Festschrift für Alfred Kellermann zum 70. Geburtstag am 29. November 1990 [Reprint 2015 ed.] 9783110898385, 9783110125498


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German Pages 556 Year 1991

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Table of contents :
Vorwort
Rechtsmißbräuchliche Aktionärsklagen vor dem Bundesgerichtshof. Eine Zwischenbilanz
Die Auswirkungen der 12. gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie auf die Einmann-AG
Grundsätze der Kapitalerhaltung im Vertragskonzern
Die Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil ist zulässig. Bemerkungen zu BGHZ 108,187
Zur Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz“ in Gesellschaftsverträgen von Personenhandelsgesellschaften
Zur Aufrechnung des Kommanditisten gegen den Haftungsanspruch im Konkurs der Gesellschaft
Das allgemeine Informationsrecht des Kommanditisten in bezug auf den Jahresabschluß
Ergibt die Vereinsmitgliedschaft „quasi-vertragliche“ Ansprüche, „erhöhte Treue- und Förderpflichten“ sowie ein „sonstiges Recht“ im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB? Besprechung der Entscheidung BGHZ 110,323
Bezugsrechtsausschluß bei der Schaffung von Genehmigtem Kapital. Genehmigtes Kapital II
Zur Treupflicht unter Aktionären
Entwicklung, Grenzen und Gefahren richterlicher Rechtsfortbildung
Zum Wegfall des Erstattungsanspruchs aus § 31 GmbHG
Emissionsgeschäft und Emissionskonsortien. Recht und Praxis in Deutschland und in der Schweiz
Gesellschaftsrechtliche Probleme der Umwandlung der DDR-Unternehmen
Rückkehr zur Freiheit. Der Irrweg des Sozialismus
Die Verpachtung von Anlage-Vermögen und § 32 a GmbHG
Überlegungen zur Eigenhaftung des Unternehmenssanierers aus culpa in contrahendo. Zugleich Besprechung des BGH-Urteils XI ZR 206/88 vom 3. April 1990
Zur Privilegierung einheitlicher Leitung im französischen (Konzern-)Recht
Der Vertreter des verhinderten Leiters der Hauptversammlung in der mitbestimmten AG
Aktienrechtliche Probleme eines Ausstiegs aus der Kernenergie
Privatisierung, Entflechtung, Sanierung von DDR-Unternehmen
Gesellschafts- und Gesellschafterschaden
Anteilsnennwert und Anteilsneubildung nach Einziehung von Geschäftsanteilen. Zum System der Mitgliedstellen in der GmbH
Zum Austritt des Gesellschafters aus der GmbH
Die Dogmatik des Informationsrechts als Grundlage der Konkretisierung des §51 a GmbHG. Eine Skizze über Verständnis und Mißverständnis der „funktioneilen Betrachtung“ und der Lehre vom Informationsbedürfnis
Die Zweimann-GmbH
Anpassung von Versorgungsbezügen im Konzern
Nachlaßzugehörigkeit von Personengesellschaftsanteilen
Rechtsfragen der Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen
Gebrauchsüberlassung an die GmbH als Eigenkapitalersatz. Voraussetzungen und Rechtsfolgen nach § 32 a Abs. 3 GmbHG
Störungen bei vorweggenommener Erbfolge
Zur Selbständigkeit der BGB-Gesellschaft
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Festschrift für Alfred Kellermann zum 70. Geburtstag am 29. November 1990 [Reprint 2015 ed.]
 9783110898385, 9783110125498

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Festschrift für Alfred Kellermann

zum 70. Geburtstag am 29. November 1990 herausgegeben von Reinhard Goerdeler, Peter Hommelhoff, Marcus Lutter, Walter Odersky, Herbert Wiedemann

W G DE

Walter de Gruyter

Berlin

New York · 1991

® Gedruckt auf säurefreiem Papier, das die US-AINSI-Norm über Haltbarkeit erfüllt CIP-Kurztitelaufnahme

der Deutseben

Bibliothek

Festschrift für Alfred Kellermann zum 70. Geburtstag am 29. November 1990 / hrsg. von Reinhard Goerdeler . . . - Berlin ; New York ; de Gruyter, 1991 (Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht; Sonderheft; 10)

ISBN 3-11-012549-8 NE: Goerdeler, Reinhard [Hrsg.]; Kellermann, Alfred: Festschrift; Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht / Sonderheft

© Copyright 1991 by Walter de Gruyter & Co., 1000 Berlin 30. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany Satz und Druck: Saladruck GmbH & Co. KG, 1000 Berlin 36 Buchbindearbeiten: Lüderitz & Bauer Buchgewerbe GmbH, 1000 Berlin 61

Vorwort Alfred Kellermann

70 Jahre

Am 29. November 1990 hat Alfred Kellermann sein 70. Lebensjahr vollendet. Autoren und Herausgeber dieses Buches nehmen das Datum zum Anlaß, dem Jubilar mit ihren Beiträgen zum Gesellschafts- und Kartellrecht ihren Respekt und ihre Verehrung zum Ausdruck zu bringen. Nach Kriegsdienst und Gefangenschaft begann Alfred Kellermann 1945 das juristische Studium. Er war Richter am Landgericht Mannheim (ab 1953) und am Oberlandesgericht Karlsruhe (ab 1958). 1958 wechselte er zum Bundeskartellamt, wo er 1959 Leitender Regierungsdirektor sowie 1968 Direktor beim Bundeskartellamt wurde und zuletzt Vorsitzender der 3. Beschlußabteilung des Amtes war. Seit April 1969 bis zu seiner Pensionierung im Jahre 1988 gehörte er dem Bundesgerichtshof und dort ununterbrochen - während der letzten drei Jahre als Vorsitzender - dem für Gesellschafts- und Schiffahrtsrecht zuständigen II. Zivilsenat sowie bis Ende 1987 dem Kartellsenat an. In beiden Senaten hat Alfred Kellermann die Rechtsprechung entscheidend mit geprägt. In den Kartellsenat brachte er sein reiches Wissen und die Erfahrungen ein, die er seit 1958 mit dem damals noch jungen und in vielen Punkten ergänzungsbedürftigen Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen gesammelt hatte. Auch die auf den GWB-Novellen ab 1973 fußende - namentlich zum Diskriminierungsverbot und zur Fusionskontrolle ergangene - Rechtsprechung trägt mit seine Handschrift. Außerdem war wegen seiner zeitgleichen Mitgliedschaft im II. Zivilsenat gerade er berufen, die Voraussetzungen zu umreißen, unter denen sich die Wettbewerbsverbote des Gesellschaftsrechts mit dem Kartellverbot des § 1 GWB vereinbaren lassen. Im II. Zivilsenat war Alfred Kellermann als Berichterstatter mit dem Recht der Personenhandelsgesellschaften und in diesem Zusammenhang insbesondere mit Problemen der Organisation und des Anlegerschutzes bei den personengesellschaftsrechtlich organisierten Publikumsgesellschaften befaßt. Die Leistungen der Rechtsfortbildung auf diesem Gebiet sind in Wirtschaft und Rechtswissenschaft durchweg anerkannt worden und für den Gesetzgeber Anlaß gewesen, auf die ursprünglich geplante gesetzliche Regelung des Anlegerschutzes zu verzichten. Unter dem Vorsitz von Alfred Kellermann ergingen grundlegende Entscheidungen zum GmbH-Vertragskonzern (BGHZ 103,1; 105, 324), zum Mißbrauch von Mehrheitsmacht und zur Treuepflicht (BGHZ 103, 184) sowie zur gerichtlichen Durchsetzung von Organpflichten in der Aktiengesellschaft (BGHZ 106, 54). Zur hohen Akzeptanz, die die Entscheidungen aus beiden Senaten in der Öffentlichkeit erfahren haben, sowie zur wissenschaftlichen Durchdringung und

VI

Vorwort

Weiterentwicklung der schwierigen Materien hat Alfred Kellermann durch zahlreiche Vorträge und Veröffentlichungen beigetragen. Andererseits hat er schon im Vorfeld der Entscheidungsfindung den Dialog mit Wirtschaft und Wissenschaft gesucht, wenn es Lücken eines Gesetzes zu füllen und das Recht fortzubilden galt. Diese Bereitschaft zum wissenschaftlichen Gespräch, zum genauen Hinhören, zum Ringen um den Ausgleich einander widerstreitender Argumente im Interesse eines gerechten Ergebnisses und die dieses Ringen befruchtende hohe Sachkompetenz, nicht zuletzt auch die dabei nie nachlassende Liebenswürdigkeit haben Alfred Kellermann hohes Ansehen verschafft. Diese berufliche Leistung und die hervorragenden persönlichen Eigenschaften zu würdigen, ist das Anliegen dieses Bandes.

Reinhard Goerdeler Walter Odersky

Peter Hommelhoff Herbert

Marcus Lutter Wiedemann

Inhaltsverzeichnis

Vorwort Professor, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Rechtsmißbräuchliche Aktionärsklagen vor dem Bundesgerichtshof. Eine Zwischenbilanz

V

KARLHEINZ BOUJONG,

1

Dr. jur., Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Die Auswirkungen der 12. gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie auf die Einmann-AG 15

OLIVER C . BRÄNDEL,

Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Grundsätze der Kapitalerhaltung im Vertragskonzern

H E L M U T BRANDES,

25

Dr. jur., Professor, Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Ettlingen Die Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil ist zulässig. Bemerkungen zu BGHZ 108, 187 37

H A N S ERICH BRANDNER,

Dr. jur., Dr. h. c., Vorsitzender Richter am Bundesfinanzhof a. D., Unterwössen Zur Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" in Gesellschaftsverträgen von Personenhandelsgesellschaften 51

GEORG DÖLLERER,

Dr. jur., Vorsitzender Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg, Reinbek Zur Aufrechnung des Kommanditisten gegen den Haftungsanspruch im Konkurs der Gesellschaft 67

H A R T W I N VON GERKAN,

Dr. jur., Dr. h. c., Rechtsanwalt und Wirtschaftsprüfer, Frankfurt am Main Das allgemeine Informationsrecht des Kommanditisten in bezug auf den Jahresabschluß 77

REINHARD GOERDELER,

Dr. jur., Universitätsprofessor, Mainz Ergibt die Vereinsmitgliedschaft „quasi-vertragliche" Ansprüche, „erhöhte Treue- und Förderpflichten" sowie ein „sonstiges Recht" im Sinne des §823 Abs. 1 BGB? Besprechung der Entscheidung BGHZ 110, 323 91

W A L T H E R HADDING,

VIII

Inhaltsverzeichnis

Dr. jur., Professor, Rechtsanwalt, Frankfurt am Main Bezugsrechtsausschluß bei der Schaffung von Genehmigtem Kapital. Genehmigtes Kapital II 115

THEODOR HEINSIUS,

Dr. jur., Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Zur Treupflicht unter Aktionären 141

HARTWIG HENZE,

Dr. jur., Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Entwicklung, Grenzen und Gefahren richterlicher Rechtsfortbildung 153

DIETER HESSELBERGER,

HOMMELHOFF, Dr. jur., Universitätsprofessor, Bielefeld, Richter am Oberlandesgericht Hamm Zum Wegfall des Erstattungsanspruchs aus § 31 GmbHG 165

PETER

Dr. jur., Dr. phil., M . C . J . , Universitätsprofessor, München Emissionsgeschäft und Emissionskonsortien. Recht und Praxis in Deutschland und in der Schweiz 181

KLAUS J . H O P T ,

Dr. jur., Universitätsprofessor, Köln Gesellschaftsrechtliche Probleme der Umwandlung der DDRUnternehmen 201

NORBERT H O R N ,

Dr. jur., Professor, Präsident des Bundeskartellamtes, Berlin Rückkehr zur Freiheit. Der Irrweg des Sozialismus 211

WOLFGANG KARTTE,

Dr. jur., Universitätsprofessor, Bonn Die Verpachtung von Anlage-Vermögen und § 32 a GmbHG . . . . 227

BRIGITTE KNOBBE-KEUK,

Dr. jur., Rechtsanwalt beim Oberlandesgericht Köln Überlegungen zur Eigenhaftung des Unternehmenssanierers aus culpa in contrahendo. Zugleich Besprechung des BGH-Urteils XI ZR 206/88 vom 3. April 1990 243

BRUNO M . KÜBLER,

Inhaltsverzeichnis

IX

Dr. jur., Universitätsprofessor, Bonn Zur Privilegierung einheitlicher Leitung im französischen (Konzern-)Recht 257

MARCUS LUTTER,

Dr. jur., Rechtsanwalt beim Bundesgerichtshof, Karlsruhe Der Vertreter des verhinderten Leiters der Hauptversammlung in der mitbestimmten A G 299

HERBERT MESSER,

Dr. jur., Universitätsprofessor, Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht, Hamburg Aktienrechtliche Probleme eines Ausstiegs aus der Kernenergie . . 271

KLAUS-PETER MARTENS,

Dr. jur., Universitätsprofessor, Tübingen Privatisierung, Entflechtung, Sanierung von DDR-Unternehmen . 309

WERNHARD MÖSCHEL,

Dr. jur., Richter am Oberlandesgericht Hamm, Attendorn Gesellschafts- und Gesellschafterschaden 317

GERD MÜLLER,

Dr. jur., Professor, Notar, Hamburg Anteilsnennwert und Anteilsneubildung nach Einziehung von Geschäftsanteilen. Zum System der Mitgliedstellen in der GmbH . 337

HANS-JOACHIM PRIESTER,

Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Zum Austritt des Gesellschafters aus der GmbH

VOLKER RÖHRICHT,

361

Dr. jur., Universitätsprofessor, Hamburg Die Dogmatik des Informationsrechts als Grundlage der Konkretisierung des §51 a GmbHG. Eine Skizze über Verständnis und Mißverständnis der „funktionellen Betrachtung" und der Lehre vom Informationsbedürfnis . . 389

KARSTEN SCHMIDT,

H . S C H N E I D E R , Dr. jur., Universitätsprofessor, Darmstadt/ Mainz' Die Zweimann-GmbH 403

UWE

Dr. h. c., Professor, Vizepräsident des Bundesgerichtshofs a.D., Karlsruhe Anpassung von Versorgungsbezügen im Konzern 423

WALTER STIMPEL,

X

Inhaltsverzeichnis D I E T E R S T O D O L K O W I T Z , Richter am Bundesgerichtshof, Karlsruhe Nachlaßzugehörigkeit von Personengesellschaftsanteilen 439

HEINZ

Dr. jur., Universitätsprofessor, Münster Rechtsfragen der Änderung und Beendigung von Unternehmensverträgen 461

WOLFRAM TIMM,

Dr. jur., Universitätsprofessor, Heidelberg Gebrauchsüberlassung an die GmbH als Eigenkapitalersatz. Voraussetzungen und Rechtsfolgen nach § 32 a Abs. 3 GmbHG 485

PETER ULMER,

P E T E R W E S T E R M A N N , Dr. jur., Universitätsprofessor, Tübingen Störungen bei vorweggenommener Erbfolge 505

HARM

Dr. jur., Universitätsprofessor, Köln, Richter am Oberlandesgericht Düsseldorf Zur Selbständigkeit der BGB-Gesellschaft 529

HERBERT WIEDEMANN,

Rechtsmißbräuchliche Aktionärsklagen vor dem Bundesgerichtshof Eine Zwischenbilanz

KARLHEINZ BOUJONG

Inhaltsübersicht I. Einleitung II. Problemfälle, „Lästigkeitswert" der Anfechtungsklage III. Einwand des Rechtsmißbrauchs 1. Grundlagen 2. Voraussetzungen 3. Darlegungs- und Beweislast, Indizien 4. Sachabweisung der rechtsmißbräuchlichen Klage 5. Begrenzte Reichweite des Einwands 6. Spielraum für Vergleiche 7. Verfahrensabschluß in Mißbrauchsfällen IV. Rechtspolitische Überlegungen 1. Abzulehnende Lösungen 2. Anregungen

I.

Einleitung

Auch Rechtsfragen haben ihre „Konjunkturen". Die Problematik des Mißbrauchs aktienrechtlicher Anfechtungsklagen bietet dafür ein anschauliches Beispiel. Die Frage spielte schon im Jahre 1877 bei den Vorarbeiten für die Aktienrechtsreform von 18841 eine Rolle und wurde etwa 50 Jahre später in der Diskussion um die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik erneut aufgegriffen 2 . Das Reichsgericht hat sich - soweit ersichtlich - erstmals im Jahre 1935 mit einer mißbräuchlichen Anfechtungsklage befaßt3. Auch dem Bundesge1 SCHUBERT/HOMMELHOFF, 100 Jahre modernes Aktienrecht (ZGR Sonderheft 4), 1985, S. 255; z u r historischen Entwicklung ferner TIMM, in: T i m m (Hrsg.), Mißbräuchliches Aktionärsverhalten, 1990, S. 6 ff. 2 SCHUBERT/HOMMELHOFF, Die Aktienrechtsreform am Ende der Weimarer Republik, 1 9 8 7 , S . 2 8 2 ; T I M M , a a O ( F n . 1), S . 7 f .

3 R G Z 146, 385, 395 ff unter Betonung des Treupflichtgedankens, auf den B G H Z 107, 296, 311 bewußt nicht abstellt; s. auch den Rechtsprechungsüberblick bei HIRTE, BB 1988, 1469, 1471 f.

Karlheinz Boujong

2

richtshof sind zu Beginn der sechziger Jahre vereinzelt solche Fälle unterbreitet worden 4 . Nach einer Pause von mehr als 25 Jahren hat sich in jüngerer Zeit die „Konjunktur" insoweit wieder belebt. Der Bundesgerichtshof hat sich 1989 in zwei Fällen mit dem Problem der mißbräuchlichen Anfechtungsklagen gegen Verschmelzungsbeschlüsse nach § 340 c AktG eingehend auseinandergesetzt 5 ; ein weiterer einschlägiger Prozeß ist noch anhängig 6 . Einer dieser Streitfälle hat bereits zu einer Kammer-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts geführt 7 . Im Blick auf die sich häufenden Anfechtungsklagen gegen aktienrechtliche Verschmelzungsbeschlüsse gewinnt auch die Frage, ob die für den Eintritt der Verschmelzungsfolgen (§ 346 Abs. 3, 4 AktG) erforderliche Eintragung im Handelsregister bis zur rechtskräftigen Abweisung der Klage ausgeschlossen ist, erhöhte Bedeutung. Auch dazu hat der Bundesgerichtshof auf einen Vorlagebeschluß gem. §28 Abs. 2, 3 FGG hin neuestens Stellung genommen 8 . Diese Entwicklung hat auch der wissenschaftlichen Diskussion um das rechtsmißbräuchliche Aktionärsverhalten neuen Auftrieb gegeben und eine Reihe von Äußerungen in der Literatur ausgelöst 9 . Die zitierten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs 10 haben einen Teil der Streitfragen geklärt; andere Fragen sind, weil sie nicht entscheidungserheblich waren, offen geblieben. Der derzeitige Stand der Rechtsprechung gibt Anlaß, eine vorläufige Bilanz zu ziehen, die in einigen Punkten auch schon auf die Kritik an dieser Judikatur eingeht. Zugleich soll versucht werden, einige rechtspolitische Anregungen zu geben.

4 B G H Z 36, 121, 136 ff; B G H W M 1962, 456, 457. 5 B G H Z 107, 296 („Kochs Adler") m . A n m . HIRTE in EWiR § 2 4 6 A k t G 1/89, 843 u. Anm. WERNER in W u B II A. § 3 4 0 a A k t G 3 . 8 9 ; B G H Urt. v. 1 8 . 1 2 . 1 9 8 9 - II ZR 254/88 („DAT/Altana") - ZIP 1990, 168 = W M 1990, 140 m . A n m . TIMM in EWiR §243 A k t G 2/90, 321; BGH, (Teil-)Nichtannahme-Beschluß v . 2 5 . 9 . 1 9 8 9 - II ZR 254/88 („DAT/Altana") - ZIP 1989, 1388 = W M 1989, 1765 m . A n m . GÜNTHER in EWiR § 2 4 3 A k t G 1/90, 121 u. A n m . HECKSCHEN in W u B II A . § 3 4 0 a A k t G 1.90. 6 - II ZR 146/89 - ; inzwischen ist am 2 9 . 1 0 . 1 9 9 0 ein Urteil ergangen. Das Urteil der Vorinstanz ( O L G Karlsruhe) ist in ZIP 1989, 988 u. W M 1989, 1 1 3 4 veröffentlicht; vgl. d a z u d i e A n m . v o n HECKSCHEN i n W u B II A . § 3 4 0 a A k t G 2 . 8 9 . 7 WM

1 9 9 0 , 7 5 5 = B B 1 9 9 0 , 6 7 1 m . A n m . HECKSCHEN u . A n m . WERNER W U B II A .

§340 a AktG 3.90.

8 BGH, Beschl. v . 2 . 7 . 1 9 9 0 - II ZB 1/90 - , W M 1990, 1372 ff, ergangen auf Vorlagebeschluß des O L G Frankfurt, ZIP 1990, 509 = W M 1990, 596. 9 Siehe etwa TIMM, aaO (Fn. 1), S. 1 ff; WINDBICHLER, in: Timm (Hrsg.), aaO (Fn. 1), S. 3 5 f f ; HECKSCHEN, Z I P 1 9 8 9 , 1 1 6 8 ; DERS., W M HIRTE, B B Betrieb,

1988,

1988,

1469;

S. 1 9 3 ;

HOMMELHOFF, Z G R

MARTENS,

Die

A G

1 9 9 0 , 3 7 7 ; HEUER, W M

1990,

1986,

57;

447;

LUTTER, F S

MERTENS,

Die

1989,

40 Jahre A G

1990,

1401; Der 49;

TEICHMANN, JUS 1 9 9 0 , 2 6 9 ( B e s p r e c h u n g s a u f s a t z z u B G H Z 1 0 7 , 2 9 6 ) ; SCHLAUS, D i e AG

1988, 1 1 3 ; GÖTZ, D B

10 Vgl. Fn. 5.

1989,

261.

Rechtsmißbräuchliche Aktionärsklagen vor dem B G H

3

Alfred Kellermann, dem dieser Beitrag gewidmet ist, hat während seiner langjährigen Zugehörigkeit zum II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs als Richter und Vorsitzender Richter an zahlreichen Revisionsentscheidungen zum Aktienrecht mitgewirkt. Daher dürfen gewiß auch die hier behandelten Fragen, an denen sich erst nach seinem Eintritt in den Ruhestand lebhafte Kontroversen entzündet haben, mit seinem fortbestehenden Interesse an gesellschaftsrechtlichen Problemen rechnen.

II. Problemfälle, „Lästigkeitswert"

der

Anfechtungsklage

Die beiden neueren Entscheidungen des Bundesgerichtshofs 11 betrafen Anfechtungsklagen (§246 AktG) von Kleinaktionären gegen Zustimmungsbeschlüsse der Hauptversammlung zu Verschmelzungsverträgen nach §340c AktG. Im Falle „Kochs Adler" hatten Aktionäre der übernehmenden Gesellschaft, im Falle „DAT/Altana" Aktionäre der übertragenden Gesellschaft geklagt. Die Anfechtungsklagen waren jeweils darauf gestützt, daß der von dem Vorstand der beklagten Gesellschaft vorgelegte Verschmelzungsbericht nicht den Anforderungen des §340 a AktG entsprochen habe. Die beklagten Gesellschaften verteidigten sich in beiden Prozessen u. a. mit dem Einwand des Rechtsmißbrauchs, weil es den klagenden Aktionären nur darum gehe, sich den „Lästigkeitswert" ihrer Klagen für die Gesellschaften gegen hohe Summen, die in einem groben Mißverhältnis zu etwa den Aktionären aus der Verschmelzung erwachsenden Vermögensnachteilen stünden, abkaufen zu lassen12. Es steht außer Zweifel, daß Anfechtungsklagen gegen Verschmelzungsbeschlüsse nach § 340 c AktG für die betroffenen Gesellschaften äußerst lästig sind. Die Rechtswirkungen der Verschmelzung treten nämlich erst mit deren Eintragung in das Handelsregister ein (§346 Abs. 3, 4 AktG). Wenn aber fristgerecht Anfechtungsklage gegen den Verschmelzungsbeschluß erhoben worden ist, so besteht bis zur rechtskräftigen Abweisung dieser Klage grundsätzlich ein aus § 345 Abs. 2 Satz 1 AktG abzuleitendes Eintragungshindernis, da der Vorstand bei der Anmeldung zur Registereintragung der Verschmelzung die in dieser Vorschrift verlangte Negativerklärung nicht abgeben kann. Der Registerrichter darf (trotz Fehlens der Negativerklärung) die Verschmelzung nur dann in das Handelsregister eintragen, wenn er zu dem Ergebnis gelangt, daß der erhobenen Anfechtungsklage zweifelsfrei jegliche Erfolgsaussicht abzusprechen ist. Gelangt der Registerrichter lediglich zu dem Ergebnis, daß der Erfolg der Klage nicht als sicher angesehen werden kann, hat er das Eintragungsverfahren entspr. § 127 F G G auszusetzen. Das hat der Bundesgerichtshof 13 nunmehr rechtsgrundsätz11 Vgl. Fn.5. 12 Vgl. auch die Fallschilderungen von TIMM, aaO (Fn. 1), S. 9 ff. 13 Vgl. Fn. 8.

4

Karlheinz B o u j o n g

lieh ausgesprochen und damit eine gerade im Zusammenhang mit mißbräuchlichen Aktionärsklagen gegen Verschmelzungsbeschlüsse erörterte Streitfrage geklärt 14 . Die rechtzeitige Erhebung der Anfechtungsklage gegen Verschmelzungsbeschlüsse bewirkt also - von Fällen offensichtlich fehlender Erfolgsaussicht der Klage abgesehen - eine Registersperre, die den Vollzug der Verschmelzung blockiert. Diese Blockade kann mehrere Jahre dauern, wenn der Anfechtungsprozeß drei Instanzen durchläuft, insbes. wenn es zur Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof und/oder zu einer Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 177 EWG-Vertrag kommt. Der damit verbundene Zeitverlust kann für die betroffenen Gesellschaften schwerwiegende Nachteile mit sich bringen, wie im Schrifttum bereits näher dargestellt worden ist 15 . Diese nachteiligen Wirkungen können von einem einzigen Kleinstaktionär ausgelöst werden, da schon anfechtungsberechtigt ist, wer auch nur eine einzige Aktie hält (§245 N r . 1 AktG).

III. Einwand des 1.

Rechtsmißbrauchs

Grundlagen

a) Das Aktiengesetz kennt keine spezifischen Sicherungen gegen mißbräuchliche Anfechtungsklagen von Aktionären. Der Bundesgerichtshof mußte daher auf das allgemeine rechtliche Instrumentarium zurückgreifen, um dem Verbot mißbräuchlichen Handelns Geltung zu verschaffen. Dabei stellte sich für ihn - die hier nicht weiter zu erörternde - Ausgangslage so dar, daß er den Verschmelzungsbericht 16 als nicht gesetzeskonform ansah und den Ursachenzusammenhang zwischen der Gesetzesverletzung und dem angefochtenen Verschmelzungsbeschluß bejahte. Die Anfechtungsklagen wären also an sich begründet gewesen, und der Bundesgerichtshof stand vor der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen einer an sich sachlich begründeten aktienrechtlichen Anfechtungsklage der Einwand des Rechtsmißbrauchs entgegengehalten werden kann. b) Der Bundesgerichtshof 17 hat das Schikaneverbot des §226 B G B nicht erörtert. Es kann dahingestellt bleiben, ob es auch im Zivilprozeßrecht gilt 18 . 14 Vgl. z u m Streitstand etwa TIMM/SCHICK, D B 1990, 1221 ff m. w . N . 15 LUTTER, a a O

( F n . 9 ) , S. 194 ff; MARTENS, a a O ( F n . 9 ) , S . 5 7 ;

SCHLAUS, a a O

(Fn.9),

S . 1 1 4 f.

16 D a z u neuestens NIRK, F S Steindorf, 1990, S. 1 8 7 f f ; HECKSCHEN, Z I P 1989, 1168 ff; DERS., W M 1990, 377, 381 ff; MERTENS, D i e A G 1990, 2 0 ; vgl. auch TIMM, Z I P 1990,

270 mit A b d r u c k eines gemeinsamen Verschmelzungsberichts. 17 Vgl. a a O ( F n . 5 ) . 18 Bejahend R G Z 120, 47, 50; verneinend R G Z 162, 65, 67.

Rechtsmißbräuchliche Aktionärsklagen vor dem B G H

5

Jedenfalls ist der Schikanebegriff, der voraussetzt, daß die Schadenszufügung objektiv der alleinige Zweck des Handelns ist, für die Lösung von Fällen der hier behandelten Art zu eng 19 . Schon das Reichsgericht hat in seiner bereits zitierten Entscheidung 20 zur rechtsmißbräuchlich erhobenen aktienrechtlichen Anfechtungsklage darauf hingewiesen, daß der Gedanke der Unzulässigkeit einer mißbräuchlichen Rechtsausübung zwar seinen gesetzlichen Niederschlag in dem Schikaneverbot des §226 BGB gefunden hat, aber über den Rahmen dieser Vorschrift hinaus überall dort gilt, w o sich die Ausübung eines Rechts als eine gröbliche Verletzung des das ganze bürgerliche Recht beherrschenden Grundsatzes von Treu und Glauben darstellt. c) Wenn Aktionärsklagen, die den Abkauf der Anfechtungsbefugnis zum Ziel haben, am Maßstab des Rechtsmißbrauchs gemessen werden, so werden damit nicht etwa aktienrechtliche Klagen einer strengeren Beurteilung als andere Klagen unterworfen. Es ist anerkannt, daß der Grundsatz von Treu und Glauben (§242 BGB) nicht nur im materiellen Recht, sondern ganz allgemein auch im Prozeßrecht gilt 21 . Einer der Anwendungsfälle dieses Grundsatzes ist der Mißbrauch prozessualer Befugnisse. Zu dieser Fallgruppe gehört im Prinzip auch die mißbräuchliche Klageerhebung zur Erlangung ungerechtfertigter Vermögensvorteile 22 . Verstößt eine Prozeßpartei gegen das Verbot des Rechtsmißbrauchs, so sind ihrem Verhalten die Rechtswirkungen, die es ohne den Unrechtscharakter gehabt hätte, zu versagen 23 . Eine rechtsmißbräuchlich erhobene Klage ist also, auch wenn sie an sich sachlich hätte Erfolg haben müssen, allein wegen des Verstoßes gegen Treu und Glauben abzuweisen. O b es sich im aktienrechtlichen Anfechtungsverfahren um eine Prozeßabweisung oder um eine Sachabweisung der Klage handelt, wird unten im Blick auf die Eigenart des Gestaltungsklagerechts gesondert erörtert (vgl. III 4). d) Wenn man diese Grundsätze auf die gegen Hauptversammlungsbeschlüsse gerichtete aktienrechtliche Anfechtungsklage anwenden will, ergeben sich allerdings zusätzliche Probleme. Die aktienrechtliche Anfechtungsklage bildet ein Mittel zur Kontrolle der Gesetz- und Rechtmäßigkeit des Organhandelns der Aktiengesellschaft; die Erhebung der Klage dient dazu, einen dem Gesetz und der Satzung entsprechenden Rechtszustand herbeizuführen. Daher braucht der

19 Vgl. ZEISS, Die arglistige Prozeßpartei, 1967, S. 152 f; s. auch TEICHMANN, aaO (Fn. 9), S. 270. 20 A a O (Fn. 3), S. 396. 21 ROSENBERG/SCHWAB, Zivilprozeßrecht, 14. Aufl., § 2 IV (S. 11 F) und § 65 VII (S. 390 f); STEIN/JONAS/SCHÖNKE/SCHUMANN, ZPO, 20. Aufl., Einl. Rdn. 242 ff. 22 Zu den Fällen des Mißbrauchs prozessualer Befugnisse eingehend ZEISS, aaO (Fn. 19), S. 150 f f , speziell zur mißbräuchlichen aktienrechtlichen Anfechtungsklage S. 189 ff. 23 Vgl. ROSENBERG/SCHWAB, aaO (Fn.21), § 6 5 VII (S.390) m . w . N . ; vgl. auch die Nachw. in Fn. 48.

6

Karlheinz Boujong

klagende Aktionär kein besonderes Rechtsschutzinteresse darzulegen 24 . Er ist nach der Modellvorstellung des Gesetzgebers auch der Sachwalter der in ihrem Belangen verletzten anderen Aktionäre, der Aktionärsgläubiger und der Allgemeinheit 25 . Aus diesem (auch) fremdnützigen Zweck der aktienrechtlichen Anfechtungsklage hatten einzelne Autoren 2 6 im Schrifttum gefolgert, daß ein Mißbrauch der Klage aus egoistischen Motiven nicht in Betracht komme oder jedenfalls rechtlich unerheblich sei, weil das Gesetz nicht auf das Eigeninteresse oder die Beweggründe des Anfechtungsklägers abhebe. e) Dem ist der Bundesgerichtshof nicht gefolgt; er hat vielmehr den Einwand des individuellen Rechtsmißbrauchs zugelassen 27 . Nach seiner Auffassung schließt der im allgemeinen Interesse liegende Kontrollzweck der Anfechtungsklage nicht aus, daß der klagende Aktionär in Ausnahmefällen mit seiner Klage in rechtsmißbräuchlicher Weise eigensüchtige Zwecke verfolgt und sich damit von dem gesetzlichen Leitbild eines fremdnützigen Interessenwalters der Aktionäre und der Allgemeinheit weit entfernt. Auch wenn der klagende Aktionär nach den Intentionen des Gesetzgebers mit seiner Anfechtungsklage vorwiegend eine im öffentlichen Interesse liegende Rechtmäßigkeitskontrolle des Handelns der Gesellschaft ausüben soll, ändert das nichts an dem individuellen Charakter seines auf der Mitgliedschaft 28 beruhenden Klagerechts. Dem Aktionär verbleibt in jedem Stadium des Verfahrens die Verfügungsbefugnis über sein Anfechtungsrecht. Wenn er aber insoweit einen Handlungsspielraum besitzt, so kann er ihn auch mißbräuchlich ausnutzen 29 . Mit der Zulassung des Rechtsmißbrauchseinwands gegenüber der aktienrechtlichen Anfechtungsklage hat sich der Bundesgerichtshof der im Schrifttum herrschenden Meinung angeschlossen 30 . Seine Entscheidungen 31 in den Fällen „Kochs Adler" und „ D A T / A l t a n a " haben insoweit im Grundsatz - allerdings nicht in allen Einzelheiten - auch im Schrifttum

24 B G H Z 43, 261, 265 f; 70, 117, 118; jetzt bestätigt durch B G H Z 107, 296, 308 („Kochs A d l e r " ) ; B O K E L M A N N , B B 1 9 7 2 , 7 3 3 , 7 3 4 f.

25 ZÖLLNER, in: Kölner K o m m . z. A k t G , 1985, §245 Rdn. 76; HÜFFER, in: Geßler/ Hefermehl/Eckardt/Kropff, Komm. z. A k t G , 1984, §245 Rdn. 8; LUTTER, a a O (Fn. 9), S. 208; DERS., Z G R 1978, 347, 349 f; TEICHMANN, aaO (Fn.9), S . 2 7 0 f . 26 Z . B . SCHILLING, in: Großkomm. z. A k t G , 3. Aufl., §245 A n m . 2 5 ; BOKELMANN, a a O ( F n . 2 4 ) , S . 7 3 6 f ; M E S T M Ä C K E R , B B 1 9 6 1 , 9 4 5 , 9 5 1 f.

27 B G H Z 107, 296, 309 ff; bestätigt durch Urt. v. 18.12.1989, a a O (Fn.5). ZEISS, a a O (Fn. 19), S. 153 ff geht von einem Fall des institutionellen Rechtsmißbrauchs aus, ebenso wohl TEICHMANN, a a O (Fn.9), S.272; für individuellen Rechtsmißbrauch dagegen HÜFFER, aaO (Fn.25), §245 Rdn. 50. 28 ZÖLLNER, a a O (Fn.25), §245 R d n . 6 ; HÜFFER, aaO (Fn.25), §245 R d n . 7 . 29 TEICHMANN, aaO (Fn.9), S.271. 30 Vgl. etwa ZÖLLNER, a a O (Fn.25), §245 Rdn. 78-82; HÜFFER, a a O (Fn.25), §245 R d n . 5 0 - 5 3 ; LUTTER, a a O (Fn.9), S . 2 0 8 f ; HIRTE, a a O (Fn.9), S. 1471 ff. 31 Vgl. F n . 5 .

Rechtsmißbräuchliche Aktionärsklagen vor dem B G H

7

weitgehend Zustimmung gefunden 32 . Das Bundesverfassungsgericht hat in dem bereits zitierten Beschluß 33 , durch den eine Verfassungsbeschwerde gegen den erwähnten Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 25.9.1989 34 nicht zur Entscheidung angenommen wurde, ebenfalls ausgeführt, daß die Bejahung eines Rechtsmißbrauchs, obwohl der Verschmelzungsbericht nicht den Anforderungen des § 340 a AktG genügte, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

2.

Voraussetzungen

Die Voraussetzungen, unter denen ein Mißbrauch der Anfechtungsklage gegen einen Hauptversammlungsbeschluß anzunehmen ist, hat der Bundesgerichtshof in den genannten Entscheidungen 35 nicht abschließend umschrieben. Insoweit läßt sich wohl auch kaum eine allgemein gültige Formel finden, da die Frage des Rechtsmißbrauchs eine einzelfallbezogene Beurteilung erfordert 36 . Der Bundesgerichtshof geht davon aus, daß ein rechtsmißbräuchliches Verhalten bereits dann vorliegen kann, wenn der Kläger Anfechtungsklage mit dem Ziel erhebt, die beklagte Gesellschaft in grob eigennütziger Weise zu einer Leistung zu veranlassen, auf die er keinen Anspruch hat und billigerweise auch nicht erheben kann. In derartigen Fällen wird sich der klagende Aktionär im allgemeinen von der Vorstellung leiten lassen, die Gesellschaft werde sich den Lästigkeitswert der Klage gegen eine seinen etwaigen Schaden weit übersteigende Zahlung abkaufen lassen, um anfechtungsbedingte Nachteile, die vor allem in der Verzögerung der Verschmelzung bestehen, abzuwenden oder doch gering zu halten. Das Vorgehen des Aktionärs kann auch dann rechtsmißbräuchlich sein, wenn er die Schwelle zum strafrechtlich relevanten Verhalten nicht überschreitet 37 .

3. Darlegungs- und Beweislast,

Indizien

a) Wenn die beklagte Gesellschaft gegenüber der Anfechtungsklage den Einwand des Rechtsmißbrauchs erhebt, ist sie für die Tatsachen, aus denen sich das rechtsmißbräuchliche Vorgehen des Aktionärs ergibt, darlegungs- und beweis3 2 V g l . e t w a T E I C H M A N N , a a O ( F n . 9 ) ; H E C K S C H E N , a a O ( F n . 1 6 ) , S. 1 1 7 2 f ;

WINDBICH-

LER, aaO (Fn. 9), S. 35, 41; vgl. auch die in Fn. 5 genannten Entscheidungsanmerkungen v o n WERNER, HECKSCHEN, TIMM.

33 34 35 36 37

Vgl. Fn. 7. Vgl. Fn. 5. Vgl. Fn. 5. Zutreffend WINDBICHLER, aaO (Fn. 9), S. 40. B G H Z 107, 296, 311.

Karlheinz Boujong

8

pflichtig 3 8 . D i e beklagten Gesellschaften werden nicht selten vor erheblichen Beweisschwierigkeiten stehen. D i e Grundsätze des Anscheinsbeweises k ö n n e n in aller Regel keine Anwendung finden, da es nicht u m typische Geschehensabläufe, sondern u m individuelle Willensentschlüsse geht. D a h e r werden die mit Anfechtungsklagen befaßten Gerichte vielfach nur aus Indizien auf ein rechtsmißbräuchliches Aktionärsverhalten

schließen können. Indizielle

Bedeutung

kann, wie der Bundesgerichtshof ausgesprochen hat, dem Vorgehen der Klagepartei in dem anhängigen Verfahren, aber auch in (unter Umständen schon abgeschlossenen) Parallelverfahren gegen andere Gesellschaften

zukommen39.

Uberzeugungskräftige Indizien k ö n n e n ζ. B . sein: der Eintritt in Vergleichsverhandlungen durch Anfechtungskläger, wobei sie die Bereitschaft erkennen lassen, gegen Zahlung einer bestimmten S u m m e , die in einem groben Mißverhältnis zu möglichen Nachteilen des Klägers aus der Verschmelzung steht, zu einem „Interessenausgleich" zu gelangen; als flankierende M a ß n a h m e der mehr oder minder versteckte Hinweis, im Falle des Scheiterns der Vergleichsverhandlungen werde der Anfechtungsprozeß bis in die letzte Instanz geführt werden; das zu anderen Indizien hinzutretende Desinteresse des Klägers an einer Beseitigung der Mängel des Verschmelzungsberichts; der zusätzliche Hinweis auf andere, „erfolgreich" abgeschlossene Abkaufsverhandlungen; außerdem das Ausmaß der Diskrepanz zwischen der geforderten Summe und einem diskutablen Ersatzund Nachteilsausgleichsbetrag. W i e der Bundesgerichtshof 4 0 ferner entschieden hat, kann der Einwand des Rechtsmißbrauchs auch dann begründet sein, wenn der A k t i o n ä r zwar nicht selbst die Initiative zu Abkaufsverhandlungen ergriffen, aber die Anfechtungsklage in der Erwartung erhoben hat, die beklagte Gesellschaft werde unter dem D r u c k der wirtschaftlichen Nachteile, die sie auf G r u n d der klagebedingten Verzögerung der Verschmelzung befürchten m u ß , ihrerseits an den Kläger herantreten und ihm Zahlungen, die er billigerweise nicht beanspruchen kann, anbieten. U m einen derartigen Willen des klagenden Aktionärs feststellen zu können, m u ß der Tatrichter nach diesem Urteil des Bundesgerichtshofs

alle

Umstände

umfassend würdigen.

von

den

Parteien

zum

Hierbei

Mißbrauchsvorwurf

vorgetragenen

können ζ. B . folgende

Umstände

bedeutsam sein: ein bereitwilliges Eingehen auf das A n g e b o t von Beträgen, die etwaige Nachteile des Klägers u m ein Vielfaches übersteigen; als h i n z u k o m m e n des M o m e n t der E r w e r b von Aktien der betroffenen Gesellschaft erst kurz vor

38 R G Z 146, 385, 396 f; HÜFFER, a a O ( F n . 2 5 ) , § 2 4 5 R d n . 5 5 .

39 B G H Z 107, 296, 312 ff: Unlautere Abkaufsbemühungen allein in Parallelverfahren können schon Rückschlüsse auf die rechtsmißbräuchliche Klageerhebung im anhängigen Prozeß gestatten. 40 Urt. v. 18.12.1989, aaO (Fn. 5), unter IV 2 der Entscheidungsgründe.

Rechtsmißbräuchliche Aktionärsklagen v o r dem B G H

9

der Hauptversammlung, in der der angefochtene Beschluß gefaßt wurde; als zusätzliches Indiz das Vorgehen des Klägers in anderen Abkaufsfällen und die darin zutage tretenden Insiderkenntnisse. Der Bundesgerichtshof 41 lastet es der beklagten Gesellschaft auch nicht als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben an, daß sie mit dem Aktionär in Scheinverhandlungen über den Abkauf seines Anfechtungsrechts eintritt, um im Blick auf sein früheres Verhalten in ähnlichen Verfahren zu erkunden, ob der Kläger auch mit der Erhebung der nunmehr anhängigen Anfechtungsklage rechtsmißbräuchlich gehandelt hat. Die Dinge könnten allerdings anders zu beurteilen sein, wie der Bundesgerichtshof in den beiden vorgenannten Entscheidungen angedeutet hat, wenn die Gesellschaft dem klagenden Aktionär ein „Lockangebot" unterbreitet hat, ohne daß der Aktionär durch sein Vorverhalten den Verdacht einer rechtsmißbräuchlichen Klageerhebung ausgelöst hatte. b) Es ist nicht zu verkennen, daß damit an den Tatrichter hohe Anforderungen im Rahmen der Beweiswürdigung gestellt werden. Andererseits dürfte aber, wie auch die an den Bundesgerichtshof gelangten Verfahren 42 zeigen, das Beweismaterial (insbes. Aktenvermerke, Verhandlungsprotokolle, Gesprächsnotizen, Zeugenaussagen von in die Verhandlungen eingeschalteten Rechtsanwälten, Beweismittel für rechtsmißbräuchliches Verhalten in Parallelverfahren) in der Regel so beschaffen sein, daß der Tatrichter über eine breite Beurteilungsgrundlage verfügt und nicht überfordert wird. Der Vorschlag einiger Autoren 43 , schon die Bereitschaft des Aktionärs zum Verkauf der Anfechtungsbefugnis zu unangemessenen Bedingungen schlechthin und ohne Feststellung weiterer Indizien dem Mißbrauchsverdikt zu unterwerfen, erscheint für die Fälle, in denen die Initiative zu Abkaufsverhandlungen von der Gesellschaft ausgeht, als zu weitgehend. Andernfalls würde für die Gesellschaften geradezu ein Anreiz zu „Lockangeboten" geschaffen. Daß es stets ein gewichtiges Beweisanzeichen für einen Rechtsmißbrauch darstellt, wenn der Aktionär seine Bereitschaft zum Abkauf der Anfechtungsbefugnis zu völlig unangemessenen Bedingungen zu erkennen gibt, steht außer Zweifel. Wenn der Aktionär selbst oder über Mittelsmänner zuerst in dieser Richtung aktiv wird, kann dieses Indiz allein auch schon ausreichen, um dem Tatrichter die Uberzeugung zu vermitteln, die Anfechtungsklage sei rechtsmißbräuchlich erhoben 44 .

