Ethik der Macht: Sozialwissenschaftliche und theologische Aspekte [1 ed.] 9783428481453, 9783428081455

Am Anfang der Untersuchung geht es um den Begriffsinhalt von Macht. Die von Max Weber vorgelegte Definition bildet für v

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German Pages 113 Year 1994

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Ethik der Macht: Sozialwissenschaftliche und theologische Aspekte [1 ed.]
 9783428481453, 9783428081455

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Rolf Kramer . Ethik der Macht

Sozialwissenschaftliche Schriften Heft 29

Ethik der Macht Sozialwissenschaftliche und theologische Aspekte

Von

Rolf Kramer

Duncker & Humblot · Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Kramer, Rolf: Ethik der Macht : sozialwissenschaftliche und theologische Aspekte / von Rolf Kramer. Berlin : Duncker und Humblot, 1994 (Sozial wissenschaftliche Schriften ; H. 29) ISBN 3-428-08145-5

NE:GT

Alle Rechte vorbehalten © 1994 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübemahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0935-4808 ISBN 3-428-08145-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier gemäß der ANS I-Norm für Bibliotheken

Vorbemerkung Die Machtfrage als ethisches Problem ist in den letzten Jahren nicht umfassend behandelt worden. Allerdings wurde Macht in den Einzeldisziplinen als wichtiger Faktor erkannt. In der Soziologie gab sie nach der entscheidenden Arbeit von Max Weber immer wieder Anlaß, über die Definition von Macht nachzudenken. Die Politik beschäftigt sich ohnehin immer von neuen mit dem Problem der Macht. Der gesamtwirtschaftlichen Betrachtung wurde die Tagung zum hundertjährigen Bestehen des Vereins für Socialpolitik 1972 gewidmet. Im einzel wirtschaftlichen Bereich rückt die Machtfrage im Bereich Organisation, Entscheidung und Führung immer stärker in den Vordergrund. Die Kirchenpolitik und die Theologie, speziell die Ethik, haben zwar immer die Macht-Problematik erkannt. Aber als umfassende Frage wurde sie kaum aufgegriffen. Diese Arbeit mächte einen Beitrag zum interdiziplinären Gespräch leisten und zum Nachdenken über Macht und ihre Verantwortung neu anregen. Dafür, daß auch dieses Buch wieder im Verlag Duncker und Humblot erscheinen kann, weiß sich der Verfasser mit großer Dankbarkeit dem Verleger verpflichtet! Zu danken für das unermüdliche Besorgen von Büchern aus verschiedenen Bibiotheken ist stud. theol. Jens Giese. Zuletzt gilt ein besonder Dank dem treuen Freund Dipl.-Ing. Horst Plath, der sich erneut der mühsamen Arbeit des Korrekturlesens unterzogen hat. Berlin, den 15. August 1994

Ralf Kramer

Inhaltsverzeichnis Einleitung ..... . .......................................................................

11

Erstes Kapitel

Allgemeine Abgrenzungen

12

I. Definitionen der Macht ...... . ........ . ......................... . ...............

12

11. Macht und Gewalt ...............................................................

16

III. Sprachliche Differenzierungen ........ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

18

Zweites Kapitel

Der soziologische Gebrauch von Macht

22

I. Die geschichtliche Entwicklung der Macht .................................

22

11. Max Webers Macht- und Herrschaftsdefinition ............................

24

A. Max Webers Machtbegriff ........... ............................... .......

24

B. Max Webers Herrschaftsbegriff .. .........................................

25

C. Die Beziehung von Bürokratie und Macht ..............................

27

D. Würdigung der Weber'schen Begrifflichkeit ... ........................

28

III. Die soziale Dimension von Macht ............................................

30

Drittes Kapitel

Macht unter biblisch-theologischen Aspekten

34

I. Der Machtbegriff im Alten Testament .......................................

34

A. Gottes Macht .................................................................

34

B. Des Menschen Macht ........................................... ........ ....

37

8

Inhaltsverzeichnis 11. Der neutestamentliche Machtbegriff ..........................................

37

A. Allgemeine Begrifflichkeiten ....................... . ................. . ....

38

B. Gottes Macht in Christus..... . ..... . ....................................... 1. Christi Vollmacht ........................................................ 2. Christi Ohnmacht als Macht ...........................................

39 39 41

C. Die Macht des Menschen ..................................................

43

Viertes Kapitel

Die gegenwärtige theologische Behandlung der Macht

46

I. Gottes Allmacht ..................................................................

46

11. Das Verständnis von menschlicher Macht .... ........... ...................

47

A. Die Macht und der Sündenfall .................... . .. . ........... . ........

48

B. Die Macht in der ökumenischen Theologie .............................

49

111. Karl Barth .........................................................................

51

A. Gottes Allmacht .............................................................

51

B. Menschliche Macht .........................................................

52

IV. Paul Tillich .......................................................................

54

V. Helmut Thie1icke ................................................................

56

A. Gottes Allmacht .............................................................

56

B. Die Macht der Menschen .................................. . ...............

57

VI. Macht in den Kirchen ...........................................................

59

A. Machtvorstellungen in der evangelischen Kirche ......................

60

B. Macht in der römisch-katholischen Kirche ..............................

61

C. Der Machtfaktor zwischen den Konfessionen ..........................

64

Fünftes Kapitel

Die politische Macht

67

I. Die Schutzfunktion der Macht ................................................

68

11. Grenzen und Kontrollen der Macht ................. . ........................

68

III. Das Verhältnis von Organisation und Macht ...............................

70

Inhaltsverzeichnis

9

Sechstes Kapitel

Wirtschaftliche Macht

74

I. Wirtschaftliche Macht in der Makroökonomie .............................

75

A. Die geschichtliche Problematik von Macht und Gesetz ..............

76

B. Macht und Rahmenordnung .......... .............. ....... ..... ..... ......

80

11. Konzentration von Macht ......................................................

81

A. Machtkonzentration in der Theorie von Karl Marx ...................

81

B. Die Macht des Geldes ......................................................

83

c. Machtkonzentration in der Marktwirtschaft. ............................

85

D. Eingrenzungen der Macht ............. ............................... ......

90

III. Wirtschaftliche Macht in der Mikroökonomie ..............................

91

A. Macht im personalen Bereich .............................................

93

1. Die Macht in der autokratischen Führung ...........................

94

2. Macht im kooperativen Führungsstil .......... . .. . ............. . .. . ..

95

3. Weitere Unterscheidungen .............................................

97

Siebtes Kapitel

Verantwortete Macht -

eine ethische Zuammenfassung

99

I. Macht in theologischer Deutung ..............................................

100

11. Machtgebrauch in der Kirche .................. . ................... . ...........

102

III. Machtgebrauch in der Soziologie .............................................

103

IV. Machtgebrauch in der Politik..................................................

103

V. Machtgebrauch in der Wirtschaft.............................................

104

Literaturverzeichnis ................................................................

108

Einleitung Macht ist eine der wichtigsten "Grundrnächte" des menschlichen Lebens I. Sie durchzieht das ganze menschliche Dasein. Macht ist keineswegs gebunden an physische oder psychische Faktoren. Schließlich ist auch die Macht der Tiere nicht von ihrer Größe abhängig. Zwar besitzen Elefanten, Tiger oder Panther eine große Kraft. Aber die Macht von Bakterien oder Viren ist im Vergleich zu ihrer Winzigkeit fast ungeheuer groß. Sie sind "blind und unfrei"2 und zweckgetrieben. Die Natur gibt ihnen ihren Zweck. Macht ist als ,,kausale Zweckkraft durch das ganze Lebensreich verbreitet"3. Aber die Macht des Menschen ist von allen naturhaften Zwecken gelöst. "Nur beim Menschen ist die Macht durch Wissen und Willkür vom Ganzen emanzipiert und kann ihm und sich selbst verhängnisvoll werden"4. Nach Justus Jonas stellt die Macht allein beim Menschen die Verknüpfung des W ollens und Sollens dar. Bei ihm erhebt sich dann aus dem Wollen das Sollen. Vielfach wird Macht allein in einer Beziehung unter den Menschen gesehen, also als soziale Macht. Gemeinhin ist Macht zusammen mit Liebe und Gerechtigkeit einer der Begriffe, die besonders die zwischenmenschlichen Beziehungen gestalten. Der Machtbegriff ist sowohl auf das Indviduum wie auch auf Gruppen, Verbände und Körperschaften - gleichgültig ob sie nun organisiert sind oder nicht - zu beziehen. Besonders heute in der Zeit der Umweltkrise und des Einwirkens der Menschen auf die Natur muß mehr als früher darauf hingewiesen werden, daß die menschliche Machtausübung immer auch die Auswirkung gegenüber den Tieren und der Natur insgesamt berücksichtigt. Es gibt also auch eine Macht, die individualistisch im Beherrschen von Naturgewalt oder im Wissen um einen Entscheidungs- oder Handlungsspielraum existiert. Und vor allem: es gibt auch eine indvidualistische Machtkomponente, die sich im Innem des Menschen selbst einfindet! Er übt Macht gegen sich aus und erstrebt sie um ihrer selbst willen. 1 2 3 4

Vgl. Karl Rahner, Schriften zur Theologie Bd. IV, Zürich, Köln 41964 S. 501. Ebenda. Justus Jonas, das Prinzip Verantwortung, Frankfurt 31982 S. 232. Ebenda.

Erstes Kapitel

Allgemeine Abgrenzungen I. Definitionen der Macht Macht ist also ein umfassendes Phänomen, das als "Grunderfahrung" in allen Lebensbereichen und gesellschaftlichen Schichten wahrzunehmen ist 1. "Sie wird ermöglicht durch die faktische Ungleichheit der Menschen" und tendiert obendrein dazu, "solche Ungleichheit zu vergrößern"2. Bei der Frage, was Macht ist, muß von einer allgemeinen Definition ausgegangen werden, die mehrfache Aspekte berücksichtigt: l. Macht ist der reine Handlungsspielraum oder die Machtstellung 3• Sie ist die Grundlage für die Fähigkeit (s. u.), Macht auszuüben. Diese Machtposition muß also von der Fähigkeit, Macht anzuwenden, unterschieden werden. Im Sinne einer Machtstellung gilt der Satz, daß Wissen Macht ist, obwohl doch nur von Wissen zu sagen ist, daß es Macht verleiht! Ebenso ist von der Macht der Idee zu sprechen. Auch die Idee besitzt aus sich nicht die Fähigkeit, Macht zu sein. Sie verleiht Macht wie das Wissen. Eine Idee wird freilich erst dann zur Macht, wenn sie sich mit dem Menschen und seinen konkreten Wünschen, Trieben und Gefühlen verbindet 4 • 2. Macht ist die Fähigkeit oder das Vermögen (Potenz), den gegebenen Handlungsspielraum auch auszujüllen 5 • Solche Fähigkeiten oder Potenz gibt 1 Zu unterschiedlichen Definitionen in Kurzform ist heranzuziehen Rolf Kiechl, Macht im kooperativen Führungsstil, Bem, Stuttgart 1985 S. 238 f. 2 Vgl. Dietz Lange, Ethik in evangelischer Perspektive, Göttingen 1992 S. 322. 3 Das beste Beispiel dafür ist der Feldwebel, der aufgrund seiner Verfügungsgewalt über knappes Material mehr Macht besitzt als viele Offiziere. Im Unteme1unen verleiht oft heute das Besitzen von Ressourcen dem Manager die entscheidende Macht. Vgl. dazu John P. Kotter, Die Macht im Management, Landsbergj·Lech 1986 S. 42. 4 Vgl. dazu Erich Preiser, Bildung und Verteilung des Volkseinkommens, Göttingen 21961 S.245 Anm.21 Vgl. dazu Romano Guardini, Die Macht, Würzburg, 1951 S. 15.

I. Definitionen der Macht

13

es in allen Lebensbereichen, in der Politik, Ökonomie, in den Kirchen, in der Theologie, der Kunst und der Kommunikation. Darum kann man auch von der Macht der Liebe, der Wahrheit, des Gebetes, des Militärs, der Politik und der Wirtschaft sprechen. 3. Macht ist schließlich eine soziale Beziehung, in der eine Verhaltensbeeinflussung eines fremden Willens durch den eigenen geschieht. Diese Überlegung wurde von Max Weber in die Diskussion eingebracht; über sie wird noch ausführlich zu reden sein. Das bedeutet, daß der eine dem anderen Menschen seinen Willen "aufdrücken" kann, und daß er sich nicht einem fremden Willen unterwerfen muß. Daß diese drei Dimensionen der Macht vorgetragen werden mußten, bedeutet, daß mit einem einzigen Machtbegriff allein nicht zu arbeiten ist. Die drei genannten Aspekte sind nicht streng voneinander zu trennen, sondern müssen miteinander verknüpft werden. Macht kann sich mit vielen Tätigkeiten des Menschen verbinden, von der Politik bis zu ehrenamtlichen Verrichtungen in Vereinen und Kirchen. Macht zu haben und in ihrer Ausübung eine gewisse Befriedigung zu empfinden, ist Ausdruck menschlichen Daseins. Denn schließlich ist "jede Tätigkeit, in welcher die unmittelbare Lebendigkeit sich auswirkt, . . . Machtausübung und wird als solche erfahren" 6. Auch Erkenntnisse, Ideen und Wissen können, wie bereits gesagt, Macht bedeuten. Die vulgäre Formel "Wissen ist Macht" stellt nicht nur eine Binsenwahrheit dar, sondern steckt seit alters in vielen Überlieferungen. "Mythen wie Märchen kennen das Wissen, welches Macht gibt. Wer den Namen einer Sache oder eines Menschen weiß, hat Macht darüber, sieht alles das, was Zauber, Beschwörung, Fluch heißt"7. Man kennt das Märchen von Rumpelstilzchen und weiß von der darin erhobenen (Macht)-Frage nach dem Namen. Besitzt nicht auch im Sündenfallbericht der Genesis der Versucher (die Schlange, der Satan) Macht, den Menschen auf eine andere Stimme auszurichten als auf die seines Schöpfers? Die Macht des Menschen als Fähigkeit, seinen Handlungsspielraum auszufüllen, korrespondiert mit dem Begriff der Freiheit. Freiheit gewährt der Macht erst den von ihr beanspruchten Raum. Freiheit ist das Umgreifende, 5 Vgl. Karl Oettle, Produktionsmitteleigentum und wirtschaftliche Macht, in: Macht und ökonomisches Gesetz, Schriften des Vereins für Socialpolitik, Berlin 1972 NF 74 Bd. 11, S. 1178. 6 Romano Guardini, Macht, S. 22. 7 Romano Guradini, Macht, S. 22.

1. Kapitel: Allgemeine Abgrenzungen

14

dem sich die Macht ein- bzw. unterzuordnen hat, während Macht die Bedingung der Möglichkeit von Freiheit schafft. Macht muß hinsichtlich ihrer Strukturen differenziert gesehen werden: Die Macht des Arbeitgebers ist eine andere als die Macht des angestellten Mitarbeiters in seinem eigenen Kompetenzbereich. Die Macht eines Monopolisten in einem lebenswichtigen Bereich ist anders zu beurteilen als die Machtposition eines Großanbieters von lebensunwichtigen Gütern. Macht darf nicht nur im Blick auf ihr Vorhandensein beurteilt werden, sondern muß ebenso unter dem Gesichtspunkt ihres Gebrauchs gesehen werden. Allein der Besitz von Macht ist noch nicht schädlich. Macht, vernünftig, d. h. verantwortungsbewußt ausgeübt, kann von den Machtlosen "ohne Gegenwehr" toleriert werden. Der Bewertungsspielraum von Macht wird nicht durch eine objektive Setzung festgelegt. Macht ist wertneutral. Wo immer in der Geschichte der Machtbegriff gebraucht wird, taucht jedoch zugleich auch die Verbindung mit der Vorstellung des Dämonischen auf. Denn Macht wird vielfach als dämonisch gesehen. Ihr eignet Besessenheit! Da das Dämonische etwas Zwielichtiges, Mehrdeutiges ist, kommt ihr sowohl etwas Positives und damit Formschöpferisches als auch etwas Negatives, also Formzerstörerisches zus. Je nach Identifizierung mit der einen oder anderen Dimension ist die Macht selbst eine zerstörerische oder aufbauende Kraft. Macht ist ambivalent: Ihr eignet ein positiver und ein negativer Wert. Sie ist böse und gut zugleich. In der Geschichte ergab sich immer wieder eine unterschiedliche Bewertung der Macht. Heroisierung wechselte mit Verdammung ab 9 • Macht wird als heilsam beurteilt, wenn es um die Erhaltung oder Durchsetzung von Ordnungsstrukturen geht. Da Macht aber oft auch im Zusammenhang mit ihrem Mißbrauch gesehen wird, sieht man sie als böse an. Aber Macht ist im Gegensatz zur Überzeugung von A. Schopenhauer oder J. Burckhardt keineswegs von vornherein als böse zu kennzeichnen. Sie ist indessen auch nicht gut, sondern wertneutral. Denn erst der Mensch macht aus ihr etwas Gutes oder Schlechtes. Sowie ja auch die Technik oder der Geschlechtstrieb nicht schlecht oder gut ist 10. Bereits Aristoteles wußte davon zu berichten, daß die Macht (Gewalt) nicht ohne Tugend (arete) und darum keineswegs an s Paul Tillich, Das Dämonische, in Ges. Werke Bd. VI, Stuttgart 1963 S. 45. Vgl. Wilfried Krüger, Untemehmungsprozeß und Operationalisierung von Macht, in: G. Reber (Hrsg.), Macht in Organisationen, S. 225. 10 Vgl. Helmut Thielicke, Theologische Ethik Bd.lI, 2 Tübingen 21966 § 1121. 9

I. Definitionen der Macht

15

sich gefährlich für die öffentliche und private Sicherheit und gar böse einzustufen ist 11. Selbst im Blick auf die Macht des Tyrannen kann Aristoteles darauf verweisen, daß dieser seine Herrschaft nicht als Usurpator, sondern als "Hausvater und König" erweisen solle. Die Folge davon ist, daß dessen "Herrschaft nicht nur schöner und beneidenswerter wird, weil sie bessere und nicht herabgewürdigte Menschen umfaßt und er nicht beständig gehaßt und gefürchtet wird, sondern daß diese seine Herrschaft auch längere Dauer gewinnt, und endlich, daß sein Charakter eine Verfassung erhält, dank deren er entweder tugendhaft oder halb tugendhaft oder doch nicht schlecht, sondern nur halb schlecht ist" 12 Subjektiv bewertet man die Macht verschieden. Wer Macht erstrebt, für den ist sie wertvoll, ohne daß er sich von vornherein vor die Notwendigkeit gestellt sieht, sie auch verantworten zu müssen. Denn der Mächtige sieht die Macht positiv. Er will sie auch behalten. Der Machtlose dagegen beurteilt sie negativ. Andererseits wird er zusehen, in den Besitz von Macht zu gelangen. Insbesondere dann, wenn er die Verhältnisse ändern und als Ohnmächtiger ein Mächtiger werden will. Andererseits will der Mächtige auch im Besitz der Macht bleiben. Die Bewertung der Macht richtet sich also nach dem Standpunkt des Inhabers der Macht oder des Noch-nicht-Mächtigen. Macht ist nicht nur in der Frage nach gut und böse ambivalent, sondern auch im Blick auf die Erhaltung und Veränderung der Gesellschaft. Niklas Luhmann spricht darum der Macht zugleich die Erhaltung des Status quo und die Möglichkeit zum sozialen Wandel zu 13. Macht ist deshalb unter dem Gesichtspunkt der Stabilität und Labilität zu sehen. Bei einer etwaigen augenblicklichen Stabilität braucht es nicht zu bleiben. Denn es ist keineswegs offenkundig, daß der Handlungsspielraum auf Dauer gesichert ist. Der jetzige Inhaber mag sich eine Möglichkeit geschaffen haben. Sie kann aber auch nur im Augenblick für ihn einfach vorhanden sein. Diese Situation dann vor, wenn die Mächtigen entweder von ihrer Macht nichts wissen oder von ihrem Spielraum keinen Gebrauch machen wollen. Die Besitzer des augenblicklichen Handlungsspielraumes sind nicht gegen einen Machtverlust geschützt 14. 11 Aristoteles, Politik, übersezt von Eugen Rolfes, Hamburg 41981 1. Buch 6. Kapitel Nr. 1255a. Dort heißt es: "Demnach scheint die Macht (bfa) nicht ohne Tugend (arete) zu sein". 12 Aristoteles, Politik, V. Buch, Kapitel 11, 1315b. 13 Vgl. Wilhelm Weber Wilhelm Heinen, Wirkformen und Ursprünge von Macht und Herrschaft, in: Macht, Dienst Herrschaft in Kirche und Gesellschaft, Hrsg. Wilhelm Weber, Freiburg, Basel, Wien, 1973 S. 22.

1. Kapitel: Allgemeine Abgrenzungen

16

Macht kann auch verloren gehen. Eine Macht-Stabilität kann zu einer Labilität des Besitzes werden 15. Zwar kann Macht als selbständiger Faktor ohne eine Verbindung zum Eigentum existieren. Aber Eigentum zu haben, bedeutet, Macht zu haben. Denn Eigentum verleiht Macht. Macht kann also in Verbindung mit Eigentum gesehen werden. Wer Eigentum (nicht nur an Produktionsmitteln) hat, besitzt nicht nur ökonomische Macht, sondern hat auch politische und gesellschaftliche Relevanz. Darum ist Macht in Abhängigkeit von Prestige zu sehen. Einerseits verleiht Macht Prestige; andererseits existiert auch das umgekehrte Verhältnis: Prestige 16 gibt der Macht entsprechende Einflußmöglichkeit.

11. Macht und Gewalt Der Begriff Macht ist in enger Verbindung mit weiteren, ähnlichen Begriffen wie Herrschaft, Autorität, Gewalt oder Zwang zu sehen. Vielfach stellen sich in Verbindung mit der Macht Verhältnisbegriffe ein wie Herr und Knecht, Vorgesetzter und Mitarbeiter. Es ist deshalb unerläßlich, auch auf solche Wortbezüge einzugehen. Wenn Macht durch Gewalt oder Zwang gekennzeichnet wird, impliziert es Unterdrückung. In vielen Gesellschaften wird Machtpolitik mit Gewalt verbunden. In der Geschichte gehörte für die Bereiche Staat und Kirche die Ausübung von Macht zur praktizierten Politik. Oft war damit die Anwendung von Gewalt verbunden. Das hat sich im Blick auf den Staat bis heute nicht geändert. "Die ,Ruhe und Ordnung' im Innern der politischen Gemeinwesen wurde seitens der priviligierten Klassen gegenüber den unterpriviligierten Massen fast immer durch mehr oder weniger intensive und extensive Anwendung roher Gewalt gesichert" 17. Macht geht eben oft mit Gewalt einher. Obwohl das so ist, darf aber Gewalt nicht mit Macht gleichgesetzt werden. Denn Macht bedarf keineswegs der Gewalt. Oft neigen gerade diejenigen zur Gewalt, die keine Macht besitzen oder diese verloren haben. Ein Verlust an Macht führt stärker als erlittene Ohnmacht zur Gewaltanwendung. Gewalt Vgl. Karl Oettle, Produktionsmitteleigentum, S. 1180. Vgl. Karl Oettle, Produktionsmitteleigentum, S. 1179 f. 16 Prestige kann verstanden werden als das Ansehen, das eine Person aufgrund ihrer sozialen Stellung genießt. 17 Ossip K. Flechtheim, Gewalt, in: Wörterbuch der Soziologie, Rrsg. W. Bemsdorf, S. 369 f. 14

15

11. Macht und Gewalt

17

ist dann gleichsam der Ersatz für verlorene Macht. Darauf hat Hannah Arendt nachdrücklich hingewiesen 18. Gewalt kann zwar nicht aus der Macht abgeleitet werden. Aber es ist möglich, Macht und Gewalt in einem eng begrenzten Zusammenhang zu sehen 19, so daß Macht aus der Gewalt hergeleitet wird. Im politischen Bereich können Macht und Gewalt zu Gegensätzen werden, so daß dort, wo Gewalt absolut herrscht, Macht gar nicht mehr vorhanden ist 20 . "Gewalt tritt auf den Plan, wo Macht in Gefahr ist; überläßt man sie den ihr selbst innewohnenden Gesetzen, so ist das Endziel, ihr Ziel und Ende, das Verschwinden von Macht"21. Aber Gewalt kann auch nur eine spezielle Macht-Aktion (Wahrnehmung der Handlungsmöglichkeit) zum Ziel haben, um so zu einer absichtlichen (köperlich wie seelischen) Verletzung zu kommen. Dann fallen Gewaltanwendung und Machtausübung zusammen. Während die Wahrnehmung von Macht geradezu grenzenlos gesteigert werden kann, ist Gewalt mit dem Tod dessen, gegenüber dem Gewalt angewandt wurde, zu Ende 22. Geht es um die Macht in einem staatlichen Gemeinwesen, ergibt sie sich aus dem historischen Ursprung derer, die sich zu diesem Gemeinwesen oder zu dieser Gruppe zusammengeschlossen haben. Gegenüber der Macht ist zu formulieren: Gewalt kann man rechtfertigen. Sie kann aber nicht legitimiert werden. Ihre Berechtigung erfährt sie durch eine Ziel- oder Zwecknähe 23 . Anders verhält es sich it der Macht. Hannah Ahrendt formulierte: "Macht bedarf keiner Rechtfertigung, da sie allen menschlichen Gemeinschaften immer schon inhärent ist. Hingegen bedarf sie der Legitimität"24. Ihre Grundlage ist recht unterschiedlich; sie kann auf dem Arbeitsvertrag beruhen. Sie kann positionsabhängig und mit dem Amt verbunden sein. Sie kann aber auch auf Autorität beruhen. 18 Hannah Arendt, Macht und Gewalt, München 21971 S. 55. Vgl. Leo Joseph Penta, Macht und Kommunikation, Eine Studie zum Machtbegriff Hannah Arendts, Phil. Diss. 1985, S. 68 f. 19 Gegen H. Arendt, Macht, S. 58, die meint, daß weder Macht aus der Gewalt noch Gewalt aus der Macht abzuleiten sind. 20 Als gute Beispiele dafür können der Einmarsch der Roten Armee 1956 in Ungarn und der des Warschauer Paktes in die ehemalige Tschechoslowakei gelten. Nach H. Arendt, Macht, S. 57 kann Gewalt Macht vernichten. 21 H. Arendt, Macht, S. 57. 22 Vgl. Heinrich Popitz, Phänomene der Macht, Tübingen 1986 S. 78. 23 Vgl. H. Arendt, Macht, S. 53. 24 H. Arendt, Macht, S. 53. 2 Kramer

1. Kapitel: Allgemeine Abgrenzungen

18

Heute wird gern eine ,gemäßigtere' Ausdrucksweise gebraucht, um das Phänomen Macht zu umschreiben und um nicht direkt von ihr zu sprechen. Man redet deshalb von Einfluß-Möglichkeiten. Da nicht jeder potentielle Einfluß auch Macht darstellt, glaubt man, nicht den stärkeren Ausdruck verwenden zu sollen. Hinter solchen Vorhaben steht freilich meistens eine kritische Bewertung der Macht. In den überlieferten Typen der Macht unterscheidet man:

-

militärische Macht

-

politische Macht

-

kirchlich gebundene oder ideologische geprägte Macht

-

ökonomische Macht

-

persönliche, psychologische, autoritätsgebundene Macht 25 •

Wer Macht besitzt, übt Funktionen aus und hat bestimmte Positionen inne. Mit der Machtausübung stellt sich auch der Machtmißbrauch ein. Wer seine Funktionen und Positionen und damit seine Amtsträger-Potestas verliert, muß auch seine Macht aufgeben. Die Furcht vor einem derartigen Verlust führt darum zur Übersteigerung von Machtausübungen. Andererseits verführt die einmal erworbene Macht auch dazu, sie als Selbstzweck zu erhalten. Macht und Machterhaltung ist dann nicht mehr zielgerichtetet zu Gunsten von Personen und Sachen, sondern Selbstzweck. Eine solche Macht ist nicht lebensnotwendig, sondern im wahrsten Sinne zwecklos.

111. Sprachliche Differenzierungen Das deutsche Wort "Macht" geht auf das Gotische ,magan' zurück, das ,können' und ,vermögen' bedeutet. Dieser Inhalt ist von Anfang an mit dem Begriff Gewalt verknüpft 26 • Gewalt meint dabei eine Machtaktion, die einem anderen materiellen oder immateriellen Schaden zufügt. Macht wird nicht nur im deutschen Sprachraum, sondern auch in anderen Sprachen durch verschiedene Wörter wiedergegeben. Im Lateinischen werden die Wörter: potentia, potestas, auctoritas dominium oder imperium gebraucht.·Das Wort potentia meint das Vermögen und 25 Vgl. Verena Burkolter-Trachsel, Zur Theorie sozialer Macht, Bern und Stuttgart 1981 S.84. 26 Karl Georg Faber, Macht, in: Brunner u. a.: Geschichtliche Grundbegriffe, Bd. 3, Stuttgart 1982 S. 836.

III. Sprachliche Differenzierungen

19

die Kraft. Es drückt die übennäßige Macht aus. Im nicaenischen Glaubensbkenntnis heißt es: Credo in unum Deum, patrem omnipotentem (patera, pantokratera), also "ich glaube an den einen Gott, den allmächtigen Vater". Geht es dagegen um potestas, so steht die Amtsgewalt im Mittelpunkt. Aber sie meint immer zugleich auch die damit verbundene Macht. Bei der potestas handelt sich um die dem Funktionär zugewiesene Gewalt oder Macht, die verfassungsmäßig geregelt ist und die gesetzlich dem Träger des Amtes zuerkannt wird. Sie bevollmächtigt ihn, seine Befugnisse wahrzunehmen. Während potestas es mit Zwang zu tun hat, ist der Begriff der Autorität (auctoritas) mit Anerkennung, Zustimmung verbunden. Denn sie entsteht erst, wenn man sich der Autorität unterwirft bzw. ihr folgt. Die übliche Praxis war die, daß unter der auctoritas in Rom das Beratungsrecht oder ein Ratschlag verstanden wurde; potestas war die Amtsgewalt, "die rechtlich zugeteilte und mit Gewalt ausgestatte Macht"27. Mit Autorität wird heute vielfach die legitime Macht bezeichnet. Autorität wird also nicht verliehen; man gewinnt sie durch Alter, Weisheit, Können, Begabung, Selbstlosigkeit etc. Sie begründet eine freiwillige Zuordnung, die sich weiter erstreckt als die potestas. Während auctoritas mit der Beziehung zur Tradition, mit dem Bewährten oder Überlieferten zu kennzeichnen ist, ist potestas davon unabhängig. Zur Autorität steht man, auch wenn sie mehr oder weniger mit potestas als der Amtsgewalt ausgestattet ist. Der potestas hat man sich unterzuordnen 28. Autorität ist dagegen eine freiwillige Zustimmung. Potestas kann es auch als eine übertragene Macht ohne Überzeugung des Trägers geben. Von autoritativer Machtausübung ist zu reden, wenn "die Anerkennungsbedürftigkeit" der Autoritätsperson dazu ausgenutzt und loder die "Anerkennungsfixiertheit" der abhängigen Person das Verhalten bzw. die Einstellung beeinflusst 29 . "Methoden autoritativer Machtausübung sind also Geben und Nehmen von Anerkennung und Anerkennungserwartungen (Hoffnungen, Befürchtungen)" 30. Das zeigt sich besonders klar in dem Vorgang, der das Verhalten der Abhängigkeit nach den eigenen Werten und Nonnen belohnt und bestraft. Der Abhängige ist an die Autoritätsperson durch deren Beurteilung, Annehmen und Verwerfen, gebunden. 27 RolfWunderer, Wolfgang Grunewald, Führungslehre, Berlin, New York 1980 Bd. I S. 72. 28 Vgl. Antonius H. J. Gunneweg, Walter Schrnithals, Herrschaft, Stuttgart 1980 S.14. 29 Heinrich Popitz, Phänomene der Macht, Tübingen 1986 S. 34. 30 Ebda. 2*

1. Kapitel: Allgemeine Abgrenzungen

20

Die Autorität wird bezogen auf den mündigen Bürger. Macht dagegen setzt keinen besonderen Menschen-Typus voraus. Sie herrscht gegenüber jedermann. Autorität braucht der Mensch zum Leben. Er lebt in einem ständigen Prozeß. Es findet in ihm so etwas wie eine Menschwerdung statt, indem er sich anderen Menchen anvertraut, die sein Leben "mehren"(augere, mehren, vermehren, der Grundstamm von autoritas). Keine andere abendländische Sprache als eben die lateinische kennt diesen Unterschied zwischen autoritas und potestas 31 • Darum ist sonst auch keine strikte Unterscheidung von Autorität und Amtsgewalt (Macht) möglich. "Es gibt keine menschliche Gesellschaft ohne potestas, aber die potestas legitimiert sich um so mehr, je mehr sie sich mit auctoritas verbindet. Die Aufhebung der potestas in die auctoritas, also die vollkommene Durchdringung der Amtsgewalt mit Autorität, wäre die ideale Gestalt von Herrschaft. Die römische Unterscheidung von potestas und auctoritas zeigt indessen, daß dieses Ideal nie erreicht werden wird" 32. Potestas ist im römisch-katholischen Kirchenrecht die bezeugte AmtsMacht. Im Codex Juris Canonici wird generell potestas als Macht verstanden. Alle unterschiedlichen Arten von natürlicher und übernatürlicher Macht sind ebenso wie die rechtliche Gewalt und die Rechtsrnacht in dem Begriff der potestas enthalten 33. Luther versteht Macht im Sinne von potestas und exousia (s. u.). Er meint damit nicht die Gewalt, sondern die Vollmacht oder die institutionalisierte bzw. übertragene Macht (Mt. 9,8). Gewalt wird gegenüber der sonst üblichen Begrifflichkeit weiter gefaßt. Luther sieht in dem Attribut Gottes oder Christi (Mt. 28,18) die göttliche Kraft und Stärke angesprochen. Die sonst übliche Unterscheidung von potestas und potentia wird aufgehoben 34 • Im Griechischen existieren für Macht Begriffe wie exousia, kyriotes, despoteia, aber auch arche, kratos, kyros, ischys und bia etc. 35. Dabei kann aus arche und kratos, kyros sowohl Herrschaft wie Macht herausgelesen werden. "Kratos wird dann der wichtigste Ausdruck für die höchste Macht" 36. Exousia enthält die Vorstellung von Erlaubnis, Freiheit und Vollmacht. Dynamis Gunneweg, Schmithals, Herrschaft, S. 17. Gunneweg, Schmithals, Herrschaft, S. 18. 33 Vgl. Rudolf Köstler, Wörterbuch zum Codex Iuris Canonici, München und Kempten, 1927, S. 270. 34 Vgl. Karl Georg Faber, Macht, S. 848. 35 Christian Meier, Macht, in: Brunner u. a., Grundbegriffe S. 820. 36 Christian Meier, Macht, S. 821. 31

32

ID. Sprachliche Differenzierungen

21

"entwickelt" sich zum allgemeinen Begriff der Macht. Macht und Gewalt wird gern durch das Wort bia wiedergegeben. Das Englische kennt für Macht Ausdrücke wie power, dominion, authority, rule und command. Das Französische gebraucht als Macht-Begriffe domination, pouvoir, puissence, autorite. Hier kann die spezielle Unterscheidung zwischen potentieller (puissance) und aktueller (pouvoir) Macht, deren Differenzierung im Deutschen und Englischen nicht möglich ist, vorgenommen werden 37. Das durch den nationalsozialistischen Mißbrauch in Verruf gekommene Wort von der Macht-Ergreifung weist auf einen richtigen Sachverhalt hin: Denn man reißt Macht an sich, um sein Ziel oder das seiner Gemeinschaft zu erreichen. Macht muß ergriffen werden. Zur Macht kommt man. Macht wird erlangt. Derjenige, der zur Macht kommt, ist der Überlegene, in physischer, biologischer, intellektueller, moralischer Hinsicht. Freilich gelangt zur Macht auch der, der die besseren Argumente oder die durchschlagendere Ideologie besitzt 38 • Es ist in der heutigen Gesellschaft keine Frage, daß sich Macht nicht nur von oben nach unten bildet. Auch "unten" herrscht Macht. Der Handwerker (Kfz-Mechaniker, der Kommunikationsfachmann) übt mit seinem Wissen Macht (Herrschaftswissen) aus. Er kann ebenso wie in anderen Berufen seine Kunden einschüchtern. Denn er weiß Bescheid. Das gewußt "wo" und "wie" ist der Ausdruck seiner Macht. Der Fachmann erweist sich eben als Mann seines Fachs machtvoll und zeigt sich auf einem anderen Gebiet machtlos: der Kfz-Mechaniker gegenüber dem Elektroniker, der Arzt gegenüber dem Steuerberater und umgekehrt. Deshalb gibt es eben nicht nur Macht von "oben" nach "unten", sondern auch von "unten" nach "oben"! Im zwischenmenschlichen Dialog geht es zwar nicht unbedingt um Macht. Aber sie spielt durchaus auch dort eine gewichtige Rolle. Wenn nämlich einer den anderen argumentativ überzeugen und auf seine Seite zu bringen versucht. Wer dem Partner recht geben will, ja muß, wird ihm zwangweise - mindestens partiell - Macht über sich oder seine Argumente einräumen. Wer dann um jeden Preis Recht haben will, strebt letztlich auch nach Macht! Wer Angst hat zu verlieren, befürchtet, Macht über den anderen zu verlieren oder ihm Macht gegen sich einräumen zu müssen. 37 Vgl. Edgar Wittmann, Neue Infonnations- und Kommunikationstechnik und Macht in der Unternehmung, München 1990 S. 68. 38 Vgl. Horst Herrmann, in: Wilhelm Weber, Macht, S. 157.

