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German Pages 680 Year 2017
Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften Band 3
Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften Unter Mitarbeit von Zachary Chitwood, Susanne Härtel, Corrado la Martire, Tillmann Lohse und Annette Schmiedchen herausgegeben von
Michael Borgolte
Band 3: Stiftung und Gesellschaft Redaktion: Laura Haßler, Paul Predatsch, Philipp Winterhager und Benjamin Wolff
Die Arbeiten, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, wurden vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Zuge des Siebten Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union (FRP7/20072013) gemäß der ERC-Finanzhilfevereinbarung Nr. 287389 gefördert.
ISBN 978-3-11-042580-2 e-ISBN (PDF) 978-3-11-042204-7 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-042214-6 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2017 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com
Inhalt
Vorwort zum dritten Band 9 Foreword to the Third Volume 12
14 Soziale Positionen der Akteure 15 14.1 Interkulturelle Perspektiven 15 14.2 Lateinische Christen 20 Allgemeines — 20. Stände — 20. Laien, Kleriker und Mönche — 28. Arme und Reiche — 30. Junge und Alte — 31. Fremde, Landsleute und Mitbürger — 33. Exkommunizierte und Rekonziliierte — 34. 14.3 Muslime 43 Allgemeines — 43. Stände — 45. Laien und Geistliche — 52. Arme und Reiche — 55. Alter — 56. Religiöses Bekenntnis — 58. 14.4 Juden 63 Allgemeines — 63. Schichten — 64. ‚Laien‘ und Gelehrte — 67. Arme und Reiche — 70. Alte und Junge — 72. Herkunft — 73. Religiöse Gemeinschaft — 74. 14.5 Griechisch-orthodoxe Christen 77 Allgemeines — 77. Stand — 78. Laien und Geistliche — 86. Arme und Reiche — 87. Alter — 88. Ethnizität — 89. Religiöses Bekenntnis — 91. 14.6 Indien 96 Allgemeines — 96. Stände — 97. Laien und Geistliche — 103. Reiche und Arme — 106. Alter und Generation — 108. Ethnizität — 110. Religiöses Bekenntnis — 112.
15 Geschlecht 117 15.1 Interkulturelle Perspektiven 117 15.2 Lateinische Christen 120 Allgemeines — 120. Stifter_innen — 121. Profitient_innen — 124. Destinatär_innen — 125. Verwalter_innen — 129. 15.3 Muslime 134 Allgemeines — 134. Stifter_innen und Profitient_innen — 137. Begünstigte — 140. Verwalter_innen — 142. 15.4 Juden 147 Allgemeines — 147. Ehegüter‑ und Erbrecht — 148. Stifterinnen und Stifter — 155. Begünstigte — 160. Verwalterinnen und Verwalter — 161. 15.5 Griechisch-orthodoxe Christen 165 Allgemeines — 165. Stifter_innen und Profitient_innen — 166. Begünstigte — 171. Verwalter_innen — 172. 15.6 Indien 175 Allgemeines — 175. Stifter_innen — 178. Profitient_innen — 188. Destinatär_innen / Begünstigte und Verwalter_innen — 189.
16 Raum 197 16.1 Interkulturelle Perspektiven 197 16.2 Lateinische Christen 199 Allgemeines — 199. Konzentration — 200. Dispersion — 204. Interferenzen mit anderen sozialen Räumen — 207. 16.3 Muslime 215 Allgemeines — 215. Konzentration — 217. Dispersion — 220. Interferenzen mit anderen sozialen Räumen — 223. 16.4 Juden 231 Allgemeines — 231. Konzentration — 232. Dispersion — 237. Interferenzen mit anderen sozialen Räumen — 239. 16.5 Griechisch-orthodoxe Christen 246 Allgemeines — 246. Konzentration — 247. Dispersion — 250. Interferenzen mit anderen sozialen Räumen — 252. 16.6 Indien 258 Allgemeines — 258. Konzentration — 259. Dispersion — 264. Interferenzen mit anderen sozialen Räumen — 267.
17 Gesellschaftlicher Wandel 277 17.1 Interkulturelle Perspektiven 277 17.2 Lateinische Christen 279 Allgemeines — 279. Mikroebene — 280. Mesoebene — 286. Makroebene — 288. 17.3 Muslime 293 Allgemeines — 293. Mikroebene — 294. Mesoebene — 299. Makroebene — 301. 17.4 Juden 306 Allgemeines — 306. Mikroebene — 307. Mesoebene — 310. Makroebene — 315. 17.5 Griechisch-orthodoxe Christen 323 Allgemeines — 323. Mikroebene — 323. Mesoebene — 327. Makroebene — 328. 17.6 Indien 333 Allgemeines — 333. Mikroebene — 334. Mesoebene — 336. Makroebene — 338.
18 Kritik, Reform und Aufhebung 345 18.1 Interkulturelle Perspektiven 345 18.2 Lateinische Christen 348 Allgemeines — 348. Kritik — 349. Reform — 353. Aufhebung — 356. 18.3 Muslime 364 Allgemeines — 364. Kritik — 365. Reform — 370. Aufhebung — 372. 18.4 Juden 377 Allgemeines — 377. Kritik — 378. Reform — 383. Aufhebung — 385. 18.5 Griechisch-orthodoxe Christen 395 Allgemeines — 395. Kritik — 395. Reform — 398. Aufhebung — 402. 18.6 Indien 408 Allgemeines — 408. Kritik — 409. Reform — 412. Aufhebung — 415.
19 Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt 427 19.1 Die welthistorische Perspektive 427 Das Problem und die Methoden — 427. Mesopotamien und Ägypten — 428. Indien — 431. China — 434. Persien und der Westen — 437. Das Judentum — 442. 19.2 Die mediävistische Perspektive 451 19.3 Die islamwissenschaftliche Perspektive 454 19.4 Die judaistische Perspektive 462 19.5 Die byzantinistische Perspektive 471 19.6 Die indologische Perspektive 477
Intercultural Perspectives 489 14
Social Positions of the Actors 489
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Gender 494
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Space 497
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Societal Change 499
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Critique, Reform and Liquidation 501
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Inventions, Innovations and Imitations in Intercultural Contact 504 Problem and Methods — 504. Mesopotamia and Egypt — 505. India — 507. China — 511. Persia and the West — 513. Judaism — 518.
Autoren 527 Siglen 529 Periodica, Lexica und Reihen 529 Kanonische Texte 532
Literatur 533 Register zum Gesamtwerk 605 Orts- und Personenregister 605 Sachregister 643
Abbildungen 655
Vorwort zum dritten Band Den dritten und letzten Band der Enzyklopädie widmet das Team Foundmed der Frage, welche Stellung Stiftungen in mittelalterlichen Gesellschaften eingenommen haben. Im umfassenden oder gar abschließenden Sinne lässt sie sich heute noch nicht beantworten. Diesen Mangel einzugestehen ist aber keine spezifische Bürde der betei‑ ligten Expertinnen und Experten der vormodernen Kulturen. Selbst in den USA, wo die prominente Stellung von ‚foundations‘ in einer Gesellschaft mit schwachem Staat unbestritten ist, zweifeln die Gelehrten an der Verifizierbarkeit ihrer Wirkungen. Einer der führenden amerikanischen Stiftungstheoretiker stellte noch unlängst fest: „Es gibt keine Messlatte für den Einfluss von Stiftungen. Es gibt nicht einmal eine Theorie des sozialen Wandels, die auf eine adäquate Methode der Messung von Stiftungseinfluss verweisen würde“1. Der in der Enzyklopädie gewählte Zugang über Stichwörter oder bestimmte The‑ menfelder mag immerhin unter dem Aspekt der Stiftungen Blickschneisen auf das soziale Ganze der verschiedenen Länder und Kulturen eröffnen. Bei den Artikeln konnten manchmal einige Fächer vom Vorsprung der anderen profitieren (z. B.: ‚Ge‑ schlecht‘), oder es lagen, wie beim Problem ‚Raum‘, noch gar keine Vorarbeiten vor. Dass trotz gegenseitiger Anregungen und intensiver Bemühungen aller noch vieles offenbleiben musste, war bei der Bearbeitungszeit eines einzigen Jahres für die hier vorlegten sechs Artikel unvermeidlich. Eine redaktionelle Änderung schien uns bei ‚Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt‘ sinnvoll; um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, hat in diesem Fall der Principal Investigator an den Anfang statt seiner gewohnt knappen ‚Interkulturellen Perspektiven‘ einen umfangreichen Dachartikel gestellt, der durch die übrigen Fachvertreter_innen nur ergänzt werden sollte. Die Autorinnen und Autoren für Byzanz (Zachary Chitwood), die lateinische Christenheit (Tillmann Lohse) und Indien (Annette Schmiedchen) sind gegenüber den ersten beiden Bänden die gleichen geblieben. Als Islamwissenschaftler konnte nach dem Weggang von Ignacio Sánchez an die Universität von Warwick (United Kingdom) Dr. Corrado la Martire für die Mitarbeit an diesem Band eingestellt werden. Einen Wechsel gab es auch in der Judaistik; für Emese Kozma (noch Artikel 14) trat Dr. des. Susanne Härtel ein, die in Konstanz über die Geschichte jüdischer Friedhöfe promoviert
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Vorwort zum dritten Band
worden war (Artikel 16–19). Den Artikel 15 über ‚Geschlecht‘ verfasste hier Prof. Dr. Birgit Klein (Hochschule für Jüdische Studien, Heidelberg). Die Mitwirkenden nahmen auch 2016 wiederholt die Gelegenheit wahr, die Arbeiten des Projekts ‚Foundations in medieval societies‘ vorzustellen. Hervorgehoben seien die von Annette Schmiedchen geleitete Sektion auf dem Deutschen Historikertag in Hamburg über ‚Mittelalterliche Stiftungen – eine Glaubensfrage? Indien und die übri‑ ge vormoderne Welt‘2, die Mitwirkung von Michael Borgolte und Zachary Chitwood an einem Workshop von Wiener Neogräzisten über ‚Imperial Subjects and Social Commitment: An Endowment History from 1750 to 1918‘ (November) und Tillmann Lohses Referate auf dem Workshop ‚Foundations, Stiftungen and Awqaf: Historical Instances, Perpetual Institutions, Evolving Social Needs‘ an der Université Paris 1 Panthéon‑Sorbonne (Mai) und dem ‚Waqf Workshop‘ der Georgetown University Qatar in Doha (Dezember). Vor allem aber konnten alle Beteiligten das Gesamtwerk bei einer internationalen Abschlusstagung des Projekts am 9. und 10. Februar 2017 in Berlin zur Diskussion stellen (‚Stiftungen in der Weltgeschichte‘). Den vorgelegten Band haben wiederum Paul Predatsch, Philipp Winterhager, Laura Haßler und Benjamin Wolff zuverlässig und effektiv zum Druck befördert; sie wurden dabei unterstützt durch Dr. Joseph Lemberg und Fabian Dombrowski. Das Register fertigten im Wesentlichen Nicole Schlegel und Marcel Müllerburg an, für die Über‑ setzungen aus dem Deutschen ins Englische und umgekehrt waren wie bei den ande‑ ren Bänden Dr. Zachary Chitwood und Gisela Grabo verantwortlich. Die Karten und Grundrisse fertigte Peter Palm (Berlin). Als Advisors, die uns aber über die eigenen Fächer hinaus berieten, fungierten in bewährter Weise die Professoren Lutz Berger (Kiel), Johannes Heil (Heidelberg), Johannes Pahlitzsch (Mainz) und Benjamin Scheller (Essen). Allen Genannten verdanken ich und unser Gemeinschaftswerk viel von dem, was daran gelungen sein mag. Für das Gute und weniger Gute tragen die Autor_innen und der Herausgeber im Übrigen die Verantwortung. Ihnen, den Beiträgerinnen und Beiträgern der dreibändigen Enzyklopädie, hier aber vor allem den Autor_innen dieses dritten Teils, gilt mein besonderer Dank. Was sie geleistet haben, kann für sich sprechen, und ich wünsche ihnen von Herzen, dass sie dafür die Anerkennung in der Wissenschaft finden, die sie verdienen. Ihr hohes Engagement haben Zachary Chitwood, Tillmann Lohse, Ignacio Sánchez und Annette Schmiedchen noch einmal dadurch belegt, das sie eine neue Zeitschrift ‚Endowment Studies‘ gründeten, die vom laufenden Jahr an der internationalen,
Vorwort zum dritten Band
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interdisziplinären und universalen Stiftungsforschung als Periodikum zur Verfü‑ gung stehen soll. Ebenfalls im Jahr 2017 soll meine ‚Weltgeschichte der Stiftungen von 3000 v. u. Z. bis 1500 u. Z.‘ in Druck gehen, so dass auch das zweite Versprechen des ERC‑Vorhabens Foundmed erfüllt wäre. Berlin, im Februar 2017
Michael Borgolte
Anmerkungen 1 Kenneth Prewitt, Die Legitimität philanthro‑ 2 Siehe Joseph Lemberg, Tagungsbericht: HT pischer Stiftungen aus amerikanischer Sicht, in: Jürgen Kocka / Günter Stock [Hrsg.], Stiften, Schenken, Prägen. Zivilgesellschaftliche Wis‑ senschaftsförderung im Wandel. Frankfurt a. M. / New York 2011, 85–100, hier 90.
2016: Mittelalterliche Stiftungen – eine Glau‑ bensfrage? Indien und die übrige vormoderne Welt, 20.–23. 9. 2016 Hamburg, online: H‑Soz‑Kult, 29. 10. 2016, www.hsozkult.de/conferencereport/ id/tagungsberichte‑6774 (Zugriff am 6. 2. 2017).
Foreword to the Third Volume The Foundmed team has devoted the third and final volume of the encyclopedia to the question of what position foundations occupied in medieval societies. This query cannot be answered at the present in a comprehensive, much less a conclusive, fashion. To admit to this shortcoming is, however, no special burden of the project’s experts of pre‑modern cultures. Even in the U.S.A., where the prominent place of ‘foundations’ in a society with a weak state is uncontested, scholars doubt the verifiability of their effects. One of the leading American theorists of foundations declared still quite re‑ cently: “There is no yardstick for the influence of foundations. There does not even exist a theory of social change that an adequate method of measuring the influence of foundations would be able to refer to”1. The approach used in the encyclopedia of keywords or particular thematic fields might, nonetheless, in the context of founda‑ tions offer glimpses of the social entirety of various lands and cultures. Sometimes in these articles certain disciplines were able to benefit from a head‑start (e.g.: ‘Gender’), or preliminary studies, as with the problem of ‘space’, were still lacking. That much still remains open despite mutual incitement and intensive effort was unavoidable, given the single year allocated for the six articles presented here. An editorial interven‑ tion seemed sensible to us for ‘Inventions, Innovations and Imitations in Intercultural Contact’: in order to avoid unnecessary repetition, the principal investigator in this instance presented, instead of his customarily concise ‘Intercultural Perspectives’, an expansive lead article, which was only to be supplemented by the remaining experts from each field. The authors for Byzantium (Zachary Chitwood), Latin Christendom (Tillmann Lohse) and India (Annette Schmiedchen) remain the same as the first two volumes. After the departure of Ignacio Sánchez to the University of Warwick, Dr. Corrado la Martire from Bari was hired to work on this volume. There was a change of personnel in Jewish Studies as well; Emese Kozma (still responsible for article 14) was replaced by Dr. des. Susanne Härtel, who completed her doctorate in Konstanz on the history of Jewish cemeteries (articles 16–19). Prof. Dr. Birgit Klein (Hochschule für Jüdische Studien, Heidelberg) wrote for the same discipline article 15 on ‘Gender’. The project participants took the opportunity in 2016 as well to present the work of ‘Foundations in medieval societies’. Noteworthy were the section organized by Annette
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Schmiedchen at the Deutscher Historikertag in Hamburg on ‘Medieval Foundations – A Question of Faith? India and the Rest of the Pre‑modern World’2, the participation of Michael Borgolte and Zachary Chitwood on a workshop in Vienna organized by specialists of Modern Greek Studies on ‘Imperial Subjects and Social Commitment: An Endowment History from 1750 to 1918’ (November) and Tillmann Lohse’s presentations at the workshop ‘Foundations, Stiftungen and Awqaf: Historical Instances, Perpetual Institutions, Evolving Social Needs’ at the Université Paris 1 Panthéon‑Sorbonne (May) and the ‘Waqf Workshop’ of Georgetown University Qatar in Doha (December). But above all the project participants were able to put the entire work forward for discus‑ sion at the concluding international conference of the project on the 9th and 10th of February, 2017, in Berlin (‘Foundations in World History’). The present volume was once again dependably and effectively shepherded into print by Paul Predatsch, Philipp Winterhager, Laura Haßler and Benjamin Wolff; they were supported in this endeavor by Dr. Joseph Lemberg and Fabian Dombrowski. Nicole Schlegel and Marcel Müllerburg essentially produced the register, while Dr. Zachary Chitwood and Gisela Grabo were responsible for the translations from German into English and vice versa, as with the other volumes. The maps and ground plans were produced by Peter Palm (Berlin). The professors Lutz Berger (Kiel), Johannes Heil (Heidelberg), Johannes Pahlitzsch (Mainz) and Benjamin Scheller (Essen) functioned as advisors, offering us guidance above and beyond their own disciplines. Our cooperative endeavor and I owe the aforementioned much of that which was able to be successfully achieved. As for the rest, the authors and editor bear responsibility for the good as well as the not so good. It is to them, the contributors of the three‑volume encyclopedia, but above all to the authors of this third part, that I would like to express my particular thanks. What they have achieved can speak for itself, and I wish from the bottom of my heart that for this they attain the scholarly recognition that they deserve. Zachary Chitwood, Tillmann Lohse, Ignácio Sanchez and Annette Schmiedchen have once again demonstrated their dedication by founding a new journal, ‘Endowment Studies’, which starting this year will be avail‑ able to an international, interdisciplinary and universal scholarship on foundations. Likewise in 2017 my ‘World History of Foundations from 3000 B. C. E. to 1500 C. E.’ should appear in print, so that the second promise of the ERC endeavor of Foundmed will be fulfilled. Berlin, in February of 2017
Michael Borgolte
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Notes 1 Kenneth Prewitt, Die Legitimität philanthro‑ 2 See Joseph Lemberg, Tagungsbericht: HT 2016: pischer Stiftungen aus amerikanischer Sicht, in: Jürgen Kocka / Günter Stock [eds.], Stiften, Schen‑ ken, Prägen. Zivilgesellschaftliche Wissenschafts‑ förderung im Wandel. Frankfurt a. M. / New York 2011, 85–100, here 90.
Mittelalterliche Stiftungen – eine Glaubensfrage? Indien und die übrige vormoderne Welt, 20.– 23. 9. 2016 Hamburg, online: H‑Soz‑Kult, Oct. 29, 2016, www.hsozkult.de/conferencereport/id/ta‑ gungsberichte‑6774 (Access Feb. 6, 2017).
14 Soziale Positionen der Akteure
14.1 Interkulturelle Perspektiven Die Akteure des Stiftungswesens, seien es die Stifter_innen selbst, seien es die an der Verwaltung Beteiligten, die von der Stiftung Begünstigten, die mit der Aufsicht Betrauten, rekrutierten sich aus verschie‑ denen Schichten, Ständen und Gruppen und waren in unterschiedlicher Dichte über die verschiedenen Funktionen ver‑ teilt. Im Judentum standen beispielsweise, abgesehen von den ‚Hofjuden‘ in Spanien, im Ganzen die vermögenden Kaufleute im Vordergrund des Stiftungshandelns, teil‑ weise auch der Stiftungsverwaltung. In der von Menschen unfreier Herkunft geprägten Kultur der Mamlūken, die vom ‚Heidentum‘ zum Islam konvertiert waren, fehlten da‑ gegen Kaufleute unter den Stiftern; statt‑ dessen dominierte die militärische Elite. Seit dem hohen und vor allem im späten Mittelalter diffundierte das Stiftungswesen umgekehrt in der westlichen Christen‑ heit ins städtische Bürgertum, während in Byzanz Stadtbewohner als Stifter kaum belegt werden können; wo das individuelle Vermögen nicht ausreichte, schlossen sich die Bürger (in Indien die Kaufleute), zu‑ nehmend auf dem Lande aber auch Bauern und andere Angehörige der Agrargesell‑ schaft, zu genossenschaftlichen Stiftungen
zusammen. Auf der Basis von Stiftungen agierten auch im Judentum Wohltätigkeits‑ gesellschaften und bruderschaftliche Or‑ ganisationen. Überall konnten die Armen selbst als Stifter_innen tätig werden; in der lateinischen Welt füllten die Einträge ihrer bescheidenen Spenden immer umfang‑ und zahlreichere Anniversarbücher, die ihrem jährlichen Gebetsgedenken dienten. Im Is‑ lam sind sogar Sufis und Sklaven als Stifter bezeugt. Bemerkenswert im interreligiösen Vergleich ist, dass Mönche und Nonnen trotz ihrer asketischen Lebensweise nicht nur Begünstigte von Wohltaten waren, sondern unter gewissen Umständen selbst als Stifter_innen aktiv werden konnten. Ansonsten begegnen Arme, Bedürftige aller Art und Fremde vor allem als Empfänger der Wohltaten, ausgenommen Indien, wo caritative Motive im Stiftungswesen kaum eine Rolle gespielt haben. Nicht nur aufgrund der Überlieferung und des Forschungsstandes, sondern auch wegen ihrer besonders vielfältigen Hand‑ lungsmöglichkeiten sowie, methodisch betrachtet, des guten Vergleichspotentials bieten Kaiser, Könige und Kalifen, Herr‑ scher_innen aller Art, ein günstiges Be‑ obachtungsfeld. Beim Rückblick auf die
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vorchristliche Antike zeigt sich, dass die Kaiser keine prominente Rolle im Stiftungs‑ wesen spielten. Aus rechtswissenschaftli‑ cher Sicht wird geltend gemacht, dass es in klassischer Zeit überhaupt keinen Stif‑ tungsbegriff gab, nach dem die Tempel als selbständige Rechtspersönlichkeiten ange‑ sehen werden könnten.1 Tatsächlich waren die öffentlichen Kulte, die sacra publica, eine ‚staatliche‘ Angelegenheit.2 Das Personal für die Gottesverehrung und die sonstigen Kult‑ praktiken wurden aus öffentlichen Mitteln finanziert, die sich vorwiegend aus Steuern, Abgaben und Kriegsbeute speisten.3 Aller‑ dings förderte Augustus selbst Erneuerung verfallener und Bau neuer Tempel der heid‑ nischen Gottheiten. Die christianisierten Kaiser Konstantin der Große und Justinian standen zwar mit ihren Kirchen‑ und Klosterstiftungen in sei‑ ner Nachfolge, die historischen Umstände unterschieden sich aber stark. Die christli‑ chen Gemeinden waren nämlich im römi‑ schen Reich im Gegensatz zur überkomme‑ nen Kultpraxis und ‚religiösen Verfassung‘ entstanden. In ihren ersten Jahrhunderten hatte die Kirche von den regelmäßigen und außerordentlichen Gaben und Spenden der Gläubigen gelebt.4 Anders als mit dem Geld‑ vermögen verhielt es sich in vorkonstantini‑ scher Zeit mit den Immobilien. Für ihre Got‑ tesdienste und sonstigen Versammlungen waren die römischen Christen, ähnlich wie die Angehörigen der anderen ‚fremden Re‑ ligionen‘, auf die Häuser oder Wohnungen wohlhabender Gemeindemitglieder ange‑ wiesen.5 Trotzdem ist sicher, dass die Alte Kirche im Besitz gewisser Liegenschaften gewesen ist.6 In großem Stil konnte die Kir‑ che aber erst seit Konstantin liegende Güter erwerben. Mit zahlreichen neuen Kirch‑ bauten machte er selbst die christliche Re‑ ligion sichtbar.7 In West und Ost, vor allem in Rom, im Heiligen Land und in seiner neuen Hauptstadt am Bosporus, errichtete
Soziale Positionen der Akteure
er Basiliken und andere Gotteshäuser, die vom Sieg des Christengottes künden und seinen eigenen Ruhm mehren sollten;8 die Bauten in Rom finanzierte er ausschließlich aus seinem Familienvermögen, nicht aus dem Fiskus.9 Im Reich von Byzanz traten ‚Staat‘ und ‚Kirche‘ zwar niemals so klar und nachhaltig auseinander wie im lateinischen Westen der Christenheit, aber beide Sphären sind auf verschiedenen Ebenen graduell doch unterscheidbar und standen sich jedenfalls zeitweilig und periodisch gegenüber.10 Wie neuere Studien zeigen, lag der Akzent kai‑ serlicher Ingerenz ins Stiftungswesen we‑ niger auf herrscherlichen Stiftungen selbst als auf dem Versuch, die Stiftungen von ‚Privatleuten‘ zu kontrollieren.11 Seitdem Konstantin der Große und einige seiner Nachfolger das Vorbild für Kirchen‑ und Klosterstiftungen gegeben hatten, mussten sich die Kaiser und der hohe Klerus wie‑ derholt damit auseinandersetzen, dass es zu viele Stiftungen geistlicher Einrichtungen durch Privatleute gab, die zu oft schlecht ausgestattet waren und deshalb mehrfach durch die Bischöfe saniert werden muss‑ ten. Gefährlich für den Staat war anderer‑ seits der teilweise exzessive Abfluss von Vermögenswerten; besonders der Entzug von Immobilien drohte zu Geldknappheit, Steuereinbrüchen und einer Schädigung des Wirtschaftskreislaufes überhaupt zu führen. Deshalb war besonders umstrit‑ ten, ob religiöse Stiftungen eher mit Geld oder durch Liegenschaften finanziert wer‑ den sollten. Kaiser Nikephoros II. Phokas (963–969) verbot jede weitere Stiftung von Klöstern, Fremden‑ und Altenheimen, da ihre Zahl bereits in die Tausende gehe und, abgesehen von der erhofften Gegengabe Gottes, keinen Nutzen mehr erbringe. Der Kaiser wollte aber nicht die frommen Werke überhaupt bekämpfen, sondern er empfahl den Wohltätern, ihren Besitz zu verkaufen
Interkulturelle Perspektiven
und den Armen zu spenden; diejenigen von ihnen, die mit ihrem Vermögen Klöster oder caritative Einrichtungen gründen könnten, sollten stattdessen den zahlreichen alten, ruiniert darniederliegenden Häusern mit dem Ankauf von Sklaven, Ochsen, Schafen und anderen Tieren helfen. Ausdrücklich untersagte Nikephoros jedermann, Klöstern oder Spitälern, Metropoliten oder Bischöfen Landgüter zu schenken.12 Die Zeit bis Mitte des 10. Jahrhunderts war hingegen eine Periode fast ungehemm‑ ten Wachstums privater Stiftungen. Diese waren ihren Gründern so sehr ausgeliefert, dass Bischöfe und Kaiser um ihren Einfluss besorgt sein mussten. Trotz wiederholter kaiserlicher Gegenmaßnahmen blieben die Probleme bis zur ersten Eroberung Kon‑ stantinopels von 1204 durch die westlichen Kreuzzügler ungelöst. Andererseits parti‑ zipierten die Herrscher auch selbst an der Entfaltung des Stiftungswesens. Seit Roma‑ nos I. Lekapenos (920–944) hatten sie sich zunehmend am Vorbild der Aristokratie orientiert und Stiftung „vor allem [als] ein Instrument [gebraucht], um die liturgische und weltliche Memoria für sich selbst und ihre Angehörigen abzusichern.“ (→ 14.5.2) Der Höhepunkt der kaiserlichen Stiftungen lag in diesem Sinne bei der Dynastie der Komnenen (1081–1185). Wiederum einen ganz anderen Rahmen für Stiftungen als für Konstantin der Gro‑ ßen und seine christlichen Nachfolger bot die Geschichte für die ersten ‚germanischen‘ Könige des europäischen Westens. Als sich diese mit ihren ‚gentes‘ auf römischem Bo‑ den niederließen und ihre Reiche gründe‑ ten, fanden sie schon in allen Provinzen, wenn auch in unterschiedlicher Dichte, eine christianisierte Bevölkerung vor, die in Bis‑ tümern oder wenigstens Gemeinden orga‑ nisiert war.13 Die alte Senatsaristokratie hat‑ te teilweise in Bischofsamt und Stadtherr‑ schaft eine neues Betätigungsfeld gefunden,
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teilweise unter dem Einfluss asketischer Immigranten in wachsender Zahl Klöster gegründet.14 Da den (meisten) Führern der ‚Völkerwanderungsreiche‘ im Sinne einer kulturellen Assimilation die Konversion zum Christentum römisch‑katholischer Prägung unumgänglich schien, erzwangen sie die ‚Bekehrung‘ ihrer Völker von oben nach unten.15 Ohne Zusammenwirken mit dem Adel hätte das Königtum den damit verbundenen Ausbau des Kirchenwesens nicht bewerkstelligen können. So dürfte der merowingische König Dagobert I. (623–639) mit dem alemannischen Herzog das weit‑ ausgedehnte Bistum Konstanz gegründet und dotiert haben, das zwar sein Zentrum am Platz eines römischen Kastells hatte, aber nur zum Teil oder gar nicht romani‑ sierte Gebiete einschloss.16 Nachgewiesen ist, dass die fränkischen Könige beziehungs‑ weise Hausmeier im 8. Jahrhundert die ers‑ ten Bischofssitze außerhalb altrömischer Gebiete (Hessen, Thüringen) mit Fiskalgut ausstatteten oder dafür Adelsgüter und ‑erbe in Anspruch nahmen (bes. Büraburg, Würzburg).17 Obgleich es kirchenrechtlich gesehen Aufgabe der Bischöfe war, aus ih‑ ren Einnahmen von den Gläubigen neue Kirchen zu gründen, hätten sie diese mit der Errichtung eines dichten Pfarrnetzes über das ganze Land verbundene Aufgabe ohne materielle Unterstützung der laika‑ len Grundherrn nicht bewältigen können.18 Königtum, Adel und Episkopat wirkten bei Errichtung und Ausbau des Kirchen‑ und Klosterwesens im ganzen Mittelalter zu‑ sammen. Bei muslimischen Herrschern lassen sich politischer Aufbau eines Kalifats, Emirats oder Sultanats und Stiftung kaum voneinan‑ der trennen. Wo ein Eroberer neben seinen Kriegern zugunsten der Umma auf seine Beute verzichtete, sie als waqf auf Dauer un‑ veräußerlich machte und mit den Erträgen caritative Wohltaten finanzierte, fielen diese
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mit ‚öffentlichen Aufgaben‘ zusammen.19 Andererseits beteiligten sich die ‚höfischen Kreise‘, also die Führungselite, so an den Werken der Kalifen und anderer Herrscher, dass bei Initiativen und Durchführungen zwischen beiden kaum klar getrennt werden kann. Ähnliches gilt von der Scheidung der ‚staatlichen’ von ‚privaten‘ Besitzungen bei denen, die über beides verfügen konnten.20 Überall dort, wo in islamischer Überliefe‑ rung von öffentlichen Einrichtungen die Rede ist, liegt unter diesen Voraussetzungen der Schluss auf eine Stiftung nahe; da sich alle Angehörigen der Gesellschaft an diesen Werken beteiligten, treten die Herrscher nur durch besonderen Aufwand unter an‑ deren Gläubigen hervor. Mit den türkischen Seldschuken, die seit dem frühen 11. Jahr‑ hundert nach Westen vordrangen und un‑ ter anderem Bagdad eroberten, verbreitete sich, außer nach al‑Andalus, die bedeutende Bildungsinstitution der madrasa.21 Diese war insofern keine ‚freie‘ Stiftung, als sie auf Dauer unter der Aufsicht des Stifters und seiner Nachkommen verblieb.22 Die Institution der madrasa und ihre systema‑ tische Verbreitung belegen exemplarisch eine politische Instrumentalisierung von Stiftungen und zugleich das enge Zusam‑ menwirken von Herrschern und politischer Elite zum Wohle der Gemeinde. Im indischen Altertum dominierten lange die ‚privaten‘ Stiftungen, bevor mit der Zeit des Gupta‑Reiches (320–520/570 u. Z.) Könige und Fürsten in dieser Hin‑ sicht entschieden in den Vordergrund tra‑ ten. Trotzdem waren die Könige auch in früheren Epochen als Stifter tätig gewesen. Charakteristisch war ein enges Bündnis der Herrscher mit dem Priesterstand der Brahmanen und bei der religiösen Diversifi‑ kation in Südasien die Förderung auch von Buddhisten, Jinisten und Hinduisten zum gegenseitigen Vorteil. Nach den Ergebnissen der indologischen Forschung traten noch
Soziale Positionen der Akteure
in der zweiten Hälfte des ersten vorchrist‑ lichen Jahrtausends Abgaben und Steuern an die Stelle von Opfergaben, so dass der König daraus den entstehenden Staatsap‑ parat finanzieren konnte.23 Jetzt wurden auch theoretische Schriften verfasst, die sich um das rechte Tun beziehungsweise eine erfolgreiche königliche Regierung und gute staatliche Verfassung drehten. In einer der berühmtesten dieser Abhandlungen wer‑ den königliche Stiftungen an Brahmanen erwähnt, vor allem im Zusammenhang mit der Kolonisation von Land. Das Stiftungsgut, von dem der König Steuern und andere Ab‑ gaben beanspruchen konnte, ist nur indirekt angesprochen, doch sollte es sich, wie es für eine Stiftung erforderlich ist, zweifellos um dauernd abgetretene Erträge handeln, da eine Erblichkeit in den verschiedenen Funktionen der Brahmanen zur Bedingung gemacht wird. Auch wenn die brahmani‑ schen Rechtstexte dies mit Nachdruck for‑ derten, beschränkten sich die indischen Könige keineswegs auf die Förderung von Brahmanenpriestern; noch im späten Alter‑ tum hatte der Aufstieg des hinduistischen Tempelwesens begonnen, das mit den bud‑ dhistischen Klöstern konkurrierte, bis der Buddhismus etwa im 11. Jahrhundert aus den meisten Teilen Indiens verschwand.24 Überall dort, wo ‚Könige und Kalifen‘25 (→ 15.3 zu ‚Königinnen‘ und Frauen mus‑ limischer Herrscher) die Funktion des Stif‑ ters übernahmen, kann man von einer ‚Stiftungspolitik‘ sprechen, auch wenn die Sorge um das Seelenheil oder um Verdienst‑ erwerb für postmortale Existenz(en) als ‚private‘ religiöse Motive hinzutraten. Zu dieser Aktionsform gehörte auch, dass in‑ dische Herrscher – ähnlich antiken römi‑ schen Kaisern – Kulte, Mönche und Priester verschiedener einheimischer Religionen förderten, denen sie persönlich gar nicht zuneigten. Erstaunlich ist, dass jüdische Stifter_innen, zumeist Angehörige der
Interkulturelle Perspektiven
wohlhabenden städtischen Oberschicht, auch Vertreter heterodoxer Richtungen, vor allem im Verhältnis von Rabbaniten zu Karäern und umgekehrt, bestifteten. Wenig Beachtung hat die Forschung bisher der Verteilung der Altersgruppen bei allen Akteuren des Stiftungswesens geschenkt; Ergebnisse zu erzielen, ist aber auch schwierig, da die Überlieferungen meist nur Annäherungen erlauben (Alters‑ regelungen für das Priesteramt im Westen, allenthalben Förderung für Schüler und Studierende, testamentarische Regelungen
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im Allgemeinen durch Ältere und für Jün‑ gere usw.). Auch der Verbreitung (oder Ab‑ lehnung) des Stiftungswesens bei Hetero‑ doxen oder bei vom Glauben Abgefallenen müssten die verschiedenen Disziplinen noch weiter nachgehen. Beobachtet werden konnte schon, dass in Byzanz kirchliches und weltliches Recht die Nicht‑Orthodoxen vom Stiftungswesen ausschließen sollten, während im Islam auch Nichtmuslime awqāf errichten durften. MB
Anmerkungen 1 Jetzt Alexander, Anstalten und Stiftungen
(2003), hier bes. 49–51. 2 Rüpke, Religion der Römer (2001), 27–31; jetzt bes. Bowes, Private Worship (2008, ND 2011), 18–60. 3 Rüpke, Religion der Römer (2001), 27. 4 Neben vielem anderen vgl. Staats, Deposita pietatis (1979), 5 f.; Angenendt, Offertorium (2014), passim. 5 Markschies, Antikes Christentum (2006), 177– 180; Beard / North / Price, Religions of Rome (1998, ND 2000), Bd. 1, 267; Bd. 2, 110–113; Krautheimer, Rom (1987), 28 f. 6 Thomas, Private Religious Foundations (1987), 11. – In Rom verfügte die Christengemeinde über eigene Friedhöfe, von denen mindestens die Ca‑ lixtuskatakombe im frühen 3. Jahrhundert eine bischöfliche Gründung selbst gewesen ist: Beard / North / Price, Religions of Rome (1998, ND 2000), Bd. 1, 270; Guyon, Kirche Roms (1996, ND 2005), 882; Borgolte, Petrusnachfolge und Kaiserimita‑ tion (1995), 27–30. 7 Beard / North / Price, Religions of Rome (1998, ND 2000), Bd. 1, 368 f.; Krautheimer, Ecclesiastical building policy (1993); G. T. Armstrong, Imperial Church Building (1967), 5–13. 8 Vgl. Voelkl, Kirchenstiftungen (1964), 28 mit Anm. 71 f.; 26. 9 Bowes, Private Worship (2008, ND 2011), 68; Krautheimer, Rom (1987), 41. Vgl. Delmaire, Lar‑ gesses sacrées (1989), 641 f.
10 Vgl. Beck, Geschichte (1980), 5 f.; Ders., Kirche
(1959, ND 1977), 36. Zuletzt Höfert, Kaisertum und Kalifat (2015), bes. 139–145. 11 Thomas, Private Religious Foundations (1987); → 14.5; bes. → 10.5. 12 Stiftung und Staat im Mittelalter. Eine byzan‑ tinisch‑lateineuropäische Quellenanthologie in komparatistischer Perspektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011, 334–339, B 10. 13 Vgl. Borgolte, Mittelalterliche Kirche (2004), 3 f.; Ders., Christen, Juden, Muselmanen (2006), 105. 14 Hechberger, Adel im fränkisch‑deutschen Mittelalter (2005), 105–108; Ders., Adel (2004), 5; Prinz, Frühes Mönchtum (1965); Ders., Mönchtum und Gesellschaft (1976). 15 Borgolte, Mittelalterliche Kirche (2004), 5. 16 Ebd., 7 f. 17 Schieffer, Bischofssitz und Fiskalgut (1975). 18 Borgolte, Mittelalterliche Kirche (2004), 35. 19 Vgl. Sabra, Public Policy (2005), 97. 20 Vgl. Lev, Charity, Endowments (2005), 47. 21 Vgl. Makdisi, Rise of Colleges (1981), der sie für die islamische Lehreinrichtung par excellence hielt, besonders was das Studium des Rechts be‑ trifft. Die z. T. kritische Diskussion der Auffassun‑ gen Makdisis in der neueren Islamwissenschaft arbeitet auf Geelhaar, Stiftungszweck Bildung (2007), 64 f. 22 Makdisi, Rise of Colleges (1981), 28. 23 Ali, Kingship (2011), 92 f.
20 24 Schmiedchen, Stiftungen zum Unterhalt (2013), 107; 109. 25 Diese Kurzformel für Fürsten aller Art, auch für nichtchristliche und nichtmuslimische Könige
Soziale Positionen der Akteure
in Indien, in Anlehnung an den Titel von Höfert, Kaisertum und Kalifat (2015).
14.2 Lateinische Christen 14.2.1 Allgemeines Die soziale Position der ins Stiftungswe‑ sen involvierten Akteure ist bereits im Mittelalter vielfach thematisiert worden. Insbesondere die Stifter neigten dazu, ihre gesellschaftliche Stellung in Urkunden und Inschriften selbst zu dokumentieren: „Pip‑ pin, König der Franken, ein berühmter Mann“, „Herr Livtold, Pfarrer zu St. Veit in Vogau“, „Konrad von Linde, Ritter“ lau‑ ten einige ganz willkürlich aus der Masse der erhaltenen Zeugnisse herausgegriffene Beispiele.1 Bei den Administratoren, Desti‑ natären und Profitienten überwogen hinge‑ gen Fremdzuschreibungen, die meist durch den jeweiligen Stifter erfolgten. Für Ver‑ walter und Aufseher, die ihre Aufgaben im Rahmen der Stiftungsorganisation qua Amt erledigen sollten, rekurrierte man na‑ heliegender Weise auf deren offizielle Ti‑ tel (Bischof, Bürgermeister usw.). Wo zum Zwecke der Stiftungsorganisation Stifter‑ rechte vererbt wurden (→ 13.2.2), war das jeweilige Verwandtschaftsverhältnis prägend für die soziale Positionierungdes Bezeichneten. Das galt bei Familienstiftun‑ gen auch für die Destinatäre. Im Falle der spätmittelalterlichen Vikarie‑ und Prädika‑ turstiftungen wurde die gesellschaftliche Stellung der Stiftungsbegünstigten vielfach durch die vorausgesetzten kirchlichen Wei‑ hen (Priester) oder akademischen Grade (Bakkalar, Magister, Doktor) definiert; 2 sonst begnügte man sich häufig bloß mit
vagen Pluraletanta wie pauperes (‚die Ar‑ men‘) oder fratres (‚die Brüder‘). Die Partizipation am Stiftungswesen war demnach stets mit einer sozialen Ver‑ ortung verbunden, für die freilich je nach Situation und Perspektive recht dispara‑ te Kategorisierungen in Ansatz gebracht wurden. Zur Einordnung einzelner Ak‑ teure in das soziale Ganze bediente man sich solch verschiedener Kriterien wie Ab‑ stammung, Amt oder Beruf, Bildung, Ge‑ schlecht, Vermögen und kirchliche Weihe oder Profess. Das „Titelregister“ des Spey‑ erer Totenbuchs kennt dementsprechend nicht weniger als 68 verschiedene soziale Positionen, deren Spektrum vom „König“ bis zum „Koch“, vom „Erzbischof“ bis zum „Inklusen“ reicht.3 Der folgende Überblick greift die wichtigsten Kategorisierungen der mittelalterlichen Zeitgenossen auf4 und systematisiert sie unter Rekurs auf einschlägige Forschungsansätze der mo‑ dernen Sozialgeschichte.5 14.2.2 Stände Jeder Versuch, die Teilhabe einzelner Stän‑ de am okzidentalen Stiftungswesen des Mittelalters zu bestimmen, steht vor der methodischen Herausforderung, diese als abgrenzbare soziale Gruppen zu definieren. Ein solches Unterfangen wird nicht zuletzt
Lateinische Christen
dadurch erschwert, dass im Abendland zu jener Zeit sehr viel, aber auch sehr diver‑ gent über die Ordnung der Gesellschaft geschrieben wurde.6 Kreative Köpfe kom‑ ponierten unter Rekurs auf einschlägige Bibelstellen aus einzelnen Versatzstücken antiker und patristischer Soziallehren eine kaum zu überschauende Anzahl ständi‑ scher Ordnungsmodelle, von denen zwar einige einflussreicher als andere waren, keines jedoch jemals kanonische Geltung erlangte. Zu den prominenteren zählte etwa das Deutungsschema der ‚funktiona‑ len Dreiteilung‘, das im abendländischen Mittelalter erstmals am Hofe König Alfreds des Großen (gest. 899) verschriftlicht wur‑ de. Diesem zufolge hatte jeder Stand nicht nur für sich selbst, sondern auch für die beiden komplementären Stände bestimm‑ te Leistungen zu erbringen: Die ‚Krieger‘ (bellatores) sollten Schutz bieten, die ‚Beter‘ (oratores) die göttliche Gnade erflehen und die ‚Arbeiter‘ (laboratores) die Ernährung sicherstellen.7 Andere Ordnungsmodelle akzentuierten neben der dienenden Funk‑ tion einzelner Stände für das soziale Ganze auch deren jeweiligen Rang; so etwa dasje‑ nige des Minoritenpredigers Berthold von Regensburg (gest. 1272), der die drei ‚höhe‑ ren Chöre‘ der Kleriker, Ordensleute und weltlichen Herren von den sechs ‚niederen Chören‘ der Textilarbeiter, Metallarbeiter, Kaufleute, Lebensmittelhändler, Bauern und Ärzte abhob.8 Bei aller Varianz haben die mittelalterlichen Ständemodelle ge‑ mein, dass sie weniger sozialwissenschaft‑ lichen als pastoraltheologischen Zwecken dienen sollten, weshalb ihr Wirklichkeits‑ bezug in der modernen Forschung meist kontrovers beurteilt wird.9 Erschwerend kommt schließlich noch hinzu, dass die ständische Ordnung der mittelalterlichen Gesellschaft keineswegs so statisch war, wie mitunter angenommen wird.10 Wenn im Folgenden ‚lediglich‘ die Rolle von
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(1.) Königen, (2.) Adligen, (3.) Bürgern und (4.) Bauern im mittelalterlichen Stiftungs‑ wesen skizziert wird, dann mag das aus der Binnenperspektive der Mediävistik vielleicht etwas unterkomplex erscheinen; eine solche Herangehensweise erleichtert indes den interkulturellen Vergleich, durch den die Besonderheiten des abendländi‑ schen Stiftungswesens klarer zum Vor‑ schein kommen. (1.) Wie im Altertum war der König auch im Mittelalter der Stifter par excellence.11 Nach dem Vorbild Konstantins des Gro‑ ßen (→ 14.1; 14.5.2) errichteten christliche Herrscher dem Allmächtigen fortwährend neue Gotteshäuser.12 Der ökonomischen Potenz und den politischen Ambitionen ihrer königlichen Stifter entsprechend han‑ delte es sich meist um große Klöster oder Stifte, die mit Vorliebe an herrschaftlichen Zentralorten angesiedelt wurden.13 Solchen Kommunitäten oblagen die seelsorgerli‑ che Betreuung des königlichen ‚Hofstaats‘, die administrative Unterstützung des Re‑ genten, die stellvertretende Fürbitte für sein Wirken auf Erden und das jenseitige Schicksal seiner Seele sowie der fortwäh‑ rende, besonders prächtig inszenierte Got‑ tesdienst. Daneben engagierten sich die Könige auch auf dem Gebiet der Armensor‑ ge, etwa durch die Stiftung von Xenodoch‑ ien14, Spitälern15 und Kollegien oder durch die Fundation von Armenspeisungen. Das Amt des Königs erforderte freilich neben der auf Dauer gestellten caritas immer auch spontane Akte der Barmherzigkeit. So er‑ klärt sich vielleicht, warum die Bedeutung des Königtums für die Errichtung wohl‑ tätiger Stiftungen beileibe nicht so hoch anzusetzen ist wie bei der Gründung von Universitäten. Die Hohen Schulen wur‑ den von den Zeitgenossen zwar ebenfalls als ‚fromme Werke‘ aufgefasst,16 mit ihnen schufen sich die europäischen Könige seit
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dem 13. Jahrhundert aber nicht zuletzt auch eine lokale Bildungselite, die sich für die Verwaltung der entstehenden Territori‑ alstaaten einspannen ließ.17 Ein übergrei‑ fendes Motiv aller königlichen Stiftungen war das Streben nach profaner und liturgi‑ scher Memoria. Ob ihrer wirtschaftlichen Möglichkeiten waren viele Herrscher in der Lage, mehr als eine postmortale Ge‑ denkstätte durch Stiftungen zu begründen, um ihren Ruhm (fama) und ihr Gedenken (memoria) zu mehren.18 Mitunter lassen sich dabei regelrechte Stiftungspläne rekons‑ truieren19; meist war die „Dispersion der Gedenkstätten“20 aber das eher zufällige Resultat einer situativen Stiftungstätig‑ keit, die nicht zuletzt durch entsprechende Angebote potentieller Destinatäre geprägt war.21 Infolge der regen Stiftungstätigkeit mit‑ telalterlicher Könige zählten sie und ihre Angehörigen in Relation zu ihrem Bevöl‑ kerungsanteil überproportional oft zu den Profitienten von Stiftungen. Die Herrscher beanspruchten die durch stellvertretende Nächstenliebe erzielten spirituellen Erträ‑ ge nämlich ebenso wie die periodischen Fürbitten der Destinatäre vielfach nicht für sich allein 22, sondern auch für ihre Vorfahren und Nachfolger23 oder andere Seitenverwandte24, ‚Freunde‘ (amici)25 und ‚Getreue‘ (fideles)26. Umgekehrt konnte ein zukünftiger oder einstiger König auch von seinen Angehörigen zum geistlichen Nutz‑ nießer einer Stiftung bestimmt werden 27; im Spätmittelalter unterstützten mitunter sogar Bedienstete auf diese Weise die Jen‑ seitsvorsorge ihrer ehemaligen Herren.28 Trotz des reichlich vorhandenen Quellen‑ materials ist die Rolle von Königen als Profitienten des mittelalterlichen Stiftungs‑ wesens von der Forschung bislang nicht zufriedenstellend konturiert worden. Der einzige Versuch einer übergreifenden Deu‑ tung für das römisch‑deutsche Reich kann
Soziale Positionen der Akteure
methodisch nicht überzeugen, da er sich allein auf die königlichen Gedenkbuchein‑ träge stützt, ohne deren jeweiliges Zustan‑ dekommen durch Stiftung, Gebetsverbrü‑ derung, Memorialtranslation oder Ähn‑ liches historisch zu kontextualisieren.29 Hier sind auf einzelne Kommunitäten 30 oder Herrscher31 bezogene Fallstudien oft präziser, doch begnügen sich diese meist mit der Auswertung von Totenbüchern und Urkunden, während das Verwaltungs‑ schriftgut der Treuhänder und Destinatäre unberücksichtigt bleibt. Als Empfänger der materiellen Stif‑ tungserträge kamen Könige niemals in Betracht, durch ihre Rolle in der Stiftungs‑ verwaltung konnten sie aber mitunter er‑ heblichen Einfluss auf die Rekrutierung neuer Destinatäre nehmen, im früheren Mittelalter vor allem mittelbar über die Investitur von Bischöfen, Pröpsten oder Äbten,32 im späteren Mittelalter dann im Bereich des Weltklerus auch unmittelbar über das Nominationsrecht für konkrete Pfründen.33 Abgesehen davon beschränkte sich die Mitwirkung des Königtums an der Stiftungsorganisation im Wesentlichen auf deren Bestandsschutz, der durch die Ausübung der Vogtei 34, die Gewährung von Königsschutz35, periodische Privile‑ gienbestätigungen 36 oder Maßregelung der Stiftungsorgane (→ 13.2.3) erfolgen konnte.37 Regionale Sonderentwicklungen des Spätmittelalters waren königliche Li‑ zensierungen von Stiftungen infolge von Amortisationsgesetzen. Besonders effektiv vertraten die englischen Herrscher seit Eduard I. den Anspruch, dass jede in ihrem Herrschaftsbereich neu getätigte Stiftung einer königlichen Ausnahmegenehmigung bedürfe. Um der Erosion der Steuereinnah‑ men Einhalt zu gebieten, hatte der König nämlich 1279 in seinem berühmten ‚Statute of Mortmain‘ zunächst jede weitere Dota‑ tion von Stiftungen untersagt, bereits sechs
Lateinische Christen
Monate später aber selbst damit begonnen, gegen einmalige Gebühren Ausnahme‑ genehmigungen zu erteilen;38 nach dem Tod seiner Gemahlin Eleonore von Kas‑ tilien (1290) knüpfe er seine Zustimmung wiederholt an die Bedingung, dass auch ihrer im Gebet gedacht werde.39 Insgesamt boten sich den Königen von allen Ständen zweifellos die besten Voraus‑ setzungen für eine aktive Teilhabe am Stif‑ tungswesen, auch wenn nicht alle Regen‑ ten von diesen Möglichkeiten in gleichem Maße Gebrauch gemacht haben.40 Das Stif‑ tungswesen profitierte indes keineswegs einseitig von der Potenz des Königtums, oft genug erwies es sich auch als dessen Stütze, sei es durch die öffentlichkeitswirk‑ same Repräsentation gottgefälliger Herr‑ schaft mittels prächtiger Stiftungsbauten, sei es durch die fortwährende Gebetshilfe der Destinatäre. Für Letztere verzichte‑ ten die fränkischen Herrscher des frühen Mittelalters noch bereitwillig auf zukünf‑ tige Einnahmen des Fiskus (→ 10.2.4); spätmittelalterliche Könige begnügten sich hingegen oft nicht mehr mit der Rolle der Profitienten, sie forderten von ihren stif‑ tenden Untertanen auch Kompensation für die entgangenen Steuereinnahmen. Gerade die Amortisationsgesetzte verweisen somit – ungeachtet der konsequenten Instrumen‑ talisierung von Stiftungen für die königli‑ che Wirtschafts‑ und Bildungspolitik – auf eine zunehmend ambivalente Haltung des Königtums zum Stiftungswesen insgesamt. Zu diesem allmählichen Mentalitätswech‑ sel kam es wohl nicht zuletzt, weil die Rolle des Stifters im abendländischen Mittelalter ihre soziale Exklusivität so dramatisch verlor, dass sie beinahe von jedem einge‑ nommen werden konnte.
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besonderen Herkunft und ihres (tatsäch‑ lich) umfangreichen Grundbesitzes Herr‑ schaftsrechte über andere Menschen bean‑ spruchen. Als soziale Formation hat ‚der Adel‘ im europäischen Mittelalter zahllose Phänotypen hervorgebracht, deren regio‑ nale Verbreitung und zeitliche Abfolge hier nicht ausgebreitet zu werden braucht.41 Als Stifter imitierten Adlige im Rahmen ihrer Möglichkeiten vielfach das königli‑ che Vorbild. Politischer Einfluss als Herzog, Graf oder Vogt, gepaart mit den ererbten, erbeuteten oder durch Gunsterweise mäch‑ tigerer Herren erlangten ökonomischen Ressourcen, eröffnete dabei dem Einzel‑ nen ganz unterschiedliche Möglichkeiten. Während etwa der Edelfreie Alaholf mit seiner Gemahlin Hitta um 775 in March‑ tal an der Donau ein kleines Eigenkloster gründete, das seine Söhne, Neffen und entfernteren Verwandten später mit Zu‑ stiftungen versahen und an die Reichs‑ abtei St. Gallen dedizierten42, soll Herzog Tassilo III. von Bayern (gest. um 796) nicht weniger als sechzehn Klöster gestiftet ha‑ ben.43 Für das frühere Mittelalter, aus dem die beiden genannten Beispiele stammen, bleibt das ganze Ausmaß adliger Stiftungs‑ tätigkeit allerdings oft bloß vage erkenn‑ bar. Das liegt zum einen an den fließen‑ den Übergängen zwischen Stiftungen und Eigenkirchen (→ 4.2.2), zum anderen an der trümmerhaften Überlieferung, die für weite Teile des Abendlandes überhaupt keine zeitgenössischen Stiftungsurkunden adliger Provenienz kennt.44 Ab der Jahrtausendwende verändert sich das Bild dann grundlegend: Kir‑ chenreform und Kanonistik beschnitten Herrschaftsansprüche adliger Gründer, deren fromme Werke zudem infolge der zunehmenden Schriftlichkeit immer prä‑ (2.) Als Adel bezeichnet man – grob ver‑ ziser dokumentiert wurden. Besonders pe‑ allgemeinernd – sozial privilegierte Perso‑ dantisch erfolgten die Aufzeichnungen nengruppen, die aufgrund ihrer (angeblich) aufgrund der Amortisationsgesetzgebung
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im Königreich England.45 Hier sind ohne methodische Bedenken sogar statistische Untersuchungen zum Stiftungsverhalten möglich, wie sie Joel T. Rosenthal für die Parlamentsaristokratie der Jahre 1307 bis 1485 vorgelegt hat.46 Ihm zufolge lässt sich diese Gruppe von Aristokraten zwar sehr präzise aus der Masse der Nobilität iso‑ lieren, von einer „sozialen Klasse, deren Handeln durch Einheitlichkeit oder Zu‑ sammenhalt geprägt worden sei“, könne man jedoch keineswegs sprechen47; dafür bleibe das individuelle Stiftungsverhalten einerseits zu divers, andererseits aber auch zu wenig durch ein gemeinsames ‚Klas‑ seninteresse‘ bestimmt: Die Stifter unter den adligen Parlamentariern „versäumten [nämlich], ihre Gaben zum Zwecke der sozialen Kontrolle oder der persönlichen Verbesserung einzusetzen. (…) Sie stellten weder das Wertesystem der Kirche in Frage, noch nutzen sie es explizit und sichtbar für ihre eigenen Zwecke (…). Sie fütterten [vielmehr] ein System, das ihr Geld benö‑ tigte, aber wenig Neigung zeigte, ihren Status zu bewahren (…). Sie ließen es zu, dass die Unterscheidung zwischen adligen und gewöhnlichen Menschen zu einer rein quantitativen wurde. Die Reichen – egal ob adlig oder nicht – gaben an die Kirche, ohne ständische Unterscheidung der Ge‑ ber. [→ 14.2.4] Keine erbliche Aristokratie kann aber auf derartige Distanzierungen verzichten.“48 Dieses harte Urteil wird man – selbst wenn es im konkreten Fall stimmen soll‑ te – schwerlich für das adlige Stiftungs‑ verhalten des gesamten mittelalterlichen Abendlandes übernehmen dürfen. Gerade im Hochmittelalter ist die Bedeutung von Stiftungen für die Konstitution des Adels als sozialer Formation kaum zu überschät‑ zen. In jenen Jahrhunderten vollzog sich nämlich die mentale Engführung adli‑ ger Verwandtschaft auf eine lückenlose
Soziale Positionen der Akteure
Vater‑Sohn‑Folge. Im Gegensatz zur lose miteinander verwandten Adelssippe hatte ein auf agnatischer Aszendenz beruhendes Adelsgeschlecht einen ‚Spitzenahn‘, eine oft namengebende Stammburg sowie ein Hauskloster oder ‑stift, das mit der Pflege der Familientradition betraut war.49 Der Stiftungsprozess solcher Kommunitäten zog sich oft über mehrere Generationen hin; er war selten linear, sondern vollzog sich in einer komplexen Gemengelage von biologischen Zufällen, tatsächlicher Erb‑ folge und retrospektiven Kontinuitätsbe‑ hauptungen.50 (→ 17.2.2) (3.) ‚Echte‘ Bürger, die nicht bloß Einwoh‑ ner einer urbanen Ansiedlung, sondern Mitglieder einer durch promissorische Eide zu wechselseitiger Hilfe gegen Unrecht und Unfrieden verschworenen Stadtge‑ meinde waren, gab es im mittelalterlichen Abendland erst infolge der sogenannten Kommunebewegung. Im Laufe des 11. bis 13. Jahrhunderts schlossen sich in den Kernräumen des lateinischen Europa Kauf‑ leute, Handwerker, Dienstmannen (Mi‑ nisteriale), Zinspflichtige (Censuale) und landflüchtige Bauern – mithin Personen ganz unterschiedlicher Rechtsstellung – zum Kampf gegen die althergebrachten Herrschaftsansprüche von Bischöfen, Kö‑ nigen und anderen Fürsten zusammen und schufen so in oft zähen Kämpfen die Stadt als einen selbstverwalteten Sonderrechts‑ bezirk auf genossenschaftlicher Grundlage. Die endgültige Etablierung der Stadtge‑ meinde bildete nicht zuletzt für die Par‑ tizipation der Bürger am Stiftungswesen eine entscheidende Zäsur. Bevor auf die Blütezeit der bürgerlichen Stiftungen im 14. und 15. Jahrhundert einzugehen ist, soll auch das protobürgerliche Stiftungswesen in den Blick genommen werden. Das ist allerdings methodisch nicht so einfach, da die Bevölkerungsgruppen, aus
Lateinische Christen
denen sich das Bürgertum im Laufe des hohen Mittelalters formierte, so heterogen waren, dass man fast versucht sein könnte zu behaupten: Ihre größte Gemeinsamkeit bestand darin, dass sie alle ein Leben führ‑ ten, in dem Schriftgebrauch keine große Rolle spielte. Wenn also überhaupt etwas über diese Menschen aufgeschrieben wur‑ de, dann von anderen. Zumindest über ihr Engagement als Stifter sind wir durch das Geschäftsschriftgut der Stiftungsverwal‑ ter und ‑empfänger (vor allem Traditions‑ und Totenbücher) trotzdem einigermaßen informiert. Das in seinem semantischen Gehalt noch recht unspezifische Epithe‑ ton cives (‚Bürger‘), einschlägige Berufsbe‑ zeichnungen (Kaufmann, Bäcker, Schmied usw.), Zunamen, deren Träger in späterer Zeit nachweislich Bürger waren, oder auch im Stadtgebiet situiertes Stiftungsgut er‑ lauben nämlich eine mehr oder weniger sichere Zuordnung einzelner Stifter zum protobürgerlichen Milieu.51 Ihre Fundatio‑ nen waren – wie in späteren Zeiten – ganz überwiegend fiduziarische Stiftungen. Als Treuhänder fungierte dabei meist noch das nächstgelegene Kloster oder Stift. Allein bei Fernhändlern scheint der mobile Le‑ benswandel mitunter Stiftungen fern der Heimat erforderlich gemacht zu haben. So ließ etwa der aus Flandern stammende negociator Robert, als er im Jahre 1009 in Barcelona tödlich erkrankte, durch seinen Testamentsvollstrecker sein gesamtes mit‑ geführtes Handelsgut zur Restauration des dortigen Domkapitels einsetzen.52 Nach der Etablierung der Stadtgemeinde konnten die alten monastischen und kano‑ nikalen Kommunitäten ihre traditionelle Stellung als bevorzugte Destinatäre bür‑ gerlicher Stiftungen oft noch eine Weile behaupten; im Laufe des 13. Jahrhunderts wurden sie aber meist durch neue Anbieter auf den städtischen ‚Seelenheil‑Märkten‘ an den Rand gedrängt.53 Dies waren in
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erster Linie die Bettelorden, die Pfarrei‑ en 54 und die ‚bürgerlichen‘ Spitäler55. Hier stiftete man – anders als etwa bei den Dom‑ und Kollegiatstiften, die sich erst ab dem 14. Jahrhundert ganz allmählich und oft auch nur vorübergehend für Kleriker bürgerlicher Herkunft öffneten 56 – gewis‑ sermaßen für seinesgleichen. Und auch die Stiftungsorganisation oblag schon bald den eigenen Standesgenossen. Mit Rat, Gilden und Zünften schufen die Bürger nämlich kirchenunabhängige Dauerperso‑ nen.57 Diese ließen sich mit der Kontrolle von Stiftungsorganen beauftragen 58 oder als Treuhänder von Stiftungsvermögen einsetzen 59, konnten durch ihre bruder‑ schaftliche Gebetshilfe die Errichtung von Stiftungen aber auch obsolet machen.60 Über das Rechtsinstitut der Pflegschaft61 ‚eroberten‘ die Bürger schließlich sogar die Sakralräume der angesehensten Kanoniker‑ gemeinschaften am Orte für ihre oft be‑ scheidenen Stiftungsanliegen: Erst über‑ nahmen die Vornehmsten aus ihren Reihen als Pfleger die Kontrolle über das für den Kirchbau reservierte Sondervermögen, die Fabrik, dann verwandelten sie dieses in eine Art Sammelstiftung, die eigene Priester zur Abhaltung von Seelmessen unterhielt.62 Während vom Stiftskapitel verwaltete und vollzogene Stiftungen für die meisten Bür‑ ger unerschwinglich blieben und deshalb in den letzten beiden Jahrhunderten des Mittelalters vielerorts abnahmen,63 erlebten die bei der Fabrik angesiedelten, oft nur geringfügig dotierten Memorialstiftungen einen Boom sondergleichen.64 Kennzeichnend für das bürgerliche Stif‑ tungswesen war indes nicht nur, dass ein ‚neuer‘ Stand für sich beanspruchte, sämtli‑ che Positionen innerhalb des sozialen Sys‑ tems Stiftung ausfüllen zu können, sondern dass der soziale Handlungsrahmen, den Stiftungen bereits seit Jahrhunderten abga‑ ben, in ungemein kreativer Art und Weise
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für neue Einsatzfelder adaptiert wurde.65 Maßgeblich hierfür waren die Bedürfnis‑ se einer sich beständig weiter ausdiffe‑ renzierenden Stadtgesellschaft. Das zeigt schon ein Blick auf die Stiftungszwecke, die immer präziser benannt und zugleich immer kleinteiliger dimensioniert wurden. Hatten sich etwa frühere Generationen noch ganz pauschal „für den Gottesdienst“ engagiert, so sah eine Stiftung nun zum Beispiel vor, dass ein bestimmtes Reliquiar der Gottesmutter zu allen Marien‑Festen mit einem bestimmten Ring geschmückt werde, nämlich dem saphirbesetzen Ver‑ lobungsring der Stifterin.66 Besonders er‑ findungsreich waren die durch städtische Normen geprägten Konkretisierungen auf dem Gebiet der christlichen Nächstenliebe. Vielerorts erhöhten etwa spezielle Aus‑ steuerstiftungen die Heiratschancen der weniger begüterten Bürgertöchter.67 Hin‑ zu kamen die gemeinnützigen Stiftungen, die das Zusammenleben vieler Menschen auf engem Raum durch den Unterhalt von Brunnen 68 und Brücken 69 oder die Auf‑ rechterhaltung der guten policey 70 fördern sollten. Gerade die genossenschaftliche Organisation der Bürger begünstigte dabei kollektive Stiftungen. So fungierten etwa Gilden nicht nur als Treuhänder priva‑ ter Stiftungen, sondern riefen auch selbst welche ins Leben.71 Als gewählte Vertre‑ ter der gesamten Stadtgemeinde errichte‑ ten zudem Stadträte und Bürgermeister ‚fromme Werke‘ für die Ewigkeit, in Köln etwa eine Universität72, in Bremen jährli‑ che Armenspeisungen und Marienmessen zur Erinnerung an die Wiederherstellung des innerstädtischen Friedens73. Die sozial harmonisierende Wirkung, die ein Kennzeichen vieler bürgerlicher Stiftungen des späten Mittelalters ist, för‑ derte zwar den Zusammenhalt der Stadt‑ gemeinde, hatte aber mitnichten das Ziel, die Statusunterschiede innerhalb der
Soziale Positionen der Akteure
Stadtgesellschaft zu nivellieren. De fac‑ to konnten nämlich nur einige wenige Bürger wirklich alle Positionen innerhalb des Stiftungswesens einnehmen. Zwei Ex‑ treme, zwischen denen der Großteil der Bürger anzusiedeln ist, mögen das ver‑ deutlichen: Ein Hausarmer, der dauerhaft in einer Wohnstiftung lebte, um trotz ei‑ nes eigentlich zu geringen Einkommens weiter einen eigenständigen Haushalt zu führen, der Bedingung für das Bürger‑ recht war, blieb wohl stets auf die Rolle des Destinatärs abonniert.74 Ein Ratsherr hingegen verfügte in der Regel über aus‑ reichend Kapital, um selbst zum Stifter und Profitienten zu werden. Zudem war er mit einiger Wahrscheinlichkeit in die externe oder interne Organisation ande‑ rer Stiftungen eingebunden; sei es, weil sein Amt die Übernahme einer Pflegschaft mit sich brachte, sei es, weil er von sei‑ nen Vorfahren Patronatsrechte an deren Stiftungen geerbt hatte. War von jenen wiederum eine explizite Familienstiftung ins Leben gerufen worden, konnte er da‑ rüber hinaus auch noch zum Destinatär werden.75 Nichtsdestotrotz gab es selbst‑ verständlich bürgerliche Stiftungen, die eindeutig den sozialen Aufstieg Einzelner fördern sollten, wenngleich sie freilich viel häufiger bestehende Statusgrenzen zemen‑ tierten. Das verdeutlichen exemplarisch zwei Heiratsstiftungen, die der Hallenser Zinngießer Nikolaus Schildberg Anfang des 16. Jahrhunderts errichtete: Mit der ersten wollte er jährlich einer armen Frau, die sogar eine ehemalige Prostituierte sein durfte, eine Aussteuer von 12 Gulden zur Verfügung stellen; die zweite aber sollte jede Eheschließung seiner Nachfahren mit 100 Gulden ‚belohnen‘.76 (4.) Bis weit ins hohe Mittelalter hinein waren Bauern in erster Linie Stiftungs‑ kapital. Als Sklaven oder Hörige mit
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eingeschränkter persönlicher Freiheit ver‑ fügten ihre Herren über sie und ihre Nach‑ kommen so, wie sie sonst auch über Land verfügten. Meist taten sie sogar beides auf einmal, da die Menschen, die einem Stück Land durch körperliche Arbeit Jahr für Jahr die meist kargen Erträge abtrotzten, als dessen Zubehör (Pertinenz) aufgefasst wurden. (→ 10.2.2) Selbst Freigelassene waren bloß ein ‚Produktionsmittel des Seelenheils‘, wenn der von ihnen und ih‑ ren Nachkommen geschuldeten Muntzins durch den Patron zur Finanzierung konti‑ nuierlicher Memorialleistungen bestimmt wurde.77 Als solche konnten Männer bäuer‑ licher Herkunft aber bereits im frühen Mittelalter auch zu Destinatären werden, nämlich dann, wenn der Freilasser sie für eine priesterliche Laufbahn bestimmte. So heißt es etwa in einem Konstanzer Urkun‑ denformular des 9. Jahrhunderts: „Bekannt werde allen Christen unserer Gegend, dass ich (…) einen meiner Diener mit dem Na‑ men N. (…) von dem beschwerlichen Joch der menschlichen Knechtschaft (…) befreit habe; und zwar unter der Bedingung, dass er im göttlichen Dienst festgehalten wer‑ de und zeit seines Lebens für mich und die Meinen (…) unaufhörlich bete; indem er durch die einzelnen Stufen des heili‑ gen Amtes emporsteigt, soll er für uns in immer größerer Nähe [zu Gott] den barmherzigen Herren anflehen.“78 Ganz vereinzelt führten solche Karrierewege sogar bis auf eine bischöfliche cathedra und bescherten den sozialen Aufsteigern qua Amt weitreichende Befugnisse bei der internen und externen Organisation von Stiftungen. (→ 13.2.3) Abgesehen von sol‑ chen Ausnahmefällen erstritten sich die Bauern im späteren Mittelalter aber auch sonst eine Mitwirkung bei der Verwaltung von Stiftungsvermögen. So gewährte zum Beispiel Bischof Ludolf von Halberstadt 1236 den Bewohnern des Dorfes Veltheim
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am Fallstein das Recht, aus ihren Reihen zwei Pfarrgenossen zu wählen, denen die Verwaltung des Lichterguts ihrer Kirche obliegen sollte.79 Im Zuge des hochmittelalterlichen Landesausbaus werden Bauern auch (kol‑ lektiv) als Stifter von ländlichen Pfarr‑ benefizien greifbar, beispielsweise im ‚Hollerland‘ (Hollandria) bei Bremen;80 überregionale Studien zu den Anfängen bäuerlicher Stiftungstätigkeit liegen aller‑ dings bislang nicht vor. Besser informiert sind wir über die Verhältnisse am Ende des Mittelalters, wenn auch vornehmlich für den deutschsprachigen Raum.81 An‑ hand von ausgewählten Jahrzeitbüchern aus der Basler Landschaft konnte Mireille Othenin‑Girard eine ausgesprochen rege Stiftungstätigkeit auf dem Lande nach‑ weisen. Die untersuchten Totenregister der Dorfkirchen in Oltingen, Kilchberg, Läufelfingen und Therwil, die jeweils zwi‑ schen zwanzig und hundert Pfarrgenos‑ sen gehabt haben dürften, verzeichneten bis zu 229 Anniversarstiftungen, die wohl größtenteils zwischen 1430 und 1500 er‑ richtet wurden.82 Diese Relationen lassen vermuten, dass am Ausgang des Mittelal‑ ters zumindest einfache Gedenkstiftungen für nahezu alle Dorfbewohner erschwing‑ lich geworden waren; und so verwundert es nicht, dass 1491 in Läufelfingen sogar die monetäre Hinterlassenschaft eines er‑ schlagenen Bettlers genügte, um für die‑ sen postum einen Jahrtag zu stiften.83 Im thüringischen Gumpelstadt scheinen die Verhältnisse ähnlich gewesen zu sein.84 Nichtsdestotrotz schlossen sich Bauern aufgrund ihrer geringen Wirtschaftskraft vielfach zu kollektiven Stiftungen zusam‑ men, deren Dotation durch die Kumulation geringfügiger Gaben geprägt war. Die ‚ge‑ meinen Jahrzeiten‘, die auf ein summari‑ sches Stiftergedenken zielten (und auch im städtischen Kontext begegnen 85), setzten
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auf kontinuierliche Zustiftungen.86 Es gab aber auch kollektive Stiftungen, bei denen im Vorfeld des Stiftungsakts gesammelt wurde, weil benefizialrechtliche Vorschrif‑ ten die ausreichende Dotation von Kapla‑ neien und anderen Pfründen erforderten. So hatte etwa die Gemeinde Plochingen die zur Fundierung einer Priesterpfründe benötigten Güter erworben „mit unserm Almosen und mit Almosen anderer christ‑ gläubiger Menschen, die uns ihre milde Hand dazu gereicht haben“87. Meist ist der soziale Status der einzelnen Spender nicht genauer zu ermitteln, die seltenen Fälle, in denen das doch möglich ist, lehren aller‑ dings einmal mehr, dass „die kirchliche Stiftung auf dem Land nicht allein Sa‑ che der Besitzenden, der Hausväter oder gar Vollbauern war“88. Ungeachtet ihrer rechtlichen und ökonomischen Binnen‑ differenzierung einten die Dorfbewohner nämlich vielfach ganz spezifische Bedürf‑ nisse, etwa im Sommer vor der Feldarbeit eine Frühmesse hören zu können 89, das Fronleichnamsfest besonders aufwendig zu feiern90 oder sich den allsonntäglichen Fußmarsch zu einer weit entfernt gelege‑ nen Pfarrkirche zu ersparen91. Obgleich das Verlangen nach Seelsorge bei solchen Stiftungsinitiativen zweifellos dominierte, hatten die bäuerlichen Kollek‑ tivstiftungen, wie Rosi Fuhrmann heraus‑ gearbeitet hat, eine kaum zu unterschät‑ zende politische Dimension: „Die Sied‑ lungsgemeinschaft konnte, indem sie sich zur Stiftergemeinschaft zusammenschloss, ihrem Zusammengehörigkeitsgefühl in besonderer Weise Ausdruck verleihen“, sie konnte aber auch traditionelle Rechtszu‑ stände in ihrem Sinne verändern. Wenn nämlich eine Siedlungsgemeinschaft, deren Mitglieder unterschiedlichem Recht und damit geteilter Herrschaft unterlagen, „im Namen aller Ortsansässigen eine kirchli‑ che Stiftung unternahm (…), dann hatte
Soziale Positionen der Akteure
sie sich eine Ebene geschaffen, von der aus sie auf der Grundlage des kirchlichen Rechts als Rechtsgemeinschaft agieren und im weltlichen Recht bedingte, der Entfal‑ tung eigener genossenschaftlicher oder gemeindlicher Rechte hinderliche Grenzen überwinden konnte.“92 14.2.3 Laien, Kleriker und Mönche Die kategoriale Unterscheidung zwischen Klerikern, die gemäß ihrer hierarchisch gegliederten Weihegrade bestimmte Auf‑ gaben innerhalb der Kirche wahrnehmen, und Laien, die (angeblich) stets dem sünd‑ haften Treiben der Welt verhaftet bleiben, hat ihre Wurzeln im spätantiken Christen‑ tum. Sie wurde noch im Decretum Gratiani, dem ca. 1140 verfassten Grundlagenwerk der spätmittelalterlichen Kanonistik, als gesellschaftliches Ordnungsprinzip heran‑ gezogen, obgleich sie zu jener Zeit längst viel zu grobmaschig geworden war, um die soziale Wirklichkeit noch adäquat einzu‑ fangen.93 Seit der Ausbreitung des Mönch‑ tums im frühmittelalterlichen Abendland gab es nämlich immer mehr Menschen, die sich einer solch bipolaren Systematik nicht recht fügen wollten.94 Zudem wa‑ ren und blieben die Grenzen zwischen Klerikern, Mönchen und Laien fließend, weil einerseits bei den kirchlichen Wei‑ hen schon früh zwischen deren niederen und höheren unterschieden wurde, wobei man nur die Empfänger der letztgenann‑ ten, die zu Ehelosigkeit und Stundengebet verpflichteten, zum Klerus zählte, und weil andererseits seit der Karolingerzeit auch immer mehr Mönche die Ordination zum Subdiakon, Diakon oder sogar Priester anstrebten, ohne dadurch von ihrem Ge‑ lübde gelöst zu werden. Dementsprechend franste also jede der drei Gruppen an ihren Rändern aus und tendierte zugleich zur
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Binnendifferenzierung. Um die Partizi‑ pation und Interaktion religiös determi‑ nierter Stände am und im mittelalterlichen Stiftungswesen zu skizzieren, wird man sich dennoch auf das Dreier‑Schema ‚Lai‑ en – Kleriker – Mönche‘ stützen dürfen. So lässt sich als erster und vielleicht wichtigster Befund konstatieren, dass Stif‑ tungen durch das Zusammenspiel der am Stiftungsgeschehen beteiligten Akteure vielfach religiöse Standesgrenzen über‑ schritten, wobei Laien vornehmlich auf die Rolle des Stifters, Kleriker und Mönche hin‑ gegen auf diejenige des Destinatärs abon‑ niert waren. In der Regel stifteten Erstere also für Letztere, etwa Kloster‑, Stifts‑ und Pfarrkirchen, Kaplaneien, Kollegiaturen, Prädikaturen usw. Sehr viel seltener – und mit ganz anderer Akzentuierung – trat der entgegengesetzte Fall ein. Wenn Kleriker nämlich für Laien stifteten, dann sorgten sie nicht für deren Lebensunterhalt auf Erden, sondern für deren postmortale Sün‑ denvergeltung. Die Laien sollten also bloß spirituelle Profitienten einer Stiftung wer‑ den, deren materielle Erträge die Kleriker selbst verzehrten. Ganz in diesem Sinne errichtete etwa das Hildesheimer Dom‑ kapitel im Jahre 1341 eine Jahrzeit für alle Ritter und Knappen, die in seinem Dienste ihr Leben gelassen hatten.95 Anders lagen die Dinge, wenn Kleriker Klöster (be)stif‑ teten. Dann fungierten die Mönche oder Nonnen als Stiftungsempfänger, während die Weltgeistlichen das religiöse Verdienst oder die periodische Fürbitte der Destina‑ täre für sich selbst beanspruchten. Mönche und Nonnen wiederum konnten aufgrund ihres Armutsgelübdes eigentlich gar nicht als Stifter in Erscheinung treten; schon früh dotierten freilich Äbte und Äbtissinen aus ihren Amtsgütern Stiftungen zugunsten des eigenen Konventes. Im Spätmittelalter setzten nachweislich auch einfache Mönche und Nonnen Privatvermögen zur Dotation
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von Stiftungen ein. Am Beginn dieser Ent‑ wicklung stand vermutlich die dauerhafte Zweckbindung von ‚Klostereintrittsgebüh‑ ren‘, deren Höhe bei Novizinnen in Analo‑ gie zu ihrer weltlichen Mitgift kalkuliert wurde und deshalb zum Teil erhebliche Summen umfasste.96 Als die Ausstattung von Nonnen mit individuellen Leibrenten, die meist im Gegenzug für ihren Erbver‑ zicht erfolgte, nicht mehr überall als an‑ stößig betrachtet wurde,97 konnten klausu‑ rierte Asketinnen über Mittelsmänner auch bei anderen Kommunitäten als der eigenen fromme Stiftungen errichten. So erwarb etwa die Wormser Zisterzienserin Grede Arnolt 1384 mit Hilfe ihres Bruders aus ei‑ genen (wohl durch Schenkung oder Erbver‑ zicht erworbenen) Mitteln einen Zinsanteil, aus dessen Erträgen eine jährlich am Tag der heiligen Dorothea durch einen Kaplan des Domstifts zu feiernde Votivmesse ‚De Virginibus‘ finanziert werden sollte.98 Der Minderbruder Heinrich hingegen, dessen Jahrtag eine Hand des 15. Jahrhunderts in das Totenbuch der Neusser Kanonissen ein‑ trug, dürfte das Kapital für seine Stiftung schlichtweg erbettelt haben.99 Indem das Stiftungswesen Wechselbe‑ ziehungen mit klaren Rollenverteilungen zwischen den verschiedenen ‚religiösen Ständen‘ begründete und auf Dauer stellte, trug es nachhaltig dazu bei, diese Gruppen als distinkte Einheiten erfahrbar zu ma‑ chen. Eingedenk dessen verdienen das Auf‑ kommen und der Charakter von Stiftungen, die gerade n i c h t ständeübergreifend konzipiert waren, besondere Beachtung, weil hier partikulare Interessen womöglich besonders deutlich zum Ausdruck gebracht wurden. ‚Reine‘ Kleriker‑Stiftungen begegnen schon im frühen Mittelalter. Über die Geistlichkeit als soziale Formation sagen sie aber nicht besonders viel aus, denn ihre Urheber investierten ihr (ererbtes)
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Vermögen nicht anders als ihre im Lai‑ enstand verbliebenen Brüder, nämlich in Anniversarien; und wenn sie dabei Kleri‑ kergemeinschaften zu Destinatären und Administratoren ernannten, dann war dies in erster Linie dem Umstand geschuldet, dass es schlichtweg keine anderen ‚Dauer‑ personen‘ gab, die diese Funktion hätten übernehmen können.100 Anders verhält es sich dagegen mit den zahlreichen Offi‑ zium‑Stiftungen, mittels derer Kanoniker und Vikare – nur ganz ausnahmsweise auch Laien101 – das Stundengebet eines Kollegiatkapitels im Laufe des späteren Mittelalters immer feierlicher ausgestal‑ teten. (→ 8.2.5) Durch diese spezifische Form der Stiftung verpflichtete der Stifter seine Chorherrengemeinschaft nämlich einerseits ausdrücklich auf den gemein‑ samen Gottesdienst als transpersonales Handlungsziel; andererseits bot gerade der Vollzug von Offizium‑Stiftungen nicht nur wiederkehrende Anlässe, sondern auch probate Mittel für die korporative Selbst‑ organisation des Kapitels, da in der Regel einzelne Kanoniker qua Amt zu Fiduziaren bestellt wurden, während die Gesamtheit der Stiftsherren als Destinatär fungierte.102 ‚Reine‘ Laienstiftungen lassen sich erst im ausgehenden Mittelalter nachweisen, und zwar ausschließlich im bürgerlichen Milieu. Weder das Königtum noch der Adel haben die Entkirchlichung des Stif‑ tungswesens jemals so weit getrieben wie die spätmittelalterlichen Stadtbewohner. Nichtsdestotrotz blieb eine wie auch im‑ mer geartete Mitwirkung des städtischen Klerus bei den bürgerlichen Stiftungen der Normalfall, sei es als Empfänger, Verwalter oder Aufseher. Das gilt – entgegen anders‑ lautender Behauptungen – auch für die spätmittelalterlichen Schulstiftungen.103 Selbst das sogenannte ‚bürgerliche Spital‘, bei dem die Administration vollständig in der Hand von Laien lag, zählte zu seinen
Soziale Positionen der Akteure
Destinatären neben den Spitaliten immer auch einen als deren Seelsorger tätigen Priester.104 Allein bei den für notleidende Mitbürger gedachten Wohn‑ und Almosen‑ stiftungen, die unter der Pflegschaft der Stifterfamilie, bestimmter Zünfte oder des Rates standen, blieben die Laien wirklich ganz unter sich.105 14.2.4 Arme und Reiche Das Gegensatzpaar ‚Arme‘ (pauperes) und ‚Reiche‘ (divites) begegnet in den abend‑ ländischen Quellen seit dem 7. Jahrhun‑ dert. Es stellt die Mittellosen, die in der Regel zugleich auch die Schutzlosen wa‑ ren, den Vermögenden oder Mächtigen gegenüber; allerdings nicht um Unter‑ von Oberschichten abzugrenzen, sondern in der aus einschlägigen Bibelstellen gespeisten Überzeugung, dass sich gerade aus der Un‑ terschiedenheit von Armen und Reichen oder Mächtigen eine spezifische Pflicht zum gesellschaftlichen Zusammenwirken ergebe.106 Solche Kooperationen fanden ih‑ ren Ausdruck nicht zuletzt auf dem Gebiet des Stiftungswesens. Der Arme war und blieb das gesamte Mittelalter hindurch ein begehrter Destina‑ tär, denn nach Mt 25.40 war der „geringste Bruder“ (frater minimus) als ‚Stellvertreter‘ Christi der perfekte Adressat sündenvergel‑ tender Nächstenliebe. (→ 9.2.3) Warum der Arme arm war – ob Krankheit, Alter oder Tod ihn seiner Einkunftsquellen beraubt hatten, ob er als pfründenloser Kleriker am Hungertuch nagte, ob er als wissbegieriger Scholar in die Fremde gezogen war oder ob er als Asket schlichtweg ein freiwilliges Armutsgelübde auf sich genommen hatte – spielte dafür eigentlich keine Rolle. Trotz‑ dem wurde es den Stiftern im Laufe des Mittelalters zunehmend wichtiger, wie die immer konkreter gefassten Definitionen
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der Destinatäre vermuten lassen. Mög‑ licherweise hatten solche Stiftungskon‑ struktionen im Vergleich zu früheren Zei‑ ten tatsächlich einen „rationalere[n] Zug“, insofern der „subjektiv religiös‑orientierte Gesichtspunkt des Heilstrebens“ bei ihnen ergänzt wurde „durch das Erkennen der Armut und den Versuch zu wirksamer Ab‑ hilfe“107. Effektiver bekämpft wurde aber allenfalls die menschliche Not, nicht die Armut an sich;108 zu prägend blieb die be‑ reits im Frühmittelalter formulierten Auf‑ fassung: „Gott hätte alle Menschen reich machen können, aber er wollte, dass es in dieser Welt Arme gibt, damit die Reichen eine Chance haben, sich von ihren Sünden loszukaufen.“109 In diesem Sinne leisteten auch und gerade Stiftungen einen Beitrag dazu, Armut zu konservieren. Besonders routiniert geschah das überall dort, wo die soziale Position des Armen verpfründet wurde, also zum Beispiel in den süddeut‑ schen Seelhäusern110 oder den iberischen Pías Almoinas111. Aber auch Reichtum konnte im Medium der Stiftung perpe‑ tuiert werden, wenn das ‚fromme Werk‘ dem Wohltäter profanen Ruhm einbrachte. (→ 8.2.3) Gerade sozioökonomische Auf‑ steiger nutzten Stiftungen deshalb gerne als Instrument, um ihre wirtschaftliche Potenz für die Zeitgenossen, aber auch für spätere Generationen durch die Finanzie‑ rung prächtiger Bauwerke oder Objekte zu demonstrieren.
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Jahre), der adolescentia (‚frühe Jugend‘, bis 28 Jahre), der iuventus (‚späte Jugend‘, bis 50 Jahre), der gravitas (‚Würde‘, bis 70 Jahre) und der senectus (‚Alter‘, über 70 Jahre).112 Die Frage, in welcher Lebensphase man üblicherweise auf welche Art am Stiftungs‑ wesen partizipierte, hat die mediävistische Forschung bislang nicht erörtert. Das mag damit zusammenhängen, dass wir von den meisten Menschen des abendländischen Mittelalters das Geburtsdatum (und damit ihr jeweiliges Lebensalter) nicht oder nur näherungsweise bestimmen können. Für besonders gut dokumentierte Personen wie etwa die meisten Könige oder spätmit‑ telalterliche Bürger und Kleriker gilt das freilich nicht, so dass Verallgemeinerungen von begrenzter sozialer Reichweite sehr wohl möglich erscheinen. Bevor anhand eines konkreten und vergleichsweise gut aufgearbeiteten Beispiels die Erkenntnis‑ potentiale von Altersstufen‑Analysen in der historischen Stiftungsforschung an‑ gedeutet werden sollen, gilt es in Erinne‑ rung zu rufen, welche Partizipationsmög‑ lichkeiten einem Menschen angesichts der rechtlichen Rahmenbedingungen in den verschiedenen Abschnitten seines Lebens überhaupt offenstanden und welche nicht. Viele, aber nicht alle Rollen innerhalb des Stiftungswesens setzten ein gewisses Mindestalter voraus. Denn Stiftungen er‑ richten oder verwalten konnte nur, wer volljährig und damit geschäftsfähig war. Als Zäsur galt hierfür im römischen Recht der Beginn der Adoleszenz, die ‚germani‑ schen Volksrechte‘ setzten das Erwachsen‑ 14.2.5 Junge und Alte werden teils früher, teils später an.113 Min‑ Wie in der Antike und in der Moderne derjährige Kinder konnten somit eigentlich unterschied man auch im Mittelalter ver‑ bloß als Profitienten oder Destinatäre am schiedene Phasen eines Menschenlebens. Stiftungswesen teilhaben.114 Die elterliche So differenzierte etwa der einflussreiche Sorge um das Seelenheil ihrer Sprösslinge Enzyklopädist Isidor von Sevilla (gest. 636) ist in der Tat vielfach belegt, und zwar zwischen der infantia (‚frühe Kindheit‘, bis quer durch alle Schichten der Gesell‑ 7 Jahre), der pueritia (‚späte Kindheit‘, bis 14 schaft.115 Stiftungen, die ausdrücklich für
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minderjährige Destinatäre errichtete wur‑ den, sind hingegen eher rar gesät. Anders als in der christlichen Spätantike wurden Findel‑ und Waisenkinder lange Zeit nicht in eigens darauf spezialisierten Einrich‑ tungen (→ 3.2.1; 9.5.3), sondern durch die multifunktionale Institution des Hospitals versorgt.116 Allein Schulstiftungen richte‑ ten sich oft ausdrücklich an Jünglinge in der pueritia. So nahm etwa die 1418 gestif‑ tete Chorknabenschule an der Kathedrale von Genf Jungen im Alter zwischen 6 und 15 Jahren auf.117 Die zeitliche Limitierung der Destinatärsstellung hing dabei aller‑ dings nicht unmittelbar mit dem Erreichen der Volljährigkeit zusammen, sondern mit dem Beginn des Stimmbruchs; die An‑ spruchsvoraussetzungen konnten also je nach individueller Reife auch früher oder später wegfallen. Eine weitere Zäsur, die von enormer Bedeutung für eine Existenz als Stiftungsempfänger sein konnte, war der 24. Geburtstag; mit ihm erreichte man nämlich das erforderliche Mindestalter für die Priesterweihe.118 Durch den exponen‑ tiellen Anstieg von gestifteten Kaplanei‑ en, Vikarien, Altarlehen usw.119 gewann diese Voraussetzung für den Verzehr von Stiftungserträgen im späteren Mittelalter immer größere Bedeutung; zugleich wur‑ de sie aber vielfach durch Bestimmungen aufgeweicht, denen zufolge ein geeigneter Kandidat (etwa aus der Familie des Stifters) schon früher in den Genuss der Pfründe kommen durfte, sofern er nur zusicherte, die Priesterweihe zu erlangen, sobald er das kanonische Alter erreicht habe.120 Angesichts dieser Rahmenbedingungen ist zu erwarten, dass die aktive Beteiligung am Stiftungswesen meist in der ausgehen‑ den adolescentia ihren Anfang nahm und dann vor allem im Laufe der iuventus er‑ folgte, da aufgrund der durchschnittlichen Lebenserwartung nur wenige Menschen überhaupt das Lebensalter der gravitas
Soziale Positionen der Akteure
erreichten. Der gut aufgearbeitete Lebens‑ weg des ganz gewöhnlichen Klerikers Jo‑ hannes Gadeking (ca. 1475–1521) bestätigt diese Annahme sehr anschaulich.121 Ga‑ deking wurde um 1475 in Lemgo geboren, studierte ein paar Jahre ohne Abschluss an der Universität Rostock und erwarb die Befähigung zum Notar aus kaiserlicher Vollmacht, bevor er sich mit 24 Jahren zum Priester weihen ließ, um eine ewige Vikarie am Lübecker Dom zu erlangen. Er wurde also noch in der Adoleszenz zum Destinatär und blieb es dann ein Leben lang. Da Gadeking die Stiftungsauflagen – nämlich das tägliche Singen einer Früh‑ messe am Altar des Heiligen Laurentius – zum Teil durch angestellte Offizianten erledigen ließ, konnte man ihn im Laufe der nächsten anderthalb Jahrzehnte zum Destinatär etlicher weiterer Stiftungen er‑ nennen. Zunächst wurde er einer der Ho‑ risten, die reihum die liturgischen Tagzei‑ ten (‚Horen‘) zu Ehren der Jungfrau Maria in komprimierter Form zu singen hatten; als solcher partizipierte er auch an ver‑ schiedenen Gesangstiftungen, mit deren Intonation die Horisten betraut worden waren. Darüber hinaus wurde Gadeking durch Kooptation zum Begünstigten des Perfektenhauses, einer Wohnstiftung für (arme) Priester. Der Versuch, durch windi‑ ge Pfründengeschäfte auch noch Destinatär einer Vikarie‑Stiftung in Hohenkirchen (Mecklenburg) zu werden, scheiterte hin‑ gegen, vermutlich am Widerstand des Pa‑ tronatsherren. Parallel zu seiner Laufbahn als Stiftungsempfänger feilte Gadeking seit der Adoleszenz zudem an einer Karriere als Stiftungsverwalter. Die Erträge seiner Vi‑ karie musste er ohnehin selbst heben; noch im Jahr seines Dienstantritts übernahm er diese lästige Aufgabe als Prokurator auch für einen seiner Mitvikare. 1514 wurde er zudem Kollektor der Horisten und musste fortan deren gemeinsames Stiftungskapital
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verwalten, das in 35 Einzelposten angelegt war, und zwar „teils als kleine Sonderver‑ mögen innerhalb größerer Kapitalien an‑ derer, so des Domkapitels, der Vikare am Dom, der Vikare in Petri, teils selbständig je für sich, beim Lübecker Rat, beim Klos‑ ter Cismar, in Lüneburg, auf Fehmarn und sonst“122. Dass jemand wie Gadeking, der solch intime Kenntnisse des spätmittel‑ alterlichen Stiftungswesens hatte, nicht selbst zum Stifter wurde, ist erstaunlich. Bei den 50 Mark, die er zuletzt jährlich an Einkommen verzeichnete, dürfte eine derartige Investition kaum am fehlenden Vermögen gescheitert sein. Hatte sich der Vikar die Rolle des Stifters für die Zeit der gravitas aufgehoben? Auszuschließen ist das nicht, doch wäre eine solche Re‑ tardation – anders als die sonstigen Ver‑ strickungen in das Stiftungswesen seiner Zeit – wohl eher atypisch. 14.2.6 Fremde, Landsleute und Mitbürger Neben anderen Faktoren konnte auch die Herkunft eines Menschen seine Partizi‑ pationsmöglichkeiten am Stiftungswesen prägen. Das galt insbesondere für die Rolle des Destinatärs. Der nicht am Orte Ansässige war für viele mittelalterliche Stifter zumindest po‑ tentiell ein mittelbarer Stiftungsempfän‑ ger.123 Jedes Kloster oder Stift versorgte die Reisenden, die an seine Pforte klopften, mit Brot, Bier und Bett; größere Kommu‑ nitäten unterhielten hierfür sogar eige‑ ne Baulichkeiten.124 Die organisatorisch eigenständigen Hospitäler kümmerten sich neben der Krankenpflege und Ar‑ menfürsorge ebenfalls um die Beherber‑ gung und Verköstigung von Fremden; bis ins 9./11. Jahrhundert hinein waren die Fremden sogar namengebend für solche
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Orte institutionalisierter Nächstenliebe, bezeichnete man diese doch meist mit dem griechischen Lehnwort xenodochium als ‚Fremdenhaus‘.125 Entlang vielbereister Routen entstanden darüber hinaus schon im früheren Mittel‑ alter Einrichtungen, die ausschließlich auf die Klientel der Durchreisenden ausgerich‑ tet waren: Herbergen, Hospize, Gasthäuser und Tavernen. Bei ihnen dürfte es sich aber in der Regel entweder um kommerzielle Betriebe126 oder ‚eigenkirchenrechtliche‘ Institute127 gehandelt haben. Als freie Stif‑ tungen (→ 3.2.3) erscheinen solchermaßen spezialisierte Häuser in der Überlieferung jedenfalls vor allem dort in größerer Zahl, wo die naturräumlichen Bedingungen ei‑ nen profitablen Betrieb nahezu unmög‑ lich machten, nämlich im Hochgebirge. In auffälliger zeitlicher Koinzidenz wurden zwischen ca. 1150 und 1300 u. Z. auf allen bedeutenden Gebirgsübergängen der Al‑ pen, der Pyrenäen, der Auvergne und des Apennin spezielle Passhospize gestiftet.128 Insbesondere an den Orten, an denen viele Auswärtige zusammenkamen, ent‑ standen ferner Einrichtungen, die sich auf die Beherbergung von Fremden einer ganz bestimmten Herkunft spezialisierten. Zuerst geschah dies wohl in Rom, dem Zentrum der katholischen Christenheit, das schon im frühen Mittelalter Pilger aus nahezu allen Regionen des europäischen Kontinents anzog. Hier existierten im 8. Jahrhundert mindestens vier ethnisch geprägte Beherbungskomplexe für Franken, Friesen, Angelsachsen und Langobarden. Diese scholae peregrinorum genannten In‑ stitute darf man sich wohl als „mehr oder minder feste Sammelplätze für weitgereiste Pilger“ vorstellen, „die dort die schützende Nähe von Landsleuten, vor allem aber geis‑ tige Betreuung, Unterkunft, Krankenpflege und notfalls ihr Grab fanden.“129 Ob es sich allerdings um ‚echte‘ Stiftungen gehandelt
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hat, ist mehr als zweifelhaft, da die (ver‑ meintliche) Dotation mit jährlichen Abga‑ ben aus den Königreichen der jeweiligen Stifter erst durch Quellen des 12. Jahrhun‑ derts bezeugt wird.130 Das unterscheidet die frühmittelalterlichen scholae von den spät‑ mittelalterlichen collegia, die im Umfeld der großen abendländischen Universitäten für Studenten bestimmter Herkunft gestiftet wurden: In Paris gründete die französische Königin Johanna von Navarra 1304 das ‚Collège de Navarre‘ für iberische Studen‑ ten;131 ihm stellte Andrea Ghilini, Bischof von Arras, 1334 das ‚Collège de Lombards‘ für italienische Studenten zur Seite;132 in Bologna stiftete Kardinal Gil Albornoz 1364 das ‚Collegio de Spagna‘ wiederum für iberische Studenten133 und in Padua plante der zypriotische Kaufmann Pietro Garfrano ein Kolleg für vier Studenten aus seiner Heimat.134 Bei anderen Kollegienstiftungen war die Herkunft des zu beherbergenden Studenten ebenfalls ein entscheidendes Aufnahmekriterium, doch wurde sie hier nicht ethnisch aufgefasst, sondern anhand kirchlicher oder weltlicher Rechtsbezir‑ ke definiert. Der avignonesische Bischof Zoen Tencarari errichtete zum Beispiel 1275 in Bologna ein Kolleg für acht Scholaren aus seiner Diözese,135 und der apostolische Protonotar Ambrogio Griffe bestimmte 1489, dass seine Stiftung in Pavia stets drei Kollegiaten aus Pavia, drei aus Mailand und zwei aus Lodi aufnehmen sollte.136 Bestimmungen, die den Kreis potentiel‑ ler Destinatäre auf die Bürgersöhne be‑ stimmter Stadtgemeinden beschränkten, zu denen der Stifter ein besonderes Verhält‑ nis hatte, begegnen auch bei zahlreichen Stipendienstiftungen. Deren Destinatä‑ re mussten sich in der Regel verpflichten, ihre in der Fremde erworbenen Kenntnisse der Juristerei oder Theologie nach Beendi‑ gung des Studiums den Einwohnern ihrer
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Heimatstadt als Syndicus oder Prediger zu Gute kommen zu lassen.137 Anders als bei den Destinatärgruppen ‚Pilger‘ und ‚Studenten‘ hat die Herkunft bei Klerikern und Mönchen – zumindest in den Planungen der Stifter – nur ganz ver‑ einzelt eine Rolle gespielt. Ein interessanter Sonderfall sind in dieser Hinsicht jedoch die neun iro‑schottischen Konvente, die – vielleicht frühmittelalterliche Vorbilder aufgreifend138 – zwischen ca. 1100 und 1170 im süddeutschen Raum gestiftet wurden. Was genau die Wohltäter, die aus ganz verschiedenen sozialen Milieus stammten, sich von der Errichtung solch ethnisch exklusiver Institute genau versprachen, ist anhand des spärlichen Quellenmaterials allerdings nur schwer zu eruieren oder gar auf einen Nenner zu bringen.139 14.2.7 Exkommunizierte und Rekonziliierte Die großen Häresien des abendländischen Mittelalters, denen sowohl der Auf bau para kirchlicher Organisationsstrukturen als auch die Ausformulierung theologi‑ scher Leitideen gelang, standen dem Stif‑ tungswesen meist ablehnend gegenüber. Sie bestritten die Heilswirkung der auf Dauer gestellten ‚frommen Werke‘ und rieten ihren Anhängern zu anderen „Ve‑ hikeln der Erlösung“140. So hielten zum Beispiel die ‚Katharer‘ (12.–14. Jahrhundert) die sogenannte Geisttaufe (lat. consolamentum), mit der der endgültige Übergang in ein Leben ohne Sünde vollzogen werden sollte, für den einzig wirksamen Weg zur Erlangung des jenseitigen Heils. Institu‑ tionalisierte caritas, Kultusförderung und Gebetshilfe erachteten sie hingegen als ir‑ relevant für die Rettung der Seele, wodurch dem mittelalterlichen Stiftungswesen sein theologischer Nährboden entzogen
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wurde.141 Ähnliches lässt sich – wenn auch aus anderen Gründen – bei der ‚Sekte‘ der Waldenser beobachten, die im ausgehenden 12. Jahrhundert in Südfrankreich entstand und trotz jahrhundertelanger Verfolgung seit 1532 als eine Kirche der Reformation fortlebt. Die Waldenser begannen wie viele andere religiöse Bewegungen als asketi‑ sche Wanderprediger. Mit der Zeit führte ihr am Urchristentum orientierter Lebens‑ stil jedoch zu einer Ablehnung jeglicher Frömmigkeitspraktiken, die nicht durch die Bibel belegt waren. Hierzu zählte unter anderem das stellvertretende Messopfer, also ein Hauptanliegen der zeitgenössi‑ schen Stiftungstätigkeit.142 Heterodoxe Stiftungen hat es dement‑ sprechend im Bereich der lateinischen Christenheit nicht gegeben, wohl aber Stiftungen von und für Menschen, die sei‑ tens der Amtskirche als Anhänger hetero‑ doxer Glaubenslehren betrachtet wurden. Schon auf der 798 (?) abgehaltenen Synode von Reisbach wurden Gebannte zwar im Prinzip von jedem kommemorativen Ga‑ bentausch ausgeschlossen143, das hielt ex‑ kommunizierte Christen aber keineswegs davon ab, Gedenkstiftungen zu errichten. Der römisch‑deutsche König Ludwig IV. (der Bayer) reagierte etwa auf seinen 1324 durch Papst Johannes XXII. verhängten Ausschluss aus der katholischen Kirche mit einer zielstrebigen Stiftungspolitik.144 Das von Ludwig initiierte Gedenken war geographisch sorgfältig gestreut und setzte neben Religiosen ausdrücklich auch auf Laien als Interzessoren, die dem König – und das war von entscheidender Bedeu‑ tung – bereits zu Lebzeiten Gebetshilfe zu leisten hatten.145 Die Kirche und das Volk in Bayern sollten so davon abgehalten werden, „von ihrem gebannten Herrscher abzurücken. Beständig und allerorten“ mussten sie sich vielmehr „memorial zu ihm bekennen“.146 Auch die Nachkommen
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Ludwigs stifteten für den im Kirchenbann Verstorbenen fleißig weiter; insbesondere die 1391 angeordneten Gedenkpraktiken am Grabe zielten offenkundig darauf ab, „seinen Status als Gebannter [zu] überspie‑ len“ und ihn „unter der Hand liturgisch [zu] salvieren“.147 Ein solches Verhalten war allerdings keineswegs selbstverständlich, wie der Vergleich mit dem 1105 ebenfalls im Kirchenbann verstorbenen Kaiser Hein‑ rich IV. zeigt. Zwar experimentierte auch dieser Herrscher nach seiner Exkommu‑ nikation durch Papst Gregor VII. mit neu‑ en Stiftungsformen148, Kaiser Heinrich V. sorgte aber erst für die Rekonziliation seines 1005 gestorbenen Vaters, bevor er ihn 1111 zum Profitienten einer langlebigen Jahrtagsstiftung machte.149 Doch nicht nur Exkommunizierte, son‑ dern auch Rekonziliierte reagierten mit spezifischen Modalitäten des Stiftens auf ihren prekären religiösen Status. So spiel‑ ten etwa in posthäretischen Sakralgemein‑ schaften die Errichtung und Förderung kommunaler Sammelstiftungen eine be‑ sondere Rolle. Exemplarisch untersucht ist dies für die südfranzösische Stadt Montau‑ ban, deren Einwohnerschaft im Jahre 1236 durch den Dominikanermönch Petrus Cel‑ lani der Inquisition unterzogen wurde.150 Hier kommutierten viele Angehörige der städtischen Eliten die Bußwallfahrten, die ihrer Wiederversöhnung mit Gott dienen sollten, in Zustiftungen zur Kirchenfa‑ brik der örtlichen Pfarrkirche. Auffälliger Weise erscheint der Baufonds überhaupt erst in diesem Zusammenhang als ein Son‑ dervermögen mit eigenen Verwaltungsor‑ ganen, nämlich Provisoren, die aus den Reihen der vornehmen Bürger rekrutiert wurden. (→ 14.2.2) Die geläuterten Ketzer machten mit ihren Zustiftungen also in doppelter Hinsicht ein gutes Geschäft: Im Diesseits eroberten sie – gewissermaßen durch die Hintertür – neue Möglichkeiten
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der Einflussnahme auf die Geschicke ihrer Pfarrei und im Jenseits versprach die im Medium der Stiftung perpetuierte ‚gute
Soziale Positionen der Akteure
Tat‘ deutlich höheren Ertrag als eine ein‑ malige Pilgerfahrt. TL
Anmerkungen 1 MGH DD Kar. 1, 5, Nr. 3: Pippinus rex Fran- 140–156. Dazu: H. J. Schmidt, Arbeit und soziale corum vir inluster (von 752 V 27); Salzburger Ur‑ kundenbuch, Bd. 3. Ed. Willibald Hauthaler / Franz Martin. Salzburg 1918, 20 f., Nr. 550: plebano sancti Viti domino Livtoldo de Vogan (von 1202; aus einer erzbischöfliche Konfirmationsurkunde, insofern nur bedingt als Selbstzuschreibung aufzufassen); Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim und seiner Bischöfe, Bd. 5. Ed. Hermann Hoogeweg. (Quellen und Darstellungen zur Geschichte Nie‑ dersachsens, Bd. 24.) Hannover 1907, 45, Nr. 75: Conradus de Lindede miles (von 1342 XI 30). 2 Vgl. Vollmers, Hamburger Pfarreien (2005), 178 f.; Neidiger, Prädikaturstiftungen (2011), 282– 295. 3 Vgl. Grafen, Forschungen (1996), 396–405. Eine ähnliche Spannweite findet sich auch im Jahrzeit‑ buch des Kollegiatstifts St. Martin in Colmar. Vgl. Othenin-Girard, Ländliche Lebensweise (1994), 474. 4 Für die Kategorie Geschlecht wurde ein eige‑ ner Artikel reserviert: → 15.2. 5 Als wegweisend für die ständegeschichtliche Analyse des Stiftungswesens (und ihre methodi‑ schen Probleme) können die Pionierarbeiten von Wilbur Kitchener Jordan gelten, die freilich nur die letzten Jahrzehnte des englischen Mittelalters behandeln und sich auf die Frage standesspezifi‑ scher Stiftungszwecke konzentrieren, also nicht die Partizipation bestimmter sozialer Gruppen am Stiftungswesen insgesamt traktieren. Vgl. W. K. Jordan, Philanthropy in England (1959). Die Kritik an Jordans Kategorisierungen ließ – er‑ wartungsgemäß – nicht lange auf sich warten: Elton, Rez. Wilbur K. Jordan (1960), 90; Ch. Wilson, Rez. Wilbur K. Jordan (1960), 687. 6 Vgl. Oexle, Stand, Klasse (1990, ND 2011). 7 Vgl. Oexle, Funktionale Dreiteilung (1978). 8 Vgl. Berthold von Regensburg, Von zehen ko‑ eren der engele unde der kristenheit, in: Voll‑ ständige Ausgabe seiner deutschen Predigten, Bd. 1. Ed. Franz Pfeiffer. Wien 1862, ND Berlin 1965,
Ordnung (1989), bes. 277–289. Zur Relativierung der hierarchischen Ordnung bei Berthold siehe ebd., 282; 286. 9 Exemplarisch hierfür die widerstreitende Be‑ urteilung der Ständeliste Konrads von Megen‑ berg durch Mitterauer, Probleme der Stratifikation (1977), 22, und H. J. Schmidt, Arbeit und soziale Ordnung (1989), 285. 10 Oexle, Statik (1994). 11 Borgolte, Weltgeschichte der Stiftungen (in Vorbereitung); Ders., König als Stifter (2000, ND 2012). 12 Vgl. C. Ehlers, Gründungen geistlicher In‑ stitutionen (2005). 13 Reichsabteien: Vogtherr, Reichsabteien (2000); Pfalzstifte: Moraw, Pfalzstifte (1991); Heinemeyer, Entstehung (1995); Zotz, Klerikergemeinschaft (2005). 14 Ein besonders frühes Beispiel ist die vor 549 erfolgte Stiftung eines Xenodochiums in Lyon durch König Childebert I. und seine Gemahlin Ulthrogota. Vgl. Boshof, Untersuchungen (1976), 280; zu späteren Initiativen der karolingischen Herrscher siehe ebd., 332 f. 15 Exemplarisch für spätmittelalterliche Stif‑ tungen ist das Spital, das König Ludwig der Bayer am 25. Juli 1319 in seiner Residenz Ingol‑ stadt gründete. Vgl. Regesten Kaiser Ludwigs des Bayern (1314–1347). Nach Archiven und Bib‑ liotheken geordnet, Bd. 7. Bearb. Michael Menzel. (Regesta Imperii, Bd. 7.7.) Köln / Weimar / Wien 2003, 63 f., Nr. 144. Siehe dazu Heilig‑Geist‑Spital und Benefizien der Spitalkirche 1319–1500. Bearb. von Siegfried Hofmann. (Quellen zur Ingolstäd‑ ter Geschichte, Bd. 2.) Ingolstadt 1989. Bereits Kaiser Friedrich I. stiftete auffallend oft Spitä‑ ler, die – den Verhältnissen des 12. Jahrhunderts entsprechend – aber noch nicht der Pflegschaft des Rates anvertraut wurden, sondern von ver‑ schiedenen geistlichen (Ritter‑)Orden betrieben
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werden sollten (Prämonstratenser, Johanniter, und ihr Sohn Johannes (als Bischof von Speyer) Deutscher Orden). Vgl. Borgolte, König als Stifter im 11. Jahrhundert für Heinrich IV. errichteten. Vgl. Lohse, Heinrich IV. (2013), bes. 221 f. Zur Stif‑ (2000, ND 2012), 316–325. 16 Vgl. Borgolte, Rolle des Stifters (1985, ND 2012). tungstätigkeit von Königinnen, Königswitwen 17 Vgl. Schubert, Motive und Probleme (1978), und Prinzessinnen siehe auch Crusius, Dienst der 22. Nicht alle spätmittelalterlichen Universitäten Königsherrschaft (2008); Moddelmog, Königliche hatten indes königliche Gründer. Vgl. Rexroth, Stiftungen (2012), bes. 20–34; 113–143. Deutsche Universitätstiftungen (1992). 28 So errichtete etwa Hermann von Stockach, 18 Zur Sonderstellung des Königtums siehe be‑ der Heinrich (VII.) von Luxemburg als Notar reits Borgolte, Gedenkstiftungen (1984, ND 2012), gedient hatte, nach 1313 VIII 24 am Konstanzer 105. Vgl. auch Ders., König als Stifter (2000, Domstift eine Jahrzeit für den Kaiser. Vgl. Die ND 2012). Zu dynastischen Grablegen, an denen Jahrzeitbücher des Konstanzer Domkapitels. Ed. die Grabsorge durch fortwährende Akkumulation Uwe Braumann. (MGH Libri mem. N. S. 7.) Han‑ von Stiftungen gesichert wurde, siehe C. Ehlers, nover 2009, Bd. 1, 154; 292 f., Nr. E 493; Bd. 2, 604, Räumliche Konzepte (2007). Nr. 259. Siehe auch unten bei Anm. 39. 19 Vgl. etwa Black-Veldtrup, Kaiserin Agnes 29 Vgl. Metz, Nekrologische Quellen (1987), so‑ (1995), 126; C. Ehlers, Metropolis Germaniae (1996), wie die Kritik bei W. E. Wagner, Liturgische Ge‑ 92–96; kritisch dazu allerdings Lohse, Goslarer genwart (2010), 22–25. Pfalzstift (2002/2003), 91, Anm. 30. – Ein anderes 30 Vgl. etwa Grafen, Forschungen (1996), 114–137; Beispiel: Proetel, Großes Werk (2000), bes. 70 f. Schmatz, Lorscher Necrolog‑Anniversar (2007), 20 Vgl. Borgolte, Grab in der Topographie (2000, 164–184. ND 2012), 292. Fallstudien: Ders., Stiftungsurkun‑ 31 Vgl. Lohse, Konrad I. (2006). den Heinrichs II. (1993, ND 2012); W. E. Wagner, 32 Einen instruktiven Fall behandelt W. E. WagGebetsgedenken (1994); Borgolte, König als Stifter ner, Abtswahlprivileg (2001). (2000, ND 2012); Menzel, Memoria Kaiser Lud‑ 33 Am Beginn dieser Art von Einflussnahme wigs (2001); Lohse, Konrad I. (2006); Ders., Dauer standen die sogenannten Königskanonikate. (2011), 56–59. Vgl. Borgolte, Typologie und Chronologie (1991, 21 Vgl. etwa Borgolte, Stiftungsurkunden Hein‑ ND 2012). Im spätmittelalterlichen Reich erlangte richs II. (1993, ND 2012), 258–264. das Instrument der „Ersten Bitten“ (preces pri22 So aber mit besonders klar artikulierter Mo‑ mariae) eine nicht unbeträchtliche Bedeutung tivation z. B. Karl der Kahle in einer Stiftungs‑ für die königliche Pfründenpolitik. Vgl. Willich, urkunde für das Kloster St. Denis. Vgl. Boshof, Wege zur Pfründe (2005), 226–234, mit Nachweis Untersuchungen (1976), 332 f. der älteren Literatur. 23 Vgl. W. E. Wagner, Gebetsgedenken (1994), bes. 34 Vgl. Moddelmog, Stiftung oder Eigenkirche (2008). 28–31; 77 f.; Lohse, Konrad I. (2006), 301 f. 24 Heinrich III. errichtete etwa für seinen Groß‑ 35 Vgl. Semmler, Traditio und Königsschutz onkel, den 1045 verstorbenen Bischof Bruno von (1959); C. Ehlers, Helfender Herrscher (2003). Würzburg, ein Anniversar beim Basler Domka‑ 36 Exemplarisch: Lohse, Dauer (2011), 117–121; pitel, das nachweislich bis ins 15. Jahrhundert siehe auch ebd., 192–195, sowie verallgemeinernd vollzogen wurde. Vgl. MGH DD H III, 291, Nr. 218; Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012), 312– Das Anniversarbuch des Basler Domstifts (Liber 314. vite ecclesie Basiliensis). 1334/38–1610. Ed. Paul 37 Schon früh übernahmen die Könige solche Bloesch. Basel 1975, Bd. 1, 47 f.; 55–64; Bd. 2, 241 Aufgaben nicht selbst, sondern delegierten sie (zum 27. Mai). an subalterne ‚Beamte‘; so etwa Ludwig II. mit 25 Vgl. Lohse, Konrad I. (2006), 301 f. mit Anm. 52. seinen 865 auf dem Reichstag in Pavia ergange‑ 26 Vgl. K. Schmid, Salische Gedenkstiftungen nen Verfügungen an die Königsboten: Capitulare (1984). missorum, 865. post Febr. 4., in: Capitularia re‑ 27 Ein spektakuläres Beispiel sind die Stif‑ gum Francorum, Bd. 2. Ed. Alfred Boretius / Victungen, die die illegitime Königstochter Azela tor Krause. (MGH Capit. 2.) Hannover 1897, 93 f.,
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Nr. 217, hier 94, cap. 5; siehe hierzu auch Boshof, 52 Vgl. die bischöfliche Bestätigungsurkunde Untersuchungen (1976), 285. im Episcopologio de la sede Barcinonense. Apun‑ 38 Vgl. Raban, Mortmain Legislation (1982, tes para la historia de la iglesia de Barcelona y ND 2008); Stiftung und Staat im Mittelalter. Eine de sus prelados. Ed. Sebastián Puig y Puig. (Bib‑ byzantinisch‑lateineuropäische Quellenantho‑ liotheca histórica de la Bibliotheca Balmes. Serie logie in komparatistischer Perspektive. Ed. Tim 1, Bd. 1.) Barcelona 1929, 368 f., Nr. 28; dazu Wolff, Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011, 49 f. Quidam homo (1963), bes. 134, mit dem Hinweis auf eine ungedruckte Urkunde, der zufolge Ro‑ 39 Vgl. Dilba, Memoria Reginae (2009), 385 f. 40 Entsprechende Vergleiche, die bislang auffällig bert diese Verfügung u. a. zu seinem Gedächtnis selten angestellt wurden, berücksichtigen meist bloß getroffen habe. die Errichtung von Stiftungen. Vgl. etwa Borgolte, 53 Vgl. Lusiardi, Stiftung und städtische Ge‑ Stiftungsurkunden Heinrichs II. (1993, ND 2012), sellschaft (2000), 189–222; Mol, Zielenheilseco‑ 262, wo Karl der Kahle als ein „ungewöhnlich nomie (2001). stiftungsaktive[r] Frankenkönig“ bezeichnet wird. 54 Eine Gesamtdarstellung fehlt. Lokale Fall‑ 41 Einen konzisen Überblick vermitteln Wer- studien: Graf, Memoria in der Stadtpfarrei (1997); ner / Tabacco / Maksimović, Adel (1980), 118–141, mit Vollmers, Hamburger Pfarreien (2005), 164–256; zahlreichen weiteren Verweisen. Reitemeier, Pfarrkirchen (2005). 42 Vgl. Borgolte, Gedenkstiftungen (1984, 55 Grundlegend: Reicke, Deutsches Spital ND 2012), 126–128; Ders., Alaholfingerurkunden (1932). Instruktive Fallstudien: Pohl-Resl, Rech‑ (1986), bes. 297–307. nen mit der Ewigkeit (1996); Hatje, Gott zu Eh‑ 43 Vgl. Steinböck, Klostergründungen (1974), 519; ren (2002). Holzfurtner, Gründung (1984). 56 Exemplarisch: Willich, Wege zur Pfrün‑ 44 Zu den Gründen hierfür vgl. exemplarisch de (2005), 270; 350–353; 462–466; 543 f. Gerade Fichtenau, Urkunden Tassilos III. (1963, ND 1977), Domkapitel neigten dazu, die Bürger ihrer Stadt bes. 64–66; 84 f. vom Pfründenerwerb statutarisch auszuschlie‑ 45 Raban, Mortmain Legislation (1982, ND 2008); ßen. Vgl. ebd., 352 mit Anm. 479. Siehe auch ebd., Rosenthal, Purchase of Paradise (1972), 134–160. 87 f., Anm. 191, die Nachweise von Adelsstatuten, 46 Rosenthal, Purchase of Paradise (1972). – Holz- die gegen bürgerliche Kandidaten jedweder Pro‑ furtner, Schenker und Schenkergruppen (1991), venienz gerichtet waren. demonstriert, dass auch die hochmittelalterlichen 57 Diesen Begriff erfand Pleimes, Weltliches Traditionsbücher mit statistischen Methoden im Stiftungsrecht (1938). Hinblick auf den sozialen Status der Tradenten 58 Vgl. Scheller, Stiftungen und Staatlichkeit ausgewertet werden können, unterscheidet aber (2005). nicht genau genug zwischen Stiftung und Schen‑ 59 Mitunter funktionierten solche Stiftungs‑ kung bzw. Stiftung und Eigenkirche. konstruktionen bis weit in die Moderne hinein. 47 Rosenthal, Purchase of Paradise (1972), 4–8; Vgl. etwa Imray, Charity (1968). 125 (Zitat). 60 So korrelierte etwa im spätmittelalter‑ 48 Ebd., 131 f.; siehe auch 125–132. lichen Straßburg das Versiegen von Handwerker‑ 49 So die grundlegende These von K. Schmid, Stiftungen mit der Bildung eigener Bruderschaf‑ Geblüt (1998). Einen Überblick über die daran ten. Vgl. Othenin-Girard, Ländliche Lebensweise anknüpfende Forschungsdiskussion vermittelt (1994), 152 f. Allgemein zu Gebetsverbrüderungen: Hechberger, Adel (2004), 74–77. Wollasch, Mittelalterliche Lebensform (1984). 50 Exemplarische Fallstudien: Pätzold, Frühe 61 Vgl. Schröcker, Kirchenpflegschaft (1934); Wettiner (1997), 179–223; Brüsch, Brunonen (2000). ergänzend: Fuhrmann, Kirche und Dorf (1995), Zur Kritik des Forschungskonstrukts ‚Hausklos‑ 127–140. ter‘ siehe aber die wichtigen Bemerkungen bei 62 Dieser Vorgang bedürfte dringend einer eu‑ Rasmussen, Monastic Benefactors (2006), 81–83. ropaweit vergleichenden Analyse. 51 Vgl. die luziden Analysen bei Grafen, For‑ 63 Vgl. beispielsweise Haas, Leben im Kolle‑ schungen (1996), 159–181. giatstift (2011), 80 f.; 86–88; 242; 403 f.; 462–474.
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64 Ein eindrucksvolles Zeugnis dieser Stif‑ 74 Vgl. die Beispiele bei Scheller, Memoria an
tungskonjunktur ist das Totenbuch des Straß‑ burger ‚Frauenwerks‘. Vgl. Stanford, Commemo‑ rating the Dead (2011). 65 Die ältere Forschung hat diese beiden Cha‑ rakteristika nur unzureichend erfasst, da sie sich zu sehr durch einen vermeintlichen Antagonis‑ mus von Kirche und Welt bzw. Klerus und Bür‑ gertum leiten ließ. Vgl. etwa Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938); W. K. Jordan, Philanthro‑ py in England (1959); Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts (1963, ND 2002), bes. 93–95; 124 f. 66 Vgl. Stanford, Commemorating the Dead (2011), 50, Anm. 57. 67 Typische Beispiele behandelt Kießling, Bür‑ gerliche Gesellschaft (1971), 223 f. Siehe auch Ders., Pfennigalmosen (1990). 68 Ein Beispiel aus Schleswig: Hamburgisches Urkundenbuch. Ed. Johann Martin Lappenberg. Hamburg 1842, Bd. 1, 758, Nr. 913. Siehe dazu auch Rathjen, Schleswig im Spätmittelalter (2005), 165. 69 So zum Beispiel die um 1200 (wieder‑) errichtete Exe Bridge in Exeter. Vgl. The Chantry Certificates for Devon and the City of Exeter. Ed. Lawrence S. Snell. Exeter [1961], 13: The Chauntrye called Gervys his Chauntrye. ffounded by Walter Gervys to ffynd a pryste for ev’ to pray for his sowle w tin A chapell standyng uppon Exbridge (…) who hathe for his stipend yerelye l s. (…) And the remaynʼ of the Issues of the landes the sayd ffounder wylled shuld be safely kept to ye repʼacon of the sayd bridge of Ex. („Die Kaplanei, die Gervasʼ Kaplanei ge‑ nannt wird, gestiftet von Walter Gervas, um in der Kapelle, die auf der Brücke über die Exe steht, um für immer einen Priester zu finanzieren, der für seine Seele betet und zum Lebensunterhalt jährlich 50 Pfund hat. […] Und der Rest der Er‑ träge aus den [gestifteten] Ländereien soll nach dem Willen des Stifters sicher verwahrt werden für die Reparatur der genannten Brücke über die Exe“). Siehe dazu auch MacCaffrey, Exeter (1958, ND 1975), 103 f.; Orme, Churches of Medieval Exe‑ ter (2014), 40 f.; 101. 70 Vgl. Rexroth, Stiftungen (2000). 71 Vgl. Rawcliffe, Dives Redeemed (2008). 72 Vgl. Rexroth, Deutsche Universitätsstiftun‑ gen (1992), bes. 243–251. 73 Vgl. Presuhn, Tot ist, wer vergessen wird (2001), 184–192.
der Zeitenwende (2004), 132–151. – Es gab aber auch Stiftungen für Hausarme, die bloß der kurzfristigen Überbrückung einer akuten (z. B. krankheitsbedingten) Notlage durch Nahrungs‑ mittel‑ und Kleidungszuweisungen dienten. Sol‑ che Hausarme konnten nach Überwindung ihrer Einkommenskrise natürlich sehr wohl selbst zu Stiftern werden. Vgl. die Beispiele bei Kießling, Bürgerliche Gesellschaft (1971), 223 f. 75 Ein instruktives Beispiel behandelt Schwemmer, Dr. Lorenz Tucher (1976). De facto waren viele Vikarie‑Stiftungen Familienstiftungen, da Angehörige der Stifterfamilie sie im Rahmen des Patronatsrechts zur Versorgung klerikaler Ver‑ wandter nutzten. Vgl. z. B. Vollmers, Hamburger Pfarreien (2005), 179. Ebd., 173 f., wichtige Überle‑ gungen zu den verschiedenen Devolutionsfristen, die im spätmittelalterlichen Hamburg zwischen 100 und 200 Jahren lagen. Siehe grundsätzlich auch Lusiardi, Familie und Stiftung (2008). 76 Vgl. Ruprecht, Stiftungen (2011), 51 f. 77 Borgolte, Freigelassene (1983, ND 2012), 149; vgl. ebd., 140 f.; 148. 78 Collectio Sangallensis Salomonis III. tempore conscripta. Ed. Karl Zeumer, in: Formulae Merowin‑ gici et Karolini Aevi. (MGH Formulae.) Hannover 1886, 390–433, Nr. 17, hier 406: Notum sit omnibus huius pagi cultoribus, quod ego (…) unum de famulis meis nomine ill. (…) ab inportuno servitutis iugo humanae (…) disposui; ita ut divinis ipse mancipatus servitiis omni vitae suae tempore pro me atque meis (…) orare non cesset, et per singulos sacrae promotionis gradus ascendens, vicinius et familiarius pro nobis misericordi Domino supplicare prevaleat. Übers. nach Borgolte, Freigelassene (1983, ND 2012), 144. – Der Stiftungscharakter derartiger Verfügungen ist sicher diskutabel. Bei der Beurteilung muss aber auch das soziale Umfeld des Freigelassenen mit berücksichtigt werden. Vgl. ebd., 145 f. 79 Vgl. Urkundenbuch des Hochstifts Hal‑ berstadt und seiner Bischöfe, Bd. 2. Ed. Gustav Schmidt. (Publicationen aus den k. preußischen Staatsarchiven, Bd. 21.) Leipzig 1884, 1, Nr. 654 (von 1236 VII 24). Siehe dazu auch Schröcker, Kir‑ chenpflegschaft (1934), 47 f.; Fuhrmann, Kirche und Dorf (1995), 127 f. 80 Vgl. Petke, Kirche (2005), 57 f., der allerdings terminologisch nicht streng genug zwischen
40 ‚Stiftung‘ und ‚Eigenkirche‘ trennt. Zu dieser Differenzierung → 4.2.2. 81 Siehe aber die Belege aus einem dänischen Anniversarbuch des 15. Jahrhunderts bei Rasmussen, Monastic Benefactors (2006), 87. 82 Vgl. Othenin-Girard, Ländliche Lebensweise (1994), 39–49; 55–66. Nur wenige Stiftungen las‑ sen sich präzise datieren; die ältesten stammen von 1350 (Läufelfingen) bzw. 1351 (Therwil). Vgl. ebd., 48 f. Das Jahrzeitbuch aus dem benachbarten Liestal „mit vielen Einträgen aus dem 14. Jahr‑ hundert“ (ebd., 49) wurde von Othenin‑Girard nicht analysiert. 83 Vgl. ebd., 46. 84 Vgl. Bünz, Bauern von Gumpelstadt (2000), bes. 146–151, der sich auf eine ebd., 156–158, edierte Stiftungsurkunde von 1501 stützt. 85 Vgl. Haas, Leben im Kollegiatstift (2011), 241–246. 86 Vgl. Othenin-Girard, Ländliche Lebensweise (1994), 31. In Oltingen wuchs der Kreis der Zustif‑ ter im Laufe der Jahre auf 61 Personen an. Vgl. ebd., 39. 87 Zitiert nach Fuhrmann, Kirche und Dorf (1995), 161: mit vnserm Almußen vnd mit annder Crister glöbigen menschen Almußen, die uns Ir milten hend dar zu erbotten hand. Vgl. dazu (mit weiteren Beispielen) ebd., 161 f. 88 Ebd., 163. 89 Vgl. ebd., 178–182. 90 Vgl. Othenin-Girard, Ländliche Lebensweise (1994), 40–42. Auch wöchentliche Fronleichnams‑ messen wurden gestiftet. Vgl. Bünz, Bauern von Gumpelstadt (2000), 146–148. 91 Vgl. Fuhrmann, Kirche und Dorf (1995), 179, Anm. 91; 187. 92 Ebd., 173 f. 93 Vgl. Decretum Magistri Gratiani. Ed. Emil Friedberg. (Corpus Iuris Canonici, Bd. 1.) Leipzig 1879, col. 678, causa 12, qu. 1, cap. 7. Dazu Oexle, Stand, Klasse (1990, ND 2011), 310. 94 Vgl. ebd., 312. 95 Urkundenbuch Hildesheim, Bd. 5. Ed. Hoogeweg (wie Anm. 1), 12 f., Nr. 21. 96 Beispiele: Berman, Dowries (1993), 8 (Beleg von 1277); Gleba, Verflechtungen (2002), 363 f. (Be‑ leg von 1482). 97 Beispiele: Berman, Dowries (1993), 7 (Beleg von 1296); Spieß, Familie und Verwandtschaft
Soziale Positionen der Akteure
(2015), 370–379 (Belege aus dem 15. Jahrhundert); Wiszewski, Stifterfamilie und Konvent (2000), 93–95 (Belege aus dem 14./15. Jahrhundert); Gleba, Verflechtungen (2002), 361 f. (Belege aus dem 15./16. Jahrhundert). 98 Urkundenbuch der Stadt Worms, Bd. 2. Ed. Heinrich Boos. (Quellen zur Geschichte der Stadt Worms, Bd. 2.) Berlin 1890, 557, Nr. 853: Auch erkante sich her Peter der capellan (…), daz junfrauwe Grede eyne closter frauwe zů Nonnenmunster, des (…) hern Peter Arnoltes liplich swester, auch funff phont heller an die obgenante gulte gegeben und gesaczet hede (…), daz eyn iegelicher capellan der obgenanten gulten sal alle jar jerlichen und eweclichen eyne messe lesen uff sante Dorotheen dag von irme feste der heyligen jungfrauwen. Vgl. Kleinjung, Nonnen und Personal (2009), 253, die allerdings irrtüm‑ lich von einem „Jahrgedächtnis“ Gredes spricht. 99 Das Neusser Totenbuch. Liber animarum capituli monasterii sancti Quirini Nussiensis (London, British Library, Ms. Add. 15456). Bearb. Rolf Nagel / Joachim Oepen. Neuss 2000, fol. 9r: Obiit Heinricus de [Fratribus] Minoribus, 18 denarii; Transkription und dt. Übers. ebd., 12 (zum 18. Februar). 100 Vgl. Scheller, Memoria (2009). 101 Die gut erforschten Verhältnisse am Braun‑ schweiger Blasius‑Stift können als exemplarisch gelten. Von den 66 Offizium‑Stiftungen, die hier im Laufe des 15. Jahrhunderts errichtet wurden, hatten nur zwei laikale Urheberinnen. Vgl. die Übersicht bei Haas, Leben im Kollegiatstift (2011), 475–487, hier 475 (F4); 482 (F40). Die Braunschweiger Befunde werden zum Beispiel bestätigt durch das Seelbuch des Stifts Limburg von 1470, in: Quellen zur Geschichte der Klöster und Stifte im Gebiet der mittleren Lahn bis zum Ausgang des Mittelalters, Bd. 5.2. Ed. Wolf-Heino Struck. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau, Bd. 12.) Wiesbaden 1984, 208–335, hier 214–237. 102 Vgl. Haas, Leben im Kollegiatstift (2011). Dazu Lohse, Rez. Irmgard Haas (2011), sowie Marchal, Welt der Kanoniker (2003). 103 Vgl. grundsätzlich Orme, Laicization (1987). 104 Vgl. Reicke, Deutsches Spital (1932), Bd. 1, bes. 198. 105 Wohnstiftungen: Bauernfeind, Nürnberger Seelhäuser (2010); Hilz, Seelhäuser (2010); Almo‑ senstiftungen: Kießling, Pfennigalmosen (1990);
Lateinische Christen
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Lusiardi, Stiftung und städtische Gesellschaft (1996), 313 (zum 4. Mai: Anshelmus puer obiit, qui (2000), 229–231. Vgl. zu dem Problemkreis auch dedit II iugera agri in Spira – „Anselm, ein Knabe, Brodman, Charity and Welfare (1998), 125–143, ist gestorben, der zwei Morgen Ackerland in Speyer dessen sorgfältig abwägende Überlegungen al‑ gegeben hat“); 344 (zum 28. September: Albertus lerdings daran kranken, dass sie nicht zwischen puer obiit, qui dedit IJ iugera agri in Spira – „Albert, verschiedenen Stiftungstypen differenzieren; ein Knabe, ist gestorben, der zwei Morgen Acker‑ hierzu → 3.2. land in Speyer gegeben hat“); 347 (zum 9. Oktober: 106 Vgl. Oexle, Potens und Pauper (1992), bes. Dragebodo puer obiit, qui dedit tria iugera agri in 136–138; 146 f., in Auseinandersetzung mit Bosl, Spira – „Dragebodo, ein Knabe, ist gestorben, der drei Morgen Ackerland in Speyer gegeben hat“). Potens und Pauper (1963, ND 1964). 107 Kießling, Bürgerliche Gesellschaft (1971), 225. Nicht als Stifter und Profitienten, sondern eindeu‑ 108 Vgl. Lusiardi, Stiftung und städtische Ge‑ tig nur als Profitienten erscheinen dagegen andere sellschaft (2000), bes. 229 f.; 241. Knaben ebd., 318 (zum 8. Juni: Cvnradus puer obiit, 109 Praedicatio Eligii de supremo iudicio. Ed. pro quo data est huba una in Gernesheim – „Kon‑ Bruno Krusch, in: Passiones vitaeque Sanctorum rad, ein Knabe, ist gestorben, für den eine Hufe aevi Merovingici. (MGH SS rer. Merov. 4.) Han‑ in Germersheim gegeben worden ist“); 345 (zum 5. nover / Leipzig 1902, 749–761, hier 754, cap. 8: Po- Oktober: Sifridus puer obiit, pro cuius anime remedio tuit nempe Deus omnes homines divites facere, sed pater suus Sifridus contulit nobis IIIJor iugera agri pauperes ideo in hoc mundo esse voluit, ut divites in Reinsheim – „Siegfried, ein Knabe, ist gestorben, haberent, quomodo peccata sua redimerent. Welch für dessen Seelenheil sein Vater Sigfried uns vier große Hoffnungen die Reichen in die stellver‑ Morgen Ackerland in Rheinsheim gegeben hat“). tretend geleisteten ‚Werke der Barmherzigkeit‘ Dass der Wortlaut des Necrologeintrags nicht in setzten, sieht man daran, dass auch bei komme‑ jedem Fall wörtlich zu nehmen ist, zeigt indes morativen, kultischen oder edukativen Stiftungen das Beispiel des Hugelinus de Argentina, der an häufig etwaige Überschüsse als Almosen unter seinem Todestag als Stifter einer Geldsumme ge‑ den Armen verteilt werden sollten. (→ 9.2.2) nannt wird, als deren Stifter an anderer Stelle seine 110 Vgl. Bauernfeind, Nürnberger Seelhäuser Eltern erscheinen. Vgl. ebd., 322 (zum 23. Juni); 362 (2010); Hilz, Seelhäuser (2010). (zum 5.12.). Interpretationsspielraum bietet auch 111 Einen bequemen Überblick über die Zahl der Eintrag ebd., 339 (zum 4. September: Albertus der Pfründen und die Art der Almosen am Ende puer obiit, de quo datur albus panis et uinum de des Mittelalters bietet Rico Camps, Almoinas ca‑ curia Drushardi camerarij patris sui – „Albert, ein tedralicias (2005), 158 f. Das sukzessive Anwach‑ Knabe, ist gestorben, von dem [uns] Weißbrot und sen der Pfründenzahl durch einzelne Stiftungen Wein [als Erbzins] von dem Hause Drushards, des schildert Baucells i Reig, Gènesi de la Pia Almoina Kämmerers seines Vaters, gegeben wird“). (1982), am Beispiel der Kathedrale von Barcelona. 115 Exemplarisch: Othenin-Girard, Ländliche 112 Isidori Hispalensis episcopi etymologiarum Lebensweise (1994), 129–135. sive originum libri XX. Ed. Wallace Martin Lindsay. 116 Stiftungen, die sich ausschließlich um aus‑ (Sciptorum Classicorum Bibliotheca Oxoniensis.) gesetzte Kinder kümmerten, wurden in größerer Oxford 1911, Bd. 2, lib. 11, cap. 2. Vgl. Goetz, Alt Zahl erst im 15. Jahrhundert errichtet. Vgl. Brodsein (2008), 23 f. Ebd. auch zu konkurrierenden man, Charity and Welfare (1998), 106–123, hier bes. Systemen. 111; Boswell, Kindness of Strangers (1989), 415–417. 113 Vgl. Primetshofer / Brauneder, Alter (1980), Ebd., 225, Anm. 158, kritisch zu der angeblichen Stiftung eines Findel‑ und Waisenhauses durch 470 f. 114 Einzelne Totenbucheinträge vermitteln al‑ den Mailänder Erzpriester Datheus im Jahre 787. lerdings den – von der Stiftungsforschung bislang 117 Vgl. Bouquet-Boyer, Musique (1984), 12. Siehe nicht problematisierten – Eindruck, dass auch auch Demouy, Pueri chori (1993); Mould, English Minderjährige Anniversarstiftungen errichten Chorister (2007); Haas, Leben im Kollegiatstift konnten. Vgl. etwa die Belege aus dem Speyerer (2011), 290–296 (allesamt aber ohne konkrete Al‑ Domnecrolog von 1273 bei Grafen, Forschungen tersangaben).
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Soziale Positionen der Akteure
118 Vgl. Vollmers, Hamburger Pfarreien (2005). 134 Vgl. Denley, Collegiate Movement (1991), 84. 119 Zwei exzellente Fallstudien: Prange, Vikari‑ 135 Vgl. ebd., 78. en (2003); Rousseau, Saving the Souls (2011). 136 Vgl. ebd., 87. Analoge Beispiele: ebd., 79 120 Exemplarisch: Prange, Johannes Gadeking (Colligio Reggiano in Bologna, gestiftet 1326); (2006, ND 2014), 240.
84 (gescheiterte Stiftung in Padua aus dem Jahr
121 Vgl. – auch zum Folgenden – Prange, Jo‑ 1391); 85 (Scholares Auximani in Padua, gestiftet hannes Gadeking (2006, ND 2014).
122 Ebd., 244. 123 Zur Unterscheidung von unmittelbaren
und mittelbaren Stiftungsbegünstigten → 12.2.3. 124 Von den ca. 650 Klöstern des Karolinger‑ reiches sind nach Peyer, Gastfreundschaft (1987), 122, für gut 50 angegliederte Spitäler ausdrück‑ lich belegt. 125 Vgl. Boshof, Untersuchungen (1976), 278 f.; 282; 284 f.; Szabó, Xenodochia (1983), 64 f. mit Anm. 25; 72 f. 126 Vgl. ebd., 78 f., Peyer, Gastfreundschaft (1987). 127 Vgl. Schönfeld, Xenodochien (1922), 44–49. Zum Verhältnis von Stiftung und Eigenkirche bzw. ‚Eigenxenodochium‘ → 4.2.2. 128 Vgl. Schmugge, Anfänge (1983), 44–46; Szabó, Xenodochia (1983), 76 f. (auch zu frühmittelal‑ terlichen Vorläufern); Peyer, Gastfreundschaft (1987), 131. Eine stiftungsgeschichtliche Analyse der einschlägigen Zeugnisse leistet freilich keine der zitierten Studien. 129 Schieffer, Karl der Große (1998), 34. Dass die Gäste der scholae aber keineswegs als ethnisch homogene Gruppe aufgefasst werden dürfen, lehrt ein Würzburger Translationsbericht aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts, in dem es über die Salvator‑Kirche der schola Francorum heißt, Karl der Große habe sie „als Almosen für die fränkischen Pilger und auch andere von allen Seiten Herbeikommende errichten lassen“ (ad elemosinam sui Francis peregrinis nec non et aliis undique convenientibus aedificari voluit; zitiert nach ebd., 32). 130 Pro und Contra ebd., 30 f. Siehe auch Santangeli Valenzani, Hosting Foreigners (2014), 78–85, dessen – auf das Kriterium der Rechts‑ subjektivität abhebender – Stiftungsbegriff für das 8./9. Jahrhundert allerdings anachronistisch ist; → 1.2.1. 131 Vgl. Gorochov, Collège de Navarre (1997). 132 Vgl. Manno Tulo, Scolari italiani (1989). 133 Vgl. Marti, 1367 (1967); Fletcher, Spanish College (1972).
1397; Collegio Spinelle in Padua, gestiftet 1439).
137 Vgl. die Beispiele bei Ruprecht, Stiftungen (2011), 45 f.
138 Zum Ideal der asketischen Heimatlo‑ sigkeit bei den frühmittelalterlichen Iren vgl. Lohse, Heimat und Heimatlosigkeit (2015). Zur Frage der frömmigkeitsgeschichtlichen Konti‑ nuität bis ins hohe Mittelalter vgl. Flachenecker, Schottenklöster (1995), bes. 59 f. Inwieweit die columbanischen Klostergründungen als Stif‑ tungen aufzufassen sind, wäre allerdings ge‑ sondert zu diskutieren. 139 Vgl. ebd., bes. 98–107; 245–248; S. Weber, Iren (2010), passim. 140 Formulierung in Anlehnung an Scheller, Gedenken und Geschäft (2005), 133. 141 Vgl. Rottenwöhrer, Katharer (1991), 1067. Sie‑ he jetzt auch Sennis, Cathars in Question (2016). 142 Vgl. Ricca, Waldenser (2001), 954. 143 Concilium Rispacense. Ed. Albert Werminghoff, in: Concilia aevi Carolini, Bd. 1. (MGH Conc. 2.1.) Hannover / Leipzig 1906, 196–201, hier 201, Nr. 16: observare debemus, ut qui ab universali synodo pro certis criminibus excommunicatus fuerit, (…) nec post mortem in memoria eius (…) oblationes pro illo offerre in aecclesia catholica non debeant nec suas elemosinas recipere. („Wir mögen beachten, dass sie [nämlich die Bischöfe, Priester, Diakone und Laien] demjenigen, der von einer allgemeinen Synode für gewisse Verbrechen ex‑ kommuniziert wird, (…) es weder schuldig sind, nach dem Tode zu seinem Gedenken (…) in der allumfassenden Kirche Messopfer darzubringen, noch seine Almosen anzunehmen.“) Siehe auch Oexle, Memoria und Memorialüberlieferung (1976, ND 2011), 171 f., zu früheren Sanktionen mit ähn‑ licher Stoßrichtung. 144 Menzel, Memoria Kaiser Ludwigs (2001), bes. 261. 145 Vgl. ebd., 262 f. 146 Ebd., 281; vgl. auch 264: „Die memoriale Präsenz Ludwigs wird [durch entsprechende Stiftungen] im Bereich seiner Landesherrschaft
Muslime
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(…) überall und ständig gewährleistet. Es liegt 149 Vgl. Moddelmog, Königliche Stiftungen auf der Hand, daß diese Intensität (…) seit 1324 (2012), 65–76. Ebd., 76, wirft Moddelmog die Fra‑ (…) seinen Status als Gebannter überspielen soll.“ ge auf, ob die Verpflichtung der Destinatäre, mit Siehe ferner Proetel, Großes Werk (2000), 68 f., Kerzen zum Anniversar zu erscheinen, über die die auf Ludwigs Exkommunikation allerdings traditionelle Bedeutung von Wachslichten in nicht eingeht. der Totensorge hinaus auch als ‚Antwort‘ auf 147 Menzel, Memoria Kaiser Ludwigs (2001), 273. die – zwischenzeitliche – Exkommunikation 148 Vgl. K. Schmid, Sorge der Salier (1984), 675– Heinrichs IV. anzusehen sei, da das Löschen 679; Ders., Salische Gedenkstiftungen (1984), der und Brechen von Kerzen fester Bestandteil des den Zusammenhang von Stiftungsverhalten und kirchlichen Bannrituals war. Exkommunikation allerdings nicht explizit her‑ 150 Vgl. Feuchter, Ketzer, Konsuln und Büßer stellt. (2007).
14.3 Muslime 14.3.1 Allgemeines Die allmähliche Ausbreitung von Stiftun‑ gen in den muslimischen Gesellschaften führte dazu, dass eine immer größere Vielfalt an Akteuren involviert war. Der‑ artige Heterogenität stellt uns vor min‑ destens drei methodische Probleme bei der Kategorisierung und Typologisierung der am waqf‑System beteiligten Akteure.1 (→ 12.3.1) Erstens werden Forschungen zu den Akteuren in islamischen Stiftun‑ gen durch einen Mangel an Informatio‑ nen in den Primärquellen eingeschränkt. (→ 2.3.4) Trotz dieser Knappheit an Mate‑ rial für eine prosopographische Analyse bieten die Quellen aber genug Informati‑ onen, um zumindest ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen. Überdies ist aufgrund der großen geographischen und chrono‑ logischen Bandbreite der islamischen Stif‑ tungsgeschichte für jede Fallstudie eine umfassende Kontextualisierung erforder‑ lich, wobei aber nur wenige geographische Kontexte und historische Epochen ausrei‑ chend quellenmäßig belegt sind, um diese zu ermöglichen. Schließlich und vor allem
gibt es beim Blick auf soziale Gruppen im Islam eine enorme Differenz zwischen Norm und Praxis. Eine Identifizierung so‑ zialer Positionen kann beispielsweise nicht auf der rechtlichen Perspektive beruhen, die für die waqf‑Forschung im kolonialen Kontext des 19. Jahrhunderts von maßgeb‑ licher Bedeutung war, wo das islamische Rechtssystem (šarīʿa) als absolute religi‑ öse Norm und daher als die ultimative formative Kraft der Gesellschaft und al‑ ler ihrer Phänomene galt. Dieser Ansatz ist inadäquat, da er eher ahistorisch ist und lediglich die normativen Rahmen‑ bedingungen für die Handhabung eines idealtypischen waqf erfasst. Dieser Nor‑ mativität des Religiösen zum Trotz wird der Islam von vielen Wissenschaftlern nämlich als prinzipiell egalitäre und vor allem auf Orthopraxie orientierte Religion beschrieben.2 Einzelnen Gläubigen wird in dieser Denkweise keine übergeordnete Stellung – etwa aufgrund von angeborenen Rechten, Abstammung, Ethnizität, Natio‑ nalität oder sozialem Status – gegenüber
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anderen zugeschrieben. Nur Frömmigkeit und gute Taten seien geeignet, das Anse‑ hen zu mehren, da sie sowohl Reichtum als auch Macht und edle Geburt an Be‑ deutung überträfen.3 Freilich existierten dennoch soziale Kategorien, sie wurden jedoch nicht aus islamischer Perspektive gerechtfertigt. Für die einzelnen Positionen gab es keine klar definierten Grenzen; sie stellten, wie man wohl sagen kann, eine gesellschaftliche Tatsache, kein rechtlich sanktioniertes Prinzip dar.4 Die bekannte islamische Unterschei‑ dung zwischen oberer und unterer sozialer Schicht, der ‚Elite‘ (ḫāṣṣa) und den ‚Ge‑ meinen‘ (ʿāmma), die schon seit den Schrif‑ ten des Rechtsgelehrten Ibn al‑Muqaffaʿ (gest. 756 u. Z.) belegt und die gesamte ‚mit‑ telalterliche‘ und vormoderne Geschichte des Islam hindurch überliefert ist (→ 4.3.1), erweist sich als zu allgemein und unge‑ nau, als dass man daraus auf eine weit‑ verbreitete Sensibilität im Hinblick auf soziale Unterschiede schließen könnte.5 Im Kontext von Stiftungen gibt es häufig Hinweise auf ‚Gemeine‘ in Abgrenzung von der ‚Elite‘, doch waren nicht alle An‑ gehörigen der ‚Elite‘ reich und auch nicht alle ‚Gemeinen‘ arm. Zu Letzteren konnten beispielsweise genauso prominente Persön‑ lichkeiten (‚Leute unter den Gemeinen‘, nās min al-ʿāmma) bis hin zu Sklaven gehören.6 Daher finden sich in der klassischen Lite‑ ratur mitunter komplexere Angaben zur sozialen Stratifizierung, etwa der Bezug auf ‚Schichten des Volkes‘ (ṭabaqāt an-nās) oder ‚Kategorien des Volkes‘ (aṣnāf an-nās), die aber kein festes Schema begründeten.7 Der Historiker Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī (gest. 1442) bietet eines der detailliertesten Bilder davon, wie die Elite seiner Zeit die Gesellschaftsstruktur wahrnahm. Ange‑ sichts tiefgreifender Krisen im Ägypten des frühen 15. Jahrhunderts beschrieb al‑Maqrīzī jede Kategorie der damals
Soziale Positionen der Akteure
bestehenden ägyptischen Gesellschaft und gab eine Einschätzung ab, inwiefern diese von der Notlage betroffen war. Seine Liste umfasst sieben ‚Kategorien‘ (aṣnāf, sing. ṣinf ); die von ihm benutzten Begrif‑ fe zur Beschreibung dieser Gruppen wa‑ ren in den zeitgenössischen Chroniken und anderen literarischen Werken bereits weitgehend etabliert: Herrscher, Kaufleute, Krämer, Bauern, Lohnarbeiter und Ange‑ stellte (fuqarāʾ), Handwerker sowie „die, die Not und Armut haben“ (ḏawū al-ḥāǧa wa-l-maskana).8 Im Gegensatz zu anderen Kulturen hatte die islamische Gesellschaft drei wesent‑ liche Besonderheiten: Erstens gab es kei‑ nen Klerus, sondern nur Religionsgelehrte. (→ 14.3.3) Die einheitliche Zusammenset‑ zung der muslimischen umma bildet eine wesentliche methodische Schwierigkeit bei der Klassifikation der Akteure. Zumindest im sunnitischen Islam fehlt eine Hierar‑ chie, die für die Bewahrung des rechten Glaubens verantwortlich und deren Ent‑ scheidungen für die Masse der Gläubigen bindend wäre. Ferner ist der Gebetsritus etwa unter Führung des Kalifen der gleiche wie ohne formal eingesetztes Oberhaupt. Zweitens sollte man sich bei der Klas‑ sifizierung von der Vorannahme verab‑ schieden, dass es im Islam prinzipiell keine erbliche Nobilität gegeben habe und somit Titel und Ländereien nicht übertragbar gewesen seien. Praktisch waren Adelsti‑ tel wie saiyid (‚Herr‘) und šarīf (‚von edler, vornehmer Geburt‘)9 als Ehrerweis an die Nachkommen des Propheten anerkannt, und es konnten aus ihnen auch Dynasti‑ en hervorgehen: Kalifen, Sultane, Emire und Wesire. Drittens ist es schwierig, innerhalb der sozialen aṣnāf öffentliche und private Per‑ sonen auseinanderzuhalten. Zum Beispiel gründeten Herrscher oftmals awqāf in ih‑ rer Rolle als öffentliche Person, indem sie
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Muslime
Mittel aus der ‚Schatzkammer‘ (bait al-māl) verwendeten oder eroberte und konfiszier‑ te Besitztümer in Stiftungen umwandel‑ ten. Jedoch stiftete ein Herrscher solche Besitztümer nie als Repräsentant des Rei‑ ches, da dieses Konzept im traditionellen islamischen Staatsmodell nicht existierte. Ein derartiger Stiftungsakt wurde, wie bei jedem anderen auch, als private Handlung betrachtet. Während der Stiftungsakt dem‑ nach immer Handlung eines Individuums blieb, konnten die Begünstigten dem öf‑ fentlichen Bereich oder auch der eigenen Herrscherdynastie entstammen. Als Folge dieser Spezifika islamischer Gesellschaften war hier am Stiftungswesen eine ganze Bandbreite sozialer Schichten beteiligt (ob als Stifter, Begünstigte oder manchmal auch Verwalter); sie war größer als in anderen Kulturen. Stiftungen wa‑ ren ein weitverbreitetes Phänomen, und selbst einfache Leute konnten im Islam Besitztümer stiften oder gleichzeitig Be‑ günstigte und Verwalter sein, was im in‑ strumentellen Wert des waqf begründet liegt. (→ 14.3.4) Die Multifunktionalität islamischer Stiftungen brachte komplexe und heterogene Netzwerke von Akteuren hervor, sodass es schwierig ist, eine allge‑ meingültige Theorie vorzulegen, die alle Einzelfälle umfasst; dies gilt insbesondere für solche Stiftungen, die als Winkelzug benutzt wurden, um das Gesetz zu unter‑ laufen. Weiterhin überschnitten sich sozi‑ ale aṣnāf tendenziell, insbesondere wenn der religiöse Status die soziale Identität definierte. Ein solcher Fall waren die ahl aḏ-ḏimma (‚Schutzbefohlene‘), besonders besteuerte Nicht‑Muslime mit eigener in‑ nerer Organisation und einem sozio‑reli‑ giösen Status, der sie in der islamischen Gesellschaft zu Bürgern zweiter Klasse machte. (→ 14.3.6) Zusammengefasst zeigt die islamische Auffassung von sozialem Handeln ureigene
Merkmale, deren theoretische Grundlagen zwar bei Platon zu finden sind, die aber in der Praxis bedeutend von diesem Vorbild abweicht, wie das Werk des angesehenen Gelehrten Ibn Ḫaldūn (gest. 1406) illust‑ riert.10 (→ 3.3.5) Die Mehrzahl der arabi‑ schen Philosophen blieb solchen Klassifi‑ kationen treu, abgesehen von zeitweiligen Änderungen in der Rangfolge oder Wei‑ terentwicklungen der Klassifikationskri‑ terien. Diese Anpassungen beruhten aber nicht auf Herkunft oder Reichtum, sondern dem Beruf; einzige Ausnahme waren die Familie des Propheten, bisweilen auch An‑ gehörige einer Herrscherdynastie. Diese praxis‑ und funktionsorientierten Krite‑ rien sozialer Stratifikation sollen daher auch bei der folgenden Analyse leitend sein. 14.3.2 Stände In den Augen der mittelalterlichen islami‑ schen Chronisten ließen sich fünf soziale aṣnāf unterscheiden11: (1.) eine herrschen‑ de Gruppe, welche Kalifen (ḫulafāʾ, Sing. ḫalīfa), aʾʾimma (Sing. imām) und Sultane umfasste; (2.) eine Kategorie der zivilen Verwalter, deren Mitglieder hauptsäch‑ lich ‚Religionsgelehrte‘ (ʿulamāʾ, Sing. ʿalīm), Richter (quḍamāʾ, Sing. qāḍī), Wesire (wuzarāʾ, Sing. wazīr) und Emire (umarāʾ, Sing. amīr) waren;12 (3.) Kaufleute (tuǧǧār, Sing. tāǧir), was Großhändler (Sing. ḫazzān), Fernhändler (Sing. rakkāḍ) und ‚Expor‑ teure‘ (Sing. muǧāhhiz) umfasste; (4.) die ‚Masse‘ (ʿāmma), auf deren Gehorsam und Arbeitskraft die Herrscher und Verwalter angewiesen waren, und (5.) Sklaven (ʿabīd, Sing. ʿabd, oder riqāb, Sing. raqaba).13 (1.) Es lassen sich zwei Herrscherkategorien unterscheiden: Kalifen und Imame auf der einen, Sultane auf der anderen Seite. Jeder von diesen konnte Stifter, Verwalter oder
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Begünstigter sein. Die Grenzen zwischen diesen Rollen sind hier jedoch durchlässig, da Herrscher zugleich zwei oder alle drei einnehmen konnten. Unter den Herrschenden, die als Stifter in Erscheinung treten, stechen die Mit‑ glieder der Kalifenfamilien und des Hofes zweifelsohne hervor. (→ 11.3.3) Obwohl es, wie immer wieder betont werden muss, bis zum 9. Jahrhundert keine ausformu‑ lierte waqf‑Lehre in der Rechts‑ und der ‚Wirtschaftskunde‘ (ʿilm tadbīr al-manzil14) gab,15 nutzten die Kalifen seit der Zeit der ‚Rechtgeleiteten‘ (rašīdūn) Stiftungen als staatliches Machtinstrument. Spätere Quellen erwähnen, dass der zweite Kalif ʿUmar ibn al‑Ḫaṭṭāb (gest. 644) die Erträge des Sawād ‚unbeweglich‘ (mauqūf ) machte. Dieses Gebiet erstreckt sich von Ḥadīṯat al‑Mauṣil am Tigris im Norden bis nach ʿAbbādān am Persischen Golf im Süden und von al‑ʿUḏaib nahe Kūfa im Westen bis fast nach Ḥulwān im Osten. Es wurde zum faiʾ mauqūf erklärt, das heißt zum ‚auf ewig unverrückbaren Ertrag‘. (→ 2.3.3) In den Berichten wird immer wieder hervor‑ gehoben, dass ʿUmar das Land nicht als Beutegut verteilt habe, sondern verbrei‑ ten ließ, dass der Sawād eine Quelle des ‚Einkommens‘ (faiʾ) und des ‚Unterhalts‘ (mādda) für jetzige und künftige Generati‑ onen der umma sein sollte.16 Danach habe, so berichtet der Reisende al‑Muqaddasī (gest. ca. 990), der dritte der Rechtgeleiteten Kalifen, ʿUṯmān ibn ʿAffān (gest. 656), den Garten des Dorfes Silwān in eine Stiftung (waqf ) für die umma umgewandelt, insbe‑ sondere für die Armen.17 Öffentliche Stiftungen und die umay‑ yadischen Kalifen waren durch das Kon‑ zept der öffentlichen Kasse verbunden, das seinen Ausdruck in zahlreichen Projek‑ ten für das ‚Wohlergehen‘ (maṣlaḥa) der Muslime fand.18 Sie dienten oft als Instru‑ ment der Politik und halfen, das Prestige
Soziale Positionen der Akteure
und die Macht des Herrschers zu mehren. Gleichzeitig symbolisierten herrscherli‑ che Stiftungen, dass die Herrschenden die Normen der rechtmäßigen Gesellschafts‑ ordnung befolgten, die der Idee des waqf inhärent waren.19 Wenn diese stillschwei‑ gende Vereinbarung verletzt wurde, konn‑ te es passieren, dass die Bürger dagegen aufbegehrten. Im Bericht des ʿAbd al‑Qādir an‑Nuʿaimī (gest. 1521) über die Erbauung der Umayyaden‑Moschee in Damaskus heißt es, dass es zu einem Protest der Bür‑ ger kam, weil der Kalif al‑Walīd (705–715) die Staatskasse einzig und allein für den Bauschmuck verausgabt hatte. Al‑Walīd konnte sie beschwichtigen, indem er ver‑ sicherte, die verfügbaren Gelder gezählt zu haben, und dass die Mittel zum Unterhalt der Moschee für die nächsten sechzehn Jahre ausreichten.20 Der erste dokumentierte Fall eines Herr‑ schers, der seine Stiftungen auch verwalte‑ te, stammt den derzeit bekannten Quellen zufolge aus der Zeit des ayyūbidischen Sultans Saladin (gest. 1193), der sein Vor‑ gehen gegen Schiiten und speziell die Fa‑ timiden nicht zuletzt durch die Stiftung von Medresen betrieb.21 Saladin konnte dabei auf bereits bestehende Stiftungen für das öffentliche Wohl zurückgreifen, wobei er die religiösen Eliten austausch‑ te, indem er Religionsgelehrte aus Syrien für seine ḥanafitischen und ašʿaritischen Schulen, sowie für die mālikitischen aus dem Maghreb holte, und so auch für In‑ stitutionen, die er selbst in Alexandria und Damaskus stiftete.22 Mit dem Machtantritt der Ayyūbiden und dem Sturz der Schiiten war das Verhältnis zwischen Herrschern und Stiftungen vielfachen Veränderungen unterworfen; Letztere dienten nun als In‑ strument, um den sunnitischen Islam zu stärken. Die Herrscher gaben jedoch insgesamt verstärkt Aufgaben an die Verwaltungselite
Muslime
ab. Als die Kalifen der Abbasiden‑Dynastie begannen, die Stiftungsverwalter schritt‑ weise mit der Aufsicht über Geldmittel und Bewirtschaftung zu betrauen, wurde das Machtgleichgewicht zwischen Herr‑ schern und Verwaltungselite zunehmend zum Anlass von Konflikten. Gleichzeitig führte das Auseinanderfallen von Status und tatsächlicher Machtfülle, nicht nur im Verhältnis von Kalif und Sultan, zu ei‑ nem Ringen um die tatsächliche Ausübung von Autorität und Macht, was letztendlich den Fall des universalen Kalifats mit sich brachte.23 Herrscher konnten zeitgleich Stifter und Verwalter sein, wie bei den awqāf der Sultane im Damaskus des Hochmittel‑ alters, die üblicherweise als Hochschulen für Rechtsgelehrte beschrieben werden.24 (→ 12.3.3) Die ältere Forschung, etwa Max van Berchem und Ignaz Goldziher, betrachtete die Medresen als Instrumen‑ te staatlichen Einflusses und verband mit ihrer Gründung eine Reihe weitergehen‑ der Entwicklungen wie den Triumph des ašʿaritischen Sunnismus und die ideolo‑ gische Zurückdrängung des Schiismus.25 Indem diese Forscher den rechtlichen Sta‑ tus der Medresen als privater wohltätiger Stiftungen herausstellten, betonten sie die religiösen Motive der Herrscher und die gesellschaftliche Erwartung an diese, die höhere Bildung zu fördern. Ein Beispiel ist die madrasa Dār al‑Ḥadīth al‑Kāmilīya, die 1229 von Sultan al‑Malik al‑Kāmil (gest. 1238) gegründet und danach auch verwaltet wurde, wo die Lernenden weni‑ ger im Recht als vielmehr in prophetischen Traditionen unterwiesen werden sollten. Ein Text, der die zunehmend gemein‑ samen Interessen von öffentlichen Stif‑ tungen und Herrschern besonders gut widerspiegelt, stammt aus der Feder des šāfiʿitischen Juristen Muḥyī ad‑Dīn an‑ Nawawī (gest. 1277): In einer seiner Fatwen
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verhandelte er die Frage, ob es für einen Herrscher rechtmäßig sei, Geldmittel aus dem Staatshaushalt für den Erwerb von Land oder anderen Vermögenswerten ein‑ zusetzen und diese in einen waqf umzu‑ wandeln.26 Fortan begannen die Herrscher ihre eigenen awqāf zu gründen, indem sie dafür entweder eigene Besitztümer oder öffentliche Ländereien nutzten. Herrscher übertrugen manchmal Land an Bedürftige, aber auch an wohltätige Einrichtungen vor Ort, Schulen oder Moscheen, um diese zu unterstützen.27 Jedes ‚eroberte‘ (ʿanwatan) Gebiet wurde zu einem waqf, von dem alle Muslime profitieren sollten, und war ḫarāǧ‑ pflichtig, was einer Pacht entsprach. Vor allem aber erzeugten die Stifterauflagen eine Bindung zwischen den an der Stiftung Beteiligten, wodurch der Machtanspruch des Herrschers in den Gebieten legitimiert wurde, die er erobert und gestiftet hatte. Die Entscheidung einzelner seldschuki‑ scher Sultane, in den von sunnitischen Ghaznawiden und schiitischen Būyiden eroberten Gebieten Medresen und ḫawāniq (Sing. ḫānqāh) zu stiften, ist vor diesem Hintergrund zu sehen, was auch für ihre Unterstützung der in diesen Einrichtun‑ gen angesiedelten Rechtsgelehrten und Sufis gilt. Die Beteiligung der Herrscher als Pri‑ vatpersonen war in der Regel zweitran‑ gig, mit der bemerkenswerten Ausnahme der mamlūkischen Sultane, die den waqf nutzten, um sich Erträge aus öffentlichen Ländereien anzueignen. Diese Herrscher hat‑ ten den Thron usurpiert und waren zudem fremdländischer Herkunft; sie bedienten sich daher der awqāf, um ihren Machtan‑ spruch zu untermauern – wie zuvor bereits Fatimiden und Ayyūbiden –, allerdings vor allem mit Schenkungen zum Nutzen der ‚Allgemeinheit‘, zumeist aus Staatsbesitz.28 Mamlūkische Sultane veränderten durch Stiftungen die urbane Landschaft,
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indem sie Schulen für Rechtsgelehrte, Sufi‑ Konvente, Krankenhäuser, Suppenküchen, Arsenale und militärische Befestigungsan‑ lagen schufen. Das Ausmaß der gestifteten städtischen und ländlichen Besitztümer stieg deutlich an. Die Mamlūken waren aber auch Profitienten und nutzten die Stiftung von religiösen Institutionen als öffentliches Symbol, um ihren Dienst am Islam hervorzuheben; dahinter lag die of‑ fensichtliche politische Motivation, der herrschenden Elite und ihren Beamten religiöse Legitimität zu verleihen.29 Schließlich waren die Mamlūken – im Gegensatz zu allen anderen Herrscherhäu‑ sern – keine Familiendynastie. Die Söhne der mamlūkischen Sultane konnten die Position ihrer Väter nicht erben, und rein theoretisch galt dies auch für Besitztümer, die ursprünglich dem Staat gehörten; al‑ lerdings wurden Stiftungen genutzt, um dies dennoch zu ermöglichen. Die Söhne der Sultane bildeten eine eigene soziale Kategorie, die aulād an-nās 30, welche be‑ sondere Vorteile genoss.31 Als Treuhänder wichtiger gestifteter Institutionen der hö‑ heren Bildung repräsentierten sie das In‑ teresse der Mamlūken am Bildungswesen und seiner Förderung. (2.) Auch unter der Verwaltungselite im mittelalterlichen Islam finden sich Stifter, Verwalter und Begünstigte, wobei auch hier die Akteure mehrere dieser Rollen gleichzeitig einnehmen konnten. Die betref‑ fenden Quellen unterstreichen die Bedeu‑ tung des waqf als Quelle von Einkünften und Prestige, und es zeigen sich verschie‑ dene Möglichkeiten, wie Stiftungen zum Aufstieg von Familien beitragen und deren gesellschaftliche Stellung über Generatio‑ nen festigen konnten. Zur Verwaltungselite konnten auch ‚Adlige‘ (ašrāf ), spezielle Gruppen mit gemeinsamer Herkunft, aus bestimmten Stadtvierteln, Rechtsschulen,
Soziale Positionen der Akteure
Sufi‑Orden, Derwisch‑Konvente, nichtmus‑ limische Gemeinschaften und Netzwerke von Kaufleute gehören.32 Der waqf war die institutionelle Basis und der Ort, an dem die Beziehungen zwi‑ schen Herrschern und Verwaltern ausge‑ handelt und vermittelt wurden. Herrscher bedurften stets der Zustimmung ihrer Un‑ tertanen; diese verlangten ihrerseits die Umsetzung und Befolgung eines ortho‑ doxen Islam, dessen Definition wiederum hauptsächlich in den Händen der ʿulamāʾ und quḍamāʾ lag. Andererseits konnten diese nicht ohne die Unterstützung des Staatsapparats fungieren, der nicht nur die Grenzen der islamischen Gebiete si‑ cherte, sondern auch religiöse Instituti‑ onen stiftete und die Bestimmungen der awqāf durchsetzte.33 Gleichzeitig mussten die Herrscher die Autonomie der ʿulamāʾ respektieren, da nur so die von diesen aus‑ gehende religiöse Legitimität glaubwürdig war. Stiftungen boten die rechtlichen und sozialen Mechanismen, um diese prekäre Balance aufrechtzuerhalten, und zählten zu den wichtigsten öffentlichen Orten die‑ ser stillschweigenden, aber konstanten Wechselbeziehung zwischen Herrschern und Verwaltungselite. Es scheint, dass zu den Aufgaben der Verwaltungselite – der Angehörigen des Hofes, insbesondere auch der Frauen von Herrschern, aber auch der Wesire, Emi‑ re, anderer hochrangiger Beamter sowie Verwaltungsangehöriger wie ʿulamāʾ oder quḍamāʾ – nicht nur die eigentliche Ver‑ waltung, sondern auch die Gründung von Stiftungen wie Moscheen, Medresen, Ka‑ rawansereien oder ḫānqāhs an strategi‑ schen Positionen gehörte.34 Trotz neuerer Forschungen auf diesem Gebiet35 lässt sich das nicht klar belegen; denn beispielswei‑ se findet sich in Stiftungsurkunden aus dem seldschukischen Anatolien meist die Wendung amara bi-ʿimārat („hat die
Muslime
Gründung von […] angeordnet“), was eine ‚verfassungsmäßige‘ oder institutionelle Gründung bedeutet, aber auch Fälle von Instandsetzungen, Wiedergründungen oder Wiedererrichtungen einschließen kann. Es wird vermutet, dass eine Reihe von seldschukischen Emiren bereits be‑ stehende Gebäude in Besitz nahmen, sie neu ausschmückten und als ihre eigenen ausgaben. Die Uneindeutigkeit liegt darin begründet, dass ʿimāra von Historikern im Sinne von ‚Neustiftung‘ oder ‚Reorganisa‑ tion‘ einer Stiftung verstanden wird, dass es aber bei einigen Inschriften möglicher‑ weise auch ‚Wiederaufbau‘ bedeuten kann. In solch einem Fall war es üblich, eine neue Inschrift anzubringen, so geschehen bei der madrasa und dem Krankenhaus des Qalāwūn in Kairo.36 Es ist möglich, dass eine erneuerte Stiftung manchmal so auf‑ wändig war, dass es den späteren Stiftern nur gerecht erschien, die ursprüngliche Inschrift durch eine eigene zu ersetzen. Was die Administration anbelangt, stellt die Entwicklung der Medresen ein besonders interessantes Beispiel für das Zusammenspiel von Stiftungen der loka‑ len Verwaltungselite und der politischen Obrigkeit dar. Die Hochschulen im Bagdad des 11. Jahrhunderts wurden auf Grundla‑ ge der großen awqāf der seldschukischen Wesire gegründet, die auch für deren Ver‑ waltung und die Gehälter der Lehrer und ʿulamāʾ sowie die Stipendien der Schüler aufkamen. Der Aufstieg des seldschuki‑ schen Patronagesystems, der mit der Ver‑ folgung von schiitischen Gelehrten sowie der Zerstörung von schiitischen Schrei‑ nen einherging, lässt eine neue Dimen‑ sion des Zusammenspiels von Staat und Verwaltung erkennen. Das eindrücklichs‑ te Beispiel ist die Madrasa Niẓāmīya, ein Komplex von Hochschulen des Rechts, die der Wesir Niẓām al‑Mulk (gest. 1092), ein offizieller Vertreter des seldschukischen
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Sultans Alp Arslān (gest. 1073), gründete und verwaltete.37 Im schiitischen Kontext gab es Ähnliches zur Zeit des Ibn Killis (gest. 991), eines Wesirs des Kalifen und Imams al‑ʿAzīz, der in einer Phase verstärk‑ ter Bautätigkeit Verantwortlicher für die Stiftungen war, als mehr als ein Dutzend bedeutender Gebäude entstand, darunter der Goldene Palast, die Moschee von Kairo, aber beispielsweise auch ein Bethaus, eine Festung, eine Gartenanlage, eine Brücke und öffentliche Bäder.38 (3.) Reiche Kaufleute gründeten viele awqāf zu wohltätigen Zwecken. Ihre Rol‑ le in der Stiftungsgeschichte ist bedeutend und konnte dank einer pragmatischen In‑ terpretation der Scharia in Hinblick auf Handel und Verträge erreicht werden. Die ägyptischen Kārimī‑Händler des Hochmit‑ telalters zeigten ein beständiges Interes‑ se an kulturellen Belangen und stifteten vielerlei awqāf zur Unterstützung etwa von Bibliotheken oder Stipendien für Ge‑ lehrte, Lehrer, Mystiker und Dichter oder architektonisch bedeutende und pracht‑ volle Moscheen, öffentliche Brunnen und Bäder sowie Waisen‑ und Krankenhäuser.39 Kaufleute stifteten aber auch Herbergen entlang der Handelsrouten, bauten Hafen‑ anlagen aus und errichteten ein System aus Warenhäusern und Karawansereien, um den Handel zu fördern. In Nischapur gründeten Kaufleute sogar ḫānqāhs für Ḥanafiten und Šāfiʿiten, um den Einfluss der Karrāmīya einzudämmen, einer Sekte, zu deren Idealen ein Leben in Armut, Ab‑ neigung gegen Profitstreben sowie strenge Askese gehörten – womit sie in deutli‑ chem Gegensatz zu den Ansichten anderer maḏāhib (‚Lehrmeinungen‘, Sing. maḏhab) standen.40 Unter den Mamlūken schwand der Ein‑ fluss der Kaufleute im Stiftungswesen; denn die Absicht zur Profitmaximierung
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war bei den Mamlūken nicht auf Land‑ besitz beschränkt, sondern betraf auch das staatliche Handelssystem. (→ 4.3.4) Im mamlūkischen Kairo fehlen Kaufleute unter den Stiftern charakteristischerwei‑ se völlig. Noch im 13. und 14. Jahrhun‑ dert hatten sich Sultane an bedeutende Kaufleute gewandt, damit diese sie bei der Bekämpfung von Hungersnöten un‑ terstützten; ab dem frühen 15. Jahrhundert jedoch treten Kaufleute auch auf diesem Gebiet nicht mehr als wichtige Stifter in Erscheinung. Die Schlüsselrolle bei den Stiftungen spielte jetzt die Militärelite, und zwar nicht nur Amtsinhaber, son‑ dern auch deren Nachkommen. Lapidus schreibt, dass von den 171 Stiftungen im Damaskus der Mamlūkenzeit 10 von Sulta‑ nen und 82 von Emiren finanziert wurden; dies waren die größeren und bedeutenden Einrichtungen. Die restlichen, und somit die kleineren und weniger ambitionier‑ ten Stiftungen entfielen auf Kaufleute und Gelehrte (ʿulamāʾ), die miteinander im Wettbewerb um geeignete städtische Liegenschaften standen.41 (4.) Die soziale Kategorie der ʿāmma ist wahrscheinlich die heterogenste und am schwierigsten klassifikatorisch zu fassen‑ de. Obwohl manche der bekanntesten mit‑ telalterlichen Geschichtsschreiber über die Gründung von wohltätigen Stiftungen, religiösen Institutionen und Bildungsstät‑ ten durch ‚Gemeine‘ berichten, liegt der Fokus ihrer Schriften doch hauptsächlich auf Herrschern, Eliten und Kaufleuten. Die große Gruppe derjenigen, die weder über ein hohes Amt verfügten noch über hohe Bildung oder großen Reichtum, blieb in ihren historischen Berichten in der Regel unberücksichtigt. Theoretisch ist die Gesamtheit der mus‑ limischen umma die direkte Begünstigte von öffentlichen Stiftungen (waqf ḫairī)
Soziale Positionen der Akteure
und letztlich auch die Begünstigte von Fa‑ milienstiftungen (waqf ahlī). Einige awqāf wurden jedoch gezielt für wohltätige Zwe‑ cke genutzt, um die untersten sozialen Schichten zu unterstützen. Ein eindrück‑ licher Fall, von dem Ibn Šaddād (gest. 1235) berichtet, ist ein waqf des Sultans aẓ‑Ẓāhir Baibars (gest. 1277), der gegründet wurde, um Brot zu kaufen und an die Armen zu verteilen.42 Diesem Beispiel folgte jeder spätere Sultan, so auch der Eunuch Ṣandal ibn ʿAbd Allāh im Jahr 1270.43 Zur ʿāmma gehörten jedoch nicht allein die Armen. Die Frage, inwiefern wohlha‑ bendere Angehörige der ‚zivilen Gesell‑ schaft‘ – die also, grob gesagt, Personen mittleren oder niederen Ranges waren und weder politische Ämter innehatten noch Angehörige des Hofes oder der Schicht wohlhabender Kaufleute waren – eben‑ falls zur ʿāmma zählten, ist schwierig zu beantworten. Sie gehörten nicht im enge‑ ren Sinne zur Verwaltungselite, wurden aber Teil des Stiftungswesens, sobald sie in Kontakt mit den anderen Schichten kamen. Obwohl die ʿāmma nicht in institu‑ tionalisierten Körperschaften organisiert war, stand ihr eine Reihe von informellen, aber effektiven Möglichkeiten zur Ver‑ fügung, die Rechte einzufordern, welche ihr nach Meinung ihrer Angehörigen zu‑ standen. Das Stiften eigenen Besitzes war auch bei der breiten Bevölkerung üblich; häufig, um Eigentum gegen Willkür und Beschlagnahmung abzusichern oder die Aufteilung des väterlichen Erbes zu verhin‑ dern. Gleichzeitig impliziert die verhält‑ nismäßig hohe Zahl an Stiftungen durch die lokale Bevölkerung deren Vertrauen in die Fähigkeit der Herrscher, awqāf zu schützen und sich an islamische Normen öffentlicher Ordnung zu halten. Die An‑ zahl der Stiftungen durch die Bevölkerung an einem bestimmten Ort und in einem
Muslime
bestimmten Zeitraum kann daher auch als Indikator für die Art und die Intensität des Verhältnisses zwischen ihr und dem Herrscher gelten.44 (5.) In einigen wenigen Fällen dienten wohl‑ tätige Stiftungen auch dazu, marginalisier‑ te Gruppen, ja sogar Sklaven, in die Gesell‑ schaft zu integrieren. Zum Beispiel gründe‑ te der Eunuch Amir al‑Ḥāǧǧ Sunbul im Jahr 1288 einen waqf, zu dessen Begünstigten auch seine bedürftigen Freigelassenen (‚die armen und notleidenden unter den aner‑ kannten Freigelassenen‘, al-fuqarāʾ wa-lmasākīn min ʿutaqāʾ al-muqirr al-maḏkūr) zählten, die aber erst nach seinem Tod unterstützt werden sollten.45 Hier lässt sich erkennen, dass einige Herren ihre früheren Sklaven als Teil der Familie betrachteten und in ihren waqf miteinbezogen. In die‑ sem Fall war der Stifter ein Eunuch und hatte somit keine biologische Familie, die er bedenken konnte; stattdessen kümmerte er sich um das Wohlergehen seiner früheren Sklaven. Ein anderer Eunuch, Ǧamāl ad‑ Dīn al‑Muḥsin al‑Iḫmīmī, stellte in seiner 1343 gegründeten Stiftung Geldmittel für vier seiner Freigelassenen bereit, darunter zwei Nubier und ein Äthiopier.46 Ein weiterer Zugang zur sozialen Klas‑ sifizierung der Akteure jenseits vereinfa‑ chender Vorannahmen (etwa ‚frei–unfrei‘) ist die Untersuchung von Sklaven‑Gefolg‑ schaften. Viele Mitglieder der seldschu‑ kischen Elite (und der seldschukischen Gesellschaft überhaupt) stammten bekann‑ termaßen von Sklaven ab, häufig wohl ana‑ tolisch‑christlicher Herkunft, auch wenn es oft nicht möglich ist, ihre genaue Heimat zu ermitteln. Der Stifter Ǧalāl ad‑Dīn Qa‑ ratay ist einer der wenigen, von denen wir wissen, dass sie Rūmī, also anatolischer Herkunft waren. Es ist interessant, dass Qaratay für seine Karawanserei festge‑ legt hatte: „Jeder Gast der Karawanserei,
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Muslim oder nicht, Mann oder Frau, Freier oder Sklave, soll dieselbe Mahlzeit erhal‑ ten“.47 Die waqfīya der Gök‑Medrese des Ṣāḥib Atā enthält eine Liste derjenigen, die in dem Gästehaus (dār aḍ-ḍiyāfa) gegen‑ über der Medrese versorgt werden sollten. Als Erste werden die šurafāʾ und asyād (Sing. šarīf bzw. saiyid), Nachkommen des Propheten Mohammed, erwähnt, danach folgen die Verwaltungselite (fuqahāʾ) und die ‚Armen‘ (fuqarāʾ).48 In der muslimischen Gesetzgebung zur Sklaverei gibt es nur wenige Bedingungen, unter denen Sklaven nicht legal zu kaufen oder zu verkaufen wären – eine davon betrifft den waqf:49 Wenn ein Sklave ei‑ nem waqf übertragen war, konnten weder er noch seine Kinder veräußert werden, solange er arbeitsfähig war und für den waqf Erträge einbringen konnte. Dieses Prinzip wurde vom obersten Kadi Abū Bakr Aḥmad ibn ʿAmr ibn aš‑Šaibānī al‑ Ḫaṣṣāf (gest. 874) detailliert ausgeführt.50 Der Historiker aṭ‑Ṭarābulusī (gest. 1516) schildert den Fall eines Sklaven, der mit‑ samt dem Land, auf dem er arbeitete, als waqf gestiftet wurde. Der mutawallī konn‑ te diesen Sklaven verkaufen, wenn er alt geworden war, und den Ertrag zum Kauf eines jüngeren Sklaven einsetzen, damit der „grundsätzliche Nutzen“ des waqf er‑ halten blieb.51 Sklaven konnten aktiver oder passiver Teil des Stiftungswesens sein. Manchmal konnten Freigelassene und ihre Nachkom‑ men nämlich sogar mit der Leitung einer Institution betraut oder zumindest daran beteiligt sein. Das Vermögen, das sich auf diese Weise über Generationen ansam‑ melte, war nicht immens, aber auch nicht unbedeutend. Das monatliche Stipendium eines Aufsehers war vergleichbar mit dem eines religiösen Amtsträgers oder leiten‑ den Lehrers in einer solchen Einrichtung. (→ 13.3.3)
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14.3.3 Laien und Geistliche Obgleich der Islam dazu tendiert, alle Facetten im Leben der Gläubigen durch Vorschriften genau zu bestimmen – selbst auf Gebieten, die der Religion im engeren Sinne fernliegen –, kennt er keine hierar‑ chisch organisierte Kirche mit sakramental besonders herausgehobenen Personen und einem Oberhaupt an der Spitze als ent‑ scheidender Instanz in Belangen von Dog‑ ma, Ritus und Recht. Was man gemeinhin ‚Klerus‘ nennen würde, war in der Praxis des mittelalterlichen Islam eine Reihe von Angestellten, die Aufgaben im Moschee‑ betrieb übernahmen; jeder Muslim konnte Teil dieser Gruppe sein, vorausgesetzt das entsprechende Wissen, nicht aber Investi‑ tur oder Ordination. Der Islam brachte eine ganze Reihe von Rechtsgelehrten, Theologen, Wäch‑ tern der ‚Orthodoxie‘52 und Vollstreckern der religiösen Gesetze hervor. Diese Indi‑ viduen bildeten im Laufe der islamischen Geschichte einen Kreis religiöser Fachleute, zu deren Betätigungsfeld zunehmend auch das Rechtswesen gehörte. Das wachsende Gewicht der Scharia hatte vor allem zwei Konsequenzen: Einerseits gewannen die ʿulamāʾ zunehmend an allgemeingültiger Autorität als Experten und Hüter traditi‑ onellen religiösen Wissens; andererseits konnte sie, zumindest in der frühesten Phase der islamischen Geschichte, der ge‑ sellschaftlichen ‚Öffentlichkeit‘ eine gewis‑ se Autonomie sichern und diese gegenüber dem Einfluss der Herrscher behaupten. Obwohl es an sich richtig ist, dass die Verbindung zwischen den ʿulamāʾ und waqf‑Institutionen, wie in der Forschung immer wieder bemerkt wurde, sehr eng war und die ʿulamāʾ in ihrer Funktion als Interpreten der Gesetze entscheidenden Einfluss auf Theorie und Praxis von Stiftun‑ gen hatten, muss hier stärker differenziert
Soziale Positionen der Akteure
werden.53 Erstens hing ihr Einfluss auf die Verbreitung von awqāf nicht nur von ihrer Auslegung des Rechts ab, sondern auch von ihrer sozialen Stellung und dem Maß, in welchem der Staat in der Lage war, das Rechtssystem durchzusetzen. Zweitens spielten zu bestimmten Zeiten die Sultane beziehungsweise der Staat eine bedeutende Rolle bei der Strukturierung von Stiftun‑ gen und Gelehrtennetzwerken. Weil im Prinzip jedermann die Lauf‑ bahn eines Gelehrten einschlagen konnte, war die Gruppe der ʿulamāʾ hinsichtlich so‑ zialer Stellungen, ökonomischer Positionen, Bildungsgrade und administrativer Funkti‑ onen recht heterogen. Das heißt nicht, dass diese Gruppe in sich nicht strukturiert war; vielmehr beeinflussten diese Faktoren die Ausbildung verschiedener Netzwerke und die soziale Mobilität innerhalb der Hierarchie dieser Gruppe. Sozialer Status, Familienzugehörigkeit, materieller Wohl‑ stand und eine administrative Stellung in einer bestimmten Einrichtung waren Karrierevorteile. Daher sei hier mit dem Bild des Netzwerks zugleich der Hinweis auf eine zeitliche und räumliche Dyna‑ mik sowie eine Verbindung zwischen hi‑ erarchischer und räumlicher Mobilität in den Karrieren von Gelehrten verbunden; zudem impliziert es eine offene Struktur, die die Möglichkeit externer Beeinflussung berücksichtigt. Anfangs wurde den ʿulamāʾ als reinen Beratern der Herrscher noch keine große Bedeutung zugemessen. Die umayyadi‑ schen Kalifen wollten es sich nicht leisten, diesen Gelehrten zu viel religiöse Macht zuzugestehen, und gaben ihnen keine öf‑ fentliche Bühne. Unter den Abbasiden wurde das ‚Wissen‘ (ʿilm) über die Sunna schließlich zunehmend durch die ʿulamāʾ monopolisiert, die darüber zu allgemein anerkannten religiösen Autoritäten wur‑ den.
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Im biographischen Lexikon des Ṣalāḥ ad‑Dīn aṣ‑Ṣafadī (gest. 1363) sind viele ʿulamāʾ unter den Verwaltern der Abbasi‑ denzeit genannt.54 Es ist interessant, dass es in der Regel, selbst als Stifter, keinem Kalifen, Sultan, Minister oder Prinz ge‑ stattet war, irgendwelche Genehmigun‑ gen oder Gesetze in Bezug auf Bildungs‑ institutionen anzuordnen, die von ʿulamāʾ verwaltet wurden. Die Religionsgelehrten selbst behielten die Kontrolle über Studi‑ eninhalte und waren für die Ausbildung der Personen zuständig, die dieses Wis‑ sen verbreiten sollten. Weiterhin stand es jedem Muslim offen, eine Lehranstalt als waqf zu gründen, die entsprechenden finanziellen Mittel vorausgesetzt, und ihr nicht nur Besitz zu übertragen, sondern auch zu verfügen, dass nur eine bestimmte Personengruppe dort wirken durfte. Die Madrasa Niẓāmīya war eine solche Stif‑ tung: Der Gründer Niẓām al‑Mulk hatte jedes Recht, sie allein šāfiʿitischen Gelehr‑ ten vorzubehalten.55 Quellen aus der Zeit der Mamlūken ent‑ halten Hinweise, dass die Position eines Re‑ ligionsgelehrten während ihrer Herrschaft substantiell unsicherer wurde. Gelehrte, die Stiftungen verwalteten, sahen sich an‑ scheinend mit der schwierigen Aufgabe konfrontiert, sich und ihre Institutionen vor Konfiszierungen zu schützen; sie wi‑ dersetzten sich auch vehement der Nutzung von Stiftungseinkünften zur Finanzierung von Feldzügen. Einige Quellen lassen je‑ doch auch vermuten, dass sie, genauso wie wohlhabende Kaufleute jener Zeit, in hohem Maße steuerlich belastet wurden und deshalb versuchten, ihren Wohlstand zu verbergen sowie ihre Einkünfte und Ausgaben zu verschleiern, sodass der tat‑ sächliche Umfang möglicher obrigkeitli‑ cher Bedrohungen ihres materiellen Status in der Mamlūkenzeit wohl nicht sicher einzuschätzen ist.56
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Der rechtliche Rahmen des waqf‑Sys‑ tems begünstigte zwar soziale Mobilität und kulturelle Dynamik; nichtsdestowe‑ niger gab es bei den ʿulamāʾ bisweilen eine beinahe inzestuöse Form der Selbstrepro‑ duktion, die zur Entstehung von regelrech‑ ten Dynastien führte. Die Entwicklung hin zu einer zunehmenden Professiona‑ lisierung einzelner sozialer Gruppen des Islam erreichte ihren Höhepunkt unter osmanischer Herrschaft. Hier etablierte sich eine Hierarchie der Muftis, womit eine systematische Abstufung der islamischen Gelehrten gegeben war. Eine viel stärker geschlossene und strukturierte Gruppe stellten die Sufi‑ Bruderschaften dar (ṭuruq, wörtlich ‚Wege‘, Sing. ṭarīqa), in welche ‚Schüler‘ (murīdūn, wörtlich ‚Hingebungsvolle‘)57 von ihren Meistern eingeführt und in denen sie von diesen ausgebildet wurden.58 Diverse Stif‑ tungstypen unterstützten Sufis. Ein Bei‑ spiel war die Madrasat al‑Firdaus, eines der bedeutendsten Monumente Aleppos und wahrscheinlich die beeindruckendste madrasa, die unter ayyūbidischer Herrschaft in Syrien erbaut wurde. Diese Medrese wurde von der Regentin Ḍaifa Ḫātūn (gest. 1242), der Gemahlin des kurdischen Gouverneurs und Herrschers al‑Malik aẓ‑Ẓāhir al‑Ġāzī (gest. 1216), ins Leben gerufen und bildete viele Sufis aus.59 Auch unter mamlūkischer Herrschaft boten Medresen Sufis häufig ei‑ nen Ort, an dem sie ihre Rituale durchfüh‑ ren konnten, während die Stiftungen von ḫānqāhs die Lehre des Rechts gemäß eines oder mehrerer maḏhabs förderten. Die von Sultan al‑Ašraf Barsbāy (gest. 1438) gestifte‑ te und errichtete madrasa-ḫānqāh war eine der großen Bildungseinrichtungen des mit‑ telalterlichen Kairo; der ansässige Lehrer leitete Sufi‑Rituale, Rechtsunterricht, ḏikr und andere mystische Praktiken.60 Manche Stifter bestimmten, dass ihre Stiftungen hauptsächlich für Mystiker
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gedacht waren, die als Asketen, Tugendhaf‑ te, Religiose, Fromme oder Arme beschrie‑ ben wurden. (→ 14.3.4) Diese Aussagen zeigen, dass das Spektrum der Mystiker immens war und verschiedene Formen von mystischem Denken, Gottesverehrung und Verhaltensnormen umfasste. Es gibt auch Beispiele von Sufi‑Stiftungen, die dem Totengedenken dienen sollten. (→ 6.3.3) Die Bestimmungen des waqf einer zāwiya aus dem 13. Jahrhundert vor den Toren von Damaskus sahen beispielsweise die Rezi‑ tation von Gebeten an der Grabstätte vor; das daraus entstehende religiöse Verdienst (ṯawāb) sollte den ‚Bewohnern‘ des Grab‑ mals und dem Stifter zu Gute kommen.61 Die duʿāt (‚Missionare‘, Sing. dāʿī) waren eine Gruppe religiöser Propagandisten un‑ ter den Ismailiten und anderen schiitischen Gemeinschaften, die aus verschiedenen sozialen Schichten stammten.62 Diese Be‑ zeichnung wurde von den Ismailiten schon sehr früh benutzt und bezog sich auf jeden autorisierten Vertreter ihrer daʿwa. Deren Aufgabe bestand darin, die ismailitische Lehre zu verbreiten, geeignete Konvertiten zu gewinnen und eine umfassende Rebel‑ lion gegen das abbasidische Kalifat zu füh‑ ren. Während der imamitische Schiismus von politischem Aufruhr absah, führte der ismailitische Schiismus durch die Akti‑ vitäten seiner Missionare das Banner der islamischen Revolution. Die daraus resul‑ tierende autoritäre Struktur in einzelnen Gemeinschaften war zugleich Führungs‑ hierarchie wie auch Abfolge geistlicher Initiationsstufen; Vergleichbares gab es in keiner anderen islamischen Konfession. Es ist darüber hinaus bemerkenswert, dass die ismailitischen duʿāt aus den verschiedens‑ ten sozialen Milieus stammten und sowohl ihre Missionstätigkeit als auch ihre Stif‑ tungen vermutlich ganz unterschiedlich wahrnahmen: Zu den frühen Konvertiten gehörten Bauern und Dorfbewohner aus
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dem südlichen Irak und dem nordwestli‑ chen Iran; andere waren Stammesangehö‑ rige im Jemen und Nordafrika, Beduinen aus der syrischen Wüste und gelegentlich auch Bahrain, Räuber aus Kerman, gebil‑ dete Stadtbewohner aus dem Irak sowie regionale Herrscher und ihre Höflinge aus dem Iran und Indien. Als religiöse Akteure und Vermittler zwischen spiritueller und irdischer Sphäre bildeten die ‚Missionare‘ eine Hierarchie von spirituellen Führern. Weiterhin waren sie für die Leitung, Unterweisung sowie spirituelle und wohltätige Hilfe innerhalb der Gemeinschaft verantwortlich. Trotz ih‑ rer Bedeutung schrieben die Ismailiten des Mittelalters leider sehr wenig über die so‑ ziale Rolle des dāʿī. Es ist bekannt, dass die al‑Azhar‑Moschee von vielen fatimidischen Kalifen mit Stiftungen bedacht wurde; seit 988 diente sie als Bildungseinrichtung und ist bis heute die wichtigste Institution der Religionslehre in der muslimischen Welt geblieben. Al‑Azhar brachte unzählige Missionare und religiöse Akteure hervor, die aus dem Jemen, dem Irak, Syrien, Per‑ sien und Indien stammten. Ein Begünstig‑ ter der dortigen Unterweisungen war der persische Universalgelehrte Naṣīr ad‑Dīn aṭ‑Ṭūsī (gest. 1274); er war unter anderem vertrauter Berater der Ilḫan‑Herrscher so‑ wie Verwalter der religiösen Stiftungen ihres Reichs. Ein weiteres faszinierendes Beispiel der Verbindung zwischen den duʿāt und is‑ mailitischen Stiftungen ist das ‚Haus des Wissens‘ (Dār al‑ʿIlm), das offensichtlich in einem Klima des religiösen Pluralismus als waqf sowohl für ismailitische duʿāt als auch für sunnitische ʿulamāʾ gegründet wurde. Als jedoch gegen Ende des 11. Jahrhunderts zwei Gelehrte begannen, ašʿaritische Theo‑ logie und die Ansichten des umstrittenen Gelehrten al‑Ḥallāǧ (gest. 922) zu unter‑ richten, ließ sie der Wesir al‑Afḍal ibn
Muslime
Badr al‑Ǧamālī (gest. 1121) verhaften und schloss die Dār al‑ʿIlm. Als bald darauf der Wesir al‑Maʾmūn (gest. 1128) die Dār al‑ʿIlm wieder eröffnete, wurde sie ausschließlich von ismailitischen duʿāt beaufsichtigt und verwaltet.63 14.3.4 Arme und Reiche Zahlreiche arabische Texte beschäftigen sich mit dem Konzept der Armut. Der Ko‑ ran nennt acht Kategorien von potenziel‑ len Almosenempfängern: Arme (fuqarāʾ, Sing. fāqir),64 Bedürftige (masākin, Sing. miskīn), jene, „die sich um sie kümmern“ (al-ʿāmilīna ʿalay-ha), jene, „deren Herz ge‑ wonnen werden soll“ (al-muʾallafa qulūbuhum), Sklaven (fī-l-riqāb), Schuldner (fī-lġārimīn), „jene auf dem Weg Gottes“ (fī sabīl Allāh) und ‚Söhne des Weges‘ (Sing. ibn as-sabīl) (Q. 9.60). Diese Terminologie war für die Identifizierung rechtmäßiger Almosenempfänger derart wichtig, dass die frühen Juristen zur Frage der Armut Stellung bezogen. Im Gegensatz dazu war ‚Wohlstand‘ negativ behaftet. In den meis‑ ten Stammesgesellschaften war Vermögen zur Verteilung, nicht zur Akkumulation erwirtschaftet worden; es diente weniger dem Aufbau von Autorität als vielmehr der Stammessolidarität. In ähnlicher Wei‑ se wurde Erfolg im Islam über sozialen Dienst, nicht über die Akkumulation von Reichtum definiert. Während aš‑Šāfiʿī (gest. 820) der Ansicht war, dass der faqīr der gänzlich Besitzlose war und ein miskīn nur wenig Eigentum besaß, vertrat Abū Ḥanīfa (gest. 767) genau die entgegengesetzte Meinung.65 Zu aš‑ Šāfiʿīs Definition von faqīr gehört außer‑ dem, dass dieser aufgrund einer Krankheit nicht arbeiten konnte. Ein miskīn gehe da‑ gegen einer Arbeit nach, sei aber nicht in der Lage, damit für sich und seine Familie
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zu sorgen. In der Praxis und angesichts der ökonomischen Realität verschwammen die Linien zwischen diesen beiden definierten Gruppen jedoch angesichts der ökonomi‑ schen Realität. In Stiftungsdokumenten aus mamlūkischer Zeit kommen die Begriffe fuqarāʾ und masākin immer zusammen vor und werden meist als Synonyme behandelt. Es ist darüber hinaus aber erwähnenswert, dass die fuqarāʾ in einigen dieser Texte mit Sufis, Gelehrten oder anderen religiösen Funktionsträgern identifiziert wurden, die nicht notwendigerweise einem Unglück zum Opfer gefallen waren oder Hunger litten.66 Wenn jemand etwas für die Sache Gottes stifte, ohne einen Begünstigten zu nen‑ nen, solle das Einkommen der Stiftung, so al‑Ḫaṣṣāf, den masākin zu Gute kommen. Etwas zu ihren Gunsten zu stiften, war viel‑ leicht der beste Weg für den Stifter, um Gott näher zu kommen; eine solche Stiftung er‑ füllte damit in höchstem Maße die ideellen Anforderungen eines waqf.67 Weiterhin ist erwähnenswert, dass al‑Ḫaṣṣāf auch Frauen als arm und reich klassifiziert, aber eine solche Unterscheidung offenbar nur auf das Leben vor der Ehe bezogen ist. Al‑Ḫaṣṣāf legte laut Mattson auch eine Klassifizierung für Männer fest68; ihre Lebensumstände konnten ‚bescheiden‘ (muʿsir), ‚wohlhabend‘ (mūsir) oder ‚äußerst wohlhabend‘ (musir mufriṭ al-yasar) sein. Anhand dieser Ein‑ teilung ließen sich die finanziellen Mög‑ lichkeiten (wusʿ) der Männer bestimmen, die als Grundlage für die Festlegung von Unterhaltspflichten diente.69 Arme konnten Begünstigte verschiede‑ ner Stiftungstypen sein. Die Gründung von Krankenhäusern wurde zu einem weitver‑ breiteten Phänomen in der urbanen Welt des mittelalterlichen Islam, und neben den großen, berühmten, von den Herrschern gestifteten Hospitälern der Hauptstädte gab es noch viele andere, auch einige in
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Provinzstädten. Die 1182 von Saladin ins Leben gerufenen Krankenhäuser in Kai‑ ro und Fustat sollten hauptsächlich den ḍuʿafāʾ (‚Schwachen‘, d. h. den Armen) und Kranken dienen.70 In einem vielbeachteten Artikel über islamische Wohltätigkeit in Ägypten und Syrien stellt Yaacov Lev faszinierende Daten über Stiftungen und Arme aus den Kairoer Geniza‑Dokumenten vor.71 Seiner Meinung nach lebten die ahl as-sitr 72 (‚Menschen des Schleiers‘), die schon zu Beginn des 9. Jahr‑ hunderts in der von al‑Balawī verfassten Biografie des ägyptischen Herrschers Aḥmad ibn Ṭūlūn (gest. 884) als Begüns‑ tigte privater Wohltätigkeit auftauchen, in Abgeschlossenheit vor der Welt, als hoch‑ angesehene und für ihre besondere Lebens‑ weise bekannte Stiftungsempfänger. Nach seiner Argumentation wurde diese Abge‑ schiedenheit mit Frömmigkeit und Armut assoziiert; er belegt dies anhand der Ge‑ schichte eines Brunnens, der von Ibn Ṭūlūn zu Gunsten der Bevölkerung erbaut worden war: Bei Tag profitierten „Menschen mit unverhülltem Gesicht“ (man kašafa waǧhahu), Diener (ġulāmūn) und Sklavinnen, die auf Geheiß ihrer Herren Wasser holten, von der Güte des Herrschers; bei Nacht nutzten den Brunnen jedoch ḍuʿafāʾ und al-mastūrūn wa-l-mastūrāt, worunter Lev im wörtlichen Sinn „die verschleierten Männer und Frau‑ en“ versteht. Er unterscheidet damit jene, die ihr Gesicht offen zeigen und tagsüber Wasser holen, von den mastūrūn, die nachts kommen: Erstere hält er für Angehörige der arbeitenden Bevölkerung, die zusammen mit anderen in der Öffentlichkeit erschei‑ nen, um ihren Lebensunterhalt zu sichern, die zweite Gruppe hingegen für Menschen, die in Abgeschlossenheit leben. In diesem speziellen Sinne könnten ahl as-sitr oder mastūrūn ansonsten angesehene Musli‑ me sein, die aus Scham darüber, dass sie auf Wohltätigkeit angewiesen waren, den
Soziale Positionen der Akteure
Brunnen nur heimlich und im Dunkel der Nacht nutzten. Sufis lehnten die Unterscheidung von Armut als ökonomischer Realität und als religiösem Ideal aus theologischen Gründen ab. Man könnte ihre Armut als freiwillig bezeichnen, im Gegensatz zur unfreiwilli‑ gen Armut der unteren Schichten. Sufische hagiographische Texte unterstreichen dies, indem sie die hochgestellte Herkunft vieler Sufis hervorheben und ihre Entsagung von jeglichem Wohlstand als Zeichen der Ab‑ lehnung einer materiellen Welt und der spi‑ rituellen Hingabe darstellen. Lev schildert, dass die Mutter des abbasidischen Kalifen an‑Nāṣir (gest. 1225) im Jahr 1183/1184 eine Stiftung zu Gunsten von al-fuqarāʾ wa-lṣūfīya gründete – eine Festlegung, die zu‑ nächst uneindeutig erscheint, weil beide Begriffe häufig als Synonyme verwendet werden. Wahrscheinlich um Verwirrung vorzubeugen, fügte sie folgende Erklärung hinzu: „[Jene] sollen fromme, gottesfürch‑ tige, rechtschaffene, gottergebene Asketen sein, aufrechten Verhaltens und fähig, in Abgeschiedenheit zu leben“.73 Interessanterweise lehnten Sufis öf‑ fentliches Betteln ab und priesen die Tu‑ gendhaftigkeit der Armen, die ihre Nöte vor dem Rest der Gesellschaft verbargen. Gleichzeitig galten viele Sufis als fuqarāʾ und bestritten ihren Lebensunterhalt in der Tat mit Betteln. Nicht alle Bruderschaften mieden jedoch das höfische Leben und kultivierten ein Ideal asketischer Armut. Es gibt zahlreiche Fälle von sehr herrscher‑ nahen Bruderschaften, die auch großen Wohlstand akkumulierten.74 14.3.5 Alter Der Islam übernahm viele kulturelle Werte der vorislamischen Zeit (ǧāhilīya), unter anderem das Prinzip, die Alten zu ehren; es
Muslime
wurde jedoch nicht zum Maßstab sozialer Rollenverteilungen. Folglich gibt es, außer in der medizinischen Literatur und der Poesie, keine besondere Kategorisierung von Altersstufen.75 Da das Alter im Islam aus rechtlicher Perspektive keine große Rolle spielte, enthalten Stiftungsdokumente nur selten diesbezügliche Informationen. Zwar gibt es für Verwalter und Stifter relevante Vo‑ raussetzungen für ihre Rechtsfähigkeit, die auch vom Alter abhängig sind, wie etwa die Konzepte taklīf (‚Verpflichtung; Verantwortlichkeit‘) und bulūġ (‚Reife; Voll‑ jährigkeit‘), jedoch konnte jeder lebende Nachkomme eines Stifters völlig unabhän‑ gig von seinem Alter Begünstigter einer Familienstiftung werden. Im Islam waren die Eltern zudem nicht nur für das spiritu‑ elle und physische Wohlbefinden sowie die korrekte religiöse Erziehung ihres Kindes verantwortlich, sondern hafteten auch für etwaige Verfehlungen, da die Kindheit be‑ trachtet wurde als Zeit der Schwäche und Schutzbedürftigkeit, der Unwissenheit und des Mangels an intellektuellem Verständ‑ nis und auch der Willensschwäche. Folg‑ lich wurden Kinder auch im islamischen Recht als schutzbedürftig und abhängig be‑ trachtet, was die verschiedenen Herrscher dazu ermächtigte, sie und ihr Eigentum abzusichern, vor allem auch im Rahmen von Stiftungen. Zwei Probleme, die immer wieder dis‑ kutiert, aber nie abschließend geklärt wur‑ den, waren das zukünftiger Begünstigter sowie die Frage, ob ein testamentarisch gestifteter waqf ewigen Bestand habe. Die islamischen Rechtsschulen scheinen mit‑ unter verschiedene Auffassungen vertreten zu haben, was zu Kontroversen zwischen ihnen führte. (→ 14.3.6) Unter den Begüns‑ tigten eines waqf konnten im Allgemeinen auch solche sein, die noch gar nicht lebten; dies unterscheidet einen waqf von einem
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Vermächtnis (waṣīya), bei welchem nur jene bedacht wurden, die zum Todeszeitpunkt des Testators lebten. Diese Differenzierung ist wichtig, denn wo ein testamentarischer waqf ähnlichen Einschränkungen unterlag, gab es keinen signifikanten Unterschied zwischen ihm und einer waṣīya. In den waqf‑Abhandlungen der ḥanafitischen Ju‑ risten Hilāl ibn Yaḥyā al‑Baṣrī (gest. 859) und al‑Ḫaṣṣāf gibt es mehrere Stellen, an denen nahegelegt wird, dass ein testamen‑ tarischer waqf auf ewig nach den Vorgaben des Stifters bestehen solle. Für den Fall eines todkranken Stifters schlussfolgerte al‑Ḫaṣṣāf beispielsweise, dass die Erträge des waqf für die Enkelkinder und Nach‑ kommen bestimmt wären, wenn die Kinder des Stifters aussterben sollten, womit dem Willen des Gründers entsprochen werde.76 Nach Ansicht der mālikitischen Rechts‑ schule konnte ein waqf jedoch beschränkt werden – entweder auf eine bestimmte Zeitspanne oder auf eine bestimmte An‑ zahl von Generationen – und sollte danach vollständig an den Stifter oder seine Erben zurückfallen.77 Generell war man sich je‑ doch einig, dass ein rechtmäßiger waqf ewigen Bestand habe und dass ein testa‑ mentarischer waqf, im Gegensatz zu einer waṣīya, nicht an die Stiftererben zurück‑ fallen solle. Beispielsweise urteilte Hilāl, dass ein waqf, wenn alle vorgesehenen Begünstigten bereits reich waren, weiter‑ bestehen und stattdessen die Armen und Notleidenden unterstützen sollte.78 Ent‑ sprechend sollten al‑Ḫaṣṣāf zufolge nach dem Aussterben aller Begünstigten eines testamentarischen waqf ḫairī „die Gewinne dem vom Stifter festgelegten wohltätigen Zweck zugutekommen“.79 Das war die all‑ gemeine Ansicht der Ḥanafiten, obwohl andere Juristen bestimmten, dass ein waqf, dessen Zweck nicht dauerhaft war und dessen Bestimmungen keine wohltätigen Absichten erkennen ließen, ungültig war.
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14.3.6 Religiöses Bekenntnis Viele eindeutig konfessionelle Elemente des Islam flossen in die juristischen Aus‑ arbeitungen über den waqf ein. Generell ist das islamische Recht sakral und um‑ fasst sowohl Gebote für Kultus und Ritual als auch politische und im engeren Sinne rechtliche Regeln. Folglich wird jede recht‑ mäßige Institution an den religiösen und moralischen Standards gemessen, welche die vier großen sunnitischen (Ḥanafiten 80, Šāfiʿiten 81, Mālikiten 82 und Ḥanbaliten 83) und die drei großen schiitischen Rechts‑ schulen (Imāmiten oder Iṯnā ʿAšarī, soge‑ nannte Zwölfer‑Schiiten 84, Zaiditen 85 und Ismailiten, sogenannte Siebener‑Schiiten86) mittels Analogieschlüssen und rationaler Methode entwickelten. Diese Schulen do‑ minierten die klassischen Debatten der Rechtstheorie und ‑praxis im Islam – so auch im waqf‑Recht – und sind bis heute einflussreich. Das nach Glaubensrichtun‑ gen und Rechtsschulen differenzierte waqf‑ Recht beinhaltete auch Bestimmungen über die beteiligten Akteure: Es regelte zum Beispiel, wer als Stifter (wāqif ), Begünstig‑ ter (mauqūf ʿalayh) und Verwalter (nāẓir) in Frage kam. Ab dem 12. Jahrhundert bildeten die vier sunnitischen Rechtsschulen Netzwer‑ ke von Lehrern und Schülern aus, ideolo‑ gisch geeint durch die doktrinäre Treue zum jeweiligen Schulgründer und sozial verbunden durch eine Vielzahl persön‑ licher Beziehungen. Bagdad wurde zum Kristallisationspunkt des ḥanafitischen, šāfiʿitischen und ḥanbalitischen Rechts (neben einer noch immer bedeutenden Präsenz von Mālikiten), der sich durch Anwendung religiösen Rechts und der Weitergabe religiöser Gelehrsamkeit aus‑ zeichnete. Jede dieser Rechtsschulen hatte eine eigene Auffassung von der Stiftung von Eigentum. Laut ḥanafitischen Juristen
Soziale Positionen der Akteure
stellte ein waqf die Ausgliederung eines Gutes aus dem Eigentum jeglicher Person dar und die Übertragung seiner Einkünf‑ te und Nutzungsrechte zu einem gegen‑ wärtigen oder zukünftigen wohltätigen Zweck. Mālikitische Juristen gestatteten darüber hinaus die Gründung eines waqf auf bestimmte Zeit oder für die Lebens‑ dauer eines bestimmten Empfängers oder einer Reihe bestimmter Empfänger; nach Ablauf der gesetzten Frist fiel das Gut als volles Eigentum an den Stifter oder seine Erben zurück. (→ 14.3.5) Šāfiʿitische Juris‑ ten betrachteten einen waqf als Eigentum Gottes, weswegen Stifter und Begünstigte genaugenommen keine rechtlichen An‑ sprüche auf Güter oder Erträge hätten. Im Allgemeinen konnte sich ein Stifter selbst auch als Treuhänder des waqf einsetzen, nicht aber nach mālikitischem Recht. Diese Besonderheit könnte der Hauptgrund für die Seltenheit von mālikitischen Treuhand‑ Stiftungen sein und den Bedeutungsverlust der Mālikiten in den großen Zentren des islamischen Reiches erklären: Aufgrund dieser Beschränkung im mālikitischen Recht wurden weniger Stiftungen nach ih‑ rem Recht errichtet; da aber Stiftungen die wesentliche Einkommensquelle für Medre‑ sen darstellten, gab es in der Folge dieses Rückgangs mālikitischer Stiftungen immer weniger mālikitisch ausgebildete Juristen. Auch die Rolle der Begünstigten stellte sich in den unterschiedlichen Rechtsschulen verschieden dar: Der Stifter eines ‚öffent‑ lichen‘ waqf ḫairī konnte im Allgemeinen verlangen, dass dessen Begünstigte nicht von anderen awqāf profitieren sollten, und Begünstige einer Familienstiftung (waqf ahlī) konnten ihre Ansprüche verlieren, wenn sie mit ihrer Lebensführung gegen die Stiftungsauflagen verstießen, indem sie etwa entgegen einem entsprechenden Verbot Geld von anderen Stiftungen annah‑ men, sich verschuldeten oder außerhalb
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eines vorgesehenen Personenkreises hei‑ rateten. Ḥanbalitische und mālikitische Gelehrte hielten solche Bedingungen des Stifters jedoch für nichtig, da sie die Be‑ günstigten unrechtmäßig einschränkten. Derartige Unterschiede zwischen den sun‑ nitischen Rechtsschulen führten zu einer wachsenden Bedeutung von ʿulamāʾ und quḍamāʾ als Vertretern des zentralistischen und normativen Aspekts der umma und letztlich als anerkannten Hütern und Ex‑ egeten der Scharia. Die zentrale Rolle der Rechtsgelehrten und das von andauern‑ den impliziten Aushandlungen geprägte enge Verhältnis zwischen ihnen und den Herrschern zählen zu den wesentlichen Unterschieden zwischen sunnitischen und schiitischen Gesellschaften. Die Schiiten akzeptierten den Koran, aber nur in seiner Auslegung durch den einen rechtmäßigen und legitimen Imam. Folglich unterlagen die schiitischen waqf‑ Normen recht häufig der Ansicht des je‑ weilig amtierenden Imams. Beispielswei‑ se legten die zaiditischen Imame al‑Ḥādī (gest. 911) und al‑Muʾayyad (gest. 1020) fest, dass die Bewirtschaftung unveräußerlicher
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Ländereien, die Waisen oder einem waqf gehörten, auf Grundlage eines Teilbau‑ Pachtverhältnisses, bei dem die Ernten zwischen Pächter und Eigentümer geteilt werden, nur dann legitim sei, wenn sie nicht allein dem Wohl des Bewirtschaften‑ den, sondern vor allem dem Gemeinwohl diene. Laut anderen Rechtsauslegungen hatte der Bewirtschaftende in solch einem Fall als Usurpator ohne jegliches Anrecht zu gelten.87 Innerhalb der schiitischen Rechtslehre stellt die Fatimidenzeit insofern eine Be‑ sonderheit dar, als ihre Lehre (maḏhab) sich nicht nur von anderen ismailitischen Rechtsauffassungen, sondern auch inner‑ halb ihres Herrschaftsgebiets (etwa zwi‑ schen Ägypten und Indien) unterschied – so auch in Bezug auf Stiftungen. Dies gilt insbesondere für Familienstiftungen und die Verteilung ihrer Einkünfte zwischen männlichen und weiblichen Begünstig‑ ten.88 Zum ismailitischen waqf‑Recht gibt es derzeit noch kaum systematische For‑ schungen. ClM
Anmerkungen 1 Sie führte außerdem dazu, dass immer mehr
Vermögen gestiftet wurde, wie Hoexter, Endow‑ ments, Rulers and Community (1998), 24–30, zeigt. 2 Obwohl die Ansicht problematisch ist, dass der Islam grundsätzlich einen vermeintlich nomadi‑ schen Egalitarismus der Araber als Ideal trans‑ portierte, in dem der Stammesfürst als primus inter pares galt, scheint es doch, dass zumindest in der Entstehungszeit des Islam prinzipiell alle Muslime als in der Theorie gleichwertig am ge‑ sellschaftlichen Diskurs mitwirken und in offe‑ nen Dialog treten konnten. Das Bedürfnis nach rechtlicher und sozialer Gleichheit im Islam, und zwar anscheinend entgegen Tendenzen wieder‑ kehrender traditioneller vorislamischer Werte,
ist zentrales Thema bei Marlow, Hierarchy and Egalitarianism (2002). 3 Eine große Zahl von Hadithen beruft sich auf die koranische karam–taqwā‑Gleichsetzung (‚Nobilität–Frömmigkeit‘), um die Vorrangstel‑ lung bestimmter sozialer Gruppen zu begründen. Einige nutzen sie, um die Exzellenz der ʿulamāʾ (Religionsgelehrten, wörtl. ‚Wissenden‘) hervor‑ zuheben; sie stammen vielleicht aus der Zeit, als Einfluss und Prestige der Letzteren noch nicht ge‑ festigt waren. Von vielen solchen Beispielen wird berichtet bei ʿAlī ibn ʿAbd al‑Mālik al‑Muttaqī al‑Hindī, Kanz al‑ʿummāl fī sunan al‑aqwāl wa‑ l‑afʿāl. Ed. Ṣaufat as-Saqqā / Bakrī Ḥaiyānī, Bd. 3. Beirut 1979, 95, Nrn. 5653 f. Daneben gab es den
60 Anspruch wohlhabender Muslime, die nicht be‑ sonders hochgeboren waren, sich aber aufgrund ihres Reichtums zu sozialer Anerkennung be‑ rechtigt fühlten. Viele Beispiele dafür bei Kister, Land Property and Jihād (1991). Normalerweise fügen die betreffenden Hadithen der koranischen Verbindung von karam und taqwā neue solche Gleichsetzungen hinzu. 4 Cahen, Islam (1970), 109, plädiert für neutrale‑ re Begriffe wie ‚Kategorie‘ oder ‚Gruppe‘ anstatt der gebräuchlichen ‚Stand‘, ‚Kaste‘ oder ‚Klasse‘. Tatsache ist, dass es im Islam nicht die gleiche Dichotomie von ‚rein–unrein‘ oder Bestimmung durch Geburt gibt, wie dies etwa im Hinduismus der Fall ist. Gleichzeitig existierte durchaus eine Art von Standesbewusstsein. Das Problem wurde vor über 30 Jahren erkannt, als Islamhistoriker vor den Fallstricken eines unüberlegten und un‑ kritischen Gebrauchs von Begriffen wie ‚Klasse‘, ‚Klassenkonflikt‘ oder ‚soziale Gruppen‘ warn‑ ten. Zur Anwendung allgemeiner soziologischer Terminologie auf die islamische Geschichte vgl. Karpat, Historical and Methodological Conside‑ rations (1977). 5 Zur allgemeinen Einführung vgl. Beg, Khāṣṣa wa‑l‑ʿĀmma (1997). Speziell zur Bedeutung in den Städten des mamlūkischen Ägypten und Syrien vgl. Lapidus, Muslim Cities in the Later Midd‑ le Ages (1984), 80 f. Einen politologischen Zu‑ gang zur Analogie zwischen ḫāṣṣa–ʿāmma und Herrschern–Beherrschten bieten Lewis, Political Language (1988), 67 f.; Lambton, Continuity and Change (1988), 224. Eine Diskussion des antithe‑ tischen Gebrauchs der Begiffe ḫāṣṣa und ʿāmma und seiner sozialen Auswirkungen findet sich bei Blichfeldt, Khassa and ʿamma (1989/1990), 14–20. Häufig werden diese beiden Begriffe mit ‚Elite‘ und ‚Masse‘ übersetzt. Blichfeldts Forschungen zeigen allerdings, dass diese Übersetzung unzu‑ treffend und problematisch ist. 6 Hierzu mit weiteren Beispielen Lapidus, Mus‑ lim Cities in the Later Middle Ages (1984), 145. 7 Letztere stellen keine Wertskala dar, obwohl sie in Rangdiskussionen herangezogen wurden; erstere impliziert eher eine Schichten‑Struktur. Beispiele bei Rodinson, Histoire économique (1970), 142–148. – Im Folgenden werden noch weitere Begriffe behandelt werden, die ein Bewusstsein gesellschaftlicher Schichtung implizieren.
Soziale Positionen der Akteure
8 Aḥmad ibn ʿAlī al‑Maqrīzī, Iġāṯat al‑umma bi‑
kašf al‑ġumma. Ed. Badr ad-Dīn as-Sābāʿī. Beirut 1980, 72 f. Vgl. Allouche, Mamluk Economics (1994), 73; Allouche übersetzt fuqarāʾ mit ‚jene, die ein Stipendium erhalten‘. In der Regel bezieht sich der Begriff auf Studenten, denen ein Stipendium für eine madrasa oder einen ḫānqāh gewährt wird. Hier wird abweichend übersetzt. 9 Solche Titel waren die auffälligsten äußer‑ lichen Kennzeichen sozialer Position im Islam. Jedoch hatten sie im schiitischen Kontext ungleich größeres Gewicht. 10 Die Soziallehre Ibn Ḫaldūns ist eine sozia‑ le und politische Philosophie. Anstelle von ‚So‑ ziologie‘ im modernen Sinne wäre es passender, von einer ‚philosophischen Gesellschaftslehre‘ zu sprechen; gewissermaßen handelt es sich um eine Sozialanthropologie. Sie ist insofern ‚unwis‑ senschaftlich‘, als ihre Urteile nicht auf histori‑ scher oder empirischer Basis gewonnen werden; jedoch wäre es ebenso falsch zu glauben, dass es in dieser Zeit keine ‚soziologische‘ Analyse nach den wissenschaftlichen Standards der Zeit gege‑ ben hätte. Vgl. Ahmad, Ibn Khaldūnʼs Approach (2005), 105–107. 11 Die Erörterung der sozialen Dimension von islamischen Stiftungen ist gleichbedeutend mit einer Erörterung der muslimischen Gesellschafts‑ struktur an sich. Hierzu sei an die wegweisenden Arbeiten einiger Forscher erinnert, wie etwa ʿĀšūr, Muǧtamaʿ (1962), 45 f., oder die bereits genannten Cahen, Islam (1970); Lapidus, Muslim Cities in the Later Middle Ages (1984). 12 Das Interesse der historischen Forschung zum Islam galt vor allem der ḫāṣṣa, d. h. den Herr‑ schern und Gelehrten. Umfassende Literatur gibt es besonders zur Verwaltungselite. Vgl. neben anderen v. a. Bulliet, Patricians of Nishapur (1972), eine detailreiche politische und Sozialgeschichte von Nischapur mit Biographien bedeutender loka‑ ler ʿulamāʾ‑Familien; Stillman, Charity and Social Service (1975), mit Details zur Verwaltungselite gemeinnütziger Schulen; Makdisi, Rise of Colleges (1981), besonders zu den ʿulamāʾ und ihrer Kont‑ rolle über Bildungseinrichtungen; Lambton, State and Government (1981), eine detaillierte politische Analyse der Herrscherelite und bedeutender Den‑ ker der islamischen Politiktheorie; Zaman, Religi‑ on and Politics (1997), zum Verhältnis der frühen
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abbasidischen Kalifen zur ‚proto‑sunnitischen‘ 24 Bisweilen etwas überzogen als ‚Universitäten‘. religiösen Elite. 25 Diese Sicht wird jedoch widerlegt bei Makdisi, 13 Wo schon die Sozialgeschichte in der For‑ Rise of Colleges (1981), 292–308. Makdisi bezog schung zum mittelalterlichen Nahen Osten wenig sich aber vor allem auf die Kontrolle über das Beachtung gefunden hat, gilt das noch viel mehr Curriculum und Stellenbesetzungen durch den für die Geschichte der Armut. Bemerkenswerte Stifter. Chamberlain, Knowledge and social practi‑ Ausnahmen sind Ashtor, Social and Economic ce (1994, ND 2002), 70–80, kritisiert seinen Ansatz History (1976), 301–331, und das Kapitel über ‚Com‑ und weist darauf hin, dass das Bildungssystem mon people‘ bei Lapidus, Muslim Cities in the im Ganzen informell war und nicht allein auf Later Middle Ages (1984), 80–85. Medresen basierte; → 9.3.5. 14 Vgl. Heffening / Endress, Tadbīr (2000). 26 Muḥyī ad‑Dīn Abū Zakarīyā an‑Nawawī, 15 Das waqf‑Recht wurde im 9. Jahrhundert Fatāwā al‑Imām an‑Nawawī al‑musammā bi‑l‑ kodifiziert. Folglich wurden alle vermeintlichen masāʾil al‑manṯūra. Ed. ʿAlī Ibn Ibrahīm Ibn ʿAṭṭār. Stiftungen der rašīdūn irgendwann herangezogen, Beirut 1996, 158; Cuno, Ideology (1999), 147. um die Rechtmäßigkeit dieser Praxis gegenüber 27 Dokumente solcher Stiftungen untersucht jenen zu verteidigen, die sie im Widerspruch zu Petry, Geniza for Mamluk Studies (1998). koranischen Bestimmungen zum Erbrecht sahen. 28 Amīn, Awqāf (1980), 70 f. Siehe dazu Hennigan, Birth of a Legal Institution 29 Little, History and Historiography (1986), (2004), 178–186. 169–172. 16 Forand, Status of the Land (1971). 30 Ayalon, Awlād al‑nās (1986). 17 Le Strange, Palestine under the Moslems 31 Zu den Vorteilen, die die aulād an-nās ge‑ (1890), 221. nossen, vgl. Conermann / Saghbini, Awlād al‑Nās 18 Zur Entwicklung der rechtlichen Bedeutung (2002); Haarmann, Joseph’s Law (1998), 62–84. von maṣlaḥa vgl. Opwis, Maṣlaḥa (2010), 9–58. Haarmann nennt sie „mediators and wanderers 19 Diese Auffassung verdeutlicht auch das Auf‑ between the foreign elite [d. h. den Mamlūken] kommen des Genres der ‚Fürstenspiegel‘ in der and the local Arabic‑speaking population of islamischen Literatur. Gute Beispiele sind die Egypt and Syria“: Haarmann, Rez. Peter M. Holt Werke der Philosophen Ibn al‑Muqaffaʿ (gest. 756) (1987), 383. Conermann charakterisiert sie als und al‑Ǧāḥiẓ (gest. 868). Dazu Lambton, State and „the cultural interlocutors between barracks and Government (1981), 43–68. madāris, polo fields and Sufi convents, between of‑ 20 ʿAbd al‑Qādir ibn Muḥammad an‑Nuʿaimī ad‑ ficers and scholars“: Conermann / Saghbini, Awlād Dimašqī, Ad‑Dāris fī tāriḫ al‑madāris. Ed. Ibrāhīm al‑Nās (2002), 25 (angepasste Transkription, ClM). Šams ad-Dīn. Beirut 1990, Bd. 2, 290 f. 32 Ausführlich dazu G. Baer, Waqf as a Prop 21 Amīn, Awqāf (1980), 61–67. (1997), mit weiterer Literatur. 22 Lev, Saladin (1999), 119. 33 Auch im schiitischen Islam existierte eine 23 Zu diesem Machtdualismus gibt es eine gan‑ Verwaltungselite, die aber weniger einflussreich ze Reihe von Schriften. Die ‚Aḥkām aṣ‑ṣultanīya‘ war; eine Ausnahme bilden die ismailitischen (‚Säulen der Regierung‘) des al‑Māwardī (gest. 1058) duʿāt (‚Missionare‘); → 14.3.3. Auf diese Weise sind die erste zusammenhängende Abhandlung wird das Konzept der göttlichen Herrschaft un‑ über die institutionellen Probleme des Kalifats mittelbar umgesetzt, da die gottgegebene Herr‑ und der erste Versuch, sie zu lösen. Sie wurden schaft hier durch einen göttlich inspirierten und im frühen 11. Jahrhundert in einer Krise des Ka‑ unfehlbaren Imam ausgeübt wird, autorisiert und lifats als Definitions‑ und Legitimationsversuch auserwählt durch besondere Vorhersehung. Nur verfasst. Tatsächlich entstanden die anspruchs‑ dem Imam kam weltliche und geistliche Führer‑ vollsten politischen Traktate, nachdem sich das schaft zu, da er über den taʾʾwīl, eine esoterische islamische politische Denken von der fixen Idee Interpretation der Offenbarung, verfügte. eines mythischen ‚goldenen Zeitalters‘ gelöst hatte, 34 Rogers, Waqf and Patronage (1976), 75. das wiederhergestellt werden müsse. Dazu neben 35 Cyrtyn-Silverman, Road Inns (2010), 8, nennt vielem anderen Crone, God’s Rule (2004), 259–285. waqf‑Inschriften aus dieser Zeit.
62 36 Aḥmad ibn ʿAlī al‑Qalqašandī, Ṣubḥ al‑aʿšā
Soziale Positionen der Akteure
Begriffe. Da es keine institutionalisierte religiöse fī sināʿat al‑inšā, Bd. 4. Kairo 1914, 32; vgl. Labib, Hierarchie gab, die religiöse Dissidenten hätte Handelsgeschichte (1965), 405; Fischel, Spice Trade benennen, verfolgen und zu Häretikern erklären (1958), 162 f.; Wiet, Marchands (1955), 94. können, gibt es hier keine Entsprechung zum 37 Lambton, Awqaf in Persia (1997), 300. Zu Stif‑ christlichen Konzept der Häresie. tungen insbesondere von madāris durch wohlha‑ 53 Hoexter, Waqf and the Public Sphere (2002), bende Städter im Iran vgl. Arjomand, Law, Agency, 124. and Policy (1999), 267–269. 54 Ṣalāḥ ad‑Dīn aṣ‑Ṣafadī, Al‑Wāfi bi‑l‑wafāyāt. 38 Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī, Ittiʿāẓ al‑ḥunafāʾ bi‑ Ed. Muḥammad ibn ʿAbīd Allāh / Muḥammad ibn aḫbār al‑aʾimma al‑fāṭimiyīn al‑ḫulafāʾ. Ed. Ǧamāl Maḥmūd, Bd. 4. Beirut 1999, 86 f. ad-Dīn aš-Šaiyāl, Bd. 1. Kairo 1967, 294 f. 55 Makdisi, Religion, Law and Learning (1991), 39 Ashtor, Kārimī Merchants (1956), 45–47; Rein- 184–193. fandt, Karimi‑Kaufleute (2003). 56 Ayalon, System of Payment (1957–1958), 291 f. 40 Bulliet, Patricians of Nishapur (1972), 46. 57 Sing. murīd, auch ‚Anhänger‘. 41 Lapidus, Muslim Cities and Islamic Societies 58 Die Anfänge der Sufi‑Bruderschaften waren (1969), 73–78. recht bescheiden, mit einem religiösen und so‑ 42 Ibn Šaddād, Tarīḫ al‑malik aẓ‑Ẓāhir. Ed. zialen Lebensideal, das von Askese und tugend‑ Aḥmad Ḥuṭayṭ. Wiesbaden 1983, 302. haftem Verhalten geprägt war und insbesondere 43 Sabra, Poverty and Charity (2000), 86. von der Ablehnung weltlicher Genüsse; ab dem 44 Die verfügbaren Quellen legen nahe, dass 11./12. Jahrhundert hingegen rekrutierten die Bru‑ die breite Bevölkerung erst seit osmanischer Zeit derschaften auch Laien, traten allmählich in die in die Verwaltung öffentlicher Stiftungen einge‑ Öffentlichkeit und spielten bald eine wichtige bunden war. Rolle im kommunalen und religiösen Leben der Muslime. 45 Sabra, Poverty and Charity (2000), 88. 46 Ebd. 59 Tabbaa, Constructions (1997), 157; 312. 47 Zitiert nach Redford, Rape of Anatolia (2015), 60 Berkey, Transmission of Knowledge (1992), 58. 115. 61 Richards, Damascus Scroll (1990), 271. 48 Vgl. ebd., 114. 62 Ein umfassendes Buch zu allen Rangstufen 49 Es gab auch andere Fälle, in denen Sklaven und Typen von duʿāt und allen Phasen der ismai‑ nicht verkauft werden durften, zum Beispiel wenn litischen Geschichte und Lehren, das eine enorme sie zum Islam konvertierten oder wenn weibliche geographische Bandbreite von Nordafrika bis In‑ Sklaven durch eine Schwangerschaft den Status dien abdeckt, mit umfangreichen Endnoten und der ‚Mutter eines Kindes‘ (umm al-walad) ihres einer eindrucksvollen Bibliographie, ist Daftary, Herren erlangten. Ismāʿīlis (2007). 50 Abū Bakr Aḥmad ibn ʿAmr ibn aš‑Šaibānī al‑ 63 Walker, Fatimid Institutions (1994), 192. Ḫaṣṣāf, Aḥkām al‑awqāf. Kairo 1904, 152. Dessen 64 Der Begriff fuqaraʾ̄ʾ bezieht sich in der Re‑ Ansicht teilte sein Zeitgenosse Hilāl ibn Yaḥyā gel auf Personen, die ‚Gottes bedürfen‘ (faqīr ilā al‑Baṣrī, Aḥkām al‑waqf. Hyderabad 1963, 17. Allāh); wahrscheinlich bezeichnet er eher Reli‑ 51 Burhān ad‑Dīn Ibrāhīm aṭ‑Ṭarābulusī, Kitāb gionsgelehrte als materiell Bedürftige. al‑isʿāf aḥkām al‑awqāf. Ed. Amīn Hindī. Kairo 65 Muḥammad ibn Idrīs aš‑Šāfiʿī, Mausūʿat al‑ 1902, 49. – In einem anderen Fall stiftete der Grün‑ imām aš‑Šāfiʿī: al‑kitāb al‑umm. Ed. Aḥmad Badr der seinen eigenen Sklaven inklusive eines Gar‑ ad-Dīn Ḥassūn, Bd. 4. Beirut 1996, 264. Zu Abū tens, einer Wohnung und einer Olivenpresse: Ḥanīfa siehe Ibn Humām, Šarḥ fatḥ al‑qadīr. Ed. An‑Nuʿaimī, Dāris fī tarīḫ. Ed. Šams ad-Dīn (wie ʿAlī ibn Abī Bakr al-Marġīnānī, Bd. 2. Beirut 2003, 264. – Diese Diskussion wird auch in der exege‑ Anm. 20), Bd. 1, 8 f. 52 Mit ‚Orthodoxie‘ ist hier die sunna gemeint, tischen Literatur reflektiert, vgl. u. a. Tafsīr aṭ‑ stellvertretend für die Mehrheit der Muslime, Ṭabarī. Ǧāmiʿ al‑bayān ʿan tāʾwīl āy al‑Qurʾān. Ed. die die Rechtmäßigkeit der rašīdūn anerkannte. Maḥmūd Muḥammad Šākir / Aḥmad Muḥammad ‚Orthodoxie‘ und ‚Häresie‘ sind im Islam relative Šākir. Kairo 1953, 110 f.; Abū Ḥaiyān al‑Andalusī,
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Al‑Baḥr al‑muḥīṭ. Ed. ʿĀdil ʿAbd al-Mauǧūd / ʿAlī 80 Zum waqf im ḥanafitischen Recht vgl. HenMuʿaūwaḍ, Bd. 5. Beirut 1993, 58 f.; Faḫr ad‑Dīn nigan, Birth of a Legal Institution (2004) 15–41. ar‑Rāzī, At‑Tafsīr al‑kabīr, Bd. 16. Beirut 1981, 107. 81 Informationen zum waqf im šāfiʿitischen 66 ʿAbd ar‑Raḥmān al‑Ǧaubarī, Al‑Muḫtār fī Recht lassen sich in den Aufzeichnungen der kašf al‑asrār wa hatk al‑astār. Ed. Munḏir al-Ḥāyik. ayyūbidischen und mamlūkischen Reiche ent‑ Beirut 1992, 57. nehmen. Wichtige Quellen nennt Sabra, Poverty 67 Al‑Ḫaṣṣāf, Aḥkām al‑awqāf (wie Anm. 50), and Charity (2000), 70–73. Vgl. auch Santillana, 20. Dies blieb die Ansicht der Ḥanafiten in solch Istituzioni (1938), 412–451. einem Fall; siehe dazu Hennigan, Birth of a Legal 82 Zum mālikitischen waqf‑Recht vgl. Powers, Institution (2004), 210. Zu den anderen Rechts‑ Maliki Family Endowment (1993); Santillana, Is‑ schulen J. N. D. Anderson, Religious Element tituzioni (1938), 412–451. (1951), 293 f. 83 Zum ḥanbalitischen waqf‑Recht gibt es keine 68 Mattson, Status‑Based Definitions (2003), 46. speziellen Arbeiten, wahrscheinlich weil ihre 69 Abū Bakr Aḥmad ibn ʿAmr ibn aš‑Šaibānī al‑ Juristen in der Regel die šāfiʿitischen Auslegun‑ Ḫaṣṣāf, Kitāb an‑nafaqāt. Ed. Abū-l-Wafaʾ al-Afġānī. gen teilten. Beirut 1984, 29–36. 84 Zu den Positionen imāmitischer Juristen zum 70 Lev, Saladin (1999), 138. waqf vgl. Çizakça, History of Philanthropic Foun‑ 71 Lev, Charity and Social Practice (2000), 489. dations (2000), 141. 72 Lev, Charity, Endowments (2005), 11 f., legt 85 Auf Diskussionen zaiditischer Juristen zum dar, warum es wohl eher ahl as-satr heißen muss; waqf weist Donaldson, Sharecropping (2000), 93– vgl. aber seinen früheren Artikel: Ders., Charity 121, hin. Die Zaiditen teilten sich später in Schu‑ and Social Practice (2000). len, die von einzelnen Lehrern geprägt waren; 73 Zitiert nach Lev, Charity, Endowments (2005), die beiden Hauptrichtungen sind die Qāsimīya und die Nāṣirīya. 105–107. 74 Weitere Literatur bei Hoexter, Waqf and the 86 In der vorfatimidischen Zeit gab es kein Public Sphere (2002), 116–118. ismailitisches Recht. Seine Kodifizierung geht 75 Shuraydi, Raven (2014), 357 f. auf die Bemühungen eines einzelnen Juristen 76 Al‑Ḫaṣṣāf, Aḥkām al‑awqāf (wie Anm. 50), zurück, des Kadi An‑Nuʿmān (gest. 974). Trotz 248 f. der Bedeutung des waqf in fatimidischer Zeit gibt 77 Abū Zahrah, Muḥāḍarāt (1959), 76. es hier bisher keine speziellen Untersuchungen 78 Al‑Baṣrī, Aḥkām al‑waqf (wie Anm. 50), 134. zum waqf‑Recht. 79 Al‑Ḫaṣṣāf, Aḥkām al‑awqāf (wie Anm. 50), 87 Donaldson, Sharecropping (2000), 101 f. 246. 88 Fyzee, Aspects (1970), 89.