41 U r t . (Fn. 42 V g l . 43 V g l . 44 V g l .

v. 1 8 . 1 2 . 1 9 8 9 unter IV 3 der Gründe, a a O ( F n . 5 ) ; Beschl. v . 2 5 . 9 . 1 9 8 9 , aaO 5); vgl. auch A n m . TIMM, a a O (Fn. 5). Fn. 5. die A n m . von GÜNTHER und TIMM, jew. a a O (Fn. 5). LÜTTER, aaO (Fn. 9), S. 209.

10

Karlheinz B o u j o n g

4. Sachabweisung der rechtsmißbräuchlichen

Klage

Die rechtsmißbräuchlich erhobene aktienrechtliche Anfechtungsklage ist als unbegründet abzuweisen 45 . Die Frage ist indes nicht unbestritten. Verschiedene Stimmen46 im Schrifttum vertreten die Auffassung, daß die Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses als unzulässig abzuweisen sei. Dieser Ansicht kann jedoch nicht zugestimmt werden. Nach herrschender Meinung bildet die Anfechtungsbefugnis nach §245 AktG eine materiellrechtliche Voraussetzung für den Erfolg der Klage, nicht lediglich eine Prozeß- oder Sachurteilsvoraussetzung. Daher ist die Klage als unbegründet abzuweisen, wenn dem Kläger die Anfechtungsbefugnis fehlt47. Der rechtsmißbräuchlichen Ausübung der Anfechtungsbefugnis i. S. des § 245 AktG ist die rechtliche Anerkennung zu versagen48. Das Anfechtungsrecht ist materiellrechtlich ein Gestaltungsrecht, das aus Gründen der Rechtssicherheit nur im Wege der Klage geltend gemacht werden kann (Gestaltungsklagerecht)49. Wenn ein rechtsgeschäftlich auszuübendes Gestaltungsrecht unter Mißbrauchsgesichtspunkten materiellrechtlichen Beschränkungen unterliegt, kann die rechtliche Tragweite des Mißbrauchs bei der Geltendmachung eines privaten Gestaltungsrechts durch Klage nicht anders zu beurteilen sein. Auch im letzteren Fall liegt ein Mißbrauch des materiellen Rechts vor, der die Sachabweisung der Klage nach sich zieht50.

5. Begrenzte Reichweite des Einwands Es muß betont werden, daß der Einwand des Rechtsmißbrauchs gegenüber an sich begründeten aktienrechtlichen Anfechtungsklagen nur in Ausnahmefällen zum Erfolg führen kann. Es handelt sich letztlich um einen Notbehelf, der

45 HÜFFER, a a O ( F n . 2 5 ) , § 2 4 5 R d n . 5 6 ; ZÖLLNER, a a O ( F n . 2 5 ) , § 2 4 5 , R d n . 8 9 f ; LUTTER, a a O ( F n . 9 ) , S . 2 0 9 F n . 6 0 ; HIRTE, a a O ( F n . 9 ) , S. 1474; DERS., D B 1989, 267, 268. 4 6 ZEISS, a a O

(Fn. 19), S. 1 9 2 f ( „ p r o z e s s u a l e r M i ß b r a u c h " ) ;

TEICHMANN,

aaO

(Fn.9),

S. 269, der allerdings in F n . 2 2 zu Unrecht B G H Z 107, 296 für seine Meinung in Anspruch

nimmt;

ROSENBERG/SCHWAB,

aaO

(Fn.21),

§65

VII 4 (S.391), §93

IV

(S. 548 ff) ohne Behandlung der aktienrechtlichen Anfechtungsklage. 4 7 ZÖLLNER, a a O ( F n . 2 5 ) , § 2 4 5 R d n . 2 ; HÜFFER, a a O ( F n . 2 5 ) , § 2 4 5

Rdn.5.

48 Vgl. ROTH, Münchener K o m m . z. B G B , 2. Aufl., § 2 4 2 R d n . 2 2 4 ; SOERGEL/TEICHMANN, K o m m . z. B G B , 11.Aufl., § 2 4 2 R d n . 2 8 ; ERMAN/SIRP, K o m m . z. B G B , 8. Aufl., § 2 4 2 R d n . 7 3 . 49 HÜFFER, a a O ( F n . 2 5 ) , § 2 4 5 R d n . 9 ; ZÖLLNER, a a O ( F n . 2 5 ) , § 2 4 3 Rdn. 11. 50 ZÖLLNER, a a O ( F n . 2 5 ) , §245 R d n . 8 9 F ; HÜFFER, a a O ( F n . 2 5 ) , § 2 4 5 R d n . 5 6 ; vgl. ferner BAUMGÄRTEL, Ζ Ζ Ρ 69 (1956), 89, 116.

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Rechtsmißbräuchliche Aktionärsklagen vor dem B G H

die gesetzliche Konzeption des Anfechtungsrechts des einzelnen Aktionärs als Kontrollrecht 5 1 nicht grundsätzlich in Frage stellen oder unterlaufen darf. D e r Mißbrauchseinwand kann daher - wie dargelegt - nur unter engen Voraussetzungen begründet sein.

6. Spielraum

für

Vergleiche

Auf der anderen Seite engt die dargestellte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs 5 2 den Spielraum der betroffenen Gesellschaften für den Abschluß sachlich gerechtfertigter Vergleiche in Anfechtungssachen nicht unangemessen ein. D e n genannten Entscheidungen können keine Gründe e n t n o m m e n werden, die solchen Vergleichen entgegenstehen. Μ . E . ergeben sich weder aus dem V e r b o t der Einlagenrückgewähr ( § 5 8 Abs. 5 A k t G ) noch aus dem G l e i c h b e handlungsgebot (§ 53 a A k t G ) durchgreifende Bedenken gegen einen Vergleich, in dem sich der klagende A k t i o n ä r zur Rücknahme der Klage und die beklagte Gesellschaft sich zur „Nachbesserung" des Verschmelzungsberichts, zur Erstattung der dem Kläger tatsächlich entstandenen Verfahrenskosten

sowie

zur

Gewährung von Leistungen, die nur die ordnungsgemäß ermittelten (notfalls entspr. § 2 8 7 Z P O geschätzten) Nachteile der Verschmelzung für den Kläger abgelten 5 3 , verpflichten. Jedenfalls können solche Bedenken nicht erhoben werden, wenn nicht nur der Anfechtungskläger, sondern auch alle außenstehenden A k t i o n ä r e der beklagten Gesellschaft einen derartigen Nachteilsausgleich erhalten. D a h e r sind ζ. B . Vergleiche zulässig, die im Wege der Vereinbarung das Spruchstellenverfahren nach § 3 5 2 c A k t G auch auf die übernehmende Gesellschaft sinngemäß anwenden (vgl. auch unten). O b und inwieweit darüber hinaus im Vergleichswege auch Zahlungen der Gesellschaft zur maßvollen Abgeltung des „Lästigkeitswerts" der Anfechtungsklage und/oder Aufwandspauschalen für Anfechtungskläger geregelt werden können, ist nach wie vor sehr umstritten und soll hier ebensowenig wie die Frage einer Rückforderungspflicht des Vorstands für unerlaubte Zahlungen erörtert werden 5 4 .

51 S. oben unter III 1 d; vgl. ferner HÜFFER, aaO (Fn. 25), § 2 4 5 Rdn. 8 M . w . N.; HOMMELHOFF, a a O (Fn. 9), S. 4 5 4 ; WINDBICHLER, a a O ( F n . 9), S. 3 5 f;

zurückhaltender

MERTENS, a a O ( F n . 9), S. 5 1 ff.

52 Vgl. Fn. 5. 53

V g l . ZÖLLNER, a a O ( F n . 2 5 ) , § 2 4 5 R d n . 8 0 ; TEICHMANN, a a O ( F n . 9), S. 2 7 2 ;

HOMMEL-

HOFF/TIMM, D i e A G

MARTENS,

1989, 168,

169; WINDBICHLER, a a O ( F n . 9 ) , S. 38 ff;

Die A G 1988, 118, 122 ff zu „seriösen" Vergleichsverträgen; ablehnend LUTTER, aaO ( F n . 9 ) , S. 1 9 7 f f ; H I R T E , a a O ( F n . 9 ) , S . 1 4 7 3 f.

54 Vgl. MARTENS, D i e A G 1988, 118, 1 1 9 f f und die Nachw. in F n . 5 3 .

Karlheinz Boujong

12

7. Verfahrensabschluß

in

Mißbrauchsfallen

E s ist bemerkenswert, wie die zum Bundesgerichtshof gelangten Verfahren und die damit zusammenhängenden Prozesse schließlich endeten. Im Falle „ K o c h s A d l e r " 5 5 wurde nach Zurückverweisung der Sache durch den Bundesgerichtshof zur näheren Prüfung des Rechtsmißbrauchseinwands vor dem O b e r landesgericht ein Vergleich 5 6 geschlossen. Dessen Grundgedanke geht dahin, das Spruchstellenverfahren nach § 352 c A k t G kraft Parteivereinbarung auch auf die übernehmende Gesellschaft sinngemäß zu übertragen, wobei das angemessene Umtauschverhältnis der Aktien durch Einholung eines Schiedsgutachtens ermittelt werden soll. D a s Ergebnis des Schiedsgutachtens gilt auch zugunsten aller außenstehenden Aktionäre der Beklagten. Ein Vergleich solchen Inhalts ist in der Berufungsinstanz auch in den beiden Anfechtungsprozessen - auch hier war Rechtsmißbrauch eingewandt worden - geschlossen worden, die denselben Verschmelzungsvorgang betrafen, um dessen Eintragung in das Handelsregister es auch in dem Beschluß des Bundesgerichtshofs v o m 2. 7.1990 5 7 ging 5 8 . Im Falle „ D A T / A l t a n a " wurde, nachdem der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 1 8 . 1 2 . 1 9 8 9 5 9 die Sache teilweise zur weiteren Aufklärung unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmißbrauchs an das Oberlandesgericht zurückverwiesen hatte, der umstrittene Verschmelzungsvertrag wieder aufgehoben. D a s Verschmelzungsprojekt wurde nicht weiterverfolgt, weil die Altana Industrie-Aktien und Anlagen A G inzwischen über mehr als 95 % des Grundkapitals der DeutschAtlantischen Telegraphen A G verfügte, so daß auf dem Wege der Eingliederung (§ 320 A k t G ) das ursprüngliche Ziel schneller erreicht werden konnte 6 0 .

IV.

Rechtspolitische 1. Abzulehnende

Überlegungen Lösungen

Der A u s g a n g dieser Verfahren zeigt, daß die betroffenen Gesellschaften, um Zeit z u gewinnen, verständlicherweise andere L ö s u n g e n der weiteren Austragung der Anfechtungsprozesse mit dem Ziel der Klärung des Mißbrauchseinwands vorgezogen haben. Man kann sich daher der Einsicht nicht verschließen, daß mit der Zulassung des Einwands des Rechtsmißbrauchs nur in beschränktem 55 Vgl. Fn.5. 56 Wortlaut mitgeteilt von Timm, ZIP 1990, 411 f. 57 Fn. 8; Wortlaut des umstrittenen (gemeinsamen) Verschmelzungsberichts bei Timm, ZIP 1990, 270. 58 Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 17.7.1990, S. 12. 59 Vgl. Fn. 5. 60 Die A G 1990, AG-Report R 228 u. 282.

Rechtsmißbräuchliche Aktionärsklagen vor dem B G H

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U m f a n g e dem oben geschilderten Unwesen der mit grob eigensüchtigen Zielen erhobenen Anfechtungsklagen entgegengewirkt werden kann. A u f der Ebene des Handelsregisterrechts kann das Problem nach geltendem Recht nicht befriedigend gelöst werden. Vor rechtskräftiger Beendigung des Anfechtungsverfahrens darf der Registerrichter - wie ausgeführt - die Verschmelzung nur dann in das Handelsregister eintragen, wenn die Klage zweifelsfrei ohne Erfolgsaussicht ist 6 1 . Mit Hilfe dieser Evidenzkontrolle lassen sich aber nur Mißbräuche gröbster Art verhindern. Gleichwohl sollten jedoch insoweit dem Registerrichter auch de lege ferenda keine weiterreichenden Prüfungskompetenzen eingeräumt werden. Er müßte sonst in die Prüfung schwieriger Rechtsfragen eintreten, deren Beurteilung üblicherweise den Kollegialgerichten obliegt und die außerhalb des typischen Aufgabenbereichs eines Registerrichters liegen. E s würde zudem die Gefahr einer ganz unterschiedlichen Rechtshandhabung bei den Registergerichten und der Abweichung von der späteren Entscheidung des Prozeßgerichts im Anfechtungsrechtsstreit bestehen. Der Registerrichter, der sich nicht auf das sog. Spruchrichterprivileg des § 839 Abs. 2 S. 1 B G B berufen kann 6 2 , wäre auch erheblichen Haftungsrisiken ausgesetzt. E s erscheint mir auch zweifelhaft, ob es erstrebenswert ist, der beklagten Gesellschaft über die genannten Evidenzfälle hinaus die Möglichkeit zu eröffnen, eine (zumindest vorläufige) Eintragung der Verschmelzung in das Handelsregister im Wege der einstweiligen Verfügung zu erreichen. Diese Lösung wird mitunter in der Literatur 6 3 favorisiert; hiernach soll die Gesellschaft gegen den Anfechtungskläger eine einstweilige Verfügung erwirken können, durch die die Vornahme der Eintragung für zulässig erklärt wird. Wie auch diese Stimmen in der Literatur nicht verkennen, wird dieser Weg des einstweiligen Rechtsschutzes von der h. M . abgelehnt, weil eine auf Antrag der Gesellschaft ergangene einstweilige Verfügung den Registerrichter nicht bindet 6 4 . Auch de lege ferenda kann eine Herbeiführung der Eintragung auf G r u n d einer einstweiligen Verfügung nicht befürwortet werden. Das Nebeneinander dreier Verfahren (Anfechtungsprozeß, Verfahren der einstweiligen Verfügung, Handelsregisterverfahren) mit der Möglichkeit divergierender Beurteilungen ist mißlich. Insbesondere wenn im Verfahren der einstweiligen Verfügung regelmäßig die Erfolgsaussichten der Anfechtungsklage nicht geprüft werden sollen, wie Hommelhoff15 vorschlägt, kann durchaus der Fall eintreten, daß die Verschmelzung eingetragen 61 Vgl. Fn. 8. 62 Vgl. PAPIER, Münchener Komm. z. B G B , 2. Aufl., §839 Rdn.281. 63 T I M M , a a O ( F n . 1), S . 2 5 f f ; TIMM/SCHICK, a a O ( F n . 1 4 ) , S . 1 2 2 3 f; HOMMELHOFF, a a O

(Fn.9), S.46Iff, 469ff - vor allem im Blick auf das künftige Umwandlungsrecht - ; s . a u c h BAUMS, i n : TIMM ( H r s g . ) , a a O ( F n . 1), S . 85 f f ; LÜKE, Z G R 1 9 9 0 , 6 5 7 .

64 ZÖLLNER, a a O (Fn.25), §243 R d n . 4 6 ; HÜFFER, a a O (Fn.25), §243 Rdn. 152; BAUR,

ZGR 1972, 421, 426. 65 Vgl. aaO (Fn. 9), S. 468 f.

14

Karlheinz Boujong

wird, aber die Anfechtungsklage Erfolg hat. Eine Rückgängigmachung der Verschmelzung trifft aber meist auf erhebliche Schwierigkeiten, wie der Bundesgerichtshof in seinem schon mehrfach erwähnten Beschluß vom 2. Juli 1989 66 ausgeführt hat. Aus diesem Grunde sollte auch der „Radikallösung" einer ersatzlosen Streichung des § 345 Abs. 2 S. 1 AktG nicht nähergetreten werden.

2.

Anregungen

Die Erkenntnis, daß die Problematik auf der Ebene des Registerrechts nicht umfassend bewältigt werden kann, lenkt den Blick auf die Frage einer Beschränkung der Anfechtungsbefugnis. Die oben dargestellten Vergleichsabschlüsse lassen ein Bedürfnis dafür erkennen, die Regelung des § 352 c AktG auch auf die übernehmende Gesellschaft zu erstrecken. Der Gesetzgeber sollte also auch den Anfechtungsklage erhebenden Aktionären der übernehmenden Gesellschaft die Rüge, das Umtauschverhältnis sei zu hoch bemessen, abschneiden. Zugleich müßte auch den Aktionären der übernehmenden Gesellschaft der Zugang zum Spruchstellenverfahren ermöglicht werden. Ferner sollte es der Gesetzgeber ausdrücklich ausschließen, daß die Aktionäre der übertragenden und der übernehmenden Gesellschaft ihre Anfechtungsklagen darauf stützen, das Umtauschverhältnis der Aktien sei in dem Verschmelzungsbericht (§ 340 a AktG) rechtlich und wirtschaftlich nicht hinreichend erläutert und begründet worden. Der Bundesgerichtshof 67 hatte es auch den Aktionären der übertragenden Gesellschaft gestattet, ihre Anfechtungsklage auf diese Beanstandung zu gründen. Auch insoweit müßte den Aktionären der übertragenden wie der übernehmenden Gesellschaft der Weg zu einer Uberprüfung des Umtauschverhältnisses im Spruchstellenverfahren eröffnet werden. Auf diese Weise könnte der Mißstand der auf unseriöse Abkaufsverhandlungen angelegten Anfechtungsklagen gegen Verschmelzungsbeschlüsse wenigstens teilweise beseitigt werden. Es sollte aber trotz der nicht leicht zu nehmenden Gegenargumente 68 auch erwogen werden, das Anfechtungsrecht des Aktionärs, zumindest soweit strukturändernde Hauptversammlungsbeschlüsse angegriffen werden, von einer gewissen Mindestbeteiligung am Grundkapital, die nicht allzu hoch angesetzt werden darf (als Diskussionsgrundlage sei ein Quorum zwischen 2 % und 5 % genannt), abhängig zu machen69.

66 Vgl. Fn. 8 (unter III 1 a der Gründe). 67 Urt. v. 1 8 . 1 2 . 1 9 8 9 , aaO (Fn.5), unter I 3 f der Entscheidungsgründe. 6 8 E t w a v o n HOMMELHOFF, a a O ( F n . 9 ) , S. 4 5 2 f f . 6 9 V g l . z . B . SCHLAUS, a a O ( F n . 9 ) , S. 1 1 7 : s. a u c h MERTENS, a a O ( F n . 9 ) , S . 5 5 .

Die Auswirkungen der 12. gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie auf die Einmann-AG

OLIVER C . BRÄNDEL

Am 21. Dezember 1989 hat der Ministerrat der EG die 12. Richtlinie auf dem Gebiet des Gesellschaftsrechts erlassen1. Sie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet (Art. 9) und muß von den Mitgliedstaaten ab 1.1.1992 angewendet werden (Art. 8 Abs. 1). Für Gesellschaften, die am 1.1.1992 bereits bestehen, kann vorgesehen werden, daß die Richtlinie erst ab 1.1.1993 gilt (Art. 8 Abs. 2). Ihrem Titel zufolge gilt die Richtlinie für „Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter". Nach Art. 1 betreffen die durch die Richtlinie vorgeschriebenen Koordinierungsmaßnahmen für die Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in der Bundesrepublik Deutschland die „Gesellschaft mit beschränkter Haftung". Titel und Art. 1 sind jedoch mißverständlich und können leicht zu Irrtümern Anlaß geben: Wie sich aus Art. 6 ergibt, gilt die Richtlinie ebenfalls für Aktiengesellschaften, sofern ein Mitgliedstaat die Einpersonengesellschaft auch für Aktiengesellschaften zuläßt. Da die Zulässigkeit der durch Vereinigung sämtlicher Anteile in einer Hand entstehenden „Einmann-AG" seit Jahrzehnten zum gesicherten und inzwischen unstreitigen Bestand des deutschen Aktienrechts gehört2, ist es reizvoll, die Konsequenzen der 12. gesellschaftsrechtlichen EG-Richtlinie auf die deutsche Einmann-AG zu untersuchen. Dies geschieht in dankbarer Würdigung des richterlichen und publizistischen Wirkens von Alfred Kellermann, der nicht nur als Richter und Vorsitzender des II. Zivilsenats der BGH, sondern auch durch sein literarisches Schaffen das deutsche Kartell- und Gesellschaftsrecht in vielfäl-

1 Vgl. A B l . E G N r . L 3 9 5 v o m 3 0 . 1 2 . 1 9 8 9 , S. 4 0 f f . 2 Vgl. im Anschluß an die ständige Rechtsprechung zur G m b H (z. B. B G H Z 2 1 , 3 7 8 ; 22, 226, 2 3 0 ; 2 6 , 3 1 , 3 3 ; 56, 97; 75, 3 5 8 ) die heute g. h. L.: z . B . BAUMBACH/HUECK, K o m m , z. A k t G , A n h . § 2 6 2 Rdn. 4; KRAFT, in: K ö l n e r K o m m . z. A k t G , 2. A u f l . , § 1 Rdn. 69; ECKARDT, in: Geßler/Hefermehl, K o m m . z. A k t G , § 1 Rdn. 47. Nachdem auch der Gesetzgeber ζ. B. in den §§ 50 bis 56 U m w G , §§ 3 7 6 bis 383 A k t G sowie in § 3 1 9 A b s . 1 A k t G die Entstehung einer E i n m a n n - A G ausdrücklich billigt, bedarf es zu ihrer Rechtfertigung keiner weiteren Begründung.

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tiger Hinsicht bereichert hat3. Sein besonderes Augenmerk richtete er dabei vor allem auf die Verhinderung mißbräuchlicher Gestaltungsformen. Dem gleichen Ziel dient die 12. gesellschaftsrechtliche EG-Richtlinie.

/. Zu den Motiven der 12. EG-Richtlinie ergibt ihre Präambel folgendes: 1. Ausgangspunkt für alle weiteren Überlegungen ist der Gedanke, daß es wünschenswert erscheint, Einzelunternehmern in der gesamten Gemeinschaft das rechtliche Instrument einer Gesellschaft mit grundsätzlicher Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen anzubieten. 2. Der Ministerrat stellt fest, daß es durch nationale Gesetzgebungsakte zur Reform des Gesellschaftsrechts, mit denen die Gründung einer GmbH mit nur einem Gesellschafter ermöglicht wurde, zu Unterschiedlichkeiten zwischen den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gekommen ist. 3. Der Ministerrat bekennt sich zur Zulässigkeit einer Einpersonen-GmbH, und zwar sowohl in Form ihrer Errichtung durch einen einzigen Gesellschafter als auch durch spätere Vereinigung sämtlicher Geschäftsanteile in einer einzigen Hand. Dazu rechnet der Ministerrat konsequenterweise nicht nur die Fälle, in denen eine natürliche Person einziger Gesellschafter ist, sondern auch die Fälle, in denen eine Einpersonengesellschaft oder eine andere juristische Person sämtliche Anteilsrechte besitzt. 4. Andererseits ist sich der Ministerrat der Gefahren bewußt, die sich aus der Vereinigung sämtlicher Anteilsrechte in der Hand eines einzigen Gesellschafters ergeben können. Die Richtlinie gestattet und überläßt es den Mitgliedstaaten, diesen Gefahren in der ihnen geeignet erscheinenden Weise zu begegnen, und zwar insbesondere durch Aufstellung von Regeln, die a) in spezifischen Fällen den Zugang zur Einpersonengesellschaft beschränken oder eine unbeschränkte Haftung des einzigen Gesellschafters vorsehen, und/oder b) die Einzahlung des gezeichneten Kapitals sicherstellen.

3 Vgl. ζ. Β. A . KELLERMANN, Entwicklungstendenzen im Personengesellschaftsrecht, 2. Aufl., 1985; DERS., Einfluß des Kartellrechts auf das gesellschaftsrechtliche Wettbewerbsverbot des persönlich haftenden Gesellschafters, FS R.Fischer, 1979, S . 3 0 7 f f ; DERS., N e u e Entwicklungen und Rechtsfortbildung im Kommanditgesellschaftsrecht, in: Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1980/81, S. 320 ff; DERS., Die PublikumsK G in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, Köln 1980; DERS., Zur Anwendung körperschaftsrechtlicher Grundsätze und Vorschriften auf die Publikumskommanditgesellschaft, FS Stimpel, 1985, S. 295 ff.

Auswirkungen der 12. gesellschaftsrechtl. EG-Richtlinie

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Diese nationalen Gesetzgebungskompetenzen sollen allerdings nur für eine Ubergangszeit bestehen bleiben, nämlich bis zur Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften f ü r das Konzernrecht. 5. In bestimmter Hinsicht will die 12. EG-Richtlinie jedoch das nationale Recht der Mitgliedstaaten bezüglich der Einpersonengesellschaft bereits vor dieser endgültigen Vereinheitlichung harmonisieren: a) Die Tatsache, daß eine Kapitalgesellschaft nur einen einzigen Gesellschafter hat, soll offengelegt werden; b) die Anonymität des einzigen Gesellschafters soll gelüftet werden; c) Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Einpersonengesellschaft sowie außerhalb des normalen täglichen Geschäftsganges abgeschlossene Verträge zwischen der Gesellschaft und ihrem einzigen Gesellschafter sollen einer bestimmten Form unterworfen werden.

II. Zum Geltungsbereich der Richtlinie bestimmt Art. 6, daß sie auch auf Aktiengesellschaften anwendbar ist, sofern ein Mitgliedstaat die Einpersonengesellschaft im Sinne von Art. 2 Abs. 1 auch f ü r diese Gesellschaftsform zuläßt. Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie definiert die Einpersonengesellschaft als eine Gesellschaft, die „bei ihrer Errichtung sowie infolge der Vereinigung aller Gesellschaftsanteile in einer einzigen Hand einen einzigen Gesellschafter" hat. 1. Das geltende deutsche Aktienrecht läßt die Errichtung einer A G durch einen einzigen Aktionär (noch) nicht zu. Im Gegensatz zu dem durch die Novelle von 1980 reformierten §1 G m b H G hält §2 A k t G bislang an der Mindestzahl von fünf Gründern fest, obwohl die durch Vereinigung sämtlicher Aktien in der Hand eines einzigen Aktionärs entstandene „Einmann-AG" bereits vor und unter der Geltung des A k t G 1937 allgemeine Anerkennung in Rechtsprechung und Schrifttum gefunden hatte 4 . Nach Eintragung der A G steht einer Unterschreitung der Mindestzahl von fünf Aktionären nichts mehr im Wege; die nunmehr übertragbaren Anteilsrechte (§41 Abs. 4 Satz 1 AktG) können sämtlich in der H a n d eines einzigen Aktionärs vereinigt werden 5 . Auch bei der Umwandlung eines von einem Einzelkaufmann betriebenen Unternehmens in eine A G verzichtet das Gesetz auf das Erfordernis von mindestens fünf Gründern. Durch die Umwandlungserklärung des Einzelkaufmanns entsteht die

4 Vgl. R G Z 129, 50, 53 m. W. N.; SCHLEGELBERGER/QUASSOWSKI, Komm. z. AktG, 3.Aufl., 1939, §2 Rdn. 14; RITTER, AktG, 2.Aufl., 1939, §203 A n m . 7 ; TEICHMANN/ KOEHLER, Komm. z. AktG, 3. Aufl., 1950, §1 Anm. 6.

5 Siehe Fn. 2.

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Einmann-AG. Der Einzelkaufmann steht hierbei den Gründern gleich6. Das gleiche gilt, wenn eine GmbH nach den §§376 bis 383 AktG in eine AG umgewandelt wird. Die Umwandlung kann auch von einer Einmann-GmbH vorgenommen werden. Infolge dieser Entwicklung ist die in §2 AktG vorgeschriebene Mindestgründerzahl von fünf Personen zwar ein Anachronismus7, muß aber als geltendes Recht bis auf weiteres noch beachtet werden. 2. Die Anwendung der 12. EG-Richtlinie auf Aktiengesellschaften hat nicht zur Voraussetzung, daß das nationale Aktienrecht die Einmann-AG nicht nur in der Form der späteren Vereinigung aller Anteile in einer einzigen Hand, sondern auch bereits im Stadium der Errichtung zuläßt. Beide Tatbestände des Entstehens der Einmann-AG - bei der Errichtung oder durch nachträgliche Vereinigung sämtlicher Anteile in einer Hand - sind rechtlich gleichwertig. Für den Schutzzweck der 12. EG-Richtlinie, der sich an den mit der Einpersonengesellschaft verbundenen Gefahren orientiert, kommt es nicht darauf an, wie die Einmann-AG entstanden ist. Man wird daher Art. 6 der Richtlinie dahin auslegen müssen, daß sie auch für Aktiengesellschaften gilt, soweit ein Mitgliedstaat die Existenz einer Einmann-AG gestattet. Dies hat zur Konsequenz, daß sämtliche deutsche Aktiengesellschaften, die im Sinne der 12. EG-Richtlinie nach ihrer Gründung zu einer Einpersonengesellschaft geworden sind, vom Beginn des Jahres 1993 an nach den Bestimmungen der Richtlinie behandelt werden müssen. Aktiengesellschaften, die im Laufe des Jahres 1992 gegründet und vor dem 1. Januar 1993 zu einer Einpersonengesellschaft werden, unterliegen den Bestimmungen der Richtlinie bereits von diesem früheren Zeitpunkt an. Die Richtlinie enthält einerseits Bestimmungen für die Einpersonengesellschaft, die die Mitgliedstaaten in nationales Recht transformieren müssen (obligatorische Regeln) und andererseits die Ermächtigung, die Zulassung von Einpersonengesellschaften unter bestimmten Voraussetzungen zu beschränken und das Konzernrecht für Einpersonengesellschaften bis zu seiner späteren Harmonisierung zu regeln (Ermächtigungsrahmen).

III. Die obligatorischen Regeln der 12. EG-Richtlinie finden Ausdruck in folgenden Bestimmungen: 1. Die Tatsache der Einpersonengesellschaft muß aus einem öffentlichen Register hervorgehen. Dies schreibt Art. 3 der Richtlinie für den Fall vor, daß die 6 Vgl. §§ 50 bis 56 U m w G i. d. F. der Bekanntmachung vom 6 . 1 1 . 1 9 6 9 - BGBl. I, S. 2081. 7 ECKARDT, aaO (Fn. 2), § 2 Rdn. 9 und 40 hat sich deshalb schon 1973 f ü r die Abschaffung der Mindestgründerzahl ausgesprochen; im gleichen Sinne neuerdings der Handelsrechtsausschuß des Deutschen Anwaltvereins - A n w B l . 1986, 448.

Auswirkungen der 12. gesellschaftsrechtl. EG-Richtlinie

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Gesellschaft „durch die Vereinigung aller Anteile in einer Hand zur Einpersonengesellschaft" wird. Die Bestimmung umfaßt sowohl den Fall der anfänglichen als auch den der nachträglichen Entstehung einer Einpersonengesellschaft, gilt also auch für die Einmann-AG nach deutschem Aktienrecht. Die gebotene Transformation dieser Bestimmung in nationales Recht wird eine Änderung der Vorschriften über das Handelsregister erforderlich machen: Im Gegensatz zur GmbH, für die jährlich eine Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen ist (§§ 8 Abs. 1 Ziff. 3, 40 GmbHG) und dort jedermann zur Einsicht offensteht (§ 9 Abs. 1 HGB), kennt das geltende deutsche Aktienrecht eine derartige Aktionärsliste nicht. Nicht einmal die Gesellschaftsgründer werden bei der für die Entstehung der AG konstitutiven Eintragung in das Handelsregister angegeben (§§39 Abs. 1, 41 Abs. 1 Satzl AktG). Auf sie ist lediglich in der Bekanntmachung der Eintragung hinzuweisen (§40 Abs. 1 Ziff. 3 AktG). Auf wen die Aktien zu einem späteren Zeitpunkt übergehen, ist weder aus dem Handelsregister noch aus den bei ihm aufbewahrten Unterlagen ersichtlich. Dies gilt auch für die Namensaktien, da das von der Gesellschaft zu führende Aktienbuch (§ 67 Abs. 1 AktG) kein öffentliches Register ist (§ 67 Abs. 5 AktG). Einsicht kann - außer den Aktionären - nur nehmen, wer die Voraussetzungen des § 810 BGB erfüllt8. Die Anonymität des Aktionärs wird für die Einmann-AG durch Art. 3 der Richtlinie gelüftet. Aus dem Handelsregister muß künftig nicht nur die Tatsache der Vereinigung sämtlicher Anteilsrechte in der Hand eines einzigen Aktionärs, sondern auch dessen Identität hervorgehen. Die Pflicht zur Anmeldung der einzutragenden Tatsachen trifft in erster Linie den Alleinaktionär, da er weiß oder wissen muß, daß er sämtliche Anteilsrechte an der Gesellschaft hält. Darüber hinaus kann die Pflicht zur Anmeldung auch dem Vorstand in den Fällen auferlegt werden, in denen er Kenntnis von der Vereinigung sämtlicher Anteilsrechte in einer Hand hat oder haben muß (ζ. B. wegen § 67 Abs. 2 AktG bei der ausschließlichen Ausgabe von Namensaktien). Verliert die Gesellschaft den Charakter einer Einmann-AG, wird es genügen, dem Handelsregister diesen Umstand zur Eintragung mitzuteilen und auf Verlangen durch Nachweis des Tatbestandes der Veräußerung mindestens einer Aktie zu belegen. Diese Anmeldungen werden vom Registergericht (§14 AktG) nach den §14 HGB, §§ 132 ff F G G erzwungen werden können. 2. Art. 4 der Richtlinie bringt für das deutsche Aktienrecht nichts Neues. Denn für die deutsche Einmann-AG gilt bereits der Grundsatz, daß der einzige Gesellschafter die Befugnisse der Gesellschafterversammlung ausübt (Art. 4 8 Vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zu § 6 4 bei KROPPF, AktG, 1965, S. 87; BAUMBACH/HUECK, aaO (Fn. 2), § 67 Rdn. 7; LUTTER, in: Kölner Komm. z. AktG, 2. Aufl., § 6 7 Rdn. 54.

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Abs. 1 der Richtlinie). Auch bei der Einmann-AG ist die Hauptversammlung nach den gesetzlichen Vorschriften durchzuführen. Allerdings ist eine formelle Einberufung (§§ 121 ff AktG) entbehrlich 9 . Ist der Alleinaktionär Vorstand oder Mitglied des Aufsichtsrats, kann er sich selbst entlasten (§120). §181 BGB gilt für derartige „Sozialakte" nicht 10 . Auch § 136 Abs. 1 AktG über den Ausschluß des Stimmrechts ist in diesem Fall nicht anwendbar, da die Vorschrift unterschiedliche Abstimmungsinteressen in der Hauptversammlung voraussetzt, die bei der Einmann-AG nicht auftreten können 11 . Auch der Inhalt von Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie ist bereits Teil des geltenden deutschen Aktienrechts: Die von dem einzigen Gesellschafter im Rahmen der von ihm abgehaltenen Hauptversammlungen gefaßten Beschlüsse sind nach § 130 AktG notariell zu beurkunden und zum Handelsregister einzureichen 12 . Der Alleinaktionär muß sich gegenüber dem die Hauptversammlung beurkundenden Notar als Besitzer sämtlicher Aktien legitimieren 13 . 3. Art. 5 der Richtlinie bestimmt, daß Verträge, die zwischen dem einzigen Gesellschafter und der von ihm vertretenen Gesellschaft abgeschlossen werden, in eine Niederschrift aufgenommen oder schriftlich abgefaßt werden müssen (Abs. 1). Für die unter normalen Bedingungen abgeschlossenen laufenden Geschäfte kann von diesem Formerfordernis abgesehen werden (Abs. 2). Die Vorschrift erstreckt sich ihrem eindeutigen Wortlaut zufolge zwar auf Verträge, die der Alleinaktionär als Vertreter der AG mit sich selbst abschließt, nicht aber auch auf Verträge, die der Alleinaktionär im Namen der A G mit sich selbst als Vertreter eines Dritten abschließt. Die Vorschrift deckt sich daher nur zum Teil mit dem Anwendungsbereich von § 181 BGB. Der Schutzzweck beider Vorschriften ist indessen vergleichbar: Die Mitwirkung ein und derselben Person auf beiden Seiten des Rechtsgeschäfts birgt die Gefahr eines Interessenkonflikts und damit einer Schädigung (im Zweifel des vertretenen Teils) in sich14. Diesen Gefahren will § 181 BGB durch eine inhaltliche Beschränkung der Vertretungsbefugnis (Selbstkontrahieren nur bei Gestattung bzw. zur Erfüllung einer Verbindlichkeit), Art. 5 Abs. 1 der 12. EG-Richtlinie hingegen durch Schaffung eines Formzwanges begegnen. Dabei versteht siih die Formvorschrift der Richtlinie

9 Vgl. B G H Z

1 2 , 3 3 7 , 3 3 9 ; KRAFT, a a O ( F n . 2 ) , § 1 R d n . 7 1 ; B A U M B A C H / H U E C K ,

aaO

(Fn.2), Anh. zu §262 Rdn. 10. 10 Vgl. B G H Z 65, 93, 98. 11 Allgemeine Ansicht, vgl. BayObLG WM 1984, 1572; KRAFT, aaO (Fn. 2), § 1 Rdn. 71; BAUMBACH/HUECK,

aaO

(Fn.2),

§262

R d n . 10;

FISCHER/LUTTER/HOMMELHOFF,

Komm. z. G m b H G , 12. Aufl., §47 Rdn. 9 für die GmbH. 12 V g l . R G Z 1 1 9 , 2 3 0 ; KRAFT, a a O ( F n . 2 ) , § 1 R d n . 7 1 ; BAUMBACH/HUECK, a a O

(Fn.2),

Anh. zu §262 Rdn. 10. 13 Vgl. KGJ 31, A 164; BayObLGZ 26, 104; BAUMBACH/HUECK, aaO (Fn.2), Anh. zu §262 Rdn. 10. 14 Vgl. B G H Z 51, 209, 215; 56, 97, 101.

Auswirkungen der 12. gesellschaftsrechtl. EG-Richtlinie

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als zusätzliches Sicherungsmittel. Sie läßt materielle Wirksamkeitsvoraussetzungen des nationalen Rechts für das In-sich-Geschäft unberührt. Verträge z w i schen dem Alleinaktionär und der durch ihn vertretenen AG, die über den Charakter alltäglicher Geschäfte hinausgehen, müssen daher in Zukunft nicht nur den Erfordernissen des §181 BGB genügen, sondern auch die Form des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie einhalten. Das bedeutet, daß der Einzelaktionär als Vorstand Geschäfte mit sich selbst nur insoweit abschließen darf, als es ihm vom Aufsichtsrat gestattet ist oder das Geschäft ausschließlich in der Erfüllung einer Verbindlichkeit besteht. Diese von der älteren Rechtsprechung und Rechtslehre vertretene Auffassung 15 ist inzwischen vom Gesetzgeber durch den anläßlich der GmbH-Novelle von 1980 in §35 GmbHG eingefügten Abs. 4 bestätigt worden. Durch diesen Gesetzgebungsakt wurde die zuvor abweichende Rechtsprechung des BGH 1 6 überholt. Der mit § 35 Abs. 4 GmbHG verfolgte Gesetzeszweck, den Gläubigerschutz zu verbessern 17 , verdient auch bei In-sich-Geschäften des die AG vertretenden Alleinaktionärs Beachtung 18 . Bis zu der vom Aufsichtsrat (§112) zu erklärenden Gestattung (bzw. ihrer Versagung) ist das In-sichGeschäft schwebend unwirksam 1 9 . Sind die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen nach §181 BGB erfüllt, muß das In-sich-Geschäft darüber hinaus künftig auch noch der Form des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie genügen, sofern es sich nicht um ein „unter normalen Bedingungen abgeschlossenes laufendes Geschäft" handelt. Die EG-Richtlinie definiert weder diese Ausnahme näher, noch regelt sie die Rechtsfolgen einer Verletzung der Formvorschrift. a) Offenbar will Art. 5 der Richtlinie nur solche In-sich-Geschäfte dem Formzwang unterwerfen, die wegen ihrer Bedeutung oder ihrer Ungewöhnlichkeit die Gefahr einer besonders großen Schädigung der Gesellschaft in sich bergen. U m von dem Formzwang ausgenommen zu sein, muß das In-sichGeschäft zwei Voraussetzungen (kumulativ) erfüllen: Es muß sich einerseits in den „laufenden Geschäftsgang" einreihen lassen und darf außerdem keine ungewöhnlichen Bedingungen enthalten. Erfüllt es nur eine dieser beiden Voraussetzungen nicht, greift der Formzwang ein. Als „laufende Geschäfte" wird man - ähnlich dem §164 HGB - solche ansehen können, die nicht über den gewöhnlichen Betrieb des Handelsgewerbes der AG hinausgehen.

15 Vgl. R G Z

16 17 18 19

68,

172; 85, 380, 3 8 3 ; Β G H Z

3 3 , 1 8 9 ; BAUMBACH/HUECK, a a O

(Fn.2),

Anhang zu § 2 6 2 Rdn. 9; MEYER-LANDRUT, in: Großkomm. z. A k t G , 3. Aufl., § 1 Anm.31. Vgl. B G H Z 56, 97; 75, 358, 360. Vgl. BT-Drucksache 8/3908, S. 74. So auch KRAFT, aaO (Fn.2), § 1 Rdn. 70. Vgl. R G Z 56, 107; B G H Z 65, 123, 125 f, allgemeine Meinung.

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Schwieriger ist die Frage zu beurteilen, was unter „normalen Bedingungen" zu verstellen ist. Hier hilft unter Umständen der Rückgriff auf den Begriff der „überraschenden Klauseln", wie er in § 3 AGBG verwendet wird. Von „normalen Bedingungen" eines Vertrages kann darüber hinaus aber auch dann keine Rede sein, wenn sie einen Vertragspartner entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§§ 9 Abs. 1 AGBG, 242 BGB). b) Die 12. EG-Richtlinie überläßt es den Mitgliedstaaten, die Rechtsfolgen eines Verstoßes gegen die Formvorschrift des Art. 5 Abs. 1 zu regeln. In Betracht kommen Nichtigkeit (§ 125 BGB) aber auch Teilwirksamkeit im Wege geltungserhaltender Reduktion auf die den Alleinaktionär bindenden Zusagen bzw. Pflicht zum Ersatz eines der Gesellschaft entstehenden Schadens. Die Streitfragen, die sich in dieser Beziehung aus dem durch die GmbH-Novelle von 1980 geschaffenen § 48 Abs. 3 GmbHG entwickelt haben 20 , sollten dem nationalen Gesetzgeber als warnendes Beispiel vor Augen stehen und ihn veranlassen, bei der Transformierung von Art. 5 der 12. EG-Richtlinie eine klare Regelung zu treffen. IV. Ein Handlungsbedarf, der den nationalen Gesetzgeber veranlassen könnte, von den in der 12. EG-Richtlinie enthaltenen Ermächtigungsnormen Gebrauch zu machen, ist nicht ersichtlich. 1. Nach Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie können die Mitgliedstaaten bis zur Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften für das Konzernrecht „besondere Bestimmungen oder Sanktionen vorsehen", sofern eine natürliche Person einziger Gesellschafter von mehreren Gesellschaften ist oder eine Einpersonengesellschaft oder eine andere juristische Person einziger Gesellschafter einer Gesellschaft ist. Angesichts des im Inland geltenden Konzernrechts, das die von Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie angesprochenen Fälle erfaßt und regelt, dürfte für weitere Bestimmungen oder Sanktionen keine Notwendigkeit bestehen. 2. Gegenstandslos für das geltende nationale Aktienrecht ist ferner die in Art. 7 der Richtlinie enthaltene Ermächtigung. Sie gestattet den Mitgliedstaaten ein Verbot der Einpersonengesellschaft, sofern das innerstaatliche Recht dem Einzelunternehmer eine anderweitige Möglichkeit der Haftungsbeschränkung eröffnet, wobei allerdings der Schutz der Gläubiger und des Rechtsverkehrs in einer den Bestimmungen der 12. EG-Richtlinie gleichwertigen Hinsicht gewährleistet sein muß. Da für das geltende inländische Recht ein Verbot der Einpersonengesellschaft nicht in Betracht kommt, braucht über derartige Alternativen nicht nachgedacht zu werden. 20 Vgl. dazu BAUMBACH/HUECK, Komm. z. G m b H G , 15. Aufl., §48 Rdn.29 m . w . N .

