in Gesellschaftsverträgen. 16 So J. Hager (Fn. 13), S. 41; Pierer von Esch (Fn. 12), S. 81. 17 Beispielfälle: BGH WuW/E 2109, 2110 ,Pronuptia / / " ; OLG Düsseldorf, WuW/E OLG, 1687, 1688; OLG Hamburg, NJW-RR 1987, 179; so besonders H. Westermann, in: Festschrift für Philipp Möhring, 1975, 135, 138; Michalski/Römermann, NJW 1994, 886. 12
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folgt: „Sollte eine der Bestimmungen dieses Vertrages nicht wirksam sein, so wird die Gültigkeit der anderen Bestimmungen hiervon nicht berührt." bb) Der zweite Klauselteil befaßt sich mit der Lücke des Vertrages, die durch die Nichtigkeit einzelner vertraglicher Regelungen entstanden ist. Diese Lücke soll dadurch geschlossen werden, daß anstelle der unwirksamen Regelung eine andere tritt, die dem wirtschaftlichen Zweck möglichst nahekommt. Häufige und typische Formulierung dieser sog. Ersetzungsklausel: „Die Vertragspartner verpflichten sich für den Fall der Unwirksamkeit einer Bestimmung, diese durch eine andere zu ersetzen, die dem wirtschaftlichen Zweck der unwirksamen Bestimmung am nächsten kommt." b) Beide Klauselbestandteile kommen natürlich in der Realität auch als isolierte, eigenständige salvatorische Klauseln vor. Es gibt Verträge, die lediglich eine Erhaltungsklausel enthalten18. Und wegen § 6 Abs. 1 AGBG benötigen Allgemeine Geschäftsbedingungen, als Vorsorge gegenüber den Risiken des AGB-Gesetzes, lediglich eine Ersetzungsklausel, die häufig lautet: „soweit rechtlich zulässig" 19 . c) Erhaltungs- und Ersetzungsklauseln sind also, wie man sieht, in ihren speziellen Strukturen und in ihrer jeweiligen Funktion zu unterscheiden. Deshalb ist der für beide Klauselarten eingebürgerte Ausdruck „salvatorische Klausel" leider nicht präzise und provoziert leicht Mißverständnisse. 2. Erhaltungsklauseln haben ihren spezifischen Bezug zu der Regelung des § 139 BGB. Diese im Zweifel zur Gesamtunwirksamkeit führende gesetzliche Regelung wird durch sie vertraglich in zulässiger Weise abbedungen 20 . Nach dem erklärten Willen der Vertragspartner tritt Unwirksamkeit des gesamten Vertrages nicht ein. Es bleibt bei der Unwirksamkeit der betroffenen vertraglichen Bestimmungen, bei der Teilunwirksamkeit; der Restvertrag ist gültig und wird weiter durchgeführt. Die in der Erhaltungsklausel festgelegte Regelung, daß der Restvertrag gültig sein soll, gilt aber nicht nur „im Zweifel", sie kann nicht dadurch widerlegt werden, daß der „mutmaßliche Wille" der Parteien
Z. B. BGHZ 72, 309, 315; BGH NJW 1977, 38,40; BGHZ 69,266. " Zur Frage der rechtlichen Gültigkeit solcher Klauseln: siehe unten. Mayer-Maly, in: Festschrift für Werner Flume, Bd. I, 1978, 621, 623; MünchKomm (.Mayer-Maly), BGB, 3. Aufl., § 139 Rdn. 4, 5; Soergel/Hefermehl, BGB, 12. Aufl., § 139 Rdn. 34; Lorenz, Allg. Teil, 7. Aufl., S. 462 i. V. m. Fn. 26; H. Westermann, in: Festschrift für Philipp Möhring, 1975, 135,139; Mediais, Allg. Teil, 4. Aufl., Rz. 510. 1!
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doch für eine Unwirksamkeit des gesamten Vertrages spricht21. Das hat der Bundesgerichtshof in der Pronuptia //-Entscheidung (WuW/E B G H 2909, 2913) gegenüber sich abzeichnenden gegenläufigen Tendenzen der Oberlandesgerichte22 zutreffenderweise23 klargestellt. Die Erhaltungsklausel stellt eine eindeutige vertragliche Regelung der Parteien dar, daß, im Falle der Unwirksamkeit einzelner vertraglicher Bestimmungen, der Vertrag im übrigen gültig ist und bestehenbleiben soll. Wer diese salvatorische Klausel nur als eine Umkehr der Vermutungsregelung des § 139 B G B interpretiert24, wird dem Sinn und Zweck der von den Parteien getroffenen Vereinbarung nicht gerecht. 3. Für die Ersetzungsklausel ist kennzeichnend der Bezug zu der durch die Unwirksamkeit vertraglicher Regelung(en) entstandenen Lücke im Vertrag. Sie zu schließen durch Schaffung einer neuen, nunmehr gültigen Bestimmung, welche anstelle der unwirksamen Regelung tritt, ist ihr Ziel. Über das Wesen dieser Ersetzungsklausel und ihre Wirkungen bei der Schaffung einer neuen vertraglichen Regelung besteht bisher wenig Klarheit. a) Nicht zu übersehen25 ist die Nähe der Ersetzungsklauseln zu den vertraglichen Anpassungsregelungen26. Auch diese intendieren die Schaffung einer neuen vertraglichen Bestimmung (welche durch Änderung der Verhältnisse erforderlich geworden ist). Die Deutung dieser Anpas, sungsregelungen bereitet aber vergleichbare Schwierigkeiten. b) Gelegentlich wird in der Ersetzungsklausel eine Regelung i. S. der §§ 315, 316 B G B gesehen27. Die Einräumung eines Gestaltungsrechts an einen der Vertragspartner in diesem Sinne ist indessen mit Wortlaut und 21 Ebenso ausdrücklich: H. Westermann, in: Festschrift für Philipp Möhring, 1975, 135, 139; Mayer-Maly, in: Festschrift für Werner Flume, Bd. 1,1978, 621, 623. 22 O L G Hamm, W u W / E O L G , 2187, 2189, „GaststättenunterpachtOLG Düsseldorf, W u W / E O L G , 3221, 3225, „Belieferung von SonderabnehmernOLG Frankfurt, W u W / E O L G , 3498, 3500, „Nassauische LandeszeitungOLG Hamburg, N J W - R R 1987, 179, 180; O L G Stuttgart, Z L R 1989, 60, 63. 23 Ohne allerdings nur eine einzige Entscheidung zu zitieren! 24 So Flume, Allg. Teil, 3. Aufl., § 31, 3; Peter Ulmer, in: Festschrift für Ernst Steindorff, 1990, 799, 805; Herbert Roth,]Z 1989,411,415. 25 H. Westermann, in: Festschrift für Philipp Möhring, 1975, 135, 136 f; Beyer, Salvatorische Klauseln, S. 5 f. 26 Hierzu etwa Ernst Steindorff, BB 1983, 1127 ff,/. F. Baur, Vertragliche Anpassungsregelungen, 1 9 8 3 ; / . F. Baur, in: Festschrift für Ernst Steindorff, 1990, 509 ff; Rainer M. Wiedemann, Preisänderungsvorbehalte, 1991; Lübke-Detring, Preisklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, 1988; Nelle, Neuverhandlungspflichten, 1994; Horn, N J W 1985, 1118 ff. 11 H. Baumann, N J W 1978, 1953; Garrn, JA 1981, 151, insbes. 155; und Lindacher, in: Wolf/Horn/Lindacher, AGBG, 3. Aufl., § 6, Tz. 41 ff.
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Sinn der allermeisten28 Ersetzungsklauseln 29 nicht vereinbar30. Diese verpflichten die Vertragspartner gemeinsam zur Mitwirkung bei der Konzeption einer neuen vertraglichen Bestimmung; es kann nicht die Rede davon sein, daß, wie in §§ 315 f BGB vorgesehen, ein Vertragsteil diese Bestimmung in alleiniger Zuständigkeit festlegen soll. c) Mit dem Sinngehalt solcher Klauseln besser vereinbar ist sicherlich die im Schrifttum herrschende Deutung der Klauseln als einer vorvertraglichen Regelung 31 . Danach sind die Vertragspartner für den Fall, daß eine vertragliche Regelung sich als ungültig herausstellt, verpflichtet, an deren Stelle eine neue Bestimmung zu treffen, welche nach Sinngehalt und wirtschaftlicher Bedeutung der alten und ungültigen möglichst weitgehend entspricht. Freilich: kommt es bei den Verhandlungen zwischen den Parteien über die zu schaffende neue Bestimmung zu keiner Einigung, so muß hierüber das Gericht nach Maßgabe der Anträge der Parteien entscheiden. Das kann zu einer Verdoppelung des Rechtswegs und zu einer erheblichen Verzögerung des Rechtsschutzes führen. Zunächst muß - quasi in einer Art „Vorverfahren" - das Gericht über Konzeption und Inhalt der neuen Regelung nach Maßgabe der vorvertraglichen Verpflichtung entscheiden; erst dann können in einem zweiten, dem „Hauptverfahren", die Leistungsansprüche aus dem Hauptvertrag geltend gemacht werden 32 . Die im Schrifttum angebotenen Wege, die zeitraubenden und kostentreibenden Konsequenzen dieser Konzeption der Ersetzungsklausel zu vermeiden, erscheinen entweder prozeßrechtlich wenig abgesichert33, oder aber sie ändern nichts34 an dem grundsätzlichen Gravamen, daß den Parteien ohne Not die Verfolgung eines zweiten zusätzlichen Anspruchs zugemutet wird, wenn sie Ansprüche aus dem Hauptvertrag geltend machen können. 28 Nicht zutreffend H. Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 7. Aufl., § 6 Rdn. 39: daß dem Verwender von AGB häufig durch diese Klausel ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht eingeräumt wird. 29 Siehe auch die statistische Auswertung von Formulierungsvorschlägen in Handbüchern durch Beyer, Salvatorische Klauseln, S. 57. 30 H. Westermann, in: Festschrift für Philipp Möhring, 1975, 135, 144; Fikentscher, Schuldrecht, 8. Aufl., Rdn. 92. 31 H. Westermann, in: Festschrift für Philipp Möhring, 1975, 135, 147; Michalski/ Römermann, NJW 1994, 886, 887; grundsätzlich wohl auch Beyer, Salvatorische Klauseln, S. 63 ff; Koch-Stühing, AGBG, 1977, § 6 Rdn. 5. 32 Soergel / Manfred Wolf, BGB, 12. Aufl., Rdn. 66 vor § 145; BGH WM 1971, 44, 45. 33 Dies gilt für die Lösung H. Westermann, in: Festschrift für Philipp Möhring, 1975, 135, 148 f. 34 Dies gilt für die von Beyer, Salvatorische Klauseln, S. 70, vorgeschlagene und zulässige (vgl. BGH NJW 1986, 2821) Klagehäufung.
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Zutreffend hat deshalb der B G H in anderem Zusammenhang, bei der Interpretation der Vertragsanpassungsklausel einer vergleichbaren Konstruktion, vorgehalten, sie liefe „auf einen bloßen Formalismus" hinaus und führe zu „unpraktikablen Verfahrensverdoppelungen"35. d) Der Bundesgerichtshof hat bisher eine dezidierte Stellungnahme darüber vermieden, wie Ersetzungsklauseln zu verwirklichen sind. In WuW/E B G H 1259, 1264, „Bremsrollen" ging es um die Klage eines Lizenzgebers gegen den Lizenznehmer auf die restlichen Lizenzgebühren. Dabei hatte sich der Kartellsenat des Bundesgerichtshofs mit einer Ersetzungsklausel zu befassen, „wonach die nichtige Vereinbarung durch die Bestimmung einer anderen zu ersetzen ist, durch die nach Möglichkeit der gleiche wirtschaftliche Erfolg erzielt wird". Wie diese Bestimmung im einzelnen lauten mag, das konnte, so meinte der Bundesgerichtshof, „auf sich beruhen". Denn nach Lage des Falls „kann der Beklagte aus der Bestimmung, die anstelle der nichtigen Vereinbarung tritt, keine Rechte herleiten". In B G H BB 1980, 336, 337, wird „eine in einer Globalabtretungserklärung enthaltene, zu weit gehende und daher unwirksame Regelung auf eine Regelung mit eingeschränktem und daher zulässigem und von den Parteien gewollten Inhalt zurückgeführt". Grundlage für diese geltungserhaltende Reduktion war eine Ersetzungsklausel. Zu ihr bemerkte der VIII. Zivilsenat, „daß (durch eine solche Klausel) eine ungültige Bestimmung durch eine gültige Bestimmung ersetzt wird, ist keineswegs zu unbestimmt, um rechtliche Wirkung zu entfalten ... Allerdings darf ... eine Auslegung nicht dazu führen, daß der Vertrag durch Änderung seines wesentlichen Inhalts einen anderen Charakter erhält". Und in NJW 1983, 159, 162, erblickt derselbe Senat in einer in einem Automatenaufstellvertrag enthaltenen Ersetzungsklausel eine Aufforderung an das Gericht, die hier als eine „Zumutung gegenüber dem Gericht" bezeichnet wird, den gerade noch zulässigen Inhalt unwirksamer Klauseln zu ermitteln. e) Auch wenn, wie diese letztere Formulierung beweist, der Senat erhebliche Bedenken gegenüber der rechtlichen Wirksamkeit gerade dieser Ersetzungsklausel hatte, so ist doch hier, ebenso wie in den vorhergehenden Fällen, die Position des Bundesgerichtshofs in der Sache eindeutig. . . . Nicht die Parteien sind vertraglich verpflichtet zur Schaffung der an die Stelle der ungültigen Regelung tretenden neuen vertraglichen Bestimmung. Vielmehr ist es die Aufgabe des Gerichts, vor dem Ansprüche aus einem teilweise ungültigen Vertrag geltend gemacht werden, J5
BGH WM 1971, 352, 353.
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die unwirksame Klausel durch eine andere, durch eine wirksame zu ersetzen36. Und hierzu ist es durch die Parteien aufgrund der Ersetzungsklausel ermächtigt worden. Dem entspricht die Position des Bundesgerichtshofs (V. Zivilsenat) bei der verwandten Problematik der Realisierung der Vertragsanpassungsklauseln 37 . Auch hier ist es das Gericht, dem es - bei Scheitern der Bemühungen der Parteien - obliegt, eine neue Klausel anstelle der alten Bestimmung zu schaffen, und das hierzu durch die Parteien vertraglich ermächtigt ist38. III. Wirkungsgrenzen salvatorischer Klauseln 1. Die Frage nach den Grenzen der Wirkung salvatorischer Klauseln hat die Judikatur wiederholt beschäftigt. Vor allem die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte 39 neigt dazu, diese Grenzen recht eng zu ziehen. Dabei hatte sich folgendes Argumentationsmuster herausgebildet: salvatorische Erhaltungsklauseln schlössen die Gesamtnichtigkeit der Unwirksamkeit einer vertraglichen Bestimmung nicht etwa generell aus; sie ersetzten vielmehr den Grundsatz des § 139 BGB durch dessen Ausnahmen40. Zu fragen sei deshalb stets, ob die Vertragsbeteiligten die Aufrechterhaltung des Vertrages auch bei Nichtigkeit gerade dieser Klausel gewollt hätten. Ein solcher Parteienwille sei stets zu verneinen bei wichtigen41, wesentlichen42, grundlegenden 43 , schwerwiegenden 44 Vertragsbestimmungen, bei vertraglichen Regelungen, die den gesamten Vertrag in seiner wirtschaftlichen Funktion und Ausgewogenheit bestimmten45. Welche Klauseln hierzu typischerweise gehören, das bleibt ganz der tatrichterlichen Würdigung überlassen. Damit wurde die mit dem Einbau salvatorischer Klauseln von den Parteien gewollte Vertragssicherheit im nachhinein durch die Gerichte konterkariert. 2. Es ist daher zu begrüßen, daß der Bundesgerichtshof in der vor kurzem ergangenen Pronuptia //-Entscheidung (WuW/E BGH 2909, Vgl. OLG Hamburg, WM 1988, 913,14. BGHZ 81, 135, 146; BGH WM 1971, 352, 353; BGH WM 1978, 228, 229. 38 J. F. Baur, in: Festschrift für Ernst Steindorff, 1990, 509, 516 ff; Soergel/Huber, BGB, 12. Aufl., Rdn. 161 ff, vor § 433. 39 Die Entscheidung des II. Zivilsenats, BGH DB 1976, 2106, 2107, ist vereinzelt geblieben. 40 OLG Hamm, WuW/E OLG, 2187, 2189, „ G a s t s t ä t t e n u n t e r p a c h t " ; OLG Düsseldorf, WuW/E 3221, 3225, „Belieferung von Sobderabnebmern". 41 OLG Hamburg, NJW-RR 1987,179,181. 42 OLG Hamm, WuW/E OLG 2187, 2189. 43 OLG Stuttgart, ZIP 1989,60,63 f. 44 BGH DB 1976,2106,2107. 45 OLG Düsseldorf, WuW/E OLG, 3221, 3225. 36
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2913) die Maßstäbe zurechtgerückt und dafür gesorgt hat, daß Funktion und Wirkung salvatorischer Klauseln zum Tragen kommen. Liegt eine salvatorische (Erhaltungs)klausel vor, dann, so lehrt der Kartellsenat, ist ein Abstellen auf den mutmaßlichen Parteienwillen nicht veranlaßt. Es ist nicht zu fragen, ob die Parteien den Vertrag ohne die nichtige Bestimmung überhaupt abgeschlossen oder ob sie wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen der Teilnichtigkeit hiervon abgesehen hätten. Dieser Feststellung hätten die Vertragsparteien durch Vereinbarung der Erhaltungsklausel selbst die Grundlage entzogen. Diese Erhaltungsklausel ist „eindeutig und einer Auslegung etwa dahingehend, daß ihre Geltung auf Abreden ohne wirtschaftliche Auswirkungen beschränkt sein soll, nicht zugänglich". Entscheidend ist allein, ob die nichtige Abrede vom übrigen Vertragsinhalt abtrennbar ist. Ist das der Fall, so kann, so der Bundesgerichtshof, die salvatorische Klausel die Nichtigkeit beschränken. 3. Teilbarkeit des Rechtsgeschäfts, Abtrennbarkeit des zu erhaltenden Vertragskomplexes von den nichtigen vertraglichen Bestimmungen ist in der Tat Voraussetzung f ü r das Wirksamwerden von salvatorischen Erhaltungsklauseln. Bleibt bei Nichtigkeit vertraglicher Regelungen kein selbständiger geltungsfähiger Vertragsinhalt zurück, so führt die Nichtigkeit zur Gesamtnichtigkeit 46 . Die salvatorische Klausel findet keinen Ansatzpunkt, u m wirksam werden zu können. Solche Fälle mangelnder Trennbarkeit werden etwa in Fällen gesehen, in denen Pflicht zur Leistung bzw. Gegenleistung 47 nichtig ist, mit deren Wegfall also ein Vertragstorso ohne Leistungs- bzw. ohne Gegenleistungspflicht übrig bliebe. Gleiches hat der Bundesgerichtshof ( W u W / E B G H 1000, 1003) für einen Liefervertrag entschieden, im Rahmen dessen vereinbart war, daß für die - aus kartellrechtlichen Gründen nichtige - Gewährleistung von absolutem Gebietsschutz eine Ausschließlichkeitsgebühr zu bezahlen war. 4. Mangelnde Trennbarkeit ist indessen kein Hindernis f ü r salvatorische Klauseln schlechthin: K o m m t eine Ersetzungsklausel zum Einsatz, so spielt die Frage nach Teilbarkeit bzw. Nichtteilbarkeit vertraglicher Regelungskomplexe keine Rolle 48 . Mit der aufgrund der Ersetzungsklausel erfolgten Einfügung der neuen gültigen Regelung anstelle der alten ungültigen Bestimmung, ist
« Allg. Meinung: MünchKomra (Mayer-Maly), BGB, § 139 Rdn. 20; Flame, Allg. Teil, § 32, 2 c; Medicus, Allg. Teil, Rz. 505; Soergel/Hefermehl, BGB, § 139 Rdn. 23. 47 Flume, Allg. Teil, § 32, 2 a; MünchKomm {Mayer-Maly), BGB, § 139 Rdn. 20. ™ Ebenso auch Medicus, Allg. Teil, Rz. 505 mit Rz. 512; es ist nicht anders als bei der Konversion nach § 140 BGB; hierzu Flume, Allg. Teil, § 32, 2 c.
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der Vertrag insgesamt komplett und gültig49; es besteht keine Nichtigkeit mehr, weder Teilnichtigkeit noch Gesamtnichtigkeit. Die Grenzen, welche dem Einsatz von Ersetzungsklauseln gezogen sind, müssen daher nach anderen Kriterien bestimmt werden. a) Rechtsprechung und Schrifttum haben sich diesem Problem ausführlich nur in einem ganz speziellen Zusammenhang zugewandt, nämlich wieweit mit Hilfe salvatorischer Klauseln Allgemeine Geschäftsbedingungen, welche wegen Verstoßes gegen das AGB-Gesetz unwirksam sind, durch gültige AGB ersetzt werden können. Die dort gefundenen Lösungen (zu ihnen unter IV) sind spezifisch durch Sinn und Zweck des AGB-Gesetzes geprägt und daher nicht verallgemeinerungsfähig. b) Auch der verbreitete Hinweis 50 auf das Erfordernis der Bestimmtheit der Klausel führt nicht weiter. Dieses Erfordernis ist in aller Regel gegeben. c) Ersetzungsklauseln können sicherlich nicht zum Einsatz kommen, wenn es um die Ersetzung einer Mehrzahl tragender vertraglicher Regelungen geht. Zwangsläufig würde sich dann der Charakter des Vertrages ändern: die neu zu schaffenden Regelungen müßten in ihrem gegenseitigen Verhältnis zueinander und zu den restlichen Bestimmungen des Vertrages gewichtet und aufeinander abgestimmt werden. Hierzu sind nur die Vertragsparteien fähig, nicht aber ein unbeteiligter Dritter, auch nicht ein Gericht. Es scheint, daß der Bundesgerichtshof dies nicht anders sieht. Mehrfach 51 hat er die von ihm ansonsten in ständiger Rechtsprechung praktizierte Reduktion 52 von wegen Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB nichtigen Verträgen auf einen sittengemäßen Inhalt abgelehnt, wenn wegen der Anzahl der nichtigen Bestimmungen der Vertrag nur durch eine richterliche Neukonzeption gerettet werden könnte: einige Bestimmungen müßten dann ersatzlos wegfallen, andere auf eine sittengemäße Regelung zurückgeführt werden. „Diese notwendigen Änderungen würden jeweils zu einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung führen, die vom Parteienwillen nicht mehr getragen wird. Eine derartig weitgehende Umgestaltung des Vertrages 49 Beyer, Salvatorische Klauseln, S. 110; im Ergebnis auch FK (Kiiblborn), GWB, § 15 Rz. 63. 50 H. Westermann, in: Festschrift für Philipp Möhring, 1975, 135, 137; Beyer, Salvatorische Klauseln, S. 65 f. 51 BGHZ 51, 55, 57; BGH NJW 1983, 159, 162; im Grundsatz bestätigend auch BGH NJW 1985,53,56. 52 Zu den Zufälligkeiten der Rspr. umfassend und sehr kritisch: Larenz, in: Festschrift für Ernst Steindorff, 1990, 519; ferner Herbert Roth, JZ 1989, 411.
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ist nicht Aufgabe des Senats53." Es ist nicht davon auszugehen, daß die Vertragsparteien mit der Vereinbarung einer Ersetzungsklausel die richterliche Befugnis zur Vertragsgestaltung über die genannten Grenzen hinaus erweitern wollten. Hiergegen spricht der regelmäßige Wortlaut sowie Sinn und Zweck dieser Klauseln. Es geht nur um die Reparatur einzelner unwirksamer Klauseln, nicht aber um die Umgestaltung des Vertrages insgesamt.
IV. Salvatorische Klauseln und Allgemeine Geschäftsbedingungen 1. Die sehr unübersichtlich geführte Diskussion zu den Stichworten „salvatorische Klauseln" und „Allgemeine Geschäftsbedingungen" hat verschiedentlich zu Mißverständnissen, ja sogar zu dem Eindruck geführt, daß salvatorische Klauseln, da regelmäßig formularmäßig vereinbart, durch das Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen mehr und mehr beseitigt würden54. Davon kann indessen keine Rede sein. a) Soweit vorformulierte salvatorische Klauseln auf Vertragsbestimmungen einwirken, deren Ungültigkeit nicht auf dem AGB-Gesetz, sondern auf anderen Gesetzen, insbesondere dem deutschen und europäischen Kartellrecht, beruht, entfalten diese Klauseln ihre volle Wirkung55. b) Erhaltungsklauseln sind unter dem Aspekt des AGB-Gesetzes irrelevant. Da bei der Ungültigkeit einzelner Allgemeiner Geschäftsbedingungen nach § 6 Abs. 1 A G B G Teilnichtigkeit gilt, hat die Erhaltungsklausel insoweit keine Funktion. c) Diskutiert wird nur die Wirksamkeit von Ersetzungsklauseln, soweit diese auf Allgemeine Geschäftsbedingungen treffen, die wegen Verstoßes gegen das ABG-Gesetz unwirksam sind. 2. Die spezifisch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen anzutreffende salvatorische Klausel „soweit rechtlich (oder gesetzlich) zulässig", ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH 5 6 nicht geeignet, die Unwirksamkeit der gegen das AGB-Gesetz verstoßenden Regelung zu beseitigen. Nach Sinn und Zweck des AGB-Gesetzes 57 soll der Verwender und nicht der Kunde das Risiko der Unwirksamkeit von Allgemeinen GeBGH NJW 1983, 159,162. Vgl. Fn. 14. 55 P. Ulmer, in: Festschrift für Ernst Steindorff, 1990, 799, 805. 56 BGHZ 93,29,48; 100,117; 109,240,248; BGH NJW 1991,2630,2632. " Grundlegend: BGHZ 84, 109, 116. 53 54
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schäftsbedingungen tragen. Diesem soll die Möglichkeit sachgerechter Information über die ihn aufgrund der Allgemeinen Geschäftsbedingungen treffenden Rechte und Pflichten verschafft werden. Es geht daher nicht an, daß der Kunde erst im Rechtsstreit die zutreffende, vom Richter aufgrund einer salvatorischen Klausel zurechtgeschneiderte Bestimmung erfährt. Diese Grundsätze gelten auch für andere Ersetzungsklauseln, gleich welchen Inhalts58. Sie entfalten in bezug auf solche Vertragsbestimmungen keine Wirkung, welche aus Gründen des AGB-Gesetzes unwirksam sind59. 3. Die überwiegende Meinung 60 will freilich solchen Klauseln die Wirkung nicht versagen, soweit sie Gegenstand einer Individualabrede i. S. von § 1 Abs. 2 AGBG 61 sind. Damit will man wohl dem Umstand Rechnung tragen, daß in vielen professionell zwischen Unternehmen abgeschlossenen Verträgen ein von beiden Vertragsparteien bejahtes Bedürfnis für den Einsatz von salvatorischen Klauseln auch dann besteht, wenn AGB-rechtliche Nichtigkeitsgründe vorliegen. Freilich erscheint es schwer vorstellbar, daß gerade die salvatorische Klausel individualrechtlich ausgehandelt wird. Man übernimmt sie - vorformuliert - , denn man ist von ihrer Notwendigkeit gemeinsam überzeugt. V. Wirkungen salvatorischer Klauseln 1. Nach alledem besteht nach wie vor begründeter Anlaß für vertragschließende Unternehmen, salvatorische Klauseln (Erhaltungs- und Ersetzungsklauseln) in langfristigen Verträgen mit bedeutsamen wirtschaftlichen Konsequenzen zu vereinbaren. 2. Salvatorische Erhaltungsklauseln spielen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung von Austauschverträgen zwischen Unternehmen, insbesondere mit wettbewerbsbeschränkenden, nach Kartellrecht nichtigen Abreden 62 . Mit dem Wegfall der nichtigen Abrede bleibt der Vertrag in aller Regel funktionsfähig.
58 H. Schmidt, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG § 6, Rdn. 40; Brandner, aaO, § 9 Rdn. 51; Soergel / U.Stein, BGB, AGBG § 6, Rdn. 18; Palandt/Heinrichs, BGB, AGBG § 6, Rdn. 7. 59 Das schließt die Wirkung auf Vertragsbestandteile nicht aus, die aus anderen Gründen (etwa kartellrechtlichen) unwirksam sind. 60 S. H. Schmidt/Stein/Heinrichs, aaO (Fn. 58). 61 Zu der Voraussetzung: Ulmer, in: Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, § 1, Rdn. 40 ff. 62 Z. B. BGH WuW/E 2909; BGH WuW/E 1988; BGH WuW/E 1525; BGH WuW/E 1259; OLG Köln, WuW/E OLG 1715; OLG Düsseldorf, WuW/E OLG 1683.
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3. Salvatorische Ersetzungsklauseln können auch da noch zur Geltung kommen, wo die Erhaltungsklausel mangels Trennbarkeit versagt, etwa, weil durch den Wegfall von vertraglichen Leistungen bzw. Gegenleistungen die sygnallagmatische, von den Parteien gewollte Beziehung zwischen diesen Verpflichtungen zerbrochen ist. 4. Damit gewährleisten salvatorische Klauseln weit über die eng begrenzten Fälle hinaus, in denen der Richter bei nichtigen Vertragsbestimmungen auch ohne Ermächtigung der Parteien Rettungsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung des Vertrages betreibt63, Sicherheit für die Vertragsparteien bei der Durchführung der Vereinbarung.
63 Hierzu und zur mangelnden Konsequenz dieser richterlichen Rechtsbildung: ris, in: Festschrift für Ernst Steindorff, 1990, 519 ff.
Cana-
Objektive oder subjektive Marktabschottung? E i n B e i t r a g z u r A u s l e g u n g des A r t . 3 6 S a t z 2 E G V
FRIEDRICH-KARL BEIER
D i e seit ü b e r 2 0 J a h r e n aktuelle F r a g e , o b u n d in w e l c h e n F ä l l e n d e r P a r a l l e l i m p o r t v o n A r z n e i m i t t e l n aus e i n e m a n d e r e n M i t g l i e d s t a a t n a c h A r t . 3 0 , 3 6 E G V zulässig o d e r u n z u l ä s s i g ist, b e s c h ä f t i g t die d e u t s c h e n G e r i c h t e n a c h w i e v o r in z a h l r e i c h e n , d u r c h feinsinnigste S a c h v e r h a l t s v a r i a n t e n v o n e i n a n d e r u n t e r s c h i e d e n e n F ä l l e n , u n d die d e u t s c h e n G e richte beschäftigen damit den Gerichtshof der Europäischen
Gemein-
s c h a f t e n . I n drei V o r l a g e b e s c h l ü s s e n v o m 2 7 . J a n u a r 1 9 9 4 1 h a t d e r B G H d e m Gerichtshof folgende Fragen z u r Vorabentscheidung vorgelegt2: a) Ist der Inhaber einer mit Wirkung für den Mitgliedstaat A international registrierten Marke (IR-Marke) gemäß Art. 36 EWG-Vertrag befugt, unter Berufung auf das Markenrecht zu verhindern, daß ein Importeur von der Markeninhaberin in dem Mitgliedstaat B mit der IR-Marke versehene und dort unter der IR-Marke in den Verkehr gebrachte, im Mitgliedstaat A verschreibungspflichtige Arzneimittel aufkauft, diese entsprechend den - in dem Mitgliedstaat A herrschenden, auf einer Empfehlung von Spitzenverbänden (u. a. der pharmazeutischen Industrie) beruhenden, von den im Mitgliedstaat B auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Packungsgrößen abweichenden - Verschreibungsgewohnheiten der Arzte neu konfektioniert und in einer vom Importeur gestalteten äußeren Verpackung in dem Mitgliedstaat A in den Verkehr bringt, wenn in dieser Verpackung eine Originalpackung mit Original-Blistern aus dem Mitgliedstaat B sowie einzelne weitere beschnittene Original-Blister enthalten sind und die Umverpackung ein ausgeschnittenes Fenster aufweist, durch das die auf der Originalpackung enthaltene IR-Marke sichtbar wird, wobei die Umverpackung zwar einen Hinweis auf die Abpackung und den Vertrieb durch den Importeur, jedoch keinen Hinweis auf den Hersteller aufweist? b) Genügt es für die Annahme einer verschleierten Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten im Sinne von Art. 36 Satz 2 EWG-Vertrag, daß die Geltendmachung des nationalen Zeichenrechts im Zusammenhang mit dem von dem IR-Markeninhaber angewandten Vermarktungssystem objektiv zu einer Abschottung der Märkte zwischen den Mitgliedstaaten führt oder ist hierfür der Nachweis erforderlich, daß der IR-Markeninhaber sein Markenrecht mit dem von ihm angewandten Vermarktungssystem mit dem Ziel einsetzt, eine künstliche Abschottung der Märkte zu bewirken?"
1 Az. I ZR 234/91 - „ M e x i t i l A z . 191/91 - „Kerlone" und Az. I ZR 65/92 „Sermion". 2 Aus Platzgründen haben wir nur den ersten, nämlich den nachstehend wiedergegebenen in G R U R Int. abgedruckt (1994, 521) und uns bei den anderen darauf beschränkt, in einer Fußnote auf die Sachverhaltsunterschiede der im übrigen gleichlautenden Entscheidungen hinzuweisen.
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Nunmehr hat auch das O L G Köln mit Beschluß vom 29. Juli 19943 dem Gerichtshof einen ähnlichen Fall zur Vorabentscheidung vorgelegt. Die vier Vorlagebeschlüsse haben eines gemeinsam, nämlich, daß es den vorlegenden Gerichten gelungen ist, den zu entscheidenden Sachverhalt mit allen Besonderheiten in einem einzigen Satz als abstrakte, nach Art. 30, 36 EWGV zu entscheidende „Rechtsfrage" zu formulieren, wobei, wenn ich richtig gezählt habe, die sachverhaltsbezogene „Rechtsfrage" im Falle „Mexitil" 157 Wörter umfaßt, während das O L G Köln mit 234 Worten in einem Satz den Rekord aufgestellt hat. Ob es sinnvoll ist, den Gerichtshof, unser höchstes europäisches Gericht, mit solchen „Rechtsfragen" zu befassen, darüber zum Schluß dieses Beitrages noch einige Worte. Ich jedenfalls habe nicht die Absicht, mich zu der Frage zu äußern, ob es einen nach Gemeinschaftsrecht erheblichen Unterschied macht, „wenn z. B. auf der neuen Packung nicht nur der Hersteller und Importeur, sondern auch angegeben ist, von wem das Erzeugnis umgepackt wurde, wenn aber a) der Hinweis, von wem das Erzeugnis umgepackt wurde, nicht ausreichend deutlich auf der äußeren Verpackung angebracht ist, so daß er von den Verkehrskreisen übersehen werden kann, und bzw. oder ..." (OLG Köln).
Erörtern möchte ich vielmehr in diesem Beitrag die in allen vier Vorlagebeschlüssen gestellte und übereinstimmend formulierte Frage, die im Titel dieses Beitrages angesprochen ist. Nach meiner Ansicht ergibt sich die Antwort auf die Frage „objektive oder subjektive Marktabschottung" bereits aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, nämlich aus dem grundlegenden Urteil des Gerichtshofs vom 23. Mai 1978 in der Rechtssache Hoffmann-LaRoche ./. Centrafarm4, dem Urteil des Gerichtshofs vom 10. Oktober 1978 in der Rechtssache Centrafarm ./. American Home Products5 und dem Urteil vom 3. Dezember 1981 in der Rechtssache Pfizer./. Eurim-Pbarm1'. Der B G H hat sich in seiner Hoffmann-LaRocbe-Folgeentscheidung vom 10. November 19837 mit der Frage auseinandergesetzt und die Auffassung des Berufungsgerichts gebilligt, daß es maßgeblich auf die „Künstlichkeit" der Marktabschottung ankomme und, wenn diese nicht vorliege, die Frage dahingestellt bleiben könne, ob das Vermarktungssystem objektiv zur Marktabschottung beitrage oder ob ein subjektiv mißbräuchliches Verhältnis des Marktinhabers nachgewiesen werden müsse.
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MPA Pharma GmbH ./. Rhone Pouleni Pharma 1. 10. 1994. 4 GRURInt. 1978,291. 5 GRUR Int. 1979,99 (Rechtssache 3/78). ' GRUR Int. 1982, 187 (Rechtssache 1/81). 7 Az. I ZR 125/81, GRUR Int. 1984, 240.
GmbH,
ABI. Nr. C 275/19 vom
Objektive oder subjektive Marktabschottung?
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Die neuen drei Fälle hätten dem B G H m. E. Gelegenheit gegeben, die Frage der objektiven oder subjektiven Markenabschottung entweder für unbeachtlich zu erklären oder sie selbst zu entscheiden. B G H und O L G Köln haben es indessen vorgezogen, den Gerichtshof um diese Entscheidung zu bitten. Wie ist diese Frage unter Berücksichtigung der früheren und der neueren Rechtsprechung des Gerichtshofs zu beantworten? I. 1. Auszugehen ist von der grundlegenden Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hoffmann-LaRoche ./. Centrafarm vom 23. Mai 19788. In dieser Entscheidung hat es der Gerichtshof zunächst im Sinne von Art. 36 Satz 1 für gerechtfertigt erklärt, daß dem Zeicheninhaber das Recht eingeräumt wird, sich dagegen zur Wehr zu setzen, daß der Importeur eines Markenerzeugnisses nach dem Umpacken der Ware das Warenzeichen ohne Zustimmung des Zeicheninhabers auf der neuen Umhüllung anbringt" (Erwägung 8 der Entscheidungsgründe). In der vorhergehenden Erwägung 7 hatte er die Befugnis des Markeninhabers, sich der Anbringung des Warenzeichens durch einen Dritten nach Umpacken des Erzeugnisses zu widersetzen, als Teil seines ausschließlichen Benutzungsrechts und als zum spezifischen Gegenstand des Warenzeichens gehörig bezeichnet. Er hat dabei - wie in anderen Urteilen zum spezifischen Gegenstand des Warenzeichenrechts - auf die Hauptfunktion des Warenzeichens abgestellt, die darin besteht, dem Verbraucher oder Endabnehmer die „Ursprungsidentität des gekennzeichneten Erzeugnisses zu garantieren". Diese Interpretation des spezifischen Gegenstands (Schutzzwecks) des Warenzeichenrechts, dessen Gewährleistung gegen Verfälschungen der grundlegenden Herkunftsgarantie notwendigerweise die Anerkennung eines unbeschränkten Rechts des Markeninhabers zur Kennzeichnung der Ware auch nach ihrem Inverkehrbringen zur Folge hat, steht in vollem Einklang mit dem in Deutschland und in den übrigen Mitgliedstaaten der E G von Rechtsprechung und Lehre übereinstimmend beurteilten Schutzzweck des Warenzeichenrechts9. 2. Die Bedeutung, die der EuGH dem ausschließlichen Kennzeichnungsrecht des Markeninhabers für den Schutz des Warenzeichenrechts beimißt, ergibt sich auch aus seiner nur wenige Monate später ergangenen Vorabentscheidung in Sachen Centrafarm ./. American Home
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Vgl. oben Fn. 4. Vgl. dazu mit näheren Nachweisen Beier, G R U R Int. 1978, 263 ff.
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Products vom 10. Oktober 197810. Dort heißt es - noch deutlicher als in der Hoffmann-LaRoche-Entscheidung vom 23. Mai 1978 - in den Erwägungen 13 und 14: „(13) Diese Herkunftsgarantie schließt ein, daß nur der Inhaber das Erzeugnis durch die Anbringung des Warenzeichens identifizieren darf. (14) Die Herkunftsgarantie wäre gefährdet, wenn es einem Dritten gestattet wäre, das Warenzeichen auf der Ware - mag sie auch vom Zeicheninhaber abstammen - anzubringen."
Auch Generalanwalt F. Capotorti läßt in seinen Schlußanträgen keinen Zweifel daran, daß es für die nach Art. 36 Satz 1 geschützte Hauptfunktion des Warenzeichens, nämlich die „Ursprungsidentität des gekennzeichneten Erzeugnisses zu garantieren", entscheidend ist, daß dem Markeninhaber das ausschließliche Recht zusteht, die Ware durch Anbringung des Zeichens als ein von ihm stammendes Erzeugnis zu identifizieren und daß sowohl im Falle Hoffmann-LaRoche wie in dem andersgelagerten Fall American Home11 die mißbräuchliche Verwendung der geschützten Warenzeichen durch Centrafarm darin besteht, „sich die Identifikation des Erzeugnisses angemaßt zu haben, die ausschließlich dem Inhaber des Warenzeichens zusteht". 3. Im Einklang mit dieser Rechtsauffassung steht auch die spätere, zur Frage des Parallelimports von Arzneimitteln ergangene Vorabentscheidung des EuGH vom 3. Dezember 1981 in Sachen Pfizer, Inc../. EurimPharm GmbH12. In dieser Entscheidung hat der EuGH vom Fall der erneuten Anbringung der Marke auf Ware und Verpackung ( H o f f m a n n LaRoche) jene Fälle abgegrenzt, in denen der Parallelimporteur, ohne die Ware erneut mit der Marke zu versehen, lediglich die äußere Umhüllung eines vom Zeicheninhaber in einem anderen Mitgliedstaat in Verkehr gebrachten pharmazeutischen Erzeugnisses ersetzt, aber dafür Sorge trägt, daß die - unberührt gebliebene - innere Verpackung mit dem vom Hersteller darauf angebrachten Warenzeichen durch die neue, äußere Umhüllung hindurch sichtbar bleibt. In diesem sehr speziell gelagerten Fall hatte der EuGH bereits einen nach Art. 36 Satz 1 EGV gerechtfertigten Eingriff in den spezifischen Gegenstand des Warenzeichenrechts verneint, nämlich einmal, weil der Parallelimporteur das ausschließliche Kennzeichnungsrecht des Markeninhabers unangetastet lasse und zum anderen, weil das Umpacken unter den konkreten Umständen keine Gefahr mit sich bringe, daß die Waren Manipulationen oder Einflüssen ausgesetzt werden, die ihren OriginalRechtssache 3/78, G R U R Int. 1979, 99 (104). " Rechtssache 3/78, G R U R Int. 1979, 99 ff (106/7). 12 Rechtssache 1/81, G R U R Int. 1982,187, mit Schlußanträgen des Capotorti. 10
Generalanwalts
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zustand berühren. Obwohl der EuGH in der Erwägung 11 der Entscheidungsgründe diesen letzteren Gesichtspunkt in den Vordergrund zu stellen scheint, ergibt sich jedoch aus der Erwägung 10, in der auf das Belassen und Sichtbarmachen des vom Hersteller auf der inneren Verpackung angebrachten Warenzeichens hingewiesen wird, sowie aus dem Gesamtkontext des Urteils zweifelsfrei, daß der EuGH auch und gerade diesen Umstand als einen entscheidungserheblichen Unterschied zum Fall Hoffmann-LaRoche betrachtet. Auch Generalanwalt Capotorti weist in Ziff. 4 seiner Schlußanträge13 auf diesen Unterschied hin, wenn er ausführt, im Fall Hoffmann-LaRoche hatte sich das Umpacken „auf die gesamte Verpackung (Blister und Schachteln) erstreckt, und der Importeur hatte auf die neue Verpackung das Markenzeichen des Herstellers aufgedruckt". Die Entscheidung des EuGH im Fall Pfizer ./. Eurim-Pharm liegt sowohl im Ergebnis wie in der Begründung auf einer Linie mit dem rund einen Monat zuvor ergangenen Urteil des B G H in Sachen Hoechst ./. Eurim-Pharm14. 4. Ich gestehe, daß ich für die vom EuGH und B G H vorgenommene Differenzierung dieser Umpackungsvorgänge vom Fall der Neukennzeichnung noch nie Verständnis aufbringen konnte. Für mich ist jede Änderung der Umhüllung oder Verpackung, auch der äußeren Verpackung eines Markenartikels, ein Eingriff in das ausschließliche Kennzeichnungsrecht des Markeninhabers. Das Sichtbarmachen der auf der inneren Umhüllung vom Markeninhaber angebrachten Marke durch Öffnung und andere Änderungen der äußeren Verpackung ist m. E. nichts anderes als eine unzulässige Manipulation der Markenware, eine Umgehung des vom EuGH und B G H im Einklang mit der allgemeinen Rechtsauffassung anerkannten Verbots der Neukennzeichnung der Ware durch nichtbefugte Dritte15. Die Begründung des B G H (S. 128/29) greift zu kurz, wenn er allein auf die mögliche Beeinträchtigung der aus der Herkunftsfunktion abgeleiteten Garantiefunktion abstellt und nur solche Änderungen der verpackten Originalware für unzulässig hält, die das Vertrauen der Verbraucher in die gleichbleibende Beschaffenheit und Qualität der Ware beeinträchtigen können. Insoweit schließe ich mich der schon Ende der 70er Jahre von Hefermehl und Fezer vertretenen Auffassung an, daß
G R U R Int. 1982,190. G R U R Int. 1982, 127 - „ Öffnungsbinweis". 15 A. A. Sack, der zu den verschiedenen Umpackvorgängen Stellung nimmt und z. B. die Sichtbarmachung der Marke durch Öffnung der äußeren Verpackung unter bestimmter Voraussetzung für zulässig erklärt. 13 14
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Ware und Verpackung eines Markenartikels regelmäßig eine geschützte Einheit bilden, mit der Folge, daß sich das Kennzeichnungsrecht des Markeninhabers auch auf die Verpackung seiner Ware beziehe und diese damit insgesamt vor Dritteinwirkung geschützt sei16. Ergänzend sei auf eine neue Untersuchung von Marc Stuckel" hingewiesen, in der mit überzeugender Begründung die „Integrität von Marke, Ware und Verpackung" (so der Titel der Untersuchung) herausgestellt wird. Unter Hinweis auf die überragende Bedeutung, die im modernen Markenartikelvertrieb der Gestaltung von Verpackung, Ware und Marke innerhalb des Marketingkonzepts des Markeninhabers zukommt, gelangt Stuckel mit Hefermehl und Fezer zu dem Ergebnis, daß Marke, Ware und Verpackung eine markenrechtlich geschützte Einheit bilden. Nicht nur eine Verletzung oder Gefährdung der Qualität der Ware, sondern auch eine Beschädigung der Verpackung oder eine Verunstaltung des äußeren Erscheinungsbildes der Ware kann die Eigenart des Produktes beeinträchtigen18. Hinzugefügt sei, daß jeder Eingriff in die oft mit großem Aufwand gestaltete Verpackung, die nicht selten sogar Urheber- oder geschmacksmusterrechtlich geschützt ist, das Produktimage des Markenartikels, insbesondere eines Luxus- und Geschenkartikels, erheblich beeinträchtigen und seine Durchsetzung im Verkehr gefährden kann. II. Aber diese Frage soll in diesem Beitrag nicht weiter vertieft, insbesondere nicht auf die Nuancen im Sachverhalt der vier Vorlageentscheidungen eingegangen werden. Es geht mir, wie erwähnt, nur um die in allen vier Fällen in übereinstimmender Formulierung dem Gerichtshof vorgelegte Frage, ob es zur Annahme einer „künstlichen Abschottung der Märkte" im Sinne des Art. 36 Satz 2 nur auf die objektiven Auswirkungen der Geltendmachung von Warenzeichenrechten in Verbindung mit dem Vertriebssystem des Herstellers ankommt oder ob darüber hinaus auch noch ein subjektives, finales Verhalten des Markeninhabers nachgewiesen werden muß, nämlich sein Ziel, die einzelnen Märkte willkürlich voneinander abzuschotten.
" Vgl. Hefermehl!Fezer, in Hefermehl/Ibsen/Schluep/Sieben (Hrsg.), Nationaler Markenschutz und freier Warenverkehr in der Europäischen Gemeinschaft, München 1979, S. 133; Fezer, Anmerkung zur Hoffmann-LaRoche-Entscheidung, G R U R 1978, 604, 605. 17 Marc Stuckel, Die Integrität von Marke, Ware und Verpackung — Rechtsfragen des Markenartikelvertriebs in Frankreich und Deutschland, Köln etc. 1991. 18 AaO, S. 160/161.
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1. Der Wortlaut des Tenors der Hoff mann-LaRoche-Entscheidung des Gerichtshofs scheint für eine objektive Auslegung zu sprechen, nach der es ausreichen würde festzustellen, daß die Geltendmachung der Zeichenrechte in Verbindung mit der Verwendung unterschiedlicher Packungsgrößen - dies ist der Hauptanwendungsfall - tatsächlich (objektiv) zu einer künstlichen Marktabschottung beiträgt, d. h. einen gemeinschaftsrechtlich unerwünschten Zustand herbeiführt, aufrechterhält oder verfestigt. So ist das Hoffmann-LaRoche-Urteil des Gerichtshofs zunächst auch vom O L G Karlsruhe in seinem Verfügungsurteil vom 7. September 197819, in einem Verfügungsurteil des O L G Hamburg vom 24. Januar 198020 und von einem Teil des älteren Schrifttums verstanden worden21. Dagegen hat das O L G Karlsruhe in seiner ausführlich begründeten Entscheidung vom 4. Juni 198122 unter Aufgabe seiner früheren Ansicht mit guten Gründen ein „finales Element" im Verhalten des Schutzrechtsinhabers gefordert: Abzustellen sei darauf, ob „die Berufung auf das Warenzeichenrecht zur Erhaltung eines auf künstliche Marktabschottung abzielenden Vertriebssystems beiträgt"23. Gegen eine rein objektive Deutung des vom EuGH aufgestellten Tatbestandes hat sich auch der ganz überwiegende Teil des Schrifttums, insbesondere des neueren gewandt und mit Differenzierungen im einzelnen die Auffassung vertreten, daß ein absichtliches, zielgerichtetes, subjektiv vorwerfbares oder mißbräuchliches Verhalten des Schutzrechtsinhabers erwiesen sein müsse24, jedenfalls aber ein solches, das sachlich nicht gerechtfertigt oder willkürlich sei25. Der BGH hat in seiner Entscheidung vom 10. November 198326 die Revision gegen das Berufungsurteil des O L G Freiburg27 zurückgewiesen, jedoch die Frage, ob ein objektiver Beitrag zur Marktabschottung genügt oder ein zweckgerichtetes Verhalten des Markeninhabers erforderlich ist, unentschieden gelassen. Er hat G R U R I n t . 1979,113. G R U R 1980, 925 - „Vibramycin". 21 Vgl. z. B. Röttger, W R P 1973, 292 ff, 1980, 243 (245), der diese Ansicht jedoch inzwischen aufgegeben hat, G R U R Int. 1982, 512 ff; Blok, 13 HC 729, 739 (1982); neuerdings noch Lüder, EuZW 1994, 112 ff. 22 G R U R Int. 1981, 567 - „Valium //"; Hoffmann-LaRoche ./. Centrafarm. 23 Leitsatz 4. 24 Kleist, W R P 1979, 23 (26); Röttger, W R P 1979, 292; 1980, 243 (248); G R U R Int. 1982, 512 f; van Empel, C. M. L. Rev. 1979, 251 f (257); G R U R Int. 1979, 539 (542); Kovar, Revue de droit international 1979, 902 f (906); Brändel, G R U R 1980, 512 f; Burst! Kovar, Semaine Juridique 1978, 12830 S. 473 f „intentaion frauduleuse" (476). 25 Fezer, G R U R 1978, 604/5; Hefermehl!Fezer aaO S. 137; Hefermehl, Warenzeichenrecht, 12. Aufl. 1985, Rdn. 85 Z U § 15 WZG. 26 G R U R Int. 1984, 240 = G R U R 1984, 530. 27 Vgl. oben Fn. 21. 19
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statt dessen auf die „Künstlichkeit" der Marktabschottung im Gegensatz zu einer „natürlichen" abgestellt, die sich „aufgrund der wettbewerblichen Verhältnisse und der von außen legitim auf die Marktteilnehmer wirkenden Einflüsse" ergibt28. Aus dem Erfordernis der Künstlichkeit ergebe sich aber, daß „Verbotsgegenstand" ein gegen die „natürliche" Marktentwicklung gerichtetes zweckhaftes Verhalten sein müsse. In seinen Vorlagebeschlüssen vom 27. Januar 199429 hat der B G H die Frage als noch ungeklärt bezeichnet und daher dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegt. Wie ist die Frage zu entscheiden? Die Fassung des Tenors und der Entscheidungsgründe30 enthalten in bezug auf das angewandte Vermarktungssystem und die Ausübung der Warenzeichenrechte sowohl Formulierungen objektiver Natur („zur künstlichen Abschottung" ... „beitragen würde") als auch solche subjektiver (finaler) Natur {„um den freien Warenverkehr .... zu behindern"). Die „objektive" Bedeutung des Wortes "beitragen" erklärt sich ersichtlich aus der vom E u G H erkannten Tatsache, daß die Geltendmachung nationalerWarenzeichenrechte, die nach Art. 36 Satz 1 EGV gerechtfertigt und daher gestattet ist, niemals für sich allein, sondern nur in Verbindung mit anderen, den freien Warenverkehr behindernden Umständen zu einer von Art. 36 Satz 2 EGV mißbilligten Marktabschottung führen, also nur dazu beitragen kann. Schon diese Überlegung zeigt, daß es fruchtbarer ist, für die Auslegung auf andere Kriterien zurückzugreifen: 2. Ein wichtiger Auslegungshinweis ergibt sich zunächst aus der Rechtsnatur und der systematischen Stellung von Art. 36 Satz 2 im Gesamtzusammenhang der Vorschriften über den freien Warenverkehr. Auszugehen ist von den beiden grundlegenden Tatbestandsmerkmalen des Art. 36 Satz 2, nach dem die gemäß Art. 36 Satz 1 gerechtfertigten Verbote oder Beschränkungen des freien Warenverkehrs weder ein Mittel zur „willkürlichen Diskriminierung" noch eine „verschleierte Beschränkung" des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstellen dürfen. Im Gegensatz zu Satz 1, der auf das Vorhandensein objektiver Rechtfertigungsgründe abstellt, kennzeichnen die beiden Tatbestandsmerkmale des Satzes 2 ersichtlich ein jedenfalls auch subjektiv zu mißbilligendes Verhalten, sei es der Mitgliedstaaten, sei es ihrer Unternehmen, die sich bei der Ausübung ihrer Rechte auf den Vorbehalt des Satzes 1 berufen. „Willkürlichkeit", „Verschleierung" sind ohne intentionales, vorwerfbares Handeln begrifflich nicht zu denken31. 28 29 30 31
GRUR 1984,533. Vgl. oben Fn. 1. Erwägung 9,10. So auch Brändel, oben Fn. 23.
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Art. 36 Satz 2 EGV regelt Mißbrauchstatbestände. Die Bestimmung hat die Funktion, dem Grundsatz des freien, innergemeinschaftlichen Warenverkehrs auch in solchen Fällen Geltung zu verschaffen, in denen die durch Ausübung nationaler Befugnisse herbeigeführten oder aufrechterhaltenen Beschränkungen des Warenverkehrs sich zwar in dem nach Art. 36 Satz 1 EGV gerechtfertigten Rahmen halten, im konkreten Einzelfall jedoch nach ihrer Zielsetzung oder dem verwendeten Mittel zu mißbilligen (mißbräuchlich) sind. „Rechtsmißbrauch" setzt aber nach allgemeiner Auffassung ein Handeln voraus, das nicht nur objektiv unangemessen, sondern auch subjektiv mißbilligenswert ist. Im gleichen Sinne deuten auch die Kommission und Generalanwalt Capotorti Art. 36 Satz 2 als eine Vorschrift zur Verhinderung mißbräuchlicher Praktiken32. Die Hoffmann-LaRoche-Entscheidung des EuGH vom 23. Mai 197833 spricht nicht gegen die Deutung des Art. 36 Satz 2 als eine gegen subjektiv vorwerfbares Verhalten gerichtete Mißbrauchsvorschrift. Für diese Auslegung spricht nicht nur, wie bereits erwähnt, die in Erwägung 9 und 10 der Entscheidungsgründe verwendete „finale" Ausdrucksweise zur Definition der „verschleierten Beschränkung des Handels", sondern insbesondere der vom EuGH seit seiner Terrapm-Entscheidung ständig verwendete Begriff der „künstlichen Marktabschottung". 3. Abgesehen davon, daß der Begriff der künstlichen Marktabschottung, dem der EuGH für die Auslegung des Art. 36 Satz 2 ersichtlich zentrale Bedeutung beimißt, unzweifelhaft ein subjektives Element im Sinne einer bestimmten Zielsetzung enthält, liegt seine Bedeutung für das Verständnis der Vorschrift vor allem in dem durch ihn implizierten Gegensatz zu der „nicht-künstlichen", d. h. „normalen", „natürlichen" durch Art. 36 Satz 1 gerechtfertigten Handlungsweise. Die Formulierung des EuGH und der Zusammenhang der Erwägung 10 mit der vorausgehenden Erwägung 9 machen dabei deutlich, daß bei Beurteilung der „Künstlichkeit" der Marktabschottung die Geltendmachung der Zeichenrechte im Zusammenhang mit dem vom Zeicheninhaber „angewandten Vermarktungssystem", z. B. der Verwendung 32 Vgl. z. B. die Erklärung der Kommission in der Rechtssache 3/78 - Centrafarm ./. American Home, G R U R Int. 1979, 99, 104, wonach die Ausübung des Zeichenrechts mißbräuchlich werde, wenn sein Inhaber es mit dem Ziel benutze, nationale Märkte voneinander abzuschotten; es sei Aufgabe des vorlegenden Gerichts festzustellen, ob es sich um einen Mißbrauch handele; vgl. ferner die Ausführungen Generalanwalts Capotorti in den Schlußanträgen der gleichen Sache, wo er von einer „Strategie der Aufteilung des Gemeinsamen Marktes" und von „anderen mißbräuchlichen Praktiken" spricht, „die darauf abzielen, die einzelnen nationalen Märkte weitestmöglich auszubeuten (beispielsweise mit künstlich differenzierten Preisen in den verschiedenen Staaten)". 33 ObenFn. 4.
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unterschiedlicher Packungen in den einzelnen Mitgliedstaaten und der dafür bestehende Grund, zu beurteilen ist. Es kommt dabei sogar in erster Linie auf das Vermarktungssystem an. Denn die Geltendmachung von Zeichenrechten, die nach Art. 36 Satz 1 gemeinschaftsrechtlich gerechtfertigt ist und wegen der territorialen Natur dieser Rechte zwangsläufig zu einer Marktaufteilung führt, kann für sich allein nicht mißbräuchlich sein und den Vorwurf einer „künstlichen" Marktabschottung begründen. Dieser muß vielmehr in erster Linie in dem vom Hersteller angewandten Vermarktungssystem gesucht werden. Damit kommt es aber für Art. 36 Satz 2 entscheidend auf die Frage an, ob der Hersteller sein durch die Verwendung unterschiedlicher Packungen gekennzeichnetes Vertriebssystem aus sachlich gerechtfertigten Gründen gewählt hat oder ob die Wahl unterschiedlicher Packungen ein „künstliches", durch normale unternehmerische Erwägungen nicht bedingtes Mittel zu Zwecken der Marktabschottung ist, mit dessen Hilfe das Verbot der Marktaufteilung umgangen werden soll34. Bei dieser Beurteilung sollte man berücksichtigen, daß es grundsätzlich zur freien unternehmerischen Entscheidung jedes Herstellers gehört, für seine Ware diejenigen Verpackungsformen zu wählen, die ihm für einen nationalen Markt am besten geeignet erscheinen35. Dies schließt auch die Verwendung unterschiedlicher Verpackungen ein, die als solche nicht gegen den gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz des freien Warenverkehrs verstößt, auch wenn der Hersteller im Einfuhrland berechtigte Abwehransprüche gegen das unbefugte Umpacken und Neukennzeichnen seiner Ware geltend macht. Mit anderen Worten, weder die Wahl unterschiedlicher Verpackungsformen noch die nach Art 36 Satz 1 zulässige Geltendmachung zeichenrechtlicher Abwehransprüche gegen das Umpacken und Neukennzeichnen der Ware durch den Parallelimporteur, noch beides zusammen ist eine ausreichende Grundlage zur Annahme einer „künstlichen" Marktabschottung im Sinne des Art. 36 Satz 2. Die Berufung auf die Freiheit unternehmerischer Entscheidung für ein bestimmtes Vermarktungssystem hat freilich dort eine vom Gemeinschaftsrecht gezogene Grenze, wo dieses System ohne sachlich gerechtfertigten Grund zu Zwecken der Marktabschottung, insbesondere zur Aufrechterhaltung überhöhter Preise, gewählt wurde. 4. Die Notwendigkeit, ein auf künstliche Marktabschottung abzielendes Verhalten des Herstellers nachzuweisen, das allein den Vorwurf einer
34 So schon Fezer in seiner Anmerkung zur Vorabentscheidung, G R U R 1978, 605; ebenso Hefermebl/ Fezer, aaO, S. 137. 15 Fezer, Fn. 34.
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„künstlichen" und damit mißbräuchlichen Marktabschottung im Sinne des Art. 36 Satz 2 EGV begründen kann, ergibt sich schließlich auch aus der systematischen Überlegung, daß eine objektive Eignung, den innergemeinschaftlichen Warenverkehr zu behindern, bereits Voraussetzung für die Anwendbarkeit des Art. 30 EGV ist. Die gegenteilige Ansicht würde zu dem widersinnigen Ergebnis führen, daß jede nach Art. 30 verbotene Behinderung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten, weil diese zu einer künstlichen Marktabschottung objektiv beitrage, zugleich den Mißbrauchstatbestand des Art. 36 Satz 2 EGV erfüllen würde und damit verboten wäre. Art. 36 Satz 1 EGV, der als Ausnahme von Art. 30 sachlich gerechtfertigte Beschränkungen des Warenverkehrs erlaubt, würde bei dieser Betrachtungsweise jeden Sinn verlieren. Eine Auslegung des Art. 36 Satz 2 EGV, nach der es unter Ablehnung einer rein objektiven Deutung darauf ankommt, ob die Berufung auf das Warenzeichenrecht zur Erhaltung eines auf künstliche Marktabschottung abzielenden Vertriebssystems beiträgt, findet daher bereits in der Hoffmann-LaRoche-Entscheidung des EuGH vom 23. Mai 1978 eine hinreichende Stütze. Etwa bestehende Zweifel an diesem Ergebnis sind durch die wenige Monate später verkündete Entscheidung des Gerichtshofs vom 10. Oktober 1978 im Falle American Home36 beseitigt worden. In dieser Entscheidung stellte der EuGH unmißverständlich fest, daß eine „verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten" im Sinne von Art. 36 Satz 2 EGV ein Vertriebssystem des Zeicheninhabers voraussetzt, „das darauf abzielt, die Märkte künstlich abzuschotten"37. Entsprechend hat der Gerichtshof es abschließend als Aufgabe des Tatrichters bezeichnet, im Einzelfall zu entscheiden, ob nachgewiesen ist, daß die Warenzeichen von ihrem Inhaber „mit dem Ziel verwendet werden, die Märkte abzuschotten38. Wie sich aus der Formulierung und dem Zusammenhang der Erwägungen 19-23 ergibt, hat der EuGH es ferner klargestellt, daß es für die Frage der künstlichen Marktabschottung maßgeblich auf das vom Zeicheninhaber angewandte Vertriebssystem ankommt.
36 37 38
ObenFn. 5. Erwägung 21, Hervorhebung des Verfassers. Erwägung 23, Hervorhebung des Verfassers.
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Schließlich hat er den in seiner Vorentscheidung vom 23. Mai 1978 bereits anerkannten Grundsatz, daß das ausschließliche Kennzeichnungsrecht des Markeninhabers in jedem Falle Schutz verdient, noch einmal wiederholt und verdeutlicht; „(17) Das dem Warenzeicheninhaber eingeräumte Recht, sich jeder unbefugten Anbringung des Warenzeichens auf seinem Erzeugnis zu widersetzen, gehört somit zum spezifischen Gegenstand des Warenzeichenrechts." (Hervorhebung des Verfassers)
„American Home" ist eine - folgerichtige - Fortführung der bereits in der Vorabentscheidung der in Hoff mann-LaRoche ausgesprochenen Grundsätze zur Auslegung des Art. 36 Satz 2 EGV, insbesondere des Begriffs der künstlichen Abschottung der Märkte39. Gegen die Berücksichtigung der „American Home"-Entscheidung in Fällen unterschiedlicher Verpackungen spricht auch nicht die Tatsache, daß dort eine andere Art von Zeichenverletzung zur Beurteilung stand. Es ist zwar richtig, daß der Sachverhalt der beiden Fälle Unterschiede aufweist: Im Falle American Home hat Centrafarm die - zuvor mit einem anderen Warenzeichen des Herstellers versehenen und in Verkehr gebrachten Arzneimittel erstmals mit einem anderen Zeichen des Herstellers versehen, während es im Fall Ho f f mann-LaRoche um eine erneute Kennzeichnung mit demselben Warenzeichen nach dem Umfüllen in neue Gebinde geht. Diese Sachverhaltsunterschiede begründen aber weder zeichenrechtlich noch gemeinschaftsrechtlich einen entscheidungserheblichen Unterschied, der es rechtfertigen würde, im ersten Falle eine auf Marktabschottung gerichtete Absicht zu verlangen, im zweiten Falle dagegen nur einen objektiven Beitrag dazu. Zeichenrechtlich geht es in beiden Fällen um eine Verletzung des ausschließlichen Kennzeichnungsrechts des Markeninhabers, für dessen Schutz es weder nach dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten noch nach der Auffassung des Gerichtshofs eine entscheidungserhebliche Rolle spielt, ob es sich um eine erstmalige oder um eine erneute Kennzeichnung der Ware oder ihrer Verpackung handelt. Das Kennzeichnungsrecht des Markeninhabers ist nicht mehr oder weniger schutzwürdig; es gehört ohne Einschränkung zum spezifischen Gegenstand des Warenzeichenrechts und ist daher gegen jede widerrechtliche Verletzung zu schützen40. Aber auch unter dem gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkt des freien Warenverkehrs ist ein entscheidungserheblicher Unterschied der beiden Fälle nicht erkennbar. Jeder Versuch, gemeinschaftsrechtlich erSo auch Generalanwalt G. Reischl, G R U R Int. 1982, 151 ff (155). Vgl. die oben zitierte Erwägung 17 der Entscheidungsgründe des Urteils vom 10. 10. 1978, G R U R Int. 1979, 99 (105); Beier, G R U R Int. 1978, 263 ff. 39
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hebliche Sachverhaltsunterschiede zu konstruieren, scheitert daran, daß die für Art. 36 Satz 2 maßgeblichen Begriffe nämlich „Verschleierung des Handels" und „künstliche Marktabschottung" einheitlich zu interpretieren sind. Sie können nicht in einem Fall objektiv, im anderen Fall subjektiv verstanden werden, insbesondere dann nicht, wenn es sich zeichenrechtlich um die gleiche Frage handelt. Es gibt keinen vernünftigen Grund für die Annahme, daß ein Vertriebssystem, das sich für die gleiche Ware unterschiedlicher Warenzeichen bedient (American Home) die Freiheit des Warenverkehrs weniger behindert und daher unter erleichterten Voraussetzungen gestattet werden kann als ein Vertriebssystem, das für ihre mit der gleichen Marke gekennzeichnete Ware unterschiedliche Verpackungen verwendet ( H o f f mann-LaRoche). In beiden Fällen kann es legitime Gründe für die durch unterschiedliche Zeichen oder Verpackungen bewirkte Produktdifferenzierung geben; in beiden Fällen kann die Produktdifferenzierung aber auch in mißbräuchlicher Weise zur künstlichen Marktabschottung eingesetzt werden. Die Verwendung unterschiedlicher Warenzeichen für das gleiche Produkt, die oft zugleich eine Irreführung der Abnehmer über Preis und Qualität der Ware beinhaltet und aus diesem Grunde rechts- und verbraucherpolitisch umstritten ist, kann daher in einer Mißbrauchsvorschrift wie Art. 36 Satz 2 EGV nicht milder beurteilt werden als die Verwendung unterschiedlicher Packungsgrößen.