14.4 Juden 14.4.1 Allgemeines An den jüdischen Stiftungen des Mittelal‑ ters waren Angehörige aller gesellschaft‑ lichen Schichten beteiligt. Bei den ḥevrot des spätmittelalterlichen Spanien beispiels‑ weise gehörten Akteure aller Art – Stif‑ ter, Verwalter und Begünstigte – nahezu
ausschließlich den mittleren und unteren Strata an, während es bei einer privaten Stiftung geschehen konnte, dass der Stifter aus dem oberen, die Verwalter aus dem mittleren und die Begünstigten aus dem unteren sozialen Segment stammten. Die
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jeweilige soziale Herkunft hatte auch Ein‑ fluss auf den gesellschaftlichen Aufstieg im Kontext der Stiftung selbst; bei den ḥevrot waren die Chancen dafür etwa viel größer als beim Gemeinde‑heqdesh. Man kann sogar behaupten, dass es ein Hauptziel der Stiftungen war, soziale Unterschiede einzuebnen. Die sozialen Positionen im Einzelnen lassen sich unterscheiden nach der Schicht (→ 14.4.2), der Zugehörigkeit zu ‚Laien‘ oder Gelehrten (→ 14.4.3), dem materiellen Vermögen (→ 14.4.4), dem Alter (→ 14.4.5), der Herkunft (→ 14.4.6) sowie der religiösen Gemeinschaft (→ 14.4.7). 14.4.2 Schichten Im Folgenden verwende ich die Begriffe ‚Schicht‘ statt ‚Stand‘, ‚obere Schicht‘ statt ‚Aristokratie‘ und ‚Adel‘, ‚mittlere Schicht‘ statt ‚Bürgertum‘ sowie ‚untere Schicht‘ statt ‚Bauern‘. Diese Kategorisierung folgt Shlomo Dov Goitein für das orientalische und Michael Toch für das aschkenasische Judentum. Die Einteilungen beruhen auf der Feststellung, dass das Judentum in allen geographischen Bereichen des Mit‑ telalters eine vorwiegend städtische Ge‑ sellschaft war, die keinen Adel und kein Bauerntum im Sinne des Feudalismus der zeitgenössischen christlichen, islamischen oder fernöstlich‑asiatischen Gesellschaf‑ ten kannte. Das bedeutet nicht, dass in der Literatur im Zusammenhang mit dem Judentum die Begriffe ‚Adel‘, ‚Aristokratie‘ und ‚Bauern‘ nicht verwendet würden. Vor allem bei der spanisch‑jüdischen Ober‑ schicht der ‚Hofjuden‘ wurden durchaus die Begriffe ‚Adel‘ und ‚Aristokratie‘ ver‑ wendet. Diese sehr bedeutende Schicht ähnelte nämlich in vielerlei Hinsicht dem nichtjüdischen Adel: Sie besaß Land und Vermögen, das sie vom König als eine Art Rente bekommen hatte. ‚Aristokratie‘
Soziale Positionen der Akteure
wird manchmal auch die traditionelle Gelehrtenschicht genannt, die als Vor‑ steher der yeshivot vom 7. Jahrhundert an im Orient (in Babylonien und Palästina) und im 11. Jahrhundert auch in Aschke‑ nas bekannt ist. Auf dem Land begegnet man im Mittelalter auch jüdischen ‚Bau‑ ern‘, aber die Menge der Landjuden war insgesamt viel geringer als die städtischer Juden. Sowohl im Orient als auch in Euro‑ pa besaßen Juden Land; sie wohnten aber trotzdem meistens in Städten und ließen die Äcker oder Weinberge von nichtjü‑ dischen oder jüdischen Arbeitern gegen Bezahlung bestellen. Im Stiftungswesen spielten die Bauern keine bedeutende Rol‑ le. Stattdessen muss man die Kategorie der Arbeiter oder verarmten Mittellosen in der unteren Schicht beachten, zu der auch Bauern gehören konnten. S. D. Goitein hat das mediterrane (orien‑ talische) Judentum des Mittelalters deutlich von der gleichzeitigen westlichen Feudal‑ gesellschaft abgesetzt.1 Auf Grundlage der Geniza‑Dokumente unterschied er fünf soziale Schichten („five different social levels“): Die Oberschicht („upper class“), zu der hohe Regierungsbeamte und Ärzte, leitende Richter und große Kaufleute ge‑ hörten, besonders, wenn sie zugleich durch Gelehrsamkeit zum Leitungsamt in der Gemeinde gelangt waren. Hier spielte vor‑ nehme Abkunft eine Rolle, wichtiger waren aber materieller Wohlstand, Frömmigkeit und religiöse Bildung. Den zweiten und dritten Rang (die Mittelschicht) nahm die „bourgeoisie of businessmen and profes‑ sionals“ ein, also Händler und Handwerks‑ meister auf regionalen beziehungsweise lokalen Märkten. Das vierte gesellschaftli‑ che Stratum bildete nach Goitein die Masse der städtischen Handwerker und der Ar‑ beiter, das fünfte bestand aus den Bauern. Im Prinzip galt die soziale Ordnung mit ihrer Ungleichheit als gottgewollt, so dass
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die Geburt weithin die soziale Schicht des Einzelnen bestimmte, weil der Sohn im Allgemeinen dem Vater im Beruf folgte. Es gab aber nach Goitein auch größere Auf‑ stiegschancen als im christlichen Europa, und den unterstellten „Klassenkampf“ (so Goitein im Original) konnten unter ande‑ rem Wohltaten der Vermögenden für die Armen mildern. Die Stifter gehörten im Allgemeinen der Ober‑ und oberen Mittelschicht an, während die Verwalter der Stiftungen auch aus der unteren Mittelschicht stammen konnten. Unter den von Gil herausgege‑ benen Dokumenten gibt es etwa vierzehn Stiftungen, bei denen Häuser oder Eigen‑ tumsanteile an Häusern dem heqdesh in Fustat übermacht wurden. Beispiele sind die Stiftung eines Mannes aus Damaskus für den großen Synagogen‑heqdesh von Da‑ maskus vor dem Gericht in Fustat (Nr. 33) oder diejenige eines Mannes aus Tyros für die Synagoge in Aleppo (Nr. 2).2 Oft weiß man nichts Genaues über Abstammung und Beruf der Stifter, die aber gewiss den Kaufleuten, Handwerkern und Gelehrten angehörten. Ein anderes Dokument be‑ zeugt eine Landstiftung durch den Schwa‑ ger des Maimonides, Isaiah ha‑Levi ben Mishael, ca. 1180 (Nr. 75). In diesem Fall handelte es sich um einen Gelehrten und religiösen Vorsteher der Gemeinde. Der vorgesehene Verwalter war ein Ge‑ meindeangestellter (parnas), dem man un‑ ter Umständen eine religiöse Ausbildung zuschreiben kann. Gil zufolge gehörten die parnasim zu den reicheren Mitgliedern der Gemeinde und damit zu einer intermedi‑ ären Elite nach der höchsten Schicht von gebildeten Gelehrten und Richtern. Unter den parnasim wiederum gab es sehr viele Juden, die selbst in einem heqdesh‑Haus zur Miete lebten. Das bedeutet, dass es unter den parnasim auch solche Verwalter gab, die kein eigenes Haus in Fustat besaßen,
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aber von ihrem Gehalt als Angestellte der Gemeinde die Miete bezahlen konnten.3 Direkte Destinatäre der Stiftungen wa‑ ren im Allgemeinen entweder der heqdesh der Synagogen oder Arme beziehungsweise Studenten. Zu einem unbekannten Zeit‑ punkt stiftete beispielsweise ein Wohltäter, der anscheinend eher der Mittelschicht entstammte, Studenten einen Garten (bzw. dessen Erträge), der sich in einem Dorf in der Umgebung von Damaskus befand. Der Stifter machte zur Bedingung, dass die Empfänger dann auch keiner ande‑ ren Beschäftigung nachgehen sollten als dem Thora‑Studium.4 Indirekt eröffnete die Stiftung also einen Weg zur Gelehr‑ tenschicht und zum sozialen Aufstieg. Un‑ ter den mittellosen Stiftungsbegünstigten kann man im Übrigen unterscheiden zwi‑ schen Dienern in jüdischen Haushalten, Arbeitern auf dem Land und in den Städ‑ ten, verarmten Angehörigen der jüdischen Mittelschicht, Fremden aller Art sowie Gefangenen. Von Zeit zu Zeit erhielten arme Juden aus Fustat das Recht auf die Einkünfte bestimmter heqdesh‑Häuser. Ein Dokument von ca. 1120 bezeugt etwa, dass ein gewisser Aaron ha‑Levi, der Sohn von Joseph dem Gerber, einen Anteil an den Erträgen von den „Häusern der Jerusale‑ mer“ (also an den Häusern der ersten von Jerusalem nach Fustat Übergesiedelten) hatte.5 In anderen Fällen wurden Häuser auch mit dem expliziten Zweck gestiftet, einen bestimmten Typ von Armen zu un‑ terstützen. Die Einkünfte aus einem heqdesh‑Haus namens Dār an‑Nāqa sollten gemäß dem Stiftungsdokument für Kran‑ kenpflege, Leichenhemden, die Kopfsteuer (ǧāliya) von Gelehrten oder Arzneimittel verwendet werden.6 Auch Waisen und Witwen erscheinen auf bestimmten Lis‑ ten, die anscheinend Unterstützung vom heqdesh nach einem ‚speziellen Programm‘ erhielten.
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Im mittelalterlichen Spanien war die jü‑ dische Gemeinschaft im Wesentlichen ähnlich aufgebaut wie im Orient. Die Ge‑ meinde (aljama) bestand aus einer losen Verbindung von großen Familien, gelehr‑ ten Kreisen und anderen sozialen Grup‑ pen. Eine besondere Stellung nahmen die ‚Hofjuden‘ und einflussreichen Kaufleute ein. Sie sollten die Anliegen der Gemein‑ de beim christlichen oder muslimischen Herrscher fördern, diese aber auch bei der Steuereintreibung bei den Juden unterstüt‑ zen.7 Da sie selbst oft außergewöhnlich wohlhabend waren, konnten sie zudem für jüdische Gelehrte und Künstler als Mäzene und Patrone tätig werden. Zu Persönlich‑ keiten dieser Art gehörten im Laufe der Zeit im muslimischen und christlichen Spanien Hasdai Ibn Šaprut am Hof von ʿAbd ar‑Raḥman III. (891–961) in al‑Anda‑ lus, Abraham Ibn al‑Faḫar in der Umge‑ bung Alfonsʼ VIII. (reg. 1158–1214) sowie Don Isaak Abrabanel (1437–1508) am Hof von Ferdinand und Isabella.8 Auch Samuel Halevi Abulafia war Hofjude, Administra‑ tor und Steuersammler von König Peter I. zwischen 1353 und 1360. Er konnte seine Position dafür nutzen, die prachtvolle Sy‑ nagoge El Tránsito in Toledo zu stiften.9 Nicht nur einzelne Personen aus dieser obersten gelehrten Schicht, sondern gan‑ ze Familien waren als Mäzene und Stifter tätig. Zu diesen gehörten – um nur einige zu nennen – in Toledo die Familien von Ibn Ezra, Ibn Shoshan, Alfakhar, Halevi Abulafia und Ibn Zadok sowie in Barcelona und Saragossa die Familien von Sheshet (Perfet), Benveniste und Eleazar.10 Die vom König mit einer Art von Rente ausgestatte‑ ten ‚Hofjuden‘ waren zwar steuerpflichtig, bestifteten aber auch die Gemeindefonds, errichteten selbst private und semi‑private Stiftungen und förderten die Gemeinden durch Fürsprache beim Herrscher, indem sie vorteilhafte rechtliche Regelungen
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erwirkten. Insbesondere in Lagen beson‑ derer Bedrängnis, etwa bei Kriegen oder nach Pogromen, konnten diese einfluss‑ reichen Männer beim König ihren armen Glaubensgenossen durch Vermittlung von Steuernachlässen helfen. Die Juden bei Hof stellten zugleich oft die Vorsteher der Gemeinden und nutzten diese Positionen natürlich auch zu eigenen Gunsten aus, so dass sie von Förderern zu Polarisierern der Gemeinden werden und in Konflikte mit den mittleren und unteren Schichten geraten konnten. In der zweiten Hälfte des 14. und im 15. Jahrhundert erlebten in Spanien auch die ḥevrot einen Aufschwung. (→ 3.4.3) An‑ gehörige der mittleren und unteren Schich‑ ten gründeten private caritative Stiftungen und ḥevrot außerhalb der Gemeindeinstitu‑ tionen. Dazu gehörten sowohl verschiede‑ ne Armen‑ und Wohltätigkeitsstiftungen, wie Kranken‑, Armen‑ und Altenhäuser sowie Beerdigungsgesellschaften, als auch Schulen für Talmudstudien und Synagogen. Bei Stiftungen, die mit Hilfe einer ḥevrah gebildet wurden, ging es meistens um den Ausschluss anderer Gesellschaftsschichten und Gruppen, um gegenseitige Hilfe ex‑ klusiv zu leisten. Die Mitglieder der ḥevrot kamen meistens aus den unteren Schichten, vereinten Angehörige bestimmter Berufe (z. B. Schuster, Gerber u. ä.) und sicherten Leistungen wie etwa Krankenbesuche.11 In den Gemeinden von Aschkenas taten sich zunächst jene hervor, deren Gelehr‑ samkeit allgemein anerkannt war. Voraus‑ setzung dafür war freilich wirtschaftliche Potenz, da die Tätigkeit als Gelehrter selbst keinen Profit erbrachte. Michael Toch zu‑ folge entstammten sie dementsprechend der sozialen Oberschicht der Großhänd‑ ler. Während des 10. und 11. Jahrhunderts kamen sie über fünf Generationen aus nur sieben Familien, die untereinander
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das Konnubium pflegten.12 Mit der starken Beschädigung der Gemeinden während der Kreuzzugspogrome von 1096 kam auch diese ältere Sozialschichtung von potentes und pauperes zu ihrem Ende. Mit der neuen Dezentralität der jüdischen Siedlung in Aschkenas und unter dem Einfluss des an‑ wachsenden Geldhandels entwickelte sich nun eine differenzierte Sozialschichtung.13 In der (städtischen) Gemeindeleitung tra‑ ten ‚Neureiche‘ hervor, für die abgesehen von ihrem Wohlstand auch ihre engen Kontakte mit den christlichen Obrigkei‑ ten charakteristisch waren. Sie wurden als ‚Haushalter‘ (baʿale-bait) bezeichnet, weil sie sesshaft im eigenen Haus waren. Die Armen dagegen wurden nicht nur mittel‑, sondern auch rechtlos, da sie ohne eigenen Haushalt nicht in den Bürgerverband auf‑ genommen wurden. (→ 14.4.4) So entstan‑ den Herbergen innerhalb einer Gemeinde durch Stiftungen für wandernde, nicht ansässige jüdische Arme schon Anfang des 13. Jahrhunderts (Regensburg 1217 und Köln vor 1238). Die Zahl der Armen, die nur von den Leistungen der Vermögenden, Geld‑ leiher, Kaufleute und Handwerker lebten, hat sich im Spätmittelalter zwischen dem Ende des 14. und dem Ende des 15. Jahr‑ hunderts verdoppelt. Mit der Auswande‑ rung Vermögender von Deutschland nach Italien verstärkte sich die Verarmung der unteren Schichten.14 Die aschkenasischen Responsa zeigen, dass die Organisation der Gemeinde‑ heqdeshot viel stärker als im Orient und in Sepharad auf der Zehntabgabe beruh‑ te, die proportional mit dem Vermögen stieg. Der größte Teil der Zahlungen an den Gemeinde‑heqdesh wurde daher von sehr vermögenden Mitgliedern geleistet. Die Gemeindeleitung führte sehr strenge Regelungen gegen den Abfluss privaten Vermögens an den König, einen Fürsten oder einen christlichen Bischof ein, um
zu verhindern, dass der Anteil der Ver‑ mögenden an der Abgabe zugunsten des Gemeindefonds verringert würde oder gar ganz entfiele. Außerdem gründeten die reichen Mitglieder auch in Aschkenas pri‑ vate und semiprivate Stiftungen, die von der Verwaltung des Gemeinde‑heqdesh oder aber auch von Privatleuten beauf‑ sichtigt wurden. Da die aschkenasischen Stiftungen mit Geld dotiert wurden und die Hauptbeschäftigung der Juden hier seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts im Geldverleih bestand, wurde auch der Fonds der Stiftungen zu seiner Mehrung investiert und gegen Zinsen verliehen. Die wirtschaftliche Tätigkeit der Juden in Italien (z. B. in Sizilien und vor allem in Venedig) war und blieb im Hoch‑ und Spätmittelalter sehr rege, trotz mancher Einschränkungen und Verbote seitens der nichtjüdischen Herrschaften und Kom‑ munen.15 Man brauchte die Juden für den Geldtransfer und die Geldleihe, obwohl sie sich auch in Handel und Handwerk betä‑ tigten. Jüdische Geldleiher und Händler gehörten der oberen und mittleren Schicht an und spielten bei der Stiftungstätigkeit eine große Rolle. Sie förderten gemeind‑ liche und private heqdeshot, spielten aber darüber hinaus auch eine wichtige Rolle im Geldtransfer zugunsten der Gemeinden in Jerusalem; auch investierten sie Geld, das von den aschkenasischen Gemeinden (z. B. aus Nürnberg) nach Jerusalem geschickt wurde. 14.4.3 ‚Laien‘ und Gelehrte Den Begriff ‚Laien‘ kann man im Fall des mittelalterlichen Judentums nur mit Vor‑ behalt benutzen. Eine Unterscheidung zwischen Laien und Geistlichen gab es im mittelalterlichen Judentum nicht in dem gleichen Sinne wie im Christentum.
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Zwar gab es ein hebräisches Wort für ‚Laie‘ (hedyoṭ, von gr. idiōtēs), allerdings versteht man darunter im talmudischen Recht eine Person, die kein gelehrter Richter ist. Ein hedyoṭ kann aber in einem Gericht mit zwei anderen Personen sitzen, nur in keinem Fall allein entscheiden. Wenn in der mit‑ telalterlichen jüdischen Gesellschaft zwi‑ schen Gelehrten und nicht oder weniger religiös Gebildeten unterschieden wurde, waren soziale Schicht und Beruf jedoch nicht unbedingt an die Gelehrsamkeit ge‑ bunden. Die wirklich herausragenden Ge‑ lehrten kamen oft aus vornehmen Familien und versuchten, in der Familie den Söh‑ nen ihre Qualifikation weiterzugeben. Die professionellen Rabbiner kamen Mitte des 14. Jahrhunderts auf, als man versuchte, die Ordination (semikhah) wieder einzuführen. Mit Abschluss des Besuchs einer yeshivah erhielt der Absolvent ein offizielles Diplom, das ihn zum Gemeinderabbiner und zu richterlichen Funktionen qualifizierte. Er konnte ferner selbst eine eigene yeshivah leiten, auch wenn eine solche an seinem Ort schon bestand. Die Ordination setzte sich bis zum Ende des Mittelalters aber nicht überall durch. Unabhängig von der Ordination galt die Gelehrtenschicht im Mittelalter als die führende und wichtigste Schicht. Den einzigen Unterschied zwi‑ schen Gelehrten und ‚Laien‘ machten dabei Kenntnisse der talmudischen Fächer aus. Die einzelnen Gelehrten bildeten eine Hierarchie gemäß ihrer Gelehrtheit; nach ihrer wirtschaftlichen Lage gehörten sie aber allen Schichten an. So gab es Gelehr‑ te, die ein sehr großes Vermögen besaßen, das ihnen ein Talmudstudium ermöglich‑ te, und die sich überdies mit Handel oder Geldgeschäften befassten. Auf der ande‑ ren Seite standen aber auch weniger rei‑ che Gelehrte, die ihr Studium von Zeit zu Zeit unterbrechen mussten, um ihren Le‑ bensunterhalt mit Handel oder Handwerk
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zu verdienen, oder die auf den Unterhalt der Gemeinde angewiesen waren. Dann galten sie als ‚Bettler‘. Eigentlich durften die Gelehrten aufgrund des talmudischen Rechtes keine Entlohnung für Wissensver‑ mittlung akzeptieren; dies war nur Lehrern von kleinen Kindern erlaubt. Die Gelehr‑ ten genossen dafür aber Privilegien wie etwa Steuerfreiheit, die ihnen allerdings in Aschkenas nicht immer zugestanden wurde. Da viele aschkenasische Gelehrte tatsächlich zugleich reiche Geldhändler waren, konnten sie sich aber auf diesem Wege bestimmte Privilegien sichern und ihren Wohlstand stabilisieren. Ein weite‑ res solches Privileg war zum Beispiel die Institution des maʿarufya, ein Monopol auf den Handel mit Nichtjuden. In Stiftungen spielten Gelehrte auf al‑ len Ebenen eine Rolle. Die reichen unter ihnen stifteten für Arme, für Synagogen, aber vor allem für yeshivot und Bildung. Das galt im Orient ebenso wie in Spanien oder Aschkenas. Sie waren aber auch als yeshivah‑Leiter oder als Gemeindevorsteher verantwortlich für den heqdesh, den sie zugleich rechtlich nach außen vertraten. Ihre Rolle als Stiftungsempfänger war hingegen nicht unumstritten: Ein promi‑ nenter Gegner der Bezahlung von Gelehr‑ ten durch die Gemeinde war Maimonides. Dessen Abneigung ging so weit, dass er von den Gelehrten sogar verlangte, zur Not demütigende Arbeiten zur Sicherung ihres Lebensunterhalts anzunehmen. Die größ‑ ten Gelehrten des Talmud seien Zimmer‑ leute oder Balkenträger gewesen, hätten in den Bewässerungsanlagen auf den Feldern gearbeitet und ihr Leben als Schmiede gefristet. Mit seiner Norm wandte sich Maimonides gegen die herrschenden Zu‑ stände in Fustat. Auf den Kairoer heqdesh‑ Listen des späten 12. Jahrhunderts erschei‑ nen Leiter des Lehrhauses und Richter als bezahlte Mitglieder der Gemeinde: Amīn
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ad‑Daula Sulaimān, der segan und damit Stellvertreter des yeshivah‑Oberhaupts war, bekam zum Beispiel 20 Dirham monatlich; der Richter Nathan ben Samuel, genannt an‑Nēzer, wurde mit 50 Dirham ausgestat‑ tet; andere Richter (al-dayyanim) erhielten 69 Dirham; der Richter und Kinderlehrer Samuel ben Saadya nahm monatlich 20 Dirham hingegen.16 Der heqdesh versorgte auch die Familie der Gelehrten über ihren Tod hinaus. Die Waisen eines bestimmten nasi erhielten 40 Dirham monatlich, sei‑ ne Witwe 244 Dirham, was die weitaus höchste Summe unter den Ausgaben des heqdesh war. Die Höhe der Zuwendung hing bei Gelehrten nicht von der Herkunft ab, wie das Beispiel des provenzalischen R. Anatoli von Lunel zeigt, der Richter in Alexandria wurde.17 Auch Thorastudenten wurden von priva‑ ten Stiftungen (awqāf ) unterstützt, so von der des Yefet ha‑Levi von Damaskus, deren Erträge dem Unterhalt von Thora‑Schülern in Damaskus zugutekommen sollten, un‑ ter der Bedingung, dass sie keine anderen Berufe und Beschäftigungen ausübten und sich vollständig dem Studium widmeten. Der Stifter bestimmte außerdem zwei pri‑ vate Verwalter oder Treuhänder (wakilain) namens Yequtiel und Petaḥyah, die die Stiftungserträge nach ihrem freien Befin‑ den an Thora‑Schüler verteilen sollten.18 Auch in Spanien konnten Gelehrte sowohl Stifter als auch Destinatäre von Stiftungen sein. Ein gutes Beispiel dafür ist die yeshivah des Rabbi Asher ben Yeḥiel (Rosh). Dieser war 1306 mit seiner Familie nach Toledo gekommen und gründete hier die berühmteste yeshivah seiner Zeit. An dieser Schule studierten junge Männer aus ganz Europa und sogar aus Afrika; einige waren mit Asher aus Aschkenas nach Toledo eingewandert, andere gehör‑ ten vornehmen und reichen Familien aus
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Toledo an; wiederum andere kamen aus dem Norden Spaniens, der Provence, aus Barcelona, Navarra oder Mallorca; auch Studenten aus weit entfernten Ländern wie Russland, Böhmen und weiteren Ge‑ bieten Osteuropas sind bezeugt. Die frem‑ den Studenten, die ihre ganze Zeit dem Studium widmeten, benötigten finanzielle Unterstützung. Toledaner Gelehrte, wie etwa R. Abraham b. Shoshan, hielten daher Predigten (drashah) für die Beschaffung von Geldmitteln zugunsten der Studenten. Die Ibn‑Shoshan‑Familie, aus der R. Ab‑ raham stammte, bestiftete auch selbst die yeshivah von Rosh, und zwar nicht nur zu dessen Lebzeiten, sondern auch, nachdem bereits Roshs Sohn Yehudah die Leitung der yeshivah übernommen hatte. Die Stifter und Wohltäter der Ibn‑Shoshan‑Familie waren bis zum Ende des 15. Jahrhunderts in Spanien tätig.19 Das Modell zur Unterstützung einer yeshivah, das Rosh mit Hilfe der Ibn‑ Shoshan‑Familie verwirklichte, wurde in Spanien bis zum Ende des Mittelalters nachgeahmt: Lehrhäuser wurden durch reiche Juden gestiftet, darunter immer wieder auch Rabbis selbst. 1332 stiftete R. Josef ha‑Levi für eine yeshivah einen Weingarten, dessen Profit jährlich unter den Studenten verteilt wurde; 1357 stifte‑ ten verschiedene Rabbis in Ecija, in Egea (Iga) und in Tortosa private heqdeshot aus‑ schließlich für Studenten. Und als in den jüdischen Vierteln von Barcelona, Sara‑ gossa und Mallorca im 14. Jahrhundert ḥevrot (Bruderschaften, confraternitates) gebildet wurden, widmeten auch sie ei‑ nen Teil des privaten heqdesh, der aus den Mitgliedsbeiträgen gespeist wurde, dem Thora‑Studium. Im 15. Jahrhundert war es in Spanien bereits üblich, yeshivot mit Hilfe von Stiftungen zu unterstützen. Die Sorge um den Lebensunterhalt der Stu‑ denten lag dabei beim Leiter der yeshivah.
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Wie im Orient und in Spanien am Anfang des 14. Jahrhunderts wurden auch in Asch‑ kenas die Gelehrten von der Gemeinde oder durch private Stiftungen finanziell unterstützt. Nach den Verfolgungen zur Zeit des Schwarzen Todes, der eine Gene‑ ration von Gelehrten in Deutschland zum Opfer gefallen war, versuchten die führen‑ den Rabbiner, die Zulassung zum Rabbinat (semikhah) zu formalisieren. Davor hatte ein Student, der bei einem oder mehre‑ ren Gelehrten studierte, am Ende seiner Ausbildung keine offizielle Anerkennung erhalten. Mit der Einführung der semikhah wurde er nunmehr Ordinierter für ein Rabbinat mit Anrecht auf Bezahlung durch die Gemeinde. Diese Professionali‑ sierung des Rabbinats hatte politische und wirtschaftliche Ursachen. Da Juden der Geldhandel zunehmend verwehrt wur‑ de, mussten Absolventen der yeshivot und verarmte Rabbiner mit ihrer Tätigkeit et‑ was verdienen. Außerdem vertraten die Rabbiner die ganze Gemeinde gegenüber der christlichen Obrigkeit, eine Funktion, die bis zur Großen Pest in erster Linie durch den jüdischen Gemeindevorsteher erfüllt worden war. Die Schaffung einer bezahlten Stelle für Rabbis sicherte den Gemeinden ihre Unabhängigkeit vor der Einmischung in innere Angelegenheiten gegenüber anderen Gemeinden und den christlichen Obrigkeiten.20 14.4.4 Arme und Reiche Trotz der Bedeutung von sozialer Schicht und Beruf in den mittelalterlichen jüdi‑ schen Gesellschaften waren Reichtum und Armut die bedeutendsten Kennzeichen für die Akteure einer Stiftung. Aus den Listen der Geniza geht hervor, dass die Mehrheit der Spender zwischen einem Vierteldinar und zwei Dinar zugunsten
Soziale Positionen der Akteure
des heqdesh spendete; hierbei handelte es sich um Handwerker und religiöse Angestellte.21 Arbeiter gaben zwischen einem halben und einem ganzen Dinar, Kaufleute und Ärzte zwischen drei und vier, manchmal bis zu sieben oder sogar zwanzig Goldstücke.22 Die wirklich großen Stiftungen, etwa bei den yeshivot in Babylonien, errichteten reiche Fernhändler. Unter diesen ragen berühmte Karäer und rabbinische Kauf‑ mannsfamilien als Stifter heraus, wie die der Tustarī (karäische Kaufleute in Kai‑ rouan, Anfang des 11. Jahrhunderts), Ibn ʿAukal (rabbinische Kaufleute in Fustat, zur gleichen Zeit) und Tāhirtī (rabbini‑ sche Kaufleute, Mitte des 11. Jahrhunderts, zuerst in Kairouan danach in Fustat); sie bestifteten die yeshivot in Babylonien, den heqdesh in Fustat und die yeshivah in Pa‑ lästina. Sie spielten darüber hinaus beim Transfer des Geldes eine große Rolle, das in den Gemeinden von Kairo gesammelt worden war.23 Mark R. Cohen unterteilt die Begüns‑ tigten aus der Zeit der Kairoer Geniza in mehrere Untergruppen. Eine größere Gruppe, die auf den Listen ständig er‑ scheint, bildeten die einheimischen Be‑ dürftigen, darunter auch viele Gemeinde‑ angestellte. Auch die parnasim (Verwal‑ ter) erscheinen oft auf diesen Listen. Die ortsansässigen Armen gehörten mehreren sozialen Gruppen an: den arm Geborenen, verarmten Gelehrten, Verarmten ande‑ rer Berufe, Gemeindeangestellten, Waisen und Witwen.24 Eine weitere Untergrup‑ pe waren nach Cohen Fremde, die – ur‑ sprünglich unterschiedlich vermögend – nun in Fustat in Not geraten waren.25 Die Bittschreiben der Armen an die Verwalter des heqdesh oder die Vorsteher der Ge‑ meinde verraten manches über die soziale Position der Bewerber.26 Die Mehrheit von ihnen war nicht dauerhaft arm, sondern
Juden
geriet nur zeitweilig in finanzielle Not. Da sich diese Verarmten schämten, als Bettler in der Öffentlichkeit aufzutreten und in der Synagoge um Unterstützung durch den heqdesh zu bitten, offenbaren erst die Brie‑ fe die kümmerliche Lage dieser Personen. In einigen Bettelbriefen wird wiederholt davon gesprochen, dass der Schreiber „nie einer [war], der sein Gesicht aufdeckt“.27 Im christlichen Spanien wurde der Unter‑ schied zwischen Reichen und Armen seit dem 13. Jahrhundert immer größer. Das Vermögen der jüdischen Familien, die als Dolmetscher, Übersetzer, Diplomaten, Ärzte, Lieferanten, Verwalter und Stellvertreter am königlichen Hof dienten, wurde immer größer, ihr Einfluss auch innerhalb der Ge‑ meinden immer stärker, während kleinere, der Mittelschicht angehörende städtische Kaufmannsfamilien verarmten und die untere Schicht komplett mittellos wurde. Unstimmigkeiten zwischen Reichen und Armen über die Besteuerung verursachte ernste Konflikte. Eine große Zahl von ‚Hof‑ juden‘ genoss Steuerbefreiung; da aber der Umfang der gesamten Steuerlast konstant blieb, mussten die unteren Schichten die Last der königlichen Steuer allein tragen. Auch unter denen, die die Steuer bezahlten, gab es Meinungsunterschiede darüber, wie die Höhe der individuellen Beiträge zur Steuer festgesetzt werden sollte. Die reiche‑ ren Mitglieder, die auch die Gemeindelei‑ tung besetzten, waren für eine Schätzung des Vermögens durch den Vorsteher, wäh‑ rend die ärmeren für beeidete Deklaratio‑ nen des Vermögens optierten.28 Schließlich stritten sich auch die sehr reichen ‚Hofjuden‘ mit der städtischen Mittelschicht über die Armenfürsorge. Die Wohlhabenden woll‑ ten keine Armenversorgung durch den Ge‑ meindefonds, sondern persönliche Wohltä‑ tigkeitsaktionen, während Angehörige der Mittelschicht die gemeindliche Versorgung
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der Armen vorzogen, da so die Armenabga‑ ben unter allen proportional zum Vermögen aufgeteilt würden.29 Weil die Probleme un‑ lösbar schienen, entstanden in den unteren Schichten eigene Wohltätigkeitgesellschaf‑ ten und zunftartige Zusammenschlüsse (ḥavurot; ḥevrot).30 (→ 14.4.2) Eine wachsende Kluft zwischen Armen und Reichen kann man auch im spätmit‑ telalterlichen Aschkenas beobachten. Ur‑ sachen und Lösungen unterschieden sich hier aber von jenen in Sepharad. In Asch‑ kenas übernahmen im Spätmittelalter die Stadträte die Aufgabe des Judenschutzes von Königen und Fürsten; diese erteilten aber nur solchen Juden das Bürgerrecht, von denen sie Profit erwarten konnten. Große Teile des Judentums verarmten je‑ doch und durften sich nicht mehr in den Städten aufhalten. Hier liegen die Anfän‑ ge des vor allem frühneuzeitlichen Phä‑ nomens von Ort zu Ort wandernder und von Bettelei lebender Gruppen von Juden. Mithilfe des Gemeinde‑heqdesh versuchte man, die überkommenen Institutionen wie Spital oder Synagoge auf die neuen Ver‑ hältnisse einzustellen, so dass sie auch die‑ ser neuen und breiten Schicht von Armen Obdach und Nahrung bieten konnten.31 Ihre Verwaltung eröffnete häufig armen wandernden Juden den Weg zur Beschäf‑ tigung als Gemeindeangestellte, Kantoren oder Kinderlehrer.32 Jüdische Ärzte hatten nach wie vor die religiöse Pflicht, arme jüdische Kranke gratis zu behandeln.33 Im ‚Sefer Ḥasidim‘, der zu Beginn des 13. Jahr‑ hunderts geschrieben wurde und damit zu einer Zeit, als in der aschkenasischen Ge‑ sellschaft die neureiche Schicht neben dem traditionellen aschkenasischen Adel her‑ vortrat, unterstrich der Verfasser R. Yehu‑ dah Ḥasid, der selbst einer der vornehms‑ ten aschkenasischen Familien angehörte, dass Reichtum ohne Großzügigkeit und
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Wohltaten keinen Wert habe. Nach dem Schwarzen Tod beeinflusste dieses Werk besonders die fromme Elite.34 In Aschke‑ nas verhielt es sich also gerade umgekehrt zu den Verhältnissen in Sepharad, wo es die inneren gesellschaftlichen Gegensätze waren, die eine Dysfunktion der gemeind‑ lichen Wohltätigkeitsstiftungen verursach‑ ten. Der Gemeinde‑heqdesh, die Zehntab‑ gabe sowie die semi‑privaten und privaten Stiftungen funktionierten in Aschkenas besser als in Spanien.35 14.4.5 Alte und Junge Unter den von Moshe Gil publizierten Do‑ kumenten der Geniza gibt es sowohl Ster‑ bebettstiftungen als auch solche inter vivos. Beim ersten Typ darf man im Allgemeinen ein höheres Alter der Stifter unterstellen. Während Gil in seinen Kairoer Geniza‑ Dokumenten des 11. bis 13. Jahrhunderts deutlich weniger Stiftungen am Sterbe‑ bett als solche inter vivos nachweist,36 hat Judah Galinsky bei seinen Untersuchun‑ gen über Sepharad einen höheren Anteil von Sterbebett‑Stiftungen ermittelt: Aus den sephardischen Responsa des 13. und 14. Jahrhunderts ergaben sich sieben Stif‑ tungen inter vivos und fünfzehn Sterbebett‑ Stiftungen (bei vier weiteren Fällen blieb die Zuordnung offen). Was den Wert der gestifteten Güter betrifft, scheint es keinen großen Unterschied zwischen den beiden Typen gegeben zu haben.37 Als Verwalter kamen nur Erwachsene in Betracht; als solcher galt, wer als Bar Onu‑ schin (‚Sohn der Strafe‘) oder Bar Mizwa (‚Sohn des Gebots‘) volljährig und rechtsfä‑ hig war und für sein Handeln verantwort‑ lich gemacht werden konnte, was in der Regel ab einem Alter von etwa 14 Jahren zugestanden wurde. Für die Verwaltung des Gemeinde‑heqdesh wählte man jedoch
Soziale Positionen der Akteure
oft deutlich ältere Männer aus. Ähnliches gilt häufig auch für private Stiftungen; es war in diesen Fällen allerdings auch üblich, dass der Stifter seine Angehörigen als Ver‑ walter ernannte. Dies konnten durchaus auch seine Söhne oder sonstigen Nachkom‑ men sein, selbst wenn sie zum Zeitpunkt der Stiftung oft noch minderjährig waren und selbst wiederum für einige Zeit durch Dritte vertreten werden mussten. Einen solchen Fall behandelt ein Responsum von Rashba (1235–1310, Barcelona) nach Valen‑ cia: „Ruben war erkrankt und hatte zwei Söhne und verfügte über sein Vermögen und ernannte für seinen Nachlass anstelle seiner Söhne zwei Verwalter. (…) Das ist der Text des Testaments: ‚Ich verfüge weiterhin vor dem Tod, dass die oben genannten Ver‑ walter jedes Jahr in der Zeit von Chanuk‑ ka heqdesh‑Geld den Armen, Waisen und Witwen verteilen, gemäß ihrer Einsicht ihr ganzes Leben lang. Und danach [d. h. nach dem Tod der Verwalter] [soll] mein Sohn [das heqdesh‑Geld verteilen] und danach der Sohn des Sohnes ihrer Söhne [d. h. alle künftigen männlichen Nachkommen].‘“38 Unter den Begünstigten machen Kinder, und hier vor allem Waisen, einen bedeuten‑ den Teil aus. In Fustat wurden insbeson‑ dere die Waisen von Gelehrten unter die Aufsicht des heqdesh gestellt. Die Kontrolle über das Vermögen minderjähriger Waisen oblag dem Talmud zufolge dem jüdischen Gericht; der heqdesh hatte den Auftrag, die armen Waisen zu ernähren, den Jungen un‑ ter ihnen das Studium zu ermöglichen und die Mädchen mit einer Mitgift auszustatten. Die Listen der heqdesh‑Begünstigten aus Fustat enthalten viele namentlich benannte oder anonyme Waisen.39 Dabei stand die Sorge um arme Kinder manchmal im Vor‑ dergrund stifterischer Praxis. So verzich‑ tete ein alter Jude aus Jerusalem um 1160 in Fustat auf sein Recht als Begünstigter einer Stiftung zugunsten seines kleinen
Juden
Neffen aus Jerusalem40, und in Spanien wurden die Waisen als Begünstigte in den Stiftungen besonders bevorzugt41. In einem Responsum von R. Jakob Mollin (Maharil) nennt ein Jude als Zweck seiner Stiftung unter anderem die Verheiratung von ver‑ waisten Mädchen in der Gemeinde (d. h. ihre Ausstattung mit einer Mitgift).42 Auch Witwen waren selbstverständlich nicht zwingend durch höheres Alter defi‑ niert; tendenziell dürfte dies aber zugetrof‑ fen haben. Auf jeden Fall kann man fest‑ stellen, dass Witwen zu den bevorzugten Gruppen bei der Versorgung durch den heqdesh gehörten. In den meisten Fällen begegnen wir in den Geniza‑Dokumenten sowie in den sephardischen und aschke‑ nasischen Responsa Witwen als Individuen oder in Gruppen unter den Begünstigten. Es gibt aber am Ende des Mittelalters auch Beispiele für eine institutionelle Versor‑ gung von Witwen. 1488 berichtet etwa der Rabbi Ovadiah Bertinoro (1465–1515), dass in Jerusalem im großen Hof der aschke‑ nasischen Synagoge viele heqdesh‑Häuser standen, in denen ausschließlich aschke‑ nasische Witwen wohnten.43 14.4.6 Herkunft In den zwei großen orientalischen jüdi‑ schen Zentren des Frühmittelalters, Ba‑ bylonien und Palästina, entwickelten sich Unterschiede in Brauchtum (minhagim) und Liturgie. Trafen die Gruppen in der Diaspora aufeinander, bildeten sie eigene Gemeinden, die sich nicht vermischten. Sie waren einander nicht fremd, nahmen sich aber als ,andersʻ wahr. In Jerusalem beanspruchte etwa die yeshivah von Ereṣ Israel – also die Jerusalemer Kongregation – das Recht zur Verteilung der heqdesh‑Güter, die aus Fustat – der reichsten Gemeinde im Orient – geschickt worden waren, für
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sich selbst. Selbstverständlich führte dies zu Konflikten mit der ebenfalls vor Ort ansässigen Kongregation der Babylonier.44 In Fustat war die Beziehung zwischen den zwei Kongregationen viel besser. Ba‑ bylonier und Palästiner hatten gemischte Stiftungen, das heißt, dass das heqdesh‑ Geld, die Armenfürsorge, die Anstellung der Verwalter usw. von beiden gemeinsam organisiert wurden. Kultische Stiftungen für die Synagogen, vor allem von Thora‑ rollen, Büchern und liturgischem Schmuck, waren hingegen den je eigenen Synagogen der Stifter vorbehalten. Belege hierfür fin‑ den sich in den Geniza‑Dokumenten, aus denen etwa hervorgeht, dass eine nicht namentlich genannte Frau auf dem Sterbe‑ bett in Fustat, im Viertel Qaṣr aš‑Šām, ein Drittel ihres Hauses den beiden Synagogen‑ heqdeshot gestiftet hatte, also sowohl den Babyloniern als auch den Palästinern.45 Bei einem anderen Fall aus dem Jahr 1047 fiel je ein Sechstel eines Hauses den heqdeshot der Babylonier und der Palästiner in Fustat zu.46 Um 1095 wiederum erschien ein Peraḥyah b. Jakob im Gerichtshof von Fustat und stiftete die Miete seines Hau‑ ses den beiden Synagogen für Öl zu deren Beleuchtung.47 Schon vor den Kreuzzügen migrierten europäische Juden zu den orientalischen Gemeinden, sowohl aus Aschkenas als auch aus Sepharad. Diese Zuwanderung nahm in der Kreuzzugszeit noch zu. Da‑ mit kamen neue Unterschiede in verschie‑ denen Bereichen der Liturgie und des Brauchtums hinzu. Aschkenasische und sephardische Individuen, die in Ereṣ Isra‑ el Gemeinden bildeten, wurden oft durch besondere Stiftungen ihrer Herkunftsge‑ meinden unterstützt. Im Nürnberger Me‑ morbuch sind zum Beispiel für die Zeit von 1352 bis 1373 insgesamt 45 Stiftungen für die Armen Jerusalems belegt, die für die dortige arme aschkenasische Gemeinde
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bestimmt waren.48 Einen Einblick in das aschkenasische Sondervermögen in Jeru‑ salem erlaubt der aus Italien stammende Rabbi Ovadiah Bertinoro, der 1488 emig‑ riert war. Er beschrieb den großen Hof der aschkenasischen Synagoge in Jerusalem als Ort mit vielen heqdesh‑Häusern, die alle den aschkenasischen Juden gehörten. Die Häuser dienten Witwen als Wohnstät‑ ten. (→ 14.4.5) Im Unterschied zu vielen anderen heqdesh‑Häusern im Judenviertel Jerusalems durften die Vorsteher der ein‑ heimischen Jerusalemer Gemeinde diese heqdesh‑Häuser der Aschkenasim nicht verkaufen. Ganz ähnlich verhielten sich auch sephardische Juden in Jerusalem, die im 15. Jahrhundert Boten nach Spanien schickten, um Gelder für ihre eigene Ge‑ meinde zu sammeln.49 14.4.7 Religiöse Gemeinschaft Neben dem rabbinischen Judentum ent‑ standen im Mittelalter einige Sekten. Auf die erste selbstständige Religionsgemein‑ schaft, die der Samaritaner, folgte als be‑ deutendstes religiöses Bekenntnis im Ori‑ ent das der Karäer (seit dem 7. Jahrhundert). Deren Zusammenleben mit den Rabbaniten war sehr konfliktreich. Trotzdem scheint es, dass wenigstens auf dem Gebiet der Wohltätigkeit und der Armenfürsorge kei‑ ne grundsätzlichen Differenzen zwischen Karäern und Rabbaniten herrschten. Ob‑ wohl die Karäer (wie etwa Japhet ben ʿEli oder Sahl ben Maṣliaḥ) oft gegen die Rab‑ baniten den Vorwurf erhoben, dass diese die Armen unterdrückten, bezog sich diese Kritik wohl weniger auf die rabbinischen Gesetze der Wohltätigkeit im Allgemeinen als auf das Verhalten einzelner rabbini‑ scher Persönlichkeiten.50 In mancher Hin‑ sicht waren die Karäer allerdings strenger als die Rabbaniten; einige ihrer Vorsteher
Soziale Positionen der Akteure
schrieben zum Beispiel einen regelmäßigen dritten Zehnt (maʿasar shlishi) vor, der an die Armen verteilt werden musste, eine Vorschrift, die nicht einmal ein biblisches Fundament hatte.51 Nach Streitigkeiten und der Betonung von Differenzen in den ersten Jahrhunderten ihrer Begegnung scheinen die beiden Konfessionen seit dem Ende des 10. Jahrhunderts jedoch nicht nur friedlich nebeneinander gelebt, sondern sich auch vermischt zu haben. Neben vielen Ehe‑ schlüssen untereinander sind auch gegen‑ seitige Hilfeleistungen bezeugt. Bei Stiftungen wurden Mitglieder an‑ derer Glaubensrichtungen recht häufig be‑ günstigt. Die Stifter beteiligten sie etwa an der Verwaltung ihrer Stiftungen oder begünstigten sie durch deren Erträge. In der Gemeinde der Karäer gab es besonders reiche Kaufleute, die zum Beispiel die yeshivot der rabbinischen Gemeinden – sei es die der Babylonier, sei es die der Palästi‑ ner – großzügig mit Stiftungen unterstütz‑ ten. Hier sind vor allem die Kaufleute aus Kairouan hervorzuheben. Noch am Ende des Mittelalters waren die Karäer reicher als die rabbinische Gemeinde.52 Mit den Rabbaniten beteiligten sie sich am Fonds zur Unterstützung der Jerusalemer yeshivah und am Freikauf von Gefangenen.53 Aber auch umgekehrt gilt, dass reiche Rabbaniten armen Karäern mit Stiftungen halfen. So unterstützte der Begründer des ägyptischen Amtes des nagid, Rabbi Pal‑ tiel, eine asketische Gruppe der Karäer in Jerusalem, ‚die Trauernden Zions‘ (ʾavle Ṣiyyon).54 In der Geniza finden wir ähnliche Zeugnisse. Stiftungen konnten auch ex‑ plizit zugunsten aller Armen, Rabbaniten und Karäer zugleich gemacht werden.55 In einer Stiftung von 1160, über die ein nota‑ rielles Zeugnis erhalten ist, gab Frau Sitt ar‑Riyāḍ an‑Nāʾiḥa ein Drittel ihres Hauses dem heqdesh der Karäer und ein knappes Drittel den Rabbaniten.56
Juden
In Ausnahmefällen konnte sogar ein Nichtjude an jüdischen Stiftungen betei‑ ligt sein. In einer Kairoer Rechnung von 1218/1219 erscheint für einen Zeitraum von mehr als 15 Monaten neben einem
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jüdischen Verwalter und einem jüdischen Synagogendiener auch ein christlicher Sammler (Judaeo‑Arabisch: an-naṣrāni al-ǧābī).57 EK
Anmerkungen 1 Zum Folgenden Goitein, Mediterranean Soci‑ 15 Vgl. Jacoby, Jews in Byzantium (2008); Abulaety, Bd. 1 (1967, ND 1999), 75–80.
fia, Jews of Sicily (2008); Mueller, Status (2008). Die
dations From the Cairo Geniza. Ed. und übers. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Institute, Tel Aviv University, Bd. 12.) Leiden 1976, 119–127, Nr. 1; 127–136, Nr. 2; 136–144, Nr. 3; 151– 154, Nr. 7; 214–217, Nr. 33; 217–219, Nr. 34; 232–240, Nr. 41; 246–251, Nr. 45; 270–274, Nr. 55; 294 f., Nr. 63; 295 f., Nr. 64; 299, Nr. 66; 319–321, Nr. 75; 368 f., Nr. 96; 482–484, Nr. 147. 3 Ebd., 50 f. 4 Ebd., 482–484, Nr. 147. Die Datierung des Do‑ kuments ist verloren gegangen. 5 Ebd., 109 f.; 244–246, Nr. 44. 6 Vgl. ebd., 246–251, Nr. 45. 7 J. Ray, Introduction (2012), XIX. 8 Decter, Caliphs and Kings (2012), 1–28. 9 J. Gerber, World of Samuel Halevi (2012). 10 Y. Baer, History of the Jews, Bd. 1 (1961, ND 1966), 90–110. 11 Assis, Golden Age (1997), 244; 253 f. 12 Toch, Juden (2013), 16. Zu diesem Merkmal der frühen aschkenasischen Gesellschaft vgl. auch Grossman, Father to Son (1989). 13 Eine wichtige Analyse der Beschäftigung der europäischen Juden mit Handel und Geld bietet Toch, Economic History (2013), 177–212. Unter den jüdischen Geldleihern gab es in Aschkenas ne‑ ben Reichen auch solche, die in der Stadt oder auf dem Lande geringere Darlehen mit kleineren Pfän‑ dern anboten, vgl. dazu Ders., Economic Activities (2008); Holtmann, Medieval Pigeonholes (2008); J. Shatzmiller, Church Articles (2008). Über die Pro‑ bleme der Zinsnahme und die Rolle der jüdischen Geldleiher im hochmittelalterlichen Aschkenas: Todeschini, Christian Perceptions (2008); Mutius, Taking Interest (2008). 14 Toch, Juden (2013), 8–22, bes. 16 f.
Zeit zu Zeit aus den italienischen Handelsstäd‑ ten, wie z. B. Venedig, ausgeschlossen; in diesen Fällen hielten sich die Juden oft in der Umgebung der Städte auf und betraten diese nur kurzzeitig. 16 Vgl. Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 105; 327–339, Nrn. 80–83. 17 Vgl. ebd., 378–385, Nr. 101. Der Wechselkurs von Dinar zu Dirham lag zu dieser Zeit in Fustat bei ca. 1:40. Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 1 (1967, ND 1999), Appendix D, 368–392. 18 Vgl. Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 482– 484, Nr. 147; siehe auch oben, bei Anm. 4. Die‑ se Art von Stipendium wird im jüdischen Recht skhar baṭṭalah (Kompensation, Aufwandsentschä‑ digung) genannt. 19 Unter den Stiftern und Wohltätern der Ibn‑ Shoshan‑Familie waren im 13. Jahrhundert Abra‑ ham, der für arme Fremde in Toledo ein Obdach schuf, Yehudah, der als großer Spender und Stif‑ ter bekannt wurde, und Samuel, der zugunsten der Talmudschulen in Altkairo und Jerusalem Öl für die Beleuchtung stiftete. Auch im folgenden Jahrhundert gingen aus dieser Familie Stifter hervor: David ben Jakob, ein Richter; Meir ben Abraham, Gemeindevorsteher, und sein Sohn Abraham; Isaak, ein Arzt (1324–1399). Im 15. Jahr‑ hundert trat als Stifter Ibn Shoshan Meir ben Joseph hervor, ein Arzt und ‚Helfer der Armen‘ (gest. 1415 in Toledo). 20 Breuer / Guggenheim, Jüdische Gemeinde (2003). 21 Goitein, Mediterranean Society, Bd. 1 (1967, ND 1999), 90. Als ‚religiöse Angestellte‘ in einer jüdischen Gemeinde werden hier solche Dienst‑ leister in der synagogalen Liturgie oder in der Verwaltung des heqdesh bezeichnet, die für ihre
2 Vgl. Documents of the Jewish Pious Foun‑ jüdischen Geldhändler und Kaufleute wurden von
76 Arbeit eine Bezahlung von der Gemeindekasse erhielten. 22 Um die Spenden mit der wirtschaftlichen Lage der Spender vergleichen zu können, gibt Goitein einige Daten über das Gehalt verschiedener Berufe an. Ein gelernter Handwerker verdiente demnach 6 Dirham pro Tag, ein ungelernter Arbeiter 2 bis 2,5 Dirham. Außer chronisch Kranken und Ar‑ beitsunfähigen litten die Mitglieder der jüdischen Gesellschaft nicht unter Arbeitslosigkeit. Gehälter und Preise der Geniza‑Zeit bezeugen eine über‑ raschende Stabilität durch mehrere Jahrhunderte. 1057 betrug das tägliche Gehalt eines Glasfabrikan‑ ten 5 Dirham, während ein Mittagessen 1 Dirham kostete; im Jahr 1199 lag die Korrelation bei 5 Dir‑ ham zu 1,25 Dirham. Kinderarbeit lässt sich in den Geniza‑Dokumenten nicht belegen. Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 1 (1967, ND 1999), 94 f. 23 Über die drei Kaufleute‑Familien vgl. Gil, Jews (2004), 673–675; 679–704; über Stiftungen für die yeshivot oder den heqdesh bes. ebd., 669; 680; 696; Ders., History of Palestine (1992), 742–772; 764; 778. – Baron, Social and Religious History, Bd. 5 (1957), 14. Baron zitiert im Zusammenhang mit dem Reichtum einiger jüdischer Bankiers Abraham Ibn Daud (geb. Córdoba 1110, gest. Toledo 1180), der schreibt, dass R. Ḥananel von Kairou‑ an (geb. Tunesien 990, gest. Kairouan 1053) sehr reich sei, da er 10 000 Dinar besessen habe. Baron zufolge waren aber die jüdischen Bankiers von Bagdad und Kairo viel vermögender. Im weniger entwickelten angevinischen England konnte der Jude Aaron von Lincoln bei seinem Tod immer noch 15 000 Pfund Vermögen hinterlassen, siehe ebd., Bd. 4 (1957), 214. 24 Zu einer Anordnung des Maimonides zur Verteilung von Brot an Arme und Gemeinde‑ angestellte in Anlehnung an ein Dokument der Kairoer Geniza vgl. Ashur, Horaʾa le‑ḥaluqat leḥem (2013). 25 M. R. Cohen, Foreign Jewish Poor (2003), 54–56; Ders., Poverty and Charity (2005), 72–108; 109–130; The Voice of the Poor in the Middle Ages. An Anthology of Documents from the Geniza. Ed. Ders. Princeton / Oxford 2005, 44–69; 69–72; Ders., Foundations and Charity (2005), 180. 26 Vgl. M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 177–185; Voice of the Poor. Ed. Ders. (wie Anm. 25), 16–103; Scheiber, Beggars’ Letters (1981).
Soziale Positionen der Akteure
27 Vgl. M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 41–51; Voice of the Poor. Ed. Ders. (wie Anm. 25), 33–35. 28 Assis, Jewish Economy (1997), 147; Ders., Gol‑ den Age (1997), 239. 29 Assis, Jewish Economy (1997), 111 f.; J. Cohen, Charitable Contributions (2001). 30 Assis, Golden Age (1997), 237–254; Stuber, Ḥavurot (1979); Assis, Welfare and Mutual Aid (1992); Blasco Martínez, Instituciones sociorreli‑ giosas (1989–1990). 31 Yuval, Hospices (1990). 32 Breuer / Guggenheim, Jüdische Gemeinde (2003), 2096; Guggenheim, Schalantjuden (2000), 55–57. 33 Baron, Social and Religious History, Bd. 8 (1958), 404, Anm. 46: „Although medieval com‑ munities rarely could afford to place regular doc‑ tors on the communal payroll, (…) the communal authorities (…) exerted tremendous pressure on (…) physicians to extend care to impecunious patients.“ 34 Ebd., 295, Anm. 53: „[T]hese leading pietists, although themselves belonging to the upper clas‑ ses, did not seek to justify wealth, but rather viewed it as but a necessary component of the divinely instituted world order. Every page of the ‚Book of the Pious‘ testifies to their deep concern for the poor and the humble. In their attempt to level social differences they were even prepared to lower the barriers of separating the learned from the illiterate and to emphasize again and again the limited value of learning, which is to be truly appreciated only if it is combined with, and leads to, good deeds.“ 35 Zur Zehntabgabe zugunsten des heqdesh und zum Wohltätigkeitssystem in Aschkenas vgl. Galinsky, Public Charity (2010); Ders., Cus‑ tom (2011). 36 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 13–27; Übertragungen auf dem Sterbebett sind sicher belegt ebd., 119–127, Nr. 1; 270–274, Nr. 55; 482–484, Nr. 147; alle Stiftungen in Gils Anthologie sind oben, Anm. 2, aufgeführt. – Vgl. zu den Nach‑ lässen in der Kairoer Geniza auch M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 195–197. 37 Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 437 f. 38 Sefer Sheʾelot u‑teshuvot Rabbenu Shlomo ben Adret, Bd. 3. Bnei Brak 1971; 173, Nr. 297.
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Griechisch-orthodoxe Christen
39 M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 190– poor on the third and sixth years of each Sab‑ 195; Voice of the Poor. Ed. Ders. (wie Anm. 25), batical cycle, paying no heed whatsoever to the farmer’s ability to carry this crushing burden.“ 35–37; 69; 73; 78 f.; 84–88; 83; 93 f.; 124; 181. 40 Vgl. Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 295, 52 Ebd., 257 f.: „At times a closely knit Karaite Nr. 64. community (…) achieved disproportionate eco‑ 41 Sefer Sheʾelot u‑teshuvot Rabbenu Shlomo nomic success. Already in eleventh‑century Cai‑ ben Adret (wie Anm. 38), 219, Nr. 380. ro we hear of ‚distinguished merchants‘ among 42 Sheʾelot u‑teshuvot Maharil ha‑ḥadashot. the Karaites and of the latterʼs reliance on ‚their Ed. Yitzhok Satz. Jerusalem 1977, 202, Nr. 152. Vgl. dignitaries, scribes, capitalists and those close Galinsky, Custom (2011), 223. to the government‘. (…) In 1488, Bartenora actu‑ ally found that both the Samaritan and Karaite 43 Vgl. Reiner, Pilgrims (1988), 147 f. 44 Baron, Social and Religious History, Bd. 5 minorities there far outstripped the Rabbanite (1957), 37: „[In the year 1062, the head of the yeshi‑ majority in wealth.“ vah of Jerusalem] demanded independent control 53 Bareket, Fustat on the Nile (1999), 11. over the distribution of charitable funds sent from 54 Baron, Social and Religious History, Bd. 5 Egypt for the poor of the Holy Land“, und ebd.: (1957), 413 f., Anm. 77: „Similarly a distinguished „The ever turbulent ‚Babylonian‘ congregation Jewish leader like Palṭiel (…) did not hesitate to in Jerusalem seems not to have accepted that provide in his will for charities to be distributed change gracefully.“ in Jerusalem among the poor of both denomina‑ 45 Vgl. Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 119–127, tions. He did not mention the Karaites by name Nr. 1. but by donating 1,000 dinars to ‚the mourners of 46 Vgl. ebd., 151–154, Nr. 7. the sanctuary‘ in Jerusalem (abele bet ha‑ʿolamim, 47 Vgl. ebd., 217–219, Nr. 34. a variant of abele Ṣiyyon), he must have wished 48 Yuval, Alms (1981); Baumgarten, Practicing to provide for the Karaite ascetics, too.“ Piety (2014), 117–127. 55 Vgl. Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 246– 251, Nr. 45. 49 Vgl. Reiner, Pilgrims (1988), 144–148. 50 Baron, Social and Religious History, Bd. 5 56 Vgl. ebd., 294 f., Nr. 63. (1957), 238 f. 57 Ebd., 50, Anm. 62; 422, Nr. 125. 51 Ebd., 235 f.: „They [the Karaites] demanded that an additional ‚third tithe‘ be given to the
14.5 Griechisch-orthodoxe Christen 14.5.1 Allgemeines Die Rolle der Stiftung in der griechisch‑ orthodoxen Gesellschaft hing weitgehend von den sozialen Positionen der Akteure ab. In Byzanz und der orthodoxen Welt überhaupt war das Stiftungswesen nicht auf eine bestimmte oder wenige soziale Gruppen begrenzt. Wenngleich die Wohl‑ habenden und besonders die Kaiser die Überlieferung stark geprägt haben, war
Reichtum keine zwingende Bedingung für die Errichtung einer Stiftung. Vor allem das Spätmittelalter war eine Epoche von Stiftungen der ‚kleineren‘ Leute; Klein‑ bauern haben in dieser Zeit oft ihr ganzes gonikon (Familiengut) oder Teile davon gestiftet, oder wenig Begüterte stifteten gemeinsam (‚Dorfstiftungen‘). Selbst Eigen‑ tumsfähigkeit stellte keine unabdingbare
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Voraussetzung für die Teilhabe am Stif‑ tungswesen dar. Wichtiger Bestandteil byzantinischer Stiftungsvermögen waren beispielsweise abhängige Bauern (paroikoi), und an sich besitzlose Mönche – wie sie in Byzanz durchaus nicht allgemein verbreitet waren – verfügten in ihrer Funktion als ‚spirituelle Väter‘ manchmal über den Be‑ sitz ihrer ‚spirituellen‘ Familienmitglieder. Obwohl mehrere empirische Untersu‑ chungen zur Struktur der byzantinischen Gesellschaft vorliegen, fehlen bis heute umfassende und theoretisch hinreichend fundierte Analysen.1 Abgesehen von ein paar bemerkenswerten Ausnahmen,2 wid‑ meten sich dieser Richtung vor allem die Fachvertreter_innen der ostdeutschen und sowjetischen Tradition. Die durch‑ aus wertvollen Studien dieser Provenienz (inbesondere die von Helga Köpstein und Friedhelm Winkelmann für die ostdeut‑ sche sowie Alexander Kazhdan für die so‑ wjetische Byzantinistik) leiden allerdings unter ihren kompromisslosen marxisti‑ schen Prämissen.3 Auch Sprachbarrieren (‚russica non leguntur‘ unter westlichen Byzantinisten) behindern die Rezeption der russischen beziehungsweise sowjeti‑ schen Forschungstradition. Die ideologisch bedingte Frage nach der ‚Feudalisierung‘ von Byzanz, gerade auch im Vergleich zum mittelalterlichen Abendland, schränkte das westliche Interesse an Beiträgen aus der marxistisch geprägten Wissenschaftswelt weiter ein; diese Tendenz hat sich in der letzten Zeit durch die generelle Ablehnung der Feudalismus‑Lehre in der Mediävistik noch verstärkt.4 Die Akteure im Stiftungswesen – seien sie Stifter, Begünstigte, Verwalter oder Auf‑ sichtspersonal – können nach verschiede‑ nen Kriterien untersucht und kategorisiert werden. Im Rahmen des kulturübergrei‑ fenden Ansatzes der Enzyklopädie wird die folgende Gliederung gewählt: Stand;
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Laien–Geistliche; Arme–Reiche; Alter; Ethnizität; religiöses Bekenntnis. Wie bei der byzantinischen Gesellschaft überhaupt mangelt es auch hier zum Teil an einem Konsens über die geeigneten Kategorien in der Forschung. Dies beruht nicht zuletzt auf der Uneindeutigkeit der historischen Quellen selbst. Eine besondere Problema‑ tik stellt die Frage dar, inwieweit der For‑ schungsterminus ‚Byzantiner‘ (rhōmaios) nach staatlichen, religiösen, ethnischen oder sozial‑wirtschaftlichen Kriterien de‑ finiert werden darf. 14.5.2 Stand Seit der Spätantike neigten Selbstdarstel‑ lungen der byzantinischen Gesellschaft zu einem binären Modell, und zwar zwischen ‚Mächtigen‘ beziehungsweise Reichen auf der einen und Armen auf der anderen Seite. (→ 14.5.4) Besonders was das Stiftungs‑ wesen angeht, ist aber eine feinere Un‑ terteilung von Vorteil in (1.) Herrscher, (2.) Aristokratie und (3.) Bauern. Eine solche Gliederung begünstigt auch den Vergleich mit dem in vielen Aspekten ähnlichen abendländischen Stiftungswesen. (1.) Vor der Zersplitterung des byzantini‑ schen Kaiserreichs als Folge des Vierten Kreuzzuges (1204) war der byzantinische Kaiser der mächtigste und wichtigste Herr‑ scher der orthodoxen Welt (oikoumenē). Auch in den letzten Jahrhunderten des Zweiten Roms, als Byzanz immer mehr an Bevölkerung und Territorium verlor, erhob der Kaiser Anspruch auf Herrschaft nicht nur über die orthodoxe, sondern über die gesamte Christenheit. Seine Gesetze, die auch das Stiftungswesen regulierten, sollten theoretisch in allen christlichen Ländern gültig sein.5 In jeglicher Hin‑ sicht spielte der byzantinische Kaiser eine
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prominente Rolle im griechisch‑orthodo‑ xen Stiftungswesen. Besonders für den Zeitraum vom 6. bis 10. Jahrhundert agierte er vor allem als Förderer und Regulator des Stiftungswesens und nahm die Auf‑ sicht über Stiftungen wahr; ausgenommen die rege Stiftungstätigkeit Konstantins I., datieren Zeugnisse für die Tätigkeit von Kaisern als Stifter selbst aber eher aus der zweiten Hälfte des Mittelalters. Obwohl die byzantinische Stiftung in der gesellschaftlichen Praxis entstand und keine obrigkeitliche Neuerung darstellte, wurde ihre Verbreitung durch Mitwirkung und Regulierung vonseiten der Kaiserge‑ walt gezielt gefördert. Der Ansatzpunkt dafür waren die viele Kirchenstiftungen Konstantins I. (306–337) in Rom, die der Kaiser ausschließlich aus seinem Fami‑ lienvermögen und nicht aus dem Fiskus finanzierte.6 Diese intensive Phase der Kir‑ chenstiftungen durch Konstantin und seine Nachfolger endete jedoch mit dem 4. Jahr‑ hundert; danach traten private Stifter in den Vordergrund.7 Während Konstantin I. ein christliches Stiftungswesen durch die Verleihung der Testier‑ und Vermögensfä‑ higkeit an Kirchen erst ermöglicht hatte, war es Justinian I. (527–565), der nach dem Sprichwort „die Maßlosigkeit der Stiftun‑ gen ist das beste Maß“8 Stiftungen an Kir‑ chen, Klöster und caritative Einrichtungen entschieden erleichterte.9 Bezeichnend für diese kaiserliche Strategie, die Stiftung zu legitimieren, ist ein Gesetz Justinians, das als gültig anerkannte, was dem herrschen‑ den Recht eigentlich widersprach, nämlich Jesus Christus als Erben zu benennen.10 Die kaiserliche Unterstützung bei der Entwick‑ lung des byzantinischen Stiftungswesens ist vor allem in der Gesetzgebung zum sogenannten psychikon (‚Seelteil‘) nach‑ weisbar.11 Seit dem Ende des 8. Jahrhun‑ derts und besonders mit den Novellen der sogenannten ‚Makedonischen‘ Dynastie
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(867–1056) wurde vorgeschrieben, dass in Fällen von nicht testamentarisch geregelter Erbfolge und bestimmter Verbrechen ein Teil des Erbes, meistens ein Drittel, für das Seelenheil des Erblassers vorbehalten werden sollte; vermutlich war dabei an die Form einer Stiftung gedacht. Die Aufnah‑ me dieser Regelung in das einflussreichste byzantinische Rechtsbuch, den ‚Hexabiblos‘ (1345) des spätbyzantinischen Kanonisten Konstantin Harmenopoulos, bedeutete, dass das psychikon Bestandteil des Rech‑ tes wurde und blieb; das gilt nicht nur für das Gebiet des spätbyzantinischen Reiches selbst – wo es gültiges Recht auch für die Orthodoxen im Osmanischen Reich und später für das Königreich Griechenland bis zum Jahr 1946 war –, sondern auch für viele Länder Osteuropas und des Balkans bis ins 20. Jahrhundert. Wie die kaiserliche Förderung des psychikon, so änderte sich auch die Rolle des byzantinischen Kaisers zur Zeit der ma‑ kedonischen Kaiser. Spätantike und früh‑ mittelalterliche Herrscher haben zwar als Stifter agiert, aber es fehlen aus dieser Epoche Quellenbelege, aus denen hervor‑ geht, dass sie Stiften als eine Tat für ihr eigenes Seelenheil deklariert hätten – vor allem, wenn sie als Herrscher und nicht als Privatpersonen handelten.12 Stattdessen deuten die wenigen überlieferten Belege darauf hin, dass die Förderung von Kir‑ chen, Klöstern und piae causae als ihre Pflicht von Amts wegen angesehen wurde: Justinian etwa „betrachtete das ständige Gebet in den Kirchen und besonders in den Klöstern als eine Staatsnotwendigkeit.“13 Er hatte nämlich bemerkt, dass „das ein‑ same [mönchische] Leben und die daraus entstehende Betrachtung offenbar eine heilige und nötige Angelegenheit für die Seele [auf ihrem Weg] zu Gott ist. Es ist von Vorteil, nicht nur für diejenigen, die es ausüben, sondern auch für alle anderen,
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wegen seiner [des Mönchs] Reinheit und seines Gebets zu Gott, wozu es eine pas‑ sende Hilfe bietet.“14 Neben dieser frühen Form der kaiser‑ lichen Stiftungsaktivität entstand zu Be‑ ginn des 10. Jahrhunderts eine neue Art kaiserlicher Stiftung, nämlich eigene Ge‑ denk‑ und Grabstätten. Der Wendepunkt ist spürbar während der Regierungszeit von Kaiser Romanos I. Lekapenos (920–944), eines Usurpators armenischer Herkunft.15 Wie seine Vorgänger übte Romanos auch traditionelle Formen kaiserlichen Stiftens aus, etwa durch ein jährliches Stipendium an jeden Mönch der großen klösterlichen Zentren des Reiches;16 im Gegensatz zu früheren Kaisern plante er jedoch auch ein von ihm gestiftetes Kloster als Grablege für sich und seine Familie. Zu dem noch heute stehenden Myrelaion (jetzt Bodrum Camii, ‚Kellermoschee‘) gehörte vermut‑ lich ein Nonnenkloster, später ein Män‑ nerkloster, sowie einigen Quellen zufolge auch ein Armenhaus.17 (→ 6.5.2) Darüber hinaus stiftete Romanos hier die tägliche Verteilung von 3 000 Broten.18 Neben der Stiftung für den Ort seiner Beisetzung hat dieser Kaiser allem Anschein nach auch seinen Geburtsort Lakape mit einer Stiftung ausgezeichnet – spätere Gesetze erwähnen hier ein kaiserliches Kloster (basilikē monē).19 Die Trias der Stiftungszwecke im My‑ relaion‑Kloster – Grablege, klösterliche Gedenkgemeinschaft, caritative Einrich‑ tungen – ist nach Romanos zunehmend auch in anderen kaiserlichen Stiftungen zu finden. Während 700 Jahre hindurch fast alle byzantinischen Kaiser in der Kirche der Heiligen Apostel in Konstantinopel be‑ stattet worden waren – der erste war Kon‑ stantin I. (306–337), der letzte überhaupt Konstantin VIII. (1025–1028) –, sahen seit Romanos viele Kaiser im 11. Jahrhundert eigens gestiftete Klöster als ihre Grablegen
Soziale Positionen der Akteure
vor.20 Ihre letzte Ruhe fanden Romanos III. Argyros (1028–1034) im Peribleptos‑Kloster, Michael IV. der Paphlagonier (1034–1041) im Kloster der heiligen Anargyroi und Konstantin IX. Monomachos (1042–1055) im Kloster des St. Georg von Mangana.21 Mit der Dynastie der Komnenen (1081– 1185) erreichten die kaiserlichen Stiftungen in Byzanz ihren Höhepunkt. Der Pantok‑ rator‑Klosterkomplex des Herrscherpaars Johannes II. Komnenos (1118–1143) und Irene stellte alle früheren und späteren kaiserlichen Stiftungen in den Schatten, zumal Staatsbesitz in massiver Weise da‑ für aufgewandt wurde: 85 Güter, darun‑ ter nicht wenige ehemalige Staatsgüter, und sechs abhängige Klöster unterstütz‑ ten das Hauptkloster, ein Krankenhaus, ein Altersheim, den Friedhof und ein Le‑ prosorium.22 Wenngleich der Pantokrator später tatsächlich zur Grablege der letzten byzantinischen Dynastie, der Palaiologen, wurde, war er ursprünglich nur als letzter Ruheplatz von Johannes, Irene und ihrem gemeinsamen Sohn Manuel vorgesehen.23 In der Zeit der Komnenen war im Stif‑ tungswesen auch der zunehmende Ein‑ fluss anderer orthodoxer Herrscher spür‑ bar. Diese Könige und Fürsten beteiligten sich an der Förderung von Kirchen und Klöstern durch deren Unterstützung und (Zu‑)Stiftungen innerhalb ihrer eigenen Fürstentümer sowie bei entfernten monas‑ tischen Zentren etwa in Antiochien, in Je‑ rusalem und vor allem auf dem Berg Athos. Über die Stiftungstätigkeit des georgischen Königs David IV. des Erbauers (1089–1125) hielten die einheimischen Chroniken Fol‑ gendes fest: „He filled with benefits lavras, convents, and monasteries – not only those of his own realm but also those of Greece, of the Holy Mountain, and of Palestine. He especially honoured the tomb of our Lord Jesus Christ and the inhabitants of Jerusalem with multifarious offerings. And
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even more than this: for on the moun‑ tain of Sinai, where Moses and Elias saw God, he built a monastery and granted it many thousands of gold (coins), loads of curtains, a complete set of ecclesiastical books, and holy vessels of refined gold.“24 Auf ähnlich freigebige Weise stiftete Da‑ vids Urenkelin Königin Tamar (1184–1213), deren Großzügigkeit sogar die Eifersucht des byzantinischen Kaisers Alexios III. An‑ gelos (1195–1203) weckte. Der Georgischen Chronik zufolge konnte dieser Herrscher nicht widerstehen und konfiszierte in Konstantinopel das Geld einiger Mönche, die gerade von Tamar reiche Zustiftungen bekommen hatten und auf dem Heimweg waren; der Raub wurde zum casus belli für einen georgischen Einmarsch in Pontos und war damit Anlass für die Gründung des Kaiserreichs von Trapezunt.25 Weniger konfrontativ wirken die An‑ fänge der Beteiligung serbischer Herr‑ scher am byzantinischen Stiftungswesen. Diese gehen auf den heutigen Landespa‑ tron Serbiens Sava zurück, der als Prinz Rastko Nemanjić geboren wurde. Nach seiner Ankunft auf dem Berg Athos im Jahr 1191 versuchte Rastko, der Sohn Ste‑ phan Nemanjas (1167–1196) und Bruder von Stephan Nemanjić (1196–1227), des ersten gekrönten Königs Serbiens, das verfalle‑ ne Hilandar‑Kloster neu zu stiften.26 Ale‑ xios III. Angelos schenkte Sava‑Rastko und seinem nun als Mönch mit ihm auf dem Berg Athos lebenden Vater dazu das verlassene Klostergelände.27 Auch später genoss das Hilandar‑Kloster die massi‑ ve Unterstützung der Herrscher Serbiens; am Anfang des 15. Jahrhunderts besaß es durch seine 30 abhängigen Klöster (metochia) ungefähr 360 Dörfer nicht nur auf der Halbinsel Chalkidiki, sondern ebenso in Makedonien, im zentralen Serbien und besonders im Kosovo.28 Hilandar wurde dadurch zum ‚Hauskloster‘ Serbiens, auch
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wenn die Herrscher dieses Landes außer‑ dem noch andere Athos‑Klöster sowie ein‑ heimische Klöster und Kirchen großzügig (be‑)stifteten. Wie für die byzantinische Geschichte im Allgemeinen stellt die lateinische Er‑ oberung Konstantinopels von 1204 auch für die kaiserliche Rolle im griechisch‑ orthodoxen Stiftungswesen einen bedeu‑ tenden Wendepunkt dar. Das kaiserliche Stiftungswesen wurde dezentralisiert; dar‑ an änderte auch die spätere Rückeroberung der Hauptstadt (1261) nichts mehr. Auf ähn‑ liche Weise wie die Serben sicherten jetzt die Großen Komnenen des Kaiserreichs von Trapezunt auf dem Berg Athos ein Hauskloster ab, Dionysiou, das der Memo‑ ria der Dynastie diente und zur Aufnahme von Mönchen trapezuntischer Herkunft verpflichtet war. (→ 11.5.4) Daneben war auch die einheimische Stiftungstätigkeit dieser Dynastie beindruckend, etwa die Zustiftung von Ländereien und abhängi‑ gen Bauern (paroikoi) durch Alexios IV. im Jahr 1432 an das Pantokrator‑Kloster im pontischen Pharos.29 Bescheiden waren hingegen die spätmit‑ telalterlichen Stiftungen der bulgarischen Herrscher auf dem Berg Athos.30 Deren einzige aus dem Mittelalter überlieferte Urkunde stammt aus der Zeit des Zaren Johannes Alexander (1331–1371). Danach hatte dieser den byzantinischen Kaiser Johannes V. Palaiologos, seinen Cousin, aufgefordert, dem Zographou‑Kloster ein Dorf und eine jährliche Steuerbefreiung von 50 Goldmünzen (hyperpyra) zu stif‑ ten.31 Statt Stiftungen durch ihre eigenen Chrysobullen zu erlassen, unterstützten die bulgarischen Herrscher Klöster oft da‑ durch, dass sie sich mit ihrer Fürsprache an den byzantinischen Kaiser wandten. Die herausragende Rolle orthodoxer Herrscher im byzantinischen Stiftungswe‑ sen wurde schließlich durch den Aufstieg
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der Osmanen gefährdet. Schrittweise er‑ oberten die Türken die orthodoxen Staaten Kleinasiens und des Balkans. Das unab‑ hängige Bulgarien wurde 1396 aufgelöst, Byzanz fiel 1453, Serbien folgte 1459 und Trapezunt 1461. Übrig blieben nur die ver‑ schiedenen Königreiche (Kartli, Kakheti und Imereti) und Fürstentümer Georgiens, das Fürstentum Moskau und vor allem die Fürstentümer Moldau und Walachei. Die dortigen Woiwoden haben dann in einem Ausmaß gestiftet, das in der orthodoxen Welt weder davor noch danach je wie‑ der erreicht wurde: „For a period of about 500 years, from the fourteenth until the nineteenth century, the Romanians were principal sustainers of the Holy Mountain. It was a unique historical and religious phenomenon which has not yet been fully studied and evaluated.“32 Der Ausgangspunkt für diese Stiftungs‑ tätigkeit lag im 14. Jahrhundert bei der Unterstützung des athonischen Koutlou‑ mousiou‑Klosters, dessen Abt gleichzeitig als Metropolitan von Ungarn‑Walachei das Haupt der rumänischen Kirche war. Im Laufe des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit wurden die Woiwoden als ‚Stifter‘ (ktētores) fast aller wichtigen Klöster auf dem Athos betrachtet. Das oben angespro‑ chene Hilandar‑Kloster, das so lange auf die Unterstützung der serbischen Herr‑ scher und Adligen angewiesen gewesen war, erkannte etwa jetzt den Woiwoden Vlad den Mönch (1482–1495) als ktētōr an und kassierte dafür eine jährliche Rente von 5000 aspra.33 Eine solche Rente in glei‑ cher Höhe rechtfertigte auch die Bezeich‑ nung des Woiwoden Peter VI. im Jahr 1584 als ‚neuen Stifter‘ des Johannes‑Klosters auf Patmos.34 Das Ganze hatte langfristige Folgen: Noch bei der Verstaatlichung al‑ ler klösterlichen Güter in Rumänien und in der Walachei im Jahr 1863 besaßen 18 der 20 Hauptklöster von Athos insgesamt
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109 abhängige Klöster (metochia) in diesen zwei Ländern, was Schätzungen zufolge zwischen 700 000 und 1 000 000 Hektar oder etwa einem Viertel des ganzen Ter‑ ritoriums dieser Länder entsprach.35 (2.) Die Byzantiner entwickelten niemals einen klaren Begriff von ‚Aristokratie‘, und Ähnliches gilt auch für die Byzantinisten.36 Nichtsdestotrotz ist für Byzanz der Ter‑ minus ‚Aristokratie‘ besser geeignet als ‚Adel‘, weil es eine Vererbbarkeit von Adels‑ titeln in Byzanz nie gegeben hat.37 Nach der Auflösung der alten senatorischen Aristokratie im 7. Jahrhundert war das Hauptkriterium für Aristokratie ‚Wohl‑ geborenheit‘ (eugeneia / εὐγενεία).38 Dieses Charakteristikum ist mit der Geschichte der Familiennamen und aristokratischen Clans verbunden, die ab dem 10. Jahrhun‑ dert deutlich in Erscheinung treten. Was das Stiftungswesen angeht, sei da‑ rauf hingewiesen, dass ‚aristokratische‘ Stifter ihre Werke mittels ihrer typika ganz anders als ihre nicht‑aristokratischen Zeit‑ genossen gestalteten.39 Im Grunde genom‑ men buchstabierten aristokratische Stifter die Regelung für liturgisches Gedenken, Verwaltung und Vermögen einer Stiftung sehr genau aus. Darüber hinaus bevorzug‑ ten sie eine enge Verbindung der Stiftung mit der Stifterfamilie, indem Verwandte oft leicht in das Kloster eintreten durften, und forcierten eine soziale Unterschei‑ dung zwischen sogenannten ‚kirchlichen‘ (ekklēsiastikoi) und ‚arbeitenden‘ (douleutai) Mönchen. Die alltäglichen Pflichten und Aufgaben der Stiftung dagegen wurden durch den aristokratischen Stifter in der Regel nicht genau ausformuliert. Die Beteiligung der Aristokratie am spätantiken und frühmittelalterlichen Stif‑ tungswesen war durch eine starke Ab‑ hängigkeit der Kirchen, Klöster und piae causae von ihren Stiftern gekennzeichnet.
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(→ 13.5.2) In Rom und Konstantinopel stif‑ tete die spätrömische Aristokratie mit großer Begeisterung Kirchen für die Ar‑ beiter und Sklaven ihrer Güter auf dem Land.40 Besonders gut belegt ist das Netz‑ werk kirchlicher Institutionen bei der spät‑ römischen Apion‑Familie in Ägypten, zu dem 47 Kirchen, elf Klöster, vier piae causae und zwei martyria zählten.41 Die Apionen selbst hatten diese Institutionen jedoch nicht gestiftet: Erstaunlicherweise ist die Rolle der ägyptischen Großfamilien als Stifter von Klöstern nirgendwo nachge‑ wiesen, was sie von den Stiftern späterer Zeiten erheblich unterscheidet.42 (→ 13.5.2) Die Unterstützung kirchlicher Institutio‑ nen durch spätrömische Aristokraten ge‑ riet in Konkurrenz zu der aufkommenden Macht der Bischöfe, die gestiftete Kirchen der Aristokratie oft als Orte ansahen, an denen sich Häretiker verstecken konnten.43 Erste Familien dieser Art, die mit ih‑ ren reichsweiten Ressourcen, Gütern und Einflüssen beeindruckende Netzwerke von kirchlichen Institutionen finanzieren konnten, verschwanden nach den arabi‑ schen Eroberungen des 7. Jahrhunderts fast völlig.44 Für diese frühmittelalterliche Phase, in der bis zum Ende des 9. Jahrhun‑ derts fast nichts über das byzantinische Stiftungswesen überliefert ist, kann auch kaum etwas über eine Beteiligung der Aristokratie an Stiftungen gesagt werden. Die oben beschriebene veränderte Rolle des byzantinischen Kaisers im Stiftungs‑ wesen seit Romanos I. leitete sich wohl aus den Stiftungspraktiken der Aristokratie ab. Für diese war die Stiftung vor allem ein Instrument, um die liturgische und weltliche Memoria für sich selbst und ihre Angehörigen abzusichern.45 Nachdem die‑ ses Motiv in den älteren Stiftungen noch gefehlt hatte, betonten die Stiftungen des 11. Jahrhunderts das Gedenken stark, so etwa bei Gregor Pakourianos in Bačkovo,
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bei Michael Attaleiates in Konstantinopel und Rhaidestos oder bei Eustathios Boïlas im östlichen Kleinasien. (→ 8.5.2) Bei Mi‑ chael Attaleiates fungierte die Stiftung gleichzeitig als Mittel zur Absicherung seines Vermögens.46 Die Beteiligung dieses berühmten Stifters an der charistikē, einer gewinnorientierten Form von Treuhand‑ schaft, zeigt exemplarisch, wie die Aris‑ tokratie dieser Zeit von Stiftungen auch finanziell profitierte. (→ 7.5.3) Im Unterschied zur reich belegten Be‑ teiligung der byzantinischen Aristokratie am Stiftungswesen auf dem Athos und in Makedonien ist diese in den Provinzen fast ausschließlich archäologisch und kunst‑ historisch überliefert (mit einigen Aus‑ nahmen, zum Beispiel auf Kreta). Anhand von Inschriften und Stifterbildern lässt sich hier ein verbreitetes Stiftungshandeln durch die Aristokratie nachweisen. Unter der makedonischen Dynastie (867–1056) waren hochrangige Staats‑ und Kirchen‑ beamte bei Stiftungen der Provinzen noch sehr prominent hervorgetreten. Wie die wichtigen spätantiken familiae verfügten diese Ämter über reichsweiten Einfluss und Ressourcen. Der Gouverneur der Provinz Longobardia (Südostitalien), Christopho‑ ros, stiftete etwa 1028 eine Grabkirche für sich selbst, seine Frau und seine Kinder in Thessaloniki, die sich etwa 500 Kilometer entfernt von seinem Amtsbezirk befand.47 Aus der mittelbyzantinischen Epoche stam‑ men besonders viele Kirchen und Klöster von Aristokraten, die ihren Grundbesitz in der Provinz hatten, ihre Ämter aber überall im Reich bekleideten. Die Prominenz dieser obersten Schicht, die in der Forschung als ‚power élite‘ be‑ kannt ist48, schwand nach dem 11. Jahrhun‑ dert, als die Güter besonders der mächtigen kleinasiatischen Magnaten von den Seld‑ schuken überrannt wurden. Stattdessen ist ab dem 12. Jahrhundert eine provinzielle
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Aristokratie erkennbar.49 Die Stiftungen dieser regionalen Magnaten ahmten die der großen Aristokraten aus Konstanti‑ nopel auf architektonische und künstle‑ rische Weise nach, nur dass ihre Kirchen und Klöster kleiner waren.50 Selbst die‑ se in der Regel einschiffigen Kirchen mit Tonnengewölbe, mit denen zum Beispiel die Peloponnes reich bestückt ist, wurden nicht selten durch Gruppen von lokalen Eliten gestiftet, so dass sie als ‚kooperative‘ Stiftungen betrachtet werden müssen.51 Während die gesellschaftlichen Eliten zur Blütezeit der charistikē durch gewinn‑ orientierte Treuhandschaft finanziell von Stiftungen profitieren konnten, war die Stiftung in den letzten Jahrhunderten der byzantinischen Geschichte eher ein Mittel, um Familienvermögen gegen wechselhaf‑ te politische Umstände abzusichern. Die Klöster des Berges Athos boten jetzt der or‑ thodoxen Aristokratie einen Rückzugsort, persönlich und für ihr Vermögen; Nicholas Oikonomides hat dieses Phänomen nach dem Vorbild heutiger Eliten, die ihr Geld in die Banken der Schweiz verlagern, ‚Swit‑ zerland syndrome‘ genannt.52 Leibrenten (adelphata), die Klöster im Gegenzug für eine Stiftung ausgaben, wurden von dieser Elite besonders geschätzt. (→ 12.5.3) Eine umfassende Erforschung der Frage, welche Rolle die byzantinische Aristokratie im Stiftungswesen auf dem Athos im Spätmit‑ telalter gespielt hat, würde sich lohnen.53 (3.) Nach dem Niedergang der Städte im 7. Jahrhundert war das Bürgertum im Wesentlichen auf Konstantinopel be‑ schränkt.54 Da folglich Bürger nur äußerst selten an Stiftungen beteiligt waren, be‑ schränken sich die folgenden Ausführun‑ gen auf Bauern. Diese bildeten vornehm‑ lich die Unterschichten in Byzanz, unter‑ schieden sich aber nach dem Grad ihrer Freiheit. Anders als die Kaiser und die
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Aristokratie treten Bauern auch nur selten als Stiftungsakteure hervor. Es fehlt an einer chronologisch geschlossenen Über‑ lieferung, so dass nur zeitlich und räum‑ lich verstreute Zeugnisse herangezogen werden können. Dass Bauern am Stiftungswesen der Spätantike fast gar keinen Anteil hatten, lag nicht zuletzt daran, dass die ländliche Bevölkerung später christianisiert wurde als die Aristokratie. Bauern erscheinen vor allem als Adressaten von aristokratischen Kirchenstiftungen, die durch die griechi‑ schen Kirchenväter gefördert wurden. Jo‑ hannes Chrysostomos, von 398 bis 404 Erz‑ bischof von Konstantinopel, beschimpfte sogar seine reichen Kirchgänger, sie ließen lieber Märkte, Bäder und Tavernen erbauen, als Kirchen für ihre Bauern zu stiften.55 Innerhalb des spätantiken Reichsge‑ biets kann man Bauern überhaupt nur in Ägypten im Kontext des Stiftungswesens nachweisen. Abgesehen von der Förderung durch Schenkungen und Zustiftungen an religiöse Einrichtungen durch wohlhaben‑ de und häufig aristokratische Landbesitzer, die ihnen zugutekamen, förderten sie aber auch hier die Kirche kaum einmal selbst.56 Selbst die These der älteren Forschung, dass die frühe Blüte des Mönchtums als Bewegung überwiegend analphabetischer koptischer Bauern gedeutet werden müs‑ se, ist in der neueren Forschung teilweise revidiert worden.57 Erst um die Jahrtausendwende spielten Bauern eine größere Rolle. Wenngleich Ur‑ kunden oder Inschriften über bäuerliche Stiftungen in mittelbyzantinischer Zeit (ca. 800 bis ca. 1200 u. Z.) kaum überlie‑ fert sind, deuten andere Quellen auf eine Vermehrung bäuerlicher Stiftungen hin. Ein Gesetz des Kaisers Basileios II. skizzierte einen üblichen Stiftungsverlauf folgender‑ maßen: „Da, wie Unsere Majestät nahezu aus allen Themen [Provinzen] die Nachricht
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erreicht hat, viele Dorfgemeinschaften un‑ ter Bedrückungen und Unrecht leiden und manche von ihnen wegen der Ausbreitung der Klöster fast am Rande der Auslöschung stehen, passierte es in vielen der Dörfer, wie sie berichten, dass ein Dorfbewohner eine [Kloster‑]Kirche auf eigenem Land erbauen ließ und ihm sein eigenes Erbteil stiftete; dann wurde er selbst Mönch und wohnte dort während seines Lebens, und ein ande‑ rer Dorfbewohner tat dasselbe und ebenso ein weiterer [Dorfbewohner], sodass zwei oder drei dort Mönche wurden; nachdem sie gestorben waren, nahm der zuständige Metropolit oder Bischof das Erbteil an und machte es sich zu eigen und bezeichnete es als ein Kloster [wobei ein ‚Kloster‘, das nur zwei oder drei Mönche hatte, rechtlich gese‑ hen unter der Aufsicht des Bischofs stehen musste]; indem selbst die Metropoliten oder Bischöfe die [Güter] solcher Klöster besa‑ ßen und die [Güter] an bestimmte Mächtige [dynatoi] in Treuhandschaft gaben, beuteten sie die Dörfer aus, sie taten ihnen Unrecht und löschten sie aus. Wir weisen an, dass solche [Stiftungen] in Oratoria [Kapellen] umgewandelt werden und nennen sie nicht Klöster; all diese [Oratoria] können wieder den Armen übergeben werden, ohne dass sie dem Metropoliten oder Bischof unter‑ worfen sind.“58 Wie das Zitat aus der kaiserlichen No‑ velle klar zeigt, stammten diese kleinen Stiftungen oft von Bauern in einer prekären Situation. Ihre Dauer hing von der Gunst der lokalen Kirchengewalten ab, die dazu neigten, diese Kleinstiftungen zu beschlag‑ nahmen. Abgesehen von der Gefahr, die ihnen von Seiten des Ortbischofs drohte, fehlte ihnen im Vergleich zu den Stiftun‑ gen der Aristokratie und der Herrscher ausreichendes Vermögen, um sich nach außen zu behaupten. Das Spätmittelalter war die Blütezeit sol‑ cher bäuerlicher Stiftungen. Der Deutung
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von Sophia Kalopissi‑Verti zufolge, die sich anhand der Inschriften Griechenlands (ins‑ besondere auf der Peloponnes) und Kretas mit diesem Phänomen beschäftigt hat, sei der unerwartete Anstieg der Mitwirkung von Bauern am Stiftungswesen auf den Zusammenbruch der zentralen kirchlichen und staatlichen Gewalten nach der Katast‑ rophe von 1204 zurückzuführen.59 Die spät‑ byzantinischen Bauern beteiligten sich an sogenannten Dorfstiftungen, bei denen sie mit lokalen Aristokraten und Priestern Kir‑ chen für ihre Dörfer errichteten. Die Kirche der Heiligen Anargyroi auf der Halbinsel Mani (Peloponnes) wurde zum Beispiel im Jahr 1265 kollektiv von elf Personen gestiftet und geschmückt.60 Für die Kirche mit den Bodenmaßen von 3,95 × 2,43 Metern wurden 14,5 Goldmünzen aufgebracht. Während der Notar und Lektor Elias den Löwenan‑ teil von acht Goldmünzen einzahlte, gaben vier andere Stifter nur je eine Goldmünze und fünf weniger als eine Goldmünze; ein Priester beteiligte sich sogar ohne Einlage. Ansonsten sind die Kapitalien kollektiver Stiftungen oft nicht überliefert, belegt ist aber, dass Kleinbauern auch Felder oder Olivenbäume zustifteten.61 Die finanzielle Leistungsfähigkeit by‑ zantinischer Bauern differierte je nachdem, woher sie kamen. Im Gegensatz zu den oben besprochenen kollektiven Stiftungen von Bauern in Griechenland und Kreta zeigte etwa das Bauerntum des Schwarz‑ meergebiets Pontos ganz andere Merkmale. Die spätmittelalterlichen Bauern dieser Bergregion waren wohlhabender und frei‑ er als die der übrigen ehemaligen Pro‑ vinzen des Reiches, zumal eine mächtige ländliche Aristokratie fehlte.62 Aus den Archiven des Bazelon‑Klosters sind über einhundert Kleinstiftungen überliefert, die hauptsächlich die Überlassung von Familiengütern (gonika) gegen liturgisches Gedenken belegen.
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14.5.3 Laien und Geistliche Unter den Geistlichen in Byzanz versteht man den Klerus und das Mönchtum. Der Klerus war hier in besonderer Weise an das Stiftungswesen gebunden, da dessen Konjunkturen einen wesentlichen Einfluss auf die Finanzierung der Geistlichkeit hat‑ ten. Im Gegensatz zum lateinischen Wes‑ ten kann man in Byzanz nicht von einem Zehnten im Sinne einer allgemeinen obli‑ gatorischen Abgabe der Laien an die Kirche sprechen.63 Stattdessen blieb theoretisch das Vermögen jeder Diözese die Grundla‑ ge für die Finanzierung des Bischofs und seiner Amtsleute; es bestand vor allem aus Renten, die aus erblich verpachteten Ländereien erzielt wurden.64 Diese Einkünf‑ te reichten indessen langfristig kaum für den Unterhalt des Bischofs, vom sonstigen Klerus ganz zu schweigen. Daher wurden im Laufe der Zeit Gebühren für bestimmte Leistungen, etwa Weihe und Taufe, wichti‑ ger.65 Darüber hinaus versuchte die Amts‑ kirche seit dem 11. Jahrhundert zugunsten der Bischöfe eine Steuer (das sogenannte kanonikon) auf Dörfer, Priester und Klöster der Diözese zu erheben.66 Die Finanzprobleme der byzantinischen Bischofskirchen wirkten sich auch beson‑ ders nachteilig auf den Niederklerus aus. Wenngleich genaue Zahlen fehlen, erwe‑ cken die Quellen den Eindruck, dass es rela‑ tiv wenige Pfarrkirchen (katholikai ekklesiai) gegeben hat; die große Mehrzahl des Klerus tat vermutlich in den vielen Privatkirchen, also Stiftungskirchen oder Eigenkirchen, Dienst.67 Stiftung hieß für den byzantini‑ schen Niederklerus die Chance, ohne Ne‑ benerwerb als Priester arbeiten zu können. In der Forschung wird leider bis jetzt die Zuordnung des Niederklerus zum jeweili‑ gen Kirchentyp nicht klar durchgeführt.68 Die Grenzen zwischen Laien und Geist‑ lichen besetzte in Byzanz das Mönchtum.
Soziale Positionen der Akteure
Stärker als im lateinischen Westen blieb es hier eine Bewegung, die nicht zur Priester‑ weihe strebte. Exemplarisch ist die (in By‑ zanz sehr populäre) Geschichte des Mönchs Ammonios von Ägypten, der sich das linke Ohr amputierte und dann sogar auch seine Zunge auszureißen drohte, um einer Pries‑ terweihe und erst recht dem Ruf auf einen Bischofsstuhl zu entgehen.69 Einem Aus‑ spruch Johannes Cassianus’ zufolge sollten Mönche vor allem zwei Personengruppen meiden: Frauen und Bischöfe.70 Ein weiterer Unterschied zum mittelalterlichen Westen war die in der Praxis weit verbreitete Ei‑ gentumsfähigkeit der einzelnen Mönche, besonders der Eremiten.71 Dies war für das griechisch‑orthodoxe Stiftungswesen von besonderer Bedeutung. Das komplexe Verhältnis von Klerikern, Laien und Mönchen ist bereits in den Pa‑ pypri aus dem spätantiken Ägypten zu beobachten. Erstaunlicherweise gibt es keinen eindeutig überlieferten Fall der Stiftung einer Kirche, eines Klosters oder einer pia causa durch einen Laien.72 Diese beteiligten sich zwar an der Unterstützung oder Verwaltung der religiösen Instituti‑ onen, die Stiftungen selbst lagen aber bei Klerikern und insbesondere Mönchen. Al‑ lerdings kann man vermuten, dass Laien in dieser Epoche indirekt durch Bischöfe und Mönche als Stifter tätig wurden. Auch in mittelbyzantinischer Zeit sind Kleriker und Mönche als Stifter belegt. Ge‑ weihte Geistliche, die als Stifter agierten, mussten sich mit zwei Problemen ausei‑ nandersetzen: der Dotation (ob sie aus kirchlichen oder privaten Mitteln stammen sollte) und der Aufsicht (wie die Stiftung den Einfluss der kirchenamtlichen Nach‑ folger umgehen konnte). Beide Aspekte finden sich bei Manuel, einem ehemaligen Mönch und nun Bischof von Stroumitza, der sein kleines Eleousa‑Kloster um das Jahr 1100 errichtete. Manuel wies sehr
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Griechisch-orthodoxe Christen
deutlich darauf hin, dass die Dotation für das Kloster aus seinem privaten (und nicht aus bischöflichem) Vermögen bestand.73 Die künftigen Bischöfe von Stroumitza sollten bei der Wahl eines neuen Abtes vom Kloster eine einmalige Zahlung von drei Goldmünzen erhalten; dies bedeutete aber keineswegs, dass dem Bischof die Aufsicht über das Kloster zustand.74 Auf ähnliche Weise betonte Leon, der Bischof von Naup‑ lion, dass sein Kloster (in den 1140er Jahren gegründet) vollkommen unabhängig von der lokalen bischöflichen Gewalt war, wie ein Memorandum aus dem Jahr 114375 sowie sein späteres typikon76 belegen. Nicht nur der höhere Klerus war in die‑ ser Epoche als Stifter aktiv, sondern auch einfache Priester und Mönche. Bereits in einer Inschrift aus dem Jahr 991/992 ist ein Priestermönch (hieromonachos) als Stifter der Pantaleimon‑Kirche in Boularioi auf der peloponnesischen Mani erwähnt.77 Die meisten Fälle von Priestern und Mönchen als Stiftern stammen aber aus dem Spätmit‑ telalter; dies geht jedoch vor allem auf eine dichtere Überlieferung aus dieser Epoche zurück. Hier traten Kleriker und Mönche besonders bei kollektiven Dorfstiftungen von Kirchen hervor.78 Der Priester Theodor Tzerteues stiftete um 1260–1270 mit seinen Geschwistern und Cousinen sowie deren Frauen und Kindern dem Bazelon‑Kloster das Gut Chalia.79 Kollektive Stiftungen waren, wie der Fall exemplarisch belegt, häufig Vorhaben ganzer Familien.80 Interessant ist auch die Rolle der ‚spi‑ rituellen‘ Verwandtschaft. Dabei konnte ein ‚spiritueller Vater‘ (psychikos patēr), normalerweise ein älterer und ehrwürdiger Mönch oder Kleriker, das Vermögen für seinen spirituellen Sohn stiften. So gab der Bischof Satalos Kosmas im Jahr 1256 das Gut seines spirituellen Sohnes Theodor Bardales dem Bazelon‑Kloster gegen litur‑ gisches Gedenken für sich selbst sowie für
Theodor.81 Gleichzeitig warnte der Bischof Theodor und dessen Frau vor abträglichen Handlungen gegen diese Stiftung. 14.5.4 Arme und Reiche Die byzantinische Gesellschaft entwickel‑ te selbst kein eindeutiges Schichtenmo‑ dell, sondern übernahm stattdessen die Dichotomie zwischen (1.) Armen und (2.) Reichen aus der Spätantike.82 Der Darstel‑ lung von Évelyne Patlagean zufolge soll die zunehmende Armut im spätrömischen Reich, die unter anderem auf ein Bevölke‑ rungswachstum und ökonomische Umbrü‑ che zurückzuführen sei, unter christlichen Vorzeichen sozial gedeutet worden sein. Diese gesellschaftliche Dichotomie zwi‑ schen Armen und Reichen, die zuerst von den griechischen Kirchenvätern entwickelt worden war, wurde unter Justinian und dann besonders unter den Kaisern der ma‑ kedonischen Dynastie im 10. und 11. Jahr‑ hundert gesetzlich festgeschrieben.83 In der Folge waren in der ganzen byzantinischen Zeit die Bezeichnungen einer Person als ‚arm‘ oder ‚reich‘ von Bedeutung, weil ver‑ schiedene Strafen durch Geldleistungen an den Staat sowie das Recht zum Güte‑ rerwerb unterschiedlich geregelt wurden. (1.) Die geläufigen griechischen Termini für einen ‚Armen‘, penēs (πένης) und ptōchos (πτωχός), hatten in Byzanz immer eine vornehmlich ökonomische Bedeutung, d. h. auch verarmte ehemalige Reiche (‚aristocrates déclassés‘) konnten als ‚Arme‘ be‑ zeichnet werden.84 Aus einer rechtlichen Perspektive wurde Armut erst in der spät‑ römischen Zeit definiert und diese Defini‑ tion dann in der mittelbyzantinischen Zeit wieder aufgegriffen. Nach dem ‚Procheiros Nomos‘, einem Rechtsbuch aus dem späten 9. Jahrhundert, wurde die Armutsgrenze
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auf ein Vermögen von 50 Goldmünzen (nomismata) festgelegt.85 Dieser Ansatz wurde in einer anderen Rechtssammlung, der sogenannten ‚Peira‘, weiter entfaltet; danach sollte als Armer derjenige gelten, der entweder ein Vermögen von weniger als 50 Goldmünzen besaß oder keinen Ti‑ tel, keine Güter für die Ausrüstung eines Soldaten (strateia), keinen Beruf oder auch kein Geschäft hatte.86 Die Rolle der Armen im byzantinischen Stiftungswesen war vor allem eine passive. In der Spätantike, als wohltätige Anstalten speziell für die Armen erfunden wurden (ptōcheion, ptōchotropheion), findet man fast keine Hinweise auf Arme, die als Be‑ günstigte ihre Stiftungen mitgestalteten. Nur eine wohl korrumpierte Stelle in ei‑ ner Konstitution Justinians schrieb ihre aktive Teilnahme an der Veräußerung von Stiftungsgut vor.87 (→ 12.5.1) (2.) Im Lateinischen und später dann im Griechischen wurden die ‚Reichen‘ eher als die ‚Mächtigen‘ bezeichnet: In der justi‑ nianischen Gesetzgebung findet man des‑ wegen die Bezeichnungen potentes und ktētores als Gegenbegriffe zu den Armen.88 Erst im 10. Jahrhundert taucht dann ein stiftungsbezogener Gebrauch der Bezeich‑ nung ‚Mächtiger‘ auf. In einer Novelle aus dem Jahr 934 verbot der Kaiser Romanos I. Lekapenos die Veräußerung von Länderei‑ en der Armen an die Mächtigen (dynatoi), als die er Leute von hohem Rang (Senato‑ ren, magistroi oder patrikioi) sowie kirchli‑ che und staatliche Beamte, Äbte und Leiter von piae causae bezeichnete.89 Aufgrund der Akkumulation von Gütern galten Stif‑ tungen sogar dann als Gefahr, wenn sie sich in den Händen ihrer Äbte oder anderer Leiter von piae causae befanden. Die kai‑ serliche Gesetzgebung des 10. Jahrhunderts, auch das berühmte ‚Stiftungsverbot‘ des Nikephoros II. Phokas, konzentrierte sich
Soziale Positionen der Akteure
weithin darauf, den übermäßigen Zuwachs von Stiftungsvermögen zu begrenzen. 14.5.5 Alter Die Frage nach dem Alter der Stiftungs‑ beteiligten ist in der Byzantinistik noch nicht gestellt worden, sodass hier nur ei‑ nige Hinweise gegeben werden können. Erwähnenswert ist zunächst, dass nur ungefähr die Hälfte der Byzantiner, die Geburt und Kindheit überlebt hatten, ein Alter von 35 Jahren erreichte; mit 60 Jahren galt man schon als alt.90 Weil angenommen wurde, dass im hohen Alter die Libido ab‑ nahm, wurde den Alten eine gewisse Hei‑ ligkeit und moralische Rechtschaffenheit zugeschrieben; alte Mönche, Nonnen und Priester genossen deswegen für bestimmte Aufgaben den Vorzug, zum Beispiel beim Einsatz als Hüter der Klosterpforten.91 Im Unterschied zu anderen Formen der Vorsorge etwa für Arme, Kranke, Wai‑ sen und Witwen war das byzantinische Altersheim (gērokomeion) eine Erfindung von ca. 500 u. Z. ohne erkennbare jüdische oder heidnische Wurzeln.92 Obwohl das Altersheim ursprünglich aus einem aus‑ schließlich monastischen Kontext stammte, waren spätere Altersheime, wie das vom Pantokrator, auch für Laien gedacht.93 Klöster boten auch solchen Alten Unter‑ kunft und Versorgung an, die verwitwet eintreten wollten, zumal dann, wenn sie für ihre Leibrenten (adelphata) bezahlten.94 Es ist nicht erforscht, in welchem Al‑ ter man stiftete. In vielen Fällen sind nur sehr grobe Angaben oder überhaupt nichts Entsprechendes überliefert. Kaiserliche Stiftungen sind hier die Ausnahmen. Jo‑ hannes II. Komnenos (1118–1143) war bei‑ spielsweise 49 Jahre alt, als er das typikon für den Pantokrator verfassen ließ; Michael VIII. (1259–1282) hat das Gleiche
Griechisch-orthodoxe Christen
für das Kellibara‑Kloster um sein 59. und letztes Lebensjahr gemacht. Der allgemei‑ ne Eindruck, den solche kaiserlichen Fälle vermitteln, ist aber, dass Stiften viel mehr mit politischen Umständen verbunden war als dass es vom Lebensalter abhing: So hat Michael VIII. besonders viel nach seiner Wiedereroberung Konstantinopels gestif‑ tet,95 und schon früher hatte Basileios I. (867–886) als Usurpator und Gründer einer Dynastie angeblich 100 Kirchen, Klöster und piae causae errichtet96. Was bezüglich des Alters gilt für die kaiserlichen Stiftungen, darf man aber nicht für das ganze Stiftungswesen ver‑ allgemeinern. Einige Stifter waren jung; Kale Pakourianos war mit nicht einmal 30 Jahren schon verwitwet und litt an ei‑ ner Krankheit, als sie für sich und ihren verstorbenen Mann durch die Mönche des Iberer‑Klosters auf dem Berg Athos stif‑ tete.97 Ihr Mann, Symbatios (arm. Smbat) Pakourianos, war acht Jahre zuvor bei der Abfassung seines Testaments nach eigenen Angaben „durch Gottes Gnade völlig ge‑ sund“ gewesen.98 Wie viele aristokratische Byzantiner hatte er auch schon in seiner Jugend Vorbereitungen für seine Grabstätte getroffen.99 14.5.6 Ethnizität Die Frage der Ethnizität ist bei den Ak‑ teuren im griechischen oder auch allge‑ mein dem orthodoxen Stiftungswesen von großer Bedeutung. Um dies zu erläutern, muss man sich zuerst die Problematik der Bezeichnung ‚Byzantiner‘ vergegenwär‑ tigen. Eigentlich ist der Terminus für die Einwohner des oströmischen Kaiserreichs eine Erfindung des frühneuzeitlichen Hu‑ manismus, möglicherweise des Deutschen Hieronymus Wolf (1516–1589).100 Die ge‑ läufige Selbstbezeichnung der Byzantiner
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im Mittelalter war ‚Römer‘ (rhōmaioi / ῥωμαίοι); inwiefern mit der Bezeichnung ‚Römer‘ auf hellenistische Kultur und Sprache, Loyalität zum byzantinischen Kaiser und Staat oder orthodoxes Glau‑ bensbekenntnis angespielt wurde, ist in der Byzantinistik noch nicht eingehend erforscht worden. Während ältere Deutun‑ gen Byzanz nach dem Muster seiner osma‑ nischen Nachfolger als multi‑ethnischen Staat ansprachen, wurde diese Auffassung in den letzten Jahren in Frage gestellt. Die ausführlichste Untersuchung durch den griechisch‑amerikanischen Byzantinisten Anthony Kaldellis führte zu dem Ergebnis, dass die byzantinische Identität als reine Staatsidentität zu verstehen sei: „In the middle period of its history, Byzantium was understood to be the state of the Ro‑ man people: Romania was just the archē [Reich] of the Romans. The vast majority of its population identified themselves as Romans and knew, regardless of whether they were from Naupaktos or Attaleia and of whether they knew each other person‑ ally, that they were all Romans precisely because they shared the same religion, lan‑ guage, art and architecture, history, state and laws, customs, and probably material conditions. They were not split into ethnic groups or social castes (…). All this makes the Byzantines a nation.“101 Der These einer eher begrenzten Bedeutung von Ethnizität bei den Byzantinern widersprechen aber zahlreiche Hinweise aus der griechisch‑ orthodoxen Stiftungspraxis. Wie im Fol‑ genden deutlich wird, war Ethnizität näm‑ lich diachronisch betrachtet ein wichtiges Thema für die Stiftungsakteure. Die Frage der Ethnizität taucht bereits im frühen christlichen Mönchtum auf, und damit auch im Stiftungswesen. Die ers‑ ten christlichen Mönche waren von ihrer Herkunft ebenso ‚Außenseiter‘ wie von ihrer gesellschaftlichen Schicht her: Sie
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waren vor allem analphabetische kopti‑ sche Bauern, und damit unterschieden sie sich sprachlich sowie gesellschaftlich von den römisch‑hellenistischen Eliten Ägyp‑ tens.102 Wenngleich die klösterliche Bewe‑ gung sich recht bald auch in anderen Teilen des Reichs und der Gesellschaft etablierte, blieb das ägyptische Mönchtum ein über‑ wiegend koptisches Phänomen. In Palästina dagegen, wo sich die Stif‑ tungstätigkeit der Christen in den ersten Jahrhunderten nach Konstantin konzent‑ rierte, war die Herkunft der Stiftungsak‑ teure von Anfang an viel heterogener.103 Die spätrömischen Christen, die nach Pa‑ lästina gingen, stammten nicht nur aus verschiedenen ‚Völkern‘, sondern waren oft auch vermögend, wenn sie nicht sogar herrscherlichen Familien angehörten.104 Besonders die Stifter selbst, aber auch andere Akteure des Stiftungsgeschehens, mussten sich entscheiden, ob sie sich in die griechisch‑ oder lateinischsprachigen Klos‑ tergemeinschaften Palästinas integrieren oder ihre eigenen Klöster stiften wollten. Man kann diese Spannung am Beispiel der Armenier verdeutlichen, eines Volks zwischen den zwei großen Reichen der Römer und Perser. Mar Sabas (ca. 440–532) habe, wie in seiner Vita berichtet wird, zweien seiner armenischen Schülern den Auftrag gegeben, die Liturgie in einer klei‑ nen Gebetskapelle innerhalb seiner Laura auf Armenisch zu halten; dadurch habe die Zahl der armenischen Mönche stark zugenommen.105 Diese personelle Aufsto‑ ckung fand ihren Niederschlag auch in vielen armenischen Klosterstiftungen in Jerusalem durch armenische Fürsten und Prinzen. Eine nach der islamischen Er‑ oberung überarbeitete Liste armenischer Klöster in Palästina, auf dem Sinai und in Ägypten, die ursprünglich am Ende des 6. oder Anfang des 7. Jahrhunderts von Anastas Vardapet verfasst worden war,
Soziale Positionen der Akteure
nennt die führenden Familien Armeniens als Stifter von 70 Klöstern in Jerusalem.106 Wenngleich die Zahl unglaubwürdig hoch ist, haben die Angaben des Dokuments im Allgemeinen einen wahren Kern.107 Die armenischen Potentaten hatten Einkom‑ men armenischer Dörfer an diese Klöster gestiftet, doch wurde diese Finanzierung unter islamischer Herrschaft wegen hoher Steuern und der Verwüstung durch Krieg stark reduziert.108 Die weitere Geschichte der armenischen Stiftungen im Heiligen Land verkomplizierte sich dadurch, dass die armenische von der römischen Kirche nach dem zweiten Konzil von Dvin (554) endgültig getrennt war. Die Bedeutung von Ethnizität nahm während des frühen Mittelalters ab, als sich das Zentrum des byzantinischen Stif‑ tungswesens von Palästina nach Konstan‑ tinopel verlagerte. Obwohl die frühe Phase des Mönchtums der Hauptstadt bis in das 6. Jahrhundert von anderen Ethnien, be‑ sonders Syrern und Ägyptern, geprägt war, verschwand der multiethnische Charakter im Stiftungswesen nach dem Verlust der östlichen Provinzen an die Muslime. Pa‑ lästina dagegen behielt seine Attraktivität für Mönche unterschiedlicher Herkunft bei.109 Als ab dem 10. Jahrhundert, und be‑ sonders nach der lateinischen Eroberung Konstantinopels (1204), der Berg Athos zum Zentrum des orthodoxen Stiftungs‑ wesens wurde, entfalteten sich die reich bestifteten Klöster des Heiligen Berges un‑ ter ethnischen Vorzeichen. Inwiefern die Konzentration von Mön‑ chen gleicher ethnischer Herkunft in ei‑ nem bestimmten Kloster dem ursprüng‑ lichen Stifterwillen entsprach oder ein autokatalytischer Prozess war, kann für viele athonische Klöster nicht entschieden werden. Ein extremes, aber oft zitiertes Beispiel außerhalb des Athos bietet der georgische Feldherr Gregor Pakourianos,
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der am Ende des 11. Jahrhunderts in seinem typikon den Eintritt griechischer Mönche und Priester in sein Kloster explizit ver‑ bot.110 Auf ähnliche Weise wollte Johannes Tornikios, der Stifter des Iberer‑Klosters auf Athos, seine Stiftung nur für Georgier bestimmen, konnte dies aber aus prak‑ tischen Gründen nicht durchsetzen, wie schon eine mittelalterliche Vita berich‑ tet: „When Tornike came from the East he brought with him many rhyasophors [Mönche] and famous monks. His desire was that only Georgians should inhabit the monastery. However, this was an impos‑ sible task and it was inevitable that some Greeks were also accepted because we, as you see, have no experience in seafaring and yet all our sustenance arrives by sea. It is difficult to maintain such a large Lavra without a blacksmith, carpenters, build‑ ings, vineyard workers, sailors and others. Our holy fathers found all [these people] and, willingly or unwillingly, as we have mentioned, accepted them too. And thus, by the help of God, the building of the monastery was completed.“111 Die Verbote gegen Griechen durch die georgischen Stifter Gregor Pakourianos und Johannes Tornikios weisen eindeu‑ tig darauf hin, dass für nicht‑griechische Klostergründer die Präsenz griechischer Mönche die Gefahr barg, dass ihre Klös‑ ter ‚hellenisiert‘ werden könnten. Solche Sorgen waren gut begründet.112 Ein Ver‑ bot war jedoch kaum auf Dauer umsetz‑ bar; während das Iberer‑Kloster niemals ausschließlich georgisch war, verlor das Petritzos‑Kloster von Gregor Parkourianos seit dem 14. Jahrhundert seine ursprüng‑ liche ethnische Prägung. Eine Alternative zu ethnischer Exklusi‑ vität bestand darin, die Proportionen und Privilegien jeder Ethnie zu regeln. Hier war wohl das palästinische Sabas‑Kloster ein Vorläufer. Wir entnehmen dessen typikon,
das vermutlich auf Grundlage einer viel älteren Überlieferung nach dem Jahr 1100 verfasst wurde, dass das Kloster in be‑ stimmter Weise ethnisch organisiert wur‑ de: „Nor shall it be permitted that the Iberi‑ ans, or the Syrians, or the Franks celebrate a complete liturgy in their churches. Let them instead gather over there, and sing the canonical hours and selected verses from the psalms in their own language, and read the Apostle and the Gospel as well, and then go to the Great Church and take part in the divine, undefiled, and life‑ giving sacraments together with the whole brotherhood.“113 Darüber hinaus sollte der Abt immer ein Grieche sein, während ‚Sy‑ rer‘ für die anderen Führungspositionen des Klosters bevorzugt wurden.114 Ein ähn‑ liches Schema handelte der Woiwode der Walachei, Wladislaw I. Vlaicu (1364–1377), der Stifter des Koutloumousiou‑Klosters, mit dessen Abt Chariton (1355/1356–1381) aus: Obwohl der Abt immer griechisch sein sollte und die griechischen Mönche ein streng zönobitisches Klosterleben füh‑ ren mussten, konnten die walachischen Landsleute der Woiwoden ein gemischtes Leben praktizieren.115 Dagegen bestand der Kaiser von Trapezunt Alexios III. (1349– 1390) auf der Aufnahme von geeigneten Landsleuten in dem von ihm gestifteten Dionysiou‑Kloster.116 14.5.7 Religiöses Bekenntnis Bis Mitte des 20. Jahrhunderts haben Histo‑ riker des spätrömischen Reiches postuliert, dass die heterodoxen Bewegungen der Spä‑ tantike, wie die Donatisten in Nordafrika, die Kopten in Ägypten und die Miaphy‑ siten im Ostmittelmeerraum, eigentlich von ‚nationalistischen‘ Motiven geleitet gewesen seien.117 Wenngleich sich manch‑ mal Ethnizität und religiöses Bekenntnis
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überlappen konnten, kann man beide den‑ noch nicht gleichsetzen. Obschon etwa die Armenier meistens Miaphysiten waren, so dass selbst A. H. M. Jones hier eine be‑ sondere Identität von religiösem Bekennt‑ nis und ethnischer Herkunft erkennen zu können glaubte118, teilten keineswegs alle Armenier denselben religiösen Glauben. Im Gegenteil gab es stets eine gewiss kleinere, aber in der Überlieferung doch erkennbare Gruppe von chalkedonensischen Armeni‑ ern (arm. Catc‚ gr. Tzatoi), die nicht von der Reichskirche getrennt waren.119 Die Rolle des religiösen Bekenntnis‑ ses bei den Akteuren im byzantinischen Stiftungswesen ist jedoch noch nicht er‑ forscht worden; Untersuchungen dazu würden sich indessen unbedingt lohnen. Nach byzantinischem kanonischem und weltlichem Recht sollte Nicht‑Orthodoxen keine Teilhabe am Stiftungswesen einge‑ räumt werden. Die Befürchtung, dass ab‑ weichlerische Kirchen und Klöster Häresie förderten, lenkte oft auch die staatlichen und kirchlichen Vorschriften für das Stif‑ tungswesen; Kleriker sollten deshalb bei‑ spielsweise nur in öffentlich anerkannten Kirchen und nicht in privaten Kapellen dienen.120 Trotzdem tolerierten die Kaiser die Stiftung von nicht‑orthodoxen Kirchen und Klöstern oft. Die Apion‑Familie in Ägypten, die schon in der Spätantike ein enormes Netzwerk von Kirchen, Klöstern und piae causae auf ihren Gütern betrieb, gehörte mit einigen Ausnahmen wie auch die Mehrheit der ägyptischen Bevölkerung den Miaphysiten an.121 In der mittelbyzantinischen Zeit sind die Belege für eine Stiftungstätigkeit von Nicht‑Orthodoxen sogar regelrecht
Soziale Positionen der Akteure
beeindruckend. Große Wellen von armeni‑ schen und syrischen Siedlern wurden von den Kaisern im 10. Jahrhundert ermuntert, in das nun wiedereroberte und entvölkerte Gebiet Nordsyriens umzusiedeln, wo sie natürlich ihre eigenen, nicht‑orthodoxen Kirchen und Klöster stifteten.122 Der Erfolg der syrischen Gemeinden in dieser Region war so groß und die Errichtung ihrer Kir‑ chen und Klöster so umfassend, dass die lokale kirchliche Gewalt den Kaiser in den 1020er Jahren um Hilfe für die Verbreitung der Orthodoxie bitten musste.123 Besonders vielsprechend für die künf‑ tige byzantinistische Stiftungsforschung sind die vielen überlieferten Inschriften zu armenischen Stiftungen im östlichen Kleinasien und im Kaukasus. Einen aus‑ führlichen und berühmten Text bietet die Stiftung des Kaufmannes Tigran Honencʽ für seine St.‑Gregor‑Kirche in der Stadt Ani; diese steht heute auf der türkischen Seite der Grenze zwischen der Türkei und Armenien.124 Die Inschrift vom Jahr 1215 listet das Vermögen der Stiftung auf, dar‑ unter Dörfer, Karawansereien, Herbergen, Einkommen aus öffentlicher Infrastruk‑ tur, Häuser und Geschäfte. Sie bietet aber auch eine Art Glaubensbekenntnis, mit dem Verbrechern gegen die Stiftung die Flüche der heiligen Väter der ersten drei ökumenischen Konzilien angedroht wer‑ den; das vierte Konzil von Chalcedon (451) wird hier nicht erwähnt, sodass man den Stifter Tigran als Miaphysiten erkennen kann.125 Unklar ist, wie man diese Regelung in einer Stadt dulden konnte, die seit 1198 von den orthodoxen Königen Georgiens beherrscht wurde. ZC
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Anmerkungen 1 Haldon, Towards a Social History (2009), 2 f.
Die Autoren des Sammelbandes von Dems., So‑ cial History of Byzantium (2009), widmen sich zumindest bestimmten sozialen Gruppen (Mön‑ chen, der Aristokratie usw.), ohne jedoch eine umfassende Darstellung der Gesellschaft zu er‑ reichen; ihre Studien böten aber eine geeignete Grundlage dafür. 2 Besonders empfehlenswert und noch heu‑ te sehr einflussreich ist die strukturalistische Untersuchung der spätantiken Gesellschaft von Patlagean, Pauvreté économique (1977). Zur nach‑ haltigen Wirkung dieser Studie siehe P. Brown, Poverty and Leadership (2002), 7 f. 3 Zusammenfassend zu den sozialhistorischen Untersuchungen dieser Forschungstradition: Haldon, Towards a Social History (2009), 19–21. 4 Ebd., 3; 17 f.; vgl. aber Fryde / Monnet / Oexle, Gegenwart des Feudalismus (2002). 5 Zu den universalen Ansprüchen des byzan‑ tinischen Kaisers für die Gültigkeit byzanti‑ nischen Rechts siehe Pitsakis, Byzantine Law (2005), 251 f. 6 Bowes, Private Worship (2008, ND 2011), 220. Seine Kirchenstiftungen in der neuen Haupt‑ stadt von Konstantinopel waren im Vergleich viel bescheidener; ebd., 106 f.; vgl. ferner Voelkl, Kirchenstiftungen (1964). 7 Thomas, In Perpetuum (2005), 126 f. 8 Iustiniani Novellae. Ed. Rudolfus Schoell / Guilelmus Kroll. (CIC 3.) Dublin / Zürich 101972, 53, Nr. 7.2.1 (vom Jahr 535). Vgl. Bruck, Kirchen‑ väter und soziales Erbrecht (1956), 123. 9 Ebd., 120–126. 10 Codex Iustinianus. Ed. Paulus Krueger. (CIC 2.) Dublin / Zürich 151970, 18, lib. 1, cap. 2.25 (26). Diese Konstitution wurde fast wörtlich in einer späteren Novelle wiederholt: Iustiniani Novel‑ lae. Ed. Schoell / Kroll (wie Anm. 8), 658, Nr. 131.9 (vom Jahr 545). 11 Bruck, Kirchenväter und soziales Erbrecht (1956), 131–135; Ders., Kirchlich‑soziales Erbrecht (1936), 416–423; Zepos, Psycharion (1981), 20–22. 12 Dieser Befund entspricht Quellen zu unte‑ ren Sozialschichten in der Spätantike: Es gibt etwa kaum einen Hinweis auf Schenkungen oder
Stiftungen pro salute animae in den ägyptischen Papyri, vgl. Steinwenter, Kirchliches Vermögens‑ recht (1958), 18. 13 Bruck, Kirchenväter und soziales Erbrecht (1956), 124. 14 Iustiniani Novellae. Ed. Schoell / Kroll (wie Anm. 8), 666, Nr. 131.pr (vom Jahr 539). 15 Grünbart, Memorialkultur (2012), 379 f. 16 Regesten der Kaiserurkunden des oströmi‑ schen Reiches von 565–1453, Bd. 1.2. Ed. Franz Dölger / Andreas E. Müller. (Corpus der griechischen Urkunden des Mittelalters und der neueren Zeit. Reihe A. Abteilung 1, Bd. 1.2.) München 22003, 83, Nr. 648e. 17 Zum Myrelaion siehe Striker, Myrelaion (1981). 18 Regesten der Kaiserurkunden des oströmi‑ schen Reiches, Bd. 1.2. Ed. Dölger / Müller (wie Anm. 16), 82, Nr. 648c. 19 Ebd., 134 f., Nr. 720. Zur Ortsbestimmung von Lakape siehe Grégoire, Notules (1933, ND 1975), 572–574. 20 Auflistung von und Kommentar zu den Kai‑ sern, die in der Apostelkirche bestattet waren, bei Grierson, Tombs and Obits (1962). 21 Ebd., 59. 22 Magdalino, Foundation (2013), 38; ehemalige Staatsgüter: ebd., 41. 23 Ebd.; Auflistung der im Pantokrator bestat‑ teten Palaiologen bei Kotzabassi, Monastery of the Pantokrator (2013), 67–69. 24 Rewriting Caucasian History. The Medieval Armenian Adaptation of the Georgian Chronic‑ les. Ed. und übers. Robert Thomson. Oxford 1996, 343 f. Vgl. The Georgian Chronicle. The Period of Giorgi Lasha. Übers. Katharine Vivian. Ams‑ terdam 1991, 36. 25 Ebd., 86 f. Vgl. dazu Vasiliev, Foundation (1936) 18 f. 26 Jankovic, Serbian Tradition (2012), 79–82. 27 Actes de Chilandar I. Des origines à 1319. Ed. Mirjana Živojinović / Vassiliki Kravari / Christophe Giros. (Archives de l’Athos, Bd. 20.) Paris 1999, 104–110, Nr. 4. 28 Jankovic, Serbian Tradition (2012), 85. 29 Le chrysobulle d’Alexis IV et de Jean IV. Ed. V. Laurent, Deux chrysobulles inédits des empereurs
94 de Trébizonde Alexis IV‑Jean IV et David II, in: Archeion Pontou 18, 1953, 241–278, hier 256–270. Vgl. dazu Oikonomides, Chancery of the Grand Komnenoi (1979), 309. 30 Pavlikianov, Bulgarians (2012), 75. 31 The Medieval Greek and Bulgarian Docu‑ ments of the Athonite Monastery of Zographou. Ed. Cyril Pavlikianov. (Universitetska Biblioteka, Bd. 512.) Sofia 2014, 330–337, Nr. 35. 32 Coman, Moldavians, Wallachians and Ro‑ manians (2012), 121. Bereits Năsturel, Mont Athos (1986), erforschte die Grundlagen für das Verhält‑ nis der Donaufürstentümer zum Heiligen Berg. 33 Chilandar et les pays roumains (XVe–XVIIe siècle.) Les actes des princes roumains des ar‑ chives de Chilandar (Mont‑Athos). Ed. Boško I. Bojović. (Textes, documents, études sur le monde byzantin, néohellénique et balkanique, Bd. 10.) Paris 2010, 127–133, Nr. 2. 34 Nystazopoulou-Pelekidou / Mircea, Ta rouma‑ nika engrapha (1970), 276 f., Nr. 1 (griechische Zu‑ sammenfassung der Urkunde). 35 Coman, Moldavians, Wallachians and Ro‑ manians (2012), 127; 129. 36 Grundlegend zu Begrifflichkeit und For‑ schungsstand der byzantinischen Aristokratie: Grünbart, Inszenierung und Repräsentation (2015), 11–26. 37 Ebd., 15. 38 Ebd., 14. 39 Das Folgende bezieht sich auf Galatariotou, Byzantine Ktetorika Typika (1987), 89–107. 40 Bowes, Private Worship (2008, ND 2011), 61–188. 41 Thomas, Private Religious Foundations (1987), 98–102. 42 Wipszycka, Resources (2011), 168. 43 Bowes, Private Worship (2008, ND 2011), 220. Zu gestifteten Kirchen als Orten der Häresie vgl. Thomas, In Perpetuum (2005), 127. 44 Haldon, Byzantium in the Seventh Century (1997), 395–399. 45 Grünbart, Inszenierung und Repräsentation (2015), 132–170; Thomas, In Perpetuum (2005), 123 f. 46 Kaplan, Why Were Monasteries Founded (2007), 31–33. 47 Stifterinschrift der Kirche bei Papadopoulos, Wandmalereien (1966), 12, Anm. 3. Vgl. KalopissiVerti, Byzantine Dedicatory Inscriptions (2015), 137.
Soziale Positionen der Akteure
48 Haldon, Social Élites, Wealth, and Power
(2009), 172: „the leading fraction of the econo‑ mically dominant social strata, those who shared a situation in respect of access to political/ideolo‑ gical power and influence, in particular at Con‑ stantinople and in the various branches of the imperial administration.“ 49 Kalopissi-Verti, Byzantine Dedicatory In‑ scriptions (2015), 137. 50 Ebd., 126. 51 Kalopissi-Verti, Collective Patterns (2012), 130. 52 Oikonomides, Patronage (1996, ND 2005), 111. 53 Prosopographisch angelegt ist die Unter‑ suchung von Pavlikianov, Medieval Aristocracy (2001). 54 Ausführlich zur Frage des Niedergangs im Städtewesen Brandes, Städte Kleinasiens (1989). Foss, Persians (2004), zufolge stellen die Einmär‑ sche der Sassaniden in den 610er bis 630er Jahren den Hauptgrund für die Verwüstung der einst blühenden Städte in Kleinasien dar. 55 Johannis Chrysostomi in Acta apostolorum homilia XVIII, in: PG 60, 141–150, hier 147–150. Vgl. Thomas, Private Religious Foundations (1987), 30 f. 56 Papaconstantinou, Donation and Negotiation (2012), 81. 57 Wipszycka, Moines (2009), 355–360. 58 Novelle de Basile II. Ed. Nicolas Svoronos / P. Gounaridis, Les Novelles des empereurs ma‑ cédoniens concernant la terre et les stratiotes. Athen 1994, 190–217, hier 208, Z. 99–114 (Fassung 1); 209, Z. 131–147 (Fassung 2). Englische Überset‑ zung von John Thomas in: Stiftung und Staat im Mittelalter. Eine byzantinisch‑lateineuropäische Quellenanthologie in komparatistischer Pers‑ pektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011, 343–345. 59 Kalopissi-Verti, Byzantine Dedicatory Inscrip‑ tions (2015), 141; Dies., Collective Patterns (2012), 135; Dies., Dedicatory Inscriptions (1992), 45 f. 60 Ediert ebd., 67–69, Nr. 19. 61 Kalopissi-Verti, Collective Patterns (2012), 129. 62 Bryer, Rural Society (1986), 58; 73. 63 Dieser Befund wurde überzeugend von H. F. Schmid, Byzantinisches Zehntwesen (1957), 46–69, aufgezeigt. 64 Hussey, Orthodox Church (1986, ND 2010), 332. 65 Herman, Kirchliches Benefizialwesen (1939), 662–665.
Griechisch-orthodoxe Christen
95
66 Papadakis, Kanonikon (1991). 83 Morris, Powerful and the Poor (1976); Patla67 Hussey, Orthodox Church (1986, ND 2010), gean, Pauvreté à Byzance (1974, ND 1981). 331 f. 84 Diskussion bei Morris, Powerful and the Poor 68 Etwa bei Kraus, Kleriker im späten Byzanz (1976), 17–20. (2007), 369–385; Thomas, Private Religious Foun‑ 85 Ho Procheiros Nomos. Imperatorum Basilii, dations (1987).
Constantini et Leonis Prochiron. Ed. Carl Eduard
blems bei Steinwenter, Byzantinische Mönchs‑ testamente (1932), der besonders die spätantiken Papyri aus Ägypten herangezogen hat. Hinweise auf Eigentumsfähigkeit trotz gegenteiliger recht‑ licher Vorschriften findet man auch in den klös‑ terlichen Urkunden vom Berg Athos; vgl. Morris, Reciprocal Gifts (2010), 173–177. 72 Steinwenter, Rechtsstellung (1930), 19. 73 Manuel, Bischof von Stroumitza, Typikon. Ed. Louis Petit, Le Monastère de Notre‑Dame de Pitié en Macédoine, in: IRAIK 6, 1900, 1–153, Text 69–93, ND in: Miljković-Pepek, Veljusa (1981), 258–272, hier 260. Englische Übersetzung von Anastasius Bandy in: BMFD 1, 167–191, hier 175. 74 Manuel, Bischof von Stroumitza, Typikon. Ed. Petit (wie Anm. 73), 269 f.; engl. Übers. Bandy (wie Anm. 73), 185 f. 75 Hē „Hagia Monē“ Areias en tē ekklēsiatikē kai politikē historia Naupliou kai Argous. Ed. Geōrgios Ath. Chōras. Athen 1975, 239–244, Nr. 1, hier 242 f. Englische Übersetzung von Alice‑Mary Talbot in: BMFD 3, 960–964. 76 „Hagia Monē“ Areias. Ed. Chōras (wie Anm. 75), 244–252, Nr. 2, hier 250 f.; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 75), 964–972, hier 968 f. 77 Kalopissi-Verti, Byzantine Dedicatory In‑ scriptions (2015), 140. 78 Kalopissi-Verti, Collective Patterns (2012), 129; 131. 79 Ta akta tēs monēs Vazelōnos. Stocheia gia tēn istoria tēs monastēriakēs engeias idioktēsias sto Vyzantio kata to 13°–15° ai. Ed. F. I. Uspenskij / V. N. Beneševič. Athen 2007, 214, Nr. 54. 80 Kalopissi-Verti, Collective Patterns (2012), 128; 132. 81 Akta tēs monēs Vazelōnos. Ed. Uspenskij / Beneševič (wie. Anm. 79), 213 f., Nr. 53. 82 Die Entwicklung dieses Modells ist umfas‑ send behandelt bei Patlagean, Pauvreté écono‑ mique (1977).
nition von Armut niemals in der Praxis umge‑ setzt worden. 86 Practica ex actis Eustathiou Romani. Ed. Carl Eduard Zachariä von Lingenthal. (JGR 1.) Leipzig 1856, 136, cap. 30.2. 87 Codex Iustinianus. Ed. Krueger (wie Anm. 10), 15, lib. 1, cap. 2.17. Vgl. Hagemann, Stellung der Piae Causae (1953), 36 f. 88 ‚Ktētores‘ im Sinne von ‚Grundbesitzern‘, und nicht, wie ab ca. 1000 zu finden ist, von ‚Stiftern‘; vgl. Krumbacher, Κτήτωρ (1909), 402 f. 89 Nouvelle de Romain Ier (934), in: Les Nou‑ velles des empereurs macédoniens concernant la terre et les stratiotes. Ed. Nikos Svorōnos / Paris Gounaridēs. Athen 1994, 72–92, hier 84, Z. 50–56. Englische Übersetzung bei McGeer, Land Legis‑ lation (2000), 49–60, hier 54 f. 90 A.-M. Talbot, Old Age (1984), 268. 91 Ebd., 271–273. 92 Roueché, Caring for the Elderly (2007), 29; 34. 93 Ebd., 31–33. 94 A.-M. Talbot, Old Age (1984), 275–278. 95 A.-M. Talbot, Restoration (1993). 96 Constantelos, Byzantine Philanthropy (1991), 36. 97 Actes d’Iviron. Ed. Jacques Lefort / Nicolas Oikonomidès / Denise Papachrysanthou et al., Bd. 2. (Actes de l’Athos, Bd. 16.) Paris 1985, 170–183, Nr. 47. Vgl. A.-M. Talbot, Riche veuve (2014), 207. 98 Actes d’Iviron. Ed. Lefort / Oikonomidès / Papachrysanthou (wie Anm. 97), 150–156, Nr. 44, hier 154, Z. 2. 99 A.-M. Talbot, Riche veuve (2014), 203 f. 100 Rapp, Hellenic Identity (2008), 129. 101 Kaldellis, Hellenism in Byzantium (2007), 77 f. 102 Chitty, Desert (1966), 26 f. Vgl. aber Wipszycka, Moines (2009), 355–360, die diese ältere Annahme der Forschung etwas relativiert, da eine koptische Elite auch schon im frühen Mönchtum eine wichtige Rolle gespielt habe. 103 Chitty, Desert (1966), 49.
69 Sterk, Renouncing the World (2004), 1–3. Zachariä von Lingenthal. Heidelberg 1837, 152, Kap. 70 Ebd., 13. 27.22. Nach der Deutung von Morris, Powerful 71 Eine grundlegende Untersuchung des Pro‑ and the Poor (1976), 22, Anm. 55, sei diese Defi‑
96 104 Ebd., 88. 105 Kyrillos von Skythopolis. Ed. Eduard
Schwartz. (Texte und Untersuchungen zur Ge‑ schichte der altchristlichen Literatur, Bd. 49.2.) Leipzig 1939, 105. Englische Übersetzung in Price, Lives of the Monks (1991), 114. 106 Anastas Vardapet’s List of Armenian Mo‑ nasteries in Seventh‑Century Jerusalem: A Criti‑ cal Examination. Ed. A. K. Sanjian, in: Le muséon 82.3/4, 1969, 265–292. 107 Zum Echtheitswert der Liste siehe Garsoïan, Introduction (2005–2007, ND 2010), 221 f. 108 Anastas Vardapet’s List of Amenian Mo‑ nasteries. Ed. Sanjian (wie Anm. 106), 275. 109 Zur Bedeutung fremder Mönche in den Klöstern der Hauptstadt während der Spätantike siehe Hatlie, Monks and Monasteries (2007), 74 f. 110 Le typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 42, 1984, 5–145, hier 105, Z. 1420–1433. Englische Übersetzung von Robert Jordan in: BMFD 2, 507–563, hier 547. 111 The Life of Our Blessed Fathers John and Euthymios, and the Story of their Worthy Citizen‑ ship as Described by the Poor Hieromonk George the Hagiorite. Übers. Tamara Grdzelidze, Georgian Monks on Mount Athos. Two Eleventh‑Century Lives of the Hegoumenoi of Iviron. London 2009, 53–94, hier 60. 112 Charanis, Monk (1971), 78 f. 113 Typos kai paradosis kai nomos tēs sebas‑ mias lauras tou [hagiou] Sabba. Ed. Eduard Kurtz, in: BZ 3, 1894, 167–170, hier 169, Z. 12–17. Englische
Soziale Positionen der Akteure
Übersetzung von Gianfranco Ficcadori in: BMFD 4, 1311–1318, hier 1316. 114 Typos kai paradosis. Ed. Kurtz (wie Anm. 113), 170, Z. 52–58; engl. Übers. Ficcadori (wie Anm. 113), 1317. 115 Actes de Kutlumus. Ed. Paul Lemerle. (Archi‑ ves de l’Athos, Bd. 2.) Paris 21988, 110–116, Nr. 29, hier 115, Z. 62–64; 116–121, Nr. 30, hier 120, Z. 122, bis 121, Z. 132. Englische Übersetzung von George Dennis in: BMFD 4, 1413–1418, Nr. 29, hier 1417; 1418–1424, Nr. 30, hier 1423. 116 Actes de Dionysiou. Ed. Nicholas Oikonomidès. (Archives de l’Athos, Bd. 4.) Paris 1968, 50–61, Nr. 4, hier 61, Z. 60–64. 117 Die klassische und überzeugende Zurück‑ weisung dieser These bei A. H. M. Jones, Ancient Heresies (1959). 118 Ebd., 293; 298. 119 Garsoïan, Problem of Armenian Integration (1998), 103–109. 120 Dieses Verbot Justinians wurde offiziell von Kaiser Leo VI. (886–912) aufgehoben; vgl. Thomas, Private Religious Foundations (1987), 140–142. 121 A. H. M. Jones, Ancient Heresies (1959), 287 f. 122 Zu dieser Siedlung Nordsyriens siehe Dagron, Minorités ethniques et religieuses (1976). 123 Chitwood, Patriarch Alexios Stoudites (2014). 124 Dazu Mahé, Testament de Tigran Honenc‘ (2001), mit einer französischen Übersetzung der Inschrift ebd., 1323 f.; 1326. 125 Ebd., 1329.
14.6 Indien 14.6.1 Allgemeines Die sozialen Positionen der am Stiftungs‑ geschehen Beteiligten sollen hier nach verschiedenen Kategorien betrachtet wer‑ den. Für die Typologisierung der Akteure ist deren Zugehörigkeit zu bestimmten Geburts‑ und Berufsständen, sozialen Schichten sowie solchen Gruppen von
entscheidender Bedeutung, die nach Al‑ ter, Ethnizität beziehungsweise religiösem Bekenntnis definiert werden können. Es soll jedoch auch darum gehen, welche Rolle die gesellschaftliche Stellung der Akteure für mittelalterliche indische Stif‑ tungen spielte und inwiefern umgekehrt
Indien
die Stiftungen selbst auf den sozialen Sta‑ tus der Stifter (→ 3.6.4) und die Positionen der Verwalter und Begünstigten zurück‑ wirkten, das Verhältnis zwischen Reichen und Armen eher perpetuierten oder ver‑ änderten beziehungsweise sogar soziale Stände erzeugten. Beim Übergang vom Altertum zum frühen Mittelalter sowie im Verlaufe des Mittelalters unterlag die Partizipation ein‑ zelner Gruppen am Stiftungswesen erhebli‑ chen Veränderungen. Deshalb werden auch chronologische Beobachtungen einfließen. Als markanteste Tendenz ist zu erwähnen, dass im Vergleich zum Altertum dokumen‑ tierte Stiftungen von Privatpersonen im frühen Mittelalter erheblich ab‑ und könig‑ liche Dotationen beträchtlich zunahmen. Erst seit dem 11. Jahrhundert sind private Stifter in den überlieferten Zeugnissen wieder stärker präsent, besonders im Rah‑ men der sogenannten Kollektivstiftungen. 14.6.2 Stände Der Begriff ‚Stand‘ ist die passendste Ent‑ sprechung für den klassifikatorischen Sanskrit‑Terminus varṇa.1 Das System der vier Geburtsstände wurde von Brahmanen, deren Vorfahren einst nach Indien einge‑ wandert waren, entworfen und kontinuier‑ lich weiterentwickelt. An der Spitze dieser sozialen Hierarchie stand die Priesterschaft (brāhmaṇavarṇa), gefolgt von dem Krieger‑ adel (kṣatriyavarṇa) an zweiter Stelle und von den einfachen, vollberechtigten Frei‑ en (vaiśyavarṇa), die sich Landwirtschaft, Viehzucht und Handel widmeten, an dritter Position. In brahmanischen Texten werden die oberen drei Stände der Einwanderer als ārya bezeichnet. Die vierte Gruppe bildet der śūdravarṇa, der sich aus der autochtho‑ nen Bevölkerung speiste. Seine Aufgabe bestand nach brahmanischem Verständnis
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darin, den drei oberen Ständen zu die‑ nen.2 Einige Rechtslehrer gestanden den Śūdras auch die Ausübung von Handwer‑ ken zu. Der König sollte idealerweise dem kṣatriyavarṇa entstammen, stand aber als Garant dieser Sozialordnung zugleich auch über den vier Ständen. Trotz des prinzipiel‑ len Festhaltens am altindischen Ordnungs‑ schema der vier Geburtsstände, das bis in die Neuzeit den Rahmen des Kastenwesens bildet, waren die brahmanischen Theoreti‑ ker der ‚Dharmaśāstras‘ (→ 5.6.2) darum bemüht, gesellschaftlichen Veränderungen durch ihre Theorie der ‚Vermischung der Stände‘ (varṇasaṃkara) Rechnung zu tra‑ gen.3 Auf diese Weise wurde die Existenz sozialer Schichten zur Kenntnis genom‑ men, die nicht in das idealtypische Mo‑ dell von Brahmanen, Kṣatriyas, Vaiśyas und Śūdras passten. Die Entstehung die‑ ser Gruppen erklärte man als Folge uner‑ wünschter Ehen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Stände. Die brahmanischen normativen Tex‑ te definierten für jeden varṇa bestimmte Standespflichten. Aus Stiftungsperspektive legten die per Geburt feststehenden Ob‑ liegenheiten das theoretische Fundament dafür, ob die Angehörigen der einzelnen Stände zu den potentiellen Stiftern oder zu den Destinatären gehören konnten. Brahmanen, Kṣatriyas und Vaiśyas war das Geben von Gaben aufgetragen; doch allein den Brahmanen wurde explizit das Recht zugesprochen, Gaben anzunehmen. Andere Standesnormen beeinflussten das Stiftungswesen ebenfalls: Die Angehörigen der drei oberen Stände waren berechtigt und verpflichtet, die vedischen Texte zu studieren und den Göttern zu opfern; nur den Brahmanen als Repräsentanten des Lehr‑ und Priesterstandes oblag es jedoch, die Veden zu lehren und Opfer für ande‑ re durchzuführen. Die Könige wiederum wurden aufgefordert, dem Brahmanentum
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besonderen Schutz und spezielle Unterstüt‑ zung zu gewähren. Die mittelalterlichen Dokumente der Stiftungspraxis zeichnen allerdings ein dif‑ ferenzierteres Bild vom Selbstverständnis der Akteure, als dies die Vorgaben der nor‑ mativen brahmanischen Texte erwarten ließen. So definierten sich die inschriftlich belegten Stifter in Indien mit Ausnahme der Brahmanen in aller Regel nicht gemäß ihrer varṇa‑Zugehörigkeit, sondern gemäß ihres tatsächlichen Amtes oder Berufsstan‑ des. Brahmanische Stifter, Verwalter und vor allem Destinatäre wurden hingegen entweder eindeutig als brāhmaṇa bezeich‑ net oder auf andere Weise zweifelsfrei als Brahmanen klassifiziert. Die Mehrzahl indischer Stiftungen der vorislamischen Periode begünstigte Brahmanen; beson‑ ders hoch war der Anteil königlicher Dota‑ tionen zugunsten dieser Priester zwischen dem frühen 6. und dem späten 10. Jahr‑ hundert. Die Stiftungen an Brahmanen‑ priester perpetuierten den Einfluss dieses Geburtsstandes sowie seiner Rechts‑ und Sozialvorstellungen und ermöglichten erst dessen regionale Ausbreitung. Darüber hinaus besaß die Stiftungspraxis zentral‑, süd‑ und ostindischer Regionalherrscher auch legitimatorische Bedeutung für die meist aus Nordindien in diese Reiche zie‑ henden Brahmanen, da deren brahmani‑ scher Status durch die ihnen übergebenen Dotationsurkunden festgehalten wurde. Man kann vermuten, dass sich der Brahma‑ nenstand als gesamtindisches Phänomen überhaupt erst im frühen Mittelalter kons‑ tituierte, wobei zum Teil lokale, nichtbrah‑ manische Priester durch eine postulierte Gruppenidentität integriert wurden. Die Stiftungen trugen auch zu einer Be‑ rufsdifferenzierung innerhalb des Brahma‑ nenstandes bei. Das Spektrum der Objekte, die für den Unterhalt einzelner Brahma‑ nen gestiftet wurden, konnte von kleinen
Soziale Positionen der Akteure
Landparzellen bis zu den Steuereinkünften ganzer Dörfer reichen. Die Festlegungen des Stifters über den Umfang der jeweiligen Do‑ tation entschieden jedoch nicht nur darüber, wie wohlhabend der betreffende Destinatär künftig sein würde, sondern hatten weitere Implikationen: Die Größe manches gestif‑ teten Feldes dürfte lediglich dazu gereicht haben, den Begünstigten und seine Familie zu ernähren, so er selbst – eventuell mit einem Bediensteten – den Boden bestellte. Stiftungen dieser Art gingen vermutlich oft mit einem dauerhaften Berufswechsel vom Brahmanenpriester zum brahmanischen Bauern einher.4 Das war wohl insbesondere dann der Fall, wenn große Gruppen von Brahmanen gemeinsam mit einem Objekt bedacht wurden und die einzelnen Anteile entsprechend gering ausfielen. Im Unterschied zur Zahl der Stiftungen an Brahmanen war die der Dotationen von Stiftern brahmanischer Herkunft im Alter‑ tum ebenso wie im Mittelalter insgesamt nicht sehr hoch. Stifterliche Aktivitäten von Brahmanen, die nicht als Priester tätig waren, sondern ein Amt am Hof oder in der Lokalverwaltung bekleideten, sind jedoch häufiger belegt.5 So bezeugt eine Säulen‑ inschrift aus Salotgi in Karnataka, die aus dem Jahr 945 u. Z. datiert (→ 9.6.3), die Gründung einer brahmanischen Lehrein‑ richtung durch Nārāyaṇa, einen Minister und Brahmanen. Ein weiterer Brahmane, der Vorsteher des Dorfes, in dem sich die Schule befand, stiftete dieser Institution Land für den Unterhalt der Studenten und des Lehrers.6 Seit dem 11. Jahrhundert wurden auch Stiftungen von brahmanischen Priestern zahlreicher. Sie widmeten offensichtlich Teile von Dotationen, die ihnen einst ge‑ macht worden waren, zugunsten hinduisti‑ scher Tempel um. So wirkten zum Beispiel zwei Brahmanen an mehreren Stiftungen mit, die in der Sammelinschrift von Mardi
Indien
in Maharashtra aufgezeichnet worden sind und sich über einen Zeitraum von mehr als 30 Jahren im 12. und 13. Jahrhundert erstreckten. Zunächst wird berichtet, dass der Brahmane Deveśa Yogeśvara, Sohn ei‑ nes Kenners aller vier Veden, die offenbar nach ihm benannte Gottheit Mahādeva Yogeśvaradeva (Śiva) im Südosten der Stadt Mārūḍhi (heute Mardi) hatte aufstellen las‑ sen und für den Kult des Gottes zwei Land‑ parzellen (vṛtti) mit zwei Gebäuden über‑ ließ. Später – die in der Region herrschende Dynastie hatte inzwischen gewechselt – vergab Govinda Yogeśvara, der Sohn des Deveśa Yogeśvara, die Hälfte eines Feldes (kṣetra), das ursprünglich sein Vater (wohl im Rahmen einer Stiftung) erhalten hatte, für den Kult dieses Yogeśvaradeva und für Reparaturen an dessen Schrein. Die zweite Hälfte des Feldes, das in einem Dorf im Mārūḍhi‑Distrikt lag, war offensichtlich ei‑ nem anderen (Kultbild des) Yogeśvaradeva zugedacht.7 Obwohl aus dem Inschriften‑ text nicht eindeutig hervorgeht, wie Deveśa Yogeśvara in den Besitz der Ländereien gekommen war, die er und sein Sohn für Yogeśvaradeva stifteten, legen Vokabular und Formulierungen nahe, dass es sich um Vermögen handelte, welches ihnen selbst einst durch Dotationen zugefallen war. Der Begriff vṛtti bezeichnet insbesondere bei königlichen Stiftungen die Landzuteilun‑ gen für einzelne Empfänger.8 Daher könn‑ te man vermuten, dass Deveśa Yogeśvara das Feld und die ‚Anteile‘, die er und sein Sohn später vergaben, selbst einmal als brahmadeya (→ 1.6.3) erhalten hatte. Durch derartige Umwidmungen konnten Brah‑ manen von Begünstigten und Verwaltern zu Stiftern werden, obwohl die Weiterga‑ be von Stiftungsobjekten eigentlich nicht zulässig war. Möglicherweise wurde die Umwidmung von Dotationsvermögen für eine andere religiöse Stiftung jedoch nicht als Zweckentfremdung gewertet.
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Während nach dem indischen Stände‑ modell Brahmanen die Prototypen der Des‑ tinatäre für religiöse Stiftungen darstellten, wurde den Angehörigen des kṣatriyavarṇa und insbesondere den Königen die Rolle der idealtypischen Stifter zugewiesen. Mit die‑ ser normativen Vorgabe korreliert der Be‑ fund der mittelalterlichen Stiftungspraxis: Im Unterschied zum indischen Altertum, in dem Privatstifter eine – wenn nicht gar die – tragende Säule des Stiftungswesens gebildet hatten (→ 4.6.2; 4.6.3),9 stammt die Mehrzahl der erhaltenen Dotations‑ dokumente aus dem Mittelalter von kö‑ niglichen und fürstlichen Stiftern. Dabei ist auffällig, dass in den Urkunden und Inschriften der varṇa‑Status adliger Stifter keine besondere Betonung erfährt. Noch am ehesten wird in den Genealogien der herrscherlichen Kupfertafelurkunden auf die Zugehörigkeit des stiftenden Regenten (oder seiner Vorfahren) zu den Kṣatriyas verwiesen.10 Stifter aus dem höfischen Bereich de‑ finierten sich über ihren Rang und ihre Titel sowie über ihre familiäre und geogra‑ phische Herkunft, jedoch nur selten über ihren Geburtsstand. In vielen Regionen und Zeiten wurden die meisten Stiftungen von den Herrschern persönlich verfügt, aber das Spektrum adliger Stifter reich‑ te von Königen über Vasallenfürsten bis zu Subvasallen. Für einige Perioden und Gebiete stehen vor allem Belege über die stifterlichen Aktivitäten von Lokalfürsten zur Verfügung, zum Beispiel unter der Yādava‑Dynastie in Zentralindien vom 12. bis zum frühen 14. Jahrhundert.11 Im späten Mittelalter ist auch das stifterliche Wirken von Fürsten und Heerführern belegt, die ihre brahmanische Herkunft erwähnen ließen.12 Selbst dann, wenn Brahmanen – wie in diesen Fällen – außerhalb sol‑ cher Tätigkeits‑ und Berufsfelder aktiv waren, die ihnen die Normen ihres varṇa
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vorschrieben, zeigten sie als Stifter das größte Standesbewusstsein aller sozialen Gruppen. Bis ins 11. Jahrhundert förderten impe‑ riale Herrscher durch Stiftungen vor allem einzelne Brahmanenpriester und Brah‑ manengruppen ohne Tempelbezug.13 Bei Klöstern und Tempeln entwickelte sich im Mittelalter in vielen Regionen Indiens ein besonderes Beziehungsgeflecht zwischen verschiedenen Stifterebenen. Eine geradezu typische Patronatsform bestand darin, dass ein Gebietsfürst oder ein anderer Angehö‑ riger des Regionaladels eine solche Institu‑ tion gründete und den Oberherrscher um eine Stiftung für deren Unterhalt ersuchte. Auch hier muss – selbst wenn Einzelfälle nicht immer klar zuzuordnen sein mögen – von einer gewissen Bandbreite in den Ak‑ tionsmustern ausgegangen werden: Zum Teil handelte es sich wohl um tatsächliche Gesuche von Adelsvertretern an den König; mitunter scheinen Gebietsfürsten jedoch selbständig gehandelt und nur eine formale Genehmigung vom jeweiligen Oberherrn eingeholt zu haben. Stiftungen stellten ein wirksames Instrument dar, um Machtan‑ sprüche geltend zu machen: für Könige, um die Legitimität ihrer Herrschaft bis in entlegene Gebiete des Reiches zu demons‑ trieren, und für Regionalfürsten, um ihre Position im Verhältnis zum Hof und im jeweiligen Territorium zu festigen. „Such activities by the subordinate rulers can be interpreted as attempts to encroach legiti‑ mately upon royal authority in the name of pious deeds. Furthermore, the construction of religious institutions on a massive scale may have exhibited their power to local residents and enhanced their authority in rural society.“14 Während Adlige, die Stiftungen tätig‑ ten, in den Dotationsurkunden noch mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf ihre Zugehörigkeit zu den Kṣatriyas verwiesen,
Soziale Positionen der Akteure
sind Belege dafür, dass städtische oder ländliche Stifter mitteilten, wenn sie dem vaiśyavarṇa entstammten, äußerst selten. In einer im heutigen Mulgund im Norden von Karnataka gefundenen Steininschrift ist dokumentiert, dass im Jahr 902/903 u. Z. einem jinistischen Tempel in der Stadt Muḷgunda von mehreren Privatpersonen insgesamt drei Felder gestiftet wurden. Das Jaina‑Heiligtum selbst war von ei‑ nem Mann namens Cīkārya gegründet worden, dessen Vater im Text als „geboren im besten vaiśya‑Stand“ (varavaiśyajātijāta) bezeichnet wird. Ein solcher Verweis auf die Zugehörigkeit zu den Vaiśyas ist aber als große Ausnahme anzusehen. Die meis‑ ten Stifter des indischen Mittelalters, von denen man vermuten könnte, dass sie dem vaiśyavarṇa (oder gar dem śūdravarṇa be‑ ziehungsweise einem der Mischstände) an‑ gehörten, definierten sich vielmehr über ihren Namen (und gegebenenfalls die Na‑ men ihrer Eltern), ihren Beruf oder Titel sowie ihren Herkunfts‑ oder Wohnort. Stiftungen von Privatpersonen nahmen im frühen Mittelalter im Vergleich zum Altertum ganz erheblich ab, und im Ver‑ hältnis zu herrscherlichen war der Anteil privater Dotationen gering. Erst ab dem 11. Jahrhundert sind Privatstifter in den überlieferten Dokumenten wieder stär‑ ker präsent. Bereits im Altertum und be‑ sonders im Kontext des Buddhismus und Jinismus hatten sich unter den privaten Förderern religiöser Institutionen und Per‑ sonen wohlhabende Städter, insbesonde‑ re Kaufleute und Händler, hervorgetan.15 Eine im Mittelalter (wie schon im Alter‑ tum) recht häufig für diesen Kreis von Wohltätern benutzte Bezeichnung war der Sanskrit‑Terminus śreṣṭhin (mittel indisch: seṭṭ[h]i). Das Adjektiv śreṣṭhin bedeutet wörtlich ‚das Beste habend‘ und auch nur ‚das / der / die Beste‘.16 Das Maskulinum bezeichnete herausragende Männer von
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verschiedenster Art, wurde aber als dem Namen vor‑ oder nachgestellter Titel und als ein Namensbestandteil regelmäßig für Kaufleute, Geldverleiher und Gildenvor‑ stände benutzt,17 die diese Funktionen mit‑ unter in Personalunion ausübten. Im Kontext mittelalterlicher religiöser Stiftungen erscheinen als śreṣṭhin oder seṭṭ[h]i betitelte Akteure vor allem un‑ ter den Stiftern. Sie fungierten aber auch als Stiftungsverwalter für von ihnen ge‑ gründete Tempel und Klöster. Dies zeigt etwa eine Urkunde des Śilāhāra‑Fürsten Aparājita aus dem Jahr 997 u. Z., in der die Stiftung eines Dorfes an der Konkan‑Küste zugunsten von Loṇāditya, dem Sonnengott in dem Ort Lavaṇetaṭa, dokumentiert ist.18 Im Inschriftentext heißt es: „Dem die Drei‑ welt beleuchtenden, in Lavaṇetaṭa wohnhaf‑ ten Śrī‑Loṇaditya wurde zur Verwendung für Blumen, Räucherwerk, Lichter, Spei‑ sendarbringung, Theaterdarbietungen usw. sowie für Reparaturen von Baufälligem (…) das Dorf [Bhādāna] (…) gegeben, nachdem über die Hände der tugend[haften] nagara‑ und paura‑Oberhäupter,19 [die da wa‑ ren:] die Kaufleute (vaṇika) Ambusreṣṭhin [und] Vāppaiyasreṣṭhin 20, der Bhojaka Ce‑ lappaiyu, der Brahmane Govanaiya und andere, Wasser gegossen worden war (…). Anders [ausgedrückt]: [Die Stiftung] ist so zu verstehen, dass das Dorf Bhādāna dem Loṇādityadeva fürwahr für immer gegeben wurde.“21 Aus der Urkunde geht nicht hervor, wer dieses Heiligtum des Son‑ nengottes errichtet hatte. Denkbar wäre, dass seine Gründung auf die Gildenober‑ häupter zurückging, die die königliche Unterhaltsstiftung später stellvertretend für den Gott in Empfang nahmen. Für diesen letztgenannten Vorgang stand die im Text erwähnte Wasserlibation.22 Sehr wahrscheinlich wurden die Gildenober‑ häupter mit der Verwaltung der Dorfstif‑ tung betraut; möglicherweise hatten sie
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auch den Śilāhāra‑König um diese Dotation ersucht. Interessant ist eine Verfügung am Ende der Inschrift dazu, dass die Gilde (nagara) jährlich 260 dramma23 an das Kö‑ nigshaus zu zahlen habe24 – entweder als Anteil aus dem Steueraufkommen des ge‑ stifteten Dorfes Bhādāna oder aus eigenen Mitteln als Ausgleich für den Steuerausfall der Krone. Diese Auflage lässt vermuten, dass die Gildenvertreter zuvor mit der Bitte um eine Dotation an den Herrscher her‑ angetreten waren. Für eine Reihe von Kaufleuten, die in mittelalterlichen indischen Inschriften als Stifter und Stiftungsverwalter auftauchen, ist nachweisbar, dass sie nicht nur ihren Handelsgeschäften nachgingen, sondern sich auch in der Regionalverwaltung be‑ tätigten und Militäraufgaben übernah‑ men. Als Beispiel sei hier eine Familie aus Nord‑Karnataka erwähnt, die unter den späten Yādavas im 13. Jahrhundert zur Vasallendynastie aufstieg. Angehö‑ rige dieser Familie, deren erstes belegtes Mitglied Cikkadeva hieß, haben nicht nur Steininschriften, sondern auch Kupferta‑ felurkunden hinterlassen, die über ihre Stiftungsaktivitäten Auskunft geben. Ne‑ ben Cikkadeva werden in den überliefer‑ ten Dotationsdokumenten dessen Söhne Malliseṭṭi und Bīcana (auch Bīci genannt) sowie deren Söhne und Schwiegersöhne erwähnt.25 Bereits die zum großen Teil auf śreṣṭhin oder seṭṭi endenden Namen legen die Vermutung nahe, dass die als Lo‑ kalfürsten und Heerführer beschriebenen männlichen Abkömmlinge des Cikkadeva einen Bezug zur Kaufmannschaft hatten. Für einige von ihnen ist dies ausdrücklich ausgeführt. So wird in einer Kupfertafelur‑ kunde der Stifter Malliśreṣṭhin, Schwieger‑ sohn des Bīci, der dort ebenfalls als śreṣṭhin bezeichnet ist, als jemand beschrieben, „der durch [seine] zahlreichen Geschäfte mit verschiedensten Waren, prächtigen
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Juwelen, Perlen usw. die Herzen und die Augen aller Leute erfreute“.26 Cauṇḍiseṭṭi, ein Sohn des Malliseṭṭi, wird als „Duftele‑ fant unter den Händlern des Königs“ (rājavaṇig-gandha-vāraṇa) betitelt.27 Neben Händlern und Handwerkern traten in Indien insbesondere im Spätmit‑ telalter auch bäuerliche Landbesitzer als Stifter in Erscheinung, und Dorfoberhäup‑ ter sind mitunter als Stiftungsverwalter genannt. Auf der Seite der Destinatäre dürften Bauern lediglich vereinzelt als indirekte Begünstigte auftauchen. Eine weitaus größere Rolle spielten dörfliche Schichten aber für die Errichtung und den Vollzug königlicher und adliger Stiftungen: durch ihre Bereitschaft zum Verkauf von Teilen ihres Landbesitzes für Dotationen, die andere Personen tätigen wollten, und mehr noch in ihrer Eigenschaft als Pächter oder Bearbeiter des Bodens, der religiösen Empfängern gestiftet wurde. Auch für das Funktionieren des sehr verbreiteten Stif‑ tungstyps der Vergabe ganzer Dörfer als herrscherliche Steuerpfründen waren die in den dörflichen Siedlungen ansässigen Bauern von entscheidender Bedeutung. Unter der südostindischen Dynastie der Kākatīyas, die vom späten 12. bis zum frü‑ hen 14. Jahrhundert auf dem Territorium des heutigen Andhra Pradesh herrschte, sind nicht nur landbesitzende Bauern (Te‑ lugu: reḍḍi), sondern auch Viehhalter und ‑züchter (Telugu: boya) als Stifter belegt.28 12 bis 13 Prozent der für die Kākatīya‑Zeit überlieferten religiösen Stiftungen gehen auf das Wirken landbesitzender Bauern, 7 bis 8 Prozent auf das von Viehhaltern zurück.29 Auffällig ist in diesem relativ dichten spätmittelalterlichen Corpus aus Andhra Pradesh, das aus fast 1 000 Stif‑ tungsinschriften besteht,30 eine vergleichs‑ weise hohe soziale Mobilität unter den Stif‑ tern.31 Obwohl eine Weitergabe des Berufs‑ standes vom Vater auf den Sohn die Regel
Soziale Positionen der Akteure
gewesen sein dürfte,32 finden sich Belege für Tätigkeitswechsel zwischen den Gene‑ rationen. Stifter, die sich als Viehzüchter (boya) bezeichneten, waren beispielsweise die Söhne von landbesitzenden Bauern (reḍḍi), niederen Militärführern (nāyaka) oder Kaufleuten (seṭṭi); und umgekehrt stammten einige der niederen Militärfüh‑ rer, die unter den Kākatīyas mit einem Gesamtanteil von ca. 18 Prozent die größ‑ te Gruppe der Einzelstifter ausmachten,33 von einem reḍḍi‑ oder boya‑Vater ab.34 Im spätmittelalterlichen Andhra Pradesh wa‑ ren auch spezifische Stiftungsobjekte mit bestimmten Stifterkategorien verbunden. Die Kākatīya‑Könige vergaben – wie an‑ dere mittelalterliche indische Herrscher – vor allem Dörfer (über 40 Prozent), aber auch Land (knapp 30 Prozent) und Vieh (rund 10 Prozent). Adlige, Militärführer und Bauern stifteten oft Ländereien (44 bis 49 Prozent), seltener Vieh (17 bis 23 Prozent). Die Stiftungen von Kaufleuten und Viehzüchtern umfassten hingegen in erster Linie Kühe, Schafe und Ziegen (47 beziehungsweise 66 Prozent) und nur in geringerem Umfang Land (28 beziehungs‑ weise 16 Prozent).35 Diese Daten belegen, dass Status und Berufsstand eines Stifters sich auch auf die Art des vorzugsweise ver‑ gebenen Stiftungsvermögens auswirkten. Stiftungen von Milchvieh, die in der Re‑ gel der Unterhaltung von Butterlämpchen in Tempeln dienen sollten, hatten im mit‑ telalterlichen Andhra Pradesh eine ganz charakteristische Form. Die Steininschrif‑ ten, die zu diesem Dotationstyp vorliegen, sind in Kontraktform abgefasst. Der Ver‑ trag wurde zwischen einem Stifter, einem Tempel als Destinatär und dem Viehhalter geschlossen, in dessen Obhut die Tiere gegeben wurden und der regelmäßig eine bestimmte Menge Butter zu liefern hatte. Eine entsprechende Festlegung aus dem Jahr 1241 zugunsten eines śivaitischen
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Heiligtums hat Cynthia Talbot so über‑ setzt: „In the year 1163 of the Śaka era, on the occasion of uttarāyaṇa saṅkrānti, Jakki Raḍḍi gave 25 cows to the illustrious great lord Malleśvara of Vijayavāḍa for a per‑ petual lamp as a meritorious deed for (the benefit of) his mother and father. Having taken (charge of) these, Male Boyuṃḍu’s son Sūre Boyuṃḍu and Nannaya Boya’s son Kommana Boyuṃḍu, and their de‑ scendants after them, are to supply a māna of butter daily as long as the moon and the sun (endure).“36 In ihrer exzellenten Studie zu den religiösen Stiftungen unter den Kākatīyas kam Cynthia Talbot zu dem Schluss, dass kein Viehzüchter (boya), der nachweislich als Stifter agierte, von ande‑ ren Personen gestiftete Herden in seine Obhut nahm. Mitunter verpflichteten sich boya‑Stifter aber dazu, von einer bestimm‑ ten Zahl Vieh selbst regelmäßig Abgaben an einen Tempel zu leisten.37 Unfreie und Sklaven spielen in den Stif‑ tungen des indischen Mittelalters keine prominente Rolle – weder als Stifter noch als Destinatäre oder als Teil des Stiftungs‑ vermögens. Dies mag unter anderem da‑ mit zusammenhängen, dass Sklaverei im alten und mittelalterlichen Indien nie so verbreitet war wie in anderen Teilen der vormodernen Welt und die meisten Sklaven im häuslichen Bereich eingesetzt wurden. Die indischen Rechtslehrer unterschieden verschiedene Arten von Sklaven, die sich in zwei Hauptkategorien gruppieren lassen: ‚echte‘ Sklaven und Schuldsklaven. Pfand‑ und Schuldsklaven galten als erb‑ und ei‑ gentumsberechtigt, und auch andere Skla‑ ven konnten in bestimmtem Maße eigenen Besitz haben. Die Grundvoraussetzung für ein Wirken als Stifter wäre also gegeben gewesen. Da sich jedoch kaum Hinweise darauf finden lassen, dass Sklaven im mit‑ telalterlichen Indien in herausgehobenen Positionen tätig waren, dürfte der Umfang
ihres Besitzes in der Regel bescheiden aus‑ gefallen sein. Pfand‑ und Schuldsklaven setzten selbst erworbene und geerbte Be‑ sitztümer vermutlich primär dazu ein, ihre Freiheit wiederzuerlangen. Da es im Unterschied zu anderen Tra‑ ditionen (→ 3.2.2; 3.3.2; 3.4.2; 3.5.2) keine Lösegeld‑ oder Freikaufstiftungen in In‑ dien gegeben zu haben scheint, tauchen Sklaven als unmittelbare Destinatäre nicht auf. Am ehesten – wenn auch immer noch äußerst selten – treten Unfreie in der Ru‑ brik ‚Stiftungskapital‘ (→ 3.6.3; 10.6.4) in Erscheinung. Allerdings ist die Abgren‑ zung zwischen den Begünstigten und der Kategorie ‚selbstbewegliches Kapital‘ nicht immer klar; dies gilt insbesondere für die sogenannten ‚Tempeltänzerinnen‘.38 Über‑ haupt bereiten die für den Sklaven oder die Sklavin in der Regel verwendeten Be‑ griffe – dāsa beziehungsweise dāsī – in Stiftungskontexten mitunter Interpreta‑ tionsschwierigkeiten, weil sie auch meta‑ phorisch, beispielsweise für die Verehrer einer Gottheit, benutzt wurden.39 14.6.3 Laien und Geistliche Die religiösen Stiftungen des indischen Mit‑ telalters spiegeln auf eine besondere Weise das Spannungsfeld zwischen Laienstand und geistlichem Stand. Während Laien in der Regel die Hauptgruppen der Stifter stellten, waren religiöse Personen (neben Göttern) die Prototypen der Begünstigten. Mönche und Nonnen sowie Brahmanen und Tempelpriester wirkten jedoch nicht nur als Destinatäre, sondern agierten auch in qualitativ und quantitativ bedeutendem Maße selbst als Stifter. Angehörige des Laienstandes wurden kaum zu Stiftungs‑ begünstigten. Bei der Verwaltung und Auf‑ sicht von Stiftungen operierten Laien und Geistliche recht häufig gemeinschaftlich.
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Sehr deutlich wird das spezielle Verhält‑ nis zwischen Laien und Ordinierten in bud‑ dhistischen Stiftungen – nicht zuletzt des‑ halb, weil die formale Unterscheidung zwi‑ schen Laienanhängern und ‑anhängerinnen (upāsaka und upāsikā) auf der einen sowie Mönchen und Nonnen (bhikṣu und bhikṣuṇī) auf der anderen Seite bereits in den kano‑ nischen Texten ausgearbeitet wurde. Al‑ lerdings ist die Beleglage für das Altertum weitaus besser als für das Mittelalter, da ab dem 6. Jahrhundert die Zahl der priva‑ ten Stiftungen zugunsten buddhistischer Klöster in Indien dramatisch rückläufig war. Hinzu kommt, dass es sich bei den als upāsaka beziehungsweise upāsikā betitelten Anhängern des Buddhismus um eine her‑ ausgehobene Schicht von Laien handelte, die sich durch die Übernahme von fünf der insgesamt zehn für Mönche geltenden Gebote auf besondere Weise dem Orden verpflichtet hatten.40 Dieser Personenkreis gründete Klöster, ließ Kultbilder aufstellen, stiftete Mittel für den Unterhalt buddhisti‑ scher Konvente und war in die Verwaltung von Stiftungsvermögen einbezogen.41 Auch ein anderes Begriffspaar, das für eine besondere Gruppe von Stiftern stand (→ 11.6.3), bezeichnete Laien: vihārasvāmin und vihārasvāminī, ‚Klosterherr‘ und ‚Klos‑ terherrin‘. Selbst wenn die genaue Bedeu‑ tung dieser beiden Titel unsicher ist,42 kann man davon ausgehen, dass der Rang eines vihārasvāmin oder einer vihārasvāminī erst durch die Gründung eines Klosters erlangt wurde. Darüber hinaus ist zu vermuten, dass diese Position den ‚Klosterherrn‘ oder die ‚Klosterherrin‘ verpflichtete, für den Fortbestand der Stiftung Sorge zu tragen. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass die Bezeichnung vihārasvāmin nur für Lai‑ en belegt ist, obwohl auch buddhistische Mönche Klöster gründeten. Da Stiftungen für den Unterhalt bud‑ dhistischer Klöster im mittelalterlichen
Soziale Positionen der Akteure
Indien vor allem von Königen und Fürsten getätigt wurden, die formal die oberste Laienschicht repräsentierten, ist ein Blick auf die Gründer solcher Konvente auf‑ schlussreich. Zu diesem Zweck seien hier die Inschriften der westindischen Maitra‑ ka‑Dynastie herangezogen, von der aus dem 6. und 7. Jahrhundert buddhistische Stiftungen in hinreichender Dichte vorlie‑ gen. Die bedeutendste Einrichtung stell‑ te der sogenannte Duḍḍāvihāra dar, ein Mönchskloster, das Duḍḍā, eine Nichte des Maitraka‑Herrschers Dhruvasena I., ge‑ gründet hatte. In einer Dotationsurkunde dieses Königs wurde Duḍḍā als eine ‚beste Laienanhängerin‘ (paramopāsikā) bezeich‑ net.43 Die meisten der Klöster, die in den Urkunden der Maitrakas erwähnt wer‑ den, sind als °kārita, ‚errichtet von [N. N.]‘, spezifiziert. Von 16 Konventen, die im Maitraka‑Corpus auftauchen, hatten drei monastische Stifter: die gelehrten Mön‑ che (ācāryabhadanta oder ācāryabhikṣu) Buddhadāsa, Vimalagupta und Sthirama‑ ti.44 Die restlichen Einrichtungen waren von Laien gegründet worden. Nur für eines der Klöster kann als gesichert gelten, dass es von einem König der Maitraka‑Dynastie, und zwar von Śīlāditya I., gestiftet wurde. Als Klostergründer werden ansonsten ad‑ lige Damen, hochrangige Beamte, Händler und Personen genannt, von denen lediglich der Name erwähnt ist. Mönchische Stifter gaben anscheinend ausschließlich Mönchs‑ klöster in Auftrag. Laiinnen stifteten so‑ wohl Männer‑ als auch Frauenkonvente. Die Gründung weiterer Nonnenklöster in Gujarat ging auf das Wirken nichtordinier‑ ter männlicher Stifter zurück. (→ 15.6.2) Während im Altertum Mönche und Nonnen durch Stiftungen entscheidend zu Veränderungen im Buddhismus beige‑ tragen, vor allem die Einführung des Bil‑ derkultes maßgeblich gefördert hatten,45 sind vergleichbare monastische Impulse
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im Mittelalter nicht klar belegbar. Es fällt jedoch auf, dass einige Laienstifter durch spezifische institutionelle Gründungen bestimmte Strömungen innerhalb des Buddhismus, zum Beispiel die Mahāyāna‑ Richtung, in besonderem Maße unterstütz‑ ten. So ließ im 7. Jahrhundert in Gujarat der ‚oberste Sekretär‘ (divirapati) zweier Maitraka‑Könige, der Skandabhaṭa (II.) hieß, ein Mahāyāna‑Kloster und einen dem weiblichen Bodhisattva Tārā gewidmeten Schrein errichten.46 Festzuhalten ist ferner, dass sich viele der Laienstifter – so auch dieser Skandabhaṭa – offensichtlich nicht explizit als buddhistische Laienanhänger (upāsaka) bezeichneten. Schwieriger als im Umfeld des Bud‑ dhismus ist eine Differenzierung zwi‑ schen Laien und Geistlichen in Hinsicht auf den Brahmanenstand. Dieser varṇa stellte nach brahmanischem Verständ‑ nis die gesamte vedische Priesterschaft dar. In diesen Stand wurde man, wie in die anderen Stände auch, hineingeboren. Eine Ordination im engeren Sinn kennt das orthodoxe Brahmanentum nicht; doch gibt es auch einflussreiche brahmanisch‑ asketische Traditionen. Neben den vier Ständen (varṇa) bildete das Modell der vier Lebensstadien (āśrama) eine weitere grund‑ legende Komponente des brahmanischen Sozialsystems, dessen Regeln deshalb auch als varnāśramadharma bezeichnet werden. Das Konzept der vier Lebensalter richtete sich an die Angehörigen der drei oberen Stände, die sogenannten ‚Zweimalgebore‑ nen‘ (dvija; → 9.6.3), und sah für sie einen allgemeingültigen Lebensentwurf vor, der mit dem Umbinden der heiligen Schnur begann. Diese Initiation stand am Anfang der ersten Lebensalterstufe. Durch diese ‚zweite Geburt‘ wurde ein männlicher An‑ gehöriger der drei oberen Stände zu einem brahmacārin, zum enthaltsam lebenden Ve‑ da‑Schüler, der idealiter vom Betteln lebte.
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Nach dem Studium sollte sich der einstige Schüler dem Lebensstadium eines verhei‑ rateten Hausvaters (gṛhastha) zuwenden. Als Haushaltsvorstand war der Mann auf‑ gefordert, seinen Lebensunterhalt zu ver‑ dienen, Vermögen zu erwirtschaften und Nachkommen zu zeugen. Dieser āśrama stellte die ökonomische Grundlage auch für die Gruppen dar, die sich durch Betteln ernährten. Das dritte Lebensalter bildete das des Waldeinsiedlers (vānaprastha oder āraṇyaka), der nach Geburt seines Enkels gemeinsam mit der Ehefrau an den Dorf‑ rand zog und dort ein genügsames Leben führte. Der vierte āśrama schließlich war der des enthaltsam und besitzlos lebenden Wander‑ und Bettelasketen (saṃnyāsin oder parivrājaka), der der Welt entsagt hatte.47 Dieser vereinheitlichte Lebensentwurf war bereits im Altertum von brahmanischen Theoretikern aus ursprünglich nebenein‑ ander existierenden Lebenswegen zusam‑ mengefügt worden. Mit der Vorgabe, das Durchlaufen des Veda‑Studiums und des gṛhastha‑Stadiums als verbindlich zu be‑ trachten, bemühten sich brahmanische Rechtsgelehrte, dem Aufschwung des As‑ ketentums sowie des Buddhismus und des Jinismus entgegenzuwirken. Obwohl das āśrama‑Modell zunächst nur die Angehörigen des śūdravarṇa vom Studium der heiligen Texte und von der Asketenschaft ausschloss, zeigen die mittel‑ alterlichen Siftungen, dass die Brahmanen es verstanden, auch Kṣatriyas und Vaiśyas weitgehend aus diesen beiden Feldern re‑ ligiöser Aktivität zu verdrängen. Gemäß den varṇa‑Pflichten des brahmanischen Ständemodells wurde allein Brahmanen das Privileg zugesprochen, Gaben zu ak‑ zeptieren. So konnten – bei strenger Aus‑ legung der Norm – nur Angehörige des brāhmaṇavarṇa ein durch Stiftungen finan‑ ziertes Veda‑Studium in Anspruch nehmen. Auch Dotationen, die für eine regelmäßige
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Versorgung von Asketen sorgten, hätten demnach lediglich von Brahmanen emp‑ fangen werden können. Vor allem aber die Betonung der Lebensstufe des nicht zölibatär lebenden Hausvaters, in der man (mindestens) bis zur Geburt eines Enkels zu verweilen hatte, zeigte erhebliche Aus‑ wirkungen auf das Stiftungswesen. Ohne den Einfluss dieses Konzepts wäre die sehr große Zahl von Dotationen für Brahmanen und deren Familien im indischen Mittel‑ alter kaum zu erklären. Die dem ‚Normbrahmanen‘ geradezu vorgeschriebene Heirat stellte einen der wesentlichen strukturellen Unterschiede zwischen dem brahmanischen Priester‑ stand auf der einen Seite und buddhis‑ tischen und jinistischen Mönchen und Nonnen auf der anderen Seite dar, für die – wie auch für hinduistische Asketen – Ehe‑ losigkeit obligatorisch war. Da geistliche Personen im Kontext religiöser Stiftungen und Dotationen in erster Linie als Begüns‑ tigte fungierten, wirkte sich die Verschie‑ denartigkeit vor allem auf die jeweilige Rekrutierung neuer Destinatäre aus. Bei Brahmanen basierte die Dauerhaftigkeit einer Stiftung auf direkter Fortpflanzung (und hilfsweise auf Adoption), bei Mönchen und Nonnen hingegen auf Ordination und bei Asketen auf Initiation in eine Lehrer‑ Schüler‑Linie. Nicht zölibatär lebende, gelehrte Brah‑ manenpriester waren nach brahmani‑ schem Verständnis die prototypischen De‑ stinatäre religiöser Stiftungen; und die mit‑ telalterliche Stiftungspraxis Indiens zeigt, dass insbesondere königliche Stifter diesen normativen Vorgaben weitgehend folgten. Zahlreiche Dotationsdokumente belegen andererseits, dass Brahmanen, die ein Amt am Hof oder in der Verwaltung bekleide‑ ten und damit außerhalb der idealtypi‑ schen Berufsfelder aktiv waren (→ 14.6.2), viel häufiger als Stifter auftauchen denn
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vedische Brahmanenpriester. Allerdings finden sich ab dem 11. Jahrhundert auch Belege dafür, dass brahmanische Priester mitunter von der Begünstigten‑ auf die Stifterseite wechselten und mit eigenen Dotationen religionspolitische Akzente zugunsten ausgewählter hinduistischer Strömungen setzten.48 14.6.4 Reiche und Arme Es gibt kaum Anhaltspunkte dafür, dass im indischen Mittelalter Stiftungen der geziel‑ ten Umverteilung von Reichtum zugunsten von Bedürftigen dienen sollten. Caritative Stiftungen spielten keine herausragende Rolle (→ 3.6.2), weil Arme und andere Be‑ dürftige tendeziell als ‚ungeeignete Gefäße‘ (→ 12.6.3) für fromme Gaben (dāna) galten. Jedoch ließ eine selbst gewählte Bedürf‑ nislosigkeit (→ 9.6.2) religiöse Personen zu Destinatären von Stiftungen werden. Au‑ ßer Zweifel steht, dass insbesondere wohl‑ habende Schichten als Stifter agierten. Die brahmanischen Rechtexte schrieben vor, gemäß der individuellen ökonomischen Potenz zu stiften und durch Stiftungen nicht die Versorgung der eigenen Familie zu gefährden. Mit der Abnahme privater und der Zu‑ nahme herrscherlicher Stiftungen beim Übergang vom Altertum zum Frühmittel‑ alter war verbunden, dass im Unterschied zur ersten Hälfte des ersten Jahrtausends nun diverse indische Königs‑ und Fürs‑ tenhäuser, die nicht nur über erheblichen Privatbesitz verfügten, sondern auch auf das jeweilige Kronvermögen zugreifen konnten, das Stiftungswesen bestimm‑ ten. Mit Tausenden Unterhaltsdotationen entschieden sie darüber, welche religiösen Personen gefördert und welche Institutio‑ nen am Leben erhalten wurden. Allerdings geht aus zahlreichen Stiftungsdokumenten
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hervor, dass auch viele andere Akteure maßgeblich Einfluss auf diese Prozesse nahmen und gerade beim Stiftungstyp der königlichen Steuerpfründe (→ 10.6.2; 10.6.5) oft ein Ausgleich zwischen den di‑ vergierenden Interessen überregionaler, regionaler und lokaler Eliten gefunden werden musste. Mit der Gründung von Tempeln und Klöstern durch Vertreter des Adels und der örtlichen Kaufmannschaft scheint vielfach bereits eine Vorentschei‑ dung darüber gefallen zu sein, welche re‑ ligiöse Strömung später durch königliche Unterhaltsstiftungen begünstigt wurde. Seit dem 11. Jahrhundert nahm die Zahl der privaten Stiftungen wieder zu, und in vielen Regionen Indiens waren Kol‑ lektivstiftungen sehr populär. Mit diesem Dotationstyp wurde Stiftungskapital ge‑ bündelt, und es konnten sich auch weni‑ ger begüterte Personen beteiligen. Eine Spezialform der Kollektivstiftung war die Selbstverpflichtung (→ 10.6.5) von Händ‑ lern zugunsten einer religiösen Institution. Auf diese Weise trat beispielsweise die überregional agierende Korporation der Vīra‑Baṇañjas aus Nord‑Karnataka unter anderem in Zentralindien im 12. Jahrhun‑ dert in Erscheinung. Diese Vīra‑Baṇañjas agierten als gemeinschaftliche Stifter zu‑ gunsten hinduistischer und jinistischer Tempel. Eine Steininschrift aus dem Ge‑ biet von Kolhapur im südlichen Maha‑ rashtra, die aus dem Jahr 1136/1137 u. Z. datiert, listet – nicht in Sanskrit, sondern im Lokal idiom Alt‑Kana resisch – diver‑ se selbst auferlegte ‚Steuern‘ der Vīra‑ Baṇañjas auf, die einem Jaina‑Heiligtum zugutekommen sollten.49 Die meisten der 14 aufgeführten Repräsentanten der aus angeblich 500 Mitgliedern bestehenden Gruppe der Vīra‑Baṇañjas, die explizit als Kaufleute (vaṇiga) bezeichnet wurden, tru‑ gen den Titel seṭṭi (→ 14.6.2) in ihrem Na‑ men. Die Selbstverpflichtung umfasste in
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erster Linie eine Art Umsatzsteuer für den Handel mit Gewürzen, Lebens‑ und Ge‑ nussmitteln, Kleidung und Schmuck. Zur Korporation der Vīra‑Baṇañjas scheinen neben reinen Händlern aber auch Hand‑ werker (Goldschmiede, Tischler und Töp‑ fer) gehört zu haben, an deren Werkstätten offenbar Läden angeschlossen waren. Eine Steininschrift aus Miraj von 1142/1143 u. Z. dokumentiert eine Selbst‑ verpflichtung der Vīra‑Baṇañjas zugunsten eines Śiva‑Schreins.50 Die Händler erklär‑ ten an einem bestimmten Markttag, dass künftig regelmäßig konkrete ‚Steuern‘ zu‑ gunsten dieses lokalen Heiligtums zu leisten seien. Bei vielen der genannten Naturalien ist klar ersichtlich, dass sie für den Kult ver‑ wendet werden konnten, dem diese Stiftung erklärtermaßen dienen sollte. So mussten die Baumwollhändler Dochte für Lampen des Gottes abführen, und andere Händler hatten Schalen für Duftstoffe zu liefern.51 Besonders enge Beziehungen zwischen den Kaufleuten und den Kultverantwortlichen dürften sich schon deshalb entwickelt haben, weil bestimmte Abgaben an wöchentliche Markttage oder an im Jahresrhythmus wie‑ derkehrende religiöse Feste (etwa das Lich‑ terfest Dīpāvali) gebunden waren. Auch Dorfgemeinschaften stifteten mit‑ unter auf ähnliche Weise, indem sie sich gemeinsam verpflichteten, zusätzlich zu dem Steueraufkommen, das sie an die Kro‑ ne zu entrichten hatten, bestimmte Abga‑ benmengen regelmäßig für ganz konkrete Stiftungszwecke bereitzustellen. Bei den Festlegungen konnte gegebenenfalls auch ein Reichtumsgefälle in der Gemeinde be‑ rücksichtigt werden.52 Das kollektive Agieren von Kaufleuten zeigt sich auch in der Rajbhita‑Inschrift aus dem ostindischen Bengalen. In die‑ ser Steininschrift aus dem 11. Jahrhundert ist die Festlegung (hier: vāk, ‚Rede‘) ei‑ ner Händlergemeinde (hier: vaṇig-grāma,
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‚Händlerdorf‘) niedergelegt. Die Kaufleute wollten offensichtlich Gärten zum Anbau von Areca‑ und Kokosnüssen in vier Dör‑ fern pachten, die per Stiftungsurkunde in den Besitz des Gottes Sonnakāmādhava (Viṣṇu) gelangt waren, und verpflichteten sich, jedes Jahr bestimmte Abgaben für den Kult dieses Gottes zu leisten.53 Die Händler agierten hier nicht als Stifter, sondern als diejenigen, durch deren Handeln im Rah‑ men der Dotationsverwaltung Teile des Tempelvermögens erst Erträge erbrachten. Wie Ryosuke Furui festgestellt hat, impli‑ ziert das Dokument zwei Momente des Wirkens von Zusammenschlüssen regio‑ naler Händlergruppen: Als Repräsentant kollektiver Interessen von verschiedenen Kaufleute konnte ein vaṇiggrāma eventuell besonders günstige Konditionen gegenüber den Vertretern des Tempels aushandeln. Andererseits mussten sich die einzelnen Händler, die dann Teile des Tempelver‑ mögens pachteten, den internen Regeln und externen Verträgen der Gemeinschaft unterwerfen.54 Auch wenn das Hauptziel von Stiftungen im indischen Mittelalter augenscheinlich nicht in der Redistribution von Reichtum an die Armen bestand, kam es im Ergebnis religiöser Gaben durchaus zu Umvertei‑ lungsprozessen, mitunter auch zugunsten notleidender Gruppen. Vor allem jedoch führte das mittelalterliche Stiftungswe‑ sen zu einer Reichtumsdifferenzierung zwischen den verschiedenen religiösen Destinatären. Wenn das Spektrum der Objekte, die für den Unterhalt einzelner Brahmanen gestiftet wurden, von kleinen Landparzellen bis zu den Steuereinkünften mehrerer Dörfer reichte (→ 14.6.2), führten diese Dotationen nicht nur zu einer Berufs‑, sondern auch zu einer Vermögensdifferen‑ zierung der Begünstigten. Ähnliches dürfte auch für institutio‑ nelle Stiftungen an Klöster und Tempel
Soziale Positionen der Akteure
gegolten haben. Der berühmte buddhisti‑ sche Klosterkomplex von Nālandā in Bihar soll nach Aussage der chinesischen Pil‑ germönche, die im 7. Jahrhundert Indien bereisten (→ 5.6.4), über Einkünfte aus 100 (gemäß Xuanzang) beziehungsweise 200 Dörfern (gemäß Yijing; → 10.6.2) verfügt haben. Den insgesamt 16 Institutionen (überwiegend Klöster, nur wenige Tem‑ pel), die in 26 buddhistischen Urkunden der Maitrakas genannt sind, wurden 24 ganze Dörfer sowie diverse Landstücke, Gärten und auch Zisternen in anderen Dörfern gestiftet. Die Verteilung dieser Liegenschaften auf die einzelnen Einrich‑ tungen war aber recht ungleichmäßig; besonders viele Stiftungen erhielt der be‑ rühmte Klosterkomplex des Duḍḍāvihāra (→ 14.6.3) in Valabhī. 14.6.5 Alter und Generation Volljährigkeit des Stifters war eine wich‑ tige Vorraussetzung für dessen Geschäfts‑ fähigkeit.55 Stiftungsdokumente des indi‑ schen Mittelalters geben nur selten direk‑ ten Aufschluss über das Alter der jewei‑ ligen Stifter oder Destinatäre. Aufgrund der Dotationsdichte liegen die meisten indirekten Informationen auch für diese Frage wieder für königliche und fürstliche Stifter vor. Insbesondere dann, wenn sich Stiftungen ein und desselben Herrschers über einen längeren Zeitraum erstrecken, könnte man erwarten, dass das Alter des Stifters eine bestimmende Rolle für den Charakter seiner Dotationen spielte. Als Beispiel seien hier die Stiftungsurkunden des zentralindischen Rāṣṭrakūṭa‑Königs Amoghavarṣa I. ausgewählt, der mit mehr als 60 Jahren Herrschaft eine besonders lange Regierungszeit vorzuweisen hat. Amoghavarṣa dürfte den Thron zwischen 814 und 817 u. Z. bestiegen haben, als er
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möglicherweise noch minderjährig war. Aus der Zeit von 817 bis 877/878 liegen di‑ verse Kupfertafel‑ und Steininschriften vor, die auf seine Herrschaft Bezug neh‑ men. Von den insgesamt 13 offiziellen Do‑ kumenten aus seiner Regierungszeit hat Amoghavarṣa I. allerdings nur vier selbst verfügt. Die übrigen Urkunden wurden von der Gujarat‑Seitenlinie ausgegeben. Die bekannten Stiftungsurkunden von Amoghavarṣa I. datieren aus den Jahren 820, 850, 860 und 871 u. Z. Zwar unter‑ scheiden sich diese vier Dokumente in mehrfacher Hinsicht voneinander, doch betreffen die Differenzen in erster Linie die Darstellung der Genealogie des könig‑ lichen Stifters, nicht die konkreten Verfü‑ gungen zu den einzelnen Dotationen, drei brahmanischen (820, 850 und 871) und einer jinistischen (860).56 Vom jeweiligen Alter abhängige Verän‑ derungen hinsichtlich königlichen Stifter‑ verhaltens lassen sich wohl auch in ande‑ ren Fällen nicht nachweisen. Aus Anlass ihrer Thronbesteigung nahmen mittelal‑ terliche indische Herrscher häufig religiöse Stiftungen vor. Doch sind hier ebenfalls keine altersbedingten Stiftungsbesonder‑ heiten zu erkennen; außerdem markierte die Königsweihe zwar eine wichtige Zä‑ sur in der Karriere des Kronprinzen oder Thronanwärters, war aber nicht an ein bestimmtes Lebensalter gebunden. Man könnte vermuten, dass sich ver‑ stärkte Stiftungsaktivitäten eher auf späte als auf frühe Lebensabschnitte der potentiel len Stifter konzentrierten. Doch auch für diese Annahme finden sich kei‑ ne Hinweise in den Dokumenten der Stif‑ tungspraxis. Am ehesten in diesem Sin‑ ne wären paradigmatische Beispiele der buddhistischen kanonischen Literatur zu interpretieren. In diesen ist davon die Rede, dass kinderlose Laienanhänger kurz vor ihrem Tode letztwillige Verfügungen zu
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ihrem Erbe – im Sinne eines Testaments – schriftlich niederlegen ließen.57 In Hinsicht auf die Stifter, die Profi‑ tienten und die Destinatäre waren mit‑ telalterliche indische Dotationen nicht selten generationenübergreifend angelegt. Regelmäßig wurden die Eltern, mitunter auch die Kinder und andere Familienan‑ gehörige eines Stifters an dem potentiellen religiösen Verdienst (puṇya; → 7.6.2) von Stiftungen beteiligt. In einigen buddhis‑ tischen Inschriften, wie beispielsweise in einem Dokument aus der Herrschaftszeit des Hūṇa‑Königs Toramāṇa, der am Ende des 5. und zu Beginn des 6. Jahrhunderts über Teile Nord‑ und Westindiens regierte, finden sich besonders ausgestaltete Ver‑ dienstübertragungsformeln. In der in Kura im Nordwesten des Subkontinents entdeck‑ ten Steininschrift, die die Errichtung eines buddhistischen Klosters bezeugt, heißt es, dass das damit verbundene Verdienst den Eltern, Brüder, Schwestern, Frauen, Söhnen und Töchtern des (adligen) Klosterstifters sowie den Königinnen, Prinzen und Prin‑ zessinnen des Toramāṇa zugutekommen möge.58 Am mit der Stiftung generierten Verdienst sollten demnach drei Generati‑ onen beteiligt werden. Insbesondere königliche und fürstli‑ che Dotationen zum Unterhalt religiöser Institutionen und Personen konnten auf Wunsch oder Bitte eines Sohnes erfolgen.59 (Volljährige) Söhne stellten Urkunden für Stiftungen von (bereits verstorbenen) Vä‑ tern aus.60 Auch spätere Zustiftungen von Söhnen zu Stiftungen ihrer Väter sind be‑ legt; allerdings könnten die Nachkommen zu diesem Zeitpunkt durchaus bereits ge‑ nauso alt wie einst ihre Vorfahren bei der ursprünglichen Dotation gewesen sein. Ähnliches gilt auch für aufeinanderfolgen‑ de Stiftungen zugunsten verschiedener Ge‑ nerationen brahmanischer Destinatäre.61 Doch mitunter finden sich gerade in den
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Dotationen zugunsten größerer Gruppen von Brahmanen Hinweise darauf, dass Väter und Söhne gleichzeitig mit separa‑ ten Anteilen bedacht wurden.62 Zu den sekundär Begünstigten von Stiftungen an Brahmanen gehörten in der Regel auch deren Familien inklusive Kinder. Daher sind brahmanische Stiftungen wohl ebenso wie Dotationen an lokale buddhistische Ordensgemeinschaften sowie an hinduis‑ tische beziehungsweise jinistische Lehrer‑ Schüler‑Linien prinzipiell als generatio‑ nenübergreifend zu verstehen. Dennoch ist davon auszugehen, dass das Alter bei den Destinatären mittelalterlicher indischer Stiftungen tendenziell eine grö‑ ßere Rolle als bei den Stiftern spielen konn‑ te. Dies gilt in erster Linie bei Dotationen, die explizit für Bildungszwecke (→ 9.6.3) bestimmt waren und damit vornehmlich kindlichen Schülern und jugendlichen Stu‑ denten zugutekommen sollten. Auf Dauer konzipierte Gaben für aus Altersgründen Bedürftige (→ 9.6.1) sind hingegen kaum belegt. 14.6.6 Ethnizität Wie in der vormodernen indischen Ge‑ schichte im Allgemeinen spielten Fremde auch in der Entwicklung des Stiftungs‑ wesens im Besonderen nicht selten eine wichtige Rolle. Dabei war dieser Einfluss regional sehr unterschiedlich; und im Laufe der Jahrhunderte wechselten die Gruppen von ‚Ausländern‘, die als Akteure indischer Stiftungen belegt sind. Einwanderer waren bei den Stiftern ebenso wie bei den Destina‑ tären vertreten. Bereits im Altertum, in den ersten Jahrhunderten u. Z., hatten Fremde zu den Förderern buddhistischer Institu‑ tionen gehört. Steininschriften aus West‑ indien erwähnen Indo‑Griechen (Sanskrit: Yavana; Prakrit: Yonaka) und Indo‑Skythen
Soziale Positionen der Akteure
(Sanskrit: Śaka; Prakrit: Saka) als Stifter.63 Diese Einwanderer versuchten, durch Do‑ tationen an buddhistische Klöster ihre As‑ similation in die indische Gesellschaft zu befördern, denn eine Integration Fremder durch die brahmanische Orthodoxie ge‑ staltete sich schwierig und war zumindest theoretisch mit sozialem Abstieg verbun‑ den. Interessant ist in diesem Zusammen‑ hang, dass wesentliche Impulse für den Gebrauch des Sanskrit an Stelle mittel‑ indischen Prakrits in (Stiftungs‑)Inschriften von den Fremdherrschern ausgingen. Die Westlichen Kṣatrapas, eine Śaka‑Dynastie in Westindien, und auch die aus Zentral‑ asien nach Nordwestindien eingewanderten Kuṣāṇas strebten danach, Legitimierung durch die Verwendung der Sprache der brahmanischen Elite zu erlangen.64 Im 5. und 6. Jahrhundert fielen die ira‑ nischen oder Alchon‑Hunnen (Sanskrit: Hūṇa) nach Nordindien ein und etablier‑ ten sich dort für einige Jahrzehnte unter ihrem Anführer Toramāṇa und dessen Sohn Mihirakula. In buddhistischen Tex‑ ten werden die Hūṇas beschuldigt, die Klöster des Nordwestens zerstört zu ha‑ ben. Numismatische ebenso wie epigraphi‑ sche Quellen belegen jedoch, dass es auch sehr klare Tendenzen der Assimilation und der Indisierung gab. So fiel in die Herr‑ schaftszeit von Toramāṇa die Errichtung buddhistischer Bauten,65 und Mihirakula soll zum Śivaismus konvertiert sein. Bisher sind keine Inschriften verfügbar, die die Hūṇa‑Könige persönlich ausstellen ließen. Aber Dokumente von Vasallenfürsten und Privatpersonen aus dem Nordwesten und Westen Indiens über buddhistische bezie‑ hungsweise hinduistische Dotationen neh‑ men Bezug auf die Hūṇa‑Herrscher und belegen zumindest ein stifterfreundliches Klima. Eine in Sanjeli in Gujarat gefun‑ dene Kupfertafelurkunde aus dem dritten Herrschaftsjahr von Toramāṇa berichtet
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von der Selbstverpflichtung fremder und einheimischer Kaufleute, dem hinduisti‑ schen Gott Jayasvāmin regelmäßig ganz bestimmte Handelsgüter zukommen zu lassen.66 Diese Verfügung lässt vermuten, dass gemeinsame Dotationen von Händ‑ lern unterschiedlicher ethnischer Herkunft dazu dienen konnten, die wirtschaftlichen Beziehungen derartiger Gruppen auch auf anderer Ebene zu festigen. Einfälle der (arabischen) Tājikas67 nach Gujarat sind bereits für die Mitte des 8. Jahrhunderts belegt.68 In einer Kupfer‑ tafelurkunde aus dem 10. Jahrhundert ist erstmals an der indischen Westküste, nörd‑ lich des heutigen Mumbai, ein Tājika‑Fürst als Stifter nachgewiesen. Dieser Tājika namens Madhumati (< Muḥammad) Suga‑ tipa vergab ein Dorf und ein Stück Land zur Förderung eines der Göttin Durgā gewidmeten Tempelkollegs (maṭhikā).69 Der fremde Fürst hatte diese hinduisti‑ sche Einrichtung nicht gegründet, sorgte aber mit einer Dotation dauerhaft für de‑ ren Unterhalt. Damit stand er ganz in der Tradition indischer Fürsten, die auf Bitten Dritter und mit Erlaubnis ihrer jeweiligen Oberherren (in diesem Falle des indischen Königs aus der Rāṣṭrakūṭa‑Dynastie) Stif‑ tungen von Steuerpfründen vornahmen. Bis auf die ethnische Herkunft des Stifters zeichnet sich die Dotation lediglich durch eine singuläre Einschränkung aus, deren Hintergrund eventuell in der spezifischen Sozialisation des ausländischen Stifters zu vermuten ist. Das entsprechende Dorf wurde nämlich explizit ohne die Befugnis zur Bestrafung des „Gewaltfrevels gegen‑ über Jungfrauen“ vergeben.70 Madhumati behielt sich selbst das Recht auf Ahndung einschlägiger Vergehen vor und delegierte dieses nicht an die Destinatäre. Während es sich bei den bisher genann‑ ten Akteuren offenbar um solche ‚Auslän‑ der‘ handelte, die mit dem Ziel nach Indien
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gekommen waren, sich dort dauerhaft nie‑ derzulassen, oder die den Subkontinent zumindest regelmäßig bereisten, gibt es auch Belege für das stifterliche Wirken fremder Herrscher und Fürsten, die ver‑ mutlich niemals indischen Boden betraten. Dies gilt insbesondere für die Gründung buddhistischer Klöster an berühmten re‑ ligiösen Orten in Indien durch Herrscher solcher (asiatischer) Länder, in denen der Buddhismus erfolgreich missioniert hatte. Bereits im 7. Jahrhundert berichtete der chinesische Pilgermönch Xuanzang, dass ein ceylonesischer König in Buddhagayā in Ostindien ein Kloster für Mönche aus Sri Lanka errichtet habe.71 Eine Kupfer‑ tafelurkunde aus dem 9. Jahrhundert, die auf dem Gelände des Nālandā‑Komplexes gefunden worden ist, bezeugt, dass der Herrscher von Sumatra dort ein Kloster hatte errichten lassen und den einheimi‑ schen Pāla‑König dann um eine Stiftung für dessen Unterhalt bat.72 Am Beginn des 11. Jahrhunderts stiftete auch der südindi‑ sche Coḷa‑Herrscher Rājarāja I. die Steuer‑ einnahmen eines Dorfes für den Unterhalt eines Klosters, das ein weiterer Angehö‑ riger der Śailendra‑Dynastie von Sumatra in Nāgīpattana, einer Hafenstadt des Coḷa‑ Reiches, hatte bauen lassen.73 Zu den Nutznießern dieser und anderer Stiftungen gehörten neben einheimischen Ordinierten auch buddhistische Mönche aus anderen Ländern. Ein wichtiges Ins‑ trument der Verbreitung religiösen Wis‑ sens (→ 9.6.3) war die Pilgerschaft, und im Stiftungskontext ist es daher bedeut‑ sam, wenn als Begünstigte buddhistischer Dotationsurkunden aus dem mittelalter‑ lichen Indien in der Regel nicht nur die ansässigen Mönche und Nonnen, sondern auch Klostergäste genannt werden. Die chinesischen Pilger berichten davon, wie zu Besuch weilende Mönche für drei (Fa‑ xian) oder fünf Tage (Yijing) beherbergt
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und beköstigt wurden.74 Sie selbst sind aber beste Beispiele dafür, dass in den mit Dotationen reichlich bedachten Kloster‑ komplexen – wie z. B. in Nālandā – auch längere Studienaufenthalte durchaus mög‑ lich und üblich waren. 14.6.7 Religiöses Bekenntnis Für die meisten nichtköniglichen Stiftun‑ gen des mittelalterlichen Indien dürfte gel‑ ten, dass die jeweiligen Stifter der religiösen Strömung nahestanden, die sie durch dau‑ erhafte Gaben unterstützten. Bei privaten Förderern wurde zwar – mit Ausnahme der Buddhisten – oft kein spezifisches Epithe‑ ton zur Definition ihres religiösen Bekent‑ nisses aufgeführt, doch die Beschreibungen legen die Vermutung nahe, dass hinduis‑ tische Tempel durch die Verehrer entspre‑ chender Gottheiten, buddhistische Klöster durch Laien (upāsaka, upāsikā) und durch Mönche sowie jinistische Institutionen durch Anhänger des Ji nismus gegründet wurden. Das dürfte allein schon durch das Bestreben zur Konzentration wirtschaft‑ licher Ressourcen geboten gewesen sein. Andererseits garantierte dieses Vorgehen auch ein Mindestmaß an Kenntnissen sei‑ tens der Stifter zu den Bedürfnissen der potentiellen Destinatäre. In den Urkunden zahlreicher mittelal‑ terlicher Könige werden diese durch ein Epitheton als Anhänger einer bestimm‑ ten religiösen Richtung klassifiziert: als Śivait (paramamāheśvara), als Viṣṇuit (paramabhāgavata, paramavaiṣṇava usw.), als buddhistischer Laienanhänger (paramopāsaka, paramasaugata) oder als Anhän‑ ger des Sonnengottes (paramādityabhakta). Dabei ist die relativ häufige Diskrepanz zwischen dem postulierten religiösen Bekenntnis und der Patronatsausrich‑ tung auffällig.75 Indische mittelalterliche
Soziale Positionen der Akteure
Herrscher streuten in der Regel ihre Zu‑ wendungen, doch die meisten Unterhalts‑ dotationen erfolgten – unabhängig von den persönlichen religiösen Präferenzen – zugunsten vedischer Brahmanen (ohne eine erkennbare śivaitische, viṣṇuitische oder andere sektarische Affiliation). Das gilt auch für die Aktivitäten buddhistischer Herrscher. Dieser durchaus auffällige Be‑ fund legt die Vermutung nahe, dass Könige und Fürsten bei der Vergabe von Steuer‑ pfründen in erster Linie als ‚Amtsträger‘ agierten. Indische Herrscher hatten jedoch nicht nur Zugriff auf das Kronvermögen, sondern verfügten auch über Privatbesitz, den sie ebenfalls für eigene Stiftungen einsetzen konnten. Insbesondere bei Grün‑ dungen von Klöstern und Tempeln durch Könige fällt es mitunter recht schwer, an‑ hand der vorhandenen Quellen eine kla‑ re Differenzierung zwischen ‚Amtsträger‘ und ‚Privatperson‘ vorzunehmen. Doch spricht einiges dafür, dass Könige bei der Etablierung religiöser Institutionen eher als bei Unterhaltsstiftungen den durch ihr religiöses Bekenntnis vorgegebenen Prä‑ ferenzen folgten. Mit den ersten muslimischen Stiftungen änderte sich das beschriebene Bild. Bis dahin hatten indische ebenso wie fremde Stifter stets indigen indische Religionen unterstützt; und die Destinatäre hatten diesen religiösen Richtungen angehört, selbst wenn sie wie buddhistische (Pilger‑) Mönche aus China Ausländer waren. Nun stifteten Fremde – zunächst Araber, später auch Perser und Angehörige von Turkvöl‑ kern – für den nach Indien ‚eingewander‑ ten‘ Islam. Anfangs waren wohl auch die Destinatäre Migranten, die sich durch ihre ethnische Herkunft (und Religion) von der auf dem Subkontinent ansässigen Bevölke‑ rung unterschieden. Diese andersgläubigen Fremden siedelten sich aber allmählich dauerhaft an und wurden im Laufe der
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Zeit durch Konvertiten ergänzt. Auf die Vorläufer, da sie ein völlig andersartiges Entwicklung des indischen Stiftungswe‑ Stiftungskonzept, das des waqf, in Indien sens wirkten diese Gruppen fremder Stifter dauerhaft etablierten. und Destinatäre viel nachhaltiger als ihre AS Anmerkungen 1 Zu Stand und varṇa vgl. beispielsweise Mi- entstammten, sondern anderen Ständen ange‑ chaels, Hinduismus (1998, ND 2006), 136; 178 f.; 184 f. Zur Differenzierung zwischen dem alten Terminus varṇa und dem später in der Bedeu‑ tung ‚Kaste‘ benutzten Begriff jāti, der für soziale Stratifikation unterhalb der vaṛna‑Ebene steht, siehe ebd., 188–190. Zu diesem Unterschied vgl. auch – obgleich weniger klar formuliert – Kulke, Indische Geschichte bis 1750 (2005), 13; 40. 2 Zu den vier Ständen vgl. z. B. Manu’s Code of Law. A Critical Edition and Translation of the Mānava‑Dharmaśāstra. Ed. Patrick Olivelle. Ox‑ ford 2005, 91 (Übers.); 397 (Text), Strophen 1.87–91. 3 Ebd., 208–211 (Übers.); 811–822 (Text), Stro‑ phen 10.8–61. 4 Vgl. allgemein zu diesem Phänomen Ritschl, Brahmanische Bauern (1980). 5 Zum Befund im spätmittelalterlichen Andhra Pradesh unter der Kākatīya‑Dynastie vgl. C. Talbot, Gifts (1988), 203: „While brahmins with secu‑ lar occupations are far more prominent as donors (…), we do find a few instances of endowments made by orthodox brahmins with a background in Vedic learning.“ 6 Salotgi Pillar Inscription. Ed. Franz Kielhorn / H. Krishna Shastri, in: Epigraphia Indica 4, 1896/1897, 57–66. Siehe auch Schmiedchen, Herrschergenea‑ logie und religiöses Patronat (2014), 188–191. 7 Ebd., 381 f. Bei den anderen Dotationen der Sammelinschrift von Mardi handelte es sich um Zustiftungen Dritter. 8 Vgl. z. B. ebd., 295; 305–307; 313; 316; 377; 381. 9 Dies gilt insbesondere für Stiftungen zuguns‑ ten buddhistischer Klöster; vgl. Schmiedchen, Stif‑ tungen zum Unterhalt (2013), 101. 10 Zum kṣatriya‑Status der Śilāhāras von Kolha‑ pur vgl. z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 252; 256 f. Ande‑ rerseits ist von einigen indischen Königshäu‑ sern bekannt, dass sie nicht dem kṣatriyavarṇa
hörten.
11 Ebd., 339. Ein ähnliches Phänomen ist auch
für die altindischen Guptas in Nordindien in der Zeit vom 4. bis zum 6. Jahrhundert nachweisbar; vgl. Virkus, Politische Strukturen (2004), 77; 222; 247 f. 12 Zu Belegen für außerhalb ihrer traditionel‑ len Tätigkeitsfelder aktive Brahmanen unter den zentralindischen Yādavas vgl. Schmiedchen, Herr‑ schergenealogie und religiöses Patronat (2014), 372; 406 f.; 414–416; 429; 431; 435; 450. Zu Belegen für das gleiche Phänomen unter den südostindi‑ schen Kākatīyas vgl. C. Talbot, Gifts (1988), 202; 206; 268. 13 Zu dieser Zäsur im 11. Jahrhundert vgl. auch ebd., 97. 14 Kommentar zu: Indian Museum Copper Plate Inscription of Dharmapala, Year 26: Tentative Reading and Study. Ed. Ryosuke Furui, in: SAS 27.2, 2011, 145–156, hier 151. 15 Zur Bedeutung dieser Gruppen ab dem 11. Jahrhundert vgl. C. Talbot, Gifts (1988), 97. 16 Monier-Williams, Sanskrit‑English Dictio‑ nary (1899), 1102. 17 Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 317: „a banker or merchant or the foreman of a guild“. Ders., Indian Epigraphy (1965), 369: „Vaṇiks (merchants) and Śreṣṭhins (bankers or foremen of guilds)“. Zum Pāli‑Titel seṭṭhi in der buddhisti‑ schen Literatur vgl. Fišer, Problem of the Seṭṭhi (1954, ND 2001). 18 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Vasudev Vishnu Mirashi. (CII 6.) Delhi 1977, 36–44, Nr. 7. 19 Die Begriffe nagara und paura sind vermut‑ lich Bezeichnungen für bestimmte Gilden; vgl. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 274, Anm. 264. 20 Bei diesen zwei Personen war śreṣṭhin (hier: sreṣṭhin) offenbar Namensbestandteil. Dass es sich
114 bei ihnen um Kaufleute handelte, ist aus dem Zusatz vaṇika (von Sanskrit vaṇij) ersichtlich. 21 Zur Übersetzung und Interpretation vgl. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 274; zur Edition vgl. Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi (wie Anm. 18), 40 f., Nr. 7, Z. 62–68. 22 Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 347: „[It] refers to the custom of pouring water in the hand of the donee while making the cere‑ monial gift of an object which cannot be placed in the latter’s hands.“ 23 Dramma war die Bezeichnung für eine Sil‑ bermünze. 24 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi (wie Anm. 18), 41, Nr. 7, Z. 88 f. 25 Zum Stammbaum dieser Stifterfamilie vgl. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 338, Abb. 13; zur Geschichte vgl. ebd., 357–364. 26 Ebd., 360. 27 Ebd., 363. 28 C. Talbot, Gifts (1988), 207 f. 29 Ebd., 200. 30 Es handelt sich überwiegend um Steinin‑ schriften; nur etwa ein Prozent des Corpus sind Kupfertafelurkunden; vgl. ebd., 83 f. Dieser Be‑ fund ähnelt der Beleglage in anderen Regionen Indiens ab dem 11. Jahrhundert, obwohl der Anteil von Kupfertafelurkunden unter den Kākatīyas als besonders gering einzuschätzen ist. Diese Verschiebungen in Hinsicht auf das Medium der Beurkundung hängen unter anderem mit der Zu‑ nahme privater Stiftungen zusammen. 31 Ebd., 195–198. 32 Ebd., 195: „In most cases, a son would follow in his father’s footsteps as far as occupation was concerned (and have a particular advantage in obtaining an elevated position […])“. 33 Ebd., 200. 34 Zu diesen und anderen Berufswechseln vgl. ebd., 195. 35 Ebd., 223. Im Kākatīya‑Reich zeigten Frauen ein ähnliches Stiftungsverhalten wie Kaufleute und Viehzüchter. 36 Ebd., 145. Der Zeitpunkt dieser Stiftung, uttarāyaṇasaṃkrānti, die Wintersonnenwende, galt – wie auch das Sommersolstitium – als ein günstiger Termin für religiöse Gaben. Das Wort
Soziale Positionen der Akteure
māna bedeutet ‚Maß‘; vgl. hierzu auch Sircar, In‑ dian Epigraphical Glossary (1966), 194. 37 C. Talbot, Gifts (1988), 256 f. 38 Orr, Donors, Devotees and Daughters (2000); Patra, Devadāsī System (2004). 39 Vgl. z. B. C. Talbot, Gifts (1988), 195; 200; 204; 270 f.; 322. Hier handelte es sich um Viṣṇu‑ Anhänger, die als Stifter agierten. 40 Schopen, Ritual Rights (1994, ND 2004), 323, Anm. 30: „There is much, I suspect, that we do not understand, or have glossed over, in regard to the technical sense of the terms upāsikā and upāsaka. Though habitually translated by ‚laywoman‘ or ‚layman‘, it is beginning to appear that individu‑ als so designated may have constituted a small group that fell somewhere between monks and nuns and the general population; they appear to have had a particularly close and formally acknowledged relationship with their monastic communities“. 41 Zum letztgenannten Verantwortungsbereich vgl. Schopen, Doing Business for the Lord (1994, ND 2004), 49. 42 Zu einer möglichen Interpretation vgl. Schopen, Lay Ownership (1996, ND 2004), 226. 43 The Inscriptions of the Maitrakas of Valabhī. Texts, Translations, Glossary. Ed. Annette Schmiedchen. Wiesbaden 2016, Nr. 19, Z. 21. 44 Ebd., Nr. 20; Nr. 81; Nr. 87. 45 Schopen, Monks, Nuns and Vulgar Practices (1988/1989, ND 1997). 46 Inscriptions of the Maitrakas. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 43), Nr. 71; Nr. 75; Nr. 76. 47 Manu’s Code of Law. Ed. Olivelle (wie Anm. 2), 98–107, Strophen 2.69–249; 111–123, Strophen 3.67– 285; 148 f., Strophen 6.1–32; 150–152, Strophen 6.33–85. 48 Vgl. z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 381 f. 49 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi (wie Anm. 18), 229–235, Nr. 49. 50 Ebd., 241–246, Nr. 52. 51 Vgl. hierzu Schmiedchen, Herrschergenealo‑ gie und religiöses Patronat (2014), 303 f. 52 C. Talbot, Gifts (1988), 174: „It was not only mercantile groups that donated cash cesses to temples: the village assembly (…) might also de‑ cide to levy a set fraction of the village’s revenue. (…) On occasion, agriculturalists determined the
Indien
amount of cess to be paid by the quantity and type of land possessed by the individual, with more being due from those persons with more land; at other times, all members of one com‑ munity contributed at a flat rate.“ 53 Furui, Merchant groups (2013), 393–395. 54 Ebd., 397: „For collective interest to be re‑ presented and pursued, cohesion of the associa‑ tion had to be maintained through the regulation of its members.“ Zu einem früheren Beispiel für das Wirken eines vaṇiggrāma aus Westindien vgl. Charter of Vishnushena, Samvat 649. Ed. Dinesh Chandra Sircar, in: Epigraphia Indica 30, 1953/1954, 163–181. 55 Nach brahmanischer Auffassung trat Voll‑ jährigkeit bei Jungen mit 16 und bei Mädchen mit 12 Jahren ein; vgl. King, Governance and Law in Ancient India. Kauṭilya’s Arthaśāstra. Übers. Patrick Olivelle. Oxford / New York 2013, 185, Abschnitt 3.3.1. Allerdings bedeutete Voll‑ jährigkeit nicht automatisch Geschäftsfähigkeit; vgl. The Nāradasmṛti, Bd. 2. Übers. Richard W. Lariviere. Philadelphia 1989, 40, Strophen 1.31 f. Dies galt für Frauen freilich noch viel stärker als für Männer. 56 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 475; 477 f. 57 Schopen, Deaths (1995, ND 2004), 103 f.; 117– 119; Ders., Monastic Law (1995, ND 2004), 183 f. 58 The New Inscription of Toramana Shaha. Ed. Georg Bühler, in: Epigraphia Indica 1, 1892, 238–241, bes. 240, Z. 7–11. 59 Vgl. z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 462, RāUr 8; 470, RāUr 32. 60 Ebd., 493 f., ŚiNoUr 21; 501 f., YāUr 11–12. 61 Rāṭhor Grants No. III. A Grant of Dhruva III., of Bharoch. Ed. Georg Bühler / Eugen Hultzsch, in: IA 12, 1883, 179–190, bes. Z. 52–55. Vgl. auch Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 185–187.
115 62 Einige Beispiele ebd., 399 f. 63 H. P. Ray, Yavana Presence in Ancient India
(1987); Karttunen, India and the Hellenistic World (1997); J. D. Lerner, Greek Indians (1999/2000). 64 Salomon, Indian Epigraphy (1998), 93. 65 Melzer, Copper Scroll Inscription (2006), 251. New Inscription of Toramana Shaha. Ed. Bühler (wie Anm. 58), 240. 66 Three early charters from Sanjeli in Guja‑ rat. Ed. K. V. Ramesh, in: Epigraphia Indica 40, 1973/1974, 175–186. 67 Zur Bezeichnung tājika als einer vom mit‑ telpersischen Wort tāzik abgeleiteten Bezeich‑ nung für ‚Araber‘ vgl. Pingree, Sanskrit Evidence (1981/1982), und Sundermann, Early Attestation (1993). 68 Schmiedchen, Brahmanen (1997), 50; 62. 69 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 196 f. 70 Rashtrakuta Charters from Chinchani: 1. Grant of the time of Indra III, Śaka 848. Ed. Dinesh Chandra Sircar, in: Epigraphia Indica 32, 1957/1958, 45–55, bes. 51–53, Z. 38. 71 Si‑Yu‑Ki. Buddhist Records of the Western World. Translated from the Chinese of Hiuen Tsiang (A. D. 629). Übers. Samuel Beal, Bd. 2. Lon‑ don 1884, 133. 72 The Nalanda Copper‑Plate of Devapalade‑ va. Ed. Hirananda Sastri, in: Epigraphia Indica 17, 1923/1924, 310–327, bes. 322, Z. 40. 73 Larger Leiden Copper‑Plate Inscription of Rajaraja I. Ed. K. V. Subrahmanya Aiyer, in: Epi‑ graphia Indica 22, 1933/1934, 213–266, bes. 241 f., Z. 76–84. 74 Deeg, Gaoseng‑Faxian‑Zhuan (2005), 36; 120; 137 f.; A Record of the Buddhist Religion as Prac‑ tised in India and the Malay Archipelago (AD 671–695). Übers. Junjiro Takakusu. London 1896, ND Delhi 1982, 64. 75 Schmiedchen, Religious Patronage and Poli‑ tical Power (2010/2011).
15 Geschlecht
15.1 Interkulturelle Perspektiven ‚Geschlecht‘ als soziale Kategorie ist von den an dieser Enzyklopädie beteiligten Wissenschaften während der letzten Jahr‑ zehnte in sehr unterschiedlicher Intensität untersucht worden; besonders angelegent‑ lich wurde der Forschungsansatz von der Byzantinistik aufgegriffen, in ähnlichem Maße auch von der Islamwissenschaft (und verwandten mit muslimischen Ländern und ‚Kulturen‘ befassten Disziplinen), eher zurückhaltend dagegen von der Mediävis‑ tik, der Indologie und der Judaistik. Im Hinblick auf die Akteure im mittelalter‑ lichen Stiftungswesen betreten alle Au‑ tor_innen dieses Artikels indessen weit‑ gehend Neuland. Der Erweiterung der älteren ‚Frauenge‑ schichte‘ zu den ‚Gender Studies‘ verdankt die Forschung u. a. die Entdeckung des ‚dritten Geschlechts‘ der Eunuchen und der damit einhergehenden Problematik der Abgrenzung menschlicher Existen‑ zen. In indischen Texten werden Eunuchen und Hermaphroditen zwar oft erwähnt, sie konnten jedoch bisher im Kontext des Stiftungswesens nicht nachgewiesen werden; dies gilt erst recht für die west‑ liche Christenheit und das Judentum, wo Kastrierte selten bezeugt sind. Eigentlich
waren Eunuchen gut disponiert für die Stifterrolle, da sie einerseits oft aus fernen Ländern importiert wurden, also keine Verpflichtungen gegenüber der Familie ih‑ rer Herkunft wahrnehmen konnten, und andererseits keine natürlichen Erben hat‑ ten. Tatsächlich scheint sie ihre Tätigkeit im Dienst vornehmer Familien, darunter als Lehrer und Verwalter, im Reich von Byzanz sowie in islamischen Ländern so wohlhabend gemacht zu haben, dass sie ihr Vermögen zur Stiftung von Klöstern (Byzanz) oder caritativen Einrichtungen beziehungsweise Schulen (muslimische Welt) nutzen konnten. Als ‚Familiener‑ satz‘ ließen sie auch Sklaven frei, die sie durch Stiftungen über den Tod hinaus ab‑ sicherten. Eunuchen sind im Islam und im christlich‑orthodoxen Reich auch als Verwalter von Stiftungen belegt. Sehr unterschiedliche Rollen wurden Prostituierten in den verschiedenen Kul‑ turen und ihren Stiftungen zugewiesen. In Indien waren diese Frauen zwar bei orthodoxen Brahmanen verpönt, aber der Buddha und der andere Religionsgrün‑ der Mahāvīra Jina akzeptierten sie. Im ‚Kāmasūtra‘ werden die „höchsten Hetä‑ ren“ dazu aufgefordert, ihre Gewinne für
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religiöse und caritative Werke zu spenden. Tatsächlich bezeugen Inschriften die Stif‑ tung von Schreinen, Versammlungshal‑ len und Zisternen durch solche als gaṇikā bezeichneten Frauen. Wurde hier den vor‑ nehmen Kurtisanen ein weiter persönli‑ cher Handlungsspielraum zugeschrieben, so gerieten ‚Freudenmädchen‘ in die Ge‑ schichte byzantinischer Stiftungen durch ihre besondere Armut. Jedenfalls ist über‑ liefert, dass Justinian und seine Gemah‑ lin Theodora im 6. Jahrhundert Anstoß daran nahmen, dass sich Frauen aus wirt‑ schaftlichen Gründen prostituierten. Das Kaiserpaar habe deshalb ein ‚Sühneklos‑ ter‘ gestiftet, in dem die ‚bekehrten‘ Hu‑ ren als Nonnen leben sollten.1 Bei diesem Werk christlicher Caritas handelt es sich nicht einmal um eine Singularität, denn Kaiser Michael IV. hat noch ein halbes Jahrtausend später das Muster offenbar nachgeahmt. In der lateinischen Kirche entstand im 13. Jahrhundert indessen ein eigener ‚Orden der heiligen Magdalena zur Buße‘ für ehemalige Prostituierte. Klöster der sogenannten Magdalenerinnen oder Reuerinnen wurden in vielen Orten des römisch‑deutschen Reiches, in Polen und Ungarn gestiftet und nahmen im Laufe der Zeit auch unverheiratete Töchter des Bürgertums auf. In den jüdischen Gemein‑ den Spaniens sind besondere Gaben für Prostituierte bezeugt. Die Stellung, die Männer und Frauen in den mittelalterlichen Gesellschaften ein‑ nehmen konnten, wurde durch Stiftungen mitbestimmt. So hat die Ausbildung von gestifteten Einzelpfründen für Weltgeist‑ liche seit dem 11. Jahrhundert zweifellos den Prozess abendländischer Individuali‑ sierung einseitig zugunsten von Männern gefördert. Ähnliches gilt von den ebenfalls sehr oft auf Stiftungen zurückgehenden Universitäten des späten Mittelalters, wie‑ derum einer besonderen Erscheinung des
Geschlecht
westlichen Christentums, zu der weibliche Schüler keinen Zugang hatten.2 Wenn in den Überlieferungen des Mit‑ telalters auch sonst die Frauen stark hinter den Männern als Agierende oder als Ob‑ jekte des Handelns anderer zurücktreten, liegt dies teilweise an einer virilozent‑ rischen Perspektive ihrer Autoren. Ob‑ gleich die ‚objektive‘ rechtliche und soziale Benachteiligung von Frauen keineswegs geleugnet werden kann, bedarf es einer differenzierten Exegese der Quellen, bevor Historiker_innen die Gewichte zwischen den Geschlechtern verteilen können. Das gilt selbstverständlich auch für den An‑ teil von Frauen am komplexen Geschehen einer Stiftung. Die Möglichkeiten für Frauen, als Stif‑ terinnen in Erscheinung zu treten, wa‑ ren offenbar in islamischen Ländern am besten. Besonders, aber nicht nur, wenn sie verheiratet waren, verfügten sie über Eigentum, ohne auf männlichen Einspruch Rücksicht nehmen zu müssen. Ihre ausge‑ prägte Tätigkeit als Stifterinnen, die bis in die Frühzeit des Islam zurückreichend gut belegt werden kann, scheint unter dem Einfluss turko‑mongolischer Steppenvölker seit dem hohen Mittelalter noch gefördert worden zu sein. Neben Moscheen haben muslimische Frauen Mausoleen, Medre‑ sen, Herbergen und Bewässerungsanlagen errichtet, kaum aber die besonders kost‑ spieligen Krankenhäuser. Sie nutzten das Erbrecht, um ihr Vermögen durch religiöse Stiftungen dem Zugriff ihrer Ehemänner oder von deren Familien zu entziehen. Wie in muslimischen Ländern gebrauch‑ ten in Indien Frauen Stiftungen dazu, ihr soziales Prestige zu erhöhen. Dazu ver‑ wandten sie vor allem ihr ‚Frauengut‘, das ihnen vor, während und nach der Hochzeit von ihren Eltern und Verwandten sowie von ihrem Ehemann und dessen Familie geschenkt wurde. Allerdings schränkten
Interkulturelle Perspektiven
manche Lehrer, besonders unter den Brah‑ manen, ein, dass Frauen über ihr persön‑ liches Eigentum nur mit Zustimmung ih‑ res Mannes verfügen sollten. Andererseits fungierten Ehefrauen in Abwesenheit ihrer Männer als Vorsteherin ihres Haushalts; damit ließe sich erklären, dass sich unter den mittelalterlichen Stifterinnen in Indien vergleichsweise viele Frauen von Fern‑ händlern befunden haben. Die Dominanz herrscherlicher Stiftungen bedingte frei‑ lich im frühen Mittelalter eine allgemein männliche Prägung des Stiftungswesens. Unter den Frauen treten besonders Köni‑ ginnen und Prinzessinnen hervor. Mit dem Aufschwung des hinduistischen Tempel‑ wesens seit dem 11. Jahrhundert entstamm‑ ten weibliche Stifter wieder verschiedenen Schichten, darunter einem wohlhabenden Bauerntum. Rezente Berechnungen für be‑ stimmte Regionen und Zeiten führen zu erstaunlichen Resultaten. So soll im Gebiet des Veṅgi im 12.–14. Jahrhundert der Anteil der weiblichen Stifter jedenfalls bei großen Tempeln bei 47 % gelegen haben. Im Judentum schränkte das Ehegüter‑ und Erbrecht die Verfügbarkeit von Frauen über wirtschaftliche Güter ein, doch galt Entsprechendes weithin auch für die Ehe‑ männer. Aus der Überlieferung der Geniza von Kairo, des Nürnberger Memorbuchs und von Notariatsurkunden aus Spanien lässt sich trotzdem ein beträchtlicher An‑ teil weiblicher Stifter ermitteln, der bis zu 50 % hinaufreicht. Demgegenüber nehmen sich die 20 bis 25 % weiblichen Anteils am Stiftungsauf‑ kommen im abendländischen Christen‑ tum, die sich an manchen lokalen oder regionalen Quellenbeständen ablesen lie‑ ßen, bescheiden aus; die Repräsentativität dieser Zahlen ist allerdings fraglich, auch wenn an der Einschränkung weiblicher Verfügungsrechte über Vermögen und da‑ mit eigenständiger Stiftungstätigkeit von
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Frauen insgesamt kein Zweifel bestehen kann. Andererseits hat die jüngere For‑ schung herausgearbeitet, wie wichtig die Rolle von Frauen bei der Pflege des famili‑ ären Gedenkens war, für die sich Memori‑ alstiftungen anboten. Der Selbstdarstellung einer Königstochter in der Fremde und teil‑ weise feindlicher Umgebung diente bereits eine der ersten abendländischen Stiftungen überhaupt, das Kloster der Thüringerin Radegunde in Poitiers (gest. 587).3 Herrscherinnen sind seit Konstantins Mutter Helena prominent im byzantini‑ schen Stiftungswesen vertreten. Das im Mönchtum geltende Gebot einer Trennung von Frauen und Männern suchte man hier zunächst durch Doppelklöster (mit Männer‑ neben Frauenkonventen) zu lösen, bis diese seit mittelbyzantinischer Zeit weitgehend auf Konstantinopel und seine Umgebung beschränkt wurden; der Berg Athos sollte dagegen von allem Weiblichen, auch von Tieren dieses Geschlechts, frei gehalten werden. Im späten Mittelalter wurden Frau‑ en (neben Eunuchen und Jungen vor der Geschlechtsreife) sogar aus vorstädtischen Klöstern der Hauptstadt verbannt. Die Handlungsmöglichkeiten von Frauen als Stifterinnen beschränkten sich seit Beginn des 12. Jahrhunderts neben Konstantinopel selbst auf die anderen großen Städte. Als Destinatäre und Profitienten von Stiftungen erscheinen Frauen im Christen‑ tum und den indischen Religionen durch Klostergründungen. Der buddhistische Nonnenorden scheint sogar zeitweise mindestens in gleichem Maße gefördert worden zu sein wie sein männliches Pen‑ dant. Die lateinchristliche Welt kennt im späten Mittelalter die sozialcaritative Ein‑ richtung des Armenhauses exklusiv für Frauen; hier wurden auch arme heirats‑ willige Mädchen und junge Mütter durch besondere Geldstiftungen unterstützt. In Konstantinopel lag die Kulmination von
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Klosterstiftungen für Frauen um 1300. Bei der Versorgung von Bedürftigen an der Klosterpforte wurden Frauen indessen im späten Mittelalter benachteiligt oder gar rigoros ausgeschlossen, wie dies für den Athos und ein Meteora‑Kloster bezeugt ist. Im Islam förderten Frauen besonders die Sufis und errichteten diesen Unterkünfte für ihre Reisen, für die Kontemplation und sogar zur Verteidigung der Reichsgrenze (ribāṭs, ‚befestigte Konvente‘). Es gab auch Stiftungen für weibliche Sufis, die u. a. in kleinen Gemeinschaften auf Friedhöfen lebten und das Gedenken an Verstorbene
Geschlecht
pflegten. Die Frage, ob die Stiftungserträ‑ ge jeweils die vorgesehenen weiblichen Begünstigten erreichten, war aber häufig strittig und beschäftigte die Gerichte. Im Judentum wurden oft Arme ohne Anse‑ hen ihres Geschlechts durch Stiftungen unterstützt. Die Verwaltung von Stiftungen lag in allen Fällen meistens bei Männern; eine bessere Partizipation von Frauen wird in dieser Hinsicht nur für den Buddhismus in Indien vermutet. MB
Anmerkungen 1 Zur unterschiedlichen Gewichtung der Rol‑ 3 Unter der jüngeren Literatur vgl. bes. Hartle Theodoras in der Überlieferung aber → 15.5, Anm. 33. 2 Vgl. Borgolte, Universität und Intellektueller (2008, ND 2014); Ders., Stiftung und Wissenschaft (2011, ND 2011 und 2012).
mann, Königin (2009), 68–71. Künftig: Borgolte, Sigismund, Radegunde (in Druckvorbereitung).