A u s w i r k u n g e n der 12. gesellschaftsrechtl. EG-Richtlinie

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V. An Versuchen, die Bestimmungen der 12. EG-Richtlinie zu umgehen, wird es nicht fehlen. Im Normalfall bekennen sich zwar Mütter zu ihren Töchtern. Das gilt auch im Gesellschaftsrecht. Die mit der Anwendung der 12. EG-Richtlinie verbundene Publizität wird daher in den meisten Fällen nicht als störend empfunden werden. Es gibt sicher aber auch Alleinaktionäre, denen die Lüftung ihrer bisherigen Anonymität widerstrebt. Sie werden nach Möglichkeiten, einer Offenlegung ihrer Identität zu entgehen, Ausschau halten. Derartige Umgehungen müssen - wenn die 12. EG-Richtlinie ihren mit der Offenlegung verfolgten Schutzzweck nicht vollständig verfehlen soll - nach Möglichkeit verhindert werden. 1. Den durch die 12. EG-Richtlinie für die Einmann-AG angeordneten Rechtsfolgen kann nicht entgehen, wer Aktien an Treuhänder (insbesondere in der Gestalt von „Strohmännern") überträgt. Zwar wird der Treuhänder im Außenverhältnis Aktionär mit sämtlichen Rechten und Pflichten 21 . Dies hindert jedoch nicht, die A G als „Einpersonengesellschaft" im Sinne der 12. EG-Richtlinie zu behandeln, wenn der Treugeber mit Hilfe seines Weisungsrechts sämtliche Anteilsrechte und ihre Ausübung kontrollieren kann 22 . Auch eigene Aktien der A G (§ 71 AktG) hindern die Qualifizierung als Einpersonengesellschaft nicht, wenn sich die übrigen Aktien in der Hand eines einzigen Aktionärs befinden (arg. § 71 b AktG). 2. Gleichwohl wird die Anwendung der 12. EG-Richtlinie gegenüber einer „verdeckten" Einmann-AG kaum zu erzwingen sein. Schon echte Treuhandverhältnisse sind kaum nachweisbar, wenn die Beteiligten sie geheimhalten wollen. Noch größere Beweisschwierigkeiten entstehen, wenn der Alleinaktionär einen Teil seines Aktienbesitzes bei einem Dritten „parkt". Hierbei bedarf es nicht einmal der Vereinbarung eines Weisungsrechts. Die Alleinherrschaft bleibt praktisch schon dann unangetastet, wenn die Einzelaktionäre zweier Gesellschaften wechselseitig einen Teil ihres Aktienbesitzes bei dem anderen „parken" und sich gegenseitig stillschweigend zusagen, aus dem Anteilsbesitz keine Rechte herzuleiten, die die Alleinherrschaft des anderen beeinträchtigen könnten. Die rechtliche Unverbindlichkeit derartiger genereller Verzichte auf Mitverwaltungsrechte (insbesondere das Stimmrecht oder das Anfechtungsrecht) 23 ändert an ihrer faktischen Wirksamkeit nichts, solange sich die Beteiligten tatsächlich daran halten. 21 Vgl. B G H N J W 1988, 3 1 4 3 , 3 1 4 5 linke Spalte. 2 2 Die z u § 4 8 Abs. 3 G m b H G vertretene gegenteilige Auffassung v o n FISCHER/LUTTER/ HOMMELHOFF, a a O (Fn. 11), § 4 8 Rdn. 14 und SCHOLZ / K. SCHMIDT, K o m m . z. G m b H G , 7. A u f l . , § 4 8 Rdn. 6 9 b erscheint im Hinblick auf den mit der Offenlegung verfolgten Schutzzweck äußerst problematisch. 2 3 Vgl. KRAFT, aaO (Fn.2), § 1 1 R d n . 5 1 , 53.

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Oliver C. Brändel

3. Aus diesem Grunde muß bezweifelt werden, daß die 12. EG-Richtlinie geeignet ist, die Anonymität des Aktionärs bei der Einmann-AG tatsächlich zu lüften. Auch die Beachtung der Formvorschrift des Art. 5 der Richtlinie wird auf diesem Wege relativ leicht „ausgehebelt" werden können. Der Schutz abhängiger Gesellschaften und ihrer Gläubiger wird daher durch die Bestimmungen des geltenden deutschen Aktienrechts weit besser gewährleistet als durch die leicht zu umgehenden eher formalen Offenlegungskriterien der 12. EG-Richtlinie. Daß ihre Bestimmungen zu einer nachhaltigen Verbesserung des Schutzes des Rechtsverkehrs führen werden, ist zu bezweifeln.

Grundsätze der Kapitalerhaltung im Vertragskonzern

H E L M U T BRANDES

I. Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hatte unter dem Vorsitz von Alfred Kellermann einen Fall zu entscheiden, in dem eine GmbH kreditunwürdig war, weil sie seit Jahren nicht alle Zahlungsverpflichtungen termingerecht erfüllen konnte1. An der Kreditwürdigkeit änderte auch die Tatsache nichts, daß die GmbH noch über ein Reinvermögen in Höhe des Stammkapitals verfügte und die Gesellschafter mit ihr Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge geschlossen sowie aus Gründen der Kreditsicherung sich Gesellschaftsgläubigern verpflichtet hatten, nicht ohne deren Zustimmung das Beherrschungsverhältnis zu kündigen. Denn ein Gewinnabführungsvertrag hindert die abhängige G m b H zwar nicht, im Wege der Innenfinanzierung ihre Periodenkapazität um Abschreibungsgegenwerte zu erweitern, indem sie entweder nur einen um die Abschreibungen verringerten Jahresüberschuß abführt oder entsprechend § 302 AktG ihren um Abschreibungen erhöhten Jahresfehlbetrag ausgeglichen erhält; die GmbH benötigt aber, falls das abgeschriebene Anlagevermögen fremdfinanziert worden ist, die doppelte Summe des durch Abschreibungen freigesetzten Kapitals; nämlich zur Tilgung des fälligen Investitionskredits und zur Wiederbeschaffung der abgeschriebenen Anlagen. Tilgt sie den Kredit, so muß sie die Neuinvestition mangels verfügbaren Eigenkapitals abermals fremdfinanzieren; denn wegen des Gewinnabführungsvertrages ist eine Selbstfinanzierung aus Gewinnen, die das mit hinreichender Langfristigkeit nicht erhältliche Fremddurch Eigenkapital ablösen könnte, von vornherein ausgeschlossen. Hinzu kommt, daß in Zeiten steigender Preise die Vermögenssubstanz ausgehöhlt wird, weil sogar die Gewinne abgeführt werden, die die Gesellschaft benötigt, um die Preissteigerungen bezahlen zu können; denn die über die Umsatzerlöse der produzierten Güter und Leistungen vom Markt zurückvergütete Preissteigerung der Wiederbeschaffungs- gegenüber den ursprünglichen Anschaffungskosten fällt als (Schein-)Gewinn an (und ist als solcher abzuführen), weil bilanziell ohne Rücksicht auf die Entwicklung der Wiederbeschaffungskosten die ursprüngli-

1 B G H Z 105, 168.

Helmut Brandes

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chen Anschaffungskosten abgeschrieben werden 2 . Soll die Wettbewerbsfähigkeit erhalten und auf die deshalb erforderliche Wiederbeschaffung nicht verzichtet werden, so kann die Gesellschaft die Investition nur dadurch finanzieren, daß sie entweder bis dahin anderweitig gebundenes Eigenkapital umschichtet

oder

weitere Kredite aufnimmt. D i e Leitungsmacht, die aufgrund des Beherrschungsvertrages

nach

§308

A k t G auch zum Nachteil der abhängigen Gesellschaft ausgeübt werden darf, verschafft dem herrschenden U n t e r n e h m e n weitere Möglichkeiten, dafür zu sorgen, daß das finanzielle Gleichgewicht zwischen liquiden Mitteln und fälligen Verbindlichkeiten gestört wird und die Gesellschaft auf diese Weise ihre Fähigkeit verliert, allen Zahlungsverpflichtungen und -notwendigkeiten fristgerecht n a c h z u k o m m e n . Das Gesetz wirkt diesen Liquiditätsengpässen nicht entgegen. Es will mit der Regelung der §§ 3 0 0 bis 302 A k t G der Gesellschaft während der Vertragsdauer lediglich das bei A b s c h l u ß der Verträge vorhandene Vermögen bilanzmäßig sichern; vorausgesetzt, daß das herrschende Unternehmen nicht insolvent wird. Die Ausstattung der abhängigen Gesellschaft mit der erforderlichen Liquidität ordnet das Gesetz nicht an 3 . Es geht in diesem Beitrag nicht darum, o b das herrschende U n t e r n e h m e n unter Gesichtspunkten einer ordnungsgemäßen Konzernfinanzierung gleichwohl verpflichtet sein kann, die ihr durch einen Unternehmensvertrag unterstellte Gesellschaft über den jährlichen Verlustausgleich hinaus mit Mitteln auszustatten, die deren Zahlungsfähigkeit sicherstellen. E s soll vielmehr der Frage nachgegangen werden, o b das herrschende U n t e r n e h m e n kraft seines Weisungsrechts bei der abhängigen Gesellschaft unbeschränkt liquide Mittel abziehen darf 4 oder o b seiner Leitungsmacht bestimmte Grenzen gezogen sind.

II. 1. I m Aktienrecht bestimmt § 2 9 1 A b s . 3 A k t G , daß Leistungen, die eine abhängige Aktiengesellschaft aufgrund eines Beherrschungs- oder eines G e w i n n abführungsvertrages erbringt, nicht gegen die §§ 57, 58 und 60 A k t G verstoßen. H i e r d u r c h wird lediglich klargestellt, was im Aktienkonzernrecht ohnehin gilt. D e n n dort sind der Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag in einer Weise gesetzlich geregelt, aus der sich zwangsläufig Einschränkungen anderer Gesetzespartien, insbesondere der Grundsätze der Kapitalerhaltung ergeben. Das gilt für Verträge mit Nichtaktionären 2 Vgl.

ADLER/DÜRING/SCHMALTZ,

ebenso wie für solche mit Aktionären. Rechnungslegung

etc., 5. A u f l . ,

§253

HGB

Um Rdn.

2 9 7 f f ; CLAUSSEN, Kölner K o m m . z. A k t G , 2. Aufl., § 2 5 3 H G B Rdn. 19. 3 KOPPENSTEINER, Kölner Komm. z. A k t G , 2. Aufl., § 3 0 2 Rdn. 8. 4 S o KOPPENSTEINER, a a O (Fn. 3), § 308 R d n . 3 3 ; DERS., in: R o w e d d e r u. a., K o m m . z.

GmbHG, 2. Aufl., Anh. § 52 Rdn. 64.

Grundsätze der Kapitalerhaltung im Vertragskonzern

27

auszuschließen, daß bei den letzteren Verstöße gegen die §§57, 58 und 60 AktG in Betracht gezogen werden, sorgt § 291 Abs. 3 AktG in diesem Punkt für Klarheit 5 . Allerdings entfällt das Ausschüttungsverbot im Vertragskonzern nicht für jede Leistung. Voraussetzung ist vielmehr, daß es sich um eine Leistung handelt, die vom herrschenden Unternehmen im Rahmen seiner Leitungsmacht nach § 308 AktG gefordert werden darf. Leistungen als Folge unzulässiger Weisungen werden nicht aufgrund des Vertrages erbracht und fallen daher nicht unter §291 Abs. 3 AktG; sie verstoßen vielmehr gegen die §§ 57, 58 und 60 AktG 6 . Eine Grenze des Weisungsrechts ergibt sich aus den §§300 bis 302 AktG, deren zwingender Inhalt die Gesellschaft (und damit auch deren außenstehende Gesellschafter) sowie die Gläubiger sichern soll. Nach ihnen ist nur die verdeckte, nicht aber auch die offene Ausschüttung von Gesellschaftsvermögen vom Verbot der §§57 ff AktG ausgenommen. Der im §302 AktG angeordnete Ausgleich sonst entstehender Jahresfehlbeträge soll gewährleisten, daß das beim Abschluß des Vertrages vorhandene Anfangsvermögen trotz aller zwischenzeitlichen Dispositionen des herrschenden Unternehmens der Konzerntochter bilanziell ungeschmälert erhalten bleibt 7 . Jahresfehlbetrag i. S. von § 302 AktG ist die Differenz, um die die Summe der Aufwendungen die Summe der Erträge übersteigen würde (§275 Abs. 2 Nr. 20; Abs. 3 Nr. 19 HGB), wenn nicht nach §277 Abs. 3 Satz 2 H G B ein entsprechend hoher Ertrag aus Verlustübernahme das Defizit ausgeglichen und das Jahresergebnis auf Null gebracht hätte. Die offenen Kapitalentnahmen sind keine Aufwendungen i. S. des §275 HGB; sie werden nach § 158 AktG in Ergänzung der Gewinn- und Verlustrechnung erst nach Ermittlung der Posten „Jahresfehlbetrag" und „Jahresüberschuß" erfaßt und beeinflussen somit deren Höhe nicht. Etwas anderes sehen die §§301 und 302 AktG nur für Entnahmen aus Gewinnrücklagen vor, die während der Vertragsdauer gebildet worden sind; sie können den abzuführenden Gewinn erhöhen oder einen Jahresfehlbetrag mindern. Hierbei handelt es sich um eine Ausnahmeregelung, die den Anreiz erhalten soll, Gewinnrücklagen während der Vertragsdauer zu bilden. Für Gewinnrücklagen aus der Zeit vor Vertragsschluß sowie für gesetzliche und Kapitalrücklagen verbleibt es ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt ihrer Bildung beim Ausschüttungsverbot. Etwas anderes gilt für die verdeckten Ausschüttungen. Sie beeinflussen die Höhe des Jahresergebnisses. Sie werden als verdeckt bezeichnet, weil sie nicht als Kapital- oder Gewinnentnahmen - die sie in Wahrheit sind - ausgewiesen, sondern - durch die Gesellschafterstellung der

5 Vgl. Amtliche Begründung, KROPFF, AktG, S.377F; WÜRDINGER, in: Großkomm. z. AktG, 3.Aufl., §291 Anm. 18; GESSLER, in: Geßler u.a., Komm. z. AktG, §291 Rdn. 109; EMMERICH/SONNENSCHEIN, Konzernrecht, 3. Aufl., S. 158. 6 GESSLER, a a O ( F n . 5 ) ; W Ü R D I N G E R , a a O ( F n . 5 ) , A n m . 1 9 ; K O P P E N S T E I N E R , a a O ( F n . 3 ) ,

§291 Rdn. 79. 7 EMMERICH/SONNENSCHEIN, a a O ( F n . 5).

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H e l m u t Brandes

Empfänger veranlaßt - entweder als Aufwand behandelt oder in der Weise vollzogen werden, daß die Gesellschaft zugunsten des Gesellschafters auf Erträge und damit auf eine Mehrung ihres Vermögens verzichtet. Dieser Verzicht und der überhöhte Aufwand mindern den Jahresüberschuß und können zu einem Jahresfehlbetrag führen, dessen unabdingbarer Ausgleich nach § 302 A k t G gewährleistet, daß die bei Abschluß des Vertrages vorhandene Substanz bilanziell erhalten bleibt. Hieraus folgt, daß die Gesellschaft gem. § 3 0 8 A k t G zu Ausschüttungen zugunsten des herrschenden Unternehmens nur angewiesen werden kann, wenn diese buchmäßig verdeckt auf Erfolgskonten erfaßt und die der Gesellschaft daraus erwachsenden Nachteile über § 302 A k t G ausgeglichen werden. Aufgrund des Beherrschungsvertrages ohne weiteres erlaubt sind danach Umsatzgeschäfte, bei denen die Gesellschaft an die Gesellschafter überhöhte Entgelte zahlt oder von diesen für ihre eigenen Lieferungen und Leistungen zu geringe Entgelte erhält; denn Leistung und Gegenleistung werden auf Erfolgskonten verbucht und die durch das Mißverhältnis von Leistung und Gegenleistung bilanziell möglicherweise eintretenden Minderungen des Anfangsvermögens am Ende des Geschäftsjahres ausgeglichen. Dasselbe gilt, wenn das herrschende Unternehmen eine Konzernumlage als Entgelt dafür fordert, daß die abhängige Gesellschaft in den Konzern-Service einbezogen wird 8 . 2. Gewährt eine nicht konzerngebundene Gesellschaft ihren Aktionären Darlehen, so wird eine verdeckte Einlagenrückgewähr und damit ein Verstoß gegen § 5 7 A k t G angenommen, wenn das Darlehen unverzinslich und/oder seine Rückzahlung nicht gesichert ist 9 . Im Vertragskonzern gilt dasselbe nicht uneingeschränkt. Fehlt einem Darlehen, das die Gesellschaft auf Weisung dem herrschenden Unternehmen zur Verfügung stellt, allein die Verzinsung und führt die darin liegende Verkürzung der Erträge dazu, daß die Gesellschaft mit einem Jahresfehlbetrag abschließt, so sorgt der Verlustausgleich -

gewissermaßen

anstelle des nicht bestehenden Zinsanspruchs - für die bilanzielle Wiederherstellung des Anfangsvermögens. D e r Jahresfehlbetrag und damit der Verlustausgleich schließen nicht nur die entgangenen Zinsen, sondern die gesamte Darlehensforderung ein, wenn diese uneinbringlich ist und deshalb als Aufwand erfolgsmindernd abgeschrieben werden muß. Allerdings führt die schlechte wirtschaftliche Lage, die dem herrschenden Unternehmen nicht erlaubt, das Darlehen zurückzuzahlen, zugleich dazu, daß es auch nicht fähig ist, gem. § 302 A k t G die Verluste auszugleichen. Die Illiquidität ist nicht ohne Einfluß auf das Weisungsrecht. Ist nicht gewährleistet, daß die Sicherungen gegen nachteilige Weisungen greifen, durch die das Gesetz in den §§ 300 bis 303 A k t G die Gesellschaft, deren außenstehende Gesellschafter und Gläubiger geschützt sehen

8 Vgl. Β G H Z 6 5 , 15, 16. 9 Vgl. LUTTER, Kölner K o m m . z. A k t G , 2. Aufl., § 5 7 R d n . 2 8 ; HEFERMEHL/BUNGEROTH, in: Geßler u. a., A k t G , § 57 Rdn. 11 ff; UWE H . SCHNEIDER, F S Döllerer, S. 537, 5 4 3 .

Grundsätze der Kapitalerhaltung im Vertragskonzern

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will, sind nachteilige Weisungen von Seiten des herrschenden Unternehmens unzulässig und deshalb v o m Vorstand der abhängigen Gesellschaft nicht zu befolgen 1 0 . Steht von vornherein fest, daß das herrschende Unternehmen weder das Darlehen zurückzahlen, noch den Ausgleich gem. § 302 A k t G leisten, noch den Gläubigern nach §303 A k t G Sicherheiten stellen kann, so ist die Weisung, ihm mit Darlehen zur Hilfe zu kommen, rechtswidrig. Zwar kann die Gesellschaft wegen einer derart schlechten wirtschaftlichen L a g e des herrschenden Unternehmens das Vertragsverhältnis nach § 2 9 7 A b s . 1 A k t G fristlos kündigen. Entgegen der Ansicht von Koppensteinern ist diese Kündigung aber nicht Voraussetzung der Leistungsverweigerung. Auch ohne sie ist die Weisung unzulässig, wenn die sie begleitenden gesetzlichen Sicherungen versagen. 3. Ist das herrschende Unternehmen in der Lage, den Verlust auszugleichen und die Gläubiger abzusichern, so kann sich eine weitere Begrenzung seines Weisungsrechts daraus ergeben, daß die abhängige Gesellschaft auf die Mittel, die ihm abverlangt werden, angewiesen ist, u m seine eigenen Zahlungsverpflichtungen fristgemäß erfüllen zu können. D a s Bedürfnis für eine solche Begrenzung wird vermehrt auftreten, wenn bei der Konzernspitze ein zentrales C a s h Management besteht, das die gesamte Uberschußliquidität bündelt und einen konzernweiten Liquiditätsausgleich sicherstellt. Zu diesem Zweck werden alle bei den Konzernunternehmen eingehenden Zahlungen bei der zentralen Stelle zusammengefaßt; diese entscheidet darüber, w o , wann und in welchem U m f a n g die verfügbare Liquidität im Gesamtkonzern eingesetzt wird, und weist dementsprechend den einzelnen Konzernmitgliedern die benötigten Gelder zu oder tilgt gleich selbst deren Verbindlichkeiten gegenüber Dritten 1 2 . Der auf diese Weise gewährleistete Ausgleich von Liquiditätsschwankungen verhindert, daß sich ein Konzernunternehmen hochverzinslich kurzfristig verschulden muß, während zu gleicher Zeit bei einem anderen Konzernunternehmen Zahlungsmittel nicht hinreichend rentabel genutzt werden können, weil mehr vorhanden sind, als das Unternehmen zur Zeit benötigt. Bei den Konzerntöchtern werden Liquiditätsentzug und -Zuführung auf Verrechnungskonten 1 3 erfaßt, deren Saldo - nach dem Verständnis der Konzernleitung - frühestens, wenn das Beherrschungsverhältnis beendet wird, etwas darüber aussagt, wer w e m einen Ausgleich schuldet. Denn nach dem Zweck, der mit dem zentralen Cash-Management verfolgt wird,

10 Vgl. EMMERICH, in: Hommelhoff u.a., Entwicklungen im GmbH-Konzernrecht, S.64, 75; SCHOLZ/EMMERICH, Komm. z. G m b H G , 7. Aufl., KonzernR, Rdn. 257. 11 A a O (Fn. 3), § 308 Rdn. 35. 12 V g l . H O M M E L H O F F , W M 1 9 8 4 , 1 1 0 5 , 1 1 0 6 ; U W E H . S C H N E I D E R , Z G R 1 9 8 4 , 4 9 7 , 4 9 9 f ; DERS., F S D ö l l e r e r , S . 5 3 7 , 5 3 8 ; S C H E F F L E R , D B 1 9 8 5 , 2 0 0 5 , 2 0 0 9 ; DERS., D i e A G

1990,

173,178; DERS., FS Goerdeler, S. 471, 475 f; HOFFMANN-BECKING, in: Ulmer, Probleme d e s K o n z e r n r e c h t s , S . 6 8 , 8 0 f; LÜTTER, D i e A G

965, 970. 13 W E L L E N S I E K , Z I P 1 9 8 4 , 5 4 1 , 5 4 3 .

1990, 179, 182; DECHER, D B

1989,

30

Helmut Brandes

kann zwar die Konzemleitung kraft ihres Weisungsrechts sämtliche Liquidität der Konzernmitglieder an sich ziehen und bei sich zusammenfassen, haben diese aber während der Vertragsdauer keinen Anspruch auf Rückführung; ob und wieweit das einzelne Konzernmitglied zur Aufrechterhaltung der eigenen Zahlungsfähigkeit benötigte liquide Mittel erhält, entscheidet die Konzernleitung unter Gesichtspunkten, die an den Belangen des Konzerns ausgerichtet sind. Der Verlustausgleich hilft in diesem Punkt nicht weiter. Durch ihn erhält die Konzerntochter zwar die durch verdeckte Gewinnausschüttungen abgeflossenen liquiden Mittel zurück, nicht aber die Liquidität, die sie im Interesse zentraler Konzernfinanzierung offen abgeführt hat 14 . Denn das Verrechnungskonto, auf dem die Zahlungsströme zwischen den Konzerngesellschaften erfaßt werden, ist ein Bestands- und kein Erfolgskonto. Sein Saldo hat auf das Geschäftsergebnis und damit auf die Höhe von Jahresüberschuß und -fehlbetrag keinen Einfluß. Selbst wenn das herrschende Unternehmen einen Jahresfehlbetrag auszugleichen hätte und der Konzerntochter auf diese Weise liquide Mittel zufließen würden, bliebe der zu ihren Gunsten auf dem Verrechnungskonto bestehende Saldo unverändert. Allerdings weist der Anspruch auf Verlustausgleich eine Besonderheit auf, die auch für den Ausgleich des Saldos auf dem Verrechnungskonto von Bedeutung sein könnte. Aus dem zwingenden Charakter der in §302 AktG enthaltenen Regelung wird gefolgert, daß die Fälligkeit des Anspruchs auf Ausgleich des Jahresfehlbetrages nicht hinausgeschoben und der Vorstand der abhängigen Gesellschaft nicht nach § 308 AktG angewiesen werden kann, von der Geltendmachung des Anspruchs abzusehen 15 . Hieraus folgt, daß das Anfangsvermögen nur im Jahr der Entstehung des Fehlbetrages durch Aktivierung der Ausgleichsforderung bilanzmäßig wiederhergestellt wird; im Laufe des folgenden Jahres hat ein Aktiventausch zu erfolgen, indem das herrschende Unternehmen die Schuld tilgt und dadurch die Ausgleichsforderung durch ein Guthaben auf einem Finanzkonto ersetzt. Weist nun aber die Konzernleitung die Konzerntochter zugleich mit der Zahlung an, ihr die in Erfüllung der Ausgleichspflicht erhaltenen liquiden Mittel zu erstatten, so könnte das die Annahme rechtfertigen, eine solche Weisung laufe ebenfalls dem Zweck des § 302 AktG zuwider und sei aus diesem Grund unzulässig; denn mit der Erstattung würde wiederum eine Forderung an die Stelle des Barkapitals treten, nur wäre es nicht mehr die Ausgleichs-, sondern eine Darlehensforderung. Gleichwohl wird man eine solche Weisung - unter bestimmten Voraussetzungen - als zulässig ansehen müssen. Die Bündelung und der konzernweite Ausgleich der Uberschußliquidität ist

14 A . A . w o h l HOMMELHOFF, W M 1984, 1105, 1111.

15 Vgl. KOPPENSTEINER, aaO (Fn.3), §302 Rdn.27; GESSLER, aaO (Fn.5), §302 Rdn.42; EMMERICH/SONNENSCHEIN, a a O ( F n . 5 ) , S . 2 6 8 ; a . A . WÜRDINGER, a a O ( F n . 5 ) ,

Anm. 14.

§302

Grundsätze der Kapitalerhaltung im Vertragskonzern

31

im Interesse einer rentablen Konzernfinanzierung geboten. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die K o n z e r n t o c h t e r liquide Mittel, die sie zur Zeit nicht oder nicht so dringend benötigt wie andere Konzerngesellschaften, nicht sollte abführen dürfen, wenn zugleich sichergestellt ist, daß sie die Gelder zurückfordern kann und zurückerhält, wenn ihre eigenen Zahlungsverpflichtungen fällig sind und erfüllt werden müssen. E s kann auch nicht darauf a n k o m m e n , o b die Konzernleitung die Liquidität in einem zeitlichen Zusammenhang mit einer Ausgleichszahlung fordert oder wesentlich später und o b die K o n z e r n t o c h t e r die als Ausgleich erhaltenen oder andere frei verfügbare Gelder als Liquiditätsüberschuß abführt. Allerdings ist das Weisungsrecht der Konzernleitung, wenn es um den offenen Abzug und die Bündelung liquider Mittel geht, in zweierlei Hinsicht beschränkt: Einmal braucht die K o n z e r n t o c h t e r diese Mittel nicht mehr abzuführen, wenn wie oben ausgeführt - sich abzeichnet, daß die Konzernleitung nicht mehr in der Lage sein wird, die Gelder zu erstatten und den dadurch entstehenden Verlust auszugleichen; bereits abgeführte Gelder sind in einer solchen Krisensituation zur Rückzahlung fällig. Unzulässig sind aber auch Weisungen, die zu einer Existenzgefährdung der abhängigen Gesellschaft führen. D e r Beherrschungsvertrag geht vom Fortbestand dieser Gesellschaft aus; er verpflichtet das herrschende Unternehmen, deren Existenz nicht nur im Interesse der Gläubiger, sondern auch der außenstehenden Aktionäre für die Gegenwart zu erhalten und für die Zukunft zu sichern 1 6 . Diese Sicherung erfolgt nicht nur durch den Ausgleich der Substanzverluste, sondern auch dadurch, daß das herrschende U n t e r n e h m e n unterläßt, was die abhängige Gesellschaft zahlungsunfähig und damit konkursreif werden läßt. D e m Sicherungszweck widerspräche es, wenn die abhängige Gesellschaft angewiesen werden könnte, liquide Mittel abzuführen oder bereits abgeführte der Konzernleitung zu belassen, wenn sie selbst die Mittel dringend benötigt, u m zu überleben. Das herrschende U n t e r n e h m e n muß verpflichtet, bereit und fähig sein, bei Bedarf den Saldo jederzeit auszugleichen, der sich auf dem Verrechnungskonto zugunsten des abhängigen Unternehmens ergibt; nur unter dieser Voraussetzung darf es Uberschußliquidität von K o n zerntöchtern an sich ziehen, an denen auch außenstehende A k t i o n ä r e beteiligt sind. Fehlen diese, so muß wenigstens die Fähigkeit des herrschenden U n t e r n e h mens zu Verlustausgleich und Sicherheitsleistung ( § § 3 0 2 , 303 A k t G ) außer Zweifel stehen.

16 B G H , Urteil v. 5 . 2 . 1 9 7 9 - II Z R 210/76, W M 1979, 937, 941; GESSLER, aaO (Fn.5), § 3 0 8 R d n . 5 5 ; DERS., Z H R 140 (1976), 433, 438 f; HOMMELHOFF, Konzernleitungspflicht, S. 1 5 0 f ; DERS., W M 1984, 1105, 1 1 1 2 f ; IMMENGA, Z H R 140 (1976), 301, 3 0 7 f ; CLEMM, Z H R 141 ( 1 9 7 7 ) , 197, 2 0 4 ; EMMERICH, in: H o m m e l h o f f u . a . , a a O ( F n . 10), S.64,

73ff;

EMMERICH/SONNENSCHEIN,

aaO

(Fn.5),

S.31 lf;

KARSTEN

Gesellschaftsrecht, S.722; a. A. KOPPENSTEINER, aaO (Fn.3), § 3 0 8 Rdn. 32.

SCHMIDT,

32

H e l m u t Brandes

III. 1. Eine G m b H kann ebenfalls durch Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag der einheitlichen Leitung eines herrschenden Unternehmens unterstellt werden 1 7 . Für dieses Vertragsverhältnis gilt zur Sicherung der Gesellschaft, ihrer außenstehenden Gesellschafter sowie ihrer Gläubiger § 302 A k t G entsprechend. D e r ohne diese Ausgleichspflicht entstehende Jahresfehlbetrag kann auch bei einer G m b H grundsätzlich nur durch Entnahme aus Rücklagen gemindert werden, die nach, nicht aber aus solchen, die vor Vertragsabschluß gebildet worden sind. Ebenso wie bei der Aktiengesellschaft wird auf diese Weise gewährleistet, daß der G m b H das bilanzmäßige Anfangsvermögen während der Vertragsdauer erhalten bleibt. Diese Bindung ist bei der G m b H aber weniger umfassend als bei der Aktiengesellschaft. Das Anfangsvermögen kann wertmäßig das Grundkapital und die gesetzliche Rücklage bei der Aktiengesellschaft sowie das Stammkapital bei der G m b H erheblich übersteigen. Bei einer nicht konzerngebundenen Aktiengesellschaft kann gem. § 58 Abs. 5 A k t G vor Auflösung nur der Bilanzgewinn ausgeschüttet werden; das gesamte übrige Vermögen - auch soweit es Grundkapital und gesetzliche Rücklage übersteigt - ist gebunden. Diese Bindung wird durch Abschluß eines Beherrschungsvertrages nur insoweit aufgehoben, als es um verdeckte Ausschüttungen

geht. Abweichend

vom

Aktienrecht kennt das Recht der G m b H von vornherein ein derart weitgehendes Ausschüttungsverbot nicht; dort steht es den Gesellschaftern jenseits der Grenze des § 30 G m b H G jederzeit frei, Gesellschaftsvermögen offen oder verdeckt zu entnehmen. D i e Konzernbindung ändert hieran nichts. Zur Sicherung der Gesellschaft, der außenstehenden Gesellschafter und der Gläubiger gewährleistet § 302 A k t G auch hier, daß die entstandene Lücke im Anfangsvermögen in vollem Umfange, also auch über das möglicherweise geringere Stammkapital hinaus geschlossen wird. Die außenstehenden GmbH-Gesellschafter können auf diesen Schutz jedoch verzichten und sich damit einverstanden erklären, daß das jenseits der Grenze des § 30 G m b H G vorhandene Vermögen abgeführt und ein Verlust nur bis zu dieser Grenze ausgeglichen wird 1 8 . In einer E i n m a n n - G m b H , deren einziger Gesellschafter das herrschende Unternehmen ist, erübrigt sich der Schutz ohnehin. D e m Interesse der Gläubiger ist genügt, wenn die G m b H über Vermögen im Werte des Stammkapitals verfügt. 2. Andererseits schafft § 30 G m b H G einen Schutzwall, der mit einem Beherrschungsvertrag nicht überwunden werden kann, so daß diesseits des Walls -

17 B G H Z 103, 1, 4 ; 105, 3 2 4 ff. 18 Vgl.

ZÖLLNER,

in:

Baumbach/Hueck,

Komm.

z.

GmbHG,

15. Aufl.,

KonzernR

R d n . 2 7 ; ebenso w o h l auch HOMMELHOFF, W M 1 9 8 4 , 1 1 0 5 , 1 1 1 1 ; a. A. STÜTZLE, in: U w e H . Schneider, Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge in der Praxis der G m b H , S. 8 1 , 9 1 .

Grundsätze der Kapitalerhaltung im Vertragskonzern

33

anders als im Aktienrecht - verdeckte Eingriffe in das Vermögen der abhängigen G m b H ausgeschlossen sind. Das GmbH-Recht kennt keine dem §291 Abs. 3 AktG vergleichbare Bestimmung, die §30 G m b H G im Vertragskonzern außer Kraft setzen würde. Allerdings dient - wie oben ausgeführt - § 291 Abs. 3 AktG nur der Klarstellung, weil sich im Aktienrecht die Lockerung der Kapitalbindung zwangsläufig aus der gesetzlichen Ausgestaltung der Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge ergibt. Da im GmbH-Recht eine entsprechende gesetzliche Regelung fehlt, werden dort die aktienrechtlichen Vorschriften des Vertragskonzerns analog herangezogen. Diese Analogie ist aber nur möglich, soweit nicht zwingende gesetzliche Vorschriften des GmbH-Rechts entgegenstehen. Eine solche zwingende Vorschrift ist § 30 G m b H G . Das darin enthaltene Ausschüttungsverbot wird durch einen Unternehmensvertrag, der nicht im GmbH-Recht, sondern im Aktienrecht seine gesetzliche Regelung gefunden hat, nicht außer Kraft gesetzt. Vielmehr müssen die aktienrechtlichen Vorschriften bei ihrer entsprechenden Anwendung im GmbH-Recht den zwingenden Vorschriften dieses Rechtsgebiets angepaßt werden. Für den GmbH-Vertragskonzern bedeutet das, daß die Verpflichtung zum Verlustausgleich nicht an die Stelle, sondern neben das Verbot tritt, haftendes Kapital an die Gesellschafter auszuzahlen 19 . Die Kapitalgarantie des §30 G m b H G begrenzt das Weisungsrecht des herrschenden Unternehmens. Zu verdeckten Ausschüttungen jenseits dieser Grenze kann die Geschäftsführung aufgrund des Beherrschungsvertrages ohne weiteres angewiesen werden; die Möglichkeiten hierzu sind um so vielfältiger, je weiter das Gesellschaftsvermögen die Stammkapitalziffer übersteigt. Verboten sind jedoch Ausschüttungen, die dazu führen würden, daß das Reinvermögen unter den Wert des Stammkapitals sinkt; eine dahingehende Weisung wäre unzulässig und vom Geschäftsführer nicht zu befolgen. 3. Das Auszahlungsverbot des § 30 G m b H G hat zur Folge, daß durch verdeckte Ausschüttungen liquide Mittel nicht in demselben Umfange abfließen wie bei der Aktiengesellschaft. Zwar erhielte die GmbH, wenn sie zahlen müßte, die Mittel im Wege des Verlustausgleichs zurück. Der Vorteil der Auszahlungssperre besteht aber darin, daß die G m b H die Mittel bis zu diesem Ausgleich nicht entbehren muß und dadurch - anderenfalls möglicherweise eintretende Zahlungsschwierigkeiten vermeiden kann. Das herrschende Unternehmen kann allerdings Liquidität, die es verdeckt nicht erhält, offen von den Konzerntöchtern abziehen und konzernweit einset19 Ebenso ZÖLLNER, aaO (Fn. 18), Rdn.27; EMMERICH, in: Hommelhoff u.a., aaO (Fn. 10), S.64, 80; SCHOLZ/EMMERICH, Komm. z. G m b H G , 7. Aufl., KonzernR Rdn. 251; KORT, Der Abschluß von Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträgen im G m b H - R e c h t , S. 146; DERS., BB 1988, 79, 83; HACHENBURG/ULMER, K o m m . z.

G m b H G , 7. Aufl., §53 Rdn. 134; FLECK, Z H R 149 (1985), 387, 414; a. A. LÜTTER, in: Hommelhoff u.a., aaO (Fn. 10), S. 192, 200; DERS., FS Stiefel, S.505, 530; HOMMELHOFF, W M

1984, 1105, 1010.

34

Helmut Brandes

zen. Aber auch insoweit hat sein Weisungsrecht Grenzen. Es unterliegt denselben Beschränkungen, w i e sie oben f ü r das Aktienrecht aufgezeigt sind: Sind Rückzahlung und Verlustausgleich nicht gesichert, sind Liquiditätsabflüsse aus gebundenem Kapital zugunsten der Konzernleitung verboten 2 0 ; bestehen an deren Leistungsfähigkeit keine Zweifel, so muß sichergestellt sein, daß die Konzemtochter die Mittel zurückerhält, sobald sie dort benötigt werden, u m die Zahlungsfähigkeit aufrechtzuerhalten. Liegen diese Voraussetzungen vor, so wird das Stammkapital durch die Liquiditätsabflüsse nicht angetastet; denn anders als bei den verdeckten Ausschüttungen tritt an die Stelle des Guthabens auf dem Finanzkonto nicht erst am Jahresende, sondern sofort eine vollwertige Forderung auf Rückzahlung. Allerdings hebt der Verlustausgleich auch bei der G m b H den Mangel auf, daß diese Forderung gegen die Konzernleitung nicht verzinslich ist. 4. Denkbar ist auch, daß das herrschende Unternehmen der Konzerntochter mit Darlehen ausgeholfen oder mehr liquide Mittel zugeführt als abgezogen hat, so daß das Verrechnungskonto einen Saldo zu seinen Gunsten ausweist. Sollten diese Gesellschafterleistungen ungeachtet des aufgrund des Unternehmensvertrages gewährleisteten Ausgleichs der Jahresfehlbeträge - etwa wegen andauernder Liquiditätsschwierigkeiten 2 1 - kapitalersetzend sein, so kann das herrschende Unternehmen sie nicht abziehen, solange sie eine Unterbilanz der Konzerntochter abdecken. Denn beim Abzug kapitalersetzender Gesellschafterleistungen tritt anders als bei der Aufnahme eines Kredits in der Bilanz der Tochter keine gleichwertige Forderung an die Stelle der abgeflossenen Mittel. Diese Bindung der kapitalersetzenden Leistung tritt entsprechend § 30 G m b H G und unabhängig davon ein, ob die G m b H die durch sie verkörperten liquiden Mittel benötigt, u m fristgemäß ihren Verpflichtungen nachkommen zu können; als Kapitalersatz sind die Mittel selbst dann gebunden, wenn die Konzerntochter ihrer zeitweise nicht bedarf. 5. Von der Konzerntochter dringend benötigte Liquidität kann aber auch abfließen, wenn aufgrund des Unternehmensvertrages Jahresüberschüsse an das herrschende Unternehmen abgeführt werden. Hier stellt sich die Frage, ob die Konzernleitung den Überschuß, auf den sie lt. Gewinnabführungsvertrag einen Anspruch hat, der Tochter ganz oder teilweise zur Thesaurierung belassen oder wenigstens als Kredit zur Verfügung stellen muß, wenn jene ohne diese Finanzhilfe nicht mehr lebensfähig ist. Dies ist keine Frage der Kapitalerhaltung, sondern eine solche ordnungsgemäßer Konzernfinanzierung 2 2 , deren Grundsätze - nach Scheffler23 - betriebswirtschaftlich nicht eindeutig ableitbar sind.

20 Vgl. insoweit auch LUTTER, in: Hommelhoff u.a., aaO (Fn. 10), S. 192, 200. 21 Vgl. Β G H Z 105, 168. 22

V g l . U W E H.SCHNEIDER, Z G R 1 9 8 4 , 4 9 7 f f .

23 FS Goerdeler, S . 4 6 9 , 476; DERS., Die A G 1990, 173, 178.

Grundsätze der Kapitalerhaltung im Vertragskonzern

35

IV. Als Ergebnis läßt sich zusammenfassen, daß gegen ein zentrales Cash-Management keine Bedenken bestehen, solange die Leistungsfähigkeit der Konzernleitung und die jederzeitige Zahlungsfähigkeit der Konzerntöchter gewährleistet ist. Im GmbH-Vertragskonzern tritt der Verlustausgleich nicht an die Stelle, sondern neben die Grundsätze der Kapitalerhaltung. Grundsätze des Kapitalersatzes gewährleisten einen zusätzlichen Liquiditätsschutz.

Die Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil ist zulässig Bemerkungen zu BGHZ 108, 187*

HANS ERICH

BRANDNER

BGB §2205; HGB §§161, 107 a) Ist für einen Kommanditanteil Dauertestamentsvollstreckung angeordnet, dann kann der Testamentsvollstrecker grundsätzlich die mit der Beteiligung verbundenen Mitgliedschaftsrechte ausüben. Einschränkungen können sich insbesondere daraus ergeben, daß der Testamentsvollstrecker nicht befugt ist, den Erben persönlich zu verpflichten. b) Den durch die Vererbung eines Kommanditanteils eintretenden Gesellschafterwechsel hat, wenn Testamentsvollstreckung angeordnet ist, der Testamentsvollstrecker zum Handelsregister anzumelden.

BGH, Beschluß vom 3. Juli 1989 - II ZB 1/89 - OLG Hamm Neben zwei weiteren Kommanditistinnen war der Erblasser Kommanditist der betroffenen Kommanditgesellschaft. Er wurde von den beiden Verfahrensbeteiligten je zur Hälfte beerbt. Es ist Testamentsvollstreckung angeordnet, die im Juli 1992 mit der Vollendung des 21. Lebensjahres der Beteiligten zu 2 endet. Testamentsvollstrecker ist der Bruder des Erblassers; er ist zugleich Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Die persönlich haftende Gesellschafterin der K G , die beiden anderen Kommanditistinnen und der Testamentsvollstrecker haben das Ausscheiden des Erblassers und den Eintritt der Beteiligten zu 1 und 2 zum Handelsregister angemeldet. Die Beteiligten wurden vom Registergericht aufgefordert, den Gesellschafterwechsel ebenfalls anzumelden. Hiergegen erhoben sie Einspruch, der ebenso erfolglos blieb wie ihre sofortige Beschwerde beim Landgericht. D a s auf dem Wege der weiteren sofortigen Beschwerde angerufene O L G H a m m wollte hingegen entscheiden, daß die vom Erblasser angeordnete Testamentsvollstreckung sich auf den Kommanditanteil erstrecke und deshalb nicht die Erben den durch den Erbfall eingetretenen Gesellschafterwechsel zum Handelsregister anzumelden hätten, sondern der Testamentsvollstrecker dies zu tun habe, vorausgesetzt, daß die übrigen Gesellschafter der Testamentsvollstreckung zustimmten. Das O L G H a m m sah sich an dieser Entscheidung jedoch gehindert durch Beschlüsse des B a y O b L G (RPfleger 1977, 321) und des O L G Frankfurt ( O L G Z 1983, 189). Diese Gerichte hatten befunden, daß die Testamentsvollstreckung an einem Kommanditanteil unzulässig sei. Das O L G H a m m legte deshalb die Sache dem B G H zur Entscheidung vor (Vorlagebeschluß vom 20.2.1989, W M 1989, 830 = ZIP 1989, 505). D e r B G H hat den Beschluß des Landgerichts aufgehoben und die Sache dorthin zurückverwiesen zur Klärung der Frage, ob die anderen Gesellschafter mit der Testamentsvollstreckung einverstanden sind.

* Veröffentlicht u.a. in: N J W 1989, 3152; W M 1989, 1331; Z I P 1989, 1186; B B 1989, 1840; D B 1989, 1915.