III. Für die Beantwortung der Frage, wann ein nach Art. 36 Satz 2 unzulässige, „künstliche Marktabschottung" vorliegt oder - allgemeiner eine „verschleierte Handelsbeschränkung", die - als Unterausnahme der Ausnahmevorschrift des Art. 36 Satz 1 - eine zum Schutz des geistigen Eigentums gerechtfertigte Handelsbeschränkung verbietet, ist schließlich die jüngste Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Vereinbarkeit des nationalen Markenschutzes mit dem EWG-Vertrag nicht außer acht zu lassen. Während die EG-Kommission, insbesondere ihr Juristischer Dienst, die nationalen Marken bis in die neueste Zeit vorwiegend als Instrumente der Marktaufteilung und ihren Schutz auf das zur Wahrung der Ursprungsidentität unbedingt Erforderliche reduzieren will41, ist in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs von „Sirena" 42 und „Hag 7"43 über „Terrapin" 44 , „Hoffmann-LaRoche"45 und „American 41 42 43 44 45
So z. B. Lüder, oben Fn. 21. Sirena ./. Novimpex, 18. 2. 1971, G R U R Int. 1971, 279. Van Zuylen ./. Hag, 3. 7. 1974, G R U R Int. 1974, 338. Terranova ./. Terrapin, 23. 5. 1976, G R U R Int. 1876, 402. Hoffmann-LaRoche ./. Centrafarm, oben Fn. 4.
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Home"46
bis hin zu den neuesten Entscheidungen in den Fällen
„Hag
II"47, „Quattro"48 und „Ideal Standard,"*"* ein ebenso erstaunlicher wie erfreulicher Wandel der Einstellung zum Markenrecht festzustellen 50 . In „Sirena" hatte der Gerichtshof noch ausgeführt: „Das Markenrecht unterscheidet sich von ... anderen gewerblichen Schutzrechten dadurch, daß das Schutzobjekt dieser letzteren meist von größerer Bedeutung und schutzwürdiger als eine einfache Marke ist."51
Und in „Hag I" hieß es: „Die Ausübung des Warenzeichenrechts ist geeignet, zur Abschottung der Märkte beizutragen und auf diese Weise den freien Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen, und zwar um so mehr, als dieses Recht im Gegensatz zu anderen gewerblichen Schutzrechten keinen zeitlichen Grenzen unterliegt." Und weiter: „Gewiß ist in einem solchen Markt die Angabe der Herkunft der Ware nützlich, doch kann die entsprechende Aufklärung der Verbraucher auch auf andere, den freien Warenverkehr nicht beeinträchtigende Weise sichergestellt werden." Dagegen findet sich in der Entscheidung werte Feststellung:
„Hag II"52 die bemerkens-
„Was das Warenzeichenrecht angeht, ist festzustellen, daß dieses Recht ein wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs ist, das der Vertrag schaffen und erhalten will. In einem solchen System müssen die Unternehmen in der Lage sein, die Kundschaft durch die Qualität ihrer Erzeugnisse oder ihrer Dienstleistungen an sich zu binden, was nur möglich ist, wenn es Kennzeichen gibt, mit deren Hilfe sich diese Erzeugnisse und Dienstleistungen identifizieren lassen. Damit das Warenzeichen diese Aufgabe erfüllen kann, muß es die Gewähr bieten, daß alle Erzeugnisse, die mit ihm versehen sind, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann." In der „Ideal Standard" -Entscheidung schließlich, die sich teilweise wie ein Abschnitt aus einem klassischen Markenrechtslehrbuch liest, erkennt der E u G H die territoriale Unabhängigkeit der in verschiedenen Mitgliedstaaten geschützten Marken an (Rdn. 2 4 - 3 2 ) und wiederholt in Rdn. 3 7 und 45 seine Feststellungen in „Hag II", nämlich daß Centrafarm ./. American Home Products, 23. 5. 1978, GRUR Int. 1979, 99. Rechtssache C-10/89 S.A.CNL-ShCAL N. V. ./. Hag AG, GRUR Int. 1990, 960, mit den sehr lesenswerten Schlußanträgen des Generalanwalts Jacobs. 48 Deutsche Renault AG v. Audi AG, 30. 11. 1993, GRUR Int. 1994, 168. 49 Internationale Heiztechnik GmbH ./. Ideal Standard GmbH, 22. 6. 1994, GRUR Int. 1994, 614. 50 Diesen Wandel betont René Joliet, Richter am Europäischen Gerichtshof und in den neueren Fällen zum Teil als Berichterstatter beteiligt, in seinem Aufsatz „Markenrecht und freier Warenverkehr: Abkehr von Hag /", GRUR Int. 1991, 177 ff. 51 Rdn. 7 des Sirena-Urteils, oben Fn. 35. 52 Vgl. oben Fn. 47. 46 47
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„das Warenzeichen seine Aufgabe nur erfüllen (kann), wenn es die Gewähr bietet, daß alle Erzeugnisse, die mit ihm versehen sind, unter der Kontrolle eines einzigen Unternehmens hergestellt worden sind, das für ihre Qualität verantwortlich gemacht werden kann" (Rdn. 37)
und daß „das Warenzeichenrecht ein wesentlicher Bestandteil des Systems eines unverfälschten Wettbewerbs ist, das der EG-Vertrag schaffen und erhalten will". (Rdn. 45)
Angesichts dieser positiven Einstellung zum Markenschutz, die sich in einer zunehmenden Anerkennung des (noch) territorial ausgestalteten Markenschutzes der Mitgliedstaaten als eine nach Art. 36 Satz 1 gerechtfertigte Beschränkung des freien Warenverkehrs äußert, ist es wenig wahrscheinlich, daß der Gerichtshof in seinen zu erwartenden Entscheidungen zum Markenrecht Art. 36 Satz 2 E G V in einer Weise auslegt, die mit dem nach Art. 36 Satz 1 gerechtfertigten, „spezifischen Gegenstand" des Markenschutzes unvereinbar ist. Die neuere Rechtsprechung des Gerichtshofs unterstreicht vielmehr die schon in der „Terrapin"-Entscheidung zu findende Feststellung, daß Art. 36 Satz 2 eine Mißbrauchsvorschrift ist, die sich nicht gegen die rechtmäßige, „normale" Ausübung der nationalen Schutzrechte, sondern nur gegen deren mißbräuchliche Ausübung richtet, die geeignet ist, künstliche Abschottungen innerhalb des Gemeinsamen Marktes beizubehalten oder zu schaffen 53 .
IV. Obwohl die im Titel dieses Beitrags gestellte Frage nach der objektiven oder subjektiven Auslegung des Art. 36 Satz 2 mir durch die bisherige Rechtsprechung des Gerichtshofs hinreichend geklärt erscheint, wird man gespannt sein, wie der Gerichtshof die ihnen vom B G H und dem O L G Köln mit übereinstimmender Formulierung vorgelegten Fragen beantworten wird. Hätte ich ein Votum abzugeben, so würde ich sagen, daß die Alternative objektiv/subjektiv in den meisten Fällen, insbesondere in den Vorlagefällen, nicht entscheidungserheblich ist. Mir ist durchaus bewußt, daß der Gerichtshof bisher davon abgesehen hat, die vom nationalen Gericht bejahte „Entscheidungserheblichkeit" nachzuprüfen. Angesichts der zunehmenden Vorlagefreudigkeit der Gerichte und der daraus folgenden Überlastung des Gerichtshofs wäre es aber an
53 Terranova/Terrapin, oben Fn. 44, Rdn. 7; ebenso Keurkoup Nancy Kenn Gifts, 14. 9. 1982, G R U R Int. 1983, 643 (Rdn. 24); vgl. dazu Beier, Gewerblicher Rechtsschutz und freier Warenverkehr im europäischen Binnenmarkt und im Verkehr mit Drittstaaten G R U R Int. 1989, 603 ff (610).
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Friedrich-Karl Beier
der Zeit, diese Zurückhaltung aufzugeben und festzustellen, daß es allein auf die Künstlichkeit der Marktabschottung ankommt, die freilich ein zweckgerichtetes Verhalten impliziert 54 . Was die übrigen Vorlagefragen betrifft, die dem E u G H die zu entscheidenden Sachverhalte in Form meisterhaft formulierter „Rechtsfragen" zur Vorabentscheidung vorgelegt wurden 55 , so würde ich diese Fragen an die vorlegenden Gerichte mit dem Hinweis zurückgeben, daß es sich hierbei nicht um Fragen der Auslegung, sondern um Fragen der Anwendung von Gemeinschaftsrecht handelt, die nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs Sache der nationalen Gerichte ist56. Nach französischer Auffassung würden die Vorlagefragen nicht einmal kassationsfähige Rechtsfragen, sondern Tatfragen sein, deren „souveräne" Beurteilung allein den Tatsacheninstanzen obliegt. Es gehört nicht zu den Aufgaben des Gerichtshofs, der für die Europäische Union die einzige und oberste gerichtliche Instanz ist und der in den letzten Jahren zunehmend mit Vorlagefragen überlastet wird, sich mit Sachverhaltsnuancen nationaler Verfahren zu befassen. Ist es denkbar, daß der Gerichtshof den Fall „Mexitil" (Einfuhr von Arzneimitteln in einer vom Parallelimporteur gestalteten äußeren Verpackung, wenn in dieser Verpackung eine Originalpackung mit Original-Blistern sowie einzelne weitere beschnittene Original-Blister enthalten sind und die Umverpackung ein ausgeschnittenes Fenster aufweist, durch das die auf der Originalpackung enthaltene IR-Marke sichtbar wird, nicht als eine nach Art. 36 Satz 2 verbotene, künstliche Marktabschottung ansieht, diese Frage aber im Fall „Kerlone" bejaht, weil hier die zusätzliche Besonderheit besteht, daß die Original-Blister auf ihrer Rückseite die Angabe der Tage zweier Wochen in ihrer Reihenfolge enthält, die durch das Beschneiden der Blister unvollständig wird? Nur wenn die Möglichkeit unterschiedlicher Auslegung besteht, hätte es überhaupt einen Sinn, dem Gerichtshof verschiedene Sachverhalte der Einfuhr umverpackter Arzneimittel zur Vorabentscheidung vorzulegen. Grundsätzlich sollten solche Fragen aber von den nationalen Gerichten selbst entschieden werden.
Vgl. dazu Bauer/Enderle, WiB 1994, 404/05. Vgl. die einleitend zitierten Vorlagebeschlüsse des B G H v o m 27. 1. 1994, G R U R Int. 1994, 521; Vorlagebeschluß des O L G Köln v o m 29. 7. 1994 in Sachen MPA Pharma GmbH ./. Rhone Poulenc Pharma GmbH, A B I . v o m 1.10. 1994, N r . C 27519 = G R U R Int. 1994, 966, Aktuelle Informationen. 56 Daig in: Groeben/Boeck/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EWG-Vertrag, 3. Aufl. 1983, Rdn. 19 ff. 54
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Objektive oder subjektive Marktabschottung?
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V. Zum Schluß dieses Beitrags, der meinem Freund und Kollegen Ralf Vieregge zu seinem 70. Geburtstag gewidmet ist, hoffe ich nur, daß der Jubilar meine Auffassung teilt und weder in einem der Verfahren seinen Mandanten den Weg nach Luxemburg empfohlen hat noch für eine objektive Deutung des Begriffs der künstlichen Marktabschottung eingetreten ist57. Sollte ich aber in meinem Beitrag Ansichten vertreten haben, die der Jubilar nicht billigen kann, so möge er meinen Festschriftbeitrag mit der Genugtuung lesen, daß die besseren Argumente auf seiner Seite sind.
57 Letzteres nehme ich schon deswegen nicht an, weil der Jubilar zusammen mit Walter Oppenhoff eine Stellungnahme des Grünen Vereins zum Ersuchen um Vorabentscheidung in Sachen Centrafarm ./. American Home Products unterschrieben hat (GRUR 1978, 234), in der sich das unmißverständliche Petitum befindet, daß es im Wesen des Warenzeichenrechts liege, „daß allein der Warenzeicheninhaber darüber zu entscheiden hat, ob eine bestimmte Ware - und in diesem Zusammenhang sind Inhalt und Verpackung als Einheit anzusehen - mit seinem Warenzeichen gekennzeichnet wird".
Vom Verbandszeichen zur Kollektivmarke GÜNTER BERG
Im Markengesetz - als dem Kernstück des Markenrechtsreformgesetzes - taucht in §§ 96 ff erstmals der Begriff „Kollektivmarke" auf, der den des „Verbandszeichens" nach §§ 17 ff des W Z G ersetzt. Ist das nur eine Modernisierung oder Internationalisierung des Sprachgebrauchs, oder ist damit - so wie bei der Ersetzung von „Warenzeichen" durch „Marke", bei der die Dienstleistungsmarke integriert und damit auch in allen verfahrensrechtlichen Belangen gleichgestellt wird - 1 auch eine materiell- oder verfahrensrechtliche Weiterentwicklung verbunden? Geht man von der Zielstellung des Markenrechtsreformgesetzes aus, nämlich die EG-Markenrechtsrichtlinie in nationales Recht umzusetzen2, so stößt man dort auf den Sammelbegriff der „Kollektiv-, Garantie- und Gewährleistungsmarken", deren Übernahme und Regelung im nationalen Recht freigestellt wird (Art. 15). Für die Kollektivmarke ist der Schutz und damit die Integration in das Markengesetz aufgrund der Mitgliedschaft in der PVU wegen der Verpflichtung des Artikels 7 indes bindend; das hat wohl auch nie zur Disposition gestanden. Anders ist es mit den beiden anderen Begriffen, die wohl den „Certification marks" des anglo-amerikanischen Rechtskreises entsprechen sollen. Sie haben als eigenständige Markenform im deutschen Warenzeichenrecht keine Tradition, wenn man von den „Amtlichen Prüf- und Gewährzeichen" absieht, die das Warenzeichenrecht bislang (und auch künftig) bei entsprechender amtlicher Notifizierung als absolutes Eintragungshindernis für neue Marken regelt (bislang § 4 Abs. 2 Ziff. 3 WZG, nun § 8 Abs. 2 Ziff. 7 MG) und damit ihren Gebrauch gewissermaßen indirekt schützt. Hierunter fallen in der Praxis aus dem nationalen Bereich vor allem Edelmetallprüfzeichen, gewerbeamtliche Abnahmestempel u. ä.3.
Amtliche Begründung BT-Drucksache 12/6581, S. 55. Schon der vollständige Titel „Gesetz zur Reform des Markenrechts und zur Umsetzung der 1. Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marke" stellt dies gleichwertig neben die allgemeine Reformabsicht, das in seiner Struktur gerade 100jährige alte Gesetz durch ein modernes, die Entwicklung in Amtspraxis und Rechtsprechung einschließendes abzulösen. 3 Vgl. die Beispiele bei Baumbach-Hefermehl, WZG Rdn. 122 zu § 4. 1
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Das Spektrum ist aber viel weiter 4 . Gütezeichengemeinschaften, vor allem auf den vom Bundeswirtschaftsministerium, dem Patentamt und anderen amtlichen Stellen anerkannten RAL-Grundsätzen aufbauend, aber auch individuelle Gütegarantie- oder Güteprüfung versichernde Kennzeichner 5 versprechen dem Verbraucher (auch zum Nachweis gegenüber staatlichen oder kommunalen Prüf- und Genehmigungsbehörden) eine mehr oder weniger klar definierte Qualität. Das hat auch erhebliche Marktakzeptanz. Der Schutz kann zunächst (ebenfalls indirekt) über das Irreführungsverbot des § 4 Abs. 2 Ziff. 4 WZG - künftig § 8 Abs. 2 Ziff. 4 MG, erfolgen. Ein direkter Schutz nach dem Markengesetz hängt von der Markenrechtsfähigkeit ihrer Träger und der Zulässigkeit als Markenart ab. Die Markenrechtsrichtlinie hat mit dem Begriffspaar wohl privatrechtlich erworbene und allgemeinem Markenrecht unterfallende Garantie- und Gewährleistungsmarken im Auge, die gemeinhin auch Gütezeichen genannt werden. Das Markengesetz will sie offenbar in den Begriff der Kollektivmarke integrieren 6 , und zwar durch die Zulässigkeit satzungsbestimmter Qualitätsregeln, deren Nichteinhaltung einen Verlust des Benutzungsrechtes nach sich ziehen kann. Hierin folgt es der bereits für die erwähnten RAL-Zeichen und bestimmte Herkunftsangaben geübten Praxis7. Indes bleibt das Markengesetz hier weit hinter dem zurück, was vormals die deutsche Landesgruppe der AIPPI zur ausdrücklichen Aufnahme einer Verpflichtung zum Schutze von Gewährleistungsmarken in den Art. 7 bis PVU vorschlug 8 . Dabei wurden Sonderregeln für die Inhaberschaft, Eintragungsvoraussetzungen und Eintragungshindernisse und bei Mißachtung der Verwendungsbedingungen ein spezieller Löschungsgrund empfohlen 9 . Inzwischen ist die (kollek-
4 Vgl. Gruber, Verbraucherinformation durch Gütezeichen, Köln-Berlin-Bonn-München 1986, S. 128. Gruber erwähnt 127 v o m R A L anerkannte Gütezeichen, teils auf Basis der DIN-Normen, teils als Weiterentwicklungen. Auch V D E - und D V G W - Z e i c h e n dienen dem Nachweis der Einhaltung von Sicherheitsstandards (aaO S. 134 f). 5 Der B G H ist kürzlich einer Vermengung von Prüfaussagen in amtlichem („interessenneutral") und privatem Auftrag entgegengetreten ( G R U R 1991, S. 552 f „TUV-Prüfzeichen"). N u r erstere erfüllten die Verkehrsvorstellungen von Gütezeichen (S. 554). 6 Amtliche Begründung, aaO S. 108 f (Erläuterungen zu § 97 Markengesetz). 7 Gruber, aaO S. 191 ff, Tilmann, Die Geografische Herkunftsangabe, München 1976, S. 320 ff. Problematisch war bisher, ob damit auch die Gütebedingungen, nach denen gefertigt und/oder geprüft wird, offengelegt werden müssen. Vgl. dazu Gruber, S. 192. 8 AIPPI-Jahrbuch 1980/11, S. 86 ff (94). ' 2. Bericht, Jahrbuch 1982/1, S. 8 ff. Uberhaupt zeigte die damalige internationale Diskussion eine bemerkenswerte Bedeutungszumessung f ü r die meist „Gütezeichen" genannte Zeichenart, und ein offensichtliches Bedürfnis an einer weltweiten rechtlichen A u f wertung und Stabilisierung. Vgl. den Generalbericht, Jahrbuch 1982/11, S. 39 ff sowie 1982/III, S. 133 ff.
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tivmarkenrechtliche) Gütezeichendiskussion stark auf den Spezialfall der (qualitativ geprägten) geografischen Herkunftsangabe reduziert worden10. Ihre Eintragungsmöglichkeit als Kollektivmarken ist jetzt im § 99 M G ausdrücklich bestimmt und dabei das vorher eher pragmatisch umgangene Eintragungsverbot von Herkunfts- und Beschaffenheitsangaben ausdrücklich suspendiert. Hinzu kommt aufgrund § 127 Abs. 2 das allgemein konstituierte Benutzungsverbot11 für geografische Herkunftsangaben bei solchen Waren oder Dienstleistungen, die nicht der bei ihnen erwarteten „besonderen Qualität" entsprechen. Ihre Niederlegung in den Benutzungsbestimmungen der Zeichensatzung (§ 102 Abs. 2 Nr. 5 M G ) liegt also nahe. Für andere, als Gütezeichen bestimmte Kollektivmarken versteht sich dies als Notwendigkeit ohnehin. Damit wird eine alte Streitfrage wieder aktuell: Ist damit auch ein (wie gearteter) Garantieanspruch des mit der Marke Umworbenen, insbesondere des Verbrauchers verbunden? Dies wäre ja wohl begrifflich aus Garantie beziehungsweise Gewährleistung ableitbar. Bislang sind solche, auf die ohnehin schon umstrittene „Garantiefunktion" der Marke bezogene Ansprüche verneint worden12. Das Markengesetz ist, wie das U W G , kein Verbraucherschutzgesetz im engeren Sinne. Nach traditionellem Verständnis ist das Wettbewerbsrecht, dem das Markenrecht im allgemeinen zugerechnet wird, auf die Verhältnisse zwischen den Wettbewerbern zu beziehen, und auf die Erhaltung des Wettbewerbssystems als ganzem. Ordnungspolitische Ansätze, wie spezifische Kennzeichnungsbestimmungen - zum Beispiel des Wein- und Lebensmittelrechts13 oder die Preisauszeichnungsbestimmungen - sol10 Das besondere deutsche Interesse hieran war schon in der AIPPI-Diskussion erkennbar; die entsprechenden Fragestellungen wurden aber zumeist nicht verstanden und aufgegriffen, so daß der Generalbericht dies der nationalen Rechtssetzung freistellt. Tilmann ist darauf in der Festschrift „Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland" 1991 zurückgekommen (Bd. II, S. 1007 ff [1047 f]), und der Gesetzgeber hat diese Linie auch nicht überschritten. " Die Bestimmungen des 6. Teils des Markengesetzes - Geografische Herkunftsangaben - sind unabhängig davon anzuwenden, ob eine Markeneintragung vorliegt. 12 Vgl. dazu ausführlich Henning-Bodewig/Kur, Marke und Verbraucher, Weinheim 1988, Bd. I, S. 107 ff und Bd. II, S. 143 ff. Nach wohl unstrittiger Versagung von Gewährleistungsansprüchen gem. § 459 Abs. 2 BGB (Fehlen zugesicherter Eigenschaften - schon mangels Ausdrücklichkeit und Bestimmtheit - bei allgemeiner Markenkennzeichnung) stellt sich die Frage bei „qualifizierten Herkunftsangaben" (und bei Gütezeichen) allerdings etwas anders. Die Autoren plädieren für eine Sondervorschrift (Bd. II, S. 168 f), allerdings mehr in Hinsicht auf § 13 a U W G . 13 Das Verhältnis von Warenzeichen- und Weinlagenregister kann wie bei anderen Herkunftsangaben zu schwierigen Prioritäts- und Parallelbenutzungsfragen führen. Der B G H ließ dies in der Entscheidung „Römigberg", G R U R 1993, S. 43 ff (S. 45), offen.
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len, wie die Diskussion um die Novellierung des U W G zeigte, vom Wettbewerbsrecht im gewissen Grade getrennt bleiben, was zum Beispiel die in § 13 eingeführte (ursprünglich als allgemeine Regel in § 2 geplante) „Erheblichkeitsschwelle" verdeutlicht. Die Untersuchungen von Henning-Bodewig und Kuru stellen das Markenrecht dem Wettbewerbsrecht sogar gegenüber und erkennen zumindest vom geltenden Recht her - dem Verbraucherschutz nur bei letzterem eine beachtliche Wirkung zu. Auch das Markengesetz verändert daran im Grundsatz nichts; die Verflechtungen mit dem U W G bleiben hingegen unangetastet, so daß dieses einspringen könnte. Irreführender Markengebrauch ist schon eine (erhebliche) Wettbewerbsstörung, die die hiernach Berechtigten auf den Plan rufen kann. Allerdings dürfte der dem Verbraucher unmittelbar zustehende Anspruch des § 13 a U W G wohl weiterhin auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben, zumal er mit dem Vorsatzdelikt des § 4 - unwahre und zur Irreführung geeignete Werbeangaben - gekoppelt ist. Selbst wenn man hierbei, wie die Literatur überwiegend annimmt, vom subjektiven Tatbestand des § 4 abstrahiert15, fragt es sich doch, ob die zwar hinterlegten, aber dem kaufwilligen Verbraucher konkret nicht bekannten Qualitätsbedingungen16, auf die mit der „Qualitätsmarke" in Gestalt einer Kollektivmarke Bezug genommen wird, schon als unwahre Werbeangaben, die diesen zur Abnahme bestimmt haben, angesehen werden können. Die werbliche Bezugnahme müßte dann auf die besondere, wenn auch allgemein beschriebene Markenqualität bei dieser oder jener konkreten Eigenschaft erfolgen. Eine andere Frage ist die Wirkung zwischen den Wettbewerbern. Aus dem Mitgliedschaftsrecht des Verbandes könnte lediglich bei einer qualitätsbestimmten Satzung für den Gebrauch der Kollektivmarke der diese verletzende Mitbenutzer zunächst durch den Verband selbst oder - bei Untätigkeit desselben - die übrigen Mitglieder auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dies wäre in den (obligatorischen) Benutzungsbedingungen der Markensatzung (§ 102 Abs. 2 Ziff. 5 MG) zu regeln, wenn es nicht (erst) als Folge eines möglichen Ausschlusses aus dem Verband mit den Beschränkungen des § 101 MG wirksam werden soll17. Henning-Bodewig/Kur, aaO, Bd. I, S. 217 ff. Baumbach-Hefermebl, Wettbewerbsrecht, Rdn. 3 zu § 13 a m. w. N. 16 Das Landgericht Köln hält den Schutz der „Gütefunktion" deshalb auch nur wettbewerbsrechtlich beim Bestehen konkreter Vorstellungen der angesprochenen Verkehrskreise für möglich ( G R U R 1989, S. 57 ff [59]). 17 Baumbach-Hefermehl, Warenzeichenrecht, Rdn. 4, 5 zu § 18. Auf das Mitgliedschaftsrecht verweist auch das Landgericht Köln in der Entscheidung G R U R 1989, S. 57 ff (58). 14 15
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Andere Wettbewerber könnten, wenn der Verband dies nicht ausreichend betreibt, die Löschung der Kollektivmarke nach dem Verfallstatbestand des § 105 Abs. 1 Ziff. 2 beantragen. Dieser Anspruch, der bislang schon aus § 21 Abs. 2 W Z G abgeleitet werden konnte, ist wohl eine Popularklage18 und stünde damit auch Verbrauchern, jedenfalls aber ihren Interessenverbänden zu. Nun erscheint es aber als Widerspruch im System, wenn dem über die durch die Markensatzung verbürgte Qualitätserwartung der Kollektivmarke getäuschten Verbraucher zwar ihre Löschung zugestanden wird, der Anspruch aus § 13 a U W G aber verwehrt bleibt. Von daher wäre die Voraussetzung der unwahren Werbeangabe zu bestimmen. So wie eine wegen Irreführungsgefahr nicht eingetragene oder gelöschte Marke in der Regel auch über § 3 U W G unterdrückt werden kann19, und im weiteren auch Schadensersatzansprüche nach § 1 3 Abs. 6 U W G nachfolgen können, müßte die wegen der Duldung von Mißbrauch 20 gelöschte Kollektivmarke, wird sie dennoch benutzt, als unwahre Qualitätsbehauptung den Verbraucheranspruch nach § 13 a U W G auslösen. Somit könnte in gewisser Weise der Kollektivmarke auch der Rechtscharakter von Garantie- und Gewährleistungsmarken zukommen. Das deutsche Markenrecht hat um diese Kategorie bisher einen Bogen geschlagen. Das hängt wohl zunächst mit dem subsidiären Verständnis der Garantiefunktion der Marke zusammen, der im Verhältnis zur im Gesetz genannten Aufgabe der Herkunftskennzeichnung kein eigenständiger Schutz zukommen sollte21. Wie aber, wenn das Gesetz nun auf eine solche Funktionsbestimmung verzichtet, und zwar nicht zufällig, sondern, weil die Herkunftskennzeichnung nicht mehr als Wesenskern angesehen wird, an deren Stelle (bedingt durch freie Ubertragbarkeit, Lizenzfähigkeit etc.) die bloße Aufgabe der Unterscheidung getreten ist22? Erfährt die Garantie für ein gleichbleibendes Produkt bei gleichbleibender Kennzeichnung zumin-
Baumbach-Hefermehl, Warenzeichenrecht, Rdn. 6 zu § 21. " Unter Berücksichtigung der Benutzungsform (vgl. Gro&kommentir/Lindacher, §3 UWG, Rdn. 91). 20 Ständige Rechtsprechung von RGZ 161, 29 „Zähler-Ersatzteile" bis BGH GRURInt. 1973, S. 562, „Cinzano". Differenziert sieht es indes BGH GRUR 1984, S. 737 bei Verbandszeichen, wenn eine besondere Verkehrsauffassung entstanden ist. 21 Geringere Anforderungen als nach § 11 Abs. 1 Ziff. 3 WZG, vgl. Baumbach-Hefermehl, Warenzeichenrecht, Rdn. 4 zu § 21. 22 Ob die Herkunftsfunktion damit gänzlich verlorengegangen ist, ist strittig, v. Gamm hat der offenbar in den gesetzgeberischen Absichten angelegten Abkehr energisch widersprochen (GRUR 1994, S. 775 ff [778]). Sie drückt aber heute eher die Rechtsmacht der Kennzeichnung als den Warenursprung aus. 18
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dest in nahem zeitlichem Zusammenhang (Garantiefristen sind ohnehin meist knapp bemessen) hier nicht eine Rangverbesserung23? Wenn gleiche Kennzeichnung von Produkten lediglich von einheitlicher Erlaubnis (aber nicht Herkunft) abhängt, wird die durch sie vermittelte Information auf diesen Rechtsinhaber bezogen, seine Entscheidung wird wesentlich von qualitativen Aspekten bestimmt sein, die der Verbraucher in dem Produkt wiederfinden soll. So könnte ein allgemeiner Wandel des Markenverständnisses eintreten, der auch Inhalt und Schutz der Funktionen beeinflußt24. Doch mag es bis dahin noch ein längerer Weg sein. Bei den Kollektivmarken, die Gütezeichen sein wollen (und das auch in ihrer Gestalt aussagen), müßten qualitätsbezogene Benutzungsbedingungen obligatorisch sein. Fehlen sie, wäre die Marke so nicht eintragbar, weil ersichtlich irreführend. Nicht so eindeutig liegen die Dinge bei den als Kollektivmarken geschützten geografischen Herkunftsangaben. Ihre Benutzungsbedingungen können, müssen aber nicht außer der gesicherten geografischen Herkunft weitere, die Qualität im weitesten Sinne (lokal gebundene Stofflichkeit, Fertigungsart und Gestaltung) bestimmende Vorgaben enthalten, die meist auf langer, ortsgebundener Tradition beruhen. Dies entspricht dem in § 127 Abs. 2 M G für geografische Herkunftsangaben gewährten Schutzinhalt bei „besonderen Eigenschaften oder besonderer Qualität", der auch bei der Wahl der Schutzform „Kollektivmarke" zugänglich ist. Das liegt nicht weit von der „Spezifikation"25 des Artikels 4 der E W G V O Nr. 2081/92 zum Schutze von geografischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen für Agrarerzeugnisse und Lebensmittel, an die Abschnitt 2 des Teils 6 (Geografische Herkunftsangaben) des Markengesetzes anknüpft. Dort ist sie obligatorisch, bei den Verbandszeichen sollte sie sich trotz oder wegen der Verfallsdrohung bei Duldung mißbräuchlicher Benutzung (§ 105 Abs. 1 Ziff. 2) durchsetzen.
23 Aus Sicht der Informationsökonomie messen van den Bergh/Lehmann der Marke die Wirkung zu, Qualitätsunsicherheiten zu beseitigen (GRUR-Int. 1992, S. 598); als geschützte Funktion wollen Lehmann/Schönefeld ( G R U R 1994, S. 481 ff [487]) dies indes nicht bewerten. 24 Auf den Beginn dieser Entwicklung - von der Herkunfts- zur Unterscheidungsfunktion - hat Oppenhoff schon vor 20 Jahren hingewiesen (GRUR-Int. 1973, S. 433 ff). Die „Vertrauensfunktion" wollte er nicht als zeichenrechtlichen Bestand, sondern wettbewerbsrechtlich bewerten (S. 436). Heute gewinnt sie auch markenrechtliche Relevanz; vgl. Klaka, G R U R 1994, S. 321 ff (327). 25 Die Bezeichnungen sollen die Qualitätserwartungen der Verbraucher gewährleisten vgl. Heine, G R U R 1993, S. 96 ff (98).
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Nun muß man sich aber davor hüten, die geografischen Herkunftsangaben als Kollektivmarke gewissermaßen als den Fall einer Garantiemarke per excellence anzunehmen. Die Schwierigkeiten beginnen nämlich bereits bei der Definition der einzuhaltenden Qualität. Die Markenträger werden wohl eher dazu neigen, den besonderen Ruf aus der strengen Ortsgebundenheit der Rohstoffe und gegebenenfalls der Verarbeitung und Kontrolle herzuleiten, ehe sie sich auf die Frage einlassen, ob denn die beschriebenen besonderen Qualitäten oder Eigenschaften partout nur an diesem Orte erzielbar sind. „Garantie" der Einhaltung der Benutzungsbedingungen wäre dann eher für die Herkunft als die nicht näher und exakt beschriebene (dem Verbraucher in der Regel auch nicht genauer bekannte) Qualität zu leisten. Immerhin ein gewisses Ergebnis. Ebenso bleibt es nach Auffassung des Autors problematisch, ob die Kollektivmarke die optimale Schutzform für die geografischen Herkunftsangaben ist. Während wir bei den klassischen Individualmarken eine immer stärkere internationale Anpassung der Schutzformen und der Schutzinhalte beobachten können, was für die Eignung als Marketing-Imageträger recht wohltuend zu vermerken ist, bleibt die Vielfalt bei den geografischen Herkunftsangaben wohl eher zu beklagen und beeinträchtigt den wünschenswerten internationalen Schutzstandard. Das Markenrechtsreformgesetz hat hier (leider) keinen entscheidenden Fortschritt gebracht, konnte es wohl auch nicht, weil hier der Umsetzungsdruck schon durch die erwähnte E G - V O 2081/92 zu den Agrar- und Lebensmittelbezeichnungen und die frühere EG-Weinbezeichnungsgesetzgebung schon verbraucht war. Damit bestand weder Neigung noch Notwendigkeit, eine ähnliche oder kompatible Schutzstruktur zu schaffen. Immerhin ist der Status quo, neben dem wettbewerbsrechtlichen Schutz über § 3 U W G ausnahmsweise die Registrierung als Kollektivmarke zu gestatten, zur Regel ausgebaut worden. Die Frage, wie ein internationales Schutzsystem für Herkunftsangaben und Ursprungsbezeichnungen aussehen sollte, ist ja seit eh und je, erst recht seit der Lissaboner Revisionskonferenz zur PVÜ 1958, ein offenes Problem. Danach spalteten sich die Entwicklungswege - einerseits entstand das bald stagnierende Registriersystem des Lissaboner Ursprungsabkommens, andererseits bauten viele Staaten, wie zum Beispiel die Bundesrepublik Deutschland, ihr schon früher erprobtes System der Gegenseitigkeitsabkommen mit anderen interessierten Staaten aus. Zwischenzeitliche Versuche der WIPO, ein spezielles internationales Abkommen zu „geografischen Angaben" zu schaffen, haben auch noch nicht zum Erfolg geführt. So bleibt das Schutzsystem heterogen, und die Eintragung als Kollektivmarke nur eine Möglichkeit unter verschiedenen. Ob sie für den internationalen Schutz eine verläßliche Basis abgibt, muß dahinstehen.
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Suspendiert § 99 Markengesetz doch nur als Ausnahmetatbestand von dem sonst durch Artikel 6 quinquies P V U international „abgestimmten" Schutzhindernis der bloßen Angaben von Herstellungsort und Warenart. Immerhin hatte sich in der deutschen Rechtspraxis ein solcher Schutzrechtserwerb über ein „offenes" Verbandszeichen vor allem für Weinbezeichnungen eingebürgert. Dies ergäbe Entsprechungen zur Schutzmöglichkeit der „certification-mark" des anglo-amerikanischen Rechtskreises. Das Markengesetz hat dies lediglich legalisiert, wohl auch unter dem Druck der zu übernehmenden, in einem Sonderregistriersystem erfaßten Herkunftsangaben der D D R . Dies führt indes nicht zu einer Zwangsgemeinschaft, denn dem Benutzer einer geografischen Herkunftsangabe, der die Bedingungen von Warenangabe und Herkunftsart erfüllt, kann sie nur ausnahmsweise entgegengehalten werden. Dann nämlich, wenn er dem allgemein anerkannten (Qualitäts-)Rufbild nicht gerecht wird und dadurch das Ansehen der Herkunftsangabe schädigt (§ 100 Abs. 1). Das muß aber nicht mit den hinterlegten Benutzungsbedingungen des Verbandes übereinstimmen, sondern wird von der oft schwankenden Verkehrsauffassung bestimmt. So scheinen Zweifel gerechtfertigt, ob die Kollektivmarke als Schutzform für Herkunftsangaben die Zukunftsvision für ein internationales Schutzsystem ist, zumal sie auch für den nationalen Schutz Lücken läßt. Eine Option auf ein selbständiges internationales Registrierungssystem ist deshalb auch heute noch sinnvoll26, um den geografischen Herkunftsangaben, denen der Jubilar viele Jahre seines Lebenswerkes widmete, zuverlässigen weltweiten Schutz zu sichern.
26 Beier „Soll Deutschland dem Lissaboner Abkommen beitreten", G R U R Int. 1968, S. 68 ff, hielt vor allem wegen der engen Definition eine vorherige Revision dieses Abkommens für nötig. Tilmann „Die geografische Herkunftsangabe", S. 335, teilt dies offenbar nicht, bevorzugt aber wie Beier den Verbandszeichenschutz. Im Bericht der Deutschen Landesgruppe der AIPPI zur Frage 118 „Marken und geografische Herkunftsangaben" (GRUR-Int. 1994, S. 161 ff [164]) wird indes eingeräumt, daß das Problem des Benutzungsrechts nicht verbandsangehöriger Unternehmen weiterer Prüfung bedarf. In der Tat ist dies die Achillesferse dieser Schutzform.
Die Erledigung aktienrechtlicher Anfechtungsverfahren durch Vergleich OLIVER C . BRÄNDEL
I. Anfechtungsprozesse 1 gegen Hauptversammlungsbeschlüsse von Aktiengesellschaften sind für alle Beteiligten oft von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung. Die Kläger fühlen sich durch die angefochtenen Beschlüsse in ihren Mitgliedschaftsrechten betroffen und befürchten eine empfindliche Einbuße am wirtschaftlichen Wert ihrer Anteile. Sofern es sich bei den Klägern um „räuberische Aktionäre" handelt, erhoffen sie sich zumindest eine reichliche Abfindung, mit der sich die beklagte Gesellschaft von dem lästigen Anfechtungsprozeß „freikauft". Für die beklagte A G und ihre Verwaltung bedeutet der Anfechtungsprozeß nicht nur erhebliche, zeitaufwendige Arbeit, sondern verursacht vor allem eine höchst unerwünschte Störung der unternehmerischen Aktivitäten, die bis zur langjährigen Lähmung der Investitionspolitik bei beabsichtigten Expansionen führen kann. Denn solange z. B. die Rechtmäßigkeit eines Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht rechtskräftig feststeht, kann sich die Gesellschaft das für einen Beteiligungserwerb benötigte zusätzliche Kapital nicht auf dem Markt beschaffen. Während des durch den Prozeß bedingten Schwebezustandes werden auch die Banken mit der Hergabe zusätzlicher Kredite zurückhaltend sein. Verheerend kann sich die durch den Schwebezustand verbreitete Unsicherheit vor allem bei sanierungsbedürftigen Unternehmen auswirken, die dringend auf die Beschaffung neuen Kapitals angewiesen sind. D a derartige Anfechtungsklagen stets von den Inhabern einer Minderheitsbeteiligung (wenn nicht gar von zweckbedingt nur „atomistisch" beteiligten Aktionären) erhoben werden, treffen die wirtschaftlich unerwünschten - bis zur Existenzbedrohung hin reichenden - Konsequenzen auch den bzw. die Inhaber der Aktienmehrheit, mit deren Stimmen der vom Kläger angegriffene Hauptversammlungsbeschluß zustande kam. Das Aktienrecht ist eine schwierige, vom Schrifttum in zahlreichen Einzelpunkten äußerst kontrovers diskutierte und von der höchstrich1 Unter diesem Sammelbegriff werden im folgenden auch Nichtigkeitsklagen (§ 249 A k t G ) sowie Klagen auf Feststellung der Unwirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen behandelt, sofern dafür keine Besonderheiten gelten.
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terlichen Rechtsprechung auch noch nicht annähernd abschließend geklärte Rechtsmaterie. Sie unterliegt zunehmend der Umgestaltung und Fortbildung durch das Gemeinschaftsrecht, dessen einschlägiger Inhalt ebenfalls auslegungsbedürftig, umstritten und durch die Rechtsprechung noch keineswegs hinreichend geklärt ist la . Deshalb läßt sich der Ausgang derartiger Anfechtungsprozesse selbst von erfahrenen Wirtschaftsjuristen kaum jemals sicher voraussagen. Der Partei selbst ist eine Prognose praktisch kaum möglich. Diesem Prozeßrisiko sind zwangsläufig sämtliche Verfahrensbeteiligten ausgesetzt. Ihr einziges gemeinsames Interesse besteht daher in dem Anreiz, den durch den Prozeß geschaffenen Schwebezustand und das dadurch begründete Risiko möglichst rasch in einer für alle Beteiligten akzeptablen Weise durch Vergleich aus der Welt zu schaffen. Hierbei ist die Motivation der Gesellschaft (sowie ihrer Mehrheitsaktionäre), dem Kläger sogar erhebliche Zugeständnisse finanzieller oder anderer Art zu machen, um so größer, je ausgeprägter die Risiken des Verfahrens oder je lästiger der Schwebezustand für die AG und ihre Unternehmenspolitik ist. Dem Abschluß derartiger Vergleiche stehen jedoch rechtliche Hindernisse entgegen, die pragmatische wirtschaftliche Lösungen - aus gutem Grund - erschweren: 1. Einerseits ist zu beachten, daß die Streitgegenstände aktienrechtlicher Anfechtungsprozesse ihrer Art nach nur eingeschränkt der Disposition der Prozeßparteien unterliegen: Zwar kann nach überwiegender - wenn auch nicht unbestrittener - Auffassung die Gesellschaft den Klageanspruch anerkennen, so daß der angefochtene Hauptversammlungsbeschluß durch richterliches Anerkenntnisurteil (§ 307 ZPO) ohne Sachprüfung vernichtet wird2. Auch kann die beklagte A G auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen ein ihr ungünstiges Instanzurteil verzichten und dadurch - selbst wenn das Urteil unrichtig ist - den angegriffenen Hauptversammlungsbeschluß beiseitigen. Schon eine inhaltliche Modifizierung des angefochtenen Beschlusses im Wege gegenseitigen Nachgebens ist auf diese Weise aber nicht möglich, zumal der einzelne Hauptversammlungsbeschluß in der Regel nicht teilbar ist. Ebensowenig kann S. z. B. die Vorlage des BGH an den EuGH v. 30. 1. 1995 (II ZR 132/93) zum Ausschluß des Bezugsrechts bei Sachkapitalerhöhungen. 2 So trotz gewichtiger Bedenken wegen der dadurch drohenden Ausschaltung der Hauptversammlung Zöllner im Kölner Kommentar zum AktG, 1. Auflage, § 246, Rdn. 73; Geßler/Hüffer AktG § 248, Rdn. 11; Austmann ZHR 1994 (158. Band), S. 495, 508 bei Fn. 49 mit ausführlichen Nachweisen; anderer Ansicht Schilling im Großkommentar zum AktG, 3. Auflage, § 246 Anmerkung 7; Henn, Handbuch des Aktienrechts, 5. Aufl. Rdn. 935.
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ein Vergleich die rechtsgestaltende Wirkung eines - gemäß § 248 AktG gegenüber jedermann3 wirkenden - richterlichen Urteils ersetzen. Es ist nicht möglich, durch Prozeßvergleich (geschweige denn durch außergerichtlichen Vergleich) die Vernichtung eines Hauptversammlungsbeschlusses auszusprechen4. Entsprechendes gilt für den Vergleich über ein Nichtigkeitsfeststellungsbegehren5. Zweifelhaft und umstritten ist die Frage bei Klagen, die auf die Feststellung der Unwirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen gerichtet sind6. Nach herrschender Ansicht ist die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen eine gewöhnliche Feststellungsklage im Sinne von § 256 ZPO mit der Folge, daß auf sie § 249 AktG und somit auch § 248 AktG keine Anwendung finden7. Die herrschende Meinung ist jedoch nicht unbestritten8. Die Entscheidung B G H Z 15, 177 (118) wird von beiden Meinungen als Beleg für ihre Auffassung in Anspruch genommen, bezieht sich im übrigen nicht auf eine Aktiengesellschaft, sondern auf eine Genossenschaft und führt daher nicht zur abschließenden Klärung. Deshalb ist es nicht ratsam, auf Feststellung der Unwirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen gerichtete Klagen ohne richterliches Urteil durch Vergleich in der Weise aus der Welt schaffen zu wollen, daß die Unwirksamkeit des Beschlusses ganz oder teilweise anerkannt wird. Abgesehen davon, daß die Verwaltung, die einen solchen Vergleich abschließt, die Kompetenzen der Hauptversammlung negiert, ergeben sich aus dem Gleichbehandlungsgebot (§ 53 a AktG) Konsequenzen gegenüber den außenstehenden, am Vergleich nicht beteiligten Aktionären. Wollte der Vergleich auch ihnen gegenüber Wirkungen beanspruchen, liefe das darauf hinaus, daß die Prozeßbeteiligten über Rechtsbeziehungen gegenüber Dritten disponieren. Eine solche Verfügungsbefugnis steht ihnen nicht zu. 2. Zulässig ist zwar ein Vergleich des Inhalts, daß der Kläger sein Anfechtungs- oder Nichtigkeitsbegehren nicht weiterverfolgt, seine Klage zurücknimmt9 oder auf den Klaganspruch verzichtet10. Abgesehen von 5 Zöllner (Fn. 2) § 248 Rdn. 16; Geßler/Hüffer (Fn. 2) § 248 Rdn. 5 mit weiteren Nachweisen. 4 Zöllner (Fn. 2) § 248 Rdn. 45; H ü f f e r (Fn. 2) § 248 Rdn. 34. 5 Zöllner (Fn. 2) § 249 Rdn. 30. 6 Zur Unterscheidung siehe Zöllner (Fn. 2) §241 Rdn. 7-18, §246 Rdn. 86; H ü f f e r (Fn. 2) § 241 Rdn. 18 f. 7 Baumbach/Hueck AktG vor § 241 Anm. 5; Godin/Wilhelmi AktG 4. Aufl., § 249 Anm. 1; H ü f f e r (Fn. 2) § 246 Rdn. 79 und § 249 Rdn. 28 f. 8 Zöllner (Fn. 2) § 249 Rdn. 51. ' Zöllner (Fn. 2) § 248 Rdn. 45; H ü f f e r (Fn. 2) § 248 Rdn. 34 am Ende; Austmann (Fn. 2) S. 511. 10 Allgemeine Meinung, vgl. z. B. Zöllner (Fn. 2) § 246 Rdn. 72.
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dem Fall, daß sich der Kläger von der Aussichtslosigkeit seiner Klage überzeugt hat, genügt eine solche Lösung seinen Interessen im Regelfall selbst dann nicht, wenn die Gesellschaft - was zulässig wäre" - die gesamten Verfahrenskosten übernimmt. Der redliche Aktionär will die ihn treffende Beeinträchtigung seiner Mitgliedschaftsrechte zumindest teilweise aus der Welt schaffen. Der räuberische Aktionär hofft auf Beute, und zwar um so mehr, je günstiger die Prozeßchancen für ihn stehen. Da alle Beteiligten Wert darauf legen, ihr „Gesicht zu wahren", muß der Vergleich auf einem gegenseitigen Nachgeben beruhen (§ 779 BGB). In der Praxis sieht das meist so aus, daß der angegriffene Hauptversammlungsbeschluß aufrechterhalten bleibt, der Kläger jedoch zum Ausgleich eine Entschädigung erhält. 3. Selbst wenn die AG es wollte, wäre sie daran gehindert, den klagenden Aktionär durch Zahlung eines Geldbetrages oder durch anderweitige Sachzuwendungen zu einer Rücknahme seiner Klage bzw. zur Rücknahme eines von ihm eingelegten Rechtsmittels zu bewegen. Denn darin würde eine nach § 57 AktG verbotene verschleierte Rückzahlung der vom klagenden Aktionär geleisteten Einlage erblickt werden, also den Kläger nicht davor schützen, gemäß § 62 AktG auf Rückgewähr der empfangenen Leistung in Anspruch genommen zu werden. Außerdem könnten an einzelne klagende Aktionäre erbrachte Sonderleistungen mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53 a AktG) kollidieren. Bei einem sein Anfechtungsrecht mißbräuchlich ausübenden Aktionär 12 kann der Vergleich nach § 123 B G B anfechtbar sein, wenn der Kläger sein Anfechtungsrecht als Druckmittel einsetzt, um die Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat. Möglicherweise ist ein Vergleich, mit dem sich die Gesellschaft durch eine finanzielle Leistung von einer mißbräuchlichen Anfechtungsklage freizukaufen sucht, sogar schon aufgrund der §§ 134,138 B G B nichtig. Es ist häufig sehr schwer, die Grenze zwischen vertretbarer und mißbräuchlicher Anfechtung zu erkennen, z. B. bei streitigem Bezugsrechtsausschluß. Angesichts des erheblichen allseitigen Interesses an der Beilegung aktienrechtlicher Anfechtungsstreitigkeiten reichen aber selbst diese rechtlichen Schwierigkeiten nicht aus, um die Beteiligten am Abschluß bedenklicher Vergleiche zu hindern. Sie verlagern sie nur in das Zwielicht einer „konspirativen" Grauzone. Vor den Augen der mit der Streitsache Siehe Fn. 9. Siehe dazu B G H Z 107, 296 ( 308 ff ); B G H N J W 1990, 322; B G H WM 1991, 2061; grundlegend mit rechtspolitischen Überlegungen Boujong, FS Kellermann 1991, S. 1 ff; zur Rechtsmißbräuchlichkeit einer aktienrechtlichen Nichtigkeitsklage auch O L G Frankfurt, A G 1991,208. 11
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befaßten Richter werden Verhandlungen zur gütlichen Beilegung des Streites oftmals geflissentlich verborgen. 4. Bevor es zum Abschluß derartiger (außergerichtlicher) Vergleiche kommt, müssen die Beteiligten alles vermeiden, was die Wirksamkeit der angestrebten Absprache hindern könnte. Besonders der Kläger und zwar auch der redliche - muß mit peinlicher Sorgfalt darauf achten, daß Andeutungen seiner Vergleichsbereitschaft nicht als Erpressungsversuche gedeutet werden, die den Mißbrauchstatbestand beweisen oder jedenfalls indizieren und für den Prozeßgegner nach Abschluß des Vergleichs ein Anfechtungsrecht wegen Drohung (§ 123 BGB) begründen. Dadurch würde der Kläger die Früchte des außergerichtlichen Vergleichs wieder verlieren, während sein Gegner sie in der Hand behält: Hat der Kläger in Durchführung und zur Erfüllung des außergerichtlichen Vergleiches seine Klage (oder sein Rechtsmittel) zurückgenommen und ficht der Prozeßgegner den Vergleich nunmehr mit Erfolg gemäß § 123 BGB an, ist zwar der Vergleich hinfällig (§ 142 Abs. 1 BGB). Der Kläger muß das, was er aufgrund des Vergleiches von der Gesellschaft erhalten hat, nach Bereicherungsgrundsätzen (wenn nicht bereits aufgrund von § 62 Abs. 1 AktG) wieder herausgeben. Für die beklagte AG hingegen ist eine „Herausgabe des Erlangten" aus Rechtsgründen ausgeschlossen. Denn „erlangt" hat sie aufgrund des Vergleiches die vom Kläger erklärte Klage- bzw. Rechtsmittelrücknahme. Dabei handelt es sich aber um eine Prozeßhandlung, auf die die Grundsätze über die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften weder unmittelbar noch analog anwendbar sind13. Die Prozeßhandlung einer Klage- oder Rechtsmittelrücknahme ist auch nicht widerruflich, weil der Prozeßgegner durch sie eine geschützte Position (Wegfall der Rechtshängigkeit) erlangt hat. Einer erneuten Klage bzw. Rechtsmitteleinlegung steht zumeist der inzwischen bereits eingetretene Ablauf der Anfechtungs- bzw. Rechtsmittelfrist entgegen. Die wirksame Anfechtung des Vergleiches durch die beklagte Partei ermöglicht dem Kläger in diesen Fällen also nicht die prozessuale Fortsetzung des Rechtsstreits. Der Kläger verliert endgültig sein Druckmittel, ohne den erhaltenen Ausgleich für die - angeblich oder tatsächlich - erlittene Beeinträchtigung seiner Mitgliedschaftsrechte behalten zu dürfen. Es ist nachvollziehbar, daß sich die Prozeßparteien aus diesem Grunde trotz allseitiger Vergleichsbereitschaft mit äußerstem Mißtrauen begegnen, da
13 Im wesentlichen einhellige Auffassung in Rechtsprechung und Rechtslehre vgl. z. B. B G H Z 80, 391; B G H FamRZ 1988, 496; B G H NJW 1988, 2541; B G H NJW 1991, 2839; Baumbach/Hartmann ZPO, 53. Aufl., Grundzüge § 128 Rdn. 56; Zöller/Greger ZPO 18. Aufl., vor §128 Rdn. 21.
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sie damit rechnen müssen, daß der Gegner jeden Fehler sofort und ohne Erbarmen ausnutzt. II. Im Jahre 1994 konnte ein in die Revisionsinstanz gelangter aktienrechtlicher Anfechtungsstreit mit Billigung des II. Zivilsenats des B G H gütlich beigelegt werden. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse und Erfahrungen können der Praxis nützliche Hinweise zur legalen Erledigung solcher Verfahren durch Vergleich geben. Die Festgabe zu Ehren von Ralf Vieregge ist der geeignete Ort für einen solchen Hinweis, denn der Jubilar ist im Kreis der angesehenen deutschen Wirtschaftsanwälte wie kaum ein anderer für seine Meisterschaft im Auffinden und Gestalten juristisch brillanter und gleichwohl pragmatischer Lösungen bekannt. Zugleich bittet der Verfasser allerdings auch um Verständnis dafür, daß er aus Gründen der Diskretion weder „Ross noch Reiter" nennen, noch Einzelheiten zur Identifizierung des Verfahrens preisgeben darf, dessen - mit dem B G H abgestimmte - gütliche Erledigung die Anregungen für die folgenden Ausführungen gab: 1. Die Parteien sollten anstreben, den beabsichtigten Vergleich gerichtlich protokollieren zu lassen. In diesem Fall wird das Verfahren durch den protokollierten Vergleich automatisch beendet, erfordert also nicht eine abstrakte, vom sonstigen Vergleichsinhalt zu trennende Klage- oder Rechtsmittelrücknahme14. Da ein Prozeßvergleich - trotz seiner Doppelnatur als Rechtsgeschäft und Prozeßhandlung - nach ganz herrschender Meinung wegen Willensmängeln anfechtbar ist15, beseitigt eine wirksame Anfechtung wegen Irrtums oder Drohung nicht nur die materiellrechtlichen Wirkungen des gerichtlichen Vergleichs, sondern führt auch dazu, daß die Prozeßhandlung als „Begleitform" des materiell-rechtlichen Vergleichs ihre Wirksamkeit verliert16. Wird dem Vergleich durch die erfolgreiche Anfechtung jede verfahrensrechtliche Wirkung von Anfang an genommen, kann und muß der Rechtsstreit in der Lage, in der er sich vor Abschluß des Vergleiches befand, fortgeführt werden (einschließlich des Streits über die Wirksamkeit des Vergleiches)17. Durch eine Anfechtung des Vergleiches würde die beklagte Gesellschaft demzufolge seinen Nutzen - nämlich die Prozeßbeendigung - wieder verlieren und erneut dem Prozeßrisiko ausgesetzt sein. Sie wird deshalb kaum 14 BGHZ 86, 184 (187); arg. §§ 81, 83 ZPO: „Beseitigung des Rechtsstreits durch Vergleich". 15 BGH NJW 1966, 2399; OLG Celle NJW 1971, 145; Zöller/Greger ZPO (Fn. 13) § 279 Rdn. 3; a. A. Baumbacb/Hartmann ZPO (Fn. 13) Anhang § 307, Rdn. 36. 16 BGH NJW 1985,1962 (1963 rechte Spalte). 17 BGHZ 16,167 (171); BAG NJW 1960, 2211; Zöller/Stöber (Fn. 13) § 794, Rdn. 15.
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Neigung empfinden, den gerade erst abgeschlossenen Vergleich durch eine Anfechtung wieder zu vernichten. Der Kläger vermeidet auf diese Weise die für ihn nachteiligen Konsequenzen, die sich für ihn bei Abschluß eines außergerichtlichen Vergleiches mit gesondert erklärter Klage- bzw. Rechtsmittelrücknahme ergeben. 2. Der Abschluß eines gerichtlich protokollierten Vergleiches hat außerdem den Vorteil, daß das Prozeßgericht den Vergleichsinhalt prüft, da es zum Abschluß eines erkennbar gegen die §§ 123, 134, 138 BGB verstoßenden Vergleiches nicht seine Hand leihen darf. Durch den Abschluß eines solchen gleichermaßen richterlich „geprüften" Vergleiches wird also den Interessen beider Seiten am besten gedient. 3. Wird dem Kläger im Vergleich eine finanzielle oder sonstige Zuwendung dafür versprochen, daß er von seinem Anfechtungsbegehren Abstand nimmt, darf die Zuwendung nicht aus dem Gesellschaftsvermögen stammen, weil dies als unzulässige Einlagenrückgewähr gewertet werden müßte. Hingegen ist es zulässig, daß ein Aktionär oder ein anderer interessierter Dritter (z. B. ein mit der AG kooperierendes Unternehmen, das an einer Fortsetzung oder dem Ausbau der Beziehungen interessiert ist) dem Anfechtungskläger eine Gegenleistung dafür verspricht, daß er von seinem Klagebegehren Abstand nimmt. Die Gegenleistung kann in der Zahlung einer Geldsumme bestehen oder in dem Versprechen des Dritten, Aktien aus dem eigenen Bestand dem Kläger zu übertragen oder ihm seine Aktien an der beklagten AG abzukaufen. Bei der Bemessung der Gegenleistung muß allerdings verschiedenen aktienrechtlichen Grundsätzen Rechnung getragen werden: a) Nach § 243 Abs. 2 AktG kann die Anfechtung eines Hauptversammlungsbeschlusses darauf gestützt werden, das ein Aktionär mit der Ausübung des Stimmrechts für sich oder einen Dritten Sondervorteile zum Schaden der Gesellschaft oder der anderen Aktionäre zu erlangen suchte und der Beschluß geeignet ist, diesem Zweck zu dienen. Dies gilt nicht, wenn der Beschluß den anderen Aktionären einen angemessenen Ausgleich für ihren Schaden gewährt. Ein Aktionär ist also zur Anfechtung nicht berechtigt, wenn die ihm durch den Hauptversammlungsbeschluß zugefügte Beeinträchtigung seines Mitgliedschaftsrechts angemessen ausgeglichen wurde. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muß der Beschluß selbst die Ausgleichsregelung enthalten. Die an der Beschlußfassung interessierte Aktionärsmehrheit kann die Anfechtbarkeit nicht dadurch ausschließen, daß sie eine künftige Regelung in Aussicht stellt oder verspricht18. Dies schließt allerdings " Zöllner
(Fn. 2) § 243 Rdn. 245; H ü f f e r (Fn. 2) § 243 Rdn. 97.
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nicht aus, daß der klagende Aktionär auf sein durch § 243 Abs. 2 A k t G begründetes Anfechtungsrecht nachträglich verzichtet (indem er die Klage zurücknimmt), wenn ihm nachträglich im Vergleichswege ein angemessener Ausgleich angeboten wird. Auch hierbei empfiehlt sich, daß das Angebot von dritter Seite - also nicht von der Gesellschaft - ausgeht. Denn bei einem nachträglich von der Gesellschaft im Vergleichswege angebotenen „Ausgleich" würde sogleich das Problem der Gleichbehandlung der durch den Hauptversammlungsbeschluß ebenfalls benachteiligten außenstehenden Aktionäre, die nicht geklagt haben, entstehen. Das in den §§ 304-306 A k t G vorgesehene Verfahren zur Sicherung des den außenstehenden Aktionären bei Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen zustehenden Ausgleiches läßt sich nicht anwenden. Denn es würde nicht nur die Einbeziehung sämtlicher außenstehender Aktionäre - auch derjenigen, die keine Anfechtungsklage erhoben haben - voraussetzen, sondern auch die Festlegung des Ausgleiches dem Gericht überlassen (§ 304 Abs. 3 Satz 3 AktG). Dies ist mit dem Wesen eines zwischen den Parteien des Anfechtungsprozesses ausgehandelten Vergleiches unvereinbar. Wird die im Vergleich für die Klagrücknahme versprochene Gegenleistung aber von einem Dritten zugesagt, gibt es derartige Probleme nicht. Denn ein Dritter unterliegt nicht dem der Gesellschaft obliegenden Gleichbehandlungsgebot. Dieses richtet sich nur an die A G " . b) Andererseits folgt aus § 243 Abs. 2 AktG, daß dem durch den Hauptversammlungsbeschluß betroffenen Aktionär nur ein angemessener Ausgleich für die erlittene Beeinträchtigung seiner Mitgliedschaftsrechte gewährt werden darf. Durch einen unangemessen hohen Ausgleich würde der klagende Aktionär seinerseits einen Sondervorteil gegenüber den anderen Aktionären erlangen, also etwas erhalten, was er ohne die Anfechtungsklage nicht erhalten könnte. Da das Anfechtungsrecht aber nicht als Mittel zur eigennützigen Verfolgung von Sondervorteilen mißbraucht werden darf, auf die der klagende Aktionär keinen Anspruch hat20, würde ein durch Vergleich geforderter und gewährter unangemessen hoher Ausgleich die Anfechtung automatisch als rechtsmißbräuchlich abstempeln und einer Regelung, deren Inhalt dies sanktioniert, die Rechtswirkungen nehmen. Folglich darf die Leistung, die ein anderer Aktionär bzw. ein Dritter dem Kläger im Vergleichswege anbietet, nicht den Rahmen der Angemessenheit verlassen, insbesondere nicht zur Gewährung von Sonder-
" Unstreitig vgl. Lutter/Zöllner Kölner Kommentar zum AktG, 2. Aufl., § 53 a Rdn. 25; Geßler/Hefermehl AktG, § 53 a Rdn. 5. 20 B G H Z 107, 296 (308 f); B G H W M 1990,140 (144);1372 (1377 f); 2073 (2076).
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vorteilen führen, die mit dem Wesen oder der Organisationsstruktur einer Aktiengesellschaft unvereinbar sind. Unangemessen wäre z. B. die Zusage, dem Kläger einen Sitz im Vorstand oder Aufsichtsrat, für den er nicht qualifiziert ist, zu verschaffen, oder Stimmrechtsbindungen einzugehen, die dem Kläger einen überproportionalen Einfluß auf künftige Abstimmungen der Hauptversammlung gewähren. Hierher gehören aber auch finanzielle Zusagen, die außer Verhältnis zu der vom Kläger erlittenen (oder auch nur behaupteten) Beeinträchtigung seiner Mitgliedschaftsrechte stehen. Bei Beachtung dieses Ubermaßverbotes dürften andererseits aber Zusagen des Dritten, dem Kläger Aktien der Gesellschaft zu einem Vorzugspreis zu verschaffen oder abzukaufen, zulässig sein. Die Einhaltung dieser Grenzen verlangt Augenmaß und wirtschaftliche Vernunft beider Seiten. Mit der Vorstellung, sich durch Beschaffung einer einzigen Aktie und einen anschließenden Anfechtungsprozeß „eine goldene Nase" verdienen zu können, muß gründlich aufgeräumt werden. 4. Um an der gerichtlichen Protokollierung des Vergleichs teilnehmen zu können, muß der Dritte dem Rechtsstreit beitreten. Dies setzt ein rechtliches Interesse des Streithelfers am Obsiegen einer der am Rechtsstreit beteiligten Parteien voraus (§ 66 Abs. 1 ZPO). Ein wirtschaftliches Interesse genügt nicht21. Ein rechtliches Interesse hat wegen der Rechtskraftwirkungen des § 248 Abs. 1 AktG jeder Aktionär der beklagten Gesellschaft. Er kann deshalb zum Zwecke des Vergleichsabschlusses sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite dem Rechtsstreit beitreten22. Ein Dritter, der dem Rechtsstreit zum Zwecke der vergleichsweisen Erledigung beitreten will, braucht daher zuvor nur eine einzige Aktie der beklagten Gesellschaft zu erwerben23, um die Beitrittsvoraussetzungen zu erfüllen, die im übrigen auch nicht von Amts wegen, sondern nur auf Antrag geprüft werden24. Protokolliert wird sodann eine Vereinbarung zwischen dem Kläger und dem beigetretenen Streithelfer, die die vertragliche Zusage des Streithelfers enthält, dem Kläger einen angemessenen Ausgleich zu leisten. Aufgrund dieses Versprechens erklärt der Kläger, daß er die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Hauptversammlungsbeschlusses nicht länger in Zweifel ziehen wolle und sich der Rechtsstreit erledigt habe. Die beklagte Gesellschaft nimmt die zwischen dem Kläger und O L G München GRUR 1976, 388; Baumbach/Hartmann ZPO (Fn. 13) § 66 Rdn. 12. Zöllner (Fn. 2) § 246 Rdn. 89 f; Austmann (Fn. 2) S. 497; etwas enger Hüffer (Fn. 2) § 246 Rdn. 9. 23 Nicht erforderlich ist, daß er bereits im Zeitpunkt der angegriffenen Beschlußfassung Aktionär war - vgl. Amtmann (Fn. 2) S. 499. 24 BGHZ 38,110(111). 21
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dem Streithelfer abgeschlossene Vereinbarung lediglich zur Kenntnis, stellt klar, daß sie für die Erfüllung der Zusage weder einsteht noch haftet und schließt sich der Erledigungserklärung des Klägers an bzw. stimmt seiner Klagerücknahme zu. Würde die beklagte Gesellschaft für das Leistungsversprechen des Streithelfers die Mitschuld oder Mithaftung übernehmen, könnte dies als Versprechen einer unzulässigen Einlagenrückgewähr gewertet werden. Im Anschluß an diese Erklärungen sollte dann noch lediglich eine Kostenvereinbarung protokolliert werden, an der sich alle Verfahrensparteien beteiligen.
III. Sind an einem Anfechtungsverfahren mehrere Kläger beteiligt, müssen sie ausnahmslos in den Vergleich einbezogen werden, um das Verfahren endgültig beizulegen. Dies versteht sich von selbst. Besondere Fragen ergeben sich aber, wenn sich - wie es häufig geschieht - Nebenintervenienten auf Klägerseite am Anfechtungsprozeß beteiligen. In der Regel sind dies Aktionäre, die den angegriffenen Hauptversammlungsbeschluß ebenfalls bekämpfen wollen, jedoch entweder den in der Hauptversammlung zu protokollierenden Widerspruch (§ 245 Ziffer 1 AktG) oder die Klagfrist (§ 246 Abs. 1 AktG) versäumt haben. Hierbei handelt es sich, wie die Erfahrungen der Vergangenheit zeigen, einerseits um Aktionäre, die das Klageziel ernsthaft unterstützen wollen, andererseits häufig auch nur um „Trittbrettfahrer", die hoffen, sich an einem räuberischen Angriff auf die Gesellschaft ohne allzu großen Kostenaufwand beteiligen zu können 25 . Werden auch sämtliche Nebenintervenienten in den Vergleich einbezogen, entstehen keine zusätzlichen Probleme. Zu prüfen ist aber, wie sich ein zur Erledigung der Klage führender Vergleich auf die Rechtsposition von am Vergleich nicht beteiligten Nebenintervenienten auswirkt. Die Rechtsstellung der Nebenintervenienten in Anfechtungs- oder Nichtigkeitsverfahren gegen Hauptversammlungsbeschlüsse von Aktiengesellschaften ist im einzelnen noch ziemlich ungeklärt. 1. Anerkannt ist, daß jeder Aktionär sowohl auf Kläger- als auch auf Beklagtenseite dem Rechtsstreit beitreten kann 26 . Jedenfalls für Anfechtungsverfahren (§ 243 AktG) und Nichtigkeitsverfahren (§ 249 AktG) ist ferner anerkannt, daß die Nebenintervention eine sogenannte streitgenössische im Sinne einer notwendigen Streitgenossenschaft gemäß 25 26
Uber diese Erfahrung berichtet auch Austmann (Fn. 2) S. 514. Siehe oben bei Fn. 22.