Zweites Kapitel

Der soziologische Gebrauch von Macht I. Die geschichtliche Entwicklung der Macht Macht muß als ein allgemeines Phänomen der Gesellschaften und ihrer verschiedenen Formen angesehen werden. Es zeigt sich "auf allen Stufen ihrer Entwicklung und in allen Bereichen menschlicher Gesellung und sozialer Organisation" 1. Ihre Merkmale sind "Überlegenheit, Führung, Gehorsam, Überordnung, und Unterordnung, Einfluß, Prestige, und Autorität"2. Lange Zeit wurde die Fähigkeit eines Handelnden gegenüber einem anderen, also "die Fähigkeit zur Beeinflussung" als Macht bestimmt 3. Macht wurde als Machtbesitz verstanden. Schon Th. Hobbes schreibt im Leviathan: "Allgemein genommen besteht die Macht eines jeden in dem Inbegriff aller Mittel, die von ihm abhängen, sich ein anscheinend zukünftiges Gut zueigen zumachen"4. Dieses Machtverständnis ist sachlich orientiert und setzt ganz auf das Machthaben. Gleichgültig, ob man nun der Umgangssprache entsprechend Macht als Handlungsrnacht oder als Machthaben interpretiert oder als ein Durchsetzungsvermögen gegenüber anderen versteht, der Begriff selbst besitzt hier noch ein gewisses Maß an Eindeutigkeit und Anschaulichkeit. Eine Auffacherung der Machtvorstellungen fmdet statt, sobald sie von der Soziologie oder Sozialpsychologie übernommen wurde. Hier lassen sich nach der noch zu behandelnden Defmition von Max Weber mehrere unterschiedliche Begriffsanalysen unterscheiden 5: lOtto Stammer, in: Wilhelm Bemsdorf, Wörterbuch der Soziologie, Stuttgart 21969 S. 650 f. 2 Ebenda. 3 Wilfried Krüger, Unternehmungsprozeß, S. 226. 4 Tb. Hobbes, Leviathan, Reclam-Ausgabe 1974 S. 79. 5 Hans-Dieter Schneider, Sozialpsychologie der Machtbeziehungen, Stuttgart 1978 S. 36 ff.

I. Die geschichtliche Entwicklung der Macht

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1. In der Lerntheorie entwickeln sich in einem Interaktionsprozeß Machtbeziehungen, die die Theorie als konstante Beziehungen erkennen möchte. 2. Die Austauschtheorie erweitert die Machtbeziehung in der Lemtheorie und bezieht sich auf das ökonomische Verhalten der Beteiligten 6 • 3. In der Feldtheorie werden zwar nur wenige Anregungen zur Machtbeziehung geliefert, aber sie spielt in der Sozialpsychologie eine große Rolle, da sie möglichst alle Appetenz- und Aversionskräfte zu erfassen sich bemüht. 4. Die Rollentheorie erfaßt vor allem die strukturellen Probleme der Machtbeziehungen. Sie wil helfen, die sozialen Konstellationen zu erheben, die zu Komplikationen zwischen den Personen und den sozialen Strukturen führen (z. B.Interessenkonflikt). 5. In der Entscheidungstheorie wird Macht und die Unterordnung unter sie abhängig gemacht von den günstigen und ungünstigen Auswirkungen. Das Abwägen dieser Möglichkeiten wird durch die Entscheidung beendet 7 • 6. Diese Aufzählung der Machtbeziehungen kann, ohne daß Vollständigkeit errreicht ist, damit abgeschlossen werden, daß Macht auch in einer gesellschaftlichen Theorie eingebunden wird, wie sie von Parson und Luhmann angeboten wird. Zunächst gilt es nun, die von Max Weber vor gut achtzig Jahren erarbeitete und heute noch gültige personenbezogene Defmition darzustellen. Wegen der organisationsbezogenen Bedeutung der sozialen Theorie, die die Person mehr oder weniger aus der Organisation verdrängt sehen will, soll anschließend als Kontrapunkt Luhmanns Deutung herausgegriffen werden. Jedoch kann eine systemtheoretische Analyse unterschiedlicher Ansätze hier nicht geleistet werden 8 • 6 Hans-Dieter Schneider, Sozialpsychologie, S. 44 "Die unterschiedliche Bedürfnislage der Partner bedingt, daß ihre gegenseitige Beiträge vom jeweiligen Gegenpart höher bewertet werden als der jeweils Abgebende die Kosten einschätzt". 7 Hans-Dieter Schneider, Sozialpsychologie, S. 57. 8 Es darf verwiesen werden auf Rainer Prewo, Jürgen Ritsert, Elmar Stracke, Systemtheoretische Ansätze in der Soziologie, Reinbek 1973 und Claus Mühlfeld u. Michael Schmid, Soziologische Texte, Hamburg 1974. Zum Begriff der Macht in unterschiedlichen Wissenschaften (Philosophie, Psychologie, Soziologie, Ökonomie etc.) kann herangezogen werden: Rolf Kiechle, Macht im kooperativen Führungsstil, Bern und Stuttgart 1985 S. 110 ff und 238 ff.

2. Kapitel: Der soziologische Gebrauch von Macht

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11. Max Webers Macht- und Herrschaftsdefinition A. Max Webers Machtbegriff

Max Weber hat den bekannten und weitgehend akzeptierten Machtbegriff als Beziehung zwischen den Menschen in eine Formel gekleidet, die in der Sozialwissenschaft vielfach zur Grundlage der Erörterung gemacht wurde. Sie lautet: "Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht" 9. In der Hobbe' sehen Definition gilt der Machtbesitz als "einstellige Relation", weil der Zustand des Menschen aufgrund seiner Eigensucht nur ein Krieg aller gegen alle ist. Schließlich geht er von der Grundthese aus: homo homini lupus est. In der Webersehen Definition dagegen kann von einer "mehrstelligen Relation" 10 und spezieller noch von einem Personenbezug gesprochen werden. Denn es handelt sich um einen Machtbezug im sozialen Rahmen 11. Da Weber bei der Machtfrage "jede Chance", seinen eigenen Willen durchzusetzen, ins Auge faßt, kann diese Macht nur als potentiell gedeutet werden. Die aktuelle Macht würde den tatsächlich ,,realisierten Einfluß" erfassen 12 Macht wird von Weber als eine normale Erscheinung angesehen, wenn sie sich "auch" gegen den Widerstand eines anderen behaupten muß. Aber die Frage scheint wohl berechtigt, ob nicht das "auch" eher auf eine Grenzsituation weist als auf das üblische Erscheinungsbild der Macht. Aber Macht ist unabhängig davon, ob Widerstand geleistet wird oder nicht. Denn sie muß keineswegs einen Widerstand brechen \3! Darin gipfelt auch der Diskussionsbeitrag von Hans Albert anläßlich seines Referates auf der Jubiläumstagung des Vereins für Socialpolitik 1972. Er weist darauf hin 14, Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1972, S. 28. Verena Burkoiter-Trachsel, Theorie, S. 21. 11 Zu Max Weber vgl. Rainer Prewo, Jürgen Ritsert, Elmar Stracke, Systemtheoretische Ansätze in der der Soziologie, Reinbek 1973 S. 169 ff. und K. Holm, Zum Begriff der Macht, in: Claus Mühlfeld u. Michael Schmid, Soziologische Texte, Hamburg 1974 S. 392 ff. 12 Vgl. Edgar Wittmann, Neue Informations- und Kommunkationstechnik und Macht in der Unternehmung, S. 77. \3 Vgl. Wilfried Krüger, Macht in der Unternehmung, Stuttgart 1974 S. 3. 14 Hans Albert,Der Gesetzesbegriff im ökonomischen Denken, in: Schriften des Vereins für Socialpolitik, Bd. 1 Macht und ökonomisches Gesetz, Berlin 1972 Bd. NF74/1 S. 261. 9

10

H.

Max Webers Macht- und Herrschaftsdefinition

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daß wichtige Machtphänomene von dieser Definition nicht getroffen werden. Es werden in ihr speziell die finanziellen Machtmöglichkeiten nicht erfaßt, die darin liegen, daß Mächtige einen Mitarbeiter einstellen können und so allein aufgrund von finanziellen Möglichkeiten Macht ausüben. Sie können auch Mitarbeiter durch Belohnungen zu Tätigkeiten motivieren, ohne daß diese ihr Widerstreben bezeugen. Der Arbeitgeber nimmt außerdem Einstellungen von Arbeitnehmern vor, weil es beiden, dem Unternehmer und dem Arbeitnehmer, paßt. Von Widerstreben kann keine Rede sein. Das bedeutet, es gibt gerade in wirtschaftlichen Bereichen Machtphänomene, in denen die Durchsetzung nicht gegen das Widerstreben geschieht, sondern im Einvernehmen des Betreffenden. Bei Weber aber heißt es, daß die Macht auch gegen das Widerstreben des anderen durchzusetzen ist. Aber im Unternehmen gilt vielmehr oft: Obwohl man Macht besitzt, kann man seinen Willen nur mit Zustimmung des anderen und nicht gegen ihn durchsetzen. Schon die oben aufgezeichnete Möglichkeit einer Belohnung seitens des Arbeitgebers kann Ausdruck von Macht sein. B. Max Webers Herrschaftsbegriff

Macht und Herrschaft sind bei Weber streng aufeinander bezogen, aber auch geschieden. Denn Herrschaft ist ein Sonderfall der Macht. Umgekehrt muß die Ausübung von Macht nicht unbedingt zur Herrschaft führen. Umgangsprachlich kann man heute davon ausgehen, daß Macht und Herrschaft als Synonyme gebraucht werden. Indessen wird Herrschaft als eine "differenzierend gemeinte Steigerungsform von Macht" benutzt 15. Unter der Herrschaft wird im Unterschied zur Macht gar eine Fremdbestimmung des Menschen verstanden, die so ohne weiteres der Macht nicht zugrundeliegt. Während der Machtbegriff von Weber selbst als "amorph" angesehen wird, setzt der Herrschaftsbegriff das Verhältnis von Befehlsgeber zu dem Gerhorsam Leistenden voraus. Oder wie Weber es formuliert: Herrschaft ,,kann nur die Chance bedeuten, für einen Befehl Fügsamkeit zu finden" 16. Ein bestimmtes Maß an Gehorsam und "Gehorchenwollen" gehört zu jedem Herrschaftsverhältnis I7 • Weber will drei reine Ideal-Typen legitimer Herschaft unterschieden wissen 18: 15 Vgl. Erwin K. Scheuch, Soziologie der Macht, in: Macht und ökonomisches Gesetz, Schriften des Vereins für Socialpolitik NF Bd. 74 / 11 Berlin 1973 S. 997. 16 M. Weber, Wirtschaft, S. 29. 17 M. Weber, Wirtschaft, S. 122.

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2. Kapitel: Der soziologische Gebrauch von Macht

-

die legale Herrschaft. Ihre Legitimitätsgeltung ist rationaler Art. Gehorcht wird der "sachlichen unpersönlichen Ordnung und dem durch sie bestimmten Vorgesetzten kraft formaler Legalität seiner Anordnung" 19. Zum rationalen Charakter dieser legalen Herrschaft gehört auch die bürokratische Hierarchie.

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die traditionale Herrschaft. "Gehorcht wird nicht Satzungen, sondern der durch Tradition oder durch den traditional bestimmten Herrscher dafür berufenen Person"20. Die patrimoniale Herrschaft ist die typischste Vertreterin dieser Gattung 21 .

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die charismatische Herrschaft. Sie stützt sich auf die Vorbildlichkeit oder Heiligkeit der zum Herrschen und Führen begabten Persönlichkeit. Reines charismatischs Führerturn ist "wirtschaftsfremd", wird aber im religiösen Bereich gelebt 22 . Die wohl überzeugendste und reinste Form dieser Art von Herrschaft sind die Gestalten der hausväterlichen oder fürstlichen Amtsgewalt.

Popitz bezeichnet - in der Nachfolge Webers - die Herrschaft als "institutionalisierte Macht"2J, in dem prozeßhaft die Herrschaft zur Macht wird. Das erweist sich gerade im Blick auf die genannten Typen als richtig.

M. Weber, Wirtschaft, S. 124 ff. M. Weber, Wirtschaft, S. 124. M. Weber, Wirtschaft, S. 130. M. Weber, Wirtschaft, S. 583. M. Weber, Wirtschaft, S. 142. 23 Heinrich Popitz, Phänomene der Macht, S. 37. Popitz versteht die ,,Institutionalisierte Macht" als einen Prozeß. In diesem Prozeß sind Stufen zu benennen: 1. Stufe: Sporadische Macht. Es handelt sich um einen Einzelfall ohne Widerholung. In der 2. Stufe der normierenden Macht kann der Machthaber das Verhalten normieren. Auf der 3. Stufe fmdet die Positonalisierung der Macht statt. Die normierende Macht verdichtet sich zu einer "überpersonalen Machtstellung" .Dafür ist typisch der "Versuch von Mächtigen, durch Kleidung, Attribute, Rituale ihrer Macht eine überindividuelle Aura zu geben" (S. 50). Diesen Einschnitt der übersonalen Machtstellung markiert der Begriff der Herrschaft. Als 4. Stufe gilt die Entstehung von Positionsgefügen der Herrschaft. 18

19 20 21 22

11. Max Webers Macht- und Herrschaftsdefmition

27

c. Die Beziehung von Bürokratie und Macht Für Weber stellte sich zu seiner Zeit die Frage, ob nicht die legitime Machtstruktur vielfach die unbestimmte ersetzt hat. Heute muß sie ähnlich lauten. In einer bürokratischen Gesellschaft stehen Machtfunktionen - durch Ämter und Organisationen repräsentiert - stärker im Vordergrund als etwa eine durch ein militärisches Gewaltpotential unspezifierte Macht. Die Herrschaft der Verwaltung in Gestalt von Bürokratisierung ist nichts anderes als ein Ausdruck von Macht. In der Form einer intensivierten, qualitativ wie quantitativ ausgedehnten Entfaltung der Bürokratisierung hat die Macht der Verwaltung heute im Vergleich zur Zeit Webers sogar noch weiter zugenommen. Die bürokratische Herrschaft zeichnet sich durch eine steigende Wahrnehmung behördlicher Amtsgeschäfte bei gleichzeitig breit aufgeschlüsselter Zuständigkeitsverteilung (Kompetenzverteilung) aus. Dazu tritt eine Amtshierarchie mit ihren weit geflicherten Kontroll- und Aufsichtsorganen 24 • Selbstverständlich bezieht sich die Macht der Bürokratie keineswegs allein auf staatliche Organisationen, sondern auch auf privatwirtschaftliche Unternehmen 25. Wenn Weber von der Bürokratie sprach, tat er das unter verschiedenen Gesichtspunkten. Er sprach von den historischen und verwaltungstechnischen Gründen, handelte von der legalen Herrschaft und ihren Einflüssen auf die Bürokratie, griff besonders den Beamtenstand heraus und wandte sich schließlich auch den Konsequenzen der Bürokratie in der modemen Welt zu 26. Auch in der demokratischen Verwaltung hat sich nicht viel geändert. Bürokratisierung bedeutet Macht aufgrund von Wissen! Denn Bürokratie häuft Wissen (Fachwissen und Tatsachenkenntnis 27 ) an, mit dem sie sich gegenüber den Abhängigen behaupten und auch machtvoll durchsetzen kann. Schließlich hat die Bürokratie, je stärker eine Verwaltung in Staat und Wirtschaft ausgebaut und die Herrschaft gestärkt wird, um so mehr die Tendenz, die erworbene Macht zu steigern. Für die Alltagsprobleme liegt die Ausübung der Macht in den Händen der Bürokratie. Wird diese Macht der Bürokratie nicht durch Wahlen, Parlamente, die Politiker kontrolliert und begrenzt, wird

M. Weber, Wirtschaft, S. 125. M. Weber, Wirtschaft, S. 552. 26 R. Bendix, Bürokratie und Staat bei Max Weber, in: Claus Mühlfeld und Michael Schmidt, Soziologische Theorie, Hamburg 1974 S. 441 ff. 27 M. Weber, Wirtschaft, S. 129. 24

25

2. Kapitel: Der soziologische Gebrauch von Macht

28

die politische Entscheidungsgewalt von der Politik auf die Verwaltung verlagert. Davor hat M. Weber ausdrücklich gewarnt. Für ihn stehen Bürokratisierung und Demokratie keineswegs in einem Verhältnis, in dem die Bürokratie einseitig von der Demokratie gefördert wird. Vielmehr schafft gerade die Demokratie "trotz und wegen ihrer unvermeidlichen, aber ungewollten Förderung der Demokratisierung" eine Durchbrechung der bürokratischen Organisation 28 • Man darf zwar nach Weber die modemen Staatsformen nicht auf ein Fortschreiten der Bürokratisierung und auf eine Zunahme der Macht der Bürokratie festlegen, aber eins ist sicher: die Bürokratie erfährt einen immer größeren Machtzuwachs, je weiter sie sich entwickelt. Man kann für die Gegenwart hinzufügen, je mehr heute die soziale Sicherung zunimmt, umso stärker wächst die Macht der Bürokratisierung an. Eine Zunahme von Bürokratisierung läßt sich - wieder mit M. Weber - besonders an der "steigenden Unentbehrlichkeit und der dadurch bedingten steigenden Machtstelllung" des staatlichen Beamtenturns ablesen 29. Etwas Ähnliches ergibt sich heute beim leitenden Unternehmer und bei den von Weber immer wieder zitierten Heerführern. D. Würdigung der Weber'schen Begriftlichkeit

Die ethische Beurteilung des Machtbegriffs ist unter dem Gesichtspunkt des von ihm selbst geprägten Begriffs einer Verantwortungsethik zu beurteilen. Der Mensch hat für die von ihm vorausehbaren Folgen seines Handelns aufzukommen. Daß Weber besonders den Politiker im Auge hat, besagt nichts darüber, daß die Verantwortungsethik, wie er meint, einer Gesinnungsethik gegenübersteht. Die Verantwortungsethik durchdenkt den Einsatz der Mittel, um den gewünschten Zweck zu erreichen. Denn der Verantwortung sethiker ist zweckorientiert, der Gesinnungsethiker nicht. Der Weber'sche Machtbegriff setzt einen Interessenkonflikt zwischen Personen voraus. Machtausübung vollzieht sich konfliktorientiert aufgrund einer sozialen Bindung zur Durchsetzung eigener Interessen. Heute haben jedoch die Spieltheorien darauf aufmerksam gemacht, daß ein qualitativer Unterschied zwischen einem Zwei-Personenkonflikt und Konfliktfällen mit mehreren Akteuren besteht. Bei der Zwei-Personen-Konstellation kommt es zu

28 29

M. Weber, Wirtschaft, S.572. M. Weber, Wirtschaft, S. 836.

11. Max Webers Macht- und Herrschaftsdefinition

29

einer Machtkonstanz. Denn wie bei einem Nullsummen-Spiel erhält sich die Macht konstant dadurch, daß die vom dem einen genommene Macht dem anderen zugeführt wird 30. Im Gegensatz zu einer großen Reichweite von Macht, wie sie etwa bei allen Wirkungen im sozialen Bereich vorkommt, ist die Defmition Webers sehr viel begrenzter zu sehen. Letztlich gerät sie in die Nähe der Kant'schen Vorstellung, wonach Macht ein Vermögen ist, "welches großen Hindernissen überlegen ist. Eben dieselbe heißt eine Gewalt, wenn sie auch dem Widerstande dessen, was Macht besitzt, überlegen ist"31. Macht wird so zur "Übermacht" 32. Dieser Begriff von Macht muß dann als Gewalt verstanden werden. Auch wenn M. Weber expressis verbis soweit nicht geht, intendiert diese Deutung des Begriffs doch die Definition Webers. Denn es geht für ihn um die Durchsetzung des eigenen Willens gegen den eines anderen. Macht aber muß auch in dem Sinne verstanden werden, daß sich der Partner nicht mit, sondern "ohne Widerstand" unterwirft 33, wie es bereits etwa im Blick auf die Einstellungspraxis eines Arbeitgebers formuliert wurde. Der Macht-Begriff Webers aber erfaßt die Macht-Potenz der Person nicht, die den anderen willentlich akzeptiert. Auch erkennt er nicht die Machtverhältnisse in der Preistheorie. Hier wird nämlich allein das Fehlen von Wettbewerb auf dem Markt als Macht verstanden. Der MachtbegriffWebers "setzt einen Interessenkonflikt voraus, macht aber keinen Versuch, anzugeben, worin die möglichen Ziele und Vorteile der am Konflikt Beteiligten bestehen. Der preistheoretische Machtbegriff legt hingegen die Einengung auf einen Verteilungskonflikt zwischen Käufer und Verkäufer nahe" 34. Schon H. Amdt hat zu Recht eine Einengung in der Preistheorie auf den Monopolgewinn kritisiert. Ein Mangel an Wettbewerb muß keinesfalls mit einer Monopolisierung des Marktes gleichgesetzt werden. Es gibt schließlich auch andere Machtstellungen auf dem Markt. Nach Weber hat sogar der Polypolist "Macht". Denn auch er könnte die Erwartung hegen, seine Preisvorstellungen durchzusetzen 35.

30 31 32 33 34 35

Verena Burkolter-Trachsel, Theorie, S. 43. Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft 1948, S. 105 f. Vgl. W. Krüger, Untemehmunsprozeß, in: G. Reber, Macht, S. 227. Vgl. W. Krüger, Macht, S. 4. Reinhard H. Schmidt, in: G. Reber, Macht, S. 289. Vgl. Reinhard H. Schmidt, Macht, S. 289.

30

2. Kapitel:

D~r

soziologische Gebrauch von Macht

Die Machtdefinition Webers hilft auch dort nicht weiter, wo Macht um ihrer selbst willen besessen und gebraucht wird. Hier geht es überhaupt nicht um ein Durchsetzen-Wollen von Macht gegen die Widerstände anderer. Macht wird zum Selbstzweck. Es fragt sich auch, ob nicht Macht als ein egoistisches Streben nach Einfluß oder Prestige die Grenze dieser Definition aufzeigt? Weiterhin versagt die Defmition Webers, wenn es um den Mißbrauch der Macht geht. Man wendet Macht an, weil man sie hat. Sie wird zum eigenen oder fremden Nutzen benutzt, um bestimmte Ziele und Positionen zu erreichen. Das gilt insbesondere dort, wo Macht durch Ämter oder durch damit verbundene Funktionen übertragen wird. Sie wird dann keineswegs verantwortlich eingesetzt, sondern zu Gunsten eigener Interessen und um des egoistischen Vorteils willen sowohl im individuellen als auch im sozialen Kontext mißbraucht. Auch besitzt Macht verknüpft mit dem Eigentumsrecht oder im Blick darauf eine Dimension, die in der Defmitions Webers so nicht enthalten ist. Der soziale Ansatz Webers mit seiner individuellen Grundlegung kann nicht den Umfang von Macht erfassen. Umgekehrt fragt sich, ob der Ansatz Webers dort, wo die Politik mit ihren Machtstrukturen zum allbeherrschenden Faktor im gesellschaftlichen Leben wird, eine Lösung bietet. Gibt sich der "eigene Wille" dann nicht viel zu pluralistisch, als daß von einem eigenen Willen geredet werden kann? Schließlich gibt es doch wohl zu viele ,eigenwillige' Individuen.

111. Die soziale Dimension von Macht Macht wird nicht nur als eine Position oder als eine Fähigkeit der Person verstanden, sondern sie ist auch der Ausdruck der sozialen Beziehung der Person. Darum wird Macht soziologisch heute nicht nur als Kennzeichnung der Willensmächtigkeit, sondern auch als Ausdruck kommunikativer Beziehung gesehen. Diesen Überlegungen hat sich besonders Niklas Luhmann in seinen Arbeiten gewidmet 36.

Niklas Luhmann stellt fest, daß Macht vor allem im sozialen System beheimatet ist. Da diese Tatsache jedoch von den klassischen Machttheorien übersehen wird 37 , bemüht er sich um die Definition der sozialen Macht. 36 37

Niklas Luhmann, Macht, Stuttgart 21988. Vgl. Wilfried Krüger, Macht in der Unternehmung, S. 118.

III. Die soziale Dimension von Macht

31

Begonnen hat dieses Nachdenken über einen konfliktfreien kommunikativen Machtbegriff hei Talcott Parsons 38 , der - obwohl Schüler Max Webers - Macht als eine Größe ansah, die für die heiden Partner die Chance erhöhte, die kollektiven Ziele und nicht nur die eigenen Interessen durchzusetzen. Dies geschieht im Zuge eines sozialen Tausches. "So wie Geld die Zwecke von Kreditnehmern und Kreditgebern fördern kann, kann Macht heiden Teilnehmern einer sozialen Macht nützlich sein"39. Luhmanns System ist dadurch gekennzeichnet, daß es - eingebettet in ein soziales Bezugssystem - die ganze Gesellschaft geordnet sehen will. Die Strukturen (Beziehungen) werden zum Zwecke des Überlehens des Ganzen durch die einzelnen Funktionen gesteuert. Macht gehört dem FunktionsBegriff an. Thre Funktion liegt in der "Regulierung von Kontingenz"40, mit der nicht nur Zufälligkeit, Unbestimmbarkeit oder Willkür gemeint ist, sondern eher "Abhängigkeit von Bedingungen und Beschränkungen"41. An anderer Stelle definiert er die Kontingenz noch genauer. Sie ist etwas, "was weder notwendig ist, noch unmöglich ist; was also so, wie es ist (war, sein wird), sein kann, aber auch anders möglich ist"42. Macht als ihre Reguleriung ist etwas anderes als der Zwang, etwas Bestimmtes zu tun. Da im Grenzfall der Zwang auf die Anwendung physischer Gewalt hinausläuft 43 , hat Macht selbstverständlich eine spezifische Beziehung zur physischen Gewalt. Luhmanns soziales System besteht nicht aus Menschen oder aus ihren Handlungen, sondern primär aus Kommunikationen. Den Kommunikationsbegriff defmiert er als eine Theorie "symbolisch generalisierter Kommunikationsmedien" , die die gesellschaftlichen Kommunikationszusammenhänge steuern 44. Solche generalisierten Kommunikationsmedien sind: Macht, aber auch Wahrheit, Liebe oder Geld 45 • Alle Medien gehen von selektiven Wahl38 Vgl. Niklas Luhmann, Macht, S. 116 Anm. 5. S. auch dort die Differenzen zu Parsons. 39 V. Burkolter-Trachsel, Theorie, S. 44. Vgl. zur Geldproblematik den Abschnitt II.B aus dem 6. Kapitel. 40 N. Luhmann, Macht, S. 12. 41 N. Luhmann, Macht, S. 79. 42 Zitat aus Soziale Systeme, Frakfurt 21985 S. 152 zit. nach Walter ReeseSchäfer, Luhmann, Hamburg 1992 S. 105. 43 N. Luhmann, Macht, S. 9. 44 N. Luhmann, Macht, S. 4 ff. speziell S. 6. 45 N. Luhmann, Macht, S. 90; vgl. Niklas Luhmann, Zweckbegriff und Systemrationalität, Frankfurt 1973 S. 205.

2. Kapitel: Der soziologische Gebrauch von Macht

32

möglichkeiten der Partner aus. Macht ist also nur eines von mehreren Medien der Kommunikation. Sie setzt dabei immer "Offenheit für andere Möglichkeiten des Handelns" voraus 46 • Ein Kommunikationsmedium ist eine Zusatzeinrichtung der Sprache, nämlich ein Code, der die Selektionsleistungen der Partner steuert. Da man immer mindestens von einem Ego und einem Alter ausgehen muß, um die jeweils eigene Selektionsleistungen zu vollziehen, geht Luhmann von einer doppelten Kontingenz aus (Alter- und Egoabhängigkeit)47 . Für die Kommunikationsrnedien gilt ferner, daß sie eine Motivationstruktur haben, indem sie die Selektionsleistungen vornehmen und ihre Annahme durch den anderen "nahelegen" und auch "erwartbar" machen 48 . Eine Kommunikation setzt eine soziale Situation voraus, in der die Partner die jeweils eigenen Selektionsleistungen vollziehen. Da beide Teilnehmer dieses tun, [mdet zwischen beiden ein Prozeß statt. Wird Zwang oder physische Gewalt angewandt, bedeutet das einen Verzicht auf die Steuerung der Selektivität des Partners. Vom Kommunikationsprozeß will Luhmann den generalisierten MedienCode unterschieden wissen. Darunter versteht er eine Struktur, "die in der Lage ist, für jedes beliebige Item in ihrem Relevanzbereich ein komplementäres anderes zu suchen und zuzuordnen"49. Für sprachliche Codes heißt das, daß etwa bei der Umsetzung in Datenträger jeweils andere Codes gebraucht werden und möglich sind. Gleiches gilt für alle Codes in den Kommukationsmedien, also für das Geld, die Liebe, die Wahrheit ebenso wie für die Macht. Der Medien-Code ,Macht' ist die "Voraussetzung für die Ausdifferenzierung von Macht als eines spezialisierten Mediums, das auf bestimmte Problemkonstellationenen bezogen werden kann, bestimmte Leistungen erbringt und bestimmten Bedingungen unterliegt"50. Die Macht selbst ist dabei nicht eindeutig. Sie muß erst durch das Schema von Recht und Unrecht (rechtmäßig und rechtswidrig) zur Eindeutigkeit und damit zu einem Entweder IOder gebracht werden 51 .