15.2 Lateinische Christen 15.2.1 Allgemeines Die soziale Kategorie Geschlecht prägte das abendländische Stiftungswesen insofern, als dessen Akteure je nachdem, ob sie als Männer oder Frauen agierten, unterschied‑ liche Handlungsmöglichkeiten hatten, sich mit unterschiedlichen Erwartungshaltun‑ gen konfrontiert sahen, vielleicht auch unterschiedliche Bedürfnisse zu befriedi‑ gen suchten. In welchem Maße allerdings Errichtung und Vollzug mittelalterlicher Stiftungen geschlechtsspezifisch konditio‑ niert waren, ist beim gegenwärtigen Stand der Forschung kaum abzuschätzen. Das
liegt zunächst einmal am Forschungsstand, der dadurch gekennzeichnet ist, dass einer‑ seits die mediävistischen Gender Studies1 das totale soziale Phänomen Stiftung2 noch nicht richtig für sich entdeckt haben 3 und andererseits die Stiftungsforschung im en‑ geren Sinne (→ 2.2.2) die Fragestellungen der Geschlechtergeschichte bislang nicht aufgegriffen hat4. Diese Zurückhaltung hängt möglicherweise mit zwei gravie‑ renden methodischen Problemen zusam‑ men, die verallgemeinernde Aussagen arg erschweren:
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Lateinische Christen
Erstens ist die tatsächliche Bedeutung der Kategorie Geschlecht in der abendlän‑ dischen Stiftungskultur gar nicht so ein‑ fach zu isolieren. Eine bipolare Gegenüber‑ stellung von ‚Männern‘ und ‚Frauen‘ wird der Komplexität mittelalterlicher Lebens‑ verhältnisse jedenfalls kaum gerecht, und zwar nicht etwa, weil Kastraten als ‚drittes Geschlecht‘5 im okzidentalen Stiftungswe‑ sen eine ähnlich bedeutende Rolle wie im byzantinischen oder arabischem Raum ge‑ spielt hätten (→ 15.3; 15.5), sondern weil die sozialen Positionen der Akteure (→ 14.2) niemals allein über ihr Geschlecht defi‑ niert waren.6 Plakativ formuliert: Bauern, Bürger, Burgherren und Bischöfe waren zwar allesamt Männer, und doch wies ih‑ nen ihre Herkunft, ihr Beruf, ihre Weihe je spezifische Rollen innerhalb des Stiftungs‑ wesens zu. Das Gleiche galt für ihre weib‑ lichen Pendants (sofern es denn welche gab). Die offenkundige Inhomogenität der per Geschlecht definierten Gruppen und die eminente Bedeutung geschlechterüber‑ greifender sozialer Formationen wie Adel oder Religiosentum für die Partizipation Einzelner am Stiftungswesen mahnen also, die Bedeutung der Kategorie Geschlecht nicht zu stark zu strapazieren. Zweitens waren die rechtlichen und ökonomischen Rahmenbedingungen für geschlechtsspezifisches Stiftungshandeln nicht an allen Orten und zu allen Zeiten des abendländischen Mittelalters dieselben. So lässt sich etwa die Frage, wie auto‑ nom Frauen über ihren Besitz bestimmen konnten, gar nicht pauschal beantworten. Ohne zeitliche, räumliche oder ständische Differenzierungen 7 ist allenfalls festzu‑ stellen, dass die Verfügungsberechtigung von Frauen qua Gesetz stets eingeschränkt war, und zwar in Abhängigkeit von ihrer jeweiligen Stellung innerhalb der Familie: Mit der Volljährigkeit wurde eine heran‑ wachsende Frau im Prinzip geschäftsfähig,
bis zu ihrer Heirat unterstand sie aller‑ dings der Vormundschaft des Vaters, der ihre Geschäfte stellvertretend führte. De facto ergab sich die Möglichkeit, über Ver‑ mögen zu verfügen, meist erst nach der Eheschließung; nun bedurfte die Frau der Zustimmung ihres Mannes, wenn sie ge‑ meinsam mit ihrem Angetrauten erwor‑ bene Güter oder ihre Mitgift (mitunter auch ihr Erbe oder ihre Morgengabe) in Stiftungen investieren wollte. Spätestens mit der Volljährigkeit des ersten Sohnes verkomplizierte sich die Angelegenheit, weil nun auch dieser einwilligen musste, sofern sein zukünftiges Erbe betroffen war. Der vorzeitige Tod des Ehegatten konnte die Rahmenbedingungen schließlich ein weiteres Mal verändern. Zwar unterstand auch die Witwe der Schutzgewalt eines männlichen Verwandten, in ihren öko‑ nomischen Entscheidungen war sie aber meist so ungebunden wie nie zuvor in ihrem Leben; als Vormund unmündiger Kinder konnte sie sogar Stiftungen in de‑ ren Namen initiieren.8 Im Vergleich mit Frauen durften Männer viel freier über ihr Vermögen verfügen, aber doch nicht immer nur nach ihrem Belieben. Waren sie verhei‑ ratet, benötigten sie nämlich – zumindest de jure – den Konsens ihrer Gemahlin, um eheliche Güter aus der Hand geben zu können. Andere Einschränkungen ergaben sich infolge von Familienstiftungen (‚fami‑ ly trusts‘), durch die der reguläre Erbgang ausgehebelt und dem jeweils ältesten Sohn als Treuhänder lediglich ein Nießbrauch des Familienvermögens zugebilligt wurde. 15.2.2 Stifter_innen Verschiedene Erhebungen beziffern den Anteil von Frauen am regionalen oder lokalen Stiftungsaufkommen auf Werte, die zwischen 10 % und 25 % liegen.9 Auch
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wenn man die Präzision derartiger Sta‑ tistiken angesichts der oft lückenhaften Datengrundlage nicht zu hoch ansetzen darf, wird niemand ernsthaft bezweifeln, dass aus dem abendländischen Mittelalter viel mehr Stifter als Stifterinnen belegt. Inwieweit dieser Befund allerdings das tatsächliche Engagement widerspiegelt und inwieweit er bloß eine Folge zeitgenössi‑ scher Dokumentationspraktiken ist, wäre im Einzelnen noch gründlicher auszuloten, als bislang geschehen. Die Annahme, dass Frauen zwar genauso oft und genauso viel stiften wollten wie Männer, aufgrund ihrer benachteiligten Rechtsstellung aber nicht konnten, ist wohl nicht ganz falsch; sie verleitet aber dazu, die Verzerrungen auszublenden, die al‑ lein der virilozentrischen Perspektive der abendländischen Überlieferung geschul‑ det sind. So gibt es zum Beispiel zahllose Belege dafür, dass Eheleute gemeinsam Stiftungen errichteten;10 sehr häufig stiftete jedoch – zumindest nach dem Wortlaut der Stiftungsurkunde – allein der Ehemann, eher selten hingegen nur die Ehefrau. Soll man in den beiden zuletzt genannten Fäl‑ len wirklich annehmen, der jeweilige Ehe‑ partner sei in die Planung des ‚frommen Werkes‘ überhaupt nicht einbezogen wor‑ den, zumal wenn dieses auch noch dem ewigen Gedenken beider Eheleute dienen sollte? In königlichen Urkunden wird die Mitwirkung von Frauen am Stiftungspro‑ zess mitunter durch spezielle Klauseln do‑ kumentiert, in denen die Gattin (oder auch Mutter) des Herrschers als Petentin (Bitt‑ stellerin) oder Intervenientin (Vermittlerin) des Stiftungsgeschäfts erscheint. Die Pri‑ vaturkunden der adligen und bürgerlichen Stifter kennen solche Formularbestandteile nicht; hier müssen – besonders im frühen und hohen Mittelalter – andere Indizien einer Kooperation der Eheleute geprüft werden, etwa der Zweck oder auch das
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Vermögen der Stiftung. Im Spätmittelalter lässt die günstigere Überlieferungslage hingegen sehr wohl eine Differenzierung zwischen individuellen und kooperativen Stiftungsinitiativen von Ehepartnern zu.11 Hier wie dort gilt jedoch: Fallstudien verra‑ ten manchmal mehr über geschlechtsspezi‑ fische Handlungsweisen als umfangreiche Datensätze; sie sind deshalb ein wichtiges Korrektiv zu quantitativen Analysen. Lokalhistorische Akribie deckt neuer‑ dings auch auf, dass und wie Männer im Mittelalter und in der Moderne Stiftungen von Frauen für sich oder ihr Geschlecht in Anspruch nahmen, ohne dass sich das ganze Ausmaß solcher Usurpationen jetzt schon abschätzen ließe. Als paradigma‑ tisch kann die 2010 erfolgte ‚Wiederent‑ deckung‘ der Stifterin des Benediktinerin‑ nenklosters San Pier Maggiore in Florenz gelten: In den 60er Jahren des 11. Jahr‑ hunderts stiftete die Witwe Gisla aus der Familie der Firidolfi eine Gemeinschaft von Nonnen, der sie selbst als Äbtissin vorstand, der ihre vier Töchter angehörten und der sie ihren gesamten Besitz übereig‑ nete, insgesamt 17 curtes genannte Wirt‑ schaftseinheiten, die sie von ihren Eltern, ihrem Gatten und einem – wohl frühver‑ storbenen – Sohn geerbt beziehungsweise geschenkt bekommen hatte.12 Der Floren‑ tiner Bischof Peter Mezzabarba wies den Konventualinnen im Frühjahr 1067 die Kir‑ che San Pier Maggiore zu. In seiner Kon‑ firmationsurkunde verschwieg Peter das Engagement der Gisla nicht, betonte aber vor allem seinen eigenen Beitrag zum Ge‑ deihen der Stiftung.13 Aus der bischöflichen Weihe inklusive bescheidener Zustiftung wurde bald darauf in einer päpstlichen Bestätigung eine ‚Konstitution‘ des Klos‑ ters durch den Bischof, zu dessen Ausstat‑ tung auch Gisla beigetragen habe.14 Von dieser Darstellung des Stiftungsprozesses war es für moderne Geschichtsschreiber
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dann nur noch ein kleiner Schritt, Bischof Peter zum alleinigen Stifter von San Pier Maggiore zu machen.15 „Das Problem ist dabei“, wie Maureen C. Miller und Kathryn L. Jasper zu Recht betonen, „weniger die [undeutliche] Sprache des Papstes als die Tendenz der [überwiegend männlichen] Historiker, sie auf eine Art zu übersetzen, die den Stiftungsprozess einer religiösen Gemeinschaft (…) unzulässig vereinfacht und die Schlüsselrolle, die eine Frau dabei spielte, verschleiert.“16 Die quantitativen Unterschiede im mas‑ kulinen und femininen Stiftungsverhalten beruhen demnach zum Teil schlichtweg auf überlieferungsbedingten und for‑ schungsgeschichtlichen Verzerrungen, aber eben nur zum Teil: vollständig rela‑ tivieren oder gar bestreiten lassen sie sich nicht. Die Differenzen zwischen den Ge‑ schlechtern erschöpften sich zudem nicht allein im Umfang des stifterlichen Enga‑ gements, sondern betrafen auch die Art und Weise, in der dieses realisiert wurde. So lassen sich durchaus geschlechtsspe‑ zifische Formen der Dotation feststellen: Während etwa die Straßburger Männer ihre Stiftungen an die Kirchenfabrik des Münsters vereinzelt mit Waffen dotierten, gaben die Straßburger Frauen Schmuck und Pelze. Ein allgemeines Dotationsmus‑ ter lässt sich aus diesen Beispielen aller‑ dings nicht ableiten, da die meisten Stifter und Stifterinnen einfach Geld an den zur Finanzierung des Dombaus eingerichteten Fonds dedizierten (und auch die Objektstif‑ tungen in der Regel durch die Treuhänder zur Bargeldakquise zwecks Rentenkaufs eingesetzt wurden, → 10.2.3).17 Die Diffe‑ renzen zwischen den Stiftungsgütern der Straßburger Männer und Frauen sind also bei näherem Hinsehen keine Indizien für geschlechtsspezifisches Stiftungshandeln, sondern verweisen auf geschlechtsspezifi‑ sche Formen der Vermögensakkumulation
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im Vorfeld von Stiftungsakten. Solche Mus‑ ter lassen sich bereits am karolingischen Königshof beobachten, wie ein Bericht über die Stiftungen Ludwigs des Frommen und seiner Gemahlin Judith an das Kloster Se‑ ligenstadt belegt: Der König, berichtet der Höfling Einhard, „brachte den [frisch nach Seligenstadt translozierten] heiligen Mär‑ tyrern Marcellinus und Petrus jenes kleine am Fluß Are gelegene Landgut dar, das Ludolfsdorf genannt wird und aus fünf‑ zehn Hufen sowie neun Weinbergen be‑ steht. Auch die Königin brachte etwas dar, nämlich ihren aus Gold und Edelsteinen gefertigten Gürtel, der drei Pfund wiegt“.18 Anders lagen die Dinge in der spätmittel‑ alterlichen Basler Landschaft, wo die Art des bereitgestellten Stiftungsvermögens zumindest bei Frauen maßgeblich durch vermögensrechtliche Rahmenbedingun‑ gen determiniert wurde: Da die Bäuerin‑ nen für Rentenverschreibungen anders als für Immobiliengeschäfte keinen Konsens ihres männlichen Vormunds benötigten, wählten sie diese Form der Dotation an‑ scheinend sehr viel häufiger, als Bauern dies taten.19 Im Hinblick auf die Stiftungszwecke (→ 8.2; 9.2) sind ebenfalls nur wenige si‑ gnifikante Abweichungen zwischen den Geschlechtern zu konstatieren. Allein bei den edukativen Stiftungen zeigen sich eindeutig disproportionale Verteilungen: Stiftsschulen und Universitätskollegien wurden nur in absoluten Ausnahmefäl‑ len durch Stifterinnen ins Leben gerufen oder mit Zustiftungen bedacht,20 die Hohen Schulen des Abendlandes überhaupt nicht. Bei den Prädikaturen, die im Grenzbereich zwischen kultischen und edukativen Stif‑ tungen anzusiedeln sind, entspricht der Anteil der Stifterinnen hingegen durch‑ aus den sonstigen Verhältnissen.21 Im Rahmen ihres deutlich geringeren An‑ teils am Stiftungsaufkommen scheinen
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Frauen nämlich nicht öfter oder seltener als Männer kultische, caritative oder me‑ moriale Stiftungsanliegen formuliert zu haben. Die konkrete Ausgestaltung konnte dabei aber durchaus geschlechtsspezifi‑ sche Unterschiede aufweisen, wie etwa die adligen Gedenkstiftungen des frühen und hohen Mittelalters lehren. Während Stifter die liturgische Memoria durchweg an monastische oder klerikale Experten delegierten, machten Stifterinnen – zumal wenn sie wie die ottonischen Herrsche‑ rinnen Mathilde und Adelheid frühzeitig verwitwet waren 22 – den Vollzug der Stif‑ tungszwecke zu ihrem ganz persönlichen Anliegen. In der selbstgewählten Perso‑ nalunion von Stifterin, Exekutorin und Destinatärin manifestierte sich, wie die Forschung seit Jahrzehnten nicht müde wird zu betonen, die Sorge um die Memo‑ ria der Familie als geschlechtsspezifischer Lebensentwurf, als „gendered role“.23 Umso erstaunlicher ist indes, dass der Witwer als Stiftungsakteur eigenen Zuschnitts in der Mediävistik bislang noch überhaupt nicht profiliert worden ist.24 15.2.3 Profitient_innen Bereits ein kursorischer Blick in ein mit‑ telalterliches Memorialbuch (→ 5.2.3) ver‑ mittelt in der Regel den Eindruck, dass in der lateinischen Christenheit für das jenseitige Heil von Frauen weniger ge‑ betet worden ist als für dasjenige von Männern – und das gilt nicht nur für solche Exemplare, in denen die Schrei‑ ber die einzutragenden Personen bereits nach Geschlechtern trennten. 25 Dank der voranschreitenden Erschließung der mittelalterlichen Ne krologien und An‑ niversarbücher, die mittlerweile oft mit einer prosopographischen Analyse des Namenmaterials einhergeht, lässt sich
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dieser allgemeine Eindruck auch mit sta‑ tistischen Werten untermauern.26 So ent‑ fallen etwa in einem Jahrzeitbuchbuch der Bremer Stiftskirche St. Ansgarii aus dem 15. Jahrhundert von den 780 individuellen Memorialeinträgen 561 auf Männer und 219 auf Frauen.27 Etwas geringer ist die Diskrepanz in dem von ca. 1318 bis 1521 geführten ‚Wohltäterbuch‘ der Straßbur‑ ger Kathedrale, in dem 4 329 Profitienten 3 474 Profitientinnen gegenüberstehen.28 Eher ungewöhnlich erscheint hingegen die nahezu paritätische Verteilung in ei‑ nem aus dem 15. Jahrhundert stammenden Obituar der Pfarrei Saint‑Michel‑sur‑Orge, das Einzeleinträge für 44 Männer und 45 Frauen enthält.29 Aufgrund methodischer Herausforderungen sind solche Zahlen al‑ lerdings schon auf den Einzelfall bezogen problematisch;30 ihre Repräsentativität für bestimmte Epochen, Regionen oder Typen von Destinatären (Klöster, Stifte, Pfarreien, Orden, Vikarien usw.) wäre zudem durch Meta‑Studien erst noch zu erweisen. Ein induktiver Schluss auf die Verhältnisse im Allgemeinen muss sich deshalb einstwei‑ len mit der Feststellung begnügen, dass es im mittelalterlichen Abendland insgesamt mehr Profitienten als Profitientinnen von Gedenkstiftungen gab.31 Um diesen Befund zu erklären, reicht es nicht, auf die insgesamt geringere Stif‑ tungstätigkeit von Frauen zu verweisen. (→ 15.2.2) Vielmehr müssen die Memorial‑ klauseln der Stiftungsurkunden daraufhin geprüft werden, wie es um die Geschlech‑ terverhältnisse der Personen(kreise) be‑ stellt ist, für die stellvertretende Fürbitten gesprochen werden sollten, und ob jene ihrerseits durch das Geschlecht der Stif‑ tenden bestimmt wurden. Solch aufwen‑ dige Analysen sind bislang nur für sehr wenige der vorhandenen Urkundencor‑ pora geleistet worden. Als Pionierstudie kann dabei zweifellos Maria Hillebrandts
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Auswertung der cluniazensischen Urkun‑ den aus den Jahren 910 bis 1109 gelten, die zwar nicht streng genug zwischen Seelen‑ heil‑Schenkung, Schenkung unter Auflage (der Zusicherung eines Begräbnisplatzes32) und Stiftung unterscheidet,33 aber doch be‑ achtenswerte Resultate erzielt: Ihr zufolge ließen Frauen in mehr als zwei Dritteln der Urkunden, in denen sie das Rechtsgeschäft allein abschlossen, den geistigen Nutzen an ihrer Stiftung vorrangig ihrem Gatten und ihren Söhnen zukommen. Bei Män‑ nern stand dagegen das eigene Seelenheil stärker im Vordergrund.34 Die Urkunden, in denen sie auch für den spirituellen Profit von Verwandten handelten, machten weit weniger als die Hälfte ihrer Stiftungen aus. Andererseits war bei ihnen der Kreis der als Profitient_innen benannten Verwandten wesentlich größer als bei Stiftungen von Frauen. In den Urkunden des 10. Jahrhun‑ derts wurden die Eltern des Mannes, sein Onkel und sein Bruder sogar häufiger er‑ wähnt als seine Ehefrau; dies änderte sich jedoch im 11. Jahrhundert. Relativ konstant blieb hingegen die Zahl der Nennungen für die Mutter, die in Stiftungen von Frauen nie als Profitientin in Erscheinung trat. Insgesamt war das Stiftungsverhalten also zweifellos durch das Geschlecht der Stif‑ tenden bestimmt; die Chance von Frauen, als spirituelle Nutznießerinnen einer Stif‑ tung benannt zu werden, blieb dabei – viel stärker als diejenige von Männern – durch eine zweite Variable geprägt: die Stellung innerhalb der Generationenfolge der Fa‑ milie. Nicht als Tochter, sondern erst als Ehefrau, Witwe oder Mutter eines Man‑ nes erhielt sie Anteil an den spirituellen Früchten ‚frommer Werke‘, die nicht un‑ bedingt ihre eigenen sein mussten. Diese Befunde werden grosso modo durch das spätmittelalterliche Straßburger ‚Wohltä‑ terbuch‘ bestätigt, in dem man die Namen von Frauen üblicherweise durch Angaben
über ihre verwandschaftliche Beziehung zu Männern präzisierte. Als ‚Ehefrau‘ (uxor, hausfrowe, frowe) firmieren insgesamt 1 407 der eingetragenen Profitientinnen, als ‚Wit‑ we‘ (relicta, wittwe) 167, als ‚Mutter‘ (mater, mueter) 57 und als Tochter (filia, tochter) ebenfalls 57.35 15.2.4 Destinatär_innen Im Hinblick auf die Destinatäre lassen sich geschlechtsneutrale und geschlechts‑ spezifische Stiftungen voneinander unter‑ scheiden. Zur ersten Gruppe zählen alle Stif‑ tungen, deren Erträge an geschlechtlich unbestimmte Empfänger ausgeschüttet werden sollten. Weil es sich in den meis‑ ten Fällen um nicht näher spezifizierte ‚Arme‘ (→ 14.2.1; 14.2.4) handelte, bilden Almosenstiftungen und Wohnstiftungen das Gros der geschlechtsneutralen Stif‑ tungen im abendländischen Mittelalter. Ihnen zur Seite zu stellen sind die Spital‑ stiftungen, die sich ebenfalls an Männer und Frauen wandten, allerdings nicht in gleichem Umfang. Fast alle Hospitäler trennten ihre Kammern nämlich nach Geschlechtern, wobei stets mehr Betten für Männer als für Frauen vorgehalten wurden.36 Da es vielleicht mehr fremde, aber sicher nicht mehr kranke oder alte Männer als Frauen zu versorgen galt, kann diese Disparität nicht auf den tatsächli‑ chen Bedarf an christlicher Nächstenlie‑ be zurückgeführt werden. Welche Rolle entsprechende Anweisungen von Stiftern und das eigenmächtige Handeln der Stif‑ tungsverwalter jeweils für die Verste‑ tigung der Benachteiligung von Frauen im Spitalwesen spielte, wäre deshalb im Einzelnen noch zu untersuchen. Die geschlechtsspezifischen Stiftungen zerfielen in drei Gruppen: (1.) Stiftungen
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mit ausschließlich männlichen Destinatä‑ ren, (2.) Stiftungen mit ausschließlich weib‑ lichen Destinatären und (3.) Stiftungen mit männlichen und weiblichen Destinatären, die als distinkte, aber durch Stiftungsver‑ mögen, ‑verwaltung und ‑vollzug mitein‑ ander verbundene Gruppen agieren sollten. (1.) Die klassische Form der reinen Männer‑ Stiftung waren Mönchskonvente und Kano‑ nikerkapitel, also Gruppen von Männern, die ein gemeinsames Leben hinter Mauern führten, das maßgeblich durch das gemein‑ schaftliche Psalmodieren der liturgischen Tagzeiten geprägt wurde.37 Mit der Etablie‑ rung von individuellen Pfründen für Welt‑ geistliche38 entstand ab dem 11. Jahrhundert die Möglichkeit, auch für einzelne Männer zu stiften. Zunächst errichtete man vor allem weitere Kanonikate an Stiftskirchen, später auch Altar‑ und Predigerpfründen, die in Pfarrkirchen, Kapellen, Kanoniker‑ oder Kanonissenstiften angesiedelt sein konnten. (→ 8.2.4) Darüber hinaus wur‑ de das Konstrukt der Pfründstiftung bei der Ausbildung zukünftiger Mönche und Kanoniker genutzt: Seit dem 13. Jahrhun‑ dert gab es nicht nur eigene Pfründen für Kloster‑39 und Stiftsschüler40, sondern auch eine kontinuierlich ansteigende Zahl von Kollegiaturen, die den Studenten für die Zeit ihres Universitätsbesuches Obdach, Nahrung und Kleidung boten.41 Im Spätmit‑ telalter konnten schließlich auch einfache Laien in den Genuss gestifteter Pfründen kommen, die jedoch lediglich zum lebens‑ langen Aufenthalt in einem Armenhaus berechtigten.42 Stiftungen für männliche Destinatäre beschränkten sich meist nicht auf eine geschlechtsspezifische Ausschüttung der Stiftungserträge, sie verlangten von den Benefiziaren auch einen Lebensstil, der durch eine weitgehende Absonderung vom weiblichen Geschlecht geprägt war. So
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bestimmten etwa die 1377 erlassenen Sta‑ tuten des Collegio di Spagna in Bologna: „Weil Frauen das Haupt des Bösen sind, die Waffe des Teufels, die Vertreibung aus dem Paradies sowie die Zerstörung des Alten Gesetzes, und darum aller Umgang mit ihnen sorgfältig gemieden werden sollte, untersagen wir jedem [Kollegiaten] aus‑ drücklich, es zu wagen, eine Frau, wie res‑ pektabel sie auch sei, in das genannte Kol‑ leg hineinzuführen. Und wenn es irgend‑ jemand anders halte, soll er vom Rektor schwer bestraft werden, außer wenn seine Mutter, seine Schwester oder eine Person, bei der die natürliche [verwandtschaftli‑ che] Verbundenheit keinen Verdacht eines Frevels erlaubt, gekommen sei, um ihn zu besuchen. Diese [Frauen] mögen von ihren Verwandten hineingeführt werden, nachdem die Erlaubnis des Rektors erbeten und erteilt wurde. Sie dürfen sich [inner‑ halb des Kollegs] für eine kurze Zeit unter den Augen der Allgemeinheit aufhalten, aber sie dürfen hier niemals die Nacht verbringen, wie eng ihr Verhältnis auch sein möge. Jeder, sei er nun Rektor oder einfacher Kollegiat, der irgendeiner Frau, auch wenn sie seine Mutter, Schwester oder andere Verwandte wäre, über Nacht in dem Kolleg Aufenthalt verschaffen oder der eine fleischliche Sünde mit irgend‑ einer Frau begehen sollte, verliere jedes Recht, das er gegenüber dem Kollegium habe, und werde vertrieben.“43 Im Oxforder Magdalen College wiederum waren Frau‑ en nicht nur als Besucherinnen, sondern auch als Bedienstete unerwünscht: „Wir bestimmen“, heißt es in den 1479 erlasse‑ nen Statuten des Stifters William Wayn‑ flete, Bischofs von Winchester, „dass alle Dienstleistungen für das genannte Kolleg und die zugehörigen Personen, insbeson‑ dere innerhalb des Kolleggebäudes, von Männern ausgeführt werden sollen, auf dass jedes böse Verdachtsmoment so gut
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wie möglich vermieden werde; außer viel‑ leicht in Ermangelung eines männlichen Wäschers eine Wäscherin für die Hand‑ und Tischtücher, die durch die Hand des Torwächters erhalten darf, was zu wa‑ schen ist; [sofern] sie in einem solchen Alter ist, in dem ein böser Verdacht mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mehr aufkommen kann.“44 Bestimmungen wie diese zeugen nicht nur von einem gan‑ zen Arsenal theologischer Misogynie, das die lateinische Christenheit seit der Spät‑ antike hegte und pflegte,45 sondern belegen ein weiteres Mal, wie stark die soziale Position von Frauen im Stiftungswesen ei‑ nerseits durch ihre Stellung innerhalb der Familie, andererseits durch ihr Lebensalter bestimmt war. Als normative Texte dür‑ fen die Bestimmungen der Statuten aber auch nicht zu wörtlich genommen werden, zeigt doch etwa die Rechnungsüberliefe‑ rung, dass Frauenkontakte durchaus zum Alltag spätmittelalterlicher Kollegiaten gehörten.46 Lady Margaret Beaufort, die Mutter König Heinrichs VII. von England, residierte sogar in dem von ihr 1505 in Cambridge gestifteten Christ College.47 (2.) Reine Frauen‑Stiftungen orientierten sich im frühen und hohen Mittelalter stark am Vorbild ihrer männlichen Pendants. Ob man seit dem Aachener Konzil von 816/817 – in Analogie zur Differenzierung der maskulinen Religiosen in Mönche und Kanoniker – auch kategorisch unterschied zwischen ‚Nonnen‘, die der Welt hinter Klostermauern endgültig entsagten, und ‚Kanonissen‘, die an Privatbesitz und Erb‑ ansprüchen festhalten und ihr Stift unter Umständen auch wieder verlassen konnten, ist in der Forschung umstritten.48 Spätes‑ tens die Kirchenreformer des 11. Jahrhun‑ derts wetterten jedenfalls gegen die ‚Sä‑ kularkanonissen‘ genauso wie gegen die ‚Säkularkanoniker‘.49
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Im 12. und 13. Jahrhundert erwiesen sich insbesondere Klosterstiftungen von Frauen für Frauen als ein wirksames Mittel, um den neu entstehenden religiösen Orden weibliche Zweige ‚aufzuzwingen‘.50 Eine prominente Rolle spielte dabei etwa die verwitwete Gräfin Amicia de Montfort. Um 1245 gründete sie zunächst in Mont‑ argis einen Konvent von „Schwestern“51 und erlangte dann von Innozenz IV. ein päpstliches Mandat, das den Dominika‑ nern sowohl die seelsorgerliche als auch die vermögensrechtliche Betreuung der Konventualinnen auftrug, wodurch – ge‑ gen den Willen der Ordensleitung – eine vollständige Inkorporation in den Orden angebahnt wurde.52 Mit dieser Entschei‑ dung des Oberhirten war „der Damm ge‑ brochen“53, und es kam – wie etwa ein halbes Jahrhundert zuvor bei den Zisterzi‑ ensern 54 – zu einer regelrechten Stiftungs‑ welle von weiblichen Konventen. Ungefähr zur selben Zeit entstand mit dem ‚Orden der heiligen Maria Magdalena zur Buße‘, dessen Schwestern zunächst allesamt ehe‑ malige Prostituierte waren, auch der erste rein weibliche Orden der abendländischen Christenheit. Für diese Nonnen, die man Magdalenerinnen oder Reuerinnen nannte, wurden innerhalb weniger Jahrzehnte in allen größeren Städten des Reiches eigene Dependancen gestiftet.55 Da in den Kanonissenstiften die gemein‑ same praebenda (‚Lebensunterhalt‘) seit dem 11. Jahrhundert zwar vom Gut der Äbtissin getrennt, aber nicht in Einzel‑ pfründen zerlegt wurde,56 ist mit zusätz‑ lichen Pfründstiftungen für Frauen nicht zu rechnen. Neue Formen von Stiftungen, die ausschließlich weibliche Destinatäre haben sollten, entstanden jedoch im Spät‑ mittelalter jenseits kirchlicher Strukturen. Hierzu zählen die ausschließlich Frauen vorbehaltenen Armenhäuser, die aller‑ dings erst in den letzten Jahrzehnten des
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Mittelalters üblich wurden.57 Vorher waren Freiwohnungen regelmäßig männlichen Destinatären vorbehalten, deren Frauen und Kinder lediglich geduldet wurden. Die Statuten des Leidener Jerusalemhofje be‑ stimmten in diesem Sinne, dass eine Frau die bewohnte Kammer unverzüglich zu räumen habe, sobald ihr Mann verstarb; immerhin stand ihr für diesen Fall das hal‑ be Erbe zu.58 Spezifisch weibliche Notlagen situativer oder temporärer Natur linderten darüber hinaus verschiedene caritative Stiftungstypen, die sich in den Stadtge‑ meinden des 14. und 15. Jahrhunderts zu‑ nehmender Beliebtheit erfreuten. Hierzu zählten insbesondere die Aussteuer‑59 und die Wöchnerinnen‑Stiftungen60.
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nur dann, wenn beide Teile des Konvents in unmittelbarer Nachbarschaft, besser noch: an demselben Ort, möglichst in einer archi‑ tektonisch zusammenhängenden Anlage wohnen und eine organisatorisch‑ökonomi‑ sche Einheit bilden.“62 Solche Institute wur‑ den während des gesamten Mittelalters im Abendland gestiftet, wobei sich allerdings regional unterschiedliche Konjunkturen feststellen lassen.63 Doppelklöster entstanden oft nicht plan‑ voll, sondern entwickelten sich in kontin‑ genten Prozessen aus loseren Formen der kohabitativen Askese. Wo aber eindeutig Stifter_innen selbst am Werke waren, lässt sich auch ein gemeinsames Motiv fest‑ stellen: „Viele symbiotische Konvente des Frühmittelalters, vor allem in Spanien und (3.) Zu den Stiftungen, deren Vollzug und Gallien und auch im irischen Raum, gehen Verwaltung auf ein Zusammenwirken ebenso wie auch viele Gründungen des der Geschlechter angelegt war, gehören Hochmittelalters auf Familienstiftungen in erster Linie solche Kommunitäten, die zurück, bei denen die gemeinsamen Güter als ‚Doppelklöster‘ (beziehungsweise ‚Dop‑ in eine einzige Institution investiert wur‑ pelstifte‘) bezeichnet werden. In der For‑ den, die den männlichen und weiblichen schungspraxis wirft ihre Identifizierung Mitgliedern [der Familie] gleichermaßen allerdings erhebliche Probleme auf, denn eine vita religiosa ermöglichte.“64 auch die ‚reinen‘ Mönchs‑ oder Nonnen‑ klöster waren vielfach nicht so mono‑ge‑ Die verschiedenen Typen geschlechtlich schlechtliche Institutionen, wie man auf exklusiver beziehungsweise geschlechtlich den ersten Blick annehmen könnte: Sank‑ integrativer Stiftungen fanden im abend‑ timonialen blieben für die Feier der Messe, ländischen Mittelalter eine ganz unter‑ den Empfang der Sakramente und die Ver‑ schiedliche Verbreitung. Das lag nicht nur waltung ihres Besitzes ja stets auf Männer daran, dass Frauenkonvente und Doppel‑ als Priester und Vögte angewiesen;61 von klöster viel seltener als Mönchsklöster und den Mönchen und Kanonikern wiederum Kollegiatkapitel gestiftet wurden, sondern versorgten nicht wenige auch weibliche auch an den signifikant geringeren ‚Über‑ Inklusen; und mit der seit dem 11. Jahrhun‑ lebenschancen‘ solcher Institute. Zweckra‑ dert praktizierten Integration von Konver‑ tionale Überlegungen der Stiftererben oder sen (Laienbrüdern und ‑schwestern) in die Stiftungsverwalter, die Sorge des zustän‑ klösterlichen Gemeinschaften wurden die digen Bischofs vor tatsächlichen oder ver‑ Geschlechterverhältnisse vor Ort noch un‑ meintlichen Skandalen, das Fehlen anderer übersichtlicher. „Von einem Doppelkloster, Stiftungsgaranten und – nicht zuletzt – in dem Mönche und Nonnen leben, oder unverhohlene Misogynie der männlichen von einem Doppelstift, in dem Kanoniker Entscheidungsträger gingen dabei vielfach und Kanonissen leben, sprechen wir aber verhängnisvolle Allianzen ein.
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Das Frauenkloster, das Graf Rodulf von Cahors mit seiner Gemahlin Aiga 823 in Sarrazac stiftete, war zum Beispiel zwei‑ fellos als eine ‚Stiftung für die Ewigkeit‘65 projektiert und existierte trotzdem gerade einmal ein halbes Jahrhundert. Der Graf hatte den Nonnenkonvent, der unter der Leitung seiner Tochter Immena stand, be‑ reits zu Lebzeiten als Bestattungsort aus‑ erkoren und deshalb großzügig mit Gütern ausgestattet. Nachdem er 843/844 tatsäch‑ lich in Sarrazac seine letzte Ruhe gefunden hatte, sicherten seine Nachkommen den Memorialdienst am Grabe zunächst durch weitere Zustiftungen ab. Aber fünfzehn Jahre später verwandte Immenas Bruder Rodulf, der seit 840 als Erzbischof von Bour‑ ges amtierte, das gesamte Grundstockver‑ mögen der Sarrazacer Stiftung, um damit unter anderem zum Seelenheil seines Vaters seine eigene Klostergründung in Beaulieu zu dotieren, die für Mönche und nicht für Nonnen gedacht war. Die offenkundige Missachtung eines expliziten Stifterwillens resultierte – so die überzeugende Deutung von Jane Martindale – aus der zwischen‑ zeitlich stark veränderten Einstellung zur ‚liturgischen Leistungsfähigkeit‘ von weib‑ lichen Kommunitäten: „Da Frauen davon ausgeschlossen waren, die Eucharistie zu vollziehen, und deshalb offenkundig nicht in der Lage waren, stellvertretende Messop‑ fer persönlich zu leisten, dürften Stifter und Wohltäter [gerade angesichts zunehmend individualisierter Memorialpraktiken] bei ihrer Jenseitsvorsorge immer stärker für dieses Dilemma sensibilisiert worden sein. (…) Wahrscheinlich betrachtete Erzbischof Rodulf die von seinen Mönchen in Beau‑ lieu besorgte commemoratio einfach als ef‑ fektiver als alles, was den Nonnen seiner Schwester jemals anvertraut worden war.“66 Trotz der geschlechtsbedingten Ein‑ schränkungen haben Stifter_innen auch in späteren Zeiten Frauen damit beauftragt,
ihrer im Gebet zu gedenken. Utilitaristi‑ sche Erklärungen für dieses Phänomen ver‑ weisen in der Regel darauf, dass weibliche Konvente neben jenseitigen auch diessei‑ tige Zwecke erfüllen konnten. So hat man etwa für die im 9. Jahrhundert einsetzende Gründungswelle von Kanonissenstiften in Sachsen ganz unterschiedliche inner‑ weltliche Motive benannt: Nach Johanna Heineken waren die pro‑karolingischen Stifter bestrebt, das Erbgut ihrer Töchter dem Zugriff oppositioneller Adelsfamili‑ en zu entziehen.67 Nach Karl Leyser ging es vor allem um den Schutz der Töchter selbst, die bis zu ihrer Heirat in einer Art Jungfrauenreservat ‚geparkt‘ werden soll‑ ten.68 Nach Caspar Ehlers resultierte die Attraktivität dieser Stiftungsform vor al‑ lem aus dem Amt der Äbtissin, das, solan‑ ge es aus der Verwandtschaft des Stifters besetzt werde, „das Potential der Familie zur Machtausübung“69 steigerte. Anders als von ihren Gründer_innen erhofft, sollte je‑ doch gerade diese Weltzugewandtheit den meisten sächsischen Frauenstiften bereits im 11./12. Jahrhundert zum Verhängnis wer‑ den. Kirchenreformer beklagten nämlich die – angebliche – Unsittlichkeit der Ka‑ nonissen so vehement, dass die zuständi‑ gen Metropoliten entweder die Disziplin der Frauen durch die Oktroyierung der Benedikts‑ oder Augustinusregel ‚erhöhten‘ oder anstelle der weiblichen gleich männ‑ liche Kommunitäten in die Stiftsgebäude beorderten.70 15.2.5 Verwalter_innen Die Administration von Stiftungen lag im abendländischen Mittelalter ganz überwie‑ gend in den Händen von Männern. Selbst bei Stiftungen, die ausschließlich weibliche Destinatäre hatten, war ihre Mitwirkung an der Verwaltung meist unumgänglich,
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sobald es galt, Ansprüche gegenüber Drit‑ ten geltend zu machen. Innerhalb der Klostermauern konnten und sollten alle Stiftungsbelange allein durch weibliche Amtsträger erledigt werden, die aus den Reihen der Konventualinnen rekrutiert wurden: Äbtissinnen, Priorinnen, Pröps‑ tinnen und Dechantinnen sorgten für die erforderliche Disziplin beim Gottesdienst und im Gemeinschaftsleben, Kustorinnen kümmerten sich um Pretiosen und Para‑ mente, Kellerinnen behielten den Überblick über Vermögen und Vorräte, Bursierinnen verwalteten den Bargeldbestand und Pitan‑ zerinnen organisierten die Aufbesserung
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der Kost im Gegenzug für konkrete Stif‑ tungsleistungen. Jenseits der Klostermau‑ ern hingegen bedurfte es männlicher Inter‑ essenvertreter, die als Konversen des Klos‑ ters oder als Angestellte einzelner Kloster‑ oder Stiftsämter die Stiftungserträge vor Ort erhoben, bestimmte Besitzansprüche bei Gericht durchsetzten und so weiter. Das lag nicht nur an der eingeschränkten rechtlichen Handlungsfreiheit von Frauen (→ 15.2.1), sondern auch und vor allem an den strengen Klausurbestimmungen, die für fast alle weiblichen Destinatäre galten.71 TL
Anmerkungen 1 Vgl. Bennett / Karras, Oxford Handbook of Wo‑ 5 In der mediävistischen Gender‑Forschung
men and Gender (2013). Über die wichtigsten For‑ werden die zönobitisch lebenden Religiosen mit‑ schungsansätze und ‑kontroversen informieren unter als ‚drittes Geschlecht‘ aufgefasst; der heu‑ H. Kümper, Gender Studies (2010), und – pointier‑ ristische Nutzen einer solchen Kategorisierung ter – Liftshitz, Differences (2003). Speziell zum scheint aber zweifelhaft. Vgl. Signori, Lebensstän‑ Forschungszweig der Masculinity Studies siehe de – Mann und Frau (2013). – Zu Hermaphrodi‑ Pigg, Masculinity Studies (2010). ten, über deren Partizipation am Stiftungswesen 2 Vgl. Borgolte, Totale Geschichte (1993, ND 2012). nichts bekannt ist, siehe jetzt Rolker, Hermaph‑ 3 Als Ausnahme kann vor allem Göbel, Me‑ rodit (2013). moria und Seelenheil (2002), angeführt werden. 6 Vgl. grundsätzlich Lifshitz, Differences (2003), Göbel schränkt den Anspruch ihrer Studie al‑ 299 f. lerdings selbst erheblich ein, indem sie ebd., 8 f., 7 Vgl. etwa Röckelein, Klostergründungen (2008), feststellt: „Eine systematische Untersuchung von 53 f. Unterschieden und Gemeinsamkeiten männli‑ 8 Vgl. Spieß, Familie und Verwandschaft (2015), chen und weiblichen Stiftens kann hier nicht ge‑ 131–198; 327–381; Othenin-Girard, Ländliche Le‑ leistet werden, geschlechtsspezifische Aspekte bensweise (1994), 97 f.; Hellmuth, Frau und Besitz des Themas sind aber zumindest streiflichtartig (1998); Rasmussen, Monastic Benefactors (2006), einzubeziehen.“ 89 f. 4 Die wertvollen Fallstudien von Martindale, Nun 9 Vgl. Herlihy, Land, Family and Women (1962), Immena (1990, ND 1997), Hillebrandt, Stiftungen 106–108 (8.–12. Jahrhundert, Landschenkungen zum Seelenheil (1991), Schlütter-Schindler, Frauen und ‑stiftungen von nicht‑königlichen Laien an der Herzöge (1999), und Hörmann-Thurn und Taxis, Kirchen in Italien, Deutschland, Frankreich und Mächtige Fürstinnen (2015), bleiben im Wesentli‑ Spanien; siehe dazu auch Geary, Phantoms of chen einer frauengeschichtlichen Perspektive ver‑ Remembrance [1994], 65); Rasmussen, Monastic haftet, die seit dem Aufblühen der Gender Studies Benefactors (2006), 89 (12.–14. Jahrhundert, Stif‑ forschungsstrategisch als überholt gelten kann. tungen und Schenkungen an Klöster in England Vgl. zu diesem Paradigmenwechsel bereits Borgolte, und Dänemark); Othenin-Girard, Ländliche Le‑ Sozialgeschichte (1996), 423–444, bes. 435 f.; 440 f. bensweise (1994), 98 mit Anm. 183 (15. Jahrhundert,
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bäuerliches Milieu, Anniversarstiftungen in weiterführend W. Davies, Acts of Giving (2007), 131 mit Anm. 69. Pfarrkirchen der Basler Landschaft). 10 Vgl. ebd., 91 f.; 98. 24 Reichhaltiges Quellenmaterial findet sich 11 Vgl. Hörmann-Thurn und Taxis, Mächtige hierzu – wie auch sonst – insbesondere bei Kö‑ Fürstinnen (2015), passim. nigen. Vgl. etwa Dilba, Memoriae Reginae (2009), 12 Vgl. M. C. Miller / Jasper, Foundation (2010), bes. 373–388. 384 f. Eine Edition und engl. Übers. der rückda‑ 25 Besonders augenfällig etwa im Nekrolog des tierten Stiftungsurkunde Gislas, aus der all dies Klosters Ochsenhausen von 1494, in dem jeweils hervorgeht, ebd., 388–391; 393–396. die linke Doppelseite für Männer und die rechte 13 Edition und engl. Übers. ebd., 387 f.; 391–393. Doppelseite für Frauen bestimmt war (Staatliche 14 Alexandri II pontificis Romani epistolae et Bibliothek Kynžvart, Ms. 48 [20.E.33]). Vgl. die diplomata, in: PL 146, 1279–1430, hier 1330, Nr. 50: Reproduktion der Folien 118v und 119r in: Das Ne‑ Et quia fraternitas tua insinuavit sanctae apostolicae krolog des Klosters Ochsenhausen von 1494. [Ed. sedi se (…) in ecclesia Sancti Petri (…) monasterium Johann Wilhelm Braun]. Eingeleitet, mit Registern constituisse. versehen und redigiert von Boris Bigott. (Veröf‑ 15 Vgl. die Belege bei M. C. Miller / Jasper, Foun‑ fentlichungen der Kommission für Geschicht‑ dation (2010), 381 f. mit Anm. 4. liche Landeskunde in Baden‑Württemberg. Rei‑ 16 Ebd., 386. Dort wird dieser Habitus (zu) zag‑ he A, Bd. 53.) Stuttgart 2010, Abb. 12 f.; siehe auch haft als „sexistisch“ gebrandmarkt (ebd., 385). ebd., XLVIII; LIV f.; LVII f. Zur Sonderstellung von Zu den wissenschaftsgeschichtlichen Wurzeln Frauennamen im Layout der cluniazensischen solcher „scholarly distortion“ vgl. Lifshitz, Dif‑ Nekrologien siehe Poeck, Formgeschichtliche ferences (2003), 301 f. Zur mangelnden Präzisi‑ Beobachtungen (1984), 731–733. Es muss betont on der mittelalterlichen Stiftungsterminologie werden, dass in beiden angeführten Beispielen die → 1.2.2. Ähnliche Schicksale von Stifterinnen eingetragenen Frauen in der Regel keine Stifterin‑ schildern auch Huschner, Gründung (2008), 350; nen, sondern Mitglieder des nekrologführenden Hörmann-Thurn und Taxis, Mächtige Fürstinnen Konvents oder diesem durch Gebetsverbrüderung (2015), 379. verbunden waren. 17 Vgl. Stanford, Commemorating the Dead 26 Auffälligerweise wird aber gerade in Edi‑ (2011), 44–57. tionen mit besonders aufwendigen Personen‑ 18 Translatio et miracula SS. Marcellini et Petri kommentaren das Geschlechterverhältnis des auctore Einhardo. Ed. Georg Waitz, in: MGH SS Eintragsbestands durch die Editor_innen nicht ei‑ 15.1. Hannover 1887, 238–264, hier 247, lib. 2, cap. 6: gens thematisiert. Vgl. Oepen, Totenbücher (1999); [Rex] obtulit beatis martyribus Marcellino et Petro Holtschoppen, St. Vitus zu Gladbach (2008). Zur quoddam praediolum, situm iuxta fluvium Aram, Editionsgeschichte der Memorialüberlieferung vocabulo Hludolvesthorp, habens mansos quindecim siehe Schieffer, Memorialquellen (2015). et vinearum aripennes novem. Obtulit et regina 27 Vgl. Presuhn, Tot ist, wer vergessen wird cingulum suum ex auro et gemmis factum, pen- (2001), 277 f. sans libras tres. 28 Vgl. Stanford, Commemorating the Dead 19 Vgl. Othenin-Girard, Ländliche Lebensweise (2011), 26. (1994), 97. 29 Vgl. L’Obituaire de Saint‑Michel‑sur‑Orge. 20 Zu Kollegstiftungen: Gorochov, Collège de Ed. Nicole Lemaître. (Recueil des Historiens de Navarre (1997); Durning, Woman on Top (2000); la France. Obituaires. Série in‑8°, Bd. 5.) Paris zu Schulstiftungen: Rüter, Salve Regina Schul‑ 2002, 15. stiftung (1974). 30 Vgl. Presuhn, Tot ist, wer vergessen wird 21 Vgl. Neidiger, Prädikaturstiftungen (2011). (2001), 275–278; Stanford, Commemorating the 22 Vgl. Göbel, Memoria und Seelenheil (2002). Dead (2011), 27, Tabelle 1.3. 23 Innes, Keeping it (2001), 17. Siehe bereits 31 Das dürfte grosso modo auch für andere Althoff, Adels‑ und Königsfamilien (1984), 238 f.; Stiftungen gelten, deren Stiftungszweck nicht Geary, Phantoms of Remembrance (1994), 51–73; – oder nicht nur – in der Gebetshilfe bestand,
132 sondern auf die Generierung religiösen Verdiens‑ tes durch stellvertretende Nächstenliebe oder Frömmigkeitsleistungen abzielten. (→ 8.2; 9.2) Hier sind die methodischen Probleme der Profi‑ tient_innen‑Ermittlung aber noch größer als bei den Gedenkstiftungen. 32 Zu den durch Schenkungen angebahnten Laienbegräbnissen siehe auch Poeck, Laienbe‑ gräbnisse (1981). 33 Vgl. Hillebrandt, Stiftungen zum Seelenheil (1991), 59, Anm. 12. Zur Abgrenzung der Phänome‑ ne siehe Borgolte, Stiftungsurkunden Heinrichs II. (1993, ND 2012). – Das Folgende in enger, oft wört‑ licher Anlehnung an Hillebrandt, Stiftungen zum Seelenheil (1991), 61–63. 34 Ähnliche Beobachtungen machte W. Davies, Acts of Giving (2007), 131, anhand nordspanischer Urkunden des 10. Jahrhunderts. 35 Vgl. Stanford, Commemorating the Dead (2011), 27; 32–34. 36 Vgl. Brodman, Unequal in Charity (2006), 31 f. 37 Vgl. Diem, Monastisches Experiment (2005). 38 Vgl. zu diesem Prozess die instruktive Fall‑ studie von Dan. Berger, Stift (2011). 39 Vgl. Bowers, Almonry Schools (1999); Greatrex, Almonry School (1994); Rushton, Spatial As‑ pects (2002). 40 Vorreiter der Verpfründung stiftischer Schu‑ len waren die Einrichtungen, in denen Knaben unter Anleitung eines Choralmeisters eine spe‑ zielle Gesangsausbildung erhielten. Vgl. Demouy, Pueri chori (1993), 139 (Frankreich); Reynaud, En‑ fants de chœr (2002), 13 f.; 141 f. (Spanien); Mould, English Chorister (2007), 27 f. (England). 41 Vgl. den konzisen Überblick von Schwinges, University Colleges (2008). Siehe auch Denley, Collegiate Movement (1991); Geelhaar, Stiftungs‑ zweck Bildung (2007). 42 Ein Beispiel: Goodall, God’s House (2001). 43 The Spanish College at Bologna in the Four‑ teenth Century. Edition and Translation of Its Statutes, with Introduction and Notes. Ed. Berthe M. Marti. Philadelphia 1966, 274–276: Et quia mulier est caput peccati, arma diaboli, expulsio paradisi et corrupcio legis antique, et propterea omnis eius conuersacio sit diligencius euictanda, interdicimus et inhibemus expresse ne aliquis mulieres aliquas, quantumcumque honestas in dicto collegio audeat modo aliquo introducere. Et si secus fecerit, grauiter
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a rectore pugniatur, nisi forte mater uel soror uel tales persone inter quas naturale fedus nichil permittit seui criminis suspicari ueniret aliquem uisitatum, tunc de licencia rectoris primittus petita et obtenta, tales introduci possint per earum coniunctos, et ad tempus breue et publice retineri, ad pernoctandum nunquam, quantumcumque sint coniuncte persone. Vnde quicumque, sit ille rector uel quis alter, qui ad pernoctandum in dicto collegio mulierem aliquam retinuerit, eciam si mater esset, uel soror uel alia, quantumcumque coniuncta persona, uel uicium carnis ibidem cum aliqua perpetrauerit, (…) sit priuatus omni iure quod ad collegium habuerit et de ipso protinus expellatur. 44 Statutes of Magdalen College, Oxford, in: Statutes of the Colleges in Oxford, with Royal Patents of Foundation, Injunctions of Visitors, and Catalogues of Documents Relating to the University, Preserved in the Public Record Of‑ fice, Bd. 2. Oxford / London 1853, 5–67, hier 25 f.: ordinamus, (…) quod singula ministeria dicto Collegio et personis ejusdem competentia, praesertim intra mansum ejusdem Collegii, fiant per masculos; ut quaelibet sinistra suspicio in quantum fieri poterit cautius evitetur: nisi forte sit mapparum ac aliorum usualium vestimentorum lotrix, quae per manu janitoris (…) singula recipiat sic lavanda in defectu lotoris masculi: quam talis aetatis talisque conditionis esse volumus in quam sinistra suspicio verisimiliter cadere non debeat. Vgl. dazu auch Fletcher / Upton, Monastic enclave (1987), 2 f. Zum Stiftungsprozess des Kollegs siehe V. Davies, William Waynflete (1993), 57–73. 45 Vgl. P. G. Schmidt, Misogyne Tradition (2006). 46 Vgl. Fletcher / Upton, Monastic enclave (1987). 47 Vgl. Durning, Woman on Top (2000). 48 Pro: Crusius, Sanctimoniales (2001), 30 f. Con‑ tra: Felten, Weg zu Kanonissen (2004, ND 2011). Vgl. auch Schilp, Norm und Wirklichkeit (1998). 49 Vgl. Crusius, Sanctimoniales (2001), 10 f.; Felten, Weg zu Kanonissen (2004, ND 2011), 91. 50 Zu den Widerständen der männlichen Or‑ densleitungen vgl. I. W. Frank, Dominikanerinnen (2006); Felten, Zisterzienser (2009). 51 Ein späterer Chronist begründete dies wie folgt: „Weil sie kein Mann war, und deshalb nicht [Predigt‑]Bruder sein durfte, aber wenigstens Schwester sein wollte, schuf sie das Haus der Schwestern in Montargis und stattete es gut aus“
Lateinische Christen
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(Quia homo non erat, nec poterat esse frater, vel sal- 58 Vgl. Nübel, Mittelalterliche Beginen‑ und tem soror fieret, fecit domum sororum de Montargis Sozialsiedlungen (1970), 246; 248. et bene dotavit, zit. nach I. W. Frank, Dominika‑ 59 Vgl. Kießling, Pfennigalmosen (1990); Rupnerinnen [2006], 115, Anm. 31.). recht, Stiftungen (2011), 51 f. Inwieweit dieser Stif‑ 52 Vgl. ebd., 115 f. tungstypus auch außerhalb des Reiches Verbrei‑ 53 Vgl. ebd., 117. tung fand, wäre noch zu ermitteln. In Katalonien 54 Die formale Eingliederung der weiblichen und Italien unterstützten vor allem zweckgebun‑ Konvente in den Orden erfolgte erst 1213. Vgl. dene Almosensammlungen von Bruderschaften Eberl, Frauenzisterzen (2006), 56. – Statistische und Pfarreien sowie zweckgebundene Legate Angaben zur Zunahme männlicher und weib‑ heiratswillige Frauen beim Auf bringen ihrer licher Konvente bei Felten, Zisterzienserorden Aussteuer. Vgl. Brodman, Charity and Welfare und die Frauen (2000, ND 2011), 215–224. – Die (1998), 100–103. Siehe ferner → 17.2.3. große Bedeutung von adligen Stifterinnen für 60 Ein Beispiel: Rüger, Mittelalterliches Almo‑ diese Konjunktur erhellen vor allem einschlägi‑ senwesen (1932), 29 f. ge Fallstudien. Vgl. McDonald, Foundation and 61 Zur ‚selbständigen‘ Liturgie fränkischer Patronage (1999); E. L. Jordan, Patronage (2002); Frauenkonvente siehe jedoch Muschiol, Famula Berman, Noble Women’s Power (2009). dei (1994). 55 Vgl. Cariboni, Gregorio IX (1999). 62 Haarländer, Schlangen unter den Fischen 56 Dan. Berger, Einnehmen, Verteilen, Empfan‑ (2002), 56. Vgl. auch Dies., Doppelklöster (2006), 27–34. gen (2007), bes. 75. 57 Sie sind nicht zu verwechseln mit den lai‑ 63 Vgl. Jenal, Doppelklöster (1992); Baltruschkalen Beginenkonventen, die keine Stiftungen, Schneider, Angelsächsische Doppelklöster (1992); sondern Schwesternschaften waren, als solche Linage Conde, Tardía supervivencia (1992). aber mitunter zum Treuhänder von Stiftungen 64 Haarländer, Doppelklöster (2006), 40. wurden, etwa für die Pfründe des Kaplans, der 65 Vgl. Lohse, Dauer (2011), 14–19. mit ihrer Seelsorge betraut wurde. Zur Abgren‑ 66 Martindale, Nun Immena (1990, ND 1997), 40. zung siehe Hilz, Seelhäuser (2010); relativierend 67 Vgl. Heineken, Anfänge (1909), 90 f. Signori, Haus, Name und memoria (2009), 88. Den 68 Vgl. Leyser, Herrschaft und Konflikt (1984), allgemeinen Stiftungscharakter der Beginenhö‑ 107 f. fe bezweifelte bereits Witt, Beginenhöfe (2005), 69 C. Ehlers, Franken und Sachsen (2006), 30. 212; 276. Für Beispiele fiduziarischer Pfründstif‑ 70 Vgl. Andermann, Unsittliche und disziplin‑ tungen siehe aber ebd., 137 f.; 300 (1236, Sint‑ lose Kanonissen (1996). Zum weiblichen Wider‑ Elisabeth‑Beginenhof in Gent / Gand); 186; 310 stand gegen solche Eingriffe siehe die instruktive (vor 1245, Sainte‑Elisabeth‑Beginenhof in Lille / Studie von H.-J. Schmidt, Widerstand von Frauen Rijssel); 202; 314 (1270, Beginenhof in Mons / (2006), mit gut dokumentierten Beispielen aus Bergen); 155; 164; 303 (1276, Sint‑Elisabeth‑Begi‑ dem 15. Jahrhundert. nenhof in Kortrijk / Courtrai). Das Verhältnis der 71 Vgl. exemplarisch Kuhn-Rehfus, Bistum Kon‑ Beginen zu Hospitälern war vielfach ebenfalls stanz (1992), 152–177. durch Stifterauflagen geprägt.
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15.3 Muslime 15.3.1 Allgemeines Definitionen von Geschlecht und Sexu‑ alität waren im mittelalterlichen Islam nicht eindeutig. Die Komplexität der Gender Studies beruht teilweise auf dem vielschichtigen kulturellen und religiösen Argwohn westlicher Beobachter, die den Islam historisch betrachtet und kritisiert haben. Festzuhalten ist aber, dass es sich schwierig gestaltet, geschlechterbezogene Praktiken und Konzepte als spezifisch is‑ lamisch zu bezeichnen, da sie zum Teil aus vorislamischen Gesellschaften der Region stammten. Legt man moderne Konzepte von Frauenrechten zugrunde, so können einige Praktiken des Islam im sogenannten ‚Mittelalter‘ (→ 4.3.1) als diskriminierend erscheinen, was auf die sich ständig wan‑ delnden Konzepte von Identität und Rolle der Frau in Gesellschaft und Familie zu‑ rückzuführen ist. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass der Islam in einer bereits sehr restriktiven und patriarchalischen Gesellschaft entstand. Väter waren zutiefst beschämt, wenn sie eine Tochter bekamen, und im vorislamischen Arabien war es sogar gängige Praxis, Frauen lebendig zu begraben. Ein Mann konnte beliebig vie‑ le Ehefrauen haben. Die Unterdrückung von Frauen und die Ungleichheit der Ge‑ schlechter waren bei jeglicher Interaktion offensichtlich.1 In islamischer Zeit sahen sich Juris‑ ten (fuqahāʾ) und Gelehrte (ʿulamāʾ) mit Themen wie der Gleichstellung der Ge‑ schlechter, den Rechten von Frauen und der Verbesserung ihres sozialen Status konfrontiert. Jedoch offenbart die Debatte Spannungen und Widersprüche zwischen islamischer Rechtslehre (fiqh) und sozialer
Praxis. Einerseits gewährte das islami‑ sche Recht Ansprüche und Privilegien, die dem hohen Stellenwert entsprechen, den es Grundprinzipien wie Würde und Verant‑ wortung im Allgemeinen einräumt. Eine verheiratete Frau konnte beispielsweise Eigentum besitzen und erben, über das ihr Ehemann keinerlei Verfügungsgewalt hatte, was in vielen anderen vormodernen Gesellschaften unüblich war.2 Andererseits konnten zahlreiche soziale Praktiken, die die Rechte von Frauen schwächten, in den islamischen Wertekanon eingehen, sodass sie nicht nur als rechtmäßig, sondern gar als normativ erachtet werden konnten. Dies ist etwa der Fall bei der Beschneidung von Mädchen, die nie in der gesamten isla‑ mischen Welt praktiziert wurde, im Nahen Osten aber aufgrund eines vermeintlichen islamischen Gebots vorgenommen wurde.3 Einige lokale Sitten und Bräuche konnten so die vorislamische Zeit überleben, in‑ dem sie sich hinter religiösen Sanktionen verbargen. Eine weitere Schwierigkeit im Zu‑ sammenhang mit Geschlecht hat ihren Ursprung im Verhältnis von juristischer Theorie und Exegese des Koran (tafsīr). Ge‑ mäß islamischem Recht (šarīʿa) sollen die Angehörigen beider Geschlechter dieselben Grundrechte haben: die Unantastbarkeit von Leben, Eigentum, Religion, Gewissen, Familie und Ehre. Der Koran ruft eindeutig zur Beseitigung von Praktiken und Bräu‑ chen auf, die Frauen diskriminieren, um eine Gleichberechtigung der Geschlechter zu gewährleisten. Außerdem verflucht er diejenigen, die ihre Töchter aus Scham töten (Q 81.8 f.). Allerdings variierte die
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Interpretation und Anwendung dieser Ver‑ se chronologisch und regional zwischen den islamischen Gesellschaften des Mittel‑ alters. Deshalb sehen auch heute noch viele Juristen die Notwendigkeit, die Situation von Frauen durch eine Neuinterpretation des Korans zu verbessern.4 Eine prosopographische Analyse der gegenwärtig verfügbaren Daten zeigt, dass es im Islam sowohl Intersektionen von se‑ xuellen Identitäten und sozialen Positionen gab als auch eine Pluralität von Bewertun‑ gen sexuellen und geschlechtsspezifischen Verhaltens. So waren etwa ab Mitte des achten Jahrhunderts sexuelle Beziehun‑ gen zwischen Männern am abbasidischen Hof weithin akzeptiert, wenn auch nicht rechtlich gestattet. Privilegierten Männern des Hofes in Bagdad stand zudem eine breite Auswahl an ‚Nicht‑Männern‘ zur Verfügung: Eunuchen, männliche Unter‑ halter, die als Transvestiten auftraten, und Sklavinnen, die Crossdressing als heran‑ wachsende Jungen betrieben.5 Bedeutende Arbeiten der früheren wie der aktuellen Forschung über Geschlecht‑ lichkeit in der islamischen Welt ebneten den Weg zu zahlreichen neuen Ansätzen in der Erforschung des vorhandenen Quellen‑ materials. Leila Ahmeds Monographie von 1992 etwa stellte einen bedeutenden Durch‑ bruch in der Geschichte der Geschlech‑ terforschung dar, da die Autorin es sich zum Ziel machte, Geschlechterfragen als Diskurs zu beschreiben. Hierfür identifi‑ zierte und erforschte sie, wie Geschlecht in islamischen Gesellschaften in sozialer, ins‑ titutioneller und verbaler Hinsicht artiku‑ liert wurde.6 Ahmed versuchte zu belegen, dass die grundlegenden Elemente zentraler Geschlechterdiskurse bereits zu Beginn der islamischen Geschichte geschaffen wurden, eine These, die heute noch für Diskussi‑ onen sorgt. Einer dieser Diskurse habe die dominante Stimme des hierarchischen
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Islam gebildet, der Geschlechtlichkeit eine Bedeutung zugewiesen habe, die sich in rechtlicher, sozialer und ökonomischer Unterordnung und Marginalisierung ausgedrückt habe. Eine andere Stimme, argumentiert sie weiter, sei die ethische Interpretation gewesen, die die moralische und spirituelle Gleichheit aller Menschen hervorgehoben habe. Solches sei besonders von marginalisierten Gruppen vertreten worden, die die vorherrschende politische Ordnung und deren Interpretation des Is‑ lam mitsamt ihrer Geschlechterkonzeption in Frage gestellt hätten. Diese grundlegende Unterteilung diente der Forschung als Basis für eine Diskussi‑ on über Frauen der Elite als Stifterinnen.7 (→ 15.3.2) Auf dieser Grundlage nimmt man beispielsweise an, dass die Teilhabe von Frauen am Stiftungswesen von der seldschukischen bis zur ilḫanidischen Zeit zum Großteil mit den steppennomadischen Traditionen der Turk‑Mongolen in Ver‑ bindung stand. Dazu gehörten etwa eine gleichberechtigte Teilhabe der Geschlech‑ ter an der Macht in der Familie sowie die aktive Rolle der Frauen im kulturellen und politischen Leben des islamischen Iran. Diese Tradition setzte sich auch noch nach der Timuridenzeit fort und spielte insbe‑ sondere bei den Ṣafawīden ab Beginn des 16. bis Anfang des 18. Jahrhunderts eine wichtige Rolle. Andere Autoren wieder‑ um haben die Bedeutung von Eunuchen und weiteren männlichen Unfreien für das Stiftungswesen betont.8 Die Gründung eigener Stiftungen eröff‑ nete Frauen und Eunuchen entscheidende Möglichkeiten, sich langfristig und juris‑ tisch abgesichert in der Gesellschaft zu verankern. Als Stifter_innen konnten sie über die langfristige Zukunft ihres per‑ sönlichen Eigentums bestimmen, indem sie es zum Kapital ihrer awqāf machten. Die Errichtung solcher Stiftungen gab
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ihnen auch das Recht, ihre Begünstigten auszuwählen, wofür jedoch, unabhängig vom Geschlecht, vor allem der sozioöko‑ nomische Status der Stiftenden ausschlag‑ gebend war. Eine Stiftung ins Leben zu rufen, war dennoch ohne jeden Zweifel ein wirkmächtiges Instrument, das Stiftenden eine direkte Einflussnahme auf soziale Prozesse ermöglichte, indem sie religiö‑ se, kulturelle und philanthropische Insti‑ tutionen der unmittelbaren lokalen oder der größeren Gesellschaft unterstützten oder indem sie zum finanziellen Unter‑ halt bestimmter Personen – in der Regel Familienmitglieder – beitrugen und auf diese Weise Vermögenswerte im Famili‑ enverbund hielten. (→ 14.3.2) Es wäre unangemessen, den waqf als ‚geschlechtsblinde‘ Institution zu bezeich‑ nen.9 Eingehende Untersuchungen darüber, welche Auswahl die Stifter in Bezug auf Vermögenswerte, Begünstigte und Verwal‑ ter einer Stiftung trafen, zeigen oft, dass diese Entscheidungen ganz bewusst auch geschlechtsspezifisch getroffen wurden; dies trifft insbesondere dann zu, wenn ein waqf gegründet wurde, von dem aus‑ schließlich Männer profitieren sollten. (→ 15.3.3) Gleichzeitig lässt sich aber eine geschlechtsspezifische Kategorie im Sinne etwa eines Frauen‑ oder Eunuchen‑waqf nicht per se identifizieren (was für frühere Zeiten auch für Rechtsgegenstände außer‑ halb des Stiftungswesens gilt). Mit Ausnah‑ me einiger signifikanter Fälle, bei denen eine Beziehung zwischen dem Geschlecht der Begünstigten und dem Stiftungstyp erkennbar ist, bleibt es in der Forschung im Moment ungeklärt, ob man von um‑ fangreichen, am Geschlecht orientierten Stiftungen oder überhaupt von Trends im Allgemeinen sprechen kann. Im Großen und Ganzen kann man nicht behaupten, dass weibliche Stifter anderen Mustern folgten als ihre männlichen Pendants.
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Dennoch hat die Geschlechterforschung wichtige Impulse aus der waqf‑Forschung erhalten. Es scheint, dass Frauen mit be‑ scheidenem Vermögen und Frauen aus ein‑ fachen Verhältnissen den waqf im Laufe der Zeit immer häufiger nutzten.10 Die Vor‑ stellung, dass Frauen keinerlei Eigentum besaßen, wurde in Forschungen über die Gründer_innen von Stiftungen in Frage gestellt und schließlich widerlegt. Da Stif‑ ter_innen nur über Besitzungen verfügen konnten, die als ihr volles Eigentum galten, ist der Befund, dass auch Frauen als Stif‑ ter auftraten, ein unwiderlegbarer Beweis dafür, dass sie auch allein mit allen Rech‑ ten über ihr Eigentum verfügen konnten.11 Diese Forschungen haben zudem nicht nur ergeben, dass Frauen überhaupt Eigentum innehatten, sondern auch, dass dies keine Ausnahme für wenige Frauen der Elite war. Untersuchungen zu verschiedenen Regio‑ nen und Epochen brachten die Erkenntnis, dass Frauen für einen relevanten Teil der Stiftungsgründungen verantwortlich wa‑ ren, wenn auch der Anteil abhängig vom jeweiligen konkreten Kontext variierte. Dass sie ihr Eigentum stifteten und diese Stiftungen sehr häufig auch verwalteten, zeichnet ein klares Bild von Frauen, die frei über ihr Eigentum verfügten und aktiv am ökonomischen und finanziellen Verkehr beteiligt waren. Darüber hinaus widmeten sich einzel‑ ne Forscher_innen Fragen nach Art und Größe der von Frauen gestifteten Vermö‑ genswerte im Vergleich mit denen von Männern, nach Präferenzen von Frauen bei der Auswahl der Begünstigten ihrer Stiftungen, Bestimmungen zur Aufteilung von Rechten zwischen männlichen und weiblichen Begünstigten, Übertragungs‑ mustern für nachfolgende Generationen oder Präferenzen bei der Auswahl von Verwaltern. Bei all diesen Fragen wur‑ den Unterschiede zwischen Regionen und
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Epochen festgestellt. Weitere Arbeiten auf diesem Gebiet versprechen eine Bereiche‑ rung der waqf‑Forschung um eine wichtige Perspektive. Um die soziale Kategorie Geschlecht für die Stiftungsforschung auch metho‑ disch fruchtbar zu machen, müssen weitere Fallstudien zunächst solche kontextspezi‑ fischen Erkenntnisse zu Tage fördern. Ein gängiger Ansatz in vielen neueren Arbei‑ ten ist die zunehmende Anerkennung von Varianz sowohl des Geschlechterstatus als auch der Geschlechterrolle abhängig von Zeit, Region, sozialer Stellung sowie der jeweils vorherrschenden Produktionswei‑ se. Entsprechende Varianten lassen sich in vergleichend angelegten Arbeiten von Anthropologen finden, die Forschungen zu verschiedenen Regionen oder auch zu verschiedenen Zeiten in denselben Regi‑ onen durchgeführt haben.12 Arbeiten über Geschlecht im mamlūkischen waqf‑System folgen dieser methodologischen Linie und zeigen, wie sich die Stellung von Frauen je nach Zeit und Raum veränderte.13 Diesen Einsichten sollen die folgenden Ausfüh‑ rungen nachkommen.
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eine Moschee um.15 Zubaida, eine Ehefrau von Hārūn, entschloss sich, einen Aquä‑ dukt zu errichten, der Wasser aus der zwölf Meilen entfernten Quelle von Ḥunain nach Mekka transportieren sollte, nachdem sie im Jahr 805 die Auswirkungen einer Dürre beobachtet hatte.16 Entlang der neunhundert Meilen langen Straße von Mekka nach Kūfa ließ Zubaida darüber hinaus Brunnen und Karawan‑ sereien bauen, sodass diese Route ihr zu Ehren Darb Zubaida (‚Pfad der Zubaida‘) genannt wurde.17 Zudem kamen von Zubai‑ da gegründete Stiftungen nicht nur für die Errichtung, sondern auch für den Unterhalt von Herbergen und Befestigungsanlagen an dieser Straße auf sowie für die Restau‑ rierung von Monumenten in Medina und anderen Orten.18 Ein weiteres ähnliches Beispiel ist Šaġab, die Mutter des abba‑ sidischen Kalifen al‑Muqtadir (gest. 932). Sie gründete nicht nur viele Stiftungen in Mekka und Medina, sondern spendete auch jedes Jahr riesige Summen aus dem Einkommen ihrer Ländereien, um Pilger‑ fahrten zu unterstützen.19 Berichte über Šaġab sind durch den arabischen Biogra‑ phen Abū ʿAlī at‑Tanūḫī (gest. 994) über‑ liefert. Hierin zeigt sich eine Kumulation von Autorität, Macht und Reichtum, die so 15.3.2 Stifter_innen und weit gegangen sei, dass sie sogar versucht Profitient_innen habe, die Stiftungsurkunde eines ganzen Bedeutende Stiftungsaktivitäten von Frau‑ Dorfes zu fälschen, um diesen waqf rück‑ en reichen bis zu den frühen abbasidischen gängig zu machen.20 Königinnen Ḫaizurān (gest. 785) und Zu‑ Die Errichtung von Gebäudestiftungen baida (gest. 831) zurück; bei vielem, was durch königliche Frauen findet man in vie‑ von ihnen überliefert ist, könnte es sich len Regionen der muslimischen Welt. In der allerdings um bloße Legenden handeln.14 Regel waren diese nicht so beeindruckend Erstere pilgerte 776 als Haremsdame des und prächtig dekoriert wie die Bauwerke, abbasidischen Kalifen al‑Mahdī (gest. 785) die Herrscher errichten ließen, was aber nach Mekka. Im Jahr 788 kehrte sie als Mut‑ eher ihrem sozialen Status und weniger ter des Kalifen Hārūn ar‑Rašīd (gest. 809) ihren ökonomischen Möglichkeiten ge‑ zurück. Zur Feier dieses Triumphes erwarb schuldet war. Von den 150 dokumentier‑ sie die frühere Wohnstätte des Propheten ten Gebäudestiftungen des rasūlīdischen Mohammed in Mekka und wandelte sie in Jemen (12.–15. Jahrhundert) wurde fast ein
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Drittel von Frauen ins Leben gerufen.21 Der Mutter des abbasidischen Kalifen al‑ Muntaṣir (gest. 861) wird beispielsweise der Bau des ersten islamischen Mausoleums zugeschrieben.22 Interessanterweise wurden Mosche‑ en und Mausoleen auch von wichtigen Dienerinnen und sogar königlichen Skla‑ vinnen erbaut. So ließen etwa drei Skla‑ vinnen der rasūlīdischen Königin Ǧihat Ṣalāḥ (gest. 1361) je eine kleine Moschee in Zabīd errichten.23 Dass diese religiö‑ sen Einrichtungen gelegentlich nicht im Namen ihrer Patroninnen, sondern deren männlicher Verwandter gestiftet wurden, liest man in der Forschung immer wieder. Diese Stiftungen erfolgten in der Regel nur im Namen von Brüdern der Patroninnen oder bei Königsmüttern in Gedenken an ihre Söhne, nicht jedoch im Namen von Ehemännern. In manchen Fällen konn‑ ten herrschende Töchter auch ihre Mütter durch Stiftungen kommemorieren.24 Frauen, die mit dem Sufismus sympathi‑ sierten, bauten ḫānqāhs, um das Studium, Reisen und – wenn sie in Grenznähe lagen – auch die Verteidigung zu erleichtern.25 Ein ribāṭ (ein ‚befestigter Konvent‘)26 (→ 2.2.3) scheint eine der wenigen Institutionen des mittelalterlichen Islam gewesen zu sein, die man möglicherweise als geschlechtsspezi‑ fische Beherbergungseinrichtung betrach‑ ten könnte. Viele dieser ribāṭs wurden von Frauen gestiftet, wie der ribāṭ neben dem ḫānqāh al‑Baibars in Kairo, der 1285 von seiner Tochter Tiḏkārbāy Ḫātūn gegründet wurde. Der Historiograph Ibn Zufar al‑ Irbīlī (gest. 1326) listet in seiner Beschrei‑ bung von Damaskus zwanzig vergleichbare Institutionen auf.27 Keiner der von Frauen gestifteten ribāṭs in Jerusalem wird in literarischen Quellen erwähnt. Ohne die Urkundensammlung des Ḥaram aš‑Šarīf wüssten wir zum Bei‑ spiel nichts von der Großzügigkeit einer
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Fāṭima b. Muḥammad, die 1346 einen Teil ihres Hauses zugunsten von armen alten maghrebinischen Frauen stiftete. Dieses Gebäude befand sich nicht zufällig neben einer zāwīya für maghrebinische Män‑ ner.28 Es ist davon auszugehen, dass in den Chroniken nur die größten Frauen‑Spitäler in Kairo und Damaskus aufgeführt wer‑ den und kleinere, von weniger einfluss‑ reichen Personen gestiftete Institutionen unerwähnt bleiben. Die juristische Literatur zeigt, dass Frauen in die Gründung von awqāf aktiv involviert waren und Bestimmungen tra‑ fen, um sicherzustellen, dass der waqf in ihrem Sinne funktionierte. Gemäß sun‑ nitischem Recht gibt es, abgesehen von koranischen Bestimmungen, nur wenige Vorgaben, nach denen Frauen Anspruch auf eine Erbschaft hätten. Das schiitische Recht hingegen, so wie es im 8. Jahrhundert formuliert wurde, erlaubte Frauen gemein‑ sam mit männlichen Erben einen Zugriff auf das Familienvermögen. Aus diesem Grund gibt es Fälle, in denen der Gründer eines waqf verfügte, dass nur männliche Verwandte von der Stiftung profitieren sollten, was jedoch die Ausnahme war, wie Sabrina Joseph betont hat.29 Ein Krankenhaus zu stiften, scheint für Frauen nur selten möglich gewesen zu sein.30 Einige Ausnahmen von dieser Regel sind jedoch überliefert: So berichtet etwa Ibn al‑Ǧauzī (gest. 1201), dass wiederum die Kalifenmutter Šaġab in Bagdad ein Kran‑ kenhaus errichtet habe, das von dem Arzt Sinān ibn Ṯābit eingeweiht worden sei, und Mittel für Medikamente zur Behandlung von Pilgern auf dem ḥaǧǧ bereitgestellt habe.31 In späteren Zeiten sorgten andere prominente Frauen für die Unterstützung kranker Pilger, indem sie etwa Kamele mie‑ teten und den Pilgern zur Verfügung stell‑ ten, Krankenhäuser und Herbergen errich‑ teten oder Medikamente bereitstellten. Ein
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Beispiel hierfür ist Baraka Ḫātūn (gest. 1372), die Mutter des Mamlūkensultans al‑Ašraf Šaʿbān, die ebenfalls Gelder für die Beschaf‑ fung von Medikamenten zur Behandlung erkrankter Pilger stiftete.32 Es gibt mindestens fünf Medresen, die unter mamlūkischer Herrschaft von Frau‑ en gegründet wurden.33 Diese Stifterinnen spielten jedoch häufig keine Rolle, wenn es um die Verwaltung der Medresen oder die Entwicklung ihres Curriculums ging; insgesamt war Bildung von Frauen im Wesentlichen kein Teil des öffentlichen Lebens und weitgehend rein privater Na‑ tur. In einigen Fällen lassen sich jedoch Hinweise finden, dass Frauen zusammen mit Männern an der Vorlesung eines šaiḫ teilnahmen. Leider gibt es aber so gut wie keine Informationen über den Inhalt oder die Reichweite solcher Lehrtätigkeit. Eunuchen traten häufig als Stifter von Einrichtungen in Erscheinung, die der Integration von Randgruppen in die Ge‑ sellschaft dienten. Im Jahr 1288 gründete der Eunuch Amīr al‑Ḥāǧǧ Sunbul einen waqf, unter dessen Begünstigten sich auch seine armen Freigelassenen befanden (alfuqarāʾ wa-l-masākīn min ʿutaqāʾ al-muqirr al-maḏkūr).34 Diese sollten jedoch erst nach seinem Tod unterstützt werden. Daran lässt sich erkennen, dass einige Herren ihre früheren Sklaven als Familienange‑ hörige behandelten und in ihrem waqf bedachten. War ein Eunuch der Gründer, hatte er keine biologische Familie, die er bedenken konnte, sodass er stattdessen für das Wohl seiner ehemaligen Sklaven sorgte. In seinem 1343 ins Leben gerufenen waqf verfügte ganz in diesem Sinne ein weiterer Eunuch, Ǧamāl ad‑Dīn al‑Muḥsin al‑Iḫmīmī, Zahlungen für vier seiner Frei‑ gelassenen, unter denen zwei Nubier und ein Äthiopier waren.35 In der sunnitischen Literatur werden Eunuchen als Wohltäter der Armen und
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Frommen dargestellt. Sie verteilen Almo‑ sen, unterstützen Witwen und Waisen oder bringen große Geldsummen auf, um in‑ haftierte Schuldner zu befreien. Darüber hinaus stifteten sie religiöse Hochschu‑ len, errichteten Bauwerke und brachten ihre Erträge in Stiftungen zugunsten von Gelehrten ein. Der bekannteste Fall einer solchen Stiftung ist eine Hochschule im nordöstlichen Bezirk von Kairo, die 1361 von Sābiq ad‑Dīn Miṯqāl al‑Anūqī al‑Ḥabašī (gest. 1365) erbaut wurde, dem Emir und Minister des Sultans al‑Ašraf Šaʿbān. Miṯqāl erwarb hierfür zu beträchtlichen Kosten ein Stück Land, um sicherzustellen, dass seine Hochschule nahe den weithin bekannten königlichen Bildungseinrichtungen gelegen sein würde, die das Viertel zu einem akade‑ mischen Zentrum des sunnitischen Islam gemacht hatten.36 Viele Stiftungen von Eu‑ nuchen dienten caritativen Zwecken. Auch Moscheen und Friedhöfe werden immer wieder ausdrücklich erwähnt, ebenso die Unterstützung anderer religiöser Stiftun‑ gen. Die Tatsache, dass ihr Reichtum eher auf Geschenken vonseiten der Herrscher und weniger auf Erbschaft beruhte, mag ein Beweggrund für die Gründung ihrer wohltätigen Stiftungen gewesen sein, denn dadurch konnten sie sich und ihren Erben ein dauerhaftes Einkommen sichern, wie es etwa in den spätmamlūkischen Gesell‑ schaften der Fall war.37 Frauen scheinen insbesondere von Fa‑ milienstiftungen (waqf ahlī) profitiert zu haben. Sie gründeten religiöse Stiftungen, um ihre Besitzungen und Einkünfte vor schleichender Enteignung durch ihre Ehe‑ männer oder deren Familien zu schützen.38 Männer neigten eher dazu, männliche Be‑ günstigte auszuwählen, und selbst wenn weibliche Nachkommen bedacht wurden, bedeutete das erwartbare Aussterben der Familie, dass eines Tages die Leistungen eines waqf von Familienmitgliedern auf
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Institutionen übergingen. Abgesehen von jenen Fällen, in denen Frauen selbst als Stifterinnen auftraten, wurden awqāf sogar recht häufig dazu benutzt, um die Kontrolle von Gütern, die Frauen geerbt hatten, auf Männer zu übertragen. Frauen wurden lange als marginal und unwichtig betrachtet für die Repro‑ duktion des auf Adoption beruhenden mamlūkischen Herrschaftsapparats, der bisher als ausschließlich männlich beschrie‑ ben wurde, oder seiner neomamlūkischen Wiederbelebung im osmanenzeitlichen Ägypten, bei der in Kunst‑ und Baugeschich‑ te ebenso wie in Familienstrukturen an die früheren Modelle anknüpft wurde. Mary Ann Fay stellte aber fest, dass gerade Frau‑ en für den Zusammenhalt, die Stabilität und Beständigkeit des neomamlūkischen Haushalts eine entscheidende Rolle spielten, weil durch sie Eigentum und politische Le‑ gitimität übertragen wurden. Biologische und ideelle Verwandtschaftsverhältnisse verzahnten sich in einem solchen Haus‑ halt und fungierten als Bindemittel, so‑ dass Tendenzen zur Teilung von Familien und Gütern ausgeglichen werden konnten. In der Vergangenheit hatte die Forschung übersehen, welche Rolle Frauen bei der Entstehung und Stärkung von Familien‑ banden und auch bei der Legitimierung der aus Machtkämpfen hervorgegangenen Sieger gespielt haben.39 Mamlūkische Frauen stifteten einerseits städtische Geschäfts‑ oder Wohnimmobi‑ lien, andererseits Landwirtschaftsgüter. Darunter befanden sich in den Städten verschiedene Arten von Ladengeschäften, Werkstätten, Lagerhäusern und Wohnun‑ gen. Vermittels eines waqf konnten Frau‑ en der Herrscherfamilie bewirtschaftetes Land kontrollieren; ihre Rollen als Begüns‑ tigte, Verwalterinnen und Stifterinnen sol‑ cher Besitzungen sind gut dokumentiert. Kurz gesagt besaßen und stifteten Frauen
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alle Arten von Gütern, die Einkommen generierten, um sich selbst und ihre Stif‑ tungen zu finanzieren. 15.3.3 Begünstigte Um das 12. Jahrhundert herum entstand eine Reihe von exklusiv weiblichen Sufi‑ Konventen; hier entsteht der Eindruck, dass die Kategorie ‚Geschlecht‘ tatsächlich konstitutiv für die Form der Stiftung war. Dem Historiker Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī (gest. 1442) zufolge gründeten Frauen und Sklavinnen der spätfatimidischen Kali‑ fen mindestens sechs Frauenkonvente in der Nekropole des Qarāfa‑Gräberfeldes in Kairo, in denen alte Witwen und reli‑ giose Frauen in Klausur lebten. So wurde etwa der Ribāṭ al‑Baġdādīya von Tiḏkārbāy Ḫātūn, der Tochter des mamlūkischen Sul‑ tan Baibars I. (gest. 1277), im Jahre 1285 für eine weibliche Mystikerin aus Damaskus namens Zainab al‑Baġdādīya gegründet. Diese wurde mit ihrem Konvent dazu ein‑ geladen, den eigens in Kairo errichteten ribāṭ zu nutzen.40 Hier könnte sowohl die Reputation der Mystikerin als auch die Praxis, dass Frauen awqāf für Frauen stif‑ teten, wichtig für die Entscheidung der Stifterin gewesen sein. In Mekka und Bag‑ dad begegnen ähnliche Institutionen auch in sunnitischem Kontext.41 Auch die Urkunden des Ḥaram aš‑Šarīf geben Details über die weiblichen Bewoh‑ ner solcher Institutionen preis. Sechs Frau‑ en, die in einem ḫān, einem ribāṭ oder einer zāwiya in Jerusalem lebten, konnten auf‑ grund der in ihren Besitzverzeichnissen vermerkten Werkzeuge und Rohwaren als Spinnerinnen identifiziert werden.42 Geschlecht konnte bei Stiftungen nicht nur ein Instrument der Inklusion, son‑ dern auch der Exklusion sein.43 Zum Bei‑ spiel scheinen einige ribāṭs für Frauen aus
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Gründen der sozialen Kontrolle entstan‑ den zu sein, die insbesondere während der Mamlūkenzeit in Ägypten und Syrien ver‑ mehrt gegründet wurden. Die Entstehung dieser Institutionen für Sufi‑Frauen reicht zwar bis ins 12. Jahrhundert zurück, aber die Ausbreitung dieser ribāṭs während des 13. Jahrhunderts scheint eine Reaktion auf Fragen der öffentlichen Moral dargestellt zu haben. In jenem Zeitraum stieg näm‑ lich der Anteil verwitweter, geschiedener sowie verlassener Frauen beträchtlich an, sodass die öffentliche Präsenz unverheira‑ teter Frauen schließlich als Gefahr für die soziale Ordnung angesehen wurde. Daher waren diese Institutionen vor allem als Un‑ terkunft für solche Frauen gedacht, obwohl sie auch andere Leistungen anboten, wie beispielsweise Bildung. (→ 9.3.3) Wurden derartige Einrichtungen von Eunuchen ins Leben gerufen, so waren sie im Allge‑ meinen für die Versorgung ihrer früheren Sklaven bestimmt. (→ 15.3.2) Ob Frauen ihre Ansprüche aus einer Stiftung auch wirklich eintreiben konnten, ist eine andere Frage. In gerichtlichen Ak‑ ten finden sich recht häufig Streitigkeiten über die Verteilung von Stiftungsleistun‑ gen finden. In vielen dieser Fälle berühren die zentralen Streitpunkte die Rechte und Ansprüche von Frauen gegenüber einer Stiftung. Entweder geht es um die Frage, welcher Anteil ihnen zusteht, oder um den Anspruch ihrer Nachkommen auf einen Anteil der Einkünfte aus der Stiftung. Der Kadi Zain ad‑Dīn ibn Ibrāhīm ibn Nuǧaim (gest. 1563) wurde etwa gefragt, ob „die Nachkommen der Töchter“ (aulād al-banāt) von den Einkünften aus einem waqf profi‑ tieren sollten. Mit einem ähnlichen Prozess um Ansprüche von Nachkommen des Stif‑ ters musste sich auch der Kadi at‑Timurtāšī (gest. 1595) befassen und in einer Auseinan‑ dersetzung zwischen den Söhnen der Stif‑ tertochter und den Söhnen der Stiftersöhne
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vermitteln. Zunächst schlossen die Richter die Nachkommen der Stiftertochter aus dem Kreise der Begünstigten aus, aber nach einem erneuten Disput sprachen sie auch ihnen einen Anteil an den Stiftungsüber‑ schüssen zu.44 Wie wir solche Indizien interpretieren sollen und ob sie bedeuten, dass Frauen und ihre Nachkommen Probleme hatten, an ihren rechtmäßigen Anteil zu gelangen, ist unklar. Männer strengten diesbezüglich mehr Gerichtsverfahren an als Frauen. Zu‑ dem bestätigten die Richter üblicherweise die Rechte weiblicher Begünstigter, wenn sie Beweise für ihre Ansprüche vorlegen konnten. Mit anderen Worten, es gibt keine Hinweise darauf, dass Frauen regelmäßig ihre rechtmäßigen Ansprüche versagt wur‑ den. Es gibt auch keine Anzeichen dafür, dass es im Laufe der Zeit weniger weibliche Begünstigte von Stiftungen gegeben hätte. Obwohl das islamische Recht den Stif‑ tern bei der Wahl ihrer Begünstigten freie Hand lässt, bestimmten dennoch viele von ihnen, dass die Stiftungseinnahmen nach dem islamischen Erbrecht (bi-farīḍa šarʿīya) aufgeteilt werden konnten. Bei den meisten von Frauen gegründeten Stiftungen wurde in den Stiftungsurkunden ausdrücklich festgelegt, dass Männer den doppelten An‑ teil dessen von Frauen erhalten sollten.45 In solchen Fällen können wir davon ausgehen, dass die Stiftung nur gegründet wurde, um das Eigentum vor Konfiskation zu schützen. Einige Familienstiftungen wurden jedoch bewusst ins Leben gerufen, um damit das islamische Erbrecht zu umgehen und Töch‑ tern einen größeren Anteil zuzusichern. So war es gängige Praxis, dass Stifter ihre Söh‑ ne und Töchter – oder allgemeiner Män‑ ner und Frauen – mit gleichen Anteilen bedachten. Einige Beispiele sind bekannt, bei denen Töchter die Hauptbegünstigten einer Familienstiftung waren. Zu guter Letzt gibt es auch Fälle, in denen Frauen
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in ihren Stiftungsurkunden Männer als Begünstigte ausdrücklich ausschlossen.46 Familienstiftungen gewährten Frauen also einige Rechte, die denjenigen von Männern häufig gleichkamen. Nachkom‑ men von Frauen wurden diese Rechte nor‑ malerweise ebenfalls gewährt. Oft waren diese Ansprüche nicht von großer wirt‑ schaftlicher Bedeutung, weil das Einkom‑ men einer kleinen Stiftung eine Einzelper‑ son oder Familie nicht ausreichend versor‑ gen konnte. Sie verliehen den Begünstigten keine ökonomische Macht oder auch nur Sicherheit. Zuwendungen derartiger Stif‑ tungen konnten aber in einigen Fällen nichtsdestotrotz eine Wohnung und ein begrenztes Einkommen garantieren. Viel‑ mehr sollten solche Vorkehrungen jedoch als Sorge um das wirtschaftliche Wohler‑ gehen und den sozialen Status weiblicher Verwandter und ihrer Familiennachkom‑ men verstanden werden. 15.3.4 Verwalter_innen Verwalterinnen waren in der muslimischen Welt recht selten und sie verdankten ihre Position meist politischen und dynasti‑ schen Überlegungen. Die Politik wurde von den Imam‑Kalifen gemacht, und die Wesire (wuzarāʾ) als prominenteste Akteu‑ re des Verwaltungsapparates halfen dabei, diese sichtbar zu machen und zu verbrei‑ teten. Frauen konnten innerhalb dieses Rahmens durchaus Stiftungen verwalten; es ist jedoch davon auszugehen, dass ihr Reichtum dabei den Imam‑Kalifen und Wesiren gelegen kam, um eigene Ziele zu realisieren, und dass die Frauen der Kö‑ nigsfamilie (wissentlich oder unwissent‑ lich) dazu benutzt wurden, dynastische und andere Ansprüche zu stützen. Ob‑ wohl sie theoretisch finanziell unabhän‑ gig waren, hing ihre Stellung zu großen
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Teilen von der Fähigkeit ab, diesen Reich‑ tum auch zu schützen, denn Kalifen und Wesire konnten ihr Vermögen nach wie vor konfiszieren, sie vom Hofe verbannen oder sogar ins Exil schicken. Das Beispiel von Qabīha ar‑Rūmīya, ǧāriya (‚Hausskla‑ vin‘) des abbasidischen Kalifen al‑Muta‑ wakkil (gest. 861) und Mutter des Kalifen al‑Muʿtazz (gest. 869), war sicherlich eine deutliche Erinnerung daran, dass eine Frau, sogar als Mutter eines Kalifen, sehr schnell sehr viel verlieren konnte: ihren Sohn, ihren Reichtum, ihren Status und ihre Heimat.47 Es gibt zahlreiche Fälle, in denen Eunu‑ chen die Position eines Verwalters innehat‑ ten. Ein bemerkenswertes Beispiel ist Saʿd ad‑Dīn Bašīr an‑Nāṣirī, der im 13. Jahrhun‑ dert zum Verwalter der al‑Azhar‑Moschee in Kairo ernannt wurde. Unter seiner Ägi‑ de wurden umfangreiche Renovierungsar‑ beiten an der Moschee durchgeführt, die er auch für ḥanafitische Gelehrsamkeit öffnete.48 Eunuchen werden als zuverläs‑ sige politische Berater und einflussreiche Stiftungsverwalter dargestellt, die auch wichtige Positionen in Polizei und Militär bekleideten. Ihre Bedeutung erklärt sich aus ihrem Geschlecht ebenso wie aus dem Umstand, dass sie von ihrer ursprüngli‑ chen Umgebung getrennt lebten und weder Stamm noch Familie hatten. Diese Faktoren machten sie abhängig, loyal und damit ungefährlicher. Eunuchen besaßen häufig spezielle Ti‑ tel für Exekutiv‑ und Verwaltungsposten, die manchmal auf Abhängigeit von einem direkten Herren hinweisen. Darunter fie‑ len etwa lālā (‚Prinzenerzieher‘), šadd alḥauš (‚Oberaufseher des königlichen Ho‑ fes‘), ḫāzindār (‚Schatzmeister‘) und zimām (‚Finanzbeamter‘). Ein Beispiel eines lālā und Verwalters ist ʿUṯman Āġā, der 1515 in‑ tensive Renovierungsarbeiten kontrollierte, um den Markt Wakālat al-Ḫalīl in Hebron
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wiederzubeleben.49 Ihre Abhängigkeit hin‑ derte Eunuchen jedoch selten daran, große Reichtümer anzuhäufen. Es ist sogar davon auszugehen, dass die intime Beziehung zwischen Eunuchen und ihren Herren dazu führte, dass ihnen absichtlich lukrative Posten zugesprochen wurden, die ihnen die Möglichkeit verschafften, unrechtmäßige Einnahmen zu erzielen und dann mit ih‑ rem Herren zu teilen. Wiederholte Berichte in ihren Biographien von Verhaftung, Ent‑ lassung, Konfiszierung ihrer Besitztümer sowie erneuten Berufungen in ein Amt sind Ausweis dieser Praxis.50 Aus der Perspektive wissenschaftlicher Modellbildung sind die Fragen, wie häufig Geschlecht der entscheidende Faktor bei der Verwaltung eines waqf war, ob nur zu Anfang oder auf lange Sicht, wie oft und unter welchen Bedingungen das so gewe‑ sen ist und wie oft Frauen oder Eunuchen aus eigenem Antrieb oder auf Geheiß an‑ derer tätig wurden, immer noch schwierig zu beantworten.51 Es handelt sich hierbei um Schlüsselfragen, um ihre Beziehung zu awqāf und deren Bedeutung für ihre ökonomische Position verstehen zu kön‑ nen. Ein Kernproblem bei der Suche nach Antworten ist das Fehlen einer ausreichen‑ den Anzahl von zuverlässigen Quellen. Es kann jedoch als grobe Tendenz festgehal‑ ten werden, dass im Laufe der Zeit Män‑ nern immer mehr Land zugesprochen und die ökonomischen Aktivitäten von Frauen immer strenger kontrolliert wurden. Da‑ durch nahm die Zahl der Verwalterinnen dramatisch ab. Gemäß dem Gesetz musste der Verwalter einer Stiftung zudem eine kompetente, erwachsene und männliche Person sein, welche die volle Handlungs‑ und Verwaltungsbefugnis hatte. Allerdings wurden Frauen aus der Elite ab der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wieder verstärkt zu Verwalterinnen ihrer Familienstiftungen ernannt. Rechtliche
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Mechanismen, die noch im 13. und 14. Jahr‑ hundert dem Ausschluss von Frauen aus der Stiftungsverwaltung gedient hatten, kamen später den Quellen zufolge kaum noch zur Anwendung. Ein gebräuchliches Formular für eine Stiftungsurkunde legte etwa fest, dass die Kontrolle nach dem Tod des Grün‑ ders an die „verständigste“ (al-aršad) Per‑ son unter seinen Nachkommen fallen sollte. Diese Definition wurde häufig so interpre‑ tiert, dass auch Frauen in Frage kamen.52 Carl Petry hat mindestens achtunddreißig Frauen identifiziert, die im Kairo des 15. und frühen 16. Jahrhunderts als Verwalte‑ rinnen von Familienstiftungen fungierten, was einem Fünftel aller bekannten Verwal‑ ter_innen entspricht. Ein bemerkenswertes Beispiel ist die Tochter des Leibwächters (dawādār) Azbak, die von ihrem Stiefvater ʿAbd al‑Ġanī ibn al‑Ǧīʿān als Verwalterin einer von ihm gegründeten Stiftung einge‑ setzt wurde.53 Weiterhin strengte im Jahr 1472 etwa auch Šaqrā, die Tochter des frü‑ heren Sultan an‑Nāṣir Faraǧ, Klage gegen einen Emir an, der sich weigerte, seine Pacht für landwirtschaftlich genutzte Flächen zu bezahlen, und der zudem die Kontrolle der Familienstiftung durch Āsīya, Šaqrās Nichte, anfocht.54 1479–1480 wurde eine ältere Tante, die die Stiftung des Kadis Walī ad‑Dīn as‑ Sifṭī verwaltete, als verständigste Person der Familie angesehen.55 Diese Beispiele verdeutlichen, dass man Frauen durchaus die Verwaltung von Stiftungen anvertraute. Frauen stellten allerdings trotzdem die Min‑ derheit aller Stiftungsverwalter dar. Jedoch war eine Ernennung als Verwalter keines‑ wegs nur der militärischen Elite vorbehal‑ ten. Der zahlenmäßige Anstieg des Anteils von Verwalterinnen lässt sich erklären mit dem Bevölkerungsschwund durch die Pest und der schrittweisen Lockerung der Rest‑ riktionen für ökonomische Aktivitäten von Frauen der Elite. ClM
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Anmerkungen 1 Es hat zahlreiche wissenschaftliche Debatten
auf, wie sich die Einstellung gegenüber Frauen im über die Stellung der Frauen in Arabien vor dem Laufe der islamischen Geschichte als Reaktion auf Aufstieg des Islam gegeben und darüber, welche wechselnde historische Umstände und Praktiken Veränderungen der Islam im sozialen Kontext be‑ veränderte. Tatsächlich jedoch untermauern diese wirkte. Die These von William Robertson Smith, Studien die Argumente früherer Autoren, dass dass die vorislamische oder ǧāhilīya‑Gesellschaft nach dem Tod des Propheten und der frühesten matriarchalisch gewesen sei, ist im vergangenen islamischen Zeit nachteilige Veränderungen für Jahrhundert von vielen Vertretern der Forschung, Frauen eintraten. wie etwa William Montgomery Watt und Gertrude 2 Berkey, Formation (2003), 122. Stern, erfolgreich widerlegt worden. Allerdings 3 Das Thema kann hier nicht hinreichend be‑ haben jüngere Analysen desselben Corpus arabi‑ handelt werden. Siehe hierzu Berkey, Circumcis‑ scher Texte aus dem 9. Jahrhundert – es handelt ion (1996). Es gibt umfassende Literatur von sehr sich hierbei um die frühesten verfügbaren Quellen unterschiedlicher Qualität zur Geschlechterfrage für die vorislamische Zeit – zu drei völlig unter‑ zwischen rechtlicher und sozialer Theorie. Da sie schiedlichen Interpretationen geführt, was die viel Polemik enthält, ist ihr historischer Wert Auswirkungen des Islam auf Frauen anbelangt. eher gering. Eine Kurzeinführung in das Thema Barbara Freyer Stowasser argumentiert, dass Frau‑ gibt Ders., Women and Islamic Education (1991). en in der Übergangszeit von der ǧāhilīya‑Zeit zum 4 Hinweise auf die Rolle von Frauen gemäß der Islam einen besseren Stand in der Gesellschaft heutigen tafsīr-Tradition finden sich bei Campahatten. Nadia Abbott hingegen stellt den Pro‑ nini, Qurʾan (2011), 33; 72; 114–116. pheten Mohammed (gest. 632) als Reformer dar, 5 Everett K. Rowson erörterte die Gemeinsam‑ der den ökonomischen und rechtlichen Status keiten und Unterschiede zwischen zwei Kate‑ muslimischer Frauen verbesserte, sie gleichzeitig gorien von Transvestiten: ġulāmīyāt, Sklaven‑ aber auf eine niedrigere Stufe als Männer stell‑ mädchen, die sich als Jünglinge verkleideten, um te. Leila Ahmed behauptet, dass der Islam fata‑ noch verführerischer auf aristokratische Männer le Auswirkungen auf bis dahin geltende soziale mit homoerotischen Vorlieben zu wirken, und und politische Normen hatte, da sich die positi‑ muḫannaṯūn, männliche Transvestie‑Unterhalter. veren Lebensumstände von Frauen ins Gegenteil Siehe Rowson, Gender Irregularity (2003). verkehrten. Bereits Ilse Lichtenstädter hatte be‑ 6 Ahmed, Women and Gender (1992), 1–7; 102–126. hauptet, dass es in der vorislamischen Zeit mehr Siehe auch Mernissi, Forgotten Queens (1993). Möglichkeiten der Teilhabe von Frauen gab. Siehe 7 Viguera Molíns, Aṣluḥu li’l‑maʿālī (1992); López Lichtenstädter, Women in the Aiyām al‑ʿArab (1935); de la Plaza, Al‑Andalus (1992); Marín / Deguilhem, Abbott, Women and the State (1941), 279 f.; Ahmed, Writing the Feminine (2002); Ruggles, Women, Women and Gender (1992); Keddie, Women in the Patronage (2000). Middle East (2007), 46. Seit den 1990er Jahren ließ 8 Meouak, Ṣaqāliba (2004); siehe auch Ayalon, die Wissenschaft bei der Erforschung der voris‑ Eunuchs, Caliphs and Sultans (1999). Ayalon lamischen und frühislamischen Zeit spekulative sind auch wertvolle Hinweise zur Verwendung Elemente zunehmend beiseite und wandte sich der des Begriffes ḫādim im Sinne von ‚Eunuch‘ in extensiven Lektüre und Analyse von Texten zu. früh islamischen Quellen zu verdanken, den vie‑ Bemerkenswerte Beispiele sind Stowasser, Women le bedeutende Islamwissenschaftler lange Zeit in the Qurʾan (1994); Spellberg, Politics (1994). Diese mit ‚schwarzer Sklave‘ oder ‚schwarzer Eunuch‘ Bücher wenden sich von den Ansätzen Abbotts übersetzten. Einen Schwerpunkt auf die ökono‑ und Lichtenstädters ab und damit von der Rekon‑ mischen Aktivitäten von Frauen legt die infor‑ struktion der vorislamischen Gesellschaft anhand mative Arbeit von M. Shatzmiller, Aspects (1988). von Texten. Vielmehr zeigen sie nach gründlichem 9 Dieses Konzept ist von Randi Deguil‑ Studium von Texten aus verschiedenen Perioden hem mit Hinblick auf die damaszenischen
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waqf‑Dokumente und normativen Rechtsquellen gegründet, die anhand ihrer Stiftungsurkunden aus dem 18. und 19. Jahrhundert vorgeschlagen als mamlūkische Ehefrauen identifiziert werden worden. Siehe Deguilhem, Waqf in the City (2008), können, so etwa von Sitt Amatullāh ‚al‑Baiḍāʾ‘ 937; Dies., Gender Blindness (2003). (wörtlich ‚die Weiße‘; ein Hinweis wahrschein‑ 10 Fay, Counting on Kin (2010), 218. lich auf georgische oder seltener auf tscherkessi‑ 11 H. Gerber, Social and Economic Position sche Herkunft), der Frau des ägyptischen Emirs (1980); Crecelius, Incidences of Waqf Cases (1986). ʿAbd ar‑Raḥmān Katḫudā (gest. 1776) – siehe Fay, 12 Siehe etwa Fay, Women and Waqf (1997); Counting on Kin (2010), 217. H. Gerber, Social and Economic Position (1980); 24 Bates, Architectural Patronage (1993), 63, stellt in seiner aufmerksamen Untersuchung Keddie, Women in the Middle East (2007), 1–22. 13 Siehe etwa Rapoport, Women and Gender auch fest, dass Söhne und Töchter von Neben‑ (2007). frauen Stiftungen benutzten, um sich von ihren 14 Für einen allgemeinen Überblick zu Frau‑ Halbbrüdern zu emanzipieren. Siehe auch Dies., en als Stifterinnen siehe Jacobi, Frauen im Stif‑ Women as Patrons (1993). Eine Studie über diese tungswesen (2009); Humphreys, Women as Pa‑ Frauen und ihre Beziehungen, ihre politische trons (1994). und diplomatische Rollen und ihr Mäzenatentum 15 Lapidus, History (2014), 120. legte Peirce, Imperial Harem (1993), vor. 16 Abbott, Two Queens (1946), 242 f. Da das waqf‑ 25 Das Engagement für asketische Lebenswei‑ Recht erst im 9. Jahrhundert kodifiziert wurde, sen einer Reihe von Frauen in den ersten drei is‑ wurden alle früheren awqāf irgendwann einmal lamischen Jahrhunderten beschreibt Muḥammad als Beleg für die Rechtmäßigkeit der Praxis des ibn al‑Ḥusain Sulamī, Early Sufi women. Ḏikr Stiftens herangezogen. (→ 14.3.2) Siehe Hennigan, an‑niswa al‑mutaʿabbidāt aṣ‑ṣūfīyāt. Ed. Rkia E. Cornell. Louisville 1999; vgl. die Einleitung ebd., Birth of a Legal Institution (2004), 178–186. bes. 31–43. 17 Sabahi, Darb Zubaydah (1980). 18 Atil, Islamic Women (1993), 6. 26 Ursprünglich wurde dieser Begriff für die 19 Roded, Women (1994), 124. Bezeichnung eines befestigten Gebäudes verwen‑ 20 Abū ʿAlī at‑Tanūḫī, Nišwār al‑muḥāḍāra det. Einige städtische Herbergen der Sufis wurden wa aḫbār al‑muḏākara. Ed. ʿAbbūd aš-Šalǧī, Bd. 1. jedoch als rubuṭ (Singular: ribāṭ) oder häufiger Beirut 1971, 242–244. At‑Tanūḫī überliefert, dass als ḫawāniq (Sing. ḫānqāh) bekannt; vgl. Rabbat, Šaġab ihren Großvater nach der Stiftungsurkunde Ribāṭ (1995). für ein Dorf fragte, das sie erworben hatte. Sie 27 Pouzet, Damas (1988), 211. wollte sie zurückholen, zerreißen und so den 28 Müller, Legal Instrument (2008), 174 f. waqf rückgängig machen. Der Großvater erkann‑ 29 S. Joseph, Islamic Law (2012), 62. Der te jedoch ihre Absicht und weigerte sich, ihr die ḥanafitische Jurist Šaiḫ ʿAbd al‑Ġanī an‑Nābulusī Urkunde zu geben. Danach erbat sie den Rat ih‑ (gest. 1731) dokumentiert einen Fall, in dem es res kāti, Ibn al‑Ḥamīd, der aber ihren Versuch unter den Nachkommen des Stifters eine Grup‑ als unrechtmäßig erachtete. Daraufhin holte sie pe von Frauen gab, die sich gegen diese Vorge‑ sich das Geld zurück und erklärte den Kauf des hensweise wehrte. Nach Meinung an‑Nābulusīs Dorfes für ungültig. war dieser Protest aber nicht rechtmäßig, weil 21 Sadek, Queen (1993), 21. In der Zusammen‑ die Stiftungsurkunde eine entsprechende rechts‑ schau mit den anderen Beiträgen in diesem Zeit‑ gültige Bestimmung enthielt; vgl. ebd., 167–169. schriftenband lässt sich ein leicht zugänglicher Dennoch war dem Stifterwillen auch dann unein‑ Überblick zum Mäzenatentum von Frauen ge‑ geschränkt zu folgen, sollte er festlegen, dass eine winnen, insbesondere im Hinblick auf islamische bestimmte weibliche Erbin begünstigt werden Architektur. sollte, wie der ebenfalls bekannte ḥanafitische Jurist Ḫair ad‑Dīn ar‑Ramlī (gest. 1671) erklärt. 22 Atil, Islamic Women (1993), 5. 23 Sadek, Queen (1993), 21. In späterer Zeit wur‑ 30 Die historisch belegten Rollen von Frau‑ den bedeutende und geographisch ausgedehnte en in der medizinischen Versorgung insgesamt awqāf etwa auch von freigelassenen Sklavinnen sind ein interessantes Phänomen: Obwohl die
146 Krankenversorgung zum größten Teil von Frau‑ en als Müttern, Ehefrauen, Krankenschwestern und Hebammen geleistet wurde, gibt es keinen Quellenbeleg für ausgebildete Ärztinnen in mit‑ telalterlichen muslimischen Gesellschaften. 31 Ibn al‑Ǧauzī, Al‑Muntaẓam fī tārīḫ al‑umam wa‑l‑mulūk. Ed. Muḥammad ʿAtā, Bd. 13. Beirut 1992, 178. 32 Hershkovits, Medical Services (2014), 126– 129. Siehe auch Lev, Charity, Endowments (2005), 120–126. Aus osmanischer Zeit ist außerdem der Fall Nafīsa al‑Baiḍāʾs belegt, einer mamlūkischen Konkubine in Ägypten und der späteren Ehefrau des Offiziers Murād Bey (gest. 1801), die Einkünfte aus ihren umfangreichen kommerziellen Unter‑ nehmungen einem islamischen Kinderkranken‑ haus und dem dazugehörigen Brunnen widmete; vgl. Fay, Counting on Kin (2010), 218 f. 33 Berkey, Women and Islamic Education (1991), 144. 34 Sabra, Poverty and Charity (2000), 88. 35 Ebd., 88. – Bekannt für seine Wohltätigkeit war auch der Eunuch Dīnār al‑Muršidī; ihm wird die Freilassung von dreißig männlichen und weiblichen Sklaven zugeschrieben; Marmon, Eunuchs (1995), 68. 36 Petry, Slaves to Benefactors (1994), 65 f. 37 Al-Harithy, Female Patronage (2005), 335; Petry, Waqf as an Instrument (2000). 38 G. Baer, Women and Waqf (1983); Doumani, Endowing Family (1998). 39 Fay, Women and Waqf (1997), 33; 45. 40 Rapoport, Marriage (2005), 40. 41 Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī, Kitāb al‑mawāʿiẓ wa‑l‑iʿtibār fī ḏikr al‑ḫiṭaṭ wa‑l‑āḏār al‑maʿrūf bi‑l‑ḫiṭaṭ al‑maqrīzīya. Ed. Muḥammad Zainhum / Madīḥa aš-Šarqāwī, Bd. 3. Kairo 1998, 652. 42 Rapoport, Women and Gender (2007), 16 f. 43 In der Urkundensammlung des Ibn al‑ʿAṭṭār (gest. 1099) sind notarielle Urkunden (waṯāʾiq, Sing. waṯīqa) überliefert, die Frauen für unfähig erklä‑ ren, ihr Eigentum zu verwalten, da sie dumm, unerfahren oder verschwenderisch gewesen seien. Siehe Ibn al‑ʿAṭṭār, Kitāb al‑waṯāʾiq wa‑l‑siǧillāt. Ed. Pedro Chalmeta / Federico Corriente. Madrid 1983, 210 f. 44 Burak, Second Formation (2015), 201 f. 45 Viele Beispiele von Stiftungsurkunden, in denen Männer den doppelten Anteil von Töchtern
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erhalten, finden sich bei Taqī ad‑Dīn as‑Subkī, Kitāb Fatāwa. Kairo 1937, Bd. 1, 475; 484; 494; 500; 501; 511; 517; Bd. 2, 9; 10; 29; 40; 50; 72; 167; 168; 177; 183; 187; Zakarīyā al‑Anṣārī, Iʿlām wa‑l‑iṯimām bi‑ǧamʿ fatāwā šaiḫ al‑Islām Abī Yaḥyā Zakarīyā al‑Anṣārī. Ed. Aḥmad ʿUbaid. Beirut 1984, 164; 165; 167; 168; 171; 175; 182; 185; 187; 189; 191. 46 Amīn, Awqāf (1980), 94. 47 Ṣalāḥ ad‑Dīn aṣ‑Ṣafadī, Kitāb al‑Wafī bi‑l‑ wafāyāt. Ed. Aḥmad al-Arnāʾwūt / Muṣṭafā Turkī, Bd. 24. Beirut 2000, 186 f. 48 Berkey, Transmission of Knowledge (1992), 51. 49 Corpus Inscriptionum Arabicarum Palaes‑ tinae. Ed. Moshe Sharon, Bd. 5. Leiden / Boston 2013, 219 f., Nr. 64. 50 Petry, Slaves to Benefactors (1994), 61. 51 Relevante Einblicke in dieses Thema mit Schwerpunkt auf dem Osmanischen Reich ge‑ währt Meriwether, Women and Waqf Revisited (1997), 146 f. 52 Petry, Class Solidarity (1991), 133. 53 Šihāb ad‑Dīn Aḥmad Ibn Ḥaǧar al‑ʿAsqalānī, Inbāʾ al‑ġumr bi‑abnāʾ al‑ʿumr. Ed. Ḥasan Ḥabašī, Bd. 1. Kairo 1976, 411. 54 Petry, Class Solidarity (1991), 130. 55 Ebd., 132.
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15.4 Juden 15.4.1 Allgemeines Die Forschungen zum jüdischen Stiftungs‑ wesen im Mittelalter im Allgemeinen un‑ terscheiden sich in ihren inhaltlichen und methodischen Zugängen insofern, als ihre Autor_innen zum einen zumeist jeweils nur einen jüdischen Kulturkreis behan‑ deln, das heißt entweder Aschkenas, Spa‑ nien (Sepharad) oder das in den Geniza‑ Dokumenten repräsentierte ‚mediterrane‘ Judentum, und zum anderen als sie ihre Quellen vornehmlich aus einer (sozial‑) historischen oder aus einer religionsrecht‑ lichen Perspektive behandeln. In jüngeren Arbeiten zur Genderfrage im mittelalter‑ lichen Judentum ist zumindest die zwei‑ te Dichotomie teilweise überwunden, so dass mit Ansätzen, die die Teildisziplinen übergreifen, differenziertere und facetten‑ reichere Ergebnisse erzielt werden.1 Dies gilt auch für die wenigen vorhandenen Studien zum Themenkomplex ‚Geschlecht und Stiftungswesen‘, sofern ‚Stiftungswe‑ sen‘, terminologisch im weiten Sinne ver‑ standen, auch die Bereiche der ṣedaqah als ‚Wohltätigkeit‘ und ‚(Armen‑)Fürsorge‘ und damit auch Schenkungen und Spenden für allgemeine, synagogal‑liturgische und ins‑ besondere wohltätige Zwecke einschließt.2 Zur ṣedaqah waren Frauen wie Männer verpflichtet.3 Die in den hebräischen Quellen ver‑ wendeten Begriffe unterscheiden je nach Kulturkreis deutlich zwischen den Katego‑ rien ‚Schenkung‘, ‚Spende‘ und ‚Stiftung‘. Insofern der deutsche Begriff ‚Stiftung‘ den hebräischen Begriff heqdesh als fromme ‚Weihestiftung‘ und die zugehörigen Verb‑ formen, abgeleitet von le-haqdish, ‚weihen, widmen‘, wiedergibt, geht er auf die antike
Weihestiftung heqdesh an den Jerusale‑ mer Tempel zurück. Im Mittelalter wurde der Begriff heqdesh in den Dokumenten der Kairoer Geniza sowie im Laufe des 13. Jahrhunderts in Spanien vielschichtiger verwendet und konnte nun auch andere religiöse Stiftungen vor allem für Arme und Gemeindefonds bezeichnen.4 Hingegen bestand im aschkenasischen Kulturkreis bis ins ausgehende Mittelalter ein religions‑ rechtlicher Vorbehalt gegen die termino‑ logische Weiterverwendung der einst auf die Tempelstiftung bezogenen Begriffe (heqdesh, qodesh usw.).5 Daher wurden für Gemeindefonds und für Institutionen, die analog zu Stiftungen handelten, in Asch‑ kenas nicht der Begriff heqdesh und seine verbalen Ableitungen, sondern Begriffe aus dem Bereich der ṣedaqah (‚spenden‘, ‚gelo‑ ben zu geben‘ oder ‚schenken‘) verwendet. Daraus ergeben sich religionsrechtliche Un‑ terschiede z. B. hinsichtlich der möglichen Umwidmung einer Spende im Unterschied zu einer Stiftung an den heqdesh.6 Dage‑ gen bezeichnet der in den aschkenasischen Quellen ab dem 13. Jahrhundert erschei‑ nende Begriff heqdesh keine ‚Stiftung‘ oder einen wohltätigen Gemeindefonds, sondern ein jüdisches Hospital für Arme und Frem‑ de.7 Daher werden im Folgenden, um auch solche aschkenasischen Einrichtungen zu behandeln, die Stiftungen sinngemäß na‑ hekommen, auch Fälle erfasst, in denen der Begriff heqdesh und seine verbalen Ablei‑ tungen nicht fallen. Die Kategorie ‚Geschlecht‘ wird im Ju‑ dentum als bipolares Geschlechter modell konstruiert (so bereits in Gen 1.27). In‑ folge des Kastrationsverbots spielen in
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mittelalterlichen Texten weder Eunuchen noch die in der antiken rabbinischen Li‑ teratur erwähnten Androgynoi eine nen‑ nenswerte Rolle.8 Seit der Antike wur‑ de die Ehe als hohes religiöses Ideal und grundlegende Institution zum Erhalt der jüdischen Gemeinschaft angesehen, wo‑ hingegen zölibatäres Leben verpönt war und ist.9 Daher spielt das Ehegüter‑ und Erbrecht eine besondere Rolle für die Fra‑ ge nach geschlechterspezifischer Spenden‑ und Stiftungspraxis. Die vorhandenen Quellen geben häu‑ fig nur fragmentarisch Auskunft über Geschlechterverhältnisse. Rabbinische Rechtsgutachten (Responsen) als eine der am besten überlieferten mittelalterlichen Quellengattungen behandeln naturgemäß Fälle, in denen es zu einem Konflikt oder zumindest rechtlichen Problemen gekom‑ men war. Folglich fehlen sie, wenn Frauen und Männer unangefochten ihre Spenden‑ und Stiftungstätigkeit ausüben konnten; ein Mangel an Zeugnissen aus dem Bereich der Rechtsgutachten spricht daher eher für als gegen eine akzeptierte (Stiftungs‑) Praxis. Die Dokumente der Kairoer Geniza geben wiederum vor allem Auskunft über Begünstigte, so dass hier Stifter_innen seltener repräsentiert sind. Aus Aschkenas sind hingegen die Quellen zum Spenden‑ wesen als Teil der liturgischen Memorial‑ praxis sehr aussagekräftig. Mangels mittel‑ alterlicher aschkenasischer Genizot10 sind hier indessen wenig konkrete Nachrichten über Begünstigte überliefert.
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Die Fähigkeit, über Vermögen zu verfü‑ gen, wurde überdies von der sozialen und wirtschaftlichen Stellung ihres Haushalts und von den religiösen, kulturellen und rechtlichen Normen und Praktiken der jeweiligen jüdischen wie nichtjüdischen Gesellschaft determiniert. Da aber jede Form jüdischer Rechtspraxis immer von den normativen Grundlagen in Bibel und antiker rabbinischer Literatur konditioniert war, werden im Folgenden (1.) zunächst die antiken Grundlagen des jüdischen Ehegü‑ ter‑ und Erbrechts und die aus ihm resul‑ tierende Zugriffsmöglichkeit auf Vermö‑ gen für Männer wie Frauen dargestellt, die den Rahmen für die sehr unterschiedliche Weiterentwicklung in den jeweiligen mit‑ telalterlichen jüdischen Siedlungsgebieten bildeten. Darauf folgt (2.) die Darstellung des Ehegüterrechts in Norm und Praxis jeweils nach den Dokumenten der Kairo‑ er Geniza, im christlichen Spanien, in der Provence, Nordfrankreich, England und Aschkenas, das im Mittelalter wiederum gegebenenfalls geographisch differenziert zu betrachten ist (westliches Aschkenas, vor allem Rheinland, Ober‑ und Niederrhein; östliches Aschkenas, vor allem Österreich). Daran anschließend wird (3.) dargelegt, inwiefern der unterschiedliche Vermögens‑ zugriff auch die jeweilige Spenden‑ und Stif‑ tungstätigkeit im Rahmen der spezifischen ehegüterrechtlichen Praxis bestimmte.
(1.) Die Mischna als früheste Kompilation jüdisch‑rabbinischen Rechts (ca. 220 u. Z. endredigiert) favorisiert in ihren ehegü‑ terrechtlichen Bestimmungen die höhere ökonomische Sicherheit der Ehefrau um 15.4.2 Ehegüter- und Erbrecht den Preis ihrer geringeren ökonomischen Vor allem für die Zeit des Ehestands war Verfügungsgewalt.11 Daher sind weder eine für beide Geschlechter der einseitige Witwe hinsichtlich des Nachlasses ihres Vermögenszugriff und damit eine unab‑ Ehemanns noch eine Tochter erbberech‑ hängige Spenden‑ und Stiftungstätigkeit tigt, sofern Söhne (respektive Brüder) exis‑ eines der beiden Partner eingeschränkt. tieren. Vermögensansprüche der Witwe
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am Nachlass resultieren allein aus der ketubbah – Heiratsurkunde und zugleich Heiratsverschreibung –, die als nachbib‑ lische rabbinische Institution an die Stel‑ le des mohar, des Brautpreises, getreten war. Der Bräutigam verpflichtete sich bei der Eheschließung, die ketubbah der Gat‑ tin dereinst bei Auflösung der Ehe durch Scheidung oder bei seinem Tod auszuzah‑ len bzw. auszahlen zu lassen, um sie in ihren vermögensrechtlichen Ansprüchen abzusichern. Dafür bürgte er mit seinem gesamten Vermögen. Während der Ehe konnte er daher vor allem Liegenschaften, die der Sicherung der ketubbah dienten, zumeist nur mit Zustimmung der Ehe‑ frau veräußern und war somit auch in seiner Tätigkeit als Stifter eingeschränkt. Die Mindest(schuld)verschreibung (auch iqqar ketubbah, ‚Hauptsache der ketubbah‘, genannt) von 200 Dinar für eine ‚Jung‑ frau‘ bzw. 100 Dinar für eine Frau, die als Witwe oder Geschiedene erneut heirate‑ te, konnte mit Hilfe der ketubbah-Zulage (tossefet ketubbah) beliebig erhöht, jedoch nicht reduziert werden. Hingegen wurde in der Mischna für die Mitgift – anders als für die Mindestverschreibung durch den Mann – keine Mindestsumme vorge‑ schrieben, sondern wurden lediglich 50 Sus als Mindeststandard empfohlen.12 Das Vermögen, das von der Frau in das Haus des Mannes eingebracht wurde, ging un‑ terschiedslos in die Verfügungsgewalt des Mannes über. Dieser konnte hiermit wie mit der Gesamtverpflichtung in der Form der ketubbah Handel treiben und war für die Rückerstattung des Eingebrachten und der übrigen in der ketubbah verzeichneten Vermögenswerte erst bei Auflösung der Ehe verpflichtet.13 Die Ehefrau konnte auch nicht zu eigenem Vermögen durch den Gewinn ihrer Erwerbstätigkeit gelangen, da dem Ehemann als Entschädigung für seine Unterhaltsverpflichtung auch der
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Nießbrauch an jedem Verdienst seiner Frau zustand.14 Ebenfalls nach antiken Normen, die auch die rechtliche Ausgangslage für das Mittelalter markieren, wurde eine einheit‑ liche Wirtschaftsgemeinschaft unter Ver‑ waltung des Ehemanns geschaffen. Die ökonomische Obhut über die Frau und damit die Verfügungsgewalt des Mannes über ihr Vermögen konnten reduziert oder aufgehoben werden, sofern die Zeiten öko‑ nomisch und politisch stabil waren und die Ehefrau in einer wirtschaftlich star‑ ken Position war. Dabei war umgekehrt eine entsprechende starke Position ihres Mannes erforderlich, damit dieser auf den ökonomischen Beitrag seiner Frau verzich‑ ten konnte. Töchter waren vom Erbe ausgeschlossen, sofern Söhne lebten. Somit dienten die Be‑ stimmungen des Ehegüter‑ und Erbrechts in der mischnischen Rechtsgrundlage der Unterhaltssicherung der Frau nach Auflö‑ sung der Ehe sowie der vaterlos geworde‑ nen Tochter, nicht aber der ökonomischen Unabhängigkeit von Frauen. Die tannaitischen Bestimmungen zur ketubbah wurden in der amoräischen15 Zeit in Palästina und Babylonien (3.–5. bezie‑ hungsweise 3.–6. Jahrhundert u. Z.) wei‑ terentwickelt. Dabei wurde die Regelung der Mischna zur ketubbah unterschiedlich interpretiert. Galten in Palästina weiterhin 200/100 Sus, wie es die Bestimmungen im palästinischen Talmud demonstrieren,16 so setzt eine Tradition im babylonischen Tal‑ mud lediglich ein Achtel der mischnischen Mindestsumme, nämlich 25 respektive 12,5 Sus, fest.17 Behielt also im amoräischen Palästina die ketubbah ihre Funktion zur Existenzsicherung der Frau, so reduzier‑ te sich im babylonischen Talmud mit der deutlich geringeren ketubbah‑Summe ei‑ nerseits auch die Absicherung der Frau durch den Mann, andererseits erhöhte sich
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die Bedeutung der Mitgift und damit die zu erbringende Leistung der Frauenseite. Folglich findet sich erstmalig im babyloni‑ schen Talmud mit nedunya ein spezifischer Terminus für ‚Mitgift‘.18 (2.) Die antike Rechtsgrundlage bestimmte maßgeblich das jüdische Ehegüter‑ und Erbrecht des Mittelalters und damit die Möglichkeit von Männern und Frauen, über Vermögen zu verfügen und spendend oder stifterisch tätig zu werden. Abweichungen von der antiken Rechtsgrundlage hatten im Mittelalter in den jeweiligen Siedlungs‑ gebieten auf der Basis von Verträgen und Gemeindeverordnungen zu erfolgen. Zu diesen Verträgen gehörten insbesondere die ketubbot, deren Klauseln (jeweils un‑ terschiedlich in den jeweiligen Rechts‑ und Kulturkreisen) immer stärker standardi‑ siert wurden, so dass die Vertragspraxis ein Ehegüterrecht mit gewohnheitsrecht‑ lichem Charakter schuf. In den in der Kairoer Geniza überlie‑ ferten ketubbot19 wird die bereits in der Mischna genannte Möglichkeit der ‚ketubbah‑Zulage‘ des Mannes (tossefet ketubbah) nun als verbreitete Praxis bezeugt.20 Im Unterschied zu den Bestimmungen der Mischna, nach der die ketubbah-Zulage wie die ketubbah selbst erst bei Auflösung der Ehe auszuzahlen war, sehen die mittel‑ alterlichen palästinischen und ägyptischen ketubbot zwei Zahlungstermine vor; einen früheren (von mindestens 5 Dinar) bei der Eheschließung, zu zahlen an die Braut oder ihren Vertreter, und einen spätereren bei Auflösung der Ehe.21 Außerdem sollte sich die Höhe der Zulage nun nach der Höhe der Mitgift richten,22 so dass bereits die frühere Teilzahlung der ketubbah-Zulage bei sozial und finanziell bessergestellten Frauen von beträchtlicher Höhe war und diesen eine relative ökonomische Macht verleihen konnte.23 Über Jahrhunderte
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zeugen Geniza‑Dokumente von verhei‑ rateten Frauen, die das Recht einforder‑ ten und erhielten, ihr Separatvermögen zu verwalten und frei darüber zu verfü‑ gen 24, sowie von wechselseitigen Vermö‑ genstransaktionen zwischen Frauen und ihren Ehemännern.25 Überdies verliehen zahlreiche in der Kairoer Geniza überlie‑ ferte Verträge Frauen explizit das Recht, über Gewinne aus ihrer Erwerbstätigkeit allein zu verfügen; diese mussten sie also entgegen der mischnischen Rechtsnorm nicht an den Ehemann abführen. Zudem verzichteten Ehemänner auch häufig frei‑ willig auf die Gewinne aus der Erwerbs‑ tätigkeit der Frau.26 Umgekehrt musste der Ehemann sein gesamtes Vermögen als Sicherheit stellen und er benötigte, wie in Geniza‑Dokumenten gut belegt ist, das Einverständnis der Ehefrau beim Verkauf von Immobilien. Nicht einmal seine Möbel aus dem gemeinsamen Wohnsitz durfte er entfernen.27 Die aus dem christlichen Spanien über‑ lieferten ketubbot bezeugen unterschied‑ liche Praktiken je nach Ort und Zeit. Im Folgenden können sie nur hinsichtlich ei‑ niger Charakteristika dargestellt werden.28 Zum Formular‑ oder Standardinhalt der ketubbot gehörte die Generalhypothek des Mannes; sie galt nicht nur für die Mindest‑ ketubbah (hier mohar genannt), die der Be‑ stimmung der Mischna und palästinischer Tradition gemäß mit 200 bzw. 100 Sus an‑ gegeben wurde,29 sondern überdies auch für die Mitgift und die Mitgift‑Erhöhung seitens des Mannes. Sie erstreckte sich explizit auf Immobilien wie Mobilien, ein‑ schließlich solchen Vermögens, das der Mann nach der Eheschließung erwerben werde.30 Dementsprechend zeigen katala‑ nische Notariatsakten wie auch rabbini‑ sche Rechtsgutachten, dass in der Recht‑ spraxis die Ehefrau dank der ketubbah‑ Hypothek auf dem Besitz ihres Mannes
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in Verkaufsurkunden tatsächlich neben dem Ehemann genannt werden musste und bereits zu seinen Lebzeiten an seinen Verkäufen teilhatte.31 Auch der Ehemann war also in der Veräußerung seines Eigen‑ tums eingeschränkt und auf die explizi‑ te Zustimmung seiner Frau angewiesen. Diese Praxis zeugt von einer Rezeption des Römischen Rechts (in Katalonien wie andernorts), das für Verkäufe von Immo‑ bilien durch den Ehemann den expliziten Verzicht der Ehefrau auf das Mitgiftprivileg verlangte.32 Zusätzlich zu den Standardklauseln enthielten die ketubbot ähnlich verbind‑ liche Ergänzungen. Hierzu gehörte in rund einem Drittel der erhaltenen Zeugnisse ein ‚separates Geschenk‘ (mattanah le-ḥud) des Ehemanns, das er bei der Eheschließung für die Braut und manchmal auch für künf‑ tige Kinder aussetzte, bestehend aus Geld oder Immobilien, darunter bisweilen das Haus, in dem das Paar offenbar nach der Eheschließung leben würde. Dieses ‚sepa‑ rate Geschenk‘ unterstand der Verfügungs‑ gewalt der Frau, wurde aufgrund seiner Bedeutung in manchen Fällen zusätzlich in einem separaten Vertrag festgehalten33 und sicherte nicht allein ihren Lebensunterhalt als Witwe, sondern gab ihr vor allem die Möglichkeit, bereits während der Ehe ei‑ genständig über Vermögen zu verfügen. In Toledo und anderen Städten Kastiliens wurde unter Ehepaaren häufig ein Ver‑ trag, hermandad genannt, geschlossen, der dem überlebenden Ehegatten, Mann oder Frau, den gesamten Besitz zusicherte. Da erst nach dessen Tod die Kinder erbten,34 konnte der überlebende Ehegatte autonom über das Vermögen verfügen. Eine gänzlich andere Entwicklung nahm die ketubbah seit dem 12. Jahrhun‑ dert im mittelalterlichen Aschkenas, aus‑ gehend von den ,ShUʺM‑Gemeindenʻ (Spey‑ er, Worms, Mainz). Der Mainzer Gelehrte
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R. Elieser b. Nathan (ca. 1090 – ca. 1170 u. Z., Akronym Ravan), der erste bedeutende rheinische Gelehrte nach den Verfolgun‑ gen des Ersten Kreuzzugs 1096,35 erwähnt als erster den ‚Rechtsbrauch‘ (minhag), in den ketubbot den Wert der von der Frauen‑ seite eingebrachten Mitgift ungeachtet ih‑ rer tatsächlich eingebrachten Höhe ein‑ heitlich mit 50 ‚Pfund‘ Silber anzugeben. Dieser Summe fügte der Mann die einheit‑ liche ketubbah‑Zulage (tossefet [ketubbah]) von gleichfalls 50 ‚Pfund‘ Silber hinzu 36, so dass die gesamte Schuld sich auf 100 ‚Pfund‘ Silber belief. Dadurch, dass die‑ se hohe Summe auf seinem Besitz lastete, erhielt die nicht erbberechtigte Witwe bei früherem Tod ihres Mannes in den meis‑ ten Fällen Anspruch auf den gesamten Nachlass und wurde damit de facto zur Alleinerbin, solange sie im Einvernehmen mit den Erben handelte. Dieses Einverneh‑ men war vor allem dann gegeben, wenn es sich bei den Erben um ihre unmündigen Kinder handelte, für die sie als Vormund fungierte.37 Diese neu geschaffene Stan‑ dard‑ketubbah stellt eine fundamentale Neuerung im Ehegüter‑ und Erbrecht dar.38 Sie ging einher mit der zunehmenden Bedeutung jüdischer Kauffrauen, denn Ra‑ van berichtet gleichfalls als erster davon, dass Handel treibende Ehefrauen, die bis dahin ohne eigenes Vermögen als nicht geschäftsfähig gegolten hatten, „zum Wohl des Marktes“ nun für ihre Handelstätigkeit haftbar gemacht werden konnten, seien sie doch Verwalterinnen und Stellvertreterin‑ nen ihrer Ehemänner.39 Ravans Entscheidung zur Haftung der Kauffrauen wurde nicht nur im Werk seines Enkels R. Elieser ben Joel ha‑Levi (Akronym Ra ʾVJaH, ca. 1140–1225 [?]) zitiert,40 sondern fand auch Eingang in die Werke anderer bedeutender Gelehr‑ ter des 13. Jahrhunderts, so des R. Meir b. Baruch von Rothenburg (um 1220–1293)
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und seines Zeitgenossen R. Ḥayyim bar Isaak Or Zarua. Weitere richtungsweisende Innova‑ tionen folgten im 13. und 14. Jahrhundert, die zu einer zunehmenden ‚Angleichung der Geschlechter‘ in der aschkenasischen Praxis des Ehegüter‑ und Erbrechts führ‑ ten. Als Standardvertrag seit dem Spät‑ mittelalter verzeichnen die sogenannten tnaʾim, wörtlich ‚Bedingungen‘, neben der tatsächlichen Höhe der Mitgift der Frauen‑ seite auch die Mitgift der Mannesseite, die (erstmals Mitte des 13. Jahrhunderts zu beobachten und im 15. Jahrhundert üblich) bei der Eheschließung zu stellen war. Diese war in vielen Fällen gleich hoch wie die Mitgift der Frauenseite. Grund für diese beiderseitige Mitgift war der Geldhandel, seit dem 12. Jahrhundert für die meisten Juden die einzig mögliche und daher maß‑ gebliche Erwerbsquelle. Ein Paar konnte nur erfolgversprechend in den Geldhandel einsteigen, wenn ihm ein angemessenes Startkapital zur Verfügung stand, so dass in vielen Fällen Männer wie Frauen die gleiche finanzielle Grundausstattung er‑ hielten.41 Daher waren bei vielen Ehepaa‑ ren die Rollen nicht aufgeteilt in die des Mannes als des Ernährers und der Frau als der zu Ernährenden, sondern beide Partner hatten die gleichen Rechten und Pflichten.42 Ab dem 15. Jahrhundert hielten die tnaʾim üblicherweise auch fest, „dass beide gleichermaßen über das gemeinsa‑ me Vermögen verfügen und keiner dem anderen etwas ohne dessen Wissen und Erlaubnis entziehen darf“. Bei Verstößen gegen diese Klausel klagten Frauen vor Rabbinern.43 Eine mit Aschkenas vergleich‑ bare Entwicklung hatte die ehegüterrecht‑ liche Praxis im mittelalterlichen England genommen, die durch die zahlreich aus dem 13. Jahrhundert überlieferten Verträ‑ ge gut dokumentiert ist.44 Neben der auch hier üblichen Standard‑ketubbah von 100
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‚Pfund‘ Silber stellten Braut wie Bräutigam bereits im 13. Jahrhundert eine Mitgift.45 Beim Verkauf von Immobilien verzichtete die Ehefrau zuvor auf ihre ketubbah‑An‑ sprüche bzw. verkauften Ehepaare Immo‑ bilien gemeinsam.46 So wie ab dem 13. Jahrhundert auch der (erbberechtigte) Bräutigam üblicherwei‑ se eine Mitgift in die Familie der Braut einbrachte, so wurde in Aschkenas und England nun auch der Braut bzw. Tochter zunehmend ein Anteil am Vermögen der Herkunftsfamilie über die bei der Ehe‑ schließung gezahlte Mitgift hinaus ge‑ währt. Seit dem 15. Jahrhundert hielt ein „Dokument über einen halben männlichen Erbteil“ (shtar ḥasi [ḥeleq] zakhar) – als fiktive Schuldverschreibung auf den eins‑ tigen Nachlass des Vaters (oder der Eltern) konstruiert – den Anspruch einer Tochter auf den Nachlass ihrer Herkunftsfamilie fest.47 Frauen, vor allem Witwen, fungier‑ ten als Haushaltsvorstände und zahlten Steuern und für das Aufenthaltsrecht der Haushaltsgemeinschaft.48 Daher war es wichtig, dass das im Wesentlichen aus Mo‑ bilien, besonders aber aus Geld bestehende Vermögen einer Haushaltsgemeinschaft lange ungeteilt in einer Hand blieb. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass aus dem mittelalterlichen Aschkenas keine Nachrichten von Verträgen existie‑ ren, die einer Frau die freie Verfügung über Separat vermögen explizit zusichern, vergleichbar der Rechtspraxis in den Doku‑ menten der Kairoer Geniza und aus Spani‑ en, da eine solche Vermögensabsonderung der Haushaltsgemeinschaft entgegenge‑ standen hätte. (3.) Wie im Ehegüterrecht, so waren auch für die Spendentätigkeit im Sinne der ṣedaqah religionsrechtlich die antiken rab‑ binischen Richtlinien maßgeblich für mit‑ telalterliche verheiratete Jüdinnen und
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Juden.49 Insbesondere ein im babylonischen Talmud überlieferter Präzedenzfall be‑ stimmte die mittelalterliche Diskussion, inwieweit eine verheiratete Frau in Ab‑ wesenheit ihres Ehemanns den ṣedaqah‑ Einnehmern oder den Armen Geld oder Sachmittel geben durfte.50 Ungeachtet des bis dahin gültigen Grundsatzes für ṣedaqah‑Einnehmer, von Frauen nur eine kleine, nicht aber eine große Gabe anzu‑ nehmen, hatte der amoräische Gelehrte Ravina als ṣedaqah‑Einnehmer im babylo‑ nischen Machosa Ketten und Armbänder von Frauen angenommen, mit der Recht‑ fertigung, dies sei vor Ort eine vergleichs‑ weise kleine Gabe für die (wohlhabenden) Leute; dahinter stand die Annahme, eine vermögendere Ehefrau habe auch größere Möglichkeiten zu spenden. So kollidierten die Gaben nicht mit dem Ehegüterrecht.51 In der durch die Kairoer Geniza doku‑ mentierten Epoche deutet das Fehlen von Rechtsgutachten und anderen rechtlichen Quellen zur ṣedaqah der Frauen darauf hin, dass die Wohltätigkeit von Frauen und damit auch ihre Spendentätigkeit re‑ ligionsrechtlich innerhalb der tradierten Bahnen verlief und keine Spannung zwi‑ schen Norm und Praxis wahrgenommen wurde.52 Rabbenu Yeruḥam (Ende 13. Jahrhun‑ dert; Provence, Spanien) indes suchte der Tendenz zu begegnen, dass Frauen zuneh‑ mend größere Geldspenden tätigten. Er interpretierte die in den Talmuden über‑ lieferte Verordnung des biblischen Esra, Frauen sollten früh aufstehen und Brot ba‑ cken, dahingehend, dass Frauen auf diese Weise – statt durch Geldspenden – Wohl‑ tätigkeit gegenüber Armen üben sollten. Dies sei mindestens ebenso verpflichtend wie die Auflage an Männer, maximal 20 Prozent ihres Einkommens als ṣedaqah zu stiften. Denn im Spanien des 13. Jahrhun‑ derts spendeten Ehefrauen ṣedaqah in einer
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derartigen Höhe, dass sie den Argwohn einiger rechtlicher Autoritäten erregten, zumal wenn sie dies gegen den Willen der Ehemänner taten. Der weit über die Gren‑ zen Spaniens hinaus anerkannte R. Salo‑ mon b. Abraham Adret (RaShBaA, Barcelo‑ na, ca. 1235–1310) erlaubte Frauen in einem Rechtsgutachten eine kleine Gabe ohne Wissen der Ehemänner, da anzunehmen sei, dass Männer bei niedrigen Summen nicht beunruhigt seien. Dies bedeutete im Gegenzug, Frauen dürften nicht gegen den klar formulierten Wunsch der Männer geben, eine Ansicht, die Rashba in einem weiteren Responsum auf Nachfrage hin bekräftigte.53 Wohlweislich hatte R. Jona Gerondi (gest. Toledo 1263) erwerbstätigen Frauen die Gabe von ṣedaqah zwar nahe‑ gelegt, ihnen aber zugleich geraten, über das übliche Maß hinaus zu arbeiten und die ṣedaqah von dem überdurchschnittli‑ chen Gewinn zu spenden, um nicht von der Zustimmung der Ehemänner abhängig zu sein. Ein Jahrhundert später postulierte Israel Al‑Nakawa (Toledo) in seinem Mo‑ ralwerk ‚Menorat Hamaor‘, die von Frauen geleistete ṣedaqah sei von Gott erwünscht, wenn sie den Hungrigen mit dem köstlich‑ sten Brot speise und ihn dabei freundlich mit Worten tröste. Die ṣedaqah, die eine Frau spende, solle ihrer eigenen Arbeit entspringen.54 Der für seine Neuerungen im Ehegüter‑ recht bekannte Mainzer Ravan interpre‑ tierte auch bT Bava Qama 119a hinsichtlich der ṣedaqah von Ehefrauen recht innovativ: „Heutzutage“ könnten ṣedaqah‑Sammler von Ehefrauen Spenden in jedweder Höhe, selbst große Gaben annehmen, da grund‑ sätzlich alle Frauen als Verwalterinnen (epitropot)55 ihrer Männer tätig seien und in dieser Funktion spendeten, und Ravan hob mit dem Argument „heutzutage“ die talmu‑ dische Unterscheidung zwischen kleinen und großen Gaben auf.56 Das rechtlich
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angreifbare Argument der zeitgenössi‑ schen Praxis als Basis der Regelung wurde von Ravans Nachfolgern nicht übernom‑ men. Meir von Rothenburg bezeichnete eine Ehefrau zwar als Verwalterin, doch könne sie nur eine kleine Gabe spenden, so dass die talmudische Regelung gültig und nicht durch das Argument der zeit‑ genössischen Praxis aufgehoben sei. Auch sein Schüler R. Asher ben Yeḥiel (Akronym ROSh) bekräftigte in einem Rechtsgutach‑ ten bereits während seines Aufenthalts in Spanien, die Ehefrau dürfe nicht einmal eine kleine Gabe ohne Erlaubnis des Ehe‑ manns spenden, sofern sich der Ehemann dem widersetze.57 Isaak b. Moses von Wien (‚Or Zarua‘) thematisierte das Thema ‚Ehe‑ frauen und ṣedaqah‘ in seinen ‚Hilkhot ṣedaqah‘ gar nicht und zitierte bT Bava Qama 119a ohne den aufhebenden Zusatz „heutzutage“ des Ravan.58 Das im 13. Jahrhundert verfasste große ‚pietistische‘ Sammelwerk ‚Sefer Ḥassidim‘ reflektiert den konservativen Rechts‑ diskurs seiner Zeit. Gegen den Widerstand des Ehemanns sollten ṣedaqah‑Sammler nicht einmal eine kleine Gabe von seiner Frau annehmen. In einem Fall wünschte sich eine Frau von ihrem Gatten, ein Buch zu kaufen oder einen Schreiber zu bezah‑ len als Belohnung für ihren frühzeitigen Besuch des rituellen Tauchbads (Mikwe) noch vor seiner Rückkehr von einer Reise; ihr Impuls zu spenden wurde hier also durch ihren Mann kontrolliert. Die einzige Ausnahme hiervon bildete nach dem ‚Sefer Ḥassidim‘ der Fall einer Gemeindeverord‑ nung, die unter Strafe des Banns jeden zu einer Spende verpflichtete. Sofern der Ehemann diese Verordnung übertreten hatte, durfte die Ehefrau auch gegen sei‑ nen Willen spenden, so dass Segen auf sie komme, indem sie die Verpflichtung des Mannes und eben nicht ihre eigene erfül‑ le. So wurde hier der Wunsch von Frauen
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zu spenden dem Willen der Ehemänner untergeordnet.59 In der Zeit nach der Pest‑Pandemie Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhunderts kam es zu einer religionsrechtlichen Neu‑ konzeption des Themas ‚Ehefrauen und ṣedaqah‘, vor allem durch den Mainzer R. Jakob Molin (auch Mulin, Akrostichon Maharil, gest. 1427) und durch R. Moses Minz. Die ṣedaqah‑Spende wurde als Teil der wechselseitigen Verpflichtung der Ehe‑ partner für das Wohl des jeweils anderen verstanden. Das Prinzip der wechselseiti‑ gen Verantwortung, das sich in der ehegü‑ terrechtlichen Praxis bis ins 15. Jahrhun‑ dert ausgebildet hatte, fand so sein Pendant auch in der ṣedaqah‑Praxis. Denn rechtlich ging es nun nicht mehr um die Frage der Stellvertretung und der Kontrolle über das Vermögen sowie der hierbei erlaubten Höhe. Die ṣedaqah b e i d e r Partner wurde nun als unerlässlicher Bestandteil des re‑ ligiösen und ökonomischen Befindens der Ehepartner und ihrer ehelichen Beziehung aufgefasst. Die ṣedaqah auch der Frau war daher nun nicht mehr Gegenstand von Konflikten, sondern vielmehr ein Mittel, die Ehepartner zu einer religiösen und öko‑ nomischen Einheit zusammenzubringen. Maharil behandelt den Fall, dass ‚Leah‘ (so der fiktive Name) Steuern und andere finanzielle Verpflichtungen Dritten schul‑ dete. Leah hatte diese Gelder für steuerfrei erklärt, da sie sie bereits für ṣedaqah ab‑ gesondert, ihren Ehemann aber hierüber zuvor nicht informiert hatte.60 Maharil hielt Leahs Behauptung angesichts des Vermögens ihres Gatten und ihres Status als Handeltreibende für glaubwürdig; sie sei umgekehrt sogar verpflichtet gewesen, ṣedaqah als Teil ihres Handels abzufüh‑ ren, denn vermögende Frauen genössen (wie bereits in Prov 31.11 konstatiert) das Vertrauen ihrer Männer. Leah habe kor‑ rekt und verdienstvoll gehandelt, denn
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sie habe den Armenzehnt abgeführt, den ihr Mann schuldete. In ihrer neuen Rolle als Verwalterin (apotropa) stellte die Frau die religiöse und spirituelle und dadurch auch die ökonomische Basis sicher.61 Der Fall steht im Kontext dessen, dass der be‑ reits in der Antike abgeführte Armenzehnt in Aschkenas seit dem 13. Jahrhundert zu einem zunehmend verbindlichen Brauch (minhag) und im 15. Jahrhundert schließ‑ lich zu einem rabbinischen Gebot wurde.62 R. Moses Minz beantwortet die Fra‑ ge, inwieweit der Ehemann verpflichtet sei, das voreheliche Gelübde seiner Frau zu erfüllen, nämlich ṣedaqah als Mitgift für ihre verarmte Schwester zu geben.63 Seinem Urteil gemäß wurden die vor der Ehe geleisteten Gelübde nicht durch die Ehe aufgehoben. Ob der Strenge der betref‑ fenden Gesetze sei der Ehemann religiös verpflichtet, seine Frau vor Schaden zu schützen, und müsse ihr daher erlauben, ṣedaqah als großes Gebot, miṣvah rabbah, zu leisten, nähme doch sonst ihre Repu‑ tation Schaden.64 Unverheiratete Frauen, die vor allem als Witwen ṣedaqah übten oder zu Stifte‑ rinnen wurden, konnten vor allem dann zum Objekt religionsrechtlicher Erörte‑ rungen werden, wenn sie sich ihre ketubbah nicht hatten auszahlen lassen. Dank ihres ketubbah-Anspruchs verfügten sie dann weiterhin über den Nachlass des ver‑ storbenen Mannes und konnten mit den Erbberechtigten in einen Konflikt geraten, falls diese eine Spende oder Stiftung nicht bewilligten. In diesem Fall konnten Wit‑ wen nämlich nur dann frei über das ihnen dank der ketubbah zustehende Vermögen verfügen, wenn sie vor einem rabbinischen Gericht den Eid geleistet hatten (hashbaʾat ketubbah), von der ketubbah noch nichts zu Lebzeiten des Ehemanns ausgezahlt erhalten zu haben, oder die bereits erhal‑ tene Summe beeidet hatten, die dann von
der noch auszuzahlenden ketubbah‑Rest‑ summe abgezogen wurde. Solches hatte Meir b. Baruch von Rothenburg im Fall einer Witwe zu entscheiden; sie hatte aus dem Nachlass ihres Mannes für ein Hospi‑ tal (heqdesh) gespendet, bevor sie auf ihre ketubbah geschworen und diese gerichtlich eingezogen hatte. Nun aber suchten die Erben des Ehemanns diese Spende zu wi‑ derrufen. Meir entschied, vor dem Schwur und der Einlösung der ketubbah vor einem rabbinischen Gericht gelte der Nachlass als Besitz der Waisen (und damit nicht als ihr Besitz), und niemand könne etwas „weihen“ (maqdish), das nicht ihm gehöre.65 Dass auch Ehemänner infolge des Ehe‑ güterrechts Einschränkungen bei Schen‑ kungen unterworfen waren, zeigt bereits ein anonymes Responsum, möglicherweise aus dem zehnten oder elften Jahrhundert; danach konnte ein Mann eine Schenkung nur dann rechtsgültig aufsetzen, wenn seine Ehefrau diese durch ihre formelle Entsagung (silluq) an seinem Vermögen gleichermaßen bestätigt, das heißt der ent‑ sprechenden Minderung der auszuzahlen‑ den ketubbah zugestimmt hatte.66 Dieser Grundsatz, dass auch der Ehemann bei einer Schenkung der Zustimmung seiner Frau bedürfe, wird noch in einem mittelal‑ terlichen Talmudkommentar in einer itali‑ enischen Handschrift des 15. Jahrhunderts bekräftigt und dabei auf seine Söhne als seine Erben ausgeweitet: „Jeder Mann, der Geld übereignet, macht dies mit der Zu‑ stimmung seiner Frau und seiner Söhne.“67 15.4.3 Stifterinnen und Stifter Trotz der fragmentarischen Quellenlage sind Aussagen über den Anteil der Ge‑ schlechter am Spenden‑ und Stiftungs‑ wesen und zu geschlechterspezifischen Praktiken zumindest in Ansätzen möglich.
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Anhand der Dokumente in der Kairoer Geniza kommt Goitein zu dem Schluss, aufgrund eines Mangels an kleinen Mün‑ zen seien Frauen zu älteren, bereits im Ba‑ bylonischen Talmud favorisierten Formen privater ṣedaqah in Form von Nahrungs‑ mitteln zurückgekehrt, insbesondere der Verteilung von Brot an Arme. Zwar seien Frauen gelegentlich als Spenderinnen, vor allem für den Unterhalt von Synagogen, aufgetreten, aber seltener als angesichts ihrer weitreichenden ökonomischen Un‑ abhängigkeit erwartet, so dass sie haupt‑ sächlich in privat organisierter und per‑ sönlich erbrachter Wohltätigkeit engagiert gewesen seien.68 Auch Cohen konnte auf den mehr als hundert Spendenlisten der klassischen Geniza‑Zeit nur eine Handvoll Frauen ausmachen, die Armen gegenüber Wohltätigkeit übten, und dies zumeist im Zuge von Donationen an Synagogen. Da die Orte, an denen die Sammlungen nor‑ malerweise stattfanden, männlich domi‑ niert waren und daher von Frauen seltener aufgesucht wurden, ist ihr Fehlen auf die‑ sen Listen verständlich69 und widerspricht nicht der Vermutung, dass Frauen durch die direkte Gabe von Nahrungsmitteln an Arme das Gebot der ṣedaqah erfüllten. Unter diesen wenigen Frauen fand sich auch die vermögende Händlerin (ad-dallāla) al‑Wuḥša, die mittellos geheiratet hatte und nach ihrer Scheidung erfolgreich im Geldhandel tätig war.70 In ihrem Testament bedachte sie Verwandte, den Gemeinde‑ friedhof, beide Synagogen und Arme in Fustat. Der Löwenanteil ihres Nachlasses sollte an ihren Sohn gehen. Falls er jung sterbe, sollte sein Vermögen zur Hälfte an die Familie und zur anderen Hälfte an Synagoge und Arme gehen. Ṣedaqah bildete für sie ein Grundelement einer Bilanz von realen und symbolischen Gütern. Moshe Gil zufolge lassen die Geniza‑ Dokumente nicht auf eine bestimmte
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soziale Klasse oder einen einzelnen Berufs‑ stand der Stifterinnen und Stifter schlie‑ ßen. Er listet zwölf Fälle auf, in denen namentlich genannte Donatoren mit un‑ terschiedlichem beruflichem und sozialem Hintergrund Häuser oder Hausanteile zu wohltätigen Zwecken stifteten: an ‚Arme‘, an Synagogen oder an den qodesh. Von den zwölf Donatoren sind sechs Frauen, die die Häuser und Hausanteile vermutlich entweder als Erbe oder Teil ihrer Mitgift erhalten hatten.71 Ein zwischen 1160 und 1170 dokumentiertes Haus war zur Hälfte dem heqdesh geweiht; hiervon wiederum sollte unter bestimmten Bedingungen ein Viertel an eine Frau (Sitt al‑Ahl) gehen, nämlich zur Unterstützung ihrer Schwes‑ ter Sutait, wohingegen der Rest u. a. für Kranke, Medizin oder die Kopfsteuer ei‑ nes Gelehrten verwendet werden sollte.72 1006 hinterließ eine kinderlose Frau ein Drittel ihres Hauses dem qodesh von zwei Synagogen; eine Hälfte des Hauses soll‑ ten Verwandte erhalten, darunter zwei Frauen.73 In ihrer letztwilligen Verfügung von vermutlich 1151 vermachte Sitt al‑Husn, Gattin des Richters Nathan b. Samuel, auf dem Totenbett in Anwesenheit des Ehe‑ manns die Hälfte ihres Anwesens dem qodesh sowie ein Viertel an zwei Sklavin‑ nen, die gleichzeitig befreit werden sollten. Die Sklavinnen sollten in dem Raum leben können, der Teil des qodesh sei, sofern sie jüdisch blieben; die Erblasserin setzte ferner fest, welche Vermögensanteile an ihren Ehemann gehen sollten.74 Zumindest diese Dokumente zeigen, dass die in den Geniza‑Urkunden erscheinenden Frauen dank der ehegüterrechtlichen Freiräume eigenes Vermögen für Stiftungen nutzen konnten. Im nördlichen Spanien des 13. Jahrhun‑ derts errichteten Männer wie Frauen pri‑ vate Stiftungen in Form von heqdeshot ‚pro anima‘, zur Sündenvergebung und damit
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für ihr Seelenheil. Ein Ehemann, der es versäumt hatte, für seine Frau einen heqdesh zu errichten, hatte seine Pflichten verletzt und wurde gerügt.75 Eine Frau im nördlichen Kastilien stiftete „zum Wohl ihrer Seele“ alle ihre Häuser einem heqdesh, um eine neue Synagoge bauen und hierin Gebete verrichten zu lassen.76 In Italien spendete eine Frau Kultgegenstände an die Synagogen in Perugia und Geld an Arme; die Kultgegenstände mögen neben ihrer Memoria auch ihrer öffentlichen Repräsen‑ tation in der Synagoge gedient haben.77 Als im Laufe des Mittelalters in Aschkenas die Armenfürsorge zunehmend institutionali‑ siert wurde, wurden aus den freiwilligen wohltätigen Gaben Steuern im Dienste der Wohlfahrt. Bereits Ravan hatte die aus der Antike stammende Bestimmung, jeder müsse verbindlich für die Wohltätigkeits‑ kasse (kuppah shel ṣedaqah) eine Abgabe leisten, sobald er sich drei Monate in einer Stadt aufhalte, auf den kabla im Sinne eines Gemeindefonds übertragen.78 Der mone‑ täre Zehnte (maʾaser), bereits im Talmud erwähnt, wurde zu einer verpflichtenden Gemeindenorm.79 Vermutlich waren diese Abgaben auch von Frauen zu leisten, sofern sie als Haushaltsvorstände fungierten. Von der freiwilligen Spendentätigkeit von Männern und Frauen zeugen Quel‑ len der öffentlichen Memoria – Grab‑ und Synagogeninschriften sowie liturgische Memorbucheinträge. Aufgrund der für das aschkenasische Mittelalter insgesamt schlechten Überlieferung dieser beiden Quellengattungen lassen sich aus den vor‑ handenen Quellen lediglich Tendenzen ablesen. Von den 1154 bislang digital er‑ fassten mittelalterlichen aschkenasischen Grabinschriften bezeichnen 32 Wormser sowie eine Mainzer Inschrift entweder den Verstorbenen selbst oder den Vater einer verstorbenen Frau als ‚Wohltäter‘ (nadiv), potentiell also als ‚Spender‘,80 wohingegen
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nicht eine einzige Frau mit diesem Ehrenti‑ tel bedacht wird. Somit war diese Form der wohltätigen Memoria weitgehend Männern vorbehalten. Selbst wenn die Inschrift der 1287 verstorbenen Yoḥeved bat Yeḥiel ben Ephraim sie zunächst als Stütze der Ar‑ men preist und ihrer Liebeswerke gedenkt, zählt sie dann aber weitaus ausführlicher die wohltätigen Werke ihres Vaters auf, darunter die Erbauung von Synagogen und Einrichtung von Friedhöfen,81 so dass sich Yoḥeveds außergewöhnliche Memoria maßgeblich der prominenten Stellung ihres Vaters verdankt. Synagogeninschriften insbesondere in Worms erinnern an bedeutende Stifter und Spender, darunter häufig Ehepaare. Die Spenderinschrift am Nordportal der Worm‑ ser Männersynagoge von 1034 gedenkt des Ehepaars Jakob ben David und Rachel, die Inschrift für die Frauensynagoge 1212/1213 des Ehepaars Meʿir ben Joel ha‑Kohen und Judith bat Joseph.82 Weitere auch überregional herausragen‑ de Stifterehepaare, darunter die Nürnber‑ ger Gemeindegründer Salomon und Rachel, nennt das älteste in Aschkenas erhalte‑ ne Memorbuch aus dem mittelalterlichen Nürnberg, 1296 von Isaak b. Samuel als Geschenk für die Gemeinde anlässlich der Synagogeneinweihung im selben Jahr an‑ gelegt.83 Neben einer Liturgie zum Toten‑ gedenken enthält es zwei Nekrologien von verstorbenen Nürnberger Gemeindemitglie‑ dern (1296–1346; 1375–1392) mit der Nennung der Spenden, die sie der Synagoge und den angeschlossenen Institutionen für ihr See‑ lenheil widmeten,84 sowie ein Martyrologi‑ um für die im Rheinland von 1096 bis 1349 Ermordeten. Auch wenn möglicherweise sehr Verarmte in den Nekrologien fehlen, ist dennoch die Mehrheit der Nürnberger Jüdinnen und Juden darin vertreten. Dies unterstreicht die soziale und theologische Bedeutung dieser besonderen Form der
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Wohltätigkeit. Männer und Frauen waren gleichermaßen repräsentiert, jeder Mensch war demnach unabhängig von seinem Ge‑ schlecht für eine Spende qualifiziert. Das spätere Nekrologium wurde von Israel Yuval hinsichtlich der darin erwähn‑ ten Spenden für die Armen Jerusalems ausgewertet.85 Das erste Nekrologium ana‑ lysierte Elisheva Baumgarten in einer Pio‑ nierstudie und richtete ihr Augenmerk be‑ sonders auf die Kategorie Geschlecht.86 Die Spenden wurden zu Lebzeiten der Spender geleistet oder bestimmt und dienten dem eigenen Seelenheil; jeder Name erscheint nur einmal. Es ist anzunehmen, dass viele hier genannte Personen (zusätzlich zu den ohnehin verpflichtenden Abgaben im Rah‑ men der ṣedaqah) über die Jahre weitere Spenden leisteten, die aber nicht nochmals aufgeführt sind. Die Namen der am Anfang des ersten Nekrologiums genannten überregional be‑ rühmten Wohltäter und Spender seit dem 11. Jahrhundert waren laut liturgischer No‑ tiz jeden Schabbat und an den Feiertagen zu erwähnen; dazu kamen in wechselnder Zusammenstellung die der Nürnberger Ge‑ meindemitglieder. Das rituelle Gedenken verwies auf die der Wohltätigkeit bereits seit der Spätantike zugeschriebene erlö‑ sende Wirkung, nämlich die Rettung vor der Hölle und den Eintritt in die Himmel. Indem Wohltätigkeit zur Sündenvergebung und zur Schau von Gottes Angesicht ver‑ half, war sie vor dem Tode umso bedeuten‑ der. Neben ihrer erlösenden Natur hatte die Wohltätigkeit auch eine soziale Funktion, denn sie bestärkte die Gemeindehierarchie und verlieh den ‚Hauptwohltätern‘ einen hohen sozialen Status. Das im Memorbuch folgende Gebet für die gesamte Gemeinde, das die Spender einbezieht, unterstreicht die Funktion der Wohltätigkeit als wesent‑ liches Merkmal für die Teilhabe am Kol‑ lektiv auch für weit weniger wohlhabende
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Mitglieder. Zudem sind die Einträge sehr einheitlich und beziehen sich fast nie auf das Leben der Verstorbenen, abgesehen von Hinweisen auf Märtyrer als Vorfahren. Manche Frauen oder Männer werden nur gemeinsam mit dem Ehepartner erwähnt, andere Frauen werden gleich den Männern über ihre Väter identifiziert. Untersucht man das erste Nekrologium (1296–1346), so verzeichnet es 515 Spenden vor den ‚Rintfleisch‑Verfolgungen‘ 1298, 43 davon von Ehepaaren, die restlichen nahezu gleichmäßig von Frauen (234) und Männern (238). Aus den Jahren nach den Verfolgungen (1298–1346) stammen 774 Spenden, 392 von Männern, 376 von Frauen, sechs von Ehepaaren. Die große Mehrheit der Spenden erfolgte zu Lebzeiten, nur ein kleiner Teil durch Dritte nach dem Tod; vor 1298 wurden fünf und zwischen 1298 und 1346 acht posthum aufgebracht. Von den 250 Nürnberger Spendenein‑ trägen am Anfang des ersten Nekrologi‑ ums sind zwei Drittel (165) allgemein und unspezifisch; vor 1298 benennen 60 % der individuellen und 50 % der Paarspenden einen Spendenzweck, der vor allem auf den Synagogenneubau bezogen ist. Zwischen 1298 und 1346 hingegen nennen fast alle Spenden mindestens einen spezifischen Spendenzweck, möglicherweise als Folge einer zunehmenden Praxis ritualisierten Spendens. Demzufolge wurden vor 1298 insgesamt 32 Thorarollen, davon 17 von Männern (von vierzehn Spendern), 5 von Frauen (von sechs Spenderinnen) sowie 10 von zehn Spenderpaaren, dagegen von 1298 bis 1346 11 Rollen von elf ausschließ‑ lich männlichen Spendern gestiftet. Das bedeutet, dass vor 1298 die finanziell kost‑ spieligen Thorarollen dreimal so häufig von Männern wie von Frauen gespendet wurden. Nach 1298 war die Geschlechterdif‑ ferenz bei größeren materiellen Beiträgen noch stärker ausgeprägt. Somit scheinen
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Männer über größeres Vermögen verfügt zu haben. Die über den Zeitraum anschei‑ nend schwindende Wirtschaftskraft der Gemeinde kommt auch bei weniger teuren Objekten zum Ausdruck. Insgesamt spen‑ deten Männer dreimal mehr Silberobjekte und doppelt so viele Bücher wie Frauen. Die meisten Spenden indes, von Männern wie Frauen, dienten dem Unterhalt des Friedhofs (144 bis 1298, 721 zwischen 1298 und 1346) sowie der Bildung (202 bis 1298, 295 zwischen 1298 und 1346). Bei einer Untersuchung der Währung bei Geldspenden (hauptsächlich Silber nach Gewicht, Nürnberger Münzen in Pfund, Hallesche Pfund) im Hinblick auf die Geschlechter ergibt sich, dass bis 1298 Männer größere Summen als Frauen in Silber (als Währung anscheinend von den Vermögenderen verwendet) und etwas we‑ niger als Frauen in Halleschen Pfund (als auswärtige Währung minderwertiger und daher vermutlich von den Ärmeren ver‑ wendet) zur Verfügung stellten. Der größte Unterschied ist bei Nürnberger Münzen erkennbar, der Währung der jüdischen Mittelschicht, wobei die Gesamthöhe der Spenden von Frauen (2,9 Pfund) nur 40 % von derjenigen der Männer (7,3 Pfund) betrug. Diese Tendenzen änderten sich nach 1298, als zwar 35 % mehr Männer als Frauen Silber spendeten (29 Männer gegenüber 18 Frauen), die Gesamthöhe der Silber‑Spenden beider Geschlechter aber gleich war (jeweils 1,5 Pfund). Damit ging aber insgesamt die Höhe markant zurück, und das sehr viel stärker bei Männern als bei Frauen: Die Höhe der Spenden bei‑ der Geschlechter glich sich bei der Wäh‑ rung der Vermögenderen durch Reduk‑ tion nach unten an. Frauen spendeten nun deutlich mehr als Männer in Halleschen Pfund, der Währung der Ärmeren (71,23 von 162 Frauen gegenüber 58,49 von 180 Männern). Der Abstand in der Nürnberger
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Lokalwährung der jüdischen Mittelschicht verringerte sich, indem Männer nur noch 20 % mehr als Frauen spendeten: 4,8 Nürn‑ berger Pfund von 201 Männern gegenüber 4 Nürnberger Pfund von 206 Frauen – eine Proportion vergleichbar der bei den ge‑ spendeten Ritualobjekten. Grundsätzlich verringerten sich die ökonomischen Mittel beider Geschlechter nach den ‚Rintfleisch‑ Verfolgungen‘. Da manche rabbinische Gelehrte im 13. Jahrhundert ṣedaqah‑Gaben verheira‑ teter Frauen von der Zustimmung ihrer Ehemänner abhängig gemacht hatten, stellt sich die Frage nach der Nürnberger Praxis in dieser Hinsicht; eine eindeutige Antwort gibt die Quelle freilich nicht her. Wenn auch manche Spenderinnen Witwen oder Geschiedene waren, so macht es die nahezu gleiche hohe Anzahl der hier vertretenen Männern und Frauen unwahrscheinlich, dass alle Frauen alleinstehend waren, viel‑ mehr also wohl verheiratet und damit in der Rechtstheorie von der Zustimmung der Männer abhängig. Juden besaßen weniger Immobilien als Christen. Daher könnten möglicherweise Geldspenden von Frauen als „kleine Gabe“ nach bT Bava Qama 119a, die ohne Zustimmung der Männer erlaubt war, betrachtet oder jede Spende in jed‑ weder Höhe von der Gemeinde akzeptiert worden sein. Auf jeden Fall zeugen die Ne‑ krologien von einer gleichrangigen Spen‑ denpraxis von Männern und Frauen. Da es um einen Platz im Nachleben ging, sollten jeder Mann und jede Frau an dieser Form institutionalisierter Memoria teilhaben. Die Einträge belegen, dass Frauen sig‑ nifikante Geldsummen spendeten, sei es autonom oder mit Zustimmung der Gatten. Sie gaben über zwanzig Jahre hinweg re‑ lativ große Summen, ohne dass ein nen‑ nenswerter Rückgang im späten 13. Jahr‑ hundert festzustellen wäre, als rabbinische Autoritäten die unabhängige Wohltätigkeit
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von Frauen infrage zu stellen begannen. Auch wenn Frauen insgesamt weniger Geld als Männern zur Verfügung stand, wur‑ den doch die Spenden von Männern und Frauen im Memorbuch mit den gleichen Formeln festgehalten und die Namen der Frauen gleich denen der Männern syn‑ agogal rezitiert. Wohltätigkeit diente als institutionalisiertes Ritual Männern und Frauen gleichermaßen dazu, ihre Memoria zu sichern. Insofern könnte die Nürnber‑ ger ‚gleichberechtigte‘ Spendenpraxis als eine frühe Umsetzung der von Maharil formulierten Neudefinition der Frau als Verwalterin auch des religiösen und spi‑ rituellen Wohlergehens gesehen werden. 15.4.4 Begünstigte Stiftungen und Institutionen der Wohl‑ tätigkeit unterstützten Arme häufig ge‑ schlechtsunabhängig, so etwa in Ägypten Fremde, die ihrer Verwandtschaft als der Hauptquelle für Unterstützung entbehrten. Auf den Almosenlisten der Geniza erschei‑ nen viele Namen auswärtiger Armer, dar‑ unter eine geschiedene Mutter mit Kind aus Palästina, die dorthin zurückkehren wollte und in Fustat ein Empfehlungsschreiben erhielt, das wiederum die Gemeinde von Alexandria um Reiseunterstützung auf ih‑ rem Rückweg ersuchte.87 Die Quellen zu jüdischen Hospitälern lassen weder in Spanien noch in Südfrank‑ reich oder Aschkenas88 Unterschiede in der Behandlung der Geschlechter erkennen. So sollte das 1414 in Perpignan bezeugte Armenhospital – explizit mit einem heddes, d. h. heqdesh, gleichgesetzt – unterschieds‑ los Armen aus anderen Ländern Unterkunft gewähren.89 Vom aschkenasischen Armenzehnt hatte (geschlechtsunspezifisch) die Hälf‑ te an nicht verwandte Arme zu gehen,
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wohingegen die andere Hälfte verarmten eigenen Verwandten vorbehalten bleiben durfte.90 Hatte ein Gelehrter im 14. Jahr‑ hundert erlaubt, vom Zehnten den eigenen Vater zu ernähren, so schloss Maharil in diese Erlaubnis auch die Mutter ein.91 Ein Ehemann konnte auch noch nach seinem Tod (mittelbar) zum Empfänger von Mitteln aus der Armenkasse werden, da die Aus‑ zahlung der ketubbah an seine Witwe, so R. Meir von Rothenburg, Vorrang vor den Kosten seiner Bestattung genoss.92 Im mittelalterlichen England diente eine bursa communis, also ein Gemeindefonds, anscheinend auch dazu, kleinen Kredit‑ gebern, die nur gelegentlich Gelder ver‑ liehen, eine Tätigkeit im Geldhandel zu ermöglichen. Nach Auskunft einer Liste hatten 14 Personen, darunter fünf Frauen, kleine Summen in diesen Fonds eingezahlt, aus dem dann wiederum Kredite an Nicht‑ juden vergeben wurden.93 In Südfrankreich und Spanien entstan‑ den im Laufe des 13. Jahrhunderts Wohl‑ tätigkeitsvereine (ḥavurot, Sing. ḥavurah), die anders als der heqdesh keine Gemeinde‑ institutionen waren. Neben der allgemei‑ nen Unterstützung von Armen dienten sie spezifischen Zwecken und bestimmten so‑ zialen Gruppen (z. B. der Versorgung von Armen mit Kleidung).94 R. Jona Gerondi erlaubte Frauen, eigene ṣedaqah‑Vereine zu gründen, analog zu denen der Männer.95 Geschlechtsspezifisch statteten die spani‑ schen Vereine häufig verwaiste und arme Bräute mit einer Mitgift aus.96 In Spanien und Italien wurden arme jüdische Mädchen in heiratsfähigem Alter in Testamenten mit Spenden für ihre Mitgift bedacht.97 Im Spanien des 15. Jahrhunderts klag‑ te Isaak Arama darüber, dass einige Ge‑ meinden jüdische Prostituierte mit einem Lohn (pras) unterstützten, um so die noch schwerere Sünde des Ehebruchs oder den Verkehr mit Christinnen zu verhindern.98
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15.4.5 Verwalterinnen und Verwalter Die vorhandenen Quellen, das heißt die halachische Literatur wie Responsen, die Geniza‑Dokumente für Ägypten99, obrig‑ keitliche Register in Spanien,100 Verträge in England101 sowie aschkenasische Grab‑ inschriften102 lassen darauf schließen, dass nahezu ausschließlich Männer unter Titeln wie parnas, gizbar, gabbai oder almoyners als Verwalter von heqdeshot, Armenkassen und Gemeindefonds fungierten. In Worm‑ ser Grabinschriften wurden die Verstorbe‑ nen Joel b. Meir Hakohen 1140 und Isaak b. Ḥayim (?) Rothenburg 1253 für ihre
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Tätigkeit als gabbai der Armenfürsorge (ṣedaqah) gewürdigt.103 Geniza‑Fragmente erwähnen auch Sammlungen, die von Frauen durchge‑ führt wurden.104 In Testamenten beauf‑ tragten Ehemänner ihre Frauen, das für den heqdesh bestimmte Geld zu verwalten, und vertrauten somit eher ihnen als den Gemeindebeamten.105 Das Moralwerk ‚Me‑ norat Hameor‘ von Israel Al‑Nakawa (Tole‑ do, 14. Jahrhundert) empfahl Frauen, eine weibliche gabbait als ṣedaqah‑Sammlerin und ‑Austeilerin einzusetzen.106 BK
Anmerkungen 1 M. Keil, Namhaft im Geschäft (2004); B. E.
verboten. Diese Nachricht kann daher nicht bele‑ Klein, Mann (2004). gen, dass sich der Begriff heqdesh ab dem 13. Jahr‑ 2 Beispielhaft sei genannt das Kapitel ‚Commu‑ hundert in Deutschland und Frankreich in einem nal Charity: Evidence from Medieval Nürnberg‘ dem mediterranen Sprachgebrauch vergleichba‑ bei Baumgarten, Practicing Piety (2014). ren Sinne entwickelte; anders Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 425, Anm. 5. 3 A. M. Gray, Married Women (2007). 4 Zum heqdesh als Gemeindefonds vgl. Assis, 6 Zur mittelalterlichen terminologisch‑religions‑ Welfare and Mutual Aid (1992), 318 f.; Elon / Levi- rechtlichen Differenzierung vgl. bereits Sheʾelot tats, Hekdesh (2007). u‑Teshuvot Rabbenu Yom Tov ben Avraham Ase‑ 5 In Bezug auf die talmudische Regel: „Man darf villi. Ed. Joseph D. Qāfiḥ. Jerusalem 1959, ND 2008, heutzutage [nach der Tempelzerstörung] weder 191–194, Nr. 161. etwas weihen (en maqdishin) noch die Wertschät‑ 7 Die israelitische Bevölkerung der deutschen zung geloben noch etwas mit dem Banne [zum Städte. Ed. Moritz Stern, Bd. 3. Kiel 1894–1896, 92; Zweck der Stiftung an den Tempel] belegen“ (jT für weitere Beispiele siehe ebd., 131; 139; 163; Barzen, Sheq 8.8.51b; bT Yom 66a; bT Bekh 53a). – Isaak Meaning (2009); Baumgarten, Practicing Piety (2014). b. Moses von Wien (gest. um 1260) erwähnt in 8 B. M. Lerner / Wald, Androgynos (2007); Jakoseinem Werk ‚Or Zarua‘ (Sefer Or Zarua, 3 Bde. bovits, Castration (2007); Sperling, Eunuch (2007). Jerusalem 2009/2010, hier Bd. 2, 596, Nr. 128) zwar 9 Ausführlich B. E. Klein, Angleichung der Ge‑ einen heqdesh, bezieht sich dabei aber auf die schlechter (2008); Dies., Jüdisches Ehegüter‑ und Nachricht eines Prager Gelehrten, der wiederum Erbrecht (2011); Peli / Bruce / Haberman, Asceticism ein Buch in der Rusʼ gefunden hatte. In diesem (2007); Jakobovits, Celibacy (2007); Milgrom / Rothhabe gestanden, dass „jemand es als heqdesh ge‑ koff, Nazirite (2007). Bei der von Goitein erwähn‑ geben hatte“. Da nach Ansicht des R. Tam (des ten nezira (נזירה, ‚Asketin‘), die laut dem Geniza‑ berühmten Tosafisten R. Jakob b. Meir Tam) heut‑ Dokument TS 13 J 8, fol. 11v, einem heqdesh gespen‑ zutage nur Immobilien, nicht aber Dinge aus dem det habe (Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 Status als heqdesh ausgelöst werden könnten, sei [1971, ND 1999], 99; 429; 542; wieder erwähnt von das Buch aufgrund der Widmung als heqdesh zu A. M. Gray, Married Women [2007], 182, Anm. 52) jedweder Nutzung und damit auch zum Studium handelt es sich um eine Fehllesung: Anstelle des
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ersten Buchstabens Nun ist ein Gimmel zu lesen, 27 Ebd., 123; 181. also גזירה, arab. ‚Insel‘. Gemeint ist vermutlich die 28 Insgesamt 30 ketubbot sowie eine fragmenta‑ Nilinsel ar‑Rauda bei Fustat, von der die Spende rische aus Katalonien (12), Mallorca (4), Valencia stammte; zur korrekten Lesung siehe Documents (1), Aragon (1), Navarra (9) und Kastilien (3 und of the Jewish Pious Foundations From the Cairo ein Fragment) aus dem 13. bis 15. Jahrhundert, Geniza. Ed. und übers. Moshe Gil. (Publications of dokumentiert und differenziert analysiert von the Diaspora Research Institute, Tel Aviv Universi‑ Lacave, Medieval Ketubot (2002). ty, Bd. 12.) Leiden 1976, 403–407, Nr. 109; 307, Anm. 6. 29 Ebd., 148–150. 10 Die Fragmente mittelalterlicher hebräischer 30 Ebd., 86–120. Handschriften, die als Einbandfragmente nicht‑ 31 E. Klein, Widow’s Portion (2000), 152. jüdischer Manuskripte erhalten sind, werden 32 Ebd., 148. zwar zuweilen als ‚Geniza‘ bezeichnet, haben 33 Lacave, Medieval Ketubot (2002), 120–133. jedoch weitgehend einen völlig anderen Charak‑ 34 Vgl. Die Juden im christlichen Spanien. Ers‑ ter als die in der Kairoer Geniza überlieferten. Zur ter Teil: Urkunden und Regesten, 2 Bde. Ed. Fritz aschkenasischen Geniza siehe Hollender / Lehnardt, Baer. (Veröffentlichungen der Akademie für die Genizat Germania (2012). Wissenschaft des Judentums. Historische Sek‑ 11 Vgl. Levine, Melūgu / Melûg (1968). tion, Bd. 4.) Berlin 1929–1936, ND Farnborough 12 Vgl. m Ket 6.5. – Der Sus entspricht im Wert (Hampshire) 1970, Bd. 1, 1075, Anm. 1. dem Dinar. 35 Zu ihm siehe B. E. Klein, R. Elieser b. Nathan 13 Vgl. Z. W. Falk, Einführung in das jüdische (2013). Recht (1983), 283. 36 Hier zitiert nach der Neuedition Sefer Ravan. 14 m Ket 4.4; bT Ket 47b. Ed. David Devlytzki, 3 Bde. Bnei Brak 2007/2008– 15 Die tannaitische Zeit ist nach den Gelehrten 2011/2012, der erstmalig die Handschrift der zur Zeit der Mischna, den Tannaiten, benannt; Herzog‑August‑Bibliothek Wolfenbüttel (Cod. daran schloss sich die amoräische Zeit an, be‑ Guelf. 5.7. Aug. 2°) aus dem 12. Jahrhundert he‑ nannt nach den Amoräern, den Gelehrten zur rangezogen hat; hier Bd. 3, 184 f., § 461; ähnlich Zeit der beiden Talmudim. 546 f., § 541; 553, § 542; vgl. das ketubbah‑Formular 16 Friedman, Jewish Marriage, Bd. 1 (1980), 251–253. aus dem 12. Jahrhundert, in dem der Bräutigam 17 bT Bava Qama 89b. Vgl. Friedman, Jewish der Mitgift der Braut von 50 ‚Pfund‘ als (künftige) Marriage, Bd. 1 (1980), 253–256. Gabe seinerseits weitere 50 ‚Pfund‘ als „Geschenk“ 18 Der Begriff leitet sich vom akkadischen entgegensetzt ()כנגדן, so dass der Frau (bei Auf‑ nudunnu ab. Zur nedunya: L. M. Epstein, Jewish lösung der Ehe durch Tod oder Scheidung) auf‑ Marriage Contract (1927), 92, Anm. 13; Schremer, grund der ketubbah insgesamt 100 ‚Pfund‘ Silber Male and Female (2003), 263, Anm. 10. zustehen: Machsor Vitry, nach der Handschrift 19 Analysiert und dokumentiert von Friedman, im British Museum (Cod. Add. No. 27200 u. 27201). Jewish Marriage (1980). Ed. Simon Hurwitz, 2 Bde. Nürnberg 1923, ND 20 m Ket 5.1, bT Ket 89a–90a; 101a; vgl. Friedman, Jerusalem 1988 [hebräisch], Bd. 2, 791, Nr. 553. Jewish Marriage, Bd. 1 (1980), 269 f. 37 Zu möglichen Konflikten siehe im Text wei‑ 21 Ebd., 271–274; Goitein, Mediterranean Society, ter unten. Um Anfechtungen vorzubeugen, setzte Bd. 3 (1978, ND 1999), 120 f. der Erblasser zuweilen seine Gattin testamenta‑ risch als Vormund ein oder bestimmte, dass sie 22 Ebd., 128. 23 Friedman, Jewish Marriage, Bd.1 (1980), 277 f. das Vermögen bis zu ihrem Tod verwalten sollte. 24 Ebd., 302 f. 38 Hierzu bereits Yuval, Finanzielle Heiratsrege‑ 25 Goitein, Mediterranean Society, Bd. 3 (1978, lungen (1995); ausführlich B. E. Klein, Angleichung ND 1999), 181; 332 f. der Geschlechter (2008). 26 Ebd., 133. Die hierdurch etablierte Rechts‑ 39 Sefer Ravan. Ed. Devlytzki (wie Anm. 36), Bd. 1, gewohnheit führte dazu, dass selbst ein mit der 431, § 115.2; dazu Grossman, Pious and Rebellious antiken Rechtsnorm konformes Vorgehen ent‑ (2001), 208; Ders., Pious and Rebellious (2004), 122; B. sprechend vertraglich stipuliert wurde (ebd.). E. Klein, Jüdisches Ehegüter‑ und Erbrecht (2011), 47 f.;
Juden
siehe bereits Z. W. Falk, Status der Frau (1960/1961), 366; Ders., Matrimonial Property (1958), 77 f. 40 Sefer Ravjah. Ed. David Devlytzki, 4 Bde. Bnei Brak 2004/2005, hier Bd. 3, 449–453, § 892, bis 1047, § 1037. 41 Zu einer ähnlichen christlichen Praxis vgl. Signori, Paradiesehe (2011), 64: „Die Widerlegung korrespondierte häufig mit der Ehesteuer; für sie aber musste die Familie des Bräutigams oder der Bräutigam selbst aufkommen. Aussteuer, Ehe‑ steuer und Widerlegung bildeten vielerorts das ökonomische Fundament der Ehegemeinschaft, ein Fundament, das weder Mann noch Frau ohne die Zustimmung des andern verändern durfte.“ 42 Yuval, Finanzielle Heiratsregelungen (1995), 203. 43 Rabbenu Yaʿaḳov Ṿayel (shuʺt). Ed. Jonathan Shraga Domb. Jerusalem 2000/2001, Bd. 1, 163 f., Nr. 134; ähnlich R. Josef Kolon: Sheʾelot u‑teshu‑ vot Mahariq. Ed. Samuel Baruch Deutsch / Eljakim Schlesinger. Jerusalem 1988, 112 f., Nr. 57; vgl. auch das Urteil Jacob Mollins: Sheʾelot u‑teshuvot Ma‑ haril ha‑hadashot. Ed. Yitzhak Satz. Jerusalem 2 1990, 300–303, Nr. 190; in gleichem Sinne 296–299, Nr. 189; auch Sheʾelot u‑teshuvot Rabbenu Moshe Mints. Ed. Jonathan Shraga Domb, 2 Bde. Jerusalem 1991, Bd. 2, 425–430, Nr. 90. 44 Hebrew Deeds of English Jews Before 1290. Ed. Myer D. Davis. (Publications of the Anglo‑ Jewish Historical Exhibition, No. 2.) London 1888. 45 Ebd., 298–303, Nr. 156 (Lincoln 1271): tnaʾim bei der Verlobung (shiddukhin). 46 Ebd., u. a. 60–62, Nr. 26 (Norwich 1253); 91–94, Nr. 39 (Norwich 1260). 47 Vgl. ausführlich B. E. Klein, Erbinnen (2007); Yuval, Scholars (1988), 29; Ders., Finanzielle Hei‑ ratsregelungen (1995), 204 f. 48 Vgl. Toch, Jüdische Frau (1993), 40; M. Keil, Mobilität und Sittsamkeit (2008). 49 Siehe ausführlich A. M. Gray, Married Wo‑ men (2007); knapp Dies., Ẓedaka (2015). 50 bT Bava Qama 119a. 51 A. M. Gray, Married Women (2007), 169–177. 52 Ebd., 182. 53 Teshuvot sheʾelot le‑ha‑RaSHBA. Jerusalem 1996/1997, Bd. 5, 35, Nr. 57; Bd. 3, 205, Nr. 373. 54 Vgl. Grossman, Pious and Rebellious (2001), 336; Zion, To Each (2013), 270 f. 55 Von griechisch epitropos; seit der Antike in der rabbinischen Literatur als Lehnwort, häufig
163 hebraisiert apotropos oder apotropa, für einen Ver‑ walter oder eine Verwalterin und v. a. für einen Vormund beziehungsweise eine Vormundin verwen‑ det; siehe Schereschewsky / Elon, Apotropos (2007). 56 Sefer Ravan. Ed. Devlytzki (wie Anm. 36), Bd. 3, 88 f., § 452; A. M. Gray, Married Women (2007), 188. 57 Sheʾelot u‑teshuvot le‑rabbenu Asher ben Yeḥiʾel. Ed. Yitsḥaḳ Shelomoh Yudlov. Jerusalem 1993/1994, 58, Nr. 13.11. Dort findet sich auch das Re‑ sponsum von Meir von Rothenburg referiert. Vgl. Baumgarten, Charitable like Abigail (2015), 322 f. 58 Isaak b. Moses von Wien, Sefer Or Zarua (wie Anm. 5), Bd. 2, 160, § 468; A. M. Gray, Married Women (2007), 196–198. 59 Vgl. ebd., 200 f., mit Quellennachweisen aus dem ‚Sefer Ḥasidim‘. 60 Sheʾelot u‑teshuvot Maharil. Ed. Satz (wie Anm. 43), 131–133, Nr. 109. 61 A. M. Gray, Married Women (2007), 202–206. 62 Siehe bereits die Verordnungen (taqqanot) der ShUʺM‑Gemeinden im 13. Jahrhundert, abge‑ druckt in Jewish Self‑Government in the Middle Ages. Ed. Louis Finkelstein. New York 21964, 230 (hebr. Text), 247 (engl. Übers.), § 24 f. Ausführlich Galinsky, Custom (2011). 63 Sheʾelot u‑teshuvot Rabbenu Mosheh Mints. Ed. Domb (wie Anm. 43), Bd. 1, 22–25, Nr. 7. 64 A. M. Gray, Married Women (2007), 207–210. 65 Sheʾelot u‑teshuvot Maharam me‑Roṭenburg. Ed. M. Y. Segal / Yaʿaḳov Farbshṭain / Yosef Shelomoh Sṭefanesḳi, 2 Bde. Jerusalem 2013/2014, Bd. 2, Druck Berlin, 562, Nr. 48. Ähnlich: Qitsur Sefer mitsvot gadol. Ed. Yehoshua Horowitz. Jerusalem 2004, 103; Sheʾelot u‑teshuvot ha‑Rashba. Ed. Aaron Zalzniq / Aaron Eisenbach. Jerusalem 2005, 86 f., Nr. 133. 66 Teshuvot Geʾone mizraḥ we‑maʿarav. Ed. Joel Müller. Berlin 1888, ND Jerusalem 1966, fol. 40b, Nr. 164. 67 Zitiert und übersetzt nach Baumgarten, Practicing Piety (2014), 130; 278, Anm. 139. 68 Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 105; 107. 69 M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 225 f. 70 Zu ihr vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 3 (1978, ND 1999), 344–352, sowie Frenkel, Char‑ ity in Jewish Society (2009), 362–364. 71 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 9), 5 f.; vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 113. 72 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 9), 24.
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Geschlecht
in: Tzfunot 16, 1992 [hebräisch], 9–13, hier 12, § 73 Ebd., 32. 8; Sheʾelot u‑teshuvot Maharil ha‑hadashot. Ed. 74 Ebd., 270–274, Nr. 55. 75 Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), Satz (wie Anm. 43), 52–55, Nr. 54. 430. 92 Sheʾelot u‑teshuvot Maharam me‑Roṭenburg. 76 Ebd., 431; Sheʾelot u‑teshuvot Rabbenu Yom Tov Ed. Segal / Farbshṭain / Sṭefanesḳi (wie Anm. 65), ben Avraham Asevilli. Ed. Qāfiḥ (wie Anm. 6), 161.
77 The Jews in Umbria. Ed. Ariel Toaff, 3 Bde.
Leiden / New York / Köln 1993–1994, Bd. 2, 661 f., Nr. 1244 (vom Jahr 1457). 78 Sefer Ravan. Ed. Devlytzki (wie Anm. 36), Bd. 3, 207, § 463; Galinsky, Public Charity (2010), 83. 79 Vgl. Galinsky, Custom (2011); Barzen, Mean‑ ing (2009); A. M. Gray, Ẓedaka (2015). 80 Beginnend mit der Inschrift aus dem Jahr 1269 für Jakob b. Isaak: Inschrift Worms 395, in: epidat – epigraphische Datenbank. Ed. SteinheimInstitut, online: http://www.steinheim‑institut.de/ cgi‑bin/epidat?id=wrm‑395 (Zugriff am 10. 3. 2016). 81 Vgl. Inschrift Worms 801, in: epidat – epi‑ graphische Datenbank. Ed. Steinheim-Institut, on‑ line: http://www.steinheim‑institut.de/cgi‑bin/ epidat?id=wrm‑801 (Zugriff am 10. 3. 2016). 82 Abschrift und Übers. bei Böcher. Alte Syn‑ agoge zu Worms (1960), 97–108. Zu letzterem Stif‑ terehepaar ausführlich Brocke, Pflanzstätte von Märtyrern (2009). Das Paar war nicht, wie vorher behauptet, kinderlos, sondern hatte mindestens eine Tochter, die allerdings wohl vor ihren Eltern verstarb (ebd. 32). 83 Die Handschrift befindet sich in Privatbe‑ sitz und ist verfilmt lediglich in der Israelischen Nationalbibliothek in Jerusalem einsehbar (PH 2828, Mikrofilm 73457). 84 Die beiden Nekrologien sind von Moritz Stern und Siegmund Salfeld ins Deutsche über‑ setzt worden: Israelitische Bevölkerung. Ed. Stern (wie Anm. 7), 95–172; 190–205. 85 Yuval, Alms (1981). 86 Baumgarten, Practicing Piety (2014); hiernach im Folgenden dargestellt. 87 M. R. Cohen, Foreign Jewish Poor (2003), 55. 88 Barzen, Was der Arme benöigt (2008), 149. 89 Gutwirth, Jewish Hospitals (1988), 142 f. 90 Rechtsgutachten aschkenasischer Gelehrter zu ṣedaqah‑Rechtssatzungen. Ed. Simcha Emanuel, in: Ha‑Maʾyan 41, 2000/2001[hebräisch], 15–21, hier 19 f., Nr. 4. 91 Rechtsgutachten und Entscheidungen des Rabbiners Isaak Oppenheim. Ed. Israel M. Peles,
hier Bd. 2, Druck Prag, 101 f., Nr. 176; 518, Nr. 964; Bd. 1, Druck Cremona, 130, Nr. 184; 179 f., Nr. 243. Siehe dazu Zimmels, Beiträge (1926), 71; Barzen, Was der Arme benötigt (2008), 148. 93 Lipman, Jews of Medieval Norwich (1967), 42; 92. 94 In Perpignan sind 1380 fünf jüdische Vereine bezeugt, davon ein Begräbnisverein und einer zum Krankenbesuch; vgl. J. R. Marcus, Communal Sick‑ Care (1978), 62 f.; Juden im christlichen Spanien. Ed. Baer (wie Anm. 34), 229–237, Nr. 179; Assis, Welfare and Mutual Aid (1992), 323–330; Ders., Golden Age (1997), 244–246. 95 A. M. Gray, Married Women (2007), 185–187. 96 Assis, Welfare and Mutual Aid (1992), 323–330, Ders., Golden Age (1997), 244–246. 97 So bei Ritba: Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yom Tov ben Avraham Asevilli. Ed. Qāfiḥ (wie Anm. 6), 191–194, Nr. 161; Jews in Umbria. Ed. Toaff (wie Anm. 77), Bd. 3, 1023 f., Nr. 1939 (vom Jahr 1488); 1047–1049, Nr. 1998 (vom Jahr 1492). 98 Sefer ʿAḳedat Yitsḥaḳ. Ḥibur ha‑pele u‑fele ʿal ḥamishah ḥumshe torah. Ed. Isaak Arama. Lemberg 1868, Abschnitt Genesis, 162r, § 20 zum Wochenabschnitt ‚Und es erschien‘. 99 So der parnas (‚Wohltätigkeitsbeauftragte‘) Eli b. Yahya in Fustat: M. R. Cohen, Foreign Jewish Poor (2003), 55. 100 Assis, Golden Age (1997), 126–128. 101 Hebrew Deeds. Ed. Davis (wie Anm. 44), 1–3, Nr. 1 (Norwich 1235); 3 f., Nr. 2 (Norwich 1236). 102 Vgl. Inschrift Worms 122, in: epidat – epi‑ graphische Datenbank. Ed. Steinheim-Institut, on‑ line: http://www.steinheim‑institut.de/cgi‑bin/ epidat?id=wrm‑122 (Zugriff am 10. 3. 2016); Nr. 435, ebd., online: http://www.steinheim‑institut.de/ cgi‑bin/epidat?id=wrm‑435 (Zugriff am 10. 3. 2016). 103 Vgl. Inschrift Worms 122. Ed. SteinheimInstitut (wie Anm. 102); Inschrift Worms 435. Ed. Steinheim-Institut (wie Anm. 102). 104 Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 415 f., Nr. 15; 485, Nr. 36. 105 Grossman, Pious and Rebellious (2001), 127. 106 Zion, To Each (2013), 271.
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Griechisch-orthodoxe Christen
15.5 Griechisch-orthodoxe Christen 15.5.1 Allgemeines Kaum ein anderes Thema hat in der By‑ zantinistik der letzten Jahrzehnte einen größeren Niederschlag gefunden als Gen‑ der. Zunächst wurde dabei der Akzent auf die Rolle der Frauen in der byzantinischen Gesellschaft gelegt; hierzu gehörten die wegweisenden Studien zur Frauen‑ und Familiengeschichte der griechisch‑ameri‑ kanischen Byzantinistin Angeliki Laiou seit den 1970er Jahren. Im darauf folgenden Jahrzehnt standen die Untersuchungen von Alice‑Mary Talbot zur Rolle von Frauen in der Hagiographie und der Geschichte des Klosterwesens im Vordergrund; und um die Jahrtausendwende erschienen auffällig viele Monographien über mächtige byzan‑ tinische Kaiserinnen.1 Die ‚Bibliography on Gender in Byzantium‘, die sich heute öffent‑ lich zugänglich auf der Webseite von Dum‑ barton Oaks befindet, enthält schon mehr als 1 500 Einträge. Dass sie ursprünglich ‚Bibliography on Women in Byzantium‘ hieß und inzwischen umbenannt wurde, ist ein sprechendes Indiz für eine Erweiterung der Genderfrage, die über die bloße Frauenfrage hinausweist. Starkes Interesse fanden jetzt zum Beispiel byzantinische Eunuchen, die entweder als ein drittes Gender betrachtet oder als an der fließenden Grenze zwischen dem männlichen und weiblichen Gender angesiedelt beschrieben wurden.2 Auch die Akteure im Stiftungswesen können jetzt unter dem Aspekt von Gen‑ der gewürdigt werden. Dies hat schon eine Tagung in Wien 2008 zum Thema ‚Fema‑ le Founders in Byzantium & Beyond‘ ge‑ zeigt (2014 publiziert).3 Hier wie auch in anderen Genderstudien wird allerdings das Stiftungswesen nicht deutlich von der
Geschichte des Schenkens bzw. des Mäze‑ natentums getrennt.4 Eunuchen als Stifter und Klosterinsassen gerieten in diesem Kontext ebenso in den Blick.5 Der Spielraum von Frauen und Eunu‑ chen als Stiftungsakteuren war durch ihren rechtlichen und sozialen Status bedingt. Für Frauen war es vor allem die Ehe, die Art und Größe ihres Vermögens und damit ihre Wirkungsmöglichkeiten im Stiftungswesen bestimmte. Wissenschaftlich anerkannt ist, dass das römische Recht den Frauen im Vergleich zu anderen vormodernen Gesell‑ schaften eine mächtige Stellung als Eigen‑ tümerin zusicherte. Nach der Auffassung des römischen Rechts wurde eine Ehe als eine soziale Partnerschaft betrachtet, bei der zwei selbständige Personen rechtlich hand‑ lungsfähig blieben, aber aufgrund ihrer affectio maritalis als Paar agieren konnten.6 Die Ehe ließ das Vermögen der Frau unan‑ getastet, d. h. es galt eine Gütertrennung.7 Vor diesem Hintergrund ist verständlich, weshalb Stifterinnen in der Spätantike eine so prominente Rolle spielen konnten. Diese Situation änderte sich aber im Lau‑ fe des frühen Mittelalters, als die christliche Auffassung der Ehe immer wichtiger wurde. Im Gegensatz zum klassischen römischen Recht verstanden christliche Kanonisten und Theologen die Ehe als die Schaffung einer Einheit, die sich auch auf das Vermö‑ gen der beiden Ehepartner erstreckte.8 Diese beiden Auffassungen der Ehe – diejenige der paganen Spätantike und die des chris‑ tianisierten Römischen Reichs – wurden weder in der Gesetzgebung noch in der Pra‑ xis jemals völlig harmonisiert. Klösterliche Urkunden aus der spätbyzantinischen Zeit
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weisen darauf hin, dass verheiratete Frauen nur selten über ein eigenes Vermögen bei Verkauf, Schenkung oder Stiftung verfüg‑ ten und in all diesen Fällen die Verwaltung der Ehegüter durch den Ehemann nicht in Frage gestellt wurde.9 Diese Beobachtung zum spätmittelalterlichen Klosterwesen darf aber nicht verallgemeinert werden. Während sich im Hinblick auf die Selb‑ ständigkeit der verheirateten Frauen als Stiftungsakteure kein eindeutiges Bild er‑ gibt, erlaubte der rechtliche und soziale Stand der Witwe den Frauen in Byzanz ohne Zweifel einen größeren Handlungs‑ spielraum, was sich auch auf ihre Rolle im Stiftungswesen auswirkte. Witwen konn‑ ten Haushaltsvorstände sein, was auch in der Gesetzgebung der Kaiser bekräftigt wurde.10 Dieselben Kaiser stärkten die Wit‑ wenschaft darüber hinaus dadurch, dass sie die Wiederheirat immer wieder ahnde‑ ten: Eine zweite Ehe galt nach Auffassung der orthodoxen Kirche als unanständig, ganz zu schweigen von einer dritten oder vierten.11 So kann man erklären, dass im spätmittelalterlichen Makedonien – dem einzigen Gebiet und der einzigen Periode, von denen wir in dieser Hinsicht nähere Kenntnis haben – Witwen etwa ein Fünftel aller Haushaltsvorstände stellten.12 Insbe‑ sondere konnten Witwen deshalb auch als Stifterinnen in Erscheinung treten.13 Die gesellschaftliche Rolle von Eunu‑ chen in Byzanz, und damit ihre Möglich‑ keit als Stiftungsakteure zu handeln, war durch ihre Herkunft und ihre Verbreitung bedingt.14 Spätestens seit dem 4. Jahrhun‑ dert waren Eunuchen am Kaiserhof tätig; als Lehrer, Diener und Verwalter waren sie zudem wichtige Personen in den Haus‑ halten führender Familien des Reiches. In spätrömischer Zeit waren sie hauptsäch‑ lich als Sklaven in das Imperium Roma‑ num gebracht worden. Getrennt von ih‑ ren Familien, blieben sie gesellschaftliche
Geschlecht
Außenseiter. Kaiser Konstantin II. (337–361) musste deshalb die Testierfähigkeit der Eunuchen regeln, ein Gesetz, das später auch in den Codex Iustinianus einging; ohne bekannte Verwandte war ja ganz offen, was mit dem – in manchen Fällen beträchtlichen – Vermögen eines Eunuchen nach dessen Tod geschehen sollte.15 Nach dem Aufstieg des Islam änderte sich die Herkunft byzantinischer Eunuchen: Teil‑ weise schon seit dem 7., insbesondere aber seit dem 10. Jahrhundert stammten diese überwiegend aus dem Kaiserreich selbst; besonders geschätzt wurde Paphlagonien am Schwarzen Meer als Herkunftsgebiet. Im 10./11. Jahrhundert hatte der gesellschaftliche Rang von Eunuchen so zugenommen, dass zumindest einige von ihnen, ganz im Gegen‑ satz zu ihrer Lage in der Spätantike, sogar mit den mächtigsten Familien der Aristo‑ kratie verwandt sein konnten. Der Eunuch Basileios Lekapenos etwa – genannt Nothos (gr. νόθος, ‚Kegel‘, d. h. ‚uneheliches Kind‘, mit einer Sklavin gezeugt) – war ein Sohn des Kaisers Romanos I. Lekapenos (920–944). Dessen ehelicher Sohn Theophylaktos wur‑ de Patriarch von Konstantinopel (933–956) und einige Quellen behaupten, dass er eben‑ falls ein Eunuch gewesen sei. Der Eunuch Johannes ‚der Orphanotroph‘ setzte seinen Bruder (Michael IV. [1034–1041]) und seinen Neffen (Michael V. [1041–1042]) auf den Kai‑ serthron.16 Die steigende gesellschaftliche Prominenz von Eunuchen ist auch in der Gesetzgebung Leons VI. (886–912) erkennbar, die ihnen die Adoption von Kindern, nicht aber die Ehe gestattete.17 15.5.2 Stifter_innen und Profitient_innen Unter den verschiedenen Stiftungsakteu‑ ren – Stifter_innen und Profitient_innen, Begünstigten und Verwalter_innen – sind
Griechisch-orthodoxe Christen
Eunuchen und Frauen ohne Zweifel am ehesten als Gründer_innen von Stiftungen belegt. Die Errichtung einer Stiftung war in Byzanz eine der wenigen Handlungen, durch die Eunuchen und Frauen öffentliche Anerkennung erlangen und eigene politi‑ sche Ziele verfolgen konnten. Deswegen hat die Stiftungstätigkeit von Frauen der Aristokratie, besonders der Kaiserinnen, eine zentrale Stellung in der Überliefe‑ rung; dasselbe gilt auch für hochrangige Eunuchen. Da sich Art und Weise dieser Stiftungstätigkeit indessen im historischen Wandel sehr verschieden darstellt, sind die folgenden Bemerkungen chronolo‑ gisch in (1.) eine frühbyzantinische Phase (ca. 300–600), (2.) eine mittelbyzantinische (ca. 600–1204), und (3.) eine spätbyzantini‑ sche Phase (1204–1453) gegliedert. (1.) Das Modell für die Stiftungstätigkeit von Frauen wurde durch die Mutter Kon‑ stantins des Großen (306–337), Helena, verkörpert.18 Wenngleich die spätere Tra‑ dition ihre Rolle als Stifterin übertrieben hat,19 stiftete sie zumindest Kirchen in Rom (SS. Marcellinus und Petrus sowie eine Kapelle, die später als S. Croce in Geru‑ salemme bekannt wurde), Bethlehem (die Geburtskirche) und Jerusalem (Eleona‑Ba‑ silika).20 Prägend war Helena auch dadurch, dass sie die christliche Kirchenstiftung mit Grablege und Pilgerfahrt verband. Sie selbst wurde in einem Mausoleum neben der von ihr gestifteten Kirche von SS. Mar‑ cellinus und Petrus begraben; ihre Stiftun‑ gen in Palästina vollzog sie während ihrer Pilgerschaft im Jahr 326. Diesem Beispiel folgten spätere Kaiserinnen und aristokra‑ tische Frauen, wenn sie bei kürzeren oder längeren Pilgerschaften im Heiligen Land Kirchen, Klöster und piae causae stifteten. Die Reihe der Nachahmungen setzt beim Tod der berühmten Kaiserin um 330 ein und reicht bis zur Mitte des fünften
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Jahrhunderts.21 So ließ sich Konstantina, die Enkelin der Helena, nach dem Vorbild ihrer Großmutter in einem römischen Mau‑ soleum (S. Costanza) neben einer von ihr gestifteten Basilika bestatten.22 Wie Helena pilgerte später (438/439) Aelia Eudocia, die Gemahlin Theodosius’ II., ins Heilige Land, wo sie die Jerusalemer Stephanskirche stif‑ tete.23 Über die beiden genannten hinaus ist jede Kaiserin des Oströmischen Reiches von Eudoxia, der Gemahlin des Kaisers Arkadios (395–408), bis zu Konstantina, der Gattin des Kaisers Maurikios (582–602), als Stifterin hervorgetreten.24 Kirchenbau und die Ausstattung der Gotteshäuser waren aufwendige Vorhaben, die oft über Generationen hin andauerten; Frauen neigten offenbar viel häufiger als Männer dazu, durch ihre eigene Stiftungs‑ tätigkeit das Werk einer Vorfahrin wei‑ terzuführen. Ein anschauliches Beispiel dafür ist die epigrammatische Stifterin‑ schrift an der St.‑Euphemia‑Kirche in Kon‑ stantinopel, die über drei Generationen hinweg von Stifterinnen verlängert und ausgeschmückt wurde: „Ich bin das Haus der Dreifaltigkeit, und drei Generationen haben mich gebaut. Zuerst hat Eudoxia, die Tochter von Theodosius, nachdem sie dem Krieg und den Barbaren entkommen war, mich für Gott errichtet und Ihm ge‑ weiht, und zwar in Anerkennung ihrer Rettung aus der Not. Danach hat mich ihre Tochter Placidia zusammen mit ih‑ rem hochgesegneten Ehemann geschmückt. Als meine Schönheit ihren Glanz einge‑ büßt hatte, hat mich drittens die großzü‑ gige Juliana im Gedenken an ihre Eltern mit solchem ausgestattet und den Ruhm ihrer Mutter, ihres Vaters und ihrer vor‑ nehmen Großmutter durch Vermehrung meines früheren Schmucks erhöht. Auf diese Weise wurde ich gemacht.“25 Wie in der Inschrift skizziert, wurde die Kirche in den 440er bzw. 450er Jahren durch die
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Kaisertochter Licinia Eudoxia gestiftet, be‑ vor auf dieser Grundlage Placidia 461 und 472 sowie Anicia Juliana vor 527/528 das Werk fortsetzten.26 Von Anicia Juliana lässt sich auch der Bogen zu Eunuchen als Stiftern schlagen.27 Nach der Vita des Sabas sollen nämlich nach dem Tod der Anicia Juliana die Eu‑ nuchen ihres Haushaltes nach Palästina gegangen sein, um in die monastische Ge‑ meinschaft des Sabas einzutreten. Obwohl sie viel Geld mitgebracht hatten, sei Sabas gegen den Beitritt von Eunuchen oder Kna‑ ben in seine Klöster gewesen und habe sie an einen anderen klösterlichen Leiter ver‑ wiesen. Dessen Haus in der Nähe von Jeri‑ cho wurde jetzt als ‚Kloster der Eunuchen‘ bekannt, wenngleich die Gemeinschaft nicht unbedingt ausschließlich aus Eunu‑ chen bestand.28 Trotz der Schwierigkeiten, die die spendewilligen Eunuchen Anicia Julianas im Heiligen Land hatten, lässt sich für andere spätrömische Kastraten eine fromme Stiftertätigkeit belegen; im 5. Jahrhundert errichtete etwa der Kämme‑ rer Calopodius ein Oratorium zu Ehren des Erzengels Michael in Parthenopolis, und im selben Jahrhundert stiftete der praepositus Gratissimus Kirche und Kloster für den heiligen Kyriakos in Konstantinopel, wo er später Mönch wurde.29 Der Heerführer unter Justinian und Besieger der Ostgoten, Narses, Eunuch wie die anderen, wurde in einem von ihm gestifteten Kloster bestat‑ tet; auf ähnliche Weise stiftete ein zwei‑ ter Narses im späten 6. Jahrhundert das Katharoi‑Kloster in Bithynien und wurde ebenfalls dort bestattet.30 Die zunehmende Bedeutung des Mönch‑ tums in der Spätantike wirkte sich auch auf die Stiftertätigkeit von Frauen aus. Im Gottesdienst war es von jeher üblich, dass ihm Männer und Frauen gleichzeitig, aber räumlich getrennt beiwohnten; eine viel strengere Trennung der Geschlechter galt
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indessen seit seinen Anfängen beim christ‑ lichen Mönchtum. Eine mögliche Lösung sah man zunächst in der Stiftung von ‚Dop‑ pelklöstern‘: Hier wurde ein Mönchskloster an die Seite eines Nonnenklosters gestellt, während beide Gemeinschaften denselben Abt oder dieselbe Äbtissin hatten, der glei‑ chen klösterlichen Ordnung (Regel) folgten und auch das Vermögen teilten.31 Dieser Konzeption folgten Melania die Ältere, die nach ihrer Ankunft in Palästina 372 ein Doppelkloster auf dem Ölberg stiftete, so‑ wie Paula, die Freundin des Hieronymus, die in den 380er Jahren ein Doppelklos‑ ter in Bethlehem schuf; beide Stiftungen regten dann die Pilgerschaften ins Heilige Land, besonders durch Frauen, an.32 Die Kaiserin Theodora, die Gemahlin Justinians, führte diese Geschlechtertren‑ nung einen Schritt weiter. Während sie wie ihre Vorgängerinnen als Kaiserinnen Kir‑ chen und eine Herberge (xenodocheion) stif‑ tete, ist sie in der Überlieferung zusammen mit Justinian als Stifterin vor allem des Metanoia‑Frauenklosters in Erinnerung ge‑ blieben.33 Metanoia war kein Doppelkloster nach spätantikem Muster, sondern eine Stiftung für bestimmte Frauen, nämlich bekehrte Prostituierte aus Konstantinopel. (→ 15.5.3) In den folgenden mittelbyzanti‑ nischen und spätbyzantinischen Epochen ist die Tendenz der Stifter_innen erkennbar, zunehmend für ihr eigenes Geschlecht zu stiften. Dazu trug auch bei, dass die Ins‑ titution der Doppelklöster von Seiten der Kirche bekämpft wurde. (2.) Die Tendenz zur räumlichen Trennung der Geschlechter machte sich seit mittelby‑ zantinischer Zeit allenthalben bemerkbar. Die großen Stiftungszentren, vor allem die heiligen Berge (darunter an erster Stelle Athos), wurden theoretisch komplett vom weiblichen Geschlecht geschieden. Das ent‑ sprechende Verbot (vermutlich durch die
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Stouditen verbreitet) erstreckte sich sogar auf die Anwesenheit von weiblichen Tieren auf dem Klostergelände (die Regelung gilt noch heutzutage für den Berg Athos).34 Deswegen blieben Nonnenklöster und auch Doppelklöster zunehmend auf die Haupt‑ stadt und ihre Umgebung beschränkt.35 Für Eunuchen war die Situation ähnlich, obwohl sie noch in mittelbyzantinischer Zeit als Mönche auf dem Heiligen Berg zu finden waren. Stifter_innen mussten dieser verschärf‑ ten Trennung der Geschlechter Rechnung tragen. Erhellend dafür sind einige Beispie‑ le aus dem 11. Jahrhundert. Glykeria, eine aristokratische Frau auf der Insel Skyros, hat etwa am Beginn dieser Zeit zusammen mit ihrem Mann ihr ganzes Vermögen in eine Klosterstiftung überführt und woll‑ te dieses Haus ihrem spirituellen Vater und Mönch im Laura‑Kloster auf dem Berg Athos, Eustratios, unterstellen.36 Der Orts‑ bischof bestand jedoch darauf, dass die Stiftung unter seiner Aufsicht ein Teil des Vermögens der Diözese bleiben sollte. Um die Stiftung gegen diese Ansprüche zu verteidigen, suchte Glykerias Ehemann Johannes den Patriarchen in Konstanti‑ nopel auf und erwirkte von diesem eine Urkunde, die die Unabhängigkeit der Stif‑ tung bestätigte. Als Johannes kurz darauf verstarb, wurde Glykeria eine kinderlo‑ se Witwe. Der Ortsbischof drohte ihr mit Gewalt; die Kirche ihres Klosters wurde sogar in der Nacht niedergebrannt. Um dem Kloster trotzdem seine Freiheit vom Bischof zu bewahren, gab es Glykeria an Eustratios, musste aber dann dem Druck des Bischofs nachgeben und ihm ihre Stif‑ tung ausliefern. Als Eustratios schließ‑ lich zum Abt des Laura‑Klosters auf dem Berg Athos aufstieg, war seine Stellung so stark geworden, dass es Glykeria doch noch gelang, ihm ihre Klosterstiftung zu übertragen.
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Dieses Beispiel zeigt, dass Stifterinnen, selbst wenn sie den Athos nicht besuchen und dorthin keinesfalls persönlich um‑ ziehen durften, die Geschlechterschran‑ ken dennoch zu überwinden vermochten. Anders lag der Fall bei den Testamenten des Ehepaars Symbatios (armen. Smbat) und Kale Pakourianos.37 Symbatios hatte 1090 darauf bestanden, im Iberer‑Kloster auf dem Berg Athos bestattet zu werden. Als Kale, nun als Nonne Maria, 1098 ihr eigenes Testament verfasste, sicherte sie ewiges Gedenken für sich selbst und ih‑ ren verstorbenen Mann durch die Stiftung des Gutes Rhadolibos für das Athosklos‑ ter. Sie selbst bildete aber wohl auch eine Gemeinschaft von Nonnen aus ihrer Ver‑ wandtschaft in einem eigenen Haus, die sie mit Vermächtnissen für verschiedene Mönche, die als spirituelle Berater dien‑ ten, und für Bedienstete unterstützte.38 Stiftung, Grab und Memoria der Eheleute waren aufgrund geschlechterspezifischer Restriktionen des Athos offenbar nur ge‑ trennt zu organisieren. Die Besonderheiten des Mönchtums auf dem Heiligen Berg bezüglich der Gender‑ frage lassen sich besonders am Beispiel Sy‑ meons, des Neustifters des Xenophon‑Klos‑ ters, erkennen.39 Symeon (im weltlichen Leben Stephan) war vor dem Klostereintritt ein besonders erfolgreicher Beamter (megas droungarios) im Kaiserreich des späten 11. Jahrhunderts gewesen. Ferner war er auch ohne Zweifel Eunuch und stiftete wohl ein Kloster für andere Eunuchen in Thessaloniki.40 Aus unbekannten Gründen wurde er auch zum Neustifter (deuteros ktētōr, wörtl. ‚Zweiter Stifter‘) des athoniti‑ schen Xenophon‑Klosters, das sich damals in einer schwierigen Lage befand.41 Er ließ das Kloster teilweise mit Hilfe kaiserlicher Subventionen neu bauen; dabei wurden die Klosterkirche prächtiger ausgestattet, eine Mauer um das Klostergelände errichtet
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und Zellen für Mönche geschaffen, deren Anzahl sich inzwischen auf 55 erhöht hatte. Auch stiftete er Weinberge, Wiesen und andere Güter.42 Es hat den Anschein, als habe Symeon zu diesem Zeitpunkt gegen eine allgemei‑ ne Vorschrift der Athos‑Klöster versto‑ ßen, weil er drei seiner ‚bartlosen‘ Diener – wahrscheinlich Eunuchen wie er selbst – als Mönche in die Gemeinschaft einführ‑ te. Nach den kaiserlichen typika, die für alle Athos‑Klöster galten, durften näm‑ lich keine Knaben, bartlose Jugendliche oder Eunuchen als Mönche aufgenommen werden.43 Vielleicht umging Symeon mit der Schenkung von 36 Pfund Goldmünzen an die athonische Zentralverwaltung in Karyes zu Gunsten der Mese‑Kirche die‑ se Vorschriften.44 Auf jeden Fall stellten die Präsenz und besonders das Verhalten dieser drei ‚Bartlosen‘ für die athonische Gemeinschaft einen solchen Skandal dar, dass diese sie ebenso wie Symeon vom Heiligen Berg verbannte.45 Der Neustifter Symeon war aber noch immer eine einflussreiche Person, und nach‑ dem Alexios I. Komnenos 1081 den Kaiser‑ thron bestiegen hatte, konnte er mit dessen Unterstützung auf den Heiligen Berg zu‑ rückkehren und seine Position als Klos‑ terpatron wieder einnehmen. Eine im Jahr 1089 aufgesetzte Urkunde zeigt, wie die Wie‑ deraufnahme Symeons ausgehandelt wur‑ de: Seine Beiträge zum Klostervermögen wurden bestätigt und aufgelistet, die Kon‑ flikte mit anderen Klöstern beigelegt. Zur Bedingung wurde gemacht, dass er ohne Genehmigung des prōtos, des Hauptabts der athonischen Gemeinde, niemals verreisen würde und keine Eunuchen und Bartlosen mehr in die Gemeinschaft einführe. Trotz seines erheblichen Reichtums und seiner guten Beziehungen zum Hof konnte Sy‑ meon die Genderregelung seiner Stiftung und – was in diesem Fall noch wichtiger war
Geschlecht
– die der größeren klösterlichen Gemein‑ schaft des Heiligen Berges nicht komplett außer Kraft setzen: „Symeon’s experience on Athos brings into question the ability of a refounder to alter the existing customs of a house and, in this case, those of the wider monastic community in which it was situ‑ ated. It is unlikely that the Athonites would have successfully expelled Symeon had he not so blatantly transgressed Athonite w r i t t e n regulations on the subject of eunuchs and young men.“46 (3.) Im Vergleich zum Frühmittelalter und zur mittelbyzantinischen Zeit unterlag Gender bei den Stifter_innen in den letz‑ ten Jahrhunderten des mittelalterlichen Millenniums stärkerer sozialer Kontrolle. Frauen, Eunuchen und bartlose Jungen (→ 14.5.5) wurden kategorisch aus den wichtigen klösterlichen Zentren außerhalb der Hauptstadt verbannt. Kaiser Manuel II. Palaiologos bestätigte 1406 diese Sanktion (sowie das Verbot weiblicher Tiere) für die Klöster des Berges Athos.47 Frauen durften auch das Gelände des Klosters der Verklä‑ rung, des wichtigsten Klosters von Meteora, nicht betreten.48 Die Handlungsfreiheit von Frauen als Stifterinnen war in dieser Zeit im Wesentli‑ chen auf die großen Städte, besonders Kon‑ stantinopel, begrenzt. Vom Anfang des 12. bis zur Mitte des 14. Jahrhunderts standen die byzantinischen Frauenklöster in Blüte. Aus dieser Epoche stammen fünf hauptstäd‑ tische typika, die von Stifterinnen für ihre Nonnenklöster verfasst wurden; es handelt sich dabei sogar um die einzigen von Frau‑ en verfassten typika überhaupt.49 Den Hö‑ hepunkt der weiblichen Stiftungstätigkeit bildete die lange Regierungszeit Andron‑ ikos’ II. (1282–1328); neun von 22 religiösen Einrichtungen der Hauptstadt, darunter vier der zehn Klöster, wurden damals von Frauen gestiftet oder neu gestiftet.50
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Die Eigenschaften dieser Stiftungen sind stärker vom sozialen Stand der Stifterinnen (→ 14.5) als von ihrem Gender geprägt. Sie stammten durchweg aus der hochadligen, mit der Kaiserfamilie verwandten Sippe.51 Ungeachtet der egalitären Vorschriften ih‑ rer typika differenzierten sich die Gemein‑ schaften dieser spätbyzantinischen Stifte‑ rinnen in der sozialen Praxis in ‚kirchliche‘ und ‚arbeitende‘ Nonnengruppen. Die erste von ihnen, die gebildete Frauen umfasste, denen liturgische Aufgaben und die Ver‑ waltung der Stiftung anvertraut wurden, stammte gewiss aus der Aristokratie. Die andere musste dagegen die klösterliche Hand‑ und Landarbeit erledigen. Wie im Allgemeinen in aristokratischen typika, legten diese Stifterinnen Wert auf die genaue Auflistung des Stiftungsvermö‑ gens, auf besondere Vorschriften für das liturgische Gedenken ihrer selbst und auf Privilegien für die Stifterfamilie (Zugang zum Kloster für Verwandte durch Besuche; Eintritts‑ und Verwaltungsrechte).52 Gender prägte dennoch auch den Spiel‑ raum dieser Stifterinnen. Witwenschaft war fast ohne Ausnahme die Voraussetzung für ihre stifterliche Tätigkeit.53 Im Gegensatz zu ihren männlichen Zeitgenossen war eine komplette Ausschließung von Männern aus Frauenklöstern nicht möglich. Stifterinnen erlaubten, dass Männer unter bestimmten Umständen das Klostergelände betreten durften: Priester für die Liturgie, spirituel‑ ler Beistand für die Nonnen sowie Ärzte.54 Die mächtigsten der spätbyzantinischen Stifterinnen konnten anscheinend kanoni‑ sche Regeln umgehen oder ignorieren, denn auch für diese Zeit sind Stiftungen von kanonisch eigentlich untersagten Doppel‑ klöstern überliefert, beispielsweise die des Kecharitomene‑Klosters der Kaiserin Irene Doukaina Komnene (gestiftet 1110–1116) und des Christos‑Philanthropos‑Klosters der Irene Choumnaina (ca. 1307).55
15.5.3 Begünstigte Über die Bedeutung von Gender bei den Begünstigten griechisch‑orthodoxer Stif‑ tungen ist vergleichsweise wenig bekannt. Nichtsdestotrotz ist auch hier die allgemei‑ ne Tendenz einer zunehmenden Trennung von Eunuchen, Frauen und Männern er‑ kennbar. Dagegen war die Genderfrage bei den Begünstigten in der Spätantike noch offener gewesen (→ 15.5.2 zu Doppelklös‑ tern); Stiftungen in dieser Epoche waren in der Regel nicht bestimmten Gendergrup‑ pen vorbehalten. Ein durchaus ungewöhnliches Beispiel ist die Stiftung des Kaisers Justinian und seiner Gemahlin Theodora für ehemalige Prostituierte.56 Nach Prokop hatte das kai‑ serliche Paar den ganzen Staat (politeia) von weiblicher Prostitution gereinigt, die oftmals Folge extremer Armut war. Jeder Prostituierten wurde eine selbständige Existenz (autonomos biotos) verschafft, in‑ dem sie nun als Nonnen im Metanoia‑Klos‑ ter leben sollten. Justinian und Theodora bestifteten dieses Kloster, einen ehemali‑ gen Palast, reichlich mit großzügigen Ren‑ ten und schönen Gebäuden. Dieses Meta‑ noia‑Kloster diente höchstwahrscheinlich als Muster für mindestens eine weitere Stiftung: Kaiser Michael IV. (1034–1041) stiftete fünfhundert Jahre später in Kons‑ tantinopel ebenfalls ein Frauenkloster für ehemalige Prostituierte.57 Eunuchen wurden in vereinzelten Fällen als Begünstigte bezeichnet; interessanter‑ weise wurde dabei die Mehrheit der bekann‑ ten Eunuchenklöster nicht von Eunuchen selbst gestiftet.58 Zum Beispiel errichtete Kaiser Leon VI. (886–912), der sich auch als Gesetzgeber mit dem Rechtsstand der Eunu‑ chen beschäftigte, ein Eunuchenkloster in der Nähe seiner konstantinopolitanischen St.‑Lazarus‑Kirche.59 Michael Attaleiates erlaubte nur Eunuchen für sein Kloster in
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der Hauptstadt; ausgenommen waren hier nur seine Verwandten oder fromme Männer über 50 Jahre, sofern sie dem Kloster Güter zugestiftet hatten.60 Vermutlich handelte Attaleiates bewusst so, da sich Eunuchen zahlenmäßig in Konstantinopel konzent‑ rierten und als Zustifter aktiv waren.61 Im Spätmittelalter findet man zuneh‑ mend Indizien für eine Benachteiligung von Frauen und Eunuchen unter den Be‑ günstigten. Ein Indiz dafür ist der Umgang mit traditionellen klösterlichen Wohltaten, wie der Verteilung von Brot, Wein und Kleidung am Tor eines Klosters oder als Spende von Stifter_innen. Als der Berg Athos in den letzten Jahrhunderten von Byzanz zum wichtigsten Stiftungszentrum wurde, waren Frauen von der Naturalien‑ gabe am Klostertor ausgeschlossen. Ähn‑ liches galt für das Kloster der Verklärung in Meteora; Frauen sollten auf keinen Fall klösterliche Spenden bekommen, selbst wenn sie zu verhungern drohten.62
etwa Symeon, der auch Abt des von ihm neu gestifteten athonitischen Xenophon‑ Klosters war. Frauen bekleideten als Äbtis‑ sinnen in Frauenklöstern die Rolle der zen‑ tralen Verwalterin.63 Wo es eine Trennung bei der Führung zwischen spirituellen Aufgaben einerseits und finanziellen bzw. wirtschaftlichen andererseits gab, wurde ein zweiter, männlicher oikonomos neben der weiblichen Amtsträgerin angestellt.64 In Doppelklöstern leiteten gelegentlich Äbtissinnen die Gemeinden von Mönchen und Nonnen.65 Die externe Verwaltung bzw. Treuhand‑ schaft, oft als ephoreia bezeichnet, wurde normalerweise durch Männer ausgeübt. (→ 13.5.2) Ausnahmsweise konnten aber auch Frauen externe Verwalterinnen bzw. Treuhänderinnen von Stiftungen sein.66 Michael Attaleiates etwa behielt die Ver‑ waltung seiner Stiftung seinen Nach‑ kommen mit dem Amt des ephoros vor, dem auch ein Anteil an den Gewinnen aus der Stiftung zukam. Falls indessen die männlichen Nachkommen aussterben 15.5.4 Verwalter_innen würden, sollte auch eine Nachfahrin des Attaleiates als ephoros amtieren können.67 Das Geschlecht der Stiftungsverwalter_in‑ Umgekehrt schrieb die Stifterin des Ke‑ nen wird in den Quellen selten thematisiert, charitomene‑Klosters, die Kaiserin Irene weil die externe Verwaltung der Stiftungen Doukaina Komnene, vor, dass der ephoros mit wenigen Ausnahmen ausschließlich ihrer weiblichen Nachkommenschaft ent‑ in den Händen von Männern lag. Bis zum stammen solle.68 Spätmittelalter sind gelegentlich Eunuchen ZC unter den Stiftungsverwaltern zu finden, Anmerkungen 1 Die Rolle von Frauen war bereits in der 1977
erschienenen Monographie von Angeliki Laiou zur spätmittelalterlichen bäuerlichen Gesellschaft in Byzanz herausgearbeitet worden; vgl. LaiouThomadakis, Peasant Society (1977). Auf dieser Grundlage hat die Autorin weitere Studien der Stellung von Frauen gewidmet, u. a. in Laiou,
Gender, Society and Economic Life (1992). Un‑ ter den vielen Studien zum religiösen Leben der byzantinischen Frauen durch Alice‑Mary Talbot siehe etwa A.-M. Talbot, Women (2001). Die zwei einflussreichsten Monographien zu byzantini‑ schen Kaiserinnen sind Herrin, Women in Purple (2001), und James, Empresses and Power (2001).
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2 Vor allem Ringrose, Perfect Servant (2003), und Tougher, Eunuch (2008). 3 Theis / Mullett / Grünbart, Female Founders in Byzantium (2014). 4 Grünbart, Female Founders (2014), 21 f. 5 Tougher, Angelic Life (2006). 6 Kaser, Römisches Privatrecht (1975), 158–160; Ders. / Knütel, Römisches Privatrecht (2008), 306 f. 7 Kaser, Römisches Privatrecht (1975), 173 f.; Ders. / Knütel, Römisches Privatrecht (2008), 318 f. 8 Zusammenfassend und diachron zur Entwick‑ lung des byzantinischen Ehegüterrechts: Zachariä von Lingenthal, Geschichte des griechisch‑römi‑ schen Rechts (1892), 55–57; 83–105. Zachariä von Lingenthal hatte aber, wie Ludwig Burgmann aufgezeigt hat, die Rolle der ersten Kaiser der isaurischen Dynastie, Leons III. (717–741) und Konstantins V. (741–775), bei diesem Wandel überbewertet; vgl. Burgmann, Reformation oder Restauration (1992). 9 Kravari, Actes privés (1992), 83–85. 10 Ecloga. Das Gesetzbuch Leons III. und Kons‑ tantinos’ V. Ed. und übers. Ludwig Burgmann. (For‑ schungen zur byzantinischen Rechtsgeschichte, Bd. 10.). Frankfurt a. M. 1983, 174, cap. 2.5.1. Vgl. Gerstel / Kalopissi-Verti, Female Church Founders (2014), 196. 11 Zachariä von Lingenthal, Geschichte des grie‑ chisch‑römischen Rechts (1892), 81–83. 12 Laiou-Thomadakis, Peasant Society (1977), 89–94. 13 Gerstel / Kalopissi-Verti, Female Church Foun‑ ders (2014), 209 f. 14 Das Folgende nach Tougher, Eunuch (2008), 60–69. 15 Codex Iustinianus. Ed. Paulus Krueger. (CIC 2.) Dublin / Zürich 151970, 252, lib. 6, cap. 22.5 (aus dem Jahr 352). 16 Tougher, Eunuch (2008), 138, Nr. 26 (Basileios Lekapenos); 151, Nr. 107 (Johannes ‚der Orphano‑ troph‘); 171, Nr. 224 (Theophylaktos Lekapenos). 17 Ebd., 46. 18 Dazu Brubaker, Memories of Helena (1997). 19 James, Making a Name (2014), 69 f. 20 Brubaker, Memories of Helena (1997), 57–59. 21 Ebd., 62 f. 22 Ebd., 59 f. 23 K. M. Klein, Do Good (2014), 90–95. 24 James, Making a Name (2014), 65.
173 25 The Greek Anthology. Ed. und übers. W. R. Paton, 5 Bde. (Loeb Classical Library, Bd. 67.) Cam‑ bridge (Mass.) / London 1916–1918, hier Bd. 1, 12, (gr. Text); 13 (engl. Übers.), Nr. 12. Dt. Übers. ZC. 26 Brubaker, Memories of Helena (1997), 56. 27 Tougher, Angelic Life (2006), 243. 28 Kyrillos von Skythopolis. Ed. Eduard Schwartz. (Texte und Untersuchungen zur Ge‑ schichte der altchristlichen Literatur, Bd. 49.2.) Leipzig 1939, 171. Engl. Übers. bei Price, Lives of the Monks (1991), 180 f. 29 Tougher, Eunuch (2008), 80 f.; 139, Nr. 32 (Ca‑ lopodius); 147, Nr. 83 (Gratissimus). 30 Ebd., 157, Nr. 142 f. (Feldherr Narses sowie spatharius und sacellarius Narses). Zum Katharoi‑ Kloster vgl. Janin, Églises (1975), 58–60. 31 Mitsiou, Frauen als Gründerinnen (2014), 335 f. 32 Whiting, Asceticism and Hospitality (2014), 75 f.; 82. Der Verfasser teilt die Skepsis von Mitsiou, Frauen als Gründerinnen (2014), 336 f., ob diese Klöster als Doppelklöster zu bezeichnen sind, nicht. 33 Unterweger, Image (2014), zeigt aber auf, dass dieses ausschnitthafte Bild der Stiftungstätigkeit Theodoras vor allem auf Prokop zurückgeht, der im Vergleich zu anderen Historikern ihre dies‑ bezügliche Rolle heruntergespielt habe. 34 Eine Diskussion dieses Verbots bei Galatariotou, Byzantine Ktetorika Typika (1987), 121–124. 35 Mitsiou, Frauen als Gründerinnen (2014), 336; A.-M. Talbot, Comparison (1985), 1–5. 36 Actes de Lavra. Ed. Paul Lemerle / André Guillou / Nicolas Svoronos et al., 4 Bde. (Actes de l’Athos, Bd. 5; 8; 10; 11.) Paris 1970–1982, hier Bd. 1, 141–144, Nr. 16; 155–161, Nr. 20. Zusammenfassend Neville, Adventures (2014), 153 f. 37 Actes d’Iviron. Ed. Jacques Lefort / Nicolas Oikonomidès / Denise Papachrysanthou et al., 4 Bde. (Actes de l’Athos, Bde. 14; 16; 18; 19.) Paris 1985–1995, hier Bd. 2, 150–156, Nr. 44; 170–183, Nr. 47. 38 So die Deutung von A.-M. Talbot, Riche veu‑ ve (2014), 206 f. 39 Zu Symeon vgl. Morris, Symeon the Sanc‑ tified (2007); Tougher, Angelic Life (2006), 243 f. 40 Nach der Aussage des Bischofs Theophylak‑ tos von Ohrid (gest. nach 1126). Zur (gerechtfer‑ tigten) Identifizierung dieses Symeon mit dem Neustifter des Xenophon‑Klosters vgl. Morris, Symeon the Sanctified (2007), 456; Tougher, An‑ gelic Life (2006), 243 f.
174 41 Wenngleich im typikon (in der Urkunde als
paradōsis bezeichnet) des Klosters die Rede von einem ‚verfallenen‘ Kloster ist, trägt Morris, Sy‑ meon the Sanctified (2007), 446–449, starke Ein‑ wände gegen diese Annahme vor. Nach Morris sei es vielmehr wahrscheinlicher, dass das Klos‑ ter in einer Führungskrise (Nachfolge des Abts) steckte oder dass es im Rechtsstreit mit anderen Klöstern lag. 42 Actes de Xénophon. Ed. Denise Papachryssanthou. (Archives de l’Athos, Bd. 15.) Paris 1986, 59–75, Nr. 1, hier 70, Z. 28–31. 43 Man findet dieses Verbot bereits im typikon des Kaisers Johannes I. Tzimiskes aus dem Jahr 972; vgl. Actes du Prôtaton. Ed. Denise Papachryssanthou. (Archives de l’Athos, Bd. 7.) Paris 1975, 202–215, Nr. 7, hier 212, Z. 101–106. Engl. Übers. von George Dennis in: BMFD 1, 232–244, hier 238. Diese Regelung wurde dann von Kaiser Kons‑ tantin IX. Monomachos in seinem typikon für die Athos‑Klöster des Jahres 1045 bestätigt; vgl. ebd., 216–232, Nr. 8, hier 226, Z. 45–47. Engl. Übers. von Timothy Miller in: BMFD 1, 281–293, hier 285. 44 Actes de Xénophon. Ed. Papachryssanthou (wie Anm. 42), 59–75, Nr. 1, hier 74, Z. 176–181. Vgl. die Diskussion bei Morris, Symeon the Sanctified (2007), 452 f. 45 Actes de Xénophon. Ed. Papachryssanthou (wie Anm. 42), 59–75, Nr. 1, hier 70, Z. 39, bis 71, Z. 45. 46 Morris, Symeon the Sanctified (2007), 459. 47 Actes du Prôtaton. Ed. Papachryssanthou (wie Anm. 43), 254–261, Nr. 13, hier 260, Z. 71–74; engl. Übers. Miller (wie Anm. 43), 285. 48 Bios kai politeia tou hosiou patros hēmōn Athanasiou, askēsantos en tois Stagois, en tō lithō tō hypʼ autou klēthenti Meteōrō. Ed. N. A. Veēs, Symbolē eis tēn historian tōn monōn tōn Meteōrōn, in: Vyzantis 1, 1909, 191–331, hier 251. Engl. Übers. von George Dennis in: BMFD 4, 1455– 1461, hier 1460. 49 Galatariotou, Byzantine Women’s Monastic Communities (1988), 265 f. 50 A.-M. Talbot, Building Activity (2001), 332. 51 Zum Folgenden vgl. Galatariotou, Byzantine Women’s Monastic Communities (1988), 266–274. 52 Vgl. ebd., 276–284. 53 Gerstel / Kalopissi-Verti, Female Church Found‑ ers (2014); A.-M. Talbot, Building Activity (2001), 341.
Geschlecht
54 Galatariotou, Byzantine Women’s Monastic Communities (1988), 286 f.
55 Zu Letzterem siehe A.-M. Talbot, Building
Activity (2001), 340. 56 Die ‚offizielle‘ Version der Entstehungsge‑ schichte dieser Stiftung bei Procopius, Bd. 7: On Buildings. Ed. Glanville Downey / Übers. H. B. Dewing. (Loeb Classical Library, Bd. 343.) Cam‑ bridge (Mass.) / London 1940, 74; 76 (gr. Text); 75; 77 (engl. Übers.). Prokop nennt in seinen po‑ lemischen, kritisch gegen die Kaiserin gerichte‑ ten ‚Anekdota‘ (‚Geheime Geschichte‘), als Motiv dieser Stiftung, dass Theodora den Prostituierten ihre Religiosität habe aufzwingen wollen; von diesen hätten einige lieber Selbstmord begangen, als Nonnen zu werden. 57 Michael Psellos, Leben der byzantinischen Kaiser (976–1075). Chronographia. Ed. und Übers. Diether Roderich Reinsch. (Sammlung Tusculum.) Berlin 2015, 214; 216 (gr. Text); 215; 217 (dt. Übers.), lib. 4, cap. 36; Kaldellis, Argument of Psellosʼ Chro‑ nographia (1999), 88. 58 Tougher, Angelic Life (2006), 248. 59 Ebd., 242. 60 La diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 39, 1981, 5–143, hier 65, Z. 791–802. Engl. Übers. von Alice-Mary Talbot in: BMFD 1, 326–376, hier 348 f. 61 Tougher, Angelic Life (2006), 248. 62 Bios kai politeia. Ed. Veēs (wie Anm. 48), 251; engl. Übers. Dennis (wie Anm. 48), 1460. 63 Galatariotou, Byzantine Women’s Monastic Communities (1988), 270 f. 64 Ebd., 285 f. 65 Mitsiou, Frauen als Gründerinnen (2014), 343. 66 Galatariotou, Byzantine Women’s Monastic Communities (1988), 282–284. 67 Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 60), 35, Z. 301–304; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 60), 338 f. 68 Le typikon de la Théotokos Kécharitôménè. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 43, 1985, 5–165, hier 143, Z. 2238, bis 145, Z. 2262. Engl. Übers. von Robert Jordan in: BMFD 2, 649–724, hier 709 f.
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15.6 Indien 15.6.1 Allgemeines Auch in der Indologie gibt es einen For‑ schungsstrang, der sich der Partizipation weiblicher Akteure am Stiftungswesen widmet. Allerdings geht es in den ein‑ schlägigen Untersuchungen bisher nur ansatzweise um geschlechtsspezifisches Handeln der Stiftungsakteure.1 Geschlechterfragen spielten im indi‑ schen Altertum und Mittelalter eine be‑ deutende Rolle, und die spezifischen Ver‑ hältnisse zwischen Männern und Frauen wirkten sich insbesondere auch auf das Agieren weiblicher Protagonisten im Stif‑ tungsgeschehen aus. Die Beteiligung von Eunuchen am Stiftungswesen ist hinge‑ gen – anders als in Byzanz oder in China beziehungsweise in muslimischen Län‑ dern – im vorislamischen Indien nicht nachweisbar. Dabei werden Eunuchen und Hermaphroditen, oft kaum klar von‑ einander zu trennen, in vormodernen indischen Texten nicht selten erwähnt. Es gibt diverse Sanskrit‑Wörter, die zur Umschreibung derjenigen benutzt wurden, die weder als Mann noch als Frau galten. Diese Begriffe bedeuten z. B. ‚Nicht‑Mann‘ (apuṃs; napuṃs[a], napuṃsaka)2, ‚Impoten‑ ter‘ (klība; paṇḍa, paṇḍra[ka]; ṣaṇḍha)3 oder aber ‚Kastrat‘ (muṣkaśūnya; vadhri[ka])4. Mitunter wurden Eunuchen auch als ‚dritte Natur‘ (tṛtīyaprakṛti) bezeichnet.5 Im ‚Mānavadharmaśāstra‘, dem altin‑ dischen brahmanischen Rechtslehrbuch des Manu, wird eine Erklärung dafür an‑ geboten, wie es zur Ausbildung der (drei) biologischen Geschlechter komme: „Söhne entstehen aus Geschlechtsverkehr an ge‑ raden Tagen, Töchter an ungeraden Tagen. (…) Wenn der männliche Samen stärker
ist, entsteht ein Junge; wenn der weibli‑ che stärker ist, ein Mädchen; wenn beide gleich sind, ein Hermaphrodit (apuṃs) oder Zwillinge.“6 Bereits die einschlägigen Wörterbuch‑ einträge deuten auf bestimmte Funkti‑ onsbereiche von Eunuchen hin. So ist bei Monier‑Williams im Zusammenhang mit dem Begriff varṣadhara nicht nur von ‚Eu‑ nuch‘,7 sondern auch von „attendant on the women’s appartments“ die Rede. Im ‚Kauṭilīya‑Arthaśāstra‘, dem altindischen Staatsrechtslehrbuch, das von der Tradi‑ tion dem Autor Kauṭilya zugeschrieben wird, heißt es in Hinsicht auf die Perso‑ nen, denen Zugang zu den Gemächern der Frauen des Königs gewährt werden sollte: „Achtzigjährige Männer oder fünf‑ zigjährige Frauen, in der Verkleidung als Vater beziehungsweise Mutter, sowie Die‑ ner (abhyāgārika), die alt und Eunuchen (varṣadhara) sind, mögen [genau] Bescheid wissen über Reinheit oder Unreinheit der Haremsdamen und [diese] dazu bringen, dass [sie] sich dem Wohle des Herrn wid‑ men.“8 Die Ausführungen des unmittelbar folgenden Abschnitts belegen jedoch, dass Eunuchen nicht nur zur Bewachung der Frauengemächer, sondern auch für den Schutz des Herrschers eingesetzt wurden: „Wenn [der König] vom Bett aufsteht, soll er von zahlreichen, mit Bogen bewaffne‑ ten Frauen umgeben sein, im zweiten Ge‑ mach von Brustpanzer und Turban tragen‑ den Dienern (abhyāgārika), die Eunuchen (varṣadhara) sind, im dritten [Gemach] von Buckligen, Zwergwüchsigen und Kirātas9, im vierten von Ministern, Verwandten und Türhütern mit Lanzen in den Händen.“10
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Auch in den buddhistischen Ordens‑ regeln sind Eunuchen und Hermaphro‑ diten genannt, und zwar an erster bezie‑ hungsweise zehnter Stelle unter mögli‑ chen Kandidaten, die nicht zur höheren mönchischen Weihe zugelassen waren.11 Einem Novizen, der sich der Mönchswei‑ he unterzog, sollten elf Aufnahmefragen gestellt werden, unter anderem die, ob er ein Mann sei.12 Hintergrund dieser Frage war wohl, dass man nicht ‚aus Versehen‘ einen Eunuchen / Hermaphroditen in den Männerorden aufnehmen wollte, da die Organisation des Ordens einem klaren binären Geschlechtermodell folgte. Auch an anderer Stelle im Kanon kommt zum Ausdruck, dass man Eunuchen wohl als potentielle Gefahr für das Mönchsleben ansah: In den Regeln zum Aufenthalt wäh‑ rend der Regenzeit ist davon die Rede, dass ein Mönch den für diese Zeit aufgesuchten Ort sofort verlassen dürfe, wenn ihm von bestimmten Personen Geschenke angebo‑ ten würden. Hier sind Eunuchen – neben Frauen, Königen und Räubern – ebenfalls genannt.13 Nicht nur in der normativen religiösen Literatur, sondern auch in Epen und Dich‑ tung werden Eunuchen und Hermaphrodi‑ ten erwähnt.14 Der Begriff klība erscheint sogar in Texten zur Schenkungstheorie, beispielsweise im ‚Dānakāṇḍa‘‑Abschnitt des aus dem 12. Jahrhundert datierenden ‚Kṛtyakalpataru‘ von Lakṣmīdhara. Dort heißt es in dem Kapitel, das sich mit pas‑ senden und unpassenden Geschenken be‑ fasst, unter anderem: „nicht zu geben ist den Ahnen und Göttern auch [das], was von einem impotenten Mann (klība) er‑ langt wurde.“15 In dokumentarischen Stif‑ tungszeugnissen treten Eunuchen nach Kenntnis der Autorin nicht in Erscheinung: Weder bezeichneten sich Stifter im vor‑ islamischen Indien explizit als solche, noch gehörten Eunuchen zu den ausdrücklich
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von Dotationen Begünstigten. Daher wer‑ den sich die folgenden Ausführungen auf die Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Akteuren bei Stiftungsprozes‑ sen beschränken. David James Brick hat in Hinsicht auf die potentielle Beteiligung von Frauen an Stiftungen festgehalten: „the role of donor is likewise open to women, as well as to men, for the scriptures make almost no restrictions in this regard. (…) Thus, the dāna literature imposes few limitations on the caste and gender of donors (…). In‑ deed, according to Dharmaśāstric theory, the only outward characteristic of a pro‑ spective donor that seems to matter much at all is his / her financial ability. Hence, Brahmanical texts repeatedly emphasize that one should give ‚according to one’s means‘ (yathāśakti or śaktitaḥ).“16 Maria Heim hat wohl zu Recht vermutet, dass religiöse Schenkungen (und Stiftungen) eine der wenigen Möglichkeiten für Frauen darstellten, besondere soziale Anerken‑ nung zu erlangen.17 Da die Errichtung einer Stiftung ein bestimmtes Kapital erforderte, sind für die Bewertung stifterlicher Aktivitäten von Frauen deren prinzipielle Zugriffsmöglich‑ keiten auf Vermögen von entscheidender Bedeutung. Der zentrale Terminus der brahmanischen Rechtsliteratur, der im Zu‑ sammenhang mit weiblichen Besitzrechten verwendet wird, ist strī-dhana, ‚Frauengut‘. Die Bestimmungen zu strīdhana belegen, dass es zwar seitens des Brahmanentums starke Bestrebungen gab, Eigentumsrechte von Frauen zu beschränken, dass es jedoch nicht möglich war, alle Besitzansprüche von Frauen zu unterdrücken, zumal es offenbar nichtbrahmanische Rechtstra‑ ditionen gab, in denen Frauen großzügi‑ ger behandelt wurden und die nicht ig‑ noriert werden konnten. Darüber hinaus zeigen die Texte, dass die Ansichten der
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Brahmanenschaft zu vermögensrechtlichen Fragen von Frauen keineswegs einheitlich waren. Zum strīdhana gehörten Vermö‑ genswerte, die der Frau vor, während oder nach der Hochzeit von ihren Eltern und Verwandten sowie von ihrem Ehemann und dessen Familie geschenkt worden wa‑ ren.18 Das strīdhana war für den Notfall gedacht und bestand wohl meist in erster Linie aus Schmuck, aber auch aus Geld für den Lebensunterhalt. Während der Staats‑ rechtslehrer Kauṭilya keine Umfangsbe‑ schränkungen hinsichtlich des Schmucks einer Frau kennt, nennt er solche bei der ihr zur Verfügung stehenden ‚Rücklage‘ (sthāpya) für den ‚Lebensunterhalt‘ (vṛtti).19 Das Geld durfte und sollte sie für die Ver‑ sorgung der Söhne und Schwiegertöchter benutzen oder auch für sich selbst verwen‑ den, wenn der Ehemann auf Reisen war und nicht ausreichend vorgesorgt hatte. Unter bestimmten Bedingungen räumten die Rechtslehrer dem Gatten selbst gewis‑ se Zugriffsrechte auf das ‚Frauengut‘ ein, und zwar „zur Abwehr von Gefahren, die von Räubern, Krankheit beziehungsweise Hungersnot [ausgehen]“ oder „zur [Erfül‑ lung einer] religiösen Pflicht“.20 Die kon‑ kreten Ansprüche der Ehepartner in Hin‑ sicht auf das ‚Frauengut‘ regelten sich nach der Form der Eheschließung. Die meisten Rechtslehrer differenzierten zwischen acht Heiratsarten, wobei sie den Angehörigen der vier Geburtsstände (varṇa; → 14.6.2) je verschiedene Eheformen nahelegten.21 Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass lediglich bei zwei Heiratsarten, welche Brahmanen nicht empfohlen wurden, die aus dem ‚Frauengut‘ entnommenen Geld‑ mittel vom Ehemann mit Zinsen erstattet werden mussten.22 Bei zwei anderen für Brahmanen nicht empfohlenen Hochzeit‑ stypen waren Übergriffe des Gatten auf das strīdhana sogar als Diebstahl zu ahn‑ den.23 Brahmaninnen wurden demnach
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in Hinsicht auf ihr strīdhana tendenziell schlechter gestellt als Nicht‑Brahmaninnen. Die rechtliche Behandlung des ‚Frauen‑ guts‘ einer Witwe richtete sich nach der jeweiligen Rechtstradition und danach, für welchen weiteren Lebensweg sich diese nach dem Tod ihres Mannes entschied (oder welcher für sie entschieden wur‑ de) und woher ihr strīdhana stammte. So die Witwe nicht noch einmal heiratete, standen ihr laut Kauṭilya Rücklage und Schmuck sowie der verbliebene Rest eines eventuell (an ihre Eltern) gezahlten Braut‑ preises (śulka) zu; bei einer erneuten Heirat fielen jedoch Teile des strīdhana unter be‑ stimmten Umständen an die Familie des verstorbenen Gatten.24 Im Unterschied zum pragmatischen Staatsrechtslehrer Kauṭilya (der ‚Arthaśāstra‘‑Tradition) äußert sich der als orthodox geltende Rechtslehrer Manu (der ‚Dharmaśāstra‘‑Tradition), der einer Wiederverheiratung von Witwen ableh‑ nend gegenüberstand, nicht zum strīdhana einer Frau, deren Mann verstorben war. Ob und in welchem Umfang Stifterin‑ nen in Erscheinung treten konnten, hing auch in ganz erheblichem Maße von der weiblichen Erbberechtigung ab. Hierzu gingen die Meinungen der altindischen und mittelalterlichen Rechtslehrer eben‑ falls auseinander. Man muss vermuten, dass in brahmanischen beziehungsweise stark brahmanisch beeinflussten Kreisen Frauen nur eingeschränkt erbberechtigt waren. Wie bereits erwähnt, hatte(n) die Ehefrau(en) beim Tod ihres Gatten meist nur Anspruch auf ihr strīdhana. Das ei‑ gentliche Erbe eines Mannes, vor allem bei Immobilien, traten dessen Söhne an; aus‑ geschlossen waren aber impotente Söhne.25 Nie hatten die Töchter gleiche Ansprü‑ che auf das väterliche Erbe wie ihre Brü‑ der. Sie wurden daran nur dann beteiligt, wenn ihr Vater ohne einen männlichen Nachkommen verstorben war. Für solche
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Fälle sahen viele brahmanische Rechts‑ theoretiker eine Speziallösung vor: die ‚Erbtochter‘ (putrikā). Eine Tochter wurde bei dieser Konstruktion als Zwischenglied in die Erbfolge eingeschaltet; eigentlicher beziehungsweise legitimer Erbe aber war der ‚Sohn der Erbtochter‘ (putrikā-putra).26 Doch blieb die Institution der putrikā unter Rechtsgelehrten keinesfalls unumstritten.27 Generell größere Rechte als auf das väter‑ liche Erbe hatte eine Frau in Hinsicht auf das strīdhana ihrer Mutter, obwohl auch hier einige Rechtslehrer eine Teilung zwi‑ schen Töchtern und Söhnen vorsahen.28 Im Umfeld des Buddhismus waren Frau‑ en nicht nur als potentielle Stifterinnen, sondern auch als Destinatärinnen präsent, da weiblichen Ordinierten Erlösungsfä‑ higkeit zumindest in den verschiedenen Schulen des älteren Buddhismus nicht abgesprochen wurde, ein Nonnenorden existierte und Stiftungen an diesen als verdienstvoll galten. Auch im Jinismus gab es eine Ordensstruktur für Nonnen. Hemacandra, ein jinistischer Autor des 12. Jahrhunderts, erklärte, dass religiöse Gaben an Frauen genauso verdienstvoll seien wie solche Gaben an Männer.29 Aller‑ dings gab es unter den jinistischen Gelehr‑ ten unterschiedliche Ansichten zu dieser Frage. Die vedisch‑brahmanische Pries‑ terschaft wiederum bestand im Mittelalter ausschließlich aus Männern. Frauen hatten keinen Zugang zu den heiligen Texten und durften keine vedischen Opfer vollziehen. Daher tauchen Brahmaninnen nicht als direkte Destinatärinnen auf, konnten aber als Ehefrauen von Brahmanen zu den indi‑ rekt Begünstigten gehören. Neben männ‑ lichen Göttern wurden auch Göttinnen in hinduistischen Tempeln verehrt. Deutliche Anhaltspunkte für die Einbindung von Tempelpriesterinnen in das soziale Gefüge mittelalterlicher indischer Stiftungen sind jedoch relativ selten.