38

Hans Erich Brandner

1. Eine lange erwartete

Entscheidung

des

Bundesgerichtshofs

Wer hat bei vom Erblasser angeordneter Verwaltungs- oder Dauertestamentsvollstreckung (§2209 B G B ) für einen vererbten (oder nach § 139 H G B entstandenen) Kommanditanteil den Gesellschafterwechsel gemäß §§ 107, 143 Abs. 2, 161 Abs. 2 H G B zum Handelsregister anzumelden: Der Erbe (die Erben) oder der Testamentsvollstrecker oder beide? Die Entscheidung über diese unscheinbare Frage in einer Handelsregistersache hat dem Bundesgerichtshof Gelegenheit vermittelt, dem Testamentsvollstrecker, diesem traditionellen Sorgenkind des Personengesellschaftsrechts, das längst erwartete 1 , höchstrichterlich abgesegnete Entree in die Verwaltungsetage für Kommanditbeteiligungen zu gewähren. Die These, daß der Testamentsvollstrecker zur Handelsregisteranmeldung verpflichtet ist (Leitsatz b), setzt voraus, daß er „grundsätzlich" die mit der Beteiligung verbundenen Mitgliedschaftsrechte ausübt (Leitsatz a). In den vielen Jahren, die Alfred Kellermann als Mitglied, später als Vorsitzender dem Gesellschaftsrechtssenat des Bundesgerichtshofs angehörte und dessen Rechtsprechung maßgebend mitgestaltete, hat dieser Senat in viele Probleme aus dem regelmäßig schwierigen Zusammentreffen von Gesellschafts- und Erbrecht Licht und Ordnung gebracht 2 . Die vorliegende Entscheidung liegt auf der Linie dieser guten Entwicklung. Die vom Oberlandesgericht H a m m angestrebte höchstrichterliche Klärung hätte übrigens erneut scheitern können, wenn etwa vom Bundesgerichtshof angenommen worden wäre, daß die unter Verwaltungstestamentsvollstreckung stehenden Gesellschafter-Erben an der Handelsregisteranmeldung jedenfalls mitwirken müßten; denn die weitere Beschwerde der Beteiligten hätte dann ohne Rücksicht auf die Reichweite der Testamentsvollstreckung wahrscheinlich erfolglos bleiben müssen 3 . Diese Klippe konnte vom Bundesgerichtshof umschifft werden aufgrund der Erwägung, daß der Testamentsvollstrecker im Rahmen der ihm zustehenden Verwaltung zur Anmeldung berechtigt und allein verpflichtet sei und über ein etwaiges daneben bestehendes Anmelderecht des Erben in diesem Zusammenhang nicht entschieden werden müsse 4 .

1 Bekanntlich hatte nach der Ablehnung einer Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil durch das Reichsgericht in R G Z 172, 199, 203 der B G H die Frage stets offengelassen, zuletzt in B G H Z 91, 132, 137, bis hin zu der Ankündigung in dem Urteil N J W 1985, 1953, 1954, daß für die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung „manches spricht". 2 Siehe etwa B G H Z 68, 225; 78, 177; 91, 132, um nur drei hervorragende Beispiele zu nennen. 3 So der Hinweis von MAROTZKE in der Anmerkung zu dem Vorlagebeschluß des O L G H a m m , E W i R §2205 B G B 1/89, 471. 4 Dazu unten im Text bei 8.

Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil

39

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs wurde bereits mehrfach im positiven Sinne besprochen5. Dabei wurde schon auf eine Anzahl offengebliebener Grundsatz- und Detailfragen hingewiesen, deren Gewicht freilich nicht überschätzt werden sollte6. Der vorliegende Beitrag ist bemüht, einige Fragen aufzugreifen und dabei die Wiederholung dessen, was schon von anderer Seite bemerkt worden ist7, zu vermeiden. 2. Der erbrechtliche

Aspekt

Daß der vererbte Kommanditanteil aus erbrechtlicher Sicht - vorbehaltlich einer vom Erblasser gewollten Beschränkung, vgl. § 2208 Abs. 1 Satz 1 B G B „grundsätzlich" in den Machtbereich eines Dauertestamentsvollstreckers fällt, wird in dem Beschluß des Bundesgerichtshofs mit folgenden Erwägungen begründet: Erbrechtlich gehöre die Kommanditbeteiligung zum Nachlaß und gehe im Wege der Einzelrechtsnachfolge unmittelbar auf den oder - entsprechend geteilt - die Erben über8. Die Ausgliederung der Beteiligung aus dem gesamthänderisch gebundenen übrigen Nachlaß besage nichts für die Frage der Anwendbarkeit der erbrechtlichen Sonderregelungen (nämlich des Testamentsvollstreckungsrechts). In anderen, ähnlichen Regelungszusammenhängen (ζ. B. Höferecht, Verwaltungstestamentsvollstreckung an einzelnen Nachlaßgegenständen nach der Erbteilung oder an Vermächtnisgegenständen) werde die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung bejaht. Der Testamentsvollstrecker könne in die Lage kommen, sowohl Gesamthandsvermögen der Erbengesamtheit als auch Sondervermögen eines oder mehrerer Erben verwalten zu müssen. Die Testamentsvollstreckung könne sich auf aus dem Gesamthandsvermögen der Miterben ausgegliederte Gegenstände erstrecken. Diese Begründung geht in merkwürdiger Weise an der eigentlichen erbrechtlichen Konstruktionsschwierigkeit vorbei: Problematisch war nicht, ob die Testamentsvollstreckung einen auf einen einzelnen Miterben (oder Vermächtnisnehmer) übergegangenen oder übertragenen Nachlaßgegenstand erfassen könne, 5 Z u m Beispiel ULMER, N J W

1990, 7 3 ; ROWEDDER, E W i R § 2 2 0 5 B G B 2 / 8 9 ,

991;

DEUCHLER, W u B II F . § 1 6 1 H G B 2 . 8 9 ; D.MAYER, Z I P 1990, 9 7 6 ; der Beitrag von QUACK, B B 1 9 8 9 , 2 2 7 1 erschien zwar nach der hier besprochenen Entscheidung des B G H , konnte diese aber nicht m e h r berücksichtigen. 6 Übertrieben daher D.MAYER, Z I P 1990, 976, es herrsche auf diesem Gebiet nach wie vor große Rechtsunsicherheit darüber, wie die Gesellschafterrechte zwischen Testamentsvollstrecker und Gesellschafter-Erben zu verteilen sind. Ist die Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil zulässig, dann wird m a n bestrebt sein müssen, ihr den vollen R a u m zu gewähren. 7 Namentlich von ULMER in dem umfassenden Rezensionsaufsatz, N J W 1990, 73. 8 Uber

die Sondervererbung

des

Kommanditanteils

im W e g e der

Einzelnachfolge

herrscht derzeit kein Streit; siehe lediglich SCHILLING, in: G r o ß k o m m . 4. Aufl. 1987, § 1 7 7 R d n . 7.

z.

HGB,

40

Hans Erich Brandner

sondern ob der Kommanditanteil überhaupt ein Nachlaßgegenstand sei. Das wurde - am konsequentesten von Ulmer'' - bestritten aus der Erwägung, daß die Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft im Wege der Einzelrechtsnachfolge auf den oder die Erben übergehe und folglich „am Nachlaß vorbei" vererbt werde. Außer Zweifel steht aber, daß die erbrechtliche Zuständigkeit des Testamentsvollstreckers auf den Nachlaß beschränkt ist (§ 2205 Abs. 1 Satz 1 BGB). Indessen muß gesagt werden, daß das Dogma von der erbrechtlichen Einzelnachfolge bei Personengesellschaftsanteilen eine Zweckschöpfung war mit dem Ziel, der Erbengemeinschaft den Eintritt in die Gesellschafterstellung zu verwehren. Eine Verselbständigung dieses Gedankens in dem Sinne, daß die Nachlaßzugehörigkeit mit allen weiteren Konsequenzen schlechthin zu leugnen sei, greift über diesen Zweck hinaus und ist nicht angebracht. Man wird daher in der Erstreckung des Machtbereichs des Testamentsvollstreckers auf den Kommanditanteil keine Schöpfung richterlicher Rechtsfortbildung zu sehen brauchen10, sondern die Konsequenz einer richtigen Einordnung des Gedankens der erbrechtlichen Einzelrechtsnachfolge in das System des Erbrechts 11 . Führt man so die Figur der erbrechtlichen Einzelrechtsnachfolge bei Personengesellschaftsanteilen vom Dogma auf eine auf einen bestimmten Zweck gerichtete Denkform zurück, dann stellt sich die Frage nach der Funktionsgerechtigkeit dieser Sukzessionsform bei der Vererbung eines Kommanditanteils. Sie ist jedenfalls zu bejahen, wenn daran festzuhalten ist, daß die Erbengemeinschaft so wenig Kommanditist sein kann wie persönlich haftender Gesellschafter oder Gesellschafter einer GbR. Das ist zwar völlig herrschende Meinung, kann aber mit einigem Grund in Frage gestellt werden, weil der (typische) Kommanditist nicht oder doch nur in einem sehr abgeschwächten Sinne ad personam Teilnehmer einer Arbeits- und Haftungsgemeinschaft ist 12 . Aus einem anderen Grund empfiehlt sich aber das Festhalten an der Singularsukzession auch beim Kommanditanteil: Nur auf diesem Wege dürfte der erbrechtliche Übergang des Kommanditanteils auf einen oder mehrere (aber nicht alle) Miterben im Falle einer - unstreitig auch im Kommanditgesellschaftsvertrag wirksamen13 - qualifizierten erbrechtlichen Nachfolgeklausel denkbar und möglich sein. 9 N J W 1984, 1496; jetzt noch ζ. B. BAUMBACH/DUDEN/HOPT, Komm. z. HGB, 28. Aufl. 1989, §139 HGB A n m . 2 A ; differenzierend LEIPOLD, Münchener Komm. z. BGB, 2. Aufl. 1989, §1922 Rdn.38. 10 So aber nach wie vor ULMER, aaO (Fn. 7), S. 74. 11 Man kann eher sagen, daß die strikte Abschottung des Kommanditanteils von erbrechtlichen Sonderregeln ein Akt über das Ziel hinausschießender richterlicher Rechtsfortbildung gewesen ist. 12 Ausdrückliche Zweifel an der Richtigkeit der These von der Sondervererbung des Kommanditanteils aus diesem Grund bei ULMER, aaO (Fn. 7), S. 74, 83. 13

SCHILLING, a a O ( F n . 8 ) , § 1 7 7 R d n . 7; SCHLEGELBERGER/KARSTEN SCHMIDT, K o m m . z .

HGB, 5. Aufl. 1986, §177 Rdn. 12; HEYMANN/HORN, Komm. z. HGB, 1989, §177 Rdn. 6.

Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil

41

3. Vereinbarkeit der auf den Nachlaß beschränkten Verpflichtungsbefugnis des Testamentsvollstreckers mit der Verwaltung des Kommanditanteils Auch der Verwaltungs- oder Dauertestamentsvollstrecker, der regelmäßig die erweiterte Verpflichtungsbefugnis nach §2207 BGB besitzt (vgl. §2209 Satz 2 BGB), kann kraft seines Amtes Verbindlichkeiten nur „für den Nachlaß" eingehen (§§2206 Satz 1 und 2207 Satz 1 BGB), also im Rahmen der Verwaltung den Erben nicht persönlich verpflichten. Ist er deshalb angesichts der (wenn auch beschränkten) persönlichen Haftung eines Kommanditisten für Gesellschaftsschulden außerstande, den Kommanditanteil zu verwalten? Der Wegfall der unmittelbaren Kommanditistenhaftung im Normalstatus der voll eingezahlten Einlage scheint es leicht zu machen, die Frage zu verneinen. Dabei hilft die Erkenntnis, daß nur solche Fälle problematisch sind, in denen eigenes Verwaltungshandeln des Testamentsvollstreckers - ungeachtet seiner auf den Nachlaß beschränkten Verpflichtungsbefugnis - aus zwingenden gesellschaftsrechtlichen Gründen die persönliche Haftung des Gesellschafter-Erben auslöst. Eine unmittelbar persönliche Haftung, in die der Erbe als solcher eingetreten ist und deren Entstehung mit der Verwaltung des Kommanditanteils nach dem Erbfall nichts zu tun hat, steht der Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil von vornherein nicht entgegen. Deshalb hindert es beim durch Erbfolge erworbenen Kommanditanteil die Testamentsvollstreckung nicht, wenn die Einlage nicht oder unvollständig eingezahlt ist, und der Bundesgerichtshof lehnt mit Recht die Ansicht ab, daß die Testamentsvollstreckung nur bei voll eingezahlter Einlage zuzulassen sei14. Einer besonderen Betrachtung bedarf es allerdings, wenn eine nicht oder unvollständig geleistete Einlage mit Geschäftsführungsbefugnis des Kommanditisten zusammentrifft (siehe dazu unten bei 4.). Auch §176 Abs. 1 und 2 H G B begründen für den Kommanditisten-Erben nur „ererbte" persönliche Haftungssituationen, wenn zur Zeit des Erbfalls die Kommanditgesellschaft oder der Eintritt des Erblassers in die bestehende Gesellschaft noch nicht eingetragen war. Zu begrüßen ist die - vorsichtige - Klarstellung, daß §176 Abs. 2 H G B für den in die Gesellschaft eintretenden Erben nicht gelten „dürfte", daß dieser also nicht etwa für die zwischen dem Erbfall und der Eintragung des Gesellschafterwechsels in das Handelsregister begründeten Gesellschaftsschulden gleich einem persönlich haftenden Gesellschafter haftet 15 . Dieser richtige Hinweis sollte dem Bundesgerichtshof bei nächster Gelegenheit Anlaß geben, seine vor einigen Jahren verlautbarte Rechtsprechung zu korrigieren, wonach §176 Abs. 2 H G B auch für den

14 A . M . früher ROWEDDER, FS Goerdeler, 1987, S.466. 15 E b e n s o SCHILLING, a a O ( F n . 8), § 1 7 6 R d n . 17; SCHLEGELBERGER/KARSTEN SCHMIDT,

a a O ( F n . 13), § 1 7 6 R d n . 2 2 ; HEYMANN/HORN, a a O (Fn. 13), § 1 7 6 R d n . 15; a. M . a n s c h e i n e n d BAUMBACH/DUDEN/HOPT, a a O ( F n . 9), § 1 7 6 A n m . 3 B .

42

Hans Erich Brandner

nicht eingetragenen Kommanditisten gelte, der seinen Anteil durch rechtsgeschäftliche Übertragung erworben hat 16 . Es verbleiben im wesentlichen zwei Fallsituationen, in denen Verwaltungshandeln des Testamentsvollstreckers auch das persönliche Vermögen des Erben mit Schulden belastet: Einlagenrückzahlung und Gewinnentnahme nach §172 Abs. 4 H G B sowie Erhöhung der Einlage. Man kann indessen schon auf erste Sicht sagen, daß diese Fälle, so wenig sie zu vernachlässigen sind, derart am Rande der Verwaltung eines Kommanditanteils liegen, daß sie schwerlich generelle Hinderungsgründe darstellen können. Es steht allerdings außer Zweifel, daß Handlungen des Testamentsvollstreckers nach § 172 Abs. 4 H G B die persönliche Kommanditistenhaftung ohne Rücksicht auf das Fehlen einer entsprechenden Verpflichtungsbefugnis des Testamentsvollstreckers aus zwingenden gesellschaftsrechtlichen Gründen auslösen17. Das Können des Testamentsvollstreckers reicht in solchen Fällen weiter als sein auf den Nachlaß und dessen ordnungsmäßige Verwaltung (§2216 Abs. 1 BGB) beschränktes Dürfen. Aber diese - mögliche - Diskrepanz ist geradezu typisch bei der Übertragung einer auf ein Sondervermögen beschränkten Verwaltungsaufgabe und stellt die Zulässigkeit der Verwaltung bzw. die Verwaltbarkeit des Sondervermögens als solche nicht in Frage. Ähnlich verhält es sich mit der Mitwirkung des Testamentsvollstreckers an einer Erhöhung der Kommanditeinlage. Es heißt dazu in den Entscheidungsgründen, dazu sei der Testamentsvollstrecker ohne Zustimmung des Erben nicht befugt. Das könne der Erbe zwar grundsätzlich nur seinen Mitgesellschaftern entgegenhalten. Der Erbe werde aber vor einer Inanspruchnahme durch die Gesellschaftsgläubiger aus einer Erhöhung der Hafteinlage durch §172 Abs. 2 H G B geschützt, wonach grundsätzlich eine Einlageerhöhung zugunsten der Gesellschaftsgläubiger erst durch ihre Eintragung wirksam wird. Wenn der Testamentsvollstrecker die ohne Zustimmung des Erben beschlossene Erhöhung seiner Einlage zum Handelsregister anmelde, werde das Registergericht den Antrag mangels Wirksamkeit des Erhöhungsbeschlusses zurückweisen müssen. Es habe übrigens in einem solchen Eintragungsverfahren den Erben zu hören. Der Bundesgerichtshof geht hierbei davon aus, daß der unter Mitwirkung des Testamentsvollstreckers gefaßte Gesellschafterbeschluß, der auf eine Erhöhung der Kommanditeinlage gerichtet ist, für seine Wirksamkeit der Zustimmung des Erben bedürfe. Das ist jedoch nicht zwingend; bei der Verpflichtung zur Erhöhung der Pflichteinlage beschränkt sich die Verpflichtungswirkung der vom Testamentsvollstrecker abgegebenen Erklärung gegenüber den Mitgesellschaftern auf den Nachlaß. Die damit verbundene und nicht auf den Nachlaß beschränkbare Erhöhung der Außenhaftung des Erben ist eine zwingende 1 6 S o B G H N J W 1 9 8 3 , 2 2 5 8 m i t a b l e h n e n d e r A n m e r k u n g v o n KARSTEN SCHMIDT. 1 7 V g l . n u r SCHILLING, a a O ( F n . 8 ) , § 1 7 7 R d n . 1 4 .

Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil

43

gesetzliche Folge des Erhöhungsbeschlusses und seiner Verlautbarung im Handelsregister oder auf andere Weise. Der Testamentsvollstrecker handelt bei der Mitwirkung an einer Einlageerhöhung allerdings nur dann ordnungsmäßig (§2216 Abs. 1 BGB), wenn er die Einlage bis zur Eintragung oder anderweitigen Verlautbarung nach §172 Abs. 2 H G B aus Nachlaßmitteln leistet und dadurch eine persönliche Haftung des Erben nach § 171 Abs. 1 H G B entfallen läßt. Die Möglichkeit einer insoweit nicht ordnungsmäßigen Verwaltungshandlung des Testamentsvollstreckers bietet aber wiederum keinen Grund für eine Annahme der Unzulässigkeit der Verwaltung schlechthin oder sei es auch nur der Mitwirkung an einer Einlageerhöhung unter Ausschluß des Erben 18 . Dieser Befund dürfte übrigens in entsprechender Weise gelten für den Fall, daß der Testamentsvollstrecker als solcher einem Einzelkaufmann oder einer bestehenden Handelsgesellschaft als Kommanditist beitritt. Dadurch wird gesellschaftsvertraglich nur der Nachlaß verpflichtet; die entstehende Außenhaftung durch Eintragung der Kommanditgesellschaft bzw. des Eintritts in das Handelsregister gemäß § 176 H G B zu beschränken und durch Leistung der Einlage aus dem Nachlaß gemäß § 171 Abs. 1 H G B auszuschließen, gehört zu den Sorgfaltspflichten des Testamentsvollstreckers, betrifft aber nicht den Bereich seines rechtlichen Könnens.

4. Testamentsvollstreckung bei einem mit Geschäftsführungsbefugnis ausgestatteten Kommanditisten Die grundsätzliche Bejahung der Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung wird in dem Beschluß des Bundesgerichtshofs ausgesprochen „jedenfalls" für einen Kommanditisten, der entsprechend der gesetzlichen Regelung (§§ 164, 170 HGB) nicht geschäftsführungs- und vertretungsbefugt ist. Wie steht es bei einer mit Geschäftsführungsbefugnis ausgestatteten Kommanditbeteiligung, bei der Recht und Pflicht zur Geschäftsführung vom Testamentsvollstrecker - unter Ausschluß des Erben - wahrzunehmen wären? Es ist zu bezweifeln, ob man diesem Fall in der Praxis begegnen wird; denn es war entweder die Geschäftsführungsbefugnis auf die Person des Erblassers gemünzt, oder die Zustimmung der Mitgesellschafter zur Testamentsvollstreckung erstreckt sich jedenfalls nicht auf die Wahrnehmung von Geschäftsführungsaufgaben durch den Testamentsvoll-

18 Der entscheidende Unterschied zur Verwaltung der Mitgliedschaftsrechte an einer o H G oder einer GbR besteht darin, daß dort eine ordnungsmäßige Mitwirkung an der Verwaltung die Haftung des Erben für Gesellschaftsschulden prinzipiell zwingend hervorruft, so daß die Verwaltung mit dem Testamentsvollstreckungsamt inkompatibel ist.

44

Hans Erich Brandner

Strecker 19 . Immerhin ist die Möglichkeit nicht auszuschließen, daß die Mitgesellschafter, die gesellschaftsvertraglich in die Testamentsvollstreckung eingewilligt haben, dadurch die Geschäftsführertätigkeit eines als Vertrauensperson des Erblassers bestellten Testamentsvollstreckers nicht ausschließen wollen, vielleicht sogar anstreben. Erbrechtlich kann gegen die Teilnahme des Testamentsvollstreckers an der Geschäftsführung als Wahrnehmung der mit der nachlaßzugehörigen (oder nach § 1 3 9 H G B aus einer Gesellschaftsbeteiligung entstandenen) Kommanditbeteiligung verbundenen Rechte und Pflichten nichts eingewendet werden. Diese Aufgabe gehört zur schlichten Verwaltung des Nachlasses (§ 2205 Satz 1 B G B ) . Die Mitverwaltung innerhalb der Kommanditgesellschaft wird gesellschaftsrechtlich durch die Einwilligung der Mitgesellschafter gedeckt. Es könnte allerdings der Fall problematisch werden, daß der Testamentsvollstrecker, der als Verwalter der Rechte eines geschäftsführenden Gesellschafters an der Begründung von Gesellschaftsschulden mitwirkt, hierdurch bei nicht voll eingezahlter Einlage oder in Fällen des § 176 H G B den Gesellschafter-Erben in eine persönliche Haftungssituation bringen kann. Auch dies beruht aber gegebenenfalls nicht auf einer Unvereinbarkeit zwischen der Verwaltung des Kommanditanteils und der Beschränkung der Verpflichtungsbefugnis, sondern auf einem nicht ordnungsmäßigen Verwaltungshandeln des Testamentsvollstreckers, der bei der Mitwirkung an der Begründung von Gesellschaftsschulden jeder Entstehung einer persönlichen Haftung des Gesellschafter-Erben vorzubeugen hat. Grundsätzliche Bedenken gegen die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung bestehen daher auch nicht für diese besondere Konstellation.

5. Handeln im Kernbereich

der

Mitgliedschaftsrechte

In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird die Frage gestellt, ob der Testamentsvollstrecker bei der Mitwirkung an solchen Gesellschafterbeschlüssen in seinem Stimmrecht beschränkt ist, die zwar keine persönliche Haftung des Erben zur Folge haben, dafür aber in sonstiger Weise in die Rechtsstellung des Kommanditisten eingreifen. Als solche Angelegenheiten des „Kernbereichs" werden ζ. B . eine Änderung der Gewinnbeteiligung und eine Beschneidung des Auseinandersetzungsguthabens genannt. Sodann bleibt in den Entscheidungsgründen die Frage einer Einschränkung der Zuständigkeit des Testamentsvollstreckers in solchen Angelegenheiten offen, weil diese jedenfalls kein Hinderungsgrund, die Testamentsvollstreckung als solche zuzulassen, sein könnte. Auch das Verbot einer Stimmrechtsabspaltung stehe der Zulassung der Dauertestamentsvollstreckung für Kommanditanteile nicht entgegen. 1 9 S o U L M E R , a a O ( F n . 7 ) , S. 7 6 ; a u c h D . M A Y E R , a a O ( F n . 5 ) , S. 9 7 7 .

Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil

45

Unzweifelhaft werden demnach die Vermögens- und Mitverwaltungsrechte des Kommanditisten aufgrund des §2205 BGB vom Testamentsvollstrecker wahrgenommen, und zwar - wie regelmäßig - unter Ausschluß („Verdrängung") des Erben 20 . Fraglich kann nur sein, ob dem Erben hinsichtlich seiner Mitverwaltungsrechte als Kommanditist gewisse „Grundrechte" zugeordnet sind, die nur er selbst aufgrund eigenen Willens ausüben kann. Außer den beiden vom Bundesgerichtshof genannten Beispielsfällen wird hierbei gedacht an Vertragsänderungen schlechthin (insbesondere an solche, die zu Lasten des Kommanditisten mit Mehrbelastungen oder sonstigen Nachteilen verbunden sind), an Anteilsveräußerungen, die Ausübung eines ordentlichen Kündigungsrechts und die Erhebung der Auflösungsklage nach § 133 H G B aus wichtigem Grund 21 . Die Kernbereichslehre ist eine Doktrin des Gesellschaftsrechts über wesentliche, einer Fremdbestimmung entzogene, nur mit Zustimmung des Betroffenen tangible Gesellschafterrechte 22 . Das Testamentsvollstreckungsrecht anerkennt solche Empfindlichkeiten des Erben gegenüber der ihm durch die Testamentsvollstreckung aufgegebenen Fremdbestimmung in seinem Rechtskreis grundsätzlich nicht. Die Verwaltungszuständigkeit eines Testamentsvollstreckers macht erst halt vor Rechtspositionen, die wegen ihrer persönlichen Natur für die Wahrnehmung durch einen außenstehenden Dritten ungeeignet sind 23 . Dazu zählen die erwähnten mit einer Kommanditbeteiligung verbundenen Befugnisse grundsätzlich nicht. Der Erbe findet sich unter die Kuratel des Testamentsvollstreckers gestellt auch in solchen Fragen, die seine Vermögensinteressen und auch ein damit verbundenes gesteigertes persönliches Interesse ganz empfindlich und grundlegend berühren. Ich bin deshalb der Meinung, daß sich aus der Kernbereichslehre eine Beschränkung des Verwaltungsrechts des Testamentsvollstreckers gar nicht herleiten läßt24. Eine dinglich wirkende Schranke wird dem Testamentsvollstrecker nur durch das Schenkungsverbot nach § 2205 Satz 3 BGB gesetzt 25 . Im übrigen muß der Erbe mit der Verantwortlichkeit und Haftung des Testamentsvollstreckers im Innenverhältnis zu diesem vorlieb nehmen (§2216 BGB). Das Testamentsvollstreckungsrecht gestattet keine Ubertragung der gesellschaftsrechtlichen Kernbereichslehre auf das Verhältnis zwischen Erben und Testamentsvollstrecker.

20 Vgl. BRANDNER, Münchener Komm. z. BGB, 2. Aufl., 1989, §2205 Rdn.4; dazu auch ULMER, Z H R 146 (1982), 571. 21

U L M E R , a a O ( F n . 7 ) , S. 7 9 ; d a z u a u c h Q U A C K , a a O ( F n . 5 ) , S. 2 2 7 3 .

22 Dazu allgemein RARSTEN SCHMIDT, Gesellschaftsrecht, 1986, §16 III 3. 23 Vgl. BRANDNER, aaO (Fn.20), §2205 Rdn.9. 24 Α . M . g r u n d s ä t z l i c h ULMER, a a O (Fn. 7) u n d QUACK, a a O (Fn. 5); f ü r die T e s t a m e n t s -

vollstreckung am GmbH-Anteil vgl. PRIESTER, FS Stimpel, 1985, S. 463 ff, 481. 25 Mit der Folge, daß jede Verfügung des Testamentsvollstreckers über Mitgliedschaftsrechte oder die Beteiligung im Ganzen nichtig ist, die erkennbar aus dem Nachlaß ohne vollwertiges Äquivalent etwas weggibt.

Hans Erich Brandner

46

6. Doppelzuständigkeiten

des Erben und des

Testamentsvollstreckers?

Um dem Erben als Kommanditisten in wichtigen mit der Beteiligung verbundenen Fragen doch einen Minimalschutz zu gewähren, liegt es nahe, für bestimmte Verwaltungshandlungen Doppelzuständigkeiten einzuführen mit der Folge, daß neben dem Testamentsvollstrecker der Erbe obligatorisch mitwirken muß oder wenigstens zur Mitwirkung berechtigt ist. Solche Doppelzuständigkeiten sind schon früher von Schilling26, neuerdings auch von Ulmer27 befürwortet worden. Ungeklärt ist der Kreis der unter eine Doppelzuständigkeit fallenden Befugnisse. Es werden namentlich die einen wichtigen Grund voraussetzenden Klagebefugnisse in Betracht gezogen (§§117, 127, 133, 140, 146 Abs. 2 HGB), aber auch das außerordentliche Uberwachungsrecht nach §166 Abs. 3 HGB 2 8 , ferner das Recht zur Geltendmachung der Nichtigkeit oder Unwirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses 29 sowie - allgemeiner - die Mitwirkung an Gesellschafterbeschlüssen, die sich unmittelbar auf die „persönliche Rechtsstellung in der Gesellschaft auswirken" 30 . Der Bundesgerichtshof erwähnt in seiner Entscheidung mögliche eigene Anmelderechte des Erben - neben der Anmeldepflicht des Testamentsvollstreckers - gegenüber dem Handelsregister bei der Anmeldung der Rechtsnachfolge und das Erfordernis einer Zustimmung des Erben bei der Einlageerhöhung. Solche Doppelzuständigkeiten des Testamentsvollstreckers und des Erben bei der Verwaltung des Nachlaßgegenstandes Kommanditanteil bringen in die Zuständigkeitsverteilung eine unerwünschte rechtliche Unklarheit. Der Erblasser kann zwar nach § 2208 Abs. 1 Satz 1 BGB die Befugnisse des Testamentsvollstreckers dahin einschränken, daß der Erbe bei der Verwaltung mitwirken muß oder kann 31 . Auch nach dem Gesetz werden bestimmte Verwaltungsrechte dem Erben und dem Testamentsvollstrecker gemeinsam oder nebeneinander zugeteilt 32 . Das erbrechtliche Prinzip, das dem Testamentsvollstrecker die Verwaltung nach eigenem Willen und in eigener Verantwortung erschließen soll, besteht jedoch in der Alleinzuständigkeit des Testamentsvollstreckers bei der Verwaltung unter Ausschließung („Verdrängung") des Erben 33 . Es ist fraglich, inwiefern - und insbesondere wie weit - die Verwaltung von Gesellschaftsanteilen eine Ausnahme hiervon rechtfertigen soll. Abgesehen von dem Verfügungsverbot

26 Großkomm. z. H G B (Fn. 8), §177 Rdn. 18; gegen den Testamentsvollstrecker mit „abgestuften Befugnissen" DOLF WEBER, FS Stiefel, 1987, S. 843, 859. 27 NJW 1990, 80. 28 Schilling, aaO (Fn.26). 29 Schilling, aaO (Fn.26). 30 Ulmer N J W 1990, 80. 31 Vgl. etwa HAEGELE/WINKLER, Der Testamentsvollstrecker, 10. Aufl. 1989, Rdn. 145. 32 Nachweise bei BRANDNER, aaO (Fn.20), $2205 Rdn. 4. 33 Vgl. die Nachweise bei Fn. 20.

Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil

47

nach §2205 Satz 3 BGB ist der Erbe im Prinzip darauf angewiesen, die Handlungsweise des Testamentsvollstreckers auf ihre Ordnungsmäßigkeit hin zu kontrollieren, eine nicht ordnungsmäßige Verwaltungshandlung des Testamentsvollstreckers zu verhindern und eine ordnungsmäßige zu erzwingen 3 4 . Es ist richtig, daß auf diesem U m w e g der Erbe möglicherweise erst eingreifen kann, wenn sein Nachteil entstanden und nicht wieder gutzumachen ist. Aber das ist das im Testamentsvollstreckungsrecht vorgezeichnete - freilich stets auf den Nachlaß beschränkte - „Schicksal" eines unter Verwaltungstestamentsvollstrekkung gestellten Erben.

7. Zustimmung der Mitgesellschafter als Voraussetzung die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung

für

An der These, daß die Zulässigkeit der Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil von der Zustimmung der übrigen Gesellschafter abhängt, die „im Gesellschaftsvertrag oder auch später" erteilt werden kann, hält der Bundesgerichtshof mit Entschiedenheit fest. Erst die Zustimmung der Mitgesellschafter öffnet also dem Testamentsvollstrecker das Tor zur Verwaltungszuständigkeit 3 5 . Man kann diesen Punkt auch anders betrachten und etwa folgendes sagen: § 1 7 7 H G B setzt die Vererblichkeit der Kommanditbeteiligung voraus und bedeutet, daß - wie bei Vorhandensein einer einfachen Nachfolgeklausel im Gesellschaftsvertrag - die Gesellschaft mit den Erben des verstorbenen Kommanditisten fortgesetzt wird 3 6 . Bei der Kommanditgesellschaft hat also der Kommanditisten-Erblasser für die testamentarische Regelung seiner Nachfolge „freie Hand", wenn nicht im Gesellschaftsvertrag etwas anderes bestimmt ist. Das impliziert den Eintritt eines vom Erblasser bestellten Testamentsvollstrekkers als Verwalter der Mitgliedschaftsrechte. Den Mitgesellschaftern kann die Zusammenarbeit mit einem durch einen festen Pflichtenkreis gebundenen Verwalter des Kommanditanteils zugemutet werden, weil der Kommanditist an einer auf seine Person zugeschnittenen Haftungs- und Arbeitsgemeinschaft im allgemeinen nicht teilnimmt. Im Gesellschaftsvertrag kann aber - auch k o n k l u dent - die Zulassung eines Testamentsvollstreckers ausgeschlossen werden, ζ. B. als Folge einer qualifizierten oder auf eine bestimmte Person zugeschnittenen 34 Unstreitig kann der Erbe aufgrund des mit dem Testamentsvollstrecker bestehenden gesetzlichen Rechtsverhältnisses von jenem unmittelbar die Einhaltung der Grenzen ordnungsmäßiger Verwaltung verlangen; vgl. etwa B G H Z 25, 275, 283; SOERGEL/ DAMRAU, Komm. z. B G B , 11. A u f l . 1983, § 2 2 1 6 Rdn.2. In Zweifelsfällen gehört zur Sorgfaltspflicht des Testamentsvollstreckers die Anhörung des Erben vor einer Verwaltungsmaßnahme. 35 B G H Z 68, 225, 241; auch B G H N J W 1985, 1953, 1954. 3 6 SCHILLING, a a O ( F n . 8 ) , § 1 7 7 R d n . 6 .

48

Hans Erich Brandner

Nachfolgeregelung. Diese Hypothese, wonach - u m im Bild zu bleiben - das offene T o r zur Verwaltungszuständigkeit gesellschaftsvertraglich verschlossen werden kann, würde es vermeiden helfen, in Fällen zutage liegender objektiver Sachgerechtigkeit der Zustimmung der Mitgesellschafter - namentlich bei der personalistischen G m b H & C o . K G 3 7 - diese aus interpretatorischen Unterstellungen herleiten zu müssen. Indessen dürfte es sich empfehlen, an dem Zustimmungserfordernis

bei

Personengesellschaften für sämtliche Beteiligungsformen prinzipiell festzuhalten 3 8 . A u c h die Kommanditistenstellung ist in vielen typischen Fällen so stark auf die Person bezogen, daß der Eintritt eines den Kommanditanteil verwaltenden Fremden sich für die Mitgesellschafter als ein mit Unsicherheiten belasteter F r e m d k ö r p e r darstellt, den sie nicht ohne weiteres im Gesellschaftsgefüge zu dulden brauchen. Eine nachträgliche Zustimmung eröffnet die Möglichkeit, vor einer Entscheidung wenigstens die Person des Testamentsvollstreckers beurteilen zu können. Das Prinzip der Zustimmungsbedürftigkeit festen Auslegungsregel, wonach

verbietet die A n n a h m e

eine einfache Nachfolgeklausel

im

einer

Gesell-

schaftsvertrag oder das Fehlen einer gesellschaftsvertraglichen Bestimmung über die erbrechtliche Nachfolge in einen Kommanditanteil -

also die schlichte

Geltung des § 1 7 7 H G B - die Zustimmung der Mitgesellschafter in die Testamentsvollstreckung enthalte 3 9 . Ein Fall offenkundiger konkludenter

Zustim-

mung wird mit R e c h t angenommen bei freier, im Gesellschaftsvertrag gestatteter Ubertragbarkeit des Anteils 4 0 .

8. Das

Handelsregister

D i e mit dem Gesellschafterwechsel und alle weiteren mit der K o m m a n d i t i stenstellung verbundenen Pflichten zu Anmeldungen z u m Handelsregister hat der Testamentsvollstrecker, dessen Verwaltung sich auf den Kommanditanteil erstreckt, im R a h m e n der ihm - ausschließlich - übertragenen Verwaltungsaufgabe wahrzunehmen. F ü r ein daneben bestehendes Anmelderecht des Erben läßt meines Erachtens das Testamentsvollstreckungsrecht keinen R a u m 4 1 . Das gilt sowohl für die Anmeldung des Gesellschafterwechsels wie für andere Anmeldungen, deren Gegenstand den Kernbereich der Gesellschafterposition berührt wie ζ. B . eine Einlageerhöhung (vgl. oben bei 3.). Das Registergericht soll jedoch 37

Zutreffende

Hinweise

bei SCHLEGELBERGER/KARSTEN

SCHMIDT,

aaO

( F n . 13),

R d n . 3 0 ; a u c h U L M E R , a a O ( F n . 7 ) , S. 7 6 . 38

E b e n s o U L M E R , a a O ( F n . 7).

39

E b e n s o S C H L E G E L B E R G E R / K A R S T E N SCHMIDT, a a O ( F n . 1 3 ) , § 1 7 7

40

U L M E R , a a O ( F n . 7 ) , S. 7 6 .

41

E b e n s o U L M E R , a a O ( F n . 7), S. 8 2 .

Rdn.30.

§177

Testamentsvollstreckung am Kommanditanteil

49

bei allen die Beteiligung betreffenden Anmeldungen eines Testamentsvollstrekkers den Gesellschafter-Erben im Eintragungsverfahren hören. D a s hat nichts mit einer - oben bei 6. abgelehnten - Doppelzuständigkeit des Testamentsvollstreckers und des Erben zu tun, sondern beruht auf dem allgemeinen Gedanken, daß die Nachlaßverwaltung durch einen Testamentsvollstrecker in allen Teilen möglichst weitgehend mit dem Erben abgestimmt werden soll und diesem mindestens in wesentlichen Fragen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muß. D e r Erbe kann gegenüber dem Testamentsvollstrecker die fälligen Registeranmeldungen - namentlich hinsichtlich der kritischen Gegenstände nach § 176 H G B - erzwingen. D a s Registergericht hat von A m t s wegen festzustellen ( § 1 2 F G G ) , o b sich die Testamentsvollstreckung auf den Kommanditanteil erstreckt und insbesondere, ob die Mitgesellschafter zugestimmt haben oder zustimmen. Diese mitunter schwierig zu beurteilenden Vorfragen können dem Registergericht Anlaß geben, das Eintragungsverfahren nach § 127 F G G bis zur Klärung der Rechtslage im Zivilprozeß auszusetzen. Die Frage, o b die Eintragung eines Testamentsvollstreckervermerks im H a n delsregister zulässig und geboten ist, hat der Bundesgerichtshof offengelassen. Sie sollte nunmehr im Einklang mit einer Mehrzahl von Stimmen in der Literatur 4 2 bejaht werden. D a s Publizitätsinteresse des Rechtsverkehrs (§§9, 15 H G B ) ist nicht zu verkennen, und über das D o g m a einer gesetzlichen Limitierung eintragungspflichtiger Tatsachen ist die Rechtspraxis hinweggegangen 4 3 . D a s Bedenken des Reichsgerichts 4 4 , daß der U m f a n g der Verwaltungsbefugnisse eines Testamentsvollstreckers nicht feststehe, sondern von Fall zu Fall unterschiedlich sein könne, ist zwar richtig (vgl. §2208 A b s . 1 B G B ) . E s gehört jedoch zu den Aufgaben des Registergerichts im Eintragungsverfahren, daraus resultierende Zweifel für den Kommanditanteil zu klären und den Vermerk bei der Eintragung des Gesellschafterwechsels nur einzutragen, wenn die Verwaltungszuständigkeit des Testamentsvollstreckers feststeht.

4 2 S C H L E G E L B E R G E R / K A R S T E N SCHMIDT, a a O ( F n . 1 3 ) , § 1 7 7 R d n . 3 4 ; H E Y M A N N / H O R N ,

aaO (Fn. 1 3 ) , § 1 6 2 Rdn. 11 und § 1 7 7 Rdn. 14. 43 Kennzeichnend B G H Z 105, 324, 341 (Eintragung eines Unternehmensvertrags im Handelsregister). 44 R G Z 132, 138, 141; dagegen schon BAUR, FS Dölle 1963, S.260.

Zur Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" in Gesellschaftsverträgen von Personenhandelsgesellschaften

GEORG

DÖLLERER

I. Die Klausel und die Gründe für ihre Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag 1. Die Klausel In zahlreichen Gesellschaftsverträgen von Personenhandelsgesellschaften findet sich die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz". Sie tritt in zwei Grundformen auf. In der ersten Grundform gebietet sie, bei Aufstellung und Feststellung der Handelsbilanz die steuerrechtlichen Vorschriften über die Bilanz anzuwenden. Im Formularteil eines Buches über den Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft 1 lautet sie: „Buchführung und Bilanzierung haben nach steuerlichen Vorschriften zu erfolgen, wobei die zwingenden handelsrechtlichen Bestimmungen und die allgemeinen Buchführungsgrundsätze zu beachten sind."

In dieser ersten Grundform erscheint die Klausel auch in einer Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts 2 , auf die ich noch näher eingehen werde (siehe unten V). In der zweiten Grundform beschränkt sich die Klausel nicht darauf, die Anwendung der steuerrechtlichen Vorschriften über die Bilanz auf die Handelsbilanz zu gebieten, sondern bestimmt, daß die Steuerbilanz stets zugleich die Handelsbilanz ist, auch nach Änderungen der Steuerbilanz durch die Finanzbehörden und die Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit. In dem Formularteil des in Fn. 1 angegebenen Buches über den Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft lautet sie: „Die Bilanz ist als Handels- und Steuerbilanz (Einheitsbilanz) . . . aufzustellen. Die Bilanzierung hat nach steuerlichen Grundsätzen zu erfolgen, jedoch unter Beachtung der zwingenden handelsrechtlichen Bestimmungen. Wird der Jahresabschluß nachträglich berichtigt, insbesondere im Zuge einer Betriebsprüfung, so ist der berichtigte Abschluß maßgeblich." 1 SUDHOFF, Der Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaft, 6. Aufl., S . 5 4 6 f . Vgl. auch GOERDELER, FS Fleck, S. 53, 61. 2 Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluß vom 5 . 1 1 . 1 9 8 7 B R e g 3 Ζ 41/87, B B 1988, 34.

52

Georg Döllerer

Mit einer Klausel in dieser Grundform hat sich der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung befaßt 3 , auf die ich noch zurückkommen werde (siehe unten III).

2. Gründe für die Aufnahme

der Klausel

Warum wird die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" in Gesellschaftsverträge von Personenhandelsgesellschaften aufgenommen? Der Grund liegt nicht in einer Schreibfaulheit der Kaufleute. Er liegt vorwiegend in der Erkenntnis, daß eine mit der Steuerbilanz übereinstimmende Handelsbilanz besser geeignet ist, die Aufgabe der Handelsbilanz zu erfüllen. Warum? In der Handelsbilanz dürfen, nunmehr nach §253 Abs. 4 HGB, bei der Bewertung der Vermögensgegenstände durch zusätzliche Abschreibungen stille Reserven gebildet werden, wodurch eine Bilanz entstehen kann, die alles andere ist als „ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage" der Gesellschaft, wie es §264 Abs. 2 H G B nunmehr von allen Kapitalgesellschaften fordert. Dieses Privileg, stille Reserven zu bilden, das zunächst durch die Aktienrechtsreform 1965 den Aktiengesellschaften und durch das Bilanzrichtliniengesetz allen Kapitalgesellschaften entrissen wurde (§ 279 Abs. 1 Satz 1 HGB), haben sich die Personenhandelsgesellschaften (und Einzelkaufleute) auch durch das Bilanzrichtliniengesetz nicht nehmen lassen. In der Steuerbilanz dürfen diese stillen Reserven nicht gebildet werden (§6 EStG). Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften, die Wert auf eine, wenn auch relative, Bilanzwahrheit legen, ziehen daher die Steuerbilanz der Handelsbilanz vor. Daneben dient die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" allerdings auch der Vereinfachung. Der Gesetzgeber des Bilanzrichtliniengesetzes stand vor der häufig anzutreffenden Praxis, daß die Handelsbilanz unter Berücksichtigung der steuerrechtlichen Vorschriften aufgestellt wird, und billigt sie, weil auf diese Weise den Unternehmen doppelte Arbeit erspart bleibt 4 .

II. Welche Steuerbilanz ist als Handelsbilanz

geeignet?

