Familien- und Gemeinschaftsformen am Übergang zur Moderne: Haus, Dorf, Stadt und Sozialstruktur zum Ende des 18. Jahrhunderts am Beispiel Schleswig-Holsteins [1 ed.] 9783428483327, 9783428083329


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German Pages 184 Year 1995

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Familien- und Gemeinschaftsformen am Übergang zur Moderne: Haus, Dorf, Stadt und Sozialstruktur zum Ende des 18. Jahrhunderts am Beispiel Schleswig-Holsteins [1 ed.]
 9783428483327, 9783428083329

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LARS HENNINGS

Familien- und Gemeinschaftsformen am Übergang zur Moderne

Beiträge zur Sozialforschung Schriftenreihe der Ferdinand-Tönnies-Gesellschart e. V. Kiel Herausgegeben von Prof. Dr. Wilfried Röhrich

Band 7

Familien-.. und Gemeinschaftsformen am Ubergang zur Moderne Haus, Dorf, Stadt und Sozialstruktur zum Ende des 18. Jahrhunderts am Beispiel Schleswig-Holsteins

Von

Lars Hennings

Duncker & Humblot · Berlin

Gedruckt mit Unterstützung der Landesregierung Schleswig-Holstein.

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Hennings, Lars: Familien- und Gemeinschaftsformen am Übergang zur Modeme : Haus, Dorf, Stadt und Sozialstruktur zum Ende des 18. Jahrhundertsam Beispiel Schleswig-Holsteins I von Lars Hennings. - Berlin : Duncker und Humblot, 1995 (Beiträge zur Sozialforschung ; Bd. 7) ISBN 3-428-08332-6 NE:GT

Alle Rechte vorbehalten

© 1995 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fotoprint: Wemer Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0175-6087 ISBN 3-428-08332-6

Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANSI·Norm für Bibliotheken

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung- Das "Ganze Haus'' reicht für die Analyse nicht.. ............................................ .. I. Sechs Problemstellungen ............................................................................. . II. Die sozialen Gruppen- erste Kennzeichnung............................................... B.Haushaltsformen und Individuation ..................................................................................... . I. Zu den Bauern............................................................................................... II. Zum Bürgertum............................................................................................. Ill. Handwerk und Gewerbe................................................................................ IV. Frauenarbeitund "die Produktion"................................................................ V. Individuation als ParameterderFamiliensoziologie .................................... C. Quellen und Untersuchungsgebiet........................................................................................ D. Zum Konzept sozialer Ungleichheit- Lagen und Milieus ................................................... I. Zur Bestimmung der städtischen sozialen Lagen......................................... II. WerwarendieBauem?................................................................................ E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme.............................................................. I. Soziale Lage(2): Besitz- und Bildungsbürgertum, reiche Gewerbe............. II. Soziale Lage (3): Hufner mit Altenteilen..................................................... III. Exkurs: Leibeigenschaftin Schleswig-Holstein und Cismar ....................... IV. SozialeLage (4): Kätner, Bödner, InsteDkätner (Kieinbesitz) ..................... V. Die Bauern-Anwesenwarenmehr als das "Ganze Haus"............................. VI. SozialeLage (5): Handwerk/ Gewerbe- l. Landgewerbe............................ VII. Soziale Lage(5): Handwerk/ Gewerbe- 2. städtisches Handwerk............... VIII. Soziale Lage(6): Arbeitsleutel Tagelöhner -1. Arbeitsleute....................... IX. SozialeLage (6): Arbeitsleutel Tagelöhner- 2. ländliche Tagelöhner ......... X. Soziale Lage (7): Arme und Alte.................................................................. XI. SozialeLage (8): Gesinde............................................................................. XII. Exkurs: Frauen, Männer, die Eheund der soziale Status.............................. F. Ein simples Modell der Sozialstruktur .................................................................................. I. Einige Hinweisezum Alter........................................................................... G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803 ............................................................................. H. Die Strukturender Städte und Dörfer................................................................................... I. Segregation................................................................................................... II. Beispielhaft: Einige Dörfer ........................................................................... III. Städtische Strukturen, besonders Kiel 1803 und Eckernförde 1769 ............. IV. Exkurs: Kiell78l - 1803, ein Beispiel innerstädtischen Wandels............... V. Zur Steuerverteilunginden Städten............................................................. I. Familien- und Gemeinschaftsformen- Schlußbemerkung..................................................... Literaturverzeichnis .................................................................................................................. Sachverzeichnis ...................................................................................................................... Anhang ...................................................................................................................... Karte............................................................................................................. Erläuterungen................................................................................................ Verzeichnisse der Tabellen, Graphiken, Kästen, Karte .................................

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9 17 23 24 26 30 31 32 37 43 47 50 53 53 59 64 66 70 74 77 87 89 90 91 93 97 104 111 125 128 134 136 142 150 153 167 17 1 175 176 178 182

A. Einleitung Das "Ganze Haus" reicht für die Analyse nicht Die Untersuchung der Familien- und Gemeinschaftsformen am Übergang zur Moderne trifft Ende des 18. Jahrhunderts auf eine ausdifferenzierte Struktur, die eine gewisse Entsprechung zur heutigen Situation hat, in der eine ähnliche Formenvielfalt Gegenstand der Soziologie ist. Die Aufzählung der behandelten Bereiche im Untertitel - Haus, Dorf, Stadt, Sozialstruktur bezeichnet dabei keineswegs eine beliebige: die vier Begriffe können auf ein Ganzes bezogen werden, dessen Grundelement sehr deutlich das Haus als prägende Institution der Vormoderne ist. Allerdingszeigt sich: Das Haus- insbesondere als "Ganzes Haus" in die Debatte der historischen Soziologie eingegangen - reicht nicht für die Rekonstruktion, speziell nicht für die des Dorfes jener Zeit. Denn Haus und Hof sind für eine der zentralen Lebensformen des "flachen Landes" im ausgehenden Feudalismus, der des Bauern, nicht identisch. Der Bauernhof war mehr als ein "Ganzes Haus", mehr also als ein um Gesinde und/ oder andere Personen erweiterter, aber eben ein einziger Haushalt. Das komplexere bäuerliche Anwesen - wie ich die einzuführende umfassendere Figur nenne, die in den Quellen sichtbar wird - besteht regelmäßig aus mehreren Haushalten, die durch gemeinsame Arbeit an den Hof gebunden sind, hierarchisch abgestuft zwar, aber kontraktuell und nicht mehr verwandtschaftlich oder gar durch Herrschaft über Hörige im Haus verbunden (wobei der hierzulande in bestimmten Gebieten ansässige Adel in dieser Studie ausgeblendet bleibt). Für die Stadt ist allerdings dieses Anwesen als ein Haupthaushalt mit weiteren eigenständigen Familien im Produktionszusammenhang nicht mehr operationalisierbar, allzumal nicht auf der Basis der hier überwiegend verwendeten "quantifizierenden Quellen"; das sind vor allem Volkszählungen. Vermieter und Mieter standen dort anders zueinander, produzierten fast immer getrennt, in verschiedenen Berufen. Dort konstituierte das Haus, meist als erweiterter Haushalt, die Stadtviertel, wie das Anwesen das Dorf; doch kleinere und fast nie erweiterte Haushalte fügen sich - ähnlich noch

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A. Einleitung

wie im dörflichen Anwesen - räumlich darum herum. Die sozial weniger bedeutenden Haushalte lebten zur Miete und zum Teil in den Kellern und Buden der jeweils Reicheren. Ob diese meist nicht erweiterten Haushalte wirklich als Kernfamilien zu bezeichnen sind? Im heutigen Sinn sicher nicht, eher drängt sich der Begriff einer "Teil-" Familie auf, dieden damaligen sozialen Standard des eigenständigen Hauses in seiner kompletten Form, nämlich als erweiterten Haushalt, nicht erreichte, oft temporär nur, oft auch auf Dauer- doch bleiben wir bei diesem Begriff. Die angesprochene Vielfalt der Familien- und Gemeinschaftsformen prägte schließlich die Sozialstruktur. Deutlich geschieden in Stadt und Land lassen sich die sozialen Gruppen nicht sinnvoll in die knappe Differenzierung der damaligen Stände - Adel, Klerus, Bürger, Bauer - zwängen. Die jeweilige Form des Hauses, der Familie schimmert in allen Elementen und auch Betrachtungen der Sozialstruktur durch. Jede abzugrenzende Gruppe hat ihre eigene Form; fast "mechanisch" staffeln sich die Haushaltsgrößen nach dem sozialen Rang. Jeweils größere Kernfamilien und mehr Gesinde, ja selbst mehr Verwandte im Haus stehen für höheren sozialen und materiellen Rang; wobei sozialer und materieller Rang nicht immer dasselbe sind, weil Steuerzahlungen zum Teil Haushalte in der vertikalen Differenzierung als deutlich höher stehend ausweisen als es der funktionalen Rangfolge der Berufe und Stände entspricht. Diese Vielfalt der Lebensformen in jener "fortgeschrittenen Gesellschaft' (Hradil, 1987) des 18. Jahrhunderts (und deren Analyse bis heute) macht es zweckmäßig, zur Strukturierung der Beschreibung ein modernes Konzept zu verwenden, nämlich das der sozialen Lagen und Milieus, welches in der modernen Soziologie - ebenso wie der Wandel der Familienformen - wegen der Pluralität unserer entfalteten Gesellschaft Gegenstand aktueller Überlegungen ist. So sind Haushalt und Familie zuerst Gegenstand dieser kleinen Arbeit'· die aber auch gemeindesoziologisch Dorf und Stadt untersucht, um schließlich ein differenziertes Sozialstrukturkonzept zur Diskussion vorzulegen. Es lieh danke der Ferdinand-Tönnies-Gesellschaft in Kiel fürdie Möglichkeit, frühere Forschungen weiterführen zu können und dem Soziologischen Institut der Kieler Universität für einen Lehrauftrag, bei dem Aspekte dieser Studie zur Debatte standen. Jutta Hansen hat mit ihren Diskussionen zur Klärung, Vertiefung und Pointierung der Probleme beigetragen. Zu den historischen Städten und zum ""Haus·· führe ich frühere Darstellungen (1990, 1992 a und b) fort, fasse sie zusammen und ergänze sie wesentlich um Forschungen zum "'flachen Land'" und zur Sozialstruktur. Neben den Analysen des Dorfes sind in der hier vorgelegten Arbeit vor allem zwei früher nicht mit erhobene Städte die beispielgebenden: Eckernförde 1769 und Kiel 1803, wobei nun auch zum Alter der sozialen Gruppen Aussagen gemacht werden können. Das war ebenso bei einem Teil der ländlichen Quellen möglich.

I. Sechs Problemstellungen

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sind vor allem Ergebnisse empirischer Analysen, die in knapper Form dargestellt werden, weshalb nur dann auf die entsprechende Diskussion zur historischen oder modernen Soziologie hingewiesen wird, wenn es zur Einordnung der vorgestellten Ergebnisse nötig ist. Dabei geht es um eine Reihe von Problemstellungen, die nun zu besprechen sind. I. Sechs Problemstellungen

Derdurch LasJetts The World WeHave Lost(1965, deutsch: Verlorene Lebenswelten, 1991) auch in der Soziologie hinterfragte Begriff des "Ganzen Hauses" ist erneut zu problematisieren, um auf die Thematik der Sozialstruktur vorzubereiten. Dieser Begriff wurde durch die Arbeit Riehls (1855) populär, der seine "Familie" aber - aus Sorge über den Verfall des Hauses angesichts der aufziehenden Moderne - als Sozialpolitik veröffentlicht hatte. Wenn auch in grundsätzlicherer Absicht geschrieben, hat ebenso Tönnies' (1979) Gemeinschaft und Gesellschaft der speziellen Vorstellung Vorschub geleistet, die Sozialstruktur der Vormoderne gründe sich nicht nur auf das "Ganze Haus", jene Familienform, die neben der Kernfamilie aus Eltern und Kindern im patriarchalen Haus auch Gesinde und gegebenenfalls sonstige Personen vereinte, sondern damit sei auch eine harmonische Verbindung von Herrschaft und Gesinde, des väterlichen Herrn mit Kindern impliziert. In der Diskussion wurde das "Ganze Haus" überwiegend aus literarischen Quellen oder ideengeschichtlich abgesichert (Hausen in: Rürup, 1977; Brunner in: Rosenbaum, 1974), und der Begriff wird bis heute in der genannten Tradition benutzt, wie Rosenbaums (1981) Übersicht zeigt, oder jüngst in anderem Zusammenhang beispielsweise Meyer (1992) 2. Lasletts Arbeit (1991; 1972), die nennenswert auf globale statistische Durchschnittsdaten Englands gestützt ist, führte zur Frage nach der Bedeutung des "Ganzen Hauses" oder der Kernfamilie als bestimmendes Modell der 2 Weber-Kellermann (1974) betont die "Große Haushaltsfamilie" als dominierende Lebensform noch bis in das 18. Jahrhundert. Auf das Ende des 18. Jahrhunderts und auf Norddeutschland bleibt diese Arbeit beschränkt; zu früherer Zeit bspw. Shorter, 1977. Lorenzen-Schrnidts (1987) Untersuchung ländlicher Haushalte in der nordwestdeutschen Küstenregion anhand " stark individuell geformter' Seelenregisterund ebenfalls Volkszählungen (von 1803) kommt bezüglich der Familienstrukturen (ohne Anwesen) zu ähnlichen Ergebnissen, wie die für (Holstein-) Goitorf gefundenen. Aber auch in kleinräumigeren und ärmeren Landwirtschaften als die schleswig-holsteinische, mußten die sozialen Probleme - gemeinschaftlich - bewältigt werden, die beispielsweise durch die Altenteiler gestellt wurden. Knodel (in: Wehler, 1975) weist auf den autoritär-ideologischen Nutzen hin, der mit dem Begriff des "Ganzen Hauses" verbunden wurde, als es galt, die spezielle "Volksgemeinschaft"zu begründen, und Familienkunde zur Sippenlehre verkam.

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A. Einleitung

Sozialstruktur jener Zeit und zu einer intensiven Diskussion über Entstehungszeitpunkt und -ursache der modernen Familie; als Ergebnis entstand die These, die moderne Kernfamilie sei ab Mitte des 18. Jahrhunderts durch "Reduktion" des "Ganzen Hauses" - die Ausgliederung der Berufsfunktion aus dem Haushalt - beim (neuen) Bürgertum entstanden 3. In dieser Arbeit, die sich primär auf Volkszählungen für eine eingegrenzte Region Nordeuropas stützt, können zu diesem Thema einige Problemstellungen mit erweitertem Blickwinkel aufgegriffen werden; nicht zuletzt gilt es, zwischen "quantitativen Quellen", die nur einen Erhebungsstichtag dokumentieren, und qualitativen Schlüssen zu unterscheiden, die über temporäre Zustände hinausweisen. Die Analyse führt zu neuen Deutungen der komplexen Familien- und Gemeinschaftsformen am Übergang zur Modeme. Dabei ist aufzuzeigen, wie intensiv Haushalt und Sozialstruktur miteinander verbunden waren. Es geht zusammengefaßt - neben schlichten soziographischen Darstellungen - primär um folgende Probleme: 1. Die Figur des "Ganzen Hauses" erweist sich als untauglich, um am Übergang zur Modeme hinsichtlich Lebensweise und Sozialstruktur hinreichend Auskunft zu geben; trotz enger Verbindung von Haushalt und Produktion zeigen sich auch Handwerker und Bauern - anders als meist unterstellt - nicht als gemeinsame "Träger" dieser Haushaltsform.

2. Jedenfalls für das ländliche Schleswig-Holstein muß als Modell zur Beschreibung der Sozialstruktur eine komplexere Gemeinschaftsform als das "Ganze Haus" benutzt werden, die in dieser Arbeit Anwesen genannt wird, und die neben einem regelmäßig erweiterten bäuerlichen (Haupt-) Haushalt weitere Haushalte umfaßt (Altenteiler 3 Zur Debatte vgl. u.a. Rosenbaum, 1974, 1981; Beiträge in: Wehler, 1975; Conze, 1976; Rürup, 1977; Sieder, 1987; Meyer, 1992, nimmt abweichend den Anfang des 19. JH an. König hatte aber schon im Jahr 1966 in seiner Kritik an Durkheims Kontraktionsgesetz anders argumentiert und diese Reduktion in äußere und inhaltliche Entwicklung unterschieden. Dabei war die Kritik an Durkheim allerdings einseitig. Durkheim ( 1921) skizziert - bereits 1892 sehr modern - keineswegs nur die äußerliche Reduzierung der großen zur kleinen Familie, sondern sagt von der vom Staat - etwa über das Eingreifen in das Erbrecht - mit geprägten Gattenfamilie, daß diese sich immer mehr von der umfassenden Familienstruktur (Stichwort: mechanische Solidarität, Masse; bei Tönnies: Gemeinschaft) hin zur ehelichen Liebe (organische Solidarität; Gesellschaft) entwickle, und die dabei im Individualisierungsprozeß entstehenden Probleme (Stichwort: Selbstmord bei zu großer Individualisierung) durch Einbindung der Menschen in Berufsstrukturen aufgefangen werden müßten. Königs (1974) eher äußerliche Kritik, Kontraktion könne sich ohnehin nur bei Großfamilien, den sozialen Oberklassen, einstellen, verwundert um so mehr, als er mit seinem Begriff der Desintegration der Familie der von Durkheim formulierten Differenzierung recht nahe kommt. Ich nutze eine Übersetzung des von Marcel Mauss überlieferten Durkheim-Textes (1921) von Kerstin Brinkmann, die als Seminararbeit entstand.

I. Sechs Problemstellungen

II

und Insten/ Tagelöhner/ Mieter - nur bei real mind. 2 Haushalten spreche ich von Anwesen; ähnliches fand Mager, in: Bulst/ Goy/ Hoock, 1981). 3. Unterhalb der mit dem Anwesen getroffenen Analyseebene war allerdings - in Stadt und Land - der erweiterte Haushalt, wie ich anstelle "Ganzes Haus" künftig zu formulieren vorschlage, die beherrschende Lebensform, obgleich statistisch ebenfalls die von LasJett angesprochenen nur kleinen durchschnittlichen Haushaltsgrößen gefunden wurden und erweiterte Haushalte in der Minderzahl waren. 4. Die Haushaltsgröße in Stadt und Land erweist sich als ein wichtiges Maß der sozialen Ungleichheit und als Basis der Sozialstruktur; fast "mechanisch" sind die sozialen Gruppen entsprechend ihrem sozialen Rang quantitativ abgestuft. 5. Das individuelle Alter hat zum Teil eine erhebliche Bedeutung für Haushalt und Sozialstruktur; beispielsweise entspricht das Gesinde in seinem Alter den im Hause lebenden älteren Kindem ohne daraus eine kindgleiche Stellung ableiten zu können. Die temporäre Beschränktheit einer Stichtagsanalyse muß in Rechnung gestellt werden, um den weit größeren Einfluß zu erfassen, den erweiterte Gemeinschaftsformen im Lebenszyklus ausgeübt haben. 6. Ebenso ist der Raum sozialstrukturell von großer Bedeutung. Gravierend war die Scheidung von Stadt und Land, wie die gemeindesoziologischen Hinweise zeigen werden, aber auch die unterschiedlichen Gebiete führen zu nennenswerten Abweichungen vom durchschnittlichen Haushalt für die Region. Ob eine reiche Agrarregion oder ein Moorgebiet Lebensbasis war, das unterschied die Menschen erheblich4 . Die hier vorgelegte Arbeit stellt familiäre Lebensweisen einer relativ geschlossenen und übersichtlichen Region nach ersten Individuenzählungen der Zeit um 1769 dar, sogenannten Mannzahlregistem, die aber bereits alle Personen, nicht nur Männer zählten. Auf der Basis von circa 100 Dörfern des früheren Herzogtums Holstein-Gottorf, das war ein Teilgebiet Schles4 Auch -aber nicht primär - eine räumliche Auswirkung dieser Art hatte im Untersuchungsgebiet die besondere Herrschaftsform; der Adellebte in Schleswig-Holstein in speziellen Güterdistrikten überwiegend an der Ostküste, die - wie die Klosterdistrikte- in dieser Arbeit mangels vergleichbarer Quellen unberücksichtigt bleiben mußten. DasProblem der Leibeigenschaft -die in '"scharfer" Form fast nur dort vorkam - kann deshalb nur unten in einem Exkurs angeschnitten werden.

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A. Einleitung

wig-Holsteins, und mehreren Städten des Landes wird - über die Behandlung des "Ganzen Hauses" und die Sozialstrukturkonzeption hinaus - auch eine gemeindesoziologische Analyse vorgelegt. Die Ergebnisse zum genannten Herzogtum Gottorf, das seit 1721 nur noch einen Teil Holsteins (Süden des heutigen Bundeslandes) umfaßte, lassen sich dann - mit einiger Vorsicht- auf die vormoderne Gesamtregion der beiden anderen damaligen Herzogtümer Schleswig und Holstein übertragen, die neben (Holstein-) Gottorf bestanden und von Dänemark verwaltet wurden. Diese Übereinstimmung ergibt sich aus zusätzlich untersuchten globalen tabellarischen Daten der ersten (Teil-) Volkszählung von 1769 in Schleswig und Holstein, den sogenannten "Tabellen", mit denen gut 268.000 Menschen erfaßt wurden 5. Die These, daß zwar der Begriff des "Ganzen Hauses" sich als untauglich erweise, jedoch die geradezu beherrschende Stellung des erweiterten Haushalts herauszustellen sei, und - darüber hinaus - für die Landbevölkerung das Anwesen als umfassendere Lebensform von erheblicher Bedeutung war, stützt sich auf die Untersuchung einiger Tausend ländlicher und städtischer Haushalte, deren Personen in den genutzten Quellen alle - und fast immer namentlich - ausgewiesen sind. Das Problem, das mit der eben noch einmal genannten These präsentiert wird, ist komplizierter, als es in einer Gegenüberstellung "Ganzes Haus" versus Kernfamilie als Modell der Sozialstruktur erscheint, denn weder war das "Ganze Haus" in der gängigen Definition eines einzigen erweiterten Haushalts Modell der vormodernen Gesellschaft des 18. Jahrhunderts, noch kann diese Konstruktion jedoch in der Weise abgewiesen werden, erweiterte Haushalte seien relativ selten gewesen, und deshalb fanden sich bei der Überprüfung statistisch recht kleine Haushaltsgrößen und primär Kernfamilien. Nun zeigen sich jedenfalls in den Dörfern der untersuchten Region zusätzliche und komplexere Gemeinschaftsformen, die nicht mit nur einem Haushalt zu erfassen sind. Allerdings war auch das häufige bäuerliche Anwesen, zu dem - neben dem regelmäßig durch Gesinde und sonstige Personen erweiterten Haupthaushalt - noch abhängige Altenteiler- und 5 Alle drei Herzogtümer ohne den damaligen nordschleswigschen Teil, der nach dem ersten Weltkrieg durch Abstimmungen an Dänemark ging, Lübeck und der nordelbische Teil Lauenburgs sowie die sogenannten Güter- und Klosterdistrikte innerhalb dieser Regionen bilden heute das Bundesland Schleswig-Holstein mit seiner allerdings bis heute besonderen landwirtschaftlichen Struktur. Genauere Angaben fmden sich unten im Abschnitt zu den Quellen und zum Untersuchungsgebiet

I. Sechs Problemstellungen

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Iostenhaushalte gehörten, rechtlich ein Haus im damaligen Verständnis, dessen Hausvater über dem Ganzen stand; im städtischen Haus in gewissser Weise auch über den Mietparteien. Unberücksichtigt von der Form -ob als Anwesen, ob erweiterter Haushalt oder nicht - hatte das Haus als Institution des patriarcha/en Rechts und der Politik noch lange eine bedeutende Funktion6. Gewiß, die gefundenen Gemeinschaftsformen könnten speziell die der Untersuchungsregion sein, die bis heute eine besondere Landwirtschaft aufweist. Doch selbst unabhängig von der Nutzung des Anwesens als übergeordnetem Strukturelement sind in Analysen auch anderer Regionen die Versorgungsnotwendigkeiten und Rechte älterer Menschen, aber auch Verwandtschaften und Lebenszyklen als wichtige Bedingungen vormoderner Gemeinschaft auszuweisen, um etwa die große Bedeutung des erweiterten Haushalts auf das meist junge Gesinde als psychisch-soziale Einflußgröße herauszustellen, solange die Gesindepflicht große Teile der Jugend vorübergehend in solche Verhältnisse zwang (für SH, Göttsch, 1978). Die zweite Hälfte des 18. Jahrunderts gilt- wie gesagt- allgemein als die Geburtsstunde des modernen Kemfamilienhaushalts, der durch die "Reduktion des Ganzen Hauses" entstanden sei. Diese neue Familienform, die sich primär durch die Ausgliederung des Berufes aus dem Haushalt entwickelt haben soll, fand sich in dieser Untersuchung zum genannten Zeitpunkt nicht. Modeme Verwaltungsberufe, die besonders als "Träger" dieser Entwicklung gelten, hatten zu jener Zeit sogar mehr Gesinde als das Handwerk im Haus. Und Gesinde bestand dabei auch beim Handwerk sehr oft aus Frauen und Mädchen, was die - männliche- Hausproduktion gegenüber der- weiblichen- Hauswirtschafttendenziell zurücksetzt und diesbezüglich auch die Differenz zwischen Handwerk und anderem Stadtbürgertum mindert. Statt einer Reduktion ergab sich im Zuge der Aufklärung eher eine doppelte Erweiterung der Haushaltsaufgaben: Haushalt wird ausdrückliche Erziehungsinstitution und Teil der Öffentlichkeit moderner Gesellschaft. Vom erweiterten Haushalt als "beherrschendem" Element spreche ich, obwohl diese Lebensform in der Tat quantitativ eher selten war, weil er in Stadt und Land Grundelement der Siedelung gewesen ist. Besonders deutlich auf dem Land war er - als Kern des bäuerlichen Anwesens mit mehr 6 Da Schleswig-Holstein, das bis 1864 zu Dänemark gehörte, nach kurzer Zugehörigkeit zu ÖSterreich 1867 zu Preußen kam, ist die Rechtslage entsprechend: Mit dem Kaiserreich und später dem Bürgerlichen Gesetzbuch änderte sich die rechtliche Seite auch der Familie, auf die hier aber nicht eingegangen wird(vgl. Koselleck, in: Bulst/ Gay/ Hoock, 1981).

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A. Einleitung

oder weniger kleineren Haushalten verbunden- der (relativ) reiche Haushalt, der des Bauern, in der Stadt der des Kaufmanns und des wohlhabenden Handwerkers. Sehen wir uns erste Zahlen über die Anwesen- und Haushaltsgrößen an, um der behandelten und recht komplexen Sachlage in Schritten näher zu kommen. Die Bauern lebten - selbst bei einer relativ weitgehenden Definition, die neben Hufnern (Voll-Bauern) noch einen Teil der Kätner als Kleinbauern einbezieht7 - nicht nur überwiegend in erweiterten Haushalten. Der heute gebräuchliche Begriff des "Ganzen Hauses" untertreibt den damit gemeinten tatsächlich vorgefundenen komplexen sozialen Zusammenhang noch: Der meist über die Kernfamilie hinaus erweiterte Bauernhaushalt mit gut sechs Personen war sehr oft Haupthaushalt eines Anwesens mit im Schnitt fast drei Haushalten und an die zwölf Menschen insgesamt (bezogen auf alle Bauern) und damit deutlich größer als die Haushalte städtischer Handwerker, ja selbst vieler Kaufleute. Die erreichten zwar gelegentlich die genannte Zahl an Personen, die aber dann in einem Haushalt zusammenlebten. Der Bauer war nicht nur für seinen Hof, sondern regelmäßig auch noch verantwortlich für Wohnraum und Arbeitsverhältnis der Tagelöhner-losten (Mieter), die neben dem Gesinde für die Landarbeit nötig waren, und hatte nicht selten noch Altenteiler mit zu versorgen. Zum Teil war auch eine Kate oder Wohnung an Handwerker-losten vermietet. Waren auf dem Dorf erweitertes Haus und Anwesen Modell der Sozialstruktur, so waren darin die Verhältnisse aber andere alsdie dem patriarchalen "Ganzen Haus" unterstellte "harmonische Einheit"; es war ein großer "Betrieb", der den städtischen weit übertraf. Eine andere Frage, der in diesem Text aber nicht nachzugehen ist, wäre, ob der Begriff des "Ganzen Hauses" nicht ohnehin selbst für das Land schon deshalb nicht mehr sinnvoll ist, weil diese Lebensform eher die einer weiter zurückliegenden Zeit war. Was eben für das Anwesen angedeutet wurde, muß doch wohl als eine Auflösungsform des diskutierten "Ganzen Hauses" betrachtet werden, das in eine andere Zeit gehört. War früher das Haus, das primär die Verwandtschaftsbindung meint, zum neuen Ganzen erweitert, 7 Zu den - von mir so genannten- Besitzständen, womit Hufner, Kätner, Altenteiler, lnsten und weitere gemeint werden, komme ich gleich am Schluß der Einleitung. Der Begriff des Bauern ist unbestimmt; in den Quellen kommt er nicht vor. Unten wird begründet, daß Bauern aus zwei Gruppen zusammengesetzt verstanden werden können: aus Hufnern (Hufe ist Landmaß eines landwirtschaftlichen Betriebes), die allein stimmberechtigt die Dorfgenossenschaften bildeten, und auseinem Teil der Kätner(Besitz an einer Kate), nämlichjenen mit Land (nicht nur Garten), die als Kleinbauern zu bezeichnen sind.

I. Sechs Problemstellungen

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indem nun kontraktuell (statt als Hörige) Personen als Gesinde einbezogen wurden, die- rechtlich!- noch einen den Kindern ähnlichen Status hatten, so ist im Anwesen ein Teil der Personen zwar noch räumlich vereint, nun aber nicht mehr nur auf kontraktueller Basis eingebunden, sondern auch in verschiedene eigenständige Familien differenziert. Die Altenteiler, wenn denn ursprunglieh in der "Großen Haushaltsfamilie", im Mehrgenerationen-Haushalt zumindest mit gedacht, sind in den hier verwendeten Quellen stets als eigene Haushalte auch dann geführt worden, wenn sie mit den Bauern verwandt waren und nur in einer Wohnung und nicht einmal in einer entsprechenden Altenteilskate verzeichnet sind. Viel deutlicher wird diese weitergehende vertragliche Bindung bei den Tagelöhnern (lnsten), die als Familien nur Zeitverträge für Arbeit und Wohnraum bekamen, was als ein sehr früher Schritt der Individuation (Elias) gegenüber reiner Gesindefunktion im Haushalt gesehen werden kann; Gesinde war zwar kontraktuell gebunden und oft nur kurz an einem Hof im Dienst, aber nicht eigenständig. Allerdings kann angesichts der hier erst angedeuteten Verhältnisse nicht davon gesprochen werden, die nachrangigen Familien seien Kernfamilien im späteren Sinn (eher waren sie in ihrer Zeit Teil-Familien), deren Form - wie König meint- mit dem sozialen Aufstieg der Unterschichten zur gesellschaftlich dominanten wird. Dazu ist nicht nur die Abhängigkeit zu komplex, sondern diese Argumentation unterschlägt auch die eigenständige Genese sowohl bürgerlicher als auch spät-proletarischer moderner Kernfamilien ab Ende des 19. Jahrhunderts. Für die Städte greift einerseits die Argumentation, erweiterte Haushalte seien ähnlich selten wie auf dem Lande gewesen und deshalb nicht als Modell zur Beschreibung der Gesellschaft geeignet. Erweiterte Haushalte machten ungefähr ein Drittel oder etwas mehr aller Haushalte aus, waren in den Städten ein wenig häufiger als auf dem Land. In ihnen lebte aber um die Hälfte aller Menschen zum Stichtag der Zählungen; weit mehr als die Hälfte hatten also andererseits innerhalb ihres Lebens Erfahrung mit dieser Lebensform und dies oft als junges Gesinde, so daß der erweiterte Haushalt auch insofern besonders prägend war. Selbst in den Städten waren die Haushalte der Reichen die Grundeinheiten des Quartiers, dem "gebauten Klassenbewußtsein", denn ärmere Schichten lebten vor allem in deren Kellern und Buden, aber nicht in größeren Unterschichts-"Vierteln".

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A. Einleitung

Handwerker und Bauern gelten oft hinsichtlich der Lebensform als eine Gruppe8, weil sie aufgrund der Einheit von Produktion und Wahnen beide dem "Ganzen Haus" zuzuordnen seien. Diese Annahme wird nun aber nicht nur dadurch untergraben, daß die Produktionsbedingungen der Handwerker sich von denen der Bauern deutlich unterschieden haben. Die Produktion trennt beide Gruppen mehr, als die Verbindung von Wohnen und Arbeiten im Haus sie analytisch auf eine Stufe stellt. In der Stadt hatten Bildungsund Besitzbürgertum darüber hinaus gegenüber den als "Trägem" des erweiterten Haushaltes geltenden Handwerkern neben der Kernfamilie aus Eltern und Kindem stets häufiger Gesinde und/ oder sonstige Personen im Haus; das war bei den Besitzenden besonders deutlich, galt aber auch allein für die Gebildeten. Die aber, (Besitz- und) besonders die Bildungsbürger, gelten auf der anderen Seite ab (Mitte bis) Ende des 18. Jahrhunderts als "Träger" der "neuen" Bürgerfamilie, in der sich nicht nur das Ideal der intimen Kernfamilie nun auszubilden begonnen habe, sondern die auch der Form nach entstanden sei, indem Produktion und Gesinde aus dem Haus ausgegliedert worden seien. Doch anders als beim Bauern, dessen Hausgröße eng - "naturwüchsig" - mit dem Besitzstand, wie ich die Eigentumsformen Hufner, Kätner, Insten übergreifend nenne, verbunden ist, läßt sich insgesamt die männliche - Hausproduktion in der Stadt nicht als "die" Ursache für ein "Ganzes Haus" verstehen. Das Handwerk kann nämlich meist - das kennzeichnet den Stadthandwerker geradezu, der bezüglich der Individuation dem Bauern daher einen zumindest kleinen Schritt voraus war - von Einzelnen ausgeübt werden, denn viele Berufe hatten nur wenig Kapital zur Voraussetzung. Nur reiche Handwerker hatten erweiterte Haushalte und oft stellten sie als erstes eine Frau als Gesinde ein, was die Bedeutung der Hausfrau und der - weiblichen 8 Zur vielfa.Itigen Debatte zum "'Ganzen Haus"' beziehe ich mich primär auf neuere familiensoziologische Zusammenfassungen: Rosenbaum, 1982, Sieder, 1987; zur Ökonomie des Hauses Richarz, 1991. Noch in neueren Publikationen werden viel zu große historische Haushalte unterstellt; etwa Siebel (in: Nave-Herz/ Markefka, 1989). Besonders pointiert ist die bedeutende Arbeit Rosenbaums, auf die - zur inhaltlichen Zuspitzung - deshalbprimär abgehoben wird. Sie stellt - für die Städte- nicht nur zwei nachbarschaftlicheMilieus einander als gegensätzlich gegenüber,das der neuen Bürgerfamilien unddas der Handwerker. Letztere seien- wie auch die Bauern - am Übergang vom 18. zum 19. Jahrhundert durch die "'grundlegende Einheit der Produktion"'(= Ganzes Haus) gekennzeichnet gewesen, auf Grund derer ., in diese Haushalte häufig Gesinde, Gesellen und Lehrlinge einbezogen waren"'. Sie betont auch: Deshalb "konnten sich in ihnen weder eine

Privatsphäre

'Familie' ausbilden, noch - was damit zusammenhängt - emotional-affektive

Orientierungen jene Bedeutung bekommen, wie sie für die moderne Familie typisch zu sein scheinen"' (S. l9; hvg. h.). Diese schroffe Gegenüberstellung zusammen mit dem Bezug auf die Bauern wird zu hinterfragen sein.

II. Die sozialen Gruppen -erste Kennzeichnung

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- Hauswirtschaft betont, ohne daß eine eindeutige Zuordnung möglich ist. Als Einzelner kommt - sinnbildlich - der Handwerker in die Stadt, heiratet dort eine vielleicht auch Zugewanderte, gründet einen Betrieb und bleibt relativ mobil, wenn der wirtschaftliche Erfolg nach zwei bis drei Jahren ausbleibt (vgl. Hennings, 1979) 9. In noch statischer Gesellschaftsformation waren viele Menschen und Familien als Wandemde mobil, wenn auch grundsätzlich seßhaft. Nur wenige konnten sich auf der anderen Seite als "Familien" dauerhaft etablieren. Es sind - mit anderen Worten - nicht Bauern und Handwerk auf der einen Seite dem Bürgertum auf der anderen gegenüberzustellen, sondern es bestanden diesbezüglich drei Gruppen mit eigenen Hausformen. Es gehören eher Handwerk und anderes Bürgertum zusammen als Handwerk und Bauern. Der Stadt-Land-Gegensatz zeigt sich als bedeutende Sch~idelinie. Nichts paßt so richtig zu den geltenden Vorstellungen über frühe Lebensformen, scheint eine Konsequenz aus dieser Einführung zu sein. Doch soll hier nicht der Eindruck erweckt werden, als würde nun ganz Neues präsentiert. Mehr geht es um eine erweiterte Sichtweise und Interpretation, die vorzustellen und auf ihre Plausibilität zu prüfen ist. ß. Die sozialen Gruppen- erste Kennzeichnung

Werfen wir nun - zum Verständnis des folgenden Kapitels, welches empirische Befunde für Bauern, Bürger und Handwerker detailliert vorlegteinen ersten Blick auf die sozialen Gruppen jenes Herzogtums Gottorf, dessen Landbevölkerung besonders intensiv untersucht worden ist, und dann auf die städtischen Gruppen. Später wird in Quellen und Untersuchungsgebiet genauer einzuführen sein (Kapitel C). Während städtische Gruppen sprachlich heute noch leicht identifiziert werden können, ist das bei den historischen Gruppen des "flachen Landes" kaum noch so. Die Tabelle 1 zeigt die genannten Besitzstände (Std) der ländlichen Gruppen und auch die Ämter (ähnlich den heutigen Kreisen als Verwaltungsbezirke) Gottorfs, die aber nicht weiter behandelt werden sollen. 9 Ein sich durch den Text ziehendes Problern ist schwer faßbar, das des sozialen Wandels. Einerseits ist mit den Daten zu einem Stichtag keine Veränderung zu beschreiben. Andererseits ist mit der Zeit um 1769 und der Nutzung von Volkszählungen von 1803 doch die Differenz einer Generation für einige Städte analysiert worden. Einmal können Städte durchaus aus beiden Quellen gemeinsam beschrieben werden, weil kaum ein struktureller, sondern nur ein partieller Wandel erkennbar ist. Zum zweiten zeigt sich aber die beschriebene statische Gesellschaft dennoch in Bewegung. Aus wenigen Daten zum 19. Jahrhundert - die hier nichtbehandelt werden- scheint aber sichtbar zu werden, daß ein qualitativer Wandel etwa bezüglich der Haushaltsformen nicht vor der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstand. 2 Hennings

18

A. Einleitung

In den hier genutzten Quellen Gottorfs, den Mannzahlregistern, finden sich knapp 30 verschiedene soziale Gruppen, die sich aber in einige Hauptgruppen zusammenfassen lassen (genauere Bezeichnungen und Abkürzungen in Tabelle 1)10: Hufner sind Bauern, die im Dorf eine besondere Rolle einnahmen, weil nur sie Mitglied der Dorfgenossenschaftwaren und überdie Belangedes Ortes (Allmende, Fruchtfolgen, Landverteilung) bestimmen konnten, soweit sie nicht übergeordneten Herrschaften unterstanden. Die V01besitzer/ Altenteiler sind zu unterscheiden in jene, die die Stelle (den Hot) an ihre Kinder übergeben haben, die mit den jeweiligen Besitzern also verwandt waren, und in jene, auf die dies nicht zutraf, weil sieden Hof an Fremde abgegeben haben. Altenteiler hatten Rechte an die jeweiligen Besitzer oder an die Grundstücke (Geld und/ oder Naturalien). Kiitner sind Eigentümer von Katen oder Teilen davon. Wenn sie im Dorf manchmal auch Anteil an der Allmende (gemeinschaftliches Weideland) bekamen, hatten sie doch keine Mitsprache. Einige von ihnen hatten neben der Kate mehr als Gartenland und können als Kleinbauern bezeichnet werden. Einige sind als Handwerker ausgewiesen. Für die Altenteiler gilt das bei den Hufnern Gesagte entsprechend. Bödner (Büdner) sind Eigentümer von Buden oder Teilen davon, wobei die Qualitäten der Gebäude und zugehörigen Ländereien/ Gärten in den benutzten Quellen nicht benannt sind. Nur gelegentlich kommen hier Altenteiler vor, die aber nicht notiert wurden. Nach der Haushaltsgröße stehen die Instenkätner (siehe nächsten Punkt) den Bödnern näher als den Insten. Insten sind Mieter, die oft zugleich Tagelöhner (normalerweise beim vermietenden Hofbesitzer) waren. Zum Teil sind sie als Handwerker (-losten) ausgewiesen, zum Teil waren es Arme und Alte (die meist losten bei Kätnern und Bödnern waren). Als Besonderheit kommen in einigen Gebieten Iostenkätner vor; sie stehen nach der Haushaltsgröße eindeutig den Bödnern näher als den Insten. In einigen Ämtern

I 0 Die Abkürzungenfür die Besitzstände folgen der Systematik, daß mit dem ersten Buchstaben die Hauptgruppe bezeichnet wird, mit dem zweiten eine Untergruppe; ein Bindestrich steht für mehrere Untergruppen.