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§§ 69, 61 ZPO ist27. Denn die Rechtskraft des Anfechtungsurteils wirkt gemäß § 248 AktG für und gegen sämtliche Aktionäre. Deshalb können gemäß § 61 ZPO die Handlungen der Hauptpartei dem Streitgenossen nicht zum Nachteil gereichen. Die Vorschrift des § 67 ZPO, die bestimmt, daß die Erklärungen und Handlungen des Nebenintervenienten nicht zu Erklärungen und Handlungen der Hauptpartei im Widerspruch stehen dürfen, ist auf den streitgenössischen Nebenintervenienten nur eingeschränkt anwendbar. So darf der streitgenössische Nebenintervenient anders als der gewöhnliche - auch gegen den Widerspruch der von ihm unterstützten Partei Angriffs- und Verteidigungsmittel vorbringen und Prozeßhandlungen vornehmen28. Insbesondere kann er selbständig ohne und sogar gegen den Willen der unterstützten Partei ein Rechtsmittel einlegen29. 2. Zweifelhaft und umstritten ist die Stellung eines Nebenintervenienten in einem auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses gerichteten Prozeß. Folgt man der herrschenden Meinung, die ein solches Klagebegehren als gewöhnliche Feststellungsklage im Sinne von § 256 ZPO ansieht30, hat eine Nebenintervention nur die Wirkungen einer gewöhnlichen Streithilfe mit den sich aus § 67 ZPO für den Nebenintervenienten ergebenden Einschränkungen. Behandelt man mit der Mindermeinung auch diese Verfahren analog den §§ 243, 249, 248 AktG 31 , ist die Nebenintervention auch hier eine streitgenössische. 3. Da eine Nebenintervention auch noch in der Revisionsinstanz erklärt werden kann32, und zwar ggf. zusammen mit Einlegung der Revision gegen ein der Hauptpartei ungünstiges Berufungsurteil, kann sich der Nebenintervenient wegen der Wirkungen der §§ 61, 69 Z P O auch noch in letzter Instanz eine von der Hauptpartei verhältnismäßig unabhängige Rechtsposition verschaffen. So kann er z. B. durch Fortführung des eigenen Rechtsmittels auch gegen den Willen der Hauptpartei, die ihre Revision zurückgenommen hat, die Fortsetzung des Hauptverfahrens erzwingen33. Auch ein Vergleich, in dem die Hauptpartei ihr Rechtsmit27 Baumbach/Hueck (Fn. 7) § 246 Anm. 7; Schilling (Fn. 2) § 246 Anm. 13; Zöllner (Fn. 2) § 246 Rdn. 91; Hüffer (Fn. 2) § 246 Rdn. 10; Amtmann (Fn. 2) S. 507. 28 BGHZ 89,121 (132 f). 29 Zöller/Vollkommer ZPO 18. Aufl., § 69 Rdn. 7; Zöllner (Fn. 2) § 246 Rdn. 91; Hüffer (Fn. 2) § 246 Rdn. 10. 50 Siehe oben Fn. 7. 31 Siehe oben Fn. 8. 32 Siehe Amtmann (Fn. 2) S. 498. 33 Dies wird man allerdings nicht annehmen können, wenn der Nebenintervenient ursprünglich selbst einer der Anfechtungskläger war, seine Anfechtungsklage jedoch in den Vorinstanzen rechtskräftig abgewiesen wurde. In diesem Falle dürfte er gehindert sein, sein rechtskräftig abgewiesenes Begehren im Wege einer Nebenintervention erneut weiterzuverfolgen.
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tel zurücknimmt, an dem der Nebenintervenient jedoch nicht beteiligt ist, würde einer Fortführung des Anfechtungsstreits durch den Nebenintervenienten nicht entgegenstehen und daher zu keiner endgültigen Befriedung führen. 4. Auch die streitgenössische Nebenintervention setzt jedoch eine Rechtshängigkeit der Hauptsache voraus. Zu einer nicht mehr rechtshängigen Anfechtungsklage kann es denkgesetzlich keine Nebenintervention - auch keine streitgenössische - geben. Denn auf den Prozeßgegenstand kann selbst der streitgenössische Nebenintervenient nicht einwirken 34 . E r kann daher nach Klagerücknahme durch die Hauptpartei das Anfechtungsverfahren nicht fortführen, weil die Rechtshängigkeit entfallen ist 35 . Wird also in dem gerichtlich protokollierten Vergleich die Rechtshängigkeit der Hauptsache beseitigt, kann auch ein an der gütlichen Einigung nicht beteiligter Nebenintervenient das Anfechtungsverfahren nicht mehr fortsetzen. Aus diesem Grunde sollte der gerichtlich protokollierte Vergleich klar zum Ausdruck bringen, daß das Nachgeben des Klägers nicht etwa nur in der Rücknahme eines von ihm eingelegten Rechtsmittels besteht, sondern daß er von dem Anfechtungsbegehren endgültig Abstand nimmt. Dies kann durch Erklärung der Klagerücknahme, aber auch einer Erledigung der Hauptsache geschehen. Letzteres ist allerdings sehr streitig 36 . Für die hier vertretene Auffassung spricht, daß auch die von den Hauptparteien übereinstimmend erklärte Erledigung der Hauptsache das Gericht bindet und die Rechtshängigkeit beseitigt. Bereits ergangene, noch nicht rechtskräftige Entscheidungen werden ex tunc analog § 269 Abs. 3 Satz 1 Z P O wirkungslos 37 . Wegen dieser noch nicht geklärten Streitfrage ist aber eine vom Anfechtungskläger im Vergleich erklärte Klagrücknahme vorzuziehen. Auf diesem Wege wird der Anfechtungsprozeß mit Sicherheit endgültig durch Vergleich beendet, ohne daß als „Trittbrettfahrer" auf Beute hoffende Nebenintervenienten an ihm beteiligt werden müssen.
34 Herrschende Meinung, siehe z. B. Zöller/Vollkommer (Fn. 29) § 69 Rdn. 8; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 47 V 2 a; Stein/Jonas/Leipold ZPO, 20. Aufl., § 69 Rdn. 7. 35 B G H N J W 1965, 760; Austmann (Fn. 2) S. 512 mit weiteren Nachweisen. 36 Wie hier Lindacher, in: MüKo ZPO § 91 a Rdn. 27; Stein/Jonas/Bork Z P O 21. Aufl., § 91 a Rdn. 15; Austmann (Fn. 2) S. 512; a. A. Zöllner (Fn. 2) § 248 Rdn. 47; Thomas/Putzo Z P O 18. Aufl., § 91 a Rdn. 17; Baumbach/Hartmann (Fn. 13) § 91 a Rdn. 78; Zöller/Vollkommer (Fn. 29) § 91 a Rdn. 58 Stichwort „Streitgenossenschaft". 37 Bay. VerfGH N J W 1990, 1783 f; O L G Frankfurt MDR 1989, 460.
Wann ist Rufausnutzung im Wettbewerb nicht unlauter? H A N S ERICH BRANDNER
1. Ein Begriff mit langer Karriere im
Wettbewerbsrecht
„Rufausnutzung" ist zum Zauberwort geworden für die wettbewerbsrechtliche Erfassung von Fällen, in denen ein Wettbewerber eine fremde Kennzeichnung oder Leistung oder einen werthaltigen Begriff, den ein anderer für sich in Anspruch nimmt, benutzt, nachahmt, sich daran annähert oder zur Förderung des eigenen Wettbewerbs darauf Bezug nimmt. Die schon im Vorverständnis negative Einschätzung solcher Handlungsweisen im Wettbewerb findet Ausdruck in den üblichen Begriffsabwandlungen und Umschreibungen, wenn z. B. von Rufausbeutung, Schmarotzen, Anzapfen fremden guten Rufs, vom Trittbrettfahren oder Anhängen die Rede ist. Diese Betrachtungsweise hat Tradition. Es finden sich in der Judikatur des Reichsgerichts zahlreiche Urteile, in denen der Akzent wettbewerbsrechtlicher Mißbilligung auf dem Vorwurf unlauterer Rufausbeutung liegt. So wurden unter eben diesem Gesichtspunkt auf der Grundlage des § 1 UWG Verbote verhängt gegen an den guten Ruf und Namen eines Mitbewerbers anlehnende Gleichstellungsbehauptungen in der Werbung1, gegen die Annäherung an (nicht geschützte) fremde Warenbezeichnungen2 und Ausstattungen3, gegen die Benutzung eines bekannten und besonders zugkräftigen Schlagwortes für ungleichartige Waren4 und gegen die Nachahmung der Aufmachung eines bekannten fremden Produkts5. Aus der älteren Literatur kennt jedermann das Wort von Lobe über das Verbotensein des „Pflügens mit fremdem Kalbe" im Wettbewerb6. 2. Zunehmende
Bedeutung
in der neueren
Rechtsprechung
Das demnach traditionelle wettbewerbsrechtliche Mißtrauen gegen die Ausnutzung fremden guten Rufs im Kennzeichnungswesen, bei der R G Z 86, 123 - Garlock-Ersatz; 143, 362 - Bromural. R G G R U R 1939, 627, 631 - Eloxieren. ! R G Z 146, 247 Maccaroniverpackung. 4 R G Z 115, 401 Salamander. 5 R G Z 120, 94 Huthaken. 6 M u W XVI, 129; zustimmend Baumbach/Hefermehl, 17. Aufl., § 1 U W G Rdn. 548; glossierend Schünemann, Wettbewerbsrecht, S. 109. 1
2
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Produktgestaltung und in der Werbung setzt sich fort in der außerordentlichen Vielzahl von Entscheidungen des BGH, mit denen die Fachwelt insbesondere seit den achtziger Jahren konfrontiert wird, freilich mit interessanten Differenzierungen, von denen hier die Rede sein soll. Man denke zur Rufausnutzung im Kennzeichnungswesen an Urteile wie Kräutermeister7, Dimple8, Camel Tours9, Solomon10 und SLn, bei der Produktgestaltung an Tchibo/Rolexn und McLaren13 und in der Werbung an Die echte Alternativeu, Bioäquivalenz-Werbung'5 und Therapeutische Äquivalenz16, auch an Rolls Royce17 und Ein Champagner unter den Mineralwässern18 (geographische Herkunftsbezeichnung). Diese Serie in der Rechtsprechung wurde begleitet von einer lebhaften, noch längst nicht beendeten Diskussion in der Literatur19. Die großen Kommentare und Handbücher widmen dem Thema ausführliche Abschnitte20. Daß dieses Problem auch in ausländischen Rechtsordnungen bekannt ist und diskutiert wird, haben die Beiträge auf der Tagung für Rechtsvergleichung in Göttingen am 20. 9. 1985 gezeigt21. 3. Rufausnutzung im neuen
Markenrecht
Der gute Ruf einer Ware oder eines Unternehmens bildet für seinen Träger (oder, z. B. bei geographischen Herkunftsbezeichnungen, eine Mehrzahl von Trägern) einen wertvollen gewerblichen Besitzstand. Der Träger ist aber gegen die - mit welchen Mitteln auch immer bewirkte Ausnutzung des guten Rufs durch Dritte nicht ohne weiteres geschützt. Schutz vor Rufausnutzung und damit eine Art Rufausnutzungsmonopol vermochte im allgemeinen nur das Wettbewerbsrecht über § 1 UWG zu vermitteln22. Einen - auf das wichtige Gebiet der Benutzung im Inland BGH GRUR 1981,142. BGHZ 93, 96 = GRUR 1985, 550 m. Anm. v. Tilmann. 9 BGH GRUR 1987, 711. 10 BGH GRUR 1991,465. 11 BGHZ 113,115 = GRUR 1991, 609. 12 BGH GRUR 1985, 876. 13 BGH GRUR 1994, 732. 14 BGH GRUR 1989,602. 15 BGHZ 107,136. 16 BGH GRUR 1992,625. 17 BGHZ 86, 90 = GRUR 1983,247. 18 BGH GRUR 1988,453. " Nachweise aus der Literatur bei Rohnke GRUR 1991, 284. 20 Baumbach/Hefermebl, 17. Aufl., § 1 UWG Rdn. 541-571; v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., 23. Kapitel unter dem Titel „anlehnende bezugnehmende Werbung"; Handbuch Wettbewerbsrecht/Schmidt-Diemitz § 42 Rdn. 67 ff. 21 GRUR Int. 1986, 1 ff m. Beiträgen von Dutoit, Lehmann, Verkade und van Manen. 22 BGH GRUR 1983, 247 - Rolls Royce. 7 8
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bekannter Kennzeichen beschränkten - Sonderrechtschutz gegen Rufausnutzung hat nunmehr allerdings das Markengesetz vom 25. 10. 1994 kreiert23. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ist es Dritten untersagt, im geschäftlichen Verkehr ein mit der Marke identisches oder ein ähnliches Zeichen für Waren- oder Dienstleistungen zu benutzen, die nicht denen ähnlich sind, für die die Marke Schutz genießt, wenn es sich bei der Marke um eine im Inland bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt. Sinngemäß den gleichen Schutz gegen Rufausnutzung haben im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnungen (§15 Abs. 3 MarkenG) und geographische Herkunftsbezeichnungen, die einen besonderen Ruf genießen (§ 127 Abs. 3 MarkenG)24. Diese neuen markenrechtlichen Vorschriften erlauben - zunächst beschränkt auf den erweiterten Schutz bekannter Kennzeichen - einige Folgerungen: Die Benutzung eines identischen oder „ähnlichen" Kennzeichens ist, wenn die übrigen tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind, schon dann untersagt, wenn durch die Benutzung die Wertschätzung des Kennzeichens ausgenutzt wird, ohne daß es einer Beeinträchtigung der Unterscheidungskraft oder der Wertschätzung durch die Benutzung bedarf. Die Begründung zum Regierungsentwurf25 spricht von alternativen Tatbestandsmerkmalen. Sodann setzt das Untersagungsrecht des Markeninhabers eine Rufausnutzung durch den Benutzer „ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise" voraus. Das kann nur bedeuten, daß die Rufausnutzung per se die Rechtswidrigkeit der Benutzung noch nicht ohne weiteres, d. h. nicht ohne die Feststellung zusätzlicher, ein Unlauterkeitsverdikt rechtfertigender Umstände und Gesichtspunkte begründet. Dabei soll laut Begründung zum Regierungsentwurf des Markengesetzes „auf die in der deutschen Rechtsprechung zur Unlauterkeit des Eingriffs in Kennzeichenrechte entwickelten Grundsätze zurückgegriffen" werden, wenn auch - wie weiter betont wird - der Begriff der Unlauterkeit hier „eine Norm des Gemeinschaftsrechts" sei26. Uberhaupt wird in der Entwurfsbegründung der markenrechtliche erweiterte Schutz bekannter Marken
23 BGBl. IS. 3082. " Gemäß Begründung zum Regierungsentwurf des Markengesetzes, BT-Drucks. 12/6581, S. 118, re. Sp., werden geographische Herkunftsangaben, die bei den beteiligten Verkehrskreisen einen besonderen Ruf genießen, gleichgesetzt mit „bekannten oder manchmal sogar berühmten" geographischen Herkunftsangaben. Es besteht also inhaltlich kein Unterschied zwischen einer bekannten Marke und einer besonderen Ruf genießenden geographischen Herkunftsbezeichnung; zutreffend Rößler GRUR 1994, 559, 561. 25 BT-Drucks. 12/6581, S. 72.
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und sonstiger Kennzeichen als „wettbewerbsrechtlich orientiert" bezeichnet 27 . Von Rößler2e wurde behauptet, in der bisherigen Rechtsprechung sei die Unlauterkeit der Benutzung eines bekannten Kennzeichens gerade aus der Übertragung von Gütevorstellungen - also eben aus der Rufausnutzung - gefolgert worden, und es sei daher zweifelhaft, ob die Unlauterkeit neben der Rufausbeutung einen eigenständigen Gehalt aufweise. Tatsächlich legen etwa die Urteile Kräutermeister29 und Rolls Royce30 den Gedanken nahe, daß bei der Benutzung bekannter Kennzeichen (oder der Annäherung an solche) die Rufausnutzung die Unlauterkeit ohne weiteres konstituiere. Das Urteil Solomon^ spricht jedoch von der Notwendigkeit des Hinzutretens besonderer objektiver Umstände im Einzelfall „wie im gesamten Bereich des aus § 1 U W G hergeleiteten ergänzenden Leistungsschutzes", und McLaren32 hebt als Beispiele besonderer, die Wettbewerbswidrigkeit begründender hinzutretender Umstände hervor eine unlautere Beeinträchtigung des in Frage stehenden Rufs oder seine „anstößige mißbräuchliche Ausnutzung" für den eigenen Warenabsatz. Auch Rößler33 räumt schließlich ein, per Unlauterkeit könnten die Gerichte „Zusatzerwägungen" unterbringen und zur „Begrenzung des Tatbestands" beitragen. Der absolut erscheinende Schutz bekannter Kennzeichen gegen Rufausnutzung wird also mittels der Tatbestandsvoraussetzung der Unlauterkeit auf die Ebene des Wettbewerbsrechts abgesenkt und durch das Gebot der Einzelfallwürdigung relativiert 34 . Rätsel gibt das weitere Tatbestandsmerkmal des Fehlens eines rechtfertigenden Grundes auf. Es ist sicher, daß eine durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckte Rufausnutzung nicht rechtswidrig und insbesondere auch nicht unlauter im Sinne des Wettbewerbsrechts sein kann. Aber was kann ein rechtfertigender Grund für eine rufausnutzende Kennzeichenbenutzung oder -annäherung sein? Die in § 23 MarkenG vorgeschriebenen Tatbestände, insbesondere die im vorliegenden Zu-
Fn. 25 aaO. Fn. 25 aaO. 28 In dem verdienstvollen Aufsatz GRUR 1994, 559, 567. 29 BGH GRUR 1981,142. 30 BGHZ 86, 90 = GRUR 1983, 247. 31 BGH GRUR 1991,465. 32 BGH GRUR 1994, 732, 734. 33 Fn. 28. 34 Dagegen Hösch WRP 1994, 796, 799 im Anschluß namentlich an Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, § 9 S. 152, 159: Der gesetzlich festgelegte Sonderrechtsschutz sei abschließend und dürfe nicht über das Wettbewerbsrecht um zusätzliche absolute Rechte erweitert werden. 26
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sammenhang an erster Stelle interessierende Kennzeichenbenutzung im Zubehör-, Ersatzteil- und Servicegeschäft gemäß § 23 Nr. 3 MarkenG, können wohl nicht gemeint sein, denn sie markieren dem Kennzeichnungsrecht immanente Schutzschranken35 und sind nicht eigentlich als Rechtfertigungsgründe zu verstehen. Interessen der Aufklärung und Abwehr kommen zur Rechtfertigung einer Rufausnutzung durch Kennzeichenannäherung schwerlich in Betracht36. Möglicherweise deutet das bei der kennzeichnungsrechtlichen Rufausnutzung im Grunde sachfremde Erfordernis des Fehlens eines rechtfertigenden Grundes darauf hin, daß es außerhalb des Bereichs der Kennzeichenbenutzung und -annäherung durchaus Rufausnutzungstatbestände geben kann, denen ein Rechtfertigungsgrund zukommt (dazu unten bei 4.). 4. Rufausnutzung als wertungsoffener wettbewerbsrechtlicher A ufgreiftatbestan d Die gesetzliche Normierung eines wettbewerbsrechtlich fundierten Verbotstatbestandes gegen Rufausnutzung im Kennzeichnungsrecht kann das Wettbewerbsrecht auch für ähnliche Rufausnutzungsfälle von dem Skrupel befreien, daß die schlichte Ausnutzung fremden guten Rufs - neben Rufbeeinträchtigung und wettbewerblicher Behinderung - gar kein selbständiger Unlauterkeitsgesichtspunkt sei. Dies wurde zwar wie oben gezeigt - in der Rechtsprechung des RG und BGH nie in Frage gestellt, wenn auch selten näher begründet37. Aber z. B. Schünemann1' legt dar, die Begründungen etwa für die Behauptung, daß niemand das Recht habe, den guten Ruf fremder Erzeugnisse als Vorspann für den eigenen Wettbewerb zu benutzen, erschöpften sich bei Lichte besehen in einer petitio principii, und richtigerweise sei die anlehnende Werbung, soweit nicht irreführend (§ 3 UWG), unbeschränkt zulässig. Ahnlich behauptet Nordemann39, es gebe keinen Grundsatz, daß niemand das Recht habe, den guten Ruf fremder Erzeugnisse als Vorspann für den eigenen Wettbewerb zu benutzen (um dann allerdings Fälle der Gleichstellungswerbung als unlauteren Behinderungswettbewerb zustimmend zu kommentieren). Die Gegenposition bringt etwa Leh-
35
BT-Drucks. 12/6581, S. 80. So auch Rößler, G R U R 1994, 559, 567. 37 Z. B. aber RG G R U R 1939, 627, 631 — Eloxieren: Rufausnutzung durch Gebrauch einer verwechslungsfähigen Warenbezeichnung widerspreche den Grundsätzen anständiger Kaufleute und werde vom Rechtsempfinden des deutschen Volkes mißbilligt. Insofern hat Schünemann, unten bei Fn. 38, nicht Unrecht. 3 » Wettbewerbsrecht S. 109. 39 Wettbewerbsrecht, 7. Aufl., Rdn. 409. 36
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mann40 sinngemäß so zum Ausdruck, daß „schmarotzendes free-riderVerhalten", also eben die Ausnutzung fremden guten Rufs durch Nachahmung, Annäherung oder Bezugnahme, den Vorgaben eines „modellkonformen Wettbewerbs" widerspreche. Letztere Auffassung liegt offenbar auch dem Konzept des Markengesetzes zugrunde: Rufausnutzung durch Benutzung einer oder Annäherung an eine bekannte Kennzeichnung ist wettbewerbsrechtlich suspekt, aber das Unlauterkeitsurteil muß im Einzelfall durch zusätzliche Umstände oder Gesichtspunkte bestätigt werden, ohne daß dabei von einer Vermutung nach der einen oder anderen Richtung ausgegangen wird. Diese Wertung ist übertragbar auf ähnliche Ruftransfermethoden, namentlich auf die nachahmende Gestaltung41 oder die werbliche Abbildung42 von bekannten Produkten. Wesentlich anders gelagert ist die offene Rufausnutzung durch eine bezugnehmende Gleichstellungsbehauptung in der Werbung43. Hier steht in aller Regel - ähnlich der vergleichenden kritisierenden Werbung - der Gesichtspunkt der Marktbehinderung des Rufinhabers durch Anlehnung des Mitbewerbers im Vordergrund. Das ist grundsätzlich wettbewerbswidrig und bedarf eines rechtfertigenden Grundes im Einzelfall. Zwischen beiden Falltypen der Rufausnutzung liegt eine Ruftransfermethode, die versucht, nicht die Gleichheit oder Gleichwertigkeit der Produktparameter herauszustellen, sondern mit dem Eindruck eines vergleichbaren Prestiges zu werben44. Diese Fälle liegen wiederum näher bei der Fallgruppe der Annäherung an bekannte Kennzeichen oder Produkte. 5. Fälle nicht unlauterer
Rufausnutzung
Unter vorliegender Themenstellung interessieren von den oben bei 2. erwähnten Rechtsprechungsfällen namentlich solche, in denen die Wettbewerbsklagen unter dem Rufausnutzungsgesichtspunkt ohne Erfolg geblieben sind oder die Annahme der wettbewerbsrechtlichen Unlauterkeit kritisch zu betrachten ist. Die Auswertung solcher Urteile soll zur Bildung differenzierender Grundsätze beitragen.
GRUR Int. 1986, 6,16. Z. B. BGH GRUR 1985, 876 - Tchibo/Rolex. 42 Z. B. BGHZ 86, 90 = GRUR 1983, 247 - Rolls Royce. 43 Z. B. BGH GRUR 1989, 602 - Die echte Alternative; BGHZ 107, 136 - Bioäquivalenz-Werbung; BGH GRUR 1992, 625 - Therapeutische Äquivalenz. 44 Dazu gehören die Fälle BGH GRUR 1988, 453 - Ein Champagner unter den Mineralwässern - und BGHZ 86, 90 = GRUR 1983, 247 - Rolls Royce. 40 41
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a) Im Falle Camel Tours45 wurde (u. a.) unter dem wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkt der Rufausnutzung aus der (möglicherweise) berühmten Marke „Camel" für Tabakerzeugnisse geklagt gegen die gleiche Bezeichnung durch ein auf Türkeireisen spezialisiertes Reiseunternehmen mit der Firma „ Camel Tours Turizm ve Seyahat". Die Klage blieb erfolglos, weil die Unternehmensbezeichnung Camel Tours in erster Linie als symbolischer Hinweis auf den Orient, vielleicht auf die Veranstaltung von Kamel-Reisen verstanden werde und die Assoziation zu der Zigarettenmarke Camel sich nur beiläufig einstelle. Folgerung: Rufausnutzung durch Annäherung an eine Kennzeichnung bietet nur dann ein wettbewerbsrechtliches Aufgreifkriterium, wenn sich bei den angesprochenen Verkehrskreisen die Gedankenverbindung zwischen der angegriffenen Bezeichnung und der ruftragenden Kennzeichnung mit ausreichender Zwangsläufigkeit und Stärke, nicht nur „beiläufig", einstellt46. Es kommt also an erster Stelle auf die Intensität des Ruftransfereffekts bei den von der angegriffenen Bezeichnung angesprochenen Verkehrskreisen an. b) Im Falle Salomon47 klagte ein bedeutender Wintersportartikelhersteller mit dieser Marke gegen die Benutzung der Bezeichnung durch eine Zigarettenfabrik. Die Wettbewerbsklage wegen Rufausbeutung wurde abgewiesen, weil die Bezeichnung „Salomon" einer charakteristischen Einmaligkeit und Eigenart als Kennzeichnung eines bestimmten Unternehmens entbehre und die angesprochenen Abnehmerkreise sich lediglich in einem nicht besonders ins Gewicht fallenden Teilbereich deckten, so daß die Möglichkeit der Rufüb ertragung fernliege. Facit: Sittenwidrige Rufausnutzung durch Kennzeichenbenutzung kommt nur in Betracht, wenn die Bezeichnung infolge ihrer Eigenart die Gedankenverbindung zu einem bestimmten Unternehmen mit ausreichender Zwangsläufigkeit herstellt und die angesprochenen Verkehrskreise sich derart überschneiden, daß ein Ruftransfer naheliegt. c) Im Falle McLaren48 ging es um die naturgetreue Nachbildung eines weithin bekannten Rennwagens durch einen Hersteller von Spielzeugautos. Trotz festgestellter Ausnutzung des fremden guten Rufs wurde der Unterlassungsklage nicht stattgegeben, weil das „zusätzlich erforderliche Element der Anstößigkeit" fehle: Bei Spielzeugmodellen sei die verkleinerte Nachbildung seit Jahrzehnten üblich und die Rufanlehnung daher nicht ohne weiteres vermeidlich, der Rufausbeutungseffekt nicht « BGH 46 Dazu 47 B G H 4! B G H
G R U R 1987, 711. auch Rößler G R U R 1994, 559, 564. GRUR 1991,465. G R U R 1994, 732.
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zielgerichtet, sondern mit dem Modell einer naturgetreuen Rennbahn notwendig verbunden. Folgerung: Rufausnutzung durch Nachbau eines bekannten Produkts ist nicht ohne weiteres unlauter, wenn ein an das Original angelehnter Marktsektor (hier für Spielfahrzeugmodelle) nicht ohne rufausnutzende Anlehnung an das Vorbild bedient werden kann. Der Rufinhaber kann also vermöge seines gewerblichen Besitzstandes nicht Markttätigkeiten sperren, die sich notwendigerweise an seinen Ruf anlehnen. d) Die Benutzung des Werbespruchs „Ein Champagner unter den Mineralwässern" auf den Flaschen des französischen Mineralwassers Perrier durch den deutschen Importeur wurde im gleichnamigen Fall GRUR 1988, 453 von der französischen Champagnerwirtschaft angegriffen. Vom BGH wurde die Annahme eines Verstoßes gegen § 1 UWG wegen Ausnutzung des Rufes der geschützten geographischen Herkunftsbezeichnung „ Champagner" der Sache nach gebilligt und die Sache zurückverwiesen zur Prüfung eines für das Gebiet der französischen Republik erlangten rechtlich unentziehbaren Besitzstandes von Perrier an dieser Werbung, der gegebenenfalls auch dem inländischen Vertriebsunternehmen zugute kommen müsse. Es ist dies einer der oben bei 4. erwähnten Fälle einer Gleichstellungswerbung („vergleichbare Exklusivität") ohne erkennbare unmittelbare Marktbehinderung der Rufinhaber. Mit Recht hat daher der BGH für die Bejahung einer sittenwidrigen Rufausnutzung zusätzlich die Feststellung einer „realen Beeinträchtigungsgefahr" verlangt, die im Streitfall darin gesehen wurde, daß die millionenfache Nennung auf den Mineralwasserflaschen „den Begriff Champagner auch in seiner Besonderheit zu entwerten geeignet" sei, mit der Rufausnutzung also die Gefahr der Rufbeeinträchtigung einhergehe. Ohne diesen zusätzlichen Umstand hätte die Unlauterkeit der Werbung nicht ohne weiteres bejaht werden können. e) Schließlich noch eine Bemerkung zu den Fällen Bioäquivalenz-Werbung49 und Therapeutische Äquivalenz50. In beiden Fällen warb die Beklagte für ihre Produkte mit den Gleichstellungsbehauptungen „Bioäquivalenz" bzw. „Therapeutische Äquivalenz bewiesen" unter erkennbarer Bezugnahme auf die entsprechenden Präparate des Originalherstellers51. In diesen Fällen ging der BGH von der grundsätzlichen Unzulässigkeit der Rufausnutzung aus, die nur durch zusätzliche Um-
BGHZ 107, 136. BGH GRUR 1992,625. 51 S. auch RGZ 143, 362 - Bromural - und OLG Köln WRP 1993, 522 - Analgetikum T. 49
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stände ausgeräumt werden könne. Das dürfte richtig sein wegen der erheblichen Absatzbehinderung, die für den Originalanbieter mit der „echten", produktvergleichenden Gleichstellungswerbung immer verbunden sein wird. Freilich dürfen die Anforderungen an ein schutzwürdiges Bedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise nach sachgemäßer Aufklärung, das anerkanntermaßen 52 die Gleichstellungswerbung rechtfertigen kann, nicht zu hoch angesetzt werden. Auch unbestreitbare wirtschaftliche Vorteile des Konkurrenzprodukts können einen wahrheitsgemäßen Gleichstellungshinweis rechtfertigen, wenn den betroffenen Verkehrskreisen das Vorhandensein der vorteilhaften Alternative im Angebot nicht auf andere zumutbare Weise zur Kenntnis gebracht werden kann. Freilich darf die Rufausnutzung nicht über das Maß hinausgehen, das durch das Aufklärungsinteresse des Verkehrs geboten ist. Diese Begrenzung auf das nach Art und Maß Erforderliche ist ein typisches Merkmal aller Rechtfertigungsgründe.
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BGHZ 1 0 7 , 1 3 6 , 1 3 9 .
Der manipulierte Bundesrichter KARL BRUCHHAUSEN
I. Wenn man einem Menschen die Eigenschaft zuspricht, er sei „manipuliert", dann soll nach den Erkenntnissen der Psychologie etwas Negatives über ihn ausgesagt werden. Er wird damit als gelenkt oder beeinflußt bezeichnet. Von ihm wird ausgesagt, er sei Machenschaften, Tricks, Finessen oder einem Druck oder einer Täuschung oder dgl. Maschen ausgesetzt gewesen und dadurch beeinflußt. Man räumt jedoch ein, daß je höher die Selbsteinschätzung einer Person und je stärker sich ihr Handeln nach eigenen Uberzeugungen richtet, es desto schwieriger ist, diese Person zu etwas zu bewegen, das nicht ihren eigenen Intentionen entspricht. Das schließe jedoch nicht aus, daß manipuliert werde1. Der Leser mag sich fragen, was diese theoretischen Betrachtungen mit einem gelenkten Bundesrichter zu tun haben. Eingeräumt sei, daß auf die Bestellung von Bundesrichtern vielfältige gesellschaftliche oder politische Kräfte Einfluß nehmen, um diese für ihre Ziele zu vereinnahmen. Es ist das Recht der politischen Parteien, auf die Kandidaten, die Bundesrichter werden wollen, Einfluß zu nehmen, damit diese in ihrem Sinne politisch wirken. Beliebte Unterorganisation der Parteien, die ihren Einfluß bei der Wahl der Bundesrichter ausüben, sind die Juristenvereinigungen der einzelnen Parteigruppierungen. Neben den politischen Parteien, die in den Richterwahlausschüssen vertreten sind, nehmen die gesellschaftlichen Kräfte mehr oder weniger offen und erfolgreich Einfluß auf die Richterwahl. Die Berufsverbände oder Gewerkschaften der Richter, die Kirchen und die Wirtschaftsverbände suchen sich Einfluß auf die Wahl der Bundesrichter, insbesondere auf die Bestellung der Vorsitzenden Bundesrichter, zu verschaffen. Diese mittelbare Einflußnahme auf die zu wählenden oder zu bestellenden Bundesrichter ist Ausdruck der politischen Willensbildung. In welchem Umfang dabei tatsächlich Einfluß auf die Bundesrichter selbst genommen wird, soll hier nicht erörtert werden. Wenn je hierbei die Bundesrichter „manipuliert" würden, spielt das in der gegenwärtigen Erörterung keine Rolle.
Brockhaus
Enzyklopädie 19. Aufl. Bd. 14, 1991, S. 148 ff unter „Manipulation"
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Karl Bruchhausen
Das derzeit als gravierend angesehene Thema des „manipulierten" Bundesrichters spielt allein bei sog. überbesetzten Spruchkörpern eine Rolle, d. h. bei denjenigen Kammern oder Senaten, denen vom Präsidium eine über die jeweilige Spruchbesetzung hinausgehende Zahl von Richtern zugewiesen ist. Hier sind Vorsitzende Richter am Werk, denen auf die Finger gesehen werden muß, damit sie ihre Beisitzer (Bundesrichter) nicht „manipulieren". Es verwundert nicht, daß die Begriffe der „Manipulation" und der „manipulierenden" Richter vom Bundesverfassungsgericht hoffähig gemacht wurden, und das, wie könnte es anders sein, in einem obiter dictum. Es ist eine alte Erfahrung, daß man in beiläufigen, nicht tragenden Urteilserwägungen dick auftragen kann, eben weil es nicht zur Entscheidung der Sache gehört. In dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 3. 2. 1965 - 2 BvR 166/642 ist erstmals davon die Rede, daß eine Uberbesetzung eines Gerichts die Möglichkeit zum willkürlichen Manipulieren bietet oder eindeutig sachfremd entschieden und dadurch manipuliert werden kann. Es wäre nichts dagegen einzuwenden, daß sich das Bundesverfassungsgericht einer modernen Sprache bedient. Verwaschen wird die Ausdrucksweise aber dann, wenn sich ein Gericht eines Modewortes neuerer Zeit bedient, von dem man nicht weiß, was genau darunter verstanden werden soll, wie Lutz Mackensen in dem Buch „Verführung durch Sprache, Manipulation als Versuchung", München 1973, im Vorwort schreibt. Mackensen zitiert darin auf Seite 95 Roegele im Rheinischen Merkur, Januar 1969, der geschrieben hat: „Wer Manipulation sagt, hat damit schon einen Schuldigen erwischt: eben den, der womöglich mit unredlichen Machenschaften aus dem Hinterhalt, ohne Kenntnis des Opfers manipuliert, beeinflußt, steuert". Zu dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts sei eine weitere Bemerkung gemacht. Man merkt diesem Beschluß an, daß sich die Richter des Bundesverfassungsgerichts in der großen Überzahl nicht aus dem Kreis der Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof rekrutieren. In der genannten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht dem Vorsitzenden in Anlehnung an § 69 GVG die Verantwortung für den ordnungsgemäßen Geschäftsablauf des Spruchkörpers, insbesondere für die rechtzeitige und sachgemäße Erledigung der anfallenden Sachen zugeschrieben. Das allein könne der Sinn des „richtungweisenden Einflusses des Vorsitzenden auf die Rechtsprechung seines Senates" sein, wie es Prof. Dr. Faller, ein ehemaliger Bundesverfassungsrichter, in einem Artikel in der FAZ vom 30. 7. 1994 über den gesetzlichen Richter, S. 8, in die Erinnerung ruft. Es erstaunt, daß nur sehr selten ein Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof zum Bundesverfassungsgericht berufen 2
BVerfGE 18, 344, 345 f.
Der manipulierte Bundesrichter
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wird. Es nimmt dann auch nicht weiter wunder, daß das Bundesverfassungsgericht nicht zur Kenntnis nimmt, was der Große Senat für Zivilsachen in dem Beschluß vom 19. 6. 1962 - GSZ 1/61 den der Richterkollege Wiebel verächtlich den „Weisheits-Beschluß" nennt 4 , über den richtunggebenden Einfluß des Vorsitzenden auf die Rechtsprechung seines Senats ausüben kann. Darin ist ausgeführt worden, daß als Vorsitzender Richter im Regelfall im Rahmen des gesetzlich Möglichen Richter eingesetzt werden, die besonders qualifiziert und ausgesucht sind, denen größere Sachkunde, reifere Erfahrung und bessere Menschenkenntnis zukommt als den übrigen Mitgliedern des Senats. Der Große Senat f ü r Zivilsachen führt in dem genannten Beschluß weiter aus, der Vorsitzende Richter komme nur dann seinen Aufgaben in dem gesetzlich gebotenen Maß nach, wenn er „einen richtunggebenden Einfluß" in seinem Senat ausüben könne. Die zusätzliche Gewähr für die Güte und Stetigkeit der Rechtsprechung könne nur durch den Einsatz qualifizierter Vorsitzender erreicht werden. Unter richtunggebendem Einfluß sei nicht irgendeine Art von Dirigismus oder der Lenkung zu verstehen; diese werde auf Grund von Sachkunde, Erfahrung und Menschenkenntnis durch geistige Uberzeugungskraft ausgeübt. Wenn das Bundesverfassungsgericht diese Ausführungen ignoriert und die Aufgabe des Vorsitzenden in einem Kollegialgericht auf die Sicherstellung des formalen Geschäftsablaufs zurückführt, so liegt das in einer Linie mit der Bemerkung, der Vorsitzende müsse in der mündlichen Verhandlung dafür sorgen, daß die Beisitzer sich nicht anderweitigen Beschäftigungen hingeben. II. In der Vergangenheit hat der Bundesgerichtshof die Meßlatte f ü r ein hier in Rede stehendes Fehlverhalten der Vorsitzenden Richter sehr hoch gelegt. Gestützt auf die Erwägung, daß das Gesetz (§ 21 g Abs. 2 GVG) lediglich verhindern wolle, daß der Vorsitzende die Richterbank im Einzelfall nach seinem persönlichen Belieben zusammensetzen und so die Entscheidung möglicherweise sachwidrig beeinflussen könne, was noch in keinem einzigen Falle tatsächlich festgestellt, sondern nur vorausgeahnt worden ist, hat er eine Besetzungsrüge nur dann durchgreifen lassen, wenn sie auf eine willkürliche oder sonst mißbräuchliche Abweichung von den nach dem Gesetz (§ 21 g Abs. 2 GVG) geforderten Grundsätzen gestützt werden konnte 5 . Diese Entscheidung konnte sich 3 4 5
BGHZ 37,210. BB 1992, 573. BGH GRUR 1980, 848, 849-Kühlvorrichtung.
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dabei auf zwei Präjudizien beziehen, die denselben Grundsatz vertreten hatten, nämlich das Urteil vom 13. 12. 1979 - 4 StR 632/79 - 6 und das Urteil vom 19. 6.1967 - 1 StR 516/66 - 7 . Erst für das Geschäftsjahr 1995 sind von den Vorsitzenden Richtern Mitwirkungsgrundsätze aufzustellen, die einer Rechtsfortentwicklung entsprechen, die die Vereinigten Großen Senate des Bundesgerichtshofes in ihrem Beschluß vom 5. 5. 1994 - VGS l^t/93 - 8 festgestellt haben. Bis dahin verbleibt es für eine Übergangszeit bei dem bisherigen Verständnis der Mitwirkungsgrundsätze, die nicht vollständig schriftlich niedergelegt sein mußten. III. In der Entscheidung der Vereinigten Großen Senate vom 5. 5. 1994 hat der Bundesgerichtshof auf Grund einer Auslegung des § 21 g Abs. 2 GVG an die vom Vorsitzenden aufzustellenden Mitwirkungsgrundsätze die nachfolgenden Anforderungen gestellt8. Für seine Auslegung hat er eine Wortinterpretation nicht für möglich erachtet, aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift kein abschließendes Bild gewinnen können, sondern an Hand der Ermittlung des Wesens, der Funktion und der Ziele der Mitwirkungsgrundsätze folgendes herausgearbeitet: Als deren wesentliches Ziel hat der Bundesgerichtshof hervorgehoben, das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in eine nach allen Seiten unabhängige, unparteiische und von sachfremden Einflüssen freie Rechtsprechung zu sichern9 (§ 21 g Abs. 2 GVG), diene dem Vertrauen in die Rechtspflege. Der rechtsuchende Bürger soll in seinem Vertrauen in die Justiz nicht enttäuscht werden. Hier hatte es in der nahen Vergangenheit Defizite gegeben. Richter hatten die Vorsitzenden und deren Praxis bei der Einteilung der Richterbank in süffisanter Weise herabgesetzt10. Diesen Defiziten war dadurch Rechnung zu tragen, daß von vornherein jeder Verdacht möglicher „Manipulation" auszuräumen war, auch wenn die strikte Einhaltung der Besetzungsregeln im Einzelfall nicht zwangsläufig zu einem potentiell richtigeren Urteil führe. Dem Vorsitzenden eines Spruchkörpers wird vom Bundesgerichtshof mit der Aufstellung der Mitwirkungsgrundsätze eine wichtige Aufgabe bei der Organisation seines Spruchkörpers zugeschrieben. Bei der VerBGHSt 29,162,164. BGHSt 21, 250,255. 8 DRiZ 1994, 257 ff. ' AaO S. 260. 10 Wiebel, BB 1992, 573 ff. 6
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Der manipulierte Bundesrichter
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teilung der Geschäfte auf die Mitglieder des Spruchkörpers bestehe sein Auftrag darin, darauf hinzuwirken, daß die Arbeit im Spruchkörper geordnet, stetig und sinnvoll abläuft und daß dabei auch den Besonderheiten jeder Sache Rechnung getragen wird. Der Bundesgerichtshof hat daraus ein vom Vorsitzenden zu beachtendes Gebot der sachgerechten Erledigung der Geschäfte abgeleitet. Die Anforderungen könnten in den einzelnen Spruchkörpern nach Art, Inhalt, Zahl, Größe und Schwierigkeit der anfallenden Sachen, der Zahl der erforderlichen Sitzungstage und der Größe des Spruchkörpers verschieden sein. Der Bundesgerichtshof hat durchaus erkannt, daß zwei Ziele, die im Einzelfall einander widerstreiten können, bei der Aufstellung der Mitwirkungsgrundsätze nach § 21 g Abs. 2 GVG gleichzeitig zu beachten sind, nämlich die ausreichende Vorherbestimmtheit der Zusammensetzung der Richterbank einerseits und die reibungslose und effektive Gestaltung der Rechtsprechungstätigkeit des Spruchkörpers andererseits11. Der Bundesgerichtshof hat es als erforderlich und genügend angesehen, mit abstrakten Merkmalen ein verbindliches System der Mitwirkung der Richter bei der einzelnen Entscheidung (der Besetzung des Spruchkörpers) zu schaffen, das Ermessensentscheidungen des Vorsitzenden im Regelfall entbehrlich macht12. Als Beispiele hierfür zieht der Bundesgerichtshof in Erwägung: 1. die Zuordnung der Richter für bestimmte Sitzungstage, wobei sich der Vorsitzende hinsichtlich der Terminierung binden muß, 2. die Zuordnung der Richter für bestimmte Sachgebiete, 3. die Zuordnung der Richter nach Sachzusammenhängen, 4. die Zuordnung der Richter nach der Zeit des Eingangs der Sache, 5. die Zuordnung der Richter nach den Anfangsbuchstaben des Namens der Parteien, 6. die Zuordnung der Richter nach dem Gerichtsbezirk der Vorinstanz. Als Merkmale sind auch solche zugelassen, die eine Wertung (Abwägung) erforderlich machen und dadurch dem Vorsitzenden einen gewissen Spielraum lassen, wie z. B. die Begriffe des Sachzusammenhangs, der früheren Befassung mit einer Sache und der Eilbedürftigkeit13. Die Grenze bildet ein ungebundenes Ermessen des Vorsitzenden.
" AaOS.261. 12 AaOS.261. 13 AaOS.261.
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Karl Bruchhausen
Die Zuordnungskriterien dürfen sich auch erst im Laufe des Verfahrens ergeben. Aus einem bestimmten besonderen Grunde kann im Einzelfall von den Mitwirkungsgrundsätzen abgewichen werden. Im letzteren Falle sind die Mitwirkungsgrundsätze allerdings so zu fassen, daß sie aus sachbezogenen Gründen Abweichungen zulassen, die von den niedergelegten Grundsätzen „gedeckt" sind. Sie müssen vollständig schriftlich abgefaßt und den Prozeßbeteiligten zugänglich sein, d. h. zur Einsicht vorrätig gehalten werden, um diese jederzeit und umfassend und zuverlässig zu informieren. Der Bundesgerichtshof hat sieben negative Regeln aufgestellt, denen die Mitwirkungsgrundsätze nach § 21 g Abs. 2 G V G nicht zu genügen brauchen: a) Sie sollen nicht überspannt sein. Ihre Anwendung in der Praxis soll dem Gebot der sachgerechten Erledigung der Geschäfte nicht widerstreiten. b) Eine starre Regelung der Reihenfolge der mitwirkenden Richter ist nicht geboten. Es muß eine notwendige Elastizität gewährleistet sein. Es findet keine exzessive nachträgliche Kontrolle der Mitwirkungsgrundsätze des Vorsitzenden statt, die zu einer revisionsrechtlich schwer überschaubaren Kasuistik führen würde. c) Es wird nicht die Aufstellung eines perfektionistischen Regelwerks verlangt. d) Es ist nicht ein größtmögliches Maß der Vorherbestimmtheit der Zusammensetzung der Richterbank des Spruchkörpers vorgeschrieben. e) Es wird nicht gefordert, für jeden Spruchkörper zu untersuchen, welches die unter Bestimmtheitsgesichtspunkten am weitesten gehende Lösung wäre. f) Es müssen darin keine Regeln aufgenommen werden, die ohnehin geregelt sind, wie die Überlastung oder ungenügende Auslastung einzelner Mitglieder des Spruchkörpers, wie sie in § 21 g Abs. 2 zweiter Halbsatz G V G genannt sind. Auch ein Wechsel oder eine dauernde Verhinderung einzelner Mitglieder des Spruchkörpers rechtfertigt eine Änderung (Abweichung) von der (den) Mitwirkungsgrundsätze(n), wie das § 21 g Abs. 2 zweiter Halbsatz G V G besagt. Dinge, die nach den tatsächlichen Verhältnissen selbstverständlich sind, brauchen nicht in die Mitwirkungsgrundsätze aufgenommen zu werden. g) Der Bundesgerichtshof hält es nicht für geboten, daß ein Spruchkörper stets in ein und derselben Besetzung über verschiedene Anträge in derselben Sache, z. B. Prozeßkostenhilfe, Streitwert, entscheidet.
Der manipulierte Bundesrichter
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Mit den vorstehenden sieben Anforderungen hat der Bundesgerichtshof jeder Pedanterie und Gleichmacherei, die einer sachgerechten, zügigen und sinnvollen Erledigung entgegenstehen könnte, eine Abfuhr erteilt. Der Verfasser hat während seiner Tätigkeit beim Bundesgerichtshof, die ein Vierteljahrhundert dauerte, fünf Vorsitzende erlebt, die dem vom Großen Senat für Zivilsachen gezeichneten Leitbild der Vorsitzenden Richter voll entsprochen haben. Er kann sich nicht vorstellen, daß diese die Zusammensetzung der Richterbank aus sachfremden Gründen „manipuliert" hätten. Bei der Geschäftsbelastung der Vorsitzenden Richter kann sich der Verfasser auch gar nicht vorstellen, wo die Vorsitzenden Richter im Einzelfall die Zeit hergenommen hätten, vor der Verhandlung oder Beratung der Sache die Akten zu studieren und bei vier Beisitzern hellseherisch vorauszuahnen, in welcher Richtung sie sich entscheiden würden. Als der Verfasser Beisitzer war, hat ihm, das muß er eingestehen, die Fantasie gefehlt sich vorzustellen, daß die Vorsitzenden Richter, die er erlebt hat, ihn „manipuliert" hätten. Schließlich ist der Verfasser selbst Vorsitzender Richter gewesen. In dieser Zeit hat er sich bemüht, dem vorgezeichneten Bild zu entsprechen, ob ihm das gelungen ist, vermag er selbst nicht einzuschätzen. Vielleicht ist er von jenen Bundesrichtern, jedenfalls von denen, die sich im Besitz der vollen Weisheit befanden, völlig verkannt worden. Dann hätte der Bundesgerichtshof für die Zeit ab 1. 1. 1995 zu Recht seinen Vorsitzenden Richtern einen Riegel vorgeschoben, ihre Beisitzer zu „manipulieren", was immer das in dem wörtlichen Zusammenhang heißen mag.
Anwaltswerbung zwischen Berufsrecht und Wettbewerbsrecht HERMANN BÜTTNER
1. Das neue
Berufsrecht
„Der Rechtsanwalt übt einen freien Beruf aus" (§ 2 Abs. 1 BRAO). Es trifft gewiß zu, daß diese Fundamentalnorm des anwaltlichen Berufsrechts die seit einem Jahrhundert durchgesetzte „freie Advokatur" festschreibt1. Das ist aber nur die historische Seite der im 19. Jahrhundert errungenen Medaille. Damals gelang es, die anwaltliche Berufsausübung der unmittelbaren staatlichen Kontrolle und Bevormundung zu entziehen. Die „frei Advokatur" als Ziel berufspolitischer Gestaltungswünsche hat aber auch einen sehr aktuellen Bezug. In der Diskussion am Ende des 20. Jahrhunderts gilt als Gegner der Freiheit anwaltlicher Berufsausübung nicht mehr die obrigkeitsstaatliche Fachaufsicht, sondern das auf traditionellem Berufsverständnis beruhende, teils gesetzlich, teils autonom geregelte Standesrecht, das den gewandelten Anforderungen und Auffassungen nicht mehr entspricht. Es ist überhaupt nicht zu bestreiten, daß im Zuge eines tiefgreifenden ökonomischen und gesellschaftlichen Wandels sich das Berufsbild des Rechtsanwalts auch in Deutschland grundlegend verändert hat. Das Bild von dem Rechtsanwalt als dem Organ der Rechtspflege, das mehr oder minder nur der Justiz zugeordnet ist, ist überholt 2 . Die außergerichtliche Erledigung von Streitfällen und die vorsorgende Rechtsberatung machen längst den überwiegenden Teil in einem immer weiter gewordenen Spektrum der von Rechtsanwälten wahrgenommenen Tätigkeiten aus. Diese Verlegung der Tätigkeitsfelder - weg von der Justiz und hin zu den vielfältigen Interessen der in- und ausländischen Klientel - und die zunehmende Spezialisierung führten geradezu zwangsläufig zu einem
' Feuerich, Bundesrechtsanwaltsordnung, 1987, § 2 Rdn. 1, 2; Kalsbach, Bundesrechtsanwaltsordnung, 1960, § 2 Anm. 2; zur Geschichte, Bedeutung und Wesen der freien Advokatur vgl. Huffmann, Kampf um freie Advokatur, 1967; Tettinger, Zum Tätigkeitsfeld der Bundesrechtsanwaltskammer, 1985, S. 118 f. 2 Büttner, Generalist oder Spezialist - die Tätigkeitsbereiche des Rechtsanwalts, in: Die Juristenausbildung aus der Sicht der Praxis, Atzelsberger Gespräche 1993, S. 51; Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (Regierungsentwurf), BT-Dr. 12/4993 S. 22 f.
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Konflikt zwischen dem Anspruch der Öffentlichkeit auf Information und Transparenz des vorhandenen anwaltlichen Leistungsangebots einerseits und dem von einem kategorischen Werbeverbot beherrschten Standesrecht. Da der Rechtsanwalt zwar einen freien, gleichwohl aber gesetzlich reglementierten Beruf ausübt, konnte allein die „normative Kraft des Faktischen" die längst notwendigen Anpassungen nicht bewirken. Den entscheidenden Reformimpuls gab hierbei - wie so oft - nicht der eigentlich zuständige Gesetzgeber, sondern das Bundesverfassungsgericht. Mit seinen beiden berühmten Entscheidungen vom 14. Juli 1987 zum Sachlichkeitsgebot3 und zum Werbeverbot 4 sprach es schlagartig den gemäß § 1 7 7 Abs. 2 Nr. 2 B R A O a. F. festgestellten „Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts" (Standesrichtlinien), die in der Praxis der Rechtsanwaltskammern und der Ehrengerichtsbarkeit wie Rechtssätze angewendet wurden, die Eignung für Einschränkungen der anwaltlichen Berufsausübung ab. Von da an war klar, daß die Freiheit der anwaltlichen Berufsausübung - und damit auch das Recht des Anwalts, für sich und seine Leistung zu werben - gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 2 G G nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann. Nur noch für eine Ubergangszeit sollte nach dem Spruch des Bundesverfassungsgerichts das in den Standesrichtlinien niedergelegte und aus § 43 B R A O herleitbare Verbot der gezielten Werbung um Praxis und der irreführenden Werbung als weiterhin anwendbares Hilfsmittel zur Konkretisierung der Generalklausel des § 43 B R A O herangezogen werden dürfen5. Damit war der Gesetzgeber aufgerufen, das Berufsrecht der Rechtsanwälte, soweit es bislang nur in den Standesrichtlinien scheinbar verbindlich geregelt war, neu zu ordnen. Die Ubergangszeit hat den Beteiligten „eine ausgesprochen verfahrenzeugende Rechtslage" beschert, die - kaum verwunderlich - von nicht wenigen Rechtsanwälten dazu genutzt wurde, schon im Vorfeld einer neuen Berufsordnung „beinahe alles und jedes von der bisherigen Ordnung in Frage zu stellen und möglichst für das kommende Gesetz schon Tatsachen im Wege von Gerichtsentscheidungen zu schaffen" 6 . Dabei fiel auf, daß der Streit um neue Ausdrucksformen anwaltlicher Berufstätigkeit nicht wie früher ganz überwiegend vor den Ehrengerichten, sondern verstärkt vor den Wettbewerbsgerichten ausgetragen wurde, vor denen Rechtsanwaltskammern die Einhaltung des Werbeverbots im Wege wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsklagen nach §§ 1, 3, 13 BVerfGE BVerfGE 5 BVerfGE ' Odersky, 3 4
76, 171. 76,196. 76, 196, 205. AnwBl. 1991,238,240.
Anwaltswerbung zwischen Berufsrecht und Wettbewerbsrecht
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Abs. 2 Nr. 2 U W G durchzusetzen versuchten. So entstand binnen weniger Jahre eine erstaunlich umfangreiche Kasuistik der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Werbeverbot oder, genauer, zu erlaubten Werbemaßnahmen. Der für Wettbewerbssachen zuständige I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat z. B. den auf dem Briefbogen angebrachten Hinweis auf im Ausland niedergelassene Anwälte als „Kooperationspartner"7, die auf dem Briefbogen blickfangmäßig herausgestellte Kurzbezeichnung einer überörtlichen Sozietät (von Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern und Steuerberatern)8, die Benennung von Tätigkeitsschwerpunkten in einer Kanzleieröffnungsanzeige9 und den neben der Berufsbezeichnung angegebenen Hinweis „Strafverteidigungen"10 für wettbewerbsrechtlich zulässig erachtet. Als eine wettbewerbswidrige Rechtsanwaltswerbung beanstandete er dagegen, daß Rechtsanwälte Nichtmandanten zu einem Essen in einem Hotel einladen und dort durch ein berufsbezogenes Referat auf ihre Leistungsfähigkeit hinweisen, daß nicht förmlich bestätigte Spezialkenntnisse als „Chefberatung für den Mittelstand" angeboten werden und daß ein weder als Sozius noch als Mitarbeiter eingebundener Rechtsanwalt als neuer Kollege der werbenden Anwaltssozietät vorgestellt wird11. Der Senat für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs erblickt in der Nennung der Berufsbezeichnung „Rechtsanwalt" auf den Briefbogen eines (Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer-)Vereins12 oder in der Angabe der Tätigkeitsbereiche im Branchen-Telefonbuch unter der Rubrik „Rechtsanwälte"13 keine verbotene Werbung. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Teilnahme an einem Anwaltssuchservice14 ebensowenig als eine nach § 43 B R A O a. F. verbotene Werbung anzusehen wie die Angabe von selbstgewählten Tätigkeitsschwerpunkten15 oder die Duldung der Bezeichnung als „Mietrechtsspezialist" bei Veröffentlichung eines Interviews in einem Magazin16; umgekehrt kann die Führung einer Fachanwaltsbezeichnung („Fachanwalt für Arbeitsrecht")
G R U R 1993, 675 - Kooperationspartner. W R P 1994, 613 - Intraurbane Sozietät. 9 N J W - R R 1994, 1480 Kanzleieröffnungsanzeige. 10 G R U R 1994, 825 - Straf Verteidigungen. Vgl. demgegenüber die schwerlich haltbare Entscheidung des Anwaltssenats des B G H NJW 1992, 45, die in der Selbstbezeichnung eines Rechtsanwalts als „Strafverteidiger" eine berufswidrige Werbung erblickt; mit Recht ablehend Kleine-Cosack, NJW 1992, 785, 789 mit Fn. 36; Netzband, NJW 1992, 811 f. 11 B G H Z 115,105 Anwaltswerbung. 12 BGHSt 3 7 , 6 9 = NJW 1990,1739. 13 B G H NJW 1994,141. 14 BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats) NJW 1992, 1613. 15 BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats) NJW 1995, 712; 1995, 775. 16 BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats) NJW 1994,123. 7 8
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trotz Fehlens nachgewiesener Spezialisierung ohne Verfassungsverstoß als irreführende und damit berufswidrige Werbung beanstandet werden17. Dieses allein aus der Generalklausel des § 43 BRAO a. F. höchstrichterlich abgeleitete Fallrecht hat seine Wirkung als moderierendes Moment bei den Beratungen zur BRAO-Novelle nicht verfehlt, indem sie weder einer Restauration überholter Standesauffassungen noch einer übertriebenen Deregulierung das Wort redete. Sie wird auch maßgeblichen Einfluß auf die künftigen Beratungen der erst noch zu beschließenden Berufsordnung haben. Die Reform des anwaltlichen Berufsrechts verläuft - auch was das Recht der werblichen Selbstdarstellung der Rechtsanwälte anlangt - stufenweise. Im Rahmen einer ersten Teilreform wurde durch Einfügung der §§ 42 a bis 42 d BRAO das Führen von Fachanwaltsbezeichnungen geregelt18. Mit dem am 9. 9. 1994 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. 9.199419 wurden die Hauptanliegen des Reformvorhabens verwirklicht. So wurden die wesentlichen statusbildenden Berufspflichten des Rechtsanwalts über die bestehende Generalklausel des § 43 BRAO hinaus genauer und vollständiger beschrieben (insbesondere §§ 43 a, 43 b BRAO n. F.) und für den Erlaß einer die Grundpflichten ausfüllenden Berufsordnung als Satzung bei der Bundesrechtsanwaltskammer eine Satzungsversammlung gebildet, deren Zusammensetzung den Grundsätzen der demokratischen Legitimation entspricht (§§ 59 b, 191 a, 191 b BRAO n. F.). Zu den hier interessierenden Kernpunkten der Neuregelung, nämlich den Gesetzesvorschriften mit zugleich wettbewerbsrechtlichem Bezug, gehören - außer dem bereits 1991 eingeführten Recht der Führung von Fachanwaltsbezeichnungen 19 - die Bestimmungen über die Werbung (§§ 43 b, 59 b Abs. 2 Nr. 3 BRAO n. F.) und die gebührenrechtliche Bestimmung, daß Rechtsanwälte in außergerichtlichen Angelegenheiten eine Pauschal- oder Zeitvergütung vereinbaren können (§ 3 Abs. 5 Satz 1 BRAGO). Nach den - seit 1987 - obsoleten Standesrichtlinien (§§ 1, 2 Abs. 1) war dem Rechtsanwalt Werbung für seine anwaltliche Tätigkeit untersagt; er hatte bereits den Anschein einer solchen Werbung zu vermeiden. Nach der Neuordnung des Berufsrechts durch die BRAO-Novelle 1994 lautet demgegenüber § 43 b BRAO:
BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats) N J W 1992, 816. " Gesetz vom 29. 1. 1991 (BGBl. I S. 150). Dazu das Gesetz über Fachanwaltsbezeichnungen nach der Bundesrechtsanwaltsordnung vom 27. 2. 1992 (BGBl. I S. 369). Die §§ 42 a—42 d B R A O sind durch das Berufsrechtsneuordnungsgesetz vom 2. 9.1994 aufgehoben, sachlich aber in § 43 c B R A O n. F. übernommen worden. " BGBl. IS. 2278. 17
Anwaltswerbung zwischen Berufsrecht und Wettbewerbsrecht
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„Werbung Werbung ist dem Rechtsanwalt nur erlaubt, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Form und Inhalt sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist." N a c h § 5 9 b A b s . 2 N r . 3 B R A O k a n n die v o n d e r S a t z u n g s v e r s a m m lung z u beschließende B e r u f s o r d n u n g „die besonderen Berufspflichten im Zusammenhang mit der Werbung und Angaben über selbstbenannte Interessenschwerpunkte" n ä h e r r e g e l n . B i s z u m E r l a ß d i e s e r B e r u f s o r d n u n g ist n o c h ein w e i t e r W e g 2 0 . E s s t e h t a b e r , w a s a u c h i m m e r die B e r u f s o r d n u n g
an neuen,
§ 43 b B R A O konkretisierenden Werberegeln bringen mag, aufgrund der R e c h t s p r e c h u n g des Bundesverfassungsgerichts u n d der N o v e l l i e rung der B R A O
s c h o n j e t z t fest, d a ß d e r e n t s c h e i d e n d e S c h r i t t
kategorischen W e r b e v e r b o t z u r gesetzlich beschränkten
vom
Werbefreiheit
e n d g ü l t i g v o l l z o g e n ist. D i e G e r i c h t e w e r d e n s i c h k ü n f t i g n i c h t m e h r den K o p f über so bizarre F r a g e n
zerbrechen
müssen,
ob
etwa
die
Veröffentlichung einer Praxisverlegungsanzeige im F o r m a t 8,4 x 9 cm21 o d e r die B e l e u c h t u n g eines P r a x i s s c h i l d e s 2 2 s t a n d e s w i d r i g ist. A l t e F r a g e n d e r A n w a l t s w e r b u n g s i n d g e l ö s t . E s w i r d freilich n e u e , k e i n e s w e g s weniger komplizierte Streitfragen geben.
2. Das Recht
der Anwaltswerbung
im
Umbruch
a) A u s d e m U m s t a n d , d a ß d e r R e c h t s a n w a l t k e i n G e w e r b e a u s ü b t ( § 2 A b s . 2 B R A O ) , k a n n jedenfalls h e u t e n i c h t m e h r g e f o l g e r t w e r d e n , d a ß d e m R e c h t s a n w a l t j e g l i c h e W e r b u n g v e r b o t e n sei 23 , u n d n o c h w e n i g e r ,
20 Zunächst müssen die einzelnen Rechtsanwaltskammern Wahlordnungen beschließen und durch ihre Mitglieder die stimmberechtigten Mitglieder der Satzungsversammlung wählen lassen (§ 191 b BRAO). Wann die Satzungsversammlung zusammentreten und über die Berufsordnung Beschluß fassen kann, steht derzeit noch nicht fest. Noch weniger vorhersehbar ist der Inhalt einer künftigen Berufsordnung. Die Bundesrechtsanwaltskammer hat inzwischen einen „Diskussionsvorschlag einer Berufsordnung für Rechtsanwälte" vorgestellt (BRAK-Mitt. 1995, 12); darin sind auch Entwürfe für Einzelregelungen der Werbung und der Angabe von Interessenschwerpunkten enthalten (§§11 bis 18). Der Deutsche Anwaltverein hat - unabhängig von dem im Jahr 1990 veröffentlichten Entwurf einer Berufsordnung für Rechtsanwälte (AnwBl. 4/1990, Beilage S. 31 ff) — ebenfalls einen „Diskussionsentwurf einer Berufsordnung" vorgelegt (AnwBl. 4/1995, Beilage). Zu § 59 b Abs. 2 Nr. 3 B R A O empfiehlt der Berufsrechtsausschuß des DAV, weder zu den Interessenschwerpunkten noch zur Werbung eine Regelung zu treffen. 21 E G H Stuttgart, E G H Bd. IX, 201: Standeswidrigkeit bejaht. Kornblum, BB 1985, 65, 70, kritisiert dies als ausgesprochen „kleinkariert". 22 Vgl. BRAK-Mitt. 1994, 89; O L G Düsseldorf, W R P 1987,674. 23 So für den bisherigen Rechtszustand Feuerich (Fn. 1), § 2 Rdn. 6.
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daß der Rechtsanwalt zur Ausübung seines Berufs einer Werbung überhaupt nicht bedürfe. Die kritischen Fragen nach dem Sinn und Zweck eines strikten Werbeverbots sind auch keineswegs so neu, wie man meinen möchte. Schon im Jahre 1930 warf Eduard Reimer124 die Frage auf, warum eigentlich dem Anwalt nicht erlaubt sein soll, einige Male im Jahr in der Tagespresse auf sein Vorhandensein und seine Fachkenntnisse hinzuweisen. Am Phänomen Werbung kam und kommt der Rechtsanwalt, seit er seinen Beruf in „freier Advokatur" ausübt, nicht vorbei. Das war auch unter dem Regime der alten Standesrichtlinien bekannt. Der Rechtsanwalt durfte schon immer seine Berufsbezeichnung (§ 12 Abs. 3 BRAO) und seinen Doktortitel führen, seine Praxis nach eigenem Geschmack einrichten, Praxisdrucksachen, insbesondere Briefbogen und Praxisschilder verwenden, Anzeigen zur Kanzleieröffnung oder -Verlegung sowie anläßlich der Gründung oder Veränderung einer Sozietät veröffentlichen25. Das alles sind Ausdrucksformen des Kontakts zur Öffentlichkeit. Bei allen diesen Maßnahmen überwiegt zwar eindeutig der Informationsgehalt. Trotzdem werden damit zugleich Werbebotschaften vermittelt, sei es im Sinne der Informations-, der Erinnerungsoder der Imagefunktion. Die Beurteilung solcher Kommunikationsmittel bereitet nach dem neuen § 43 b B R A O keine Schwierigkeiten. Weil man diese aber auch früher nicht verbieten konnte und wollte, suchte man die Lösung des Problems in der - unter der „Geltung" eines prinzipiell ausnahmslosen Werbeverbots fragwürdigen - Unterscheidung zwischen zulässiger und unzulässiger Werbung oder, weiter verfeinert, in der dieser Prüfung vorzuschaltenden Frage, ob es sich überhaupt um Werbung handelt26. Werbung in diesem Sinne soll nicht schon ein Verhalten sein, das „(lediglich) die Wirkung hat, daß der Leistungserbringer und seine Leistungen beim Publikum weiter bekannt werden und sich dies für ihn umsatzfördernd auswirkt"; entscheidend sei vielmehr, „ob das Verhalten nach der Verkehrsanschauung darauf angelegt ist, diese Wirkung zu erreichen"27. Die Neuregelung in § 43 b B R A O erlaubt es, auf solche feinsinnigen Unterscheidungen zu verzichten und die Dinge wieder natürlicher zu betrachten. Bei der Auslegung des § 43 b B R A O ist ein künstlich verengter Begriff der „Werbung" weder erforderlich noch zweckmäßig. Deutlicher als früher sind heute die mehrdimensionalen Funktionen der
AnwBl. 1930,106,111. Zuck, M D R 1987, 366: „Das alles sind klassische Werbemittel". 26 Odersky, AnwBl. 1991, 242 in Bewertung der neueren Rechtsprechung des Senats für Anwaltssachen (BGHSt. 37, 69 = N J W 1990, 1739) und des Senats für Notarsachen ( B G H Z 106,212). 27 BGHSt 37,69, 73 = N J W 1990,1739. 24
25
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Werbung und die vielfältigen, einem raschen Wandel unterworfenen Werbemethoden und -mittel bekannt. Jede Darbietung von Botschaften, die durch Bekanntmachung, Information oder Assoziation auf einen Rechtsanwalt oder einen Zusammenschluß von Rechtsanwälten zu dem Zweck aufmerksam machen, die Einstellungen und Entschließungen des Adressaten zum Vorteil des oder der Genannten positiv zu beeinflussen, ist anwaltliche Werbung. Es sollte auch gar nicht geleugnet werden, daß jede anwaltliche Werbung in diesem Sinne auf die Übertragung von Mandaten gerichtet ist und den geschäftlichen Erfolg mehren soll28. In der Sprache des Wettbewerbsrechts sind das Wettbewerbshandlungen, nämlich Handlungen, die objektiv dazu geeignet sind und subjektiv mit der Absicht vorgenommen werden, eigenen oder fremden Wettbewerb zu fördern29. Für sich allein hätte der Aspekt der Wettbewerbsförderung innerhalb einer geschlossenen und durch das Rechtsberatungsgesetz privilegierten Berufsgruppe dem Gesetzgeber allerdings wohl kaum hinreichenden Anlaß für eine Lockerung des anwaltlichen Werbeverbots gegeben. Entscheidend waren vielmehr zwei Gesichtspunkte, die sich in der berufspolitischen Reformdiskussion mit breiter Zustimmung durchgesetzt haben: Die Rechtsanwälte in Deutschland sind einem zunehmend wachsenden Wettbewerbsdruck ausgesetzt. Dieser resultiert angesichts rapide steigender Zulassungszahlen30 teils aus den eigenen Reihen, teils aber auch aus anderen Branchen und Dienstleistungsberufen, die keinen gesetzlichen Werbebeschränkungen unterliegen und mitunter ganz massiv um Kundschaft werben31. Wenn aber der neuen berufsfremden Konkurrenz der Zugang zu modernem Dienstleistungsmarketing offensteht, kann er den Rechtsanwälten durch Aufrechterhaltung des Werbeverbots nicht weiterhin prinzipiell verschlossen bleiben32. Ganz allgemein gilt aber auch, daß die Leistung, die nach herkömmlicher Auffassung Grund und Rechtfertigung eines dauerhaften Erfolgs des Rechtsanwalts sein soll, gegenüber potentiellen Mandanten kaum zuverlässig dargestellt
28 So offen und zutreffend die Begründung des Vorschlags des Deutschen Anwaltvereins zur gesetzlichen Regelung der anwaltlichen Werbung, AnwBl. 4/1990, Beilage S. 22. 29 Ständige Rechtsprechung des B G H seit B G H Z 3, 270, 276 ff - Constanze I; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., Einl. U W G Rdn. 232-234; v. Gamm, U W G , 3. Aufl., § 1 Rdn. 24, jeweils ra. w. N. 30 Am 1.1. 1995 waren im gesamten Bundesgebiet 75 000 Rechtsanwälte zugelassen (AnwBl. 1995,192); für das Jahr 2000 werden 100 000 zugelassene Rechtsanwälte erwartet. In den alten Bundesländern hat sich die Zahl der Rechtsanwälte innerhalb eines Zeitraums von 25 Jahren (1968: 21 000 - 1993: 63 000) verdreifacht. 31 Henssler, AnwBl. 1993, 541, 544 mit Beispielen aus der Versicherungs- und Kreditwirtschaft; ferner DAV, aaO (Fn. 28). " Henssler aaO.