46

47 48 49 50 51

Vgl. Luhmann, Macht, S. 8 f. N. Luhmann, Macht, S. 7 ff. N. Luhmann, Macht, S. 7. N. Luhmann, Macht, S. 33. N. Luhmann, Macht, S. 16. N. Luhmann, Macht, S. 43.

III. Die soziale Dimension von Macht

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Der Luhmannsche Machtbegriffwirkt formal und ist auf die soziale Bezüglichkeit des Menschen ausgerichtet. Macht als eine den Menschen isoliert auszeichnende Potenz, die ihn in die Lage versetzt, seine eigenen Interessen gegenüber anderen Personen und natürlichen Gewalten durchzusetzen, wird mit dieser sozialen Füllung Luhmanns nicht erfaßt. Er sagt selbst von den Kommunikationsmedien, daß "ihr Wirkungsbereich" nicht all das abdeckt, "was man in einem sehr weiten Sinne Einfluß nennen könnte"52. Da das auch die Macht nicht kann, trifft hier das zu, was zu Beginn des Abschnitts herausgestellt wurde: Es herrscht Ungenauigkeit. Denn was hilft ein Machtbegriff, der zusammen mit den anderen Kommunikationsmedien nur einen Teil der Wirklichkeit bechreibt 53 ? Aus den abgeleiteten Aussagen über den Code Macht ist es für Luhmann nicht möglich, eine ethische Konsequenz zu ziehen, da er ohnehin eine "eher abwägende" Haltung zur Ethik einnimmt und gegenüber einer Verantwortungsethik wie gegenüber jeder Art Ethik kritisch eingestellt ist 54.

52 N. Luhmann, Macht, S. 70. 53 Vgl. Hans-Dietrich Schneider, Sozialpsychologie, S. 64. 54 Walter Reese-Schäfer, Luhmann, S. 121 f. 3 Kramer

Drittes Kapitel

Macht unter biblisch-theologischen Aspekten Der Macht-Begriff muß gesondert nach dem Alten und nach Neuen Testament untersucht werden. Denn das Neue Testament übernimmt nicht nur Gedanken aus dem Alten, sondern bestimmt auch Aussagen aus diesem als nicht mehr gültig. Indessen reicht es nicht aus, den biblischen Befund aus den einzelnen überlieferten Texten zusammenzustellen. Es kann der Sachverhalt nicht biblizistisch erhoben werden. Darum ist es richtig, darauf zu verweisen, daß ein Zusammentragen von biblischen Ausagen allein über die Macht Gottes letztlich nur heißen könnte , "die Bibel auszuschreiben" 1. Freilich geht es nun einmal in der biblischen Überlieferung vornehmlich um Gottes Macht und nicht so sehr um die des Menschen. In beiden Testamenten herrscht Einmütigkeit über die Aussage: Zu Gott gehört Macht! Das bedeutet, daß eine Macht, die sich von der göttlichen emanzipiert, also menschliche Macht, nicht ihrer selbst mächtig sein kann und darf. Wo Eigen-Mächtigkeit herrscht, wird die göttliche Macht begrenzt!

I. Der Machtbegriff im Alten Testament A. Gottes Macht Bereits der alttestamentliche Machtbegriff ist vielschichtig. Denn Israels Gottesbild kennt viele Aspekte 2 • Zunächst einmal ist Gottes Macht Schöpfermacht. Gott hat die Welt und alles, was darauf ist, geschafffen. "Hebet eure Augen in die Höhe und sehet, wer hat dieses alles geschaffen?" (Jes. 40,26). Aber Gott ist nicht nur der Schöpfer der Welt, er ist auch ihr Erhalter. Welt schöpfende und Welt erhaltende Kraft Gottes gehen einher mit der geschichtsmächtigen Kraft 3 • Helmut Thielicke, Theologische Ethik, Bd. 11,2 Tübingen 21966 § 1558. Vgl. Horst Dietrich Preuß, Alttestamentliche Aspekte zu " Macht und Gewalt, in: Macht und Gewalt, zur Sache H. 14, Hamburg 1978, S. 122. 1

2

I. Der Machtbegriff im Alten Testament

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Der Gott Israels führte sein Volk aus der ägyptischen Versklavung und siegte so über das fremde Volk der Ägypter (Ex. 12 ff.). Er streitet im Krieg für die Seinen. Er besiegt seine Gegner und die seines Volkes. Gott ist ein starker Gott. Die Heeresmöchte (Gott der Heerscharen), die seinem Befehl unterstehen, repräsentieren seine Macht und machen Geschichte. Seine Gegenwart, seine Macht und Stärke manifestieren sich auch in den Siegen seines Volkes. Da Israel das Volk dieses mächtigen Gottes ist, soll es ihm dienen und ihm gehorchen. Durch seinen Gott und seine Siegeskraft wird auch Israel mächtig. Dieses Volk ist Jahwes Volk. Darum soll es ihm allein dienen und gehorchen. Das Volk Israel besitzt - sogar mit Duldung Jahwes - Sklaven, zum Teil kriegsgefangene Nichtisraeliten (Num. 31,32 ff.). Aber auch Israeliten konnten zu Sklaven werden. Indessen, sie wurden spätestens nach sechs Jahren freigelassen (Lev. 25,40 f.). Auch sie stehen unter dem Schutz Jahwes (Vgl. Hiob 31,13 ff.). Ähnliches, d.h.Beschränkung und Befreiung zugleich, geschah auch durch Schuldenaufnahme und ihre Ableistung durch Arbeit (Lev. 25, 39 ff.). Jahwe kann auch gegen sein eigenes Volk Krieg führen und dementsprechend Macht ausüben. Die Gerichtsworte der Propheten sind ein Beweis dafür. Es ist Gottes Gericht. Werkzeug dafür und damit für die Durchsetzung seiner Macht sind fremde Völker. Von Gottes Macht gilt: Gottes Taten sind schrecklich und wunderbar zugleich. Gott vernichtet seine Feinde und bleibt Israel treu. Das ist der Grund, warum Israel letztlich immer wieder auf diesen seinen Gott J ahwe setzt. groß~n

Jahwes Macht im Alten Testament wird, auch dann, wenn sie Schrekken und Vernichtung bringt, positiv gesehen. Sie ist geschichtsmächtig und hat darum einen geschichtsgestaltenden Charakter. Gottes die Welt erschaffende und sie erhaltende Macht geht einher mit seiner Geschichts-Mächtigkeit. Niemand kann Jahwe widerstehen. Gott hat alles in seiner Hand. Jahwes Wunder bestehen darin, daß er die Feinde Israels erschlägt (Ex. 15,6). Das ist seine Barmherzigkeit, durch die er sein Volk erlöst hat, als er es am Anfang seiner Gechichte aus dem Lande der Ägypter herausführte und auch später, als er es aus den Händen seiner Feinde erlöste. Gottes Macht versklavt nicht, sondern befreit! Selbst nachträglich wird trotz der Katastrophe von 587/6 mit der Eroberung von Jerusalem durch die Babyionier die Herrschaft Jahwes nicht infrage 3 Vgl. Walter Grundmann, dynamis, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. II, Stuttgart 1935, S. 294.



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3. Kapitel: Macht unter biblisch-theologischen Aspekten

gestellt. Die Macht, die zur Deportation eines Teiles der Bevölkerung führte, wird als Gerichtsmacht Gottes verstanden, die zur Bestrafung von Jahwes Volk führte. Denn schließlich hat nicht Jahwe versagt, sondern das Volk hat sich versündigt. Jahwes Macht ist einzigartig. Sie wird zwar vorrangig Israel erwiesen, aber letztlich allen Völkern sichtbar gemacht. Sie besteht in einer militärischen Macht zu Gunsten Israels und zu Lasten der übrigen Völker. Als solche militärische Macht ist sie auch mit Gewalt verbunden. Am Ende der Zeiten wird Jahwe die Völker und die Gottlosen vernichten und seine Herrschaft aufrichten. Das Friedensreich erfährt so durch die Macht Gottes eine eschatologische Perspektive.

In dem iraelitischen Volk wird wie in den anderen altorientalischen Völkern dieses göttliche Machtverhältnis auf das Königtum übertragen und die königlichen Herrschaftsstrukturen aus der Analogie zwischen Gott dem ewigen Herrscher und dem weltlichen König mit seiner irdischen Herrschaftsgewalt abgeleitet 4 • Insbesondere die Psalmen sprechen in dieser Hinsicht eine deutliche Sprache. Der Herrscher ist von Gott selbst eingesetzt (Ps. 2; vgl. auch Ps. 72). Die Machtfülle des Herrschers aber wird nicht durch Gottes Macht verringert. Es gilt vielmehr umgekehrt: Der König erfährt seine Macht erst als Auswirkung der göttlichen Macht. So entstand für den Herrscher in Israel die "Gott-König-Ideologie" 5 • Das biblische Gottesbild entnimmt vielfach Bilder aus der irdischen Gestalt des Hausvaters. Gott selbst wird als fürsorgender Vater bezeichnet. "Wie sich ein Vater über Kinder erbarmt, so erbarmt sich der Herr über die, so ihn fürchten" (Ps. 103,13). Ein ähnliches Verständnis herrscht auch im Neuen Testament. Gott wird so zum vorbildlichen Hausvater, ausgestattet mit Macht eines pater familias. Das israelitische Haus unterstand der Macht des Hausherrn, der dieser irdische pater familias war. Der Haushalt wurde geführt von seiner hausherrlichen Macht. Die kleinste Lebensgemeinschaft, der oikos (Haus), und damit die Herrschaft des Hausvaters war wiederum ein Spiegelbild der Heilsfunktion des Königs für das ganze Volk. Dem König kam für die Gesamtheit des Volkes die potestas-auctoritas zu, die der Hausherr über den oikos 6 besaß. 4 V gl. dazu und zu den königskritischen Überlegungen Gunneweg / Schmithals, Herrschaft, S. 27 ff und 149 ff. 5 Gunneweg / Schmithals, Herrschaft, S. 26. Zur Kritik dazu ebenda. 6 Vgl. Gunneweg, Schmithals, Herrschaft, S. 164 f.

11. Der neutestamentliche Machtbegriff

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B. Des Menschen Macht Bereits im 1. Kapitel der Genesis wird von der Macht des Menschen gesprochen. Dort ist in besonderer Weise die Rede von der Nähe des Menschen zu Gott, seinem Schöpfer. Als sein Geschöpf wird ihm Gottes Ebenbildlichkeit geschenkt. Gleichzeitig wird ihm Macht über die Erde verliehen, das dominium terrae (Gen. 1,26-28): "Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde und machet sie euch untertan und herrschet über die Fische im Meer und über die Vögel unter dem Himmel und über das Vieh und über alles Getier, das auf Erden kriecht"(V. 28). Dem Menschen wird also Macht gegeben. Sie ist ein Teil seiner selbst. Mit Recht sagt darum Guardini:" Der Mensch kann nicht Mensch sein und außerdem Macht üben oder es auch nicht tun; sondern sie zu üben, ist ihm wesentlich"? Auch nach dem Sündenfall bleibt der Mensch Herr über die Natur und damit der Inhaber der Macht. Der dem Menschen einwohnende Trieb läßt ihn in pervertierter Weise nach Macht streben. Der Mensch will sich selbst behaupten und seine Interessen durchsetzen. Der Mensch versucht sogar, immer mehr Macht anzuhäufen. Er setzt oft alle ihm zu Gebote stehengen Mittel ein, diese Akkumulation von Macht bis zu einem Maximum zu steigern. Nicht nur einzelne Menschen verfallen dem Machstreben, sondern ebenso auch Gruppen, Völker und Nationen erliegen diesem Trieb.

11. Der neutestamentliche MachtbegritT Gottes Macht ist auch im Neuen Testament die alles bestimmende Wirklichkeit . Während es aber in Gottes Reich nur seine Macht gibt, existiert in diesem Äon noch die Macht des Bösen. Indessen, Gottes Macht herrscht auch über die Macht des Bösen. Die göttliche Allmacht wird im Neuen Testament vor allem an vielen Stellen der Johannes Apokalypse und nachdrücklich im 2. Korintherbrief (6,18) bekannt. Denn dort wird von Gott als dem pantokrator gesprochen. ? R. Guardino, Macht, S. 28. Er sieht in der Machtbegabung und in der Fähigkeit, sie zu gebrauchen, eine Wesensbestimmung der Ebenbildlichkeit des Menschen. Die in der Ebenbildlichkeit des Menschen gegründete Macht wird damit zu einem dem Menschen gegebenen Lehen. Diese Interpretation von Macht und Gottesebenbildlichkeit ist jedoch aus dem Textzusammenhhang nicht zu folgern. Die Gottebenbildichkeit des Menschen wird nicht näher spezifiziert. Daß Macht ein Mandatum dei und damit Lehen ist, läßt sich allerdings aus dem Text herauslesen.

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3. Kapitel: Macht unter biblisch-theologischen Aspekten

Vergleichbar damit ist auch eine Stelle aus dem Epheserbrief, wo es doxologisch (lobpreisend) heißt: "Er aber, der durch die Macht, die in uns wirkt, unendlich viel mehr tun kann, als wir erbitten oder uns ausdenken können, er werde verherrlicht durch die Kirche und durch Christus Jesus in allen Generationen, für ewige Zeiten"(3, 20 f). Nimmt man noch den Philipperbrief hinzu (3,21), wo es von Christus heißt, daß er in der Kraft seiner Herrlichkeit, mit der er sich alles unterwerfen kann, unseren Leib verwandeln wird in den seiner Herrlichkeit, dann ist zu erkennen, daß Gottes Allmacht auch die des Sohnes ist. Auch dem Sohn kommt also dieses Prädikat der Allmacht zu. Das bedeutet: Wir werden Gottes Allmacht nur als die des Vaters erkennen dürfen 8. A. Allgemeine Begrimichkeiten Die im Alten Testament herrschenden Machtvorstellungen Gottes, insbesondere seine geschichtsmächtige Kraft, werden vom Neuen Testament aufgenommen. In Christus als dem Messias kommt dieses geschichtsmächtige Handeln Gottes zu seinem Ziel. Gottes Allmacht zeigt sich im Neuen Testament vor allem in der Beherrschung des Todes. Er ist mächtig, die Toten aufzuerwecken, und hat ihre Auferweckung in seinem Sohn vorweggenommen. Gottes Kraft und Macht wendet sich seinem Volk, seiner Kirche und auch dem einzelnen Menschen und dessen Schicksal zu. Die irdische Machtvorstellung im Neuen Testament wird durch die griechischen Begriffe ischys, kratos, dynamis und exousia, beschrieben 9 • Ihre Deutung ist ambivalent. Denn Macht wird - durch welchen Begriff sie auch immer gekennzeichnet ist - keineswegs von vornherein verwerflich angesehen. Durch sie kann die staatliche Ordnung charakterisiert werden. Macht übt hier eine Ordnungs- oder Schutzfunktion aus. Aber Macht kann auch dem Menschen gefährlich werden. Sie ist es freilich nicht aus sich heraus. Aber ihr Mißbrauch liegt immer nabe. Die Macht selbst ist also nicht gefährlich, wohl aber was der Menschen daraus macht lO•

Vgl. Karl Barth, Kirchliche Dogmatik, Bd. 11,1 Zürich 1948 S. 590 ff. August Strobel, Macht und Gewalt in der Botschaft des Neuen Testaments, in: zur Sache H. 14 Hamburg 1978 S. 73 ff. IO August Strobel, ebenda. 8

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B. Gottes Macht in Christus

Gottes Macht zeigt sich in Jesu Christi Kraft. Er wird als der Herr (Kyrios) bezeugt, der vom Anfang bis zum Ende seines Lebensweges mit besonderer Macht und Kraft begabt ist und der val/mächtig handelt. Denn Jesus besitzt dynamis (Kraft, Macht). "In einzigartiger Weise ist Jesus als der Christus der Träger der Gotteskraft" 11. In ihr überwindet er die dämonischen Mächte. 1. Christi Vollmacht Exousia bezeichnet im profanen Griechisch nicht nur die allgemeine Möglichkeit zum Handeln, sondern auch die von einer höheren Instanz "gegebene Möglichkeit und damit das Recht, etwas zu tun" 12. Es drückt sich darin vor allem die Vollmacht oder die Erlaubnis zum Handeln aus. Im Leben und Werk Jesu, in seinen Worten und Taten, spielt nach dem Neuen Testament der Begriff der exousia eine gewichtige Rolle. Sie ist nicht Ausdruck physischer Gewalt, sondern bezeichnet die Macht, die "zu sagen hat" 13. Für die Sonderstellung des Exousia-Begriffs im Neuen Testament werden drei Gründe angegeben: 1. In ihm zeigt sich die unsichtbare Macht Gottes, die schöpferische Kraft. 2. In ihm drückt sich die Macht des Staates und des Rechtes aus. Alle diese Verhältnisse sind Abbild des Herrschaft Gottes in der gefallenen Welt. 3. In ihm zeichnet sich die Freiheit zum Handeln - auch für die Gemeinde - ab.

Für Jesus ist die exousia gleichbedeutend mit der "ihm von Gott gegebene(n) Vollmacht und Macht zum Handeln" 14. Seine Vollmacht steht im Einklang mit dem Vater. "Ist er der Sohn, so ist auch die ihm gegebene Vollmacht nicht als beschränkte Beauftragung zu denken, sondern als Verwaltung in freier Willenseinheit mit dem Vater zu verstehen" 15. Der Begriff der Exousia hat im Blick auf den Menschen Jesu zwei unterschiedliche Begriffsinhalte. Es bezeichnet zum einen die Handlungsfreiheit, im besonderen die von Macht im Sinne von Vermögen und Gewalt. Zum anderen wird

s. Grundmann, dynamis, S. 307. Wemer Foerster, Art exousia, in: Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, Bd. II, Stuttgart 1935 S. 559 f. 13 W. Foerster, exousia, S. 563. 14 W. Foerster, exousia, S. 565. 15 W. Foerster, exousia, S. 565. 11

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Vollmacht im Sinne von Autorität oder Befugnis gebraucht 16. Barth schreibt dazu: "in diesem doppelten Sinn wird und ist der Menschensohn, weil und indem er der Sohn Gottes ist, handlungsfrei, wird und ist das menschliche Wesen des Sohnes Gottes durch Gottes erwählende Gnade zu seinem Dienst ermächtigt" 17. Im Sohn sind Macht und Liebe, Macht und Barmherzigkeit als Einheit zu

sehen. Diese Einheit wird als eine in Gott begründete verstanden. Das zeigt sich am Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg (Mt. 20,1 ff). Auch den zuletzt gedungenen Arbeitern wird derselbe Lohn wie den zuerst Eingestellten zuerkannt. Auf die unwilligen Blicke der Ersten, läßt Matthäus den Herrn des Weinbergs (in der schönen Übersetzung Luthers) fragen: "Oder habe ich nicht Macht zu tun, was ich will, mit dem was mein ist?" (Mt. 20, 15). Die Fortsetzung der kritischen Frage lautet: "Siehst Du scheel drein, weil ich so gütig bin?"(Mt. 20, 15). Im griechischen Urtext liest man das Wort für gut (agathos). Daraus ist zu schließen, daß Gutheit und Barmherzigkeit sich durchaus mit dem Begriff der Macht vertragen. Die Frohe Botschaft insgesamt (das Evangelium) ist nicht irgendeine Wundertat, "sondern die Epiphanie der eschatologischen Gottesrnacht schlechthin" 18. Diese Kraft Gottes zum Heil ist seine Gottesgerechtigkeit. Sie ist nicht als irgendeine Gabe zu verstehen, sondern in Gestalt dieser Gerechtigkeit erweist sie sich als Macht, die den Menschen in die Verantwortung stellt. Macht und Heilsgabe werden nicht als gegensätzlich angesehen 19. Christus bringt jedoch nicht nur die göttliche Heilsgabe. Christi Vollmacht besiegt auch die Dämonen und Mächte dieser Weltzeit. Er befreit den Menschen von den ihn versklavenden satanischen Mächten. Der Tod ist eine diesen Äon bestimmende Macht. Die Freiheit von ihm muß dann eine ebenso umfassende Macht sein. Es gibt also auch eine exousia des Satans. Aber der Herrschaftsbereich des Satans steht unter dem allmächtigen Willen Gottes 20 • Christus ist der Sieger über die Mächte der Finsternis, der Sünde, der Krankheit und des Todes. Christi Gehorsam 21, seine Verkündigung, sein Tod und seine Auferstehung bringt die Überwindung aller dieser dämonisch-satanischen Mächte und Gewalten 22. 16 17

18 19 20 21

Karl Barth, Kirchliche Dogmatik, Bd. IV,2 Zürich 1955 S. 106. Karl Barth, ebenda. Ernst Käsemann, An die Römer, Tübingen 31974 S. 19. Ernst Käsemann, Römer, S. 26. Vgl. W. Foerster, exousia, S. 564. Siehe unten Abschnitt 2.

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Dem Antichristen der Johannesoffenbarung wird widergöttliche Macht zuerkannt. Das siebenköpfige Tier, das aus dem Meer gestiegen ist, hat nach der Apokalypse des Johannes (Apk. 13) seine Macht von dem Drachen. Der Satan - verkörpert im Drachen - hat dem Tier Macht gegeben (Off. 13,4). Er tritt als der endzeitliche Herrscher der Welt auf. Dem Antichristen wird wegen seiner Macht auf dieser Welt Ehre erwiesen. Die Bewohner der Erde beteten den Drachen an. Die Absicht des Verfassers dieser Worte ist jedoch nicht, jede irdische Macht zu verwerfen. Vielmehr erfährt er diese gegenwärtige die Christen verfolgende konkrete Macht als böse. Sie zeigt sich in den staatlichen Behörden des römischen Imperium, das der Schreiber als den endzeitlichen Staat ansieht 23 • In ihm entfaltet der Böse ein letztes Mal seine Macht. Sie wird als die Macht des vergehenden Äons gedeutet. Aber der Weltenheiland ist ein anderer. Es ist das Lamm Gottes. In ihm werden Hölle, Tod und alle widergöttlichen Mächte überwunden. Durch das Sterben und Auferstehen des Christus Jesus ist der Mächtige, der sich als der Herr Welt geriert und die Menschen verklagt, bereits überwunden. Auch die Mächte der Finsternis (Lk. 22,53) und der Versuchung sind besiegt. Wenn nun in der eschatologischen Katastrophe der Menschensohn wiederkommen wird, werden alle kosmischen Kräfte ins Wanken geraten (Mt. 24,29). In der durch den gekreuzigten und auferstandenen Christus erfolgten Umkehrung aller Werte hat sich auch die Um-Wertung der durch die irdischen Machtverhältnisse gesteuerten alten Welt vollzogen. 2. Christi Ohnmacht als Macht Christi Kreuzestod ist seine Macht. Seine Ohnmacht wird zu seiner Macht. Sein Wort und sein Leidensweg sind ein Weg der Hingabe und der Liebe. Christus ersetzt Macht durch Liebe. Darum heißt es auch für die Jünger, nicht auf die Macht zu bauen, sondern der Liebe zu vertrauen. Christi Liebe als seine Agape bleibt die alles bestimmende Macht des Menschen. Sie ist b~dingungslos und wehrt sich dagegen, daß der Mensch zum Objekt eigener und fremder Bedürfnisse und Machtausübung gemacht wird. Das kann folgerichtig für den Menschen nur die Konsequenz haben, aufgrund seiner ChriVgl. S. Grundmann, dynamis, S. 303. Vgl. Walter Schmithals, Jesus Christus in der Verkündigung der Kirche, Neukirchen Vluyn 1972 S. 145. 22 23

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stus-Nachfolge agape zu üben und notfalls auch Gewalt, die über ihn ausgeübt wird, zu erdulden. Die Lehre von der Ohnmacht Christi ist die Lehre von der Kenosis, also von der Selbsterniedrigung des Gottessohnes: "Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz" (Phi!. 2,6 - 8). R. Guardini sieht zunächst in diesem Text die Demut Christi angesprochen. Aber es geht nicht allein um sie, sondern im Mittelpunkt steht mehr die Erlösungstat des Herrn und damit seine Selbsterniedrigung. Es geht um die Knechtsgestalt des Herrn, wie Guardini, sodann richtig deutete 24 . In dieser Knechtsgestalt wird die exousia Christi sichtbar. Seine Knechtsgestalt bedeutet Kraft, Macht und keineswegs Schwäche! Knechtsgestalt heißt für Christus aktive und passive Gehorsamstat (oboedientia activa et passiva, wie es in altprotestantichen Theologie ausgedrückt wird). Das ist kein zum Sein Christi hinzukommender Zug, sondern er gehört zu seinem Wesen! Gehorsamstat bedeutet Erlösungs- und Versöhnungsmacht. Das hat die Überwindung der Sündenmacht und damit einen neuen Anfang durch Gottes Tat zur Folge. Gesetz, Sünde und Tod sind die Mächte, die nach dem Apostel Paulus den Menschen versklaven. Sie üben über den Menschen ihre Herrschaft aus. Paulus sieht sie als personifizierte Mächte an, die Macht über den Menschen besitzen. Sie nehmen ihn in Besitz, so daß er sein Ich an sie verloren hat. ,,Er ist ihnen verfallen, an sie ,verkauft"'25. Die Personiflzierung der Mächte von Gesetz, Sünde und Tode unterstreichen ihre Kraft und ihre Macht 26 . Aber Christus hat sie besiegt und die Menschen von ihnen befreit. Er ist Herr über das Gesetz (Mk. 2,28), über die Sünde (Röm. 7,24 f.) und über den Tod (1. Kor. 15,57). Die Rettung des Menschen geschieht allein durch Gottes Macht in Christus. Der Mensch selbst schafft es nicht. Christus allein befreit ihn von der Herrschaft dieser Mächte. Seine Erniedrigung am Kreuz ist der Preis, den er für die Befreiung des Menschen bezahlt. Die Herrschaft Christi zeigt sich nicht "als potestas, sondern als auctoritas,. als überzeugender und überführender Akt der Befreiung von den Mächten der Sünde, des Todes und des Gesetzes" 27. 24 25 26 27

Vgl. R. Guardini, Macht, S. 40. Gunneweg, Schmithals, Herrschaft, S. 105. Gunneweg, Schmithals, Herrschaft, S. 105. Gunneweg, Schmithals, Herrschaft, S. 109 Hervorhebung durch R. K.

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Christus, der dienende Kyrios, hat für den Menschen die neue Heilsordnung aufgerichtet. Das Heil des Menschen ist nicht abhängig von seiner MachtGestalt. Allein seine Liebe ist es, die das Leben trägt und auch den christlichen Rahmen des Handelns bestimmt. Gottes Macht also gibt den Menschen die Freiheit zum Handeln. Die Erfahrung solcher Freiheit führt dann zu einer Umwertung der Mächte dieser Welt. Alles orientiert sich am Kommen des Reiches Gottes. Aber gerade darin vollzieht sich eine Paradoxie. Denn zum einen wird die Freiheit des Menschen durch dieses Kommmen antizipiert, aber zum anderen kann Gottes Herrschaft selbst nicht auf dieser Erde vorweggenommen werden 28. C. Die Macht des Menschen Die Macht des Menschen hat seine Wurzeln im Bösen. Aber Macht ist nicht unbedingt böse, sondern sie dient auch dem Guten, indem sie das Böse in seine Schranken weist. Im Reiche Gottes gibt es, wie oben bereits gesagt, keine Macht. Denn Gott wird alles unterworfen sein, damit er "sei alles in allem" (1. Kor. 15,28). Noch aber ist es anders. Die Herrschaftsverhältnisse des alten Äons sind nach dem Neuen Testament eindeutig. Sie werden gebildet durch die politische Macht des Kaisers und die Herrschaftsgewalt der Hausherrn. Insbesondere der Text aus dem Brief des Apostels Paulus an die Römer (Röm, 13,1 ff.) hat die Frage der Herrschaft im politischen Raum aufgegriffen. Über das Verhältnis zu den politischen Machthabern ist besonders "von der letzten Generation im deutschsprachigen Bereich" lebhaft und widersprüchlich diskutierte worden 29. Aber in diesen Worten steht nicht eine theologisch-metaphysische Begründung der politischen Gewalt im Mittelpunkt, sondern die Paränese an die Christen zur Unterordnung unter die staatliche Autorität 3o . Die Begründung für eine Forderung zum Gehorsam wurde nach Käsemann "auf ein Minimum reduziert, während die Auslegung ihr zumeist ein Maximum (scil.Staatsbegründung und Unterordnung) zu entnehmen suchte"3l. Der Apostel spricht weder generell vom Staat noch speziell von der römischen Herr28 V gl. Karl Löning, Herrschaft Gottes und Befreiung des Menschen, in: Wilhelm Weber, Macht, S. 56. 29 Ernst Käsemann, Römer, S. 338. 30 Ernst Käsemann, Römer, S. 341. 3l Ebenda.

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schaft, sondern eher von den lokalen oder regionalen Machtträgern, mit denen "der kleine Mann in Berührung kommen kann und hinter denen er die regionale oder zentrale Verwaltung sieht" 32. Paulus kämpft gegen eine "enthusiastische Gefahr" und damit gegen ein Schwärmerturn, das glaubt, sich dem Alltag und damit den Mächten dieser Welt entziehen zu können 33. Macht aber gehört zu Gottes Anordnungen. Dennoch ist hier keineswegs vom Staat oder von der Macht im Sinne einer Schöpfungsordnung die Rede 34. Auch Christus hat sich nicht gegen die Macht an sich gewandt. Sie kann als Ordnungsfaktor akzeptiert werden. Aber er lehrte auch, gegenüber staatlichen Mächten auf der Hut zu sein und wandte sich gegen eine mißbräuchliche Anwendung der Macht (s. u.). Falsch angewandte Macht verdirbt die Seelen. Jesus lebte sein eigenes Leben unter einem Macht- und Gewaltverzicht. Er sah es als Dienst. Darum heißt es: "Er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen" (Jes. 53,4). Für den Christen wird die irdische Macht als Handlungsmaxime in der Nachfolge von Christi Werk durch die Liebe ersetzt. Liebe ist für den Christen die alles bestimmende Macht. Andere Mächte und Gewalten stehen unter der Vorläufigkeit und werden temporär eingegrenzt. Dennoch ist die Macht im Zusammenhang mit staatlicher Ordnung zu bejahen. Sie regelt das menschliche Zusammenleben. Aber der Mensch, der in Christus existiert, bleibt in ihm frei gegenüber den Mächten der Welt, also auch gegenüberB der staatlichen Gewalt. Von den Christen wird nach Aussagen des Neuen Testamentes verlangt, die Macht des Kaisers und seine Amtsgewalt zu akzeptieren: Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist (Lk. 20,25). Sein Recht und seine Macht stammen aus diesem Äon. Des Kaisers Macht wird geradezu in diesem Lukas-Wort anerkannt. Indessen, ohne Zulassung durch Gottes Macht existiert auch des Kaisers Macht nicht. Darum sind der Kaiser und seine Macht nicht Ausgeburten des Teufels. Für Jesus und in seiner Nachfolge auch für Paulus stellt des Kaisers Macht nicht die Gegenrnacht zur Gottesherrschaft dar. Freilich ist trotz der Akzeptanz der staatlichen Macht in dem zitierten Wort keineswegs von einem Auftrag an den Kaiser die Rede, die Macht anzuwenden. Im Brief an die Römer (Röm. 13) wird, wie bereits gesagt, staatlichen Organen Macht zugestanden. Aber darin wird kein zeitloses Urteil über den Staat gefallt. Vielmehr wird dem Staat der göttliche Auftrag zuerkannt, den Menschen 32 33 34

Ernst Käsemann, Römer, S. 342. Ernst Käsemann, Römer, S. 344 ff. Vgl. Ernst Käsemann, Römer, S. 344.

11. Der neutestamentliche Machtbegriff

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vor dem Bösen zu schützen. Umgekehrt kommt mit der Beseitigung der kaiserlichen Herrschaft nicht automatisch das Reich Gottes herbei. Zwar ist die staatliche Macht wie alles Irdische auch für das Böse anHillig, aber sie ist nicht von Grund auf böse. Die Frage nach der Macht in der Kirche wird im Neuen Testament eindeutig beantwortet. Im Markus-Evangelium heißt es: "Jesus rief die Jünger zu sich und sagte: Ihr wißt, daß die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen mißbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der erste sein will, soll der Sklave aller sein" (Mk. 10,42-44). Im Neuen Testament wird nämlich für die Gemeindeglieder das Wirken nicht als profanes Machtstreben beschrieben, sondern als Dienst an den Menschen. Dienst ist also das Charakteristikum christlicher "Herrschaft". Dem ist 1934 auch die 4. Barmer These gefolgt: "Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes". Eine Herrschaft, also eine Ausübung von Macht gegenüber den Brüdern gibt es in der Gemeinde Jesus Christi, wie sie im Neuen Testament verstanden wird, nicht. Christus allein ist das Haupt der Gemeinde (Eph. 5,23). Die Glieder am Leibe Christi dienen einander zur Erbauung (Eph. 4,12). Durch die Macht des Staates soll zwar nicht der himmlische Weltfrieden geschaffen werden. Aber ein irdischer Frieden ist segensreich. Die Herrscher dieser WeIt sind im Blick auf das Heil des Menschen nicht die "Macher" dieser WeIt. Der Kaiser versucht zwar, die bösen Mächte dieser Welt in Schranken zu halten und den Frieden aufzurichten. Aber den Frieden bringt er nicht, sondern Christus (Joh.14,27). Der wirkliche Heiland ist Christus. Er allein hat die Macht, den Menschen ihr eschatologische Heil zu verschaffen.