Diese Frage drängt sich auf, wenn man die verwirrende Vielfalt der steuerrechtlichen Bilanzen der Personenhandelsgesellschaft betrachtet.

3 BGH, Urteil vom 11.11.1985 II ZR 35/85, BB 1986, 772. 4 Entwurf eines Bilanzrichtliniengesetzes vom 26.8.1983, BT-Drucks. 10/317 S.68.

„Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz"

1. Die Steuerbilanz

53

der Gesellschaft

Zur Ermittlung der in §15 Abs. 1 N r . 2 EStG an erster Stelle genannten Gewinnanteile der Gesellschafter bedarf es der Steuerbilanz der Gesellschaft. Da diese Gewinnanteile nichts anderes sind als Anteile am Gewinn der Gesellschaft, ist Grundlage für ihre Feststellung die Handelsbilanz der Gesellschaft mit den bilanzrechtlichen Veränderungen, die §5 Abs. 6 EStG vorschreibt 5 . In dieser Steuerbilanz der Gesellschaft ist noch nicht berücksichtigt, daß zu den gewerblichen Einkünften des Gesellschafters einer Personenhandelsgesellschaft auch Vergütungen für die Überlassung von Diensten, Kapital oder Wirtschaftsgütern (§15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) und Gewinne aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils (§16 Abs. 1 N r . 2 EStG) gehören. Das bedeutet, daß in der Steuerbilanz der Gesellschaft ebenso wie in der Handelsbilanz Gehälter der Gesellschafter, Darlehenszinsen, Miet- oder Pachtzinsen, welche die Gesellschaft an Gesellschafter zahlt, Aufwendungen sind und bleiben. Sie mindern den Gewinn in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz der Gesellschaft. Das Darlehen, das ein Gesellschafter der Gesellschaft gewährt hat, bleibt auch in der Steuerbilanz der Gesellschaft eine Schuld, und das Grundstück, das ein Gesellschafter an die Gesellschaft vermietet hat, ist in der Steuerbilanz der Gesellschaft nicht anzusetzen 6 . Ebenso ist in der Steuerbilanz der Gesellschaft kein Raum für den Ausweis eines Gewinns des Gesellschafters aus der Veräußerung seines Gesellschaftsanteils.

2. Sonderbilanzen

der Gesellschafter

Vergütungen für die Überlassung von Diensten, Kapital oder Wirtschaftsgütern, die nach §15 Abs. 1 N r . 2 EStG zu den gewerblichen Einkünften der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft gehören, werden in Sonderbilanzen der Gesellschafter erfaßt. Dort sind die Wirtschaftsgüter auszuweisen, welche ein Gesellschafter seiner Gesellschaft zur Nutzung überläßt, ebenso die Darlehensforderung des Gesellschafters gegen die Gesellschaft. Die Vergütungen für die Überlassung von Diensten, Kapital oder Wirtschaftsgütern, die in der Steuerbilanz der Gesellschaft als Aufwendungen ausgewiesen sind, erscheinen in den Sonderbilanzen der Gesellschafter als Erträge.

5 BFH, Beschluß 10.11.1980 GrS 1/79, B F H E 132, 244 = BStBl. II 1981, 164. 6 BFH, Urteile vom 23.5.1979 I R 163/77, B F H E 128, 213 = BStBl. II 1979, 757 und vom 2 3 . 5 . 1 9 7 9 I R 56/77, B F H E 128, 505 = BStBl. II 1979, 763.

54

Georg Döllerer

3. Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft Die Ermittlung der gewerblichen Einkünfte der Gesellschafter einer Personenhandelsgesellschaft nach § 15 Abs. 1 N r . 2 E S t G vollzieht sich somit in zwei Stufen. Auf der ersten Stufe werden die Gewinnanteile ermittelt auf der Grundlage einer aus der Handelsbilanz der Gesellschaft abgeleiteten Steuerbilanz der Gesellschaft. Auf der zweiten Stufe werden in Sonderbilanzen der Gesellschafter die steuerrechtlichen Folgerungen daraus gezogen, daß auch die Vergütungen für die Überlassung von Diensten, Kapital oder Wirtschaftsgütern zu den gewerblichen Einkünften eines Gesellschafters gehören. O b das Ergebnis, der Gesamtgewinn oder Gesamtverlust der Mitunternehmerschaft, durch einfache Addition zu ermitteln ist, oder ob die Steuerbilanz der Gesellschaft und die Sonderbilanzen der Gesellschafter zusammenzufassen sind zu einer Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft, ist streitig und braucht hier nicht näher untersucht zu werden 7 . Wird diese Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft gebildet, was nicht selten der Fall ist, dann sieht sie anders aus als die Steuerbilanz der Gesellschaft. In der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft sind die Gehälter, Darlehens-, Miet- oder Pachtzinsen nicht mehr Aufwendungen, sondern Teil des Gesamtgewinns der Mitunternehmerschaft. Das Darlehen verwandelt sich in Eigenkapital und das zur Nutzung überlassene Grundstück ist auf der Aktivseite der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft anzusetzen 8 .

4. Ergänzungsbilanzen für die Gesellschafter Neben der Steuerbilanz der Gesellschaft, den Sonderbilanzen der Gesellschafter und der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft können Ergänzungsbilanzen für die Gesellschafter steuerrechtlich notwendig werden. Sie sind seit langem bekannt in dem Fall, daß ein Dritter einen Gesellschaftsanteil erwirbt und dafür ein höheres Entgelt zahlt als den Buchwert. Damit später sein Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 E S t G richtig ermittelt werden kann, müssen seine tatsächlichen Anschaffungskosten festgehalten und fortgeschrieben werden. Dies geschieht in einer Ergänzungsbilanz. In neuerer Zeit sind hinzugetreten die Ergänzungsbilanzen nach §24 U m w S t G bei Einbringen eines Betriebs, Teilbetriebs oder Mitunternehmeranteils in eine Personengesellschaft und die Ergänzungsbilanzen nach dem Bundesfinanzhof-Urteil vom 15. Juli 1976 I R 17/ 74 9 bei der Übertragung eines anderen Wirtschaftsguts durch einen Gesellschafter auf die Gesellschaft. 7 Vgl. SCHMIDT, EStG-Kommentar, 9. Aufl. §15 A n m . 6 6 . 8 Vgl. DÖLLERER, D S t Z 1980, 259 und StuW 1988, 203. 9 B F H E 119, 285 = BStBl. II 1976, 748. Vgl. SCHMIDT, aaO (Fn.7), §15 A n m . 7 3 ; DREISSIG, B B 1990, 958; DÖLLERER, D S t Z 1980, 259.

.Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz"

5. Geeignet ist nur die Steuerbilanz der

55

Gesellschaft

Wer die vorgestellten Steuerbilanzen näher betrachtet, wird leicht erkennen, daß als Handelsbilanz nur die an erster Stelle genannte Steuerbilanz der Gesellschaft geeignet ist. In ihr ist die Handelsbilanz lediglich verändert durch steuerrechtliche Ansatz- und Bewertungsvorschriften, aber noch nicht durch die steuerrechtlichen Vorschriften über Vergütungen für die Überlassung von Diensten, Kapital oder Wirtschaftsgütern und über Gewinne aus der Veräußerung des Gesellschaftsanteils. Die an zweiter Stelle genannten Sonderbilanzen der Gesellschaft und die an dritter Stelle genannte Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft kommen als Handelsbilanz nicht in Betracht. Denn in ihnen sind die Gehälter, Darlehens-, Miet- oder Pachtzinsen kein Aufwand, sondern Teil des Gesamtgewinns. Das Darlehen ist in Eigenkapital verwandelt und Wirtschaftsgüter, die nicht der Gesellschaft, sondern den Gesellschaftern gehören, aber der Gesellschaft dienen, sind auf der Aktivseite angesetzt. Dies alles widerspricht zwingendem Handelsrecht. Dies soll am Beispiel der Pensionsrückstellung noch einmal verdeutlicht werden: Erteilt die Personenhandelsgesellschaft einem Gesellschafter-Geschäftsführer eine Pensionszusage, so ist sie in Zukunft gezwungen, in der Handelsbilanz eine Pensionsrückstellung zu bilden (§ 149 HGB, Art. 28 EGHGB). Diese Pensionsrückstellung erscheint auch in der Steuerbilanz der Gesellschaft. Ihre gewinnmindernde Wirkung wird erst in der Sonderbilanz des begünstigten Gesellschafter-Geschäftsführers und in der Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft beseitigt, weil die Pensionszusage eine Vergütung für geleistete Dienste nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist. Handelsbilanz und Steuerbilanz der Gesellschaft stimmen daher in diesem Punkt überein, Handelsbilanz und Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft stimmen nicht überein 10 . Der Vorentwurf eines Bilanzrichtliniengesetzes hatte einen Anlauf genommen, auch Wirtschaftsgüter, die einem persönlich haftenden Gesellschafter gehören, und die darauf entfallenden Aufwendungen und Erträge in den handelsrechtlichen Jahresabschluß aufzunehmen. Dieser Versuch, die bilanzrechtliche Selbständigkeit der Personenhandelsgesellschaft gegenüber den Gesellschaftern aufzulockern, ist mit Recht gescheitert. Die an vierter Stelle genannten Ergänzungsbilanzen sind als Handelsbilanzen, besser gesagt: als Ergänzungsbilanzen zur Handelsbilanz der Gesellschaft nicht geeignet. Sie beruhen allein auf steuerrechtlichen Vorschriften. Die Handelsbilanz der Personenhandelsgesellschaft kennt keine Ergänzungsbilanzen.

10 GASSNER, in: Personengesellschaft und Bilanzierung, S. 253, 263.

56

Georg Döllerer

III. Bilanzrechtliche Wirkungen der Klausel „Handelsbilanz Steuerbilanz" und ihre Grenzen

ist gleich

1. Wirkungen im allgemeinen Die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" bewirkt, daß zwingende und nachgiebige steuerrechtliche Vorschriften über die Bilanz nachgiebige handelsrechtliche Vorschriften über die Bilanz verdrängen. Sie finden aber ihre Grenze an zwingenden handelsrechtlichen Vorschriften.

2. Wirkungen im einzelnen a)

Aktivierung

aa) Aktivierungsgebote. Handelsrechtliche Aktivierungsgebote kann die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" nicht überspielen. In der Regel werden hier Handelsbilanz und Steuerbilanz übereinstimmen. Aber es gibt Ausnahmen 11 . Wird ein zum Gesamthandsvermögen der Personenhandelsgesellschaft gehörendes Grundstück mit einem Gebäude bebaut, das eigenen Wohnzwecken der Gesellschafter dienen soll, dann verliert dieses Grundstück in der Regel seine Eigenschaft als steuerrechtliches Betriebsvermögen. Es wird steuerrechtliches Privatvermögen der Gesellschaft 12 . Es gibt aber keinen Zweifel daran, daß dieses Grundstück in der Handelsbilanz der Gesellschaft auszuweisen ist, da sonst ein Verstoß gegen den Grundsatz der Vollständigkeit der Bilanz vorläge (§246 HGB). bb) Aktivierungsverbote. Da nach dem Grundsatz der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz (§5 EStG) handelsrechtliche Aktivierungsverbote auch steuerrechtliche Aktivierungsverbote sind 13 , stimmen Handelsbilanz und Steuerbilanz der Gesellschaft überein. Das gilt vor allem für nicht entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens, einschließlich des Geschäftswerts (§248 Abs. 2 HGB) und für die Kosten der Gründung und Kapitalbeschaffung (§ 248 Abs. 1 HGB). Hier sollte es keine Ausnahmen geben. § 5 Abs. 5 Satz 2 EStG, der die Aktivierung von Zöllen und Verbrauchsteuern sowie der Umsatzsteuer auf Anzahlungen als Rechnungsabgrenzungsposten vorschreibt, ist entgegen der Auffassung von Gassner14 keine Ausnahme. Denn

11 12 13 14

Vgl. GASSNER, aaO (Fn. 10), S . 2 5 5 f . B F H , Urteil v o m 3 0 . 6 . 1 9 8 7 VIII R 353/82, B F H E 151, 360 = BStBl. II 1988, 418. DÖLLERER, BB 1987, Beilage 12/1987, 12 m . W . N . A a O (Fn. 10), S . 2 5 5 .

.Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz"

57

hier besteht kein handelsrechtliches Aktivierungsverbot, sondern ein handelsrechtliches Wahlrecht (§250 Abs. 1 Satz 2 HGB). cc) Aktivierungswahlrechte. An Aktivierungswahlrechte ist das Steuerrecht nicht gebunden. Was in der Handelsbilanz aktiviert werden darf, muß in der Steuerbilanz aktiviert werden 15 . Die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" bewirkt, daß aus dem handelsrechtlichen „Kann" ein steuerrechtliches „Muß" wird. Personenhandelsgesellschaften, die nach dieser Klausel leben, müssen daher in der Handelsbilanz aktivieren: Das Disagio ( § 2 5 0 Abs. 3 HGB) Den entgeltlich erworbenen Geschäftswert ( § 2 5 5 Abs. 4 H G B ) Zölle und Verbrauchsteuern ( § 2 5 0 Abs. 1 Satz 2 H G B , § 5 Abs. 5 Satz 2 EStG).

Bei der Abschreibung des Geschäftswerts ist eine handelsrechtliche Schranke zu beachten. § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG hat zwar das rigorose Verbot der planmäßigen Abschreibung des Geschäftswerts aufgegeben und die Abschreibung des Geschäftswerts innerhalb von 15 Jahren vorgeschrieben. Das Handelsrecht hat sich dem Steuerrecht dadurch genähert, daß es nunmehr eine planmäßige Abschreibung während der Dauer der voraussichtlichen Nutzung zuläßt (§ 255 Abs. 4 Satz 3 HGB). Wenn nun die voraussichtliche Nutzungsdauer kürzer ist als 15 Jahre, was regelmäßig der Fall sein wird, dann darf in der Handelsbilanz nicht, wie es für die Steuerbilanz geboten ist, innerhalb von 15 Jahren abgeschrieben werden. Die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" ändert daran nichts. dd) Bilanzierungshilfen. Das Verbot, Aufwendungen für die Gründung und für die Kapitalbeschaffung auf der Aktivseite der Bilanz anzusetzen, ist bei den Kapitalgesellschaften aufgelockert durch die Erlaubnis, die Aufwendungen für die Ingangsetzung des Geschäftsbetriebs und dessen Erweiterung als Bilanzierungshilfe zu aktivieren (§269 HGB). Wer diese Bilanzierungshilfe auch Personenhandelsgesellschaften gewähren will 16 , was ich nicht für richtig halte17, muß bedenken, daß Bilanzierungshilfen keine Wahlrechte sind, so daß der Satz, was handelsrechtlich aktiviert werden kann, muß steuerrechtlich aktiviert werden, hier nicht gilt. Da die als Bilanzierungshilfe bezeichneten Beträge keine Vermögensgegenstände (Wirtschaftsgüter) sind18, dürfen sie steuerrechtlich in der Bilanz nicht angesetzt werden. Das bedeutet, daß Personenhandelsgesellschaften, in deren Gesellschaftsverträgen die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" steht, von dieser Bilanzierungshilfe auf keinen Fall Gebrauch machen können, selbst wenn man § 269 HGB auf sie für anwendbar hält.

15 16 17 18

BFH, Beschluß vom 3 . 2 . 1 9 6 9 G r S 2/68, BFHE 95, 31 = BStBl. II 1969, 291. BUDDE/KARIG in: Beck, Bil-Komm., 2. Aufl., § 2 6 9 Rdn. 1. DÖLLERER, aaO (Fn. 13), 4. BUDDE/KARIG, aaO (Fn. 16), § 2 6 9 Rdn. 18.

Georg Döllerer

58

b)

Passivierung

aa) Passivierungsgebote. Handelsrechtliche Passivierungsgebote sind auch steuerrechtliche Passivierungsgebote19. Wie bei den Aktivierungsverboten sollte es auch bei den Passivierungsgeboten keine Unterschiede zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz geben. Aber leider hat sich der Gesetzgeber in seiner Sorge um den Haushalt dazu hinreißen lassen, in zunehmendem Maße Ausnahmen zu schaffen vom Gebot, Rückstellungen für ungewisse Schulden und für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu bilden (§ 249 Abs. 1 Satz 1 HGB). § 5 Abs. 3 und 4 EStG schränkt die Bildung von Rückstellungen wegen Verletzung fremder Patent-, Urheber- oder ähnlicher Schutzrechte und für die Verpflichtung zu einer Zuwendung anläßlich eines Dienstjubiläums ein20. Eine Steuerbilanz, in der diese Vorschriften beachtet sind, verstößt daher gegen zwingendes Handelsrecht. Die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" kann diese handelsrechtliche Schranke ebensowenig überwinden wie nach meiner Meinung die Förderung der Einheitsbilanz durch den Gesetzgeber des Bilanzrichtliniengesetzes21. Andererseits kann sich das steuerrechtliche Passivierungswahlrecht für Pensionsrückstellungen nach § 6 a EStG handelsrechtlich nicht mehr voll entfalten, da nunmehr handelsrechtlich ein Passivierungsgebot besteht (§249 HGB, Art. 28 EGHGB). Dadurch wurde aus dem bisherigen steuerrechtlichen „Kann" ein steuerrechtliches „Muß". Die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" ändert daran nichts, sie vermag nicht etwa das steuerrechtliche Wahlrecht auf die Handelsbilanz zu übertragen. bb) Passivierungsverbote. Handelsrechtliche Passivierungsverbote sind regelmäßig auch steuerrechtliche Passivierungsverbote. Handelsbilanz und Steuerbilanz werden hier stets übereinstimmen. cc) Passivierungswablrecbte. Handelsrechtliche Passivierungswahlrechte führen grundsätzlich zu steuerrechtlichen Passivierungsverboten22. Das gilt vor allem für die Aufwandrückstellungen (§ 249 Abs. 2 HGB), die Personenhandelsgesellschaften, welche nach der Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" leben, daher nicht bilden dürfen.

c)

Bewertung

aa) Anscbaffungsund Herstellungskosten. Vermögensgegenstände (Wirtschaftsgüter) sind in der Handelsbilanz und in der Steuerbilanz mit den Anschaf19 BFH, Beschluß vom 3.2.1969 GrS 2 / 6 8 , aaO (Fn. 15). 20

V g l . D Ö L L E R E R , B B 1 9 8 8 , 2 3 8 u n d GASSNER, a a O ( F n . 1 0 ) , S . 2 5 5 .

2 1 A . A . BEISSE, StVj. 1989, 295, 3 0 0 .

22 BFH, Beschluß vom 3.2.1969 GrS 2 / 6 8 , aaO (Fn. 15).

„Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz"

59

fungs- oder Herstellungskosten abzüglich planmäßiger oder außerplanmäßiger Abschreibungen anzusetzen (§253 H G B , §§6, 7 EStG). Hier hat das Bilanzrichtliniengesetz seine weitgehende Annäherung der Handelsbilanz an die Steuerbilanz vollzogen, indem es die Begriffe „Anschaffungskosten" und „Herstellungskosten" ausführlich umschreibt und dabei im wesentlichen der steuerrechtlichen Rechtsprechung und Verwaltungsübung folgt (§255 H G B , EStR Abschn. 33). Das Wahlrecht zur Einrechnung der Gemeinkosten in die Herstellungskosten wird jedoch auch weiterhin auf steuerrechtlichen Widerstand stoßen. Personenhandelsgesellschaften, die nach der Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" leben, müssen und können dann weiterhin nach EStR Abschn. 33 verfahren, der die Einrechnung der Gemeinkosten in die Herstellungskosten zwingend vorschreibt. bb) Abschreibungen. Planmäßige und außerplanmäßige Abschreibungen werden nach den handelsrechtlichen und nach den steuerrechtlichen Vorschriften regelmäßig übereinstimmen. Die planmäßigen Abschreibungen bestimmen sich in beiden Bereichen nach der voraussichtlichen Nutzungsdauer (§253 Abs. 2 H G B , §7 EStG). Der niedrigere Zeitwert des Handelsrechts (§253 Abs. 2, 3 HGB) wird regelmäßig mit dem niedrigeren Teilwert des Steuerrechts (§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG) übereinstimmen23. Hier ist zu beachten, daß das steuerrechtliche Wahlrecht zum Ansatz des niedrigeren Teilwerts nach §6 Abs. 1 Nr. 1, 2 EStG einem handelsrechtlichen Zwang zum Ansatz des niedrigeren Zeitwerts nach §253 Abs. 2, 3 H G B weichen muß. Insoweit wird aus dem steuerrechtlichen „Kann" ein steuerrechtliches „Muß" 24 . cc) Zuschreibungen. Hier ist das Steuerrecht dem Handelsrecht entgegengekommen und hat die Zuschreibungssperre für Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens beseitigt (§6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG). Deshalb dürfen auch Personenhandelsgesellschaften, in deren Gesellschaftsvertrag die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" steht, Zuschreibungen auf Vermögensgegenstände des Anlagevermögens vornehmen, soweit sie handelsrechtlich zulässig oder sogar geboten sind. dd) Bewertungswahlrechte. Wie ist die Rechtslage, wenn sowohl das Handelsrecht wie auch das Steuerrecht ein Bewertungswahlrecht gewähren? Im Fall der Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz nach §5 EStG ist nunmehr vorgeschrieben, was schon bisher nach der Rechtsprechung galt: Der gewählte Ansatz in der Handelsbilanz ist maßgebend für den Ansatz in der Steuerbilanz (§5 Abs. 1 Satz 2 EStG). Dies ist der klassische Fall der formellen Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz nach § 5 EStG. Degres-

2 3 V g l . BEISSE, a a O ( F n . 21), 3 0 0 ; DÖLLERER, in: D e r J a h r e s a b s c h l u ß i m W i d e r s t r e i t der

Interessen, S. 159, 171. 2 4 D Ö L L E R E R , a a O ( F n . 13) m . w . N .

60

Georg Döllerer

sive Abschreibungen dürfen daher in der Steuerbilanz nur in Anspruch genommen werden, wenn sie auch in der Handelsbilanz vorgenommen sind25. Im umgekehrten Fall der Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz nach der Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" findet eine Art Rückverweisung statt. Die für die Handelsbilanz maßgeblichen steuerrechtlichen Vorschriften verweisen wieder zurück auf die Handelsbilanz. Wird nur eine Bilanz aufgestellt (Einheitsbilanz), dann fällt die Ausübung eines handelsrechtlichen und steuerrechtlichen Wahlrechts in einen Vorgang zusammen. Die Ausübung des steuerrechtlichen Wahlrechts ist zugleich die Ausübung des handelsrechtlichen Wahlrechts und umgekehrt. Die zweifache Ausübung des Wahlrechts - handelsrechtlich und steuerrechtlich - tritt in diesem Fall nicht in Erscheinung, wie sich der Bundesfinanzhof ausdrückt26. ee) Bewertung von Schulden. In der Bewertung von Schulden, einschließlich der Rückstellungen für ungewisse Schulden, besteht handelsrechtlich und steuerrechtlich regelmäßig Ubereinstimmung. Geldschulden sind mit dem Rückzahlungsbetrag, Sachleistungsverpflichtungen mit dem Erfüllungsbetrag zu bewerten27. Die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" bestimmt hier, was bereits Gesetzesrecht ist.

d) Aufwendungen

und Erträge

Aufwendungen und Erträge erscheinen unter dieser Bezeichnung in der Gewinn- und Verlustrechnung und nicht in der Bilanz. Gleichwohl sind sie, da Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung zum selben Bilanzgewinn oder Bilanzverlust gelangen, auch in der Bilanz enthalten, die Aufwendungen als Minderung, die Erträge als Mehrung des Vermögens. Auch hier können sich Konflikte zwischen Handelsrecht und Steuerrecht ergeben, welche die Wirkung der Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" beeinträchtigen. aa) Aufwendungen und Erträge im Zusammenhang mit steuerrechtlichem Privatvermögen der Gesellschaft. In dem Unterabschnitt „Aktivierung (siehe oben III 2 a) aa) mußte ich darauf hinweisen, daß es auch Bestandteile des Gesamthandsvermögens der Personenhandelsgesellschaft gibt, die steuerrechtlich Privatvermögen der Gesellschaft sind, ζ. B. das Wohnhaus im Gesamthandsvermögen der Gesellschaft, welches ausschließlich Gesellschaftern als Wohnung dient. Da dieses bebaute Grundstück steuerrechtlich nicht Betriebsvermögen ist, sind auch die auf dieses Grundstück entfallenden Aufwendungen (ζ. B. AfA) und

25 BFH, Urteil vom 24.1.1990 I R 17/89, BB 1990, 1237. 26 BFH, Urteil vom 24.1.1990 I R 17/89, aaO (Fn.25). 27 D ö l l e r e r , aaO (Fn. 13), 14 m . w . N .

61

.Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz"

Erträge (ζ. B. eine Brandentschädigung) keine Betriebsausgaben (Vermögensminderung) und keine Betriebseinnahmen (Vermögensmehrung). So wie aber das Grundstück selbst in der Handelsbilanz der Gesellschaft auszuweisen ist, müssen dort auch die Aufwendungen und Erträge, die auf dieses Grundstück entfallen, als Vermögensminderung und Vermögensmehrung enthalten sein. bb) Steuerfreie Einnahmen und nicht abziehbare Ausgaben. Ahnlich verhält es sich bei den steuerfreien Einnahmen, ζ. B. bei bestimmten Zinsen (§3 a EStG) und bei nicht abziehbaren Ausgaben, z.B. bei Geldbußen (§4 Abs.5 Nr. 8 EStG). Hier ist streitig, ob die Korrektur innerhalb oder außerhalb der Steuerbilanz zu erfolgen hat28. Werden steuerfreie Einnahmen außerhalb der Steuerbilanz vom Gewinn abgezogen und nicht abziehbare Ausgaben außerhalb der Steuerbilanz zum Gewinn hinzugerechnet, dann entstehen für die Anwendung der Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" keine Probleme. Dann haben steuerfreie Einnahmen in der Steuerbilanz das Betriebsvermögen erhöht und nicht abziehbare Ausgaben das Betriebsvermögen vermindert. Das ist auch handelsrechtlich geboten. Erfolgt dagegen die Korrektur bereits in der Steuerbilanz, dann stößt die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" auf handelsrechtliche Schranken. Denn die steuerfreien Einnahmen haben das Gesellschaftsvermögen vermehrt und die nichtabziehbaren Ausgaben haben es gemindert. Dies muß in der Handelsbilanz zum Ausdruck kommen. Der Handelsbilanzgewinn ist um die steuerfreien Einnahmen erhöht und um die nicht abziehbaren Ausgaben gemindert. Der Bundesgerichtshof hat im Fall einer Kommanditgesellschaft, in deren Gesellschaftsvertrag die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" enthalten war und bei der bestimmte Aufwendungen, u. a. auch Geldbußen, steuerrechtlich nicht als Betriebsausgaben anerkannt wurden, nur die handelsrechtliche Folgerung gezogen, daß die Gesellschafter keinen Anspruch auf den durch die steuerrechtlich nicht anerkannten Betriebsausgaben erhöhten Gewinn haben, dieser Gewinn darf nicht entnommen werden, sondern muß auf dem Kapitalkonto verbleiben29. Mit Recht ist dagegen eingewandt worden, daß die steuerrechtlich nicht abziehbaren Ausgaben handelsrechtliche Aufwendungen sind, die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Bilanzierung als solche zu buchen sind und den Handelsbilanzgewinn mindern30. Der Bundesgerichtshof ist auf halbem Weg stehengeblieben. Der um die nicht abziehbaren Ausgaben erhöhte Gewinn ist nicht nur nicht entnahmefähig, er ist überhaupt kein handelsrechtlicher Gewinn.

2 8 SCHMIDT, a a O ( F n . 7 ) , § 4 A n m . 1 1 .

29 BGH, Urteil vom 11.11.1985 II ZR 35/85, aaO (Fn.3). 3 0 STOLZENBERG, B B

1 9 8 6 , 773. Ähnlich VOLZ, W U B I I Ν §

157 B G B

1.86.

Dagegen

nimmt MÜLLER, EWiR § 122 H G B 1/86, 275 in diesem Fall zu Unrecht das Entstehen eines handelsrechtlichen Gewinns an.

Georg Döllerer

62

Die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" vermag daran nichts zu ändern.

IV.

Materielle

und formelle

Maßgeblichkeit

für die

Handelsbilanz

der

Steuerbilanz

Nunmehr ist die Frage zu prüfen, ob die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" die Maßgeblichkeit der tatsächlichen, der Besteuerung zugrunde gelegten Steuerbilanz (formelle Maßgeblichkeit) oder die Maßgeblichkeit der steuerrechtlichen Vorschriften über die Bilanz (materielle Maßgeblichkeit) bestimmt. Es handelt sich um die beiden Grundformen, in denen die Klausel auftritt (siehe oben I).

1. Maßgeblichkeit

der Handelsbilanz

für die

Steuerbilanz

Die gleiche Frage begegnet dem Rechtsanwender, wenn er untersucht, was die Maßgeblichkeit der Handelsbilanz für die Steuerbilanz nach § 5 EStG bedeutet. Auch hier wird unterschieden zwischen der Maßgeblichkeit der tatsächlich aufgestellten und festgestellten Handelsbilanz (formelle Maßgeblichkeit) und der Maßgeblichkeit der handelsrechtlichen Vorschriften, einschließlich der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung (materielle Maßgeblichkeit). Die Verweisung in § 5 E S t G bezieht sich zunächst auf die handelsrechtlichen Normen, einschließlich der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung (materielle Maßgeblichkeit). Daneben kommt aber auch eine Maßgeblichkeit der tatsächlich aufgestellten und festgestellten Handelsbilanz in Betracht (formelle Maßgeblichkeit) 3 !.

2. Auslegung

des

Gesellschaftsvertrags

Was mit der Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" gemeint ist, die materielle oder die formelle Maßgeblichkeit der Steuerbilanz, ist nach dem Wortlaut der Klausel, erforderlichenfalls durch ihre Auslegung, zu ermitteln. Im Fall der Entscheidung des Bayerischen Obersten Landesgerichts galt die materielle Maßgeblichkeit 3 2 , im Fall der Entscheidung des Bundesgerichtshofs die formelle Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz 33 .

3 1 V g l . M A T H I A K , D S t R 1 9 9 0 , 2 5 5 , 2 5 8 f u n d SCHMIDT, a a O ( F n . 7 ) , § 5

32 Siehe Fn. 1, 2. 33 Siehe Fn. 1, 3.

Anm.9.

„Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz"

3. Übereinstimmung a)

und

63

Unterschied

Übereinstimmung

Die materielle und die formelle Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz nach der Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" stimmen zunächst darin überein, daß nur die Steuerbilanz der Gesellschaft, nicht die Sonderbilanzen, Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft und Ergänzungsbilanzen für die Anwendung der Klausel geeignet sind (siehe oben II). Sie stimmen ferner darin überein, daß zwingende und nachgiebige steuerrechtliche Vorschriften die nachgiebigen handelsrechtlichen Vorschriften verdrängen, aber ihre Grenze finden an zwingenden handelsrechtlichen Vorschriften (siehe oben III).

b)

Unterschied

Der Unterschied besteht in der Person des Rechtsanwenders. Im Fall der materiellen Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz sind es die Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft, welche die Bilanz aufstellen und feststellen. Sie haben dabei die steuerrechtlichen Vorschriften auszulegen und anzuwenden. Veränderungen der Steuerbilanz, die dann zugleich ihre Handelsbilanz ist, durch den Betriebsprüfer, durch das Finanzamt und im Fall eines Rechtsstreits durch das Finanzgericht oder durch den Bundesfinanzhof zwingen sie nicht, die Handelsbilanz entsprechend zu ändern. Tun sie es nicht, weil sie in der Auslegung der steuerrechtlichen Vorschriften anderer Meinung sind als der Betriebsprüfer, das Finanzamt, das Finanzgericht oder der Bundesfinanzhof, dann bleibt die Steuerbilanz in der Gestalt, die sie vor den Änderungen hatte, die Handelsbilanz. Ganz anders liegt es im Fall der formellen Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz. Auch hier stellen allerdings die Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft die Steuerbilanz auf und stellen sie als Handelsbilanz fest, aber ihre endgültige Verbindlichkeit als Handelsbilanz erlangt sie erst dadurch, daß sie bestandskräftig und rechtskräftig der Besteuerung zugrunde gelegt wird. Änderungen durch den Betriebsprüfer, das Finanzamt, das Finanzgericht oder den Bundesfinanzhof ändern zugleich die Handelsbilanz. Damit liegt die letzte Entscheidung über den Inhalt der Handelsbilanz bei den Finanzbehörden und Finanzgerichten. Die Mitwirkung der Gesellschafter ist darauf beschränkt, daß sie Rechtsbehelfe und Rechtsmittel einlegen können.

64

Georg Döllerer

V. Zulässigkeit der Klausel „Handelsbilanz

ist gleich

Steuerbilanz"

H i e r ist zu unterscheiden zwischen der Klausel im Sinne der materiellen Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz und im Sinne der formellen Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz (siehe oben I V ) .

1. Materielle Maßgeblichkeit

der

Steuerbilanz

G e g e n die Maßgeblichkeit der steuerrechtlichen Vorschriften über die Bilanz bei Aufstellung und Feststellung der Handelsbilanz bestehen keine Bedenken, wenn man sie unter dem Vorbehalt zwingender handelsrechtlicher Vorschriften über die Bilanz sieht (siehe oben I I I ) . A u c h das Bayerische O b e r s t e Landesgericht hat nur entschieden, daß die Satzung einer G m b H nicht vorschreiben kann, die Bilanz „ausschließlich" nach steuerrechtlichen Vorschriften aufzustellen 3 4 , weil zwingende handelsrechtliche Vorschriften den steuerrechtlichen Vorschriften vorgehen. Soweit allerdings das Bayerische O b e r s t e Landesgericht darauf hinweist, daß Handelsbilanz und Steuerbilanz unterschiedlichen Z w e c k e n dienen, ist dieser Gesichtspunkt nicht geeignet, eine Kluft zwischen Handelsbilanz und Steuerbilanz aufzureißen. Beide Bilanzen dienen gleichermaßen und mit V o r r a n g der Ermittlung des richtigen Gewinns 3 5 . M i t scheint es nicht erforderlich zu sein, den Vorbehalt zwingender handelsrechtlicher Vorschriften zur Vermeidung der Nichtigkeit der Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" ausdrücklich in diese Klausel aufzunehmen, was offenbar das Bayerische Oberste Landesgericht in seiner Entscheidung verlangt. D e n n die zwingenden handelsrechtlichen Vorschriften gelten kraft Gesetzes, sie bedürfen keiner vertraglichen Grundlage und können andererseits durch Vertrag nicht abgeändert werden.

2. Formelle Maßgeblichkeit

der Steuerbilanz für die

Handelsbilanz

F ü r unzulässig halte ich dagegen die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" im Sinne der formellen Maßgeblichkeit der Steuerbilanz.

a) Vorbehalt zwingender handelsrechtlicher

Vorschriften

D e r Vorrang zwingender handelsrechtlicher Vorschriften führt

allerdings

auch hier nicht zur Unzulässigkeit der Klausel. D i e G r ü n d e dafür sind die

34 Bayerisches Oberstes Landesgericht, Beschluß vom 5.11.1987 BReg 3 Ζ 41/87, aaO (Fn.2). 3 5 D Ö L L E R E R , a a O ( F n . 2 3 ) , 1 6 9 ff u n d B E I S S E , a a O ( F n . 2 1 ) , 3 0 0 f .

.Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz"

65

gleichen wie im Fall der materiellen Maßgeblichkeit der Steuerbilanz für die Handelsbilanz (siehe oben V 1).

b) Selhstentmündigung

der Gesellschafter

der

Personenhandelsgesellschaft

Der Grund für die Unzulässigkeit der Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" im Sinne der formellen Maßgeblichkeit der Steuerbilanz liegt nach meiner Meinung darin, daß die Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft mit einer solchen Klausel die materielle Zuständigkeit zur Aufstellung und Feststellung der Bilanz ausschließlich Personen übertragen, die nicht Gesellschafter sind. aa) Aufstellung und Feststellung der Bilanz. Die Aufstellung der Bilanz ist ein Akt der Geschäftsführung. Sie mag daher einem Nichtgesellschafter übertragen werden können. Die Feststellung der Bilanz gehört dagegen nicht zu den Maßnahmen der Geschäftsführung. Sie ist ein Grundlagengeschäft. Alle Gesellschafter müssen mitwirken und unterschreiben (§245 HGB) 36 . Das hat seinen guten Grund. Die Handelsbilanz der Gesellschaft ist die Grundlage für die Ermittlung des Gewinns oder des Verlustes der Gesellschaft und damit auch der Gewinnanteile und Verlustanteile der Gesellschafter (§ 120 HGB). In dem Ausweis des Gewinnes oder Verlustes der Gesellschaft liegt eine wichtige Information für die Öffentlichkeit: Für die Gläubiger, für die Arbeitnehmer und für die Geschäftsfreunde. Die Berechnung der Gewinnanteile oder Verlustanteile der Gesellschafter zeigt jedem Gesellschafter die Rendite seiner Beteiligung und die Grundlage für die Ermittlung des an ihn ausschüttbaren Betrags (§§121, 122 HGB). Die Höhe des Gewinns oder des Verlustes und damit der Gewinnanteile oder Verlustanteile hängt von dem Ansatz und von der Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden in der Handelsbilanz ab. Dabei gilt es Wahlrechte auszuüben, für die auch bei Geltung der Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" noch Raum bleibt (siehe oben III). Bei der Bewertung der einzelnen Vermögensgegenstände und Schulden, vor allem der Rückstellungen, besteht im Bereich der Schätzungen und Prognosen ein Spielraum kaufmännischen Ermessens, der nicht unterschätzt werden sollte und einen erheblichen Einfluß auf die Höhe des Gewinns oder Verlustes und damit der Gewinnanteile oder Verlustanteile haben kann37.

36 B G H , Urteil v o m 2 4 . 3 . 1 9 8 0 II Z R 8 8 / 7 9 , B B 1980, 6 9 5 ; HUECK, D a s R e c h t der offenen Handelsgesellschaft, 3. Aufl., S. 174; BAUMBAUCH/DUDEN/HOPT, K o m m . z. HGB,

2 8 . Aufl.,

§116

Anm. 1 C ;

GOERDELER, a a O ( F n . 1), S. 53, 6 7 f. 37 Vgl. CLEMM, W P g . 1 9 8 9 , 3 5 7 .

KARSTEN SCHMIDT, Gesellschaftsrecht,

S. 3 0 7 ff;

66

Georg Döllerer

bb) Übertragung der materiellen Zuständigkeit. U n d diese Entscheidungen über Ansatz und Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden, über die Ausübung von Wahlrechten und die Ausfüllung des Spielraums kaufmännischen Ermessens, alles von elementarer Bedeutung für die Gesellschaft und die Gesellschafter und zugleich Instrumente legaler Bilanzpolitik 38 , sollen nun die Gesellschafter ausschließlich fremden Personen übertragen können? Gewiß wird die formelle Zuständigkeit zur Aufstellung und Feststellung der Bilanz, einschließlich der Unterschrift, nicht berührt. Aber die materielle Zuständigkeit liegt bei den Finanzbehörden und bei den Finanzgerichten. Sie entscheiden endgültig über die Gestalt der Handelsbilanz. Dies kommt einer partiellen Selbstentmündigung der Gesellschafter gleich, die ich für sittenwidrig halte (§ 138 BGB). Die Gesellschafter mögen sich bei der Aufstellung, Prüfung und Feststellung der Bilanz eines fremden Wirtschaftsprüfers oder eines Beirats, der nicht aus Gesellschaftern besteht, bedienen. Diese können beraten und prüfen, aber nicht entscheiden 39 .

VI.

Zusammenfassung

Die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" im Sinne der materiellen Maßgeblichkeit der Steuerbilanz ist unter dem Vorbehalt zwingender handelsrechtlicher Vorschriften zulässig. Sie wird wegen dieses Vorbehalts nicht oft zu einer völligen Identität von Handelsbilanz und Steuerbilanz und damit zur Einheitsbilanz führen. Ungeeignet für die Anwendung der Klausel ist eine Steuerbilanz, die in Wahrheit nicht die Steuerbilanz der Gesellschaft, sondern die Gesamtbilanz der Mitunternehmerschaft ist. Gleiches gilt für die Klausel „Handelsbilanz ist gleich Steuerbilanz" im Sinne der formellen Maßgeblichkeit der Steuerbilanz, sofern man diese Klausel nicht, wie es in diesem Beitrag geschieht, f ü r unzulässig hält.

38 Vgl. CLEMM, a a O ( F n . 37). 39 Vgl. HÜFFER, Z G R 1980, 320.

Zur Aufrechnung des Kommanditisten gegen den Haftungsanspruch im Konkurs der Gesellschaft

HARTOCIN VON GERKAN

Inhaltsübersicht I. D i e R e c h t s l a g e bei der A u f r e c h n u n g gegen den Pflichteinlageanspruch I I . D i e A u f r e c h n u n g gegen den H a f t u n g s a n s p r u c h 1. D i e bisherige R e c h t s p r e c h u n g 2. Keine Aufrechnung zum Nennwert der Gegenforderung a) H a f t s u m m e n a u f b r i n g u n g durch A u f r e c h n u n g n u r entsprechend der W e r t h a l tigkeit der G e g e n f o r d e r u n g b) M ö g l i c h e G e g e n g r ü n d e ? 3. Die Aufrechnung vor Konkurseröffnung I I I . F o l g e r u n g e n aus dem Wegfall einer A u f r e c h n u n g z u m N e n n w e r t 1. U b e r h o l t e bisherige R e c h t s p r e c h u n g 2 . K e i n grundsätzlicher A u s s c h l u ß der A u f r e c h n u n g 3 . K e i n e B e s c h r ä n k u n g der A u f r e c h n u n g auf den die H a f t s u m m e übersteigenden T e i l der G e g e n f o r d e r u n g I V . D i e B e h a n d l u n g der A u f r e c h n u n g im K o n k u r s 1. Feststellung der A u f r e c h n u n g s w i r k u n g e n 2 . Beweislast V.

I.

Zusammenfassung

Die

Rechtslage

bei

der

Aufrechnung

gegen

den

Pflichteinlageanspruch

D i e lange Zeit umstritten gewesene F r a g e , unter welchen

Voraussetzungen

und mit w e l c h e n W i r k u n g e n der K o m m a n d i t i s t gegenüber seiner Einlagepflicht a u f r e c h n e n k a n n , i n s b e s o n d e r e o b e i n e A u f r e c h n u n g e t w a in H ö h e d e s N e n n w e r t e s d e r G e g e n f o r d e r u n g a u c h die A u ß e n h a f t u n g n a c h § 1 7 1 A b s . 1 H a l b s . 2 HGB

wegfallen läßt, h a t d u r c h das U r t e i l des B u n d e s g e r i c h t s h o f s v o m 8. Juli

1 9 8 5 1 eine w e i t g e h e n d e K l ä r u n g erfahren. In A b k e h r v o n einer f r ü h e r e n L i n i e der R e c h t s p r e c h u n g hat die E n t s c h e i d u n g i m S c h r i f t t u m e r h o b e n e n E i n w ä n d e n

1 II Z R 2 6 9 / 8 4 , B G H Z 9 5 , 188 ff.

Hartwin von Gerkan

68

gegen eine Aufrechnung zum N e n n w e r t 2 R e c h n u n g getragen. Mittlerweile ist außer Streit, daß eine Aufrechnung gegen den Pflichteinlageanspruch die Haftung des Kommanditisten nur in dem U m f a n g e erlöschen läßt, in welchem

die

Gegenforderung z. Zt. der Aufrechnungserklärung n o c h einen wirtschaftlichen W e r t darstellte. Es versteht sich, daß dies nicht etwa dann anders ist, wenn die Aufrechnung erst im Gesellschaftskonkurs aufgrund einer vor Konkurseröffnung begründeten Aufrechnungslage (§§ 53 ff K O ) erklärt wird; auch dann kann es nur im U m f a n g der etwa noch vorhandenen Werthaltigkeit des Gegenanspruchs zu einer Befreiung von der (nunmehr gemäß § 171 Abs. 2 H G B durch den K o n k u r s verwalter geltend zu machenden) Kommanditistenhaftung k o m m e n . Zu beachten bleibt in diesem Zusammenhang allerdings, daß die auf den U m f a n g des Wertgehalts der Gegenforderung begrenzte W i r k u n g der A u f r e c h nung sich nur auf die Außenhaftung des Kommanditisten ( § 1 7 1 A b s . 1 H G B ) bezieht, während im Hinblick auf den Pflichteinlageanspruch selbst der F o r d e rungsausgleich zum Nennwert der Gegenforderung unberührt bleibt 3 . D e n n im Innenverhältnis können die Gesellschafter über die Anrechnung und Bewertung von Einlageleistungen frei bestimmen; sie können das Einlageverhältnis nach ihren Vorstellungen ausgestalten und dabei auch frei über die Bewertung der Gesellschafterbeiträge befinden 4 . Mangels einer anderweitigen A b m a c h u n g wird man hierbei für die Willensrichtung der Beteiligten davon ausgehen müssen, daß bezogen auf die internen Beziehungen der Gesellschafter untereinander eine erklärte Aufrechnung die sich gegenüberstehenden Forderungen o h n e Rücksicht auf eine unterschiedliche Werthaltigkeit jeweils in H ö h e der sich deckenden N e n n w e r t e erlöschen läßt, wie dies ja auch der Systematik der § § 3 8 7 f f B G B entspricht. D a ß die unterschiedlichen Auswirkungen der Aufrechnung mit einer nicht m e h r vollwertigen Gegenforderung Inkongruenzen im H i n b l i c k auf die A b d e c k u n g der Pflichteinlage einerseits und der Haftsumme andererseits im Gefolge haben müssen, ist dann unvermeidlich, führt aber zu keinen besonderen praktischen Schwierigkeiten.