II. Die sozialen Gruppen -erste Kennzeichnung

19

werden neben den losten Häuerlinge erwähnt, die sich der Haushaltsgröße nach von den losten nicht unterschieden. Als Andere werden alle Haushalte erfaßt, die nicht in die genannten Gruppen gehören, wie das ländliche Besitz- und Bildungsbürgertum und weitere mehr. Für die Lage der Ämter steht die Karte 1 zur Verfügung; es kommt aber nicht auf regionale Kenntnis an. Deutlich sollte werden, daß die genannte Vielschichtigkeil der vormodernen Gesellschaft auch eine regionale ist. Bestimmte soziale Gruppen (Std) kommen - wie an den leeren Zellen der Tabelle 1 zu sehen ist - nur in einigen Ämtern vor. Das erschwert natürlich die übergreifende Betrachtung, die insgesamt auch immer etwas Problematisches hat, weil es eine gemeinsame Gesellschaft noch nicht gab. Für die Städte wird auf Berufs- und Steuerklassifizierungen (meiner früheren Arbeiten) zurückgegriffen, die heutigen Standards nicht mehr voll entsprechen und die hier auch nur eine Übersicht geben sollen. Zwei Differenzierungsarten wurden verwendet, zum einen ist nach funktionaler, zum anderen nach vertikaler Differenzierung unterschieden worden. Funktional sind die Berufs- und darauf aufbauend - von mir so genannte - Wirtschaftsgruppen (WG) gebildet worden (Anhang). Bei der vertikalen Differenzierung sind Steuern, die den städtischen Haushalten der Volkszählungen zuzuordnen waren, die Basis für (städtische) Schichten, die als Ober-, Mittel- und Unterschicht in das Konzept der Lagen und Milieus integriert wurden (und alles wird später genauer erklärt). An dieser Stelle seien die meist verwendeten Bezeichnungen kurz skizziert; enthalten sind immer auch Witwen und Alte, also nicht nur das aktive Gewerbe: Das Besitzbürgertum ist- idealtypisch - durch eine Reihe besonderer Berufe (oft Kaufleute) gekennzeichnet, die in den Städten meist auch hohe Steuern zu erbringen hatten (Oberschicht, circa 5% der städtischen Bevölkerung). Das Bildungsbürgertum war meist steuerfrei und wird allein nach funktionaler Bezeichnung (eines Bildungsberufes) bestimmt (Oberschicht,S%). Das Nahrungs- (und Genuß-) gewerbe (und Handwerk) hat sich in den Städten regelmäßig als reicher herausgestellt als das andere Handwerk (und Gewerbe) und bildet vor allem die kleine städtische Mittelschicht (10% der Bev.).

20

A. Einleitung

Das Handwerk (und Gewerbe) stellt den größeren Teil beider Gewerbegruppen, die hier nur der leichteren Kennbarkeit wegen einmal als Nahrungsgewerbe, das andere mal als Handwerk bezeichnet werden (gelegentlich, im bloß umgangssprachlichen Kontext, ist Handwerk Oberbegrifffür Handwerk und Nahrungsgewerbe, wie Gewerbe dann auch Handel meint); es gehört der Steuer nach meist zur etwa 80% der Bevölkerung umfassenden städtischen Unterschicht (inkl. Gesinde; 20%); hierher gehören auch selbständiges Verkehrsgewerbe und Schiffsoffiziere (Steuerleute). Die Arbeits- und Seeleutestehen für niedrig klassifizierte Sozialgruppen, die auch die Frauen mit niederen Arbeiten und die Armen enthalten (Unterschicht). Tabelle I

Haushalte in Ämtern und nach Besitzständen Goitorfs ohne Norddithmarschen Std

Kie

Bor

Andere/ Verschiedene/ Sonstige I 2 a-

Kro

Neu

Cis

Old

Tri

20

31

33

10

139

Rei

Tre

Hufner, hg = Großhufner, hu =Voll-Hufner, h- =Halb-und Kleinhufner, ht- =Altenteiler, verwandt (htv) und nicht-verwandtmit Stellenbesitzer(ht) hg 2 hu 51 176 29 150 51 49 108 87 55 h12 19 6 152 37 27 ht66 21 2 113 Kätner, kg = Großkätner, ka =Voll-Kätner, k- Halb- und Kleinkätner,kv = Viehhirten in Katen, kt= Altenteiler. verwandt und nicht-verwandt mit Stellenbesitzer kg 19 3 43 16 ka 44 104 64 9 171 66 33 k55 1 39 1 5 14 40 kv 11 39 11 13 57 kt28 12 49 Bödner, bg = Großbödner, bo = Voii-Bödner, bk = Kleinbödner bg 49

bo

D

~

bk

ik = InsteDkätner, in= Insten, ig = Häuerlinge ik 36 25

in ig

167

260 130

59

168

24

~

49

46

72 165 95

167

407

108 193

115

Die Ämter sind: Kie = Kiel (Land), Bor = Bordeshohn, Kro = Kronshagen, Neu = Neumünster (ohne Recken), Cis = Cismar, Old = Oldenburg, Tri= Trittau, Rei = Reinbek; die fett gedruckten Kro bis Tri - sind aus Mannzahlregistern erhoben, die anderen nach Amtsrechnungen nur geschätzt.

II. Die sozialen Gruppen -erste Kennzeichnung

21

Nach diesen ersten Hinweisen soll im folgenden Kapitel erst einmal nur auf die Haushalte von drei wichtigen Gruppen eingegangen werden. Bauern, städtisches Bürgertum und Handwerk (in der genannten sprachlichen Differenzierung; Handwerk ist auch Stadtbürgertum) sind in der genannten Diskussion die speziellen Exponenten für das Thema "Ganzes Haus" versus Kemfamilie. Deren Rolle zu klären, ist ebenso ftir die Sozialstruktur von Bedeutung. Deshalb werden ihre recht verschiedenen Lebensformen zuerst global verglichen, bevor später - bei der Darstellung der Gruppen der Sozialstruktur - genauerauf die vielfaltigen Milieus eingegangen wird.

8. Haushaltsformen und Individuation In diesem Abschnitt werden Aspekte der Diskussion um das "Ganze Haus" 1 mit ersten summarischen Quellenbefunden konfrontiert, bevor später die Sozialstruktur umfassend vorgestellt wird (vgl. auch Abschnitt C, Quellen und Untersuchungsgebiet; mit Karte). Ab Mitte des 18. Jahrhunderts soll primär der Wandel zur Kernfamilie des Bürgertums stattgefunden haben. Dafür steht die Aufklärung, die im seinerzeit noch nicht rückständigen Schleswig-Holstein bereits entfaltet war und dem Ständestaat eine neue Einheit von Individualität und Öffentlichkeit und entsprechend andere Vorstellungen zu Familie und Gesellschaft entgegenhielt. Entstand nicht die "Idee" der privaten Familie lange vor ihrer Realität, oder wirklich erst zum Ende des 18. Jahrhunderts? Welche Gruppen waren neben dem hier unberücksichtigten Adel mit seinen besonders vorbildhaften und prägenden erweiterten Häusern/ Anwesen/Gütern- "die Träger" erweiterter Haushalte beziehungsweise kleinerer Familienformen? Zu hinterfragen ist- wie bereits deutlich wurde - die Annahme, neben der Familienform "der Bauern" könne "auch die der Handwerker als Sozialform des 'ganzen Hauses' bezeichnet werden", wie etwa Rosenbaum (1981, S. 121) 2 formu1 Haushalt wird hier ähnlich wie LasJetts MHS (Mean Household Size) defmiert, aberohne Verwandtschaftals Bedingungwie bei LasJetts "multiplefamily household". Es werdenaber nicht - für das Land - die Altenteiler vernachlässigt: Kernfamilie (KF) = Eltern mit (auch angenommenen) Kindern; erweiterter Haushalt (eHH) =noch ergänzt durch Gesinde (Gs) und/ oder Sonstige (S), die meist Verwandte sind. Das Anwesen verbindet mehrere Haushalte in einem Hof - nur dann spreche ich davon - und ist nicht mit der "Großen Haushaltsfamilie" identisch, mit der gelegentlich Mehrfamilienhaushalte von Verwandten bezeichnet werden. Zu den Funktionen in den Haushaltenund deren Abkürzungen- siehe genauerdie Darstellungen im Anhang. 2 Eine Eigenheit des Handwerks wird auch dadurch unterstellt, daß städtische Handwerker " auf häufigengstem Raum" lebten (S. 131), denn: "offenbar ist das Bedürfnis nach mehr Räumen nicht sehr groß gewesen" (S. 182). Selbst Gewalttätigkeiten der Eheleute und die "festen Verhaltensorientierungen" patriarchalischer Unterordnung der Mitglieder dieses "Ganzen Hauses" werden zum guten Teil auf häusliche Enge zurückgeführt (S. 131 ). Quantifizierende Quellenstützen -soweit ich sehe- diese Auffassung nicht. So fand Ebeling für Köln 1799: in den" einkommensund besitzstarken Gewerben neigten die Familien (der Handwerker, h.) der Wohnfonn der Kaufleute und der Unternehmer zu", demgegenüber waren es "immer die wirtschaftlich schlechter Gestellten, die mit zwei odermehr Familien ein Haus bewohnten. Diese Wohnfonn entsprang ganz offensichtlich der Not' (S. 125m. Für Kiel und Göttingen haben Brockstedt (1983) beziehungsweise Sachse ( 1987, S. 211) festgestellt, daß sich die Behausungsziffern der Gebäude in diesen Städten vom 18. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wesentlich erhöht haben. Zuvor hätte es also keine besondere Enge in den Häusern gegeben. In Kiel stieg die Hausbelegung von 1781 bis 1825

24

B. Haushaltsformen und Individuation

liert. Durch den Verlust der Produktionsfunktion und der verwandtschaftliehen Bindungen bei jenen Familien, die Gelderwerb und Wohnung trennten, habe das Bürgertum in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eine entscheidende Entwicklung erfahren, sei dort sukzessive Privatheit entstanden3. Beim Handwerk gehörten zum erweiterten Haushalt "gewerbliche Arbeitskräfte (Gesellen, Lehrlinge), u. U. auch Dienstboten" (S. 143); wobei mit dem: "u. U. auch Dienstboten" das männliche, gewerbliche Gesinde überbetont wird 4, was zur Stützung der These von der Einheit und Bedeutung der Produktion beiträgt. Bei der Frage nach den "Trägem" des erweiterten Haushalts kann - wie gesagt - von drei Hauptgruppen des Interesses ausgegangen werden, die besonders intensiv zu betrachten sind: Bauern, Handwerker und (speziell "neues") Bürgertum, deren Lebenssituationen und Entwicklungen hin zu Privatheil und Individualität jeweils verschieden gewesen sind. Auf diese Gruppen wird nun in konzentrierter Form eingegangen; später - bei Behandlung der Sozialstruktur - werden diese Daten noch differenzierter präsentiert.

I. Zu den Bauern Für Schleswig-Holstein um 1769 zeigt sich, daß Bauern etwa ein Drittel aller ländlichen Haushalte ausgemacht haben, wenn Hufner, die die Dorfgenossenschaften bildeten, und dazu ein Teil der Kätner (diejenigen, die wegen etwas Landbesitz als Kleinbauern gelten können, aber weniger Rechte und kleinere Haushalte hatten) als solche angenommen werden; von gravierend. Einer Steigerung der Bevölkerung um 80% stand die der Gebäude von nur 8% gegenüber(Datenfür 1825: Brockstedt). 3 Sieders ( 1987) Abgrenzung, daß'" die Handwerkerfamilienicht generell wie die Bauernfamilie als Sozialfonn des 'ganzen Hauses' bezeiclwet werden" kann, weil "häufig der Besitz eines Hauses und die an seine Vererbung gebundenen Strategien" fehlten (S. 103), greift zur Klärung der Frage zum "Ganzen Haus" nicht, da auch er dem Handwerk die "Einheit der Produktion" zuordnet. Die Frage des Hauseigentums scheint zudem zweifelhaft. Es hat zwar .. berufliche Kontinuität', aber nicht so sehr "betriebliche Kontinuität im Vater-Sohn-Verhältnis gegeben (Mitterauer nach Rosenbaum, S. 139). Sieder, S. 106, selbst spricht von fehlender " Perennitäl', d. h. der fortwährenden Hausgemeinschaft. Für Kiel 1781 zeigte sich, daß36,9% aller Haushalte, worin 54,1 % der Bevölkerung (inkl. Gesinde) lebten, über Hauseigentum verfügten. Typische Mieter waren Arbeitsleute, die in Kiel häufigen Pensionäre, aber auch noch die Verwaltungs- und Dienstleistungsberufe! Das Handwerk hatte zu circa 58% der HaushalteHausbesitz. 4 Insgesamt bestand- wie wir noch genauer sehen werden - das Gesinde 1769 in den untersuchten Städten z. T. mehrheitlich aus Frauen und relativiertdamit die Hausproduktion gegenüberder Hauswirtschaft der Hausfrauen. Das gilt nicht nur für die schleswig-holsteinischen Städte 1769; für Göttingen 1763 fand Sachse ähnliche Verhältnisse ( 1987, S. 231 fl); Ebeling ermittelte für Köln 1799 beim Gesinde nur ein leichtes Übergewichtder Männer (1987, S. 85ft). Bei der Defmition des "Ganzen Hauses" nur mit produktivem/ männlichem Gesinde würde die Debatte auch fragwürdig, weil nur bis knapp 20% der städtischen Haushaltesolches aufwiesen.

I. Zu den Bauern

25

den Anwesen spreche ich an dieser Stelle noch nicht. In diesen Bauernhaushalten - mit zum Teil deutlicher regionaler Abstufung der Haushaltsgröße und -form- finden sich circa 36% der Bevölkerungals Mitglieder der Kernfamilien (KF, darin Eltern 17%) und noch 10% als Gesinde (Gs). Zusammen mit einigen sonstigen Personen (Sw/m; meist Verwandte) lebte zum Stichtag mithin die Hälfte der Landbevölkerung in Bauemhausha/ten. Außerhalb der Bauernhaushalte gab es nur noch ungefähr 2% der Bevölkerung an Gesinde. Durch Gesinde erweiterte Haushalte sind auf dem Lande also überwiegend die von Bauern; dazu kommen einige Haushalte höherer Schichten und von Handwerkern. Der durchschnittliche ländliche Haushalt aller Bevölkerungsgruppen Gottorfs war 4,4 Personen groß (darin Amt Trittau 4,5). Davon hatte die Kernfamilie 3,67 Mitglieder, 0,16 Sonstige lebten darin und 0,57 Personen Gesinde (gewerbliches davon nur 0,04). Und nur 25% der Haushalte waren durch Gesinde erweitert. Inklusive der Sonstigen, meist im Hause lebende Verwandte, gab es 33% erweiterte Haushalte, in denen 47% der Landbevölkerung lebte; das ist weniger als in den untersuchten Städten (im Jahr 1769: 38%/ 51%). Selbst bei den aktiven Bauern - ohne Altenteiler - sind in Gottorf, genau im dazu speziell untersuchten Amt Trittau, dessen Werte dem Gottorfer Durchschnitt aber recht gut entsprechen, nur 64% erweiterte Haushalte gefunden worden. 69% aller Bauern waren Hufner (80% erw. HH) der verschiedenen Größen, die restlichen waren jene Vollkätner, die als Kleinbauern (30% erw. HH) zu bezeichnen sind. Insgesamt an 80% der Bauern (89% bei Hufnern, 56% bei Kleinbauern) waren zugleich Anwesenvorstände, die zu 67% durch Gesinde erweitert waren (nur bei real mehreren Haushalten pro Hof spreche ich von Anwesen). Anders als beim städtischen Handwerk war bei den Bauern die Produktion noch relativ direkt Begründung für erweiterte Haushalte. Das Bewirtschaften einer Bauernstelle war mit nur einer Person unmöglich, während der städtische Handwerker durchaus seinen Unterhalt allein finden konnte; die hohe regionale Mobilität in den Städten zeigt da aber auch Grenzen auf, denn recht oft waren erfolglose Familien zur Abwanderung gezwungen, um andernorts erneut das Glück einer selbständigen Existenz zu versuchen; Bauern steht ein solcher Weg nicht offen. Wo es bei den Bauern wenig Gesinde gab mußten andere Kräfte die Arbeit - zum Teil auch noch Gutsdienste - erledigen. Die Notwendigkeit,

26

B. Haushaltsformen und Individuation

eine Mindestmenge an Arbeitskräften aufzubieten, läßt sich auch erkennen, wenn jene Haushalte mit nur einer Person Gesinde betrachtet werden, die deutlich mehr erwachsene Kinder aufwiesen. Und auf dem "flachen Land" konzentrierte sich die dörfliche Bevölkerung räumlich und sozial um den erweiterten Haushalt der Bauern, der insofern - kumuliert im Anwesen - in seiner Wirkung auf die Menschen deutlich "beherrschend" gewesen ist. ll. ZUm Bürgertum In den schon früher (1990) untersuchten vier Städten Flensburg, Husum, Rendsburg und Krempe ergab sich für das Jahr 1769 ein Durchschnittshaushalt von 3,83 Personen. Davon bildeten 2,98 Personen die Kernfamilie aus Eltern und Kindern, 0,12 Personen waren Sonstige, meist Verwandte dieser Kernfamilie, und 0, 73 Personen an Gesinde lebten in diesen Haushalten. Insgesamt gab es circa 38% erweiterte Haushalte, in denen sich 51 % der städtischen Bevölkerung fand (inkl. Gesinde und Sonstige). Nur in knapp 17% aller Haushalte kam allerdings produktives Gesinde, Lehrlinge, Gesellen und auch wenige Kommis/ Schreiber vor, und in 29% lebten sonstige Dienstboten (Überschneidungen), das sind Knechte und Dienstmädchen, wovon städtische Knechte aber nur wenige waren. Eckernförde wie Kiel des Jahres 1803 früher nicht mit untersucht und deshalb hier nachzutragen -hatte im Jahr 1769 Haushalte von durchschnittlich 3,78 Personen, die zu 16% männliches Gesinde (nun inkl. Knechten) und zu 22% weibliches aufwiesen. In allen 36% erweiterten Haushalten (n = 195; 160 mit Gesinde) lebten 49% der Bevölkerung Eckernfördes. Tabelle2 Haushaltswerte verschiedener Städte

4 Städte 1769 Eckernf. 1769 Flensb. 1803 Kiell803

------------

HH

KF

eHH

mit Bev. Gs/HH

3,83 3,78 4,39 3,93

2,98 3,14 3,25 2,91

38% 36% 42% 42%

51% 49% 61% 63%

0,73 0,50 0,98 0,78

HH = Haushaltsgröße; KF = Kernfamiliengröße; eHH = Anteil erweiterte Haushalte; mit Bev. darin Bevölkerung; Gs/ HH = Personen Gesinde pro Haushalt

=

In den genannten vier Städten gab es bezogen auf die funktionale Schichtung nach den Berufen grob eine Dreiteilung. Ein gutes Drittel der Haushalte waren die von Arbeitsleuten, einfachen Seeleuten, Waschfrauen und ähnlichen Berufen, fast die Hälfte waren Haushalte des Handwerks und des

II. Zum Bürgertum

27

Nahrungs- sowie des Verkehrsgewerbes, und knapp ein Fünftel waren meist besonders gut situierte Haushalte des Handels und die von Verwaltungsund Dienstleistungsberufen. Die Tabelle 2 stellt Haushaltsdaten im Vergleich auch für Städte des Jahres 1803dar. Der relativ große Flensburger Haushalt von 1803, der die bereits durch die Aufklärung geprägte Situation eine Generation nach der ersten Erhebung zeigt, bestand gegenüber 1769 (HH: 4,09, Gs: 0,85) aus noch mehr Personen, ohne daß sich die innere Relation nennenswert verändert hätte. Flensburg, dessen Kaufleute gegenüber anderen Städten besonders reich waren, wurde um die Jahrhundertwende stark erweitert, wobei neue Stadtteile als weitere - sozial abgestufte - "Kerne" der Gesamtstadt, aber nicht als Entmischung in Villen- und Armenviertel erscheinen. In dem - gegenüber 1769 größeren und öftererweiterten (!)- Haushalt lebten nun 4,39 Menschen, bei Kernfamilien von 3,25 und einem Gesindeanteil von 0,98. Dabei hatten sich die 37% um Gesinde erweiterten Haushalte (42% mit Sonstigen; darin 63% EW) noch stärker auf die oberen Schichten konzentriert; der Anteil der Haushalte mit Gesellen, Lehrjungen und Kommis erreichte wieder nur knapp 17% (Knechte 8,6%, Dienstfrauen 32,1%, Sonstige 12,8%). Kiel, mit 1781 wie auch 1803 einer besonderen Struktur, hatte 1803 in den 1.581 Vollhaushalten (zum besseren Vergleich ohne Studenten, Militär) mit 6.206 der insgesamt 7.075 Einwohner durchschnittlich 3,93 Personen und davon 0,78 an Gesinde. Männliches Gesinde gab es dort in 19% der Haushalte, weibliches in 29%. In den 42% erweiterten Haushalten lebten hier aber - wie 1803 in Flensburg- 63% der Menschen (663 HH, durch Gs erw. 551), während dies in Eckernförde 1769 nur 36% (HH) und 49% (EW) waren. In den Unterschichten war das Leben in der damaligen Kernfamilie die Regel und in Mittel- und Oberschicht der erweiterte Haushalt. Besitz- und Bildungsbürgertum, die gemeinsam als die "Träger" der neuen Familienform und der Privatsphäre gelten, waren innerhalb der Städte nur kleine Gruppen der von mir früher für die Städte definierten Mittel- und Oberschichten, die zusammen nur um 20% der städtischen Bevölkerung umfassen (zum Verhältnis zu Lagen und Milieus später). Übrigens gab es seit 1769 in Flensburg, das doch immerhin 1803 mit fast 10.000 Menschen eine der Großstädte des Königreiches Dänemark gewesen ist, keine prozentuale Ausweitung des Bildungsbürgertums als Folge einer Verstärkung der Verwaltungs- und Bildungstätigkeit dort, während in Kiel wegen ganz besonderer Umstände - Verlust der "Hauptstadtfunktion" - eine Schrump-

28

B. Haushaltsformen und Individuation

fung dieser Gruppen von 1781 - 1803 eintrat, so daß der Vergleich nicht sinnvoll ist. Die "neuen" Bürgerhaushalte entstanden eher durch innere Veränderung, durch neue Sichtweisen ihrer Träger und nicht als neue soziale Schicht mit anderen Haushaltsformen; und in dieser Zeit stiegen Anteil und Größe erweiterter Haushalte noch an. Dabei entwickelte sich eine neue Position gegenüber der herrschenden Schicht des Staates, dem Adel. Auch allein das Bildungsbürgertum, also nun ohne das Besitzbürgertum, zeigt sich dabei 1769 wie 1803 als ein "Träger" des erweiterten Haushalts und hatte mehr davon als das Handwerk. Mit 1803 in Rensburg etwa 55% um Gesinde erweiterter Haushalte (59% mit Sonstigen; ohne Militär und Stadträte) ist in dieser Gruppe das Verhältnis erweiterter Haushalte zu den Kernfamilien beinahe umgekehrt wie im Gesamtdurchschnitt dieser Stadt (37%). In Kiel hatte diese Schicht 60% erweiterter Haushalte mitsogar 82% ihrer Personen darin; nur 18% dieser Gruppe lebten in Kemfamilien. Das Bildungsbürgertum bestand 1803 in Rensburg aus 102 Haushalten (von 2.254). Davon waren 35 (18) der Verwaltung zuzuordnen (in Klammem: ohne Gesinde), 30 (19) direkt dem Bildungswesen, 14 (4) der Justiz, acht (2) Zoll, Post und Commerz, und 14 (3) Haushaltegehörten zur Kirche. Insgesamt 59% dieser Haushalte waren erweiterte mit im Schnitt 4,76 Personen, davon 0,98 Dienstmädchen und je 0,17 Kommis und Knechte (Kemfamilie 3,2). Dabei bestanden die - nur bezogen auf die Mittel- und Oberschichten häufigen - gesindelosen Haushalte der Bildungsbürger mutmaßlich überwiegend aus jenen Verwitweter und aus ganz "jungen" Haushalten, die nicht mehr oder noch nicht erweitert gewesen sind. In jenen 46 Haushalten dieser Gruppe ohne Gesinde gab es etwas weniger komplette Ehen und deutlich weniger Kinder, nur in 37% der Haushalte, während es in allen 102 doch 55% waren. Deren recht kleiner Haushalt umfaßte nur 2,54 Personen (KF 2,46, 0,1 Sonstige) und im Schnitt0,89 Kinder, während es in der Gesamtgruppe mit 1,56 fast doppelt so viele waren. Das war in Kiel ähnlich. Werden einmal nur jene Haushalte dieser Stadt für 1803 betrachtet, die direkt als solche von Lehrern und Professoren (inkl. Witwen) ausgewiesen sind, so findet sich in diesen 51 Haushalten ein besonders hoher Anteil erweiterter Haushalte (65% mit 89% der Personen dieser Gruppe). Zusätzlich gab es nur noch elf Einpersonenhaushalte. Innerhalb des Besitzbürgertums (nun also ohne Bildungsbürger) sind in Rensburg besonders die direkt so genannten Kaufleute (n = 147) anzuspre-

II. Zum Bürgertum

29

eben, eine Gruppe, die sich unter anderem " durch Reisen sehr gebildet" hatte, wie eine zeitgenössische Quelle für die Lübecker Kaufleute vermerkt (Kammer, 1981); sie lebten 1769 wie 1803 fast nur in der Form des erweiterten Haushalts (90%; in allen Werten noch etwas darüber lagen die 24 Fabrikantenhaushalte). Ihre Haushalte hatten durchschnittlich 8,15 Personen, wobei 3,94 Personen Gesinde im Hause lebten (Gehilfen 1, 13; Knechte 0,95; Dienstmädchen 1,86); diese Haushalte reichen an die Personenzahl bäuerlicher Anwesen heran. Kiels Besitzbürgertum war auch 1803 kleiner als das Flensburger. Von den 79 Haushalten der Einzelberufe Kaufleute, Händler, Krämer und Capitalisten (primär Rentiers) waren 76% erweitert, worin 90% der Menschen dieser Gruppe lebten. Sie waren im Schnitt 5,85 Personen groß, wovon 2,08 Gesinde waren. Die 27 Kaufleutehaushalte waren alle erweitert und die nicht erweiterten aus der Gesamtgruppe wieder sehr kleine Kernfamilien (Eltern: 1,47; Kinder: 1,0). Besitz- und Bildungsbürgertum, bei denen eigentlich "die Einbeziehung nicht-verwandter Personen in die (bürgerliche) Familie überflüssig" geworden war, was nach Vollbrecht (1983, S. 26t) eine "Konzentration der Beziehungen in der Familie auf das Private" ermöglichte, widersprachen dem ja offenkundig durch konkretes Wollenund Handeln. Daß etwa die Flensburger Kaufleute "eigentlich" die Möglichkeiten hatten, ganz privat zu leben, ergibt sich schon aus dem immensen Besitz, den diese Gruppe versteuerte, die ihre Wohnungen insofern leicht hätte aus den Kaufmannshöfen in ein Villenviertel zurückziehen können. Wenn die neue Familie vielleicht geistig-psychisch besonders in der Aufklärung reifte, so muß sogar in Zweifel stehen, ob überhaupt sinnvoll von einer Wahlverwandtschaft zwischen Individuation und Haushaltsform zu sprechen ist (vgl. Bertram, 1983). Hat womöglich- sehr profan- erst später der Mangel an Personal die - bürgerliche - Kernfamilie erzeugt? Die Trennung von Haushalt und Berufsstätte läßt sich, wie besonders an den wenigen Fabrikantenhaushalten zu sehen ist, für Flensburg 1803 noch gar nicht zeigen. Dabei ist selbstverständlich einzuräumen, daß die Volkszählungslisten für diese Fragestellung nicht gerade ideale Quellen sind, weil externe Arbeitskräfte nicht erfaßt werden (vgl. Al brecht, 1993). In Eckernförde 1769 waren die 8% Haushalte des Bildungsbürgertums ganz ähnlich strukturiert. 57% waren erweitert und wiesen darin 79% ihrer Bevölkerung (inkl. Gs) auf. Dort gab es zehn Haushalte alleinstehender Per-

30

B. Haushaltsformen und Individuation

sonen, die bis auf zwei Buchhalter alle über 50 Jahre alt waren. Die Stadt hatte 1769 im Besitzbürgertum 85% erweiterte Kaufleutehaushalte und wies insgesamt (10% HH, 14% EW) 76% erweiterte Haushalte bei Haushaltsgrößen von 5,15 Personen auf.

m. Handwerk und Gewabe Kommen wir zum Handwerk und Nahrungsgewerbe (zur Erinnerung: beide Gruppen werden meist getrennt betrachtet, sie bestehen beide genaugenommen aus Handwerk und Gewerbe, werden hier nur zur besseren Übersicht nach Handwerk und Nahrungsgewerbe unterschieden); im nächsten Abschnitt wird die Beschäftigung von Frauen dieser Gruppen dann noch detaillierter behandelt. Das Rensburger Handwerk hatte 1803 nur zu 41,3% Gesinde im Hause (WG B 644 HH). Zusammen mit dem Nahrungsmittelgewerbe waren das 49%, also immer noch deutlich unter dem Anteil im Bildungsbürgertum (55%). Dabei stieg der Gesindeanteil sehr deutlich mit der Steuerhöhe an. In Kiel wies 1803 auch das Handwerk relativ viele erweiterte Haushalte auf, nämlich 48% (217 HH mit Gs und Sw/m, nur Gs 182), in denen 65% der Menschen dieser Gruppe lebten. Schon 1781 konnten dort einige Handwerke - wie Tischler, Schneider und Schuster - besonders von einer großen "Oberschichtskundschaft" profitieren, was auch durch die großen Haushalte seinen Ausdruck findet. Das Kieler Handwerk hatte 1803 im Schnitt 0,9 Personen Gesinde im Haus (HH: 4,46; 32% männl.; 25% weibl.). Die Daten Eckernfördes für 1769 bestätigen demgegenüber die früher für jene Zeit gefundene Lage der Städte. Das Handwerk wies nur 36% erweiterte Haushalte auf, worin sich 44% der Handwerksbevölkerung und deren Gesinde fand (HH: 4,34). Beim Nahrungsgewerbe waren es 67% und 73%. Schon in der Mittelschicht (ca. 10% Bev.) finden sich in Rensburg 1803 ähnlich wie in den schleswig-holsteinischen Städten 1769 nur noch wenige Handwerker, wenn vom Nahrungsgewerbe abgesehen wird. In der ökonomischen Oberschicht (5%) dominieren dann die Kaufleute, Händler und Fabrikanten; in anderen Städten befanden sich die Kaufleute nicht ganz in solcher bedeutenden Position. Damit zeigt sich in meinen neueren städtischen Untersuchungen für 1769 (Eckernförde) und 1803 (Kiel) die bekannte Situation. Auch Kiel hatte, obgleich dort die diskutierten Gruppen insgesamt mehr Gesinde beschäftigten, deutlich mehr Gesinde beim Bildungsbürgertum als beim Handwerk.

IV. Frauenarbeit und ''die Produktion"

31

Erst wenn ein Gewerbe, das meist von einem Meister allein betrieben werden konnte, zu Reichtum geführt hatte, wurde der betreffende Haushalt regelmäßig erweitert. Dennoch waren erweiterte Haushalte auch in den Städten die "beherrschende" Lebensform, die- wenn auch nicht so ausgeprägt wie auf dem Dorf- die Siedlung konstituierten. In Grenzen überdeckten sich vermutlich räumliche Verknüpfung und soziale Abhängigkeiten noch in ähnlicher Weise wie auf dem Dorf, wo Insten mindestens überwiegend direkt in den Arbeitsprozeß der Haupthaushalte bäuerlicher Anwesen integriert waren; auch städtische Arbeitsleute werden als Mieter real bei entsprechenden Anforderungen primär ihren Hauswirten verpflichtet gewesen sein. Das Handwerk lebte keineswegs wegen der Hausproduktion in erweiterten Wohnformen, die- gegenüber einem nun Kernfamilienhaushalte bevorzugenden Bürgertum - das Unvermögen zur Ausbildung von Privatheit begründen; der erweiterte Haushalt kam eher selten vor. Ebenso muß aber offen bleiben, ob denn später eine Situation eingetreten ist, in der das Bürgertum deutlich vor dem Handwerk sein Gesinde - auf erst einmal primär weibliches - reduziert, oder ob sich das Gesinde selbst - durch auch wachsende Individualität und Ausbildung von Privatheil - eigene Haushalte geschaffen hat5. Sehen wir uns Handwerk und Nahrungsgewerbe nun noch bezüglich der Beschäftigung von Frauen genauer an. IV. Frauenarbeit und "die Produktion"

Die Frauenarbeit wurde bislang unterschätzt und auch damit die- primär maskulin gedachte - "Einheit der Produktion" überbewertet. Die Arbeit der "Hausmütter" hatte aber eine erhebliche Bedeutung, läßt sich doch sogar fragen, ob ihre Hauswirtschaft(Garten und z. T. Stadt-Feld inklusive) nicht die kontinuierlichere Basis der Ernährung der Familie gewesen ist (vgl. Richarz, 1991), während bei der Hausproduktion der Männer konjunkturelle Schwankungen, bei den Bauern auch noch witterungsbedingte eine erhebliche Rolle spielen konnten. 5 Hinweise dazu geben die Volkszählungen Aitonas von 1769 und 1803. In letzterer (Gehrmann, 1989 2) fmden sich relativ viele alleinlebende Gesellen (ca. 400; vor allem Maurer, Zimmerer, Schneider); aber auch knapp 50 Buchhalter und Büroangestellte sind schon in eigenen Haushalten oder als Häuslinge notiert. Nach einer Durchsicht der etwa 23.000 Personen umfassenden Datei scheinen Besitz- und Bildungsbürgertum dort aber nicht in grundlegend anderen Verhältnissen gelebt zu haben als in den anderen Städten, obgleich Altonas ökonomische Entwicklung besonders weit war (viele Fabriken). Auch Kiel hatte 1803 schon eine Reihe solcher Haushalte, primär von Gesellen im Baugewerbe, die abertraditionell relativoft eigene Haushalte hatten.

32

B. Haushaltsformen und Individuation

In jenen Rensburger Haushalten des Handwerks und Nahrongsgewerbes, die 1803 nur eine einzige Person als Gesinde im Hause hatten, war das in 58,5% der Fälle eine Frau. Allein beim Handwerk waren es 47,7%, beim Nahrungsmittelgewerbe sogar zu 83,8% Frauen (besonders bei den Brauern und Brennern mögen aber übermäßig oft Frauen gewerblich eingesetzt worden sein, ohne daß sich das sonst völlig trennen ließe). In den nur 26 Eckernförder Handwerkshaushalten mit lediglich einer Person Gesinde waren es bloß zu 23% Frauen, in Kiel (71) wiederum 46%. In auch nur 35% aller Haushalte des Handwerks wurde 1803 in Rensburg männliches, ausschließlich gewerbliches Gesinde inklusive Knechte (die nur in 1,2% HH) beschäftigt. In 27,5% der Haushalte waren Dienstfrauen eingestellt. Beim Nahrungsmittelgewerbe gab es in 18,5% der Haushalte Gesellen/ Lehrlinge, in 36,4% Knechte, aber in 72,8% der Haushalte Frauen, die als Gesinde im Hause lebten. In Kiel waren diese Werte für das Handwerk ähnlich (32%/ 25%), beim Nahrungsgewerbe finden sich aber deutlich mehr Männer (60%/ 65%). Eckernförde weist 1769- auch gegenüber anderen Werten dieser Zeitabweichende Zahlen auf. Diese Stadt hatte insgesamt nur 0,5 Personen Gesinde pro städtischem Durchschnittshaushalt Beim Handwerk gab es dort 27% Haushalte mit männlichem Gesinde und nur 12% mit weiblichem, beim Nahrungsgewerbe waren es 22% und 53%. Die Spannbreiten sind also durchaus erheblich. Die "Produktion", ausgedrückt in diesem Zusammenhang primär durch männliches Gesinde, war nicht gerade häufig die Basis erweiterter Haushalte. Dienstmädchen und -frauen relativ oft im Haushalt zu haben, teilte das Handwerk aber eben mit anderen Schichten. Die Haushaltsform - bleibt festzuhalten - bietet für die genannten Thesen zur Privatheil kaum einen Bezug, eher spricht sie gegendiese Thesen.

V.lndividuation als Parameter der Familiensoziologie Die These vom Funktionsverlust und der Reduktion der Familie ist für Schleswig-Holstein nicht zu bestätigen. Das ausgewertete Material läßt weder den Zeitraum der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts noch den meist skizzierten Prozeß als wahrscheinlich zu, daß damals Beamte, Kaufleute, Bankiers, Pastoren und andere auch räumlich Privatheil entwickelten. Als unzutreffend erweist sich die Zuordnung: "Ganzes Haus" =rückständig, die mit dem Handwerk und den Bauern begründet wird. Ein solcher Ansatz

V. Individuation als Parameterder Familiensoziologie

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wäre auch zu äußerlich, in der Entwicklung des Neuen nicht langfristig genug angelegt. Wenn nun dazu einige Bemerkungen noch folgen, so dienen sie bloß der Erläuterung der hier vorgestellten Denkansätze. Erklärt werden soll mit ihnen, warum in dieser Arbeit relativ intensiv auf das Problem der Individuation verwiesen wird, wo doch - aus heutiger Sicht - allenfalls von Spuren davon zu reden ist, wenn auf Unterschiede bei Bauern und Handwerkern hingewiesen wird. Der Versuch, die historischen Formen aus ihrer historischen Zeit selbst- beispielsweise mit der "Produktion" -zu erklären, scheint nicht hinreichend zu sein. Doch aus der Sicht moderner Gesellschaft lassen sich diese feinen Differenzen zur Verständlichmachung nutzen. Individuation und Privatheit werden von der aktuellen Haushaltsform gelöst. Damit ist nicht eine neue Theorie gemeint, nicht die Einbindung der Arbeit in das Denkgebäude Elias', sondern nur ein zweckmäßiges Erläutern eines bestimmten Aspektes dieser Arbeit. Im Zuge der Aufklärung entsteht die neue Funktionserweiterunlf der Haushalte des modernen Stadt-Bürgertums. Sie muß - wie bereits früher formuliert - wenigstens in zwei Elementen gesehen werden, zum einen in der bewußten "Bildung der Persönlichkeit', wie Sieder (1987, S. 129) formuliert, und um den "Eigenheiten und Begabungen des Kindes auf die Spur zu kommen" (Rosenbaum, 1981, S. 269). Es entstand ein neues Verhältnis von Innerlichkeit und politischer Öffentlichkeit wesentlich voreiner räumlichen Privatisierung. Diese "Idee" muß ihre Fundierung dann wohl in früheren als den bisher angenommenen Prozessen gefunden haben, weshalb ich oben auf die frühe Entfaltung von Individuation beim Stadtbürgertum - also quantitativ wesentlich auch Handwerk - hinwies. Auch bei den Bauern ist jenes "Ganze Haus", wie es sich etwa Tönnies als deren mittelalterliche Lebensweise vorstellte, längst durch kontraktuell verbundene Anwesen ersetzt worden, Verhältnisse, wie sie auch zwischen Gesinde und Herrschaft durchgesetzt waren (u. a. über die Gesindeordnungen; Göttsch, 1978). Bauern und Handwerk lebten - wie gezeigt wurde - in deutlich unterschiedlichen Hausformen, selbst wenn vom Anwesen abgesehen wird. Dabei kann mit "Sozialisation" natürlich noch für lange Zeit kein primäres Eltern-Kind-Verhältnis gemeint sein, wie es sich ja heute erst durchsetzt. Wenn sich auch innerhalb der neuen bürgerlichen Haushalte die räumliche wie soziale Distanz zu den Dienstboten verstärkt haben wird, 6 Als alten Funktionszuwachs bezeichne ich das Bestreben der traditionalen Familie zur Erweiterung des Haushalte bei .. günstiger materieller Situation .. (Rosenbaum, S. 144). 3 Hennings

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B. Haushaltsformen und Individuation

muß das Gesinde wohl weiterhin als wesentlich für die Erfahrungswelt der Kinder verstanden werden, wie es Elkar (1981, S. 31) etwa für den Maurersohn Hebbel (geb. 1813) darstellt, der Zuwendungen von Nachbarn, Dienstboten, Händlern als "zuweilen größer und nachhaltiger. als jene der Eltern" erfuhr. Mitterauer schreibt sogar: "In Haushalten des traditionalen Buropa haben vor allem Dienstboten und ältere Geschwister für die Kindererziehung eine große Rolle gespielt" (1989, S. 190). Dies wirkt noch lange fort und betont die Bedeutung des Hausgesindes für die hier diskutierte Problematik. Es zeigt sich als sinnvoller, bei der Analyse der Familie von einer langwährenden Entwicklung der Individuation auszugehen, wie Elias (1976) den Zivilisationsprozeß beschreibt, wobei "der" Zivilisationsprozeß als jeweils innerhalb von Kulturen, vielleicht auch von Epochen stattfindend begriffen werden sollte, vielleicht gar -wie auch Webers Protestantismusthesen -nur als der eine europäisch-amerikanische Weg in die Modeme. Die Differenz der Handwerker und anderer städtischer Bürger gegenüber den Bauern und untereinander ist skizziert worden. Und indem vielleicht relativ früh die gebildeten - Schreiber von Kaufleuten eigene Haushalte durchgesetzt und die Verwaltungsberufe weiter ausdifferenziert haben, entstanden neue Familienformen, erweitert, wann immer das finanziell möglich war. Solche Prozesse werden auch im Handwerk durch die Zahl alleinlebender Gesellen sichtbar. Der Prozeß der Zivilisation war ja nicht ausschließlich ein unbewußter, sondern ebenso öffentlich organisierter Lemprozeß. Die "andere Affektstruktur', wie sie beispielsweise Lorenzen-Schmidt (1978) für Angehörige höherer Schichten des 16. Jahrhunderts belegt, von denen doch jeweils am ehesten Beherrschung zu erwarten ist, zeigt, daß besonders der Angriff auf deren "Ehre als Ausdruck persönlicher Integrität" zu Beleidigung und Gewalt trieb. Das zu ändern war der Prozeß der Affekt-Modeliierung durchaus auch Bedürfnis; es ging den Menschen in der Aufklärung auch um die "Verfeinerung des Geschmaks, der Verädlung der Sitten undjeder gemeinnützigen Wirksamkeit', um Kenntnisse, ohne die "der Mensch nicht ganz Mensch ... nicht ganz Bürger sein" kann, wie Kopitzsch (1982, S. 154) ein Ziel von Lesegesellschaften benennt, die ab 1773 in Schleswig-Holstein entstanden. Kaum vorstellbar, daß in solchem umfassenden Vergesellschaftungsprozeß das umfangreiche Handwerk weitestgehend außen vor geblieben sei. Ging es doch keineswegs nur um Tischsitten und ähnliches, sondern um Beherrschung von Affekten, die das Zusammenleben oft schwierig

V. Individuation als Parameterder Familiensoziologie

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machten, woraus sich ein entsprechender Druck hin zu solcher Veränderung, Anpassung und Befriedung stets lebendig zeigte. Bei diesem Hinweis zur Einordnung familiensoziologischer Ergebnisse soll es bleiben, um später - nach einer genaueren Darstellung von Quellen und Untersuchungsgebiet - den Gruppierungen in ihren sozialen und räumlichen Lebensweisen genauer nachzuspüren.