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Caritative Stiftungen (→ 9.6.2) spiel‑ ten im mittelalterlichen Indien keine pro‑ minente Rolle. Dokumentarische Belege für die Errichtung und dauerhafte Unter‑ stützung von Einrichtungen für weibli‑ che Bedürftige fehlen bislang. In der bud‑ dhistischen Literatur tauchen sowohl der Sanskrit‑Terminus anāthaśālā als auch die Pāli‑Entsprechung anāthasālā auf, die wörtlich ‚Halle für Schutzlose‘ bedeuten. Es ist noch unklar, wer für den Unterhalt dieser Institutionen aufkam 30 und wer ge‑ nau als schutzbedürftig galt. Jonathan Silk hat dafür plädiert, anāthaśālā in einem engeren Sinne als „homes for unwed mo‑ thers“ zu verstehen.31 Ebenfalls in der buddhistischen Lite‑ ratur gibt es Hinweise darauf, dass ver‑ witwete Frauen dem Orden beitraten. In den ‚Therīgāthās‘, den „Gesängen der Non‑ nen“, finden sich Beispiele für Frauen, die nach dem Tod ihres Mannes um Ordina‑ tion ersuchten.32 Obwohl die Intention des historischen Buddha offenkundig nicht darin bestanden hatte, seinen Nonnenor‑ den zum Sammelplatz für Bedürftige zu machen, scheinen bei Frauen nicht selten wirtschaftliche, physische und psychische Nöte eine wesentliche Motivation für den Ordeneintritt dargestellt zu haben. Auch unter Jaina‑Nonnen kann man wohl Wit‑ wen vermuten.33 15.6.2 Stifter_innen Wohl zu allen Zeiten traten in Indien Män‑ ner und Frauen stifterlich in Erscheinung. Art und Ausmaß der Beteiligung von Stif‑ terinnen am vormodernen indischen Stif‑ tungswesen hingen von deren eigener so‑ zialer Position (→ 14.6.2–4) und der religiö‑ sen Ausrichtung (→ 14.6.7) der Destinatäre ab. Ferner gab es regionale Unterschiede in den Aktivitäten von Stifterinnen. Selbst
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wenn eine Frau im mittelalterlichen Indien persönliches Eigentum besaß, bedeutete dies nicht automatisch, dass sie darüber völlig frei verfügen konnte. Dieser Umstand aber war entscheidend für ihr potentielles Agieren als Stifterin. In dem Kapitel des dem Brahmanen Mallanāga Vātsyāyana zugeschriebenen ‚Kāmasūtra‘, das sich mit den Pflichten der Ehefrau beschäftigt, heißt es, sie müsse ihrem Ehemann von geplanten Geschenken zuvor Mitteilung machen.34 Jedoch kennt bereits der frühe Rechtslehrer Āpastamba eine Ausnahme zu diesem Grundsatz: In Abwesenheit ihres Gatten durfte eine Frau Geschenke machen, wenn es der Anlass gebot.35 Die Rechtslehrer und das ‚Kāmasūtra‘ führen besondere Verhaltensregeln für Frauen auf, deren Ehemänner sich auf Reisen befanden. Diese Vorgaben umfassten teils strengere Auflagen im Alltag,36 gewährten mitunter jedoch größere Gestaltungsspielräume. Auf diese Weise erklärt sich wohl auch, dass unter den Stifterinnen der Vormoderne häufig Frauen von Fernhändlern auftau‑ chen,37 deren Milieu ohnehin nicht sehr stark brahmanisch geprägt war (→ 14.6.2) und die dann, wenn ihre Ehemänner nicht in der Heimat weilten, als Vorstand des ehelichen Hausstandes (und Geschäftes) fungierten. In mittelalterlichen Kompendien zur brahmanischen Schenkungstheorie wird eine weitere, für das Stiftungswesen re‑ levante Besonderheit zur weiblichen Ver‑ fügungsgewalt über eheliches Vermögen genannt. So heißt es beispielsweise in Hinsicht auf die sogenannte ‚Wissensgabe‘ (vidyādāna; → 9.6.3): „Und auch eine Frau kann auf diese Weise die Frucht [d. h. das Verdienst] einer ‚Wissensgabe‘ erlangen, entweder [indem] sie durch den Gatten [zu dieser Gabe] ermächtigt [wird] oder [indem] sie als Witwe ihm [diese Gabe] widmen soll.“38 Für Witwen scheint es
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demnach mitunter sogar leichter als für andere Frauen gewesen zu sein, eigenstän‑ dig zu stiften. Der Grundsatz des Rechtslehrers Manu, dass Frauen immer unter der Aufsicht ei‑ nes Mannes – ihres Vaters, Gatten oder Sohnes – standen,39 galt nur für wenige Gruppen von Frauen nicht. Zu den in be‑ sonderem Maße selbständig agierenden Frauen zählten vor allem die im Sans‑ krit als gaṇikā bezeichneten Hetären. Im ‚Kāmasūtra‘ wird diese sehr wohlhabende und gebildete Schicht von Prostituierten ganz ausdrücklich dazu aufgefordert, ihre Gewinne für religiöse Werke und Projekte der Wohltätigkeit zu verwenden, und zwar für „[die Errichtung] von Göttertempeln, die Anlage von Teichen und Hainen, die Schaffung von Dämmen und von Tem‑ peln für den Feuergott, die Schenkung von Tausenden von Rindern durch würdige Vermittlung an die Brahmanen, das Dar‑ bringen von Verehrung und Spenden für die Götter“.40 Natürlich war Prostitution sehr häufig auch Gegenstand von Missbil‑ ligung. In Manus Rechtslehrbuch werden ‚käufliche Frauen‘ ebenso wie korrupte Be‑ amte, Betrüger und Spieler als „Dornen der Menschen“ bezeichnet.41 So heißt es, dass ein Bordell die Verderblichkeit selbst einer Schnapsbrennerei um das Zehnfache über‑ treffe und dass von jenen, die mittels eines Bordells ihren Lebensunterhalt erwürben, keine Geschenke anzunehmen seien.42 Im Unterschied zu Eunuchen sind Kur‑ tisanen jedoch vereinzelt als Stifterinnen in indischen Stiftungsdokumenten belegt. Bereits eine Mathurā‑Inschrift, die in die ersten Jahrhunderten u. Z. zu datieren ist, gibt davon Kunde, dass eine Hetäre (gaṇikā), die als „Schülerin von Jaina‑As‑ keten“ bezeichnet wird und deren Mutter demselben Gewerbe nachging, gemeinsam mit dieser, ihrer Schwester, ihrer Tochter, ihrem Sohn und den anderen zum Haushalt
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gehörenden Personen einen Schrein, eine Versammlungshalle, eine Zisterne und eine Steintafel stiftete.43 Eine noch größere Rolle spielen Kurtisanen in der buddhis‑ tischen Literatur: So, wie der Kaufmann (Sanskrit śreṣṭhin; Pali seṭṭhi; → 14.6.2) Anāthapiṇḍika in kanonischen Texten als Protoptyp eines männlichen Laienförde‑ rers galt,44 ist die Hetäre Ambapālī, die dem Mönchsorden einen Mangohain (als Aufenthaltsort) gestiftet hatte, als Para‑ debeispiel für weibliches Mäzenatentum dargestellt. Im Alter soll Ambapālī sogar dem Orden der Nonnen beigetreten sein.45 Im Gegensatz zu den orthodoxen Brahma‑ nen verurteilten der historische Buddha und Mahāvīra Jina sowie deren Anhänger Prostituierte nicht für ihr Gewerbe. Wenngleich die generelle Haltung der Buddhisten zu Frauen keineswegs so mi‑ sogyn wie die der Brahmanen war, finden sich im buddhistischen Ordensrecht viele Regeln, die auf eine Ungleichbehandlung von Nonnen und Mönchen schließen las‑ sen. So erbte der Mönchsorden beim Tod eines Mönchs und auch dann, wenn ein Laienanhänger oder eine Laienanhänge‑ rin (kinderlos) verstarb; der Nonnenorden hingegen erbte lediglich im Falle des Ab‑ lebens einer Nonne.46 Ob diese rechtliche Benachteiligung Folgen für das mittelal‑ terliche Stiftungswesen hatte, bleibt al‑ lerdings weitgehend unklar, denn es ist bisher nicht urkundlich dokumentiert, dass ganze Mönchsgemeinden oder Non‑ nenkonvente gemeinschaftlich Stiftungen errichteten. Die Stiftungspraxis belegt viel‑ mehr, dass männliche und weibliche Or‑ dinierte stets individuell (oder in kleinen Gruppen) stifteten. Für derartige Zwecke aber war ihnen der Zugriff auf Kloster‑ vermögen ohnehin nicht gestattet. Wäh‑ rend aus den Texten der Mūlasarvāstivāda‑ Tradition hervorgeht, dass Mönche auch ihr väterliches Erbe antreten durften, und
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man daher vermuten kann, dass sie dieses Vermögen für Stiftungen benutzten, liegen für buddhistische Nonnen keine Erkennt‑ nisse dazu vor, wie sie in den Besitz des Kapitals gelangt waren, mit dem sie später eigenständig stifterlich aktiv wurden. Da es beim Übergang zum Mittelalter zu erheblichen Veränderungen im Grad der Beteiligung von Frauen am Stiftungs‑ geschehen kam, sei hier ein Blick auf das Altertum gestattet, zumal für die Periode vom ausgehenden 2. Jahrhundert v. u. Z. bis zum 4. Jahrhundert u. Z. auch einige statis‑ tische Daten vorliegen. Für das Altertum waren buddhistische Stiftungen prägend, und auf diesem Gebiet engagierten sich Frauen in besonderem Maße – Laienanhän‑ gerinnen ebenso wie Nonnen. Hunderte kurze Steininschriften an buddhistischen Baulichkeiten zeugen von den Aktivitäten dieser Stifterinnen und ihrer männlichen Pendants. Die Auswertung des reichen Quellenmaterials durch Gregory Schopen (und andere) hat ergeben, dass vor allem in der Frühzeit die Beteiligung von ordinier‑ ten Frauen am indischen Stiftungswesen hoch war.47 In Bharhut in Madhya Pradesh, einem Ort, an dem sich Überreste einer frühen buddhistischen stūpa‑Anlage aus dem 2. oder 1. Jahrhundert v. u. Z. erhalten haben (→ 4.6.2), lag der Anteil monasti‑ scher Stifter unter den etwa 135 namentlich genannten Personen, die einzelne Bauteile finanzierten, bei einem Drittel, wobei die Relation zwischen Mönchen und Nonnen ca. 2:1 betrug.48 In Sanchi, einer etwas jüngeren, ebenfalls in Madhya Pradesh gelegenen buddhistischen stūpa‑Anlage, ist die Dichte der Stiftungsinschriften mit 631 noch erheblich höher als in Bharhut. Der Anteil der beteiligten Ordinierten entsprach ungefähr dem in Bharhut, das Verhältnis zwischen stiftenden Mönchen und Nonnen lag bei 1:1.49 An anderen Orten buddhistischer Stifteraktivitäten lassen
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sich ähnliche Proportionen nachweisen: In den Höhlen der indischen Westküste im heutigen Maharashtra war der Prozentsatz monastischer Stifter in den ersten Jahrhun‑ derten u. Z. insgesamt zwar etwas geringer als in Bharhut und in Sanchi,50 die Relation zwischen stiftenden Mönchen und Nonnen betrug allerdings wie in Bharhut 2:1.51 Instruktiv sind auch die Stiftungs‑ inschriften aus Mathurā in Nordindien. An diesem Ort in der Nähe des heutigen Delhi befand sich im Altertum eine der Kunstschulen, an denen eine frühe Bud‑ dha‑Darstellung entwickelt wurde. In den ersten Jahrhunderten u. Z. war in Mathurā neben der Stiftung von Bauwerken und Bauteilen die Praxis, aus lokalem Sand‑ stein gefertigte Skulpturen des Buddha zu stiften, offenkundig außerordentlich popu‑ lär. An der Verbreitung dieses kultischen Novums wirkten ordinierte und nichtor‑ dinierte Frauen tatkräftig mit. Die aus der Frühzeit dieser Entwicklung stammenden, meist datierten Stifterinschriften nennen 19 Stifter solcher Bildwerke: je 6 Mönche beziehungsweise Nonnen, 5 Laienanhän‑ gerinnen und 2 Laienanhänger.52 Mathurā war nicht nur ein Zentrum des Buddhis‑ mus, sondern auch des Jinismus. Bei den jinistischen Stiftungen war der Anteil der Stifterinnen noch höher als bei buddhis‑ tischen; allerdings handelte es sich bei ihnen wohl ausschließlich um Laiinnen.53 Wie Gregory Schopen konstatiert hat, stellte die stark hellenistisch geprägte Re‑ gion Gandhāra im Nordwesten des Sub‑ kontinents, in der ebenfalls eine frühe anthropomorphe Darstellung des Bud‑ dha entstand, eine markante Ausnahme hinsichtlich der Beteiligung von Nonnen dar. Zwei Drittel der Buddha‑Plastiken aus den ersten Jahrhunderten u. Z., die aus diesem Gebiet stammen und mit einer Stifterinschrift versehen sind, gehen auf das Wirken von Mönchen zurück; keine
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entstand (nachweislich) auf das Betreiben einer Nonne. Die Hintergründe für diesen Befund sind unklar; er könnte aber mit ei‑ nem besonders starken Einfluss von Ideen des Mahāyāna zu erklären sein, in dem Frauen eine geringere Rolle als im frühen Buddhismus spielten. Ab der Gupta‑Zeit, d. h. bereits seit dem späten Altertum, kam es auch an anderen buddhistischen Stätten – in Mathurā, Sarnath und Ajanta – zu ei‑ nem drastischen Rückgang von Stiftungen durch Nonnen.54 In den ersten Jahrhunderten u. Z. waren (außerhalb von Gandhāra) nicht nur bud‑ dhistische Nonnen, sondern auch nichtor‑ dinierte Frauen stifterlich tätig. Bislang lie‑ gen jedoch kaum Studien zu den buddhisti‑ schen Laienanhängerinnen vor.55 In diesem Zusammenhang sei darauf verwiesen, dass sich viele dem Laienstand zugehörige Per‑ sonen, die im Altertum (und frühen Mit‑ telalter) den Buddhismus förderten, nicht mit dem entsprechenden Fachterminus als ‚buddhistischer Laienanhänger‘ (upāsaka) oder als ‚buddhistische Laienanhängerin‘ (upāsikā) bezeichneten. An diversen Orten buddhistischer Stiftungsaktivitäten taucht das Femininum aber prozentual häufiger auf als das Maskulinum. So zählt Skil‑ ling in Sanchi 15 Belege für upāsikā, doch nur 4 für upāsaka.56 Dies könnte dafür sprechen, dass als Stifterinnen vor allem Frauen mit einer besonders engen per‑ sönlichen Bindung an den Buddhismus wirkten. Jedoch keineswegs alle weiblichen Stifter bezeichneten sich explizit als Lai‑ enanhängerinnen: Dies gilt beispielsweise für die Königinnen und Prinzessinnen der südostindischen Ikṣvāku‑Dynastie, die im 3. und 4. Jahrhundert die Baulichkeiten der buddhistischen Klöster von Nagarjunakon‑ da im heutigen Andhra Pradesh stifteten.57 Während Baustiftungen ausnahmslos von weiblichen Mitgliedern dieses Herrscher‑ hauses stammen, liegt zumindest ein Beleg
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auch für eine Unterhaltsdotation von ei‑ nem Ikṣvāku‑König an ein buddhistisches Kloster vor.58 Insbesondere für private Stiftungen gilt, dass sich Stifterinnen in ausgeprägterem Maße als Stifter über Verwandtschafts‑ verhältnisse definierten. Die männliche Identität wurde primär durch Geburts‑ stand, Beruf und Amt (→ 14.6.2) bestimmt. Mitunter ist in den Inschriften außerdem erwähnt, dass der Stifter Sohn oder Bruder beziehungsweise Vater des N. N. war. Für weibliche Stifter sind Verwandtschaftsbe‑ ziehungen hingegen häufig die hauptsäch‑ lichen oder gar die einzigen Kategorien sozialer Verortung. Oft wurden sogar meh‑ rere (männliche) Angehörige als ‚Koordi‑ naten‘ in diesem komplexen Bezugssystem angegeben: Stifterinnen sind beispielsweise über ihren Status als ‚Ehefrau‘, als ‚Mutter‘ und als ‚Tochter‘ gleichzeitig identifiziert.59 Diese Art der Beschreibung dürfte durch Stiftungsinschriften popularisiert worden sein. Im frühen Mittelalter ging der Anteil privater Stiftungen am Gesamtaufkom‑ men stark zurück. Auch die Aktivitäten von Stifterinnen sind für diese Zeit nicht mehr in vergleichbarem Maße nachweisbar. Doch ist der Befund an sich noch nicht ge‑ schlechtsspezifisch, da er männliche Stifter ebenso betrifft. Während die Förderung der meisten religiösen Stätten im Altertum überwiegend von städtischen Schichten (und monastischen Gruppen) ausgegangen und nur in geringem Maße vom höfischen Milieu geprägt worden war, wurde das mit‑ telalterliche Stiftungswesen – vor allem auf dem Gebiet der Unterhaltsdotationen – für einige Jahrhunderte überwiegend von herrscherlichem Patronat getragen60 und damit faktisch männlich dominiert. Stif‑ terinnen rekrutierten sich ebenfalls aus einem sehr viel engeren Spektrum als im Altertum. Bei ihnen handelte es sich nun
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in erster Linie um weibliche Mitglieder der königlichen Familien und um Frauen hoher Beamter. Man kann vermuten, dass sich das Stif‑ tungsverhalten weiblicher Stifter im mit‑ telalterlichen Indien von dem männlicher Stifter in Hinsicht auf die religiösen Prä‑ ferenzen sowie auf die Art der gestifteten Objekte beziehungsweise des gestifteten Vermögens unterschied. Eine besondere Hinwendung von Stifterinnen zum Bud‑ dhismus61 und zum Jinismus62 lässt sich auch noch für das Mittelalter belegen. Spezifische Formen des Stiftungskapitals waren allerdings erst im Spätmittelalter nachweislich geschlechtsabhängig. Ein über Jahrhunderte hinweg viel bestim‑ menderer Faktor scheint die soziale Posi‑ tion (→ 14.6.2) der Stifter_innen gewesen zu sein. Die meisten der Königinnen und Prin‑ zessinnen, die im Mittelalter Stiftungen er‑ richteten, waren wohl keine Regentinnen, sondern Gemahlinnen, Mütter, Schwestern und Töchter von Herrschern oder Fürsten; als solche agierten sie ganz ähnlich wie andere weibliche Stifter, nicht selten aber auch geschlechtsneutral. Während bis in das späte Altertum, d. h. bis in die Gupta‑ Zeit, Frauen nicht nur buddhistische Bau‑ lichkeiten und Kultbilder gestiftet, sondern auch Gelddeposita zum Unterhalt lokaler Orden hinterlegt hatten, sind aus dem Mit‑ telalter neben Votivgaben nur Kloster‑ gründungen von wenigen einflussreichen Stifterinnen belegt. Im westindischen Reich der Maitra‑ kas, die vom 6. bis 8. Jahrhundert in Gu‑ jarat herrschten, war das höchstdotierte und wohl bedeutendste Kloster (vihāra) die Gründung einer Stifterin namens Duḍḍā, der Nichte von König Dhruva‑ sena I., die in einer seiner Urkunden als ‚beste Laienanhängerin‘ (paramopāsikā; → 14.6.3) bezeichnet wird.63 Eine weitere
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Klosterstifterin unter den Maitrakas war Mimmā, deren Herkunft nicht explizit er‑ wähnt wird, von der aber auch äußerst ehr‑ furchtsvoll die Rede ist.64 Während die von Duḍḍā und Mimmā gegründeten Konvente Mönche beherbergten, war die Gründung einer dritten Stifterin Nonnen gewidmet. In dem entsprechenden Klosternamen hat sich der Hinweis erhalten, dass die ‚Tochter aus [guter] Familie‘ (kulaputrikā) namens Pūrṇabhaṭṭā die Mutter des Vasallen Kak‑ kuka war.65 Laiinnen stifteten demnach Männer‑ und Frauenkonvente. In gleicher Weise ließen männliche Laienanhänger unter den Maitrakas nicht nur Mönchs‑ klöster, sondern auch Nonnenklöster er‑ richten.66 Nur für mönchische Stifter sind ausschließlich Gründungen von Männer‑ klöstern nachweisbar.67 Geschlechtsspezi‑ fisches Stiftungsverhalten war also bis zu einem gewissen Grade an den religiösen Status des Stifters gebunden. Aus Ostindien liegen Belege dafür vor, dass Lokalfürsten und deren Frauen bud‑ dhistische Mönchsklöster stifteten und für die Ausstattung dieser Einrichtungen mit Ländereien sorgten. So heißt es in einer Urkunde von König Dharmapāla aus dem 9. Jahrhundert, die in Bengalen gefunden worden ist, dass der Vasall Bhadraṇāga den Pāla‑König um Erlaubnis ersucht habe, mehrere Landstücke für drei buddhistische Institutionen stiften zu dürfen. In diesem Kontext verweist Bhadraṇāga darauf, dass er zwei dieser Einrichtungen und seine Gat‑ tin Saṇhāyikā die dritte gegründet habe.68 Die Fürstin verfügte demnach über Mittel und Möglichkeiten, in eigenem Namen ein kleines Kloster (vihārikā) errichten zu lassen. Die Vergabe regelmäßig fließender Steuereinkünfte aus Liegenschaften für den Unterhalt dieser Baulichkeit, für die Ver‑ sorgung der darin lebenden Mönche und für kultische Zwecke konnte aber in der Regel lediglich durch den Landesfürsten
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– in diesem Falle ihren Gemahl – oder des‑ sen Oberherren erfolgen. Jedoch wohnt dieser Patronatsform kaum Geschlechts‑ spezifisches inne, denn auch die meisten männlichen Klostergründer hätten nicht anders agieren können. Wie Hunderte an Tempeln angebrach‑ te Steininschriften belegen, wurden viele hinduistische Tempel und Brahmanensied‑ lungen von den Königinnen und Prinzes‑ sinnen der südindischen Coḷa‑Dynastie ge‑ gründet. Die traditionell große Beteiligung von weiblichen Mitgliedern der Herrscher‑ und Fürstenhäuser am Stiftungsgeschehen im Süden Indiens wird zum Teil mit der dort verbreiteten Praxis der ‚cross‑cousin marriage‘ erklärt,69 die zumindest die Posi‑ tion und den Einfluss von Frauen innerhalb der Dynastie gestärkt zu haben scheint. Prominentestes Beispiel einer äußerst ak‑ tiven Stifterin ist die Coḷa‑Königin Sembi‑ yan Mahādevī, die im 10. Jahrhundert über mehrere Jahrzehnte zahlreiche śivaitische Stiftungen initiierte.70 Ob diese Unterneh‑ mungen bereits zu Lebzeiten ihres Gatten, des Königs Gaṇḍarāditya, begannen, der um das Jahr 958 verstarb, lässt sich nicht mit Bestimmtheit feststellen. Zumindest der Großteil ihrer Tempelrestaurierungen und ‑gründungen, Dotationen von Land, Geld und Schmuck sowie Gaben von bron‑ zenen Götterbildern setzte jedoch erst mit dem Amtsantritt ihres Sohnes Uttama Coḷa ein, der den Thron nach einem Interreg‑ num um 971 bestieg.71 George W. Spencer hat vermutet, dass von Sembiyans Status als in jungen Jahren verwitweter Königin ein starker Impuls für ihre Aktivitäten ausgegangen sein könne.72 Auffällig ist, dass der Umfang der nachweislich von Sembiyan Mahādevī veranlassten Stif‑ tungen weit über das hinausreichte, was einzelne männliche oder weibliche Mit‑ glieder der Coḷa‑Dynastie vor ihr gestif‑ tet hatten.73 Sie gründete eine nach ihr
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benannte Brahmanensiedlung in der Nähe der Hafenstadt Nāgīpattana und ließ in dem Dorf auf von ihr gekauftem Land einen śivaitischen Kailāsanāthasvāmin‑ Tempel errichten, wie dort angebrachte Inschriften belegen.74 Sieben der Frauen ihres Sohnes Uttama Coḷa stifteten für diesen Tempel Goldschmuck75 – ein von höfischen Stifterinnen oft bevorzugtes (da am ehesten verfügbares) Stiftungsgut.76 Sembiyan Mahādevī ließ zu Ehren ihres verstorbenen Ehemannes und nach dem Tod ihres Sohnes auch für diesen jeweils einen Śiva‑Tempel errichten. Diese Me‑ morialheiligtümer stattete sie mit einer bildlichen Darstellung ihres Gatten bezie‑ hungsweise ihres Sohnes aus.77 Selten erfahren die Motive, die Männer und Frauen zu Stiftungen bewogen hatten, eine klare Differenzierung. Eines der ra‑ ren Beispiele liefert die Steininschrift an einem Śiva‑Tempel in Vaghli im Nordwes‑ ten Maharashtras, die aus der zweiten Hälf‑ te des 11. Jahrhunderts datiert. Am Ende dieser Inschrift eines Maurya‑Vasallen der Yādava‑Dynastie heißt es: „Der Fürst na‑ mens Govinda war bewandert in Politik und Recht, [geübt im] Denken und Reden. Des‑ sen Königin Nāyakī freilich war aus Furcht vor dem Dasein stets dem Hara (d. h. Śiva) ergeben. Indem diese beiden den prächtigen Śaṅkara‑Tempel vollendeten, verbreiteten sie ihren Ruhm und ließen ihren religiösen Glanz und ihre makellose Familie erstrah‑ len.“78 Bei Govinda werden dessen macht‑ politische sowie intellektuelle Fähigkeiten in den Vordergrund gestellt. Bei der Fürstin liegt die Betonung geradezu klischeehaft auf ihrer Religiosität. Allerdings muss man einschränkend konstatieren, dass auch die Stiftungen von Königen und Fürsten häufig als ausschließlich oder überwiegend religiös motiviert beschrieben wurden. Doch adlige Frauen sind nicht nur als (Mit‑)Gründerinnen von Klöstern und
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Tempeln belegt. Mitunter nahmen Köni‑ ginnen und Fürstinnen selbst religiöse Stiftungen von Steuerpfründen vor und ließen darüber Kupfertafelurkunden aus‑ stellen, wobei wohl zwischen Dotationen von königlichen Gemahlinnen und solchen von amtierenden Regentinnen zu unter‑ scheiden ist. Auf den Thron gelangte eine Frau meist als Witwe, nach dem Tod ih‑ res vormals regierenden Gatten, oder als Königinmutter, stellvertretend für einen noch minderjährigen Kronprinzen. Der Witwenstatus einer Herrscherin scheint keinerlei Beschränkungen in den Mög‑ lichkeiten ihres Zugriffs auf eigenes Pri‑ vatvermögen mit sich gebracht zu haben; vielmehr konnte sie wegen ihrer Position als Regentin zusätzlich auch über das Kron‑ vermögen verfügen. Vor allem Königinnen, die selbst an der Macht waren, zeigten ein ausgeprägtes herrscherliches Stiftungsver‑ halten, das sich in keiner Weise von dem männlicher Regenten unterschied. Laut einer Urkunde der zentralindi‑ schen Rāṣṭrakūṭa‑Dynastie von 786 u. Z. stiftete Śīlamahādevī, eine Prinzessin der Östlichen Cālukyas und die Gemahlin des Herrschers Dhruva, bereits zu Lebzeiten ihres Mannes ein Dorf an zwei Brahma‑ nen. Sie nahm diese religiöse Dotation eigenständig und ohne explizit erwähnte Zustimmung ihres Gemahls vor. Das da‑ mit generierte Verdienst sollte nur ihren Eltern und ihr selbst zugutekommen.79 Śīlamahādevī agierte damit nicht anders als männliche Mitglieder der Rāṣṭrakūṭa‑ Dynastie – Kronprinzen, Brüder, Neffen, Cousins des Königs –, wenn diese Steuer‑ pfründen vergaben.80 Der einzige Unter‑ schied in der Teilhabe von weiblichen und männlichen Angehörigen der Rāṣṭrakūṭa‑ Dynastie am Stiftungsgeschehen bestand darin, dass sich die Partizipation von Frau‑ en beinahe ausschließlich auf die Königin‑ nen beschränkte: Sie stifteten selbst, und
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noch häufiger tätigten Herrscher Dotati‑ onen auf Bitte oder mit Zustimmung ihrer jeweiligen Gattin(nen).81 Nicht immer geht aus dem Stiftungsdo‑ kument zweifelsfrei hervor, ob der königli‑ che Gemahl einer Stifterin zum Zeitpunkt ihrer Dotation noch am Leben war. Dies gilt z. B. für die Urkunde der Kādamba‑ Fürstin Padmaladevī (→ 11.6.2) aus dem Jahr 1245 u. Z. Die Genealogie dieser In‑ schrift aus Hulgur in Karnataka umfasst die Beschreibung der Yādavas und ihrer Kādamba‑Vasallen. Die eigentliche Stif‑ tung jedoch nahm Padmaladevī vor, die ‚gekrönte Hauptgemahlin‘ des Kādamba‑ Fürsten Malla. Diese Fürstin wird zwar ausführlich über Position und Titel ihres Ehemannes definiert, doch spielt dieser in der weiteren Beschreibung des Gesche‑ hens zunächst keine Rolle mehr. Es ist davon die Rede, dass Padmaladevī vom Yādava‑Herrscher die Verfügungsgewalt über 300 Dörfer erhalten hatte, zu denen auch das mit dem Fundort der Inschrift identische Hulluṃgūru gehörte, in wel‑ chem die Kādamba‑Fürstin ein Viṣṇu‑ Heiligtum errichtete sowie eine Brah‑ manensiedlung gründete und diese mit Land ausstattete.82 Die Sanskrit‑Passage endet wie folgt: „[Fürstin] Padmaladevī (…) übergab den [Begünstigten], nachdem sie diese [mit Geschenken] zufriedenge‑ stellt hatte, [die Siedlung mit den Worten:] ‚Durch euch ist diese von beiden Königen gestiftete Brahmanensiedlung bis an das Ende des Weltzeitalters zu bewahren‘.“83 Das Padmaladevī in den Mund gelegte Zitat erweckt den Eindruck, als habe die Fürstin mit ihrer Stiftung lediglich den Wunsch zweier Könige verwirklicht. Der erste dürfte ihr Ehemann gewesen sein, dessen letztwillige Verfügung sie eventuell umsetzte. Der zweite, dem so ein Anteil an der Dotation zugesprochen wurde, war wohl der Yādava‑Oberherrscher.
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Die etwa zeitgenössische Steininschrift einer anderen Vasallenlinie der Yādavas, die in Zentral‑Maharashtra herrschte, be‑ legt, dass nicht nur den Witwen verstorbe‑ ner Könige, sondern auch anderen weibli‑ chen Hinterbliebenen mitunter die Rolle zufiel, die Geschicke ihres Fürstenhauses zu lenken. Die sogenannte Rāmanārāyaṇa‑ Inschrift von Lakṣmī, einer Tochter des Fürsten Kholeśvara, aus Ambajogai be‑ richtet über den Tod des Rāma, des Bru‑ ders der Lakṣmī, in einer militärischen Auseinandersetzung. Lakṣmī, heißt es, sei „in die überaus schwere Herrschaftsbürde für den [minderjährigen] Sohn des Śrī‑ Rāma eingesetzt worden“.84 Zu Ehren ih‑ res toten Bruders, eines Śiva‑Anhängers, stiftete Lakṣmī, deren persönliche religi‑ öse Verehrung Viṣṇu galt, einen Tempel für Rāmanārāyaṇa, d. h. ein viṣṇuitisches, nach ihrem Bruder benanntes Heiligtum. Die männlichen Angehörigen der Familie des Kholeśvara scheinen śivaitisch, die weiblichen Familienmitglieder viṣṇuitisch ausgerichtet gewesen zu sein.85 Besonders instruktiv in Hinsicht auf etwaige Unterschiede zwischen dem stif‑ terlichen Agieren von Herrschern und dem königlicher Regentinnen ist das Kup‑ fertafelurkundencorpus der ostindischen Bhaumakara‑Dynastie, die vom 8. bis zum 10. Jahrhundert in Orissa regierte. Der auf Basis des vorliegenden epigraphischen Ma‑ terials von Snigdha Tripathy entworfene Stammbaum des Königshauses führt ins‑ gesamt 14 Herrscher und sechs Herrsche‑ rinnen auf.86 Von sechs Königen sind Kup‑ fertafelurkunden überliefert (insgesamt 8), die aus den Jahren 12–149 der sogenannten Bhaumakara‑Ära datieren.87 Von fünf Re‑ gentinnen sind Urkunden bekannt (und zwar insgesamt 11), die alle aus der Spät‑ zeit dieser Dynastie stammen, aus den Jahren 158–204 der Bhaumakara‑Ära.88 In dieser Zeit regierten auch einige schwache
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männliche Könige; von diesen sind jedoch bisher keine eigenen Stiftungsdokumen‑ te bekannt. Die weiblichen Regenten der Bhaumakaras ließen typische herrscher‑ liche Stiftungsurkunden mit Genealogien ausstellen, in denen die Abfolge männli‑ cher und weiblicher Herrscher nebst den relevanten Verwandtschaftsverhältnissen in der für ihr Verständnis ‚korrekten‘ Wei‑ se aufgezeichnet wurde. Sie legten sich in Analogie zu männlichen Vorbildern impe‑ riale Titel und religiöse Epitheta zu.89 Wie die Stiftungen von Königen galten auch die Dotationen der Regentinnen dem Erwerb von religiösem Verdienst für sich selbst und ihre Eltern. Die verstorbenen Gatten fanden in diesen Formeln keine explizite Erwähnung.90 Die erste Bhaumakara‑Königin, die zur Herrscherin aufstieg, war Tribhuvanamahā‑ devī (I.). Nicht alle Kenntnisse über sie be‑ ruhen auf ihrer eigenen Urkunde; einige Informationen sind aus anderen Inschriften zu ergänzen. Tribhuvanamahādevī stammte aus einem südindischen Fürstengeschlecht und war die Gattin von Bhauma kara Śānti‑ kara I.91 Es heißt, dass sie nach der (durch Tod beendeten) Regentschaft ihres Gatten und ihres Sohnes zunächst für den min‑ derjährigen Enkel Śāntikara II. regierte, an den sie dann später die Herrschaft übertrug. Nach ihrem Enkel folgten ihre beiden Ur‑ enkel, die Brüder Śubhā kara V. und Śiva‑ kara IV., auf den Thron.92 Śubhā kara V. war mit Pṛthvīmahādevī verheiratet, die nach der Herrschaft ihres Schwagers Śiva kara IV. selbst die Macht ergriff.93 Ihren zwei Urkun‑ den aus dem Jahr 158 der Bhauma kara‑Ära zufolge legitimierte Pṛthvīmahādevī alias Tribhuvana mahādevī (II.) ihr Handeln da‑ mit, dass ihr eigener Gatte Śubhā kara V. ebenso wie dessen jüngerer Bruder Śiva‑ kara IV. jeweils ohne männliche Nachkom‑ men verstorben seien.94 Diese Aussage muss allerdings zumindest in Hinsicht auf den
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Schwager der Pṛthvīmahādevī bezweifelt werden: Auf die Regentschaft zweier Söhne von Śivakara IV. wird in späteren Urkunden verwiesen.95 In die Thronfolgestreitigkeiten griff wiederum Tribhuvanamahādevī (I.) ein, wie aus ihrer Stiftungsurkunde des Jahres 160 der Bhauma kara‑Ära hervorgeht.96 Das Ziel der wohl bereits hochbetagten Königin‑ mutter war es vermutlich, die Herrschaft ihrer noch minderjährigen Ururenkel zu sichern. Interessant ist in diesem Kontext, dass sich die Rivalitäten zwischen Tribhu‑ vana mahādevī (I.) und Tribhuvana mahā‑ devī (II.) nach ähnlichem Muster wie Kon‑ flikte zwischen männlichen Konkurrenten abspielten: mit Unterstützung von Vasallen und mit Legitimation durch Genealogiedar‑ stellungen, die dem jeweiligen Standpunkt entsprachen. Die Dotationen dieser beiden Herrscherinnen dürften eine nicht unwe‑ sentliche Rolle bei dem Versuch gespielt haben, sich der Unterstützung religiöser Eliten zu versichern: Die Viṣṇuitin Pṛthvī‑ mahādevī alias Tribhuvana mahādevī (II.) förderte auf Bitte einer Fürstin den von jener gegründeten śivaitischen Tempel durch zwei Stiftungen von Land.97 Tribhu‑ vana mahādevī (I.), ebenfalls eine Viṣṇuitin, stiftete zwei Jahre später ein Dorf an einen Brahmanen.98 Dem jüngeren Ururenkel von Tribhu‑ vana mahādevī (I.), Śubhākara VI., folgte Gaurīmahādevī, eine seiner Königinnen, auf den Thron. Nach dieser kam zum ersten Mal keine Witwe an die Macht, sondern Daṇḍimahādevī, die vermutlich unverhei‑ ratete Tochter von Gaurīmahādevī. Von Daṇḍimahādevī sind sechs Kupfertafelur‑ kunden überliefert, die allesamt Stiftungen von Dörfern und Liegenschaften an Brah‑ manen dokumentieren.99 Die letzten Herr‑ scherinnen der Bhaumakara‑Dynastie wa‑ ren Vakulamahādevī, die Stiefmutter von Daṇḍimahādevī, sowie Dharmamahādevī, die Frau des Onkels von Daṇḍimahādevī.
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Auch von ihnen liegen Urkunden über Do‑ tationen von Dörfern und Ländereien zu‑ gunsten von Brahmanen vor.100 Ab dem 11. Jahrhundert nahm in vielen Teilen Indiens – verbunden mit einem Auf‑ schwung des hinduistischen Tempelwe‑ sens – die private Stiftungstätigkeit wieder erheblich zu. Damit verbessert sich auch die Beleglage für weibliche Stiftungen. Be‑ sonders aufschlussreich sind die Befunde des relativ dichten Corpus der südostin‑ dischen Dynastie der Kākatīyas, die vom späten 12. bis zum frühen 14. Jahrhun‑ dert auf dem Gebiet der heutigen Bundes‑ staaten Andhra Pradesh und Telangana herrschte. Das Material besteht aus fast 1 000 Stiftungsdokumenten.101 Von den 561 Einzelstiftern, die eine Zuordnung er‑ lauben, waren 88 Frauen; dies entspricht einem durchschnittlichen Anteil von 16 Prozent.102 Weibliche Stifter entstammten – ähnlich wie im Altertum und anders als im Frühmittelalter – ganz verschiedenen sozialen Schichten. 40 Prozent der Stifte‑ rinnen waren Angehörige der Kākatīya‑ Dynastie sowie Frauen und Töchter von Vasallenfürsten und Adligen. Selbständig stifteten aber auch weibliche Verwandte von landbesitzenden Bauern (Telugu: reḍḍi), Militärführern (nāyaka), Kaufleuten (seṭṭi) und Viehzüchtern (boya; → 14.6.2), das heißt die Variationsbreite war fast eben‑ so groß wie bei männlichen Stiftern.103 Angesichts dieser Daten kommt Cynthia Talbot zu dem Schluss, dass Frauen ein sehr wichtiges und wohlhabendes Segment der Gesellschaft des mittelalterlichen Andhra‑ Gebiets bildeten.104 Allerdings sind regio‑ nale Unterschiede in der weiblichen Parti‑ zipation am Stiftungsgeschäft festzustellen. Während Frauen in einigen Regionen im Landesinneren nur recht wenige Stifter stellten, lag der Anteil von Stifterinnen in den nördlichen Küstenabschnitten, im Gebiet des mittelalterlichen Veṅgi, bei über
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einem Drittel.105 In der alten Kulturland‑ schaft Veṅgi waren auch einige männliche Stiftergruppen sehr aktiv, insbesondere Kaufleute (seṭṭi) und Viehzüchter (boya), mit denen Frauen bestimmte Präferenzen in den Stiftungsobjekten teilten. Die Stif‑ tungen von Frauen, Kaufleuten und Vieh‑ züchtern umfassten in erster Linie Kühe, Schafe und Ziegen und nur in geringerem Umfang Land. 41 Prozent der weiblichen Stiftungen bestanden aus Vieh, 25 Prozent aus Ländereien.106 Außerdem galten die Dotationen von Frauen – ganz ähnlich wie die von Kaufleuten und Viehzüchtern – we‑ niger den kleineren inländischen Tempeln, sondern vornehmlich den großen Tempel‑ anlagen der Küstengebiete. Stifterinnen stellten mit 47 Prozent sogar die größte Einzelkategorie von Stiftern bei großen Tempeln.107 Cynthia Talbot hat vermutet, dass eine besondere ‚Aura der Heiligkeit‘ bei den bedeutenden Tempeln Frauen zu Stiftungen angeregt habe. Darüber hinaus weist sie nach, dass weder Kollektiv‑ noch Sammelstiftungen für die großen Tempel typisch gewesen seien, sondern individuel‑ le Dotationen. Sie schließt aus der starken Präsenz von Stifterinnen, dass den Frauen diese sehr persönliche Form des Gebens besonders entgegengekommen sei, wenn sie eigenen (für sie schwer zu erlangen‑ den) Besitz einsetzten. Die Einschätzung Talbots, „women tend to be the more pious gender in India“,108 mutet angesichts der Zahlen übertrieben an. Berücksichtigt man jedoch die beschränkten Möglichkeiten für Frauen, stifterlich aktiv zu werden, ist dieses Fazit nicht unberechtigt. Eine stärkere Präsenz von Stifterinnen verschiedenster Herkunft zeigt sich be‑ reits früher im weiter südlich gelegenen Tamilnadu. Leslie Orr hat in ihren Un‑ tersuchungen zu den dortigen hinduisti‑ schen (und jinistischen) Tempelinschrif‑ ten in Tamil, die aus der Zeit vom 9. bis
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13. Jahrhundert datieren, festgestellt, dass weibliche Stifter vorzugsweise Statuen von Göttinnen aufstellen ließen, diesen Teile ihres Schmucks stifteten und für deren Kult Vorsorge trafen. Eine solche Präferenz wird besonders deutlich im 13. Jahrhundert, als die Zahl der ingesamt von Frauen veran‑ lassten Stiftungen rückläufig war.109 Mit‑ unter brachten Stifterinnen ihre spezielle Beziehung zu einer Göttin dadurch zum Ausdruck, dass sie diese als ihre Toch‑ ter bezeichneten. Auch männliche Stifter übertrugen Familienvorstellungen auf ihr Verhältnis zu weiblichen Gottheiten: In einigen Landstiftungen von Männern an Göttinnen wurden die Stiftungsgüter als strīdhana (→ 15.6.1) bezeichnet.110 15.6.3 Profitient_innen Wie in anderen Stiftungskulturen war das Geschlechterverhältnis bei den Profitient_ innen auch im mittelalterlichen Indien ausgewogener als bei allen anderen Ak‑ teursgruppen. An den durch Stiftungen generierten und akkumulierten religiösen Verdiensten (puṇya) wurden oft die eige‑ nen Eltern mittels Verdienstübertragung beteiligt. Die Formel „für das Anwachsen des religiöses Verdienstes von Mutter und Vater und der eigenen Person“ (mātāpitror ātmanaś ca puṇyābhivṛddhaye; → 7.6.2) stellte geradezu eine Standardfloskel dar, von der es allerdings diverse Varianten und Modifikationen gab.111 Selbst wenn in einigen Fällen der explizite Verweis auf mātā° fehlt und nur pitror steht, ist durch die Verwendung des Duals eindeutig, dass beide Eltern gemeint waren.112 Insbesondere in Verdienstübertragungs‑ formeln, die vom Mahāyāna‑Buddhismus beeinflusst sind, finden sich geschlechts‑ neutrale Formulierungen, die auf der Vor‑ stellung basieren, man könne und solle
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eigenes religiöses Verdienst nicht nur für sich selbst akkumulieren und seinen Eltern übertragen, sondern ‚allen Wesen‘ (sarvasattva; → 7.6.2) zugutekommen lassen. Doch diverse Stiftungsdokumente enthal‑ ten auch ganz konkrete Verfügungen dazu, wer an dem aus einer Stiftung entstehen‑ den puṇya zu beteiligen sei. Besonders aus‑ gestaltete Formeln finden sich beispiels‑ weise in einem epigraphischen Dokument aus der Herrschaftszeit des Hūṇa‑Königs Toramāṇa, der am Ende des 5. und zu Be‑ ginn des 6. Jahrhunderts über Teile Nord‑ und Westindiens regierte. Die in Kura im Nordwesten des Subkontinents entdeckte Steininschrift bezeugt die Stiftung eines buddhistischen Klosters. Der Klosterstifter bestimmte das religiöse Verdienst zunächst für ‚alle Wesen‘, zählte unter den Profiti‑ ent_innen dann aber außer Mutter und Vater (ohne namentliche Spezifizierung) seine Brüder, Schwestern, Frauen, Söhne und Töchter sowie die Königinnen, Prin‑ zen und Prinzessinnen (d. h. Kinder) des Toramāṇa auf.113 Gerade bei königlichen und fürstlichen Stiftungen bestand die Möglichkeit, dass anteilig mehr Frauen als Männer von Stif‑ tungen des Herrschers profitierten, da Polygamie keine Seltenheit war und eini‑ ge Potentaten das Verdienst ihrer Dota‑ tionen auch Mätressen widmeten.114 Aus dem Andhra‑Gebiet liegen darüber hinaus Sammelinschriften vor, denen zufolge ein König, seine Königinnen und Konkubinen sowie Töchter zu einem bestimmten Da‑ tum verschiedene separate Stiftungen für ein und denselben Destinatär tätigten.115 Es gab aber auch regionale Abweichun‑ gen in Hinsicht auf die Praxis der Übertra‑ gung von religiösem Verdienst. Dies zeigt sich beispielsweise in den von Leslie Orr untersuchten süd indischen Stiftungen, die aus der Zeit von 700 bis 1700 stammen.116 Im Unterschied zu anderen Regionen des
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indischen Kulturraums sind in den mittel‑ alterlichen Stiftungsinschriften aus Tamil‑ nadu relativ selten Stiftermotive genannt. Wenn allerdings die Motivation eines Wohl‑ täters oder einer Wohltäterin thematisiert wird, dann ist meist von Verdienstüber‑ tragung die Rede.117 Nur in ungefähr fünf Prozent der insgesamt mehr als 2 000 ein‑ zelnen Stifter_innen zuzuordnenden hindu‑ istischen Gaben wird Verdienstübertragung erwähnt. Leslie Orr hat bei der Sichtung dieser Befunde festgestellt, dass Frauen in Tamilnadu die Verdienste ihrer Stiftungen zumeist Verwandten zugutekommen lassen wollten, und zwar häufiger männlichen als weiblichen Familienangehörigen: einem Sohn (6), dem Ehemann (4), der Mutter (2), einer Tochter (1) oder einem Bruder (1).118 Männliche Stifter hingegen widmeten ihre Stiftungen überwiegend Personen, mit de‑ nen sie nicht verwandt waren: oft dem Kö‑ nig, mitunter aber auch der Königin oder ei‑ nem religiösen Lehrer. Lediglich ein Drittel (31) der Stiftungen von Männern, die eine entsprechende Klausel enthalten, nennen Verwandte als Profitient_innen: den Vater (12) oder die Mutter (5), einen Sohn (5), einen Bruder (4), einen nicht spezifizierten Vor‑ fahren (2), einen Onkel (1), eine Schwester (1) oder die Ehefrau (1). Auffällig ist bei dem Corpus aus Tamilnadu, dass Frauen das Verdienst ihrer Gabe eher dem Gatten übertrugen als umgekehrt und dass keine der Stifterinnen ihren Vater als Profitienten einsetzte. 119 Die knapp 300 von Orr untersuchten jinistischen Stiftungen zeigen wiederum ein anderes Bild.120 Zum einen war der Anteil der Stifter_innen, die eine Übertra‑ gung der Verdienste auf Dritte inschrift‑ lich festhalten ließen, bei jinistischen Stif‑ tungen höher als bei hinduistischen. Zum anderen aber waren die Profitienten der Stiftungen jinistischer Frauen, bei denen es sich überwiegend um Angehörige der
Kategorie „female religious donor / Jain religious woman“ handelte, meist nicht mit ihnen verwandte Männer.121 Allerdings sind die Belegzahlen insgesamt zu gering, um aus diesen Befunden überzeugende Schlüsse ziehen zu können. 15.6.4 Destinatär_innen / Begünstigte und Verwalter_innen Der Buddhismus war die religiöse Rich‑ tung im mittelalterlichen Indien, in der Frauen als Destinatäre die größte Rolle gespielt zu haben scheinen. Aufschluss‑ reich ist die allmähliche Veränderung des Verhältnisses zwischen buddhistischem Frauen‑ und Männerorden. Frühe Stufen dieser Entwicklung sind bereits aus den normativen, ausschließlich von Mönchen redigierten Texten ablesbar. Das buddhis‑ tische Ordensrecht enthält diverse Ver‑ ordnungen, aus denen klar eine generel‑ le Unterordnung des Nonnen‑ unter den Mönchsorden hervorgeht. Diesem Prinzip lag die Ansicht zugrunde, dass die Frauen den Männern in ihrer Verlässlichkeit in religiösen Fragen unterlegen seien. Der Nonnenorden wurde vom Mönchsorden kontrolliert. Die Zulassung einer Frau zur Probezeit erfolgte durch den Nonnen‑, die endgültige Ordination durch den Mönchs‑ orden. Einige Bestimmungen belegen je‑ doch, dass es bereits im Altertum einen vom Mönchsorden weitgehend unabhän‑ gigen Nonnenorden gegeben haben muss. Dies war eine Folge des schnellen An‑ wachsens des Ordens und wohl auch ein Ergebnis des potentiellen Misstrauens der Laien dahingehend, dass bei einer zu gro‑ ßen Nähe von weiblichen und männlichen Ordinierten diese dem Zölibatsgebot nicht oder nur schwer Folge leisten könnten.122 Aus dem Westen Indiens sind mehrere Stiftungsurkunden überliefert, die lokale
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Frauenorden begünstigten und belegen, dass diese als Stiftungsempfänger genauso behandelt wurden wie Männerkonven‑ te. Im 6. und 7. Jahrhundert stifteten ver‑ schiedene Herrscher der Maitraka‑Dynas‑ tie Dörfer und Ländereien nicht nur an Mönchs‑, sondern auch an Nonnenklöster in Gujarat. Die Konvente des Maitraka‑ Reiches konzentrierten sich in der Haupt‑ stadt Valabhī. Während Klöster für Mönche auch in anderen Städten errichtet wurden, befanden sich alle Klöster für Nonnen auf dem Territorium von Valabhī. Bereits in den kanonischen Texten ist festgehalten, dass Frauenkonvente im Unterschied zu Männerklöstern nur innerhalb von Sied‑ lungen liegen durften.123 Diese Vorschrift sollte wohl der größeren Schutzbedürftig‑ keit von Frauen Rechnung tragen, eventuell jedoch auch ihrer besseren sozialen Kon‑ trolle dienen. Vier der insgesamt 26 bud‑ dhistischen Dorf‑ und Landstiftungen aus dem Maitraka‑Reich galten Nonnenklös‑ tern. In den betreffenden Kupfertafelurkun‑ den werden drei Frauenkonvente genannt: (1.) ein Nonnenkloster, das von einem Mann namens Yakṣaśūra gestiftet worden war, (2.) ein Kloster, das Pūrṇabhaṭṭā, die Mut‑ ter des Vasallenfürsten Kakkuka errich‑ tet hatte (→ 15.6.2), sowie (3.) ein Kon‑ vent, der als Eigentum eines Kaufmanns Ajita bezeichnet wird.124 In struktureller Hinsicht glichen die Frauenkonvente of‑ fenbar den Männerklöstern. Ähnlich wie der Duḍḍāvihāra das Zentrum eines monastischen Komplexes (vihāramaṇḍala) für die Mönche bildete, dem noch andere Klöster angeschlossen wurden, stellte der Yakṣaśūravihāra den Kern eines Komple‑ xes für die Nonnen dar, zu dem auch die Gründung der Pūrṇabhaṭṭā gehörte. Lokale Männerorden (bhikṣusaṃgha) ebenso wie Frauenorden (bhikṣuṇīsaṃgha) waren un‑ abhängige wirtschaftliche Einheiten, die mit Einnahmen aus Dörfern und Land
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ausgestattet wurden. Stiftungsobjekte, ‑zwecke und ‑konditionen lassen keine Differenzierung zwischen Dotationen an Mönchs‑ oder Nonnenklöster erkennen. In auffälligem Kontrast zu dem Befund westindischer Urkunden aus dem frühen Mittelalter stehen die Berichte der chine‑ sischen Mönche, die zu dieser Zeit Indien besuchten. Xuanzang, der in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts weite Teile des Subkontinents bereiste, zählt in seinem Rei‑ sebericht Hunderte buddhistischer Mönchs‑ klöster in Indien auf. Doch er nennt keinen einzigen Frauenkonvent, obwohl ihn sein Weg auch in das Reich der Maitrakas führ‑ te. Allerdings erwähnt Xuanzang – ebenso wie dies Faxian schon im 5. Jahrhundert getan hatte – durchaus die Existenz von Nonnen, und zwar im Zusammenhang mit deren großer Verehrung für Buddhas Jün‑ ger Ānanda, der sich für die Einrichtung des Frauenordens eingesetzt haben soll.125 Offenbar spielten Frauenklöster als Stätten buddhistischer Gelehrsamkeit im frühen Mittelalter kaum eine Rolle; lediglich an derartigen Zentren aber war Xuanzang interessiert. Außerdem gehörten die chi‑ nesischen Mönche dem Mahāyāna an und billigten daher Frauen nur eingeschränkte Erlösungsfähigkeit zu.126 Die geringe Wert‑ schätzung zeigt sich in den Ausführungen des Yijing, der sich in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts für längere Zeit in Ostindien aufhielt. Zunächst konstatiert Yijing, dass sich indische Nonnen erheblich von denen in China unterschieden. Er führt aus, dass sie für sich selbst sorgen müssten, Nahrung erbettelten und nur ein einfaches Leben führten. Die Versorgung der weiblichen Mit‑ glieder des Ordens sei sehr kärglich, und in den Klöstern vieler Orte gebe es für sie kei‑ ne Zuteilungen von Nahrungsmitteln. Der Umstand, dass Nonnen in Indien für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen müssten, bringe es zwangsläufig mit sich, dass sie
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(mitunter) gegen Ordensregeln verstießen. Seine Beobachtungen schließt Yijing mit der zynischen Bemerkung ab,127 dass fünf Gewänder, ein Topf und eine Schale sowie eine kleine Unterkunft für eine Nonne zum Überleben genügten, zumal weniger Gegen‑ stände die Belastung der Laien verringerten. Im Unterschied zu buddhistischen Non‑ nen waren Brahmaninnen nie – weder einzeln noch in Gruppen – direkte Destina‑ tärinnen von Stiftungen, konnten aber als Familienangehörige zu den Begünstigten gehören. Darüber hinaus gibt es einige in‑ direkte Hinweise darauf, dass Frauen brah‑ manischer Herkunft als Erbinnen in den Besitz von Stiftungsgütern gelangen konn‑ ten, wobei sie in der Regel nur als ‚Platz‑ halterinnen‘ fungierten, bis ein männli‑ cher Nachkomme zur Verfügung stand. Als Beleg für das Agieren einer als Erbin eingesetzten Brahmanin sei eine Steinin‑ schrift aus Süd‑Maharashtra erwähnt, die im 12. Jahrhundert aufgesetzt wurde. Darin heißt es über den aktuellen Stifter, er habe in der Brahmanensiedlung Pauva aus dem Anteil (vṛtti) von Māyiṃkauvā, der Enkelin
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(dauhitrī) des Brahmanen Somesvarabhaṭṭa, ein Stück Land „durch Kauf für eine Gabe“ (dānakrayeṇa) erworben.128 Dabei handel‑ te es sich wohl um den Erbfall in einer Brahmanenfamilie (→ 12.6.4), in der es in zwei Generationen nacheinander zur stellvertetenden Einsetzung einer Tochter (putrikā) gekommen war. Wenn man davon ausgeht, dass die Ver‑ waltung vieler mittelalterlicher indischer Stiftungen in den Händen der Stifter oder der Destinatäre lag (→ 13.6.1), kann man vermuten, dass Frauen an der Stiftungsor‑ ganisation ebenfalls beteiligt waren. Eine als vihārasvāminī, ‚Klosterherrin‘ (→ 11.6.3), bezeichnete buddhistische Laienstifterin dürfte nicht selten wie ihr männliches Pendant vihārasvāmin für Kontrolle und Aufsicht klösterlicher Stiftungen zuständig gewesen sein. Wenn andererseits lokale Nonnengemeinschaften selbständige Do‑ tationen von Dörfern und Land erhielten, muss man wohl annehmen, dass ordinierte Frauen ebenso wie Mönche Stiftungsver‑ mögen verwalteten. AS
Anmerkungen 1 Z. B. Findly, Women’s Wealth (2000), 94: „whe‑ 8 The Kauṭilīya Arthaśāstra, Bd. 1. Ed. R. P. Kangther a woman’s gift is in any way gender‑bound“.
le. Bombay 21969, 29, Abschnitt 1.20.21: aśītikāḥ puruṣāḥ pañcāśatkāḥ striyo vā mātāpitṛvyañjanāḥ (1899), 56; 523. Auch ‚Schwächling‘ oder ‚Feigling‘. sthaviravarṣadharābhyāgārikāś cāvarodhānāṃ 3 Ebd., 324; 580; 1107 f. śaucāśaucaṃ vidyuḥ, sthāpayeyuś ca svāmihite //. Zur Übersetzung dieser Stelle siehe auch King, 4 Ebd., 824; 917. 5 Ebd., 453. Vgl. zu dieser Thematik auch Syed, Governance and Law in Ancient India. Kauṭilya’s Tṛtīyā Prakṛti (2003); Doniger O’Flaherty, Third Arthaśāstra. A New Annotated Translation. Übers. Natur (2012). Patrick Olivelle. Oxford / New York 2013, 95, Ab‑ 6 Manu’s Code of Law. A Critical Edition and schnitt 1.20.21. Translation of the Mānava‑Dharmaśāstra. Ed. Pa- 9 ‚Kirāta‘ ist der Name für einen Stamm; vgl. trick Olivelle. Oxford 2005, 110 (Übers.); 456 (Text), Monier-Williams, Sanskrit‑English Dictionary (1899), 283: „N. of a degraded mountain‑tribe Strophen 3.48 f. 7 Monier-Williams, Sanskrit‑English Dictiona‑ (inhabiting woods and mountains and living ry (1899), 927: „‚withholding generative fluid‘, a by hunting […])“. Vgl. auch King, Governance eunuch“. and Law. Übers. Olivelle (wie Anm. 8), 480, Anm.
2 Monier-Williams, Sanskrit‑English Dictionary
192 zu Abschnitt 1.12.9. Das Wort kann aber – ähn‑ lich wie das davor genannte vāmana – auch für ‚Zwerg‘ stehen. 10 Kauṭilīya Arthaśāstra, Bd. 1. Ed. Kangle (wie Anm. 8), 29, Abschnitt 1.21.1: śayanād utthitaḥ strīgaṇair dhanvibhiḥ parigṛhyeta, dvitīyasyāṃ kakṣyāyāṃ kañcukoṣṇīṣibhir varṣadharābhyāgārikaiḥ, tṛtīyasyāṃ kubjavāmanakirātaiḥ, caturthyāṃ mantribhiḥ saṃbandhibhir dauvārikaiś ca prāsapāṇibhiḥ //. Zur Übersetzung dieser Stelle siehe auch King, Governance and Law. Übers. Olivelle (wie Anm. 8), 96, Abschnitt 1.21.1. 11 The Book of the Discipline. Vinaya‑Piṭaka, Bd. 4. Übers. Isaline Blew Horner. London 1951, Abschnitte 1.61 und 1.68. 12 Ebd., Abschnitte 1.76–78. 13 Ebd., Abschnitte 3.11.3 f. 14 Vgl. z. B. Warder, Indian Kāvya Literature (2004), 851 f., Abschnitte 7498 f. 15 The Dānakāṇḍa („Book on Gifting“) of the Kṛtyakalpataru. A Critical Edition and Annota‑ ted Translation. Ed. David James Brick. Diss. phil. Austin 2009, 96 (Übers.); 298 (Text), Strophe 2.17: (…) / adeyaṃ pitṛdevebhyo yac ca klībād upāgatam //. Vor dieser Kategorie sind noch Vermögen, das aus dem „Verkauf des Veda“ stammt, und solches, das „unter Frauen beschafft“ wurde, genannt. 16 Vgl. die Einleitung ebd., 11 f. 17 Heim, Theories of the Gift (2004), 132: „The trope of a woman or girl who wins the admira‑ tion of (…) a king or big man by her pious acts of dāna is frequent in the literature, suggesting perhaps one of the very few means women had to elevate their status.“ Siehe auch Findly, Women’s Wealth (2000), 112. 18 Pandurang Vaman Kane hat in seiner be‑ rühmten mehrbändigen Abhandlung zum al‑ ten und mittelalterlichen indischen Recht dem Phänomen strīdhana einen längeren Abschnitt gewidmet; vgl. Kane, History of Dharmaśāstra, Bd. 3 (1946), 770–802; zu den Quellen von strīdhana besonders 772–782. 19 Kauṭilīya Arthaśāstra, Bd. 1. Ed. Kangle (wie Anm. 8), 99, Abschnitte 3.2.14 f. Zur Übersetzung dieser Stelle siehe auch King, Governance and Law. Übers. Olivelle (wie Anm. 8), 183, Abschnit‑ te 3.2.14 f. 20 Kauṭilīya Arthaśāstra, Bd. 1. Ed. Kangle (wie Anm. 8), 99, Abschnitt 3.2.16.
Geschlecht
21 Zu den acht Heiratsformen vgl. Kane, History
of Dharmaśāstra, Bd. 2.1 (1941), 516–525. Die Rei‑ henfolge und Bewertung konnte bei den einzelnen Rechtslehrern variieren. Die ersten vier Typen der Eheschließung (Brāhma, Daiva, Ārṣa, Prājāpatya) ähnelten einander in der Art, wie die Braut dem Bräutigam oder dessen Familie in einer Zeremonie übergeben wurde. Nach Manu waren sie Brahma‑ nen vorbehalten und empfohlen. Die fünfte oder Āsura‑Form, bei der ein Brautpreis (śulka) an die Familie der Frau gezahlt wurde, wird von Manu als typisch für Vaiśyas und Śūdras und als zuläs‑ sig für alle Stände bezeichnet. Die sechste oder Gāndharva‑Form, eine Art Liebesheirat, erklärt Manu ebenfalls als für alle Stände zulässig. Die siebte oder Rākṣasa‑Form, den Raub der Braut, be‑ schreibt Manu als äußerst typisch für Kṣatriyas und erlaubt sie nur dem Adel. Die achte oder Paiśāca‑ Form, die Heirat nach Vergewaltigung eines schla‑ fenden oder betäubten Mädchens, verachtet Manu, gesteht sie aber den drei unteren Stände zu; vgl. Manu’s Code of Law. Ed. Olivelle (wie Anm. 6), 109 f. (Übers.), 450–453 (Text), Strophen 3.20–34. 22 Kauṭilīya Arthaśāstra, Bd. 1. Ed. Kangle (wie Anm. 8), 99, Abschnitt 3.2.18. Nach Kauṭilya muss‑ te verzinste Rückzahlung bei der Āsura‑ und Gāndharva‑Form geleistet werden. 23 Ebd. Strafgelder für Diebstahl fielen bei der Rākṣasa‑ und Paiśāca‑Form an. Zu Manus Emp‑ fehlungen für Brahmanen siehe Anm. 21. 24 Ebd., Abschnitte 3.2.19–23. 25 Vgl. Dharmasūtras. The Law Codes of Āpastamba, Gautama, Baudhāyana, and Vasiṣṭha. Ed. Patrick Olivelle. Delhi 2000, ‚Āpastamba‘, 94 f., Abschnitt 2.14.1; ‚Gautama‘, 184 f., Abschnit‑ te 28.1–3. 26 Kauṭilīya Arthaśāstra, Bd. 1. Ed. Kangle (wie Anm. 8), 104, Abschnitte 3.5.9 f.; 106, Abschnitt 3.7.5. 27 Manu’s Code of Law. Ed. Olivelle (wie Anm. 6), 108, Strophe 3.11; 196–199, Strophen 9.127–140, 9.158 f. 28 Ebd., 200 (Übers.); 782 (Text), Strophe 9.192. 29 Heim, Theories of the Gift (2004), 155. 30 Man könnte natürlich vermuten, dass die Sorge für Bedürftige in die Verantwortung der Herrscher fiel. 31 Silk, Child Abandonment (2007), 297; 301; 303; 311. 32 The Elders’ Verses, Bd. 2: Therīgāthā. Übers. Kenneth R. Norman. London 1971, 15; 24.
193
Indien
33 Findly, Women’s Wealth (2000), 101. Siehe
aber Kelting, Constructions of Femaleness (2003), 233, Anm. 1. 34 Mallanāga Vātsyāyana, Das Kāmasūtra. Übers. Klaus Mylius. Leipzig 1987, 98, Abschnitt 4.1.40: „Ohne es dem Liebsten mitzuteilen, (erfolge) kein Geschenk an irgend jemand.“ Vgl. aber Findly, Women’s Wealth (2000), 93: „the exact source of wealth a wife might use in dāna is not altogether clear from the texts – whether from her own property or from general household property“. Zur Benutzung des Begriffs matronage bei Findly vgl. ebd., 91; 93–95. 35 Dharmasūtras. Ed. Olivelle (wie Anm. 25), ‚Āpastamba‘, 94 f., Abschnitt 2.14.20: „for while the husband is away people do not consider it a theft for the wife to make a gift when the occa‑ sion demands.“ 36 Vgl. z. B. Mallanāga Vātsyāyana, Kāmasūtra. Übers. Mylius (wie Anm. 34), 98 f., Abschnitte 4.1.42–47. 37 Dies gilt besonders für das indische Alter‑ tum; vgl. Nath, Dāna (1987), 72: „ladies belonging to artisanal and mercantile classes figured more prominently as donors“. 38 Dānakāṇḍa. Ed. Brick. (wie Anm. 15), 201 (Übers.); 446 (Text), Strophe 12.52: strī caivānena vidhinā vidyādānaphalaṃ labhet / bhartrā caivābhyanujñātā vidhavā vā tam uddiśet //. 39 Manu’s Code of Law. Ed. Olivelle (wie Anm. 6), 146 (Übers.); 588 (Text), Strophe 5.148. 40 Mallanāga Vātsyāyana, Kāmasūtra. Übers. Mylius (wie Anm. 34), 150, Abschnitt 6.5.28. 41 Manu’s Code of Law. Ed. Olivelle (wie Anm. 6), 203 (Übers.); 794 f. (Text), Strophen 9.258–260. Der für ‚käufliche Frauen‘ benutzte Begriff ist paṇyayoṣit. 42 Ebd., 128 (Übers.); 520 f. (Text), Strophen 4.84 f. 43 Vogel, Catalogue (1910), 185; Quintanilla, His‑ tory (2007), 282, Appendix II, Nr. 25. Zu einigen späteren Beispielen vgl. Mokashi, Expressions of Faith (2015), deren Ausführungen jedoch teilweise ungenau sind. 44 N. A. Falk, Exemplary Donors (1990). 45 Book of the Discipline, Bd. 4. Übers. Horner (wie Anm. 11), Abschnitte 6.30 und 8.1. Vgl. auch Dies., Women under Primitive Buddhism (1930, ND 1990), 87–94; Nath, Dāna (1987), 71. 46 Hüsken, Vorschriften (1997), 398–400; 466.
47 Vgl. z. B. Schopen, Monks, Nuns and Vulgar Practices (1988/1989, ND 1997).
48 Schopen, Two Problems (1985, ND 1997), 48 f.,
Anm. 40. 49 Schopen, Monks, Nuns and Vulgar Practices (1988/1989, ND 1997), 249. Vgl. auch J. Marshall / Foucher, Monuments of Sanchi (1940), und U. Singh, Sanchi (1996). 50 Dies hing vermutlich auch mit einer anderen Zusammensetzung in den gestifteten Objekten zusammen. Den Höhlenklöstern wurden erste Unterhaltsstiftungen gemacht, die aus Geld und Land bestanden. 51 Vgl. Burgess, Report on the Buddhist Cave Temples (1883), 82–116. An der zeitgenössischen stūpa‑Anlage von Amaravati an der Südostküs‑ te Indiens wiederum haben sich jeweils zwölf Mönche beziehungsweise Nonnen als Stiftende verewigt; vgl. Schopen, Monks, Nuns and Vulgar Practices (1988/1989, ND 1997), 249. Ihr Gesamtan‑ teil an den belegten Stiftern belief sich auf etwa ein Drittel. 52 Ebd., 249. 53 Dehejia, Collective and Popular Basis (1992), 42–44. 54 Schopen, Monks, Nuns and Vulgar Practices, (1988/1989, ND 1997), 249 f. 55 Vgl. zu dieser Einschätzung auch Skilling, Nuns (2001), 258. 56 Ebd. 57 Plaeschke / Plaeschke, Frühe indische Plas‑ tik (1988), 34; H. Singh, Women’s Patronage (1999), 286 f.; Stone, Buddhist Art (1994). 58 The Pātagaṇḍigūdem Copper‑Plate Grant of the Ikṣvāku king Ehavala Cāntamūla. Ed. Harry Falk, in: Silk Road Art and Archaeology 6, 1999/2000, 275–283. 59 Findly, Women’s Wealth (2000), 96–100. 60 Dies hing mit Tendenzen zur Deurbani‑ sierung und mit einer stärkeren Förderung des Brahmanentums zusammen. 61 Zu einschlägigen Beispielen aus dem westin‑ dischen Reich der Maitrakas siehe weiter unten. 62 Vgl. z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 259; 318; 320 f. 63 The Inscriptions of the Maitrakas of Valabhī. Texts, Translations, Glossary. Ed. Annette Schmiedchen. Wiesbaden 2016, Nr. 19, Z. 21. 64 Ebd., Nr. 26, Z. [7]: °mimmāpādakārita°.
194 65 Ebd., Nr. 66, Z. 34: °s[ā]ma[n]takakkukamātṛkulaputrikāpū[r]ṇṇabhaṭṭākāritavihāra°. 66 Zu Nonnenklöstern vgl. ebd., Nrn. 47; 49; 66; G1. 67 Zu von Mönchen gestifteten Männerklöstern vgl. ebd., Nrn. 20; 81; 87. 68 Indian Museum Copper Plate Inscription of Dharmapala, Year 26: Tentative Reading and Study. Ed. Ryosuke Furui, in: SAS 27.2, 2011, 145–156, hier 154, Z. 63 f. Vgl. auch Einleitung und Inhalts‑ beschreibung ebd., 145 f.; 150 f. 69 Kaimal, Early Coḷa Kings (1996), 64. Siehe hierzu auch Spencer, Queens (1983), 361. 70 Ebd., 364–367; Kaimal, Early Coḷa Kings (1996), 61–65. 71 Spencer, Queens (1983), 364: „The record of her charity to the temples and Brāhmaṇas, beginning during her husband’s reign and ending with her last known donative records in 1001 A. D., spans a period of six decades.“ Wenn ihre Stiftungen über‑ haupt erst mit der Thronbesteigung des Sohnes einsetzten, würde sich der Stiftungszeitraum hal‑ bieren. Zu den frühesten datierten Tempelgrün‑ dungen aus den ersten Regierungsjahren ihres Sohnes vgl. Kaimal, Early Coḷa Kings (1996), 60–62. 72 Spencer, Queens (1983), 364 f. 73 Kaimal, Early Coḷa Kings (1996), 61. 74 Spencer, Queens (1983), 364 f.; Kaimal, Early Coḷa Kings (1996), 47, Abb. 16; 62; 65. 75 Spencer, Queens (1983), 365; Kaimal, Early Coḷa Kings (1996), 65, Anm. 81. 76 Orr, Domesticity and Difference (2007), 116. 77 Kaimal, Early Coḷa Kings (1996), 46, Abb. 13 und 15; 48, Abb. 18 f.; 63. Siehe auch Spencer, Queens (1983), 365. Nur der Gaṇḍarāditya‑Tempel ist durch Inschriften sicher zu identifizieren. 78 Stone Inscriptions at Vaghli in Khandes. The Śaka Year 991. Ed. Franz Kielhorn, in: Epigraphia Indica 2, 1894, 221–228, C, Zeile 15 f., Strophe 14. 79 Jethwai Plates of the Rashtrakuta Queen Silamahadevi; Saka‑Samvat 708, Ed. D. R. Bhandarkar, in: Epigraphia Indica 22, 1933/1934, 98–109. 80 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 462, RāUr 9; 463, RāUr 12; 464, RāUr 14; 465, RāUr 18; 468, RāUr 25; 470, RāUr 32; 471, RāUr 35; 472, RāUr 38; 473, RāUr 42; 474, RāUr 43. 81 Ebd., 466, RāUr 21; 467, RāUr 24; 473, RāUr 40; 475, RāUr 46; 482, RāUr 66 f.
Geschlecht
82 Ebd., 391. 83 Ebd., 394. 84 Ebd., 369, Vers 35c: lakṣmī śrīrāmasūnor ativitatamahārājyabhāre niyuktā. 85 Ebd., 364–369. 86 Inscriptions of Orissa, Bd. 2: Inscriptions of the Bhauma‑Karas. Ed. Snigdha Tripathy. Delhi 2000, 15. 87 Ebd., 105–115, Nrn. 3 f.; 120–153, Nrn. 7–12. 88 Ebd., 154–221, Nrn. 13–23. Die genaue Datie‑ rung der Bhaumakara‑Ära ist umstritten. 89 Vgl. ebd., 156, Nr. 13, Z. 22 f.: paramavaiṣṇavī (…). 90 Vgl. ebd., 169, Nr. 15, Z. 30: mātāpitror ātmanaḥ (…). 91 Ebd., 168 f., Nr. 15, Z. 9–24. 92 Ebd., 155, Nr. 13, Z. 6–16; 162, Nr. 14, Z. 6–16. 93 Ebd., 155 f., Nr. 13, Z. 17–23; 162 f., Nr. 14, Z. 16–23. 94 Ebd., 155, Nr. 13, Z. 16 f.; 162, Nr. 14, Z. 16. 95 Ebd., 174, Nr. 16, Z. 13–16; 179, Nr. 17, Z. 15–18; 186 f., Nr. 18, Z. 14–17; 192, Nr. 19, Z. 12–15; 198, Nr. 20, Z. 12–15. 96 Ebd., 167–172, Nr. 15. 97 Ebd., 156, Nr. 13, Z. 27–32; 163 f., Nr. 14, Z. 27–32. 98 Ebd., 169, Nr. 15, Z. 28–32. 99 Ebd., 173–202, Nrn. 16–20. 100 Ebd., 203–221, Nrn. 21–23. 101 Dieses Corpus, das auf exzellente Weise von Cynthia Talbot ausgewertet worden ist, um‑ fasst überwiegend Steininschriften; vgl. C. Talbot, Gifts (1988). 102 Ebd., 192; 200, Tabelle 17. 103 Ebd., 209 f. 104 Ebd., 213. Vgl. auch Orr, Women’s Wealth and Worship (2000), 126. 105 C. Talbot, Gifts (1988), 221. 106 Ebd., 223, Tabelle 21; 224; 228. 107 Ebd., 242, Tabelle 25. 108 Ebd., 281. 109 Orr, Domesticity and Difference (2007), 115 f. 110 Ebd., 117 f. 111 Für das Andhra‑Gebiet vgl. C. Talbot, Gifts (1988), 189, Anm. 2. 112 Vgl. z. B. Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Vasudev Vishnu Mirashi. (CII 6.) Delhi 1977, 32, Nr. 6, Z. 56 f. 113 The New Inscription of Toramana Shaha. Ed. Georg Bühler, in: Epigraphia Indica 1, 1892, 238–241. 114 Für das Andhra‑Gebiet vgl. C. Talbot, Gifts (1988), 80 f.; 109 f.
Indien
195
115 Ebd., 81. 122 Hüsken, Vorschriften (1997), 330 f.; 474–476. 116 Orr, Women’s Wealth and Worship (2000), 123 Ebd., 435 f. 125. 124 Zu Nonnenklöstern vgl. Inscriptions of 117 Ebd., 140 f., Anm. 21. the Maitrakas. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 63), 118 Ebd., 127, Tabelle 9.1; 133. Orr spricht von Nrn. 47; 49; 66; G1. sechs bis sieben Prozent, da sie die absoluten 125 Deeg, Gaoseng‑Faxian‑Zhuan (2005), 531;
Zahlen lediglich auf die Kategorie „other female donor“ bezieht. Nur diese Gruppe (mit 208 von insgesamt 332 hinduistischen Stifterinnen) nahm tatsächlich Verdienstübertragungen vor. Stifte‑ rinnen der Kategorien „female religious donor / temple woman“ und „queen donor“ taten dies offenbar nicht. 119 Ebd., 140, Anm. 20. 120 Ebd., 128, Tabelle 9.2. 121 Ebd., 133 f. Auch hier differieren die Prozent‑ zahlen etwas von den durch Leslie Orr berech‑ neten, da sie die einzelnen Kategorien von Stif‑ ter_innen separat betrachtet. Bei der Kategorie „female religious donor / Jain religious woman“ findet sich eine Verdienstübertragungsformel in sieben von 25 Inschriften; das entspricht sogar einem Anteil von 28 Prozent.
Si‑Yu‑Ki. Buddhist Records of the Western World. Translated from the Chinese of Hiuen Tsiang (A. D. 629). Übers. Samuel Beal. London 1884, Bd. 1, 181. 126 Nur so sind Mahāyāna‑Verdienstfomeln, wie z. B. „Mögen alle Frauen in der Welt Männer werden!“, zu erklären; vgl. Śāntideva. Eintritt in das Leben zur Erleuchtung (Bodhicāryāvatāra). Lehrgedicht des Mahāyāna. Übers. Erich Steinkellner. (Diederichs gelbe Reihe, Bd. 34.) München 2 1989, 147, Strophe 30. 127 A Record of the Buddhist Religion in India and the Malay Archipelago (AD 671–695). Übers. Junjiro Takakusu. London 1896, ND Delhi 1982, 80 f. 128 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi (wie Anm. 112), 264–267, Nr. 59, bes. 266, Z. 1–23. Vgl. auch Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 312 f.
16 Raum
16.1 Interkulturelle Perspektiven Da Stiftungen als soziale Systeme verstan‑ den werden müssen, bringen ihre Akteu‑ re durch Interaktionen Räume hervor.1 Zweckmäßig ist es, dabei Räume, die auf einen geographischen Ort konzentriert sind und sich sozusagen nach innen ent‑ falten, von solchen zu unterscheiden, die in weiter Streuung dispergieren,2 dane‑ ben aber auch die Interferenzen der Stif‑ tungen mit anderen sozial konstruierten Räumen zu beachten. Auf Gräberfeldern der sogenannten Völkerwanderungszeit beziehungsweise des frühesten Mittelalters konnten beispielsweise Kirchen errichtet und mit Stiftungen ausgestattet werden, die eine bestimmte Beisetzung auszeich‑ nen und das Gedenken des betreffenden Toten sichern sollten; dabei mochten die übrigen Gräber im Laufe der Zeit in Ver‑ gessenheit geraten.3 Wurde im Kirchengrab ein Heiliger – Märtyrer oder Bekenner – verehrt, konnte es Pilger anziehen und die Verkehrsgeographie seines Umfeldes verändern. Das Grab eines heiligmäßigen Kirchenpatrons regte auch Nachbestattun‑ gen gewöhnlicher Christen an, die das Got‑ teshaus bei entsprechender Ausstattung zu einer eigenen, von Stiftungen getra‑ genen multifokalen Nekropole machten;
Kirchen konnten auch geradezu für die Bestattung eines Stifters errichtet werden.4 Die Totenmemoria oblag der Kleriker‑ oder Klostergemeinschaft der Kirche selbst oder besonderen Gruppen beziehungsweise sich ablösenden Geistlichen unter ihrem Dach, für die jene als Treuhänder fun‑ gierte. Wohlhabende Christen, die ihre Sündenschuld drückte oder die den Ge‑ betsgemeinschaften misstrauten, stifteten mehrere Memorialstätten weit über ihre besondere Grablege hinaus. Ein Kennzei‑ chen dieser plurilokalen Stiftungswerke war es, dass sie jeweils auf ihren (toten) Stifter hin ausgerichtet waren, unterein‑ ander aber kaum Verbindungen pflegten. Die Diversifikation monolokaler An‑ lagen war in verschiedenen Stiftungskul‑ turen unterschiedlich ausgeprägt. Im Christentum lagerten sich an Kirchen (und um ‚Stiftergräber‘) Klöster, Herbergen, Spi‑ täler (Armenhäuser, Krankenhäuser etc.) und Schulen an, und ähnlich komplexe Anlagen charakterisierten den Islam; im Buddhismus aber können während des sogenannten Mittelalters nur Mönchs‑ und Nonnenbehausungen von sakralen Plätzen und Räumen (stūpa‑Bauten und Kultbild‑ kapellen) unterschieden werden. Ähnlich
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den christlichen Nebenklöstern sind in Indien Tochterklöster bezeugt, dort aller‑ dings am selben, nicht an verschiedenen Orten 5. Im Judentum bildeten Synagoge, rituelles Tauchbad, Lehrhaus und Friedhof ein typisches Ensemble des Gemeinde‑ heqdesh, das abgesehen von den obligato‑ rischen Abgaben aller Gläubigen von den besonderen Stiftungen der Wohlhabenden finanziert wurde. Die Wahl der ‚Stiftungssitze‘ wurde re‑ ligiös und nach lebenspraktischen Bedürf‑ nissen bestimmt. Wenngleich Mönche in ihrem asketischen Streben zur Separati‑ on von den übrigen Gläubigen tendierten, waren sie zu ihrem Unterhalt doch auf deren Nähe angewiesen, und erst recht gilt dies für schutzbedürftige Klosterfrauen. Geistliche Stiftungen siedelten sich gern an überkommenen sakralen Stätten an, wobei christliche Klöster die heidnische Vorgeschichte ihrer Lokalitäten verdrän‑ gen sollten, während sich im Indien der vorislamischen Periode eher friedliche und nicht immer lückenlose Sukzessio‑ nen beobachten lassen. Für Juden waren die überwiegend urbanen Stiftungen von demjenigen Lebensraum bestimmt, den ihnen die andersgläubigen Mehrheitsge‑ sellschaften belassen hatten. Wo Herrscher eine ‚Stiftungspolitik‘ betrieben, dienten die Einrichtungen der Landerschließung oder ‑durchdringung (Kolonisation), aber auch, wie die ribāṭs im Islam, der militä‑ rischen Grenzsicherung. Die ‚Stiftungssitze‘ wurden zwar durch Gebäude markiert und gegebenenfalls, auch als Immunitätsbezirke, durch Mau‑ ern oder Zäune abgesteckt, strahlten aber über ihre territorialen Grenzen auch hin‑ aus. Gebetsruf und Glockenschlag ließen ihre Klänge sternförmig irradieren, wäh‑ rend die wirtschaftlichen Mittel, durch welche die Stiftung unterhalten wurde, von ihren verstreuten Ländereien oder der
Raum
Fiskalverwaltung ihres Landes herbeige‑ schafft werden mussten. In Byzanz lässt sich eine Konzentra‑ tion von Stiftungen auf die Hauptstadt Konstantinopel und später auf den Berg Athos beobachten; dieser genoss so hohe religiöse Reputation, dass selbst auswär‑ tige Herrscher (Könige aus Serbien und Georgien, Fürsten von der Donau) hier mit eigenen Mönchsgemeinschaften vertreten sein wollten. Die Reichsgrenzen überschrit‑ ten ebenso Stiftungen singhalesischer und südostasiatischer Könige auf dem Gebiet indischer Monarchen; diese trugen sogar zum Unterhalt der Anlagen Fremder durch eigene Mittel bei. Jerusalem beziehungs‑ weise Mekka und Medina waren Stätten christlicher und jüdischer respektive mus‑ limischer Fernstiftungen. In einer für seine Zeit singulären globalhistorischen Tat hat Karl der Große um 800 geistliche Gemein‑ schaften im Heiligen Land, das seit dem 7. Jahrhundert muslimischer Herrschaft unterworfen war, gefördert und wohl so‑ gar selbst gestiftet;6 bessere Bedingungen fand ein Fürst wie Heinrich der Löwe 1172 vor, als er die Grabeskirche Jesu bestifte‑ te, nachdem ‚abendländische‘ Ritter die Heilige Stadt beim Ersten Kreuzzug für die Christenheit erobert hatten. Trotzdem bildete Jerusalem auch damals keinen Teil eines universalen christlichen Reiches. Die Juden überbrückten hingegen mit ihren Abgaben, Geschenken und Stiftungen für Jerusalem die Trennung der Diaspora von den heiligen Orten des Gottesbundes und der Verheißung und schufen so immer wie‑ der einen umfassenden Raum religiöser Einheit. Die heiligen Stätten des Islam emp‑ fingen zwar in ähnlicher Weise Stiftungen mehr oder weniger entfernter Partiku‑ larherrscher sowie gewöhnlicher Pilger, waren aber auch Teile des einheitlich ge‑ dachten muslimischen Reiches (Kalifats).7 MB
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Anmerkungen 1 Zum ‚spatial turn‘ und der Auffassung des
Raums als soziales Konstrukt siehe Schroer, Räume, Orte, Grenzen (2006); Bachmann-Medick, Cultural Turns (2006), 284–328; Dünne / Günzel, Raumtheorie (2006); Löw, Raumsoziologie (2015). Zur Adaptation der neuen Lehre in der Mediävistik siehe Borgolte, Christen und Juden im Disput (2008); Czock, Gottes Haus (2012). Zum ‚spatial turn‘ im Stiftungswesen: Borgolte, Stiftungen – eine Geschichte von Zeit und Raum (2009, ND 2010 und 2012). 2 Vgl. zur „Dispersion von Gedenkstätten“ Borgolte, Grab in der Topographie (2000, ND 2012), 292.
3 Vgl. ebd., bes. 287–292. 4 Borgolte, Churrätischer Bischofsstaat (1986);
Ders., Stiftergrab und Eigenkirche (1985, ND 2012); Ders., Stiftergrab / Grabkirche (1997). 5 Vgl. K. Schmid, Mönchslisten (1978), 597–610. 6 McCormick, Charlemagne’s Survey (2011), bes. 76–81; 206 f.; Borgolte, Karl der Große (2013, ND 2014), 258. 7 Dazu zuletzt (mit anfechtbarer Thesenbildung) Höfert, Kaisertum und Kalifat (2015).
16.2 Lateinische Christen 16.2.1 Allgemeines Mittelalterliche Stiftungen beruhten auf den sozialen, ökonomischen und rechtlichen Beziehungen zwischen dem Stifter, seinen Treuhändern und Destinatären sowie deren Aufsehern. (→ 1.2.4) Die fortwährende In‑ teraktion der Stiftungsakteure konstituierte und konservierte Verbindungen zwischen einzelnen Orten; zum Beispiel zwischen dem Altar, an dem ein Priester seinen Got‑ tesdienst verrichtete, dem Acker, aus des‑ sen Verpachtung sein Unterhalt bestritten wurde, und dem Versammlungsraum einer Gilde, deren Meister über Verwaltung und Vollzug der Stiftung wachen sollten. Solche Koordinatensysteme mensch‑ lichen Handelns waren keine absoluten Größen, sondern mehr oder weniger sta‑ bile Zwischenergebnisse spatialer Struk‑ turierungsleistungen.1 Trotz aller Bemü‑ hungen um Entzeitlichung unterlagen die initialen Raumkonstitutionen eines Stifters nämlich unweigerlich dem his‑ torischen Wandel. Mitunter schufen erst
spätere Administratoren und Destinatäre topologische Arrangements, die eine be‑ sondere historische Tiefenwirkung ent‑ falten konnten.2 Derartige Urteile erlaubt freilich nur die retrospektive ‚Draufsicht‘ der modernen Wissenschaft, die sich von den ‚Innenansichten‘ der mittelalterlichen Akteure grundsätzlich unterscheidet.3 Mit digitalen Geoinformationssystemen und rekonstruierten Grund‑ und Aufrissen verfügen heutige Forscher über Medien ei‑ ner Raumerfassung, die den Zeitgenossen selbst weitgehend fremd war. Mit ihrer Hil‑ fe lässt sich erkennen, dass mittelalterliche Stiftungsräume oft eine ambivalente innere Struktur hatten, nämlich einerseits zur Konzentration (→ 16.2.2), andererseits zur Dispersion (→ 16.2.3) tendierten. Um sol‑ che spatialen Bezugssysteme zu erfassen, empfiehlt es sich, Stiftungsräume zunächst weitgehend isoliert von ihrer Umwelt zu betrachten. Da die Lebenswirklichkeit aber keine Laborsituationen kennt, muss
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zumindest exemplarisch auch den Inter‑ Beziehungen zu einem zentripetalen Netz‑ ferenzen mit anderen sozialen Räumen werk von Lokalitäten. nachgespürt werden. (→ 16.2.4) Die Identifikation der Stiftung mit ihrem Gebäude war dabei nicht nur eine sprach‑ liche Konvention, sie wurde insbesonde‑ re bei Kirchenstiftungen im Rahmen der 16.2.2 Konzentration Grundsteinlegung auch aufwendig insze‑ Kennzeichen vieler mittelalterlicher Stif‑ niert. In diesem Ritual verschränkten sich tungsräume war die Konzentration auf seit der Spätantike Architektur, Recht und den Ort des Stiftungsvollzugs. Er fungierte Liturgie zu einer bedeutungsschwangeren – in einem auf die Vormoderne gemünzten Symbiose. Die bautechnische Notwendig‑ Sinne – als Sitz der Stiftung.4 Allenthal‑ keit der Gründung bot den Anlass für eine ben errichteten Stifter für die Umsetzung initiale Konsekration des Baugrundes. Sie der Stiftungszwecke eigene Baulichkeiten. sollte durch den Ortsbischof nur dann vor‑ Dazu zählten Kirchen aller Art, aber auch genommen werden, wenn der Stifter zuvor Spitäler, Armenhäuser oder ähnliches. Be‑ eine hinreichende Dotation des Vorhabens reits die justinianische Gesetzgebung des nachgewiesen hatte.7 Die Grundsteinlegung 6. Jahrhunderts bezeichnete solche Stiftun‑ stand dementsprechend weder am Anfang gen summarisch als „ehrwürdige Häuser“ noch am Ende eines Stiftungsprozesses.8 (venerabiles domus).5 In den mittelalterlichen Wenn sie von den Zeitgenossen dennoch Schriftquellen fungierten dementsprechend als so bedeutsam erachtet wurde, dass man zweckbestimmte Gebäude häufig als Akku‑ das Abstraktum ‚Stiftung‘ (fundatio) von ihr sativobjekte des Verbs fundare und seiner ableitete (→ 1.2.2), dürfte das vor allem an Synonyme. (→ 1.2.2) Doch auch dort, wo der raumkonstituierenden Wirkung gelegen nach dem Wortlaut der Stiftungsurkunden haben. Denn der „erste Stein“ (primus lapis), keine ‚Häuser‘ gestiftet wurden, sondern den der Stifter meist selbst inmitten der Gemeinschaften von Destinatären (z. B. Baugrube ablegte,9 radizierte sein ‚frommes Konvente), Rituale des Stiftungsvollzugs Werk‘ auf einen Flecken Erdoberfläche,10 (z. B. Jahrtage) oder Formen der Ertragsaus‑ dessen Ausmaße schon aus praktischen schüttung (z. B. Pitanzen), situierte man die‑ Gründen einen halben Quadratmeter nicht se üblicherweise in oder an konkreten Ge‑ wesentlich überschritten haben dürften.11 bäuden. Die anachronistische Unterschei‑ (→ Abb. 1 in Bd. 1) Noch im weiteren Verlauf dung von selbständigen Anstaltsstiftungen der Fundationsfeierlichkeiten wurde aus und unselbständigen Treuhandstiftungen der punktuellen Geokoordinate allerdings (→ 3.2.3) lässt sich somit unter Verweis ein sozialer Handlungsrahmen12, wenn der auf den Raum der Stiftung keineswegs Bischof das gesamte Areal des geplanten rechtfertigen.6 Denn die Orientierung der Stiftungsgebäudes aspergierend umrundete. Akteure auf den Ort des Stiftungsvollzugs Auf diese Weise zog er nämlich eine sym‑ erfolgte unabhängig davon, ob dieser im bolische Grenze zwischen dem Innenraum eigentumsrechtlichen Sinne als Teil der der Stiftung und ihrer Umgebung, die sich Dotation galt. Die lokale Fokussierung des früher oder später in Mauern, Hecken oder Stiftungsgeschehens war nicht Ausdruck Gräben materialisieren sollte. einer Verselbstständigung von Vermögens‑ Die geographische Lage des Ortes, an massen zu Rechtssubjekten. Vielmehr ergab dem die Stiftungszwecke vollzogen werden sie sich aus der Verräumlichung sozialer sollten, bestimmten die Stiftungsurkunden
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meist recht eindeutig;13 die Gründe für die Ortswahl führten sie aber nur selten ein‑ mal an. Eine retrospektive Darlegung und Ausdeutung der stifterlichen Motive er‑ folgte meist erst in narrativen Darstellun‑ gen des Stiftungsprozesses. Exemplarisch hierfür ist die Quellenlage für die Anfänge des Doppelklosters Königsfelden, das als Memorialstätte für den 1308 von seinem eigenen Neffen ermordeten König Albrecht von Habsburg gestiftet wurde. Weder die Gründungsurkunde der Witwe Elisabeth noch die zahlreichen Zustiftungsurkunden ihrer Söhne und Töchter thematisieren die Lokalisierung der Gründung explizit; allein die aus dem 14. Jahrhundert stam‑ mende Chronik des Klosters berichtet über dessen Anfänge: „Als erstes wurde eine Kapelle an der Stelle gebaut, an der der König tot aufgefunden wurde; dort steht jetzt der Hochaltar.“14 Nicht immer lassen sich freilich die von den mittelalterlichen Historiographen angeführten Motive der Ortswahl so gut durch Parallelquellen ve‑ rifizieren wie im Fall Königsfelden. Das gilt insbesondere dann, wenn die Fundations‑ berichte weniger der profanen Memoria eines Stifters dienen sollten als der – be‑ standssichernden – Sakralisierung einer gestifteten Kommunität. Angesichts irdi‑ scher Bedrohungen präsentierten gerade Mönche und Kanoniker, mithin Experten der Allegorese, ihren Platz in der Welt als einen Ort, der sich durch eine dem Stif‑ tungsakt vorausgehende Hierophanie als ‚heiliger Ort‘ (locus sacer) erwiesen habe.15 Doch selbst dort, wo die zeitgenössische Überlieferung keine (brauchbaren) Anga‑ ben über die weltlichen Motive der Orts‑ wahl bietet, lassen sich diese in der Regel aus dem räumlichen Umfeld der Stiftung (→ 16.2.4) erschließen: Kapellengesäumte Brücken entstanden zur Überquerung von Flüssen (→ Abb. 1),16 Burgstifte im Zuge ad‑ liger Residenzenbildung,17 Passspitäler zur
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Förderung von Fernhandel und Pilgerwe‑ sen,18 die ‚Einödklöster‘ der Zisterzienser als Keimzellen des Landesausbaus. Gerade das letzte Beispiel mahnt indes vor zirkulä‑ ren Argumentationen. Denn die Vorschrift der Ordensstatuten, Klosterneugründun‑ gen seien nur an Orten vorzunehmen, „die vom Lebenswandel der Menschen entfernt sind“, wurde nachweislich nicht immer besonders strikt ausgelegt.19 Andererseits haben auch Zisterzen, die auf der Basis äl‑ terer Klöster oder am Rande bestehender Siedlungszonen errichtet wurden, mitunter ganz erhebliche Rodungs‑, Entwässerungs‑ oder Eindeichungsleistungen vollbracht. Wie die Topologie des Stiftungssitzes war auch dessen Bebauung stets funkti‑ onal auf das soziale System der Stiftung bezogen. Die Architektur schuf nicht ein‑ fach nur einen Behälter, in dem das stell‑ vertretende Handeln der Exekutoren und Destinatäre vonstattenging. Sie struktu‑ rierte und stabilisierte die Beziehungen der einzelnen Stiftungsakteure unterein‑ ander. So erforderte etwa die Routine der Stiftungsverwaltung regelmäßig die Schaf‑ fung spezifischer „Mikroräume“20, zum Beispiel einer Vorratskammer zur Lage‑ rung der Stiftungserträge oder eines Re‑ fektoriums, in dem diese gemeinschaftlich verzehrt werden konnten.21 Die bauliche Ausprägung solcher Orte und ihre Positi‑ onierung zueinander blieben nicht dem Zufall überlassen. Man schuf zweckop‑ timierte Bewegungsräume aus Stein und Holz. Gelungene Lösungen wurden so oft reproduziert, dass heutige Architektur‑ historiker und Archäologen Bautypen mit unterschiedlichen Entwicklungsstufen und regionalen oder ordensspezifischen Varia‑ tionen differenzieren können. Hierzu zählt etwa der seit dem 9. Jahrhundert belegte Kreuzgang, der Kirche, Schlaf‑ und Spei‑ sesaal einer geistlichen Gemeinschaft um eine quadratische Grundfläche gruppierte
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und durch einen mit Bänken gesäumten Arkadenumgang miteinander verband.22 Für Spitäler,23 Wohnstiftungen 24 und Kolle‑ gien 25 sind Entstehung und Ausfächerung spezifischer Anlageschemata ebenfalls re‑ konstruiert worden. Da die Bebauung eines Stiftungssitzes stets durch die Erfordernisse von Stiftungs‑ organisation und Stiftungsvollzug geprägt war, nötigten komplexe Stiftungskonstruk‑ tionen auch in architektonischer Hinsicht zu kreativen Lösungen. So entstanden Stif‑ tungstopographien, die das Korsett tra‑ ditioneller Bautypen unweigerlich trans‑ zendierten. Exemplarisch zeigt dies ein vergleichsweise gut erhaltenes Gebäude‑ ensemble aus dem 15. Jahrhundert in Ewel‑ me (England). Es besteht im Wesentlichen aus vier Backsteinbauten: einer Kirche, ei‑ nem Armenhaus mit einer Wohnung für ei‑ nen Priester im Obergeschoss, einer Schule und einem Wohn‑ und Wirtschaftshaus für einen weiteren Priester. (→ Abb. 2) Im Gegensatz zu vielen anderen chantry‑ Stiftern betrauten William und Alice de la Pole ihre klerikalen Destinatäre nämlich nicht nur mit der Verrichtung stellvertre‑ tender Messopfer und Fürbitten, sondern auch mit der Aufsicht über 13 Arme und der Unterrichtung aller Kinder des Dorfes und der gestifteten Ländereien. Für sich genommen folgten die architektonischen Elemente des Stiftungskomplexes durchaus traditionellen Bauformen. Indem sie jedoch funktional aufeinander bezogen und durch Laubengänge miteinander verbunden wur‑ den, entstand ein gänzlich individueller Stiftungsraum.26 Der schöpferische Anteil des Stifters an der Bebauung des Stiftungssitzes lässt sich aufgrund fehlender Schriftquellen vielfach nur behutsam ermitteln.27 Überall zeugt indes die erhaltene Bausubstanz – gera‑ de in der Zusammenschau mit späteren schriftlichen Quellen – von vielfältigen
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Modifikationen des jeweiligen Gebäude‑ ensembles durch die Administratoren der Stiftung.28 Das gilt insbesondere für die architektonische Gestaltung derjenigen Räumlichkeiten, in denen der Stiftungs‑ vollzug stattfinden sollte. Bei Gedenkstiftungen wurde dieser Ort oftmals durch ein Grabmal des Stifters do‑ miniert, das die Destinatäre im Rahmen der liturgischen Memoria mit Leichentü‑ chern, Kerzen, Reliquiaren oder Blumen schmückten. Solche Grabmäler konnten vom Stifter zu Lebzeiten aufwendig geplant worden sein, oft genug wurden sie aber erst lange nach dessen Tod errichtet; mitun‑ ter erhielten sie auch bloß die Eingeweide oder waren gar Kenotaphe.29 In Kloster‑ und Stiftsgründungen platzierte man Stif‑ tergrabmäler gerne mittig zwischen dem Chorgestühl des Presbyteriums. Dann ver‑ sammelten sich die Stiftungsbegünstigten nicht nur anlässlich der Seelmessen rund um das Grab des Stifters, sondern wann im‑ mer sie ihren Gottesdienst verrichteten.30 Häufig wurden Stifter aber auch in der Vierung bestattet, wo ihr Grabmal den Lai‑ en zugänglich war, deren Fürbitte ebenso erwünscht sein konnte. Bei Altarstiftungen in ‚Privatkapellen‘ hing die optisch anspre‑ chendste Lösung stark vom architektoni‑ schen Umfeld ab.31 Wenn die Bestattung innerhalb der Kirche aus sepulkralrecht‑ lichen Gründen nicht in Frage kam,32 wich man auf den Kapitelsaal aus, in dem sich Mönche und Kanoniker allmorgendlich versammelten und der Toten gedachten 33. Alternativ kam der Kreuzgang in Betracht, wo die Gräber im Zuge der commemoratio wortwörtlich begangen werden konnten,34 oder ein Beinhaus35. In allen Fällen erfüllte das Grabmal des Stifters neben den rituel‑ len auch mnemopraktische und rechtssi‑ chernde Funktionen im Hinblick auf den ewigen Bestand der Stiftung. (→ 7.2.1) Als multivalenter Bedeutungsträger war es den
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Zeitgenossen offenkundig so wichtig, dass man sich bei auswärts Bestatteten ersatz‑ weise des Grabmals einer anderen Person, eines Katafalks oder eines Leichentuchs auf dem bloßen Kirchenboden bediente.36 (→ Abb. 3) Auch bei caritativen Stiftungen war die räumliche Disposition des Stiftungssitzes vielfach ein elementarer Bestandteil der Stiftungskonstruktion. Besonders offen‑ kundig ist dies bis heute im Fall der Ar‑ mensiedlung, die Jakob Fugger der Rei‑ che zwischen 1514 und 1522 in Augsburg errichten ließ. Sie bestand ursprünglich aus 53 Häusern mit 106 Wohneinheiten für ‚verschämte Arme‘ und deren Familien. Diese bekamen vom Stifter ca. 45 Quadrat‑ meter subventionierten Wohnraum zur Verfügung gestellt und wurden so in die Lage versetzt, trotz prekärer Einkommens‑ situation dauerhaft einen eigenständigen Haushalt zu führen. Eine Drei‑Zimmer‑ Wohnung in der Fuggerei bot also „nicht Hilfe zum Überleben für die Ärmsten (…), sondern Hilfe zu einem standesgemäßen Leben für diejenigen [Bürger], die noch auf der richtigen Seite der Grenze zwi‑ schen unehrenhaften Armen und ehrbaren Hausarmen waren, die [nämlich] noch nie gebettelt hatten.“37 Über die Zucht und Ord‑ nung der Bewohner sollte, wie auch sonst bei Wohnstiftungen üblich, ein eigens be‑ stellter Pfleger wachen.38 Doch das genügte Jakob Fugger und seinem Werkmeister, dem Maurer Thomas Krebs, nicht.39 Sie wollten den tugendhaften Lebenswandel der Begünstigten zusätzlich durch die Be‑ bauung des Stiftungssitzes sicherstellen: Drei Zugangstore, die zwischen Sonnen‑ untergang und Sonnenaufgang geschlos‑ sen wurden, sollten die Bewohner vom städtischen Nachtleben fernhalten.40 In‑ nerhalb der Mauern wiederum gab es zwar reichlich Raum zum Wirtschaften, etwa als gemüseanbauender und kleintierhaltender
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Handwerker, aber nirgends einen Platz, der zu Kartenspiel, Trunk oder anderen Formen geselligen Müßiggangs einlud. (→ Abb. 4) Im Unterschied zu früheren Armensiedlungen ging es bei der Fuggerei also „nicht mehr allein darum, den Bewoh‑ nern Privatsphäre zu g e w ä h r e n , um ihnen so zu ermöglichen, weiterhin Haus zu halten“. Topographische Struktur und architektonische Form der Wohnstiftung konstituierten vielmehr einen parzellier‑ ten Raum, dessen Nutzer systematisch „auf ihre Privatsphäre v e r w i e s e n “ wurden und dem so das „Arbeitsethos, das den Kern des Konzepts des Hausarmen bildete, förmlich eingeschrieben“ war.41 Trotz ihrer mitunter festungsartigen Erscheinungsform waren Stiftungssitze keineswegs hermetisch abgeriegelt. Die architektonische Markierung der Ränder schuf vielmehr semipermeable Membranen, die für je spezifische Formen der Trans‑ gression in die eine oder andere Richtung durchlässig waren. Wo genau die Barriere zwischen Innen und Außen verlief, lässt sich deshalb nicht immer pauschal be‑ antworten. Der Klangraum42 einer Klos‑ terstiftung reichte zum Beispiel weit über die Einfriedung des monastischen Areals hinaus. Die gregorianischen Gesänge oder die Orgel hörte man auch in der unmittel‑ baren Nachbarschaft, die Glocken, deren spezifisches Geläut nicht zuletzt als akus‑ tisches Signal zur Ankündigung von ge‑ stifteten Armenspeisungen diente43, sogar in der ganzen Stadt44. Umgekehrt waren nicht alle Bereiche des Klosters gleicher‑ maßen ausschließlich den Mönchen als den primären Stiftungsbegünstigen vor‑ behalten. Der Kreuzgang mit den Wohn‑ und Wirtschaftsgebäuden und jener Teil der Klosterkirche, in dem die Religiosen die Stundenliturgie sangen und die Messe feierten, gehörten zur Klausur und ge‑ nossen die höchste Exklusivität.45 Das
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vom Sanktuarium durch Chorschranken oder Lettner abgetrennte Hauptschiff der Klosterkirche war hingegen eine ‚Mixed Zone‘, in der die unmittelbar und mittel‑ bar Begünstigten der Stiftung (→ 12.2.1) aufeinander trafen. Die Mönche betraten sie vom Chorraum kommend vor allem im Rahmen ihrer Prozessionen, Umgänge und Stationen, die Laien hingegen durch einen gesonderten Eingang, um der Messfeier am Laienaltar beizuwohnen, aber auch für al‑ lerlei weltliche Geschäfte, die keinen Bezug zum eigentlichen Stiftungszweck hatten.46 Der ohnehin multifunktionale Charak‑ ter eines Stiftungssitzes konnte schließlich noch dadurch gesteigert werden, dass er an‑ deren – angelagerten – Stiftungen (→ 13.2.2) ebenfalls als Ort des Stiftungsvollzugs dien‑ te. Bei Abertausenden von Gedenk‑ und Feststiftungen zeitigte diese „Kospatialität“47 keinerlei physischen Niederschlag: Konven‑ te und Kapitel übernahmen Jahr für Jahr neue liturgische Aufgaben, die allesamt zusätzlich zu Messfeier und Chordienst im Presbyterium ihrer jeweiligen Kirche erfüllt werden sollten.48 Der Chor wurde dementsprechend immer intensiver genutzt, als liturgischer Raum erfuhr er aber keine nennenswerten Veränderungen. Anders lagen die Dinge bei den Vikarie‑ Stiftungen. Da ihre Destinatäre täglich eine Heilige Messe feiern sollten,49 benötigten sie eigene Altäre, um den regulären Gottes‑ dienst nicht zu stören. Vikarie‑Stiftungen schufen deshalb stets neue Mikroräume des Stiftungsvollzugs. Das mussten nicht immer Annexkapellen sein; die meisten Nebenaltäre platzierte man in den Apsiden, Krypten, Chorumgängen oder Seitenschif‑ fen bereits bestehender Kirchgebäude.50 (→ Abb. 4, Bd. 1) In der Londoner Pauls‑ kathedrale wurden so im Laufe des Mit‑ telalters insgesamt 112 Vikarien errichtet, die ihr Pensum an mindestens 38 Altären verrichten sollten.51 Jede dieser Stiftungen
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hatte zwar ihren eigenen Sitz, dieser ver‑ schmolz aber bis zur Unkenntlichkeit mit demjenigen anderer Stiftungen. Nicht al‑ lein ‚seinen‘ Altar musste sich der Kaplan in der Regel mit anderen Kaplänen teilen; auch seine Verpflegung und Unterbringung erfolgte – von wenigen Ausnahmen abgese‑ hen – in Baulichkeiten, die man innerhalb des Dombezirks eigens für die Statusgruppe der Kapläne errichtet hatte.52 Zudem war er als Stellvertreter (vicarius) regelmäßig zur Teilnahme am Chordienst verpflichtet, musste also für eine geringe Aufwands‑ entschädigung die liturgischen Pflichten eines absenten Domherren übernehmen.53 Solche Konzentrationen vieler Stiftun‑ gen an einem Ort funktionierten in der Praxis nur bei partieller und sequentieller Nutzung des zur Verfügung stehenden Raumes. Präzise Zeitpläne legten des‑ halb fest, in welcher Reihenfolge welche Raumsegmente durch welche Destinatäre gebraucht werden durften.54 Mancherorts arrangierte man die Spezialmessen als fortlaufende Folge (missae currentes). In die‑ sem Fall konnte der Zelebrant von seinem Standort am Altar mithilfe spezieller Guck‑ löcher erkennen, wann sein Vorgänger die Feier beendet hatte.55 Verpasste er trotzdem seinen Einsatz, musste er sich vor dem Kapitel für sein Vergehen rechtfertigen.56 Wo simultaner Stiftungsvollzug aufgrund der schieren Masse unvermeidlich war, wurden die Destinatäre angehalten, ihre Messen nicht zu laut zu murmeln, um den Priester am Nachbaraltar nicht zu stören.57 16.2.3 Dispersion Mittelalterliche Stiftungssitze standen im Zentrum plurilokaler Stiftungsräume. Zwei Triebfedern förderten – meist unabhängig voneinander – die spatiale Diversifikation der Stiftungsakteure: (1.) die geographische
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Streulage des Vermögens und (2.) die Be‑ Da sich die Hofstellen der Hufenbauern auftragung räumlich getrennter Destina‑ meist sternförmig um die Fronhöfe und täre mit dem Vollzug der Stiftungszwecke. die Fronhöfe wiederum sternförmig um den Stiftungssitz gruppierten, generierte (1.) Außer bei Objektstiftungen (→ 3.2.4; die Stiftungsverwaltung ein zweistufig hi‑ 10.2.3) befand sich das Grundstockver‑ erarchisiertes zentripetales Netzwerk von mögen in der Regel nicht unmittelbar am Produktions‑, Distributions‑ und Konsump‑ Stiftungssitz.58 Die genaue Lage von Län‑ tionsorten. Ein beliebig herausgegriffenes dereien und Gebäuden wurde schon in Beispiel veranschaulicht dies: Am Ende des den Dotationsurkunden meist ausführlich 12. Jahrhunderts hatte ein Hufenbauer in thematisiert.59 Analog dazu lokalisierte Cozide an der Wipper jährlich fünf Scheffel man bei einer Ausstattung mit ‚obrigkeit‑ Weizen, fünf Scheffel Hafer, acht Scheffel lichen‘ Abgabenansprüchen die jeweilige Gerste, sieben Hühner und 35 Eier samt Hebestelle60 und bei Rentenstiftungen den Eierkorb für das Stift St. Simon und Judas Emittenten der Anleihe61. in Goslar zu produzieren. All das wurde Sofern der Destinatär zugleich als Ad‑ nach der Ernte zunächst zwei Kilometer ministrator fungierte und das Kapital nur zum Fronhof nach Giersleben gebracht und aus einem einzigen auswärtigen Gut be‑ später gemeinsam mit den Erträgen der stand, wies das räumliche Gefüge der Stif‑ anderen Gierslebener Hufenbauern rund 90 tung eine bipolare Struktur auf. So verhielt Kilometer nach Goslar transportiert.64 Dort es sich etwa bei den zahllosen Kaplanei‑ nahm der „Aufseher des Kornbodens“65 das stiftungen des späten Mittelalters, die mit Getreide in Empfang und lagerte es erst einem Acker oder Wohnhaus, einer Werk‑ einmal ein, während die Eier zum baldi‑ stätte, Marktbude oder Salzpfanne dotiert gen Verzehr wohl direkt in die Stiftsküche waren.62 Komplizierter wurden die Verhält‑ gebracht wurden.66 (→ Abb. 5) nisse, sobald sich das Stiftungsvermögen Nach diesem Muster schufen zahllose auf mehr als eine Lokalität verteilte. Dann früh‑ und hochmittelalterliche Stiftungen war eine effektive Einziehung der Erträge ihre eigenen Wirtschaftsräume zur Ab‑ nur durch Zwischeninstanzen vor Ort zu schöpfung von Ländereien, die angesichts gewährleisten. der Straßenverhältnisse mehrere Tagesrei‑ Bei Landstiftungen rekurrierte man sen vom Stiftungssitz entfernt liegen konn‑ hierzu häufig auf bereits vorhandene Ver‑ ten. Mit der zunehmenden Monetarisierung waltungsstrukturen der mittelalterlichen der Stiftungswirtschaft im späteren Mit‑ Agrarwirtschaft, die kurzerhand in die Ad‑ telalter (→ 10.2.2) wurden diese starren ministration der Stiftung integriert wurden. Transportnetzwerke sukzessive entbehrlich. Das bot sich insbesondere dort an, wo Län‑ Nun pflegten vor allem die Klöster des Zis‑ dereien in Fronhofverbänden bewirtschaf‑ terzienserordens mit ihren Grangien und tet wurden.63 Deren Vorsteher überwach‑ Stadthöfen noch eine vergleichbar geordne‑ ten stellvertretend für den Grundherren te Dezentralisierung der Stiftungsadmini‑ sowohl die Bewirtschaftung des Sallandes stration. Grangien waren keine abhängi‑ als auch die Abgabenleistungen der höri‑ gen Nebenklöster (Priorate), wie sie das gen Hufenbauern. Die Ernten wurden zu‑ ältere Mönchtum mitunter zum Zwecke nächst am Fronhof gesammelt und dann der Güterverwaltung installiert hatte, son‑ zu bestimmten Fälligkeitsterminen als Stif‑ dern landwirtschaftliche Großbetriebe mit tungserträge an den Stiftungssitz geliefert. einer durchschnittlichen Fläche von rund
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200 Hektar. Unter Aufsicht eines Laienbru‑ ders produzierten hier weitere Konversen und bäuerliche Lohnknechte wesentlich mehr, als die Mönche selbst verzehren konnten. Die Überschüsse aus Ackerbau und Viehzucht wurden auf den städtischen Märkten versilbert, für deren Bestückung die Stadthöfe als Lager dienten. Den erziel‑ ten monetären Gewinn reinvestierte man systematisch in die Akquise benachbarter Grundstücke, so dass die arrondierten Flä‑ chen der Grangien beständig anwuchsen und weiträumige Flurformen entstanden, die sich von den Kleinparzellen der Hufen‑ bauern, aber auch von den größeren Acker‑ stücken der Herren‑ und Fronhöfe markant unterschieden.67 Nicht immer trug die räumliche Vertei‑ lung des Stiftungsvermögens allerdings so planmäßige Züge wie bei der Fronhofs‑ und Grangienökonomie. Insbesondere durch Zustiftungen ergaben sich vielfach chaoti‑ sche Gemengelagen von Besitzansprüchen; bei Rahmen‑ und Sammelstiftungen war ein solcherart zusammengesetzter Besitz geradezu systeminhärent.68 In solchen Fäl‑ len dokumentieren die erhaltenen Güter‑ verzeichnisse nicht nur das diversifizierte Gesamtvermögen einzelner Stiftungen.69 Sie bieten auch wertvolle Einblicke in die spatialen Ordnungsbemühungen der Zeit‑ genossen. Trotz ihrer textuellen Gestalt und ihres buchhalterischen Impetus han‑ delt es sich bei diesen Zeugnissen nämlich vielfach um ‚mental maps‘.70 Mit den Mit‑ teln der Zeit versuchten ihre Verfasser, das im Zuge periodischer Inspektionsrei‑ sen71 gewonnene Wissen um die räumliche Fragmentierung des Stiftungsvermögens anhand geographischer Kriterien gedank‑ lich zu organisieren.72
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entfachten gerade bei reich begüterten Stif‑ tern das Verlangen nach einer möglichst großen Zahl von Destinatären. (→ 7.2.3) Da die Ansammlung von Stiftungsempfängern an einer einzigen Stelle früher oder später an seine praktischen Grenzen stoßen muss‑ te, schufen solche Menschen nicht einen, sondern viele Orte des Stiftungsvollzugs. Recht gut erforscht ist dieses Phänomen im Bereich der Memorialstiftungen. Sie ermöglichten im lateinischen Christentum eine „Dispersion der Gedenkstätten für ein und dieselbe Person weit über den Ort des Grabes hinaus“73. So errichtete beispiels‑ weise ein fränkisch‑deutscher Herrscher im Laufe seines Lebens in der Regel mehr als eine Stiftung zum Zwecke der liturgi‑ schen Memoria. Besonders planvoll gingen dabei Friedrich der Schöne und Ludwig der Bayer vor, die ab 1314 um die Königs‑ krone konkurrierten. Im Gegensatz zu früheren Herrschern, die ihre Stiftungen über das gesamte römisch‑deutsche Reich gestreut hatten,74 konzentrierten diese bei‑ den Thron‑Prätendenten ihre Stiftungen in ihren jeweiligen Hausmachtgebieten: der Habsburger in Österreich, der Wittels‑ bacher in Bayern. Zugleich forderten sie von den Destinatären nicht nur post‑, son‑ dern auch prämortale Fürbitten. Die per‑ manente Vergegenwärtigung des eigenen Namens in Verbindung mit dem – ledig‑ lich beanspruchten – Königstitel erfüllte offenkundig sowohl kompensatorische als auch legitimatorische Funktionen.75 Ob die konsequente Bestiftung der Klöster und Stifte in den jeweiligen Landesfürstentü‑ mern darüber hinaus auch dazu beitragen sollte, „das Zusammengehörigkeitsgefühl der dortigen Bevölkerungen zu stärken und so die Landesintegration nach innen voranzutreiben“76, mag man indessen be‑ (2.) Die Verdienst‑ und Fürbittelogiken, zweifeln. Denn die räumlich weit verstreu‑ die den religiösen Wurzelgrund des mit‑ ten Träger des Gedenkens waren nur sehr telalterlichen Stiftungswesens bildeten, lose miteinander vernetzt. Ihre „eigentliche
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soziale Beziehung“77 richtete sich zwar auf denselben Toten. Wechselseitige Interakti‑ onen waren aber nicht vorgesehen; selbst die Choreographie der dynastischen Fürs‑ tenjahrtage erschöpfte sich letztlich in der simultanen Exekution von Stifterauflagen. Die räumliche Zerstreuung der Desti‑ natäre resultierte aber keineswegs immer aus einem Nebeneinander von Einzelstif‑ tungen, deren alleiniger Knotenpunkt der gemeinsame Stifter war. Man konnte eine Stiftung ja auch so konstruieren, dass die Erträge des Grundstockvermögens einer Vielzahl von Begünstigten zugutekom‑ men sollten. Dann trat neben dem Stifter ein weiterer Akteur auf den Plan, der die Verbindung zwischen den einzelnen Des‑ tinatären herstellte: der fiduziarische Ad‑ ministrator. Eine solche Stiftung errich‑ tete zum Beispiel der Straßburger Bürger Heinrich Babensun, als er im Jahre 1271 sein Testament machte. Zur Treuhänderin des Stiftungskapitals bestimmte er die Pri‑ orin des lokalen Dominikanerinnenklos‑ ters St. Elisabeth. Sie sollte mit Hilfe der Erträge des „Finkweilers mit dem Brühl“ nicht nur ihre Nonnen und einen eigens zu bestellenden Kaplan zur Gebetshilfe für den Stifter animieren, sondern auch zahlreiche Konvente aus der näheren Um‑ gebung. (→ Abb. 6) Im Einzelnen hatte sie nach dem Willen des Stifters auszuteilen: „den [Dominikaner‑]Brüdern zu Straßburg [für] sechzig Pfennig Semmeln ins Refek‑ torium, den Barfüßern [d. h. den Franzis‑ kanern] ebenfalls [für] sechzig Pfennig Semmeln, den Augustinern genauso viel, den Sackbrüdern genauso viel, den Brüdern Unserer Lieben Frau [d. h. den Karmelitern] genauso viel, den Franziskanerinnen ge‑ nauso viel, den Reuerinnen genauso viel, den Nonnen zu St. Nikolaus genauso viel, den Nonnen zu St. Johannes genauso viel, denen von St. Katharina genauso viel, de‑ nen von St. Agnes genauso viel, denen
von St. Marcus ebenfalls, den Nonnen von [St. Margarethen zu] Eckbolsheim genauso viel, dem St.‑Leonhard‑Spital zu Straßburg genauso viel, (…) den Guten Leuten [d. h. Leprösen] ‚zur roten Kirche‘ [für] dreißig Pfennig Semmeln und den Klausnerin‑ nen ‚zur roten Kirche‘ zehn Semmeln, dem Pfarrer der Leprösen zwanzig Semmeln, auf dass man meiner zu meiner Jahrzeit gedenke in all den genannten Klöstern.“78 Die Ausschüttung von Stiftungserträgen an verschiedene Gruppen von Destinatä‑ ren begegnet indes nicht nur bei Gedenk‑ stiftungen, sondern auch bei solchen, die dem Kultus und der Caritas dienen sollten. Wer zum Beispiel ein neues Kirchenfest im lokalen Festkalender etablieren wollte, tat gut daran, mehr als einen der ortsansässi‑ gen Konvente durch materielle Anreize zur Persolvierung eines speziellen Offiziums zu bewegen.79 Und wer viele Arme auf ei‑ nen Schlag speisen wollte, der bestimmte einfach verschiedene Ausgabestellen. So handelte etwa der Stralsunder Ratsherr Heinrich von Haren. Laut seinem 1449 errichteten Testament wollte er ein wö‑ chentliches Pfennigalmosen an diejenigen Armen ausgeteilt sehen, „die da auf den Kirchhöfen zu St. Johann und zu St. Jür‑ gen sitzen“80. 16.2.4 Interferenzen mit anderen sozialen Räumen Mittelalterliche Stiftungsräume standen stets in Wechselbeziehungen zu anderen sozialen Räumen, mit denen sie konvergie‑ ren oder konfligieren konnten. Das gesam‑ te Spektrum der spatialen Inter ferenzen böte bei vielen abendländischen Stiftun‑ gen genug Material für eine monographi‑ sche Abhandlung; geschrieben worden ist solch eine Studie aber bislang noch nicht. Im Folgenden können deshalb nur einige
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Aspekte herausgegriffen werden, die für den interkulturellen Vergleich besonders lohnend erscheinen, nämlich die Inter‑ ferenzen mit (1.) religiösen und (2.) politi‑ schen Raumordnungen. (1.) Nahezu alle Stiftungen des lateinischen Mittelalters waren in irgendeiner Form in die Organisationsstruktur der römischen Kirche eingebettet. (→ 13.2.3) Sie muss‑ ten sich also in ein – nicht zuletzt spatial geordnetes – Gefüge bereits bestehender kirchlicher Institutionen einpassen, dessen Tektonik sie zugleich veränderten. Eine Hospitalstiftung, deren Insassen auf ei‑ nem eigenen Friedhof bestattet werden sollten, hatte sich beispielsweise immer mit demjenigen Pfarrer auseinanderzu‑ setzen, dessen Einnahmen aus Stolgebüh‑ ren auf diese Weise gemindert wurden.81 Prosperierte das neu gegründete Institut, dann machte es die traditionelle hospitalitas (‚Gastfreundschaft‘) der Mönche und Kanoniker früher oder später obsolet und modifizierte so indirekt den Charakter der älteren Stiftungen am Orte. Religiöse Räume wurden indes nicht nur vermittels kirchenrechtlicher Normen konstituiert, sondern auch durch ein wei‑ tes Spektrum an Frömmigkeitspraktiken. Hier lassen sich ebenfalls allerhand spa‑ tiale Wechselwirkungen beobachten, zum Beispiel im Hinblick auf den Reliquienkult: Einerseits waren Kirchen‑ und Altarstiftun‑ gen ein maßgeblicher Antrieb für Reliqui‑ entranslationen, durch die die Verehrung bestimmter Heiliger an bestimmten Orten gezielt gefördert werden konnte;82 im Ext‑ remfall erfolgte die Stiftung sogar in erster Linie zur Deponierung eines bedeutenden Reliquienschatzes83. Andererseits wirkte ein gut etablierter Heiligenkult oft genug als Anreiz für neue Stiftungen; zumal, wenn der Stifter sich dem verehrten Märtyrer oder Bekenner persönlich verbunden fühlte.84
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Kirchenstiftungen schufen oder besetz‑ ten heilige Orte. (→ 16.2.2) Dadurch be‑ dingten sie nicht nur die Sakralisierung des Stiftungssitzes, sondern leisteten zugleich einen Beitrag zur Konstitution sakraler Räu‑ me von ganz unterschiedlicher Reichweite. Eher lokalen Charakter hatten die so‑ genannten Kirchenkreuze, bei denen vier geistliche Gemeinschaften so um eine zentral gelegene Kirche gruppiert wurden, dass die Verbindungsachsen zwischen den einzelnen Gotteshäusern die Form eines Kreuzes bildeten. Was auf den modernen Betrachter zunächst bloß wie ein etwas protzig geratenes Bauprogramm wirken mag, erweist sich bei näherem Hinsehen als Meisterwerk der Allegorese. Welche Se‑ mantiken mittelalterliche Bauherren mit solchen Stiftungsensembles kreierten, lässt sich exemplarisch anhand des Utrechter kerkenkruis studieren, das im Wesentlichen ein Werk des Bischofs Bernulf ist.85 Zwischen 1040 und 1054 ließ der Metropolit gerade einmal 150 bis 300 Meter entfernt von sei‑ ner Kathedrale drei große romanische Kir‑ chen errichten: im Norden das Kollegiatstift St. Johann Baptist, im Osten das Kollegiat‑ stift St. Peter und im Süden das Benedikti‑ nerkloster St. Paul. Vervollständigt wurde das Kirchenkreuz aufgrund verschiedener Turbulenzen erst hundert Jahre später durch das Kollegiatstift St. Marien im Westen. Die Patrozinien der vier Satellitenkirchen wa‑ ren dabei keineswegs zufällig gewählt, sie standen ganz im Dienste einer permanenten Repräsentation der Hinrichtung des Hei‑ lands: Maria klagte am Fuße seines Kreuzes; Petrus, der himmlische Türhüter, wachte an dessen Spitze, während Johannes der Täu‑ fer und Paulus der Apostel als Allegorien des Alten und des Neuen Testaments des‑ sen horizontale Enden markierten, wobei der Täufer wohl nicht zufällig als einziger jenseits des Krummen Rheins situiert war. Diese architektonische Vergegenwärtigung
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der Passion Christi einte nicht nur den ge‑ samten Klerus der Stadt im Zeichen des Kreuzes86, sie überwölbte und sakralisierte auch den urbanen Lebensraum der Laien, der sich zwischen den vier Satellitenkirchen befand. Darüber hinaus symbolisierten die außerhalb der alten römischen Befestigung angelegten Satellitenkirchen den geistlichen und weltlichen Herrschaftsanspruch der Utrechter Bischöfe, und zwar in alle vier Himmelsrichtungen. (→ Abb. 7) Von universalem Zuschnitt waren zwi‑ schen 500 und 1500 vor allem diejenigen Stiftungen, die auf Jerusalem als Zentrum der Heilsgeschichte abhoben. Da die Latei‑ ner die meiste Zeit des Mittelalters nicht die Herren des Heiligen Landes waren, bot sich insgesamt nur wenigen von ihnen die Gele‑ genheit, eine Stiftung an den Schauplätzen des Lebens Jesu zu errichten. Das änderte sich vorübergehend mit den Kreuzzügen. In welchem Maße abendländische Stifter zwischen 1098 und 1291 von den neuen Mög‑ lichkeiten in ‚Outremer‘ Gebrauch machten, hat die Forschung allerdings bislang nicht systematisch untersucht. Wie lohnend sol‑ che Studien sein könnten, zeigt einstweilen eine Stiftung, die Heinrich der Löwe 1172 in der Jerusalemer Grabeskirche errichtet hat. Zur Vergebung all seiner Sünden, heißt es in der darüber ausgestellten Urkunde, habe der Herzog von Bayern und Sachsen ange‑ ordnet, in der Grabeskirche drei Leuchter aufzustellen, damit sie zur Ehre Gottes ständig brennen. Von diesen Leuchtern sol‑ le einer vor dem berühmten Grab des Her‑ ren, der zweite am Ort des Kalvarienberges vor dem Leiden des Herren, der dritte aber vor dem lebensspendenden Holz des heili‑ gen Kreuzes aufgestellt werden, also in der Kreuzauffindungskapelle. Zum Nachfüllen und zur dauerhaften Pflege dieses Werkes der Barmherzigkeit habe Heinrich meh‑ rere Häuser gekauft, die an der Mauer der Grabeskirche lagen und jährlich zwanzig
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Byzantiner Mieteinnahmen einbrachten, von denen der Patriarch und der Konvent der Kirche als Treuhänder der Stiftung das Öl für die ewig brennenden Lampen kaufen sollten.87 Ob diese Stiftung typisch oder singulär war, lässt sich – wie gesagt – beim gegenwärtigen Stand der Forschung nicht beurteilen. Längst bekannt ist aller‑ dings, dass schon seit dem 11. Jahrhundert überall auf dem europäischen Kontinent Nachbauten der Heilig‑Grab‑Rotunde er‑ richtet wurden; zum Teil im Rahmen ‚ech‑ ter‘ Stiftungen, zum Teil eher im Kontext mäzenatischer Aktivitäten.88 Auch wenn das Zentrum der Heilsgeschichte so selbst für diejenigen physisch erfahrbar wurde, die die gefährliche Überfahrt in die Le‑ vante scheuten, übten die authentischen Stätten des Wirkens Jesu doch stets eine besondere Anziehungskraft aus. Nach dem Fall der Kreuzfahrerfestung Akkon im Jah‑ re 1291 entwickelte etwa der französische Rechtsgelehrte Pierre Dubois den kühnen Plan einer das ganze Abendland umspan‑ nenden Stiftung zur Wiedererlangung und dauerhaften Besiedlung des Heiligen Lan‑ des (provisio Terre Sancte), der von seinen Zeitgenossen allerdings völlig unbeachtet blieb.89 (2.) Die Korrelation zwischen Stiftungs‑ räumen und politischen Räumen war im Mittelalter aus naheliegenden Gründen im‑ mer dann besonders eng, wenn die maß‑ geblichen Protagonisten der politischen Prozesse selbst zu Stiftern wurden. Sie alle neigten dazu, Stiftungen am Hauptort ihrer Herrschaftsausübung anzusiedeln: Könige bei ihren Pfalzen, Fürsten bei ihren Bur‑ gen, Bischöfe bei ihren Kathedralen und Ratsherren bei ihren Ratshäusern. Dieses immer wiederkehrende Muster vermittelt den Eindruck, Stiftungen hätten – unter spatialen Gesichtspunkten – vornehmlich der Zentralisierung von Herrschaft gedient.
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Man darf darüber aber nicht die dezentra‑ lisierenden Effekte aus den Augen verlieren. Von ‚Stiftungspolitik‘ spricht die Forschung zu Recht vor allem dann, wenn es einem Stifter um die räumliche Diversifikation sei‑ ner ‚frommen Werke‘ ging. (→ 16.2.3) Der Radius, innerhalb dessen solche Streuungen erfolgten, variierte je nach sozialer Posi‑ tion des Stifters. Ein Bürger stiftete selten außerhalb seiner Stadt, ein Bischof kaum einmal außerhalb seiner Diözese und ein König nur ganz vereinzelt außerhalb sei‑ nes Königreiches. Die Motive waren oft die gleichen: Repräsentation politischer und ökonomischer Potenz im Diesseits sowie Steigerung der Gebetshilfe für das Jenseits. Mitunter korrelierte die Diversifika‑ tion von Stiftungen aber auch mit einer grundlegenden Umwälzung der politischen Raumordnung, etwa infolge militärischer Eroberungen. Ein Paradebeispiel hierfür sind die ‚ausländischen Priorate‘ (alien priories), die von normannischen Adligen nach der Eroberung Englands durch Wil‑ helm I. (1066) gestiftet wurden. Bei ihnen handelte es sich um kleine Mönchszellen, die meist keine echten Konvente hatten, sondern bloß aus zwei Brüdern oder sogar
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– im Widerspruch zu den monastischen Normen – aus einem einzelnen Asketen bestanden. Diese Pseudo‑Priorate wurden großzügig mit frisch erbeuteten Länderei‑ en und Zehntrechten dotiert und zugleich Mutterklöstern jenseits des Ärmelkanals unterstellt, denen die Stifter oft schon vor der Eroberung verbunden gewesen wa‑ ren.90 Da die in England erwirtschafteten Überschüsse systematisch nach Amiens, Rouen, Caen oder Angers abflossen, hat man die alien priories treffend als Teil eines groß angelegten „Kolonisierungsprozesses“ charakterisiert.91 (→ 12.2.3) Durch Stiftung auf Dauer gestellt blieben die wirtschaftli‑ chen Folgen dieser Fundationen weit über die Lebensspanne der Eroberer spürbar. Erst mit dem 1307 erlassenen Statute of Carlisle wurde eine rechtliche Handhabe geschaffen, um den Kapitalabfluss nach Nordfrankreich wirksam zu stoppen.92 1378 verwies man die meisten ausländi‑ schen Mönche des Landes; im Laufe des 15. Jahrhunderts konfiszierten schließlich die englischen Könige die Güter der ‚Prio‑ rate‘ peu à peu für ihre eigenen Stiftungen zugunsten des Karthäuser‑Ordens.93 TL
Anmerkungen 1 In der deutschsprachigen Raumsoziologie
3 Zur Perspektivität von Raumwahrnehmungen werden die beiden raumkonstituierenden Kul‑ und ‑erfahrungen vgl. ebd., 63; 172. turtechniken etwas hölzern als ‚Spacing‘ und 4 Der Begriff ‚Stiftungssitz‘ wird hier und im ‚Syntheseleistung‘ bezeichnet. Vgl. Löw, Raum‑ Folgenden ausdrücklich nicht im Sinne des mo‑ soziologie (2015), bes. 158–161. Aus geschichtswis‑ dernen Stiftungsrechts gebraucht, dem zufolge senschaftlicher Perspektive hierzu Rau, Räume jede Stiftung einen Sitz haben muss, damit klar (2013), 61 f. Zum ‚spatial turn‘ in der Mediävistik ist, durch welche staatliche Aufsichtsbehörde die siehe Cassidy-Welch, Space and Place (2010). Eine zivilrechtliche Anerkennung zu erfolgen hat. Ein stiftungsgeschichtliche Pilotstudie ist Borgolte, solches Procedere hat es im Mittelalter bekannt‑ Stiftungen – eine Geschichte von Zeit und Raum lich nicht gegeben. (2009, ND 2010 und 2012). 5 Vgl. die Belege bei Alexander, Anstalten und 2 Vgl. Lohse, Dauer (2011). Zu solchen Raumdy‑ Stiftungen (2003), 25, Anm. 54. Ebd., 16–18, vertritt namiken siehe auch die allgemeinen Bemerkun‑ Alexander die These, der Terminus venerabilis gen bei Rau, Räume (2013), 164–171. domus bzw. sein Synonym venerabilis locus habe
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als Oberbegriff für die verschiedenen Wohltätig‑ keitseinrichtungen zur Zeit Justinians zu gelten. 6 So aber z. B. Reicke, Stiftungsbegriff (1933), 272 f., mit der Behauptung, es sei „dem Rechts‑ bewusstsein des Volkes“ im Laufe des Mittelalters „die lebendige Vorstellung einer eigenen Stiftungs‑ persönlichkeit an der l o k a l g e f a ß t e n , an‑ staltlichen Einheit der Stiftung in der Praxis des Rechtsverkehrs aufgegangen. Der Begriff [der Stif‑ tung als Anstalt mit eigener Rechtsträgerschaft] lebte, aber war noch nicht gefaßt. Der Gedanke war gegenwärtig, aber nicht zur Abstraktion erhoben.“ Bereits die justinianischen Wohltä‑ tigkeitsanstalten hätten lediglich als „personi‑ fizierte l o k a l e Einheiten“ am Rechtsverkehr teilgenommen (ebd., 252; Hervorhebungen: TL). Kritisch zu Reickes Lehre, aber ohne explizite Auseinandersetzung mit dessen spatialer Ar‑ gumentation Borgolte, Stiftungen des Mittelal‑ ters in rechts‑ und sozialhistorischer Sicht (1988, ND 2012), 12 f.; Rexroth, Deutsche Universitäts‑ stiftungen (1992), 46–48; Lusiardi, Stiftung und städtische Gesellschaft (2000), 11 f. 7 Vgl. Benz, Ecclesiae pura simplicitas (1980); Iogna-Prat, A fundamentis (2006); Adámková, Qualche considerazione (2008). 8 Das zeigen regelmäßig die schriftlichen Quel‑ len, mitunter aber auch der archäologische Be‑ fund. Vgl. Untermann, Gründung (2014), 14 f. 9 Vgl. Untermann, Primus lapis (2003); Holder, Medieval Foundation Stones (2010). 10 Nichtsdestotrotz kam es immer wieder auch zu Verlegungen von Stiftungen. Systematische Forschungen zu diesem Thema fehlen bislang. Kursorische Hinweise etwa bei Scheller, Memo‑ ria an der Zeitenwende (2004), 257–261; Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), 216–220. Die erhellende Studie von Donkin, Site Changes (1959), vernachlässigt hingegen den Stiftungscharakter der behandelten Institute. 11 Der Grundstein, den Bischof Bernward von Hildesheim 1010 in das Fundament seiner Klos‑ tergründung St. Michael legte, hat eine Höhe von 740 mm, eine Breite von 1 000 mm und eine Tiefe von 460 mm. Vgl. W. E. Keil, Abwesend und doch präsent (2014), 18. Der Grundstein für die Guildhall Chapel in London, auf den Thomas Knolles seinen Namen wohl nach 1442 malen ließ, hat eine Höhe von 330 mm, eine Breite von
211 498 mm und eine Tiefe von 150 mm; er wiegt 44,5 Kilogramm. Vgl. Holder, Medieval Foundation Stones (2010), 7, Anm. 3. – Mitunter legte man, inspiriert durch einschlägige Bibelstellen (Apk 21.14; Jos 4.9; 1 Pe 2.5), nicht nur einen, sondern zwölf Grundsteine. Vgl. W. E. Keil, Abwesend und doch präsent (2014), 19. 12 Vgl. Czock, Gottes Haus (2012). 13 Üblicherweise geschah dies sowohl durch Benennung mittels Patrozinium (bei Kirchen und Spitälern) oder Stiftername (bei Armenhäusern, Kollegien und Ähnlichem) als auch durch Situie‑ rung unter Rekurs auf Toponyme (zum Beispiel Berge, Flüsse) oder territoriale Ordnungssysteme (zum Beispiel Diözesen, Gaue). 14 Chronicon Koenigveldense. Ed. Martin Gerbert, Crypta San‑Blasiana nova Principum Austriacorum, translatis eorum cadaveribus ex Cathedrali Ecclesia Basileensi et Monasterio Ko‑ enigsfeldensi in Helvetia anno 1770 ad condito‑ rium novum Monasterii S. Blasii in Nigra Silva. St. Blasien 1785, 86–113, hier 101: Des ersten wart gebuwen ein Cappel an der statt da der Küng tod funden wart, da ietz der fronaltar stät. Vgl. Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), 111–115. 15 Vgl. die Beispiele bei Kastner, Historiae fun‑ dationum monasteriorum (1974), 94–130; France, Cistercian Foundation Narratives (1992). Mitunter wurde die Sakralität eines Stiftungssitzes auch auf einen – als göttliches Zeichen gedeuteten – militärischen Sieg des Stifters zurückgeführt, so zum Beispiel im Fall der St. Martin’s Abbey of the Place of Battle (kurz: ‚Battle Abbey‘). Diese soll nach nicht‑zeitgenössischen Zeugnissen ihrer Mönche exakt an der Stelle errichtet worden sein, an der Harald II. von England, der Widersacher Wilhelms des Eroberers, seinen Tod gefunden hat‑ te. Vgl. The Chronicle of Battle Abbey, Ed. Eleanor Searle. (Oxford Medieval Texts.) Oxford 1980, 18, und dazu Hallam, Monasteries (1983), bes. 53 f.; K. A. Smith, War (2011), 64. 16 Vgl. Roffey, Chantry Chapels (2008), 89–92; Orme, Churches of Medieval Exeter (2014), 40 f. 17 Vgl. Streich, Burg und Kirche (1984). 18 Vgl. Schmugge, Anfänge (1983), 44–46. 19 Statuta capitulorum generalium ordinis Cis‑ terciensis ab anno 1116 ad annum 1786, Bd. 1. Ed. J.-M. Canivez. (Bibliothèque de la Revue d’histoire ecclésiastique, Bd. 9.) Louvain 1933, 13: in locis
212 a conversatione hominum semotis. Vgl. Rösener, Agrarwirtschaft der Zisterzienser (2009), 67–73, mit zahlreichen Hinweisen auf die ältere, recht kontroverse Literatur. 20 Zur heuristischen Unterscheidung von Makro‑, Meso‑ und Mikroräumen vgl. Rau, Räume (2013), 65 f., unter Bezug auf Läpple, Gesellschafts‑ zentriertes Raumkonzept (1991). Eine ganz andere Akzentuierung der Begriffe dagegen bei Schlögel, Räume und Geschichte (2007), 44. 21 Eine nützliche Orientierung bietet Huitson, Stairway to Heaven (2014). 22 Vgl. Legler, Kreuzgang (1989); Weixler, Pracht‑ volle Stille (2013). 23 Vgl. Craemer, Hospital als Bautyp (1963); Leistikow, Hospitalbauten (1967). 24 Vgl. Nübel, Mittelalterliche Beginen‑ und So‑ zialsiedlungen (1970), bes. 220 f.; 230–232; 236 f.; Tietz-Strödel, Fuggerei (1982), 135–216; Turck, Lei‑ dener Wohnstiftungen (1989), passim; Scheller, Memoria an der Zeitenwende (2004), 133. 25 Vgl. Kiene, Grundlagen (1983). 26 Vgl. Goodall, God’s House (2001). 27 Die Stiftungsurkunden sind für diese Fra‑ ge meist völlig unergiebig. Allein die Statuten spätmittelalterlicher Armenhäuser und Kollegien thematisieren auch die Baulichkeiten der Stiftung, allerdings meist recht pauschal. 28 Vgl. die mustergültige Dokumentation von Gilchrist, Norwich Cathedral Close (2005). Grund‑ sätzlich zur Bedeutung von Modifikationen für die Bestandswahrung von Stiftungen Lohse, Dau‑ er (2011), bes. 196–199; 211–214. 29 Vgl. Borgolte, Dauer von Grab und Grabmal (2000, ND 2012). 30 Ein Beispiel: Lohse, Dauer (2011), bes. 97–107. 31 Vgl. Roffey, Medieval Chantry Chapel (2007), 60–65; 104–113. Die neuere Forschung hat die ab‑ gestufte ‚Öffentlichkeit‘ der vermeintlichen ‚Pri‑ vatkapellen‘ ein ums andere Mal nachgewiesen. 32 Zu dieser Problematik siehe Borgolte, Stifter‑ grab und Eigenkirche (1985, ND 2012), 161 f.; Ders., Petrusnachfolge und Kaiserimitation (1995), 80–83. 33 Beispiele bei Sauer, Fundatio und Memoria (1993), 158 f. 34 Zahlreiche Beispiele bei Kosel, Augsburger Domkreuzgang (1991). Siehe auch Borgolte, Grab in der Topographie (2000, ND 2012), bes. 302. Ein zeitgenössisches Manual für die Durchführung
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solcher Grabbegehungen wurde jüngst ediert: Das Gräberbuch des Basler Domstifts. Badisches Gene‑ rallandesarchiv Karlsruhe 64/4. Ed. Lisa Röthinger / Gabriela Signori. (Quellen und Forschungen zur Basler Geschichte.) Basel 2009. 35 Beispiele bei Rousseau, Saving the Souls (2011), 76 f. 36 Vgl. Kroos, Grabbräuche (1984), 314–317. 37 Vgl. Scheller, Memoria an der Zeitenwende (2004), 144. 38 Vgl. Nübel, Mittelalterliche Beginen‑ und Sozialsiedlungen (1970), 233–236. 39 Die individuellen Anteile lassen sich man‑ gels einschlägiger Quellen nicht bestimmen; es fehlt in der Literatur trotzdem nicht an Urteilen. Vgl. etwa Tietz-Strödel, Fuggerei (1982), 103. 40 Zu dessen Verlockungen siehe Rexroth, Mi‑ lieu der Nacht (1999). 41 Scheller, Memoria an der Zeitenwende (2004), 148 (Hervorhebung im Original); 150. Danach auch Borgolte, Stiftungen – eine Geschichte von Zeit und Raum (2009, ND 2010 und 2012), 398 f. 42 Zu Klangräumen als Forschungsfeld siehe Rau, Räume (2013), 179. 43 Zwei Beispiele: The Customary of the Cathe‑ dral Priory Church of Norwich. MS. 465 in the Library of Corpus Christi College, Cambridge. Ed. J. B. L. Tolhurst. (Henry Bradshaw Socie‑ ty, Bd. 82.) London 1948, 151 f.: In anniuersario dompni Herberti episcopi hoc modo ordinabitur seruicium. (…) in laudibus (…) magister celarii faciet pulsandum in magno campanili (…). Eodem die ante vesperas (…) caritatem habebunt. („Am Jahrtag des Bischofs Herbert wird der Gottes‑ dienst auf diese Weise geordnet: Am Ende der [morgendlichen] Laudes wird der Kellermeis‑ ter im großen Glockenturm ein Geläut machen. Am selben Tag werden wir nach der Vesper ein Liebesmahl haben.“). Die Anweisungen für Glo‑ ckenschlag und Armenspeisung sind von einer Hand des 14. Jahrhunderts in dieses liturgische Ritualbuch von ca. 1260 nachgetragen worden. Vgl. ebd., VIII f. – Der Ordinarius [des Kolle‑ giat stifts St. Simon und Judas in Goslar] von 1435. Ed. Lohse, Dauer (2011), 383–468, hier 446, § 70: De sero fiet compulsacio solempnis cum duabus magnis campanis in turri. Propter stipam sive spensam in crastino pauperibus distribuendam et ceterea. Pariter primam et tertiam crastina die
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erit. Et servabitur intervallum. Et dabitur stipa et 51 Vgl. Rousseau, Saving the Souls (2011), Ap‑ cetera prout moris est. („Am Abend [des Jahrtags] pendix [173–188]. Siehe, auch zum Folgenden, ebd., wird mit den beiden großen Glocken im Turm 69–75. feierlich geläutet wegen der Gaben oder Spei‑ 52 Vgl. ebd., 77–91. Ergänzend: Schofield, Vicars sen, die am Morgen unter den Armen verteilt Choral (2005); Roffey, Chantry Chapels (2008), 65 f. werden. Ebenso wird es am ersten und dritten Zahlreiche weitere Fallstudien bei Hall / Stocker, darauffolgenden Morgen geschehen. Und der Vicars Choral (2005). Verallgemeinernde Überle‑ Zwischenraum wird beachtet. Und die Gaben gungen bei Dobson, English Vicars Choral (2005), usw. werden gegeben wie es üblich ist.“) Vgl. 6. Kollegien für Kapläne wurden nicht nur an dazu ebd., 70 f.; 97–99. Kathedralen, sondern auch im Umfeld von Pfarr‑ 44 Vgl. zu Läutstiftungen Stanford, Commemo‑ kirchen und Burgkapellen errichtet. Vgl. Pantin, rating the Dead (2011), 69, Anm. 98; 104 f.; A. Brown, Chantry Priests’ Houses (1959); Miles / Saunders / Civic Ceremony (2011), 108 f.; sowie → 3.2.2. Musty, Chantry Priestsʼ House (1975). 45 Zur Klausur in Männerkonventen vgl. Un- 53 Vgl. Rousseau, Saving the Souls (2011), 46 f., termann, Öffentlichkeit und Klausur (2009); Ders., zu den Verhältnissen bei St. Paul. Siehe allgemein Klausur und Öffentlichkeit (2010). – Anders als auch Edwards, English Secular Cathedrals (1949), Mönche und Kanoniker feierten weibliche Religi‑ 300 f.; Barrow, Origins of Vicars Choral (2005). ose das Stundengebet und die Messe nicht gemein‑ 54 Vgl. Rousseau, Saving the Souls (2011), 46. sam mit dem Priester am Hochaltar, sondern in 55 Vgl. Roffey, Chantry Chapels (2008), 150–153. speziellen Räumen, die vom Rest des Kirchenbaus 56 Vgl. Edwards, English Secular Cathedrals durch Vorhänge, Schranken, Tafeln oder Mauern (1949), 300. abgetrennt waren. Eine architektonisch beson‑ 57 Vgl. Registrum Statutorum et Consuetudi‑ ders aufwendige Lösung waren die Nonnenem‑ num Ecclesiae Cathedralis Sancti Pauli Londi‑ poren. Vgl. Muschiol, Liturgie und Klausur (2001). nensis. Ed. W. Sparrow Simpson. London 1873, 71. 46 Vgl. etwa Hayes, Body and Sacred Place 58 Zum Sonderfall der herrscherlichen ‚Dota‑ tion‘ mit der Befreiung des Stiftungssitzes von (2003), 53–69. ‚öffentlichen‘ Lasten → 10.2.4. 47 Rau, Räume (2013), 152. 48 Da die zeitgenössischen Totenbücher übli‑ 59 Dabei hob man gewöhnlich auf die Lage cherweise kalendarisch (und nicht annalistisch) innerhalb übergeordneter territorialer Entitäten geordnet waren, kann das sukzessive Anwach‑ (Dörfer, Städte, Gaue, Diözesen usw.) ab. Insbe‑ sen der Gedenkverpflichtungen meist nur durch sondere bei Gebäuden wurden auch die Besit‑ analytische Verfahren ermittelt werden. Vgl. zer der angrenzenden Baulichkeiten namhaft etwa Presuhn, Tot ist, wer vergessen wird (2001), gemacht. 281–285. Eine der wenigen Ausnahmen ist das 60 Beispiele für die Verortung von Zollrech‑ Jahrzeitregister des Kollegiatstifts St. Martin in ten bei Proetel, Großes Werk (2000), 84 f.; 90–92; Colmar, in das zwischen 1391 und 1539 insgesamt siehe auch ebd., 66. Beispiele für die Verortung 1172 Stiftungen eingetragen wurden; durchschnitt‑ von Zehntrechten bei Greenway, Conquest and lich also acht pro Jahr, allerdings bei erheblicher Colonization (1996), 55 f.; siehe auch ebd., 52 f. Varianz (zum Beispiel 37 Stiftungen im Jahre 1395 61 Vgl. die zahlreichen Beispiele bei Haas, Leben und 4 Stiftungen im Jahre 1420). Fortlaufend ge‑ im Kollegiatstift (2011), 367–382. führt wurde es allerdings erst ab 1507. Vgl. Das 62 Beispiele bei Prange, Vikarien (2003), 73–86; Jahrzeitregister von St. Martin in Colmar. Ed. Rousseau, Saving the Souls (2011), 25; Appendix [173–188]. Charles Wittwer. Colmar 1949, hier 9 f.; 15 f.; 24. 49 Vgl. Rousseau, Saving the Souls (2011), 41 63 Einen konzisen Überblick über die Villika‑ 50 Vgl. Grewolls, Kapellen (1999); Roffey, Medie‑ tionsökonomie und ihre Erforschung bietet Röval Chantry Chapel (2007), 42–78; Ders., Chantry sener, Agrarwirtschaft, Agrarverfassung (1992), Chapels (2008), 66–117. Viele Nebenaltäre waren 10 f.; 22–25; 63 f.; 81–86. Eine Fallstudie unter vielen älter als die mit ihnen verbundenen Messpfrün‑ bietet Bösterling-Röttgermann, Kollegiatstift (1990), den. Vgl. Barrow, Vicars Choral (1990), 93. bes. 42–83; 91–98; 101–104.
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64 Vgl. das Urbar [des Stifts St. Simon und Ju‑ geistlicher Institutionen (2005); Lohse, Konrad I.
das in Goslar] von 1191/94. Ed. Lohse, Dauer (2011), 217–293, hier 259, § 119. Zum Transport nach Gos‑ lar siehe ebd., 195. 65 Diesen Titel führten die ursprünglich mit dieser Aufgabe betrauten Laien. Vgl. Lohse, Stift und seine Stifter (2008), 303, Nr. 98. Später erfand man das „Amt unseres Kornbodens“ und verkauf‑ te dieses für 20 Mark Silber an einen Vikar des Stifts. Vgl. Urkundenbuch der Stadt Goslar und der in und bei Goslar belegenen geistlichen Stif‑ tungen, Bd. 2. Ed. Georg Bode. (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und angrenzender Gebiete, Bd. 30.) Halle 1896, 439, Nr. 432 (von 1292 IV 18). 66 Eierspeisen waren ein wichtiger Bestandteil der Festmähler, von denen anlässlich bestimm‑ ter Kirchenfeste bis zu vier pro Monat begangen wurden. Vgl. Urbar. Ed. Lohse (wie Anm. 64), hier 278, § 224. Dazu Ders., Dauer (2011), 85. Siehe auch Schubert, Essen und Trinken (2006), 221 f. 67 Vgl. Rösener, Agrarwirtschaft der Zisterzi‑ enser (2009), mit zahlreichen Hinweisen auf die ältere Literatur. 68 Exemplarisch seien hier nur die beiden Ein‑ träge zum 27. Mai im Totenbuch des Speyerer Domkapitels von 1273 zitiert: Icha obiit, que dedit iugerum uinee in Meinkemere. Billungus obiit, qui dedit curiam pistoriam in Spira – „Icha ist ge‑ storben, die ein Tagwerk Wein in Maikammer [südlich von Neustadt] gegeben hat. Billung ist gestorben, der eine Backstube in Speyer gegeben hat“ (Grafen, Forschungen [1996], 317). 69 Auf diesen Aspekt fokussieren viele besitz‑ geschichtliche Studien, die oft genug die Unvoll‑ ständigkeit der zeitgenössischen Inventare be‑ wiesen haben. Der Raum des Stiftungsvermögens wird in solchen Abhandlungen allerdings häufig als Container aufgefasst. 70 Allgemein zum ‚mapping‘ als Kognitions‑ prozess Rau, Räume (2013), 178–182. 71 Vgl. Kuchenbuch, Verrechtlichung (1993); Heidrich, Befragung (1998). 72 Vgl. Lohse, Dauer (2011), 222–224. 73 Borgolte, Grab in der Topographie (2000, ND 2012), 292. 74 Vgl. K. Schmid, Sorge der Salier (1984); Borgolte, Stiftungsurkunden Heinrichs II. (1993, ND 2012); W. E. Wagner, Gebetsgedenken (1994); Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012); C. Ehlers, Gründungen
(2006); Butz, Fundatio (2010).
75 Vgl. auch Menzel, Memoria Kaiser Ludwigs (2001).
76 So das prononcierte Urteil von Proetel, Gro‑ ßes Werk (2000), 69.
77 Borgolte, Grab in der Topographie (2000, ND 2012), 295.
78 Urkundenbuch der Stadt Strassburg, Bd. 3.
(Urkunden und Akten der Stadt Strassburg, Bd. 1.3.) Ed. Aloys Schulte. Straßburg 1884, 13 f., Nr. 39: unde sol zů minere iargecit die priorin dez vorgenanten clohsteres von deme gelte (…) geben (…): den bredeiern zů Strazburg sehzig pfennig symeln in den reventor, den barvůzsen oͧ ch sehzig pfennig symeln, den augustineren also vil, den sacbrůderen also vil, unserre frowen brůderen also vil, den frowen zů sante Franciscuz also vil, den ruwerin also vil, den frowen zů sante Niclawese oͧ ch also vil, den frowen zů sante Johannese also vil, den von sante Katherinen also vil, den von sant Agnese also vil, den von sante Markise also vil, den frowen von Eckebolzheim also vil, in den spittal zů Strazburg sancte Leonhartez also vil, (…) den gůten liuten zů Rotenkirchen drizsig pfennig symmeln, und den closenerin zů Rotenkirchen zehen symeln, deme pfaffen der gůten liute zwencig symeln, daz man min zů minere iargecid gedenke in allen disen vorgenanten clohsteren. Zu den genannten Konventen siehe die einschlägigen Artikel in Barth, Handbuch (1960–1963). 79 Ein Beispiel: Urkundenbuch Goslar, Bd. 2. Ed. Bode (wie Anm. 65), 269 f., Nr. 237. Siehe dazu Lohse, Stand und Perspektiven (2012), 233 f. 80 Stadtarchiv Stralsund, Testamente, Nr. 615: den armen luden, de dar sitten to sunte Johanse unde to sunte Jurien uppe den kerkhoven (zitiert nach Lusiardi, Stiftung und städtische Gesellschaft [2000], 233). St. Johann war das lokale Franzis‑ kanerkloster, St. Jürgen das Hospital. 81 Vgl. Petke, Oblationen (1994). 82 Beispiele bei Röckelein, Reliquientranslati‑ onen (2002), 155–264. 83 Diesen Eindruck vermittelt etwa die Grün‑ dung des ‚Neuen Stifts‘ in Halle an der Saale durch Albrecht Kardinal von Brandenburg in den Jah‑ ren 1519 bis 1523. Vgl. Hamann, Liber Ordinarius (2014), bes. 90–97; 210–212. 84 Dieses Phänomen begegnet regelmäßig bei Vikarie‑Stiftungen. Vgl. etwa Rousseau, Saving
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the Souls (2011), 67, die auch die methodischen Stiftungsbegriff. Vgl. etwa Meinert, Heilig‑Grab‑ Probleme dieser Interpretation nicht verschweigt. Anlage (2004), 211–229. Zur Unterscheidung von 85 Vgl. zuletzt Winter, Marking the City (2014). Stifter und Mäzen siehe Borgolte, Stiftung und Siehe auch Broer, Utrechts kerkenkruis (2001). Wissenschaft (2011, ND 2011 und 2012). 86 Zur intensiven liturgischen Interaktion der 89 Vgl. Rexroth, Pierre Dubois (2008). Utrechter Kommunitäten im Rahmen von Pro‑ 90 Vgl. Matthew, Norman Monasteries (1962), zessionen und Stationen siehe Van Welie, Omnes bes. 26–71. Die genauen Gründungsumstände der canonici (1994). meisten ‚ausländischen Priorate‘ liegen freilich 87 MGH DD HL, 143–145, Nr. 94, hier 144: tres im Dunkeln, da nur eine Handvoll zeitgenössi‑ lampades perpetuo ad honorem dei ardentes in domi- scher Stiftungsurkunden erhalten ist. Vgl. die nice resurectionis ecclesia locari (…) ordinavi, qua- Nachweise in der instruktiven Fallstudie von rum lampadum una coram glorioso domini sepulcro Greenway, Conquest and Colonization (1996), 46 ardeat, altera vero in calvarie loco ante dominicam mit Anm. 3. passionem, tercia autem coram vivifico sancte crucis 91 Ebd., 46. Vgl. auch Martindale, Monasteries ligno constituatur. Verum ad supplendum et perpe- and Castles (1992), bes. 156. In den Augen der Zeit‑ tuo hoc misericordie opus subministrandum (…) do- genossen konnte die Stiftung eines ‚ausländischen mos Michaelis Furbitoris muro dominice resurectio- Priorats‘ durchaus als Sühneleistung für im Zuge nis ecclesie contiguas (…) emi, que domus annuatim der Eroberung begangene Vergehen wie Mord, Ver‑ viginti bisantios censuales reddunt, unde oleum ad gewaltigung und Kirchenschändung aufgefasst opus lampadarum perpetuo ardentium emi debet. werden (siehe Greenway, Conquest and Coloni‑ Übersetzung nach J. Ehlers, Heinrich der Löwe zation [1996], 49); darüber hinaus diente sie nicht (2008), 206. Zur Sache siehe ebd., 205–208; Mayer, zuletzt auch der Gruppenbildung in der Fremde Stiftung (1980). Allgemein zu Lichterstiftungen (so Martindale, Monasteries and Castles [1992], 138). auch Schilp, Memoria in der Dunkelheit (2011). 92 Vgl. Thompson, Statute of Carlisle (1990). 88 Die überwiegend kunsthistorische For‑ 93 Vgl. Matthew, Norman Monasteries (1962), schung arbeitet meist mit einem unpräzisen 110–112; 127–142.
16.3 Muslime 16.3.1 Allgemeines In dynamischen Prozessen beeinflusste der waqf die Entwicklung und Formung von Raum, indem er ihn ständig modifi‑ zierte und an bestehende Erfordernisse adaptierte. Bereits die Terminologie in den waqfīyas scheint eine Verbindung zwischen dem waqf, seinem Ort und der Entwicklung eines spezifischen Raums nahezulegen. Eine detaillierte waqfīya konnte Infor‑ mationen über den Grundriss eines waqf, die Beschreibung des Bauwerks, Rechts‑ formeln zur Unanfechtbarkeit des waqf
sowie Beschreibungen von Bauelementen aus architektonischer und urbanistischer Sicht enthalten. Der Begriff makān, der in der Regel für jedes beliebige Gebäude oder Teil eines Gebäudes unbestimmter Größe verwendet wurde, nicht jedoch für eine Moschee (masǧid), Medrese (→ 9.3.4) oder einen Markt (→ 10.3.2), bedeutet wörtlich ‚Ort‘. Wenn sich jemand dazu entschloss, eine Stiftung zu errichten, plante er in der Regel nicht nur Funktion, sondern
216
auch räumliche Struktur der Stiftung. Das Gebäude einer Stiftung und ihr Zweck standen in einem engen Zusammenhang, insbesondere was innere Struktur, Form und Verwaltung der Stiftung betraf. Große Gebäudekomplexe wurden als Verbindung aus verschiedenen Räumen gedacht, die in einer Wechselbeziehung zueinander standen. So unterschiedlich die jeweili‑ gen konkreten Raumzusammenstellun‑ gen auch gewesen sein mögen, lässt sich doch bei allen deutlich das gleiche Muster räumlichen Ordnens erkennen. (→ 16.3.2) Nach dem 11. Jahrhundert verbreiteten, vervielfachten und diversifizierten sich Stif‑ tungspraktiken zunehmend, wobei sie sich zunehmend an soziale und persönliche Er‑ fordernisse anpassten. Die Institution des waqf wurde dabei häufig als Mittel genutzt, um die Errichtung religiöser und kulturel‑ ler Infrastruktur an verschiedenen Orten finanziell zu unterstützen, etwa von Mo‑ scheen, madrasas, ḫanqahs, Spitälern oder Krankenhäusern. Um diese infrastruktu‑ rellen Elemente zu finanzieren, konnten Miet‑ und Pachteinnahmen aus neuerbau‑ ten oder bereits bestehenden Gebäuden und landwirtschaftlichen Gütern für einen bestimmten waqf generiert werden, die auch weit entfernt von der eigentlichen Stiftung liegen konnten. Für die Verwal‑ tung eines solchen waqf waren mitunter spezielle Urkunden erforderlich, die sich mit mehreren awqāf befassten. (→ 16.3.3) In ihrer Allgegenwart und durch den Umstand, dass sie ineinander verflochtene waqf‑Netzwerke zwischen verschiedenen urbanen Zentren bildeten, besaßen Stif‑ tungen eine maßgebliche Rolle bei der Entwicklung, Gestaltung und Kontinuität von Infrastruktur in der islamischen Welt und ließen verschiedene Arten von Räu‑ men miteinander interagieren. (→ 16.3.4) Für gewöhnlich wird zu Beginn einer Untersuchung zum Thema Raum eine Reihe
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von Begriffsdefinitionen geboten oder es werden verschiedene methodologische Pro‑ bleme aufgeworfen, die bei diesem Thema auftreten können. Dies gilt insbesondere dann, wenn – wie im vorliegenden Fall – große Zeiträume und Gebiete behandelt werden. Die meisten Untersuchungen zum Thema Raum in der islamischen Welt haben in erster Linie – auf Grundlage von Anga‑ ben aus waqf‑Urkunden – Merkmale einer religiösen Idee der Islamischen Stadt zu bestimmen versucht. Einige dieser Modelle stammen aus dem frühen 20. Jahrhundert, als die Islamische Stadt von Orientalisten noch für ein zeitloses theoretisches Kons‑ trukt gehalten wurde. Vielen dieser Wis‑ senschaftler galt die Islamische Stadt als ein Beweis für die Andersartigkeit der ara‑ bischen Gesellschaft, wohingegen andere, die gerade aus kolonialen Eroberungszü‑ gen zurückgekehrt waren, herauszufinden versuchten, wie sich eine Stadt am besten kontrollieren ließ.1 Es ist auffällig, dass in Studien zur Beziehung zwischen waqf und Stadtge‑ schichte kaum auf allgemeine Theorien zur Stadtentwicklung unter dem Aspekt der Organisation von Raum eingegangen wird.2 Diese Theorien befassen sich oft‑ mals mit der Verbindung zwischen kul‑ turellen Phänomenen oder ideologischen Anschauungen und materiellen und so‑ zialen Aspekten der Errichtung räumli‑ cher Regime. Forschungen zur Beziehung zwischen Raum und waqf könnten dabei von bereits vorliegenden Arbeiten über einige wenige Stiftungen in der spätmit‑ telalterlichen islamischen Welt profitieren, in denen Stiftungen bestimmte Arten von Praktiken und Raumorganisation nach‑ gewiesen werden.3 Die zeitgenössischen Begriffe, die zur Bezeichnung dieser In‑ stitutionen verwendet wurden, erlauben oft einen Einblick in einige der Organi‑ sationskategorien der Stadt und damit in
Muslime
diejenigen Räume, in denen sich lokale Gemeinschaften entfaltet und von denen aus sie sich in andere Regionen ausgebreitet haben. Dem Ansatz Richard van Leeuwens folgend ist es möglich, sie anhand ihres physischen und sozialen Kontextes typo‑ logisch voneinander zu unterscheiden. Van Leeuwen gelang es nicht nur, die Funktion der wichtigsten islamischen Gebäudearten aufzuzeigen, die sich in der osmanischen Gesellschaft entwickelten und von dieser hervorgebracht worden waren, sondern auch aus einer räumlichen Perspektive die jeweiligen Charakteristika und Funktionen von regionalen und zeitlichen Variationen herauszuarbeiten.4 Seine Untersuchung zeigte deutlich die Gemeinsamkeiten un‑ terschiedlicher Typen von Stiftungen, die größtenteils in der gesamten islamischen Welt anzutreffen sind und deren Funkti‑ onen im Mittelalter an vielen Orten ein‑ heitlich waren. Folgt man einem solchen Ansatz, so sind awqāf nicht mehr bloß materielle Konst‑ ruktionen oder neutrale Güter. Vielmehr können sie einen bestimmten Ort, wenn nicht gar mehrere, besetzen; sie werden von Einzelpersonen oder Gruppen kontrol‑ liert und wirken ebenso auf das Leben von Einzelnen und Gruppen zurück; sie haben eine spezifische Form und darin Bedeutung für die Konstitution von Raum, oft in ver‑ schiedenerlei Hinsicht; schließlich können sie in einigen Fällen auch unterschiedliche Räume in Beziehung zueinander setzen. 16.3.2 Konzentration Aus der Binnenperspektive kann die räum‑ liche Konzentration des waqf in zwei her‑ meneutische Kategorien eingeteilt werden: (1.) räumliche Konzentration von Prozes‑ sen und (2.) räumliche Konzentration von Dienstleistungen und Funktionen.
217
(1.) Die physischen Räume, die durch Stif‑ tungen verändert wurden, stellten Schnitt‑ stellen für die Begegnung von Männern, Frauen und Kindern jeder Gesellschafts‑ gruppe dar. Unabhängig davon, ob Stif‑ tungszwecke beibehalten oder verändert wurden, fixierten und verdichteten ihre Gebäude Orte wichtiger sozialer Ereignis‑ se und Prozesse. So wurde dem Ort und der Struktur der Stiftungen besondere Be‑ deutung verliehen. Die Stiftungsurkunde von Šamsī Aḥmad Paša aus dem Jahr 1554 etwa kündigt den Bau eines Komplexes in Damaskus als eines ‚Orts‘ (makān) an und hebt dabei besonders die Gebäude als auch die Wahl des Standortes hervor (ǧamīʿ almakān, arḍan wa ʿimāratan).5 Die Errichtung einer Stiftung konnte ein riesiges Unternehmen sein, das sowohl lokale Arbeiter als auch Arbeiter aus den Provinzen des Reiches einband.6 Auch die Baumaterialien konnten lokaler Herkunft oder importiert sein. Ein Beispiel hierfür ist die Takīya as‑Sulaimānīya in Damaskus (1554–1560), für die Baustoffe aus Istanbul eingeführt, andere Materialien hingegen wiederverwendet oder vor Ort produziert wurden.7 Leider gibt es nur wenige Ur‑ kunden, die näheren Aufschluss über die Baudynamik geben. Die waqfīya konnte indirekte Bestim‑ mungen enthalten, wie viele Handwerker für die Instandhaltung der physischen Anlagen der Stiftung benötigt werden, in‑ dem dort ihre monatliche Vergütung aus den Einnahmen festgehalten wurde. Der nāẓir (‚Verwalter‘) hatte sicherzustellen, dass die Stiftung auf Dauer erhalten blieb und ihren Zweck erfüllte, indem er die gestifteten Güter instand halten und re‑ parieren ließ. Der ‚Philosoph der Araber‘ Abū Yūsuf al‑Kindī (gest. um 870) stellte fest, dass „ohne Reparaturen die Stiftungen den Leuten nicht erhalten bleiben“ (lau lā al-maramma mā baqīyat al-aḥbās li-l-ahli).8
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Im Fall des Ġurīya‑Komplexes in Kairo, der im 16. Jahrhundert erbaut wurde, wurde daher etwa festgelegt, dass monatlich 400 Dirham an zwei vom nāẓir des waqf be‑ stellte Architekten gezahlt werden sollten, und zwar für die regelmäßige Begutach‑ tung des Gebäudes, Veranschlagung von Reparaturkosten einschließlich der Kos‑ ten für Baumaterialien und örtliche und auswärtige Arbeitskräfte sowie Aufsicht über den Abriss alter und den Bau neuer Gebäude.9 Die innere Ordnung des Raumes konnte bei religiösen Gebäuden von verschiedenen Aspekten bestimmt sein. Eine Beeinflus‑ sung durch den Architekturstil des Reichs zeigt sich etwa im Fall des Stiftungskom‑ plexes des Ḫān Paša in Damaskus, der von 1563 bis 1568 gebaut wurde und Elemente anatolischer Straßenarchitektur aufweist und, obwohl seine räumliche Struktur mit Galerien und Zweigeschossigkeit derjeni‑ gen späterer osmanischer ḫānqāhs vor Ort ähnelte, diese insgesamt in seinen Ausma‑ ßen bei Weitem übertraf.10 Auch kosmologische und kosmogoni‑ sche Vorstellungen konnten für Architek‑ tur und räumliche Ordnung relevant sein, insbesondere bei esoterischen Strömungen des Islam wie Sufismus und Ismailismus. Hierfür zentral ist ein bestimmtes Raum‑ empfinden im Sinne eines besonderen Be‑ wusstseins für die esoterische Bedeutung von Raum sowie einer Prädisposition für die bewusste räumliche Gestaltung eines Komplexes. Eine einfache Untersuchung erhaltener islamischer Gebäude zeigt eine Präferenz für geometrisch geordnete Räu‑ me mit isotropen Eigenschaften. Es gab die Tendenz, Räume symmetrisch um einen zentralen Punkt anzuordnen und dadurch auf die eine oder andere Weise ein Ach‑ senkreuz zu bilden.11 (→ Abb. 8) Struktur und Raumordnung einiger Bereiche konnten auch ganz praktischen
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Zwecken folgen. So hatte etwa der religiöse Komplex um das Grab des Sultans al‑Ašraf Ināl einen großen offenen Innenhof mit einem leicht erhöhten Bereich, der für das Gebet (muṣallā) bestimmt war. (→ Abb. 9) Eine ähnliche Struktur weist der Rekon‑ struktion von Marianne Boqvist zufol‑ ge auch der Komplex von Šamsī Aḥmad Paša auf.12 Ein Wasserbecken (baḥra) in‑ nerhalb der Komplexe war erforderlich, um auch im Sommer Besucher empfangen zu können. Entsprechend verfügten auch der Komplex von Šamsī Aḥmad Paša und derjenige von Sultan al‑Ašraf Ināl in ih‑ rer Mitte über ein solches großes quadra‑ tisches Wasserbecken. Das Wasser kam aus dem Qanawāt‑Kanal und wurde über einen Wasserspender reguliert, der sich am sabīl (einem öffentlichen Brunnen) östlich vom Haupttor des Komplexes befand. Die Gebäude konnten mit vergitterten Fens‑ tern in Richtung Zitadelle ausgestattet sein. Obwohl einige dieser Komplexe auch der Verteidigung dienten, scheinen diese Ei‑ sengitter hauptsächlich dazu gedient zu haben, Licht in die inneren Bereiche des Komplexes zu lassen. Es wird in der Forschung vermutet, dass die Präsenz des Stiftergrabes zusammen mit permanenten Koranrezitationen eine Parallele zu den christlichen Seelmessen am Grab darstellt, die dazu diente, den To‑ ten ‚Segen‘ (baraka) zu spenden. Menschen, die am Grab vorbeigingen, sollten die Ko‑ ranrezitation hören und einstimmen.13 De‑ tails über die Pflege der Stiftermemoria wurden vom Stifter als Teil der Bestim‑ mungen zum Vollzug in den Stiftungsur‑ kunden festgelegt. In der Mamlūkenzeit wurden Stiftungen zunehmend multifo‑ kal: Die Sultane wollten in großen Be‑ gräbnisanlagen bestattet werden, die aus mehreren Einrichtungen bestanden, häufig insbesondere aus einer Verbindung von ‚Mausoleum‘ (turba) und madrasa. An Orten
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wie Damaskus gab es viele Medresen, die sowohl das Grab des Stifters als auch die seiner Verwandten enthielten. Auf diese Weise wurden nicht nur die sterblichen Überreste geschützt, sondern auch gewähr‑ leistet, dass Studenten für ihre Seelen be‑ teten.14 Einige Stiftungen stellten kostenlose Unterkunft für bestimmte Gruppen zur Verfügung, wohingegen andere gewinn‑ orientierte Herbergsbetriebe darstellten, deren Einkünfte dem guten Zweck einer Stiftung dienten. Eine Reihe kleiner Zim‑ mer der Madrasa aẓ‑Ẓāhirīya etwa, die außerhalb der Stadtmauern von Aleppo lag, diente der Unterbringung von Lehrern und Studenten. Dieser Wohnbereich war jedoch von dem großen Innenhof mit dem Wasserbecken (baḥra) im Zentrum und den weiteren Räumen in diesem Komplex getrennt und verfügte über einen sepa‑ raten Eingang. (→ Abb. 10) Die Zahl der Unterkünfte konnte variieren und richtete sich nach dem Hauptzweck der Stiftung. Der Historiker Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī (gest. 1442) berichtet etwa, dass im spä‑ ten 12. Jahrhundert ein Diener Saladins namens Masrūr einen waqf zugunsten von Kriegsgefangenen und Armen in Kairo gegründet hatte, zu dem auch neunund‑ neunzig Herbergszimmer und eine Mo‑ schee für die Freitagsgebete gehörten.15 Im mittelalterlichen Anatolien gab es in den größeren Städten verschiedene Me‑ dresen mit kleineren Nebengebäuden, in denen unterschiedliche Dienste angeboten wurden – angefangen bei der Essensver‑ teilung bis hin zur Beherbergung. Einige dieser anatolischen Gebäude hatten Ne‑ benzimmer, die zur Unterbringung umher‑ ziehender Mystiker und anderer Besucher genutzt wurden.16 Schon der Zugang zu einer Stiftung konnte Teil der dortigen sozialen Pra‑ xis sein. Der religiöse Grabkomplex von
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al‑Ašraf Ināl verfügte über zwei Eingangs‑ portale: Das Hauptportal an der nördlichen Mauer war vermutlich monumentaler und für den offiziellen Gebrauch.17 (→ Abb. 9) An Toren konnten sich auch Inschriften aus der Stiftungsurkunde finden. Am Eingang des Ḥammām al‑Ǧadīd in Tripolis stand beispielsweise, dass jeden Freitag aus den Einnahmen des ḥammām fünf raṭl (etwa 16 kg) Brot oder Mehl unter den Armen der muslimischen Gemeinde zu verteilen waren.18 (2.) Einzelstiftungen konnten mehrere Funktionen und Dienstleistungen zu‑ sammenführen, wie etwa Versammlun‑ gen, wohltätige Dienste und Gottesdienste. Jede größere Stadt besaß eine Versamm‑ lungsmoschee (masǧid ǧāmiʿ), in der sich die Gläubigen zum gemeinsamen Freitags‑ gebet einfanden. In der Regel handelte es sich dabei um das erste Gebäude, das in einer neueroberten Region errichtet wur‑ de.19 (→ 16.3.4) Von Anfang an diente die Moschee aber auch als Ort mit weiteren so‑ zialen und edukativen Zwecken. Die wich‑ tigste der kommunalen Funktionen war die Abhaltung der Freitagspredigt (ḫuṭba), in der der Herrscher in einem symbolischen Akt den Treueschwur mit der Bevölkerung erneuerte. Die Moschee war außerdem ein Bildungszentrum, dessen zentripetale Be‑ deutung als ein Ort des Studierens und der Weitergabe von Texten nicht hoch genug eingeschätzt werden kann. Es gab infor‑ melle Studienzirkel, die sich oft in Ecken oder um Säulen herum versammelten, so‑ wie die eher formellen Lesungen gelehrter Texte. In einigen Fällen konnten die Stu‑ denten in den Minaretten der Moscheen auch Obdach finden. Im Spätmittelalter führte die zunehmen‑ de Verbreitung von Medresen zu einer Dif‑ ferenzierung von einigen Schlüsselelemen‑ ten des Grundrisses, die sich offenbar als
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besonders nützlich in der Lehre und weite‑ ren Aspekten des madrasa‑Lebens erwiesen hatten. Dieser Grundriss wurde auch auf andere Gebäude (Moscheen, Hospitäler und Sufi‑Klöster) angewandt. In zunehmendem Maße wurden nun īwāns (Hallen mit ge‑ wölbtem oder flachem Dach) gebaut, die einen geschlossenen oder offenen Innenhof umgaben. Die vier Hauptschulen des sun‑ nitischen Rechts konnten je einen eigenen īwān zum Treffen und Lehren haben, und in einigen Fällen erlauben Gestaltung und Größe des īwān Rückschlüsse auf den Stel‑ lenwert der jeweiligen Schule. Der waqf‑ Urkunde des Sultan‑Ḥasan‑Komplexes zu‑ folge diente der īwān der Zusammenkunft von Šāfiʿiten und ihrer Professoren, um den allgemeinen Unterricht oder die üblichen Lesungen abzuhalten.20 Der Komplex von Sultan Ḥasan umfasste vier madrasas, die sowohl als Unterkünfte für Studenten als auch als Orte der Gottesverehrung und des Studiums konzipiert waren. Dabei waren sie an den vier Seiten des Innenhofs gele‑ gen – dieser lag also in der Mitte eines so entstandenen ‚Kreuzes‘.21 Der Bau großer Moscheekomplexe er‑ möglichte es, verschiedene Gebäudearten in einem Ensemble zu vereinen. Diese Kom‑ plexe verfügten über alle wesentlichen Elemente einer urbanen Struktur, wie etwa Pilgerzentren, Bildungs‑ und Kulturein‑ richtungen und auch Orte wirtschaftlicher Aktivität. Der Stifter legte sein Kapital in diesen Komplexen an, um von ihrem sym‑ bolischen Wert zu profitieren und auch um Kontrolle über die Infrastruktur dieser Orte auszuüben. Zugleich profitierte aber auch die Moschee: Aus Stiftungen an die Umayyadenmoschee wurden zum Beispiel eine qaiṣarīya (‚Markthalle‘), ein Bad und zahlreiche Geschäfte errichtet; diese dien‑ ten, einmal in Betrieb, ihrerseits als waqf zur Finanzierung der Stiftungszwecke der Moschee.22
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Seit Anfang des 12. Jahrhunderts nahm die Zahl der Versammlungsmoscheen durch die gezielten Förderung türkische Provinzgouverneure (Sing. atabeg) und zangidischer Emire rasch zu. In dieser Zeit wurden häufiger Komplexe gestiftet, die in der Regel aus einer Kombination von Moschee, madrasa und ‚Mausoleum‘ (turba) bestanden. Diese Praxis hielt sich auch zur Zeit der Mamlūken, obgleich sich nicht all diese Komplexe in einen direkten Zusammenhang mit einer waqfīya bringen lassen – weder mit Hilfe historischer Be‑ richte noch mit Hilfe materieller Zeugnisse oder Stiftungsinschriften.23 Nicht immer führten räumliche Verän‑ derungen zum erhofften Effekt: Zu Beginn des 13. Jahrhunderts wurde eine monu‑ mentale Moschee auf dem Versammlungs‑ platz des ayyūbidischen Sultans erbaut, wo fortan die Gebete an den muslimischen Feiertagen stattfanden. Dennoch blieb die‑ ser Ort weiterhin eine Anlaufstelle für Protestversammlungen, Militärparaden und Gebete, wenn die Bevölkerung von Dürren, Erdbeben oder Heuschreckenpla‑ gen heimgesucht wurde.24 16.3.3 Dispersion Man kann drei Typen räumlicher Disper‑ sion unterscheiden: (1.) ökonomische, (2.) geographische und (3.) administrative Di‑ spersion. (1.) Einige awqāf konnten Schenkungen und Teile der Einnahmen anderer awqāf, die im ganzen Reich verstreut waren, auf sich vereinen, insbesondere wenn sich die Stiftungszwecke veränderten oder erwei‑ terten. Als Beispiel sei die al‑Azhar‑Mo‑ schee in Kairo genannt, die anfangs nur als religiöse Institution zur Ausbildung von Missionaren (duʿāt) genutzt wurde
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(→ 14.3.3), im Laufe der Zeit aber ihre Funktionen erweiterte. Die Moschee wurde zu einer Herberge für Gäste und Studenten, einem Versammlungsort für Sufis, einer Zufluchtsstätte für soziale und politische Flüchtlinge, einem Zentrum für Kundge‑ bungen und soziale Bewegungen sowie einer Bildungseinrichtung. Im Zuge dieser Funktionsausweitung profitierte die Mo‑ schee nun auch von waqf‑Einnahmen und zahllosen Gaben aus dem ganzen Reich. Finanziert wurde sie durch awqāf sowie privaten und herrscherlichen Schenkungen, wodurch sie eine gewisse Unabhängigkeit von den jeweiligen Machthabern erlangen konnte. Die erste Aufzeichnung, aus der hervorgeht, dass al‑Azhar von einem waqf unterstützt wurde, geht auf das Jahr 1009 zurück. Die betreffende Stiftung stammte vom sechsten fatimidischen Imam‑Kalifen al‑Ḥākim bi‑Amr Allāh (gest. 1021) und galt einer neuen Holztür im Zuge einer Moscheerestaurierung.25 Ein weiteres Beispiel einer Stiftung, die keine eigenen Einnahmen erzielte, son‑ dern materielle Zuwendungen erhielt, ist das ‚Haus der Weisheit‘ (Bait al-Ḥikma), das im Jahre 832 gestiftet wurde und dem zahlreiche Bücher aus dem ganzen Reich vermacht wurden – Sammlungen, Über‑ setzungen und Kopien. Es begünstigte seinerseits wiederum die Stiftung vieler weiterer Bibliotheken in anderen Städten des Reiches. 1193 stiftete der Kalif an‑Nāṣir (gest. 1225) eine Bibliothek sowohl für die Madrasa Niẓāmīya in Bagdad als auch für den Ẓāhirī‑ribāṭ am Tigris in der Nähe der Hauptstadt. Beiden stellte er mehrere Tausend Bücher zur Verfügung.26 Religiöse Stätten bilden einen Spezial‑ fall für dispersive Phänomene. Neue awqāf wurden in der islamischen Welt ständig und überall gegründet und waren zumeist Zustiftungen der bereits bestehenden (und sehr einträglichen) Stiftungen für Mekka
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und Medina. Als Mittelpunkt der gesamten islamischen Welt waren sie der eigentliche Grund dafür, warum Stiftungen überhaupt errichtet wurden. Die Organisation der Stiftungen für diese zwei Heiligtümer, die sogenannten ḥaramain, und die Verteilung der Einnahmen an die beiden heiligen Städ‑ te variierten in zeitlicher wie auch regiona‑ ler Hinsicht. Der dauerhafte Bestand dieser Stiftungen bewirkte, dass viele Stifter eines Familien‑ oder gemischten waqf die Städ‑ te Mekka und Medina zum Begünstigten ihrer Stiftungen für den Fall bestimmten, dass die ursprünglich Begünstigten, im Fall von Familienstiftungen die ganze Fa‑ milienlinie, aussterben sollten. In der Kopie einer waqfīya für die Stiftung von Sultan al‑Malik an‑Nāṣir Muḥammad (gest. 1341) wird etwa bestimmt, dass die Einnahmen aus den Geschäften, die zum waqf gehör‑ ten, für einen Pilgerbrunnen sowie für die Instandhaltung der Kaaba und die heiligen Stätten von Mekka zu verwenden seien.27 Wie groß der Aktionsradius von waqf‑ Netzwerken war und wie interregional sie agierten, belegen auch zwei Urkunden des Ḥaram aš‑Šarīf in Jerusalem: Sowohl zwei syrische ḫānqāhs in Homs und Aleppo als auch die Heiligen Stätten in Mekka und Medina erhielten finanzielle Zuwendungen aus Jerusalem.28 Weiter östlich beherberg‑ te die zentralasiatische Stadt Balch einen ʿalīdischen Schrein, der seit dem späten 15. Jahrhundert und bis zum heutigen Tag durch zahlreiche Stiftungen finanziell un‑ terstützt wird. Große Stiftungen bedurften spezifischer Urkunden, um die Verteilung der Einnah‑ men genau zu regeln und eine korrekte Administration zu gewährleisten. Der waqf von Sultan al‑Muʾayyad Šaiḫ (gest. 1421) aus dem Jahr 1420 bezog seine Mittel aus ei‑ ner Erbschaft, die zerstreut und heterogen war: Sie umfasste insgesamt vierundvierzig Grundstücke, von denen achtundzwanzig
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in Ägypten und sechzehn in Syrien lagen. (→ Abb. 11) Für die Integrierung dieser Vermögen war auch ein bestimmtes Proce‑ dere erforderlich: In einer ‚Bescheinigung‘ (išhād) am Rand der Urkunde bestätigt ein Zeuge, dass die Stiftungen in den Regio‑ nen Aleppo, Hama und Damaskus liegen, und bezeugt den Vorschriften der Urkunde gemäß auch, dass diese Vermögen zum Zeitpunkt des Stiftungsvollzugs gänzlich im Besitz des Stifters waren. Mögliche Schwierigkeiten bei der Durchführung des Stiftungsvollzugs, die aufgrund der geographischen Entfernung zwischen den syrischen Grundstücken und den Stiftun‑ gen in Kairo auftreten konnten, wurden ebenfalls berücksichtigt. Insbesondere den Zeitaufwand, der für das Sammeln der Einnahmen benötigt wurde, kalkulierte der Stifter in der Urkunde mit ein, die auch einen Schreiber (kātib) in Kairo erwähnt, der für die awqāf in Syrien zu entlohnen war.29 (2.) Die geographische Dispersion von Stif‑ tungen konnte ein wichtiges Instrument zur Verbreitung von politischer Herrschaft und religiösen Lehren sein. Die madrasa – verstanden als eine höhere Bildungsein‑ richtung, die sich in der Regel dem sun‑ nitischen Recht widmete – erhielt ver‑ gleichsweise stärkere Unterstützung als jede andere Institution im Mittelalter, vor allem seit dem Aufkommen der Dynastie der türkischen Großseldschuken und einer anti‑ismailitischen Bewegung.30 Im Jahr 1067 stiftete Niẓām al‑Mulk die Madrasa Niẓāmīya in Bagdad und eine ganze Rei‑ he weiterer Medresen,31 die sich in Syri‑ en, Ägypten und Anatolien ausbreiteten und in Zusammenhang mit verschiede‑ nen religiösen Bewegungen standen.32 Der artuqīdische Sultan Nūr ad‑Dīn (gest. 1185) stiftete allein in Damaskus sechs Medre‑ sen, zwei ḥanafitische und vier šāfīʿitische;
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weitere stiftete er in kleineren Städten Syriens und Mesopotamiens, die zumeist šāfīʿitisch waren. 1172 ersuchte er den ab‑ basidischen Kalifen al‑Mustaḍīʾ (gest. 1180) um ein Stück Land am Tigris in Bagdad, um auch hier eine šāfīʿitische madrasa zu bauen. Er starb jedoch vor Baubeginn.33 Mit aufwändigen Medresen konnten gan‑ ze Bildungsnetzwerke riesiger Dimension geschaffen werden, die Gehälter für Lehrer und weiteres Personal sowie Stipendien für Studenten aus der ganzen islamischen Welt zahlten. Die Tatsache, dass so viele Medresen gebaut wurden, dürfte weniger mit einer veränderten Bildungspolitik zusammen‑ hängen als vielmehr mit der Herausbildung einer neuen, durch große Vermögen und Landbesitz abgesicherten Allianz zwischen ausländischen Militärmachthabern und den ʿulamāʾ.34 Es ist ein Irrtum zu glauben, dass diese Allianzen wie auch der große Wohlstand nur geringe Auswirkungen auf die Schaffung und Reproduktion einer Bil‑ dungselite gehabt hätten. Die zahlreichen Institutionen, die Studenten eine Unter‑ kunft boten und die namhaftesten Gelehr‑ ten anwarben, waren ein Charakteristikum der spätmittelalterlichen Stadt und hatten eine enorme Mobilität von Menschen und Ideen in der gesamten islamischen Welt zur Folge. (3.) Mithilfe von Stiftungen ließ sich ver‑ streuter Besitz von Gebäuden und Gütern verwalten, die in verschiedenen Teilen einer Stadt oder Region lagen. Die awqāf der Sultane Qāʾitbāy (gest. 1496) und al‑ Ġaurī (gest. 1516) umfassten zum Beispiel eine Mischung aus Gewerbebauten und Ackerland.35 Beiträge für den militärischen Bedarf der frühen muslimischen Kämpfer in Form eines waqf konnten beispielsweise Skla‑ ven, Pferde und Waffen sein, die dann in
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die Schlüsselgebiete des Reiches gebracht wurden. Da sie – dem Prinzip des waqf entsprechend – immer einem bestimmten Zweck gewidmet waren, wurden sie letzt‑ lich aufgebraucht. Im Laufe der Zeit nahm die Bedeutung dieser Stiftungen für die Kriegsführung ab, da die ersten Expansio‑ nen erfolgreich waren und weitere Kriege nun mit der Beute aus den Eroberungen finanziert werden konnten. Königliche Stiftungen folgten häufig dem Muster diversifizierter Investition. Sultan aẓ‑Ẓāhir Baibars (gest. 1277) stiftete eine madrasa in Kairo ‚zwischen den bei‑ den Gebäuden‘ (bain al-qasrain) mit einem großen Wohnkomplex in der Nähe von Bāb Zuwaila sowie einer Markthalle (qaiṣarīya) und einem Haus in anderen Stadtvierteln.36 Ein Teil der gestifteten Besitzungen von Sultan al‑Ašraf Ḫalīl (gest. 1293), die der Finanzierung seiner madrasa und des Mau‑ soleums seines Vaters dienten, bestand aus verpachteten Ländereien in den westlichen Vororten Kairos – neben zahlreichen Ge‑ schäften in der Hauptstadt und weiteren Ländereien in ganz Syrien.37 Diese breit angelegten Investitionen ermöglichten es den Stiftern, marode Gebäude wieder instand zu setzen und marginalisierte Re‑ gionen des Reiches aufzuwerten. Mit der Schaffung neuer und der Aufwertung alter Stadtgebiete oder einfach durch den Bau weiterer Geschäfte und Schulen konnten Machthaber auf diese Weise die urbane Struktur umgestalten. 16.3.4 Interferenzen mit anderen sozialen Räumen Interferenzen zwischen waqf- und weiteren sozialen Räumen lassen sich in sechs her‑ meneutische Kategorien einteilen: (1.) zwi‑ schen privaten und öffentlichen Stadtgebie‑ ten; (2.) mit städtischer Infrastruktur; (3.)
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mit ländlicher Infrastruktur; (4.) Interfe‑ renz zwischen städtischen und ländlichen Gebieten; (5.) ausgreifende Sakralisierung; (6.) interreligiöse Interferenz. (1.) Die Hauptmerkmale des urbanen Sys‑ tems in der muslimischen mittelalterlichen Stadt sind eine deutliche Trennung zwi‑ schen Gewerbe‑ und Wohngebieten sowie eine stark zentralisierte Organisation der Stadt. So konnte die Konzentration von awqāf in bestimmten Stadtgebieten von der Art der dort verrichteten Tätigkeiten und dem Charakter der jeweiligen Gegend beeinflusst sein. Die Struktur der Stadt hat‑ te auch direkten Einfluss auf den Standort bestimmter waqf‑Typen und auf die Exis‑ tenz zweier sehr gegensätzlicher Bereiche: einem ‚öffentlichen‘ Bereich (madīna) in der Stadtmitte und einem ‚privaten‘ oder ‚suburbanen‘ Bereich (rabaḍ), der in erster Linie ein Wohngebiet war. Die Forschungs‑ arbeiten Baber Johansens haben gezeigt, dass sich die ḥanafitischen Juristen dieser Einteilung der Stadt vollkommen bewusst waren.38 Kennzeichen der öffentlichen Bereiche waren eine breite Prachtstraße, ein großer Markt oder eine bedeutende Moschee. Die Zuständigkeit für dieses Areal lag in den Händen der politischen Autoritäten. In den privaten Bereichen – Wohngebiete mit Sackgassen – waren die Einwohner für jedes Verbrechen verantwortlich, das dort begangen wurde. (→ Abb. 12) Das Kairo der Mamlūkenzeit (1250–1517) war nach diesem System angeordnet und zu‑ gleich eine der größten Städte der Welt. Seine Entwicklung von der ayyūbidischen Doppelhauptstadt al‑Fusṭāṭ–al‑Qāhira zur mamlūkischen Metropole bedeutete eine gewaltige Transformation, die geprägt war von der intensiven Unterstützung sei‑ ner Machthaber. Nachdem sie ihre Herr‑ schaft mit Siegen gegen Kreuzfahrer und
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Mongolen legitimiert hatten, begannen die Mamlūken damit, ein religiöses Stif‑ tungsprogramm beispiellosen Ausmaßes zu verfolgen. Stiftungsurkunden enthalten detaillier‑ te Informationen über bestimmte Tätigkei‑ ten, die sich über Jahrhunderte hinweg in der Kairener madīna abspielten. Der Getrei‑ dehandel fand beispielsweise über fünfhun‑ dert Jahre lang an ein und demselben Ort statt. Die Stelle, die al‑Maqrīzī im ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts angibt – Sāḥil al‑Ġilāl (‚der Kornkai‘) –, bestand bis zum Ende der Osmanenzeit. Der Ort, an dem der Handel von qulqās (‚Zehrwurz‘) stattfand, blieb von der spätmamlūkischen Zeit bis zum 17./18. Jahrhundert dersel‑ be. Ein weiteres Beispiel für eine solche Ortsbeständigkeit ist der Funduq ar‑Rūz (‚Reisgasthaus‘), ein Gebäude, das im Jahre 1460 niederbrannte; ganz in seiner Nähe stand später auch die osmanische Wakālat ar‑Rūz (‚Reis‑Börse‘).39 Die Beispiele ver‑ deutlichen stadträumliche Kontinuitäten bestimmter Funktionen. Eine Konzentration von Stiftungen im öffentlichen oder privaten Bereich konnte mit ihrem materiellen Wert in Form von Kapital, aber auch mit ihrem symbolischen Wert in Zusammenhang stehen. Beide Wer‑ te gemeinsam bestimmten ihre Funktion innerhalb des Machtgefüges. Der Bau der Umayyadenmoschee in Damaskus war in eine Herrschaftsstruktur eingebettet, die von Kalif al‑Walīd ibn ʿAbd al‑Malik (gest. 715) in den Bereichen der politischen Macht, kommunaler Symbole und wirt‑ schaftlicher Ressourcen zu verorten ist. Es überrascht nicht, dass die Moschee ein spezielles Beispiel für ein Gebäude ist, in dem Mechanismen der Macht aufeinan‑ dertrafen. Hier war nämlich der Ort, an dem individuelle und gemeinsame religiöse Erfahrungen bezeugt und soziale Beziehun‑ gen verhandelt wurden – zu einer Zeit, die
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für die Expansion des islamischen Reiches maßgeblich war. Symbole der Macht konn‑ ten sich auch außerhalb der madīna befin‑ den. Der Sultan‑Ḥasan‑Komplex in Kairo, der von al‑Maqrīzī als eine ‚Gegenzitadelle‘ (ḍidda li-Qalʿat al-Ǧabal) bezeichnet wurde, da er außerhalb der madīna lag,40 war zu‑ gleich eine Institution für das Studium der Religion, eine Moschee und eine Grabstätte des Sultans.41 (→ Abb. 13) (2.) Stiftungen wurden benutzt, um die ur‑ bane Infrastruktur zu gestalten, die Stadt‑ landschaft zu formen und zu verändern und ein urbanisiertes Gebiet dauerhaft zu prägen. Bei näherer Betrachtung der kleinen Stiftungen, die nach militärischen Eroberungen von einflussreichen Persön‑ lichkeiten in Städten gegründet wurden, wird deutlich, welch enorme Auswirkung waqf‑Komplexe auf die urbane Infrastruk‑ tur hatten. Ein sabīl (‚öffentlicher Brunnen‘) wurde in der Regel als waqf in solchen Stadtgebieten angelegt, in denen geschäf‑ tiges Treiben vorherrschte und mit vielen Passanten zu rechnen war. Alle öffentli‑ chen Brunnen wurden in Flussnähe oder unweit der Hauptgeschäftsstraße erbaut, wo sich der geschäftigste und belebteste Teil der Stadt befand. Ein bemerkenswer‑ tes Beispiel ist der Sabīl waqf al‑ġamrī, der auf dem Waqf al‑ġamrī errichtet wurde, einer der Hauptstraßen im Kairener Bezirk Būlāq.42 Der sabīl und auch die ‚Grund‑ bzw. Schreibschule‘ (maktab) sind vor allem des‑ wegen von besonderer Bedeutung, weil sie Anziehungspunkte an bestimmten Plätzen waren. Der sabīl spendete durstigen Men‑ schen nicht nur Wasser und Schatten, son‑ dern rief ihnen auch in Erinnerung, dass er ein Geschenk des Stifters war, dessen Grabstätte häufig auf der anderen Seite des Komplexes lag. Schätzungen zufolge gab es im mamlūkischen Kairo über siebzig Brunnen, darunter viele auf Gräberfeldern,
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wobei solche für Moscheen und ḫānqāhs nicht einmal mit eingerechnet sind.43 (→ Abb. 14) Als große Wohn‑ und Ge‑ schäftsviertel in gewisser Entfernung vom Nil entstanden, wurde auch die Versorgung mit Frischwasser zu einem wichtigen Ziel wohltätigen Handelns. Einige Stiftungen, die für den häufigen Gebrauch durch eine breite Öffentlichkeit bestimmt waren, wur‑ den in der ganzen Stadt verbreitet, ebenso wie ṭawāḥīn (‚Mühlen‘, Sg. ṭāḥūn) und Mo‑ scheen. Ihre Standorte liefern uns wichtige Informationen über die Tätigkeiten, denen dort nachgegangen wurde, und in einigen Fällen auch über Bevölkerungsdichte und struktur.44 Die nordsyrische Stadt Aleppo bietet ein bemerkenswertes Beispiel dafür, wie so‑ gar große Stiftungskomplexe zur Formung der urbanen Infrastruktur genutzt werden konnten. Einige Jahrzehnte nach der osma‑ nischen Eroberung der Stadt im Jahr 1517 vergrößerte sich die Fläche des Stadtgebie‑ tes von Aleppo durch die Errichtung vieler großer Stiftungen beträchtlich – verglichen mit ihrer Ausdehnung in mamlūkischer Zeit.45 Ḫusraw Paša, einer der ersten Statt‑ halter von Aleppo, transformierte den städ‑ tischen Raum permanent durch den Bau seiner Moschee al‑Ḫusrawīya im Jahr 1544 südöstlich der Zitadelle und des Stadtgebie‑ tes aus mamlūkischer Zeit. Außer der Mo‑ schee wurden noch zahlreiche Geschäfts‑ gebäude errichtet, die sich auf einem Areal von vier bis fünf Hektar erstreckten, und zu denen auch eine Markthalle (qaiṣarīya) mit fünfzig Geschäften, ein ḫān (Raststel‑ le für Karawanen) mit fünfundneunzig Geschäften, ein Markt und weitere Läden zählten.46 Diese Bauten veränderten das Ge‑ sicht der Stadt und vergrößerten die Fläche des Stadtgebietes bis weit außerhalb seiner ehemaligen mamlūkenzeitlichen Grenzen. Auch Versammlungsmoscheen konn‑ ten dazu genutzt werden, zusammen mit
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anderen waqf-Typen die Grenzen der in‑ neren Stadt zu verändern. Zwei beeindru‑ ckende Gebäude in Kairo, die die Signatur von Sultan al‑Muʾayyad Šaiḫ (gest. 1421) tragen – die Moschee in der Nähe von Bāb Zuwaila und der bīmāristān (‚Hospital‘) unweit von Sikkat al‑Mahǧar am Fuße der Zitadelle –, haben mehr gemein, als nur vom selben Sultan erbaut worden zu sein. Beide lagen nämlich in der gleichen Straße, der Hauptstraße Kairos im 15. Jahr‑ hundert,47 und sollten das Stadtbild visuell dominieren. Der Bau der beiden Komple‑ xe an den jeweiligen Enden dieser Straße kann als eine Strategie verstanden werden, die Aufmerksamkeit der Passanten von der Nord‑Süd‑Strecke abzulenken, die jahrhun‑ dertelang die Hauptverbindung zwischen al‑Fuṣṭāṭ und al‑Qāhira gewesen war. Auf diese Weise veränderte das Projekt die räumlichen Grenzen der Stadt, indem die Ost‑West‑Achse des Darb al‑Aḥmar zur Hauptverkehrsader der Stadt wurde. (3.) Stiftungen nahmen auch in ländlichen Gegenden einen bedeutenden Platz ein, und zwar aus Gründen, die denjenigen in der Stadt ganz ähnlich waren. Die Stiftun‑ gen finanzierten und förderten religiöse und edukative Netzwerke innerhalb der jeweiligen religiösen Gemeinschaften ihrer Stifter. Zugleich bildeten sie die Basis für soziale und andere öffentliche Dienste, die der Gesellschaft als Ganzes zugutekamen. Möglich wurden solch umfassende gesell‑ schaftliche Eingriffe durch den Zufluss beträchtlicher Einnahmen aus Vermögen, die awqāf zugestiftet worden waren. In Ägypten rühmte sich die Hafenstadt Ale‑ xandria im 13. Jahrhundert ihrer vielen Schulen, genauso wie verschiedene kleine‑ re Städte des Nildeltas und der südlichen Provinzen.48 Stiftungen spielten daher eine gleichermaßen wichtige Rolle für die Infra‑ struktur ländlicher Dörfer und Weiler wie
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auch der Städte, nämlich als Instrument, mit dem nicht nur religiöse, öffentliche und soziale Dienstleistungen in Form eines waqf ḫairī (öffentliche Stiftung) unterstützt werden konnten, sondern auch Privatper‑ sonen und Familien durch einen waqf ahlī oder ḏurrī (Familienstiftung). (4.) Stiftungen auf dem Land schufen Be‑ ziehungen zwischen ländlichen und städ‑ tischen Gemeinschaften und hielten diese aufrecht, da beispielsweise Ackerland in abgelegenen Dörfern und im Hinterland Einnahmen für Begünstigte in der Stadt generierte. Mit anderen Worten sorgte der Verkauf landwirtschaftlicher Erzeugnisse oder die Verpachtung gestifteter Länderei‑ en, die außerhalb der Städte und mitunter tief im Landesinneren sowie weit entfernt von den Zentren der Städte lagen, für re‑ gelmäßige Einnahmen ihrer städtischen Begünstigten. Zu diesen Begünstigten zählten etwa bedeutende Moscheen, Grab‑ stätten, zāwiyas etc. So konnten Verbindun‑ gen zwischen Land und Stadt aufgebaut und zeitlich reguliert werden, wenn in der Regel einmal im Jahr Einnahmen, die auf dem Land generiert worden waren, an den urbanen waqf‑Empfänger ausgeteilt wurden. Auch in Gerichtsprotokollen des frühen 18. Jahrhunderts finden sich Ag‑ rarflächen, die als Stiftungen bezeichnet wurden. Einige Forscher sind der Meinung, dass solche awqāf bereits früher im Irak existierten und sich später an anderen Orten verbreitet hätten.49 (5.) Militärische Expansionen bieten zahl‑ reiche Beispiele von Stadtgründungen, in denen der waqf eine führende Rolle bei der Zerstörung alter und der Bildung neuer, islamisch geprägter urbaner Infrastruk‑ tur spielte. Die Zerschlagung eines Sym‑ bols der Gottlosigkeit und die Ersetzung durch einen waqf konnte als Akt der Buße
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verstanden werden – in Aleppo, Damaskus und Kairo gab es beispielsweise Moscheen, die den Namen ‚Moschee der Buße‘ trugen. Schriftliche Quellen, die zu einigen dieser Moscheen erhalten sind, offenbaren einer‑ seits, dass der Begriff tauba (‚Reue; Buße‘) und die soziale oder religiöse Zugehörig‑ keit des Stifters sowie seine Beweggründe miteinander korrespondierten. Anderer‑ seits zeigen sie, dass diese Stiftungen ein Ergebnis der Praxis sind, einen waqf genau an dem Ort zu errichten, an dem früher einmal ein Gebäude stand, das als Affront gegen die neue gesellschaftliche Ordnung empfunden wurde. In diesem Fall jedoch handelt es sich bei der Zerstörung nicht um die Zerstörung eines religiösen oder dynas‑ tischen Symbols, sondern eines Symbols der Gottlosigkeit. In Kairo ließ der Religi‑ onsgelehrte und namhafte ḥadīṯ‑Experte ʿAlāʾ ad‑Dīn al‑Muġulṭāy (gest. 1360) einige Gebäude abreißen, die von „verdorbenen Leuten“ (ahl al-fasād) aufgesucht worden waren. Dann gab er den Bau einer Moschee in Auftrag, die später als ‚Moschee der Buße‘ bekannt wurde.50 In den Vororten Kairos, genauer in Būlāq, geschah etwas ganz ähnliches: Im Jahr 1336 kaufte der Emir al‑Ḫaṭīrī ein Haus, das von Chris‑ ten besucht und in den Quellen als „Haus verkommener Menschen“ (dār al-fāsiqīn) beschrieben wurde, nur um es abreißen und an gleicher Stelle eine Moschee errich‑ ten zu lassen, die zwar seinen Namen trug, gemeinhin aber ebenfalls als ‚Moschee der Buße‘ bekannt war.51 In Aleppo baute der ḥadīṯ‑Experte Šams ad‑Dīn Muḥammad Ibn al‑Maʿṣarānī (gest. 1448) eine gleichna‑ mige Moschee in einer Wohngegend, die Ḥārat as‑Sūdān (‚Viertel der Schwarzen‘) genannt wurde und als ein Ort für Trinker und Prostituierte galt.52 Die neue Identität Jerusalems als musli‑ mische Stadt wurde symbolisch durch eine Umgestaltung der religiösen Stätten auf
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Befehl Saladins erreicht. Das große goldene Kreuz an der Spitze des Felsendomes wurde herabgeworfen und die Nebengebäude des Hauptsitzes der Tempelritter abgerissen. Weitere Gebäude der lateinischen Kirche wurden konfisziert und in islamische Re‑ ligionsstiftungen und Wohltätigkeitsins‑ titutionen umgewandelt.53 In allen Gegenden, die von Muslimen erobert wurden, spielten Stiftungen bei der Gestaltung in urbane Zentren eine wesent‑ liche Rolle, unabhängig davon, ob es sich um früher bereits bewohnte Städte handel‑ te, diese zerstört waren oder komplett neu errichtet wurden. Das zentrale Merkmal bei der Expansion muslimischer Städte war der Bau einer Moschee, der den Be‑ ginn der Umgestaltung der Stadt markierte. Finanziert wurde der Bau unter anderem mit Mitteln aus anderen awqāf. Daraufhin wurden weitere Gebäude errichtet, die ei‑ nen Bezug zur Moschee hatten. Auch jene Städte, die die islamische Welt übernahm, bekamen diese charakteristische und aus waqf‑Mitteln finanzierte Struktur, womit verdeutlicht werden sollte, dass die Stadt nun von Muslimen bewohnt wurde. Ein bemerkenswertes Beispiel dafür ist die Stadt Konstantinopel, die frühere Haupt‑ stadt des christlichen Byzanz, die im Jahr 1453 von den Osmanen erobert worden war. Infolge dieser Eroberung übernahm die Stadt unmittelbar die typischen Charak‑ teristika der Islamischen Stadt, etwa eine Freitagsmoschee und andere Baulichkeiten, die aus Stiftungen finanziert wurden.54 Der Prozess der Dezentralisierung und Destabilisierung, der im 11. und 12. Jahr‑ hundert seinen Anfang nahm, war einer der Hauptgründe dafür, dass Militärar‑ chitektur innerhalb und außerhalb der Städte zunehmend an Bedeutung gewann. In vielen Fällen scheint diese Zunahme eine Folge der türkischen Migration aus Zentralasien in den Iran gewesen zu sein,
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wohingegen in anderen Fällen die Errich‑ tung der Kreuzfahrerkönigreiche und die ständige Bedrohung durch das westliche Christentum gleichermaßen wichtig zu sein schienen. Dynastische Herrscher mit türkischen Titeln – wie etwa Sultan – ka‑ men an die Macht; sie beschworen die Be‑ wahrung der Scharia in einer Zeit, in der Nasser Rabbat zufolge eine „fortress men‑ tality“ vorherrschte, einer Zeit, in der sich der Status der Militäreliten auf Exklusion und Segregation als Kontrollmittel grün‑ dete.55 Herrscher ließen sich in Zitadellen am Rande etlicher Städte nieder, wie die Beispiele Damaskus, Aleppo, Mossul und Sivas zeigen. Etwas über 100 Zitadellen wurden allein in Syrien gebaut oder restau‑ riert. In diesen Zitadellen, die nun die neu‑ en Zentren der Macht und der Regierung der militärischen Elite bildeten, befanden sich zahlreiche Bauwerke einschließlich königlicher Moscheen, Paläste und awqāf, in denen das Militär untergebracht werden konnte. Unter Ġāzān Ḫān (gest. 1304) kam es zu einer Ausdehnung der Stadtgrenzen von Täbris. Er errichtete ein Mausoleum für sich selbst, eine Moschee, zwei Medre‑ sen – je eine für Ḥanafiten und eine für Šāfiʿiten – sowie viele weitere Gebäude. 1307 folgte Rašīd ad‑Dīn Ṭabīb (gest. 1318) seinem Beispiel. In seiner madrasa ver‑ sammelten sich Philosophen, Astronomen, Gelehrte und Historiker aller Religionen.56 Herrscher errichteten strategisch ribāṭs an den Grenzen ihrer Reiche, an denen Sufis und andere Muslime das Land be‑ stellten und zur Verbreitung des Islam beitrugen. Der ribāṭ wurde dazu genutzt, die Grenzen der dār al-Islām zu schützen, indem in den Häfen und Grenzstädten Streitkräfte stationiert wurden. Obwohl als ġazw (‚Angriff‘) oder ǧihād im Namen Gottes eigentlich koranischen Ursprungs (Q 8.72), entwickelte sich dieses System zu einer Zeit, als sich der islamische Staat
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eher in der Defensive befand. Die Juristen, insbesondere die Mālikiten Spaniens und Nordafrikas, deren Grenzen ständigen An‑ griffen europäischer Truppen ausgesetzt waren, betonten den defensive Charakter des ribāṭ; er wird auch in einigen Hadithen hervorgehoben. In Spanien kam dem ribāṭ in den Augen der Muslime größere Bedeutung zu als dem ǧihād, da dort die Grenzen ständig von christlichen Truppen angegriffen wurden. Dies war auch der Grund dafür, dass Ibn Huḏail (gest. 1399) aus Granada in seiner Geschichte des ǧihād im 12. Jahrhundert – einer Zeit, als sich die islamische Herr‑ schaft in Spanien bereits auf die südlichen Regionen reduziert hatte – das zweite Kapi‑ tel dem ribāṭ widmete und die Verteidigung Spaniens gegen die Ungläubigen zu Land und zu Wasser hervorhob.57 Interessant ist, dass der Begriff ribāṭ in seiner ursprüng‑ lichen Bedeutung ein burgähnliches Ge‑ bäude bezeichnet, das an den Grenzen der dār al-Islām gebaut wurde und ʿulamāʾ als Kämpfer an der Grenze beherbergte. In Kriegszeiten konnten auch Gebäudekom‑ plexe militärische Funktionen besitzen: Der Sultan‑Ḥasan‑Komplex in Kairo etwa, der ursprünglich als Institution für religi‑ öse Studien, als Moschee und als Grabstät‑ te für den Sultan gegründet worden war, diente zwanzig Jahre nach seiner Fertig‑ stellung als nunmehr befestigte Stellung militärischen Zwecken.58 Einige ribāṭs an der Küste dienten als kommerzielle und diplomatische Vertre‑ tungen, in denen der Freikauf muslimi‑ scher Gefangener stattfand. Der geogra‑ phische Standort seiner Überreste kann in Verbindung mit schriftlichen Quellen wichtige Informationen darüber liefern, wie sie operierten. Eine solche schrift‑ liche Quelle ist die berühmte Beschrei‑ bung Palästinas durch den Geographen al‑Muqaddasī (gest. 990). Er vermittelt ein
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lebendiges Bild der Interaktion verschiede‑ ner Stiftungen und ihrer unterschiedlichen Funktionen, da die Gelder für den Freikauf muslimischer Gefangener häufig aus waqf‑ Vermögen und persönlichen Schenkungen kamen.59 Die Koexistenz von awqāf in nahe bei‑ einander gelegenen Orten konnte zur Vergrößerung des einen und zur Zerstö‑ rung des anderen führen. Die Madrasa aš‑ Šanḏbaḫtīya, die von dem Statthalter von Aleppo Nūr ad‑Dīn ibn Zankī im 12. Jahr‑ hundert gegründet wurde, hatte auch eine Art Nebenstelle außerhalb der Stadtmau‑ ern. Deshalb gab es zwei Schulen gleichen Namens an zwei verschiedenen Standorten. Zur Zeit des mamlūkischen Sultans al‑Ma‑ lik al‑Ašraf Abū an‑Naṣr Barsbay zerstörte der Verwalter die Schule, verkaufte die Bausteine und transferierte die Einnahmen aus dem waqf und aus dem Verkauf von der außerhalb der Stadtmauern gelegenen Schule auf die Einrichtung, die innerhalb der Stadtmauern lag.60 (6.) Auch religiöse Minderheiten machten umfassenden Gebrauch von Stiftungen. Mit ihrer Hilfe konnten sie ihre religiösen und sozialen Einrichtungen in der Stadt festi‑ gen und so zugleich ihre Präsenz im inf‑ rastrukturellen Gefüge der Stadt stärken, insbesondere während der osmanischen Zeit. Eine waqfīya aus dem Jahre 1272 bei‑ spielsweise erwähnt eine Kirche namens Waqf al‑bīʿa (‚waqf der Loyalität‘). Interes‑ santerweise trugen Kirchenstiftungen oft auch weibliche Eigennamen und belegen daher möglicherweise, dass awqāf christ‑ lichen Frauen Mittel und Wege eröffneten, eine bedeutende Rolle in der Gesellschaft zu spielen.61 ClM
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Anmerkungen 1 Für eine umfassende Übersicht über die Li‑ ähnlichen Vorschriften siehe Homerin, Saving
teratur zur Islamischen Stadt siehe Neglia, His‑ toriographical Notes (2008), 3 f. 2 Zur urbanen Entwicklung in ayyūbidischer und mamlūkischer Zeit siehe Lapidus, Muslim Cities in the Later Middle Ages (1984); Ziadeh, Urban Life (1953). Andere Untersuchungen ha‑ ben sich vor allem auf die urbane Entwicklung in osmanischer Zeit konzentriert. Zu Damaskus siehe etwa Pascual, Damas (1983); zu Aleppo Hanna, Urban History (1983); Tate, Waqfiyya (1990). 3 Siehe etwa Rabbat, Citadel of Cairo (1995); Ders., Mamluk Throne Halls (1993); Pahlitzsch, Memoria und Stiftung (2005). 4 Van Leeuwen, Waqfs and Urban Structures (1999); dazu ausführlich → 16.3.2. – Zu waqf und Raum siehe auch Borgolte, Stiftungen – eine Ge‑ schichte von Zeit und Raum (2009, ND 2010 und 2012), bes. 397–400. 5 Boqvist, Building an Ottoman City (2012), 192. Der einzig erhaltene Rest dieses Gebäudekom‑ plexes des 16. Jahrhunderts ist der Haupteingang zum sūq hin. Daher beziehen sich Boqvists Über‑ legungen auch in erster Linie auf die mögliche Form und Struktur des Komplexes. 6 Siehe beispielsweise den Verweis auf christli‑ che Marmorarbeiter, die 1313 von Damaskus nach Kairo gebracht wurden, um am Qasr al‑Ablaq zu arbeiten: Creswell, Early Muslim Architecture (1932), 241. Zum gleichen Thema siehe auch Burgoyne, Mamluk Jerusalem (1987), 237; Meinecke, Mamluk Architecture (1985), 171; Rabbat, Mamluk Throne Halls (1993), 207. 7 Boqvist, Building an Ottoman City (2012), 199 f. 8 Abū Yūsuf al‑Kindī, Kitāb al‑wulāt wa kitāb al‑quḍāt. Beirut 1908, 394 f. 9 Alhamzah, Late Mamluk Patronage (2009), 114. 10 Boqvist, Building an Ottoman City (2012), 199. 11 Akkach, Cosmology and Architecture (2005), 151. 12 Boqvist, Building an Ottoman City (2012), 192. 13 Hillenbrand, Islamic Architecture (1994), 190– 192; Pahlitzsch, Memoria und Stiftung (2005), 83–89. – Zu Memorialstiftungen allgemein → 8.3.2; AlʿAsalī, Waṯāʾiq maqdisiya tārīḫīya (1983), 94. Zu
Muslim Souls (1999), 71.
14 Vgl. Chamberlain, Knowledge and social practice (1994, ND 2002), 55.
15 Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī, Al‑Mawāʿiṭ wa‑l‑
iʿtibār fī ḏikr al‑ḫiṭat wa‑l‑āṯār, Bd. 2. Ed. Aimān Fuʾād Saiyidī. Beirut 2003, 92. 16 Wolper, Cities and Saints (2003), 66. 17 Boqvist, Building an Ottoman City (2012), 193. 18 S. Weber, Making of an Ottoman Harbour Town (2010), 231. 19 Wheatley, Places (2001), 231. 20 Al-Harithy, Complex of Sultan Hasan (1996), 73–75. 21 Kahil, Sultan Ḥasan Complex (2008), 121 f. Siehe auch Al-Harithy, Four Madrasahs (2007). 22 Van Leeuwen, Waqfs and Urban Structures (1999), 59 f. Van Leeuwen argumentiert, dass der waqf Teil eines ‚Feldes‘ sei, d. h. eines Sets von sozialen Beziehungen, das Individuen mit Macht, Status und Ressourcen ausstattet. Strukturiert werde dieses Feld durch rechtliche Regulierun‑ gen, nicht‑gesetzlich regulierte Codes und hier‑ archische Beziehungen; es bilde den Rahmen, in dem Mechanismen der Macht wirksam werden und in dem Kämpfe um Macht und um andere Ressourcen ausgetragen werden. 23 Ein typisches Beispiel ist die turba von Azdumur, die auf dem Nordfriedhof von Kairo liegt und Ende des 15. Jahrhunderts gebaut wurde. Entstehungszeit, Bautyp, Stifter und fehlende Bestandteile konnten mit Hilfe einer Untersu‑ chung der materiellen Überreste, der Verzierung, Bauplänen sowie historischer Berichte und Foto‑ grafien identifiziert werden; siehe Hamza, Turba of Azdumur (2009). 24 Van Leeuwen, Waqfs and Urban Structures (1999), 182. 25 Rabbat, Al‑Azhar Mosque (1996), 55. 26 Ibn al‑Aṯīr, Al‑Kāmil fī‑l‑tārīḫ, Bd. 10. Ed. Abū al-Fidāʾ ʿAbd Allāh. Beirut 2003, 229. 27 Little, Catalogue (1984), 206, Anm. 77. 28 Hillenbrand, Islamic Architecture (1994), 190–192. 29 Loiseau, Investissements (2012), 169 f.
230 30 Ob diese Maßnahmen die Expansion von šīʿa oder sunna eindämmen oder eine neue Or‑ thodoxie begründen sollten, steht zur Debatte; Safi, Politics of Knowledge (2006), 91–93. 31 Hillenbrand, Islamic Architecture (1994), 175. 32 Berkey, Transmission of Knowledge (1992), 47. 33 Ibn al‑Aṯīr, Kāmil, Bd. 6. Ed. Abū al-Fidāʾ ʿAbd Allāh (wie Anm. 26), 260. 34 Wolper, Cities and Saints (2003), 27 f. 35 Behrens-Abouseif, Mamluk City (2008), 307 f. Der waqf von Ḥāǧǧ Mūsā al‑Amīrī aus dem Jahr 1763 enthielt Besitzungen in verschiedenen Teilen der Stadt, um ganz bewusst eine ausgeglichenere Verwaltung der Einkommen zu forcieren. Tate, Waqfiyya (1990), 61–70. 36 Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī, Mawāʿiṭ, Bd. 2. Ed. Saiyidī (wie Anm. 15), 299. 37 Behrens-Abouseif, Mamluk City (2008), 307. 38 Johansen, All‑Embracing Town (1999). Johan‑ sen stellt fest, dass in früher islamischer Zeit die Freitagsmoscheen einen Unterschied zwischen Stadt und Land markierten, da sie ausschließlich in Städten gebaut wurden. Später kennzeichneten die vielen Freitagsmoscheen und eine ausgeklü‑ gelte Hierarchie von Kultbauten die Stadt. 39 Hanna, Urban History (1983), 63 f. 40 Wörtlich: „gegenüber der Bergzitadelle“. Die Kairener Zitadelle ist bekannt als Qalʿat al‑Ǧabal. 41 Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī, Mawāʿiṭ, Bd. 2. Ed. Saiyidī (wie Anm. 15), 316. Der Komplex wurde zwar als Lehrstätte für religiöse Studien, Mo‑ schee und Grabstätte gebaut, die Beschreibung von al‑Maqrīzī bezieht sich allerdings auf seine spätere Verwendung. Er diente auch als Festung, von der aus Aufständische während eines An‑ griffs der sultanstreuen Mamlūken Pfeile auf die Zitadelle schossen. 42 Hanna, Urban History (1983), 74. 43 Sabra, Poverty and Charity (2000), 93 f. 44 Ein späteres Beispiel ist die ‚Handelsvertre‑ tung‘ (wakāla), die von Sitt ʿĀʾiša Hanūm im Jahre 1758 in Būlāq, einem Geschäftsviertel von Kairo,
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gestiftet wurde, und zu der auch ein furn (‚Back‑ ofen‘), ein ṭāhūn und eine ungenannte Anzahl von makāns gehörten. Es gab zahlreiche ṭawāhīn, von denen manche als waqf bezeichnet wurden, wie etwa der Waqf Sitta Bint Muṣṭafā Mirzā. Hanna, Urban History (1983), 70. 45 Basierend auf Raymond, Grands waqfs (1980), 115–117. 46 Deguilhem, Waqf in the City (2008), 935. 47 Crecelius / Bakr, Al‑Damurdashi’s Chronicle of Egypt (1991), 162. 48 Zu madrasas im Süden Ägyptens siehe Garcin, Centre musulman (1976). 49 Sabra, Public Policy (2005), 97. Es gibt einige Arbeiten zu diesem Thema, z. B. für Südsyrien in frühosmanischer Zeit; Hütteroth / Abdulfattah, Historical Geography (1977). 50 Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī, Kitāb as‑sulūk fī maʿrifat ad‑duwal wa‑l‑mulūk. Kairo 1941, 98; Ibn Taġrībirdī, An‑Nuǧūm az‑zāhira fī mulūk Miṣr wa‑l‑Qāhira, Bd. 9. Kairo 1963, 97. 51 Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī, Mawāʿiṭ, Bd. 3. Ed. Saiyidī (wie Anm. 15), 45. 52 Ṣibt Ibn al‑ʿAǧamī, Les Tresors d’Or. Kunūz aḏ‑ḏahab fī taʾrīḫ ḥalab. Ed. Jean Sauvaget. Bei‑ rut 1950, 63. 53 Murray, Demographics of Urban Space (2009), 222 f.; Pahlitzsch, Transformation (2004). 54 Faroqhi, Map of Anatolian Friday Mosques (1984); Inalcik, Istanbul (1990). 55 Rabbat, Citadel of Cairo (1995), 283. 56 Borgolte, Stiftungen – eine Geschichte von Zeit und Raum (2009, ND 2010 und 2012), 397 f. 57 Ibn Huḏail, Tuḥfat al‑anfus wa šiʿār sukkān al‑Andalus. Ed. Louis Mercier. Paris 1936, 8–10. 58 Kahil, Sultan Ḥasan Complex (2008), 1–4. 59 Al‑Muqaddasī, The Best Divisions for Know‑ ledge of the Regions. Ed. Basil A. Collins. Reading 1994, 162. 60 Aṭ‑Ṭabbāḫ, Iʿlām an‑nubalāʾ bi‑taʾrīḫ Ḥalab aš‑šahbāʾ, Bd. 4. Ed. Muḥammad Kamāl Dār alQalam al-ʿArabī. Aleppo 1988, 320. 61 Redford, Rape of Anatolia (2015), 114.