II.

Die Aufrechnung

gegen

den

Haftungsanspruch

W ä h r e n d somit bei einer gegen den Pflichteinlageanspruch erklärten Aufrechnung von einer erreichten weitgehenden Klärung der Rechtsfolgen gesprochen 2

Insbes. KNOBBE-KEUK,

ZHR

1 3 5 ( 1 9 7 1 ) , 4 1 0 , 4 3 4 ; WIEDEMANN, F S B ä r m a n n ,

1975,

S . 1 0 3 7 , 1 0 4 2 f; KARSTEN SCHMIDT, E i n l a g e u n d H a f t u n g , 1 9 7 7 , S. 1 5 8 f f ; HÄSEMEYER, ZHR

1 4 9 ( 1 9 8 5 ) , S . 4 2 , 4 7 f, 5 2 f.

3 MißverständlichaberScHiixiNG, G r o ß k o m m . z. H G B , 4 . Aufl., 9. Lfg., 1987, § 171 Rdn. 20. 4 B G H , U r t . v. 2 6 . 1 0 . 1 9 8 1 , II Z R 176/80, W M 1982, 5, 7; SCHLEGELBERGER/MARTENS, K o m m . z. H G B , 5.Aufl., B d . I I I / 2 , 1986, § 1 6 1 R d n . 2 6 f ; SCHLEGELBERGER/KARSTEN SCHMIDT, ebd., § § 1 7 1 , 172 R d n . 11.

Zur Aufrechnung des Kommanditisten gegen den Haftungsanspruch

69

werden kann, läßt sich derartiges bezüglich der - namentlich im Falle des Gesellschaftskonkurses aktuellen - Möglichkeit der Aufrechnung gegen den Haftungsanspruch (im Konkursfall allerdings nur mit einer vor Konkurseröffnung erworbenen Drittgläubigerforderung 5 ) noch nicht feststellen.

1. Die bisherige

Rechtsprechung

Hier war die Rechtsprechung bislang von einer eintretenden Nennwertverrechnung mit der ausstehenden Haftsumme ausgegangen 6 . Auch in der neueren Kommentarliteratur wird weithin noch durch den Verweis auf in diesem Sinne ergangene Entscheidungen dem Leser ein entsprechender Eindruck vermittelt 7 . Dies besagt allerdings nicht, daß der Rechtsprechung eine Sensibilität gegenüber dem Bedürfnis, das haftende Kapital für die Zwecke des Konkursverfahrens aufzubringen, gefehlt hätte. So hat der Bundesgerichtshof 8 dem Kommanditisten, der nach Eröffnung des Gesellschaftskonkurses einen Gesellschaftsgläubiger aufgrund einer vor Konkurseröffnung rechtsgeschäftlich eingegangenen (zusätzlichen) persönlichen Haftung wie etwa eines Schuldbeitritts oder einer Bürgschaft befriedigt hatte und nun den ihm erwachsenen Erstattungsanspruch der Haftung gemäß §171 Abs. 2 H G B aufrechnungsweise entgegenstellen wollte, dies bis zu der Höhe versagt, in welcher der Erstattungsanspruch mit der ausstehenden Haftsumme deckungsgleich war; die Befugnis zur Aufrechnung mit dem Teil des Erstattungsanspruchs, der den noch offenen Betrag der Haftsumme überstieg, hat er dagegen bejaht. Dem Anliegen der Haftkapitalaufbringung war durch diese Rechtsprechung allerdings nur unvollkommen Rechnung getragen, nämlich nur für den Fall, daß der Erstattungsanspruch die ungedeckte Haftsumme nicht (oder nur unwesentlich) überstieg. Ist dies aber nicht so, so muß die errichtete Schranke hingegen versagen 9 . Denn war der Erstattungsanspruch deutlich höher als die offene Haftsumme, so blieb es für den aufrechnenden Kommanditisten rechtlich und wirtschaftlich gleichgültig, ob er statt mit dem erststelligen Betrag seines Erstattungsanspruchs, mit dem ihm eine Aufrechnung versagt sein sollte, mit dem die

5 B G H , Urt. v. 9 . 1 2 . 1 9 7 1 , II Z R 33/68, B G H Z 58, 72, 75; vgl. etwa auch BAUMBACH/ DUDEN/HOPT, K o m m . z. H G B , 28. Aufl., 1989, §171 A n m . 3 B . 6 R G Z 37, 82, 84 ff sowie 133, 137; B G H , a a O (Fn. 5), S. 75 f, 78; Urt. v. 1. 7.1974, II Z R 115/72, W M 1974, 1004, 1005; U r t . v. 7 . 7 . 1 9 8 0 , II Z R 233/79, W M 1980, 1191, 1192. 7 HEYMANN/HORN, K o m m . z. H G B , Bd. II, 1989, §171 R d n . 3 4 ; BAUMBACH/DUDEN/ HOPT, a a O (Fn.5); KUHN/UHLENBRUCK, K O , 10. Aufl., 1986, §209 R d n . 3 8 ; KILGER, K O , 15. Aufl., 1989, § 2 0 9 A n m . 5 a . 8 Vgl. die Urteile vom 9 . 1 2 . 1 9 7 1 (Fn. 5) u n d vom 1 . 7 . 1 9 7 4 (Fn. 6). 9 Entsprechende Bedenken bei O L G H a m b u r g , W M 1984, 1088.

70

Hartwin von Gerkan

Haftsumme übersteigenden (zweitstelligen) Teil seiner Forderung aufrechnen konnte. Er erreichte jedenfalls die erstrebte Aufrechnungsfolge zum Nennwert und konnte mit dem nicht verbrauchten Rest seines Anspruchs am Konkurs teilnehmen; daß der Kommanditist die zusätzliche persönliche Haftung gegenüber dem Gesellschaftsgläubiger auf eigenes Risiko eingegangen war, verlor im gegebenen Zusammenhang seine Bedeutung.

2. Keine Aufrechnung

zum Nennwert

der

Gegenforderung

Doch mag die Kritik an dieser Lösung durch die Rechtsprechung zunächst auf sich beruhen. Denn sie würde sich gegebenenfalls erledigen, wenn sich etwa herausstellen sollte, daß ebenso wie eine Aufrechnung gegenüber dem Pflichteinlageanspruch auch eine solche gegenüber dem Haftungsanspruch die Haftung des Kommanditisten nur in der Höhe beseitigen könnte, in der der Gegenanspruch noch werthaltig ist. Die Antwort hierauf folgt allerdings nicht unmittelbar aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 8 . 7 . 1 9 8 5 1 0 , welches nur die Aufrechnung gegen den Einlageanspruch zum Gegenstand hat. a) Jedoch sprach bereits die Begründung, mit der der Bundesgerichtshof" seinerzeit die Befugnis zur Aufrechnung gegen den Haftungsanspruch grundsätzlich bejaht hatte, gegen die damals noch praktizierte Nennwertaufrechnung. Denn auch wenn die in den § § 3 8 7 f f B G B , 53 ff K O vorausgesetzte vorkonkursliche Aufrechnungslage mangels eines damals bestehenden Anspruchs der Gesellschaft mit dem in § 171 Abs. 2 H G B bezeichneten Inhalt nicht gegeben ist, rechtfertigt sich die Aufrechnungsmöglichkeit doch aus einer Vergleichbarkeit der Interessenlage, so daß für eine entsprechende Anwendung von § 3 8 7 B G B Raum ist. Da der Kommanditist sich nämlich außerhalb des Gesellschaftskonkurses von der Außenhaftung dadurch befreien kann, daß er den Betrag der Haftsumme an die Gesellschaft leistet, begründet dies für ihn auch die Möglichkeit, die Haftungsbefreiung durch eine Aufrechnung mit einer gegen die Gesellschaft gerichteten Forderung zu erlangen; diese außerhalb des Konkurses bestehende Aufrechnungsbefugnis kann dem Kommanditisten dann auch im Gesellschaftskonkurs nicht versagt werden. Wesentlich an dieser Begründung ist hier aber nun die von der Rechtsprechung zugrundegelegte Prämisse, daß das Vermögen der Gesellschaft mittels der Aufrechnung in gleicher Weise wie durch eine Zahlung der Haftsumme vermehrt werde. Daraus läßt sich dann aber zwanglos folgern, daß dann, wenn die Aufrechnung mangels Vollwertigkeit der Gegenforderung der Gesellschaft nicht den gleichen Wert wie eine effektive Entrichtung der Haftsumme zuführt, die Haftsumme auch nur im Umfang der vorhandenen 10 AaO (Fn. 1). 11 AaO (Fn. 5), S.75f.

Zur Aufrechnung des Kommanditisten gegen den Haftungsanspruch

71

Werthaltigkeit der Gegenforderung abgedeckt wird. Insoweit ergibt sich bezogen auf die Auswirkungen auf die Außenhaftung keine unterschiedliche Rechtsfolge im Verhältnis zu einer Aufrechnung gegen die Pflichteinlageschuld. b) Im Hinblick auf etwa in Betracht kommende Gegengründe könnte daran gedacht werden, daß der Kommanditist sich außerhalb des Gesellschaftskonkurses durch die Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers auch dann von seiner Haftung in Höhe des Nennwertes der abgelösten Gläubigerforderung befreien kann, wenn diese Forderung nicht mehr vollwertig ist; der dem Gesellschaftsvermögen zugeführte Vermögenswert in Gestalt der Forderungsablösung bleibt dann im Wert hinter der vom Kommanditisten erreichten Enthaftung zurück. Hier ließe sich nun erwägen, ob die dargestellte Möglichkeit einer Haftungsbefreiung zum Nennwert dem Kommanditisten etwa auch dann erhalten bleiben müsse, wenn die Haftungsansprüche der Gläubiger mit der Konkurseröffnung gebündelt in die Hand des Konkursverwalters übergeleitet werden. Doch schlägt das nicht durch. Vor allem kann die vor dem Konkurs bestehende Möglichkeit einer Haftungsbefreiung zum Nennwert durch Befriedigung eines Gläubigers nicht für eine sich gegenüber der Gesellschaft fortsetzende Aufrechnungslage, die sich - wie ausgeführt - aus einem anderen Begründungszusammenhang ergibt, bestimmend werden 12 . Hinzu kommt, daß die Enthaftung zum Nennwert durch Gläubigerbefriedigung ohnehin als Ausnahmetatbestand begriffen werden muß 1 3 ; sie ist allein durch den Haftungszugriff gerechtfertigt, dem der Kommanditist - und zwar gerade auch gegenüber einem nicht vollwertigen Gläubigeranspruch - zwingend ausgesetzt ist. Mit der Konkurseröffnung ändert sich jedoch die Sachlage. Die nunmehr eintretende Koordinierung der Haftungsansprüche beim Konkursverwalter dient dem Zweck einer gleichmäßigen Behandlung aller Konkursgläubiger 1 4 ; und die noch vom Kommanditisten zu leistende Haftsumme kommt den Gläubigern auch nur nach Maßgabe der etwa auf sie entfallenden Ausschüttungen, also entsprechend der verbliebenen Werthaltigkeit ihrer Ansprüche zugute. Das muß eine Aufrechnung gegen den Haftungsanspruch zum Nennwert der Gegenforderung in gleicher Weise wie eine Haftungsbefreiung zum Nennwert im Falle einer Aufrechnung gegen den Pflichteinlageanspruch ausschließen. Es wäre ohnehin ein unannehmbares Ergebnis, wenn bei einem Ausstehen sowohl der Pflichteinlage als auch der Haftsumme eine Aufrechnung gegen die Pflichteinlage zu einer Enthaftung nur in H ö h e des wirtschaftlichen Wertes der Gegenforderung führt, während eine gegen den Haftungsanspruch gerichtete Aufrechnung statt dessen die Haftung etwa zum vollen Nennwert entfallen lassen sollte.

12 V g l . HÄSEMEYER, a a O ( F n . 2), S. 65.

13 So insbes. das Urteil des B G H vom 8. 7.1985, a a O (Fn. 1), S. 196. 14 Vgl. auch B G H , Urt. v. 17.9.1964, II Z R 162/62, B G H Z 42, 192, 193.

Hartwin von Gerkan

72

3. Die Aufrechnung

vor

Konkurseröffnung

In der Konsequenz des bisher Ausgeführten versteht es sich ferner, daß der Kommanditist auch bei einer (in entsprechender Anwendung von §387 B G B möglichen) Aufrechnung gegenüber der Gesellschaft zwecks Abdeckung der Haftsumme vor Eröffnung eines Gesellschaftskonkurses ebenfalls nur in Höhe der Werthaltigkeit seiner Gegenforderung von der Außenhaftung frei werden kann. Denn nur in diesem Umfange wird das Gesellschaftsvermögen vermehrt. Es handelt sich hier ebenfalls nicht um die besondere Sachlage, die bei der Befriedigung eines nicht mehr vollwertigen Gläubigeranspruchs durch den Kommanditisten zu dessen Haftungsbefreiung zum Nennwert der Gläubigerforderung führen würde.

III.

Folgerungen

aus dem Wegfall einer Aufrechnung 1. Überholte

bisherige

zum

Nennwert

Rechtsprechung

Die auf die Werthaltigkeit der Gegenforderung beschränkte Aufrechnungswirkung auf den Haftungsanspruch läßt die in der Vergangenheit erlassenen gegenteiligen Entscheidungen, die noch von einer Nennwertaufrechnung ausgingen15, zum Teil überholt erscheinen. Sie können mit den Konsequenzen, die aus dem Urteil vom 8. 7.1985 1 6 gezogen werden müssen, im Ergebnis nicht mehr in Einklang gebracht werden. Für den Bundesgerichtshof dürfte es offenbar bislang nur an einer konkreten Gelegenheit für die Klarstellung gefehlt haben, daß es bei der Haftungsbefreiung des Kommanditisten nur in Höhe der Werthaltigkeit seiner Gegenforderung gleich bleiben muß, ob er die Aufrechnung gegenüber dem Pflichteinlageanspruch oder dem Haftungsanspruch erklärt.

2. Kein grundsätzlicher

Ausschluß der

Aufrechnung

Soweit im Schrifttum im Interesse einer Aufbringung des haftenden Kapitals im übrigen das petitum erhoben worden ist, dem Kommanditisten jedenfalls im Gesellschaftskonkurs eine Aufrechnung - sei es gegen die Pflichteinlage oder sei

15 Vgl. in Fn.6. 16 AaO Fn. 1.

Zur Aufrechnung des Kommanditisten gegen den Haftungsanspruch

73

es gegen den Haftungsanspruch — grundsätzlich zu versagen 17 , bedarf es dessen nicht mehr. Denn wenn klar ist, daß sich die Wirkung der Aufrechnung auf die Kommanditistenhaftung auf den Betrag beschränkt, die der Kommanditist sonst als Konkursquote auf seine Gegenforderung erhalten hätte, kommt es zu keinem Defizit mehr bei der gebotenen Haftkapitalaufbringung. Damit ist aber den Einwänden gegen eine Aufrechnungsbefugnis in der Sache Rechnung getragen.

3. Keine Beschränkung der Aufrechnung auf den die übersteigenden Teil der Gegenforderung

Haftsumme

Auf der Grundlage der bisherigen Erörterungen muß nun noch einmal auf die Rechtsprechung eingegangen werden, die den Kommanditisten, welcher nach Konkurseröffnung einen Gesellschaftsgläubiger aufgrund einer zusätzlich eingegangenen Haftung befriedigt, bei der Aufrechnung mit der Erstattungsforderung gegen den Haftungsanspruch auf den Teil der Gegenforderung verweist, die die offene Haftsumme übersteigt 18 . Hier ergeben sich nun zwei Folgerungen: Eine Aufrechnung zum Nennwert der - nicht mehr vollwertigen - Drittgläubigerforderung ist auch hier ausgeschlossen. Dies gilt auch, soweit für die Aufrechnung der die offene Haftsumme übersteigende Betrag der Gegenforderung verwendet wird. Auf der anderen Seite entfällt unter diesen Umständen aber auch die Notwendigkeit, dem Kommanditisten die Aufrechnung mit dem erststelligen Teil der erworbenen Forderung, der die offene Haftsumme nicht übersteigt, zu versagen. Denn auch insoweit wird das Erfordernis der Aufbringung des haftenden Kapitals, das die Grenze für eine Aufrechnungsbefugnis bildet 19 , nicht beeinträchtigt, wenn der Kommanditist sich mit der Aufrechnung nicht mehr verschafft, als was ihm andernfalls auf seine (Drittgläubiger-)Forderung als Konkursquote auszuschütten wäre. Der Grundsatz der insolvenzrechtlichen Gleichbehandlung der Gläubiger bleibt dabei gewahrt. Es besteht daher kein Hinderungsgrund dagegen, daß der Kommanditist auch mit dem erststelligen Betrag seines Gegenanspruchs aufrechnet 20 .

17 JAEGER/WEBER, K O , 8. A u f l . , Bd. II/2, 1973, § § 2 0 9 , 2 1 0 A n m . 3 1 ( S . 7 7 9 f ) ; KNOBBE/ KEUK, a a O

(Fn. 2);

HÄSEMEYER, a a O

(Fn.2),

S. 5 2 f , 6 5 f f ; a u c h SCHILLING,

aaO

(Fn. 3); differenzierend: SCHLEGELBERGER/KARSTEN SCHMIDT, aaO (Fn.4), § § 1 7 1 , 1 7 2 Rdn. I l l in Verb. m. Rdn. 106; und KARSTEN SCHMIDT, aaO (Fn.2), S. 1 5 8 f f , 1 6 2 f. 18 B G H , aaO (Fn. 8). 1 9 D a z u KARSTEN SCHMIDT, a a O ( F n . 2 ) .

20 Insofern erledigen sich dann auch die Bedenken bei O L G Hamburg, aaO (Fn. 9).

74

Hartwin von Gerkan

IV. Die Behandlung der Aufrechnung im Konkurs D i e der bisherigen Insolvenzpraxis noch kaum vertraute Sachlage, daß eine erklärte Aufrechnung Wirkungen nur entsprechend dem Wertgehalt der G e g e n forderung äußert, macht einige Überlegungen zu ihrer Behandlung im K o n k u r s verfahren erforderlich.

1. Feststellung der

Aufrechnungswirkung

Erklärt der Kommanditist im Gesellschaftskonkurs die Aufrechnung, so wird sich vielfach zunächst nicht sicher bestimmen lassen, mit welchem W e r t die Gegenforderung anzusetzen ist, insbesondere mit welcher K o n k u r s q u o t e sie o h n e die Aufrechnung zum Zuge g e k o m m e n wäre. Rechtlich ergibt sich des weiteren die Zweifelsfrage, ob es für die Wertbemessung auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung oder denjenigen a n k o m m t , zu dem sich gegen E n d e des Konkursverfahrens die H ö h e der K o n k u r s q u o t e feststellen läßt. I m Grundsatz ist es allerdings geboten, für die Beurteilung der Werthaltigkeit der Gegenforderung auf den Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung abzustellen, da mit ihr die Aufrechnungswirkungen eintreten 2 1 . Hieran ist insbesondere für eine A u f r e c h nung v o r Konkurseröffnung festzuhalten. Wird hingegen erst im Konkurs (sei es gegen die Pflichteinlageforderung oder sei es gegen den

Haftungsanspruch)

aufgerechnet, so ergeben sich Schwierigkeiten. D e r Forderungswert, der der mutmaßlichen K o n k u r s q u o t e entspricht, wird in vielen Fällen noch nicht hinreichend verläßlich beurteilt werden können, zumal die zu erwartende Q u o t e von mancherlei ungewissen Umständen abhängen wird, die sich erst aus der weiteren A b w i c k l u n g des K o n k u r s e s ergeben k ö n n e n , ζ. B . davon, wie günstig Massegegenstände verwertet werden können, mit welchem Erfolg eine etwaige U n t e r nehmensfortführung durch den Konkursverwalter verbunden ist, o b Streitigkeiten betreffend die Masse in vorteilhafter Weise abgeschlossen werden k ö n n e n u. a. m. Andererseits wäre es unbefriedigend, die Wirkung der Aufrechnung im Zeitpunkt ihrer Erklärung schon jetzt abschließend mittels einer nur vorläufigen und notwendigerweise ungenauen Abschätzung der voraussichtlichen K o n k u r s quote zu bestimmen. Dies würde zudem die Gefahr begründen, daß es - je nach dem Zeitpunkt der etwa von mehreren Kommanditisten jeweils erklärten A u f rechnungen - zu unterschiedlichen Schätzungen der Q u o t e n h ö h e und damit zu differierenden Verrechnungseffekten käme, obwohl doch die Befriedigungsaussichten für alle am Konkursverfahren

teilnehmenden

Gläubigerforderungen

rechnerisch und rechtlich gleich groß waren und sein mußten. D i e sich bei A n n a h m e unterschiedlicher Aufrechnungserfolge ergebenden Ungleichbehand-

21

WIEDEMANN, J Z 1 9 8 6 ,

855.

Zur Aufrechnung des Kommanditisten gegen den Haftungsanspruch

75

lungen würden aber nicht nur die Kommanditisten betreffen, sondern vor allem auch die übrigen Konkursgläubiger im Hinblick auf ihre Beteiligung am Ergebnis der Konkursabwicklung. Dem Grundgedanken der par conditio würde dies jedenfalls nicht entsprechen. Es erscheint daher sachgerecht, für die Wirkung der Aufrechnung durch den haftenden Kommanditisten auf die spätere Konkursquote als maßgeblich für den Wertgehalt der Gegenforderung abzustellen. Dies bedeutet aber nicht, daß der Kommanditist die noch ausstehende Haftsumme zunächst ohne Rücksicht auf die doch sogleich eingetretene Verrechnung der Forderungen zur Masse leisten müßte und darauf angewiesen wäre, seine Leistung dann gegen Ende des Konkursverfahrens in dem Umfange, in dem seine Aufrechnung sich als wirksam herausgestellt hat, zurückzufordern. Er ist von der Leistung der Haftsumme vielmehr in H ö h e desjenigen Betrages, zu welchem seine Aufrechnung voraussichtlich durchgreift, von vornherein befreit - natürlich vorbehaltlich der abschließenden Abrechnung bei Feststehen der Konkursquote. Denn er kann insoweit nicht schlechter gestellt sein als ein Gläubiger, der über eine aufschiebend bedingte Forderung verfügt und deshalb zwar noch nicht aufrechnen kann, jedoch einen Anspruch auf Sicherstellung hat (§ 54 Abs. 3 K O ) . Indem dem Kommanditisten zugestanden wird, den mußmaßlichen Aufrechnungsbetrag vorerst nicht entrichten zu müssen, erfüllt der Einbehalt eine vergleichbare Funktion wie die Absicherung einer voraussichtlich durchgreifenden Aufrechnungsbefugnis. Den Interessen aller Beteiligter wäre auf diese Weise angemessen Rechnung getragen.

2.

Beweislast

Zu beachten wäre, daß der aufrechnende Kommanditist im Streitfall die Beweislast für die Reichweite der Aufrechnung als eines rechtsvernichtenden Tatbestandes (§§389 B G B , 171 Abs. 1 Halbs. 2 H G B ) hätte 22 . Wenn die Konkursquote festgestellt ist, ist eine entsprechende Werthaltigkeit der Gegenforderung natürlich geklärt. Die Beweislast kann aber bedeutsam werden, wenn zweifelhaft ist, in H ö h e welchen Betrages der Kommanditist nach Erklärung der Aufrechnung die Haftsumme vorerst nicht zu entrichten braucht (vgl. unter IV. 1.). V.

Zusammenfassung

1. Der Rechtssatz, daß eine Aufrechnung des Kommanditisten gegen den Pflichteinlageanspruch nur in Höhe der Werthaltigkeit der Gegenforderung zu

22 SCHLEGELBERGER/KARSTEN SCHMIDT, a a O ( F n . 4), § § 1 7 1 , 172 R d n . 6 1

M.W.N.

76

Hartwin von Gerkan

einer Befreiung von der Kommanditistenhaftung führt (BGHZ 95, 188), gilt auch bei einer Aufrechnung gegen den Haftungsanspruch im Gesellschaftskonkurs (§171 Abs. 2 HGB). 2. Ebenso verhält es sich, wenn der Kommanditist außerhalb eines Konkurses gegenüber der Gesellschaft in entsprechender Anwendung von §387 B G B ( B G H Z 58, 72, 76) zwecks Abdeckung der Haftsumme aufrechnet. 3. Beschränkt sich die Wirkung der Aufrechnung auf den Betrag der Werthaltigkeit der Gegenforderung, so entfällt die Notwendigkeit, dem Kommanditisten die Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch aus einer nach Konkurseröffnung bewirkten Befriedigung eines Gesellschaftsgläubigers, dem er aus einem besonderen Verpflichtungstatbestand haftete, insoweit zu versagen, als der Erstattungsanspruch den Betrag der noch ausstehenden Haftsumme nicht übersteigt (entgegen B G H Z 58, 72, 77). 4. Die Reichweite der im Konkurs erklärten Aufrechnung des Kommanditisten für seine Haftungsbefreiung läßt sich abschließend erst beurteilen, wenn die Höhe der Konkursquote, die auf die Gegenforderung entfallen wäre, feststeht. Jedoch braucht der Kommanditist den Teilbetrag der Haftsumme, der durch die Aufrechnung mutmaßlich abgelöst ist, vorläufig nicht in die Masse zu leisten.

Das allgemeine Informationsrecht des Kommanditisten in bezug auf den Jahresabschluß

REINHARD GOERDELER

Inhaltsübersicht I. Problemstellung II. Skizzierung eines Lösungsversuchs 1. Der Ansatz des Bundesgerichtshofs 2. Die Ansätze in der Literatur 3. Das Verhältnis von §166 Abs. 1 HGB zu einem allgemeinen Informationsrecht 4. Die Auswirkungen für die Praxis 5. Der Freiraum für satzungsmäßige Gestaltungen und ihr Regelungsbereich III. Die Anwendung des Lösungsansatzes auf praktische Fallgestaltungen 1. Beteiligung des Kommanditisten an der Feststellung des Jahresabschlusses 2. Gesellschaftsvertragliche Regelungen und ihr Verhältnis zum allgemeinen Informationsrecht 3. Zwischenergebnis IV. Das allgemeine Informationsrecht hinsichtlich des Inhalts des Jahresabschlusses 1. Gliederung des Jahresabschlusses 2. Ausübung von Wahlrechten 3. Abschlüsse von Tochtergesellschaften und Konzernabschluß 4. Besonderheiten der Publikums-KG V. Schlußbemerkung

I.

Problemstellung

Im Urteil des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs v o m 1 1 . Juli 1988 1 finden sich, soweit ersichtlich, erstmals Ausführungen zu einem allgemeinen Informationsrecht des Kommanditisten, das über § 166 H G B hinausgeht. Die A u s f ü h rungen in der Begründung lassen erkennen, daß der Bundesgerichtshof einem solchen Recht vom Grundsatz her positiv gegenübersteht. Die Frage wird aber nicht endgültig geklärt, denn der Bundesgerichtshof entschied den Streitfall, da es sich um das Auskunfts-/Einsichtsrechts-Verlangen eines ausgeschiedenen Gesellschafters handelte, nach § 8 1 0 B G B ; die Wirksamkeit des im konkreten Fall im Gesellschaftsvertrag geregelten, von § 166 Abs. 1 H G B abweichenden 1 W M 1988, 1447 = GmbH-Rdsch. 1988, 434.

78

Reinhard Goerdeler

Informationsrechts des Kommanditisten wurde nicht entschieden2. Der Bundesgerichtshof deutet an, daß er die Frage des allgemeinen Informationsrechts vornehmlich unter dem Blickwinkel betrachtet, ob die Bestimmung des § 166 Abs. 1 H G B abdingbar ist. Dieser Ansatz wirft Probleme auf, die in diesem Beitrag aus der Sicht der Praxis aufgezeigt werden sollen. Mit dem Beitrag soll Alfred Kellermanns verdienstvolles Wirken im II. Zivilsenat gewürdigt werden; das Urteil stammt aus der Zeit, in der er den Senat leitete. Die ausführliche Besprechung des Urteils hat B. Grunewald? noch einmal zum Anlaß genommen, sich für die Anerkennung eines allgemeinen, von § 166 H G B unabhängigen Auskunftsrechts eines Kommanditisten einzusetzen. Unter Bezugnahme auf die befürwortenden Äußerungen in der Literatur4 glaubt sie eine „generelle Linie" zu finden, die konsensfähig sei. In diesem Beitrag soll der Versuch gemacht werden, ausgehend von der Bundesgerichtshofs-Entscheidung von 1988 die Konsensfähigkeit dieser generellen Linie unter einem anderen Gesichtspunkt näher zu untersuchen und in der Praxis brauchbare Wege aufzuzeigen. Es geht um das Verhältnis des vom Bundesgerichtshof in den Gründen erwogenen allgemeinen Auskunftsrechts eines Kommanditisten zu der Vorschrift des § 166 Abs. 1 HGB 5 . Dabei beschränkt sich der Beitrag auf die insoweit beim Jahresabschluß auftretende Problematik.

II. Skizzierung eines 1. Der Ansatz des

Lösungsversuchs Bundesgerichtshofs

In der Urteilsbegründung befaßt sich der Bundesgerichtshof damit, ob § 166 (ergänze Abs. 1) H G B nachgiebiges, also durch Gesellschaftsvertrag abdingbares Recht sei oder ob das vom Gesetzgeber durch die GmbH-Novelle in das GmbH-Recht eingeführte unabdingbare Auskunftsrecht (§51 a Abs. 1 und 3 GmbHG) als Ausdruck eines unverzichtbaren Minderheitenschutzes zu betrach2 N a c h dieser Klausel hatte der Kommanditist nur einen A n s p r u c h auf Aushändigung eines mit einem Prüfungsvermerk versehenen Jahresabschlusses (auf Grund einer gesellschaftsvertraglich vorgeschriebenen - freiwilligen - Abschlußprüfung). 3 Z G R 1989, 545 (552). 4 SCHILLING, in: G r o ß k o m m . z. H G B , 4. Aufl., § 166 R d n . 2 (vorher abw. 3. Aufl., § 166 R d n . 1); WIEDEMANN, Gesellschaftsrecht, B d . 1, 1 9 8 0 , 3 7 6 ff; KARSTEN SCHMIDT, Informationsrechte in Gesellschaften und Verbänden (Abhandlungen aus dem Bürgerlichen R e c h t , Handelsrecht und Wirtschaftsrecht,

Heft 57)

1984;

gesamten vgl.

auch

GRUNEWALD, a a O ( F n . 3), 545 (551); HUBER, Z G R 1982, 5 3 9 mit ausführlicher Begründung (über § 105 H G B und § § 7 1 3 , 6 6 6 B G B ) . 5 § 166 A b s . 1 H G B hat durch das B i R i L i G folgende Fassung erhalten: „(Kontrollrecht) ( 1 ) D e r Kommanditist ist berechtigt, die abschriftliche Mitteilung des Jahresabschlusses z u verlangen und dessen Richtigkeit unter Einsicht der B ü c h e r und Papiere zu prüfen".

Allgemeines Informationsrecht des Kommanditisten

79

ten sei, was Rückwirkungen auf § 166 H G B haben könnte. Der Frage, ob ein Gesellschafter sich nur als Anleger oder aus unternehmerischen Interessen beteilige, mißt der Bundesgerichtshof hier keine Bedeutung bei. Ohne auf den diesbezüglichen Meinungsstand in der Literatur näher einzugehen, fährt die Begründung wörtlich fort: „Es spricht manches dafür, daß diese Bewertung des modernen Gesetzgebers nicht ohne Auswirkungen auf die überkommene Auffassung bleiben kann, das gesetzliche Informationsrecht des Kommanditisten nach §166 H G B sei gesellschaftsvertraglich weitgehend abdingbar." Unter diesem Gesichtspunkt soll die im Urteilsfall gegebene gesellschaftsvertragliche Klausel2 auf ihre Wirksamkeit hin geprüft werden.

2. Die Ansätze in der

Literatur

Hätte der Bundesgerichtshof sich in diesem Urteil für ein unentziehbares Informationsrecht abschließend ausgesprochen, so hätte er - wie der Begründung zu entnehmen ist - die diesem Recht entgegenstehende gesellschaftsvertragliche Klausel schlechthin für unwirksam (wohl nach §166 Abs. 1 H G B i. V. m. § 134 B G B ) gehalten. Diese Argumentation vermag nicht zu überzeugen. Die in der gesellschaftsrechtlichen Literatur4 vor allem von Schilling, Wiedemann und Karsten Schmidt vertretene Auffassung ist in ihrer Grundtendenz dahin zu verstehen, dem Kommanditisten ein von §166 H G B unabhängiges allgemeines Auskunftsrecht einzuräumen. Wird ein von §166 H G B unabhängiges Auskunftsrecht gewährt, dann folgt hieraus nicht zwingend, daß gesellschaftsvertragliche, von § 166 Abs. 1 H G B abweichende Satzungsbestimmungen (Satzungsklauseln) unwirksam (i.S. von § 134 B G B ) sein müßten. Im Schrifttum ist diese Frage nicht weiter erörtert.

3. Das Verhältnis von § 166 Abs. 1 HGB zu allgemeinen Informationsrecht

einem

§ 166 Abs. 1 H G B regelt das Informationsrecht des Kommanditisten in bezug auf den Jahresabschluß (Anspruch auf Aushändigung des Jahresabschlusses und Einsichtsrecht in die Bücher und Papiere zur Prüfung desselben). Insoweit liegt in dieser Vorschrift nach der Vorstellung des Gesetzgebers des H G B zugleich auch eine Beschränkung des Auskunftsrechts auf eine jährliche Prüfung des Jahresabschlusses; dies wird durch §166 Abs. 2 H G B bestätigt, wonach dem Kommanditisten Rechte nach §118 H G B (persönliche Unterrichtung „von den Angelegenheiten der Gesellschaft") ebenfalls nicht zustehen. Nach der neueren Entwicklung (insbesondere der Einfügung des §51 a GmbHG) ist die enge Ausgestaltung des Informationsrechts des Kommanditisten in §166 H G B fragwürdig geworden, wie der Bundesgerichtshof zu Recht erkannt hat. Die Proble-

80

Reinhard Goerdeler

matik liegt jedoch in erster Linie in § 166 Abs. 2 H G B begründet. Das von der Literatur angenommene allgemeine Informationsrecht des Kommanditisten durchbricht zunächst diese Bestimmung. Erst mittelbar wird Abs. 1 berührt, der sich von vornherein nur mit dem Informationsrecht im Hinblick auf den Jahresabschluß beschäftigt. Es wäre eine Verengung der Problematik, wenn man das allgemeine Informationsrecht nur im Hinblick auf den Jahresabschluß sähe. Andererseits kann ein solches allgemeines Informationsrecht - trotz der Regelung des §166 Abs. 1 H G B , die zu Unrecht als abschließende Bestimmung erscheinen mag - durchaus auch Bedeutung in bezug auf den Jahresabschluß erlangen. Dies bedingt indessen ein anderes Verständnis von §166 Abs. 1 H G B . Die Vorschrift will eine Regelung treffen, welche Auskunftsund Prüfungsrechte den Kommanditisten bezüglich des Jahresabschlusses im Regelfall zustehen. Von der gesetzlichen Bestimmung abweichende Regelungen sind in der Praxis sehr häufig, um der jeweilig unterschiedlichen Interessenlage in einer K G bezüglich der Aufstellung und Feststellung des Jahresabschlusses Rechnung zu tragen. Sie sind auch für zulässig zu halten, können aber eine Geltendmachung des allgemeinen Informationsrechts bei Anführung eines besonderen Auskunftsinteresses nicht hindern. Das in der Literatur befürwortete allgemeine Auskunftsrecht des Kommanditisten ist unabhängig von § 166 Abs. 1 H G B und der etwaigen im Gesellschaftsvertrag hierzu getroffenen abweichenden Regelung zu sehen. Es ergänzt diese jeweilige Regelung dahingehend, daß der Kommanditist in die Lage versetzt wird, die im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Jahresabschlusses ihm zustehenden Mitwirkungsrechte sachgerecht ausüben zu können. Dasselbe gilt für alle anderen Angelegenheiten der Gesellschaft (also über den Jahresabschluß hinaus), bei denen der Kommanditist in sachgemäßer Wahrnehmung seiner Mitgliedschaftsrechte mitwirken will 6 . Das (auch vom Bundesgerichtshof positiv gesehene) allgemeine Auskunftsrecht kann die nach der Ausgestaltung des §166 H G B recht bescheidene Informationsbefugnis des Kommanditisten nicht ersetzen, sondern tritt neben die gesetzliche Regelung. Nach der hier vertretenen Meinung stellt sich somit die Frage nicht, ob §166 Abs. 1 H G B etwa nicht nachgiebig sei und eine abweichende Gestaltung im Gesellschaftsvertrag folglich unwirksam sein könnte; das allgemeine Auskunftsrecht des Kommanditisten ist unabhängig von § 166 Abs. 1 H G B und überlagert insoweit diese gesetzliche Bestimmung und etwaige hiervon abweichende Vertragsklauseln.

6 So ausdrücklich SCHILLING, aaO (Fn. 4), Rdn. 2.

Allgemeines Informationsrecht des Kommanditisten

4. Die Auswirkungen

81

in der Praxis

Der Bundesgerichtshof würde das in der Literatur geforderte allgemeine Auskunftsrecht verkennen, wenn er, wozu die Begründung des Urteils anzunehmen Anlaß gibt, wegen des allgemeinen Auskunftsrechts jeden ihm vorgelegten Gesellschaftsvertrag, soweit er Regelungen über die Rechte des Kommanditisten betreffend den Jahresabschluß - enthält, insoweit einer Kontrolle auf seine Wirksamkeit unterziehen wollte. Ein auf ein allgemeines Auskunftsrecht gestütztes Auskunftsbegehren greift statt dessen über das Gesetz und gesellschaftsvertragliche Klauseln hinaus; es ist im Einzelfall zuzugestehen, wenn der Kommanditist in concreto ohne Unterrichtung an einer Entscheidung nicht sachgerecht mitwirken kann. Würde dagegen der Bundesgerichtshof den im Urteil vom 11. Juli 1988 angedeuteten Weg beschreiten, ergäben sich in Zukunft für die Praxis große Schwierigkeiten hinsichtlich der Formulierung von Vertragsklauseln über Informationsgewährungen bezüglich des Jahresabschlusses. Es würde darüber hinaus ähnlich wie bei der strittigen Frage der Abfindung eines ausscheidenden Gesellschafters7 - große Unsicherheit darüber entstehen, ob diesbezügliche Klauseln in den Gesellschaftsverträgen bereits bestehender Kommanditgesellschaften noch wirksam sind8.

5. Der Freiraum für satzungsmäßige

Gestaltungen und ihr

Regelungsbereich

Die hier vertretene Meinung hat noch einen anderen Vorzug: die unterschiedlichen wirtschaftlichen und rechtlichen Verhältnisse, die jeweils bei einer K G gegeben sind, sollten im Gesellschaftsvertrag entsprechende Berücksichtigung finden; Differenzierungen müssen daher möglich und rechtlich zulässig sein9. Solche unterschiedlichen Regelungen können sich aus der jeweiligen Struktur einer KG ergeben, also u. a. daraus, ob es sich um personalistisch oder kapitalistisch organisierte Personengesellschaften oder sog. Publikumsgesellschaften (in der Rechtsform der G m b H & Co. KG) handelt10. Dementsprechend werden vor allem gesellschaftsvertragliche Bestimmungen in bezug auf die Behandlung des Jahresabschlusses (Aufstellung, Feststellung, Gewinnverteilung, Entnahmen) unterschiedlich ausfallen. Diesen Regelungen im Gesellschaftsvertrag sollte in aller Regel auch die rechtliche Gültigkeit nicht versagt werden. Zu prüfen wäre jeweils nur, ob ein allgemeines Auskunftsrecht weiter reicht, ggf. auch nur für ein Geschäftsjahr, das irgendwelche Besonderheiten aufweist. 7 V g l . d i e D a r s t e l l u n g bei KARSTEN SCHMIDT, G e s e l l s c h a f t s r e c h t , 1986, S. 1 0 9 2 ff.

8 M . E . gibt das Urteil vom 11. 7.1988 noch keine Veranlassung, alle KG-Verträge einer solchen Uberprüfung zu unterziehen. 9 So auch KASTEN SCHMIDT, a a O (Fn. 4), S. 69 mit weiteren Nachweisen. 10 Vgl. zu letzteren den Uberblick bei BAUMBACH/DUDEN/HOPT, K o m m . z. H G B , 28. Aufl. 1989, Anh. § 177 a; im einzelnen KELLERMANN, FS Stimpel, 1985, S.295.

82

Reinhard G o e r d e l e r

III. Die Anwendung

des Lösungsansatzes

auf praktische

Fallgestaltungen

Im einzelnen werden sich zu diesen Differenzierungen folgende Aussagen treffen lassen:

1. Beteiligung

des Kommanditisten

an der Feststellung

des

Jahresabschlusses

Die Aufstellung des Jahresabschlusses ist eine Geschäftsführungsmaßnahme und damit Angelegenheit der persönlich haftenden Gesellschafter 11 . Die Feststellung eines Jahresabschlusses hingegen ist im HGB nicht geregelt. Während der Bundesgerichtshof noch 1960 mit der Unterzeichnung des Abschlusses durch die persönlich haftenden Gesellschafter diesen als „ordnungsgemäß und endgültig festgestellt" beurteilte 12 , geht die neuere Meinung in der Literatur und Rechtsprechung dahin, daß in der OHG und KG die Feststellung ein sog. Grundlagengeschäft sei oder ihr Vertragscharakter zukomme 13 . Die beiden Urteile des Bundesgerichtshofs vom 24. März 198014 und vom 6. April 198115 liegen auf der Linie der neueren Meinung, ohne daß sich der Bundesgerichtshof mit seiner früheren Meinung ausdrücklich auseinandergesetzt hätte.

2. Gesellschaftsvertragliche Regelungen und ihr zum allgemeinen Informationsrecht

Verhältnis

In der Praxis der KG-Gesellschaftsverträge sieht das Bild so buntscheckig aus, daß es gar nicht möglich ist, alle unterschiedlichen gesellschaftsvertraglichen Regelungen wiederzugeben. Um das Auskunftsrecht der Kommanditisten und seinen Umfang abzuschätzen, seien etwa 3 Gruppen aus der Gesellschaftsvertragspraxis untersucht: 11 Ausdrücklich B G H (Urteil vom 2 7 . 9 . 1 9 7 9 ) , W M 1979, 1330. 12 So B G H (Urteil v o m 1 1 . 1 . 1 9 6 0 ) , BB 1960, 188; die Unterzeichnung ergibt sich aus § 2 4 5 H G B (früher § 4 1 HGB). 13 HÜFFER, in: G r o ß k o m m . z. H G B , § 2 4 2 Rdn. 4 7 - 4 9 ; SCHILLING, a a O (Fn.4), § 1 6 6 Rdn. 8, § 1 6 7 Rdn. 3; ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen, 5. A u f l . 1 9 8 7 ff, § 2 4 5 H G B T z l ; grundlegend ULMER, FS Hefermehl, 1976, S. 2 0 7 f f , allerdings mit einer bedeutsamen Einschränkung, daß der Kommanditist seine Zustimmung zu erteilen hat, wenn sich die Bilanzansätze in dem durch G o B und Gesellschaftsvertrag gesetzten Rahmen halten ( S . 2 1 9 ) . 14 B G H Z 76, 3 3 9 = BB 1980, 695 und Bemerkungen zum Urteil v o n SCHULZE-OSTERLOH, BB 1 9 8 0 , 1 4 0 2 . 15 B G H Z 80, 3 5 7 ; es fällt auf, daß der B G H sich in den beiden hier zitierten neueren Urteilen nicht ausführlich mit der Literatur und seinem Urteil v o n 1 9 6 0 , aaO (Fn. 12), auseinandersetzt.