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B. Haushaltsformen und Individuation Karte 1

Schleswig-Holstein 1769-Ämter (größer im Anhang)

50.0km

...

Schleswig-Holstein um 1769

La,. Hennlnge (Kartenvortege: Haine Ha...ld Hennlnge, 1875) _.,

C. Quellen und Untersuchungsgebiet Die Forschungen zu Sozialstruktur und Gemeindesoziologie können das bisher Gesagte vertiefen und differenzieren. Dank der Vorstellung kameralistischer Verwaltung, die Bevölkerung sei der Reichtum eines Landes, kam es für die damals zu Dänemark gehörenden Herzogtümer Schleswig, Holstein und das noch selbständige Holstein-Gottorf -das nach dem Nordischen Krieg (1721) nur noch aus wenigen Gebieten in Holstein bestand- Endedes zweiten Drittels des 18. Jahrhunderts zu ersten Individuenzählungen. Die Übersichtskartel enthält die verschiedenen Gebiete, die in diese Arbeit zumindest mit 1. Schätzungen, durch 2. tabellarische Übersichten ("Tabellen") oder durch 3. genaue individuelle Zählungen einbezogen wurden: Die Karte zeigt nach rechts oben schraffiert im Norden das dänisch verwaltete Herzogtum Schleswig und im Süden Holstein, nach links oben schraffiert das noch bis 1773 eigenständige Herzogtum Gottorf, und im SüdOsten wieder nach rechts oben schraffiert die nordelbischen Teile des Herzogtums Lauenburg, ohne Schraffur die anders strukturierten und nicht gezählten Güter- und Klosterdistrikte (vgl. Exkurs zur Leibeigenschaft) sowie Stadt und Land Lübeck 2. Auf der Basis einer recht komplexen DatenI Das Land "'zwischen den Meeren"', Schleswig-Holstein, ist in drei große Agrarbereiche zu unterscheiden. Westlich an der Nordseeküste liegt ein Streifen Seemarsch, ein fruchtbarer Schwemmboden, der sich sich ähnlich auch die Eibe entlangzieht (Flußmarsch). Der Mittelrücken des Landes besteht aus sandigen Geestböden, die weit weniger fruchtbar sind. Zur Ostsee hin fmdet sich dann das östliche Hügelland, das wieder sehr fruchtbar ist; dort liegen vor allem die adeligen Güter und Klöster (im Westen Klosterdistrikte ltzehoe, Uetersen). Wegen der besonderen Besiedelung durchwohl mehr der Entwässerungskenntnisse wegen als des Deichbaus - herangeholte niederländische Siedler, sind die Marschbauern von Anfang an freier als andere und nicht leibeigen gewesen. Die Städte- siehe große Karte hinten- waren weitgehend Landesstädte unter dänischer Verwaltung wie Holstein und Schleswig; sie sind in die Karte entsprechend ihrer Einwohnerzahl eingetragen (großer Kreis; derkleine Kreis 1/4 davon). 2 Die Schraffurdichte gibt die Bevölkerungsdichte wieder (siehe Legende). In den dänisch verwalteten Herzogtümern Schleswig- bis 1920 bis inklusive Amt Hadersleben (Königsau) reichend und Holstein wurde 1769 die erste Volkszählung durchgeführt. Das Herzogtum (Holstein-) Goitorf bestand daneben aus Norddithmarschen, wo mit Mannzahlregistern tatsächlich noch 1774 nur Männer gezählt wurden (>13 Jahre inkl. Gesinde), einem Streifen von Kiel bis Neumünster, dann in Ostholstein Oldenburg und Cismar und Ländereien um Trittau und Reinbek östlich Hamburgs. Nicht gezählt wurde in den (überwiegend ost-) holsteinischen Güter- und Klosterbezirken (im Westen ltzehoe/ Uetersen), die von Gottorf und Dänemark gemeinsam verwaltet wurden. Unabhängig davon war das Land Lübeck, Stadt und Bistum, mit den Ämtern Eutin und Schwartau, wozu -was hier unberücksichtigt blieb- 1768 das Amt Oldenburg kam.

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C. Quellen undUntersuchungsgebiet

struktur für die verschiedenen Gebiete - was entsprechende Hinweise nötig macht - läßt sich für ein großes abgeschlossenes Gebiet eine doch relativ dichte Zustandsbeschreibung vormoderner Gesellschaft vorlegen - wenn auch nicht als Darstellung einer (im Sinne Lasletts, 1991: verlorenen) "Lebenswelt", die bis in den historischen Alltag führt; zu sehr bleibt diese Arbeit eine "quantifizierende" und in Teilen auch Zusammenfassung. Dennoch sind die vielschichtige Sozialstruktur der Region, das typische Dorf- primär im Sinne eines Durchschnittstypus -und die Stadt- eher idealtypisch - zu skizzieren. Hinweise auf soziale Lagen/ Milieus, Berufe und Agrarstrukturen sowie die städtischen Steuern ergeben sich ebenso, wie differenzierte Haushaltsformen nachvollziehbar werden und soziale Gruppierungen auch nach ihrem Alter einzugrenzen sind. Dazu ist noch ein nur kurzes Wort zur allgemeinen Lage Schleswig-Holsteins Ende des 18. Jahrhunderts zu sagen, ohne auf die komplizierte Geschichte des Landes einzugehen: Nachdem der Fürst von Holstein-Gottorf auf den russischen Zarenthron gelangte (der Mann Katharinas der Großen), wurden- perTausch - im Jahr 1773 die Gebiete Gottorfs der dänischen Verwaltung ebenso unterstellt, wie die bisher gemeinschaftlich von Dänemark und Gottorf verwalteten Kloster- und Güterdistrikte (primär Ost-) Holsteins. In den Kriegenjener Zeit blieb Dänemark neutral, was in den Herzogtümern zu einem ökonomischen Hoch führte, das noch bis kurz über die Jahrhundertwende anhielt. Die Jahre 1770-72 waren aberdurch Mißernten "Hungerjahre" (Brockstedt, 1989). Auch die Aufklärung wurde in Schleswig-Holstein im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts " zu einer breiten, nahezu alle Lebensbereiche umfassenden Reformbewegung" (Kopitzsch, 1981, S. 61). Die benutzten Quellen stammen - mit anderen Worten - aus einer relativ "normalen" Entwicklungszeit; Schleswig-Holstein war noch nicht "rückständig". Es war Gottorfs fortschrittliche Verwaltung, die - so weit ich sehe - 1768 die erste noch erhaltene "Volkszählung" im Amt Oldenburg in Holstein durchführen ließ, ohne schon diesen Namen zu verwenden 3. Die sogenann3 Das "so weit ich sehe" beschränkt sich auf die Auswertung der Findbuchregister des Landesarchivs Schleswig. Auch die Amtsrechnungen dieses Rest-Staates zeigen sich gegenüber den "dänischen" (und lauenburgischen) als "modern" und für Bevölkerungsschätzungen geeignet; genauer in: Hennings, 1992 b, wo die Zählungen zum "flachen Land" (primär Gottorf) soziographisch dargestellt sind; zu den Städten ders., 1990, worin die Urlisten der Volkszählung von 1769 für vier Städte (und weitere für 1803, Kiell781) analysiert werden, für die auch Steuerlisten zu erheben waren (inkl. Recken Neumünster, das Amt Neumünster in: ders. 1992 b). Offiziell ist die Zählung von 1769 in Dänemarkdie erste Volkszählung; vgl. Momsen, 1974; die Mannzahlregisterhaben nicht exakt einen Stichtermin als Vorgabe gehabt.

C. Quellen und Untersuchungsgebiet

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ten Mannzahlregister, die auch für andere Ämter zu anderen Jahrgängen dieses Herzogtums vorliegen, erfassen bereits alle Personen. Sie sind die hier verwendeten Hauptquellen für das "flache Land". Aber auch zum weit größeren dänisch verwalteten Landesteil, den schon genannten Herzogtümern Schleswig und Holstein, gibt es relativ brauchbare Quellen zur Erfassungjedenfalls der globalen Bevölkerungszahlen. Wenn auch in ganz anderen sozialen Differenzierungen als für Gottorf gezählt worden war, ermöglichen dazu die flächendeckend die dänisch verwalteten Regionen erfassenden noch erhaltenen "Tabellen" der VolkszähJung von 1769 eine strukturelle Vergleichsmöglichkeit beider Gebiete (Urlisten mit allen Personen in Haushalten gibt es nur noch wenige; Hennings, 1990; Momsen, 1974). Mit einer relativ großen Bandbreite läßt sich sagen, daß die detaillierten gottorfischen Daten das Mittel beider Zählgebiete darstellen4 . Die folgende Sozialstrukturelle Beschreibung vormoderner Gesellschaft bezieht sich also auf eine Region von etwa 15.000 km2 mit 350.000 EW des "flachen Landes" und 77.000 Menschen in den Städten, für die zumindest globale tabellarische Daten vorliegen, mit denen auf Ämterebene und zum Teil aufOrtsebene Vergleiche möglich sind. Andere Landesteile wurden zur Darstellung der Sozialstruktur zusätzlich mit Schät-

4 Innerhalb Gottorfs ist es das große und mit der größten Differenzierung erfaßte Amt Trittau, das den Gesamtdurchschnitt Gottorfs recht genau wiedergibt; diese Haushalts-Daten ermöglichen wiederum recht gut die Aufteilung der 268.000 in den von mir so genannten 'Tabellen" erfaßten Einwohner des "flaches Landes" im Volkszählungsgebiet Schleswigs und Holsteins, wenn die sozialen Gruppen der Volkszählung mittels der aus Gottorf/ Trittau erhobenen Haushaltsgrößen verteilt werden (in 59.668 Haushalte; die Gruppen der Volkszählung 1769: I. Rangs- und Kirchenpersonen; 2. Haushalte mit bürgerlicher/ gewerblicher Nahrung; 3. Seeleute/ Fischer; 4. Ackersleutel Bauern; 5. Dienstboten/ Tagelöhner). Es zeigt sich dann: Die letzte (Kontroll-) Gruppe der Tagelöhner und Dienstboten weist im Volkszählungsgebiet eine geschätzte Haushaltsgröße von 3,15 Personen auf, während sie in Gottorf mit 3,2 EWI HH nur gering abweichend gefunden wurde. Innerhalb dieser Grundübereinstimmung lassen sich wiederum an West- und Ostküste, in den fruchtbaren Elb- und Seemarschen deutlich abweichende Regionen zeigen. Eine " Eintheilung der Volksmenge in Stände und Volksklasseri' nach der nächsten Volkszählung des Jahres 1803 durch Gudme ( 1819) ergibt sozialstrukturelle Relationen, die jenen von 1769 recht ähnlich sind; das bestätigt die schwer zu beurteilende Qualität der ersten dänischen Volkszählung von 1769 trotz mancher Mängel; genauersiehe G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803.

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C. Quellen undUntersuchungsgebiet

zungen einbezogenS. Um das Stadt-Land- Verhältnis zu bestimmen, dient also die Region von der Königsau bis zur Eibe. Dabei wird hier keineswegs der Anspruch erhoben, es sei die vorgestellte Untersuchung - soweit sie bloß die "Tabellen" benutzt - quasi repräsentativ für die gesamte Region. Sondern es soll lediglich gesagt werden: Die genauer analysierten Gebiete Gottorfs mit personenbezogenen, wenn auch meist in Haushalten zusammengefaßten Daten für circa 13.000 Einwohner geben jedenfalls keinen Anlaß zu der Annahme, sie seien von ihrer Umgebung grundverschieden gewesen. Ebenso ergab sich, daß die schleswig-holsteinischen Städte in ihrer Struktur untereinanderund von anderen norddeutschen Städten nicht gravierend abwichen (etwa Göttingen um 1763, Sachse, 1987; vgl. Hennings, 1990); zu gering waren die feststellbaren Unterschiede etwa zwischen Hafen- und Verwaltungsstadt oder Festung. Wenn sie auch ländlich geprägt gewesen sind, etwa viel Vieh in ihren Mauem hatten, so waren sie doch in Schleswig-Holstein keine Ackerbürgerstädte, sondern wenn auch meist unbedeutende - Handels- und Gewerbezentren; das zeigen auch - geographisch - die Pläne des Stadtkematlas' Schleswig-Holstein (Beseler, 1976). Für die genauer untersuchten Gebiete sind Haushalte die DatenbankBasis, deren Personen in den wenigen erhaltenen Urlisten der Volkszählung für Städte und den Mannzahlregistern für das Land meist namentlich bezeichnet sind. Für einige Fragen - etwa zum Alter - werden zusätzlich auch Personendateien dieser Quellen benutzt (Eckemförde, Kiel, Amt Neumünster). Die früher untersuchten Städte des Jahres 1769 sind zusammen mit fast 4.300 Haushalten erlaßt worden, weitere Jahrgänge (1781 und 1803) noch einmal mit über 5.3006. 5 Geschätzt werden dazu - neben dem Adel, der nie gezählt wurde (ca. 1%) - die holsteinischen Güter- und Klosterbezirke, die offenbarauch eineeigene Wirtschafts- und Sozialstruktur aufwiesen, wobei zu letzteren insbesondere auf die Bedeutung personaler Abhängigkeit zu verweisen ist. Hier lebten noch einmal an die 100.000 Menschen auf dem Lande. Eingeschätzt wurde eine der beiden "Großstädte" der Region, Lübeck, mit in der Stadt gut 18.000 EW und noch einmal so vielen in den zugehörigen Ländereien (inkl. Stadt Eutin). Die andere, Altona, mit ebenfalls gut 18.000 Bewohnern um 1769 war über die "Tabellen" einzubeziehen, während das direkt angrenzende Harnburg ganz aus der Betrachtung ausgeschlossen bleibt (aber zu bedenken ist: Altona ist heute harnborgiseher Stadtteil). Bei der Betrachtung der Sozialstruktur wird auch der nordelbische Teil Lauenburgs, der Anfang des 19. Jahrhunderts zu Dänemark kam, mit - wohl etwas zu knappen - Schätzungen einbezogen (an20.000 EW). 6 Und zwar 1769: Flensburg 1.635 HH; Husum 878; Rendburg 966; Krempe 238; Eckernförde 543; dazu kommen für Flensburg des Jahres 1803 noch 2.254 HH, für Krempe 1803 264 HH; für Kiel 1781 1.325 HH, für das Jahr 1803 konnte eine Datei mit 1.581 Vollhaushalten einbezogen

C. Quellen und Untersuchungsgebiet

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Für das "flache Land" wurden fünf gottorfische Ämter und 2.963 Haushalte mit 13.028 Personen aus Mannzahlregistern der Jahre 1768 - 1774 in der Datenbank notiert; sie verteilen sich auf 107 Orte. Das sind nicht immer schon Dörfer, sondern auch Einzelanwesen, so daß 84 Dörfer mit mehr als fünf Haushalten oder mehr als 27 Personen (größter Einzelhaushalt eines Amtmannes) herausgestellt werden können (die übrigens - wie fast alle etwa 800 insgesamt erfaßten Orts- und Kirchspielnamen der Gesamtregion- bis heute in der Generalkarte, Mayr/ Shell, 1:200.000, wiederzufinden sind). Nochmals 71 Orte in vier Ämtern, für die sich keine Mannzahlregister fanden, waren nach gottorfischen Amtsrechnungen in ihrer Struktur einzuschätzen. Bei allen Zahlen bleibt unklar, ob von ortsansässigeroder ortsanwesender Bevölkerung auszugehen ist, und die nicht-seßhaften Personen blieben außen vor (vgl. Wehler, 1989; Sievers, 1989). Insgesamt mag mithin der Bezug auf etwa 85% - 90% der Gesamtbevölkerung Basis der Analyse sein (die hier auf 100% gesetzt wird). Als soziale Differenzierung der jeweiligen städtischen und ländlichen Haushalte sind für erstere (gut 100 verschiedene) Berufe als funktionale und Steuern als vertikale Differenzierung zugrunde gelegt worden. Später werden die Berufe noch zu Wirtschaftsgruppen 7 (funktional) zusammengefaßt, und zwar ohne dabei die Steuerleiwerden; Gehrmann,l989 a. Während 1769 das Militär nicht gezählt wurde, was nurfürdie Festung Rendsburg erheblich ist (ca. 3.000 Personen inkl. Angehörigen; die Soldaten schliefen hier aber in Barackenhinter dem Festungswall, nicht- wie sonst üblich- in Wohnungen der Stadt), sind für Kiel des besseren Vergleichs wegen in beiden Jahrgängen einige hundert Personen Militärs und Studenten nicht in/ als Haushaltein berücksichtigt worden; in den Städten blieben die wenigen Armenhäusler unberücksichtigt. Ein grober Überblick über eine Volkszählungsdatei Altonas von 1803 (Gehrmann, 1989b) mitca. 23.000 Personen gibt keinen Anhaltspunktfür grob abweichende Strukturen. 7 Vgl. dazu in Abschnitt "Soziale Lagen (5) ... "den Kasten 1 "Wirtschaftsgruppen verschiedener Städte". Während die vertikalen städtischen ökonomischen Ober- und Mittelschichten dann, wenn sie mit Daten angegeben werden, nur diejenigen Haushalte umfassen, die real durch Steuer ausgewiesen sind (steuerfreie HH sind nicht erfaßbar; dazu "Stellvertreter", s. u.), gruppiere ich zusätzlich eine funktionale Schichtung nach Berufen und diese zusammenfassend in sechs Wirtschaftsgruppen: WG A = Arbeitsleute, Matrosen, Sonstige, WG B = traditionales Handwerk/ Gewerbe, ohne WGC =Nahrungs- und Genußgewerbe, WG D =selbst. Verkehrsgew./ Steuerleute, WG E =Handel! Fabrikanten, WG F = Bildungsbürger; genauer im Anhang. Die Mengen von "Schichten" und Wirtschaftsgruppen entsprechen sich nur bei WG F = Bildungsbürgertum. Sonst

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C. Quellen und Untersuchungsgebiet

stungen zu berücksichtigen (vgl. Anhang); dadurch unterscheiden sie sich von nach Steuern differenzierten Schichten (vertikal), zu denen ich späterim Zusammenhang mit Lagen und Milieus - noch komme. Die Landleute sind in den Quellen selbst in knapp 30 verschiedene Gruppen unterteilt, in den Datenbanken nach - von mir so genannten und oben (Einleitung) schon skizzierten - 27 Besitzständen, das sind jeweils zusammengefaßt (Groß-, Klein-) Hufner, Kätner, in einzelnen Ämtern noch Bödner und Instenkätner, dannlosten und die Gruppe der Anderen. Zum Teil stammen besonders differenzierte Angaben nur aus einzelnen Ämtern, so diezum Landhandwerk aus Trittau (1.201 HH/ 5.409 EW), von deren vollständigen Nennung ich - hilfsweise -ausgehe 8 , die zur Leibeigenschaft aus Cismar (680/ 2. 817), die zur Altersstruktur aus Neumünster (547I 2.367) und die zu den Altenteilen aus Trittau und Neumünster. Zusammengefaßt kann gesagt werden, daß zwar nur ein - bezogen auf Schleswig-Holstein - kleines Kerngebiet aus Streugebieten des Herzogtums Holstein-Gottorf Basis der genauen Analysen des "flachen Landes" ist. Mit einer recht hohen Plausibilität ist aber - wie unten noch ausgeführt wird davon auszugehen, daß die Daten für diesen "Kern" sich von den Daten der Gesamtregion nicht wesentlich unterschieden. Und für eine historische Analyse sind doch für Stadt und Land relativ viele Daten ausgewertet worden. Nun ist noch ein Blick auf das Konzept sozialer Ungleichheit zu werfen.

sind in den WG auch nicht-steuerzahlende Haushalte enthalten, was zum Teil zu bedenken ist. Unten, Abschnitt Soziale Lage (5) - städtisches Handwerk, wird darauf und auf Einzelberufe aller sozialen Lagen/ Milieus noch eingegangen. 8 Dies gründet sich darin, daß die ca. 15% Personen in Haushalten mit einem zusätzlich zum Besitzstand genannten Beruffast exaktder Größenordnung entsprechen, mit der- bei den ca. 268.000 EW - nach den "Tabellen" auf dem Lande Menschen unter "bürgerlicher/ gewerblicher Nahrung" notiert sind (inkl. sehr wenigen Personen an gewerblichem Gesinde). Auch hier sind Einschränkungen zu machen. So ist von vielen "Zweitberufen" auszugehen, und die Mannzahlregister stammen alle aus der Winterzeit, was die Berufsnennung stärken und die des bäuerlichen Gesindes minimieren könnte; die Volkszählung von 1769 ist demgegenübervom August.

D. Zum Konzept sozialer Ungleichheit - Lagen und Milieus Die in den Quellen dargebotene Bevölkerungsstruktur macht es sinnvoll - für Stadt und Land gemeinsam und ohne Adel und Nichtseßhafte - 18 soziale Groppen zusammenzufassen. Dabei sind Hufner und Kätner nicht nach verschiedenen Größen (Groß-, Klein-) differenziert, wozu aber später noch Aussagen zu machen sind. Auch die Bauern sind darin nicht zusammengefaßt dargestellt. Sechs der 18 Gruppen sind städtische, wobei jeweils die Gesindegruppen eigens ausgewiesen, nicht den Haushalten, in denen sie lebten, zugeordnet sind, wie es sonst meist diskutiert wird. Die Tabelle 3 "Lagen/ Milieus in Schleswig-Holsteins Sozialstruktur um 1769" gibt dazu erste Hinweise, auf diejeweils zurückzukommen ist. Das hier behandelte Thema: Sozialstrukturanalyse in einer fOitgeschrittenen Gesellschaft, wobei jene gemeint ist, die vor dem Übergang in die Industrialisierung stand, ist ja zugleich der Titel einer Arbeit Hradils (1987), die mit: von Klassen und Schichten zu Lagen und Milieus untertitelt ist, und sich auf den- diskutierten - heutigen "Paradigmenwechsel" 200 Jahre später bezieht. Dieser Ansatz scheint auch für eine weitergehende Analyse des Übergangs von der fortgeschrittenen Ständegesellschaft zur Modeme und bis in die heutige Zeit zweckmäßig zu sein, weshalb ich hier - allerdings in noch stark vereinfachter Annäherung dazu - primär von Sozialen Lagen und Milieus spreche; das offene Konzept läßtsich ausbauen. Für die Städte ist dazu der Hinweis auf früher genutzte Konzepte nötig, um den Anschluß an die früheren Arbeiten zu gewährleisten, die hier verarbeitet werden, und mit denen konkret die Zuordnungen der Haushalte in den Datenbanken zu den Lagen und Milieus ermittelt worden sind (letztere sind in den Datenbanken nicht eingetragen). Für das "flache Land" ist präziser als bisher zu klären, wer denn die Bauern gewesen sind.

D. Zum Konzept sozialer Ungleichheit- Lagen und Milieus

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Tabel/e3 Lagen/Milieus in Schleswig-Holsteins Sozialstruktur um 1769

Nr.

Ord.-Nr. Soziale Lage/ Milieu 1)

()()

01 02 03 04 05 06

(I. 2.1 2.3 5.1 6.1 7.1 8.1

STADT Adel, bis 1%) Besitz-, Bildungsbürger Nahrungs-, Genußgewerbe Gewerbe, Handwerk Arbeitsleute Arme Gesinde (inHaushalten lebend)

11 10 37 14 10 18

1,9 1,7 6,4 2,4 1,7 3,1

3,2 4,1 3,4 2,8 1,8

07 08 09 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19

2.2 3.1 3.2 4.1 4.2 4.3 4.4 5.2 6.2 7.2 8.2 8.3 (9.

LAND Amtsschreiber, Kirche Hufner ohne Altenteil. Vor-Hufner (u. Alten!.) Kätner o. Alten!. u. Beruf Kätner mit Ber. (Landhandwerk I) Vor-Kätner(u. Alten!.) Bödner, Instenkätner lnsten mit Beruf(Landhdwk. II) Tagelöhner- Insten Insten o. Beruf(ann, alt) Gesinde Landgew.(Ge, Lj, Co) Gesinde Landwsch.(Kn,Ju, Mg) Nichtseßhafte, um 10%)

3 2,5 21 17,3 3,3 4 12,4 15 4,1 5 0,8 1 6,6 8 6 5,0 11,6 14 8,3 10 0,8 1 9,9 12 /Summe : ca. 100%

4,5 5,0 2,3 3,8 4,5 2,0 3,9 3,7 3,9 3,0

-----------------------

Bev.% Ges.-Bev.

KF+S

Systematik: Neben Reihenfolge und Ordnungsnummern (links) sind rechts die Anteile der Bevölkerung in Stadt beziehungsweise auf dem Land angegeben, dann der Anteil an der Gesamtbevölkerung; ganz rechts steht die Größeder Kernfamiliemit Sonstigen(ohne Gesinde). Abkürzungen: Ord.-Nr. = Ordnungsnummer zusammengefaßter Sozialer Lagen der Gesamtgesellschaft (s. u.); in Stadt/ Land: Bev.% =Anteil der Bevölkerung aus Kernfamilie und Sonstigen (meist Verwandte) ohne Gesinde in Stadt oder Land; in: Ges. Bev. = städtischer oder ländlicher Anteil auf die Gesamtbevölkerung bezogen (s. u.); KF+S = Durchschnittswerteder Haushaltsanteile von Kernfamilie und Sonstigen (ohne Gesinde); Ge= Gesellen; Lj = Lelujungen; Co= Kommis/ Schreiber; Kn = Knecht; Ju = Jung; Mg= Magd/ Dienstfrau. Anmerkung 1: Die Sozialen Lagen können hier nur herausragende Gruppen benennen, nicht alle erwähnenswerten Gruppen - das folgt im Text. Die Ordnungsnummern sollen eine erste grundlegende Sortierung der Gesamtbevölkerung über die Milieus Stadt und Land hinaus ermöglichen, ein Vorschlag, ohne daß damit ein '"so soll es sein'" verbunden ist. Daraus ergeben sich- ungenau- sieben Soziale Lagen als 100%. Die hier genannten Zahlen entsprechennicht genau denen der Volkszählungoder Trittaus, aus denen sie abgeleitet sind (vgl. etwa Landhandwerk, die wenigen Fabriken und Berufe anderer als Kätnerund Instensind in anderen Gruppen enthalten- zus. ca. 14%).

Stellen wir es uns graphisch vor, dann geht das Konzept der Lagen und Milieus nicht mehr - wie beispielsweise ein Schichtsystem -von einer eindimensionalen Skala, sondern von zwei Dimensionen aus. In deren Koordinatenfläche werden zwischen Sozialer Lage (Y -Achse) - als eher objektiver

D.Zum Konzept sozialer Ungleichheit- Lagen und Milieus

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Skala sozialer Ungleichheit- und Milieu (X-Achse) - als eher psychisch-individueller Zuordnung -die sozialen Milieus als Gruppen gedacht, die dann über die Grenzen ihrer "objektiven Lage" (Y) hinausreichen und so - mittels der zweiten Dimension - lagenübergreifende Milieus sichtbar machen können. Soziale Lagen seien, so Hradil (1987, S. 153), "typische Kontexte von Handlungsbedingungen, die vergleichsweise gute oder schlechte Chancen zur Befriedigung allgemein anerkannter Bedürfnisse gewähren"; sie verweisen auf (eher) objektive Dimensionen sozialer Ungleichheit. Milieus seien demgenüber stärker "Psycho-Milieus", darunter sei "eine Groppe von Menschen verstanden, die solche äußeren Lebensbedingungen und/ oder inneren Haltungen" - das sind " Komplexe aus Bildern, Ideen, Vorstellungen"- aufweisen, ''aus denen sich gemeinsame Lebensstile herausbilden" (S. 165). Das jeweilige Milieu kann also Grenzen sozialer Ungleichheiten der üblichen eindimensionalen Skalen überschreiten und die analysierte Gesellschaft dabei sehr differenziert darstellen: trotz beispielsweise niedrigem ökonomischen Status kann - etwa durch Mitgliedschaft in einer besonderen Institution - Anschluß zu einem höheren Milieu erreicht werden. Allerdings kann das Konzept in dieser Arbeit nicht voll ausgefüllt werden, denn eine solche - die starre Ordnung der Ständegesellschaft jeweils übergreifende Milieuzuordnung ist 1. mit den verwendeten Quellen nicht hinreichend operationalisierbar. Es steht 2. in Frage, ob es sinnvoll ist, die starren Grenzen einer Ständegesellschaft analytisch zu überwinden; das sei zur Diskussion gestellt. Weitergehende Quellennutzung könnte dies gleichwohl möglich machen, denn die formell starre Ordnung stellt sich schon im Spiegel von Steuerleistungen durchaus differenziert dar. Eine solche Zweckmäßigkeitserwägung in der Wahl des Konzeptes sozialer Ungleichheit setzt sich einerseits vonjenen ab, die allein "die Produktion" zum Maßstab machen. Ein solches Vorgehen, das besonders gut zum Polarisieren zweier Hauptklassen in Hinsicht auf bestimmte Fragestellungen geeignet ist, müßte die vormoderne Gesellschaft unzulässig zusammenfassen, oder den Begriff auf allgemeinere Bedeutungen reduzieren, wie wir es von Marx und Engels mit der Nutzung etwa eines halben Dutzend gelegentlich deskriptiv verwendeter Klassen für das 19. Jahrhundert durchaus kennen. Da wären womöglich als eine "arbeitende Klasse" die ländli-

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D. Zum Konzept sozialer Ungleichheit- Lagen und Milieus

eben Tagelöhner eher zusammen mit als getrennt von städtischen Arbeitsleuten herauszustellen 1. Dieses Konzept sozialer Differenzierung zu benutzen, um soziale Milieus darzustellen, steht andererseits für die Entscheidung, die vormoderne Gesellschaft mit ihr äußerlichen Kriterien zu beschreiben, vor allem also nicht der Analyse die seinerzeit gegebenen Stände zugrunde zu legen. Für diese Studie sind auf der Skala der Milieus (X-Achse) zwei Bereiche besonders präzise zu greifen und hier bevorzugt berücksichtigt: Stadt und Land, wozu Kocka sagt, daß " der Stadt-Land-Unterschied möglicherweise stärker verwurzelt als der Unterschied zwischen Kleinbürgern und Bürgern oder zwischen Gesellen und Meistem" war (1990, S. 79f). Werden dann als wichtigste Dimensionen sozialer Ungleichheit - mit Hradil - Geld, Prestige, Macht (Weber) und zusätzlich Bildung angesehen, so scheitern zwei davon ganz an den wenigen verwendeten Quellenarten: Macht und Prestige2. Anstelle des Geldes sind mit der Steuerleistung oder dem Besitzstand jedoch vergleichbare Merkmale nutzbar. Bildung wird in den von mir verwendeten Unterteilungen nur eingeschränkt benutzt und konzeptionell allein einer Gruppe zugesprochen, dem Bildungsbürgertum, für das wiederum Steuern unberücksichtigt bleiben, weil es in der Regel steuerfrei gewesen ist 3. Dadurch fällt Bildung als Maß von Milieus im 1 Modeme Versucheeiner Fortsetzung dieser Tradition, wie die Modelle von Wright (Erbs1öh u.a., 1988), nähern sich dem eigenen Anspruch nach der Vormodeme nicht, obgleich darin die Fülle der gegenüber "den Arbeitern" überwiegenden sozial höher stehenden (Manager-) Gruppierungen eher für das 18. als das 20. Jahrhundert geeignet scheint. Für die Verwendung eines Sozialindex', wie ihn Scheuch (in: Glass/ König, 1961) in der hiesigen Soziologie erstmals benutzt hat, fehlt in dieser Arbeit schon die nötige Vielzahl an Variablen, zumal nicht die Haushaltsdaten selbst -daraus etwa der Gesindeanteil - dazu gemacht werdensollten (vgl. für Göttingen 1763: Sachse, 1987), weil Gesinde offenkundig wichtiger Bewertungsmaßstab für die Steuer gewesen ist. Und sie - mit der umfassend Besitz und Vermögen bewertet worden sein soll - wird in dieser Arbeit allein für die vertikale Differenzierung der Städte genutzt, und für das Land nur der Besitzstand, der an den Boden- und Hausbesitz gebunden ist und- wie sich am Maß der durchschnittlichen Haushaltsgrößen zeigt- durchaus relativ homogene Gruppen von einander abgrenzte. 2 In den Quellen sind städtische Bürgermeister, Ratsverwandte nicht zuverlässig gekennzeichnet - natürlich kein grundlegendes Problem, aber weitergehenden Forschungen mit zusätzlichen Quellen vorbehalten. Für die Dörfer ist zwarregelmäßig ein "Bauervoigt" genannt, stets ein Hufner, darauf wird abernicht eingegangen, ebensowenig auf die Stellung des Adels. 3 "Gemessen" wird Bildung nur mit "ja- nein". Der von mir benutzte Begriff "Bildungsbürgertum" (ähnlich "Besitzbürger", wobei unter "Handel..." z. B. auch sozial "unten stehende" Höker erfaßt sind) ist quantitativ unscharf, wie die städtischen Gruppierungen insgesamt, so lange unten nicht auf Einzelberufe eingegangen wird. Die Zuteilung der Steuerwerte zu den städtischen Haushalten erfolgte (Anfang der 70er) ohne Computer und "value missings". Alle Haushalte ohne Steuerzahlung kamen in die unterste Steuergruppe. In wenigen Fällen gehörten dazu sicher Reiche, die aber als - ungenannte - Ratsverwandte steuerfrei waren, oder weil sie gerade ein Haus errichtet hatten. Auf deranderen Seite wurden unter Bildungsbürger auch solche aufgenommen, wie Küster, oder einfache Lehrer ("hält Schule"), die zum Bildungsbürgertum nicht so einfach zu zählen sind.

I. Zur Bestimmung der städtischen sozialen Lagen

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heutigen Sinne weitgehend aus, denn ein Mitglied unterer sozialer Lage kann (noch) nicht durch besondere Bildung auch einem übergreifenden Milieu zugehören, sondern wird gegebenenfalls direkt dem Bildungsbürgertum zugeordnet (z. B. Schulmeister). Die konkrete Bestimmung der Zugehörigkeit der städtischen Haushalte zu den sozialen Lagen und Milieus wurde früher noch nach einem anderen Konzept sozialer Ungleichheit (Schichten) vorgenommen, das zum besseren Verständnis mit vorzustellen ist. Auch zu den Bauern ist noch etwas zu sagen, bevor zu Lagen und Milieus zurückgekehrt wird. I. Zur Bestimmung der städtischen sozialen Lagen

Um für die Städte die Haushalte zu ordnen, sind im längeren Arbeitsprozeß, auf den diese Arbeit teilweise zurückgreift, verschiedene Konzepte benutzt worden. Allgemein gesagt wurden funktionale und vertikale Differenzierungen verwendet. Während zur funktionalen Scheidung Berufe und Wirtschaftsgruppen für bestimmte Fragestellungen sinnvoll einsetzbar sind, auf die später zurückzukommen ist, wurde vertikal ein Schichtkonzept verwendet, das nun in die sozialen Lagen und Milieus integriert wurde. Der Ursprung der verwendeten Unter-, Mittel- und Oberschicht für die Städte besteht in Analysen von Steuerlisten seit etwa 1600, die für Krempe und Flensburg gemacht worden waren. Beide Städte wiesen bezüglich der innerstädtischen Differenzierung identische Steuersysteme auf, die Grundbeträge festlegten. Die wurden dann allerdings deutlich unterschiedlich oft erhoben (1769 Krempe 14fach, Flensburg 48fach); dennoch bilden sie die innere Struktur der Städte vergleichbar ab. Für jene frühe Zeit fanden sich dabei ausgeprägte Mittel- und Unterschichten, wenn Häufungen auf den verwendeten und schon gruppierten Skalen als solche interpretiert wurden (vgl. Ossowski, 1962). Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts haben sich dann Verschiebungen ergeben. Mitte des 18. Jahrhunderts waren Mittel- und Oberschicht nicht mehr ausgeprägt, um 1860 zeigten sich wieder - wenn auch kleine - Oberschichtskerne. Die Untersuchung auf Basis dieses Systems hat durchaus relativ sinnvoll abgegrenzte Gruppierungen mit entsprechend abgestuften Haushaltsdaten ergeben. Die Steuergrundbeträge erwiesen sich als brauchbare Sozialparameter. Damit sind einige Haushalte sozusagen als "Stellvertreter" akzeptiert worden. Es ging aber auch darum, nicht arme/ kleine Haushalte zu sehr auszuschließen, was zu einer noch klareren Zuordnung des erweiterten Haushalts zu dieser Gruppe führte.

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D. Zum Konzept sozialer Ungleichheit- Lagen und Milieus

Nur eine Unterteilung auf der gruppierten Steuerskala ist qualitativ bestimmt worden: die unterste städtische Steuergruppe 4 von Steuerzahlenden (Gr. II = 1 - 8 Schilling/ ß; ohne Zahlung = Gr. I) wurde durch denjenigen Betrag begrenzt, den Arbeitsleute noch relativ oft zahlen sollten. Weiter wurde dann nach Geldgrößen gruppiert; die Unter schiebt reicht bis zur höchsten Einzelzahlung eines Arbeitsmannes. Aus dieser Vorgabe ergab sich für den Zeitraum 1769 bis 1803 (und dariiber hinaus) eine etwa 80% der städtischen Bevölkerung umfassende Unterschicht. Ein Viertel davon war Gesinde, dem zum Teil Statusinkonsistenz zuzuordnen ist, weil einige Personen sich später nicht in der jeweiligen Schicht, aus der sie kamen, selbständig etablieren konnten, andere kamen aus tief stehenden Gruppen und blieben dort über die Zeit des Gesindedienstes hinaus. Diese städtische Unterschicht wird nun zu einem Teil der sozialen Lage (6), das Gesinde gehört zur sozialen Lage (8); das zeigen die Tabellen 3 und zusammengefaßt4. Zur Unterschicht, zu der auch große Teile des Handwerks gehörten, kam eine Mittelschicht von etwa 10%, besonders das Nahrungs- und Genußgewerbe (idealtypisch vor allem Bäcker, Brauer/ Brenner, Wirte) enthaltend, das stets deutlich mehr als das normale Handwerk Steuern zahlte; sie gehört jetzt zur sozialen Lage (5). Letztlich gab es eine halb so große Gruppe des Besitzbürgertums (5%), vor allem der Kaufmannschaft, die zusammen mit dem Bildungsbürgertum (gut 5%) als Oberschicht gilt (zus. 10%) und Teil der sozialen Lage (2) wird. Die Vorstellung von der vormodernen Stadt als geradezu einem Sinnbild der "Mittelschichtsgesellschaft" - wie in Ansätzen für das 17. Jahrhundert gefunden - ergab sich aus dieser Teilung für das Ende des 18. in gar keiner Weise. Die gewählten Teilungen erwiesen sich beispielsweise auch deshalb als realitätsnah, weil recht deutlich durch diese Schichtung Handwerk/ Gewerbe vom durchweg reicheren Nahrungsgewerbe getrennt wurde.