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werden kann, wenn nicht einmal eine sachliche, wahrheitsgemäße Werbung durch Information über die berufliche Tätigkeit erlaubt ist33. Zum anderen besteht für Spezialisierungshinweise (Fachanwaltschaften, Angabe von Tätigkeits- und Interessenschwerpunkten), ebenso auch für die Angabe weiterer Zusatzqualifikationen (z. B. Zulassung als Dolmetscher, Sachverständiger) ein unabweisbares Informationsbedürfnis des rechtsuchenden Publikums. Angesichts steigender Zulassungszahlen und immer komplizierter werdender Rechtsmaterien ist es für den Rechtsuchenden ohne ein Mindestmaß an sachlicher Information nahezu unmöglich, den für ihn und seine Sache geeigneten Anwalt zu finden34. Ein Patient kann erwarten, zur Behandlung seines Leidens erforderlichenfalls von seinem Hausarzt an den Spezialisten überwiesen zu werden. Mit einem vergleichbaren Service kann ein Mandant in aller Regel nicht rechnen; seine Suche nach einem qualifizierten, seinem rechtlichen Anliegen gewachsenen Anwalt wird durch die bisher vorherrschende, häufig auch für Berufskollegen kaum durchschaubare Intransparenz der Leistungsfelder des einzelnen Rechtsanwalts ganz erheblich erschwert. Das Verbot jeglicher Informationswerbung hat in der Vergangenheit dazu beigetragen, schutzwürdige Interessen der Allgemeinheit zu beeinträchtigen. In der amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs sind diese Erwägungen voll anerkannt und als die tragenden Gründe für das in dem neuen § 43 b B R A O geregelte Recht des Anwalts, sich grundsätzlich mit sachbezogenen, dienstleistungsorientierten Informationen an die Öffentlichkeit zu wenden, wie folgt zusammengefaßt worden35: „Auf dem Markt für anwaltliche Dienstleistungen nimmt der Wettbewerb stark zu. Wenn der Marktanteil der Rechtsanwälte, insbesondere im Vergleich zu anderen Beratungsberufen nicht noch weiter zurückgehen soll, müssen Rechtsanwälte die Möglichkeit haben, sich Mandanten und potentiellen Mandanten darstellen zu können. Zugleich besteht bei dem rechtsuchenden Publikum ein starkes Interesse an Informationen über das Angebot anwaltlicher Leistungen. Die hier immer noch vorhandenen Informationsbarrieren müssen abgebaut werden, wozu die Informationswerbung beitragen kann. Das Interesse potentieller Mandanten geht dahin, zu erfahren, wie sie für ihr Rechtsproblem einen Spezialisten finden und was dieser vermutlich kosten wird. Zur Informationswerbung gehört deshalb auch, daß Rechtsanwälte die Möglichkeit haben, unterhalb des Niveaus der durch die Rechtsanwaltskammer vergebenen Fachanwaltsbezeichnungen ihre fachlichen Interessenschwerpunkte anzugeben."
33 Lammel, Wettbewerbsrecht contra Standesrecht, WuW 1984, 853, 867, der die sog. Mundpropaganda für inhaltlich zu unzuverlässig hält und in der bloßen „Pflege von Beziehungen" größere Gefahren für die anwaltliche Unabhängigkeit sieht als in einer offenen Werbung mit besonderen Kenntnissen. 34 Netzband, NJW 1992, 811, 812; Kleine-Cosack, NJW 1992, 785; DAV, aaO (Fn. 28); Henssler, AnwBl. 1993, 554. 35 BT-Dr. 12/4993 S. 28.
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b) In einem Bereich, in welchem jegliche Werbung (unterstellt: verfassungsrechtlich einwandfrei) gesetzlich verboten ist, interessiert es nicht weiter, ob eine gleichwohl betriebene Werbung aufgrund ihrer konkreten Erscheinungsform noch zusätzlich wettbewerbsrechtliche Unlauterkeitsmerkmale gemäß §§ 1, 3 UWG erfüllt. Ein Verstoß würde ohne weiteres als wettbewerbswidrig angesehen werden und die Rechtsfolgen des § 1 UWG auslösen. Unter dieser Prämisse bliebe nur zu fragen, ob eine bestimmte Maßnahme als „Werbung" im Sinne des Verbots anzusehen oder etwa kraft Gewohnheitsrechts oder wenigstens anerkannter Branchenauffassung gerechtfertigt ist. Das war die Sichtweise der Vergangenheit. Mit den neuen Vorschriften der §§ 43 b, 43 c und 59 b Abs. 2 Nr. 2 und 3 B R A O hat sich die Ausgangslage verändert. Die Werbung von (und zugunsten von) Rechtsanwälten ist grundsätzlich zulässig; sie hat allerdings die Schranken einzuhalten, die ihr spezialgesetzlich durch die B R A O selbst und durch ermächtigungskonforme Bestimmungen der (noch zu erlassenden) Berufsordnung gesetzt sind. Das gibt Veranlassung, bei der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung anwaltlicher Werbemaßnahmen stärker als bisher die unmittelbar wettbewerbsrechtlichen Anknüpfungsmerkmale von den berufsrechtlichen zu unterscheiden, die nur über die Generalklausel des § 1 UWG in das Wettbewerbsrecht transformiert werden können. Die Verbotsnormen des U W G wenden sich unterschiedslos an alle Teilnehmer eines geschäftlichen Verkehrs, sie sind branchen- und berufsneutral. Deshalb unterliegt auch das wettbewerbsrelevante Verhalten der Rechtsanwälte unmittelbar der Prüfung am Maßstab des UWG. Unlauterer, etwa durch Täuschung begünstigter Mandantenfang ist danach schon unmittelbar nach § 1 UWG, irreführende oder gar unwahre Angaben über berufliche Qualifikationen sind unmittelbar nach § 3 U W G verboten36 - unabhängig davon, daß darin zugleich eine Verletzung von Berufspflichten liegt und daß wegen des wettbewerbsregelnden Charakters der verletzten Berufspflicht § 1 U W G als wettbewerbsrechtliche Transformationsnorm anwendbar sein wird. Wettbewerbswidrige, d. h. schon gegen die allgemeinen Vorschriften des UWG verstoßende Anwaltswerbung ist auf jeden Fall auch berufswidrig. Dies gilt aber nicht ohne weiteres in der Umkehrung. Denn die prohibitive Reichweite der §§ 1, 3 UWG ist schon aufgrund des anderen Regelungszwecks - deutlich geringer als das anwaltliche Berufsrecht, das die Grenzen zulässiger Werbung sehr viel enger zieht und folglich zahlreiche Werbehandlungen verbietet, die nach
36 v. Gamm, UWG, § 1 Rdn. 45; Baumbach/Hefermehl, Rdn. 678.
Einl. UWG Rdn. 202, § 1
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allgemeinem Wettbewerbsrecht unbedenklich wären. Hinzu kommt, daß die berufsrechtlichen Werbebeschränkungen unterschiedliche Schutzzwecke verfolgen: Auf der einen Seite gibt es Werbebeschränkungen, die primär dem Schutz der Allgemeinheit dienen; hierzu zählen insbesondere das Verbot der irreführenden Werbung im weitesten Sinne, d. h. das Verbot aller Angaben, die geeignet sind, beim Publikum Fehlvorstellungen über die berufliche Qualifikation und Leistungsfähigkeit des betroffenen Rechtsanwalts oder Rechtsanwaltsbüros hervorzurufen, ferner das Verbot unsachlicher Mandatsanbahnungswerbung, d. h. solcher Verhaltensweisen, die mittels Selbstanpreisung und Ausnutzung von Informationsdefiziten oder Hilfsbedürfnislagen potentieller Auftraggeber unmittelbar auf die Erteilung des Mandats gerichtet sind. Auf der anderen Seite gibt es Werbebeschränkungen, die hauptsächlich darauf abzielen, die Würde und das Ansehen des Rechtsanwalts als ein „Organ der Rechtspflege" zu gewährleisten und Wettbewerbsbeschränkungen zur Sicherung der Vermögensinteressen der Berufsangehörigen durchzusetzen; in diesen Bereich fallen insbesondere diejenigen Regelungen, die beschränkend in die äußere Form, das Maß und die Intensität der Werbemaßnahmen und die Wahl der Werbemedien eingreifen. Damit stellt sich die Frage, ob jeder Verstoß gegen eine berufsrechtliche Werbebeschränkung ohne weiteres die Wettbewerbswidrigkeit im Sinne des § 1 U W G nach sich zieht. Die bisher herrschende Meinung bejaht das, jedenfalls dann, wenn standesrechtliche Werbeverbote oder Werbebeschränkungen verletzt werden, die ihre Grundlage in einem formellen Gesetz oder in einer auf gesetzlicher Ermächtigung beruhenden Berufs- oder Standesordnung haben37. Diese Per-se-Wettbewerbswidrigkeit der Verletzung von Standesnormen wird aber zunehmend in Frage gestellt. Am entschiedensten wird die herrschende Meinung abgelehnt von Schünemann3S. Nach seiner Ansicht kommt es darauf an, ob die standesrechtliche Wettbewerbsregelung im Lichte der den Sinngehalt der „guten Sitten" konstituierenden Wettbewerbsfreiheit als „wettbewerbsproduktiv" anzusehen ist. Das sei gerade bei den Werbeverboten regelmäßig, zumindest tendenziell zu verneinen39. Auch Hefermehl40 führt aus, daß (nur) „das bewußte Hinwegsetzen über ein im Standes-
37 v. Gamm, Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kap. 31 Rdn. 14; Baumbach/Hefermehl, § 1 U W G Rdn. 675; Jacobs, in: H a n d b u c h des Wettbewerbsrechts, 1986, § 47 Rdn. 1 ff, 4, 6, 7; vgl. ferner die Rechtsprechungsnachweise bei Schünemann, in: G r o ß K o m m . z. U W G , Einl. D 70 Fn. 136. 38 G r o ß K o m m . z. U W G , Einl. D 73, 75. 39 Schünemann, a a O D 75. 40 Baumbach/Hefermehl, § 1 U W G Rdn. 678; vgl. demgegenüber die wohl deutlich weitergehende Formulierung in der 13. Aufl. (1981), § 1 U W G Rdn. 565.
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recht zum Schutz allgemeiner Interessen festgelegtes Werbeverbot" grundsätzlich gegen § 1 UWG verstößt, ohne daß es darauf ankommt, ob sich der Verletzer dadurch einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen sucht41. Sofern das gegen berufsrechtliche Normen verstoßende Werbeverhalten eines Rechtsanwalts nach Art und Inhalt nicht schon die unmittelbare Anwendung der § § 1 , 3 U W G rechtfertigt, ist nach richtiger Auffassung in jedem Einzelfall zu prüfen, ob die verletzte berufsrechtliche Norm primär den Schutz des fairen Leistungswettbewerbs auf dem Markt der anwaltlichen Dienstleistungen im Interesse der Allgemeinheit, d. h. auch des rechtsuchenden Publikums, oder aber im wesentlichen nur die Bewahrung der „Würde des Standes" bezweckt42. Nur im ersteren Fall ist es gerechtfertigt, ohne weitere Voraussetzungen die berufswidrige Werbung auch als Wettbewerbsverstoß nach § 1 UWG anzusehen. Im übrigen besteht keine Notwendigkeit, die berufsrechtlichen Werbebeschränkungen der B R A O und/oder der künftigen Berufsordnung automatisch mit dem wettbewerbsrechtlichen Schutz des § 1 UWG auszustatten. Daß die Verhaltensnorm im Nebenzweck mittelbar Einfluß auf das Wettbewerbsverhalten der Normadressaten nimmt - wie dies bei berufsrechtlichen Werbebeschränkungen regelmäßig der Fall sein wird - , genügt nicht für die Begründung einer Per-se-Wettbewerbswidrigkeit. Ein ausreichender wettbewerbsrechtlicher Schutz wird in diesen Fällen dadurch gewährleistet, daß § 1 U W G anwendbar bleibt, wenn sich der Verletzer bewußt und planmäßig über die berufsrechtliche Werbebeschränkung hinwegsetzt, um sich einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung zu verschaffen43. Nach diesen zusätzlichen wettbewerblichen Kriterien wäre etwa der Fall zu beurteilen, daß die Berufsordnung die Postwurfsendung als Werbemaßnahme verbietet und ein Rechtsanwalt eine nach Inhalt und Aufmachung nicht zu beanstandende Informationsschrift auf diese verbotene Weise versendet.
41 Ring, Wettbewerbsrecht der freien Berufe, 1989, S. 75 ff (Abschn. VI) setzt sich ebenfalls mit der herrschenden Meinung kritisch auseinander, hält aber generell einen Verstoß gegen standesrechtliche Werbeverbote oder -beschränkungen nur dann für wettbewerbswidrig im Sinn des § 1 UWG, wenn der Verletzer sich dadurch zugleich einen ungerechtfertigten Wettbewerbsvorsprung vor seinen mit ihm konkurrierenden Standesgenossen verschaffen wollte und verschafft hat, S. 114 ff. Auch H. P. Westermann, in: Festschrift für Barz, 1974, S. 545, 550 f, 559, hält den Vorsprungsgedanken für das entscheidende Kriterium. 42 Nach Schricker, Gesetzesverletzung und Sittenverstoß, 1970, S. 250 ff, 274 ff, sind die Normzwecktheorie (Schutzzweck der verletzten Norm) und der Vorsprungsgedanke die entscheidenden Anknüpfungsgesichtspunkte für die Haftung nach § 1 U W G wegen Verletzung außerwettbewerbsrechtlicher Normen. 43 v. Gamm (Fn. 29), § 1 U W G Rdn. 44, 51.
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c) Was die Konkretisierung der in § 43 b BRAO nur sehr allgemein beschriebenen Rechte und Pflichten des Rechtsanwalts im Zusammenhang mit der Werbung anlangt, wurden im Gesetzgebungsverfahren große Hoffnungen in die Berufsordnung gesetzt, die die Satzungsversammlung nach § 59 b BRAO erlassen wird. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Hoffnungen erfüllen. In der Sachverständigenanhörung des Rechtsausschusses des Deutschen Bundestages am 1. 12. 1993 wurde übereinstimmend die Auffassung vertreten, daß davon abgesehen werden sollte, eine Begrenzung der Werbung in Gestalt eines positiven oder negativen Katalogs im Gesetz aufzunehmen; was im einzelnen erlaubt oder verboten sein soll, müsse die satzungsgebende Versammlung spezifizieren44. In den schriftlichen Stellungnahmen wurden abschließende Kataloge im Gesetz „als zu unflexibel und die Autonomie der Anwaltschaft zu stark einschränkend" abgelehnt45 oder für unerreichbar gehalten, „weil die vielfältigen Möglichkeiten der - auch anwaltlicher - Werbung in einem Gesetz nie abschließend erfaßt werden können"; „die Phantasie des Gesetzgebers würde durch die Wirklichkeit übertroffen werden"46. Diese an die Adresse des Gesetzgebers gerichteten Bedenken treffen freilich prinzipiell auch für die Satzungsversammlung zu. Deren vorausschauende Regelungsphantasie ist auch nicht signifikant größer als die der gesetzgebenden Organe, die sich in Angelegenheiten des Berufsrechts von den anwaltlichen Standesorganisationen beraten lassen. In jedem Fall aber hat die Übertragung der Regelungskompetenz auf die Satzungsversammlung gegenüber einer gesetzlichen Detailregelung den Vorteil, daß auf Änderungen der Rechts- und Standesauffassungen zum Grundrecht der Berufsfreiheit und zum Informationsinteresse der Öffentlichkeit, aber auch auf neue Kommunikationsmittel und -methoden rascher und flexibler reagiert werden kann. In bezug auf die Regelung von Einzelheiten erlaubter und verbotener Anwaltswerbung ist teilweise mehr Zurückhaltung als engagierte Entwurfstätigkeit festzustellen47. Sowohl aus sachlichen wie auch aus berufspolitischen Gründen könnte es allerdings nicht überzeugen, wenn die Anwaltschaft gerade zur Frage der Werbebeschränkung die Satzungskompetenz, die sie in den Gesetzesberatungen nachdrücklich favorisiert
Protokoll der 102. Sitzung des Rechtsausschusses am 1. 12. 1993 S. 25 f. Henssler, Stellungnahme v. 29. 11. 1993 (Anlage zum Protokoll der 102. Sitzung des Rechtsausschusses) S. 13. 46 Stellungnahme der Bundesrechtsanwaltskammer (Anlage zum Protokoll der 102. Sitzung des Rechtsausschusses) S. 26. 47 Vgl. oben Fn. 20. 44
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und mit Erfolg für sich beansprucht hatte, entgegen dem ausdrücklichen Auftrag der Gesetzesbegründung 48 nicht wahrnähme. Auch auf die Gefahr hin, daß in einer Aufstellung verbotener oder erlaubter Werbemaßnahmen „Selbstverständlichkeiten" erscheinen, sollte von der Ermächtigung zur Ausfüllung der gesetzlichen Grundregel des § 43 b BRAO Gebrauch gemacht werden. Da eine solche Regelungskasuistik49 notwendigerweise niemals vollständig oder abschließend sein kann - die Judikatur zu den wettbewerbsrechtlichen Generalklauseln der § § 1 , 3 UWG hat dies längst eindrucksvoll bewiesen - , liegt es nahe, den paradigmatischen Charakter eines positiv oder negativ zu formulierenden Katalogs dadurch zu wahren, daß an § 43 b BRAO angelehnte Grundsatzregelungen als Generalklauseln für die konzeptionelle und regelungstechnische Lückenlosigkeit sorgen. Die Berufsordnung soll nach der gesetzgeberischen Intention primär die Aufgabe haben, die Beschränkungen der anwaltlichen Werbefreiheit wesentlich genauer als durch die frühere Generalklausel des § 43 BRAO a. F. im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG „auf Grund eines Gesetzes" zu regeln, und in diesem Bereich mehr Rechtssicherheit schaffen. Die neue Berufsordnung sollte aber auch, nachdem die Standesrichtlinien und mit ihnen die dort geregelten Werbeverbote weggefallen sind, der Gesamtheit der Rechtsanwälte, vor allem den jüngeren und im anwaltlichen Berufsrecht weniger erfahrenen Kollegen möglichst konkrete Verhaltensleitlinien an die Hand geben. Zugegebenermaßen nicht einfach wird die Regelung der Angaben über selbstbenannte Interessenschwerpunkte sein. Nichtssagend wäre eine Bestimmung, wonach die als Interessenschwerpunkte bezeichneten Rechtsgebiete nicht mit denen der Fachanwaltsbezeichnungen (§§ 43 c Abs. 1, 59 b Abs. 2 Nr. 2 a BRAO) übereinstimmen dürfen; das ergibt sich bereits unmißverständlich aus der Gesetzesbegründung 50 und aus dem allgemeinen Verbot irreführender Angaben. Zweck der vom Gesetzgeber geforderten Einzelregelung kann es auch nicht sein, einen ,8 BT-Dr. 12/4993 S. 35: „Die anwaltliche Werbung soll in ihren Einzelheiten gleichfalls in der Berufsordnung geregelt werden (Absatz 2 Nr. 3). Der Satzungsgeber wird ausdrücklich aufgefordert, auch die Berufspflichten hinsichtlich der selbstbenannten Interessenschwerpunkte zu regeln. Die Regelung muß so ausgestaltet sein, daß Irreführungen des rechtsuchenden Bürgers vermieden werden, insbesondere müssen Fachanwaltsbezeichnungen und Interessenschwerpunkte auseinandergehalten werden. In diesem Zusammenhang wird von Bedeutung sein, welche Zahl von derartigen Angaben mit der anwaltlichen Werbung in Einklang stehen und ob der Begriff .Interessenschwerpunkt' als solcher zu verwenden ist." 49 Vgl. zum alten Rechtszustand die Ubersicht bei Zuck, in: Lingenberg/Hummel/ Zuck/Eich, Kommentar zu den Grundsätzen des anwaltlichen Standesrechts, 2. Aufl., 1988, § 2 Rdn. 45. 50 BT-Dr. 12/4993 S. 35.
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Katalog aller in Betracht kommenden Spezialgebiete aufzustellen. Regelungsbedürftig ist aber die Frage, wieviel Spezialgebiete (außerhalb der den Fachanwaltsbezeichnungen vorbehaltenen Rechtsgebiete) ein einzelner Rechtsanwalt oder eine Sozietät angeben darf, ob und gegebenenfalls nach welcher Zeit die Angabe eines Interessenschwerpunktes eingestellt werden muß, falls die mitgeteilte bloße Absicht, sich einem bestimmten Rechtsgebiet vorrangig zuzuwenden51, in der tatsächlich ausgeübten Berufstätigkeit keinen hinreichenden Niederschlag findet. Die Bedenken des Gesetzgebers gegen die Zulassung von Hinweisen auf „7iS(£z'g&ei£sschwerpunkte" oder auch nur von „Tätigkeitsgebieten" sind nicht recht verständlich, nachdem die neueste Rechtsprechung sowohl des Bundesgerichtshofes52 als auch des Bundesverfassungsgerichts53 solche Hinweise für unbedenklich gehalten hat, weil in diesen Hinweisen eine sachgerechte und für den interessierten Rechtsuchenden nützliche Information vermittelt und eine Verwechslung mit der rechtsförmlich erworbenen Qualifikation als „Fachanwalt" nicht begründet werde. Die schon vom Wortsinn her sehr viel unschärfere und weitergehende Angabe eines „Interessenschwerpunktes" birgt dagegen ein größeres Irreführungspotential, wenn nicht durch konkretisierende Regelungen die Diskrepanz zwischen bloß beabsichtigter und nachweisbarer Spezialisierung verringert wird. d) Daß eine sinnvolle Ausfüllung des gesetzlichen Ermächtigungsrahmens möglich ist, zeigt eine Mitteilung der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg vom September 1994, in welcher die Auffassung des Vorstandes zu einigen Einzelfragen der Anwaltswerbung für die Übergangszeit bis zum Erlaß entsprechender Vorschriften der Berufsordnung dargestellt wird54. Danach werden insbesondere für zulässig gehalten die Angabe von Tätigkeitsschwerpunkten (bei bereits vorhandenen Erfahrungen) oder Interessenschwerpunkten (bei erst beabsichtigter Spezialisierung) im Briefkopf, Kanzleischild, Branchentelefonbuch, An51 In der BRAO-Novelle ist die Zulassung von werbenden Hinweisen auf „Tätigkeitsschwerpunkte" mit der Begründung nicht aufgegriffen worden, daß diese Bezeichnung keinen hinreichenden Abstand zu der in einem formellen Verfahren erworbenen Fachanwaltsbezeichnung einhalte und außerdem etwa Berufsanfängern die Möglichkeit verwehre, auf die seinen Neigungen und besonderen Kenntnissen entsprechenden Spezialisierungsabsichten hinzuweisen (Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Dr. 12/4993 S. 28). 52 BGH, N J W - R R 1994, 1480 - Kanzleieröffnungsanzeige; G R U R 1994, 825 - Strafverteidigungen; N J W 1984,141. 53 BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats) Beschl. v. 5. 12. 1994 - 1 BvR 1229/90; vgl. auch BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats) NJW 1994,123. 54 AnwBl. 1994, 513. In die gleiche Richtung weisen, allerdings weniger weitgehend, die Vorschläge in § § 1 1 bis 18 des Diskussionsvorschlages der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK-Mitt. 1 9 9 5 , 1 2 , 1 3 f).
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waltssuchservice und Anwaltsverzeichnis, die Kurzbezeichnung einer Sozietät und die Verwendung eines „zurückhaltenden" Logos (Bild-/ Wortzeichens)55, Hinweise auf Sprachkenntnisse, Kooperationen und andere Berufsqualifikationen, schließlich auch Auftritte des Anwalts in Medien (sofern darauf geachtet wird, daß keine irreführenden Angaben über ihn verbreitet werden). Diese Auffassungen halten sich jedenfalls innerhalb der Grenzen, die nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts durch das Grundrecht der Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) einerseits und das gesetzliche Berufsbild des Rechtsanwalts andererseits gezogen sind. Für verfassungsrechtlich unbedenklich hat das Bundesverfassungsgericht das damals schon aus § 43 BRAO a. F. herleitbare Verbot der gezielten Werbung um Praxis und erst recht der irreführenden Werbung angesehen, das als Kern des Werbeverbots seit jeher unangefochten zu den Pflichten der freien Berufe gerechnet worden ist56. Als nach Form und Inhalt das gesetzlich normierte Berufsbild des Rechtsanwalts verfälschende Werbung sind „aufdringliche Werbemethoden anzusehen, die Ausdruck eines rein geschäftsmäßigen, ausschließlich am Gewinn orientierten Verhaltens sind, wie das unaufgeforderte direkte Herantreten an potentielle Mandanten (gezielte Werbung um Praxis) oder das sensationelle bzw. reklamehafte Sich-Herausstellen"57. Gesetzliche und aufgrund gesetzlicher Ermächtigung erlassene Werbebeschränkungen, die diese Grundsätze näher konkretisieren, sind mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, weil sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt sind und dem 55 Die vom B G H im Urt. v. 13. 5. 1985 (BRAK-Mitt. 1985, 171) und von der Vorinstanz ( E G H München, BRAK-Mitt. 1984, 197) vertretene Auffassung, daß die Verwendung von Emblemen und Marken- oder Firmenzeichen auf Briefbogen oder sonstigen Drucksachen des Anwalts standesrechtlich unzulässig sei, ist - jedenfalls in dieser Allgemeinheit - heute nicht mehr haltbar. Schon das Gesetz über die Eintragung von Dienstleistungsmarken vom 29. 1. 1979 (BGBl. I S. 125 - Änderung des § 1 WZG; nunmehr § 3 Abs. 1 MarkenG) hat allen Dienstleistungsunternehmen ohne Beschränkung auf bestimmte Branchen die Möglichkeit eröffnet, rechtlich geschützte Dienstleistungsmarken und Ausstattungen für Dienstleistungen zu erwerben. Dies gilt gleichermaßen auch für alle Angehörigen der freien Berufe (vgl. Baumbach/Hefermehl, Warenzeichenrecht, 12. Aufl., § 1 W Z G Rdn. 6, 25). Aber auch unter berufsrechtlichen Gesichtspunkten gibt es keinen überzeugenden Grund, dem Rechtsanwalt die Verwendung eines Emblems, Signets, Logos oder eines Wort- und/oder Bildzeichens als Mittel zur Identifikation und Herkunftskennzeichnung grundsätzlich zu verwehren. Für kleine Büros mit nur lokaler Bedeutung mag dieses Recht nur geringe praktische Bedeutung haben; große überörtliche Sozietäten hingegen können ein legitimes Interesse daran haben, daß etwa ihre bekannte, graphisch eigentümliche Kennzeichnung nicht von branchennah konkurrierenden Beratern nachgeahmt wird. 56 BVerfG, Beschl. v. 14. 7. 1987, BVerfGE 76, 196, 205. 57 BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats) N J W 1994, 123,124; BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats) N J W 1992, 1613, jeweils unter Bezugnahme auf BVerfGE 76, 196, 205 f.
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Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen58. In diesem Sinne bewegen sich die §§ 43 b, 43 c BRAO auf verfassungsrechtlich sicherem Boden. Ebenso sind aber auch die von der Hanseatischen Rechtsanwaltskammer Hamburg und von der Bundesrechtsanwaltskammer 59 befürworteten Auffassungen zu Einzelfragen der Anwaltswerbung als Beispiele einer verfassungs- und ermächtigungskonformen Einzelregelung gemäß § 59 b Abs. 2 Nr. 3 BRAO anzusehen. e) Das Gesetz zur Neuordnung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte vom 2. 9. 1994 hat aber auch - womöglich unbeabsichtigt - in das Problem der Preiswerbung eingegriffen, in einen Bereich also, in dem Rechtsanwälten bisher jegliche Werbung absolut verboten war und mutmaßlich nach Auffassung der Mehrheit der Anwaltschaft auch weiterhin verboten bleiben sollte. Auf einem Markt, für den gesetzlich gebundene Preise bestehen, existiert kein (legaler) Preiswettbewerb. Eine Preiswerbung zu Wettbewerbszwecken ginge dabei ins Leere. Die Einhaltung der gesetzlichen Anwaltsgebühren wurde in der Vergangenheit abgesichert durch das standesrechtliche Verbot, geringere als die in der BRAGO vorgesehenen Gebühren zu vereinbaren (§51 der Standesrichtlinien)60. Da § 51 der Standesrichtlinien mangels Rechtsnormqualität als tragfähige Grundlage einer berufsrechtlichen Werbebeschränkung ausschied, ein Preiswettbewerb unter Rechtsanwälten im Bereich der gesetzlich gebundenen Honorare aber weiterhin ausgeschlossen bleiben sollte, wurde in § 49 b Abs. 1 Satz 1 BRAO nunmehr gesetzlich verboten, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vorsieht, soweit diese nichts anderes bestimmt. Letzteres aber ist für die außergerichtliche Anwaltstätigkeit durch die gleichzeitig neu eingeführte Bestimmung des § 3 Abs. 5 BRAGO 61 geschehen: Danach ist dem Rechtsanwalt im Gegensatz zum bisherigen Recht durch die Gebührenordnung ausdrücklich gestattet worden, in außergerichtlichen Angelegenheiten Pauschalvergütungen und Zeitvergütungen zu vereinbaren, die niedriger sind als die gesetzlichen Gebühren. Diese - gleichfalls auf starken Druck der Anwaltschaft eingeführte - Neuregelung hat nunmehr auf dem weitaus überwiegenden Feld anwaltlicher Berufstätigkeit die Preisbindung und damit zwangsläufig auch das Verbot des Preiswettbewerbs aufgehoben 62 . BVerfGE 76, 196, 207. Fn. 54. 60 Zu den kartellrechtlichen Problemen des Verbots der Gebührenunterbietung Messer, in: Festschrift für Pfeiffer, 1988, S. 973 ff. " Angefügt durch Art. 4 Nr. 2 des Gesetzes vom 2. 9. 1994 (BGBl. I S. 2278, 2292). " BGH, GRUR 1977, 739, 741 Architekten-Gebühren. 58 59
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Damit aber ist zugleich notwendigerweise die Preiswerbung eröffnet. Denn ein funktionierender Preiswettbewerb ist nicht denkbar ohne Werbung, deren Funktion es ist, das Augenmerk auf günstige Angebote zu richten63. Es kann auch keinem Zweifel unterliegen, daß die werbliche Bekanntmachung von Gebührensätzen für bestimmte Beratungs- und Vertretungsleistungen, insbesondere auch von Stundensätzen, dem Begriff der nunmehr ausdrücklich für zulässig erklärten Informationswerbung unterfällt. Auch sie ist nach § 43 b B R A O berufsrechtlich unbedenklich, soweit sie „in Form und Inhalt sachlich unterrichtet". Dies alles wird bestätigt durch die amtliche Begründung der BRAO-Novelle, wo ausdrücklich hervorgehoben wird, daß das schutzwürdige Interesse potentieller Mandanten dahin geht, nicht nur zu erfahren, wie sie für ihr Rechtsproblem einen Spezialisten finden, sondern auch, „was dieser vermutlich kosten wird" 64 . Diese bereits in den neuen gesetzlichen Bestimmungen des § 43 b B R A O einerseits und des § 3 Abs. 5 B R A G O n. F. andererseits angelegte Aufhebung des Verbots des Gebührenwettbewerbs und der Gebührenwerbung könnte zulässigerweise nicht durch eine gegenteilige Vorschrift in der Berufsordnung unterlaufen werden. Eine Berufsordnungsvorschrift, die über das Sachlichkeitsgebot hinaus den Rechtsanwälten untersagen würde, in bezug auf ihre Gebührenbemessung in außergerichtlichen Angelegenheiten werbliche Angaben zu machen, widerspräche der gesetzlichen Ermächtigung der §§ 43 b, 59 b Abs. 2 Nr. 3 B R A O und würde darüber hinaus auch das Bundeskartellamt auf den Plan rufen65. Auch im Bereich der Gebührenwerbung haben sich also die gesetzlichen Grundlagen geändert. Deutsche Rechtsanwälte dürfen danach dem Beispiel ausländischer, insbesondere US-amerikanischer Anwaltsfirmen folgend - etwa Gebührenverzeichnisse für außergerichtliche Standardtätigkeiten (z. B. für Warenzeichensachen) herausgeben. Wenn berichtet wird, daß es - ein Novum für deutsche Anwälte - bereits üblich geworden sei, sich um Großaufträge regelrecht zu bewerben und in direkte Konkurrenz mit anderen Großkanzleien, insbesondere aus den Vereinigten Staaten und aus Großbritannien, aber auch großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und anderen internationalen Beratern zu treten66, so wirft dies ungeachtet der an sich zulässigen Preiswerbung weitere Fragen auf, ob nämlich dabei nicht das Verbot der gezielten, „auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall" gerichteten Werbung 63 64 65 66
Harms, NJW 1976,1289, 1292. BT-Dr. 12/4993 S. 28. Vgl. dazu Harms, NJW 1976, 1289 ff; Messer (Fn. 60), S. 978 ff. Frankfurter Allgemeine Zeitung v. 4. 1. 1995.
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(§ 43 b BRAO) verletzt ist und ob nicht abweichende Vorschriften über die Berufspflichten im grenzüberschreitenden Rechtsverkehr einschlägig sind67. Die deutsche Anwaltschaft wird sich also zumindest in Teilbereichen der außergerichtlichen Berufstätigkeit auf einen Gebührenwettbewerb mit entsprechenden werblichen Maßnahmen einstellen müssen. Das ist eine unmittelbare Folge der für den nichtforensischen Bereich verwirklichten Deregulierung des Anwaltsgebührenrechts. Ebenso sicher ist aber auch, daß im forensischen Bereich die nunmehr gesetzlich verankerte Bindung an die gesetzlichen Gebühren (im Sinne eines Verbots der Gebührenunterschreitung) jeden Preiswettbewerb und damit auch jede Preiswerbung - schon unter dem Gesichtspunkt des Irreführungsverbots - ausschließt. Eine Werbung mit dem Angebot „Konventionalscheidung 500 DM" bleibt auch in Zukunft verboten. 3. Die Durchsetzung des Verbots berufswidriger
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a) Soweit ein anwaltliches Verhalten, das zugleich Wettbewerbszwecken dient, zu beurteilen ist, kommen als materiell-rechtlicher Prüfungsmaßstab sowohl das Berufsrecht als auch das Wettbewerbsrecht zur Anwendung. Das ist bei anwaltlichem Werbeverhalten regelmäßig der Fall. Diese Doppelspurigkeit der rechtlichen Beurteilung ist das gemeinsame Kennzeichen des Wettbewerbsverhaltens in allen klassischen, auf die Ausübung von Diensten höherer Art gerichteten freien Berufen. Die Einhaltung der berufsspezifischen Pflichten wird durch eine öffentlichrechtlich organisierte Berufsaufsicht der Kammern und durch die Androhung spezieller berufsgerichtlicher Sanktionen gesichert. So obliegt dem Vorstand der Rechtsanwaltskammer die Aufgabe, die Mitglieder in Fragen der Berufspflichten zu beraten und zu belehren, die Erfüllung der ihnen obliegenden Pflichten zu überwachen und das Recht der Rüge zu handhaben (§ 73 Abs. 2 Nr. 1 und 4 BRAO). In Fällen von geringer Schuld und Bedeutung kann der Vorstand dem Rechtsanwalt wegen eines berufspflichtwidrigen Verhaltens eine Rüge erteilen (§ 74 BRAO). In anderen Fällen einer schuldhaften Pflichtverletzung wird gegen den Rechtsanwalt eine anwaltsgerichtliche Maßnahme (Warnung, Verweis, Geldbuße, Vertretungsverbot, Ausschließung aus der Rechtsanwaltschaft) verhängt (§§ 113, 114 BRAO). Diese in der BRAO geregelten aufsichtsrechtlichen und anwaltsgerichtlichen Maßnahmen sind die unmittelbaren Rechtsfolgen von Verstößen gegen die dort geregelten Berufspflichten. Soweit die zu beanstandende Pflichtverletzung, etwa im 67 Vgl. hierzu Nr. 2.6 und 3.4 der Standesregeln der Rechtsanwälte der Europäischen Gemeinschaft (CCBE-Standesrichtlinien), AnwBl. 1989, 647 ff.
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Fall einer unsachlichen und irreführenden Werbemaßnahme, zugleich die wettbewerblichen Tatbestände der §§ 1, 3 U W G erfüllt, haftet der Rechtsanwalt daneben auch zivilrechtlich auf Unterlassung und gegebenenfalls Schadensersatz. Diese in zwei sehr verschiedenen Rechtsmaterien ruhende materiell-rechtliche Ahndungskonkurrenz ist unbestritten. Daran ist auch nichts zu kritisieren, solange die berufsrechtlichen Rechtsfolgen von der Rechtsanwaltskammer und der Staatsanwaltschaft, die zivilrechtlichen Rechtsfolgen aus § § 1 , 3 U W G hingegen von einem durch die Wettbewerbshandlung verletzten Kollegen oder dem örtlichen Anwaltverein wahrgenommen werden. Die Praxis sieht allerdings anders aus. Wie die Kammern anderer freier Berufe hält der B G H in ständiger, erst jüngst bestätigter Rechtsprechung auch die Rechtsanwaltskammern für klagebefugt im Sinn des § 1 3 UWG 68 . Dieser Auffassung hat sich das Schrifttum überwiegend angeschlossen69. Die Qualifikation der Rechtsanwaltskammern als rechtsfähige Verbände (des öffentlichen Rechts) zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 U W G wird damit begründet, daß Funktionsbereich und Aufgabenkreis der Rechtsanwaltskammer über die ihr durch Gesetz oder Satzung ausdrücklich zugewiesenen Aufgaben hinausreichen und auch diejenigen Belange der Anwaltschaft umfassen, die den Berufsstand als Ganzen berühren70. Diese - als gefestigt zu bezeichnende - Rechtsprechung hat die Rechtsanwaltskammern wie auch die Berufskammern der anderen freien Berufe dazu ermuntert, Verstöße ihrer Mitglieder gegen Berufspflichten, sofern darin zugleich ein wettbewerbsrelevantes Verhalten lag, zunehmend im Wege einer zivilgerichtlichen Wettbewerbsklage gemäß § 13 U W G zu verfolgen. b) Gegen eine Klagebefugnis aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 U W G für Wettbewerbsklagen der Rechtsanwaltskammern gegen ihre eigenen Mitglieder
6» B G H Z 109, 153, 156 ff = W R P 1990, 282, 283 - Anwaltswahl durch Mieterverein. Jeweils ohne nähere Begründung: B G H G R U R 1994, 825 - Strafverteidigungen; BGH N J W - R R 1994, 1480, 1481 - Kanzleieröffnungsanzeige. Unergiebig das häufig als Leitentscheidung zitierte Urteil B G H G R U R 1957, 425, 426 - Ratgeher (zu § 13 Abs. 1 U W G a. F.). 69 Baumbach/Hefermehl § 13 Rdn. 31; v. Gamm, § 13 U W G Rdn. 13; Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6. Aufl., Kap. 13 Rdn. 20; Erdmann, in: GroßKomm z. U W G , § 13 Rdn. 52, 53 (auch mit Rechtsprechungsnachweisen zur Klagebefugnis von Architektenkammern, Ärztekammern, Steuerberaterkammern). 70 B G H Z 109, 153, 157 = W R P 1990, 282, 283 - Anwaltswahl durch Mieterverein. Eingehender zu den Einwendungen, die im Hinblick auf die öffentlichrechtliche Aufgabenstellung und die Aufsichtsbefugnisse der Berufskammern gegen deren Klagebefugnis geltend gemacht werden, B G H Z 79, 390, 392 ff = G R U R 1981, 596, 597 - Apotheken-Steuerberatungsgesellschaft.
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bestehen jedoch, worauf im Schrifttum wiederholt hingewiesen worden ist71, erhebliche Bedenken. Nicht zweifelsfrei ist schon, ob die Subsumtion der Berufskammern unter die „rechtsfähigen Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen" nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 U W G (früher § 13 Abs. 1 U W G a. F.) tatsächlich den gesetzgeberischen Absichten entspricht. Erstaunlicherweise wird in § 13 Abs. 2 Nr. 4 U W G in gesonderter Nennung den Industrie- und Handelskammern und den Handwerkskammern die Klagebefugnis eingeräumt, obwohl diesen Kammern keine standesaufsichtlichen Kompetenzen gegenüber ihren Mitgliedern, wohl aber die Aufgaben zugewiesen sind, „das Gesamtinteresse der ihnen zugehörigen Gewerbetreibenden ihres Bezirks wahrzunehmen, für die Förderung der gewerblichen Wirtschaft zu wirken und dabei die wirtschaftlichen Interessen einzelner Gewerbezweige oder Betriebe abwägend und ausgleichend zu berücksichtigen" 72 oder „die wirtschaftlichen Interessen des Handwerks" zu fördern73. Man fragt sich also, warum die Industrieund Handelskammern und die Handwerkskammern nicht schon unter den Begriff der „rechtsfähigen Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen" fallen sollen und einer besonderen Erwähnung in § 13 Abs. 2 Nr. 4 U W G bedürfen, umgekehrt aber die Berufskammern, bei denen die Aufgabe, die gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern, immerhin zweifelhaft ist, trotz fehlender Erwähnung zu den nach § 13 Abs. 2 Nr. 2 U W G klagebefugten Interessenverbänden gehören sollen74. Diese Frage bedarf indessen einer differenzierten Antwort. Den Berufskammern kommt - insoweit ist der Rechtsprechung des B G H und der herrschenden Meinung im Schrifttum zuzustimmen - die Klagebefugnis aus § 13 U W G zu, soweit sich die Unterlassungsklage gegen die Beeinträchtigung der wettbewerblichen Interessen der Mitgliedergesamtheit durch unlautere Wettbewerbshandlungen außenstehender Dritter richtet, die der Berufskammer nicht angehören und folglich auch nicht deren öffentlichrechtlicher Aufsichtskompetenz unterstehen. Auf den Gesichtspunkt, daß die wettbewerbsrechtliche Verbandsklage nach §§ 1, 3, 13 U W G zugunsten der Rechtsanwälte eine Rechtsschutzlücke 71 Mit eingehender Begründung/. Pietzcker, N J W 1982, 1840 ff; ferner Redeker, NJW 1980, 187, 188; den., N J W 1982, 1266, 1268; Sack, BB 1986, 2205, 2216 f; Tettinger (Fn. 1), S. 88 Fn. 359. 72 § 1 des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Rechts der Industrie- und Handelskammern v. 1 8 . 1 2 . 1 9 5 6 (BGBl. I S . 920). 73 § 91 Abs. 1 Nr. 9 Handwerksordnung. 74 Auch wegen dieser Bedenken generell gegen eine Klagebefugnis der Berufskammern J. Pietzcker, aaO S. 1842 f; Sack, aaO S. 2216 f (anläßlich der Neufassung des § 13 U W G durch die UWG-Novelle 1986). A. A. Teplitzky, Kap. 13 Rdn. 21; B G H G R U R 1987, 834 - Data-Tax-Control.
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schließen soll, wo der „Disziplinarschutz" des Berufsrechts versagt, nämlich dort, wo es sich um Beeinträchtigungen durch Wettbewerbsverstöße Dritter handelt, hat bereits das Reichsgericht im Jahre 1920 hingewiesen75. Aus der Bejahung der Klagebefugnis gegen außenstehende Dritte folgt aber keineswegs, daß die Rechtsanwaltskammern (oder die vergleichbaren anderen Berufskammern) auch gegen ihre eigenen Mitglieder unter Berufung auf § 13 U W G klagen und so mit privatrechtlichen Maßnahmen die Verletzung von Berufspflichten unterbinden können. Die Durchsetzung der Berufsaufsicht mit wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen ist mit der öffentlichrechtlichen Organisation und Aufgabenstellung der Rechtsanwaltskammern nicht zu vereinbaren. Die Rechtsstellung der Rechtsanwaltskammern als öffentlichrechtlicher Verbände mit Pflichtmitgliedschaft, ihre Aufgaben und Befugnisse sind abschließend in der B R A O geregelt. Die Ausübung der den Rechtsanwaltskammern hiernach zugewiesenen hoheitlichen Aufgabe der Berufsaufsicht über ihre (Pflicht-)Mitglieder ist - dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung folgend - nur im Rahmen der durch die B R A O bestimmten Grenzen, d. h. nur mit den dort geregelten Maßnahmen und Verfahren möglich. Die Vorschriften der B R A O erlauben den Rechtsanwaltskammern indessen nicht, gegen Mitglieder wegen der Verletzung von Berufspflichten wahlweise (oder gar kumulativ) öffentlichrechtlich oder privatrechtlich mit Klagen nach § 13 U W G vorzugehen. Die allein dem privaten Wettbewerbsrecht zuzurechnende Vorschrift des § 13 U W G ist keine Kompetenznorm des anwaltlichen Berufsaufsichtsrechts. Für eine solche zivilrechtliche Erweiterung der berufsrechtlichen Aufsichtsbefugnisse der Rechtsanwaltskammern fehlt nicht nur die rechtsstaatlichen Grundsätzen entsprechende gesetzliche Grundlage, sondern auch ein hinreichendes sachliches Bedürfnis. Die B R A O enthält nicht nur ein spezifisches System von Ahndungsmaßnahmen, sondern darüber hinaus auch ein systemkonformes öffentlichrechtliches Instrumentarium zur Wahrnehmung der den Rechtsanwaltskammern übertragenen Berufsaufsicht. Die dafür in Betracht kommenden Maßnahmen beschränken sich keineswegs nur auf die Erteilung einer Rüge (§ 74 B R A O ) oder den Antrag auf Einleitung des anwaltsgerichtlichen Verfahrens (§ 122 Abs. 1 BRAO). Vielmehr ist in der Rechtsprechung des B G H anerkannt, daß die Rechtsanwaltskammer in Wahr-
75 RGZ 99, 189, 192 f - Steueranwalt (Klage des Berliner Anwaltvereins gegen ein Nichtmitglied, das nicht Rechtsanwalt war). Der Entscheidung B G H Z 109, 153 = W R P 1990, 282 - Anwaltswahl durch Mieterverein - , die sich erstmals eingehender mit der Klagebefugnis der Rechtsanwaltskammern beschäftigt, lag ebenfalls eine Klage gegen ein Nichtmitglied (Mieterverein) zugrunde.
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nehmung ihrer umfassenden Überwachungspflicht gegen Verhaltensweisen, die nicht schuldhaft begangen sind oder eine Rüge nicht rechtfertigen, auch mit dem Mittel der Belehrung - mit oder ohne Aufforderung, den beanstandeten Zustand zu beseitigen - als der zulässigen Form öffentlichrechtlichen Handelns auf der Grundlage des § 73 Abs. 2 Nr. 1 und 4 BRAO vorgehen kann76. Eine solche „mißbilligende Belehrung" 77 unterliegt der gerichtlichen Uberprüfung 78 . Gegen die Wahrnehmung der Berufsaufsicht durch einen in die Form der „mißbilligenden Belehrung" gekleideten Verwaltungsakt - man sollte diesen zur Unterscheidung von nur beratenden oder empfehlenden Belehrungen wie auch der Rüge (§ 74 BRAO) besser „formelle Belehrung" nennen - sind weder verwaltungsrechtliche noch pragmatische Bedenken zu erheben. Die Rechtsfigur des feststellenden, ein Rechtsverhältnis verbindlich ordnenden Verwaltungsaktes ist allgemein anerkannt79. Daß solche Verwaltungsakte der Rechtsanwaltskammer gemäß § 223 Abs. 1 BRAO durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung vor dem Anwaltsgerichtshof (und nicht vor dem erstinstanzlichen Anwaltsgericht) angefochten werden können80, ist dem möglichen Spektrum der auf diese Weise zu entscheidenden berufsrechtlichen Fragen durchaus angemessen und dient durch Ausschaltung der unteren Instanz der Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens. Dieses berufsrechtsspezifische verwaltungsrechtliche Mittel der formellen Belehrung, verbunden mit der Untersagung des als berufswidrig beanstandeten Verhaltens als unselbständiger Nebenfolge 81 , entspricht in seinen wesentlichen Wirkungen und Zielen der zivilrechtlichen Unterlassungsklage: Der Streit über den Vorwurf berufspflichtwidrigen Verhaltens wird rechtlich verbindlich entschieden; beugt sich dann das unterlegene Mitglied der (gerichtlich bestätigten) Auffassung der Rechtsanwaltskammer nicht, so setzt es sich der Gefahr anwaltsgerichtlicher 76 BGH NJW 1984, 1042; ebenso EGH Stuttgart, BRAK-Mitt. 1982, 129; dezidiert für die Anwendung der Mittel des Verwaltungsrechts und für die Entscheidung durch Verwaltungsakt Redeker, NJW 1980, 187, 188; ders., NJW 1982, 1266, 1268; ders., NJW 1982, 2761, 2762. Für die Zulässigkeit einer „nicht beanstandenden, nicht schuldzuweisenden Belehrung" Feuerich, BRAO, § 74 Rdn. 12, 13; zweifelnd Jessnitzer/Blumberg, BRAO, 7. Aufl., § 73 Rdn. 4, 6. 77 Hierzu eingehend BVerfGE 50, 16, 26 ff; ferner Hartstang, Anwaltsrecht, 1991, S. 724 ff. 78 BVerfGE 50, 16, 31; BVerfG (2. Kammer des Ersten Senats), NJW 1995, 712; 1995, 775; BGH NJW 1984, 1092; EGH Stuttgart, BRAK-Mitt. 1982, 129; Hartstang, aaO, S. 724 ff. 79 Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 4. Aufl., § 35 Rdn. 16, 65, 81 a, 128 ff. !0 Hartstang, aaO S. 726, kritisiert dies als „unbefriedigend". " Vgl. BVerfGE 50,16,27; BGH NJW 1984, 1092.
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Ahndungen wegen schuldhafter Pflichtverletzung aus. An die Stelle der Ordnungsmittel gemäß § 890 ZPO treten die dem Unrechtsgehalt angemesseneren, nicht weniger wirkungsvollen Maßnahmen des § 114 BRAO. c) Selbst wenn man also mit der herrschenden Meinung § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG weit auslegt und die Rechtsanwaltskammern „an sich" für berechtigt ansieht, wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche aus den § § 1 , 3 U W G geltend zu machen, so ist damit noch nicht entschieden, ob die Rechtsanwaltskammern das aufgrund ihrer in der B R A O geregelten Aufgaben und Befugnisse im Einzelfall auch dürfen. Ein wettbewerbsrechtliches Vorgehen gegen einen Außenstehenden, d. h. einen ihr nicht als Mitglied angehörenden Störer, ist danach unbedenklich. Dagegen überschreitet eine Rechtsanwaltskammer ihre gesetzlichen Befugnisse, wenn sie gegen ein ihrer hoheitlichen Berufsaufsicht unterliegendes Mitglied wegen des Vorwurfs berufspflichtwidrigen Verhaltens, das zugleich einen wettbewerbsrechtlichen Verbotstatbestand erfüllt, im Wege der privatrechtlichen Unterlassungsklage nach § 13 U W G vorgeht. Die Unzulässigkeit der gegenteiligen Praxis folgt dabei wohl weniger aus dem Gesichtspunkt des „Formenmißbrauchs", d. h. der mißbräuchlichen privaten Wahrnehmung öffentlichrechtlicher Aufgaben82 oder der Umgehung berufsrechtlicher Regelungen durch ein Ausweichen ins Wettbewerbsrecht83, als vielmehr aus dem gesetzlich begrenzten Wirkungsbereich der Rechtsanwaltskammer als einer öffentlichrechtlichen Körperschaft84 und dem Vorrang der spezialgesetzlichen Mittel zur Bekämpfung desselben Störungstatbestandes. Abzulehnen ist daher die Rechtsprechung des I. Zivilsenats des BGH, die am Beispiel der Steuerberaterkammern für erwiesen halten will, daß sich „weder unmittelbar aus Wortlaut und Sinn des (Steuerberatungs-)Gesetzes noch aus seiner Entstehungsgeschichte" irgendeine Beschränkung des umfassenden Rechts der Kammern zur Bekämpfung unlauterer Wettbewerbshandlungen ergebe85. Diese Ansicht verkennt die durch die Rechtsprechung
J. Pietzker, NJW 1982, 1840, 1843. Sack, BB 1986, 2217. 84 Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind grundsätzlich nur im Rahmen des ihnen durch Gesetz und Satzung zugewiesenen Aufgaben- und Wirkungsbereichs zu einem rechtswirksamen Handeln befugt, B G H Z 20, 119, 124; BVerwGE 64, 115, 117 (Steuerberaterkammer); 64, 298, 301 (Ärztekammer); Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Band I, 10. Aufl., S. 482; Wolff/Bacbof/Stober, Verwaltungsrecht II, 5. Aufl., § 84 Rdn. 17,35. 85 B G H Z 79, 390, 393 f = G R U R 1981, 596, 597 Apotheken-Steuerberatungsgesellschaft; durch Bezugnahme bestätigt auch für die Rechtsanwaltskammern in B G H Z 109, 153, 156 = W R P 1990, 282, 283 - Anwaltswahl durch Mieterverein. 82
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des Senats für Anwaltssachen des BGH 8 6 geklärte Bedeutung und Reichweite des § 73 Abs. 2 Nr. 1 und 4 B R A O ; das danach mögliche öffentlichrechtliche Handeln schließt ein im wesentlichen zielkongruentes Vorgehen mit privatrechtlichen Mitteln aus87. Schließlich führt die Austragung derartiger Berufsrechtsstreitigkeiten vor den Wettbewerbsgerichten auch zu völlig unangemessenen Kostenfolgen, die im Vergleich zu einem Verfahren vor den Anwaltsgerichten unverhältnismäßig sind88. Die schon vom Tatbestand her vage, jedenfalls aber berufsrechtlich unspezifische Vorschrift des § 13 Abs. 2 Nr. 2 U W G erweitert nicht die berufsaufsichtsrechtlichen Kompetenzen der Rechtsanwaltskammern gegenüber ihren Mitgliedern, sondern die in der B R A O auf öffentlichrechtlicher Grundlage geregelten hoheitlichen Aufsichtsbefugnisse beschränken das der Rechtsanwaltskammer durch § 13 Abs. 2 Nr. 2 U W G eingeräumte privatrechtliche Klagerecht. Dies muß das Zivilgericht bei der Anwendung von § 13 U W G von Amts wegen beachten und die Unterlassungsklage, mit welcher eine Rechtsanwaltskammer gegenüber ihrem Mitglied den Verstoß gegen eine Berufspflicht geltend macht wie das bei einer Klage wegen berufswidriger Werbung ausnahmslos der Fall ist - , mangels Klagebefugnis als unzulässig abweisen. d) Die uneingeschränkte Verbandsklagebefugnis aus § 13 Abs. 2 Nr. 2 U W G sollte demnach den Anwaltvereinen vorbehalten bleiben. Diese sind unzweifelhaft „Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen" der Rechtsanwälte89. Als ausschließlich privatrechtlich organisierte Verbände haben sie keine hoheitlichen Aufsichtsbefugnisse gegenüber ihren Mitgliedern, unterliegen aber auch nicht den auf öffentlichem Recht be-
B G H N J W 1984,1042. Insofern geht die hier vertretene Auffassung über den bloßen Ultra-vires-Einwand (s. o. Fn. 84) hinaus. Soweit sich der I. Zivilsenat des B G H ( G R U R 1994, 825 - Strafverteidigungen) zur Stützung seiner Rechtsprechung auf das BVerfG (3. Kammer des Ersten Senats), Beschl. v. 18. 3. 1992 - 1 BvR 1503/88 - beruft, muß hinzugefügt werden, daß dieser Nichtannahmebeschluß in der Bejahung der Klagebefugnis für Berufskammern lediglich eine dem einfachen Recht zuzuordnende Gesetzesauslegung erblickt, die jedenfalls keine Grundrechte (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3, Art. 3 Abs. 1 GG) verletzt. Ob diese Auslegung nach einfachem Recht richtig ist oder ob auch eine andere Lösung möglich wäre, hat das BVerfG ausdrücklich ungeprüft gelassen. 88 Bei wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsklagen wegen Verletzung berufsrechtlicher Werbeverbote sind neuerdings Gebührenstreitwerte von bis zu 75 000 DM anzutreffen, die bei einem über drei Instanzen geführten Prozeß Gesamtkosten von mehr als 50 000 DM (vgl. Zankl, Prozeßkostenrisiko-Tabelle, BB, Beilage 17/1994 S. 6) und damit einen Aufwand verursachen können, der den Höchstbetrag einer Geldbuße nach § 114 Abs. 3 Nr. 3 B R A O übersteigt. Selbst bei einer Streitwertermäßigung nach §§ 23 a, 23 b U W G sind die gesamten Prozeßkosten beträchtlich. 89 RGZ 105, 378, 379 f; Erdmann, in: GroßKomm z. U W G , § 13 Rdn. 49. BGBl. IS. 1738. 86 87
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ruhenden Beschränkungen ihrer Kompetenzen bei der Wahrnehmung privatrechtlicher Ansprüche. Die Anwaltvereine können daher Verstöße gegen anwaltliche Werbebeschränkungen, sofern diese die Wesentlichkeitsschwelle des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb vom 25. 7. 199490 überschreiten91, ohne Rücksicht darauf verfolgen, ob der Störer Mitglied, Nichtmitglied oder überhaupt Rechtsanwalt ist.
" Zur Auslegung des Merkmals der Eignung zur wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinn des § 13 Abs. 2 Nr. 1 und 2 U W G n. F. vgl. B G H WRP 1995, 104, 106 - Laienwerbung für Augenoptiker.
Die dreidimensionale Marke HELMUT EICHMANN
Jahrzehntelang sind die vielfachen Anregungen, Vorschläge und Forderungen 1 ohne Ergebnis geblieben, die der Einführung eines Formalschutzes für dreidimensionale Marken gewidmet waren. Im Vergleich dazu ist nun fast schlagartig das Gesetz geworden, was Markenartikler und Markenrechtler in Deutschland lange vermißt haben: Sowohl als Gemeinschaftsmarke 2 als auch als nationale Marke 3 kann u. a. „die Form der Ware" in das Markenregister eingetragen werden. Das Ausstattungsrecht ist - unter anderem Namen - als nationale Markenkategorie erhalten geblieben; das kann einerseits eine nützliche Einstiegshilfe in den Gesamtkomplex der dreidimensionalen Marke sein, andererseits aber auch den unbefangenen Umgang mit der neuen Rechtslage erschweren. Zuerst im nationalen Recht, in Kürze aber auch im Unionsrecht wird es sich zeigen, ob sich die Praxis zum bisherigen Ausstattungsrecht für die Handhabung des neuen Rechts eher hilfreich oder eher ablenkend auswirkt. A. Ausstattungsfähigkeit nach bisherigem Recht Welche Gestaltungen dem Ausstattungsschutz (§ 25 WZG) zugänglich sind, war im Gesetzestext nicht festgelegt. Dennoch ist es schon kurze Zeit nach der Einführung dieses Kennzeichenrechts 4 allgemeine Ansicht geworden, daß neben nicht eingetragenen Wort- und Bildmarken auch Gestaltungen der Ware und der Verpackung Gegenstand des Ausstattungsschutzes sein können. Einverständnis bestand auch darin, Vgl. die Nachw. nachfolgend in Abschnitt B I. Art. 4 der Verordnung (EG) Nr. 40/94 des Rates vom 20. 12. 1993 über die Gemeinschaftsmarke (im folgenden: GMVO), ABl. Nr. L 11 vom 14. 1. 1994, S. 1 (= G R U R Int. 1994, 402). 3 § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Markenrechts und zur Umsetzung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Markenrechtsreformgesetz) vom 25. 10. 1994, BGBl. 1994 I 3082; die sog. Markenrechtsrichtlinie ist in ABl. EG Nr. L 40, S. 1 vom 11. 2. 1989 veröffentlicht und u. a. in G R U R Int. 1989, 294 und in Bl. f. PMZ 1 9 8 9 , 1 8 9 abgedruckt. 1
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* Vgl. § 15 W Z G 1894; zur Gesetzesgeschichte vgl. insbesondere Eisenführ, FS Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, 1991, S. 765, 788 ff; Gotting in: Schricker/Stauder, Handbuch des Ausstattungsrechts, 1986, S. 2 1 1 , 216 ff.
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daß nicht alle Formgebungen dem Ausstattungsschutz zugänglich sind. Die Abgrenzung ist jedoch lange Zeit hindurch anhand von Kriterien vorgenommen worden, die teils im Ansatz, teils jedenfalls in der Formulierung unterschiedlich geprägt waren; in den Erläuterungswerken wurde daher der Kommentierung der Ausstattungsfähigkeit von Formen der Ware und der Verpackung breiter Raum eingeräumt5. I. Abgrenzungskriterien 1. Vorrang der Sonderschutzrechte a) Beginnend mit seiner ersten Entscheidung zum Ausstattungsrecht lehnte das RG die Ausstattungsfähigkeit von Gestaltungen ab, für die Patent- oder Gebrauchsmusterschutz bestanden hatte; es galt zu verhindern, daß „unter dem Schilde der Ausstattung" solchen Gestaltungen Schutz zugesprochen wird, die nach Beendigung dieses Schutzes „dem allgemeinen Gebrauche anheimgefallen sind"6. In der Tat hatten sich sowohl in diesem Verfahren als auch später Inhaber von technischen Schutzrechten nach Ablauf der Schutzdauer darauf berufen, daß für den Gegenstand dieser Schutzrechte Ausstattungsschutz entstanden sei7. Aber auch unabhängig davon, ob technische Schutzrechte bestanden haben, galt als Grundsatz, daß Gestaltungen dann nicht dem Ausstattungsschutz zugänglich sind, wenn sie Gegenstand eines Patent- oder Gebrauchsmusterschutzes sein könnten8. Der BGH hat diese Erwägungen des RG nicht fortgeführt, sondern im Gegensatz hierzu formuliert, daß es für die Ausstattungsfähigkeit unerheblich ist, ob ein Sonderschutz nach dem PatG oder dem GebrMG besteht oder bestanden hat9;
5 Althammer, WZG, 4. Aufl., § 25 Rdn. 3 bis 5 und Rdn. 7/8; Baumbach/Hefermekl, Warenzeichenrecht, 12. Aufl., § 25 Rdn. 14 bis 32; Busse/Starck, WZG, 6. Aufl., § 25 Rdn. 8 bis 10 und Rdn. 13/14; v. Gamm, WZG, 1965, § 25 Rdn. 5 bis 11; Reimer/Heydt, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 4. Aufl., Band 1, Kap. 39 Rdn. 3 und Rdn. 10 bis 12; Tetzner, WZG, 1958, § 25 Rdn. 17 bis 22; vgl. auch die umfassenden Darstellungen bei Eisenführ (Fn. 4), S. 790 ff; Gotting in: Schricker/Stauder (Fn. 4), S. 219 ff. 6 Urteil vom 20. 11. 1897, RGZ 40, 65, 67 - Briefordner. Inhaltlich übereinstimmend: RGZ 54, 173, 175 - Stemkärtchen I; RG GRUR 1926, 224, 226 - Sternkärtchen IV; GRUR 1926, 593, 594 - Ortizonflasche; MuW 1935, 144, 145 Makkaronipackung. 7 RGZ 54, 173, 175 - Stemkärtchen I; RG GRUR 1926, 224, 225 - Sternkärtchen IV; GRUR 1926, 593, 594 - Ortizonflasche; MuW 1934, 144, 145 Makkaronipackung; GRUR 1941, 238, 239 - Heftpflaster; GRUR 1943, 213 - Feuerlöscher. 8 RG MuW XX, 157, 158 - Gasmessergehäuse; GRUR 1926, 224, 225 - Sternkärtchen IV; GRUR 1926, 593, 594 - Ortizonflasche; MuW 1932,178 - Roter Strich. ' BGH GRUR 1957, 603, 604 - Taschenstreifen.
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ein derartiger Schutz könne nur als Beweisanzeichen für die technische Bedingtheit 10 einer Gestaltung in Betracht gezogen werden 11 . b) Eine fast gegenläufige Entwicklung kennzeichnet das Verhältnis zwischen Ausstattungsrecht und Geschmacksmusterrecht. Hier hat das RG in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, daß dieselbe Gestaltung sowohl Geschmacksmusterschutz als auch Ausstattungsschutz genießen kann12. Ausgangspunkt für diese Einstellung war das damalige Verständnis, daß das Geschmacksmuster dazu diene, gewerblichen Erzeugnissen ein gefälliges Außeres zu verleihen, sie also zu verzieren. Da die Ausstattung demselben Zweck diene, sei es für die Ausstattungsfähigkeit unerheblich, ob Geschmacksmusterschutz besteht13, bestanden hat14 oder hätte herbeigeführt werden können15; denn es liege nicht im öffentlichen Interesse, den Gegenstand des Geschmacksmusters möglichst bald gemeinfrei werden zu lassen13. Der BGH hatte sich schon in seiner ersten Entscheidung zum Ausstattungsrecht mit dieser Thematik zu befassen. Dabei stimmte der BGH zwar der Ansicht zu, daß Ausstattungsschutz auch dann für die Formgebung einer Ware bestehen kann, wenn diese kunstschutz- oder geschmacksmusterfähig ist; das gelte jedoch dann nicht, wenn die Wertschätzung der Ware ausschließlich durch deren ästhetischen Gehalt bestimmt wird 16 . Maßgeblich für diese Beurteilung war insbesondere die Erwägung, daß es den für das Gebiet des künstlerischen Schaffens in Sondergesetzen errichteten Schranken widerspreche, wenn außerhalb davon unbegrenzte Ausschließungsrechte über § 25 WZG zu einem Dauerschutz führen können17.