Viertes Kapitel

Die gegenwärtige theologische Behandlung der Macht Die Macht besitzt im christlichen Glauben schon deshalb eine theologische Dimension, weil im urchristlichen Credo des Apostolikums Gott der Allmächtige genannt wird. Damit wird ausgesagt, daß die Macht bei aller ihrer Fragwürdigkeit etwas ist, was auch mit Gott in Verbindung zu bringen ist oder gar von Gott selbst kommt. Die Macht wird zugleich "in den Kreis jener geheimnisvollen, gefährlichen, irgendwie Gott allein vorbehaltenen, nur von ihm her verstehbaren, nie eigenmächtig und selbstherrlich usurpierbaren Mächte geruckt" 1.

I. Gottes Allmacht Gottes Allmacht ist nicht vergleichbar mit der angemaßten Herrschaft eines Tyrannen. Gottes Allmacht hat mit seinem Werk zu tun. Darum auch sind die Aussagen von Gottes Allmacht immer mit seiner Schöpfung verbunden. Gott will das Dasein seiner Geschöpfe. Es geht dabei nicht um die Durchsetzung seines Willens, sondern um die Zuwendung zu seinen Geschöpfen trotz ihrer Abwendung und ihrer Neigung zur Sünde 2 ! Der trinitarische Gott behält gegenüber seinen Geschöpfen, die sich von ihm abwenden und sich emanzipieren wollen, seine Absicht für ihre Rettung bei. Durch seinen ewigen Sohn läßt er solche Rettung geschehen. "Die Menschwerdung des Sohnes ist also als der höchste Ausdruck der Allmacht Gottes zu begreifen"3. Darum eben ist Allmacht nur zu denken als ein Ausdruck der göttlichen Liebe. "Allmächtig ist nur diejenige Macht, die das ihr Entgegenstehende in seiner Besonderheit - also gerade in seinen Grenzen bejaht, und zwar uneingeschränkt, unendlich bejaht, so daß sie ihrem Geschöpf die Chance eröffnet, in der Annahme der eigenen Grenze über sie Vgl. Karl Rahner, Schriften IV, S. 485. Vgl. Wolfhart Pannenberg, Systematische Theologie, Bd.1. München 1988 S.450. 3 Wolfhart Pannenberg, S. Th. I S. 455. 1

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II. Das Verständnis von menschlicher Macht

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hinaus und so selber der Unendlichkeit teilhaftig zu werden"4. Gottes Allmacht besteht also nicht in seinem Durchsetzungsvermögen, sondern in der Offenbarung seiner Liebe, die das ihr Entgegenstehende bejaht. Die göttliche Macht zeigt sich also gerade in der göttlichen Liebe.

11. Das Verständnis von menschlicher Macht Das christliche Verständnis von Macht ist mehrschichtig und differenziert. Macht kann nicht einfach abgelehnt werden. Denn sie gehört zum Wesen der Schöpfung Gottes und ist ein Teil des Seins, seine Seinsmächtigkeit. Als Macht Gottes herrscht sie auch auf der Erde. Macht kann also ihren Ursprung in Gott nicht leugnen. Aber trotzdem kann sie nicht allgemein bejaht werden, insbesondere dann nicht, wenn sie mißbraucht oder mit Gewalt gleichgesetzt wird. Denn dann gehört sie zur gefallenen Welt. Thomas von Aquin hat in seiner Summe der Theologie die Frage gestellt, ob des Menschen Glückseligkeit (beatitudo) etwa in der Macht liegen könnte. Er antwortete: Es scheint so, daß man die Glückseligkeit erfährt, wenn man im Besitze der Macht ist. Zwar ist die Macht Gottes seine Güte (sua bonitas). Die göttliche Macht kann darum nach Thomas auch nur gut gebraucht werden. Aber zwischen Gott und dem Menschen besteht ein qualitativer Unterschied. Die Gottähnlichkeit sollte in allen Seinsweisen des Menschen vorhanden sein. Das aber ist selbst nach Thomas nicht der Fall. Zur Glückseligkeit des Menschen genügt es deshalb nicht, wenn "nur" im Blick auf die Macht eine Gottähnlichkeit bestünde, sofern der Mensch nicht auch im Blick auf seine Güte (ad bonitatem) Gott ähnlich werde 5 • Hinzufügen ist. Wenn er es denn überhaupt kann! Dieser Gedanke verschärft sich noch, wenn man die Gutheit (bonitas) mit Barmherzigkeit wiedergibt, wie es aus der biblischen Überlieferung abgeleitet wurde! Unser Leben ist in natürliche Machtverhältnisse eingebunden. Ohne Macht läßt sich das menschliche Zusammenleben nicht ordnen, ja gibt es keine irdische Ordnung. Da die politischen Strukturen einer Gesellschaft nichts anderes als Machtverhältnisse darstellen, sind sie Ordnungsstrukturen. Als solche haben sie nicht aus sich selbst Macht, sondern sind von Gott dazu eingesetzt. Aber ihre Struktur liegt nicht ein für alle Male fest. Sofern dieser Ordnungsmacht Gottes kein Gehorsam geschuldet wird, wird Gottes Wille 4 5

Wolthart Pannenberg, S. Th. I S. 456. Vgl. Thomas von Aquin, Summa Theologica, Bd. I.II. 2,4.

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4. Kapitel: Die gegenwärtige theologische Behandlung der Macht

mißachtet. Da die Mächte dieser Welt unter dem eschatologischen Vorbehalt stehen, gelten sie nur vorläufig und werden durch Gottes endgültige Ordnung abgelöst. Macht wird also letztlich erst entmachtet, wenn die Mächte dieser Welt durch den kommenden Äon ersetzt werden. Solange aber dieser Äon besteht, muß Macht ambivalent behandelt werden: bejaht und verneint zugleich. A. Die Macht und der Sündenfall

Ist Macht der Besitz eines Handlungsspielraumes und zugleich das Vermögen, diesen auszufüllen, dann gehört Macht zur Schöpfung unmittelbar hinzu. Denn Gott gab im dominium terrae (Herrschaft über die Erde) dem Menschen den Auftrag, sich der Erde zu bemächtigen, auf ihr zu leben, sie dabei machtvoll zu benutzen und zu bewahren. Macht gehört darum zur Schöpfung und damit zum Leben auf dieser Welt. Sie ist ein Teil von ihr. Für die Christen geschieht durch Macht eine Auseinandersetzung mit dieser endzeitlichen Welt. Macht ist ein Teil der den Menschen überantworteten Aufgabe der Weltbewältigung. Die Menschen stehen bei ihrer Erfüllung als verantwortliche "Partner", die vom Schöpfer den Auftrag zur Gestaltung und Verwaltung dieser Erde erhalten haben, in einer engen Beziehung. Wie alles Sein des Menschen durch seinen Fall geprägt und pervertiert wurde, ist auch die Macht in Mitleidenschaft gezogen. Es ist dem Menschen nicht möglich, sie einfach als zur Schöpfung gehörig zu bejahen oder als von Grund auf böse abzulehnen. Denn Macht ist nicht deshalb gut, weil sie über den Schöpfungsakt in das Leben post lapsum Adae (nach dem Fall Adams) gekommen ist. Macht wird erst durch das Handeln der Menschen böse. Denn so wie sie sich in ihrer Potentialität zeigt, erweist sie sich als Gestalt nach dem Sündenfall. In ihrer Jetztgestalt ist sie also ein Teil der gefallenen Welt 6 • Macht gehört demnach nicht allein zum Geschöpf-Sein, sie ist auch ein die Schöpfung nach dem Sündenfall kennzeichnendes Phänomen. Aber sie ist theologisch wertneutral und hat einen ambivalenten Charakter, indem sie mal zum Guten und Bösen neigt. Sie ist damit pervertierbar und mißbrauchbar. Das besonders deshalb, weil der Kampf um die Macht ein von Sünde und darum von Schuld gekennzeichnetes Verhalten des Menschen ist. Sofern um den Besitz von Macht gerungen wird, bleibt immer eine Person im 6

Vgl. Karl Rahner, Schriften IV S. 508.

11. Das Verständnis von menschlicher Macht

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Nachteil und damit auf der Seite des Verlierers. Das allein ist bereits ein Zeichen von Sünde und Schuld des Menschen. In der christlichen Theologie ist Macht, die mit solchen Mitteln, die sich nicht an die Freiheit des anderen halten, sondern in den Zuständigkeits bereich des anderen physisch bestimmend und verändernd eingreifen, aus der Sünde und ist damit, wie Rahner betont, eine "Erscheinungsform der Schuld"? Obwohl sie aus der Sünde stammt, ist sie aber nicht selbst Sünde. Sie bleibt eine Gabe und Aufgabe Gottes, "Ausdruck seiner eigenen Macht"8. Schließlich ist auch die Geschöpflichkeit als solche nicht schon Sünde. "Sowenig das, was nicht Gott ist, schon darum Sünde ist, weil es nicht Gott ist, sowenig kann dies von der Macht gesagt werden"9. Das reformatorische Denken kann zwar diesen Weg bis dahin mitgehen, aber eine weitere Aussage Rahners bleibt ihm verwehrt. Denn Rahner stellt fest, daß die Ausübung der Macht für die Erlangung des Heiles oder der Verdammnis relevant ist. Macht gehört für ihn zum natürlichen Schöpfungsbereich (zur Schöpfungsordnung) und wird von den Normen des Naturrechts regiert. Sie ist neben der Sexualität - oder noch vor dieser - die "allererste Grundrnacht" des ganzen menschlichen Daseins 10. Obwohl Macht also in den Schöpfungsbereich gehört, ist sie ein Teil des gefallenen Äons und wird mit dem Ende der Welt auch aufhören zu existieren. Sie ist für die katholische Theologie in ihrer Substanz und Qualität von der Natur des Menschen und auch ohne die göttliche Offenbarung durch das Wort Gottes erkennbar. Hier sagt die reformatorische Theologie ein quod non! Freilich ist auch nach katholischer Theologie die Macht als Teil des allgemeinen Sittengesetzes ohne die Hilfe der Gnade in Jesus Christus nicht erfüllbar 11. B. Die Macht in der ökumenischen Theologie In der ökumenischen Diskussion wird weitgehend Macht als in sich böse qualifiziert. Beispielhaft dafür kann die Minjung-Theologie gelten. Diese Theologie ist gemäß der wörtlichen Bedeutung von Minjung (= Volk) eine Volks theologie, die aus den Kämpfen um die Menschenrechte in Korea in

? Karl Rahner, Schriften zur Theologie, Bd. IV, Zürich, Köln 1964 S. 487. 8 Karl Rahner, Schriften IV, S. 491. 9 Karl Rahner, Schriften IV, S. 491. 10 Karl Rahner, Schriften IV, S. 501. 11 Karl Rahner, Schrfiten IV, S. 500. 4 Kramer

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4. Kapitel: Die gegenwärtige theologische Behandlung der Macht

den siebziger Jahren entwickelt wurde 12. Minjung kann ganz unterschiedliche Gruppen eines Volkes meinen: eine ethnische Gruppe, die von einer anderen beherrscht, eine Rasse, die von einer anderen (Herren-)Rasse geknechtet oder eine Frau, die vom Mann politisch unterdrückt wird. Minjung ist also immer die Gruppe der Beherrschten. Da in dem unterdrückten Volk Sehnsüchte nach Befreiung entstehen, muß man die Minjung-Theologie als eine Konfrontation mit der Macht interpretieren. Daraus entsteht die Hoffnung auf ein messianisches Reich nicht als Traum oder Illusion, sondern als Wirklichkeit. Dieses messianische Reich wird ganz konkret politisch gedacht 13. Im Rahmen eines so zu verstehenden politischen Messianismus wird dann Macht als böse qualifiziert. Sie wird dem durch Jesus geprägten Messianischen Dienst gegenübergestellt. Dieser Jesus-Messianismus bedeutet selbstverständlich eine Herausforderung für den politischen Macht-Messianismus. Gefordert wird, daß sich dem Messias-Jesus letztlich alle Formen des politischen Messianismus unterordnen. Jesus ist ist die Verköperung der messianischen Wirklichkeit. In seinem Messias-Reich hat Macht keinen "ontologischen Rang". Denn Jesus und sein Volk waren "ohn-mächtig" 14. Zwischen dem "politischen Messianismus und messianischer Politik" und damit zwischen Macht und dem Volk besteht ein "Dauerwiderspruch". Wollen die Christen realistisch Politik betreiben, muß politisch die kreative Macht des Volkes Berücksichtigung finden 15. Da Macht in der evangelischen Theologie eine ganz unterschiedliche Behandlung erfahren hat, sollen exemplarisch die Meinungen einiger Theologen herausgestellt werden, um einerseits personell wie auch reformatorisch-theologisch verschiedene Machtpositionen näher zu beschreiben. Darum werden, nachdem bereits der katholische Rahmen durch die Theologie Rahners abgesteckt wurde, der reformierte Theologe Karl Barth, der Lutheraner Helmut Thielicke, der sich in seiner Ethik ein Leben lang mit diesem Thema beschäftigt hat, und schließlich der philosophisch geprägte Theologe Paul Tillich zu Wort kommen. Der letztere hat als lutherischer Theologe innerhalb seiner Ontologie der Macht einen speziellen Platz eingeräumt. Es soll darüber hinaus auch ein Blick in das "Machtgebaren" der Kirchen geworfen werden, um zu erkennen, welche Bedeutung Macht in Theologie und Kirche besitzt.

12

13 14

15

Vgl. Jürgen Moltmann (Hrsg.), Minjung, Neukirchen-Vluyn 1984 S. 11. Kim Yong-Bock, in: Moltmann, Minjung, S. 219. Kim Yong-Bock, in: Moltmann, Minjung, S. 229. Kim Yong-Bock, in: Mo1tmann, Minjung, S. 229.

III. Karl Barth

51

111. Karl Barth Es geht Barth nicht abstrakt um die Macht Gottes, auch nicht um die des Menschen. Eine Lehre von einer abgehobenen Allmacht Gottes hätte es nach ihm mit einem Dämon zu tun und nicht mit Gott, dem Vater Jesu Christi. In der göttlichen Allmacht ist auch nicht Macht an sich zu finden. Eine solche "unqualifizierte Macht", die für alles und jedes gut ist, kann nur eine Macht der Verneinung, eine Macht des Chaos sein 16.

A. Gottes Allmacht In seiner Beständigkeit wird Gott als allmächtig erkannt. Also nicht als Unveränderlicher ist er allmächtig; denn wäre er unveränderlich, wäre er höchstens ohnmächtig. Ihm kommt Allmacht zu, weil er frei ist gegenüber der von ihm geschaffenen Wirklichkeit 17. "In seiner Allmacht ist er die Quelle und die Erhaltung alles geschaffenen Lebens" 18. Freilich hat man es in der Lehre von der Allmacht nicht mit irgendeiner Allmacht, sondern nur mit Gottes Allmacht und darum eben mit der wirklichen Macht zu tun. Das ist Barths 1. Festellung. Für Barth ist die Macht an sich nicht neutral, sondern böse 19. Die Macht an sich ist von tyrannischer und ausbeuterischer Gestalt. Wäre diese Macht an sich die Allmacht Gottes, dann eben wäre auch sie von tyrannischer Gestalt, und Gott wäre ein böser Gott und der Tyrann schlechthin 20. Als 2. Feststellung hat zu gelten: Gottes Macht ist nicht nur potentia (physisches Macht), sondern potestas Guristische Gewalt). Gottes Gewalt steht nicht vor dem Recht, sondern geht immer mit dem Recht einher 21 • In einer 3. Feststellung ist zu erkennen, daß Gottes Allmacht eine Aussage über Gott selbst ist. Gott ist in sich selber allmächtig, in seinem Werk als Schöpfer, Versöhner und Erlöser 22 ! Darum gehören für Barth Allmacht und

16 17

18 19 20 21 22

4*

Karl Karl Karl Karl Karl Karl Karl

Barth, Barth, Barth, Barth, Barth, Barth, Barth,

Kirchliche Dogmatik, Bd. III, 4 S. 446. Kirchliche Dogmatik, Bd. 11, 1 S. 588. KD. 11,1, S. 588. KD. 11,1, S. 589. ebenda. KD. 11,1, S. 591. KD. 11,1, S. 593.

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4. Kapitel: Die gegenwärtige theologische Behandlung der Macht

Allwirksamkeit zusammen. Aber die Allmacht (und damit das Wesen Gottes) geht nicht in der Allwirksamkeit auF3! Die 4. Festellung enthält die Aussage, daß Gottes Allmacht ein ganz konkretes Vermögen ist, durch das er als Vater, Sohn und Heiliger Geist all das vermag, was er in seiner Vollmacht tut. Schließlich muß 5. festgestellt werden, daß Gottes Allmacht Macht über alle Mächte und damit über alles ist24 • Und dies gilt, weil er Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist in einem ist. Die Zusammenfassung dieser fünf Feststellungen besagt: Gott hat nicht nur Allmacht, "sondern er ist sie"25. Sein Wissen und sein Wollen prägen dieses göttliche Sein! Beides zusammen ist in der Einheit seiner Liebe gegeben. Die Allmacht Gottes ist also die "Allmacht seiner freien Lieben" 26. Barth vereint so die Liebe Gottes mit seiner Allmacht. B. Menschliche Macht

Menschliche Macht will Barth in Verbindung mit dem Willen zum Leben verknüpft sehen. In einer, wie es es selbst nennt, "gewagten Formulierung" spricht er von einem "Willen zum Leben" als einem "Willen zur Macht"27. Er geht davon aus, daß Gott dem Menschen mit seiner Schöpfung, die ihm mitgegebene Kraft und Macht nicht brach liegen läßt, sondern bejaht und annimmt. Für ihn gilt: "Zur Wirklichkeit des Lebens gehört auch dieses Vermögen (seil. sich mit Lebensförderung und Lebenshemmungen auseinanderzusetzen). Und indem Gott den Menschen ins Leben ruft, indem er und solange er ihn als lebendigen Menschen anredet, will er, daß der Mensch dieses Vermögen, die ihm gegebene Macht, Kraft und Gewalt, nicht vernachlässige, sondern bejahe, wolle, annehme"28. Dem Menschen ist es aufgetragen, sein Leben wahrzunehmen und von der ihm aufgegebenen Macht gegenüber den Mächten dieser Welt Gebrauch zu machen. Macht im positiven Sinn und nicht als "Goliathsmacht" ist für Barth erkennbar an bestimmten Kriterien. Dazu gehören 29: 23 Karl Barth, KD. 11,1, S. 592. 24

25 26 27 28

Karl Karl Karl Karl Karl

Barth, Barth, Barth, Barth, Barth,

KD. 11,1, S. 605. KD. 11,1, S. 611. KD. 11,1, S. 597. Kirchliche Dogmatik, Bd. III, 4 S. 445. KD. III,4, S. 445.

III. Karl Barth

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1. Macht, die der Mensch bejahen kann, muß erkannt werden als eine dem Menschen von Gott gegebene Macht. Sie muß unterschieden werden von der Macht, die ihm von der Sünde gewährt wird. Diese ist Chaosmacht. Gottes Macht ist eine den Menschen befreiende und erhöhende Macht. 2. Die zu bejahende Macht ist die von Gott gerade dem jeweiligen Menschen verliehene Macht. 3. Sie wird dem Menschen nicht als Luxus, sondern als ein für ihn Notwendiges gegeben. Er braucht sie. Ihr Charakteristikum ist das eines Dienstes, unter dem der Mensch steht. Wer Macht als Dienst gebraucht, benutzt sie nicht im Luxus. Dienst ist die Befreiung vom "leeren Machthunger"30. 4. Das Kriterium aller Kriterien ist die Tatsache, daß die Art der für jeden Menschen nötigen Macht allein Gott überlassen werden muß. Darum ist es möglich, daß der Mensch, der im Dienste Gottes steht, auch auf Macht verzichten, sie entbehren können muß. In der Tat Christi geht es um den Dienst am Menschen. Unter dem Begriff der Er-Mächtigung wird für Barth all das zusammengefaßt, was neutestamentlich mit dem Wort der exousia ausgedrückt wird. Christi Versöhnungshandeln ist Christi Macht, die zum einen als das Vermögen und zum anderen als Vollmacht (Autorität) verstanden wird. Macht wird so zu Recht nicht nur als potentia, sondern auch als potestas interpretiert. Christus handelt also nicht eigenmächtig, sondern in Vollmacht des göttlichen Willens als Heiland der Menschen. Die Vollmacht "ist die Macht des rechtmäßigen Herrn über Alle und Alles"31. Indem er "vor der Welt für Gott und vor Gott für uns Alle, für die Welt einsteht und gut steht" hat die göttliche Vollmacht zugleich die Gestalt der menschliche Vollmacht 32 . Christus als Sohn Gottes empfangt diese Macht. Er handelt, indem er Gehorsam dem Vater gegenüber leistet. Er erniedrigt sich, versöhnt die Welt mit Gott ein für allemal (ephhapax) und geht zurück zum Vater. Er hört mit dieser Bezeugung seiner Macht nicht auf und existiert in Herrlichkeit mit seinem Vater dort und hier "im Werk des Heiligen Geistes für uns" 33. Er tut das alles "aber eben nicht in der Nacktheit seiner göttlichen Macht",

29

30 31 32 33

Karl Karl Karl Karl Karl

Barth, Barth, Barth, Barth, Barth,

KD. 1Il,4, S. 447. KD. III,4, S. 451. Die Kirchliche Dogmatik Bd. IV,2 S. 108. KD. IV,2, S. 108. KD. IV,2, S. 107.

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4. Kapitel: Die gegenwärtige theologische Behandlung der Macht

sondern als der "Menschensohn, in seiner Identität mit dem Menschen Jesus von Nazareth"34. Diesem Menschen ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden. In seiner menschlichen Person ist also die göttliche Macht vorhanden, die in der potestas officii steckt. Sie befahigt ihn, diesen Dienst an den Menschen zu verrichten. Machtvoll wird er dann auch in Herrlichkeit wiederkommen.

IV. Paul Tillich Macht, Liebe und Gerechtigkeit können für Tillich nur aus der Basis ihrer ontologischen Struktur verstanden werden. Die Methode, die generell die Grundstruktur aller Prinzipien, also auch der genannten drei Begriffe, bestimmt, bezeichnet Tillich als Ontologie. Allen Seinskategorien ist gemeinsam: Sie sind eins in ihrem göttlichen Ursprung, des Sein-Selbst. Und sie streben in der menschlichen Existenz nach dieser Einheit. Sein bedeutet für Tillich die Macht zu sein. Sein ist gleichbedeutend mit Seinsmächtigkeit 35 . Macht dagegen ist die Möglichkeit, den Widerstand des Nichtseins zu überwinden. Damit wird Macht zur Selbstbejahung trotz der Verneinung. Macht ist also das Vermögen, sich gegen das Nichtsein zu behaupten. Der Wille zur Macht kann in der Interpretation Tillichs nicht als ein psychologischer oder soziologischer Vorgang - der Hinweis auf M. Weber wird nicht verschwiegen 36 - als Macht über andere Menschen gedeutet werden. Er bezeichnet auch nicht wie bei Nietzsche oder Schopenhauer die "Selbstjahung des Lebens"37, das "dynamisch über sich hinausdrängt"38. Der Inhalt liegt viel tiefer. Die Worte in diesem Zusammenhang, in dem es um letzte Wirklichkeit geht, sind metaphorisch zu verstehen. Das gilt von dem Willen ebenso wie von der Macht. Das Sein ist gleichbedeutend mit der "Macht zu sein"39. Die Mächtigkeit des Seins tritt gegen das Nichtsein an. Dieses wird dann von der Seinsmächtigkeit überwunden. Macht ist weder Gewalt noch Zwang. Aber sie verwirklicht sich durch beide.

34 35 36 37

Karl Barth, Bd. IV,2, S. 107. Paul Tillich, Gesammelte Werke, Bd. XI, Stuttgart 1969, S. 166. Paul Tillich, GW. XI, 166. Paul Tillich, Gesammelte Werke, Bd. IX, Stuttgart 1967, S. 208 und auch Bd. XI, S. 165f. 38 Paul Tillich, GW IX, 208 u. Bd. XI S. 165f. 39 Paul Tillich, GW XI, 166.

IV. Paul Tillich

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Von dem Widerstand des Nichtseins gegenüber der Seinsmächtigkeit können nur deshalb Aussagen gemacht werden, weil das Nichtsein dem Sein ,,nicht fremd ist", sondern "jene Qualität des Seins darstellt, die alles, was am Sein teilhat, verneint" 40. Dabei muß deutlich erkannt werden, daß das Nichtsein immer in Bezug auf das Sein zu sehen ist. Denn schließlich gilt: "Das Nichtsein ist die Verneinung des Seins innerhalb des Seins-Selbst"41. Darum geht auch logisch das Sein dem Nicht-Sein voraus, nicht etwa umgekehrt. Das Sein-Selbst ist Grund und Inhalt des menschlichen Seins. Wenn nun die Macht des Seins darin besteht, sich gegen das Nichtsein zu behaupten, und dieses Vermögen die Seinsmächtigkeit des Seins ist, dann zeigt sich, daß die Mächtigkeit kein statischer Ausdruck der Identität ist. Sie stellt vielmehr einen Prozeß dar, in dem das von sich selbst getrennte Sein zu sich selbst zurückkehrt und somit das Getrennte vereinigt. Dieser Prozeß der Wiedervereinigung ist Liebe 42 . Dabei ist "die Liebe das Fundament, "nicht die Verneinung der Macht"43·Je stärker die Liebe ist, umso mehr Seinsmächtigkeit besitzt sie, umso mehr Nichtsein kann sie überwinden. Will sie überwinden, was gegen sie spricht, bedarf sie der Macht und sogar des Zwanges. Aber natürlich darf Macht nicht mit Zwang oder Gewalt gleichgesetzt werden. Liebe ist die dynamische Macht im Leben des Menschen. Sie verlangt nach der Einheit des Getrennten. "Die größte Trennung ist die Trennung eines Selbst vom Selbst"44. Freilich läßt sich ohne eine ursprünglich vorhandene Einheit und eine "letzte Zusammengehörigkeit" eine Vereinigung des Seienden nicht denken 45 . Sie ist also keine Vereinigung von Fremdem. Ein Verwirklichung des Seins ist Leben. Darum verwirklicht sich Macht auch in dem Prozeß des Lebens. Sowohl in den persönlichen als auch in den sozialen Beziehungen herrschen außer der Liebe auch Macht und Gerechtigkeit. Im persönlichen Bereich lassen sich ethische zwischenmenschliche Beziehungen finden, wozu auch die Macht (z.B. auch in Gestalt der Autorität) gehört. In der gesellschaftlichen Beziehung muß Macht abgestuft gesehen werden. Sie besitzt zwar ein Zentrum, ist aber trotzdem hierarchisch strukturiert. 40

41 42 43 44 45

Paul Paul Paul Paul Paul Paul

Tillich, Tillich, Tillich, Tillich, Tillich, Tillich,

GW GW GW GW GW GW

XI, XI, XI, XI, XI, XI,

167. 167. 174. 174. 159. 158.

56

4. Kapitel: Die gegenwärtige theologische Behandlung der Macht

Macht und ebenso auch die Gerechtigkeit hängen bei den sozialen Gruppen vom "Gemeinschaftsgeist", und das heißt von der "vereinigenden Liebe" ab, die die Gemeinschaft begründet und erhält 46 •

v. Helmut Thielicke Macht ist vor allem ein Begriff aus der Ethik. Darum hat sich Thielicke ausführlich in seiner Theologischen Ethik mit ihr beschäftigt. Das hindert ihn freilich nicht, den Macht-Begriff systematisch-theologisch (dogmatisch) zu begründen.

A. Gottes Allmacht Gottes Macht tritt für Thielicke - ähnlich wei bei K. Barth - nie als Allmacht oder als "Macht an sich" in Erscheinung. Gott ist für ihn entweder der gnädige oder der zürnende Gott. Deshalb stellt seine Machtausübung und Machtbegrenzung immer einen Teil seiner Liebe dar 47 . In dieser steckt auch die Selbstbegrenzung Gottes hinsichtlich seiner Macht. Diese erweist sich, indem er I. seine Schöpfermacht nicht durch eine ständige Neuschöpfung unter Beweis stellt, sondern seiner Schöpfung eine Kontinuität zuerkannt hat.

2. den Menschen leben läßt und "ihm Entscheidungsraum zumißt, der ihn verantwortlich macht". 3. als auctor legis zwar Macht ausübt, aber wesentlich der auctor evangelii ist. Als solcher ist er der Herr der Liebe, der zwar auch Macht besitzt, aber der seine misericordia (Barmherzigkeit) über die ira (Zorn) siegen läßt 48 . Die Liebe Gottes erfahrt ihre Radikalität in dem Kommen Christi und in seinem Verzicht auf Macht. In der Zeit dieses Äons kann es um der Liebe willen nicht einen Verzicht auf Macht geben. "Denn die gefallene Welt, die Welt des noachitischen Bundes, bedarf der mit Macht ausgestatteten Ordnung"49. Und dieser Äon bedarf auch der Liebe. Weil sich beide Äonen, dieser und der kommende, nicht exklusiv zueinander verhalten, können Macht Paul Tillich, GW XI, 207. 47 Helmut Thielicke, Theologische Ethik, Bd. 11,2 Tübingen 21966. § 1563. 48 Helmut Thielicke, Ethik 11,2, § 1576. 49 Helmut Thielicke, Ethik 11,2, § 1585. 46

v. Helmut Thielicke

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und Liebe nicht als Alternative gesehen werden. Das Verhältnis dieser beiden Größen bestimmt Thielicke auf der Seite Gottes so: Die Liebe ist als das Motiv zu verstehen, "aus dem heraus und in dessen Namen Macht ausgeübt wird, aus dem heraus und in dessen Namen auch Machtbegrenzung stattfmdet"50. Für ihn erhält allerdings auch das Gewaltregiment aus der Liebe seine Legitimation. B. Die Macht der Menschen Auf der Seite des Menschen ist ein ethischer Nachvollzug des Verhältnisses von Macht und Liebe keineswegs ganz anders zu sehen als in der beschriebenen göttlichen Relation. Aber sie ist nicht im Sinne eines Analogieschlusses zu verstehen. Vielmehr muß auf der menschlichen Seite eine doppelte Erkenntnis Berücksichtigung finden: Zum einen behütet Macht als "potestans ordinata und ordinans" die gefallene Welt vor dem Chaos. Zum anderen muß erkannt werden, "daß Macht nur eine ,verliehene' Macht ist und also den Charakter einer autorisierten Autorität hat"51. Darin liegt die Forderung beschlossen, daß es weder eine Institutionalisierung der Macht noch eine Tendenz geben darf, daß sich die mit Macht ausgestatteten Ordnungen verselbständigen. Noch darf das "Mächtig-Sein" zu einem Selbstzweck und die Ausübung von Macht als die Befriedigung eines Triebes verstanden werden. "Auf diese Weise würde die Macht aus einem Instrument des Dienstes zu einem Mittel des Egoismus"52. Ihre Bindung an die Liebe weist auf den Nachvollzug des göttlichen Handeins gegenüber den Menschen hin. Wird darum die Verbindung der Macht mit der Liebe aufgelöst, ist eine Perversion der Macht zu erwarten. Macht muß für ihn grundsätzlich durch Autorität ausgezeichnet sein und sie muß als verfassungspolitische Größe institutionell geteilt werden. Die Gewaltenteilung kann die Macht zwar nicht wieder zu ihrem Eigentlichen und damit an das "Motiv der Liebe" zurückführen bzw. dort halten. Aber sie kann immerhin die Trennung der Macht von der Liebe vor der Perversion bewahren. Die Gewaltenteilung ist "der institutionelle Ausdruck für ein permanentes Mißtrauen gegenüber der Macht, genauer: gegenüber ,dem Mächtigen'. Im Ruf nach Gewaltenteilung ist ein wissend-unwissendes Rechnen mit der Wirklichkeit des Sündenfalls, mit der Fragwürdigkeit des gefallenen 50 Helmut Thielicke, Ethik II,2, § 1591. 51 Helmut Thielicke, Ethik 11,2, § 1612. 52 Helmut Thielicke, Ethik 11,2, § 1622.