4 Ich unterscheide (in: 1990) neun Steuergruppen: Gruppe 0 = Gesinde (nur sofern statt Haushalten die Einwohner dargestellt sind), I = zur Zahlung nicht in der Lage, 11 = bis inkl. 8ß (ß = Schilling, 16ß =I Mark), weitere Grenzwerte: 111-14ß, IV -22ß, V -30ß, VI -94ß, Vll über 94ß, Vlll = Rangspersonen/ Bildungsbürgerturn unabhängig von Steuer (meist steuerfrei). Als Unterschicht der Städte gelten dann Haushalte bis in Gruppe 111 hinein (< 12ß), als Mittelschicht die von dort bis in V (> 11 ß - 26ß plus Bildungsbürger-HH). Für einige Städte basieren die Vergleichswerte auf Grundbeträgen, die pro Jahr mehrfach erhoben wurden, andere - mit Jahressteuern - sind auf solche umgerechnet (vgl. 1990). Diese Schichtteilung benutze ich hilfsweise auch weiterhin als Untergruppen für die Städte, um auch die Bezüge zur früheren Arbeit aufrecht zu erhalten.

I. Zur Bestimmung der städtischen sozialen Lagen

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Die vorgefundene feine städtische Differenzierung verlangt - soll hier eingefügt werden - zu ihrer Abbildung in weiteren Forschungen über diese drei Schichten hinaus nach zusätzlichen Gruppen/ Milieus, etwa zur weiteren Unterteilung der Unterschicht. Eine zeitgenössische Darstellung sozialer Ungleichheit zeigt eine im Flensburg des 18. Jahrhunderts geltende städtische "Klassenteilung'/ Standesordnung so: Die "1. Klasse", über den eigentlichen" Bürgerklassen" stehend, bestand aus: Königlichen Bedienten, Doctores, Hof- und Gerichtsadvokaten, Pröbsten, Predigern, Rector Scholae, Bürgermeistern, Ratsverwandten, Stadt- und Klostervorstehem, Stadtsecretairen und Lebrem der Lateinschule. Die 1. Klasse der Bürgerschaft, das waren: Deputierte, Kaufleute mit freien Mitteln über 9.000 Mark, Organisten, Stadtmusicus, Schreib- und Rechenmeister deutscher Schulen. Zur 2. Bürgerklasse gehörten: Kaufleute mit unter 9.000 Mark freien Mitteln, Handwerker der privilegierten Amtssatzung, Schiffer, Goldschmiede, Bildschnitzer und andere Künstler. Die 3. Klasse bildeten dann die übrigen Handwerker, die Tagelöhner, Seeleute und Höker (Fiensburg, 1966). Diese Standesordnung, in der Handwerk und Tagelöhner- wie in der gezeigten Unterschicht- in einer Gruppe enthalten sind 5, verträgt sich mit den verwendeten Lagen und Milieus. Allerdings konnte die Unterscheidung bei Kaufleuten (+- 9.000 M) und Handwerkern (+- Amt/ Zunft) nicht nachvollzogen werden. Die über die Steuer vorgenommene Differenzierung hat dazu mit der Hervorhebung des Nahrungsgewerbes als regelmäßig relativ reich eine in der zitierten Flensburger Standesordnung unbekannte Besonderheit aufgezeigt, die sich aber in allen betrachteten Städten mehr oder weniger deutlich fand. Die Nahrungsgewerbe sind ja zugleich aus solchen zusammengesetzt, die meist relativ große Kapitalien für den Bau eines Back- oder Schlachthauses, oder für die Kessel und Gerätschaften der Brauer und Brenner voraussetzten. Wir werden später in dieser Teilung sogar eine sinnvolle 5 Von mir wird bei den städtischen Schichten ja nicht nach "Stand" differenziert, sondern Kaufleute u. a. sind nach aktueller Steuer real eingeordnet. Die Flensburger Standesordnung ist auch nicht auf die anderen untersuchten Städte übertragbar. So waren hier nur Kaufleute ratsfahig (Patriziat), was wiederum Bedeutung für den Zugang zum Kaufmannsstand bekam (Pust, 1975). Und in den Städten gab es kein einheitliches Zunftwesen. Auch bei intensiverer Quellennutzung ergeben sich erhebliche - aber nicht unlösbare -Probleme für den Einbezug mehrerer Städte. 4 Hennings

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D. Zum Konzept sozialer Ungleichheit- Lagen und Milieus

Scheidung des potentiellen Stadtrats von den "normalen" städtischen Haushalten erkennen, denn es waren immer die Reichsten die Mitglieder des Stadtrats. Doch zuvor kommen wir zu einer anderen Frage. ß. Wer waren die Bauern?

Für das "flache Land" sind die Gruppierungen der Sozialstruktur -anders als für die Stadt- fast alle direkt den Quellen entnommen. Das wird für das Konzept der Lagen und Milieus - wie schon die Tabelle 3 auswies- auch beibehalten. Darüber hinaus zeigt es sich als zweckmäßig, eine übergreifende Gruppe zu bilden und zu untersuchen: die Bauern. Denn 1. ist - wie oben schon angedeutet- mit dem unddinierten Begriff Bauer kaum etwas anzufangen und 2. zeigt sich die ländliche Bevölkerung nicht weniger als die städtische ausdifferenziert. Die Darstellung der Bevölkerung in Stadt und Land nach den "natürlichen" Ständen (Adel, Klerus, Bürger, Bauern), wie sie beispielsweise Riehl (1854) in seiner "Bürgerlichen Gesellschaft' ebenso kraft- wie absichtsvoll als "Social-PolitiK' hinwarf, reicht für das "flache Land" ohnehin nicht, für das mit den Besitzständen eine feinere Systematik zum Ausdruck kommt. Aber weder in der Volkszählung von 1769 noch in den Mannzahlregistern Gottorfs oder den Amtsrechnungen taucht der Begriff des Bauern überhaupt auf, der bei Riehl und anderen auch Landbevölkerung insgesamt meint (vgl. Kocka, 1990); dem wird in dieser Arbeit nicht gefolgt. Während in den "Tabellen" der dänischen Volkszählung von 1769 von Ackersleuten die Rede ist, wird in Gottorf direkt von den Besitzständen in den Dörfern ausgegangen. Wer Bauer sei, mußte für diese Arbeit erst erschlossen werden, um für beide Zählgebiete ein gemeinsames Maß zu finden. Denn es wurde schon deutlich, daß die Bauern mit ihren Anwesen eine wichtige Figur des Dorfes gewesen sind, die zu analysieren über die Aussagen zu den Besitzständen hinaus wichtige Erkenntnisse bringt. Durch den Ämtervergleich in beiden regional ineinander verzahnten Zählgebieten (nach "Tabellen" und Mannzahlregistern), die also global keine großen Differenzen in der Wirtschaftsweise aufweisen sollten, ergab sich hypothetisch folgendes:

Die "Ackersleute" der Volkszählung ("Tabellen") können mit Bauern gleichgesetzt werden; in Gottorf (Trittau) sind Bauern die Hufner (aller Größen) und jene Groß- und Vollkätner (nicht Halb- und

II. WerwarendieBauem?

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Kleinkätner), die nicht mit einem zusätzlichen Beruf verzeichnet sind 6. Diese Definition zeigt sich dadurch als plausibel, daß der Anteil der auf diese Weise bestimmten Personen in den Bauernkernfamilien des gottorfischen Amtes Trittau jener Gruppe in den "Tabellen" entspricht, deren Mitglieder in der Volkszählung von 1769 als Ackersleute bezeichnet sind; dazu gehören 36% der gut 268.000 Menschen, während sich als Vergleichszahl für Trittau - dem Amt, für das Kätner mit Beruf isoliert werden können 34% ergibt; umgerechnet auf das ganze "flache Land" sind es ebenso circa 36% (Tabelle 3). Ganz so eindeutig ist indes der Befund nicht, weil die Werte der Tabelle 3 nicht sehr präzise sind und letztlich unklar bleibt, ob die Altenteiler in den "Tabellen" den Ackersleuten zugerechnet wurden; unklar auch die Zuordnung der Hirten. Es läßt sich mit dieser Annahme aber auch wie noch zu zeigen ist (Abschnitt G) - ein brauchbares Vergleichsmodell der Sozialstruktur zwischen beiden Zählgebieten erstellen, das über die eben genannte Kongruenz bei Ackersleuten und Bauern hinausreicht. Mit der Bestimmung der Bauern ist für das "flache Land" eine wesentliche Zuordnung sozialer Ungleichheit getroffen worden. Auch Teile der "unterbäuerlichen Schichten" - in diesem Sinne die kleineren oder einen Beruf ausübenden Kätner sowie die Bödner und Instenkätner, nicht aber die Insten - hatten daneben noch Besitz (oder Erbpacht) an ihren Wohngebäuden 7 und jeweils wohl auch an mehr oder weniger kleinen Landstücken. Nach dieser Bestimmung der Bauern kehren wir zum Konzept sozialer Ungleichheit zurück.

Fazit Fassen wirdie Probleme des Konzepts der Lagen und Milieus zusammen. Die herausgestellten sieben sozialen Lagen sind relativ synthetische Zusammenfassungen. Eher aus pragmatischen Gründen wurden darin 6 Da einevermessene Größedes Landbesitzes nicht notiert ist und die Landhandwerkernur für Trittau hinreichend genau feststehen, kann nur ein Mengenverhältnis auf der oben genannten Basis angenommen werden. Dies Konzept nähert sich einer Definition ländlicher Sozialstruktur Gehrmanns (1984), der für das Kirchspiel Leezen (im Amt Segeberg, zwischen Neumünster und Trittau) I. Hufner als Bauern, 2. Kätner mit Land als Kleinbauern den 3. Landarbeitern (lnsten) sowie 4. Gewerbetreibenden gegenüberstellt, wobei letztere sowohl Kätner als auch Insten gewesen sind. Auch Gudrne (1819) teilt für die Volkszählung von 1803 Kätner in solche mit und ohne Land, wobei letztereallerdings gegenüber den hier gemachten Funden nur wenige sind. 7 ''Unterbäuerlich" wird hier al'\0 nicht als Nicht-Hufner defmiert, weil etwa Hufner allein in der Dorfgenossenschaft Mitsprache hatten (s. u. Die Bauem-Anwesen waren mehr als das "Ganze Haus"). Bei den lnstenkätnem ist ungeklärt, ob sie Kätner oder besitzlose Insten in Katen waren, aber die Haushaltsgröße, die sich in Gottorf als fast mechanisches Maß des sozialen Ranges erwies, wie noch zu zeigen ist, stellt sie dicht nebendie Bödner und abseits der Insten mit deutlich kleineren Haushalten.

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D. Zum Konzept sozialer Ungleichheit- Lagen und Milieus

weil diese Gruppen nur sehr klein sind - Besitz- und Bildungsbürgertum (städtische Oberschicht) mit dem reichen Nahrungsgewerbe (Mittelschicht) zusammengefaßt, die real doch wohl unterschiedliche Milieus darstellten. Insofern gehören sie allerdings zusammen, als diese drei Gruppen idealtypisch das Städteregiment (Stadtrat) repräsentieren, obgleich auch andere reiche Gewerbe daran Anteil haben konnten. Das reiche Gewerbe kam aber offenbar nur bei relativ kleinem Besitzbürgertum im Stadtrat zum Zuge, und das Bildungsbürgertum - inklusive des Klerus' - hatte diesbezüglich keinen direkten Einfluß, sondern realisierte ihn über Status/Prestige. Einige Differenzierungsmöglichkeiten zu Milieus -nach Hradils aktueller soziologischen Darstellung ja als Filter oder Verstärker ungleicher Lebensbedingunger/3 gedacht und nicht als objektive Grenzen- fehlen ganz. Das ist nicht ein Mangel des Konzepts, sondern ein Problem der zwar großen Menge an Daten aus aber nur wenigen "quantifizierenden Quellen". Beispielsweise lassen sich Bildungsbürgertum, Kaufmannschaft, Handwerk hier nicht hinsichtlich ihrer Haltung zur Aufklärung oder nach aktuellem Bildungsstand differenzieren, die sich im Sinne von Milieus an diesen Fragen zu jener Zeit unterschieden haben können. Bildung konnte nurnominell einer Gruppe zugeordnet werden, so daß eine Differenzierung damit nur eingeschränkt- nicht im Sinne des Milieus - möglich ist. Sehen wir uns nun die Gruppen genauer an, bevor daraus ein simples Modell der Sozialstruktur entwickelt wird.

R Und heute gelten soziale Sicherheit, Arbeits-, Freizeit-, Wohnbedingungen, Partizipationschancen, soziale Rollen, Diskriminierung (Frauen, Alte...) und Privilegien als ausgewiesene Dimensionen für Milieu.

E. Zur Sozialstruktur - die Gruppen der Vormodeme Wird die oben gezeigte Tabelle der Lagen und Milieus zu sieben sozialen Lagen zusammengefaßt, wie die Ordnungsnummern es vorgeben, ohne vorerst die Gruppe deijenigen zu berticksichtigen, die als Bauern zusammen betrachtet werden, ergeben sich folgende Unterteilungen, von denen künftig in der Gliederung dieses Abschnittes ausgegangen wird. Denn nun sollen diese Untergruppen der Sozialstruktur einzeln diskutiert werden, um einen weitergehenden Eindruck von der Lebenssituation der Menschen des 18. Jahrhunderts zu gewinnen, soweit das aus den verwendeten Quellen möglich ist. Mit deutlicher Einschränkung geschieht dies: eine lagenübergreifende Milieubestimmung, wie wir sie aus dem genannten Text Hradils kennen, kann hier- wie gesagt- zwar gelegentlich sprachlich gekennzeichnet, nicht aber methodisch exakt ausgewiesen werden. Die folgende Tabelle gibt die sieben Sozialen Lagen wieder: Tabelle4 Soziale Lagen in Gottorf (2) Besitz-, Bildungsbürger (Stadt+ Land), reiche Gewerbe (3) Hufner mit Altenteilen (4) Kätnermit Altent., Bödner, Instellkätner (Kieinbesitz) (5) Handwerk/ Gewerbe (Stadt+ Land) (6) Arbeitsleute (Stadt), Tagelöhner-Insten (Land) (7) Arme und Alte (Stadt+ Land) (8) Gesinde (Stadt+ Land) - - --

6% Bev.

21 % 24 % II %

13 % 10 % 15 %

- - - --- - - - -- - - - - - - - - - - - - - - --- - - - --

I. Soziale Lage (2): Besitz- und Bildungsbürger1um, reiche Gewerbe

In der ersten sozialen Lage- in der Tabelle 3 Ordnungsnummer (2) - finden sich vor allem vier Milieus, die zu unterscheiden sind; und diese Teilung ist noch nicht hinreichend, nur pragmatisch begrtindet, weil die Gruppen sonst zu klein würden. Zusammen waren etwa sechs Prozent der Gesellschaft (zuzüglich Adel) Mitglieder von Kernfamilien inklusive weniger Sonstiger/ Verwandte (= KF+S) in solchen Haushalten, die in sozial sicherer Lage und bildungsprivilegiert lebten und deren (männliche) Haushaltsvorstände zu den bestimmenden Institutionen städtischer Politik

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E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

und der Kirche Zugang oder durch Bildung Autorität erworben hatten. Das Besitzbürgertum war wesentlich Städtebürgertum. Das gilt ebenso für das reiche Gewerbe, herausragend darin das Nahrungs- und Genußgewerbe, das von mir früher als Kern der nur kleinen städtischen Mittelschicht gekennzeichnet wurde (1990). Die überregional tätigen Kaufleute/ Händler (die Begriffe differieren örtlich in der Bedeutung) waren dabei in allen Städten überrepräsentativ reich, oft waren sie Stadträte. Allerdings konnten Mitglieder fast aller Handwerke in die ökonomische Spitze -der Steuer nach! und unabhängig von der Ratsfähigkeit - aufsteigen, deren Position in Kleinstädten gegenüber den oben genannten Gruppen besser als in größeren gewesen ist. Das Bildungsbürgertum, hier sind die Kirchenhaushalte eingeschlossen, war nur insofern primär städtisch als die absolut ähnlich große Zahl dieser Leute auf dem Lande völlig vereinzelt lebte. In dieser Gruppe gab es relativ viele verwitwete und alleinlebende Personen, so daß deren Kernfamilien und Haushalte durchschnittlich recht klein waren. Zum Beispiel waren 1769 in Eckernförde Kernfamilien plus Sonstigen (meist Verwandte) 2,83 Personen groß (HH 4,02), die dennoch zu 55% zusätzlich Gesinde aufwiesen (57% mit Gs+S). In dieser Familienstruktur vor allem des Bildungsbürgertums - wozu gleich mehr - liegt also der Grund, daß in der Tabelle 3 der sozialen Lagen/ Milieus die oberste (2) - wider Erwarten - relativ kleine Haushalte aufweist, obgleich darin auch die großen Häuser der Kaufmannschaft enthalten sind. Nur relativ wenige Bildungshaushalte fanden sich auf dem Land mit zum Teil entsprechend ländlicher Lebensweise und können oft nur im Rahmen großzügiger Statistik ("Stellvertreter") als solche bezeichnet werden. Hier sind einschränkend insbesondere die Schulmeister zu nennen, von denen einzelne gleichzeitig Schneider, aber auch Hirten (auch leibeigen) waren; aber auch Kirchenleute hatten wohl direkt für ihren Lebensunterhalt zu arbeiten. Andere Berufe dieser sozialen Lage waren Post- und Zollbeamte, sowie der Klerus. Städtische und ländliche Bildungsbürger sind auch darum differenziert zu sehen, weil ja die wenigen auf dem Lande ganz isoliert lebten, höchstens mal zwei oder drei Kirchenhaushalte in einem Kirchdorf, dazu vielleicht ein, zwei andere Gebildete. In der Datenbank der gottorfischen Mannzahlregister gab es bei den knapp 3.000 Haushalten in 107 Orten überhaupt nur 18 Kirchenfamilien, acht davon waren die von Pastoren, die anderen Organisten und Küster. Übrigens sind in - den relativ großen - Kirchdörfern wenig Schulmeister zu finden, beide Gruppen ergänzten sich. Einige

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I. Soziale Lage (2): Besitz- und Bildungsbürgertum, reiche Gewerbe

dieser Gebiete sind aber das direkte Umland von Städten und Flecken, so daß die seelsorgerische Versorgung insgesamt etwas ausgeprägter gewesen ist. Tabelle5 Das Kiefer Bildungsbürgertum 1803 Gruppe Bildungsbürgertum

HHGr KFGr

Verwaltungn=61 HH Bildung n =51 Justiz n= 22 Kirchen= 11

4,41 4,78 4,23 3,91

Pensionären = 54 Kiel alle Voll-HH n = 1.581

2,43 3,93

=

=

ki

Gs

eHH

3,00 3,12 2,59 2,55

1,33 1,61 1,05 1,00

1,1 1,2 1,4 0,7

47,5% 64,7% 68,2% 54,6%

1,67 2,91

0,46 1,30

0,6 0,8

46,3% 62,4 41,9% 49,4

=

HValt 52,5 46,9 45,4 52,5

HHGr Haushaltsgröße; KFGr Kemfamiliengröße; ki Kinderanteil am HH; Gs HH; eHH =erweiterte Haushalte; HValt = Alter des Haushaltsvorstands

=Gesindeanteil

Besonders interessant ist in diesem Zusammenhang die Stadt Kiel, die frühere Hauptstadt Gottorfs, mit immer noch entsprechend großem Anteil an "Oberschicht"; aber auch einige Handwerke, wie Tischler, Schuster und Schneider zeigten sich wegen dieser Kundschaft als relativ reich. Das Bildungsbürgertum Kiels war durch die Universität besonders ausgeprägt und kann differenziert dargestellt werden 1. Diese Haushalte umfaßten knapp 10% der Vollhaushalte (ohne Studenten, Militär), während es in Flensburg nur die Hälfte davon waren; zusätzlich sind die in Kiel ungewöhnlich häufigen Pensionäre (3,4%) mit ihren besonders kleinen Haushalten bei dieser Angabe nicht einbezogen, die in Kiel deutlich häufiger als in Eckernförde und anderen Städten 1769 gewesen sind. Die Haushaltswerte unterschieden sich etwas. In Kiel waren die Bildungshaushalte mit durchschnittlich 4,60 Personen pro Haushalt (KF+S 3,39) deutlich größer als in Eckernförde (4,02; aber: Rensburg 4,78). Die Tabelle 5 zeigt die größeren Kieler Untergruppen des Bildungsbürgertums. 1 Ich nutze dazu die dänische Volkszählung von 1803. Jene von 1781, die ich früher bearbeitet habe (1990), entstand nach dem Einbezug Goitorfs in die dänische Verwaltung und lag qualitativ noch deutlich unter dem Stand derjenigen von 1769. Studenten und Militärs in der Zählung bleiben meist ausgeschlossen, so daß statt der gezählten 7.075 EW fast immer 6.206 EW die Basis meiner Angaben sind (in 1.581 HH). Leider hatte Kiel ein anderes Steuersystem, das auf einer Haussteuer beruhte: trotzdem wird sichtbar, daßdie steuerliche Struktur der zahlenden Bürger auch in Kiel ein den anderen Städten ähnliches Muster aufwies (vgl. 1990), wenn auchder Anteil der Nicht-Zahler erheblich größer war. Aber die Grenzen der ökonomischen Untergruppen sind gegenüber den anderen Städten unpräzise und seien mehr als Illustration begriffen. Helmut Deecke hat die Programme geschrieben, mit denen die Personendateien der Städte Eckernförde und Kiel sowie die des Amtes Neumünster in Haushaltsdateien umgewandelt wurden - Dank dafür.

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E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

Diese Verwaltungsberufe sind- wie bereits erwähnt- weit gefaßt. Etwa ein Drittel der 61 Haushalte haben einen eher niedrigen sozialen Status, ihre Vorstände sind Schreiber, Pedell, Brückenschreiber oder Annenvogt, zu deren Einordnung zum Bildungsbürgertum natürlich Zweifel anzumelden sind. Und stets sind in allen Gruppen nicht nur beruflich aktive Haushalte enthalten, sondern auch die von Witwen, etwa einer Etatsrätin. Sonst sind Verwalter, Landmesser, Hofagenten, Sekretäre, Konferenzräte, der Collector des königlichen Lottos und der Lombardverwalter erwähnt. Kernfamiliengröße und darin die Kinder ähneln dem städtischen Durchschnitt der Kieler Vollhaushalte (ohne Studenten und Militär). Sie hatten aber eine überdurchschnittlich große Zahl - doch nicht öfter - Gesinde im Haus, was auf bessere Einkommen verweist. Die Hälfte der 51 Kieler Bildungshaushalte sind die von Professoren (21) und deren Witwen (4). Sieben Haushalte sind wohl eher niederen Standes, wie jemand, der Schule hält, Kinder im Lesen unterrichtet oder eine Gouvernante. Aber auch Schriftsteller, Privatdozenten, Sprach-, Zeichenund Fechtmeister der Universität, der Musikdirektor, ein Doktor Philosophiae und die Lehrer der Stadtschule sind genannt. Sie haben zusammen große Haushalte, die oft erweitert sind, und viele Kinder. Notarius und/ oder Advokat sind die häufigsten Nennungen bei der Justiz, auch der Polizeimeister (und Senator) ist darunter, nur zwei Witwen sind dabei. Dennoch hat diese Gruppe recht wenige Kinder, aber viel und oft Gesinde. Bei den Kirchenberufen finden sich zwei Küster, ein Organist, zwei Witwen, auch ein Kirchenrat und ordentlicher Professor der Theologie. Die Haushaltsgröße entspricht dem städtischen Durchschnitt, sie hatten also wenige Kinder und eine relativ kleine GesindezahL Das Rensburger Bildungsbürgertum wurde -bei 1803 2 insgesamt 9.901 Einwohnern in 2.254 Haushalten - mit 5,3% der Haushalte gezählt (HH 4,78, KF+S 3,43). Als größere Gruppen sind die Verwaltung (30 HH), Bildung (21), Justiz (11), pensionierte Militärs (11) und die Kirche (21) zu nennen. Die Festung Rendsburg (966 HH, 3.501 EW) war in einer besonderen 2 Die frühere Untersuchung (1990) hat gezeigt, daß zwischen 1769 und 1803 in Flensburg und Krempe (ähnlich Kiel 1781 - 1803) strukturell keine wesentliche Veränderung stattgefunden hat. Haushalte wurden größer, arm und reich stärker polarisiert, einzelne Gruppen veränderten ihre Stellung in der Stadt etwas; z. B. verlor das Nahrungsgewerbe in Flensburg. Die Zusammenfassung beider Jahrgänge istfür die globale Sicht auf das Ende des l8.JH unproblematisch, obgleichebenso ein erkennbarer Wandel in Flensburg und auehin Kiel von 1781 bis 1803 (s. u.) zu zeigen ist.

I. Soziale Lage (2): Besitz- und Bildungsbürgertum, reiche Gewerbe

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Lage. Durch das- 1769 selbst nicht gezählte- aktive Militär war eine große Gruppe von Pensionären dieser Gruppe dort entstanden. Mit diesen früheren Offizieren und deren Witwen betrug das Bildungsbürgertum 11,5% der Haushalte, ohne sie noch 6,5% (HH 4,59, KF+S 3,06). Größere Abteilungen waren die Verwaltung (14), Bildung (11), Kirche (14), aber auch 14 Stadträte, die im Hauptberuf vermutlich Kaufleute und reiche Handwerker (!) gewesen sind, aber in der Quelle keine entsprechende Nennung erhalten haben (zudem waren sie wohl steuerfrei). Sie verzerren die Daten (hier mehr als anderswo), weshalb Vergleichsdaten auch sie künftig zum Teil ausklammern. Husum, eine Landstadt an der Westküste mit 878 Haushalten und 3.273 Bewohnern, wies ein Bildungsbürgertum von 5,8% auf (HH 4,16, KF+S 3,16), dessen nennenswerte Gruppen waren Verwaltung und Bildung (je 9 HH) sowie Post und Kirche (je 10). Krempe (1803 mit 264 HH, 1.019 EW) hatte 7,2% Bildungshaushalte, die im Schnitt 3,95 Personen umfaßten (KF+S 3,21). Kommen wir zum Besitzbürgertum, das ich vom reichen Gewerbe noch unterscheide. Letzteres sind vor allem Berufe der Nahrungs- und Genußgewerbe, die nach ihrer Steuer an zweiter Stelle in den Städten verortet werden können. Selbst in Kiel, wo Handel und Hafen keine so große Bedeutung hatten wie etwa in Flensburg, ist das Besitzbürgertum (ökonomische Oberschicht) vor allem Kaufmannschaft. Allerdings trennt die Kieler Haussteuer diese Gruppen nur unzuverlässig, weil die den Steuersystemen anderer Städte nicht entspricht; die mit ihr isolierte Oberschicht betrug 7,5% (vgl. 1990). Die Tabelle 6 vergleicht Werte sozialer Schichten mehrerer Städte. Als Kaufmannschaft beziehungsweise Nahrungs- und Genußgewerbe sind darin die Prozentanteile an allen Haushalten der verschiedenen Schichten bezeichnet. Die fehlenden Prozente werden jeweils durch Handwerker und andere ausgefüllt. Damit wird die quantitative Bedeutung der jeweiligen Gruppe in den Schichten verdeutlicht. Diese Darstellung hebt Kaufmannschaft (Besitzbürger) und Nahrungsund Genußgewerbe (reiche Gew.) hervor und zeigt, wie beide unterschiedliche - aber doch insgesamt regelmäßige - Rangfolgen in den Städten einnahmen. Durch die Daten Flensburgs mit einem äußerst bedeutenden Hafen und seiner außerordentlich reichen und mächtigen Kaufmannschaft wird diese Tendenz in der Gesamtbetrachtung besonders betont. In der ökonomischen Oberschicht innerhalb der Stadt gehörten gut 80% zum Handel und nur knapp 9% vor allem zu den Brauern/ Brennern. Letztere waren dann

58

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

zusammen mit den Bäckern (weniger den Schlachtern) in der ökonomischen Mittelschicht mit 40% besonders ausgeprägt, zu der auch Wirte, selten Köche und Musiker (in Flensburg 1. Bürgerklasse) gehörten, während beide Gruppen in der Unterschicht nur wenig vorkamen. In Kiel, Krempe und besonders Rendsburg relativieren die dort weniger bedeutenden Kaufleute diese Tendenz, während Eckernförde und Husum mittlere Plätze einnehmen. In Kiel war das Nahrungsgewerbe zudem relativ selten, in Flensburg hatte es von 1769 bis 1803 steuerlich an Bedeutung verloren. Ta.belle6

Kaufmannschaft und Nahrungsgewerbe in den Städten Schicht

Kiel '03

Aen'03

Krem03

Eck'69

Husu'69

Rends'69

ökon. Oberschicht HH in %/HH HH Kaufmann HH Nahrung-Gen.

7,5/6,63 34,7% 33,1 %

5,1/10,0 83,3% 8,8%

7,2/7,00 42,1 % 42,1 %

3,1/ 6,24 58,8% 35,3%

5,9/8,19 50,0% 36,5%

1,1/ 7,00 9,1 % 54,5%

7,3/7,15 20,8/4,76 24,8% 10,9% 40,0% 23,6%

17,3/ 5,04 27,7% 30,9%

5,8/6,20 27,5% 41,2%

13,3/ 5,48 10,9% 43,8%

64,8/3,21 11,1% 10,0%

71,8/3,34 4,6% 3,6%

82,5/3,20 5,1% 10,8%

74,1/ 3,21 8,7% 11,3%

ökon. Mittelschicht HHin%/HH 17,0/5,38 HH Kaufmannsch. 17,1% 16,4% HH Nahrung-Gen. ökon. Unterschicht HHin %/HH 62,4/3,18 HH Kaufmannsch. 9,4% HH Nahrung-Gen. 5,2%

-----------------

82,3/3,78 7,7% 8,0%

HH = Haushaltsgröße, '69 = Volkszählung 1769, '03 = VZ 1803

In Eckernförde - 543 Haushalte mit 2.051 Einwohnern - gehörten 1769 drei Prozent der Haushalte zur ökonomischen Ober- und 17% zur Mittelschicht. Dazu kamen knapp acht Prozent Haushalte des Bildungsbürgertums mit relativ kleinen Familien. Die wenigen reichen Haushalte, überwiegend Kaufleute, einige aus dem Bereich Nahrung/ Genuß, weisen im Schnitt deutlich größere Haushalte auf, die dort alle Steuern zahlten, was im städtischen Durchschnitt auf 50% - 60% zutraf. Die Festung Rendsburg fällt aus diesem Rahmen (966 HH, 3.501 EW). Einerseits gab es sehr wenige Kaufleute (u. a. vmtl. wegen der oft - 14 mal - genannten Stadträte; aber auch inkl. jener wäre die ökonomische Oberschicht nur 2,6% groß). Andererseits prägen viele Wirte, Bäcker, Schlachter und anteilig mehr Brauer/ Brenner als in Flensburg das Bild, die auch zur Versorgung der großen Zahl von circa 3.000 (nicht mitgezählten) Soldaten beitrugen. Und die Militärs werden politisch wichtig gewesen sein. Krempe

II. Soziale Lage (3): Hufner mit Altenteilen

59

(264 HH, 1.019 EW), wenn auch klein, war inmitten reicher Marschen immer noch Handelszentrum, die Besitzbürger stellten dort 7,2% der Haushalte, die Mittelschicht immerhin 20,8%. Auch die Haushaltsgrößen deuten schon die gänzlich unterschiedlichen Lebensweisen an. Das Rensburger Besitzbürgertum wies beispielsweise im Schnitt Haushalte mit zehn Personen auf, in Husum (878 HH, 3.273) waren es noch über acht, wobei die städtischen Gesamt-Durchschnitte zwischen 3,62 (Rendsburg) und 3,93 (Kiel) gelegen haben. Die herausragende Stellung der Kaufleute, Händler und wenigen Fabrikanten ist deutlich geworden. Gleichwohl ist auch das reiche Gewerbe in einigen Städten selbst in deren Oberschichten von zumindest ökonomisch-steuerlichem Gewicht, weshalb der Einbezug in die hier besprochene soziale Lage (2) wiederum sinnvoll scheint. Zusammen mit den Haushalten reichen Gewerbes des "flachen Landes" zeigen sich doch in ihr nun verschiedene Milieus. Meßbar ist der Stadt-Land-Gegensatz, doch Kaufleute und Händler einerseits, Professoren, Räte und Lehrer andererseits lebten ebenso in "verschiedenen Welten". Und alle leisteten sich regelmäßig eine spezifische Lebensform, den erweiterten Haushalt mit Gesinde. Detailliertere Darstellungen häufiger städtischer Berufe folgen unten im Vergleich mit den Handwerken im Abschnitt: Soziale Lage (5). ß. Soziale Lage (3): Hufner mit Altenteilen

Wir gehen nun aufs Land und widmen uns der dort ökonomisch und sozial wichtigsten Gruppe, den Hufnern. Sie waren in den Dörfern die "Herren" - soweit unter vielfaltigen Formen von Herrschaft und Obrigkeit überhaupt davon zu reden ist - und allein Mitglieder der Dorfgenossenschaft, die das Hufenland und die Allmende, das gemeinsame Wiesenland, aufteilten (für die Elbmarsch: Lorenzen-Schmidt, 1989; Kirchspiel Leezen: Gehrmann, 1984). Kätner gehörten nicht dazu, selbst wenn sie als Kleinbauern zu bezeichnen sind und vielleicht auch Zugang zur Allmende bekamen. Wo Leibeigenschaft bestand waren es aber auch - wie im Amt Cismac - vor allem die Hufner, die quantitativ mehr als andere Gruppen unter personaler Abhängigkeit standen; auch die Leibeigenschaft zeigt sich als sehr differenziert (siehe Exkurs: Leibeigenschaft in Schleswig-Holstein). Hufen waren innerhalb einer Gemarkung gleichwertige Landstücke (Deutschland in älterer Zeit um 30 Morgen, Haberkern/ Wallach, 1987), die

60

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

aber in unterschiedlichen Landschaften verschieden groß sein konnten, je nachdem wieviel Land zur Ernährung eines Hofes/ Anwesens nötig war. Flächengröße und die familiale Grundorganisation bestimmten die damaligen Dorfstrukturen in der besprochenen Region maßgeblich. Auf dem "flachen Land" verweisen die Hufner als "die" Träger jener Lebensform auf das "Ganze Haus", wie es vor allem von Riehl und Tönnies in frühen Arbeiten verewigt worden ist, das sich in der hier besprochenen Zeit aber lange schon in der kontraktuellen Auflösung befand. Denn darüber hinaus waren in der untersuchten Region die meisten Hufen von mir so genannte Anwesen, da nicht nur deren erweiterte Haupthaushalte sie bildeten, sondern dazu noch weitere eigenständige Haushalte gehörten, nämlich die von Altenteilern und Insten. Nur bei real mehreren Haushalten spreche ich in dieser Arbeit von Anwesen. Die weiteren Haushalte neben dem des Bauern waren selbst gelegentlich erweiterte Haushalte, die dennoch unter die Verantwortung und Kontrolle des Bauern gehörten, der zumindest Vermieter oder vertraglicher Lebensmittellieferant für die Altenteiler und Arbeitgeber nicht nur des eigenen Hausgesindes, sondern auch von Insten war. Die nachrangigen Kernfamilien sind deshalb auch nicht als Kernfamilien im modernen Verständnis einzuschätzen, deren Lebensform sich etwa heute allgemein durchgesetzt hätte. Das hieße die realen damaligen Verhältnisse allzusehr auf quantitatives, äußerliches reduzieren. Die damaligen ländlichen Kernfamilien waren in den meist kleinen Dörfern auch dann in Gemeinschaft eingebunden, vom Dorf abhängig, wenn die Quelle sie eigenständig wohnend ausweist. Ob in Wohnungen oderextra Katen bildeten sie meist zusammen mit dem Hufnerhaushalt die Anwesen, die mit den wohl auch größten Gebäuden räumlich sozusagen die Kerne der Dörfer darstellten, bis später auch viele reine "Kätnerdörfer" entstanden, die sich in den genutzten Quellen noch kaum fanden. Ob in jenen Orten mit sehr vielen Kätnern und wenigen Hufnern deshalb eher von Kernfamilien im heutigen Sinn zu sprechen ist, muß dennoch bezweifelt werden, wenn auch Nuancen weiterer Individuierung/ Vergesellschaftung darin zu sehen sein können. Den Bauem-Anwesen ist unten noch ein eigener Abschnitt gewidmet, in dem Bauern (Hufner) und Kleinbauern (Teil der Kätner) diesbezüglich untersucht werden. Bei Altenteilen der Hufner und später der Kätner - sonst berücksichtige ich sie nicht, obgleich auch bei Bödnern gelegentlich verzeichnet - sind

II. Soziale Lage (3): Hufner mit Altenteilen

61

zwei Gruppen zu unterscheiden, die bloßen Vorhufner, wie ich sie auch nenne, die nicht mit dem jeweiligen Hufner verwandt waren, und jene, deren Kinder jetzt den Hof führten, die verwandten Altenteiler. Beide hatten Rechte an den Hof hinsichtlich Wohnraums und Versorgung (Haberkern/ Wallach, 1987). Bei den Insten sind drei Gruppen zu trennen, 1. die Tagelöhner-Insten, die wohl den Wohnraum, ein Gartenstück zur Nutzung und eventuell weiteren Lohn für die Arbeit auf dem Hof erhielten, 2. die als Handwerker bezeichneten, die in Iostenkaten oder -Wohnungen lebten, die aber wohl jedenfalls zeitweise auch auf dem Hof arbeiten mußten, sei es auf Anforderung des Bauern oder auch, weil das Gewerbe allein nicht genug einbrachte. Und letztlich läßt sich 3. die Gruppe der Alten und Gebrechlichen finden und später differenziert betrachten. Es gab - wie oben in Tabelle 1 gezeigt - Hufner verschiedener Kategorien. Selten kommen Großhufner vor, gar nicht in der hier genutzten Datenbank, aber in den für Schätzungen einiger Ämter verwendeten Amtsrechnungen. Dann gibt es neben den Vollhufnern Halb- und Kleinhufner, die in den Quellen manchmal mit Brüchen (1/3, 1/4... ) bezeichnet sind. In den nach Mannzahlregistern untersuchten fünf Ämtern fanden sich 546 Hufner. 387 von ihnen waren Vollhufner, und nur im AmtTrittau gab es noch Halb(110) und Kleinhufner (49). Dazu kamen noch die Altenteiler/ Vorhufner. Sie sind nur aus zwei Ämtern zu isolieren (Trittau, Neumünster), wo sie offenbar vollständig verzeichnet worden sind. Den diesen beiden Ämtern zugeordneten 410 Hufnern gehörten noch 90 alleinstehende Vorhufner und 91 verwandte Altenteiler zu. Bei fast jedem zweiten aktiven Hufner gab es also noch eine Altenteilsfamilie (bei Kätnern fast jeder 3.), und die Hälfte davon bestand aus den Eltern oder Schwiegereltern des Hofhalters. Im Schnitt kam noch ein Instenhaushalt dazu, von denen etwa jeder fünfte als Handwerker gekennzeichnet war (Trittau). Innerhalb der erweiterten Haushalte lebten neben der Kernfamilie aus Eltern und Kindern noch Gesinde und/ oder Sonstige, die überwiegend Verwandte gewesen sind. Und wir werden sehen, wie eindeutig den verschiedenen Besitzständen (Hufner, Kätner... ) typische Durchschnittshaushalte zugeordnet waren, daß also einer bestimmten Landfläche nicht nur die nötigen Arbeitskräfte entsprachen, sondern ebenso dann eine Mindestmenge an Personen ernährt werden mußte. Wo weniger Gesinde gefunden wurde, sind mehr erwachsene Kinder verzeichnet.