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16.4 Juden 16.4.1 Allgemeines Jüdische Gemeinden fanden sich im mit‑ telalterlichen Jahrtausend in weiter geo‑ graphischer Streuung von der Iberischen Halbinsel bis nach Indien, von West‑ und Mitteleuropa bis nach Nordafrika. Zah‑ lenmäßig dominierten in dieser Periode die jüdischen Bevölkerungen des Nahen Ostens, wo in Palästina und Babylonien zudem die frühen und maßgebenden reli‑ giösen Autoritäten ihren Sitz hatten. Neben ihnen existierten und entwickelten sich die jüdischen Siedlungszentren der mit‑ telalterlichen Diaspora. Der gemeindliche Zusammenschluss realisierte sich dabei überall in konkreter Bindung seiner Mit‑ glieder, wovon nicht zuletzt die Bezeich‑ nung einzelner lokaler Gruppen als ‚heilige Gemeinde‘ (qehilah qedoshah, )קהילה קדושה1 zeugt. Insofern es prinzipiell die Anwesen‑ heit von Juden war, die eine Heiligkeit der Stätten bedingen konnte, kamen entspre‑ chende Apostrophierungen zahlreichen Kongregationen innerhalb des weiten jü‑ dischen Siedelgebiets zu und zeichneten Gemeinden in den Metropolen ebenso wie solche in den kleineren Städten aus.2 Ge‑ meinsamer Bezugspunkt aller Juden blieb gleichzeitig Jerusalem: nach biblischer Tra‑ dition die Stadt König Davids und mit den Bauten von Erstem und Zweitem Tempel der zentrale Ort der Verehrung Gottes. In der Liturgie des jüdischen Gottesdienstes war die Referenz auf Jerusalem obligato‑ risch.3 Als Pilger besuchten Juden, sofern möglich, die ‚Heilige Stadt‘ (ʿir ha-qedoshah, )עיר הקדושה.4 Zur religiösen Pflicht entwi‑ ckelte sich die Pilgerschaft im Judentum indes nie, dessen Anhänger ihre Heim‑ statt mehrheitlich außerhalb ereṣ yisraʾʾel
fanden.5 Die überschaubare jüdische Be‑ völkerung Jerusalems, die sich dort nach der muslimischen Eroberung im Jahre 638 u. Z. erneut niederließ, blieb in durchgängig prekärer ökonomischer Lage langfristig auf die Unterstützung ihrer Glaubensgenossen in der Ferne angewiesen.6 Angesichts einer solch komplexen dias‑ porischen Existenz liegen Fragen nach der räumlichen Konstitution und Erfahrung jüdischen Lebens nahe. Als religiöse Min‑ derheit mussten Juden ihre Lebensräume stets gegenüber einer umgebenden Mehr‑ heitsgesellschaft behaupten. Insbesondere im lateinchristlichen Europa sah man sich dabei seit dem 13. Jahrhundert verstärkt mit Ausgrenzungstendenzen konfrontiert, die ihren Niederschlag auch in einer räumli‑ chen Segregation finden konnten.7 Gleich‑ zeitig entwickelten Juden eigene Organi‑ sationsformen, die ihnen den Zusammen‑ halt ermöglichten: Materiell gewann die Gemeinde Gestalt mittels ihrer verschie‑ denen Institutionen, die sich gewöhnlich in nachbarschaftlicher Nähe zueinander befanden. Doch auch symbolisch ließ (und lässt) sich über den ʿeruv ḥaṣerot (die ,Ver‑ mischung‘ oder ,Vereinigung der Höfe‘) zumindest temporär ein religiöser Raum begründen: Da es am Schabbat nur erlaubt ist, einen Gegenstand innerhalb des ,Be‑ reichs des Einzelnen‘ zu tragen, fasst man Höfe, Gassen und Viertel für diese Zeit zu einem solchen Bereich zusammen und deklariert sie entsprechend. Transporte etwa zwischen Wohnungen und Häusern werden auf diese Weise ohne Rechtsver‑ letzung innerhalb des nun ausgewiesen jüdischen Raumes möglich.8
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Angeregt durch Ansätze des ,spatial turn‘ sind in der judaistischen Forschung des vergangenen Jahrzehnts derartige räumliche Dimensionen des historischen Geschehens problematisiert worden, und Prozesse des ,doing Jewish space‘ sind ver‑ mehrt in den Fokus gerückt.9 Auch im en‑ geren Feld der Arbeiten zum Stiftungswe‑ sen der Juden hat man von entsprechenden Fragestellungen Notiz genommen, wobei in der Regel recht spezifische Einzelbefunde verhandelt worden sind.10 Die folgenden Ausführungen zielen daher darauf, die verstreuten Ansätze der Forschung unter der Leitfrage nach den Möglichkeiten einer Raumkonstitution durch Stiftungstätigkeit von Juden zu sichten und zu diskutieren. Dabei spiegeln die unterschiedlichen Ebe‑ nen des Stiftungsgeschehens das Span‑ nungsgefüge jüdischen Lebens zwischen lokal‑regionaler Ausrichtung und trans‑ regionaler Verbundenheit ebenso wider wie seine Bedingung durch die jeweiligen Umweltkulturen: Juden und Jüdinnen stif‑ teten vornehmlich im Rahmen ihrer loka‑ len Gemeinden, die sich auf diese Weise jeweils räumlich konstituierten. Auf die‑ sen Aspekt ist das Hauptaugenmerk des vorliegenden Artikels gerichtet. (→ 16.4.2) Anders gelagert war der besondere Fall von Stiftungen für Jerusalem beziehungs‑ weise das Heilige Land, die es in allen jü‑ dischen Siedlungszentren gab. Hier lässt sich beobachten, wie jüdische Stifter, die verstreut in den verschiedenen Gemeinden wirkten, in ihrer gemeinsamen Ausrich‑ tung auf die Unterstützung ihrer fernen Glaubensgenossen immer wieder einen umfassenden jüdischen Raum schufen. (→ 16.4.3) Während die Stiftung oftmals also als Mittel erscheint, einen spezifi‑ schen Raum der Minderheit zu kreieren, sind am Ende auch jene Konstellationen zu berücksichtigen, in denen ein solcherma‑ ßen jüdischer Stiftungsraum mit anderen,
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auch nichtjüdischen Räumen interferierte. (→ 16.4.4) In geringerem Maße nämlich als den Mitgliedern der umgebenden Mehr‑ heitsgesellschaften war es Juden möglich, die Bedingungen ihrer Stiftungstätigkeit zur Gänze selbst zu bestimmen. 16.4.2 Konzentration Die meisten mittelalterlichen Juden lebten in Städten, wo sie sich als Gemeinden or‑ ganisierten. Topographisch erfassen lassen sich die gemeindlichen Zusammenschlüsse und mit ihnen die Stiftungsaktivität ihrer Mitglieder über gemeinsame Institutionen und deren bauliche Gestaltung: Allen vor‑ an die Synagoge, aber etwa auch das rituel‑ le Tauchbad, das Lehrhaus und der Friedhof wurden in der Regel zunächst durch den Gemeinde‑heqdesh eingerichtet.11 (→ 12.4.1) Zeit ihres Bestehens blieben diese Institu‑ tionen an Ort und Stelle jedoch auf eine fortgesetzte Stiftungspraxis angewiesen. Denn ihre dauerhafte Nutzung hatte die Instandhaltung von Gebäuden und Ge‑ lände ebenso zur Voraussetzung, wie sie der weiteren Ausstattung mit liturgischem Gerät bedurfte. Beobachten können wir die verschiedenen Einrichtungen jeweils separat als monolokale Stiftungsräume sowie – dies sei zumindest angedacht – in ihrer Zusammenschau als topographi‑ sches Gefüge. Die Synagoge, das ‚Haus der Versammlung‘ (beit ha-kneset) und somit Zentrum des gemeindlichen Lebens, bietet sich als Objekt und Ausgangspunkt der folgenden Betrachtungen an, da hier relativ vielfältige Formen des Stiftungshandelns dokumentiert und zum Teil auch in der Forschung thematisiert worden sind. So lässt sich am Beispiel der Synagoge verfolgen, wie einzelne Stifter durch ihre Stiftungen beziehungsweise Zustiftungen
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die räumliche Nutzung des Gebetsortes gestalteten und welche Grenzen ihrem Tun gesetzt waren. Den grundsätzlich hohen Stellenwert der Versammlungsstätte offen‑ bart ihre Bezeichnung als ‚kleines Heilig‑ tum‘ (miqdash meʿaṭ, )מקדש מעט,12 die bereits im 11. Jahrhundert in einer Wormser Stif‑ terinschrift aufgegriffen wurde und später auch in Córdoba und Toledo Verwendung fand (→ 6.4.2): Zwar war die Synagoge nicht mit dem einstigen Jerusalemer Tem‑ pel gleichzusetzen, dessen Nachahmung man untersagte. Doch in der architektoni‑ schen Anlage und im liturgischen Vollzug, den man analog zu den Opfern im Tempel begriff, vergegenwärtigten die Zeitgenos‑ sen das alte Sanktuarium, ja machten es sich regelrecht verfügbar.13 Die freistehen‑ den Säulen, die im Falle der zweischiffigen Bauten die Mitte des Saales durchzogen, konnten als jene des Jachin und des Boas erscheinen, wie sie biblisch für das Jeru‑ salemer Heiligtum überliefert sind.14 Und ähnlich der Topographie einer abgestuften Heiligkeit des Tempels, in dessen Zen‑ trum die Bundeslade stand, bildeten in den Synagogen Thoraschrein (aron ha-qodesh, ארון הקודש, also der ‚heilige Schrein‘) und Lesepult (zumeist bimah oder almemor) die herausgehobenen Orte des Gebäudes. (→ 6.4.3; Abb. 15) Beide Elemente waren orientalischen, sephardischen und asch‑ kenasischen Sakralbauten gemein und für den jüdischen Gottesdienst mit seiner Le‑ sung der Heiligen Schrift als wesentlichem Bestandteil unabdingbar: Die Thorarollen mussten aus ihrem Schrein an der Jerusa‑ lem zugewandten Seite der Synagoge – in Europa also der Ostwand – gehoben und an den Ort ihrer Verlesung gebracht wer‑ den. Letzterer war in der Regel als Estrade gestaltet und befand sich in der Mitte des Saales. In Spanien lag er häufiger auch an der dem Schrein gegenüberliegenden West‑ wand, so dass mit Aushub und späterer
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Rücksetzung der Thorarollen, während derer alle Versammelten zu stehen gehal‑ ten waren, hier ein noch weiterer Kreis als in den Gotteshäusern anderer Regionen beschritten wurde.15 Die Stiftung einer Synagoge und ihre architektonische Ausgestaltung struktu‑ rierten also bereits in bedeutungsvoller Weise das zukünftige Handeln der Gemein‑ demitglieder, die durch ihr Tun wiederum ihrerseits den synagogalen Raum gestalte‑ ten. Vor allem Responsa aus den verschie‑ denen jüdischen Siedlungszentren belegen die grundlegenden spatialen Dimensionen einer fortgesetzten Stiftungsaktivität, die an neuralgischen Punkten des liturgischen Vollzugs ansetzte. So stellten Thorarollen und ihr Schmuck überall beliebte Stiftungs‑ objekte dar. (→ 6.4.2) In Fustat (Altkairo) verfügte die Ben‑Ezra‑Synagoge sogar über eine separate Kammer, um diese Thora‑ rollen aufzubewahren.16 Dem Willen der Stifter scheint jedoch eine bloße Ausstat‑ tung des Hauses mit den heiligen Texten nicht genügt zu haben, sondern es finden sich einzelne Hinweise, dass die Gaben an ihre Verwendung im synagogalen Gottes‑ dienst und somit die Konstitution des li‑ turgischen Raumes gebunden wurden: Aus einer an den mallorquinischen und später in Algier tätigen Gelehrten R. Shimeon b. Ṣemaḥ Duran (genannt Rashbaṣ, 1361– 1444) gerichteten Anfrage erfahren wir von einer gestifteten Thorarolle, die offenbar zusammen mit anderen über lange Zeit hin am Schabbat in der Synagoge genutzt worden war, bis sich nun jemand in der Gemeinde dieser Praktik entgegenstellte. In seinem Gutachten erklärte R. Shimeon die Behinderung der ‚Aushebung‘, also die Beeinträchtigung der allwöchentlichen Entnahme der Schriftrolle aus dem Schrein, in dem sie außerhalb des Gottesdienstes verwahrt wurde, für unrechtmäßig. Auf diese Weise entstehe nämlich der Verdacht,
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das Exemplar sei makelhaft und untaug‑ lich. Tatsächlich stelle es den schlecht‑ hin größten Makel dar, wenn die Rolle nur im Schrein stünde und nicht aus ihr gelesen würde. Diejenigen hingegen, die aus der Thorarolle lesen wollten, leisteten eine Mitzwa, eine religiös verdienstliche Handlung.17 Manch ein Stifter suchte sich das Recht zu sichern, die Schriftrolle selbst auf die zum Lesen bestimmte Estrade zu ‚erheben‘, ein Akt, von dem man sich offen‑ kundig auch eine Erhöhung eigenen Pres‑ tiges versprach. (→ 7.4.3) Als rabbinische Autorität mit der Frage nach der Rechtmä‑ ßigkeit eines entsprechenden Vorgehens konfrontiert, verwies R. Shimeon b. Ṣemaḥ Duran in einem weiteren Gutachten auf die Bedingungen, unter denen die Thora‑ rolle gestiftet worden sei. Habe der Stifter sich das Verfügungsrecht (ḥazaqah) über das Objekt gesichert, sei dieses zu achten. Andernfalls sollten angesehene Männer der Gemeinde die Thorarolle zur Lesung überführen, und es sei nach dem Minhag, dem jeweils lokalen Brauch in der Stadt, zu entscheiden.18 In etlichen Gemeinden scheint in dieser Hinsicht eine möglichst breite Partizipation am liturgischen Ge‑ schehen angestrebt worden zu sein, indem man die verschiedenen Bestandteile der Thoralesung jeweils gegen die Entrichtung einer Abgabe an den Gemeinde‑heqdesh an unterschiedliche Personen vergab: Thora‑ Aushebung, ‑Lesung und ‑Rücksetzung, aber auch Hilfsdienste wie das Auf‑ und Abwickeln der Rollen oder die Zureichung des Thoramantels.19 Durch ihre individuel‑ len Zustiftungen bot sich auf diese Weise gleichzeitig mehreren Gemeindemitglie‑ dern die Möglichkeit, den synagogalen beziehungsweise liturgischen Raum aktiv mitzugestalten. Bewegungen und Positionierungen in‑ nerhalb des Gotteshauses blieben insge‑ samt in starkem Maße auf Thoraschrein
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und erhöhtes Lesepult hin ausgerichtet. Die Nähe zu beiden Stätten war erstrebenswert: Sie ermöglichte die Teilhabe am sakralen Geschehen und bot gleichzeitig die Mög‑ lichkeit der Demonstration der eigenen sozialen Stellung. Augenfällig tritt eine entsprechende Orientierung in der weite‑ ren Möblierung des Hauses und der mehr oder weniger dauerhaften Aneignung von Sitzplätzen durch die Synagogenbesucher hervor. Inwiefern die Gemeindemitglieder dabei durch Stiftungshandeln die Ordnung der Plätze erweitern und gestalten konnten, scheint innerhalb der einzelnen Kongre‑ gationen unterschiedlich gehandhabt wor‑ den zu sein. Die allgemeine talmudische Auflage, man solle einen festen Ort zum Gebet und somit auch in der Synagoge haben, ließ sich auf verschiedene Weise realisieren.20 Dem modernen Historiker bieten sich jeweils nur momenthafte Ein‑ blicke in einzelne Arrangements, da eine auch nur annäherungsweise umfassende Übersicht einer zeitgenössischen Sitzord‑ nung nicht überliefert ist. Tendenziell war in den Synagogen in‑ nerhalb der muslimischen Umwelt eher die Verwendung von Matten und Teppi‑ chen üblich, so dass man gegebenenfalls am Boden Platz nahm. In den jüdischen Gotteshäusern, die sich in christlicher Umwelt fanden, nutzte man bereits früh Bänke und Gestühl, die vermutlich eine stabilere Sitzordnung fixierten.21 Infolge der beschriebenen verschiedenartigen Po‑ sitionierungen des Lesepults in den asch‑ kenasischen und wohl auch orientalischen Synagogen auf der einen Seite und den sephardischen auf der anderen geht man von unterschiedlichen Orientierungen der Sitzplätze aus: Im ersten Fall konzentrierte sich das Geschehen auf die in der Mitte des Saales befindliche Lesebühne, in de‑ ren Nähe man zu sitzen begehrte. Im an‑ deren Fall, in dem sich Thoraschrein und
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erhöhtes Lesepult an gegenüberliegenden Seiten des Hauses befanden, waren die Sitzgelegenheiten möglicherweise gleich‑ mäßiger verteilt.22 Einen singulären zeit‑ genössischen Einblick in das Innere einer Synagoge gestatten die Ausführungen des R. Jakob b. Asher (1269–1340), der mit seiner Familie zu Beginn des 14. Jahrhunderts von Köln nach Toledo gezogen war und weiterhin von einer mittigen Platzierung des Lesepults ausging: Die Ältesten, also die Vorsteher und Würdenträger, sollten neben dem Thoraschrein Platz nehmen und ihr Gesicht der bimah zuwenden. Die übri‑ gen Gemeindemitglieder saßen hingegen offenbar in mehreren Reihen annähernd kreisförmig um die Lesebühne, so dass ihre Blicke zum Großteil auch auf Schrein und Älteste, aber vor allem auf die bimah gerichtet waren.23 Eingerichtet und finanziert wurden die Sitzgelegenheiten vermutlich anfänglich mit dem Bau einer Synagoge durch den Gemeinde‑heqdesh. Die Verteilung der Plät‑ ze erfolgte entweder nach Familien oder direkt über die einzelnen Gemeindemit‑ glieder.24 Zustiftungen von Matten bezie‑ hungsweise Bänken durch private Stifter oder Neuanschaffungen aus Mitteln des Ge‑ meindefonds waren möglich, stießen aber zum Teil auch auf Ablehnung, wenn die Inhaber bereits bestehender Sitzplätze eine Verschlechterung ihrer relativen Position befürchteten.25 Insofern den ,Eingesessenen‘ weitreichende Verfügungsrechte zukamen, die gewöhnlich auch das Recht des Verkaufs und der Vererbung umfassten, waren einem fortgesetzten Stiftungshandeln Grenzen gesetzt. Es kam vor, dass durch Erbschaft Sitze wieder an den Gemeinde‑heqdesh zu‑ rückfielen.26 Doch dem mancherorts akuten Problem der Akkumulation vieler Sitzplät‑ ze in den Händen weniger ließ sich durch Zustiftungen kaum begegnen: Wo zwar die Inhaber der Plätze wechseln konnten, nicht
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aber deren Gesamtordnung zur Disposition stand, war eine Verfestigung des synago‑ galen Raumes unvermeidbar.27 Dies belegen am Ende ebenfalls die Po‑ sitionierungen von Frauen, obgleich die‑ selben mittels individueller Stiftungsakte stärker in das synagogale Geschehen ein‑ zugreifen wussten, als zunehmend feste Abgrenzungen zwischen den Geschlech‑ tern im Gottesdienst zunächst vermuten lassen könnten.28 Seit dem frühen 13. Jahr‑ hundert wurde die Separation von Män‑ nern und Frauen auch architektonisch manifest: In Aschkenas schuf man An‑ bauten, die Frauen durch einen eigenen Zugang betraten. Die Abläufe im Haupt‑ gebäude konnten durch verschieden breite Seh‑ und Hörluken verfolgt werden.29 Viele spanische und orientalische Synagogen erhielten zur selben Zeit einen ähnlichen Gebäudeannex. Alternativ waren hier auch Emporen oder Galerien üblich, auf denen die Frauen der Gemeinde Platz nahmen.30 (→ Abb. 16) Trotz einer solchen physischen Separierung der weiblichen Gemeindemit‑ glieder, die oft sogar mit einer besonders weiten Entfernung zum Thoraschrein ein‑ herging, war es Frauen weiterhin mög‑ lich, stiftend tätig zu werden – und zwar innerhalb des gesamten Gebäudes: Unter anderem sind Stifterinnen von Thorarollen, Pentateuch‑Bänden und ‑Kommentaren sowie weiterem liturgischem Schriftgut bekannt.31 In Fustat soll es ihnen möglich gewesen sein, das Recht der Thoralesung oder Gebetsführung für männliche Fa‑ milienmitglieder zu erwerben.32 Über die Möglichkeit der Stiftung oder Zustiftung bot sich Frauen mithin eine ,Hintertür‘, an Gestaltung und Aufrechterhaltung des synagogalen Raumes in seinen konserva‑ tiven Strukturen mitzuwirken. Die Synagoge bestand neben anderen, großenteils heqdesh‑finanzierten Stätten,
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aus deren gemeinsamer Betrachtung he‑ raus sich dem Historiker annäherungs‑ weise das topographische Gefüge der jü‑ dischen Gemeinde erschließt. Die stete geographische Nähe der verschiedenen Orte zueinander und somit die Konzen‑ tration der monolokalen Stiftungsräume lässt die These Hmida Toukabris plausibel erscheinen, eine entsprechende spatiale Ordnung habe die Kohäsion der Gruppe wesentlich befördert.33 Was Toukabri aus ihren Beobachtungen der Gemeindever‑ hältnisse im ägyptischen Fustat des 10. bis 12. Jahrhunderts schließt, kann auch in Bezug auf jüdische Ansiedlungen in anderen Regionen vermutet werden. So legen bereits ältere Forschungen, die sich um eine Rekonstruktion jüdischer Gemein‑ detopographien bemühen, fast immer die enge Nachbarschaft zwischen den verschie‑ denen Einrichtungen offen: Synagoge und rituelles Tauchbad, vielleicht ein Lehrhaus, ein jüdisches Hospital und weitere Ge‑ bäude, die gemeindlich genutzt wurden, lagen gewöhnlich innerhalb derselben Straßenzüge, wenn nicht gar zusammen auf einem Gelände.34 Im Falle der Synagoge wird man häufiger nicht von einem ein‑ zelnen, freistehenden Gebäude ausgehen können, sondern von einem Agglomerat unterschiedlicher Bauobjekte, in dem der enge Zusammenhang zwischen einzelnen Stiftungsräumen auch materiell zum Aus‑ druck kam. Die im 11. Jahrhundert wie‑ dererrichtete Ben‑Ezra‑Synagoge in Fustat etwa besaß, anders als der heute zu besich‑ tigende Bau, der aus dem 19. Jahrhundert stammt, mehrere Annexe: Unter anderem schloss ein Lagerhaus für Getreide direkt an den Sakralbau an. Erwähnt wird es in einer Liste von Aktivitäten des verwal‑ tenden Gemeindeangestellten (gizbar), die auch mit Fragen der Wohltätigkeitsorgani‑ sation verbunden waren.35 Der synagogale Raum selbst war nicht hermetisch durch
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die Wände des Sakralgebäudes begrenzt, sondern erweiterte sich offenbar flexibel auf den Hof des Geländes hinaus, auf dem auch größere Versammlungen stattfinden konnten.36 Nur noch selten vermitteln die architektonischen Überreste selbst einen Eindruck dieser einstigen Dichte von Stif‑ tungsräumen. In einem ganz anderen Teil der jüdischen Welt, im aschkenasischen Speyer, haben sich Teile des mittelalterli‑ chen Synagogenhofes erhalten: Hier fin‑ det sich das Mauerwerk der Synagoge mit dem Anbau des gesonderten Frauentrakts in unmittelbarer Umgebung des rituellen Tauchbads, der Mikwe, sowie weiteren Baubestands, den man unter anderem als Lehrhaus gedeutet hat.37 (→ Abb. 17; Abb. 18) Auch andernorts sind in ähnlicher Weise Gebäudeensembles noch erkennbar, die häufig aber durch neuzeitliche Eingrif‑ fe in die mittelalterliche Bausubstanz in stärkerem Maße verändert oder überlagert wurden.38 Dass nun derartige Konzentra‑ tionen gestifteter Baulichkeiten mit einer verstärkten Kohäsion der Gemeinden ein‑ hergingen, leuchtet unmittelbar ein. Denn selbst und gerade diejenigen Juden, die nicht in der Nachbarschaft der genannten Einrichtungen wohnten, dürften dennoch regelmäßig zu Gebet und gemeindlichem Austausch diese Stätten besucht haben. Ein erster Blick auf Stiftungsverwaltung und ‑vermögen scheint den Eindruck der Konzentration jüdischer Stiftungsräume schließlich zu bestätigen. Vorsicht ist dabei geboten, Beobachtungen zu generalisie‑ ren, die auf der Grundlage der Geniza‑ Dokumente für die Verhältnisse in Fustat möglich sind. In der hochmittelalterlichen Metropolregion existierten palästinische, babylonische und karäische Kongregatio‑ nen nebeneinander, die jeweils auch über eigene Synagogen verfügten.39 Zumin‑ dest die beiden erstgenannten, rabbaniti‑ schen Gruppen verwalteten ihre Ausgaben
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nichtsdestotrotz gemeinsam: Im Falle von Spenden oder Gebührenabgaben wurde häufiger vermerkt, dass beide Kongrega‑ tionen von diesen profitieren sollten, so dass, umgekehrt, auch Geldanweisungen aus dem heqdesh an diese zwei Gruppen belegt sind.40 In der bereits erwähnten Kammer der palästinischen Ben‑Ezra‑ Synagoge zur Aufbewahrung von Thora‑ rollen verwahrte man ebenso gestiftete Objekte der Babylonier. Und in manchen Nachlässen wurden sogar rabbanitische und karäische Institutionen zu gleichen Teilen bedacht.41 Ob sich entsprechende Ansätze einer kongregationsübergreifen‑ den Stiftungsverwaltung, welche die Mit‑ glieder der verschiedenen Synagogenge‑ meinschaften notwendigerweise immer wieder zusammenführte, auch in anderen Städten mit mehr als nur einer jüdischen Kongregation fanden, wäre zu überprüfen. Ein Großteil des Vermögens des heqdesh in Fustat bestand aus Grundstücken und Gebäuden, aus deren Vermietung man regelmäßig Einnahmen bezog. (→ 3.4.4; 10.4.2) Ihre Lagebeschreibungen in denje‑ nigen Geniza‑Dokumenten, die tatsächlich einen Stiftungsakt dokumentieren, sind kurz und wenig detailliert.42 Eine Re‑ konstruktion der Nachbarschaft der Ben‑ Ezra‑Synagoge des 13. Jahrhunderts jedoch, die Menachem Ben‑Sasson auf breiterer Quellenbasis vornehmen konnte, zeigt die Nähe einer Vielzahl von Häusern des heqdesh zum Gotteshaus auf. Hier konzen‑ trierte sich, wenn auch nicht ausschließ‑ lich, der immobile Besitz der Gemeinde.43 (→ Abb. 19) Nur wenige Dokumente bele‑ gen Landbesitz extra muros, der vermutlich an die südlich von Fustat gelegene und als Pilgerort bekannte Synagoge von Dammūh anschloss.44 Die besonderen ägyptischen Gegebenheiten gestatten, wie gesagt, keine allgemeinen Rückschlüsse auf die lokalen Besitzverteilungen in anderen Regionen,
wo zudem das Vermögen des heqdesh häufig in stärkerem Maße auf direkten Abgaben der Gemeindemitglieder gründete. Vorerst bleiben wir vor allem auf einzelne Lokal‑ studien angewiesen, die Informationen zu jüdischem Land‑ und Baubesitz liefern, ohne in der Regel allerdings genauere Aus‑ sagen zur gegebenenfalls gemeindlichen Verwaltung des Gutes zu ermöglichen.45 16.4.3 Dispersion Während Juden und Jüdinnen vorwiegend in ihren jeweiligen Gemeinden stifteten und auf diese Weise eine Vielzahl mono‑ lokaler Stiftungsräume entstand, blieben sie gleichzeitig ihren Glaubensgenossen in der Ferne über ein umfassendes Sys‑ tem von Spenden und Stiftungen für das Heilige Land verbunden. (→ 3.4.2; 9.4.2) Die geographische Verteilung der Stifter, die der gemeinsame Stiftungszweck ein‑ te, ließ auf diese Weise einen pluriloka‑ len Stiftungsraum entstehen, der in sei‑ ner Reichweite den gewöhnlichen Radius stifterlicher Aktivität in den Gemeinden bei weitem übertraf. Gleichzeitig streuten Gebete und Hilfegesuche der Jerusalemer Stiftungsempfänger in alle Richtungen der Diaspora. Aus beiden Perspektiven ist also von dialektischen Rückkopplungseffekten zwischen Dispersion und Konzentration auszugehen. Gaben für Jerusalem beziehungsweise das Heilige Land genossen einen beson‑ deren Status, galten sie doch als Wieder‑ aufnahme der alten Abgabe eines halben Schekels an den Tempel.46 Stifter konnten darauf hoffen, dass ihr Name an einem Ort herausgehobener göttlicher Wirkkraft ver‑ lesen und dass für sie gebetet wurde.47 Die mittelalterlichen Gemeinden der Diaspora leisteten ihre Kontributionen auf unter‑ schiedliche Art und Weise, grundsätzlich
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wurden aber in allen jüdischen Siedlungs‑ zentren Güter zu diesem Zweck zur Verfü‑ gung gestellt. Besonders reichen Einblick in eine vielfältige Stiftungsaktivität gewährt hier abermals die Überlieferung der Kairoer Geniza des 11.–13. Jahrhunderts: Gespendet und gestiftet wurde allgemein für die Jeru‑ salemer Gemeinde, häufig auch spezifischer für die Armen der Stadt, den Unterhalt der Synagoge oder die Jeschiwa, die Jerusale‑ mer Akademie. Neben den ägyptischen Juden treten in den Geniza‑Dokumenten dabei auch Stifter aus anderen Gemeinden des Mittelmeergebietes wie etwa Palermo, Tyros oder Ramla in Erscheinung.48 Nach‑ fahren sephardischer Juden gründeten im 16. Jahrhundert Wohltätigkeitsbruderschaf‑ ten zur Unterstützung des Heiligen Lan‑ des.49 In Aschkenas sind außerdem über das Nürnberger Memorbuch in den Jahren zwischen 1352 und 1373 insgesamt 45 Stifter bezeugt, die „für die Armen in Jerusalem“ oder „für Jerusalem“ spendeten.50 Potentiell verband das Stiftungshandeln in diesem Fall also tatsächlich die gesamte Diaspora mit den Juden im Heiligen Land. Zur Übermittlung der Gaben und Auf‑ rechterhaltung der Kommunikation bedurf‑ te es Menschen, die zwischen den Orten – denjenigen der Stifter und denjenigen der Destinatäre – reisten. Eine Einrich‑ tung wie die Jerusalemer Jeschiwa konn‑ te eigene Boten aussenden, um Gelder in Empfang zu nehmen oder Bittgesuche zu übermitteln.51 Häufiger scheint man für derartige Transferleistungen auf dem Land‑ und Seewege auf die Hilfe von Kaufleu‑ ten und somit auf ein bereits bestehendes Kommunikationsnetzwerk zurückgegrif‑ fen zu haben. Besonders enge Kontakte existierten, wie Moshe Gil durch Auswer‑ tung ihrer Korrespondenz zeigen konnte, zwischen den großen Akademien, auch derjenigen in Jerusalem, auf der einen Seite und einigen reichen Kaufmannsfamilien
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auf der anderen. Zur Ehre der letzteren gereichte es, wenn man sie als neʾemanim, als ‚Vertraute‘ oder ,Treuhänder‘, der Je‑ schiwa auszeichnete.52 Das spezifische Know‑how dieser Berufsgruppe ließ sich möglicherweise auch für die Art der Über‑ mittlung von Stiftungserträgen und Spen‑ den nutzen, wenn man die entsprechenden Summen häufig nicht direkt, sondern in Form der Zahlungsanweisung versand‑ te.53 Neben Kaufleuten, spekuliert Israel Yuval, könnten auch Pilger als Überbrin‑ ger der gestifteten Mittel gewirkt haben.54 Durchaus im Bereich des Möglichen liegt es, dass entsprechende Vermittlungsleis‑ tungen zwischen dem lateinchristlichen Europa und Jerusalem damals auch durch christliche Wallfahrer erbracht wurden.55 In den meisten Fällen wäre also davon aus‑ zugehen, dass im Stiftungsvollzug bereits existierende räumliche Strukturen genutzt und weiter ausgebaut werden konnten. Ein solchermaßen flexibler Gebrauch bestehender Kommunikationswege dürf‑ te einem Stiftungswesen grundsätzlich entsprochen haben, in dem Koordina‑ tionsleistungen zwischen Orten, die in weiter Entfernung voneinander lagen, zu erbringen waren. Manches Mal hören wir in den Briefen der Beteiligten allerdings auch von Verzögerungen und Hindernissen des Transfers. Zum einen ist von sehr ver‑ schiedenen Stiftungserträgen und Spenden auszugehen, die in unterschiedlicher Re‑ gelmäßigkeit anfielen: Manche Stiftungen wurden speziell zur Unterstützung der Je‑ rusalemer Gemeinde eingerichtet. In Fustat etwa existierte ein ganzes Mietshaus, aus dessen Einnahmen die Armen Jerusalems beständig Leistungen erhalten sollten.56 Ähnliche Einrichtungen sind auch aus an‑ deren Städten bekannt.57 In anderen Fällen wurden anderweitig erzielte Einnahmen umgewidmet: Die Jerusalemer Jeschiwa etwa reklamierte die Hälfte der auf die
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rituelle Schächtung erhobenen Steuer für sich, um die Juden Jerusalems zu unter‑ stützen.58 Unberechenbar musste die Höhe derjenigen Mittel bleiben, die aus individu‑ ellen Vermächtnissen und Gelübden erzielt wurden.59 Waren dem Stiftungswesen so‑ mit selbst bereits unterschiedliche Rhyth‑ men inhärent, wurde das Handeln der am Stiftungsgeschehen beteiligten Akteure zusätzlich durch eine Reihe externer Fak‑ toren bestimmt: Das Ausbleiben von Pil‑ gern, aber auch zunehmende Steuerlasten verstärkten zum Beispiel die Bedürftigkeit der Jerusalemer Juden und veranlassten sie, Hilfegesuche an ihre Glaubensgenossen in der Ferne zu richten.60 Die (potentiellen) Spender und Stifter sahen sich ihrerseits keineswegs immer in der Lage, den an sie gerichteten Erwartungen zu entspre‑ chen. Die Juden von Palermo etwa waren aufgrund eigener Steuerbelastungen um 1020 zunächst gezwungen, das Gesuch des Oberhaupts der Jerusalemer Jeschiwa um finanzielle Hilfe zurückzuweisen. Fünf‑ zehn Jahre später erfahren wir aus einem Brief aus Fustat – es bietet sich uns ein in‑ teressanter Einblick in die Kommunikation zwischen den Gemeinden –, dass man auf Sizilien später doch noch erhebliche Mittel für die Juden von Jerusalem hat aufbrin‑ gen können.61 (→ Abb. 20) Bedürfnisse und Kapazitäten der verstreuten jüdischen Gemeinden unterlagen dem Wandel, ließen sich aber immer wieder innerhalb eines gemeinsamen Stiftungsraumes austarieren.
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jüdischen Gemeinschaften. Zum anderen ist von Interaktionen zwischen den Stif‑ tungsräumen der religiösen Minderheit und nichtjüdischen Räumen auszugehen. In der Forschung sind derartige spatiale Überlagerungen bislang kaum untersucht worden. In Ausmaß und Konsequenz sind sie schwierig zu bestimmen. Daher kann an dieser Stelle nur versucht werden, einige mögliche Konstellationen annäherungs‑ weise auszuloten.
Bei den großen Talmudakademien, den Jeschiwot in Palästina und Babylonien, handelte es sich nicht nur um einfache Einrichtungen von Gelehrten. (→ 9.4.3) Zwischen dem 7. und 11. Jahrhundert treten sie in den Quellen außerdem verstärkt als politische Institutionen in Erscheinung, deren Oberhäupter ihre jeweiligen Herr‑ schaftsräume ausbauten und pflegten: Of‑ fiziell unterstanden die Juden Ägyptens, Syriens und des Heiligen Landes damals der Jeschiwa Palästinas. Hingegen zähl‑ ten Persien und der Osten des Irak zum Amtsgebiet des Exilarchen, des Führers der jüdischen Gemeinde Babylons. Nor‑ den und Westen des Irak ordnete man der Jeschiwa Suras zu, den Süden des Landes, inklusive des Jemen, schließlich derjeni‑ gen von Pumbedita. Die Gemeinden in‑ nerhalb dieser vier Amtsbereiche (rashut, Pl. reshuyot) wussten sich zu Abgaben‑ leistungen angehalten und unterstanden, etwa über die Ernennung ihrer Führer, der Autorität der jeweiligen Jeschiwa.62 Da die Akademien jedoch kaum über eigene 16.4.4 Interferenzen mit anderen Exekutivgewalten verfügten, bedurfte es sozialen Räumen alternativer Mittel, um Bindungen herzu‑ stellen und zu sichern. Spenden und Zustif‑ Jüdische Stiftungsräume interferierten tungen stellten in diesem Zusammenhang mit anderen sozialen Räumen. Zum ei‑ ein wichtiges Instrument dar, über das nen existierten auf unterschiedlichen die Jeschiwot als potentiell Begünstigte Ebenen Wechselbeziehungen mit di‑ freilich nicht allein bestimmen konnten. versen Lebensbereichen innerhalb der Amts‑ beziehungsweise Herrschaftsräume
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ließen sich keineswegs mit einem festen Stiftungsraum zur Deckung bringen.63 So haben Forschungsarbeiten zunächst gezeigt, wie innerhalb des Gebiets der reshuyot die Akteure mittels Spende und Stiftung flexibel ihre Zugehörigkeiten mar‑ kierten: Dieselben Kaufleute etwa sam‑ melten und übermittelten Kontributionen sowohl an die babylonischen Jeschiwot als auch die Jeschiwa in Jerusalem. Sie konn‑ ten als Boten in den Diensten der einen Akademie stehen und gleichzeitig einer anderen ihre Gelder widmen.64 Die Jeschi‑ wot selbst forderten finanzielle Mittel ein und schufen zum Beispiel über die Vergabe von Ehrentiteln auch besondere Anreize für ihre Stifter. (→ 7.4.3) Der Konkurrenz mit den übrigen Lehrzentren vermochten sie sich jedoch kaum zu entziehen. Wer einer Jeschiwa Gelder zukommen lassen wollte, war dabei nicht an die offiziellen Herrschaftsräume, die reshuyot, gebunden. Ein entsprechend wechselndes Stif‑ tungsverhalten lässt sich dann weiter auch über das engere Gebiet der reshuyot hinaus und hier vielleicht sogar in noch stärke‑ rem Maße beobachten. Ganze Gemeinden, etwa diejenigen Palermos und Kairouans im heutigen Tunesien, pflegten multiple Allianzen, wenn sie der einen Jeschiwa ihre Hilfsdienste anboten und der ande‑ ren ihre finanzielle Unterstützung zusag‑ ten.65 Obgleich administrativ unabhängig von den bekannten Akademien im Osten, versprach man sich durch Kontributionen an die entsprechenden Institutionen offen‑ bar einen Prestigegewinn der eigenen Ge‑ meinde. Umgekehrt suchten die Jeschiwot Anhänger außerhalb ihres traditionellen Amtsbereichs zu gewinnen, denn deren Spenden und Zustiftungen erhöhten wie‑ derum die Legitimität der eigenen Rechts‑ schule.66 Gerade Stiftungen boten also die Möglichkeit, dort zu agieren, wo der offi‑ ziell anerkannte Herrschaftsraum endete.
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Eine genauere Untersuchung des Ver‑ hältnisses von Herrschafts‑ und Stiftungs‑ räumen in ihrer zeitlichen Abfolge hätte starke machtpolitische Verlagerungen innerhalb der jüdischen Welt zu berück‑ sichtigen, Teil derer der Niedergang der großen Akademien im 11. Jahrhundert war. Vermuten lässt sich, dass durch Stif‑ tungshandeln auch in und zwischen den jüngeren regionalen Zentren, die sich mit ihren Kongregationen und eigenen Jeschi‑ wot etwa in Spanien oder allmählich in Ägypten ausbildeten, neue räumliche Ver‑ flechtungen entstanden. Wer nach den Interferenzen jüdischer Stif‑ tungsräume mit anderen sozialen Räu‑ men fragt, kommt am Ende nicht umhin, auch Wechselbeziehungen mit nichtjüdi‑ schen Räumen in den Blick zu nehmen: Die Stiftungspraxis der Juden als religiö‑ ser Minderheit vollzog sich eingebettet in unterschiedliche Mehrheitsgesellschaften. Innerhalb des denkbar weiten Spektrums möglicher Interaktionen sind in der For‑ schungsliteratur bislang vor allem einzel‑ ne Fälle in konkreten urbanen Kontexten gestreift worden. Deshalb bietet es sich im Folgenden an, exemplarisch den monolo‑ kalen Stiftungsraum der Synagoge noch einmal und nun im Hinblick auf Aspekte spatialer Interferenz zu betrachten. Grundsätzlich befanden sich jüdische Gotteshäuser in den Städten christlicher und muslimischer Herrschaft. Ausbildung und Existenz des eigenen jüdischen Raumes innerhalb des umfassenden Stadtraumes waren von einer Duldung durch die jewei‑ ligen Herrschaftsträger abhängig: Bereits das römische Recht hatte verboten, neue Synagogen zu errichten, es gleichzeitig aber gestattet, alte zu reparieren und wiederher‑ zurichten.67 Die entsprechende Festsetzung fand später nicht nur Eingang in die christ‑ liche Kanonistik68, sondern ganz ähnlich
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regelten die muslimischen Rechtsgelehrten den Umgang mit Synagogen und Kirchen69. Umsetzung und Interpretation all dieser Bestimmungen blieben Gegenstand von Verhandlungen, die unterschiedliche Grade der Akzeptanz des jüdischen Raumes be‑ ziehungsweise Stiftungsraumes als Teil der städtischen Welt erkennen lassen. Der Fall eines entsprechenden Aushand‑ lungsprozesses aus dem mamlūkischen Je‑ rusalem des 15. Jahrhunderts, den Hmida Toukabri dargestellt und interpretiert hat, mag den Sachverhalt veranschaulichen: Der Schilderung des Historiographen Muǧīr ad‑Dīn al‑ʿUlaimīs (gest. 1522) zufolge hat‑ ten Muslime einen neuen Eingang zu ih‑ rer Moschee errichtet, indem sie sich vom jüdischen Viertel aus direkten Zutritt zu ihrem Gotteshaus verschafft und dabei auch ein angrenzendes Gebäude nieder‑ gerissen hatten. In unmittelbarer Nach‑ barschaft der Moschee befand sich zudem die Synagoge der Juden, deren Schließung man befahl. Zuvor hatte in Jerusalem of‑ fenkundig niemand Anstoß an der großen Nähe der verschiedenen Stätten zueinan‑ der genommen. Der nun erfolgte Eingriff in den Baubestand löste jedoch eine Kette von Ereignissen aus, die eine konfliktrei‑ che Interferenz der verschieden religiösen
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Räume ebenso bezeugen wie sie die recht‑ mäßige Behauptung des Synagogenraumes demonstrieren. Zweimal intervenierte im Zuge der Geschehnisse Sultan Qāʾitbay zu‑ gunsten der Jerusalemer Juden: Ein erstes Mal bestätigte er das jüdische Besitzrecht der umstrittenen Gebäude. Folgt man Tou‑ kabris Auslegung der Passage, spielte dabei die Tatsache keine unerhebliche Rolle, dass es sich bei dem niedergerissenen Bauwerk um Stiftungsvermögen handelte, aus dessen Erträgen die Finanzierung der Synagoge erfolgt war. Nachdem eine Gruppe von Muslimen dann das jüdische Gotteshaus angegriffen und stark beschädigt hatte, ord‑ nete der Sultan die Bestrafung der Übeltäter und die Wiedererrichtung der Synagoge an.70 Zweifellos hatten im vorliegenden Fall Muslime gewaltsam in den synagogalen Raum eingegriffen. Gleichzeitig zeigt die rechtliche Ahndung des Vergehens, wie eben dieser Raum, vielleicht sogar als Stif‑ tungsraum, den Schutz der Obrigkeit ge‑ noss. Der derzeitige Forschungsstand ge‑ stattet keine Generalisierung des Befundes. Vielversprechend aber erscheinen weitere Sichtung und Befragung der Überlieferung nach Interferenzen verschiedenreligiöser Stiftungsräume. SH
Anmerkungen 1 Alternativ wird der Terminus qahal qadosh
( )קהל קדושgebraucht. Zur Geschichte der Termi‑ nologie vgl. Y. Baer, Origins (1989), 63 f. 2 Vgl. mit Beispielen aus Spanien und der Pro‑ vence sowie aus Aschkenas Yuval, Heilige Städte (1996), bes. 93. Dass neben den Kongregationen wichtiger Städte wie Alexandria, Altkairo oder Jerusalem auch Gemeinden kleinerer Ortschaften in Ägypten, Kleinasien und Palästina als ‚heilig‘ galten, beschreibt Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 40. 3 Vgl. Reif, Jerusalem (1997, ND 1999).
4 Die Bezeichnung als ‚Heilige Stadt‘ fungiert
freilich nur als einer unter vielen Namen Jeru‑ salems. Vgl. Shinan, Many Names of Jerusalem (1999), 121; Abramsky / Gibson / Avi-Yonah, Jerusa‑ lem (2007), 144. 5 Vgl. Reiner, Pilgrims (1988). 6 Vgl. Gil, Jewish Community (1996). Die öko‑ nomische Situation der Jerusalemer Juden blieb über die folgenden Herrschaftswechsel hinaus schwierig. Vgl. für die Zeit der Kreuzfahrer‑ herrschaft Prawer, History of the Jews (1988), bes. 80–92.
242 7 Vgl. differenziert Gilomen, Spätmittelalterliche
Siedlungssegregation (1999); Wenninger, Grenzen (2004). Das Ghetto, in dem Juden zwangsweise zu‑ sammengefasst und abgeschlossen von der Mehr‑ heitsgesellschaft leben, ist erst eine Erscheinung des ausgehenden Mittelalters und vor allem der Frühen Neuzeit; vgl. Backhaus / Engel / Grebner, Frühneuzeitliche Ghettos (2012). 8 Vgl. B. E. Klein, Obrigkeitliche und innerjüdi‑ sche Quellen (2007), bes. 264–279; zu den rabbini‑ schen Grundlagen Fonrobert, Neighborhood (2008); stärker zur (früh)neuzeitlichen Praxis Rösch, Ideal (2007), und Schlör, Religiöse Praxis (2008). 9 So programmatisch Brauch / Lipphardt / Nocke, Exploring Jewish Space (2008), 2. Vgl. auch be‑ reits das Themenheft der ‚Jewish Social Studies‘ aus dem Jahre 2005 zu ‚Jewish Conceptions and Practices of Space‘ mit dem einleitenden Beitrag von Fonrobert / Shemtov, Introduction (2005); für einen weiteren Einblick in die Diskussion M. Kümper / Rösch / Schneider, Makom (2007); Brauch / Lipphardt / Nocke, Jewish Topographies (2008); Ernst / Lamprecht, Jewish Spaces (2010); B. E. Mann, Space and Place (2012); Gromova / Heinert / Voigt, Jewish and Non‑Jewish Spaces (2015). Unter raumtheo‑ retischem Gesichtspunkt betrachtet worden sind unter anderem auch synagogale Praktiken und jüdische Reiseerfahrungen; vgl. Stern, Tagging Sacred Space (2012); Jacobs, Sacred Text (2013); Ders., Reorienting the East (2014), bes. 81–146. 10 Einer der bislang seltenen umfassenderen und explizit auf das Stiftungswesen gerichte‑ ten Ansätze findet sich in der Arbeit von Hmida Toukabri, die in einzelnen Kapiteln nach den „implications socio‑urbaines“ der Stiftung von Grundbesitz fragt und in Bezug auf Jerusalem das Verhältnis von „fondations et transterrito‑ rialité“ erörtert. Vgl. Toukabri, Satisfaire le ciel et la terre (2011), 260–283; 306–356. 11 Seltener wurde die Finanzierung dieser Ein‑ richtungen über einen privaten heqdesh realisiert. 12 Vgl. Goldin, Synagogue (1995), 16 f. 13 Vgl. V. B. Mann, Toward an Iconography (2004, ND 2005). 14 Vgl. Shupak, Jachin and Boaz (2007); unter Verweis auf neuzeitliche Beispiele auch Keßler, Ritus und Raum (2007), 188. Die bedeutungsvol‑ le Interpretation der Säulen in Anlehnung an jene des Tempels steht nicht im Gegensatz zu
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pragmatischen Gründen, die zunächst wahr‑ scheinlich zur Errichtung der größeren zweischif‑ figen Synagogenbauten in Worms, Prag und dann auch Kazimierz bei Krakau geführt hatten; vgl. zu den unterschiedlichen Bautypen in Aschkenas Künzl, Synagogenbau im Mittelalter (1988), 61–67; ausführlich zum zweischiffigen Anlageschema Paulus, Architektur der Synagoge (2007), 557–575. 15 Vgl. die grundlegende Arbeit von Katrin Keßler, die kunst‑ und liturgiehistorische An‑ sätze zusammenführt: Keßler, Ritus und Raum (2007), bes. 41–51. Das mit Thoraschrein und Le‑ sepult prinzipiell bipolare Anlageschema der Synagoge, das etwa in Aschkenas erst mit der Reformbewegung des 19. Jahrhunderts und der Zusammenfassung beider Einrichtungselemente an der Ostseite des Hauses aufgeweicht wurde, ist vielfach beschrieben worden; siehe unter ande‑ rem ausführlich Wischnitzer, Architecture (1964), 18–75; Kornberger, Raumkonzeptionen (1998), 3–11; Paulus, Architektur der Synagoge (2007), 47–49. Für ein ägyptisches Beispiel vgl. die Rekonst‑ ruktion der mittelalterlichen Ben‑Ezra‑Synagoge bei Le Quesne, Synagogue (1994, ND 2001), 81–86. 16 So Gil in der Einleitung zu Documents of the Jewish Pious Foundations from the Cairo Geni‑ za. Ed. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Institute, Bd. 12.) Leiden 1976, 26, der sich auf die Erwähnung einer solchen Kammer in einem Responsum des Maimonides stützt. 17 Siehe Sefer ha‑Tashbeṣ: Teshuvot. Ed. Yoel Katan, Bd. 2. Jerusalem 2002, 114, Nr. 106; vgl. für eine deutsche Teilübersetzung Rabbinische Responsen zum Synagogenbau, Bd. 1. Übers. Brigitte Kern-Ulmer. (Studien zur Kunstgeschichte, Bd. 56.) Hildesheim / Zürich / New York 1990, 129. 18 Siehe Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Katan (wie Anm. 17), Bd. 3. Jerusalem 2007, 187 f., Nr. 194, sowie eine Teilübersetzung in Rabbinische Res‑ ponsen. Übers. Kern-Ulmer (wie Anm. 17), 78. 19 Für eine erste breitere Sichtung des verstreu‑ ten halachischen Quellenmaterials von Aschke‑ nas vgl. Goldin, Synagogue (1995), 17–19, der sich hinsichtlich der abgabenfinanzierten Gestaltung der Thoralesung vor allem auf Ausführungen der rabbinischen Autoritäten des 13. Jahrhun‑ derts stützt: des R. Meir b. Baruch von Rothen‑ burg, seines Schülers R. Meir ha‑Kohen sowie des R. Mordechai b. Hillel aus Nürnberg. Zur
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Situation in Spanien vgl. Assis, Synagogues in dieser Dreierkommission sollte alle Mitglieder Medieval Spain (1992), 26. Die detaillierten In‑ der Gemeinde binden. Nachdem sich Einzelne ventarlisten der Kairoer Geniza belegen zwar jedoch der beschlossenen Ordnung widersetzt die häufige Stiftung von Thorarollen, gewähren hatten, wandte man sich um Rat an die gelehrte aber noch keinen Aufschluss über die konkreten Autorität; siehe Sheʾelot u‑teshuvot le‑rabbenu Formen ihres Gebrauchs; vgl. Goitein, Mediter‑ ha‑gadol marana u‑rabbana ha‑rav Yiṣḥaq bar ranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 151 f. Dass Sheshet. Ed. David Metsger. Jerusalem 1993, Bd. 1, auch hier Objektstiftungen mit Auflagen zu ih‑ 312–316, Nr. 249, zur Darstellung des Sachver‑ rer Verwendung und somit zur Nutzung ihrer halts 312 f. räumlichen Gestaltungskraft einhergingen, lässt 25 Auf zahlreiche Beispiele aus den Responsa sich aus der Widmung eines Pentateuch‑Bandes spanischer Gelehrter verweist wiederum Assis, schließen: Der Stifter vermachte den Band der Synagogues in Medieval Spain (1992), 17; 20 f. Von Großen Synagoge in Fustat, so dass, wer auch dunkelgefärbten Matten, die in Alexandria er‑ immer kommen möge, in der Lage sei, ihn stän‑ worben und als Stiftungsgut an das Jerusalemer dig zu lesen. Eine engl. Übers. des aramäischen Gotteshaus verschickt werden sollten, erfahren Texts bietet Ben-Sasson, Medieval Period (1994, wir in einem Brief des Jahres 1053; vgl. Gil, Je‑ ND 2001), 217; genauer zum gesamten Text des wish Community (1996), 175. In der Gemeinde von Kolophons → 6.4.5. Aschkelon war zu Beginn des 12. Jahrhunderts 20 Siehe bT Ber 6b; 7b sowie pT Ber 5.1; vgl. umstritten, ob weitere Matten für die Synagoge Keßler, Ritus und Raum (2007), 52. überhaupt aus heqdesh‑Geldern finanziert werden 21 Yom Tov Assis hält es für möglich, dass man sollten; vgl. Ders., History of Palestine (1992), 198. im christlichen Spanien des 14. Jahrhunderts in 26 Aus einer halachischen Anfrage an R. Sa‑ den Synagogen aufgrund ihres muslimischen lomon b. Abraham ibn Aderet (genannt Rashba, Ursprungs bewusst auf die vormals üblichen 1235–1310) aus Barcelona erfahren wir zum Bei‑ Teppiche verzichtete; vgl. Assis, Synagogues in spiel, dass ein Mann vier Plätze, die er in der Syn‑ Medieval Spain (1992), 21. agoge besaß, dem heqdesh vermachte; siehe Sefer 22 Vgl. Kornberger, Raumkonzeptionen (1998), sheʾelot u‑teshuvot rabbenu Shlomo ben Adret, 298 f. Bd. 1. Bnei Brak 1982, 368–370, Nr. 1156, hier 369. 23 Die Bestimmungen finden sich in dem gro‑ 27 Insgesamt fand die Auseinandersetzung ßen Codifizierungswerk des R. Jakob b. Asher, um die synagogale Sitzordnung einen reichen den ‚Arbaʿah Ṭurim‘, in dem der Gelehrte das zu Niederschlag in der Responsaliteratur, die sich seiner Zeit praktizierte Recht zusammenfasste; aus raumtheoretischer Perspektive weiter aus‑ siehe Ṭur Oraḥ Ḥayyim. ʿIm kol ha‑mefarshim werten ließe. Etliche Beispiele finden sich in der asher nidpesu mi‑qedem u‑mefarshim ḥadashim Quellensammlung Rabbinische Responsen. Übers. mi‑kitvei yad sudar ve‑nidpas me‑ḥadash. Jeru‑ Kern-Ulmer (wie Anm. 17), 98–112. salem 1990, Abschnitt Hilkhot beit ha‑kneset, 28 Halachisch geboten war eine Trennung 75–77, Nr. 150, hier 77; vgl. Kornberger, Raum‑ der Geschlechter im Gottesdienst nicht, wenn konzeptionen (1998), 70 f.; M. Keil, Raum und auch später verschiedene Aussagen in Thora und Ordnung (2010), 39. Talmud entsprechend interpretiert wurden; vgl. 24 Vgl. Assis, Synagogues in Medieval Spain Keßler, Ritus und Raum (2007), 55 f.; auch M. Keil, (1992), 18. Detaillierten Einblick in ein derartiges Raum und Ordnung (2010), 42. Distributionsverfahren gewährt zum Beispiel 29 Vgl. die Beschreibungen der frühen Anbau‑ ein Responsum des R. Isaak b. Sheshet Perfet ten von Frauensynagogen in Speyer und Worms (genannt Ribash, 1326–1408): Nach dem Neubau bei Paulus, Architektur der Synagoge (2007), 94; ihrer Synagoge bestimmte die Gemeinde Borja in 103–105; Heberer, Perspektive Welterbe SchUM Aragón drei Männer ihrer Kongregation, die sie (2013), 407; 421. autorisierte, alle Sitzplätze in dem Haus unter den 30 So verfügten etwa die bis heute in ihrem Bau‑ Gemeindemitgliedern und entsprechend ihrem bestand erhaltene kleine Synagoge in Córdoba so‑ sozialen Status zu verteilen. Die Entscheidung wie die El‑Tránsito‑Synagoge in Toledo jeweils über
244 eine Frauenempore; siehe Künzl, Synagogenbau im Mittelalter (1988), 72; 75; Kornberger, Raumkonzep‑ tionen (1998), 40 f.; 50. In der schriftlichen Überlie‑ ferung Spaniens sind mehrfach auch Frauensyna‑ gogen in Gestalt von Anbauten dokumentiert; vgl. Assis, Synagogues in Medieval Spain (1992), 17 f. Die Ben‑Ezra‑Synagoge in Fustat besaß eine Galerie, zu der Frauen einen eigenen Eingang hatten; vgl. Ben-Sasson, Medieval Period (1994, ND 2001), 213. 31 Siehe entsprechende Einträge gestifteten Gutes im Nekrolog I des Nürnberger Memorbuchs, in: Die israelitische Bevölkerung deutscher Städte, Bd. 3. Ed. Moritz Stern. Kiel 1894–1896, u. a. 113; 119; 122. Elisheva Baumgarten, welche die Nekrologien des Memorbuchs nach ihrer geschlechtsspezifischen Verteilung ausgewertet hat, konnte zeigen, dass von Männern und Ehepaaren zwar häufiger Ritu‑ alobjekte gestiftet wurden, aber Frauen durchaus auch selbständig in diesem Bereich tätig waren; vgl. Baumgarten, Practicing Piety (2014), 119. Auf weitere Beispiele synagogaler Stiftungsakte von Frauen in Aschkenas verweisen Keßler, Ritus und Raum (2007), 80; M. Keil, Raum und Ordnung (2010), 41; in Spanien Melammed, Jewish Woman (2012), 259 f. 32 So Reguer, Women (1992), 54. Einen genauen Beleg bleibt die Autorin schuldig. 33 Vgl. Toukabri, Satisfaire le ciel et la terre (2011), 267. 34 Einzige Ausnahme stellte der jüdische Fried‑ hof dar, der auch aus religionsrechtlichen Gründen abseits der Wohnstätten angelegt wurde. Breitere Orientierung zur Topographie der jüdischen Ge‑ meinden bieten unter anderem: zu Spanien Ashtor, Jews of Moslem Spain, Bd. 1 (1973), 291–354; Bd. 2 (1979), 190–300; Assis, Golden Age (1997), 199–234; López Álvarez / Izquierdo Benito, Juderías y sinago‑ gas (2003); zu Aschkenas beziehungsweise dem deutschen Südwesten zum Beispiel Veitshans, Judensiedlungen (1970); Ders., Kartographische Darstellung (1970), sowie grundsätzlich die Pu‑ blikationen am Trierer Zentrum ,Medieval Ash‑ kenaz‘. Siehe unten, Anm. 45. Weniger Informati‑ onen liegen zu jüdischen Ansiedlungen in vielen Städten des Nahen Ostens vor; zu Jerusalem vgl. Gil, History of Palestine (1992), 635–653. Neue Er‑ gebnisse auch in topographischer Hinsicht lässt ein Forschungsprojekt Bärbel Beinhauer‑Köhlers (Philipps‑Universität Marburg) zur kulturellen Pluralität im Kairo des 12. Jahrhunderts erwarten.
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35 Vgl. Ben-Sasson, Medieval Period (1994, ND 2001), 210–212, zum Lagerhaus 212.
36 Vgl. ebd., 211; auch Goitein, Mediterranean Society, Bd. 4 (1983, ND 1999), 31–33.
37 Vgl. zuletzt Heberer, Perspektive Welterbe
SchUM (2013), bes. 395–406; weiterhin zur schriftli‑ chen Überlieferung Engels, Topographie (2004), 104. 38 Zu denken ist etwa an die 1959–1961 wieder‑ errichtete Wormser Synagoge neben der Mikwe des 12. Jahrhunderts und weiterem Baubestand der Judengasse sowie an den Erfurter Synagogenbau, der vor allem in den 1990er Jahren durch den Abriss angrenzender Häuser wieder freigelegt wurde. Vgl. als aktuellen Einblick zu Worms abermals Heberer, Perspektive Welterbe SchUM (2013), 414–426; grundlegend noch immer Böcher, Alte Synagoge zu Worms (1960). Die Erfurter Verhältnisse sind umfassend dokumentiert worden. Zu jüdischem Wohnquartier und Synagoge vgl. bes. Ostritz, Alte Synagoge (2009); Ders., Schatzfund (2010). Zum durch Zufall im Jahre 1976 in Rouen entdeckten und freigelegten Gebäudekomplex, der vermutlich als Lehrhaus diente, sowie einer Rekonstruktion des umgebenden jüdischen Viertels vgl. Golb, Jews in Medieval Normandy (1998), 137–169. Hier und an‑ dernorts bleibt die Forschung auf die Befunde der Archäologen angewiesen; vgl. einschlägig Salmona / Sigal, Archéologie du judaïsme (2011); Harck, Ar‑ chäologische Studien (2014); Castaño, Sefarad (2014). 39 Die Synagogen der palästinischen und ba‑ bylonischen Juden befanden sich beide innerhalb des engeren jüdischen Viertels und somit auch der ehemaligen römischen Festung Babylon. Die Synagoge der Karäer war in einem zwar außer‑ halb der alten Festung, aber an diese angrenzen‑ den Siedlungsgebiet gelegen. Vgl. zur Lage der Gotteshäuser die Einleitung zu Documents. Ed. Gil (wie Anm. 16), 93; Bareket, Fustat on the Nile (1999), 10; 14; 17; allgemeiner zum Viertel 27–30. 40 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 53; Documents. Ed. Gil (wie Anm. 16), 92; 94–97. 41 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 53; Documents. Ed. Gil (wie Anm. 16), 6. 42 Vgl. ebd., 20. 43 Vgl. unter zusätzlichem Rückgriff auf die arabische Historiographie Ben-Sasson, Medieval Period (1994, ND 2001), 204–210; 259, Anm. 6. Eine Identifizierung vieler Gebäude als heqdesh‑Besitz
Juden
ermöglicht eine entsprechende Auflistung ge‑ meindlicher Einnahmen in den Documents. Ed. Gil (wie Anm. 16), 485–509. Viele Häuser des heqdesh, insbesondere solche außerhalb des engeren jüdischen Viertels, sind allerdings weiterhin nicht zu lokalisieren. Vgl. auch Toukabri, Satisfaire le ciel et la terre (2011), 265–267. 44 Moshe Gil verweist auf vier Dokumente, die landwirtschaftlichen Besitz des heqdesh bezeu‑ gen. In zwei von ihnen wird Dammūh explizit genannt; vgl. Documents. Ed. Gil (wie Anm. 16), 79–81 sowie 319–321, Nr. 75, und 324 f., Nr. 78. Zur Synagoge, deren Gründung man auf Moses selbst zurückführte, und zur Pilgerschaft vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 5 (1988, ND 1999), 20– 24; Meri, Cult of Saints (2002), 222–224. 45 Für das Frühmittelalter vgl. jetzt zum jüdi‑ schen Landbesitz Toch, Economic History (2013), bes. 215–230; zuvor bereits Ders., Ungelöstes Ka‑ pitel (2011). Grundsätzlich ist auf die rege For‑ schung am Trierer Zentrum ,Medieval Ashkenaz‘ mit seinem starken siedlungsgeschichtlichen Schwerpunkt zu verweisen. Unter den Einzel‑ publikationen zur Frage jüdischer Ansiedlung und Besitzverhältnisse vgl. z. B. Ziwes, Studien (1995), 73–97; Schmandt, Judei (2002), 142–153; Scholl, Judengemeinde (2012), 100–144, und viele mehr. Auf Konferenzen und in Sammelbänden wird der Blick auch über Aschkenas hinaus ge‑ richtet; vgl. Cluse / Haverkamp / Yuval, Jüdische Gemeinden (2003); Cluse, Europas Juden (2004). Eine Publikation der Trierer Tagung ,European Jewry around 1400: Disruption, Crisis, and Re‑ silience‘ vom September 2013 steht noch aus. 46 Siehe Ex 30.11–16. Vgl. Gil, History of Palesti‑ ne (1992), 603; Ders., Jewish Community (1996), 191. 47 Vgl. Gil, History of Palestine (1992), 626–629; Ders., Jewish Community (1996), 180; vor allem 192 f. Die angeführten Belege entstammen der Korrespondenz der Jerusalemer Jeschiwa mit der ägyptischen Gemeinde Fustat im ersten Drittel des 11. Jahrhunderts. In einem der Briefe ver‑ langen die Jerusalemer nach Listen von Stiftern und Stiftungsempfängern, um Segen und Gebet sprechen zu können. 48 Vgl. vor allem die zahlreichen Arbeiten von Moshe Gil, unter anderem: Gil, Dhimmī Donations (1984), 166–171; Ders., History of Palestine (1992), 601–609; Ders., Jewish Community (1996), 191–195.
245 49 Vgl. Assis, Institutions sociales médiévales
(1992), 215 f. Für einen weiteren Beleg aus Spanien
→ 9.4.2. Zum frühneuzeitlichen Netzwerk phil‑
anthropischer Aktivität, das maßgeblich auf der sephardischen Diaspora gründete und der Un‑ terstützung jüdischen Lebens im Heiligen Land diente, jetzt Lehmann, Emissaries (2014), speziell zu Stiftungen 53–60. 50 Vgl. Yuval, Alms (1981), bes. 186–189; Abdruck der Einträge ebd., 194–197. Da Spenden für die Jerusalemer Armen erst im Nekrolog II (Einträ‑ ge der Jahre 1352–1373), nicht aber im Nekrolog I (Einträge der Jahre 1280–1346) aufgeführt werden, geht Yuval von einer damals neuen Praxis aus. 51 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 96; 542, Anm. 15; Gil, History of Palestine (1992), 602 f. 52 Vgl. Gil, Jews (2004), 141–145. Gil beschreibt hier grundsätzlich die finanzielle Unterstützung der bekannten Akademien durch die Gemeinden. Vgl. zum engeren Stiftungskontext auch Ders., Dhimmī Donations (1984), 169; Ders., History of Palestine (1992), 606; Ders., Jewish Community (1996), 192. Einschlägig zur Geographie des Infor‑ mationstransfers sowie zur Rekonstruktion indi‑ vidueller Reiserouten jetzt J. L. Goldberg, Trade and Institutions (2012), bes. 187–210; 247–295. Die Autorin konzentriert sich bei den Kaufleuten al‑ lerdings auf deren Handelstätigkeit und nicht auf ihre Rolle als Übermittler von Spenden‑ und Stiftungsgeldern. 53 Vgl. Gil, Dhimmī Donations (1984), 169 f.; Ders., History of Palestine (1992), 606 f. 54 Yuval, Alms (1981), 192 f., geht von einer Ver‑ schiffung der Nürnberger Spenden in Venedig aus. 55 Der burgundische Chronist Rodulf Glaber (985–1047) berichtet im Zusammenhang seiner Schilderung der Zerstörung der Grabeskirche im Jahre 1009 durch den fatimidischen Kalifen al‑Ḥākim von einem aus Moutiers entflohenen Mönch, der, angestiftet durch Juden in Orléans, hebräische Briefe für diese an den Kalifen über‑ mittelt habe. Die Figur des dienstbaren Pilgers im Mönchsgewand hält Johannes Heil für eine realistische Figur, wenn auch nicht von einer Korrespondenz mit dem Kalifen, wohl aber mit den Gelehrten des Ostens auszugehen sei. Vgl. Heil, Juden um das Jahr 1000 (2011), 204–206; allge‑ mein zu den Kommunikationswegen und ‑medien
246 der damaligen Zeit Graboïs, Use of Letters (1996); Grossman, Communication (1996). 56 Siehe Documents. Ed. Gil (wie Anm. 16), 212– 214, Nr. 32; 222–224, Nr. 36. Um das Jahr 1040 be‑ klagte man in Jerusalem die ausbleibenden Gelder; siehe ebd., 149–151, Nr. 6. Vgl. auch Ders., Dhimmī Donations (1984), 169; Ders., History of Palestine (1992), 604–606; Ders., Jewish Community (1996), 192; M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 81; 203. 57 So etwa aus Ramla, wo eine Anzahl von Ge‑ schäften zum Vermögen einer Stiftung für Je‑ rusalem zählte, deren Erträge zur Begleichung der hohen Steuerlasten der dortigen Gemeinde genutzt wurden; vgl. Gil, History of Palestine (1992), 278; Ders., Jewish Community (1996), 186. 58 Vgl. Gil, Dhimmī Donations (1984), 168 mit Anm. 46; Ders., History of Palestine (1992), 603 f. 59 Vgl. Gil, Dhimmī Donations (1984), 168; 170; Ders., History of Palestine (1992), 607. 60 Vgl. Documents. Ed. Gil (wie Anm. 16), 116; Ders., Dhimmī Donations (1984), 167; Ders., History of Palestine (1992), 601 f. 61 Vgl. zu den Vorgängen Gil, Jews (2004), 580. 62 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 5 f.; Gil, History of Palestine (1992), 490–495; Beer, Academies (2007). 63 Einen insgesamt profunden Überblick der Forschungen zu den komplexen inter‑ und supra‑ gemeindlichen Beziehungen, wie sie sich vor allem durch eine zunehmende Auswertung der über die Kairoer Geniza überlieferten Korres‑ pondenzen erschließen, bietet Rustow, Genizah (2011); bereits älter Ben-Sasson, Varieties (1995).
Raum
Im Vergleich zu christlichen Rechtsinstitutionen unter muslimischer Herrschaft auch Simonsohn, Common Justice (2011), bes. 120–146. 64 Vgl. Rustow, Genizah (2011), 309 f.; zum mehr‑ fachen Gefolgschaftswechsel der jemenitischen Gemeinden Ben-Sasson, Varieties (1995), 22. 65 Vgl. ebd., 27 f.; Rustow, Genizah (2011), 310; zu wechselnden Bündnissen der nordafrikanischen Gemeinde Fes auch Gil, Jews (2004), 170 f. 66 Vgl. zu entsprechenden Initiativen der Jeschi‑ wot Ben-Sasson, Varieties (1995), 26 f. Zahlreiche empirische Belege bieten in dieser Hinsicht erneut die Arbeiten Moshe Gils, unter anderem Gil, Ba‑ bylonian Yeshivot (1991); Ders., Jews (2004), 141–145. 67 Vgl. Pakter, Medieval Canon Law (1988), 41 f. mit Anm. 8; M. R. Cohen, Kreuz und Halbmond (2005), 51. 68 Vgl. Pakter, Medieval Canon Law (1988), 105 f., Anm. 73; M. R. Cohen, Kreuz und Halbmond (2005), 54. 69 Vgl. Gil, Jews (2004), 275 f.; M. R. Cohen, Kreuz und Halbmond (2005), 73 f.; zu diesbezüglichen Diskussionen zwischen den frühen Rechtsschulen sowie dem Unterschied zwischen Theorie und Pra‑ xis auch Dridi, Christian and Jewish Communities (2015), 116–126. Konkret zu Stiftungen von Angehö‑ rigen der Minderheiten überdies → 12.3.2; 16.3.4. 70 Vgl. Toukabri, Satisfaire le ciel et la terre (2011), 354–356. Die Passage zu den Jerusalemer Gescheh‑ nissen des Jahres 1475 findet sich mit weiteren Einzelheiten bei Muǧīr ad‑Dīn al‑ʿUlaimī, At‑Tārīḫ al‑muʿtabir anbāʾ min ġair, Bd. 2. Ed. Nūr ad-Dīn Ṭālib. Damaskus / Beirut / Kuwait‑Stadt 2011, 217–219.
16.5 Griechisch-orthodoxe Christen 16.5.1 Allgemeines Wenngleich der ‚spatial turn‘ noch keinen starken Niederschlag in der Byzantinistik gefunden hat, findet man entsprechende Ansätze vereinzelt im Bereich der jünge‑ ren Kunstgeschichte und der historischen Geographie. Der folgende Artikel kann
dementsprechend noch nicht als eine umfassende Untersuchung von Raum als sozialem Element im byzantinischen Stif‑ tungswesen betrachtet werden, aber ei‑ nige Anregungen und Hinweise anhand besonders instruktiver Fälle bieten.
247
Griechisch-orthodoxe Christen
Zunächst sollen aus byzantinischer Sicht einige Besonderheiten hinsichtlich der Analysekategorie Raum erörtert wer‑ den. Die große Mehrheit der Quellen zu Stiftungen in Byzanz stammt aus dem klös‑ terlichen Umfeld; Raumkonzepte waren wesentlich mit der Schaffung einer monas‑ tischen Einheit verbunden, die als ein von der äußeren Welt getrennter Ort konzipiert wurde. Die Stifter sorgten sich sehr um den richtigen Ort für eine Klostergründung und damit den Grad der Einbindung der Kommunität in die Laienwelt.1 Entspre‑ chend vielfältig sind die Lösungen bei den Innen‑Außen‑Beziehungen, je nachdem etwa, ob eine Einsiedelei auf dem Athos, ein aristokratisches Frauenkloster in Kons‑ tantinopel oder ein dörfliches Kleinkloster errichtet wurden. Die Permeabilität oder Intransigenz der Klostermauern (falls es diese gab) und damit der Stiftung waren von den jeweils gegebenen Umständen be‑ stimmt, die mit dem Ansatz des ‚spatial turn‘ entschlüsselt werden können. Eine zweite Besonderheit des byzan‑ tinischen Stiftungswesens mit Bezug auf den Raum ist dessen zentripetale Tendenz. Viel mehr als andere mittelalterliche Ge‑ sellschaften war Byzanz in jeder Hinsicht zentralisiert: Politische und wirtschaftli‑ che Ressourcen aller Art konzentrierten sich auf Konstantinopel. Die Zentralität ihrer Hauptstadt kann in der geographi‑ schen Vorstellung der Byzantiner kaum überbetont werden; bereits im 4. Jahrhun‑ dert wurde Konstantinopel als das ‚Auge der Welt (oikoumenē)‘ bezeichnet. Selbst die Himmelsrichtungen wurden seit dem 10. Jahrhundert aus der Perspektive des Reichszentrums berechnet; seit Justinian war die Dichotomie zwischen der Haupt‑ stadt und ‚den äußeren Ländern‘ (hai exō chōrai) auch juristisch festgeschrieben.2 Für das Stiftungswesen wirkte sich die dominante Zentralität der Hauptstadt
besonders darin aus, dass sich die räumli‑ chen Interaktionen der Klöster weithin auf deren unmittelbares Umfeld innerhalb der Stadtmauern konzentrierten. Die politische Relevanz einer hauptstädtischen Stiftung wurde von ihrer Stelle in der hauptstädti‑ schen sakralen Topographie sowie von ihrer Nähe zu anderen Stiftungen bestimmt. Nach dem Niedergang des Kaiserreichs rückte der Berg Athos ins Zentrum des Stiftungs‑ geschehens. Ein dortiger Abt behauptete bereits in der Mitte des 14. Jahrhunderts, ohne Konstantinopel auch nur zu erwähnen, dass eigentlich der Mönchsberg das ‚Auge der Welt‘ sei.3 16.5.2 Konzentration Griechisch‑orthodoxe Stiftungen des Mit‑ telalters waren raumbildend nach innen, wobei hier Bewegungsräume durch die Konzentration von Gebäuden verschiede‑ ner Art am Ort der Stiftung geschaffen wurden.4 Allerdings legen nur wenige typika die räumlichen Dimensionen der Stif‑ tung offen, und in fast allen dieser Fälle fehlen bauliche Überreste, mit denen man die Angaben vor Ort verifizieren oder er‑ gänzen könnte. Die Binnenzentriertheit einer Stiftung hing nicht zuletzt davon ab, in welcher Weise der Stifter sein Vorhaben in die umliegende Gesellschaft integrieren wollte. Hier muss man Stiftungen (1.) auf dem Land und (2.) in der Stadt (vor allem Konstantinopel) unterscheiden. (→ 3.5.6) (1.) Der iberische5 General Gregor Pakouria‑ nos beabsichtigte offenbar, einen unabhän‑ gigen klösterlichen Raum zu schaffen; der Stifter erklärte in seinem typikon stolz, dass der Ort seiner Stiftung in Petritzos keinen Zugang zu anderen Siedlungen habe.6 Pet‑ ritzos wurde als eine Festung konzipiert, zu‑ mal sich die Stiftung in einem gefährlichen
248
Grenzgebiet befand, das in dieser Zeit oft von ‚Steppenvölkern‘ überrannt wurde. Als Klosterinsassen zugelassen wurden nur „Georgier, die eine vielfältige militärische Karriere ausgeübt und einen sehr schwieri‑ gen Lebensweg gehabt haben.“7 Einige von ihnen wurden nach ihrem Klostereintritt wohl wieder Soldaten unter Führung des Stifters Gregor und fielen mit diesem 1086 im Krieg gegen die Petschenegen. Das Klos‑ ter selbst war ummauert (teteixismenē) und die Stiftung bestand aus wenigstens sechs befestigten Ansiedlungen (kastra); eine Her‑ berge innerhalb des Stiftungsgeländes wur‑ de von einem Turm bewacht.8 Der exklusive iberische und aristokratische Charakter der Mönchsgemeinschaft, der Griechen den Bei‑ tritt in die Gemeinschaft verwehren sollte, bekräftigt diesen Eindruck von Segregation und Unabhängigkeit.9 Frauen war das Be‑ treten des Klostergeländes streng verboten, ebenso untersagt war die Errichtung eines ergänzenden Frauenklosters innerhalb der Klostermauern.10 Auch innerhalb der Klosteranlage wech‑ selten die Insassen im Verlaufe ihres Le‑ bens ihre Wohn‑ und Arbeitsorte: Sie wur‑ den oft schon im Kindesalter als potentielle Mönche rekrutiert und von einem älteren Priestermönch unterrichtet.11 (→ 9.5.4) Als erwachsene Mönche waren sie tätig im Hauptkloster in Petritzos, im Nikolas‑Toch‑ terkloster oder in einer der drei Herbergen. (→ Abb. 21) Als Greise konnten sie gute Pflege im Altersheim (gērokomeion) des Klosters erwarten.12 Weil das Kloster mehrmals zerstört und neu‑ oder umgebaut wurde, ist die ursprüngliche Anlage der Stiftung zur Zeit des typikon nicht bekannt. Das Kloster als Bewegungs‑ und Beziehungsraum seiner Insassen kann archäologisch nur für spä‑ tere Phasen erschlossen werden. Bisher ist aber keine Klostermauer gefunden wor‑ den; wir wissen auch nicht, ob die drei
Raum
sakralen Gebäude, die von Gregor erwähnt werden, drei Kirchen oder eine Kirche mit zwei Kapellen darstellten.13 Der Ort der Stiftergrablege (Gregors und seines Bru‑ ders Apasios) ist ebenfalls nicht bekannt; die ursprüngliche Funktion des wohl äl‑ testen Gebäudes des heutigen Komplexes, des späteren Ossariums, ist nicht geklärt.14 Genauso lokal fokussiert, aber viel weni‑ ger geschlossen konzipiert als Petritzos war der Kosmosoteira‑Klosterkomplex des sebastokrator (unter den Komnenen ein Titel für Brüder und Söhne des Kaisers) Isaak Kom‑ nenos im thrakischen Bera. (→ Abb. 22) Weil Isaak wiederholt gegen seinen Bruder, den Kaiser Johannes II. Komnenos (1118– 1143), konspiriert hatte, war seine Stiftung gewissermaßen ein Ort des Exils für ihn und seinen Haushalt.15 Während sich die Stif‑ tungen der Komnenen sonst in der Haupt‑ stadt konzentrierten, hatte er seinen Plan, das heute noch bestehende Chora‑Kloster in Konstantinopel großzügig neu zu erbauen und dort sein Grab zu finden, letzten Endes aufgeben müssen. Wie Gregor Pakourianos für Petritzos, musste Isaak Komnenos einen Raum auf dem Land für eine größere Gedenkgemein‑ schaft (50 Mönche und 24 Diener) schaffen. Ethnisch exklusiv war seine Kommunität aber nicht, sondern offener nach außen. Den Vorschriften des typikon ist zu entneh‑ men, dass die Stiftung drei Grenzen und dementsprechend drei Zonen unterschied‑ lich intensiven Kontakts mit den Nach‑ barn haben sollte.16 Die Klosterkirche selbst, die anderen kultischen Gebäude und die Wohnquartiere der Mönche befanden sich in der ersten, inneren Zone. Diese wurde als streng geschlossener Raum konzipiert – so sollten keine Frauen das Klostergelände betreten und Werke der Wohltätigkeit nur am Tor des Klosters praktiziert werden – und wurde wohl von einer veritablen Mauer und einem Turm geschützt.17
Griechisch-orthodoxe Christen
Größere Interaktion der Stiftung mit der umliegenden Gesellschaft erlaubte eine zweite Zone jenseits der Klostermauer, die ihrerseits vielleicht mit einer Umzäunung abgegrenzt war. In ihr befand sich ein Al‑ tersheim für 36 Insassen mit einer Kapel‑ le, wo die alten und auch die erkrankten Mönche die Liturgie hören durften.18 Der Stifter Isaak nutzte diese Zone zu Lebzei‑ ten für seine private Residenz (despotikon) samt Badeanlage, also auch für seinen un‑ klösterlichen Genuss.19 Isaak räumte selbst ein, dass dieser Teil der Anlage, der nach seinem Tod in eine Herberge verwandelt werden sollte, eine Gefahr für die künf‑ tigen Klosterinsassen darstellen könnte, und verfügte, sie niederzureißen, falls sich diese Befürchtung bewahrheiten sollte. In den zweiten Bereich der Stiftung gehörten auch Zuchttiere, also Kühe, Pferde und Maultiere.20 (→ 10.5.4) Die äußerste und dritte Zone war sei‑ tens des Stifters nicht von Anfang an ge‑ plant. Hier teilten die Mönche eine Ba‑ deanlage mit den Ortsansässigen; sogar Frauen durften sie an zwei Tagen der Woche benutzen.21 Die Bedeutung dieses Raums jenseits der zweiten Grenze nahm zu, als Isaak, im Gegensatz zu einem den Mönchen früher gegebenen Versprechen, deren Bestattung innerhalb des Kloster‑ geländes untersagte. Stattdessen plante er jetzt, wie eine der jüngsten Vorschriften des typikon zeigt, einen Mönchsfriedhof mit Kapelle in der Nähe der Badeanlage.22 Eine weitere Umzäunung sollte auch die‑ sen dritten Bereich markieren, aber zur Zeit der Abfassung des typikon war sie noch nicht errichtet. Was die Bildung eines binnenklösterli‑ chen Raums angeht, spielten der Zugang zum Klosterkomplex sowie Verbindungen zwischen den verschiedenen Bereichen der Stiftung eine wichtige Rolle. Nach au‑ ßen standen drei Tore zur Verfügung: ein
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Haupttor, ein östliches und ein westliches Tor.23 Wie die drei Zonen der Stiftung hatte jedes Tor graduell bestimmte Funktionen. Das Haupttor war für den Verkehr der Mönchsgemeinde selbst vorgesehen; das Osttor dagegen war spezifisch für die Be‑ nutzung durch Frauen reserviert, die das Klostergelände an wenigen (Feier‑)Tagen betreten durften. Über das Westtor ist we‑ nig überliefert. Trotz der Bemühungen des Stifters, sein Kloster von der umliegenden Gesellschaft zu trennen, war die Stiftung kein komplett geschlossener Raum. Wenngleich Isaak eine eigene Kirche für die Dorfgemeinde (neu) gestiftet hatte, erlaubte er doch, dass die Dorfbewohner auch die Klosterkir‑ che besuchen durften, besonders an den Festtagen.24 Die Affinität zwischen dem Kloster und der ländlichen Bevölkerung wuchs noch in den Jahrhunderten nach dem Tod des Stifters. Die wenigen Aus‑ künfte über Bera, den Ort des Klosters, in späteren Jahrhunderten weisen darauf hin, dass die Mönche und Dorfbewohner das Kloster wiederholt gemeinsam militärisch verteidigten, unter anderem gegen den damaligen Rebellen und späteren Kaiser Johannes VI. Kantakouzenos (1347–1354).25 (2.) Das Musterbeispiel für eine städtische Stiftung, das die byzantinische und die ost‑ christliche Welt überhaupt sehr beeinflusst hat, war die ‚Basileias‘.26 Dieser caritative Komplex ist nach seinem Stifter Basileios von Kaisareia (4. Jahrhundert) benannt und lag am Tor seiner Bischofsstadt. Die raumbildende Kraft der Basileias mani‑ festiert sich zum einen darin, dass diese wohl nur etwas kleiner als die spätantike Stadt Kaisareia selbst war, also förmlich eine zweite Stadt darstellte. Zum anderen bildete sie vielleicht das Zentrum für das moderne Kayseri; die Stiftung wäre damit tatsächlich zur Stadt geworden.27
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In einer mittelalterlichen Weltmetro‑ pole wie Konstantinopel war eine starke Abgrenzung von der umliegenden Gesell‑ schaft kaum möglich. Bereits im Mittelalter war die Stadt von einer alten und dichten sakralen Topographie geprägt, wie Texte wie die ‚Patria‘ aufzeigen. (→ 5.5.4) Neue Stiftungen in der Hauptstadt, die nicht selten auf den Resten früherer Stiftungen gebaut wurden, mussten dieser sakralen Topographie Rechnung tragen.28 Der Pantokrator‑Klosterkomplex bietet sich als erhellendes Beispiel für Raumbil‑ dung durch Stiftung in diesem Sinne an.29 Er wurde in der sogenannten 10. Region der Stadt gegründet, wo sich die Komnenen für die Stadtentwicklung engagierten.30 Obwohl das typikon des Kaisers Johan‑ nes II. Komnenos (1118–1143) über die bau‑ geschichtlichen Voraussetzungen seiner Stiftung keine Angaben macht, ist kaum anzunehmen, dass dieser wichtige Teil der Stadt im 12. Jahrhundert noch kaum be‑ baut war.31 Die räumliche Anlage des Pantokrator ist allerdings weder dem typikon noch dem archäologischen Befund sicher zu entneh‑ men. Drei miteinander verbundene und heute noch stehende Kirchen stellten den Kern des Komplexes dar. Ihr räumliches Verhältnis zu dem Krankenhaus und dem Altersheim, die ebenfalls zum Pantokrator gehörten, wird weder im typikon noch an‑ derswo thematisiert.32 Diese Einrichtungen waren aber so weit vom Kloster entfernt, dass sie für die Liturgie eigene Gotteshäu‑ ser besaßen; zum Krankenhaus gehörten zwei Kirchen, das Altersheim wurde durch eine Kapelle versorgt. Paul Magdalino zu‑ folge bestand der Kern des Gesamtkomple‑ xes aus zwei größeren Höfen: aus einem Hof für das Kloster, möglicherweise west‑ lich der drei Kirchen, sowie einem Hof für die wohltätigen Einrichtungen (das Krankenhaus und Altersheim), entweder
Raum
im Osten oder Süden.33 Das Leprosorium wurde verständlicherweise etwas von den restlichen Gebäuden entfernt geplant.34 Die Bewegungsräume der Stiftung wur‑ den durch die weiträumige Anlage des Pantokrator‑Klosterkomplexes sowie die Gedenkvorschriften des Stifters bestimmt. An den Tagen, an denen Johannes, seine verstorbene Frau Irene sowie sein Vater oder sein Sohn Alexios kommemoriert wurden, mussten Personal und Insassen des Krankenhaus sowie des Altenheims in einer Prozession zu der nördlichen Kirche ziehen.35 An diesen Gedenktagen fanden auch größere öffentliche Prozessionen zur Grabkapelle statt, weil Kaiser Johannes II. vorgeschrieben hatte, dass die wichtigste Ikone der Hauptstadt, die der Jungfrau Ho‑ degetria, in einem Umzug dorthin gebracht werden und an dem Gedenktag vor Ort bleiben sollte.36 Aber auch der wöchentliche Umzug dieser Ikone musste an der Grab‑ kapelle vorbeikommen; für die Teilnehmer wurde mit Kerzen und Wasser vorgesorgt.37 Die Stiftung wurde also in das alltägliche religiöse Leben Konstantinopels integriert. Im Gegensatz zu den Stiftungen von Gregor Pakourianos und Isaak Komnenos gab Johannes II. seiner Stiftung einen öf‑ fentlichen Charakter. Über Klostermauer und sonstige Abgrenzungen, die für die Klöster in Petritzos und Bera so wichtig waren, verliert der komnenische Kaiser kein Wort. Weil auch archäologisch keine Klostermauer aufgefunden wurde, ist nicht bekannt, wie und ob das Kloster von der äu‑ ßeren Welt überhaupt abgegrenzt wurde.38 16.5.3 Dispersion Im Grunde genommen waren griechisch‑ orthodoxe Stiftungen, was wenigstens das Stiftungsvermögen angeht, nur selten auf einen einzigen Ort beschränkt. Besonders
Griechisch-orthodoxe Christen
die Stiftungen der Hauptstadt besaßen ihre Güter weit über die Stadtmauer hinaus in den Provinzen der asiatischen und europä‑ ischen Reichshälften.39 Ähnliches gilt für die Vermögen der Athosklöster; obwohl diese regional stark auf Makedonien kon‑ zentriert waren, hatten sie doch Güter in der ganzen orthodoxen Welt. Relevant für die Frage der Räumlichkeit klösterlicher Stiftungen im Allgemeinen ist die geo‑ graphische Dispersion der Stiftung durch abhängige Klöster (metochia). (→ 13.5.2) Beim oben besprochenen Fall von Kosmo‑ soteira scheint sich das Stiftungsvermö‑ gen zwar stark auf die Region rund um das Kloster selbst konzentriert zu haben, doch besaß dieses auch ein metochion in Konstantinopel, das ständig von drei Mön‑ chen betrieben werden sollte.40 Der Stifter Isaak plante ein weiteres metochion in der thrakischen Marktstadt Ainos, wo er auch mehrere Güter besaß.41 Belege für die Dispersion von Geden‑ ken über mehrere Stiftungen in Byzanz sind dürftig und beschränkten sich, wenn überhaupt, auf die Spitze der Aristokratie sowie den Kaiser. Zum Beispiel sah Gregor Pakourianos, der für sein Gedenken in Pe‑ tritzos investiert hatte, auch für jährliche Kommemorationen in dem athonischen Iberer‑Kloster eine Schenkung von 200 Goldmünzen vor.42 Sein Bruder Apasios tat dasselbe und erwirkte ein zusätzliches Gedenken durch eine Verfügung von Geld, Pferden, Maultieren und Brokat zugunsten des Klosters.43 Diese Maßnahmen – die auf Schenkungen und nicht Stiftungen beruh‑ ten – sind vielleicht eher als Kommemora‑ tionsvorsorge zu betrachten, solange die Stiftung in Petritzos noch nicht bestand. Auf ähnliche Weise schenkte der arme‑ nische Tigran Honenc‘ im Jahr 1201 dem Horomos‑Kloster eine Mühle gegen zwölf Jahresmessen für sich selbst und seine Eltern.44 Vierzehn Jahre später stiftete er
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seine St.‑Gregor‑Kirche in der Stadt Ani.45 Diese Stiftungstätigkeit beschränkte sich tatsächlich auf einen lokalen Umkreis, da sich das Kloster nur 15 Kilometer von Ani entfernt befand. Stifter verwendeten auch die Einnah‑ men ihrer Stiftungen, um ihre Memoria bei anderen Klöstern und Kirchen abzu‑ sichern. Michael Attaleiates ließ etwa sei‑ ner selbst und seiner Familie nicht nur in seinem konstantinopolitanischen Kloster und in seinem Armenhaus in Rhaidestos (ca. 100 km von der Hauptstadt am Nordu‑ fer des Marmarameers gelegen) gedenken, sondern bestimmte auch, dass aus den Einnahmen seines Armenhauses jährlich drei Goldmünzen für zwei mittellose Män‑ nerklöster sowie zwei Goldmünzen für zwei ebenfalls mittellose Nonnenklöster in Rhaidestos abgeführt werden sollten.46 Eine Dispersion des Gedenkens war bei Attaleiates auch nötig, weil seine Stiftung nicht sein Grab barg. Stattdessen sollten die Mieteinnahmen aus einem Haus des Stiftungsvermögens für die Gehälter der Priester an der Kirche des Heiligen Georg von Kyparission verwandt werden, wo sich sein eigenes Grab sowie die Ruhestätten seiner Frauen und Eltern befanden.47 Es waren aber besonders die byzan‑ tinischen Kaiser, die eine Strategie der Dispersion von Gedenken durch Stiftung verfolgten. Wenngleich diese Art kaiserli‑ cher Stiftungstätigkeit durchgehend belegt ist, taten sich hierbei besonders die Kaiser vom 9. bis zum 12. Jahrhundert hervor. (→ 14.5.2) Zum Beispiel stiftete Roma‑ nos I. Lekapenos (920–944) als Hauptort seines Gedenkens seinen Myrelaion‑Klos‑ terkomplex in Konstantinopel, der auch ein Altersheim und Spital sowie seine Grablege enthielt; vor seinem Grab soll‑ ten täglich 3000 Brote verteilt werden.48 Er stiftete aber auch das Manuel‑Kloster in der Hauptstadt neu und vereinigte es mit
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dem von ihm geschaffenen Panteleimon‑ Kloster, das sich auf der asiatischen Seite der Bosporus befand; für die insgesamt 800 Mönche dieser Gemeinschaft wurde mit einem jährlichen Stipendium gesorgt.49 Möglicherweise zeichnete dieser Kaiser auch seinen Geburtsort Lakape mit einer Stiftung aus – spätere Gesetze erwähnen hier ein kaiserliches Kloster (basilikē monē), genauere Auskünfte dazu fehlen aber.50 Ein weiterer räumlicher Aspekt der Stif‑ tungen sind die Reisen von Destinatären zum Kaiser‑ oder Königshof. Diese waren für Rentenstiftungen typisch, wenn der Stifter einem Kloster eine (theoretisch auf ewig) fixierte jährliche Summe verspro‑ chen hatte. Obschon Details zur Übermitt‑ lung dieser Erträge in der Regel fehlen, zeigen aber doch einige spätmittelalterliche Beispiele, dass eine jährliche Delegation von Mönchen am Königshof erwartet wur‑ de. So reisten etwa die Mönche des Dio‑ nysiou‑Klosters auf dem Athos während des 14. und 15. Jahrhunderts jährlich nach Trapezunt, etwa 1300 Kilometer entfernt, um ihre Rente von 1000 aspra entgegenzu‑ nehmen.51 In einer Bestätigungsurkunde aus dem Jahr 1416 verpflichtete sich Alexi‑ os IV., der Kaiser von Trapezunt, erneut auf die von seinem Großvater gestiftete Rente für das Kloster.52 Er bestimmte ein Gut, nämlich das Christus‑Kloster tou Chaldou, für die Zahlung dieser Rente.53 Der Kaiser erlaubte allerdings, „wegen der Entfernung oder der Schwierigkeit der See[reise]“, dass ein Verwalter (epitropos) statt eines Mönchs das Geld aus dem Kloster abholen konnte, der es dann an den Heiligen Berg weiter‑ leiten sollte. Gedanken zur Überweisung von Geld machte sich auch Vlad der Mönch, Herrscher der Walachei (1482–1495), der für seine Großzügigkeit zugunsten des Hilan‑ dar‑Klosters auf dem Berg Athos mit dem Titel eines ‚Zweiten Stifters‘ ausgezeich‑ net wurde. Durch eine Urkunde aus dem
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Jahr 1492 stiftete er diesem Kloster nicht nur eine jährliche Rente von 5000 aspra, sondern verordnete sogar 500 zusätzli‑ che aspra für jene Mönche, die auf einer jährlichen Reise die etwa 500 Kilometer zwischen Hilandar und dem Donaufürs‑ tentum überwinden mussten.54 Die Notwendigkeit für die Destina‑ täre von Rentenstiftungen, jährlich den Stifter oder seine Nachkommen zu besu‑ chen, führte zu einem besonders engen Verhältnis zwischen beiden Seiten über lange Zeit. Dabei ging es nicht nur um die Überwindung geographischer, son‑ dern auch politischer Distanzen; in den beiden oben angesprochenen Beispielen lagen die Stiftungen weit außerhalb der Herrschaftsgebiete der Stifter. Der stän‑ dig wiederholte Austausch von Gabe und Gegengabe vergegenwärtigte den Stifter hier nicht nur liturgisch 55, sondern auch durch praktisches Handeln. 16.5.4 Interferenzen mit anderen sozialen Räumen Die Interaktionen zwischen Stiftungsräu‑ men und sozialen Räumen anderer Art betrafen in Byzanz sowie in anderen ost‑ christlichen Gesellschaften verschiedene Ebenen. Besonders bemerkenswert war die politische Ebene: Kaiser und Fürsten der orthodoxen Welt sicherten ihre Herrschaf‑ ten durch Stiftung nicht nur innerhalb ihrer eigenen Territorien, sondern auch weit jenseits davon ab. Darüber hinaus war Stiftung auch ein Mittel, um den Blick auf neue Regionen zu lenken oder diese zu gewinnen. Konstantinopolitanische Stiftungen wa‑ ren in dieser Hinsicht von besonderer poli‑ tischer, religiöser und wirtschaftlicher Be‑ deutung. Stiftungen stellten, in den Worten Paul Magdalinos, eine Art ‚power building‘
Griechisch-orthodoxe Christen
dar und Konstantinopel selbst einen Be‑ reich von ‚power space‘: „Power building and power space are highly pervasive and intrusive in societies with strong state structures. The Late Roman and Byzan‑ tine Empire, where society was structured on political lines, was an extreme example. Constantinople was founded as an expres‑ sion of imperial power, and the whole city proclaimed itself a power environment in several ways. It possessed the most formida‑ ble fortifications of any ancient or medieval city. Its public monuments were trophies from other cities or commemorations of imperial victory; its public spaces were are‑ nas for the performance of imperial piety; and its neighborhoods were named after the houses of imperial officials.“56 Für die Epoche der Komnenen (1081–1185) und der Angeloi (1185–1204) ist die politi‑ sche Bedeutung von Stiftungen besonders gut nachweisbar. Erhebliches privates und staatliches Vermögen wurde in dieser Zeit in hauptstädtischen Stiftungen investiert, nicht nur um die Macht der herrschen‑ den Dynastie abzusichern, sondern auch als eine intensive konstantinopolitani‑ sche Konkurrenz zwischen verschiede‑ nen Zweigen der kaiserlichen Dynastie.57 Das Muster dieser Stiftungstätigkeit ver‑ änderte die Lage der politischen Macht in der Hauptstadt. Der Dynastiegründer und Usurpator Alexios I. Komnenos (1081–1118) verfolgte ein eher konservatives und tra‑ ditionelles Stiftungsprogramm, wobei er großzügig die altehrwürdige kaiserliche Stiftung des Orphanotropheions – eines caritativen Komplexes samt Waisenhaus, großer Kirche, einigen geistlichen Gemein‑ schaften, Herberge und Altersheim – neu stiftete. Der Ort der Anlage war ebenfalls konservativ; sie befand sich im ältesten Bezirk der Stadt, um die Akropolis des antiken Byzantium, und neben einem frü‑ heren kaiserlichen caritativen Komplex,
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dem Mangana‑Kloster des Kaisers Kons‑ tantin IX. Monomachos (1042–1055).58 Die Neustiftung des Orphanotropheions im alten Herzen der Hauptstadt signalisierte eine Wiederbelebung des Zentrums. Die primäre Region der hauptstädti‑ schen Stiftungstätigkeit war unter den kai‑ serlichen Nachfolgern und Nachkommen Alexiosʼ I. bald jedoch eine andere: Statt im Zentrum stifteten sie ihre Kirchen, Klöster und wohltätigen Anstalten in den soge‑ nannten 10. und 14. Bezirken der Haupt‑ stadt. Besonders der 14. Bezirk als eine erst wenig besiedelte Gegend, die zu dieser Zeit von einigen aristokratischen Palästen mit einem Park und zwei großen Zisternen geprägt war, bot viel Platz für eine Ent‑ wicklung durch Stiftungen.59 (→ Abb. 23) Die erste komnenische Stiftung war hier das Christus‑Pantepoptes‑(‚Allsehender‘‑) Kloster, das auf die Mutter von Alexios I., Anna Dalassene, zurückging.60 In der nächsten Generation der Komne‑ nen stifteten Alexios I. und seine Gemahlin Irene Doukaina hier das Doppelkloster des Christus Philanthropos und der Muttergot‑ tes Kecharitomene.61 Der Pantokrator‑Kom‑ plex, der die Stiftungstätigkeit einer drit‑ ten Generation der Dynastie repräsentiert, wurde in diesem Gebiet ebenso von einem kaiserlichen Ehepaar gestiftet. Auch die nicht herrschenden Zweige wurden durch Stiftungen in diesem Teil der Stadt präsent. Johannes Komnenos verwandelte den Palast seines Vaters Isaak (des Bruders Alexiosʼ I.) in das Christus‑Euergetes‑Kloster, dessen Klosterkirche bis heute als die Gül Camii steht.62 Das Kloster befand sich vermutlich am Ort der ehemaligen Hauptresidenz (oikos) der Familie in Konstantinopel.63 Ha‑ drian Komnenos schuf das (ebenfalls bis heute erhaltene) Pammakaristos‑Kloster neu, das damals in Ruinen lag.64 Die ex‑ tensive Stiftungstätigkeit der Komnenen in diesem Gebiet führte dazu, dass sich das
254
Machtzentrum der Hauptstadt in diesen nordöstlichen Teil der Stadt verlagerte.65 Außerhalb des eigentlichen byzantini‑ schen Reiches spielten bei den Relationen von Stiftung und Herrschaftsraum zentri‑ petale Tendenzen keine vergleichbare Rolle. Das gilt etwa für Armenien und Georgien und deren Fürstenfamilien. Die armeni‑ schen Bagratiden verfügten in der 161 Jahre währenden Geschichte ihres Königreiches über vier Hauptstädte (Bagaran, Erazga‑ vork, Kars, Ani),66 während ihre Verwand‑ ten, die georgischen Bagratiden, gar keine feste Residenz hatten, sondern ständig ihr Reich bereisten.67 Die Stiftungen lagen da‑ gegen in den Stammgebieten der führenden südkaukasischen Geschlechter;68 Stiftung war hier, ähnlich wie in Konstantinopel, eine Art politischer Wettbewerb unter den fürstlichen Familien.69 Stiftung stellte ein Mittel zur Bildung von Herrschaftsräumen dar. Der Prozess hatte auch eine besondere religiöse Di‑ mension, denn Territorien, die von den Muslimen (zurück‑)erobert worden wa‑ ren, konnten für Stiftungen verwandt oder durch Stiftungen abgesichert werden.70 Ein erhellendes Beispiel dafür ist die Stiftungs‑ inschrift des Noravank‑Klosters, das über Generationen durch die fürstliche Familie der Orbelean begünstigt wurde. Ein späte‑ rer Spross, der Bischof Stephan Orbelean, nennt viele der familiären (Zu‑)Stiftungen an das Kloster in seiner ‚Geschichte der Provinz Sjunik‘.71 Man erfährt, dass sich der ursprüngliche Stifter Liparit während seines Exils nach dem Aufstand gegen den König von Georgien vom Islam zum Chris‑ tentum bekehrt hatte. Nach dem späteren Frieden mit Georgien habe er das Kloster zum Zeichen seiner Treue zum christlichen Glauben sowie als Symbol seiner Herr‑ schaft in der Provinz Sjunik gestiftet.72 Königliche Stifter zielten oft auf die Wie‑ derherstellung eines berühmten Ortes. Dies
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gilt der georgischen Chronik zufolge auch für die Stiftung des Klosterkomplexes Gelati durch David IV. den Erbauer (1089–1125). Eine Quelle preist das Kloster, „das sich jetzt vor dem ganzen Osten als ein zweites Jerusa‑ lem darbietet, als Anleitung zu aller Tugend, als Führer zur Gelehrsamkeit, als ein neu‑ es Athen, an erster Stelle in den göttlichen Gesetzen, als Verwalter aller kirchlichen Herrlichkeit: Sein Name aber ist Gelati.“73 Das eigentliche Vorbild war aber der konstan‑ tinopolitanische Mangana‑Klosterkomplex, da Gelati wie Mangana neben einem Kloster auch ein Spital und eine Schule enthielt.74 Orthodoxe Herrscher stifteten auch weit jenseits der Grenzen ihrer Fürstentümer: Diese Tätigkeit war besonders bemerkens‑ wert auf dem Heiligen Berg Athos, dessen Klöster sich unter byzantinischer, serbi‑ scher und zuletzt osmanischer Herrschaft befanden. Bestimmte Klöster wurden mit besonderen Regionen verbunden: Hilandar mit Serbien, das Iberer‑Kloster mit Geor‑ gien, Dionysiou mit Pontos und Koutlou‑ mousiou mit den Donaufürstentümern. Die Stiftung des Hilandar‑Klosters und spätere Zustiftungen durch die serbischen Könige zeigen diese Dynamik auf. Der Stifter, Ste‑ phan Nemanja (genannt Sava), hatte den byzantinischen Kaiser Alexios III. gebeten, seine Stiftung mit der Gabe von Dörfern zu unterstützen.75 Spätere Dotationen des serbischen Königshauses für das Kloster beruhten teilweise auf ‚Bitten‘ dieser Art an den byzantinischen Kaiser, teilweise auf direkten Stiftungen von Dörfern und anderen Gütern im serbischen Königreich. Diese grenzüberschreitende Raumbildung der Stiftung war, obwohl sie besonders gut für die Herrscher Serbiens und die Donaufürstentümer belegt ist, typisch für die ganze orthodoxe Welt, besonders im Spätmittelalter. Auch auf wirtschaftlicher Ebene in‑ terferierten Stiftungsräume mit Räumen
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anderer Art. Die Stiftung von Klöstern entlang der Handelsrouten ist in Byzanz kaum belegt, aber von großer Bedeutung in der syrischen Überlieferung (→ 9.5.3) sowie in derjenigen der anderen Ostchris‑ ten. Das Horomos‑Kloster (‚Römerkloster‘, weil sein Gründer angeblich wegen seiner nicht‑chalcedonischen Überzeugung aus dem Rhomäerreich vertrieben worden war) wurde vom Stifter ursprünglich als eine Ruhestätte für Reisende konzipiert. In der armenischen Chronik heißt es dazu: „Aber in der Provinz Širak wurde das sogenann‑ te Römerkloster durch Yōhannēs, der mit dem Schmucke des Erbarmens geschmückt war, erbaut, denn er teilte mit Mitleid und Tugend (Almosen) aus, sodaß er sich sogar seiner Kleider entledigte, wenn er Bettlern begegnete. Und den Wanderern und Reisen‑ den bereitete er eine Ruhestätte, sodaß alle Fremden ausruhen konnten wie in ihrem eigenen Hause. Dieses Wunder der Barm‑ herzigkeit wird noch heutzutage in seinem Hause geübt.“76 Auch wenn die Historizität dieser Gründungsgeschichte umstritten ist77 und ihren Akzent auf die Caritas legt, fügt sie sich in den Kontext ihrer Zeit; diese ist von einem rapide wachsenden Reichtum der benachbarten Stadt Ani gekennzeichnet, die im 10./11. Jahrhundert aus dem Nichts zu einer Handelsmetropole wurde. Das Kloster Horomos wurde begünstigt von der Bildung dieses Handelsraums, wie die zahlreichen (63!) Inschriften an seinen Gebäuden zeigen,
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die Schenkungen und Zustiftungen belegen; umgekehrt hat das Kloster aber selbst die ökonomische Entwicklung seines Umkrei‑ ses vorangebracht. Konstantinopel war im gesamten Mittel‑ alter von großer kommerzieller Bedeutung, und natürlich haben auch seine Stiftungen zur kaufmännischen und wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt beigetragen. Kaiser‑ liche Privilegien für die norditalienischen Händelstädte (Genua, Pisa und Venedig) aus dem 11. und 12. Jahrhundert belegen, dass viele der gewinnbringenden Anlagen der Hauptstadt (z. B. Kais) das Eigentum von Stiftungen (von Klöstern und wohltä‑ tigen Einrichtungen) waren.78 Die Veräu‑ ßerung dieser Güter an die Westeuropäer durch den Kaiser ermöglichte den Aufstieg der italienischen Kaufleute in der Stadt sowie die Ausbildung ihrer eigenen Räu‑ me, nämlich ihrer Wohn‑ und Handels‑ quartiere, die als quasi selbständige Städte innerhalb der Hauptstadt funktionierten; ein Beispiel ist das Stadtviertel Pera in der Hand der Genuesen.79 Bei der Förderung des Handels bedien‑ ten sich die Kaiser direkt der Stiftungen. So schuf Isaak II. Angelos (1185–1195) eine hauptstädtische Herberge (pandocheion), in der bis zu 100 Reisende und ihre Reittiere gratis übernachten konnten.80 Wegen sei‑ ner Lage neben dem Julian‑Hafen war die Einrichtung wohl für Händler bestimmt. ZC
Anmerkungen 1 A.-M. Talbot, Foundersʼ Choices (2007). von Zeit und Raum (2009, ND 2010 und 2012), 2 Angelov, Asia and Europe (2013), 53–57. 396–400. 3 Actes de Kutlumus. Ed. Paul Lemerle. (Archi‑ 5 Nach der Deutung von Nikolova, Monastère de ves de l’Athos, Bd. 2.) Paris 21988, 102–105, Nr. 26, hier 103, Z. 9 f. 4 Zur Dynamik der inneren Raumbildung von Stif‑ tungen vgl. Borgolte, Stiftungen – eine Geschichte
Bačkovo (2011), 31–33, habe diese Bezeichnung eher eine regionale Bedeutung, sie schließe also Arme‑ nier und Georgier aus der Provinz Iberien ein und dürfe nicht mit ‚Georgiern‘ verwechselt werden.
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6 Le typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. 1908 veröffentlicht wurde. Zum Altersheim siehe
Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 42, 1984, 5–145, hier 23, Z. 47. Engl. Übers. von Robert Jordan in: BMFD 2, 507–563, hier 519. 7 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 6) 23, Z. 44 f.; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 6), 519. Diese Mönche wa‑ ren vermutlich Berufssoldaten armenischer und georgischer Herkunft, vgl. Nikolova, Monastère de Bačkovo (2011), 33–36. 8 Kaplan, Why Were Monasteries Founded (2007), 40 f.; Nikolova, Monastère de Bačkovo (2011), 27 f. 9 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 6), 105, Z. 1420–1433; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 6), 547. 10 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 6), von 103, Z. 1401 bis 105, Z. 1417; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 6), 546. 11 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 6), 115, Z. 1610, bis 117, Z. 1637; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 6), 550 f. 12 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 6), 111, Z. 1509– 1526; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 6), 548 f. 13 Nikolova, Monastère de Bačkovo (2011), 47– 50, argumentiert für die erste Möglichkeit (drei Kirchen). 14 Diskussion bei Bakalova, Function of the Ossuary (2003), die für eine Bestattung der Stif‑ ter in der nicht erhaltenen Hauptkirche plädiert. Grishin, Literary Evidence (1981), dagegen sieht das Ossarium als Ort der Grablege als wahr‑ scheinlicher an. 15 Der konkurrierende dynastische Kontext der Stiftung ist sehr erhellend diskutiert bei Stanković, Comnenian Monastic Foundations (2011), 60–64. 16 Sinos, Klosterkirche (1985), 44 f. 17 Drei Türme aus dieser Epoche sind am Ort der Stiftung erkennbar, jedoch ist nur einer im typikon erwähnt; vgl. Sinos, Klosterkirche (1985), 46. 18 Typikon Isaakiou Alexiou Komnēnou tēs Monēs Theotokou tēs Kosmosōteiras. Ed. Geōrgios K. Papazoglos. Komotini 1994, 101, Z. 1301, bis 106, Z. 1403. Kommentar und engl. Übers. von Nancy Patterson Ševčenko in: BMFD 2, 782–858, hier 830–832; diese Übersetzung beruht auf der älteren Edition des typikon, die von Louis Petit im Jahr
auch Sinos, Klosterkirche (1985), 63.
19 Typikon Isaakiou Alexiou Komnēnou. Ed.
Papazoglos (wie Anm. 18), 148, Z. 2081–2095; 149, Z. 2106–2110; engl. Übers. Ševčenko (wie Anm. 18) 847 f. 20 Sinos, Klosterkirche (1985), 64. 21 Typikon Isaakiou Alexiou Komnēnou. Ed. Papazoglos (wie Anm. 18), von 147, Z. 2071, bis 148, Z. 2081; engl. Übers. Ševčenko (wie Anm. 18), 847. 22 Typikon Isaakiou Alexiou Komnēnou. Ed. Papazoglos (wie Anm. 18), 147, Z. 2071, bis 148, Z. 2095; engl. Übers. Ševčenko (wie Anm. 18), 847. Vgl. Sinos, Klosterkirche (1985), 65. 23 Ebd., 46 f. 24 Typikon Isaakiou Alexiou Komnēnou. Ed. Papazoglos (wie Anm. 18), von 138, Z. 1896, bis 139, Z. 1908; engl. Übers. Ševčenko (wie Anm. 18) 843. Vgl. Sinos, Klosterkirche (1985), 65. 25 Ebd., 22 f.; 66. 26 Jetzt untersucht unter Einfluss des ‚spatial turn‘ bei Horden, Cities within Cities (2015), 160–168. 27 Horden, Cities within Cities (2015), 162 f. 28 Magdalino, Foundation (2013), 35. 29 Borgolte, Stiftungen – eine Geschichte von Zeit und Raum (2009, ND 2010 und 2012), 396 f. 30 Magdalino, Medieval Constantinople (2007), 78–94; Stanković, Comnenian Monastic Founda‑ tions (2011), 52. 31 Magdalino, Foundation (2013), 35 f. 32 Spieser, Monastère du Pantocrator (2015), 204. 33 Magdalino, Foundation (2013), 37. 34 Zum möglichen Ort des Leprosoriums vgl. ebd., 38, Anm. 26. 35 Le typikon du Christ Sauveur Pantocrator. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 32, 1974, 1–145, hier von 89, Z. 1007, bis 91, Z. 1034; 109, Z. 1360– 1362. Engl. Übers. von Robert Jordan in: BMFD 2, 725–781, hier 759; 766. 36 Typikon du Christ Sauveur Pantocrator. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 35), von 81, Z. 883, bis 83, Z. 900; engl. Übers. von Jordan (wie Anm. 35), 756. 37 Typikon du Christ Sauveur Pantocrator. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 35), 75, Z. 750–778; engl. Übers. von Jordan (wie Anm. 35), 753 f. Vgl. Magdalino, Foundation (2013), 36 f. 38 Spieser, Monastère du Pantocrator (2015), 204. 39 Magdalino, Medieval Constantinople (2007), 67 f.
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40 Typikon Isaakiou Alexiou Komnēnou. Ed.
Papazoglos (wie Anm. 18), von 143, Z. 1976, bis 145, Z. 1997; engl. Übers. Ševčenko (wie Anm. 18), 845. 41 Typikon Isaakiou Alexiou Komnēnou. Ed. Papazoglos (wie Anm. 18), von 99, Z. 1293, bis 101, Z. 1300; engl. Übers. Ševčenko (wie Anm. 18), 829. 42 Actes d’Iviron. Ed. Jacques Lefort / Nicolas Oikonomidès / Denise Papachrysanthou, Bd 2. (Actes de l’Athos, Bd. 16.) Paris 1985, 5, Nr. 38. 43 Ebd., 7, Nr. 111. 44 Les inscriptions de Hoṙomos. Ed. Jean-Pierrre Mahé, in: Ani T. Baladian / Jean‑Michel Thier‑ ry (Hrsg.), Le couvent de Hoṙomos d’après les archives de Toros Toramanian. (Monuments et Mémoires de la Fondation Eugène Piot, Bd. 81.) Paris 2002, 147–214, hier 185 f., Nr. Ži2. 45 Dazu Mahé, Testament de Tigran Honenc‘ (2001), mit einer frz. Übers. der Inschrift ebd., 1323 f.; 1326. 46 La diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 39, 1981, 5–143, hier von 47, Z. 506, bis 49, Z. 523. Engl. Übers. von Alice-Mary Talbot in: BMFD 1, 326–376, hier 343. 47 Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 46), 45; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 46), 341. 48 Magdalino, Medieval Constantinople (2007), 73. Zum Myrelaion siehe Striker, Myrelaion (1981). 49 Theophanes continuatus. Ed. Immanuel Bekker. (Corpus scriptorum historiae Byzantinae, Bd. 33.) Bonn 1838, 432 f. 50 Regesten der Kaiserurkunden des oströmi‑ schen Reiches von 565–1453, Bd. 1.2. Ed. Franz Dölger / Andreas E. Müller. (Corpus der griechischen Urkunden des Mittelalters und der neueren Zeit. Reihe A. Abteilung 1, Bd. 1.2.) München 22003, 134 f., Nr. 720. Zur Ortsbestimmung von Lakape siehe Grégoire, Notules (1933, ND 1975), 572–574. 51 Diese Rente wurde vom Kaiser von Trapez‑ unt Alexios III. (1349–1390) gestiftet; vgl. Actes de Dionysiou. Ed. Nicholas Oikonomidès. (Archives de l’Athos, Bd. 4.) Paris 1968, 50–61, Nr. 4. 52 Ebd., 97–101, Nr. 15. 53 Zur Geschichte und Lage des Christus‑Klos‑ ters tou Chaldou vgl. Janin, Églises (1975), 295–297. 54 Chilandar et les pays roumains (XVe–XVIIe siècle). Les actes des princes roumains des archi‑ ves de Chilandar (Mount‑Athos). Ed. und Übers. Boško I. Bojović. (Textes documents études sur le
257 monde byzantine, néohellénique et balkanique, Bd. 10.) Paris 2010, 127–131, Nr. 2. 55 Dazu allgemein Borgolte, Totale Geschichte (1993, ND 2012). 56 Magdalino, Power Building (2013), 55. 57 Stanković, Comnenian Monastic Foundations (2011); Simpson, Propaganda Value (2015). 58 Vgl. Magdalino, Medieval Constantinople (2007), 84–86, der argumentiert, dass das Manga‑ na‑Klosterkomplex als Vorbild für die Neustiftung des Orphanotropheions gedient habe. 59 Ebd., 80–82. 60 Stanković, Comnenian Monastic Foundations (2011), 52–54. 61 Ebd., 55–59. 62 Ebd., 61 f. 63 Nach Magdalino, Medieval Constantinople (2007), 80. – Diese hauptstädtischen oikoi dienten oft als eine Grundlage für die Stiftungen aristo‑ kratischer Familien, vgl. Ders., Aristocratic Oikoi (2001, ND 2007). 64 Simpson, Propaganda Value (2015), 182. 65 Stanković, Comnenian Monastic Foundations (2011), 52. 66 Manuk-Khaloyan, Cemetery (2013), 133. 67 Eastmond, Royal Imagery (1998), 72 f. 68 Beispiele bei Manuk-Khaloyan, Cemetery (2013), 168–170. 69 Ebd., 171. 70 Siehe zum Beispiel die Stiftung von Dörfern an das Kloster und den Bischofsitz Tatev durch den Adligen Hasan im Auftrag des armenischen Königs Senekerim: Patmutʻiwn nahangin Sisa‑ kan. Ed. K. Šahnazareanc‘, 2 Bde. Paris 1859, Bd. 1, 70–72, hier 71 f.: „Ich, der König Senekerim, habe mit meiner Hand die Urkunde Hasans und die Stiftung dieser Dörfer, die den Muslimen um den Preis seines [Hasans] Blutes entrissen wurden, sowie andere Schenkungen auf meinen Befehl hin an Tatev, bestätigt.“ Frz. Übers. in: Stéphanos Orbèlian, Histoire de la Siounie. Übers. M. Brosset, Bd. 1. Sankt Petersburg 1864, 186 f., hier 187. 71 Augé, Lieux de mémoire (2014), 74–76. 72 Stéphanos Orbèlian, Histoire de la Siounie. Übers. Brosset (wie Anm. 70), 204 f. Vgl. Augé, Li‑ eux de mémoire (2014), 68. 73 Das Leben Kartlis. Eine Chronik aus Georgi‑ en 300–1200. Übers. Gertrud Pätsch. (Sammlung Dietrich, Bd. 330.) Leipzig 1985, 408.
258 74 Eastmond, Royal Imagery (1998), 59 f. 75 Selected Charters of Serbian Rulers (XII–XV
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77 Diskutiert bei J.-M. Thierry, Histoire de
Hoṙomos (2002), 11. Century) Relating to the Territory of Kosovo and 78 Magdalino, Medieval Constantinople (2007), Metohia. Part One. Ed. und Übers. T. Živković / S. 86–95. Bojanin / V. Petrović. Athen 2000, 21–27, Nr. 1, hier 79 Die Veräußerung der privaten Güter an itali‑ 23 (Text) und 25 f. (Übers.). enische Städte durch den Kaiser hat in der letzten 76 Des Stephanos von Taron armenische Ge‑ Zeit Smyrlis, Private Property (2009), diskutiert. schichte. Übers. Heinrich Gelzer / August Bruckhardt. 80 Simpson, Propaganda Value (2015), 198 f. (Scriptores sacri et profani, Bd. 4.) Leipzig 1907, 127.
16.6 Indien 16.6.1 Allgemeines Seit dem frühen Altertum prägten neben Kosmologien auch geographisch sehr viel konkretere Raumkonzepte die religiösen Vorstellungen in Indien. Bereits im ‚Ṛgveda‘ taucht der Begriff āryāvarta, ‚Wohnstätte der Edlen‘, zur Bezeichnung des Landes auf, das den Brahmanen als heilig galt. Die Ansichten davon, welche Regionen als ritu‑ ell rein oder unrein zu klassifizieren seien, wandelten sich im Laufe der Jahrhunderte. Doch schon in den ‚Dharmasūtras‘, die in den letzten Jahrhunderten v. u. Z. entstan‑ den sind, wird ein Gebiet als āryāvarta beschrieben, das vom orthodoxen Brah‑ manentum auch noch in den folgenden Jahrhunderten als solches angesehen wer‑ den sollte: der Zentralteil Nordindiens, das Gebiet zwischen dem Himālaya im Nor‑ den und dem Vindhya‑Gebirge im Süden sowie zwischen den Meeren im Westen und im Osten.1 Stiftungen belegen jedoch, dass diese Grenzen des brahmanischen Siedlungsgebietes, die die Theorie errichtet hatte, in der Praxis geradezu systematisch überschritten wurden, und zwar insbeson‑ dere in Richtung Süden. Nicht ganze Regionen, sondern heilige Orte standen im Mittelpunkt
nichtbrahmanischer Raumkonzepte. Sa‑ krale Stätten lagen häufig an Gewässern; besondere Heiligkeit wurde aber auch Ber‑ gen zugesprochen. Für viele religiöse Orte Indiens ist ein hoher Grad an Sakralität bereits für das Altertum nachweisbar. Jede indische Glaubensrichtung entwickelte eine eigene Topographie der für sie wich‑ tigsten heiligen Stätten, die mit mythologi‑ schen Begebenheiten oder mit dem Wirken ihrer Religionsgründer verbunden waren. Es gab aber auch sakrale Orte, die – in der Regel nacheinander – von verschiedenen Strömungen beansprucht wurden, denen also aufgrund ihrer besonderen oder ex‑ ponierten geographischen Lage eine Art allgemeiner Heiligkeit innewohnte. Zu echten Verdrängungen kam es dabei in vorislamischer Zeit selten. Andere religiöse Strömungen scheinen heilige Stätten oft erst für sich entdeckt und in Besitz genom‑ men zu haben, nachdem sie von ihren frü‑ heren Verehrern aufgegeben worden waren. Das belegen zum Beispiel Inschriften aus dem ostindischen Nagarjuni (→ 4.6.2): Die dortigen Felsenhöhlen wurden von einem Nachfolger des Maurya‑Königs Aśoka (3. Jahrhunder v. u. Z.) den Ājīvikas, einer mit
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den Buddhisten und Jinisten konkurrie‑ renden religiösen Strömung, gestiftet. Zur Gupta‑Zeit (4.–6. Jahrhunder u. Z.) über‑ nahmen die Buddhisten die Höhlen. Im 7. Jahrhundert siedelten sich dort Vertreter einer hinduistischen Sekte an; und noch heute leben Asketen in dieser Gegend.2 Seit dem späten Altertum spielten in den Raumvorstellungen des Brahmanismus‑ Hinduismus und des Jinismus der Begriff tīrtha, ‚Furt‘, und damit verbundene Rituale eine zentrale Rolle. Die tīrtha genannten Pilgerorte zeichneten sich nicht nur durch eine aus der Wortbedeutung abzuleiten‑ de Nähe zum Wasser aus, sondern auch durch ihr damit verbundenes Potential zur Erlösung.3 Gemäß der von Brahmanen entwickelten Theorie zum ‚Geben‘ oder ‚Schenken‘ (dāna) bildeten der rechte Ort (deśa) und die rechte Zeit (kāla) (→ 11.6.1) zwei der insgesamt sechs einen jeden Schenkungs‑ und auch Stiftungsvorgang konstituierenden ‚Komponenten‘ (aṅga). Die Empfehlungen der normativen Tex‑ te zu günstigen Terminen sind umfang‑ reicher als die zu passenden Stätten.4 In brahmanisch‑hinduistischen Kompendien über dāna erscheint aber immer wieder der Begriff tīrtha zur Lokalisierung der für religiöse Gaben wünschenswerten Orte.5 Oft werden einzelne heilige Stätten aufge‑ zählt,6 deren geographische Verteilung die Ausbreitung hinduistischer Vorstellungen über den Subkontinent dokumentiert. Im Kontext von konkreten Stiftungen und insbesondere komplexen königlichen Dotationen spielten sakrale Stätten häu‑ fig in mehrfacher Hinsicht eine Rolle: als Orte, die der Stifter zum Zeitpunkt einer Stiftung aufgesucht hatte, und auch als solche, mit denen die Begünstigten in Ver‑ bindung standen. Nicht selten wurden die Stätten, an denen man Stiftungen errichte‑ te, als tīrtha bezeichnet.7 In Urkunden der Rāṣṭrakūṭas aus dem 8. bis 10. Jahrhundert
ist aber auch noch davon die Rede, dass der jeweilige König ein Dorf oder Land stiftete, als er sich selbst an einem tīrtha aufhielt und nachdem er dort ein rituell reinigendes Bad genommen hatte.8 Aller‑ dings geht aus den Formulierungen meist nicht hervor, ob sich der königliche Stifter allein aus Anlass dieser (und weiterer) Dotation(en) an den als heilig geltenden Ort begeben hatte oder ob er aus einem anderen Beweggrund dort weilte und bei dieser Gelegenheit auch Stiftungen tätigte.9 Viele Urkunden belegen jedoch, dass sich königliche Stifter in der Regel nicht persön‑ lich an den Orten aufhielten, denen ihre Gaben galten. Stiftungsakte spielten sich häufig in einem aus mehreren geographi‑ schen Koordinaten gebildeten Netz ab, das von den Aufenthalts‑ und Wirkungsorten der Akteure sowie von der Lokalisierung des gestifteten Vermögens bestimmt wurde. Die folgenden Ausführungen widmen sich nicht nur den topographischen Vor‑ stellungen der indischen Stiftungsakteure. Es soll auch der für die Forschung relevan‑ ten Frage nachgegangen werden, welche Wechselwirkungen sich zwischen Raum und Stiftung entwickelten. Dies wird aus monolokalen und plurilokalen Perspek‑ tiven geschehen, und zwar indem Ten‑ denzen zur Konzentration (→ 16.6.2) und Dispersion von Stiftungen (→ 16.6.3) sowie Interferenzen zwischen Stiftungen und anderen sozialen Räumen (→ 16.6.4) be‑ handelt werden. 16.6.2 Konzentration Für die Frage der Räumlichkeit von Ein‑ zelstiftungen ist grundlegend zwischen Stiftungen an Institutionen (Klöster, Tem‑ pel) und solchen an Personen (Brahma‑ nen) zu unterscheiden. Mit der Gründung von Gebäuden, die für den Kult oder das
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monastische Leben vorgesehen waren, wurde eine relativ feste Ortsbindung hergestellt. Stifter, die religiöse Bauten errichten ließen, bestimmten durch diese Standortentscheidung, die vermutlich in Absprache mit betroffenen Priestern und Mönchen erfolgte, das lokale Umfeld der gestifteten Institution. Für die Auswahl eines konkreten Or‑ tes zum Bau eines buddhistischen Klosters waren die Vorgaben der normativen Texte zu berücksichtigen. So finden sich in der kanonischen Literatur einige – wenn auch vage – Vorschriften zur Lage von Mönchs‑ und Nonnenklöstern. Unterkünfte für or‑ dinierte Männer sollten sich „nicht zu fern und nicht zu nah“ (nātidūre nātyāsanne)10 von einer Siedlung befinden: Einerseits war man von der Unterstützung durch die Laien abhängig, andererseits wollte man eine ge‑ wisse Distanz zum weltlichen Leben wah‑ ren. Frauenkonvente (→ 15.6.4) mussten – wegen der höheren Schutzbedürftigkeit von weiblichen Ordensangehörigen (und zu de‑ ren besserer sozialer Kontrolle) – innerhalb von Siedlungen liegen.11 Aus diesem Grunde kamen Höhlenklöster für Nonnen nicht in Frage.12 Da die buddhistischen Nonnen für bestimmte vorgeschriebene Rechtshand‑ lungen vom Orden der Mönche abhängig waren, sollte die Entfernung zu einem Män‑ nerkonvent – bei strikter Geschlechtertren‑ nung der Wohnbezirke13 – ebenfalls nicht zu groß sein.14 In buddhistischen Stiftungsurkunden sind keine Festlegungen dazu getroffen, ob Mönche oder Nonnen am Besuch der Klöster des jeweils anderen Geschlechtes beziehungsweise einzelner Räume gehin‑ dert werden sollten, wann Laienanhänger oder ‑anhängerinnen Einlass begehren konnten und inwiefern Stifter oder Stifte‑ rinnen Sonderrechte für sich beanspru‑ chen durften. Die Interaktion zwischen verschiedenen Gruppen des viergliedrigen,
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idealtypischerweise aus Mönchen (bhikṣu) und Nonnen (bhikṣuṇī) sowie Laien (upāsaka) und Laiinnen (upāsikā) bestehenden Ge‑ samtordens regelten die Vorschriften des Ordensrechts (vinaya). Auch aus anderen Beschreibungen in der buddhistischen Li‑ teratur lassen sich Rückschlüsse auf die an Räumlichkeiten gebundenen Kontakte der Akteure ziehen. So wird im ‚Milindapa‑ ñha‘, einem nachkanonischen Pāli‑Text der Theravāda‑Schule aus den ersten Jahrhun‑ derten u. Z., die Gründung von Klöstern wie folgt gepriesen: „Denn durch Schenkung eines Klosters15 (…) kann man die Erlösung erlangen von Geburt, Alter und Tod. (…) Fernerhin, wenn ein Kloster da ist, so kön‑ nen die Nonnen mit erfahrenen Mönchen zusammentreffen, und wer will, kann diese leicht besuchen. Ist aber kein Kloster da, so ist es schwer, sie aufzufinden.“16 Für Erkenntnisse zur räumlichen Struk‑ turierung von Klöstern sind Stiftungsdo‑ kumente oft nur bedingt aussagefähig. In mittelalterlichen Kupfertafelurkunden ist in der Regel lediglich von der gesamten Einheit ‚Kloster‘ (vihāra) die Rede, ohne dass einzelne Elemente spezifiziert würden. Der vihāra erscheint als der Wohnort eines Mönchs‑ oder Nonnenordens und als das Bauwerk, dessen Erhalt die betreffende Stif‑ tung unter anderem dienen sollte. Archäo‑ logische Überreste von Klosterstrukturen (→ 6.6.2) lassen jedoch erkennen, dass es sich dabei einst um multifunktionale Kombinationsgebäude gehandelt haben muss. Im Unterschied zu den buddhisti‑ schen Anlagen des Altertums, in denen Unterkünfte für Ordinierte und Kultbauten räumlich voneinander getrennt blieben, waren stūpa‑Bauten und Kultbildkapel‑ len seit dem 5. Jahrhundert häufig direkt in die Wohngebäude integriert. Für die Geschichte mittelalterlicher Kultbildka‑ pellen liegen, wie Gregory Schopen zeigen konnte, epigraphische, kanonische und
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archäologische Quellen vor, die in ihrer Aussage auf ungewöhnliche Weise überein‑ stimmen. In indischen Stiftungsinschriften ist der Begriff gandhakuṭī (‚Duftkammer‘) seit dem späten Altertum belegt: „Both the geographical and the chronological range of these references establish that a large number of Buddhist monasteries had, in the medieval period, a private chamber reserved for the Buddha. In addition, some of these references make it very clear that these private chambers were formally rec‑ ognized as distinct organizational compo‑ nents of their monasteries and had spe‑ cifically titled monks or groups of monks attached to them.“17 In vinaya‑Texten der Mūlasarvāstivādins wird die Position der gandhakuṭī so beschrieben, dass die große Zelle mit Buddha‑Statue, die sich in vielen mittelalterlichen Klöstern an der Wand direkt gegenüber vom jeweiligen Eingang befand, als gandhakuṭī identifiziert werden kann.18 (→ Abb. 24) Stūpa‑Bauten (→ 6.6.2) wurden auch außerhalb von Klöstern angelegt. Die Texte zum Ordensrecht der Mūlasarvāstivāda‑ Schule belegen aber, wie Gregory Schopen gezeigt hat, dass die Mönche nicht die Kontrolle über die Reliquien und den frei‑ en Zugang zu den stūpa‑Anlagen verlieren wollten. Laien war es durchaus gestattet, einen stūpa zu errichten – allerdings mit der Einschränkung, dass dies nur für ‚ge‑ wöhnliche‘ Mönche außerhalb des Kloster‑ geländes erfolgen dürfe. Die Rahmener‑ zählung für diese Regel verdeutlicht, dass die Gefahr gesehen wurde, Laien könnten einen stūpa für einen bedeutenden Mönch auf ihrem eigenen Grund und Boden bauen lassen und damit bewusst oder unbewusst die Mönche (und andere Laien) von der Möglichkeit ausschließen, die darin ent‑ haltenen Reliquien zu verehren.19 Hinduistische Tempel hatten naturge‑ mäß eine andere Struktur als buddhistische
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Klöster. Der allgemeine Grundplan (→ 6.6.2), der seit dem 6. Jahrhundert belegt ist, be‑ steht aus einem kubischen Allerheiligs‑ ten (garbhagṛha) und einer oder mehreren Hallen. Zur Bezeichnung hinduistischer Heiligtümer wurden verschiedene Termini benutzt, die sehr oft Synonyme für ‚Götter‑ schrein‘ (z. B. devakula) sind. In Stiftungsur‑ kunden ist auch hier in der Regel lediglich von der Gesamteinheit ‚Tempel‘ die Rede, ohne dass einzelne bauliche Elemente spezi‑ fiziert würden. Meist kann man nur aus den Zweckbestimmungen auf eine räumliche Strukturierung von Stiftungen für hinduis‑ tische Götter und Göttinnen schließen. Die‑ se sollten dem Erhalt der gesamten Tempe‑ lanlage dienen, aber auch für die kultische Verehrung der Gottheit verwendet werden, von der es üblicherweise heißt, sie (d. h. ihr Kultbild) sei in einem bestimmten Heiligtum aufgestellt (pratiṣṭhāpita).20 Dabei handelte es sich wohl um indirekte Verweise auf ein garbhagṛha. Das ‚Viṣṇudharmottarapurāṇa‘, ein viṣṇuitischer liturgischer Text aus dem frühmittelalterlichen Kaschmir und eine der ältesten Abhandlungen über Tempelbau, beschreibt drei Zonen: das Allerheiligste, einen inneren Bereich (Halle) sowie einen äußeren Bereich (Hof). Ronald Inden hat diese drei Zonen als Bewegungsräume für unterschiedliche Akteure interpretiert: für die Priester, den König mit Anhang und die einfachen Gläubigen.21 Der berühmte śivaitische Höhlentempel auf der Insel Ele‑ phanta vor Mumbai, der aus dem 6. Jahr‑ hundert datiert, verfügt über Eingänge im Osten und im Norden.22 (→ Abb. 25) Über das Ostportal und durch eine Säulenhalle gelangten die Priester auf direktem Wege zum im Westen gelegenen Allerheiligsten, zu dem nur sie Zutritt hatten. Die dorti‑ gen Kulthandlungen konnten die Gläu‑ bigen vom Nordportal aus, entlang einer sekundären Sichtachse auf das garbhagṛha, verfolgen.
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Zumindest für buddhistische Klöster gibt es auch Hinweise darauf, dass Stiftun‑ gen deren ‚Binnentopographie‘ beeinfluss‑ ten. Verschiedene Quellen belegen, dass Zustiftungen bereits vorhandene Kloster‑ anlagen strukturell veränderten: So wur‑ den aus Klöstern (vihāra) durch Anlagerung anderer Einheiten (vihāra oder vihārikā) Großklöster (mahāvihāra) oder ganze Klos‑ terkomplexe (vihāramaṇḍala; → 13.6.2). Die Urkunden der westindischen Maitrakas aus dem 6./7. Jahrhundert erwähnen die Existenz zweier Klosterkomplexe in deren Hauptstadt Valabhī: einen für Männer und einen für Frauen. Zu dem nach seiner Stif‑ terin benannten Duḍḍāvihāramaṇḍala für Mönche gehörten außer dem Duḍḍāvihāra mindestens sechs weitere, ökonomisch un‑ abhängige Institutionen, die ebenfalls die Namen ihrer jeweiligen Gründer trugen.23 Für den nach seinem Stifter benannten Yakṣaśūravihāramaṇḍala für Nonnen ist außer dem Yakṣaśūravihāra selbst nur ein anderes zugeordnetes Kloster nachgewie‑ sen.24 Über die architektonische Struktur dieser monastischen Konglomerate kann keine Aussage gemacht werden, da die Überreste der Klöster von Valabhī nicht ausgegraben sind.25 Für die ostindischen monastischen Zen‑ tren von Nālandā (in Bihar) und Somapura (Paharpur in Bangladesh) liegen hingegen Ergebnisse archäologischer Grabungen vor. Beide Anlagen werden in Inschriften und auf Siegeln als mahāvihāra bezeich‑ net, obwohl sich die jeweiligen Hinter‑ lassenschaften in struktureller Hinsicht ganz erheblich unterscheiden. Die Klos‑ teranlage von Nālandā bestand aus einer Reihe von einzelnen Gebäuden (→ 6.6.2; Abb. 26), die sich in unmittelbarer Nähe zueinander befanden und wohl auf se‑ parate Stiftungen zurückgingen. Der Pil‑ gerbericht des Chinesen Xuanzang, der Indien im 7. Jahrhundert bereiste, bestätigt
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den Kompositcharakter von Nālandā und erwähnt, dass eine Ziegelsteinmauer die‑ sen gesamten Komplex umschloss.26 In Paharpur wiederum hat man nur einen – wenn auch monumentalen – Klosterbau freigelegt (→ Abb. 27), und Inschriften auf Siegeln, die vor Ort entdeckt wurden, bezeichnen dieses Gebäude als mahāvihāra des Pāla‑Königs Dharmapāla.27 Erst in jün‑ gerer Zeit ist eine Kupfertafelurkunde aus dem 26. Regierungsjahr von Dharmapāla bekannt geworden, deren Inhalt für Soma‑ pura / Paharpur einen ähnlichen Kompo‑ sitcharakter wie für Nālandā vermuten lässt. Berichtet wird, dass ein Fürst na‑ mens Bhadraṇāga Land zugunsten dreier Einrichtungen stiften wollte, die von ihm beziehungsweise von seiner Gemahlin ge‑ gründet worden waren. Zwei der Institu‑ tionen, eine Kultbildkapelle (gandhakuṭī) und ein kleines Kloster (vihārikā), befan‑ den sich, so heißt es, „im Großkloster von Somapura“ (somapuramahāvihāre).28 Wie Stiftungsurkunden belegen, um‑ fassten buddhistische Klosterkomplexe zumeist mehrere Unterklöster mit je ein‑ zelnen Ordensgemeinschaften (saṃgha), die in der Regel separate Dotationen erhielten und demnach wirtschaftlich voneinander unabhängig waren. Auch das buddhis‑ tische Ordensrecht enthält ausführliche Vorschriften zur Abgrenzung individuel‑ ler Gemeinden voneinander. Der Begriff sīmā, ‚Grenze‘, wurde hierzu mit einer sehr speziellen technischen Konnotation un‑ terlegt und bezeichnete eine zeremonielle Grenze, die für jeden saṃgha regelkonform festgelegt werden sollte und mit der das Gebiet markiert wurde, in dem sich ein lokaler Orden versammeln musste: „Die Sīmā, die buddhistische Gemeindegren‑ ze, ist für das buddhistische Gemeindele‑ ben von großer Bedeutung. Sie bildet die Grundlage für eine im rechtlichen Sinne handlungsfähige Gemeinde (saṅgha) und
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damit den Rahmen für die Durchführung der Rechtshandlungen (kamma) durch die Gemeinde. Eine fehlerhafte Sīmā hat die Ungültigkeit aller in ihr durchgeführten Rechtshandlungen zur Folge.“29 In buddhistischen Stiftungsinschriften findet die ordensrechtliche Bedeutung von sīmā keine Erwähnung. In der Mehrzahl der Dotationsurkunden an Empfänger aller religiöser Richtungen spielte dieser Begriff (oder ein Äquivalent)30 aber eine wichtige Rolle bei der Beschreibung von gestiftetem Vermögen, wenn dieses aus Land bestand. Genaue Definitionen der Grenzen von ver‑ gebenen Dörfern oder Ländereien waren integraler Bestandteil vieler mittelalterli‑ cher Stiftungsakte in Indien. Da man oft Felder in der Dorfflur vergab, wurde der Grenzverlauf mit Verweis auf naturräum‑ liche Merkmale sowie auf Nachbarliegen‑ schaften definiert.31 Nur selten waren die Angaben jedoch so präzise wie in der Urkunde einer Fürstin aus Nord‑Karnataka aus dem 13. Jahrhun‑ dert, in der auch die Positionen von künst‑ lichen Grenzzeichen festgehalten sind: „An diese Bestimmungen zum Bauland schließt sich die Beschreibung des Ackerlandes (kṣetra) an, das ebenfalls im Norden von Hulluṃgūru, beiderseits der Straße nach Savasī, lag (…). Der Grenzverlauf dieser Fläche wird so akribisch verfolgt (…), daß es möglich wäre, ihn zeichnerisch nachzu‑ vollziehen. Im Nordosten beginnend, wird die Lage der insgesamt elf Grenzsteine, die auch ein Abbild des Vāmana 32 als Markie‑ rung trugen, durch detaillierte Angaben zu Entfernungen und Himmelsrichtungen definiert.“33 Einen aufschlussreichen, wenn auch relativ singulären Beleg für einen mit Stiftungsgrenzen verbundenen Nachbar‑ schaftsstreit zwischen dem Tempelkolleg einer Göttin namens Daśamī und einem viṣṇuitischen Heiligtum liefert eine in
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Chinchani, nördlich von Mumbai gefun‑ dene Kupfertafelinschrift (→ 9.6.3), die aus dem 10. Jahrhundert stammt. Das Problem bestand offenbar darin, dass ein Stück Land, welches Bhillamāladeva Madhusūdana (Viṣṇu) gehörte, auf dem Gelände des Tempelkollegs der Göttin, im Inneren der bestehenden Mauern, lag und mithin für die im Namen des Gottes Agierenden nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten zugänglich war. Auf Initiative der Seite von Bhillamāladeva kam es zu einer Über‑ einkunft mit der Gegenpartei, die in jähr‑ lichen Kompensationszahlungen bestand.34 (→ 13.6.2) Während für die Stiftungsräume von buddhistischen Klöstern und hinduisti‑ schen Tempeln den betreffenden multi‑ funktionalen Bauten und eventuell dazu‑ gehörenden Einfriedungen eine zentrale Rolle zukam, ist die Frage der Räumlich‑ keit bei Unterhaltsstiftungen an einzel‑ ne Brahmanen(gruppen) ohne Bezug zu einem baulichen Heiligtum keinesfalls unproblematisch. Wie die Fundumstände zahlreicher königlicher Kupfertafelurkun‑ den belegen, siedelten sich Brahmanen oft in den Dörfern an, die ihnen gewährt wor‑ den waren. Bei den seit dem 11. Jahrhundert häufiger belegten gezielten Gründungen von Brahmanensiedlungen (brahmapura oder brahmapurī) wurden auch deren Gren‑ zen meist akribisch abgesteckt. Genaue Grenzverläufe zu fixieren war schon deshalb wichtig, weil nicht nur die an Brahmanen, sondern auch die an ande‑ re religiöse Empfänger gestifteten Dörfer und Ländereien von Königen vielfach mit einer Verwaltungsimmunität, einer Art Exterritorialität, ausgestattet wurden. Die betreffende Formulierung sagte, dass die vergebene Liegenschaft (in Zukunft) ‚von irregulären und regulären Truppen nicht zu betreten‘ (acāṭabhaṭapraveśya) sei. Au‑ ßerdem war sie ‚von allen Königsleuten
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nicht einmal [mehr] mit der Hand zu be‑ rühren‘ (sarvarājakīyānām ahastaprakṣepaṇīya; → 10.6.5).35 Abgesehen von diesen Bestimmungen, die den Stiftungen räum‑ liche Autonomie garantierten, finden sich in den Urkunden nur selten Verfügungen dazu, wem Zutritt gestattet beziehungs‑ weise verwehrt werden sollte. Mehrere zentralindische Kupfertafelinschriften aus dem 12./13. Jahrhundert, die Dotationen zugunsten größerer Brahmanengruppen bezeugen, enden mit der Bestimmung, dass „käuflichen Frauen kein Niederlassungs‑ recht zu gewähren“ sei.36 Den Brahmanen war Umgang mit Prostituierten ohnehin untersagt. Wenn eine solche eigentlich überflüssige Regel dennoch festgeschrieben wurde (→ 13.6.3), bedeutete dies wohl, dass sich der König bei Verstößen das Recht zur Intervention vorbehielt. 16.6.3 Dispersion Neben solchen Stiftungen, die sich auf einen Ort und eine religiöse Strömung konzen‑ trierten, existierten plurilokale und multifo‑ kale Stiftungsformen. Insbesondere Könige und Fürsten stifteten in der Regel nicht nur an einem, sondern an mehreren Orten. Überdies verfolgte im mittelalterlichen In‑ dien die herrscherliche Stiftungspolitik oft keine eindimensionalen Ziele mit der aus‑ schließlichen Konzentration auf eine Glau‑ bensrichtung. Vielmehr streuten indische Machthaber ihr religiöses Patronat. Zwar erfolgten die meisten Stiftungen zugunsten von Brahmanen, doch förderte kaum ein indischer Herrscher nicht auch buddhisti‑ sche Klöster und hinduistische Tempel. Mit einer solchen multifokalen Ausrichtung des Stiftungswesens war oft ebenfalls Plurilo‑ kalität verbunden. Denn in den wenigsten Fällen kam es – wie in der Höhlenklos‑ ter‑ und Felsentempelanlage von Ellora im
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westlichen Indien (→ 6.6.2) – zu an ein und demselben Ort mehr oder weniger gleichzei‑ tig nebeneinander existierenden Stiftungen für verschiedene Konfessionen (in diesem Falle: buddhistische und hinduistische seit dem 6. Jahrhundert sowie jinistische etwa seit dem 8. Jahrhundert).37 Schon Einzelstiftungen besaßen häufig eine – wenn auch meist nur temporär – plurilokale Dimension. So geht aus den Texten diverser Kupfertafelurkunden zu‑ gunsten von Brahmanen hervor, dass be‑ reits im Vorfeld königlicher Stiftungsakte die betroffenen Akteure sehr oft große Entfernungen zurücklegen mussten. Diese Ortswechsel mögen nicht immer in einem direkten Stiftungskontext gestanden ha‑ ben – beispielsweise dann nicht, wenn sich Herrscher auf Kriegszügen (→ 16.6.4) be‑ fanden oder wenn sie sich an heilige Orte begaben, die keinen oder zumindest keinen erkennbaren Bezug zu den Begünstigten dieser Stiftungen hatten. Wenn aber ein Brahmane seinen Aufenthaltsort änderte und zum Beispiel an den Königshof zog, scheint dies recht häufig durch die Hoff‑ nung oder Aussicht auf eine Unterhaltsstif‑ tung motiviert gewesen zu sein. Falls dann tatsächlich eine Dotation erfolgte, brachte diese den brahmanischen Begünstigten nicht selten in ein Dorf fernab von seinem einstigen Wohnort beziehungsweise von der königlichen Residenz. Als Beispiel sei hier eine Kupfertafelur‑ kunde des Rāṣṭrakūṭa‑Königs Govinda IV. angeführt, die in Cambay / Khambat in Gujarat gefunden wurde und aus dem Jahr 930 u. Z. datiert. In dieser Inschrift heißt es, dass Govinda IV. eigentlich in der Haupt‑ stadt Mānyakheṭa (Malkhed im nördlichen Karnataka) residierte, sich zum Zeitpunkt der Stiftung jedoch in Kapitthaka an der Godāvarī, mithin mindestens 250 km nördlich von Mānyakheṭa, aufhielt.38 Der brahmanische Destinatär, ein Spezialist
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des Yajurveda, stammte ursprünglich aus Kāvikā, einem Gelehrtenzentrum und Pil‑ gerort in Gujarat, 850 km nordwestlich von Mānyakheṭa. Zum Zeitpunkt der Dotation wohnte er in der Rāṣṭrakūṭa‑Hauptstadt, erhielt mit der Urkunde ein Dorf nahe Kāvikā und kehrte in diese Gegend zurück, wie die Fundumstände nahelegen.39 Viel häufiger mussten Brahmanen allerdings nach dem Erhalt einer ihnen geltenden Stiftung in ihnen vermutlich gänzlich un‑ bekannte Gegenden umziehen. Doch nicht nur die unterschiedliche Lage des Stiftungsvermögens und der verschiedenen Stiftungsakteure belegt die plurilokale Dimension von Einzelstif‑ tungen. Häufig erhielt auch ein einzel‑ ner Empfänger schon mit einer Urkunde zahlreiche verstreut liegende Ländereien. Besonders typisch waren solche Dotatio‑ nen unter den westindischen Maitrakas vom 6. bis 8. Jahrhundert. Insbesondere an Brahmanen vergaben die Herrscher dieser Dynastie entweder Ländereien in Streu‑ lage in einem Dorf oder aber über meh‑ rere Dörfer verteilte Felder.40 Der Grund für diese Dispersion war allerdings kein nur auf die jeweilige Stiftung bezogener. Vielmehr scheinen die Maitraka‑Herrscher über ungewöhnlich viel dörflichen Streu‑ besitz verfügt und diesen durch Stiftun‑ gen, die sie in außerordentlicher Dichte errichteten, verteilt zu haben. Die hohe Quellendichte für die Maitrakas lässt auch Rückschlüsse auf das generelle Verhältnis von Konzentration und Dispersion ihrer Stiftungen zu: Ländereien und zum Teil ganze Dörfer wurden an zahlreiche in der Hauptstadt Valabhī wohnhafte Brah‑ manen gegeben. Bei Stiftungen an bud‑ dhistische Klöster war die Konzentration auf in Valabhī angesiedelte Einrichtungen (→ 16.6.4) sogar noch höher.41 Im Unterschied dazu nahmen die zen‑ tralindischen Rāṣṭrakūṭa‑Könige in der
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Periode vom 8. bis zum 10. Jahrhundert eine viel weitere geographische Streuung ihrer Dotationen vor, wobei für ihre jeweilige Residenzstadt kaum eine Stiftung belegt ist. Dies gilt für die Stiftungspolitik der gesamten Dynastie ebenso wie für das Stif‑ tungsverhalten einzelner Herrscher. Einige Beispiele mögen dies illustrieren: Von König Rāṣṭrakūṭa Indra III. liegen insgesamt fünf Kupfertafelurkunden vor, die ein und das‑ selbe Datum tragen, zwei religiösen Rich‑ tungen galten und sich auf drei Fundorte verteilen. Die betreffenden Stiftungen – drei brahmanische und zwei jinistische – datie‑ ren vom 24. Februar 915, dem Tag von Indras Krönung, und einige Details sprechen dafür, dass König Indra III. an diesem Tag noch mehr Dotationen vornahm. Wie später sein Nachfolger Govinda IV. hielt sich auch In‑ dra III. zu diesem Anlass nicht in der Haupt‑ stadt Mānyakheṭa (Malkhed) auf, sondern in einem Ort mit dem Namen Kurundaka.42 Anlässlich seiner eigenen Krönungsfeier stiftete Indra III. jeweils ein Dorf im west‑ indischen Gujarat (Bagumra‑Urkunden) an zwei Brahmanen, von denen einer aus dem ostindischen Pāṭaliputra (Patna) im heuti‑ gen Bihar stammte. Ferner vergab Indra insgesamt acht Dörfer an zwei jinistische Klöster im etwa 200 km südöstlich von Bagumra gelegenen Gebiet von Nasik in Maharashtra (Vajirkheda‑Urkunden) und ein Dorf bei Paithan in dem heutigen Auran‑ gabad‑Distrikt von Maharashtra (Jambgaon‑ Urkunde), weitere 200 km südöstlich von Nasik, an einen Brahmanen aus Veṅgi im heutigen Andhra Pradesh in Südostindien.43 (→ Abb. 28) Die Stiftungsorte lagen ca. 400 bis 700 km nordwestlich der Rāṣṭrakūṭa‑ Residenz. Aus deren unmittelbarer Umge‑ bung ist lediglich eine königliche Stiftung bekannt: die Vergabe eines Marktfleckens westlich von Mānyakheṭa durch Govin‑ da IV. im Jahr 930 u. Z. für die tägliche Speisung von 1 000 Brahmanen.44 Obwohl
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die Rāṣṭrakūṭa‑Herrscher wie viele ihrer Zeitgenossen ganz überwiegend Brahmanen förderten, bezeugt immerhin ein Viertel ihrer Urkunden Stiftungen an hinduisti‑ sche Tempel, jinistische Heiligtümer und buddhistische Klöster. Nicht nur aus Stifter‑, auch aus Destina‑ tärsperspektive konnten sich Stiftungsnetz‑ werke durch Multilokalität auszeichnen. Für wichtige religiöse Einrichtungen sind oft mehrere Stiftungen oder Tochterstiftun‑ gen belegt, die sich über größere Gebiete erstreckten. So existierte unter der Śilāhāra‑ Dynastie im 12. Jahrhundert in Kollāpura (Kolhapur) im südlichen Maharashtra ein jinistischer Tempel namens Rūpanārāyaṇa, der Tīrthaṃkara Pārśvanātha gewidmet war. Zu diesem Tempel gehörten diverse Ablegerschreine in der näheren und weite‑ ren Umgebung von Kolhapur, die von ver‑ schiedenen Stiftern gegründet und jeweils entweder dem Vorsteher des Hauptheilig‑ tums oder einem seiner Schüler vor Ort unterstellt wurden.45 So ähnlich wie der buddhistische Orden in verschiedene Schu‑ len zerfiel, kannte auch der Jinismus eine Einteilung in monastische Gruppierungen. In den mittelalterlichen Stiftungsurkunden spielten diese sogar eine erheblich größe‑ re Rolle als die buddhistischen Schulen. Der Rūpanārāyaṇa‑Tempel von Kolhapur gehörte zum Mūlasaṅgha, einer Gruppe der südindischen Digambara‑Richtung.46 Ebenfalls zu den Digambaras zählte der Draviḍasaṅgha, dessen Name, ‚Orden der Draviden (Südinder)‘, bereits einen Hin‑ weis auf seine Provenienz gibt. Er unterhielt nördliche Ableger bis in das Gebiet von Nasik im Nordwesten Maharashtras. Dies belegen die zwei Vajirkheda‑Urkunden von Rāṣṭrakūṭa Indra III. aus dem 10. Jahrhun‑ dert.47 (→ Abb. 28) Selbst einzelne Brahmanen konnten mehrere voneinander unabhängige Stif‑ tungen erhalten. Mitunter sind für ein und
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denselben Brahmanen zwei Dotationsur‑ kunden belegt.48 Für den Brahmanen Risi‑ yappa aus Dhārāśiva in Süd‑Maharashtra, einen Spezialisten des Ṛgveda, der unter Rāṣṭrakūṭa Govinda III. im 9. Jahrhun‑ dert mit mehreren Dörfern und Weilern bedacht wurde, sind sogar vier zu seinen Gunsten ausgestellte Urkunden bekannt. Diesem Brahmanen wurden in den Jahren 803, 807, 810 und 812 insgesamt vier Dörfer (grāma) und sieben Weiler (grāmadhāna) im Nordosten Maharashtras, mehr als 300 km nördlich von Dhārāśiva, zugeteilt. Obwohl Risiyappa in allen vier Stiftungsdokumen‑ ten als in Dhārāśiva wohnhaft bezeichnet wird, sprechen deren Fundumstände dafür, dass er (oder ein Sohn) zu irgendeinem Zeitpunkt in die Nähe seiner Stiftungsgüter umgezogen sein muss. Drei der Urkunden wurden in Sirso (Murtajapur‑Taluk, Akola‑ Distrikt, Nordost‑Maharashtra) entdeckt; der Fundort der Urkunde aus dem Jahr 810 ist nicht bekannt. Sirso ist wohl als das mittelalterliche Dorf Sīsavai zu identifi‑ zieren, das Risiyappa im Jahr 807 erhielt und das in den alten Distrikt von Mānaka fiel. Die außerdem diesem Brahmanen noch gestifteten Dörfer befanden sich in anderen Distrikten. Wie Risiyappa seine Stiftungsgüter logistisch verwaltete, geht aus den Urkunden leider nicht hervor. In den Dokumenten aus den Jahren 810 und 812 sind aber brahmanische ‚Teilhaber‘ ge‑ nannt, die eventuell für die Aufsicht über die abgelegeneren Ländereien zuständig waren und Risiyappa seinen Anteil an den Jahreserträgen lieferten.49 Während vom indischen Festland keine dokumentarischen Quellen zur Verwal‑ tung von über größere Gebiete verstreuten buddhistischen Stiftungsgütern überliefert sind, enthalten einige Steininschriften aus Sri Lanka entsprechende Angaben. Be‑ sonders instruktiv ist die Jetavanārāma‑ Inschrift in Sanskrit, die wohl aus dem
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9. Jahrhundert stammt. Aufgrund des fragmentarischen Erhaltungszustandes ist nicht klar, ob es sich bei ihr um eine Stiftungsurkunde oder um ein Dokument mit späteren Anordnungen des vermut‑ lich königlichen Stifters handelt. Mehre‑ re Dörfer im Besitz einer monastischen Einrichtung von Anurādhapura werden namentlich aufgeführt. Am Beginn des überlieferten Textes heißt es: „Und je ein Novize ist in diesen drei Dörfern jeweils zu stationieren.“50 Aus einem anderen Passus geht hervor, dass neben Mönchsanwärtern vollordinierte Mönche die Liegenschaften verwalteten: „Die drei Mönche, die in der Klause von Lahasikā zusammen mit zwei Novizen wohnen, sollen gut nach Lahasikā, Urulgoṇu und den für Roben[lieferung] und Neubauten bestimmten Dörfern se‑ hen, von jedem dieser Orte die durch die jeweiligen Haushälter erlangten Einkünfte ins Kloster bringen lassen, am Ende eines jeden Jahres die gesamten Einkünfte, Aus‑ gaben und den Überschuss (…) den vom Orden eingesetzten Mönchen darlegen“.51 Den Ordensälteren oblag die Aufsicht über die Rechnungsbücher. Jedoch weder aus Indien noch aus Ceylon haben sich solche Bücher oder Güterverzeichnisse erhalten. In Einzelfällen wurden Stiftungserträge weit entfernt gelegenen Heiligtümern ge‑ widmet. Dies belegen zwei Steininschriften aus dem Gebiet von Mumbai, die aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts datieren und zwei śivaitische Tempel in Gujarat be‑ günstigten. Hohe Amtsträger der Śilāhāra‑ Fürsten stifteten die im Münzstandard dramma52 festgelegten Steuereinkünfte be‑ stimmter Liegenschaften an der nördlichen Konkan‑Küste für die kultische Verehrung des Gottes Somanātha in dessen Heiligtum auf Saurāṣṭra (Halbinsel Kathiawar) bezie‑ hungsweise für die des Gottes Vaidyanātha in seinem Heiligtum in Darbhavatī (Dabhoi bei Vadodara).53 Darbhavatī lag etwa 400
km nördlich des Fundortes der betreffenden Inschrift, an dem sich der Beschreibung zu‑ folge auch der Garten befunden haben muss, aus dessen Erträgen in Höhe von jährlich 24 dramma kultische Verrichtungen für den Gott Vaidyanātha finanziert werden sollten. Die Luftlinienentfernung zwischen dem an der Südküste der Halbinsel Kathiawar gele‑ genen berühmten Heiligtum des Somanātha und dem Fundort der zweiten Inschrift in Thane bei Mumbai betrug ebenfalls ca. 400 km. Dort ist auch das Land zu lokalisieren, dessen Erträge von insgesamt 28 dramma für den Kult dieses Gottes verwendet werden sollten. Allerdings war (und ist) der Weg zwischen beiden Orten nur dann so ‚kurz‘, wenn man auf direktem Weg per Boot über das Meer übersetzt. Die Strecke auf dem Landweg ist hingegen ungefähr doppelt so lang. (→ Abb. 29) Darüber, wie die Fi‑ nanzmittel (oder gar deren Naturaläquiva‑ lente) an ihren jeweiligen Bestimmungsort transferiert werden sollten, schweigen die Zeugnisse. In der Thane‑Inschrift werden lediglich fünf für die pūjā des Somanātha geeignete Zeitpunkte genannt, zu denen unter anderem das Winter‑ und das Som‑ mersolstitium zählten. Denkbar ist, dass im Rahmen von Pilgerreisen (tīrthayātrā) auch die Stiftungserträge nach Gujarat gebracht wurden. Ferner kann man vermuten, dass derartige logistische Schwierigkeiten nur für eine Stiftung zugunsten eines Heilig‑ tums von sehr großer überregionaler Be‑ deutung in Kauf genommen wurden, was für Somanātha gewiss zutraf.54 16.6.4 Interferenzen mit anderen sozialen Räumen Verlagerungen von Wirtschaftszentren (1.) wirkten sich auf die Verteilung von Do‑ tationen und deren weitere Entwicklung aus. Zu belegen sind auch (2.) gegenseitige
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Überschneidungen und Beeinflussungen zwischen Stiftungen auf der einen Seite sowie urbanen, suburbanen und ruralen Räumen auf der anderen Seite. Doch an‑ gesichts des hohen Anteils königlicher Stiftungen sind für das mittelalterliche Indien vor allem (3.) Interferenzen zwi‑ schen Stiftungen und Herrschaftsräumen nachweisbar. (1.) Buddhistische Kultgebäude und Wohn‑ bauten für Ordinierte waren im Altertum zunächst an den Orten errichtet worden, die mit dem Leben und Wirken des histo‑ rischen Buddha in Verbindung gestanden hatten. Diese Siedlungen lagen in einer Region im Osten Indiens, die in der zwei‑ ten Hälfte des ersten Jahrtausends v. u. Z. zu den wirtschaftlich florierendsten auf dem Subkontinent gehört hatte. In den ersten Jahrhunderten u. Z. breiteten sich – nicht zuletzt deshalb, weil Kaufleute zu den Hauptförderern des Buddhismus zähl‑ ten – Klostergründungen auch entlang der Handelsrouten aus. Dies illustrieren die zahlreichen Höhlenklosteranlagen an den Pässen der West‑Ghats, des Gebirgs‑ zuges zwischen der indischen Westküste und dem Hochland des Dekkan. Im spä‑ ten Altertum und im Frühmittelalter wan‑ delte sich das Bild, wie archäologische und inschriftliche Quellen sowie fremde Berichte belegen. Die chinesischen Pil‑ ger Faxian und Xuanzang bereisten Indi‑ en im 5. beziehungsweise 7. Jahrhundert mit dem Wunsch, die Ursprungsstätten des Buddhismus zu besuchen. Aus ihren beiden Darstellungen spricht jedoch eine große Enttäuschung über den Zustand der Klöster auf dem Territorium des heutigen Bihar und im nepalesischen Grenzland, in dem der Buddha einst geboren sein soll. Dort war die Mehrzahl der buddhisti‑ schen Bauten verfallen, und viele Stiftun‑ gen, von denen die chinesischen Pilger
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aus der Literatur wussten, existierten zu dieser Zeit nicht mehr.55 Auch der Urkun‑ denbestand aus dem mittelalterlichen In‑ dien belegt, dass nur wenige Stiftungen an etablierte buddhistische Zentren – wie Buddhagayā, Nālandā, Sanchi und Kanheri – gingen. Allerdings scheint es während des späten Altertums und frühen Mittelalters im Gefolge einer Phase der Deurbanisie‑ rung zunächst lediglich zu einer Verlage‑ rung der Stiftungszentren gekommen zu sein. Der Reisebericht des Xuanzang gibt nämlich auch einen guten Eindruck von der durch Stiftungen vorangetriebenen Verbreitung des Klosterwesens über den gesamten Subkontinent und von einem durchaus (noch) florierenden monastischen System.56 Aus Inschriften, die diesen Be‑ fund bestätigen, geht hervor, dass in vielen Regionen zahlreiche neue Klöster gestif‑ tet worden sein müssen. Die Mehrzahl der erhaltenen Kupfertafelurkunden, die Dotationen zum Unterhalt von Klöstern bezeugen, galt solchen Neugründungen.57 (2.) Nicht nur Interferenzen mit Wirtschafts‑, sondern auch solche mit Stadträumen wirk‑ ten sich auf das Stiftungswesen aus. Wie Gregory Schopen anhand des Kanons der buddhistischen Mūlasarvāstivāda‑Schule gezeigt hat, lagen die darin beschriebenen Klöster an den Rändern von Städten, wo sich auch Gärten und Parks befanden.58 In diver‑ sen Einleitungsgeschichten zu Ordensregeln ist von Spaziergängen nichtordinierter Frau‑ en die Rede. Die Exkursionen werden dar‑ gestellt, als sei es durchaus üblich gewesen, dass begüterte Städterinnen Ausflüge zu Gärten und Parks unternahmen, bei denen sie auch die in deren Umgebung gelegenen Klöster besuchten. Folgt man der Diktion der betreffenden Texte, war das Motiv der‑ artiger Besuche primär, die imposanten Baulichkeiten und die dortigen Malereien zu besichtigen, und nur sekundär, mit dem
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Buddha und seinen Mönchen zusammen‑ zutreffen.59 In diesem Kontext wird aber auch vermerkt, dass solche Begegnungen zu weiteren Stiftungen führen konnten.60 Gre‑ gory Schopen hat ferner darauf verwiesen, dass Klöster nicht nur selbst einen schönen Anblick boten, sondern ihre Lage oft so ge‑ wählt war, dass man von ihnen auch einen guten Ausblick auf die umgebende Land‑ schaft genießen konnte.61 Von ästhetischen Erwägungen, die bei der Ortswahl wohl eine Rolle gespielt haben, berichten die ein‑ schlägigen Texte nicht. Doch belegen dies die archäologischen Hinterlassenschaften.62 Das gilt vor allem für diverse (künstliche) Höhlenklosteranlagen, in denen Räume, die verschiedenen Funktionen dienten, zu einer Art Gesamtkunstwerk gestaltet und in die natürliche Landschaft eingepasst wurden.63 Vor den bei Mumbai gelegenen Höhlen von Kanheri beispielsweise luden steinerne Bän‑ ke zum kontemplativen Verweilen in gebüh‑ render Distanz zum weltlichen Leben ein.64 Aus dem westindischen Gujarat sind aus dem 6./7. Jahrhundert Stiftungsurkunden zugunsten buddhistischer Mönchsklös‑ ter und zugunsten von Nonnenkonventen (→ 16.6.2) überliefert.65 Wie man den ge‑ nauen Lokalisierungen in den Dokumen‑ ten entnehmen kann, konzentrierten sich die vihāra‑Bauten des Maitraka‑Reiches in der Hauptstadt Valabhī. Während sich alle bekannten Nonnenkonvente auf dem Territorium von Valabhī befanden, wurden Klöster für Mönche auch an anderen Or‑ ten errichtet. Bei den meisten Standorten von Männerklöstern unter den Maitrakas scheint es sich ebenfalls um Städte ge‑ handelt zu haben. Nur in einer Urkunde der Maitrakas ist explizit davon die Rede, dass das begünstigte Kloster in einem Dorf (grāma) lag. Bemerkenswert ist, dass in die‑ sem Falle der Destinatär als mahāyānika‑ vihāra bezeichnet wird 66 und mithin zu einer buddhistischen Gruppierung gehörte,
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die viele Texte hinterlassen hat, aber lange Zeit nur eine Randerscheinung der mo‑ nastischen Praxis darstellte.67 Laut der er‑ wähnten Maitraka‑Urkunde war das Dorf Yodhāvaka, in dem sich dieses Mahāyāna‑ Kloster befand, das Stiftungsobjekt. Auch in anderen Regionen bedachte man Klöster und Tempel zuweilen mit der Siedlung (→ 3.6.5; 10.6.2), in der sie gegründet wor‑ den waren.68 Sehr viel häufiger ist jedoch davon auszugehen, dass durch Stiftungen der urbane und der ländliche Raum en‑ ger miteinander verbunden wurden, denn zahlreiche auf Stadtterritorium errichtete Klöster und Tempel erhielten Dörfer in der näheren oder weiteren Umgebung. Liegen‑ schaften in städtischen Zentren oder gar ganze Städte wurden hingegen nur selten vergeben. (3.) Zu Interferenzen mit Herrschaftsräu‑ men kam es im mittelalterlichen Indien in erster Linie durch die Stiftungspolitik von Königen und Fürsten. Eine Kolonisa‑ tion weiter Landstriche vor allem durch Unterhaltsdotationen an Brahmanen war geradezu prägend für diese Periode. Hier‑ bei ging es meist nicht um die Erschlie‑ ßung unbesiedelter oder dünn besiedelter Räume, sondern um einen Landesausbau anderer Art: um die Ansiedlung von Brah‑ manen in solchen Gebieten, in denen ihr Anteil an der Bevölkerung noch sehr ge‑ ring war, beziehungsweise sogar um eine durch Stiftungen flankierte Einladung an ausgewählte Brahmanengruppen, sich in bestimmten Reichsteilen niederzulassen. Wie die Stiftungsurkunden belegen, erhiel‑ ten Brahmanen und andere religiöse Emp‑ fänger in der Regel Ländereien in bereits vorhandenen Siedlungen beziehungsweise das Recht auf die Steuern aus existieren‑ den Dörfern.69 Hinweise auf eine tatsächliche Er‑ schließung landwirtschaftlicher Flächen,
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genauer: auf eine Wiederurbarmachung von Brachland, liegen vor allem für das 5. und 6. Jahrhundert vor. Einschlägige Belege aus Bengalen aus dem 5. Jahrhun‑ dert sind mit einer Sonderform privater Stiftungen, mit kombinierten Kauf‑Stif‑ tungstransaktionen,70 verbunden, die wie königliche Dotationen auf Kupfertafeln dokumentiert wurden. Die potentiellen Stifter – etwa Kaufleute, Beamte, Schreiber, Brahmanen – kauften der Krone, das heißt regionalen Verwaltungsinstanzen, unter Angabe eines konkreten Zwecks Land ab, vorzugsweise brachliegende Flächen (khila; → 4.6.3),71 um sie dann im Rahmen reli‑ giöser Dotationen an Brahmanen, zuwei‑ len auch an hinduistische Tempel oder ji nistische Klöster zu übertragen. Aus dem 6. Jahrhundert liegt zudem eine Urkunde des späten Gupta‑Königs Vainyagupta vor, in der dieser mitteilt, er habe auf Bitte sei‑ nes Vasallen einem in dessen Auftrag im Bau befindlichen buddhistischen Kloster khila‑Land gewährt.72 Nach brahmanischer Rechtsvorstellung fielen Ödland und un‑ genutzte Äcker an den König, der dafür Sorge zu tragen hatte, dass die Flächen wieder bebaut wurden. Nicht von unge‑ fähr steht im ‚Kauṭilīya‑Arthasāśtra‘ eine entsprechende Verfügung direkt nach dem Passus, der Königen nahelegte, Brahmanen steuerfreies Land zu übertragen.73 Herrscher mit überregionalen Macht‑ ansprüchen waren im mittelalterlichen Indien für eine beinahe flächendeckende Ansiedlung von Brahmanen verantwort‑ lich, die ideale Stützen des Königtums ge‑ rade im ländlichen Bereich bildeten. Die Hoffnung auf eine königliche Stiftung oder eine tatsächlich erhaltene Dotation ließ Brahmanen im Mittelalter nicht nur von Nord‑ nach Südindien ziehen, sondern auch in die umgekehrte oder in eine andere Richtung auf dem Subkontinent, innerhalb ein und desselben Reiches sowie zwischen
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verschiedenen Reichen.74 Obwohl die vor‑ liegenden Dokumente dies meist nicht als direktes Stifterziel formulierten, wirkten brahmanische Stiftungsdestinatäre in dörflichen Räumen als Mittler von spezi‑ fischen religiösen Konzepten, als Spezia‑ listen für die Durchführung von Lebens‑ zyklusritualen sowie als Träger entwickel‑ ter Rechtstraditionen. Zudem brachten sie ‚erprobte‘ Sozialvorstellungen sowie die Fähigkeit und das Instrumentarium mit, diese an das jeweilige Umfeld anzupassen. Der Wirkungskreis von Brahmanen, de‑ ren Unterhalt durch königliche Stiftungen abgesichert wurde, dürfte dabei in vielen Fällen weit über die Grenzen ‚ihrer‘ Lie‑ genschaften und Dörfer hinausgegangen sein, die in den Inschriften so akribisch festgehalten wurden. Während Könige durch Stiftungen ganz bewusst zur Verbreitung bestimm‑ ter brahmanischer Texttraditionen sowie zu nachhaltigen Wanderungsbewegun‑ gen brahmanischer Gelehrter beitrugen (→ 7.6.3; 9.6.3), setzten die Vertreter regio‑ naler Eliten religionspolitische Akzente vor allem durch die Gründung von Tempeln und Klöstern, die zwangsläufig eine grö‑ ßere Ortsgebundenheit besaßen. In dem Bestreben, sich der Loyalität ortsansässi‑ ger religiöser Strömungen zu versichern und deren weltliche Unterstützer eben‑ falls zufriedenzustellen, sorgten indische Herrscher durch die Vergabe von Dörfern und Ländereien für den möglichst dauer‑ haften Unterhalt zahlreicher Klöster und Tempel, die zwar nicht in ihrem Namen, aber auf ihrem Herrschaftsgebiet errichtet worden waren. Einen besonderen Fall der Interferenz zwischen Stiftungen und Herrschaftsräu‑ men stellen die Gründungen buddhisti‑ scher Klöster durch singhalesische und südostasiatische Könige auf dem Gebiet indischer Herrscher und die oft folgenden
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Stiftungen der indischen Herrscher zur dauerhaften Sicherung des Unterhalts die‑ ser Institutionen dar. Xuanzang berichtet, dass von einem singhalesischen König ein Kloster in Buddhagayā, dem Ort, an dem der historische Buddha seine Erleuchtung erlangt haben soll, errichtet worden sei.75 Während man Xuanzangs Schilderung nicht entnehmen kann, ob sich der in‑ dische König über die Gründungserlaub‑ nis hinaus für diese Mönchsbehausung in seinem Herrschaftsgebiet noch weiter engagierte, geht eine solche Beteiligung für von südostasiatischen Königen in In‑ dien gestiftete Klöster aus einigen Kup‑ fertafelurkunden hervor. Im 9. Jahrhun‑ dert gewährte der Pāla‑König Devapāla einem in Nālandā vom König von Sumatra erbauten Kloster fünf Dörfer auf seinem Territorium.76 Zu Beginn des 11. Jahrhun‑ derts vergab der Coḷa‑Herrscher Rājarāja I. die Steuereinnahmen eines Dorfes an ein buddhistisches Kloster, das ein König von Sumatra in Nāgīpattana, einer Hafenstadt des Coḷa‑Reiches, hatte errichten lassen.77 Für indische Könige war es nicht typisch, Stiftungen außerhalb ihres Herrschaftsge‑ biets zu errichten. Zwar nahmen Herr‑ scher nicht selten Dotationen vor, wenn sie sich auf Kriegszügen befanden und sich in Heerlagern außerhalb ihres Territoriums aufhielten, doch das gestiftete Vermögen lag in der Regel innerhalb ihrer Reiche. In Gebieten, auf die mehrere Dynastien gleichzeitig Anspruch erhoben, kam es mitunter zu fast zeitgleichen Stiftungen verschiedener Herrscherhäuser. Vom 5. bis 8. Jahrhundert bildeten Süd‑Gujarat und Nordwest‑Maharashtra eine wegen ihrer für den Fernhandel sehr attraktiven Lage besonders umstrittene Region. Hier kon‑ kurrierten verschiedene kleinere Fürsten‑ linien miteinander und versuchten, ihre jeweiligen politischen Einflusszonen durch eine gezielte Stiftungspolitik auszudehnen.
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Die Gurjaras, Sendrakas und Calukyas sowie partiell die Maitrakas wetteiferten miteinander darin, gleiche brahmanische Gruppierungen zu fördern und diese in denselben Gebieten anzusiedeln.78 Zuweilen scheinen herrscherliche Tem‑ pelgründungen auf erobertem Gebiet erfolgt zu sein (→ 7.6.3) – wohl mit dem Ziel, diese Territorien zugleich durch Stiftungen zu ‚besetzen‘. So ließ Rāṣṭrakūṭa Kṛṣṇa III. im 10. Jahrhundert berichten, er habe „[sein] edles Heerlager in Melpāṭī aufgeschlagen, um die Provinzen der Südregion zur Le‑ bensgrundlage der von [ihm] Abhängigen zu machen, alle Besitztümer der Provinz‑ fürsten zu übernehmen [und] Tempel für Kālapriya, Gaṇḍamartāṇḍa, Kṛṣṇeśvara und andere [Götter] zu errichten“.79 Königliche Stiftungen wurden mitun‑ ter wohl auch mit normgebender Absicht errichtet. In einem besonderen Sinne gilt dies vor allem für solche Dorfverleihungen, die in Randgebieten vorgenommen wur‑ den, in denen die Fiskalhoheit des fernen Herrschers bisweilen eine rein theoretische war und in der Praxis keinesfalls immer leicht durchsetzbar gewesen sein dürfte. In mittelalterlichen königlichen Stiftungs‑ urkunden werden zahlreiche Orte in ihrer Beziehung zu administrativ‑geographi‑ schen Einheiten, wie Distrikten, Bezirken und Kreisen, aufgeführt. Damit geben die Dokumente Einblick in die Versuche ver‑ schiedener Dynastien, eine effektive Ver‑ waltung ihres Territoriums zu organisie‑ ren.80 Inwiefern allerdings die Stiftungen selbst bei dieser räumlichen Erfassung von Herrschaftsgebieten eine Rolle spielten, ist auf Grundlage der vorliegenden Quellen nicht zu entscheiden. Indem die künftigen Rechte der Begünstigten standardisiert er‑ fasst wurden, setzte man einheitliche Maß‑ stäbe für die gesamte Umgebung der gestif‑ teten Dörfer und Ländereien. Durch die Vergabe von Steuerpfründen an religiöse
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Empfänger formulierten Könige indirekt eigene Ansprüche und delegierten diese gleichzeitig an Dritte, die vor Ort ansässig waren oder angesiedelt wurden. In Hinsicht auf die Destinatäre konnten Stif‑ tungen auch Differenzen zwischen eigenen und fremden Räumen kennzeichnen. Die Gründung eines Klosters in Buddhagayā durch einen singhalesischen König gibt der chinesische Pilger Xuanzang so wie‑ der: Der Bruder des Königs soll einst dem buddhistischen Orden beigetreten und als Pilgermönch nach Indien gereist sein. In den dortigen Klöstern sei man ihm aber wegen seiner fremden Herkunft (aus einem ‚Grenzland‘) mit Geringschätzung begeg‑ net. Nach seiner Rückkehr habe der Mönch seinen Bruder aufgefordert, in Indien Klös‑ ter für singhalesische Mönchsreisende zu errichten, um ihnen ähnliche Erfahrungen zu ersparen. Mit Erlaubnis ‚des‘ indischen Königs habe der singhalesische König in Buddhagayā ein Kloster errichtet, um Mön‑ chen aus seinem Land den Aufenthalt an diesem Ort zu ermöglichen.81 Nach Xu‑ anzangs Aussage wurde eine Urkunde auf Kupfertafeln ausgefertigt;82 eine solche hat man bisher aber nicht entdeckt.83 Interessant ist in diesem Kontext auch, dass weder Faxian im 5. Jahrhundert noch Xuanzang im 7. Jahrhundert von eigenen Erlebnissen der Missachtung in indischen Klöstern berichten. Während bei Faxian die Erfahrung mitschwingt, dass seine Ankunft Erstaunen auf indischer Seite hervorrief,84 scheint zu Xuanzangs Zei‑ ten die Ankunft ausländischer Mönche schon keine Besonderheit mehr gewesen zu sein.85 Faxian sowie Yijing (7. Jahrhun‑ dert) erwähnen, dass zu Besuch weilende Mönche für drei oder fünf Tage beherbergt und beköstigt wurden.86 Die chinesischen Pilger sind selbst beste Beispiele dafür, dass längere Aufenthalte
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durchaus möglich und üblich waren. Auch die Bestimmungen buddhistischer Stif‑ tungsurkunden legen eine gastfreundliche Aufnahme auswärtiger Mönche nahe, wird doch der Begünstigtenkreis üblicherweise über eine genaue Verortung in einem lo‑ kalen Kloster definiert, nicht selten aber zugleich über eine formale Zuordnung zum Gesamtorden der ‚vier Weltgegenden‘ de facto um Neuankömmlinge und Besucher erweitert. So ist der Destinatär in einer Urkunde des 6. Jahrhunderts aus Andhra Pradesh bezeichnet als „gegenwärtiger und künftiger edelster Mönchsorden der vier Weltgegenden, der ansässig ist in dem von mir selbst [d. h. dem stiftenden Fürsten] er‑ richteten Großkloster am Fuße des Berges von Guṇapāśapura“.87 Auch unterschiedliche Formen der Raumwahrnehmung sind bei verschiede‑ nen Destinatären zu unterstellen. So ist eine Ursache für den Rückgang königlicher Stiftungen zugunsten von buddhistischen Klöstern im Mittelalter und die Zunahme von Dotationen an Brahmanen (und später verstärkt an hinduistische Tempel) wohl auch darin zu sehen, dass die buddhisti‑ schen Ordensgemeinschaften in Indien aus dogmatischen Gründen vergleichsweise wenig Interesse am dörflichen Leben und mithin an der Verwaltung ihres Stiftungs‑ vermögens zeigten, zumal ihre traditio‑ nelle Basis stets urbane Räume waren. Oft dürften sich Mönche und Nonnen damit begnügt haben, die Stiftungserträge ein‑ zuziehen. Dies beschreibt der chinesische Pilger Yijing, der im 7. Jahrhundert ein bengalisches Kloster besuchte: „When I for the first time visited Tāmralipti, I saw in a square outside the monastery some of its tenants who, having entered there, divided some vegetable into three por‑ tions, and having presented one of the three to the priests, retired from thence, taking the other portions with them. (…)
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‚The priests in this monastery are mostly observers of the precepts. As cultivation by the priests themselves is prohibited by the great Sage, they suffer their taxable lands to be cultivated by others freely, and par‑ take of only a portion of the products. Thus they live their just life, avoiding worldly affairs, and free from faults of destroying lives by ploughing and watering fields.‘“88 Brahmanen auf der anderen Seite scheinen
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die offenbar darüber hinausgehenden Er‑ wartungen mittelalterlicher indischer Herrscher eher erfüllt zu haben, indem sie bereit waren, in ländlichen Räumen gestalterisch zu wirken und sogar selbst ackerbaulich tätig zu werden, zwangsläufig insbesondere dann, wenn sie nur relativ kleine Landparzellen erhielten. AS
Anmerkungen 1 So die Definition beim ‚klassischen Autor‘
Manu; vgl. Manu’s Code of Law. A Critical Edition and Translation of the Mānava‑Dharmaśāstra. Ed. Patrick Olivelle. Oxford 2005, 95 (Übers.); 407 (Text), Strophe 2.22. 2 H. Falk, Aśokan Sites and Artefacts (2006), 256. 3 Zur Wirkmächtigkeit vgl. Jacobsen, Tīrtha and Tīrthayātrā (2009), 381 f. Zur Geschichte dieses Phänomens vgl. ebd., 389 f. 4 Kane, History of Dharmaśāstra, Bd. 2.2 (1941), 843; Einleitung zu The Dānakāṇḍa (‚Book on Gif‑ ting‘) of the Kṛtyakalpataru. A Critical Edition and Annotated Translation. Ed. David James Brick. Diss. phil. Austin 2009, 55 f. 5 Vgl. z. B. ebd., 115 (Übers.); 321 (Text), Strophe 4.1.16. In dieser Strophe geht es um Empfehlungen für Orte, an denen die sogenannten ‚großen Schen‑ kungszeremonien‘ (mahādāna) durchgeführt wer‑ den sollten. Hier werden nach dem an erster Stelle genannten Begriff tīrtha noch Tempel (āyatana), Kuhstall (goṣṭha), Brunnen (kūpa), Park (ārāma) und Fluss (sarit) sowie Wohnhaus (gṛha), Wald (vana) und Wasserreservoir (taḍāga) aufgezählt. 6 Z. B. ebd.; 363 (Text), Strophe 4.17.14. Kurukṣetra (in Haryana), Gayā (in Bihar), Prayāga (Allahabad in Uttar Pradesh), Amarakaṇṭaka (in Madhya Pradesh), Dvāravatī, Prabhāsa (beide in Guja‑ rat), Gaṅgādvāra (Haridvāra in Utarrakhand) und Puṣkara (in Rajasthan) sind hier aufgeführt. Zu einer längeren Liste vgl. ebd., 235 (Übers.); 500 (Text), Strophen 19.77–79. 7 Vgl. z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 308; 320; 403; 478 f.
8 Ebd., 24 und Anm. 34. 9 Wichtig waren auch astrologische Konstel‑
lationen, die zum Anlass für Stiftungen genom‑ men wurden. 10 Schopen, Buddhist Monastery (2006), 494. Vgl. auch Meister, Sub‑Urban Planning (1981), 163, Anm. 6. 11 Hüsken, Vorschriften (1997), 435 f. 12 Kieffer-Pülz, Women’s Monasteries (2000), 1401. 13 Ebd., 1402. 14 Mönche und Nonnen hatten alle zwei Wo‑ chen eine Beichtfeier (uposatha) abzuhalten. Das genaue Datum dafür war von den Mönchen nach dem Mondkalender zu berechnen. Bei dieser Feier erfolgte auch eine Unterweisung (ovāda) der Non‑ nen durch die Mönche; vgl. Hüsken, Vorschriften (1997), 232–235; 241–244. 15 Der hier für „Schenkung eines Klosters“ ver‑ wendete Originalbegriff ist vihāradāna, ‚Kloster‑ gabe‘. 16 Milindapañha. Die Fragen des Königs Mi‑ linda. Zwiegespräche zwischen einem Griechen‑ könig und einem buddhistischen Mönch. Übers. Nyanatiloka / Nyanaponika. Interlaken 1985, 209. 17 Schopen, Buddha as Owner (1990, ND 1997), 268. 18 Ebd., 275 f. 19 Schopen, Deaths (1995, ND 2004), 95; 98–101; 110–113. 20 Khalimpur Plate of Dharmapaladeva. Ed. Franz Kielhorn, in: Epigraphia Indica 4, 1896/1897, 243–254, hier 250, Z. 50: śubhasthalyān devakulaṅ kāritan tatra pratiṣṭhāpitabhagavannunnanārāyaṇabhaṭṭārakāya.
274 21 Inden, Temple (1985, ND 2006), 2012. 22 Meister, Access and Axes (2006), 33, Abb. 2; 35. 23 The Inscriptions of the Maitrakas of Valabhī.
Texts, Translations, Glossary. Ed. Annette Schmiedchen. Wiesbaden 2016, Nrn. 19 f.; 25; 38; 43; 59; 75 f.; 78; 81; 87; 92. 24 Ebd., Nrn. 47; 49; 66. 25 Aus den Urkunden geht aber hervor, dass nicht alle Klöster des Duḍḍāvihāramaṇḍala auf dem Stadtterritorium von Valabhī lagen: Ein von dem Mönch Vimalagupta errichteter vihāra be‑ fand sich im Dorf Kukkurāṇaka, und ein Hei‑ ligtum des weiblichen Bodhisattva Tārā wird in einem Dorf mit dem Namen Kāṇasīhānaka lokalisiert; vgl. ebd., Nrn. 75 f.; 81; 87. 26 Si‑Yu‑Ki. Buddhist Records of the Western World. Translated from the Chinese of Hiuen Tsi‑ ang (A. D. 629). Übers. Samuel Beal. London 1884, Bd. 2, 167–170. Vgl. auch Banerjee, Nālandā (2013). 27 Dikshit, Excavations at Paharpur (1938, ND 1955), 90. 28 Indian Museum Copper Plate Inscription of Dharmapala, Year 26: Tentative Reading and Study. Ed. Ryosuke Furui, in: SAS 27.2, 2011, 145–156, hier 154, Z. 63 f. Vgl. Einleitung und Interpreta‑ tion ebd., 145 f.; 151. 29 Kieffer-Pülz, Sīmā (1992), Vorbemerkung. Zu naturräumlichen Grenzzeichen vgl. ebd., 204–233. 30 Die Begriffe sīman / sīmā und āghāṭa[na] wer‑ den häufig benutzt; manchmal wird auch kaṅkaṭa verwendet. 31 Bei Stiftungen (des Steueraufkommens) von ganzen Dörfern führte man die angrenzenden Siedlungen auf. 32 ‚Vāmana‘ bezeichnet den Gott Viṣṇu in seiner Inkarnation als Zwerg. 33 Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 393. Zu Grenzsteinen siehe auch Kotraiah, Boundary Stones (1977). Zum Bericht vom Abschreiten der Grenzen des vergebenen Lan‑ des mit einer Elefantenkuh in einer Coḷa‑Urkunde vgl. The Tiruvalangadu Copper Plates of the Sixth Year of Rajendra‑Chola I. Ed. H. Krishna Sastri, in: SII 3, 1929, 383–439; Ali, Royal Eulogy (2000), 173 f. 34 Rashtrakuta Charters from Chinchani. Ed. Dinesh Chandra Sircar, in: Epigraphia Indica 32, 1957/1958, 45–60, Nr. 2. 35 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 142 f.; 145.
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36 Ebd., 411. 37 Vgl. Plaeschke / Plaeschke, Indische Felsen‑ tempel (1982), 70–80; 113–120; 125 f.
38 Auch wenn eine genaue Lokalisierung von
Kapitthaka nicht möglich ist, muss man diese Entfernung aus der angegebenen Lage am Fluss Godāvarī schließen. Anlass für den Aufenthalt von Govinda IV. in Kapitthaka soll dessen Krö‑ nung und eine damit verbundene tulāpuruṣa‑ Zeremonie gewesen sein; Schmiedchen, Herrscher‑ genealogie und religiöses Patronat (2014), 111; 133; 175; 209. Zu Kapitthaka als Zentrum astrologischer Studien vgl. Willis, Formation of Temple Ritual (2009), 80, Anm. 23. 39 Cambay Plates of Govinda IV.; Saka‑Samvat 852. Ed. D. R. Bhandarkar, in: Epigraphia Indica 7, 1902/1903, 26–47. 40 Vgl. hierzu auch die Flurskizzen in Njammasch, Bauern, Buddhisten und Brahmanen (2001), 371–398. Allerdings spiegeln diese Flurskizzen nicht immer die in den Urkunden beschriebenen Verhältnisse adäquat wider. 41 Vgl. die Einleitung zu Inscriptions of the Maitrakas. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 23), 46. 42 Zu Kurundaka vgl. Schmiedchen, Herrscher‑ genealogie und religiöses Patronat (2014), 103 f.; 133, 207 f.; 210. 43 Ebd., 479–481, RāUr 60–64. 44 Three Copper‑Plate Inscriptions from Gaonri: A. – The Fragmentary Grant of the Rāshṭrakūṭa Suvarṇavarsha (Govinda IV): Śaka 851. Ed. K. N. Dikshit, in: Epigraphia Indica 23, 1959/1960, 101–108. 45 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 319–323. 46 P. M. Joseph, Jainism (1997), 420. Die Digam‑ baras, ‚die Luftgekleideten‘, sind Nacktasketen. 47 Two Grants of Rashtrakuta Indra III from Vajirkheda, Saka 836: Grant A. Ed. V. B. Kolte, in: Epigraphia Indica 38, 1969/1970, 5–20. Nach Aussage dieser beiden Kupfertafelurkunden wur‑ den zwei Klöstern des Draviḍasaṅgha mehrere Dörfer gestiftet. 48 Vgl. z. B. Inscriptions of the Maitrakas. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 23), Nrn. 84 und 88; Nrn. 101 und 105; Nrn. 103 und 104; Dies., Herrschergenealo‑ gie und religiöses Patronat (2014), 486 f., ŚiNoUr 2–3. 49 Vgl. die Fallstudie zu Risiyappa bei Schmiedchen, Dorfverleihungen an Brahmanen (2001), 69–71.
Indien
50 Jetavanarama Sanskrit Inscription. Ed. Martino De Zilva Wickremasinghe, in: Epigraphia Zeylanica 1, 1904–1912, 1–9; hier: 4, Z. 1. Übers. AS. 51 Ebd., 4, Z. 3–7. Übers. AS. 52 Dies war die Bezeichnung für eine Silber‑ münze; vgl. Mirashi, Dramma Coins (1963), 240. 53 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Vasudev Vishnu Mirashi. (CII 6.) Delhi 1977, 158–163, Nrn. 31 f. 54 Zu Somanātha vgl. Thapar, Somanatha (2004), 73–100; Basu, Gujarat (2009), 258; Glossar zu Dānakāṇḍa. Ed. Brick (wie Anm. 4), 543–554, hier 552. Zu tīrthayātrā vgl. Arya, History of Pil‑ grimage (2004), 1; 5–7. 55 Deeg, Gaoseng‑Faxian‑Zhuan (2005), 541 f.; Si‑Yu‑Ki. Übers. Beal (wie Anm. 26), 1 f.; 4; 13 f.; 31 f.; 66 f. 56 Xuanzang gibt für jedes Gebiet, das er be‑ sucht hat beziehungsweise in seiner Schilderung erfasst, die Zahl der Klöster und Mönche und die hauptsächlich vertretene Schulrichtung an; vgl. Gombrich, Buddhismus (1995), 83: „(…) zählte er etwa 115 000 Hīnayāna‑ und 120 000 Mahāyāna‑ Mönche. (…) Zum Hīnayāna gehörten etwa 2000 Klöster, zum Mahāyāna ungefähr 2500.“ 57 Schmiedchen, Stiftungen zum Unterhalt (2013), 105–107. 58 Dies konnte innerhalb und außerhalb der Stadtmauern sein; vgl. Schopen, Buddhist Mo‑ nastery (2006), 494 f. 59 Ebd., 495 f. Diese Schilderungen tauchen so‑ wohl im Ordensrecht der Mūlasarvāstivādins als auch in dem der Theravādins als Einleitungen zu potentiellen Vergehen auf, die mit dem Zö‑ libatsgebot der Mönche in Verbindung standen. 60 Ebd., 496 f. 61 Ebd. 62 Ebd., 498–501. 63 Meister, Sub‑Urban Planning (1981), 162; Nagaraju, Buddhist Architecture (1981), 190–221. 64 Ebd., 206; Schopen, Buddhist Monastery (2006), 501. 65 Inscriptions of the Maitrakas. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 23), Nrn. 11; 19 f.; 24–26; 37 f.; 41–43; 45; 47–49; 54; 59; 66; 71; 75 f.; 78; 81; 87; 92; G1. 66 Ebd., Nr. 71. 67 Vgl. die Ausführungen in Schopen, Mahāyāna in Indian Inscriptions (1979, ND 2005). 68 Zu zwei Stiftungen an buddhistische Klöster in Bengalen zur Pāla‑Zeit, auf die das zutraf, vgl.
275 The Jagajjibanpur Plate of Mahendrapāla. Ed. S. C. Bhattacharya, in: JAIH 23, 2005/2006, 61–125, bes. 69, Z. 40 f.; A New Copper Plate Inscription of Gopala II. Ed. Ryosuke Furui, in: SAS 24, 2008, 67–75, bes. 73, Z. 48; 51. Zu zwei einschlägigen Dotationen an den Sonnentempel in Gujarat vgl. Inscriptions of the Maitrakas. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 23), Nrn. 16; 53. 69 Dies belegen die alten Namen der vergebe‑ nen Dörfer sowie die Grenzbeschreibungen. An die meisten Dörfer grenzten andere Dörfer und Weiler an. Es handelte sich also in der Regel nicht um neue Rodungsgebiete. 70 Virkus, Politische Strukturen (2004), 38; 45; 111; 148. 71 Gupta, Khila‑kṣetras (1989); Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 157. Brachland wur‑ de nicht nur in Ost‑, sondern auch in Westindi‑ en vergeben; vgl. A Copper‑Plate Hoard of the Gupta Period from Bagh, Madhya Pradesh. Ed. K. V. Ramesh / S. P. Tewari. Delhi 1990, 8–10, Nr. 4, hier 8, Z. 4. 72 A newly discovered Copperplate from Tippe‑ ra [The Gunaighar Grant of Vainyagupta: The year 188 current (Gupta Era)]. Ed. D. C. Bhattacharya, in: IHQ 6, 1930, 45–60. 73 The Kauṭilīya Arthaśāstra. Ed. R. P. Kangle, Bd. 1. Mumbai 21969, 31, Strophen 2.1.7–12. 74 Schmiedchen, Brahmanische Wanderungs‑ bewegungen (2015), 229. 75 Si‑Yu‑Ki. Übers. Beal (wie Anm. 26), 133–135. Hierzu siehe auch weiter unten. 76 The Nalanda Copper‑Plate of Devapalade‑ va. Ed. Hirananda Sastri, in: Epigraphia Indica 17, 1923/1924, 310–327, hier 322, Z. 37 f. 77 Larger Leiden Copper‑Plate Inscription of Rajaraja I. Ed. K. V. Subrahmanya Aiyer, in: Epi‑ graphia Indica 22, 1933/1934, 213–266, hier 241 f., Z. 76–84. 78 Schmiedchen, Patronage of Śaivism (2013), 349 f. Zu Beispielen für Konkurrenzstiftungen vgl. ebd., 352. 79 Karhad Plates of Krishna III.; Saka‑Samvat 880. Ed. R. G. Bhandarkar, in: Epigraphia Indica 4, 1896/1897, 278–290, hier 285 f., Z. 57–63. 80 Zu den Rāṣṭrakūṭas vgl. Schmiedchen, Herr‑ schergenealogie und religiöses Patronat (2014), 133–138. 81 Si‑Yu‑Ki. Übers. Beal (wie Anm. 26), 133–135.
276 82 Ebd., 135: „Then (…) they built this convent
Raum
85 The Life of Hiuen‑Tsiang by the Shaman to entertain priests of this country (Ceylon), and Hwui Li. Übers. Samuel Beal. London 1911, 105–107. he caused to be engraved this proclamation on 86 Deeg, Gaoseng‑Faxian‑Zhuan (2005); 120; copper“. 137–140; A Record of the Buddhist Religion as 83 Zu einer Steininschrift aus dem 6. Jahrhun‑ Practised in India and the Malay Archipelago dert, die von der Errichtung eines buddhistischen (AD 671–695). Übers. Junjiro Takakusu. London Tempels durch einen singhalesischen Mönch be‑ 1896, ND Delhi 1982, 64. richtet, vgl. The Bodhgaya Inscription of Maha‑ 87 Hyderabad Museum Plates of Prithivi‑Sri‑ naman. – The Year 269. Ed. John Faithful Fleet, in: Mularaja. Ed. S. S. Ramachandra Murthy, in: IA 15, 1886, 356–359; Bloch, Pilgrims from Ceylon Epigraphia Indica 38, 1969/1970, 192–195, hier 195, Z. 22: guṇapāśapuragiritaṭa-svaprati ṣṭhā(1908/1909). 84 Zur Reaktion im ostindischen Śrāvastī auf pita-mahāvihāra-nivāsy-āgatānāgata-cāturddidie Ankunft von Mönchen aus dem Land der Han, śāryyavarabhikṣusaṃgha. Übers. AS. d. h. aus China, vgl. Deeg, Gaoseng‑Faxian‑Zhuan 88 Record of the Buddhist Religion. Übers. Takakusu (wie Anm. 86), 62. (2005), 538.
17 Gesellschaftlicher Wandel
17.1 Interkulturelle Perspektiven Unbefriedigend sind bisher alle Versuche ausgefallen, den Anteil von Stiftungen am Wandel der ‚mittelalterlichen‘ Gesellschaf‑ ten zu bestimmen. Generelle Urteile, dass Stiftungen dem ‚Fortschritt‘ entgegenge‑ standen oder eine petrifizierende Wirkung gehabt hätten, wie sie in der westeuro‑ päischen Aufklärung gegenüber der Vor‑ moderne als Verdikte formuliert wurden, oder im Sinne der Feudalismustheorie für Dezentralisierung und Fragmentierung (Indien), allgemeine Rückständigkeit (Län‑ der des Islam) oder den Untergang ganzer Reiche (Byzanz) verantwortlich gewesen seien, lassen sich nicht nur kaum empi‑ risch verifizieren, sondern auch wegen der Komplexität des Problems keineswegs durch kontrafaktische Gedankenexperi‑ mente erhärten. Klug beraten ist deshalb die Wissenschaft, wie bei allen wichtigen Faktoren der Geschichte so auch hier re‑ tardierende und dynamisierende Effekte zugleich anzunehmen. Dieser Festlegung muss jedoch sogleich die Einschränkung folgen, dass es noch kaum besonnen ab‑ wägende Erörterungen des Nutzens und Nachteils von Stiftungen gibt; erst recht gilt dies für Fragen nach langfristigen Trends oder abrupten Richtungswechseln, so dass
den Stiftungshistorikerinnen und ‑histori‑ kern künftig fast noch alles zu tun bleibt, und zwar dann umso mehr, wenn es um die vergleichende Perspektive gehen soll. Das meiste in diesem Artikel Gesagte kann deshalb kaum über einen tastenden Ver‑ such hinausgehen, der bestenfalls neue Forschungen anzuregen vermag. Wählt man, wie es der Fragestellung wohl angemessen ist, weniger den Stifter selbst als sein unmittelbares soziales Um‑ feld als Ausgangspunkt, dann gerät seine Kernfamilie oder Haus(halts)gemeinschaft in den Blick, in der oder auf die er mit seinem Akt wirkt. Stiftungen spielten hier eine wichtige Rolle bei der Verteilung des Vermögens, besonders bei dessen interge‑ nerationeller Weitergabe. Mit weitest ver‑ breiteten Familienstiftungen konnten Erb‑ lasser_innen in muslimischen Ländern die Zersplitterung ihrer Güter verhindern und eine bestimmte Linie der Nachkommen‑ schaft fördern; demgegenüber scheinen ein‑ deutige Regelungen zugunsten männlicher Erstgeborener im Judentum entsprechende Interventionen erübrigt zu haben. In Indi‑ en konnten Stifter besondere Familien be‑ günstigen, wenn sie Brahmanen materiell ausstatteten; dies war nämlich geradezu
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mit der Auflage verbunden, das Vermögen an die nächsten Generationen weiterzuge‑ ben, in denen so auch das Brahmanentum fortgeführt werden sollte. In christlichen Reichen wirkte die römisch‑antike Norm der Testierfreiheit nach, vor allem aber begünstigte die Lehre vom ‚Seelteil‘ die individuelle Schenkung an die Kirche, die auf Kosten der leiblichen Erben ging. Stiftungen waren derartige Schenkungen freilich noch nicht, sondern diese wurden erst dann dazu, wenn sie der Finanzie‑ rung von Personen und Personengruppen auf Dauer dienen sollten, ohne dass diese der bischöflichen Verfügungsgewalt un‑ terworfen gewesen wären. Die in diesem Zusammenhang nötigen extrafamiliären Gemeinschaftsbildungen wurden durch die christliche Hochschätzung der Ehelo‑ sigkeit begünstigt, die im Judentum und im Islam ganz oder weitgehend verworfen wurde und in Indien nur eingeschränkt Parallelen hatte. Besonders bei der Grün‑ dung oder Förderung von Klöstern durch christliche ‚Laien‘ konvergierten Triebkräf‑ te der Genossenschaft und der Stiftung: Koinobitische Gemeinschaften strebten nach Freiheit und Selbstbestimmung ge‑ genüber allen ‚weltlichen‘ und kirchlichen Mächten, um ihre religiösen Aufgaben un‑ gestört zu erfüllen, Stiftungen benötig‑ ten selbstergänzende Gemeinschaften, die sich auf Dauer ihren vorgegebenen Zielen widmeten.1 Mönche und Nonnen konnten sich zwar bis zu einem gewissen Umfang durch eigener Hände Arbeit oder durch Spenden externer Gläubiger ernähren, und vor allem in Byzanz zogen sie es anfangs vor, sich durch regelmäßige Einkünfte des Fiskus zu finanzieren. Aber erst durch die Ausstattung mit Stiftungsgütern, meist Landschenkungen zur agrarischen Be‑ wirtschaftung, konnten die Kommunitäten unabhängig werden. Bezeichnenderweise lassen sich klösterliche Stiftungen oder
Gesellschaftlicher Wandel
Zustiftungen immer wieder im Kontext mit monastischen Reformen verifizieren, doch muss eine Forschung über Stiftungen im gesellschaftlichen Wandel diesem Zusam‑ menhang künftig noch näher nachgehen.2 Zweifelhaft ist, ob ein derartiger Konnex von ‚Stiftung und Reform‘ auch bei bud‑ dhistischen und jinistischen Klöstern in Indien feststellbar wäre. Klosterstiftungen dienten indessen nicht bloß der Etablierung gesellschaftlicher Alternativen zur biologischen Kernfami‑ lie, sondern boten dieser teilweise auch ein neues Gehäuse; nach Geschlechtern getrennt nahmen sie deren Angehörige auf und trugen auf diese Weise sogar zur Absicherung überkommener Herrschafts‑ und Besitzrechte bei. Auch als Verwalter von Stiftungen dieser Art nutzten ‚from‑ me Wohltäter‘ und ihre Nachkommen den religiösen Rahmen zur Bewahrung ihrer materiellen Verfügungsgewalt. Schon im Mittelalter ersetzten Stiftungen auch leibli‑ che Erben bei kinderlosen Paaren; selbst für das Judentum kann in diesem Zusammen‑ hang vom „Substitutscharakter“ der Stif‑ tungsaktivitäten die Rede sein. (→ 17.4.2) Für die mittleren und die umfassendsten Ebenen der Gesellschaften hat der jewei‑ lige Forschungsstand trotz berechtigter Bedenken zur Formulierung starker Thesen ermutigt. Für Indien gelten königliche Stif‑ tungen für Brahmanen im frühen Mittelal‑ ter als Katalysatoren der Kolonisation und der Ausbildung von Regionalreichen sowie selbstverständlich als Instrumente zur Ver‑ breitung bestimmter religiöser Lehren und Praktiken. In Relation zum Brahmanentum bestimmten sie die Ausdehnung des bud‑ dhistischen und jinistischen Kloster‑ und des hinduistischen Tempelwesens. Eine überragende Bedeutung wird den Kloster‑ stiftungen im Reich von Byzanz wohl nicht bloß bedingt durch die Überlieferungslage zugeschrieben, sondern sie wurde auch
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Lateinische Christen
bei der monastischen Landerschließung und Verbreitung der Hochkultur mani‑ fest. Für das lateinchristliche Europa wagt man sogar die Behauptung, vom frühen zum späten Mittelalter hätten sich die Stif‑ tungen aus einer gesellschaftlichen „Ni‑ schenexistenz“ befreit und zur „völligen Durchdringung aller Lebensbereiche“ fort‑ entwickelt (→ 17.2.4); entsprechend wird geltend gemacht, in osmanischer Zeit, also gegen Ende des ‚mittelalterlichen Jahrtau‑ sends‘, seien alle Bewohner muslimischer Länder von Stiftungen betroffen gewesen. Spektakulär ist besonders die These von der Auswirkung der Stiftungen im Juden‑ tum, wo man ihnen doch wegen der Stärke
der Familien und der stiftungsförmigen Struktur der Gemeinden selbst so geringe originelle Entfaltungsmöglichkeiten zu‑ schreiben möchte. Gerade weil Stiftungen überall dort aushelfen mussten, wo die gewohnten Sozialbeziehungen mangelten (‚Ausfälle‘) oder wo sich Juden zeitweise aus ihrem familiären Umfeld lösten, um auf Handels‑ und Bildungsfahrt oder Pil‑ gerschaft zu gehen (‚Auszeit‘), hätten sie die Kohärenz der jüdischen Gesamtgemeinde bestärkt und die Einheit ‚Israels‘ in Den‑ ken und Handeln der Menschen geradezu konstituiert. MB
Anmerkungen 1 Borgolte, Sigismund, Radegunde (in Druck‑ ausführlicher Ders., Weltgeschichte der Stiftungen vorbereitung).
2 Vorerst die Hinweise bei Borgolte, Stiftungsur‑
(in Vorbereitung).
kunden Heinrichs II. (1993, ND 2012), 264. Künftig
17.2 Lateinische Christen 17.2.1 Allgemeines Mittelalterliche Stiftungen waren Instru‑ mente der Entzeitlichung. Ihre Zweckset‑ zungen, Grundstockvermögen, Verwal‑ tungsstrukturen und Vollzugsmodi wi‑ derstrebten erfolgreich der Veränderung, wenn Generationen von Exekutoren sich den paradoxalen Wunsch des Stifters, „eine dauernde Ordnung mit zeitgebundenen Mitteln errichten zu wollen“1, tatsächlich zu eigen machten. Durch Praktiken der Ite‑ ration und Projektionen der Kontinuation trotzten die Agenten des Stifters dann dem
sozioökonomischen Wandel und beharr‑ ten gegenüber ihren Zeitgenossen auf der ungebrochenen Geltungskraft der stifterli‑ chen Satzungen. Die ‚Institutionalität‘ war dabei gerade kein wesenhaftes Charakte‑ ristikum mittelalterlicher Fundationen,2 sondern Ausdruck eines unabschließbaren Ringens um intertemporäre Identität, das „bei ein und derselben Stiftung im Laufe ihrer Geschichte ganz verschiedene, auch unterschiedlich intensive, Arrangements von Beständigkeit“ hervorbrachte.3 Dieses
280
Ringen prägte indes nicht nur die Stiftung als soziales System, sondern beeinflusste auch dessen jeweilige Umwelt. Während die individuellen Versteti‑ gungsleistungen von Stiftern, Treuhändern und Destinatären bereits seit längerem untersucht werden,4 mangelt es bislang an einschlägigen Studien über die gesell‑ schaftlichen Effekte jener Handlungsmus‑ ter und Denkstile, mittels derer überkom‑ mene Stiftungsgefüge fürderhin gegen den historischen Wandel immunisiert werden sollten. In der Literatur begegnen einem überwiegend beiläufig geäußerte Gemein‑ plätze, die sich die fundamentale Kritik der Aufklärer am Stiftungswesen (→ 18.2.2) meist recht unreflektiert zu eigen machen; zumal wenn sie Stiftungen in entwick‑ lungsgeschichtlicher Zuspitzung als ein fortschrittsfeindliches Element traditio‑ naler Gesellschaften diskreditieren. Die Grundannahme, eine dauerhafte Bindung von Gütern und Menschen an den Willen eines längst Verstorbenen müsse zwangs‑ läufig zum Hemmschuh für die soziale Dynamik eines Gemeinwesens werden, greift aber zu kurz. Zum einen unterschlägt sie, dass es – wie nicht zuletzt in der Ge‑ genwart beobachtet werden kann – oft genug gerade Stiftungen sind, die kultu‑ relle Innovationen und Inventionen durch Zuweisung anderweitig nicht benötigter Mittel überhaupt erst ermöglichen oder die zarte Pflanze des Neuen zumindest solange alimentieren, bis die gesellschaftliche Ak‑ zeptanz auch andere Finanzierungsoptio‑ nen eröffnet.5 Zum anderen essenzialisiert eine solche Sichtweise die Dauer der Stif‑ tung in unzulässiger Weise und ignoriert deshalb die mitunter enormen Transfor‑ mationsleistungen, mittels derer es den mittelalterlichen Stiftungsorganen über‑ haupt nur gelang, den Stifterwillen durch die Zeiten zu transportieren. Denn auch dann, wenn Stiftungen nicht als Initiatoren
Gesellschaftlicher Wandel
von Veränderung in Erscheinung traten, konnten sie die gesellschaftliche Relevanz solcher Prozesse sehr wohl maßgeblich ver‑ stärken, indem sie zu Lebzeiten des Stifters noch gänzlich Unbekanntes kurzerhand in das Stiftungsgeschehen integrierten, es im Extremfall sogar durch die Erfindung entsprechender Stifterauflagen als etwas ganz Althergebrachtes aufwerteten.6 Vor diesem Hintergrund ist die eindimensiona‑ le Frage, welchen Anteil Stiftungen an der – vermeintlichen7 – Immobilisierung ‚der‘ mittelalterlichen Gesellschaft hatten, offen‑ kundig falsch gestellt. Zu erkunden ist viel‑ mehr, welche Beiträge Stiftungen (genau‑ er gesagt: einzelne Stiftungen, bestimmte Stiftungstypen oder auch Netzwerke von Stiftungen) zur Dynamisierung respekti‑ ve Petrifizierung okzidentaler Gesellschaf‑ ten zwischen 500 und 1500 u. Z. geleistet haben, wobei intentionale Interventionen und akzidentelle Effekte gleichermaßen zu bedenken sind. Durch pauschale Ant‑ worten ist ein solches Erkenntnisinteresse nicht zu befriedigen, denn methodisch kon‑ trolliert lassen sich die gesellschaftlichen Wirkungsdimensionen von Stiftungen al‑ lenfalls exemplarisch erfassen. Dabei kön‑ nen forschungspragmatisch drei Analyse‑ ebenen unterschieden werden: der soziale Nahraum der ‚Familie‘ als Mikroebene (→ 17.2.2), der alltägliche ‚Lebensraum‘ sozialer Gruppen als Mesoebene (→ 17.2.3) sowie die weit darüber hinaus gehenden, vor allem politisch‑administrativ determi‑ nierten, Personenverbände als Makroebene (→ 17.2.3). 17.2.2 Mikroebene Wie in der Antike bezeichnete der latei‑ nische Begriff familia auch im Mittelalter eine soziale Formation, die man im Deut‑ schen am besten als ‚Hausgemeinschaft‘
Lateinische Christen
charakterisieren kann.8 In ihrem Zentrum stand der Hausvater, der als Haushaltsvor‑ stand über seine Gattin, seine unverhei‑ rateten Kinder (auch aus früheren Ehen), schutzbedürftige Verwandte und das Ge‑ sinde gebot.9 Während sich die Zugehörig‑ keit zur Hausgemeinschaft bei unmündi‑ gen Kindern oder Geschwistern aus ihrer Verwandtschaft mit dem Hausvater ergab, beruhte sie bei Mägden, Knechten, Lehrlin‑ gen und Gesellen auf der Einbindung in den häuslichen Produktionsprozess. Nicht alle Hausgenossen waren also untereinander verwandt, aber auch nicht alle Verwandten lebten in einer Hausgemeinschaft. Die Vor‑ fahren des Hausvaters waren zum Großteil ohnehin längst verstorben. Seine Nach‑ fahren führten unter Umständen bereits eigene Haushalte oder lebten als Gäste bzw. Gesinde in anderen Haushalten. Das galt auch für seine Seitenverwanden: die Brüder und Schwestern, Onkel und Tanten, Cou‑ sins, Cousinen und so weiter. Angesichts dieser Ausgangslage empfiehlt es sich, den Einfluss von Stiftungen auf den Wandel familiärer Strukturen analytisch auf zwei verschiedene Konzepte von ‚Familie‘ zu beziehen: (1.) die Verwandtschaftsfamilie und (2.) die Haushaltsfamilie.10 (1.) Verwandtschaft gilt der Mediävistik des 21. Jahrhunderts als kulturelles Phäno‑ men auf biologischer Grundlage. Und das nicht nur, weil es im Mittelalter neben der ‚natürlichen‘, also auf Abstammung und ehelicher Verbindung beruhenden Ver‑ wandtschaft stets auch ‚künstliche‘ bzw. spirituelle Verwandtschaften gegeben habe, die z. B. durch Adoption, Patenschaft oder Verbrüderung begründet wurden.11 Auch sei die mentale „Modellierung“12 von Bluts‑ verwandtschaft niemals bloß die objekti‑ ve Repräsentation eines bestimmten Gen‑ pools13 gewesen, sondern stets eine inter‑ pretierende „Lesart“14 sozialer Bindungen.
281
Keine Einigkeit besteht in der Forschung indes über die maßgeblichen Entwick‑ lungstendenzen im Zusammenspiel von biologischer und diskursiver Verwandt‑ schaft zwischen 500 und 1500 u. Z. Vor allem zwei Thesen sind es, an de‑ nen sich mittlerweile Generationen von Forschern abgearbeitet haben: Die ers‑ te wurde in den 1950er Jahren von Karl Schmid anhand einzelner Adelsgruppen artikuliert und später von George Duby für die gesamte mittelalterliche Gesell‑ schaft generalisiert. Ihr zufolge entstan‑ den agnatisch geordnete Geschlechter in Prozessen retrospektiver Selbstvergewis‑ serung erst im hohen Mittelalter; davor habe man Verwandtschaft als kollateral strukturierte Sippe aufgefasst.15 Die zweite These formulierte der Anthropologe Jack Goody in den 1980er Jahren. Er behaupte‑ te, die okzidentale Kirche habe im frühen Mittelalter, um sich selbst als Erbin ins Spiel zu bringen, alle traditionellen Stra‑ tegien zur Verhinderung von Erbenlosig‑ keit systematisch diskreditiert, indem sie Scheidung, Polygynie und Konkubinat mit Verboten belegte, die Wiederverheiratung pejorisierte, die Adoption zurückdrängte und die innerfamiliäre Besitzstandswah‑ rung im Rahmen von Leviratsehen und Ähnlichem durch weitreichende Ehehin‑ dernisse erschwerte. Infolgedessen sei das Heiratsverhalten der Abendländer nicht wie in anderen zeitgleichen Kulturen en‑ dogam, sondern exogam orientiert, ihre Verwandtschaft überdies nicht patrilinear, sondern bilateral organisiert gewesen.16 Beide Thesen weisen Stiftungen eine gro‑ ße Bedeutung für die Veränderung von Verwandtschaftsstrukturen im Laufe des Mittelalters zu – allerdings bloß implizit. Systematisch analysiert wurde die Rolle der auf Dauer gestellten ‚frommen Werke‘ weder von den jeweiligen Autoren selbst noch von ihren Kritikern.
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Nach Schmid avancierten einzelne Bur‑ gen mit ihren topographisch beigeordne‑ ten Hausklöstern ab dem 11. Jahrhundert zu „objektiven Substrat[en]“17 des adligen „Geschlechterbewusstseins“. Während die Stammsitze namengebend für Personen‑ gruppen wurden, entwickelten sich die Kirchgebäude zu generationenübergrei‑ fenden Grablegen, in denen die liturgische Memoria der Bestatteten intensiv gepflegt wurde. Seit dem 12. Jahrhundert dienten dann die zu diesem Zweck fortlaufend er‑ gänzten Gedenkaufzeichnungen regelmä‑ ßig als Materialbasis für die im frühen Mittelalter noch völlig ungebräuchlichen Darstellungen adliger Aszendenz. In ihnen wurde der aktuell residierende Burgherr über eine ungebrochene Vater‑Sohn‑Kette als unmittelbarer Nachfahre eines ver‑ meintlichen Stammvaters („Spitzenahns“18) präsentiert. Ob die klerikalen Genealo‑ gen solche Texte und Bilder als Mitglieder des adligen ‚Hauses‘ entwarfen oder sich dessen jeweiligem Vorsteher vielmehr in schmeichlerischer Absicht andienen woll‑ ten, haben Schmids Schüler ausgespro‑ chen kontrovers diskutiert.19 Inwieweit die Beziehungen und Aktivitäten der histori‑ schen Personen durch ihre jeweilige Stel‑ lung im Gefüge von Stiftungen (→ 11.2; 12.2; 13.2) geprägt wurden, ist aber bislang bloß en passant erörtert worden. Weitge‑ hend unbeachtet blieb deshalb, dass die schriftliche Fixierung der adligen ‚Haus‑ überlieferung‘20 erst dann einsetzte, als die ‚Hausklöster‘ keine Eigenkirchen mehr wa‑ ren, über deren Schicksal der jeweilige Herr nach Belieben bestimmen konnte, sondern den Charakter von ‚Geschlechterstiftungen‘ angenommen hatten, die unabhängig von den Launen des biologischen Zufalls fort‑ bestehen sollten.21 Unter diesen Bedingun‑ gen herrschte der Burgherr nämlich nicht länger einfach über ‚sein‘ Kloster, son‑ dern über eine Genossenschaft fiduziarisch
Gesellschaftlicher Wandel
tätiger Destinatäre, die als Sachwalter des stifterlichen Willens zumindest partielle Autonomie beanspruchen konnte.22 Ein fortgesetzter adliger Herrschaftsanspruch gegenüber den Religiosen war unter die‑ sen Bedingungen nur mehr unter zwei Bedingungen durchzusetzen: Entweder man engagierte sich selbst als Zustifter, indem man die Konsumtion zusätzlicher Stiftungserträge an die Erfüllung ergän‑ zender Stifterauflagen knüpfte23, oder man machte aus seiner Stellung als Stiftererbe spezifische Aufsichtsrechte gegenüber den Stiftungsorganen geltend. (→ 13.2.3) Im ersten Fall entstanden durch die generatio‑ nenübergreifende Abfolge von Stiftungsak‑ ten gewissermaßen Dynastien von Stiftern, deren biologische Verwandtschaft unter‑ einander letztlich zweitrangig war. Ein entscheidendes Motiv für die agnatische Repräsentationen hoch‑ und spätmittel‑ alterlicher Adelsgeschlechter dürfte aber vor allem die intergenerationelle Übertra‑ gung der Kuratorenrolle gewesen sein.24 Entworfen aus der Perspektive der Desti‑ natäre, thematisierten die genealogischen Zeugnisse die Verwandtschaftsverhältnisse einzelner Adliger nämlich simplifizierend25 als „ortsbezogene Sukzessionslinien“26 ei‑ ner qualifizierten, das heißt regulativ be‑ grenzten Herrschaft über Stiftungen: Die adligen Kuratoren mochten wechseln, die Zweckbindung der Stiftungserträge blieb. Nachdem die Kanonistik die Vererbung derartiger Aufsichtsbefugnisse im Rahmen des Patronatsrechts weitgehend standardi‑ siert hatte, wurden Sukzessionslinien von Stiftungskuratoren nicht länger bloß retro‑ spektiv ermittelt, sondern auch prospektiv entworfen; und zwar auch und gerade von bürgerlichen Stiftern.27 So sollte etwa eine ca. 1505 projektierte Grabkapelle in der Karmeliter‑Kirche St. Anna zu Augsburg ausschließlich dem Gedenken derjenigen männlichen Nachkommen Jakob, Ulrich
Lateinische Christen
und Georg Fuggers dienen, die als regierer an der Spitze der Fuggerschen Handelsge‑ sellschaft standen und sich so als strikt agnatisch definiertes „Handelsgeschlecht“ von der kollateralen Ganerbengemein‑ schaft28 absonderten.29 Der Gesellschafter‑ vertrag, mit dem diese verwandtschaftli‑ che Binnendifferenzierung ihren Anfang nahm, stammte allerdings bereits aus dem Jahre 1494.30 Die Stiftung der drei Brüder war also eher ein Anwendungsfeld denn ein Auslöser für die neuartige Modellie‑ rung der familiären Strukturen. Ob das für andere Fälle in analoger Weise gilt, werden zukünftige Forschungen zeigen müssen. Nicht nur bei den frühkapitalistischen Kaufleuten, sondern auch sonst sind die rechtlich‑ökonomischen Wechselwirkun‑ gen zwischen Stiftungen und Familien‑ strukturen im lateinchristlichen Europa noch weitgehend ungeklärt. Wirklich her‑ ausgefordert und methodisch stimuliert hat der Sozialanthropologe Jack Goody die Mit‑ telalterforschung vor allem mit seinen Be‑ obachtungen zur zunehmend restriktiven Reglementierung von Verwandtschafts‑ verhältnissen im Laufe von Spätantike und Frühmittelalter. Seine Deutung, die ‚Erbschleicherei‘ der katholischen Kirche sei als Katalysator all dieser Transforma‑ tionsprozesse zu identifizieren, basierte indes auf einer so grobschlächtigen Argu‑ mentation, dass sich kaum ein Fachhistori‑ ker die Mühe einer umfassenden Zurück‑ weisung machte.31 Wenn überhaupt, dann traktierten Goodys Opponenten – einer durch ihn selbst gelegten Spur folgend 32 – vor allem die Frage, inwieweit man ‚der‘ Kirche überhaupt intentionales Handeln unterstellen könne.33 Den bislang geäußer‑ ten Monita an Goodys Argumentation sind aus stiftungsgeschichtlicher Perspektive drei weitere hinzuzufügen: Erstens ist mit Nachdruck daran zu er‑ innern, dass Erbenlosigkeit keineswegs
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eine Voraussetzung für die Übertragung von Besitz an kirchliche Empfänger war. Viele fromme Schenkungen und Stiftungen wurden bereits zu Lebzeiten getätigt, und auch Übertragungen von Todes wegen er‑ folgten durchaus trotz vorhandener Erben. Sie betrafen dann zwar meist nicht – wie von den radikalen Anhängern einer apos‑ tolischen Armut gefordert34 – das gesamte Vermögen des Verstorbenen, sondern nur einen Anteil35. Aber insbesondere in jenen Gegenden Europas, in denen die Menschen nach ‚germanischen‘ Rechtsgrundsätzen lebten, veränderte diese Quote „für Chris‑ tus“ die Struktur von Verwandtschafts‑ familien tatsächlich grundlegend. Hier konnten sich die Erblasser nämlich nicht auf die Testierfreiheit des römischen Rechts berufen. Frauen, Kinder und En‑ kel galten vielmehr als mitberechtigt am Familiengut. „Der kirchliche Anspruch auf Gaben für die Seele“ bildete deshalb „einen wichtigen Faktor bei der Sprengung des Familieneigentums“, durch die das ‚Freiteil‘ genannte Individualeigentum des Haus‑ vaters überhaupt erst entstehen konnte.36 Zweitens wurden Stiftungen, nachdem sie in Spätantike und Frühmittelalter die wirtschaftliche Mobilisierung von Erbgü‑ tern massiv befördert hatten, später auch zur Konsolidierung familiärer Vermögen eingesetzt, wenn auch – anders als etwa in den muslimischen Gesellschaften (→ 17.3.2) – nur in bescheidenem Umfang und erst am Ende des mittelalterlichen Jahrtausends. Mit dem Familienfideikommiss und dem ‚fee tail‘37 gewannen seit dem 12./13. Jahr‑ hundert zunächst andere Rechtsfiguren an Bedeutung, um eine ungeschmälerte Vererbung von Besitzungen an eine prä‑ zise definierte Nachkommenschaft zu er‑ reichen.38 In den letzten Jahrzehnten des Mittelalters wurden dann aber auch ‚echte‘ Familienstiftungen errichtet. Sie dienten nicht in erster Linie dazu, das alleinige
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Nießbrauchrecht an familiären Gütern ei‑ ner Individualsukzession zu unterwerfen, sondern ließen die erwirtschafteten Erträ‑ ge durch eigens bestellte Organe an eine klar definierte Gruppe von Agnaten oder Kognaten ausschütten. Um als Destinatär berücksichtigt zu werden, musste dabei neben der Verwandtschaft mit dem Stifter auch noch das Kriterium der Bedürftigkeit im Sinne des Stiftungszweckes erfüllt sein: Nur wer ein Studium in der Fremde auf‑ nahm, erhielt ein Stipendium;39 nur wer zu verarmen drohte, durfte mit einer (vo‑ rübergehenden) Alimentierung rechnen40. Drittens ist im Hinblick auf die Sa‑ kralisierung von Vermögen grundsätzlich zwischen Kirchen‑ und Stiftungsgut zu dif‑ ferenzieren (→ 17.2.4), obschon Stiftungen bis weit ins späte Mittelalter hinein fast ausschließlich in kirchlicher ‚Trägerschaft‘ errichtet wurden. (→ 14.2.3) Während das vom Bischof verwaltete Kirchenvermögen im Grunde universalen Zwecken christli‑ cher Gemeindeorganisation wie dem Kultus und der Katechese gewidmet war, dienten die Stiftungsvermögen letztlich partikula‑ ren Zwecken: zum Beispiel der Anhäufung individuellen religiösen Verdienstes durch stellvertretende Frömmigkeitsleistungen oder einer auf einzelne Mitglieder der Ge‑ meinde konzentrierten Gebetshilfe. Die Herrschaft der kirchlichen Amtsträger über das Stiftungsvermögen musste sich deshalb nicht bloß gegenüber laikalen Aufsehern aus der Familie des Stifters durchsetzen, sie fand auch stets ihre Grenzen in dem schrift‑ lich niedergelegten Willen des Fundators.41 (2.) Die ältere Forschung hat das gemeinsa‑ me Leben und Arbeiten unter einem Dach, wie es im Mittelalter üblich war, in schar‑ fem Kontrast zu modernen Formen der Familienorganisation gesehen. Ihr zufolge wurde das ‚ganze Haus‘ als Lebensmodell erst im Zuge der Industrialisierung durch
Gesellschaftlicher Wandel
die bürgerliche Kernfamilie abgelöst, de‑ ren Intimisierung des Privatlebens durch die Trennung von Haushalt und Betrieb sowie die aushäusige Erziehung des Nach‑ wuchses gekennzeichnet sei.42 Dieses In‑ terpretament bedient jedoch, wie mittler‑ weile erkannt wurde, in erster Linie eine konservative Selbstdeutung der Moderne, die das Mittelalter mit seinem organisch gewachsenen Modus des Zusammenlebens als Gegenentwurf zu den vermeintlich ar‑ tifiziellen Sozialformen der Gegenwart af‑ firmiert.43 Neuere Studien, die sich nicht allein auf die normativen Texte der vor‑ modernen Jurisprudenz und Ökonomik stützen, betonen demgegenüber nicht nur die große Bedeutung der „Engstverwandt‑ schaft“44 von Gattenpaar und Kind(ern) für die Zeit vor 1800,45 sondern verweisen auch auf die – überlieferungsbedingt erst im Spätmittelalter so recht zu fassenden – Bevölkerungsgruppen, die ihr (Über‑) Leben ganz auf sich allein gestellt außer‑ halb von Haushalten bestreiten mussten (z. B. Tagelöhner oder Bettler)46. Die De‑ konstruktion der Meistererzählung von der harmonischen Großfamilie des Mittelalters gibt den Blick frei auf eine Vielzahl zeit‑, raum‑ und standesspezifischer Typen von mittelalterlichen Hausgemeinschaften mit ihren ganz verschiedenen, teils gegenläufi‑ gen Entwicklungstendenzen. Welche Rolle dabei Stiftungen im Einzelnen spielten, hat die historische Familienforschung bis‑ lang allenfalls am Rande interessiert. Als Ausgangspunkt für die folgenden Überle‑ gungen darf deshalb noch einmal daran erinnert werden, dass ein Haushalt sowohl Kapital als auch Destinatär einer mittelal‑ terlichen Stiftung sein konnte. Diese Diffe‑ renzierung ist insofern von Belang, als sich aus der jeweiligen Beziehung zwischen Stiftung und Haushalt ganz verschiedene Möglichkeiten ergaben, den Wandel der Familienverhältnisse zu beeinflussen.
Lateinische Christen
Zum Stiftungsvermögen gehörten aus‑ schließlich Haushalte höriger Bauern,47 die in einer Agrargesellschaft wie der‑ jenigen des mittelalterlichen Okzidents naturgemäß die große Masse der Haus‑ halte stellten. Ihre Familienstruktur wur‑ de lange Zeit maßgeblich durch eine Ag‑ rarverfassung geprägt, die jeder Hofstelle genau so viel Land zuordnete, wie deren Bewohner – zusätzlich zu den geschuldeten Frondiensten – mit einem Pflug bewirt‑ schaften konnten. Je nachdem, wie ergiebig die jeweilige Hufe als Bewirtschaftungs‑ einheit war, musste der Inhaber deshalb entweder seine Kinder schon in jungen Jahren als Gesinde (bzw. als Oblaten48) in andere Haushalte geben oder seinerseits Knechte und Mägde aufnehmen, die ihm bei der Bestellung der Felder halfen. Die Gründung eines eigenen Haushaltes war dem erbberechtigten Sohn erst möglich, wenn sein Vater verstarb oder aufs Alten‑ teil (Ausgedinge) übersiedelte, um sich der Frondienste zu entledigen. Alle anderen Söhne konnten eigene Haushalte nur dann errichten, wenn der Grundherr ihnen eine durch Erbenlosigkeit freigewordene Hof‑ stelle zuwies oder mittels Rodung, Entwäs‑ serung oder Eindeichung neues Ackerland urbar gemacht wurde. Frauen wechselten mit der Heirat stets in den Haushalt ihres Gatten (Patrilokalität). Geändert hat sich an diesen familiären Parametern bäuer‑ licher Existenz während des Mittelalters im Großen und Ganzen wenig; allein, die bewirtschafteten Einheiten schrumpften vielfach nach der Jahrtausendwende. Das hochmittelalterliche Bevölkerungswachs‑ tum führte insbesondere in den Altsie‑ delgebieten, in denen eine Realerbteilung praktiziert wurde, zu einer immer kleintei‑ ligeren Parzellierung der bebauten Fläche. Dass auch die Halb‑ und Viertelhufner, die Kossäten und andere Kleinstbauern, genug zum Überleben hatten, war nur durch die
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Ertragssteigerungen einer intensivierten Landwirtschaft zu gewährleisten. Agrar‑ technische Innovationen wie die Drei‑ felder wirtschaft und der Flurzwang wur‑ den so zum Motor für den Wandel der bäuerlichen Haushalte. „Die Grundher‑ ren [hingegen] tendierten im Allgemeinen dahin, die Geschlossenheit der Hufen zu wahren und Zerstückelungen zu verhin‑ dern, um so die Leistungsfähigkeit der Bauerngüter in Bezug auf die grundherrli‑ chen Dienste und Abgaben ungeschmälert zu wahren.“49 Ob das für Stiftungen wie für Adlige als Grundherren gleichermaßen galt, bedarf aber noch einer eingehenderen Prüfung. Von besonderem Interesse dürfte dabei sein, inwiefern ein sozioökonomi‑ scher Konservatismus der Stiftungsorgane durch präzise Bezifferungen von Hofstellen oder Zinserträgen in den autoritativen Stif‑ tungsdokumenten befördert wurde. Während man wohl bis zum Erweis des Gegenteils davon ausgehen darf, dass in Haushalten, die zum Vermögen einer Stif‑ tung gehörten, der soziale Wandel eher schleppend erfolgte, ist im Hinblick auf mittelalterliche Destinatärshaushalte das genaue Gegenteil zu konstatieren. Bei ih‑ nen wurden durch Stiftungsakte intentio‑ nal neue Formen mikrosozialer Organisa‑ tion geschaffen. Diese Hausgemeinschaften waren indes gerade nicht um eine Kern‑ familie gruppiert, sondern konstituierten sich als monastische Genossenschaften, zunächst zum Zwecke des Gottesdienstes, später auch als Träger des Gedenkens. Das christliche Kloster als gesellschaftliche Formation jenseits der (biologisch deter‑ minierten) Familie verdankte seine Entste‑ hung in der ägyptischen Wüste selbstver‑ ständlich nicht dem Stiftungswesen. Die entscheidende Triebfeder war vielmehr das „afamiliäre[.] Ethos“50 der Nachfolge, das Jesus von Nazareth seinen Jüngern gepredigt hatte.51 Die besondere Dynamik
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des abendländischen Mönchtums beruhte aber zweifellos auf den zahllosen Initiati‑ ven frommer Stifter zur Förderung neuer Formen zönobitischer Askese.52 Die mas‑ senhafte Verbreitung und spirituelle Aus‑ differenzierung dieser Lebensform wäre ohne sie schlechterdings nicht möglich gewesen. Wie stark die Gemeinschaften der Religiosen dabei ihrerseits „familistische Züge“53 annahmen, lehrt schon das Voka‑ bular der Selbstbezeichnung: Das Kloster galt seinen Bewohnern als ein ‚Haus‘, das von ‚Brüdern‘ bzw. ‚Schwestern‘ bewohnt wurde und an dessen Spitze mit dem Abt (von aramäisch abba, ‚Vater‘) ein ‚Hausva‑ ter‘ stand.54 Analog wurde die Vorsteherin eines Nonnenkonventes als Äbtissin (abbatissa) bezeichnet, da sie im Verständnis der Zeit keineswegs eine Mutter‑, sondern eine Vater‑ bzw. – genauer gesagt – eine Hausherrenrolle ausübte.55 Ähnlich innovativ waren die – vielfach quasimonastischen – Haushalte der Spitä‑ ler und Armenhäuser, die seit dem hohen Mittelalter vor allem in den Städten bestif‑ tet wurden. Gerade die Wohnstiftungen bekamen in den letzten Jahrzehnten des Mittelalters freilich einen sozial konser‑ vierenden Charakter. Indem sie insbeson‑ dere verarmte Handwerker in die Lage versetzten, weiterhin einen eigenständigen Haushalt (nicht selten inklusive Gesinde) zu führen, beugten sie dem Entzug des Bürgerrechts und damit der politischen, ökonomischen und sozialen Deprivation bürgerlicher Familien vor.56 17.2.3 Mesoebene Die mittelalterlichen Gesellschaften der la‑ teinischen Christen kannten eine Vielzahl sozialer Positionen, mit denen spezifische, wenn auch im Alltag vielfach überlappende ‚Lebensräume‘ korrespondierten. (→ 14.2)
Gesellschaftlicher Wandel
Inwieweit Stiftungen die jeweiligen Habi‑ tate der historischen Akteure prägten und ob sie deren Veränderbarkeit eher begüns‑ tigten oder hemmten, hat die Forschung bislang nicht systematisch ergründet. An aussagekräftigem Quellenmaterial man‑ gelt es vor allem in der zweiten Hälfte des Mittelalters nicht, wohl aber an ei‑ nem einschlägigen Methodenrepertoire, mit dessen Hilfe historische Urteile über‑ zeugend begründet werden könnten. Das zeigen bereits die wenigen vorliegenden Versuche, den Einfluss von Stiftungen auf die spätmittelalterlichen Stadtgemeinden zu evaluieren. Sie kommen analytisch über das summarische Postulat „vielfältiger Wechselbeziehungen“ kaum hinaus57 und flüchten sich deshalb in die Metapher der „Symbiose“58. Allerdings ist der ‚Lebens‑ raum‘ der spätmittelalterlichen Stadtge‑ meinde sowohl in Anbetracht seiner so‑ zialen Binnendifferenzierung als auch im Hinblick auf die große Streuung der in ihm auftretenden Stiftungsformen eine denk‑ bar unübersichtliche Untersuchungseinheit und deshalb als Gegenstand methodischer Pionierstudien vielleicht nicht gerade ge‑ eignet. Probebohrungen, die nicht gleich das soziale Ganze der okzidentalen Stadt in den Blick nehmen, sondern sich mit gesellschaftlichen ‚Teilmengen‘ beschei‑ den, dürften schneller zu aussagekräftigen Ergebnissen führen. Für intrakulturelle Vergleiche bieten sich vor allem die zahl‑ reichen genossenschaftlichen Gruppenbil‑ dungen des Abendlands (Zünfte, Gilden, Bruderschaften) an, deren Verhältnis zum Stiftungswesen bislang bloß kursorisch behandelt worden ist.59 Aber auch andere soziale Segmente ermöglichen wichtige Einsichten. Hier‑ zu zählt etwa die Menge der heiratsfähi‑ gen, aber noch unverheirateten Bürger‑ töchter, in deren Lebensumfeld die Rolle von Stiftungen am Ende des Mittelalters
Lateinische Christen
innereuropäisch so stark differierte, dass eine komparative Analyse auch kon‑ trafaktische Überlegungen erlaubt. Die Ausgangslage war dabei in allen Stadtge‑ meinden des Kontinents zunächst einmal recht ähnlich: Das Leben heranwachsender Frauen wurde im Grunde nicht von Stif‑ tungen geprägt, sondern vielmehr bloß gesäumt. Eine junge Dame war lediglich umgeben von Stiftungen, unmittelbaren Kontakt zu ihnen hatte sie nicht. Denn nicht sie, sondern die Magd der Mutter holte das Wasser vom gestifteten Brunnen; nicht sie, sondern der Bruder lebte für die Zeit seines Studiums in einem gestifteten Kolleg, nachdem er vielleicht schon wäh‑ rend seiner Schulzeit für seine Mitwir‑ kung an eigens dotierten Gottesdiensten jahrelang Stiftungserträge verzehrt hatte; und auch nicht sie, sondern der Großvater genoss die von ihm gestiftete Pfründe im Spital oder lebte von der Leibrente, die ihm die Fabrik der Pfarrkirche dafür auszahlte, dass er seine Jahrtagstiftung nicht erst testamentarisch errichtete. Neben all den verschiedenen Stiftungen, an denen andere Mitglieder der Familie Anteil hatten, gab es aber auch zwei Arten von Fundationen, die für eine Bürgerstochter selbst von beson‑ derem Interesse sein mussten, weil sie ihr – zumindest perspektivisch – die Möglich‑ keit boten, ebenfalls am Stiftungswesen zu partizipieren: die weiblichen Konvente der Stadt und die ‚Privatkapellen‘ der beson‑ ders angesehenen Bürgerfamilien. Zöliba‑ täre Nonne (und damit Destinatärin) oder vorteilhaft verheiratete Ehefrau (und damit Profitientin) konnte sie indes nur dann werden, wenn ihr Vater in der Lage war, die erforderliche Aussteuer bzw. eine dieser nachempfundene Klostereintrittsgebühr zu zahlen. Reichte dessen Vermögen hier‑ für nicht aus, durfte die Tochter lediglich darauf hoffen, dass sie früher oder später einen Zuschuss aus den Kollektengeldern
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der Pfarrei oder einem für diesen Zweck erteilten Legat erhielt.Während es auf der iberischen Halbinsel bei dieser Ausgangs‑ lage blieb,60 experimentierte man am Ende des Mittelalters im römisch‑deutschen Reich und in Norditalien mit weiteren Lösungen für das Problem, durch die die älteren Formen der Unterstützung zwar nicht hinfällig wurden, die den lokalen Heiratsmarkt aber auf je spezifische Art und Weise prägten. Nördlich der Alpen wurden seit dem 15. Jahrhundert Stiftun‑ gen errichtet, deren alleiniger Zweck darin bestand, die Mitgift von Bürgertöchtern zu bestreiten.61 Je nachdem, wie die Be‑ zugsvorschriften definiert waren, sollte auf diese Weise entweder sozialer Abstieg ver‑ hindert oder sozialer Aufstieg ermöglicht werden.62 Im Hinblick auf die gesellschaft‑ liche Mobilität konnten Aussteuerstiftun‑ gen demnach sowohl petrifizierende als auch dynamisierende Wirkungen entfalten. Indem sie ‚angemessene‘ Mitgiften auch in solchen Fällen ermöglichten, die die wirtschaftliche Potenz der Braut familie eigentlich überforderte, konservierten Aussteuerstiftungen in jedem Fall das überkommene rechtliche Normengefüge. Zugleich wirkten sie – makroökonomisch betrachtet – belebend auf den kommunalen Heiratsmarkt, da sie gesetzlich festgelegte Obergrenzen für Mitgiften, die andernorts angesichts inflationärer Auswüchse defi‑ niert werden mussten, überflüssig machten. Schließlich blockierten sie mit ihrer erfolg‑ reichen Befriedigung eines gesellschaftli‑ chen Bedürfnisses aber auch andersartige Inventionen auf dem Gebiet der Aussteuer. Der berühmte monte delle doti (‚Berg der Mitgiften‘) wäre jedenfalls sicher nicht erfunden worden, wenn es im Florenz des 15. Jahrhunderts ebenfalls Aussteuerstif‑ tungen gegeben hätte. Mit diesem durch die Medici zum Wohle der Stadt aufgeleg‑ ten Investmentfonds, der in mancherlei
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Hinsicht den Kalkulationsprinzipien heu‑ tiger Lebensversicherungen ähnelte, konn‑ ten Florentiner Väter das Risiko einer zu‑ künftig fälligen Mitgift an die Kommune verkaufen, erhielten im Falle eines vor‑ zeitigen Todes der Tochter aber nur einen Bruchteil der gezahlten Prämie zurück.63 Bereits diese skizzenhaften Überlegun‑ gen mahnen vor allzu holzschnittartigen Urteilen über die gesellschaftlichen Effekte von Stiftungen. Beharrungsanspruch, Ver‑ änderungspotential und Entwicklungs‑ blockaden bildeten im abendländischen Mittelalter offenkundig eine Gemengelage, deren Sondierung seitens der Forschung erst einmal geleistet werden muss – in ei‑ nem ersten Schritt für einzelne Stiftungsty‑ pen, darauf aufbauend dann auch für die Grundgesamtheit von Stiftungen einer so‑ zialen Formation. 17.2.4 Makroebene Am Anfang des abendländischen Mittel‑ alters führte das Stiftungswesen sowohl in funktionaler als auch in partizipativer Hinsicht eine gesellschaftliche Nischen‑ existenz. Stiftungen dienten vor allem ei‑ nem besonders aufwendigen Kultus, wie ihn bloß einige wenige Gebetsgemeinschaften praktizierten. Nur vereinzelt wurden die – ganz überwiegend monastisch organisier‑ ten – Exekutoren darüber hinaus mit dem Vollzug weiterer Stiftungszwecke betraut: dem liturgischen Gedenken des Stifters und anderer Profitienten oder verschiedenen Formen der Armenfürsorge. Ein Auftrag zur intergenerationellen Weitergabe von Wissensbeständen war allenfalls implizit intendiert, betraf aber ohnehin nur eine sehr kleine Gruppe angehender Experten: die Klosterschüler. Die gesellschaftliche Bedeutung der frühmittelalterlichen Stif‑ tungen dürfte somit eher gering gewesen
Gesellschaftlicher Wandel
sein. Mochten die Könige mit ihren Kloster‑ stiftungen auch diesseitige Zwecke wie die profane Prestigesteigerung verfolgen; die Annahme, dass Königsherrschaft ohne auf Dauer gestellte ‚fromme Werke‘ nicht funk‑ tioniert hätte, erscheint ebenso unplausibel wie die Vorstellung, in Ermangelung von Xenodochien wären die Armen, Kranken und Fremden einfach verhungert. Am Ende des mittelalterlichen Jahrtau‑ sends waren die Verhältnisse dann ganz andere. Ungeachtet der regional unter‑ schiedlichen Entwicklungsverläufe hatte das Stiftungswesen um 1500 die Gesell‑ schaften Lateineuropas vollständig durch‑ drungen.64 Nun war nicht nur nahezu jeder – gleich welchen Standes, Geschlechts und Alters – in die Performanz von Stiftungen eingebunden, oft genug sogar in verschie‑ denen Rollen. Auch die gesellschaftlichen Bedürfnisse, zu deren Befriedigung Stif‑ tungen einen Beitrag leisten sollten, hat‑ ten ein exponentielles Wachstum erlebt. Stiftungen wurden allgegenwärtig, weil sich für ihre Grundidee, das stellvertre‑ tende Handeln im Sinne des Stifters durch wiederkehrende materielle und spirituelle Anreize zu stimulieren, immer neue An‑ wendungsfelder fanden. Während auf dem Gebiet der Kultuspflege und der Gebetshil‑ fe in erster Linie eine modale Ausdifferen‑ zierung erfolgte, reagierten edukative und vor allem caritative Stiftungen stärker auf neue soziale Desiderate. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch die geringe recht‑ liche Formalisierung des Stiftungswesens, die der Adaptation und Variation von Stif‑ tungsformen kaum Schranken setzte. Das hatte sowohl (1.) ökonomische als auch (2.) politische Konsequenzen. (1.) Angesichts der extensiven Stiftungstä‑ tigkeit dürfte der Anteil des in Stiftungen investierten Volksvermögens allen Konfis‑ kationen (→ 18.2.4) zum Trotz im Laufe des
Lateinische Christen
Mittelalters immer weiter zugenommen ha‑ ben. Jeder methodisch überzeugende Ver‑ such, diesen Anstieg zu bilanzieren, muss indes nicht nur die Lückenhaftigkeit der Überlieferung bewältigen,65 sondern auch zwischen Stiftungs‑ und Kirchengütern differenzieren. (→ 17.2.2) Wenn Herlihy in seiner wegweisenden Studie zur Verteilung des kontinentalen Immobilienvermögens im frühen und hohen Mittelalter zu dem Ergebnis kommt, ‚die‘ Kirche habe regional und temporal variierend zwischen 15 und 50 Prozent des Landes besessen,66 ist für die Frage nach der volkswirtschaftlichen Bedeutung von Stiftungsgütern letztlich wenig gewonnen. Entscheidend für das Problem, ob die ‚ewige Zweckbindung‘ von Dotationen zu wirtschaftlicher Sta‑ gnation führte, dürfte ohnehin nicht so sehr der Anteil von Stiftungen am gesell‑ schaftlichen Gesamtvermögen sein, son‑ dern vielmehr die Art und Weise, in der dieses bewirtschaftet wurde. Die geläufige Behauptung, das Stiftungsvermögen sei dem ‚Wirtschaftskreislauf‘ dauerhaft ent‑ zogen worden,67 bedient dabei ganz falsche Vorurteile. Makroökonomisch betrachtet waren Stiftungen nämlich stets integra‑ ler Bestandteil des mittelalterlichen Wirt‑ schaftslebens; vielfach prägten sie sogar die lokalen Güter‑, Geld‑ und Arbeitsmärkte ganz erheblich. Wie stark die Interaktion der Stiftungsorgane mit anderen ökono‑ mischen Akteuren war, lehrt das reichlich vorhandene Geschäftsschriftgut des hohen und späten Mittelalters. (→ 5.2.3; 13.2.2) Diese Quellen lassen auch keinen Zweifel daran, wie selbstverständlich das Grund‑ stockvermögen und seine Bewirtschaftung zum Zwecke der Ertragssteigerung um‑ strukturiert wurden. Gewinnmaximierung galt den Stiftungsadministratoren offen‑ kundig trotz aller Mahnungen kirchlicher Autoritäten68 keineswegs als anstößig. Wa‑ ren die Stiftungen des Mittelalters also
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überhaupt Nonprofit‑Organisationen im Sinne der modernen Sozialwissenschaft? Sofern die zur Finanzierung des Stiftungs‑ zweckes nicht benötigten Überschüsse dem Grundstockvermögen zugeführt wurden, scheint eine solche Charakterisierung durchaus gerechtfertigt. Es gibt aber ge‑ rade im Bereich des Weltklerus genug Bei‑ spiele, in denen die Stiftungsverwalter die jährlich erzielte Gewinnmarge in voller Höhe als persönliche Prämie einstreichen durften.69 Ob diese Stiftungen tatsächlich dynamischer als andere wirtschafteten, wäre allerdings erst noch zu untersuchen. (2.) Auf jeden Fall sicherten Stiftungen die Befriedigung gesellschaftlicher Bedürf‑ nisse nicht nur ökonomisch ab, sondern schufen hierfür auch die organisatorischen Rahmenbedingungen. Wer in welcher Funktion am Stiftungsgeschehen teilneh‑ men sollte, konnte jeder Stifter dabei recht frei definieren. Maßgeblich (oder zumin‑ dest wegweisend) für die Stiftungskon‑ struktion blieb letztlich immer ein indivi‑ dueller Gestaltungswille. Die Koordination mit anderen Stiftungen – etwa im Hinblick auf Synergieeffekte – mochte im Zuge des Stiftungsprozesses durch den Ortsbischof, das Stiftskapitel oder den Stadtrat ange‑ mahnt werden, obligatorisch war sie nicht. Eine politisch‑administrative Folge dieser Gestaltungsfreiheit war die Zersplitterung von Zuständigkeiten und Berechtigungen, die mit zunehmender Entfaltung des Stif‑ tungswesens immer weiter auf die Spitze getrieben wurde. Die Autorität der Bischöfe als Diözesanherren hat diesem überaus dynamischen Wildwuchs im Mittelalter keinen Einhalt gebieten können. Für die ge‑ stifteten Minderpfründen konnten städti‑ sche Gremien mit Hilfe des Patronatsrechts immerhin eine gewisse Zentralisierung der Aufsichtsbefugnisse erreichen, die man als „kommunale[n] Pfründenfeudalismus“
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charakterisiert hat.70 Mitunter lancierten die Ratsherren auch eine Zusammenle‑ gung mehrerer kleiner Stiftungen zu ei‑ ner großen. Insgesamt führten organisa‑ torische Dysfunktionalität und soziale Ineffizienz aber erst dann zu einer gravie‑ renden Delegitimierung mittelalterlicher
Gesellschaftlicher Wandel
Stiftungskonstruktionen, als weltliche Ob‑ rigkeiten im Zuge von Reformation und Aufklärung für sich in Anspruch nahmen, ausnahmslos alle Bedürfnisse ihrer Unter‑ tanen befriedigen zu können. (→ 18.2.4) TL
Anmerkungen 1 Borgolte, Stiftung, Staat und sozialer Wandel
(2001, ND 2002 und 2012), 96. 2 Zur Methodologie der Institutionengeschichte siehe Melville, Institutionen (1992). 3 Lohse, Dauer (2011), 214; vgl. auch ebd., 19; 212. Anders Hatje, Gott zu Ehren (2002), 36–38. 4 Vgl. Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012); Lohse, Dauer (2011); Moddelmog, Königliche Stif‑ tungen (2012). 5 Man denke nur an die abendländische Uni‑ versität, deren Entstehung im Bologna und Paris des 12. Jahrhunderts zwar das Resultat genossen‑ schaftlicher Gruppenbildungen war, deren Ver‑ breitung über den gesamten Kontinent im Laufe des 13. bis 15. Jahrhunderts aber nur aufgrund entsprechender Stiftungen erfolgen konnte. Vgl. Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen (1992); Lorenz, Attempto (1999). 6 Ein typisches Beispiel hierfür ist die Ver‑ schränkung von Stiftergedenken und Ablasswe‑ sen, die bei spätmittelalterlichen Gründungen in der Tat öfters auf den Stifter selbst oder sein Umfeld zurückging (vgl. z. B. Bowers, Guillau‑ me de Machaut [2004]; Moddelmog, Königliche Stiftungen [2012], 128 f.), im Fall von früh‑ und hochmittelalterlichen Stiftungen aber stets auf retrospektiven ‚Fälschungen‘ der Destinatäre beruhte (vgl. z. B. Naß, Ablaßfälschungen [1991]; Lohse, Dauer [2011], 107–116). 7 Vgl. Oexle, Statik (1994). 8 Zum sprachgeschichtlichen Befund und sei‑ nen Implikationen für die historische Forschung siehe Kuchenbuch, Weib und Kind (2009), 339–342. 9 Vgl. Koch, Familie, Familienrecht (2008), 1498 f. 10 Zu dieser Unterscheidung prägnant Mitterauer, Mittelalter (2003), 160 f.