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4. Kapitel: Die gegenwärtige theologische Behandlung der Macht

Menschen wirksam" 53. Thielicke plädiert für eine Gewaltenteilung nicht nur im Staat, sondern auch in den sozialen und wirtschaftlichen Organisationen und darum auch in den Großunternehmen 54. In der Frage nach des Menschen Macht will Thielicke die drei Aspekte Woher, Wozu und Wie definiert wissen 55. Das Woher, also den psychologischen Aspekt, sieht er wiedergegeben in Platons Aussagen von einem ,,krankhaften Machtausweitungsdrang" des Menschen. Er verweist auch auf Friedrich Meinecke, der vom Streben nach Macht als von einem urmenschlichen und animalischen Trieb spricht, "der blind um sich greift, bis er äußere Schranken findet". Er ist so elementar, daß er sich allen anderen Normen entzieht "und alles Geschehen von sich abhängig macht". Im teleologischen Aspekt, also in der Frage nach dem Wozu, erscheint die Macht "als ein Mittel, das bestimmten Zielen dienstbar ist". Die Frage stellt sich freilich, ob man nicht nur bei einer Zweck-Setzung, sondern auch im "Willen zur Macht" Nietzsches eine Selbstbejahung des Zwecks erfahren kann. In der Tat, die Geschichte der Ideologien hat bewiesen, daß gerade die Werte, "auf deren Verwirklichung die Macht aus zu sein vorgibt", nichts anderes sind als nur Mittel "zur Machtverwirklichung selbst"56. Der phänomenologische Gesichtspunkt, also das Wie, fragt nach der Ausübung der Macht. Man betrachtet sie von ihren Trägern, Mitteln oder auch von ihren Grenzfällen aus. Dabei ist zu unterscheiden: -

Die Träger können Macht ausübende Personen sein, die sich auf "soziales Prestige, auf physische oder psychische Überlegenheit, auf angeborene oder ererbte Autorität, oder auf jene Kraft des Suggestiven, die Max Weber als ,Charisma der Macht' bezeichnet"57, stützen können.

-

Die Träger können auch Institutionen sein, die sich in "priesterlichreligiöser", monarchicher, in militärischer oder ökonomischer Macht zeigen. Thielicke denkt dabei auch an die Monopolstellung großer Konzerne.

Die phänomenologische Seite der Macht kann ferner durch ihre Mittel, und das heißt durch physische Gewalt oder Überzeugungskraft, eingegrenzt werden. 53 54 55 56 57

Helmut Thielicke, Ethik 11,2, § 1351. Vgl. Helmut Thielicke, Ethik, 11,2, § 1625. Helmut Thielicke, Ethik 11,2, § 1055 ff. Helmut Thielicke, Ethik 11,2, § 1071. Helmut Thielicke, Ethik 11,2, § .1088.

VI. Macht in den Kirchen

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Schließlich kann der phänomenologische Gesichtpunkt auch noch durch Grenzfälle bestimmt werden, also durch Ausübung von roher Gewalt und durch Überzeugungskraft. Im übrigen schließt sich Thielicke unter der Berücksichtigung der phänomenologischen Seite der bereits besprochenen Defmition Max Webers an. Dabei geht es ihm um das ",Daß' der Möglichkeit, irgend etwas durchsetzen zu können" 58. Für Thielicke ist Macht weder böse noch gut. Schließlich ist auch der Geschlechtstrieb (die libido) oder die Technik weder das eine noch das andere. Die Macht, "die sich benimmt, als ob sie ein Wesen von eigenem Willen und großer List" sei, spiegelt "nur allzu deutlich die Wesenszüge dessen, der hier wirklich handelt und will: eben des Menschen"59 wieder. Als Gewalt ist Macht durch Kraft gekennzeichnet. Sie ist die gleichsam stärkere Kraft. "Die Macht als Gewalt stützt sich auf ihre bloße dynamische Überlegenheit"60. Die Macht als Autorität bildet den Gegenpol zur bloßen Gewalt. Diese Macht will überzeugen und den anderen zum Partner gewinnnen 61. Das ist am stärksten in der Autorität Gottes zu erkennen. Sie ist durch zwei Wesenszüge kenntlich zu machen: Zum einen stellt sie keinen willkürlichen Machtgebrauch dar, sondern läßt sich "ihrerseits wieder durch die Vernunft autoritiseren" 62. Zum anderen will sie den Menschen zu einem selbständigen autonomen Menschen umgestalten und sich selber damit überflüssig machen 63.

VI. Macht in den Kirchen Sowohl in der römisch-katholischen als auch in den protestantischen Kirchen steht die Wahrheitsfrage unter dem Gesichtspunkt von Macht und Machtanwendung. Bis in die Gegenwart herrscht das Problem der Macht und ihre Anwendung in den kirchlichen Auseinandersetzungen. Das gilt Helmut Thielicke, Ethik 11,2, § 1097. Helmut Thielicke, Ethik II,2, § 1113. 60 Helmut Thielicke, Ethik II,2, § 1141. 61 Helmut Thielicke, Ethik II,2, § 1143. 62 Helmut Thielicke, Ethik II,2, § 1152. Merkwürdig ist dabei freilich, daß Thielicke die Autorität Gottes "in den Dienst der Gott und den Menschen gemeinsam übergeordneten Vernunft stellt"( ebda). 63 Helmut Thielicke, Ethik 11,2, § 1153. 58

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4. Kapitel: Die gegenwärtige theologische Behandlung der Macht

sowohl gesondert für den innerkatholischen wie auch für den ökumenischen Bereich 64 • Macht ist in den gegenwärtigen kirchlichen Strukturen nicht nur durch den Machtblock "Rom", sondern gleicherweise mindestens auch durch den Machtfaktor ,Genf' zu kennzeichnen. In den verfaßten Kirchen herrscht Hierarchie, Über- und Unterordnung. Darum gibt es in ihnen Macht, die Einzelpersonen und auch Gruppierungen zuzuschreiben ist. Die Geschichte ist voll von solchen "Tätern" der Macht. Wird Macht in der Kirche nicht an ihren Ursprung, also an ihren Herrn, gebunden, von dem die Kirche herkommt, und an den Zweck, für den sie da ist, also für die Wortverkündigung, Sakramentsverwaltung, für die Einswerdung mit ihrem Herrn und für den Liebesdienst, pervertiert sie. Das ist in der Gechichte der Kirche immer wieder vorgekommen. Macht wurde benutzt für die Befriedigung privater Zwecke und für kirchliche Besitz- und Herrschaftsansprüche.

A. Machtvorstellungen in der evangelischen Kirche Die Kirche hat in ihrem Handlungsbereich einen weiten Spielraum, den allein sie ausfüllen kann. Wenn ihr - dem Kirchenbegriff aus der Confessio Augustana (Artikel VII) entsprechend - als Auftrag auferlegt ist, das Evangelium rein zu verkündigen (evangelium pure docetur) und die Sakramente recht zu verwalten (sacramenta recte administrantur), ist sie dafür verantwortlich. Allein sie kann diesen Handlungsspielraum ausfülllen. Zwar ist dabei in der Praxis nicht nur an die organisierte Kirche gedacht, sondern auch an die geistliche Gemeinde, also an die Gemeinschaft der wahrhaft Glaubenden. Vor allem setzt die verfaßte Kirche die Bedingungen dafür, wer das Evangelium verkündigen und die Sakramente spenden darf. Es ist der Pfarrer und Träger des Amtes, der diesen Freiraum ausfüllt. Schließlich wird er vo,? der Kirche dazu berufen, das kirchliche Amt zu verwalten; nach Artkel XIV der Confessio Augustana muß er dazu rite vocatus (ordentlich berufen) sein. Damit wird ihm dieses Amt aufgrund des verliehenen Auftrags zum Machtbesitz, also nicht nur zur potentia, sondern zu potestas. Seine Macht wird noch dadurch vergrößert, daß in der Beichtpraxis die Gewährung der Absolution, 64 Darauf verweist der instruktive Aufsatz von Heinz-Günther Stobbe, Konflikte um Identität. Eine Studie von Macht in interkonfessionellen Beziehungen und im ökumenischen Prozeß, in dem von dem Münsteraner Ökumeniker Peter Lengsfeld herausgegebenen Arbeitsbuch Ökumenische Theologie, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1980 S. 190 ff.

VI. Macht in den Kirchen

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also die Vergebung, nicht nur nach römisch-katholischem Glauben, sondern auch nach evangelischer Lehre im Ermessen des Pfarrers liegt. Sein Amt wird zum überzeugenden Anspruch, wenn es auf auctoritas beruht. Aber in der ev. Theologie und in ihrer Kirche gibt es genügend Möglichkeiten, Macht zu kaschieren. Die geläufige Umdeutung der Macht in den Begriff der Vollmacht und damit in eine Umschreibung für Dienst ist eine solche Gestalt der Vertuschung. Denn mit dem Begriff des Dienstes beginnen die Herrschaftskonturen zu schwinden und die Über- bzw. Unterstellungsverhältnisse werden verdeckt 65 • Selbst die 4. These der Barmer Theologischen Erklärung weist auf diesen Sachverhalt hin. Denn dort heißt es: "Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes". Ebenso symptomatisch für diese Entwicklung der Macht-,Verdeckung' sind die vielen Ordnungen, die in Deutschland in den ersten anderhalb Jahrzehnten nach dem Ende des 2. Weltkrieges enlassen worden sind. Selbst das sogenannte ,,Brüderliche Gespräch" ist keineswegs ein machtfreies Gespräch, sondern kann sehr wohl zur Knechtung des Gewissens 66 und vor allem zur Disziplinierung des Mitarbeiters führen. Dienste und Gespräche stellen letztlich oft nichts anderes als eine Anwendung kirchlicher Macht dar, auch wenn oft allein mit dem Begriff des Rechts gearbeitet wird. Umgekehrt kann gerade in der Kirche (aber nicht nur dort) der nur scheinbar Ohn-Mächtige unter Ausnutzung von Krankheit und Schwachheit den Gesunden unerträglich schikanieren und eine wahre Tyrannei ausüben 67 • In diesen Fällen hat sich die Macht von der ihr "gestellten Aufgabe gelöst und ist zum Selbstzweck pervertiert 68 • Macht kann so selbst beim Schwachen zu einem Instrument des Bösen werden. B. Macht in der römisch-katholischen Kirche

Wie in den reformatorischen Kirchen in Deutschland sind auch in den katholischen Verlautbarungen des 11. Vatikanischen Konzils - etwa in der Konstitution lumen gentium (Licht der Völker) - die Fragen der Macht in 65 66 67 68

Vgl. Stobbe, Konflikte, S. 193. Vgl. Dietz Lange, Ethik, S. 323. Dietz Lange, Ethik, S. 323. Dietz Lange, Ethik, S. 323.

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4. Kapitel: Die gegenwärtige theologische Behandlung der Macht

Aussagen des Dienstes umgemünzt worden: "Um Gottes Volk zu mehren und immerfort zu vermehren, hat Christus der Herr in seiner Kirche verschiedene Dienstämter eingesetzt, die auf das Wohl des ganzen Leibes ausgerichtet sind. Denn die Amtsträger, die mit heiliger Vollmacht ausgestattet sind, stehen im Dienste ihrer Brüder, damit alle, die zum Volk Gottes gehören und sich daher der wahren Würde eines Christen erfreuen, in freier und geordneter Weise sich auf das nämliche Ziel hin ausstrecken und so zum Heil gelangen"69. In der römisch-katholischen Kirche besteht ein Machtrahmen, der hervorgerufen wird durch die zentralistische-hierarchische Struktur der Kirche, die vom Papst und der Kurie über die Bischöfe bis zu den Priestern reicht. Seine Auswirkungen erfassen alle Gläubigen. Es übersteigt indessen den Rahmen dieser Überlegungen, die römisch-kurialen Strukturen nachzuzeichnen 70. Mindestens seit dem Tridentinum wird dogmatisch das lehramtlieh Gesicherte aus Rom zentral gesteuert und in die Weltkirche hinausgetragen. Zu diesen zentralistischen Strömungen ist auch die päpstliche Herrschaft, die Herausgabe des Bestandes von Gesetzestexten und Rechtssammlungen im Corpus Iuris Canonici (heute seit 1983 der Codex I.c.), die Mitregentschaft des Kardinalskollegiums und vor allem seit dem 16. Jahrhundert der Aufbau von diplomatischen Diensten zu zählen. Über diese päpstlichen Nuntiaturen wird geurteilt: ,,Es dürfte schwerfallen, das machtpolitische Gewicht, das den Nuntiaturen als den wohl effektivsten Kontroll- und Lenkungsorganen der päpstlichen und kurialen Zentralmacht in der Folgezeit zuwuchs, zu überschätzen"7!. Ihre Macht beruhte sowohl auf den rechtlichen Befugnissen der Nuntien als auch auf "ihrer Schlüsselposition innerhalb des kirchlichen Kommunikationssystems, die es ihnen erlaubte, den innerkirchlichenn Informationsstrom in einem bis dahin unbekannten Ausmaß zu beeinflussen"72. Sie bildeten die zentrale Schaltstelle der Kommunikation zwischen Rom und den Ortskirchen und erhielten so eine machtpolitische Schlüsselstellung. In der Kirchengeschichte kam es gerade in der Auseinandersetzung zwisehen der weltlichen und geistlichen Herrschaft zu vielen Machtkämpfen nicht nur im geistlichen, sondern auch im weltlichen Bereich. Oft führten 69 Lumen Gentium Nr. 18, in: Karl Rahner, H. Vorgrimler, Kleines Konzilskompendium, 61969 S. 143. 70 Vgl. dazu Heinz-Günther Stobbe, Konflikte, a. a. O. S. 209 ff. 7I Heinz-Günther Stobbe, Konflikte, S. 212. 72 Heinz-Günther Stobbe, Konflikte, S. 212.

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diese Auseinandersetzungenen unter Ausnutzung der vorhandenen Macht entgegen der in der biblischen Überlieferung geforderten Liebe zu ihrem Mißbrauch. Aufgrund der Schlüsselgewalt wurde unter Androhung von Strafen sowohl auf das irdische Wohlergehen als auch auf das himmlische direkt und indirekt Einfluß ausgeübt. Man besaß Macht über die Gläubigen. In jüngster Zeit ist von der politischen Theologie für die Kirche eine

,.kritisch-befreiende Aufgabe" reklamiert worden 73. Denn Kirche müsse eine, wie Metz schreibt, "Institution der kritischen Freiheit des Glaubens "sein 74. Wann hat sie schon in diesem Sinne gehandelt? "Wann war sie wirklich kritisch-revolutionär"75? Statt dessen muß man fragen: "Wann war sie nicht bloß konterrevolutionär, ressentimentgeladen und nörglerisch im Verhältnis zur gesellschaftlichen Welt? Hat sie ihr kritisches Wort nicht oft versäumt oder viel zu spät gesprochen"76? Weil Kirche in ihrer historischen Gestalt eben immer wieder den ideologischen "Überbau über bestimmte gesellschaftliche Verhältnisse und Machtkonstellation" abgab, wird gefordert, daß sie nunmehr die kritische Institution gegenüber der Gesellschaft wahrnimmt, die sie immer schon war. Die Kirche hat keine machtpolitische Aufgabe und Ziele. Sie dient dem Heil der Menschen und hat keine Macht, "die der Macht ihrer Verheißungen vorausliegt"77. Diese Tatsache zwingt die Kirche zur Kritik an der Gewalt und an den Mächtigen in ihren eigenen Mauem. Solche Überlegungen gelten sowohl im Blick auf die geschichtliche Verstrickung von weltlicher und geistlicher Macht als auch im Blick des Aufbaues und der Fortschreibung der Soziallehre der Kirche. Diese wurde seit Leo XIII. von den nachfolgenden Päpsten zu einem System von Prinzipien und Ordnungsvorstellungen immer weiter entwickelt 78 . Sie ist kein Ausdruck kritisch revolutionärer Freiheit, sondern auf die Ordnung der wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und auch staatlichen Beziehungen der Menschen ausgerichtet. Die kirchliche Soziallehre ist auch angetreten, Normen für das individuelle und gesellschaftliche Handeln zu erstellen. Sie steht schließlich nicht in einem norm- und interessefreien Raum. Freilich ist auch sie ständig in Gefahr, 73 Johann Baptist Metz, Zur Theologie der Welt, München, Mainz 1969. S. 107. Vgl. Anton Rauscher, Kirchliche Soziallehre: Ideologie zur Legitimation von Machtstrukturen in Kirche und Gesellschaft, in: Wilhelm Weber, Macht, S. 193 ff. 74 J.B. Metz, Welt, S. 108. 75 J.B. Metz, Welt, S. 109. 76 ebda. 77 J.B. Metz, Welt,. S. 111. 78 Vgl. A. Rauscher, Soziallehre, S. 195.

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4. Kapitel: Die gegenwärtige theologische Behandlung der Macht

die ihr durch die päpstliche Autorität mitgegebene Macht für eigene Zwecke und zur Erhaltung der vorgebenen Strukturen zu gebrauchen. Gerade die politische Theologie wirft ihr darum vor, das vorhandene System zu erhalten und zu stabilisieren, statt sich für eine Umgestaltung und Veränderung der Gesellschaft einzusetzen. Es war für sie eben nicht die kirchliche Soziallehre, die sich für die demokratischen Freiheiten eingesetzt hat. Die politische Theologie meint darum auch, daß der Einsatz für das Eigentumsinstitut nichts anderes bedeute als die Verfestigung der bestehenden Verhältnisse. Von der Kirche wird darum statt ihrer Soziallehre eine Sozialkritik gefordert. Denn nur so kann die Kirche gegenüber der Gesellschaft ihren universalen Anspruch ohne Ideologie formulieren 79 .Aber demgegenüber ist zu betonen: Obwohl man am Privateigentum festhielt, setzte man sich gleichzeitig für die soziale Verpflichtung ein und forderte die Kontrolle wirtschaftlicher Macht 80 • Wer erkennt, in welcher Weise die verfaßte Kirche seit Leo XIII. durch ihre Sozialprinzipien für mehr soziale Gerechtigkeit (z.B. Leo XIII. etwa in der Formulierung der Lohngerechtigkeit in Rerum Novarum), für einen stärkeren Schutz der Benachteiligten und des schwächsten Gliedes (Pius XI. in der Formulierung des Subsidiaritätsprinzips in Quadragesimo Anno), für die Nutzung der Erdengüter von allen Völkern (Paul VI. in Populorum Progressio), für den Frieden, für das christliche soziale Handeln (Johannes XXIII. in Mater et Magister) oder sogar für den Gewinn (Johannes Paul 11 in Centesimus Annus) eingetreten ist, weiß, daß in der Soziallehre die Sozialkritik ein ganzes Stück vorangetrieben worden ist 81. Dennoch bleibt als Gefahr die Möglichkeit bestehen, daß die Soziallehre das bestehende System sanktioniert und dadurch dazu beiträgt, einmal gewachsene Machtstukturen zu erhalten.

c. Der Machtfaktor zwischen den Konfessionen Wie oben bereits erwähnt, sind ,Rom' und ,Genf' - und auch ,Konstantinopel' - die Zentren kirchlichen Macht 82. Obwohl sicher alle drei Orte machtpolitisch nicht gleichwertig sind, hat Macht in allen drei Zentren immerhin eine Tradition. Insofern ist eine Warnung vor der Ausübung von Macht J.B. Metz, Welt, S. 115. Vgl. A. Rauscher, Soziallehre, S. 199. 81 Vgl. Rolf Kramer, Soziale Gerechtigkeit Inhalt und Grenzen, Berlin 1992 S. 46 ff. Vgl A. Rauscher, Soziallehre, S. 196. 82 Vgl. Heinz-Günther Stobbe, Konflikte, S. 190 ff. 79

80

VI. Macht in den Kirchen

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berechtigt. Dieses umso mehr, da Macht sich auch auf die Beziehungen untereinander erstreckt. Man wird das Bestreben nach einem Ökumenismus - ausgehend von jedem einzelnen der Zentren - nicht einfach mit einem brüderlichen Dienst, einer entsprechenden Sehnsucht, auch nicht mit der Wahrheitsfrage gleichsetzen können. Denn es darf nicht verkannnt werden, daß der Machtfaktor in der Dynamik des ökumenischen Prozesses eine gravierende Rolle spielt. Die Entstehung des modemen Konfessionalismus ist ohne eine Beziehung zur Machtfrage nicht zu denken 83. So war es auf der protestantischen Seite gerade der Ökumenische Rat der Kirchen, der entsprechend seiner Verfasssung das innere Geschick der ökumenischen Bewegung in seinem Sinne - machtvoll- beeinflussen wollte, obwohl er über die einzelnen Gliedkirchen hinweg nichts beschließen konnte. Auf der anderen Seite hat die römische Kurie gegenüber der ökumenischen Theologie einerseits ihre politisch-juristische gepägte Grundeinstellung durchgehalten, andererseits hat sie sich in der Schaffung des Sekretariats für die Einheit der Christen ein Gremium geschaffen, durch das sie ständig in das ökumenische Geschehen einzugreifen kann. In allen Kirchen ist also zu erkennen, daß zwar weiterhin Macht herrscht, aber die nackte Gewalt nicht mehr das Verhältnis der konfessionellen Größen zueinander bestimmmt.

Lange Zeit hindurch hatte nach der Reformation Macht in Form von Gewalt die Auseinandersetzungen zwischen der römischen und den protestantischen Kirchen beherrscht. Erst die absolutistischen Nationalstaaten Europas beendeten den Machtkampf der Konfessionen und zwangen sie, ihren theologischen Streit um die Wahrheitsfrage anders als mit Gewalt auszutragen. Die Auseinandersetzung über das Verhältnis von Wahrheitsfrage und Macht ist keineswegs so zu beantworten, daß der Wahrheit etwa von vornherein keine Macht zuzuerkennen ist. Im Gegenteil, Macht und Wahrheit können direkt aufeinander bezogen sein. Andererseits wird man mit Hannah Arendt eine ohnmächtige Wahrheit nicht als verächtlich bezeichnen. Schließlich eignet der Wahrheit ebenso wie der Idee Macht. Wenn es um die Wahrheitsfrage geht, will der Dialogpartner recht haben bzw. behalten, auch um seine Macht zu bewahren. In jedem Dialog über Wahrheit ist darum letztlich auch "ein Aspekt von Macht vorhanden und wirksam"84. Der Wahrheitsanspruch 83 Vgl. Heinz-Günther Stobbe, Konflikte, S. 192 und die ausführliche Berichtertattung über die seit der Reformation und Gegenreformation sich durchhaltenden Schuldvorwürfe; vgl.Stobbe, Konflikte,.S. 204 ff. 84 Vgl. Lengsfeld, Macht, S. 231. 5 Kramer

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4. Kapitel: Die gegenwärtige theologische Behandlung der Macht

einer Kirche ist immer mit einem Machtanspruch verbunden. Denn wer von sich behauptet oder gar den Nachweis erbringen kann, für sich und seine Gläubigen die Wahrheitsfrage gelöst zu haben, übt mindestens auf seine Gläubigen Macht aus. Diese relativiert sich freilich stark gegenüber den Menschen, die ,,noch" nicht dieser Kirche angehören. Aber schon das Stellen der Wahrheitsfrage kann den Nicht-Glaubenden in die Situation bringen, sich ohnmächtig zu fühlen. Je mehr sich die Kirchen gegenseitig als gleichberechtigt anerkennen, umso mehr verlieren sie automatisch an Macht. Denn nun besteht für den einzelnen Gläubigen nicht mehr die Notwendigkeit, gerade dieser Kirche angehören zu müssen. Darum wird von Katholiken auch mit Recht gefragt, welche Auswirkungen etwa ein Beitritt der katholischen Kirche zur Ökumene auf die Autorität ihrer Kirche und auf die des Papstes haben wird. Denn durch den Beitritt müßten vor alllem die dogmatischen Verlautbarungen der römischen Kurie im ausgehenden 19. und im 20. Jahrhundert ihre Verbindlichkeit verlieren. Freilich würden sich dadurch auch die Machtverhältnisse in der Ökumene ändern 85, und außerdem könnten die ökumenischen Kirchen gezwungen werden, ihren eigenen WahrheitsAnspruch zu relativieren. Aber nicht nur die Wahrheitsfrage ist mit der Machtfrage verknüpft. Auch die Einheit selbst ist letztlich abhängig von der Macht, die von der einen oder anderen Seite ausgeht. Wo die Einheit gelebt wird, und das ist heute nur in der Form einer von-unten-nach-oben-Bewegung der Fall, werden Macht und Herrschaftsfunktionen neu bzw. anders verteilt. In der römischkatholischen Kirche stellt eine solche Entwicklung die Machtfunktion des Priesters in Frage. Das allgemeine Priestertum der protestantischen Kirchen löst nämlich die Herrschaftsstruktur des Priesters zugunsten eines Rechtes, die jedem einzelnen Christen zukommt, ab. Es wird nämlich das Amt des Priesters mit seiner Vollmacht - außer dem Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes - als einer der gewichtigen Unterschiede zwischen der römischkatholischen und der protestantischen Theologie gesehen. Während allein dem Priester aufgrund seiner Weihe bis heute das Spenderecht der Eucharistie zukommt und ihm die Juristiktion innerhalb der Gemeinde obliegt 86 , ist der Pastor in der evangelischen Theologie zwar der eingesetzte Träger des Amtes, aber er hat keine geistliche Vor-Macht-Stellung.

85 86

Vgl. Peter Lengsfeld, in: Wilhelm Weber, Macht, S. 225. Vgl. Lengsfeld, Macht, S. 228.

Fünftes Kapitel

Die politische Macht Max Weber hat wohl die "griffigste" Fonnel des Zusammenhanges zwischen Politik und Macht gefunden, als er schrieb: "Wer Politik treibt, erstrebt Macht" 1. Diese Macht ist das Mittel, entweder zu Gunsten eigener oder fremder Interessen und Ziele zu intervenieren. Es ist freilich auch möglich, Macht um ihrer selbst willen zu erstreben, um "das Prestigegefühl, das sie gibt, zu genießen"2. Das Verlangen nach Macht in der Politik enthält sowohl das Streben nach Machtanteil wie auch nach einer Beeinflussung der Machtverteilung. Das gilt sowohl für einzelne Personen und Gruppen im Gefüge eines Staates wie auch zwischen unterschiedlichen Staaten. Dazu gehört innere und äußere Macht eines jeden Staates. Zur Schaffung und Erhaltung des staatlichen Lebens und seiner Organisation ist Macht notwendig. Politik ist ohne Macht nicht vorstellbar. Ihre Aufgabe ist es, dem Staat zu dienen, ein geordnetes Staatswesen aufzubauen, die Ordnung zu erhalten, ein Leben der Bürger in Frieden und Gerechtigkeit in Zukunft zu erhalten. Dazu braucht Sie Macht in der mehrfachen Bedeutung dessen, was unter Macht zu verstehen ist. Alle Ziele der Politik sind nur mit und durch Macht zu erreichen. Aber obwohl es Politik ohne Macht nicht gibt, und politisches Handeln immer auch um der Macht willen geschieht, darf doch andererseits Macht nicht das letzte Ziel der Politik sein. Macht ist nur ein Mittel, um dem Wohl des Ganzen zu dienen. Die Verfassung des Staates legt die Ordnung für den Gebrauch und die Anwendung der Macht fest. Das Recht, das der Macht vorangeht, regelt den konkreten Gebrauch der Macht. Es ist verankert in der Würde der Person und in seinem Anspruch auf Freiheit und Frieden und Schutz vor gewaltsamen Übergriffen. Die Aufgabe der Macht ist es, dieses Recht durchzusetzen, Ordnung zu schaffen und zu erhalten. 1 Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 822. 2 Ebenda.

5*

5. Kapitel: Die politische Macht

68

Indessen reichen Verfassungsschutz und Rechtsordnung allein nicht aus, den Menschen vor dem Mißbrauch der Macht zu schützen. Denn Träger der Macht sind Menschen und Organisationen. Von ihnen hängt der verantwortliche Gebrauch der Macht in der Politik ab.

I. Die Schutzfunktion der Macht Im politischen Raum ist Macht eine unverzichtbare Dimension, wenn es um den Staat und seine Verwaltung geht. Ohne Macht kann der Staat seinen Auftrag im Innen- und Außenverhältnis nicht erfüllen. Schließlich ist seine besondere Aufgabe, die Bewohner seines Machtbereichs vor Feinden von innen und außen zu schützen. Sowohl im Blick auf das Recht wie auf die Ordnung des Gemeinwesens muß der Staat seine Machtrnittel einsetzen. Dieser Machteinsatz ist allerdings von Gewalt und Zwang abzugrenzen. Eine ständige Anwendung von Gewalt und Zwang gegenüber dem Bürger würde aus einem Rechtsstaat einen totalitär geführten Unrechtsstaat werden lassen, wie es die Praxis in der Zeit von 1933 - 1945 in Gesamtdeutschland und in der Nachkriegszeit in der ehemaligen DDR gezeigt hat. Mit Recht schreibt die EKD in ihrer Denkschrift "Der Staat des Grundgesetzes als Angebot und Aufgabe": "Auf bloßen äußeren Zwang und auf Gewalt läßt sich kein Gemeinwesen dauerhaft gründen" 3. Der ,Staat ist jedoch verpflichtet, zur Bewahrung von Freiheit und Recht und zur Aufrechthaltung der Ordnung seine Machtmittel einzusetzen. Er muß dem Terror und der Auflösung des Gemeinwesens in einen pervertierten Staat oder in eine Anarchie wehren.

11. Grenzen und Kontrollen der Macht Besonders in der Demokratie ist für eine innerstaatliche Ordnung die Abgrenzung gegenüber dem Machtmißbrauch und der Machtmonopolisierung notwendig. Darum sind Grenzen der Macht notwendig und werden heute besonders durch die Gewaltenteilung und durch Kontrollorgane der Macht vorgenommen. Grenzen und Kontrollen der Macht sind auch in einer Demokratie, wie die Denkschrift aus dem Jahr 1985 mit vollem Recht feststellt, unabdingbar. Je mehr die Macht nicht mehr gewissensmäßig verantwortet wird, sondern statt dessen im politischen wie im vorpolitischen Raum anonyme Funktionäre und blinde Strukturen herrschen, desto mehr wird das 3

Evangelische Kirche und freiheitliche Demokratie, Gütersloh 1985,20 (Nr. 5).

11. Grenzen und Kontrollen der Macht

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gesellschaftliche Leben "verstaatlicht", umso mehr entzieht sich die Ausübung der Macht der persönlichen Verantwortung und geht über in einen seelenlosen und anonymen Apparat. Hier kommt es auf technische Perfektion an und nicht auf die menschengerechte Lösung des Problems. Das Leben in der Gesellschaft und im Staat wird vielmehr funktionsgerecht geregelt und abgewickelt. Damit nimmt eine seelenlose Bürokratie und eine allein sachbetonte Verwaltung an Macht zu. Andererseits bestimmen die demokratischen Prinzipien auch den Kampf gegen den Machtmißbrauch und setzen sich so für die Schaffung einer Ordnung, in der sich die Ausübung der Macht zu bewähren hat, ein. Die Gewaltenteilung zwischen der Legislativen, der Exekutive und der richterlichen Gewalt ist nicht nur ein Ausdruck geschichtlicher Entwicklung der Verfassungen, sondern vor allem auch das Strukturelement, das die Macht in einem demokratischen Rechtsstaat ordnet 4 • Die Gewaltenteilung trägt zwar der Einsicht Rechnung, daß Menschen zum Machtmißbrauch neigen. Sie gründet geradezu darauf. Aber andererseits begrenzt die Gewaltenteilung die Macht und "ermöglicht Kontrolle und Korrektur"s. Die Gewaltenteilung ist "der institutionelle Ausdruck für ein permanentes Mißtrauen gegenüber der Macht" 6. Der Mensch ist "infolge seines Zustandes post lapsum einer unkontrollierten und also monopolisierten Macht nicht gewachsen"7. Die Gewaltenteilung ist darum ein Schutzwall gegenüber einer Monopolisierung der Macht. Auch in einer Demokratie findet Machtmißbrauch allein schon aufgrund des Machtbesitzers bei den politischen Parteien und bei den einzelnen Politikern statt. Die Versuchung, die vorhandene Macht für eigene Interessen und Zwecke einzusetzen, stellt sich immer wieder ein. Sie kann letztlich nur personalethisch durch ein gestärktes Verantwortungsbewußtsein gestoppt werden. Institutionell erfährt die politische Macht dadurch ihre Grenzen, daß Macht und -ausübung nur auf Zeit gegeben wird. So wird unbefristeter Machtanspruch verhindert. Außerdem werden durch die Teilung der Macht (Gewaltenteilung) und durch Kontrollorgane anderer Art (etwa durch soziale Machtträger) gezogen und die Monopolisierung erschwert. Zur Kontrolle der Macht gehören moralische wie politische Institutionen, die über die Einhaltung des Rechts und der Gesetze wachen. Auch der einzelne Bürger selbst 4

S 6 7

S. oben 5. Kapitel V, B. Ev. Kirche und freiheitliche Demokratie, Staat S. 28. H. Thielicke, Ethik 11,2, § 1351. H. Thielicke, Ethik 11,2, § 1408.

70

5. Kapitel: Die politische Macht

entscheidet über die Zuteilung von Macht durch die Wahl der Politiker und der politischen Parteien, die sich der demokratischen Ordnung und damit auch der Machtbegrenzung unterworfen haben. Der Kampf um die Macht ist in einem demokratischen Gemeinwesen ein Teil der politischen Kultur. Eine besondere Kontrollfunktion kommt heute den Massenkommunikationsmitteln zu. Der investigative Journalismus erfüllt mit den ihm von den Massenkommunikationsmitteln verliehenen Macht eine Funktion, die heute wohl kein anderer Träger in einer Demokratie erfüllen könnte. Allerdings steht auch dieser spezielle Journalismus wie alle Kommunikationsmittel in der Gefahr, statt eine Kontrollfunktion wahrzunehmen, selbst zum Machtfaktor zu werden. Denn gerade er hat einen fast unbegrenzten Handlungsspielraum und eine enorme Breitenwirkung. Aufgrund eines großes Akzeptanzpotentials in der Bevölkerung besitzt er keinen geringen Einfluß, der immer wieder zum Mißbrauch verleitet. Die Verwaltung und die Bürokratie führen heute die politischen Entscheidungsträger dazu, Macht anzuhäufen und sie zu mißbrauchen. Gleichzeitig werden durch sie eine gewisse Balance zwischen der legislativen und exekutiven Macht herbeigeführt. Dadurch ist die Bürokratie zu einer Macht geworden, die neben der Regierung, der parlamentarischen Mehrheit und anderer Machtträger eine selbständige machtvolle Position einnimmt. Für den gesellschaftspolitischen Kontext ist von großer Bedeutung, daß Macht nicht allein durch die genannten äußeren Begrenzungen eine Einengung erfährt. Auch im Menschen selbst existieren Grenzen, die in seinem Streben nach Rechtschaffenheit bzw. Gerechtigkeit und Liebe liegen. Wenn Macht wertneutral ist, muß sie sich notwendigerweise auch mit der Liebe und Gerechtigkeit verstehen. Macht bildet gegenüber beiden anderen Kategorien keine Gegensätze. Sie bedingen vielmehr einander.