Allgemeines Informationsrecht des Kommanditisten

83

a) Alle Gesellschafter, also auch die Kommanditisten, sind in die Bilanzfeststellung einbezogen; die Feststellung erfolgt in einer jährlichen Gesellschafterversammlung oder auf dem Schriftwege; die Kommanditisten erhalten den Jahresabschluß und werden zur Zustimmung aufgefordert oder die Zustimmung gilt nach einer Verschweigefrist als erteilt. Im Falle einer im Gesellschaftsvertrag vorgesehenen (freiwilligen) Abschlußprüfung ist entweder die Aushändigung des Prüfungsberichts an die Kommanditisten oder die Einsichtsmöglichkeit in der Gesellschafterversammlung oder bei der Gesellschaft vorgesehen. Für die erforderliche Stimmenmehrheit sind bestimmte Regelungen getroffen 16 . Bei dieser Gruppe von Verträgen ist zunächst i. S. der neueren Meinung die Mitwirkung aller Gesellschafter bei der Feststellung des Jahresabschlusses gegeben. Die gesetzliche Regelung des eigenen Prüfungsrechts des Kommanditisten durch Einsichtnahme in die Bücher und Papiere der Gesellschaft (§166 Abs. 1 H G B ) wird allerdings durch Einsichtnahme in den Prüfungsbericht des Abschlußprüfers ersetzt. Damit ist gleichzeitig den Anforderungen des allgemeinen Auskunftsrechts der Kommanditisten im Grundsatz Genüge getan. Es kann höchstens noch ein zusätzliches Auskunftsverlangen zu Fragen des Jahresabschlusses geben, die ggf. durch den Prüfungsbericht nicht ausreichend beantwortet werden oder sich gerade aus der Auswertung des Prüfungsberichts ergeben. b) Der Gesellschaftsvertrag überläßt die Feststellung des Jahresabschlusses einem Beirat, der entweder nur aus Gesellschaftern (Stammesvertretern) oder nur aus Dritten oder gemischt aus Gesellschaftern und Dritten besteht. Die Kommanditisten erhalten nach Feststellung den Jahresabschluß, der lediglich den Prüfungsvermerk des Abschlußprüfers trägt (sog. Testatsbilanz), sowie einen Bericht des Beirats. Die Überlassung der Feststellung des Jahresabschlusses dürfte auch angesichts der oben dargestellten neueren Meinung (Mitwirkung aller Gesellschafter) zulässig sein 17 . Hiermit wird praktisch ein Verfahren übernommen, das auch in der A G möglich ist (§ 172 A k t G ) und das insbesondere für eine K G mit vielen Kommanditisten Vorteile hat. §166 Abs. 1 H G B ist bei dieser Vertragsgestaltung, da ein Einsichtsrecht zur Prüfung fehlt, abbedungen. Das allgemeine Auskunftsrecht wird dem Kommanditisten hier aber so weit zu gewähren sein, wie einem Aktionär Auskunft gemäß §131 A k t G zu erteilen ist 18 ; die Zwischenschaltung eines weiteren Gesellschaftsorgans (Beirat) spricht für diese Auffassung. Eine Einsicht in den Prüfungsbericht, dessen Studium und Auswertung dem Beirat 16 D i e Frage, inwieweit Mehrheitsklauseln wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes zulässig sind, kann hier nicht vertieft werden; vgl. hierzu HÜFFER, a a O (Fn. 13), § 2 4 2 R d n . 4 7 sowie BRÄNDEL, F S Stimpel, 1985, S. 95 ff. 17 S o auch SCHILLING, a a O ( F n . 4 ) , § 168 R d n . 9; die übrige Literatur läßt die Zulässigkeit nicht eindeutig erkennen. 18 Vgl. MERTENS, F S Werner, 1984, S . 5 5 7 (569), der dies für die kapitalistisch strukturierte G m b H annimmt.

84

Reinhard Goerdeler

obliegt, wird hier nicht über das Auskunftsrecht zu erreichen sein; anders könnte dies dann zu beurteilen sein, wenn in einem Geschäftsjahr besondere Verhältnisse vorliegen oder wenn der Kommanditist wegen seiner eigenen steuerlichen Belange auf eine Einsicht in den Prüfungsbericht angewiesen ist. c) Der Gesellschaftsvertrag trifft keine besonderen Bestimmungen über den Jahresabschluß und besagt nur, welchen Konten der Gesellschafter in der KG die auf sie entfallenden Gewinne (Verluste) gutzuschreiben oder zu belasten sind. Mehrheitsbeschlüsse sind nicht vorgesehen. Bei dieser Fallgruppe würde nach der neueren Meinung eine wirksame Feststellung des Abschlusses nur durch die Mitwirkung aller Gesellschafter, auch der Kommanditisten, die einstimmig zu erfolgen hätte19, erfolgen können. Die Kommanditisten haben im vollen Umfang die Rechte aus § 166 Abs. 1 HGB; ein allgemeines Auskunftsrecht in bezug auf den Jahresabschluß würde hier nur in Ausnahmefällen zum Zuge kommen, wenn etwa die Einsichtnahme in die Bücher 20 hierzu Anlaß gibt.

3.

Zwischenergebnis

Diese summarische Ubersicht zeigt für alle drei untersuchten Fallgestaltungen, daß ein allgemeines Auskunftsrecht des Kommanditisten sich - unter Berücksichtigung der Struktur der Gesellschaft - auch auf den Jahresabschluß erstrecken kann und dem Kommanditisten über die zum Jahresabschluß getroffenen gesellschaftsvertraglichen Regelungen - und ggf. auch über §166 Abs. 1 HGB hinaus - zu den Informationen verhilft, die er zur Ausübung der ihm nach dem Gesellschaftsvertrag zustehenden Mitgliedsrechte benötigt. Eine Untersuchung der Frage, ob in den ersten beiden Fallgruppen die gesellschaftsvertraglichen Abweichungen von § 166 Abs. 1 HGB unwirksam sind, erübrigt sich.

IV. Das allgemeine Informationsrecht hinsichtlich des Inhalts des Jahresabschlusses 1. Gliederung des

Jahresabschlusses

Für den Jahresabschluß einer Personengesellschaft gelten die allgemeinen Vorschriften der §§238 bis 263 HGB, soweit die Gesellschaft nicht unter die weitergehenden Vorschriften des Publizitätsgesetzes fällt (dann gelten weitge19 So HÜFFER, aaO (Fn. 13), §242 Rdn. 4 7 ; soll eine Mehrheitsentscheidung ausreichen, so müßte der Gesellschaftsvertrag wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes eine eindeutige Vertragsbestimmung enthalten. 20 Wegen der Zuziehung von Sachverständigen vgl. GOERDELER, FS Stimpel, 1985, S. 125.

Allgemeines Informationsrecht des Kommanditisten

85

hend die Vorschriften, die auf Kapitalgesellschaften anzuwenden sind, § 5 PublG). Danach muß eine K G einen Jahresabschluß, bestehend aus Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung, nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung aufstellen (§§ 242 Abs. 3, 243 H G B ) ; die Erstellung eines Anhangs ist nicht obligatorisch. Ansatz- und Bewertungsvorschriften sind wiederum gesetzlich vorgegeben (§§246-256 H G B ) . N u r für die Bilanz gelten Mindestgliederungsvorschriften nach §247 H G B , nicht aber für die Gewinn- und Verlustrechnung, die jedoch den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechen muß 21 . Diese sehr knappe Regelung führt dazu, daß die Personengesellschaften einen verhältnismäßig weiten Spielraum für die Gestaltung des Jahresabschlusses haben. Unter Beachtung der gesetzlich gezogenen Grenzen kann der Gesellschaftsvertrag weitergehende Bilanzierungsvorschriften enthalten, sowohl hinsichtlich der Gliederung, als auch hinsichtlich der Bewertung (ζ. B. Gliederung der Gewinn- und Verlustrechnung wie eine Kapitalgesellschaft nach §275 H G B ) . Die Rechnungslegung einer Personengesellschaft dient in erster Linie dem Interesse der Gesellschafter und damit ihrer Information; die geschäftsführenden Gesellschafter legen allen übrigen gegenüber Rechenschaft ab 2 2 . Dieser Zielsetzung muß der Jahresabschluß insgesamt Rechnung tragen. Ist dies nicht der Fall, greift das allgemeine Informationsrecht des Kommanditisten ein. Es hängt im Hinblick auf etwaige gesellschaftsvertragliche Regelungen vom Einzelfall ab, wie weit das allgemeine Informationsrecht reicht. Diesem Recht des Kommanditisten kann daher partiell die Funktion einer Ausfüllung der Lücke zukommen, die die Vorschriften über den Mindestinhalt des Jahresabschlusses hinterlassen. Jedenfalls gilt dies bei denjenigen Kommanditgesellschaften, deren Jahresabschluß nur das niedrige Niveau des gesetzlich Vorgeschriebenen einhält. Wenn die persönlich haftenden Gesellschafter einen Jahresabschluß etwa in der Gliederung, wie sie für große Kapitalgesellschaften vorgeschrieben ist, aufstellen (§§266, 275 H G B ) , so ist - mangels abweichender Satzungsbestimmung - davon auszugehen, daß dies der Jahresabschluß der Gesellschaft ist, der den Kommanditisten zur Feststellung vorzulegen ist. Sollten diese dagegen nur eine demgegenüber verkürzte Fassung (etwa i. S. von §§266, 267, 276 H G B wie eine „kleine Gesellschaft") erhalten, so kann der allgemeine Informationsanspruch u. U . auf Vorlage der ungekürzten Fassung des Jahresabschlusses gehen. Dies würde der Regelung in §131 Abs. 1 Satz 3 A k t G entsprechen. Für eine 21 Zur Entstehungsgeschichte dieser Bestimmungen vgl. BIENER-BERNEKE, Bilanz-Richtliniengesetz, 1986, S. 74 sowie BT-Drucksache 10/4268, S.98. 22 BUDDE/FÖRSCHLE, in: Beck Bil-Komm, 2. Aufl. 1990, §247 Anm. 643-646; zur Auswirkung des B i R i L i G auf die gesellschaftsvertraglichen Klauseln s. GOERDELER, FS Fleck, 1988, S. 53 ff; die Stellungnahme des I D W zur Bilanzierung von Personenhandelsgesellschaften, nämlich H F A 1/1976 (WPg 1976, 114), befindet sich noch in Überarbeitung im Hinblick auf das neue Recht; wegen eines Testats bei freiwilliger Abschlußprüfung vgl. Fachgutachten I D W 3/1988 unter G, WPg 1989, 27 (35).

Reinhard Goerdeler

86

GmbH folgt Gleiches wohl aus §51 a GmbHG 2 3 . Ein solcher Anspruch scheidet aber aus, wenn die Gesellschaft selbst nur einen „verkürzten" Jahresabschluß aufgestellt und an die Gesellschafter verteilt hat und wenn dieser „verkürzte" Abschluß ausreichende Informationen vermittelt.

2. Ausübung von

Wahlrechten

Nach den neueren Bilanzierungsvorschriften können sich im übrigen für den der Geschäftsführung fernstehenden - Kommanditisten Schwierigkeiten für das Verständnis eines Jahresabschlusses und damit für die Beurteilung der Ertragslage ergeben. Dies ergibt sich aus einer ganzen Reihe von Wahlrechten (Wertansatz- und Bilanzierungswahlrechte), die bei Bilanzaufstellung vom geschäftsführenden Gesellschafter ausgeübt werden können oder nicht. Für die Personengesellschaften sind hier insbesondere das Wahlrecht nach §253 Abs. 4 H G B (Abschreibungen nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung) und das (auch für Kapitalgesellschaften geltende) Wahlrecht zur Bildung von Aufwandsrückstellungen nach § 2 4 9 Abs. 2 H G B 2 4 zu nennen. Der Gesellschaftsvertrag kann über die Ausübung oder Nichtausübung der Wahlrechte zulässigerweise Bestimmungen treffen 25 . Unabhängig davon wird man aber dem Kommanditisten immer dann ein Auskunftsrecht geben müssen, wenn die ihm vorgelegten Unterlagen diesbezüglich Fragen offenlassen. Denn gerade die beiden genannten Wahlrechte ermöglichen die Bildung stiller Reserven und mindern dann die Gewinnansprüche der Gesellschafter. Auf jeden Fall ist es zulässig22 und je nach Struktur der K G zu empfehlen, die Fragen der Gliederung (wie auch Fragen der Bewertung) im Gesellschaftsvertrag zu regeln.

3. Abschlüsse

von Tochtergesellschaften

und

Konzernabschluß

Das allgemeine Auskunftsrecht umfaßt auch die Angelegenheiten verbundener Unternehmen i. S. der §§ 15-19 AktG 2 6 . Soweit der Einzeljahresabschluß der 2 3 ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, a a O ( F n . 1 3 ) , § 2 6 6 H G B T z 2 2 , s o w i e § 4 2 a G m b H G

Tz

19 (im Druck). 2 4 Vgl. hierzu

ADLER/DÜRING/SCHMALTZ,

aaO

( F n . 13), § 2 5 3

HGB

Tz

25;

BUDDE/

KARIG, in: Beck Bil-Komm, aaO (Fn.22), §246 Anm.64ff. 2 5 ADLER/DÜRING/SCHMALTZ, a a O ( F n . 1 3 ) , V o r b e m . z u § § 2 5 2 - 2 5 6 H G B T z 2 ; H Ü F F E R ,

aaO (Fn. 13), §243 Rdn. 24, 25, der wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes eine klare Regelung im Gesellschaftsvertrag verlangt. 26 SCHILLING, aaO (Fn. 4), § 166 Rdn. 5 unter Hinweis auf das Gervais-Danone-Urteil des B G H v o m 5 . 2 . 1 9 7 9 , N J W 1 9 8 0 , 2 3 1 ; DERS., i n : HACHENBURG, K o m m . z.

GmbHG,

7 2 . Aufl. 1985, §51 a Rdn. 12-14 für die Auskunftsrechte eines GmbH-Gesellschafters nach §51 a G m b H G .

Allgemeines Informationsrecht des Kommanditisten

87

K G betroffen ist, schlagen sich diese Beziehungen zu Konzernunternehmen (vor allem zu Tochterunternehmen) im Beteiligungsansatz und in den Ansätzen zu Forderungen und Verbindlichkeiten nieder. Die K G ist jedoch, wenn nicht das Publizitätsgesetz (§11) anwendbar ist, zur Aufstellung eines Konzernabschlusses nicht verpflichtet 27 . Der Kommanditist kann zunächst in Ausübung seines allgemeinen Informationsrechts um entsprechende Aufklärung über die konzernmäßigen Zusammenhänge und die bilanzmäßigen Auswirkungen ersuchen. Das Verlangen nach Vorlage von Abschlüssen der Tochtergesellschaften wäre dann der nächste Schritt 28 ; hier kommt es wohl darauf an, in welcher Größenordnung die Tochter- zur Muttergesellschaft steht und ob der Kommanditist diese Abschlüsse für die von ihm zu treffenden Entscheidungen benötigt. Eine wiederum andere Frage ist, ob der Kommanditist sein Auskunftsverlangen dahingehend erweitern kann, daß allen Gesellschaftern ein Konzernabschluß vorzulegen sei. Dieses gesteigerte Verlangen wird man nur dann bejahen können, wenn die Gesamtverhältnisse, insbesondere nach Vorlage der Tochterabschlüsse und weiteren Auskünften, Anlaß zu der Besorgnis geben könnten, daß infolge von Verlusten bei Tochtergesellschaften oder infolge vorzunehmender Zwischengewinneliminierung (§ 304 Abs. 1 H G B ) der Konzerngewinn erheblich unter dem Jahresgewinn, der im Einzelabschluß der K G ausgewiesen wird, liegen und sich damit die Gefahr einer wirtschaftlich nicht gerechtfertigten Gewinnentnahme bei der K G ergeben könnte; die Verhältnisse können aber auch umgekehrt liegen. Soweit zu übersehen, haben nur große Kommanditgesellschaften im Gesellschaftsvertrag oder durch Gesellschafterbeschluß die Aufstellung eines („freiwilligen") Konzernabschlusses geregelt. Deshalb könnte hier im Einzelfall der Einräumung eines allgemeinen Informationsrechts an K o m manditisten besondere Bedeutung zukommen. Ganz abgesehen davon wird auch der persönlich haftende Gesellschafter Wert darauf legen müssen, über die Lage im Konzern unterrichtet zu sein, und deshalb einen Konzernabschluß aufstellen. Andererseits ist zu berücksichtigen, daß die Aufstellung eines Konzernabschlusses, vor allem bei Einbeziehung ausländischer Tochtergesellschaften, entsprechender organisatorischer Vorbereitung bedarf und erheblichen Zeit- und Kostenaufwand erfordert. Daher kann in einfach gelagerten Fällen die Forderung des Kommanditisten auf Vorlage eines Konzernabschlusses überzogen sein;

27 Der deutsche Gesetzgeber hat von dem nach der 7. EG-Richtlinie (Art. 4 Abs. 2) eingeräumten nationalen Wahlrecht keinen Gebrauch gemacht und nur Kapitalgesellschaften zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet, vgl. BIENER-BERNEKE, a a O (Fn. 21), S.280. 28 Der B G H will bei 100% igen Tochtergesellschaften dem Gesellschafter einer G m b H ein Einsichtsrecht bei der Tochtergesellschaft gewähren: B G H Z 25, 115 (Urteil vom 8.7.1957); dies bejaht U.SCHNEIDER, B B 1980, 1057 (1059) ausdrücklich auch für die Kommanditisten einer K G als Muttergesellschaft.

88

Reinhard Goerdeler

sie wäre mit der aus der Treuepflicht 29 fließenden Rücksichtnahme auf die Belange der Gesellschaft abzulehnen.

4. Besonderheiten

der

Publikums-KG

Im Hinblick darauf, daß der Bundesgerichtshof für sog. Publikumsgesellschaften (meist in der Rechtsform der GmbH & Co. KG) ein Sonderrecht entwickelt hat, indem er deren Gesellschaftsverträge einer Inhaltskontrolle nach §242 BGB unterwarf 30 , stellt sich auch hier die Frage der Einräumung eines allgemeinen Auskunftsrechts für die Kommanditisten. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß in der Regel die Vielzahl der Kommanditisten (als Kapitalanleger) eine Überwachung der Unternehmensleitung selbst nicht wahrnehmen können. Deshalb wird hier häufig ein besonderes Organ zur Wahrnehmung dieser Rechte eingesetzt, das sich nach der Rechtsprechung an den Maßstäben eines aktienrechtlichen Aufsichtsrats messen lassen muß 31 . Ähnlich wie bei der AG liegen dann Rechte und Pflichten auch in bezug auf den Jahresabschluß bei diesem Organ. Den Kommanditisten wird man in diesen (Massen-)Gesellschaften nur ein Auskunftsrecht in den Grenzen von § 131 AktG einräumen können; es gilt dann auch §131 Abs. 4 AktG entsprechend 32 , wonach alle Gesellschafter auf Verlangen dieselbe Auskunft zu erhalten haben, ggf. mangels Abhaltung einer Gesellschafterversammlung auf dem Schriftwege. Der Gesellschaft steht dann die Informationsverweigerung analog §131 Abs. 3 AktG zu 33 ; jedoch gilt dies bei einer Publikums-KG, die zugleich eine sog. steuerliche Abschreibungsgesellschaft ist, mit der Maßgabe, daß allen Gesellschaftern über die Besteuerungsgrundlagen Auskunft, ggf. durch Ubersendung von Steuerbescheiden und ggf. Betriebsprüfungsberichten, zu erteilen ist (also abweichend von § 131 Abs. 3 Nr. 2 AktG). Sollten den Kommanditisten im Rahmen des Auskunftsverlangens Einsichtsrechte zu gewähren sein, so ist ihnen zuzumuten, sich auf einen gemeinsamen Vertreter zu einigen34. Sind nach Gesellschaftsvertrag die Anleger über einen „Treuhand-Kommanditisten" beteiligt, so steht diesem gegenüber der Gesellschaft das Auskunftsrecht zu; es hängt dann von der internen Regelung mit den Anlegern ab, ob und inwieweit er diesen gegenüber zur Weitergabe der Information verpflichtet ist.

2 9 V g l . SCHILLING, a a O ( F n . 4 ) , § 1 6 6 R d n . 6 .

30 Seit dem Urteil vom 14.4.1975 ( B G H Z 64, 238); hierzu und zu der gesamten R e c h t s p r e c h u n g d e s B G H : KELLERMANN, a a O ( F n . 1 0 ) , S. 2 9 5 f f ; KRIEGER, F S S t i m p e l , 1 9 8 5 , S. 3 0 7 . 3 1 KELLERMANN, a a O ( F n . 1 0 ) , S . 2 9 9 .

32 So auch MERTENS, aaO (Fn. 18), S.569 für die kapitalistisch strukturierte GmbH. 3 3 KARSTEN SCHMIDT, a a O ( F n . 4 ) , S . 4 0 - 4 2 .

34 O L G Celle (Beschluß vom 8.11.1982), BB 1983, 1451.

Allgemeines Informationsrecht des Kommanditisten

V.

89

Schlußbemerkung

Die von der handelsrechtlichen Literatur, insbesondere von Schilling und Wiedemann, vertretene Auffassung eines allgemeinen Informationsrechts für den Kommanditisten sollte unabhängig von § 166 H G B in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gebilligt werden. Das Urteil des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 11. Juli 1988 ist insoweit bereits positiv zu sehen. Die Auswirkungen, die sich neben § 166 Abs. 1 H G B oder einer etwa im Gesellschaftsvertrag enthaltenen abweichenden Gestaltung ergeben, dürften gerade beim Jahresabschluß und seiner Verabschiedung durch die Gesellschafter - je nach der Gesellschafterstruktur - zu befriedigenden Ergebnissen führen. Die Erfahrungen, die auf Seiten der Gerichte, wenn auch mit dem Erzwingungsverfahren nach §51 b GmbHG, gemacht wurden 35 , sprechen dafür, daß ein allgemeines Auskunftsrecht der Kommanditisten mit Bezug auf den Jahresabschluß sich auch im Hinblick auf die jeweilige Struktur und gegebene Situation als hinreichend flexibel erweisen kann und daß bei seiner Ausübung und Durchsetzung auch die Interessen der Gesellschaft Berücksichtigung finden können.

3 5 V g l . GUSTAVUS, G m b H - R d s c h . 1 9 8 9 , 1 8 1 f f .

Ergibt die Vereinsmitgliedschaft „quasi-vertragliche" Ansprüche, „erhöhte Treue- und Förderpflichten" sowie ein „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB? B e s p r e c h u n g d e r E n t s c h e i d u n g B G H Z 110, 3 2 3 *

WALTHER

HADDING

Z u den R e c h t s g e b i e t e n , deren E n t w i c k l u n g der verehrte J u b i l a r Alfred mann

Keller-

als Mitglied und V o r s i t z e n d e r des I I . Zivilsenats des B u n d e s g e r i c h t s h o f s

über eine lange Zeit hin mitgestaltet hat, gehört u n t e r anderem das V e r e i n s r e c h t . O b Alfred

Kellermann

die E i n s c h ä t z u n g v o n Robert

Fischer1

als f r ü h e r e m

V o r s i t z e n d e n des I I . Zivilsenats des B G H geteilt hat, das Vereinsrecht habe „im rechtswissenschaftlichen

Schrifttum

eine

etwas

stiefmütterliche

Behandlung

g e f u n d e n " , ist nicht belegt. J e d o c h unabhängig hiervon sei ihm als D a n k und mit den besten W ü n s c h e n die B e s p r e c h u n g einer neueren E n t s c h e i d u n g des I I . Zivilsenats zu grundsätzlichen F r a g e n aus dem V e r e i n s r e c h t gewidmet. B G B § 31 Zur Schadensersatzpflicht des Vereinsvorstandes für rechtswidrig schuldhafte Eingriffe in das Mitgliedschaftsrecht eines Vereinsmitgliedes. B G H , Urt. v. 12. März 1990 - II ZR 179/89 - O L G Stuttgart. Der Kläger ist Mitglied eines seit 1985 eingetragenen Vereins, der als sogenannte Klassenvereinigung im deutschen Segler-Verband e. V. (DSV) und in den entsprechenden Vereinigungen der anderen Bodensee-Anrainerstaaten Schweiz und Osterreich die Bootsklasse der 30-m 2 -Schärenkreuzer vertritt und sich die Förderung dieser Bootsklasse und der Eigner dieses Bootstyps zur Aufgabe gemacht hat. Dem Verein gehörten Ende 1984 rund 100 Mitglieder an, davon 74 Eigner der betreffenden Bootsklasse. Innerhalb der genannten Verbände hat der Verein die Entscheidungskompetenz über Bau und Ausgestaltung dieser Schiffsklasse. Nach längeren Vorarbeiten legte der technische Ausschuß des Vereins im Juli 1985 neue Klassenvorschriften für diese Bootsklasse vor, die am 17. September 1985 von der Generalversammlung nach geringfügigen Änderungen verabschiedet wurden. Ziel der Neuregelung war u. a. die Vermeidung von „Materialschlachten" durch immer aufwendigere Neubauten und Sicherung der sportlichen Chancengleichheit unter den Mitgliedern des Vereins. Die Neuregelung ist am 1. Januar 1986 in Kraft getreten. Nach der Ubergangsre* Veröffentlicht u.a. in: N J W 1990, 2877; W M 1990, 1539; WuB II L, §31 B G B 1.91 (BEUTHIEN/KIESSLER); Z I P

1990, 1067; E W i R

§31

B G B 2 / 9 0 , 7 4 5 (HADDING); JUS

1991, 152 (K.SCHMIDT).

1 Anm. bei L M §25 B G B Nr. 8; ebenso DERS., in: Reden anläßlich der Übergabe der Festschrift für Robert Fischer, 1979, S. 11.

Walther Hadding

92

gelung der Ziffer 1.7 der Neubauvorschriften ist für vor diesem Termin gebaute Yachten der „bisherige Meßbrief weiter gültig bzw. können [sie] einen Meßbrief erhalten, wenn die zur Zeit des Baues gültigen Vorschriften eingehalten wurden". In den Jahren 1984/1985 ließ sich der Kläger einen Schiffsneubau nach den damals noch geltenden Klassenvorschriften fertigen. Als der (seinerzeit als Rechtsvorgänger noch nicht eingetragene) Verein die Baupläne ablehnte, ließ der Kläger sie von der schwedischen Klassenvereinigung genehmigen. Das Schiff erhielt nach seinem Stapellauf Anfang Juni 1985 Meßbrief und Verbandszertifikat des DSV. In den Jahren 1986 und 1987 wurde dem Kläger die Teilnahme an der Regatta „Rundum-den-Bodensee" von dem Veranstalter verweigert, weil sein Schiff nicht den Klassenvorschriften des Vereins entspreche. Dies geschah 1987 nach Rücksprache mit dem Vorsitzenden des Vereins. Daraufhin hat der Kläger sein Boot in der Wintersaison 1987/ 1988 zu einer sog. Ausgleichsyacht umbauen lassen, die in der offenen Bootsklasse starten kann. Wegen der durch die Nichtzulassung als Regattayacht entstandenen Wertminderung des Schiffes im Verkaufsfalle oder alternativ wegen der durch den Umbau entstandenen zusätzlichen Kosten verlangt der Kläger zum einen von dem Verein, zum anderen von dem Vorsitzenden persönlich Schadenersatz in Höhe von vorerst 70 0 0 0 , - DM. Die Revisionen der Parteien führten zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

I.

Fragestellungen

Der Kläger begehrt als Vereinsmitglied Schadenersatz, und zwar von seinem Verein, aber auch von dem Vorsitzenden persönlich. Demgemäß ist der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zunächst darauf eingegangen, ob im Verhältnis des Mitglieds zum Verein ein Schadenersatzanspruch besteht. In erster Linie ist geprüft worden, ob der Verein schadenersatzpflichtig ist (§31 BGB), weil der Vorstand ein Recht des Klägers aus dem Mitgliedschaftsverhältnis schuldhaft verletzt hat (vgl. unten II.). Sodann hat der Bundesgerichtshof zu der umstrittenen Frage Stellung genommen, ob daneben - in Anspruchskonkurrenz - eine Schadenersatzpflicht des Vereins gegenüber dem Mitglied nach deliktsrechtlichen Vorschriften gegeben ist, insbesondere aufgrund der Annahme, „das Mitgliedschaftsrecht" sei zugleich ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB (vgl. unten III.). In diesem Zusammenhang war nach den Umständen des Falles zu klären, ob ein Vereinsmitglied bei Meinungsverschiedenheiten über die nach dem Vereinszweck gebotene Förderung seiner Interessen es zu einem hohen Schaden kommen lassen darf oder aufgrund einer Treupflicht andere Maßnahmen ergreifen muß (vgl. unten IV.). Schließlich war bislang noch nicht höchstrichterlich entschieden, unter welchen Voraussetzungen eine persönliche Schadenersatzpflicht der einzelnen Organperson (hier: Vorstand) gegenüber einem Vereinsmitglied in Betracht kommt (vgl. unten V.). Für die in ihren gesellschaftlichen Wirkungen kaum zu überschätzende Vielzahl von Vereinen in Deutschland ist es vor allem von erheblicher Tragweite, daß der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs „das Mitgliedschaftsrecht" des einzel-

Vereinsmitgliedschaft als „sonstiges Recht" im Sinne des § 8 2 3 Abs. 1 B G B ?

93

nen Vereinsmitglieds, und zwar „in seinem Kern", sowohl im Verhältnis zum Verein als auch grundsätzlich gegenüber den Organpersonen als „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB qualifiziert hat.

II. Die Nichtanerkennung des Schiffes und die unrichtige Auskunft als Verletzung eines „mitgliedschaftlichen Erfüllungsanspruchs" Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs legt zunächst dar, in der Uberleitungsbestimmung (Ziffer 1.7) der ab 1. Januar 1986 maßgebenden Bauvorschriften seien alle vor diesem Datum gebauten Boote unter der einzigen Voraussetzung als „klassengerecht" anerkannt, daß sie den zu ihrer Bauzeit geltenden Richtlinien entsprechen. Diese Voraussetzung sei bei dem im Juni 1985 fertiggestellten Schiff des Klägers unstreitig erfüllt. Der Kläger habe auch nicht gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn er die Zeit vor der Einführung der neuen Baurichtlinien dazu genutzt habe, ein technisch hochleistungsfähiges („optimiertes") Schiff nach Maßgabe der vorerst noch weitergeltenden alten Richtlinien bauen zu lassen. Bei dieser Sach- und Rechtslage sei die im Jahr 1987 erteilte Auskunft des Vorsitzenden des Vereins gegenüber dem Veranstalter der Segelregatta „Rund-um-den-Bodensee", daß das Schiff des Klägers nicht den Zulassungsvoraussetzungen entspreche, sachlich unrichtig gewesen.

1. Die verletzten Mitgliedschaftsrechte und die Rechtsgrundlage eines Schadenersatzanspruchs des Vereinsmitglieds Der Bundesgerichtshof konstatiert, durch die unrichtige Auskunft habe der Vorstand des Vereins mindestens fahrlässig „die Mitgliedschaftsrechte" des Klägers verletzt. Diese Feststellung wird in zwei Richtungen konkretisiert: (a) Zu den Mitgliedschaftsrechten gehöre „das Recht eines jeden Mitglieds, nicht entgegen den geltenden vereinsrechtlichen Bestimmungen behandelt zu werden". Der II. Zivilsenat 2 habe dies für gesetz- oder satzungswidriges Verhalten des Vereins gegenüber seinem Mitglied schon verschiedentlich ausgesprochen. Für „Vereinsordnungen", zu denen auch die Baurichtlinien des beklagten Vereins gehören dürften, könne insofern nichts anderes gelten 3 , (b) Zu den Mitgliedschaftsrechten des Klägers als Vereinsmitglied zähle des weiteren „das Recht . . . 2 Vgl. die eigenen Angaben im vorliegenden Urteil: „ B G H Z 21, 370; 29, 352; 47, 381 ff". 3 Vgl. zu sogenannten „Vereinsordnungen" neben der Satzung: LUKES, N J W 1972, 121; LOHBECK, M D R

1972,

381;

W . KIRBERGER, D i e N e b e n o r d n u n g e n

im Vereins-

und

Verbandsrecht, Diss. Marburg 1981; GRUNEWALD, Vereinsordnungen, ZHR 152 (1988), 242 ff.

94

Walther Hadding

auf Schutz und Förderung seiner Interessen als Eigner eines 30-m 2 -Schärenkreuzers auch gegenüber Dritten" (vgl. §3 Ziffer 1 der Satzung). Sodann folgt die gleichlautende Aussage wie in dem Urteil B G H Z 90, 92, 95 (zur unberechtigten Ausschließung eines Vereinsmitglieds): „ Die Verletzung der Mitgliedschaftsrechte durch den Vorstand begründet - ähnlich der positiven Vertragsverletzung - Schadensersatzpflichten, für die der Verein nach §31 B G B haftet". Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs geht also nicht einfach unmittelbar von einer positiven Forderungsverletzung aus, sondern beläßt die Rechtsgrundlage der Schadenersatzpflicht unter einem geheimnisvollen Schleier, indem er sie als „ähnlich der positiven Vertragsverletzung" qualifiziert. Erst in anderem Zusammenhang4 wird das Geheimnis ein wenig gelüftet: Das Mitgliedschaftsverhältnis mit den aus ihm entspringenden Treue- und Förderpflichten bestehe nur zwischen dem Vereinsmitglied und dem Verein und könne deshalb nur dort „die Grundlage eines quasi-vertraglichen Schadensersatzanspruchs" bilden. Die persönliche Haftung eines Vereinsorgans gegenüber einem Mitglied lasse sich mithin nicht „in Entsprechung zu dem Rechtsinstitut der positiven Vertragsverletzung auf die Verletzung eines vertragsähnlichen Rechtsverhältnisses" zwischen dem Vereinsorgan und dem Mitglied gründen.

2. Kritische

Stellungnahme

a) Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs meint demnach, das Mitgliedschaftsverhältnis zwischen einem Vereinsmitglied und dem Verein sei ein „vertragsähnliches Rechtsverhältnis" und bilde bei einer schuldhaften Verletzung der aus ihm entspringenden Treue- und Förderpflichten die Grundlage eines „quasivertraglichen Schadensersatzanspruchs" („ähnlich der positiven Vertragsverletzung"). Dieser ganz unklaren rechtlichen Qualifizierung muß widersprochen werden. Im geltenden deutschen Zivilrecht auf der Grundlage der Privatautonomie des einzelnen Bürgers (Art. 2 Abs. 1 GG) können Rechte und Rechtspflichten entweder aus rechtsgeschäftlich, insbesondere vertraglich, begründeten Rechtsverhältnissen oder aus gesetzlich entstandenen Rechtsverhältnissen hervorgehen. Andere Rechtsquellen als Rechtsgeschäft und Gesetz kommen für zivilrechtliche Verhältnisse nicht in Betracht. Der Inhalt solcher Rechtsverhältnisse mag durch richterliche Erkenntnis, ζ. B. durch sog. ergänzende Vertragsauslegung oder durch Regelungen aus richterlicher Rechtsfortbildung, ergänzt werden. Diese Gegebenheit erweitert jedoch nicht den Kreis der zivilrechtlichen Rechtsquellen; es bleibt bei den beiden Arten von Entstehungstatbeständen von

4 Vgl. II.2. der Entscheidungsgründe zur persönlichen Schadenersatzpflicht des beklagten Vorsitzenden des Vereins.

Vereinsmitgliedschaft als „sonstiges Recht" im Sinne des § 8 2 3 Abs. 1 B G B ?

95

Rechtsverhältnissen: Rechtsgeschäft oder Gesetz 5 . Wer von einem „vertragsähnlichen" oder „quasi-vertraglichen" Rechtsverhältnis spricht, kann demnach nur ein nicht vertraglich, also gesetzlich entstandenes Rechtsverhältnis meinen, in dem bestimmte Vorschriften, die für vertraglich begründete Rechtsverhältnisse gelten, anwendbar sein sollen6. Nun wird der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs nicht der Rechtsauffassung sein, das Mitgliedschaftsverhältnis, d. h. das Rechtsverhältnis zwischen Mitglied und Gesellschaft (i.w. S.) entstehe bei einem Verein kraft Gesetzes. Es liegt vielmehr auf der Hand, daß dieses Mitgliedschaftsverhältnis entweder durch Beteiligung an der Gründung (durch Abgabe der entsprechenden Willenserklärung zur Feststellung der Satzung) oder durch Beitritt (Aufnahmevertrag) entsteht. Der Entstehungstatbestand des Mitgliedschaftsverhältnisses beim Verein läßt sich daher zweifelsfrei nur als rechtsgeschäftlich qualifizieren7. Dann aber kann auch dieses Rechtsverhältnis selbst nicht als nur „vertragsähnlich" oder „quasi-vertraglich" gekennzeichnet werden. b) Warum der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sich selbst in die Ecke einer solchen rechtssystematischen Ungereimtheit stellt, mag verwundern. Es läßt sich allein dadurch erklären, daß man wohl noch nicht jener „korporationsrechtlichen" Betrachtungsweise zu den Grundlagen des Vereinsrechts abschwören will, auf die man sich unter dem Vorsitz von Robert Fischer eingelassen hatte 8 . Nach diesem „korporationsrechtlichen" Verständnis soll vor allem die Satzung eines Vereins, sobald er „ins Leben getreten ist" (?), „nicht mehr als Vertrag, sondern als seine Verfassung" gelten, „der sich die Mitglieder unterworfen haben und die für sie kraft Korporationsrechts gilt" 9 . Ebenso soll mit der Entstehung des Vereins ζ. B. die Geschäftsordnung „zu einer eigenständigen körperschaftsrechtlichen Norm des Vereinslebens" werden 10 ; die Ehrengerichtsordnung eines Vereins soll „abstrakt-generelle Normen des Vereinsrechts" enthalten11. In diesem Zusammenhang ist dann auch von einer Befugnis zur 5 Vgl. zu angeblich möglichem „Gewohnheitsrecht" die überzeugende Kritik bei ERNST WOLF, Allgem. Teil des bürgerl. Rechts, 3. Aufl. 1982, S.69F, 670. 6 Vgl. zutreffend GERNHUBER, Bürgerliches Recht, 2. Aufl. 1983, § 4 0 III l a ) unter der Uberschrift „Erweiterungen der Vertragshaftung": Die Haftung wegen culpa in contrahendo sei „Haftung aus einem Legalschuldverhältnis ohne primäre Leistungspflicht". Es habe sich „Gewohnheitsrecht nach richterlicher Rechtsfortbildung" gebildet. Ahnlich D. SCHWAB, Einführung in das Zivilrecht, 8. Aufl. 1989, Rdn. 718. Neuestens WIEDEMANN, Der Gesellschaftsvertrag der Personengesellschaften, W M 1990, Sonderbeilage 8, Fn. 45: „Das Institut des Quasivertrages hat auch rechtshistorisch nie eine stärkere Verfestigung erfahren denn als Sammelbecken für nichtdeliktische gesetzliche Schuldverhältnisse." 7 Vgl. näher SOERGEL/HADDING, K o m m . z. B G B , 12. Aufl. 1988, § 3 8 Rdn. 6 ff. 8 Vgl. dazu im einzelnen HADDING, Korporationsrechtliche oder rechtsgeschäftliche Grundlagen des Vereinsrechts?, FS R.Fischer, 1979, S. 165ff m . N . 9 Vgl. B G H Z 21, 370, 373, 3 7 4 / 3 7 5 . 10 Vgl. B G H Z 47, 172, 180/181. 11 Vgl. B G H Z 47, 172, 179.

96

Walther Hadding

„ R e c h t s e t z u n g " von „eigenständigen körperschaftsrechtlichen N o r m e n des V e r einslebens" 1 2 , von einer „selbständigen Vereinsgewalt" („eigene Strafgewalt") 1 3 und einem „ R e c h t der Selbstverwaltung" des Vereins 1 4 die Rede. W a s gegen diese „korporationsrechtliche" Betrachtungsweise mit ihren terminologischen Anleihen im öffentlichen R e c h t im einzelnen eingewandt werden muß, ist schon anderenorts vorgebracht worden 1 5 . E s ist im Ergebnis v o r allem ein Verlust an Rechtssicherheit zu beklagen. W e r vermag auch nur annähernd vorauszusehen, wie eine „korporationsrechtliche" Betrachtungsweise ohne tatbestandlich umrissene Anknüpfungspunkte von Fall zu Fall vage fortentwickelt wird? Demgegenüber bietet das rechtsgeschäftliche Verständnis der vereinsrechtlichen G r u n d lagen unmittelbar ein festes Bezugssystem gesetzlich ausgeformter Regelungszusammenhänge im allgemeinen Zivilrecht.

3. Die unmittelbare Anwendung der §§ 280 Abs. 1, 31 BGB als zutreffender Rechtsgrundlage M i t Blick auf den vom II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs zu beurteilenden „Schärenkreuzer"-Fall ergibt sich hiernach folgendes: a) D a s Mitgliedschaftsverhältnis

zwischen dem Vereinsmitglied und dem

Verein hat einen Entstehungstatbestand, der - wie gesagt - nur rechtsgeschäftlich qualifiziert werden kann, nämlich entweder als Willenserklärung zur Feststellung der Satzung (Gründungsvertrag) oder als Eintritt (Aufnahmevertrag). Mag auch die Satzung vorwiegend als Organisationsvertrag die Organe des Vereins und ihre Zuständigkeiten regeln, so ist sie auch zugleich ein schuldrechtlicher Vertrag, soweit ζ. B . Beitragspflichten der Mitglieder begründet werden. Sowohl in organisationsrechtlicher als auch in schuldrechtlicher Hinsicht beruhen die Mitgliedschaftsrechte des einzelnen Vereinsmitglieds gegenüber dem Verein eindeutig auf einer vertraglichen Grundlage. O b die Mitgliedschaft durch T e i l nahme an der G r ü n d u n g des Vereins oder durch späteren Eintritt in den Verein begründet worden ist, macht für die in jedem Falle rechtsgeschäftliche Qualität ihrer Entstehung keinen Unterschied. D i e Mitgliedschaft aber ist die gesamte Stellung des Vereinsmitglieds im Mitgliedschaftsverhältnis zu dem Verein; sie umfaßt alle aktuellen und potentiellen einzelnen Mitgliedschaftsrechte

und

-pflichten gegenüber dem Verein. Zutreffend hat der I I . Zivilsenat des Bundesgerichtshofs festgehalten, daß zu den einzelnen Mitgliedschaftsrechten des Vereins12 Vgl. B G H Z 49, 396, 398. 13 Vgl. B G H Z 29, 352, 354/355; BGHZ 21, 370, 375. 14 Vgl. B G H Z 29, 352, 355; BGHZ 49, 396, 398. 15

H A D D I N G , a a O ( F n . 8 ) ; S O E R G E L / H A D D I N G , a a O ( F n . 7 ) , § 2 5 R d n . 11 f f ; e b e n s o

aus-

führlich VAN LOOK, Vereinsstrafen als Vertragsstrafen (Sehr. z. Bürgerl. Recht, Bd. 1 2 5 ) , 1 9 9 0 , § 5 (S. 72 ff).

Vereinsmitgliedschaft als „sonstiges Recht" im Sinne des §823 Abs. 1 BGB?