62

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

Hier zeigt sich doch - aus der Sicht der Bauernhaushalte - eine unmittelbare Bodenständigkeit und -abhängigkeit (und die Qualität der damaligen Verwaltung, die über große Distanzen hinweg Gruppen sehr präzise zur Steuerzahlung einschätzen konnte), sozusagen ein direktes Abbild der knappen Emährungslage. Die landwirtschaftliche Produktion bestimmte die Lebensform - innerhalb der davon wiederum abhängigen kulturellen Entwicklung - sehr deutlich. Es werden auch die Verflechtungen sichtbar, die mit der Konstruktion des "Ganzen Hauses", mehr noch mit Begriffen wie Gemeinschaft (Tönnies) oder mechanischer Solidarität (Durkheim) in der Vormoderne angesprochen werden sollten. Die Hufner sind darin mit ihren Anwesen auf dem "flachen Land" die Basiseinheiten, deren ökonomischen Bedingungen wesentlich für die ländliche Gesamtstruktur waren. Das Gesinde in bäuerlichen Haushalten bestand aus Groß- und KleinKnechten, aus Groß- und Klein-Jungs und aus Mägden (selten Dienstfrauen); sie nenne ich landwirtschaftliches Gesinde (ldl.), im Gegensatz zu gewerblichem (gew. =Gesellen, Lehrjungs, sehr selten Kommis/ Schreiber). Die wenigen Sonstigen - getrennt nach Männern und Frauen notiert - waren meist Verwandte (Sm/w). Die Tabelle 7 zeigt Haushaltswerte der Hufner aus den fünf Ämtern Gottorfs, für die Mannzahlregister ausgewertet werden konnten (Trittau, Cismar, Oldenburg, Kronshagen, Neumünster ohne Flecken): Ta.belle7

Haushaltswerte der HufnerinGottorf (5 Ämter) Std

HHGr

KFGr

Sm/w

eHH

kn

ju

mg

Vollhufner Halbhufner Kleinhufner zusammen:

7,60 6,52 5,31 7,18

4,91 5,07 4,41 4,90

0,15 0,12 0,14 0,14

93,0% 76,4% 51,0% 85,9%

1,14 0,54 0,37 0,95

0,44 0,22 0,04 0,36

0,96 0,57 0,31 0,83

Vorhufner Altenteil. verw.

2,60 2,25

2,41 1,94

0,14 0,19

17,8% 0 20,2% 0

0 0,01

0,04 O,II

Std = Besitzstand, HH Gr = Haushaltsgrö~e. KFGr = Kernfamiliengrö~e. Sm/w = Sonstige männl./ weibl., eHH =erweiterte Häuserin %, kn =Knechte, ju= Jungs(ldl.), mg = Magd/ Dienstfrau.

Durchschnittlich - lesen wir dort- waren 86% aller Formen der Hufnerhaushalte erweiterte mit über sieben Personen, von denen 2,14 Gesinde waren, wozu noch 0,14 sonstige Personen kamen. Aus der Individuendatei des Amtes Neumünster geht hervor, daß noch 35% der 52 Kinder verwandter und nicht-verwandter Altenteiler von Hufnern bis inklusive 16 Jahre alt ge-

II. Soziale Lage (3):Hufner mit Altenteilen

63

wesen sind. Offensichtlich ist es zu frühen Übergaben der Hofstellen an die jüngere Generation gekommen. Das betrifft auch solche Interpretationsansätze, die das Zusammenleben mehrerer Generationen schon aus Altersgründen unterschätzen, womit auch ich früher argumentierte (1990). Wie erwähnt, sind dort, wo Gesinde wenig vorkommt, entsprechend mehr erwachsene Kinder (und Sonstige) im Hause. Jene gottorfischen Vollhufner (n = 387) mit nur einer Person Gesinde, von denen es nur 61 gibt, haben im Schnitt 3,98 Kinder im Hause. Bei allen Vollhufnern war diese Zahl 2,99. Dazu sind bei den Kindern zwei Altersgruppen zu unterscheiden: der Anteil nach dem Alter (bis inkl. 14 Jahre nach Mannzahlregister, die eine wenig brauchbare Altersteilung aufweisen) war zwar auch etwas höher, inklusive der erwachsenen Kinder waren es aber deutlich mehr. Sonstige gab es in diesen 61 Haushalten 0,18 (0,15 bei allen). Statt 7,6 Personen mit 2,54 Gesinde bei allen Vollhufnern waren die mit nur einer Person Gesinde 7,1 Menschen groß; deren mindere Zahl wurde also zu einem guten Teil vor allem durch erwachsene Kinder ausgeglichen. Wird nach Prestige im Dorfe gegangen, so werden beide Formen der Vorhufner vom (alten) Status des Hofbesitzes noch gezehrt haben und entsprechend in der Gemeinschaft angesehen worden sein. Zumindest die mit dem jeweiligen Hofbesitzer verwandten Altenteiler können, da sie keineswegs alle sehr alt gewesen sind, dem Hof noch gute Dienste geleistet haben. An dieser Stelle sind erste Hinweise zum Alter sinnvoll, obgleich untenbei der Zusammenfassung zur Sozialstruktur - darauf detailliert eingegangen wird. Sie sind zum Verständnis der Verhältnisse zwischen den Gruppen nötig. Von allen vorhandenen Hausvorständen (Mann und Frau) der verwandten und nicht-verwandten Altenteiler von Hufnern Neumünsters (fr 53, ma 30) waren 33% unter 60 Jahre alt, bei den Frauen waren es 38%, bei den Männern 27%; aber beide waren auch zu 27% und 23% älter als 69. Bei allen überlieferten Spannungen zwischen den Generationen, wie sie etwa von Rosenbaum (1981) skizziert werden, wird die stets drohende existentielle Not zumindest verwandtschaftliche Bindungen dieser Art, die ja auch rechtlich fixiert waren, doch als Zweckgemeinschaften im Dorf besonders verbunden haben; die gemeinsam erwirtschafteten Erträge solcher Anwesen könnten relativ besser gewesen sein, wenn mehr Arbeitskräfte zur Verfügung standen.

64

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormoderne

Die Hufnerhaushalte, die zusammen mit ihren Vorgängern - ohne Gesinde - immerhin ein Fünftel der Gesamtbevölkerung ausmachten, sind allein schon quantitativ die zentrale Figur in der Vorstellung, die heute über frühere Gesellschaften besteht, wenn dabei in Richtung Bauer gedacht wird, Leibeigenschaft inklusive. Aber wir werden bei der Besprechung der Anwesen auch einegroße Zahl der Kleinbauern in ähnlicher Lage finden.

m. Exkurs: Leibeigenschaft in Schleswig-Holstein und im Amt Cismar Die folgenden Ausführungen referieren einerseits nur knapp aus der Arbeit Pranges (1971) über die großen Agrarreformen in Schleswig-Holstein bis um 1771; aus dieser Arbeit kann zum Stand der personalen Abhängigkeiten der Landleute nur ein grober Rahmen skizziert werden. Andererseits werden für das Amt Cismar wenige Daten aus dem Mannzahlregister vorgeführt. Eine Berücksichtigung der verschiedenen Formen personaler Abhängigkeit im Sozialstrukturellen Schema ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Weder ist eine genaue Bestimmung zum Stichtermin dieser Untersuchung - 1768ff- herzustellen, zu groß ist der von Prange bearbeitete Zeitraum, noch können konkret zum Abhängigkeitsverhältnis im praktischen Leben Hinweise gegeben werden. Das ist schon darum nicht möglich, weil zum Teil auf engem Raum ganz verschiedene Arten der Leibeigenschaft und Abhängigkeit bestanden. Es sind also nur einige Hinweise auf die Problematik zu geben. So sind sich in Nachbardörferneines Amtes Freie und Leibeigene begegnet, oder es kamen sogar innerhalb eines Dorfes beide Formen vor und dies noch in Abstufungen. Beispielsweise waren im Amt Reinfeld nach 1683aber auch noch 1729 - " ein Drittel der vollen und halben Hufen ... vom Hofdienst frel' (S. 30ft). Zum Teil erkauften sich ganze Dörfer die Freiheit (S. 95ft). Es wird aber auch von neuen Anbauern berichtet, die - um 1750 darauf verzichteten (S. 80f). Auch innerhalb der größeren Verwaltungs- und Herrschaftsgebiete waren sehr verschiedene Zustände zu finden. Während im plönischen Holstein, das 1761 mit dem königlichen Anteil Dänemarks verbunden wurde, etwa im Amt Reinfeld relativer Freiraum bestand, wurden demgegenüber die "Ahrensböker Bauern viel schärfer in das gutswirtschaftliche System eingespannt' (S. 43). Für Rethwisch galt: "Die Verfassung des Amtes entsprach weitgehend der der adeligen Güter, auf denen die Dienste die annähernd einzige Leistungder Untertanen waren" (um 1750, S. 60). Die fak-

111. Exkurs: Leibeigenschaftin Schleswig-Holstein und im Amt Cismar

65

tische Ablösung von der Dienstpflicht durch eine Grundheuer, dem Dienstgeld, durch das sich die Bauern dienstfrei machen konnten, gab es dort nicht. Aber auch, wo das möglich war, galt zumeist, " Land und Sand aber gehörte der Herrschaft" (S. 1OOff), wie etwa unter dem Bischof von Lübeck (zu dem 1768 das Amt Oldenburg kam). Für das Herzogtum Gottorf galt ab 1720: "Die Untertanen der Ämter Cismar und 0/denburg waren leibeigen; aber die Einwohnerder sechs anderen Ämter, obwohl persönlich frei, standen ihnen näher als denen der Landschaft Norderdithmarschens, die eine ganz andere Geschichte gehabt und viel von ihrer alten Selbstverwaltung bewahrt hatten". In Plön, Kiel, Neumünster, Bordesholm bestanden eher grundherrschaftliche Bindungen (S. 270ft). Im weiteren Schleswig-Holstein waren "alle königlichen Untertanen ... persönlich frei, und fast alle seit jeher"; dabei galt in Holstein, daß sie volles Eigentum besaßen, während in Schleswig ein" Festeverhältnis"- mit abnehmender Tendenz- vorherrschte (S. 371), das aber auch in Holstein nicht unbekannt war; das" Festegeld' wurde als einmalige Ablösung von herrschaftlicher Bindung bei Übernahme einer Stelle gezahlt. Auch bei den Gütern gab es Besonderheiten; nach 1754 " war Hanerau doch allgemein als das Beispiel eines Gutes bekannt, auf dem die Bauern Eigentümer ihrer Stellen und frei von Hofdiensten und Leibeigenschaft waren" (S. 155). DieGüter in Schleswig waren aber im zweiten Drittel des 18. Jahrhunderts in der Mehrzahl, nämlich in Dänisch Wohld und im östlichen 1. Angler Güterdistrikt (Ost-Schleswig), denen in Ostholstein gleichgestellt, dort "wurden die Hoffelder mit den täglichen Diensten der Untertanen bebaut, waren diese Eigentümer weder von Haus noch Inventar, hatten kein festes Recht am Boden und galten als leibeigen". Dazu sehr unterschiedlich sind die Verhältnisse im übrigen Angeln, auf Lundewitt und in der Lundtoffharde, in den Ämtern Hadersleben und Tondem gewesen; dort gab es zum Teil keine eigene Gerichtsbarkeit auf den Gütern, die Bauern waren nicht leibeigen (S. 249f). Die in den von mir verwendeten Quellen gefundenen Leibeigenen im Amt Cismar sind darin ausdrücklich als solche vermerkt, so daß deren Struktur genauer betrachtet werden kann. Dazu ist aber ein Blick auf dieses Amt (und benachbart das Amt Oldenburg) nötig. Beide Ämter lagen innerhalb der ostholsteinischen Güterdistrikte und wiesen im Vergleich mit den anderen Ämtern Besonderheiten auf, die es zweifelhaft machen, ob hier wie in den anderen Ämtern unterstellt - relativ abgeschlossene Wirtschaftsgebiete in den Quellen erfaßt worden sind, oder ob im oder am Amtsgebiet 5 Hennings

66

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

nicht-gezählte Güter gelegen haben, zu denen dennoch eine intensive Wirtschafts- und Herrschaftsbeziehung bestand. In Cismar wie in Oldenburg zeigt sich nämlich der Anteil von mir so genannter Frauenhaushalte, in denen also Frauen ohne Ehemann lebten, sei es mit Kindern, Gesinde und Sonstigen oder ganz allein, als besonders hoch. Davon sind etliche Haushalte ausdrücklich als solche gekennzeichnet, deren Hausvater anderswo in Stellung und deshalb nicht gezählt worden sei. Während in anderen Ämtern der Anteil der Frauenhaushalte zwischen 8,5% und 14,1% betrug, waren es in Cismar 18,8% und in Oldenburg 16,5%; inklusive der genannten Frauen abwesender Ehemänner waren diese Zahlen sogar 23,2% und 27,4%. Die Werte der Männerhaushalte (analog Frauenhaushalte) lagen übrigens zwischen 2,2% und 9,9%, wobei die hohen Zahlen Neumünster und Trittau betreffen. In Cismar und Oldenburg sind die Bauern relativ wenige (weil vielleicht gute Flächen oft vom Adel bewirtschaftet wurden). In Cismar machen die leibeigenen Personen 9% von allen aus. Meist ist pro Haushalt nur der Hausvater als Leibeigener gekennzeichnet, weshalb ich nun die Haushalte zur Basis mache, von denen 35% betroffen waren. Und da sind es vor allem die Hufner, die fast alle leibeigen gewesen sind (99%), während die Kätner dies nur zu etwa einem Drittel betraf, deren Altenteiler einen etwas höheren Wert aufwiesen. Auch Iostenkätner waren öfter, zu 47%, leibeigen, während Bödner und losten diesbezüglich bei einem knappen Drittel lagen. Die "Herren" des Dorfes waren also als die ökonomisch wichtigen zugleich die Unfreiesten. IV. Soziale Lage (4): Kätner mit Altenteil, Bödner, Iostenkätner (Kleinbesitz)

Kleinbesitz ist wohl das wichtigste Kennzeichen der nun besprochenen sozialen Lage, obgleich bei den Iostenkätnern diese Frage aus den Quellen nicht zu klären ist; sind es losten in Katen oder losten mit (Teil-) Katenbesitz? Ihre Haushaltsgröße stellt sie aber eindeutig den Bödnern an die Seite, denen Besitz (Erbpacht) an (Teil-) Buden unterstellt wird, nicht den losten. Überdies haben wir wieder mit regionalen Besonderheiten zu tun. Die Mitglieder dieser Gruppe kommen innerhalb der mit Mannzahlregistern untersuchten fünf Ämtern nur in Cismar vor. In anderen - aus Amtsrechnungen Gottorfs quantitativ eingeschätzten Ämtern sind es zusätzlich die Bezeichnungen Anbauern und Brinksitzer, die

IV. Soziale Lage (4): Kätnermit Altenteil, Bödner, lnstenkätner(Kleinbesitz)

67

hier zusammen mit den Iostenkätnern eingruppiert wurden. Anbauern sind manchmal in den Quellen auch zugleich als Kleinkätner benannt worden, bei der Agrarreform im 18. Jahrhundert haben sie zum Teil sogar recht viel, nämlich um eine Hufe Land genommen (Prange, 1971). Bödner kommen nur in den Cismarer und Oldenburger Mannzahlregistern vor (und den Amtsrechnungen Tremsbüttel, Bordesholm). Sie deuten auf besondere Strukturen hin, denn diese beiden Ämter lagen - wie schon gesagt - in den Güterdistrikten, so daß vielleicht intensive Arbeitsbeziehungen mit nichtgezählten Adelsgütern bestanden. Diese Ämter weisen auch sehr viele Haushalte alleinstehender Frauen auf, weil vielleicht die Männer unter besonderer Hörigkeit standen (17%- 19% gegenüber Schnitt 14%). Die verwendeten Quellen erlauben Hinweise auf solche weitergehenden Fragen, nicht schon die Antworten. Die Haushaltsgrößen der verschiedenen Gruppen des Kleinbesitzes machen jedenfalls deutlich, daß nicht etwa für sie nur andere Namen in verschiedenen Regionen verwendet wurden: Kätner und Bödner, zu dehnen ich die Iostenkätner zähle, sind strukturell durch ihre Haushaltsgrößen als verschiedene Milieus ausgewiesen, die sich aber über das Gesagte hinaus nicht direkt messen lassen. Die Kätner selbst sind dann noch als Landhandwerker zu unterscheiden. Dazu gibt die Tabelle 8 die Haushaltsdaten der Gruppen des Kleinbesitzes nach dem bekannten Muster wieder; zu den Kätnern sind die Altenteiler eingeschoben, die auch bei Bödnern gelegentlich vorkommen, aber nicht notiert wurden. Die Angaben beziehen sich in den fünf Ämtern mit Mannzahlregistern auf 43 Groß-, 348 Voll- und 46 Kleinkätner. Dazu kamen 44 Vorkätner, die also nicht mit dem derzeitigen Katenbesitzer verwandt gewesen sind, und 31 mit jenen verwandte Altenteiler. Bei den Bödnern gab es in Cismar und Oldenburg 49 Groß- und 58 Vollbödner, kleinere waren es 95 (4 Halbb.). lnstenkätner schließlich stehen in der Datenbank 72 (Cismar). Gekennzeichnet (>) sind in obiger Tabelle jene Übergänge, bei denen die von mir generell behauptete fast mechanische Stufenfolge der Haushaltsgrößen nicht zutrifft. Die Iostenkätner liegen im Mittelfeld der Bödner. Letztere sind übrigens in Oldenburg relativ oft als Handwerker ausgewiesen, obgleich dort nicht von Vollständigkeit der Berufsangaben ausgegangen wird. Zu Bödnern und Iostenkätnern mag sonst hier der Hinweis genügen, daß sie zusammen auch nur noch zu etwa einem Viertel erweiterte Haushalte hatten, wobei aber Gesinde äußerst selten war; bei den Insten werden wir späternur noch 10% finden. Dieser Personenkreis ist, wegen des angenommenen Besitzes einer (Teil-) Bude oder vergleichba-

68

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

ren Unterkunft, wozu meist ein Garten gehört haben wird, noch ein wenig aus den vielen Besitzlosen herausgehoben. Doch nun kommen wir zu den Kätnern. TabelieB Haushaltswerte von Kätnern und Bödnem in Goitorf (5 Ämter)

------------

·-·-··--··--------- ·---------··------··--·------- ---

Std

HHGr

KFGr

Sm/w

eHH

kn

ju

mg

Großkätner (>) Vollkätner Kleinkätner zusammen

5,70 4,89 4,67 4,95

4,49 4,28 4,17 4,29

0,23 0,27 0,22 0,25

53,5% 37,8% 30,4% 38,4%

0,26 0,09 0,02 0,10

0,16 0,03 0,04 0,04

0,51 0,15 0,15 0,19

Vorkätner Altenteil.

2,05 2,14

1,95 2,05

0,02 0,02

6,8% 9,3%

0 0

0 0

0,05 0,07

Großbödner Vollbödner (>) Halb-, Kleinbödn. zusammen

4,12 4,48 3,77 4,06

3,82 3,93 3,54 3,72

0,1 0,26 0,21 0,20

20,4% 37,9% 17,9% 24,3%

0 0 0 0

0 0,02 0 0

0,1 0,16 0,01 0,07

Instenkätner( >)

4,00

3,67

0,21

19,4% 0

0,03

0,06

Std = Besitzstand, HHGr = Haushaltsgröße, KFGr = Kemfamiliengröße, Sm/w = Sonstige männl./ weibl., eHH =erweiterte Häuser in o/o,kn =Knechte, ju = Jungs(Idl.), mg Magd/ Dienstfrau; (>) =untere Gruppe mit Haushalten > nächsthöheren.

=

An den Ämtern Trittau und Neumünster wird - wie zuvor bei den Hufnern - das Mengenverhältnis der Vorkätner und Altenteiler abgelesen. Es zeigt sich, daß zu fast einem Drittel der aktiven Kätnerhaushalte einer von ihnen kam (75 zu 236). Das ist weniger als bei den Hufnern, weil wohl die Übergaben der geringere Erträge abwerfenden Stellen später erfolgten, wie die Alterswerte zeigen. Von den Altenteilern sind nicht ganz die Hälfte mit den Kätnern, auf deren Stellen sie verzeichnet sind, verwandt gewesen (31). Die Menschen dieser kleinen Haushalte machten nur ein knappes Prozent der Gesamtbevölkerung aus. Als Kätner sind noch drei Gruppen zu unterscheiden, was hier nur nach quantitativen Einschätzungen möglich ist, weil sie in den Quellen nicht eindeutig genug geschieden sind. Lediglich die (a) Handwerker in Trittau sind als eine Gruppe von ihnen direkt erkennbar. Auf dieser Basis wurde der Anteil der (b) Kleinbauern dadurch bestimmt, daß von Groß- und Vollkätnern jene als solche betrachtet werden, die nicht mit einem zusätzlichen Beruf gekennzeichnet sind. Bei den (c) Kleinkätnern wird von einer den Bödnern ähnlichen Position ausgegangen, wobei über eine Qualitätsdifferenz zwischen Katen und Teilkaten gegenüber Buden hier nichts gesagt wer-

IV. Soziale Lage (4 ): Kätner mit Altenteil, Bödner, Instenkätner ( Kleinbesitz)

69

den kann; die Qualität des Gebäudes, eher aber die Landmenge mag Ursache der Scheidung gewesen sein, oder der eingeschränkte Besitz (Erbpacht). Die Menschen dieser Gruppen werden durch ihren Besitz zwar meist eine Basis für eine karge Ernährung haben realisieren können, doch immer auf zusätzliche Arbeit angewiesen gewesen sein, abgesehen davon, daß auch die Kinder immer möglichst "ordentlich" untergebracht werden mußten. So waren sie abhängig von den "Größeren", den Bauern der Dörfer (und zusätzlich noch der Herrschaft). Das wird auch für Handwerker gegolten haben, die aber - wie noch zu zeigen ist -über solche Arbeit eine zusätzliche Sicherung fanden; jedenfalls hatten sie etwas größere Haushalte als Kätner sonst. Das gilt vergleichbar für die Handwerker-Insten, die offenbar innerhalb der Insten auch eine etwas bessere ökonomische Situation aufwiesen. Darauf kommen wir zurück. Doch flir alle war die Sorge um den Erhalt des geringen Besitzes wohl allgegenwärtig. Oben zeigte die Tabelle mit den Haushaltswerten der Kätner für die Großkätner einen Haushaltsschnitt von 5,7 Personen; 54% von ihnen hatten erweiterte Haushalte. Die Vollkätner wiesen nur einen Haushalt von 4,89 Personen auf(erweiterte HH, eHH 38%), bei einem Gesindeanteil von 0,34; wie bei den Trittauer Handwerkern, nur daß es sich hier um landwirtschaftliches Gesinde gehandelt hat. Im Bereich zwischen diesen beiden Datensätzen von Haushalten der Groß- und Vollkätner mit knapp fünf bis um sechs Personen pro Haushalt haben wir uns also Kleinbauern vorzustellen, die in Trittau - wie gleich gezeigt wird - etwas "kleiner" waren, wo aber auch die Hufner unter den Werten flir alle gottorfischen Hufnerhaushalte lagen. Diese Kleinbauern waren Haushalte mit Katen und kleinem Landbesitz, die der Lage nach an Kleinhufner heranreichten, sie zum Teil vielleicht überrundeten, die aber keine Rechte in der Dorfgenossenschaft hatten. In der Not waren sie doch durch ihren etwas größeren Besitz und ausgeprägtere Landwirtschaft vor Verelendung besser geschützt als andere Kleinbesitzer und vor allem Insten. Das sind aber sehr weiche Abgrenzungen nur, die zu machen sinnvoll scheint, um dem Phänomen des Bauern in seinen Lebensformen nicht zu eng gefaßt nachzugehen. Hinzu kommt ja die immense Bandbreite solcher Lebens- und Arbeitsformen in der regionalen Differenzierung, wo die sehr großen ertragreichen Bauernstellen an der schleswig-holsteinischen Westküste sehr kleinen Höfen in Moor- und Geestregionen gegenüberstehen, wie noch zu zeigen ist (von der wieder anderen Form in den Güterdistrikten

70

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

abgesehen). Der folgende Abschnitt wird das Bauem-Anwesen weiter untersuchen, bevor wir dann zu den Handwerkern kommen. V. Die Bauem-Anwesen waren mebr als das "Ganze Haus" Alle aktiven Hufner und jene Groß- und Vollkätner, für die - in Trittau kein Beruf verzeichnet ist, werden in dieser Arbeit als Bauern gefaßt, um daraus ein Mengenverhältnis für Schleswig-Holstein abzuleiten. Deren Haushalte zusammen stellen auf dem Land ohne Gesinde (Tabelle 3) dann circa 36% der Bevölkerung, während in der Volkszählung 1769 von 268.507 Personen der Landbevölkerung etwa 36% als Ackersleute ausgewiesen sind, die ich mit Bauern gleichsetze. Allerdings ist unklar, wie in der Volkszählung Altenteiler notiert sind. Bezogen auf die beim Stadt-LandVerhältnis errechneten Mengen (Hufner Nr. 3.1 und Kleinbauern 4.1) bei der größeren Bevölkerungszahl beider Bereiche haben aktive Bauern/ Ackersleute 29,7% der Gesamtbevölkerung inklusive der städtischen gestellt (wozu noch etwa 12% Gesinde kam; Nr. 8.3). Da die Größe des Landbesitzes in den benutzten Quellen nicht angegeben ist, kann keine Aussage über die Marktfähigkeit der Kleinbauern getroffen werden, die bei Hufnern vorausgesetzt wird. Durch die agrarwirtschaftliche Situation in Schleswig-Holstein mit oft relativ großen Höfen und auf Basis der folgenden Hinweise kann Kätnern aber wohl nicht pauschal eine Überschußproduktion abgesprochen werden, wie Wehler das für Deutschland tut (1989). Denn auch diese Kleinbauern, wie sie für Trittau konkret isoliert und darauf basierend verallgemeinert wurden, weisen oft typische Merkmale von Bauern auf. Immerhin 56% von ihnen- zeigt Tabelle 9- waren Vorstände von Anwesen, auf denen also entweder verwandte oder nicht verwandte Altenteiler und/ oder Insten in eigenständigen, in den Quellen ausgewiesenen Haushalten lebten. Die Haushalte aller dieser Kleinbauern waren in Trittau durchschnittlich 4,85 Personen groß und zu noch 30% selbst erweitert. Davon die Haushalte der Anwesenvorstände waren 4,67 Personen groß; insgesamterfaßten deren Anwesen 167 Haushalte, je Anwesen immerhin 2,53 Haushalte gegenüber den Hufnern mit 2,75. Ganz ohne Berufsnennungen (nicht nur Handwerke) kamen auf einen Kleinbauern 0,67 losten (mit Berufen 0,82), so daß im Schnitt 8,0 (8,6) Menschen im Anwesen des Kleinbauern Trittaus zusammenlebten (Hufner 11 ,7).

V. Die Bauem-Anwesen warenmehr als das "'Ganze Haus"

71

Tabel/e9 Die Bauem-Anwesen in Trittau Std (n)

%Anw AnGr(%)

Hufner (253) Kleinb.(ll7) Bauern (370)

89% 56% 79%

------------

6,95 (81 %) 4,67(21%) 6,43 (67%)

zusHH HH/Anw 636 167 802

2,75 2,53 2,70

ln/Anw

0,99 (1,22) 0,67 (0,82) 0,92 (1,13)

--------------·-·

Pers/Anw

11,7 (12,6) 8,0(8,6) 10,9 (11,7)

Std (n) = Besitzstand (alle HH) - Anwesen und Nichtanwesen; %Anw = Anteil von Anwesen an allen Bauemhaushalten; AnGr = Haushaltsgröße Anwesenvorstand (davon % durch Gesinde(!) erweitert); zusHH =alle HH in den Anwesen; HH/Anw = HH pro Anwesen; In/Anw = losten pro Anwesen ohne jene mit Beruf (auch mit Beruf); Pers/Anw = Personen pro Anwesen ohne jene in Handwerkshaushalten (auch mit Beruf); alle Angaben direkt für Trittau, nicht auf SH verallgemeinert

Einschränkend könnte also gefragt werden, ob nicht der größte Teil jener Kätner, die aktuellkeine Anwesen hatten (44%), besser nicht als Kleinbauern angesehen wird; dann wäre von den 117 circa ein Drittel abzuziehen (ein kleiner Teil kann- wie bei den Hufnern -nur aktuell als Nicht-Anwesen begriffen werden). Und selbstverständlich ist nicht wirklich zu sagen, alle Insten in Anwesen waren dort beschäftigt und hinreichend intensiv in deren Produktion einbezogen. Auch von den nichtverwandten Vorhufnern und kätnern, die in den Angaben enthalten bleiben, ist ja nicht zu behaupten, sie seien hinsichtlich der Produktion Bestand dieser Kleingemeinschaften (aber: Konsumtion). Und wenn auch von Nebentätigkeiten bei den mit Beruf verzeichneten Insten - so oder so - auszugehen ist, sei es, daß sie rangmäßig Handwerk mit Iostenarbeit verbanden oder umgekehrt, muß zumindest in Erwägung gezogen werden, sie seien am Wohnstandort nur Mieter gewesen, ohne dort zu arbeiten. Die Handwerker (genau: alle Berufe) sind in Tabelle 9 deshalb in Klammerwerten berücksichtigt worden. Andererseits war ein solches Anwesen ja nicht nur Arbeitseinheit, sondern darin kommt darüber hinaus Verantwortlichkeit im Handeln der Anwesenvorstände zum Ausdruck, weil etwa gegenüber den Altenteilern Pflichten bestanden, oder eine gewisse Fähigkeit der Führung von Arbeitskräften benötigt wurde. Wenn auch vielfach durch kollektive Entscheidungen im Dorf durch die Dorfgenossenschaften und durch herrschaftliche Anweisungen gebunden, waren doch relativ große Betriebe zu leiten. Zudem waren die Trittauer Hufner mit vielen Halb- und Kleinhufnern gegenüber Gottorf insgesamt etwas kleiner strukturiert, so daß auch dadurch der Bezug auf alle im Anwesen je Wohnenden (und auf die Volkszählung 36% Bauern-KF) vorerst sinnvoll scheint. Verglichen mit städtischen Hand-

72

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

werkern waren Bauern "Hausvater" für deutlich mehr Menschen (und Gebäudewerte). Wird auch Wirtschaftsführung bei ihnen einen anderen Stellenwert gehabt haben als beispielsweise bei Kaufleuten, keine so rationale Basis wie bei denen, so erforderten solche Betriebe doch offensichtlich nennenswerte Fähigkeiten. Da mag - wie es auch städtischen Handwerkern (wohl zu pauschal) unterstellt wird - die Kenntnis der Berechnung der eigenen Kosten gefehlt haben, dennoch wird die von Weber (1991) beschriebene Rationalität der okzidentalen Wirtschaftsführung nicht völlig an ihnen vorbeigegangen sein. Überschüsse zu produzieren, auch unter den kritischen Augen ihrer Herrschaft, zwingt zu mehr als seiner "Nahrung" zu leben, wie es zum Teil wenn auch nicht unbestritten - den städtischen Handwerkern unterstellt wird (vgl. Lütge, 1979; Richarz, 1991). Und die Misere der verkümmerten Landwirtschaft, die auch mit zur Bauernbefreiung beigetragen hat, verschwand ja schnell, wenn jenen ein eigenständiges Wirtschaften erlaubt wurde. Dann führten frühe Versuche der Verpachtung an die Produzenten durch fortschrittliche Herrschaften zu erkennbaren Besserungen, wie die schleswigholsteinische Geschichte zu berichten weiß (Brandt, 1981). In fast vier Fünftein dieser 31% Bauernhaushalte Trittaus (1.201 HH), lebten- wie die Tabelle 9 zusammenfaßt-zugleich Vorstände von Anwesen (24% aller HH), die zu insgesamt 67% selbst durch Gesindeerweitert waren (alle Bauern 61% + ca. 3% inkl. Sm/w). Bei den Vorständen der Hufneranwesen waren 81% und auch bei denen der Kleinbauern noch ein Fünftel durch Gesinde erweiterte Haushalte. Je Anwesen lebten dabei 2,7 Haushalte zusammen, von denen im Schnitt fast einer der eines losten gewesen ist (0,92), der keinen zusätzlichen Beruf aufwies. Von ihnen war die Mehrheit Tagelöhner mit relativ großen eigenen Haushalten, aber es sind -vor allem bei den Kleinbauern - auch Arme und Alte darin enthalten. Insgesamt, die Altenteiler einbezogen, ergeben sich somit 10,9 Personen pro Anwesen ohne und 11,7 inklusive gewerblich tätiger losten und der nicht-verwandten Vorhufner. In Trittau - werden wir unten sehen - waren die dort als solche gekennzeichneten Tagelöhnerhaushalte, die eine Untergruppe der losten sind, 49% von allen losten und 3,85 Personen groß, junge und starke Erwachsene kann unterstellt werden - mit vielen Kindern. Die circa 70 Handwerkerlosten eingeschlossen, waren pro Anwesen 1,13 losten vorhanden.

V. Die Bauem-Anwesen warenmehr als das '"Ganze Haus'"

73

Werfen wir an dieser Stelle - um der Bedeutung des Anwesens weiter nachzugehen - auch einen Blick voraus auf das " typische Dorf, das in Gottorf 150 Einwohner hatte, wenn Einzelhöfe unberücksichtigt bleiben (pro Wohnstätte -inklusive Einzelhöfen -sind es circa 120 EW). Ich nenne ein relativ typisches reales Beispiel. Im Trittauer Dorf Molhagen mit 153 Bewohnern finden sich 10 Anwesen. Das sind fünf Vollhufner, drei Kleinhufner und zwei Vollkätner ohne Beruf mit zusammen 26 von 35 Haushalten. Diese Bauernhöfe konstituierten das Dorf. Neben einer Schul- und einer Hirtenkate, die wohl Gemeindebesitz gewesen sind, dienen noch eine Scheune (mit einem Kätner) und zwei Katen einzelnen Haushalten als Wohnstätten; einer davon ist der eines Schneiders. Drei weitere Katen des Dorfes sind von jeweils zwei Partien bewohnt. Ein Schulmeister mit einem Schuster als Insten und der Hirte, ebenfalls in der Kate noch einen Insten aufnehmend, und ein Schmied mit einem Katen-Altenteiler lebten darin. Zwei der Bauem-Iosten - bei einem Hufner und einem Kleinhufner - sind Weber und Musikant. Der in der Quelle erstgenannte Hufner war der "Bauervoigt', dessen Altenteiler (Vater oder Schwiegervater) ein "Holtzvoigt'. Zehn Anwesen beziehungsweise größere Bauernhöfe mit Nebengebäuden mögen vor allem einen Dorfsplatz umgrenzt, weitere Katen noch die Andeutung einer "Straße" gebildet haben, die durch die weite, das Dorf umgebende Flur zum nächsten Ort führte. Prange (1976) hat einige Karten solcher Dörfer Neumünsters aus jener Zeit dargestellt, die die Isoliertheit dieser Orte erkennbar machen. Da mag erneut verständlich werden, was Riehl oder Tönnies mit "Ganzes Haus" und "Gemeinschaft" meinten. Real wird gesagt werden können, daß ein solches Dorf von einem halben Dutzend "größerer" Bauern dominiert worden ist, informelle Herrschaftsmechanismen einbezogen, die alle im Anwesen lebenden Personen unter die Autorität und Willkür der Hausväter (und Vermieter) zwang. Und auch die wenigen eigenständig lebenden Handwerker, in Molhagen Schmied, Schneider und Schuster, waren sicher weitgehend von der Dorfgemeinschaft abhängig, kaum in der Lage, sich wesentlich auf einen auswärtigen Markt jenseits der nächstliegenden Dörfer zu stützen. Auf der anderen Seite ist in der Ausdifferenzierung des Landhandwerkes zugleich ein wichtiger Prozeß zu sehen, wie im folgenden Kapitel noch zu diskutieren ist.

74

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

VI. Soziale Lage (5): Handwerk/ Gewerbe 1. Landgewerbe

Ein Handwerk auszuüben, zumal aus der Position der Kätner heraus, statt als Insten, die die zweite große Handwerkergruppe stellten, mag seinerzeit eine um so wichtigere Ausdifferenzierung aus der dörflichen Gemeinschaft bedeutet haben, als die verbliebenen Arbeitszeiten landwirtschaftlicher Tätigkeit, die für die Bauern zu leisten waren, zumindest deutlich geringer wurden. Darin drückt sich auch ein früher Individualisierungsschub im Sinne Elias' für die Betroffenen aus, den das Stadthandwerk lange schon wenn auch immer noch rudimentär im Sinne heutiger Vorstellung - durchgemacht hatte. Denn wie in der Haushaltsform unterschieden sich Bauern und Handwerk, von denen nur für die ersteren die Haushaltsform des (meist) erweiterten Haushalts noch in "der Produktion" begründet scheint, auch in der Bodenständigkeit, die oben mit der engen Verzahnung von Stellengröße, Arbeitskräften und zu ernährenden Personen beschrieben wurde. Für die Handwerker gilt der Zusammenhang Produktion und Hausform auch auf dem Land nicht mehr so eindeutig. Sie können überwiegend gerade ihre Arbeit allein, als Einzelne ausführen. Und sie erweitern ihre Haushalte regelmäßig bei einem gewissen Reichtum, in der Stadt oft voreinem Gesellen eine Dienstfrau einstellend. Da gab es aber auch noch jene Gewerbe, die wegen der Produktion zusätzliche Leute und/ oder mehr Kapital brauchten, wie beispielsweise Schmiede. Sie konnten dann - da sie regelmäßig reicher als das "einfache" Handwerk waren - die nötigen Kosten für Geräte und Gebäude als Gewinn wieder einnehmen. Auch ein Teil der städtischen Oberschichten, ein Teil der Kaufleute, haben in gewissem Sinn durch ihren Beruf erweiterte Haushalte gehabt, für den sie einfach Personal brauchten, das seinerzeit noch selbstverständlich auch im Hause lebte. Für die Masse besonders der städtischen Handwerke galt das nicht. Da waren die alleinarbeitenden Meister konstituierend und ein relativer Reichtum für die Haushaltserweiterung Voraussetzung; Gesinde hatte wohl auch für das Ansehen Bedeutung. Simple Muster greifen nicht. Landhandwerker hatten gegenüber den städtischen weniger Wahlfreiheiten. Hier wird - dies zur Erinnerung - auf Basis der genutzten Quellengruppen davon ausgegangen, daß die in der Trittauer Quelle bezeichneten Handwerker einen "Kern" des Landhandwerks ausgemacht haben, der überwiegend diese Tätigkeit ausgeübt hat, ohne daß Saisonarbeit auf dem Felde

VI. Soziale Lage (5): Handwerk/Gewerbe - I. Landgewerbe

75

schon ganz ausblieb. Andere Handwerker, die aber diese Zusatztätigkeit relativ weniger ausübten, und jene, die nicht offiziell handwerklich tätig sein durften, weil sie nicht Meister waren, sind zusätzlich zu bedenken. Ebenso wird es unterschiedliche Kennzeichnungen bei den genannten Zählungen gegeben haben, mal sind sehr formal nur offiziell anerkannte Handwerker vermerkt, mal wurde mehr nach Realität vorgegangen. Und die Saison könnte eine Rolle gespielt haben, Handwerk im Winter ausgeprägter gewesen sein, aus dem die genutzten Mannzahlregister ja stammen. Es hat auch - ist weiter zu bedenken - für das Handwerk die Konjunktur eine besonders wichtige Rolle gespielt, über deren aktuellen Stand zum Zählungszeitpunkt hier nichts gesagt werden kann. Die Tabelle 3 weist ausdrücklich nur Handwerke aus, die sich direkt aus den Kätnern und losten (Landgewerbe I, II) ableiten lassen. Auch andere Besitzstände haben gelegentlich ein Gewerbe ausgeübt, so daß auf dem Land insgesamt etwa 14% Personen in gewerblichen Kernfamilien und inklusive der Sonstigen anzunehmen sind, die unter "bürgerlicher Nahrung" erfaßt sind, im Norden weniger als im Süden (vgl. Abschnitt G). Eine Stärkung des Gedankens, daß Handwerk Ausdifferenzierung und auch Selbstbewußtsein darstellte, kommt aus der Tatsache, daß die Kätner des Landhandwerkes relativ große Haushalte hatten. Die Vollkätner "kleinere" gab es dort fast nicht - waren zu gut 31 % mit zusätzlichem Beruf verzeichnet, die Insten zu 22%. Die insgesamt 167 der 1.201 Trittauer Haushalte mit Beruf, nicht nur die angesprochenen Kätner und Insten, machten etwa 14% aller Haushalte aus, ein Anteil, der jenen Haushalten mit bürgerlicher/ gewerblicher Nahrung in den "Tabellen" der Volkszählung von 1769 entsprach. Auch die Handwerker-losten sind unter den losten nach der Haushaltsgröße relativ gut gestellt, die als Indikator für den sozialen Stand taugt. 54 Vollkätner stehen zur Überprüfung dieser Gruppe des Landhandwerks zur Verfügung. Ihre Haushaltsgröße lag mit 5,19 Personen deutlich über dem Durchschnitt von 4,5 aller Haushalte Trittaus und Gottorfs (4,4); die Trittauer Vollkätnerhaushalte waren insgesamt im Schnitt 4,95 (alle Ämter 4,89) Menschen groß. Diese Handwerker hatten 0,20 Personen Sonstige, 0,24 landwirtschaftliches Gesinde und 0,37 gewerbliches Gesinde im Haus. Daß wir gleich auch die Iosten-Handwerker (3,8) mit deutlich über dem lostendurchschnitt (3,56, alle 3,25) liegenden Haushaltsgrößen finden, spricht offenbar für einen sozioökonomischen Vorteil des Gewerbes, das also wohl hierzulande nicht "zu den ärmeren oder ärmsten Kategorien der

76

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

Landbevölkerung' gehörte, wie Kocka generell für Deutschland annimmt (1990, s. 93).