III. Das Verhältnis von Organisation und Macht Unter Organisationen soll ein doppeltes Phänomen verstanden werden. Denn die Organisation ist zum einen ein dynamischer Prozeß des Organisierens und damit des Schaffens einer bestimmten Ordnung. Zum anderen ist damit ein statischer Endzustand gemeint, also das Resultat des Prozesses, die Organisiertheit 8 • 8 Vgl. dazu Günter Büschges (Hrsg.), Organisation und Herrschaft, Reinbek 1976 S. 16 ff. Ähnlich unbestimmt nimmt auch Wemer Kirsch, Entscheidungspro-

III. Das Verhältnis von Organisation und Macht

71

"Macht und Organisation sind untrennbar miteinaner verbunden"9. Auch die sozialen Organisationen, vor allem die Parteien, aber auch Gewerkschaften, Arbeitgeberverbände, Unternehmen und die Kirchen besitzen im modernen Staat Einflußmöglichkeiten und üben aus unterschiedlichen eigenen und fremden Interessen Macht auf die staatliche Stellen aus. Die Organisationen sind selbst durch Macht geprägt, aber sie wollen auch die staatliche Macht begrenzen oder kontrollieren. Allerdings werden auch sie in ihrer Machtausübung durch die jeweiligen Gegenrnächte beschränkt. Die Erörterung der Machtverhältnisse in den Organisationen gehört zur Lehre vom Staat 10. Der Bezug zur Macht kann in der Organisation gleichsam nach den Attributen und Präpositionen unterschieden werden. Denn es muß zwischen der Macht der Organisation selbst, der Macht über die Organisation, der Macht durch sie und in ihr differenziert werden 11: 1. Die Macht der Organisation benennt die Macht des Ganzen dieser Organisation sowohl nach innen wie nach außen. Sie weist auf die Handlungsfreiheit des Ganzen und damit aller Mitglieder hin, auch wenn einzelne nicht allen Beschlüssen zustimmen sollten. Es handelt sich gleichsam um eine objektive Form von Macht, die zwar jedem einzelnen Glied der Organisation inhäriert, die aber nicht in ihm allein lokalisierbar ist. In der Anwendung solcher objektiven Macht zentriert sich die Macht im Handelnden. Er verkörpert die Organisation sowohl im Innen- wie im Außenverhältnis. Mit Recht wird darauf hingewiesen, daß die gesellschaftliche Macht nicht auf den Inhaber der Macht allein zu lokalisieren ist l2 • Zwar hängt seine Macht davon ab, ob er beispielsweise seine Mitarbeiter zur Leistung, speziell zu der von ihm gesetzten Leistung, motivieren kann. Macht ist auch abhängig von dem, dem gegenüber sie gilt, also vom Gehorsam Leistenden. Ohne ihn ist der Machthaber letztlich machtlos. Andererseits besteht in einer gesellschaftlichen Organisation immer auch eine wechselnde Unternehmenshierarchie (Kompetenzverteilung), bei der die Entscheidung des einen Machthabers zesse Bd. m, Wiesbaden 1971 S. 25 f. den Begriff auf, wenn er Organisation als ein "zielgerichtetes, offenes soziotechnisches System" bezeichnet. 9 Erhard Friedberg, Macht und Organisation, in: G. Reber, Macht in Organisationen, Stuttgart 1980 S. 124. 10 Vgl. Herrnann Heller, Staatslehre, Hg. Gerhart Niemeyer", Leiden 41970 S. 244 ff. u. 284 ff. 11 Vgl. Herrnann Heller, Staatslehre, S.244 u. 288. Vgl. auch Wemer Kirsch, Entscheidungen in Organisationen, Wiesbaden Bd m, 1971 S. 132 f. 12 Herrnann Heller, Staatslehre, S. 244.

72

5. Kapitel: Die politische Macht

durch andere eingeengt wird. Insofern steht das Ganze der Organisation nicht - oder höchstens nur begrenzt - zur freien Verfügungsgewalt eines einzelnen Machthabers! 2. Die Macht über die Organisation bedeutet die Verfügungsrnacht über die Organisation nach innen und außen. Die Organisationen setzen (wählen) selbst ihre Machthaber ein, oder sie werden von einem fremden Organ, also von außen, bestellt. Die Machtinhaber besitzen Vertretungsmacht nach innen und außen und tragen die Verantwortung. Die Macht kann wiederum in einer Person oder in mehreren Einzelpersonen liegen. Aber vielfach herrscht in der Organisation Oligarchie. Denn viele Organisationen sind so konstruiert, daß nur einige wenige Mitglieder über viele Menschen herrschen. Wenige haben hier also über viele Macht. 3. Die subjektive Macht in der Organisation wird geregelt durch die Verteilung der Macht. Es handelt sich hier um die individuelle Entscheidungsmöglichkeit in einer Organisation. Die subjektive Machtverteilung in der Organisation ist ein Problem der Hierarchie. Alle organiatorischen Strukturen, Staat, Parteien, Unternehmensverbände, Gewerkschaften, Unternehmen, Kirchen etc. sind dadurch gekennzeichnet. Wer trägt in der Organisation die Verantwortung: Eine Einzelperson, der Vorstand, bestimmte Mitglieder, das ganze Volk (die Gemeinde z. B.)? Dem Staat als der obersten Organisation eines Volkes oder Gemeinwesens ist die Anwendung von Macht, Gewalt und Zwang vorbehalten. Er besitzt als die ultima ratio der Macht die Souveränität der Zwangsanwendung. In allen anderen Organisationen wird der Machtinhaber durch andere, Mitglieder, Vorstände etc. begrenzt und eingeschränkt. Im internationalen Rahmen der Staatengemeinschaft geschieht das Gleiche dann durch die balance of power der Mächte. Ökonomische Organisationsstrukturen als Interessenverbände spielen in der Gesellschaft eine wichtige Rolle. Ihr Einflußgebiet ist der Staat und die Gesellschaft. Am stärksten wirken sie auf die Entscheidungen in der Politik, Wirtschaft und Verwaltung. Ihre Macht beziehen sie durch die Stärke ihrer Mitgliederzahl und vor allem durch ihre effektive Stellung am Markt. Die Organe dieser Verbände, wie immer sich diese auch zusammengeschlossen haben, besitzen auf dem jeweiligen Markt eine entsprechende Macht, die zur Produktionsgestaltung und auch einschränkung durch Streik, Aussperrungen und Lieferbeschränkungen führen können. Es sind keineswegs allein ökonomische Markt-Machtvorteile, die eine Rolle spielen. Heute ist es vor allem der Informationsvorsprung, der die Verbände begünstigt. Die Ver-

III. Das Verhältnis von Organisation und Macht

73

bandsmitglieder besitzen einen Zugang zu Informationen, die ihnen eine Einflußnahme auf Politik und Verwaltung ermöglichen. Aufgrund dieses Wissensvorspung aus Wirtschaft und Gesellschaft können sie rechtzeitig und umfassend Politiker und Verwaltung informieren. Das ist besonders dort wichtig, wo es etwa um die Akzeptanz und die ökonomischen Auswirkungen der ins Auge gefaßten gesetzgeberischen oder wirtschaftspolitischen Maßnahmen geht.

Sechstes Kapitel

Wirtschaftliche Macht Mit Max Weber darf ökonomische Macht nicht einfach gleichgesetzt werden mit Macht schlechthin 1. Vielmehr ergibt sich ökonomische Macht aus der vorhandenen Macht. Ebenso wie generell Macht um ihrer selbst willen angestrebt werden kann, wird oft auch der ökonomischen Macht nachgejagt. Weber meint, das Streben nach ihr sei unter anderem mitbedingt durch die "soziale ,Ehre"', die mit ihr verbunden sein kann 2 • Soziale Ehre ist nichts anderes als Prestige. Um dieses geht es vielfach in der ökonomischen Macht. Freilich verhält es sich oft auch umgekehrt: Prestige wird zur Grundlage ökonomischer Macht. Versteht man Wirtschaft generell als das "Bereitstellen knapper Güter und das Haushalten mit ihnen" 3, muß wirtschaftliche Macht definiert werden als der Handlungsspielraum, in dem das Bereitstellen dieser Güter stattfindet und das Haushalten mit ihnen wahrgenommen wird. Wirtschaftliche Macht ist in jedem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem vorhanden. Sie ist geradezu unerläßlich. Darum existiert auch in der Marktwirtschaft aufgrund wirtschaftlichen Handeins Macht. Aber diese Macht darf den Wettbewerb nicht einschränken. In der Marktwirtschaft ist wirtschaftliche Macht zu unterteilen in die Macht privater Wirtschaftssubjekte und staatlicher Aktivitäten. Wer von der privaten Wirtschaftsmacht spricht, meint die Handlungen einzelner Wirtschafts subjekte, sich mit Gütern zu versorgen bzw. diese Güter anzubieten. Macht existiert also in allen Bereichen der privaten Wirtschaft - mehr oder weniger stark: Als Handlungs- bzw. Entscheidungsrahmen der Konsumenten, der Unternehmen, der Sozialpartner, der Verbände und Organisationen der Arbeitnehmer- und Arbeitgeberzusammenschlüsse. Ihre Stärke bemißt sich nach den Fähigkeiten, Qualiftkationen und dem Vermögen der Handelnden 4. 1

2 3 4

Vgl. Max Weber, Wirtschaft, S. 531. Vgl. Max Weber, Wirtschaft, S. 531. K. Dettle, Produktionsmitteleigentum und wirtschaftliche Macht, S. 1182. Vgl. Erich Preiser, Bildung und Verteilung des Volkseinkommens, S. 242.

I. Wirtschaftliche Macht in der Makroökonomie

75

Wirtschaftliche Macht liegt keineswegs allein dann vor, wenn Unternehmen sich zu Konzernen oder Kartellen zuammengeschlossen haben oder auf dem Markt Oligopole oder Monopole bilden. Ökonomische Macht stellt sich vielmehr bereits dort ein, wo Anbieter Marktchancen, also günstige Standortbedingungen, Innovationen, bekannte Markennamen etc. ausnutzen. Die so errungenen Wettbewerbsvorteile erzeugen für den Anbieter dann automatisch auch Machtvorteile. Wer von staatlicher Macht gegenüber der Wirtschaft spricht, hat in der Marktwirtschaft den Einfluß des Staates auf den wirtschaftlichen Ablauf durch wirtschaftspolitische Entscheidungen aufgrund von Gesetzestexten, bürokratischen Vorschriften, die Beeinflussung des Datenkranzes und des Wirtschaftsprozesses vor Augen. Gemeint ist speziell der Einfluß des Staates auf die Normgebung, die Konjunktur- und Finanz- und Strukturpolitik. Privatwirtschaftliche Macht wird erworben werden durch: Eigentum (an den Produktionsmitteln), durch Kauf (z. B. von Unternehmen), durch Kooperation oder Fusionen, durch eine marktbeherrschende Situation, aufgrund von persönlichen Fähigkeiten (Erfindungen) etc. Sie kann selbstverständlich auch durch politische Macht (mit und ohne Gewalt) erworben werden 5. Wirtschaftliche Macht wird von den privaten Haushalten, freien Unternehmen ebenso innegehabt wie von öffentlichen Gesellschaften, Verbänden oder Organisationen. Auch soziale Organisationen besitzen ökonomische Macht, sie benötigen sie gar, um die eigenen Interessen und Ziele gegenüber denen anderer Gruppierungen und Verbände durchzusetzen.

I. Wirtschaftliche Macht in der Makroökonomie Gemäß der allgemeinen Defmition von Macht kann wirtschaftliche Macht als die Verfügungspotenz über ökonomische Faktoren bestimmt werden. In der Marktwirtschaft läßt sich die private Machtausübung auf die Beherrschung des Marktes und auf die Wettbewerbsbeschränkungen begrenzen. Im staatlichen Bereich kann man als Formen der Machtausübung die staatlichen Auflagen und die Subventionsleistungen unterscheiden 6 •

5

6

Vgl. K. Dettle, Produktionsmitteleigentum, S. 1187. Vgl. Artur Woll, Wirtschaftspolitik, München 1984 S. 125.

76

6. Kapitel: Wirtschaftliche Macht

A. Die geschichtliche Problematik von Macht und Gesetz Lange Zeit galt in der Ökonomie der Satz, daß Macht in der ökonomischen Theorie nicht vorkomme, wohl jedoch in der Wirtschaftspolitik 7 • Das war über viele Jahrzehnte dieses Jahrhunderts die herrschende Meinung 8 • Aber Wirtschaft ist immer mit Macht verbunden gewesen. Die ökonomische Theorie war lange Zeit keineswegs davon überzeugt, daß Macht und ökonomisches Gesetz miteinander harmonierten. Klassisch dargeboten wird diese Problematik durch den Aufsatz des Werttheoretikers Von Böhm-Bawerk, der 1914 seinen berühmt Aufsatz "Macht oder ökonomisches Gesetz?"9 schrieb. Otto von Zwiedineck-Südenhorst übernahm dann diesen Titel 1925 - allerdings ohne Fragezeichen 10. Von Böhm-Bawerk der Grenznutzenschule zugehörig hatte sich gegen die historische und sozial-rechtliche Schule, deren typische Vertreter in Deutschland Stolzmann und Tugan-Baranowski waren, gewandt und sich dagegen gewehrt, daß zum Beispiel in der Lohn- und Zinsfindung oder in der Verteilung des Sozialproduktes auf die Produktionsfaktoren die reinen sozialen Machtverhältnisse ausschlaggebend seien und nicht etwa der Beitrag, den der einzelne Produktionsfaktor erbringt 11. Denn was die Menschen, die hinter den Produktionsfaktoren stehen, sich den Machtverhältnissen entsprechend verschaffen können, entscheidet über die Verteilung. Stolzmann dagegen meint, daß die sozialen Verhältnisse von der herrschenden individualistisch geprägten Theorie nicht genügend berücksichtigt würden, so daß die "soziale Beeinflußbarkeit des wirtschaftlichen Geschehens" unterschätzt werde 12. Von Böhm-Bawerk will differenzieren und keinesfalls in die Herrschaft reiner Naturgesetzlichkeit zurückfallen 13. Vielmehr glaubt er an den Einfluß der Macht auf die Wirtschaft, aber er lehnt eine Otnnipotenz der Macht ab 14. Vgl. Winfried Vogt, in Schriften des Vereins für Soc. Pol. 1973 Bd. 11 S. 947. Die Jubiläumstagung anläßlich des 100jährigen Bestehens des Vereins für Socialpolitik im Jahre 1972 hat mit ihrem Thema "Macht und ökonomisches Gesetz" einen anderen Akzent gesetzt. 9 In: Gesammelte Schriften von Eugen von Böhm-Bawerk, Wien, Leipzig 1924 Hrsg. Franz X. Weiß S. 230 ff. 10 Otto von Zwiedineck-Südenhorst, Macht oder ökonomisches Gesetz, München 1925. 11 v. Böhm-Bawerk, Macht, S. 237. 12 Wilhe1m Krelle, Macht, S. 81. 13 v. Böhm-Bawerk, Macht, S. 291. 7

8

I. Wirtschaftliche Macht in der Makroökonomie

77

Er sieht die Wirksamkeit von Machtverhältnissen in der Preisgestaltung und in der Verteilung - vor allem temporär (also nicht auf Dauer!). Allerdings können unter bestimmten Umständen diese Wirkungen auch von Dauer sein. Freilich wirkt die Macht nur "innerhalb der ökonomischen Wert-, Preis-, und Verteilungsgesetze" 15. Macht kann also nur in und durch die ökonomischen Gesetze wirken. Denn auch das "gebieterischste Machtdiktat" kann nicht gegen, sondern nur in diesen Gesetzen seine Wirksamkeit entfalten. Schließlich gibt es "buchstäblich keinen Preis und keine Verteilung - außer durch Straßenraub u. dgl. - ohne historisch-rechtlichen Einschlag" 16. Für von Böhm-Bawerk wirken die ökonomischen Faktoren eingrenzend; denn "die subjektiven Wertschätzungen der Marktparteien bezeichnen wirklich zunächst nur Ober- und Untergrenzen für die mögliche Preisbildung. Aber einerseits verstärkt sich auch das ,Eingrenzen' zum ,Bestimmen', wenn und wo die nach unten und oben eingrenzenden Marken so zahlreich und so dicht aneinander gelagert sind, daß sie den Spielraum für die Entscheidung auf eine ganz schmale Zone oder geradezu auf einen bestimmten Punkt einengen, wie dies z.B. im Falle einer lebhaften und dabei atomisierten beiderseitigen Konkurrenz der Fall zu sein pflegt. Und andererseits wird dort, wo die ökonomischen Grenzenmarken einen Spielraum lassen, durch die ,Macht' eben auch noch nicht ,entschieden', sondern ebenfalls nur ,eingegrenzt'" 17. Otto von Zwiedineck-Südenhorst meinte nach dem Ersten Weltkrieg, von Böhm-Bawerk habe zugestanden, daß auch in der Wirtschaft eine "bedeutungsvolle und tiefgreifende Wirksamkeit von Machteinflüssen möglich sei". Damit sei eigentlich die Frage zu Ruhe gekommen 18. Aber von Zwiedineck14 v. Böhm-Bawerk, Macht, S. 292. Bereits vorher hatte er geschrieben (Macht, S. 232): "Man müßte heutzutage ein Idiot sein, wenn man einen Einfluß der sozial geschaffenen Einrichtungen und Maßregeln auf die Güterverteilung leugnen wollte; es liegt auf der Hand, daß unter einer kommunistischen Rechtsordnung die Verteilung formell und materiell ganz anders verlaufen würde als unter einer individualistischen, auf dem Prinzipe des Privateigentums basierenden Rechtsordnung; und es zweifelt unter anderem auch kein Verständiger mehr daran, daß der Bestand der Arbeiterorganisation mit dem Kampfmittel der Streiks auf die Gestaltung der Arbeitslöhne nicht ohne Einfluß ist. Aber es wird umgekehrt auch kein Verständiger der Meinung sein können, daß die ,soziale Regelung' omnipotent und allein entscheidend sei". 15 v. Böhm-Bawerk, Macht, S. 295. 16 v. Böhm-Bawerk, Macht, S. 249. 17 v. Böhm-Bawerk, Macht, S. 247 f. 18 v. Zwiedineck-Südenhorst, Macht, S. 6.

6. Kapitel: Wirtschaftliche Macht

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Südenhorst mußte dann doch feststellen, daß in der Nachkriegszeit des 1. Weltkriegs von neuem gefordert wurde, alle "machtmäßigen Eingriffe" in die Wirtschaft zu verurteilen 19. Für ihn selbst stand fest, daß es außer den theoretischen Gesetzen auch machtvolles Wirken in der Wirtschaft gebe, so daß man nicht von einer Alternative "Macht oder ökonomisches Gesetz" reden könne. Komme es dann doch zu einer Spannung zwischen heiden, sei davon auszugehen, daß Macht sich keineswegs gegen das "ökonomische Gesetz" wende. Vielmehr müsse die Frage bedacht werden, inwieweit sich innerhalb dieser Gesetze die Macht durchsetzen könne. Insofern gibt es kein Entweder-Oder 20 • Macht wende sich daher gegen die "Unzweckmäßigkeiten des freien Waltens der produktiven Kräfte", wie von Zwiedenick-Südenhorst in seinen Schlußthesen feststellt 21 • In von Böhm-Bawerks Überlegungen geht es zunächst darum, daß Macht nicht außerhalb der ökonomischen Gesetze und gegen sie wirke, sondern innerhalb ihrer und durch sie. Seine zweite Überlegung besagt, wie wir gesehen haben, daß die Wirkung der Macht nicht unbedingt von Dauer ist 22 • In der Jubiläumsveranstaltung des Vereins für Socialpolitik hat Wilhelm Krelle zum Problem "Macht und ökonomisches Gesetz" erneut Stellung bezogen 23. Er weist darauf hin, daß die Erkenntnis Böhm-Bawerks auch heute noch gültig sei. Denn

1. die Macht hat einen Einfluß auf die Verteilung,

2. die Macht wirkt innerhalb der ökonomischen Gesetze und durch sie, 3. es gibt einen Spielraum der Macht im Rahmen ökonomischer Gesetze,

19 20 21

v. Zwiedineck-Südenhorst, Macht, S. 6. v. Zwiedineck-Südenhorst, Macht, S. 24 f. v. Zwiedineck-Südenhorst, Macht, S. 26.

22 Vgl. Erich Preiser, Besitz und Macht in der Distributionstheorie, in: Bildung und Verteilung des Volkseinkommens, Göningen 21961 S. 227 ff. Preiser macht mit Recht darauf aufmerksam, daß die These Böhm-Bawerks von dem Scheitern der Macht auf Dauer nicht zu halten ist. Er gibt als Beispiel dafür das Monopol an. Denn die These Eugen von Böhm-Bawerks liefe darauf hinaus, "daß jedes Monopol Gegenkräfte hervorruft, die den Monopolpreis wieder beseitigen, das Monopol also aufheben - eine Behauptung, die offensichtlich falsch ist" ( Macht, S. 232 Vgl. v. Böhm-Bawerk, Macht, S. 294 f. 23 Vgl. Wilhelm Krelle, Macht und ökonomisches Gesetz in der Verteilung, in: Schriften des Vereins für Socialpolitik, Hrsg. H. Schneider und K. Watrin, Berlin 1972 NF. 74 Bd.1. S. 77 ff.

I. Wirtschaftliche Macht in der Makroökonomie

79

4. der Begriff Macht allein besagt noch nichts über die ökonomischen Prozesse. Wilhelm Krelle hat gezeigt, in welcher Weise die Erkenntnisse der Auswirkungen der Macht gereift sind und modeme Machtformen den Verteilungsprozeß beeinflussen. Darum fordert er, daß der Begriff der Macht heute stärker zu differenzieren sei. Denn Macht ergebe sich z. B. durch die Beherrschung der modemen Informationssysteme, der sozialen und politischen Institutionen oder durch Verfügung über materielle Mittel, über technisches, organisatorisches Wissen. Auch entsteht Macht durch den unmittelbaren Einfluß auf die ökonomischen Größen wie Preise, Löhne oder Beschäftigung 24 • Von Böhm-Bawerks Frage "Macht oder ökonomisches Gesetz?" war nicht daran interessiert, ob die Markt-Macht etwa dazu benutzt werde, auf die staatlichen Rahmenbedingungen einzuwirken. Er diskutierte nicht einmal die Einflußnahme der Politik auf die Märkte 25 • Heute dagegen muß vor allem bedacht werden, daß Rahmenbedingungen keine ein für alle Male gegebenen Größen sind, sondern sich je nach Wertvorstellungen, aufgrund von ethischen Zielvorstellungen und Machtpositionen ändern. Sie sind indessen nicht allein von äußeren Bedingungen abhängig; denn sie verwandeln sich auch aufgrund von wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Machtkonzentrationen. Die Rahmenbedingungen werden zwar sehr stark, aber nicht allein durch die gesamtwirtschaftlichen Daten bestimmt, die den politischen, ökonomischen und sozialen Rahmen abgeben. Mit Recht weist deshalb K. W. Rothschild darauf hin, daß "die Geschehnisse im Datenkranz" für die Preise und ihre Strukturen ebenso wichtig sind wie der Ablauf des Marktmechanismus. "Auch sie sind entscheidende Variable, und es ist in ihrem Bereich, wo das Machtproblem besonders deutlich in Erscheinung tritt: Mag es nun um Eigentumsordnung, Zölle oder Marktregelungen gehen, um Arbeitskräftewanderungen, Bildungsmonopol oder Bedarfsmanipulation, Steueränderungen oder Kolonialismus" 26. In der Diskussion fanden diese Ausführungen Akzeptanz. Rothschild wies weiter darauf hin, daß in der ökonomischen Preistheorie die Macht bisher keine Rolle gespielt habe, sie Krelle, Macht, S. 86 ff. Darauf macht Peter Bernholz in einem Referat aufmerksam, in: Schriften des Vereins für Soc. Pol. NP. 74 Bd. 11 S. 859. 26 Kurt W. Rothschild, Macht: Die Lücke in der Preistheorie, in: Schriften des Vereins für Socialpolitik, 1972 Bd. 11, S. 1100. 24

25

6. Kapitel: Wirtschaftliche Macht

80

müsse aber als Teil der allgemeinen Preistheorie anerkennt werden. Bereits von Böhm-Bawerk hat von der Lücke in der Preistheorie gesprochen, wo von Macht zu sprechen gewesen wäre. Denn von Böhm-Bawerk schrieb: "Die Grenzwerttheorie arbeitete ... einen allgemeinsten theoretischen Rahmen fürs Ganze - mit den allgemeinsten Lehren ihrer Wert- und Preistheorie - und innerhalb desselben im Detail nur die Theorie der freien Konkurrenz aus und ließ vorerst dort eine Lücke, wo vorwiegend die Einflüssse der sozialen ,Macht' zu verfolgen und darzustellen gewesen wären" 27. Aber diese Lücke muß geschlossen werden. Indessen, noch ist nach Meinung von K. W. Rothschild diese Lücke offen. Wie zur Zeit von Böhm-Bawerks hat sich nichts geändert. Denn noch immer ist das Machtphänomen nicht in die Preistheorie integriert worden 28. Und das, obwohl bereits Böhm-Bawerk feststellte, "daß die Macht ein einflußreicher Faktor der Preisbildung überhaupt und der Verteilung insbesondere ist"29. Rothschild führt dazu weiter aus: ,,Noch immer wird kaum sichtbar, daß Preise und Preisstrukturen auch das Resultat von Positionskärnpfen sind, in denen sich einzelne und Gruppen gesetzliche, traditionelle und ökonomische Ausgangsstellungen für eine günstige Preis- und Einkommensbildung zu schaffen trachten"30. Politische, soziale und auch psychische Gründe sind maßgeblich dafür, daß es zu einer solchen unvollkommenen Erfassung der Macht kommt. Wie sehr die Lage bis heute unbefriedigend ist, hat die Diskussion auf der Jubiläumstagung des Vereins für Socialpolitik 1972 in Bonn gezeigt. B. Macht und Rahmenordnung In einer marktwirtschaftlichen Ordnung darf der Staat nur den rechtlichen und politischen Rahmen für das ökonomische Geschehen abstecken, nicht aber in den ökonomischen Ablauf eingreifen. Indessen schaltet sich heute in der freiheitlichen Wirtschaftsordnung der Staat immer mehr ein, nicht nur um bestimmte Bevölkerungsteile sozial abzusichern, sondern auch um die Rahmenordnung normorientiert auszugestalten und spezielle ökonomische Sektoren abzusichern bzw. zu subventionieren.

27 28 29 30

v. Böhm-Bawerk, Macht, S. 235. Kurt W. Rothschild, Macht, S. 1098; vgl auch die Diskussion Macht, S. 1112 ff. v. Böhm-Bawerk, Macht, S. 240. K. W. Rotschild, Macht, S. 1098 f.

ll. Konzentration von Macht

81

Macht kann auf alle wirtschaftspolitiche Faktoren, aber auch auf den ökonomischen Datenkranz einwirken. In der Marktwirtschaft beeinflussen diesen sowohl gesellschaftliche als auch ökonomische Faktoren 31. Schließlich gilt auch für alle Wirtschaftsordnungen: ,,Eine zeitlose Wirtschaftsordnung, die auf unveränderlichen Axiomen basiert, gibt es ebensowenig wie eine naturgesetzliche Entwicklung" 32 . ..Wirtschaftliche Macht ist nichts Irrationales, Mystisches; wirtschaftliche Macht ist etwas rational Faßbares, rational Zugängliches"33. Darum ist sie wie jede ..andere" Macht auch weder von vornherein böse noch gut. In diesem Zusammenhang gilt also auch: ..Das Machtphänomen ist prinzipiell wertneutral, weil es ,gute' und ,böse' Zwecke gibt, denen es dienen kann" 34. Aber Macht darf den Wettbewerb, der als solcher nie Selbstzweck 35, sondern Mittel zur optimalen Güterversorgung der Bevölkerung ist, nicht einschränken.

11. Konzentration von Macht A. Machtkonzentration in der Theorie von Karl Man Für Karl Marx wird die politische Macht durch die ökonomische Macht vermittelt. Eine Veränderung der Macht im politischen Bereich erfolgt nur durch ein Wechsel des Machtbesitzes zu Gunsten der ökonomisch Machtlosen. Daraus ergibt sich die Forderung nach einer Veränderung des Eigentums an den Produktionsmitteln. Zur Zeit von Sklaverei und Feudalismus besaß der Sklavenhalter bzw. der Feudalherr die Macht über die von ihm Abhängigen. In der Zeit des Kapitalismus erfuhr die Macht eine neue Dimension. Sie wurde zu einer sachlichen Macht. Denn die Herrschaft der kapitalistischen Klasse (der Eigentümer an den Produktionsmitteln) verbirgt sich unter der Herrschaft der Waren über den Menschen. In dieser Periode hat der Mensch eine tiefgreifende Veränderung seiner Arbeitsituation erfahren. Er wurde von 31 Vgl. Rolf Kramer, Sozialer Konflikt und christliche Ethik, Berlin 1988 S. 29 f. 32 Helmut Arndt, Die Evolutorische Entwicklungstheorie, Berlin 1992 S. 176. 33 Walter Eucken, Die Grundlagen der Natinalökonomie, Berlin, Göttingen, Heidelberg, 71959, S. 204. 34 Hans-Jürgen Seraphim, Machtkonzentration in der Markwirtschaft und die Verwirklichung des Wettbewerbs, in: Zeitschrift für Nationalökonomie Bd. XVI H. 1-2 S. 42. 35 Vgl. Seraphim, Machtkonzentration, S. 42 f. 6 Kramer

6. Kapitel: Wirtschaftliche Macht

82

seiner Arbeit entfremdet. Die Gründe dafür sind mehrschichtig. Die Schaffung von Privateigentum an den Produktionsmitteln, der Prozeß der Arbeitsteilung und die Tatsache, daß menschliche Arbeit zur Ware unter anderen Waren geworden ist 36, sind die Ursachen dafür. Gerade der letzte Grund ist für die Machtfrage von Bedeutung. Wird ein Produkt zur Ware, dann sind Gebrauchswert 37 und Tauschwert 38 voneinander getrennt. Der Tauschwert entsteht, wenn ein Produkt zur Ware wird. Zur Zeit des Kapitalismus indessen treten nicht Produkte zueinander in Beziehung, sondern das Geld übernimmt diese Funktion, indem es zum allgemeinen Tauschwert wird. Eine besondere Machtkonstellation ergibt sich dadurch, daß in dieser Tauschrelation die abstrakte Beziehung zu den Eigentümern der Ware verschleiert wird. Eigentum an den Waren bedeutet Macht! Zwar produzieren die Produzenten in einer Marktwirtschaft privatwirtschaftlieh, aber sie tun das im Hinblick auf die gesamte Gesellschaft. Darum wird mit der Zeit im Kapitalismus letztlich alles zur Ware (Warenfetischismus). Die Machtverhältnisse im Tauschprozeß zeigen sich allerdings unter dem Blickwinkel eines Produktionsprozesses und einer Distribution des Sozialproduktes unterschiedlich. Denn -

im Produktionsprozeß wird bei der Tauschbeziehung die Fähigkeit des Käufers, gegenüber dem Verkäufer den Tauschwert zu bestimmen, als Macht defmiert,

-

im Distributionsprozeß dagegen kann in einer Tauschbeziehung die Fähigkeit des Verkäufers, den Tauschwert zu bestimmen, als Macht defmiert werden 39.

Im Produktionsprozeß hat also der Käufer Macht über den Verkäufer. Im Distributionsprozeß ist die Beziehung gerade umgekehrt.