11 Adoption und Patenschaft standen, soweit
ich sehe, in keiner engen Beziehung zum Stif‑ tungswesen. Zur Bedeutung von Stiftungen für geistliche Geschwisterschaft siehe unten bei Anm. 54. 12 Jussen, Perspektiven (2009), 323. 13 Die aufstrebende Disziplin der Historischen Genetik fokussiert sich bislang vornehmlich auf migrationsgeschichtliche Fragen. Ob sie in der Historischen Verwandtschaftsforschung zukünf‑ tig zu einem Comeback des biologistischen Posi‑ tivismus führen wird, bleibt abzuwarten. 14 Vgl. Lubich, Verwandtsein (2007). 15 Vgl. K. Schmid, Problematik (1957, ND 1983); Ders., Geblüt (1998). Forschungsgeschichtliche Ein‑ ordnungen bei Borgolte, Sozialgeschichte (1996), bes. 195–199; Hechberger, Adel (2004), 74–77; Jussen, Perspektiven (2009), bes. 279 f. Zur Schmid‑ Rezeption durch Duby siehe Mitterauer, Mittelalter (2003), 161–163. 16 Vgl. Goody, Development (1983), bes. 91–106. Knapper und weniger pointiert Ders., European Family (2000), 31–33; 40 f.; 51 f. 17 Vgl. K. Schmid, Struktur des Adels (1959, ND 1983), 257; 267, der diese Bezeichnung von Rolf Sprandel übernahm. Siehe ferner Ders., Geblüt (1998), bes. 111. Kritisch zu Schmids „objektivistisch[er]“ Argumentation Borgolte, Selbstverständnis (1997), 204; relativierend Mertens / Zotz, Einleitung (1998), XXVII f. 18 Hauck, Geblütsheiligkeit (1950). Vgl. Ders., Haus‑ und sippengebundene Literatur (1954, ND 1961), 173. 19 Exemplarische Belege: Althoff, Anlässe (1986); Oexle, Welfische Memoria (1995); siehe ferner Borgolte, Selbstverständnis (1997). Zur Kritik des
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Forschungskonstrukts ‚Hauskloster‘ siehe ferner Stifterstellung. Dahinter stand das Interesse des Rasmussen, Benefactors (2006), 81–83. Rates, die Patronatsrechte langfristig an sich zu 20 Diesen Terminus prägte Hauck, Haus‑ und ziehen. Vgl. etwa Vollmers, Hamburger Pfarreien sippengebundende Literatur (1954, ND 1961), 165, (2005), 173 f. unter ausdrücklichem Bezug auf die Lehre Otto 28 Es handelt sich um eine Erbengemeinschaft, Brunners (siehe dazu unten, bei Anm. 42). Zu bei der das Erbgut als Gesamthandsvermögen den dieser Gattungsbezeichnung und ihrer proble‑ erbberechtigten Personen nur gemeinschaftlich matischen Abgrenzung von der ‚Stifterchronik‘ in ihrer gesamthänderischen Bindung zusteht. (→ 5.2.4) vgl. Pätzold, Adel – Stift – Chronik Vgl. Ogris, Ganerben (2008). (2007), 144–147. 29 Vgl. Scheller, Memoria an der Zeitenwende 21 Die analytische Abgrenzung von Stiftung (2004), 80–90; das Zitat ebd., 87. und Eigenkirche (→ 4.2.2) dient in erster Linie 30 Vgl. ebd., 85. der Heuristik, nicht der Konstruktion von Fakten. 31 Vgl. Jussen, Perspektiven (2009), 275. 22 Vgl. Borgolte, Stiftungen des Mittelalters im 32 Vgl. Goody, Development (1983), 215: „In pos‑ Spannungsfeld von Herrschaft und Genossen‑ iting a connection between rules of marriage, schaft (1994, ND 2012); W. E. Wagner, Universi‑ attitudes to family and kin, and the transfer of property, it may seem that I have allocated the tätsstift und Kollegium (1999). 23 Nicht selten reagierten solch ergänzende Church a rather calculating role in the develop‑ Auflagen auf aktuelle Entwicklungen innerhalb ment of kinship. But when I refer to the Church der Kernfamilie des Stifters (Tod der Eltern oder acting in its own interest, I do not necessarily der Gattin, Geburt von Kindern). Vgl. z. B. Lohse, mean that the whole Church was monolithically Goslarer Pfalzstift (2002/2003), 90–94 mit Anm. 30; engaged in consciously promoting those interests. 33. Darum ist die Behauptung von Jussen, Perspek‑ The very use of the term ‚Church‘ involves the tiven (2009), 319; 323, im Abendland sei Jenseits‑ kind of shorthand that is inevitable in any attempt vorsorge für Verwandte nicht an professionelle to cover so extensive a geographical and tem‑ Beter delegiert worden, sondern schlichtweg der poral span. Clearly, the interests of the Church „Normalfall der Verteilung sozialer Funktionen“ were differentiated, variable over time, ambig‑ (ebd., 319) gewesen, entschieden zurückzuweisen. ous, and sometimes contradictory. (…) Moreover, 24 Die nach ‚innen‘ gerichtete Beaufsichtigung decision making was often very dispersed or dif‑ von Stiftungsorganen ist sachlich etwas Anderes fuse. But in the long run, I do assume some kind als die nach ‚außen‘ gerichtete Kirchenvogtei, in of a relationship between actions and interests, deren Erblichkeit seit dem hohen Mittelalter K. especially when a new set of norms emerges to Schmid, Geblüt (1998), 111, einen wichtigen Faktor replace the old.“ der Dynastiebildung sehen wollte. 33 Vgl. Guerreau-Jalabert, Parenté (1989), 76–78; 25 Dass die Auffassung und Ausübung von Martin, Anthropologie von Heiratsregeln (1993), Verwandtschaft im deutschen Adel des späten 149; 151. Mittelalters nicht agnatisch, sondern kollateral 34 Besonders rigide und zugleich elegant ar‑ strukturiert war, hat bereits Spieß, Familie und gumentierte der Kirchenvater Salvian von Mar‑ Verwandtschaft (2015), nachgewiesen (Erstauf‑ seilles im 5. Jahrhundert. Siehe etwa Salvianus von Massilia, Des Timotheus vier Bücher an die lage 1993). 26 Jussen, Perspektiven (2009), 307, unter Bezug Kirche (Ad ecclesiam), in: Des Presbyters Salvi‑ auf Anita Guerreau‑Jalbert und Joseph Morsel, de‑ anus von Massilia erhaltene Schriften. Ed. und nen allerdings eher eine politisch‑administrative übers. Anton Mayer. (Bibliothek der Kirchenväter. Herrschaft vorschwebt. Reihe 2, Bd. 11.) Kempten / München 1935, 267–381, 27 Während adlige Stifter ihre Deszendenz im hier Buch 3.4, 329 f.: „Es ist wirklich kein Unrecht, Mannesstamm – zur Not unter ‚Zuhilfenahme‘ wenn ein Christ (…) nur in der Ewigkeit sich selbst kognatischer Verwandter – ad infinitum kon‑ auf alle mögliche Weise Hilfe bringt; denn es ist zipierten, beschränkten sich bürgerliche Stifter ja auch erträglicher, wenn hienieden den Kindern meist mit einer zeitlich befristeten Vererbung der etwas fehlt, als wenn in alle Zukunft den Eltern
292 etwas fehlt; und die Dürftigkeit in diesem Leben ist viel weniger drückend als die Armut in der Ewigkeit, zumal dort drüben nicht allein die Ar‑ mut zu fürchten ist, sondern auch Tod und Pein, und es daher doch wirklich von geringerer Be‑ deutung ist, wenn hienieden den Erben etwas am Erbgut als wenn drüben den Erblassern etwas an ihrem ewigen Heil fehlt; es müßten doch gerade diejenigen, denen eine Erbschaft zufällt – wenn sie noch einen Funken von Pietät in sich haben – ganz besonders wünschen, dass die Erblasser nicht zugrunde gehen. Wünschen sie dies aber nicht, so sind sie erst recht nicht wert, dass ihnen etwas vermacht wird; denn ein weiser Erblasser tut ganz recht daran, wenn er nichts hinterlässt, was der pietätlose Erbe nicht verdient. Daher ist es am besten, wenn jeder für sich vorsorgt und alles für seine Seele und sein künftiges Heil zu‑ rücklässt.“ Siehe dazu auch Bruck, Kirchenväter und soziales Erbrecht (1956), 105–117. 35 Rechtsdogmatisch lassen sich Bruchteils‑ und Sohnesquote unterscheiden. Letztgenannte „berücksichtigt das Interesse (…) der Familie in höherem Grade (…), indem sie Kinder in kinderrei‑ chen Ehen günstiger stellt“ (Bruck, Kirchenväter und soziales Erbrecht [1956], 76). 36 Ebd., 144; siehe auch ebd., 142 f. 37 Von lat. foedum talliatum (‚abgeschnittenes Lehen‘), legislativ geregelt in dem 1285 vom Par‑ lament verabschiedeten Statut ‚De donis condi‑ tionalibus‘ König Edwards I. von England. Vgl. Biancalana, Fee Tail (2001). 38 Vgl. G. Baer, Muslim Waqf (2005), 264. 39 Neben den Studienstiftungen im engeren Sinne waren auch viele Vikariestiftungen de facto Stipendienstiftungen für Familienan‑ gehörige. Vgl. Lusiardi, Familie und Stiftung (2008), 360 f. 40 Ein Beispiel: Schwemmer, Dr. Lorenz Tucher (1976). 41 Siehe auch Rosenwein, Property Transfers (1999), 568 f. – Ob die Bestimmungen des Stifters zumindest durch den Papst abgeändert werden durften, blieb selbst nach der ‚Gregorianischen Wende‘ des 11. Jahrhunderts unter gelehrten Ka‑ nonisten höchst umstritten: Th. Frank, Heilsame Wortgefechte (2014), bes. 27; 29; 39. 42 Vgl. Brunner, Ganzes Haus (1968); Ders., Vom Ganzen Haus zur Familie (1978).
Gesellschaftlicher Wandel
43 Vgl. Opitz, Neue Wege (1994); Groebner, Au‑
ßer Haus (1995); Weiß, Otto Brunner (2001). Siehe auch Rexroth, Mittelalter (2008). 44 Kuchenbuch, Weib und Kind (2009), 344, Anm. 36. 45 Vgl. etwa Seidel, Freunde (2009), 15 f.; Rösener, Bäuerliche Familie (2009). 46 Vgl. Groebner, Ökonomie ohne Haus (1993). 47 Die Immobilien, in denen bürgerliche Haus‑ halte ihre Herd‑ und Schlafstelle hatten, moch‑ ten zwar als dingliche Sicherheit für Erbenzinse ebenfalls zum Kapital von Stiftungen gehören, nicht aber die Bewohner selbst, die jederzeit frei waren, die von ihnen bewohnten Baulichkeiten samt Erblast an einen Dritten zu veräußern. Vgl. Lentze, Erblaststiftung (1960). 48 Pueri oblati bzw. puellae oblatae nannte man jene Söhne und Töchter, die von ihren Eltern bereits im Kindesalter als Opfer ins Kloster ge‑ geben wurden. Zum Kloster als Haushalt siehe unten bei Anm. 54. 49 Rösener, Bäuerliche Familie (2009), 147. 50 Theißen, Wanderradikalismus (1973, ND 1993), 83. 51 Vgl. bes. Mt 19.29. Siehe auch Mt 10.37; Lk 14.26; Mk 3.31–35. 52 Anachoretische Formen des Mönchtums hat es im Westen zwar auch gegeben, die materielle Versorgung von Einsiedlern und Inklusen wurde aber, soweit bekannt, nirgends durch Stiftungen sichergestellt, sondern erfolgte durch unkoordi‑ nierte Oblationen von Gläubigen. 53 Vgl. Mitterauer, Mittelalter (2003), 288. 54 Vgl. U. Meyer, Soziales Handeln (1998). 55 Vgl. Mitterauer, Mittelalter (2003), 289. 56 Vgl. Scheller, Memoria an der Zeitenwende (2004), 132–151. 57 Vgl. Ruprecht, Stiftungen (2011), hier bes. 184–187. Unterkomplex auch ebd., 16: „Für eine Analyse der gesellschaftlichen Bedeutung von Stiftungen ist es (…) notwendig, den Blick auf die den Stiftungsbegriff prägenden Elemente zu richten, nämlich den Stiftungszweck, das Stif‑ tungsvermögen und die Stiftungsorganisation.“ – Siehe ferner Vogtherr, Stiftungen (2003), und Kluge, Geschichte (2012). 58 Harada, Symbiose (2014). 59 Erhellend etwa P. Schmidt, Wandelbare Tra‑ ditionen (2009), 203–231.
Muslime
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60 Vgl. Brodman, Charity and Welfare (1998). 61 Vgl. Rüger, Mittelalterliches Almosenwesen
(StG 6.) Berlin 2011, 5. Für die Neuzeit ist diese Fehleinschätzung bereits von Adam, Volkswirt‑ (1932), 27 f.; Kießling, Pfennigalmosen (1990), 49 f. schaftliche Bedeutung (2009), bes. 201, korrigiert 62 Vgl. die Beispiele bei Ruprecht, Stiftungen worden. (2011), 51 f. 68 Vgl. etwa die Hinweise bei Sternberg, Orien‑ 63 Vgl. Kirshner / Molho, Monte delle doti (1980). talium more secutus (1991). 64 Grundsätzlich hierzu: Lohse, Stiftungen (2016). 69 Ein typisches Beispiel sind die Obleien oder 65 Vgl. Herlihy, Church Property (1961). Obödienzen bei den weltlichen Kollegiatstiften. Vgl. Bünz, Oblatio (2007). 66 Ebd., bes. Tab. 3. 67 Vgl. etwa die Darstellung in Stiftung und 70 Vgl. Scheller, Stiftungen und Staatlichkeit Staat im Mittelalter. Eine byzantinisch‑latein‑ (2005), bes. 220. Siehe auch ebd., 221 f., die skizzen‑ europäische Quellenanthologie in komparatisti‑ haften Überlegungen zu einem ‚landesherrlichen‘ scher Perspektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. bzw. einem ‚königlichen‘ Pfründenfeudalismus.
17.3 Muslime 17.3.1 Allgemeines Die islamischen Gesellschaften waren im Laufe ihrer Geschichte einem beachtlichen Wandel unterworfen. Schon während der Eroberung der Levante führten die Ansied‑ lung großer arabisch‑muslimischer Bevöl‑ kerungsgruppen in zahlreichen Garnisonen und die Konsolidierung neuer imperialer Regime zu gewaltigen sozialen Verände‑ rungen. Ira Lapidus zufolge wurden etwa große Clans unterteilt und kleinere zusam‑ mengeführt, um militärisch einheitliche Regimenter und Soldeinheiten von unge‑ fähr tausend Mann zu bilden. Auch wenn diese neu geschaffenen Einheiten Clan‑ und Stammesnamen beibehielten, bildeten sie dennoch eine neue Sozialstruktur, die sich von den vorislamischen arabischen Ord‑ nungen unterschied.1 Die Idee einer ‚economy of poverty‘ herrschte in islamischer Theorie und Pra‑ xis mindestens bis zum 14. Jahrhundert vor.2 Ihr lag der Gedanke zugrunde, dass privates Eigentum durch Wohltätigkeit, Freigebigkeit und Stiftungen ‚gereinigt‘
werde. Die Stiftung von Bauwerken, Ge‑ bäudekomplexen und Infrastruktur hatte direkten Einfluss auf die Gemeinschaf‑ ten, in denen sie errichtet wurden oder die sich um sie herum entwickelten. Die physischen Räume, die durch gestiftete Gebäude entstanden – Moscheen, Bäder, Suppenküchen, Medresen, Märkte –, wa‑ ren Begegnungsorte für Männer, Frauen und Kinder aller Schichten (→ 16.3.1) und konstituierten die Schauplätze wichtiger sozialer Veränderungsprozesse. Einige Wissenschaftler haben versucht, Pfadabhängigkeiten in der wirtschaftli‑ chen Entwicklung der islamischen Welt ausfindig zu machen, um auf diese Weise Abweichungen vom ‚Westlichen Modell‘ zu finden. Zu diesen Wissenschaftlern zählen Timur Kuran und Maya Shatz‑ miller.3 In ihren Augen ist der muslimi‑ sche waqf einer der Hauptgründe für die behauptete gesellschaftliche Stagnation, da Stiftungen ihrer Ansicht nach von Beginn an Grundstückstransaktionen
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behinderten, die Produktivität verrin‑ gerten und wirtschaftlichen Wettbewerb hemmten.4 Dass Stiftungen auf diese Wei‑ se grundsätzlich abgesprochen wurde, zu historischem Wandel selbst fähig zu sein oder diesen in der Gesamtgesellschaft zu gestalten, blieb für die Beschäftigung mit Stiftungspraktiken nicht ohne Folgen. Obwohl sich derlei Interpretationen noch immer finden, hat sich der Großteil der Forschung mittlerweile von solchen euro‑ zentrischen Konzepten abgewandt. Awqāf werden vielmehr als Teil eines lebhaften historischen Prozesses gesehen, durch den sich Konzepte und Erscheinungsformen praktischen Erfordernissen anpassten, was neue rechtliche Lösungen anregte und sozialen Wandel begünstigen konnte. (→ 18.3.3) Es ist Ziel dieses Artikels aufzuzeigen, dass eine wichtige Funktion des Stiftungs‑ systems die Förderung, Konsolidierung und Veränderung der gesellschaftlichen Einheiten und ihres Zusammenspiels war. Die methodischen Unterscheidungen zwi‑ schen Stifter, Begünstigten und Verwaltern sowie zwischen öffentlichen und privaten Stiftungen bilden hier nicht die analyse‑ leitenden Kriterien, da sich all diese Ein‑ heiten und Typen tendenziell mischten. Vielmehr sollen Prozesse von Verände‑ rung oder Stagnation auf drei analytischen Ebenen beschrieben werden. Kürzlich er‑ schienene Arbeiten konzentrieren sich vor allem auf sehr spezifische Fälle, liefern aber nützliches Material für das folgende, allgemeiner angelegte Vorhaben.
Gesellschaftlicher Wandel
Stiftungsurkunden sind wertvolle Indika‑ toren dafür, wie Individuen die ideale Ein‑ heit der Familie wahrnahmen, und geben Aufschluss über die Verhältnisse innerhalb bestimmter Familien.6 In diachroner Per‑ spektive formte der waqf lang andauernde Familienstrukturen und ‑beziehungen, in‑ dem er ökonomische Verbindungen zwi‑ schen Familienmitgliedern knüpfte bzw. gedachte und tatsächliche Formen dieser Verbindungen widerspiegelte. Mit Hilfe der Urkunden und zahlreicher Dokumente aus der Stiftungspraxis erhält man ein Bild solcher langfristiger Familienbeziehun‑ gen. Das Idealbild der Familie, das uns die Stiftungsurkunden vermitteln, sollte immer mit den Realitäten des Familien‑ lebens verglichen werden, die uns andere Quellen offenbaren; das gilt insbesondere dort, wo die Familien im Laufe der Zeit und der Generationenfolge immer größer und Verwandtschaftsbeziehungen komplizier‑ ter geworden waren.7 Da ein Stifter die Verwaltung seines waqf an jeden seiner Nachkommen über‑ tragen und somit de facto die Primogeni‑ tur durchsetzen konnte, wurde in einem solchen Fall das islamische Erbrecht un‑ terlaufen, das eigentlich eine gerechte Ver‑ teilung der Besitztümer unter allen Erben vorsah. Die islamische Gesellschaft war jedoch aus vielen Gründen auf Familien‑ stiftungen angewiesen, weswegen sie von den großen Juristen letztendlich toleriert wurden: In Reaktion auf die gestiegene Bedeutung des Familien‑waqf begründeten Abū Yūsuf (gest. 798) und Muḥammad b. al‑Ḥasan aš‑Šaibānī (gest. 805) eine Inter‑ pretation, die die Gründung von Stiftungen erleichterte und einen festen rechtlichen 17.3.2 Mikroebene Rahmen für diese bot. Spätere Gelehrte Die waqfīya gewährt, als eine der we‑ wie der mamlūkische Jurist Burhān ad‑Dīn nigen für Sozialhistoriker verfügbaren aṭ‑Ṭarābulusī (gest. 1516) trugen ebenfalls Quellen, Einsichten in die vorherrschen‑ zur Legitimierung des waqf bei. Dieser den Haltungen gegenüber der Familie.5 Autor bezog sich insbesondere auf die
Muslime
unterschiedlichen Meinungen von Abū Yūsuf und dessen Meister Abū Ḥanīfa, um sich letztlich der pragmatischeren Interpre‑ tation Abū Ḥanīfas anzuschließen.8 Neben den spezifischen Bestimmun‑ gen der Stiftungsurkunde hatten Scha‑ ria und gesellschaftliche Werte Einfluss auf Wandel oder Stagnation familiärer Verhältnisse, etwa die soziale Norm der Patrilinearität. Diese wurde insofern als wichtig angesehen, als es für die Integrität des Familienvermögens verheerend sein konnte, wenn es nach jedem Todesfall un‑ ter verschiedenen Erben, darunter auch Töchtern, aufgeteilt wurde; das Risiko ei‑ nes Abflusses von Vermögen wurde durch Verheiratung von Mädchen noch gesteigert. Als Gegenmittel war nach der Scharia die Heirat von Cousin und Cousine erlaubt.9 In anderen Situationen war es durchaus erstrebenswert, Eigentum den Regularien des koranischen Erbrechts zu entziehen; hierzu eignete sich besonders die Errich‑ tung einer ‚Familienstiftung‘. Dieser waqf ahlī bot eine Alternative zur Weitergabe von Vermögen durch Ver‑ erbung, Verkauf, Schenkung und Mitgift post mortem. (→ 5.3.2) Wie ein einfaches Geschenk10 gab einem Erblasser der waqf ahlī die Möglichkeit, seinen Besitz oder Teile davon dem Erbrecht zu entziehen11 oder die den Nachkommen, Verwandten und Ehepartnern verfügbare Erbmasse zu reduzieren. Die Gründung einer Familien‑ stiftung ermöglichte es dem Stifter außer‑ dem, eine Gruppe von direkten Nachkom‑ men zu bestimmen, die exklusive Rechte als Nutznießer des Stiftungseinkommens hatte; außerdem konnte er eine Erbfolge festlegen, nach der diese Rechte von einer Generation an die nächste weitergegeben werden sollten – theoretisch bis in alle Ewigkeit. (→ 18.3.2) Mindestens konnte der Besitz so ungeteilt an die nächsten Genera‑ tionen vererbt werden.12 Familienstiftungen
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beugten auf diesem Wege auch speziellen Problemen vor, etwa wenn ein bestimmtes Haus verkauft werden solle. Ein Gedanke hinter der Umwandlung eines Wohnhaus in eine Stiftung konnte sein, bestimmten Verwandten ein Dach über dem Kopf zu garantieren oder einen Teil des Vermögens als sichere Anlage der Familie zu widmen; es konnte dahinter aber auch die Überle‑ gung stehen, den Familienwohnsitz vor Aufsplitterung zu bewahren. Gesellschaftliche Relevanz auf einer Mikroebene kam dem waqf auch bei Fami‑ lien zu, die ihn als Werkzeug nutzten, um per Primogeniturprinzip ihren Landbesitz zusammenzuhalten und vor der Übernah‑ me in staatlichen Landbesitz zu schützen. Im islamischen Recht ist ‚Eigentum‘ we‑ der ein klar definierter Begriff noch ein eindeutig geregelter Umstand.13 Der fak‑ tische Besitz war bei einem Streit um Ei‑ gentumsrechte an Dingen von erheblicher praktischer Bedeutung, weil er als Anrecht galt, bis das Gegenteil bewiesen war. Hät‑ te ‚Eigentum‘ einen belastbaren rechtli‑ chen Anspruch dargestellt, hätten viele Stiftungen, die Land durch Umwandlung in waqf vor Enteignung schützen sollten, nie existiert. Aṭ‑Ṭarābulusī zufolge befan‑ den sich die meisten in Familienstiftungen umgewandelten Besitztümer ursprünglich im Eigentum (qabḍ) der Familien.14 Das Wohl der Öffentlichkeit musste also bei Familienstiftungen hintanstehen. Es besteht kein Zweifel, dass die In‑ stitution des waqf ahlī vor allem die Sorge des Stifters um das Wohlergehen und den Status seiner eigenen Familie und Nach‑ kommenschaft widerspiegelt. Die Um‑ wandlung des Besitzes in eine Familien‑ stiftung betonte die väterliche Erbfolge und schuf einen gewissen Grad von ‚Hei‑ ligkeit‘ sowie Schutz vor Zugriffen von Herrschern.15 Es überrascht deshalb nicht, dass dieser Stiftungstyp in einer früheren
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Phase, als ‚öffentliche‘ Stiftungen noch kaum verbreitet waren, sehr gebräuchlich und die ‚Familie‘ (ahl)16 für ihn namenge‑ bend war (9. Jahrhundert u. Z.). Obwohl die Stiftungserträge auch Personen außerhalb der Familie zugutekommen konnten, zum Beispiel Sklaven, Freigelassenen (→ 14.3.2) oder nicht Erbberechtigten (Pflegekindern17, verwaisten Enkeln, verwitweten Schwie‑ gertöchtern etc.), überwiegen Familie und Nachkommen des Stifters als Begünstig‑ te deutlich; dasselbe gilt aber auch für einen waqf ḫairī (‚öffentliche Stiftung‘) mit Klauseln zugunsten von Familie und Nachkommen des Stifters.18 Auch im Fall eines die Familie begüns‑ tigenden waqf ḫairī müssen die ‚frommen Motive‘ von den vielen praktischen Funkti‑ onen unterschieden werden. Denn bei aller Vielfalt an Zwecken wurde eine Stiftung häufig dazu genutzt, den Familienbesitz zusammenzuhalten, die Besitzansprüche der Begünstigten abzusichern und die Wei‑ tergabe von Nutzungsrechten unter den Generationen zu regeln.19 Im waqf‑Regis‑ ter von Istanbul aus dem Jahr 1546 finden sich zahlreiche Stiftungen zugunsten von Moscheen, Medresen, maktabs, zāwiyas, Waisenhäusern, der Wasserversorgung oder mehreren dieser Anliegen, bei de‑ nen die Stifter festgelegt hatten, dass die Verwaltung in der Hand ihrer Familie und Nachkommenschaft liegen sollte, so lange die Familie auf Erden existiere.20 Besonders wichtig waren solche öffent‑ lichen Stiftungen, die Ressourcen zur Ver‑ fügung stellten, um ein Familiengasthaus zu finanzieren. Einrichtungen dieser Art dienten geselligen Zusammenkünften, ins‑ besondere an religiösen Feiertagen, die normalerweise von Predigten, Gebeten und manchmal auch ḏikr‑Sitzungen (kol‑ lektiven Sufi‑Litaneien) begleitet wurden. Es wurden Essen und im begrenzten Maß sogar Kleidung an eine große Zahl von
Gesellschaftlicher Wandel
Menschen verteilt und auch die Prediger, Lehrer usw. für ihre Dienste entlohnt. Die dafür jeweils aufzuwendenden Summen waren in der Stiftungsurkunde festgelegt.21 Stiftungen dieser Art waren wichtige Vehi‑ kel sozialer Mobilität, mittels derer sich Fa‑ milien eine unabhängige Führungsposition in der örtlichen Gemeinschaft sicherten.22 Stiftungen dienten vielen verschiede‑ nen Gruppen dazu, ihre gesellschaftliche Stellung zu verbessern. Angesehenen Fa‑ milien (aʿyān) gelang es mit ihrer Hilfe, eine große Zahl von Begünstigten in ihren Einflussbereich zu bringen und sich so‑ mit eine dauernde Machtposition in ihrer Stadt zu sichern. Dies geschah durch die Verwaltung der Stiftung durch ein Famili‑ enmitglied, welches laut Stiftungsurkunde für die Einstellung von Personal, die Höhe des Gehalts und andere wichtige Entschei‑ dungen verantwortlich sein sollte. In ei‑ nigen Fällen gelang es den Nachkommen solcher Stifter, zentrale Positionen wie die des Lektors in einer madrasa zu besetzen.23 Indem sie eine recht große Zahl an Pos‑ ten (manṣab) in religiösen Institutionen schufen und bestehende oder neue Ämter einnahmen, erweiterten die Familien suk‑ zessive ihren Einfluss. Aufstieg und Fall der großen aʿyān‑ Familien konnten zu Machtverschiebungen auf der Ebene einzelner Städte führen. Ein Beispiel ist der Fall der Familie Banū aṣ‑Ṣūfī, die in der damaszenischen Gesellschaft des 12. Jahrhunderts eine prominente und ein‑ flussreiche Rolle gespielt zu haben scheint. Als das Ansehen der Familie im 13. Jahrhun‑ dert zu sinken begann, profitierten andere, indem sie sich dem System der Stifter an‑ passten und vermittels höherer Bildung um die ‚vergüteten Ehren‘ der manṣabs zu kon‑ kurrieren begannen.24 Die prominente und alteingesessene muslimische Familie der ʿAlamī aus Jerusalem zeigt, wie eine Familie im Laufe der Geschichte durch Aufgaben
Muslime
in der Stiftungsverwaltung letztlich selbst zur Stifterdynastie wurde.25 Den Prozess spiegeln verschiedene Erwähnungen im Ge‑ schichtswerk des Muǧīr ad‑Dīn (gest. 1522) und ausführliche Biographien in den da‑ maszenischen Kompendien von al‑Muḥibbī (gest. 1699) und al‑Murādī (gest. 1791).26 Im Laufe der Zeit wurden die Mitglieder der Familie ʿAlamī auch zu Eigentümern und Verwaltern zahlreicher Liegenschaften in der Stadt. Das ‚Register‘ (siǧill) des Scharia‑ Gerichts dokumentiert die recht aktiven Rollen der Familienmitglieder als Stifter und Begünstigte von öffentlichen und pri‑ vaten awqāf.27 Eine Familie von Richtern konnte durch die Oberaufsicht über Stiftungen sehr mächtig werden. Die fortdauernde Dominanz der Familien der Oberschicht beruhte zu großen Teilen auf ihrer Kon‑ trolle über die Ämter des Kadi und des šaiḫ, die sie dank ihrer Kontrolle über die Medresen als Institution für die Lehre der islamischen Wissenschaften erlan‑ gen konnten: der Philosophie, des Rechts und der Theologie.28 Heinz Halms scharf‑ sinnige Studie über die Entstehung der Medresen im nordöstlichen Iran zeigt deutlich, wie diese großen Familien die Lehreinrichtungen zur Untermauerung ihrer Macht nutzten.29 Halm betont, dass diese frühen Lehrhäuser üblicherweise auch zum Wohnsitz des Stifters wurden, der gleichzeitig den wichtigsten Lehrstuhl bekleidete. Überdies blieb die ‚Professur‘ in der Stifterfamilie und wurde an Söh‑ ne und Schwiegersöhne weitergegeben.30 Die Bulqīnī‑Familie, eine einflussreiche Dynastie šāfiʿitischer Richter, Rechtsprofes‑ soren und Verwalter im mamlūkischen Sy‑ rien und Ägypten 31, bekleidete zu Anfang einige kleinere Rechtsämter in Bulqīna, einem Dorf der Provinz Ġarbīya im zen‑ tralen Nildeltagebiet. Mit ʿUmar b. Raslān b. Nāṣir b. Sāliḥ Sirāǧ ad‑Dīn (gest. 1403)
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gelangte die Familie zu Ansehen. Er wurde zunächst Militärrichter (qāḍī al-ʿaskar) und später Erster Richter in Damaskus. Zusätz‑ lich unterrichtete ʿUmar in zahlreichen Moscheen und Medresen und gründete letztlich auch eine eigene madrasa, in der die Mitglieder der Familie unterrichtet und später beigesetzt wurden. Vier Söh‑ ne ʿUmars traten in seine Fußstapfen und bekleideten entsprechende Stellen. Min‑ destens zwei von ihnen, ʿAbd ar‑Raḥmān b. ʿUmar Ǧalāl ad‑Dīn (gest. 1421) und Ṣāliḥ b. ʿUmar ʿAlam ad‑Dīn (gest. 1464), verwalte‑ ten und kontrollierten mehrere große Bil‑ dungseinrichtungen.32 Die Bulqīnī machten sich die Möglichkeit des Stiftens zunutze und erweiterten ihre Macht in mehreren Schritten; anhand ihrer Geschichte lässt sich verstehen, wie eine Richterfamilie ihren Einfluss im Laufe der Jahrhunderte ausweiten konnte. Zunächst taten sich vie‑ le Familienmitglieder als Gelehrte hervor und studierten bei den besten Professoren ihrer Zeit. Nicht alle waren als Richter und Lehrer erfolgreich, aber die versiertes‑ ten unter ihnen zeigten bemerkenswerte Fähigkeiten als Kenner des islamischen Rechts. In der Folge nutzten sie die Verbin‑ dungen und das Prestige ihrer Familie, um Posten im Rechts‑ und im Bildungssystem zu erhalten und zu bewahren. Bei ihrem Aufstieg im Rechtssystem ernannten sie Familienmitglieder zu ihren Nachfolgern und Stellvertretern; ebenso blieben Posten in Medresen oder anderen Institutionen innerhalb der Bulqīnī‑Familie. Schließlich nutzten sie ihre Verbindungen zu Sultanen und anderen Mächtigen, um Posten zu besetzen, und schmiedeten sogar Heirats‑ allianzen mit einflussreichen Nachkom‑ men von Mamlūken. Auf diesem Wege wurden die Bulqīnī zu einer der mäch‑ tigsten Familien in der äußerst kompe‑ titiven Welt der Bildungselite. Der große Einfluss der Richter in einem kaum von
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außen kontrollierten Rechtswesen führte zu der Entstehung von Dynastien, die ihre Macht auf der Grundlage von Stiftungen Schritt für Schritt ausweiteten.33 Stiftun‑ gen konnten die Entwicklung mächtiger Familien begünstigen, die die Anliegen der örtlichen Bevölkerung teils über Jahr‑ hunderte vertraten: Die von Abū Burda abstammenden Familien etwa verwalte‑ ten Schiras (im Südiran) für Jahrhunderte; die Familie Mikālīs stand Nischapur vor; die Familie Burhān aus Buḫara stellte die örtlichen Statthalter, die mit den Nomaden kollaborierten, welche schrittweise den Iran und Transoxanien eroberten.34 Bestimmte Typen von Familien der Elite entstanden in Verbindung mit Stiftungen.35 Dies trifft etwa im Fall der aulād an-nās (→ 7.3.3; 14.3.2) zu, einer Spezialeinheit aus frei geborenen Muslimen, die von freigelassenen Mamlūken und damit von den politisch bedeutsamen Angehörigen der Militärelite abstammten. Ihre soziale Identität unterschied sich aber von der‑ jenigen ihrer mamlūkischen Väter. Die‑ se Kavallerieeinheit hatte sich innerhalb der Truppen der ḥalqa (wörtlich: ‚Kreis‘) konstituiert, einem Hilfskorps zur Zeit der Mamlūkenherrschaft, das sich aus frei geborenen Männern nicht‑mamlūkischer Geburt zusammensetzte. Die Militärs hat‑ ten den zweithöchsten Rang nach den Mamlūken selbst inne36 und waren, wie auch andere Angehörige der ḥalqa, berech‑ tigt, aus staatlichen Ländereien ‚wohltätige‘ Renten zu erhalten, ohne selbst Militär‑ dienst zu leisten. Ein deutliches Zeichen für die soziale Mobilität einer solchen Gruppe ist es, dass einige der aulād an-nās, die nicht zur mamlūkischen Elite im engeren Sinne gehörten, trotzdem höchste mili‑ tärische Ränge bekleiden und Vermittler zwischen militärischer und ziviler Elite werden konnten.37 Bis zur osmanischen Eroberung von Damaskus begegnen in
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sechs aufeinanderfolgenden Generationen der Familie der Uġulbak mehrere aulād an-nās und mindestens vier Stifter.38 In der Zeit von al‑Ašraf Qāʾitbāy (gest. 1496) und Qānṣūh al‑Ġaurī (gest. 1516) spielten die aulād an-nās nur noch eine untergeordnete Rolle. Als eigenständige Interessengrup‑ pe, welche die verpachteten Agrarflächen (iqṭāʿāt) ihrer Vorväter zu bewahren suchte, bestand sie jedoch fort. Eine weitere distinkte Kategorie der Elite war die der Religionsgelehrten. Die ʿulamāʾ konnten Reichtum und soziales Ansehen aus Stiftungen ziehen, die sie oft über Generationen und zum Wohle ih‑ rer Familie innehatten, insbesondere im mamlūkischen Ägypten und Syrien.39 Auch Freundschaft konnte, außerhalb der Familie, Grundlage kleinräumiger sozialer Beziehungen sein. Sie war ein freiwilliges Arrangement zum gegenseitigen Vorteil, das Verpflichtungen und Erwartungen einschloss. Stiftungsbedingte Beziehungen konnten umgekehrt als Freundschaften de‑ klariert werden; im mamlūkischen Ägypten wurden Stiftungsbegünstigte manchmal aṣḥāb (‚Gefährten‘) genannt.40 Stiftungen konnten je nach einer der sunnitischen Rechtsschulen auch den Erbgang beeinflussen. Nach der Scharia galt der Grundsatz, dass beim Mangel eines direkten Nachkommen (Sohnes) der Bruder vor dem Enkel erbberechtigt war. Deshalb hatte etwa im ḥanafitischen Recht ein verwaistes Enkelkind keinen Anspruch auf Berücksichtigung in der ‚Erbfolge‘. Demgegenüber konnte es nach dem mālikitischen Recht im Rahmen ei‑ ner Familienstiftung seinem Onkel (dem Bruder seines Vaters) vorgezogen werden. Dadurch wurde der Übergang von der kog‑ natischen ‚Sippe‘ zur agnatischen Kernfa‑ milie gefördert.41 Darüber hinaus sah das mālikitische Recht vor, dass beim Mangel an agnatischen Verwandten gemäß dem
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Grundsatz des Korans eher die Schatzkam‑ mer (bait al-māl) als Resterbin fungierte als entferntere Verwandte beziehungsweise andere Familienzweige. Was noch größere Aufmerksamkeit der Sozialhistoriker verdient, ist die Tatsache, dass der genaue Zeitpunkt und Modus der intergenerationellen Weitergabe von Besitz – und damit Einfluss – häufig Gegenstand von Auseinandersetzungen zwischen El‑ tern und Kindern war.42 Lohnend wäre auch zu erforschen, ob der waqf genutzt wurde, um per Primogenitur oder Unige‑ nitur bestimmte Familienmitglieder, ins‑ besondere Frauen, von der Erbfolge auszu‑ schließen. Dies wäre ein weiterer Hinweis darauf, dass seine Auswirkungen auf die Familienstruktur beträchtlich waren. Sei‑ nen Grundlagen und Zwecken nach hätte der waqf eine Möglichkeit bieten können, eine nachhaltige ökonomische Beziehung zwischen Mitgliedern der erweiterten Ver‑ wandtschaft herzustellen und eine stärkere Kontrolle über Ressourcen und Familien‑ mitglieder seitens des Familienoberhaupts sicherzustellen. Die Forschung beruht bislang größten‑ teils auf Stiftungen der Herrscherfamilien und der höfischen Eliten. Es gibt wenige Informationen über die Stiftungspraxis anderer sozialer Schichten, die nicht unbe‑ dingt von dynastischem Denken bestimmt war. Man kann sie nur in einer langfris‑ tigen Perspektive und im Spannungsfeld zwischen Stiftungsgeschäften, Familien‑ strukturen und Erbrecht verstehen. Da es aber nur vereinzelte und verstreute Quellenbelege gibt, wurden die Anpas‑ sungsfähigkeit der mittelalterlichen Fami‑ lie, ihre wechselnden Funktionen, die Art und Weise, in der Stiftungen die Familie veränderten und diese selbst wiederum Wandel begünstigte, kaum behandelt; Aus‑ nahmen bilden hier nur die ʿulamāʾ und die Herrscherdynastien.43 Dasselbe gilt
für ‚nicht verwandtschaftsmäßige‘ soziale und politische Strategien (in Roy Motta‑ hedehs Sinne ‚non‑kin‘), ebenso für die verschiedenen Wechselwirkungen zwi‑ schen ‚nicht verwandtschaftsmäßigen‘ und ‚verwandtschaftsmäßigen‘ Strategien. Der Charakter und die Bedeutung von Ver‑ wandtschaftsverhältnissen zwischen Ak‑ teuren einer Stiftung hingen in vielfacher Weise mit sozialer Mobilität und gesell‑ schaftlichem Wandel zusammen.44 Auch die symbolische Dimension von Familie und Verwandtschaft hat bisher nur wenig Aufmerksamkeit erfahren. Vor allem sub‑ jektive Einstellungen gegenüber Familie und menschlichen Beziehungen werden erst seit Kurzem im Rahmen einer Erfor‑ schung von Subjektivität und Emotionen historisch untersucht. Ebenso noch am Anfang steht die Forschung zu Fragen zur Bedeutung solcher Identitätsdimensionen, die auf Vorfahren, Abstammung sowie naher und entfernter Verwandtschaft oder Zugehörigkeit zu einer Hausgemeinschaft beruhen.45 17.3.3 Mesoebene Das waqf‑System hatte eine spezifische räumliche Dimension (→ 16.3.1), da es da‑ rauf abzielte, Land und Gebäude neu zu arrangieren. Durch die mittels Stiftungen vollzogenen Praktiken wurden die Gesell‑ schaft mobilisiert, Unterstützungsnetzwer‑ ke in die Regionen geknüpft, eigene raum‑ zeitliche Strukturen des Sozialen gebildet und gleichzeitig Möglichkeiten für ein ‚time‑space distancing‘ sozialer Beziehun‑ gen geschaffen.46 Ibn Baṭṭūṭa (gest. um 1370 u. Z.) beschrieb die Beziehung zwischen Stiftungen und Stadtentwicklung und war erstaunt über die große Anzahl von awqāf und deren Auswirkung auf das Gemein‑ wohl.47 In welchem Maße sich Stiftungen
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verschiedenen öffentlichen Belangen einer Stadt widmeten, gibt Auskunft über de‑ ren Sozialgefüge und die Charakteristika der jeweiligen örtlichen umma sowie über die jeweilige gesellschaftliche Bedeutung der einzelnen Stadtviertel, Berufsverbände, Rechtsschulen oder Herkunftsgruppen. In diachroner Perspektive gewinnt man hier auch Erkenntnisse darüber, wer vor Ort die einflussreichsten Familien waren und wie sich ihre gesellschaftliche Stellung wandel‑ te (→ 17.3.2). Das gilt auch für bestimmte soziale Gruppen. Beispielsweise gründeten Frauen im Kairo des 15. Jahrhunderts, in Abgrenzung zu den großen Institutionen, verhältnismäßig kleine und kurzlebige Stiftungen – Familiengräber, ‚Nachbar‑ schaftsmoscheen‘ oder die Verteilung von Brot in den Armenvierteln betreffend.48 Die Bedeutung des waqf für die Stadt‑ entwicklung und als dynamisches Instru‑ ment unter sich wandelnden sozialen und ökonomischen Lebensumständen wird in den Islamwissenschaften erst seit Kurzem hervorgehoben, beruhend auf einer wach‑ senden Zahl von Fallstudien.49 Unter den vielen Stadtgründungen, bei denen Stif‑ tungen eine Hauptrolle für die Entwick‑ lung spielten, ist etwa Kairo zu nennen, das 970 durch den fatimidischen Kalifen al‑Muʿizz einige Kilometer von al‑Fusṭāṭ entfernt gegründet wurde.50 An diesem Ort gab es bereits eine frühere Siedlung, die aber größtenteils in Ruinen lag, bis sie von den islamischen Herrschern mit Hilfe von Stiftungen als urbanes Zentrum neu geschaffen wurde. Im Zusammenhang von waqf und Stadtentwicklung sind zwei ge‑ nerelle Punkte relevant. Der erste betrifft die Entwicklung der islamischen Stadt überhaupt, denn deren Entstehung wird häufig als ein Prozess des Verfalls und als Aufgabe des Ideals der klassischen Anti‑ ke wahrgenommen. Ganz im Gegenteil handelte es sich aber um einen Wandel
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urbanistischer Konzepte, der alltägliches Leben und Wirtschaften beförderte. Die Be‑ bauung diente nun verschiedenen Zwecken, Lebensstilen und rechtlichen Gepflogen‑ heiten. Bestimmte Arbeiten zum Wohle der Allgemeinheit, etwa bei der Instandhaltung der Wasserversorgung, wurden nie auf‑ gegeben und vor allem auch kontinuier‑ lich durch Stiftungen gewährleistet. Von sabīls (‚Brunnen‘) profitierte jedermann, und sie liefen – im Gegensatz zu anderen Stiftungstypen, etwa Schulen – niemandes Interessen zuwider. In manchen Gebieten waren sie sogar ein notwendiger Faktor für die wirtschaftliche Entwicklung: Syrische Oasenstädte hingen von der Bewässerung ab, damit das Land kultiviert und die Nah‑ rungsmittelversorgung gewährleistet wer‑ den konnte. Ohne Wasser war die Produk‑ tion von Papier, Leder, Seife und gefärbten Stoffen unmöglich. Auch ein ordentliches Gebet konnte ohne rituelle Waschung nicht durchgeführt werden. Wasser musste auch aus diesem Grund zu Moscheen, Schulen und in die Innenhöfe größerer Stiftungs‑ komplexe gebracht werden; von dort wurde es in die umliegenden Viertel, die Bäder und Brunnen weitergeleitet. Da Stifter, die die Wasserversorgung gewährleistet hatten, in guter Erinnerung blieben und als ewige Wohltäter der Siedlung galten, könnte sich dies auch zugunsten eines sozialen Aufstiegs ihrer Nachkommen ausgewirkt haben. Allerdings geben die derzeit verfügbaren Quellen keine Aus‑ künfte, die eine solche Schlussfolgerung eindeutig stützen.51 Ein zweiter wichtiger Punkt betrifft Stif‑ tungen von Wirtschafts‑ und Bildungsein‑ richtungen entlang großer Straßen. Auf der gesellschaftlichen Mesoebene wurden soziale Interaktionen im städtischen Le‑ ben durch die Gründung von Stiftungsty‑ pen wie ḫāns, qaiṣarīyas, Karawanserei‑ en und Medresen nachhaltig beeinflusst.
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(→ 17.3.4) Um das Jahr 1350 hatte die Er‑ fahrung des städtischen Raums in Anato‑ lien einen erheblichen Wandel erfahren; Grund hierfür war der Bau einer ganzen Reihe von Derwisch‑Konventen, und zwar an bestimmten Orten und in bestimmter Bauausrichtung; besonders deutlich zeigt sich das in Sivas, Tokat und Amasya.52 Nach dem Niedergang der Seldschuken entstanden hier Derwisch‑Konvente, die die Entstehung bestimmter sozial durch‑ mischter Gemeinschaften fördern soll‑ ten. Sie wurden in der Nähe der Stadttore, Hauptverkehrsadern und Märkte erbaut, um bestehende Verbindungen und Hierar‑ chien aufzubrechen und das städtische Le‑ ben von den ehemaligen seldschukischen Stadtzentren in umliegende Viertel umzu‑ lenken. Auf diese Weise kamen die Derwi‑ sche mit Kaufleuten in Kontakt. Standort, Ausrichtung und Funktion dieser Konvente förderten so neue gesellschaftliche Alli‑ anzen zwischen Derwischen, Kaufleuten und den örtlichen Herrschern. 17.3.4 Makroebene Die Beobachtungen zu sozialem Wandel auf Mikro‑ und Mesoebene zeigen, wie sehr Stiftungen die islamischen Gesellschaften funktional durchdrangen und von welch fundamentaler Bedeutung sie für den Er‑ halt sowohl von Familieneigentum als auch von städtischen Strukturen waren. Dieser alle Lebensbereiche umfassende Charakter und die stark strukturbildende Funktion von Stiftungen sind auf der Makroebene der Grund dafür, dass sie einen effizienten Kontroll‑ und Überwachungsmechanismus bilden konnten; Herrschern erlaubten sie, in die sozioökonomischen Verhältnisse ihrer Reiche einzugreifen und Einfluss auf das Verhalten von Einzelpersonen und Gruppen zu nehmen. Besonders seit der
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mamlūkischen und frühen ṣafawidischen Zeit gewann die Institution des waqf an gesellschaftlicher Bedeutung. Ohne Über‑ treibung kann man behaupten, dass in osmanischer Zeit jeder Untertan des Rei‑ ches mit awqāf in Berührung kam, sei es in Form einzelner Objekte, Versorgungs‑ leistungen, öffentlicher Einrichtungen oder Ähnlichem. Der waqf wurde zunehmend zu einer „metainstitutionellen Matrix“.53 Die Stiftung neuer Bildungsinstituti‑ onen etwa stellte eine wichtige Einnah‑ mequelle für Gelehrte, Sufis, Verwalter, Arbeiter, aber auch die Armen dar.54 Ibn Baṭṭūṭa hat sich besonders positiv über die Möglichkeit für Gelehrte geäußert, nach der Zerstörung von Bagdad im Jahr 1258 nach Damaskus zu migrieren. In seinem Reisebericht beschreibt er die Einrichtun‑ gen, die reisenden Gelehrten in Damaskus zur Verfügung standen und durch das Stif‑ tungssystem unterstützt wurden.55 Im 15. Jahrhundert förderten große Familien Studien der Hadithe, etwa die Ṭāhiriden. Ein bemerkenswertes Bei‑ spiel hierfür ist die Madrasa Sufyānīya in Aden, die von einem vertrauten Be‑ rater des ṭāhiridischen Sultans al‑Malik al‑Muǧāhid (gest. 1478) erbaut und mit einem beträchtlichen waqf ausgestattet wurde.56 Es lässt sich nicht mit Sicherheit sagen, wie groß der Einfluss von awqāf auf die Mobilität von Hadithgelehrten in dieser Phase war, aber es gibt mindes‑ tens eine religiöse Stiftung dieser Zeit, die asketische Gelehrsamkeit mit politischem Widerstand verband: Sahl b. Salāma zettel‑ te eine Revolte in Bagdad an; Ausgangs‑ punkt für ihn und seine Anhänger war eine Moschee, die von der in Bagdad, im Sawād und in der Provinz Fars ansässi‑ gen Ṭāhiriden‑Familie gegründet worden war.57 Nach der Entstehung der vier sunni‑ tischen Rechtsschulen waren die folgenden Jahrhunderte von der Schaffung sozialer
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Zusammenschlüsse und Institutionen ge‑ kennzeichnet, die sich die Verbreitung von Wissen zur Aufgabe gemacht hatten. Auch Sufi‑Bruderschaften entstanden, und in diesem Zusammenhang wurden religiöse Hochschulen und Sufi‑Zentren zur Lehre und Andacht gestiftet. Die Verbreitung von Schulen und Bildungseinrichtungen, besonders vom 12. Jahrhundert an, hatte weniger Auswirkung auf die Art der Bil‑ dung als auf den Wettbewerb um soziales Prestige: Manṣabs wurden zum Ziel eines gesellschaftlichen Wettbewerbs unter den aʿyān (→ 17.3.2), genauso wie iqṭāʿ‑Besitz unter konkurrierenden Emiren. Begriffe wie ‚Eignung‘, ‚Nichteignung‘, ‚Ernennung‘, ‚Stipendium‘, ‚Entlassung‘ und ‚Ergreifen eines Postens‘ waren neben vielen anderen nicht auf das Bildungswesen beschränkt, sondern bezeichneten allgemein ein Set an gesellschaftlichen Praktiken des Wettbe‑ werbs, die ihre Geltung ebenso im Bereich der Bildung wie in Bezug auf sozialen Sta‑ tus, Militär und Politik hatten.58 Auch Besitz‑ und Produktionsverhält‑ nisse in der Landwirtschaft wurden zuneh‑ mend in das waqf‑System eingeschlossen. Damit einher gingen bedeutende Verände‑ rungen in der Verwaltung der Einkünfte; insgesamt konzentrierte sich das erwirt‑ schaftete Getreide zunehmend in der Hand des Staates, der die Erträge auf ganz andere Weise an die verschiedenen Gesellschafts‑ schichten verteilte als der freie Markt.59 Stiftungen ermöglichten auch eine Diffe‑ renzierung der wirtschaftlichen Aktivitäten und Geschäftspartnerschaften unter Kauf‑ leuten; diese konnten die gemeinsam erziel‑ ten Gewinne in Landbesitz anlegen und anschließend in einen waqf umwandeln, da dieser eher als andere Anlageformen stetige und sichere Einkünfte versprach.60 Einige der erst lange nach den muslimi‑ schen Eroberungen entwickelten Struktu‑ ren, etwa ḫāns, qaiṣarīyas, Karawansereien
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und Medresen, sind Teil des langsamen, aber stetigen Transformationsprozesses der Städte. Dieser erstreckte sich über meh‑ rere Jahrhunderte und führte langfristig von der antiken Polis hin zur islamischen madīna.61 Allerdings sind viele der mit dem Aufkommen des Islam assoziierten Merk‑ male – etwa der Verfall monumentaler Ge‑ bäude und Veränderungen im klassischen Straßennetz – schon lange vor der mus‑ limischen Eroberung belegt; andererseits war die Entwicklung der traditionellen is‑ lamischen Stadt erst viel später abgeschlos‑ sen, als nicht zuletzt Stiftungen eine zen‑ trale Rolle bei der Gestaltung des urbanen Raums übernahmen. Waqf‑Netzwerke aus kleineren, im Reich verteilten Stiftungen konnten die Position der Reichshauptstadt als Transaktionszentrum stärken, wo die wirtschaftliche Nutzung des Stiftungs‑ kapitals koordiniert und umgesetzt wurde. Unter ayyūbidischer Herrschaft wurden Stiftungen beispielsweise in großem Stil genutzt, um die Politik der herrschenden Elite zu stützen und die Verwaltung zu zen‑ tralisieren; dabei wurden awqāf des Reiches in das Verwaltungsgefüge der Hauptstadt Damaskus eingegliedert. In politischer Hinsicht waren Stiftungen unmittelbar mit der Ausbildung und Kon‑ solidierung von Macht verbunden. Obwohl sich das institutionelle Gerüst des waqf über einen langen Zeitraum entwickelte, lässt sich feststellen, dass Stiftungen schon in ayyūbidischer und mamlūkischer Zeit nicht nur dem Ausbau von Städten, sondern auch der Errichtung einer politischen Infrastruk‑ tur dienen sollten. Einige Beispiele legen nahe, dass Stiftungen der herrschenden Politik zur Durchsetzung verhalfen – viel‑ leicht nicht so sehr durch Instrumente des Zentralstaats als vielmehr durch Angehö‑ rige der Elite, die mit dem Staat verbunden waren und die Interessen der herrschenden sozialen Schichten repräsentierten. Ebenso
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half das waqf‑System zunehmend, Gelehr‑ tennetzwerke unter staatliche Kontrolle zu bringen und den staatlichen Zugriff auf das Rechtswesen zu festigen. Diese Kontrolle stieg unter osmanischer Herrschaft im Zuge der allgemein zentralistischen Politik des Reichs über seine Provinzen. Der oberste Kadi beaufsichtigte jetzt bei Stiftungen die Ernennung von Amtsträgern, die Verteilung der Profite sowie die Instandhaltung von Gebäuden. Transaktionen, die Stiftungen betrafen, standen im Grunde auch unter seiner Oberaufsicht, obwohl sie eigent‑ lich zum Aufgabengebiet lokaler Richter gehörten. Der Kadi war es auch, der die Umsetzung imperialer Dekrete sowie die Konfliktlösung zwischen verschiedenen In‑ teressenparteien überwachte. In einigen
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Fällen wurden Ämter in der Provinzver‑ waltung mit bestimmten Institutionen und den ihnen zugewiesenen Ressourcen ver‑ knüpft, was die Verbindung zwischen waqf‑ System, ʿulamāʾ und Staatsapparat festigte. Diese Verbindungen wurden von großen Stiftungen gefördert, die Provinzstatthalter gegründet hatten. Auch Krieg und Erobe‑ rung hatten einschneidende Konsequenzen für das soziale Gefüge. Nach dem Sturz der Fatimiden etwa zweckentfremdete Ṣalāḥ ad‑Dīn – bemüht, der Bedrohung durch die Kreuzfahrer Herr zu werden – im großen Stil Grundbesitz der Schatzkammer (bait al-māl), um aus den Erträgen des Landes Lösegeld für muslimische Kriegsgefangene aufzubringen.62 ClM
Anmerkungen 1 Lapidus, History (2014), 58–60. in den Stiftungsurkunden Vorstellungen über 2 ‚Armut‘ und ‚arm‘ sind im Islam keine uni‑ das Ideal der jeweiligen Hausgemeinschaft zum versell gültigen Begriffe. Ihre Verwendung und Bedeutung ist abhängig von Zeit, Kontext und Ort. Vgl. Bonner, Poverty and Charity (2003). 3 Kuran, Middle East (2004); M. Shatzmiller, Is‑ lamic Institutions (2001). 4 In der Vergangenheit wurde das Phänomen des waqf oft unter der Grundannahme analysiert, dass in der islamischen Welt gesellschaftliche Norm und soziale Praxis deckungsgleich gewe‑ sen seien; dadurch wurde der Blick auf die wah‑ re Bedeutung gestifteter Einrichtungen für die Sozialgeschichte verstellt. Entsprechende ältere Arbeiten, die in direktem Zusammenhang mit kolonialistischen Eroberungen stehen, erörtert Powers, Orientalism (1989), 545–554. 5 Einige Bemerkungen dazu, wie der Einzelne durch Eigentum in ein Netz aus gesellschaftlichen und verwandtschaftlichen Ansprüchen einge‑ bunden war und welchen Einfluss dies etwa auf die Familie hatte, bei Bray, Family (2013), 137 f. 6 Da eine Familienstiftung dem Stifter die Frei‑ heit gab, zu bestimmen, wie das Eigentum in Zu‑ kunft von der Familie zu nutzen sei, kommen
Ausdruck. 7 Eine eingehende Erörterung dieser rechtlichen Auseinandersetzungen und ihrer Auswirkun‑ gen auf Familie und Gesellschaft im Aleppo des 18. Jahrhunderts bei Meriwether, Kin Who Count (1999), 178–206. 8 Yanagihashi, Abū Ḥanīfa (2013), 12. 9 Hodgson, Venture of Islam (1977), 123 f.; Tillion, Harem (1966). 10 Archaische Formen des Schenkens bilden die Grundlage des waqf, besonders nach den In‑ terpretationen früher Rechtsgelehrter; vgl. Yanagihashi, Gifts (2013). 11 Zum islamischen Erbrecht siehe Juynboll, Farāʾiḍ (1991); Schacht, Mirāṯ (1993). 12 Zu ‚Strategien der Deszendenz‘ und Frauen als nachrangigen Begünstigten von Familienstif‑ tungen siehe Powers, Maliki Family Endowment (1993), 385 f. 13 Zum Begriff ‚Besitz‘ bei den bedeutenden ḥanafitischen Rechtsgelehrten zwischen dem 10. und 16. Jahrhundert siehe Johansen, Islamic Law (1988); Ders., Sacred and Religious Elements (1981).
304 Entsprechend zu Rechtsquellen der Osmanenzeit Cuno, Land of Ottoman Syria (1995). 14 Burhān ad‑Dīn aṭ‑Ṭarābulusī, Kitāb al‑Isʿāf fī aḥkām al‑awqāf. Ed. Ṣalāḥ Muḥammad Abū al-Ḥāǧ. Kairo 1902, 28–35. 15 Solche ‚Heiligkeit‘ wurde in testamenta‑ rischen Stiftungen mit üblichen Formeln zum Ausdruck gebracht, die stets von folgendem Ko‑ ranvers begleitet wurden: „Siehe, für diejenigen, die glauben und fromme Werke tun – wir lassen ja doch nicht den Lohn dessen verfallen, der Gu‑ tes tut!“ (Q 18.30). 16 Ursprünglich bedeutet der Begriff ‚diejeni‑ gen, die mit jemandem das gleiche Zelt bewoh‑ nen‘, also ‚Familie‘, ‚Mitbewohner‘ oder ‚Haus‑ gemeinschaft‘. Ahl al-bait bezeichnet wörtlich die ‚Hausgemeinschaft‘ [des Propheten]. Auf eine Stadt oder ein Land bezogen meint ahl Einwoh‑ ner und Besitzer, kann aber, in anderen Zusam‑ menhängen gebraucht, auch eine nur lose damit zusammenhängende Bedeutung haben. Ein ahl umfasst den Familienvater, seine Frau(en) sowie die unverheirateten und verheirateten Töchter und Söhne. 17 Adoptieren (tabannā) im Sinne der Schaffung einer symbolischen Verwandtschaft von Eltern und Kind, bei der dieses als eigenes, mit denselben Rechten und Pflichten eines biologischen Nach‑ kommen ausgestattetes Kind bezeichnet wird, ist im Islam verboten. Hingegen ist die teilweise oder vollständige Vormundschaft (kafāla), wenn die Eltern vorübergehend oder dauerhaft zur Pflege des Kindes nicht in der Lage sind. 18 Aus den Stiftungsurkunden lässt sich nicht ersehen, ob Stiftungen zugunsten einer Fami‑ lie ein Ausdruck von Patrilokalität waren oder nicht. Man kann aber argumentieren, dass das Konzept der Familie im mittelalterlichen Islam unter dem Einfluss des waqf definiert wurde. In mamlūkischen Stiftungsurkunden werden in al‑ len Einzelheiten Häuser beschrieben, die sehr oft als ḥarīm bezeichnet werden. Ḥarīm eines Hauses (dār) ist laut dem Lexikographen Ibn Manẓūr (gest. 1312 u. Z.) das, „was darin enthalten ist, nachdem die Tür geschlossen worden ist“; ḥarīm eines Man‑ nes ist, „wofür er kämpft und was er beschützt“, oder es sind „seine Abhängigen (ʿiyāl) und Frauen und was er beschützt“. Hier kommt im Begriff ei‑ ner weitverbreiteten Bezeichnung ein komplexes
Gesellschaftlicher Wandel
Geflecht von familiären und räumlichen Bezie‑ hungen zum Ausdruck. Vgl. Ibn Manẓūr, Lisān al‑ʿarab. Kairo o. J., 874. 19 In Bezug auf die nachfolgende Generation von Begünstigten konnte vom Stifter festgelegt werden, dass die Einkünfte ‚für seine Nachkom‑ men und wiederum deren Nachkommen‘ be‑ stimmt seien; es konnte dann vorkommen, dass zwei oder mehr Generationen direkter Nachkom‑ men gleichzeitig als Begünstigte galten. Diese Art von Stiftung wird als muʿaqqab (‚für eine Gruppe von Nachkommen‘) bezeichnet. Eine solche Situ‑ ation konnte vermieden werden, indem mit Hilfe bestimmter sprachlicher Formeln das Anrecht von der ersten auf die zweite Generation der Be‑ günstigten ausgeschlossen wurde, bis alle Mit‑ glieder der ersten Generation verstorben waren. 20 G. Baer, Waqf as a Prop (1997), 265 f. Die glei‑ chen Bestimmungen galten in den anatolischen awqāf des 18. Jahrhunderts. 21 Ebd., 273–275. 22 Hoexter, Waqf and the Public Sphere (2002), 129. 23 Quṭb ad‑Dīn Mūsā b. Muḥammad al‑Yūnīnī, Ḏail mirʾāt az‑zamān, Bd. 2. Hyderabad 1955, 10; 337; ʿAbd al‑Qādir b. Muḥammad an‑Nuʿaimī ad‑ Dimašqī, Ad‑Dāris fī tāʾrīḫ al‑madāris. Ed. Ǧaʿfar al-Ḥusainī, Bd. 1. Damaskus 1948, 398–406. 24 Zu ‚vergüteten Ehren‘ („monetized honors“) Wink, Al‑Hind (1990), 13. Vgl. auch allgemeiner Chamberlain, Knowledge and social practice (1994, ND 2002), 62. 25 Obgleich oftmals in Verbindung gebracht mit einer ašrāf‑Familie (‚Nachkommen des Pro‑ pheten‘) gleichen Namens aus Fez oder mit einem gewissen ʿAlamī, der Ṣalāḥ ad‑Dīn bei der Er‑ oberung Jerusalems im Jahre 1187 begleitet hatte, führen jüngere Forschungen die Abstammung der Familie auf Mūsā b. Sulaimān al‑ʿAlam zu‑ rück. Dieser war seit 1390 Statthalter von Jerusa‑ lem und könnte aus Ḥiṣn ʿAkkār, nahe Tripolis (Ṭarābulus aš‑Šām), gestammt sein. Mūsā wurde als Statthalter von seinem Bruder ʿUmar (gest. 1403/1404) beerbt. Vgl. Kupferschmidt, ʿAlamī familiy (2009). 26 Muḥammad Ḫalīl b. ʿAlī al‑Murādī, Silk ad‑ durar fī aʿyān al‑qarn aṯ‑ṯānī ʿašar. Kairo 1883– 1884, Bd. 1, 49; 70–72; 116; Bd. 2, 330; Bd. 3, 88; 166; Bd. 4, 218; Muḥammad Amīn b. Faḍlallāh
Muslime
al‑Muḥibbī, Ḫulāṣat al‑aṯar fī aʿyān al‑qarn al‑ ḥādī ʿašar. Beirut o. J., Bd. 1, 219 f.; Bd. 2, 239; 467; 421; Bd. 3, 212; Bd. 4, 43 f.; 78 f.; 385. Einschlä‑ gige Informationen finden sich auch im Werk des Ḥasan al‑Qudsī al‑Ḥusainī über die lokalen Honoratioren des 18. Jahrhunderts; vgl. Al-Alami, Waqfs of the Traditional Families (2000). 27 G. Baer, Jerusalem’s families (1986), 120. Die Familie ist die ganze Osmanenzeit hindurch bis hin ins 20. Jahrhundert gut dokumentiert. 28 Bulliet, Patricians of Nishapur (1972), 64–67. 29 Halm, Anfänge (1977). 30 Ebd., 439 f. 31 Moore, Al‑Bulqīnī family (2013). 32 Petry, Civilian Elite (1981), 232–240. 33 Fierro, Qāḍī as a ruler (1994); Avila, Cargos hereditarios (1994). 34 Lambton, Continuity and Change (1988), 316; Bosworth, Mikālīs (1993); Ders., Political and Dy‑ nastic History (1968), 138. 35 Zum Begriff ‚Familien der Elite‘ für das ayyūbidische and mamlūkische Damaskus vgl. Chamberlain, Knowledge and social practice (1994, ND 2002), 3. 36 Haarmann, Sons of Mamluks (1984). 37 Meloy, Awlād al‑Nās (2007); Ayalon, Awlād al‑Nās (1986), 765. 38 Layish, Waqfs of Awlād‑al‑Nās (2008), 293–295. 39 Lapidus, Muslim Cities in the Later Middle Ages (1967), 73 f. Eine Untersuchung der ʿulamāʾ als vermögender Elite, die sich aus Familienverbän‑ den des 10. bis 12. Jahrhunderts zusammensetzte, bei Bulliet, Patricians of Nishapur (1972). Obwohl Bulliets Methode von Humphreys, Islamic History (1991), 198 f., scharf kritisiert wurde, gelten seine Hypothesen heute als allgemein gültig. 40 Van Steenbergen, Order (2006) 77; Asch, Freundschaft (2011), 272–274. 41 Dieser Trend drückt sich auch in der moder‑ nen Gesetzgebung aus. Das ägyptische waqf‑Ge‑ setz von 1946 sieht vor, dass in einem waqf zuguns‑ ten folgender Generationen kein Nachkomme die Nachkommen eines anderen ausschließen solle und der Anteil eines verstorbenen Vorfahren nur an seine direkten Nachkommen weitergegeben werden soll. Vgl. Layish, Mālikī Family Waqf (1983). 42 Beispiele solcher Auseinandersetzungen zwischen Eltern und Kind um ein Haus, in dem der Stifter wohnte, können gefunden werden
305 bei Abū ʿAbbās Aḥmad ibn Yaḥyā al‑Wanšarīsī, Al‑Miʿyār al‑muʿrib wa‑l‑ǧāmiʿ al‑muġrib ʿan fatāwā ahl Ifrīqīya wa‑l‑Andalus wa‑l‑Maghrib. Ed. Muḥammad Ḥaǧǧī, Bd. 7. Rabat 1981, 260–262. 43 Robinson, Empire and Elites (2000), 88 f. 44 Mottahedeh, Loyalty and Leadership (1980), 5; vgl. Meriwether, Kin Who Count (1999), 50–52. 45 Siehe die Literaturnachweise bei Li, Tales (2005). 46 Der britische Soziologe Anthony Giddens bezeichnet den Mechanismus der ‚time‑space distanciation‘ als eine Ausweitung sozialer Be‑ ziehungen über größere Spannen von Zeit und Raum. Vgl. Giddens, Contemporary Critique (1995), 90. Das Konzept der ‚time‑space distanciation‘ hat in einigen waqf‑Studien Anwendung gefunden, besonders bei Van Leeuwen, Waqfs and Urban Structures (1999), 23–25. 47 Abū ʿAbd Allāh Muḥammad al‑Lawātī Ibn Baṭṭūṭa, Tuḥfat an‑nuẓẓār fī ġarāʾib al‑amṣār wa ʿaǧāʾib al‑afsār. Ed. Charles Defrémery / Raffaelo B. Sanguinetti, Bd. 1. Paris 1854, 239 f. 48 Al-Harithy, Female Patronage (2005), 159; Sabra, Poverty and Charity (2000), 90–93. 49 Bonine / Ehlers / Krafft, Middle Eastern city (1994); Deguilhem, Waqf in the City (2008). 50 Zur Entwicklung der Stadt durch Stiftun‑ gen siehe Denoix / Depaule / Tuchscerer, Khan al‑ Khalili (1999). 51 Die Mehrzahl der Quellen gibt nur Auskunft über den erwünschten Betrieb der Stiftung selbst. In den waqf‑Dokumenten ist bis ins kleinste Detail aufgeführt, welche Erträge die Stifter den einzel‑ nen Brunnen zukommen ließen und welche Kosten im Einzelnen erwartet wurden: für den Kauf von Wasser, das Leeren und Reinigen der Zisternen, den Kauf verschiedener Materialien, den Weih‑ rauch zur Parfümierung der Wasserkrüge sowie für eine Leuchte, die an der Tür zu entzünden war. Vgl. Sabra, Poverty and Charity (2000), 93 f. 52 Wolper, Politics of Patronage (1995). 53 Salvatore, Sociology of Islam (2016), 119. 54 Ein Anstieg des Umsatzes von Stiftungen ist für die mamlūkische Zeit gut belegt. Vgl. die Li‑ teraturhinweise bei Rabie, Financial System (1972). 55 Ibn Baṭṭūṭa, Tuḥfat an‑nuẓẓār. Ed. Defrémery / Sanguinetti (wie Anm. 47), 149 f. 56 Ein großer Teil von ihr ist 1508 abgebrannt. Porter, History and Monuments (1992), 187.
306 57 Madelung, Vigilante Movement (1990). Die Ṭāhiriden wurden ‚Stadtgouverneure‘ Bagdads, kurz bevor sie Statthalter in Ḫurāsān wurden. 58 Chamberlain, Knowledge and social practice (1994, ND 2002), 106. 59 Lapidus, Grain Economy (1969). 60 Beispiele von kommerziellen Partnerschaften auf der Grundlage von awqāf behandelt anhand des Falles des osmanischen Kaufmanns Abū Taqīya aus dem 16. Jahrhundert Hanna, Making Big Money (1998), 40 f.; 160–162.
Gesellschaftlicher Wandel
61 Der Begriff ‚Islamische Stadt‘ ist von westli‑
chen Orientalisten geprägt worden, wurde aber ab den 1990er Jahren zunehmend kritisch betrachtet. Einen umfangreichen Überblick über diese These in der älteren westlichen Literatur und ein alterna‑ tives analytisches Modell zur Bestimmung von ver‑ schiedenen Elementen der Stadt in muslimischen Ländern bietet Abu-Lughod, Islamic City (1987). Siehe auch Salvatore, Sociology of Islam (2016), 153. 62 See Lev, Saladin (1999), 112; 125; 139.
17.4 Juden 17.4.1 Allgemeines Juden und Jüdinnen waren immer zugleich Mitglieder der allgemeinen Gesellschaft und ihrer eigenen Gemeinschaft. Als Stif‑ ter_innen freilich wirkten sie allein für letztere, und das heißt für ,Israel‘1.Wenn im vorliegenden Artikel nach den Effek‑ ten ihres Handelns gefragt wird, richtet sich der Blick somit im strengen Sinne auf die Frage nach einem gemeinschaftlichen Wandel, der im Zusammenhang mit Stif‑ tungen gesehen werden kann und durch entsprechende Fundationen befördert oder auch gehemmt worden sein mag.2 Grundsätzlich lassen die Begünstigung einer Vielfalt von Personen (→ 12.4.1) und die Existenz sehr unterschiedlicher Stif‑ tungszwecke (→ 3.4.2) Auswirkungen auf eine Reihe von Gruppen und Lebensbe‑ reichen vermuten. Im Folgenden wird es darum gehen, exemplarisch einzelne Felder herauszugreifen, um hier die Konsequen‑ zen stifterlichen Wirkens annäherungs‑ weise auszuloten. Ein Gesamtbild wird man schon allein deshalb nicht erwarten dürfen, da die Forschung von einer Periodi‑ sierung des vormodernen Stiftungswesens
und somit einem Wissen um die relative Durchdringung jüdischen Lebens durch den heqdesh noch weit entfernt ist. (→ 4.4) Doch auch methodisch gestaltet sich das Unterfangen als nicht einfach, insofern die Negativprobe – ein Ermessen der Si‑ tuation ohne stifterlichen Eingriff – häufig nur kontrafaktisch angedacht und selte‑ ner durch die vergleichende Berücksich‑ tigung alternativer oder konfligierender Ordnungsformen fundiert werden kann. Für einen ersten Zugang bietet es sich an dieser Stelle an, die sozialen Implikationen jüdischer Stiftungsaktivität analytisch auf drei Ebenen zu betrachten, die uns tenden‑ ziell von den Beziehungen sozialer Nähe zu solchen stärkerer sozialer Ferne führen: auf der Mikroebene direkter Interaktionen, wie sie sich vor allem im Kontext von Fami‑ lie und Verwandtschaft beobachten lassen (→ 17.4.2), der Mesoebene der Gemeinde‑ organisation (→ 17.4.3) und – hierüber hi‑ nausgehend – der Makroebene rechtlicher, wirtschaftlicher, politischer und kulturel‑ ler Prozesse (→ 17.4.4). Wiederkehrender Bezugspunkt der folgenden Überlegungen
Juden
ist dabei die lokale Gemeinde als geteilter Lebensraum der Minderheit – sei es, dass die Stiftungspraxis sich in diesem Rahmen vollzog und hier ihre Wirkungen zeitigte, sei es, dass auf unter‑ und übergeordneter Betrachtungsebene anderweitige soziale Beziehungen mit Stiftungsprozessen und ‑vollzügen interferierten. 17.4.2 Mikroebene Die Familie gilt als grundlegende soziale Einheit der jüdischen Gemeinschaft: Der Einzelne wurde in das ,Haus des Vaters‘ (beit av) geboren, das vor allem als Kern‑ familie begegnete, und blieb diesem ver‑ bunden, bis er in der Regel mit der Heirat seinen eigenen Haushalt gründete. Gleich‑ zeitig wusste er sich als Teil des umfassen‑ deren verwandtschaftlichen Netzes, das ihn etwa mit Onkeln und Tanten, Cou‑ sins und Cousinen, aber auch Schwagern, Schwägerinnen und Vielen mehr in der erweiterten ,Familie‘ (mishpaḥah) vereinte.3 Ein tatsächliches Alternativmodell zum familiären Leben existierte nicht: Die jü‑ dische Tradition maß dem Zölibat keinerlei Wert zu. Vielmehr bestand die religiöse Pflicht, zu heiraten und Kinder zu zeu‑ gen.4 Vielleicht ist es auf die vermeintliche Selbstverständlichkeit verwandtschaftli‑ cher Beziehungen zurückzuführen, dass die Familienforschung lange Jahre im Schatten der jüdischen Gemeindegeschich‑ te gestanden hat.5 Nach dem Verhältnis von Stiftung und Familie zu fragen, fordert dazu heraus, genaueren Einblick in die Perpetuierung der familiären Lebensform zu nehmen und mögliche Dynamiken im Feld zu identifizieren. In ihrer regulären Existenz scheinen jü‑ dische Familien zunächst einmal nicht auf stifterliches Wirken angewiesen gewesen zu sein. Einzelne Fälle sind dokumentiert,
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in denen Familienangehörige über Fundati‑ onen materielle Begünstigungen erfuhren, doch ist ihre Zahl verschwindend gering: Unter den von Moshe Gil edierten Doku‑ menten zum Stiftungswesen, die über die Kairoer Geniza überliefert sind, findet sich ein einziger solcher Fall aus dem Jahre 1161, in dem ein Teil eines Hauses als Stif‑ tungsgut vermutlich einem Verwandten vorbehalten wurde. Die Stifterin bedang sich aus, die entsprechende Rente selbst Zeit ihres Lebens genießen zu wollen. Doch nach ihrem Tod sollten die Erträge dann an den von ihr begünstigten Mann sowie dessen Nachkommen und Mutter fallen, bis mit dem Dahinscheiden dieser Perso‑ nen – so der Wille der Stifterin – das Gut schließlich in den Besitz des heqdesh über‑ ging.6 Bei dem einen oder anderen weiteren Dokument lässt sich mutmaßen, ob im Rahmen einer umfangreicheren Stiftung unter anderem auch Familienmitglieder unterstützt wurden, und die andauernde Erschließung der Geniza‑Bestände mag diesbezüglich einzelne neue Fälle zu Tage fördern.7 Insgesamt jedoch war die direk‑ te materielle Begünstigung der eigenen Familie durch den Stifter offenbar nicht verbreitet und üblich. Diesem Befund widerspricht auch nicht die Identifikation sogenannter ,privater‘ oder ,semiprivater‘ Stiftungen durch die Forschung zu Spanien und, ansatzweise, zu Aschkenas. (→ 3.4.3; 13.4.2) Gemeint sind hier solche organisatorischen Ge‑ füge, in denen man Verwandte mit der Stiftungsverwaltung betraute, von denen man sich eine verlässlichere Exekution des Stifterwillens als durch die Gemeinde‑ administration versprach.8 Für das christ‑ liche Spanien des 13. Jahrhunderts ist man davon ausgegangen, dass 50 Prozent aller wohltätigen Schenkungs‑ und Stiftungs‑ akte in dieser Form realisiert wurden.9 Begünstigte solcher privater Fundationen
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waren aber für gewöhnlich nicht Familien‑ mitglieder, sondern die Einrichtungen dienten – ganz ähnlich den Zwecksetzun‑ gen des gemeindlichen heqdesh – allgemein der Sorge um bedürftige Personen, vor al‑ lem Arme, Witwen und Waisen, oder um den Kultus.10 Dass verwandtschaftliche Beziehungen infolge der Wahrnehmung entsprechender Verwaltungsaufgaben durch Angehörige des Stifters Stärkung erfuhren oder Familien durch ihre Stif‑ tungsaktivität innerhalb der Gemeinden auf diese Weise besonders hervortraten, ist möglich und bislang nicht systematisch untersucht worden. Allgemein dürfte es lohnen, in stärkerem Maße auch die im‑ materiellen Dimensionen von Stiftungs‑ handeln in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen:11 Stifterinschriften, wie sie sich des Öfteren an zentraler Stelle in den Synagogen befanden, hielten zum Bei‑ spiel die Erinnerung an einen Vorfahren dauerhaft und somit generationenüber‑ greifend fest. (→ 6.4.2; 7.4.3) Dass für die Zeitgenossen dabei der einzelne Wohltäter in Beziehung zu seiner Familie gesetzt und wohl auch wahrgenommen wurde, belegt der Versuch eines wohlhabenden Juden in Candia (heute Iraklio, Kreta) zu Beginn des 16. Jahrhunderts, sein Familienwappen über dem Thoraschrein anbringen zu lassen.12 Auch in hebräischen Grabinschriften, die den Verstorbenen generell in patrilinearer Abstammung erfassten, wurde gelegentlich das wohltätige Schaffen des jeweiligen Va‑ ters vermerkt, dessen Werk somit noch im Gedenken seiner Nachfahren Bedeutung behielt. Das Epitaph der 1287 in Worms bestatteten Frau Jocheved bat Jechiel b. Ephraim pries beispielsweise nicht nur die Verstorbene selbst, sondern hob auch die Verdienste ihres Vaters um Synagogen und Friedhöfe hervor.13 Durch stifterliches Wirken konnte eine Familie offenbar an Prestige gewinnen, wenn dies auch nicht
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zu den Hauptzwecken jüdischer Fundati‑ onen zählte. Warum man sich der Stiftung – und zwar im Gegensatz zur muslimischen Tradition (→ 3.3.3; 17.3.2) – allerdings kaum bediente, um Familienangehörige materiell zu be‑ günstigen und somit Besitzstände für eigene Nachkommen zu sichern, hat die Forschung nicht problematisiert. Es erscheint jedoch plausibel, die Gründe für die voneinander abweichenden Praktiken in Unterschieden im Erbrecht und vor allem der Ausbildung alternativer Institutionen auf jüdischer Seite zu vermuten: Die grundsätzlich agnatische Erbfolge im jüdischen Recht ging einher mit einer Bevorzugung des Erstgeborenen und einer exklusiven Konzentration auf die jeweils nächste Verwandtschaftsebene. So‑ fern Söhne existierten, waren Töchter nicht erbberechtigt, sondern hatten Anspruch auf Unterhalt und Mitgift.14 Auch eine Witwe übernahm nicht die Hinterlassenschaft ih‑ res verstorbenen Gatten. Stattdessen wurde ihr ein festgelegter Witwenanteil (ketubbah) ausgezahlt, zu dessen Leistung sich der Ehemann für den Fall von Tod oder Scheidung bei der Heirat verpflichtet hatte. (→ 15.4.2) Die jeweils konkrete Ausgestal‑ tung des Erbganges variierte sicherlich in den verschiedenen Siedelgebieten der Juden, doch nirgends bedurfte es im Mittelalter – trotz gegebenenfalls vorhandenen Impul‑ sen durch eine muslimische Umwelt – des Instruments der Stiftung, um das familiäre Vermögen zu sichern oder seine Einheit zu gewährleisten.15 Gewöhnlich bestanden, so könnte man sagen, Stiftung und Familie neben‑ und durchaus unabhängig vonein‑ ander: In diesem Sinne scheint die wohl‑ tätige und gemeinnützige Gabe verstärkt für kinderlose Personen und Paare eine Option dargestellt zu haben, die kein eige‑ nes ,Haus‘ hinterließen, das sie durch ihre Hinterlassenschaft zu stützen wünschten.16 Gelegentlich ist eine Konkurrenz zwischen
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den Möglichkeiten der Vererbung des Ver‑ mögens und seiner Stiftung zu beobachten – sei es, dass man die eigenen Kinder be‑ wusst von der Erbschaft ausschließen wollte, sei es, dass Verwandte die Entscheidung anfochten, Besitz dem heqdesh zu überlassen. (→ 11.4.2; 12.4.4; 18.4.2) Einzelne Familien dürften sich mit einem entsprechenden Ver‑ mögensentzug konfrontiert gesehen haben, ohne dass die überschaubare Anzahl der uns bekannten Vorkommnisse dieser Art spezifische Reaktionsmuster erkennen lässt. Im regulären Fall, wie er der Rechtsnorm entsprach, erscheint der Zusammenhang zwischen Stiftung und Familie daher zu‑ nächst als ein relativ loser. Es wäre allerdings zu kurz gegriffen, den Blick allein auf die geregelte Existenz fa‑ miliären Lebens zu richten. Denn erst und gerade in Momenten des ,Ausfalls‘ der üb‑ lichen Strukturen sowie der ,Auszeit‘ aus den gewohnten Beziehungen wird die sta‑ bilisierende und, in begrenztem Rahmen, dynamisierende Wirkung von Stiftungen auf Familie und Verwandtschaft in ihrem vollen Umfang ersichtlich. Primärer Bezugs‑ rahmen der Zeitgenossen war die Familie in ihrem engeren und weiteren Verständnis, deren Mitglieder sich zu wechselseitiger Un‑ terstützung in die Pflicht genommen sahen: Im Anschluss an das in Jes 58.7 formulierte Gebot, sich seines eigenen Fleisches nicht zu entziehen, war der Einzelne gehalten, bedürftigen Verwandten beizustehen.17 Erst wenn diese erste Ordnung versagte, griff ge‑ wissermaßen in zweiter Instanz eine durch Stiftungen finanzierte Wohltätigkeit – nicht in Konkurrenz, sondern in Ergänzung der Familie. (→ 9.4.2) Eindrücklich ist diese Praxis im administrativen Schriftgut der Kairoer Geniza belegt, wenn die mittellosen Bittsteller auf das Ausbleiben verwandt‑ schaftlicher Unterstützung verwiesen, um ihre Berechtigung zu Hilfeleistungen aus dem kommunalen Fonds zu demonstrieren.18
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Es erstaunt kaum, dass fremde Arme, die vor Ort über keine Verwandten verfügten, besonders häufig als Almosenempfänger er‑ fasst waren.19 Inwiefern eine unterschiedli‑ che Organisationsweise der Armenfürsorge in den Gemeinden Spaniens und Aschkenas anderweitige Familienkonzeptionen beför‑ derte oder ihrerseits auf abweichenden ver‑ wandtschaftlichen Verbindungen gründete, aus denen sich enger oder weiter gefasste Solidaritätsverpflichtungen ableiteten, wäre genauer zu untersuchen.20 Der Blick auf konkrete Personengruppen, die allerorts als Empfänger gemeindlicher Wohltätigkeit in Erscheinung traten, unterstreicht den Substitutscharakter jüdischer Stiftungsakti‑ vität im Hinblick auf die Familie ebenso wie deren konservative Implikationen: Im Fall von Witwen etwa, die auf Unterstützungs‑ leistungen aus dem Gemeindefonds ange‑ wiesen waren, ist davon auszugehen, dass die regulären Mechanismen ihrer Absiche‑ rung – insbesondere die erwähnte Auszah‑ lung ihrer ketubbah – zuvor versagt hatten. Obgleich jene Frauen einen hohen Anteil der Bedürftigen ausmachten, für welche mittels Stiftungsgelder Sorge zu tragen war, ist nicht anzunehmen, dass ihre Existenz das familiäre Modell grundsätzlich verän‑ dert hätte. Im Gegenteil, ihr gemeindlicher Unterhalt, der weder als erstrebenswert galt noch als Dauerzustand angelegt war, dürfte die Familie als Institution tatsäch‑ lich gefestigt haben, indem auf diese Weise solche Personen aufgefangen wurden, für die innerhalb des familiär‑verwandtschaft‑ lichen Netzes nur unzureichend Vorsorge getroffen worden war.21 Ähnlich ließe sich in Bezug auf Hilfeleistungen für Waisen oder heqdesh‑finanzierte Mitgiftausstattun‑ gen argumentieren.22 Über verschiedene Stiftungsformen, unter denen dem Gemein‑ defonds vermutlich die größte Bedeutung zukam, scheint es möglich gewesen zu sein, defizitäre Erscheinungen der familiären
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Ordnung auszugleichen und letztlich zur Perpetuierung des Familienmodells bei‑ zutragen. Vom ungewollten ,Ausfall‘ gewohnter Sozialbeziehungen zu unterscheiden ist schließlich die freiwillig gewählte ,Auszeit‘. Auch wenn keine akzeptierte Alternative zum familiären Lebensmodell existierte, vermochten Einzelne bestimmte Lebens‑ perioden außerhalb des ,Hauses‘ zu ver‑ bringen. Nicht unerheblich scheint die Rolle gewesen zu sein, die Stiftungen in diesem Zusammenhang spielten. An erster Stelle ist dabei an das Studium der Gelehrten zu denken, das oftmals eine zeitweilige Tren‑ nung von der Familie mit sich führte, wenn Lehrer und Schulen fern des Heimatortes aufgesucht wurden. (→ 9.4.3) Eine Unter‑ stützung durch gemeindliche oder privat verwaltete Wohltätigkeitsfonds konnte auf doppelte Weise zum Gelingen einer solchen Studienreise beitragen. Zum einen vermoch‑ te der angehende Gelehrte selbst auf Unter‑ stützung zu hoffen: Die Kairoer Überliefe‑ rung weist Gelehrte relativ häufig unter den Stiftungsbegünstigten aus und lässt nicht erkennen, dass ortsfremde Juden von entsprechenden Beihilfen ausgeschlossen worden wären.23 Über konkretere Hinweise auf die Möglichkeit von Zuschüssen zum Lebensunterhalt oder Stipendienzahlungen an Studenten, die fern ihres eigentlichen Wohnortes lernten, verfügen wir in Spanien und Aschkenas. So wurden die weitgereis‑ ten Schüler auf der iberischen Halbinsel und in der Provence zum Teil wohl durch den Gemeindefonds, zum Teil durch private Stiftungen oder die Jeschiwot selbst geför‑ dert. In Aschkenas, wo traditionell stärkere Vorbehalte gegenüber einer gesonderten Unterstützung der Gelehrten herrschten, scheinen gerade jene bedürftigen Studenten eine Förderung durch den Gemeindefonds genossen zu haben, die Lehrhäuser in wei‑ ter Entfernung von ihrer eigenen Heimat
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besuchten.24 Doch nicht nur die Gelehrten selbst wurden im Zusammenhang der Stu‑ dienreisen unterstützt, sondern auch für deren Familie war, zumindest im Notfall, vorgesorgt: Unter den bedürftigen Frauen, denen aus heqdesh‑Mitteln Unterstützung zuteilwurde, lassen sich in Einzelfällen durchaus daheimgebliebene Angehörige der Gelehrten vermuten, die manchmal sogar noch über den Tod ihres Gatten hinaus Gel‑ der erhielten.25 Stiftungen ermöglichten es einzelnen Männern also, für eine bestimmte Zeit dem Familienleben den Rücken zu keh‑ ren, zu dem sie nach dem Studium wieder zurückkehrten. Eine andere, zweite Form der ,Auszeit‘ konnte die Pilgerschaft ins Hei‑ lige Land bedeuten, die es ebenfalls lohnte, im Stiftungskontext näher zu betrachten: Der Besuch Jerusalems war in Ägypten so angesehen, dass er von Reisenden – in diesem Fall Männern und Frauen – sogar als Vorwand genutzt wurde, um Wohltä‑ tigkeitsgelder zu erlangen. Und Bedürftige, die aus ereṣ yisraʾʾel am Nil eintrafen, er‑ wartete eine wohlwollende Aufnahme, die nicht zuletzt aus heqdesh‑Geldern finanziert wurde.26 Weder durch das mobile Gelehr‑ tendasein noch die Pilgerschaft wurde die Familie als Lebensform grundsätzlich infra‑ ge gestellt. Indem Stiftungen aber Einzelnen entsprechende Rückzugsphasen ermöglich‑ ten, solche unterstützten und erleichterten, trugen sie innerhalb eines ansonsten stabi‑ len Rahmens auch zu einer begrenzten Dy‑ namisierung familiär‑verwandtschaftlicher Beziehungen bei. 17.4.3 Mesoebene Die gemeindliche Organisation hat jüdi‑ sches Leben in den mittelalterlichen Jahr‑ hunderten ebenso durchgängig wie orts‑ und zeitspezifisch begleitet und geprägt. Sie war Voraussetzung eines funktionierenden
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Stiftungswesens: Gänzlich außerhalb der Gemeinden ließen sich jüdische Fundatio‑ nen nur schwer realisieren, wie Studien zur Situation der Minderheit in solchen Regionen gezeigt haben, die jüdische Im‑ migranten erst für sich erschließen muss‑ ten.27 Im Prozess der Neukonstitution vieler Gemeinden zu Beginn der Frühen Neuzeit scheint am Anfang eher der bruderschaft‑ liche Zusammenschluss als ein stifterliches Wirken gestanden zu haben.28 Im Folgenden richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Fra‑ ge des Wandels bestehender gemeindlicher Formen, der durch Stiftungen möglicher‑ weise befördert oder gehemmt wurde. Eine neue Meistererzählung wird man durch den Beitrag der Stiftungsforschung zu einem traditionellen Forschungsfeld wie demje‑ nigen der jüdischen Gemeindegeschichte29 schon allein deshalb nicht erwarten dürfen, da Stiftungen selbst in unterschiedlichen Organisationsformen begegneten. (→ 3.4.3; 13.4.1) Wenn wir von der Stiftung aus auf die Gemeinde (qehilah) blicken, bietet sich vielmehr die Chance, spezifische Konstel‑ lationen und Aspekte gemeindlichen Le‑ bens zu fokussieren, die unter der ,Decke‘ einer abstrakten Geschichte der jüdischen Gemeinde leicht verschwinden – obgleich sie die konkrete Lebenswelt entscheidend bestimmten. Die Berücksichtigung der unterschiedlichen Ausgangslagen in den verschiedenen Siedelgebieten der Juden hilft, probeweise über das relative Gestal‑ tungspotential stifterlichen Wirkens nach‑ zudenken. Was die Gemeinden des Nahen Ostens be‑ trifft, sind wir dank der Dokumente der Kairoer Geniza vor allem für die Zeit zwi‑ schen dem 11. und 13. Jahrhundert infor‑ miert. Überlieferungsbedingt liegen dabei die meisten Quellen zu den ägyptischen Gemeinden vor: Seit den Studien Shlomo D. Goiteins und seiner Schüler verfügen wir
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in dieser Region über ein relativ detaillier‑ tes Wissen hinsichtlich unterschiedlicher Titel und Institutionen der Kommunen, die in ihrer Bedeutung und Funktion freilich immer wieder wechselten.30 Hieran änder‑ te vermutlich auch die Herausbildung des Amtes eines Oberhauptes der ägyptischen Juden seit dem späten 11. Jahrhundert we‑ nig, dessen Macht stark von der Person des jeweiligen Amtsinhabers abhängig blieb.31 Wie nun ist der Einfluss von Stiftungen auf eine kommunale Ordnung zu beur‑ teilen, die zwar beständig funktionierte, aber immer nur in Teilen auf formaler Satzung beruhte? Exemplarisch sei der Bereich der Armen‑ fürsorge herausgegriffen, dem jüdische Fundationen insgesamt am häufigsten ge‑ widmet waren, (→ 3.4.2; 9.4.2) und hier der Fokus auf die unmittelbare Versorgung der Bedürftigen mit dem Grundnahrungsmit‑ tel Brot gerichtet. In einer Gemeinde wie Fustat (Altkairo) wurden zu Beginn des 12. Jahrhunderts an jedem Dienstag und Freitag der Woche zwischen 500 und 600 Laib Brot an ungefähr 140 Personen oder Haushalte ausgegeben, wobei unter den Bedürftigen Ansprüche auf unterschiedli‑ che Mengen der Backware bestanden. Die individuellen Rationen wurden zu den zwei gesetzten Terminen in einem Lagerraum der Synagoge verteilt und in der Ordnung des Erscheinens der bedürftigen Personen in Listen vermerkt.32 Finanziert wurden die entsprechenden Distributionen aus heqdesh‑Geldern beziehungsweise gemeind‑ lichen Mitteln. Anders als auf dem breiten Sektor privater Wohltätigkeit im dama‑ ligen Fustat, der sich durch direkte, aber sporadische Beziehungen zwischen notlei‑ denden Bittstellern und ihren Wohltätern auszeichnete, ermöglichte eine Finanzie‑ rung über den heqdesh Regelmäßigkeit und Kontinuität der Brotausgaben, deren Exis‑ tenz über die Jahrhunderte hinweg belegt
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ist.33 Mittelfristig war der nicht unerhebli‑ che logistische Aufwand der Distributio‑ nen, die unter anderem abgestimmt auf individuelle und wechselnde Rationsan‑ sprüche erfolgten, sicherlich nicht ohne konstantes Personal und Verwaltung zu gewährleisten.34 Der stete Stiftungsvollzug bewirkte auf diese Weise also die Institu‑ tionalisierung einer Gemeinde, die von sich aus erst einmal nur über wenig feste Strukturen verfügte. Doch ist nicht nur von einer teilweisen Verfestigung der kommunalen Ordnung auszugehen, sondern auch von einer Verän‑ derung der konkreten Wohltätigkeitspra‑ xis, indem ihr Unterhalt durch allgemeine heqdesh‑Gelder gewährleistet wurde: Wie‑ derum im Gegensatz zur privaten Wohl‑ tätigkeit, deren Leistung – inklusive der Auswahl ihrer Empfänger – im Ermessen des Einzelnen lag, wurde im Zuge der öf‑ fentlichen Brotverteilung prinzipiell jeder bedürftige Jude, unabhängig von seiner Herkunft, gleichermaßen berücksichtigt.35 Dies ließ in Fustat unter anderem die alte talmudische Unterscheidung zwischen der quppah als kommunalem Fonds, aus dem die Armen der eigenen Stadt jeden Freitag Unterstützung erhielten, und dem tamḥui, der die tägliche Speisung aller Ar‑ men sicherte, hinfällig werden.36 Stattdes‑ sen vereinte man beide Einrichtungen in den diens‑ und freitäglichen Brotausgaben, an denen alle Bedürftigen partizipierten, aber die, auch angesichts wiederholt ho‑ her Flüchtlingszahlen, wohl nur zweimal in der Woche zu realisieren waren. Was die grundlegende Unterstützung der not‑ leidenden Bevölkerung betraf, wirkte die Organisation über den heqdesh mithin in‑ kludierend, indem hier die Grenze zwi‑ schen ortsansässigen und fremden Juden aufgehoben wurde. Die gelehrten Zeitge‑ nossen waren sich der Veränderung in der Wohltätigkeitspraxis durchaus bewusst,
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wenn sie diese nicht mehr mittels der tal‑ mudischen Begrifflichkeit erfassten, son‑ dern sich nun schlichter auf die Verteilung von ,Lebensmitteln‘ (mezonot) bezogen.37 Wann der Wandel genau erfolgte, ob etwa bereits in frühislamischer Zeit, als Juden begannen, über weitere Distanzen als zu‑ vor zu reisen, oder erst im fatimidischen Ägypten und unter dem Eindruck einer zunehmenden Anzahl von Bedürftigen un‑ ter den Fremden, wissen wir nicht.38 Sicher ist, dass sich die mittels der gemeindlichen Stiftungsform induzierte Veränderung im Bereich der Grundversorgung armer Bevöl‑ kerungsteile etablierte und langfristig die Armenfürsorge als Teil der gemeindlichen Ordnung stabilisierte. Anders gestaltete sich die Ausgangslage im spätmittelalterlichen Spanien und in den älteren Gemeinden unter christlicher Herrschaft, in denen unterschiedliche so‑ ziale Gruppen um die politische Teilhabe stritten und sich die jüdische Bevölkerung nach den Verfolgungen Ende des 14. Jahr‑ hunderts erheblich geschwächt sah.39 In der Stiftungsforschung wird das Gesche‑ hen unterschiedlich beurteilt. Festzuste‑ hen scheint jedoch, dass sich damals In‑ teressenkonflikte nicht mehr innerhalb bestehender gemeindlicher Strukturen austarieren ließen – sei es, dass Einrich‑ tungen öffentlicher Wohltätigkeit auch zu‑ vor nicht in größerem Umfang bestanden hatten, sei es, dass solche Leistungen die Bedürftigen nun nicht mehr zufriedenstell‑ ten.40 In dieser Situation ist ein Rückgriff auf die alternative Organisationsform der ,Bruderschaft‘ (ḥavurah) oder ,Gesellschaft‘ (ḥevrah) zu beobachten. (→ 3.4.3; 13.4.2) Teile der Gemeinden traten damals in ein genossenschaftliches Bündnis, das syste‑ matisch vom Zusammenschluss über das Instrument der Fundation zu unterschei‑ den ist: Während Stiftungen nämlich ihre
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Zwecke, die prinzipiell festgelegt sind, mit‑ tels der Erträge einmalig bereitgestell‑ ten Kapitals realisieren, finanzieren sich Genossenschaften durch die Beiträge ih‑ rer Mitglieder, und diese können aus den von ihnen geleisteten Zahlungen einen Anspruch auf die gemeinschaftliche Fort‑ bildung des Bündniszweckes ableiten.41 Die Popularität jener neuen Vereinigungen steht in Spanien sicherlich in Zusammen‑ hang mit solchen Gruppen, die sich in den Gemeinden als benachteiligt empfanden und nun selbst zu organisieren suchten. Insofern die Gründung entsprechender Verbindungen aber in der Regel an die Genehmigung des Monarchen und seine jeweilige Anerkennung als confraria ge‑ bunden blieb, ist diese spezifische Form des Zusammenschlusses gleichzeitig in‑ nerhalb der breiteren politischen Kultur Aragóns und Kastiliens zu sehen.42 Wel‑ che Auswirkungen nun hatten jene Bruder‑ und Gesellschaften, die in jenen Jahren so zahlreich entstanden, auf das gemeindliche Leben? Was vermochten sie – und zwar anders als Stiftungen – zu leisten? Grundsätzlich ermöglichte die genos‑ senschaftliche Organisationsweise eine institutionelle Differenzierung der jüdi‑ schen Gemeinden Spaniens: Während wei‑ te Bereiche jüdischen Lebens hier zuvor entweder privat gestaltet wurden oder in die zentrale Verwaltung des Gemeinde‑ heqdesh eingebunden waren, entstand mit den Bruderschaften eine Vielzahl kleinerer institutionalisierter Einheiten. Für eine Stadt wie Saragossa beispielsweise konn‑ te Asunción Blasco Martínez die Existenz von 13 genossenschaftlichen Verbindungen nachweisen, die im 14. und 15. Jahrhundert neben dem Gemeindefonds bestanden und sich in erster Linie über jährliche Mitglie‑ derbeiträge finanzierten, die durch Schen‑ kungen und Stiftungen ergänzt wurden. Teils konstituierten sich auf diese Weise
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konkrete Zuständigkeitsbereiche, wenn sich Einzelne zur Leistung von Begräbnis‑ hilfe, zur Aufsicht über den synagogalen Bücherbestand oder zum Zwecke des Un‑ terrichts mittelloser Knaben zusammen‑ schlossen. Teils festigten sich bestehende Verbindungen, indem die Mitglieder einer Berufsgruppe wie derjenigen der Schuster sich als Bruderschaft vereinten und mit der Verpflichtung zur wechselseitigen Hilfe im Falle von Hochzeits‑ und Beschnei‑ dungsfeiern, aber auch Tod und Krankheit weit über die berufliche Tätigkeit hinaus banden.43 Die detaillierten Statuten der Bruderschaften, wie sie etwa bereits Infant Alfonso im Jahre 1323 der Beerdigungsbru‑ derschaft der Juden von Huesca bestätigte, deuten auf kleinteilige, aber gleichzeitig flexible Lösungen für das gemeindliche Zu‑ sammenleben hin, welche die in mancher Hinsicht fixeren Stiftungen offenbar nicht boten. In Huesca war dabei jeder Bruder (confradre) gehalten, dreimal im Jahr drei Denare für das gemeinsame Bündnis zu geben. Verstöße gegen die Bestimmungen der Bruderschaft konnten teilweise mit einem Ausschluss der betreffenden Per‑ son geahndet werden.44 Wie grundlegend die Vielzahl solcher Verbindungen auf die Gemeindestruktur rückwirkte, belegt die seit 1391 in Saragossa gewandelte Bezeich‑ nungsweise des alten Gemeindefonds: Die‑ ser war nun nicht mehr als Almosna de la aljama de los judios bekannt, sondern man begriff die Einrichtung jetzt ebenfalls als cofradía de la aljama de los jodios und somit als eine bruderschaftlich organisierte Ein‑ heit neben anderen.45 Die terminologische Verschiebung belegt die umfassende und dauerhafte Differenzierung der kommuna‑ len Ordnung besonders deutlich, wie sie sich damals in vielen Städten Aragóns und auch Kastiliens mit der Verbreitung des genossenschaftlichen Modells auf Kosten des stifterlichen vollzog.46
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Die zunehmende institutionelle Auf‑ gliederung der Gemeinden ist in forma‑ ler Hinsicht in der Forschung beschrieben worden. Inwiefern die zugrundeliegende bruderschaftliche Organisationsweise dabei auch inhaltlich Veränderungen an‑ stieß, indem eine wachsende Anzahl von Bereichen genossenschaftlich verwaltet wurde, hat man indes nicht gefragt. Die Vertreibung der spanischen Juden Ende des 15. Jahrhunderts stellt eine der Schwie‑ rigkeiten dar, einen möglicherweise län‑ gerfristigen Wandel in konkreten Feldern zu verfolgen. Inwiefern und auf welche Weise die spätere Verbreitung von Bruder‑ und Gesellschaften in der Frühen Neu‑ zeit, wie sie sich in so unterschiedlichen Regionen wie Böhmen, den Niederlanden, Italien oder dem Osmanischen Reich be‑ obachten lässt, auf den direkten oder in‑ direkten Einfluss spanischer Immigranten zurückzuführen ist, wird unterschiedlich beurteilt.47 Es lohnte sich, entsprechen‑ den Fragen einmal vergleichend für einen ausgewählten Bereich nachzugehen. Was bewirkte zum Beispiel die Übertragung der bruderschaftlichen Organisationsform auf das jüdische Begräbniswesen, für das die spanischen ḥavurot bereits früh die Verantwortung übernommen hatten und sich später allenthalben spezifische Ge‑ sellschaften etablierten?48 Wäre die ,Ritu‑ alisierung jüdischen Sterbens‘49, von der die Forschung spricht, in dem bekannten Maße vorangeschritten, wenn nicht re‑ gelmäßig die Mitglieder der jeweils loka‑ len Gesellschaften Wachen am Totenbett gehalten, den Leichnam zur Bestattung vorbereitet und nach dem Begräbnis die Trauernden umsorgt hätten? Im Laufe des 16. und 17. Jahrhunderts entwickelte sich in den verschiedenen Zentren jüdischen Lebens die Praxis der Sterbebettbeichte als öffentliches Ritual. Zwar existierten dies‑ bezüglich einfache talmudische Vorbilder,
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doch erst zeitgleich mit der Entstehung der Bruderschaften setzten sich die in der Regel standardisierte Beichte und das Gebet in Anwesenheit von mindestens zehn erwach‑ senen Männern (minyan) vielerorts durch.50 Monokausale Erklärungsansätze, welche die Existenz einzelner Phänomene allein auf eine genossenschaftliche Organisation zurückzuführen suchen, dürften kaum tragen. Dass Bruder‑ und Gesellschaften jedoch einen wichtigen Beitrag zur spezi‑ fischen Ausgestaltung des neuzeitlichen Totenbrauchtums geleistet haben, indem mit ihnen die Transformation der indivi‑ duell geleisteten Sorge um die Verstorbenen in ein gemeinschaftlich‑standardisiertes Unternehmen gelang, ist wahrscheinlich. Einer ganzen Reihe dynamischer Entwick‑ lungen dürfte die genossenschaftliche Form, die sich durch ihre Möglichkeiten der ten‑ denziell flexiblen Zweckanpassung und Fi‑ nanzierung auszeichnete, den geeigneten organisatorischen Rahmen geboten haben. Der jüdischen Bevölkerung des spätmit‑ telalterlichen Spanien galt die Stiftung offenbar nicht mehr als dasjenige Instru‑ ment, mittels dessen sich sozialer Wandel angemessen gestalten ließ. Auch im spätmittelalterlichen Aschkenas begegnen in ihrem Zusammenhalt ge‑ schwächte Gemeinden, die nach den Ver‑ folgungen Mitte des 14. Jahrhunderts vor allem im Gebiet des römisch‑deutschen Reiches wieder aufgebaut wurden, oftmals nur wenige Familien umfassten und sich durch eine zunehmend polarisierte Sozi‑ alstruktur auszeichneten: Den Vermögen‑ den, die nun vornehmlich in der Geldleihe tätig waren, standen die niedrig gestellten Privat‑ und Gemeindebediensteten gegen‑ über.51 Während die ältere Forschung den zunehmenden Autonomieverlust jener Ge‑ meinden konstatierte,52 wird neuerdings und breiter gefasst nach der ,Resilienz‘
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jüdischer Lebensformen in dieser Zeit ge‑ fragt.53 In entsprechendem Zusammenhang wäre nun auch zu untersuchen, inwiefern stifterliches Wirken einen Beitrag zum Fortbestand jüdischen Lebens leistete – und leisten konnte. Denn in Aschkenas dominierte die Stiftung in Form des Ge‑ meindefonds, der besonders eng mit der gemeindlichen Administration verflochten war. (→ 3.4.3; 13.4.2) Welche Wirkkraft können wir den aschkenasischen Wohltä‑ tigkeitskassen auf einen kommunalen Zu‑ sammenschluss zuschreiben, dessen Exis‑ tenz sich nicht mehr von selbst verstand? Die bisherigen Beobachtungen der For‑ schung deuten auf eine gewisse Stärkung des Zusammenhalts unter der jüdischen Bevölkerung, der auf eine fortgesetzte und über Stiftungsgelder finanzierte Wohltä‑ tigkeits‑ und Kultpraxis zurückzuführen ist. Doch ließ sich dieser Zusammenhalt offenbar nur noch in begrenztem Umfang gemeindlich organisieren. Auf der einen Seite scheinen sich Stiftung und Gemein‑ de damals in Teilen auseinanderentwi‑ ckelt zu haben. So hat Judah Galinsky die Aufmerksamkeit auf einen Wandel in der Begründung der Zehntleistung gelenkt, auf welcher etwa die Armenfürsorge maß‑ geblich gründete: Zwar war diese Abgabe bereits seit Ende des 13. Jahrhunderts vie‑ lerorts obligatorisch, doch während die Gelehrten die Leistung des entsprechenden Beitrags zunächst als Gebot auswiesen, das den Einzelnen als Gemeindemitglied band, suchten sie diese nun als religiöse Verpflichtung – und somit unabhängig von der säkular‑administrativen Ordnung – festzuschreiben.54 Auf der anderen Seite stabilisierte die Stiftung aber damals die Gemeinde offenbar auch in Teilen, indem sich über konkrete Stiftungsvollzüge ge‑ meindliche Zugehörigkeiten realisierten: Die Zürcher Juden hielten im Jahre 1382 an der gemeinsamen Finanzierung ihres
Friedhofs fest. Doch wer weder sin guot, noch sin stúr geben wollte, der – so ließen sie sich von der christlichen Herrschaft bestätigen – sollte nicht gemeinsam mit den anderen bestattet werden.55 Das jüdi‑ sche Stiftungswesen wurde also auch in Aschkenas durch die Krise der Gemeinde in Mitleidenschaft gezogen, und Zusam‑ menhänge zwischen beiden begannen, sich zu lösen. Gleichzeitig aber wirkte hier eine fortgesetzte Stiftungsaktivität stabilisie‑ rend auf den kommunalen Zusammen‑ schluss, indem mit ihrer Hilfe zentrale Bereiche jüdischen Lebens unverändert im Gemeindeverbund verblieben – nöti‑ genfalls unter Ausschluss Einzelner. 17.4.4 Makroebene In einem insgesamt noch immer wenig pro‑ filierten Feld, das die Forschungen zu Stif‑ tungen im vormodernen Judentum bilden, sucht man vergeblich nach ,Großthesen‘, wie sie in anderen Disziplinen im Hinblick auf den Einfluss des Stiftungswesens auf die Gesellschaft vertreten worden sind. (→ 17.5.4; 17.6.4) Daher wird es an die‑ ser Stelle darum gehen, grundsätzlich vor Augen zu führen und mit groben Strichen zu skizzieren, in welch unterschiedlichen Bereichen eine jüdische Stiftungspraxis ihre Wirkungen auf der Makroebene zei‑ tigte. Der Fokus liegt auf Prozessen des Wandels in Recht, Wirtschaft, Politik und vor allem Kultur. So wurden Zugehörigkeiten und Al‑ lianzen zwischen den großen Talmud‑ akademien, den Jeschiwot in Palästina und Babylonien, auf der einen Seite und den lokalen Gemeinden auf der anderen zwischen dem 7. und dem Beginn des 11. Jahrhunderts maßgeblich durch Spen‑ den und Stiftungen markiert. (→ 9.4.3; 16.4.4) Von der Beziehung zwischen der
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jeweiligen qehilah und der von ihr begüns‑ tigten Schule hing ab, ob Recht weiterge‑ geben und ausgelegt wurde, halachische Entscheidungen getroffen und über die Responsa der Geonim kommuniziert und rezipiert wurden.56 Der Abbruch dieser Verbindungen ging später einher mit der Entstehung eigener Lehrhäuser in Spanien und Ägypten, während sich die Jeschi‑ wot in Aschkenas von vornherein ohne Unterordnung unter eines der traditio‑ nellen Zentren entwickelten. Wechselnde Finanzierungsmodalitäten der Schulen, zu denen auch die Begünstigung der Einrich‑ tungen oder ihrer Schüler durch Stiftun‑ gen zählten (→ 9.4.3), konnten über die Durchsetzung einer Rechts‑ und Ausle‑ gungstradition entscheiden. Nicht zu unterschätzen sind die wirt‑ schaftlichen Impulse, die vom Stiftungs‑ wesen ausgingen: Der besondere Rechts‑ status des gestifteten Gutes, den dieses in Analogie zur Tempelgabe in der Antike genoss, gestattete den gewinnbringenden Verleih von heqdesh‑Geldern – und zwar nicht nur an Nichtjuden, sondern auch an Glaubensgenossen. Denn der talmudischen Bestimmung zufolge war das Tempelver‑ mögen vom ansonsten universalen Verbot des Geldverleihs gegen Zins (unter Israe‑ liten) ausgenommen.57 (→ 10.4.3) Die kon‑ troverse Diskussion des Sachverhalts unter den Gelehrten deutet auf einen häufigeren Gebrauch dieser Option durch die Zeitge‑ nossen hin. Ihre Attraktivität dürfte in der direkten und kurzfristigen Bereitstellung finanzieller Mittel begründet gewesen sein, wodurch Liquiditäten gesichert und Hand‑ lungsspielräume gewonnen wurden. Neben Geld zählten Grundbesitz und Land, letzte‑ res vor allem auf der iberischen Halbinsel, zum Vermögen vieler Stiftungen von Juden. (→ 10.4.2) Entsprechende Belege entkräf‑ ten nicht nur erneut das alte Klischee mangelnder jüdischer Bodenständigkeit,
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sondern lassen auch die Frage nach den sozialen Implikationen immobilen Stif‑ tungsgutes virulent werden. Die in dieser Hinsicht erst ansatzweise ausgewertete spanische Überlieferung gewährt Einblick in durchaus rege Transaktionstätigkeiten der Gemeinden, die Land, das zum heqdesh zählte, verpachteten und auch wieder ab‑ stießen.58 Allgemein, nicht spezifisch auf Stiftungsvermögen bezogen, erkennt die Forschung in einem vermehrten Landbesitz von Juden die Integration der Minderheit in das soziale und wirtschaftliche Leben ihrer Umwelt.59 Von Auswirkungen jüdischer Stiftungen, die auf einer politischen Ebene zu verorten sind, ist vor allem in jenen Fällen auszuge‑ hen, in denen der Zweck der Fundation per se diplomatische Anstrengungen und die Aufbringung erheblicher Mittel erforderte. An erster Stelle ist hier an den Freikauf von Gefangenen durch heqdesh‑Gelder zu den‑ ken, der gewöhnlich Vorrang vor anderen Stiftungszwecken genoss. (→ 3.4.2; 9.4.2) Einer solchen Auslösung von Glaubensge‑ nossen aus der Gefangenschaft von Pira‑ ten oder einzelnen Kriegsparteien gingen oftmals ein intensiver Austausch zwischen den jüdischen Gemeinden in der Region sowie eine umfangreiche Kommunikati‑ on mit nichtjüdischen Autoritäten voraus. Auch wenn keine Institutionalisierung des Verfahrens im Sinne der Entstehung fester Organisationen oder zuständiger Ämter erfolgte,60 ist doch die Ausbildung einer solidarischen Mentalität innerhalb der gemeindlichen Führungsschichten anzu‑ nehmen, deren Angehörige regelmäßig für gefangene Glaubensgenossen aktiv wurden und entsprechende Bemühungen in ihren weiteren Tätigkeitsbereich integrierten61. Dies führt am Ende zur übergreifen‑ den und wahrscheinlich grundsätzlichs‑ ten Auswirkung des Stiftungswesens: der Konstitution einer Einheit ,Israels‘ in
Juden
Denken und Handeln der Menschen. Denn es waren die heqdeshot, mittels derer sich immer wieder aufs Neue der Zusammen‑ halt eines jüdischen Kollektivs realisierte. Durch sie war es möglich, sich zwischen den verschiedenen Siedlungszentren zu bewegen und dennoch überwiegend in‑ nerhalb eines jüdischen Beziehungsnetzes zu verbleiben: Wer als Jude in eine frem‑ de Gemeinde gelangte, konnte mit einer Grundversorgung aus Mitteln des heqdesh rechnen, wie sie bereits der Talmud gebot. (→ 9.4.1) Herbergen, die vermutlich vieler‑ orts zum immobilen Stiftungsvermögen zählten, boten Obdach. (→ 3.4.4) Dass man den Zugereisten hierfür mittelfristig, wie jedes andere Gemeindemitglied auch, in seine Pflicht nahm, verstand sich von selbst. Zumindest dem Ideal nach wur‑ de jeder bedürftige Jude durch Spenden und Stiftungen versorgt. Dies betraf ein‑ heimische Arme nicht anders als fremde
317
Bedürftige. (→ 17.4.2) Integrierend wirkte der Gemeinde‑heqdesh schließlich nach au‑ ßen ebenso wie nach innen: Zum einen sah man sich nicht nur gegenüber den Glau‑ bensgenossen vor Ort verpflichtet, sondern nutzte die Mittel des gemeinsamen Fonds auch zu Hilfeleistungen an Juden in der Ferne. Dabei kam der Unterstützung der Jerusalemer Armen besondere Bedeutung zuteil. (→ 3.4.2; 16.4.3) Zum anderen ge‑ lang es in der Sorge um das gemeinsame Stiftungsgut offenbar auch, Differenzen zwischen den verschiedenen Glaubens‑ gruppen innerhalb einer Stadt zu überwin‑ den, wenn palästinische und babylonische Kongregationen das Stiftungsvermögen gemeinsam verwalteten oder Stifter Rab‑ baniten und Karäer zu gleichen Teilen begünstigen. (→ 14.4.7) Erst über den heqdesh, so könnte man sagen, gewann ,Israel‘ seine spezifische Gestalt.62 SH
Anmerkungen 1 In Mischna und Talmud findet sich fast durch‑ Gemeinden der ,Arab World‘ verstand, wie sie uns
gängig die Selbstbezeichnung ,Israel‘ (yisraʾʾel), über die Kairoer Geniza überliefert sind; vgl. Goidie als Benennung der religiösen, mythischen tein, Mediterranean Society (1967–1993, ND 1999). und historischen Gemeinschaft auch im hebräi‑ In stärkerem Maße als Goitein betont die neuere schen Schrifttum des Mittelalters dominiert. Da‑ Forschung eine relative und wechselnde Bedeu‑ neben existierte die seltenere Bezugnahme auf tung gemeindlicher Zugehörigkeit innerhalb der die ,Juden‘ (yehudim), mittels derer vermutlich zeitgenössischen sozialen Ordnung; vgl. für einen in stärkerem Maße eine ethnische Identität des Einblick Simonsohn, Communal Boundaries (2007); Kollektivs behauptet wurde. Schwierig blieb im auch Rustow, Limits (2009), bes. 134, Anm. 3, mit zweiten Fall die Abgrenzung von der christlich‑ der Aufführung der einschlägigen Literatur. Vor negativen Vorstellung des Judas Ischariot. Vgl. diesem Hintergrund erscheint es angemessen, den Limor / Yuval, Judas Ischariot (2011), 44 f.; zu den Begriff der ,Gesellschaft‘ für das umfassendere antiken Grundlagen G. Harvey, True Israel (1996), Kollektiv zu reservieren, Teil derer die jüdische ,Gemeinschaft‘ in Gestalt ihrer Gemeinden war. in der Zusammenfassung 267–273. 2 Terminologisch wird die stets doppelte Zu‑ 3 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 3 gehörigkeit der Juden zum eigenen ebenso wie (1978, ND 1999), bes. 1 f.; zur erweiterten Familie zu einem übergeordneten Kollektiv unterschied‑ 1–47; zur Kernfamilie 160–312; Rabinowitz / Rainey, lich erfasst. Bekannt ist etwa das monumentale Family (2007). Werk Shlomo D. Goiteins, das er der ,Mediterra‑ 4 Siehe die Formulierung der Fortpflanzungs‑ nean Society‘ widmete, unter der er die jüdischen pflicht in m Jeb 6.6 in Übereinstimmung mit
318 Gen 1.28. Genau genommen war der Mann den Rabbinen zufolge zur Zeugung von Nachwuchs verpflichtet, während die Frau das Recht besaß, Kinder zu haben; siehe bT Jeb 65b. Blieb eine Ehe zehn Jahre lang kinderlos, war der Mann dem Gesetz nach zur Scheidung verpflichtet. Vgl. Biale, Classical Teachings (1994), 136–139; Rabinowitz / Rainey, Family (2007), 694 f. 5 Symptomatisch ist, dass die umfangreichen sozialgeschichtlichen Überblickswerke der jüdi‑ schen Familie keine Aufmerksamkeit schenken. Weder in der 18‑bändigen Sozial‑ und Religions‑ geschichte Salo W. Barons noch in der jüngeren vierbändigen Gesellschaftsgeschichte, die unter der Ägide Shmuel Triganos entstand, werden den Themen von Familie und Verwandtschaft eigenständige Kapitel gewidmet: Baron, Social and Religious History (1952–1983); Trigano, Société juive (1992–1993). Zu den wenigen Ausnahmen im Gebiet zählen mit Konzentration auf die Frühe Neuzeit Katz, Tradition und Krise (2002), 135–156; sicherlich auch Goitein, Mediterranean Society, Bd. 3 (1978, ND 1999). Für einen instruktiven For‑ schungseinblick vgl. noch immer Baumgarten, Mothers and Children (2004), 7–13. 6 Siehe Documents of the Jewish Pious Foun‑ dations from the Cairo Geniza. Ed. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Institute, Bd. 12.) Leiden 1976, 299, Nr. 66. Wörtlich heißt es am Ende, dass die Erträge nun der Unterstüt‑ zung der Armen dienen sollten, was Gil zufolge bedeutete, dass sie dem heqdesh zugutekamen. Vgl. auch die besondere Hervorhebung des Dokuments ebd., 8, sowie bei G. Baer, Muslim Waqf (2005), 273. 7 Zu entsprechenden Deutungsmöglichkeiten → 7.4.3. Weitere Fälle verwandtschaftlicher Be‑ günstigung oder familiären Besitzes, auf die Gil im Zuge der Behandlung von zwischen dem heqdesh und Einzelpersonen geteiltem Eigentum zu sprechen kommt, wurden – was die jeweils ,priva‑ te‘ Seite betraf – nicht durch das Instrument der Stiftung erwirkt bzw. geschaffen; vgl. Documents. Ed. Gil (wie Anm. 6), 32 f. Den besten Über‑ und Einblick in die fortwährende Erschließung der Geniza‑Bestände gewährt das ,Friedberg Genizah Project‘, online: http://www.genizah.org/ (Zugriff am 26. 6. 2016). 8 Vgl. Galinsky, Commemoration and Heqdesh (2005), 192 f.; Ders., Jewish Charitable Bequests
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(2005), 426. Während Galinsky den Typus der privaten Stiftung nur in Spanien realisiert sah, lassen sich entsprechende Ansätze eigenständiger Verwaltungsformen gestifteten Vermögens auch in Aschkenas ausmachen; → 13.4.2. 9 Vgl. Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 427. 10 Vgl. die Übersicht der ausgewerteten Re‑ sponsaliteratur ebd., 428 f. 11 Vgl. mit Blick auf die Untersuchung islami‑ scher und lateinchristlicher Stiftungen Lusiardi, Familie und Stiftung (2008), bes. 363–369. 12 Vgl. V. B. Mann, Torah Ornaments (2005), 30; → 6.4.2. Zu Gedenktafeln, die in Spanien den Na‑ men des Stifters am übereigneten Immobilienbesitz verzeichneten, und der Sorge von Familie bzw. Erben um einen solchen Vermerk auch Blasco Martínez, Instituciones sociorreligiosas (1989–1990), 10; 282 f., Nr. 9; zur Erinnerung an einen Vorfahren als Begründer einer Bruderschaft ebd., 31. 13 Siehe Inschrift Worms 801, in: epidat – epi‑ graphische Datenbank. Ed. Steinheim-Institut, on‑ line: http://www.steinheim‑institut.de/cgi‑bin/ epidat?id=wrm‑801 (Zugriff am 26. 6. 2016). Vgl. zur Inschrift auch Baumgarten, Practicing Piety (2014), 103; 258, Anm. 3; → 15.4.2. 14 Vgl. zum jüdischen Erbrecht und seiner Ent‑ wicklung Shilo / Elon, Succession (2007); Sinclair, Inheritance (2011); auch Goitein, Mediterranean Society, Bd. 3 (1978, ND 1999), 277–292. Grund‑ sätzlich zählte das Erbrecht zu jenen Bereichen, in denen jüdische Rechtsvorstellungen und sol‑ che der (muslimischen) Umwelt interferierten, so dass in der Praxis auch Mischformen auftreten konnten; vgl. ebd., Bd. 2 (1971, ND 1999), 395–402. Zum besonderen Erbrecht der Karäer und seinem Einfluss auf die Stiftungspraxis Rozen, Trust of Lady Khrisula (2015), bes. 106. 15 Die wenigen bekannten Fälle einer materiel‑ len Begünstigung von Familienmitgliedern durch das Instrument der Stiftung werden implizit oder explizit auf das Vorbild der islamischen Familien‑ stiftung zurückgeführt; vgl. Documents. Ed. Gil (wie Anm. 6), 11; entsprechende Überlegungen auch zur privaten Stiftung in Spanien bei Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 426. Im Einzel‑ fall nicht immer einfach zu entscheiden ist, ob eine Stiftung nach jüdischem oder islamischem Recht errichtet wurde; vgl. G. Baer, Muslim Waqf (2005),
Juden
259, Anm. 4; 273. Letzteres gestattete es den Ange‑ hörigen der religiösen Minderheiten (ḏimmīs) un‑ ter bestimmten Bedingungen, Stiftungen zu grün‑ den und zu unterhalten; → 12.3.2; 13.4.3; 18.4.4. Fälle, in denen Juden Stiftungen nach islamischem Scharia‑Recht errichteten, sind später aus dem Osmanischen Reich überliefert. Ihre Verbreitung wird unterschiedlich beurteilt; vgl. H. Gerber, Jews and the Vakif Institution (2008); Ben-Naeh, Jews (2008), 285–288; Rozen, Trust of Lady Khrisula (2015). Ob und gegebenenfalls welche Auswir‑ kungen die veränderte Rechtslage auf jüdische Familienstrukturen hatte, ist bislang nicht sys‑ tematisch untersucht worden. Insgesamt scheint die eigene Nachkommenschaft weiterhin seltener als die Gemeinschaft begünstigt worden zu sein; vgl. Mohasseb Saliba, Introduction (2016), 22–24. 16 Beispiele von Stiftern, die kinderlos waren oder deren Kinder verstorben waren, finden sich verstreut in der Literatur zu den verschiedenen Regionen jüdischen Lebens im Mittelalter. Sys‑ tematischer sind entsprechende Konstellationen noch nicht in den Blick genommen worden. Vgl. zu Befunden der Kairoer Geniza Documents. Ed. Gil (wie Anm. 6), 5; 10; 35 f.; für ein spanisches Beispiel Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 437; zum Stifterehepaar der Wormser Frauen synagoge Brocke, Pflanzstätte von Mär‑ tyrern (2009), 27–33; → 6.4.2. 17 So die rabbinische und später wiederholt aufgegriffene Interpretation des Bibelverses: bT Ket 52b; vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 3 (1978, ND 1999), 43; Katz, Tradition und Krise (2002), 149. War ein Verwandter des Armen in der Lage, ihn zu unterstützen, entfiel die gemeindli‑ che Verpflichtung zur Hilfeleistung. Klassischer Bezugspunkt dieser Auffassung ist bT Ned 65b; vgl. ebd., 154. 18 Vgl. M. R. Cohen, Jewish Self‑Government (1980), 207; Ders., Poverty and Charity (2005), 192– 194. Sobald Verwandte in der Stadt aufgefunden wurden, wurden öffentliche Wohltätigkeitsleis‑ tungen eingestellt; vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 3 (1978, ND 1999), 45; M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 192. 19 Vgl. M. R. Cohen, Foreign Jewish Poor (2003); Ders., Poverty and Charity (2005), 72–108. 20 In den spanischen Gemeinden unter christli‑ cher Herrschaft überließ man die Armenfürsorge
319 vermutlich lange Zeit der privaten Organisa‑ tion; vgl. zu diesbezüglich unterschiedlichen Einschätzungen der Forschung Anm. 40. Lässt sich auf der Grundlage dieses Tatbestands auf die Existenz fester verwandtschaftlicher Bezie‑ hungen schließen, die über die Kernfamilie hin‑ ausreichten und den Mangel an gemeindlicher Unterstützung kompensierten? Und inwiefern veränderten sich entsprechende Strukturen mit der Etablierung öffentlicher und heqdesh‑basierter Formen der Wohltätigkeit? Zu ähnlichen Überle‑ gungen regt die Entwicklung einer festen und für alle verpflichtenden Zehntabgabe in Aschkenas seit Ende des 13. Jahrhunderts an; vgl. Galinsky, Public Charity (2010); Ders., Custom (2011). 21 Zur hohen Zahl alleinstehender Frauen, die in Fustat (Altkairo) auf die Brotverteilungen in der Gemeinde angewiesen waren und bei denen es sich vermutlich zu einem Großteil um Wit‑ wen handelte, vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 3 (1978, ND 1999), 63–65; 259 f.; M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 149–152. Als Dauer‑ zustand dürfte die Abhängigkeit von öffentlichen Wohltätigkeitsleistungen niemand angestrebt ha‑ ben: Der Bezug entsprechender Leistungen war mit einem hohen Schamempfinden der Bedürf‑ tigen verbunden, wie Mark Cohen anhand von Bittbriefen der Kairoer Geniza zeigen konnte; vgl. ebd., 41–51. Ein nicht unerheblicher Anteil verwitweter und geschiedener Frauen ging ein zweites Mal die Ehe ein und kehrte quasi wieder zum alten Familienmodell zurück; vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 3 (1978, ND 1999), 63; 272–277. 22 Vgl. zur Versorgung von Waisenkindern, die in Fustat in enger Verflechtung familiärer und gemeindlicher Strukturen realisiert wurde, M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 236–239; auch Goitein, Mediterranean Society, Bd. 3 (1978, ND 1999), 302–312. Bruderschaftlich organisierte Formen der Mitgiftsorge sind aus dem spätmit‑ telalterlichen Spanien sowie dem frühneuzeit‑ lichen Aschkenas bekannt; vgl. Blasco Martínez, Instituciones sociorreligiosas (1989–1990), 20; Assis, Welfare and Mutual Aid (1992), 326, und Katz, Tradition und Krise (2002), 140. 23 So nennt die heqdesh‑Buchführung für Juni 1201 auch den Rechtsgelehrten R. Anaṭoli von Lunel als Geldempfänger; siehe Documents. Ed.
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Gil (wie Anm. 6), 378–385, Nr. 101, hier 381, c4. 29 Als klassisches Werk der jüdischen Gemein‑ Freilich handelte es sich bei R. Anaṭoli um einen degeschichte ist weiterhin zu verweisen auf Baron, Emigranten, der sich dauerhaft in seiner neuen Jewish Community (1942); einflussreich bis heu‑ ägyptischen Heimat niederließ; vgl. ebd., 106; te auch die erstmals im Jahre 1950 publizierten 384 f., Anm. 21; grundsätzlich zur Gelehrtenun‑ Überlegungen von Y. Baer, Origins (1989). Instruk‑ terstützung 105–107. Überlegungen zum Gelehr‑ tive Forschungsüberblicke mit Konzentration tenstatus außerhalb von Ehe und Familie auch auf den Nahen Osten bieten M. R. Cohen, Jewish bei Goitein, Mediterranean Society, Bd. 3 (1978, Communal Organization (1997); Rustow, Genizah ND 1999), 61–65; zur Anziehungskraft der philoso‑ (2011); für Spanien E. Klein, Jews (2006), 1–8; 16–15; phischen Askese, die mit Ablehnung von Ehe und für Aschkenas Haverkamp, Jüdische Gemeinden Kindern im Gegensatz zur jüdischen Tradition (2003); Bell, Jewish Communities (2008); Toch, stand, Algazi, Habitus (2010), 206–208. Juden (2013), 87–89. 24 Vgl. die Gegenüberstellung der wirtschaftli‑ 30 Vgl. vor allem Goitein, Mediterranean Soci‑ chen Grundlagen jüdischer Bildungsinstitutionen ety, Bd. 2 (1971, ND 1999), 40–91; die Einleitung in Spanien und Aschkenas bei Kanarfogel, Jewish zu Documents. Ed. Gil (wie Anm. 6), 37–47; dann Education (1992), 42–54. Ausführlich → 9.4.3. auch umfassender zur jüdischen Führungsschicht 25 Vgl. Anm. 21. Allgemein zur Lage von Frauen und Gemeindepolitik Bareket, Fustat on the Nile in Abwesenheit ihrer Ehemänner Goitein, Medi‑ (1999); Rustow, Heresy (2008). terranean Society, Bd. 3 (1978, ND 1999), 189–205; 31 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 143–146. (1971, ND 1999), 23–40; vor allem M. R. Cohen, Jew‑ Zur Unterstützung einer Witwe und ihrer Kinder ish Self‑Government (1980). Seit dem 13. Jahrhun‑ nach dem Tod des gelehrten Gatten Documents. dert führte das Oberhaupt den Titel ‚Nagid‘. Ed. Gil (wie Anm. 6), 105. 32 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 26 Vgl. M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), (1971, ND 1999), 126–128. Eine Auswahl von Al‑ 80 f. Die Übergänge zwischen der Pilgerschaft als mosenlisten, insbesondere solcher der Brotver‑ zeitweiligem Aufenthalt und einer solchen mit dem teilung, findet sich in engl. Übers. in The Voice Ziel der dauerhaften Niederlassung im Heiligen of the Poor in the Middle Ages. An Anthology Land waren fließend. Zu entsprechenden Almo‑ of Documents from the Cairo Geniza. Ed. Mark sengaben → 9.4.3; zu einem auf Jerusalem ausge‑ R. Cohen. Princeton / Oxford 2005, bes. 113–146. richteten Stiftungsraum → 16.4.3. Grundsätzlich 33 Für eine Gegenüberstellung ,privater‘ und zum Phänomen der jüdischen Pilgerschaft Aslanov, ,öffentlicher‘ Wohltätigkeit vgl. M. R. Cohen, Pov‑ Jewish Pilgrimage (2010); Ders., For Which Purpose erty and Charity (2005), 189–218; zur Brotver‑ (2014), sowie noch immer Reiner, Pilgrims (1988). teilung als Teil der ,öffentlichen‘ Wohltätigkeit 27 So sind an der spanischen ‚Frontier‘ um 1300 ebd., 204–211. Hinweise auf die Existenz nur eines einzigen heq- 34 Vgl. ebd., 211–220. desh zur Unterstützung der Waisen, Witwen und 35 Dass fremde Juden, insbesondere als mittel‑ Armen in Valencia belegt, zu einem Zeitpunkt, lose Immigranten oder Flüchtlinge, gegenüber als in den etablierten Zentren unter der Krone einheimischen Armen häufiger im Nachteil wa‑ Aragóns sich entsprechende Wohltätigkeitsein‑ ren, wenn es um den Kontakt zu privaten Wohl‑ richtungen bereits relativ weit verbreitet hatten. tätern ging, und ihre Bedürftigkeit grundsätzlich Vgl. J. Ray, Sephardic Frontier (2006), 103; grund‑ gesondert nachzuweisen hatten, belegt die Über‑ sätzlich zur jüdischen Bevölkerung im Prozess lieferung wiederholt; vgl. M. R. Cohen, Foreign der ,Reconquista‘ Ders., Reconquista (2014). Jewish Poor (2003), 59–63; Ders., Poverty and 28 Hier ist an die vertriebenen spanischen Juden Charity (2005), bes. 88–104. Das Beispiel eines zu denken, die sich in ihrer jeweils neuen Heimat entsprechend ausführlichen Empfehlungsschrei‑ zunächst bruderschaftlich organisierten; vgl. zu bens aus dem Sommer 1229, das ein Jude aus Bag‑ Italien Ruderman, Founding (1976), bes. 248; zum dad mit sich führte, findet sich in engl.Übers. in Osmanischen Reich Ben-Naeh, Jewish Confrater‑ Voice of the Poor. Ed. Cohen (wie Anm. 32), 56 f., nities (1998), bes. 293–298; Ders., Jews (2008), 284 f. Nr. 24. Hingegen waren die Namen fremder Juden
Juden
auf den Almosenlisten des heqdesh häufig und regelmäßig vertreten; vgl. zur Gruppe der Immi‑ granten M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 82–85. Eine Herabsetzung der Brotrationen infolge ökonomischer Engpässe betraf gegebenenfalls einheimische und fremde Juden gleichermaßen; vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 128. 36 Siehe bT Bava Batra 8b; vgl. auch B. E. Klein, Idealisieren, neutralisieren, bekämpfen (2000), 24–26. 37 Vgl. M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 204–211. 38 Vgl. die Überlegungen ebd., 210 f. 39 Vgl. noch immer Y. Baer, History of the Jews, Bd. 2 (1961), bes. 35–94; auch Gutwirth, Expulsion (1992). Für einen neuen gesamtiberischen Blick auf das 15. Jahrhundert Castaño, Peninsula (2016). 40 Von einer grundsätzlich späten Ausbildung öffentlicher Wohltätigkeitseinrichtungen im Spa‑ nien des 14. Jahrhunderts geht aus Assis, Welfare and Mutual Aid (1992), 318–323; Ders., Institutions sociales médiévales (1992), 187–190. Bereits eine frühere Verbreitung entsprechender Institutionen im 13. Jahrhundert nimmt Galinsky an, vermerkt aber eine spätere Popularität privater Stiftungen; vgl. Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 423–426; auch Ders., Commemoration and Heq‑ desch (2005), 192–195. 41 Zum Spannungsverhältnis zwischen Stiftung und Genossenschaft vgl. Borgolte, Stiftungen des Mittelalters im Spannungsfeld von Herrschaft und Genossenschaft (1994, ND 2012), bes. 26 f.; 31 f. 42 Gewöhnlich wird die Entstehung der Bru‑ derschaften mit der Unzufriedenheit sozial be‑ nachteiligter Gruppen in den jüdischen Gemein‑ den erklärt, die auf diese Weise ihre Interessen wahrzunehmen suchten; vgl. Blasco Martínez, Instituciones sociorreligiosas (1989–1990), 8 f.; Assis, Welfare and Mutual Aid (1992), 323 f.; Ders., Institutions sociales médiévales (1992), 187–190. Dass sich der konstitutionelle Wandel jedoch grundsätzlich nicht allein als interne Angele‑ genheit der Gemeinden begreifen lässt, sondern auch im Zusammenhang mit Veränderungen der politischen Kultur Aragóns zu sehen ist, betont E. Klein, Good Servants (2005), bes. 59–61; 71 f. 43 Vgl. Blasco Martínez, Instituciones sociorre‑ ligiosas (1989–1990); ausführlicher zur damaligen
321 Situation der jüdischen Bevölkerung Saragossas Dies., Judería (1988). 44 Siehe Die Juden im christlichen Spanien. Ers‑ ter Teil: Urkunden und Regesten, 2 Bde. Ed. Fritz Baer. (Veröffentlichungen der Akademie für die Wissenschaft des Judentums. Historische Sek‑ tion, Bd. 4.) Berlin 1929–1936, ND Farnborough (Hampshire) 1970, Bd. 1, 229–237, Nr. 179, hier 235; 236. In der historischen Wirklichkeit ver‑ fließen die Gegensätze zwischen Stiftung und Genossenschaft mitunter. So bemühte man sich etwa auch in manch einer Bruderschaft um eine möglichst dauerhafte Zweckbindung jener Mit‑ tel, über die man gemeinschaftlich verfügte; siehe für ein frühes Beispiel aus dem beginnen‑ den 14. Jahrhundert Asher b. Yehiel, Sheʾelot u‑ teshuvot le‑ha‑rav rabbenu Asher zʺl. Ed. Yitzhak Shlomo Yudlov. Jerusalem 1994, 58, Nr. 13.12; vgl. auch Assis, Institutions sociales médiévales (1992), 196; → 12.4.2. Nichtsdestotrotz handelte es sich auch bei diesem Zusammenschluss für die Zeitgenossen um eine ,Bruderschaft‘ (ḥavurah) und augenscheinlich nicht um eine Stiftung bzw. einen Teil des Gemeinde‑heqdesh, über dessen Kapitalbestand nicht derart grundsätzlich hätte entschieden werden müssen. 45 Vgl. Blasco Martínez, Instituciones socior‑ religiosas (1989–1990), 12 f. Ausführlichere und weniger ausführliche Bezeichnungsformen des Gemeindefonds waren gebräuchlich, die aber al‑ lesamt den Wechsel zu einem bruderschaftlichen Verständnis der Einrichtung spiegelten. 46 Insofern die neuen Zusammenschlüsse der Juden einer herrschaftlichen Bestätigung bedurf‑ ten, fanden diese ihren Niederschlag sowohl in lateinisch‑volkssprachlichen Urkundentexten als auch in der hebräischen Responsaliteratur. Nachgewiesen sind genossenschaftliche Bündnis‑ se auf diese Weise neben Saragossa und Huesca unter anderem auch in Barcelona, Gerona, Lérida, Perpignan, Valencia und mehreren kastilischen Orten; vgl. zum einen bereits die von Fritz Baer erfassten Belege, die sich über den Registereintrag ,confratria, confraria ( ‘)חברהder von ihm edier‑ ten Urkundensammlung ermitteln lassen: Juden im christlichen Spanien. Ed. Baer (wie Anm. 44). Eine Auswahl weiterer Dokumente findet sich im Anhang der Studie von Blasco Martínez, In‑ stituciones sociorreligiosas (1989–1990), 271–287.
322 Zum anderen bietet Yom Tov Assis einen Einstieg in die betreffende Responsaüberlieferung; vgl. vor allem Assis, Institutions sociales médiévales (1992), 194–198; 201–208. 47 Vgl. Ruderman, Founding (1976), bes. 233 f. mit Anm. 2; 242–248; J. R. Marcus, Communal Sick‑Care (1978), 63–70; Assis, Institutions soci‑ ales médiévales (1992), 196–198; Ben-Naeh, Jewish Confraternities (1998), bes. 302–308. 48 Die frühesten spanischen Bruderschaften, von denen wir in den Responsa und Urkundentex‑ ten erfahren, dienten dem Begräbnis; vgl. Anm. 46. Ähnlich stand die Organisation des Bestattungs‑ wesens in den entsprechenden frühneuzeitlichen Verbindungen am Anfang oder war integraler Bestandteil der bruderschaftlichen Organisation; vgl. für Aschkenas S. A. Goldberg, Deux rives du Yabbok (1989), bes. 101–128; für Italien Ruderman, Founding (1976), 237; Horowitz, Jewish Confrater‑ nal Piety (2000), 151 f.; für das Osmanische Reich Ben-Naeh, Jewish Confraternities (1998), 289–291. Grundsätzlich zur Institution der ,heiligen Ge‑ sellschaft‘ bzw. ,heiligen Bruderschaft‘, als welche die Begräbnisverbände in der Neuzeit bekannt wurden, Rabinowitz / Goldberg, Ḥevra (Ḥavurah) Kaddisha (2007). 49 Vgl. Bar-Levav, Ritualisation (2002). 50 Vgl. Horowitz, Jews of Europe (1995); BarLevav, Death (2002), 59–64; auch S. A. Goldberg, Deux rives du Yabbok (1989), 138; Ben-Naeh, Jewish Confraternities (1998), 289–291; Horowitz, Jewish Confraternal Piety (2000), 154; 169. 51 Nach Abschluss der Arbeiten zum dritten Band der ,Germania Judaica‘ ist die Zeit zwischen 1350 und 1519 empirisch besonders gut erfasst; vgl. Maimon / Breuer / Guggenheim, Germania Judaica (1987–2003); speziell zur Gemeindeentwicklung Breuer / Guggenheim, Jüdische Gemeinde (2003). Zur halachischen Diskussion auch noch immer Zimmer, Harmony and Discord (1970). 52 Vgl. als Einblick Gilomen, Juden (2009), 24–28. 53 Vgl. das Projekt ,Aschkenasische Juden im späten Mittelalter: Reaktionen auf Verfolgung, Entrechtung und Vertreibung‘, das Teil der Trie‑ rer Forschergruppe zum Thema ,Resilienz‘ bildet; online: Universität Trier, https://www.uni‑trier. de/index.php?id=59136 (Zugriff am 1. 7. 2016). 54 Vgl. Galinsky, Custom (2011), 222–226; zur Kontextualisierung der Rechtsdiskussionen in
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einer Zeit des Autoritätsverlusts der Gemeinde 227 f. 55 Siehe Die Zürcher Stadtbücher des XIV. und XV. Jahrhunderts, Bd. 1. Ed. Heinrich Zeller-Werdmüller, Leipzig 1899, 269, Nr. 72; vgl. Brunschwig, Zweite jüdische Gemeinde (2005), 65. Das Prinzip, jene von der Bestattung auszuschließen, die sich nicht an Finanzierung und fortlaufendem Unter‑ halt der Begräbnisstätte beteiligten, begegnet auch in der Responsaüberlieferung; siehe New Responsa of Rabbi Yaacov Molin‑Maharil. Ed. Yitzchok Satz. Jerusalem 1977, 136–138, Nr. 111, hier 138. Die christ‑ liche Herrschaft, die den Beschluss der Juden in Zürich beurkundete, dürfte die Entscheidung also nicht inhaltlich geprägt haben. 56 Vgl. Rustow, Genizah (2011), bes. 297–310; für eine Beschreibung des flexiblen rabbinischen Netzwerkes auch Simonsohn, Common Justice (2011), 120–146. 57 Vgl. Kochen, It was not for Naught (2008), 134; Dies., Organ Donation (2014), 71. 58 Vgl. Assis, Jewish Economy (1997), 100 f.; auch Blasco Martínez, Instituciones sociorreligiosas (1989–1990), 10–12. 59 So vor allem in Bezug auf Spanien im 13. Jahr‑ hundert J. Ray, Sephardic Frontier (2006), 36; 52; allgemein zum jüdischen Landbesitz ebd., 36–54. Vgl. auch Toch, Economic History (2013), 215–230. 60 So M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 109 f.; weiter zur Gefangenenauslösung ebd., 111–123. 61 In diese Richtung argumentiert – allgemein auf die Wohltätigkeitspraxis bezogen – Frenkel, Charity in Jewish Society (2009), speziell zur Ge‑ fangenenauslösung ebd., 351–354. Frenkel spricht von ,Handlungslogik‘ und ,kulturellen Mustern‘, die das Tun der historischen Akteure prägen; ebd., 348; 350; 351. Nochmals spezifischer zum Freikauf von Gefangenen als ,ökumenischem Unternehmen‘ jetzt Dies., Liberty to Captives (2015), bes. 92; 95 f. 62 Bereits Shlomo D. Goitein spricht in ähnli‑ cher Weise von den ,ökumenischen Aspekten‘ der Wohltätigkeit; vgl. Goitein, Mediterranean Soci‑ ety, Bd. 2 (1971, ND 1999), 94–97. Zur kollektiven Vorstellung von ,Israel‘ vgl. Anm. 1.
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Griechisch-orthodoxe Christen
17.5 Griechisch-orthodoxe Christen 17.5.1 Allgemeines Dass Stiftungen die byzantinische Gesell‑ schaft geprägt haben, gilt in der Byzanti‑ nistik als sicher. Bedingt ist dies schon durch die Überlieferungslage, und noch in der Gegenwart sind es Stiftungen, auf die Klöster als ihren Entstehungszusammen‑ hang verweisen. Mittelalterlicher Herr‑ scher, Patriarchen und (anderer) Wohl‑ täter wird noch heute in den Liturgien der Klöster auf dem Berg Athos gedacht. Klöster im ganzen östlichen Mittelmeer‑ raum, die einst kaiserliche Gunst genos‑ sen, bezeichnen sich bis in die Gegenwart als ‚kaiserlich‘ (basilikē), und ihre Mönche haben beharrlich ihren Ruf als Bewahrer der byzantinischen Überlieferung gepflegt. In einem Briefwechsel mit Philipp Meyer, einem deutschen Pfarrer, der in seiner Zeit zu den führenden Forschern der Athos‑ Klöster zählte, behauptete am Ende des 19. Jahrhunderts ein Mönch der Großen Laura im Hinblick auf die Wohltäter, dass durch das klösterliche Gebetsgedenken „die Namen ihrer verdorrten Knochen (…) fast zehn Jahrhunderte in Erinnerung ge‑ blieben“ seien.1 Statt auf diesen großen Erfolg orthodo‑ xer Stiftungen als Instrumente der Entzeit‑ lichung hinzuweisen, hat sich die Byzan‑ tinistik – heute noch von einem starken Staatszentrismus gekennzeichnet – indes‑ sen fast nur auf den angeblichen Beitrag der Stiftungen (vor allem der Klöster) zum Niedergang des Reiches konzentriert (‚Cha‑ ranis‑These‘;→ 17.5.4; 18.5.2; 2.5.4). Eine solch negative Auffassung von orthodo‑ xen Stiftungen blendet aus, dass ‚Byzanz‘ nicht nur ein Kaiserreich war, sondern auch ein Kulturgebiet, nach bestimmten
Auffassungen sogar ein ‚Commonwealth‘ (Dimitri Obolensky), dessen Wirkung weit über die politischen Grenzen hinausreich‑ te. Im Folgenden soll auf der Makroebene der Wirkung von Stiftungen auf die Ge‑ sellschaft nachgegangen werden; ähnlich wird nach der Bedeutung der Stiftungen auf der Meso‑ sowie Mikroebene gefragt, die bisher so gut wie gar nicht erforscht ist. 17.5.2 Mikroebene Auch ohne eingehende Forschungsarbeiten kann unterstellt werden, dass Familie und Verwandtschaft in Byzanz durch Stiftun‑ gen in ihrem historischen Wandel beein‑ flusst wurden, wie dies auch andersherum gilt. Jede einzelne Stiftung entzog dem Fa‑ milienvermögen bzw. Erbe einen bestimm‑ ten Anteil; daraus ergab sich ein Zwang zu neuen Kooperationen im Familienverband ebenso wie die Gefahr von Konflikten, und beides trug entschieden zum langfristigen Überleben oder zum Untergang der Stif‑ tung nach dem Stiftertod bei. Stiftungen schufen sogar neue Familienbeziehungen: So konnte ein familienloser Eunuch im Rahmen einer Klosterstiftung monasti‑ sche Brüder (adelphoi) gewinnen. Einige Tendenzen der Interaktionen zwischen Stif‑ tung und Familie sind in diachronischer Perspektive erkennbar. In seinen ersten Phasen stellte das Christentum und damit auch die christ‑ liche Stiftung eine große Herausforderung für das überkommene griechisch‑römische Familienbild dar. In der vorchristlichen Gesellschaft wurden bestimmte Gebote
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der neuen Religion weder verstanden noch gebilligt, weil sie mit dem Wert der Erhal‑ tung der Familie kollidierten. Die Lehre Christi begünstigte ja den Verzicht auf eine Familiengründung, denn das Evange‑ lium überliefert die Worte „So jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater, Mutter, Weib, Kinder, Brüder, Schwestern, auch dazu sein eigen Leben, der kann nicht mein Jünger sein“ (Lk 14.26). Insbesondere im christlichen Mönchtum wurde diese Botschaft umgesetzt, dessen frühe Anhän‑ ger ihre Distanz zur ganzen Gesellschaft und insbesondere zur Familie betonten. Zum anderen galt im Christentum die freiwillige Armut als hoher Wert, der wie‑ derum in Verbindung mit dem Mönchtum jenseits familiärer Solidarität realisier‑ bar erschien.2 Unter Bezug auf den Wert der Familie stellte sich dementsprechend Kaiser Julian, der sich vom Christentum abgewandt hatte und die ‚Galiläer‘ bitter kritisierte, gegen das Gebot der freiwil‑ ligen Armut: „Kann irgendjemand diese Lehre preisen, wenn ihre Ausführung doch dazu führen müsste, dass so weder eine Stadt noch ein Volk noch eine ein‑ zige Familie zusammengehalten werden könnte? Und wie könnte irgendein Haus oder eine Familie irgendeinen Wert be‑ wahren, wenn alles verkauft sein sollte?“3 Das christliche Stiftungswesen konnte also nicht entstehen, ohne die Frage seiner Vereinbarkeit mit den Erwartungen an die Familie zu klären. Nach der klassischen Darstellung von Eberhard F. Bruck haben die griechischen Kirchenväter eine Lösung für dieses Pro‑ blem gefunden, der zufolge ein Wohltäter seine Gabe, die nicht das ganze Vermögen, sondern nur einen Anteil davon umfasste, als einen ‚Seelteil‘ (psychikon) betrachten konnte.4 (→ 1.5.2) Basileios, Bischof von Kaisareia und wohl der einflussreichste Anhänger dieser Lehre,5 ermutigte seine
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wohlhabenden Kirchgänger, ihre Seele wie ihre eigenen Kinder anzusehen. Auf den Einwand, dass sie den Reichtum für ihre Erben behalten müssten, antwortete der Bischof: „Ist dir deine Seele nicht näher als jegliches Kind? Ist sie dir nicht näher als al‑ les? Gib ihr das Erbteil eines Erstgeborenen. Spende ihr reichlichen Lebensunterhalt, und dann verteile das übrige Vermögen unter den Kindern.“6 Die Ursprünge des christlichen Stiftungswesens im oströmi‑ schen Reich sind mit diesem Kompromiss zwischen Stiftung und Familie verbunden. Dass Stiftung ein Familienanliegen war, erkannten auch die weltlichen Gesetzge‑ ber. Aus der Regierungszeit Kaiser Zenons (474–491) stammt das früheste römische Gesetz, das sich mit dem Mönchtum be‑ schäftigt; es sollte auf die Gefahr reagieren, dass wohlhabende curiales bzw. decuriones, die mit der Eintreibung von Steuern Ver‑ antwortung für ihre Städte trugen, ihre staatlichen Aufgaben durch Übertritt ins Mönchtum umgingen.7 Die betreffenden Personen sollten nach dem Wortlaut des Gesetzes ihren Anspruch auf das Familien‑ vermögen verlieren, sodass ihre Familien ihre Steuerschulden (munera) stellvertre‑ tend für sie trügen. Weil das Gesetz ebenso streng die Veräußerung von Gütern durch diese curiales regelt, liegt die Vermutung nahe, dass mit ihm auch Schenkungen an Klöster und Stiftungen durch die wohlha‑ bende Oberschicht eingedämmt werden sollten.8 Während hier die Gesetzgebung auf die Erhaltung des Familienvermögens und gegen Stiftungstätigkeit zielte, fin‑ det man unter Justinian das Bestreben, nicht nur den Stifter selbst, sondern auch seine Familie und Nachkommen für den Bestand einer Stiftung in die Pflicht zu nehmen. Nachkommen eines Stifters, die sich weigerten, das Gehalt für die betref‑ fenden Kleriker zu bezahlen, drohte die
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kaiserliche Gesetzgebung jetzt die Kon‑ fiskation von Familiengütern an, um mit ihren Erträgen die Stiftung zu unterhalten.9 Der Gesetzgeber stärkte auch die Verbin‑ dung der Nachkommen eines Stifters mit dem guten Werk, indem der Familie etwa ein bleibendes Ernennungsrecht für den Klerus überlassen wurde.10 Zeitgenössische Quellen bestätigen diese familiäre Traditionsbildung. Die in einer Epigrammen‑Sammlung überlieferte In‑ schrift für die konstantinopolitanische St.‑ Euphemia‑Kirche belegt drei Generationen von Stifterinnen über eine Zeitspanne von der Mitte des 5. Jahrhunderts bis zu den Jah‑ ren 527/528.11 Eine so langfristige Bindung der Stiftung an die Stifterfamilie wirkte sich auf die Vermögensverteilung aus, weil Stiftungen in der Spätantike hauptsächlich durch jährliche Einkünfte bzw. Renten von Gütern finanziert wurden, die aber sonst im Eigentum der Stifterfamilie blieben. (→ 10.5.2) Im Gegensatz dazu versuchten manche Familien, ihre Ansprüche auf das Kapital der Stiftung geltend zu machen. Stiftungen wurden in diesem Kontext als Eigenkir‑ chen oder Eigenklöster deklariert, welche diachronisch betrachtet eine prominente Eigenheit des Kirchenwesens in Byzanz und im Ostchristentum darstellten.12 Die frühesten überlieferten Stiftungsurkunden, die aus dem spätantiken Ägypten stammen, thematisieren oft die mögliche Bedrohung einer Stiftung durch die Stifterfamilie. Apa Abraham etwa, Bischof von Hermonthis und Stifter des St.‑Phoibammon‑Klosters in der Nähe des ägyptischen Theben, warnte seine Verwandten väterlicher‑ und müt‑ terlicherseits in seinem Testament vor gerichtlichen Klagen gegen sein Kloster.13 Die Dynamik zwischen Familie und Stif‑ tung veränderte sich beim Übergang in die mittelbyzantinische Zeit. Zum einen wurden Stiftungen nun hauptsächlich durch
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zu eigen gestiftete Güter und nicht wie im spätrömischen Reich durch Renten finan‑ ziert. Das bedeutete die dauerhafte Veräu‑ ßerung von Familiengütern an die Stiftung. Zum anderen basierte das Steuersystem dieser Zeit nicht mehr auf den Abgaben vor allem der Aristokratie; der Staatshaushalt wurde also nicht mehr unmittelbar durch die Übertragung von Eigentum an steuerbe‑ günstige Stiftungen der führenden Familien des Reiches gefährdet. Besonders Stifter mit Kindern strebten nun die Integration ihrer Familie durch eine Stiftung an. Diese Tendenz ist deutlich bei den sogenannten ‚aristokratischen‘ typika zu beobachten.14 (→ 3.5.5; 14.5.2) Catia Galatariotou zufol‑ ge „fand das Bestreben, die Bande der Ver‑ wandtschaft zu stärken und zu bewahren, Ausdruck in der Klostergründung, deren Ziel es war, ein materielles, ewiges Band zwischen dem Stifter oder der Stifterin und seiner oder ihrer Nachkommenschaft zu knüpfen“.15 So schrieb Michael Attaleiates in seiner Stiftungsurkunde vor, dass sein Sohn Theodor als Verwalter (ephoros) sei‑ nes Armenhauses und Klosters fungieren sowie zwei Drittel der Überschüsse aus dem Stiftungseinkommen erhalten sollte.16 Die‑ ser Richter und Historiker sah auch vor, dass seine (männlichen, aber notfalls auch weiblichen) Nachkommen immer das Amt des Verwalters (ephoros) ausüben sollten.17 Abgesehen von der Verwaltung durch die Familie ist auch die Präsenz mehrerer Ver‑ wandten der Stifterfamilie als Nonnen in dem typikon des kaiserlichen Kecharitome‑ ne‑Nonnenklosters belegt; Frauenkonvente dieser Art waren sehr typisch für byzanti‑ nische ‚Familienklöster‘.18 Obwohl der überzeugenden Quellenty‑ pologie Catia Galatariotous zufolge ‚nicht‑ aristokratische‘ typika eher durch einen familienkritischen Charakter gekennzeich‑ net seien,19 muss diese Aussage etwas re‑ lativiert werden. Zwar ist eine gewisse
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Zurückhaltung gegenüber der Familie eine Eigenschaft der normativen monastischen Literatur in Byzanz, doch sind in unteren Schichten zahlreiche Fälle von Stiftungen als Familienvorhaben überliefert.20 Im Tes‑ tament für sein Boteine‑Kloster berichtet Maximos, wie sein Vater, ein Köhler, aus ei‑ genen Mitteln eine kleine Einsiedelei gestif‑ tet habe.21 Maximosʼ Großvater, ein Mönch, hatte dort gemeinsam mit dem Vater gelebt, bevor sich auch zwei Onkel des Vaters an‑ schlossen und die Kongregation schließlich aus ungefähr sechs Mönchen bestand. Die Gemeinschaft wuchs weiter, bis Maximos selbst in das Kloster eintrat. Unter seiner Leitung erhielt es reiche Schenkungen und Zustiftungen, sodass die Zahl der Mönche wuchs und auf 20 anstieg. Die Entstehung und das schrittweise Wachsen dieser klei‑ nen Familienstiftung ist vergleichsweise gut dokumentiert und entspricht zweifellos einer breiteren gesellschaftlichen Praxis.22 Für die Aristokratie ebenso wie für die Un‑ terschicht stellten Stiftungen ein Mittel zur Bewahrung des Familienvermögens und zur Versorgung von Familienmitgliedern dar. Ein anderer, noch weitgehend unerforsch‑ ter Aspekt des Einflusses von Stiftungen auf Familie und Verwandtschaft betrifft die Ent‑ wicklung des byzantinischen Eherechts. Im Gegensatz zum herkömmlichen römischen Recht wurde die christliche Ehe als Einheit von zwei Personen (und zwei Vermögen) wahrgenommen. Deshalb sahen die griechi‑ schen Kirchenväter Wiederverheiratungen auch sehr ungern; bereits im 4. Jahrhundert hatte Gregor von Nazianz geurteilt, eine erste Ehe sei rechtmäßig, eine zweite ver‑ zeihlich, eine dritte gesetzwidrig, jegliche weitere Ehe aber ‚schweinisch‘ (chorōdēs).23 Diese theologische Abneigung gegen die Wiederheirat setzte sich im Laufe des Mit‑ telalters allmählich auch rechtlich durch.24 Der Jurist Eustathios Rhomaios zitierte im 11. Jahrhundert in einer Rechtsentscheidung
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zustimmend die Worte der Pallas Athene in der ‚Odyssee‘: „[D]u kennst ja des Weibes Gesinnung! / Immer sucht sie den Mann, der ihr beiwohnt, zu bereichern; / Aber die vorigen Kinder und ihrer Jugend Geliebten / Kennt sie nicht mehr, da er starb, und fraget nimmer nach ihnen.“25 Es scheint plausibel, dass die Stiftung die verbreitete Abneigung gegen die Wiederheirat stützte, weil sie auch eine Lösung für die Vermögensfrage bei kinderlosen Witwen darstellen konnte, deren Erbe sonst nach dem Tod an entfernte Verwandte gegeben worden wäre.26 (→ 15.5) Witwen sind als Stifterinnen insbesondere bei Kollektivstiftungen auf dem Land be‑ zeugt; fünf solcher Beispiele sind allein aus dem mittelalterlichen Kreta bekannt.27 Ähn‑ liches könnte man für Eunuchen anführen, denn auch hier boten Stiftungen wohl eine Antwort auf Fragen des zu vererbenden Vermögens, die sich ergaben, weil die bio‑ logische Herkunftsfamilie byzantinischer Eunuchen manchmal (aber nicht immer) be‑ kannt und damit potentiell erbfähig war.28 Aber auch für kinderlose Paare entwi‑ ckelten sich Stiftungen zu einer attraktiven Option. Obwohl ein genaues Urteil hier kaum statistisch zu begründen ist, stellten sie gewiss einen beträchtlichen Anteil der bekannten Fälle byzantinischer Stifter dar. Kinderlose Paare litten in Byzanz nicht unter der rechtlichen Beschränkung der sogenannten ‚Lex Falcidia‘, nach der ein Teil des Vermögens (ursprünglich ein Vier‑ tel, später ein Drittel oder die Hälfte) den Erben vorzubehalten war; denn anders als es in römischer Zeit der Fall gewesen war, waren in Byzanz Kinder im Wesent‑ lichen die einzigen Verwandten, für die man einen Erbteil vorsah.29 Ohne Kinder war die Sorge dieser Paare indessen umso größer, wer sich nach ihrem Ableben um ihr Seelenheil sorgen würde. Wie stark diese Angst sein konnte, zeigt sich in einer Stiftungsurkunde des Ehepaars Konstantin
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und Maria Lagoudes aus dem Jahr 1014. Beide berichten, dass sie weder Kinder noch andere Personen für die Sorge um ihre Seele (einen katapsychikos) hatten.30 Mit der Stiftung ihres gesamten Vermögens, das aus einem Gut und zwei Weinbergen bestand, an das athonitische Laura‑Kloster erwartete das Ehepaar, dass ihre Seelen so mit den Seelen der Brüder vereint sein würden, wie dies bei den Brüdern unter‑ einander der Fall war.31 Eine weitere Form der Interaktion zwi‑ schen Stiftung und Familie stellten schließ‑ lich Leibrenten dar. Ab dem 11. Jahrhundert sind sie bekannt, oft als anapauseis bezeich‑ net. Hauptsächlich wurden sie von älteren Mönchen geschaffen, die ihre Kleinklöster oder Einsiedeleien gegen eine Leibrente an ein größeres Kloster stifteten.32 Diese Leibrenten fungierten also als Ersatz für eine familiäre Versorgung für Männer in hohem Alter. Sie entwickelten sich im spä‑ ten Byzanz zum sogenannten adelphaton weiter. (→ 12.5.3) Dieses bestand aus einer einmaligen Schenkung an ein Kloster; als Gegenleistung bezahlte das Kloster eine Leibrente an eine von dem Schenker be‑ stimmte Person, die dann als adelphatarios bezeichnet wurde. Obwohl eine Leibren‑ te dieser Art eine Schenkung oder sogar Investition und keine Stiftung war, findet man auch adelphata, die tatsächlich als Stiftungen liturgischen Gedenkens Teile größerer Stiftungen waren.33 Leibrenten ermöglichten den Stiftern oft, sich selbst oder ihre Familien aus dem Einkommen einer Stiftung zu ernähren. Die Tatsache, dass adelphata vor allem im 14. Jahrhundert auf dem Berg Athos überliefert sind, also in einer Zeit gro‑ ßer gesellschaftlicher und politischer In‑ stabilität, veranlasste unter anderem den Byzantinisten Nicholas Oikonomides zu dem Schluss, dass die Stiftung von Leibren‑ ten eine Vorsorgemaßnahme orthodoxer
Aristokraten darstellte, die sonst keinen sicheren Ort für Leib, Geld und Familie hatten.34 Weil in einigen Fällen adelphata über Generationen vererbt worden sein dürften, fungierten sie dann in gewisser Weise wie eine Art byzantinischer Fami‑ lienstiftung. 17.5.3 Mesoebene Griechisch‑orthodoxe Stiftungen prägten im Laufe des Mittelalters den urbanen ebenso wie den ländlichen Lebensraum. Das lässt sich besonders an der ‚Kaiserin der Städte‘ (Basileuousa), Konstantinopel, beobachten. (→ 16.5.4) Für die Bewohner der Hauptstadt war das tägliche Leben sehr von Stiftungen geprägt, sei es durch die zahlreichen wohltätigen Anstalten der Stadt, sei es durch die gestifteten Kirchen und Klöster, die man zum Gottesdienst aufsuchte. Der Effekt einer Stiftung auf einen ländlichen Raum, wo sie sogar als hauptsächlicher Immobilienbesitzer in Er‑ scheinung trat, war aber wohl noch größer. (→ 16.5.2) Wenngleich man der Unausgeglichen‑ heit der Überlieferung Rechnung tragen muss, waren wohl einige Regionen des Reiches stärker als andere von Stiftungen geprägt. Ein Beispiel ist die Insel Patmos. Sie war nach Piratenüberfällen Ende des 11. Jahrhunderts angeblich menschenleer, bevor sie Kaiser Alexios I. Komnenos dem Mönch Christodoulos für sein Johannes‑ Kloster schenkte. Christodoulos brauchte Bauern für seine monastische Gemein‑ schaft, bestand aber darauf, dass nur un‑ verheiratete und kinderlose Männer sei‑ nen Mönchen dienen sollten. (→ 12.5.2) Selbst wenn er später auf diese völlig un‑ realistische Forderung verzichten muss‑ te, zeigt die Geschichte der Klostergrün‑ dung, dass Stiftungen neue Lebens‑ und
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Sozialverhältnisse auf regionaler Ebene schaffen konnten. Ähnlich einschneidend war die Wirkung der Stiftung für die Juden der Insel Chios zur Zeit der Gründung der Nea Mone; Kaiser Konstantin XI. Mono‑ machos stiftete nämlich 1049 dem Kloster die gesamte jüdische Bevölkerung der Insel (15 Familien).35 Die griechischen Inseln des Mittelalters wurden überhaupt sehr von Stiftungen geprägt. Auf dem klösterlichen Landbesitz auf Limnos zum Beispiel wurde im Spätmittelalter mehr als ein Sechstel der gesamten Wirtschaftserträge der Insel produziert.36 Stiftungen, bei denen sich die ländliche Bevölkerung begegnete, waren in der Re‑ gel aber nicht die großen Klöster, sondern Dorfkirchen, Einsiedeleien und Kleinklös‑ ter. Die Überlieferung deutet darauf hin, dass diese kleineren Gründungen, auch wenn sie an größere Klöster übergegangen waren, noch als ‚Vernetzungsagenturen‘ wirkten und etwa Dörfer zu Teilen eines größeren regionalen Gefüges religiöser Institutionen machten.37 Diese Tendenz war besonders stark in den Donaufürs‑ tentümern, da dort Klöster und Kirchen kontinuierlich an die Athos‑Klöster und Patriarchate gestiftet wurden. (→ 18.5.4) 17.5.4 Makroebene Dass Stiftungen, besonders Klöster, die by‑ zantinische Gesellschaft auf einer Makro‑ ebene geprägt haben, ist in der Byzanti‑ nistik seit Langem thematisiert worden. Dabei standen zwei Themen im Vorder‑ grund: (1.) die Rolle von Stiftungen im so‑ genannten byzantinischen ‚Feudalismus‘ und entsprechend beim Niedergang des Reiches (‚Charanis‑These‘); (2.) die Funk‑ tion von Stiftungen als kulturelle Träger, besonders in der osmanischen Zeit (‚Ark of Hellenism‘).
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(1.) Wie anderernorts in dieser Enzyklopä‑ die diskutiert, (→ 2.5.4; 18.5.2) stehen der byzantinische Feudalismus und die ‚Cha‑ ranis‑These‘ im Mittelpunkt der Diskussion um die langfristige Rolle von Stiftungen in Byzanz. Beeinflusst von den entspre‑ chenden Diskussionen in der Mediävistik haben Byzantinisten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts auch die Existenz ei‑ nes byzantinischen Feudalismus postuliert. Nach dieser Auffassung sei im Laufe des 7. und 8. Jahrhunderts ein freies (und – so besonders die russische und balkanische Byzantinistik – slawisches) Kleinbauern‑ tum entstanden. Dieses (slawische) Klein‑ bauerntum habe das Bollwerk des Reiches gebildet und durch seinen Dienst im Heer sogar den Staat vor islamischen Invasionen gerettet.38 Nach dem militärischen und politischen Aufschwung des Reiches im 9. Jahrhundert seien seine Güter jedoch allmählich durch Großgrundbesitzer (die Aristokratie und die Klöstern) enteignet worden, sodass nur abhängige Bauern (paroikoi) übrig blieben. Die größeren Ei‑ gentümer sollen dann erfolgreich massive Steuerbefreiungen und andere Privilegien erworben haben, wodurch der Staat sei‑ ner Steuern beraubt und gravierend ge‑ schwächt worden sei. Bekanntester An‑ hänger dieser Theorie eines byzantinischen Feudalismus war der deutsch‑russische Gelehrte Georg Ostrogorsky,39 während Peter Charanis, Professor der byzantini‑ schen Geschichte an der Rutgers University in New Jersey, die Rolle der Klöster im Feudalisierungsprozess betonte40. Bevor die Gültigkeit der Charanis‑ These überprüft werden soll, muss hier zunächst unterstrichen werden, dass die Bezeichnung ‚Feudalismus‘ im heutigen Forschungsstand keinen anerkannten Platz mehr einnimmt. In neuerer Zeit hat John Haldon eher für ein nuanciertes Mo‑ dell von Feudalismus plädiert, im Sinne
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eines sogenannten ‚Tributary State‘, der Byzanz, das osmanische Reich und das Mogulreich charakterisiert habe.41 Alan Harvey wies bereits 1989 auf die erhebli‑ chen Unterschiede zwischen dem westli‑ chen und dem vermuteten byzantinischen Feudalismus hin: Die byzantinische Ent‑ sprechung zum Lehen, die pronoia, war, vor allem in der ersten Jahrzehnten der Institution, nicht erblich und wurde auch nicht an Aristokraten, sondern meistens an Soldaten gegeben; sie kannte keine Wei‑ terverteilung (‚Subfeudation‘) und keine Gerichtsbarkeit über abhängige Bauern im Kontext der pronoia.42 Paroikoi waren, im Unterschied zu Leibeigenen, nicht mit dem Land verbunden; sie erhielten nach 30 Jahren das Recht, auf einem von ih‑ nen bewirtschafteten Gut zu bleiben, und besaßen gelegentlich selbst Güter (Felder, Weinberge).43 Neuere Untersuchungen über die Wechselwirkung von Landeigentum und Gesellschaft in Byzanz, etwa die aus‑ führliche Untersuchung zu pronoia von Mark Bartusis,44 haben deswegen die Be‑ zeichnung ‚Feudalismus‘ vermieden und stattdessen die griechischen Quellenter‑ mini selbst benutzt (was methodisch eine anfechtbare Lösung darstellt). Wenngleich vom älteren Begriff des Feudalismus in der Forschung nicht mehr viel übrig ist, bleibt jedoch das alte Para‑ dox, dass griechisch‑orthodoxe Stiftun‑ gen, die sich im Laufe des Mittelalters auf unterschiedliche Weise erfolgreich Vor‑ rechte des Staates angeeignet hatten, den Staat selbst überlebten. Als Stiftungen im 10. Jahrhundert zum ersten Mal in Byzanz als mächtige Landeigentümer erschienen, besaßen sie nur begrenzte Steuerfreiheit (exkousseia), und zwar nur für sekundäre Abgaben auf ihre Güter und abhängige Bauern (paroikoi).45 Sie mussten zu dieser Zeit allerdings immer noch die Haupt‑ steuer auf Land (telos) zahlen. Angesichts
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dieser Tatsache begünstigte das Reich die Landakkumulation bei Stiftungen, weil es dadurch gleichzeitig selbst zu Steuern kam. Die Schenkung unproduktiven Lan‑ des (klasma) an athonitische Klöster legt sogar nahe, dass der Staat die Bewirtschaf‑ tung des Landes durch Stiftungen als vor‑ teilhaft ansah.46 Einige Zahlen vermögen den beein‑ druckenden, jedoch noch nicht bedrohli‑ chen Anstieg der Zahl gestifteter Klöster im Hochmittelalter zu belegen. Für die Stiftung des Generals Gregor Pakouria‑ nos waren dem typikon des Stifters zufol‑ ge 1 669 Goldmünzen (28,18 Pfund Gold) jährlich unter den Begünstigten zu ver‑ teilen.47 Das ganze Stiftungsvermögen bestand kaiserlichen Privilegien zufolge aus ehemalig staatlichem Land. Leider gibt es zwar für diese Zeit aber keine ver‑ lässlichen Berechnungen für den Umfang des Staatshaushalts 48, der (extrem hoch angesetzten) Zahl von Warren Treadgold nach entspräche die Stiftung des Gregor Pakourianos jedoch etwa 0,287 % der nicht‑ militärischen Ausgaben des Reiches im Jahr 1025.49 Wenn man die chaotischen Ereignisse des Halbjahrhunderts zwischen 1025 und der Stiftung Gregors bedenkt, wä‑ ren aber wohl geringere ‚zivile‘ Staats‑ ausgaben und damit ein Anteil von 1 % vielleicht realistischer. Ein vernünftigerer Vergleich würde aber darin bestehen, das Einkommen dieser Stiftung mit dem Ge‑ halt (rhoga) eines Provinzgouverneurs zu konfrontieren, das bei größeren Bezirken im 10. Jahrhundert zwischen 20 und 40 Pfund Gold lag,50 jedoch kein persönliches Einkommen darstellte, sondern eigentlich einen Provinzhaushalt, aus dem auch die Leibwächter, die Diener und der Haushalt des Gouverneurs bezahlt werden mussten. Die Stiftung des Gregor Pakourianos hatte also ein Einkommen, das dem Haushalt einer ganzen Provinz des Reiches und, so
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betrachtet, einer erheblichen Summe ent‑ sprach. Nach der Eroberung Konstantinopels im Jahr 1204 erhielten Klöster Privilegien von einer Art, die sie vorher nicht kannten; ihnen wurden nämlich Freiheit von der Hauptsteuer gewährt sowie ganze Dörfer gestiftet. Damit wurde der Staatshaushalt schwer belastet,51 denn die Stiftungsgüter und in einigen Fällen auch ihre Bauern lieferten jetzt ihre gesamten Erträge steu‑ erfrei an die Stiftung selbst ab. Gestiftete Klöster und das Patriarchat von Konstanti‑ nopel wurden auf diese Weise anstelle des Staates die Haupteigentümer des Landes.52 Für die erste Hälfte des 14. Jahrhunderts sind einige Zahlen überliefert, die uns ein besseres Bild von der Bedeutung von Stif‑ tungen in der byzantinischen Gesellschaft vermitteln. Für die 1320er Jahre hat Mark Bartusis errechnet, dass der Staatshaushalt zwischen ca. 200 000 und 300 000 Gold‑ münzen (hyperpyra) umfasst haben muss.53 Zur gleichen Zeit lag das jährliche Einkom‑ men aus der Großen Laura, dem reichsten Kloster auf dem Berg Athos, in etwa bei gut 12 000 Goldmünzen.54 Kleinere Beträge sind für andere athonitische Klöster be‑ rechnet worden: 1 250 Goldmünzen für das Iberer‑Kloster; 500 für das Esphigmenou‑ Kloster; 580 für das Hilandar‑Kloster; 138 für das Zographou‑Kloster.55 Wenn der Ertrag der wohlhabendsten Stiftung des Reiches also vermutlich einem Zwanzigstel des Staatshaushalts entsprach, scheint die Charanis‑These nach dem aktuellen For‑ schungsstand auf den ersten Blick doch plausibel. Ungeachtet der Bedeutung dieser Zah‑ len gibt es aber gute Gründe, die Hypo‑ these vom Zusammenhang zwischen der vermehrten materiellen Förderung von Stiftungen und dem Niedergang des by‑ zantinischen Staates anzufechten. Zum einen waren Stiftungen Akteure in einem
Gesellschaftlicher Wandel
größeren Prozess der Devolution, nicht aber ihr Verursacher. Während der Staat bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts aus sei‑ ner Kasse die Beamtengehälter direkt be‑ zahlte, wurden in den folgenden Jahrhun‑ derten stattdessen Staatsgüter an Klöster, den Adel (oft Mitglieder der herrschenden Dynastie) und an pronoia‑Begünstigte (in der Regel Soldaten) verliehen. Das führ‑ te bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts dazu, dass der Staat keine Erträge mehr direkt aus Staatsgütern erhielt.56 Darüber hinaus wurden Stiftungen zu Recht als sehr kompetente Verwalter von Gütern angesehen.57 Die Kaiser vergaben ab dem 9. Jahrhundert verlassenes Land an Klöster, wohl in der Erwartung, durch klösterliche Bewirtschaftung dieser Güter wieder mit Einnahmen aus der Hauptsteuer rechnen zu können. (→ 10.5.2) Zum anderen bleibt bei der Charanis‑ These ausgeblendet, dass orthodoxe Stif‑ tungen nach 1453 das Fortleben byzanti‑ nischer Traditionen sogar gestärkt haben. Was die Klöster des Athos angeht, hat Gra‑ ham Speake in diesem Sinne behauptet: „Far from contracting, then, the number and variety of monastic establishments on the Holy Mountain increased consider‑ ably during the first centuries of Ottoman rule. True, there was no longer a Christian emperor in Constantinople to provide fi‑ nancial support when this was needed, but instead the monasteries were able to turn to Orthodox rulers who were not under direct rule from the Sublime Porte, notably the Danubian principalities of Moldavia and Wallachia, but also to a lesser extent those of Russia and Georgia.“58 (2.) Die Rolle der byzantinischen und ‚nachbyzantinischen‘ Stiftungen, vor al‑ lem der Klöster, als Träger von Kultur ist in der Forschung weitgehend anerkannt.59 Diese Bedeutung erweist sich besonders
Griechisch-orthodoxe Christen
an der handschriftlichen Überlieferung; ein großer Anteil der griechischen Codi‑ ces aus der vormodernen Zeit stammt aus Klosterbibliotheken. Von den ca. 55 000 überlieferten griechischen Handschriften (im Vergleich zu ca. 300 000 lateinischen Büchern dieser Art) werden mehrere Tau‑ send (ca. 12 000 Bücher insgesamt, davon ca. 3 000 aus der byzantinischen Zeit) in den Klosterarchiven des Berges Athos auf‑ bewahrt.60 Der Beitrag der Stiftungen zu dieser Akkumulation ist bemerkenswert: Die reichste Bibliothek, die der Großen Laura, einer im 10. Jahrhundert entstan‑ denen kaiserlichen Stiftung, umfasst etwa 2 000 Bücher. Repräsentativer sind aber die Bücherschätze der Stifter Michael At‑ taleiates und Gregor Pakourianos, zweier führender Figuren der byzantinischen Politik des 11. Jahrhunderts: Bei ihnen zählt man 40–45 bzw. ca. 30 Handschrif‑ ten.61 Für seine Kirchenstiftung im öst‑ lichen Kleinasien listete der Grundherr Eustathios Boїlas (ebenso 11. Jahrhundert) ungefähr 90 Bücher auf, eine beeindru‑ ckende Bibliothek.62 Im Gegensatz zu anderen wichtigen Sammlungen von Handschriften in By‑ zanz, wie der kaiserlichen Bibliothek, den Bibliotheken der Bildungseinrichtungen
331
der Hauptstadt und den Archiven der aris‑ tokratischen Häuser, die fast ausnahmslos nicht die osmanische Eroberung überleb‑ ten, bewahrten Stiftungen wegen ihrer An‑ passungsfähigkeit dieses kulturelle Gut wenigstens teilweise. Beim Johannes‑Klos‑ ter auf Patmos ist zum Beispiel von ca. 300 Handschriften, die in einem Inventar aus dem Jahr 1201 erwähnt werden, heute noch ungefähr ein Drittel erhalten.63 Angesichts ihrer kulturellen und ma‑ teriellen Ressourcen haben Stiftungen in Byzanz beachtliche Wirkungen auf die Gesellschaft im Ganzen ausgeübt. Ihr Ein‑ fluss war besonders in der nachmittelal‑ terlichen Epoche stark, als die Pflege des ‚Hellenismus‘ (der in Byzanz vor ca. 1200 eher mit einer ausschließlich heidnischen griechischen Kultur konnotiert worden war) und der kulturellen Überlieferung der griechischen Antike und des mittelal‑ terlichen Kaiserreiches hauptsächlich eine Sache der orthodoxen Kirche sowie ortho‑ doxer Stiftungen war. Graham Speake hat den Berg Athos in der osmanischen Zeit als eine ‚Ark of Hellenism‘ beschrieben: ein Reservoir und ein Gefäß griechischer Kultur für die orthodoxe Welt.64 ZC
Anmerkungen 1 Ph. Meyer, Beiträge (1890), 562, Anm. 2. 2 Siehe Laniado, Early Byzantine State (2009). 3 Against the Galilaeans. Ed. und übers. Wilmer
Cave Wright, in: The Works of the Emperor Julian, Bd. 3. London / New York 1923, 318–433, hier 430 (gr. Text); 431 (engl. Übers.). Vgl. Laniado, Early Byzantine State (2009), 20 f. 4 Bruck, Kirchenväter und soziales Erbrecht (1956), 1–75. 5 Siehe aber den Einwand Susan Holmans, dass Bruck Basileios in übertriebenem Maße für die
Erfindung des Seelteils verantwortlich mache: Holman, Hungry Are Dying (2001), 14–16. 6 Basileios von Kaisareia, In divites (Oratio 7). Ed. Jacques Paul Migne, in: PG 31. Paris 1857, Sp. 277–304, hier Sp. 300. Vgl. Bruck, Kirchenväter und soziales Erbrecht (1956), 6 f. 7 Theodosiani libri XVI cum constitionibus sir‑ mondianis, Bd. 1. Ed. Theodor Mommsen / Paul Martin Meyer. Berlin 31962, 678, 12.1.63. Vgl. Laniado, Early Byzantine State (2009), 22–24; Wipszycka, Moines (2009), 358.
332 8 So die Deutung von Wipszycka, Resources
(2011), 163–165. 9 Iustiniani Novellae. Ed. Rudolfus Schoell / Guilelmus Kroll. (CIC 3.) Dublin / Zürich 101972, 312–314, Nr. 57, hier 313. Vgl. Thomas, Private Re‑ ligious Foundations (1987), 49. 10 Iustiniani Novellae. Ed. Schoell / Kroll (wie Anm. 9), 593–625, Nr. 123.18, hier 608; Thomas, Pri‑ vate Religious Foundations (1987), 53 f. 11 The Greek Anthology. Ed. und übers. W. R. Paton, 5 Bde. (Loeb Classical Library, Bd. 67.) Cam‑ bridge (Mass.) / London 1916–1918, hier Bd. 1, 12 (gr. Text); 13 (engl. Übers.), Nr. 12. Vgl. Brubaker, Memories of Helena (1997), 56. 12 Chitwood, Proprietary Church (2016). 13 Greek Papyri in the British Museum, Bd. 1. Ed. F. G. Kenyon. London 1893, 231–236, Nr. 77 (P Lond. I. 77), hier 233 f. Engl. Übers. von Leslie S. B. MacCoull in: BMFD 1, 51–58, hier 56. 14 Galatariotou, Byzantine Ktetorika Typika (1987), 95–101. 15 Ebd., 95. 16 La diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 39, 1981, 5–143, hier 53, Z. 608, bis 55, Z. 618. Engl. Übers. von Alice-Mary Talbot in: BMFD 1, 326–376, hier 345. 17 Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 16), 35, Z. 280, bis 37, Z. 330; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 16), 338 f. 18 Galatariotou, Byzantine Women’s Monastic Communities (1988), 279–283. 19 Galatariotou, Byzantine Ktetorika Typika (1987), 108. 20 Smyrlis, Small Family Foundations (2007). 21 Actes de Vatopédi, 2 Bde. Ed. Jacques Bompaire. (Archives de l’Athos, Bd. 21–22.) Paris 2001– 2006, hier Bd. 1, 136–162. Engl. Übers. von George Dennis, auf Grundlage einer älteren Edition, in: BMFD 3, 1176–1195. 22 Ein sehr ähnliches Muster für die Entste‑ hung eines typischen Dorf klosters ist in ei‑ ner Novelle Kaiser Basileios’ II. beschrieben: Novelle de Basile II. Ed. Nicolas Svoronos / P. Gounaridis, Les Novelles des empereurs macé‑ doniens concernant la terre et les stratiotes. Athen 1994, 190–217, hier 208, Z. 99–114 (Fas‑ sung 1); 209, Z. 131–147 (Fassung 2). Engl. Übers. von John Thomas in Stiftung und Staat im Mit‑ telalter. Eine byzantinisch‑lateineuropäische
Gesellschaftlicher Wandel
Quellenanthologie in komparatistischer Pers‑ pektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011, 343–345. 23 Gregorius Nazianzenus, In dictum evangelii: Cum consummasset Jesus hos sermones (Oratio 37). Ed. Jacques Paul Migne, in: PG 36. Paris 1858, Sp. 281–308, hier 292. 24 Zachariä von Lingenthal, Geschichte des griechisch‑römischen Rechts (1892), 81–83. 25 Practica ex actis Eustathiou Romani. Ed. Carl Eduard Zachariä von Lingenthal. (JGR 1.) Leipzig 1856, 102 f., cap. 25.20; Odyssee 15.20–23. Übers. Johann Heinrich Voß. Leipzig 121979, 180. 26 Zwei prominente Bespiele aus dem 11. Jahr‑ hundert: Neville, Adventures (2014); A.-M. Talbot, Riche veuve (2014). 27 Gerstel / Kalopissi-Verti, Female Church Foun‑ ders (2014), 209. 28 Zum Beispiel Morris, Symeon the Sancti‑ fied (2007). 29 D. Simon, Lex Falcidia (1991). 30 Actes de Lavra, Bd. 1. Ed. Paul Lemerle / André Guillou / Nicolas Svoronos et al. (Actes de l’Athos, Bd. 5.) Paris 1970, 148–151, Nr. 18, hier 150, Z. 18–21. 31 Actes de Lavra, Bd. 1. Ed. Lemerle / Guillou / Svoronos (wie Anm. 30), 150, Z. 37 f. 32 Morris, Reciprocal Gifts (2010), 185–187. 33 Evangelatou-Notara, Ἀδελφᾶτον (2005), 164–167. 34 Oikonomides, Patronage (1996, ND 2005). 35 Argenti, Jewish Community (1966). 36 Haldon, Limnos (1986), 170; 175. 37 Vgl. etwa die Stiftung des Klosters des Kon‑ stantin Cholebiares (14. oder 15. Jahrhundert) an das Johannes‑Prodromos‑Kloster in Makedonien. Kon‑ stantin, der auch Stifter dieses Klosters war, bekam als Gegenleistung zwei Leibrenten (adelphata). Vgl. Le Codex B du monastère Saint‑Jean‑Prodrome (Serrès), Bd. A. Ed. Lisa Bénou. (Textes, documents, études sur le monde byzantin, néohellénique et balkanique, Bd. 2.) Paris 1998, 298–300, Nr. 168. 38 Górecki, Slavic Theory of the Byzantine Rural Community (2009); Dies., Slavic Theory in Russian Pre‑Revolutionary Historiography (1986). 39 Ostrogorsky, Histoire (1954). 40 Charanis, Monastic Properties (1948). 41 Haldon, State (1993). 42 A. Harvey, Economic Expansion (1989), 6–11. 43 Laiou / Morrisson, Byzantine Economy (2007), 105 f.
Indien
44 Bartusis, Land and Privilege (2012). 45 Das Folgende nach ebd., 598 f. 46 Kaplan, Moines (1993, ND 2011), 485 f. 47 Nikolova, Monastère de Bačkovo (2011), 52 f. 48 So Oikonomides, Role of the Byzantine State
(2002), 1016, mit Bezug auf Treadgold, Byzantine State Finances (1982). 49 Treadgold, Byzantium and Its Army (1995), 195–198. 50 Oikonomides, Role of the Byzantine State (2002), 1012. 51 Bartusis, Land and Privilege (2012), 599 f. 52 Laiou / Morrisson, Byzantine Economy (2007), 227. 53 Bartusis, Land and Privilege (2012), 529. 54 Svoronos, Domaine de Lavra (1982), 171. Ich habe hier die Zahl von Svoronos (12 000 Gold‑ münzen) statt der von Laiou, Agrarian Economy (2002), 349, (4 000 Goldmünzen) zitiert, weil ers‑ tere ausführlicher begründet ist. 55 Ebd. 56 Bartusis, Land and Privilege (2012), 611.
333 57 Smyrlis, Fortune (2006), 247. 58 Speake, Ark of Hellenism (2012), 141. 59 Bryer, Late Byzantine Monastery, (1979,
ND 1980), 239 f. Sogar Charanis, Monk (1971), 84, hat die positive Rolle der orthodoxen Klöster in der Zeit der osmanischen Herrschaft eingeräumt: „For the monastery as an institution survived the general catastrophe, and in due course helped the Christian peoples of the Balkan peninsula to regain their dignity.“ 60 Die Anzahl der griechischen Handschriften überhaupt findet sich bei Dain, Manuscrits (1975), 77. Die Anzahl der griechischen Bücher auf dem Berg Athos bei N. Wilson, Libraries (1967), 66. 61 Ebd., 64 f.; 71. 62 Le testament d’Eustathios Boїlas (Avril 1059). Ed. Lemerle, Cinq études (1977), 13–63, hier 24, Z. 141, bis 25, Z. 166. Vgl. Vryonis, Will of a Pro‑ vincial Magnate (1957), 277. 63 N. Wilson, Libraries (1967), 71. 64 Speake, Ark of Hellenism (2012), bes. 158 f.
17.6 Indien 17.6.1 Allgemeines Religiöse Stiftungen waren im mittelalter‑ lichen Indien – wie auch in anderen zeitge‑ nössischen Traditionen – für die Ewigkeit konzipiert. Mit diesem auf Dauer angeleg‑ ten Charakter von Stiftungen verbindet sich ein konservierender oder retardieren‑ der Eindruck. Nachweisbar ist jedoch, dass Stiftungen auch gesellschaftlichen Wandel bewirkten. Die Stiftungswirklichkeit zeigt sogar, dass bereits mit den ursprünglichen Zwecksetzungen Veränderungen angesto‑ ßen werden konnten, die nicht selten von den Stiftern bewusst intendiert gewesen sein dürften. Auf lange Sicht hatten vor allem gleichartige Stiftungen, die in sehr großer Zahl und Dichte errichtet wurden,
weitreichende gesellschaftliche Implika‑ tionen. Aufgrund der Quellenlage ist der Einfluss einzelner Stiftungen kaum be‑ legbar. Doch verbreitete, eine Stiftungs‑ tradition begründende Dotationsformen zeigten nicht selten gesamtgesellschaft‑ liche Effekte. Da Stiftungen als komplexe soziale Phänomene alle Bereiche menschlichen Lebens berühren, sind Auswirkungen des Stiftungswesens auf Religion, Kultur und Kunst, Wirtschaft und Sozialstruktur so‑ wie Politik und Recht zu unterstellen. Auch die potentielle Vorbildwirkung religiöser Stiftungen und deren Modellcharakter für eine Verschiebung von Rollenbildern
334
sollten erwähnt werden. Durch Stiftungen konnten sich im mittelalterlichen Indien religiöse Gewichtungen verändern und Randgruppen in den Fokus geraten. From‑ me Stiftungen hatten das Potential, zur sozialen Mobilität der Akteure beizutragen oder diese zu hemmen, deren politischen Einfluss zu verstärken oder zu behindern. Sie konnten zur Konzentration oder zur Zersplitterung von Vermögen führen. Wenn von ‚historischem Wandel‘ die Rede ist, mag in erster Linie die gesamt‑ gesellschaftliche Perspektive in den Blick geraten. Nicht zuletzt im Sinne der Ver‑ gleichbarkeit zwischen den verschiede‑ nen mittelalterlichen Stiftungstraditionen sollen jedoch neben dieser Makroebene (→ 17.6.4) auch noch andere Praxisfelder, und zwar die Mikroebene der Familie (→ 17.6.2) und die Mesoebene des loka‑ len Umfeldes (→ 17.6.3), Berücksichtigung finden. 17.6.2 Mikroebene Es ist nur schwer zu ermessen, ob Stiftun‑ gen auf Familien‑ und Verwandtschafts‑ verhältnisse im mittelalterlichen Indien zurückwirkten, zumal zum Beispiel der in der muslimischen Tradition sehr verbrei‑ tete Typ der Familienstiftung in der vor‑ islamischen Stiftungspraxis nicht belegt zu sein scheint. Doch gibt es Anhaltspunkte dafür, dass Stiftungen bis zu einem gewis‑ sen Grade familiäre Strukturen beeinflusst haben könnten, mitunter perpetuierend, zuweilen aber auch modifizierend. Die Akteure des Stiftungswesens wirkten im Spannungsfeld zwischen zwei Lebensent‑ würfen: einem, der innerhalb des traditio‑ nellen Familienverbandes angesiedelt war, und einem, der sich außerhalb dieser auf Verwandtschaft basierenden Strukturen verortete. In den Texten aller religiösen
Gesellschaftlicher Wandel
Richtungen, die im indischen Mittelalter Stiftungen erhielten, werden beide Mo‑ delle – wenn auch mit unterschiedlicher Akzentuierung – behandelt. In der brahmanischen Rechtsliteratur, die in dieser Hinsicht eine ausschließlich männliche Perspektive wiedergibt, werden die unterschiedlichen Rollen eines soge‑ nannten Hausvaters (gṛhastha; → 14.6.3) – eines Familienoberhauptes – sowie ei‑ nes Asketen diskutiert, wobei favorisiert wird, dass ein Mann die größte Zeit seines Lebens in der Familie verbringen möge. Überhaupt war das orthodoxe Brahma‑ nentum darum bemüht, das Dasein als Hausvater und die Asketenschaft nicht als tatsächliche Alternativen zueinander erscheinen zu lassen, sondern bestenfalls als aufeinander folgende Lebensstufen. Zu diesem Zweck wurde das System der vier Lebensalter (āśrama) entwickelt, das nur für die drei oberen Stände (varṇa) galt und in dem an chronologisch zweiter Stelle das Stadium des verheirateten Hausvaters und erst an vierter Stelle das eines zölibatär lebenden Asketen (saṃnyāsin / parivrājaka) stand. Indem die brahmanischen Rechts‑ lehrer asketische Lebensformen in die letz‑ te Lebensphase verbannten, versuchten sie, das Asketentum auf ‚biologische‘ Weise quantitativ zu kontrollieren. Durch die sehr große Zahl königlicher Stiftungen zugunsten vedischer Brahmanen insbe‑ sondere im frühen Mittelalter wurde dieses Modell geradezu propagiert und konser‑ viert. Bis in das 10. Jahrhundert erfolgte die Mehrzahl der (herrscherlichen) Dotationen zugunsten brahmanischer Familienober‑ häupter. Auch die Familien der Destinatäre sollten durch die Stiftungen erhalten wer‑ den (→ 8.6.3; 12.6.3), wie in den Urkunden mitunter explizit erklärt wurde. Dass die Brahmanenfamilie als Keim‑ zelle für den Vollzug dieses Stiftungstyps verstanden werden kann, wird noch in
Indien
anderer Hinsicht deutlich. Zahlreiche Kupfertafelurkunden, die Dotationen zum Unterhalt von Brahmanen bezeugen, ent‑ halten eine Formel (→ 12.6.3; 13.6.2) zur Vererbbarkeit der Stiftungsgüter an Söhne und Enkel sowie weitere (männliche) Nach‑ kommen. Bei der Auslegung dieser recht allgemeinen Formulierung rekurrierte man vermutlich auf den Handlungsspielraum, den die normativen Texte zum Erbrecht einräumten. Die ‚Dharmaśāstras‘ enthal‑ ten ausführliche Einlassungen zu diesem Thema, in denen zwei Haupt varianten diskutiert werden: (a.) die Vererbung des gesamten väterlichen Besitzes an den äl‑ testen Sohn, womit der Zersplitterung des Besitzes entgegengewirkt und das Prinzip der Großfamilie gestärkt werden sollte; (b.) die Aufteilung des Besitzes unter den Söhnen. In Option (a.) trat der älteste Sohn an die Stelle des Vaters und sollte für seine Brüder und die unverheirateten Schwes‑ tern sorgen; in Option (b.) erhielten alle Söhne je eigene Anteile.1 Interessant sind in diesem Zusam‑ menhang Urkunden, bei denen Väter und Söhne oder auch mehrere Brüder sepa‑ rat als Destinatäre aufgeführt werden. So dokumentiert zum Beispiel ein Zehntel der ca. 80 brahmanischen Stiftungen der westindischen Maitraka‑Dynastie aus dem 6. bis 8. Jahrhundert derartige Konstellati‑ onen. Diverse Male erhielten zwei Brüder gemeinsam ein Dorf oder mehrere Fel‑ der;2 zweimal gehörten Vater und Sohn zu Kleingruppen von drei beziehungs‑ weise fünf brahmanischen Begünstigten, die zusammen mit Landstücken bedacht wurden 3. Auch unter den Mitgliedern von Brahmanengruppen, denen unter den Śilāhāras und Yādavas in der Zeit vom 11. bis 13. Jahrhundert jeweils separate An‑ teile an einer Stiftung übertragen wurden, finden sich nicht selten Väter und Söhne oder mehrere Brüder.4 So zählten zu den
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insgesamt 14 Stiftungsempfängern, die in einer Śilāhāra‑Inschrift aus dem Jahr 1049 u. Z. aufgeführt werden, die drei Brü‑ der Nārāyaṇapaṇḍita, Rāmbapaṇḍita und Lakṣmīdharapaṇḍita sowie Rāmbapaṇḍitas Sohn Gopatipaṇḍita.5 Zu den 57 Destina‑ tären einer Yādava‑Urkunde aus dem Jahr 1272 u. Z. gehörten auch ein Vater und seine sechs Söhne, denen jeweils eigene Antei‑ le zugesprochen wurden.6 Diese Befunde könnten als Indiz für eine gewisse Abkehr von Großfamilienstrukturen interpretiert werden. Inwiefern solche Veränderungen durch Stiftungen direkt induziert wurden, lässt sich nicht prüfen. Denkbar ist jedoch, dass derartige Unterhaltsdotationen neue Möglichkeiten für kleinere, wirtschaft‑ lich unabhängige familiäre Einheiten (im Verband größerer Gruppen von Brahma‑ nen) eröffneten. Gleichzeitige Stiftungen an Vater und Sohn könnten dazu gedacht gewesen sein, männlichem Nachwuchs vorzeitig ökonomische Selbständigkeit zu gewähren.7 Dotationen, die parallel mehrere Brüder berücksichtigten, zielten wohl darauf ab, Probleme zu lösen, in die brahmanische Familien fast zwangsläufig geraten mussten, wenn es konstant (zu) viele Familienmitglieder pro Generation gab: die Überforderung der Großfamilien‑ strukturen oder aber die starke Zersplitte‑ rung des Familienbesitzes im Falle einer Teilung des Erbes. Es finden sich auch indirekte Hinweise darauf, dass Brahmanenfamilien im Laufe der Zeit eigentumsähnliche Besitzansprü‑ che an den ihnen gewidmeten Stiftungsob‑ jekten durchsetzten. Stiftungsgüter durften (und sollten) vererbt werden, und über drei Generationen gehaltener Besitz ging nach dem brahmanischen Rechtsverständnis in echtes Eigentum über. In diesem Zusam‑ menhang ist auch die Tatsache zu sehen, dass seit dem 11. Jahrhundert brahmani‑ sche Priester häufiger Teile von Dotationen,
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die ihnen oder ihren Vorfahren einst ge‑ macht worden waren, zugunsten von hin‑ duistischen Tempeln umwidmeten. Durch derartige Transaktionen wechselten sie quasi von der Begünstigten‑ auf die Stif‑ terseite. Während in der brahmanischen Schen‑ kungstheorie und in der entsprechenden Stiftungspraxis der gelehrte, verheiratete Brahmane als Prototyp des Destinatärs klar im Vordergrund stand (→ 14.6.3), wa‑ ren nach buddhistischem und jinistischem Verständnis die zölibatär lebenden Mönche und Nonnen die idealen Begünstigten für religiöse Gaben. Es spricht einiges dafür, dass sich das alternative Modell des in monastischer Gemeinschaft lebenden Or‑ dinierten oft nur mit der Unterstützung durch Stiftungen durchsetzen konnte. Dies gilt in besonderem Maße für den Lebens‑ entwurf einer buddhistischen Nonne, ob‑ wohl man einschränkend festhalten muss, dass diese Tradition stets besonders fragil blieb und vielerorts früh wieder abbrach. In jedem Falle eröffneten jedoch Stiftun‑ gen an monastische Kommunitäten für Männer und Frauen im indischen Mittel‑ alter die Möglichkeit, sich aus familiären Strukturen zu lösen. Auf Stifterseite ist der potentiell ver‑ ändernde oder konservierende Effekt von Stiftungen wohl am ehesten in der Nach‑ wirkung der Stiftungszeugnisse zu sehen. Wenn in den Genealogien von Stiftungsur‑ kunden sowohl Primogenitur als auch Se‑ kundogenitur der herrscherlichen Stifterfa‑ milien dokumentiert sind,8 dürfte dies ver‑ mutlich zur Akzeptanz der Sekundogenitur für königliche Dynastien beigetragen ha‑ ben. An Orten, an denen das eigenständige Wirken von Stifterinnen durch Inschriften öffentlich beurkundet wurde, wird dies auch andere Frauen zur Nachahmung an‑ geregt haben. Überdies schufen derartige Belege klare Präzendenzfälle jenseits des
Gesellschaftlicher Wandel
traditionellen Rollenverständnisses, auf die sich prospektive Stifterinnen berufen konnten. 17.6.3 Mesoebene Durch mittelalterliche indische Stiftungen wurden urbaner und ländlicher Raum mit‑ einander verbunden. Buddhistischen Klös‑ tern und hinduistischen Tempeln, die auf Stadtterritorium errichtet worden waren, stiftete man Dörfer in der näheren und weiteren Umgebung, und auch Brahmanen verwalteten den Grund und Boden, der ihnen in dörflichen Siedlungen gewährt worden war, wohl nicht selten von ihren städtischen Wohnsitzen aus. Mittelalterliche indische Stiftungen prägten den Lebensraum vieler Stadt‑ und Dorfgemeinden entscheidend mit, wenn auch auf eine Weise, die sich von der an‑ derer Stiftungstraditionen unterschied, da caritative und Infrastrukturzwecke nicht im Vordergrund standen (→ 9.6.1) und Bil‑ dung nur indirekt eine Rolle spielte. Den‑ noch zeitigten Stiftungen auf lokaler und regionaler Ebene vielfältige Wirkungen in religiöser, sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht. Durch Gründungen von Klöstern, Tempeln und Brahmanen‑ siedlungen sowie durch Vorkehrungen für deren dauerhaften Unterhalt bildeten sich regionale Zentren ausgewählter Religions‑ formen heraus. Wenn ein Konvent oder ein Heiligtum einer bestimmten Richtung ge‑ stiftet wurde, eröffneten sich allein durch dessen lokale Präsenz neue Möglichkei‑ ten des Einflusses der jeweiligen religi‑ ösen Gruppierung an dem betreffenden Ort. Es entstanden neue Beziehungen zu den Laien und weiteren potentiellen Stif‑ tern, wie sich insbesondere an der Pra‑ xis von Zustiftungen ablesen lässt, die oft über längere Zeiträume belegt sind.9 Viele
Indien
aus Stiftungen hervorgegangene religiöse Stätten zogen regional (und überregional) Pilger an. Bei Klöstern ergab sich außer‑ dem für diejenigen, die auf der Suche nach einem alternativen Lebensentwurf zum traditionellen Familienmodell waren, nicht nur die theoretische, sondern auch die praktische Option des Beitritts zu einem ortsansässigen Orden. Durch Stiftungen bildeten sich auf lo‑ kaler Ebene neue Akteursgruppen heraus. Auf der Seite der Stifter zeigt sich dies insbesondere bei Händlerkorporationen, die sehr viel stärker bei Stiftungen als bei Geschäften und wirtschaftlichen Trans‑ aktionen gemeinschaftlich agierten.10 Auf Begünstigtenseite können große Brahma‑ nengruppen, die erst im Rahmen einer Stif‑ tung konstituiert wurden und nicht selten sehr heterogen in Hinsicht auf ihre lokale Herkunft und auf ihre Veda‑Zugehörigkeit zusammengesetzt waren, als ein Parade‑ beispiel für derartige Gruppenbildungen gelten. Durch die Gründung von Tempeln für Götter wurde auch solchen sozialen Schichten eine direkte Teilhabe am reli‑ giösen Leben vor Ort ermöglicht, die nach dem Verständnis orthodoxer Brahmanen davon weitgehend ausgeschlossen bleiben sollten.11 Stiftungen brachten Ortsfremde in viele Stadt‑ und zahlreiche Dorfgemein‑ den. Besonders nachhaltige Effekte auf die Sozialstruktur hatte vermutlich die Ansiedlung von Brahmanen im ländlichen Bereich. Durch die Ausstattung brahma‑ nischer Migranten mit einzelnen Feldern oder den Einkünften aus Dörfern traten diese in Konkurrenz mit den Ortsansässi‑ gen, und zwar auf verschiedenen Ebenen: Erhielt ein Brahmane weitreichende Befug‑ nisse über ein ganzes Dorf, muss dies die Rechte des Dorfoberhauptes beschnitten haben. Wenn ein brahmanischer Begüns‑ tigter mit umfangreichen Ländereien be‑ dacht wurde, konnte er wie ein begüterter
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lokaler Grundbesitzer agieren. Wurde ihm hingegen nur eine kleine Landparzelle zu‑ geteilt, konkurrierte er mit anderen Klein‑ bauern und trug eventuell zur Verdrän‑ gung von Pächtern und Landarbeitern bei. Vor allem Gründungen von Klöstern und Tempeln und Dotationen für deren Unterhalt waren auch ein sehr wichtiger regionaler Wirtschaftsfaktor. Sie förder‑ ten Handwerk und Handel und brachten lokale Beschäftigung. Mit dem dezentralen Einsatz landwirtschaftlicher Überschüsse für Bau und Ausschmückung, Reparaturen und Betreiben von monastischen Gebäu‑ den und Heiligtümern dürften viele klei‑ nere Wirtschaftszentren entstanden sein. Obgleich dies kaum einmal erklärtes Stif‑ tungsziel war, bewirkten gerade die spät‑ mittelalterlichen Tempelstädte Südindiens eine Umverteilung von wirtschaftlichen Ressourcen und auch Verbrauchsgütern.12 Zudem fungierten diese Tempelwirtschaf‑ ten als lokale Banken, die besonders im Geldverleih aktiv waren.13 In künstlerisch‑kultureller Hinsicht wirkten Stiftungen in erster Linie als Mo‑ toren für die Verbreitung regionaler Bau‑ typen und für die Herausbildung lokaler Stilvarianten. Baumeister und Handwer‑ ker zogen zu den jeweiligen Orten des Stiftungsgeschehens und brachten neue Architekturformen mit,14 die sie lokalen Wünschen und äußeren Gegebenheiten anpassten. Zu besonderen Synthesepro‑ zessen durch Stiftungen kam es vor allem dann, wenn Gründungen verschiedener religiöser Strömungen in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander entstanden. Ein instruktives Beispiel ist die Höhlenanlage von Ellora im Westen Indiens: Seit dem 6. Jahrhundert bemühten sich unterschied‑ liche Konfessionen, diese heilige Stätte für sich zu reklamieren. So wurden am selben Ort mehr oder weniger gleichzeitig und vermutlich von den gleichen Baumeistern
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Sakralbauten für Buddhisten, Hindus und Jainas errichtet.15 17.6.4 Makroebene Da das mittelalterliche Stiftungswesen durch königliche Dotationen dominiert wurde, betrafen die davon ausgehenden Veränderungen häufig die gesamte Ge‑ sellschaft. Zwei Hauptaspekte sollen hier beleuchtet werden: (1.) ein struktureller Wandel, der in der Forschung teilweise als ‚Feudalisierung‘ bezeichnet wird, und (2.) der Einfluss auf religiöse Entwicklungen. (1.) Im Unterschied zur positiven Bewertung religiöser Gaben in zeitgenössischen indi‑ schen Texten lässt sich in der modernen Forschungsliteratur eine teilweise negative Sicht auf das mittelalterliche Stiftungswe‑ sen, insbesondere auf den großen Umfang königlicher Stiftungen, ausmachen. Vor al‑ lem die Anhänger der ‚Feudalismustheorie‘ (→ 2.6.3) sahen oder sehen in der umfas‑ senden Übertragung von Immunitäten und herrscherlichen Regalien einen wesentli‑ chen Grund für politische Dezentralisie‑ rung und Fragmentierung im Mittelalter und für eine sozio‑wirtschaftliche ‚Feuda‑ lisierung‘: „Durch maßlose Schenkungen an Tempel und Klöster jeder religiösen Richtung verringerte sich der Großgrund‑ besitz des obersten Feudalherren, des Herr‑ schers, ständig. Dieses Verhältnis von Ge‑ winn (durch Eroberung, Kolonisation) und Verlust (durch Erobertwerden, Landverlei‑ hungen) des königlichen Bodeneigentums war wohl auch eine der Ursachen für die politische Instabilität der vielen Reiche und Dynastien des frühen Mittelalters in Indien und ihre unaufhörlichen Kriege gegeneinander.“16 Diese Deutung, die offenbar davon aus‑ geht, dass sich die indischen Könige und
Gesellschaftlicher Wandel
Fürsten über Jahrhunderte hinweg gera‑ dezu systematisch eines großen Teils ihrer Steuereinkünfte und ihres Domaniallandes für Stiftungen entäußerten und mit einer solchen Religionspolitik ihrer jeweiligen Dynastie beinahe planmäßig einen erheb‑ lichen politischen Machtverlust und eine wirtschaftliche Schwächung bescherten, muss ihrerseits als zu einseitig kritisiert werden. Berechtigterweise hat Hermann Kulke dafür plädiert, königliche Stiftungen von Dörfern und Ländereien an Brahmanen und religiöse Institutionen als bedeutendes Herrschaftsinstrument zu interpretieren, mit dessen Hilfe es im Frühmittelalter ge‑ lang, die Randgebiete der einstigen Groß‑ reiche des Altertums in neu entstehende Regionalreiche zu integrieren.17 Königliche Förderer gaben in den Kupfer‑ tafelurkunden in der Regel ähnliche Motive für ihr Handeln an wie private Stifter: an erster Stelle die Erlangung religiösen Ver‑ dienstes (puṇya; → 7.6.2). Vielfach kann man ihnen jedoch darüber hinaus auch weltliche Intentionen für ihre Stiftungspo‑ litik nachweisen. (→ 7.6.3) Vor allem in den Randgebieten der aufstrebenden Regional‑ reiche wurden königliche Dorfverleihungen oft mit normgebender Absicht getätigt.18 Dort bestand zwar eine nominelle Fiskal‑ hoheit des fernen Herrschers; in der Pra‑ xis dürfte diese jedoch nicht immer leicht durchsetzbar gewesen sein. Mit einer sehr vielschichtigen Dotationspolitik wurden unterschiedliche politische Kräfte in das herrscherliche Machtgefüge eingebunden, und es konnten Ausgleiche zwischen di‑ vergierenden Interessen überregionaler, re‑ gionaler und lokaler Eliten erzielt werden. Insbesondere brahmanische Stiftungen entfalteten darüber hinaus sehr komplexe Wirkungen. Durch systematische Dota‑ tionen zugunsten von Einzelbrahmanen und Brahmanengruppen kam es zu einer beinahe flächendeckenden Ansiedlung
Indien
von Vertretern dieses Standes auf dem Subkontinent. Brahmanen fungierten äu‑ ßerst erfolgreich als Stützen aufstrebender Könige und Fürsten bei der Erschließung ‚rückständiger‘ Gebiete. Obwohl die Stif‑ tungsdokumente dies meist nicht als di‑ rektes Ziel formulierten, agierten brah‑ manische Stiftungsdestinatäre als Mittler von spezifischen religiösen Konzepten, als Spezialisten für die Durchführung von Lebenzyklusritualen sowie als Träger von entwickelten Rechtstraditionen. Zudem brachten sie eine eigene politische Ideo‑ logie und ‚erprobte‘ Sozialvorstellungen sowie die Fähigkeit mit, diese an das je‑ weilige Umfeld anzupassen. Das brahma‑ nische Sozialmodell büßte wohl erst im Spätmittelalter seine Flexibilität ein und wirkte dann vielfach retardierend. Eine Kolonisation weiter Landstriche (→ 16.6.4) – vor allem durch Brahmanen – war prägend für das Mittelalter. Hin‑ weise auf eine tatsächliche Erschließung landwirtschaftlicher Flächen, genauer: auf eine Wiederurbarmachung von Brachland, liegen vor allem für das 4. bis 6. Jahrhun‑ dert vor.19 Später ging es oft nicht darum, dass sich brahmanische Destinatäre in noch unbesiedelten oder dünn besiedelten Gebieten niederließen, sondern um einen Landesausbau anderer Art: die Ansiedlung von Brahmanen in solchen Gebieten, in denen ihr Anteil an der Bevölkerung rela‑ tiv gering war. Wie die Urkunden belegen, erhielten Brahmanen und andere religiöse Empfänger in der Regel Ländereien in vor‑ handenen Siedlungen beziehungsweise das Recht auf die Steuern aus diesen bereits existierenden Dörfern.20 Gesamtindisch konstituierte sich der Brahmanenstand erst im Frühmittelalter, wobei zum Teil lokale, nichtbrahmanische Priester durch eine postulierte Gruppen‑ identität integriert wurden. Dazu leiste‑ ten Stiftungen einen wichtigen Beitrag.
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Sie verstetigten den Einfluss dieses varṇa und ermöglichten dessen regionale Aus‑ breitung, indem sie dauerhaft Einkünfte bereitstellten. Darüber hinaus besaß die Stiftungspraxis vieler zentral‑, süd‑ und ostindischer Könige auch legitimatori‑ sche Bedeutung für die zunächst meist aus Nordindien in deren Reiche ziehenden Brahmanen, da ihr brahmanischer Status durch die Kupfertafelurkunden festgehal‑ ten wurde. Eine erhaltene Stiftung oder die Hoffnung auf eine königliche Dotation ließ Brahmanen im Mittelalter nicht nur von Norden nach Süden ziehen. Sie wanderten auch in die umgekehrte oder in eine andere Richtung auf dem Subkontinent, innerhalb ein und desselben Reiches sowie zwischen verschiedenen Territorien.21 In diesem Sin‑ ne förderten Stiftungen Migration und Mo‑ bilität unter Brahmanengruppen. Stiftungen trugen auch zu einer Ver‑ mögensdifferenzierung innerhalb des Brahmanenstandes bei. (→ 14.6.2; 14.6.4) Das Spektrum der Objekte, die einzelnen Brahmanen gestiftet wurden, konnte von recht kleinen Landparzellen bis zu den Steuereinkünften ganzer Dörfer reichen. Die Festlegungen des Stifters über den Um‑ fang der jeweiligen Dotation entschieden jedoch nicht nur darüber, wie wohlhabend der betreffende Destinatär künftig sein würde, sondern hatten weitere Implikati‑ onen: Die Größe manches gestifteten Fel‑ des dürfte lediglich dazu gereicht haben, den Begünstigten und seine Familie zu ernähren, so er selbst – eventuell mit ei‑ nem Bediensteten – den Boden bestellte. Stiftungen dieser Art gingen wohl oft mit einem dauerhaften Berufswechsel vom Brahmanenpriester zum brahmanischen Bauern einher.22 Im Frühmittelalter muss sich bereits nach wenigen Jahrzehnten, erst recht nach mehreren Jahrhunderten intensiver königlicher Stiftungstätigkeit sehr viel
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Landbesitz in brahmanischer Hand kon‑ zentriert haben. Aufgrund der Quellenlage ist eine Vorstellung vom Umfang des in‑ dischen Stiftungsvermögens nur anhand der äußerst großen Zahl überlieferter Ur‑ kunden zu Einzeldotationen zu gewinnen. Diese wiederum geben nicht selten indirekt Auskunft über weitere Stiftungen, wenn nämlich Liegenschaften, die an die neu gestifteten Güter angrenzten, als ebenfalls aus Dotationen hervorgegangen beschrie‑ ben werden. (→ 1.6.3; 10.6.1) Auch die buddhistischen Klöster auf dem indischen Festland verfügten bis ins 10. Jahrhundert über insgesamt umfangrei‑ ches Stiftungsvermögen, und in Sri Lanka war der buddhistische Orden zeitweilig größter Grundbesitzer der Insel. Die Güter wurden durch die kontinuierliche ‚Verjün‑ gung‘ der jeweiligen Gemeinde in selbiger gehalten. Allerdings war die Verteilung dieser Liegenschaften auf die einzelnen Einrichtungen ähnlich ungleichmäßig wie bei den Brahmanen. Wenige Klöster dürften über so umfangreiche, regelmä‑ ßig fließende Einkünfte wie der berühmte Klosterkomplex von Nālandā im ostindi‑ schen Bihar verfügt haben, der 100 (gemäß Xuanzang) beziehungsweise 200 Dörfer (gemäß Yijing) besessen haben soll.23 (2.) Es ist zu erwarten, dass religiöse Stif‑ tungen nicht zuletzt auch auf die Entwick‑ lung der jeweils geförderten Glaubenstra‑ ditionen Einfluss ausübten. Mit Tausenden von Dotationen befanden Könige darüber, welche religiösen Personen gefördert und welche Institutionen am Leben erhalten wurden. Mit der Gründung von Tempeln und Klöstern durch Vertreter des Adels und der Kaufmannschaft scheint oft bereits eine Vorentscheidung darüber gefallen zu sein, welche Gruppierung dann später mit königlichen Unterhaltsstiftungen be‑ dacht wurde. Durch Präferenzen der Stifter
Gesellschaftlicher Wandel
setzten sich bestimmte Richtungen erfolg‑ reicher als andere durch, und umgekehrt konnten sich neue Ideen und Strömungen gegen etablierte und durch Stiftungen dau‑ erhaft abgesicherte Traditionslinien oft nur schwer behaupten. Die bereits im späten Altertum einset‑ zende Zunahme von Stiftungen an Brah‑ manen war Teil einer Entwicklung, die in der Forschungsliteratur oft als eine ‚Re‑ naissance‘ (→ 4.6.3) des vedischen Brah‑ manismus bezeichnet wird. Eine verstärkte Begünstigung des traditionellen Brahma‑ nentums könnte man oberflächlich be‑ trachtet als ausschließlich rückwärtsge‑ wandt interpretieren. Doch verkennt eine solche Deutung die beschriebene Anpas‑ sungsfähigkeit der Brahmanenschaft an sich verändernde gesellschaftliche Rah‑ menbedingungen. Andererseits steht zu vermuten, dass die durch Stiftungen flan‑ kierte Stärkung konservativer Brahmanen eine schnelle gesamtindische Ausbreitung des hinduistischen Tempelwesens mindes‑ tens bis ins 10. Jahrhundert verzögert hat.24 Im mittelalterlichen Indien ging eine große Zahl königlicher Stiftungen offenbar an orthodoxe Brahmanen. Gemäß der nor‑ mativen Literatur sollte jeder Brahmanen‑ priester mindestens einen der vier Veden studieren. Drei der vier Veden genossen uneingeschränkte Autorität: der Ṛg‑, der Yajur‑ und der Sāmaveda. Der Atharvaveda aber wurde von konservativen Brahmanen bestenfalls widerwillig akzeptiert. Aus diversen Kupfertafelurkunden geht hervor, dass zum Teil lokale brahmanische Grup‑ pierungen mit Dotationen bedacht wurden, für die explizit nur drei Veden als autorita‑ tiv galten (→ 3.6.2; 9.6.3) und die sich als traividya (im Unterschied zu cāturvidya) bezeichneten.25 Insgesamt kamen Ṛg‑, Ya‑ jur‑ und Sāmavedins weitaus häufiger in den Genuss von Stiftungen als Atharva‑ vedins, wobei Ṛg‑ und Yajur vedins wohl in
Indien
allen Regionen Indiens die Hauptgruppen der brahmanischen Begünstigten stellten. Die jeweilige Auswahl der brahmanischen Destinatäre deutet darauf hin, dass Könige durch Stiftungen bewusst zur Verbreitung ganz bestimmter brahmanischer Texttradi‑ tionen, zur Ansiedlung von Gelehrten aus ausgewählten Zentren des Veda‑Studiums und auch zu deren Durchmischung an den Bestimmungsorten beitrugen. Wenn es seit dem 11. Jahrhundert ge‑ samtindisch zu einer Ausbreitung des hin‑ duistischen Tempelwesens kam (→ 4.6.5), ist auch diese religiöse Veränderung mit dem Stiftungswesen in Verbindung zu bringen. In vielen Regionen stieg die Zahl der Steininschriften, die von Stiftungen berichten, (wieder) entscheidend an. In diesem epigraphischen Medium meldeten sich ganz andere Stiftergruppen als in den (herrscherlichen) Kupfertafelurkunden zu Wort. Dies waren vornehmlich Vertreter der regionalen und lokalen Eliten, die indi‑ viduell oder kollektiv in verstärktem Maße hinduistische Tempel unterstützten. Man bediente sich oft nicht mehr des Sanskrit, sondern zunehmend neuindischer Regio‑ nalidiome. Diese Zäsur scheint in Zusam‑ menhang mit einem erneuten Aufschwung von Städtewesen und Fernhandel gestan‑ den zu haben, denn das stifterliche Wirken von Händlern tritt (wieder) deutlich hervor. Lokale Potentaten, Kaufleute und andere wohlhabende Personen waren anscheinend bestrebt, ihrer wirtschaftlichen Macht und ihrem steigenden politischen Einfluss auf regionaler Ebene durch eigene religiöse Stiftungen Ausdruck zu verleihen. Dabei wählten sie als Stiftungsbegünstigte nicht primär die für ihr überregionales Agieren bekannten Brahmanen, sondern förderten vermehrt ortsgebundene Gottheiten und Tempelkulte. Zwar scheinen häufig nicht die Könige die Initiatoren dieser Hinwen‑ dung zum Tempelwesen gewesen zu sein,
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doch stifteten sie oft Dörfer und Land für den dauerhaften Unterhalt solcher Tem‑ pel, um sich der Loyalität lokaler religiö‑ ser Strömungen zu versichern und deren weltliche Unterstützer zufriedenzustellen, und verstetigten damit diese Entwicklung. Viele Brahmanen verschlossen sich den Veränderungen ebenfalls nicht. Zum einen sind seit dem 11. Jahrhundert zahlreiche Kombinationsurkunden belegt, mit denen Brahmanengruppen und Tempel gemein‑ same Stiftungen erhielten; zum anderen gründeten Brahmanen selbst Schreine und übertrugen diesen Stiftungsvermögen. Das Stiftungswesen spielte bereits seit den ersten Jahrhunderten u. Z. eine wich‑ tige Rolle bei der Ausbreitung der bud‑ dhistischen Klosterkultur. Monastische Organisationsformen konnten sich in vie‑ len Regionen nur infolge reger Stiftungs‑ tätigkeit durchsetzen. Durch Dotationen, die den Lebensunterhalt lokaler Ordens‑ gemeinschaften sicherten, wurden deren Klöster zu Zentren der Gelehrsamkeit, die oft über den Subkontinent hinaus wirkten. Anders als im Altertum ist in den Inschrif‑ ten des Mittelalters jedoch kaum erwähnt, welcher konkreten Schule (des frühen Bud‑ dhismus) das jeweils begünstigte Kloster angehörte.26 Für die Akteure scheint dies nicht aufschreibenswert gewesen zu sein. Das ist auch insofern bemerkenswert, als etwa der chinesische Pilger Xuanzang An‑ gaben zu den regional vorrangig vertrete‑ nen Schulrichtungen für die von ihm im 7. Jahrhundert bereisten indischen Gebiete gemacht hat.27 Eher noch als für die verschiedenen Schulen des frühen Buddhismus wäre viel‑ leicht eine identitätsbegründende Abgren‑ zung für Mahāyāna‑Klöster zu erwarten. Tatsächlich wird auch in einigen Urkun‑ den darauf verwiesen, dass die jeweilige Institution zum Mahāyāna gehörte. Diese Belege sind jedoch insgesamt (außer in
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Ostindien) spärlich.28 Ein solcher quan‑ titativer Befund scheint dem Bericht des Xuanzang zu widersprechen, nach des‑ sen Daten in Indien die Gesamtzahl der Mahāyāna‑Mönche ungefähr genauso hoch gewesen sein müsste wie die der sogenann‑ ten Hīnayāna‑Mönche.29 Auch wenn man in Rechnung stellt, dass Xuanzang selbst Mahāyānin war und daher die Zahlen dieser Gruppe sehr hoch angesetzt haben könnte, bleibt die Diskrepanz groß. In‑ teressant ist, dass der Chinese einräumt, die Hälfte der Mahāyānins studiere ne‑ ben ihrer eigenen Lehre ‚das Hīnayāna‘. Überdies geht aus seinen Ausführungen hervor, dass Mahāyānins oft gemeinsam mit Mönchen einer Schule des frühen Bud‑ dhismus in einem Kloster wohnten. Auch mittelalterliche Stiftungen scheinen nur selten zur räumlichen und wirtschaftlichen Eigenständigkeit von Mahāyāna‑Mönchen beigetragen zu haben.30 Anders war dies – zumindest in West‑ indien – bei buddhistischen Nonnen, und zwar nicht in erster Linie in quantitativer Hinsicht. Von den insgesamt 26 buddhisti‑ schen Dorf‑ und Landstiftungen aus dem Reich der Maitrakas galten vier Nonnen‑ konventen und nur eine einem Mönchs‑ kloster, das explizit als dem Mahāyāna zugehörig klassifiziert wurde.31 Wichtiger als der zahlenmäßige Unterschied ist je‑ doch die Tatsache, dass lokale Frauenorden offenbar unabhängige wirtschaftliche Ein‑ heiten darstellten, die mit Einnahmen aus Dörfern und Land ausgestattet wurden. Nach den kanonischen Texten mussten die Wohnbezirke von Mönchen und Nonnen räumlich getrennt (→ 16.6.2), aber nicht zu weit voneinander entfernt liegen, da Non‑ nen für bestimmte Rechtshandlungen auf Mönche angewiesen waren.32 Zwar dürfte es einen vom Männerorden organisato‑ risch weitgehend unabhängigen Nonnen‑ orden bereits im Altertum gegeben haben,33
Gesellschaftlicher Wandel
jedoch ist bemerkenswert, dass die früh‑ mittelalterlichen Frauenklöster als völlig eigenständige Destinatäre fungierten. Zu ihrer ökonomischen Selbständigkeit dürfte das Stiftungswesen entscheidend beige‑ tragen haben. Mittelalterliche Stiftungen waren aber nicht immer ein Spiegelbild der zunehmen‑ den Teilhabe von buddhistischen Nonnen am religiösen Leben. In den ersten Jahr‑ hunderten u. Z. hatten ordinierte Frauen in vielen Regionen Indiens sehr aktiv als Stifterinnen gewirkt. (→ 15.6.2) Ab der Gupta‑Zeit kam es jedoch an zahlreichen Stätten zu einem drastischen Rückgang von Stiftungen durch Nonnen. Diese Ver‑ schiebung könnte mit dem Einfluss des Mahāyāna zu erklären sein, in dem Frauen eine geringere Rolle als im frühen Bud‑ dhismus spielten.34 Sogar der Niedergang des Buddhismus in weiten Teilen Indiens ab dem 10. Jahr‑ hundert kann im Kontext von Stiftungen gesehen werden. Auch wenn ein ganzer Komplex von Faktoren für das weitge‑ hende Verschwinden der buddhistischen Klosterkultur vom südasiatischen Festland im Mittelalter verantwortlich gewesen zu scheint (→ 4.6.5), hat das Stiftungswesen dabei wohl eine nicht zu unterschätzende Rolle gespielt. Aufgrund seiner Multireli‑ giosität war die Konkurrenz um materielle Zuwendungen im indischen Kulturraum stets besonders groß. Buddhistische Do‑ tationen hatten bis zum Ende des ersten Jahrtausends eine bedeutende Komponen‑ te indischer Stiftungstraditionen darge‑ stellt. Da die Stiftungen des Frühmittel‑ alters überwiegend im ländlichen Bereich konzentriert waren, wirkte sich das aus dogmatischen Gründen geringe Interes‑ se der indischen buddhistischen Mönche und Nonnen am dörflichen Leben und deren Aversion gegenüber ackerbaulichen Tätigkeiten negativ aus. Oft dürften sich
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Indien
Mönche und Nonnen damit begnügt ha‑ ben, die Stiftungserträge einzuziehen oder einziehen zu lassen. Brahmanen auf der anderen Seite scheinen die offensichtlich darüber hinausgehenden Erwartungen mittelalterlicher Könige eher erfüllt zu haben, indem sie bereit waren, ländliche Räume mitzugestalten und sogar selbst ackerbaulich tätig zu werden. Insgesamt trugen mittelalterliche indi‑ sche Stiftungen erheblich zur Etablierung von Gelehrtennetzwerken bei. Im Gefolge brahmanischer Wanderungsbewegungen entstand eine Reihe von Ablegern berühm‑ ter nordindischer Gelehrten‑ und Pilgerzen‑ tren auf dem Dekkan und in Süd indien;35 und durch Stiftungen wurde auch die
Gründung von Ablegerschreinen hinduis‑ tischer Tempel (→ 16.6.3) und die Disper‑ sion bestimmter Kulttraditionen gefördert.36 Damit leisteten Stiftungen einen wichtigen Beitrag für die Bewahrung traditionellen Wissens, und zwar zum Teil sehr weit über das Spektrum rein religiöser Kenntnisse hinaus (→ 9.6.3), wie aus hinduistischen Stiftungsurkunden, den Ausführungen des Buddhisten Xuanzang und dem Bestand ji‑ nistischer Bibliotheken (→ 6.6.5) zu ersehen ist. Durch Stiftungen wurden sowohl die Träger oraler Wissensüberlieferung unter‑ halten als auch – obgleich in Indien lange Zeit in weitaus geringerem Maße – die Ver‑ schriftlichung von Texten finanziert. AS
Anmerkungen 1 Vgl. z. B. Manu’s Code of Law. A Critical Editi‑ 32, 1957/1958, 45–60; Three Grants from Chinchani. on and Translation of the Mānava‑Dharmaśāstra. Ed. Patrick Olivelle. Oxford 2005, 195–201 (Übers.); 765–787 (Text), Strophen 9.104–220. 2 The Inscriptions of the Maitrakas of Valabhī. Texts, Translations, Glossary. Ed. Annette Schmiedchen. Wiesbaden 2016, Nrn. 16; 40; 51; 80; 85; 102. In einigen Fällen ist explizit von ‚leiblichen Brüdern‘ (sodara‑bhrātṛ oder sodarya) die Rede. 3 Inscriptions of the Maitrakas. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 2), Nrn. 62 und 83. 4 Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 265; 399 f.; 411 f. 5 Ebd., 265, Anm. 224. 6 Ebd., 412. 7 In einigen Fällen scheint es sich bei dem Sohn, der einen Anteil an der gleichen Stiftung wie sein Vater erhielt, tatsächlich um den ältesten männlichen und damit um den erbberechtigten Nachkommen gehandelt zu haben. Dies kann man insbesondere dann vermuten, wenn dieser Sohn den gleichen Namen wie sein Großvater väterlicherseits trug; vgl. ebd., 400, Anm. 331. 8 Vgl. z. B. ebd., 63; 103. 9 Vgl. z. B. Rashtrakuta Charters from Chinchani. Ed. Dinesh Chandra Sircar, in: Epigraphia Indica
Ed. Ders., in: Epigraphia Indica 32, 1957/1958, 60–76.
10 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 303 f.; 323 f.