2. Technische/ästhetische
Bedingtheit
a) Schon früh hat sich das RG nicht mit der Feststellung begnügt, daß eine Gestaltung Gegenstand eines technischen Schutzrechts war oder hätte sein können. Auch losgelöst von dieser Erwägung wurde postuliert, daß die durch technische Zwecke bzw. durch den Gebrauchszweck bedingte Gestaltung einer Ware dem Ausstattungsschutz nicht zugäng-
Vgl. hierzu nachfolgend Abschnitt A I 2 a). BGH GRUR 1962, 299, 304 -form-strip. 12 Vgl. RG MuW XX, 157, 158 - Gasmessergehäuse sowie die Nachw. in Fn. 13 bis 15. 13 RG GRUR 1928, 289, 291 Huthaken. " RG GRUR 1926, 224, 225 - Sternkärtchen IV. 15 RG GRUR 1938, 854, 858 Aristonfilter. 16 BGH GRUR 1952, 516, 518 - Hummelfiguren I; ebenso in GRUR 1962, 144, 148 Buntstreifensatin I. 17 BGH GRUR 1952, 516, 518/519 - Hummelfiguren I. 10 11
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lieh sei18. Der BGH hat lange Zeit hindurch dieses Postulat ebenfalls in den Vordergrund seiner Erwägungen gestellt19. Ein Gewinn an Beurteilungsschärfe war mit dem Kriterium der technischen Bedingtheit nicht verbunden. Das zeigt sich schon daran, daß inhaltsgleich auch auf die technische Funktion20, die technisch-funktionelle Bedeutung21, auf technische22 bzw. technisch-praktische23 Zwecke, auf die technische Zweckmäßigkeit24 sowie auf den Arbeits- und Gebrauchszweck25 abgestellt wurde. Dabei waren nach der Rechtsprechung des RG nicht nur solche Gestaltungen vom Ausstattungsschutz ausgeschlossen, die für den Gebrauchszweck notwendig waren. Vielmehr wurde auch dann, wenn eine Gestaltung lediglich zur Förderung des Gebrauchszwecks geeignet war, der Ausstattungsschutz versagt26; es galt daher als unmaßgeblich, ob gleichwertige Gestaltungen zur Verfügung stehen27. Nach der Praxis des BGH durfte dagegen eine Gestaltung durchaus den Gebrauchszweck fördern und unterstützen28. Mit dieser Abkehr 18 RGZ 69, 31, 33 - Sternkärtchen II; RG GRUR 1930, 967, 968 - Zigarillokistchen; GRUR 1937, 66, 70 - Hindenburgbrille; GRUR 1938, 854, 857 - Aristonfilter. 19 BGH GRUR 1954, 121 - Zählkasetten; GRUR 1954, 337, 340 - Radschutzgehäuse; GRUR 1957, 603, 604 - Taschenstreifen; GRUR 1959, 423, 426 - Fußhallstiefel; GRUR 1960, 232, 233 - Feuerzeugausstattung; GRUR 1962, 409 - Wandsteckdose I; GRUR 1962, 299, 301 -form-strip; GRUR 1962, 459, 460 - Lichtkuppeln; GRUR 1969, 541, 542 Grüne Vierkantflasche. 20 RGZ 54, 173, 184 - Sternkärtchen I; RGZ 71, 384, 287 - Uhrenbalancewellen; RG MuW 1930, 551, 554 - Tabakbriefe; MuW 1932, 178 - Roter Strich; GRUR 1938, 854, 857 -Aristonfilter; GRUR 1940, 454, 455 - Metallbestecke; GRUR 1941, 238, 239 - Heftpflaster; GRUR 1943, 213, 214 - Feuerlöscher. 21 RG MuW X, 58, 59 - Lance Parfüm; MuW XXIII, 186, 187 - Sternkärtchen III; GRUR 1926, 224, 225 - Sternkärtchen IV; GRUR 1926, 593, 594 - Ortizonflasche; MuW 1930, 551, 554 - Tabakbriefe; MuW 1935, 144, 145 - Makkaronipackung; GRUR 1940, 45, 47 - Lavendelwasserflasche; GRUR 1940, 454, 455 - Metallbestecke; GRUR 1941, 238, 239 - Heftpflaster. 22 RG GRUR 1926, 224, 225 - Sternkärtchen IV; GRUR 1930, 967, 968 - Zigarillokistchen; MuW 1935, 144, 145 - Makkaronipackung; GRUR 1943, 213, 214 - Feuerlöscher. 23 RG 1926, 593, 594 - Ortizonflasche; MuW 1933, 564, 565 - Nachtlichter; MuW 1935, 144, 145 - Makkaronipackung. 24 RG MuW 1930, 551, 554 - Tabakbriefe. 25 Die Übernahme dieser Formulierung aus dem damaligen Wortlaut des § 1 GebrMG lag deswegen nahe, weil die Uberzeugung bestand, daß sich Gebrauchsmusterschutz und Ausstattungsschutz ausschließen, vgl. RG GRUR 1926, 593, 594 - Ortizonflasche; MuW 1935,144,145 - Makkaronipackung. 26 RG GRUR 1930, 967, 968 - Zigarillokistchen; MuW 1930, 551, 554 - Tabakbriefchen; MuW 1932, 178 - Roter Strich; MuW 1935, 144, 145 - Makkaronipackung; GRUR 1940, 45, 47 - Lavendelwasserflasche; GRUR 1941, 238, 239 - Heftpflaster; GRUR 1943, 213, 214 - Feuerlöscher. 27 Vgl. hierzu nachfolgend Abschnitt A II 3 b). 2 » BGH GRUR 1959, 423, 424 - Fußballstiefel; GRUR 1960, 232, 233 - Feuerzeugausstattung; GRUR 1962, 409 - Wandsteckdose I.
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von der Rechtsprechung des R G haben somit der Gebrauchszweck und im Gefolge dazu auch die technische Bedingtheit ihre Bedeutung als Abgrenzungskriterium weitgehend verloren. Es war daher nur konsequent, daß es der B G H im weiteren Verlauf als unschädlich bezeichnet hat, daß eine Gestaltung den Gebrauchszweck nicht nur gefördert hat, sondern sogar technisch-funktionell bedingt war und das Wesen einer Erfindung ausgemacht hat29. b) Solange der These gefolgt wurde, daß einerseits Gebrauchsmusterschutz den Ausstattungsschutz ausschließt und daß andererseits Geschmacksmusterschutz und Ausstattungsschutz nebeneinander bestehen können30, war die Bewertung von geschmacklich wirkenden Gestaltungen durch das R G vorgegeben: Sowohl Geschmacksmuster als auch Ausstattung seien zur Einwirkung auf das ästhetische Empfinden bestimmt31; eine Gleichstellung dieses Zwecks mit dem Gebrauchszweck sei daher nicht gerechtfertigt32. Diese Einstellung konnte nicht zuletzt deswegen so lange Bestand haben, weil z. B. auch der roten Unterstreichung einer Zeitungsschlagzeile33 und der Hautfarbe eines Heftpflasters34 ein technischer Gebrauchszweck zugeordnet wurde. Bereits in seiner ersten Entscheidung zum Ausstattungsrecht hatte jedoch der B G H über kunstgewerbliche Figuren zu befinden, die von jeglichem Gebrauchszweck frei waren. Das hat zu der Erkenntnis geführt, daß es geboten sein kann, technisch bedingte und ästhetisch bedingte Gestaltungen in ausstattungsrechtlicher Sicht gleich zu behandeln35. Wenn ein Erzeugnis keinem Gebrauchszweck dient, weil sein Wert ausschließlich durch den ästhetischen Gehalt bestimmt wird, war dieses Erzeugnis dem Ausstattungsschutz nicht zugänglich36. Für Erzeugnisse, die sowohl geschmacklich ausgerichtet sind als auch einem Gebrauchszweck dienen, war nach der Rechtsprechung des B G H eine relativie-
29 B G H G R U R 1964, 621, 623 - Klemmbausteine I. Für den Gegenstand dieser Erfindung - die zylindrische Form der Klemmnocken der Lego-Bausteine - bestand in Deutschland kein Schutzrecht; in Großbritannien erteilte Patente waren im Zeitpunkt der Entscheidung des B G H abgelaufen. 30 Vgl. vorstehend Abschnitt A l l . 31 R G MuW X X , 157, 158 - Gasmessergehäuse; G R U R 1926, 224, 226 - Sternkärtchen IV; G R U R 1928, 289, 291 - Huthaken. 32 R G MuW XXII, 157, 158 - Gasmessergehäuse. 33 R G MuW 1932, 178/179 - Roter Strich; kritisch E. Ulmer, JW 1932, 1855 (Anm.); E. Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 2. Aufl., Kap. 31 Rdn. 9. 34 R G G R U R 1941, 238, 239 - Heftpflaster. 35 B G H G R U R 1952, 516, 518 - Hummelfiguren I. 3i B G H G R U R 1952, 516, 518 - Hummelfiguren I, G R U R 1959, 289, 291 - RosenthalVase; G R U R 1962, 144, 148 - Buntstreifensatin I.
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rende Bewertung geboten; ausschlaggebend war, welches Gewicht der geschmacklichen Komponente zukommt37. 3. Zutat Ebenfalls eine lange Tradition hat die These, daß die Ausstattung eine Zutat zu der zu kennzeichnenden Ware sein müsse. Da von Anfang an auch die Ware als solche vom Ausstattungsschutz nicht ausgeschlossen sein sollte38, hat das R G zur Abgrenzung auf die äußere39 bzw. willkürliche40 bzw. ästhetische41 Zutat zur Ware abgestellt. Der B G H hat diese Erwägung aufgegriffen und in einer Reihe von Entscheidungen ebenfalls die Ausstattungsfähigkeit einer Gestaltung nur dann anerkannt, wenn es sich um eine Zutat zur Ware gehandelt hat42. Da dieselben Gestaltungsmerkmale sowohl die Ware als solche determinieren als auch eine Zutat zu dieser Ware sein konnten, mußte man sich mit der Doktrin behelfen, daß die Ausstattung zwar nicht körperlich, aber begrifflich von der Ware verschieden sein müsse43. Von einer Zutat im sprachüblichen Sinn konnte dabei nicht mehr die Rede sein; es hat sich daher eingebürgert, diesen Begriff nur noch mit Anführungszeichen zu verwenden. Die Unterscheidung zwischen körperlich zwar vorhandenen, begrifflich jedoch entbehrlichen Gestaltungsmerkmalen verlangt ein feinfühliges Abstraktionsvermögen. Als Unterstützung zur Konkretisierung sollte dienen, daß ein Gestaltungsmerkmal dann nicht ausstattungsfähig sei, wenn es erst die handelbare Ware entstehen läßt44 oder - umgekehrt betrachtet - wenn mit ihrem Wegfall das individuell gestaltete Er-
57 BGH GRUR 1959, 289, 291 -Rosenthal-Vase; GRUR 1962,144,148 - Buntstreifensatin I; GRUR 1972, 546, 547 - Trainingsanzug. 58 RGZ 40, 65, 67 - Briefordner; RGZ 71, 384, 385 Uhrenbalancewellen. 39 RGZ 40, 65, 67 - Briefordner; RGZ 71, 384, 385 - Uhrenbalancewellen; MuW XXIII, 186,187 - Stemkärtchen III; GRUR 1926, 593, 594 - Ortizonflasche; GRUR 1938, 854, 857 - Aristonfilter. 40 RG MuW X, 58, 59 - Lance Parfum; GRUR 1940, 45, 47 Lavendelwasserflasche; GRUR 1941, 238, 240 - Heftpflaster. 41 MuW 1927/28, 524, 525/526 Kleiderhügelkarton. 42 BGH GRUR 1952, 516, 518 - Hummelfiguren I; GRUR 1954, 121 - Zählkassetten; GRUR 1959, 289, 291 - Rosenthal-Vase; GRUR 1959, 423, 424 - Fußballstiefel; GRUR 1964, 621, 623 - Klemmbausteine I; GRUR 1972,122, 123 - Schablonen; GRUR 1972, 546, 547 - Trainingsanzug. 43 BGH GRUR 1952, 516, 518 - Hummelfiguren I; GRUR 1954, 121 - Zählkassetten; GRUR 1959, 240, 241 - Nelkenstecklinge; GRUR 1959, 289, 291 - Rosenthal-Vase; GRUR 1959, 423, 424 - Fußballstiefel; GRUR 1962, 144, 148 - Buntstreifensatin I; GRUR 1964, 621, 623 - Klemmbausteine I; GRUR 1972,546,547 - Trainingsanzug. 44 BGH GRUR 1959, 289, 291 - Rosenthal-Vase.
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Zeugnis45 als handelbare Ware entfallen45, also nur noch die Gattung45, aber keine wesensgleiche Ware 4 ' verbleiben würde. Aber auch die Uberlegung, ab welchem Stadium der Reduzierung eine Ware nicht mehr Gegenstand des Handelsverkehrs sein kann, verbleibt im Bereich der gedanklichen Abstraktion 47 ; prognostizierbare Erkenntnisse scheint sie nicht gewährleistet zu haben48. 4. Wesen der Ware Der B G H hat damit begonnen, das schwer zu fassende Phänomen der „Zutat" u. a. auch dadurch zu erläutern, daß sie vom Wesen der Ware49 verschieden zu sein habe. Die Verschiedenheit mußte deswegen nur gegenüber dem „Wesen" der Ware bestehen, weil50 nicht körperlich, sondern begrifflich zu unterscheiden war51. Mit dem „Wesen der Ware" wird gewissermaßen der unantastbare Kern, mit der „Zutat" die austauschbare Schale beschrieben. Diese Begriffe sind daher Schlagworte für unterschiedliche Sichtweisen auf denselben Gegenstand der Betrachtung. Obwohl häufig beide Betrachtungen - jedenfalls verbal - vorgenommen wurden, hat die Erwägung, die ausschließlich auf das „Wesen der Ware" abstellt, etwas die Oberhand gewonnen52. Zunächst war der Zweck zu ermitteln, dem die Gestaltungsmerkmale dienen; sodann war zu klären, ob dieser Zweck für die Wertschätzung der Ware von ausschlaggebender53 bzw. von maßgebender54 Bedeutung ist. Abgestellt wurde auch darauf, ob Merkmale eine die
45 B G H G R U R 1952, 516, 518 - Hummelfiguren I; G R U R 1962, 144, 148 - Buntstreifensatin I. 46 B G H G R U R 1962, 144, 148 - Buntstreifensatin I; G R U R 1972, 122, 123 - Schablonen; G R U R 1972, 546, 547 - Trainingsanzug; G R U R 1986, 252, 253 - Sportschuhe. 47 Vgl. die Kritik von Eisenführ (Fn. 4), S. 794; Gotting in: Schricker/Stauder (Fn. 4), S. 224; Pluta, Mitarbeiter-FS Ulmer, 1973, S. 257, 263; Th. Sambuc, G R U R 1989, 547, 551 ff; Schlatter-Krüger in: Schricker/Stauder (Fn. 4), S. 1192; Spätgens, FS Oppenhoff, 1986, S. 407,412. 48 Handelbare Waren sind offensichtlich transparente Zeichen- und Schriftschablonen auch dann, wenn das Material nicht orange eingefärbt ist; Trainingsanzüge ohne seitliche „adidas"-Streifen sind ebenfalls ohne weiteres handelbare Waren. Dennoch hat der B G H die Ausstattungsfähigkeit verneint, vgl. G R U R 1972, 122, 123 - Schahionen; G R U R 1972, 546, 547 - Trainingsanzug. 4 ' Dieser Begriff ist zwar schon vom RG, aber nur bei der Kollisionsprüfung, verwendet worden, vgl. z. B. R G G R U R 1927, 187, 189 - Mundharmonikadecke; MuW 1927/28, 524, 525 - Kleiderbügelkarton. 50 Ebenso wie bei der Betrachtung der Zutat, vgl. vorstehend Abschnitt A I 3 . 51 B G H G R U R 1952, 516, 518 - Hummelfiguren I; G R U R 1954, 121 - Zählkassetten; G R U R 1959, 289, 291 - Rosenthal-Vase; G R U R 1959, 423, 426 - Fußballstiefel; G R U R 1962, 144, 148 - Buntstreifensatin.
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Ware charakterisierende Eigenschaft darstellen55 bzw. der Ware ihre charakteristische Eigenart56, das entscheidende Gepräge57 verleihen. Weniger klärend war es allerdings, wenn geprüft wurde, ob eine Gestaltung mit der Ware identisch ist58, die eigentliche Substanz der Ware ausmacht59 oder ein wesentliches Element der Ware darstellt59. 5.
Freihaltebedürfnis
a) Zum Beleg dafür, daß nur eine „Zutat", nicht jedoch das „Wesen der Ware" dem Ausstattungsschutz zugänglich ist, wurde in späteren Urteilen jeweils auf frühere Urteile des BGH verwiesen. Grundlage der ersten Entscheidung des BGH war die Erwägung, daß aus rechtssystematischen Gründen die Ausstattung Unterscheidungsfunktion haben muß60; diese Unterscheidungsfunktion könne nicht das „Wesen der Ware", sondern nur eine „Zutat" zu dieser Ware erfüllen. Die beteiligten Verkehrskreise können jedoch durchaus auch mit solchen Gestaltungsmerkmalen Herkunftsvorstellungen verbinden, die keine „Zutat" zur Ware sind61. Dem sollte offensichtlich mit der These begegnet werden, daß Herkunftsvorstellungen der Käufer dann unmaßgeblich sein sollen, wenn sie lediglich das Ergebnis der tatsächlichen Marktlage sind62. Entscheidend dafür, daß das „Wesen der Ware" vom Ausstattungsschutz ausgeschlossen wurde, war daher die Vorgabe, daß aufgrund von rechtlichen Erwägungen63 in diesem Bereich eine Unterschei52 In einer Reihe von Entscheidungen ist daher nur das „Wesen der Ware" als Abgrenzungskriterium herangezogen worden, vgl. B G H G R U R 1954, 337, 340 - Radschutzgehäuse; G R U R 1959, 240, 241 - Nelkenstecklinge; G R U R 1962, 144, 148 - Buntstreifensatin I; G R U R 1962, 409 - Wandsteckdose I; G R U R 1962, 299, 301 -form-strip; GRUR 1976, 434, 435 - Merkmalklötze. 53 B G H G R U R 1 9 6 2 , 1 4 4 , 148 - Buntstreifensatin I. 54 B G H G R U R 1 9 6 2 , 2 9 9 , 301 -form-strip; G R U R 1972, 122, 123 - Schablonen. 55 B G H G R U R 1972, 546, 547 - Trainingsanzug; G R U R 1986, 252, 253 - Sportschuhe. 56 B G H G R U R 1962, 144, 148 - Buntstreifensatin I; G R U R 1977, 602, 606 Trockenrasierer. 57 B G H G R U R 1 9 6 2 , 1 4 4 , 1 4 8 - Buntstreifensatin I; G R U R 1972, 546, 547 Trainingsanzug. 58 G R U R 1962, 144, 148 - Buntstreifensatin I; B G H G R U R 1964, 621, 623 Klemmbausteine I; G R U R 1972, 1 2 2 , 1 2 3 - Schablonen; G R U R 1972, 546, 547 - Trainingsanzug. 59 B G H G R U R 1 9 6 2 , 1 4 4 , 148 - Buntstreifensatin I. 60 B G H G R U R 1952, 516, 5 1 8 - Hummelfiguren I; ebenso B G H G R U R 1962, 1 4 4 , 1 4 8 - Buntstreifensatin I. " Vgl. R G G R U R 1 9 4 1 , 2 3 8 , 2 3 9 - Heftpflaster. « Vgl. B G H G R U R 1962, 144, 148 - Buntstreifensatin I; G R U R 1964, 621, 623 Klemmbausteine I. 63 Vgl. R G G R U R 1941, 238, 239 - Heftpflaster; R G G R U R 1943, 213, 2 1 4 Feuerlöscher; B G H G R U R 1962, 299, 302 -form-strip; vgl. auch Eisenführ (Fn. 4) S. 793.
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dungsfunktion nicht zwangsläufig eine Anerkennung als Ausstattung finden darf. Die hierfür maßgebliche Überlegung hat der B G H nur kurz in seiner zweiten Entscheidung angedeutet: Es müssen Grenzen für die rechtliche Anerkennung einer Verkehrsgeltung gezogen werden64, um dadurch sicherzustellen, daß Grundgestaltungen für „jedermann frei" bleiben64; auf derselben Erwägung basieren die Entscheidungen, mit denen unerwünschte Monopolrechte verhindert werden sollten65. b) Die offene Anerkennung des Freihaltebedürfnisses als letztlich allein maßgebliches Abgrenzungskriterium scheint durch die These verhindert worden zu sein, daß kein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts bestehe, ein Ausstattungsschutz komme dann nicht in Betracht, wenn er zu einer unbilligen Beschränkung der freien Betätigung der Mitbewerber führt. Bei ausreichender Verkehrsanerkennung könne daher der Schutz aus § 25 W Z G nicht schon wegen des Freihaltebedürfnisses der Mitbewerber versagt werden; ein etwaiges Freihaltebedürfnis könne nur für die Anforderungen an die Breite der Verkehrsdurchsetzung Bedeutung gewinnen66. Diese Bewertung des Freihaltebedürfnisses ist aus Entscheidungen zum Ausstattungsschutz von Wortmarken 67 , von Bildmarken68 und von Farbgestaltungen69 übernommen worden70; der besonderen Situation des Formenschutzes für Produktgestaltungen wurde diese These jedoch nicht gerecht. Wiederholt hat der B G H darauf hingewiesen, daß bei der Festlegung der Ausstattungsfähigkeit auf den begrenzten Zweck des Ausstattungsrechts als ein dem Warenzeichen verwandtes Warenkennzeichnungsmittel geachtet werden muß71. Der Gesetzgeber kann ausdrücklich fest-
B G H G R U R 1954,121, 122 - Zählkassetten. R G Z 54, 173, 175 - Sternkärtchen I; RGZ 69, 31, 33 - Sternkärtchen II; RGZ 71, 384, 386 - Uhrenbalancewellen; R G G R U R 1930, 967, 970 - Zigarillokistchen; B G H G R U R 1962, 144, 148 - Buntstreifensatin I; G R U R 1962, 299, 301 - form-strip; G R U R 1964, 621, 623 - Klemmbausteine I; G R U R 1972, 546, 547 - Trainingsanzug; G R U R 1977, 602, 606 — Trockenrasierer. " B G H G R U R 1962, 144, 148 - Buntstreifensatin I; G R U R 1962, 299, 301 -form-strip. 67 B G H G R U R 1957, 88, 93 - Funkberater (mit Nachw. der RG-Rechtsprechung); G R U R 1960, 83, 87 - Nährbier; G R U R 1966, 676, 678 - Shortening. 68 B G H G R U R 1959, 599, 601 Teekanne. 69 B G H G R U R 1962, 299, 302 -form-strip; G R U R 1968, 371, 375 - Maggi-Farbausstattung; G R U R 1979, 853, 854 - LILA. 70 Ausführlich hierzu Beyerle, Unterscheidungskraft und Freihaltebedürfnis im deutschen Warenzeichenrecht, 1988, S. 74 ff. 71 B G H G R U R 1962, 144, 148 - Buntstreifensatin I; G R U R 1962, 299, 301 -form-strip; G R U R 1972, 546, 547 - Trainingsanzug. Diese Einordnung war Grundlage dafür, das Freihaltebedürfnis für Wort- und Bildmarken einerseits und für dreidimensionale Marken andererseits mit strukturell gleichartiger Bedeutung auszustatten. M 65
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legen, was aus Gründen des Freihaltebedürfnisses nicht schutzfähig sein soll; dabei macht es keinen prinzipiellen Unterschied, ob sich der Gesetzgeber für solche Festlegungen im Urheberrecht 72 , im Patentrecht73 oder im Markenrecht 74 entscheidet. Im bisherigen Markenrecht hat der Gesetzgeber lediglich für zweidimensionale Marken dem Freihaltebedürfnis eine ausdrückliche Umsetzung gegeben; nur deswegen waren die in der zweiten Alternative des § 4 Abs. 2 Nr. 1 W Z G aufgeführten Angaben von der Eintragung ausgeschlossen, die nicht schon an dem Erfordernis der Unterscheidungskraft scheitern. In § 25 W Z G war dagegen die zu schützende „Ausstattung" Tatbestandsmerkmal, ohne daß Festlegungen darüber getroffen worden wären, ob und inwieweit dabei dem Freihaltebedürfnis Rechnung zu tragen ist. Da die Ausstattung ein den Wort- und Bildmarken ähnliches Ausschließungsrecht war, hatte die Rechtsprechung die Aufgabe zu übernehmen, die vom Gesetzgeber nur für Wort- und Bildmarken wahrgenommen worden war. c) Für Wort- und Bildmarken hatte der Gesetzgeber das Freihaltebedürfnis durch § 4 Abs. 3 W Z G relativiert. Wenn sich eine grundsätzlich freizuhaltende Angabe als individuelles Herkunftszeichen durchgesetzt hat, ist das ein Beleg dafür, daß die Allgemeinheit auf diese Angabe nicht angewiesen ist; es besteht daher kein Bedürfnis mehr, diese Angabe von der Eintragung auszuschließen. Dieselbe Situation trat dann ein, wenn nicht über die Eintragung einer Marke gemäß § 4 Abs. 3 WZG, sondern darüber zu befinden war, ob eine Angabe Schutz aus § 25 W Z G genießt. Es war daher konsequent, daß die Rechtsprechung in gleicher Weise den Vorrang der Verkehrsgeltung vor dem Freihaltebedürfnis anerkannt hat, wie das der Gesetzgeber in § 4 Abs. 3 W Z G getan hatte. Zwischen Wort- und Bildmarken und den verschiedenen Arten von Ausstattungen bestehen jedoch unterschiedliche Grade der Verwandtschaft. Sehr eng ist die Verwandtschaft dann, wenn für eine wörtliche oder bildliche Angabe Schutz beansprucht wird. Dasselbe gilt für dreidimensionale Gestaltungen, die völlig losgelöst von einem Erzeugnis sind oder ohne ins Gewicht fallenden Nachteil von einem Erzeugnis entfernt werden kön-
72 Verwertungsfreiheit für amtliche Werke i. S. d. § 5 UrhG; Zustimmungsfreiheit für Fehlerberichtigungen, Sicherungskopien, Funktionsbeobachtungen und von Maßnahmen zur Herstellung der Interoperabilität durch § 69 d und § 69 e UrhG i. d. F. vom 23. 6. 1993. 75 Z. B. Ausschluß von Erfindungen von Nahrungs-, Genuß- und Arzneimitteln von der Patenterteilung durch § 1 Abs. 2 PatG 1936. 74 Vgl. hierzu insbesondere Beyerle (Fn. 70), S. 71 ff; Teplitzky, FS v. Gamm, 1990, S. 303 ff.
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nen75. Wenn es jedoch das Handelsobjekt ist, für das Ausstattungsschutz in Anspruch genommen wird, ist nicht nur über ein Mittel zur betrieblichen Herkunftskennzeichnung zu entscheiden, sondern auch über ein ausschließliches Herstellungs- und Verbreitungsrecht. Zwischen diesen beiden Gruppen sind Verpackungen einzuordnen; diese können einerseits ähnlich vielfältig wie Wort- und Bildangaben variierbar sein, andererseits aber auch aus Gestaltungselementen bestehen, auf die zu verzichten Mitbewerbern nicht zugemutet werden kann. Bei Verpackungsgestaltungen hat die Rechtsprechung das Freihaltebedürfnis nicht nur für die Festlegung der Höhe der Verkehrsgeltung herangezogen76, sondern auch bei der Prüfung der Grundfrage, ob Mitbewerber auf eine Formgebung aus verpackungstechnischen oder aus wettbewerblichen Gründen angewiesen sind77. Auch die These, daß Monofarben die Eignung zur Herkunftskennzeichnung fehle78, war letztlich nur durch die Annahme eines absoluten Freihaltebedürfnisses zu rechtfertigen79. Um so mehr war für Produktgestaltungen zu prüfen, ob ein absolutes Freihaltebedürfnis besteht und ob deswegen eine Gestaltung vom Ausstattungsschutz ausgeschlossen ist80. Sowohl das RG als auch der BGH haben diese Prüfung inhaltlich stets durchgeführt; lediglich die dabei verwendeten Formulierungen 81 haben häufig davon abgelenkt. Wenn jedoch darauf abgestellt wurde, daß es ein Alleinherstellungsrecht und eine daraus resultierende Sperre gegen den Vertrieb gleicher oder gleichartiger Waren zu verhindern gilt82, so war das im Ergebnis nichts anderes als das Postulat eines absoluten Freihaltebedürfnisses83. Lediglich außerhalb dieses Bereichs hat der allgemeine Grund75 Beispiele sind: Anhänger, Kühlerhaubenembleme, vgl. Eichmann, FS Nirk, 1992, S. 165, 179; Kur, FS 100 Jahre Marken-Amt, 1994, S. 175, 185, sowie dreidimensionale Werbemittel, vgl. RG GRUR 1937, 1101, 1105 - Kaffeemühle; GRUR 1939, 798, 800 Dreiarmleuchter. 76 BGH GRUR 1969, 541, 542 - Grüne Vierkantflasche; GRUR 1992, 48, 50 -frei ölmit weiteren Nachw. 77 BGH GRUR 1969, 541, 543 - Grüne Vierkantflasche. 78 BGH GRUR 1979, 853, 855 - LILA - mit weiteren Nachw. 79 Vgl. BGH GRUR 1969, 345, 347 - red white, wonach „einfache Grundfarben und Zusammenstellungen derartiger Farben dem Gemeingebrauch freizuhalten sind"; erstmals hat der BGH in GRUR 1992, 48, 50 -frei öl- bei Farbausstattungen ausdrücklich auf den Begriff des Freihaltebedürfnisses abgestellt. 80 So auch schon D. Reimer, GRUR 1962, 151, 152; E. Reimer, Wettbewerbs- und Warenzeichenrecht, 3. Aufl., Kap. 39 Rdn. 1; Gotting in: Schricker/Stauder (Fn. 4), S. 225. " Vgl. vorstehend Abschnitt A I 1 bis A I 4. 82 BGH GRUR 1962, 144, 148 - Buntstreifensatin I; GRUR 1962, 299, 301 - form-strip; GRUR 1972, 546, 547 - Trainingsanzug. 83 Vgl. hierzu insbesondere den Bericht von Fischotter, GRUR 1972, 702 ff über ein Kolloquium der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht zu dem Thema „Ausstattungsschutz und Freihaltebedürfnis in der jüngsten Rechtsprechung des BGH" sowie Pluta (Fn. 47), S. 257 mit weiteren Nachw.
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satz Anwendung gefunden, daß eine Korrelation zwischen dem Grad des Freihaltebedürfnisses und dem Grad der Verkehrsgeltung besteht84. II. Beurteilungsmaßstab 1. Verkehrsauffassung Der Gesetzestext macht es unausweichlich, daß allein die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise dafür maßgeblich ist, ob eine Gestaltung als Herkunftskennzeichen wirkt85. Nicht selbstverständlich war es dagegen, daß die Verkehrsauffassung auch darüber zu befinden hatte, ob eine Gestaltung überhaupt dem Ausstattungsschutz zugänglich ist. Das R G hat in der Antwort auf diese Frage zunächst nur beiläufig auf die Auffassung der Käufer abgestellt86. In späteren Entscheidungen hat dann jedoch das R G vorübergehend lehrsatzmäßig formuliert, daß es allein die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise sei, die darüber entscheidet, ob die Gestaltung einer Ware oder eine Verpackung einem Gebrauchszweck dient87 oder einen zur Herkunftskennzeichnung geeigneten „ästhetischen Uberschuß" aufweist88. Der B G H hat von Anfang an die Ausstattungsfähigkeit von der Verkehrsauffassung abhängig gemacht89. Gelegentlich wollte allerdings der B G H die Maßgeblichkeit der Verkehrsanschauung nur in Grenzen anerkennen, nämlich erst dann, wenn nach objektiven Grundsätzen entschieden ist, ob ein Gestaltungsmerkmal dem Ausstattungsschutz zugänglich ist90. Im weiteren Verlauf hat jedoch eine entgegengesetzte Vorgabe die Oberhand gewonnen. Demnach sollte zuerst geprüft werden, welche Bedeutung dem Gestaltungsmerkmal nach der Verkehrsauffassung zukommt91; da es jedoch im Anschluß hieran eigentlich nichts
84 Vgl. BGH GRUR 1969, 541, 543 - Grüne Vierkantflasche; GRUR 1982, 672, 674 Aufmachung von Qualitätsseifen. 85 Vgl. RGZ 77, 431, 432 - Metalldose; RG GRUR 1938, 854, 857 - Aristonfilter. >nni-Entscheidung aufgegriffen und besonders herausgestellt, daß nämlich der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz auch in Relation zu den gewerblichen Schutzrechten zu sehen sei und deshalb auch zeitlich nicht schrankenlos zugebilligt werden könne18, jedenfalls nicht auf mehr als das Doppelte der vergleichbaren Leistungsschutzfristen (25 bzw. 10 Jahre). b) In der Modeneuheit-Entscheidung19 hat der Bundesgerichtshof die nahezu identische Übernahme eines wettbewerblich eigenartigen, saisongebundenen - für die Haute Couture gestalteten - Stoffmusters als nach § 1 U W G sittenwidrig beurteilt, den Schutz allerdings zeitlich auf die in Frage stehende Saison begrenzt. Schutz und zeitliche Begrenzung werden mit Amortisations- bzw. Belohnungsgesichtspunkten begründet. Der Unternehmer, der ein mit Kosten und Mühe neu entworfenes Muster auf den Markt bringe, könne erwarten, daß seine Mitbewerber zumindest in der Saison, in der er mit der Modeneuheit auf den Markt komme, keine Nachahmungen anböten; denn gerade bei Artikeln besonderer geschmacklicher Eigenart sei er darauf angewiesen, den daraus erzielten Gewinn möglichst in einer Saison zu realisieren, da der Artikel bereits in der nächsten Saison als veraltet gelten könne. Der ihm gebührende wettbewerbliche Vorsprung werde ihm abgeschnitten und er werde um die Früchte seiner Arbeit gebracht, wenn Mitbewerber ihm in der gleichen Saison mit Nachahmungen - unter Ersparung der Entwurfskosten - Konkurrenz machten. Diese Rechtsprechungslinie hat der Bundesgerichtshof in der Hemdblusenkleid-Entsch-tiAung2" fortgesetzt. Dort ist der Schutz für ein modisches Erzeugnis, das von der Klägerin im Frühjahr/Sommer-Katalog und von der Beklagten - als Nachahmung - im folgenden Sommer/ Winter-Katalog angeboten wurde, auch über eine Saison hinaus mit der Begründung gewährt worden, es handele sich um kein hochsommerliches, sondern mehr um ein Ubergangsmodell, das insbesondere auch am Ausgang der Sommersaison an die Endverbraucher hätte abgesetzt werden können. Ähnlich hat auch das O L G Hamburg 21 den wettbewerbsrechtlichen Schutz für eine Bluse, die im Rahmen einer Sommerkollektion auf den Markt gebracht wurde, als Modeneuheit bis zum Jahres-
" Vgl. auch v. Gamm G R U R 1989, 377, 383. " B G H Z 60,168 ff = G R U R 1973,478 ff. 20 B G H G R U R 1984, 453 f mit zust. Anm .Jacobs. 21 O L G Hamburg G R U R 1986, 83 f Übergangsbluse.
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ende gewährt, da es sich mehr um ein Übergangsmodell handelte und die Bluse ohne weiteres bis in die kältere Jahreszeit getragen werden konnte, ohne daß sie aufgrund ihrer sportlich-klassischen Linie dann bereits als modisch veraltet anzusehen war 22 . Weitergehend hat das Kammergericht 23 zum Schutz von Ausverkaufsmaßnahmen im Einzelfall eine Schutzdauer von einem Jahr nach Erscheinen des ersten Modells für gerechtfertigt gehalten. Soweit ersichtlich, ist die Rechtsprechung über diese Frist bei modischen Erzeugnissen nicht hinausgegangen. So hat das OLG Frankfurt 24 die Übernahme eines Vorhang-Designs für zulässig erachtet, weil dem Hersteller mit fast zwei Jahren ein ausreichender zeitlicher Vorsprung gelassen worden sei. Es fällt allerdings auf, daß die Frage der zeitlichen Befristung des Schutzes von eigenartigen Modeneuheiten in der Rechtsprechung nicht durchgängig geprüft wird. Dazu hätte z. B. auch in der ModeschmuckEntscheidung des Bundesgerichtshofes 25 Veranlassung bestanden 26 ; denn die Modeschmuck-Anhänger waren 1973/74 hergestellt und vertrieben worden und die Verurteilung zur (u. a.) Unterlassung erfolgte im Jahre 1978. c) Auf andere Produktbereiche sind die zu Modeneuheiten entwickelten Grundsätze von der Rechtsprechung nur mit Vorsicht übertragen worden. Für Videospiele hat das OLG Frankfurt 27 den wettbewerbsrechtlichen Schutz auf 6-12 Monate beschränkt, weil der Markteinführer diesen Zeitraum zur Amortisation benötige; nach Ablauf dieses Zeitraums sei der Publikumsanreiz für derartige Spiele erfahrungsgemäß erloschen. Auf nicht vergleichbar kurzlebige Produkte - wie z. B. Möbel 28 , Möbelbeschläge 29 und Straßenabsperrpfosten 30 - sind die Rechtsprechungsgrundsätze bislang nicht angewendet worden. Etwas aus dem Rahmen fällt eine Entscheidung des OLG Hamm 31 , in der die Nachahmung einer sog. Display-Wand aus Kunststoff zur Darstellung
22 Ebenso LG Düsseldorf GRUR 1989, 122 f - Sweat-Sbirt: Zwei volle Modesaisons (Verkaufssaisons) für ein Modell, das sich dafür eignete, im Sommer und im Winter getragen zu werden. 23 KG UFITA Bd. 87 (1980), 299, 306. " OLG Frankfurt WRP 1986,465. 25 BGH GRUR 1979,119 f. 26 Darauf weist Bauer in seiner Anm. zu dieser Entscheidung in GRUR 1979, 120 f zu Recht hin. 27 OLG Frankfurt GRUR 1983, 757, 758 - Donkey Kong Junior /; GRUR 1984, 509 (nur Leitsatz) = WRP 1984, 79, 84 ff - Donkey Kong Junior II. 2» Vgl. OLG Düsseldorf WRP 1978, 378. 2 ' OLG Düsseldorf GRUR 1983, 748, 750 HEWI-Beschlagprogramm. J0 OLG Frankfurt GRUR 1991, 778, 779 Wellmann-Poller. " OLG Hamm WRP 1980,282 f.
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von Küchenmöbeln als wettbewerbsrechtlich zulässig angesehen worden ist, weil der Ersthersteller - er war mit dem Produkt schon 3 Jahre auf dem Markt - die Amortisation seiner Investitionen vernünftigerweise kalkuliert habe. 2. Schrifttum Die Auffassungen im Schrifttum schwanken zwischen einem kurz bemessenen Amortisationsschutz32 und einem ewigen wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz33. Die Lösungsansätze werden stark beeinflußt von der Grundposition, die der jeweilige Verfasser zur Rechtfertigung des Leistungsschutzes einerseits und den Schutzanforderungen andererseits einnimmt. a) Zum Teil wird - vor allem bei kurzlebigen Produkten - der allgemeine Amortisationsgedanke schutzbegrenzend herangezogen. Er besagt, daß der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz auf den Zeitraum zu beschränken ist, in dem das nachgeahmte Erzeugnis üblicherweise eine Amortisation seiner Entwicklungskosten erwarten läßt34. b) Uberwiegend wird allerdings auf das Belohnungsprinzip abgestellt35, nach dem dem Ersthersteller auch ein Gewinn zuzubilligen ist. Auf den ersten Blick erscheinen Amortisation und Belohnung den gleichen marktwirtschaftlichen Interessen zu entsprechen und damit auch zu einer gleichen Schutzdauer zu führen. Nicht selten werden die Begriffe daher synonym verwendet. Bei näherer Betrachtung zeigen sich jedoch sachliche Unterschiede. Wird allein auf die Amortisation der Entwicklungskosten abgestellt, so ergibt sich eine kürzere zeitliche Befristung als bei der dem Produzenten zugestandenen Möglichkeit, auch einen Gewinn als Belohnung zu erzielen36. Die dogmatischen Ansätze für die Heranziehung des Belohnungsgedankens sind verschieden. Während Schramm37 einen Tatbestand der „Störung des verdienten zeitlichen Vorsprungs" anerkennen will, der per se ein Schutzrecht gewähren soll, wollen andere allein die vom Ge-
Z. B. Foerster, Der Schutz des Werbeslogans vor Nachahmung, 1989, 243 f. So G. Schulze FuR 1984,619, 620 und G R U R 1986,396, 397. 34 Vgl. Bauer in Anm. zu B G H G R U R 1979, 120 f - Modeschmuck; Baumann W R P 1975, 696 ff; v. Gamm G R U R 1978, 453; Samhuc G R U R 1986, 130; Wilhelm G R U R 1986, 126, 130; Foerster aaO S. 243 f. 35 Vgl. u. a. Schramm WuW 1956, 199, 204 f; Hubmann G R U R 1975, 230, 236 und die weiter in Fn. 38 Zitierten. 36 Vgl. auch Foerster aaO S. 234 f; Schulte-Beckhausen, Das Verhältnis des § 1 U W G zu den gewerblichen Schutzrechten und zum Urheberrecht, 1994, 229. 37 Schramm WuW 1956, 199, 204 f; zust. Nerretter G R U R 1957, 525, 534. 52
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setzgeber bei den Sonderschutzrechten festgelegten zeitlichen Grenzen zum Maßstab nehmen38, allerdings in verschiedener Weise. Teils werden aus Gründen der Rechtssicherheit feste zeitliche Grenzen vorgeschlagen, teils wird weiter differenziert. Von denjenigen, die dem ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz eine lückenfüllende Funktion beimessen39 oder von einer Sonderschutzadäquanz ausgehen40, wird eine stärkere Anbindung an das System der sondergesetzlichen Schutzfristen gefordert. Als Anhaltspunkt werden bei kurzlebigen Produkten vor allem die Schutzfristen der Musterrechte zur Groborientierung herangezogen. So wird vorgeschlagen, zunächst bestimmte Obergrenzen zugrunde zu legen, z. B. im technischen Bereich die 3jährige Mindestschutzfrist des Gebrauchsmustergesetzes und im Bereich der ästhetischen Erzeugnisse den Mindestschutz des Geschmacksmustergesetzes von 5 Jahren bzw. den für verwandte Schutzrechte nach dem Urheberrechtsgesetz geltenden Schutz von 25 Jahren für Leistungen, die diesen Schutzrechten nahestehen41; innerhalb dieser Höchstgrenzen soll im Einzelfall unter Belohnungsgesichtspunkten differenziert werden42. Andere wiederum wollen diese Fristen noch stärker reduzieren: Für den technischen Bereich auf wenige Monate (auf die Zeit, die bis zur Erlangung des Geschmacksmusterschutzes erforderlich ist), für den ästhetischen Bereich auf maximal 1 Jahr43. Vereinzelt wird - insbesondere für Computerprogramme - auf die Vermarktungszeit abgestellt44, bei Modeneuheiten auf 2 h der branchenüblichen Vermarktungsdauer45. Auf diesem Gedanken beruht auch die von Jacobs46 vertretene Ansicht, daß jedenfalls bei nicht saisongebundenen Modeschöpfungen (z. B. Klassiker, Abendkleider) der Nachahmungsschutz auf die Dauer des üblichen Angebots der Modelle im Einzelhandel zu er-
38 Hubmann G R U R 1975, 230, 235 f; Rehbinder in Festschrift für Roeber, 1981, S. 321, 328; Fritze G R U R 1982, 520, 523; Schuhe FuR 1984, 619, 625 und G R U R 1986, 896, 897; Quiring W R P 1985, 684, 689; Baums D B 1988, 429, 433 ff; v. Gamm G R U R 1989, 377, 383; Kur G R U R 1990, 1, 11 ff; Müller-Laube Z H R 156 (1992), 480, 506, der als Bemessungsfaktor allerdings die Qualität des Leistungsergebnisses zugrundelegen will (S. 508); Jersch, Ergänzender Leistungsschutz und Computersoftware; 1993, 90, 178 f; Walch, Ergänzender Leistungsschutz nach § 1 U W G , 1992, 139 f; Schulte-Beckhausen aaO S. 224 ff. " Thomasberger, Rufausbeutung im Wettbewerbsrecht, 1993, 206. " Walch aaO 142. 41 Schulte-Beckhausen aaO S. 226 ff. 42 Schulte-Beckhausen aaO S. 229 ff. 43 Quiring WRP 1985, 684, 689. 44 Vgl. Lehmann, Computerrecht, S. 244 ff; Harte-Bavendamm, Wettbewerbshandbuch, Kap. 57 Rdn. 16; v. Gamm aaO Kap. 21 Rdn. 55: Berücksichtigung einer angemessenen Amortisation und Realisierung des zeitlichen Wettbewerbsvorsprungs. 45 Walch aaO S. 143. 46 Jacobs in Anm. zu B G H G R U R 1984, 453, 455 Hemdblusenkleid.
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strecken sei. v. Gamm47 will allgemein auf das Wesen des in Frage stehenden Leistungsergebnisses sowie auf die Art und Schwere der Verletzungshandlung abstellen. c) Schließlich wird die Ansicht vertreten, daß die Wirkungen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes von dem Zeitpunkt ab entfallen, von dem ab das geschützte Erzeugnis seine wettbewerbliche Eigenart verliert48. III. Stellungnahme 1. Keine generalisierende
Festlegung
zeitlicher
Grenzen
Die Frage der zeitlichen Beschränkung des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes ist - anders als bei den Sonderschutzrechten - keiner generellen normativen Begrenzung zugänglich. Vielmehr ist es eine Tatfrage, die im Einzelfall im Rahmen der gebotenen Gesamtwürdigung unter Abwägung der betroffenen Interessen zu beantworten ist. Wie noch zu zeigen sein wird, bedarf es in den meisten Fällen keiner gesonderten zeitlichen Schutzbegrenzung, weil eine solche Begrenzung bereits durch den Wegfall der Schutzvoraussetzungen eintritt. Nur wo dies ausnahmsweise nicht der Fall ist, wird die Frage einer zeitlichen Beschränkung in Anlehnung an die sondergesetzlichen Schutzfristen zu prüfen sein. Die Fixierung fester zeitlicher Grenzen hätte den großen Vorteil der Rechtssicherheit. Die im Schrifttum vorgeschlagene Parallelwertung zu den Sonderschutzrechten mit dem Ziel, auch für den ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz generell feste zeitliche Grenzen einzuführen, begegnet jedoch Bedenken. Sie trägt dem unterschiedlichen Wesen und Schutzgegenstand beider Rechtsbereiche nicht genügend Rechnung. Anders als beim Sonderschutz geht es im Wettbewerbsrecht nicht um den Schutz eines bestimmten Individualguts selbst, sondern darum, die Anwendung unlauterer Wettbewerbsmethoden zu unterbinden. Die wettbewerbsrechtliche Beurteilung hat nicht - wie der Sonderrechtsschutz - den Schutz des fremden Arbeitsergebnisses als solchen zum Gegenstand, sondern die Art und Weise, wie die fremde Arbeitsleistung zu Wettbewerbszwecken benutzt und verwertet wird49. Da sich die Wettbewerbswidrigkeit nicht aus der Nachahmung der Leistung selbst ergibt, sondern aus besonderen wettbewerblichen Umständen, die v. Gamm G R U R 1978, 453, 457. Krüger G R U R 1 9 8 6 , 1 1 5 , 124; Nirk G R U R 1 9 9 3 , 2 4 7 , 2 5 3 . « Vgl. B G H Z 44, 288, 2 9 7 - Apfel-Madonna-, 50, 125, 129 - Pulverbehälter, G R U R 1967, 315, 3 1 7 - skai cubana-, 1969, 618, 6 1 9 Kunststoffzähne. 47
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zu der Nachahmung hinzutreten müssen, würde eine feste zeitliche Begrenzung zu dem Ergebnis führen, daß trotz Fortbestehens solcher Umstände - z. B. einer durch Herkunftstäuschung hervorgerufenen Irreführung oder einer fortbestehenden Rufausbeutung - ein Schutz entfiele. Dies wäre nicht tragbar. Die Vielgestaltigkeit der Lebenssachverhalte und Fallgruppen mit ihren unterschiedlichen Unlauterkeitsbewertungen erfordert flexible Lösungen. Auch in Ländern, die - wie die Schweiz - den wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gesetzlich geregelt haben50, ist bewußt davon abgesehen worden, feste zeitliche Schutzbegrenzungen einzuführen. Man wollte im Interesse einer flexiblen Anwendung die zeitliche Begrenzung in die Hände der Rechtsprechung legen, die darüber im Lichte der Generalklausel entscheiden soll51. 2. Schutzvoraussetzungen und die ihnen zeitliche Begrenzung
immanente
Bei einer Betrachtung des vorhandenen Fallmaterials fällt auf, daß es bei den von der Rechtsprechung bislang entschiedenen Fällen nicht um die zeitliche Begrenzung eines an sich noch bestehenden wettbewerbsrechtlichen Schutzes ging, sondern es war stets zu prüfen, ob die tatsächlichen Voraussetzungen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes von vornherein nur für einen bestimmten Zeitraum zu bejahen oder nachträglich entfallen waren. Aus dem Wegfall der Schutzvoraussetzungen ergab sich zugleich die zeitliche Begrenzung, d. h. die Gründe, auf denen der Schutz beruhte, waren mit denen identisch, die für eine Befristung in Betracht kamen. Dies zeigt eine Prüfung anhand der beiden in ständiger Rechtsprechung für einen wettbewerbsrechtlichen Schutz aufgestellten Erfordernisse52: die wettbewerbliche Eigenart und die besonderen wettbewerblichen Umstände. Die Rechtsprechung geht insoweit von folgendem begrifflichen Verständnis aus: a) Die wettbewerbliche Eigenart erfordert ein Erzeugnis, dessen konkrete Ausgestaltung oder bestimmte Merkmale geeignet sind, die interessierten Verkehrskreise auf die betriebliche Herkunft oder die Besonderheiten des Erzeugnisses hinzuweisen53. Die wettbewerbliche Eigenart Vgl. oben Fn. 2. Vgl. u. a. Lüchinger, Amtl. Bulletin der Bundesversammlung, Nationalrat 1985, 842; weitere Nachweise bei Schulte-Beckhausen aaO S. 171 f. " B G H G R U R 1985, 876, 878 - Tchibo/Rolex I; 1991,223, 224 f - Finnischer Schmuck-, 1992, 619, 620 f - Klemmbausteine II. 53 B G H G R U R 1985, 876, 877 - Tchibo/Rolex / ; 1988, 690, 693 - Kristallfiguren; 1992, 523, 524 - Betonsteinelemente. 50 51
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in diesem Sinne muß für den Schadensersatzanspruch zum Zeitpunkt der Verletzungshandlung 54 , für den in die Zukunft gerichteten Unterlassungsanspruch im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatrichter vorliegen 55 . Mit dem Verlust der wettbewerblichen Eigenart entfällt der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz. Beruht die wettbewerbliche Eigenart auf der Herkunftshinweisfunktion, so dauert der Schutz in der Regel solange an, wie das Produkt geeignet ist, Herkunftsvorstellungen zu wecken (vgl. nachfolgend unter 4). Ergibt sich die wettbewerbliche Eigenart aus der Eignung, auf die Besonderheiten des Produkts hinzuweisen, ohne daß der Verkehr damit Herkunftsvorstellungen verbindet, so besteht der wettbewerbsrechtliche Schutz solange, wie der Verkehr an die konkrete Ausgestaltung oder einzelne bestimmte Merkmale Gütevorstellungen knüpft. Insoweit kann die wettbewerbliche Eigenart verlorengehen, wenn sich Mitbewerber in zulässiger Weise nach und nach soweit annähern, daß der Verkehr das Erzeugnis eines Tages nicht mehr als etwas Besonderes empfindet, sondern darin nur noch eine Alltags- oder Durchschnittsware sieht56. Wann dies der Fall ist, hängt naturgemäß von den Umständen des Einzelfalls ab und läßt sich nicht generell beantworten. Eine wesentliche Rolle wird dabei der Grad der Eignung spielen. J e größer die wettbewerbliche Eigenart des nachgebildeten Erzeugnisses ist, um so länger wird sie bestehenbleiben; umgekehrt werden Produkte von nur geringer wettbewerblicher Eigenart diese eher verlieren. b) Das Erfordernis der besonderen wettbewerblichen Umstände folgt daraus, daß der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz die Wertung des Sonderschutzes hinzunehmen hat. Es muß sich deshalb um Umstände handeln, die außerhalb des sondergesetzlichen Tatbestandes liegen und das Vorgehen des Nachahmers unlauter erscheinen lassen 57 . Die Beurteilung, ob besondere Umstände vorliegen oder auch weiterhin noch vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls, die aufgrund einer umfassenden Gesamtwürdigung von konkretem Anlaß, Umfang und Auswirkungen des Wettbewerbsverhaltens zu beantworten ist. Es hat nicht an VersuVgl. B G H G R U R 1985, 876, 878 - Tchibo/Rolex I. Vgl. O L G Köln, Urt. v. 6. 7. 1990 - 6 U 2 1 6 / 8 9 - (die dagegen gerichtete Revision hat der B G H durch Beschluß v. 18. 4. 1991 - I ZR 213/90 - nicht angenommen); ebenso Nirk G R U R 1993, 247, 253. 56 Vgl. O L G Köln (wie Fn. 55); O L G Frankfurt G R U R 1991, 778, 779 WellmannPoller (die dagegen gerichtete Revision hat der B G H durch Beschl. v. 27. 2. 1992 - I ZR 168/91 - nicht angenommen); vgl. auch O L G Düsseldorf G R U R 1983, 748, 750 -HEWIBeschlagprogramm. 57 St. Rspr., vgl. u. a. B G H G R U R 1981, 517, 519 - Rollhocker; 1985, 876, 877 Tchibo/Rolex / ; 1986, 673, 675 - Beschlagprogramm-, 1988, 620, 622 - Vespa-Roller; 1988, 907, 908 - Hufeisen-Uhr. 54
55
Zeitliche Begrenzung des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes 2 0 9
chen gefehlt, die maßgebenden besonderen Umstände zu systematisieren und auf Fallgruppen zurückzuführen. Der heutigen Rechtsprechung lassen sich 4 Hauptfallgruppen entnehmen: Vermeidbare Herkunftstäuschung, Rufausbeutung, Behinderung sowie Erschleichen und Vertrauensbruch. Sie sollen im folgenden einer gesonderten Betrachtung zugeführt werden, in die auch die Fallgruppe des Anlehnens an Ruf und Ansehen einer fremden Kennzeichnung mit einzubeziehen ist. Bei ihnen fällt die gebotene Abwägung zwischen dem Individualinteresse an einem möglichst langen Schutz und dem Allgemeininteresse an einer Freigabe nicht einheitlich aus. Die beiden maßgebenden Kriterien (Herkunfts- und Gütevorstellungen), die nach heutigem Verständnis nicht mehr kumulativ58, sondern alternativ die wettbewerbliche Eigenart begründen, besitzen für unser Problem vor allem in der Fallgruppe der Behinderung Bedeutung, in der die von der Rechtsprechung bislang entschiedenen Fälle durchweg anzusiedeln sind. 3.
Behinderung
a) Eine Uberprüfung der von der Rechtsprechung entschiedenen Fälle zeigt, daß deren wettbewerbliche Eigenart nicht auf der Eignung beruhte, auf die betriebliche Herkunft hinzuweisen. Dies gilt einmal für die Fälle des fotomechanischen Nachdrucks; selbst bei Notendrucken von hoher Qualität und einem bestimmten Notenbild ließ sich eine Eignung, herkunftshinweisend zu wirken, nicht feststellen59. In noch stärkerem Maße trifft dies auf die im ästhetischen Bereich liegenden individuellen Gestaltungen zu; bei den kurzlebigen modischen Erzeugnissen ist die wettbewerbliche Eigenart stets aus einer Eignung hergeleitet worden, Güte- und nicht Herkunftsvorstellungen hervorzurufen60. Bei den stark vom jeweiligen Modetrend geprägten, kurzlebigen Erzeugnissen wird daher die wettbewerbliche Eigenart in der Regel verlorengehen, sobald die Modeneuheit vom Verkehr nicht mehr als etwas Besonderes empfunden wird. Dies kann auch schon nach einer Saison der Fall sein, wird aber meist noch darüber hinaus reichen (z. B. weil eine Modeneuheit aus der Textilbranche auch als Ubergangsmodell genutzt werden kann oder als Ausverkaufsware in Betracht kommt). b) In den zuletzt genannten Fällen und bei nicht kurzlebigen Erzeugnissen mit fortbestehender wettbewerblicher Eigenart (wie in den Fällen Seit BGH WRP 1976, 370, 371 Ovalpuderdose. " So ausdrücklich BGH GRUR 1986, 895, 896 Notenstichbilder. 60 Vgl. insbes. BGHZ 60, 168 ff = GRUR 1973, 478, 480 - Modeneuheit; 1984, 453, 454 Hemdblusenkleid. 58
BGH GRUR
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des fotomechanischen Nachdrucks) kommt es maßgebend auf die Frage an, welche besonderen Unlauterkeitsmerkmale hinzutreten und wie lange diese fortbestehen. Der Behinderungsgesichtspunkt allein reicht nicht. Denn der Ersthersteller wird jede Nachahmung als Behinderung seiner Absatzchancen empfinden 61 . Die alleinige Berücksichtigung dieses Individualinteresses wäre mit dem Grundsatz der Nachahmungsfreiheit nicht vereinbar. Die besonderen Umstände dürfen auch nicht auf dem Leistungsergebnis selbst beruhen. Dann würde es sich um einen echten Leistungsschutz handeln, dessen Begründung aus dem UWG problematisch wäre62. Indessen bestehen hier besondere Umstände. Die Rechtsprechung hat zu Recht darauf abgestellt, daß demjenigen, auf dessen Leistung ein Produkt beruht, ein gewisser wettbewerblicher Vorsprung gebührt. Dieser wird ihm abgeschnitten und er wird um die Früchte seiner Arbeit gebracht, wenn ihm Mitbewerber - ohne Einhaltung eines zeitlichen Abstandes und unter Ersparung eigener Entwurfskosten - mit Nachahmungen Konkurrenz machen dürfen63. Problematisch ist dabei allerdings, welcher zeitliche Abstand, d. h. welcher Vorsprung, dem Ersthersteller zuzubilligen ist. Die entscheidende Frage lautet: Soll er nur so lange ungestört bleiben, bis er seine Entwicklungskosten hereingeholt hat oder soll ihm auch ein gewisser Gewinn zugestanden werden? Die Antwort ergibt sich aus dem Allgemeininteresse daran, dem Ersthersteller künftig nicht jeden Innovationsanreiz zu nehmen64. Dazu reicht es nicht aus, ihm nur den Zeitraum zur ungestörten Nutzung zu überlassen, in dem das nachgeahmte Produkt üblicherweise eine Amortisation seiner Entwicklungskosten erwarten läßt65. Vielmehr muß er auch die Möglichkeit erhalten, einen „angemessenen Lohn" zu erzielen66. Ohne eine gewisse Gewinnerwartung wird ihm erfahrungsgemäß der Anreiz für künftige Innovationen fehlen. Aus diesem Grunde ist auch der viel kritisierte 67 Saisonschutz gegen eine Übernahme kurzlebiger Modeneuheiten gerechtfertigt. Zwar mag der Schutz für eine ganze Saison vielfach dazu führen, den überhaupt möglichen Gewinn in vollem Umfange zu realisieren, sofern die Modeneuheit nach Ablauf der Saison tatsächlich veraltet ist68. Aber wem schadet das? In erster Linie 61 62
Vgl. Hubmann GRUR 1975, 230, 234. Hubmann GRUR 1975, 230, 235 hält die Begründung aus § 1 U W G für unbedenk-
lich. " Vgl. BGHZ 51, 41 ff = GRUR 1969, 168 ff - Reprint-, BGHZ 60, 168 ff = GRUR 1973, 478, 480 - Modeneuheit. 64 Vgl. BGH GRUR 1966, 617, 620 - Saxophon-, 1969, 618, 619 {-Kunststoffzahne. 65 So aber Foerster aaO S. 243 f. " So Hubmann GRUR 1975, 230, 236. 67 Vgl. u. a. Baumann WRP 1975, 693, 698; Bauer in Anm. zu BGH GRUR 1979, 120 f - Modeschmuck. 68 Vgl. auch Baumbach/Hefermehl aaO § 1 Rdn. 517.
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nur demjenigen, der ohne eigenen Entwicklungsaufwand möglichst schnell abkupfern möchte. Das Allgemeininteresse an der Nachahmungsfreiheit wirkt hier nicht so stark. Gründe der Rechtssicherheit erfordern eine gewisse Schematisierung bei der Festlegung der Länge der Schutzdauer. Der Ersthersteller wäre überfordert, wollte man ihn im Einzelfall mit der näher darzustellenden Kalkulationsfrage belasten, wann mit einer Amortisation seiner Entwicklungskosten und einem angemessenen Gewinn zu rechnen ist. Grundsätzlich wird man allerdings nicht den Gewinn als angemessen ansehen können, der überhaupt erzielbar ist. Eine solche Ansicht würde auf eine Monopolisierung zugunsten des Erstherstellers hinauslaufen und für eine Nachahmungsfreiheit keinen Raum lassen. Wird jedoch berücksichtigt, daß das Produkt allein auf seine Leistung zurückgeht, so erscheint es gerechtfertigt, ihm grundsätzlich mehr als die Hälfte des üblicherweise erzielbaren Gewinns zuzugestehen. Je nach Mühe und Aufwand sowie der Art des Produkts und der Branche wird ihm bis zu 3 A der üblichen Gewinnerwartung zuzubilligen sein. Dies muß nicht identisch sein mit der Vermarktungszeit, die dem Ersthersteller zur ungestörten Nutzung zu überlassen ist. Insoweit wird es darauf ankommen, ob mit einem gleichmäßigen oder mit einem stärkeren Absatz in der Anfangs- bzw. der Endphase der Vermarktungszeit zu rechnen ist. Im Interesse der Praktikabilität werden dabei Schematisierungen unerläßlich sein, um die Marktbeteiligten nicht mit schwierigen Marktprognosen zu belasten. Solange eine Behinderung in dem dargestellten Sinne besteht, dauert auch der Leistungsschutz an. Er endet erst mit dem Wegfall der Gründe, auf denen die Behinderung beruht. Einer selbständigen zeitlichen Begrenzung bedarf es hier nicht. Sie ergibt sich aus der Natur der Sache. Die Rechtsprechungsgrundsätze zum Schutz von Modeneuheiten und die vorstehend angeführten Erwägungen lassen sich über den Bereich der Textilmode hinaus auf andere Branchen übertragen, in denen ein vergleichbares Interesse der Unternehmer besteht, den Reiz des Neuen als Instrument der Absatzförderung einzusetzen69. Zu Recht werden gerade zu Beginn der Vermarktungsphase gewisse Schutzdefizite beklagt, die sich mit dem herkömmlichen Instrumentarium nicht meistern lassen70. Bei nicht kurzlebigen Produkten, bei denen außer dem Verlust der Entwicklungskosten und dem Entzug eines angemessenen Lohnes - wie in den Fällen des fotomechanischen Nachdrucks - keine sonstigen Unlauterkeitsumstände hinzutreten, wird ebenfalls auf den Amortisationsund Belohnungsgedanken in dem dargestellten Sinne abzustellen sein, so 69 Ebenso Krüger G R U R 1 9 8 6 , 1 1 5 f m.w.N.; O L G Frankfurt G R U R 1983, 757 - Donkey Kong I. 70 Krüger G R U R 1986, 115, 117.
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daß eine zeitliche Begrenzung auch hier dem Erfordernis der besonderen Unlauterkeitsumstände wesensimmanent ist. Dies schließt allerdings die Berücksichtigung weiterer Eingrenzungserwägungen nicht aus, wie die Orientierung an sondergesetzlichen Schutzfristen, die im Einzelfall aber auch durchaus überschritten werden können71, sowie den Gesichtspunkt der Aktualität des Wettbewerbs72, der in der Regel eine Präsenz des Erstherstellers am Markt erfordern wird. Auf andere Erscheinungsformen der Behinderungsfallgruppe sind diese Grundsätze nicht ohne weiteres übertragbar. Beruht die Behinderung z. B. auf der systematischen Nachahmung einer Vielzahl eigenartiger Erzeugnisse eines Mitbewerbers73, die sich über einen langen Zeitraum erstreckt, so wird der Unlauterkeitstatbestand immer wieder neu begründet. 4. Vermeidbare
Herkunftstäuschung
Beruht die wettbewerbliche Eigenart des in Rede stehenden Produkts auf seiner Eignung, herkunftshinweisend zu wirken, so kommt ein wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung in Betracht. Die Voraussetzungen der Herkunftstäuschung fallen hier mit denen der wettbewerblichen Eigenart zusammen74. Der Schutz dauert grundsätzlich so lange, wie das Produkt geeignet ist, Herkunftsvorstellungen zu wecken und irrezuführen. Eine Parallelwertung zu den Sonderschutzrechten mit ihren festen Schutzfristen scheidet hier schon deshalb aus, weil bei der vermeidbaren Herkunftstäuschung in der Regel nicht nur das Individualinteresse des Verletzten berührt wird, sondern auch dase Allgemeininteresse75. Für eine zeitliche Begrenzung des Schutzes ist hier grundsätzlich kein Raum76. Die Nachahmungsfreiheit rechtfertigt es nicht, über die Herkunft eines Produkts zu täuschen, wenn eine solche Täuschung vermeidbar ist.
Vgl. B G H Z 51, 41 ff = G R U R 1969,186, 188 - Reprint. Dies zeigen die Entscheidungen B G H Z 51, 41 ff = G R U R 1969, 168 ff - Reprint und B G H G R U R 1986, 895 f - Notenstichbilder. n Vgl. u. a. B G H G R U R 1960, 244, 246 - Simili-Schmuck; 1986, 673, 675 - Beschlagprogramm. 74 Aus diesem Grunde hat der Bundesgerichtshof der wettbewerblichen Eigenart in den Fällen der Herkunftstäuschung jede eigenständige Bedeutung abgesprochen, vgl. B G H Z 50, 125, 131 f -Pulverbehälter. 75 B G H G R U R 1988, 620, 621 - Vespa-Roller; 1991, 223, 224 - Finnischer Schmuck; GK/Erdmann, U W G , § 13 Rdn. 44. 76 Ebenso O L G Frankfurt G R U R 1991, 778, 779 - Wellmann-Poller; Tillmann G R U R 1987, 865, 867; Kur G R U R 1990, 1, 12 f; auch Schmidt/Eidenmüller G R U R 1990, 337, 339 f, soweit eine nennenswerte Marktpräsenz gegeben ist. 71
72
Zeitliche Begrenzung des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes
5. Anlehnen an Ruf und Ansehen einer fremden
213
Kennzeichnung
a) In dem vom früheren WZG - vor allem mangels Warengleichartigkeit - nicht erfaßten Bereich kam nach der bisherigen Rechtsprechung beim Vorliegen besonderer wettbewerblicher Umstände ein ergänzender wettbewerblicher Leistungsschutz in Betracht77. Der Schutz bestand hier - wie auch der zeichenrechtliche Schutz der Marke zeitlich unbegrenzt ist - an sich auf Dauer, d. h. solange die Voraussetzungen für den guten Ruf der Kennzeichnung gegeben waren. Denn erfahrungsgemäß kann der Markeninhaber den guten Ruf und das besondere Image einer Marke im Verkehr und im Bewußtsein der Verbraucher nicht mit einem einmaligen Aufwand dauerhaft begründen, sondern er muß den Ruf durch ständig neue Investitionen erhalten78. Hinzu kommt die Erwägung, daß anders als sonst bei der Leistungsübernahme kein anzuerkennendes Interesse an einer ungehinderten Verwertung des in einer Kennzeichnung liegenden guten Rufs gegeben ist79. h) In der Frage der Schutzdauer hat das ab 1. Januar 1995 geltende neue Markenrecht, das gem. § 152 MarkenG auch auf die vor dem 1. Januar 1995 angemeldeten oder eingetragenen Marken anzuwenden ist, keine Änderung, sondern eine Bestätigung gebracht. Denn das bislang vom ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz erfaßte Verhalten ist nunmehr durch § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG einem gesetzlichen Verbot unterworfen. Dieses besteht außerhalb des Ähnlichkeitsbereichs dann, wenn es sich um eine bekannte Marke handelt und die Benutzung des Zeichens die Unterscheidungskraft oder die Wertschätzung der bekannten Marke ohne rechtfertigenden Grund in unlauterer Weise ausnutzt oder beeinträchtigt80. Da es sich nach dem neuen Recht um einen seiner Natur nach allerdings wettbewerbsrechtlichen - Markenschutz handelt, kommt die Regelung des § 47 MarkenG, die eine Schutzdauer von 10 Jahren mit einer dauerhaften Verlängerungsmöglichkeit um jeweils weitere 10 Jahre vorsieht, unmittelbar zur Anwendung. 77 Zu den Voraussetzungen vgl. B G H Z 80, 90, 95 = G R U R 1983, 247, 248 - Rolls Royce; B G H Z 93, 96, 98 = G R U R 1985, 550, 552 - Dimple; B G H Z 113, 82, 85, 87 f = G R U R 1991, 465, 466 - Salomon; B G H Z 113, 115, 126 f = G R U R 1991, 609, 612 - SL; G R U R 1991, 863, 865 - Avon; G R U R 1994, 635, 636 - Pulloverbeschriftung; G R U R 1994, 732,734 - McLaren. 7 ! Vgl. Hubmann JZ 1983, 506, 507; Kur G R U R 1990, 1, 12 f; Rohnke G R U R 1991, 284, 291; Thomasberger aaO S. 207; Schulte-Beckhausen aaO S. 252. 79 So zu Recht Schulte-Beckhausen aaO S. 253. 80 Ob mit diesen Voraussetzungen der gesamte Bereich erfaßt wird, der bislang unter dem Gesichtspunkt des Anlehnens an Ruf und Ansehen einer fremden Kennzeichnung dem ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz zugerechnet wurde, und ob daneben noch Raum für eine Anwendung des § 1 U W G bleibt (vgl. § 2 MarkenG), kann hier auf sich beruhen.