Die Handwerker-losten sind eine von drei Instengruppen, zu denen noch die Tagelöhner sowie Alte und Arme gehören. Während die letzte Gruppe nur kleine Haushalte hatte, sind die der anderen beiden Gruppen relativ groß, weil ja arbeitsfähige Haushaltsvorstände die Regel sind. Im Amt Cismar gibt es eine weitere Instengruppe, nämlich von losten noch abgesetzte Häuerlinge. Die Differenz ist unklar, beide haben mit 2,94 Personen dort gleich große Haushalte. Alle 966 losten (ohne diese Häuslinge) der fünf Ämter haben Haushalte von 3,29 Menschen (Trittau 3,56). Darin sind die Handwerker eingeschlossen. Die lebten in relativ großen Haushalten mit im Schnitt 3,8 Personen (88 in Trittau). Die Tabelle 10 faßt die Daten des Landhandwerks zusammen. Insgesamt waren Handwerkshaushalte dem gottorfischen und trittauischem Haushaltsgesamtdurchschnitt sehr nahe; die Kernfamilie - deren Größe mit dem sozialen Stand tendenziell ebenfalls wächst- war gegenüber 3,67 in Gottorf mit 3,98 Personen in Trittau größer. Das verweist auf meist junge arbeitsfähige Leute, Gesinde - auch gewerbliches - war in diesen Haushalten nur wenig vorhanden. Bevor wir dann zum städtischen Gewerbe kommen, sei noch darauf verwiesen, welche Gewerke auf dem Lande oft vorkamen. Die Kätner besetzten dabei etwas andere Berufe als die losten: Schneider 17%/ 17%, Schuster 13%/ 24%, Weber 11%/ 20%. Der Beruf des Schneiders zeigt sich diesbezüglich als unbestimmt, während Schuster und Weber öfter bei losten vorkommen. Schmiede, die oft in Schmiedekaten saßen, und das Baugewerbe (13%, meist Zimmerer) waren primär Sache der Kätner. Tabelle 10 Haushaltswerte des Landgewerbes in Trittau

(Std)

HHGr

KFGr

Sm/w

eHH

kn

ju

mg

Landhandwerk, Kätner Landhandwerk, lnste Landhandwerk, ganz

5,19 3,80 4,46

4,37 3,59 3,98

0,20 0,11 0,16

48% 13% 28%

0,04 0 0,02

0,02 0,01 0,01

0,19 0 0,08

----------------

Im 'Landhandwerk, ganz' sind nun alle 167 Trittauer Haushalte mit Beruf erfaßt, auch die wenigen, die wederlnsten noch Kätner sind. Std = Besitzstand, HH Gr = Haushaltsgröße, KFGr = Kernfamiliengröße, Sm/w = Sonstige männl./ weibl., eHH =erweiterte Häuserin %, kn =Knechte, ju= Jungs (ldl.), mg = Magd/ Dienstfrau.

VII. Soziale Lage (5): Handwerk/ Gewerbe-2. städtisches Handwerk

77

Vll. Soziale Lage (5): Handwerlei Gewerbe 2. städtisches Handwerk

Beim städtischen Handwerk wird hier ja - als bloße Konvention - nicht von Handwerk im streng definierten Sinn gesprochen (Zunft/ Amt...), sondern die jetzt besprochenen Berufe sind überwiegend Handwerke, aber auch andere Gewerbe gewesen. Es gilt die - zum leichteren Verständnis dieser Arbeit vorgenommene - Unterscheidung zum oben besprochenen Nahrungsund Genußgewerbe zu betonen, das natürlich auch zum Teil von Handwerken gestellt wird; dazu kommt noch das selbständige Verkehrsgewerbe, das dem Handwerk sozial und ökonomisch sehr ähnlich war. Wir haben es beim Handwerk und Gewerbe also insgesamt mit drei Gruppen zu tun, die zugleich als Wirtschaftsgroppenbezeichnet sind: WG B =Handwerk, WG C= Nahrungs- und Genußgewerbe, WG D = Verkehrsgewerbe (ohne Matrosen, Seeleute) 3 . Das jetzt zu besprechende städtische Handwerk gehört wie das selbständige Verkehrsgewerbe inklusive der Steuerleute überwiegend in die großen Unterschichten der Städte. Wenige Haushalte konnten - steuerlich -in höhere Bereiche aufsteigen. Zumindest für die recht große Wirtschaftsgruppe B soll aber auch nach weiteren Differenzierungen gesehen werden. Denn bei der Darstellung der Wirtschaftsgruppe des Handwerks wird die Komplexität damaliger Lagen und Milieus herausgestellt, weil städtische Gemeinschaften auf funktionaler Ebene der Differenzierung in ihrer Spannbreite von arm bis reich sichtbar bleiben. Die Wirtschaftsgruppen waren in den untersuchten Städten in relativ ähnlicher Struktur vorhanden; dazu die große Vergleichstabelle "Wirtschaftsgruppen verschiedener Städte" (Kasten 1), auf die nicht im einzelnen eingegangen werden soll.

3 Wirtschaftsgruppen sind - dies zur Erinnerung - funktional nach Berufen und nicht vertikal nach Steuer geschieden. Anders als oben bei den Ober-, Mittel- und Unterschichten enthalten sie mit anderen Worten -arme und reiche Haushalte unabhängig von ihrer SteuerIeistung; das oben diskutierte Besitzbürgertum ist insofern quantitativ nicht mit der Wirtschaftsgruppe E identisch, weil oben nur hoch steuerzahlende Haushalte erfaßt wurden, die allerdings überwiegend aus der Wirtschaftsgruppe E kommen. Das gilt aber fürden Bildungsbereich: WG F = Steuergruppe VIII, weil meist steuerfrei. Im Anhang befmdet sich eine Liste aller Berufe und entsprechenden Gruppen.

78

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

Kasten I Wirtschaftsgruppen in verschiedenen Städten St-W HHGr %HH KFGr Gh Di %St %Gs Wirtschaftsgruppe A, Arbeitsleute, Seeleute, Sonstige 19,8 0,06 0,12 11,6 Rendsburg 1769 2,74 39,2% 2,43 2ß 18,6 40,4% 2,00 0 0,04 4,2 Husum 1769 2,14 1ß 22,5 Eckernförde 1769 2,34 33,5% 2,31 0,01 0,02 2,2 1ß 24,0 2,74 32,4% 2,57 0,02 0,07 6,7 Flensburg 1803 1ß 2,64 26,5% 2,43 0,10 0,04 5,7 Krempe 1803 30,0 2ß Kiell803 2,43 33,2% 2,21 0,02 0,06 4,8 Wirtschaftsgruppe B, traditionelles Handwerk} Gewerbe (ohne WG C) Rendsburg 1769 4,00 22,3% 3,38 0,30 0,20 30,7 66,1 5ß 75,4 Husum 1769 4,50 28,2% 3,37 0,72 0,27 45,2 4ß 4,40 29,7% 3,78 0,39 0,16 32,9 Eckernförde 1769 68,3 6ß 4,77 29,1% 3,54 0,73 0,30 41,2 Flensburg 1803 72,2 4ß Krempe 1803 4,07 34,9% 3,34 0,41 0,11 28,3 90,2 9ß Kiel1803 4,45 30,0% 3,33 0,61 0,28 40,2 Wirtschaftsgruppe C, Nahrungs- und Genußgewerbe 60,8 5,03 14,8% 3,77 0,44 0,64 Rendsburg 1769 94,4 llß 70,3 Husum 1769 5,08 13,4% 3,43 0,64 0,89 83,9 15ß 66,7 Eckernförde 1769 1 4,90 7,7% 3,67 0,38 0,69 95,2 17ß Flensburg 1803 6,13 10,0% 3,84 0,94 1,07 84,0 74,2 9ß Krempe 1803 4,76 14,4% 3,16 0,66 0,61 68,4 86,8 16ß 6,27 8,5% 4,10 0,88 Kiel1803 73,1 0,98 Wirtschaftsgruppe D, Verkehrsgewerbe (ohne Matrosen, Seeleute) 25,0 80,0 4,03 Rendsburg 1769 4,1 % 3,45 0,2 0,2 5ß 73,1 Husum 1769 4,15 42,3 3,0% 3,12 0,50 0,38 4ß 83,8 18,9 Eckernförde 17691 4,65 6,8% 4,22 0,10 0,14 8ß 79,9 37,6 Flensburg 1803 4,32 10,4% 3,67 0,09 0,40 5ß 100,0 16ß 8,3 Krempe 1803 4,33 4,6% 4,25 0 0,08 11,8 Kiel1803 4,78 3,2% 4,25 0,02 0,14 Wirtschaftsgruppe E, Kaufmannschaft, Handel, Fabrikanten 84,6 24,4 0,20 0,32 Rendsburg 1769 3,85 8,1% 3,08 6ß 96,3 Husum 1769 6,00 9,1 % 3,75 1,19 1,05 71,3 29ß 75,0 80,4 Eckernförde 1769 5,09 10,3% 3,61 0,50 0,80 17ß 66,3 80,9 Flensburg 1803 6,27 12,8% 3,49 1,30 1,26 26ß 57,6 4,61 Krempe 1803 51,5 12,5% 3,42 0,36 0,55 17ß 67,0 Kiell8032 5,59 7,5% 3,54 0,76 0,98 WirtschaftsgrupJle F, Bildungsbürgertum (22,5 3ß) Rendsburgl7693 4,49 5,1 % 3,02 0,47 0,88 65,3 (27,5 0,22 0,78 58,8 Husum 1769 4,16 5,8% 2,96 llß) (47,6 6ß) 4,02 7,7% 2,60 0,24 0,95 54,8 Eckernförde 1769 (20,0 Flensburg 1803 4,78 5,3% 3,20 0,37 0,98 54,2 2ß) (5,3 3,95 7,2% 2,58 0,05 0,68 57,9 Krempe 1803 Oß) Kiell8032 4,60 9,7% 3,03 0,26 0,95 55,6 Anm. 1: In Eckernförde sind in WG C, D Heringräucher und Fischer nicht enthalten (Summe nicht 100%). Anm. 2: In Kiel sind- bei Basis Vollhaushalte ohne alle Militärs und Studenten (1781: 1.325 HH, HHGr 3,92)- in WG E, Fauch Capitalisten und Pensionäre nicht enthalten (Summe nichtlOO%); mit diesen sind 1803die Haushaltsanteile an allen 1.581 Vollhaushalten WG E 12%, WG F 13,1 %. Anm. 3: In Rendsburg sind die Stadträte und die pensionierten Militärs in WG F nicht enthalten (Summe nicht 100%). Abk.: HHGr =Haushaltsgr., %HH = Ant. der WG an HH, KFGr = Kernfam.-Größe, Gh = Gehilfen, alles männliche Gesinde, Di = Dienstfr., %Gs = HH mit Gesinde, %St = Ant. Steuerzahl., St-W = Steuer pro HH, in Klammem WGF ansich steuerfrei. Ort

VII. Soziale Lage (5): Handwerk/ Gewerbe-2. städtisches Handwerk

79

Sehen wir uns beispielhaft die Abstufungen der Eckernförder Wirtschaftsgruppen des Jahres 1769 zusammengefaßt in der Tabelle 11 an. Tabelle 11

Wirtschaftsgruppen in Eckernförde 1769 Wirtschaftsgruppe (n)

HHGr

KFGr

Sm/w

gh

di

St-W

A ArbeitsV Matr.(l82) B Handwerk (161) C Nahrung/Gen.(42) DVerkehr(37) E Kaufmannsch.(56) FVerw,/ Bild.(42) Eckernf. 1769 (543)

2,34 4,40 4,90 4,65 5,09 4,02 3,78

2,31 3,86 3,83 4,41 3,79 2,83 3,28

0,12 0,08 0,17 0,19 0,18 0,24 0,14

0,01 0,39 0,38 0,10 0,50 0,24 0,22

0,02 0,14 0,69 0,14 0,80 0,95 0,28

31,2ß 183,7ß 519,2ß 230,2ß 499,0ß (182ß) 194,5ß

----------------

1!30St St%

1,0 6,1 17,3 7,7 16,6 6,1) 6,5

22,5% 68,3% 95,2% 83,8% 80,4% 48%) 56,5%

HHGr = Haushaltsgröße, KFGr = Kernfarniliengröße, Sm/w = Sonstige männlich/ weiblich (pro HH), gh =Gehilfen - männliches Gesinde, di = Dienstfrauen, SI-W = Steuerwert (bezogen auf alle Haushalte), l/30ST = Vergleichswert zu anderen Städten, St% = Anteil der Steuerzahler, in Klammem = nicht vergleichbar, WG F war oft steuerfrei. - Heringräucher und Fischer, die sonst nicht oder selten vorkommen, sind hier in WG C, D nicht enthalten.

Das übliche Muster, daß Arbeitsleuten, Matrosen und Sonstigen dann Handwerk und Verkehrsgewerbe folgen, davon sozial abgesetzt das Nahrungsgewerbe und die Kaufmannschaft, findet sich in Eckernförde nicht ganz präzise wieder. Hier fehlte - wie in Rendsburg 1769 - die umfassende und reiche Kaufmannschaft, deren Haushalte zwar die größten gewesen sind, die aber hinsichtlich der Häufigkeit der Steuerzahler knapp hinter der Wirtschaftsgruppe C und sogar D lag. Das kann auch mit besonderen Steuerfreiheiten von Ratsverwandten oder wegen Hausbaus zusammenhängen. Das Nahrungsgewerbe zeigt sich dannals bester Steuerzahler. Das städtische Handwerk und das Verkehrsgewerbe in Eckernförde hatten, wie ihre durchschnittlichen Steuerleistungen gegenüber den anderen gewerblichen Gruppen zeigen, deutlich "anne" Haushalte, die- wie das Verkehrsgewerbe- lediglich um den städtischen Mittelwert Schoß (Stadtsteuer) gezahlt haben4. Nur ein Haushalt der Wirtschaftsgruppe B zahlt in der höch4 Schoß war einestädtische Steuer, die die Vergleichsbasis fürdiese Arbeit ist. In Eckernförde wurden Jahressteuern erhoben. Um ungefahre Vergleiche zu anderen Städten möglich zu machen, sind diese Beträge mit 1/30 ihres Wertes als Grundbeträge einzuschätzen, dann ist der durchschnittliche Steuerwert 6,5ß; Vergleichswerte für die innere Struktur der jeweiligen Städte 1769 sind: Krempe 8,lß, Flensburg 6,9ß, Rendsburg 4,7ß, Husum 6,8ß (zusammen: 6,4ß; für 1803 Flensburg 6,2ß, Krempe 8,9ß). Die unterschiedlichen Werte, die zwar nur mit Vorsicht vergleichbar sind, bilden dennoch - soweit ich das übersehe- die Hierarchien der Städte untereinander ab, etwa die schwache gewerbliche Basis Rendsburgs oder in Krempe die Tatsache, daß reiche Kaufleute weitgehend fehlen und die städtischen Kosten deshalb durch hohe Durchschnittszahlungen Aller aufzubringen waren, wie es die Eckernförder Kaufleute -anders wieder als die Husumer - verstanden

80

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

sten besetzten Steuergruppe VI (VII ist in Eckernförde unbesetzt, VIII stets der WG F - Bildungsbürgertum - vorbehalten, die Steuergruppe V ist von Wirtschaftsgruppe B ebenso unbesetzt),. Zwölf der 161 Haushalte schoßten in Gruppe IV, die das Zentrum der Mittelschicht ist (zur Mittelschicht gehören noch etwa 20 der gut 40Haushalte aus Steuergruppe III). Von Gruppe D (Verkehr) sind fünf Haushalte in Steuergruppe IV eingetragen. Ohne Steuerzahlung - das ist Steuergruppe I - waren vom Handwerk immerhin 32%, vom Verkehrsgewerbe 16% der Haushalte. Insgesamt besetzten die Wirtschaftsgruppen A bis Ein Eckernförde folgende Steuergruppen (bei 1/30 des Jahreswertes, um in oben bezeichnete Steuermatrix des Städtevergleichs zu passen), die Tabelle 12 zeigt. Tabelle 12 Wirtschaftsgruppen nach Steuergruppen in Eckernförde 1769

WG (in%) A B

c

D E Eckernförde

------------

77,5 31,7 4,8 16,2 19,6 39,4

li

111

IV

V

VI

20,9 37,3 9,5 40,5 8,9 25,2

1,7 22,4 31,0 29,7 7,1 12,7

0 8,1 28,6 13,5 25,0 8,7

0 0 16,7 0 30,4 4,4

0 0,7 9,5 0 8,9 1,8

In den WG sind nicht Heringräucherund Fischer enthalten, die es sonst gar nichtoder kaum gab.

Mitder nächsten Tabelle 13, die aus den Wirtschaftsgruppen alle häufig vorkommenden Einzelberufe angibt, zeige ich die beruflichen Differenzierungen in den Städten. Maurer, Tischler, Grobschmiede, Metallgießer, Drechsler, Schneider und Schuster sind solche häufigen Berufe der Wirtschaftsgruppe B in Eckernförde gewesen; sie sind manchmal - wie bei den Metallgießern - schon von mir zusammengefaßt. Fuhrmann und Schiffer gehören hier in Gruppe D. Die Grobschmiede haben innerhalb des Handwerkes meist über dem städtischen Steuermittel geschoßt. Sie gehören steuerlich oft in die städtische Mittelschicht; zusammen mit ihnen waren noch Goldschmiede, Bäcker, Schlachter, Brauer/ Brenner, Kaufleute und Händler in den genannten vier früher für 1769 untersuchten Städten als "regelmäßig reich und häufig" gefunden worden. Schuster und Maurer weichen in Eckernförde als "arme" Berufe mit ihren Zahlungen deutlich nach unten ab. In anderen städtischen Datenbanken finden sich weitere Handwerke, die zu dieser Gruppe gehören. Heringräucher und Fischer, die haben, selbst relativ wenig zum städtischen Haushalt beizutragen; vgl. Exkurs: Steuerverteilung in den Städten.

VII. Soziale Lage (5): Handwerk/ Gewerbe-2. städtisches Handwerk

81

es in anderen Städten nicht oder nur wenig gibt, sind für Eckernförde gesondert dargestellt. Für Kiel 1781 (!) waren häufige Berufe- die >9 mal vorkamen, um die Stadtgröße etwas zu berücksichtigen - noch Zimmerer, Schiffszimmerer, Weber, Gerber. In Flensburg 1803 sind darüber hinaus in Wirtschaftsgruppe B (bei >19) noch Böttger gefunden worden. Im Verkehrsgewerbe sind dort neben Fuhrleuten und Schiffern auch Steuerleute in größerer Zahl notiert. Die Tabelle 14 soll diese Angaben ergänzen. Da kommen dann bei den Handwerkern (WG B) als häufig noch Schlosser dazu, Uhrmacher, Hutmacher und Sattler. In Kiel waren 1803 insgesamt 46 Handwerksberufe vorhanden. Sechs bis neun mal fanden sich: Maler, Ziegler, Buchdrucker, Buchbinder. In Flensburg 1803 gab es 55 ausgeübte Handwerksberufe (WG B), in Eckernförde waren es 1769 37. Es existierte also eine Vielzahl von nur wenig vorkommenden einzelnen Berufen. Zwei der häufigen Kieler Bezeichnungen analog zum Beruf sind in anderen Städten nur wenig oder gar nicht gefunden worden: Capitalisten und Pensionäre (vgl. Tabelle 14). Beide verweisen darauf, daß Kiel offenbar in besonderer Weise Alterssitz für gut situierte Schichten gewesen ist, auch noch 30 Jahre nach dem Einbezug Gottorfs in die dänische Verwaltung. Insgesamt hatte die frühere Hauptstadt- wie schon 1781 - einen eigenen strukturellen Standard; hier findet sich insgesamt mehr Gesinde, das in Eckernförde 1769 allerdings besonders selten vorkam. Und entsprechend einer offenbar relativ reichen Einwohnerschaft sind einige Gewerbe durch die gute Kundschaft besser dran gewesen als anderswo. Tischler und besonders Schuster zeigen sich mit relativ hohen Steuerwerten. Und nicht zuletzt gilt dies auch für die die Bevölkerung mit Lebensmitteln versorgenden Höker, die keineswegs immer "arme" Haushalte gewesen sind, denen aber allgemein nur ein niedriger sozialer Status zugesprochen wird. Damit mag ein Eindruck über die städtische Berufsvielfalt vermittelt worden sein. Neben Fuhrleuten und Schiffern, gelegentlich Steuerleuten, sind es meist traditionelle Handwerke, die mengenmäßig in den Städten in Bereichen von Unterschicht/ WirtschaftsgruppeBeine Rolle gespielt haben, die das soziale Fundament der Städte jener Zeit gewesen sind, während allgemein als ökonomisches Fundament eher die Kaufmannschaft zu sehen ist. Bau- und Bekleidungsgewerke dominieren diese Liste. Anders als gelegentlich unterstellt lebten diese Haushalte keineswegs regelmäßig - entsprechend der Produktion - in durch Gesellen und Lehrjungen erweiterten Hausformen, wobei überdies die Bedeutung von Dienstfrauen und -mädchen 6 Hennings

82

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

innerhalb des Gesindes unterschätzt wurde. Nicht "das Handwerk", sondern die reichen und gebildeten Haushaltsvorstände waren die "Träger" dieser Lebensform, dabei auch reiche Gewerbe. Tabelle 13 HäufigeBerufe in Eckernförde 1769 (>5)

Berufe(n)

HHGr

Elt

Ki

%Ki GLC

Kn

Di %Gs eHH St-W l.HH

St%

Arbeitsleute(22) Seefahrer(22) Matrosen(!!) Sonstien (120)

3,32 3,86 3,27 1,67

1,95 2,00 1,91 1,07

1,32 1,73 1,00 0,49

68% 77% 64% 28%

0 0 0 0

Maurer(9) Tischler (7) Grobschmie.(9) Metallgie.(7) Drechsler (6) Schneider ( 14) Schuster (29)

3,22 4,00 5,56 4,14 4,00 4,29 4,55

1,78 1,86 1,89 1,71 1,50 1,93 1,93

1,33 1,71 2,22 2,29 2,17 1,71 2,17

67% 71 % 56% 86% 100% 57% 79%

0 0,43 1,11 0,14 0,17 0,43 0,38

Bäcker(l3) 4,85 5,17 Schlachter (6) Brau/Bren. (14) 4,43

1,85 2,00 1,64

1,62 77% 2,17 83% 1,86 64%

0,62 0,17 0

Heringräu. (7) Fischer (16)

4,71 4,81

1,86 1,94

2,43 100% 2,56 69%

0 0

Fuhrmann (20) Schiffer ( 16)

4,65 4,81

2,00 1,94

2,10 80% 0,10 2,56 69% 0

Kaufleute (34) Krämer (8) Höker(?)

5,18 5,50 4,43

1,76 2,00 1,86

1,62 65% 0,44 0,26 2,38 88% 0,25 0 1,43 86% 0 0

0,82 85% 85% 627ß 94% 88,2 0,75 88% 88% 498ß 100% 100 0,7 1 57% 71 % 249ß 100 71,4

Verwalter (14) Kirche(?) Milit.passiv(6)

3,93 3,86 1,83

1,50 1,71 1,17

1,14 43% 0,57 29% 0,17 17%

0 0,14 0

0 0 0

1,00 50% 50% 147) 71 % 0,86 57% 71 % 55ß) 71 %) 0,50 17% 17% 48ß) 17%

42,9 14,3 17,0

alle543HH

3,78

1,66

1,48 60% 0,17

0,05

0,28 29%

57,0

----------------------

0 0 0 0 0 0 0,01 0,02 0 0 0 0 0 0 0

0 5% 0 13% 0 36% 3% 8%

0,11 11% 0 43% 0,33 78% 0 14% 0,17 33% 0,14 36% 0 31 %

11% 43% 78% 14% 33% 36% 31%

38ß 82ß 74ß 18ß 157ß 206ß 389ß 14lß 193ß 20Iß 135ß

36% 31,8 68% 54,6 64% 54,6 23% 12,5 56% 100% 89% 86% 83% 86% 76%

44,4 71,4 88,9 57,1 100 71,4 62,1

0 0,62 85% 85% 550ß 100% 100 0,17 0,50 50% 50% 212ß 67% 66,7 0,14 0,57 57% 71% 547ß 100% 100 0 0

0,29 29% 43% 338ß 100 0,19 19% 25% 262ß 94%

0,10 0,10 20% 0 0,19 19%

40% 216ß 95% 25% 262ß 94%

36% 195ß 67%

100 87,5 85,0 87,5

HHGr = Haushaltsgröße, Elt = Elternanteil (pro HH), Ki = Kinderanteil, %Ki =Haushalte mit Ki in %, GLC = Gesellen/ Lelujungs/ Kommis, Kn = Knechte, Di = Dienstfrauen, %Gs = HH mit Gesinde in %, eHH =erweiterte Haushalte (%), St-W = Steuerwert ß pro alle HH, l.HH = erstgenannte HH pro Haus, St% =Steuerzahler in %,in Klammem Verwaltung... ansich steuerfrei.Heringräucher und Fischer, die beide sonst nicht bzw. nur selten vorkommen, sind hier außerhalb der WGC, Derfaßt

VII. Soziale Lage (5): Handwerk/ Gewerbe-2. städtisches Handwerk

83

Tabelle 14

Häufige Berufein Kiell803(>9) Berufe(n)

HHGr

Elt

Gärtner (10) Arbeits!. (264) Diener(43)

2,70 2,78 3,19

1,50 1,54 1,70

0,90 50% 1,03 55% 1,14 47%

0 0 0,02

Maurer(36) Zimmerer (22) Tischler (34) Schlosser (13) Uhrmach.(12) Schiffzim.(22) Schneider (86) Hutmach. (10) Schuster (57) Sattler (11 ) Gerber(!?)

3,31 3,41 4,97 6,46 4,92 3,86 3,71 5,30 4,25 5,73 4,12

1,75 1,77 1,85 2,00 1,75 1,68 1,71 2,00 1,84 1,73 1,65

1,33 1,32 1,47 2,00 1,58 1,68 1,23 1,60 1,32 1,91 1,18

0 0 0 0 1,15 0 1,62 0 1,08 0 0 0 0,31 0 1,00 0,10 0,75 0 1,18 0 0,71 0

Bäcker(l4) 7,79 Schlachter. (25) 5,40 Brau./Bren.(33) 6,67

1,86 1,76 1,88

2,57 93% 1,88 80% 2,36 76%

1,71 1,00 0,03

Fuhrmann (31) Schiffer (13)

5,45 4,00

1,87 2,00

3,00 84% 1,38 77%

0 0

Wirt (43)

6,40

1,86

2,28 77%

0,02

0,67

Friseur ( ll)

4,55

1,82

1,82 55%

0,09

0

Kaufleute (27) Handel (52) Capital. (71) Höker(22)

7,07 5,06 3,35 4,14

1,74 1,69 1,13 1,77

2,00 1,52 0,58 1,86

67% 1,33 0,30 1,48 60% 0,38 0,27 0,85 28% 0,04 0,28 1,06 0 0 0,27 73%

Verwalt. (61) Bildung (51) Justiz (22) Kirche(l1) Pension. (54)

4,41 4,78 4,23 3,91 2,43

1,67 1,51 1,55 1,55 1,20

1,33 1,61 1,05 1,00 0,46

52% 51 % 45% 45% 35%

Voll-HH(l.581) 3,93

1,61

1,30 55%

-----------------

Ki

%Ki GLC

47% 64% 71% 77% 50% 68% 56% 70% 61% 73% 59%

Kn

Di %Gs eHH St-W l.HH

0 0,1 0 0,03 0,05 0.12 0,06 0,05 0,32 0,54 0,42 0,09 0,15 0,40 0,14 0,82 0,29

10% 20% 3% 13% 9% 19% 6% 5% 62% 85% 58% 9% 28% 40% 44% 73% 29%

12ß 4ß 35ß 53ß 34ß 20ß 17ß 23ß 28ß 45ß 34ß

60% 10% 9% 4% 30% 5% 28% 27% 68% 85% 67% 45% 40% 40% 44% 73% 65%

22% 9% 59% 85% 50% 36% 31% 40% 56% 64% 59%

0 1,36 93% 100% 0,04 0,44 60% 64% 0,79 1,27 91% 94%

67ß 93% 86% 25ß 56% 56% 72ß 91% 79%

0,03 0,16 0 0,15

33ß 71% 74% 22ß 77% 46%

13% 39% 15% 38%

1,12 74%

77%

58ß

88% 74%

0,27

55%

13ß

27% 18%

18%

100% 100% 62% 62% 66% 70% 27% 32%

0,02 0,26 0,85 43% 0,06 0,14 1,00 61% 0,23 0,18 1,00 68% 0 0 0,73 45% 0,04 0,06 0,46 37% 0,27

17% 14% 68% 85% 58% 14% 40% 60% 51% 73% 47%

1ß 2ß 2ß

St%

0,10 0,42

77ß 96% 43ß 69% 37ß 51% 44ß 73%

48% 13ß 65% (9ß) 68% 4lß) 55% (3ß) 46% 8ß

35% 42%

21ß

63% 54% 31% 82%

33% 18% 39% (8%) 46% (41) 55% (9%) 17% 7% 41 % 30%

HHGr = Haushaltsgröße, Elt = Elternanteil (pro HH), Ki = Kinderanteil, %Ki =Haushalte mit Ki in %, GLC = Gesellen/ Lelujungen/ Kommis, Kn = Knechte, Di = Dienstfrauen, %Gs = HH mit Gesinde in %, eHH =erweiterte Haushalte (%), St-W = Steuerwert ß pro alle HH, l.HH = erstgenannte HH pro Haus, St% = Steuerzahler in %, in Klammem Verwaltung... an sich steuerfrei. Steuer ist hier Haussteuer.

Nun ist in Erinnerung zu rufen, daß in der Systematik der sechs sozialen Lagen und insgesamt 18 Milieus nicht Wirtschaftsgruppen deren Basis waren, sondern für die Städte wurden sie mit früher schon herausgearbeite-

84

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

ten Unter-, Mittel- und Oberschichten nach der Steuerbewertung ermittelt. Innerhalb der Unterschicht ist allerdings neben den Arbeitsleuten das Handwerk die wichtigste Gruppe, und in der Mittelschicht sind vor allem die Nahrungs- und Genußgewerbe vertreten. Für die Stadt über die oben benannten noch weitere Milieus festzulegen, läßt sich aus den genutzten Quellen nicht systematisch begründen. Nur grob sollen verschieden~ Lebensweisen quantitativ auch innerhalbder sozialen Lage Nr. 5 (Gewerbe, Handwerk) angedeutet werden. Zwei Wege werden dazu jetzt noch beschritten, nämlich die Wirtschaftsgruppe B nach ökonomischer Stärke und nach der Einstellung von Gesinde zu unterscheiden. Die städtischen Wirtschaftsgruppen erfassen ja jeweils alle betreffenden Haushalte in der ganzen Spannbreite von arm bis relativ reich. Reichtum mag zwar die damaligen gesellschaftlich-sozialen Grenzen nicht oder nur in kleinem Maß geöffnet haben, ein klares Wort zum Oben und Unten war dennoch gewiß damit verbunden. Zur weiteren Differenzierung wird folgend nur die Schichtgrenze zwischen der Unterschicht und den anderen Schichten betont; die zur Oberschicht bleibt unberücksichtigt, einzelne in der Gruppe "WG B >11 ß" der folgenden Tabelle zahlten sogar über 26ß (Grenze zur Oberschicht), wobei die ökonomische Oberschicht nur klein war (Eckemförde gut 3%). Die Tabelle 15 trennt die "einfachen" Handwerker Eckemfördes 1769 und Flensburgs 1803 nach der Steuerzahlung zwischen 11 und 12 Schilling und darüber hinaus in jene Handwerker der Wirtschaftsgruppe B, die gar keine Steuern gezahlt haben. Vor allem die keine Steuer entrichtenden Haushalte zeigen sich von den anderen beiden Untergruppen als deutlich abgesetzt. An 10% aller Haushalte der Städte bilden innerhalb der Unterschicht eine doch erwähnenswerte Gruppe sozial besonders niedrig stehender Haushalte des Handwerks. Ob diese weitere Abstufung eher auf Übergangsstadien für die Haushalte verweist, oder eher einen dauerhaften Status wiedergibt, läßt sich nicht aus diesen Quellen ableiten, die nur je einen Zeitpunkt abbilden. Ein Teil davon wird dortjeweils lange verblieben sein, sagt die geringe Haushaltsgröße, ein anderer in Prozessen sozialer Mobilität sich befunden haben. Grundsätzlich ist aber auch von einer hohen regionalen Mobilität jedenfalls eines Teils der Städtebürger auszugehen. Das typische "Steuerleben" bestand - in Krempe Ende des 18. Jahrhunderts- in eineretwa dreijährigen Steigerungsphase auf ein dann lange gehaltenes, recht gleichmäßiges Niveau und im Alter ein ähnliches Absteigen. Und die vorgestell-

VII. Soziale Lage (5): Handwerk/ Gewerbe-2. städtisches Handwerk

85

ten drei Gruppen zeigen eine große Spannbreite der Werte für Eckernförde und Flensburg. Tabelle 15 Haushaltswerte des Handwerks nach Steuern Ort

HHGr

o/oHH

KFGr

Gh

Di

WG B >llß Eckernför.l769 Flensburg 1803

5,00 7,27

4,8% 1,6%

4,00 3,70

0,54 2,19

0,42 1,00

WGB l-11ß Eckernför. 1769 Flensburg 1803

4,69 5,09

15,5% 19,4%

3,98 3,70

0,44 0,83

WG B ohne Steuer Eckernför. 1769 Flensburg 1803

3,63 3,51

9,4% 8,1%

3,33 3,13

0,22 0,21

----------------

%St

St-W

46,2 91,9

100 100

15,7ß 19,3ß

0,15 0,34

39,3 49,7

100 100

7ß 4ß

0,04 0,08

15,7 12,0

0 0

0 0

%Gs

WG B >11ß = Haushalte der Wirtschaftsgruppe B- Handwerk- in Mittel- und Oberschicht nach Steuer, WG B I -II ß = Haushalteder Wirtschaftsgruppe Bder städtischen Unterschicht mit Steuer, WG B ohne Steuer = die Haushalteohne Zahlung; HHGr = Haushaltsgröße, %HH =Anteil an allen HH, Gh =Gehilfen, alles männliches Gesinde, Di = Dienstfrauen, %Gs = HH mit Gesinde, %St = Anteil Steuerzahlungen, St-W = Steuerwert, durchschnittlicher Betrag bezogen auf alle HH der Gruppe

Die entscheidende Grenze innerhalb des Handwerks ist auf dieser Ebene also jene, ob Steuer gezahlt wurde oder nicht. Wie übrigens auch die, ob komplette Ehen bestanden oder Hauseigentum vorhanden war, bedeutete die Steuerzahlung offensichtlich einen wichtigen Schritt "nach oben" auf der sozialen Rangstufe, ohne daß aus den genutzten Quellen eine Scheidung in Bürger und Einwohner herauszulesen ist, die gelegentlich betont wird; grundsätzlich waren offenbar alle Bewohner steuerfähig (z. T. gab es Einschränkungen des Wohnrechts, wie für die Juden in Rendsburg, die nur in der Neustadt siedeln durften). Aber auch die Rangfolge der Städte untereinander wird wieder sichtbar, wenn Eckemfördes Ober- und Mittelschicht des Handwerks Haushaltsgrößen aufweisen wie Flensburgs nächstkleinere Gruppe der Tabelle. Solche Rangfolge gilt auch für alle Städte, und nicht zu vergessen ist, daß hier Jahres- und Monatsbeträge miteinander verglichen werden, es also primär auf die jeweils inneren Strukturen ankommt, die wieder sehr ähnlich sind. Um eine weitere meßbare Unterscheidung des Handwerks im Sinne eines Milieuunterschiedes anzudeuten, soll in Tabelle 16 die Wirtschaftsgruppe B auch nach jenen unterschieden werden, die Gesinde beschäftigten oder nicht.

86

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme Tabelle 16 Haushaltswerte des Handwerks nach Gesinde

Ort

HHGr

%HH

KFGr

Gh

Di

%Gs

%St

WG B mit Gesinde Eckernförde 1769 Rensburg 1803

5,60 6,52

9,8% 12,1%

3,83 3,76

1,17 1,77

0,49 0,73

100 100

84,9 91,9

8,8ß 6,2ß

WG B ohne Gesinde Eckernförde 1769 Rensburg 1803

3,81 3,53

19,9% 17,0%

3,75 3,39

60,2 58,1

4,8ß 1,7ß

St-W

W G B mit Gesinde= Haushalte der Wirtschaftsgruppe B - Handwerk- mit beschäftigtem Gesinde, WG Bohne Gesinde =Haushalte ohne Gesinde (Differenz zwischen HHGr und KFGr = Sonstige), HHGr = Haushaltsgröße, %HH = Anteil an allen HH, Gh =Gehilfen, allesmännliches Gesinde, Di = Dienstfrauen, %Gs = HH mit Gesinde, %St = Anteil Steuerzah1ungen, St-W = Steuerwert, durchschnittlicher Betrag bezogen auf alle HH derGruppe

Dabei wird eine Teilung des Handwerks von etwa einem zu zwei Dritteln deutlich, wobei die Haushalte mit Gesinde deutlich öfter und mehr Steuern zu zahlen hatten. Das Leben im erweiterten Haus mag einen Milieuunterschied zu jenen begründen, in denen nur Kernfamilien und einige Sonstige gelebt haben. Wieder gilt, daß die Lebensform des erweiterten Haushaltes aber eine temporäre gewesen ist. Oben sahen wir ja, daß Handwerker ohne Steuerzahlung noch bis 0,3 Personen Gesinde im Hause hatten; von diesen Haushalten war ein kleiner Teil nur aktuell steuerfrei und nicht grundsätzlich arm. Wenn auch nicht Lebenswelten in ihrer Dynamik zu zeigen waren, mögen mit diesen Angaben doch Zustände angedeutet worden sein, die die kleinräumige Differenzierung jener fortgeschrittenen Gesellschaft am Übergang zur Modeme näher beleuchten. Dabei zeigt sich das Handwerk als Einheit kaum existent. Zu sehr sind deutlich unterschiedene Gruppierungen zu berücksichtigen, die durchaus durch Milieuunterschiede gekennzeichnet waren, auch wenn in der Ständeordnung solche Differenzen nicht ausdrücklich bestanden. Und es mag über die Zugehörigkeit zu Zünften/ Ämtern oder andere Institutionen vielleicht auch Milieugrenzen gegeben haben, die über die sozialen Lagen, allerdings nicht über die Standesgrenzen hinausgewiesen haben. Die große Zahl von allein arbeitenden Meistem mit kleinen Kemfamilien, gelegentlich Sonstigen im Haus, die "mangels Masse" steuerfrei gewesen sind, kennzeichnet einen wichtigen Aspekt weiterer sozialer Ungleichheit, der methodisch noch nicht hinreichend erlaßt ist (hilfreich wäre ein Steuerschnitt der letzten drei oder fünf Jahre).