11 Granoff, Defining Sacred Place (1998). 12 Stein, Economic Function (1960); Pandeya,
Temple Economy (1984), 23; 53 f.; 82–85; 94 f.; C. Talbot, Temples (1991), 308; 331 f.; Dies., Precolo‑ nial India (2001), 99–106; 123; Gurukkal, Temp‑ les (2009). Zu neuzeitlichen Beispielen vgl. Appadurai / Appadurai Breckenridge, South Indian temple (1976). 13 Spencer, Temple Money‑Lending (1968); Pandeya, Temple Economy (1984), 103–106. 14 Sivaramurti, Royal Conquests (1955, ND 1964), 10 f. 15 Vgl. Plaeschke / Plaeschke, Indische Felsen‑ tempel (1982), 70–80; 113–120; 125 f. 16 Njammasch, Untersuchung (1984), 164 f. 17 Vgl. Kulke, Fragmentation and Segmentation (1982); Ders., Some Observations (1997), 237–239. 18 Ebd., 242. 19 Virkus, Politische Strukturen (2004), 38; 45; 111; 148. 20 Dies belegen die alten Namen der vergebe‑ nen Dörfer sowie die Grenzbeschreibungen. An
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Gesellschaftlicher Wandel
die meisten Dörfer grenzten andere Dörfer und 28 Für Bengalen vgl. A newly discovered Cop‑ Weiler an. Es handelte sich also in der Regel nicht perplate from Tippera [The Gunaighar Grant of Vainyagupta: The Year 188 current (Gupta Era)]. um neue Rodungsgebiete. 21 Schmiedchen, Brahmanische Wanderungs‑ Ed. Dinesh Chandra Bhattacharya, in: IHQ 6, 1930, bewegungen (2015), 229. 45–60; für Orissa vgl. Jayarampur Plate of Go‑ 22 Vgl. allgemein zu diesem Phänomen Ritschl, pachandra. Ed. P. R. Srinivasan, in: Epigraphia Brahmanische Bauern (1980). Indica 39, 1971/1972, 141–148. 23 The Life of Hiuen‑Tsiang by the Shaman 29 Gombrich, Buddhismus (1995), 83: „(…) zählte Hwui Li. Übers. Samuel Beal. London 1911, 112 f.; er etwa 115 000 Hīnayāna‑ und 120 000 Mahāyāna‑ A Record of the Buddhist Religion as Practised in Mönche. (…) Zum Hīnayāna gehörten etwa 2 000 India and the Malay Archipelago (AD 671–695). Klöster, zum Mahāyāna ungefähr 2 500.“ Übers. Junjiro Takakusu. London 1896, ND Delhi 30 Zur geringen Bedeutung des Mahāyāna vgl. 1982, 65. Schopen, Mahāyāna and the Middle Period (2000, 24 Zur Aversion konservativer Brahmanen ge‑ ND 2005). gen den Tempelkult vgl. Stietencron, Orthodox 31 Inscriptions of the Maitrakas. Ed. Schmiedattitudes (1977); Granoff, Defining Sacred Place chen (wie Anm. 2), Nrn. 47; 49; 66; G1 beziehungs‑ weise Nr. 71. (1998). 25 Schmiedchen, Herrschergenealogie und religi‑ 32 Kieffer-Pülz, Women’s Monasteries (2000), öses Patronat (2014), 162–168; 171; 177–179; 182 f.; 193 f. 1402. 26 Schmiedchen, Stiftungen zum Unterhalt (2013), 33 Hüsken, Vorschriften (1997), 452 f.; 457 f.; 108. 474–476. 27 Vgl. z. B. Si‑Yu‑Ki. Buddhist Records of the 34 Schopen, Monks, Nuns and Vulgar Practices, Western World. Translated from the Chinese of (1988/1989, ND 1997), 249 f. Hiuen Tsiang (A. D. 629). Übers. Samuel Beal, Bd. 2. 35 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ London 1884, 194–204 (Bengalen) und 266–269 ligiöses Patronat (2014), 267. (Gujarat). 36 Ebd., 319–322.
18 Kritik, Reform und Aufhebung
18.1 Interkulturelle Perspektiven Kritik am Stiftungswesen oder innerhalb desselben hat sich während des ‚mittel‑ alterlichen Jahrtausends‘ in den fünf be‑ trachteten kulturellen Welten ganz un‑ terschiedlich artikuliert und entfaltet. In Indien sind keinerlei grundsätzliche Vorbehalte, sondern nur Einwände gegen die Begünstigung konkurrierender reli‑ giöser Gemeinschaften (so Brahmanen gegen Buddhisten und Jainas) oder Ak‑ teure (etwa orthodoxe Brahmanen gegen hinduistische Tempelpriester) überliefert. Für die Juden kam eine Fundamentalkritik an Stiftungen gar nicht in Betracht, weil auf diesen und auf Spenden die Gemeinde‑ institutionen selbst beruhten. Wie weit bisweilen nachgewiesene Vorwürfe von Karäern gegen Rabbaniten wegen deren Wohlfahrtspflege trugen, ist unklar. Kri‑ tik affirmierte im Judentum eher das Stif‑ tungswesen, weil sie gegen Glaubensbrü‑ der laut wurde, die nichts oder zu wenig spendeten, sich dabei vom falschen Motiv der Ruhmsucht leiten ließen oder bestimm‑ te Bedürftige(ngruppen) benachteiligten. Ähnlich unentbehrlich wie hier war das Stiftungswesen unter muslimischer Herr‑ schaft. Die Kritik an der ‚Ewigkeit‘ von Familienstiftungen, an unangemessener
materieller Begünstigung von Gelehrten und Mystikern oder an der Korruption der Verwalter war zwar im Islam endemisch und zielte sogar auf strukturelle Mängel ab, blieb aber ohne nachhaltige Wirkung und hatte auch nie die Abschaffung der Stiftung als Institution zum Ziel. Wie in Indien bekämpften sich bei der fallbezoge‑ nen Kritik mit wiederkehrenden Motiven bestimmte Gruppen; so wandten sich Sun‑ niten gegen Schiiten, Malikiten gegen die anderen Rechtsschulen, ʿulamāʾ gegen Sufis und beide gegen Derwische und so weiter. Vielfältig war insbesondere die Kritik an den Familienstiftungen; man warf ihnen vor, bestimmte Angehörige und Nachfah‑ ren auf Kosten anderer zu begünstigen, trotz religiöser Vorschriften nicht der all‑ gemeinen Wohlfahrt zugute zu kommen und sogar die Aneignung staatlicher Güter in privater Hand zu fördern. Ähnlich wie in muslimischen Ländern, aber ganz anders als in Südasien oder bei den Juden in ihrer Zerstreuung, war im Christentum von Byzanz Kritik an Stif‑ tungen ein ständiger Begleiter, was sich sogar in der modernen Wissenschaft bis in unsere Tage fortgesetzt hat. Da sich das Koinobitentum in der orthodoxen Welt von
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den Stiftungen, auf denen es gegründet war, nicht trennen lässt, folgten diese den Kon‑ junkturen des Mönchswesens. Wo die mo‑ nastische Disziplin angreifbar erschien, lag der Vorwurf der materiellen Begünstigung des frommen Müßiggangs durch Stiftun‑ gen nahe; ähnlichen Angriffen sahen sich all jene ausgesetzt, die als Verwalter oder Treuhänder aus klösterlichen Stiftungen Vorteile zu ziehen versuchten. Auch der Verdacht, dass der ‚Staat‘ durch exorbitante Stiftungen um erhebliche Steuermittel ge‑ bracht werde und dadurch seinen Aufgaben nicht gerecht werden könne, reicht schon ins hohe Mittelalter zurück. In der west‑ lichen Christenheit konzentrierte sich die Kritik lange auf konkrete Missstände und Nachlässigkeiten bei der Verwaltung der Güter und beim Vollzug der Stiftungszwe‑ cke, wandte sich dann aber auch gegen den Entzug von Finanzmitteln für den ‚Staat‘ durch die ‚Tote Hand‘. Die Umkehrung der Fegefeuerlehre, nach der die postmortale Reinigung nicht mehr zu vermeiden, son‑ dern im Gegenteil zu erstreben war, leitete im Spätmittelalter eine theologisch fun‑ dierte Kritik am Stiftungswesen ein. Die Akkumulation von guten Werken für das eigene Seelenheil sowie zugunsten ande‑ rer wurde in der Reformation aufgegeben, aber erst die Philosophen der Aufklärung und der Revolutionszeit sollten mit ihrer Präferenz für die Ertüchtigung des Staa‑ tes und den gesellschaftlichen Wandel die Stiftungen verwerfen. Auch unabhängig von gegebenenfalls geäußerter Kritik unterlagen Stiftungen selbstverständlich Anpassungszwängen, zumal ihr Bestand ja langfristig angelegt war. Schon zu Lebzeiten mochte ein Stifter weniger seine grundlegende Motivation als die materielle Basis seines Werkes, die Exekution seines Vorhabens oder gar den Kreis der Begünstigten ändern, und erst recht gilt dies von seinen Erben oder den
Kritik, Reform und Aufhebung
späteren Verwaltern. Modifikationen die‑ ser Art dürften sich nur in seltenen Fällen schriftlich niedergeschlagen haben; auf die Beiläufigkeit, mit denen sie sich vollzo‑ gen, lassen etwa die Bestätigungsurkunden lateinchristlicher Könige schließen, die die Absichten der jeweiligen Vorgänger oft mit wenigen Worten präzisiert oder umakzentuiert haben. Für eher lokal be‑ grenzte Korrekturen dieser Art, die auch indische Kupfertafelurkunden in wenigen Fällen erkennen lassen, ist das Wort von der ‚Reform‘ schon fast zu groß. Ganz an‑ ders verhält es sich in Kulturen, bei denen geplante Neuerungen an religiösen Vor‑ schriften gemessen wurden, wie im Juden‑ tum bezogen auf Talmud und halachische Lehre oder im Islam im Hinblick auf die Normen des Koran und die Überlieferung der Sunna. Dementsprechend waren dort das Wort von Gelehrten wie Maimonides oder hier das Urteil der muslimischen Ken‑ ner des Rechts gefragt. Mehr als geistliche Autoritäten haben Herrscher und sonstige weltliche Obrigkeiten unter Christen in das Stiftungswesen überhaupt eingegriffen. Ihre Reformen und Reformversuche galten vor allem einer ‚verbesserten‘ Lebenspra‑ xis gestifteter Gemeinschaften, besonders von Mönchen in Klöstern, und dem Kampf gegen die Anhäufung steuerlich wenig oder nicht ertragreichen Landbesitzes als Stiftungskapital. Gegenmaßnahmen be‑ standen in Amortisationsgesetzen, aber auch in der Förderung von Geldstiftungen, die abgesehen vom christlichen Westen im späten Mittelalter auch in der islamischen Welt unter den Osmanen nachgewiesen sind. Gelegentlich äußerten sich ‚Refor‑ men‘ im Stiftungswesen in der Erfindung ganz neuer Typen. Im interkulturellen Vergleich kann man dazu die Medresen zählen, die schon vor der Jahrtausend‑ wende in der persischen Stadtgründung Nischapur nachgewiesen sind und mit der
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Interkulturelle Perspektiven
seldschukischen Expansion in den zentral‑ islamischen Westen, zunächst besonders nach Irak und Syrien, gelangten.1 Neben diese Rechtsschulen, die ‚auf ewig‘ un‑ ter der Aufsicht ihres Stifters und seiner Nachkommen bleiben sollten2, traten unter den Seldschuken auch die Stiftungen von Konventsgebäuden für Sufis. Als philan‑ thropische Einrichtungen wurden die Sufi‑ gemeinschaften dann von den Mongolen gefördert und verbreiteten sich im Ilḫanat (1256–1335) besonders im ländlichen Raum. Für die Aufhebung von Stiftungen wa‑ ren im Wesentlichen zwei Motive maßgeb‑ lich: der Wunsch, sich des betreffenden Vermögens zu bemächtigen oder im Kampf eine ‚falsche‘ Religion oder religiöse Pra‑ xis zu überwinden. Für die Durchsetzung ihrer Herrschaftsansprüche legten schon die pippinidischen Hausmeier im Franken‑ reich um 700 ihre Hand auf Bischofssitze und adlige Klostergründungen ihrer Kon‑ kurrenten und statteten mit der Beute ihre eigenen Gefolgsleute aus; auch wenn diese Maßnahmen später teilweise rückgängig gemacht wurden, blieb an Karl Martell (ca. 714–741) der Makel des ‚Kirchenräubers‘ haften.3 In Ägypten griffen im späten Mit‑ telalter die Mamlūken auf Stiftungsgüter zu, um für Kriege zu rüsten oder andere
Bedrohungen zu bestehen. Zugleich reli‑ giös motiviert war die Konfiskation des gesamten Kirchenvermögens zugunsten der Krone durch den englischen König Heinrich VIII., nachdem sich dieser 1534 von Rom losgesagt hatte. In Indien bedeu‑ tete das Vordringen muslimischer Herren seit dem 12. Jahrhundert die tiefste Zäsur für den Besitz einheimischer Religions‑ gemeinschaften, und Ähnliches gilt für die orthodoxen Christen unter den Osma‑ nen, nachdem sie freilich schon Opfer der lateinischen Reichsbildungen nach dem vierten Kreuzzug geworden waren. Die Juden wurden nicht nur persönlich wie‑ derholt verfolgt und vertrieben, sondern mit ihrem Besitz gingen ihnen zugleich auch die Spenden und Stiftungen ihrer Gemeindemitglieder verloren. Die Aufhebung von Stiftungen mani‑ festierte sich oft nicht bloß im Entzug der Stiftungsgüter oder in juridischen Maß‑ nahmen, sondern stellte sich historisch gesehen als ein Prozess der Auflösung von Strukturen und sozialen Bindungen dar, der sich über längere Zeit erstrecken konnte. Dies hat vor allem die jüngere Stif‑ tungsforschung im Rahmen der lateinisch‑ christlichen Welt gezeigt.4 MB
Anmerkungen 1 Bulliet, Patricians of Nishapur (1972), passim;
vgl. Bosworth, Ghaznavids (1963), 157. 2 Makdisi, Rise of Colleges (1981), 28. 3 Vgl. jüngst Fischer, Karl Martell (2012), bes. 145; 147; mit Literaturnachweisen ebd., 256, Anm. 20. Quellen mit Übersetzung jetzt bequem in: Stiftung und Staat im Mittelalter. Eine byzantinisch‑latei‑ nische Quellenanthologie in komparatistischer Perspektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011, 96–107, Nrn. A 2–A 6; 114–121, Nr. A 9.
4 Vgl. Lohse, Dauer (2011), bes. 189–200; Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), passim.
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Kritik, Reform und Aufhebung
18.2 Lateinische Christen 18.2.1 Allgemeines Kritik, Reform und Aufhebung mittelalter‑ licher Stiftungen bilden einen sachlichen Zusammenhang, der beim gegenwärtigen Stand der Forschung nur in groben Zügen skizziert werden kann. Es mangelt zwar nicht ganz an einschlägigen Vorarbeiten. Diese beleuchten aber stets nur einzel‑ ne Facetten des Problemfeldes und ver‑ folgen dabei ein Erkenntnisinteresse, das im Grunde nicht auf Stiftungen fokussiert ist. (→ 2.2.1) Rechtshistorische Analysen der Amortisations‑ und Konfiskationsge‑ setze interessieren sich zum Beispiel vor‑ nehmlich für die Motive der jeweiligen Gesetzgeber. Kirchengeschichtliche Stu‑ dien wiederum erörtern Entstehung und Verbreitung neuer monastischer Ideale oder Aufkommen und Bekämpfung heterodoxer Glaubenslehren. Welche Effekte solche und andere sozialen Transformationsprozesse auf das zeitgenössische Stiftungswesen hatten, kommt in der jeweiligen Spezial‑ forschung zwar durchaus zur Sprache, wird aber kaum einmal systematisch erörtert oder in einen größeren Zusammenhang gestellt. Eine umfassende Behandlung des Themas ‚Kritik, Reform und Aufhebung‘ erfordert somit das Zusammenführen ganz unterschiedlicher Stränge der his‑ torischen Stiftungsforschung. Zudem be‑ darf sie einer Betrachtungsweise, die die üblichen Epochengrenzen überschreitet. Denn das abendländische Stiftungswesen des Mittelalters hörte ja nicht schlagartig um 1500 auf zu existieren. In den protes‑ tantisch gewordenen Gebieten des euro‑ päischen Kontinents zog sich das ‚Stif‑ tungssterben‘ vielmehr über Jahrzehnte
oder gar Jahrhunderte hin und erfasste zudem gar nicht alle Stiftungstypen mit gleicher Intensität. So kam es, dass viele Gründungen des Mittelalters erst um 1800 den konfessionsunabhängigen Verstaat‑ lichungen des napoleonischen Zeitalters zum Opfer fielen und manche sogar in mehr oder weniger identischer Form bis auf den heutigen Tag fortleben. (→ 4.2.4) Über die nachmittelalterliche Geschichte der mittelalterlichen Stiftungen ist indes – abgesehen von einigen lokalen Fallstu‑ dien1 – bislang nur wenig bekannt. Die allgemeineren Werke früherer Forscherge‑ nerationen gelten ob ihrer teleologischen Dekadenz‑ bzw. Sublimationsnarrative inzwischen als überholt, ohne bislang durch neuere Gesamtdarstellungen ersetzt worden zu sein.2 Statt den historischen Wandel des abendländischen Stiftungswe‑ sens in den Jahrhunderten zwischen 1450 und 1850 planmäßig auszuloten, haben sich die Gelehrten nämlich immer wieder ‚bloß‘ an den – vermeintlichen – Zäsuren ‚Reformation‘ und ‚Säkularisation‘ abge‑ arbeitet,3 teilweise bis in die jüngste Zeit hinein auch mit latent apologetischen Ab‑ sichten4. Die wenigen verfügbaren Studien zu jenen Stiftungen, die im 16., 17. und 18. Jahrhundert durch lateineuropäische Protestanten errichtet wurden, betonen meist einseitig den Epochenbruch gegen‑ über dem mittelalterlichen Stiftungswesen, ohne überhaupt nach möglichen Konti‑ nuitätslinien zu fragen. 5 Die ebenfalls raren Forschungen zum katholischen Stif‑ tungswesen der Frühen Neuzeit argumen‑ tieren in dieser Hinsicht meist umsichtiger und ausgewogener.6
Lateinische Christen
18.2.2 Kritik Die häufigste Form der Stiftungskritik im mittelalterlichen Okzident war die kasu‑ istische. Man beanstandete nicht das Stif‑ tungswesen an sich, sondern einzelne Stif‑ tungen und ihre Akteure. Mochten die An‑ lässe auch jeweils individuelle Züge tragen, folgten die Vorwürfe im Wesentlichen ei‑ nem regelhaften Muster: Verwalter wurden der Misswirtschaft bezichtigt, Begünstigte der Nachlässigkeit und Aufseher der Kom‑ petenzüberschreitung. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen standen dabei oft die Administratoren. Als Treuhänder des Stifters pochten sie einerseits gegenüber den Destinatären auf die strikte Befolgung der Stiftungsauflagen und andererseits ge‑ genüber den Kuratoren auf die strenge Zweckbindung der Stiftungserträge. Das ging meist gut, solange die Erträge gleich‑ mäßig sprudelten. Blieben die Überschüsse aber aus, ließen die Klagen der materiell Begünstigen nicht lange auf sich warten. Setzte auch dann keine Besserung ein, ap‑ pellierten diese früher oder später an den Ortsbischof, den König, den Stadtrat oder die Erben des Stifters. Proaktiv engagierten sich derartige Kontrollinstanzen hingegen nur in Ausnahmefällen.7 Die Kritik, die an Verwaltung und Voll‑ zug einzelner Stiftungen geübt wurde, ist ausgesprochen gut belegt, wobei die Über‑ lieferungsdichte wie auch sonst im Lau‑ fe des Mittelalters beständig anschwillt. Insbesondere urkundlich fixierte Bestä‑ tigungen, Schiedssprüche und Vergleiche dokumentieren detailliert sowohl erhobene als auch zurückgewiesene Vorwürfe sowie die rechtlichen Folgen der jeweiligen Strei‑ tigkeiten. (→ 5.2.3) Im Vergleich dazu ist die Quellenlage für die Kritik an der Er‑ richtung einzelner Stiftungen eher schmal. Gerade den Initiatoren besonders ambi‑ tionierter Vorhaben dürfte der Vorwurf
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mangelnder Demut zwar kaum erspart geblieben sein, nur wenige Zeitgenossen vertrauten solche Worte aber auch dem Pergament an. Allenfalls Geschichtsschrei‑ ber maßten sich an, gescheiterte Vorha‑ ben retrospektiv als ‚Werk des Teufels‘ zu verurteilen. Neben der moralisierenden Stifterkritik der Historiographen gab es auch eine kompetitive, eher strategisch argumentierende Kritik der Wohltäter un‑ tereinander. Zu ihr zählt etwa das Ver‑ dikt, das Eberhard im Bart 1477 anlässlich seiner Stiftung der Universität Tübingen aufschreiben ließ: „Wir bevorzugen weder den sorgfältigen Bau von Kirchen, noch gar das Stiften von Pfründen“, behauptete der Graf von Württemberg, „denn die Zierde der Kirche hat stets nur unsere irdische Welt gesehen; und es steht fest, dass der einzige Gott wohlgefällige Tempel das Herz des Menschen ist (…) und die Pracht der Kirchen zur Seligkeit nur wenig beiträgt, sie Gott aber lediglich dann gefällt, wenn man reinen und keuschen Geistes in diese eintritt. Einen solchen aber können wir auf keine Weise besser oder schneller erlangen als durch Unterricht in den Wissenschaf‑ ten.“8 Bezeichnenderweise argumentierte der Universitätsstifter zwar in der Sache scharf, aber eben nicht ad personam. So reihten sich seine Vorwürfe ein in die bis ins Frühmittelalter zurückreichende Ge‑ schichte der Diffamierung einzelner Stif‑ tungstypen. Die Kritik an bestimmten Erscheinungs‑ formen von auf Dauer gestellten ‚frommen Werken‘ war oft nichts Anderes als die ins Allgemeine gewendete Kritik an be‑ stimmten Sorten von Stiftungsakteuren. Das betraf in erster Linie ständisch defi‑ nierte Gruppen von Destinatären, denen per se Unzulänglichkeit für die vom Stifter intendierte Aufgabe unterstellt wurde: Das ganze Mittelalter hindurch sahen sich zum Beispiel Frauenkommunitäten mit dem
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Vorwurf des unkeuschen Lebenswandels konfrontiert;9 insbesondere dann, wenn sie mit Mönchen in einem Doppelkloster lebten10. Auch Weltgeistliche, die ihrem irdischen Besitz nicht entsagten, muss‑ ten allen Verfechtern des apostolischen Armutsideals ein Dorn im Auge bleiben.11 Um den Leumund der spätmittelalterlichen Lohnpriester, die ihr karges Auskommen mit der täglichen Feier einer Votivmesse bestritten, war es trotz anderslautender Einstellungsvoraussetzungen ebenfalls nicht besonders gut bestellt. Verdichteten sich derartige Anschuldigungen innerhalb einer Pfarrei, einer Diözese oder gar der ge‑ samten lateinischen Christenheit, ordneten Bischöfe oder Synoden eine systematische Überprüfung und Reform der jeweiligen Institutionen an. (→ 18.2.3) Alle Vorwürfe, die sich auf einzelne Stiftungen oder auf bestimmte Typen von Fundationen richteten, waren insofern konstruktiv, als sie das ‚fromme Werk‘ eines Stifters ganz in dessen – vermeint‑ lichem – Sinne zu optimieren trachteten.12 Das unterschied sie fundamental von sol‑ cher Kritik, die entweder (1.) die materiel‑ len oder (2.) die theologischen Grundlagen des gesamten okzidentalen Stiftungswe‑ sens in Frage stellte und somit eindeutig destruktiven Charakter hatte. (1.) Da fast alle abendländischen Stiftun‑ gen in einem symbiotischen Verhältnis zur Kirche standen, profitierten sie von der allgemeinen Vermögensfähigkeit und teilweisen Steuerfreiheit, die die römi‑ schen Kaiser den ‚ehrwürdigen Häusern‘ (venerabiles domus) seit dem 5. Jahrhundert u. Z. zuerkannt hatten. Nach Ansicht der modernen Forschung zeitigten diese Pri‑ vilegien langfristig zwei negative Folgen für das Gemeinwesen: Zum einen habe die Anwendung der restriktiven Veräu‑ ßerungsbeschränkungen, die seit jeher für
Kritik, Reform und Aufhebung
Kirchengut galten,13 auf das Kapital von Stif‑ tungen immer mehr Vermögenswerte dem freien Warenverkehr entzogen, wodurch angeblich die Volkswirtschaft insgesamt gelähmt worden sei. (→ 17.2.4) Zum ande‑ ren habe der unablässig steigende Anteil grund‑, vermögens‑ und erbschaftssteuer‑ freier Güter am Volksvermögen die Finan‑ zierung (proto‑)staatlicher Aufgaben arg erschwert.14 Allein der zweite Kritikpunkt scheint aber bereits von den Zeitgenossen selbst ins Feld geführt worden zu sein. Die seit dem 13. Jahrhundert erlassenen Gesetze gegen die ‚Tote Hand‘ (lat. manus mortua)15 argumentierten jedenfalls stets fiskalpolitisch und nicht volkswirtschaft‑ lich. So beklagte etwa das 1279 erlassene ‚Statute of Mortmain‘ König Edwards I. von England, dass Kleriker durch Kauf oder Schenkung beziehungsweise Stiftung in den Besitz von Lehen gekommen seien, „wodurch die Dienste, die von diesen ge‑ schuldet werden und die seit Anbeginn für die Verteidigung des Königreichs bestimmt sind, ungerechtfertigter Weise zurückbe‑ halten werden.“16 (2.) Seit der Spätantike galten Stiftungen unter Christen als Mittel zur Erlangung des Ewigen Heils. Zwar konnten sich die lateinisch schreibenden Theologen nie auf eine konsistente Jenseitslehre einigen, kon‑ sensfähig blieb aber unter rechtgläubigen Gelehrten stets die Auffassung, dass so‑ wohl stellvertretend geleistete ‚fromme Werke‘ der Nächstenliebe und Kultusför‑ derung als auch Fürbitten zugunsten eines Verstorbenen das jenseitige Schicksal der Seele positiv beeinflussen würden, und zwar auch postmortal. (→ 7.2.2) Wer dieses Axiom bezweifelte, eckte meist auch sonst mit seinem Lebenswandel an und wurde alsbald von der Amtskirche als Ketzer ver‑ folgt.17 Vielfach lässt sich die tatsächlich geäußerte Kritik an den theologischen
Lateinische Christen
Grundlagen des Stiftungswesens deshalb nur indirekt aus den Irrtümerkatalogen und Befragungsprotokollen der Inquisito‑ ren erschließen. Aus solchen Bruchstücken eine stiftungskritische ‚Lehre‘ einzelner ‚Sekten‘ zu kompilieren, wäre methodisch ganz verfehlt, zumal diese Gruppierun‑ gen oft dogmatisch noch in verschiedene Zweige zerfielen, deren Überzeugungen im Laufe der Zeit zudem Wandlungen unterlagen.18 Der laikale Wanderprediger Petrus Waldes unterschrieb zum Beispiel im Jahre 1180 – auf Druck der Kurie – ein Glaubensbekenntnis, in dem er ausdrück‑ lich erklärte: „Wir bezweifeln nicht, dass Almosen, Messopfer und andere Wohlta‑ ten den toten Gläubigen nützen können.“19 Rund anderthalb Jahrhunderte später un‑ terstellte der Inquisitor Bernard Gui den ‚Waldensern‘ aber sehr wohl, sie lehrten, dass nach dem Tode niemandem mehr durch Fürbitte und gute Werke zu helfen sei.20 Ob solche Anschuldigungen über‑ haupt irgendeinen Realitätsgehalt hatten oder nicht bloß Wahnvorstellungen von Übereifrigen waren, lässt sich kaum veri‑ fizieren. Gleiches gilt für die vermeintliche Sabotage des rechtgläubigen Stiftungsvoll‑ zugs durch die ‚Katharer‘, denen der Kle‑ riker Lucas von Tuy vorwarf, sie würden Messe und Stundengebet vorsätzlich durch das Erzählen von Witzen stören.21 Sicher greifbar wird die Erschütterung des mittelalterlichen Stiftungswesens durch theologische Argumente erst bei jenen spätmittelalterlichen Gelehrten, de‑ ren Schriften sich erhalten haben, weil sie an der Schwelle zur Neuzeit zu Vor‑ denkern des Protestantismus wurden.22 So formulierte etwa der friesische Gelehrte Wessel Gansfort bereits im 15. Jahrhundert den Gedanken, das Fegefeuer sei gar keine Strafe, sondern eine unvermeidliche, ja erstrebenswerte Reinigung; jeder Versuch, diese durch postmortale Interzessionen
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abzukürzen, gehe in die Irre, da ein solches Prozedere weder möglich noch erstrebens‑ wert sei.23 Ähnlich argumentierte der Wit‑ tenberger Theologe Andreas Bodenstein von Karlstadt in einer 1523 gedruckten Pre‑ digt: „Demnach glaube ich nicht, dass die gläubigen Seelen durch Flammen oder Feu‑ er gequält werden. (…) Die Priester sollen ein solches Feuer auch weder löschen, noch dämpfen, denn Christus will, dass sein Feuer brennt und in der Seele stets blinkt oder schimmert.“24 Zu diesem Zeitpunkt mochte Martin Luther die Möglichkeit postmortaler Seelenstrafen im Fegefeuer noch nicht kategorisch ausschließen,25 von der Schädlichkeit gestifteter Fürbitten war er aber seit 1521 überzeugt 26. In einer Pre‑ digt des darauffolgenden Jahres antwor‑ tete er auf die Frage, ob man für die Toten beten (lassen) solle: „Wir haben kein Gebot von Gott, für die Toten zu bitten. Darum kann niemand sündigen, der nicht für sie bittet. (…) Weil es aber ungewiss bleibt, ob eine Seele verurteilt ist, ist es keine Sünde, wenn Du für sie bittest. Und wenn Du das ein‑ oder zweimal getan hast, dann lass es gut sein (…). Denn Gott hat verheißen, er will uns hören, wenn wir bitten. Wenn du ein‑ oder dreimal gebetet hast, sollst Du darum glauben, dass Du erhört worden seist (…). Aber dass man ewige Messen, Vigilien und Gebete zu diesem Zwecke stiftet und alle Jahre plärrt, als hätte Gott es im vorigen Jahr nicht gehört, das ist der Teufel und der Tod, da wird Gott mit Unglauben verspottet (…). Gott fragt nicht nach jährlichen Stiftungen, sondern nach einem herzlichen, andächtigen und gläu‑ bigen Gebet.“27 Luthers Lehre, dass nicht die Menge der gesprochenen Gebete den Ausschlag gebe, sondern die innere Anteilnahme des Gläubigen, fußte auf dem Grundgedanken seiner Gnadenlehre, demzufolge der einzel‑ ne Mensch die Gerechtigkeit Gottes nicht
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durch fromme Werke ‚verdienen‘, sondern allein durch seinen Glauben (sola fide) an die Barmherzigkeit des Schöpfers erlan‑ gen könne. Damit wurde für Luther nicht nur das stellvertretend dargebrachte Op‑ fer in der Messe obsolet, sondern auch jede auf Verdienstübertragung abzielende Form stellvertretender Nächstenliebe und Frömmigkeitsübungen. In einem kurzen Brief des Jahres 1519 bezog er diese Schluss‑ folgerung anscheinend erstmals auf das Stiftungswesen.28 Anlass war der Plan seines großen Förderers, des Kurfürsten Friedrich III. von Sachsen, im Wittenberger Allerheiligen‑Stift eine opulente Stiftung zur „Betrachtung des heilsamen Leidens unseres lieben Herrn und Seligmachers“ zu errichten. Die Berater des Kurfürsten, Georg Spalatin und Jacob Vogt, hatten vor‑ geschlagen, zwei Priester und acht Chor‑ sänger allwöchentlich die wichtigsten Mes‑ sen der Karwoche sowie ein Stundengebet versehen zu lassen, welches so aufwendig gestaltet war, dass die Chorsänger in zwei Gruppen eingeteilt werden mussten, da‑ mit sie überhaupt Zeit zum Essen fanden. Um seine Meinung gefragt, missbilligte Luther diese Konstruktion aufs Schärfste. Viel wichtiger als die äußere Form des Stiftungsvollzugs war ihm die innere Hal‑ tung der Destinatäre, die Anlass zur Sorge bereite, da jene „im Vertrauen darauf, viele Worte gemurmelt und sich stundenlang be‑ schäftigt zu haben, sorglos (aus der Kirche) gingen, aber selten reuevoll, noch seltener inbrünstig und am allerseltensten als sich selbst Erkennende“29. Besser wäre es, so der Reformator weiter, wenn die Priester nur wenige Stunden in der Woche für die Stif‑ tung tätig werden müssten, um sich inner‑ lich auf ihren Dienst einlassen zu können. Überhaupt liege der Nutzen der Stiftung doch vor allem darin, dass sie Menschen, die sich dem Studium der Heiligen Schrift widmeten, ein Einkommen böte.
Kritik, Reform und Aufhebung
Die spätmittelalterliche Kritik an der ‚To‑ ten Hand‘, der rechenhaften Fürbitte und den stellvertretenden Frömmigkeitsleis‑ tungen betraf zwar Eckpfeiler des mittel‑ alterlichen Stiftungswesens, eine genuine Stiftungskritik war sie jedoch nicht. Anstö‑ ßig erschienen den – durchweg antikleri‑ kal gesinnten – Kritikern zwar bestimmte Aspekte der zeitgenössischen Stiftungspra‑ xis, nicht jedoch die Idee der Stiftung an sich. Erst die Philosophie der Aufklärung „zitierte [diese] vor den Richterstuhl der menschlichen Vernunft“30, um ihr per se jede Existenzberechtigung abzusprechen. Es sei, so urteilte etwa 1757 der französi‑ sche Ökonom Turgot in seinem Artikel für Diderots ‚Encyclopédie‘, nicht hinzu‑ nehmen, dass einzelne Menschen mit ih‑ rem begrenzten Verstand sich anmaßten, Vermögenserträge auf ewig zu binden, wo doch die unvermeidliche Veränderung der Verhältnisse eine solche Bindung alsbald unnütz und gesellschaftsschädlich wer‑ den lassen müsse.31 Diese den historischen Wandel bedingungslos affirmierende Ein‑ stellung hat dem überkommenen latein‑ europäischen Stiftungswesen zwar nicht den endgültigen Garaus gemacht, den Um‑ gang mit Fundationen aller Art aber bis auf den heutigen Tag geprägt, und zwar nicht nur im Abendland, sondern – im Zuge des Kolonialismus – fast überall auf der Welt. (→ 2.3.1) Unter den Bedingungen der Mo‑ derne wurden dabei ganz unterschiedliche Lösungen für das Dilemma der Stiftungs‑ dauer gefunden: Wo der Staat stark war (oder sein wollte), beanspruchte er das Recht auf Zweckänderung oder Enteig‑ nung; wo er schwach war, suchten die Stif‑ ter selbst nach Wegen, die petrifizierende Wirkung ihrer Werke dadurch abzufedern, dass sie den Stiftungsorganen zur Auflage machten, entweder das Kapital innerhalb einer bestimmten Frist aufzuzehren oder aber die Stiftungszwecke von Zeit zu Zeit
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neu zu formulieren.32 Alle diese Lösungen waren bereits im Mittelalter erprobt wor‑ den, ohne das damalige Stiftungswesen jedoch entscheidend zu prägen.
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schufen durch die Akkumulation von Stif‑ tungsgütern in zweckgebundenen Son‑ dervermögen effizientere Prozeduren der Stiftungsverwaltung oder ermöglichten dieser mittels Spezifikation der Bezugs‑ berechtigten ein präziseres Kalkül für die Verwendung der Erträge. Obgleich solche 18.2.3 Reform Bemühungen oft zu ähnlichen Ergebnissen Die Lebensverhältnisse, aus denen heraus führten, ging es den jeweiligen Akteuren ein mittelalterlicher Stifter sein frommes stets nur um die einzelne Stiftung, deren Werk konzipierte, blieben nicht stabil, sie Vitalität durch Modifikation erhöht werden änderten sich im Laufe der Zeiten. Jede sollte. Anders lagen die Dinge bei Reform‑ Stiftung bedurfte deshalb früher oder spä‑ vorhaben, die letztlich alle Stiftungen eines ter der Reform.33 Wiederhergestellt wur‑ bestimmten Typus (→ 3.2) betrafen. All‑ de dann (zumindest de facto) keineswegs gemein änderungsbedürftig erschien dann ein vermeintlicher Urzustand, sondern entweder (1.) die Organisationstruktur oder die Funktionsfähigkeit der Stiftung un‑ (2.) die Vermögensstruktur beziehungs‑ ter geänderten Rahmenbedingungen. Die weise (3.) die Zwecksetzung einer ganzen schriftlich niedergelegten Anordnungen Gruppe von Stiftungen. des Stifters dienten dabei kaum einmal als Matrix zur Rekonfiguration des Stiftungs‑ (1.) Um ihr Anliegen durch die Zeiten zu gefüges.34 Sie wurden in erster Linie sorg‑ transportieren, setzten viele mittelalterli‑ fältig konserviert und lediglich zur Unter‑ che Stifter auf klerikale, monastische oder mauerung tradierter Rechtsansprüche aus auch laikale Kommunitäten als Treuhänder dem Archiv hervorgeholt.35 Allfällige Um‑ und Destinatäre. Diese Gemeinschaften schichtungen des Grundstockvermögens, waren zwar soziale Schöpfungen des Stif‑ Neuordnungen der Verwaltungsabläufe ters und deshalb seinen Vorgaben ver‑ und Modifikationen des Stiftungsvoll‑ pflichtet; zugleich aber waren sie Objekte zugs erfolgten beiläufig und schleichend, einer im weitesten Sinne kirchenrechtli‑ ohne ausdrücklichen Abgleich mit dem chen Gesetzgebung, deren normative Vor‑ ursprünglichen Stifterwillen. Selten wa‑ gaben dem historischen Wandel unterlagen. ren derlei Eingriffe der Nachlebenden so Die Geschichte des abendländischen gravierend, dass man im Rückblick von Mönchtums zum Beispiel kennt zahlrei‑ regelrechten Zäsuren sprechen kann; im che überlokale Reformbewegungen. Dabei Extremfall ist die Grenze zur Eigenkir‑ ging es immer wieder auch darum, den chenherrschaft aber nur mehr schwer zu Typus ‚Klosterstiftung‘ so zu verändern, ziehen.36 Reformen wurden vielfach auf dass die Mönche als Treuhänder und De‑ externen Druck, etwa der Stiftererben, des stinatäre des Stifters mehr Autonomie er‑ Ortsbischofs oder – bei religiösen Orden – hielten. Ganz in diesem Sinne bestimmte auch des Generalkapitels, vorgenommen. etwa der Gründer der Abtei Cluny, Graf Häufiger aber kam die Initiative aus dem Wilhelm I. von Aquitanien, in seiner Stif‑ Kreis der Destinatäre und Treuhänder tungsurkunde vom 11. September 909/910 selbst. Mönche und Kanoniker erfanden programmatisch, „dass die Mönche dieser z. B. durch nachträglich errichtete Grab‑ Kongregation vom heutigen Tage an we‑ mäler neue Praktiken der Stiftermemoria, der uns noch unseren Angehörigen, den
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hochmütigen Größen des königlichen Pa‑ lastes oder dem Joch irgendeiner irdischen Macht unterworfen sein sollen; kein welt‑ licher Fürst, Graf, Bischof oder Papst möge in die Besitzungen dieser Diener Gottes eindringen, sie zerstreuen, vermindern, be‑ anspruchen, an irgendwen verlehnen oder den Brüdern gegen ihren Willen einen an‑ deren Vorsteher überordnen.“37 Durch den Verzicht auf weltliche Schutzherren aus der Familie des Stifters (Stiftervogtei) und das Privileg der freien Abtswahl erreichte die Selbständigkeit der Stiftungsorgane in Cluny ein zuvor ungekanntes Ausmaß.38 Andere Adelige folgten bald dem Vorbild Wilhelms und ließen ihre Eigenklöster durch Cluniazenser‑Mönche reformieren oder dedizierten ihre Neugründungen an das Hauptkloster im Burgund. Schließlich reichte der Cluniacensis ecclesia genannte Klosterverband mit seinen zahlreichen Ne‑ benklöstern und Prioraten bis nach Itali‑ en, Spanien, England und Deutschland.39 Nachhaltig durchgesetzt hat sich das Mo‑ dell der autonomen Klosterstiftung indes nicht. Bei den neuen Mönchsorden des hohen Mittelalters gedieh oder erstarb die genossenschaftliche Freiheit der Destinatä‑ re im Spannungsfeld der konkurrierenden Herrschaftsansprüche von Patronatsher‑ ren und Generalkapiteln. Und selbst Kon‑ vente mit tadellosen Exemtionsprivilegi‑ en vertrauten in den Wirren des späteren Mittelalters gerne wieder auf den Schutz mächtiger Großer, denen sie im Gegenzug Gebetshilfe und Präsentationsrechte auf bestimmte Pfründen einräumten.40 (2.) Stiftungen konnten im abendländi‑ schen Mittelalter mit ganz unterschiedli‑ chen Arten von Vermögen dotiert werden. (→ 10.2) Welche Beschaffenheit das Kapital des Grundstocks haben sollte, war in erster Linie Verhandlungssache zwischen dem Stifter und seinen Treuhändern. (→ 13.2.2)
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Ab dem 13. Jahrhundert mehren sich aller‑ dings die Versuche von Personen(gruppen), die am Stiftungsgeschäft selbst nicht direkt beteiligt waren, über Amortisationsgesetze Einfluss auf die Vermögensgrundlage von Stiftungen zu nehmen. Ihre Bemühungen, die dauerhafte Zweckbindung bestimmter Kapitalsorten zu sanktionieren bzw. zu protegieren, zielten eigentlich bloß auf die materielle Ausstattung von Stiftungen, die neu errichtet wurden. Hatten solche Initi‑ ativen zudem auch mittelbare Effekte auf bereits bestehende Stiftungen, scheint ihre Charakterisierung als Stiftungsvermögens‑ reform durchaus vertretbar. Dies gilt nun aber keineswegs für alle Amortisations‑ gesetze des späteren Mittelalters, die ja sowohl in ihrer äußeren Form als auch in ihren konkreten juridischen Bestimmun‑ gen eine recht inhomogene Ansammlung von Texten darstellen. (→ 5.2.2) Sie alle sollten zwar den ‚staatlichen‘ Steuermin‑ derungen infolge von Immobilientransfers an die ‚Tote Hand‘ abhelfen, schlugen dazu aber ganz unterschiedliche Lösungswege ein. Könige, Herzöge und Grafen setzten mit ihrer Gesetzgebung lange Zeit in erster Linie auf ad hoc fällige Kompensations‑ zahlungen für zukünftige Mindereinnah‑ men des Fiskus, griffen also de facto kaum lenkend in die Dotationspraxis der Stifter ein.41 Ganz anders dagegen die städtischen Räte! Sie erließen keine Amortisationsge‑ bote, sondern Amortisationsverbote. Über‑ eignungen an die ‚Tote Hand‘ wurden nicht genehmigungspflichtig, sondern schlicht‑ weg untersagt.42 Tatsächlich durchsetzen ließ sich ein solch rigider Eingriff in die Vertragsfreiheit der Bürger allerdings nur, wenn man stiftungswilligen Personen eine Alternative zur finanziellen Absicherung ihrer ‚frommen Werke‘ mit innerstädti‑ schem Grundbesitz bot. Und in der Tat hatten die Ratsherren eine solche in petto, nämlich kommunale Anleihen, bei denen
Lateinische Christen
die gesamte Stadtgemeinde als Schuldner für die regelmäßige Auszahlung präzise fi‑ xierter Stiftungserträge bürgte.43 Auf diese Weise stoppte man nicht nur die Erosion der städtischen Steuereinnahmen, sondern rang dem eigentlich für partikulare Inter‑ essen reservierten Kapital sogar noch einen kommunalen Nutzen ab.44 Weil aber die Stiftungen von dem geringen Verwaltungs‑ aufwand und der sicheren Rendite derar‑ tiger Geldstiftungen ebenfalls profitierten, wanderten im 14. und 15. Jahrhundert auch bei früh‑ und hochmittelalterlichen Grün‑ dungen immer mehr Vermögenswerte aus dem Immobiliensektor in den Kapitalmarkt ab. Problematisch blieb indes stets die Har‑ monisierung solcher Anlagestrategien mit dem biblischen Verbot des Wuchers. Die theologischen Hardliner konnte dabei nicht einmal das Argument überzeugen, der Zins diene ja einer frommen Sache; sie nahmen die Gefahr eines großen Stiftungs‑ sterbens billigend in Kauf, wenn sie wie Martin Luther dachten: „Es ist besser, aus zehn Stiftungen eine göttliche zu machen, als viele gegen Gottes Gebot zu behalten.“45 (3.) Ungeachtet ihrer ‚ewigen‘ Gültigkeit konnten Stiftungszwecke im Mittelalter sehr wohl verändert werden. Ganz selbst‑ verständlich passten Fundatoren die Vorga‑ ben für spätere Generationen fortlaufend ihren gewandelten Lebensumständen an. Aber auch die Erben eines Stifters oder dessen Exekutoren nahmen sich vielfach entsprechende Eingriffsrechte heraus. Sol‑ che Modifikationen betrafen stets nur ein‑ zelne Stiftungen; sie ersetzen auch nicht deren Zweck durch einen anderen, sondern erweiterten oder verengten lediglich den ursprünglichen Auftrag. Als mit der zu‑ nehmenden Akzeptanz der reformatori‑ schen Gnadenlehre (→ 18.2.2) zahlreiche traditionelle Stiftungszwecke diskredi‑ tiert wurden, weil sie nun als ‚bestenfalls
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unnütz, schlimmstenfalls schädlich‘ galten, änderte sich dies schlagartig.46 Wo derar‑ tige Stiftungen nicht einfach aufgehoben wurden (→ 18.2.4), drangen insbesondere die lokalen Obrigkeiten auf Abänderung der Ziele; je nach konfessionellen Sympa‑ thien mit Unterstützung der Stifterfamilien oder gegen deren erbitterten Widerstand. Die protestantischen Umwidmungen von Stiftungsgütern lassen sich in An‑ lehnung an die vermögensrechtlichen Forschungen von Hans Lehnert47 grund‑ sätzlich in zwei Typen unterteilen: die ‚Re‑ formationen‘ und die ‚Innovationen‘. Bei der Reformation von Stiftungszwecken blieb das soziale System der jeweiligen Stif‑ tung im Wesentlichen bestehen, allein ihr Zweck wurde anders gefasst: Aus Klöstern machte man zum Beispiel Klosterschulen, statt gregorianischer Gesänge sollten die Schüler fortan das ‚richtige‘ Latein der Humanisten lernen und der Gottesdienst der Stiftsherren nicht länger durch Prunk, sondern durch Predigt geprägt sein. Bei der ‚Innovation‘ von Stiftungszwecken be‑ wahrte man hingegen allein das Grund‑ stockvermögen, wies dessen Erträge aber dauerhaft für andere Zwecke an, mit deren Umsetzung neue Stiftungsorgane betraut wurden. Dabei wurde in der Regel das Kapital der für entbehrlich gehaltenen Gedenk‑ und Kultusstiftungen zur Dota‑ tion von Spitälern und Stipendien genutzt. Ein – quantitativ besonders ins Gewicht fallender – Sonderfall der ‚Innovation‘ war die ‚Kumulation‘, also die Fusion zahlrei‑ cher, einst separater Stiftungskapitalien zu einem zweckgebundenen Sondervermö‑ gen, aus dem dann eine zentral gesteuerte Sozialfürsorge und Predigerbesoldung in‑ nerhalb der Gemeinde finanziert wurde.48 Erstmals kam die Idee eines ‚Gemeinen Kastens‘ 1522 in Wittenberg auf;49 popu‑ larisiert wurde sie im Folgejahr durch die von Luther veranlasste Publikation der
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Leisniger Kastenordnung50. Deren Bestim‑ mungen zufolge sollten alle kleineren Stif‑ tungen der Stadt – nämlich die vier Altar‑ lehen, die Jahrtage, die Messreihen sowie die jährlich wiederkehrenden Almosen beim Spital und anderswo – zu einem ge‑ meinsamen Fonds zusammengefasst wer‑ den, aus dessen Erträgen fortan sämtliche Bedürfnisse der Gemeinde zu bestreiten waren: die Besoldung der Geistlichen und des Küsters, die Baulast der Pfarrkirche, der Schule und des Spitals, der Unterhalt des Schulmeisters sowie die Versorgung der Armen, Kranken, Alten, Waisen und Fremden. In seiner Vorrede rechtfertigt Luther die angestrebte Kumulation von Stiftungsvermögen und ‑zwecken damit, dass auf diese Weise nicht zuletzt „der Stif‑ ter Testament und Willen“ erfüllt werde, die einst zu ihren frommen Werken bloß durch die Amtskirche verführt worden seien, dabei aber eigentlich das rechte Ziel verfolgt hätten, Gott zu ehren.51 Nur unter bestimmten Umständen riet der Reforma‑ tor von einer solchen Änderung der Stif‑ tungszwecke ab: Wenn die Nachkommen einzelner Stifter zwischenzeitlich verarmt seien, solle das Stiftungskapital besser an jene heimfallen, weil die Versorgung von Kindern und Erben „der höchste Gottes‑ dienst“ sei, „den sie mit zeitlichem Gut tun mögen“52. Inwieweit diese Einschränkung in den folgenden Jahren bei der massenhaf‑ ten Kumulation von Stiftungen tatsächlich beherzigt wurde, harrt noch einer einge‑ henden Recherche. Bekannt ist bislang nur, dass die nach Leisniger Vorbild etablierten ‚Gemeinen Kästen‘ an der Aufgabe, das gesamte gemeindliche Leben zu finanzie‑ ren, in der Praxis scheiterten. Zum einen reichten die ad hoc verfügbaren Erträge einfach nicht aus, zum anderen waren die mit der Verwaltung betrauten Kollegien nicht Willens oder in der Lage, die ‚Ge‑ meinen Kästen‘ als operative Stiftungen
Kritik, Reform und Aufhebung
zu führen und innerhalb der weit gesteck‑ ten Stiftungszwecke eine jährlich variable Mittel zuweisung für Besoldung, Baulast und Alimentierung vorzunehmen.53 Des‑ halb entstanden vielerorts bald wieder ge‑ trennte Kästen für die einzelnen Zwecke.54 18.2.4 Aufhebung Wie die Errichtung einer mittelalterlichen Stiftung (→ 1.2.4; 2.2.4) erfolgte auch ihre Vernichtung in einem mehr oder weniger langgestreckten Prozess, dessen umfassende Historisierung in einer formaljuristischen Betrachtungsweise nicht gelingen kann. Der Wortlaut der erhaltenen Abrogationsdekrete suggeriert zwar meist eine augenblickliche, geradezu eruptive Umwälzung der Rechts‑ lage. Uno actu ließen sich Stiftungen als ‚totale soziale Phänomene‘55 allerdings gar nicht aus der Welt schaffen. Ein förmlicher Beschluss zur Aufhebung konnte sowohl am Anfang als auch am Ende eines Stif‑ tungstodes stehen, meist erfolgte er nach einer gewissen Inkubationszeit und zog eine längere Phase der Durchsetzung und Abwicklung nach sich. Die unterschiedli‑ chen Verlaufsszenarien resultierten in ers‑ ter Linie daraus, dass es zur Zerstörung einer Stiftung stets der Auflösung zweier sozioökonomischer Bindungen bedurfte: erstens der dauerhaften Zweckbindung der Stiftungserträge, deren ungebrochener Gel‑ tungsanspruch durch das stellvertretende Handeln der Stiftungsorgane fortwährend aktualisiert wurde,56 sowie zweitens der durch fortwährende Gabentausche perpe‑ tuierten sozialen Beziehungen zwischen dem Stifter, seinen Administratoren und Destinatären57. Die Auflösung dieser beiden Bindungen konnte Wochen, Monate oder Jahre erfordern. Im Zuge von Reformati‑ on und Säkularisation erfolgte sie vielfach parallel, sich wechselseitig verstärkend, im
Lateinische Christen
mittelalterlichen Jahrtausend fiel sie dage‑ gen zeitlich mitunter sehr weit auseinander. Vielfach belegt ist der Abbruch der so‑ zialen Beziehungen zwischen Profitienten und Destinatären infolge ausbleibender Stiftungserträge. Besonders deutlich do‑ kumentieren solche Vorgänge die spät‑ mittelalterlichen Jahrzeitbücher, wenn in ihnen die Tilgung einzelner Namen mit dem Hinweis non solvit („[der Stifter] hat nicht gezahlt“) oder nichil valet amplius („[das Stiftungsgut] ist nichts mehr wert“) begründet wird.58 In all diesen Fäl‑ len, so steht zu vermuten, war das Grund‑ stockvermögen schon vor geraumer Zeit entfremdet worden. Aber auch die um‑ gekehrte Reihenfolge konnte eintreten: Die Stiftungsempfänger verfügten noch jahrzehnte‑ oder jahrhundertelang über die vom Stifter bereitgestellten Kapitali‑ en, ohne die Erträge für die vorgesehenen Zwecke einzusetzen. Ins Bewusstsein der Zeitgenossen rückte sowohl die Konfiskation von Stiftungsver‑ mögen als auch die Omission von Stiftungs‑ auflagen vor allem im Zuge systematischer Erhebungen, von denen in der Regel nur die Ergebnisse überliefert sind, nämlich neu angelegte Toten‑, Güter‑ und Einkünf‑ teverzeichnisse. In diesen wurde Soll‑ und Ist‑Zustand vielfach stillschweigend har‑ monisiert. Bestand indes noch Hoffnung, ein entfremdetes Gut wiederzuerlangen, verzeichnete man sehr wohl Umfang und Urheber von Entfremdungen.59 Und stieß man bei der Recherche auf längst vergesse‑ ne Stifter, dokumentierte man – wohl zum Zwecke der eigenen Exkulpation – auch die zwischenzeitliche Nichtbeachtung der Memorialauflagen. Bei günstiger Quellen‑ lage kann rückblickend sogar rekonstruiert werden, welche Evaluationsverfahren im Einzelnen zur Anwendung kamen; so zum Beispiel im Wiener Schottenkloster, des‑ sen Abt und Konvent im Jahre 1442 „zur
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Klärung und Reinigung ihres Gewissens“ eine umfassende Inventur sämtlicher Stif‑ tungsverpflichtungen durch den Magister Narziß von Berching vornehmen ließen.60 Zunächst überprüfte Narziß anhand der verfügbaren Dienstbücher und Urbare, ob die in den vorhandenen Stiftungsurkunden genannten Güter sich überhaupt noch im Besitz des Klosters befanden. War das der Fall, ermittelte er die Höhe der tatsäch‑ lichen jährlichen Profite, verglich diese mit den in den Stiftungsurkunden ange‑ gebenen Beträgen und setzte sie mit den liturgischen Leistungen der Mönche ins Verhältnis. Entsprachen die ermittelten Erträge nicht mehr den ursprünglichen, reduzierte er die vom Konvent zu leisten‑ den Gebetsdienste. Neben der Abrogation kannte man im Mittelalter also auch die Reduktion von Stif‑ tungen, das heißt die Herabsetzung der auf den Stiftungsempfängern ruhenden Lasten aufgrund geänderter Umstände.61 Gerade dieses Procedere, das im Wesentlichen auf ein summarisches Wohltätergedenken hin‑ auslief, eröffnete den Stiftungsempfängern einen vielfach beschrittenen Weg, ihre sozialen Beziehungen auch zu solchen Stiftern aufrecht zu halten, deren einst bereitgestellte Güter keine Erträge mehr abwarfen.62 Exemplarisch demon striert das etwa ein Addendum zu dem spätmit‑ telalterlichen Jahrzeitbuch der Pfarrkir‑ che St. Andreas in Uster (Kanton Zürich, Schweiz). Im Jahre 1470 veranlassten hier die Pfarrer und Kirchpfleger der Gemeinde, der Abt des Klosters Rütli als Inkorpo‑ rationsherr sowie die Bürgermeister der Kommune die Einrichtung von zwei kumu‑ lativen Anniversarfeiern für all diejenigen Stifter, deren Gaben nur mehr einen Profit von zwei Pfennigen oder weniger abwarfen. Begründet wurde dieses Vorgehen damit, dass von solchen Summen die „Kosten“ und die „Arbeit“ eines Pfarrers, Kaplans oder
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Kirchenpflegers schlichtweg nicht bestrit‑ ten werden könne. Damit aber der „gute Wille“ der Stifter nicht durch die Pfarrer, Kapläne und Pfleger „zerstört“ werde und damit letztgenannte nicht aufgrund ihrer „Saumseligkeit“ und „Verhinderung“ beim allmächtigen Gott „in Ungnade“ fielen, ord‑ nete man halbjährliche Seelmessen mit Geläut und Armenspeisung an, in denen jeweils einer Gruppe namentlich genannter Personen kollektiv gedacht werden sollte.63 Im abendländischen Mittelalter waren Aufhebungen und Minderungen von Stif‑ tungen in der Regel partikularen Interes‑ sen geschuldet: Stiftererben beharrten auf der Verfügungsgewalt über einstiges Fa‑ milienvermögen, Anrainer von Stiftungs‑ gütern brachten deren Bewirtschaftung zum Zwecke der Besitzarrondierung unter ihre Kontrolle, Stiftungsempfänger redu‑ zierten bei fehlender Kontrolle ihr Enga‑ gement bei der Umsetzung der Stiftungs‑ zwecke et cetera. Universale Angriffe auf das Stiftungswesen hat es hingegen im abendländischen Mittelalter allenfalls in Ansätzen gegeben. Systematische Konfis‑ kationen von Stiftungsvermögen (als Teil des Kirchenguts) sind nur ganz vereinzelt belegt, meist im Zuge militärischer Ope‑ rationen. Aber auch sie waren oft bloß transitorischer Natur, weil die entfremde‑ ten Güter – nach gewonnener Schlacht – restituiert wurden oder der Herrscher den betroffenen Stiftungen eine andere Form der Kompensation leistete.64 Eine gleicher‑ maßen flächendeckende wie definitive Vernichtung bestimmter Stiftungstypen erfolgte erst im Zuge von Reformation und Säkularisation. Voraussetzung hier‑ für war eine statistische Erhebung aller vorhandenen Stiftungen. Exemplarisch für solche Initiativen ist das Vorgehen des Tudor‑Königs Hein‑ rich VIII. von England, der sein Ansin‑ nen mithilfe einer effektiven Verwaltung
Kritik, Reform und Aufhebung
besonders schnell und besonders gründlich durchführen konnte. Nachdem er 1534 mit dem Papsttum gebrochen und sich selbst zum Oberhaupt der englischen Kirche erklärt hatte, ließ er 1535 Vermögen und Einkünfte sämtlicher Klöster, Stifte und Spitäler seines Königreiches in einem ‚Va‑ lor ecclesiasticus‘ (‚Das kirchliche Vermö‑ gen‘) genannten Katalog erfassen. Rund zehn Jahre später veranlasste er eine ent‑ sprechende Aufstellung für alle Kollegien, Kapellen und Messpriesterpfründen, die sogenannten ‚Chantry Certificates‘. Beide Verzeichnisse wurden innerhalb weniger Monate durch eigens gebildete Kommissi‑ onen erstellt und bildeten die Grundlage für die Zerschlagung fast aller erfassten Institute. (→ 5.2.3) 1535 beanspruchte der König zunächst alle Klöster mit einem Jahreseinkommen von unter zweihundert Pfund für sich, 1539 auch die reicher begü‑ terten Konvente und 1547/1549 schließlich sämtliche Messpriesterpfründen, Kapellen und Kollegiatstifte.65 Das Gros der Klöster wurde von seinen Äbten und Mönchen freiwillig aufgegeben. In den hierüber ausgestellten Urkunden bekannten die Religiosen: „Die Lebenswei‑ se, die wir viele Jahre praktiziert haben, bestand im Wesentlichen aus dämlichen Zeremonien und ein paar Vorschriften aus Rom. Da es aber am vorteilhaftesten ist, von unserem eigenen Oberhaupt un‑ ter Gott, der edelsten Gnade des Königs, regiert zu werden, unterwerfen wir uns dieser demütigst und geben in seine gnä‑ digsten Hände unser gesamtes Kloster mit allen Ländereien, Zehnten, Renten, Rech‑ ten und Einkünften, verbunden mit der Bitte, seine edelste Gnade möge einem je‑ den von uns eine Pension oder eine andere Art zu leben gewähren, wodurch wir die Sicherheit bekommen, auch zukünftig ei‑ nen Lebensunterhalt zu haben.“66 Frühere Generationen von Forschern haben solche
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Lateinische Christen
Bekundungen allzu leichtgläubig als Indi‑ zien für den allgemeinen Verfall der mo‑ nastischen Disziplin und den schamlosen Egoismus Einzelner interpretiert. Dabei hätte sie schon die formelhafte Wieder‑ holung der immer selben Phrasen stutzig machen müssen. Tatsächlich widersetz‑ ten sich, wie neuere Studien zeigen, rund sechzig Prozent der englischen Mönche zunächst erfolgreich einer Aufhebung ih‑ rer Konvente.67 Ob der ausschlaggebende Grund hierfür tatsächlich in der ungebro‑ chenen Bindekraft monastischer Gelübde gelegen hat, bleibt aber spekulativ.68 Die erhaltenen Schriftstücke sprechen hiervon jedenfalls ebenso wenig wie von einem ewigen Stiftungsauftrag, an den man ge‑ bunden sei. (→ 13.2.2) Abt und Konvent des Klosters Evesham (Worcestershire, England) boten dem Vizeregenten Tho‑ mas Cromwell immerhin an, auch zukünf‑ tig die seit jeher geleistete Versorgung der Armen und Kranken aus der näheren Umgebung zu übernehmen, sofern er ihr Kloster ‚lediglich‘ in eine der geplanten edukativen Einrichtungen umwandle.69 Viele andere Gebetsgemeinschaften sahen hingegen – vergeblich – in ‚Schmiergeld‑ zahlungen‘ das beste aller Argumente.70 Die Usurpation des Stiftungsvermö‑ gens bei gleichzeitiger Pensionierung der zum Aussterben ‚verdammten‘ Stiftungs‑ empfänger lässt sich nicht nur im England des 16. Jahrhunderts beobachten. Beinahe überall in Europa wählten staatliche Obrig‑ keiten dieses Verfahren für die ‚Abwick‑ lung‘ des mittelalterlichen Stiftungswesens.
Ausschlaggebend war dabei – zumal in der Zeit um 1800 – weniger die von Luther und anderen ins Feld geführte theologische Argumentation71 als vielmehr nüchterner Pragmatismus. Von einer innereuropäisch vergleichenden Erforschung dieser Pro‑ zesse ist die Wissenschaft indes noch weit entfernt. In den nationalen Forschungs‑ traditionen dominiert zudem eine staats‑ kirchenrechtliche Betrachtungsweise, die viel zu oft einem linear gedachten Säku‑ larisierungsparadigma huldigt. Auf dem Gebiet des Stiftungswesens wurde indes nicht nur um das Verhältnis von Staat und Kirche gerungen, es ging auch – viel‑ leicht sogar vor allem – um die Stabilität sozialer und ökonomischer Beziehungen unter den Bedingungen der Moderne.72 Die retardierende Kraft von Stiftungen kann dabei gar nicht unterschätzt werden. Auf Anfrage eines katholischen Pfarrers stellte etwa das in Trier ansässige Generalvika‑ riat im Jahre 1808 fest: „Die Stiftung [der frühmittelalterlichen Stiftgründer Udo und Hermann in Wetzlar] war trotz der 1803 erfolgten Säcularisation des Stiftungs‑ fonds durch den Staat, nach Rückgabe des Stiftungsfonds an die kath. Gemeinde zu persolviren (…). Pro praeterio [d. h. für die Vergangenheit] bestimmen wir nun, daß als Ersatz für die ausgefallenen Anniversa‑ rien 40 stille hl. Messen zu lesen sind, pro futuro [d. h. für die Zukunft], daß jährlich ein Anniversar nach Intention der Stifter (…) gehalten wird.“73 TL
Anmerkungen 1 Vgl. etwa Besold-Backmund, Stiftungen und Stif‑ Stiftungen (2012); M. Berger / Lutz / Schilkowsky, tungswirklichkeit (1986); Fuchs, Anfänge Rotten‑ buchs (2004); Hensel-Grobe, St.‑Nikolaus‑Hospital (2007); Lohse, Dauer (2011); Moddelmog, Königliche
Reiches Almosen (2015).
2 Beispiele: Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938); W. K. Jordan, Philanthropy in England
360 (1959); Heutger, Nachleben (1961); Liermann, Ge‑ schichte des Stiftungsrechts (1963, ND 2002), bes. 124–229. Zur Kritik: Lohse, Dauer (2011), 40 f. 3 Eine regelrechte Flut von Publikationen er‑ schien zuletzt zum zweihundertjährigen Jubiläum des Reichsdeputationshauptschlusses von 1803. Resümierend dazu Klueting, Zweihundert Jahre (2008). Das aktuelle Jubiläum des Wittenberger Thesenanschlags von 1517 lässt einen ähnlichen Output erwarten. 4 Vgl. die Kritik des Katholiken Klueting, Enteig‑ nung oder Umwidmung (1996), bes. 74; 81 f., an den Forschungen des Protestanten Lehnert, Kirchengut (1935). Kluetings Behauptung, die von Lehnert erar‑ beitete Typologie reformatorischer Umwidmungen katholischen Stiftungsguts (→ 18.2.3) verschleiere die tatsächlich erfolgten Enteignungen, kreist um die Frage, was als pia causa zu gelten habe und was nicht. Sie folgt damit einer Spur, die Leh‑ nert selbst gelegt hatte, die aber m. E. in die Irre führt. Kluetings These, der zufolge „die zeitgenös‑ sischen Aussagen reformatorischer Fürsten und ihrer juristischen Berater über die Verwendung des eingezogenen Klostergutes ad pias causas – ab‑ gesehen von dem auf kirchlich‑kultische Zwecke im engeren Sinne entfallenden Teil – topischen Charakter besaßen“ (ebd., 81), fußt nämlich auf einem ahistorisch‑essentialistischen Begriff der piae causae. Entscheidend für die Frage, ob im Ein‑ zelfall eine ‚Reform‘ oder eine ‚Aufhebung‘ der Stiftung erfolgte, ist – anders als Lehnert und Klue‑ ting suggerieren – allein die Dauerhaftigkeit der zweckgebundenen Mittelverwendung, nicht der ‚tatsächliche‘ Grad ihrer Frömmigkeit. (→ 1.2.1) Zur Tradition der „konfessionellen Apologetik“ siehe auch die Hinweise bei Besold-Backmund, Stiftungen und Stiftungswirklichkeit (1986), 9 mit Anm. 10. 5 Klassisch W. K. Jordan, Philanthropy in Eng‑ land (1959). Neuerdings vor allem Schneider-Ludorff, Protestantisches Stiften (2008); Dies., Sinn der Gabe (2012); Dies., Stiftungen in den protestantischen Reichsstädten (2015). Siehe aber die knappen Hin‑ weise bei Uhlhorn, Christliche Liebesthätigkeit (1895), 593 f.; Haas, Leben im Kollegiatstift (2011), 170. 6 Vgl. etwa Besold-Backmund, Stiftungen und Stiftungswirklichkeit (1986); die Beiträge in Jakobi, Stiftungen und Armenfürsorge (1996). 7 Diesen Gesamteindruck vermitteln die verschie‑ denen Längsschnittstudien zur Stiftungswirklichkeit
Kritik, Reform und Aufhebung
im historischen Wandel, die in den letzten Jahren vorgelegt worden sind. Siehe insbesondere Hatje, Gott zu Ehren (2002); Hensel-Grobe, St.‑Nikolaus‑ Hospital (2007); Lohse, Dauer (2011); Moddelmog, Kö‑ nigliche Stiftungen (2012). Ältere Studien werden rekapituliert bei W. E. Wagner, Stiftungen (2001). 8 Urkunden zur Geschichte der Universität Tü‑ bingen aus den Jahren 1476 bis 1550. [Ed. Rudolf Roth]. Tübingen 1877, 28–30, Nr. 6, hier 28 f.: Non his accurata templorum edificia atque structuras non denique beneficiorum ecclesiasticorum fundationes preferimus Nam satis euo nostro decus creuit ecclesie Constatque solum acceptabile deo templum esse pectus humanum (…) Atque ea [templorum magnificentia] parum ad beatitudinem conferre sed ita dumtaxat deo placere si quis puram castamque mentem in ea ipsa intulerit quam profecto nulla via atque arte melius neque compendiosius quam ex literarum erudicione consequi poterimus. Dazu Mertens, Eberhard im Bart (1999), 161 f. 9 Vgl. Andermann, Unsittliche und disziplinlose Kanonissen (1996). 10 Vgl. Haarländer, Schlangen unter den Fischen (2002). 11 Vgl. Fuchs / Märtl, Neuer Text (1991). 12 Zur Typologie derartiger Verbesserungs‑ maßnahmen siehe Lohse, Dauer (2011), 196–199. 13 Siehe Plöchl, Geschichte (1955), 397. 14 So zum Beispiel Puza, Kirchenstiftung (2008), 30 f. 15 Noch immer nützlich sind die älteren Über‑ blicke von Kahl, Deutsche Amortisationsgesetze (1879); Mack, Kirchliche Steuerfreiheit (1916, ND 1965). 16 Councils & Synods. With other Documents relating to the English Church, Bd. 2.2. Ed. Frederic M. Powicke / Christopher R. Cheney. Oxford 1964, 864 f.: per quod servitia que ex huiusmodi foedis debentur et que ad defensionem regni ab initio provisa fuerunt indebite subtrahuntur. Dazu: Raban, Mortmain Legislation (1982, ND 2008). 17 Unter den Häresievorwürfen, mit denen sich etwa die englischen Lollarden konfrontiert sahen, spielte die Leugnung des Fegefeuers und der Nütz‑ lichkeit von Fürbitten eine ganz untergeordnete Rolle. Vgl. Kreider, English Chant ries (1979), 95 f. 18 Vgl. exemplarisch die dogmatische Auffä‑ cherung der ‚Katharer‘ bei Rottenwöhrer, Katharer (2007). Siehe ferner Sennis, Cathars in Question (2016).
Lateinische Christen
19 Glaubensbekenntnis und Propositum des
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sie bittest (…). Und wenn du das eyn mal oder zwyr Waldes und seiner Brüder von 1180. Ed. Selge, Erste than hast, ßo laß es gůtt seyn und befihl sie Gott, Waldenser (1967), Bd. 2, 3–6, hier 5: Helemosinas et Denn Gott hatt verheyssen, er will uns hoͤren was sacrificium ceteraque beneficia fidelibus posse pro- wyr bitten. Darumb wenn Du eyn mal odder drey desse defunctis non dubitamus. Die Standardwerke gepeten hast, solltu glawben das du erhoͤret seyst der Häresieforschung gehen auf diesen Aspekt (…). Aber das man ewige messz, vigilien und gepett des Glaubensbekenntnisses nicht näher ein. Vgl. drauff stifftet und alle iar plerret, als hets Got fur dem iar nicht erhoͤret: das ist der teuffel unnd der etwa Grundmann, Ketzergeschichte (1963), 29. 20 Vgl. Bernard Gui, Le Manuel de l’Inquisiteur, todt, da wirtt Gott verspottet mit unglawben (…). Gott Bd. 1. Ed. Guy Mollat. (Les Classiques de l’Histoire fragt nicht nach ierlichen stiftungen, ßondern nach de France au Moyen Age, Bd. 8.) Paris 1926, 62–64. eym hertzlichen, andechtigem, glewbigem gepett. Dazu knapp: Schneider, Europäisches Waldenser‑ 28 Das Folgende in enger Anlehnung an Krentz, tum (1981), 53. Ritualwandel und Deutungshoheit (2014), 94–97. Luthers ‚Gutachten‘ vom 20. August 1519 (siehe 21 Vgl. Rottenwöhrer, Katharer (2007), 257. 22 Einen konzisen Überblick vermittelt jetzt P. folgende Anm.) ist natürlich seit Langem bekannt. Marshall, After Purgatory (2015). Dass es sich um ein Schlüsselzeugnis für die Ein‑ 23 Vgl. Koslofsky, Reformation (2000), 28–30. stellung der evangelisch‑lutherischen Kirchen Wir kennen Gansforts Argumentation nur aus zum überkommenen Stiftungswesen handelt, seinen Briefen, seine Schriften wurden nach sei‑ hat die Forschung indes bislang nicht erkannt. nem Tode als häretisch verbrannt. Auch Krentz, die den Text unter Bezug auf die 24 Andreas Bodenstein von Karlstadt, Ayn bislang ungedruckt gebliebenen Stiftungszeug‑ Sermon vom stand der christglaubigen Seelen. nisse ausgesprochen scharfsinnig analysiert, hat Wittenberg 1523, fol. b [iv]r: Demnach glaub ich im Rahmen ihrer Fragestellung den Bogen zur nicht das die glaubigen selen durch flammen oder Stiftungsforschung im engeren Sinne (→ 2.2.1) fewer gequelt werdenn. Ebd., c ii r: Auch die pfaffen nicht geschlagen. sollen solches fewer weder leschen nach dempffen 29 D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamt‑ denn Christus wil das sein fewer brenn und in der ausgabe. Briefwechsel, Bd. 1. Ed. Otto Clemen. Wei‑ selen stets blick oder schymmer. Siehe dazu auch mar 1930, Nr. 195, 504 f., hier 504: freti enim, quod Koslofsky, Reformation (2000), 31–34. multum verborum emurmurarint & horas occuparint, 25 Zu Luthers schwankender Haltung siehe eunt securi, raro compuncti, rarius fervidi, rarissime ebd., 34–39. sui cognoscentes. 26 Vgl. Martin Luther, Vom Missbrauch der 30 Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts Messe (1521), in: D. Martin Luthers Werke. Kriti‑ (1963, ND 2002), 173. sche Gesamtausgabe, Bd. 8. Ed. Gustav Kawerau / 31 Vgl. Turgot, Fondation (1757). Dazu Liermann, Nicolaus Müller. Weimar 1889, 477–563, bes. 519: Es Geschichte des Stiftungsrechts (1963, ND 2002), stehet veste aldo: Der leychnam [Christi] wirtt fur 173 f.; Borgolte, Stiftung, Staat und sozialer Wan‑ euch gegeben, yhr kuͤ nd nichts geben odder opffern del (2001, ND 2002 und 2012), 79–81; Strachwitz, tzu vergebung der sund, ßondern es wirtt euch Stiftung (2010), 54–65. umbsonst gegeben. (…) Darauß folget, das man fur 32 Vgl. Borgolte, Fünftausend Jahre Stiftungen keyn andern kan meß hallten. Siehe auch W. Simon, (2015), 619–624. Messopfertheologie (2002). 33 Vgl. Besoldt-Backmund, Stiftungen und Stif‑ 27 D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamt‑ tungswirklichkeit (1986); Borgolte, Stiftung, Staat ausgabe, Bd. 10.3. Ed. Paul Pietsch. Weimar 1905, und sozialer Wandel (2001, ND 2002 und 2012). Nr. 33.II, 176–200, hier 194–196 (vom 22. Juni 1522 34 Ein Gegenbeispiel bei Scheller, Streit (2000). mit nachträglichen Überarbeitungen Luthers): 35 Vgl. exemplarisch Lohse, Dauer (2011), 192–196. Wyr haben keyn gepot von Got fur die todten zů bit- 36 Ein Beispiel: Bodarwé, Immer Ärger (2008). ten, Darumb niemant dran sundigen kan, der nicht Zur Abgrenzung der Phänomene → 4.2.2. fur sie bittet. (…) Die weyl nu solchs ungewiß ist (…), 37 Recueil des chartes de l’abbaye de Cluny, Bd. 1. ob die seel verurteylet sey, ists nitt sund das du fur Ed. Auguste Bernard / Alexandre Bruel. (Collection
362 de documents inédits sur l’histoire de France. Sé‑ rie 1, Bd. 1.) Paris 1876, 124–128, Nr. 112, hier 126: ut ab hac die nec nostro, nec parentum nostrorum, nec fastibus regie magnitudinis, nec cujuslibet terrenę potestatis jugo, subiciantur idem monachi ibi congregati; neque aliquis principum secularium, non comes quisdam, nec episcopus quilibet, non pontifex supradicte sedis Romanae (…) deprecor invadat res ipsorum servorum Dei, non distrahat, non minuat, non procamiet, non beneficiet alicui, non aliquem prelatum super eos contra eorum voluntatem constituat. 38 Vgl. Wollasch, Cluny (1996, ND 2001), 19–29. 39 Vgl. Poeck, Cluniacensis ecclesia (1998). 40 Ein Beispiel: Lohse, Goslar (2012), 494. 41 Vgl. Raban, Mortmain Legislation (1982, ND 2008); Kamp, Amortisation (1995); Heirbaut, Thir‑ teenth‑century Legislation (2007). Die englischen Könige gaben ihre liberale Genehmigungspraxis von Amortisationen erst am Ende des 15. Jahrhun‑ derts auf. Vgl. Kreider, English Chantries (1979), 83 f. Schon früher hatten einzelne Stifter versucht, die königliche Lizensierung dadurch zu umgehen, dass sie die Lebensdauer ihrer Stiftungen auf 30, 80 oder 99 Jahre begrenzten. Vgl. ebd., 79 f. 42 Vgl. Isenmann, Deutsche Stadt (2012), 618 f. 43 Den sachlichen Zusammenhang zwischen den städtischen Amortisationsgesetzen und dem Auf kommen von Rentenstiftungen, bei denen der Rat als Debitor fungierte, finde ich in der einschlägigen Literatur nirgends thematisiert. 44 Dass solche Anleihen auch zu Überschul‑ dungen der Kommune führen konnten, soll hier nicht unerwähnt bleiben. Beispiele behandelt Rothmann, Frankfurter Messen (1998). 45 Martin Luther, (Kleiner) Sermon von dem Wu‑ cher (1519), in: D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe, Bd. 6. Ed. Joachim K. F. Knaake. Weimar 1888, 1–8, hier 7: Es ist besser auß zehen stifftung eyne gottliche gemacht, dan vill behalten widder gottis gepott; wortgleich auch Martin Luther, (Großer) Sermon vom dem Wucher (1520), ebd., 33–60, hier 59. – Diese Ansicht machten sich indes keineswegs alle Anhänger der Reformation zu eigen. Manche widerriefen allein den „unchristli‑ chen“ Zweck ihrer Stiftung und sorgten dafür, dass ihr einst als Kapital bereitgestellter Rentenbrief in das Vermögen des ‚Gemeinen Kastens‘ über‑ ging. Vgl. die Beispiele bei Graf, Pfründe (1996), 43 mit Anm. 98.
Kritik, Reform und Aufhebung
46 Altgläubige Stiftungen, für die das nicht
galt (z. B. Predigerpfründen, Spitäler, Schulen, Universitäten, Dom‑ und Kollegiatstifte), wurden indessen von den Evangelischen meist einfach in Besitz (possessio) genommen und fortgeführt. Vgl. hierzu Lehnert, Kirchengut (1935), 59–90. 47 Vgl. ebd., passim; ergänzend auch Heckel, Problem (1996). Zur Kritik an Lehnert siehe oben, Anm. 4. 48 Vgl. Liermann, Geschichte des Stiftungs‑ rechts (1963, ND 2002), 147–157. 49 Als Vorbild dienten wohl caritative Sam‑ melstiftungen (‚Reiche Almosen‘) des späten Mit‑ telalters, wie sie z. B. in Nürnberg (1388) oder Bamberg (1419) errichtet worden waren. Vgl. Rüger, Mittelalterliches Almosenwesen (1932), 18–22; M. Berger / Lutz / Schilkowsky, Reiches Almosen (2015), 47 f.; 51 f. 50 Martin Luther, Ordenung eyns gemeynen kastens (1523), in: D. Martin Luthers Werke. Kri‑ tische Gesamtausgabe, Bd. 12. Ed. Paul Pietsch. Weimar 1891, 1–30, hier 11: das sie eyn gemeyn exempel wurde, dem auch viel andere gemeynen nachfolgeten. 51 Ebd., 13: damit man auch der stiffter testament und willen erfůlle. Bestand das Stiftungsvermögen aus wiederkäuflichen Renten, galt es nach Lu‑ ther allerdings, zunächst den wucher [zu] buͤ ssen, und eym yglichen widder [zu] geben das seyne, ehe mans ynn gemeynen kasten ließe komen (ebd., 14). 52 Ebd., 14: Das ist der hoͤhist gottis dienst, den sie mit zeyttlichem gutt thun muͤgen. 53 Anders Liermann, Geschichte des Stif‑ tungsrechts (1963, ND 2002), 156, der in der „verschwommene[n] Zweckbestimmung“ die Hauptursache für das Scheitern der ‚Gemeinen Kästen‘ sieht. 54 Vgl. Lorentzen, Johannes Bugenhagen (2008), passim. 55 Vgl. Borgolte, Totale Geschichte (1993, ND 2012). 56 Vgl. Lohse, Dauer (2011), 15; 19; 221 f. 57 Vgl. Borgolte, Stiftungen des Mittelalters in rechts‑ und sozialhistorischer Sicht (1988, ND 2012). 58 Vgl. Hugener, Gestrichen aus dem Buch des Lebens (2014), 219 f. 59 Ein Beispiel: Das Urbar [des Stifts St. Simon und Judas in Goslar] von ca. 1191/94. Ed. Lohse, Dauer (2011), 217–293, hier 263, § 137: In Winederode [habemus] 13 mansos et dimidium, quorum quilibet
Lateinische Christen
solvit 7 solidos. De eisdem mansis Fridericus [de Harlingerode] sibi usurpat tres mansos et 6 areas in beneficio [a preposito] („In Wenderode gehören uns [den Kanonikern] 13 ½ Hufen, von denen eine jede sieben Schillinge zahlt. Von diesen Hufen hat Friedrich von Harlingerode für sich drei Hufen und sechs Höfe vom Propst als ‚Lehen‘ in Besitz genommen“). 60 Vgl. W. E. Wagner, Stiftungsurkunde (2000), 150. Das Folgende in enger Anlehnung an ebd., 161. 61 Kirchenrechtlich akzeptiert wurde die aus dem Römischen Recht sta m mende clausula re‑ bus sic stantibus (‚Bestimmung der [Gültigkeit unter] gleich bleibenden Umstände[n]‘) erst auf dem Konzil von Trient. Vgl. Nottarp, Stiftungs‑ reduktion (1923); Das Jahrzeitbuch des Münsters zu Freiburg im Breisgau (um 1455–1723). Ed. Erwin Butz. (Forschungen zur oberrheinischen Landes‑ geschichte, Bd. 31.) Freiburg 1983, Bd. A, 139 f.; 163 f. Nichtsdestotrotz hat es solche Herabset‑ zungen auch im Mittelalter schon gegeben. Die Ordensstatuten der Zisterzienser erteilten z. B. dem Generalkapitel bereits im 13. Jahrhundert die Lizenz, Gebetsleistungen zu reduzieren. Vgl. Neiske, Gebetsgedenken (1994), 186. Nicht jede Herabsetzung musste dabei in unmittelbarer Re‑ lation zu Ertragsminderungen des Stiftungsgu‑ tes stehen, mitunter wurde sie auch einfach mit organisatorischer Überforderung begründet. Vgl. Wollasch, Konventsstärke (1988), 195–199. 62 Vgl. Hugener, Gestrichen aus dem Buch des Lebens (2014), 221. 63 Zürich, Zentralbibliothek, Ms. C 1, fol. 50v, zit. nach H. Zimmermann, Stiftungsreduktion (2007), 104: das mocht soelichen costen oder arbeit nit ertragen, als denn einem luettpriester, den capplan oder den kilchenpflegern daruff gangen wer (…) dass soelicher ir guoter will (…) nit durch unns zerstoert unn gehindrot werde, sunderlich gefuerdrot, dass wir durch soelich sumsalig unn hindernuss nit in ungnaad gegen dem almechtigen got (…) vallint. Vgl. auch ebd., 90–96. 64 Vgl. die Einleitung in Stiftung und Staat im Mittelalter. Eine byzantinisch‑lateinische Quel‑ lenanthologie in komparatistischer Perspektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011, bes. 47–49. 65 Klöster: The Statutes of the Realm, Bd. 3. Lon‑ don 1817, 575–578, 27 Hen 8 c. 28; 733–739, 31 Hen 8 c. 13; dazu Woodward, Dissolution (1966); Youings,
363 Dissolution (1971); Cunich, Dissolution (1998). – Chantries: Statutes of the Realm, Bd. 3, 988–993, 37 Hen 8, c. 4; Bd. 4.1. London 1819, 24–33, 1 Edw 6, c. 14; dazu Kreider, English Chantries (1979). 66 Foedera, Conventiones, Literae Et Cujuscun‑ que Generis Acta Publica inter Reges Angliae, Bd. 14. Ed. Thomas Rymer. London 21728, 610: that the Manner (…) of Lyvynge, whyche we (…) have practysed (…) many dayes, dothe moste principally consyste in certeyne Dome Cerimonies, and in certen Constitutions of Rome (…) And therefore, nowe assuredly knowing (…) that is moste expedyent for us to be Governed (…) by owre Supreme Hed under God the Kyngs moste Noble Grace, (…) do most humbly Submytt owre self and every one of us unto the moste benygne Marcie of the Kyngs Majestye, and (…) do Surrender (…) unto his moste gracious hands all owre seid Monastery, wyth all the Londs (…), Tythes, Rents, Reversions, Rights and Revenues (…) desyrynge his moste Noble Grace to Graunte unto every one of us (…) some Annuite or other manner of Lyvynge whereby we may be assured to have owre Sustinaunce in tyme commynge. 67 Vgl. Cunich, Dissolution (1998), 40. Verein‑ zelt kam es aber auch zu ‚Selbstauflösungen‘ von Stiftungen. Instruktive Beobachtungen zu die‑ sem Phänomen anhand eines schweizerischen Beispiels bei Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), 198–200. 68 So Cunich, Dissolution (1998), 40. Siehe auch Ders., Ex‑Religious (2002). 69 Vgl. Letters and Papers, Foreign and Dome‑ stic. Henry VIII, Bd. 13.2. Ed. James Gairdner. Lon‑ don 1893, 360 f., Nr. 866 (von 1538 XI 18). 70 Exemplarisch ebd., 461, Nr. 1092 (von 1538 XII 18). 71 Luther, Ordnung eines gemeinen Kasten. Ed. Pietsch (wie Anm. 50), 12: Weyl aber niemant zum glauben und Evangelio zu dringen ist, soll man die ubrigen personen, so ynn klostern, es sey allters, bauchs odder gewissens halben, bleyben, nicht ausstossen noch unfreuntlich mit yhn handelln, sondern sie yhr leben lang lassen gnug haben, wie sie zuvor hetten gehabt, denn das Evangelion leret auch guttes thun den unwirdigen. 72 Vgl. Oexle, Entzweites Mittelalter (1992, ND 2011). 73 Aus der Aktensammlung im Stiftsarchiv Wetzlar zit. bei Helmers, Frage des Stiftergrabes (1959), 300.
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Kritik, Reform und Aufhebung
18.3 Muslime 18.3.1 Allgemeines Dass ein waqf grundsätzlich auf Dauer an‑ gelegt war, gehörte in der Geschichte des Islam zu den Schwerpunkten der Kritik an Stiftungen. Die Gestaltungsfreiheit des Stif‑ ters und der Verwalter zu verteidigen und den rechten Gebrauch von Stiftungen zu le‑ gitimieren, stellte für islamische (Rechts‑) Gelehrte die größte Herausforderung dar. So war es beispielsweise üblich, einem Stif‑ ter die Gründung einer immerwährenden Stiftung zu erlauben, die lediglich Famili‑ eninteressen diente.1 Um Kritik daran zu begegnen, war es wichtig nachzuweisen, dass eine solche unbegrenzte Dauer der Stiftung mit islamischem Recht begründet werden konnte. Drei von vier sunnitischen Rechtsschulen erklärten die unbegrenzte Dauer sogar zu einer Bedingung für die Gültigkeit eines waqf. (→ 14.3.6) Auch der mālikitischen Rechtslehre zufolge war ein waqf prinzipiell auf Dauer angelegt, gleich‑ zeitig ließ sie dem wāqif (‚Stifter‘) jedoch ein Schlupfloch und gestattete ihm auch die Gründung einer temporären Stiftung, unter der Bedingung, dass er seine Inten‑ tion offenlege. Besonders die Familienstiftung (waqf ahlī) wurde häufig kritisch beurteilt, ins‑ besondere wenn sie für den unmittelbaren Nutzen der Stifter und ihrer Familien ange‑ legt war und der wohltätige Aspekt darü‑ ber in den Hintergrund rückte. (→ 18.3.2) Sie wurde häufig als eigennützig betrach‑ tet und man sprach ihr den wohltätigen Charakter ab, obwohl sie laut islamischem Gesetz und den Vorschriften des Koran, für Familienmitglieder zu sorgen, zuläs‑ sig war.2 Kritiker wiesen darauf hin, dass solche Stiftungen dazu benutzt wurden,
rechtmäßige Erben ihres Anteils zu be‑ rauben oder Kapital auf Personen umzu‑ lenken, die anderenfalls wenig oder gar nicht geerbt hätten, wie etwa Sklaven oder Frauen.3 Ferner handelten Personen, die landwirtschaftlich genutzte Flächen stifte‑ ten (als waqf ahlī wie auch als waqf ḫairī), zuweilen illegal, da das gestiftete Land häufig erst in den ‚Besitz‘ (raqaba) der Stif‑ ter kam, indem sie Steuererhebungs‑ und Nutzungsrechte (taṣarruf ) einseitig für sich beanspruchten und so öffentliches Land an sich rissen. (→ 13.3.3) Kritik haftete auch jenen an, die wohltätige Stiftungen grün‑ deten, aber sich selbst und etwaige Erben als besoldete Verwalter, Lehrer und andere Begünstigte oder Funktionsträger einsetz‑ ten. Bei solchen Stiftungen handelte es sich um eine Mischform: Gleichzeitig wurde sowohl Familienmitgliedern als auch ande‑ ren Begünstigten Unterstützung gewährt. Stiftungskritiker, die eine skeptische und moralisierende Position gegenüber Fami‑ lienstiftungen einnahmen, betonten, wie einfach der waqf genutzt werden könne, um das islamische Erbrecht in Bezug auf den Grundbesitz einer verstorbenen Per‑ son zu unterlaufen. Eine Person konnte die Stiftungskonditionen noch zu Lebzei‑ ten anpassen – sei es um potenzielle Er‑ ben auszuschließen, vorher nicht berück‑ sichtigte einzuschließen oder die Anteile umzuverteilen – und sich einigermaßen sicher sein, dass diese nach ihrem Tod nicht mehr angefochten werden konnten. Peter Hennigan hat jüngst darauf hingewiesen, dass sich die frühe Popularität des waqf parallel zu Einschränkungen im Erbrecht (ʿilm al-farāʾiḍ, wörtlich ‚Wissenschaft der
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Muslime
Erbanteile‘) entwickelte, welche seine stren‑ gen Vorschriften weniger leicht zu umge‑ hen machten.4 Mittels eines waqf konnte der Stifter sicherstellen, dass Eigentum nicht parzelliert wurde beziehungsweise nur nach seinen präzisen Vorgaben. Zudem lehnt der Koran wohltätige Schenkungen unmissverständlich ab, die auf Mitglieder der eigenen Familie abzielten.5 Warum Fa‑ milienstiftungen sich einerseits zu einer wichtigen Stiftungskategorie entwickeln konnten, ihre Stifter andererseits aber auch als eigennützig kritisiert und der fehlenden wohltätigen Motivation bezichtigt wurden, ist nicht schwer nachzuvollziehen. Die jüngere Geschichtsschreibung zum Nahen Osten und dem Islam neigt dazu, muslimischen Institutionen ihr vermeint‑ lich fehlendes Reformvermögen vorzuwer‑ fen und damit eine Unfähigkeit zur Mo‑ dernisierung zu implizieren.6 (→ 17.3.3) Befeuert von der kritischen Beurteilung der Regelung der ‚Toten Hand‘ im lateini‑ schen Christentum vertraten einige For‑ scher analog dazu die Ansicht, dass auch die verfügte Dauerhaftigkeit des waqf „aus ökonomischer Sicht katastrophal“ gewesen sei.7 Andere Forscher, wie etwa der iraki‑ sche Soziologe ʿAlī al‑Wardī, stellten infrage, dass Stiftungen ihren Ursprung überhaupt im Islam haben; seiner Ansicht nach seien Familienstiftungen ein Produkt „beduini‑ scher Arroganz, das nicht dem Geist des Islam entspricht.“8 Teilweise wurden Stif‑ tungen und ihr Einfluss auf Besitzverhält‑ nisse und Agrarproduktion auch verzerrt dargestellt (und manchmal sogar dämoni‑ siert), weil diese Studien sich auf normative Rechtstexte oder präskriptive Stiftungsdo‑ kumente als Quellenbasis beschränkten und keine dokumentarischen Aufzeichnungen über Stiftungsaktivitäten oder historischen Berichte berücksichtigten. Fanden sich in Schriftquellen Abwei‑ chungen von den vorgeschriebenen Normen,
verleitete das Betrachter, denen ein tieferes Verständnis der Institution fehlte, zu ver‑ heerender Kritik an awqāf. Jeffrey Schoen‑ blum argumentierte beispielsweise, dass die islamische Rechtsdoktrin bei dem jüngsten Niedergang der awqāf eine entscheidende Rolle gespielt habe. Er behauptete, dass das Stiftungsrecht nicht besonders anpassungs‑ fähig sei, insbesondere wenn es um Verän‑ derungen der Vermögenstypologie und der sozioökonomischen Bedingungen geht, was er an drei Hauptfaktoren festmachte: der göttlichen Sanktionierung des Stiftungs‑ rechts, der Gesetzgebung in islamischen Ländern, die zu Überregulierung oder gar Verbot neige, manchmal auch in Verbindung mit dem Entzug von in bestehenden awqāf angelegtem Eigentum, und schließlich dem Fakt, dass die göttlichen Rechtsgrundsätze verhinderten, dass ökonomische Instituti‑ onen wie der waqf an die Bedürfnisse und Umstände angepasst werden konnten und so Kapital für wirtschaftliche Entwicklung zu akkumulieren.9 Die nachstehende Analyse stützt sich auf zwei Kernideen. Ein umfassender For‑ schungsansatz zu Stiftungskritik muss be‑ rücksichtigen, dass der waqf als Institution im Mittelalter selbst nie grundsätzlich ver‑ worfen worden ist. Vielmehr sind einzelne Praktiken, Nutzungen und Missbräuche von Stiftungen von den Gelehrten moniert worden. (→ 4.3.2; 18.3.2) Dieser relative Mangel an Kritik führte dazu, dass es kei‑ ne Möglichkeiten gab, die Institution waqf zu erneuern, da sie aus sich heraus nur in sehr eingeschränkten Maße flexibel und anpassungsfähig war. (→ 18.3.3) 18.3.2 Kritik Die Kritik an den awqāf stellte die Institu‑ tion des waqf selbst nie infrage. Korruption und Unbotmäßigkeiten wurden aufgezeigt
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Kritik, Reform und Aufhebung
um Anliegen von Sufis und ihr Netzwerk von Lehrinstitutionen zu unterstützen.12 Darin waren Hadith‑Gelehrte durchaus einflussreich, so dass ein führender Ge‑ lehrter aus Nischapur, Abū ʿAbd Allāh al‑ Ḥākim (gest. 1014), sogar zum Aufseher ei‑ nes waqf ernannt und damit betraut wurde, die Hadith‑Schule Dār as‑Sunna zu leiten.13 Es sollte jedoch darauf hingewiesen wer‑ den, dass es sehr schwierig ist, konkrete Hadith‑Fälschungen mit der Unterstützung bestimmter awqāf in Verbindung zu brin‑ gen. Selbst wenn die Diskussion um die Rechtsgrundlage eines waqf bei der Kritik an einigen Institutionen eine Rolle gespielt haben könnte, müsste deren Ausmaß erst (1.) Bei der Behandlung des Problems, wann, noch bewiesen und begründet werden. wie und warum islamische Stiftungen ent‑ standen (→ 4.3.2), gilt es zuerst zu berück‑ (2.) Bei der Kritik an den sozialen Akteuren sichtigen, dass diese Institution keineswegs lässt sich zwischen der an Stiftern und der ein genaues Entstehungsdatum oder einen an Verwaltern und Begünstigten unter‑ bestimmten Urheber hat. Aus methodologi‑ scheiden. Seit dem 11. Jahrhundert wur‑ scher Perspektive wäre somit der Versuch den die Verbindungen zwischen ʿulamāʾ naheliegend, den Entstehungsprozess auf (Gelehrte, besonders Religionsgelehrte) einen bestimmten Zeitraum einzugrenzen. und waqf kritisiert, da awqāf Pensionen Dies erweist sich jedoch insbesondere des‑ oder Sinekuren an Personen vergaben – halb als schwierig, weil die Rechtstradition, darunter häufig ʿulamāʾ –, wodurch diese auf der das Stiftungsrecht aufbaut, voll von in ein Abhängigkeitsverhältnis gerieten Nachrichten über fromme Gaben des Pro‑ oder unproduktiv wurden. Awqāf bildeten pheten Mohammed ist.11 Obwohl es mög‑ die Hauptgrundlage für die ökonomische lich ist, dass Mohammed während der zehn Potenz der ʿulamāʾ. Muḥammad b. al‑Ḥāǧǧ Jahre, in denen er die erste umma anführte (gest. 1336), ein mālikitischer Rechtsgelehr‑ (622–632), einige Stiftungen gründete und ter aus Kairo, lehnte etwa die Stiftungs‑ sich daraus der waqf entwickelte, ist es praxis der anderen Rechtsschulen ab und schwierig, alle Stiftungen diesem Ursprung kritisierte deren ʿulamāʾ, indem er seine zuzuschreiben. Hinzu kommt, dass Rechts‑ Verachtung für jede Art von Wissensan‑ gelehrte die Überlieferung zu Mohammeds eignung deutlich machte, die lediglich auf Verhalten, seiner Einstellung oder seinen Reichtum oder weltlichen Status abzielte: Aussprüchen, inklusive gefälschter Hadi‑ „Während ein Mann sein Geld vorher aus‑ the, später benutzten, um die Institution gab, um sich Wissen anzueignen, verdient des waqf oder manche Praktiken zu recht‑ er sein Geld jetzt durch sein Wissen.“14 Es gibt eine Vielzahl an Dokumenten fertigen oder anzufechten. Der berühmte Sufi‑Exeget Muḥammad b. al‑Ḥusain as‑ über Führungsfiguren der osmanischen Sulamī (gest. 1021) wurde beispielsweise Verwaltung und der herrschenden Elite, beschuldigt, Hadithe gefälscht zu haben, die kritisiert wurden, weil sie enormen und verurteilt, um sie zu korrigieren; dies sollte jedoch nicht den Auftakt für eine Reduzierung oder gänzliche Abschaffung der awqāf darstellen. Die Personen, die sie stifteten oder verwalteten, waren für entstandene Verfehlungen verantwortlich, aber Kritik führte zumindest im Mittelalter selten zu weitergehenden Konsequenzen.10 Die Stiftungskritik kann empirisch in drei große Felder unterteilt werden: (1.) Kritik an gefälschten Hadithen, die in ei‑ nem Zusammenhang mit Stiftungen ste‑ hen; (2.) Kritik an den sozialen Akteuren; (3.) Strukturkritik inklusive Verwaltung und Stiftungszweck.
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Profit aus ihren eigenen awqāf erzielten.15 Einige Fälle betrafen Geldstiftungen (awqāf an-nuqūd), die erstmals in Dokumenten des 15. Jahrhunderts in Erscheinung treten. Zwischen 1545 und 1547 stellte der oberste Richter (kadiasker) von Rumelien, Civizade, ein Rechtsgutachten aus, in dem er die Praxis der Geld‑awqāf komplett ablehnte. Sofort trat der nun ausbrechende Konflikt zwischen Vertretern traditioneller isla‑ mischer Rechtstheorie und ‑praxis sowie jenen des osmanischen Establishments offen zutage.16 Männer wie etwa der oberste Richter und Gelehrte, der Kommandant der Jani‑ tscharen, der Großwesir und andere, wur‑ den zu Aufsehern von Stiftungen ernannt, die von Mitgliedern derjenigen Eliten ge‑ gründet worden waren, der sie selbst als mächtigste Akteure angehörten. Mit der Zeit nahm die Anzahl der Stiftungen in den Händen dieser Personengruppen zu und lieferte jedem Mitglied eine solide fi‑ nanzielle Grundlage sowie entsprechende politische Macht, die mit der Verteilung verschiedenster lukrativer Positionen ein‑ herging. Insbesondere im Damaskus des 12. und 13. Jahrhunderts wurden im Zuge der Entstehung zahlreicher neuer religi‑ öser Institutionen viele vergütete Posten für Lehrer und Stipendien für Studenten geschaffen.17 Es war für Beamte nicht un‑ üblich, einen waqf zu genehmigen, obwohl große Unregelmäßigkeiten bekannt wa‑ ren. Im mamlūkischen Ägypten gibt es beispielsweise genügend Aufzeichnungen über illegale Frondienste, um die richter‑ liche Zustimmung zur Errichtung eines waqf zu einer reinen Formalität werden zu lassen.18 Die notorische Konfiskation von Stiftungen unter Mehmed II. (gest. 1481) war das Resultat einer Überprüfung von Landtiteln in den Registern: Im Zuge dieser Überprüfung und der damit einhergehen‑ den Behebung von Unregelmäßigkeiten
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wurde viel Land enteignet, das zuvor ille‑ galerweise zu awqāf gemacht worden war.19 Die Ursache für die geringe Produk‑ tivität einiger awqāf ist im Bereich von Misswirtschaft und Korruption zu suchen, für die diese Institutionen anscheinend be‑ sonders anfällig waren. Korruption war so weit verbreitet, dass in einigen Fällen selbst die Verwalter stahlen, Stiftungseinnahmen umleiteten oder illegale Nachsteuern auf Besitztümer erhoben, die eigentlich reli‑ giösen oder wohltätigen Zwecken zugute kommen sollten; somit beschränkten sie deren Fähigkeit, Bedürfnisse der Bevölke‑ rung zu erfüllen. In historischen Quellen aus dem mittelalterlichen Iran finden sich zahlreiche Hinweise auf Misswirtschaft der Verwalter von Stiftungen und auf Ver‑ untreuung. In seinem Werk ‚Kārnāma‑yi awqāf‑i Ḫwāf‘ (‚Die Stiftungsurkunden von Ḫwāf‘), das eine beißende Satire über die Stiftungsverwaltung in der Region Ḫwāf im mittleren 13. Jahrhundert enthält, rät der ilḫanidische Dichter Pūr‑i Bahā dem Leser, seinen persönlichen Besitz nicht einem waqf zu überlassen, denn Verwalter missachteten stets den Stifterwillen, und „seinen Besitz einem waqf zu überlassen, ist gleichbedeutend damit, ihn in Exkremente zu werfen.“ 20 Kritik rief auch die Praxis von Sulta‑ nen und Emiren hervor, Stiftungsbesitz‑ tümer zu akquirieren, indem sie den waqf einfach für rechtsungültig erklärten oder ihn konfiszierten. Mamlūkische Historiker kritisierten die herrschende Klasse wieder‑ holt wegen solchen Missbrauchs von awqāf. Der berühmteste Fall einer Stiftungskon‑ fiskation unter mamlūkischer Herrschaft ist derjenige der ḫānqāh von Ǧamāl ad‑ Dīn al‑Ustādār (gest. 1409), von der uns der Historiker Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī (gest. 1442) berichtet.21 Sultan Faraǧ ibn Barqūq (gest. 1412) ließ den Namen Ǧamāl ad‑Dīns aus der Inschrift entfernen und
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ersetzte ihn durch seinen eigenen, nach‑ dem er eine neue waqfīya abgefasst hatte. Er erntete dafür harsche Kritik von den Kadis; der waqf wurde denn auch nach seinem Tod in seinen ursprünglichen Zu‑ stand zurückversetzt. Von Sultan Barsbāy (gest. 1438), der waqf‑Läden abreißen ließ, um an ihrer Stelle seine eigene Medrese zu erbauen, wird berichtet, dass ihm Kritik entgegenschlug, sodass er schließlich den Pächtern ein finanzielles Angebot gemacht haben soll.22 Nicht selten wurden auch Sufis zu Lei‑ tern, Aufsehern und Kontrolleuren von Stiftungen ernannt und gewannen so an Macht und Einfluss. Die Bewohner von Derwisch‑Klöstern wurden häufig von den ʿulamāʾ attackiert, die in ihrer Kritik von einigen bekannten Sufis unterstützt wurden. Ähnliche Diskussionen über ei‑ nen monastischen Lebensstil gab es auch im Buddhismus (→ 18.6.2) und im grie‑ chisch‑orthodoxen Christentum (→ 18.5.2). Dabei zielte die Kritik häufig auf Sufis im Allgemeinen. Ibn Ǧubair (gest. 1217) schrieb: „Die Mitglieder der Sûfî‑Orden sind Könige dieses Bereichs, denn Gott hat sie mit Gütern und Begünstigungen der Welt befriedigt und frei gemacht von dem Gedanken daran, ihren Unterhalt zu erwerben, so daß sie für die Gebete leben können, in ihren Schlössern, die an Himmelspaläste erinnern.“23 Ibn al‑Ǧauzī (gest. 1200) beschwerte sich über die reiche Ausschmückung der Gebäude und integ‑ rierte seine Beobachtung in seine Kritik an den aus seiner Sicht gefährlichen Ent‑ wicklungen sufistischer Aktivitäten.24 Ibn Taimīya (gest. 1328) kritisierte die Macht derjenigen, die sich selbst als kontempla‑ tive Mystiker darstellten und in prunkvol‑ len Sufikonventen lebten, und stellte ihre Frömmigkeit infrage.25 All diese Kritik bezieht sich ganz offenkundig nicht di‑ rekt auf den waqf als Institution, sondern
Kritik, Reform und Aufhebung
die Beispiele verdeutlichen vielmehr, wie bestimmte gesellschaftliche Gruppen mit Hilfe von Stiftungen großen Einfluss ge‑ winnen konnten und sich dann harscher Kritik ausgesetzt sahen.26 Wie die Kritiker des waqf ahlī stets betonten, führte die Dauerhaftigkeit von Familienstiftungen über Generationen zu einer stetig anwachsenden Zahl von Be‑ günstigten, womit eine stetige Aufteilung der Ertragsansprüche einherging. Das Er‑ gebnis war, dass die Begünstigten auf‑ grund des unzureichenden Einkommens das Interesse an ihrem waqf verloren und dem Verwalter völlig freie Hand ließen.27 Schriftliche Aufzeichnungen wurden besonders nach dem Tod des Stifters und seiner Zeugen benutzt, um Stiftungen ge‑ gen potenzielle Kritik zu verteidigen oder um Konflikten zwischen den Begünstigten vorzubeugen. Aus diesem Grund wurde eine Stiftungsurkunde zur Sicherheit nor‑ malerweise im Familienarchiv aufbewahrt und von einer Begünstigtengeneration zur nächsten weitergegeben. Im Fall eines Dis‑ puts wurde die Urkunde zusammen mit anderen wichtigen Dokumenten den recht‑ lichen Autoritäten präsentiert.28 Bei einer Rechtsangelegenheit aus dem 15. Jahrhun‑ dert etwa legte eine Frau eine Stiftungs‑ urkunde vor, um ihren Anspruch als eine der vorrangig Begünstigten zu sichern. Die Urkunde war zerrissen, was Zweifel an ihrer Gültigkeit aufkommen ließ. Ob‑ wohl der mit diesem Fall betraute Mufti vermutete, dass jemand dieses Schriftstück manipuliert haben könnte, sah er es trotz des Zustands als rechtmäßig an. Er mahn‑ te jedoch an, dass wer auch immer dieses Dokument beschädigt habe, Schande in dieser Welt und der nächsten erleiden wür‑ de.29 Eine weitere Strategie einer Person im Besitz einer Stiftungsurkunde war es, anderen potenziell Begünstigten die He‑ rausgabe des Dokuments zu verweigern.
Muslime
Dies kam insbesondere dann vor, wenn die Ansprüche von einer Begünstigten‑ generation an die nächste weitergegeben werden sollten.30 (3.) Verwaltung und Bürokratie eines waqf konnten das Ziel heftiger Kritik sein. Sa‑ ladins Wesir Ibn Mammātī (gest. 1209), der Zeuge der Stiftungsbürokratie wäh‑ rend der späten fatimidischen und frühen ayyūbidischen Herrschaft war, kritisierte die Vermietung verlassener Besitztümer, weil dies den waqf um mögliche Investiti‑ onsmöglichkeiten brachte und der Pächter den größten Teil des Profits einstrich.31 Der einzige bekannte Fall, in dem Land auf diese Weise einem waqf zweckentfremde‑ tet wurde, ist in einer umfangreichen und detaillierten waqfīya des fatimidischen Wesir aṣ‑Ṣāliḥ Ṭalāʾīʿ ibn Ruzzīk (gest. 1161) überliefert; sie bezieht sich auf einen waqf ahlī, von dem die Familie des Ibn Maʿṣūn, eines Nachkommen des schiitischen Imam Mūsā al‑Kāẓim, profitieren sollte.32 Kritik an den Stiftern und ihren un‑ rechtmäßig erworbenen Gewinnen konnte auch auf subtile Weise im Stiftungsalltag zum Ausdruck gebracht werden, beispiels‑ weise durch die Weigerung, Speisen von einem waqf anzunehmen. Einige Sufis führten sogar Listen mit Speisen, die man in einem waqf abzulehnen hatte.33 Eine andere Art von Kritik konnte von jenen erhoben werden, die der Meinung waren, dass nur Stiftungen, die wohltä‑ tigen und religiösen Zwecken dienten, als rechtmäßig angesehen werden soll‑ ten. Damit sollten sie von jener Art von waqf abgegrenzt werden, durch die Län‑ dereien entfremdet wurden, indem die Be‑ sitzrechte an hochrangige Mitglieder der herrschenden Klasse übertragen wurden – eine Form der Stiftungsenteignung, die im mamlūkischen Ägypten gelegentlich vor‑ kam. Die waqfīya des Historiografen Ibn
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Taġrībirdī (gest. 1470) wiederum erweist sich als nützlich für die Untersuchung ver‑ schiedener Kritikpunkte zu architektoni‑ schen, ökonomischen und sozialen Fragen im Stiftungskontext. Kritik richtete sich ge‑ nerell gegen verschiedene Religionszweige des Islam, meist die Schia; der waqf diente dabei als konkreter Gegenstand der Kritik als Argument, um allgemeinere und weiter gefasste Kritik zu untermauern. Dies galt für Polemiken über politische und theolo‑ gische Themen, betraf aber auch Bräuche und Rituale. Gegen Ende des 14. Jahrhun‑ derts machte der maghrebinische Gelehrte Ibn Ḫaldūn (gest. 1406) in seinen bekann‑ ten ‚Prolegomena‘ (‚al‑Muqaddima‘) auf den offensichtlich pragmatischen Cha‑ rakter islamischer Stiftungen aufmerk‑ sam: Muslimische awqāf stellten soziale und wohltätige Dienste zur Verfügung, waren aber auch ein Mittel zur Kontrolle gestifteten Erbes, wie im Fall der Familien‑ awqāf.34 Die Praxis der Umwandlung öf‑ fentlicher Ländereien in Stiftungen wurde von den Rechtsgelehrten stark kritisiert. Während solche Stiftungen in Quellen der Mamlūkenzeit schlicht als herrscherlicher waqf eines Sultans oder Imams deklariert wurden, werden sie in osmanischen Quel‑ len aus Syrien und Ägypten als waqf irsādī (‚Stiftung für ernannte Empfänger‘) be‑ zeichnet.35 Unter osmanischer Herrschaft wurden Familienstiftungen beschuldigt, keinen Nutzen für die Armen oder die Öffentlich‑ keit zu haben und die Appropriation von Staatseigentum zu erlauben. Amy Singer argumentiert, dass die Unterteilung in waqf ahlī und waqf ḫairī es ermöglichte, die sogenannten Familienstiftungen als eigennützige Unternehmen zu verurtei‑ len, obwohl es auch möglich war, dass der waqf ḫairī einer vermögenden Person eine gut bezahlte Verwalterposition bot, die mit Familienmitgliedern besetzt werden
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konnte.36 Während Beobachter sehr wohl den frommen Impuls anerkennen konnten, der in den Stiftungsurkunden als Inspi‑ ration für die Gründung von awqāf fest‑ gehalten worden war, erhoben sie auch in mehreren Punkten Kritik an freigebi‑ gen Spendern. Herrscherliche Stifter wur‑ den nicht immer wegen der exorbitanten Summen gepriesen, die sie in Stiftungen investierten, wenn sie nämlich auf diese Weise lediglich die finanzielle Last für den Staat erhöhten, ohne für weitere Einnah‑ men zu sorgen. 1581 bemerkte Muṣṭafā ʿĀlī (gest. 1600), ein prominenter Historiker und einer der profiliertesten Kritiker der öffentlichen Verwaltung: „Die göttlichen Gesetze gestatten es nicht, den Bau wohl‑ tätiger Einrichtungen aus der Staatskasse zu finanzieren, und sie untersagen es auch, Moscheen und Medresen zu gründen, die nicht benötigt werden. Es sei denn, der Sul‑ tan entschließt sich nach einem siegreichen Feldzug dazu, die Kriegsbeute für fromme Zwecke und nicht für sein persönliches Vergnügen einzusetzen, und stellt dies un‑ ter Beweis, indem er Gebäude errichtet.“ 37 18.3.3 Reform Die mittelalterliche Vorstellung von ‚Re‑ form‘ (iṣlāḥ) meint nicht den strukturellen Wandel einer Institution. Auch bei Reform einer Institution mussten stets der Koran und die Sunna befolgt werden, um sich nicht dem Vorwurf einer ‚innovativen Pra‑ xis‘ (bidʿa), das heißt eines Eingriffs in die Bereiche des religiösen Glaubens und sei‑ ner Kulte, ausgesetzt zu sehen.38 So gesehen handelte es sich im Mittelalter bei jeder islamischen Art von iṣlāḥ in der Wahr‑ nehmung der historischen Akteure nicht um eine Umgestaltung der politischen Ordnung, sondern um die Wiederher‑ stellung des Islam in seiner vermeintlich
Kritik, Reform und Aufhebung
ursprünglichen dogmatischen und liturgi‑ schen Reinheit. Erst in der Tanẓīmāt‑Zeit des osmanischen Reiches kam es zu einem signifikanten Bedeutungswandel dieses Begriffs, der zu dieser Zeit mit ‚Verwal‑ tungsmaßnahmen‘ gleichgesetzt wurde.39 Reformen des waqf‑Systems zielten im Mit‑ telalter eher auf die Lösung bestimmter Fälle ab als auf die Aufstellung und Kodi‑ fizierung neuer Regeln. Miriam Hoexter zufolge gibt es „keine Fälle, in denen ein Herrscher tatsächlich eine Änderung an einem grundlegenden waqf‑Recht bewirkte.“40 Manchmal jedoch war die Intervention des Herrschers ge‑ fragt, um eine Frage zu klären, die unter den ʿulamāʾ zu langen und ergebnislosen Diskussionen geführt hatte. 1544/1545, nachdem die Problematik im Expertenkreis eingehend diskutiert worden war, erließ Sultan Sulaimān Qānūnī (gest. 1566) auf offensichtliches Betreiben des Obermufti eine Verordnung, die den Spielraum für Transaktionen mit gestiftetem Gut erheb‑ lich begrenzte.41 In der narrativen Über‑ lieferung wird allerdings auch von Fällen berichtet, in denen es zu Widerstand gegen die stiftungsrechtlichen Interventionen des Sultans kam. Die islamische Stiftung entfaltete sich mit der Zeit zu einer vielseitigen Institu‑ tion – angefangen bei ihrer Rolle als pri‑ märer Anbieter von wohltätigen Dienst‑ leistungen in muslimischen Siedlungen bis hin zu ihrer Teilhabe an einem be‑ trächtlichen Teil des Staatsvermögens. Im Verlauf dieser Entwicklung stand das Thema der Dauerhaftigkeit von Stiftungen im Mittelpunkt der Debatten. Bei einer Vielzahl von Transaktionen konnte es zu einer Abänderung der Stiftungsdauer kom‑ men, was möglich war, solange der Wert ihres ursprünglichen Kapitals unverändert und ihr wohltätiger Ertrag ungeschmälert blieb. Bei diesen Transaktionen konnte
Muslime
es sich etwa um ‚Verkauf‘ (baiʿ), ‚gleich‑ wertigen Ersatz für Immobilien‘ (istibdāl; → 4.3.4), ‚Rückübertragung‘ (intiqāl) und ‚Übereignung‘ oder ‚Veräußerung‘ (tamlīk) handeln. Anstelle von Reformen wäre es treffender, von Anpassungen zu sprechen, die dem waqf‑System eine gewisse Fle‑ xibilität verliehen. Interventionen von Rechtsgelehrten dienten manchmal dazu, die Verteilung der Erträge von frommen Stiftungen zu verbessern. Widersetzten sich die Rechtsgelehrten zu Beginn noch der Umwandlung von privaten Stiftungen in öffentliche, so wurden schließlich die Gehälter von Imamen und das Geld zur Deckung der materiellen Bedürfnisse der Stiftungen als iǧāra (‚Miete‘) betrachtet und die Stiftungsleitung fortan einem öffent‑ lichen Verwalter, dem qāḍī, übertragen. 42 Die Verbindung von Wohltätigkeit, Pa‑ tronage und Status, die in den Biographi‑ en von für ihre Wohltätigkeit bekannten Personen erwähnt wird, lässt Verände‑ rungen im Stifterverhalten erkennen. Im 13. Jahrhundert nahmen beispielsweise die Investitionen in Sufi‑Klöster im Gegensatz zu Medresen stark zu. Für Frauen der Eli‑ te erlangte überdies Wohltätigkeit eine besondere Bedeutung, da die Gründung wohltätiger Institutionen ihnen eine Rolle im öffentlichen Leben ermöglichte.43 Eine signifikante Veränderung im Stifterstatus brachte die Entstehung von neuen privi‑ legierten sozialen Gruppen, wie etwa der aulād an-nās (‚Söhne des Volkes‘; → 14.3.2). Sie waren frei geborene Muslime, Söhne der Emire und Mamlūken, die in die Truppen der ḥalqa eingetreten waren, eines Korps der freien Kavallerie. Die aulād an-nās pro‑ fitierten dabei mehr von sozialem Prestige als von materiellem Vorteil. Sie blieben eine eigenständige Interessengruppe, so dass einige der nach ihnen benannten awqāf sogar Ehrentitel trugen, wie etwa al-amīr al-kabīr (‚der große Emir‘).44
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Im 14. Jahrhundert schloss der Eunuchen‑ wächter der königlichen Prinzen, Ǧauhar al‑ Lālā, über einen Zeitraum von neun Jahren insgesamt acht Transaktionen ab, bei denen Eigentum erworben oder neu erschlossen wurde. Der größte Teil des von Ǧauhar (oder wahrscheinlich eher von seinen unbekann‑ ten Buchhaltern) ausgewählten Landes war potentiell fruchtbar, jedoch temporär kaum genutzt, weil es durch Epidemien oder Plün‑ derung entvölkert worden war.45 Der Preis war dementsprechend niedrig und die Erträ‑ ge setzten bald, meist sogar innerhalb von nur einem Jahrzehnt, wieder ein. Ǧauhar konnte dementsprechend wiedergewonne‑ ne Erträge sowie steigende Preise für die Ländereien, die er in awqāf umwandelte, einkalkulieren und von diesen profitieren. Sobald in einen waqf umgewandelt, war das Eigentum von Steuern befreit und vor Konfiskation geschützt. Eine signifikante Neuerung im Stiftungs‑ system stellt die Einführung der Geldstif‑ tung (waqf an-nuqūd) dar. Hierbei handelte es sich um einen waqf, dessen Stammka‑ pital aus Geld in einer Art rudimentärem Bankwesen bestand, das dazu dienen soll‑ te, die Inflexibilität des waqf‑Systems zu überwinden. Begünstigte waren die Stifter selbst, das heißt die Eigentümer des liquiden Vermögens, einschließlich Geldleihern. Sie erlaubten so einige Zugeständnisse, was die Anforderungen der Immobilität des Vermö‑ gens betraf, um in den Besitz von Privile‑ gien zu gelangen, die ursprünglich nur für die Eigentümer von Grundbesitz gegolten hatten. Die Geldstiftung setzte sich im 15. und 16. Jahrhundert vor allem in der Türkei und auf dem Balkan durch, wo sich die do‑ minierende Rechtsschule wirtschaftlichen Bedürfnissen gegenüber relativ entgegen‑ kommend zeigte.46 Die Geschichte der Geldstiftung in der islamischen Welt vom 8. bis zum 15. Jahr‑ hundert ist hingegen unbekannt. Wir
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wissen nicht, ob ihr Auftreten im Osma‑ nischen Reich des 15. Jahrhunderts ein Phä‑ nomen war, das möglicherweise durch die Hauptgeld‑ und Kapitalstiftung im westli‑ chen Europa beeinflusst war, oder vielmehr eine Eigenschöpfung darstellt, obwohl ei‑ nige Forscher durchaus die europäische Parallele stark gemacht haben.47 Diese Ausbreitung wurde nicht von al‑ len gutgeheißen. In den Augen konserva‑ tiver Geistlicher verstieß die Geldstiftung nicht nur gegen das waqf‑Recht, sondern auch gegen das Zinsverbot. Die Fürspre‑ cher beriefen sich bei der Verteidigung gegenüber diesem Vorwurf auf Pragma‑ tismus.48 Der Hauptverfechter des waqf an-nuqūd war der Großmufti Abū as‑Suʿūd (gest. 1574), Autor der ‚Epistel über die Zulässigkeit der Geldstiftung‘ (‚Risālat fī ǧawāz waqf an‑nuqūd‘).49 Im Gegensatz zu einer Bank, die die Spareinlagen der Bevölkerung verwaltete, war eine Geldstiftung, gleich jeder anderen Stiftung, von individueller Beschaffenheit, weil sie aus den Ersparnissen einer einzel‑ nen Person gebildet wurde. Überdies ver‑ hinderte die Vorschrift statischer Fortdauer, dass Geldstiftungen ihre Ressourcen zu‑ sammenlegen konnten. Diese Bestimmung wurde nur selten unterlaufen, etwa durch ein Darlehen oder eine Finanzierungshilfe, für die Zinsen an einen bestehenden waqf zu zahlen waren.50 In der Praxis reichte allein die Vorschrift, die Stiftervorgaben exakt zu befolgen, aus, um die Größe der gegründeten Geldstiftung zu limitieren. Es ist wichtig festzuhalten, dass die Geldstiftung in einem System entstand, das das Konzept der Rechtspersönlichkeit nicht kannte, und dass somit auch diese Stiftungen nie den Status einer Rechts‑ körperschaft erlangte. Laut Timur Kuran stellte diese Begrenzung ein Hindernis bei der Kapitalbeschaffung dar. Über‑ dies sei es der Geldstiftung nicht möglich
Kritik, Reform und Aufhebung
gewesen, Nutzen aus den Möglichkeiten des Marktes zu ziehen, bevor das moder‑ ne Bankwesen in der islamischen Welt Einzug hielt.51 Die Einführung der Geld‑ stiftung änderte nichts an der generellen Ansicht der Rechtsgelehrten, dass Geld nicht über den gleichen stabilen Wert wie Immobilienbesitz verfüge. Die Geld‑ stiftung galt als vergleichbar mit awqāf, die aus beweglichem Eigentum bestanden und gewohnheitsrechtlich erlaubt waren. Nichtsdestotrotz stellte sie ein Paradebei‑ spiel für den Rechtspositivismus des Šarīʿa‑ Stiftungsrechts dar. 18.3.4 Aufhebung Im Kontext von awqāf wird selten von nasḫ (‚Aufhebung‘), sondern eher von ‚Annul‑ lierung‘ (ibṭāl) oder ‚Verfall‘ (fasād) gespro‑ chen.52 Eine Form des ibṭāl entwickelte sich als Folge einer Besonderheit des Erbrechts. Unter gewissen Umständen konnten die Anteile, die den Erben eines Verstorbenen zustanden, die Gesamtheit des Nachlas‑ ses übersteigen. Zur Lösung solcher Fälle entwickelten muslimische Rechtsgelehrte in Auseinandersetzung mit dem allgemei‑ nen Erbrecht das ʿaul‑Prinzip, dem zufolge der Anteil eines jeden Erben proportional reduziert wurde. Eine spezielle Form von ibṭāl ergab sich, wenn dieses ʿaul‑Prinzip auf solche Ansprüche auf waqf‑Erträge angewendet wurde, die anders als bei Er‑ ben nicht entsprechend dem allgemeinen Erbrecht des Korans und der Hadithen als Anteile rechtlich vorbestimmten Perso‑ nen zugeteilt wurden. Im Falle eines waqf nämlich, dessen zugedachte Leistungen umfangreicher waren als seine Erträge, teilten al‑Hilāl (gest. 859) und al‑Ḫāṣṣāf (gest. 874) die Leistungen den Begünstig‑ ten anteilig zu. In anderen Fällen wird der Rückgriff auf das Erbrecht noch deutlicher.
Muslime
Richtete ein Mann beispielsweise einen waqf für seine Erben ein, so erhielten die männlichen Nachkommen das Zweifache der Erträge der weiblichen Nachkommen. Die Grundlage für dieses Zwei‑zu‑Eins‑ Verhältnis findet sich in einem Koranvers zum Erbrecht: „Für das männliche ist der gleiche Anteil wie für zwei weibliche be‑ stimmt“.53 Konfiskationen waren üblich, insbe‑ sondere in der Mamlūken‑Zeit. In einigen Fällen konnten Personen von gehobener Stellung jedoch um die Wiederherstellung eines für ungültig erklärten waqf bitten. In einem Gedicht für Tāǧ ad‑Dīn, den zaʿīm al-ǧaiš (‚Befehlshaber der Armee‘), wird dieser amīr ausdrücklich um Unter‑ stützung für den Sultan Walad (gest. 1312) und seine Anhänger bei der Wiederher‑ stellung eines waqf gebeten, der höchst‑ wahrscheinlich während des Mongolen‑ einfalls zerstört worden war. Nach einer Einführung, die Tāǧ ad‑Dīn mit Helden der persisch‑arabischen Kultur, wie etwa Ḥātim Ṭāʾī (gest. um 578), ʿAlī b. Abī Ṭālib und Anūšīrwān, vergleicht, bittet Sultan Walad: „Es ist gewisslich wahr, dass Badr ad‑Dīn Ġauhartaš in Kara Arslān einen waqf für eine Gruppe gegründet hatte, die für ihn beten sollte. Naǧīb bemächtigte sich dessen, um damit Grenzkämpfe zu finanzieren. Oh Herr, schütz die Religi‑ onsgelehrten diesbezüglich und lass eine wohltätige Schenkung gedeihen, die ein Opfer seiner Unterdrückung wurde.“54 Das über Generationen angesammelte waqf‑Vermögen machte einen bedeuten‑ den Anteil der ägyptischen Ressourcen aus und stellte gleichzeitig eine große Versuchung für die Herrscher dar. Wann immer der mamlūkische Staat Bedarf an liquiden Geldmitteln hatte, insbesondere in Zeiten des Krieges und anderer Krisen, blieb der Zugriff auf waqf‑Ressourcen nicht aus. Die Gruppe der ʿulamāʾ lehnte diese
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Vorgehensweise am entschiedensten ab. Sie widersetzte sich vehement den Versuchen der Sultane, Geldmittel abzuziehen, die ei‑ ner religiösen Einrichtung zugeteilt waren, da diese die Haupteinnahmequelle für die Gelehrten selbst darstellte. Dieser staatli‑ chen Politik wird in den literarischen Quel‑ len mit Verachtung begegnet; sie gilt als ein weiterer Korruptionsbeweis. Carl Petry sieht in der Aneignung von waqf‑Geld‑ mitteln durch den mamlūkischen Sultan Qānṣauh al‑Ġaurī (gest. 1516) den Versuch, einen größeren Teil der Staatsressourcen wieder unter direkte herrscherliche Kon‑ trolle zu bringen, um das überkommene mamlūkische Lehnssystem (iqṭāʿ) allmäh‑ lich abzuschaffen und durch ein neues zu ersetzen.55 Einige Positionen in der Verwaltung eines waqf konnten von Zeit zu Zeit auch aufgehoben werden. Der Diwān al‑Awqāf verfügte in mamlūkischer Zeit über eine breite Personalausstattung, was zur Auf‑ hebung einiger Stellen führte. Besonders wichtig waren die šadd al-amāra und die muʿallim oder muhandis, die Gebäude ins‑ pizierten und einem qāḍī Bericht erstatte‑ ten, der Reparaturen oder andere notwen‑ dige Veränderungen genehmigen musste. Diese Veränderung führte in der späten Mamlūkenzeit zur Abschaffung der Po‑ sition des nāẓir, da Bestechlichkeit und Korruption unter denjenigen, die solche Ämter innehatten, weit verbreitet war. Waqf‑eigene Praktiken konnten eben‑ falls aufgehoben werden. Emir as‑Saifī Yašbak ad‑Dawādār, die mächtigste Figur am Hof des Sultan Qāʾitbāy, errichtete im Jahr 1480 einen waqf zum Wohle jener Personen, die in der al‑Azhar‑Schule lebten und studierten. Jeder arme Student hatte Anspruch auf zwei Laibe Brot pro Tag so‑ wie etwas qamḥīya, ein Gericht aus Fleisch, Milch und Weizen. Blieb etwas übrig, so wurde es an Studenten verteilt, die nicht
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in der Azhar lebten. Wie der Chronist Ibn aṣ‑Ṣairafī berichtet, wurde dieses Privileg aufgrund interner Machtkämpfe unter den Azharīs schließlich wieder abgeschafft.56 Sogar waqf‑Urkunden konnten zerstört werden. Als ein amīr versuchte, die Mieter‑ träge des waqf der Medrese Ǧaqmaqīya zu vereinnahmen, widersetzten sich die Sufis und Koranrezitatoren. Daraufhin befahl er, die waqf‑Urkunde vorgelegt zu bekommen, um sie zu annullieren.57 In Diskussionen um die Rechtsgültigkeit eines waqf und seiner Annullierung konn‑ te es vorkommen, dass nicht alle Gelehrten den gleichen Standpunkt vertraten. Im 14. Jahrhundert wurde beispielsweise ein Stück Agrarland im ägyptischen Ṭandatā zum Gegenstand einer hitzigen Debatte un‑ ter Juristen. Ein Teil der fraglichen Fläche war einem waqf zugunsten einer Medrese gestiftet worden, während Sultan an‑Nāṣir al‑Ḥasan (gest. 1361) das übrige Land dem šaiḫ Quṭb ad‑Dīn al‑Hirmāsī übertragen hatte. Nach al‑Hirmāsīs Tod wollte der Sul‑ tan den Landanteil des šaiḫs konfiszieren, dieser hatte die vom Sultan erhaltene Flä‑ che allerdings in einen waqf umgewandelt. Auf der Suche nach einer Gesetzeslücke er‑ suchte al‑Ḥasan die Religionsgelehrten, die Rechtsgültigkeit des gesamten waqf erneut zu prüfen. Er behauptete bei der Abgabe seiner Erklärung und beim Schwur vor den Zeugen, dass er dieses Land gestiftet
Kritik, Reform und Aufhebung
hatte, das Dokument weder vollständig gelesen zu haben noch sich des genauen Anteils von al‑Hirmāsī bewusst gewesen zu sein; vielmehr sei er überzeugt gewesen, dass der größte Teil des gestifteten Lan‑ des der Moschee und nur ein unbedeuten‑ des Stück al‑Hirmāsī zugedacht gewesen waren. Nach eingehender Untersuchung stellte sich heraus, dass die Zeugen des waqf geschworen hatten, Kenntnis vom detaillierten Inhalt der waqf‑Urkunde ge‑ nommen und sie akzeptiert zu haben, ob‑ wohl diese offensichtlich von al‑Hirmāsī selbst verfasst worden war und ihn deut‑ lich bevorzugte. Das Problem stieß eine lange Debatte unter den Rechtsgelehrten an. Schließlich befanden alle außer einem Gelehrten, dass der waqf ungültig sei: Der qāḍī Tāǧ ad‑Dīn al‑Mānawī aber verlautbar‑ te, dass die Entscheidung nach Lehre der ḥanafitischen Rechtsschule rechtsgültig sei, auch wenn die Zeugenerklärung und der Schwur fehlerhaft gewesen waren – eine Feststellung, die für Aufruhr unter den Muftis sorgte. Obwohl alle anderen Rechts‑ gelehrten mit Nachdruck erklärten, dass der waqf hätte annulliert werden müssen, erwähnt al‑Maqrīzī, dass das Land letzten Endes auf freien Entschluss des Sultans hin in den Händen von al‑Hirmāsīs Kindern verblieb.58 ClM
Anmerkungen 1 Einen umfassenden Überblick über Stand‑ (2014), 146. Zum Erbrecht siehe auch Powers, Is‑ punkte der Rechtsgelehrten zur unbegrenzten Dauer von Stiftungen bietet Ahmad, Waqf as an Instrument of Perpetuity (1987). 2 Für eine Analyse der Weise, in der der Koran das Wertesystem der Familie modifizierte, sowie der Konsequenzen, die sich daraus für islamische Gesellschaften ergaben, siehe Lapidus, History
lamic Inheritance System (1993).
3 Barnes, Introduction to Religious Foundations (1986, ND 1987), 42.
4 Hennigan, Birth of a Legal Institution (2004),
96 f. 5 Q. 4.11 f.; 4.176. Für eine Analyse siehe Kimber, Qurʾanic Law of Inheritance (1998).
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6 Eine der signifikantesten Neuerungen in der
modernen Kritik war die Polemik gegen das Kapital und den waqf. Die ausschließliche Kon‑ zentration der waqf‑Verwaltung in den Händen der mutawallī ohne wirksame Kontrolle durch Scharia‑Gerichte und Destinatäre, insbesondere beim waqf ḫairī, konnte Abweichungen von der ordnungsgemäßen Geschäftsführung begünsti‑ gen. Diese Gründe führten zur modernen Kri‑ tik und schließlich zur Abschaffung des waqf – ein Prozess, der mit massiven Konfiskationen begann. Im Herbst 1812 schaffte beispielsweise Muḥammad ʿAlī das iltizām‑System der Steu‑ erpacht ab und konfiszierte zahlreiche waqf‑ Ländereien. Trotz Massenkonfiskationen endete das waqf‑System endgültig erst im Jahr 1952, weil Landbesitzer über das gesamte 19. Jahrhundert hinweg weiterhin awqāf gründeten – vielfach aus den gleichen Motiven wie in den vorange‑ gangenen Jahrhunderten, nämlich um Einfluss und Vermögen der Familie zu konsolidieren, der Konfiskation von persönlichem Eigentum vor‑ zubeugen und für weibliche Familienmitglieder zu sorgen. 7 Cattan, Law (1955), 217. Siehe auch Schoenblum, Role of Legal Doctrine (1999), 1206; Kuran, Long Divergence (2011), 159–169. 8 Al-Wardī, Wuʿāẓ (1995), 127. 9 Schoenblum, Role of Legal Doctrine (1999), 1192 f. 10 Man könnte argumentieren, dass der waqf keine Rechtspersönlichkeit kannte. Diese These vertraten westliche Kommentatoren lange Zeit. Anders Behrens-Abouseif, Waqf (2009), 55–58. 11 So heißt es in einer Tradition, dass sich der Prophet ein Stück Land für seine Moschee in Medina gewünscht habe, das jedoch zwei Wai‑ sen des Stammes Banū an‑Naǧǧār gehörte, Sahl und Suhail. Der Prophet habe ihnen das Angebot gemacht, einen Preis für das Land zu bestimmen, was sie aber ablehnten. Stattdessen schenkten sie ihm das Land, um eine Belohnung von Gott zu erhalten; vgl. Farooqi, Institution of Waqf (1990), 25. Der Jurist al‑Ḫaṣṣāf (gest. 874) beginnt sein waqf‑Kompendium mit zahlreichen Verweisen auf Beispiele für wohltätiges Handeln (ṣadaqa) des Propheten und für Stiftungen (ḥabs) zum Nutzen der Nachkommen seiner Gefährten: Abū Bakr Aḥmad ibn ʿAmr aš‑Šaibānī al‑Ḫaṣṣāf, Kitāb aḥkām al‑awqāf. Kairo 1902, 1–6.
375 12 Abū Bakr al‑Ḫaṭīb, Tārīḫ Madīnat as‑Salām.
Tārīḫ Baġdād, Bd. 2. Ed. Muṣṭafā ʿAbd al-Qādir ʿAṭā. Beirut 1997, 245. 13 ʿAbd al‑Ġāfir al‑Fārisī, Tārīḫ Naisābūr al‑ mutaḫab min as‑Siyāq. Ed. Muḥammad Kāẓim al-Ḥamūdī. Qom 1983, 6. 14 Muḥammad Ibn al‑Ḥāǧǧ, Madḫal aš‑šarʿ aš‑ šarīf, Bd. 2. Kairo 1929, 126. 15 Vgl. hierfür die Beispiele und bibliographi‑ schen Angaben bei Singer, Constructing Ottoman Beneficence (2002), 128 f. Fälle von mamlūkischer Kritik finden sich bei Al‑Maqrīzī, Kitāb as‑sulūk fī maʿrifat ad‑duwal wa‑l‑mulūk. Ed. Muḥammad Muṣṭafā Ziyāda / Saʿīd ʿAšūr, Bd. 4. Kairo 1972, 388–394. 16 Mandaville, Usurious Piety (1979). 17 In späterer Zeit war beispielsweise der lei‑ tende schwarze Eunuch, der den kaiserlichen Harem des osmanischen Sultan bewachte, in einer guten Position, um von den Einnahme‑ überschüssen der Stiftungen zu profitieren. Trotz der Kritik von Koçi Bey (gest. 1650), einem osmanischen Bürokraten in gehobener Stel‑ lung, wurde diesem mächtigen Palastdiener im Jahre 1716 die Verantwortung für viele weitere herrscherliche Stiftungen übertragen. So über‑ rascht es nicht, dass die ersten Reformen in der Stiftungsverwaltung darauf abzielten, die Kontrolle und den fortlaufenden Missbrauch durch den leitenden Eunuchen zu reduzieren; vgl. Barnes, Introduction to Religious Found‑ ations (1986, ND 1987), 68 f. 18 Rogers, Waqf and Patronage (1976), 71. 19 Ebd., 86. 20 Hoffmann, Falsche Asketen (1990), 478 f. 21 Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī, Kitāb al‑mawāʿiẓ wa‑l‑iʿtibār fī ḏikr al‑ḫiṭaṭ wa‑l‑āḏār al‑maʿrūf bi‑l‑ḫiṭaṭ al‑maqrīzīya. Ed. Muḥammad Zainhum / Madīḥa aš-Šarqāwī. Kairo 1998, Bd. 2, 70 f. 22 Ebd., 330. 23 Ibn Dschubair, Tagebuch eines Mekkapilgers. Übers. Regina Günther. Stuttgart 1985, 210. 24 Ibn al‑Ǧauzī, Talbīs Iblīs. Ed. Aḥmad ibn ʿUṯmān al-Mazīd / ʿAbd ar-Raḥmān ibn Nāṣir alBarāk. Riad 2002, 1050. Trotz seiner Kritik an einigen Formen des Sufismus war Ibn al‑Ǧauzī eindeutig selbst maßgeblich vom mystischen Is‑ lam beeinflusst. Dies zeigt sich insbesondere in vielen seiner waʿẓ‑Schriften (‚Mahnschriften‘).
376 25 Ibn Taimīya, Maǧmūʿ fatāwā. Ed ʿAbd arRaḥmān ibn Muḥammad ibn Qāsim / Muḥammad ibn ʿAbd ar-Raḥmān Riyāḏ, Bd. 11. Kairo 1961, 119 f. Zu den verschiedenen kritischen Abhandlungen Ibn Taimīyas über Sufismus und Volksfrömmig‑ keit vgl. Knysh, Ibn ʿArabi (1999), 87–111. 26 Auch Sufis konnten Verwalter für die un‑ rechte Leitung von Stiftungen kritisieren. So war etwa der berühmte Jurist Ǧalāl ad‑Dīn ʿAbd ar‑Raḥmān as‑Suyūṭī, der šaiḫ der gestifte‑ ten ‚Ḫānqāh al‑Baibarsīya‘, im Jahr 1498 solch schweren Klagen über ungerechte und ungleiche monatliche Gehaltszahlungen ausgesetzt, dass er bei öffentlichen Protesten fast ermordet wurde; vgl. Ito, Al‑Suyūṭī (2016), 58 f. 27 G. Baer, History of land‑ownership (1962), 167. Ein Fall findet sich bei Behrens-Abouseif, Egypt’s Adjustment (1994), 195. 28 Abū al‑ʿAbbās al‑Wanšarīsī, Al‑Miʿyār al‑ muʿrib wa‑l‑ǧāmiʿ al‑muġrib ʿan fatāwā ahl Ifrīqīyīa w‑l‑Andalus wa‑l‑Maġrib, Bd. 7. Ed. Muḥammad Ḥaǧǧī. Beirut / Rabat 1981, 80–82. 29 Abū al‑ʿAbbās al‑Wanšarīsī, Al‑Miʿyār. Ed. Ḥaǧǧī (wie Anm. 28), 455. 30 Abū al‑ʿAbbās al‑Wanšarīsī, Al‑Miʿyār. Ed. Ḥaǧǧī (wie Anm. 28), 278–281. 31 Ibn Mammati’s Rules for the Ministers. Translation with Commentary of the Qawanin al‑Dawanin. Ed. Richard Stefan Cooper. Diss. phil. Berkeley 1973, 9–10. 32 Vgl. Cahen / Rāġib / Taher, Achat et le waqf (1978). 33 Idrīs Ibn Baidakīn at‑Turkumānī, Kitāb al‑ lumaʿ fī‑l‑ḥawādiṯ wa‑l‑bidaʿ. Ed. Subhi Labib. Kai‑ ro / Wiesbaden 1986, 205. 34 Ayalon, Muslim city (1968), 327; Ibn Khaldūn, The Muqaddimah. An Introduction to History. Ed. Nessim Joseph Dawood / Übers. Franz Rosenthal. Princeton 1967, 230 f.; ʿAbd ar‑Raḥmān ibn Ḫaldūn, Muqaddima. Ed. ʿAbd Allāh Muḥammad ad-Darwīš, Bd. 1. Damaskus 2004, 443. 35 Siehe Cuno, Ideology (1999), 141. 36 Singer, Constructing Ottoman Beneficence (2002), 31. 37 Tietze, Muṣṭafā ʿĀlī’s Counsel (1979), 54; 146. Andere Beispiele finden sich bei Imber, Koçi Bey (1986), 248–250; Barnes, Introduction to Religious Foundations (1986, ND 1987), 61–65. 38 Robson, Bidʿa (1986), 1199.
Kritik, Reform und Aufhebung
39 Davison, Reform in the Ottoman Empire (1963), 5, Anm. 5.
40 Siehe auch Hoexter, Waqf and the Public Sphere (2002), 126.
41 Ibn ʿĀbidīn, Radd al‑muḥtār ʿalā ad‑dur al‑
muḫtār, Bd. 4. Ed. Muṣṭafā al-Bābī al-Ḥalabī. Kairo 1966, 388 f. 42 Pesle, Théorie (1941), 109. Zur Entwicklung einer neuen Rechtsdogmatik hinsichtlich der Zahlung von Gehältern in der ḥanafitischen Rechtsschule des 11. Jahrhunderts siehe Johansen, Servant of the Mosques (1999), 119–124. 43 Singer, Charity in Islamic Societies (2008), 114–145. 44 Petry, Protectors or Praetorians (1994), 86 f.; Layish, Waqfs of Awlād al‑Nās (2008), 297. 45 Garcin / Taher, Enquête (1995), 272–280. 46 Çizakça, Cash Waqfs (1995). Mandaville, Usu‑ rious Piety (1979), 308, vertritt den Standpunkt, dass die Geldstiftung nur in den türkischsprachi‑ gen Teilen des osmanischen Reiches legalisiert war und die frommeren Araber diese in ihren Pro‑ vinzen nie zugelassen hatten. Nicht alle Forscher teilen diese Ansicht. Zur syrischen Geldstiftung vom 16./17. Jahrhundert siehe Masters, Origins of Western Economic Dominance (1988), 162. 47 Vergleiche zwischen dieser Geldstiftung und westlichen Entsprechungen werden angestellt bei Çizakça, Cash Waqfs (1995), 53 f. Insbesondere erwähnt Çizakça Liermann, Geschichte des Stif‑ tungsrechts (1963, ND 2002), 160–162. 48 Mandaville, Usurious Piety (1979), 297–300; 306–308. 49 Abū as‑Suʿūd, Risālat fī ǧawāz waqf an‑ nuqūd. Ed. Šāġaf al-Bākistānī. Beirut 1974. 50 Fälle ab dem 16. Jh. sind dokumentiert bei Rafeq, City and Countryside (1992) 323–329. 51 Kuran, Long Divergence (2011), 603. 52 Der Šāfiʿī‑Gelehrte al‑Balāṭunusī aus dem 15. Jahrhundert erwähnt beispielsweise ‚die Annullierung des waqf ‘ (ibṭāl al-waqf ). Taqī ad‑ Dīn al‑Balāṭunusī, Taḥrīr al‑maqāl fī‑mā yaḥillu wa yaḥrumu min bait al‑māl. Ed. Fatḥ Allāh Muḥammad Ġāzī aṣ-Ṣabbāġ. Kairo 1989, 238–241. Siehe auch Layish, Waqfs and Ṣūfī Monasteries (1987), 84. 53 Q 4.11. 54 Die Übersetzung aus dem Persischen findet sich bei Peacock, Sufis (2013), 218 f.
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55 Petry, Twilight of Majesty (1993), 182. Siehe
58 Al‑Maqrīzī, Kitāb al‑mawāʿiẓ wa‑l‑iʿtibār. Ed. auch Ders., Fractionalized Estates (1998). Zainhum / Aš-Šarqāwī (wie Anm. 21), Bd. 2, 280. 56 Ibn aṣ‑Ṣairafī, Inbāʾ al‑haṣr bi‑abnāʾ al‑ʿaṣr. Siehe auch Fernandes, Qadis and Muftis (2002), Ed. Ḥasan Ḥabašī. Kairo 1970, 488. 103–105. 57 ʿAbd al‑Qādir an‑Nuʿaimī, ad‑Dāris fī tārīḫ al‑madāris. Ed. Ǧaʿfar al-Ḥasanī, Bd. 1. Damas‑ kus 1948, 491.
18.4 Juden 18.4.1 Allgemeines Das mittelalterliche Stiftungswesen der Juden war wesentlich mit ihrem Gemeinde‑ leben verflochten: Zum einen konnten zen‑ trale Aufgaben, allen voran die Instandhal‑ tung der Synagoge als einer der grundle‑ genden Stätten des Kultus oder die Armen‑ fürsorge, durch Stiftungen erfüllt werden. (→ 3.4.2) Zum anderen blieb der heqdesh in seiner häufigsten Organisationsform als Gemeindefonds direkt mit den Struk‑ turen der kommunalen Selbstverwaltung verbunden. Auch die insgesamt seltener bezeugte Gründung privater beziehungs‑ weise semi‑privater Stiftungen war nicht gänzlich außerhalb des Gemeindekontexts realisierbar. (→ 3.4.3) Vor diesem Hin‑ tergrund erstaunt es nicht, dass Ansätze einer Fundamentalkritik des Stiftungswe‑ sens kaum überliefert sind: Solche hätten in letzter Konsequenz die jüdischen Ge‑ meinden in ihren Grundfesten erschüttert. Doch auch eine vermutlich verbreitetere kasuistische Stiftungskritik, die Aspekten der Errichtung und des Betriebs konkreter heqdeshot galt, ist oftmals nur indirekt zu greifen: Im halachischen Schrifttum der Gelehrten, das einen Großteil der mittelal‑ terlichen Überlieferung ausmacht, wurden Normen festgesetzt oder Entscheidungen formuliert, die letztlich den Bestand der
Gemeindeinstitutionen zu garantieren suchten.1 (→ 5.4.2) Sofern administrative Dokumente tradiert sind, gewähren sie vor allem Einblick in einen mehr oder weniger erfolgreichen Stiftungsvollzug, auf den sich die Erwartungshaltungen der ver‑ schiedenen Akteure richteten.2 (→ 5.4.3) Im vorliegenden Artikel wird es daher zu‑ nächst nicht nur um die Identifikation einer ausgesprochenen und dabei oftmals eher verhaltenen Stiftungskritik gehen, sondern hierüber hinaus gilt es, wiederkehrende Konfliktlagen um die Einrichtung des heqdesh in den Blick zu nehmen und aus diesen zeitgenössische Beanstandungen zu extrahieren. (→ 18.4.2) Entsprechende Auseinandersetzungen werden in der For‑ schungsliteratur geschildert, sind jedoch bislang niemals systematisch im Hinblick auf eine Stiftungskritik untersucht worden. Wenngleich ,Stimmen der Kritik‘ also oftmals erst aus spezifischen Diskussi‑ onszusammenhängen freizulegen sind, zeichnete sich der vormoderne heqdesh keineswegs durch eine besonders starre, unveränderliche Organisationsform aus. Im Gegenteil, Juden scheinen mittels ihrer Stiftungen flexibel auf neue Herausforde‑ rungen und Bedürfnisse reagiert zu haben, wobei sie sich durch keine einheitliche
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halachische Lehrmeinung eingeschränkt sahen. Die einzelne Stiftung blieb – im Sinne der Korrektur ihrer Zwecke – re‑ formierbar. (→ 18.4.3) Mit diesem Tatbe‑ stand korrespondiert der Befund, dass man innerhalb der jüdischen Gemeinden eine tatsächliche Aufhebung von Stiftungen vermied und sich wohl zumindest mit dem Kult verbundener Stiftungsgüter nur in großen Notlagen entäußerte. Die Masse der Konfiskationen jüdischer Stiftungen ist hingegen ganz überwiegend auf exter‑ nen Zwang zurückzuführen: Manchmal wurden Juden dabei für heqdesh‑Gut ent‑ schädigt, das die nichtjüdische Herrschaft beschlagnahmte. Häufiger waren sie im Zuge von Verfolgung und Vertreibung ge‑ zwungen, ihren mobilen und immobilen Stiftungsbesitz ohne jedwede Kompen‑ sation zurückzulassen. (→ 18.4.4) Diese gewaltsamen Enteignungen, die sich vor allem in Aschkenas und dann in Spani‑ en während des 14. und 15. Jahrhunderts häuften, erklären, warum ein Überdauern jüdischer Stiftungen bis in die Moderne hi‑ nein nur in Ausnahmefällen möglich war. 18.4.2 Kritik Eine prinzipielle und umfassende Kritik am Stiftungswesen der Juden ist – soweit die Überlieferung gesichtet wurde – bis‑ lang unbekannt. Historisch war der heqdesh aus der Konzeption des Tempelver‑ mögens hervorgegangen: Der Grundidee zufolge handelte es sich nach dem Vorbild der Tempelgabe bei den Dingen, die gestif‑ tet wurden, um Eigentum Gottes. Wohl‑ tätigkeit (ṣedaqah) konnte in diesem Sinne als Pendant für die einst dem Jerusale‑ mer Heiligtum erbrachten Abgaben und Leistungen verstanden werden.3 (→ 3.4.2) So sehr man innerhalb des rabbinischen Judentums auch um den genauen Status
Kritik, Reform und Aufhebung
des Stiftungsvermögens und seine Kon‑ sequenzen stritt, blieb die Assoziation mit dem Tempel innerhalb der verschiedenen jüdischen Kulturen des Mittelalters beste‑ hen.4 (→ 1.4.2–3; 2.4.2) Vorbehalte gegen‑ über einem streng analogen Verständnis dieser verschiedenen Einrichtungen sind greifbar und lassen sich etwa im überlegten Gebrauch des mit dem Jerusalemer Heilig‑ tum verbundenen Vokabulars ausmachen. Sie bestimmten – wie zu zeigen sein wird – den Umgang mit den Einrichtungen des heqdesh in einzelnen Punkten. Zu einer systematischen Kritik des Stiftungswesens in den Gemeinden entwickelten sich solche Ansätze indes nicht. Genauer zu untersuchen bleibt, inwie‑ fern man einer jüdischen Stiftungs‑ und Wohltätigkeitspraxis in den Auseinander‑ setzungen zwischen verschiedenen religi‑ ösen Gruppen – also von außerhalb – mit Skepsis begegnete. Innerhalb der grie‑ chisch‑römischen Welt der Spätantike lässt sich eine solche externe Kritik nicht nach‑ weisen. Im Gegenteil, die Armenfürsorge innerhalb der jüdischen Gemeinden genoss die Achtung der Zeitgenossen.5 Dass man sich auf jüdischer Seite gleichzeitig mittels eigener, religiös motivierter Formen der Wohltätigkeit – dem später zentralen Be‑ reich stifterlichen Wirkens – von Heiden und Christen abzugrenzen suchte,6 steht diesem Befund ebenso wenig entgegen wie die Entwicklung eines spezifisch christli‑ chen Armutsdiskurses7. Aus späterer Zeit ist vereinzelte Kritik von Karäern am Wohlfahrtssystem der Rabbaniten überliefert, das letztlich auf der Institution des heqdesh gründete. In dieser Richtung mag man etwa den Kommentar Daniel al‑Qumisīs zu Hosea 8.13 lesen, ei‑ nes der frühesten Gelehrten, die sich an der Wende zum 10. Jahrhundert explizit gegen die rabbinische Tradition wandten: Sie, so führte Daniel in seiner Erläuterung der
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biblischen Rede von den „Schlachtopfern“ (zivḥei) aus, gewährten den Armen im Exil – also nach der Zerstörung des Tempels – ihre Gaben, äßen und nährten andere von diesen. Der Herr jedoch habe hieran keinen Gefallen, wenn sie ihr Tun als „Wohltätig‑ keit“ erachteten.8 Man kann die Zeilen der exegetischen Schrift generell als Spiegel der schwierigen Lebensumstände lesen, unter denen die ersten Karäer in Jerusa‑ lem lebten, zu denen Daniel selbst zählte.9 Möglicherweise galt die gelehrte Kritik darüber hinaus auch der spezifischen Form der Wohltätigkeitseinrichtungen der Rab‑ baniten, worauf die Rede von den Schlacht‑ opfern zu deuten scheint. Das Werk Daniel al‑Qumisīs entstand in einer Hochphase der karäisch‑rabbanitischen Polemik, in der Vertreter beider Gruppen um eine Ab‑ grenzung voneinander besonders bemüht waren. In späteren Jahrhunderten verlor der Konflikt auch an Schärfe. Gerade in den orientalischen Gemeinden, in denen rab‑ banitische und karäische Kongregationen stärker miteinander verflochten waren als in Spanien, finden sich dann sogar Belege einer gemeinsamen Stiftungsaktivität.10 (→ 3.4.5; 14.4.7) Der Stellenwert derjenigen Kritik, die sich gewöhnlich in der Überlieferung ausma‑ chen lässt, erschließt sich, wenn wir den Zusammenhalt der jüdischen Gemeinden als vorrangiges Gut für die Zeitgenossen voraussetzen: Missstände waren anzuspre‑ chen und zu beheben. Gleichzeitig durften Stimmen, die sich kritisch gegenüber der Stiftungspraxis zeigten, nicht ihrerseits den Gemeindebestand gefährden. Am Ende stieg und fiel der Erfolg der Ordnung mit dem konkreten Handeln der beteiligten Akteure: Wiederholt bemängelt wurden (1.) Unterlassungen von Stiftungsleistungen (Abgaben und Zustiftungen), (2.) unpassen‑ de Art und Weise ihrer Ausführung sowie
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(3.) Konsequenzen des Stiftungsvollzugs, die vor allem die Vermögensverteilung betrafen. (1.) Eine jüdische Gemeinde, die zentrale Aufgaben des Kultus und der Wohlfahrt aus den Mitteln des Gemeinde‑heqdesh be‑ stritt, blieb auf die Abgaben, Spenden und gestifteten Güter ihrer Mitglieder unbe‑ dingt angewiesen. Kritik zogen folgerichtig diejenigen auf sich, die ihren Beitrag schul‑ dig blieben. In den Gesetzescodices wurde ihr Vergehen streng geahndet: Maimoni‑ des (ca. 1135–1204) wollte in seiner ,Mish‑ neh Torah‘ denjenigen, der sich weigerte, Wohltätigkeit zu üben, oder der weniger als angemessen gab, durch das Gericht zu seiner Leistung zwingen. Der Schuldi‑ ge sollte so lange für seinen Ungehorsam geschlagen werden, bis er seinen Beitrag, den man schätzen ließ, geleistet hatte. Um an die entsprechenden Mittel zu gelan‑ gen, gestand der Gelehrte dem Gericht das Recht zu, Eigentum des Angeklagten zu beschlagnahmen sowie zum Zwecke der Wohltätigkeit Güter zu verpfänden. Letzte‑ res durfte sogar – der Zusatz unterstreicht die Dringlichkeit der Angelegenheit – am Abend des Schabbat geschehen.11 Ganz ähnlich erfasste etwa R. Jakob b. Asher (1269–1340), der zu Beginn des 14. Jahr‑ hunderts von Aschkenas nach Spanien gezogen war, die Rechtslage und empfahl, mit Ausnahme der Anwendung physischer Gewalt, dieselben Instrumente, um ausste‑ hende Wohltätigkeitsgelder einzutreiben.12 Unter Rückgriff auf die Responsaliteratur ist in der Forschung gezeigt worden, wie unterschiedlich die Gelehrten Einsatz und Ausmaß von Zwang, der sich talmudisch begründen ließ, in konkreten Kontexten tatsächlich beurteilten.13 Dass sich ein Großteil der Rechtsgelehrten gleichzeitig durch eine grundlegende Kritik verbun‑ den wusste, die am besonderen Status des
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heqdesh anknüpfte, konnte Madeline Ko‑ chen im Nachvollzug der zeitgenössischen Argumentationsleistung demonstrieren: Bei den Gaben, die aus dem Gemeindefonds an die Armen gereicht wurden, handelte es sich konzeptionell nicht mehr um solche eines Menschen, sondern ‚des Himmels‘ (mi-shel shamayim). Wer also keine ṣedaqah leistete – so der häufig implizite Vorwurf –, verübte einen Diebstahl an den Armen und letztlich an Gott.14 In der Praxis sahen sich die Gemeinden immer wieder gezwungen, mit zahlungs‑ unwilligen Mitgliedern in ihren Reihen umzugehen. Zu vermuten ist, dass Stim‑ men der Kritik dann lauter wurden, wenn sich die jüdische Bevölkerung mit beson‑ deren Belastungen konfrontiert sah. In den unterschiedlichen Siedlungszentren lassen sich verschiedenen Quellengruppen Hinweise auf Widerstände und möglicher‑ weise im Gegenzug erhobene Vorwürfe entnehmen. Die reiche administrative Überlieferung der Kairoer Geniza erweist sich hier als nur bedingt aussagekräftig und nicht immer eindeutig interpretier‑ bar: Die Durchführung außerregulärer Sammlungen konnte durch unvorherge‑ sehene Ausgaben notwendig werden.15 In den unter mamlūkischer Herrschaft in de‑ mographischer und ökonomischer Hinsicht geschwächten jüdischen Gemeinden war man offenbar gezwungen, häufiger Spen‑ denaufrufe zu tätigen – wenn sich auch die grundsätzliche Verhandlungsposition der Minderheit innerhalb des staatlichen Gefüges wenig änderte.16 Eine Kritik an denjenigen, die sich der Gabe verweigerten, klingt in einzelnen Bittbriefen bedürftiger Juden an, wurde aber in der Regel nicht personalisiert: Der von seinem potenti‑ ellen Wohltäter enttäuschte R. Ephraim b. Isaak etwa beließ es im 12. Jahrhundert bei der Frage, warum der Herr ihn – im Gegensatz zum biblischen Vorbild – von
Kritik, Reform und Aufhebung
seinen Gaben ausgeschlossen habe.17 Aus der bloßen Existenz der Bittbriefe ist, wie Mark R. Cohen betont, nicht auf einen grundsätzlichen Widerwillen in den Ge‑ meinden zu schließen, Wohltätigkeit zu üben. Die Dokumente entsprächen den allgemeinen Formen der Patronage inner‑ halb der nahöstlichen Gesellschaft.18 Den‑ noch mag man in jenen Fällen, in denen Einzelne eine ausbleibende Unterstützung beklagten, auch Ansätze einer verhaltenen Kritik der Ordnung ausmachen können. In den Forschungen zum christlichen Spanien und Aschkenas hat man sich, was im weiteren Sinne Fragen der Finanzierung gemeindlicher Stiftungsaktivität betrifft, bislang vor allem auf Sichtung und Ana‑ lyse der normativen halachischen Literatur konzentriert. So fand eine zunehmende Diskrepanz zwischen Arm und Reich in Aragón seit dem Ende des 13. Jahrhun‑ derts ihren Niederschlag in den Respon‑ sa der Gelehrten, die Beitragsleistungen und Wohltätigkeitsgaben der unterschied‑ lich vermögenden Bevölkerungsgruppen diskutierten.19 Für Aschkenas konnte die Entwicklung der Zehntabgabe vom from‑ men Brauch im 12. Jahrhundert hin zur qua Erlass und rabbinischem Gebot ge‑ stützten Pflicht im 15. Jahrhundert nach‑ gezeichnet werden – zu einem Zeitpunkt, als auch hier der kommunale Zusammen‑ halt zunehmend gefährdet schien.20 Mit welchen Vorwürfen sich die Angehörigen der wohlhabenden Schichten konfrontiert sahen, die der Entrichtung ihrer Abgaben nicht mehr selbstverständlich nachkamen, hat Jonathan Cohen exemplarisch in der detaillierten Analyse eines Responsums des R. Salomon b. Abraham ibn Aderet (genannt Rashba, 1235–1310) gezeigt: Der spanische Gelehrte verglich diejenigen, die Wohltätigkeit nur unzureichend übten, mit der Figur des Nakdimon ben Gurion, die in der jüdischen Tradition unter anderem
Juden
mit der Zerstörung des Tempels und einer verräterischen Nähe zur christlichen Lehre assoziiert wird.21 Bislang kaum untersucht worden ist, in welchen Formen eine solche Kritik unterlassener Abgabenleistungen auch in der zeitgenössischen ethischen Literatur ihren Ausdruck fand.22 Bereits im ,Sefer Ḥasidim‘, dessen Autorschaft in erster Linie R. Judah b. Samuel he‑Ḥasid (gest. 1217 in Regensburg) zugeschrieben wird, finden sich zum Beispiel mehrere Passagen, die das unsolidarische Verhalten reicher Gemeindemitglieder thematisieren: An einem bestimmten Ort etwa suchte man eine Wohltätigkeitssammlung unter Bann‑ androhung durchzuführen. Ein Teil der Reichen verließ daraufhin die Synagoge im Glauben, ihre Abwesenheit schütze sie vor dem Bann und enthebe sie der Notwen‑ digkeit, einen Beitrag zu leisten. Die Kritik ihres Verhaltens ist dem Abschnitt voran‑ gestellt: Sie machten sich des Raubs an den Armen (Prov 22.22), aber letztlich auch an sich selbst schuldig, da sie mittelfristig ebenso einmal auf Unterstützung ange‑ wiesen sein konnten.23 Eine Gefährdung des Zusammenhalts der Gemeinde infolge unterlassener Stiftungsleistungen – so der in Variation immer wieder artikulierte Vorwurf – durfte nicht riskiert werden.24 (2.) Nicht nur die zurückgehaltene Gabe, sondern auch diejenige, die in unpassender Weise oder in falscher Intention übermittelt wurde, stieß auf Kritik. Abermals lassen sich dabei die normativen Feststellungen der Halacha mit empirischen Belegen der sozialen Praxis in Beziehung setzen. Kor‑ relationen zwischen beiden deuten auf eine Wiederkehr entsprechender Vorwürfe im Wandel der Zeiten, wobei bislang nur punktuelle Beobachtungen vorliegen. In der Forschung wird in diesem Zusammen‑ hang häufig auf die Ausführungen des Maimonides in der ,Mishneh Torah‘ und
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die dortige Hierarchisierung der verschie‑ denen Formen, dem Bedürftigen Wohltätig‑ keit zukommen zu lassen, verwiesen: Der Gelehrte unterscheidet insgesamt acht Stu‑ fen des Gabentauschs. Auf zweiter Ebene findet sich hier die Form der Unterstützung, bei der beide Seiten – Geber und Empfänger von ṣedaqah – einander nicht kennen.25 Die verborgene Almosengabe wird bereits im Talmud gepriesen,26 und sie liegt dem Prin‑ zip nach auch der vermittelten Hilfeleis‑ tung des Gemeinde‑heqdesh zugrunde. Man mag spekulieren, ob Maimonides, der sein Werk in den 1170er Jahren abschloss und gleichzeitig als Oberhaupt der jüdischen Gemeinden im fatimidischen Reich wirkte, seine Ausführungen auch als Mahnung der Zeitgenossen verstand, deren Wohltätig‑ keitspraxis dem Ideal der Anonymität kei‑ neswegs immer entsprach.27 Sicherlich aber lassen sich im administrativen Schriftgut der Kairoer Geniza einzelne Stimmen von Wohltätigkeitsempfängern ausmachen, die jene Spender und Stifter tadelten, denen vorrangig an der Erlangung eigenen Pres‑ tiges gelegen war und die entsprechend in Erscheinung traten: Der jüdische Schul‑ meister einer ägyptischen Provinzstadt, der sich um Unterstützung an die Gemeinde Fustat (Altkairo) gewandt hatte, beklagte zum Beispiel, dass die Menschen dort nicht „um des Himmels willen“ gäben, sondern um „öffentliches Ansehen“ zu erwerben.28 Bezeichnenderweise zogen es etliche Be‑ dürftige am Nil auch vor, Unterstützung von privater Seite zu erlangen, anstatt sich um Hilfe aus dem allgemeinen Wohltä‑ tigkeitsfonds zu bemühen und somit die eigene Notlage publik zu machen.29 Man könnte in diesen Fällen von einer ,Kritik der Tat‘ sprechen. Ausführlicher werden spezifische Mo‑ tive und Formen der Wohltätigkeitsgabe in der ethischen Literatur erörtert und kritisch beurteilt. Für Aschkenas bietet an
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der Wende zum 13. Jahrhundert abermals der ,Sefer Ḥasidim‘ Einblick: Ideal war die Gabe an die Bedürftigen, die im Verborge‑ nen erfolgte, die aber der Schöpfer sah.30 Die Kritik galt daher zum einen jenen, welche die Empfänger ihrer Unterstützung nach Maßgabe des zu erwartenden Lobes ihrer Tat wählten.31 Nicht ihr Herz sei mit ihnen, sondern sie handelten aus Sorge um die Meinung ihrer Mitmenschen.32 Die Kritik richtete sich zum anderen auf den Vollzugsmodus von Transferleistungen, der das Schamgefühl der Betroffenen missach‑ tete: dasjenige der Bedürftigen, deren Not publik gemacht wurde,33 dasjenige der um Hilfe Ersuchten, die trotz guten Willens aufgrund eigener begrenzter Mittel nicht in der Lage waren zu geben.34 Die Einrich‑ tung des Gemeindefonds sollte die Anony‑ mität des Transfers gewährleisten,35 was jedoch wiederholt unzureichend gelang: Auch die vermittelte Gabe wurde bemän‑ gelt, wenn das Verwaltungspersonal die Empfindlichkeiten der beteiligten Perso‑ nen missachtete und etwa Verteilungen öffentlich ausführte.36 Gleichzeitig zwang die Sicherung der Einkünfte des Fonds die Gemeinden dazu, dem Prestigestreben ih‑ rer Wohltäter bisweilen nachzugeben und ihnen die öffentliche Anerkennung zuzu‑ gestehen.37 Die am Ideal der verborgenen Gabe orientierte Kritik fand ihre Grenzen an den sozialen Machtverhältnissen in den jüdischen Gemeinden. Auch die ethische Literatur Spaniens lässt sich im sozialen Gefüge ihrer Entste‑ hungszeit begreifen. So ist etwa das klassi‑ sche Werk dieser Gattung, die ,Lehre von den Pflichten der Herzen‘ des Bachja b. Jo‑ sef ibn Paquda (11. Jahrhundert), als Kritik an der spanisch‑jüdischen Oberschicht ge‑ lesen worden, deren Handeln keiner religi‑ ös bestimmten Geisteshaltung entsprochen habe.38 An prominenter Stelle rangieren in diesem Zusammenhang Überlegungen
Kritik, Reform und Aufhebung
zur ,Aufrichtigkeit des Handelns‘ (yiḥud ha-maʿaseh) und zur ,Demut‘ (kniyʿah).39 Eine genauere Lektüre der Schrift Bachjas und anderer spanischer Autoren verspricht weiteren Aufschluss über kritische zeitge‑ nössische Positionen gegenüber einer so‑ zialen Elite, die sich teilweise nur schwer in gemeindliche Wohltätigkeitsstrukturen integrieren ließ.40 (3.) Der Stiftungsvollzug zeitigte schließ‑ lich Konsequenzen, die vor allem die Ver‑ mögensverteilung in den Gemeinden betra‑ fen und die Kritik derjenigen hervorriefen, die sich (dauerhaft) im Nachteil wähnten. Mal war es die Mehrheit der Gemeinde‑ mitglieder, die sich von der Teilhabe am Stiftungsgut ausgeschlossen sah, mal be‑ gegnet in den Responsa der Gelehrten die Klage Einzelner. Beispiele für den ersten Fall finden sich unter anderem in den Aus‑ einandersetzungen um die Sitzordnung in der Synagoge, die für Gemeinden in den verschiedenen Siedlungszentren do‑ kumentiert sind. (→ 16.4.2) Denn infolge von Verkauf und Vererbung konzentrier‑ ten sich die anfänglich durch den heqdesh eingerichteten und ausgegebenen Plätze mit der Zeit häufiger in den Händen weni‑ ger.41 In ihren an die Gelehrten gerichteten Anfragen beklagten die Vertreter der Ge‑ meinden derartige Güterakkumulationen: Im spanischen Játiva des 14. Jahrhunderts etwa hatte ein reicher Jude eine Vielzahl synagogaler Sitzplätze zu geringen Kosten ,erworben‘, woraufhin die Mietpreise der nun knappen Sitzmöglichkeiten stiegen. Wer sich die entsprechende Miete nicht mehr leisten konnte, blieb dem Gottes‑ dienst fern. Der um Rat ersuchte R. Isaak b. Sheshet Perfet (genannt Ribash, 1326– 1408) scheute vor einem grundlegenden Eingriff in die Ordnung zurück, wie es das von der Gemeinde erwogene Aufstellen zusätzlicher Sitzplätze im Saal bedeutet
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hätte. Stattdessen riet er dazu, sicherzu‑ stellen, dass ungenutzte Sitze zu festen Preisen vermietet würden.42 Unabhängig von der jeweiligen Entscheidung im Ein‑ zelfall sahen sich die Gelehrten wiederholt mit den Klagen der Gemeinden über reiche Mitglieder konfrontiert, die durch eine Ver‑ fügung über Stiftungsgut das kommunale Leben bestimmten.43 Doch nicht nur Vertreter der Gemein‑ den, sondern, so der andere Fall, auch Ein‑ zelpersonen beanstandeten mitunter einen Vermögensentzug und somit Verfügungs‑ verlust durch den heqdesh. Mehrfach in den Responsa und der weiteren halachischen Literatur finden sich Hinweise auf Gemein‑ demitglieder, die sich durch entsprechende testamentarische Verfügungen ihrer An‑ gehörigen zu Gunsten des kommunalen Fonds um ihr Erbe gebracht sahen. Judah Galinsky hat ein solches Rechtsgutachten, dessen Entstehung er zwischen 1250 und 1350 in Aschkenas verortet, untersucht: Ein Mann hatte bewusst zwei seiner drei Schwestern von der Erbschaft ausschlie‑ ßen wollen und daher den Großteil sei‑ nes Besitzes zu verschiedenen Wohltätig‑ keitszwecken bestimmt. Nach dem Tod des Mannes focht die Familie diese Verfügung an – und erhielt teilweise Recht.44 Keines‑ falls immer war durch die Begünstigung des Gemeindefonds eine Schädigung der eigenen Angehörigen beabsichtigt. Im Falle einer späteren Verarmung der Verwandten konnte sich die gemeinnützige Verfügung aber auch im Nachhinein als problematisch erweisen, wenn es galt, zwischen der allge‑ meinen Armenfürsorge und der Unterstüt‑ zung der nun bedürftigen Hinterbliebenen des Verstorbenen abzuwägen.45 Aus Spani‑ en und später dem Osmanischen Reich sind Fälle bekannt, in denen die Rechtsgelehr‑ ten daher Übertragungen an den heqdesh beziehungsweise die Umwandlung in eine Stiftung untersagten, da Verpflichtungen
gegenüber den eigenen Angehörigen Prio‑ rität genossen (→ 17.4.2).46 Die Kritik galt jenen Personen, die ihr Vermögen unter Ignorieren akuter Notlagen stifteten und langfristig anlegten. 18.4.3 Reform Die Vorstellung der Reform als Rückkehr zu einer Urgemeinschaft ist dem tradi‑ tionellen Judentum fremd, nicht aber die Einsicht in Wandel und notwendige Adap‑ tionen des jüdischen Rechts an neue Le‑ bensumstände.47 Die unterschiedlichen Konzeptionen des mittelalterlichen Ge‑ meinde‑heqdesh, mit welchen die Gelehrten an Vorstellungen vom Status des antiken Tempelvermögens anknüpften, wurden in der Praxis entwickelt und bedurften wiederholt der Anpassung an eine sich wandelnde Umwelt. Entsprechende Kon‑ kretions‑ und Korrekturleistungen konzen‑ trierten sich insbesondere in der wieder‑ kehrenden Frage nach den Möglichkeiten einer Änderung des Stiftungszweckes und somit der Umwidmung von Stiftungsver‑ mögen und Zustiftungen. Die halachischen Vorgaben blieben in diesem Punkt verschieden interpretier‑ bar und boten Handlungsspielräume: In Bezug auf die Wohltätigkeit hieß es im babylonischen Talmud, dass die Einwoh‑ ner der Stadt die Beiträge der Armenkas‑ se (quppah) für die Suppenküche (tamḥui) und, umgekehrt, jene der Suppenküche für die Armenkasse bestimmen und nach Belieben ändern dürften.48 Dabei spielte in den Diskussionen um entsprechende Umwidmungen von Geldern das Prinzip eine wichtige Rolle, dass eine Veränderung des Wohltätigkeitszweckes nur von einem niedrigeren zu einem höheren beziehungs‑ weise heiligeren erfolgen sollte: Wenn die Einwohner der Stadt etwa einen Stadtplatz
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verkauften, durften sie von dem Erlös ein Bethaus kaufen; wenn ein Bethaus, so durf‑ ten sie eine Lade beziehungsweise einen Thoraschrein erwerben; wenn eine Lade, dann war es ihnen gestattet, den Gewinn in Mäntel der Thora zu investieren; und so fort – bis hin zum Heiligsten, der Thora selbst.49 Die mittelalterlichen Rechtsge‑ lehrten bezogen sich auf jene und weitere Vorgaben der Tradition, wenn sie im kon‑ kreten Fall über die Option zu entscheiden suchten, einen wohltätigen Zweck durch einen anderen zu ersetzen (leshanot miṣedaqah le-ṣedaqah).50 So stellte Maimonides es in der ,Mis‑ hneh Torah‘, in enger Orientierung am talmudischen Wortlaut, den Einwohnern einer Stadt zum Beispiel frei, Beiträge von Armenkasse und Suppenküche in wech‑ selseitigem Austausch zu verwenden, um dann weiter zu generalisieren: Sie dürf‑ ten die Mittel zu allem nutzen, dessen die Gemeinde bedürfe – selbst dann, wenn dies bei der Sammlung der Gelder nicht entsprechend festgesetzt worden sei.51 Genaueren Einblick in die entsprechende Rechtspraxis der ägyptisch‑orientalischen Gemeinden gestattet ein Responsum des Gelehrten, über das eine konkrete Einzel‑ meinung fassbar wird. In seiner Antwort auf verschiedene Fragen nach dem Umgang mit Stiftungsgut setzte Maimonides hier unter anderem fest, dass der rabbinische Gerichtshof, der als Aufsichtsorgan fun‑ gierte, über die Verwendung der Mittel des heqdesh zu jeglichem Bedarf der Gemein‑ de entscheiden und Zweckbestimmungen auch verändern durfte. Ausgenommen wis‑ sen wollte er allerdings jene Fälle, in denen der Stifter im Vorhinein sein Gut einem bestimmten Zweck gewidmet hatte. Dieser sollte auf keinen Fall verändert werden.52 Umwidmungen von Stiftungsvermögen waren also möglich und für Maimonides vor allem dann unproblematisch, wenn
Kritik, Reform und Aufhebung
sie jene Gelder betrafen, die im gemein‑ samen Fonds pauschal der gemeindlichen Wohltätigkeit zu Gute kommen sollten. Grenzen konnten einer solchen freien Um‑ widmungspraxis aber durch den Willen eines Stifters gesetzt werden, der seine Gabe an die Auflage ihres spezifischen Gebrauchs band. Im entsprechenden Spannungsfeld zwi‑ schen freier Verfügung über den Stiftungs‑ zweck und seiner strikten Bindung lassen sich auch die Diskussionen der Gelehrten von Sepharad und Aschkenas verorten, wobei neue Situationen und Einrichtungen jeweils flexible Entscheidungen erforderten. Verschiedene Haltungen gegenüber einer möglichen Umwidmung gestifteten Gutes kristallisierten sich dabei häufig an der Frage des Kompetenzbereichs der mit der Stiftungsverwaltung betrauten Personen heraus. (→ 13.4.2) Auf der iberischen Halb‑ insel bestand, Yom Tov Assis zufolge, an dieser Stelle wiederholt Regelungsbedarf. Dabei scheint man in den einzelnen Ge‑ meinden durchaus unterschiedlich verfah‑ ren zu sein, so dass von ein und demselben Gelehrten voneinander abweichende Urtei‑ le überliefert sein können: In den Responsa des bereits erwähnten R. Salomon b. Abra‑ ham ibn Aderet erfahren wir zum Beispiel von Sammlungen, die explizit zur Unter‑ stützung der Armen einer Stadt durchge‑ führt wurden, deren Verwendungszweck also im Vorhinein feststand, aber auch von solchen Mitteln des heqdesh, über deren Gebrauch erst eigens von der Gemeinde bestimmte Personen zu entscheiden hat‑ ten.53 Strittig blieben jene Fälle, in denen Gelder nachträglich umgewidmet werden sollten. R. Asher b. Jehiel (genannt Rosh, 1250/1259–1327), der um 1300 von Köln nach Toledo gezogen war, wollte etwa den Ver‑ waltern der Wohltätigkeit unter bestimm‑ ten Umständen das Recht zugestehen, eine solche Umwidmung vorzunehmen. Dabei
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bezog er unter anderem Überlegungen zur Hierarchisierung von Wohltätigkeitszwe‑ cken in seine Entscheidung ein.54 Auch unter den aschkenasischen Ge‑ lehrten begegnen unterschiedliche Positi‑ onen, was den Umgang mit den mehr oder weniger zweckgebundenen Mitteln betrifft, über welche die Gemeinden hier vor allem duch regelmäßige Zehntabgaben verfügten. (→ 7.4.2) In besonders strenger Weise ur‑ teilte beispielsweise R. Meir b. Baruch von Rothenburg (genannt Maharam, 1215–1293), halachische Autorität seiner Zeit: Der Zehnt, den man für die Armen erhoben hatte, durf‑ te dem Urteil R. Meirs zufolge nicht für eine andere Mitzwa, also einen anderen religiösen Zweck, genutzt werden. Eine sol‑ che Umwidmung sah er als Diebstahl an den Armen an.55 In den Verordnungen der Rheingemeinden Speyer, Worms und Mainz (taqqanot ShUʺM) aus dem 13. Jahrhundert findet sich hingegen neben der Bestimmung der Zehntleistung auch eine Verordnung zu einem flexibleren Umgang mit ander‑ weitig gestifteten Mitteln. Der Inhalt dieser taqqanah zeigt zum einen, dass Verschie‑ bungen zwischen unterschiedlich zweck‑ bestimmten Fonds möglich sein konnten: An einem Ort, an dem die für die Bezah‑ lung der Lehrer der Kinder vorgesehenen Mittel nicht genügten, durften sie aus den Vermögensbeständen bezahlt werden, die eigentlich zum Seelengedächtnis bestimmt waren. Zum anderen achtete man, sofern expliziert, den individuellen Stifterwillen: Denn hatte jemand den Verwendungszweck seiner Gabe ausdrücklich bezeichnet, schied eine entsprechende Umwidmung der Geld‑ mittel aus.56 Die bislang bekannten Urteile der Rechtsgelehrten deuten auf einen zu‑ nehmenden Handlungsspielraum hin, den man den Verwaltern in der Verfügung über gestiftetes Vermögen und somit seinen Ge‑ brauch zugestand.57 Erkennbar ist aber auch, wie im jeweils konkreten Entscheidungsfall
Vor‑ und Nachteile einer Umwidmung von Stiftungsgeldern gegeneinander abzuwägen blieben. R. Jakob b. Moses ha‑Levi Molin (genannt Maharil; ca. 1360–1427), wahr‑ scheinlich die einflussreichste Autorität am Ausgang des Mittelalters, kannte die Bestimmungen der talmudischen Traditi‑ on ebenso wie die verschiedenen Urteile der aschkenasischen Gelehrten. Dennoch entschied er sich in einer spezifischen Si‑ tuation gegen die Umwidmung von Wohl‑ tätigkeitsgeldern, da er langfristig um den Zusammenhalt der Gemeinde fürchtete: Ein entsprechender Präzedenzfall, so die Sorge R. Jakobs, setze die Verantwortlichen dem Vorwurf der Veruntreuung aus, man hieße sie „Esser der Wohltätigkeitsgelder und Armenräuber“. In der Folge werde nie‑ mand mehr Beiträge leisten wollen – we‑ der für allgemeine noch spezifische Zwe‑ cke. Anstatt sich also am gemeindlichen Stiftungsvermögen zu bedienen, empfahl der Maharil, eine neue und unabhängige Sammlung von Geldern durchzuführen.58 Dem Gewinn an Spielraum und Beweglich‑ keit, den die Möglichkeit der Umwidmung einer Stiftung beziehungsweise ihres Ver‑ mögens versprach, stand der Vertrauensver‑ lust potentieller Stifter in die gemeindlichen Institutionen angesichts einer drohenden Zweckentfremdung ihrer Gaben gegenüber. 18.4.4 Aufhebung Grundsätzlich zu unterscheiden sind Auf‑ hebungen ihrer eigenen Stiftungen durch Juden von solchen, die auf externen Zwang hin erfolgten und häufig, wenn auch nicht immer, mit einer weitergehenden Verfol‑ gung und Vertreibung der religiösen Min‑ derheit verbunden waren. Gemäß einem jüdischen Verständnis des mittelalterlichen heqdesh in Analogie zum
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antiken Tempelvermögen genoss das Stif‑ tungsgut einen besonderen Status: Mit seiner entsprechenden Widmung ging ein Objekt aus dem Eigentum des gewöhnli‑ chen Mannes (shel hedyoṭ) in das Eigentum Gottes beziehungsweise des Höchsten (shel gavoha) über und war fortan dem einfachen Zugriff des Menschen entzogen.59 (→ 2.4.2; 10.4.1) Die Konsequenzen dieses Transfers beschäftigten die Rechtsgelehrten immer wieder und wurden verschieden beurteilt. In der Praxis scheint man sich, was nun die Möglichkeit der Stiftungsaufhebung betrifft, an einer Hierarchie von Stiftungs‑ zwecken unterschiedlichen Heiligkeitsgra‑ des orientiert zu haben, wie sie auch in Fragen der Umwidmung gestifteter Güter eine Rolle gespielt hatte. (→ 18.4.3) Die Diskussionen der Gelehrten richteten sich dabei nicht auf das Problem der Aufhe‑ bung des Gemeindefonds als Ganzen, was einer Aufgabe der kommunalen Ordnung gleichgekommen wäre und kaum verhan‑ delbar gewesen sein dürfte. Stattdessen beschäftigte sie im konkreten Einzelfall der Umgang mit Stiftungsgut, das unter Umständen aus dem Fonds gelöst werden konnte beziehungsweise musste. Alles in allem weniger problematisch gestaltete sich die Herausgabe solcher Vermögensbestände, die nicht direkt für den Ritus bestimmt waren: Häuser, Län‑ dereien und Teile des mobilen Stiftungs‑ gutes wurden nicht nur vermietet und verpfändet, sondern auch verkauft und somit dauerhaft aus dem Eigentum des heqdesh gelöst. Gemäß der talmudischen Bestimmung, die das Tempelvermögen vom ansonsten universalen Verbot des Geldverleihs gegen Zins ausnahm, war der gewinnbringende Verleih von heqdesh‑ Geldern, also die zeitweilige Ausgabe von Stiftungsgut, möglich.60 Wie häufig die Ge‑ meinden auf diese verschiedenen Weisen Stiftungsvermögen abstießen, lässt sich
Kritik, Reform und Aufhebung
nur schwer einschätzen.61 Grundsätzlich aber sind entsprechende Ausgabepraktiken, abhängig vom jeweiligen Stiftungsvermö‑ gen der einzelnen Gemeinden, in allen Siedlungszentren der Juden belegt, wenn sie auch nicht – wie die Responsaliteratur zeigt – unwidersprochen blieben und vor allem der Aufsicht und Kontrolle bedurf‑ ten. (→ 10.4.2–3) Weitaus stärkere Konflikte innerhalb der Gemeinden können wir in Bezug auf den Umgang mit dem rituell genutzten Eigen‑ tum des heqdesh vermuten, das – anders als etwa Grundbesitz oder Geld – schwerlich bis gar nicht als Mittel zu einem höheren Zweck eingesetzt werden durfte. An erster Stelle ist dabei an die Synagogen mit ih‑ ren geschmückten Thorarollen als Zentren des Kultus zu denken. Ihre Herauslösung aus dem Stiftungsvermögen galt es, soweit irgend möglich, zu verhindern oder – in finanzieller Notlage – zumindest geregelt zu gestalten. So hatte man im ägyptischen Fustat des 14. Jahrhunderts Schmuck von Thorarollen verpfändet, nicht aber verkauft: Vor den hohen Feiertagen wies der Nagid Joshua Maimonides (gest. 1355), Oberhaupt der jüdischen Gemeinde, einen der Syna‑ gogenangestellten an, die wertvollen Auf‑ sätze der Schriftrollen wieder auszulösen – und zwar „für den Himmel“ (le-shem shamayim).62 Die nur zeitweilig dem heqdesh entfremdeten Mittel wurden diesem also möglichst rasch wieder zugeführt. Aus ei‑ nem spanischen Responsum erfahren wir einige Jahrzehnte später von einem Fall, in dem Thoraaufsätze sogar verkauft worden waren, um während eines Hungerjahres die Armen zu ernähren. Die Kritik entzündete sich hier in erster Linie am inkorrekten Verfahren, denn eigenmächtig hatte ein Einzelner Hand an Besitz gelegt, über den eigentlich die Gemeinde verfügen sollte.63 Die weitere Erläuterung des Geschehens lässt jedoch erkennen, wie man sich bei
Juden
der Vergabe von Stiftungsgut – also der Frage, wie die Dinge „aus ihrer Heiligkeit herauszunehmen“ (lehoṣi […] mi-qedushatan) seien – grundsätzlich an den talmudischen Bestimmungen zum Kauf und Verkauf hei‑ liger Dinge orientierte: Der Verkauf einer Synagoge etwa sollte nur im Beisein von sieben Repräsentanten der Gemeinde erfol‑ gen.64 Eine alte Thorarolle hingegen, gewis‑ sermaßen das Heiligste aller Dinge, durfte nicht einmal für den Erwerb einer neuen Thorarolle veräußert werden.65 Insoweit waren der Stiftungsaufhebung rechtlich Grenzen gesetzt. Stellt man den halachi‑ schen Befunden allerdings die offenkundig hohen Überlieferungsverluste gegenüber, deren Umfang insbesondere die jüngere Forschung zur sekundären Verwendung he‑ bräischen Schrifttums genauer zu ermessen hilft, wird deutlich, wie häufig diese gezo‑ gene Grenzlinie in der Praxis überschritten wurde – in den allermeisten Fällen sicher‑ lich infolge externer Gewalteinwirkung.66 Dass sich eine Kontinuität der Stiftungen von Juden bis in die Neuzeit hinein kaum belegen lässt, ist denn auch nicht aus der inneren Entwicklung ihrer Gemeinden zu erklären. Am ehesten wird man eine Fort‑ dauer von heqdesh‑Strukturen in manchen orientalischen Kommunen annehmen kön‑ nen. In Kairo etwa stießen Forscher noch im 20. Jahrhundert innerhalb des beste‑ henden gemeindlichen Archivs auf Doku‑ mente, die eine mittelalterliche Stiftungs‑ aktivität betrafen.67 In Spanien hingegen endete die Geschichte der heqdeshot mit den spätmittelalterlichen Vertreibungen der jüdischen Bevölkerung. Ein ähnlicher Riss durchzieht das Stiftungswesen von Aschkenas, wo es im 15. und 16. Jahrhundert nur einer Handvoll jüdischer Gemeinden gelang, ihrer Ausweisung aus den Städten und somit auch der Enteignung ihres Ver‑ mögens entgegenzutreten.68
387
Was die konkrete Bedrohung jüdischer Stiftungen durch Konfiskationen in den mittelalterlichen Jahrhunderten betrifft, ist den unterschiedlichen rechtlichen Bestimmungen unter muslimischer und christlicher Herrschaft Rechnung zu tra‑ gen. So war es nach islamischem Recht Juden und auch Christen, den Angehöri‑ gen der religiösen Minderheiten (ḏimmīs), gestattet, Stiftungen zu gründen und zu unterhalten, solange diese Einrichtungen dem Wohl der ganzen Gesellschaft und nicht nur ihrer jeweiligen Gemeinschaft dienten. (→ 12.3.2; 13.4.3) Einwände er‑ hoben die muslimischen Rechtsgelehrten zuweilen gegenüber Schenkungen und Stiftungen an die Einrichtungen des je‑ weiligen Kultus.69 Solche stiftungsspezi‑ fischen Restriktionen überschnitten sich mit dem traditionellen, wenn auch in der Praxis unterschiedlich gehandhabten Ver‑ bot der Neuerrichtung und Erweiterung nichtmuslimischer Gotteshäuser.70 In der Überlieferung der Gemeinde von Fustat finden sich vereinzelt Hinweise darauf, wie Juden mit diesen Einschränkungen umgingen und entsprechende äußere Ein‑ griffsversuche, welche stets die Gefahr der Güterbeschlagnahmung bargen, zunächst erfolgreich abzuwehren wussten. Protokol‑ liert ist etwa die Verhandlung vor einem muslimischen Kadi des Jahres 1038: Gegen den vermeintlichen Neubau der rabbaniti‑ schen Synagoge war Klage erhoben wor‑ den, und man forderte deren Abriss. Recht erhielt jedoch der Vorsteher der jüdischen Gemeinde, der sich in seiner Aussage, ge‑ stützt durch eine Reihe von Zeugen, auf das Alter und explizit auch auf den recht‑ mäßigen Status der Synagoge als Stiftung (waqf ) bezog.71 Aus der Responsaliteratur kennen wir diverse Strategien, Konfiska‑ tionen von Stiftungsvermögen durch eine muslimische Obrigkeit zu verhindern.72 Dichter dokumentiert und zum Teil bereits
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genauer untersucht worden sind solche und ähnliche Vorgänge im Osmanischen Reich des 16. und 17. Jahrhunderts: Hier verteidigten Juden vor den Istanbuler Scha‑ ria‑Gerichten ihr Stiftungseigentum oder erwirkten für Konfiskationen ihrer Güter finanzielle Entschädigungen.73 Insofern sich die jüdische Gemeinde freilich der obrigkeitlich angeordneten Enteignung kaum entgegenstellen konnte, erweist sich in manchen Fällen der Übergang von einer rechtmäßig verfügten zu einer willkürlich exekutierten Beschlagnahmung von Stif‑ tungsvermögen als fließend.74 Anders als im islamischen Recht ist eine Auseinandersetzung christlicher Rechtsge‑ lehrter mit dem Status der Stiftungen von Minderheiten nicht belegt. Was die auch unter christlicher Herrschaft für Juden theoretisch eingeschränkte Möglichkeit der Synagogennutzung betrifft, so scheint – im Zusammenhang mit Enteignungen – auf die entsprechenden Bestimmungen allenfalls sporadisch rekurriert worden zu sein.75 Gewöhnlich ist davon auszuge‑ hen, dass ein pauschaler herrschaftlicher Zugriff auf jüdisches Vermögen auch das Stiftungsgut der Gemeinden umfasste. Die Geschichte der Verfolgungen in ihren unterschiedlichen Dimensionen kann in diesem Sinne also als Geschichte der Ge‑ fährdung und Konfiskation des von Juden gestifteten Vermögens gelesen werden. Aus der Masse von Beispielen aus Spanien und
Kritik, Reform und Aufhebung
Aschkenas sei dasjenige der Synagoge(n) Rothenburgs ob der Tauber als besonders facettenreiches Exempel herausgegriffen. Es zeigt unter anderem, dass Konfiskatio‑ nen jüdischen Stiftungsgutes und die Ver‑ treibung von Juden miteinander verbun‑ den sein konnten, aber nicht mussten. Auf drastische Weise demonstriert es die Ab‑ hängigkeit des jüdischen Stiftungswesens von seiner nichtjüdischen Umwelt: Wie in vielen anderen Städten Mitteleuropas ging im Zuge der Pogrome Mitte des 14. Jahr‑ hunderts auch in Rothenburg sämtliches jüdisches Eigentum – darunter das Gottes‑ haus der Gemeinde – an den städtischen Rat über. Mit der Rückkehr von Juden in die Stadt überließ man ihnen gut 20 Jahre später vermutlich ihre Synagoge erneut und setzte sie somit wieder in den alten und gemeindlich unterhaltenen Vermö‑ gensbestand ein. Wovor die Restitution die Minderheit allerdings nicht schützte, war eine abermalige Beschlagnahmung des Got‑ teshauses zu Beginn des 15. Jahrhunderts. Für diese Enteignung wurden die Juden nun entschädigt, indem der Rat 1406 einen Synagogenneubau in einem Außenbezirk der Stadt finanzierte. Über hundert Jahre konnte die jüdische Gemeinde daraufhin dieses Haus nutzen und unterhalten, bis sie 1520 aus der Stadt vertrieben wurde und der Rat nun endgültig das Eigentumsrecht an der Synagoge beanspruchte.76 SH
Anmerkungen 1 Nicht zuletzt waren Gelehrte häufig selbst
2 Das reichhaltige Verwaltungsschrifttum der aktiv in konkrete Stiftungsvollzüge eingebun‑ Kairoer Geniza umfasst unter anderem Bittbriefe den, so dass vielen von ihnen zumindest an ei‑ armer Juden, die Privatleute, aber auch Amtsträger ner destruktiven Kritik der heqdesh‑finanzierten der jüdischen Gemeinde um ihre Unterstützung Einrichtungen nicht gelegen gewesen sein dürfte. ersuchten. Mark R. Cohen betont die Einzigartig‑ Zum Wirken der Gelehrten auf allen Ebenen der keit des Quellenmaterials, das die ,Stimmen der Stiftungen → 14.4.3. Armen‘ hörbar werden lasse; vgl. M. R. Cohen, Four
Juden
Judaeo‑Arabic Petitions (2000); Ders., Poverty and Charity (2005), bes. 16–21. Eine explizite Kritik am Stiftungswesen wird man jedoch gerade in den Briefen dieser benachteiligten Bevölkerungs‑ gruppe häufig vergeblich suchen: Ihre Schriften folgten einem formelhaften Aufbau und zielten auf den Gewinn der Gunst potentieller Wohltäter. In besonderem Maße waren sie ,eingepasst‘ in das Spenden‑ und Stiftungssystem der Gemeinde. 3 Vgl. Elon / Levitats, Hekdesh (2007). 4 Vgl. erhellend die rechtshistorischen Studien von Kochen, It was not for Naught (2008); Dies., Organ Donation (2014), bes. 136–146; ein Überblick der älteren Literatur ebd., 136 f., Anm. 49. 5 Vgl. Holman, Hungry Are Dying (2001), 4. 6 Vgl. Urbach, Political and Social Tendencies (1951), bes. 1–7; 9. Zur genaueren Argumentation Urbachs → 7.4.2. Stärker auf Gemeinsamkei‑ ten der Wohltätigkeitsvorstellungen von Juden, Christen und Muslimen hebt ab G. Anderson, I Give (2011). Dass aus der Ähnlichkeit der Auf‑ fassungen wiederum starke Abgrenzungsbemü‑ hungen resultieren konnten, erscheint plausibel. 7 Vgl. Holman, Hungry Are Dying (2001), bes. 42–62 zur Gegenüberstellung jüdischer und früh‑ christlicher Armutsvorstellungen. 8 Daniel al‑Qūmisī, Pitron shenaim ʿasar. Ed. Yitzhak Dov Markon. Jerusalem 1957, 13 f.: ]יג[ זבחי הבהבי הם מתונותי אשר יזבו בגלות לתת מתנות,הבהבי לעניים ויאכלו וגם יאכילו ויחשבו כי הוא שכר טוב ועל כן כת׳ וה׳ לא רצם כי הם יחשבו לצדקה. Vgl. Gil, History of Palestine (1992), 808; zum exegetischen Schaf‑ fen Daniel al‑Qūmisīs D. Frank, Karaite Exegesis (2000), 112–114. 9 Neben der in Anm. 8 genannten Literatur vgl. zu Werk und Lebensumständen Daniel al‑ Qūmisīs auch Polliack, Medieval Karaism (2002), 305–310; N. N., Daniel ben Moses Al‑Qūmisī (2007). Weiter zu überprüfen wäre, ob Fragen der Wohl‑ tätigkeit und ihrer Finanzierung regelmäßig ei‑ nen Punkt der karäisch‑rabbanitischen Polemik bildeten. 10 Vgl. im Überblick zur Geschichte der Karäer im mittelalterlichen Nahen Osten Bareket, Karaite Communities (2003); vor allem Rustow, Heresy (2008); zur Situation im hochmittelalterlichen Spanien Lasker, Karaism (1992). 11 Mishneh Torah. Hu ha‑yad ha‑ḥazaqah le‑ ha‑nesher ha‑gadol rabbenu Moshe bar Maimon
389 zʺl. Ed. Nahum Trebitsch, Bd. 4.2. Warschau 1881, Buch 7, Abschnitt Hilkhot Matenat ʿAniyim, 60, Kap. 7, § 10. Vgl. auch The Code of Maimonides, Book Seven: The Book of Agriculture. Übers. Isaac Klein. (Yale Judaica Series, Bd. 21.) New Haven / London 1979, 79. 12 Jakob b. Asher, Ṭur Yoreh Deʿah. ʿIm kol ha‑mefarshim asher nidpesu mi‑qedem u‑me‑ farshim ḥadashim mi‑kitvei yad sudar ve‑nidpas me‑ḥadash. Jerusalem 1993, Abschnitt Hilkhot Ṣedaqah, 25–28, Nr. 248. Ähnliche Ausführun‑ gen finden sich auch in den weiteren bekann‑ ten Gesetzescodices, ebenfalls im Kontext der ,Gesetze der Wohltätigkeit‘ (Hilkhot Ṣedaqah): so etwa bereits in den früheren Werken wie dem ,Sefer ha‑Eshkol‘ des R. Abraham b. Isaak von Narbonne (ca. 1110–1179) oder dem ‚Or Zaruʿa‘ des R. Isaak b. Moses von Wien (ca. 1180–1250). Zur nicht immer einfachen Auswertung der Rechts‑ werke, deren Autoren in unterschiedlichem Maße auf die Tradierung des antiken Regelbestands konzentriert waren, → 3.4.1. 13 Vgl. J. Cohen, Charitable Contributions (2001), 85 f. Klassische Belegstellen sind bT Ket 49b und Bava Batra 8b: Raba hatte R. Nathan b. Ami einst gezwungen, 400 zuz für Wohltätigkeit zu ent‑ richten. 14 Vgl. Kochen, Organ Donation (2014), 146; zur insgesamt zentralen Bedeutung von Wohltätig‑ keit als Stiftungszweck → 3.4.2; 9.4.1. 15 Maimonides etwa scheint bald nach seiner Ankunft in Ägypten in den Jahren 1169/1170 meh‑ rere Rundbriefe an die Gemeinden Unterägyptens verfasst zu haben, um Gelder für die Auslösung jüdischer Gefangener aus den Händen christlicher Kreuzritter zu sammeln. Die damals erforderlichen Summen überstiegen die gewöhnlichen Ausgaben für Wohltätigkeit deutlich, was die besonderen Anstrengungen erklärt, die unternommen wer‑ den mussten. Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 5 (1988, ND 1999), 54 f.; M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 115–118. Einer der insgesamt möglicherweise fünf überlieferten Rundbriefe des Maimonides findet sich in engl. Übers. in The Voice of the Poor in the Middle Ages. An Anthology of Documents from the Cairo Geniza. Ed. Mark R. Cohen. Princeton / Oxford 2005, 69–71, Nr. 33. 16 Vgl. M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 251; zur Situation der jüdischen Bevölkerung unter
390 der Herrschaft der Mamlūken Stillman, Jews of Arab Lands (1979), 67–75; differenziert Rustow, Li‑ mits (2009). Als Verfasser zahlreicher Briefe, die der Organisation konkreter Wohltätigkeitsleis‑ tungen, aber auch der kurzfristigen Bereitstellung von heqdesh‑Mitteln galten, trat damals der Nagid Joshua Maimonides (gest. 1355) in Erscheinung. Für eine Auswahl aus der Korrespondenz in sei‑ nem Umfeld siehe Voice of the Poor. Ed. M. R. Cohen (wie Anm. 15), 192–198, Nrn. 87–94. 17 Siehe ebd., 71 f., Nr. 34. Bezugspunkt der Klage ist Dtn 26.11. Auf einen vorausgegange‑ nen Brief des Bittstellers war offenkundig nicht reagiert worden; vgl. ebd., 29 f., Nr. 9. Eine Frau, die vermutlich in den 1070er Jahren infolge der seldschukischen Eroberungen aus Jerusalem hatte fliehen müssen, beklagte ebenfalls eine ausblei‑ bende Unterstützung und sah sich gegenüber den durch Wohltätigkeitsgelder ausgelösten Juden und Gefangenen aus Byzanz benachteiligt; sie‑ he die engl. Übers. ihres Schreibens bei Goitein, Mediterranean Society, Bd. 5 (1988, ND 1999), 84 f.; vgl. auch M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 124. Zu berücksichtigen ist, dass es sich bei diesen Dokumenten um Briefe handelte, die an Privat‑ personen gerichtet waren. Ähnliche Vorwürfe dürften aber auch gegenüber der gemeindlichen Wohltätigkeitsorganisation geäußert worden sein, wenn die erwartete Hilfe ausblieb. 18 Vgl. ebd., 189, sowie oben, Anm. 2. 19 Vgl. vor allem die Studien von Yom Tov Assis und Judah D. Galinsky: Assis, Institutions sociales médiévales (1992); Ders., Welfare and Mutual Aid (1992); Ders., Golden Age (1997); Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005). 20 Vgl. Galinsky, Public Charity (2010); Ders., Custom (2011). 21 Siehe Sefer sheʾelot u‑teshuvot rabbenu Shlomo ben Aderet, Bd. 3. Bnei Brak 1971, 219 f., Nr. 380. Das Responsum ist in der Forschung seit Langem bekannt; vgl. etwa die Verweise auf den Text bei I. Epstein, Responsa (1925), 69; Assis, In‑ stitutions sociales médiévales (1992), 320; Ders., Welfare and Mutual Aid (1992), 188. Die ,dichte Lektüre‘ des Gutachtens durch Jonathan Cohen zeigt, welche genaueren Einblicke in zeitgenös‑ sische Argumentations‑ und auch Kritikmuster prinzipiell möglich sind, deren Analyse bislang hinter Bemühungen um eine Rekonstruktion der
Kritik, Reform und Aufhebung
sozialen Institutionen zurückstand. Vgl. J. Cohen, Charitable Contributions (2001), zum Bezug auf Nakdimon ben Gurion siehe ebd., 93–97; ebd., 87 f., auch eine engl. Übers. des gesamten Responsums. 22 Im engeren Sinne wird unter ethischer Litera‑ tur (sifrut ha-musar) jenes Schrifttum verstanden, dessen Autoren seit dem 11. Jahrhundert auf die re‑ ligiöse und moralische Unterweisung einer breiten Bevölkerung zielten; vgl. Dan, Ethical Literature (2007), und noch immer Tishby / Dan, Sifrut (1970); als Einstieg in bekannte Werke der Gattung auch Grözinger, Jüdisches Denken (2004–2009). 23 Sefer Ḥasidim. Das Buch der Frommen nach der Rezension in Cod. De Rossi No. 1133. Ed. Jehuda Wistinetzki / Jacob Freimann. Frankfurt a. M. 21924, 411, Nr. 1713; vgl. auch Galinsky, Public Charity (2011), 85. Tatsächlich, so heißt es am Ende des Abschnitts, traf wenig später ein finanzieller Rückschlag die‑ jenigen, die sich der Wohltätigkeitsgabe entzogen beziehungsweise sich dieser Gruppe angeschlos‑ sen hatten. Handschriftenvarianten können über die Datenbank PUSHD abgerufen werden, online: Princeton Universität, https://etc.princeton.edu/ sefer_hasidim/ (Zugriff am 5. 3. 2016). Zum Werk → 5.4.4; zur Orientierung innerhalb der Passagen, die der Wohltätigkeitspraxis gewidmet sind, wei‑ terhin Cronbach, Social Thinking (1949). 24 Siehe unter anderem zur besonderen Ver‑ antwortung der wohlhabenden Gemeindemit‑ glieder Sefer Ḥasidim. Ed. Wistinetzki / Freimann (wie Anm. 23), 331, Nr. 1347; 406, Nr. 1682. Auf der anderen Seite waren die Armen gehalten, Wohl‑ tätigkeit anzunehmen. Zu denken ist bspw. an den Fall eines Mannes, der sich weigerte, die Un‑ terstützung der Gemeinde zu akzeptieren, und stattdessen lieber hausierend von Stadt zu Stadt zog. Auf diesem Wege geriet er in Gefangenschaft, und die Gemeinde war gezwungen, ihn auszu‑ lösen und somit Kosten zu tragen, für die viele Jahre lang Wohltätigkeit hätte geleistet werden können; siehe ebd., 194 f., Nr. 773. 25 Mishneh Torah. Ed. Trebitsch (wie Anm. 11), Abschnitt Hilkhot Matenat ʿAniyim, 65, Kap. 10, § 8. Vgl. auch Code of Maimonides, Book Seven. Übers. I. Klein (wie Anm. 11), 91. Auf höchster Ebe‑ ne wird dem Armen die Selbsthilfe – etwa durch Arbeits‑ oder Kreditvermittlung – ermöglicht, der auf diese Weise also gar nicht erst in die Ab‑ hängigkeit seiner Wohltäter tritt; vgl. B. E. Klein,
Juden
Idealisieren, neutralisieren, bekämpfen (2000), 27 f., sowie ausführlich → 9.4.2. 26 Vgl. bT Bava Batra 9b: Nach R. Eleazar ist derjenige, der heimlich Wohltätigkeit übt, grö‑ ßer als Moses. 27 Zum Verhältnis der halachischen Überlie‑ ferung zur sozialen Praxis vgl. M. R. Cohen, Po‑ verty and Charity (2005), 23–25; exemplarisch zur Auseinandersetzung des Maimonides mit der zeitgenössischen Realität auch 121–123; 201–211. 28 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 106 f.; M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 74; Anm. 142, 227. Etliche Bittsteller ver‑ wiesen in ihren Briefen proaktiv auf das biblische Wort von der Gabe im Heimlichen, die den Zorn (Gottes) bezwinge (Prov 21.14); vgl. ebd., 190. 29 Vgl. M. R. Cohen, Foreign Jewish Poor (2003), 59; Ders., Poverty and Charity (2005), 189 f. Aus‑ gaben von Nahrungsmitteln und Kleidung er‑ folgten bspw. an zentralen Stellen, vermutlich in Synagogennähe, und somit in für alle sichtbarer Weise; vgl. ebd., 227–233. Durch seine Analyse der Terminologie der Bittbriefe zeigt Cohen das hohe Schamempfinden der Bedürftigen auf, die etwa „ihr Gesicht entblößen“ (arab. kašf al-waǧh) muss‑ ten und nicht mehr „verborgen“ (arab. mastūr) waren; vgl. ebd. 41–51. 30 Sefer Ḥasidim. Ed. Wistinetzki / Freimann (wie Anm. 23), 227, Nr. 917. 31 Ebd., 226, Nr. 913. 32 Ebd., 213, Nr. 846. 33 Ebd., 222, Nrn. 896 f.; 224, Nr. 901. 34 Ebd., 213, Nr. 845; 214, Nr. 848; 218, Nr. 873. 35 Ebd., 217, Nr. 867. Derjenige, der die Wohl‑ tätigkeit in Sorge um das eigene Ansehen aus‑ schlägt, wird getadelt: Anstatt die Last einem einzelnen Haushalt aufzuerlegen, hätte er sich besser an den Verwalter der gemeindlichen Wohl‑ tätigkeit wenden sollen. 36 Ebd., 225, Nr. 908; 225, Nr. 910; zur Vermei‑ dung der Unterstützungsleistung vor den Augen Dritter ebd., 319 f., Nrn. 1693 f. Die Zehntabgabe war von allen Gemeindemitgliedern zu leisten, auch den Armen, die sich jedoch im Nachhinein – und wiederum unter Ausschluss der Öffent‑ lichkeit – einen Teil der Gelder erstatten lassen konnten; siehe ebd., 226, Nr. 914. 37 Ebd., 390 f., Nrn. 1592 f. Ausschlaggebend waren im Zweifelsfall die Vermehrung von
391 Wohltätigkeit und somit der Unterhalt der Armen. Genauer zum verhandelten Fall, in dem zwölf Männer mittels eines hohen Geldbetrages das Recht der Thoralesung für sich erwarben, um ihr Ansehen in der Gemeinde zu vergrößern, → 7.4.3. 38 Vgl. B. Safran, Bahya ibn Paquda’s Attitude (1979); zu Werk und Autor Schäfer, Bachja (1980); Vajda, Baḥya (2007). Die ursprünglich arabische Fassung des Werkes erlangte ihre Bekanntheit vor allem durch die hebräische Übersetzung des von Spanien in die Provence übergesiedelten R. Judah b. Tibbon aus dem Jahre 1160. 39 Siehe Baḥya ben Yosef ibn Paqudah, Torat ḥovot ha‑levavot, Bd. 2. Ed. Pinḥas Yehudah Liberman / übers. Yehudah ibn Tibon. Jerusalem 1990, 5–60; 61–104. 40 Siehe zum Beispiel die ethischen Schriften des R. Jona b. Abraham Gerondi (ca. 1200–1263), aber auch das dichterische Schaffen des R. Samuel ha‑Nagid (993–1055/56) sowie des R. Salomon ben Judah ibn Gabirol (ca. 1021 bis ca. 1057). Vgl. zu letzteren beiden und im Vergleich zum Denken des Bachja b. Josef ibn Paquda auch B. Safran, Bahya ibn Paquda’s Attitude (1979), bes. 165–173. 41 Zur synagogalen Sitzordnung in den Ge‑ meinden von Aschkenas vgl. Goldin, Synagogue (1995), 23; Keßler, Ritus und Raum (2007), 52–55; M. Keil, Raum und Ordnung (2010), 39–41; zu je‑ ner in Spanien Assis, Synagogues in Medieval Spain (1992), 18–21; Ders., Golden Age (1997), 215 f.; Kornberger, Raumkonzeptionen (1998), 70–72. We‑ niger Informationen liegen zur Innenausstattung der orientalischen Synagogen im Mittelalter vor, wo vermutlich häufiger Teppiche und Matten als Sitzgelegenheiten Verwendung fanden. 42 Sheʾelot u‑teshuvot le‑rabbenu ha‑gadol ma‑ rana u‑rabanna ha‑rav Yiṣḥaq bar Sheshet, 2 Bde. Ed. David Metsger. Jerusalem 1993, Bd. 1, 324–327, Nr. 253; deutsche Teilübersetzung in Rabbinische Responsen zum Synagogenbau, Bd. 1. Übers. Brigitte Kern-Ulmer. (Studien zur Kunstgeschichte, Bd. 56.) Hildesheim / Zürich / New York 1990, 103 f.; vgl. zum Sachverhalt Assis, Synagogues in Medie‑ val Spain (1992), 20 f. 43 R. Salomon b. Abraham ibn Aderet (genannt Rashba, 1235–1310) aus Barcelona hatte in einem Fall etwa über die Erweiterung einer Synagoge zu entscheiden, die durch die Verbindung mit einem benachbarten Wohnhaus erreicht werden
392 sollte und gegen welche die Gemeinde Einspruch erhob. Der Gelehrte stimmte der Zustiftung des wohlhabenden Hausbesitzers zu, obgleich auch hier die synagogale Grundordnung gestört wur‑ de: Sefer sheʾelot u‑teshuvot rabbenu Shlomo ben Aderet, Bd. 1. Bnei Brak 1958, 217 f., Nr. 581; vgl. V. B. Mann, Toward an Iconography (2004, ND 2005), 87; → 6.4.2. 44 Vgl. Galinsky, Commemoration and Heqdesh (2005), 197 f., mit Verweis auf Responsa of Ger‑ man Sages on the Laws of Charity. Ed. Simcha Emanuel, in: Ha‑Mayan 41, 1991, 15–21, hier 20 f., Nr. 6 [hebräisch]. Von den Wohltätigkeitszwecken, denen das Erbe nach dem Willen des Erblassers zukommen sollte, wurde lediglich das Gedenken der Seele des Verstorbenen anerkannt. Zu einem Fall aus dem Spanien des 13. Jahrhunderts, in dem ein Vater seinen Besitz gemeindlicher Wohltä‑ tigkeit zukommen ließ, um seinen Sohn zu ent‑ eignen, siehe Sefer sheʾelot u‑teshuvot rabbenu Shlomo ben Aderet (wie Anm. 43), 232 f., Nr. 656; vgl. Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 431. Hier ist jedoch unbekannt, ob der nach dem Willen seines Vaters enterbte Sohn Einspruch gegen die Verfügung erhob. 45 Siehe Isaak Moshe aus Wien, Sefer Or Zaruʿa, Bd. 1. Jerusalem 2010, Abschnitt ‚Hilkhot Ṣedaqah‘, 26, Nr. 8; vgl. Galinsky, Commemoration and Heqdesh (2005), 200. Zur Möglichkeit, einen Teil der in Aschkenas üblichen Zehntabgabe auf die Versorgung armer Verwandter zu verwenden, mancherorts gar den gesamten Betrag diesem Zweck zukommen zu lassen; → 13.4.2. 46 Zu den spanischen Fällen → 8.4.3. Zu ei‑ nem ähnlichen Vorgang aus dem Osmanischen Reich des 16. Jahrhunderts vgl. H. Gerber, Jews and the Vakif Institution (2008), 168; zu weiteren und späteren Konfliktkonstellationen zwischen Stiftungsverfügung und Erbschaftsansprüchen der Hinterbliebenen Ben-Naeh, Jews (2008), 288; Rozen, History (2010), 227 f.; Dies., Trust of Lady Khrisula (2015). 47 Vgl. Funkenstein, Schwelle (1995), bes. den Abschnitt zu ,Reform und Geschichte‘, 186–196; zur Periodisierung der Wissensautorität in der halachischen Literatur Yuval, Rishonim and Aha‑ ronim (1992): Bis Mitte des 14. Jahrhunderts galt für die Gelehrten von Aschkenas die gesamte Zeit zwischen der Kodifizierung des Talmuds und
Kritik, Reform und Aufhebung
ihrer eigenen Gegenwart als einzige durchgehen‑ de Epoche, was eine besonders flexible Auseinan‑ dersetzung mit den Urteilen vorausgegangener Gelehrtengenerationen ermöglichte. Erst um 1400 entstand – wie zuvor bereits in Spanien – das Bewusstsein, einem neuen Zeitalter anzugehö‑ ren, das dem vorangegangenen unterlegen war. Urteilssprüchen früherer Rechtsgelehrter wurde fortan besondere Autorität beigemessen. 48 Vgl. bT Bava Batra 8b. In den Zeiten des Tempels hatten diese zwei Vehikel der Wohl‑ tätigkeit existiert: die quppah als kommunaler Fonds, aus dem die Armen der eigenen Stadt jeden Freitag Unterstützung erhielten; der tamḥui, der die tägliche Speisung aller Armen sicherte. Vgl. Elon / Levitats, Hekdesh (2007), 778 f.; ausführlich zur rabbinischen Konstruktion der Wohltätig‑ keit als quasi‑heqdesh Kochen, Organ Donation (2014), 131–136. 49 Siehe m Meg 3.1 f., sowie → 10.4.5 mit Anm. 61. 50 Vgl. zur Terminologie der Responsaliteratur Galinsky, Commemoration and Heqdesh (2005), 438. 51 Mishneh Torah. Ed. Trebitsch (wie Anm. 11), Abschnitt ‚Hilkhot Matenat ʿAniyim‘, 63 f., Kap. 9, § 7. Vgl. auch Code of Maimonides, Book Seven. Übers. I. Klein (wie Anm. 11), 86. Zu den zeitgenös‑ sischen Formen jüdischer Wohltätigkeitsorgani‑ sation im Mediterraneum, die Maimonides und spätere Gelehrte in ihren Werken im Einklang mit den talmudischen Prinzipien zu erfassen such‑ ten, vgl. M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 204–211; bes. 208 f. mit Anm. 66 zur Interpretation von bT Bava Batra 8b. 52 Siehe Teshuvot ha‑Rambam. Ed. Jehoshua Blau, Bd. 2. Jerusalem 1959, 361–363, Nr. 206. Vgl. die Einleitung zu Documents of the Jewish Pious Foundations from the Cairo Geniza. Ed. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Institute, Bd. 12.) Leiden 1976, 40 f. 53 Vgl. Assis, Welfare and Mutual Aid (1992), 320, mit Verweis auf Sefer sheʾelot u‑teshuvot rabbenu Shlomo ben Aderet, Bd. 1 (wie Anm. 43), 225 f., Nr. 604; 232 f., Nr. 617; 242 f., Nr. 656. Weitere Belegstellen aus dem Werk bei I. Epstein, Responsa (1925), 70; 115, Anm. 86. 54 Siehe Asher b. Yehiel, Sheʾelot u‑teshuvot le‑ha‑rav rabbenu Asher zʺl. Ed. Yitzhak Shlomo Yudlov. Jerusalem 1994, 56 f., Nr. 13.5; 58 f., Nr. 13.14.
Juden
Vgl. Assis, Welfare and Mutual Aid (1992), 320, sowie für weitere Beispiele → 8.4.3; 13.4.2. 55 Siehe Meir b. Baruch von Rothenburg, Sheʾelot u‑teshuvot. Ed. Moses Bloch. Budapest 1895, fol. 158b, Nr. 74; vgl. für eine englische Zusammenfassung des Responsums Rabbi Meir of Rothenburg: His Life and his Works as Sources for the Religious, Legal, and Social History of the Jews of Germany in the Thirteenth Century, Bd. 1. Ed. Irving A. Agus. New York 21970, 256, Nr. 193, sowie zum histori‑ schen Kontext Galinsky, Custom (2011), 211 f. 56 Siehe den Text in Jewish Self‑Government in the Middle Ages. Ed. Louis Finkelstein. (Abraham Berliner Series, Bd. 1.) New York 21964, 225–232 (hebr. Text); 233–251 (engl. Übers.), hier 230 bzw. 247 f., Nr. 25. In seiner Edition der rheinländischen Gemeindeverordnungen, deren Erlass zum Teil genauer auf die Jahre 1220 bzw. 1223 zu datieren ist, berücksichtigt Finkelstein drei Rezensionen des Textes. Eine dieser Fassungen ist im Zusammen‑ hang mit einer Auswahl von Responsa des R. Meir b. Baruch von Rothenburg überliefert; vgl. ebd., 218. Spekulieren lässt sich, inwiefern im Umkreis des Gelehrten eine Auseinandersetzung mit den Ver‑ ordnungen erfolgte und Reaktionen herausforderte. 57 Zu weiteren Beispielen → 13.4.2. 58 New Responsa of Rabbi Yaacov Molin‑Ma‑ haril. Ed. Yitzchok Satz. Jerusalem 1977, 136–138, Nr. 111; vgl. zum Responsum und seinem Entste‑ hungskontext auch Yuval, Scholars (1988), 117– 119. Der Blick auf den konkret verhandelten Fall unterstreicht die Ernsthaftigkeit der Bedenken des Maharil gegenüber einer Umwidmung ge‑ stifteter Mittel: Die Gemeinde Magdeburg hatte sich um Rat an den Gelehrten gewandt, da sie sich mit hohen Geldforderungen der christlichen Obrigkeit konfrontiert sah, denen sie mittels ih‑ res ordentlichen Steueraufkommens keinesfalls entsprechen konnte. Trotz existentieller Bedro‑ hung riet R. Jakob vom Gebrauch anderweitig zweckgebundener Gelder ab, um die anstehende Abgabenleistung zu erfüllen. 59 Vgl. Elon / Levitats, Hekdesh (2007), 776; Kochen, It was not for Naught (2008), 134; Dies., Organ Donation (2014), 71. 60 bT Bava Meṣ 57b. Vgl. Kochen, Organ Dona‑ tion (2014), 141 f. Unumstritten war der Verleih von Stiftungskapital zu Zinsen unter den mittel‑ alterlichen Gelehrten nicht; → 10.4.3.
393 61 Die administrative Überlieferung der Kairoer
Geniza etwa weist auf relativ starke Kontinuitä‑ ten im Bereich des immobilen Stiftungsvermögens hin: In der dichter dokumentierten Periode zwi‑ schen 1150 und 1250 war es nicht außergewöhnlich, dass Häuser 60 bis 90 Jahre oder länger durch den heqdesh genutzt wurden. Von der Möglich‑ keit des Verkaufs wurde damals offenbar selten Gebrauch gemacht. Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 119–121. In Spanien hingegen sind teilweise regere Transaktionstä‑ tigkeiten belegt, wenn die Gemeinden Land, das dem heqdesh gehörte, verpachteten oder wieder abstießen; vgl. Assis, Jewish Economy (1997), 100 f.; auch Blasco Martínez, Instituciones sociorreligio‑ sas (1989–1990), 10–12. Zur Frage makroökonomi‑ scher Auswirkungen → 17.4.4. 62 Cambridge University Library, Ms TS K25.190; vgl. Ben-Sasson, Medieval Period (1994, ND 2001), 219. Eine digitalisierte Version des Schreibens sowie weiterführende bibliographische Infor‑ mationen können über die Homepage des ,Fried‑ berg Genizah Project‘ eingesehen werden, online: Friedberg Jewish Manuscript Society, http://www. genizah.org (Zugriff am 28. 2. 2016). 63 Sefer ha‑Tashbeṣ: Teshuvot. Ed. Yoel Katan, Bd. 2. Jerusalem 2002, 137 f., Nr. 135. Verfasser des Rechtsgutachtens war der mallorquinische und später in Algier tätige R. Shimeon b. Ṣemaḥ Du‑ ran (genannt Rashbaṣ, 1361–1444). Vgl. → 10.4.5. 64 bT Meg 26a. Während sich die talmudische Rede auf die Stadt bezog, fungierte im Mittelalter dann die Gemeinde als Referenzgröße. 65 bT Meg 27a; dort dann auch zur Ausnahme: Eine Thorarolle dürfe für das Studium der Tho‑ ra sowie zur Verheiratung einer Frau veräußert werden. Zu erheblichen Bemühungen orientali‑ scher Gemeinden, geraubte Buchbestände, unter diesen Thorarollen, wieder freizukaufen, vgl. M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 114 f.; auch 124; Goitein, Mediterranean Society, Bd. 5 (1988, ND 1999), 84–86; 373; 376; 529. Zur Haltung gegen‑ über der Heiligkeit von Büchern in Aschkenas vgl. als Einblick Wilke, Degrés de la saintité (1996). 66 Zu verweisen ist auf die rege Forschung zu hebräischen Einband‑ und Makulaturfragmenten der letzten Jahre, die unter Schlagwörtern wie ,Genizat Germania‘ oder ,European Genizah‘ fir‑ miert. Vgl. Lehnardt, Genizat Germania (2010); Ders.