Vgl. Joachim Israel, Der Begriff Entfremdung, Reinbek 1972 S. 59. Der Gebrauchswert ist abhängig von den jeweiligen Bedürfnissen. Vgl. dazu Rolf Kramer, Arbeit, Göttingen 1982 S. 54. 38 Alle Objekte und Tätigkeiten, die einen Tauschwert haben, werden von Marx Waren genannt. Der Tauschwert entsteht erst, wenn ein Produkt zur Ware wird. Vgl. R. Kramer, Arbeit, S. 54. 39 J. Israel, Entfremdung, S. 352. 36 37

11. Konzentration von Macht

83

B. Die Macht des Geldes Heute spielt Geld in nationalen und internationalen Transaktionen eine immer größere Rolle. Der Besitz von Geld hat seit seiner Einführung Macht verliehen. Es gewährt einen Freiheitsraum und eröffnet Lebensperspektiven 4O • Geld spielt eine gewichtige Rolle bei der Wahrnehmung von Gegenwartsund Zukunftschancen und schenkt Kommunikationsmöglichkeiten. Aber Macht wird durch Geld nur denen gewährt, die es besitzen. Heute, da Geld frei über nationale Grenzen fließt und täglich viele hundert Milliarden Dollars allein in London, Tokio und New Y ork von einer Währung in die andere wechseln 41 , kommt dem Geld und seinem Transfer eine immer größere Bedeutung zu. Menschen und Völker sind immer weniger geneigt, der Macht des Geldes Beschränkungen aufzuerlegen. Freilich schafft es auch Abhängigkeiten, speziell für die, die es nicht besitzen, aber seiner bedürfen. Zwar konnt Alexis de Tocqueville bereits 1835 schreiben: "Geld ist nicht nur ein Zeichen von Reichtum, sondern auch von Macht, Ruhm und Ansehen"42. Aber Geld zu haben, bedeutet keineswegs schon, reich zu sein. Wo eine solche Gleichsetzung geschieht, wird Geld überwiegend negativ beurteilt. ,,Fast immer liegen solchen Äußerungen sprachliche Nachlässsigkeit zugrunde", nämlich eben diese Identifizierung von "Geld und Reichtum bzw. Vermögen"43. Ethisch relevant ist nur das, was der Mensch mit dem Geld macht, nicht das Geld an sich. Der Mensch ist dafür verantwortlich, wie er die Geld-Macht einsetzt. Er kann sie zum Guten und zum Bösen gebrauchen 44. Für Max Weber wird das Streben nach Macht hervorgerufen durch die in ihr liegenden "soziale Ehre". Diese wird nicht von jeder Macht vermittelt. Aber gerade die ",bloß' ökonomische Macht, namentlich die ,nackte' Geldmacht", wie Weber sie nennt, schafft solche "soziale ,Ehre"'45. Nur in der Marktwirtschaft erfüllt das Geld die ihm in der ökonomischen Theorie zuge40 Vgl. Bernhard Irrgang, Macht in: Lexikon der Wirtschaftsethik, Hrsg. Georges Enderle, Karl Homann, Martin Honecker, Walter Kerber, Horst Steinmann, Freiburg u. a. 1993 S. 630. 41 Ende der 80er Jahre sollen es nach Anthony Sampson, Globalmacht Geld, S. 270, 200 Milliarden gewesen sein. 42 Zitiert nach Anthony Sampson, Global Macht Geld, Hamburg 1990 S. 102. 43 Vgl. Otmar Issing, Geld, in: Lexikon der Wirtschaftsethik, Hrsg. Georges Enderle, Karl Homann, Martin Honecker, Walter Kerber, Horst Steinmann, Freiburg u. a. 1993 S. 331. 44 Vgl. Otmar Issing, Geld, in: Lexikon der Wirtschaftsethik, S. 335. 45 Max Weber, Wirtschaft, S. 531.

6*

6. Kapitel: Wirtschaftliche Macht

84

schriebene dienende Funktion. Sie garantiert den ,,reibungslosen Ablauf' in der Wirtschaft 46 • Daß das Geld das vermag, liegt besonders an der Anonymität des Marktes, den Weber als die unpersönlichste praktische Lebensbeziehung bezeichnen kann 47. Zur Marktgemeinschaft gehört bei einer Vollentwicklung auch eine ausgebaute Geldwirtschaft, die im Geld ein "generalisertes Medium" besitzt, wie Luhmann es ausdrückt 48 . Geld kann ohne Schwierigkeiten weitergegeben werden. "Sein Besitz impliziert keine Vorentscheidungen darüber, wer, wann, welche Bedürfnissnisse damit defmitiv befriedigt, stellt aber gleichwohl die unspeziftzierte Freiheit der Bedürfnisbefriedigung in abstracto sicher"49. Geld vermittelt also in der Marktwirtschaft den Zugang zur Welt der Güter und Waren und wird als Erfüllungsgehilfe der Reisefreiheit dem gerecht, was Dostojewski als "geprägte Freiheit" ausgedrückt haben soll 50 • Denn Geldbesitz verleiht Liquidität und damit Mobilität. Im 19. und auch 20. Jahrhundert war die Zentralmacht des Geldes Amerika. Ob man sagen kann, daß sich diese Metropole in den 80er Jahres dieses Jahrhunderts bereits nach Asien verlagert hat, kann man nicht eindeutig beantworten. Vielmehr teilt sich das internationale Finanzsystem zwischen Amerika, Westeuropa und Fernost pluralistisch auf. So verteilt sich wahrscheinlich auch die Macht des Geldes. International ist durch die Mobilität der Geldmacht ein hohes Maß an Freiheit entstanden. Auf allen Kontinenten ist es möglich, sich ein Immobilien- und Finanzimperium zu schaffen. Damit ist man in der Lage, auf der ganzen Welt Unternehmen zu kaufen und zu verkaufen oder sie in ihre Einzelteile (einschließlich des Immobilienbesitzes) zu zerlegen und sie gewinnbringend zu veräußern 51 • Dadurch erhöht sich die Gefahr, daß nationale Verfügungsgewalt, die soziale Sicherheit für die Mitarbeiter und gewachsene Traditionen nationaler Firmen verloren gehen 52. Aber andererseits darf nicht verkannt werden, daß durch internationale Geldmacht und Finanztransaktionen gerade auch marode Firmen saniert werden können und sollen. Ein gutes Vgl. Otmar Issing, Geld, in: Lexikon der Wirtschaftsethik, S. 334. 47 Max Weber, Wirtschaft, S. 382. 48 Luhmann fußt auch hier auf Webers Gedanken. 49 Niklas Luhmann, Zweckbegriffund Systemrationalität, Frankfurt 1973 S. 205. 50 Vgl. Otmar Issing, Geld, in: Lexikon der Wirtschaftsethik, S. 334. 51 Vgl. Sampson, Geld, S. 80 ff. 52 Das Schreckgespenst, das Sampson in seinem Buch über die "Globalmacht Geld" malt, hat zwar in einzelnen Erscheinul)gen seine Berechtigung, verkennt aber völlig, daß gerade auch internationale Firmen heimische Firmen sanieren. 46

11. Konzentration von Macht

85

Beispiel ist der Einsatz solcher Machtmittel in den fünf neuen Bundesländern Deutschlands.

c. Machtkonzentration in der Marktwirtschaft In der Freiburger Schule um Walter Eucken wurde die Auffassung vertreten, daß ökonomische Macht an sich gefahrlich sei und bekämpft werden müsse. Die Gefahrlichkeit von Monopolen besteht für sie allein darin, daß sie Macht haben und nicht darin, daß sie diese Macht mißbrauchen 53. Macht als solche kann aber noch kein Grund zur Intervention durch den Staat sein. Ein Zurück zum "wettbewerbspolitischen Biedermeier des frühen 19.Jahrhunderts" mit seiner atomistischen Konkurrenz, kann es ohnehin nicht mehr geben 54. Von einer Marktbeherrschung durch anbietende Unternehmen spricht man, wenn es auf einem bestimmten Markt keinen Wettbewerb gibt. Private Wettbewerbsbeschränkung und Marktbeherrschung sind, wie oben gesagt wurde, herausragende Formen von Marktmacht. Solche Konzentrationen in der Wirtschaft sind die Folge von Wettbwerbsprozessen und/ oder von Unternehmensvereinbarungen. Dadurch kommt es zur Monopoliserung und / oder zu Wettbewerbsbeschränkungen auf horizontaler und vertikaler Ebene. Das eben führt zur Machtkonzentration. Sie läßt sich in allen Bereichen der Marktwirtschaft finden. Sie zeigen sich bei marktbeherrschenden Unternehmen, Konzernen, bei Anbieter- und Nachfragemonopolen. Aber auch in der vollständigen Konkurrenz kann Macht vorhanden sein, wie Walter Eucken festzustellte. Er spricht davon, daß in der vollständigen Konkurrenz die Teilnehmer nicht etwa so entmachtet sind, "wie die Mitglieder einer total zentralgeleiteten Wirtschaft, die nicht der Zentralleitung angehören" 55. In der vollkommenen Konkurrenz übt der einzelne Anbieter und Nachfrager gegenüber dem Wettbewerber durchaus einen Einfluß aus. Aber es fehlt jede Machtkonzentration. Die Machtposition der vollständigen Konkurrenz ist keineswegs ohnmächtig. Denn bereits nach der Weberschen Definition hat gar der Polypolist Macht, seine Preisvorstellung infolge seines Vgl. Artur Woll, Wirtschaftspolitik, S. 13l. So soll es Karl Schiller einmal spöttisch beschrieben haben. Vgl. Jürgen Gottbold, Macht und Wettbewerb in der Wirtschaft, Köln 1975S. 25. 55 Walter Eucken, Die Grundlagen der Nationalökonomie, Berlin, Göttingen, Heidelberg 71959 S. 202. 53

54

86

6. Kapitel: Wirtschaftliche Macht

situations bezogenen oder sonstwie zu kennzeichnenden Machtbesitzes durchzusetzen 56 . Freilich ist gerade diese Macht gering. Helmut Arndt hat sich in seinen Schriften über die Konzentration in der deutschen Wirtschaft 57 ausführlich mit der wirtschaftlichen Macht auseinandergesetzt und dabei folgende allgemeine Definition für die ökonomische Macht herausgearbeitet: "Ökonomische Macht verwandelt ökonomische Daten ... in Variable" und natürlich auch umgekehrt "Variable in ökonomische Daten"58. Diese Deutung hat für sich, daß sie wertneutral den Bestand der festen und variablen ökonomischen Daten erfaßt. Zugleich hat H. Amdt die Unterschiede in der wirtschaftlichen Macht herausgearbeitet 59. Für ihn ist Macht gegeben,

-

wenn ein Partner einen anderen beherrscht. Er spricht dann von Partnermacht, so z. B. bei der Anbieter- oder Nachfragermacht.

-

wenn Marktbeherrschung durch einen Marktteilnehmer existiert, also z. B. als Monopolist oder Monopsist;

-

bei einer Insidermacht, die auf dem Besitz von Informationen beruht, die anderen nicht zustehen;

-

bei der Kontrolle fremder (oder teilweise fremder) Unternehmen; es geht dann um Veifügungsmacht;

-

wenn Lobbyismus-Macht herrscht; dann werden staatliche Maßnahmen durch die eine der vorhandenen Interessengruppe beeinflußt, die andere Beteiligte hinnehmen müssen;

-

Macht entsteht auch durch einen von der Rechtsordnung gestatteten Mißbrauch des Eigentums; diese tritt etwa auf als die Macht des Grundeigentümers oder als die des Funktionärs eines staatlichen Wirtschaftsunternehmens.

Machtabhängigkeiten führen beim Machtinhaber zu einem Machtmißbrauch. Dabei spielen nicht nur faktische Abhängigkeiten eine Rolle, oft genügt es, daß der Abhängige von dieser Situation nur weiß.

56 Vgl. W. Krüger, Macht, S. 4. 57 Speziell als Herausgeber des Sammelwerkes des Vereins für Socialpolitik "Die

Konzentration in der Wirtschaft" Berlin 21971. 58 Helmut Arndt, Ökonomische Theorie der Macht, S. 99. 59 Helmut Arndt, Wirtschaftliche Macht, München 31980, S. 128 f.

11. Konzentration von Macht

87

H. Arndt unterscheidet: -

Absatzabhängigkeit. Das beherrschte Unternehmen liefert an das herrschende Unternehmen soviel von seiner Produktion, daß es bei Verlust dieser Aufträge oder bei einer erheblichen Verringerung in Schwierigkeiten käme.

-

Bezugsabhängigkeit. Das behrrschte Unternehmen ist in seiner Entscheidung von dem Bezug seiner Materialien oder Dienstleitungen abhängig.

-

Qualitätsabhängigkeit. Das abhängige Unternehmen ist an eine bestimmte Qualität in Form und Durchführung an die herrschende Gesellschaft gebunden, z. B. besonders durch deren Patente.

-

Transportabhängigkeit. Das eine Unternehmen ist von der Tranportleistung des anderen abhängig. Auch die Macht der Auftragsgeber wirken auf die Transportunternehmen ein.

-

Kreditabhängigkeit. Der Schuldner ist von seinem Gläubiger als dem beherrschenden Unternehmen abhängig, insbesondere dann, wenn der fällige Kredit nicht zurückgezahlt werden kann. Umgekehrt kann auch der Schuldner zur beherrschenden Macht werden, wenn der Kreditgeber infolge zu hoher Kreditleistungen selbst in Schwierigkeiten gerät 60.

In der neoklassischen Theorie hat allein das Monopol zur Kennzeichnung von Marktbeherrschung herhalten müssen 61. Gegenüber der vielfältigen Darstellung der Marktmacht heute ist das aber eine einseitige Kennzeichnung. Denn schließlich existieren in der Marktwirtschaft noch ganz andere Machtfaktoren. Zu nennen sind etwa:

(1) Die Macht der Banken. Sie setzt sich zusammen aus -

der Machtposition, die sie durch die Bereitstellung oder Verweigerung von Krediten gewonnen hat,

-

den Beteiligungen an Produktions- und Dienstleistungsunternehmen 62 ,

60 Helmut Arndt, Die Konzentration der westdeutschen Wirtschaft, Pfullingen 1966 S. 36 ff. Er nennt weiter noch: die Stimmrechtsabhängigkeit, die personelle Verfügungsmacht (z. B. den Bankeneinfluß) und die kriminelle Abhängigkeit. 61 H. Arndt, Macht, S. 129. 62 Ein besonders gutes aber auch trauriges Beispiel für die Macht der Banken ist das Verhalten der Comrnerzbank und der Deutschen Bank im Fall der Firma Berthold AG, Berlin, Herstellerin von Fotosatzsystemen. Beide stellten sich als Aktionäre von Berthold bei der Sanierung quer. Der Grund bei der Comrnerzbank

88

6. Kapitel: Wirtschaftliche Macht

-

den Aufsichtsratmandaten bei unterschiedlichen Gesellschaften, die ihnen aufgrund ihres Einflusses angeboten werden und die sie auch wahrnehmen,

-

den Depotstimmrechten ihrer Klientel

-

den Insider-Informationen, die sie aus der Wahrnehmung ihrer Mandate gewinnen.

-

den von ihnen beeinflußten Fusionen; Konzentrationsbewegungen in Gestalt von Fusionen sind aufgrund der vorhandenen Bankpakete leichter durchführbar als bei Streubesitz,

-

ihrem Anlagegeschäft; denn im Interessenkonflikt beim Wertpapiergeschäft ihrer Kunden und ihrem Anlagegeschäft ist eine Steuerung zu Gunsten ihres Zieles möglich.

(2) Die Macht der Manager. Die Manager führen, beherrschen und kontrollieren als Nichteigentümer die Unternehmen. Als Angestelltenunternehmen stehen sie sowohl unter dem Druck der privaten Eigentümer und damit oft unter dem Einfluß der Banken, die ihre Macht in der oben beschriebenen Weise gelten machen köpnen. Eine personelle Verflechtung unter den Gesellschaften - gleich ob über die Banken oder die Publikumsgesellschaften selbst - fördert die Machtkonzentration einzelner Manager oder Gesellschaften. Die Insiderposition gegenüber unterschiedlichen Gesellschaften gibt den Managern eine Machtstellung; sie rührt her aus dem Kenntnisstand über das eigene Unternehmen. Zur effektiven Führung eines Unternehmens gehört ein bestimmtes Maß an positionsbedingter Überordnung. Darum besitzt der Manager nicht nur Macht; sie ist sogar nötig, um den vielfältigen Aufgaben der Planung, Kontrolle und der Führung von Mitarbeitern gerecht zu werden. Macht als Potenz, als Herrschaft oder auch als Führungsautorität muß darum in einem Unternehmen etwas Selbstverständliches sein. Die Beeinflussungsmethoden des Managers auf seine Mitarbeiter sind sehr unterschiedlich. Sie reichen von Führung durch Anerkennung bis zur Ausnutzung der positionsbedingten Abhängigkeit lag darin, daß sie beim Konkurrenten von Berthold als Hausbank fungiert. Aber wichtiger noch ist, daß beide Banken die wichtigsten Bankverbindungen für eine Gesellschaft (Itag) sind, die 1988 bis zum Jahre 2008 befristet an Berthold für einen günstigen Quadratmeterpreis vermietet hat, der heute ein Vielfaches ausmacht. Quelle: FAZ Nr. 194 vom 23. August 1993, S. 14. Ähnliches Verhalten und damit Ausnutzen der Machtverhältnisse der Beteiligungen und der Kreditbewilligung ist mindestens bei Großbanken des öfteren zu beobachten.

II. Konzentration von Macht

89

des Mitarbeiters vom Vorgesetzen. Die Anwendung von Macht durch den Manager ist auch deshalb notwendig, weil er sich selbst wiederum in einem bestimmten Abhängigkeitsverhältnis - vom Vorstand, Aufsichtsrat, von seinen Mitarbeitern, von der Konkurrenz und auch von außen stehenden Personen - befmdet. (3) Der Großaktionär

Er kann den Aufsichtsrat und / oder den Vorstand durch Wabl oder Abberufung beherrschen. Dem einzelnen Eigentümer indessen entgleitet die Macht zunehmend, während sich für die Banken bei einer mehrheitlichen Unternehmensbeteiligung oder auch bei einer qualifizierten Minderheitsbeteilung eine wichtige Machtquelle auftut. Gegenüber dem Eigentümer-Unternehmer hat sich zunehmend der Machtfaktor des Unternehmensvorstandes und damit des Managements vergrößert. (4) Die Konzrne

Die Macht der Konzerne kann sich durch einen horizontalen wie durch einen vertikalen Zusammenschluß ergeben. Der horizontale Konzern entsteht durch Eingliederung von Unternehmen, "die Güter gleicher Art herstellen oder vertreiben"63. Der vertikale Konzern gliedert sich vor- oder nachgelagerte Produktionszweige oder Dienstleistungsbereiche an.

Gemischte Konzerne entstehen durch heterogene Zusammenschlüsse von Produktionen und Dienstleistungen. Ihre Macht ergibt sich durch eine Ausweitung der Produktionsweisen in andere Bereiche oder durch Gewinntransferierung von dem einen Unternehmen in ein anderes. Multinationale oder transnationale Konzerne 64 sind in mehreren - mindestens in zwei Staaten - tätig und können über Gewinn- und Verlusttransferierungen die Planung, Produktion und ihr Verlustrisiko steuern. Sie können so in dem Gast-Land den Wettbewerb beeinflussen und sich eine Vormachtstellung schaffen und erhalten. Sie können die Handelsströme und die eigenen Geldströme lenken, und sind in der Lage, die Produktions- und die Beschäftigungspolitik des fremden Landes zu beeinflussen. 63 H. Amdt, Wirtschaftliche Macht, S.41. 64 Vgl. Rolf Kramer, Sozialer Konflikt und christliche Ethik, Berlin 1988 S. 119 ff.

6. Kapitel: Wirtschaftliche Macht

90

(5) Die Kartelle

Kartelle entstehen durch Absprachen und Verabredungen zum gemeinsamen Vorgehen auf dem Markt. Ob sie letztlich zu einer Ausschaltung oder Eingrenzung des Marktes führen, hängt von ihrer Zielgruppe und Marktmachtstellung ab. "Sind sie gegen Geschäftspartner und damit gegen Anbieter oder Nachfrager gerichtet, so verringern sie den Wettbewerb und heben ihn im Grenzfall auf. Sind sie hingegen eine Maßnahme kleinerer Unternehmen gegenüber größeren Konkurrenten, die ihnen kapital- und umsatzmäßig überlegen sind, so dienen sie der Bildung von Gegenmacht und erhöhen die Intensität des Wettbewerbs"65. D. Eingrenzungen der Macht In dem von der röm.-katholisch Theologie geprägten Subsidiaritätsprinzip66 wird der Staat und alle übergeordneten Instanzen und Organisationen auf die ihnen eigenen Aufgabe verwiesen. Die Eigeninitiative der Person und der kleineren Gemeinschaft darf dabei nicht verlorengehen. Die Kräfte des Schwächeren gilt es, vor dem Stärkeren zu schützen. Es muß ferner im Interesse der Selbstentfaltung des Menschen in der Politik und in der Wirtschaft seine Eigeninitiative gefördert werden 67.

lohn Kenneth Galbraith hat in seinem Konzept der countervailing power versucht, die Macht der Unternehmen einzuschränken oder gar zu begrenzen. Die unternehmerische Macht sollte durch die Aufstellung einer Gegenkraft in Form von Verhandlungsmacht, vor wirtschaftliche "Übervorteilung durch zu hohe Einkaufspreise oder auch zu niedrige Absatzpreise" kompensiert werden 68. Galbraith will allerdings die Wirksamkeit seiner countervailing power auf konjunkturelle Unterbeschäftigung eingegrenzt sehen. Die Wettbewerbs politik ist nicht in der Lage, schlechthin gegenüber jeder ökonomischen Macht ein Veto einzulegen. Wettbewerbspolitik muß offen 65 H. Arndt, Macht, S. 65. 66 S. Pius XI., Enzyklika Quadragesimo Anno aus dem Jahre 1931 n. 79. Zur

Deutung s. Rolf Kramer, Sozialer Konflikt und christliche Ethik, Berlin 1988 S. 77 ff. 67 Vgl. hierzu Alfred Klose, Gewissen in der Politik, Graz, Wien, Köln 1982 S. 141. 68 Walter Dörhage, Macht Verteilung, Inflation, Frankfurt, Bem, New York, Paris, 1989 S. 53 . Vgl. John Kenneth Galbraith, Der amerikanische Kapitalismus im Gleichgewicht der Wirtschaftskräfte, Stuttgart, Wien, Zürich 1956.

III. Wirtschaftliche Macht in der Mikroökonomie

91

sein gegenüber betrieblicher Größe. Ein Pionierunternehmer etwa, der sich einen Wettbewerbsvorteil verschafft und sich dadurch eine ökonomische Macht zulegt, ist nicht von vornherein wegen seiner angestrebten oder erreichten Betriebsgröße zu verurteilen. Insofern ist es Recht, wenn nach der herrschenden Meinung nicht die Macht selbst, sondern allein ihr Mißbrauch unterbunden werden soll. Nicht die Größe eines Unternehmens als solche verleiht Markteinfluß und fordert zu einer staatlichen Intervention heraus, sondern die Höhe seiner Marktanteile und damit die Potenz, mit der es den Markt beeinflussen und evtl. die Konkurrenz ausschalten kann. In der Marktwirtschaft und speziell in der Wirtschaftspolitik muß Macht hinsichtlich ihres Mißbrauchs eine Einschränkung erfahren. Aber auch für die Wirtschaftstheorie wird weiterhin zu gelten haben, daß die Böhm-Bawerk'sche "Lücke" für die ganze Ökonomie ausgefüllt werden muß.

III. Wirtschaftliche Macht in der Mikroökonomie Macht ist nötig zur Planung, Zielsetzung, Organisation, Entscheidung und der Durchführung der Produktion. Mikroökonomische Macht gehört auch zum Führen, Motivieren und Kontrollieren von Mitarbeitern. Macht umfaßt darum auch die Einwirkungsmöglichkeiten der Vorgesetzten auf die Mitarbeiter in einem Unternehmen 69 • Bei der betriebswirtschaftlichen Machtanwendung ist zu unterscheiden:

-

die Machtgrundlage, die alle diese Funktionen wahrnehmen kann; zur Durchführung der Entscheidungen bedarf es bestimmter Instrumente im Personalbereich 70 (Belohnung, Förderung, Kritik etc.).

-

die Machtmittel. Die Führungsinstanz - etwa der Vorgesetzte - bedarf verschiedener Mittel; nicht jede Anordnung und Entscheidung gilt für jeden Mitarbeiter im Unternehmen in gleicher Weise.

-

Machtstrukturen. Für den einzelnen bestehen nur begrenzte Eingriffsund Zugriffsmöglichkeiten gegenüber den vor- oder auch nachgeordneten Stellen; denn es existieren im Unternehmen unterschiedliche Machtstrukturen. 69

Vgl. Marcell Schweitzer, in der Diskussion des Vereins für Soc. Pol. 1973

Bd. II S. 1044.

70 Vgl. Edgar Wittmann, Neue Informations- und Kommunikationstechnik, S. 91, wo er zwischen Belohnungs-, Bestrafungsmacht und beide zusammenfassend von der Sanktionsmacht spricht.

92

6. Kapitel: Wirtschaftliche Macht

Machtbereich. Personen und Aufgaben sind von den unternehmerischen Machtstrukturen in gleicher Weise betroffen; man spricht deshalb von einem Machtbereich im Unternehmen 7l •

-

Außer der Machtanwendung interessieren die Verteilung von Macht und ihre spezielle Wirkungsweise auf den Verlauf des ökonomischen Prozesses im Unternehmen.

Ralf Dahrendorf'2 hat herausgearbeitet, daß personale Macht im Betrieb in Verbindung mit dem Entstehen von betrieblichen Normen zu sehen ist. Der Arbeitnehmer wird nämlich gedrängt, sich diesen Normen anzupassen. Mitarbeiter, die sich ihnen am besten anpassen, werden durch entsprechend höheren Anteil an den materiellen Ressourcen, am Einkommen, und an den immateriellen Vergütungen, an Prestige oder Autorität, belohnt 73. Dieser Einfluß kann sogar so stark anwachsen, daß dann der "Teilhaber" die Normen selbst beeinfußt. Aber eine derartige monokausale Erklärung aufgrund eines soziotechnischen Systems reicht wie jeder einseitig vorgenommener Versuch für die Machtentstehung im Unternehmen nicht aus 74 • Auch ein allein auf die Persönlichkeit 75 (Motivationslehre, individuelle Machtaneignung) hin Wilfried Krüger, Macht in der Unternehmung, S. 5. Eine allgemeine Gestalt der Machtentstehung hatte z. B. Gustav Schmoller versucht. Gegen diese hat sich neuerlich Ralf Dahrendorf gewandt. Bei Schmoller entstehen Klassen und damit auch Macht durch Arbeitsteilung. 73 Vgl. Wilfried Krüger, Macht in der Unternehmung, S. 54. 74 Vgl. Wilfried Krüger, Macht, S. 54 ff; 79 ff; 109 ff. 75 Vgl. Wilfried Krüger, Macht, S. 46. W. Krüger weist darauf hin, daß die bekannte Motivpyramide Maslows mit den physiologischen Motiven als 1. Stufe, dem Sicherheitsmotiv als 2., den sozialen als 3., dem Motiv der Anerkennnung und Status als 4. und schließlich dem Motiv der Selbstverwirklichung als 5. und letzte Stufe zugleich eine Machtpyramide ist. Zusammenfassend führt er dazu aus:. ,,1. Alle Bedürfnisse eines Aktors zeigen Wirkungen auf seine Machtposition, entweder verstärkende oder abschwächende. Somit besitzen nicht nur ,Machtmotive ' Relevanz für Machtanalysen, sondern sämtliche Motivklassen eines Individuums. 2. Die ,unteren' Motivklassen von Maslow's Dringlichkeitsordnung (physiologische Motive, Sicherheitsmotive) beeinflussen einen Aktor stärker in Richtung auf das ,Machtunterworfensein' als in Richtung auf das ,Machthaben' . Am stärksten ausgeprägt zeigt sich dieser Trend bei den Sicherheitsmotiven. 3. Die ,mittlere' Motivklasse (soziale Motive) zeigt eine Ausgeglichenheit der Tendenzen. ,Per Saldo' bleibt das Machtpotential unverändert. 4. Die ,oberen' Motivklassen (Anerkennung und Status, Selbstverwirklichung) weisen einen Trend zum ,Machthaben ' auf, der seine stärkste Ausprägung bei den 7l

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m. Wirtschaftliche Macht in der Mikroökonomie

93

fixierter Ansatz genügt nicht. Macht kann sich im Betrieb auch gruppenspezifisch organisieren 76. Zusammenfassend ist im Blick auf die Kausalanalyse zur Machtentstehung zu sagen: Macht entsteht im Betrieb aufgrund unterschiedlicher Ursachenfelder. A. Macht im personalen Bereich Führung im Unternehmen ist mit Macht verbunden. Aber man kann Führen und Macht nicht miteinander gleichsetzen. Denn Führung von Mitarbeitern beschränkt sich nicht allein auf Machtausübung, obwohl sie auch eine Machtanwendung gegenüber anderen Menschen ist. Die Hierarchie im Unternehmen ist in jedem Fall ein Ausdruck der Machtstruktur, gleichgültig ob der Führungsstil autokratisch oder kooperativ organisiert ist. Macht erweist sich in jedem Fall als Einwirkungsmöglichkeit auf die Mitarbeiter und Kollegen. In der Kompetenzabgrenzung (Zuständigkeitsbestimmung) 77 der Person für einzelne Aufgaben zeigt sich Macht. Im Betriebsalitag ist die Zuständigkeit (Kompetenzzuerkennung) mit Macht verbunden. Eine derartige Ausstattung einer Stelle ist durch eine positionelle (organisatorische) M_achterteilung oder auch 9urch Fachkompetenz b~grün­ det. Man spricht unterschiedlich von der El1:tscheidungs-, Führungs-! KOQtroll- oder Kompetenzkompetenz. Sie alle regeln die Delegation der Verantwortung auf die einzelnen Entscheidungsträger. Im Unternehmen fmdet vor allem Machtausübung unter Personen statt. Idealtypisch lassen sich folgende Machtverteilungstypen aufzeigen 78: 1. Beim "Demokratischen Modell" fmdet eine Zunahme der Macht mit abnehmendem Rang statt. 2. Beim "Oligarchischen oder Autokratischen Modell" nimmt die Macht mit abnehmenden Rang ab.

Motiven nach Anerkennung und Status besitzt". (Alle Markierungen stammen von W. Krüger). 76 Vgl. Wi1fried Krüger, Macht, S. 109 ff. 77 Unterschieden werden etwa folgende Kompetenzarten: Ausführungs-, Verfügungs-, Antrags-, Entscheidungs-, Mitsprache-, Anordnungs-, Vertretungskompetenz. Vgl. dazu Edgar Wittmann, Neue Informations- und Kommunikationstechnik, S. 155 ff. 78 Nach W.)(riiger, Macht in der Unternehmung, S. 150.

94

6. Kapitel: Wirtschaftliche Macht

3. Beim Laissez-Faire" oder "Anarchischen Modell" herrscht eine gleichbleibende niedrige Macht auf allen Rängen vor. 4. Das "polygarchische Modell" arbeitet mit gleichbleibender hoher Macht auf allen Rängen. In der Realität kommt keines der Modell in reiner Ausführung vor, wohl aber lassen sich in den Unternehmen unterschiedliche Züge jeden Typs fmden. Freilich sind die Modelle 1 und 2 am stärksten vertreten. Die Macht verteilt sich dementsprechend.