214
Willi Erdmann
6.
Rufausbeutung
Die zum zeitlich unbegrenzten Schutz für die vorgenannte Fallgruppe der Anlehnung an Ruf und Ansehen einer fremden Kennzeichnung nach altem Recht angestellten Erwägungen gelten in gleicher Weise für die Ausnutzung des Rufs einer fremden Leistung. Bei ihr geht es allerdings nicht um eine betriebliche Herkunftstäuschung, sondern um eine Warenverwechslung mit der Folge, daß das nachgeahmte Erzeugnis nicht als solches erkannt, sondern als Originalware angesehen und wegen deren besonderen Rufs erworben wird. Voraussetzung ist also, daß die Eigenart der Ware beim Publikum Gütevorstellungen (bestimmte Qualitätserwartungen) hervorruft81. Ebenso wie beim kennzeichenrechtlichen Leistungsschutz (jetzt § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG) muß auch der gute Ruf der fremden Leistung mit einem immer wieder neu zu erbringenden Aufwand begründet und erhalten werden. 7. Erschleichen und
Vertrauensbruch
Die zum wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutz gehörende Fallgruppe des Erschleichens und des Vertrauensbruchs ist dadurch gekennzeichnet, daß sich der Nachahmer die für die Leistungsübernahme erforderliche Kenntnis vom fremden Vorbild entweder in verwerflicher Weise verschafft und verwertet (Erschleichen)82 oder im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zunächst redlich erlangt und sodann durch Leistungsübernahme mißbräuchlich ausnutzt (Vertrauensbruch, vgl. auch § § 1 7 und 18 UWG) 8 3 . Schutz besteht hier an sich so lange, wie der durch die unlautere Handlung herbeigeführte Zustand andauert, d. h. dieser Zustand ist an sich auf Dauer mit dem Makel der Wettbewerbswidrigkeit behaftet84. Gleichwohl kann auch insoweit eine zeitliche Begrenzung in Betracht kommen, zwar nicht generell, wohl aber aufgrund späterer Entwicklung im Einzelfall. Die Frage stellt sich dann, wenn der unlauter herbeigeführte Zustand zu einem späteren Zeitpunkt auch auf rechtmäßige Weise hätte herbeigeführt werden können, z. B. nach Abschluß einer eigenen Entwicklung oder nach Offenkundigkeit 85 der
81 82
Vgl. u. a. B G H G R U R 1985, 876, 877 - Tchibo/Rolex I. Vgl. z. B. B G H G R U R 1961, 40, 42 - Wurftaubenpresse;
1985, 402, 405 f -
Anreiß-
gerät. 83 Vgl. z. B. B G H G R U R 1958, 351, 352 f - Deutschlanddecke; 1983, 377, 379 - Brombeermuster. Dort ging es um die Ausnutzung von im Rahmen von Vertragsverhandlungen anvertrauter Stoffmuster. 84 Vgl. die in Fn. 6 angeführte Rechtsprechung. 85 Zum Begriff vgl. B G H G R U R 1960, 554 f - Handstrickverfahren-, 1961, 40, 42 Wurftaubenpresse.
Zeitliche Begrenzung des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes
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mißbräuchlich ausgenutzten Kenntnis. Körnerspricht hier - in terminologischer Anlehnung an die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung - vom sog. rechtmäßigen Alternatiwerhalten und gelangt zu Recht zu dem Ergebnis, daß der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz bei dieser Fallgruppe in der Regel dann endet, wenn die Kenntnisse auch auf andere, nicht zu beanstandende Art und Weise hätten erlangt werden können. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die unlauter erlangten Kenntnisse für eine Entwicklung in einer Weise mitursächlich geworden sind, die wirtschaftlich oder technisch nicht als bedeutungslos anzusehen ist87. Eine Einschränkung ist weiter dann geboten, wenn die Berufung auf die Offenkundigkeit einer nachträglichen Belohnung des Fehlverhaltens des Verletzers gleichkäme, weil dieser eigene Forschungs- und Entwicklungstätigkeit erspart hat88. 8. Zeitliche Befristung im Urteilstenor und spätere
Berücksichtigung
Eine zeitliche Befristung im Urteilstenor ist zulässig89. Sie wird aber nur in Ausnahmefällen möglich sein, z. B. bei dem von vornherein zeitlich begrenzten Saisonschutz. Fallen die Schutzvoraussetzungen - z. B. die wettbewerbliche Eigenart - eines Tages weg, so ist der Verletzer auf die Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO, im Verfügungsverfahren auf den Aufhebungsantrag wegen veränderter Umstände nach § 927 ZPO zu verweisen90. IV. Zusammenfassung 1. Eine generalisierende Festlegung zeitlicher Grenzen für alle Fallgruppen des wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes scheidet aus. 2. Bei allen Fallgruppen enthalten bereits die Schutzvoraussetzungen wesensimmanente zeitliche Grenzen, d. h. mit dem Verlust der Eigenart oder dem Wegfall der besonderen wettbewerblichen Umstände entfällt auch der Leistungsschutz. Einer darüber hinausgehenden festen zeitlichen Begrenzung bedarf es in der Regel nicht. 3. Bei der vermeidbaren Herkunftstäuschung, dem Anlehnen an Ruf und Ansehen einer fremden Kennzeichnung, der Rufausbeutung sowie »6 Körner GRUR 1985, 909, 910. 87 BGH GRUR 1985,294,295 - Füllanlage. 88 Körner GRUR 1985, 909, 910. 89 Näher Baumbach/Hefermehl aaO Einl. Rdn. 483; v. Gamm aaO Kap. 21 Rdn. 81. 50 OLG Düsseldorf GRUR 1983, 748, 750 - HEWI-Beschlagprogramm; Baumbach/ Hefermehl aaO § 1 Rdn. 517; Körner GRUR 1985, 909, 915; Krüger GRUR 1986, 115, 125.
216
Willi Erdmann
dem Erschleichen und Vertrauensbruch besteht der Leistungsschutz grundsätzlich auf Dauer, d. h. solange das unlautere Verhalten bzw. der dadurch hervorgerufene Zustand andauert. 4. Bei der Fallgruppe der Behinderung bestehen Besonderheiten. Beruht die Behinderung - wie bei kurzlebigen Erzeugnissen (z. B. Modeneuheiten) - darauf, daß der Nachahmer nicht den nötigen zeitlichen Abstand einhält, damit der Ersthersteller seine Herstellungskosten und einen angemessenen Lohn hereinholen kann, so ist der Schutz so lange zu gewähren, bis dem Amortisations- und Belohnungsinteresse genügt ist. Welcher Lohn angemessen ist, hängt vom Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Mühe und dem Aufwand, der Art des Produkts und der Branche ab. Die dem Ersthersteller zuzugestehende Vermarktungsdauer sollte unter Berücksichtigung dieser Umstände so bemessen werden, daß sie mindestens der Hälfte bis Dreiviertel der üblichen Gewinnerwartung entspricht. Pauschalierungen sind dabei unerläßlich. 5. Ausblick: Für kurzlebige Produkte wird die in Aussicht genommene EG-Verordnung über ein europäisches Musterrecht voraussichtlich einen hinreichenden Schutz gegen Nachahmungen bringen, der nach dem vorliegenden Entwurf ohne Anmeldung zum Musterregister formlos für 3 Jahre vorgesehen ist 91 .
91 Vgl. Art. 12 des Vorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über das Gemeinschaftsgeschmacksmuster, G R U R Int. 1994, 492, 495.
Brauchen wir den Begriff eines patentrechtlichen Teilschutzes? KURT VON FALCK
I. Nach neuem Patentrecht bestimmt sich der Schutzbereich eines Patents nach § 14 PatG in Verbindung mit dem Grundgedanken des Auslegungsprotokolls zu Art. 69 EPÜ. Danach ist maßgeblich der Inhalt der Patentansprüche. Unter den Schutzbereich eines Patents fällt einerseits nicht allein das, was sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt, andererseits dienen die Patentansprüche aber auch nicht lediglich als bloße Richtlinie mit der Folge, daß sich der Schutzbereich auch auf das erstreckt, was sich dem Fachmann nach Prüfung der Beschreibung und der Zeichnung als Schutzbegehren des Patentinhabers darstellt. Die Auslegung soll vielmehr zwischen diesen beiden Auffassungen liegen und einen angemessenen Schutz für den Patentinhaber mit ausreichender Rechtssicherheit für Dritte verbinden. Bevor die Maßgeblichkeit des Inhalts der Patentansprüche gesetzlich festgelegt wurde, war die Patentauslegung von der Lindenmaier'sehen Dreiteilungslehre beherrscht, die den Schutzumfang des Patents in drei Bereiche gliederte, nämlich 1. den unmittelbaren Gegenstand der Erfindung, der sich aus dem reinen Wortlaut der Patentansprüche, erläutert durch Beschreibung und Zeichnungen, ohne jede erweiternde Auslegung, beschränkte, 2. den Gegenstand der Erfindung, unter dem man diejenige technische Lehre versteht, die der mit den Kenntnissen vom Prioritätstag ausgerüstete Fachmann dem Patentanspruch bei sinngemäßer Auslegung und Heranziehung der Beschreibung, der Zeichnungen, des allgemeinen Fachwissens und des in der Patentschrift erörterten Standes der Technik ohne besondere Überlegungen entnimmt und 3. den allgemeinen Erfindungsgedanken, der die weitergehende (allgemeine) Lehre bezeichnet, die einen anderen, ohne erfinderischen Einfall begehbaren Weg zur Lösung der vom Erfinder gestellten Aufgabe weist und die der Durchschnittsfachmann am Prioritätstag aus der Patentschrift entnehmen kann, ohne an deren Wortlaut zu haften und ohne den Blick auch nur auf das Nächstliegende zu richten, aber auch ohne ihr etwas eigenes Erfinderisches hinzuzufügen.
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Kurt v. Falck
Unter die Kategorie des allgemeinen Erfindungsgedankens fallen der Teilkombinations- oder Elementenschutz, die nicht-glatten Äquivalente und die Benutzung eines abstrakteren als des im Patentanspruch fixierten Gedankens. Die Dreiteilungslehre führte zu einer Schematisierung der Erscheinungsformen des Patenteingriffs in den Schutzbereich des Patents. Mit dem Inkrafttreten des neuen Patentrechts war klar, daß die letztgenannte Alternative eines allgemeinen Erfindungsgedankens durch § 14 PatG 1981 nicht mehr gedeckt ist. Die Begriffe der Äquivalenz, des Teilkombinations- oder Elementenschutzes (kurz: Teilschutz) sowie, wie hinzuzufügen ist, der unvollkommenen Benutzung beherrschen jedoch auch heute noch die Diskussion um den Schutzbereich eines Patents. Es drängt sich die Frage auf, ob es - wenn auch nur in beschränktem Umfange - sinnvoll ist, an überkommenen Einteilungssystemen festzuhalten, ob diese also Fesseln oder Hilfen der Patentauslegung sind1. Dieser Frage soll unter besonderer Berücksichtigung des Problems des Teilschutzes nachgegangen werden. II. 1. Wie der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung „Zerlegvorrichtung für Baumstämme"2 referiert, kann nach § 14 PatG 1981 der Schutz eines Patents auch äquivalente Abwandlungen der im Wortlaut des Patentanspruchs formulierten Lehre erfassen. Das ist regelmäßig dann der Fall, wenn das durch die Erfindung gelöste Problem mit gleichwirkenden Mitteln gelöst wird, die der Durchschnittsfachmann mit Hilfe seiner Fachkenntnisse und aufgrund von Überlegungen auffinden konnte, die sich an der in den Patentansprüchen umschriebenen Erfindung orientieren3. Bei der Äquivalenzbetrachtung ist nicht schematisch zu prüfen, ob ein Einzelmerkmal des Patentanspruchs bei der zu beurteilenden Ausführungsform durch ein gleichwertiges Mittel ersetzt ist; es kann auch so liegen, daß eine Mehrzahl von Ersatzmitteln ein Merkmal des Patentanspruchs ersetzt und umgekehrt4. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil ' Vgl. zu den Bedenken gegen Einteilungssysteme: v. Falck in Festschrift „Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland", Bd. I, S. 564 ff, insbesondere S. 567. 2 GRUR 1994, 597. 3 BGH in GRUR 1986, 803, 805 - Formstein; GRUR 1988, 896, 898 f Ionenanalyse; GRUR 1989, 205, 208 - Scbwermetalloxidationskatalysator; GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekastenschnur. 4 BGH vom 21. 10. 1969, X ZR 11/68 - Hopfenpflückvorrichtung, nicht veröffentlicht; vgl. auch Benkard-Ullmann, Patentgesetz, 9. Aufl., § 14 Rdn. 130; Brinkhofi GRUR Int. 1991, 435, 437.
Brauchen wir den Begriff eines patentrechtlichen Teilschutzes?
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„Absetzvorrichtung" 5 klargestellt, daß sich die Äquivalenzprüfung nicht auf eine Folge von Einzelvergleichen der Bauteile einer Verletzungsform jeweils mit den Merkmalen des Patentanspruchs beschränken darf. Eine äquivalente Benutzung setzt voraus, daß durch die verwendeten Mittel insgesamt die patentgemäße Kombinationswirkung eintritt und daß der Fachmann die Verwendung der Mittel als innerhalb der Gesamtkombination gleichwirkend und naheliegend erkennt. Es kommt im Bereich der Äquivalenz auch nicht darauf an, ob das Ersatzmittel die genau gleiche Funktion gewährleistet wie das patentgemäße Mittel. Es genügt, daß die Funktion des Ersatzmittels im wesentlichen die gleiche ist6. Aus der Rechtsprechung seien hierzu folgende instruktive Beispiele genannt: a) Im Fall „Friichtezerteiler"7 ging es darum, daß das patentgemäße Mittel über eine Doppelfunktion verfügte, während das als patentverletzend angegriffene Mittel nur eine der beiden - offensichtlich als gleichgewichtig angesehenen - Funktionen erfüllte. Eine Verletzung durch äquivalente Ausführung des Gegenstands des Klagepatents würde voraussetzen, wie der BGH ausführt, daß auch die Beklagte mit ihrer Konstruktion äquivalente Mittel für beide genannten Funktionen des Klagepatents anwendete; andernfalls komme nur die Verletzung einer Teilkombination in Betracht. In Entscheidungen vom 23.1.1975 8 und vom 3. 3.19779 bestätigte der Bundesgerichtshof diese Rechtsprechung und führte aus, daß die Anwendung der Grundsätze der Äquivalenz nicht in Betracht komme, wenn ein der Lösung einer Teilaufgabe dienendes Merkmal der Erfindung nicht in abweichender Form, sondern überhaupt nicht verwirklicht sei und somit der angegriffenen Ausführungsform demnach diese Teilaufgabe nicht zugrunde liege. b) In dem durch das Urteil vom 6. 5.198610 entschiedenen Fall „Verkleidungsplatten" hatte sich der Bundesgerichtshof erneut mit der Frage
5
GRUR 1983,497,499. BGH GRUR 1963, 519, 522 r. Sp. - Klebemax - mit weiteren Nachweisen; GRUR 1985, 520, 522 - Konterhauben-Schrumpfsystem-, GRUR 1987, 281, 282 - Befestigungsvorrichtung I; Urt. vom 6. 3. 1969, X ZR 32/66 - Siebtrommeltrockner, nicht veröffentlicht; Urt. v. 16. 6. 1992, X ZR 53/89 - Einspulvorrichtung, nicht veröffentlicht; OLG Düsseldorf v. 15. 2. 1993, 2 U 99/88 - Einspulvorrichtung, nicht veröffentlicht; Benkard-Ullmann, aaO, § 14, Rdn. 128; Brinkhof, GRUR Int. 1991, 435, 437. 7 BGH GRUR 1969, 532,534. 8 X ZR 44/72 - Chromsäurebad, nicht veröffentlicht. ' X ZR 77/74 - Oberflächenmeßgerät, nicht veröffentlicht. 10 Urteil v. 6. 5. 1986, X ZR 7/83, nicht veröffentlicht. 6
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Kurt v. Falck
zu befassen, wie die Rechtslage zu beurteilen ist, wenn das patentgemäße Mittel zwei Funktionen erfüllt, das Mittel der angegriffenen Ausführungsform aber nur eine davon. In diesem Urteil verlangt der Bundesgerichtshof eine Bewertung der Wirkungen als Voraussetzung der Feststellung, ob das Lösungsmittel der angegriffenen Ausführungsform mit dem Merkmal des Klagepatents funktionsgleich ist. Diese Funktionsgleichheit könne dann noch bejaht werden, wenn es sich bei der zusätzlichen Funktion, die bei der angegriffenen Ausführungsform fehlt, um zusätzliche, nicht erfindungswesentliche Vorteile oder Nebeneffekte der patentgemäßen Ausführungsform handele". 2. Benutzt eine unter dem Gesichtspunkt der Patentverletzung zu prüfende Ausführungsform die Merkmale des Patentanspruchs nicht in ihrer Gesamtheit, auch nicht in äquivalenter Form, sondern nur eine Teilkombination oder ein Element des Patentanspruchs ist eine Prognose darüber, ob eine Patentverletzung erfolgreich geltend gemacht werden kann, schwierig; denn ein klärendes Urteil des Bundesgerichtshofs, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Teilkombinationsschutz in Anspruch genommen werden kann, steht noch immer aus. Festzustellen ist lediglich, daß der B G H der Annahme einer Patentverletzung unter dem Gesichtspunkt eines Teilkombinationsschutzes reserviert gegenübersteht. Im Urteil „Mechanische Betätigungsvorrichtung"n heißt es unter Hinweis auf das Urteil im Fall „Batteriekastenschnur daß der Senat bisher noch keine Veranlassung gehabt habe, grundsätzlich zu der Frage Stellung zu nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Schutz für eine Unterkombination zu gewähren ist. Zugleich weist der Senat aber auf seine Entscheidung im Fall „Autowaschvorrichtung"u hin, in der ausgeführt ist, daß bei einem europäischen Patent der Schutz für eine Unterkombination jedenfalls dann ausscheide, wenn auf ein für die unter Schutz gestellte Lehre wesentliches und bestimmendes Merkmal des Patentanspruchs verzichtet sei. Der Stand der Rechtsprechung ist von Königli referiert worden. Er schließt aus den bisher vorliegenden Äußerungen, - daß ein patentrechtlicher Teilschutz durchaus zulässig sei, sofern - das fortfallende Lösungsmittel (Merkmal) ohne oder jedenfalls ohne wesentliche Bedeutung für die patentierte Erfindung sei und dies - dem Rechtssicherheitsgebot Rechnung trage, " Unter Berufung auf B G H G R U R 1964, 606, 609 - Förderband; B G H v. 14. 6. 1983, X ZR 37/82 - Siebboden, nicht veröffentlicht. 12 G R U R 1992, 594, 596. " G R U R 1989,903,905 a. E. 14 G R U R 1991,444. 15 M i « . 1993, 32 ff.
Brauchen wir den Begriff eines patentrechtlichen Teilschutzes?
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auf jeden Fall aber aufgrund der Gesetzeslage (§ 14 PatG 1981 in Verbindung mit dem Grundgedanken des Auslegungsprotokolls zu Art. 69 EPU) die Zubilligung eines patentrechtlichen Teilschutzes an strenge Voraussetzungen geknüpft sei. 3. Es scheint Ausführungsformen zu geben, die sich in eine der beiden vorerwähnten Eingriffsformen (Äquivalenz oder Teilschutz) schwierig einordnen lassen. Hierzu zählen auch Gestaltungsformen, welche einzelne patentgemäße Merkmale so abwandeln, daß hierdurch die Verwendung eines weiteren beanspruchten technischen Lösungsmittels überflüssig wird. Ulimann16 sieht in Ubereinstimmung mit Ballhaus/ Sikinger17 diesen Fall als vom patentrechtlichen Teilschutz erfaßt an, während Brinkhof18 Äquivalenzgrundsätze anwenden will. III. Kritisch sind hiernach vor allem die Fälle, in denen der auf Patentverletzung zu überprüfenden Ausführungsform ein Merkmal des Patentanspruchs und dessen Funktion ersatzlos fehlen. Eine mehr formale Betrachtung wird dafür sprechen, den Fall als von vornherein für den Patentinhaber äußerst schwierig zu betrachten, weil dieser sich vorhalten lassen muß, er hätte das, wofür er Schutz begehrt, sorgfältiger in den Merkmalen des Patentanspruchs niederlegen müssen19. Bei einer mehr sachbezogenen Würdigung wird man für bedeutsam erachten, daß auch beim Fehlen eines patentgemäßen Mittels schwerlich von der im Bereich der Äquivalenz selbstverständlichen Prüfung abgesehen werden darf, ob von den Wirkungen des Patents noch im wesentlichen Gebrauch gemacht wird. Zwei Fälle mögen das Problem und die möglichen Betrachtungsweisen verdeutlichen: 1. Fall „Adapter"-. Einschlägig sind ein Urteil des LG Düsseldorf vom 12. 9.1989 20 und das rechtskräftige Berufungsurteil des OLG Düsseldorf vom 25.10. 199021. Benkard-UIlmann, aaO, § 14, Rdn. 145 GRUR 1986, 337, 341. " GRUR Int. 1991,435,437. " Vgl. BGH GRUR 1989, 903, 905 a. E. - Batteriekastenschnur - und GRUR 1992, 594, 596 - Mechanische Betätigungsvorrichtung - , jeweils zu § 14 PatG 1981; BGH GRUR 1987, 626 - Rundfunkübertragungssystem - und GRUR 1991, 744 Trockenlegungsverfahren jeweils zu § 6 PatG 1968. 20 GRUR Int. 1990,382. 21 2 U 180/89, unveröffentlicht. 16 17
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Das Klagepatent schützte einen Adapter mit Phasenumkehrschaltung für Stromentnahmeschienen, die ein- oder mehrphasige Leiterschienen und Halterinnen aufweisen. Der patentierte Adapter verfügte über zwei Schaltwellen, wobei beide Schaltwellen mittels einer Sperreinrichtung in Wechselbeziehung derart bewegungsgesteuert sind, daß eine Betätigung der Kontaktzungen-Schaltwelle nur bei verriegelter Haltezunge-Schaltwelle und eine Entriegelung der Haltezunge-Schaltwelle nur bei nicht in kontaktierender Stellung befindlicher Kontaktzungen-Schaltwelle möglich ist. Im Streitfalle bestand ein Unterschied in der Ausführung der Sperreinrichtungen des Adapters des Klagepatents einerseits und des angegriffenen Adapters andererseits. Der Adapter des Klagepatents verfügte über eine Sperreinrichtung aus einem längsbeweglichen Schieber zwischen den Schaltwellen, der unter Federspannung auf der Verbindungslinie zwischen den Achsen der beiden Schaltwellen in deren radialen Richtungen verschiebbar ist und unter Federspannung ständig an der Haltezungen-Schaltwelle anliegt. Die Sperreinrichtung des angegriffenen Adapters bestand aus einer schwenkbaren, um eine mittlere, zu den Achsen der Schaltwellen parallele Achse gelagerten Wippe, die jedoch nicht unter Federspannung stand. Das Landgericht stellte eine weitgehende Übereinstimmung der angegriffenen Ausführungsform mit der patentgemäßen - teils wortlautgemäß, teils äquivalent - fest, auch die Erreichung der wesentlichen Wirkungen der patentgemäßen Ausführungsform, wenn auch nicht ganz so vollkommen, weil es bei der angegriffenen Ausführungsform an einer zu den Merkmalen des Patentanspruchs rechnenden Federbelastung des Sperrelements fehlte. Das Landgericht sah die Federbelastung des Sperrelements als ein im Rahmen der Gesamtkombination unwesentliches Merkmal an und vertrat die Auffassung, daß nach § 14 PatG 1981 unter Berücksichtigung des Auslegungsprotokolls zu Art. 69 EPU die Anerkennung eines Teilschutzes zu rechtfertigen sei. Für das Berufungsgericht stellte sich die Frage der Zuerkennung eines Teilschutzes jedoch nicht, weil es das Problem von einer funktionellen Betrachtungsweise aus anging. Soweit die wortlautgemäße Verwirklichung der Lehre des Klagepatents im Hinblick auf die Sperreinrichtung weitere Vorteile mit sich bringe, handle es sich um einen zusätzlichen Nebeneffekt im Sinne eines Bedienungskomforts, der außerhalb des in der Patentschrift dargestellten Aufgabenkreises liege und daher nicht zur Aufgabe der Erfindung rechne. Das Fehlen derartiger Vorteile bei der angegriffenen Ausführungsform schließe die Annahme einer
Brauchen wir den Begriff eines patentrechtlichen Teilschutzes?
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Patentverletzung nicht aus22. Das O L G Düsseldorf nahm demgemäß an, daß ungeachtet des Fehlens eines Nebeneffekts die bei der angegriffenen Ausführungsform im Hinblick auf die Sperreinrichtung eingesetzten, vom Wortlaut des Patentanspruchs des Klagepatents abweichenden Mittel mithin den wortlautgemäßen Mitteln im wesentlichen gleichwirkend seien und daher eine äquivalente Patentverletzung zu bejahen sei. 2. Fall „Mechanische
Betätigungsvorrichtung":
Einschlägig sind das Urteil des L G Düsseldorf vom 5. 12. 198923, das Berufungsurteil des O L G Düsseldorf vom 6. 2. 199024 und das hierzu ergangene Revisionsurteil des Bundesgerichtshofs vom 5. 5.1992 25 . Das Klagepatent betraf eine mechanische Betätigungsvorrichtung z. B. für eine Fahrzeugkupplung mit einem in einer biegsamen Hülle längs verschiebbaren Kabel, das mit einer Ausgleichsvorrichtung versehen ist, um die Länge der Hülle in Abhängigkeit von in der Steuerung auftretendem Spiel zu ändern. Im Stand der Technik war eine solche Ausgleichsvorrichtung bekannt, für deren Funktion es nötig war, sie an einem ortsfesten Widerlager für das Steuerorgan der Verriegelungseinrichtung, z. B. der Spritzwand eines Kraftfahrzeugs, zu befestigen. Der Vorschlag des Klagepatents bezweckte, die Ausgleichsvorrichtung so auszubilden, daß sie weder ein ortsfestes Widerlager für das Steuerorgan der Verriegelungseinrichtung benötigt noch das Steuerorgan an einer ganz bestimmten Stelle des Kabels fest angebracht werden muß. Der Patentanspruch enthielt u. a. das Merkmal, daß die Ausgleichsvorrichtung zwei teleskopierende Hüllenverlängerungen aufweist, die zwischen zwei aufeinanderfolgende Abschnitte der Hülle eingesetzt und an diesen befestigt sind. Die angegriffene Ausführungsform der Beklagten übernahm die patentgemäßen Mittel, die es ermöglichten, auf ein ortsfestes Widerlager für das Steuerorgan der Verriegelungseinrichtung zu verzichten. Die Ausgleichsvorrichtung besaß aber keinen zweiten Hüllenabschnitt, weil vorgesehen war, die Ausgleichsvorrichtung unmittelbar an der Spritzwand des Fahrzeuges zu befestigen. Das Landgericht Düsseldorf erkannte auf Patentverletzung, ohne sich auf eine Diskussion von Fragen der Äquivalenz oder des Teilschutzes einzulassen, und hielt für maßgeblich, daß die angegriffene Ausführungsform vom Sinngehalt des Patentanspruchs umfaßt sei. Da eine 22 Unter Berufung auf Benkard-Ullmann, PatG, 8. Aufl., § 14 PatG, Rdn. 106 a. E. unter Hinweis auf eine Entscheidung des O L G Düsseldorf vom 13. 4. 1978. 23 4 O 242/88, nicht veröffentlicht. 24 2 U 14/90, nicht veröffentlicht. 25 G R U R 1992, 594 - Mechanische Betätigungsvorrichtung.
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Kurt v. Falck
wortlautgemäße Patentverletzung vorliege, wenn der Hüllenverlängerung nur noch ein ganz kurzer Hüllenabschnitt von einem oder zwei Zentimetern Länge folge, liege es für den Fachmann auf der Hand, von der durch die Erfindung eröffneten Möglichkeit, die Ausgleichsvorrichtung an jeder beliebigen, im Einzelfall gerade günstigen Stelle der Hülle anzuordnen, in der Weise Gebrauch zu machen, daß er allein die Hüllenverlängerung benutzt und an der Fahrzeugwand abstützt. Das O L G Düsseldorf stellte ebenfalls fest, daß die angegriffene Ausführungsform alle wesentlichen Funktionen der patentgemäßen Lösung erfüllt, nur eben nicht über einen zweiten Hüllenabschnitt verfügt. Deshalb meinte das O L G Düsseldorf, daß es unter diesen besonderen Umständen vertretbar sei, einen patentrechtlichen Teilschutz zuzuerkennen. Der Bundesgerichtshof vertrat demgegenüber die Auffassung26, es handele sich hinsichtlich der räumlichen Anordnung der teleskopierenden Hüllenverlängerungen nicht um das Weglassen eines Teilmerkmals bei der angegriffenen Ausführungsform, sondern um den Fall, daß die angegriffene Ausführungsform ein Teilmerkmal in einer naheliegenden und gleichwirkenden (äquivalenten) Abwandlung verwende, die nach den vom erkennenden Senat zur Frage der Äquivalenz entwickelten Grundsätzen ebenfalls noch unter den Schutzbereich des Klagepatents falle. Als ausschlaggebend bezeichnet es der Bundesgerichtshof, daß sich der Beschreibung nicht entnehmen lasse, die Ausgleichsvorrichtung dürfe nach dem Klagepatent nicht am Chassis des Fahrzeuges angebracht werden. Entscheidend sei, daß die vom Klagepatent vorgeschlagene Betätigungsvorrichtung ein bestimmtes Verriegelungsorgan aufweise und wegen der gewählten Gestaltung weder ein ortsfestes Widerlager für das Steuerorgan der Verriegelungseinrichtung benötige noch das Steuerorgan an einer ganz bestimmten Stelle des Kabels fest angebracht werden müsse. Es sei deshalb kein Merkmal weggefallen, vielmehr ersetze die angegriffene Ausführungsform die dem Wortlaut des Patentanspruchs entsprechende Anordnung der teleskopierenden Hüllenverlängerungen innerhalb der Hülle („zwischen zwei aufeinanderfolgenden Abschnitten der Hülle") durch die abgewandelte Anordnung im unmittelbaren Anschluß an die Hülle. Der „Witz" des Patents liege nicht darin, daß die Ausgleichsvorrichtung im Einzelfalle einen Abstand vom Chassis des Fahrzeuges habe, sondern darin, daß aufgrund der konstruktiven Ausbildung der Ausgleichsvorrichtung eine Lösung von einem festen Bezugspunkt am Chassis möglich sei. Deshalb fehle der angegriffenen Ausführungsform kein wesentliches Merkmal oder eine wesentliche Wirkung der patentierten Lehre. 26
AaO, S. 597.
Brauchen wir den Begriff eines patentrechtlichen Teilschutzes?
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IV. 1. Die vorstehend erläuterten Fälle sind letztlich jeweils als Patentverletzungen im Bereich der Äquivalenz angesehen worden, ohne daß es auf die Voraussetzungen ankam, unter denen die Zuerkennung eines Teilkombinationsschutzes diskutiert wird. Die Fälle sind dadurch gekennzeichnet, - daß ein Teilmerkmal und dessen Funktion fehlen, jedoch bei einer Gesamtbetrachtung der patentgemäß erstrebten Wirkungen sich die Funktion dieses Mittels als unwesentlich, als Nebeneffekt erweist (Fall „Adapter") oder - daß ein im Patentanspruch aufgeführtes Teilmerkmal zwar fehlt, es aber für den betrachteten Anwendungsfall für die patentgemäße Funktion unerheblich ist, weil die patentgemäße Funktion auch ohne das fehlende Teilmerkmal erreicht wird (Fall „Mechanische Betätigungseinrichtung")26*. Es sind dies gerade die Fälle, in denen in der Literatur die Unbedenklichkeit der Zubilligung eines Teilkombinationsschutzes diskutiert wird. Sie lassen sich jedoch mit den zum Schutzbereich eines Patents entwickelten Grundsätzen, die gemeinhin als Äquivalenzbereich umschrieben werden, erfassen. 2. Es bedarf daher der Klärung, ob ein darüber hinausgehender Schutzbereich eines Patents nach § 14 PatG 1981 unter Berücksichtigung der Grundsätze des Auslegungsprotokolls zu Art. 69 EPU in Betracht kommen kann. Ist die im wesentlichen bestehende Wirkungsgleichheit das entscheidende Kriterium und hält man einen Teilkombinationsschutz allenfalls für vertretbar, wenn das fragliche Anspruchsmerkmal - auf dem Hintergrund des der patentierten Erfindung zugrundeliegenden technischen Problems - keinen, zumindest keinen merklichen Beitrag, zu der patentgemäßen Kombinationswirkung leistet, daß somit bei seinem ersatzlosen Wegfall die patentgemäßen Wirkungen (im wesentlichen) erhalten bleiben, dann läßt sich die Folgerung ziehen, daß neben der Erstreckung des Schutzbereichs auf den - richtig verstandenen - Äquivalenzbereich ein darüber hinausgehender Teilkombinationsschutz keinen Platz hat; denn wenn die Auslegung des Patents ergibt, daß ein patentgemäßes Mittel der Lösung eines in der Patentschrift angesprochenen Problems dient und die Ausführungsform eines Dritten dieses Mittel oder ein ErDer BGH sah zwar - anders als das OLG - auch das fragliche Teilmerkmal als äquivalent vorhanden an, doch sei hier unter der Voraussetzung argumentiert, daß das Teilmerkmal fehlte.
261
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Kurt v. Falck
satzmittel hierfür nicht aufweist, die F u n k t i o n des patentgemäßen Mittels auch nicht n u r ein Nebeneffekt zu einem anderen Merkmal ist und auch unter Berücksichtigung des speziellen Anwendungszwecks sich das Mittel bei der A u s f ü h r u n g s f o r m des Dritten nicht erübrigt, entspricht die Teilkombination nicht mehr dem Inhalt des Patentanspruchs, und die v o m Rechtssicherheitsgebot gezogene Grenze wird überschritten. Die Zubilligung eines Teilkombinationsschutzes w ü r d e die Erstreckung des Patentschutzes auf Ausführungsformen bedeuten, die der patentgemäßen Lösung nicht mehr - im wesentlichen - gleichwertig sind, sondern die der patentgemäßen Lösung ungleichwertig sind. Es ist König27 zuzustimmen, daß ein nach Inhalt und Reichweite über den durch die im Patentanspruch bezeichneten Lösungsmittel bestimmten Bereich der Gleichwirkungen hinausgehender Patentschutz nicht zulässig ist, daß also Voraussetzung f ü r einen über den Wortsinn des Patentanspruchs hinausgehenden Patentschutz der Erhalt der Wirkungen ist, somit zwischen der mit den Merkmalen des Patentanspruchs umschriebenen Erfindung und der A u s f ü h r u n g s f o r m des Dritten, zumindest im wesentlichen, Wirkungsgleichheit bestehen muß. Instruktiv ist die in einem Patentnichtigkeitsverfahren ergangene Entscheidung des Bundesgerichtshofs „Isolierglasscheibenrandfugenfüllvorrichtung"n. D e r Patentanspruch umfaßte eine Kombination von fünf Merkmalen. D e r B G H entschied, daß bereits die Kombination der ersten vier Merkmale erfinderische Qualität habe u n d es daher auf sich beruhen könne, o b der Gegenstand des Merkmals 5 im Zusammenwirken mit den anderen Merkmalen noch einen entscheidenden Beitrag zur Frage der erfinderischen Tätigkeit beizusteuern vermöge. Diese Feststellungen hätten es unter der Geltung des § 6 P a t G 1968 erlaubt, einen Teilkombinationsschutz f ü r die Merkmale 1—4 des A n spruchs erfolgreich geltend zu machen. N a c h § 14 P a t G 1981 k o m m t es aber nicht darauf an, ob bereits eine Teilkombination erfinderisch ist, was ohnehin im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Patenterteilung - und nicht erst nach einer letztinstanzlichen Nichtigkeitsentscheidung des Bundesgerichtshofs - kaum zu beurteilen ist. Entscheidend ist bei einer solchen Sachlage, daß ein selbständiges Merkmal des Patentanspruchs, wenn nicht die zuvor genannten Voraussetzungen vorliegen, bei der Bestimmung des Schutzumfangs des Patentanspruchs aus G r ü n den der Rechtssicherheit beachtet werden muß. 3. Es mag Fälle geben, in denen sich die Frage aufdrängt, w a r u m der Patentinhaber nicht auch die Teilkombination beansprucht hat, die sich 27 2!
Mitt. 1993,32, 34. GRUR 1984, 272.
Brauchen wir den Begriff eines patentrechtlichen Teilschutzes?
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dem Fachmann beim Lesen der Patentschrift eindeutig offenbaren mag. Indessen ermöglicht § 14 PatG 1981 nicht die nachträgliche Reparatur unglücklich - weil zu eng - formulierter Patentansprüche. Auch sind die Umstände des Zustandekommens des erteilten Patents Dritten unbekannt. Soweit der Fachmann erkennt, daß ein Patentanspruch nicht den gesamten Offenbarungsgehalt der Patentschrift ausschöpft, ist dies für ihn in der Regel kein Anlaß, den Gegenstand des Patents auch auf solche Lehren zu erstrecken, die im Wortlaut des Anspruchs selbst keine ausreichende Stütze mehr finden, wie der Bundesgerichtshof im Fall „ Überströmventil"29 hervorgehoben und weiter ausgeführt hat, der fachkundige Leser einer Patentschrift könne die Tatsache, daß die Schutzbeanspruchung im Patentanspruch hinter dem Umfang der Offenbarung in der Patentschrift zurückbleibt, auf eine Reihe von Motiven zurückführen, die es ihm im Einzelfall verständlich erscheinen lassen, weshalb nicht der gesamte Offenbarungsgehalt einer Patentschrift durch die Patentansprüche abgedeckt wird und abgedeckt werden sollte. Im einzelnen sind dem Leser der Patentschrift die Gründe für die Fassung der Patentansprüche aber nicht erkennbar. Deshalb verweist der Bundesgerichtshof in der genannten Entscheidung auch auf Gründe der Rechtssicherheit. Der Leser der Patentschrift muß sich darauf verlassen können, daß der Patentanspruch den Gegenstand des Patents, nämlich das, was als patentfähig unter Schutz gestellt ist, mit hinreichender Deutlichkeit ergibt. V. Kann man hiernach auf ein Patentauslegungskorsett verzichten, sollte es möglich sein, die Diskussion darüber zu beenden, ob und unter welchen Voraussetzungen nach dem seit dem 1.1.1978 geltenden Patentrecht der Schutzbereich des Patentanspruchs einen Teilschutz (Teilkombinationsschutz, Elementenschutz) umfassen kann. Man sollte es dabei belassen, im Einzelfall zu entscheiden, ob das durch die Erfindung gelöste Problem mit (im wesentlichen) gleichwirkenden Mitteln gelöst wird, die der Durchschnittsfachmann mit Hilfe seiner Fachkenntnisse und aufgrund von Überlegungen auffinden konnte, die sich an der in der in den Patentansprüchen umschriebenen Erfindung orientieren.
29
G R U R 1980, 219,220.
Die Nichtakzessorietät der Marke und ihre rechtliche Konnexität zu einem Unternehmen K A R L - H E I N Z FEZER
I. Das Prinzip der Akzessorietät 1. Grundregelung im MarkenG Unter Akzessorietät der Marke ist die rechtliche Beziehung der Marke zu dem Unternehmen des Markeninhabers zu verstehen. Im MarkenG besteht im Grundsatz keine Akzessorietät der Marke zu dem Unternehmen des Markeninhabers. Das Markenrecht ist rechtlich unabhängig von der Existenz eines Geschäftsbetriebs des Markeninhabers. Das gilt grundsätzlich für die Entstehung des Markenrechts, den rechtlichen Bestand des Markenrechts sowie den Rechtsübergang der Marke auf einen anderen Markeninhaber. Bei der Markenkategorie eines durch Benutzung aufgrund Verkehrsgeltung erworbenen Markenrechts nach § 4 Nr. 2 MarkenG ist zu beachten, daß in diesem Fall die Entstehung des Markenschutzes ohne ein Unternehmen des Markeninhabers nicht denkbar ist, da Verkehrsgeltung im geschäftlichen Verkehr nur durch eine Benutzung der Marke zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens erworben werden kann. Das Prinzip der freien Ubertragbarkeit eines entstandenen Markenrechts gilt für alle drei Markenkategorien des § 4 MarkenG. Die Vorschrift des § 27 MarkenG, die den Rechtsübergang eines Markenrechts regelt, gilt für das durch die Eintragung, die Benutzung oder die notorische Bekanntheit einer Marke erworbene Recht. Der Grundsatz der freien Ubertragbarkeit der Marke gilt allgemein im MarkenG. Das Markenrecht kann ohne Übergang des Geschäftsbetriebs des Markeninhabers übertragen werden. Die Markenverwertung durch Markenrechtszession entspricht der Rechtsnatur des Markenrechts als einem selbständigen Vermögensgegenstand eines Unternehmens. 2.
Rechtsentwicklung
a) Von der akzessorischen zur nichtakzessorischen
Marke
Die Akzessorietät der Marke zu einem Unternehmen war ein traditioneller Grundsatz des deutschen Warenzeichenrechts. Die absolute Bin-
230
Karl-Heinz Fezer
dung der Marke an den Geschäftsbetrieb des Markeninhabers galt hinsichtlich der Entstehung, des Bestands sowie des Ubergangs des Markenrechts. Die Akzessorietät der Marke entspricht aber keinem rechtslogischen Postulat 1 , sondern erklärt sich aus einer Uberbetonung der Herkunftsfunktion der Marke sowie der unberechtigten Sorge vor einer Irreführung der Verbraucher bei einer freien Übertragbarkeit der Marke. Rechtsvergleichend bestand eine uneinheitliche Rechtslage, da weltweit in den Industrienationen teils das Prinzip der Akzessorietät, teils das der freien Ubertragbarkeit der Marke verwirklicht war. Gegenwärtig geht die internationale Rechtsentwicklung dahin, die Bindung der Marke an den Geschäftsbetrieb aufzugeben und die freie Ubertragbarkeit des Markenrechts zuzulassen. Nach Art. 17 GMarkenV kann die Gemeinschaftsmarke unabhängig von der Übertragung des Unternehmens Gegenstand eines Rechtsübergangs sein. Die Erste Markenrechtsrichtlinie zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken enthält die Bindung der Marke an ein Unternehmen nicht als Bedingung der Rechtsangleichung. b) Strenge Akzessorietät im WZG bis zum ErstrG
Im deutschen Warenzeichenrecht galt das strenge Akzessorietätsprinzip. Schon die Entstehung des Markenrechts, nicht nur der Rechtsbestand und der Rechtsübergang war an das zwingende Erfordernis eines Geschäftsbetriebs des Markeninhabers gebunden. Nach § 1 WZG konnte ein Warenzeichen zur Eintragung in die Zeichenrolle nur anmelden, wer sich in seinem Geschäftsbetrieb zur Unterscheidung seiner Waren von Waren anderer eines Warenzeichens bedienen wollte. Der Zeichenanmeldung mußte die Bezeichnung des Geschäftsbetriebs, in dem das Zeichen verwendet werden sollte, beigefügt sein. Nach seiner Entstehung blieb das Markenrecht in seinem Rechtsbestand mit dem Geschäftsbetrieb untrennbar verbunden. Der Übergang des ganzen Geschäftsbetriebs oder zumindest des Betriebsteils, zu dem das Warenzeichen gehörte, war zu einer rechtswirksamen Übertragung des Warenzeichens erforderlich (§ 8 Abs. 1 S. 2 WZG). Eine Vereinbarung, die eine andere Übertragung des Warenzeichens zum Gegenstand hatte, war nach § 8 Abs. 1 S. 3 WZG unwirksam. Nach § 11 Abs. 1 Nr. 2 WZG begründete die Nichtfortsetzung des zu einem Warenzeichen gehörenden Geschäftsbetriebs einen Löschungsgrund. Nach deutschem Warenzeichenrecht bestand so eine absolute Bindung der Marke an
1
Baumbach/Hefermehl,
Warenzeichenrecht, 12. Aufl., 1985, § 8 WZG, Rdn. 1.
Nichtakzessorietät der Marke und ihre rechtliche Konnexität
231
einen Geschäftsbetrieb hinsichtlich der Entstehung, des Bestands sowie des Ubergangs des Zeichenrechts (strenge Akzessorietät). c) Lockerung der Akzessorietät
im ErstrG
Eine Änderung des WZG erfolgte durch das Gesetz über die Erstreckung von gewerblichen Schutzrechten (Erstreckungsgesetz) vom 23. April 19922. Das ErstrG diente der Herstellung der vollständigen Rechtseinheit im vereinigten Deutschland auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes. Nach dem Gesetz über Warenkennzeichen der DDR vom 30. November 19843 bestand keine Bindung der Marke an einen Geschäftsbetrieb. Zur Anmeldung und Eintragung einer Marke war nach § 10 WKG ein Geschäftsbetrieb nicht erforderlich; kennzeichenpflichtig waren die Betriebe nach § 3 WKG, den persönlichen Geltungsbereich bestimmte § 1 WKG. Nach § 17 Abs. 1 S. 1 WKG war die Marke ohne einen Geschäftsbetrieb frei übertragbar. Die Bereinigung von Markenrechtskollisionen bei der Herstellung der deutschen Einheit stand vor der Schwierigkeit, daß zwar Marken mit DDR-Ursprung, nicht aber solche mit Ursprung im bisherigen Bundesgebiet frei übertragen werden konnten. Der Gesetzgeber löste diese Diskrepanz zwischen den Regelungen des WKG und des WZG im Vorgriff auf die ohnehin bevorstehende Markenrechtsreform, indem er das Markenrecht verselbständigte und von dem zugrundeliegenden Geschäftsbetrieb loslöste4. Die Gesetzesänderung sollte eine einvernehmliche Konfliktlösung der bestehenden Markenrechtskollisionen im Wege vertraglicher Vereinbarungen zwischen den beteiligten Unternehmen fördern. Nach § 47 ErstrG wurde das Erfordernis der Angabe des Geschäftsbetriebs bei der Anmeldung des Warenzeichens gestrichen (§ 2 Abs. 1 S. 3 WZG), die freie Ubertragbarkeit des Warenzeichens eingeführt (§ 8 Abs. 1 S. 1 WZG) und der Löschungsgrund des Wegfalls des Geschäftsbetriebs aufgehoben (§ 11 Abs. 1 Nr. 2 WZG). Mit dem Inkrafttreten des ErstrG am 1. Mai 1992 bestand die Akzessorietät der Marke nicht mehr für den Rechtsübergang. Das Prinzip der strengen Akzessorietät der Marke wurde zwar gelockert, aber nicht vollständig aufgehoben. Der Gesetzgeber des ErstrG ließ § 1 WZG unverändert. Nach dieser Vorschrift war die Entstehung des Markenschutzes an einen Geschäftsbetrieb des Anmelders des Warenzeichens gebunden. Nach § 1 WZG konnte nur derjenige ein Zeichen zur Eintragung in die Zeichenrolle anmelden, der sich in seinem Geschäftsbetrieb
2 3 4
BGBl. I S. 938. GBl. I Nr. 33 S. 397. Begründung zum ErstrG, BT-Drucks. 12/1399 vom 30. Oktober 1991, S. 69.
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des Warenzeichens bediente. Die Akzessorietät des Warenzeichens wurde bei der Entstehung des Markenschutzes nach dem WZG streng gehandhabt. Zwingende Anmeldevoraussetzung war eine rechtliche Konnexität zwischen dem Geschäftsbetrieb des Anmelders und den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen, aus der bestimmte Anforderungen an die Art des Geschäftsbetriebs abgeleitet wurden 5 . Auch wenn § 1 WZG seinem Wortlaut nach durch das ErstrG nicht geändert wurde, konnte an der absoluten Bindung des Warenzeichens an einen bestimmten Geschäftsbetrieb des Anmelders schon deshalb nicht mehr festgehalten werden, da das Erfordernis der Angabe des Geschäftsbetriebs bei der Anmeldung des Warenzeichens (§ 2 Abs. 1 S. 3 WZG) nicht mehr bestand (§ 47 Nr. 2 ErstrG). Im Hinblick auf die Akzessorietät der Marke bei der Entstehung des Markenrechts war § 1 WZG dahin auszulegen, daß Anmeldevoraussetzung zwar nicht mehr das Vorhandensein eines bestimmten, zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen gehörenden Geschäftsbetriebs, wohl aber irgendeines Geschäftsbetriebs des Anmelders war. Der Geschäftsbetrieb des Anmelders mußte nicht notwendig die in der Anmeldung oder Eintragung erfaßten Waren oder Dienstleistungen abdecken; auch war die Angabe dieses Geschäftsbetriebs bei der Anmeldung nicht erforderlich.
d) Unternehmenseigenschaft
des Anmelders
Zwischen dem Inkrafttreten des ErstrG am 1. Mai 1992 und dem Inkrafttreten der MarkenG am 1. Januar 1995 ging die Rechtslage bei der Entstehung des Markenschutzes dahin: Die Unternehmenseigenschaft des Anmelders eines Warenzeichens war Schutzvoraussetzung zum Erwerb eines Markenrechts. Die erforderliche Unternehmenseigenschaft (Existenz eines allgemeinen Geschäftsbetriebs) bestand auch bei Holdinggesellschaften, denen so der Erwerb von Warenzeichen ermöglicht wurde. Auch Lizenzunternehmen, die sich im wesentlichen mit der Vergabe von Lizenzen befassen, ohne selbst die betreffenden Waren oder Dienstleistungen zu vertreiben, konnten somit Markeneintragungen mit umfassenden Waren- und Dienstleistungsverzeichnissen erreichen 6 . Nichts anderes konnte etwa für Werbeagenturen und Unternehmensberater sowie insoweit als freie Berufe einem Unternehmen gleichstehende Anwaltskanzleien gelten. Im WZG wurde damit der Markenerwerb zum Zwecke des Markenhandels im Grundsatz zugelassen.
5 Zur Rechtslage nach dem W Z G Baumbach/Hefermehl, Warenzeichenrecht, 12. Aufl., 1985, § 1 W Z G , Rdn. 6 ff. 6 Begründung zum ErstrG, BT-Drucks. 12/1399 vom 30. Oktober 1991, S. 69.
Nichtakzessorietät der Marke und ihre rechtliche Konnexität
e) Fehlen oder Wegfall der
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Unternehmenseigenschaft
Die Unternehmenseigenschaft des Anmelders und damit das Vorliegen eines allgemeinen Geschäftsbetriebs war nicht Gegenstand der Prüfung des DPA bei der Eintragung eines Warenzeichens nach Inkrafttreten des ErstrG. Wenn ein Warenzeichen für einen Anmelder ohne allgemeinen Geschäftsbetrieb eingetragen wurde, dann konnte der Mangel dieser Eintragungsvoraussetzung von Amts wegen oder auf Antrag in einem Löschungsverfahren nach §10 Abs. 2 Nr. 2 WZG geltend gemacht werden 7 . Das Verfahren der Amtslöschung nach § 10 Abs. 2 Nr. 2 WZG war auch dann zulässig, wenn der allgemeine Geschäftsbetrieb und damit die Unternehmenseigenschaft des Markeninhabers nach der Eintragung des Warenzeichens wegfiel. Da das ErstrG den Löschungsgrund des Wegfalls des Geschäftsbetriebs (§11 Abs. 1 Nr. 2 WZG) aufgehoben hatte, war eine Ausdehnung des Amtslöschungsverfahrens vom Fall des ursprünglichen Fehlens eines allgemeinen Geschäftsbetriebs nicht nur auf den Fall des späteren Wegfalls des allgemeinen Geschäftsbetriebs notwendig 8 , sondern auch geboten, die Vorschrift sowohl auf das Fehlen sowie den Wegfall der Unternehmenseigenschaft des Markeninhabers anzuwenden. Der Wegfall der Unternehmenseigenschaft des Markeninhabers als Löschungsgrund im Verfahren der Amtslöschung nach § 10 WZG war Ausdruck der Akzessorietät der Marke in ihrem Rechtsbestand. Die Akzessorietät der Marke wurde durch das ErstrG auch beim Rechtsübergang nicht vollständig aufgehoben. Zwar führte das ErstrG die freie Übertragbarkeit des Warenzeichens nach § 8 Abs. 1 S. 1 WZG ein, doch bestand nach § 8 Abs. 1 S. 2 WZG eine Vermutung, daß das Warenzeichen im Zweifel von der Übertragung oder dem Übergang des Geschäftsbetriebs oder des Teils des Geschäftsbetriebs, zu dem das Warenzeichen gehört, erfaßt wurde.
II. Rechtslage nach dem MarkenG 1. Rechtsentstehung der Marke Der Erwerb des Markenrechts verlangt keinen Geschäftsbetrieb des Anmelders. Das MarkenG hat nicht nur das Anmeldeerfordernis eines bestimmten Geschäftsbetriebs des Anmelders der Marke aufgegeben, wie ursprünglich der Rechtszustand nach § 1 WZG vor Inkrafttreten des ErstrG am 1. Mai 1992 war. Das MarkenG verzichtet auch auf das 7 8
Begründung zum ErstrG, BT-Drucks. 12/1399 vom 30. Oktober 1991, S. 70. Kunz-Hallstein, G R U R 1993, 439, 447.
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Karl-Heinz Fezer
Vorliegen eines allgemeinen Geschäftsbetriebs des Markeninhabers beim Erwerb des Markenrechts. Damit ist die Akzessorietät der Marke zu einem Unternehmen des Markeninhabers bei der Entstehung des Markenschutzes vollständig aufgehoben. Jede Person kann eine Marke erwerben. Das entspricht der internationalen Rechtsentwicklung 9 sowie den Markenrechtsordnungen in vielen anderen Mitgliedstaaten der EU 10 sowie Drittstaaten11. Diese Rechtslage folgt zwingend schon daraus, daß das MarkenG keine § 1 Abs. 1 WZG entsprechende Bezugnahme zu einem Geschäftsbetrieb des Anmelders mehr enthält12. Die Umschreibung der Marke als Unterscheidungszeichen nach § 3 MarkenG ohne Bezug zu einem Unternehmen des Rechtsinhabers entspricht wörtlich Art. 2 MarkenRL und Art 3 GMarkenV. Auch § 7 MarkenG, der die Inhaberschaft von eingetragenen und angemeldeten Marken regelt, enthält keine Einschränkungen der Markenrechtsfähigkeit. Markenrechtsfähig ist jedes Rechtssubjekt unabhängig von seiner Unternehmenseigenschaft. Die Unternehmenseigenschaft des Rechtsinhabers ist nach dem MarkenG keine Schutzvoraussetzung der Entstehung des Markenrechts. Das durch Benutzung begründete Markenrecht (§ 4 Nr. 2 MarkenG) ist notwendigerweise schon bei der Entstehung des Markenschutzes akzessorisch, da die Benutzung der Marke zum Erwerb von Verkehrsgeltung zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens zu erfolgen hat. 2. Rechtsbestand der Marke Die Akzessorietät der Marke besteht hinsichtlich des Rechtsbestands der Marke insoweit, als die Marke als Unterscheidungszeichen nur für Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens rechtserhaltend verwendet werden kann. Das Unternehmen, für dessen Waren oder Dienstleistungen die Marke benutzt wird, wird regelmäßig ein Unternehmen des Markeninhabers sein. Die Marke kann aber auch für die Waren oder Dienstleistungen des Unternehmens eines anderen als des Markeninhabers benutzt werden, da die Markenrechtsfähigkeit des Rechtsinhabers einer Marke nicht dessen Unternehmenseigenschaft voraussetzt und die Benutzung der Marke durch ein anderes Unternehmen mit Zustimmung des Markeninhabers als Benutzung durch den Inhaber gilt (§ 26 II MarkenG). ' Art. 3 Abs. 7; 11 Abs. 4 Entwurf eines Trademark Law Treaty der WIPO, Dokument T L T / D C / 5 , S. 11. 10 Siehe nur Frankreich, Großbritannien, Benelux-Länder. " Siehe nur Art. 28 I MSchG der Schweiz; ebenso Japan, Kanada. 12 Begründung zum MarkenG, BT-Drucks. 12/6581 vom 14. Januar 1994, S. 69.
Nichtakzessorietät der Marke und ihre rechtliche Konnexität
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3. Rechtsübergang der Marke Auch beim Rechtsübergang der Marke bleibt eine gewisse Akzessorietät aufrechterhalten. Nach § 27 Abs. 2 MarkenG besteht eine Vermutung, daß das Markenrecht im Zweifel von der Übertragung oder dem Ubergang des Geschäftsbetriebs oder des Teils des Geschäftsbetriebs, zu dem die Marke gehört, erfaßt wird. Das gilt allerdings nur, wenn die Marke zu einem Geschäftsbetrieb oder zu einem Teil des Geschäftsbetriebs gehört; auch daraus folgt, daß der Gesetzgeber Markenrechte anerkennt, die nicht zu einem Unternehmen gehören.
III. Kritik an der Nichtakzessorietät der Marke 1. Keine restriktive
Auslegung
Versuche einer restriktiven Auslegung des MarkenG dahin, das durch Eintragung begründete Markenrecht sei dann zu löschen, wenn der Markeninhaber keine Marktbeziehung (Unternehmensbeteiligung, Wettbewerbsverhältnis) aufbaue13, ist abzulehnen. Das MarkenG anerkennt die Schutzwürdigkeit eines durch Eintragung entstandenen Markenrechts schon vor Aufnahme der Benutzung der Marke nach den Regeln über den Benutzungszwang bis zum Ablauf der fünfjährigen Benutzungsfrist. Die Annahme, ein Markenrecht ohne Marktbeziehung sei schutzunwürdig und der Anmelder bösgläubig im Sinne des Nichtigkeitsgrundes nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 MarkenG, ist fiktiv, nicht praktikabel und gefährdet die Rechtssicherheit hinsichtlich des Bestands von Markenrechten. 2. Rechtspolitik Auch rechtspolitisch ist die Forderung nach Wiedereinführung der Akzessorietät der Marke bei der Entstehung des Markenschutzes 14 schon aus Sicht der internationalen Rechtsentwicklung nicht sachgerecht. Der freie Rechtserwerb einer Marke ist vielmehr im Interesse eines Angebots an Marken integrierenden Marketingstrategien geboten. Der Markenhandel etwa von Merchandisingunternehmen entspricht vielmehr einem dem internationalen Wirtschaftsverkehr angemessenen Markenrecht sowie dem Verständnis der Marke als einem selbständigen Vermögenswert, von dem das MarkenG ausgeht.
13 So Füllkrug, G R U R 1994, 679, 688; ders., WRP 1995, 378, 380; ähnlich 1995, 366. u So Tilmann, Z H R 158 (1994), 371, 388.
Meister, WRP
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IV. Mißbrauchstatbestände Die von interessierten Kreisen vorgetragene Befürchtung, der freie Rechtserwerb und die freie Rechtsübertragung der Marke seien Ursachen für Mißstände im Markenwesen, findet im internationalen Markenverkehr, soweit in ausländischen Markenrechtsordnungen das Prinzip der Akzessorietät der Marke nicht gilt, keine Bestätigung 15 . Im übrigen wird nach Ablauf der fünfjährigen Benutzungsfrist die Akzessorietät der Marke im Hinblick auf den Rechtsbestand der Marke insoweit hergestellt, als der Markenschutz auf den rechts erhaltend benutzten Schutzbereich der Marke beschränkt wird. In Fallgestaltungen eines Mißbrauchs des freien Rechtserwerbs und der freien Rechtsübertragung (Mißbrauchstatbestände) bestehen im übrigen Schutzrechtsgrenzen nach den allgemeinen Vorschriften. Der Rechtserwerb einer Marke kann nach § 1 UWG wettbewerbswidrig sein, wenn der Tatbestand einer unzulässigen Behinderung eines Mitbewerbers verwirklicht ist. Auch kann die Benutzung einer Marke nach einer Rechtsübertragung nach § 3 UWG irreführend sein. V. Die rechtliche Konnexität zwischen Marke und Unternehmen 1. Konnexität
ohne
Akzessorietät
Auch wenn das Markenrecht grundsätzlich nicht akzessorisch ist, so besteht dennoch eine gewisse Akzessorietät zwischen einer Marke und einem Unternehmen. Bei der Rechtsentstehung muß sich der Benutzungswille des Rechtsinhabers der angemeldeten oder eingetragenen Marke auf die Benutzung der Marke als eines Unterscheidungszeichens für Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens beziehen. Hinsichtlich des Rechtsbestands der Marke besteht eine Akzessorietät insoweit, als die Marke als ein Unterscheidungszeichen nur für Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens rechtserhaltend benutzt werden kann. Auch beim Rechtsübergang der Marke bleibt eine gewisse Akzessorietät aufrechterhalten, da bei einer Übertragung oder einem Ubergang des Geschäftsbetriebs der Rechtsübergang der Marke vermutet wird (§ 27 Abs. 2 MarkenG). Diese nach dem MarkenG bestehende, rechtliche Beziehung einer Marke als eines Unterscheidungszeichens zu einem Unternehmen wird als rechtliche Konnexität bezeichnet, die zwischen einer Marke und einem Unternehmen besteht.
15
Begründung zum ErstrG, BT-Drucks. 12/1399 vom 30. Oktober 1991, S. 69.
Nichtakzessorietät der Marke und ihre rechtliche Konnexität
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2. Unternehmen eines anderen als des Markeninhabers a) Keine Identität von Markeninhaber und
Unternehmensinhaber
In der Regel wird der Markeninhaber die Marke zur Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen seines Unternehmens von Produkten eines anderen Unternehmens benutzen. Da wegen der Nichtakzessorietät der Marke der Markeninhaber keines eigenen Unternehmens bedarf und die Benutzung der Marke mit Zustimmung des Markeninhabers dem Markeninhaber als rechtserhaltend zugerechnet wird (§ 26 Abs. 2 MarkenG), ist nicht erforderlich, daß das Unternehmen, dessen Produkte die Marke kennzeichnet, ein eigenes Unternehmen des Markeninhabers ist. Der Markeninhaber kann die Marke zur Kennzeichnung der Produkte eines anderen Unternehmens verwenden. Ausreichend für die rechtliche Konnexität zwischen Marke und Unternehmen ist, wenn die Marke zur Unterscheidung von Produkten eines Unternehmens benutzt wird. Das MarkenG verlangt keine Identität von Markeninhaber und Unternehmensinhaber. Damit ist eine weitreichende Änderung der Rechtsprechung zum WZG verbunden. Nach der Rechtslage im WZG bedurfte der Rechtsinhaber eines Warenzeichens eines eigenen Geschäftsbetriebs. Eine Ausnahme vom Erfordernis des eigenen Geschäftsbetriebs machte allein die Verbandsmarke (§17 WZG). Die Rechtsprechung verlangte, daß der Geschäftsbetrieb dem Rechtsinhaber des Warenzeichens gehörte, auch wenn er nicht Eigentümer des Geschäftsvermögens, insbesondere der Betriebsmittel und der Produktionsanlagen zu sein brauchte16; ferner, daß der Geschäftsbetrieb im eigenen Namen des Rechtsinhabers geführt wurde17, auch wenn der Geschäftsbetrieb nicht für Rechnung des Rechtsinhabers geführt zu werden brauchte. Nach der Rechtslage im WZG genügte es nicht, wenn der Rechtsinhaber Waren oder Dienstleistungen von einem anderen Unternehmen für sich herstellen, vertreiben oder erbringen ließ. Der Geschäftsbetrieb eines anderen wurde dem Rechtsinhaber selbst dann nicht zugerechnet, wenn engste finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Zusammenhänge, wie etwa zwischen Konzernunternehmen bestanden18. Diese Rechtssätze gelten nach dem MarkenG nicht mehr. Der Rechtsinhaber kann die Marke als Unterscheidungszeichen für Produkte eines fremden Unternehmens benutzen.
16
BGH GRUR 1963, 473, 476 - Filmfabrik Köpenick. " BGH GRUR 1965, 86, 88 - Schwarzer Kater, RGZ 146, 325, 331 -Trateiii-, 114, 276, 278 - Axa. " BGH GRUR 1965, 86, 88 - Schwarzer Kater.
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Karl-Heinz Fezer
b) Aufnahme der unternehmerischen
Betätigung
Da die Entstehung des Markenrechts nicht akzessorisch ist, muß bei der Anmeldung und Eintragung der Marke ein Unternehmen nicht bestehen. Insoweit hat sich die Rechtslage nach dem MarkenG gegenüber dem WZG, das einen Geschäftsbetrieb grundsätzlich bereits bei der Anmeldung und Eintragung des Warenzeichens verlangte, nachhaltig geändert. Auf die großzügige Rechtsprechung zum WZG, nach der die Eintragung des angemeldeten Warenzeichens schon vor der Eröffnung des Geschäftsbetriebs zulässig war, wenn nur die Eröffnung wirklich beabsichtigt war und der Geschäftsbetrieb in angemessener Zeit eröffnet wurde, kommt es nicht mehr an19. Nach dem MarkenG ist die Existenz eines Unternehmens vornehmlich für den Rechtsbestand der Marke erheblich. Die rechtliche Konnexität zwischen Marke und Unternehmen besteht insoweit, als die Marke zur Unterscheidung von Produkten eines Unternehmens zu benutzen ist. Die Benutzung der Marke als Unterscheidungszeichen ist der späteste Zeitpunkt für die Aufnahme der unternehmerischen Betätigung, mit der die Existenz eines Unternehmens gegeben ist. c) Beendigung der unternehmerischen
Betätigung
Wegen der Nichtakzessorietät der Marke ist die Aufgabe des Unternehmens nach dem MarkenG kein Löschungsgrund mehr. Insoweit hat sich die Rechtslage nach dem MarkenG gegenüber dem WZG, nach dem bei einer endgültigen Einstellung des Geschäftsbetriebs das akzessorische Warenzeichenrecht erlosch (§11 Abs. 1 Nr. 2 WZG), nachhaltig geändert20. Die Beendigung der unternehmerischen Betätigung wirkt sich auf den Rechtsbestand des Markenrechts grundsätzlich nicht aus. Soweit die Marke nicht mehr als Unterscheidungszeichen für Produkte eines Unternehmens verwendet wird, greifen die Rechtssätze zum Benutzungszwang der Marke (§ 26) ein. 3. Merchandising von Marken In der Regel wird der Markeninhaber die Marke zur Kennzeichnung seiner Waren oder Dienstleistungen des eigenen Unternehmens verwenden. Aus der Nichtakzessorietät der Marke folgt aber, daß der Markeninhaber keines eigenen Unternehmens bedarf, dessen Produkte er mit der Marke kennzeichnet. Der Markeninhaber kann die Marke auch zur " Nachweise bei Baumbach/Hefermehl, Warenzeichenrecht, 12. Aufl., 1985, § 1 WZG, Rdn. 17. 20 Nachweise der Rechtsprechung bei Baumbach/Hefermehl, Warenzeichenrecht, 12. Aufl., 1985, § 1 WZG, Rdn. 18.