VIII. Soziale Lage (6): Arbeitsleutel Tagelöhner-lnsten- I. Arbeitsleute

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VIII. Soziale Lage (6): Arbeitsleutel Tagelöbner-Insten 1. Arbeitsleute Die sprachliche Trennung von städtischen Arbeitsleuten und ländlichen Tagelöhnern ist zwar auch die gebräuchliche, wird hier aber primär wieder zur leichteren Unterscheidung festgelegt. In den Städten- womit begonnen werden soll - ist bei den zu behandelnden Haushalten keineswegs stets direkt von Arbeitsleuten die Rede. Dazu gehören - im Gegensatz zum Land, wo so gut wie nur Männer Tagelöhner sind- auch Waschfrauen und andere Personen dieser Art, deren Kennzeichnung auf vergleichbare Hilfsarbeiten verweist, die aber nicht Gesinde gewesen sind. In einigen Quellen sind für solche Personen beziehungsweise Haushalte auch gar keine Bezeichnungen vorgenommen worden, dort erschließen sie sich aus der beruflichen Gesamtstruktur der betreffenden Stadt und dann aus der in solchem Fall deutlich größeren Gruppe der Sonstigen. Zum Teil werden in Quellen auch Arbeitsleute von anderen Haushalten dieser Art noch differenziert. So sind in Eckernförde als Arbeitsleute fast nur vollständige Kernfamilien notiert, andere, die ich in dieser Gruppe zusammenfasse, aber ohne Bezeichnung geführt, was dann die Eingruppierung unter den Sonstigen zur Folge hat. Da von den Städten für Kiel und Eckernförde auch die Individualalter der Menschen erhoben wurden, kann darüber gleich eine Unterscheidung der Alten (und Armen) bei dieser Gruppe getroffen und - wie auf dem Land für das Amt Neumünster- auf die aktiven Arbeitskräfte geschlossen werden. Vorerst sind nun die Wirtschaftsgruppen A, das sind die Arbeits-, Seeleute und Sonstigen, zu überprüfen (die im Kasten 1 "Wirtschaftsgruppen verschiedener Städte" enthalten sind). Der Anteil solcher meist kleiner Haushalte mit zwischen 2,14 und 2,74 Personen reicht in verschiedenen Städten von 26,5% bis 40,4%. Steuern zahlten sie kleine Beträge und dies selten. Gesinde kam entsprechend kaum vor; und das gezählte wird primär zu den sehr wenigen besser gestellten Haushalten gehören, die nur aufgrund schlechter Bezeichnung in den Quellen als Sonstige in diese Wirtschaftsgruppe kamen, die aber mit hohen Steuerzahlungen erlaßt sind. An dieser Stelle ist -bevor unten dazu ein eigenes Kapitel folgt - auf die Frauenhaushalte hinzuweisen, womit jene gemeint sind, die von Frauen geführt wurden, die keinen Ehemann hatten (entsprechend zum Vergleich Männerhaushalte =ohne Ehefrauen). In Kiel waren 1803 von allen 1.581

88

E. Zur Sozialslruklur- die Gruppen der Vormodeme

Vollhaushalten (ohne Studenten, Militär), die in der Datenbank berücksichtigt werden, 24,8% solche Frauenhaushalte, in Eckernförde 1769 waren es 22,5%; das sind- bis auf Flensburg 1803 mit nur knapp 15%- normale Daten hinsichtlich der früher untersuchten Städte. Männerhaushalte gab es 14,2% und 11,6%. In Wirtschaftsgruppe A waren dieseZahlen für Kiel47% und 12%, für Eckernförde 51% und 13%. Alleinstehende Frauen finden sich also in der untersten Gruppe funktionaler Differenzierung überrepräsentativ oft. Von allen Frauenhaushalten waren in Kiel63% und in Eckernförde 75% in diese sozial tief stehende Gruppe einzuordnen. Ein wichtiger Teil der Wirtschaftsgruppen A in den damaligen Städten waren Arbeitsleute und einige Rats-, Polizei- und ähnliche Diener (nicht Hausdiener, die Gesinde sind; vgl. oben die Tabellen: Häufige Berufe). Sie sind oft direkt so bezeichnet, es kommen aber auch, und das vor allem bei Frauen, Hinweise vor wie "ernährt sich vom Waschen/ Spinnen ..." oder "lebt von der Hände Arbeit''. Direkt so bezeichnete Arbeitsleute gibt es -wie gesagt aber bei spezieller Abgrenzung für diese Stadt - in Eckernförde 22 Haushalte, die mit 3,32 Personen pro Haushalt ein relativ hohes soziales Niveau repräsentieren. Alleinstehende fehlen hier fast ganz, weil Haushalte ohne Berufsbezeichnung unter den Sonstigen zu erfassen waren und solche Bezeichnungen fehlen. Der Elternanteil der Arbeitsleute beträgt entsprechend 1,92; fast alle sind also verheiratet. Mit 32% Steuerzahlern und 36% Haushalten, die in ihrem Wohnhaus als erste verzeichnet sind, was oft für Eigentum daran stehen wird, heben sie sich deutlich von den Sonstigen ab, die ebenfalls in Wirtschaftsgruppe A gehören. Die verbleibenden Sonstigen (n = 120) haben in Eckernförde Haushalte von im Schnitt 1,67 Personen (Eltern 1,07; 100 Frauen, 28 Männer), zahlen zu 13% Steuern, sind immer noch zu 23% als erste im Haus genannt. Diese Stadt war aber mit relativ vielen kleinen Häusern bebaut, in denen oft nur eine Familie lebte. In beiden Untergruppen kommen Steuerzahlungen bis in Steuergruppe III vor. Für das weitgehender untersuchte Krempe läßt sich sagen, daß dort unter den Arbeitsleuten sowohl solche waren, die früher in höheren Positionen lebten als auch solche, die später (wieder?) in einen höheren Status aufrückten. Eckernförde hatte, wie auch Flensburg, aber beispielsweise nicht Husum oder Kiel, eine große Gruppe von Seefahrenden und Matrosen, die in den Quellen unterschieden sind. Beide Gruppen, die hier zusammengefaßt be-

IX. Soziale Lage (6): Arbeitsleute/Tagelöhner-Insten- 2. 1ändliche Tagelöhner

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sprachen werden (Eckernförde n = 22 + 11), haben meist komplette Ehen und nicht besonders kleine Haushalte (Eltern 1,97, Kinder 1,48, Sonstige 0,21), wobei die Seefahrenden die größeren davon aufweisen (3,86 zu 3,27). Als erste im Haus sind sie zu 67% benannt, 55% zahlten Steuern (bis II). Dies stellte sich in Flensburg 1803 ganz anders dar, so daß in Eckernförde wohl wieder alleinstehende Seeleute und Matrosen oft unter den Sonstigen zu notieren waren. In Flensburg sind diese Haushalte nur 2,12 Personen groß (1,68 + 0,42 Kinder). Für Kiel1803 sind vier Unterteilungen der Wirtschaftsgruppe A zu nennen, 1. Arbeitsleute (264), 2. Rats- und Polizeidiener (43), 3. Sonstige (53) und 4. Arme (145). In den Ehe-Daten überwiegen außer bei den Dienern die Frauen (mal fr 156/ 251; 40/33; 29/ 36; 37/ 124). Wenn auch bei den Sonstigen einzelne reiche Haushalte sind, die recht viel Gesinde im Haus hatten, zeigt sich diese Gruppe doch insgesamt eindeutig als zur untersten Sozialgruppe gehörend. Die Haushaltsgrößen staffeln sich von 2,78 (Arbeitsleute, Eltern 1,54) über 3,19 bei den Dienern (1,70) und 1,94 (Sonstige, 1,23) bis 1,57 (1, 11) bei den Armen. Als erste im Wohnhaus der eng und hoch bebauten Stadt sind 9%, 30%, 11% und zuletzt 2% bei den Armen genannt; in Kiel gab es schon 1781 eine Reihe von Mietshäusern, in denen der Eigentümer nicht wohnte. Nebenden Seeleuten in einigen Hafenstädten finden sich in dieser Wirtschaftsgruppe A also vor allem Arbeitsleute, die zu einem guten Teil vollständige Familien hatten, deren Vorstände wohl voll arbeitsfähig und gelegentlich Gewerbetreibenden sozial relativ nahe waren. Ebenfalls oft sind es alleinstehende Frauen mit Kindern und auch Arme, die aber nicht überall ausdifferenziert werden können, wie das später für Kiel geschehen wird. Doch vorher gehen wir wieder aufs Land. IX. Soziale Lage (6): Arbeitsleutel Tagelöbner-Insten 2. ländliche Tagelöhner

Das Trittauer Mannzahlregister liefert Daten für verschiedene Instengruppen, zu denen die Tagelöhner gehören, die nur dort speziell als solche ausgezeichnet sind. 200 Haushalte, fast nur männliche Vorstände, finden sich. Mit ihren Haushaltswerten liegen die Tagelöhner noch etwas über den Insten mit Beruf (3,85 zu 3,80), Gesinde gab es nicht und Sonstige sehr selten (0,04), wohl weil die Dienstherren kaum an zusätzlichen Essern auf den Höfen interessiert sein konnten. Mit 1,92 Elternanteil waren sie fast

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E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

immer verheiratet (Kinder 1,89). Dabei geben die dürftigen Altersdaten der Mannzahlregister (in drei Gruppen: bis inkl. 14, 15 - 59 und dartiber) einen hohen Anteil von Kindem nach dem Alter an. Aber auch etwas über dem kleinen Gesamtdurchschnitt an Alten gibt es. Im Kern handelt es sich also um "junge" und "gesunde" Familien, die auf den Höfen arbeitsfähig sein mußten, wo vielleicht auch die "vollständige" Familie verlangt worden ist, um zwei Erwachsene zur Arbeit zu haben. Oft bekamen sie nur kurze Zeitverträge bei den Bauern, mußten beim Stellungwechsel auch die Iostenkate oder -wohnung räumen. Ihre Haushalte machten knapp 17% der Trittauer aus, in denen gut 14% der dortigen Bevölkerung verzeichnet ist. Tagelöhner stellten knapp die Hälfte aller InstenHaushalte (45%; in Trittau); knapp 22% derlosten waren Handwerker und 33% restliche Haushalte. In den Quellen gibt es keine direkten Hinweise auf die ausgeführten Arbeiten, ob sie vielleicht auch im Gewerbe Lohn fanden. Sie sind in den Dörfern, in denen es ja aber stets mehr Bauern als Handwerker gab, ähnlich verteilt wie die Berufsinhaber. Deutlich wird andererseits, daß die restlichen losten neben den Tagelöhnern und den Handwerkern meist kein weiteres "vollwertiges" Arbeitspotential darstellten; ihre Haushalte waren oft "unvollständig" und klein, die von Alten, Kümmerlichen und Armen. X. Soziale Lage (7): Armeund Alte Direkt als arm sind in den ländlichen Mannzahlregistern fast keine Personen ausgezeichnet, für die städtischen Datenbanken sind sie zum Teil nicht eigens notiert, sondern unter den Sonstigen erfaßt worden. Bei der Betrachtung des "flaches Landes" sind an dieser Stelle nichtdie Altenteiler und die in höheren sozialen Lagen lebenden Haushalte gemeint, die auch gelegentlich von relativer Armut gekennzeichnet sind. Es geht um die restliche Instengruppe, diejenigen 33% der Insten, die im Amt Trittau nicht mit Beruf oder als Tagelöhner erkennbar sind. Bezogen auf die Bevölkerung der zugrunde gelegten Gesamtregion mögen sie gut 8% ausgemacht haben; städtische Arme sind oben mit knapp 2% geschätzt, ohne daß dort eine Grenze in Wirtschaftsgruppe A zu den Alten gezogen werden kann. In den städtischen Datenbanken wurden jene - wenigen - Menschen nicht berücksichtigt, die in Armenhäusern verzeichnet sind. Wir kehren zu den Trittauer Daten zurück, die ja dem gottorfischen Durchschnitt nahe kommen. Dort betrug diese letzte Iostengruppe ein

XI. SozialeLage (8): Gesinde

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Drittel aller Instenhaushalte und 11% aller Haushalte mit 7,5% der Menschen darin. Diese Haushalte waren 3,04 Personen groß, und die Kernfamilie bestand aus 1,52 Eltern und 1,28 Kindern; es gab also viele alleinstehende Frauen und Männer. Werden noch jene 33 Haushalte abgezogen, die als ehemalige Müller oder dergleichen bezeichnet sind, und in denen sogar noch gelegentlich Gesinde und Sonstige vorkommen, finden wir eine Gruppe von 101 Haushalten (25% der Insten) mit 1,43 Eltern und 1,21 Kindem und fast ohne weitere Personen. Auch hier sehen wir dennoch - wie bei den Altenteilern relativ viele Kinder. Diese Haushaltsgruppe kann nicht für das Amt Neumünster isoliert werden, um über das Alter dieser Gruppe genaueres zu erfahren. Für städtische Arme können aus der Kieler Datei 145 Haushalte betrachtet werden; das waren gut 9% der Vollhaushalte mit 3,7% der Menschen. Diese Haushalte waren im Schnitt 1,57 Personen groß, dabei die Vorstände selten (noch) verheiratet (Eltern 1,11, Kinder 1,34, Sonstige 0,1, Gesinde 0,01); erweitert waren 9%. Von den verzeichneten Ehepartnern waren 37 männlich, 124 weiblichen Geschlechts. Und mit 61 Jahren war das durchschnittliche Alter recht hoch; 45% der primären Hausvorstände (hier ma oder fr) waren über 65 Jahre alt, noch einmal 18% über 60 bis 65. XI. Soziale Lage (8): Gesinde

Das Gesinde ist dadurch definiert, daß diese Personengruppe innerhalb fremder Haushalte angestellt war und dort auch wohnte. Über die Situation des Gesindes ist viel erzählt worden. Riehl und andere weisen ihm einen den Hauskindem vergleichbaren Status zu. Mißverständlich wird daraus zuweilen abgeleitet, dies habe im sozialen Sinn familialer Harmonie gegolten. Richtig daran war wohl, daß das Gesinde rechtlich (!)einen solchen Stand hatte, sonst muß von drastischer patriarchaler Herrschaft ausgegangen werden, nicht selten im durchaus wörtlichen Sinn weiblichem Gesinde gegenüber, wie volkskundliche Forschungen ausweisen (für SH bspw. Kramer, 1987; zum Gesinde Göttsch, 1978). Diese Fragen sollen hier nicht erörtert werden. Vor allem wäre zu ihrer Beantwortung auch zu erheben, ob das Gesinde im Untersuchungszeitraum regelmäßig nach der Dienstzeit sich selbst als Hauseltern in der entsprechenden Schicht etablieren konnte, in der die Dienstzeit stattfand, sofern es selbst aus dieser stammte (Mindestvoraussetzung für: Stellung als Kind), was auch mit der Erbteilung zu tun hat. Oft

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E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

ist die Stellung als Gesinde der Weg zum sozialen Abstieg "überzähliger" Kinder gewesen, da reichere Familien besonders viele Kinder hatten. Das zu untersuchen ist mit den verwendeten Quellen nicht möglich, so daß wieder nur eine strukturelle Momentaufnahme zu zeigen ist. Es ergibt sich allerdings aus der Alterstruktur des Gesindes in Stadt und Land grundsätzlich die Möglichkeit zu solcher Schichtintegration, denn Gesinde war relativ jung, entsprach dem Alter nach durchaus den Kindern. Ein "Ringtausch" war demzufolge in Grenzen möglich 5• Von wenigen ganzjungen Jahrgängen abgesehen, die zum Teil auch auf Datenfehler zurückzuführen sein können, beginnt die "Zwiebelform" der Alterspyramiden des Gesindes - die unten in Graphiken dargestellt sind zwischen 10 und 15 Jahren und endet zwischen 25 und 30 Jahren bei den Frauen und bis 35 bei den Männern; nur wenig älteres Gesinde fand sich sowohl im Amt Neumünster als in der Stadt Eckernförde 1769. In Kiel 1803 war die Situation doch etwas anders. Es fehlen ganz junge Leute, denn während auf dem Land 20% des Gesindes und in Eckernförde 12% bis inklusive 15 Jahre alt gewesen sind, waren das in Kiels Vollhaushalten nur 6%. Aber dort gab es zugleich nennenswerte Anteile älteren Gesindes: 32 Jahre und dartiber waren in der ehemaligen Hauptstadt um 37%, in Eckernförde 28% und im Amt Neumünster circa 25%. Und fast 15% waren in Kiel älter als 39 Jahre gegenüber 6% in Eckernförde und 4% auf dem Land. Erwartungsgemäß findet sich dabei das ältere Kieler Gesinde vor allem in den Schichten, die die Besonderheit dieser Stadt ausmachen, in den oberen. Ein kleiner Teil des Gesindes scheint lange bei der älter gewordenen Herrschaft geblieben zu sein. Es mag hier eine besondere Gruppe von Gesinde erkennbar werden, Hauspersonal, für das diese Tätigkeit ein richtiger Beruf geworden ist. Während das Kieler Gesinde in den Vollhaushalten im Schnitt 25 Jahre alt war (Eckernförde 23; Amt Neumünster 21 ), betrug dieser Wert in der Wirtschaftsgruppe F, dem Bildungsbürgertum, 27 Jahre und beim Besitzbürgertum 26. Dafür waren vor allem die Pensionäre (in WG F) mit Gesinde von durchschnittlich 27 und die Capitalisten, das sind primär Rentner in der 5 Insgesamt gilt es bei diesen Fragen zu bedenken, was ich allerdings nur dem Augenschein nach beim Übertragen des Mannzahlregisters Neumünsters fand. Es gab in den Dörfern und der Region offensichtlich eine intensive Versippung. Wenn auch nur dem Namen und dabei den männlichen Verwandtschaftsgraden nach, so waren doch Gesinde und Herrschaft auf den Höfen so oft gleichen Namens, daß der oben genannte "Ringtausch" der Kinder in Gesindestellen auch von Verwandten und bei Nachbarn sichtbar wird.

XII. Exkurs: Frauen, Männer,die Ehe undder soziale Status

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Wirtschaftsgruppe E, mit 29 Jahre altem Gesinde verantwortlich, soweit es das weibliche Gesinde betrifft. Das ältere männliche Gesinde findet sich relativ oft beim Nahrungsgewerbe (WG C; m Gs 27), das diesbezüglich insgesamt den städtischen Durchschnitt zeigt, während das Handwerk sonst jüngeres Gesinde (WG B, Gs 23 Jahre) hatte. Die Verteilung männlichen und weiblichen Gesindes zeigt die Tabelle 17 in Prozent an der jeweiligen Gesamtbevölkerung. Tabelle 17 Die Verteilung männlichen und weiblichen Gesindes Ort

weibl. Ges.

männl. Gesinde

Städte Kiel '03 Flensburg '03 Krempe '03 Eckernförde "69 Rendsburg '69 Husum '69

10,7% 10,7% 6,7% 7,4% 8,5% 9,8%

9,3% 11,54% 8,2% 5,9% 6,2% 11,2%

Land Gottorf

5,4%

7,5%

DieseZahlen zeigen noch einmaldie relativ große Bedeutungder Frauen unter dem Gesinde, denen gegenüber das männliche, produktive Gesinde, die städtischen Gesellen, Lehrjungen, Kommis und Knechte sowie die ländlichen Knechte, Jungs, wenige Gesellen und einige mehr eher als relativ wenige erscheinen. Das verweist auf eine wichtige Funktion der Hauswirtschaft der Hausmütter gegenüber der Hausproduktion der Hausväter, ohne daß unterstellt werden soll, Frauen seien stets den Hausfrauen zuzuordnen. In einzelnen Branchen, wie den Brauern und Brennern mit viel weiblichem Gesinde, wurden sie vielleicht relativ oft im Gewerbe eingesetzt.

XD. Exkurs: Frauen, Männec, die Ehe und der soziale Status Frauenhaushalte - solche ohne Ehemänner - sind regelmäßig sozial in unteren Positionen zu finden. Öfter als Männerhaushalte - die von Witwern oder aus anderen Gründen ohne Ehefrauen lebenden Männern - weisen sie die entsprechenden Kennzeichen auf, daß sie nicht nur schon in der Quelle ohne qualifizierten Beruf benannt, sondern auch ärmer gewesen sind und seltener Steuern gezahlt haben. Sie haben- was sonst auf Reichtum verweist - deutlich mehr Kinder als alleinstehende Männer gehabt. Dazu findet sich

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E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vormodeme

in den Oberschichten, besonders im Bildungsbürgertum, eine Reihe von Frauenhaushalten in guter sozialer Position. Auf dem Lande sind alleinstehende Hausvorstände seltener als in den Städten. InGottorf fanden sich in allen Ämtern 6,3% Männerhaushalte und 14% Frauenhaushalte, wobei allerdings regional die Ämter Cismar und Oldenburg mit einer sehr hohen Zahlletzterer auffielen. Wie oben bereits erwähnt mag das mit der Lage im Güterdistrikt zu tun gehabt haben, wo mehr Männer am Arbeitsplatz notiert worden sein könnten, als direkt erkennbar sind; diese Ämter werden deshalb künftig nicht mit betrachtet. Dann sind zwischen 8,5% (Kronshagen) und 14,1% Frauenhaushalte vorhanden gewesen (Trittau 12%), während es nur zwischen 2,2% und 9,9% solche von Männem gewesen sind (Trittau 8,1% ). In den Städten sind- grob gezählt - meist 25% Frauen- und 15% Männerhaushalte gefunden worden; aber für Flensburg 1803 fanden sich - mir unerklärlich - auch nur 15% Frauenhaushalte, demgegenüber es 1769 noch um 10% mehr waren. Für das "flache Land" Gottorfs ohne die Ämter Cismar und Oldenburg sind die 239 Frauenhaushalte zu 41% die von losten, während das unter den 157 Männerhaushalten nur 31 % gewesen sind. Werden die Altenteile mit hinzu genommen, waren alleinstehende Frauen zu 85% Insten, alleinstehende Männer nur zu 54%. Offenbar waren Männer besser in der Lage, ihren sozialen Stand auch ohne vollständige Familie zu erhalten. Die Frauen auf dem Land haben nur wenig öfter und mehr Kinder als die alleinstehenden Männer (Anteil HH 1,02; ma 0,95). Und während Frauen nur zu 10% noch Gesinde beschäftigen, sind das bei den Männem doppelt so viele gewesen. Fast die Hälfte der Männer lebte ganz allein (70 von 157 HH), was bei den Frauen in 81 der 238 Haushalte vorkam, vor allem wegen der häufigeren Kinder. In den Städten fand sich eine andere Situation. Dazu gibt es Tabelle 18 für Eckernförde 1769 und Kiel 1803. Die Frauenhaushalte, die in den Städten etwa 10% häufiger als die der alleinstehenden Männer vorkamen, haben öfter (+17%) und entsprechend mehr (+0,25) Kinder pro Haushalt. Frauen mit tatsächlich Kindem im Haus (nicht auf alle HH bezogen) hatten davon real 1,73 im Schnitt (ma 1,57). 194 der 392 Kieler Frauenhaushalte enthielten nur die Frau, bei den Männern waren es 144 von 225. In Eckernförde kamen in beiden Fällen mehr Kinder in jenen Haushalten vor, in denen real Kinder lebten; 2,0 waren es bei den Frauen, aber 2,62 bei den Männern, die dort in 36 von 63 Haushalten allein lebten (Frauen 67 von

95

XII. Exkurs: Frauen, Männer,die Ehe und der soziale Status

122). Die Tabelle zeigt, daß in Eckernförde aber Frauenhaushalte mit 17% weniger erweiterte waren als in Kiel (30%). Tabelle 18 Frauen- und Männerhaushalte in Eckernförde und Kiel Ort

fr ma

WGA HHGr eHH WGA HHGr eHH

Ki% Ki%

KiHH KiHH

Eck.'09

22,5% 11,6%

74% 37%

2,07 1,98

17% 30%

37% 21%

0,74 0,54

Kie1'03

24,8% 14,2%

63% 28%

2,26 1,92

30% 28%

35% 19%

0,61 0,29

fr = Frauenhaushalte, ma = Männerhaushalte, WG A =Anteil Wirtschaftsgruppe A, HHGr = Haushaltsgröße, eHH =erweiterte HH, Ki% = HH mit Kindern, KiHH =Kinder pro HH

Die Altersstruktur unterscheidet Frauen- und Männerhaushalte deutlich. Von wenigen Sonderfällen abgesehen, in denen in beiden Fällen sehr junge Leute formal Haushaltsvorstände gewesen sind, vielleicht weil jüngst zu Waisen geworden, sind Frauen selten in jungen Jahren allein, während doch eine Reihe von Männern schon früh selbständige Haushalte gehabt hat. Das Durchschnittsalter bei Frauen war in Eckernförde und Kiel 55,5 und 56,5 Jahre und bei den Männern waren es 44,5 und 47,2. Es überrascht nicht, in Frauenhaushalten erheblich weniger Anzeichen für einen qualifizierten Beruf zu sehen. Frauen sind in Eckernförde überwiegend als Arbeitsleute und Sonstige geführt worden (WG A 75%), wenn sie alleinstehend waren, während die Männer deutlich öfter noch unter ihren Berufen zu finden sind, mit einem nur wenig größeren Anteil von Arbeitsleuten und Sonstigen (WG A 36,5%) als bei allen Haushalten dieser Stadt (WG A 34%). Entsprechend liegen auch die Steuerwerte nur wenig unter dem städtischen Durchschnitt (= 57% von allen HH; ma 49%), während alleinstehende Frauen nur zu einem Viertel Schoß und im Schnitt nur etwa die Hälfte der Beträge der Männerhaushalte zu zahlen hatten. Wird diese Betrachtung nur auf die entsprechenden Haushalte in der Wirtschaftsgruppe A Eckernfördes reduziert, finden sich bei denen der Frauen allerdings etwas "bessere" Daten als bei den Männerhaushalten dieser Gruppe, weil Männer eben gerade in dieser Stadt oft ihrem Beruf zugeordnet blieben. Als Gegensatz dazu seien noch die alleinstehenden Hausvorstände der Oberschicht betrachtet, wobei die ökonomische Oberschicht (>26ß) und das Bildungsbürgertum (WG F) zusammen genommen werden; für Kiel trennt dabei der dortige Haussteuer-Betrag einen relativ größeren Anteil von Haus-

96

E. Zur Sozialstruktur- die Gruppen der Vonnodeme

halten ab. Diese Frauen (n 15 = 2,8%) haben in Eckernförde 1769 im Schnitt 3,2 Personen im Haus. Und die Frauen sind älter als die gleichstehenden Männer, nämlich 58 statt 55 Jahre. Das ist in Kiel 1803 noch viel deutlicher der Fall. Dort sind die alleinstehenden Frauen der Oberschicht 60 Jahre alt, entsprechende Männer nur 48. Die Haushalte der alleinstehenden Männer sind kleiner, in Eckernförde 2,38 Personen, in Kiel2,26 (fr 2,8). In Eckernförde sind die drei reichen alleinstehenden Frauen, die nicht zum Bildungsbürgertum zählen, alle aus dem Nahrungsgewerbe (WG C; ma WG E), während in Kiel die 16% gewerblichen Haushalte alleinstehender reicher Frauen (12) aus verschiedenen Bereichen und aus der Kaufmannschaft kommen, ähnlich wie bei den Männern. In Flensburg 1803, für das das Alter nicht in die Datei aufgenommen wurde, ist die Situation ähnlich. Die 19 Frauen mit größeren Haushalten (4,95; ma 3,61) kommen dort aus dem Verkehrs- und Nahrungsgewerbe, sowie der Kaufmannschaft, die Männer fast alle aus letzterer. Dort ist das Gewerbe in diesem Bereich stärker als das Bildungsbürgertum vertreten, welches 53% (fr) und 63% (ma) der jeweiligen alleinstehenden Hausvorstände ausmacht. Gegenüber den alleinstehenden Hausvorständen sind in den Städten die wesentlichen Maßzahlen der vollständigen Ehen deutlich "besser". Vom Hauseigentum kann gleiches gesagt werden, wenn es auch nur andeutungsweise erhoben werden konnte, und zum Teil die Erstnennung pro Haus in den Quellen ersatzweise als Indikator herhalten mußte. Komplette Ehe und Hauseigentum zeigen sich als deutliche soziale Scheide. Bei vollständigen Ehen ist dabei die Tatsache, Kinder zu haben, statistisch irrelevant. Aber Gesinde - was auch nicht überraschen kann - kennzeichnet ebenfalls solche Unterschiede. Vollständige Ehe, Hauseigentum und Gesinde sind die wichtigsten Kennzeichen für "den Standard" der damaligen Lebensführung gewesen.

F. Ein simples Modell der Sozialstruktur Die Graphik 1 stellt die verschiedenen Sozialgruppen natürlich nur annähernd dar, weil in der Y-Achse die Steuerhöhe lediglich für die Städte und nicht als gemeinsamer und "objektiver" Maßstab auch für das Land dienen kann und ein direkter Vergleich der Strukturen beider nicht möglich ist. Das "flache Land" wird nach Besitzstand differenziert. Obendrein ist diese Darstellung für ein Milieukonzept zu linear nach sozialen Lagen geschichtet; die alten und armen losten etwa sind meist unterhalb der Landarbeiter-losten zu sehen. Es kommt noch so etwas wie ein Fliehmoment in die Skizze, von der Achse je nach außen gedrängt finden sich - wie nach unten- ebenfalls sozial etwas tiefer stehende Gruppen. Die X-Achse wurdenur in Anlehnung an Hradil - in zwei Bereiche geteilt, in Stadt und Land. In der Dreiecksfigur sind die Flächengrößen ungefähr die Werte der oben gezeigten Tabelle 3 "Lagen/ Milieus...". So lassen sich in der Fläche Milieus zeigen. Mit der - oben schon erwähnten - Einschränkung allerdings, daß diese Milieus nur innerhalb der sozialen Lagen angedeutet werden können und ohne andererseits eine wirkliche soziale Nebeneinanderstellung etwa von Hufnern und Nahrungsgewerbe der Städte behaupten zu wollen. Unabhängig von der Statik und Geschlossenheit früherer Gemeinschaft/ Gesellschaft müssen die in der Skizze harten Linien als weit weniger linear-rechtwinklig und mit weicheren Übergängen gedacht werden. Insofern ist der Milieu-Begriff für jene Zeit -in der formal schroffe Standesgrenzen bestanden -nicht völlig unproblematisch. Der Vorschlag, soziale Lagen und Milieus zur Analyse der Sozialstruktur zu verwenden, implizierte allerdings grundsätzlich, den Blick damit bis in die heutige Zeit zu richten, was aber in dieser Arbeit nicht Thema war. Hier wird also der Ansatz, mit Lagen und Milieus zu arbeiten, etwas mehr simplifiziert als es die - nicht ausgeschöpfte - Quellenlage auch für jene Zeit zuließe, weshalb für diesen Zeitabschnitt Milieus so etwas wie Unterabteilungen der sozialen Lagen geworden sind. Andererseits fanden sich doch eine Reihe von - beim derzeitigen Forschungsstand "weichen", noch kaum bestimmbaren- Milieugren7 Hennings

F. Ein simples Modell der Sozialstruktur

98

zen innerhalb der großen Standesgruppen, die sich mit dem genannten Fliehmoment kennzeichnen lassen, sowohl für die Stadt als auch für das "flache Land". Graphik 1

Schleswig-Holstein- Sozialstruktur um 1769

Adel ca 1% Bev

Hufner Katner

Vorl~~:;;·~;::;:;oh.::\~~:;:::S=15~

0 37 0 0,0841 577 Schnitt:

AW-Nt: '50

45 42 79 0,0363 0,0339 zua.: 100% 389 149 56 24 27 0,0363 0,0408 zua.: 100% 332 130 42 21 15 0,026 0,5754 r.::';0:;;,2253~C:--~0",0"'7~28~ 0,0364 24,5891 > 69Johr 0,00351 zua.: 100%

Altersstruktur

110

F. Ein simples Modell der Sozialstruktur Tabelle20 Bevölkerungnach Altersgruppen

Alter in%

j8

j16

j24

j32

j40

j48

j50

Holstein (kgl) Hztümer zus. Neumünster Kiel-Vo-HH03 Eckemför'69

21,6 20,2 22,9 15,4 19,7

15,3 14,8 16,8 14,9 13,5

14,9 14,4 14,1 17,6 15,4

12,9 12,8 12,4 12,1 12,0

11,0 11,0 10,3 11,4 10,5

7,7 7,8 6,6 8,2 8,8

16,6 18,9 16,8 20,4 20,1

(j70)

(2,6) (3,6) (4,2)

iS

26,22 29,71 29,02

Hztümer = Holstein und Schleswig, königlich verwaltet; j8... =bis inkl. 8Jahre usw.;j50 = älter als 48 Jahre; (j70) =über 69-Jährige, in j50 enthalten; iS = Alter im Schnitt in Jahren

Die Städte hatten gegenüber dem Land vor allem mehr Personen in der Gruppe, die besonders vom Gesinde belegt wird, also bei den etwa 17 bis 24jährigen, und auch bei den älteren Menschen. Sie brauchten der erheblichen Kindersterblichkeit wegen stetigen Zufluß von Menschen vom Lande, um ihre Bevölkerungszahlen wenigstens halten zu können. Im Amt Neumünster waren 54% des Gesindes in dieser Altergruppe (20% inj16), in Eckernförde 1769 58% (12%), Kiel1803 57% (6%). Ländliches Gesinde ist demgegenüber - wie schon gesagt - jünger, das in Kiel aber besonders alt. Bei den Kieler Volthaushalten zeigt die "Pyramide" zwischen etwa 15 und 25 Jahren eine deutliche Ausdickung, die in Eckernförde kaum zu sehen ist, wo es 1769 besonders wenig Gesinde gab. Zwar war wohl die Kindersterblichkeit in den Städten höher als auf dem Land, wer diese Schwelle überschritt, hatte aber dann eine etwas größere Lebenserwartung. Bei den Ehepartnern der Haushaltsvorstände (nun jeweils alte vorhandenen: ma + fr) ohne die Kinder und andere Personen steigt das Durchschnittsalter auf 44,9 Jahre in Neumünster, 46,1 in Eckernförde und 44,0 Jahre in Kiel. Das Höchstalter der sehr spitzen "Pyramiden" liegt bei 90 Jahren (im Einzelfall bei 99). Für Krempe hatte ich nach Kirchenbüchern bei geringen Fallzahlen- die durchschnittliche Alterserwartung der 1769 gezählten Hausvorstände (ma + fr) mit etwas über 60 Jahren ermittelt (kinderlose lagen bei 59, kinderreiche bei 69).

G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803 In diesem Kapitel geht es um zweierlei: 1. soll aufgezeigt werden, in welcher Weise die These entstand, die Gottorfer (Trittauer) Ergebnisse seien mit jenen für das Gebiet der Volkszählung von 1769 in den vom dänischen König verwalteten Teilen der Herzogtümer Schleswig und Holstein als relativ kongruent anzusehen; 2. kann für das weit größere Gebiet die regionale Differenzierung des "flachen Landes" gut gezeigt werden, wobei auch deutlich wird, wie sehr die jeweilige räumliche Situation die soziologischen Strukturen mit prägte. Um "ortsfremden" Leserinnen und Lesern keinen regionalen Exkurs abzuverlangen werden - als besonders detaillierte Gegenüberstellung sehr unterschiedlicher Strukturen - zum Schluß nur zwei direkt nebeneinander liegende Gebiete beispielhaft vorgestellt (vgl. die Karte 1). Die Substanz der "Tabellen" der Volkszählung von 1769, auf die zuerst verwiesen werden soll, ist nicht von so hoher Qualität wie die bisher verwendeten Quellen. Doch in der Gesamtbetrachtung aller "Tabellen" zeigen diese Unterlagen, deren Erstellung 1769 auf keine hinreichend präzise Ausführungsbestimmung gestützt war, eine relativ große Plausibilität, so daß die Daten 1 zum Regionenvergleich zu nutzen sind; gegliedert sind die "Tabellen" in: 1. Rangspersonen mit Ehefrauen und Kindern (rg), 2. Kirchen- und Schulbediente mit Ehefrauen und Kindem (ks; zus. rg!ks), 3. Haushalte mit bürgerlicher/ gewerblicher Nahrung inklusive produktivem/ männlichem Gesinde (ng), I Die "Tabellen" sind Originaltabellen der genannten Volkszählung im Landesarchiv Schleswig, in denen die Ergebnisse summarisch für größere Gebiete zusammengefaßt wurden. Die Urlisten dazu fehlen meist; Hennings, 1990; Momsen, 1974. Dabei sind meist die Ämter und vergleichbare Regionen die Hauptunterteilung, manchmal sind für die Altersangaben der Bevölkerung auch Kirchspiele vermerkt, während die gewerblichen Gruppierungen zugleich oft nur größere Gebiete zusammenfassen. Dieser Exkurs enthält nur die Übersicht über die großen Gebiete des Volkszählungsgebietes. Er entstammt einer ausführlichen Regionendarstellung, die als Manuskript Die "Tabellen" derVolkszählung in Schleswig und Holstein von 1769, MS 1993- vorliegt, in dem die "soziale Substanz" der Gruppe6 (rest) genauerabgeleitet wird.

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G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803

4. Ackersleute mit Frauen und - extra notiert - Kindem (ld - für Landleute -und ldk), 5. Seefahrer und Fischer mit Ehefrauen und - Extraspalte· - Kindem (se, sek), 6. Dienstboten/ Tagelöhner (dt), Wahnwitzige/ Gebrechliche (wg) und Restliche(rest). Diese Aufzählung faßt bereits einige in den "Tabellen" noch getrennte Gruppen zusammen. Insbesondere wird die Gruppe der Restlichen als Zusammenfassung notwendig, die es in den Quellen selbst nicht gibt; denn in einigen "Tabellen" ist offensichtlich ein Teil der unteren Schichten nicht enthalten. Dieser "Rest" wird aus fehlenden Personen und Dienstboten/ Tagelöhnern entsprechend zur genannten Gruppe 6 zusammengezogen 2. Trotz verschiedener Probleme, die die relativ "weichen" Quellen aufweisen, gehe ich 1. davon aus, daß die Gruppe mit bürgerlicher, gewerblicher Nahrung (ng) - die "Künstler, Fabrikanten, Müller, Königliche Pächter liegender Gründe, Handwercker, nebst ihrer allen Ehefrauen und noch unter der Eltern Verpflegung stehenden Kindern, auch ihren Gesellen, Knechten, Lehrjungen und Gehülferi' - hinreichend genau erfaßt wurde, um sie - das als Einschränkung - wie für Trittau als "Kern" jener anzusehen, die primär gewerblich statt landwirtschaftlich ihren Lebensunterhalt verdienten. Dieser "Kern" wiederum ist definitorisch etwas größer als diejenigen oben in Tabelle 3 zusammengefaßten Landhandwerker (inkl. Fabrikanten, Müller. .. ), die Kätner oder losten gewesen sind (einzelne Berufe kommen auch in anderen Besitzständen vor). Als eine weitere Besonderheit bei der Bewertung der Gruppe "ng" ist noch einmal auf das darin mitgezählte männliche, "produktive" Gesinde hinzuweisen, während sonstiges Gesinde in einer eigenen Rubrik erfaßt wurde3. Dennoch sind die entsprechenden Haushalte in beiden

2 Die fehlende Gruppe und deren "soziale Substanz" (enthalten sind auch einige Haushalte höheren sozialen Standes) erschließt sich erst, wenn die Angaben zur Bevölkerungszahl (nach Altersgruppen) mit jenen zur beruflichen Struktur verglichen werden. Die "Tabellen" enthalten nämlich zwei voneinander unabhängige Einzeltabellen für Alter und Stand/ Gewerbe, wobei für letztere teilweise auch noch größere Gebiete zusammengefaßt wurden. So sind beispielsweise die Einwohnerzahlenfür kleinere Einheiten (etwa Dörfer) bekannt, die Angabenzur gewerblichen Struktur aber nur für ein Amt, eine Landschaft. 3 Am Beispiel des gottorf'lschen Amtes Trittau zeigte sich allerdings auf dem "flachen Land" bezogen auf die Gesamtbevölkerung nur eine geringe Gesindezahl in diesen ländlichen Haushalte mit zusätzlichem Beruf, sowohl nur wenige Knechte (0,13 im HH) als auch wenig gewerbliches/ produktives Gesinde (0,38 im HH; knapp I% aller EW - 0,24 Dienstmädchen und -frauen sind in "dt" gezählt!).

G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803

113

Volkszählungsgebieten sehr ähnlich, machen sowohl in Trittau als auch im Gebiet der "Tabellen" etwa 15% aller Haushalte aus. Da 2. die "Ackersleute", die von mir mit Bauern gleichgesetzt werden, eine ähnlich genaue quantitative Übereinstimmung in Gottorf und dem Gebiet der "Tabellen" aufweisen wie das Handwerk, scheint der Vergleich beider Ergebnisse sinnvoll zu sein, obgleich nicht zu klären ist, ob nur Hufner als die Mitglieder der Dorfgenossenschaften, oder auch ein Teil der Kätner (Kleinbauern) als Bauern anzusehen sind. Hier wird ja davon ausgegangen, daß auch ein Teil der Kätner zu den Ackersleuten beziehungsweise - in meiner übergreifenden Systematik - den Landleuten (ld + ldk) gehören (beide circa 36%). Damit sind auf dem Land zwei wichtige Gruppen gefunden worden, deren Umfang für Gottorf und die anderen beiden Herzogtümer sehr ähnlich ist, weshalb eine relativ gute Übereinstimmung in beiden Zählgebieten schon als plausibel angesehen wird. Für Trittau können dann 3. aus den Datenbanken die eben genannten Gruppen der "Tabellen" recht genau, bei wenigen Überschneidungen einzelner Haushalte, isoliert und deren Haushaltsformen abgefragt werden. Für dieses Amt ergeben sich daraus - bei einem Durchschnittshaushalt von 4,5 Personen - folgende Haushaltswerte für die so nachgestellten Gruppen der "Tabellen", woraus sich eine weitere Übereinstimmung beider Gebiete ergibt: Groppe rg/ ks: Kernfamilie plus Sonstige (KF+S) = 4,02, Gs = 0,66; Groppe ng: KF+S = 4,21, Gs = 0,34, davon 0,25 prod.; Groppe sei sek: KF+S = 4,0, Gs = 0,2 (geschätzt); Groppe ldlldk KF+S = 4,89, Gs = 1,35.