1. Die Macht in der autokratischen Führung Geht man von der autokratisch geprägten Hierarchie aus, steht der Machthaber 79 in ihrem Zentrum. Er versucht, nach seiner Bedürfnisstruktur, seinem Aufgaben- und Verantwortungsbereich oder auch nur allgemein zielorientiert seiner Macht zum Durchbruch zu verhelfen. Die zwischenmenschlichen Beziehungen zum Mitarbeiter werden von dem Vorgesetzten durch die Anwendung von Macht geregelt. Der Vorgesetze übt seinen Einfluß auf seine Mitarbeiter unterschiedlich aus. Macht wird von ihm aufgrund von materieller, fachkompetenter und positionsbedingten Abhängigkeit des Mitarbeiteres von ihm oder aufgrund von IdentifIkation 80 mit dem Vorgesetzten - man möchte dem Bild des Vorgesetzten möglichst ähnlich werden - oder aufgrund geschuldeter Gefälligkeit des Nachgeordneten gegenüber dem Vorgesetzten etc. ausgeübt. Machtanwendung kann sowohl für das Unternehmen wie auch für den Mitarbeiter Vorteile und auch Nachteile bringen. Gerade Abhängigkeitsgefühle, die vom Vorgesetzten genutzt werden, können zwar für das Unternehmen relativ schnell zu einem Erfolg führen. Aber sie weisen den Untergebenen auch auf seine Grenzen hin und können bei wiederholter Anwendung zum Aufbau einer Gegenmacht führen 81. Als Mittel der Machtausübung kommen Befehle, Anordnungen, Überzeugungsarbeit, Manipulation, materielle und immaterielle Motivation durch den Vorgesetzten gegenüber dem Mitarbeiter und auch Bitten infrage. Die Grundlagen oder die Mittel zur Machtausübung Vgl. Rolf Kiechl, Macht im kooperativen Führungsstil, S. 240 ff. Edgar Wittmann, Neue Informations- und Kommunikationsmacht, S.93 spricht von Referenzmacht. 81 Vgl. lohn P. Kotter, Die Macht im Management, Landsberg/Lech, 1986 S. 62 ff. 79

80

III. Wirtschaftliche Macht in der Mikroökonomie

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können in der Belohnung oder der Bestrafung (Sanktionen), sogar, wie bereits gesagt, in der Möglichkeit einer IdentifIkation mit dem Vorgesetzen und den Zielen (bzw. seinen Produkten) des Unternehmens liegen. Macht geht bei einer autokratischen Hierarchie vom Vorgesetzten gegenüber den Mitarbeitern aus. Der Vorgesetzte will auf den Mitarbeiter Einfluß ausüben und Arbeiten ausführen lassen, die dieser von sich aus nicht tun würde oder auch nicht tun will. Es kann in diesem Zusammenhang auch um eine Verhaltensänderung des Mitarbeiters gehen. Dieses kann aufgrund der Führungsrnacht des Vorgesetzten (durch Belohnung: Lohn, Gehalt) erreicht werden. Er besitzt im Unternehmen eine Positions- oder Sachkompetenz und ihm kommt so ein Sanktionsrecht zu, durch das er positiv bzw. negativ auf den Mitarbeiter einwirkt. Die positionsgebundene "Sanktionsmacht" geht also von einer hierachischen Überordnung aus. Mit Recht wird jedoch - gegen den Weber'schen Ansatz - darauf verwiesen 82 , daß Macht im sozialen Bereich des Unternehmens keineswegs auf ein konfliktbezogenes Über- bzw. Unterordnungsschema zu beziehen ist. Zwar ist häufIg die Ausübung von Macht im personalen Bereich mit Konflikten verbunden. Aber Macht kann sowohl konfliktbezogen wie konfliktfrei ausgeübt werden 83 • 2. Macht im kooperativen Führungsstil

Der kooperative Führungsstil ist als Modell in einem Demokratisierungskonzept zu sehen. Als wesentliche Merkmale eines solchen Führungstyps können gelten: -

die Entscheidungsbeteiligung der Mitarbeiter,

-

eine gruppenorientierte Zusammenarbeit,

Karl Sandner, Prozesse der Macht, Berlin, Heidelberg, New York, 1990 S. 77 f. Vgl. Karl Sandner, Prozesse, S. 26. In einem Dependenzmodell der Macht, in dem B von A abhängig (dependent) ist, verfügt A über Ressourcen, die für B von Bedeutung sind. B kann seine Aufgabe nur verwirklichen, wenn er an die Ressourcen des A herankommt. Umgekehrt ist die Abhängigkeit des B von den Ressourcen des A die Voraussetzung der Macht A gegenüber B. Dieses Modell für die Ausübung von Macht setzt ein Handeln beider Beteiligten voraus. A kann B auf dessen Dependenz ansprechen. Dieser wiederum kann sie ablehnen oder akzeptieren. Bei Einigung kommt es zur Machtausübung durch A. Diese ändert sich so lange nicht, wie es B möglich ist, Nein zu sagen. Erst wenn er dieses nicht mehr kann, wird aus der Machtausübung ein Zwang durch A. Jetzt hat B keine Wahlmöglichkeit mehr. Vgl. Karl Sandner, Prozesse, S. 113. 82 83

96

6. Kapitel: Wirtschaftliche Macht

-

ein Machtausgleich zwischen den Vorgesetzten und den Mitarbeitern,

-

Ziel- und Leistungsorientierung durch aktive Mit- und Selbstbestimmung,

-

Wechselseitiges Vertrauen,

-

Streben nach Selbstverwirklichung der Mitarbeiter und des Vorgesetzten,

-

Entwicklung des Personal zu sozialem Verhalten 84•

In einem kooperativen Führungsstil, in dem die Mitarbeiter allerdings auch zum Gehorsam verpflichtet sind, soll durch eine Verwirklichung von Freiheit und Gleichheit ein Machtausgleich und eine Aufhebung der Arbeitsentfremdung erreicht werden 85 • Der Ausgleich fmdet zwischen der Machtbefugnis des Vorgesetzten und dem Handlungsspielraum der Mitarbeiter statt 86 • Kooperatives Führen legt entscheidenden Wert auf die gemeinsame Erfüllung des gesetzten Zieles. Der Machtausgleich ist die zentrale "Variable der Organisationsentwicklung" 87. Der Mitarbeiter soll teilhaben an dem Machtpotential im Unternehmen (Partizipation); er soll dazu mindestens die Chance haben. Statt der im autoritären Führungsstil gegebenen Positionsmacht herrscht in der demokratischen Konzeption die Informationsmacht. Es geht bei ihr um den Besitz, die Weitergabe oder auch die Selektion von Informationen im Betriebsgeschehen 88 • Die personengebundene "Informationsmacht" erstreckt sich aufgrund von "Delegations- und Partizipationsprozessen" über alle Ebene eines Unternehmens 89 • Der Besitz von Informationen ist gleichbedeutend mit dem von Macht. Die Weitergabe von Informationen ist mit der Ausübung von Macht 90 gleichzusetzen. Dagegen liefert die Partizipation nur die Voraussetzung für die Machtanwendung; Partizipation gewährt nämlich allenfalls potentielle Macht 91 •

84 Rolf Wunderer, Wolfgang Grunewald, Führungslehre, Bd. TI, Berlin, New York 1980 S. 96. 85 Vgl. Rolf Wunderer, Wolfgang Grunewald, Führungslehre, Bd. TI. S. 49. 86 Vgl. Wunderer, Grunewald, Führungslehre Bd. TI, S. 54. 87 Vgl. Wunderer, Grunewald, Führungslehre Bd. TI, S. 57. 88 Vgl. Wilfried Krüger, Macht in der Unternehmung, S. 13. 89 Wilfried Krüger, Organisation der Unternehmung, Stuttgart, Berlin, Köln Mainz 1984 S. 86. Vgl. dazu Edgar Wittmann, Neue Infonnations- und Kommunikationsmacht, S. 228 ff. 90 Vgl. Edgar Wittmann, Neue Infonnations- und Kommunikationstechnik, S.231. 91 Wilfried Krüger, Organisation, S. 168. Vgl. Edgar Wittmann, Macht, S. 228 ff.

ill. Wirtschaftliche Macht in der Mikroökonomie

97

3. Weitere Unterscheidungen

In der Organisationsstruktur wird auch zwischen potentieller und aktueller Macht unterschieden. Die potentielle Macht zeigt sich etwa in der Möglichkeit des Vorgesetzten, einen Mitarbeiter zu befördern. Ist diese erfolgt, hat sich potentielle Macht in die aktuelle Macht umgesetzt 92 • In der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre wird bekanntlich zwischen einem Einlinien-, Mehrlinien und dem Matrixsystem unterschieden. Im Einliniensystem erhält jede untergeordnete Stelle Weisung direkt von der übergeordneten Instanz. Die Macht ist also direkt zugeordnet. Im Mehrliniensystem bzw. im Stab-Linienmodell sind mehrere Instanzen vorhanden, die der untergeordneten Stelle Weisungen erteilen können. Die Matrixorganisation entspricht einem mehrdimensionalen Mehrlinienmode1l 93 • Eine Variante des Mehrliniensystems ist, wie gesagt, die Unterscheidung von Stäben und Linien. Die Stäbe besitzen nur eine abgeleitete Machtbefugnis. "Stäbe werden zur Unterstützung von Instanzen eingesetzt und übernehmen Aufgaben der Informationsbeschaffung und -verarbeitung zum Zwecke der Entscheidungsvorbereitung" 94. Die Macht umzusetzen, ist Aufgabe der Linien. Im StabLinien-Modell der Personalführungslehre trifft die Linie die Entscheidung, die von den Stäben, den "Leitungshilfsstellen (Kosiol) oder Hilfsinstrumente(n) der Linie (Irle)", vorgedacht werden 95. Die Letztentscheidung liegt dann bei der Linie. Aber man darf nicht denken, daß von den Stäben keine Macht ausginge 96. Den Stäben gehört die Macht der Information. Im Stab-LinienModell liegt die potentielle Macht bei den Stäben und die aktuelle Macht bei der Linie. Aber auch die potentielle Macht "drängt" zu ihrer Aktualisierung 97 • Je mehr die Informations- und Kommunikationstechnik im Unterneh92 Vgl. Wilfried Krüger, Organisation, S. 140. Ferner kann auch noch zwischen orgininärer und abgeleiteter Macht unterschieden werden. Dem Vorstand etwa als dem Machtausübenden - kommt die originäre Macht zu. Er verfügt über die entsprechenden Machtmittel. Man kann gar auch von Gewalt sprechen, die ihm zu Gebote steht. 93 Vgl. dazu Rolf Wunderer, Wolfgang Grundwald, Führugslehre, S.28l und Bd.lI, S. 376 f. und Edgar Wittmann, Neue Inforrnations- und Kommunikationstechnik, S. 233 ff. 94 Wilfried Krüger, Organisation, S. 87. 95 Günther E. Braun, Macht im Planungsprozeß Ansätze und Kritik, in: G. Reber, Macht, S. 255. 96 Vgl. Günther E. Braun, in: Reber, Macht, S. 256. 97 Vgl. Günther E. Braun, in: Reber, Macht, S. 256.

7 Knmter

6. Kapitel: Wirtschaftliche Macht

98

men sich ausbreitet, um so mehr wächst auch die Macht der Stäbe. Ein solcher Machtzuwachs ist sicher nur für qualifIzierte und nicht für Routinestäbe anzunehmen 98. Der Sprache gebührt eine besondere Macht-Rolle in der Beziehung des Vorgesetzten zum Mitarbeiter. Fehler und Unsicherheiten 'entstehen, weil Informationen und Anordnungen nicht klar genug ausgedrückt oder mißverständlich formuliert wurden. Es gibt im Gespräch auch eine latente Machtausübung des Vorgesetzten. Dabei ist ebenso an sein Minenspiel, seine kinetische Verhaltensweise zu denken wie an Telefonauskünfte über den Mitarbeiter. Selbst betriebliche Positionen werden nicht selten aufgrund latenter Macht besetzt. Freilich ist auch ein umgekehrter Fall von Personalmacht möglich: Die Förderung eines Mitarbeiteres aufgrund desseibe Parteibur;hs oder der Zugehörigkeit zu entsprechenden organisierten Gruppen. Mitarbeiter, die sich in der gleichen Terminologie ausdrücken und dieselben Kriterien oder Normen für die Entscheidungen besitzen, werden mit der Macht des Vorgesetzten am leichtesten fertig. "Die Gemeinsamkeit von Überzeugungen, sachlichen Positionen und Sprache schafft die für jede Zusammenarbeit unerläßliche Vertrauensbasis" 99. Man kann bei der Geschichte des "Sprach-Fehlers" weit zurückgehen. Es wird berichtet, daß bereits Konfuzius auf die Frage, welche erste Anordnung er als Herrscher treffen würde, gesagt haben soll: "die eindeutige Festlegung der Bedeutung der Wörter" 100. Heute ist die besondere Interessiertheit von Vorgesetzten und Führungskräften im Unternehmen an Rhetorik- und Dialektikkursen ein Zeichen dafür, daß allgemein gespürt wird, welche Macht in den Worten und in der Sprache steckt.

98

Vgl. dazu Edgar Wittmann, Neue Informations- und Kommunikationstechnik,

S. 250 f.

H. Thielicke, Ethik 11,2, § 1444. Janos 'Acs, Zur Rollle der Ontologie, Systemtheorie und Semantik bei der Untersuchung von Macht in der Betriebswirtschaftlichen Theorie und Praxis, in: G. Reber, Macht, S. 47. 99

100

Siebtes Kapitel

Verantwortete Macht eine ethische Zuammenfassung Macht ist eine Gabe Gottes, die dem Menschen als Seinsmächtigkeit mitgegeben wurde. Sie ist zugleich auch eine Aufgabe für den Menschen, deren gewissenshafte Erfüllung ihm obliegt. Aber statt sie zu erfüllen, verfällt er ihrer Pervertierbarkeit und der Möglichkeit, sie zu mißbrauchen. So wird er schuldig. Macht ist ambivalent; sie neigt zum Guten und zum Bösen. Sie wird gern zum eigenen Nutzen und zum Nachteil des anderen eingesetzt. Das ist ein gewissensloser Umgang mit der Macht. Die Mißbrauchbarkeit der Macht ist für den Christen Ausdruck der Sündhaftigkeit des Menschen. Darum gehören Macht und Verantwortung zusammen. Eine unkontrollierte und auf eigene Interessen zugeschnittene Anwendung von Macht bedeutet Machtausübung ohne verantwortliche Rückbindung. Sie wird benutzt, nicht um durch sie einer Sache oder Person zu dienen, sondern um Macht für eigene Zwecke anzusammeln. Dann wird Macht oft und gern in Form von Gewalt ausgeübt. Man will sich Recht verschaffen und glaubt, es auf andere Weise nicht zu erhalten. Rechter Gebrauch von Macht muß im Gewissen verantwortet werden. Nur wenn beide Größen: Macht und Verantwortung zusammenwirken, kommt es zu einem geordneten Gebrauch. Nur dann geschieht ihre Anwendung zum Wohle des Ganzen. Es gilt zu erkennen: Macht anzuwenden, heißt keineswegs unverantwortlich handeln. Der Gebrauch von Macht ruft vielmehr nach der Wahrnehmung von Verantwortung. In ihr steckt sowohl eine Rückbeziehung vor wem Verantwortung wahrgenommen wird und eine Vorwärts wendung für wen diese Verantwortung ausgeübt wird I. Im christlichen Glauben emdet die rückwärtsgerichtete Verantwortung vor dem Gott der Bibel, für den Nichtgläubigen (Politiker oder Ökonom) vor der Gemeinde, dem Parlament, dem Volk, vor dem Eigentümer, dem Aufsichtsrat, dem Unternehmen oder der Gesellschaft

1 Vgl. Rolf Kramer, Christliche Verantwortung in der Marktwirtschaft, Stuttgart 1973 S. 102ff 7*

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7. Kapitel: Verantwortete Macht -

eine ethische Zusammenfassung

statt. Die sogenannte Für-Verantwortung richtet sich auf das Volk, die Mitarbeiter oder das Unternehmen etc. Machtausübung allein läßt dementsprechend den Menschen noch nicht böse werden, aber ein unverantwortlicher Gebrauch von Macht ist Ausdruck des Bösen und macht den Menschen schuldig. Sofern der Mensch unverantwortlich mit der Macht umgeht, handelt er theologisch gesprochen sündig. Der Christ weiß um die Entartung des Machtgebrauchs. Die entscheidende Frage stellt sich darum als die Frage nach der Verantwortung der Macht. Eine allgemein verbindliche Aussage dessen, was Macht ist und wie sie verantwortlich zu gebrauchen ist, gibt es nicht. In den Sozialwissenschaften herrschen unterschiedliche begriffliche Abgrenzungen der Macht und ihrer Anwendung vor. Macht ist nicht gleichzusetzen mit Herrschaft. Herrschaft ist meistens fremdbestimmt. Sie kann zwar mit Macht identisch sein, muß es aber nicht. Macht ist auch nicht identisch mit Gewalt, obwohl Macht mit Gewalt einhergehen kann. Macht als Gewalt ist auf physische Beherrschung aus. Macht als Autorität dagegen will überzeugen und den Partner gewinnen. Ihrem Wesen nach ist Macht mehrschichtig. Sie umfaßt die Machtstellung, also die Machtposition, die Fähigkeit (Potenz), den Handlungspielraum auszufüllen (potestas) und sie enthält die Möglichkeit einer Verhaltensbeeinflussung (potestas, auctoritas). Macht ist wertneutral. Sie ist weder gut noch böse. Sie kann beides sein. Darum kommt ihr eine Ambivalenz zu. Der Mächtige sieht die Macht positiv, der Ohnmächtige negativ.

I. Macht in theologischer Deutung Macht wird als zum Sein gehörig und als Seinsmächtigkeit verstanden. Dem Menschen wird nach biblischer Überlieferung Macht vom Schöpfer als anthropologische Wesens-Struktur mitgegeben. Der Mensch ist Gottes Ebendbild und hat darum Macht. Denn Gott selbst ist der, dem alle Macht gebührt. Macht gehört wie andere Seinsweisen zum Geschöpf Mensch. Macht ist darum eine Seinskategorie, die ein Stück seines Wesens ist. Als solche ist sie Gabe und Aufgabe zugleich. Der Mensch braucht sie, um durch sie die Welt zu gestalten und in Ordnung zu halten. Aber Macht ist auch durch den Sündenfall pervertiert. Sie ist als potentia (physische Gewalt) und potestas (Amtsgewalt) ein die Welt nach dem Sündenfall prägendes Phänomen. Ihr hat sich der Mensch zu stellen. Er hat seine Macht vor Gott zu verantworten. Der Christ weiß, daß Macht in besonderer Weise zur Dämonie werden kann.

I. Macht in theologischer Deutung

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Er kennt die Stelle aus der Offenbarung, in der der Satan (der Drachen) dem siebenköpfigen Tier die Macht verliehen hat. Der (endzeitliche) Weltherrscher tritt als politische Größe auf. Jenes Streben nach Macht um der Macht willen, jener Wille zur maßlosen Machtaneignung, bedeutet einen Mißbrauch des Umganges mit der Macht. Herrschsucht um der Macht willen ist unsittlicher Umgang mit ihr. In der biblischen Überlieferung wird Gott als allmächtiger Schöpfergott verstanden, der der der neutestamentlichen Überlieferung eentsprechend auch als der Versöhner und der Erlöser der Menschheit auftritt. Aber er erscheint als Inhaber irdischer Macht auch als geschichtsmächtig. Bereits im Alten Testament wird J ahwe-Gott vorrangig als der bezeichnet, der seinem Volk die Treue bewahrt. Gott ist der Herr der Welt, aber auch der Vater seines Volkes. Im Neuen Testament wird Christus die Vollmacht Gottes (die exousia) zuerkannt. Er wird zur Gottes Kraft, zu seinem Beauftragten. Die göttliche Vollmacht steht im Einklang mit dem Vater. Sie gibt ihm Macht und Freiheit zum Handeln. Die ihm übertragene Vollmacht erweist sich als Liebe und Barmherzigkeit. Damit wird seine Agape zur alles bestimmenden Kraft. Die Macht seiner Liebe in seinem Wort und seinem Sterben wird offenbar in der Ohnmacht seines Kreuzes. Christi Ohnmacht ist nicht Schwäche. Vielmehr bedeutet die Knechtsgestalt Stärke und Macht. Denn in seinem Kreuz und in seiner Auferstehung zeigt sich die Kraft und Macht des allmächtigen Gottes. Der dienende Christus wird zum Herrn der Welt. Er richtet, indem er die Finsternis und ihre Mächte besiegt. Das ist die neue Heilsordnung. Das Heil des Menschen ist abhängig von seiner Macht, und das heißt abhängig von seiner Liebe. Indem Liebe Macht und Macht Liebe ist, wird Gottes Herschaft aufgerichet. Macht als Dienst gegenüber dem Menschen und der Natur ist rechter Gebrauch. Sie wird im Neuen Testament durch den Begriff der exousia, der Vollmacht, wiedergegeben. Für die Christen wird diese Liebe zu der alles bestimmenden Verpflichtung. Sie ist die Macht, die das Zusammenleben der Christen regeln soll. Liebe gehört mit den Kategorien der Gerechtigkeit und Macht zusammen. Gerade die Macht ist das Prinzip, das als Prozeß das getrennte Sein (potentielles und aktuelles Sein) vereinigt und so das Sein zu sich selbst zurückführt. Die Macht des Seins drängt über sich hinaus. Liebe ist die Macht, aus der heraus die Wiedervereingung angestrebt wird. Macht und Liebe dürfen darum nicht als Alternativen gesehen werden. Durch die Liebe wird die Macht begrenzt. Sie hat sich der Liebe, aber auch der Gerechtigkeit und der Barmherzigkeit unterzuordnen. Im einzelnen müßten bei einer solchen Einordnung der Macht gengenüber der Liebe

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7. Kapitel: Verantwortete .Macht -

eine ethische Zusammenfassung

sowohl die individuellen (personalen) Menschenrechte (Recht auf Leben, Freiheit, Gleichheit etwa) als auch die sozialen Menschenrechte (Soziale Gerechtigkeit, Verwirklichung der Lebenschancen) Berücksichtigung fmden. Nach verbreiteter biblischer Theologie ist es Aufgabe der Macht, die Welt vor dem Chaos zu bewahren und damit Leben zu gestalten. Sie funktioniert als Ordnungsrnacht. Sie ist eins der Mittel, mit denen man bestimmte Ziele ereichen will. Macht aber darf sich nicht verselbständigen. Dann wird aus der Ordnungsrnacht und aus einem verantworteten Umgang Un-Ordnung und Un-Verantwortung. Verantwortliche Träger von Macht sind Personen. Aber auch Institutionen und Organisationen können als objektive Größen Inhaber von Macht sein. Dort jedoch, wo es um die Rechenschaftslegung für die Ausübung der Macht und damit um die Wahrnehmung der Verantwortung geht, geht es immer um das Handeln des Menschen.

11. Machtgebrauch in der Kirche Macht gibt es wie in allen Organisationen auch in den verfaßten Kirchen. Allerdings sind die Zeiten, da die kirchliche Macht vor der politischen rangierte' vorbei. Heute steckt Macht bei den Kirchen in der Lehrautorität, ihrem Amtsverständnis und ihrer Hierarchie, in der Wortverkündigung und der Sakramentsverwaltung. In allen Bereichen der Kirche wird Macht als Herrschaft verstanden. In den Groß-Kirchen wird Macht oder Herrschaft gern als Dienst interpretiert und durch dieses Wort ersetzt. Der Grund liegt darin, daß so ein Über- und Unterstellungsverhältnis umgangen werden kann. In der katholischen Kirche ist der Macht-Rahmen weiter gespannt als in den protestantischen Kirchen. Er hat durch die politische und rechtliche Organistiation der Kirche eine zentralistische Ausrichtung. Die klerikale Macht reicht mit ihren Auswirkungen bis hin zu den einzelnen Gläubigen. Dagegen ist der Freiheitsspielraum in den evangelischen Kirche hinsichtlich des Amtsverständnisses, ihrer Lehräußerungen, der Wortverkündigung und der Sakramentsverwaltung relativ weit ausgefachert. Er erfährt hier keine enge Begrenzung. Die Frage nach der Wahrheit, die hinter dem Anspruch aller Kirchen steht, ist immer zugleich auch eine Machtfrage. Solange Macht ein innerweltliches Ziel zum Inhalt hat, und Macht damit weltlichen Interessen dient, zerstört sie die Kirche als Gemeinschaft der Glaubenden (oder Liebenden). Macht im kirchlichen Bereich muß einem Prozeß der Ablösung durch Liebe und Barmherzigkeit folgen.

IV. Machtgebrauch in der Politik

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III. Machtgebrauch in der Soziologie In der Soziologie hat der Begriff der Macht immer schon als ein Phänomen der Gesellschaft eine herausragende Rolle gespielt. Insbesondere die Deutung der Macht durch Max Weber hat auf die weitere Diskussion großen Einfluß ausgeübt. Max Webers personenbezogener Machtbegriff, nach dem es um die Durchsetzbarkeit des eigenen Willens geht, auch wenn von einer anderen Person Widerstand geleistet wird, wird gleichzeitig gegenüber dem Herrschaftsbegriff abgegrenzt. Aber beide sieht Weber in Beziehung zueinander. Weber hat schon früh auf die Machtfunktion einer Bürokratisierung in der Verwaltung und im öffentlichen Leben aufmerksam gemacht. Bei seinen Abgrenzungen gewann der Begriff der Verantwortungsethik eine besondere Qualität. Denn in der Frage nach dem Machtgebrauch sind Zweck und Folgen des Handelns, um die es in der Verantwortungsethik geht, zu bedenken. Eine Gesinnung des Menschen allein reicht nicht aus. Webers personengebundene Macht-Vorstellung wurde von der gesellschaftlichen Theorie durch die Einführung bestimmter sozialer Komponenten verändert. In Deutschland war es vor allem N. Luhmann, der einen sozialen Bezug durch Kommunikationsstrukturen hergestellt sehen will. Nicht mehr die Person steht im Mittelpunkt, sondern vielmehr die gesellschaftlichen Kommunikationszusammenhänge. Diese werden durch Medien gesteuert. Macht ist neben Wahrheit und Liebe ein solcher Code. Eine ethische Steuerung des Codes Macht kommt für Luhmann nicht in Betracht.

IV. Machtgebrauch in der Politik Macht und Politik sind nicht voneinander zu trennen. Der Macht kommt in der Politik eine Schutzfunktion zu, nämlich den Menschen innerhalb des Machtbereichs vor inneren und äußeren Feinden zu schützen. Der Staat als Inhaber der Macht hat für die Ordnung und die Freiheit des Gemeinwesens, für Recht und Frieden und für den Schutz des einzelnen zu sorgen. Die Verfassung legt den Rahmen für den rechten und ordnungsgemäßen Gebrauch der Macht. Das Recht nimmt die Kontrolle der Macht wahr, obwohl es selbst nicht anders als durch Macht garantiert werden kann. Das Recht wiederum muß in den Rechten des Menschen und in der Würde der Person gründen. Je mehr der politische und soziale Raum geordnet wird, und je mehr der Apparat bürokratisch erstarrt, umso mehr ist eine Kontrolle der Machtinhaber notwendig. Diese Aufgabe können nur organisierte Gegenkräfte wahrneh-

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7. Kapitel: Verantwortete Macht -

eine ethische Zusammenfassung

men, die ihrerseits mit Macht ausgestaltet sind (countervailing power). Eine inhaltliche Ausgestaltung der Macht durch Liebe, Bannherzigkeit und Gerechtigkeit kann sie "vermenschlichen" und sie zu ihrer Bestimmung als Ordnungskraft zurückholen. In der Verfassungslehre ist die Macht durch die Gewaltenteilung eingegrenzt. Diese schränkt den immer wieder möglichen Machtmißbrauch seitens der Menschen ein. Sie ist gleichsam die institutionalisierte Kontrolle der Macht. In den Organisationen gestaltet sich die Ausübung von Macht unterschiedlich. Der Grund liegt darin, daß Macht zum einen objektiv als die der Organisation und auch als Macht über sie gesehen werden muß. Zum anderen ist sie subjektiv als Macht der Mitglieder in der Organisation zu bestimmen. Maßstab eines verantwortlichen Gebrauchs der Macht können personalethisch jedoch nur die Berücksichtigung der Menschenwürde und ihrer Rechte sein.

v. Machtgebrauch in der Wirtschaft Wirtschaftliche Macht ist nicht identisch mit Macht schlechthin. Sie ist in der Marktwirtschaft nach privater und staatlicher Macht zu unterteilen. Die staatliche Macht erstreckt sich auf die Macht der Bürokratie, der Gesetzgebungs- und Verordnungsverfahren. Auch nimmt sie Einfluß auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Die theoriegeschichtliche Entwicklung hat gezeigt, daß Macht und Gesetz sich nicht ausschließen. Macht und ökonomische Gesetzmäßigkeiten sind keine Gegensätze, wenn es z. B. um die Preisgestaltung und die Verteilung der Güter in einer Volkswirtschaft geht. Aber Macht müßte heute auch in diesen Bereichen der Theorie eine stärkere Resonanz fmden. Die bereits von Böhm-Bawerk festgestellte Lücke, die die Machtfrage in der Theoriediskussion aufwirft, ruft nach einer Antwort. Auf dem privaten Sektor wird Macht bei den privaten Haushalten und Unternehmen ausgeübt. Es sind keineswegs allein Kartelle oder Konzerne, die Wettbewerbsmacht haben und sie ausüben. Auch Großunternehmen in der Industrie und im Dienstleistungssektor, speziell im Bankensektor, erlangen unterschiedlich große Macht. In der Wirtschaft ist man sich zunehmend des Einflusses der Machtanwendung bewußt geworden. Darum sieht man heute mehr denn je auch ihre ökonomischen Folgen etwa auf dem Gebiet der Wettbewerbsordnung und seiner Verzerrung. Vornehmlich ist es Aufgabe der staatlichen Wirtschaftspolitik, hier einzugreifen und die Ordnung zu wahren. Die richtigen Werte und

V. Machtgebrauch in der Wirtschaft

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Nonnen festzulegen und Spielräume wirtschaftlichen Handelns aufzuzeigen, ist Sache der Ethik. Dabei muß selbstverständlich die Macht der unterschiedlichen Gruppen differenziert werden. Die Macht des Eigentum-Unternehmers ist eine andere als die des Managers, des Führers einer Unternehmung. Freilich verleiht das Eigentum an den Produktionsmitteln Macht. Es drängt den Eigentümer dazu, sie auch anzuwenden. Macht erscheint zwar als potentielle Größe, die um ihrer selbst willen erstrebt wird. Aber der Machtgebrauch muß entsprechend der ethischen Orientierung menschen- und sachgerech ökonomisch und sozial verantwortet werden. Für Karl Marx wird der Besitz von ökonomischer Macht zur politischen Macht. Das Eigentum an den Produktionsmitteln schafft die kapitalistische Klasse und macht aus der menschlichen Arbeit eine Ware. Eigentum an der Ware verleiht Macht. Da das Geld zunehmend den Tauschwert der Ware übernimmt, wird Geld zum wichtigen Machtfaktor. Heute spielt in der Marktwirtschaft im internen und externen Bezug das Geld eine besondere Rolle. Freilich hat der Besitz von Geld immer schon Macht bedeutet. Geld eröffnet Lebenschancen und -perspektiven. Geldmangel bedeutet darum Machtlosigkeit. Aufgrund der marktwirtschaftlichen Mobilität des Geldes ist der Freiheitsspielraum des Geldes immer stärker gewachsen. Darin liegt die große Chance, durch Geld den Macht- und Einflußbereich zu verändern. In diesem Prozeß geschieht eine ständig neue Machtaneignung und auch gleichzeitig ein Machtabbau. Aber Geld und Finanzmacht schaffen von sich aus weder soziale Gerechtigkeit noch nehmen sie Rücksicht auf natürliche Ressourcen. Der Mensch allein hat von sich aus verantwortlich die Grenzen zu setzen. Auf allen Gebieten der Marktwirtschaft existiert Macht, in der Wettbewerbsordnung ebenso wie im Preis- und Verteilungskampf. Am stärksten kann wirtschaftliche Macht eingegrenzt werden durch einen intakten Wettbewerb. Franz Böhm hat von dem Markt als von dem "genialsten Entmachtungsinstrument der Geschichte" gesprochen 2 • Macht kann auf der Angebots- und der Nachfrageseite entstehen. Speziell fallen in diesem Zusammenhang unterschiedliche Machtgruppen und -institutionen auf, so die Banken-, Manager-, Großaktionärs-, Konzern- und Kartellmacht. Aber der Besitz von Macht allein ist noch nicht gefährlich. Gefährlich wird Macht erst, wenn sie ohne Verantwortung benutzt wird, und damit ein Mißbrauch stattfindet.

2 Wilfried Gut, Macht und Verantwortung, in: Meinhold Dierkes und Hans Wenkelbach (Hrsg.), Macht und Verantwortung, Stuttgart 1987 S. 49

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7. Kapitel: Verantwortete Macht -- eine ethische ZUl'ammenfassung

Die Macht des Manager-Unfernehmers ist durch eine besondere Ambivalenz gekennzeichnet: Zum einen wird der Manager von der Macht angezogen, Macht wird gar von ihm erstrebt. Sie vermittelt ihm den Zugang zu materiellen Ressourcen und verleiht ihm Entscheidungsfreiheit und Einfluß gegenüber unterschiedlichen Menschengruppen. Er kann gestalten, motivieren und führen. Das Klima seines Unternehmens wird von dem Einsatz seines Machtgebrauchs geprägt. So kann er den Informations- und Kommunikationsfluß steuern. Zum anderen aber gilt in der Einzelwirtschaft wie in der Makroökonomie: Macht stößt ab. Sie ist unbehaglich; darum schweigt man über den Erwerb der Macht und über ihren Mißbrauch. Da man auch einzel wirtschaftlich die Gefahr erkennt, die durch den Machtmißbrauch passiert, versucht man, ihn einzugrenzen. Man weiß etwa um die Macht der Konkurrenz, der man ausgesetzt ist, und versucht, ihr arn Markt zu begegnen. Mit dem Phänomen einer Machtgestaltung arn Markt ist die Frage nach der ökonomischen Behandlung gestellt. Schließlich ist der Markt ein Kommunikationsfeld, auf dem eine ständige Interaktion zwischen den Marktteilnehmern, den Anbietern und Nachfragern nach Gütern und Dienstleistungen stattfmdet. In der Mikroökonomie ergibt sich Macht aufgrund der hierarchischen Grundstruktur der Unternehmen. Sie verteilt sich auf den Vorgesetzten als den Machthaber und die Mitarbeiter als die Machtunterworfene. Macht im Unternehmen auszuüben, ist nicht abhängig von einer Konfliktsituation. Denn auch in konfliktfreier Situation existiert Macht. In einem autoritär geführten Unternehmen ist das Machtverteilungsgefüge eindeutig zu Gunsten des Machthabers geregelt. Bei einem kooperativen Führungsstil erfolgt ein mehr oder weniger harmonischer Machtausgleich aufgrund einer demokratischen Aufteilung zwischen Vorgesetztem und Untergebenem. Allein das Macht-Haben ist auch hier nicht schädlich, sondern der Mißbrauch der Macht. Es wird mit der ökonomischen Frage der Ruf nach einer ethischen Antwort laut. Der Werte- und Autoritätsverfall in der Gesellschaft hat den rechten Gebrauch der Macht in allen Bereichen zum Problem werden lassen. Da der Besitz und die Anwendung von Macht von vornherein nicht negativ zu bewerten sind, gilt es, einen verantwortlichen Umgang mit der Macht zu suchen und den Mißbrauch weitgehend auszuschalten. Machtgebrauch muß die Menschenrechte berücksichtigen. Macht richtig und der Würde des Menschen angemessen gebraucht liefert einen Beitrag zu einer menschenwürdigen

V. Machtgebrauch in der Wirtschaft

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Gesellschaft. Die Anwendung von Macht darf nicht allein aus dem Augenblick heraus, sondern muß zukunftsweisend wahrgenommen werden. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit sollten die Ausübung von Macht steuern.

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I

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