Nichtakzessorietät der Marke und ihre rechtliche Konnexität
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Unterscheidung von Waren oder Dienstleistungen eines fremden Unternehmens von den Produkten eines anderen Unternehmens benutzen. Ein Markeninhaber kann die Marke als Vermögensgegenstand seines Unternehmens dadurch verwerten, daß die Marke als Unterscheidungszeichen für Produkte eines anderen Unternehmens dient. Der Markeninhaber kann auch ein Unternehmen sein, dessen Zweck auf die Verwertung einer Marke durch ein anderes Unternehmen gerichtet ist. Die Markenverwertung kann auch durch mehrere Unternehmen innerhalb der wettbewerbsrechtlichen Grenzen erfolgen. Eine solche Markenverwertungsgesellschaft kann etwa eine Werbeagentur sein, die Marken als Teil ganzheitlicher Marketingkonzeptionen internationalen Produktions- und Distributionsunternehmen anbietet (Merchandisingunternehmen). Rechtlich zulässig ist sogar, zum Zwecke der Verwertung einer bestimmten Marke, etwa dem bekannten Namen eines Künstlers, ein eigenes Unternehmen zu gründen, das die Marke durch dritte Unternehmen vermarktet („Die Marke als Unternehmen"). Insoweit hat sich die Rechtslage nach dem MarkenG gegenüber dem W Z G nachhaltig verändert. Nach § 1 Abs. 1 W Z G mußte sich der Rechtsinhaber des Warenzeichens zur Unterscheidung seiner Waren von den Waren anderer bedienen. Die Umschreibung der Marke als Unterscheidungszeichen in § 3 Abs. 1 MarkenG enthält folgerichtig das Possessivpronomen „seiner" hinsichtlich der Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens nicht mehr. Auch die Anmeldung zur Eintragung einer Marke muß nach § 32 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG nur ein Verzeichnis der Waren oder Dienstleistungen, für die die Eintragung beantragt wird, enthalten, ohne daß es einer Beziehung zu einem Unternehmen des Anmelders bedarf. Nach W Z G war der Anmelder in der Wahl der Waren und Dienstleistungen, für die er Schutz begehrte, beschränkt. Es mußte ein innerer Zusammenhang zwischen dem Waren- und Dienstleistungsverzeichnis und dem Geschäftsbetrieb des Anmelders bestehen. Der Geschäftsbetrieb mußte das Warenzeichen decken. Die vom Anmelder im Verzeichnis angegebenen Waren und Dienstleistungen mußten Gegenstand des Geschäftsverkehrs seines Geschäftsbetriebs sein oder üblicherweise in einem Geschäftsbetrieb der angegebenen Art hergestellt, vertrieben oder erbracht werden. Ein Warenzeichen konnte nicht für betriebsfremde Waren oder Dienstleistungen angemeldet werden. Nach dem MarkenG können die Waren oder Dienstleistungen, zu deren Unterscheidung von Produkten eines anderen Unternehmens die Marke benutzt wird, eigene oder fremde Produkte sein.
Doppelte Rechtshängigkeit in U S A und Deutschland Ein bemerkenswertes Urteil des U N I T E D STATES C O U R T O F A P P E A L S FOR THE ELEVENTH CIRCUIT
ULRICH FRITZE
I. Uber die Auswirkungen eines im Ausland anhängigen Verfahrens auf ein inländisches mit identischem oder quasi identischem Streitgegenstand gibt es in den unterschiedlichen Rechtsgebieten dieser Welt verschiedene Auffassungen, wie Geimerx sie aufzeigt. Danach werde in Italien wie in vielen anderen romanischen Prozeßordnungen eine ausländische Rechtshängigkeit nicht berücksichtigt. Im Gegensatz dazu beachte man im deutschen, österreichischen und schweizerischen Recht und seit einigen Jahren auch in Frankreich grundsätzlich die ausländische Rechtshängigkeit. Man huldige dem universalistischen Ideal einer die nationalen Grenzen transzendierenden Rechtspflege und wolle damit einen Beitrag leisten zu einer (einigermaßen) geordneten Rechtspflege im internationalen Bereich2. Zwischen diesen beiden Systemen stehe das Common-law. Dieses akzeptiere zwar grundsätzlich die doppelte Rechtshängigkeit, versuche sie aber im Einzelfall mit injunctions nach forum non conveniens-Regeln einzuschränken 3 . Die deutsche Literatur zu der Problematik im Verhältnis zwischen Deutschland und den U S A ist spärlich. Zu der Möglichkeit einstweiliger Verfügungen (temporary injunctions), durch die verboten werden soll, einen Rechtsstreit im Ausland zu führen oder bestimmte Prozeßhandlungen dort vorzunehmen, hat sich Kurth in den Schriften zum internationalen Recht4 geäußert. Schütze5 verweist nur ganz allgemein darauf, daß die ausländische Rechtshängigkeit in den U S A nur in Ausnahmefällen zu berücksichtigen sei. Ausführlicher widmet sich Habscheid der 1 2 3 4
Geitner, Internationales Zivilprozeßrechtshandbuch, 1993 Rdn. 2685-87. Gelmer, aaO, Rdn. 2685. Gelmer, aaO, Rdn. 2687 m. w. N . Kurth, Band 44, Inländischer Rechtsschutz gegen Verfahren vor ausländischen
richten, 1989, zur Rechtslage in den U S A 36 ff, 58, 59. 5 Z Z P 104 (1991), S. 142.
Ge-
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Problematik in der Festschrift Zweigert6. Er kommt zu dem Ergebnis, daß das US-amerikanische Recht keine allgemein gültige Regelung für die Anerkennung der ausländischen Rechtshängigkeit kennt. Man könne sagen, daß das US-amerikanische Recht in der Berücksichtigung der ausländischen Rechtshängigkeit sehr zurückhaltend ist und, seiner Natur gemäß, auch insoweit von Fall zu Fall entscheidet. Zweigert habe dies generell so ausgedrückt: „Die Interpretation auf dem Kontinent ermittelt, was die N o r m - auch für unvorhergesehene moderne Probleme - wohl bestimmen wollte, die rechtswissenschaftliche Aussage in England und Amerika ist eine Prophezeiung, was der Richter wohl aufgrund der Präjudizien in diesem Fall tun wird" 7 . Krause-Ablass und Bastuck versuchen in einer ausführlichen Abhandlung anhand von Beispielen und Entscheidungen amerikanischer Gerichte aufzuzeigen, welche Auswirkungen die ausländische Rechtshängigkeit haben könnte 8 . A m Ende ihrer Untersuchung ziehen sie praktische Schlußfolgerungen 9 . Im Gegensatz zu Fällen deliktischer Haftung sehen sie für vertragliche Streitigkeiten durchaus gewisse Aussichten, daß eine Klage vor einem zuständigen deutschen Gericht zu einer Aussetzung des Verfahrens vor dem USGericht führt. Voraussetzung dafür sei insbesondere, daß Streitgegenstand und Parteien weitgehend identisch sind, der Prozeßstoff soweit wie möglich aufgerollt wird und das Verfahren zügig vorangetrieben wird. Das Urteil des Court of Appeals for the eleventh circuit, über das hier zu berichten ist, betrifft einen solchen Sachverhalt. Das Gericht hat in überzeugender Weise aufgezeigt, wann und unter welchen Umständen es gerechtfertigt ist, aufgrund einer vor einem deutschen Gericht anhängigen Klage die konträre Klage über den gleichen Streitgegenstand vor dem US-Gericht auszusetzen und - was noch mehr hervorzuheben ist die von diesem erlassene einstweilige Verfügung auf Unterlassung aufzuheben. Die Bedeutung dieses Urteils kann nicht überschätzt werden. II. Es handelt sich um das Urteil vom 29. Juni 1994 - 93-9181 -, durch das der United States Court of Appeals for the eleventh circuit in einem Rechtsstreit zwischen einer amerikanischen Lizenzgeberin (Kläger) und deutschen Lizenznehmern (Beklagte) wegen der Rechtshängigkeit einer Klage umgekehrten Rubrums vor dem zuständigen deutschen Gericht 1981, 109 ff. A a O , 124. 8 Festschrift für Stiefel, 1987, 445 ff. ' A a O , 469 f. 6
7
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auf die Berufung der Lizenznehmer eine vom ebenfalls zuständigen District Court in Atlanta erlassene einstweilige Verfügung aufgehoben und das Verfahren über die Hauptklage ausgesetzt hat. Den Streitigkeiten zwischen den Parteien liegt ein Lizenzvertrag über zahlreiche amerikanische Filme zugrunde, den die Rechtsvorgängerin des jetzigen Lizenzgebers mit deutschen Lizenznehmern vor etwa 10 Jahren geschlossen hatte. Darin war diesen unter anderem gestattet worden, die lizenzierten Werke zum Empfang innerhalb des lizenzierten Gebietes im Fernsehen auszustrahlen, und zwar „mit allen Mitteln und Methoden, die jetzt oder später bekannt sind, einschließlich jedoch nicht beschränkt auf DBS (direkt abstrahlende Satelliten) und/oder Kommunikationssatelliten für Zwecke des sog. „Fernsehheimempfangs", solange die Werke in deutscher Sprache gesendet werden. Das lizenzierte Gebiet umfaßte praktisch den gesamten deutschsprachigen Raum in Europa. Als die Lizenznehmer beabsichtigten, ihr Programm und damit auch die lizenzierten Filme über den ASTRA-Satelliten auszustrahlen, erhob der Lizenzgeber Einwendungen dagegen, da diese Sendungen auch außerhalb des deutschen Sprachgebietes und nach seiner Auffassung auch eines im Vertrag vorgesehenen Uberstrahlungsbereichs (legitimate overspill) empfangen werden könnten, was nach dem Vertrag nicht zulässig sei. Die Lizenznehmer vertraten die gegenteilige Auffassung und hielten sich für berechtigt, die Filme über ASTRA auszustrahlen. Zu einer Einigung kam es nicht. Im Lizenzvertrag war vereinbart, daß Klagen aus dem Lizenzverhältnis sowohl am Gerichtsstand des Lizenzgebers als auch dem der Lizenznehmer erhoben werden könnten. Das anzuwendende Recht sollte sich nach dem Ort des angerufenen Gerichts richten. Die Lizenznehmer erhoben, nachdem eine Einigung nicht zu erreichen war, vor dem Landgericht Frankfurt Klage auf Feststellung, daß sie aufgrund des Lizenzvertrages berechtigt sind, die lizenzierten Filme über ASTRA auszustrahlen. Hilfsweise beantragten sie, ihnen aufgrund des Lizenzvertrages die Ausstrahlung zu gestatten, ganz hilfsweise gegen Zahlung einer zusätzlichen Lizenzgebühr. Wenige Tage danach beantragte der Lizenzgeber vor dem für ihn zuständigen Gericht des Staates Georgia, den Lizenznehmern durch einstweilige Verfügung die Ausstrahlung der lizenzierten Filme über den ASTRA-Satelliten zu untersagen, und erhob gleichzeitig Klage zur Hauptsache. Vor der Zustellung dieses Antrages und der Klage an die Lizenznehmer war bereits deren Klage dem Lizenzgeber zugestellt worden. Im Verfahren vor dem District Court in Atlanta, dem zuständigen Bundesgericht, an das das Verfahren alsbald verwiesen worden war,
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wurde am 29. 6. 1993 über den Antrag auf Erlaß der einstweiligen Verfügung und den Antrag der Lizenznehmer auf Aussetzung des Verfahrens zur Hauptklage verhandelt. Am 10. September 1993 erließ das Districi Gericht die beantragte einstweilige Verfügung auf Unterlassung. Auf Antrag der Beklagten stellte es die Vollziehung der Verfügung am 29. 9. 1993 gegen Sicherheitsleistung vorläufig bis zum 28. 10. 1993 ein. Die Lizenznehmer legten gegen die Entscheidung des District Gerichts beim Court of Appeals Berufung ein. Sie beantragten, die einstweilige Verfügung aufzuheben und die amerikanische Klage abzuweisen, hilfsweise das Verfahren darüber auszusetzen. Das Berufungsgericht setzte am 19. 10. 1993 die Vollziehung der einstweiligen Verfügung bis zu seiner Entscheidung aus. Im deutschen Verfahren wurde am 19. 10. 1993 mündlich verhandelt. Am 25. November 1993 verkündete das Landgericht sein Urteil. Es wies die Feststellungsklage und den Haupthilfsantrag ab, verurteilte jedoch den Lizenzgeber, den Lizenznehmern gegen eine angemessene zusätzliche Vergütung das Recht auf Ausstrahlung der lizenzierten Filme über den ASTRA-Satelliten zu gewähren. Gegen dieses Urteil legten beide Parteien Berufung ein. Uber diese ist noch nicht entschieden. III. Die Erwägungen des Court of Appeals, ob die Klage abzuweisen oder abzusetzen sei: Internationale Enthaltung (International Abstention) Der Court of Appeals stellt zunächst heraus, daß in der Zeit, nachdem der District Court es abgelehnt hatte, die Klage abzuweisen oder auszusetzen, das deutsche Gericht eine Sachentscheidung in dem Rechtsstreit gefällt hat, ohne allerdings die zusätzlich zu zahlende Lizenzgebühr bereits festzulegen. Dies veranlasse erneute Überlegungen, ob der amerikanische Rechtsstreit fortgesetzt werden solle. Die Frage sei, ob ein (amerikanisches) Bundesgericht mit ordnungsgemäßer Zuständigkeit für seine Klage seine Rechtsprechung ausüben sollte, wenn ein Parallelverfahren in einem ausländischen Staat anhängig und dort bereits ein Urteil in der Sache ergangen ist. Diese Frage sei eine solche des Bundesrechts10. Der Court of Appeals hebt hervor, daß Bundesgerichte eine „praktisch uneingeschränkte Verpflichtung" zur Ausübung der ihnen zukommenden Zuständigkeit hätten". Dessen ungeachtet bestehe in gewissen privaten internationalen Streitigkeiten für das Bundesgericht die kluge Ingersoll Milling Machine Co ./. Granger, 833 F. 2d 680, 685 n. 1. (7th Cir. 1987). " Colorado River Water Corner. Dist. ./. United States, 424 U. S. 800, 817, 96 S. Ct. 1236, 1246 (1970). 10
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und gerechte Vorgehensweise darin, sich der Ausübung der Rechtsprechung zu enthalten. Deshalb hätten Bundesgerichte damit begonnen, Prinzipien auszubilden, welche die Handlungen des Gerichts in Fällen konkurrierender Zuständigkeit eines Bundesgerichts und eines Gerichts eines fremden Staates leiten. Der eleventh circuit habe sich noch niemals mit der Frage „internationaler Zurückhaltung (international abstention)" beschäftigt. Andere Bundesgerichte hätten jedoch mindestens zwei unterschiedliche, aber doch ähnliche Vorgehensweisen zu diesem Thema entwickelt und Kriterien zur Fallrechtsanalyse bei konkurrierender Rechtsprechung zwischen Bundesgerichten und Gerichten von Einzelstaaten aufgestellt. Unter Anführung einer Reihe von Entscheidungen zu diesem Problem faßt der Court of Appeals die zu beachtenden Prinzipien wie folgt zusammen: 1. ein angemessenes Niveau des Respekts für die Handlungen uns vertrauter souveräner Nationen - ein eher vages Konzept, das in der amerikanischen Rechtsprechung als „international comity (internationales Entgegenkommen)" bezeichnet werde, 2. Fairneß gegenüber den streitenden Parteien, 3. Effiziente Nutzung knapper richterlicher Ressourcen 12 . 1. International Comity (Internationales
Entgegenkommen)
Die Verzweigungen des internationalen Entgegenkommens im Zusammenhang mit der (eigenen) Zurückhaltung, so heißt es in dem Urteil des Court of Appeals, seien aufgezeigt in dem führenden Fall des Supreme Court der Vereinigten Staaten von Amerika, nämlich Hilton ./. Guyot13. Daraus zitiert er wie folgt: „ C o m i t y " in rein rechtlichem Sinne ist weder eine Angelegenheit absoluter Verpflichtung einerseits, noch andererseits bloße Höflichkeit und guter Wille. Es ist vielmehr die Anerkennung, die die eine Nation innerhalb ihres eigenen Hoheitsgebietes den legislativen, exekutiven oder richterlichen Handlungen einer anderen Nation zukommen läßt, und zwar unter gebührender Berücksichtigung sowohl der internationalen Pflicht und Angemessenheit wie auch der Rechte der eigenen Bürger oder derjenigen anderer Personen, die unter ihrem Rechtsschutz stehen.
12 In einer Fußnote ergänzt der C o u r t of Appeals dies dahin, daß einige Gerichte noch die allgemeine Regel hinzugefügt hätten, wonach Bundesgerichte bei Parallelverfahren die eigene Zuständigkeit übernähmen, bis in einem der beiden Gerichte ein Urteil ergehe. E r verweist dafür auf Laker-Airways, 731 F. 2d at 9 2 6 - 2 7 unter Zitierung von Princess Lida of Thum & Taxis./. Thompson, 305 U . S. 456, 466, 59 S. Ct. 275, 2 8 0 (1939) (betreffend konkurrierende Jurisdiktion in Bundes- und Staatsgerichten). 15
159 U . S . 1 1 3 , 1 6 S. C t . 1 3 9 ( 1 9 8 5 ) .
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Der solchermaßen anderen Nationen entgegengebrachte Respekt... ist die freiwillige Handlung der Nation, von der er ausgeht, und ist unzulässig, wenn er dem eigenen ordre public zuwiderläuft oder sich als nachteilig für die eigenen Interessen erweist. Aber er leistet in dieser Form doch einen derart großen Beitrag zur Förderung der Gerechtigkeit zwischen Einzelpersonen und schafft einen freundlichen Umgang zwischen den souveränen Staatsgebilden, denen sie angehören, daß Gerichte fortgesetzt in seinem Sinne als Teil des zwischen den Nationen bestehenden freiwilligen Rechtes gehandelt haben. 159 U. S. unter 163-64, 165, S. Ct. unter 143-44 (unter Zitierung von Bank ./. Earle, 38 U. S. (13 Pet.) 519, 589 (1839).
Das oberste Bundesgericht fährt dann fort: Wenn von einem Bürger eines fremden Landes eine Klage gegen einen unserer Bürger bei einem Gericht dieses Landes vorgebracht wird, ... und das ausländische Urteil allem Anschein nach von einem qualifizierten Gericht mit Zuständigkeit in der Sache und für die Parteien, und nach ordnungsgemäßem Parteivorbringen und Beweisen sowie nach der Gelegenheit, sich dagegen zu verteidigen, gefällt wurde, und das betreffende Verfahren dem Ablauf zivilisierter Rechtsprechung entspricht und es in klarer und offizieller Niederschrift ergangen ist, dann ist solches Urteil mindestens als ein glaubhafter Beweis des ersten Anscheins zu würdigen, daß die beurteilte Sache der Wahrheit entspricht, und daß das Urteil, das in der Sache in einem ausländischen Gericht erging, als schlüssig angesehen werden sollte, sofern nicht ein besonderer Grund für die Anfechtung seiner Gültigkeit aufgezeigt wird, wie beispielsweise durch den Nachweis, daß es durch arglistige Täuschung oder Voreingenommenheit beeinträchtigt wurde, oder daß ihm nach den Grundsätzen internationalen Rechts und nach der Rücksichtnahme auf unser eigenes Land keine volle Anerkennung und Wirkung zuteil werden sollte. 159 U. S. unter 205-06, 16 S. Ct. unter 159-60.
Der Court of Appeals verweist darauf, daß im Zusammenhang mit dem Fallrecht auf dem Gebiet der internationalen Zurückhaltung (international abstention) die Bedeutung des Begriffes der international comity von dem zitierten Urteil des Obersten Bundesgerichts (Supreme Court) zur Anerkennung eines von einem ausländischen Staat erlassenen Urteils abgeleitet werde. Obwohl die Berufung kein Anerkennungsbegehren enthalte, könnten die gleichen Prinzipien auch hier angewendet werden, da im Parallelverfahren bereits ein Urteil ergangen sei. Alsdann merkt das Gericht in einer weiteren Fußnote an, daß die Literatur auf diesem Gebiet eher dürftig und unbestimmt sei. Ein Kommentator habe in diesem Zusammenhang darauf verwiesen, daß „Comity" an verschiedenen Stellen als „die Basis internationalen Rechts, eine Regel internationalen Rechts", als Synonym für internationales Privatrecht, eine Regel der Auswahl von Gesetz, Rücksichtnahme, Höflichkeit, Angemessenheit oder guten Willens zwischen souveränen Staatsgebilden, eine moralische Notwendigkeit, Zweckmäßigkeit, Nachvollziehbarkeit oder „Berücksichtigung hoher internationaler Politik, die sich befaßt mit dem Unterhalt freundschaftlicher und praktisch brauchbarer Beziehungen zwischen den Nationen" verstanden werde. Obwohl International Comity ein eher nebelhaftes Bündel von Prinzipien darstelle,
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das immer dann zur Anwendung kommen könne, wenn die Entscheidung eines Gerichts in ihren Konsequenzen über die eigenen Hoheitsgrenzen hinaus- und in das Hoheitsgebiet einer anderen Nation hineinreiche, werde der Gebrauch dieses Begriffes erläutert und bestimmt durch das Fallrecht der internationalen Zurückhaltung. Dann faßt der Court of Appeals zusammen, daß zu den allgemeinen Gesichtspunkten bei der Anwendung des Comity-Prinzips insbesondere gehören: a) ob das Urteil mit Hilfe arglistiger Täuschung erging, siehe HiltonH, b) ob das Urteil von einem zuständigen Gericht gefällt wurde unter Einsatz eines Verfahrens, welches einer zivilisierten Jurisprudenz entspricht, siehe ebenda, und c) ob das ausländische Urteil voreingenommen in dem Sinne ist, daß es den amerikanischen ordre public (public policy) dadurch verletzt, daß es den fundamentalen Prinzipien dessen, was anständig und gerecht ist, zuwiderläuft15. Diese Prinzipien diskutiert der Court of Appeals im folgenden. Er hält fest, daß das Rechtssystem Deutschlands ganz eindeutig Verfahrensweisen befolge, die sicherstellen, daß die streitenden Parteien so behandelt werden, daß amerikanischen Begriffen ordentlicher Prozeßführung entsprochen wird. Dies habe der Kläger auch nicht in Frage gestellt. Sein Argument, daß die Entscheidung des deutschen Gerichts den öffentlichen Grundsätzen des Bundes und des Staates Georgia widerspreche, weil sie seine Vertragsfreiheit außer Kraft setze, sei nicht begründet. Das Recht des Staates Georgia wie auch das allgemeine Vertragsrecht sehe das „Ausfüllen einer Lücke" ähnlich der von dem deutschen Gericht angewandten Methode der „ergänzenden Auslegung" vor. Das Gericht weist die Argumentation zurück, das deutsche Gericht habe im Wege der ergänzenden Auslegung die Lücke in dem Vertrag nicht im Einklang mit seiner Auffassung von gutgläubigen Verhandlungen seitens der Parteien hinsichtlich unvorhergesehener Eventualitäten ausgefüllt. Seine Lückenfüllung sei unter den gegebenen Umständen sowohl mit dem Vertragsrecht des Bundesstaates Georgia wie mit dem allgemeinen Vertragsrecht vereinbar. Die deutsche Entscheidung stelle danach keine Verletzung der Rechtsgrundsätze von Georgia oder der fundamentalen Auffassungen von Anstand und Fairneß dar. Es ist interessant daraus zu sehen, daß die aus Treu und Glauben hergeleiteten 159 U. S. unter 206, 16 S. Ct. unter 159. Unter Hinweis auf: Tahan ./. Hodgson, 662 F. 2d 862, 864 (D. C. Cir. 1981); zweite Neudarstellung des Themas Internationales Privatrecht § 117, Anmerkung C. 14
15
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Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung durch Füllung vorhandener Lücken im amerikanischen wie im deutschen Recht in ähnlicher Weise angewendet werden. Alsdann kommt der Court of Appeals darauf zu sprechen, daß bei den Überlegungen zum Begriff des zwischenstaatlichen Entgegenkommens die relativen Stärken der amerikanischen und deutschen Interessen ebenfalls relevant seien16. Obwohl der Vertrag in englischer Sprache geschrieben, ein Amerikaner Vertragspartei sei und der Vertrag auch die Wahl des amerikanischen Gerichts und Rechts vorsehe, hält der Court of Appeals das deutsche Interesse für deutlich überwiegend. Der Vertrag erfordere seinen Vollzug zum größten Teil in Deutschland, die meisten Zeugen und Sachverständigen seien Europäer. Sicher stehe bei diesem Rechtsstreit für beide Parteien auch viel auf dem Spiel. Aber das öffentliche Interesse an dem Rechtsstreit sei eindeutiger erkennbar in Deutschland, weil die deutschen Parteien auch die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten einschließen und die wesentlichen Fragen von großer Tragweite für den Stand des Fernsehens in Deutschland und im Rest Europas seien. Es gäbe kein damit vergleichbares Interesse der USA, die Rechtsprechung in diesem Rechtsstreit an sich zu ziehen. Obwohl das Bundesgericht bei Innehaben der ausschließlichen Zuständigkeit in dieser Sache ohne Zweifel in der Lage wäre, eine gerechte Entscheidung zu treffen, erscheine doch das deutsche Gericht als der einfühlsamste Gerichtsstand, um in diesem Fall zu einem gerechten Ergebnis zu kommen. Abschließend heißt es dann zu diesem Punkt in dem Urteil: „Während Gerichte regelmäßig parallele Verfahren in einem amerikanischen Gericht und einem solchen eines anderen Landes zulassen, siebe z. B. Black & Decker Corp. ./. Sanyei America Corp., 650 F. Supp. 406, 408 (N. D. III. 1986), so gilt doch, daß, wenn in der Sache in einem der Verfahren ein Urteil ergangen ist, wie in diesem Fäll in dem deutschen Forum, die Nichtanerkennung dieses Urteils schwerwiegende Auswirkungen für die Belange des Grundsatzes des internationalen Entgegenkommens hätte. Beispielsweise würde die Möglichkeit „sich duellierender Gerichte", einander widersprechender Urteile sowie von Versuchen, solche Urteile dann auch zu vollstrecken, wesentliche Bedenken hinsichtlich der Konventionen zwischenstaatlichen Entgegenkommens (international comity) nach sich ziehen. Zusammengefaßt sprechen in dem vorliegenden Fall die Belange zwischenstaatlichen Entgegenkommens für die Respektierung des deutschen Verfahrens."
2. Faires Verhaken gegenüber den streitenden
Parteien.
Was das Ziel der Fairneß angeht, gehören nach Auffassung des Gerichts zu den relevanten Erwägungen folgende Punkte: 16
Unter Hinweis auf Ingersoll
833 F. 2d unter 685; Ronar, 649 F. Supp. unter 318.
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a) die Reihenfolge, in welcher die Klagen eingereicht wurden 17 , b) der passendere Gerichtsstand (the more convenient forum) 18 , c) die Möglichkeit eines Nachteils für die Parteien infolge der (gerichtlichen) Enthaltung 19 . a) Zu a) hält der Court of Appeals unter Hinweis auf die Rechtsprechung fest, daß keiner der Fälle konkurrierender internationaler Rechtsprechung eine Priorität allein aufgrund der Tatsache der ersten Einreichung in einem Falle verleihe, wo die Klagen in so kurzem Abstand eingereicht wurden, sondern dort dazwischen 6 oder gar 12 Monate vergangen seien. Selbst wenn man aber einem Vorsprung von einer Woche Bedeutung beimessen wollte, würde dies natürlich zugunsten des deutschen Gerichtsstandes sprechen; die übrigen Faktoren wiesen sogar noch nachhaltiger in diese Richtung. b) Hinsichtlich des Aspektes eines geeigneteren Gerichtsstandes biete das bereits dargelegte gewichtigere deutsche Interesse ein passenderes Forum für den Rechtsstreit, wofür auch spräche, daß die meisten in dem Rechtsstreit anzuhörenden Zeugen und Sachverständigen Europäer sein würden und schließlich der Vertrag seinen Vollzug überwiegend in Deutschland erforderlich mache. c) Letztlich verweist der Court of Appeals darauf, daß vor Ausübung seiner Zuständigkeit oder einem Verzicht darauf ein Bundesgericht sich davon überzeugt haben müsse, daß seine Entscheidung keinen Nachteil für die Partei bringe, die gegen eine Aussetzung sei. Die Möglichkeit für die Parteien zu gewährleisten, ihre Anliegen vollständig und unparteilich vor einem Forum auszutragen, sei natürlich vorrangiges Ziel der Prinzipien internationaler Zurückhaltung. Es müsse immer bedacht werden, daß es die vorrangige Pflicht eines Gerichts, welchem eine Klage vorgetragen werde, sei, dafür zu sorgen, daß die Parteien ein faires und unparteiliches Verfahren hatten, bevor gegen eine der Parteien eine endgültige Entscheidung ergehe20. Er sehe in dem vorliegenden Fall nicht, daß sich in dem deutschen Verfahren etwas ereignet hätte, was andeuten würde, daß eine Aussetzung des Rechtsstreits dem Lizenzgeber irgendeine Möglichkeit rauben würde, zu einem fairen und gerechten Ergebnis zu kommen. Es spreche nichts dagegen, daß er dem deutschen Gericht in der nächsten Stufe des Verfahrens seinen Beweis hinsichtlich des Wertes der ASTRA-Sendungen außerhalb des in § 4 des Lizenzvertrages definierten Gebietes vorlegen könne.
17
Siehe Colorado-River, 424 U. S. unter 818. Wie Fn. 17, siehe auch Ronar, 649 F. Supp. unter 318. " Ronar, unter 318. 20 Siehe Hilton ./. Guyot, 159 U. S. 113, 205, 16 S. Ct. 139, 159 (1985). 18
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Zusammenfassend stellt der Court of Appeals fest, daß auch die Fairneß in diesem Fall den Vorrang des deutschen Verfahrens anzeige. 3. Richterliche Ressourcen (judicial resources).
Zu den Gesichtspunkten, die von den US-Gerichten bei der Prüfung des effizienten Einsatzes knapper richterlicher Ressourcen berücksichtigt wurden, gehören - wie der Court of Appeals unter Zitierung der Entscheidungen aufzählt a) die Unbequemlichkeit (inconvenience) des Bundesgerichtsstandes b) das erstrebenswerte Ziel der Vermeidung von zerstückelten Rechtsstreitigkeiten c) ob die Parteien und Streitpunkte die gleichen sind d) ob der alternative Gerichtsstand in der Lage sein wird, eine zügige Entscheidung zu treffen. Der Court of Appeals führt aus, daß er das Thema der convenience bereits erörtert und auch festgehalten habe, daß die Klagen im wesentlichen die gleichen Parteien und Streitfragen umfassen. Stückweise Rechtsstreitigkeiten seien auch von Bedeutung für die convenience. Wenn beide Verfahren weitergeführt würden, müßten die Terminkalender der Gerichte synchronisiert werden und würde der Rechtsstreit quer über den Atlantik hin und her bewegt werden müssen. Letztlich sähe es auch so aus, daß das deutsche Gericht genauso gut als Gerichtsstand geeignet sei wie das amerikanische, eine zügige Abwicklung zu ermöglichen. Obwohl die Berufung gegen die deutsche Entscheidung nicht vor 1995 verhandelt werde, habe sich der deutsche Rechtsstreit viel weiter entwickelt als der amerikanische Prozeß. In diesem sei das Discovery Verfahren noch nicht durchgeführt, während es in Deutschland bereits zu einer Entscheidung in der Sache gekommen sei. Insgesamt kommt das Gericht zu dem Schluß, daß die Überlegungen hinsichtlich richterlicher Effizienz deutlich für eine Aussetzung oder Abweisung der anhängigen Klage zugunsten des deutschen Verfahrens spräche. 4. Zusammenfassend stellt der Court of Appeals dann fest, daß die relevanten Überlegungen zu internationalem Entgegenkommen, Fairneß und Effizienz zu diesem Zeitpunkt des Rechtsstreits überwältigend auf die Unterordnung unter den deutschen Gerichtsstand hinführen, der in der Sache bereits ein Urteil gesprochen hat. Die angemessene Entscheidung sei aber nicht die Abweisung der Klage in Amerika, sondern die Aussetzung des Verfahrens. Das deutsche Gericht habe immer noch über eine Berufung oder über die Art und Höhe der Gebühren zu entscheiden, die die Lizenznehmer an den
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Lizenzgeber zu zahlen hätten. Nach Abschluß des deutschen Rechtsstreits könne auf Antrag des amerikanischen Lizenzgebers eine Anhörung stattfinden und festgestellt werden, ob die Endresultate irgendwelche der in dem Berufungsurteil angesprochenen Punkte verändert hätten, falls nicht, sollte die Klage des Lizenzgebers abgewiesen werden. Jede der Parteien könne darüber hinaus zu einer angemessenen Zeit eine Klage zur Vollstreckung des ausländischen Urteils anschließen. Die gleichen Überlegungen zeigen nach Auffassung des Court of Appeals auch an, daß es unangemessen wäre, den Beklagten/Berufungsklägern zu verbieten, die lizenzierten Werke auszustrahlen, oder in das im Gang befindliche rechtliche Verfahren in Deutschland einzugreifen. Deshalb sei die einstweilige Verfügung des District Court aufzuheben. Da durch das deutsche Urteil in der Sache nach der Entscheidung des District Court ergangen ist und sich damit die relevanten Umstände wesentlich verändert hätten, erübrige es sich, Überlegungen darüber anzustelle, ob der District Court bei Berücksichtigung der damals bekannten Fakten und der Lage des Rechtsstreits zu jener Zeit die einstweilige Verfügung zu Unrecht erlassen habe. Aus den vorstehenden Gründen hob der Court of Appeals das Urteil des District Court auf und verwies den Fall an dieses mit der Auflage zurück, seine einstweilige Verfügung aufzuheben und den Rechtsstreit auszusetzen. IV. Resümee Das Urteil des Court of Appeals bestätigt die praktischen Schlußfolgerungen von Krause-Ablass und Bastuck21 für eine vertragliche Streitigkeit im wesentlichen. Grundvoraussetzungen für eine Aussetzung des amerikanischen Verfahrens sind danach: Die Klage vor dem deutschen Gericht muß entweder vor oder unmittelbar nach Erhebung und Zustellung der amerikanischen Klage erhoben worden sein, die Zuständigkeit des deutschen Gerichts muß gesichert sein und die Klage ordnungsgemäß nach den einschlägigen internationalen Vorschriften zugestellt worden sein. An dem Verfahren sollten möglichst sämtliche von der Streitigkeit berührten Parteien beteiligt sein. Der Streitstoff sollte soweit wie möglich aufgerollt werden, das Verfahren in jeder Weise gefördert werden. Zusätzlich ist zu bemerken: Eine Klageerhebung vor dem zuständigen deutschen Gericht hat auch dann noch Sinn, wenn die amerikanische Klage bereits zugestellt worden ist. Sie muß dann aber schnellstmöglich erfolgen. 21
Vgl. oben S. 242.
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Trotz der Notwendigkeit einer schnellen Förderung des deutschen Verfahrens müssen die prozessualen Regeln sorgfältig eingehalten werden; insbesondere muß der amerikanische Beklagte ausreichend Zeit haben, auf den Klagevortrag zu erwidern und gegebene Rechtsbehelfe zu ergreifen. Ein faires Verfahren muß unbedingt gewährleistet sein. Aber auch wenn alle diese materiellen Voraussetzungen gegeben sind und ein schnelles erstes Urteil im deutschen Verfahren ergeht, so bedeutet dies noch nicht, daß das amerikanische Gericht einem Antrag auf Aussetzung des bei ihm anhängigen und noch nicht so weit gediehenen Verfahrens ohne weiteres stattgibt. Das Urteil des Court of Appeals zeigt, daß auch die materielle Rechtslage und insbesondere das Ergebnis des erstinstanzlichen Urteils in Deutschland von erheblicher Bedeutung sind. Denn das Urteil des deutschen Gerichts darf nicht den nach amerikanischer Auffassung fundamentalen Prinzipien dessen, was anständig und gerecht ist, zuwiderlaufen22. Dies entspricht im wesentlichen dem § 328 I 4 ZPO, wonach die Anerkennung eines ausländischen Urteils nicht zu einem Ergebnis führen darf, das mit wesentlichen Grundsätzen des deutschen Rechts offensichtlich unvereinbar ist, insbesondere mit den Grundrechten. Allerdings zeigt das Urteil, daß ein Verstoß gegen die Grundsätze des amerikanischen Rechts nicht unbedingt offensichtlich sein muß. Denn der Court of Appeals hat sehr sorgfältig geprüft, ob das deutsche Urteil mit dem Lizenzvertrag und dem Vertragsrecht des Bundesstaates Georgia sowie dem allgemeinen amerikanischen Vertragsrecht vereinbar ist. Er hat festgestellt, daß dies für die Ausfüllung einer Lücke im Wege der ergänzenden Auslegung des Lizenzvertrages zu bejahen ist. Von der Rechtsprechung unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben entwickelte Grundsätze wie die der ergänzenden Auslegung und Lückenfüllung genügen dem sicher in aller Regel. Denn die Auffassungen über das, was anständig und gerecht ist, dürften bei amerikanischen und deutschen Richtern in aller Regel und unter normalen Umständen eng beieinander liegen. Aber es kann auch anders sein. Dies ist beispielsweise nicht auszuschließen bei gesetzlichen Spezialregelungen, für die etwa der amerikanischen Öffentlichkeit das rechte Verständnis fehlt. Insgesamt gesehen läßt das Urteil des Court of Appeals hoffen, daß in Fällen doppelter Rechtshängigkeit die amerikanischen Gerichte bei Vorliegen der aufgezeigten Voraussetzungen in aller Regel zu Entscheidungen kommen, die auch unserem Rechtsempfinden entsprechen.
22
Vgl. oben S. 2 4 7 f.
Die Ermittlung der Verbrauchervorstellungen im Lebensmittelrecht A L F R E D - C A R L GAEDERTZ
Der Verfasser dieses Beitrages fühlt sich Ralf Vieregge besonders verbunden, nicht zuletzt im Hinblick auf seine Bemühungen um notwendige Abänderungen des „Gesetzes zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts" 1973/1974. Ralf Vieregge hat sich stets ganz besonders um das Lebensmittelrecht gekümmert, insbesondere während seiner Tätigkeit als Generalsekretär der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht. Auf ihn geht ganz entscheidend die Eingabe der Deutschen Vereinigung vom 11. 1. 1972 zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts zurück1. Bereits aus der Eingabe der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht zum damaligen „Entwurf eines Gesetzes zur Gesamtreform des Lebensmittelrechts" ergibt sich die Problematik, die man seinerzeit seitens der Deutschen Vereinigung sah und die sich auch in der Zwischenzeit bewahrheitet hat. In der Eingabe2 wird unter der Überschrift „Sanktionen und Verfahren" darüber geklagt, daß - schon damals „kein Gebiet des Wirtschaftsstrafrechtes so viele Strafverfahren wie das Lebensmittelrecht kennt... Augenfällig ist ferner die Fülle juristisch unzureichender oder mangelhafter Urteile. Es herrscht beträchtliche Rechtsunsicherheit; weite Bereiche sind einer effektiven Kontrolle entzogen. Personell unzulänglich besetzte und überlastete Behörden, veraltete und unzweckmäßige Verfahren bewirken, daß das Lebensmittelrecht weithin auf dem Papier steht."
Es ist nun nicht die Auffassung des Verfassers, daß das Lebensmittelrecht weiterhin „auf dem Papier steht". Genau das Gegenteil ist der Fall. Ein Vergleich mit den Erfahrungen in anderen EU-Ländern zeigt, daß in Deutschland alle lebensmittelrechtlichen Vorschriften „übergenau" gehandhabt werden. Ob damit dem Verbraucher wirklich gedient ist, soll hier nicht untersucht werden. Richtig ist jedoch aus der Sicht des Prak1 An den Besprechungen mit den zuständigen Damen und Herren des damaligen Bundesgesundheitsministeriums nahmen für die Deutsche Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht teil: RA Dr. Ralf Vieregge, Prof. Dr. Schricker, RA Jürgen Hoth, RA Dr. Bürgten, der Verfasser. 2 GRUR, 1972, S. 76 bis S. 80.
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Alfred-Carl Gaedertz
tikers, daß in vielen Bereichen des Lebensmittelrechts eine „beträchtliche Rechtsunsicherheit" herrscht, und daß in vielen Fällen die fraglichen Behörden „unzulänglich" besetzt sind. Es ist aber nicht Aufgabe dieses Beitrages, eine großangelegte „Klage" zu Papier zu bringen. Den Verfasser beschäftigt vielmehr ein Phänomen, das durchaus lösbar ist, mit dessen Lösung sich jedoch, soweit bekannt, noch niemand ernsthaft befaßt hat. § 17 des Gesetzes über den Verkehr mit Lebensmitteln, Tabakerzeugnissen, kosmetischen Mitteln und sonstigen Bedarfsgegenständen (Lebensmittel- und BedarfsgegenständeGesetz - L M B G - ) in der Bekanntmachung der Neufassung vom 8 . 7 . 1 9 9 3 (BGBl. I, Seite 1169) und in der Fassung des EWR-Ausführungsgesetzes vom 2 7 . 4 . 1 9 9 3 (BGBl. I, Seite 512) 3 trägt die Überschrift: „Verbote zum Schutz vor Täuschung". In dieser Vorschrift heißt es unter Absatz 1 Ziffer 5: „Lebensmittel unter irreführender Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung gewerbsmäßig in den Verkehr zu bringen oder für Lebensmittel allgemein oder im Einzelfall mit irreführenden Darstellungen oder sonstigen Aussagen zu werben. Eine Irreführung liegt insbesondere dann vor, a) wenn Lebensmitteln Wirkungen beigelegt werden, die ihnen nach den Erkenntnissen der Wissenschaft nicht zukommen oder die wissenschaftlich nicht hinreichend gesichert sind, b) wenn zur Täuschung geeignete Bezeichnungen, Angaben, Aufmachungen, Darstellungen oder sonstige Aussagen über die Herkunft der Lebensmittel, ihre Menge, ihr Gewicht, über den Zeitpunkt der Herstellung oder Abpackung, über ihre Haltbarkeit oder über sonstige Umstände, die für ihre Bewertung mitbestimmend sind, verwendet werden, c) wenn Lebensmitteln der Anschein eines Arzneimittels gegeben wird."
Jeder mit dem gewerblichen Rechtsschutz Befaßte erkennt aus diesem Text sofort, daß es sich um weiter nichts als um den „ehrwürdigen" § 3 U W G und die dazu ergangene Rechtsprechung des Reichsgerichts und des B G H handelt. Hierauf ist auch bei den Verhandlungen der Bevollmächtigten der Deutschen Vereinigung mit den Mitgliedern des Bundesgesundheitsministeriums immer wieder aufmerksam gemacht worden, ohne daß dies eine Wirkung erzielt hätte. Die Folge für die Praxis ist, daß § 17 Abs. 1 Ziffer 5 L M B G insbesondere für die Lebensmittelüberwachungsbehörden ein Eigenleben entwickelt hat. Die Lebensmittelüberwachungsbehörden, fast ausnahmslos nicht mit Juristen, sondern mit Lebensmittelchemikern, Apothekern und Veterinären besetzt, schlagen keinen Bogen zu § 3 U W G und der dazu ergangenen Rechtsprechung mit der Folge, daß es Auslegungen der Vorschrift gibt, die in vielen Fällen mehr als überraschen. 5
Zitiert nach Zipfel, Lebensmittelrecht, Texte A 100.
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Verbrauchervorstellungen im Lebensmittelrecht
Kernpunkt des angerissenen Übels ist die Frage, wie die „irreführende Bezeichnung, Angabe oder Aufmachung" bzw. die zur „Täuschung geeignete Bezeichnung..." festgestellt werden soll oder aber, wann ein Lebensmittel den Anschein eines Arzneimittels hat. Im Zivilrecht gibt es hierfür zu § 3 U W G eine gefestigte Lehrmeinung und eine gefestigte Rechtsprechung 4 . Dieser Beitrag soll nun nicht die Möglichkeiten abhandeln, die es gibt festzustellen, wann eine „Irreführung" oder „Täuschung" vorliegt. Hierzu soll an dieser Stelle lediglich darauf hingewiesen werden, daß selbstverständlich der Richter aufgrund eigener Lebenserfahrung und Sachkunde ohne Beweiserhebung insbesondere dann entscheiden kann, wenn er selbst zu den mit der Werbung angesprochenen Verkehrskreisen gehört, wenn es sich bei den beworbenen Waren oder gewerblichen Leistungen um solche des allgemeinen Bedarfs handelt und wenn keine besonderen Umstände vorliegen, die Zweifel an der Sachkunde des Richters begründen. Auch dem Grundsatz, daß die Eignung einer Angabe zur Irreführung aus eigener Sachkunde des Richters eher bejaht als verneint werden kann, ist zuzustimmen 5 . Uns soll vielmehr die Frage beschäftigen, ob es nicht notwendig ist, daß im lebensmittelrechtlichen Verfahren genau wie in Rechtsstreitigkeiten bei der ordentlichen Justiz von dem Mittel der Demoskopie (Meinungserforschung) Gebrauch gemacht werden sollte. Diese Frage ist um so berechtigter, als nur ein Blick in die veröffentlichte Rechtsprechung des I. Zivilsenates des B G H zeigt, in welchem Umfang im zivilrechtlichen Verfahren lebensmittelrechtliche Probleme und Fälle entschieden worden sind. Die Abneigung gegen den Einsatz demoskopischer Gutachten kommt bereits in dem führenden Kommentar zum Lebensmittelrecht von Zipfel6 zum Ausdruck. Selbstverständlich hat Zipfel recht, wenn er ausführt, daß es eine ganze Anzahl von Bereichen der Lebensmittelwirtschaft und des Lebensmittelrechtes gibt, in denen es auf eine spezielle Verbrauchervorstellung nicht ankommt 7 . Aus dem Beitrag von Zipfel „Feststellung der Verkehrsauffassung", Z L R 1986, S. 212 ff (hier: S. 125), ergibt sich sehr deutlich, daß Zipfel bei seiner Würdigung demoskopischer Meinungsumfragen am Problem vorübergeht. Demoskopische Meinungsumfragen sind in allen Fällen nicht geeignet, bei dem Verbraucher festzustellen, ob er „über die Zu4
Ohde,
Handbuch des Wettbewerbsrechts, § 18 auf S. 130 ff;
Baumbach/Hefermehl,
Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., Rdn. 111 bis 118 c); K r e f t , Handbuch des Wettbewerbsrechts, § 17, Rdn. 4-9 auf S. 121-123. 5 Siehe auch K r e f t , aaO, Rdn. 9 zu § 17. 6
Zipfel, aaO, Rdn. 115 zu § 17 C 100, Aus dem Beitrag von Zipfel, Feststellung der
Verkehrsauffassung, ZLR 1986, S. 121 ff. 7 Zipfel, aaO, Lebensmittelrecht, Band II, Stand 1. 5. 1994, Rdn. 82 zu § 17 C 100.
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sammensetzung eines Lebensmittels" irgendwelche Vorstellungen hätte. Es geht, und demzufolge müßte Zipfel seine negative Einstellung überdenken, ausschließlich um die Frage irreführender oder täuschender Bezeichnungen und Ausstattungen. Gerade im Bereich „irreführender" und „täuschender" Bezeichnungen und Ausstattungen erhebt sich jedoch in aller Regel die Frage, wie seitens der Lebensmittelüberwachungsbehörden die „Irreführung" bzw. „Täuschung" festgelegt werden soll. Dies erfolgt fast immer durch die gutachtliche Stellungnahme eines Mitarbeiters einer öffentlich-rechtlichen Lebensmitteluntersuchungsanstalt 8 . Wieso, wie Zipfel meint, ein erfahrener Lebensmittelchemiker oder Tierarzt eines staatlichen Untersuchungsamtes grundsätzlich als befähigt angesehen werden muß, zuverlässige Auskunft über die „Erwartung der Verbraucher zumindest hinsichtlich allgemein bekannter Lebensmittel" abzugeben, ist auch mit den von Zipfel vorgetragenen Einschränkungen nicht verständlich. Zipfel führt sodann wenig später fort: „Die Ergebnisse einer demoskopischen Befragung durch ein Meinungsforschungsinstitut können nur mit Vorsicht gewertet werden."
Warum die Ergebnisse einer demoskopischen Befragung nach Meinung von Zipfel offensichtlich mit „größerer" Vorsicht gewertet werden müssen als die Aussagen einzelner „Lebensmittelchemiker oder Tierärzte", mögen sie noch so „erfahren" sein, ist nicht verständlich. Zipfel zitiert nun u. a. die „ Bade das "-Entscheidung des BGH 9 . Diese Entscheidung des B G H ist mit Sicherheit keine Grundlage für die negative Betrachtung von Meinungsumfragen. Dies ergibt sich bereits aus den Ausführungen des B G H selbst. Es dürften nur ganz seltene Fälle sein, in denen mit Hilfe der Demoskopie - sinnvollerweise - von den Befragten „für einen abstrakt gedachten, nicht auf die konkrete Benutzung im Verkehr abgestellten Tatbestand"
etwas ermittelt werden kann. Bei den Meinungsumfragen, mit denen die „Irreführung" bzw. „Täuschung" i. S. von § 17 LMBG festgestellt werden soll, handelt es sich um die ganz reale Konfrontation des Konsumenten mit einer speziellen Werbeaussage oder aber einer ganz speziellen Beschriftung der Verpackung einer Ware. Wenn man die Berufserfahrung eines jeden anerkannten Demoskopen zugrunde legt, wie etwa aus dem Standardwerk von Noelle-Neumann/Schramm™ zu entnehmen, dann ist es schlicht unmöglich, auf die Aussage eines einzigen
» Zipfel, aaO, Rdn. 112 zu § 17 C 100. ' BGH vom 3. 5.1967, GRUR 1967, S. 485-489 mit Anm. von Hoepffner. 10 Noelle-Neumann/Schramm, Umfrageforschung in der Rechtspraxis.
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Lebensmittelchemikers oder aber eines einzigen Veterinärmediziners zu vertrauen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu denken an die Entscheidung des OLG Frankfurt/M. in Sachen „Bauernleberwurst In diesem Bußgeldverfahren hatte in I. Instanz ein beamteter Veterinär als Sachverständiger ausgeführt, daß der Verbraucher unter einer „Bauernleberwurst" eben eine solche versteht. Diese Äußerung des als Sachverständigen geladenen Veterinärs hat sich jedoch weder das Amtsgericht noch das Oberlandesgericht in der Beschwerdeinstanz zu eigen gemacht. Im Gegensatz zu dem in I. Instanz gehörten Sachverständigen hat auch das Oberlandesgericht die Meinung vertreten, daß die „Verbrauchererwartung" bei der Bezeichnung „Bauernleberwurst lediglich dahin geht, daß es sich um eine grobe, mit Fettstücken versetzte und kräftig gewürzte Wurst handelt". Dieser Entscheidung war voll zuzustimmen, und zwar nicht zuletzt deshalb, weil Bezeichnungen wie „Bauernleberwurst" seit Jahren bzw. seit Jahrzehnten im Verkehr benutzt werden, ohne daß sich jemals irgend jemand daran gestoßen hätte. Wenn das Amtsgericht in I. Instanz nicht so viel Standhaftigkeit bewiesen und sich der Meinungsäußerung des Veterinärs angeschlossen hätte, dann wäre in diesem Verfahren eine genau gegenteilige Entscheidung ergangen - vermutlich auch in der Rechtsbeschwerdeinstanz bei dem Oberlandesgericht. Genau das, was eben angeklungen ist, geschieht in einer Vielzahl von Fällen, in denen es um die „Irreführung" bzw. „Täuschung" geht. Der Amtsrichter neigt - fast verständlicherweise - dazu, den Ausführungen des „Sachverständigen" bzw. des „Sachverständigen Zeugen", nämlich des Veterinärmediziners oder aber des Lebensmittelchemikers zu folgen in der Annahme, daß dieser tatsächlich über besondere Erkenntnisquellen verfügt. Der Amtsrichter wird fast zwangsläufig durch die Ausführungen bei Zipfel12 zu dieser Annahme verleitet. Die Tatsache, daß man in jedem Fall im Rahmen der „Irreführung" und „Täuschung" nicht dem beamteten Lebensmittelchemiker oder Veterinär folgen kann, ergibt sich allein schon daraus, daß diese „Sachverständigen" bzw. „Sachverständigen Zeugen" verständlicherweise die einmal vorgegebene Zielrichtung der Behörde vertreten. Sie sind keine „neutrale" Instanz. Es ist richtig, daß Rechtsbeschwerdesenate verschiedener Oberlandesgerichte eine andere Auffassung vertreten. Dies rührt jedoch nach aller Erfahrung daher, daß diese Senate bedauerlicherweise mit der Demoskopie kaum je in
" OLG Frankfurt/M. vom 11.11. 1992 - 2 Ws (B) 612/92 OwiG. 12 Zipfel, aaO, Rdn. 12 zu § 17 C 100.
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Berührung kommen, wie etwa die bei einigen Landgerichten gebildeten Spezialkammern13. Soweit bekannt, gibt es lediglich eine einzige Entscheidung eines Amtsgerichts, in der auf ein in der Hauptverhandlung erstattetes demoskopisches Gutachten abgehoben wurde. In diesem Rechtsstreit ging es um den Alkoholgehalt und den Gehalt an Stammwürze von Bier Typ „Pils" mit „hervorgehobener Qualitätsbezeichnung". Im Gegensatz zu dem beamteten Lebensmittelchemiker, der auch das Verfahren in Gang gesetzt hatte, hatte das demoskopische Institut (hier: Infratest) festgestellt, daß es bei den Konsumenten zu den angeschnittenen Fragen überhaupt keine „irreführende Vorstellung" gab14. Ausgehend von den Erfahrungen in diesem Fall wie auch - allerdings nur beiläufig - im Fall „ Bauernleberwurststellt sich die Frage, ob nicht die Öffentliche Hand - trotz aller Kostengesichtspunkte - sich demoskopischen Untersuchungen bedienen müßte, genau so, wie dies die ordentliche Justiz in durchaus vergleichbaren Fällen tut. Schließlich muß im Rahmen der Anspruchsgrundlage des § 17 L M B G genau das gleiche gelten wie im Rahmen der Anspruchsgrundlage des § 3 U W G . Wie bereits eingangs dieses Beitrages festgestellt, laufen beide Anspruchsgrundlagen parallel zueinander. Zugunsten der Amtsgerichte ist allerdings die Tatsache zu berücksichtigen, daß sowohl sie wie auch die Staats- und Amtsanwaltschaften in der Regel mit den Erkenntnismöglichkeiten der Demoskopie nicht vertraut sind. In vielen Fällen gibt es bei den Amtsgerichten auch kein gesondertes lebensmittelrechtliches Dezernat, so daß sich nicht über Jahre hinweg ein Fundus an speziellen Erfahrungen ansammeln kann. In Erkenntnis dieses Umstandes hat sich in der Lebensmittelwirtschaft durchaus zu Recht - die Tendenz bemerkbar gemacht, die Amtsgerichte zu umgehen. Das Mittel, dies zu tun, ist die negative Feststellungsklage bei der Verwaltungsjustiz15. Die Tatsache, daß die Verwaltungsjustiz allein schon wegen des Instanzenzuges und des weiteren wegen der Besetzung der Kammern und Senate mit jeweils drei Berufsrichtern eine zusätzliche Gewähr für die Rechtssicherheit bieten, bedarf mit Sicherheit keiner weiteren Ausführungen. " LG Hamburg, 15. Zivilkammer, LG Köln, 31. Zivilkammer, LG Frankfurt/M., 6. Zivilkammer. M AG Aschaffenburg vom 15. 9. 1975, Ds 8 Js 3131/75. 15 BVerwG vom 10. 11. 1983 (BVerwG, 3 C 56.83; Bürgten, Klärung lebensmittelrechtlicher Kennzeichnungsfragen nach § 17 Abs. 1 Nr. 5 b) LMBG im Ordnungswidrigkeitsverfahren, GRUR 1980, S. 368 ff; Brückmann, Verwaltungsgerichtliche Feststellungsklage bei Ermittlungen der Aufsichtsbehörden wegen Irreführung der Verbraucher, WRP 1981, S. 77 ff; Brückmann, Irreführende Ausstattung, Feststellungsklage und Ordnungswidrigkeit, GRUR 1984, S. 778 ff; BVerwG vom 7. 5. 1987, NVwZ 1988, S. 430-^31; BVerwG, 3 C 50.89 vom 23. 1. 1992.
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Die Richtigkeit dieser Ausführungen des Verfassers ist sehr deutlich zum Ausdruck gekommen in einem bei dem Verwaltungsgericht Braunschweig 16 in I. Instanz anhängig gewesenen Rechtsstreites. In diesem Rechtsstreit ging es um die Einordnung des Begriffes „belebend", der sich seit 1934/1935 auf der Schauseite einer bekannten bzw. berühmten Spirituosenmarke in Kleinstschrift findet. Ein beamtetes Mitglied einer Lebensmittelüberwachungsbehörde hatte diesen Begriff beanstandet, insbesondere mit dem Hinweis, er rege den Konsumenten an, mehr Alkohol zu trinken, als für ihn gesund wäre. Trotzdem die Bezeichnung „belebend" seit fast 60 Jahren (mit der Unterbrechung während des vergangenen Krieges) eingesetzt worden war, hatte es nie zuvor irgendwelche Beanstandungen gegeben. Auch der Wettbewerb sah sich zu irgend welchen Aktivitäten nicht veranlaßt. In der Instanz bei dem Verwaltungsgericht wurde der Antrag auf Einholung eines demoskopischen Gutachtens zu der Frage, ob der Verbraucher durch die Bezeichnung „belebend" irregeführt oder getäuscht werde, zurückgewiesen. Das Verwaltungsgericht war der Meinung, daß es trotz des Zeitablaufs und trotz der unbehelligten Verwendung des Begriffes „belebend" aus eigener Sachkunde entscheiden könne. Das Verwaltungsgericht folgte damit der im Normalfall durchaus richtigen Auffassung, daß der Richter dann die Auffassung der beteiligten Verkehrskreise aufgrund eigener Lebenserfahrung und Sachkunde beurteilen kann, wenn er selbst zu diesen Kreisen gehört17. Die Bedeutung des Zeitablaufs und die Tatsache des „Nichtangriffs" seitens des Wettbewerbs wurden vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt. In der Berufungsinstanz hat das Oberverwaltungsgericht Lüneburg nach ausführlicher Verhandlung erkannt, daß der Fall außerordentlich problematisch war und eine hinreichende Erkenntnis hinsichtlich irgendeiner „Irreführung" oder aber „Täuschung" nicht vorlag. Auf dringendes Anraten des Senates wurde ein Vergleich des Inhaltes geschlossen, daß die Bezeichnung „belebend" weiterhin verwendet werden könne und die Parteien sich darüber einig waren, daß der Vergleich lediglich dann abgeändert werden müsse, „wenn durch das Ergebnis einer demoskopischen Befragung eines anerkannten demoskopischen Institutes"
nachgewiesen wird, daß die Bezeichnung „belebend" bei einem nicht unerheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise falsche Vorstellungen erweckt. Dabei hat sich das Oberverwaltungsgericht in dem Ver-
Verwaltungsgericht Braunschweig, 1 A 1185/90. Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., Rdn. 476 zu Einl. U W G ; Zipfel aaO, Rdn. 280 zu § 17 LMBG. 16
17
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gleich ausdrücklich auf die Rechtsprechung des BGH bezogen18. Das Verhalten des Senates ist, insbesondere auf der Grundlage der Rechtsprechung des I. Zivilsenates des BGH, nur positiv zu vermerken. Sicherlich ist es richtig, daß auch den Verwaltungsgerichten das Beweismittel der „Meinungserforschung" weitgehend unbekannt ist. Demzufolge wäre es begrüßenswert, wenn in der verfahrensrechtlichen Literatur entsprechende Anstöße gegeben würden. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß in dem Standardkommentar von Kopp zur VwGO, 10. Aufl. sich lediglich ein beiläufiger Hinweis auf die Entscheidung des BGH „Vom Bäcker für Bäcker" findet19. Auch Redecker/v. Oertzen, VwGO, 11. Aufl., setzen sich mit dem Beweismittel der Demoskopie nicht auseinander. Sie weisen lediglich darauf hin, daß die Aufzählung der Beweismittel in § 96 VwGO nicht erschöpfend ist20. Für den Praktiker, der sich nicht nur mit dem UWG, sondern auch mit dem LMBG zu befassen hat, wäre bereits viel gewonnen, wenn dieser Beitrag in der Festschrift für Ralf Vieregge einen, wenn auch nur „winzigen" Anstoß geben würde des Inhaltes, daß die Verwaltung sich ernsthaft mit der Feststellung der „Irreführung" oder aber der „Täuschung" befaßt, und daß darüber hinaus insbesondere die verfahrensrechtliche Literatur, sei es zur ZPO, sei es zur VwGO sich in größerem Umfang oder aber überhaupt mit der Erkenntnisquelle der Demoskopie befaßt21.
Oberverwaltungsgericht Lüneburg, 10 L 5464/91. " B G H vom 29. 3. 1990,1 ZR 74/88, Z L R 1990, S. 640-645 mit Anm. von Wulf. 20 Redecker/v. Oertzen, VwGO, 11. Aufl., Rdn. 18 zu § 98. 21 Noelle-Neumann/Schramm, Umfrageforschung in der Rechtspraxis; Müller, Die demoskopische Ermittlung der Verkehrsauffassung im Rahmen des § 3 U W G . 18
Zur sog. Drittauskunft bei Wettbewerbsverletzungen OTTO-FRIEDRICH F R H R . VON G A M M
I.
1. Die Verkündung des Markenrechtsreformgesetzes vom 25. 10. 19941 und die beiden Entscheidungen des B G H vom 24. 3. 1994 - CartierArmreif1 und -Pulloverbeschriftung' haben die Problematik der sog. Drittauskunft 4 erneut belebt. 2. Durch die sog Drittauskunft will der Verletzte Aufschluß über Lieferanten und gewerbliche Abnehmer (Wiederverkäufer, nicht private Endabnehmer) 5 des Verletzers und damit über den gesamten Vertriebsweg der seine Rechte verletzenden Ware erhalten. Der damit verfolgte Zweck ist unterschiedlich; er reicht von der Schadensberechnung bis zur Schadens- und Störungsbeseitigung. Dementsprechend ist für die Anspruchsgrundlage zu differenzieren 6 , nämlich - als Hilfsanspruch zur Schadensberechnung oder -Schätzung, dementsprechend unter den Verschuldensvoraussetzungen; nach Maßgabe des § 242 BGB und daher gegebenenfalls Auskunftserteilung nur gegenüber einer zur Verschwiegenheit gegenüber dem Verletzten verpflichteten Vertrauensperson, mit der Befugnis, konkrete Stichproben zu beantworten 7 ; 1
Gesetz zur Reform des Markenrechts und zur Umsetzung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Rates vom 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken vom 25. 10. 1994, BGB. 11 S. 3082. 2 BGH GRUR 1994, 630 - Cartier-Armreif, mit Anm. Jacobs. 3 BGH GRUR 1994, 635 - Pulloverbeschriftung, mit Anm. Ahrens. 4 Siehe Tilmann, GRUR 1987, 251, mit weit. Nachw. 5 Vgl. BGH GRUR 1974, 351, 352 - Frisiersalon-, siehe auch Begr. zum ProduktPiraterieG, BR-Drucks. 206/89 = BT-Drucks. 11/4792 = B1PMZ 1990, 173. 6 Siehe BGH GRUR 1976, 367, 368 f - Ausschreibungsunterlagen, mit weit. Nachw., dazu in Anm. Fritze; ferner BGH (Fn. 2 und 3). 7 BGH (Fn. 6); ferner BGH GRUR 1980, 227, 232 - Monumenta Germaniae Histórica. - Bei Wettbewerbsverletzungen regelmäßig beschränkt auf Auskunft über Umfang und Ausmaß der Verletzungshandlung, da hier weder Gewinnherausgabe noch Umsatzlizenz als Schadensersatz in Frage kommen: BGH GRUR 1965, 313, 315 - Umsatzauskunft; 1978, 52, 53 - Fernschreibverzeichnisse. Ausnahmen: Firmenrechtsverletzung (§16 UWG: BGHZ 60, 206, 209 ff - Miss Petite), wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz gegen Übernahme (§ 1 UWG: BGHZ 57, 116, 120 ff) ( - Wandsteckdose II), Geheimnisverrat (§ 17 UWG: BGH GRUR 1977, 539, 541 f - Prozeßrechner).
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- als Hilfsanspruch zur Vorbereitung und Durchsetzung eines Beseitigungsanspruchs, dementsprechend ohne Verschuldensvoraussetzungen, da der Beseitigungsanspruch lediglich eine Fortführung des Unterlassungsanspruchs darstellt8; - als Hauptanspruch auf Schadensersatz aus dem gesetzlichen9 oder vertraglichen Schuldverhältnis10, dementsprechend unter den Verschuldensvoraussetzungen11 nach Maßgabe des § 249 BGB 12 , nach Notwendigkeit, Art und Umfang im einzelnen nach Maßgabe des § 242 BGB 13 , jedoch mit strengeren Anforderungen zu Lasten des Verletzers als in den vorgenannten Fällen von Hilfsansprüchen, in denen der Anspruch selbst - wenn auch kraft Gewohnheitsrecht im Ergebnis nur aus § 242 BGB hergeleitet wird14; - als Hauptanspruch auf Störungsbeseitigung und dementsprechend ohne Verschulden15, ebenfalls nach Notwendigkeit, Art und Umfang nach Maßgabe des § 242 BGB 15 und auch hier mit strengeren Anforderungen zu Lasten des Verletzters14. 3. Die - je nach Anspruchsgrundlage (oben Ziff. I, 2) - bereits für die Zubilligung des Auskunftsanspruchs (nach § 242 BGB), jedenfalls aber für dessen Inhalt und Umfang erforderliche Interessenabwägung zieht zwar für die Frage der Gewährung einer Drittauskunft die Interessen von Verletztem und Verletzer in Betracht (Art und Intensität des Eingriffs, Verletzung berechtigter Individualinteressen, konkreter Zweck des Auskunftsverlangens, Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Mittel, Geheimhaltungsinteresse, Art und Intensität des Konkurrenzverhältnisses)16. Dagegen findet das Interesse der durch die Auskunft zu benennenden und dadurch unmittelbar betroffenen Dritten nur mittelbar Berücksichtigung, nämlich dahingehend, ob es dem Auskunftspflichtigen zumutbar ist, einen Dritten einer strafbaren Handlung zu bezichtigen, jedenfalls der Gefahr einer zivil- und/oder strafrechtlichen Verfolgung auszusetzen. Der BGH spricht in seiner Cartier-Armreif8 BGH (Fn. 6); ferner BGH GRUR 1972, 558, 560 - Teerspritzmaschinen: Zur Feststellung verletzender Firmenschilder auf vom Verletzer reparierten Maschinen. ' BGH (Fn. 2). 10 BGH GRUR 1974, 351, 352 - Frisiersalon. " BGH (Fn. 2). 12 Insbesondere bei Verletzung einer Vertriebsbindung: BGH GRUR 1964, 320, 323 Maggi; siehe ferner BGH GRUR 1968, 272, 277 - Trockenrasierer III; BGH (Fn. 10); OLG Karlsruhe WRP 1988, 50 51. 13 BGH (Fn. 2). 14 Fritze, oben Fn. 6. 15 BGH (Fn. 3); damit dürften die Bedenken Jacobs' (oben Fn. 2) unbegründet sein: auch BGH (Fn. 2) schließt eine Störungsbeseitigung ohne Verschulden nicht aus. 16 Siehe BGH (Fn. 2 und 3) mit weit. Nachw.; ferner ausführlich Tilmann, oben Fn. 4.