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mitglieds das Recht gegenüber dem Verein gehört, „nicht entgegen den geltenden vereinsrechtlichen Bestimmungen behandelt zu werden". Selbstverständlich muß der Verein als der andere Beteiligte des Mitgliedschaftsverhältnisses sich durch seine Organe und sonstigen Hilfspersonen gegenüber dem Vereinsmitglied nicht nur gesetzesgemäß, sondern in erster Linie vertragsgemäß verhalten. Das vertragsgemäße Verhalten umfaßt die Beachtung der Satzung, aber ohne weiteres auch das Einhalten von Regelungen in „Vereinsordnungen" (wie hier den Vermessungs- und Bauvorschriften für 30-m 2 -Schärenkreuzer). Offenbar aus dem Wortlaut der Satzung des beklagten Vereins (§3 Nr. 1) hat der Bundesgerichtshof hergeleitet, daß dem Kläger als Vereinsmitglied des weiteren das Recht „auf Schutz und Förderung seiner Interessen als Eigner eines 30-m 2 -Schärenkreuzers auch gegenüber Dritten" zusteht. Auch dem ist sicherlich zuzustimmen. Man wird sogar unabhängig vom ausdrücklichen Wortlaut es allgemein als stillschweigend vereinbarten Inhalt einer Vereinssatzung annehmen können, daß dem einzelnen Vereinsmitglied, soweit es in Ubereinstimmung mit dem Vereinszweck tätig wird, ein solches „Recht auf Schutz und Förderung seiner Interessen . . . auch gegenüber Dritten" zukommt. Denn ein diesem Recht des Vereinsmitglieds entsprechendes Verhalten der Organe und sonstigen Hilfspersonen des Vereins kann nur seinerseits auf die Erreichung des Vereinszwecks gerichtet sein. Demgemäß hatte der Kläger - wie der Bundesgerichtshof in anderem Zusammenhang der Entscheidungsgründe 16 es formuliert - einen „mitgliedschaftlichen Erfüllungsanspruch" gegen den Verein auf Anerkennung seines Schiffes als klassengerecht und auf eine diesbezügliche richtige Auskunft gegenüber Dritten (hier dem Veranstalter der Segelregatta „Rund-um-den-Bodensee"). Es sei erneut hervorgehoben, daß es sich bei diesem Erfüllungsanspruch aus dem Mitgliedschaftsverhältnis um nichts anderes als eine (nicht synallagmatische) Forderung aus einem durch Rechtsgeschäft begründeten Rechtsverhältnis (Organisations· und Schuldverhältnis) handelte. b) Fragt man nunmehr nach den Rechtsfolgen, die sich aus der Nichtanerkennung des Schiffes durch den Verein und der unrichtigen Auskunft des Vorsitzenden gegenüber dem Veranstalter der Segelregatta für die Beteiligten ergeben, ist der Beurteilende zwanglos und unmittelbar auf das Recht der Leistungsstörungen im allgemeinen Schuldrecht verwiesen. Der „mitgliedschaftliche Erfüllungsanspruch" des Klägers als Vereinsmitglied auf Anerkennung des inzwischen zu einer sogenannten Ausgleichsyacht umgebauten 30-m 2 -Schärenkreuzers und auf richtige Auskunft über den klassengerechten Zustand seines Schiffes, die eine Teilnahme an der Segelregatta 1987 „Rund-um-den-Bodensee" ermöglicht hätte, kann von dem Verein nicht mehr erfüllt werden (und auch von niemandem sonst). Da mithin die Erfüllung inzwischen durch ein mindestens fahrlässiges

16 Vgl. unter I.5.b).

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Walther Hadding

Verhalten (§276 BGB) des Vereinsvorstands unmöglich geworden ist17, entstand für das Vereinsmitglied ein Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung nach ^ 280 Abs. 1 BGB (nachträgliche, vom Schuldner zu vertretende Unmöglichkeit der Erfüllung einer nicht synallagmatischen Leistungspflicht). Diese Schadenersatzpflicht trifft nach §31 BGB den Verein 18 . Den Blick auf diese eindeutige Rechtslage hat der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sich offenbar durch den Schleier der „korporationsrechtlichen" Betrachtungsweise verhangen. Wenn nämlich ein mitgliedschaftlicher (primärer) Erfüllungsanspruch von dem Verein nicht mehr erfüllt werden kann (und von niemandem sonst), kommen nur die Rechtsfolgen einer nachträglichen Unmöglichkeit der Leistung in Betracht. Im zu beurteilenden Fall wäre ein Schadenersatzanspruch des Vereinsmitglieds wegen positiver Forderungsverletzung nur gegeben, wenn der Verein eine Hauptleistungspflicht lediglich schlecht erfüllt hätte oder etwa einer Nebenleistungspflicht nicht nachgekommen wäre. Wenn der Bundesgerichtshof mit dem Hinweis „ähnlich der positiven Vertragsverletzung" die eigentliche Grundlage des angeblich „quasi-vertraglichen Schadensersatzanspruchs" letztlich im Dunkeln gelassen hat, ist damit zugleich verdeckt worden, daß der Kläger nicht nur den Ersatz eines Begleitschadens oder Folgeschadens (wegen positiver Forderungsverletzung), sondern Schadenersatz wegen Nichterfüllung eines (primären) mitgliedschaftlichen Anspruchs (wegen nachträglicher Unmöglichkeit) von dem Verein verlangen kann. Erstes Fazit: Für ein Vereinsmitglied ergibt das Mitgliedschaftsverhältnis gegenüber dem Verein - entgegen der Ansicht des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs - nicht „quasi-vertragliche" Ansprüche, deren schuldhafte Nichterfüllung infolge nachträglicher Unmöglichkeit nur einen Schadenersatzanspruch „ähnlich der positiven Vertragsverletzung" begründet. Es entsteht vielmehr ein Anspruch auf Schadenersatz wegen Nichterfüllung unmittelbar nach §§280 Abs. 1, 31 BGB. Das ergibt sich zwanglos aus dem gebotenen rechtsgeschäftlichen Verständnis der vereinsrechtlichen Grundlagen. III. Die „Mitgliedschaft ... in ihrem Kern" als „sonstiges Recht" im Sinne des §823 Abs. 1 BGB auch im Verhältnis zu dem Verein (§31 BGB) Das Schwergewicht der Entscheidung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs wird in der Praxis sicherlich bei der Feststellung gesehen, daß bei einem 17 Mit Recht stellt der Bundesgerichtshof fest, daß der zu der „Weigerungshaltung" hinzutretende Willensentschluß des Klägers, mit dem Umbau des Schiffes zu reagieren, „den Zurechnungszusammenhang und damit die rechtliche Ursächlichkeit" des Verhaltens des Vereins für den Schaden nicht ausschließt. 18 Der Verein haftet gemäß §31 BGB für jedes Verhalten eines „verfassungsmäßig berufenen Vertreters", das den Tatbestand irgendeiner Regelung erfüllt, die zum Schadenersatz verpflichtet (vgl. schon RG Recht 1918 Nr. 961; O L G Stuttgart Seuff Arch 82, N r . 1).

Vereinsmitgliedschaft als „sonstiges Recht" im Sinne des §823 Abs. 1 BGB?

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jeden Verein die „Mitgliedschaft . . . in ihrem K e r n " als ein „sonstiges R e c h t " im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B zu gelten habe und daß insoweit „das Mitgliedschaftsrecht" nicht nur durch außenstehende D r i t t e , sondern auch durch andere Vereinsmitglieder oder einzelne Vereinsorgane verletzt werden könne. W e n n die Voraussetzungen des § 3 1 B G B erfüllt sind, richte sich der Schadenersatzanspruch des Vereinsmitglieds aufgrund von § 823 A b s . 1 B G B auch gegen den Verein. Falls eine Schadenersatzpflicht des Vereins gegenüber dem Mitglied schon wegen schuldhafter Verletzung eines Mitgliedschaftsrechts „ähnlich der positiven Vertragsverletzung" gegeben sei, bestehe der deliktische Anspruch ( § § 3 1 , 823 A b s . 1 B G B ) „daneben" - also offenkundig in A n s p r u c h s k o n k u r renz 1 9 .

1. Zum Stand der

Meinungen

D e r I I . Zivilsenat des Bundesgerichtshofs meint, „das Mitgliedschaftsrecht" werde „allgemein [Zitate] zugleich als sonstiges R e c h t nach § 8 2 3 A b s . 1 B G B angesehen". Es sei „weitgehend anerkannt, daß das Mitgliedschafts Verhältnis zugleich als sonstiges R e c h t i. S. des § 8 2 3 Abs. 1 B G B zu gelten h a t " . G e h t man dieser Feststellung im einzelnen nach, so tritt zutage, wie leicht durch unreflektiertes Zitieren von zwei Entscheidungen des Reichsgerichts in der Literatur, nämlich R G Z 100, 2 7 4 , 2 7 8 (zur G m b H ) und R G Z 158, 2 4 8 , 2 5 5 (zur A G ) , eine schon im Ausgangspunkt überaus zweifelhafte Rechtsauffassung aufgrund weniger knapper Stellungnahmen in der Rechtslehre 2 0 als „unbestritten" und sodann höchstrichterlich 2 1 als „weitgehend anerkannt" gekennzeichnet und ohne eigene Darlegungen übernommen wird. a) In

dem

Fall R G Z

100, 2 7 4 war der vermeintlich n o c h

verpfändete

Geschäftsanteil an einer Gesellschaft mit beschränkter H a f t u n g im W e g e des Pfandverkaufs versteigert worden, o b w o h l in diesem Zeitpunkt das Pfandrecht nicht m e h r bestand. Zur Begründung des Schadenersatzanspruchs hatte das Oberlandesgericht auf § 823 Abs. 1 B G B hingewiesen. D a s Reichsgericht ( a a O , S. 2 7 8 ) meint nur kurz, die Darlegungen des Oberlandesgerichts seien „auch darin nicht zu beanstanden, daß der Geschäftsanteil an einer Gesellschaft m b H als ein ,sonstiges R e c h t ' im Sinne des § 823 A b s . 1 B G B zu erachten ist (vgl. auch

1 9 Vgl. d a z u ARENS, A C P 1 7 0 ( 1 9 7 0 ) , 3 9 2 ; SCHLECHTRIEM, V e r t r a g s o r d n u n g u n d a u ß e r -

vertragliche Haftung, 1972. 20 Vgl. HACHENBURG/MERTENS, Komm. z. G m b H G , 7. Aufl., Bd. 2, 1979, § 4 3 Rdn. 105:

Nur zwei Literaturzitate. 21 Im vorliegenden Urteil des BGH.

100

Walther Hadding

R G Z 57, 414)". Genaueres wird nicht ausgeführt. Vielmehr klingt in den folgenden Sätzen der Entscheidungsgründe sogar eine gewisse Skepsis an: „ N ä h e r hätte es vielleicht gelegen, den Schadensersatzanspruch als einen Vertragsanspruch anzusehen. Der Kläger stützt ihn darauf, daß die Beklagte gegen vereinbarte Regeln über den Pfandverkauf verstoßen habe . . . " . D a s Urteil R G Z 57, 414 besagt nur, daß der Anteil an einer G b R wirksam als Recht verpfändbar sei. In dem Fall R G Z 158, 248 hat das Reichsgericht (aaO, S.255) - wiederum ohne Begründung - nur ausgesprochen, die Aktie werde „zwar als ein s o n s t i g e s Recht' im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B anzusehen sein (vgl. R G Z 100, 278 für den Anteil an einer G m b H ) , sie kann aber nicht dadurch im Sinne dieser Bestimmung widerrechtlich verletzt werden, daß ihr Wert durch Handlungen, die den Wert und die Ertragsfähigkeit der Aktiengesellschaft schmälern, gemindert wird, sondern nur dadurch, daß der Aktionär u m die Aktienrechte selbst ganz oder teilweise gebracht w i r d " . Wer diese wenig ergiebigen Aussagen des Reichsgerichts zur Anerkennung der Mitgliedschaft in einer G m b H oder in einer A G als „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 A b s . 1 B G B zur Kenntnis nimmt, versteht, daß der Bundesgerichtshof selbst in dem vorliegenden Urteil zur Mitgliedschaft in einem Verein nicht auf die Entscheidungen des Reichsgerichts B e z u g genommen hat. Statt dessen werden Stellungnahmen in der Rechtslehre zitiert. b) In der gegenwärtigen Rechtslehre hat namentlich H.-J. Mertens22 zur Mitgliedschaft in der G m b H die genannten Entscheidungen des Reichsgerichts aufgegriffen und die These vertreten, „das Mitgliedschaftsrecht" des Gesellschafters sei als ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 A b s . 1 B G B nicht nur bei seiner „Vernichtung" verletzt, sondern schon bei einer jeden „Verkürzung der in ihm zusammengefaßten Herrschafts-, Teilhabe- und Vermögensfunktionen, soweit diese sich nicht nur als Reflex einer Veränderung des Gesellschaftsvermögens selbst darstellt". D e n n das Deliktsrecht schütze „nicht allein den rechtlichen Bestand des absoluten Rechts, der als solcher durch den deliktischen Eingriff oft gar nicht angetastet wird, sondern das dadurch dem Rechtsinhaber zugeordnete Vermögenssubstrat, sei es als Herrschaftsmacht und Einflußspielraum, sei es als Wertzuweisung". Freilich müsse „der Zuweisungsgehalt des Rechts selbst, nicht nur sein Wert, durch den Eingriff betroffen sein. Jeder in diesem Sinne unmittelbare Eingriff in das Substrat der durch Gesetz und Satzung ausgeformten Mitgliedstellung" verpflichte mithin den Verletzer zu Ersatz des daraus resultierenden Schadens.

22 HACHENBURG/MERTENS, a a O (Fn.20), §43 R d n . 105; MERTENS, D i e Geschäftsführer-

haftung in der GmbH, FS R.Fischer, 1979, S.461, 469; s. auch MERTENS, Münchener Komm. z. B G B , 2. Aufl., Bd. 3/2, 1986, §823 Rdn. 131.

Vereinsmitgliedschaft als „sonstiges Recht" im Sinne des §823 Abs. 1 B G B ?

101

In der Tat ist man sich inzwischen darin nahezu einig, daß - wie Grunewald23 es formuliert - „die Entwertung der Mitgliedschaft in Folge von Maßnahmen, die das Vermögen der Gesellschaft vermindern, nicht als Rechtsverletzung im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B zu werten ist, da es sich insoweit nur um mittelbare Beeinträchtigungen handelt". Daher könnten deliktische Ansprüche nur durch „solche Verhaltensweisen" entstehen, „die das Mitglied selbst betreffen, indem sie ihm die Wahrnehmung seiner in der Mitgliedschaft verkörperten Rechte entweder erschweren oder unmöglich machen". Demgegenüber ist die andere Frage nach wie vor durchaus umstritten, ob ein deliktsrechtlicher Schutz der Mitgliedschaft bloß gegenüber außenstehenden Dritten, nicht aber auch im Verhältnis zu der Gesellschaft selbst und ihren Organpersonen sowie zu den Mitgesellschaftern in Betracht kommt. Vor allem Wiedemann24 hat vertreten, daß im Innenverhältnis zur Gesellschaft und der Gesellschafter untereinander § 823 BGB nicht anwendbar sei, weil der Schutz des Teilhabers in diesem Bereich allein durch die besonderen Regelungen des Gesellschaftsrechts bestimmt werde. Auf der anderen Seite hat wiederum H.J. Mertens25 betont, daß das Deliktsrecht bei Verletzung deliktisch geschützter Positionen auch im Rahmen besonderer Schuldverhältnisse zur Anwendung komme. Im übrigen bestehe im Recht der Kapitalgesellschaften „jedenfalls zwischen dem Geschäftsführungsorgan und dem einzelnen Gesellschafter grundsätzlich gerade keine besondere schuldrechtliche Beziehung". Auch innerhalb der Aktiengesellschaft dürfe man „den Schutz des einzelnen Gesellschafters, der sich nach allgemeinem Deliktsrecht ermöglichen läßt, nicht einschränken" 26 . Allerdings könne dies nicht dazu führen, daß der deliktische Eingriff eines Geschäftsführers in das Mitgliedschaftsrecht eines Gesellschafters „über §31 BGB oder § 831 B G B der Gesellschaft selbst zugerechnet werden darf". Daß der 23 Die Gesellschafterklage in der Personengesellschaft und der G m b H , 1990, S.99 m . N . Fn.4. 24 Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, S. 39, 464. Ihm folgen in der Sache TEICHMANN, FS Mühl, 1981, S.663, 677; M.WINTER, Mitgliedschaftliche Treuebindungen im GmbH-Recht, 1988, S . 5 5 ; BRONDICS, D i e A k t i o n ä r s k l a g e , 1 9 8 8 , S . 8 7 ; S C H O L Z / U . H . S C H N E I D E R , K o m m . z .

GmbHG,

7. Aufl., Bd. II, 1988, §43 Rdn.215; GRUNEWALD, a a O (Fn.23), S. 100; im Ergebnis auch MEYER-LANDRUT, in: Meyer-Landrut/Miller/Niehus, K o m m . z. G m b H G , 1987, §43 Rdn. 3; BAUMBACH/HUECK/ZÖLLNER, K o m m . z. G m b H G , 15. Aufl. 1988, §43 Rdn. 2. 25

HACHENBURG/MERTENS,

aaO (Fn.20),

§ 4 3 R d n . 106; MERTENS, F S R . F i s c h e r ,

aaO

(Fn.22), S.469/470. Ihm folgen in der Sache: LÜTTER, ACP 180 (1980), S. 84, 130f; KION,

ΒΒ

1984,

864,

868;

WINTER,

aaO

(Fn.24),

S.54;

nur

im

Ausgangspunkt:

GRUNEWALD, a a O ( F n . 2 3 ) , S . 9 9 .

26 Ebenso zur A G schon HEFERMEHL, in: Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, K o m m . z. A k t G , 1973 ff, §93 Rdn. 94; nunmehr MERTENS, Kölner K o m m . z. A k t G , 2. Aufl., B d . 2 , 1989, § 9 3 R d n . 172; z u s t i m m e n d BORK, Z I P 1990, 1037, 1042; kritisch WIEDE-

MANN, Gesellschaftsrecht, B d . I , 1980, § 8 IV 1 c) dd) (S.463f).

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Walther Hadding

Anwendungsbereich der §§31, 831 BGB „durch spezifisch gesellschaftsrechtliche Gesichtspunkte eingeschränkt werden kann, ist unproblematisch". Darin liegt eine erhebliche Einschränkung, die eine sachliche Differenz zu der Auffassung von Wiedemann zur Anwendbarkeit von § 823 Abs. 1 BGB nur noch für das Verhältnis der Gesellschafter untereinander und gegenüber Organen persönlich übrig bleiben läßt. Zur Mitgliedschaft in einem Verein findet sich - soweit ersichtlich - nur die kurze ausdrückliche Stellungnahme bei Reichert/Dannecker/Kühr27·. „Die aus der Mitgliedschaft sich ergebende Rechtsposition des Vereinsmitglieds stellt ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB dar". Deliktsrechtlich geschützt sei „die völlige oder teilweise Entziehung dieses Rechts". In Betracht kommen „Eingriffe in die Mitverwaltungsrechte oder auch in Wertrechte". Ersetzt werden könne allerdings nur „die durch den Eingriff eingetretene Vermögensminderung". Anspruchsgegner sei „sowohl das Vereinsorgan persönlich . . . als auch über §31 BGB - der Verein". c) Führt man sich den dargelegten Stand der Meinungen kritisch vor Augen, könnte der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs sich für die Rechtsansicht, daß gerade auch die Mitgliedschaft in einem Verein als ein „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B zu qualifizieren sei, allein auf die Aussage bei Reichert/ DanneckerlKühr27 beziehen. Das gilt auch für den nächsten „Schritt", nämlich die Anwendbarkeit des § 823 Abs. 1 BGB auf die Mitgliedschaft im Innenverhältnis zu dem Verein, den Vereinsorganen und anderen Vereinsmitgliedern mit der einschneidenden Rechtsfolge einer Haftung des Vereins für Organpersonen nach §31 BGB. Denn selbst die wenigen Stimmen28, die - in erster Linie für die GmbH und die A G - die Anwendbarkeit des § 823 Abs. 1 B G B auf die Mitgliedschaft im Verhältnis zu der Gesellschaft, den Organpersonen und Mitgesellschaftern grundsätzlich bejahen, lehnen doch die Anwendbarkeit des §31 BGB gerade ab! In der Rechtslehre auch nur annähernd breiter fundiert ist das vorliegende Urteil des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs demnach nicht.

2. Kritische

Stellungnahme

a) Wie schon in den angeführten Stellungnahmen der Rechtslehre, so fehlt auch in der Entscheidung des Bundesgerichtshofs schon im maßgeblichen Ausgangspunkt jede herleitende Begründung dafür, daß allgemein oder gerade bei einem Verein die Mitgliedschaft in der Tat ein „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B sei. Es wird lediglich mitgeteilt, „das Mitgliedschaftsrecht" 27 REICHERT/DANNECKER/KÜHR, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 4. Aufl. 1 9 8 7 , Rdn. 1 3 4 8 . 28 Vgl. insbesondere MERTENS, FS R. Fischer, aaO (Fn. 22).

Vereinsmitgliedschaft als „sonstiges Recht" im Sinne des §823 Abs. 1 B G B ?

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werde „allgemein [Zitate] zugleich als sonstiges Recht nach § 823 Abs. 1 BGB angesehen". Es sei „weitgehend anerkannt, daß das Mitgliedschaftsverhältnis zugleich als sonstiges Recht i. S. des §823 Abs. 1 B G B zu gelten hat". Dabei ist zweierlei auffallend: Die Zitate des Bundesgerichtshofs führen (nur einander aufstockend) sämtlich zu Wiedemann29 und Mertens10, die sich ihrerseits auf die hier schon wiedergegebenen Aussagen des Reichsgerichts beziehen. Eine Begründung für die Anwendbarkeit des § 823 Abs. 1 BGB auf den Geschäftsanteil einer GmbH und die Aktie ist dort nicht enthalten. Ferner werden - offenbar nicht nur terminologisch - „das Mitgliedschaftsrecht" und das „Mitgliedschaftsverhältnis" sowie „die Mitgliedschaft . . . in ihrem Kern" ohne sachliche Unterscheidungen sämtlich in eins gesetzt. Da im Gesetz (vgl. §38 BGB) gerade für den Verein deutlich zwischen der „Mitgliedschaft" (als gesamter Rechte- und Pflichtenstellung des Vereinsmitglieds im Mitgliedschaftsverhältnis zu dem Verein) und den einzelnen „Mitgliedschaftsrechten" unterschieden wird 31 , bleibt bei der unklaren Diktion des Bundesgerichtshofs auf den ersten Blick offen, welche „Position" eigentlich als ein „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B qualifiziert worden ist. Gemeint hat man anscheinend die „Mitgliedschaft" insgesamt, weil offengelassen wird, ob für die Beeinträchtigung ein „unmittelbar gegen den Bestand der Mitgliedschaft oder die in ihr verkörperten Rechte und Betätigungsmöglichkeiten gerichteter Eingriff von erheblichem Gewicht erforderlich ist". b) Eine der Systematik des geltenden Zivilrechts verpflichtete Beurteilung muß von der Frage ausgehen, ob in der Tat die „Mitgliedschaft" bei allen Gesellschaften (i. w. S.) oder jedenfalls in einem Verein ein (subjektives) Recht ist und ob dieses Recht die erforderlichen Merkmale eines „sonstigen Rechts" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB aufweist. aa) Die rechtswissenschaftliche Auseinandersetzung zur rechtlichen Qualifizierung der „Mitgliedschaft" hat noch nicht zu einer einheitlichen Auffassung geführt. Der von namhaften Vertretern des Gesellschaftsrechts vorgebrachten Ansicht, die „Mitgliedschaft" insgesamt sollte als ein subjektives Recht anerkannt werden32, steht nach wie vor die These gegenüber, daß die „Mitgliedschaft" als gesamte Stellung im Rechtsverhältnis eine Vielzahl aktueller und potentieller Rechte und Pflichten umfasse, die als „Inbegriff" (Gesamtheit) nach dem Spezialitätsgrundsatz des geltenden Zivilrechts nicht ihrerseits einfach als ein subjekti-

2 9 Vgl. Fn. 2 2 .

30 Vgl. Fn. 2 4 . 31 Vgl. dazu SOERGEL/HADDING, aaO (Fn.7), §38 Rdn. 1, 16ff. 3 2 V g l . WIEDEMANN, a a O ( F n . 2 6 ) , § 2 I 1 b ) b b ) ( S . 9 5 ) ; § 7 I I I 2 a) (S. 3 8 3 ) ; LÜTTER, A C P 1 8 0 ( 1 9 8 0 ) , 8 4 , 101 f ; FLUME, D i e j u r i s t i s c h e P e r s o n , 1 9 8 3 , § 8 1; K . S C H M I D T , G e s e l l -

schaftsrecht, 1986, § 19 I 3.

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Walther H a d d i n g

ves Recht aufgefaßt werden können 33 . Hiermit hätte der Bundesgerichtshof sich auseinandersetzen und dazu Stellung nehmen müssen. Folgt man der hier erneut befürworteten rechtlichen Einordnung der „Mitgliedschaft" als Stellung des Mitglieds im Rechtsverhältnis, so mangelt es für die Anwendbarkeit von § 823 Abs. 1 B G B von vornherein schon an einem einzelnen subjektiven Recht als deliktischem Schutzobjekt. In Betracht kommen als subjektive Rechte nur einzelne „Mitgliedschaftsrechte", die als Bestandteile der Mitgliedschaft aus dem Mitgliedschaftsverhältnis hervorgegangen sind. Für den Bundesgerichtshof spielen die einzelnen „Mitgliedschaftsrechte", wenn sie - welch' schönes Bild! - zum „Kern" der Mitgliedschaft gehören, als Objekt der Beeinträchtigung nur eine indizielle Rolle. Nicht sie selbst sind durch § 823 Abs. 1 B G B geschützt, sondern erst „das Mitgliedschaftsverhältnis"/„die Mitgliedschaft . . . in ihrem Kern"/„das Mitgliedschaftsrecht" wird ohne Begründung als „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B eingestuft. bb) Auch dann, wenn man der abzulehnenden Meinung folgt, daß die „Mitgliedschaft" als ein subjektives Recht anzuerkennen sei 32 , bleibt dennoch die weitere Frage zu beantworten, ob dieses angebliche „Recht" den Anforderungen eines „sonstigen Rechts" im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B genügt. Es gehört nun zu den methodischen Anfangskenntnissen, welches Auslegungskriterium sich für die Bestimmung eines „sonstigen Rechts" im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B aus der Reihung der Rechte im Tatbestand dieser Vorschrift ergibt: Die zunächst genannten Rechte auf Leben, körperliche und gesundheitliche Unversehrtheit, auf Freiheit und Eigentum wirken sämtlich gegenüber jedermann; es entspricht deshalb nahezu einhelliger Auffassung, daß auch ein „sonstiges Recht", um gleichrangig zu sein, ein absolutes Recht sein muß 34 . N u r relative Rechte, wie Forderungen und andere Ansprüche (vgl. § 194 B G B ) , genügen nicht diesem besonderen Merkmal eines „sonstigen Rechts" für die Anwendbarkeit des §823 Abs. 1 B G B 3 5 . Ist aber die „Mitgliedschaft", wenn man sie schon als ein subjektives Recht („das Mitgliedschaftsrecht") ansieht, ein absolutes Recht mit Wirkung gegenüber jedermann? Auch hiermit hätte der Bundesgerichtshof sich 33 Vgl. SOERGEL/HADDING, aaO (Fn. 7), § 3 8 Rdn. 3 ff; DERS., Verfügungen über Mitgliedschaftsrechte, F S Steindorff, 1990, S . 3 1 , 35 ff m . w . N . Fn. 17: PIEPER, E . E . HIRSCH, FABRICIUS, MAROTZKE; ferner schon sehr gründlich SERNETZ, Die Rechtsnachfolge in die Verbandsmitgliedschaft insbesondere beim Unternehmerwechsel, 1973, S. 34 ff; aus der Rspr. B G H Z 44, 229, 231, 232; B G H Z 65, 79, 82; B G H Z 81, 82, 84; B G H Z 98, 48, 50. 34 Vgl. z . B . R G Z 95, 283, 284; SOERGEL/ZEUNER, K o m m . z. B G B , 11. Aufl. 1985, §823 Rdn. 41; PALANDT/THOMAS, K o m m . z. B G B , 49. Aufl. 1990, §823 Bern. 5. 35 Vgl. MEDICUS, Bürgerliches Recht, 1 3 . A u f l . 1987, R d n . 6 1 0 ; D.SCHWAB, a a O ( F n . 6 ) , Rdn. 277, 293 f. Gegenüber WIEDEMANN, a a O (Fn. 24), ist zu fragen, ob die Mitgliedschaft als angeblich „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 A b s . 1 B G B noch hinreichend absolut wirkt, wenn sie im Innenverhältnis von vornherein nicht deliktisch geschützt sein soll.

Vereinsmitgliedschaft als „sonstiges Recht" im Sinne des § 8 2 3 Abs. 1 BGB?

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auseinandersetzen und dazu Stellung nehmen müssen. Die Tatsache, daß weder das Reichsgericht noch die daran anknüpfende Rechtslehre dies getan hat, rechtfertigt nicht den Mangel an Begründung auch zu dieser Frage. In welcher Hinsicht lassen sich bei der Mitgliedschaft in einem Ideal-Verein etwa Parallelen zum „allgemeinen Persönlichkeitsrecht" oder gar zum „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" ziehen, die in Rechtsprechung und Literatur als „sonstige Rechte" im Sinne des §823 Abs. 1 BGB anerkannt worden sind?36 Wird man möglicherweise doch zwischen dem Geschäftsanteil einer GmbH und einer Aktie, bei der in aller Regel Vermögensbestandteile des Gesellschafters in der Mitgliedschaft gebunden sind, und der Mitgliedschaft in einem Ideal-Verein mit Blick auf die Anwendbarkeit von §823 Abs. 1 BGB differenzieren müssen? Welche einzelnen Mitgliedschaftsrechte und „Betätigungsmöglichkeiten" des Vereinsmitglieds gehören zum „Kern" seiner Mitgliedschaft, so daß eine Beeinträchtigung dieser unzweifelhaft nur relativen Rechte gegenüber dem Verein dann doch zur Anwendbarkeit von § 823 Abs. 1 BGB führen soll?37 Der Bundesgerichtshof hat sich nur die „Hintertür" offengehalten, daß die Sonderbeziehung zwischen dem Verein und seinem Mitglied mit den aus ihr fließenden spezifischen Rechten und Pflichten „im Einzelfall auch auf die Beurteilung deliktsrechtlicher Tatbestände wie § 823 Abs. 1 BGB oder § 826 BGB durchschlagen kann". Darin liegt jedoch nur die Ankündigung weiterer Rechtsunsicherheit! Wie steht es nunmehr mit der entsprechenden Anwendbarkeit von § 1004 BGB auf die Mitgliedschaft? In Wahrheit hätte die Frage, ob die Mitgliedschaft in einem Ideal-Verein ein „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist, klar und deutlich verneint werden müssen. c) Schließlich ist der Frage nachzugehen, ob die vom Bundesgerichtshof ungerechtfertigt zum Ausgangspunkt genommene Anwendbarkeit des §823 Abs. 1 BGB auf die Vereinsmitgliedschaft auch für das Innenverhältnis gegenüber dem Verein mit der Rechtsfolge des §31 BGB zu gelten hat. aa) Hierzu wird man dem Bundesgerichtshof darin zustimmen müssen, daß das Mitgliedschaftsverhältnis als „Sonderbeziehung" ebenso wie jedes andere besondere Schuldverhältnis die Anwendbarkeit der deliktsrechtlichen Regelun36 Vgl. zum „allgemeinen Persönlichkeitsrecht": B G H Z 13, 334; B V e r f G N J W 1980, 2070; D.SCHWAB, aaO (Fn.6), R d n . 2 8 3 - 2 9 1 ; zum „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb": B G H Z 29, 65; D.SCHWAB, aaO (Fn.6), R d n . 3 2 6 - 3 3 6 . 37 Es entstehen die parallelen Probleme wie zum „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" hinsichtlich der Bestimmung eines erheblichen Eingriffs! Mit der Qualifizierung als „Rahmenrecht" (BORK, aaO [Fn. 26]) ist zur tatbestandlichen Umschreibung noch nichts gewonnen. Schließlich sei angemerkt, daß nach den Umständen des Falles die Heranziehung des § 823 Abs. 1 B G B jedenfalls im Verhältnis zu dem Verein (§31 BGB) gar nicht erforderlich war, weil der Schadenersatzanspruch insoweit vom Bundesgerichtshof schon wegen schuldhafter Verletzung von Mitgliedschaftsrechten („ähnlich der positiven Vertragsverletzung") als bestehend angesehen wurde.

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gen der §§ 823 ff BGB nicht von vornherein ausschließt 38 . Wenn im konkreten Fall neben der zu vertretenden Verletzung einer Pflicht aus der „Sonderbeziehung" auch der Tatbestand einer unerlaubten Handlung gegeben ist, liegt Anspruchskonkurrenz vor. In der Tat ist also das Vereinsrecht nicht „generell von dem Grundsatz auszunehmen, daß das Recht der unerlaubten Handlungen bei Verletzung deliktsrechtlich geschützter Positionen auch im Rahmen besonderer Schuldverhältnisse zur Anwendung kommt". N u r fehlt es eben bei der Vereinsmitgliedschaft an der Anwendbarkeit des § 823 Abs. 1 BGB! bb) Die eigentliche Brisanz der gleichwohl vom II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs bejahten Anwendbarkeit des § 823 Abs. 1 BGB liegt in der zugleich angenommenen Anwendbarkeit des §31 BGB. Wenn nur immer ein Vereinsmitglied dartun kann, ein Mitgliedschaftsrecht („mitgliedschaftlicher Erfüllungsanspruch") oder eine „Betätigungsmöglichkeit", die zum „Kern" seiner Mitgliedschaft gehört, sei durch einen verfassungsmäßig berufenen Vertreter des Vereins (vgl. §30 BGB) schuldhaft beeinträchtigt worden, ist der Verein nach dieser Rechtsprechung gemäß §31 BGB schadenersatzpflichtig (oder jedenfalls einer Feststellungsklage ausgesetzt). Das mag unter der Annahme, §823 Abs. 1 BGB sei auf „die Mitgliedschaft . . . in ihrem Kern" anwendbar, folgerichtig sein; es hätte aber angesichts der Tragweite für das deutsche Vereinsleben einen Anlaß bieten sollen, eben gerade den Ausgangspunkt zu überprüfen. Welche Lawine mit der folgerichtigen Anwendbarkeit von §31 BGB bei schuldhaften Beeinträchtigungen der „Mitgliedschaft" als „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ins Rollen gebracht worden ist, wird sich erweisen, wenn bei allen Gesellschaften und Körperschaften, für die §31 BGB entsprechend gilt39, das vorliegende Urteil des Bundesgerichtshofs sich bei den Mitgliedern herumgesprochen hat. Nicht umsonst hat Mertens40 genau an dieser Stelle (Anwendbarkeit von §31 BGB und §831 BGB) seine These, daß die Mitgliedschaft ein „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB sei, aus „spezifisch gesellschaftsrechtlichen Gesichtspunkten" einfach abgebrochen. Wiedemann41 hat schon an einer früheren Stelle die angebahnten Konsequenzen gestoppt und überhaupt die Anwendbarkeit des § 823 Abs. 1 BGB gegenüber der Gesellschaft, den Gesellschaftsorganen und unter den Gesellschaftern verneint. Warum hat man nicht zuvor grundsätzlich überdacht, ob die Mitgliedschaft wirklich ein subjektives Recht und darüber hinaus ein „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 BGB ist?

38 Ebenso die in Fn. 25 Genannten. 39 Vgl. sowohl Personalgesellschaften wie O H G , KG, GbR als auch Kapitalgesellschaften wie AG, KGaA, G m b H , W a G , aber auch die eG; beachte ferner §§86 Satzl; 89 Abs. 1 BGB. 40 Vgl. FS R.Fischer, aaO (Fn.22), S.470. 41 Vgl. aaO (Fn. 24).

Vereinsmitgliedschaft als „sonstiges Recht" im Sinne des § 8 2 3 Abs. 1 B G B ?

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Zweites Fazit: Die Rechtsansicht, daß „die Mitgliedschaft... in ihrem Kern"/ „das Mitgliedschaftsverhältnis"/„das Mitgliedschaftsrecht" ein „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B sei, ist weder vom Bundesgerichtshof (für den Verein) noch zuvor vom Reichsgericht (für die GmbH und die AG) mit einer herleitenden Argumentation begründet worden. Auch in der Literatur wird diese Rechtsauffassung unter Hinweis auf R G Z 100, 274, 278 und R G 2 158, 248, 255 lediglich als „unbestritten"/„einhellige Auffassung" 42 /„allgemein anerkannt" 43 bezeichnet, ohne sie näher zu rechtfertigen. Bei näherem Zusehen erweist sich die Mitgliedschaft schwerlich als ein subjektives Recht, sicherlich aber nicht als ein „sonstiges Recht" im Sinne des § 823 Abs. 1 B G B , das als absolutes Recht gegenüber jedermann wirken muß. Die im übrigen folgerichtigen Annahmen des Bundesgerichtshofs, daß § 823 Abs. 1 B G B grundsätzlich auch im Verhältnis zu dem Verein, den Organpersonen und anderen Vereinsmitgliedern gilt sowie daß unter den Voraussetzungen des § 31 B G B eine Schadenersatzpflicht des Vereins entstehen kann, werden sich angesichts des unklaren Tatbestands („Mitgliedschaft ...in ihrem Kern"; möglicherweise „im Einzelfall" durchschlagende Sonderbeziehung zum Verein) auf die Praxis des deutschen Vereinslebens voraussichtlich überaus ungünstig auswirken. Der Ausgangspunkt sollte überdacht und die Rechtsprechung zur Anwendbarkeit der §§ 823 Abs. 1,31 B G B auf die Mitgliedschaft im Verein zurückgenommen werden, ehe es zu einer Ausuferung auf andere Gesellschaften kommt.

IV. Die „Treuepflicht" des Vereinsmitglieds, zwecks Schadensahwendung oder -minderung eine Feststellungsklage zur „Durchsetzung seines mitgliedschaftlichen Erfüllungsanspruchs" zu erheben Der Bundesgerichtshof hat den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückverwiesen, weil es hätte prüfen müssen, ob der Kläger seinen Schaden ganz oder teilweise allein tragen muß. Denn der Kläger habe es unterlassen, die zwischen ihm und dem Verein bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die Anerkennungsfähigkeit seines Schiffes einer rechtlichen Klärung zuzuführen, „was insbesondere auf dem Wege einer Feststellungsklage hätte geschehen können". Bei einem solchen Vorgehen wäre „ein dauerhafter Schaden vermieden worden", wie ihn der Bundesgerichtshof 44 in dem „Wertverlust" des Schiffes durch die Nichtanerkennung als Rennyacht und in den Kosten für den Umbau zu einer sogenannten Ausgleichsyacht als grundsätzlich ersatzfähig anerkennt.

42

So MERTENS, a a O (Fn. 2 2 ) .

43

S o GRUNEWALD, a a O

(Fn.23).

44 Vgl. I.5.a) der Entscheidungsgründe.

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1. Die rechtliche Begründung für die nach Ansicht des Bundesgerichtshofs gebotene Feststellungsklage des Vereinsmitglieds Wird die Entstehung eines Schadenersatzanspruchs vom Tatbestand her bejaht, so bleibt in jedem Falle zu prüfen, o b der Ersatzanspruch des Geschädigten nur zu einem Teil besteht oder sogar ausgeschlossen ist, weil der Geschädigte seiner Pflicht gemäß $ 254 Abs. 2 Satz 1 BGB zur Schadensabwendung oder -minderung nicht nachgekommen ist. Der Bundesgerichtshof führt in diesem Zusammenhang an, der Geschädigte könne „nach allgemeinen Grundsätzen . . . unter bestimmten Umständen gehalten sein, zur Schadensabwendung oder -minderung (§254 Abs. 2 Satz 1 BGB), Rechtsbehelfe zu ergreifen (vgl. B G H Z 90, 17, 3 2 ; . . . ) " . Im vorliegenden Fall gelte dies vor allem unter dem Gesichtspunkt, daß die Vereinsmitgliedschaft nicht nur dem beklagten Verein, sondern auch dem Kläger als Mitglied „gegenüber dem allgemeinen Grundsatz des §242 BGB erhöhte Treue- und Förderpflichten auferlegte". Diese „Treuepflicht" sei nicht nur eine Obliegenheit, sondern eine „echte Rechtspflicht", was aus gesellschaftsrechtlichem Blickwinkel wohl niemand bezweifeln wird 45 . Der Kläger hätte deshalb aufgrund seiner Treupflicht die Meinungsverschiedenheiten mit dem Verein und seinem Vorsitzenden in einer Weise austragen müssen, die diese „nach Möglichkeit vor vermeidbaren wirtschaftlichen Schäden bewahrte", welche existenzgefährdend werden konnten. Dem Kläger sei daher zuzumuten gewesen, die Meinungsverschiedenheiten „auf dem Weg einer unmittelbar auf Anerkennung des Schiffes gerichteten Klage anstatt mittelbar auf dem U m w e g des Umbaus des Schiffs mit anschließender Schadensersatzklage auszutragen". Der Rechtsweg „für die Durchsetzung seines mitgliedschaftlichen Erfüllungsanspruchs" mit einer Feststellungsklage wäre kein anderer und längerer gewesen. Die Inanspruchnahme eines solchen Rechtsschutzes hätte „einen Dauerschaden in vollem Umfange abgewendet". Mit dem erfolglos gebliebenen Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen den Verein habe der Kläger nicht seiner Verpflichtung genügt, „zunächst die Anerkennung seines Schiffes auf dem Rechtswege zu bewirken".

2. Kritische

Stellungnahme

Es ist sicherlich zutreffend, daß bei grundsätzlicher Bejahung einer Schadenersatzpflicht des beklagten Vereins geprüft werden muß, ob der Kläger seiner Pflicht zur Schadensabwendung oder -minderung nachgekommen ist (§254 Abs. 2 Satz 1 BGB). Hierzu kann es nach den Umständen auch erforderlich sein, Rechtsbehelfe zu ergreifen. War aber der Kläger aufgrund dessen als Vereinsmit45 Vgl. zur Entwicklung der gesellschaftsrechtlichen Treupflicht als richterrechtlicher Generalklausel nunmehr insbesondere HÜFFER, FS Steindorff, 1990, S. 59 ff.

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glied gehalten, eine Feststellungsklage „unmittelbar auf Anerkennung des Schiffes" zur „Durchsetzung seines mitgliedschaftlichen Erfüllungsanspruchs" zu erheben? a) Wenn der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs mit Recht von einem „mitgliedschaftlichen Erfüllungsanspruch" des Klägers gegen den Verein auf Anerkennung des Schiffes als klassengerecht ausgeht, stellt sich zunächst die Frage, warum als Klageart nicht eine Leistungsklage auf Abgabe der entsprechenden Erklärung durch das zuständige Organ des Vereins erwogen wird. Denn eine Feststellungsklage (§256 ZPO) ist gegenüber einer möglichen Leistungsklage grundsätzlich subsidiär46. Doch wie dem auch sei, es bleibt offen, ob der Streitwert einer solchen Klage ausgereicht hätte, um eine Revision zum Bundesgerichtshof durchzuführen. Die Kosten eines etwaigen Umbaus sowie die vor einem Umbau jedenfalls unbestimmte Höhe der Wertminderung des Schiffes hätten bei der Streitwertfestsetzung wohl noch nicht in Rechnung gestellt werden können. b) Die Pflicht zur Schadensabwendung oder -minderung (§254 Abs. 2 Satz 1 BGB) wird weithin als Ausprägung des Gebots der Beachtung von Treu und Glauben (§ 242 BGB) angesehen47. Diese Einordnung trifft sich mit der ebenfalls aus §242 B G B hervorgehenden Treupflicht des Vereinsmitglieds, die - wie bei einem jeden Schuldverhältnis - den Inhalt des Mitgliedschaftsverhältnissses vor allem hinsichtlich der Wahrnehmung der einzelnen Rechte und Pflichten ausgestaltet. Ob die mitgliedschaftliche Treupflicht des Vereinsmitglieds - wie der Bundesgerichtshof offenbar meint - „gegenüber dem allgemeinen Grundsatz des §242 B G B " abstrakt, also ganz generell in jedem Fall, wirklich „erhöht" ist, erscheint durchaus zweifelhaft48. Wer Mitglied eines völlig anonymen Großvereins mit Tausenden von Mitgliedern ist (ζ. B. ADAC) und den Vorstand sowie andere verfassungsmäßig berufene Vertreter überhaupt nicht kennt, wird seine „Treupflicht" (§242 BGB) gegenüber dem Verein wahrscheinlich eher geringer einschätzen als ζ. B. gegenüber dem Käufer eines gebrauchten Kraftfahrzeugs. Auch wenn die Mitglieder stets zu ihrem Verein jeweils in einer „Sonderbeziehung" stehen, die „beide . . . zur Förderung des gemeinsamen Ziels und Zwecks miteinander" verbindet, so begründet gleichwohl die auf den Vereinszweck bezogene Förderungspflicht für das einzelne Vereinsmitglied nicht schon allgemein und von vornherein eine gegenüber § 242 BGB „erhöhte" Treupflicht. Das Ausmaß der mitgliedschaftlichen Treupflicht richtet sich vielmehr immer nach den Umständen in dem konkreten Verein und in der jeweiligen Situation. Kein 46 Vgl. z . B . JAUERNIG, Zivilprozeßrecht, 21. Aufl., § 35 III 1. Nur wenn die Feststellungsklage einfacher, billiger oder besser als eine Leistungsklage den Streitstoff erledigt, soll sie statt dieser zulässig sein (so B G H N J W 1978, 1521). 47 Vgl. B G H Z 34, 363 f; PALANDT/HEINRICHS, aaO (Fn.34), §254 Bern. 1 a). 48 Vgl. auch SAUTER/SCHWEYER, Der eingetragene Verein, 14. Aufl. 1990, Rdn. 348. Aus der vom BGH angeführten Stelle bei SOERGEL/HADDING, aaO (Fn. 7), § 38 Rdn. 23, läßt sich für allgemein „erhöhte Treue- und Förderpflichten" nichts entnehmen.

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Gebot ist stärker auf den einzelnen Fall bezogen als die Pflicht zur Beachtung von Treu und Glauben (§242 BGB). Das gilt auch im Recht aller zivil- und handelsrechtlichen Vereinigungen49. Angesichts der kaum vorstellbaren Variationsbreite der Anschauungstypen bei Vereinen sollte für die Vereinsmitglieder nicht allgemein und von vornherein von einer „erhöhten" Treupflicht ausgegangen werden. c) Schließlich wird es einem unbefangenen Betrachter schwerlich einleuchten, daß der Kläger seiner Pflicht, zur Schadensabwendung oder -minderung sogar Rechtsbehelfe zu ergreifen, mit dem Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung gegen den Verein nicht genügt haben soll. Das Gericht hat den Antrag offensichtlich abgewiesen, weil es keinen Verfügungs