Übrig bleiben die von mir so genannten "restlichen" Haushalte, die für Trittau 3,2 Personen (KF+S, das sehr wenige Gesinde bei Tagelöhnern, Armen und Alten unberücksichtigt) groß sind. Diese Gruppen werden für die Gebiete der "Tabellen" dannjeweils zum Vergleich neu berechnet. Dann zeigt sich für das Gesamtgebiet der "Tabellen" eine bemerkenswerte Übereinstimmung: Für alle von der Volkszählung in den beiden dänisch verwalteten Herzogtümern erfaßten Landgebiete wird- bei 268.507 in den "Tabellen" gezählten Einwohnern in dann 59.668 geschätzten Haushalten (268.507/ 4,5)- eine fast identische Haushaltsgröße dieser "restlichen Haushalte" von 3,15 Personen errechnet, was neben Handwerk und Bauern eine dritte gut übereinstimmende Größe darstellt. 8 Hennings

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G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803

Die Haushaltszahlen für beide Herzogtümer zusammen ergeben sich in dieser Schätzung wie folgt, wobei von den 268.507 Personender "Tabellen" ausgegangen wird; das zeigt vorabkomprimiert Tabelle 21. Tabelle21 Die Bevölkerungder Volkszählung 1769 im "Modell Trittau"

EW/HH=4,5 n HH (zus. 59.668) Gs in Pers.

-------------

rg/ks

ng

se/sek

ldlldk

Diff:Restliche

4,7 1.606 1.060

4,5 9.043 3.075

4,2 3.365 673

6,2 19.998 26.997

(3,15) Diff:25.656

EW/HH=4,5 =Durchschnitt aller HH; n HH (zus. 59.668) =alle Personendurch Durchschnittshaushalt; Gs = Gesinde in Haushalten, die abzuziehen sind, bevor die restlichen Personen ermittelt und deren Durchschnittshaushalt berechnet wird (bezogen auf alle HH abzüglich der für die ersten vier Gruppen ermittelten: 58.668 -34.012)

Diese Übereinstimmung der trittauischen Bevölkerungsstruktur mit der der "Tabellen" insgesamt erlaubt dann- bei in einzelnen Regionen großen Differenzen zu diesem Durchschnitt - die Annahme, die Trittauer und damit gottorfische Struktur habe sich jedenfalls nicht wesentlich vom größeren Umland unterschieden; um mehr geht es nicht. Tabelle22 Volkszählung 1803 nach Gudme (in % der Personen) Gruppen Kirchen und Schulbediente Civilbeamte Gutsbesitzer, Verwalter und Pächter Fabrikanten Müller, Krüger, Höker und Krämer Capitalisten Pensionisten Hufner und Stavenbesitzer(Hofstelle) Kätner mit Land Kätner ohne Land lnsten Dienstboten Tagelöhner Arme Andere Handwerker Fischer und Seefahrende

% Bevölkerung

2,7% zusammen zus. (Bauern) Kätnerzus.

1,6% 0,4% 0,6% 0,3% 0,2% 0,2% 25,1% 13,5% 3,5%

6,1% 38,7%

17,6% 7,3% ll,7% ll,5% 2,6% 1,8% 13,6% (mit Müller... 16,3%) 3,3%

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G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803

Bevor wir zu den angesprochenen Differenzen in ausgewählten einzelnen Regionen kommen, sei zur weiteren Klärung auch noch ein Blick auf die Volkszählung von 1803 geworfen, die der von 1769 folgte. Diese nächste Zählung erbrachte fast genau 500.000 Einwohner in Schleswig und Holstein, weil nun auch die Güter- und Klosterdistrikte und das frühere Herzogtum Gottorf in Dänemark einbezogen sind. Gudme (1819) hat daraus "die Eintheilung der Volksmenge in Stände und Volksklassen" in ähnlicher Form vorgestellt, wie sie für die "Tabellen" von 1769 vorliegt. Für die verschiedenen Sozialgruppen sind die Personenzahlen aufbereitet worden, wobei die Zahlen für 1803 insgesamt differenzierter sind; Tabelle 22. Daserlaubt denfolgenden Vergleich, obwohl die Jahrgänge wieder nicht ganz exakt nebeneinander zu stellen sind, wenn folgendes berücksichtigt wird: 1769 war dem Handwerk - wie erinnerlich - das produktive Gesinde zugeordnet, das aber nur um 1% der Bevölkerung ausmachte, und ein Drittel des Handwerks waren Vollkätner. Das Verhältnis der Kätner mit und ohne Land zueinander ist allerdings von Gudme für 1803 doch ganz anders als von mir für Trittau gefunden worden. Sehen wir uns die sich dann ergebenden großen Gruppen an; Tabelle 23. Ta.belle23 Vergleichder Zählungen 1769 und 1803 (in % der Personen) Gruppen

1769

1803

Bauern (Hufner,Kätner m. Ld.) Kätn. o. Ld./ Dienstb./ Tage!./ lnsten Fischer/ See!. Handwerk/ Gewerbe (Nahrung) alle Anderen

36,4% 31,9% 5,0% 15,0% 11,7%

38,7% 34,0% 3,3% 13,6 % (+Gs) 10,4%

Diese Zahlen zeigen - angesichts statischer Situation - nochmal eine recht große Übereinstimmung und werten damit die besonders "weichen" und in ihrer Qualität schwer einschätzbaren "Tabellen" von 1769 ebenso auf, wie die Verknüpfung mit den Daten Gottorfs. Bei der weiteren - kurz .!Schal tt:nen - Analyse der "Tabellen" sind nun nur zwei Punkte besonders zu berücksichtigen: 1. wird gedanklich primär auf die größte Gruppebezug genommen; das sind die Bauern/ Ackersleute (ld, ldk), die in den verschiedenen Agrarregionen unterschiedliche Haushaltsgrößen und dabei natürlich nicht überall die im "Modell Trittau" angenommenen 1,35 Personen Gesinde aufwiesen; das ist ja nur ein Durchschnitts-

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G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803

wert. 2. wird bei der Kontrollberechnung ("Rest") unterstellt, daß der Durchschnittshaushalt der Unterschicht regional keine sehr großen Schwankungen aufwies, weil deren Lebensformen in - armen und kleinen - Kernfamilien auch regional kaum Alternativen boten. Daraus folgt: Bei der Errechnung eines sehr großen durchschnittlichen restlichen Haushalts von deutlich über 3,15 Personen kann dann entsprechend vermutet werden, daß ihm in der Schätzung zu viele Menschen zugeordnet wurden, die tatsächlich vor allem zusätzliches Gesinde bei den Bauern gewesen sind (über 1,35 Gs/ HH hinaus) und andersrum. Die Daten der "Tabellen" für Schleswig und Holstein, zu deren Aussagen wir jetzt kommen, zeigt Kasten 2 (Erläuterung der Systematik im Anhang). Erfaßt sind dabei im Gesamtgebiet der "Tabellen" 268.507 Personen. Wie unterteilten sie sich? 1. Rangspersonen und Kirchen- und Schulbediente haben mit ihren Familien zusammen 6.455 Menschen (rg/ ks &mw = 2.186 + 4.269), die 2,69% der gezählten Personen (nach "Tabellen'·) ausmachen. Geschätzt werden daraus im von mir so genannten "Modell Trittau" (ganz unten in Kasten 2, auch Tabelle 21) 2,4% aller Haushalte (n = 1.606). In diesen Haushalten mögen - entsprechend dem Trittauer Vorbild - circa 1.060 Personen Gesinde gelebt haben, wie die oben genannten Gruppendaten es ausweisen.

2. Beim ländlichen Gewerbe muß das produktive, männliche Gesinde berücksichtigt werden. 9.043 Haushalte mögen es gewesen sein, mit 3.075 Menschen insgesamt im Gesindedienst Da diese Haushalte in ihrer Größe dem Gesamtdurchschnitt (4,5 Pers./ HH) etwa entsprochen haben, sind Haushalte und Bevölkerung gleichermaßen mit gut 15% anzunehmen. 3. Die Seeleute und Fischer sind nur grob zu schätzen, sie kamen was angesichtsder Lage des Landes "zwischen den Meeren" und mit vielen Binnengewässern verwundert - auch nur gelegentlich vor. Die "Tabellen" weisen in Kernfamilien 5,64% der Bevölkerung aus; wenig Gesinde kommt dazu (673). 4. An Ackersleuten gibt die Zählung 45.881 Erwachsene (ld) und 51.908 Kinder (ldk) an, das sind 36,42% aller Personen des erfaßten Gebietes. 19.998 Haushalte haben die Bauern bei einer zugrunde gelegten Familiengröße (Trittaus) von 4,89 (KF+S); werden durch-

G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803

117

schnittlieh 1,35 Gesinde pro Haushalt unterstellt, ergibt sich dessen Zahl mit26.997. 5. Als Gesinde weisen die "Tabellen" nach dieser Schätzung zusammen 31.805 Personen beziehungsweise 11,84% der Bevölkerung aus. Davon beschäftigten die Bauern nach dem "Modell Trittau" immerhin 85%. Bezogen auf alle Personen sind demnach 10,05% Gesinde in Bauernhaushalten gewesen, und das Gesinde in anderen Haushalten des "flachen Landes" machte nur 1,8% der Gesamtbevölkerung aus. 6. Die "restlichen Haushalte" ergeben sich, wenn von den geschätzten Haushalten beider Herzogtümer nach der Volkszählung (59.668) die der eben genannten Gruppen abgezogen werden, es bleiben 25.656 Haushalte übrig. In diesen 43,0% Haushalten von Tagelöhnern und Armen und Alten lebten mithin noch 30,14% der Bevölkerung (je 3,15 Pers./ HH). Diesem Anteil von 43,0% Haushalten der unteren Sozialgruppen in den königlichen Teilen Schleswigs und Holsteins stehen nach den gottorfischen Mannzahlregistern 45,6% an losten und Altenteilern gegenüber und im Amt Trittau 47,3%4. Nun kommen wir zu einigen kleineren Regionen. Das Herzogtum Schleswig - es reichte bis über die heutige dänische Grenze hinaus- inklusive Helgoland und Fehmam, aber ohne die Güterdistrikte und wenige weitere sehr kleine Gebiete, für die keine Daten für Beruf/ Stand vorliegen, weist 167.639 Einwohner auf, woraus sich 37.253 Haushalte errechnen. Die Abweichung zum gesamten königlich verwalteten Gebiet ist gering; insgesamt scheinen die Bauernstellen im Norden etwas kleiner als im gesamten Zählbereich der Volkszählung gewesen sein. Die Rangs-, Kirchen- und Schulpersonen machen etwa 2,46% der Bevölkerung un~ 2,75% der Haushalte Schleswigs aus. In den "Tabellen" sind Kirchen- und Schulhaushalte gemeinsam gezählt worden, so daß sich große und kleine Haushalte mischen. Die gewerblichen Haushalte (ng) enthalten 13,6% der Bevölkerung und 13,7% der Haushalte; das ist etwas weniger als im Gesamtdurchschnitt Diesen 13,6% Personen der Gruppe mit bürger-

4 Es ist nun allerdings auch noch auf einen anderen Wert hinzuweisen, denn es sind dabei die 4,05% und 4,75% Hirten in beiden gottorfischen Werten unberücksichtigt geblieben, deren Zuordnung - Ackersleute oder lnsten - offen ist. Diese Daten schränken die bisher gezeigte Übereinstimmung ein; schließlich ist es eine erste Annäherung.

118

G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803

lieber Nahrung in Schleswig stehen in Holstein - sei vorweggenommen 17,4% der Gesamtbevölkerung gegenüber (inkl. prod. Gs). Die 37,3% Personen in den Kernfamilien der schleswigschen Ackersleute, die aus Hufnern und größeren Kätnern gedacht sind (HH 6,23), ergeben geschätzte 34,3% der Haushalte. Die 42% restlichen Haushalte der "Tabellen" können ebenso als realistischer Wert angenommen werden wie ein Gesindeanteil von 12,06% für das "flache Land" Schleswigs (Gottorf: 12,9% Gs). Für den königlichen Anteil Holsteins zeigen die so gewonnenen Daten in sich ebenso ein recht plausibles Vergleichsmodell. Der fiktive Gesindeanteil (11,48%) ist dort gegenüber dem Gesamtgebiet (11,84%) nahezu gleich. Real waren in Holstein mit zum Teil sehr guten Böden und großbäuerlichen Strukturen, wie beispielsweise in den Elbmarschen, die Bauern wohl etwas "größer" und beschäftigten mehr Gesinde als in der Modellberechnung angegeben (> 1,35). Der Anteil der "Instenhaushalte" und weiterer (Rest) war in Holstein gegenüber den Herzogtümern zusammen etwas höher (44,7% zu 43%). Die folgende Darstellung zeigt zusammenfassend die wichtigsten Daten dieser Regionen und zusätzlich denjenigen nördlichen Teil Schleswigs ("Nordschleswigs"), also heute Dänemarks, der aus ganzen Ämtern bestand (die heutige Grenze teilt frühere Ämter, primär Tandem; anders Kasten 3). , Tabelle24 Gebietsvergleich nach Beruf/ Stand- Volkszählung 1769

Holstein, kgl. Schleswig, ganz Nordschl. z.T.

HH"ng"

HH Bauern

Gesinde

17,6% 13,7% 13,8%

32,2% 34,3% 38,4%

11,5% 12,1% 13,2%

Diese Zahlen- dazu Kasten 3 mit den einzelnen Ämterwerten, auf den nicht weiter eingegangen werden soll- machen vor allem das Süd-Nord-Gefalle beim Gewerbeanteil deutlich, das in Holstein deutlich öfter gezählt wurde als im Norden. Nicht nur die zum Teil sehr großen Städte, sondern auch das "flache Land" zeigen also für den Süden eine fortgeschrittenere Arbeitsteilung mit ausgeprägterem ländlichen Gewerbe. Als deren Basis kann die in einigen Landesteilen besonders entwickelte Landwirtschaft gelten; aber auch die Ausstrahlung der großen Städte ist als Ursache anzunehmen (vgl. Umfelder Altonas und Lübecks, auch Hamburgs). Der

G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803

119

Vergleich macht eine schwache Beziehung dergestalt sichtbar, daß umfangreiches Gewerbe mit wenigen- also "großen" -Bauern einhergeht. Die folgende Aufzählung gibt einige Regionen wieder, die nach der "Handwerksdichte" geordnet wurden; Basis dafür ist die Bevölkerung. bis 10% der Bev.: Apenrade; Sonderburg; Gottorf; Hütten; Helgoland 10% bis 15%: Hadersleben; Flensburg; Bredstedt; Husum; Stapelholm; Fehmam 15% bis 20%: Norburg; Tondern; Eyderstede; Hanerau; Steinburg; Herzhorn; Pinneberg; Rantzau; Reinfeld; Rethwisch 20% bis 26%: Plön; Ahrensbök; Traventhal Diese Aufzählung zeigt ebenfalls ein Süd-Nord-Gefalle der ländlichen Strukturen. Wenige Ausnahmen bestätigen die Regel, so etwa Eyderstede, das wir gleich noch als Gebiet mit großen Bauernstellen und viel Gewerbe kennenlernen werden. Tondern, noch weiter im Norden liegend, ist eines jener Küstengebiete, das aus Geest- und Marschländereien besteht, in denen in den Marschen reichere/ "größere" Bauern als auf der Geest gefunden wurden. Abschließend sollen noch zwei prägnante Gebiete einander gegenüber gestellt werden. Eine Beziehung zwischen wenigen Bauern und viel Gewerbe ist im Süden des Herzogtum Schleswigs in der Landschaft Eyderstede sehr ausgeprägt, für die die Graphik 8 beigefügt ist 5. Sehr große Bauernstellen mit viel Gesinde und Tagelöhnern deuten sich an. Ein ganz anderes Bild liefert demgegenüber die entsprechende Graphik 9 zur Landschaft Stapelholm, die direkt östlich neben Eyderstede im Bereich der Eider liegt und bis heute ein feuchtes und nicht sehr ertragreiches Gebiet ist. Viele kleine Bauernstellen sind daraus abzulesen, denen nur wenige Tagelöhnerund Iostenhaushalte gegenüberstehen.

5 Dort scheint das Verhältnis Bauern zu den Restlichen so sehr zugunsten letzterer ausgefallen zu sein, daß sich die Frage nach einem zusätzlichen Verlagssystem oder dergleichen dort stellt, weil die wenigen Bauern die große Zahl der Tagelöhner vielleicht nicht beschäftigen konnten; solche Fragen lassen sich aber nur bei einer intensiveren Erforschung auch der Landwirtschaft beantworten, die hier nicht geleistet werden kann.

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G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803

Kasten2 'Tabellen" der Volkszählung -SH "flaches Land" "Tabellen• der Volkszahlung von 1769 •naches Land• &·.m &".w &_lmw w/&mw 27364 10,19% 26880 10,01% 54244 20,20% J-8 49,55% j-16 20105 7,49% 19749 7,36% 39854 14,84% 49,55% j-24 18647 6,94% 20097 7,48% 38744 14,43% 51,87% j-32 16643 6,20% 17836 6,64% 34479 12,84% 51,73% 5,59% 14998 14466 5,39% 29464 J-40 10,97% 49,10% j-48 10328 3,85% 10682 3,98% 21010 7,82% 50,84% 8,85% j-50 23751 26961 10,04% 50712 18,89% 53,16% 49,10% 50,90% 100,00% 50,90% zus.: 131836 136671 268507 :EW (~& .m .w &mw m/& w/& mw/& w/&mw 0,41% 1088 2186 0,81% rg 1098 0,41% 49,77% 2196 0,82% 2073 4269 ks 1,59% 48,56% 0,77% 19858 7,40% 20476 7,63% 40334 ng 15.02% 50,77% 4213 1,57% se 3393 1,26% 7606 2,83% 44,61% 2936 1,09% 2919 1,09% 5855 2,18% 49,85% sek 22493 8,38% 23388 8,71% 45881 17,09% 50,98% ld 26467 9,86% 25441 9,47% 51908 19,33% ldk 49,01% 42270 15,74% 43318 16,13% 85588 31 ,88% d1 50,61% 2851 106% 2931 1,09% 5782 2,15% w_g_ 50,69% 7454 2,78% 11644 4,34% 19098 7,11% res1 60,97% 46,32% 125027 46,56% 249409 92,89% 50,13% rg-wg: 124382

Alter in % der EW

12% 10% 8% 6%

4%

2% 0%

j- 8

j-16

j-24

j - 32

j - 40

00 Männer~ Frauen

j - 48

j-50

20% ,-----------=B=e~ru~~~~~9a~n~d~in~0~~~d~e~r=EW~-----------,

G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803

121

Graphik 8: Die Landschaft Eyderstede nach "Tabellen"

Berufe/ Stand in% der EW 35% 30% 25% 20%

15% [

10% 5%

0% -5%

L___ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ _ ____j

rg

ks

ng

se

sek

~Männe

ld

ldk

dt

wg

rest

wg

rest

~Frauen

Graphik 9: Die Landschaft Stapelholm nach "'Tabellen"'

Berufe/ Stand in% der EW

rg

ks

ng

se

~Männe

sek

ld

~ Frauen

ldk

dt

122

G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803 Kasten3 Die Regionen nach den "Tabellen"

Ämteretc.

rg/ks

ng

se!ld

Rest

&j8.

&j50.

Hadersleben Apenrade Lügumkloster Sonderburg Norburg Tondem zus.: 85.832 Städte

2,43 2,71 2,05 2,04 2,59 3,14 2,73 5,22

13,97 7,83 30,68 5,1 16,92 15,92 15,29 53,11

44,0 51,65 36,81 73,16 51,15 48,49 47,04 13,0

39,6 37,81 30,46 19,7 29,34 32,45 34,94 28,66

18,9 17,1 14,8 20,8 21,1 17,4 18,3 16,3

21,6 22,7 21,6 18,9 20,5 22,0 21,68 22,28

Flensburg Mohrkirch Bredstedt Husum/Festl. Nordstrand Eyderstede Stapelholm Gottorf DomKap.Sch1esw. Hütten Fehmam He1goland zus.: 81.807 Städte

2,23 0,45 1,4 1,75 1,33 2,94 1,77 2,4 1,66 2,15 4,11 4,32 2,18 5,63

12,59 10,58 14,4 12,26 11,62 17,62 11,31 9,52 11,76 4,73 12,29 6,04 11,82 55,91

38,46 43,16 47,16 47,65 23,52 17,32 51, 13 47,98 47,96 57,45 44,41 88,4 40,3 6,46

46,72 45,81 37,04 38,35 63,53 62,12 35,79 40,1 38,62 35,67 39,19 1,24 45,71 32,0

19,7 19,4 19,4 20,9 18,2 20,9 20,9 23,1 18,8 23,8 18,5 22,5 20,5 16,2

21,2 23,3 21,6 18,5 13,0 13,4 19,4 18,5 20,6 17,9 18,8 17,6 18,82 21 ,69

Rendsburg Hanerau Segeberg Steinburg Herzhorn Pinneberg Rantzau Dithm.-Süd Plön Ahrensbök Traventha1 Reinfeld Rethwisch zus.: 100.868 Städte, o. A1tona

2,38 1,29 2,73 1,94 1,47 1,78 1,86 2,34 5,03 3,81 4,15 2,95 3,74 2,31 7,52

13,18 15,2 14,83 19,2 17,85 19,44 18,72 14,75 25,81 20,89 23,82 18,15 16,96 17,39 59,66

43,37 38,68 39,48 34,63 28,68 47,3 38,53 29,22 39,55 30, ll 23,39 34,11 36,26 37,51 3,4

41,07 44,83 42,96 44,23 52,0 31,48 40,89 53,69 29,61 45,19 48,64 44,79 43,04 42,71 29,43

21,4 19,7 21,7 23,1 23,5 21,4 21,8 20,1 21,0 22,9 22,5 23,2 24,0 21 ,6 18,5

18,5 19,0 16,2 16,1 14,4 16,5 16,0 16,3 19,8 15,9 16,0 16,4 13,0 16,56 19,67

----------------

Angaben in %; EW = Einwohnerzahl; rg/ ks = Rang-, Kirchen- und Schulpersonen; ng = Personen mit bürgerlicher Nahrung inkl. prod. Gesinde; Se/ Ld = Seeleute mit Kindem und LandIeute mit Kindern; Rest= restliche Personen; j8. = Kinder bis inkl. 8 Jahre;j50. =Personen über 48Jahre

G. Die Volkszählungen von 1769 und 1803

123

Die immense Zahl der restlichen Haushalte wird in der Graphik für Eiderstedt, wie es heute heißt, sehr deutlich. Mehr als das im Gesamtdurchschnitt anzunehmende Gesinde von 1,35 Personen pro Bauernhaushaiti Anwesen ist daraus für das reiche Bauernland abzuleiten. Und zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten für die vielen unterbäuerlichen Haushalte mag es gegeben haben. Ganz anders in Stapelholm: kaum Anwesen, so scheinen diese Zahlen auszusagen, eher Kätner als Hufner im Rußgebiet vielleicht, und die mit wenig Gesinde und Tagelöhnern. Soweit wenige Hinweise auf große und kleine Regionen Schleswig-Holsteins, die zeigen sollten, wie weit das genauer untersuchte Gebiet Gottorf strukturell Ähnlichkeiten mit der Gesamtregion aufwies, welche erheblichen Differenzierungen aber zugleich zu berücksichtigen sind (zusammenfassend Kasten 3). Jetzt folgen siedlungssoziologische Überlegungen.

H. Die Strukturen der Städte und Dörfer Oben war vom gravierenden Unterschied gesprochen worden, den Stadt und Dorf für die Menschen des 18. Jahrhunderts bedeutet haben: stärker als der zwischen Meister und Geselle, Bürger und Kleinbürger (Kocka). In einer bestimmten Weise können die hier genutzten Datenbanken dies bestätigen. Der Stadt-Land-Gegensatz bestand schon in der Größenverteilung beider sehr deutlich. Zwei Graphiken (10, 11) zeigen gleich, daß die Dorfgröße endet, wo die Kleinstadt beginnt. In den "Tabellen" der Volkszählung lassen sich eine Vielzahl von ländlichen Gemeinden isolieren, die real als Dörfer einzuschätzen sind, selbst wenn - in den Marschgegenden etwa - zum Teil Kirchspiele und sogar -vogteien als solche in die Betrachtung einbezogen werden, solche, die räumlich nur kleine Gebiete, eben die von Dörfern umfaßten. Für das Gebiet Gottorfs wurden die Mannzahlregister direkt nach Orten aufgenommen, die nicht immer schon Dörfer gewesen sind, sondern selten auch Einzelanwesen und ähnliche Kleinsiedlungen. Insgesamt sind es in der gottorfischen Datenbanketwa 180 Orte; wenige davon sind Einzelanwesen, die allein oder sogar in anderen Orten standen, wie die stets zuerst unabhängig vom Standort notierten Amtshäuser. Darin enthalten sind auch jene Orte, deren Bevölkerungszahl aus den Amtsrechnungen- statt Mannzahlregistern - geschätzt wurden, indem darin gezählte Haushalte der verschiedenen Besitzstandsgruppen mit den sonst in Gottorf gefundenen Haushaltsgrößen bewertet worden sind. Der Durchschnitt dieser 78 Orte ist gegenüber den 107 mit Mannzahlregistern erhobenen etwas geringer: 111 statt 122 Einwohner; die Differenz wird ein Quellenproblem sein, weil in den Amtsrechnungen einige - steuerfreie - Haushalte nicht erfaßt sind 1• Nun bestand dieses Herzogtum Holstein-Gottorf aus Streubesitz vom Nordwesten bis zum Südosten Holsteins, und es lassen sich für die verschiedenen, jeweils zusammenhängenden Gebiete differierende Zahlen aufzeiI Zu berücksichtigen waren dabei in den Amtsrechnungen die selbständigen Haushalte mit Besitz, die zu Zahlungen veranlagt waren, und die Instenverzeichnisse. Die gottorflschen Amtsrechnungen zeigten sich -wie gesagt -meist als relativ modern ausgefertigt.

126

H. Die Strukturen der Städte und Dörfer

gen. Im ländlichen Bereich, der etwa vom Kieler bis Neumünsteraner Umland reichte, hatten die 81 Orte im Schnitt nur 97 Bewohner. Die 31 Orte Cismars und Oldenburgs im Güterdistrikt hatten 135 Personen, und im Bereich der Ämter Trittau, Reinbek und Tremsbüttel (im Nordosten Hamburgs) waren es bei 66 Orten 134. Die in dieser Arbeit mangels hinreichender Quellen unberücksichtigt gebliebene gottorfische Landschaft Norderdithmarschen an der Westküste des Landes erlaubt keine genaue Ortsgrößenbestimmung, ich gehe von Durchschnitten um 150 Personen pro Ort aus; das dortige Mannzahlregister umfaßt tatsächlich nur Männer (Gesinde inklusive). Im Bereich der "Tabellen" sind die als Dörfer eingruppierten 188 Orte im Schnitt nur 214 Personen groß, obwohl sogar eine Reihe räumlich kleiner Kirchspiele darin enthalten ist. In einigen Regionen, wie in Steinburg, bestand eine recht enge Besiedelung, in denen Dörfer und Kirchspiele sehr ähnlich waren. Insgesamt kann aus den verschiedenen Datenbanken Gottorfs und der "Tabellen" eine durchschnittliche Ortsgröße von circa 1SO Einwohnern abgeleitet werden (n ca. 500), wobei auch die gelegentlich vorkommenden Einzelanwesen berücksichtigt werden mußten. Werden aus Gottorf nur die als Dörfer definierten Orte ausgewählt, indem eine Mindesthaushaltszahl von sechs und eine Mindesteinwohnerzahl von 28 zugrunde gelegt wird (größter Einzelhaushalt 27 EW), so daß 84 Dörfer die Basis bilden, finden wir eine Durchschnittsgröße von 149 Personen. Unerwähnt blieb bisher eine kleine Gruppe von Flecken, Orte mit gewissen Rechten, die sie gegenüber den Dörfern den Städten annäherten. Sie kommen nicht oft vor. Gut untersucht (1990) ist der Flecken Neumünster mit circa 2.300 Einwohnern. Weitere Beispiele sind Heide und Elmshorn, zu denen genauere Daten nicht vorliegen, sowie der relativ kleine Flecken Braunschweig, heute der Kieler Stadtteil Brunswik (ca. 330 EW nach Amtsrechnung). Sie sind - gegenüber Dörfern - deutlich Gewerbezentren und erscheinen - gegenüber den Städten - als Ackerbürger-Orte; mit anderen Worten: auch die landwirtschaftliche Funktion war in ihnen noch ausgeprägt, während Bauern in den Städten äußerst selten waren.

H. Die Strukturen der Städte und Dörfer

127

Graphik 10: Die Verteilung der Dorfgrößen

Bevoelkerung Schleswig, Holstein ... um 1769 Ortsgroesse: alle Doerfer, T=6

200

150

100

50

0 0

0,5

1.5

2

2,5

3

3,5

4

4,5

5

7,5

10

15

20

25

30

35

40

45

50

60

70

>80 80

in Hundert Graphik 11: Die Verteilung der Städtegrößen

Bevoelkerung Schleswig. Holstein ... um 1769 Ortsgroesse: alle staedte, T= 1

12 10 8 6

4

2 0

0

0,5

1

1.5

2

2,5

3

3,5

4

4,5

5

7,5

10

15

in Hundert

20

25

30

35

40

45

50

60

70

80

>80

128

H. Die Strukturen der Städte und Dörfer

Die Städte, soweit sie in den "Tabellen" vorkommen, hatten im Schnitt 2.887 Einwohner. Die Graphik 11 stellt dartiber hinaus auch die anderen Städte der Region dar und enthält Lübeck als eine Altona ziemlich genau entsprechende "Großstadt" (ca. 18.000 EW), sowie einige mittlere und kleinere Orte. Gegenüber der Graphik 10 zu den Dörfern/ Kirchspielen wird nun die deutliche Abgrenzung beider Gruppen erkennbar: wo die Dörfer enden beginnen die Städte. Der größte genauer erfaßte Ort in den Mannzahlregisternist Grömitz an der Ostsee (629 EW), und die kleinsteerfaßte Stadt war zu jener Zeit Segeberg mit 563 Personen (dann Krempe 769 EW). Werden nur die größeren Kirchspiele aus den "Tabellen" nach ihrer Verteilung angesehen, die nicht als Dörfer eingeordnet wurden, so kommt dabei ein Durchschnitt von auch lediglich 613 Personen heraus, wobei sich eine bipolare Verteilung ergibt (max: 51- 150 und 751 - 1500; bei Gebieten, die nur in Harden oder Kirchspielvogteien erfaßtvorliegen, ist der Schnitt2.098 EW). Für bestimmte soziale Verknüpfungen und Kommunikationen - das soll hier nicht untergehen - sind die Kirchspiele für die Gemeinschaften doch wohl von beträchtlicher Bedeutung gewesen. Das durchschnittliche DorfGottoffs mit seinen 149 Einwohnern scheint für Schleswig-Holstein zum Ende des 18. Jahrhunderts durchaus typisch gewesen zu sein. Dennoch haben auch Kirchspiele und -vogteien eine soziale Funktion gehabt, weshalb deren Durchschnittsgröße stellenweise mitzubedenken ist; insbesondere in den reichen Marschgebieten sind sie mit Dörfern nahezu identisch gewesen. Die "Tabellen" zeigen für Süddithmarschen deren Größe mit 202 Personen, die in Steinburgs Wilstennarsch mit 225 und die dort in der kleinen Kremper Marsch mit immerhin 488. I. Segregation

Um die Struktur des Dorfes jener Zeit weiter zu erhellen, wird künftig nur auf jtne 84 gottorfische Dörfer zurückgegriffen, deren Daten aus den Mannzahlregistern stammen. Es soll, während bisher historische Gemeindesoziologie bezogen auf die Gemeinde als Untersuchungsfeld dargestellt wurde, jetzt eingeschränkt Gemeinde als Unterschungsobjekt behandelt werden. Dörfer und Städte werden auf typische Merkmale hin analysiert. Letzteres war bisher primär Anliegen der Sozialökologie, wie sie besonders Friedrichs (1980) vorgestellt hat 2 . Dabei wurden eine Reihe zweckmäßiger 2 Gemeindestudien sind meist lediglich Eingrenzungen der Untersuchungsregion. Das gilt schon für die erste hierzulande durchgeführte "klassische" Arbeit, die Dannstadt-Studie (1955ff, Bd. 1:

I. Segregation

129

Verfahren angeboten, auf die jetzt zum Teil zurückgegriffen wird, ohne daß eigens deshalb eine kritische Auseindersetzung mit der Sozialökologie nötig scheint, die innerhalb dieser Forschungsrichtung in jüngerer Zeit selbst geführt wird (etwa: Friedrichs, 1988). Es soll auf den Prozeß der Segregation bezug genommen werden, das ist in Friedrichs Theorie sozialräumlicher Organisation "der zentrale Bereich der Stadtanalyse", wobei hier nur wenig auf die Folgen sozialer Differenzierung - als dem einen die Segregation betreffenden Aspekt - eingegangen werden kann, nicht viel über das allgemein zum Stadt-Land-Gegensatz Gesagte hinaus. Die Situationen in Stadtteilen und verschiedenen Dörfern geben aber auch Hinweise zu Folgen, die sich aus der Segregation ergeben, obgleich nur Zustände und keine Abläufe Gegenstand dieser Untersuchung sind. Es geht primär um den zweiten Aspekt der Segregation, die ungleiche Verteilung der Bevölkerungsgruppen in der Stadt, und- in Erweiterung des entsprechenden Ansatzes - auch den Dörfern; die werden diesbezüglich analog zu Stadtteilen als Teil eines Ganzen gedacht, um dann nach Abweichungen einzelner Dörfer zum Durchschnitt zu fragen, wie sonst bei Stadtteilen von Städten. Wir werden dabei - nebenbei bemerkt -andere Verteilungen finden als sie Friedrichs (1980, S. 216) für die mittelalterliche(!) Stadt betont: dort habe es "räumliche Konzentrationen von einzelnen Gruppen des Handwerks" und "deutliche räumliche Distanzen zu sozial verachteten Gruppen", den" Tagelöhnern, Kranken und Asozialen" gegeben. Bezogen auf die 84 Dörfer Gottorfs, die also als eine Einheit dörflichen Lebens gedacht werden, um die Frage nach einer ungleichen Strukturierung in ihnen zu beantworten, ergibt sich allerdings ein besonders starker Einfluß durch kleine Gruppen. Und das ist für die Städte ähnlich zu sagen. Die vorkommenden großen Gruppen sind meist auch am gleichmäßigsten verteilt. So sind die häufigen dörflichen Insten (hier inkl. Altenteiler!) mit einem Segregationsindex IS3 von 17 gemessen worden. Das ist der kleinste Wert überhaupt, der nun besagt, daß diese Gruppe in den Dörfern besonders "durchmischt" gelebt hat. Den weitaus größten Wert haben allerdings Kötter), die sich an der Arbeit der Lynds, Middletown (1 929), orientiert; diese wiederum hatten keine Gemeindestudie vor Augen, sondern waren an Ogbums cultural lag orientiert. Eine ganz andere- spannende- Form: Clausen/ Clausen ( 1984); simpler meine Rekonstruktion aller Gebäude und deren Bewohnerfür Krempe 1803, siehe (1990). 3 Zur Berechnung der Segregation wird der von Friedeichs (S. 218ff) empfohlenen Index von Duncan/ Duncan - lS - benutzt, der die Segregation einer Gruppe gegenüber allen anderen mißt. Ausgedrücktwird das Ergebnis in einem Wert zwischenO und 100, wobei die Höhe des Werts den Prozentsatz aller Haushalte angibt, die umziehen müßten, um eine Gleichverteilung im Gesamtgebiet zu erreichen. 9 Hennings

130

H. Die Strukturen der Städte und Dörfer

selbstverständlich - jene, die nur in einigen Ämtern vorkommen, wie etwa die Bödner (IS 80); und die Haushalte der wenigen Gewerbebetriebe, wovon ja einer ein eigenes Dorf darstellte, kommen auf eine ähnliche - faktisch unbrauchbare- Größe (IS 83). Sonst bestätigt sich hier die relative Homogenität dörflicher Strukturen. Hufner und Kätner (ohne Altenteiler) haben Werte von 29 und 42. Darin kommt- neben einer relativen Gleichverteilung der Hufner- zum Ausdruck, daß Kätner schon bestimmte Konzentrationen bildeten, die vielleicht später zu Kätner-, dann eher gewerblich bestimmten Dörfern geführt haben; ein Teil des Werts kommt aber wieder durch regionale Verschiedenheit zustande, wobei in einzelnen Ämtern statt Kätnern eher Bödner ansässig gewesen sind. Auch die Hirten haben mit 35 noch eine relative Gleichverteilung, und das gilt mit 32 auch für Kirchenleute und Schulmeister gemeinsam, die sich in den Dörfern ja gegenseitig ergänzten; wo kirchliche Lehrer waren, gab es kaum Schulmeister. Als ein städtisches Beispiel wird - bezüglich der Segregation - noch einmal Flensburg des Jahres 1803 verwendet (weiter unten mehr zu den Städten), um die Zahlenwerte (IS) besser verstehbar zu machen. In Flensburg war ein "Hafenviertel" ausgeprägt, ein Hauptzentrum als wichtiger Standort reicher Kaufleute gab es, und ein Gebiet, in dem viele Schlachter und Brauer/ Brenner ansässig waren. Bezogen auf den angesprochenen Segregationsindex sind die Wirtschaftsgruppen dennoch einigermaßen gleich verteilt. Die Gruppe A, Arbeitsleute und einfache Seefahrende, wies bei 34 Rensburger Distrikten - den Wert 22 auf, der gleich nach dem Handwerk (WG B, ohne Nahrungsgew .) mit 20 einer der kleinsten war. Das nicht so häufige Nahrungsgewerbe folgt mit 33, während das auch eher kleine Verkehrsgewerbe (WG D) wegen des Hafens die deutlichste Segregation aufwies (IS 42). Besitz- und Bildungs-bürgertum (WG E, F) lagen mit 37 und 39 nahe beieinander und im oberen Bereich. Sie konzentrieren sich etwas auf die "besseren" Gegenden. In anderen Städten gab es zum Teil bezüglich der Segregation Besonderheiten. So war 1769 in Rendsburg nur in einer erst im Zuge des Festungsausbaus zum Ende des 17. Jahrhunderts geschaffenen Neustadt die Ansiedlung für die kleine jüdische Gemeinde erlaubt. In Kiel siedelte - wie unten noch ausgeführt wird- Ende des 18. Jahrhunderts etwa die Hälfte der Bevölkerung schon in der Neustadt vor dem Tor. Außerhalb der Stadtbefestigung im Quartier I (von vieren) fand sich dort eine deutlich anders strukturierte Wohnbevölkerung; die Reichen und vor allem die Gebildeten mieden diesen

I. Segregation

131

Außenbezirk. Vor dem Tor Kiels war es in der Tat - wenn auch getragen von einigen Kaufleuten und anderen Reichen - zu einer auffallenden Ansiedlung ärmerer Schichten gekommen. Dort betrug der Anteil von Haushalten der Wirtschaftsgruppe A an die 45%, während es in der ganzen Stadt gut 35% waren (in drei Innenquartieren: minimum gut ein Viertel, maximum ein gutes Drittel). Das war eine schon auffallend ausgeprägte Randsituation. Bei allgemeiner Durchmischung sozialer Milieus in den Städten fanden sich zugleich gewisse soziale Differenzierungen unterschiedlich abgestufter Stadtkerne, wenn auch keine größeren Unterschichtsgebiete. Eher herrscht funktionale Differenzierung als eine soziale vor. Das liegt vor allem daran, daß selbst ärmliche Gegenden offenbar überwiegend aus Gebäuden bestanden, in denen ihre Eigner selbst wohnten. Für Kiel sind wenige Häuser als bloße Mietshäuser in der inneren Altstadt erkennbar. Solche dort relativ konzentriert am Rande der Vorstadt gefundenen Straßenzüge mit deutlichen Kennzeichen sozial tief stehender Gebiete gab es etwa in Rensburg nur in viel kleinerem Umfang. In Kiel war der Große Kuhberg mit 275 Haushalten eine der Ausfallstraßen der Vorstadt, die aber am Unterzentrum der Neustadt unmittelbar vor dem Tor begann; dort war die Haushaltsgröße 3,34 Personen bei 0,22 Gesinde darin (Vorstadt ganz 3,77). Allerdings unterschied sich die Kernfamilie (2,97) vom städtischen Durchschnitt kaum. Hier lebten erkennbar ärmere Leute. Arbeitsleute und Sonstige, die faktisch als sozial ganz ähnlich einzuschätzen sind, überwiegen. Die Wirtschaftsgruppe A hat hier 56% der Haushalte, Kaufleute und Bildungshaushalte - genauer: Wirtschaftsgruppen E und F - weisen 6% auf (ganz Kiel 25%); Haussteuer wurde selten gezahlt (17% zu 30%). Dabei waren die Haushaltsvorstände (nur 1 je HH, ma oder fr) im Großen Kuhberg nur geringfügig älter als in der Gesamtstadt Für Rensburg 1769 hatte ein Vergleich der jeweils fünf ärmsten mit den fünf reichsten Distrikten (von 31) und bei Ausgrenzung von Arbeits- und einfachen Seeleuten gezeigt, daß in Haushalten, in denen Gesinde relativ normal war, dieses in reichen Distrikten ungef