Zur sog. Drittauskunft bei Wettbewerbsverletzungen
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Entscheidung 2 davon, daß dieser Umstand bei der Interessenabwägung einzufließen habe, er stehe aber der Zumutbarkeit einer Drittauskunft nicht von vornherein entgegen. Ob darin eine Lockerung der strengeren Grundsätze des Urteils vom 4. 7. 197517 liegt, mag zweifelhaft sein, findet aber seine Rechtfertigung in dem andernfalls wenig verständlichen Ergebnis, daß der betroffene Dritte bei einem nicht so schwer wiegenden Vertragsbruch benannt werden muß, dagegen bei strafbaren Handlungen (etwa Geheimnisverrat nach § 17 UWG) letztlich vor einer Aufdeckung geschützt wird 18 . II. 1. Das Produktpirateriegesetz v. 7. 3.1990 18 bezweckt - insbesondere mit Rücksicht auf die in den letzten Jahren vermehrt aufgetretenen gezielten und massenhaften Schutzrechtsverletzungen, aber nicht beschränkt auf diese - eine Stärkung der Stellung des Rechtsinhabers unter weitgehender Vereinheitlichung des Sanktionssystems der einzelnen Schutzgesetze19. Abgesehen von Verschärfung der Strafandrohungen, Erweiterung von Vernichtung, Einziehung und Grenz-Beschlagnahme ist ein wesentliches Anliegen des Gesetzes, dem verletzten Rechtsinhaber zur Ermöglichung und Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche einen besonderen Auskunftsanspruch gegen jeden Verletzer über Herkunft, Vertriebsweg und Menge der schutzrechtsverletzenden Ware unabhängig von einem Verschulden zuzubilligen 20 . Hierzu betont die Begründung die besondere Natur dieses umfassenden Auskunftsanspruchs zur Aufdeckung der Quellen und Vertriebswege der schutzrechtsverletzenden Ware. Die mitzuteilenden Tatsachen sind gesetzlich festgelegt, auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wird ausdrücklich verwiesen, private Abnehmer sind weder auskunftspflichtig noch werden sie benannt; schließlich darf die Auskunft in Strafverfahren nicht verwertet werden 21 .
BGH GRUR 1976, 367, 369 Ausschreibungsunterlagen. Fritze in Anm. zu BGH (Fn. 17). - Tilmann (oben Fn. 4, S. 259) verweist - in Anlehnung an die Entscheidung des BVerfG v. 13. 1. 1981, BVerfGE 56, 37 ff = NJW 1981, 1431 - insoweit auf die Möglichkeit eines Verwertungsverbots für das Strafverfahren. Von dieser Möglichkeit hat das ProduktpiraterieG v. 7. 3. 1990 BGB 11 S. 422 Gebrauch gemacht: Vgl. die neuen §§ 25 b Abs. 4 WZG, 101 a Abs. 4 UrhG, 140 b Abs. 4 PatG. Zivilverfahren bleiben hiervon unberührt, so daß nach Auskunfterteilung zahlreiche Folgeprozesse gegen die benannten Lieferanten durchgeführt worden sind und durchgeführt werden (siehe Bericht der BReg über die Auswirkungen des PrPG. BT-Drucks. 12/4427 v. 25. 2. 1993 S. 3). " Begr. A, I; BT-Drucks. 11/4792 = BR-Drucks. 206/89 = B1PMZ 1990, 173. 20 Begr. A, III; B, III, oben Fn. 19. 21 Siehe oben Fn. 18. 17
18
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Die Regelung erstreckt sich gleichermaßen auf Urheber- und Geschmacksmusterrecht sowie auf die gewerblichen Schutzrechte. Der Anregung, eine entsprechende Sondervorschrift für den wettbewerblichen Leistungsschutz in das U W G aufzunehmen, ist der Gesetzgeber nicht nachgekommen. Die Begründung22 verweist insoweit auf die befriedigende Entwicklung der Wettbewerbsrechtsprechung und deren etwaige Behinderung durch einen solchen Sondertatbestand, der überdies systemwidrig sei und erhebliche Auswirkungen auf das abgestimmte Gefüge zwischen den Sonderschutzrechten und dem U W G ausüben würde. 2. Bei dieser Sach- und Rechtslage hat der B G H in den angeführten Urteilen v. 24. 3. 199423 mit Recht eine entsprechende Heranziehung der Regelung des Produktpirateriegesetzes für die Drittauskunft abgelehnt24. Es verbleibt im Bereich des U W G vielmehr bei der Anwendung der angeführten allgemeinen Grundsätze. Dabei erscheint es nach Erlaß des Markenrechtsreformgesetzes v. 25.10.1994 1 mit der Einbeziehung der unlauteren Rufausnutzung in den Kennzeichnungsschutz nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 mehr eine akademische Frage, auf welche Anspruchsgrundlage eine Verpflichtung zur Drittauskunft bei der im Fall der Pulloverbeschriftung3 allein in Frage stehenden schmarotzenden Rufausbeutung, ohne einen ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutz zu berühren, hätte gestützt werden können. O b der BGH 3 in einem solchen Fall generell oder nur aufgrund der konkreten Interessenabwägung für den Einzelfall die Auskunftsverpflichtung ablehnen wollte, ist dem Urteil nicht eindeutig zu entnehmen.
III. 1. Auf Verletzungshandlungen vor seinem Inkrafttreten (Art. 50 Abs. 3: 1 . 1 . 1995) findet das Markengesetz, das in § 19 einen Dritt-Auskunftsanspruch entsprechend dem durch das PrPG eingefügten § 25b W 2 G zubilligt, keine Anwendung25; für die unlautere Rufausnutzung bzw. -Schädigung einer im Inland bekannten Marke bleibt es daher bei der wettbewerbsrechtlichen Grundlage. Eine Berufung auf die Erste E G Markenrechts-Richtlinie 26 könnte zwar für Verletzungshandlungen nach Begr. B, IV, oben Fn. 19. B G H (Fn. 2 und 3). 24 Abweichend O L G Frankfurt N J W RR 1992, 1529, als Vorinstanz zu B G H (Fn. 3); ferner Asendorf, Festschr. Traub, 1994, S. 21, 32. 25 Vgl. B G H (Fn. 3); siehe auch B G H G R U R 1993, 825, 826 DOS. 26 Erste Richtlinie des Rates v. 21. 12. 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken 89/104/EWG, AB1EG Nr. L 40, 1 = G R U R Int. 1989, 294. 22
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Zur sog. Drittauskunft bei Wettbewerbsverletzungen
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Ablauf der Umsetzungsfrist (31. 12. 1992) in Betracht kommen25, scheidet aber für den Fall der unlauteren Rufausnutzung bzw. -Schädigung schon deshalb aus, weil die entsprechende Vorschrift des Art. 5 Abs. 2 Rili nicht zwingend ist, sondern den Mitgliedstaaten lediglich eine entsprechende Regelung freistellt. Eine nach dem 1 . 1 . 1995 erfolgende unlautere Rufausnutzung oder -Schädigung i. S. des § 14 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG ist dagegen nach Abs. 3 ein Eingriff in das absolute Immaterialgüterrecht, so daß der Auskunftsanspruch nach § 19 zum Zug kommt. Liegen die Voraussetzungen des § 14 MarkenG nicht vor, kann gegebenenfalls auf § 1 UWG zurückgegriffen werden. 2. Auch für geschäftliche Bezeichnungen (Unternehmenskennzeichen und Werktitel, § 5 MarkenG) hat sich - trotz unveränderter Schutzvoraussetzungen - durch die Übernahme in das MarkenG insoweit eine Änderung ergeben, als der Anspruch auf Drittauskunft nach § 19 MarkenG in vollem Umfang auch bei der Verletzung geschäftlicher Bezeichnungen gewährt wird ( § 1 9 Abs. 1) und auch hier - wie bei der im Inland bekannten Marke (oben Ziff. III, 1) - im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnungen gegen unlautere Rufausnutzung oder -beeinträchtigung unmittelbar aus dem MarkenG (§15 Abs. 3) geschützt werden und auch insoweit eine Drittauskunft gewährt werden kann. 3. Für wettbewerbsrechtliche Ansprüche ist - wie schon bisher - nach Art und Gegenstand der in Rede stehenden Wettbewerbsverletzung sowie nach dem mit dem Auskunftsanspruch konkret verfolgten Zweck zu differenzieren (siehe oben Ziff. I, 2). Als Hilfsanspruch zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs wird der Anspruch auf Drittauskunft nur gewährt, soweit anstelle einer konkreten Schadensberechnung auch eine Gewinnherausgabe oder eine Umsatzlizenz in Frage kommen. Das sind die Fälle mit einer dem Immaterialgüterrechtsschutz gleichkommenden Rechtsposition des Verletzten; als solche sind anerkannt: Der wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz gegen Übernahme und der Schutz gegen Geheimnisverrat27. Die Fälle einer Vertriebsbindungsverletzung gehören dagegen in den Bereich einer Störungs- oder auch Schadensbeseitigung 28 und können auf dieser Grundlage zu einem Anspruch auf Drittauskunft führen28. Zur Vorbereitung einer Störungs- oder einer Schadensbeseitigung kann auch in Fällen kritisierender, herabsetzender oder auch irreführender Äußerungen eine Drittauskunft geboten sein, wenn dadurch - im Siehe oben Fn. 7. Siehe oben Ziff. I, 2; BGH (Fn. 10); ferner BGH GRUR 1964, 320, 323 f 1968 272, 275 f - Trockenrasierer III. 27 28
Maggi;
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Otto-Friedrich Frhr. von Gamm
Interesse der Verhältnismäßigkeit der Mittel - eine richtigstellende allgemeine Veröffentlichung vermieden werden kann29. 4. Einen allgemeinen Auskunftsanspruch über alle etwaigen Verletzungshandlungen hat die Rspr. als unzulässige Ausforschung stets abgelehnt30. Der Auskunftsanspruch, insbesondere auch bezüglich der Drittauskunft31 bezieht sich stets auf konkrete Verletzungshandlungen31. Das hat zur Folge, daß eine Auskunftserteilung nicht nur für andere Schutzrechte, für die eine Verletzung nicht behauptet ist, aber möglich sein könnte, ausscheidet, sondern auch für etwaige, aber nicht konkret behauptete frühere Verletzungshandlungen, zeitlich vor der klagebegründenden Verletzungshandlung32.
IV. Wie schon aufgrund der weitgehend gleichen Interessenlage nicht anders zu erwarten ist, laufen danach - trotz unterschiedlicher Rechtsgrundlage - im Ergebnis die Ansprüche auf Erteilung einer Drittauskunft im Urheberrecht, gewerblichen Rechtsschutz und Wettbewerbsrecht weitgehend parallel. Doch sollte dabei nicht aus dem Blick verlorengehen, daß aufgrund ihrer abweichenden Rechtsnatur Wettbewerbsverletzungen Differenzierungen in der Zubilligung und im Umfang des Anspruchs ermöglichen und notwendig machen.
29 Vgl. B G H G R U R 1967, 362, 366 - Spezialsalz; 1982, 489, 490 Korrekturflüssigkeit; siehe auch B G H Z 70, 39, 42 ff-Alkoholtest. 30 Vgl. B G H G R U R 1976, 367, 369 - Ausschreibungsunterlagen; 1992, 612, 616 Nicola; siehe auch B G H N J W 1990, 3151. 31 Siehe B G H (Fn. 2 und 3); ferner Bericht der BReg BT-Drucks. 12/4427 (oben Fn. 18), S. 4. 32 B G H G R U R 1988, 307, 308 - Gaby; B G H W R P 1991, 575, 578 Betonsteinelemente; B G H v. 29. 9. 1994 - I Z R 114/84 - Indorektal II; siehe dazu Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 6. Aufl., Kap. 38, Rdn. 7. - Weitergehend dagegen U. Krieger, G R U R 1989, 802; Tilmann G R U R 1990, 160; Jacobs, Großktr. vor § 13 U W G , D, Rdn. 229,233.
Die rechtserhaltende Benutzung der Marke in abgewandelter Form Fortsetzung oder Ende von „ Arthrexforte"?
HANS-WERNER GIEFERS
1. Verheißung des Gesetzgebers Bei Einführung des Benutzungszwangs hatte es der Gesetzgeber bewußt der Rechtsprechung überlassen, die Anforderungen zu konkretisieren, die an eine rechtserhaltende Benutzung der Marke zu stellen sind. Umstritten war von Anfang an die Frage, ob und in welchem Umfang die tatsächlich benutzte Markenform von der eingetragenen Form der Marke abweichen durfte, ohne daß dieser Benutzung die rechtserhaltende Wirkung aberkannt wurde. Die in der Rechtsprechung des B G H entwickelten Grundsätze gipfelten in der unter dem Stichwort Arthrexforte bekanntgewordenen strengen Rechtsprechung. Die wenigen Zugeständnisse, die B G H und BPatG machten, ließen Markeninhaber und Berater in einer hemmenden Rechtsunsicherheit. Die „unfreundliche Rechtsprechung" 1 hat heftige Kritik erfahren, weil sie letztlich dazu führte, daß jede abgewandelte Markenform neu angemeldet wurde, um jegliches Risiko zu vermeiden. Damit wirkte sie einem der Ziele des Benutzungszwangs, nämlich das Markenregister zu entlasten, entgegen. Das Markengesetz 1994 enthält erstmals eine gesetzliche Regelung für den Fall der abweichenden Benutzungsform (§ 26 Abs. 3) und verheißt in der Begründung, für die Rückkehr zu der früheren sehr strengen Rechtsprechung bestehe künftig keine Grundlage mehr2. Im Jahre 1979 hatte Kicker3 geschrieben: „Jede bekanntwerdende Entscheidung zur Auslegung des Begriffs ,Benutzung' ... weckt die Hoffnung auf Klärung und die Erwartung, Grundsätze definiert zu finden, denen Einzelfälle mit der Gewißheit zugeordnet werden können, zwingend nur ein Zuordnungsergebnis zu erhalten. Die Entscheidung Flexiole bestätigt: Hoffnungen dieser Art sind (noch) unerfüllbar."
' Lehmpfuhl, Anm. zu Arthrexforte, G R U R 81, 55. Begründung zum Regierungsentwurf zu § 26 (im folgenden kurz: Begründung), BTDrucks. 12/6581, S. 83. 3 Anm. zu B G H , G R U R 79, 858 - Flexiole. 2
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Hans-Werner Giefers
Die Rechtsprechung nach altem Recht hat diese Hoffnungen nicht mehr erfüllt. Es gilt, die neue gesetzliche Regelung auf den Prüfstand zu stellen: erfüllt sie die Hoffnung von 1979, und ist der früheren strengen Rechtsprechung - wie in der Begründung verheißen - wirklich die Grundlage entzogen? Dazu ist noch einmal die bisherige Rechtsprechung zusammenhängend zu analysieren4. Sodann wird zu untersuchen sein, wo die Grenze verläuft, über die es nach dem Willen des Gesetzgebers keine Rückkehr geben soll5. Schließlich sind auch die neuen Markenformen zu betrachten, zu denen es bisher keine Rechtsprechung geben konnte, denen die Maßstäbe des MarkenG zur abweichenden Benutzung aber ebenfalls gerecht werden müssen6. 2. Von Cheri bis Arthrexforte - die frühere Rechtsprechung 7 a)
Bundesgerichtshof
Den Grundsatz hatte der B G H bereits im Jahre 1971 aufgestellt8: Die Marke muß in der Form benutzt werden, in der sie eingetragen ist, d. h. mit allen Wort- und Bildelementen, aus denen sie besteht - ohne etwas wegzulassen und ohne etwas hinzuzufügen - und in der graphischen Form, in der sie eingetragen ist. Dieser Grundsatz galt unangefochten und wurde auch von den Kritikern nicht bestritten. Es ging immer nur um Art und Umfang der Ausnahmen. In der Entscheidung KIM-Mohr9 (Abb. am Ende des Beitrages) hatte der B G H erstmals Gelegenheit, die in Cheri offengelassene Frage zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ausnahmsweise Abwandlungen der eingetragenen Form unschädlich seien: In Anlehnung an Artikel 5 C Abs. 2 PVU beeinträchtige der Gebrauch einer abgewandelten Form den Schutz nicht, wenn die Abweichung nur Bestandteile betreffe, die die Unterscheidungskraft der Marke nicht berührten. Den in der PVU verwendeten Begriff der Unterscheidungskraft interpretierte der B G H nicht näher. Es komme darauf an, ob der Verkehr Eintragung und Benutzungsform als ein und dasselbe Zeichen ansehe. Aus der ständigen Rechtsprechung zu der Frage, ob von der Eintragung abweichende Zeichenbenutzungen bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr (gegenüber Drittzeichen) zu berücksichtigen seien, entnahm er den Maßstab, eine Abwandlung sei unschädlich, wenn sie wie im entschiedeAbschnitt 2. Abschnitte 3 und 4. 6 Abschnitt 5. 7 Siehe die Zusammenstellung der behandelten Entscheidungen am Ende des Beitrages. » GRUR 72,180 - Cheri. 9 GRUR 75,135. 4
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Benutzung der Marke in abgewandelter Form
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nen Fall nicht willkürlich vorgenommen worden sei, sondern „die bestimmungsgemäße und verkehrsübliche oder die durch den praktischen Gebrauch gebotene Art der Benutzung darstelle"10. In Verbindung mit Artikel 5 C PVU biete diese Regel die Ausgangsbasis für eine praktische, wirtschaftlich vernünftige und den gesetzlichen Anforderungen Rechnung tragende Handhabung des Benutzungszwangs. Vier Jahre später wiederholte der B G H nur kurz den Grundsatz aus KIM-Mohr und führte aus: Ob der Verkehr Eintragung und Benutzungsform als ein und dasselbe Zeichen ansehe, hänge weitgehend von der tatsächlichen Übung in der jeweiligen Branche ab". Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Zusatz Long zu der eingetragenen Wortmarke Silva habe für den Verkehr erkennbar nur beschreibenden Charakter, war aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Der B G H bestätigte damit, daß es sich um eine Tatsachenfrage handele. Folgerichtig konnte der B G H wenig später im Beschluß audio ln die tatrichterliche Feststellung des BPatG nicht beanstanden, der Verkehr sehe Eintragung (audio 1) und Benutzungsform (audio 350 oder audio 300 oder audio 310) nicht als ein und dasselbe Zeichen an, vielmehr werde audio nicht als Herkunftshinweis und der Bestandteil „ 1" nicht als Typenbezeichnung verstanden, und Hinweischarakter habe allein die Kombination audio 1. Eine Verkehrsbefragung hatte allerdings nicht stattgefunden". In einer weiteren Rechtsbeschwerde-Entscheidung14 war der B G H wiederum an die Feststellung des BPatG gebunden, es entspreche auf dem Pharmasektor einer weitgehenden Übung, der Warenkennzeichnung einen in der Fachsprache gebräuchlichen Indikations- und Beschaffenheitshinweis voranzustellen (eingetragen: Flexiole, benutzt: Corti-Flexiole und Rhino-Flexiole). Dabei behalte das Grundzeichen seine Selbständigkeit, und die hier in Betracht kommenden Fachkreise sähen daher in den beiden verwendeten Formen eine Benutzung des eingetragenen Zeichens. Unter Bezug auf audio und Silva wurde der anzulegende Maßstab weiter präzisiert. Bei Zusätzen zu der eingetragenen Markenform sei entscheidend, ob der Verkehr den Zusatz als zeichenmäßig bedeutungslose, austauschbare Zutat ansehe, die betriebliche Herkunftsfunktion also ausschließlich der mitbenutzten eingetragenen Marke entnehme oder umgekehrt den Zusatz als einen den Gesamteindruck wesentlich mitprägenden Bestandteil ansehe. 10 11 12 13 14
B G H G R U R 67, 89 - Rose. G R U R 78, 672 - Silva. G R U R 79, 468 - audio 1. Vgl. Kicker, Anm. zu audio 1, G R U R 79, 470. G R U R 79, 856.
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Hans-Werner Giefers
Erstmals ging der B G H in diesem Zusammenhang auf die Zusammensetzung der ausschlaggebenden Verkehrskreise ein. Er ließ offen, ob allgemein die Auffassung der jeweiligen Fachkreise ausreiche; sie genüge jedenfalls dann, wenn der Verkehr mit den in Betracht kommenden Waren ganz überwiegend über die mit dem einschlägigen Markt vertrauten Fachkreise abgewickelt werde. Zwei Jahre später folgte Arthrexforte15. Nach Cheri, KIM-Mohr, audio, Silva und Flexiole war dies der erste Fall, in dem es nicht darum ging, daß ein Markenbestandteil weggelassen oder eine Zutat hinzugefügt war, sondern bei dem es sich um eine bloße Abwandlung in der graphischen Darstellung handelte (eingetragen: Arthrexforte, benutzt: ARTHREX FORTE). Die Feststellung des Berufungsgerichts, der Verkehr sehe das benutzte Zeichen noch als „identisch"16 mit der eingetragenen Marke an, hat der B G H - anders als in früheren Entscheidungen - nicht für ausreichend erachtet, sondern die Frage vorgeschaltet, ob die Abwandlung bestimmungsgemäß und verkehrsüblich oder durch den praktischen Gebrauch geboten war. Werde diese Frage verneint, komme es auf die Verkehrsauffassung nicht mehr an. Die Bedeutung von Arthrexforte liegt darin, daß der B G H der Tatsachenfrage (Verkehrsauffassung) eine wertende Rechtsfrage (Rechtfertigungsgründe) vorschaltete und damit - ungeachtet der tatsächlichen Feststellungen der Tatsacheninstanz - künftig eine Überprüfung und abweichende Entscheidung in der Revisions- oder Rechtsbeschwerdeinstanz ermöglichte. Während die Feststellungen, eine abweichende Benutzungsform sei bestimmungsgemäß, verkehrsüblich und geboten, bisher als Indizien für die Verkehrsauffassung gegolten hatten, wurden sie nunmehr - jedenfalls für die Fallgruppe „Abwandlungen" - zu Rechtfertigungsgründen, die der B G H nachprüfen konnte. Damit trat ein „Rangverlust" der Verkehrsauffassung ein17. Die Folgen zeigten sich alsbald im Fall Rote-Punkt-Garantie18 (Abb. am Ende des Beitrages). Auch hier hatte das Berufungsgericht festgestellt, der Verkehr sehe Eintragung und Benutzungsform als ein und dasselbe Zeichen an. Der B G H hielt die Abwandlungen nach den in Arthrexforte aufgestellten Maßstäben nicht für gerechtfertigt. Die Frage nach der Verkehrsauffassung müsse daher offenbleiben. GRUR 81, 53. Der Begriff „Identität" kann künftig in diesem Zusammenhang nicht mehr verwendet werden, da er in §§ 9 , 1 4 MarkenG eine andere Bedeutung erhalten hat. 17 Lehmpfuhl, Anm. zu Arthrexforte, GRUR 81, 55. 18 GRUR 82, 51. 15
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Im Fall Wurstmühle19 ging es erneut um einen Zusatz (eingetragen: Bild einer Mühle; benutzt: Bild dieser Mühle mit emblemartiger Umrandung und Beschriftung20). Der B G H bestätigte, daß zwischen den beiden Gruppen, die er in Arthrexforte gebildet hatte (Abwandlung einerseits, Zusatz andererseits) unterschieden werden müsse. Folglich komme es - wie im Fall Flexiole - darauf an, ob der Verkehr die Zusätze als bedeutungslose, austauschbare Zutat ansehe oder als ein den Gesamteindruck wesentlich mitprägendes Element. Das Berufungsgericht hatte eine rechtserhaltende Benutzung bejaht. Erstmals hielt der B G H die Tatsachenwürdigung des Berufungsgerichtes, d. h., die Würdigung der Indizien, aus denen es auf die Verkehrsauffassung geschlossen hatte, für unzureichend: Die wappenartige Emblemform weise eine jedenfalls nicht unbeachtliche Eignung auf, vom Verkehr als eigenständige Herkunftskennzeichnung angesehen zu werden. Im Urteil Idee-Kaffee21 ging der B G H - nach Flexiole zum ersten Mal - näher auf die Anforderungen ein, denen die Feststellung der Verkehrsauffassung zu genügen habe. Wenn es sich - wie im entschiedenen Fall (eingetragen: Idee; benutzt: Idee-Kaffee im Kreis mit Umrahmung" 22 ) um den Zusatz einer glatt beschreibenden Angabe der Ware handele, die unter dem Zeichen vertrieben werde, so werde in der Regel der Zusatz nur als Information und nicht als Bestandteil einer „zusammengesetzten" Marke verstanden. An die Feststellung des Gegenteils seien besonders hohe Anforderungen zu stellen. Das Berufungsgericht hatte aus der Tatsache, daß die Marke Idee (abweichend von den Gepflogenheiten der Branche) niemals in Alleinstellung benutzt wurde, aus der langjährigen Werbung und der starken Verkehrsbekanntheit, aus der Einprägsamkeit der Zusammensetzung als Reim und sowie aus der emblemartigen Einrahmung mit eigener Sachkunde geschlossen, der Verkehr sehe die benutzte Zeichenform als eigenständige Marke an. Dies reichte dem B G H nicht aus. Er verwies die Sache zurück, damit eine Verkehrsbefragung durchgeführt werde, und äußerte sich auch zum relevanten Teil des Verkehrs: Um die Benutzung eines mit einem Zusatz verwendeten Wortzeichens anzuerkennen, genüge es, wenn „jedenfalls ein rechtserheblicher Teil des Verkehrs den warenbeschreibenden Zusatz als solchen und nicht als das Zeichen mitprägenden Bestandteil ansehe". Wie groß ein „rechtserheblicher Teil" sei, wurde nicht gesagt.
" G R U R 84, 872. Abbildungen in der Zusammenstellung am Ende des Beitrages. 21 G R U R 85, 46. 22 Abbildungen in der Zusammenstellung am Ende des Beitrages. 20
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In der folgenden Entscheidung23 (eingetragen: topfitz; benutzt: topfitz® comp.) bestätigt der BGH nur knapp, das Berufungsgericht habe „im Hinblick auf den Charakter der Zusätze" unbedenklich eine rechtserhaltende Benutzung annehmen können. Im Fall Gaucho24 hatte der BGH über einen Wortzusatz zu einem eingetragenen Bildzeichen zu entscheiden (eingetragen: Bild eines Gaucho; benutzt: dieses Bild mit dem Wort Lasso25). Das Berufungsgericht war der Ansicht gewesen, das Bildzeichen sei durch die Verwendung in dem Kombinationszeichen rechtserhaltend benutzt. Der BGH formulierte noch einmal zusammengefaßt die Grundsätze zur Prüfung einer Benutzung mit Zusätzen und erläuterte, unter welchen Voraussetzungen die eingetragene Markenform und die benutzte Form als dasselbe Zeichen angesehen werden können: „In Anlehnung an Artikel 5 C Abs. 2 P V U sind diese Grundsätze verkürzt auch dahin formuliert worden, es komme darauf an, ob der Verkehr Eintragung und Benutzungsform als ein und dasselbe Zeichen ansehe. ... D e r Begriff desselben Zeichens bedeutet in diesem Zusammenhang, daß der Verkehr den Hinweis auf die betriebliche Herkunft sowohl im eingetragenen Zeichen wie in der tatsächlichen Verwendungsform - mag diese selbständig eingetragen sein oder nicht - demselben Zeichenelement entnimmt. D e m genügt es nicht, daß das eingetragene Zeichen lediglich mitverwendet wird. ... N u r wenn der weitere Bestandteil des Kombinationszeichens neben dem eingetragenen Zeichen als zeichenmäßig bedeutungslose, austauschbare Zutat erscheint, ist das allein eingetragene Zeichen dasselbe Zeichen wie das Kombinationszeichen."
Den Feststellungen im Urteil des Berufungsgerichts konnte der BGH entnehmen, daß das Reiterbild den Gesamteindruck des Kombi-Zeichens nicht allein bestimmte, und daher selbst entscheiden. Im Urteil Panda26 bestätigte der BGH wiederum die in Arthrexforte und Rote-Punkt-Garantie für Abwandlungen aufgestellten Prüfungsgrundsätze, ergänzte sie aber: Ob die Abwandlung durch den praktischen Gebrauch geboten sei, müsse nur geprüft werden, wenn es sich „überhaupt um eine für die Frage der Zeichennutzung relevante Abwandlung handele und nicht nur um solche kleine Änderungen, die für die Verkehrsauffassung über die Zeichenidentität unerheblich sei". Der Prüfung der Rechtsfragen „bestimmungsgemäß und verkehrsüblich?" oder „geboten?" wurde damit eine „Bagatellprüfung" vorgeschaltet. Obwohl der BGH die „Verkehrsauffassung" erwähnt, hat er diese Vorprüfung offenbar nicht als Tatsachenfeststellung angesehen, sondern um eine an erster Stelle stehende rechtliche Bewertung, die das Revisionsgericht selbst vornehmen kann. 23
G R U R 85, 926.
24
G R U R 86, 892. Abbildungen in der Zusammenstellung am Ende des Beitrages. G R U R 87, 527. Siehe Abbildungen in der Zusammenstellung am Ende des Beitrages.
25 26
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In den beiden letzten Entscheidungen Teekanne II27 und Baelz28 ging es um eine modernisierte Schreibweise (Tee statt Thee) und das Weglassen eines Bindestrichs (eingetragen: BAELZ-AUTOMATIC; benutzt: BAELZ AUTOMATIC). Während der B G H bei der modernisierten Schreibweise die Wertung des Berufungsgerichtes bestätigte, die Änderung sei verkehrsüblich, und nicht auf die Frage einging, ob sie überhaupt relevant sei im Sinne von Panda, beurteilte er das Weglassen des Bindestrichs als unerhebliche Änderung. Im zweiten Teil der Ztae/z-Entscheidung war die eingetragene Dienstleistungsmarke baelz automatic in der Form benutzt worden, daß baelz in Fettdruck hervorgehoben und in die Breite gezogen in einer Linie geschrieben und das Wort automatic kleiner und schwächer daruntergesetzt war. Erneut bestätigte der B G H die Prüfungsregeln aus Arthrexforte und verneinte selbst die „Identität zwischen der eingetragenen und der benutzten Form", weil es nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes keinen Anhaltspunkt dafür gebe, daß die Benutzung aus praktischen Gründen geboten gewesen wäre (die Frage, ob die Abwandlung verkehrsüblich und bestimmungsgemäß war, hat der B G H wohl stillschweigend verneint). Obwohl diese Begründung zur Ablehnung genügt hätte, wird noch gesagt, es sei nicht erkennbar, daß nach der Verkehrsauffassung beide Formen noch als identisch angesehen werden könnten. Prüfung der Rechtsfrage und Tatsachenfeststellung sind am Ende nicht ganz klar getrennt, der B G H ist aber nicht über Arthrexforte hinausgegangen. Zusammengefaßt ergeben sich aus der gesamten BGH-Rechtsprechung folgende Prüfungsmaßstäbe: Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen: (a) Abwandlungen der eingetragenen Form (- graphische Veränderung und Weglassen eines Bestandteils). Sie sind in drei Schritten zu prüfen: (1) Ist die Abwandlung unerheblich und damit für die Verkehrsauffassung nicht relevant? (Rechtsfrage) Wenn ja, liegt eine rechtserhaltende Benutzung vor. Wenn nein, ist weiter zu prüfen: (2) Ist die Abwandlung bestimmungsgemäß und verkehrsüblich oder geboten? (Rechtsfrage) Wenn nein, wird die Benutzung nicht anerkannt. Wenn ja, ist weiter zu untersuchen: (3) Sehen die betroffenen Verkehrskreise die benutzte Form und die eingetragene Form als ein und dasselbe Zeichen an? (Tatsachenfeststellung). 27 2!
G R U R 89,512. G R U R 90, 364.
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Hans-Werner Giefers
(b) Zusätze zu der eingetragenen Form: Hier geht es nur um Tatsachenfeststellungen. Es kommt darauf an, ob die Verkehrskreise den Zusatz als zeichenmäßig bedeutungslose, austauschbare Zutat ansehen, die den Gesamteindruck nicht mitbestimmt, so daß der Verkehr den Hinweis auf die betriebliche Herkunft allein dem eingetragenen Element entnimmt. Wenn ja, liegt eine rechtserhaltende Benutzung vor. (c) Abwandlungen und Zusätze fallen In diesem Fall (Rote-Punkt-Garantie) gehen. b)
zusammen: ist nach dem Schema a) vorzu-
Bundespatentgericht
Überblickt man die hier zusammengestellten Entscheidungen des BPatG 29 , so stellt man fest, daß das Gericht zunächst - unter Bezugnahme auf KIM Mohr - im wesentlichen darauf abstellte, ob der Verkehr die eingetragene Marke und die benutzte Zeichenform als ein und dasselbe Zeichen ansah (Postafen, Kurant)i0. Das wurde bejaht, wenn die Abwandlung oder der Zusatz - zwischen beiden Fallgruppen wurde noch nicht unterschieden - branchenüblich und nicht willkürlich war. Die Zeichenidentität sei dann nicht beeinflußt (Togiren)}\ Im Falle Schmidt-Zigarre (eingetragen: Schmidt-Zigarre, benutzt: Schmidt-Zigarren in Umrahmung mit einem großen S im Mittelpunkt32), stellte das Gericht die sehr praxisnahe Frage, was der Verkehr verlange, wenn er die betreffenden Zigarren kaufen wolle. Die Antwort lautete: „SchmidtZigarren" oder „eine Schmidt-Zigarre", nicht aber „S-Zigarren" oder gar „S-Schmidt-Zigarren". In den veröffentlichten Entscheidungen wurde eine rechtserhaltende Benutzung verneint in fünf Fällen, in denen die eingetragene Marke abgewandelt, und in einem Fall, in welchem sie mit Zusätzen verbunden worden war33. Soweit ersichtlich, hat das BPatG nach Arthrexforte34 - dem Prüfungsschema des B G H folgend - nur im Falle Iska die graphische Abwandlung nicht anerkannt, sonst aber die Abwandlungen als bestim-
Siehe die Zusammenstellung mit Fundstellen am Ende des Beitrages. G R U R 77,256 Postafen; G R U R 79, 709 Kurant. 31 Mitt. 78, 134 Togiren. 32 G R U R 80, 56. Siehe Zusammenstellung der Abbildungen am Ende des Beitrages. 33 G R U R 79, 712 - Biomix; G R U R 79, 709 - Kurant; G R U R 79, 244 Herz-Kaffee; BPatGE 23, 192 - ISKA; G R U R 88, 380 - Pena. Siehe Zusammenstellung am Ende des Beitrages. 34 Also beginnend mit Iska. 29
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mungsgemäß, branchenüblich und nicht willkürlich qualifiziert35. Da damit die vom BGH in seinem Prüfungsschema vorgeschaltete Rechtsfrage bejaht war, mußte das BPatG anschließend zusätzlich die Verkehrsauffassung feststellen - während der BGH nach Arthrexforte keinen Fall aus der Gruppe „Abwandlungen" mehr zu entscheiden hatte, in der er das von ihm entwickelte Prüfungsschema voll hätte anwenden können. (In den Fällen Panda und BAELZ 36 waren die Abwandlungen wegen Belanglosigkeit schon im Vorfeld unbeanstandet geblieben.) In den genannten vier Entscheidungen sind jedoch keine ausdrücklichen oder nur sehr knappe Feststellungen zur Verkehrsauffassung zu finden. Im Falle Photo Porst (eingetragen: Der Photo Porst; benutzt: Photo Porst) stellte der Senat auf den Sprachgebrauch ab, der „bei der Bezeichnung von Ladengeschäften und Kaufhäusern häufig zwischen der Namensangabe allein ... und der Namensangabe mit bestimmtem Artikel ohne besonderen Grund" wechsle, und unterstrich dies mit eigener Sachkunde: Der Senat selbst gehöre zu den am Erwerb von Fotoartikeln, der Entwicklung von Filmen etc. interessierten Kreisen; ihm sei nicht aufgefallen, daß die zunächst als Der Photo Porst aufgetretene Widersprechende - die ein Ladengeschäft gegenüber dem Gericht unterhalte - den bestimmten Artikel später weggelassen habe. Im Fall Rice Krispies begnügte sich das BPatG - auf KIM-Mohr Bezug nehmend - mit der Begründung, der Wegfall der perspektivischen Gestaltung der Buchstaben stelle nur eine bestimmungsgemäße und verkehrsübliche Art der Benutzung dar, die als rechtserhaltend anzuerkennen sei. (Die Abwandlung hätte wohl auch - wie im Falle Panda - als von vornherein unerheblich bewertet werden können.) Die Entscheidung Petersburger Schlittenfahrt enthält zusätzlich zu der Bewertung „bestimmungsgemäß, verkehrsüblich und geboten" in einer Hilfserwägung die Feststellung, nach Auffassung des Senats bleibe der Schutzbereich des Mehrwortzeichens in beiden Schreibweisen gleich - was letztlich auf eine Feststellung der Verkehrsauffassung kraft eigener Sachkunde hinausläuft. Erst in der jüngsten der fünf Entscheidungen (Procto-Kaban), finden sich wieder Ausführungen zur Verkehrsauffassung entlang dem Prüfungsschema des BGH: „Die von der Widersprechenden vorgenommene Zeichenabwandlung ist ferner nicht nur verkehrsüblich, sie vermeidet auch, daß der Verkehr die benutzte und die eingetragene Zeichenform als zwei verschiedene Zeichen ansieht. Dies beruht darauf, daß ,s BPatGE 27, 240 - Photo Porst; Mitt. 88, 78 - Rice Krispies; G R U R 90, 276 - Petersburger Schlittenfahrt; Mitt. 92, 218 - Procto-Kaban. Siehe Zusammenstellung am Ende des Beitrages. M G R U R 87, 527 - Panda; G R U R 90, 364 - BAELZ.
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Hans-Werner Giefers
der Verkehr an derart übliche Zeichenmodifikationen weitgehend gewöhnt ist, daß im vorliegenden Fall die prägenden gestalterischen Elemente der Zweizeiligkeit und der Buchstabentypen beibehalten sind und daß endlich auch keine inhaltliche Veränderung des Warennamens vorgenommen wurde." Festzuhalten ist, daß die Rechtsprechung des BPatG die vom B G H vorgegebenen Prüfungsschritte nur unvollkommen widerspiegelt, sich aber nicht in Widerspruch dazu gesetzt hat. 3. Kennzeichnender Charakter - ein neuer Begriff a) Quellen und
Materialien
Nach § 26 Abs. 3 S. 1 MarkenG gilt die Benutzung der Marke in einer Form, die von der Eintragung abweicht, als rechtserhaltende Benutzung, „soweit die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verändern".
Mit der Formulierung „kennzeichnender Charakter" kommt ein neuer Begriff ins Markenrecht. Die Gesetzesbegründung37 sagt dazu: „... Solche Abweichungen, die den kennzeichnenden Charakter der Marke unverändert lassen, (sind) nach Abs. 3 unschädlich ... Dies steht im Einklang mit Art. 10 Abs. 2 Buchst, a der Markenrechts-Richtlinie und Art. 5 C Abs. 2 der Pariser Verbandsübereinkunft."
In der Markenrechtsrichtlinie (Art. 10 Abs. 2 a) heißt es: „Folgendes gilt ebenfalls als Benutzung ...: a) Benutzung der Marke in einer Form, die von der Eintragung nur in Bestandteilen abweicht, ohne daß dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflußt wird."
In Erinnerung gerufen sei Art. 5 C Abs. 2 PVU: „Wird eine Fabrik- oder Handelsmarke vom Inhaber in einer Form gebraucht, die von der Eintragung ... nur in Bestandteilen abweicht, ohne daß dadurch die Unterscheidungskraft der Marke beeinflußt wird, so soll dieser Gebrauch die Ungültigkeit der Eintragung nicht nach sich ziehen und den der Marke gewährten Schutz nicht schmälern."
b) Unterscheidungskraft
i. S. der
Markenrechtsrichtlinie
Der Gesetzgeber hat den Begriff „Unterscheidungskraft" aus der Richtlinie mit der knappen Begründung, daß dieser Begriff aus der PVU übernommen worden sei und in der deutschen Ubersetzung nicht ganz treffend sei, durch „kennzeichnender Charakter" ersetzt.
AaO, S. 83.
Benutzung der Marke in abgewandelter Form
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Der Begriff „Unterscheidungskraft" hatte im W Z G und hat im MarkenG (§§ 8 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 3 , 1 4 Abs. 2 Nr. 3) einen bestimmten Inhalt; er gehört zu den markenrechtlichen Grundbegriffen und bezeichnet die mehr oder weniger starke Eignung, die mit der Marke gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen von denen anderer betrieblicher Herkunft zu unterscheiden, zu trennen38. Hätte der Gesetzgeber also den Begriff „Unterscheidungskraft" wörtlich aus der Richtlinie übernommen, hätte er an den Regelungsinhalt im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG anknüpfen müssen, also an den Begriff der Unterscheidungskraft, wie er auch in Art. 6 quinquies B Nr. 3 PVÜ verwendet wird. Ist es richtig, daß der Begriff „Unterscheidungskraft" in Art. 5 C PVÜ einen anderen Inhalt hatte? Konnte der Gesetzgeber vom Wortlaut der EG-Richtlinie abweichen, oder ist der Begriff „kennzeichnender Charakter" künftig anhand der Richtlinie als „Unterscheidungskraft" im engeren Sinne auszulegen? c) Schutzumfang der Marke Hinge die Entscheidung, ob die Benutzung einer abweichenden Markenform rechtserhaltend ist, davon ab, ob die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG beeinflußt ist, so wäre jedesmal zu fragen, ob die Marke in der abgewandelten Form besser oder weniger gut geeignet ist, die mit ihr gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen von anderen zu unterscheiden. Es ist allerdings nicht einsehbar, warum es darauf ankommen soll, ob die Marke in der abgeänderten Form ihre Hauptfunktion besser oder weniger gut erfüllt. Solange sie erkennbar dasselbe Produkt oder dieselbe Dienstleistung derselben Herkunft bezeichnet und diese Information übermittelt, kann für die hier zu beantwortende Frage nicht entscheidend sein, ob sie am Markt schwächer oder stärker ist, ihr Schutzumfang größer oder kleiner. Es überrascht, daß B G H und BPatG wiederholt Art. 5 C PVÜ zitiert haben, auf den dort verwendeten Begriff der „Unterscheidungskraft" aber nicht näher eingegangen sind. So ist es wohl zu erklären, daß in der Literatur zum Teil darauf abgestellt wurde, ob der Schutzumfang der Marke sich verändere („Schutzbereichstheorie") 39 . Dies sei eine Rechtsfrage, da „Unterscheidungskraft" ein Rechtsbegriff sei40. Zur Begründung wurde angeführt, der Schutzumfang werde allein durch die eingeVgl. Baumbach/Hefermehl, 12. Aufl., Rdn. 19 zu § 1 WZG. Vor allem vertreten von Schuhe zur Wiesche, G R U R 70, 166; ders., G R U R 75, 139 (Anm. zu KIM Mohr) und G R U R 78, 645 (Anm. zu Silva), im Anschluß an Kraft, G R U R 68, 123. Ebenso Krings, G R U R 80, 422 ff. 40 Schulze zur Wiesche, Anm. zu Silva, G R U R 78, 645. 58
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tragene Form bestimmt und könne mittels Benutzung in abgewandelter Form nicht verändert oder gar erweitert werden. Dabei wurde übersehen, daß sich durch die Benutzung der abgewandelten Form - abgesehen vom steigenden Bekanntheitsgrad - am Schutzumfang der eingetragenen Marke tatsächlich nichts änderte. Man hätte die Frage also nur hypothetisch stellen können: Wäre die abgeänderte Form eingetragen gewesen, wäre ihr Schutzumfang ein anderer als der der ursprünglichen Eintragung? Dies konnte aber nicht weiterhelfen: mit Recht hat Schwanhäuser darauf hingewiesen, es erscheine logisch nicht möglich ein Zeichen zu ändern, ohne die Unterscheidungskraft zu berühren 41 . Die „Schutzbereichstheorie" hat sich denn auch nicht durchgesetzt. Vorherrschend geblieben ist die vor allem von /ezer 4 2 ausführlich begründete „Identitätstheorie" 43 , die allein darauf abstellt, ob der Verkehr die eingetragene Marke und die benutzte Form der Marke als „identisch" 44 ansieht. Tatsächlich zeigen die Gründe der früheren BGH-Entscheidungen, daß auch der B G H „Unterscheidungskraft" in Art. 5 C PVTJ nicht im engeren Sinne des W Z G oder des heutigen MarkenG verstand. Abgesehen von dem Bemühen, bei den eigentlichen Abwandlungen einen Filter von Rechtsfragen vorzuschalten, ging es im Kern immer nur um die Frage: Handelt es sich nach der Auffassung der beteiligten Verkehrskreise bei der eingetragenen Marke und der benutzten Markenform u m ein und dasselbe Zeichen? Das BPatG ist dem gefolgt 45 . Es war daher richtig, daß der Gesetzgeber nicht an den Wortlaut der P V Ü und der Markenrechtsrichtlinie angeknüpft hat. c) Umsetzung der Markenrechtsrichtlinie
im Ausland
Dies wird bestätigt, wenn man einen Blick über die Grenzen wirft. Während z. B. Frankreich, Italien und Griechenland den in der deutschen Übersetzung der Richtlinie mit „Unterscheidungskraft" umschriebenen Begriff unverändert übernommen haben, hat eine Reihe anderer EU-Mitgliedstaaten den Begriff in gleichem Verständnis wie der deutsche Gesetzgeber interpretiert und in nationales Recht umgesetzt, wie man auch der jeweiligen deutschen Ubersetzung unschwer entnehmen kann: 41
Schwanhäuser, GRUR 82, 197, 200 1. Sp. Fezer, Der Benutzungszwang im Markenrecht, Berlin 1974; ders., BB 75, 436 (Anm. zu KIM-Mohr) und MA 84, 76. 43 Siehe dazu Fn. 16. 44 Siehe dazu Fn. 16. 45 Weitgehend unbemerkt geblieben ist, daß der 27. Senat des BPatG schon 1976 die Schutzbereichslehre ausdrücklich abgelehnt hat: BPatGE 19, 175, 176 (Cosy Issy). 42
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Spanien: „... in einer Form, bei der die abgewandelten Bestandteile die eingetragene Zeichenform nicht wesentlich verändern" 46 . Dänemark: „... in einer Form, die nicht wesentlich von der Form abweicht, in der sie eingetragen ist"47. Benelux: „... die Benutzung der Marke in einer teilweise abweichenden Form, ohne daß das unterscheidende Merkmal der Marke in der Form, in der sie eingetragen ist, geändert wird" 48 . Ahnlich formuliert übrigens auch die Schweiz: „Gebrauch in einer von der Eintragung nicht wesentlich abweichenden Form" 49 . d) Veränderung des „kennzeichnenden
Charakters"
In Zukunft geht es also darum, den Begriff „kennzeichnender Charakter" mit Gehalt zu füllen. Einerseits muß er von der Rechtsprechung noch ausgefüllt werden; andererseits sollen die Gerichte so an das Gesetz gebunden sein, daß eine Rückkehr zur früheren Rechtsprechung nicht möglich ist. Die Gesetzesbegründung 50 verheißt sogar, es werde ein Beitrag zur Entlastung des Registers geleistet, weil der gegenwärtig gegebene „Zwang" zur Anmeldung aller in Betracht kommenden Abweichungen künftig nicht mehr gegeben sein werde. Dieses Versprechen auf Rechtssicherheit und Kalkulierbarkeit wird die Rechtsprechung einzulösen haben. Bei der Auslegung des § 26 Abs. 3 S. 1 MarkenG ist zunächst daran anzuknüpfen, daß das Regel/Ausnahme-Verhältnis, wie es der früheren Rechtsprechung zugrunde lag, umgekehrt worden ist. Zwar spricht die Gesetzesbegründung auch von dem Grundsatz, daß die Marke in der Form, in der sie eingetragen worden ist, benutzt werden müsse. Während aber die frühere Rechtsprechung davon ausging, daß Abweichungen grundsätzlich unzulässig seien, sofern nicht die strengen Voraussetzungen erfüllt waren, wird jetzt die Benutzung in der abweichenden Form der Benutzung der eingetragenen Marke grundsätzlich gleichgesetzt, sofern nicht (ausnahmsweise) der kennzeichnende Charakter der Marke verändert wird. Schon nach der Systematik der gesetzlichen Regelung ist also die Rechtsprechung zu einer großzügigeren Beurteilung angehalten. Hinzu kommt, daß - anerkannter juristischer Interpretationslehre folgend - bei historischer und teleologischer Auslegung ganz klar der Wille des Ge46 Artikel 4 LM Abs. 2 a (GRUR Int. 89, 552, zitiert bei Casado Cervino, GRUR Int. 92, 107). 47 § 25 Abs. 2 Nr. 1 Markengesetz Nr. 341 (GRUR Int. 94, 1004). 48 Artikel 5 Abs. 3 a Benelux-Markengesetz i. d. F. vom 2. 12. 1992. 49 Artikel 11 Markenschutzgesetz. 50 AaO, S. 83.
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setzgebers erkennbar ist, großzügiger zu sein als die bisherige Rechtsprechung. Die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachte Intention des Gesetzgebers müssen die Gerichte beachten, denn zu der Bindung des Richters an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG) gehören auch die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung51. „Charakter" bedeutet im Griechischen ursprünglich „eingebranntes, eingeprägtes Zeichen". Der Große Duden beschreibt „Charakter" in seiner Hauptbedeutung als das „individuelle Gepräge eines Menschen"52. In mehreren der hier behandelten Entscheidungen wird die Frage gestellt, was die jeweilige Zeichenform „präge" oder welcher Bestandteil „prägend" sei. Statt von „kennzeichnendem Charakter" könnte man auch von der „kennzeichnenden individuellen Prägung" der Marke sprechen. Die Merkmale, die eine Marke dort, wo sie ihre Funktionen entfaltet, nämlich am Markt in den Augen der betroffenen Verkehrskreise, individuell prägen, machen ihren kennzeichnenden Charakter aus. e) Tatfrage oder
Rechtsfrage
Der BGH hatte die Frage, ob der - in heutiger Terminologie - kennzeichnende Charakter verändert sei, stets als Tatsachenfrage behandelt. Er hatte ihr aber, wie oben gezeigt53, die Rechtsfrage vorangestellt, ob die Abwandlung eine bestimmungsmäßige und verkehrsübliche oder eine durch den praktischen Gebrauch gebotene Art der Benutzung sei. Für diese vorgeschaltete Rechtsfrage läßt § 26 MarkenG keinen Raum mehr. Wird also fortan der BGH an die ordnungsgemäß getroffenen Feststellungen der Tatsacheninstanzen gebunden sein, ohne aus rechtlichen Gründen eine Entscheidung korrigieren zu können, wie dies mit der Arthrex/orte-Lehre möglich war? Die Antwort hängt davon ab, ob die Frage nach der Veränderung des kennzeichnenden Charakters unter dem MarkenG und der für seine Auslegung maßgeblichen EG-Richtlinie als Tatsachenfrage oder als Rechtsfrage angesehen wird. Die Markenrechtsrichtlinie selbst gibt dazu keinen Hinweis. Sie überläßt die Verfahrensregeln vielmehr den Mitgliedstaaten. Welchen Umfang dieser Freiraum für den nationalen Gesetzgeber hat, unterstreicht die Richtlinie im Zusammenhang mit der Verwechslungsgefahr: In den Erwägungsgründen heißt es dazu, daß Bestimmungen über die Art und 51 Kann hier nicht vertieft werden; siehe dazu: Larenz, Die Bindung des Richters an das Gesetz als hermeneutisches Problem, in: Festschrift für Huber, Göttingen 1973. 52 Duden, Das große Wörterbuch der deutschen Sprache, 2. Aufl., Mannheim 1993, Band 2. 53 Siehe Abschnitt 2 a.
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Weise der Feststellung der Verwechslungsgefahr, insbesondere über die Beweislast, Sache nationaler Verfahrensregeln seien, die von der Richtlinie nicht berührt würden 54 . Ausschlaggebend dürfte sein, daß der Gesetzgeber in Kenntnis der Rechtsprechung des BGH, der „Veränderung der Unterscheidungskraft" i. S. des Art. 5 C PVÜ stets als Tatsachenfrage angesehen hat, den Begriffsinhalt des Art. 5 C PVÜ - über die Markenrechtsrichtlinie - in § 26 Abs. 3 übernommen hat. Der Hinweis, für die alte Rechtsprechung sei kein Raum mehr, kann sich daher nur auf die vom B G H vorgeschaltete Rechtsfrage, nicht aber darauf beziehen, daß letztendlich die Verkehrsauffassung ausschlaggebend sein sollte. Gerade diese kann die Grundlage für eine großzügigere Beurteilung bieten. Es spricht daher alles dafür, unverändert darauf abzustellen, ob der Verkehr die benutzte Form und die eingetragene Form „als ein und dasselbe Zeichen ansieht". f ) Feststellung der Verkehr sauffassung Bleibt man dabei, daß die Verkehrsauffassung entscheidet, schließt sich sogleich die Frage an, wie sie festzustellen ist. Aus der früheren Rechtsprechung ist zwar nicht ersichtlich, daß es jemals eine Meinungsbefragung gegeben habe, jedoch hat der B G H die Sache Idee Kaffee ausdrücklich zum Zwecke der Verkehrsbefragung zurückverwiesen 55 . Sonst haben die Vorinstanzen jeweils eine Reihe von Indizien zusammengetragen, aus denen sie auf die Verkehrsauffassung geschlossen haben. Der B G H war entweder daran gebunden oder konnte aufheben, weil die Feststellungen fehlerhaft waren. Kommt es aber darauf an, die tatsächliche Verkehrsauffassung festzustellen, so muß man auch demoskopische Gutachten als Beweismittel zulassen. Der gelegentlich gebrachte Einwand, daß die Verkehrskreise das eingetragene Zeichen und das abgewandelte Zeichen nicht gleichzeitig zu Gesicht bekämen, verschlägt nichts. Zuzugeben ist, daß man nicht fragen kann, ob der Verkehr in der benutzten Form die ursprüngliche Eintragung „wiedererkennt", denn man kann nur etwas wieder erkennen, das man früher schon einmal zu Gesicht bekommen hat56. Die Frage kann also nur lauten, ob der Verkehr die eine Markenform in der anderen wiedererkennt, wenn er die eingetragene Form gleichzeitig oder vorher kennengelernt hat57. Es versteht sich, daß „wiedererkennen" nicht bedeutet „für ähnlich/verwechselbar halten", denn der Identitäts54
Absatz 10 der Erwägungsgründe. GRUR 85,46. 56 So mit Recht der BGH, GRUR 84, 872 Wurstmühle. " Kein Zeichenvergleich aus ungenauer Erinnerung: BPatG GRUR 79, 712, 713 Biomix. 55
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bereich ist auch weiterhin enger zu ziehen als der weite Bereich der Ähnlichkeit/Verwechslungsgefahr58. Es wird Aufgabe der demoskopischen Institute sein, geeignete Befragungsmodelle zu entwickeln. Schließlich bleibt die Frage, wie groß der Teil des Verkehrs sein muß, der die Marke „wiedererkennt". Der BGH hatte im Falle Idee-Kaffee59 betont, daß es schon genüge, wenn ein rechtlich erheblicher Teil des Verkehrs den warenbeschreibenden Zusatz „Kaffee" als solchen und nicht als das Zeichen mitprägenden Bestandteil ansehe. Der Intention des Gesetzgebers, eine großzügige Behandlung sicherzustellen, entspricht es daran anzuknüpfen und künftig generell an die Feststellung, die Marke werde nicht als ein und dieselbe Marke wiedererkannt, hohe Anforderungen zu stellen. Sofern also 15 bis 20 % der befragten Verkehrskreise die Marke wiedererkennen, müßte dies ausreichen, um eine rechtserhaltende Benutzung zu bejahen. Weitere Indizien zu Feststellung der Verkehrsauffassung lassen sich der früheren Rechtsprechung entnehmen: -
tatsächliche Übung in der jeweiligen Branche60, Gewöhnung der Abnehmer", Sprachgebrauch62, abweichende Aussprache der verglichenen Wörter63.
Für Darlegung und Beweisführung gilt künftig in besonderem Maße, was Kicker in der Anmerkung zu audio 1M schrieb: „In der forensischen Praxis werden die Parteien größte Sorgfalt auf die sachentsprechende Feststellung der entscheidungserheblichen Verkehrsauffassung verwenden müssen. Nur dadurch ist grundsätzlich sicherzustellen, daß die bindenden tatrichterlichen Feststellungen bei einer revisionsmäßigen Uberprüfung keine Bedenken hervorrufen, denen der BGH regelmäßig nicht (mehr) nachgehen kann." Um die Absichten des Gesetzgebers umzusetzen, sollte man dem Richter einräumen, aus eigener Sachkunde zu entscheiden, wenn er selbst zu den betroffenen Verkehrskreisen gehört - ähnlich wie dies das BPatG im Falle Photo Porst getan hat65. Dieses Vorgehen ermöglicht auch unschwer, völlig unwesentliche Abwandlungen, wie sie zuletzt
5»
Vgl. Fezer, BB 75, 436, 440. GRUR 85, 926. 60 Kim-Mohr, Flexiole, Römerturm Agento. 61 Ekna. 62 Photo Porst. " Kurant. " GRUR 79,470. 65 BPatGE 27, 240. Siehe oben unter 2. b. 59
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auch der B G H schon von vornherein ausgesondert hat, ohne längere Beweiserhebung für unschädlich zu erklären. Wenn der Richter dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel und dem Regel-Ausnahme-Verhältnis in § 26 Abs. 3 MarkenG 66 gerecht werden will, muß er allerdings weitere Feststellungen zur Verkehrsauffassung treffen, falls er selbst als betroffener Verbraucher zu dem Ergebnis kommt, der kennzeichnende Charakter der Marke sei verändert. 4. Frühere negative Entscheidungen am Prüfstein des § 26 Abs. 3 MarkenG Es reizt zu prüfen, ob die früheren negativen Entscheidungen des B G H und des BPatG unter neuem Recht anders ausgefallen wären. Dabei soll die frühere Unterscheidung zwischen Abwandlungen und Zusätzen beibehalten werden, obwohl sie rechtlich heute keine Bedeutung mehr hat, weil es für beide Fallgruppen - künftig unter dem Oberbegriff „Abweichungen" (vgl. § 26 Abs. 3 MarkenG) zusammengefaßt nur noch auf die Verkehrsauffassung ankommt. a)
Abwandlungen
Legt man an die negativen Entscheidungen in Abwandlungsfällen67 (Arthrexforte, audio 1, Rote-Punkt-Garantie, Biomix, Herz-Kaffee, Iska, Kurant, Regenal) die oben dargestellten neuen Maßstäbe an, so zeigt sich, daß sämtliche Entscheidungen nicht gehalten werden können. Da die rechtliche Begründung, mit der der B G H in Arthrexforte die Feststellungen des BPatG zur Verkehrsauffassung ausgehebelt hatte, nicht mehr trägt, wäre er heute an diese Feststellungen gebunden. So wie sie in den Entscheidungsgründen wiedergegeben sind, verstoßen sie weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze. Das BPatG hatte aufgrund eigener Sachkunde aus der Anordnung und graphischen Gestaltung der Schrift, aus dem „R" im Kreis und nicht zuletzt aus der schmalen Form der Packung darauf geschlossen, daß zumindest ein genügend großer Teil des Verkehrs Eintragung und Benutzungsform als ein und dasselbe Zeichen ansehe. Damit könnte die Benutzung heute als rechtserhaltend anerkannt werden. Der Fall Rote-Punkt-Garantie lag genauso. Offenbar hatte das Berufungsgericht eine rechtserhaltende Benutzung aus eigener Sachkunde bejaht. Unterstellt man, daß dies ausreichend begründet wurde - die Entscheidungsgründe des BGH-Urteils lassen dazu wenig erkennen,
64 67
Vgl. oben Abschnitt 3. d. Siehe Abschnitt 2.
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wäre auch hier positiv zu entscheiden. Dagegen hat sich das Berufungsgericht in dem ebenfalls gleich gelagerten Fall Baelz damit begnügt, die Benutzungsform als „noch im Rahmen des bestimmungsgemäßen und verkehrsüblichen Gebrauchs" zu qualifizieren, ohne im zweiten Schritt - nach dem Prüfungsschema des BGH - Feststellungen zur Verkehrsauffassung zu treffen. Hier müßte heute zurückverwiesen werden. Im Falle audio 1 hatten die Feststellungen des BPatG als Tatsacheninstanz zu dem entgegengesetzten Ergebnis geführt, der Verkehr sehe audio 1 und die benutzten „audio"-Zeichen nicht als ein und dasselbe Zeichen an, und der BGH war daran gebunden. Eine Meinungsbefragung hatte ersichtlich nicht stattgefunden68. Nach der hier vertretenen Auffassung hätte das BPatG vor einer negativen Entscheidung weitere Ermittlungen anstellen müssen, so daß der BGH heute aufheben und zurückverweisen müßte. Die negativen Entscheidungen des BPatG69 könnten keinen Bestand haben, weil sie entweder keine (Biomix, Regenal, Kurant) oder nur aufgrund eigener Sachkunde (Iska, Herz-Kaffee) Feststellungen zur Verkehrsauffassung enthalten; beides reicht nicht aus, um eine rechtserhaltende Benutzung zu verneinen. Es müßten weitere Feststellungen, wohl auch Verkehrsbefragungen durchgeführt werden. b) Zusätze Negative Entscheidungen des BGH ergingen in den Fällen Cheri, Wurstmühle und Gaucho; jedesmal hat der BGH aufgrund der Feststellungen der Tatsacheninstanz zur Verkehrsauffassung, auf die allein es ankam70, entschieden. Nur in Wurstmühle wurde zu weiteren Feststellungen zurückverwiesen. Cheri wurde bestätigt, in Gaucho zog der BGH aus den Feststellungen des OLG entgegengesetzte Schlüsse. Soweit man aus den veröffentlichten Entscheidungsgründen entnehmen kann, reichen die Tatsachenfeststellungen der Berufungsgerichte in allen drei Fällen nach heutigen Maßstäben nicht mehr aus. In Zukunft würde man nach der hier vertretenen Auffassung Meinungsbefragungen durchführen müssen, wenn die Verkehrsauffassung zuverlässig festgestellt werden soll. Das BPatG hat sich in der einzigen negativen Entscheidung der hier untersuchten Fälle, PENA SOL, darauf beschränkt, allein aus Aufmachung und Erscheinungsbild der Sonnenmilchflasche zu schließen, „allenfalls ein sehr kleiner, nicht aber ein rechtlich noch erheblicher Teil
" Kicker, G R U R 79,470, Anm. zu audio 1. " Siehe Abschnitt 2. b. 70 Siehe oben Abschn. 2. a.
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der beteiligten Verkehrskreise" werde den hinzugefügten Bestandteil „SOL" als zeichenmäßig bedeutungslose Zutat ansehen. Diese Feststellungen könnten die Entscheidung heute nicht mehr tragen. Ohne weitere Ermittlungen zur tatsächlichen Verkehrsauffassung wäre die Entscheidung nicht zu halten. 5. Ausblick a) Neue Markenformen abgewandelt Die neue Regelung muß sich bewähren, indem sie auch der Benutzung der neuen Markenformen gerecht wird. Der großzügigere Maßstab, den der Gesetzgeber angelegt wissen will, zeigt sich u. a. darin, daß nicht mehr notwendig ist, eine Warenmarke auf der Ware anzubringen. „Notwendig und ausreichend ist eine funktionsgerechte Verwendung der Marke. Hierfür kann, je nach den Umständen, auch die Benutzung auf Geschäftspapieren, in Katalogen oder insbesondere in der Werbung ausreichen, wie dies der Rechtslage in einer Reihe von Mitgliedstaaten entspricht. Für eine Fortsetzung der strengen deutschen Rechtsprechung, die im Grundsatz jedenfalls bei Warenmarken eine Benutzung auf der Ware verlangt, besteht künftig keine Grundlage mehr, weil der Begriff der Benutzung in Auslegung der Richtlinie neu bestimmt werden muß 71 ."
Andererseits gilt auch unter dem MarkenG der Rechtsgrundsatz weiter, daß nicht alle Benutzungshandlungen, die das Markenrecht verletzen, auf seiten des Markeninhabers als rechtserhaltende Benutzung zu qualifizieren wären. Bei Hörmarken ist der kennzeichnende Charakter bei „funktionsgerechter Verwendung der Marke" unter Einbeziehung des hinterlegten Tonträgers zu ermitteln. Die Praxis wird vor der Frage stehen, ob Abweichungen in Arrangement und Tonart den kennzeichnenden Charakter der Marke verändern. Da die angesprochenen Verkehrskreise nicht durchweg das absolute Gehör haben, zeichnet sich ab, daß hier ein vergleichsweise großer Spielraum eingeräumt ist. Ahnliches gilt für Farben und Farbkombinationen mit zahllosen Nuancen, die oft bei der Reproduktion schon aus technischen Gründen unterschiedlich ausfallen. Die Abwandlungen dreidimensionaler Marken wird eine große Rolle spielen, weil die eingetragene 3D-Marke - als „Rechtsnachfolger" der früheren Ausstattung - künftig einen wesentlichen Teil des DesignSchutzes übernehmen wird. Abwandlungen des ursprünglich eingetragenen Designs, etwa einer Verpackungsform, ergeben sich oft zwangsläufig aus technischen Gründen bei der späteren Massenproduktion. " Begründung, aaO, S. 83.
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Dreidimensionale Figuren wirken unter Umständen auf die Verkehrskreise lebendiger als zweidimensionale Wiedergaben. Möglicherweise ist es anders zu beurteilen, wenn z. B. das Michelin-Männchen dreidimensional mit einer anderen Armhaltung benutzt wird, als wenn eine zweidimensionale Zeichnung der gleichen Figur entsprechend verändert wird. Wird die als 3D-Marke eingetragene Micky Maus rechtserhaltend benutzt, wenn sie als bewegliches Bild in einem Werbespot erscheint? Es ist vorherzusehen, daß die Rechtsprechung eines Tages zu entscheiden haben wird, ob eine 3D-Marke rechtserhaltend benutzt wird, falls sie nur im Relief wiedergegeben wird. Patentamt und Gerichte werden auf diesen neuen Feldern besondere Sorgfalt darauf verwenden müssen, festzustellen, worin nach Auffassung des Verkehrs der kennzeichnende Charakter der jeweiligen eingetragenen Marke besteht, und ob er in der strittigen Benutzungsform nach eben dieser Verkehrsauffassung verändert ist. Befindet der Richter nach eigener Sachkunde, der kennzeichnende Charakter sei unverändert, kann er nach der hier vertretenen Auffassung ohne weiteres entscheiden; hält er die Grenze für überschritten, wird er Beweis erheben müssen. b) „Übergreifende"
Benutzung
Während in der Vergangenheit allenfalls eine Rolle gespielt hat, ob reine Bildmarken durch Wortmarken, die dieses Bild beschreiben, oder auch durch dreidimensionale Wiedergabe benutzt werden konnten72 oder ob Wortmarken bei akustischer Wiedergabe rechtserhaltend benutzt waren, stellt sich in Zukunft darüber hinaus die Frage, ob dreidimensionale Marken in zweidimensionaler Wiedergabe oder Hörmarken durch graphische Wiedergabe der Notenschrift oder des Sonagramms rechtserhaltend benutzt werden können. Aus Gründen der Rechtssicherheit sollte hier eine Grenze gezogen werden. Der Wortlaut des § 26 Abs. 3 MarkenG schließt eine derartige „formübergreifende" Benutzung zwar nicht ausdrücklich aus, jedoch läßt sich vertreten, die Benutzung in einer völlig anderen Dimension anders als eine zweite zweidimensionale Eintragung - gar nicht mehr als „Abweichung" i. S. des § 26 Abs. 3 anzusehen. Das würde dann auch gelten für die Beschreibung einer reinen Bildmarke oder einer Farbe, für die rein akustische Wiedergabe eines Wortzeichens oder die Wiedergabe eines in Ziffern eingetragenen Zahlenzeichens durch das entsprechende Zahlwort und umgekehrt.
72 Siehe dazu Fezer, Der Benutzungszwang im Markenrecht, Berlin 1974, S. 131 m. w. Nachw.
z
Ù
GRUR 81,53
m o^ ARTHREX FORTE
Corti-Flexiole Rhino-Flexiole
audio 250 audio 300 audio 310
Abwandlung
Zusatz
Abwandlung
Zusatz
Zusatz
Abwandlung
Benutzung rechtserhaltend ?
+
Nr. 847 284
Arthrexforte
Nr. 798 680
Flexiole
Nr. 831 676
audio 1
Nr. 367 171
SILVA LONG
Kim
Mon Cheri
Benutzt
+
GRUR 79, 856
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SILVA
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GRUR 79, 468
Cheri Nr. 755 701
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GRUR 78, 642
GRUR 75,135
GRUR 72, 180
Eingetragen
Zusammenstellung der Entscheidungen BGH
Benutzung der Marke in abgewandelter Form
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