394 / Olszowy-Schlanger, Books (2014). Über laufende Projekte informiert die Homepage des Forschungs‑ netzwerks ,Books within Books: Fragments in Eu‑ ropean Libraries‘, online: http://www.hebrewma‑ nuscript.com (Zugriff am 28. 4. 2016). 67 Vgl. Gottheil, Eleventh‑Century Document (1907), 467 f. Mit Blick auf das Stiftungswesen ist die insgesamt stärkere Kontinuität jüdischen Le‑ bens im Nahen Osten – trotz vergleichsweise guter Forschungslage – bislang nicht untersucht worden, so dass auch hier Grundlagenarbeit zu leisten wäre. Als Einstieg in die Geschichte ein‑ zelner Gemeinden in der longue durée empfiehlt sich der enzyklopädische Zugriff über Stillman, Encyclopedia of Jews (2010). 68 Aus dem mittelalterlichen England wurden die Juden im Jahre 1290 vertrieben; die endgülti‑ ge Ausweisung aus Frankreich erfolgte im Jahre 1394. Von den großen mittelalterlichen Gemeinden der Juden im römisch‑deutschen Reich existier‑ ten Mitte des 16. Jahrhunderts nur mehr jene in Frankfurt am Main, Friedberg (Hessen), Prag und Worms. Hier könnte nach direkten Kontinuitäten im Stiftungswesen gefragt werden. 69 Vgl. Cahen, Réflexions (1961), 53, mit Ver‑ weis auf den ḥanafitischen Gelehrten al‑Ḫaṣṣāf (gest. 874), der sich gegen die Errichtung von Stif‑ tungen durch ḏimmīs zu Kultzwecken aussprach, hingegen solche zur Unterstützung ihrer Armen befürwortete; zu einzelnen kritischen Positio‑ nen auch Documents. Ed. Gil (wie Anm. 52), 8 f.; H. Gerber, Jews and the Vakif Institution (2008), 159; Stillman, Heqdesh (2010), 406; jetzt auch Mohasseb Saliba, Introduction (2016), 13 f.; Pahlitzsch, Development of Christian Waqf (2016), bes. 33–36. 70 Vgl. für einen Überblick wichtiger Positionen Ward, Construction and Repair (1984), 2–9; Ders., Ibn al‑Rifʿa (1999); auch Gharipour, Preface (2015). 71 Vgl. Gottheil, Eleventh‑Century Document (1907); knapp hierzu auch Documents. Ed. Gil (wie Anm. 52), 9. Tatsächlich dürfte die Synagoge damals wiedererrichtet worden sein, nachdem sie im Jahre 1012 unter dem Kalifen al‑Ḥākim niedergebrannt worden war. Zu einer weiteren Verhandlung über Reparaturarbeiten an den Sy‑ nagogen von Fustat aus dem 15. Jahrhundert auch Gottheil, Document of the Fifteenth Century (1927). 72 Vgl. etwa zum Rat des Maimonides an ei‑ nen heqdesh‑Verwalter, ein Geschäft als sein
Kritik, Reform und Aufhebung
eigenes auszugeben, um es vor der Konfiskati‑ on zu schützen, → 13.4.3; auch Documents. Ed. Gil (wie Anm. 52), 10. Einige historiographisch dokumentierte Fälle der Enteignung beschreibt Toukabri, Fondations pieuses (2016), bes. 65–69. 73 Vgl. Danon, Karaites in European Turkey (1925), bes. 340 f.; Ders., Documents (1926–1927), unter anderem 192 f., Nr. 20; 243 f., Nr. 25; 252 f., Nr. 29; 270–272, Nr. 45; 273–276, Nrn. 47 f. Zu den Stiftungen von Juden im Osmanischen Reich, die vor Scharia‑Gerichten eingerichtet wurden, vgl. vor allem die Arbeiten von H. Gerber, Jews and the Vakif Institution (2008); breiter auch Ders., Muslims and Zimmis (1999, ND 2010). Kritischer als Gerber schätzt Ben-Naeh, Jews (2008), 285–288, die Verbreitung dieses Stiftungstypus ein, der ne‑ ben dem regulären jüdischen heqdesh bestanden habe. Ein instruktives Beispiel diskutiert Rozen, Trust of Lady Khrisula (2015). 74 Der genauere Stellenwert geleisteter Ent‑ schädigungszahlungen lässt sich oftmals erst unter Einbeziehung des weiteren historischen Kontexts ermessen. So handelte es sich bei dem infolge eines Brandes im Jahre 1660 enteigneten jüdischen Besitz in Moscheenähe etwa bereits um das Ergebnis eines zweiten konfiskatori‑ schen Zugriffs im entsprechenden Gebiet: Erst‑ mals war hier Ende des 16. Jahrhunderts und im Zuge des großen Moscheebauprojekts der Ṣafīya Sulṭān, Gattin Murāds III. (gest. 1595) und Mutter Muḥammad Ṯāliṯs (gest. 1603), jüdischer Besitz beschlagnahmt worden. Erneute Enteignungen fanden mit der Wiederaufnahme des Projekts und der Fertigstellung der heutigen Yeni‑Valide‑ Moschee statt. Während das erste Mal aber die durch die Enteignungen entstandenen hohen Unkosten scharfe Kritik hervorgerufen hatten (→ 18.3.2), wurde die Expropriation das zweite Mal als siegreicher Akt über die nichtmuslimi‑ sche Bevölkerung der Stadt gefeiert. Vgl. ThysŞenocak, Yeni Valide Mosque Complex (1998); zur dokumentierten jüdischen Besitzenteignung des Jahres 1660 und ihren Folgen Danon, Karaites in European Turkey (1925), 341 f.; Ders., Documents (1926–1927), 279–282, Nrn. 51–53; M. D. Baer, Great Fire (2004). 75 Bereits nach römischem Recht war es Ju‑ den verboten, neue Synagogen zu errichten, gleichzeitig aber gestattet, alte zu reparieren
395
Griechisch-orthodoxe Christen
und wiederherzurichten; siehe Theodosiani li‑ 76 Vgl. zuletzt Berger-Dittscheid, Synagogen bri XVI cum constitionibus sirmondianis, Bd. 1. in Rothenburg (2012), bes. 67–70; 79–82. Beide Ed. Theodor Mommsen / Paul Martin Meyer. Ber‑ Synagogen wurden nach ihrer Enteignung in lin 31962, 892 f., 16.8.22; 893f., 16.8.25; 894, 16.8.27. Marienkapellen umgewandelt. Im Falle des äl‑ Diese Bestimmungen fanden später Eingang in teren Bauwerkes erfolgte die Finanzierung des die Kanonistik; siehe Decretalium D. Gregorii Umbaus nachweislich auch über die Stiftung eines Papae IX. compilatio, lib. V, cap. 6.7, in: Corpus (christlichen) Ratsherren; vgl. ebd., 70. Zum über‑ iuris canonici, Bd. 2. Ed. Emil Ludwig Richter / schaubaren heute noch erhaltenen synagogalen Emil Friedberg. Leipzig 1881, ND Graz 1959, 1–928, Baubestand → 6.4.2. hier 773. Vgl. Pakter, Medieval Canon Law (1988), 41 f. mit Anm. 8; 105 f., Anm. 73
18.5 Griechisch-orthodoxe Christen 18.5.1 Allgemeines Im byzantinischen Kontext sind die Dis‑ kurse über Kritik, Reform und Aufhebung von Stiftungen durch zwei Faktoren be‑ stimmt: das Mönchtum sowie das Gemein‑ und Staatswesen. Zum einen waren Dis‑ kussionen über die Reformbedürftigkeit des Mönchtums oft zugleich kritische Er‑ örterungen des Stiftungswesens. Besonders verständlich ist dies für das Spätmittelalter, weil orthodoxe Stiftungen in dieser Zeit fast ausnahmslos monastisch waren; der gedankliche Zusammenhang wurde aber auch schon in der Spätantike hergestellt. Kritiker griechisch‑orthodoxer Stiftungen – ob nun heidnische Intellektuelle wie Liba‑ nios, spätbyzantinische Freigeister oder is‑ lamische Rechtsgelehrte – beklagten, dass das Mönchtum besonders nutzlos für Staat und Gesellschaft sei. Genauer gesagt ging es ihnen um das, was man mit ‚Gemein‑ wesen‘ umschreibt. Neuesten Forschungen zur politischen Ideologie in Byzanz zufolge unterschieden die Reichsbewohner stets zwischen Gemeinwesen (lat. res publica, gr. politeia) und Staat (gr. kratos oder basileia).1 Byzantinische Kritiker fragten in
diesem Sinne, besonders wenn sie in der Tradition der Kaiserkritik standen, ob in ihrer Gesellschaft zuviel gestiftet wurde und ob dies das Gemeinwesen begünstige oder beschädige. 18.5.2 Kritik Kritik am griechisch‑orthodoxen Stiftungs‑ wesen war ein ständiges Phänomen der Reichsgeschichte, war also nicht auf die Spätantike beschränkt, und findet sich dann auch in der modernen Forschung. Träger und Motive dieser Kritik waren jedoch dem historischen Wandel unter‑ worfen. Die frühesten Kritiker waren zu‑ gleich die letzten Vertreter einer heidni‑ schen griechisch‑römischen Kultur, die die Nützlichkeit eines christlichen Stif‑ tungswesens überhaupt in Frage stellten. Bald ließ aber die zunehmende Christia‑ nisierung der byzantinischen Gesellschaft, besonders während des 7. Jahrhunderts und in der Folge der arabischen Erobe‑ rungen, keinen Spielraum mehr für solche
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innerkulturelle Kritik am christlichen Stif‑ tungswesen durch Nicht‑Christen. Die prominentesten kritischen Stimmen wäh‑ rend des Mittelalters gehörten deswegen Christen, auch wenn sie zur Heterodoxie neigten (Michael Psellos). Der Zusammen‑ bruch des Reiches am Ende des Mittelalters und der Wegfall des Staats als Stütze der orthodoxen Kirche schufen wieder eine Atmosphäre, in der Kritik am christlichen Stiftungswesen geäußert werden konnte. Zu denen, die sich in dieser Zeit negativ vernehmen ließen, gehörten der Philosoph Georg Gemistos Plethon oder islamische Rechtsgelehrte. In der Moderne schließ‑ lich wurde eine grundsätzliche Kritik des griechisch‑orthodoxen Stiftungswesens laut. Insbesondere Vertreter der byzanti‑ nischen Feudalismus‑Lehre haben sich hier geäußert – der Begriff der ‚Charanis‑These‘ ist dafür eine Sigle geworden. (→ 2.5.4) Eine Kritik am christlichen Stiftungs‑ wesen ist seit dem 4. Jahrhundert zu finden, also parallel zur Ausbildung der entspre‑ chenden Begrifflichkeit durch die kappado‑ kischen Väter. (→ 1.5.3) Ausgespart blieben die wohltätigen Anstalten (piae causae), denn diese Institutionalisierung der christ‑ lichen Caritas war dem heidnischen Den‑ ken über öffentliche liberalitas nicht ganz fremd, obwohl ihre Formen neu waren.2 (→ 4.2.3) Kaiser Julian (361–363) beklagte etwa die Wohltätigkeit (philanthrōpia) der Christen,3 da sie dadurch soziale Aner‑ kennung gewannen, und suchte sie nach‑ zuahmen. Viel schwieriger mit der heidnischen Vorstellung vom Stiftungswesen zu har‑ monisieren war das christliche Mönchtum. Bereits gegen Ende des 4. Jahrhunderts kritisierte der Rhetor Libanios (314 bis ca. 393) das (angeblich) skandalöse Ver‑ halten der Mönche in seiner Heimatstadt Antiocheia: sie äßen „mehr als Elefanten“.4 Der zunehmende Reichtum der Klöster, oft
Kritik, Reform und Aufhebung
durch Stiftungen entstanden, wurde durch den Historiker Zosimos (ca. 500) ange‑ prangert, der zu den letzten heidnischen Denkern des oströmischen Reiches zählte: „Die gesetzliche Ehe ist diesen [Mönchen] verboten, aber sie füllen die Städte und Dörfer mit vielköpfigen Kongregationen von unverheirateten Männern; diese sind nutzlos für den Krieg oder für das Gemein‑ wohl [politeia], haben sich aber durch ihre Bettelwanderschaften jetzt schon den grö‑ ßeren Teil der Erde angeeignet unter dem Vorwand, alles den Armen zu spenden, während sie tatsächlich alle zu Armen gemacht haben.“5 Der Kern der Kritik, die Zosimos übte, nämlich dass Mönche ma‑ terielle Güter akkumulierten, ohne aber eine wichtige gesellschaftliche (besonders militärische) Funktion zu erfüllen, wurde im Laufe des Mittelalters oft wiederholt und auch von der modernen Forschung aufgegriffen. In der mittelbyzantinischen Zeit (ca. 800–1200) wurde auch von christli‑ cher Seite Kritik am Stiftungswesen geübt. Besonders bemerkbar machte sich dabei der Hofgelehrte Michael Psellos (1018 bis nach 1081). Obwohl er selbst in ein Kloster ein‑ getreten war, stand er den ‚überfrommen‘ Mönchen, die er als Naziraioi bezeichne‑ te, ablehnend gegenüber.6 Psellos erhob den Vorwurf, dass diese Mönche sogar Kaiser überredeten, sie mit erheblichen staatlichen Mitteln zu fördern. Besonders in seiner ‚Chronographia‘ kritisierte er übermäßige Stiftungen der Kaiser in den Jahrzehnten nach dem Tod von Basilei‑ os II. (1025), als prächtige Grabstiftungen in Klosterkomplexen aus Fiskalmitteln er‑ richtet wurden.7 Der Vorwurf lautete, dass sie „die kaiserlichen Schatzkammern für ihre persönlichen Kapricen leerten und die öffentlichen Steuereinnahmen nicht für die Ausrüstung und Organisation des Heeres verwendeten, sondern (…) auch zu
Griechisch-orthodoxe Christen
dem Zweck, dass ihr Leichnam besonders prunkvoll bestattet und luxuriös beige‑ setzt werde“. Grabmonumente müssten aus phrygischem oder italischem Marmor oder aus proikonesischen Platten errichtet wer‑ den, „wobei sie obendrein diesen auch noch (…) durch Kirchen besondere Ehre zuteil werden ließen, dazu Haine bei ihnen an‑ pflanzten und das Gelände ringsum mit Parks und Wiesen umgrenzten“. Sie be‑ zeichneten diese Anlagen als „Stätten der Askese“ und nähmen dies zum Vorwand, um Gelder aus der Staatskasse zu nehmen und Ländereien bereitzustellen. Allgemei‑ ne Steuerbeiträge würden für diese an‑ geblichen Klöster aufgewendet, statt den Soldatenstand zu fördern, der tatsächlich „ausgedünnt und ruiniert“ würde.8 Für ihre Zeit stellten die Einwände des Psellos keine Ausnahmen dar. Bischof Eu‑ stathios von Thessaloniki warf etwa den Mönchen seiner Diözese Habgier nach Geld und Land, Respektlosigkeit gegenüber dem Ortsbischof und ein niedriges Bildungs‑ niveau vor.9 Und der anonyme Verfasser des ‚Ptochoprodromos‘, eines Spottgedichts, beschrieb ein Kloster der Hauptstadt aus der Perspektive eines armen Novizen, der das luxuriöse und durchaus unasketische Leben der reichen Klosterinsassen sowie die Vernachlässigung der Vorschriften des typikon durch die Äbte hatte beobachten müssen.10 Kritik am Stiftungswesen bezog sich nicht nur auf den übermäßigen Reichtum und die laxe Moral der von ihm Begünstig‑ ten, sondern auch auf deren Streben nach Unabhängigkeit von kirchlicher Aufsicht. Abgesehen von Eustathios von Thessalo‑ nike war der Kanonist und Patriarch von Antiocheia Theodor Balsamon in dieser Hinsicht besonders sensibel: „Einige Mön‑ che oder Kleriker sagen heutzutage, dass sie nicht dem Patriarchen oder dem Orts‑ bischof unterstünden, weil sie einem freien
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Kloster oder einer freien Kirche [apo eleutheras monēs ē ekklēsias] zugehören, und legen die Vorschriften der Stifter‑typika vor – was wird sie hierin rechtfertigen? Überhaupt nichts. Denn wenn der Stifter eines Klosters oder einer Kirche in dem typikon oder der Verordnung vorschreiben würde, dass die Mönche oder Kleriker nicht dem Ortsbischof unterstünden, sollte man darauf nicht hören“11. Als Kirchenleiter betrachteten Eustathios und Theodor un‑ abhängige Stiftungen offenbar in mancher Hinsicht als Herausforderung für die offi‑ zielle Kirche, die damit ihre traditionelle Aufsichtsrolle einzubüßen drohte. In den letzten Jahrhunderten des by‑ zantinischen Reiches wurde Kritik am Stif‑ tungswesen in einem politischen Kontext artikuliert, der durch einen allmählichen, aber kontinuierlichen Verlust staatlicher Macht und Ressourcen gekennzeichnet war. Der prominenteste Kritiker von Stif‑ tungen in dieser Epoche, Georg Gemis‑ tos Plethon (ca. 1360–1452), verknüpfte den Niedergang des Reiches mit dem Erfolg der Stiftungen, da sie nicht zu seinem mi‑ litärischen Schutz beitragen konnten. In einem berühmten Brief an Kaiser Manu‑ el II. Palaiologos plädierte der Philosoph für eine komplette Reform des Staates.12 Seinen Ideen nach sollte eine quasi kom‑ munistische Gesellschaft errichtet werden, in der die Bevölkerung aus Bauern und Soldaten bestünde. Bischöfe sollten in die‑ sem Gesellschaftsmodell öffentliche Gelder erhalten, Mönche dagegen keine Vorteile genießen: „Diejenigen, die behaupten zu philosophieren [nämlich Mönche], den‑ ken, unter diesem Vorwand vieles von den Staatsgütern zu erlangen, ohne aber etwas für das Gemeinwohl (ta koina) zu tun.“13 In einer solchen Gesellschaft würde das vom Mönchtum bestimmte Stiftungswesen also keine Rolle mehr spielen. Diese radikale Kritik des Freigeistes Plethon an Stiftungen
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fand aber keine nachweisbare Resonanz unter den Zeitgenossen und muss wohl als Ausnahme betrachtet werden. In os‑ manischer Zeit wurde sie allerdings von islamischen Rechtsgelehrten aufgegriffen. (→ 18.5.4) Auch in der Byzantinistik des 19. und 20. Jahrhunderts wurde am Stiftungswesen ebenso wie am Mönchtum Kritik geübt. Dieses negative Urteil resultierte aus der Tatsache, dass einige Stiftungen, zum Teil mit großem Erfolg, den Staat selbst über‑ lebt hatten. Man folgerte daraus, dass die Stiftungen für den Niedergang des Staates verantwortlich gewesen seien. Interessan‑ terweise stammen die ersten modernen Vertreter dieser These aus sehr verschie‑ denen Traditionen.14 Den Grundstein für diese Theorie legte wohl der Byzantinist Vasiliĭ Vasilʹevskiĭ im Jahr 1879. Seiner Mei‑ nung nach gehörte am Ende des 7. Jahr‑ hunderts ein Drittel des Ackerlands im Reich Kirchen und Klöstern;15 er konnte seine These aber nicht empirisch belegen. Ähnlich argumentierte auch der französi‑ sche Rechtshistoriker André Ferradou: er behauptete in seiner im Jahr 1896 erschie‑ nenen Dissertation über das Vermögen der byzantinischen Klöster, diese hätten zur Zeit der osmanischen Eroberung Konstan‑ tinopels (1453) ein Drittel des Landbesitzes im Reich innegehabt, Klöster und Kirchen zusammengenommen sogar die Hälfte.16 Ferradou zufolge führte die Anhäufung von klösterlichem Landbesitz zur allmähli‑ chen Auflösung des Kleinbauerntums und zerstörte damit die steuerliche Grundlage des Reiches.17 Obwohl dieses Urteil auf willkürlichen Annahmen über den Umfang des Klosterbesitzes beruhte, fand es in der Byzantinistik lange Anhänger.18 Beide Forscher boten 1948 dem grie‑ chisch‑amerikanischen Byzantinisten Peter Charanis Anknüpfungspunkte für seine einflussreiche Abhandlung. Charanis
Kritik, Reform und Aufhebung
promovierte an der University of Wiscon‑ sin‑Madison bei dem russischen Emigran‑ ten Alexander Vasiliev, der seinerseits Schüler von Vasilʹevskiĭ gewesen war. In seinem Beitrag ‚The Monastic Properties and the State in the Byzantine Empire‘ hob Charanis nun die Anhäufung klös‑ terlicher Güter als den wichtigsten Faktor beim Niedergang des byzantinischen Rei‑ ches hervor.19 Er verknüpfte insbesondere die Akkumulation wirtschaftlicher Güter durch die Klöster mit der byzantinistischen Feudalismus‑Lehre. (→ 2.5.4) Obwohl der Begriff des Feudalismus in der Byzanti‑ nistik heute nicht mehr aktuell ist und neuere Studien die wirtschaftliche Rolle von Klöstern positiv bewerten 20, steht eine Widerlegung der ‚Charanis‑These‘ noch immer aus21. Anders gerichtet als bei Charanis ist die neuere Kritik am byzantinischen Klos‑ terwesen durch Anthony Bryer. In einem besonders einflussreichen Beitrag über das Spätmittelalter monierte dieser, dass Mönchsgemeinschaften nur eine geringe Rolle in Caritas und Bildung gespielt hät‑ ten.22 Dieses negative Urteil in der Byzan‑ tinistik stellt jedoch eher eine Ausnahme dar. (→ 9.5.1) 18.5.3 Reform Während Stiftungsreformen von diversen Seiten angestoßen wurden, war ihre Um‑ setzung eigentlich eine Angelegenheit des Kaisers und des Patriarchen; Ersterer war als Gesetzgeber und Initiator von Kon‑ zilien gefordert, Letzterer als Leiter der Kirche. Die Wirksamkeit kirchlicher und ziviler Erlasse war jedoch oft begrenzt; effektiver wurden Veränderungen oder Verbesserungen in kleinem Maßstab her‑ beigeführt. Beim Abschreiben von typika konnten etwa Vorschriften reformerischer
Griechisch-orthodoxe Christen
Intention – beispielsweise, dass eine Stif‑ tung ‚selbstbestimmt‘ (autexousios / autodespotos) sein solle (→ 13.5.3) – aus anderen Texten einfließen und die Rechtswirklich‑ keit verändern. Die frühesten ausdrücklichen Versuche einer Reform von Stiftungen zielten auf die kirchliche Aufsicht und Erhaltung des Vermögens. Die Kanones des Konzils von Chalkedon (451), die später von Justinian in die weltliche Gesetzgebung aufgenommen wurden, stellten jede kirchliche Einrichtung (Kirchen, Klöster und wohltätige Anstalten) unter die Gewalt des Ortsbischofs.23 Ohne seine Genehmigung durfte demnach kein Kloster und keine Betkapelle gestiftet wer‑ den.24 Der Bischof hatte darauf zu achten, dass eine Klosterstiftung nicht widerrufbar sei.25 Justinian erweiterte die Aufsichts‑ rechte des Ortsbischofs sogar noch, denn dieser sollte auch die Wahl des Abtes, des Priesters oder Leiters der Einrichtung bestä‑ tigten26 sowie wesentliche Veränderungen oder Entäußerungen des Stiftungsvermö‑ gens kontrollieren.27 Diese Reformtätigkeit der kirchlichen und staatlichen Gewalten des 5. und. 6. Jahrhunderts darf als eine Reaktion auf das ungeordnete erste Aufblühen christ‑ licher Stiftungen gedeutet werden. Aus der ganzen ostchristlichen Welt sind Hin‑ weise auf die ungenügende Vorsorge der Stifter für ihre Stiftungen überliefert. Kai‑ ser Justinian begründete seine Reformen deshalb mit den Worten: „Viele beeilen sich um des Titels [des Stifters] willen bei der Stiftung heiliger Kirchen; dann aber, nachdem sie diese haben erbauen lassen, machen sie sich keine Gedanken darüber, geeignete Mittel zu stiften, sei es für die Beleuchtung oder für den Unterhalt des Personals und die heilige Liturgie, sondern lassen diese Gebäude leer, so dass sie ent‑ weder zerstört oder der heiligen Liturgie beraubt werden.“28 Eine ähnliche Klage
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findet man in den Kanones der Kirche des Ostens, nämlich denen der Synode des Mar Ezekiel (576): „Die Synode hat erfahren, dass manche Leute Klöster bauen. Weil sie ihnen aber kein Eigentum zuweisen, verfallen sie und niemand findet sich, für sie zu sorgen.“29 Während der Reformimpuls der ersten Jahrhunderte noch dazu dienen sollte, eine rechtliche Grundlage, kirchliche Aufsicht und ausreichendes Vermögen für Stiftun‑ gen zu sichern, richtete sich die Reform von Stiftungen ab dem 9. Jahrhundert auf anderes. Zum einen löste jetzt der zuneh‑ mende Reichtum von Stiftungen Besorg‑ nis aus. Die Kaiser versuchten – mal auf strengere (Nikephoros II. Phokas), mal auf subtilere Weise (Manuel I. Komnenos) – dieses Wachstum zu verlangsamen. Zum anderen erkennt die Forschung ab der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts eine ‚Reformbewegung‘, die für die Freiheit von Stiftungen, besonders von Klöstern, von kirchlicher und weltlicher Aufsicht sowie von ‚bösen‘ Treuhändern 30 (kakoi charistikarioi) wirken wollte. Bei den größten kaiserlichen Reformver‑ suchen vom 10. bis zum 12. Jahrhundert ist es wichtig zu betonen, dass die Kaiser oft in Zusammenarbeit mit monastischen Er‑ neuerern agierten. So wurde das berühmte ‚Stiftungsverbot‘ des Nikephoros II. Phokas – das eher als eine Reform wirkte31 – sehr von den Reformideen seines engen Freundes und spirituellen Beraters Athanasios Atho‑ nites (925/930–1001) sowie durch den Onkel des Kaisers, den Mönch Michael Maleïnos, beeinflusst. Diese waren in ihren Ideen vom Vorbild des frühen Mönchtums in Ägypten und Palästina geprägt. Nach Meinung der Reformer litten die zeitgenössischen Klöster und piae causae unter ihrem übermäßigen Reichtum und dementsprechend auch an der Sorge um weltliche Angelegenheiten sowie der damit einhergehenden laxen
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monastischen Disziplin. Die Kritik fand ihren Niederschlag im wohl im Jahr 963/964 promulgierten Chrysobull des Nikephoros; der Kaiser sprach hier von einer Krankheit (nosos), die er Habgier (aplēstia) nannte.32 Stiftungen hätten, so der Vorwurf konkret, „unendliche Äcker Land, prächtige Gebäude, Herden von Pferden, Kühen und Kamelen [sowie] anderen Besitz – mehr als gezählt werden kann.“33 Trotz dieses Reichtums falle es Stiftungen dieser Zeit schwer, ihre Güter zu bewirtschaften, weil es an Ar‑ beitskräften mangele.34 Prospektive Stifter sollten deshalb ihr Vermögen besser an die Armen verteilen oder ärmere Stiftungen mit Arbeitskräften und Zuchttieren ausstat‑ ten. Während nun keine neue Landstiftung an Klöster, Spitäler und Altersheime mit hinreichendem Vermögen erlaubt wurde, durften ärmere Stiftungen mit kaiserlicher Genehmigung Landbesitz erwerben. Die Stiftung von Einsiedeleien (kellia) und halb‑ zönobitischen Klöstern (laurai) wurde sogar angeregt.35 Neben der Gesetzgebung versuchte der Kaiser seine Reformen auch durch eigene Stiftungstätigkeit umzusetzen. Er selbst scheint keine Landstiftungen getätigt zu haben; seiner größten Stiftung, der Gro‑ ßen Laura auf dem Berg Athos, stiftete er stattdessen eine Rente von 244 Goldstü‑ cken 36 sowie drei kostbare Reliquien und bestätigte frühere Stiftungen 37. Wichtiger war noch die kaiserliche Verleihung von Immunitätstiteln (‚selbstbestimmt‘; autexousios bzw. autodespotos) an das Klos‑ ter, wodurch es von jeglicher kirchlichen und weltlichen Aufsicht befreit wurde.38 Ansonsten blieb die Stiftungstätigkeit auf Renten begrenzt; Nikephoros erhöhte die jährliche Subvention für die Mönche des Heiligen Berges im Ganzen von drei auf sieben Pfund Gold.39 Die Stiftungsreformen des asketischen Kaisers waren jedoch nicht erfolgreich
Kritik, Reform und Aufhebung
und wurden in den folgenden Jahrzehnten unter Basileios II. (976–1025) aufgehoben oder einfach nicht mehr beachtet.40 Im 11. Jahrhundert verlagerte sich die Diskus‑ sion um die Stiftungsreform; die Betonung lag nun nicht mehr so sehr auf der An‑ häufung von Landbesitz durch Stiftungen, sondern vielmehr auf der Gefährdung der Selbstständigkeit und der Dauer von Stif‑ tungen durch die charistikē. Der Deutung John Thomas’ zufolge entstand zu dieser Zeit eine ‚Reformbewegung‘, die versuchte, die prekäre Unabhängigkeit der Stiftun‑ gen abzusichern und zu erweitern, und zwar besonders durch die Abschaffung der charistikē.41 (→ 2.5.3; 2.5.7) Seiner Auffas‑ sung nach sei das konstantinopolitanische Evergetis‑Kloster der Mittelpunkt dieser Reformbewegung gewesen. Die Vorschrif‑ ten seines typikon (verfasst 1054–1070, re‑ vidiert 1098–1118), das die Unabhängigkeit der Stiftung und eine strikte zönobitische Klosterregel vorschrieb, wurden tatsäch‑ lich oft in typika des 12. Jahrhunderts ko‑ piert.42 Unter den bekanntesten byzantinischen Klosterreformern war der Patriarch von Antiocheia Johannes V. Oxeites (ca. 1089– 1100); dieser verfasste in der Form einer Geschichte des Mönchtums einen gnaden‑ losen Traktat (meistens als ‚De monaste‑ riis‘ bezeichnet) gegen die charistikē.43 Der Verfasser war vermutlich ein Anhänger der neuen unabhängigen Klöster und be‑ zog deshalb wohl das (nicht ausdrücklich genannte) Evergetis‑Kloster als Vorbild in seinen Text ein.44 In seinem Traktat beklagt Johannes den Missbrauch der Stif‑ tungen durch ihre Treuhänder (charistikarioi). Diesen wirft er vor, motiviert durch eine unerschöpfliche Habgier (pleonexia) verschiedene Verbrechen gegen Klöster zu begehen: wohlhabende Klöster zu ruinie‑ ren oder sogar aufzuheben;45 Klostergüter, Zuchttiere und Rente, sogar Kirchen zu
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veruntreuuen;46 den Psalmengesang, die Liturgie an Feiertagen, Armenspenden und Stiftergedenken zu vernachlässigen;47 neue Mönche zu weihen, ohne dass sie die üb‑ liche dreijährige Novizenzeit durchlaufen hatten48. Für Frauenklöster wurde die Lage als noch schlimmer beurteilt: Treuhän‑ der hätten ihre eigenen Wohnbauten auf dem Klostergelände errichten lassen, wo ihre männlichen und weiblichen Diener ungehindert mit den Nonnen Umgang pflegten.49 Während die von Johannes beklagte charistikē im Laufe des 12. Jahrhunderts allmählich verschwand (→ 7.5.3), nahm der Reichtum der Klöster und der piae causae vermutlich noch zu. Eustathios von Thessalonike kritisierte akribisch die Land‑ gier der Mönche in seiner Diözese und plädierte sogar für die Wiedereinrichtung der charistikē, damit sich die Mönche nur um ihre spirituellen statt um ihre leibli‑ chen Bedürfnisse sorgen könnten.50 Im Gegensatz zu Athanasios vom Athos und Nikephoros Phokas fand Eustathios das monastische Vorbild nicht in den palästi‑ nischen laurai der Spätantike, sondern in den zeitgenössischen kultivierten Klös‑ tern Konstantinopels mit ihren gebildeten Mönchen.51 Zu Lebzeiten des Eustathios unternahm Manuel I. Komnenos (1143–1180) den letz‑ ten ernsthaften Versuch, den Landbesitz der Klöster zu begrenzen. Durch ein im März 1158 erlassenes Chrysobull verbot er den Klöstern der Hauptstadt und ihrer Umgebung den Erwerb neuer Ländereien, während er gleichzeitig ihren bestehenden Landbesitz bestätigte und die Einmischung von Beamten des Fiskus untersagte.52 Nicht nur Manuel selbst sorgte sich um klösterlichen Besitz, auch seine Vorgän‑ ger und Mitglieder seiner eigenen Familie hatten bereits Stiftungen errichten. Die reichen hauptstädtischen Stiftungen der
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Komnenen hatten sogar die Topographie Konstantinopels verändert und besonders die nordwestlichen Stadtteile intensiv ent‑ wickelt. (→ 16.5.4) Dies wurde durch die herrschende binnendynastische Konkur‑ renz befördert: Verschiedene Linien der Komnenen versuchten, durch Stiftungen Sozialprestige und Macht zu erlangen.53 Manuel selbst lehnte es aber ab, das inten‑ sive Investment in Stiftungen fortzusetzen: Dem Historiker Niketas Choniates zufolge klagte er nicht nur über die umfangreiche Stiftungstätigkeit seines Vaters Johannes II. Komnenos, der gemeinsam mit seiner Gat‑ tin Irene den Pantokrator‑Klosterkomplex gegründet hatte, und seines Großvaters Alexios Komnenos, des Neustifters des Or‑ phanotropheions und Stifters des Christos‑ Evergetis‑Klosters, sondern darüber, dass seine ganze Familie fruchtbare Grund‑ stücke und grüne Wiesen an ihre Klöster gegeben habe.54 Wie Nikephoros Phokas stiftete Manuel im Prinzip Renten statt Ländereien.55 Das Kataskepe‑Kloster, das nur mit Renten ausgestattet wurde, wurde wohl von ihm gegründet, um als Beispiel für andere Klöster zu dienen.56 Eustathios pries Manuel daher in seiner Grabrede da‑ für, dass er lieber bestehende Klöster und Kirchen durch Gaben neu begründete, als neue religiöse Häuser zu stiften.57 Nach Manuel befasste sich kein byzan‑ tinischer Kaiser mehr ernsthaft mit der Reform von Stiftungen und der Reduktion klösterlichen Besitzes.58 Teilweise ist dies dadurch zu erklären, dass die Vermögen der größten Stiftungen der Hauptstadt nach dem Vierten Kreuzzug aufgelöst wurden. Die reichsten und mächtigsten Klöster der orthodoxen Welt waren danach die des Heiligen Berges; sie passten sich schnell an die neue politische Situation an, entweder durch Unterstützung der serbischen Kaiser während des 14. Jahrhunderts oder später durch gegenseitige Abmachungen mit dem
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osmanischen Reich. Die byzantinischen Kaiser der letzten Jahrhunderte des Rei‑ ches verfügten aber auch nicht über die Macht oder den Willen, größere Stiftungs‑ reformen umzusetzen, und begnügten sich stattdessen mit der gelegentlichen (und fast immer kurzfristigen) Konfiskation von monastischen Gütern.59 18.5.4 Aufhebung Konfiskation oder Umwidmung individu‑ eller Stiftungen waren im byzantinischen Reich nicht unbekannt, stellten aber eher eine Seltenheit dar. Größere Konfiskatio‑ nen von Stiftungsgut wurden gelegentlich durchgeführt, blieben jedoch ohne lang‑ fristige Wirkung. Die Dauer der orthodo‑ xen Stiftungen unter andersgläubiger Herr‑ schaft war dagegen viel prekärer; das La‑ teinische Kaiserreich von Konstantinopel (1204–1261) und von ihm abhängige Herr‑ schaften sowie vor allem das osmanische Reich erlebten massive Konfiskationen und Umwidmungen, die jeweils das orthodoxe Stiftungswesen im Ganzen veränderten. Vor dem 7. Jahrhundert waren in By‑ zanz keine größeren Konfiskationen von Stiftungen bekannt. Dies lag wohl teil‑ weise daran, dass Stiftungen, besonders Klöster, in dieser Zeit keine bedeutenden Landbesitzer waren. (→ 10.5.2) Die erste (temporäre) Enteignung von Kirchengut in Byzanz – vermutlich auch von Stiftun‑ gen – verantwortete Kaiser Herakleios (610–641), der wegen seines Krieges gegen die Sassaniden dringend Geld benötigte.60 Der Kaiser trieb deshalb Zwangskredite bei Klöstern und philanthropischen Einrich‑ tungen ein und beschlagnahmte heiliges Gerät des Patriarchats von Konstantinopel für die Prägung von Gold‑ und Silbermün‑ zen.61 Als Wiedergutmachung zugunsten des Patriachats verordnete er nach dem
Kritik, Reform und Aufhebung
erfolgreichen Ende des Krieges eine jähr‑ liche Zahlung an Kirche und Klerus.62 Der älteren Auffassung der Forschung zufolge sollen die ikonoklastischen Kaiser Leon III. (717–741) und sein Sohn Kons‑ tantin V. (741–775) erbitterte Gegner des Mönchtums gewesen sein, weil es die Bil‑ derverehrung verteidigte.63 Peter Brown formulierte in diesem Sinne wortspiele‑ risch prägnant „Iconomachy in action is monachomachy“.64 Peter Charanis hat die antimonastische Politik Konstantins V. mit dessen angeblicher Sorge vor einer demo‑ graphischen Katastrophe verknüpft.65 Die Klosterfeindschaft der Ikonoklasten lässt sich auch daran erkennen, dass, wie der Chronist Theophanes berichtet, der von Konstantin eingesetzte Militärgouverneur Michael Lachanodrakon (‚Krautdrache‘) Klöster und deren Besitzungen konfisziert haben soll.66 Diese Auffassung ist aber in letzter Zeit in Frage gestellt worden.67 Der Kern des Arguments besteht darin, dass Leon III. und Konstantin V. auch viele Mönche zu ihren Anhängern gezählt hätten und sich ihre Maßnahmen gegen Mönche ikono‑ philer Prägung, nicht aber das Mönch‑ tum als solches gerichtet hätten. Die dritte Frau Konstantins V., Eudokia, habe sogar dem Doppelkloster der Heiligen Anthou‑ sa Dörfer und Landgüter gestiftet.68 Die Einschätzung der Ikonoklasten als anti‑ monastisch gesinnte Akteure wäre damit hauptsächlich eine Erfindung der späteren und rein ikonophilen Überlieferung. Allgemeine Konfiskationen von Stif‑ tungsgütern fanden auch unter sonst or‑ thodoxen Kaisern statt: Dem Kaiser Ni‑ kephoros I. (802–811), einem ehemaligen Beamten des Fiskus, der wegen seiner Habgier und seines Geizes verrufen war, wurde eine Reihe von Maßnahmen gegen kaiserliche Kirchen, Klöster und wohltäti‑ ge Anstalten vorgeworfen.69 Er führte die
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Haushaltssteuer (kapnikon) für ihre abhän‑ gigen Bauern (paroikoi) ein und übertrug ihre wichtigsten Güter an den kaiserlichen Haushalt, wobei sie weiterhin Steuern auf diese verlorenen Güter zahlen mussten. Später reduzierte Isaak I. (1057–1059), der erste komnenische Kaiser, durch Konfis‑ kation die Vermögen großer und wohlha‑ bender Klöster, sodass nur Mittel für den Lebensunterhalt der Mönche übrigblie‑ ben.70 Beide kaiserlichen Konfiskationen weisen auf das zunehmende Vermögen der Stiftungen im Reich hin. Geläufiger als die allgemeine Konfis‑ kation von Stiftungen war die Beschlag‑ nahme einzelner Kirchen und Klöster; der Löwenanteil solcher Fälle scheint sich aber auf die Enteignung von Eigenkirchen und ‑klöstern als die von Stiftungen bezogen zu haben. Das gilt etwa von dem Kloster, das der Adlige Leon Katakoilas etwa Ende des 9. Jahrhunderts gekauft hatte und dann zusammen mit seinem übrigen Vermö‑ gen verlor, nachdem er bei Kaiser Leon VI. (886–912) in Ungnade gefallen war.71 Leon behandelte das Kloster als sein Eigentum und wollte es dem Patriarchen Euthymios schenken; dieser bestand indessen darauf, dass er Leon Katakoilas aus dem Exil zu‑ rückrief und diesem für das Kloster einen Preis bezahlte. Eine individuelle Konfiskation konnte auch als Grundlage für eine Stiftung fun‑ gieren. Dies zeigt der Fall des pontischen Pharos‑Klosters, das in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts durch den Eunuchen Johannes gestiftet und nach seinem Tod 1344 mit seinem übrigen Vermögen kon‑ fisziert wurde.72 Dieses Kloster war aber im Gegensatz zu der oben angesprochenen Mönchsbehausung des Leon Katakoilas zur Zeit seiner Konfiskation eine Stiftung, deren Güter und Privilegien mit kaiserli‑ chen Chrysobullen bestätigt und geschützt waren. Theodora Kantakouzene, die Gattin
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des trapezuntinischen Kaisers Alexios IV., stiftete das Kloster 1429 neu, was ihr Sohn Kaiser Johannes IV. durch ein Chrysobull 1432 auch bestätigte.73 Der Kern des Ver‑ mögens blieb das der alten Stiftung, es wurde aber durch weitere Zustiftungen der Kaiserin (besonders von abhängigen Bauern oder paroikoi) vergrößert. Die großen Epochen der Konfiskation waren indessen die Zeiten andersgläubiger Herrschaften: die der christlichen Latei‑ ner und die der muslimischen Osmanen. In beiden Phasen wurde der Charakter des orthodoxen Stiftungswesens wesent‑ lich verändert. Der Vierte Kreuzzug und die Eroberung von Konstantinopel 1204 führten zu der Aufteilung des Reiches und damit auch seines Kirchenguts unter den siegreichen lateinischen Rittern.74 Die wichtigsten religiösen Einrichtungen der Hauptstadt, darunter 20 Kirchen und 13 Klöster, wurden direkt von der westlichen Kirche übernommen. (→ 4.5.5) Verstreute Vermögen einiger dieser Stiftungen gingen auch ganz verloren, weil sie sich größten‑ teils in Gebieten befanden, die außerhalb der lateinischen Herrschaften lagen. Das gilt etwa für das konstantinopolitanische Sampson‑Spital, das seit der Spätantike existiert hatte und eine der angesehensten und reichsten Stiftungen der Hauptstadt war; es fiel dem Templerorden zu. Viele Güter des Spitals entlang des Mäander‑ Flusses im westlichen Kleinasien befanden sich nun im Reich von Nikaia und wurden allmählich von den lokalen Bewohnern übernommen.75 Nachdem viele Stiftungen der Hauptstadt unter lateinischer Herrschaft verloren ge‑ gangen waren, gewannen Klöster außerhalb Konstantinopels, vor allem auf dem Athos, größere Bedeutung, zumal sie den Einfall der westlichen Ritter ohne bemerkenswer‑ ten Schaden überstanden zu haben schei‑ nen. Diese Tendenz wurde noch verstärkt
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durch den Aufstieg des osmanischen Rei‑ ches. Der Expansion der Türken fielen viele orthodoxe Kirchen, Klöster und wohltätige Anstalten zum Opfer. Besonders ist dies in Konstantinopel zu beobachten, das Sultan Mehmed II. durch awqaf zu seiner neuen Hauptstadt umgestaltete. Die Hagia Sophia zum Beispiel wurde durch Mehmed in eine Moschee umgewidmet und als der waqf Aya Sofya neu begründet.76 Ähnliches spielte sich auch anderswo ab, wie etwa Untersu‑ chungen über Trapezunt zeigen.77 Einige Stiftungen, so die Athos‑Klöster, aber auch manche Klöster in Pontos und das Johannes‑Kloster auf Patmos, überlebten dagegen und passten sich im ersten Jahr‑ hundert osmanischer Herrschaft gut den neuen politischen Umständen an.78 Bereits 1430 verlieh Sultan Murad II. den Athos‑ Klöstern den Rechtsstatus einer islamischen Stiftung (waqf bzw. vakıf ), was Steuerbefrei‑ ung einschloss.79 In diesem ersten Jahrhun‑ dert der osmanischen Herrschaft war die Terminologie für monastische Güter sehr variabel; sie werden in den Quellen jeweils unterschiedlich als Stiftungen (vakıfs), Pri‑ vateigentum (mülks) und sogar Lehensgü‑ ter (timars) bezeichnet.80 Im Gegensatz zu den Stiftungen in der Hauptstadt behielten diese Häuser in der Regel ihre alten Privi‑ legien; Mönchen wurde sogar erlaubt, ihre (für diesen Zweck oft verfälschten) mittel‑ alterlichen Stiftungsurkunden (typika) vor osmanischen Gerichten als Beweismittel für ihr Eigentum vorzulegen.81 Darüber hinaus stifteten orthodoxe Christen selbst vakıfs zugunsten von Klöstern; die serbische Prin‑ zessin Mara Branković etwa, die Ehefrau von Murad II. und Stiefmutter Mehmeds II., ließ zwei waqfīyas verfassen, in denen sie die Athos‑Klöster St. Paul und Vatopedi begünstigte.82 Diese recht günstige Situation ging aber während der Regierungszeit des Sultans Selim II. (1566–1574) zu Ende. Schon vor
Kritik, Reform und Aufhebung
Selims Thronbesteigung erhoben musli‑ mische Juristen Widerspruch gegen den Status orthodoxer Klöster als waqf und die damit verbundene Steuerbefreiung. Unter den Kritikern war der Rechtsgelehrte Abū as‑Suʿūd, der nach den Vorschriften der ḥanafitischen Rechtsschule für die Ungül‑ tigkeit orthodoxer Stiftungen argumen‑ tierte. Seiner Auffassung zufolge konnten Klöster nur dann als waqf gelten, wenn der Stifter keine Erben hatte und sein Werk ge‑ nau bestimmte Personengruppen (Mönche, Arme, Fremde) oder öffentliche Einrichtun‑ gen (Brücken, Brunnen) begünstigte.83 Weil Klöster in diesem Sinne keine religiösen Einrichtungen waren, stellte Abū as‑Suʿūd sie dem islamischen Familien‑waqf gleich, wobei den Mönchen die Rolle der Famili‑ enmitglieder zugewiesen wurde.84 Unter Abū as‑Suʿūds Einfluss nahm Sul‑ tan Selim II. massive Konfiskationen vor, bei denen er alle Klostervermögen (anschei‑ nend nur der europäischen Reichshälfte) beschlagnahmte.85 (→ 4.5.5) Der osmani‑ sche Herrscher gab aber den Mönchen die Chance, ihre konfiszierten Güter vom Fis‑ kus zurückzukaufen und ihr Kloster nun als gültigen waqf wiederzuerrichten. Für die Klöster des Berges Athos promulgierte Selim II. 1569 einen firman (Erlass), in dem die Fatwas Abū as‑Suʿūds ausführlich zitiert wurden.86 (→ 18.3.3) Für ihre konfiszierten Güter in der Nähe von Thessaloniki be‑ zahlten die Mönche eine erhebliche Summe (970 000 akçes). Darüber hinaus behaup‑ teten sie, wohl in Reaktion auf die Kritik Abū as‑Suʿūds, dass ihre Klöster auch unter ḥanafitischem Recht gültige Stiftungen sei‑ en; so hieß es im firman, dass alles den Klös‑ tern, den dort lebenden Mönchen sowie den Fremden, die Herberge suchten, gehöre.87 Die Zweckumwidmung von klösterlichen Stiftungsgütern für die Beherbergung von Fremden war zwar eine juristische Fiktion, zeigt aber die Anpassungsfähigkeit dieser
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Stiftungen unter fremdgläubiger Herrschaft. (→ 17.5) Eine letzte große Phase von Konfiska‑ tionen begleitete die Entstehung des rumä‑ nischen Staates, als 1863 die abhängigen Klöster (metochia) und ihre Vermögen in den Donaufürstentümern beschlagnahmt wurden. Diese Güter, die zwischen einem Zehntel und einem Viertel des Ackerlan‑ des in Moldau und der Walachei stellten, waren seit dem 15. und 16. Jahrhundert von rumänischen Adligen und Herrschern den Athos‑Klöstern, der Grabeskirche und den Patriarchaten von Alexandria, Antiocheia, Jerusalem und Konstantinopel gestiftet worden.88 Sie hatten außerhalb lokaler kirchlicher Aufsicht gestanden und kei‑ ne Steuern gezahlt und waren in der Regel von griechischen Äbten verwaltet worden. Rumänische Nationalisten zeigten sich nun als erbitterte Gegner dieser abhängigen Klöster: Einem zeitgenössischen Kritiker, Grégoire Bengescu, zufolge sollen die Äbte die Vorschriften ihrer Stifter vernachläs‑ sigt und stattdessen alle Einkünfte für ihre eigenen (d. h. fremden, nicht rumänischen) Zwecke verwendet haben.89 In solchen Fäl‑ len wurden die Rechtsdokumente der Klos‑ tervermögen gründlich geprüft; Bengescu benutzte die Ergebnisse der Quellenstudien als Argument gegen die Stiftungsurkunden
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einiger dieser abhängigen Klöster aus dem 17. und 18. Jahrhundert. Anfang und Mitte des 19. Jahrhunderts stand eine komplette Konfiskation dieser metochia trotz der heftigen Kritik an ihnen nicht zur Debatte. Man arbeitete aber oft auf eine Verteilung des Einkommens aus diesen Gütern zwischen dem jeweils Begünstigen und dem Staat hin. Vor 1863 scheiterten jedoch mehrere Versuche, Stiftungen unter staatliche oder lokale kirchliche Kontrolle zu bringen und zu versteuern, weil sie die starke Unterstützung des russischen Kai‑ serreiches genossen. Als zum Beispiel der Metropolit Gabriel im ersten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts versucht hatte, diese abhän‑ gigen Klöster unter die Aufsicht der lokalen kirchlichen Obrigkeit zu stellen90, wandten sich die griechischen Äbte mit der Bitte um Hilfe an den russischen Zaren Nikolaus I. Mit dem Argument, dass der Verlust ih‑ rer Unabhängigkeit gegen die Vorschriften ihrer Stiftungsurkunde verstoße, konnten sie sich tatsächlich erfolgreich behaupten. Erst während der Phase eines geschwächten russischen Einflusses nach dem Krimkrieg gelang es dem neuen Staat Rumänien 1863 unter Alexandru Ioan Cuza, die metochia schließlich durch eine allgemeine Konfis‑ kation zu verstaatlichen. ZC
Anmerkungen 1 Siehe jetzt Kaldellis, Byzantine Republic (2015),
Philanthropy (1991), 3–13; dagegen spricht etwa bes. 1–61. Im Gegensatz zu Kaldellis zögere ich Herrin, Bread and Circuses (2013), eher von der jedoch, politeia als ‚republic‘ oder ‚Republik‘ zu institutionalisierten Wohltätigkeit der Christen übersetzen, selbst wenn es einleuchtende philo‑ statt von einer Erneuerung. logische Gründe dafür geben mag; stattdessen 3 Letter to a Priest. Ed. und übers. Wilmer Cave habe ich mich für ‚Gemeinwesen‘ entschieden. Wright, in: The Works of the Emperor Julian, Bd. 2. 2 Die Forschungsmeinungen über eine Kontinu‑ London / New York 1913, 294–339, hier 336 f. ität von der heidnischen zur christlichen Wohl‑ 4 Pros Theodosion ton Basilea hyper tōn hierōn. tätigkeit sind verschieden. Eine nachdrücklich Ed. Richard Foerster, in: Libanii Opera, Bd. 3. Stutt‑ affirmative Stimme ist Constantelos, Byzantine gart / Leipzig 1906, ND 1963, 87–118, Oratio 30, hier 91 f.
406 5 Zosimi comitis et exadvocati fisci Historia
Kritik, Reform und Aufhebung
21 Vgl. aber Thomas, Exkurs (2011), 65: „But it is Nova. Ed. Ludovicus Mendelssohn. Leipzig 1887, fair to say that recent studies and new evidence has 244, Z. 17–24, 5.23.4. Vgl. Charanis, Monk (1971), 82. tended to support rather than disprove the thesis.“ 6 Lauritzen, Psellos and the Nazireans (2006/2007). 22 Bryer, Late Byzantine Monastery (1979, 7 Kaldellis, Argument of Psellosʼ Chronographia ND 1980), 227. (1999), 80–89. 23 Kanones tēs en Chalkēdoni synodou. Ed. 8 Leben der byzantinischen Kaiser (976–1075): Rhallēs / Potlēs (wie Anm. 11), 234, Kanon 8. Vgl. Chronographia. Ed. und Übers. Diether Rode- Granić, Rechtliche Stellung (1929/1930), 8 f.; Thomas, rich Reinsch. (Sammlung Tusculum.) Berlin 2015, Private Religious Foundations (1987), 37 f. 654/656 (gr. Text); 655/657 (dt. Übers.), 7.59.19–22. 24 Kanones tēs en Chalkēdoni synodou. Ed. Vgl. Kaldellis, Argument of Psellosʼ Chronogra‑ Rhallēs / Potlēs (wie Anm. 11), 225 f., Kanon 4. phia (1999), 82. 25 Ebd., 271, Kanon 24. Vgl. Granić, Rechtliche Stellung (1929/1930), 12. 9 Angold, Church and Society (1995), 348–355. 10 Ebd., 355–357. 26 Codex Iustinianus. Ed. Paulus Krueger. (CIC 11 Kanones tēs en Chalkēdoni hagias kai 2.) Dublin / Zürich 151970, 33 f., 1.3.46 (47). Vgl. oikou menikēs tetartēs synodou. Ed. Geōrgios Granić, Rechtliche Stellung (1929/1930), 12; HageA. Rhallēs / Michaēl Potlēs, in: Syntagma tōn mann, Rechtliche Stellung (1956), 273; Ders., Stel‑ theiōn kai hierōn kanonōn tōn te hagiōn lung der Piae Causae (1953), 34. Für die Verordnun‑ kai paneuphēmōn Apostolōn, kai tōn hierōn gen dazu in den ‚Novellae‘ Justinians siehe Van oikoumenikōn kai topikōn Synodōn, kai tōn der Wal, Manuale Novellarum Justiniani (1998), 9 f. kata meros hagiōn Paterōn, Bd. 2. Athen 1852, 27 Granić, Rechtliche Stellung (1929/1930), 15; 216–291, hier 236, Kommentar zu Kanon 2. Zu Knecht, System des justinianischen Kirchenver‑ Theodor Balsamons Urteil über die Reformbe‑ mögensrechtes (1905, ND 1963), 59 f. wegung siehe Thomas, Private Religious Foun‑ 28 Iustiniani Novellae. Ed. Rudolfus Schoell / dations (1987), 228–238, bes. 231. Guilelmus Kroll. (CIC 3.) Dublin / Zürich 101972, 12 Georgiou Gemistou eis Manouēl Palaiologon 344–347, Nr. 67, hier 344, Z. 16–23. peri tōn en Peloponnēsō pragmatōn. Ed. Spyridōn 29 Synodicon orientale ou Recueil de Synodes Lampros, in: Palaiologeia kai Peloponnēsiaka, Nestoriens. Ed. Jean-Baptiste Chabot. Paris 1902, Bd. 3. Athen 1926, 246–265. Vgl. Masai, Pléthon 127 (syr. Text); 386 (frz. Übers.), Nr. 35. Das Pro‑ (1956), 83–96, bes. 89–95. blem einer fehlenden Dotation bei der Kloster‑ 13 Georgiou Gemistou eis Manouēl Palaiologon. stiftung wurde auch später bei der Synode des Ed. Lampros (wie Anm. 12), 257, Z. 9–11. Mar Ishoʿyahbs I. (585) thematisiert: Ebd., 147 (syr. 14 Dazu Thomas, Exkurs (2011), 58. Text); 405 (frz. Übers.), Nr. 11.; dt. Übers. in Das 15 Vasil’evskiĭ, Materīaly (1879, ND 1930 und Buch der Synhados oder Synodicon orientale. 1968), 222. Er begründete diese Zahl damit, dass Übers. Oscar Braun. Wien 1900, 187; 214. angeblich in Frankreich zur selben Zeit der glei‑ 30 Die Unterscheidung in ‚gute‘ und ‚böse‘ Treu‑ che Anteil geistlichen Besitzes zu finden war, händer findet sich bei Varnalidēs, Thesmos (1985). ohne dies weiter zu belegen. 31 Morris, Two Faces (1988), 105 f. 16 Ferradou, Biens des monastères (1896), 165; 249. 32 Novelle de Nicephore Phocas. Ed. Nicolas 17 Ebd., 249 f. Svoronos / P. Gounaridis, in: Les Novelles des em‑ 18 Bryer, Late Byzantine Monastery (1979, pereurs macédoniens concernant la terre et les ND 1980), 231: „It is obviously impossible to esti‑ stratiotes. Athen 1994, 151–161, hier 157, Z. 9. ND von mate what proportion of the lands of the late Teilen der Novelle mit engl. Übers. in Stiftung und Byzantine empire were in ecclesiastical hands: Staat im Mittelalter. Eine byzantinisch‑lateinische for his rashness one scholar [Ferradou], who reck‑ Quellenanthologie in komparatistischer Perspek‑ oned on a half, has been cited ever since.“ tive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 19 Charanis, Monastic Properties (1948), bes. 117. 2011, 334–339 (B 10). 20 Bes. Smyrlis, Management (2002); Ders., For‑ 33 Novelle de Nicephore Phocas. Ed. Svoronos / tune (2006). Gounaridis (wie Anm. 32), 157, Z. 13 f.
Griechisch-orthodoxe Christen
34 Ebd., 160, Z. 98–105. Vgl. Kaplan, Monastères
(1984), 74. 35 Novelle de Nicephore Phocas. Ed. Svoronos / Gounaridis (wie Anm. 32), 160, Z. 115–119. 36 Typikon ētoi kanonikon tou hosiou theopho‑ rou patros hēmōn Athanasiou tou en tō Athō. Ed. Ph. Meyer, Die Haupturkunden für die Geschichte der Athosklöster. Leipzig 1894, 102–122, hier von 114, Z. 28, bis 115, Z. 6. Engl. Übers. von George Dennis in BMFD 2, 245–270, hier 260. 37 Actes de Lavra, Bd. 1. Ed. Paul Lemerle / André Guillou / Nicolas Svoronos et al. (Actes de l’Athos, Bd. 5.) Paris 1970, 103–106, Nr. 5. 38 Typikon ētoi kanonikon Ed. Ph. Meyer (wie Anm. 36), 109, Z. 6–13; engl. Übers. 255. Vgl. Thomas, Private Religious Foundations (1987), 216; Ders., Rise (1985), 23 f. 39 Papachrysanthou, Athōnikos monachismos (1992), 158. 40 Die Forschungsmeinung tendiert zur zweiten Möglichkeit, vgl. Papagianni, Legal Institutions (2002), 1066. 41 Thomas, Byzantine Ecclesiastical Reform Movement (1984); Ders., Rise (1985); Ders., Crisis (1985); Ders., Private Religious Foundations (1987), bes. 149–243. 42 Thomas, Documentary Evidence (1994), 254– 273. Noch einflussreicher in der späteren klöster‑ lichen Tradition war ein vom Stifter verfasstes Florilegium, das ‚Euergetinos‘; vgl. Angold, Chur‑ ch and Society (1995), 270. 43 Ioannis Oxeitae Oratio de monasteriis laicis non tradendis. Ed. und übers. Tizania Creazzo. (Quarderni della Rivista di Bizantinistica, Bd. 8.) Spoleto 2004. Zum Inhalt des Traktats siehe Angold, Church and Society (1995), 276–279; Thomas, Private Religious Foundations (1987), 186–191. 44 Ioannis Oxeitae Oratio de monasteriis. Ed. Creazzo (wie Anm. 43), 70, Z. 301 f. Vgl. Angold, Church and Society (1995), 278. 45 Ioannis Oxeitae Oratio de monasteriis. Ed. Creazzo (wie Anm. 43), 74, Z. 405–419. 46 Ebd., 75, Z. 454, bis 76, Z. 467. 47 Ebd., 76, Z. 471–484. 48 Ebd., 77, Z. 503–508. 49 Ebd., 80, Z. 582–604. 50 Angold, Church and Society (1995), 355. 51 Eustathii Thessalonicensis De emenda vita monachica. Ed. und übers. Karin Metzler. (Corpus
407 fontium historiae byzantinae, Bd. 45.) Berlin / New York 2006, 96 (Text); 97 (dt. Übers.). 52 JGR. Ed. K. E. Zachariä von Lingenthal, Bd. 3. Leipzig 1857, 450–454. ND der zweiten Hälfte der Novelle (mit dt. Übers.) in Stiftung und Staat im Mittelalter. Ed. Geelhaar / Thomas (wie Anm. 32), 386–389, Nr. B 32. 53 Stanković, Comnenian Monastic Founda‑ tions (2011). 54 Niketae Choniatae Historia. Ed. Ioannes van Dieten. (Corpus Fontium Historiae Byzantinae. Se‑ ries Berolinensis, Bd. 11.) Berlin 1975, 207, Z. 92–97, ND und engl. Übers. in: Stiftung und Staat. Ed. Geelhaar / Thomas (wie Anm. 32), 384–387, Nr. B 31, hier 384 f. 55 Angold, Church and Society (1995), 278–291. 56 Niketae Choniatae Historia. Ed. van Dieten (wie Anm. 54), 206, Z. 71, bis 207, Z. 84.. 57 Manuelis Comneni Imp. laudatio funebris, in: Eustathii Metropolitae Thessalonicensis opus‑ cula. Ed. Gottlieb L. F. Tafel. Frankfurt a. M. 1882, 196–214, hier 207 f. 58 Papagianni, Legal Institutions (2002), 1068: „What is incontrovertible, however, is that Manu‑ el I must have been the last Byzantine emperor who attempted to deal with the problem of ec‑ clesiastical property – and of monastic property in particular – in its entirety and, without going to extremes, to prevent its excessive expansion in the future.“ 59 Zu klösterlichen Ländereien in dieser Epoche siehe Charanis, Monastic Properties (1948), 97–118. 60 Tatsächlich sind mehrere Konfiskationen von Kirchengut in dieser Zeit belegt: vgl. Kaegi, Heraclius (2003), 110 f. (Konstantinopel); 272 f. (Rom); 110 f. (Ägypten). 61 Stiftung und Staat. Ed. Geelhaar / Thomas (wie Anm. 32), 326–329, Nr. B 4. 62 Ebd., 328 f., Nr. B 5. 63 Charanis, Monastic Properties (1948), 54; Papagianni, Legal Institutions (2002), 1064. 64 P. Brown, Dark‑Age Crisis (1973), 30. 65 Charanis, Monk (1971), 66. 66 Stiftung und Staat. Ed. Geelhaar / Thomas (wie Anm. 32), 330 f., Nr. B 7. 67 Brubaker / Haldon, Byzantium in the Icono‑ clast Era (2011), 650–664. 68 Vita Anthousae. Ed. Hippolyte Delehaye, in: Synaxarium ecclesiae Constantinopolitanae e
408 codice Sirmondiano nunc Berlinensi. Propy‑ laeum ad Acta sanctorum Novembris. Brüssel 1902, 848–852, hier 851. Vgl. Kaplan, Moines (1993, ND 2011), 483. 69 Theophanis Chronographia. Ed. Carl de Boor. Leipzig 1883, 486 f. 70 Stiftung und Staat. Ed. Geelhaar / Thomas (wie Anm. 32), 350 f., Nr. B 16. 71 Ebd., 334 f., Nr. B 9. 72 Zur Geschichte des Klosters siehe Janin, Ég‑ lises (1975), 294 f. 73 Le chrysobulle d’Alexis IV et de Jean IV. Ed. V. Laurent, Deux chrysobulles inédits des empereurs de Trébizonde Alexis IV, Jean IV et David II, in: Archeion Pontou 18, 1953, 241–278, hier 256–270. 74 Eine Reihe von Urkunden zu Verhandlun‑ gen über die Verteilung des byzantinischen Kir‑ chenguts ist überliefert: Stiftung und Staat. Ed. Geelhaar / Thomas (wie Anm. 32), 398 f., Nr. B 35; 399–401, Nr. B 36; 402–406, Nr. B 37; 406–408, Nr. B 38. 75 T. S. Miller, Sampson Hospital (1990), 132–135. 76 Inalcik, Policy of Mehmed II (1969/1970), 243 f. 77 Lowry, Islamization & Turkification (2009). 78 Siehe dazu Lowry, Fate of Byzantine Monas‑ tic Properties (1991). 79 Kolovos, Negotiating (2005), 199. 80 Kolovos, Christian Vakıfs (2016), 104.
Kritik, Reform und Aufhebung
81 Fotić, Non‑Ottoman Documents (2005), 68–72. 82 Kolovos, Christian Vakıfs (2016), 107 f. 83 Kermeli, Confiscation and Repossession
(2000), 44 f.; 47. Zum früheren Status des christ‑ lichen waqf im islamischen Recht vgl. Pahlitzsch, Development of Christian Waqf (2016). 84 Nach der Deutung von Kermeli, Confiscation and Repossession (2000), 47 f. 85 Zu diesem Ereignis siehe Fotić, Official Ex‑ planations (1994); Kermeli, Confiscation and Re‑ possession (2000). 86 Eine griechische Übersetzung des firman, wohl für die interne Benutzung bestimmt, ist überliefert: Actes de Kutlumus. Ed. Paul Lemerle. (Archives de l’Athos, Bd. 2.) Paris 1988, 235–239. Eine engl. Übers. des firman bei Fotić, Official Explanations (1994), 51–54. 87 Actes de Kutlumus. Ed. Lemerle (wie Anm. 86), 236, Z. 13 f. 88 Zu den Eigenschaften dieser ‚dedicated mo‑ nastic estates‘ siehe Batalden, Metropolitan Gavri‑ il (1983), 468 f.; Jelavich, Russia and the Rumanian National Cause (1959), 104. 89 Bengescu, Memorandum sur les églises (1858), bes. 7–15. 90 Zu dieser Episode siehe Batalden, Metropo‑ litan Gavriil (1983), 475 f.
18.6 Indien 18.6.1 Allgemeines In Hinsicht auf die Frage von Kritik, Re‑ form und Aufhebung von Stiftungen macht sich in starkem Maße ein ‚Defizit‘ bei den Quellen für das indische Mittelalter im Vergleich zu anderen zeitgenössischen Stif‑ tungstraditionen, insbesondere denen des lateineuropäischen Christentums, bemerk‑ bar. Für das vorislamische Indien lässt sich eine Fundamentalkritik am Stiftungswe‑ sen ebensowenig nachweisen wie grund‑ legende Reformen. Dies mag zum einen
mit einer generell mangelnden normativen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Stiftung (→ 5.6.2) und zum anderen damit zusammenhängen, dass Veränderungen oder Neuerungen im vormodernen Indi‑ en prinzipiell wohl eher negativ konno‑ tiert waren. Von den drei hier zu behan‑ delnden Phänomenen ist die Aufhebung von Stiftungen in den Quellen noch am ehesten fassbar, und zwar in erster Linie als eine konstant artikulierte Furcht vor
Indien
Konfiskationen (vyāsedha, bhūmiharaṇa usw.). Man könnte erwarten, dass Kritik an bestimmten Aspekten des Stiftungswe‑ sens Reformen der Stiftungspraxis nach sich zog. Ein solcher kausaler Zusam‑ menhang ist für das mittelalterliche In‑ dien jedoch kaum belegbar. Kritik wurde entweder innerhalb verschiedener Strö‑ mungen der gleichen Glaubenstraditionen oder zwischen unterschiedlichen religiö‑ sen Richtungen geübt und bezog sich in der Regel auf bestimmte Stiftungsformen (d. h. potentielle Empfänger oder Objek‑ te). Missfallensäußerungen zu einzelnen Stiftungen scheinen nicht überliefert zu sein. Reformen der Stiftungspraxis sind in Indien noch schwerer nachweisbar als Kritik daran. Bei einigen Dotationen lassen sich zwar Änderungen belegen; diese besa‑ ßen jedoch keinen echten Reformcharakter, sondern stellten lediglich Umgestaltungen in Hinsicht auf die konkrete Destinatärs‑ oder Güterstruktur dar. Tadel an tatsäch‑ lichen oder vermeintlichen Auswüchsen des Asketen‑ und Mönchtums mündete vermutlich eher in Konfiskation von Gü‑ tern denn in Reformen, wobei derartige Kritik mitunter auch als Vorwand benutzt und für andere Zwecke instrumentalisiert worden sein dürfte.
409
Teil Nordindiens regierte,2 findet sich eine einschlägige Anekdote. Darin heißt es, ein mittelloser Brahmane habe einst bei ei‑ ner zufälligen Begegnung dem Herrscher Bhoja über angeblichen Kupfermangel in dessen Reich berichtet. Vom König befragt, warum denn Kupfer (tāmra) knapp sei, soll der Brahmane auf die (große Zahl aus diesem Material gefertigter) Urkunden (śāsanapatraka) verwiesen haben.3 Mit Si‑ cherheit ist der Hyperbel lediglich zu ent‑ nehmen, dass dieses Metall in erheblichem Umfang für die Produktion von Kupfer‑ tafelurkunden (tāmraśāsana, tāmrapaṭṭa oder tāmrapatra; → 1.6.3) benutzt wurde.4 Denkbar ist ferner, dass der als sehr arm (atidaridra) beschriebene Brahmane, der sich kein metallenes Trinkgefäß, sondern nur eines aus Leder leisten konnte,5 mit der Äußerung einen versteckten Vorwurf verband, zumal er selbst anscheinend nicht zu den Begünstigten der herrscherlichen Stiftungspolitik gehörte.6 Die Anekdote könnte jedoch auch gegenteilig interpre‑ tiert werden, nicht als indirekte Kritik am vermeintlich übermäßigen Stiften, sondern als Lob der Freigebigkeit des Herrschers.7 In den normativen Texten finden sich diverse Hinweise darauf, dass die Vertreter der meisten indischen Glaubenstraditionen Stiftungen an ihre religiösen Konkurrenten nicht besonders schätzten und derartige Gaben und Geschenke zumindest indirekt kritisierten oder durch entsprechende Pole‑ 18.6.2 Kritik miken zu verhindern suchten. Dies geschah Nur vereinzelt lassen sich Andeutungen in der Regel weniger durch direkte Kritik finden, die als eine indirekte Kritik am an vermeintlich falschen Stiftungsprak‑ Umfang des Stiftungswesens interpretiert tiken denn durch die Propagierung von werden könnten. Im ‚Bhojaprabandha‘ bestimmten Idealen. Dabei unterschied des Ballālasena aus dem 16. oder frühen man nicht zwischen Stiftungen im engeren 17. Jahrhundert, einem Werk der pseudo‑ Sinne und dem allgemeinen Geben von historiographischen Kunstdichtung,1 in religiösen Gaben (dāna; → 1.6.1). Stiftun‑ dessen Mittelpunkt der Paramāra‑König gen an Konkurrenten wurden zwar nicht Bhoja steht, der im 11. Jahrhundert von immer explizit ausgeschlossen, doch die je‑ seiner Residenz Dhārā aus den zentralen weiligen Rangfolgen würdiger Destinatäre
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(pātra; → 12.6.2) legen sehr klare Präfe‑ renzen nahe. Nach dem Verständnis der brahmani‑ schen Rechtslehrer gehörte pratigraha, die Annahme von Geschenken, zu den Privi‑ legien, die die Brahmanen für sich bean‑ spruchten. Die Autoren der ‚Dharmaśāstras‘ blendeten aber nicht aus, dass das Geben von Gaben zwischen verschiedenen Akteu‑ ren eine gängige gesellschaftliche Praxis war, die sie nicht hätten unterbinden kön‑ nen. Daher entwickelten sie eine Hierar‑ chie, in der gewissermaßen die ‚Bonität‘ eines potentiellen Gabenempfängers und das religiöse Verdienst, das mit einer Stif‑ tung an diesen erlangt werden konnte, miteinander korrelierten. So heißt es bei‑ spielsweise im ‚Mānavadharmaśāstra‘ in einem Kapitel, das sich mit Königspflich‑ ten (rājadharma) beschäftigt: „Eine Gabe [bringt] gleichen [Ertrag] bei einem Nicht‑ Brahmanen, zweifachen [Ertrag] bei einem, der [nur] dem Namen nach ein Brahmane ist, tausendfachen [Ertrag] bei einem, der den Veda studiert hat, [und] unendlichen [Ertrag] bei einem, der [tatsächlich] in den Veden bewandert ist.“8 Den Buddhisten und Jainas galten die jeweiligen Ordensgemeinschaften als ide‑ ale Empfänger religiöser Gaben. Bei He‑ macandra, einem jinistischen Autor des 12. Jahrhunderts, rangieren Jaina‑Asketen an oberster Stelle unter den Destinatären von potentiellen Gaben, gefolgt von be‑ sonders gläubigen Laienanhängern und schließlich normalen Laien.9 Mittelalter‑ liche Texte der buddhistischen Richtung des Theravāda enthalten eine aufsteigende Klassifizierung nach moralisch‑spirituel‑ len Kriterien, die 14 Kategorien von Gaben‑ empfängern aufführt, welche bei Tieren und bei Menschen, die falschen Lehren anhängen, beginnen und mit vollkommen erleuchteten Buddhas an der Spitze dieser Hierarchie enden.10
Kritik, Reform und Aufhebung
Neben mehr oder weniger subtilen Vor‑ behalten gegenüber Stiftungen an unwür‑ dige (apātra, kupātra)11 Personen werden kritische Ansichten in normativen Tex‑ ten mitunter auch offener artikuliert. Dies betrifft eher Auseinandersetzungen, die innerhalb verschiedener Strömungen der gleichen Glaubenstraditionen geführt wur‑ den. Hierzu zählt etwa die Missbilligung von Tempelwesen und Bilderkult durch das orthodoxe Brahmanentum, wobei Tem‑ pelpriestern in diesem Zusammenhang der Vorwurf gemacht wurde, sie eigne‑ ten sich ‚Göttereigentum‘ an.12 Die Kritik richtete sich gegen die Verwaltung von Stiftungen an Götter durch Tempelpriester und vor allem gegen den Umstand, dass diese ihren Lebensunterhalt aus den Erträ‑ gen des Göttervermögens bestritten. Eine Strafandrohung lautete „Wer Götter‑ und Brahmanenbesitz aus Gier raubt, dieser Übeltäter wird in der jenseitigen Welt vom Aas der Geier leben.“13 Tempelpriester soll‑ ten ebenso wie Brahmanen, die als Ärz‑ te oder als Fleischverkäufer oder durch Handel ihr Auskommen suchten, nicht zu Götter‑ und Ahnenopfern eingeladen werden.14 Das ‚Mānavadharmaśāstra‘ führt als Erklärung für die soziale Ächtung von Tempelpriestern (devalaka) an, alles ver‑ schwinde, was man diesen gebe;15 und ein späterer Kommentator fügt noch missbil‑ ligend hinzu, dass der devalaka jemand sei, der „Göttervermögen genieße“.16 Innerhalb des buddhistischen Mönch‑ tums gab es – ähnlich wie im Christentum (→ 18.2.3; 18.5.2) – immer wieder auch Dis‑ kussionen über die erwünschte Lebenswei‑ se. Die kritischen Auseinandersetzungen dürften das Stiftungswesen tangiert haben, selbst wenn nicht immer klar nachweis‑ bar ist, dass religiöse Gaben in dem Kon‑ text thematisiert wurden. Erschwerend kommt noch hinzu, dass sich in vielen Fällen nur die Texte der Seite erhalten
Indien
haben, deren Meinung sich durchsetzte. Das war in der Regel nicht diejenige, die asketischere Traditionen einführen wollte. Prominentestes Beispiel sind die Anhänger des Devadatta, der bereits in den frühen Quellen als Cousin und Kontrahent des historischen Buddha beschrieben wurde und dem man nachsagte, für den ersten Versuch einer Ordensspaltung und diverse Attentate auf den Buddha verantwortlich gewesen zu sein. Die Informationen ein‑ zelner Schulrichtungen darüber, welche inhaltlichen Forderungen Devadatta ge‑ stellt hatte, sind recht uneinheitlich. Sie deuten jedoch darauf hin, dass Devadat‑ ta strengere Regeln durchsetzen wollte, etwa den völligen Verzicht auf den Ge‑ nuss von Fleischspeisen.17 Zwar scheiter‑ te Devadatta mit diesem Ansinnen, doch selbst im frühen Mittelalter beriefen sich – mit direktem oder indirektem Verweis auf seine Person – kleinere Gruppen des buddhistischen Mönchtums auf derartige Prinzipien, wie die chinesischen Pilger noch im 7. Jahrhundert berichteten.18 Auch scheint das Leben in Wäldern propagiert worden zu sein, und bis in die Gegenwart haben im Theravāda‑Orden auf Sri Lanka ‚Waldbewohner‘ (Pāli āraññavāsin; Sanskrit āraṇyakavāsin) unter den Mönchen immer wieder eine Rolle gespielt.19 Zwischen dem älteren Buddhismus und dem Mahāyāna gab es klare Differenzen hinsichtlich der Bewertung von Gaben an Bedürftige. Diesem Stiftungsziel maß der Mahāyāna eine sehr viel bedeutendere Rol‑ le bei als andere indische Heilslehren. Die Texte des Mahāyāna vollzogen einen radi‑ kalen Bruch mit der im frühen Buddhismus (sowie im Brahmanismus und Jinismus) verbreiteten Vorstellung, dass Gaben le‑ diglich an ‚würdige‘ Empfänger erfolgen sollten.20 Man kann vermuten, dass die be‑ wusste Abkehr des Mahāyāna‑Buddhismus von traditionellen Sozialvorstellungen mit
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einer entsprechenden Kritik einherging. Allerdings brachte dieser Wandel wohl kaum grundlegende Auswirkungen auf die tatsächliche Stiftungspraxis mit sich. (→ 7.6.2; 12.6.3) Im Unterschied zu den brahmanischen ‚Dharmaśāstra‘‑Werken und den buddhis‑ tischen dāna‑Texten wird in den einschlä‑ gigen jinistischen Kompendien deutlich Kritik an der in anderen Traditionen zu‑ lässigen Stiftungspraxis artikuliert. Wie Maria Heim festgestellt hat, beruhte die Schenkungstheorie der Jainas, die sich immer in der Position einer Minderheit befanden, auf einer Auseinandersetzung mit den brahmanisch‑hinduistisch gepräg‑ ten Vorstellungen von religiösen Gaben und auf ihrer entsprechend negativen Beurteilung. Der mittelalterliche Jaina‑ Autor Hemacandra geißelte Dotationen von Kühen und Land, die Brahmanen sehr schätzten, sowie brahmanische Empfeh‑ lungen zu Stiftungen aus Anlass von be‑ stimmten astrologischen Konstellationen und zu Gaben für verstorbene Vorfahren (śrāddha).21 Kritisiert wurde, dass derartige Stiftungen mindestens sinnlos seien und schlimmstenfalls sogar dem Jaina‑Prin‑ zip des ahiṃsā, des Nichtverletzens von Lebewesen, widersprächen.22 Das Gebot des Nichttötens verursachte im Jinismus (wie im Buddhismus) Vorbehalte gegen‑ über der Annahme von Land. Allerdings belegen Zeugnisse der mittelalterlichen Stiftungspraxis, dass wohl auch jinisti‑ sche Institutionen königliche Dotationen von Dörfern und Feldern erhielten.23 In Abgrenzung zum Buddhismus tadelten die jinistischen Gelehrten vor allem den dor‑ tigen Grundsatz, ein breites Spektrum von Gaben zu akzeptieren. Buddhistische Or‑ dinierte wurden ob ihrer angeblichen Ver‑ schwendung und ihres luxuriösen Lebens kritisiert, die in starkem Kontrast zu den sehr asketisch‑spartanischen Vorschriften
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(insbesondere in Hinsicht auf akzeptable Nahrung) für Jaina‑Mönche und ‑Nonnen standen.24 Kritik an Teilen des buddhisti‑ schen Mönchtums kam wiederholt auch von brahmanischer Seite. Diese betraf je‑ doch in erster Linie (vermeintliche) Ver‑ stöße gegen deren eigene Ordensregeln, vor allem das Zölibatsgebot.25 18.6.3 Reform Im Unterschied zu Stiftungskritik (→ 18.6.2) und Vermögenskonfiskation (→ 18.6.4) las‑ sen sich Veränderungen und Neuerungen nur an (wenigen) Einzelfällen von Dota‑ tionen zeigen. Zu den Abwandlungen des ursprünglich formulierten Stifterwillens zählten (1.) der spätere Austausch von Stif‑ tungsgütern, (2.) Modifikationen bei den Destinatären und (3.) auf den Zweck der Dotation bezogene Umwidmungen. (4.) Neuausstellungen von Stiftungszeugnis‑ sen sowie Manipulationen an vorhandenen Urkunden müssen hier ebenfalls behandelt werden. (1.) Die ‚Samantapāsādikā‘, ein wichtiges umfangreiches Pāli‑Werk der Kommentar‑ literatur zum Ordensrecht (vinaya) der bud‑ dhistischen Richtung des Theravāda, das im 5. Jahrhundert auf Sri Lanka verfasst wurde, enthält einen Passus zum Tausch von Klosterliegenschaften: „Dabei ist dies die Methode des Austauschs (parivattana): Ein Orden besitzt weit entfernt einen Ko‑ kospalmenhain. Die kappiyakāraka26 es‑ sen das meiste [der dortigen Ernte], [und] von dem, was sie nicht essen, bezahlen sie die Miete für den Wagen [zum Trans‑ port], so dass sie nur wenig [zum Kloster] bringen. Doch andere Leute, die in einem Dorf nicht weit von jenem [Kokospalmen‑] Hain wohnen, besitzen einen Hain in der Nähe des Klosters (vihāra). Sie wenden
Kritik, Reform und Aufhebung
sich an den Orden und fragen nach dem Hain [des Ordens im Austausch] für ihren eigenen Hain. Der Orden sollte annehmen [mit den Worten]: ‚Es ist ein Vergnügen für den Orden.‘ (…) Auf diese Weise sollte ein Hain gegen einen Hain ausgetauscht werden. Auf genau die gleiche Weise soll‑ ten ein Grundstück für [die Anlage eines] Hain[s], ein vihāra und ein Grundstück für [die Anlage eines] vihāra gegen einen Hain ausgetauscht werden (…) – egal, ob groß oder klein.“27 Interessant ist, dass hier ein Vorgehen legitimiert wird, das nach Stif‑ tungs‑ und Ordensrecht eigentlich nicht vorgesehen war. So wurde der Austausch einer Liegenschaft unter bestimmten Vo‑ raussetzungen gestattet: Das Stiftungsgut lag in (zu) großer Entfernung vom Kloster; es gab eine Liegenschaft in der Nähe des Klosters, die für einen Austausch geeignet war; und die Besitzer dieser Liegenschaft ergriffen die Initiative zu der Transakti‑ on (weil sie ihrerseits ein Interesse daran hatten). Unter solchen Umständen wurde einem Tausch aus ökonomischen Gründen prinzipiell zugestimmt, da die bisherigen Einkünfte nach Abzug der Kosten gering ausfielen. Man könnte hinzufügen, dass diese Modifikation im Sinne der Stiftung erfolgte, da so die Erträge wohl in größe‑ rem Umfang der Erfüllung des eigentlichen Zwecks dienten. Eher als Belege für den Tausch un‑ günstig gelegener Liegenschaften durch die Begünstigten sind aus der mittelalter‑ lichen Stiftungspraxis jedoch solche für den Austausch tatsächlich nicht nutzbarer Güter durch den Stifter beziehungsweise einen seiner Nachfolger überliefert. Man kann vermuten, dass die betroffenen De‑ stinatäre den Mangel anhängig machten, wenn sich gestiftetes Land als untauglich erwies oder aber im Laufe der Zeit un‑ brauchbar geworden war. Zuweilen fin‑ det sich lediglich ein späterer Zusatz auf
Indien
dem Originaldokument.28 Meist wurde aber für den Austausch eine neue Urkun‑ de ausgefertigt. Als ein solches Dokument kann eine im Museum von Nagpur aufbe‑ wahrte Steininschrift des zentralindischen Paramāra‑Königs Naravarman angesehen werden, die aus dem Jahr 1104/1105 u. Z. datiert. Darin informiert Naravarman darüber, dass er im Austausch für zwei namentlich nicht erwähnte Dörfer, die sein Bruder Lakṣmadeva einst im Dist‑ rikt von Vyāpura gestiftet habe, das Dorf Mokhalapāṭaka vergebe. Der Empfänger ist nicht genannt, Naravarman teilt je‑ doch mit, dass er durch den Baumeister Lakṣmīdhara einen Göttertempel errichten ließ, an dem diese und andere Lobprei‑ sungsinschriften angebracht wurden.29 Derartige Austauschvorgänge (parivartana) sind vor allem für königliche Land‑ stiftungen belegt, konnten aber auch an‑ dere Transaktionen betreffen, wie eine Kupfertafelurkunde aus Bengalen zeigt, die im späten 5. Jahrhundert aufgesetzt wurde. Aus dem sehr verschachtelten Text (→ 12.6.4) lässt sich folgender komplexer Sachverhalt konstruieren: Die lokale Be‑ hörde einer Region auf dem Gebiet des heutigen Bangladesch informiert zunächst darüber, dass sich ein brahmanischer Pe‑ tent namens Nandabhūti an sie gewandt habe. Der Brahmane berichtete, ihm sei zwei Jahre zuvor ein Stück Land gestiftet worden, das der damalige Stifter in einer rechtmäßigen Transaktion von der lokalen Behörde durch Kauf (→ 4.6.3) erworben hatte. Zwei Jahre später nun habe der Kö‑ nig das Dorf, in dem das Nandabhūti gestif‑ tete Land liege, einer Brahmanengruppe übertragen, ohne dass dieser entschädigt worden sei. Nach diversen Rücksprachen und auf Anweisung des Königs verfügte die lokale Behörde schließlich, dass der Brahmane Nandabhūti ein Ersatzobjekt erhalten solle.30 Dieses Vorgehen hängt
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damit zusammen, dass königliche Stifter meist urkundlich erklärten, frühere re‑ ligiöse Verleihungen von der aktuellen unberührt zu lassen.31 Da gegen dieses Prinzip aus einem nicht genannten Grund, möglicherweise durch ein bloßes Versehen, verstoßen worden war, musste es zu einer Kompensation kommen. (2.) Mitunter wurden jedoch auch gravie‑ rende Veränderungen in Hinsicht auf die Empfänger vorgenommen. Das Corpus der westindischen Dynastie der Gurjaras ent‑ hält zwei gemeinsam gefundene Kupfer‑ tafelurkunden, die beide ein und dieselbe brahmanische Stiftung betreffen. Demnach stiftete im Jahr 628 u. Z. Gurjara Dadda II. das Dorf Śirīṣapadraka an eine Gruppe von Brahmanen. Doch diese Dotation wurde nicht ihrer ursprünglichen Zweckbestim‑ mung gemäß umgesetzt, sondern fünf Jah‑ re später durch denselben Fürsten revoziert und neu vergeben, womit sich der Kreis der Begünstigten von 40 auf 35 reduzierte. Zu den Destinatären der älteren Urkun‑ de hatten Vertreter aller vier vedischen Richtungen, das heißt Ṛgvedins, Yajur‑ vedins, Sāmavedins und Atharvavedins, gehört. In der jüngeren Urkunde werden die Atharvavedins nicht mehr unter den Stiftungsempfängern genannt.32 Über die eventuellen Gründe für die Ausstellung eines neuen Dokuments kann nur speku‑ liert werden. Denkbar wäre, dass diese Mo‑ difikation mit der Konkurrenz unter den Begünstigten in Zusammenhang stand und die Ṛg‑, Yajur‑ und Sāmavedins am Hofe zuungunsten der Spezialisten des Atharva‑ veda interveniert hatten. Möglicherweise hatte die Majorität ihren Einfluss genutzt, um die Minderheit aus der Stiftung zu drängen. Hierbei könnte auch eine Rolle gespielt haben, dass nicht alle Brahmanen dem Atharvaveda die gleiche Autorität wie den drei anderen Veden zubilligten.
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Im konkreten Fall hatten sich die Athar‑ vavedins zudem noch hinsichtlich ihrer lokalen Herkunft vom größeren Teil der einstigen Gesamtgruppe unterschieden. Die Ṛg‑, Yajur‑ und Sāmavedins stammten alle aus demselben Ort und waren im Un‑ terschied zu den Atharvavedins offensicht‑ lich bereits vor der Ausstellung der ersten Urkunde nach Śirīṣapadraka umgezogen. Auch im nordindischen Chandravati in Uttar Pradesh sind zwei Urkunden zusam‑ men entdeckt worden, die ein und derselbe König ausgegeben hat und die einen wei‑ teren der für Indien so seltenen Einblicke in die Stiftungswirklichkeit geben. Im Jahr 1093 stiftete der Gāhaḍavāla‑König Can‑ dradeva an 500 Brahmanen, von denen 495 tatsächlich aufgezählt werden, einen gan‑ zen Distrikt (pattalā; → 3.6.2) in der Nähe von Benares mit Ausnahme von einigen früher vergebenen Dörfern. Die Dotation umfasste noch ein weiteres Dorf in einem anderen Distrikt, das für die Ansiedlung dieser brahmanischen Gemeinschaft be‑ stimmt war, die ebenfalls aus Ṛg‑, Yajur‑, Sāma‑ und Atharvavedins bestand. Die zweite Chandravati‑Urkunde datiert aus dem Jahr 1100 und nimmt auf das frühere Kupfertafeldokument (tāmrapatra) und die darin beschriebenen brahmanischen Be‑ günstigten der vier vedischen Richtungen explizit Bezug, ohne sie allerdings noch einmal aufzuzählen. Dieses Mal ging es nicht um eine Reduktion der Destinatäre, sondern um die Stiftung von weiteren 32 Dörfern für die Brahmanen und eines Dor‑ fes für den Tempel des Candramādhava im mittelalterlichen Candrāvatī.33 (3.) Nicht nur Brahmanengruppen, son‑ dern auch einzelne Brahmanen erhiel‑ ten mitunter mehr als eine Stiftung, und einige der besonders großzügig bedach‑ ten Destinatäre widmeten Teile des ih‑ nen zugesprochenen Stiftungsvermögens
Kritik, Reform und Aufhebung
um. So galten sechs der sechzehn be‑ kannten Urkunden des ostindischen Kö‑ nigs Mahābhavagupta I. Janamejaya der Somavaṃśin‑Dynastie aus dem 9. Jahr‑ hundert ein und demselben Stiftungs‑ empfänger, dem Brahmanen Sādhāraṇa. Mehr als drei Jahrzehnte hindurch erhielt Sādhāraṇa immer wieder Dörfer in Orissa. Im zehnten Jahr seiner Herrschaft über‑ trug König Mahābhavagupta I. für sein und seiner Eltern religiöses Verdienst das Dorf Jollamurā an diesen Brahmanen. Wie bereits in der königlichen Urkunde selbst festgehalten ist, teilte Sādhāraṇa das Dorf in acht Teile, von denen er je einen an fünf Brahmanen und die übrigen drei an einen Tempel des Nārāyaṇa vergab, den er in Suvarṇapura hatte errichten lassen. Die Umwidmung erfolgte im unmittelbaren Anschluss an die Stiftung des Königs und sollte, wie es im Text heißt, Sādhāraṇa zu religiösem Verdienst verhelfen. Bemer‑ kenswert ist, dass Sādhāraṇa, ein Yajurve‑ din, neben dem von ihm einst gegründeten viṣṇuitischen Heiligtum vier Ṛgvedins und einen Sāmavedin an der Dotation betei‑ ligte.34 Ein interessanter Fall von Umwidmung ist auch in einer westindischen Kupfer‑ tafelurkunde aus dem 9. Jahrhundert do‑ kumentiert. Im Jahr 813 u. Z. stiftete ein Vasall der Rāṣṭrakūṭa‑Könige in Gujarat ein Dorf und ein Nebenobjekt an 43 Brah‑ manen. Eine Verfügung in Hinsicht auf den Brahmanen Maheśvara, Destinatär Nr. 32, besagt, dass er „seinen Anteil an Nāina, den Sohn [seiner] Tochter, gab“.35 Stiftungsgüter durften an Söhne, Enkel und weitere Nachkommen in männlicher Linie vererbt werden. Wenn es keinen direkten männlichen Erben gab, konnte nach An‑ sicht einiger brahmanischer Gelehrter der Sohn einer Tochter als ‚Ersatz‘ fungieren. Die formale Umwidmung durch Maheśvara reflektiert eventuell solche Vorkehrungen,
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um zu verhindern, dass sein Erbe eines Ta‑ ges an die brahmanische Gemeinschaft fiel. Nach indischer Rechtsauffassung war der Verkauf von Stiftungsvermögen durch Begünstigte oder Dotationsverwalter un‑ zulässig, doch belegt das epigraphische Material, dass derartige Transaktionen in der Praxis durchaus vorgenommen wurden. In den dokumentierten Fällen scheint es sich allerdings um Veräuße‑ rungen zugunsten neuer religiöser Stif‑ tungen gehandelt zu haben. In einigen Steininschriften des 12. Jahrhunderts aus Maharashtra (→ 12.6.4) heißt es, dass Stif‑ tungsgüter ‚durch Kauf für eine [religiöse] Gabe‘ (dānakrayeṇa) aus dem Besitz der Nachkommen brahmanischer Begünstigter erworben worden seien.36 (4.) Stiftungszeugnisse gingen mitunter verloren oder wurden beispielsweise durch Brand zerstört, sodass Ersatzdokumente ausgestellt werden mussten.37 In solchen Fällen ist nicht zu klären, ob die Kopien mit den jeweiligen ‚Urschriften‘ überein‑ stimmten und mithin der ursprüngliche Stifterwille adäquat wiedergegeben wurde. Dies gilt beispielsweise für eine aus Nord‑ west‑Karnataka stammende Steininschrift des 12. Jahrhunderts, die an einem ehemali‑ gen Jaina‑Tempel angebracht ist und in der ausdrücklich eingeräumt wird, dass es sich um die Abschrift einer Kupfertafelurkunde aus der Mitte des 9. Jahrhunderts handele, die ein Jaina vorgenommen habe.38 Auch wenn das vom Herausgeber Franz Kielhorn vergebene Prädikat ‚spurious‘ der Bedeu‑ tung dieses epigraphischen Fundes mög‑ licherweise nicht ganz gerecht wird, weist der Text doch erhebliche Mängel auf, von denen nicht immer klar ist, ob sie bereits dem ‚Original‘ anhafteten oder erst beim ‚Abschreiben‘ entstanden sind.39 Neben mehr oder weniger amateurhaf‑ ten Kopien aus der Hand der Destinatäre
oder damit beauftragter Dritter, die wohl zumindest teilweise auf echten Urkun‑ den fußten, gibt es diverse Beispiele für eindeutig gefälschte Stiftungsdokumente (→ 5.6.3; 12.6.2; 18.6.4),40 mit denen sich die vermeintlichen Destinatäre offensichtlich Stiftungsgüter verschaffen wollten. Neben kompletten Fälschungen liegen zahlreiche Belege für Manipulationen an Original‑ dokumenten vor, die der Änderung der ursprünglichen Stiftungsbedingungen, insbesondere hinsichtlich der Begünstig‑ ten und des Stiftungsvermögens, dienen sollten. Ein Beispiel für ein solcherart ma‑ nipuliertes Dokument stellt die älteste der oben erwähnten sechs Kupfertafelurkun‑ den zugunsten des Brahmanen Sādhāraṇa aus Orissa dar. Der ursprüngliche Text von König Mahābhavaguptas Gopalpur‑ Inschrift aus dessen 1. Herrschaftsjahr (9. Jahrhundert) über die Stiftung eines Dorfes endete wohl auf der Innenseite der dritten Kupferplatte. Die vier Zeilen, die auf der Außenseite dieser Tafel stehen, sind ein jüngerer Zusatz, mit dem sich eventuell einer der unmittelbaren Nachfahren des Sādhāraṇa Zugriff auf weitere Dörfer hatte sichern wollen.41 Auch aus Maharashtra liegen für das 8. bis 10. Jahrhundert kö‑ nigliche Urkunden vor, an denen später Veränderungen seitens der Destinatäre vorgenommen worden zu sein scheinen. Diese mit betrügerischer Absicht erfolg‑ ten ‚Korrekturen‘ konnten nicht nur die gestifteten Objekte, sondern auch Zahl und Namen der Stiftungsempfänger betreffen.42 18.6.4 Aufhebung Verbote von religiösen Stiftungen sind für das mittelalterliche Indien schwer nach‑ weisbar. Im Mittelalter scheint man die größte Gefahr für den Fortbestand einer Stif‑ tung in der möglichen Beschlagnahmung
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der Stiftungsgüter gesehen zu haben. Die allgegenwärtige Furcht vor Konfiskation spiegelt sich (1.) in den Imprekationen zum Schutz vor Stiftungsschädigung. Neben Do‑ tationsurkunden im eigentlichen Sinne lie‑ gen (2.) königliche Bestandsgarantien für ältere Stiftungen vor. Trotz intensiver pro‑ phylaktischer Bemühungen zur Bewahrung von Dotationen kam es (3.) immer wieder zu Konfiskationen, wobei über deren Grün‑ de oft nur spekuliert werden kann. Auch Belege für (4.) die Restitution konfiszierter oder die Aberkennung widerrechtlich ange‑ eigneter Stiftungsgüter lassen sich finden. (1.) Die Furcht vor der Einziehung des Stif‑ tungskapitals, vor allem durch spätere Machthaber, kommt in zahlreichen mit‑ telalterlichen indischen Stiftungsdoku‑ menten klar zum Ausdruck. Königliche Kupfertafelurkunden waren in der Regel dreigliedrig aufgebaut (→ 5.6.3) und be‑ standen aus der Genealogie des Herrschers, der eigentlichen Stiftungsbeschreibung sowie Schutz‑ und Fluchversen. In dem letzten Abschnitt wurde das Problem der Bestandsgarantie für Stiftungen in Form einer Aufforderung an die späteren Regen‑ ten thematisiert. Ein solcher Appell konnte lauten: „Und die künftigen guten Könige, die aus unserem Geschlecht oder andere, sollen diese unsere Gabe genauso wie eine eigene Gabe anerkennen und beschützen, da sie sich der gemeinsamen Frucht von Landstiftungen bewusst sind und erkannt haben, dass die vergänglichen Herrschafts‑ ansprüche so unstet wie Blitze sind und das Leben unbeständig wie ein auf einer Gras‑ halmspitze haftender Wassertropfen ist.“43 Hier wird darauf angespielt, dass sich ein König, der Stiftungen früherer Herrscher bewahrte – unabhängig davon, ob diese seiner eigenen Dynastie angehört hatten oder nicht –, einen Anteil am Verdienst (puṇya; → 7.6.2) dieser Dotation sicherte.
Kritik, Reform und Aufhebung
Auf diesen Aufruf an künftige Könige folgt meist ein Passus, der eine Warnung für diejenigen formuliert, die der Anwei‑ sung zuwiderhandeln oder die Stiftung schädigen sollten. Besonders schwere Schuld lud man durch Konfiskation auf sich: „Und wer, weil sein Geist verhüllt ist vom finsteren Schleier des Unwissens, [die‑ ses Objekt] konfiszieren sollte (ācchindyāt) oder die Konfiskation billigen sollte, der möge mit den fünf großen Vergehen zu‑ sammen mit den kleinen Vergehen behaf‑ tet sein.“44 Der Verweis auf die ‚großen Vergehen‘ (mahāpāṭaka) und die ‚kleinen Vergehen‘ (upapāṭaka) spiegelt klar brah‑ manische Vorstellungen wider.45 Diese generelle Warnung wurde mit Strophen aus einem allgemeinen Versbe‑ stand ergänzt. Man setzte auf Abschre‑ ckung (→ 13.6.3), indem man die Folgen gravierender Störungen von religiösen Ga‑ ben ausmalte. Zwei sehr populäre Strophen zum Schutz vor Konfiskation waren: „Sech‑ zigtausend Jahre im Himmel wohnt der Geber von Land. Wer wegnimmt (apahartā) oder [die Wegnahme] billigt, möge diese [Jahre] in der Hölle wohnen.“ „Als Kobras, die trockene Baumhöhlen in den wasser‑ losen Vindhya‑Wäldern bewohnen, wer‑ den die geboren, die eine Landgabe rau‑ ben (haranti).“46 Die Drohungen für Frevel, die in Stiftungsurkunden mitunter aus‑ drücklich als ‚Raub von Brahmanenland‘ (brāhmaṇabhūmiharaṇa) bezeichnet wur‑ den,47 bezogen sich auf schlechte Wiederge‑ burten und schreckliche Höllenaufenthalte und variierten in den Details. Höllenqua‑ len ereilten nicht nur denjenigen, der die Stiftungsgüter konfisziert hatte, sondern auch mehrere Generationen seiner Vor‑ fahren und Nachkommen: „Brahmanengut (brahmasva) zerstört, wenn es unerlaubt ge‑ nossen wird, drei Generationen, wenn mit Gewalt genossen, zehn frühere und zehn spätere [Generationen].“48 „Götterbesitz
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(deva sva) [wirkt wie] furchtbares Gift, [obwohl er] nicht Gift genannt wird. Gift tötet nur einen, [doch] Götterbesitz [tötet bei Übergriffen] Söhne und Enkel.“49 Der Umfang des konfiszierten Landes spielte keine Rolle, und auch der Raub anderer Stiftungsgüter wurde mit Höllenstrafen belegt.50 Es machte keinen Unterschied, ob es sich um eine fremde oder um eine eigene Stiftung handelte.51 Durch gute Taten wa‑ ren derartige Vergehen später nicht zu til‑ gen: „Selbst für große Übeltaten erscheint eine [Möglichkeit zur] Wiedergutmachung in den Lehrbüchern. Für diejenigen, die Stiftungen an Brahmanen (brahmadeya) rauben, erscheint nirgendwo eine [Mög‑ lichkeit zur] Wiedergutmachung.“52 Strophen zum Schutz vor Konfiskation und Beschädigung finden sich nicht nur in königlichen Urkunden, sondern auch in privaten Stiftungsinschriften. Prophylakti‑ sche Verwünschungen gegen Personen, die einer Stiftung mutwillig Schaden zufügten, enthalten neben Dokumenten, die einen Verleihungsakt beurkunden, auch Zeugnis‑ se, welche spätere Festlegungen betreffen. Auf einer in Chinchani bei Mumbai ge‑ fundenen Kupfertafel aus dem 10. Jahrhun‑ dert ist keine Stiftung, sondern eine Über‑ einkunft zwischen einem Viṣṇu‑Heiligtum und dem Tempelkolleg (maṭhikā) einer Göt‑ tin beurkundet.53 Das Problem bestand offensichtlich darin, dass ein Stück Land, das dem viṣṇuitischen Tempel gehörte, auf dem Gelände des Kollegs der Göttin lag und mithin für die im Namen des Gottes Agie‑ renden (→ 13.6.2) nicht oder nur schwer zugänglich war. Als Kompensation dafür, dass die Landparzelle nicht für den Gott Viṣṇu genutzt werden konnte, sollte die Seite der maṭhikā jährliche Ausgleichszah‑ lungen leisten. Ausführlicher als der knap‑ pe Text dieses Vergleichs sind die sich an beide Parteien richtenden Bestimmungen zum Schutz desselben. Für die zwei Seiten
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bestand die angedrohte Strafe in erster Linie in sozialer Ächtung. Wer sich eines Vergehens gegen die Übereinkunft schuldig gemacht hatte, galt selbst dann noch, wenn er Selbstmord beging, „als Hund, Esel oder Unberührbarer“. Leisteten die Vertreter der maṭhikā nicht die vereinbarten Zahlungen, sollte dies als „Raub des Landes“ gewertet werden. Den Kaufleuten, die den Viṣṇu‑ Tempel gestiftet hatten, wurde ihrerseits Konfiskation ihrer gesamten Habe durch die Krone angedroht, falls sie versuchten, die Kompensationssumme zu steigern oder die Mauern des Tempelkollegs einzureißen. Eine Übereinkunft ist auch in einer Steininschrift aus Rajbhita im ostindischen Bengalen festgehalten, die wohl aus dem 11. Jahrhundert datiert. Dem Text zufolge hatten sich Händler auf bestimmte Kondi‑ tionen geeinigt, um Ländereien zu pachten, die per Stiftungsurkunde in den Besitz des Gottes Viṣṇu gelangt waren. Die Kaufleu‑ te verpflichteten sich in der Inschrift, als eine Art Pachtzins jedes Jahr bestimmte Abgaben für den Kult des Gottes zu leis‑ ten. Bei Zuwiderhandlung, so der Fluch (śapatha), werde sich die Gottheit abwen‑ den und der Vater (des Delinquenten) als Esel, die Mutter als Sau und der Onkel väterlicherseits als Kamel wiedergeboren, was auch durch eine Zeichnung auf dem Stein veranschaulicht ist.54 Neben Sanskrit‑Strophen tauchten je‑ doch in Süd‑ und Zentralindien seit dem 12. Jahrhundert auch Verwünschungen in den Regionalidiomen auf. Noboru Ka‑ rashima hat festgestellt, dass keine der Kupfertafelurkunden der Coḷa‑Dynastie, die vom 9. bis 13. Jahrhundert über weite Teile Südindiens herrschte, Fluchformeln enthält. Private Stiftungsinschriften aber weisen Imprekationen in Tamil auf, etwa den Fluch, ein Delinquent lade alle Sün‑ den auf sich, die zwischen dem Ganges und Kanyākumārī (d. h. Cape Comorin)
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begangen worden seien.55 Ab der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wurden im Tamil‑Gebiet Verwünschungen nicht nur auf die Dotationen selbst, sondern auch auf Festlegungen zur Stiftungsverwaltung bezogen. Spürbar änderte sich der Tenor dieser prophylaktischen Flüche, die po‑ tentielle Übeltäter als ‚Verräter‘ (an Śiva, am religiösen Lehrer, am König, an der Gemeinde usw.) bezeichneten: „The most remarkable change, however, is to be re‑ cognized in the emergence of various free, more vivid, and often vulgar expressions of imprecation. (…) [T]hese new coarse expressions show in many cases devia‑ tion from Brahmanical ideology or at least something new within the orbit of Brah‑ manism.“56 Karashima erklärt diese Ent‑ wicklung sowohl mit dem Einfluss anderer sozialer Gruppen auf das Stiftungsgesche‑ hen als auch mit einer Diversifizierung im Stiftungswesen.57 Auch in Maharashtra bediente man sich für Imprekationen zunehmend der Volkssprachen. So erscheint der sogenann‑ te ‚Eselsfluch‘ (‚ass curse‘) in Alt‑Marāṭhī wiederholt zum Abschluss von Steinin‑ schriften und ist mitunter auf den Steinen unter den jeweiligen Inschriften auch bild‑ lich dargestellt. Dieser Verfluchung zufolge wurde demjenigen, der gegen Bestimmun‑ gen einer Stiftung in grober Weise verstieß, damit gedroht, dass ein Esel dessen Mutter vergewaltigen werde.58 Nach Aussage einer Steininschrift von 1154 u. Z. wurde aus ge‑ gebenem Anlass eine derartige Warnung in dem Dorf namens Turubhāmra, das dem Gott Agnihotra gehörte, von den lokalen Autoritäten gegen diejenigen Übeltäter (duṣṭa) ausgesprochen, die es künftig (und damit zum wiederholten Male) wagen soll‑ ten, die wasserführenden Kanäle um den Dorfbrunnen aus – wie es heißt – feind‑ seliger Gesinnung zu zerstören. Die Pro‑ phezeiung der drakonischen Strafe richtete
Kritik, Reform und Aufhebung
sich explizit an alle Dörfler, unabhängig von ihrem Status. Auch wenn es in den zuletzt genannten Fällen nicht um die externe Aufhebung von Stiftungen ging, scheint man der An‑ drohung massiver Strafen doch entnehmen zu müssen, dass jeder schwere Eingriff, der das Stiftungsvermögen selbst bezie‑ hungsweise den regelmäßigen Fluss der Stiftungserträge gefährdete, als potentielle Bedrohung wahrgenommen wurde, die zu einer internen Aufhebung aus wirt‑ schaftlicher Not führen konnte. Der Re‑ gionalidiome – außer Tamil und Marāṭhī auch Kanaresisch 59 – und der Bildsprache bediente man sich vermutlich, um in die‑ sem Punkt, der für den Fortbestand einer Stiftung entscheidend war, auf jeden Fall und von allen verstanden zu werden. (2.) Königliche Stifter forderten nicht nur vehement den Schutz ihrer Gaben durch künftige Herrscher, sondern stellten sich ihrerseits gern als Bewahrer früherer Stif‑ tungen dar. Zu den Formeln, welche die Rechte hinsichtlich des Dotationsvermö‑ gens definierten, gehörte in der Regel auch eine, mit der erklärt wurde, dass frühere religiöse Verleihungen von der aktuellen unberührt blieben.60 Eine Reihe von über‑ lieferten Kupfertafelurkunden dokumen‑ tiert keine neuen Stiftungen, sondern bestä‑ tigt von Vorgängern gemachte Dotationen, und einige Könige ließen sich dafür preisen, dass sie sowohl „früher konfiszierte (vilupta) Stiftungen an Götter und Brahmanen beschützten“,61 als auch selbst zahlreiche Dörfer gewährten. Jedoch ist sehr wahr‑ scheinlich, dass mancher König Dotationen bestätigte, die nie beschlagnahmt waren,62 um sich das Verdienst zu sichern, das aus solchem Handeln resultierte.63 (3.) Doch trotz bester Vorkehrungen kam es im Mittelalter immer wieder zu
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Konfiskationen religiöser Dorf‑ und Land‑ stiftungen, obwohl diese „für so lange, wie Mond und Sonne, die Ozeane und die Erde, Flüsse und Berge existieren“ (→ 1.6.3), d. h. ‚auf ewig‘, vergeben worden waren. Aller‑ dings erfolgten im vorislamischen Indien Stiftungsaufhebungen offenbar nur selten systematisch. Zu den prominentesten Bei‑ spielen für einen śivaitischen Herrscher, dem anti‑buddhistische Ambitionen nach‑ gesagt wurden, gehörte Śaśāṅka, der im späten 6. und frühen 7. Jahrhundert in Ben‑ galen regierte.64 In den buddhistischen Tex‑ ten wird Śaśāṅka für die Verwüstung von Klöstern und von Klosterbesitz in Ostindien verantwortlich gemacht. Auch der Bericht des chinesischen Pilgermönchs Xuanzang, der in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts weite Teile Indiens bereiste, enthält ent‑ sprechende Anschuldigungen sowie die Be‑ hauptung, Śaśāṅka habe gar versucht, den Bodhi‑Baum in Buddhagayā zu zerstören, unter dem der Buddha seine Erleuchtung er‑ langt haben soll.65 Von Stiftungsaktivitäten des Śivaiten (paramamāheśvara)66 Śaśāṅka ist wenig bekannt. Es liegen lediglich vier Urkunden vor, die auf seine Herrschaftszeit Bezug nehmen;67 diese stammen ausnahms‑ los von seinen Vasallen und bezeugen deren Landstiftungen an Brahmanen. Belege für die Beschlagnahmung re‑ ligiöser Stiftungsgüter durch die Krone finden sich vor allem in der Geschichte Sri Lankas. Dies hängt vermutlich unter anderem damit zusammen, dass es auf Ceylon immer wieder zu einer besonders großen Konzentration von Stiftungsgütern kam. Durch die Dominanz des Buddhis‑ mus seit dem Altertum verfügten die bud‑ dhistischen Klöster Sri Lankas im frühen Mittelalter offenbar über umfangreichen Landbesitz. Dank der großen Unterstüt‑ zung singhalesisch‑buddhistischer Könige sollen sie vom 9. bis zum 12. Jahrhundert „nachweislich die größten Grundherren
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Ceylons“ gewesen sein.68 Im späten 10. Jahr‑ hundert eroberten die südindischen Coḷas weite Teile Ceylons und herrschten dort für acht Jahrzehnte. Nach Aussage der singhalesisch‑buddhistischen Chroniken sollen die hinduistischen Coḷas alle Klöster (vihāra) zerstört und geplündert haben.69 Dass in Zeiten verstärkter kriegerischer Auseinandersetzungen auch Stiftungsbe‑ sitz beschlagnahmt wurde, ist nicht un‑ wahrscheinlich. Es gibt jedoch kaum kon‑ krete Belege dafür, dass es zur Konfiskati‑ on und Umverteilung von buddhistischen Klostergütern zugunsten hinduistischer Tempel durch die Coḷas gekommen wäre.70 Allerdings wird über Vijayabāhu I., der die Insel für die Singhalesen zurückeroberte, in der Inselchronik ‚Cūlavaṃsa‘ berichtet, er habe die zuvor (von anderen Herrschern) an hinduistische Tempel (devakula) gegebe‑ nen Dörfer diesen nicht wieder entzogen.71 Für das 12. Jahrhundert bezeugt der ‚Cūlavaṃsa‘ erstmals, dass ein singhale‑ sischer König Klosterbesitz in großem Um‑ fang konfiszierte.72 Vikramabāhu I. (1111– 1132)73 soll sich unter anderem der sogenann‑ ten ‚Unterhaltsdörfer‘ (Pāli bhogagāma; Sanskrit bhogagrāma)74 des buddhistischen Ordens bemächtigt und diese unter seinen Gefolgsleuten verteilt haben. Es heißt, er habe die Klöster in Unterkünfte für seine ausländischen (d. h. südindischen) Söldner umgewandelt.75 Der Hintergrund für dieses Vorgehen war jedoch kein stiftungspoliti‑ scher. Einflussreiche Mönche hatten sich in Thronfolgestreitigkeiten auf die Seite des Konkurrenten von Vikramabāhu I. gestellt,76 und die dann folgenden Konfis‑ kationen können zum Teil als Vergeltung für dieses Agieren gewertet werden. Auch wurden die Nachfolgekriege wohl aus den Steuereinkünften der einstigen Kloster‑ dörfer finanziert. In Sri Lanka und anderen Gebieten des Theravāda‑Buddhismus exkommunizierten
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Könige (angeblich) korrupte Mönche zwecks ‚Reinhaltung‘ des Ordens und kon‑ fiszierten Dörfer und Ländereien, die ihre Vorgänger einst gestiftet hatten, unter Re‑ kurs auf das (vermeintliche) Armutsideal der buddhistischen Ordinierten, um diese Güter dann neu zu verteilen.77 Eine wichtige Zäsur, die vermutlich stark von Konfiskationen flankiert war, stellte das Vordringen des Islam ab dem 12. und 13. Jahrhundert dar. (→ 4.6.6) Die Ausbreitung islamischer Herrschaft führ‑ te zu erheblichen Störungen älterer reli‑ giöser Stiftungen, nicht selten sogar zu deren Ende. Dieser Bruch betraf zunächst Nordindien und mit zeitlicher Verzögerung dann auch Zentralindien und Teile Südindi‑ ens. Die Erforschung konkreter Zeugnisse, die zu diesen Vorgängen befragt werden könnten, ist nicht immer weit gediehen, und die Interpretation der Überlieferung häufig stark umstritten. Dies zeigt etwa die Diskussion um die Zerstörung des be‑ rühmten Somanātha‑Heiligtums an der Südküste Kathiawars, die bereits im Jahr 1026 von Sindh aus durch Maḥmūd von Ghazni erfolgte. Die Erbeutung mobilen Tempelvermögens und ein religiös begrün‑ deter Ikonoklasmus waren vermutlich die Hauptmotive für die meisten der Verwüs‑ tungen von nicht‑islamischen religiösen Stätten durch die vordringenden Muslime. In Hinsicht auf Somanātha hat die ein‑ schlägige Studie von Romila Thapar, die den bezeichnenden Untertitel ‚The Many Voices of a History‘ trägt, gezeigt, wie die Konstruktion der Ereignisse von einer Zu‑ sammenschau aller vorhandenen Quellen gewinnen könnte, die da wären archäolo‑ gische Daten, Sanskrit‑Inschriften, Jaina‑ Texte, persische und arabische Berichte und Chroniken.78 Da es sich im 11. Jahrhundert in Gujarat überwiegend um kurzfristige militärische Erfolge muslimischer Armeen handelte, betrafen die Konfiskationen vor
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allem Geldvermögen, das heißt bewegliches Stiftungskapital (→ 10.6.3), sowie Kultbilder und Kultgegenstände, das heißt die sym‑ bolisch bedeutsamen Mobilien (→ 10.6.6), insbesondere wenn sie aus sehr wertvollen Materialien gefertigt waren. Die Zerstörun‑ gen an den Bauten schädigten freilich auch die immobilen Komponenten. Die musli‑ mischen Berichte übertreiben im Falle von Somanātha augenscheinlich den Umfang des unbeweglichen (→ 10.6.2) und immate‑ riellen Kapitals (→ 10.6.5), d. h. des Besitzes an Land und dörflichen Steuerpfründen.79 Es ist jedoch ohnehin unwahrscheinlich, dass Maḥmūd dieses Vermögen dauerhaft beschlagnahmen konnte. Bereits ein Jahr‑ hundert nach dem Einfall des Ghaznavi‑ den verfügte der śivaitische Tempel dann wieder über umfassenden (restitutierten oder neuen) Stiftungsbesitz und erfreute sich der Förderung durch die Könige der Caulukya‑Dynastie von Gujarat.80 In der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts wur‑ den diesem Heiligtum des Somanātha an der Südküste von Kathiawar gar Einkünfte aus Liegenschaften zugesprochen, die sich an der gegenüberliegenden Konkan‑Küste befanden.81 (→ 16.6.3; Abb. 29) Zu einer weiteren Region – Kasch‑ mir – liegen zahlreiche Informationen über Konfiskationen im Verlaufe der Is‑ lamisierung vor. Im Unterschied zu an‑ deren Gegenden Indiens steht für die Ge‑ schichte dieses Gebietes, das relativ spät, erst seit dem 14. Jahrhundert, islamisiert wurde, eine umfangreiche Chroniklite‑ ratur (→ 5.6.4) zur Verfügung. Das ers‑ te überlieferte Werk dieser Gattung, die berühmte ‚Rājataraṅgiṇī‘ des Kalhaṇa, datiert aus dem 12. Jahrhundert und mit‑ hin aus vorislamischer Zeit. Kalhaṇa, ein kaschmirischer Brahmane, ging in seiner Schilderung, die Hinweise über Stiftun‑ gen an Brahmanen, buddhistische Klöster (vihāra) und hinduistische Tempelkollegien
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(maṭha) sowie über die Beschlagnahme von Stiftungsgütern enthält, bis weit in das Altertum zurück, wozu er ältere Quellen auswertete.82 Führt man das Material aus dieser ersten und aus späteren Kaschmir‑ Chroniken zusammen, ergibt sich auch ein Bild der Konfiskationsmuster im Span‑ nungsfeld zwischen Buddhismus, Brahma‑ nismus‑Hinduismus und Islam. Bereits im Altertum soll ein hinduisti‑ scher König als Vergeltung für das Fehl‑ verhalten eines Mönchs angeblich Tau‑ sende buddhistische Klöster aufgelöst und deren Dörfer an Brahmanen gestif‑ tet haben.83 Dem mittelalterlichen König Śaṅkaravarman (883–902) wird nachgesagt, Schätze und Land von Tempeln beschlag‑ nahmt zu haben.84 König Kṣemagupta (950–958) soll bei der Verfolgung eines Geg‑ ners den Jayendravihāra niedergebrannt und aus dem Messing der Buddha‑Statue dieses Klosters und den Steinen verfalle‑ ner Hindu‑Tempel ein Śiva‑Heiligtum na‑ mens Kṣemagaurīśvara errichtet haben.85 Kṣemagupta, heißt es weiter, habe die 36 Dörfer des niedergebrannten Klosters ei‑ nem seiner Fürsten überlassen.86 Als markantestes Beispiel für hinduis‑ tischen Ikonoklasmus beschreibt Kalhaṇa das geradezu systematische Vorgehen des kaschmirischen Herrschers Harṣadeva (1089–1101), von dem er behauptet, (fast) alle Heiligtümer des Reiches ihrer Tempel‑ schätze und Statuen beraubt zu haben.87 Eu‑ phemistischer Vorwand für dieses Handeln sei gewesen, dass man so die Furcht des Tempelpersonals tilgen wollte, der jeweili‑ ge Gott könne bestohlen werden. Dabei sei Harṣadeva aber nicht von religiösem Eifer, sondern von der Gier nach Edelmetallen getrieben gewesen, um daraus Münzgeld prägen zu lassen88 und die Ausgaben seiner Armee zu bestreiten.89 Mit der Etablierung muslimischer Herrscherdynastien im 14. Jahrhundert
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änderten sich dann Charakter und Um‑ fang der Konfiskationen religiöser Stif‑ tungsgüter in Kaschmir. Dies geht aus den Werken der beiden (ebenfalls brahma‑ nischen) Nachfolger des Kalhaṇa hervor, die im 15. Jahrhundert wirkten. Jonarāja behandelte in seiner ‚Rājataraṅgiṇī‘ die Ereignisse zwischen 1148 und 1459 und damit auch die Zeit der Islamisierung;90 Śrīvara nahm die Aktualisierung bis zum Jahr 1486 vor.91 Jonarāja berichtete unter anderem über eine gewisse Zurückhal‑ tung der ersten zum Islam konvertierten Sultane in Hinsicht auf den Ikonoklasmus. Sultan Šihāb ad‑Dīn (1355–1373) soll, als die Staatskasse leer war, die Idee gekommen sein, eine Statue der Göttin Jayeśvarī zu schleifen.92 Die betreffende Schilderung ist, wie Walter Slaje festgestellt hat, in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert.93 Zunächst empfahl der hinduistische Mi‑ nister Udayaśrī seinem Sultan, statt des Bildnisses einer hinduistischen Gottheit eine große Buddha‑Statue einschmelzen zu lassen, weil man daraus mehr Münzen präge könne.94 Anderntags schreckte der Sultan jedoch davor zurück, Kultbilder zu zerstören, die seine Vorfahren hatten auf‑ stellen lassen.95 Dieses Zögern hat Slaje zu Recht damit in Verbindung gebracht, dass die Vorfahren des Gründers der ersten muslimischen Dynastie Hindu‑Namen tru‑ gen und die frühen Sultane von Kaschmir einen Hindu‑Stammbaum hatten.96 Für die Zeit seit dem Ende des 14. Jahrhunderts werden die Berichte darüber seltener, dass muslimische Herrscher die Entweihung von Kultbildern verhinderten. Belegt ist ein solches Handeln für den toleranten Sul‑ tan Zayn al‑ʿĀbidīn (1420–1470), unter dem auch die Chronisten Jonarāja und Śrīvara wirkten. So soll Zayn während der Erobe‑ rung von Ladakh durch die muslimischen Truppen eine goldene Buddha‑Statue vor der Zerstörung bewahrt haben.97
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Die Chroniken geben diverse Hinweise darauf, dass unter islamischer Herrschaft die Tempel ortsgebundener hinduistischer Gottheiten durch eine Platzierung mus‑ limischer Friedhöfe in ihrer unmittelba‑ ren Nähe dauerhaft unbrauchbar gemacht wurden. Diese Methode, erstmals im Jahr 1389 bei der Bestattung des kaschmirischen Sultans Quṭb ad‑Dīn nachweisbar, dien‑ te der Umwidmung von Tempelgelände, weil dieses durch die Grabstätten musli‑ mischer Toter als verunreinigt galt.98 Unter Quṭb ad‑Dīns Nachfolger, Sultan Sikandar (1389–1413), setzte eine massive Welle der Islamisierung in Kaschmir ein.99 Es kam offenbar zu Verbrennungen von Manu‑ skripten religiöser Texte,100 unter denen sich auch zahlreiche Handschriften be‑ funden haben dürften, die Klöstern und Tempeln gestiftet worden waren. Unter Ḥasan Šāh (1472–1484) sollen dann bud‑ dhistische Klöster in Schlachthäuser für Rinder umgewandelt worden sein, worauf Hindus ihrerseits anscheinend mit Brand‑ stiftung reagierten.101 Über die Konfiskation von Stiftungs‑ gütern, d. h. von Dörfern und Ländereien, in der Zeit der Islamisierung Kaschmirs erfährt man aus den Chroniken nicht sehr viel. Dies mag zum einen damit zusammen‑ hängen, dass Entweihung und Zerstörung von Kultbildern, sakralen Bauten und heili‑ gen Texten für die brahmanischen Autoren der ‚Rājataraṅgiṇīs‘ nicht zuletzt auch aus emotionalen Gründen noch verurteilens‑ werter erschienen als Konfiskationen von solchem Kloster‑ oder Tempelbesitz, aus dessen Erträgen der Unterhalt dieser re‑ ligiösen Institutionen finanziert werden sollte. Zum anderen wurde das einstige Stif‑ tungsvermögen bedeutungslos, wenn die Destinatäre und Begünstigten nicht mehr existierten. Die Chronisten erklären, dass die Götter ihre Kultbilder verließen102 und die Skulpturen zu leblosem Stein wurden.103
Kritik, Reform und Aufhebung
(4.) Während aus Indien Tausende von Ur‑ kunden über initiale Stiftungsakte erhal‑ ten sind, fehlen konkrete Zeugnisse zur Aufhebung beziehungsweise gar zur Re‑ stitution von einzelnen religiösen Stiftun‑ gen fast völlig. Dafür, dass dies nicht nur ein Problem der Überlieferung sein kann, sprechen die bekannten Kompilationen von Urkundenformularen. So finden sich in der ‚Lekkhapaddhati‘ (→ 5.6.2), die im 12. Jahrhundert in Gujarat entstanden ist, zwar Muster für Urkunden zur Konfiska‑ tion (vyā[s]edha)104 von früher vergebe‑ nen Dörfern, jedoch betreffen diese nicht religiöse Stiftungen, sondern weltliche Lehen.105 Lediglich ein Formular zur Res‑ titution (ud‑vyā[s]edha) von Land, das Brah‑ manen einst als Dotation zur steuerfreien Nutzung übergeben worden war, erwähnt indirekt dessen vorherige Konfiskation.106 Der brahmanische Chronist Jonarāja, der in der ersten Hälfte des 15. Jahrhun‑ derts die (zweite) ‚Rājataraṅgiṇī‘ verfasste, überliefert ein Beispiel für die widerrecht‑ liche Aneignung von Land durch Dritte und dessen spätere Restitution in eigener Sache: „Jonarāja sah sich durch eine Ur‑ kundenfälschung um Land betrogen: Sein Großvater Laularāja hatte in der zweiten Hälfte des 14. Jh.s ein Zehntel seines Lan‑ des unter schriftlicher Beurkundung privat verkauft. Damals war dessen ältester Sohn Nonarāja, Jonarājas späterer Vater, noch ein Kind gewesen. Bald nach dem Verkauf allerdings starb der Großvater Laularāja. Seine Kinder waren machtlos dagegen, daß die ihnen zustehenden neun Zehntel des Landes nun von anderen in Anspruch ge‑ nommen und genutzt wurden. Um sich die gesamte Landfläche unter dem Anschein von Rechtmäßigkeit anzueignen, wurde die Verkaufsurkunde von den Käufern schließlich gefälscht. Der Fall wurde aber erst dann in einer Versammlung gericht‑ lich verhandelt, als Zayn al‑ʿĀbidīn bereits
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regierte und als Jonarāja schon seine ein‑ flußreiche Stellung an dessen Hofe inne‑ hatte“107. Obwohl dem Text nicht eindeutig zu entnehmen, spricht einiges dafür, dass der Landbesitz von Laularāja aus einer Stif‑ tung hervorgegangen war, zumal es sich bei Jonarāja um einen gelehrten Brahma‑ nen handelte. Allerdings waren die Über‑ gänge zwischen religiösen Stiftungen an Brahmanen (brahmadeya) und Dienstlehen (→ 2.6.3) an brahmanische Beamte gerade im Spätmittelalter fließend. Die Fälschung bestand in einer Manipulation des auf Bir‑ kenrinde geschriebenen Originals.108 Auch Fälschungen konnten zur zeitwei‑ ligen oder – wenn sie nicht erfolgreich angefochten wurden – dauerhaften Auf‑ lösung von Stiftungen führen. Dies betraf vor allem Versuche von Privatpersonen, Dotationsgüter unrechtmäßig an sich zie‑ hen, und dürfte in erster Linie bei relativ
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kleinem Landbesitz in der Hand einzelner Brahmanen mitunter erfolgreich gewesen sein, zumal dann, wenn sich das gesell‑ schaftliche Umfeld – wie im islamisierten Kaschmir – zuungunsten der Brahmanen‑ schaft entwickelte. Auch manches in Gänze gefälschte Dokument wurde bereits im Mittelalter entlarvt. Für die Aufhebung einer zu Unrecht beanspruchten Stiftung bedurfte es – wie bei der Restitution einer echten Dotation – einer Intervention des Herrschers oder seiner Instanzen. So in‑ formiert in der Tarachandi‑Felseninschrift aus dem Jahr 1169, die im ostindischen Bihar entdeckt worden ist, ein Fürst seine Nachfahren darüber, dass die Brahmanen eines Dorfes von einem korrupten Beamten gegen Bestechungsgeld eine Landstiftungs‑ urkunde erhalten hätten, die als ungültig zu betrachten sei.109 (→ 5.6.3; 12.6.2) AS
Anmerkungen 1 L. H. Gray, Narrative of Bhoja (1950), 5; Lien- (zu) große Freigebigkeit (Kupfer) beziehungswei‑ hard, History of Classical Poetry (1984), 52. Zur großen Beliebtheit des Textes vgl. Oster, Rezen‑ sionen des Bhojaprabandha (1911), 37. 2 Zu Bhoja, dem wohl bedeutendsten Paramāra‑ König, vgl. Bhatia, Paramāras (1970), 74–96. 3 The Bhoj‑Prabandha of Sree‑Ballal. Ed. u. Übers. Saradoprasad Vidyabhusan. Kalkutta 31926, 107 f.; L. H. Gray, Narrative of Bhoja (1950), 48; Oster, Rezen‑ sionen des Bhojaprabandha (1911), 33: asya śrībhoja°. 4 Zur Auswertung vgl. auch Chhabra, Diplomatic of Sanskrit Copper‑Plate Grants (1951, ND 1995), 122. 5 Ein Trinkgefäß aus Leder barg für einen Brahmanen auch die Gefahr der rituellen Ver‑ unreinigung. 6 Am Ende der Anekdote wird der Brahmane allerdings zum Dank für seine Auskunft groß‑ zügig beschenkt. 7 Neben Kupfer mangelte es auch an Eisen, weil daraus Ketten für die Feinde des Königs geschmie‑ det wurden. Der Mangel steht metaphorisch für
se für politisch‑militärische Erfolge gegenüber gegnerischen Königen (Eisen). 8 Manu’s Code of Law. A Critical Edition and Translation of the Mānava‑Dharmaśāstra. Ed. Patrick Olivelle. Oxford 2005, 158 (Übers.); 627 (Text), Strophe 7.85. Vgl. auch Kane, History of Dharmaśāstra, Bd. 2.1 (1941), 115 f. In Urkunden werden Destinatäre nicht selten als ‚in den Veden bewandert‘ bezeichnet. 9 Heim, Theories of the Gift (2004), 65; zu an‑ deren Autoren vgl. Brekke, Religious Motivation (2002), 109. 10 Heim, Theories of the Gift (2004), 65; Brekke, Religious Motivation (2002), 108 f. 11 Heim, Theories of the Gift (2004), 77; 158, Anm. 52. 12 Stietencron, Orthodox attitudes (1977), 134. Der Begriff für ‚Göttereigentum‘ ist devasva. 13 Manu’s Code of Law. Ed. Olivelle (wie Anm. 8), 216 (Übers.); 841 (Text), Strophe 11.26.
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14 Ebd., 116 (Übers.); 476 (Text), Strophe 3.152. the Late Gupta and Early Post‑Gupta Periods. Ed. 15 Ebd., 117 (Übers.); 481 (Text), Strophe 3.180. Arlo Griffiths, in: Pratna Samiksha, N. S., 6, 2015, 16 Stietencron, Orthodox attitudes (1977), 133. 15–38, hier 16–27, Nr. 1. Der betreffende Terminus ist devakośopabhojin. 31 Zur Formel pūrvaprattadevabrahmadāyarahita 17 Deeg, Saṅgha of Devadatta (1999), 192 f. An‑ vgl. Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ dere Regeln bezogen sich auf den Genuss von Milchprodukten. 18 Ebd., 185–188; 193; 195. Dies betrifft den Be‑ richt des Xuanzang. Zu Yijing vgl. ebd., 187 f.; 191; 193–195. Auch Faxian hatte im 5. Jahrhundert Anhänger des Devadatta erwähnt. 19 Ebd., 192; 194 f. 20 Heim, Theories of the Gift (2004), 28; 79–81. 21 Ebd., 136. 22 Ebd., 132. 23 Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 202–204; 322 f.; 468, RāUr 25; 475, RāUr 47; 481, RāUr 63 f. 24 Heim, Theories of the Gift (2004), 134. Zu Spei‑ segeboten vgl. Granoff, Divine Delicacies (1998). 25 Vgl. Slaje, Buddhism and Islam (im Druck), [7]. Der Chronist Kalhaṇa äußerte Wertschätzung für die Anhänger des Mahāyāna, nicht jedoch für die der (alten) Schule des Sthaviravāda; vgl. ebd., 5. 26 Der Terminus kappiyakāraka bezeichnete Laienbedienstete, die für den Orden Dinge erle‑ digten, die den Mönchen nach den vinaya‑Regeln nicht gestattet waren; vgl. Silk, Managing Monks (2008), 44 f. 27 Die Verfasserin dankt Petra Kieffer‑Pülz für ihre englische Übersetzung dieser Passage, die sie am 27. 2. 2016 per E‑Mail übermittelt hat. Pülz übersetzt kappiyakāraka mit ‚legalizer‘ – siehe hierzu auch die vorige Anm. 26. Zum Pāli‑Text vgl. Samanta‑Pāsādikā: Buddhaghosa’s Commentary on the Vinaya Piṭaka, Bd. 6. Ed. Junjiro Takakusu. London 1947, ND 1982, 1238. Zu dieser Passage auch Gunawardana, Robe and Plough (1979), 57 f. 28 Zu einem Beispiel vgl. Schmiedchen, Herr‑ schergenealogie und religiöses Patronat (2014), 377. 29 Inscriptions of the Paramāras, Chandellas, Kachchhapaghātas and Two Minor Dynasties. Ed. Harihar Vitthal Trivedi, Bd. 2. (CII 7.2.) Delhi 1978, 106–114, Nr. 33, hier 114, Z. 39 f., Strophe 55. Zur engen Beziehung der Brüder vgl. ebd., 67–69, Nr. 21. Zu einem weiteren Austausch (parivartana) ebd., 126–129, Nr. 38, hier 129, Z. 1. 30 New Documents for the Early History of Puṇḍravardhana. Copperplate Inscriptions from
giöses Patronat (2014), 143; 145. Siehe auch Kane, History of Dharmaśāstra, Bd. 2.2 (1941), 863. 32 Schmiedchen, Epigraphical Evidence (2007), 366 f.; Inscriptions of the Kalachuri‑Chedi Era. Ed. Vasudev Vishnu Mirashi, Bd. 1. (CII 4.1.) Oota‑ camund 1955, 57–72, Nr. 16 f. 33 Schmiedchen, Epigraphical Evidence (2007), 368–370; Chandravati Plates of Chandradeva. V. S. 1150 and 1156. Ed. Daya Ram Sahni, in: Epigraphia Indica 14, 1917/1918, 192–209. 34 Three Copper‑Plate Charters of Mahabha‑ vagupta I Janamejaya from Gopalpur, Year 1, 10 and 12. Ed. Ajay Mitra Shastri / Snigdha Tripathy, in: Epigraphia Indica 43.1, 2011/2012, 91–137, bes. 114–126, Nr. 2. 35 Torkhede Copper‑Plate Grant of the Time of Govindaraja of Gujarat. – Saka‑Samvat 735. Ed. John Faithful Fleet, in: Epigraphia Indica 3, 1894/1895, 53–58, bes. 56, Z. 35. 36 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Vasudev Vishnu Mirashi. (CII 6.) Delhi 1977, 258–267, Nrn. 58 f., bes. 261, Z. 33; 266, Z. 16; 18; 22; Schmiedchen, Herrscher‑ genealogie und religiöses Patronat (2014), 311–316. 37 Salomon, Indian Epigraphy (1998), 166. Z. B. Nidhanpur Copper Plates of Bhaskaravarman. Ed. Padmanatha Bhattacharya Vidyavinoda, in: Epigraphia Indica 12, 1913/1914, 65–79. Es gibt auch Belege dafür, dass Kupfertafelurkunden als Ersatz für verbrannte Palmblattdokumente ausgestellt wurden: Kurud Plates of Narendra, Year 24. Ed. Moreshwar G. Dikshit, in: Epigraphia Indica 31, 1955/1956, 263–266; Sircar, Note on Kurud Plates (1955/1956), 267 f. 38 Konnur Spurious Inscription of Amogha‑ varsha I.; Saka‑Samvat 782. Ed. Franz Kielhorn, in: Epigraphia Indica 6, 1900/1901, 25–38, hier 34, Z. 71 f.; Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 203, Anm. 757. 39 Ebd., 35 f. 40 Njammasch, Fälscherwerkstatt (1993); Salomon, Fine Art of Forgery (2009). 41 Three Copper‑Plate Charters. Ed. Shastri / Tripathy (wie Anm. 34), 91–114, Nr. 1, bes. 100; 103; 109; 114, Z. 49–52.
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42 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ 60 Zur Formel pūrvaprattadevabrahmadāyarahita
ligiöses Patronat (2014), 461, RāUr 4; 465 f., RāUr 18 f.; 484, RāUr 71. 43 Ebd., 154. 44 Ebd., 155. 45 Zu den ‚großen Vergehen‘ zählten z. B. Brah‑ manenmord und Diebstahl; vgl. Manu’s Code of Law. Ed. Olivelle (wie Anm. 8), 217 f. (Übers.); 847 (Text), Strophe 11.55. 46 Pargiter, Verses (1912), 249–251. Zu diesen und weiteren Strophen vgl. auch Kane, History of Dharmaśāstra, Bd. 2.2 (1941), 862; 1271–1277; Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 170–201. 47 Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 419. 48 Purshottampuri Plates of Ramachandra: Saka 1232. Ed. Vasudev Vishnu Mirashi, in: Epigraphia Indica 25, 1939/1940, 199–225, hier 219, Z. 133 f., Stro‑ phe 52. Zu einer Variante dieser Strophe vgl. Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 181, Strophe 32. 49 Ebd., 183; 190, Strophe 98 und Anm. 6. 50 Ebd., 184, Strophe 55: „Wer eine Kuh, ein Goldstück oder nur eine halbe Daumenbreite Boden wegnimmt, kommt [so lange] in die Höl‑ le, bis die Flut entsteht.“ 51 Es gibt verschiedene Strophen, die mit svadattāṃ paradattāṃ vā beginnen; vgl. ebd., 195 f. 52 Ebd., 189, Strophe 91. Auch: „Weder durch tau‑ send Teiche noch durch hundert Pferdeopfer, auch nicht durch das Geben von zehn Millionen Kühen wird der Räuber von Land [wieder] gereinigt.“ Vgl. zu diesen Versen ebd., 197, Strophe 137 und Anm. 5. 53 Rashtrakuta Charters from Chinchani: 2. Grant of the time of Kṛishṇa III. Ed. Dinesh Chandra Sircar, in: Epigraphia Indica 32, 1957/1958, 55–60. 54 Furui, Merchant groups (2013), 393–395; zur Abbildung vgl. ebd., 394 oben. 55 Karashima, New Imprecations (2009), 101. 56 Ebd., 104. 57 Ebd., 102–107. 58 Vgl. die Bemerkungen des Herausgebers von Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi (wie Anm. 36), 127; 147; 153; 156; 161; 169; 172 f.; siehe auch ebd., Tafel 55 zwischen den Seiten 128 und 129. 59 Zu kanaresischen Formulierungen vgl. Narasimhia, Grammar (1941), 242 f.; zu Tamil‑Verwün‑ schungen siehe Krishnan, Literature and Epigraphy (1998), 21 f.; Karashima, New Imprecations (2009), 102–106.
siehe oben, Anm. 31.
61 Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 103; 148 f.; 208.
62 Ebd., 149, Anm. 528. 63 Erinnert sei an Strophen, die das Bewahren
einer Stiftung noch über deren ursprüngliche Errichtung stellten; vgl. ebd., 157. 64 Bakker, World of Skandapurāṇa (2014), 100–102. 65 Si‑Yu‑Ki. Buddhist Records of the Western World. Translated from the Chinese of Hiuen Tsiang (A. D. 629). Übers. Samuel Beal. London 1884, Bd. 1, 210–212; Bd. 2, 42; 91; 118; 121. 66 Panchrol (Egra) Copperplate Inscription of the Time of Śaśāṅka: A Re‑edition. Ed. Ryosuke Furui, in: Pratna Samiksha, N. S., 2, 2011, 119–130, hier 121, Z. 5. 67 Vgl. die Einleitung ebd., 119 und Anm. 2. 68 Carrithers, Herren der Insel (1989, ND 1995), 147. 69 Cūlavaṃsa. Being the More Recent Part of the Mahāvaṃsa. Ed. Wilhelm Geiger. London 1925–1927, ND 1980, 159, Strophen 55.20 f. 70 Gunawardana, Robe and Plough (1979), 86. 71 Cūlavaṃsa. Ed. Geiger (wie Anm. 69), 191, Strophe 77. Vgl. Gunawardana, Robe and Plough (1979), 204. 72 Gombrich, Theravada‑Buddhismus (1997), 170. 73 Gunawardana, Robe and Plough (1979), 89–94; 363. 74 Ebd., 55; 59 f. 75 Cūlavaṃsa. Ed. Geiger (wie Anm. 69), 198, Strophen 61.54–61. 76 Gunawardana, Robe and Plough (1979), 89; 210. 77 Zu Ceylon im 11. Jahrhundert vgl. Warnasuriya, Inscriptional Evidence (1944). Zu derarti‑ gen Vorgängen im burmesischen Königreich von Pagan im 12./13. Jahrhundert vgl. Taylor, Early Kingdoms (1992), 166 f. 78 Thapar, Somanatha (2004). 79 Ebd., 57. Es ist von mehreren tausend Dör‑ fern die Rede. 80 Ebd., 84. 81 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi. (wie Anm. 36), 158–161, Nr. 31; Schmiedchen, Herr‑ schergenealogie und religiöses Patronat (2014), 290 f. 82 Vgl. Slaje, Buddhism and Islam (im Druck), [2]. 83 Kalhaṇa’s Rājataraṅgiṇī. A Chronicle of the Kings of Kaśmīr, Bd. 1. Übers. Marc Aurel Stein.
426 Westminster 1900, ND Delhi 1961, Übers., 34, Stro‑ phe 1.200. Vgl. auch Slaje, Buddhism and Islam (im Druck), [6] und Anm. 50. 84 Kalhaṇa’s Rājataraṅgiṇī. Übers. Stein (wie Anm. 83), Übers., 208, Strophen 5.166–170. Vgl. zu diesem Abschnitt auch Jolly, Rechtshistorisches (1896), 86. 85 Kalhaṇa’s Rājataraṅgiṇī. Übers. Stein (wie Anm. 83), Übers., 248, Strophen 6.171–173. Vgl. auch Slaje, Buddhism and Islam (im Druck), [13] und Anm. 107. 86 Kalhaṇa’s Rājataraṅgiṇī. Übers. Stein (wie Anm. 83), Übers., 249, Strophe 6.175. Vgl. auch Slaje, Buddhism and Islam (im Druck), [6] und Anm. 50. 87 Kalhaṇa’s Rājataraṅgiṇī. Übers. Stein (wie Anm. 83), Übers., 352 f., Strophen 7.1090–1095. 88 Slaje, Buddhism and Islam (im Druck), [13] und Anm. 108. 89 Kalhaṇa’s Rājataraṅgiṇī. Übers. Stein (wie Anm. 83), Übers., 352, Strophe 7.1089. 90 Slaje, Buddhism and Islam (im Druck), [4] und Anm. 25 f. 91 Ebd., [4] und Anm. 27. 92 Kingship in Kaśmīr (AD 1148–1459). From the Pen of Jonarāja, Court Paṇḍit to Sulṭān Zayn al‑‘Ābidīn. Ed. u. Übers. Walter Slaje. Halle a. d. S. 2014, 126 f., Strophen 430 f. 93 Slaje, Buddhism and Islam (im Druck), [14]. 94 Kingship in Kaśmīr, Ed. u. Übers. Slaje (wie Anm. 92), 126 f., Strophe 432. 95 Ebd., 128 f., Strophen 433–435. 96 Slaje, Buddhism and Islam (im Druck), [14]. Zu Kenntnissen des Sultans von hinduistischer Mythologie vgl. Kingship in Kaśmīr. Ed. u. Übers. Slaje (wie Anm. 92), 128 f., Strophe 436. Auch ebd., 273, Anm. 376. 97 Ebd., 218 f., Strophe 834. Vgl. hierzu auch Slaje, Buddhism and Islam (im Druck), [9], Anm. 70. 98 Slaje, Bacchanal (2015), 24: „Die Entweihung des Tempels durch in Steinsärgen abgelegte bzw. direkt in der Tempelerde vergrabene Leichen, noch dazu solche einer nichthinduistischen Re‑ ligion, macht das Tempelareal für sakrale Hand‑ lungen von Hindus, die ihre Toten bekanntlich verbrennen, vollkommen unbenutzbar.“ 99 Kingship in Kaśmīr. Ed. u. Übers. Slaje (wie Anm. 92), 168–171, Strophen 596–604. Vgl. auch Ders., Buddhism and Islam (im Druck), [14] mit Anm. 122. 100 Ebd., [15], Anm. 127.
Kritik, Reform und Aufhebung
101 Ebd., [8], Anm. 68. 102 Kingship in Kaśmīr. Ed. u. Übers. Slaje (wie
Anm. 92), 166 f., Strophen 592 f. und B 747 f.; 168 f., Stro‑ phen B 751–760. Vgl. hierzu auch Ders., Buddhism and Islam (im Druck), [12], Anm. 99; [14], Anm. 114. 103 Die typischen Kultbilder (pratimā; → 3.6.3; 5.6.3; 6.6.3) waren Skulpturen aus Stein oder Me‑ tall. Metallene Statuen wurden eingeschmolzen, Steinplastiken zerstört und zum Teil als Spolien benutzt (→ 6.6.1). 104 Der Begriff vyāsedha, ‚Störung‘, taucht in urkundlichen Appellen auf, die Stiftung nicht zu schädigen. 105 Die Lekhapaddhati‑Lekhapañcāśikā. Briefe und Urkunden im mittelalterlichen Gujarat. Ed. und Übers. Ingo Strauch. (Monographien zur indi‑ schen Archäologie, Kunst und Philologie, Bd. 16.) Berlin 2002., 157 f.; 351 f., Abschnitt 2.21. Es han‑ delt sich um das Muster für die Anweisung eines Ministers an den zuständigen Regionalbeamten, in bestimmten Dörfern eine Konfiskation durch‑ zuführen. Gemäß der ‚Lekkhapaddhati‘ wurde ein solches Dorf als prasādagrāma, ‚Gunstdorf‘, charakterisiert und mit der Begründung konfis‑ ziert, dass der Fürst, in dessen Besitz sich das Dorf befinde, nicht im königlichen Heerlager erschie‑ nen sei. Vgl. auch ebd., 353, Abschnitt 2.22. Da Konfiskationen religiöser Stiftungen zumindest umstritten waren, sind Vorlagen dafür allerdings auch nicht unbedingt zu erwarten. 106 Ebd., 156 f.; 349–351, Abschnitt 2.20. Es han‑ delt sich um eine Art Ersatzurkunde für den Fall, dass der Brahmane seine Ansprüche nur mittels Zeugen belegen konnte. 107 Slaje, Kaschmir im Mittelalter (2005), 31. Zum Originaltext und dessen Übersetzung und Interpretation ebd., 32–34; siehe auch Kingship in Kaśmīr. Ed. u. Übers. Slaje (wie Anm. 92), 208–211, Strophen 801–808. 108 Birkenrinde (bhūrja) war ein in Kaschmir üblicher Beschreibstoff zur Ausstellung von Do‑ kumenten. 109 Tarachandi Rock Inscription of Pratapa‑ dhavala, V. S. 1225. Ed. Dinesh Chandra Sircar, in: Epigraphia Indica 34, 1961/1962, 23–27. Die ‚origi‑ nale‘ Fälschung der Kupfertafelurkunde ist auch bekannt; vgl. Sunahar Spurious Grant of Gaha‑ davala Vijayacandra. Ed. Ders., in: Epigraphia Indica 35, 1963/1964, 153–158.
19 Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
19.1 Die welthistorische Perspektive Vorbemerkung: Im Unterschied zu den Ar‑ tikeln 1–18, die im ersten Abschnitt jeweils eine Zusammenfassung der anderen Teile sowie einen Ausblick auf weitere Stiftungs‑ kulturen bieten, liegt hier der Hauptakzent auf der welthistorischen Perspektive. Die folgenden Beiträge der Expert_innen ha‑ ben eher die Funktion von Ergänzungen aus fachspezifischer Sicht. 19.1.1 Das Problem und die Methoden Diese Enzyklopädie ist transeuropäisch vergleichend angelegt und soll dazu beitra‑ gen, das Stiftungswesen als universale Er‑ scheinung historisch genauer zu erfassen. Komparative Studien durch eine Autorin oder einen Autor zu diesem Thema sind bisher selten und beschränken sich fast ausschließlich auf eine je bipolare Konstel‑ lation.1 Multiple Vergleiche verschiedener ‚Stiftungskulturen‘ werden in diesem Werk zum ersten Mal konsequent geboten, so be‑ grenzt und vorläufig ihre Ergebnisse auch sein mögen.2 Historische Vergleiche der einen wie der anderen Art sind lehrreich,
weil sie die Vielfalt der Welt ordnen und zur Duldung des Anderen und Fremden verhelfen 3, die Wissenschaft aber will Er‑ klärungen für Übereinstimmungen und Unterschiede. Ein Weg zur ‚causa rerum‘ führt über die Analyse der jeweiligen Kon‑ texte, ein anderer über die Kenntnis der Austauschbeziehungen. Im Falle der Stif‑ tungen mangelt es vollständig an explizi‑ ten Quellenäußerungen über Erfindungen (‚Inventionen‘), Reformen (‚Innovationen‘) und Nachahmungen (‚Imitationen‘) im in‑ terkulturellen Kontakt.4 Die Vergleiche lassen aber immerhin Annäherungen an eine Auskunft zu, wie sich die Stiftungen in der Vormoderne verbreitet und entfaltet haben mögen. Wenn diesem Ansatz im Folgenden nachgegangen wird, soll der historische Rahmen zunächst möglichst weit gewählt 5 und die Problematik dann aus der Sicht der einzelnen Disziplinen ergänzt werden. Stiftungen konnten erst nach der ‚land‑ wirtschaftlichen Revolution‘ entstehen, sie setzen Vorratshaltung und Mehrwertbil‑ dung voraus;6 dazu kommt eine wenigstens in Ansätzen arbeitsteilige Gesellschaft, da
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
es Spezialisten für die Stiftungsverwaltung und die Realisierung der Stiftungszwecke geben muss. Mögen im Stiftungsprozess auch viele Regelungen mündlich erfolgt und Nebenabsprachen dem Gedächtnis der Beteiligten anvertraut worden sein, ist Schriftlichkeit bei einer elaborierten Ein‑ richtung, die auf lange Sicht, wenn nicht ‚auf ewig‘ bestehen sollte, kaum entbehr‑ lich gewesen.7 Stiftungen wird man kaum erwarten, wo Menschen und menschliche Gruppen konzentriert in einer Siedlung verharrten und ihre Toten und Götter an traditionellen Plätzen verehrten, wohl aber, wo es Mobilität, also örtliche Entfrem‑ dung, mindestens innerhalb eines größe‑ ren Gebietes gegeben hat. Zweifellos sind Stiftungen also ein Phänomen komplexer Gesellschaften, und so ist es nicht überra‑ schend, dass sie zuerst in Hochkulturen mit großen Reichsbildungen 8 anzutreffen sind, nämlich in Ägypten und in Mesopotamien seit dem frühen dritten Jahrtausend vor unserer Zeit.9 Für das Alte China wären die gleichen Voraussetzungen seit dem Reich der Shang‑Dynastie mit ihrem Ahnen‑ kult und ihren Orakelinschriften um 1200 v. u. Z. gegeben gewesen, doch fehlen hier Stiftungsdokumente aus dieser Periode.10 19.1.2 Mesopotamien und Ägypten In Mesopotamien dominierten nach der Überlieferungslage die Götterstiftungen, in Ägypten Stiftungen für die Ahnen bezie‑ hungsweise die Toten.11 Beide Adressaten‑ kreise mussten die Menschen durch Opfer ‚ernähren‘, weil sie den allumfassenden Kosmos in Gang hielten und besonders die Lebenden zu schützen und zu för‑ dern hatten.12 Wirtschaftliche Grundlage konnte ein reichsweites Steuersystem sein; wenn die Götter, wie im Zweistromland, als Eigentümer des ganzen Landes galten,
wurden die Abgaben dem Hof für den Be‑ trieb zentraler Heiligtümer zugeführt.13 Stiftungen hatten in dieser Ordnung also ergänzende Funktion, sie trugen zur Ver‑ mehrung des Kultes bei oder kompensier‑ ten die Nachlässigkeit der dazu Verpflich‑ teten.14 Sowohl auf Seiten der Herrscher und der Herrscherfamilie als auch bei den übrigen wohlhabenden Mitgliedern der Gesellschaft bedingte persönlicher Besitz einen Spielraum für ‚Privatstiftungen‘.15 In Ägypten wurden die Könige als Her‑ ren und ‚Eigentümer‘ des Landes angese‑ hen.16 Die an den Palast abzuführenden Steuern dienten neben der Zentralver‑ waltung und den prominenten Kultstät‑ ten seit der Zweiten Dynastie (ca. 2800 bis ca. 2700 v. u. Z.) allmählich auch ei‑ ner persönlichen Wirtschaftsanlage des Pharao; diese hatte Bestand über seinen Tod hinaus und bildete, betraut mit der Versorgung seines Grabes, die Grundlage für königliche Totenstiftungen.17 Weiter differenzierend wurden neben den Maga‑ zinen für die Königsgräber solche für die Gräber der höchsten Beamten gebildet; es herrschte nämlich die Auffassung vor, dass die Könige für die Leute ihrer Zeit auch im Tod weiter auf ewig sorgen mussten.18 Eine fortschreitende Monumentalisierung der Königsgräber (seit der Dritten Dynas‑ tie) zwang zu einer Neuorganisation des ganzen Landes. Dem Wirtschaftshistori‑ ker Wolfgang Helck zufolge haben die aus der Ahnenverehrung hervorgegangenen Totenstiftungen zugunsten der Pharao‑ nen sogar den ägyptischen Staat und die ägyptische Wirtschaft hervorgebracht. Nicht nur musste nämlich die Bevölke‑ rung für die Arbeiten im Steinbruch wie beim Bau der Pyramidenanlagen herange‑ zogen werden; es ergab sich vielmehr ein Zwang zu ihrer Registrierung sowie zu ih‑ rer Versorgung während der Bauarbeiten: „Gleichzeitig aber steigt die Nachfrage nach
Die welthistorische Perspektive
ausgebildetem Personal: Facharbeitern, Schreibern, Planern, Verwaltern, ‚Vorge‑ setzten‘ jeglicher Art, sprunghaft in bisher nicht geahnte Höhen.“19 Zur Grundlage des königlichen Stif‑ tungswesens wurde eine Staatsdomänen‑ wirtschaft. Andererseits war der König dazu verpflichtet, seinen Dienern selbst ein würdiges Begräbnis mit angemessenem To‑ tenkult zu sichern.20 Aus diesem Anspruch leiteten manche Beamte, die in den Pro‑ vinzen mit der Verwaltung der Staatsgüter oder der königlichen (Toten‑)Tempelgüter beauftragt waren, das Recht ab, selbständig auf ihre Anteile zuzugreifen und eigene Totenstiftungen ohne Rücksicht auf den König zu errichten.21 Ein Diener der Fünf‑ ten Dynastie betonte zum Beispiel, dass er sein Grab „in einem Monat errichtet“ habe, und fügte hinzu: „Ich schuf dieses Grab wirklich aus meinem Besitz (…) und ich nahm nichts von anderen weg“22. Der Aufschwung von Privatstiftungen scheint aber zunächst nicht angedauert zu haben.23 Trotzdem ist die Verbreitung der To‑ tenstiftungen über den König hinaus von epochaler Bedeutung. Während im Alten Reich (bis etwa 2200 v. u. Z.) jede mensch‑ liche Existenz, besonders die des Beamten, ihren Sinn nur aus der Mitwirkung am Handeln des Königs bezogen hatte,24 ero‑ dierte die zentrale Stellung des Monarchen gegen Ende des Alten Reichs zugunsten des Individuums, das seine eigene Leistung stolz hervorhebt. Nicht mehr die treue Be‑ achtung der königlichen Befehle, sondern eigenverantwortliches Handeln, weitsich‑ tige Planung und unablässige Sorge mach‑ ten ein Leben fortan erinnerungswürdig und gaben ihm Sinn.25 Andererseits brach sich eine neue Ethik Bahn. In einer Schrift der Zeit wird der Einzelne aufgefordert: „Verhülle dein Angesicht nicht gegenüber dem, den du gekannt hast, sei nicht blind gegenüber dem, auf den du geblickt hast,
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stoße nicht zurück den, der sich bittend an dich wendet, sondern lass ab von die‑ sem Zögern, deinen Ausspruch hören zu lassen. Handle für den, der für dich han‑ delt!“26 Die gute Tat wird zugleich in einen Vergeltungszusammenhang gerückt. Der Wohltäter, neben dem König besonders der Beamte, kann als Lohn die Fortdauer seines Namens im Diesseits erwarten. Der unver‑ gleichliche Aufwand, den die Ägypter für ihre Grabmäler trieben, gründete in der Erwartung, unter den Nachlebenden nicht vergessen und mit ihren Taten gerühmt zu werden.27 Für Wohltaten zugunsten Drit‑ ter erwartete man irdische Güter, langes Leben, Gesundheit und die Gunst Phara‑ os.28 Meist handelte es sich allerdings um obrigkeitliche Hilfe, zu der die Beamten im Namen des Königs verpflichtet waren; deshalb beschränkten sich diese auch auf ihre Stadt oder den von ihnen verwalteten Bezirk.29 Aus den ‚Weisheitslehren‘ geht freilich auch hervor, dass jeder Einzelne zu Hilfen für Mitmenschen in Not auf‑ gerufen war.30 Caritative Leistungen für notleidende Mitmenschen standen neben den Opfern für die Götter und die seligen Toten.31 Die Ethisierung des menschlichen Han‑ delns ging mit einer Spiritualisierung ein‑ her; von größerem Nutzen als tausende Geschenke, so wurde gelehrt, sei der gute Charakter eines Menschen, Rechtschaffen‑ heit müsse zur Tat hinzutreten.32 In der Zeit unmittelbar nach Ende des Alten Reiches entstanden Texte über das Totengericht, in dem sich jeder Mensch für seine Taten im Diesseits rechtfertigen müsse. Im Toten‑ gericht werden die guten Taten des Men‑ schen gewogen und über seinen Aufstieg in den Himmel entschieden. Das Gericht ist also an die Idee der Unsterblichkeit gebunden. Jan Assmann zufolge ist das Totengericht die einzige religiöse Idee von zentraler Bedeutung, die Ägypten mit den
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
großen Weltreligionen verbinde.33 Auch die uns aus Christentum und Islam ver‑ trauten Ideen der Werkheiligkeit und des Lohngedankens waren schon den Ägyp‑ tern bekannt; allerdings war ihnen die Idee fremd, durch postmortale Werke der Wohltätigkeit für die Seele des Verstorbe‑ nen sorgen zu können. Solange der Leich‑ nam, etwa durch Einbalsamierung, für die Bestattung vorbereitet wurde, konnten die Hinterbliebenen den Weg des Verstorbenen begleiten, ohne ihm jedoch im Totengericht beistehen zu können.34 Die Lebenden hat‑ ten keine Interventionsmöglichkeit für das jenseitige Heil, das sich der Tote nur durch seine Werke zu Lebzeiten hatte verdienen müssen. Stiftungen mussten sich also auf den Kult beschränken, und zwar auf die Bewahrung der Erinnerung an den Ver‑ storbenen und auf die Sorge um sein Grab. Neben ihrem Beitrag zur Ausformung von ‚Staat‘ und ‚Wirtschaft‘ haben die ägyptischen Totenkultstiftungen seit etwa 2000 v. u. Z. epochalen Rang durch ihre Rolle als Ferment der Individualisierung und Ethisierung. Was sich in Ägypten in der sogenannten Ersten Zwischenzeit nach dem Alten und vor dem Mittleren Reich vollzog, hat Assmann zurecht den Erscheinungen der ‚Achsenzeit‘ zugeord‑ net.35 Diese war durch einen grundlegen‑ den Mentalitätswechsel gekennzeichnet, in dessen Mittelpunkt die Abwendung vom überkommenen Kosmosdenken, die Entdeckung des Individuums und damit verbunden der Durchbruch der Sorge für andere standen. Stiftungen für die Götter und die Ahnen hatten ihrer Genese nach der älteren Epoche der Menschheitsge‑ schichte angehört; sie waren Produkte ei‑ ner Auffassung des Daseins und der ‚Welt‘ gewesen, in der Lebende und Tote ihren Platz in der Einheit des Kosmos fanden. Um vom Diesseits zum Jenseits zu gelan‑ gen, waren die Menschen noch nicht auf
göttliche Hilfe oder eigene Leistung ange‑ wiesen. Zwar waren die Einzelnen in ihren Familien, Ständen und örtlichen Lebens‑ gemeinschaften in Solidarität verbunden, aber eine ethische Verpflichtung zur Hilfe der Fremden kannte man so wenig wie das Mitgefühl. Unbestimmt war auch der Wert des Individuums. Karl Jaspers und anderen zufolge wird die Zäsur der Achsenzeit zwar im Allge‑ meinen später, nämlich im ersten Jahrtau‑ send vor unserer Zeit, angesetzt, aber in Ägypten scheint sich dieser Durchbruch schon erheblich früher ereignet zu haben (ohne unangefochten geblieben zu sein). In seinem Zentrum stand hier wie anders‑ wo die Entdeckung der Transzendenz.36 Die Vorstellung vom Kosmos, die Men‑ schen‑ und Götterwelt als Einheit auffasste, wurde verdrängt durch die Trennung von Diesseits und Jenseits. Der Einzelne war nicht länger eingebunden in eine kosmi‑ sche Kultgemeinschaft, sondern musste die entstandene Kluft zwischen Hier und Dort selbst überwinden. Mit der Entdeckung der Transzendenz auf sich selbst verwiesen, erfuhr er sich als Subjekt, Persönlichkeit oder Individuum, also als ein je anderer zu seinen Mitlebenden.37 Im Unterschied zu Mesopotamien lässt sich also für Ägypten zweierlei konstatie‑ ren: Stiftungen haben hier in der Gestalt der Totenstiftungen für die Pharaonen den ‚Staat‘ wenn nicht geradezu hervor‑ gebracht, so doch tiefgreifend geprägt; und sie waren, wenigstens zeitweise, von achsenzeitlichem Denken bestimmt und haben zur Revolution der Individualisie‑ rung und Ethisierung beigetragen.38 Diese Unterschiede besagen allerdings nichts für die Frage gegenseitiger Einflüsse oder Ab‑ hängigkeiten zwischen Ägypten und dem Zweistromland, für die aber die räumliche Nachbarschaft beider Länder und Großre‑ gionen spricht.
Die welthistorische Perspektive
19.1.3 Indien Parallel zu Mesopotamien und Ägypten hat sich auch in Indien eine Hochkultur entfaltet. Die Indus‑ oder Harappa‑Kultur von etwa 2600 bis 1900 v. u. Z. war städti‑ scher Natur; ihr werden ein hierarchisches Sozialgefüge und entwickeltes Wirtschafts‑ system zugeschrieben, repräsentative und kultische Bauten wie Königsgräber, Tempel und Paläste konnten jedoch bis jetzt ar‑ chäologisch nicht nachgewiesen werden.39 Die Schrift war bekannt und wurde auf rund 5 000 Täfelchen, Siegeln und Amulet‑ ten eingraviert, ist aber von der Forschung bisher nicht entziffert; der jeweilige Text‑ umfang von durchschnittlich 5, maximal 21 Zeichen40 lässt Rückschlüsse auf komplexe Sachverhalte der Inschriften kaum zu. Es ist deshalb zweifelhaft, dass es Stiftungen schon in dieser Zeit gegeben hat. Deren Anfänge muss man nach der Zuwanderung der Āryas aus Zentralasien (um 1300 v. u. Z.) beziehungsweise nach der Sesshaftwerdung der Nomaden um die Jahrtausendwende suchen;41 schon die Überlieferung drängt also die anderen Stif‑ tungskulturen aus dem Blick zugunsten einer südasiatischen Binnenoptik. Eine Zäsur von großer Nachhaltigkeit war auch in Indien die ‚Achsenzeit‘, die hier später als in Ägypten, aber ungefähr parallel zu Persien und China anzusetzen ist. Indes‑ sen haben Jaspers und andere konstatiert, dass zwischen den asiatischen Varianten der Achsenzeit kein Austausch festge‑ stellt werden kann, sondern diese offenbar unabhängig voneinander emergierten.42 Obwohl Inder und Iraner gleicher räum‑ licher und ‚ethnischer‘ Herkunft gewesen waren,43 unterschieden sich namentlich die persischen (zoroastrischen) und indi‑ schen Lösungen der Transzendenzfrage fundamental. Das prägte auch das jewei‑ lige Stiftungswesen.
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Wohl nach Eindringen der mindestens vierzig Stämme in den Nordwesten des Subkontinents hatten die Āryas begon‑ nen, in den ‚Veden‘ ihr heiliges Wissen zu konservieren.44 In der ersten Periode war bereits neben den Ständen der Freien, des Adels, der Krieger und der Stammes‑ fürsten von Brahmanenpriestern die Rede, die zu wertvollen Stützen des entstehen‑ den Königtums wurden.45 Ähnlich wie im Zweistromland wurde den Königen wohl eine zentrale Rolle beim Opfer, also bei der Ernährung der Götter, zugeschrieben, während die Masse der Landbewohner die dafür notwendigen Gaben aufzubringen hatte.46 Die Brahmanen vollzogen die reli‑ giösen Rituale und unter anderem auch die Königsweihe, boten sich den Herrschern aber auch als gelehrte Ratgeber an.47 Mit Stiftungen förderten mittelalterliche Kö‑ nige die Brahmanen auch als Kolonisten und bei der politischen Durchdringung des Landes.48 (→ 2.6.3; 7.6.3; 16.6.3) Die herrscherliche Förderung begünstigte über die Priester hinaus deren Familien, denn das Brahmanentum konnte (und sollte) in der Sohnesfolge vererbt werden. (→ 3.6.2) Neben der direkten Bestiftung von Brah‑ manen, Brahmanenfamilien und Brahma‑ nengruppen gab es in Indien wie im Zwei‑ stromland und in Ägypten Götterstiftun‑ gen; diese richteten sich vordergründig an hinduistische Tempel. (→ 3.6.2; 8.6.3) Der (asketische) Hinduismus ging aus dem Brahmanentum hervor49 und bildete zu‑ sammen mit Jinismus und Buddhismus eine Trias indigener Erlösungsreligionen, die zu den mächtigsten Erscheinungen der ‚Achsenzeit‘ gehören. Auch die Priester‑ und Ritualreligion der Brahmanen wan‑ delte sich in diesem Kontext. Die geistige Wende wurde Mitte des ersten Jahrtau‑ sends vor unserer Zeit durch die Fixie‑ rung der ‚Upanischaden‘ eingeleitet, die zu neuen Bestandteilen des Veda wurden.50
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
Der in Indien überkommene Gedanke der Wiedergeburt wurde bereits in den ältesten Upanischaden im Sinne eines endlosen Kreislaufes modifiziert und zugleich eine entschiedene Ethisierung im kosmologi‑ schen Denken vollzogen.51 „Was aus ei‑ nem Mann wird“, so wurde nun gelehrt, „hängt davon ab, wie er handelt und sich verhält. Wenn seine Taten gut sind, wird aus ihm etwas Gutes werden. Wenn seine Taten schlecht sind, wird er sich zu etwas Schlechtem wandeln.“52 Wer gute Werke vollbrachte, dem war die Wiedergeburt als Brahmane oder als Angehöriger des obe‑ ren Beamten‑ oder Händlerstandes verhei‑ ßen; Menschen von schlechtem Verhalten mussten hingegen damit rechnen, aus dem schmutzigen Schoß eines Hundes, eines Schweins oder einer ausgestoßenen Frau wiedergeboren zu werden.53 Durch gute Werke sammelt der Ein‑ zelne Verdienste an, was ihm schon im Diesseits zugutekommen und Erlösung bringen kann. Keine der indischen Reli‑ gionen kennt allerdings wie Ägypten das postmortale beziehungsweise endzeitli‑ che Gottesgericht, so dass der guten Tat stattdessen eine automatische Vergeltung zugeschrieben wird. (→ 7.6.2; 8.6.2) Wer also beispielsweise einen Brahmanenpries‑ ter oder einen hinduistischen Tempel be‑ schenkte,54 erwartete das Heil nicht als göttliche Remuneration, er war aber auch auf keine Fürbitten seiner Adressaten an‑ gewiesen. Totenstiftungen und Memoria, wie in Ägypten und nichtindischen Erlö‑ sungsreligionen, waren auf dem südasi‑ atischen Subkontinent im Wesentlichen unbekannt. (→ 8.6) In scharfer Abgrenzung zum Ritualis‑ mus des alten Brahmanentums, aber auf der Grundlage der Taten‑ (karman-) und der Wiedergeburtslehre entstanden bald nach den ersten Upanischaden die beiden Asketenreligionen des Jinismus und des
Buddhismus.55 Stiftungen zugunsten der Mönche und Nonnen stellten eine welt‑ geschichtliche Invention (und stiftungsge‑ schichtliche Innovation) dar. Mahāvīra, der Begründer des Jinismus, lebte im 6. Jahr‑ hundert v. u. Z. (gest. wohl nach 527),56 der Buddha könnte sein Zeitgenosse gewesen, wird aber eher einer etwas späteren Epoche angehört haben.57 Die Jaina‑Quellen bezeichnen Mönche und Nonnen als die ‚Bindungslosen‘ und die ‚Frommen‘, aber auch als die ‚Unbe‑ hausten‘ und die ‚Anteil Suchenden‘, also die Almosen Begehrenden.58 Nach ihren Regeln sollten die Mönche auf ständiger Wanderschaft sein und von den Laien – den ‚Hausbewohnern‘ – mit Nahrung und in der Regenzeit vorübergehend mit Ob‑ dach versorgt werden.59 Die Laien konn‑ ten analog zu den Mönchen ‚Kleine‘ oder ‚Nachgeordnete Gelübde‘ ablegen, die aber den praktischen Erfordernissen des weltli‑ chen Lebens angepasst waren. Das fünfte von ihnen sah Spendenfreudigkeit und die Vermeidung großen Reichtums vor.60 Den Laien aber war es unmöglich, das ewige Heil zu erlangen;61 der einzige Heilsweg stand dem Mönch offen, selbst Nonnen konnten ihn nicht gehen, sondern mussten erst als Männer wiedergeboren werden.62 Die Jaina‑Mönche waren den Laien zu einer Gegenleistung verpflichtet, die in deren Belehrung bestand.63 Die radikale Unbehaustheit und Armut ließ eigentlich keine Stiftungen an Jaina‑ Mönche und ‑Nonnen zu. Trotzdem sind im mittelalterlichen Jahrtausend auch Tempel‑ und Klosterstiftungen für sie bezeugt.64 (→ 3.6.2) Die Stifter konnten freilich auf diesem Weg nur ihre Aussichten auf eine bessere Wiedergeburt erhöhen, nicht aber etwas für ihr Seelenheil tun. ‚Stiftungen für das Seelenheil‘ hatten im religiösen System des Jinismus überhaupt keinen Platz; Erlösung war nur möglich durch
Die welthistorische Perspektive
radikale Askese, die bis zum freiwilligen Hungertod führen konnte.65 Statt ewiger Wiedergeburt strebte der Jaina‑Mönch das vollkommene Erlöschen als Befreiung von jeder stofflichen Substanz an. Die Befrei‑ ung des jīva, der Seele oder des Lebens, zielte auf die völlige Bindungslosigkeit zur Welt einschließlich der Liebe, denn diese wecke Begehren; dies gilt auch von einer Gottes‑ oder Nächstenliebe. „Es gibt keine Gnade und Vergebung, keine Reue, welche die Sünde auslösche, und kein wirksames Gebet.“66 Der Jinismus wollte sich territorial auf das ‚reine Land‘ der Āryas zwischen In‑ dus und Ganges beschränken (und ist über Indien nie hinausgelangt),67 während sich der Buddhismus bis um die Mitte des ers‑ ten Jahrtausends unserer Zeit über den gesamten Subkontinent verbreitete. Er verlor dann seine Dynamik und ist seit dem 13. Jahrhundert nahezu ganz aus dem Land verschwunden;68 durch missionie‑ rende Wandermönche, Händler und die religiöse Präferenz von Herrschern hatte der Buddhismus indessen schon damals auch Süd‑, Südost‑ und Ostasien erfasst. Mit dem Jinismus teilt der Buddhismus das Streben nach Erlösung als Befreiung von der Welt, und hier wie dort steht die Gemeinschaft von Mönchen (und Nonnen) im Zentrum des religiösen Lebens und der Lehrtradition. Sein Gründer Siddhārtha Gautama 69 hatte im Alter von 35 Jahren die ‚Erleuchtung‘ erlangt und sich so den Ehrennamen ‚Buddha‘ verdient.70 Er hat‑ te sechs Jahre zuvor seine Familie und Heimat verlassen, um als wandernder Bet‑ telmönch die Unsterblichkeit zu suchen – nicht im Sinne eines ewigen Lebens wie die Christen oder Muslime, sondern in der Befreiung von der unendlich langen Reihe leidvoller Existenzen. Das nirvāṇa, das er wohlgemerkt schon zu Lebzeiten und sogar als junger Mann erreicht hatte, bestand in
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dem Verlöschen von Gier und Lebensdurst, Hass und Verblendung, und sollte bei sei‑ nem Tod als Achtzigjähriger mit dem Ende aller Körperfunktionen nur noch in das endgültige Nirvāṇa (parinirvāṇa) überge‑ führt werden. In der zweiten Hälfte seines Lebens widmete er sich dem Bemühen, schlechthin alle Wesen zum Nirvāṇa zu führen. Nach seiner Erfahrung, Überzeu‑ gung und Lehre konnte freilich nur jeder Mensch selbst zur erlösenden Einsicht ge‑ langen, dass alles vergänglich, leidensvoll und ohne dauerhaften Kern sei, dass also kein Gott und auch kein Mitmensch ihm dabei helfen könne. Der von ihm nach enttäuschenden Ergebnissen extremer As‑ kese entdeckte ‚mittlere Weg‘ war nur im religiösen Orden zu beschreiten. Dagegen konnte der Laie die Erlösung grundsätz‑ lich nicht erreichen.71 Im Gegensatz zum Brahmanismus und Hinduismus, die an die Existenz eines dauerhaften, ewigen Selbst glauben, lehnte der Buddha die Vor‑ stellung von einer Seele radikal ab. „Der Buddhismus ist die Lehre vom Nicht‑Selbst (anātmavāda)“.72 Menschen, die wie die Lai‑ en freigebig waren, sittlich handelten und gute Taten vollbrachten, hofften noch auf eine gute Wiedergeburt nach ihrem Tod, hielten also am Glauben an das eigene Selbst fest. „Der Glaube an ein ‚Ich‘ ist jedoch nicht zu vereinbaren mit buddhis‑ tischer Erkenntnis, der Überwindung des Begehrens und dem Weg zum Nirvana.“73 Wie im Jinismus sind die Mönche und Nonnen im Buddhismus auf die Hilfe der ‚Haushalter‘ angewiesen, die sie mit Al‑ mosen, Kleidung, Schlafstätten und Medi‑ zin (und Anderem) versorgen;74 allerdings waren sie selbst, im Unterschied zu den Jaina‑Mönchen, nicht zur persönlichen Armut verpflichtet75. Die Gegenleistung der Asketen für die Gaben der Laien be‑ stand wiederum in deren Belehrung.76 Auf die Verbesserung ihrer Wiedergeburt als
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
Lohn erworbenen Verdienstes sahen sich die Laien auf Dauer aber nicht beschränkt. Gegen Ende des letzten Jahrtausends vor unserer Zeit bildete sich eine neue Form des Buddhismus heraus, der Mahāyāna, ‚Großes Fahrzeug‘, genannt wurde und sich polemisch vom älteren Hīnayāna, ‚Klei‑ nes Fahrzeug‘, absetzte.77 Die Anhänger verpflichteten sich, die Laufbahn eines Bodhisattva, eines künftigen Buddhas, ein‑ zuschlagen. Im Unterschied zum Buddha selbst und seinen ersten Schülern wollten sie aus Mitgefühl den Eingang ins Nirvāṇa auf unvorstellbar lange Zeit hinausschie‑ ben und unzählige Existenzen durchlaufen, und zwar, um möglichst vielen Menschen auf ihrem Weg zur Erlösung helfen zu kön‑ nen. War im frühen Buddhismus (ebenso wie im Brahmanismus und Jinismus) noch die Vorstellung verbreitet gewesen, dass Gaben lediglich für ‚würdige‘ Empfänger bestimmt sein sollten, spielte die Unter‑ stützung von Bedürftigen im Māhāyana eine zentrale Rolle.78 (→ 18.6.2) Die Selbst‑ erlösungslehre ist hier eine überaus ein‑ drucksvolle Verbindung mit der ebenfalls buddhistischen Idee des Mitleids eingegan‑ gen,79 welche im Allgemeinen kennzeich‑ nend für Achsenzeitkulturen ist 80. Stiftungen dienten im Buddhismus nicht der Erlangung des Seelenheils, konnten aber als Wohltaten die eigenen Verdienste vermehren und die Aussicht auf trans‑ zendente Auslöschung verbessern. Auch wenn der Buddha gelehrt hatte, dass jeder Mensch nur aufgrund eigener Leistungen das Nirvāṇa gewinnen kann, lassen sich schon im älteren Buddhismus Gedanke und Praxis der Verdienstübertragung aus‑ machen;81 das belegen etwa Stiftungsin‑ schriften an religiösen Bau‑ oder Bildwer‑ ken in Mathura (Uttar Pradesh)82. Typisch für den Mahāyāna‑Buddhismus war, dass die Frommen das Heil auch für ihre Fami‑ lienangehörigen und schließlich für alle
Wesen erlangen wollten. Der Mönch wurde im Mahāyāna zum Dienstleister des Heils auch für andere. Durch die Laien wurde er in die Lage versetzt, Verdienst zu erwerben, das wiederum auf diese übertragen wer‑ den konnte. Insbesondere mit der Stiftung von Klöstern ließ sich spirituelles Kapital erwerben.83 Auch wenn sich die Erlösung, die Christen und Muslime von Stiftungen dieser Art erhofften, fundamental von de‑ nen der Inder unterschied, ähnelten Mo‑ tive und Formen der religiösen Stiftung insbesondere im Mahāyāna‑Buddhismus deutlich denen der westlichen Religionen. Anders als in Ägypten waren die Könige in Indien nicht die Hauptadressaten kul‑ tischer Stiftungen, und keine Rede kann davon sein, dass Stiftungen hier den ‚Staat‘ hervorgebracht hätten. Da keine Reichsreli‑ gion entstand, bedienten sich die Herrscher aller religiöser Gemeinschaften, indem und weil sie sie durch Stiftungen förderten; dabei trat sogar ihre persönliche religiöse Präferenz zurück. (→ 7.6.2) 19.1.4 China Wiederum anders verhielt es sich in China. Als Schlüsselbegriff für ‚stiften‘ gilt hier gongyang, ‚Nahrung darbringen‘, der sich „im ursprünglichen chinesischen Kontext auf die Versorgung der Eltern im Alter bezog, im weiteren Sinn aber auch Speise‑ opfer an Ahnen und Gottheiten bedeutet“84. Zum chinesischen Staatskult, denn von diesem muss für alle vormodernen Zeiten die Rede sein, gehörte dementsprechend neben der Verehrung himmlischer und chthonischer Mächte durch den Herrscher oder seine Beauftragten der Ahnenkult des jeweiligen Herrscherhauses.85 Seine klassi‑ sche Ausprägung hat der chinesische Ah‑ nenkult in der Zeit der Westlichen Zhou‑ Dynastie (ca. 1050–771 v. u. Z.) erfahren
Die welthistorische Perspektive
und als solcher Modellcharakter bis in die Gegenwart.86 Den Praktiken der Zhou‑ Periode lag die Annahme zu Grunde, dass „die Geister verstorbener Vorfahren über außergewöhnliche Kräfte verfügen. Man glaubte, dass die Ahnen ihren Kindern und Kindeskindern prinzipiell wohlgesonnen seien, ja ihnen zu Wohlstand und Ansehen verhelfen konnten; jene wiederum mussten sich die Gunst der Ahnen durch korrekte und pünktliche Verrichtung der Opferri‑ ten immer wieder von neuem verdienen. Vorfahren und Nachkommen lebten somit in einer Symbiose miteinander, in der die Lebenden ihre Ahnen durch Speiseopfer, und jene ihre Nachkommen durch Ein‑ wirken auf die Naturkräfte am Leben er‑ hielten“87. Die Opfer wurden durch rituelle Mahlzeiten vollzogen, bei denen sich ein Familienmitglied im Ahnentempel aufstell‑ te und die Ahnengeister ein menschliches Wesen als Medium benutzten. Die Sphären von Lebenden und Verstorbenen bildeten eine Einheit, wie es für kosmisches Ganz‑ heitsdenken ohne Transzendenzerfahrung typisch ist, aber mit Stiftungen konnte der Mechanismus von Gabe und Gegengabe bekräftigt werden.88 Eine deutliche Neuorientierung im chi‑ nesischen Denken datiert die Forschung in die spätere Zeit der Östlichen Zhou‑ Dynastie (770–221 v. u. Z.). Symptomatisch sei dafür ein nachlassender Grabkult ge‑ wesen;89 statt auf die Kommunikation von Lebenden und Toten sei es jetzt stärker auf die Trennung beider Sphären angekommen, was auf die Erfahrung der Transzendenz hindeutet90. Emblematisch für den Um‑ bruch stehen die ‚Gespräche‘ des Konfuzius (gest. 479 v. u. Z.), die entweder auf diesen selbst oder dessen Schüler zurückgeführt werden müssen. ‚Konfuzius‘ lehnte den Ahnenkult keineswegs ab, entzog sich aber klaren Aussagen über die Welt der Geister und Götter, um desto energischer auf die
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Pflichten gegenüber Mitmenschen, ‚Ge‑ sellschaft‘ und ‚Staat‘ hinzuweisen. Fragen nach dem transmortalen Dasein selbst soll Konfuzius dagegen ausgewichen sein.91 Schüler und Familie sorgten indessen für sein Andenken in Qufu, wo Konfuzius geboren und begraben worden war; ent‑ scheidend für den Konfuzius‑Kult wurde schließlich die Zuwendung der Kaiser.92 Der Gründer der Han‑Dynastie, Han Gaozu (reg. 206–195 v. u. Z.), war der erste, der am Konfuziustempel persönlich opferte. Die folgenden Herrscher statteten die ‚Kongs‘, Nachkommen des Konfuzius, mit erheb‑ lichen Ehren und Ländereien aus; in der mittleren Han‑Zeit verfügten sie bereits über 3 800 Haushalte, die ihnen für die Opfer an Konfuzius in ihrem Tempel über‑ tragen worden waren.93 Später spendete Kaiser Ming Taizu im Jahr 1368 u. Z. allein knapp 100 000 Morgen Land. Natürlich dienten die Gütergaben auch der Versor‑ gung der Kong‑Familie selbst.94 Zweifellos handelte es sich bei diesen materiellen Ausstattungen des Konfuzius‑Tempels von Qufu um Stiftungen, die freilich ‚nur‘ ei‑ nem diesseitigen Gedenken dienen und die lebenden Angehörigen des Beistandes ihres Ahnen versichern sollten. Die Signatur der ‚Achsenzeit‘, die sich bei ‚Konfuzius‘ trotz Festhaltens an der Ahnenverehrung an der entschiedenen Hinwendung zur innerweltlichen Ethik festmachen lässt, prägte auch den Daois‑ mus mit seinen grundlegenden Schriften.95 Das eine Werk, das ‚Daodejing‘, stamm‑ te zwar sicher nicht von einem einzigen Autor, dem angeblichen Zeitgenossen des Konfuzius, Laotse,96 geht aber mit seinen ältesten Schichten wohl ins 4. Jahrhundert v. u. Z. zurück und wurde in seiner heu‑ tigen Form vor allem im 3. Jahrhundert v. u. Z. verfasst.97 „Der wichtigste Beitrag des Daodejing zum Daoismus und zum chinesischen Denken überhaupt liegt in
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der neuen Bedeutung, die dem Wort ‚dao‘ gegeben wurde. Gewöhnlich (…) bedeutete es ‚Weg‘, ‚Methode‘ oder ‚Lebensregel‘, aber im Daodejing nimmt das ‚dao‘ zum ersten Mal die Bedeutung der ‚Letzten Wahrheit‘ an, des ‚Einen und Transzendenten‘, des ‚Unsichtbaren‘“98: „Das Dao ist die Quelle der Welt, der Punkt, zu dem alles zurück‑ fließt“99. Es ist also die Erfahrung der zerbro‑ chenen Einheit, die Erfahrung der Trans‑ zendenz, die den Ausgangspunkt für die Lehre des ‚Daodejing‘ bildete und den Daoismus bestimmte. Das zweite wichti‑ ge Grundlagenwerk, das ‚Zhuangzi‘, kann einer historischen Person zugeschrieben werden, dem Zhuang Zhou, der 290 v. u. Z. gestorben ist; allerdings gehen nur die ersten Teile auf ihn selbst zurück, andere stammen von späteren Verfassern.100 Im Unterschied zum ‚Daodejing‘ wendet sich das Buch von ‚Meister Zhuang‘ nicht an den Herrscher, sondern mit Ratschlägen und Geschichten zur rechten Lebensgestal‑ tung an jeden Menschen. In tiefer Versen‑ kung soll das Individuum sich selbst ver‑ lieren, um den kosmischen Strom des Dao als eigentliche Wirklichkeit zu erleben.101 Diese Tendenz zur Leere und Selbstver‑ gessenheit steht natürlich diametral einer Auffassung vom individuellen Seelenheil entgegen, wie dies etwa die monotheisti‑ schen Religionen Christentum und Islam anstreben. Andererseits lassen sich den frühen Schriften auch Tendenzen der chi‑ nesischen Kultur zur Lebensbejahung des Einzelnen ablesen. Als der Daoismus als Religion seine besondere Gestalt gewann, das war in der späten Zeit der Han‑Dy‑ nastie (23–220 u. Z.),102 konnten deshalb auch gewisse Lehren und Techniken der Lebensverlängerung beziehungsweise des Strebens nach (diesseitiger) Unsterblichkeit einwurzeln und hier sogar ihre für China stärkste Ausprägung erfahren103.
Seit den Anfängen des religiösen Dao‑ ismus wurden Tempel errichtet und ge‑ braucht; vom 6. Jahrhundert und bis zur Gegenwart setzte sich ein daoistischer Klerus als Beruf mit ritueller Spezialisie‑ rung durch.104 Einen nachhaltigen Wandel im religiösen Leben Chinas, der auch das Stiftungswesen betraf, löste die Rezeption des Buddhismus, besonders des Mahāyāna, seit dem 2. Jahrhundert aus.105 Die Lehren von den Wiedergeburten, den Höllenqua‑ len und vom Verdiensterwerb sowie – seit dem 4. Jahrhundert – das Eindringen des Mönchtums haben auch den Daoismus tief‑ greifend verändert.106 Die indische Lehre vom Vergeltungsmechanismus führte dem Einzelnen die Folgen seiner guten und bösen Taten vor Augen und lockerte seine familiären Verantwortlichkeiten; die Ah‑ nen, von denen er nach alter chinesischer Überlieferung Hilfen und Wegweisungen erwartet hatte, wurden nun, in die Höllen verbannt, selbst seiner Hilfen bedürftig, um ihr transmortales Heil zu finden.107 Priestern und Mönchen wuchs die Auf‑ gabe zu, durch religiöse Kulthandlungen, Rezitationen und Bußwerke Verdienste zu erwerben, die sie auf andere, besonders auf Verstorbene, übertragen konnten. Die zentrale Stellung buddhistischer Klöster im mittelalterlichen China haben Jacques Gernet und andere eindrucksvoll demonstriert.108 Mit ihnen wurde ein dem einheimischen Denken ursprünglich frem‑ des Element implantiert; wo der Einzelne ins Kloster eintrat, ist in der Überliefe‑ rung bezeichnenderweise vom „Austritt aus der Familie“ die Rede.109 Mit den bud‑ dhistischen Klöstern gelangten die bud‑ dhistischen Klosterstiftungen nach China; nach dem Vorbild der Buddhisten began‑ nen auch die Daoisten, sich als Mönche und in Klöstern zu organisieren.110 Die indische Klosterstiftung erfuhr also in China auch eine Imitation.111 Gaben an
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Priester und Mönche und damit auch Stif‑ tungen dienten im Daoismus nach der Rezeption des Mahāyāna‑Buddhismus mit seiner Verdienstlehre dazu, Gebete, Für‑ bitten und andere religiöse Leistungen zu erwirken, die dem postmortalen Heil des Spenders zugutekamen. Im Unterschied zum Buddhismus war das Endziel aber nicht das Nirvāṇa, sondern die Vereini‑ gung mit dem Dao, in dem der Einzelne nicht verloren ging.112 Religiöse Stiftungen dieser Art kamen deshalb den ‚Stiftungen für das Seelenheil‘ sehr nahe, die wir aus dem Westen kennen, wenngleich es an ei‑ ner klaren Gerichtsvorstellung und einem persönlichen Gott‑Mensch‑Bezug gebrach. Trotz der Vorzeichen des religiösen Plu‑ ralismus stellt sich das Verhältnis der Herr‑ scher zum Stiftungswesen in China anders dar als in Indien. Im ostasiatischen Reich (bzw. den Reichen Chinas) gab es einen Staatskult, der stark vom Konfuzianismus geprägt war und der Daoismus und Bud‑ dhismus mit ihren religiösen Einrichtun‑ gen und Gemeinschaften gegenüberstand. Alle wurden indessen von den Kaisern und Fürsten gefördert beziehungsweise bestiftet, wenn auch natürlich mit ver‑ schiedenen Akzenten von Zeit zu Zeit und Raum zu Raum.113 19.1.5 Persien und der Westen Die süd‑ und ostasiatischen Stiftungskultu‑ ren hatten ursprünglich Anteil an den auch sonst verbreiteten Zwecken der Ahnen‑ und Götterverehrung, dienten dann aber nach der achsenzeitlichen Wende eher ethi‑ schen und humanen Zielen. Auch wenn sie jetzt oft von Erlösungsreligionen geprägt waren, sollten sie einer Verlängerung des diesseitigen Lebens oder aber der Auslö‑ schung der menschlichen Existenz, min‑ destens dem Aufgehen des Individuums im
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Ganzen oder All, dienen. Eine ganz andere Vorstellung vom menschlichen Heil, näm‑ lich von persönlicher Glückseligkeit und gesteigertem Leben nach dem Tod, vermit‑ teln die achsenzeitlichen Religionen des Westens; meistens hingen sie einem Ein‑ gottglauben an und manifestierten sich im Typ der ‚Stiftungen für das Seelenheil‘.114 Dessen erste Ausprägung ist im persischen Zoroastrismus zu suchen und begegnet besonders im Christentum und Islam. Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass die Wurzeln des okzidentalen Stiftungswesens seit dem Mittelalter insofern weniger bei ‚heidnischen‘ Griechen und Römern als bei mittel‑ und vorderasiatischen Erlösungs‑ religionen zu suchen sind. Wie in anderen Kulturen der Alten Welt hatten Götter‑ und Ahnenstiftungen auch in Griechenland und im römischen Reich Urformen von Stiftungen gebildet. Werke dieser Art begegnen bei den Griechen seit dem frühen 4. Jahrhundert v. u. Z., Stiftun‑ gen für die Toten seit dem 3. Jahrhundert.115 Seit dem Hellenismus waren das griechi‑ sche und römische Stiftungswesen auch von einer Erscheinung geprägt, die als Eu‑ ergetismus bezeichnet wird.116 Damit ist die freiwillige oder moralisch beziehungsweise rechtlich gebotene Schenkung von Wohlta‑ ten an die Allgemeinheit gemeint, sei es des ‚Staates‘, sei es einer Stadt;117 das Niveau der bedingungslosen Liebe zu Bedürfti‑ gen gleich welchen Standes und welcher Herkunft, wie sie später das Christentum verlangte, hat der Euergetismus nicht er‑ reicht. Neben der Alimentarversorgung118 sowie dem Toten‑ und Erinnerungskult119 boten sich für religiöse Stiftungen noch in der römischen Kaiserzeit nur geringe Spielräume. Die öffentlichen Kulte waren eine staatliche Angelegenheit,120 und ohne Zustimmung der Magistrate konnten Bür‑ ger in diesem Sinne nicht tätig werden121. Mit der Errichtung neuer Heiligtümer oder
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Kultbilder waren nämlich Belastungen der Staatskasse für den Unterhalt und die pe‑ riodischen Feierlichkeiten verbunden. An gestifteten Ländereien für die Finanzierung von Priesterkollegien bestand wohl auch kaum Bedarf, weil diese viel beschränkter im Umfang waren als der Klerus in reli‑ giösen Systemen, in denen dieser jeden Menschen erreichen sollte;122 überdies re‑ krutierten sich die heidnischen Priester oft aus wohlhabenden Familien, die auf ihren Lebensunterhalt durch Stiftungserträge gar nicht angewiesen waren123. Anders als im heidnischen Rom sind ‚Stiftungen für das Seelenheil‘ in Iran min‑ destens seit dem Reich der Sasaniden (221– 642/651 u. Z.) nachgewiesen;124 sie sind aber von viel älteren Ideen geprägt, die auf die religiöse und ethische Reform des angebli‑ chen Priesters und Propheten Zarathustra zurückgeführt werden. Jaspers hatte die‑ sen zu den Protagonisten der ‚Achsenzeit‘ gezählt,125 aber ob Zarathustra wirklich gelebt hat und gegebenenfalls dem ersten oder schon dem zweiten vorchristlichen Jahrtausend angehört hat, ist in der gegen‑ wärtigen Forschung umstritten126. Haupt‑ quelle für das zoroastrische Denken ist das ‚Avesta‘, das nach jahrhundertelanger mündlicher Überlieferung unter den Sa‑ saniden schriftlich fixiert wurde.127 Als Iraner war Zarathustra, seine historische Existenz unterstellt, Angehöriger eines mit den Indern stammverwandten Volkes, das im dritten vorchristlichen Jahrtausend aus der asiatischen Steppe nach Süden ge‑ zogen war. Die ursprünglichen religiösen Vorstellungen und Praktiken dieser Hir‑ ten und Bauern glaubt die Wissenschaft durch Vergleich des ‚Avesta‘ mit der alt‑ indischen Überlieferung erschließen zu können. Danach opferten die alten Iraner dem Feuer und dem Wasser unter Gebe‑ ten für die Seelen von Mensch und Tier: „Wir verehren unsere eigenen Seelen und
diejenigen der Nutztiere, die uns ernäh‑ ren, (…) sowie die Seelen nützlicher wilder Tiere.“128 Die Gaben, die vielen Göttern dar‑ gebracht wurden, sollten sowohl die Welt in Gang halten als auch das menschliche Leben positiv beeinflussen. Man glaubte, wie vermutet wird, an eine postmorta‑ le Existenz des Einzelnen, die durch die Nachlebenden zeitweise entscheidend be‑ einflusst werden konnte.129 Allerdings ging es wohl nur um die postmortale Existenz von Fürsten, Kriegern und Priestern,130 und auch nicht um ein ‚Heil‘ im Sinne eines gesteigerten Lebens als Gabe Gottes oder der Götter, sondern um dessen blo‑ ße Fortsetzung. Im Unterschied zu einer Förderung des ‚Seelenheils‘ spricht man deshalb vom ‚Seelenkult‘ im Sinne einer Variante des Totenkults.131 Zarathustra soll die Offenbarung eines höchsten Gottes gehabt und einige funda‑ mentale Änderungen durchgesetzt haben, die achsenzeitlich konnotiert sind. Im Mit‑ telpunkt stand die Entdeckung des Indi‑ viduums, das sich zwischen Gut und Böse zu entscheiden hatte und sich für seine Taten in einem endzeitlichen Gottesgericht nach ägyptischem Muster zu rechtferti‑ gen hatte.132 Bahnbrechend war weiterhin die Botschaft, dass allen Menschen jeden Geschlechts und Standes der Zugang ins Paradies möglich, also das Heil für seine Seele erreichbar sei.133 Stiftungen hatten nun den Zweck, aber auch die Kraft, den Aufstieg der Seele wie durch Gebete und Opfer durch Leistungen der Wohltätigkeit auch postmortal zu fördern. Für die Verbreitung des Zoroastrismus waren die persischen Reichsbildungen ent‑ scheidend; eine Schlüsselrolle spielten wohl schon der Achaimenide Kyros der Große (559–530 v. u. Z.)134 und dann beson‑ ders der Sasanide Ardašīr (224–239/240?)135. Berühmt ist die Stiftungsinschrift von Ardašīrs Sohn Šābuhr I. an einem Turm
Die welthistorische Perspektive
bei Persepolis, die auch das Motiv der Sor‑ ge für andere anklingen ließ.136 Eine gro‑ ße Sammlung von Rechtsentscheidungen kurz vor Beginn der arabischen Eroberung behandelt sowohl Stiftungen für religiöse Zeremonien, die teilweise zugunsten des Stifters ausgeführt werden sollten und ei‑ ner älteren Schicht von Seelenkultstiftun‑ gen zuzuordnen sind, als auch die neueren ‚Stiftungen für das Seelenheil‘.137 In der Forschung ist wiederholt erörtert worden, ob das sasanidische das islamische Stiftungswesen beeinflusst hat,138 aber nur wenig hat man darüber nachgedacht, ob die zoroastrischen Stiftungen für die Seele auch Vorbilder der christlichen ‚Stiftungen für das Seelenheil‘ oder für Stiftungen im Judentum gewesen sein könnten.139 Dabei hat es kulturelle Kontakte zwischen Per‑ sern und Griechen beziehungsweise Juden mindestens seit den Zeiten Kyrosʼ des Gro‑ ßen und besonders der Sasaniden gegeben. Eher auszuschließen ist lediglich das um‑ gekehrte Verhältnis von christlichen Vor‑ bildern für die sasanidische Praxis, da die Kirche kaum Stiftungen entgegennehmen konnte, bevor Kaiser Konstantin der Große die christlichen Gemeinden anderen Reli‑ gionsgemeinschaften gleichgestellt (311/313) und ihnen Vermögens‑ und Erbfähigkeit zugebilligt hatte (321).140 Während die Analogien zwischen zo‑ roastrischen und christlichen ‚Stiftungen für das Seelenheil‘ bisher nicht erörtert wurden, hat Jan Assmann, ohne auf Stif‑ tungen selbst einzugehen, eine besondere Verwandtschaft zwischen der altägypti‑ schen Religion und der Lehre des Christen‑ tums konstatiert141: Beide verbanden eine Sehnsucht nach Erlösung vom Joch der Vergänglichkeit und die Idee vom Jenseits als Ort der Gerechtigkeit. Unsterblichkeit des Individuums stehe wie in Ägypten im Zentrum der christlichen Botschaft. Was beide Religionen verband, habe sie
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indessen scharf von der alttestamentlichen Lehre abgesetzt, denn Israel sei die Idee der persönlichen Unsterblichkeit fremd gewesen. Die Gerechtigkeit Gottes habe sich nicht im Jenseits, sondern im Diesseits erfüllt und sei nicht dem Einzelnen, son‑ dern dem Gottesvolk im Ganzen verheißen. In seinen Nachkommen habe der Mensch weiter gelebt. Mit Mesopotamien und den Griechen habe das alte Israel eine Todes‑ welt gekannt, die nichts mit dem ‚Elysium‘ des ägyptischen Totenglaubens oder dem Paradies der Christen gemeinsam hatte. Ob es zutrifft, dass dem antiken Juden‑ tum mit dem Glauben an die persönliche Unsterblichkeit derjenige an die Existenz der Seele unbekannt gewesen sei, ist in der alttestamentlichen Wissenschaft umstrit‑ ten,142 die Ausrichtung auf das jenseitige Seelenheil hat aber schon im frühesten Christentum eine viel größere Rolle als im alten Judentum gespielt. Das ist na‑ türlich für die Frage nach dem Aufkom‑ men von ‚Stiftungen für das Seelenheil‘ relevant. Allerdings hat sich die Idee des Seelenheils auch bei den Christen nur all‑ mählich entfaltet. Jesus selbst widmete sich kaum der Auferstehungsfrage, da er die Ankunft des Gottesreiches in nächster Zeit erwartete.143 Auch Paulus lebte in der Zuversicht baldiger Auferstehung (1 Thess 4.16 f.). Als den ersten Christen klar wurde, dass sich die Verheißung der Endzeit nicht sogleich erfüllen würde, mussten sie über den Verbleib der Verstorbenen nachden‑ ken. Ein bedeutendes Ergebnis wurde die Annahme eines Zwischenaufenthalts der bußfertigen Seele nach dem Tod,144 so dass die Nachlebenden mit Gebeten und Gaben zu ihren Gunsten intervenieren konnten. Christlicher Norm gemäß konnte der Gläubige auf zweierlei Weise zum Seelen‑ heil gelangen: durch die Barmherzigkeit Gottes oder durch eigene Leistung. Obwohl Jesus selbst lehrte, dass der Mensch vor
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Gott kein Verdienst erwerben könne, gab er das uralte Vergeltungsprinzip keineswegs auf, sondern empfahl seinen Jüngern das Gebet: „Und erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern er‑ lassen haben“ (Mt 6.12). Die Vorstellung vom vergeltenden Ausgleich drang bald wieder in den Vordergrund und bestimmte das christliche Denken über Himmel und Hölle.145 Gott wurde geradezu zum Schuld‑ ner gemacht, der menschliche Leistungen zu begleichen habe.146 Entsprechendes galt für den Sünder. Für das christliche Stiftungswesen be‑ deutsam wurde der Gedanke, das Seelen‑ heil anderer Menschen mit Gebeten und guten Werken fördern zu können; diese Lehre entwickelte sich schon in der Früh‑ zeit der Gemeinden. Neben Gebeten und Messfeiern wurden Almosen als Opfer für die Läuterung der Verstorbenen auf‑ gefasst.147 Schon in der Frühzeit ihrer Ge‑ schichte gelang es der Kirche, sich selbst zum Adressaten frommer Gaben für das Seelenheil zu machen. Dazu kam, dass sich die Gemeinden der Christen von jeher zur Caritas verpflichtet fühlten und eine ge‑ ordnete Liebestätigkeit entwickelten, die der Alten Welt in dieser Weise unbekannt gewesen war.148 Dabei sollte jedem Notlei‑ denden ohne Ansehen der Person Barm‑ herzigkeit erwiesen werden. Die Gaben konnten als einfache Schenkungen an die Kirche erfolgen, oder aber als Stiftungen, die auf Dauer caritatives Wirken aus dem unvergänglichen Stiftungsgut ermöglichen sollten. (→ 7.2; 8.2) Sobald sie allerdings in die Verfügung der Kirche übergingen, konnte der Bischof Anspruch auf freie Verfügung erheben, so dass ein dauernder Stiftungszweck keineswegs gesichert blieb. Andererseits wurden fromme Stiftungen im Christentum stets auch von den Erben der Stifter oder durch Konfiskationen sei‑ tens der weltlichen Obrigkeit (Monarchen,
Städte) bedroht. Es ist deshalb keineswegs allein überlieferungsbedingt, dass in By‑ zanz, dem christlichen Kaiserreich des mittelalterlichen Ostmediterraneums, die meisten Stiftungsdokumente für Klöster überliefert sind. (→ 2.5.3; 5.5.3) Monas‑ tische Gemeinschaften hatten nämlich einen natürlichen genossenschaftlichen Selbstbehauptungswillen, der sie zum Wi‑ derstand gegen Übergriffe durch ‚Kirche‘ und ‚Staat‘ und deshalb auch zur Wahrung des Stifterauftrags prädisponierte. Ähnlich war es im Bereich der lateinischen Kirche des Westens.149 Auf der arabischen Halbinsel sind Stif‑ tungen inschriftlich schon vor Aufkom‑ men des Islam bezeugt; nachgewiesen sind religiöse Gaben für Götter und Priester, aber auch für den Totenkult. Als Grund‑ lage kommen römische, hellenistische, jüdische oder sasanidische Einflüsse in Betracht, ohne dass Genaueres bekannt oder eine einheitliche Forschungsmei‑ nung erreicht wäre. (→ 4.3.1) Eine Stätte persischer Nachwirkungen war die Oase Taimāʾ an der Weihrauchstraße, die den Lebensraum der Araber im Süden mit dem östlichen Mittelmeer (Gaza, Syrien) sowie dem Zweistromland und Südirak verband.150 Vor der Unterwerfung seines Reiches durch Kyros hatte sich hierhin der König Nabonid von Babylon für zehn Jahre zurückgezogen (zwischen 556 und 539 v. u. Z.); er wurde offenbar von jüdi‑ schen Wehrpflichtigen begleitet, hatte sein Heer aber auch durch griechische Söldner angefüllt.151 In Taimāʾ tragen Steinsäulen oft aramäische Inschriften, hatten also die Sprache eines bedeutenden Händlervol‑ kes adaptiert, die Babylonier und Perser als offizielle Reichssprache gebrauchten. Um 400 v. u. Z. geriet die Oase offenbar in Abhängigkeit von dem regionalen König‑ tum von Liḥyān.152 Ein Amtsträger die‑ ses Reiches ließ eine Säule errichten, die
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von der Stiftung eines Tempels Zeugnis ablegt. Eingemeißelt sind eine geflügelte Sonnenscheibe, eine Mondscheibe und der von einem Kreis umschlossene achtspitzi‑ ge Venusstern; neben den so erkennbaren mesopotamischen Gottheiten wandte sich der Inaugurator ausdrücklich noch an drei andere Götter, nämlich an das sogenannte ‚aramäische Pantheon‘, das aus Nordsyrien nach Taimāʾ gelangt sein soll.153 Es handelt sich aber nicht nur um eine Stiftung zur Verehrung der Götter, für die Einzelne oder die Gemeinde im Ganzen Wohlergehen im Diesseits als göttliche Gegengabe erwarten konnten; der Erbauer hatte sie nämlich auch dem „Leben seiner Seele“ und demje‑ nigen seiner Nachkommenschaft gewidmet. Soll man also von einer Seelenheilstiftung unter persischem Einfluss sprechen? Of‑ fenkundig schrieb der Stifter den Göttern zwar einen entscheidenden Einfluss auf das Geschick der Seelen zu, was über eine bloße Seelenkultstiftung hinausginge, doch fehlt jeder Hinweis auf ein transmortales Gericht und auf caritative Wohltaten, die einen Anspruch auf Seelenheil besonders begründen könnten. Neben babylonischen und aramäischen sind persische religiö‑ se Einflüsse mit der zoroastrischen Ver‑ heißung einer ewigen Remuneration für die Güte des Stifters nicht unzweideutig fassbar.154 Das Gleiche gilt für eine wei‑ tere Kultstiftung aus derselben Zeit, die der Stifter „für das Leben seiner Seele“ er‑ richtet hat,155 und für eine Inschrift aus nabatäischer Zeit (1. Jahrhundert v. u. Z.). Danach hatte ein ʾAḫbōl, Schutzbefohlener der Ḥaṭmah, der arabischen Schicksalsgöt‑ tin Manawah „für das Leben seiner Seele und der Seele seiner Nachkommenschaft in Ewigkeit“ gestiftet.156 Wie Ignacio Sánchez festgestellt hat, fehlen Studien über einen Zusammenhang älterer Stiftungen mit dem waqf. (→ 4.3.2) Andererseits hat sich neuerdings die
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Meinung durchgesetzt, dass muslimische Stiftungen nach ihren Intentionen neben die christlichen ‚Stiftungen für das See‑ lenheil‘ gestellt werden können.157 (→ 7.3; 8.3; 9.3) Allerdings waren die dafür maß‑ geblichen Jenseitsvorstellungen besonders in frühislamischer Zeit ähnlich unklar wie im Christentum oder im Judentum.158 Heidnische Traditionen emphatischer Dies‑ seitigkeit behaupteten sich neben der Of‑ fenbarung des schaffenden und richtenden Gottes, der Höllenstrafen und der Para‑ diesesfreuden. Kein Zweifel besteht aber daran, dass auch im Islam die heilsbezo‑ gene Sorge für die Toten durch Gebet und Wohltätigkeit weit verbreitet war. Der Ko‑ ran schärft zwar ein, dass jeder Einzelne im Endgericht für seine Taten und seinen Glauben Rechenschaft schulde, dass es nun zu spät sei, neue gute Werke zu verrichten, und ihm niemand zu Hilfe kommen könne; doch wurde in sunnitischer Überlieferung schon früh festgestellt, dass zu Lebzeiten vollzogene gute Werke auch nach dem Tod weiterwirken und das Schicksal des Wohl‑ täters günstig beeinflussen könnten. In zahlreichen Hadithen werden Verwandten und Freunden auch verschiedene Hinweise gegeben, wie sie dem Verstorbenen seinen Aufenthalt im Grab angenehmer machen könnten.159 Generell unterschieden wer‑ den zwei Kategorien der stellvertretenden guten Tat: das Weinen um den Toten und das Gebet beziehungsweise Almosenge‑ ben zu seinen Gunsten.160 (→ 8.3; 9.3) Wie maßgeblich analog zum Christentum das Motiv jenseitiger Vergeltung und die Hil‑ fe der Lebenden, aber auch die Fortdauer des Stifterruhms, bei den muslimischen Stiftungen eine Rolle spielten, zeigen ex‑ emplarisch die großangelegten Stiftungen von Täbris aus dem 14. Jahrhundert;161 Bir‑ gitt Hoffmann hat die Motivation eines der bedeutenden Stifter mit dem Untertitel „Sorge um Nachruhm und Seelenheil“ ihrer
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einschlägigen Monographie treffend zum Ausdruck gebracht.162 Unzweifelhaft haben im christlichen und muslimischen Stiftungswesen die Tra‑ ditionen der römischen oder griechischen (hellenistischen) Totenkult‑ und Götterstif‑ tungen nachgewirkt, aber im interkultu‑ rellen Kontakt dürften vor allem Impulse des Zoroastrismus von Bedeutung gewesen sein. Die ‚Stiftungen für die Seele‘ bezie‑ hungsweise ‚für das Seelenheil‘ verbinden alle drei Religionen miteinander, und es ist kaum wahrscheinlich, dass sie sich zwei‑ oder dreimal unabhängig voneinander aus‑ gebildet haben sollten. Die Trias der stark monotheistisch geprägten Religionen des Westens steht insofern den Stiftungen des asiatischen Ostens gegenüber, die zwar auch in der Achsenzeit eine entscheiden‑ de Neuausrichtung erfahren hatten, aber einem ganz anderen Bild vom Dasein und Menschenleben folgten. Zwischen beiden Hemisphären hat es ansonsten selbstver‑ ständlich Austauschbeziehungen gege‑ ben,163 und für das stiftungsgeschichtlich bedeutende Phänomen des Klosters könn‑ ten sehr wohl indische Vorbilder seit dem 4. Jahrhundert über die ägyptische Wüste zu Griechen und Lateinern ausgestrahlt haben164. Die religiösen Zwecke der As‑ keten, die Stiftungen unterstützen sollten, waren aber hier und da ganz verschieden. Auch die Stellung der Herrscher oder des ‚Staates‘ unterschied sich. Während im Alten Ägypten oder im heidnischen Rom noch religiöse Stiftungen nur dem Staats‑ kult dienen sollten, duldeten indische und chinesische Herrscher (zeitweise) einen re‑ ligiösen Pluralismus, bedienten sich seiner und förderten ihn durch eigene Stiftun‑ gen.165 Die monotheistische Prägung des Westens bedeutete für religiöse Stiftungen im Prinzip immer auch eine enge Bindung an die staatliche Ordnung. Allerdings stan‑ den sie vor allem im christlichen Westen,
mit Abstrichen aber auch in Byzanz ebenso im Spannungsfeld von ‚Staat‘ und ‚Kirche‘, was ihnen Freiräume verschaffte. Klöster, die sich tendenziell ebenfalls der Aufsicht von Patriarchen und Bischöfen zu entzie‑ hen suchten, wurden gerade deshalb die Prototypen christlicher Stiftungen. 19.1.6 Das Judentum Die Lage im Judentum unterschied sich von den anderen betrachteten Kulturen dadurch, dass es hier keine Herrscher gab; auch eine Heilsvermittlerin wie die Kir‑ che bei den Christen fehlte. Umstritten war unter den Juden, ob überhaupt andere zugunsten eines Menschen bei Gott in‑ tervenieren konnten. Selbst die Auferste‑ hungsgeschichte aus dem Makkabäerbuch (2 Makk 12.39–46), mit der sich Gegengaben oder Memorialleistungen für Stiftungen zugunsten des Seelenheils begründen lie‑ ßen, überzeugte nicht alle.166 Die Vorbe‑ halte der Gelehrten lassen sich allerdings in der Stiftungspraxis kaum verifizieren; das ergibt sich nicht nur aus der unbe‑ friedigenden Forschungslage,167 sondern vor allem aus der Sache selbst und der entsprechenden Überlieferung. Stiftungen waren im Judentum fast ausschließlich der Fürsorge gewidmet; als Empfänger der Gaben traten in aller Regel nicht die Ar‑ men und Bedürftigen selbst, sondern die Gemeinden beziehungsweise die Gemein‑ defonds in Erscheinung, die die Verwal‑ tung und Distribution der aufgebrachten Mittel ausübten. (→ 9.4) Die Bezeichnung des Gemeindefonds heqdesh / qodesh, die vom Tempelschatz abgeleitet war, wurde auch für Stiftungen verwendet; ein eigener Begriff hierfür fehlte also. (→ 1.4) Eine Wechselbeziehung zwischen dem Stifter und dem Begünstigten, die die Stiftungen für das Seelenheil kennzeichnete, wurde
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zusätzlich dadurch erschwert, dass die Gabe als besonders fromm und verdienst‑ lich galt, wenn sie unbekannter Weise er‑ folgte.168 Außerdem kam im Judentum eine Stiftung (auch) durch mündliche Vereinba‑ rung zustande, so dass es überhaupt nur wenige Urkunden gibt, in denen der Stifter seine Motive und Erwartungen hätte fest‑ halten können. (→ 5.4; 3.4) Ob es bei jüdischen Stiftungen um eine autochthone Geschichte geht oder ob sich diese unter dem Einfluss andersreligiöser Mehrheitsgesellschaften entfaltet haben, ist nur Region für Region zu klären. Im Fal‑ le von Aschkenas lassen die Einträge des Nürnberger Memorbuches von 1296/1297 darauf schließen, dass bestimmte Gläu‑ bige zugunsten der Gemeinde Stiftungen getätigt haben, um durch Gott die Seelen‑ ruhe mit den Erzvätern im Paradies zu finden.169 (→ 8.1; 8.4) Die Ähnlichkeit mit der reichen Überlieferung im christlichen Westen könnte dafür sprechen, dass sie la‑ teinischen Vorbildern folgten. Andererseits ist in der Forschung auf die Eigenlogik der aschkenasischen Geschichte hingewiesen worden; die Pogrome von 1096 hätten dem‑ nach die (dem Memorbuch vorausgehende, aber verlorene) Listenführung der jüdi‑ schen Opfer veranlasst.170 Es wäre indessen fahrlässig zu behaup‑ ten, dass das jüdische Stiftergedenken un‑ ter den besonderen Bedingungen des Ju‑ dentums im Rheinland an der Wende zum 12. Jahrhundert überhaupt erst entstanden sei.171 Listen von Wohltätern sind jedenfalls auch im Bestand der jüdischen Gemeinde von Fustat (Altkairo), also unter muslimi‑ scher Herrschaft überliefert und sollen in die erste Hälfte des 11. Jahrhunderts zu‑ rückgehen.172 Diese Namenverzeichnisse waren, wie Shlomo D. Goitein gezeigt hat, stark familiär geprägt und ließen den Stif‑ ter nach mehreren (oft sieben oder mehr) Generationen seiner Vorfahren und als
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Ahn seiner Nachkommen erscheinen. Als ‚Memoriallisten‘ dienten sie dazu, im öf‑ fentlichen Gemeindegottesdienst rezitiert zu werden.173 Im Unterschied zu Nürnberg bietet die Geniza von Fustat auch eine Reihe von Stiftungsakten, zum Teil als letztwillige Verfügungen.174 Die Stifter oder Stifterinnen brachten hier, soweit erkenn‑ bar, niemals die Hoffnung auf das Paradies oder die Gebetshilfe als Gegenleistung zum Ausdruck.175 Aus Bittbriefen scheint indes‑ sen hervorzugehen, dass es zwar entspre‑ chende Wünsche gab,176 doch stand das diesseitige Wohlergehen im Vordergrund. Ein dritter Raum jüdischen Lebens ist das von christlichen Herrschaften be‑ stimmte Spanien. Aus den neuerdings erhobenen Zeugnissen177 ergibt sich der eindeutige Befund, dass Zustiftungen für die (caritativen) Gemeindefonds und selb‑ ständige Stiftungen nach Art des muslimi‑ schen waqf (oder, wie man in Spanien und im nördlichen Afrika sagte, ḥubs 178) ‚für meine Seele‘, ‚für den Nachlass meiner Sün‑ den‘ oder ‚in der Hoffnung auf das ewige Leben‘ errichtet wurden. Judah D. Galins‑ ky ist darauf aufmerksam geworden, dass die jüdischen Stiftungen im christlichen Spanien beziehungsweise in Südfrankreich keine Gebetsauflagen zum Totengedenken aufweisen, wie sie in Aschkenas, etwa in Nürnberg, zu erschließen sind.179 Tatsäch‑ lich weiß man, dass sich hier die Praxis der liturgischen Totenmemoria vom sephardi‑ schen Judentum unterschieden hat. Nur in Aschkenas bildete sich der Rhythmus eines Totengedenkens an vier Tagen im Jahr aus, am Yom Kippur und an den drei Pilgerfesten. Das Totengebet des hashkavah für die persönlichen Angehörigen scheint in den anderen jüdischen Kulturen erst dem Vorbild des aschkenasischen hazkarat neshamot gefolgt zu sein.180 Bezieht man im Hinblick auf die spanischen Urkun‑ den noch ein, dass diese von christlichen
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
Notaren in lateinischer Sprache und in An‑ dem Niederschlag christlicher Einflüsse lehnung an christliche Formeln und Motive zu tun haben.181 verfasst wurden, dann liegt der Schluss MB nahe, dass wir es bei diesen Quellen mit Anmerkungen 1 Vgl. ohne Anspruch auf Vollständigkeit Chit- 14. Jahrhundert ist bei den bayerischen Wittelsba‑
wood, Proprietary Church (2016); Macuch, Sasani‑ chern – soweit bekannt erstmals – der sogenannte dische fromme Stiftung (2009); H. Gerber, Jews and ‚Fürstenjahrtag‘ nachgewiesen. Die Weltgeistlichen the Vakif Institution (2008); Geelhaar, Stiftungs‑ des Territoriums waren gehalten, alljährlich an ei‑ zweck Bildung (2007); Galinsky, Commemoration nem zentralen Memorialort der Dynastie an einem and Heqdesh (2005); Macuch, Pious Foundations stiftungsmäßig begründeten Totengedenken teil‑ (2004); Pahlitzsch, Concern for Spiritual Salvation zunehmen, was der Integration des Herrschafts‑ (2001); Yildirim, Pious Foundations (1999); Macuch, gebietes diente. Man kann von einer ‚Invention‘ Sasanidische Stiftung (1994); Makdisi, Rise of Hu‑ sprechen, da es dergleichen vorher nicht gegeben manism (1990); Ders., Rise of Colleges (1981); W. hat. Es könnte aber auch von einer ‚Innovation‘ R. Jones, Pious Endowments (1980). – Siehe auch: die Rede sein, wenn man den ‚Fürstenjahrtag‘ als Stiftung und Staat im Mittelalter. Eine byzanti‑ Variante von Memorialstiftungen überhaupt ver‑ nisch‑lateineuropäische Quellenanthologie in steht oder im engeren Sinne im Auge hat, dass die komparatistischer Perspektive. Ed. Tim Geelhaar / ‚Dispersion‘ von Gedenkstätten mindestens das John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011. lateinische Christentum von Anfang an kenn‑ 2 Siehe besonders die einleitenden Abschnitte zeichnet. Von ‚Imitation‘ könnte die Rede sein, zu ‚Interkulturellen Perspektiven‘ in den Beiträ‑ wenn sich nachweisen ließe, dass andere Herr‑ gen zu dieser Enzyklopädie. Multipolare Verglei‑ scherhäuser dem Wittelsbacher Beispiel folgten. che zum Stiftungswesen: G. Baer, Muslim Waqf Bei den Württembergern scheint das Phänomen (2005); Borgolte, Geschichte des Stiftungsrechts zum Beispiel erst Mitte des 14. Jahrhunderts auf‑ (2002, ND 2012); Ders., Foundations (2015), dt. als getaucht zu sein. Vgl. bereits Straub, Hausstiftung Ders., Stiftungen für das Seelenheil (2015); Ders., (1978), 47–53; Stievermann, Landesherrschaft (1989), Weltgeschichte der Stiftungen (in Vorbereitung). 145 f.; Borgolte, Totale Geschichte (1993, ND 2012), 56; Künftig auch Adam, Interreligious und Intercul‑ dann vor allem Menzel, Memoria Kaiser Ludwigs tural Transfers (im Druck). (2001). – Zur ‚Dispersion‘ siehe Borgolte, Grab in 3 Vgl. Borgolte, Perspektiven (2001), 24: „Das der Topographie (2000, ND 2012), 292; zur ‚Diffu‑ Glück des Wiedererkennens historischer Erschei‑ sion‘ siehe Helmrath / Muhlack / Walther, Diffusion nungen am unerwarteten Ort und ebenso das des Humanismus (2002). Staunen über die Differenzen der Geschichte, 5 Im Folgenden stütze ich mich auf die Beiträge diese beiden emotionalen Urerlebnisse des Ver‑ dieser Enzyklopädie, aber auch auf Einsichten bei gleichs schärfen nicht nur die Wertschätzung der Abfassung meines Werks Borgolte, Weltge‑ des Anderen in der Geschichte, sie wirken vor schichte der Stiftungen (in Vorbereitung). allem auf die Erkenntnis des längst Bekannten 6 Vgl. A. Zimmermann, Neolithisierung (2009). zurück, das plötzlich in neuem Licht erscheint.“ 7 Zur Ausnahme im Judentum → 5.4.3; 19.1.6. 4 Zur Unterscheidung zwischen ‚Invention‘ und 8 Vgl. Jockenhövel, Grundlagen (2009), 145–294; ‚Innovation‘ (sowie ‚Diffusion‘) in der Technik‑ H. Franke / Hoffmann / Jedin, Saeculum Weltge‑ geschichte siehe Borgolte, Europa entdeckt seine schichte, Bd. 1–3 (1965–1967). Vielfalt (2002), 311 f. – Zur Differenzierung, aber 9 Dazu vorerst Borgolte, Fünftausend Jahre auch ‚Durchlässigkeit‘ der Begriffe sei ein bin‑ Stiftungen (2015), und künftig ausführlich Ders., neneuropäisches Beispiel vorgeführt: Im frühen Weltgeschichte der Stiftungen (in Vorbereitung).
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10 Vgl. Emmerich, Prähistorisches und früh‑ auf die Übersetzung bei Sumerian and Akkadian
dynastisches China (2009), 396–411. – Siehe aber dann → 19.1.4. – Zum Stand der Erforschung von Stiftungen in China siehe Olles, Religiöse Stiftun‑ gen in China, Bd. 2 dieser Enzyklopädie, bes. 682 f. 11 Zu beachten ist aber, dass die Könige seit Akkade, dem ersten großen Territorialreich Meso‑ potamiens (2334–2193 v. u. Z.), ebenso Ahnenopfer darbrachten, wenn es um die eigenen Vorfahren ging. Umgekehrt wurden die (toten) Pharaonen vergöttlicht. 12 Zur ‚Ernährung‘ der Götter in Mesopotamien siehe Maul, Gott ernähren (2008); vgl. Oppenheim, Ancient Mesopotamia (1977), 183–198; Groneberg, Götter des Zweistromlandes (2004), 92–108. 13 Vgl. Charvát, Social configurations (2007, ND 2009), 254; noch in Assyrien galt der Gott Aššur als eigentlicher Herrscher des Landes, siehe Galter, Textanalyse (1998), 22. – Ländliche Tempel mit Personal lassen sich seit der sogenannten Frühdynastischen Zeit (ca. 2900–2750) ermitteln, doch ist unsicher, ob die periodischen Opfergaben von den Siedlern ad hoc aufgebracht oder durch langfristige Planung abgesichert wurden, vgl. Richardson, World of Babylonian countrysides (2007, ND 2009), 20; 31, Anm. 40; Chiera, Wrote on Clay (1938, ND 1954), 106–110; Van Driel, Pfründe (2003–2005), 519. 14 Vgl. zu diesen beiden grundsätzlichen Erklä‑ rungen für die Entstehung des Stiftungswesens mit unterschiedlichen Akzenten Laum, Stiftungen (1914, ND 1964), Bd. 1, 238; 242 f.; Bruck, Stiftungen für die Toten (1954), 53, versus Veyne, Brot und Spiele (1988, ND 1990), 53. – Ein frühes Beispiel für eine königliche Stiftung zum Ausgleich ei‑ ner Vernachlässigung der Gottesverehrung aus Assyrien 713 v. u. Z.: Grants, Decrees and Gifts of the Neo‑Assyrian Period. Ed. Laura Kataja / Robert Whiting. (State Archives of Assyria, Bd. 12.) Helsinki 1995, 21, Nr. 19; vgl. ebd., XXIV; Postgate, Neo‑Assyrian Royal Grants (1969), 67–69; zum historischen Kontext Neumann, Mesopotamien (2009), 198–200. 15 Zur Frage der Palast‑ oder oikos‑Wirtschaft siehe Renger, Economy (2007, ND 2009), bes. 189 f.; Ders., Palastwirtschaft (2003–2005), bes. 276–279. – Eine der ältesten königlichen Stiftungen voll‑ zog Enmetana um 2400 v. u. Z.: Charvát, Social configurations (2007, ND 2009), 251, unter Bezug
Royal Inscriptions, Bd. 1. Ed. und Übers. Jerrold S. Cooper. (The American Oriental Society. Translati‑ on Series, Bd. 1.) New Haven (Conn.) 1986, 63 f., Nr. La 5.17. – Im ersten Jahrtausend v. u. Z. belegen die Archive von Stadtbewohnern „privaten Besitz von landwirtschaftlichen Gütern“, so Jursa, Babylonian economy (2007, ND 2009), 227; vgl. Da Riva, Schafe (2002), 57; 63. Eine Stiftung von ‚Privatleuten‘ ist aber schon aus der Stadt Adab unter König Sargon von Akkade (2340–2285 v. u. Z.) belegt: Biga, Sar‑ gonic Foundation Cone (2005), bes. 30–33. 16 Dies zeigt noch eine private Tempelstif‑ tung aus der sogenannten Dritten Zwischenzeit (ca. 1000 bis ca. 600 v. u. Z.): Two Inscriptions Con‑ cerning Private Donations to Temples. Ed. Erik Iversen. (Det Kgl. Danske Videnskabernes Sels‑ kab. Historisk‑filologiske Meddelelser, Bd. 27.5.) Kopenhagen 1941, hier bes. 5 f. 17 Helck, Wirtschaftsgeschichte (1975), 26. 18 Ebd., 28; 31. 19 Ebd., 32. 20 Ebd., 73. 21 Ebd., 59; 64 f.; 67 f.; 135. 22 Ebd., 75; Goedicke, Private Rechtsinschriften (1970), 199. 23 Ebd., 55–70. 24 Assmann, Große Texte (1992), 249. 25 Ebd., 254. 26 Zit. nach Assmann, Ma’at (2006), 63 f. 27 Assmann, Stein und Zeit. Mensch und Gesell‑ schaft (1991); Ders., Stein und Zeit. Monumentales Gedächtnis (1988); Ders., Tod und Jenseits (2010). 28 Zit. nach Von den Driesch, Geschichte der Wohltätigkeit (1959), 136. 29 Vgl. die Selbstrühmung eines hohen Beamten der Ramessidenzeit (um 1220 v. u. Z.) bei BrunnerTraut, Wohltätigkeit (1990), 33. 30 Zur Lehre des Amenemope aus der 20. Dy‑ nastie (ca. 1200–1080 v. u. Z.), Milde gegen Alte, Arme und Schwache walten zu lassen, siehe das Zitat ebd., 37 f. 31 Ebd., 39. 32 Assmann, Große Texte (1992), 258. 33 Assmann, Ma’at (2006), 122. 34 Vgl. ebd., 114 f.; Assmann, Tod und Jenseits (2010), 100–105; 116–159; 394–452. 35 Zur Lehre von der ‚Achsenzeit‘ siehe Jaspers, Ursprung und Ziel (1949, ND 1963); Joas,
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Achsenzeit (2014); K. Armstrong, Achsenzeit (2006). Weitere Literatur bei Borgolte, Fünftausend Jahre Stiftungen (2015), 595, Anm. 6. 36 Das Folgende angelehnt an Borgolte, Uni‑ versität und Intellektueller (2008, ND 2014), 277. 37 Vgl. Joas, Achsenzeit (2014); Stroumsa, Ent‑ stehung des reflexiven Selbst (1992); Halbfass, Mensch und Selbst (1992). 38 Es wäre ein Missverständnis anzunehmen, dass mit der ‚Achsenzeit‘ das ältere Kosmosden‑ ken ein für alle Mal überwunden gewesen wäre. Im Gegenteil ist ja noch das sogenannte Mittel‑ alter von diesem stark beeinflusst. Man versteht die ‚Achsenzeit‘ besser als Auf bruch, der sich an verschiedenen Stellen der Welt, nach Jaspers unabhängig voneinander, ereignete und dessen Impulse immer wieder aufgegriffen werden konn‑ ten, aber auch verlorengingen. Vgl. zugespitzt Jaspers, Ursprung und Ziel (1949, ND 1963), 42: „Auch die Achsenzeit ist gescheitert.“ 39 Parpola, Indus Civilization (2012); Rothermund, Politics and Economy (2011), 135; U. Franke, Indus‑Kultur (2009), hier bes. 227 f.; Kulke / Rothermund, Geschichte Indiens (2010), 24–44, wo aber von „kultische(n) Bauten“ die Rede ist und dem „großen Bad“ die Funktion ritueller Aufgaben zu‑ gewiesen wird (ebd., 25); ferner ebd., 36, Hinweis auf „Spuren von Feueraltären“ in Kalibangan; Witzel, Altes Indien (2003), 19–21. 40 U. Franke, Indus‑Kultur (2009), 233; Witzel, Altes Indien (2003), 20. 41 Kulke / Rothermund, Geschichte Indiens (2010), 44–65; teilweise abweichende Darstellung bei Witzel, Altes Indien (2003), 25–33. 42 Jaspers, Ursprung und Ziel (1949, ND 1963), 19 f. – Die Beobachtung der weltgeschichtlichen Parallelen geht auf Ernst von Lasaulx in der Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, vgl. Pitz, Griechisch‑ römische Ökumene (2001), 524; 540; Bayer / Boyce / Christ, Neue Hochkulturen (1966), 9; 151 f.; 253 f.; 286–293; 317–325; 382. 43 Vgl. Witzel, Altes Indien (2003), 12–18. 44 Vgl. Proferes, Vedas and Brāhmaṇas (2010), 27–31. 45 Kulke / Rothermund, Geschichte Indiens (2010), 56; Schmidt-Glintzer, Geschichte Indiens (2009), 336. 46 Ali, Kingship (2011), 91. 47 Kulke / Rothermund, Geschichte Indiens (2010), 59–61.
48 Kürzlich noch Sahu / Kulke, Interrogating Political Systems (2015).
49 Zum Problem des Hinduismus und seines
Verhältnisses zum Brahmanismus siehe Michaels, Hinduismus (1998, ND 2006), 27–47. 50 Die ältesten Upanischaden werden auf ca. 7./6. bis ca. 4./3. Jh. v. u. Z. datiert: Olivelle, Upaniṣads and Āraṇyakas (2010), 44; Michaels, Hinduismus (1998, ND 2006), 67: „500 v. Chr.– 200 v. Chr.“; Witzel, Altes Indien (2003), 125: „um 600–450“; Kulke / Rothermund, Geschichte Indiens (2010), 64: „etwa zwischen 750 und 500 v. Chr.“. 51 Lipner, Saṃsāra (2010). 52 Bṛhadāraṇyaka Upaniṣad 4.4.6, in: Upaniṣads. Übers. Patrick Olivelle. (Oxford World’s Cassics.) Oxford 1996, ND 2008, 65. 53 Chāndoya Upaniṣad 5.10.7, in: Upaniṣads. Übers. Olivelle (wie Anm. 52), 142. 54 Vgl. C. Talbot, Temples (1991); Stein, Economic Function (1960). 55 Im Folgenden wiederhole ich z. T. das in → 7.1 Gesagte. 56 Vgl. die einleitende Abhandlung in Die Er‑ lösungslehre der Jaina. Legenden, Parabeln, Er‑ zählungen. Ed. und übers. Adelheid Mette. Berlin 2010, 207 f., wo Mette aber das von den Anhän‑ gern der Lehre traditionell angeführte Todesjahr 527/526 v. u. Z. als „vielleicht zu früh“ angesetzt findet; Witzel, Altes Indien (2003), 53 f.: Mahāvīra „angeblich 477 v. Chr. gestorben“, aber „Zeitgenos‑ se“ des Buddha; Kulke / Rothermund, Geschichte Indiens (2010), 72. Ein Vorgänger des Mahāvīra namens Pārśva soll schon 250 Jahre vor jenem gestorben sein: Erlösungslehre der Jaina. Ed. Mette, 205 f.; Bronkhorst, Buddhistische Lehre (2000), 42, Anm. 34. 57 Vgl. vorige Anm. – Bei der Datierung des Buddha wurde eine ‚lange Chronologie‘ (gest. 543/544 v. u. Z.) von einer ‚kurzen Chrono‑ logie‘ (gest. 486/477 v. u. Z.) unterschieden, das Todesjahr wird jetzt aber noch später gesucht: Bechert, Einleitung (2000), 6 f.: „zwischen etwa 420 v. Chr. und 350 v. Chr.“; Witzel, Altes Indien (2003), 54: „um 400“; so auch Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 34 f.; Brück, Einführung (2007), 66 f.: „Lebenszeit des Buddha etwa 450–370 v. Chr.“ 58 So erneut in der Abhandlung der Editorin in Er‑ lösungslehre der Jaina. Ed. Mette (wie Anm. 56), 210. 59 Ebd., 211; 214 f.
Die welthistorische Perspektive
60 Ebd., 219 f.; 225. 61 Ebd., 235–237. 62 Ebd., 210 f.; 216; 234. 63 Ebd., 211; 214. 64 Vgl. immer noch M. Weber, Wirtschaftsethik
der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus (1921, ND 1978), 203–217, bes. 209; 215; Erlösungs‑ lehre der Jaina. Ed. Mette (wie Anm. 56), 220–222, die freilich irrtümlich behauptet, es habe keine Jaina‑Klöster gegeben. 65 Ebd., 213; 237; M. Weber, Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus (1921, ND 1978), 206. 66 Ebd., 214. 67 Erlösungslehre der Jaina. Ed. Mette (wie Anm. 56), 225; 229; vgl. 222. Vgl. Balbir, Jainismus (1987, ND 1993), 458. 68 Vgl. jetzt den ausgezeichneten Überblick von Sen, Spread of Buddhism (2015). Zum Rückgang der Stiftungstätigkeit zugunsten der Buddhisten nach dem 9. Jahrhundert siehe Schmiedchen, Stif‑ tungen zum Unterhalt (2013), bes. 109. 69 Zur Zeitstellung siehe oben, Anm. 57. 70 Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 36. 71 Lamotte, Buddha (1995), 66. 72 Ebd., 48. 73 Ebd. 74 Ebd., 55 f.; 63 f. 75 Kieffer-Pülz, Musterbeispiel (2006/2007), 295; Walsh, Sacred economies (2010), 55–57; Gernet, Buddhism (1995), passim, bes. 78–93; 131–137. 76 Gombrich, Einleitung (1995), 26 f. 77 Bronkhorst, Buddhistische Lehre (2000), 127– 177; Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 48–53; Schumann, Mahāyāna‑Buddhismus (1995); Lamotte, Mahāyāna‑Buddhismus (1995). 78 Heim, Theories of the Gift (2004), 28; 79–81. 79 Auch Kieffer-Pülz, Musterbeispiel (2006/2007), 292, hat freilich darauf hingewiesen, dass „Mit‑ leid“ (karuṇā) im frühen Buddhismus „eine eher untergeordnete Rolle“ gespielt habe. Vgl. Lamotte, Buddha (1995), 65 f., jedoch mit einem Beispiel für die Barmherzigkeit des Buddha selbst. – Vgl. auch Sizemore / Swearer, Ethics (1990). 80 Vgl. K. Armstrong, Achsenzeit (2006). 81 Vgl. Herrmann-Pfandt, Verdienstübertragung (1996); Findly, Dāna (2003), 272–280; Walsh, Sac‑ red economies (2010), 109–112 mit 181, Anm. 22, mit weiterer Literatur zur Verdienstübertragung.
447 82 Zit. und übersetzt bei Schopen, Two Problems
(1985, ND 1997), 31 f.; siehe auch Joschi, Buddhis‑ tische Kunst (1995), 104. 83 Olles, Religiöse Stiftungen in China, Bd. 2 dieser Enzyklopädie, 694; 698. 84 Ebd., 720. 85 Ebd., 696. 86 Falkenhausen, Ahnenkult (1990), 35; zum Ahnenkult der Gegenwart: Reiter, Religionen in China (2002), 52–54; 56–61. 87 Falkenhausen, Ahnenkult (1990), 35. 88 Vgl. Bokenkamp, Ancestors and Anxiety (2007), bes. 51–53. – Zu Glockenstiftungen, hier noch aus dem 7. Jahrhundert, Falkenhausen, Ah‑ nenkult (1990), 39. 89 Ebd., 44. 90 Zur Diskussion um die Achsenzeit in China vgl. Hsu, Rethinking the Axial Age (2005), hier bes. 453–456; Harbsmeier, Axial Millenium in China (2005). Ferner die Beiträge in: Eisenstadt, Kulturen der Achsenzeit (1992). 91 Vgl. Konfuzius, Gespräche. Übers. Richard Wilhelm. Frankfurt a. M. 1997, ND 2008, 55, cap. VI.34; vgl. Van Ess, Konfuzianismus (2009), 20. 92 Zum Folgenden bes. Lamberton, Kongs of Qufu (2002); Van Ess, Konfuzianismus (2009), 55–60; Shryock, Origin and Development (1966). 93 Lamberton, Kongs of Qufu (2002), 319. 94 Ebd., 311. 95 Zum Daoismus jetzt besonders Pregadio, Routledge Encyclopedia of Taoism (2008, ND 2011); Kohn, Daoism Handbook (2000). Fer‑ ner Van Ess, Daoismus (2011); Clart, Religionen Chinas (2009), bes. 38–44; 159–162. 96 Van Ess, Daoismus (2011), 17–28; Kohn, Laozi and Laojun (2008, ND 2011). 97 Clart, Religionen Chinas (2009), 39 f.; Robinet, Daode jing (2008, ND 2011), bes. 311 f. 98 Ebd., 312 f. 99 Ebd., 313. 100 Kohn, Zhuangzi (2008, ND 2011); Clart, Re‑ ligionen Chinas (2009), 42 f. 101 Vgl. Zhuangzi 6, zit. bei Kohn, zuowang (2008, ND 2011), 1308. 102 Vgl. Clart, Religionen Chinas (2009), 159 f. 103 Dieses Leitmotiv bei der Identifizierung des Daoismus besonders durch westliche Wis‑ senschaftler und Konfuzianer hat Russell Kirk‑ land relativiert und insbesondere vor einer
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
„Romantisierung“ der „Unsterblichen“ gewarnt, siehe Kirkland, Taoism (2004), 172–210; derselbe Autor räumte aber auch ein: „Yet, Taoism was the only Chinese tradition that provided colorful images of a happy afterlife“ – siehe Kirkland, Tran‑ scendence and immortality (2008, ND 2011), 93. 104 Kirkland, daoshi (2008, ND 2011); Reiter, Re‑ ligionen in China (2002), 103 f. 105 Clart, Religionen Chinas (2009), 79 f.; Reiter, Religionen in China (2002), 147 f. 106 Vgl. vor allem Bokenkamp, Ancestors and Anxiety (2007); Kohn, Monastic Life (2003). 107 Bokenkamp, Ancestors and Anxiety (2007), 4; 6; 51 f. 108 Gernet, Buddhism (1995); Walsh, Sacred eco‑ nomies (2010); Benn / Meeks / Robson, Buddhist Mo‑ nasticism (2010, ND 2011); jetzt Olles, Religiöse Stiftungen in China, Bd. 2 dieser Enzyklopädie, bes. 695–719. 109 Ebd., 699. 110 Kohn, Monastic Life (2003), und jetzt wiede‑ rum Olles, Religiöse Stiftungen in China, Bd. 2 die‑ ser Enzyklopädie, bes. 684; 689; 695–719, passim. 111 Ebd., 695. 112 Vgl. Kirkland, Taoism (2004), 192. 113 Olles, Religiöse Stiftungen in China, Bd. 2 dieser Enzyklopädie, 687; 690 f. u. ö. 114 Zum Folgenden bereits Borgolte, Stiftungen für das Seelenheil (2015), sowie Ders., Fünftausend Jahre Stiftungen (2015), und Ders., Wie Weltge‑ schichte erforscht werden kann (2016); Ders., Si‑ gismund, Radegunde (in Druckvorbereitung). Auf diese Arbeiten greife ich auch stillschweigend mit wörtlichen Anleihen zurück. 115 Laum, Stiftungen (1914, ND 1964), Bd. 1, 2; 15, Nr. 12; Reden, Glanz der Stadt (2012), 25 f. 116 Grundlegend Veyne, Brot und Spiele (1988, ND 1990), hier bes. 162 f.; 188–190; vgl. Gauthier, Cités grecques (1985); mehrere Beiträge in: Christol / Masson, Actes du Xe Congrès International (1997). – Auf das in den hellenistischen Reichen verbreitete Stiftungswesen, das die jüngere For‑ schung erfolgreich bearbeitet hat, gehe ich hier nicht ein; siehe aber: Schenkungen hellenistischer Herrscher an griechische Städte und Heiligtümer, Bd. 1. Ed. Walter Ameling / Klaus Bringmann / Barbara Schmidt-Dounas. Berlin 1995; dazu: Bringmann, Geben und Nehmen (2000), und Schmidt-Dounas, Geschenke (2000); Ameling, Dona ferentes (1987),
bes. 12–16; 31–40. Vgl. jetzt auch Harter-Uibopuu, Stadt und Stifter (2015). – Künftig meine Welt‑ geschichte der Stiftungen; dort auch das Kapitel zum Reich von Kommagene. 117 Veyne, Brot und Spiele (1988, ND 1990), 22– 24; 27; passim. 118 Zu kaiserlichen Alimentarstiftungen Pickert, Sehnsucht nach Ewigkeit (2008), 108 f.; Seelentag, Kaiser als Fürsorger (2008); Woolf, Food (1990). 119 Vgl. Bruck, Stiftungen für die Toten (1954), 53; kontrovers Andreau, Fondations privées (1977); Reden, Glanz der Stadt (2012), 29–33; Pickert, Rö‑ mische Stiftungen (2005), 30 f.; Dies., Sehnsucht nach Ewigkeit (2008), bes. 33–56. 120 Rüpke, Religion der Römer (2001), 27. 121 Voelkl, Kirchenstiftungen (1964), 11, mit Quellenbelegen in Anm. 17; zu sacra privata sie‑ he Rüpke, Religion der Römer (2001), 36 f.; Bowes, Private Worship (2008, ND 2011), 18–60, passim. 122 Vgl. Beard / North / Price, Religions of Rome (1998, ND 2000), Bd. 1, 302 f. 123 Ebd., 27 f.; 61; 102–104; 115; 192. 124 Bes. Macuch, Sasanidische Stiftung (1994); weitere Lit. oben, Anm. 1. Ferner: Boyce, Pious Foundations (1968); Menasce, Feux et Fondations Pieuses (1964). 125 Jaspers, Ursprung und Ziel (1949, ND 1963), 20. 126 Vgl. Kreyenbroek, Zoroastrismus (2013), 160: um 1000 oder früher; Boyce, Zoroastrians (2001), xiii: um 1200 v. u. Z.; 2: um 1400–1200; 18: zwi‑ schen 1700 und 1500 v. u. Z.; Clark, Zoroastrianism (1998), 18–22: um 1400 v. u. Z. – Dagegen die äl‑ tere Auffassung noch bei Boyce, Zoroastrismus (1966), 261: um 588 v. u. Z.; Lanczkowski, Iranische Religionen (1987, ND 1993), 250: um 600 v. u. Z.; N. N., Zarathụstra (2006), 460: geb. um 628 v. u. Z., gest. um 551 v. u. Z. 127 Vgl. Kreyenbroek, Zoroastrismus (2013), bes. 162 f.; Macuch, Iranische Literaturen (2013), 283. 128 Yasna 39.1–2, zit. nach der engl. Übers. Textu‑ al Sources for the Study of Zoroastrianism. Übers. Mary Boyce. (Textual Sources for the Study of Re‑ ligion.) Manchester 1984, 55 (vgl. den Kommentar ebd., 53): „(1) So then we worship Geush Urvan and Geush Tashan, then our own souls and those of the domestic animals which nourish us, for which we are here and which are here for us. (2) And we
Die welthistorische Perspektive
worship the souls of useful wild animals.“ Vgl. Boyce, Zoroastrians (2001), 5. – Das Zitat stammt aus dem Yasna Haptaŋhāiti, der von den fünf Gathas umschlossen wird, siehe Macuch, Iranische Lite‑ raturen (2013), 284. 129 Boyce, Zoroastrians (2001), 9; 12 f. 130 Ebd., 14. 131 Zu Seelenkultstiftungen, die „das ganze Al‑ tertum hindurch das Stiftungswesen beherrscht“ haben, siehe Liermann, Geschichte des Stiftungs‑ rechts (1963, ND 2002), bes. 13 f.; vgl. Bruck, Stif‑ tungen für die Toten (1954). Neuere althistorische Studien widersprechen dem Konnex heidnischer Stiftungen mit dem Seelenkult: Veyne, Brot und Spiele (1988, ND 1990), 225; weitere Literaturhin‑ weise bei Holman, Hungry Are Dying (2001), 14, Anm. 64; vgl. zuletzt Reden, Glanz der Stadt (2012). Siehe aber Pickert, Römische Stiftungen (2005); Dies., Sehnsucht nach Ewigkeit (2008). 132 Boyce, Zoroastrians (2001), 20 f.; 29; Dies., Zoroastrismus (1966), 262; differenzierend Clark, Zoroastrianism (1998), 63–65. 133 Boyce, Zoroastrians (2001), 27. 134 Wiesehöfer, Iranische Großreiche (2009), 49– 53; Kuhrt, Cyrus the Great (2007); Briant, Histoire de l’Empire Perse (1996), bes. 41–60. 135 Wiesehöfer, Reich der Sasaniden (2009), 284; speziell zu den heiligen Feuern und den betref‑ fenden Stiftungen im Zoroastrismus bes. Boyce, Sacred Fires (1968); Menasce, Feux et Fondations Pieuses (1964). 136 Die dreisprachige Inschrift Šābuhrs I. an der Ka‘ba‑i Zardušt (ŠKZ). Ed. Philip Huyse, 2 Bde. (Corpus Inscriptionum Iranicarum. Part 3: Pahla‑ vi Inscriptions, Bd. 1.1.). London 1999; mit dt. Übers. der mittelpersischen Fassung: Michael Back, Die sassanidischen Staatsinschriften. Studien zur Or‑ thographie und Phonologie des Mittelpersischen der Inschriften zusammen mit einem etymologi‑ schen Index des mittelpersischen Wortgutes und einem Textcorpus der behandelten Inschriften. (Acta Iranica, Bd. 18.) Leiden / Teheran / Lüttich 1978, 284–371. Vgl. Henning, Great Inscription of Šāpūr I (1939), bes. 845–847; Macuch, Sasanidische fromme Stiftung (2009), 33 f.; Dies., Sasanidische Stiftung (1994), 174 f. 137 Edition des mittelpersischen Originaltex‑ tes und Übersetzung des einschlägigen Kapitels: Rechtskasuistik und Gerichtspraxis zu Beginn
449 des siebenten Jahrhunderts in Iran. Die Rechts‑ sammlung des Farroḫmard i Wahrāmān. Ed. und Übers. Maria Macuch. (Iranica, Bd. 1.) Wiesbaden 1993, 252–257; Kommentar ebd., 258–266; vgl. auch das Kapitel zur „Gewalthaberschaft“ ebd., 192–219. Vgl. Dies., Sasanidische fromme Stiftung (2009), bes. 26–35. 138 Z. B. Macuch, Sasanidische Stiftung (1994); Dies., Sasanidische fromme Stiftung (2009); Hennigan, Birth of a Legal Institution (2004), 50–70; Arjomand, Philanthropy (1998), 110 f. 139 Das gilt trotz des rechtsgeschichtlichen Ver‑ gleichs zwischen dem sasanidischen und dem byzantinischen Stiftungswesen durch Macuch, Pious Foundations (2004). 140 Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts (1963, ND 2002), 28. 141 Assmann, Tod und Jenseits (2001), 521–525. 142 Vgl. Feld, Ende des Seelenglaubens (2013), 34–58. 143 Vgl. Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 79–81; Jezler, Himmel, Hölle, Fegefeuer (1994); Angenendt, Geschichte der Religiosität (1997), 684 f. 144 Grundlegend Stuiber, Refrigerium interim (1957); Rotach, Durst der Toten (1994), bes. 33; 35 f. 145 Schon im Alten Testament hatte das ius talionis geherrscht: Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 119. 146 Zum frühen Zeugnis Tertullians (gest. um 220) siehe K. Schmid, Stiftungen für das Seelenheil (1985), 59; 61; vgl. zuletzt Angenendt, Offertorium (2014), 265–279. 147 Ebd., passim. 148 Borgolte, Mittelalterliche Kirche (2004), 119–122; Angenendt, Offertorium (2014), 88 f., mit weiteren Literaturhinweisen. 149 Vgl. Borgolte, Sigismund, Radegunde (in Druckvorbereitung). 150 Hausleiter, Antikes Taymaʼ (2011); ferner U. Franke / Al-Ghabban / Gierlichs, Roads of Ara‑ bia (2011), passim; Schiettecatte, Arabian Iron Age funerary stelae (2010). 151 Potts, Altes Arabien (2011), 90–93; Hausleiter, Antikes Taymaʼ (2011), 114 f.; Beaulieu, Nabonidus the Mad King (2007). 152 Hausleiter, Antikes Taymaʼ (2011), 116; vgl. Al-Said, Dedan (2011). 153 Die neuesten aramäischen Inschriften aus Taima. Ed. und Übers. Klaus Beyer / Alasdair
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
Livingstone, in: ZDMG 137, 1987, 285–296; Marx, Schriften und Sprachen (2011), 183 mit 188, Abb. 6. – Maraqten, Aramaic pantheon (1996), 28, Anm. 12, hält die Übersetzung von Beyer und Livingstone für nicht befriedigend, macht aber keinen eige‑ nen Vorschlag. 154 Vgl. Potts, Altes Arabien (2011), 93: „Für die Zeit nach Nabonids Aufenthalt in Taymaʼ lassen sich nur schwer Zeugnisse finden, die etwa auf die Herrschaft der persischen Achämeniden im Nahen Osten schließen lassen (539–330 v. Chr.). Laut Herodot (III: 88) erhielt Kyros der Große Tribut von Arabern, ‚die in Zelten leben‘, deren Identität und Wohnorte jedoch unbekannt sind.“ 155 Kanaanäische und aramäische Inschriften. Ed. Herbert Donner / Wolfgang Röllig, Bd. 1. Wies‑ baden 52002, 58, Nr. 229; Bd. 2 (1964), 281. 156 Neueste aramäische Inschriften. Ed. Beyer / Livingstone (wie Anm. 153), 290–292. 157 Pahlitzsch, Concern for Spiritual Salvation (2001), 343 f.; vgl. Ders., Memoria und Stiftung (2005); Lev, Charity, Endowments (2005), 159 f.; vgl. ebd., 103. – Dazu früher die ablehnende Hal‑ tung von W. R. Jones, Pious Endowments (1980), bes. 23 f.; 28 f.; 32. 158 Auf Einzelheiten gehe ich hier nicht ein (siehe künftig meine Weltgeschichte der Stif‑ tungen). Vgl. aber Rebstock, Grabesleben (2002); Bowker, Meanings of death (1991); Bauer, Todes‑ diskurse (1999); Nagel, Leben nach dem Tod (1983); J. I. Smith / Haddad, Islamic Understanding (1981). 159 Ebd., 59. 160 Vgl. Homerin, Saving Muslim Souls (1999), bes. 71 f.; vgl. Sabra, Public Policy (2005). 161 Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000); Die Kuǧuǧī‑Stiftungen in Tabrīz. Ein Beitrag zur Geschichte der Ǧalāyiriden. Ed. und Übers. Christoph Werner / Daniel Zakrzewski / HansThomas Tillschneider. (Nomaden und Sesshafte, Bd. 16.) Wiesbaden 2013. 162 Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000). 163 Vgl. Borgolte, Kommunikation (2010, ND 2014). 164 Lilienfeld, Mönchtum (1994), 158. 165 Eine bemerkenswerte Ausnahme von der Konzentration auf die eigene Observanz (kath. Religion) im lateinischen Westen sind die Klos‑ tergründungen für griechische Mönche, die
dem König Stephan dem Heiligen von Ungarn zugeschrieben werden: Diplomata Hungariae Antiquissima accedunt epistolae et acta ad his‑ toriam Hungariae pertinentia, Bd. 1. Ed. Georgius Györffy. Budapest 1992, 81–86, Nr. 13; dazu Sutt, Slavery (2015), 73; Bagi, Christianisierung Ungarns (2013), 377. 166 Vgl. Bowker, Meanings of death (1991), 62 f.; Lévi, Consultation inédite (1903); Galinsky, Com‑ memoration and Heqdesh (2005), 191. 167 Neuere Literatur: Toukabri, Satisfaire le ciel et la terre (2011); Galinsky, Jewish Charita‑ ble Bequest (2005); Ders., Commemoration and Heqdesh (2005); vgl. Ders., Custom (2011); Burns, Jews (1996); Documents of the Jewish Pious Foun‑ dations from the Cairo Geniza. Ed. und Übers. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Institute, Tel Aviv University, Bd. 12.) Leiden 1976, 1–118; Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 112–121; 545 f.; 413–510. 168 M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 190; Holman, Hungry Are Dying (2001), 47; B. E. Klein, Idealisieren, neutralisieren, bekämpfen (2000), 27 f. 169 Vgl. jetzt Barzen, Nürnberger Memorbuch (2011). Edition und Übersetzung des Martyrologs und von Auszügen der Nekrologien: Das Mar‑ tyrologium des Nürnberger Memorbuches. Ed. Siegmund Salfeld. (Quellen zur Geschichte der Juden in Deutschland, Bd. 3.) Berlin 1898; deutsche Übersetzung der beiden Nekrologien: Die israe‑ litische Bevölkerung der deutschen Städte, Bd. 3. Ed. Moritz Stern. Kiel 1894–1896, 100–172; 190–205. 170 Shepkaru, From after Death to Afterli‑ fe (1999); Ders., Die for God (2002); ferner noch Ders., Death Twice over (2002). – Freehof, Haz‑ karath Neshamoth (1965); Raphael, Yitzkor (2008, ND 2013), bei Anm. 4. Vgl. Hebräische Berichte über die Judenverfolgungen während des Ersten Kreuzzugs. Ed. Eva Haverkamp. (MGH. Hebräi‑ sche Texte aus dem mittelalterlichen Deutschland, Bd. 1.) Hannover 2005, 19 mit Anm. 83; 22 f. 171 Zu dieser Annahme tendieren aber Freehof, Hazkarath Neshamoth (1965), bes. 179; 181; 189, so‑ wie Raphael, Yitzkor (2008, ND 2013), bei Anm. 4; differenziert: Lévi, Commémoration (1894), bes. 46. Vgl. auch schon die Einleitung in: Martyrologium des Nürnberger Memorbuches. Ed. Salfeld (wie Anm. 169), IX–XI.
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Die mediävistische Perspektive
172 Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, 177 Burns, Jews (1996); Galinsky, Jewish Cha‑ ND 1999), bes. 92 f.; 97 f.; 162 f.; 470–510; Bd. 3 (1978, ND 1999), 2–6; The Voice of the Poor in the Middle Ages. An Anthology of Documents from the Cai‑ ro Geniza. Ed. Mark R. Cohen. Princeton / Oxford 2005, 164–187; J. Mann, Texts and Studies (1931, ND 1972), 256–283. 173 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 3 (1978, ND 1999), 2 f. 174 Ebd., Bd. 2 (1971, ND 1999), 112–121; dazu ebd., Bd. 5 (1988, ND 1999), 128–187. 175 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 167). 176 Vgl. Voice of the Poor. Ed. M. R. Cohen (wie Anm. 172), passim; vgl. M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005).
ritable Bequests (2005); Ders., Commemoration and Heqdesh (2005). 178 Vgl. García Sanjuán, God Inherits the Earth (2007); Carballeira Debasa, Legados píos (2002); Dies., Role of Endowments (2005). 179 Galinsky, Commemoration and Heqdesh (2005), bes. 195; 201. 180 Vgl. N. N., Memorial prayers (1989, ND 2002), 517 f.; Freehof, Hazkarath Neshamoth (1965), bes. 179; 181; 188 f. 181 Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 432; vgl. Burns, Jews (1996), 29.
19.2 Die mediävistische Perspektive Strukturelle Ähnlichkeiten zwischen den Stiftungen okzidentaler Provenienz und solchen anderer Kulturkreise sind in der Literatur wiederholt konstatiert worden. Lange Zeit geschah dies vor allem durch Vertreter der komparativen Rechtswissen‑ schaft,1 erst neuerdings werden solche Fra‑ gen auch aus sozial‑, politik‑ und religi‑ onsgeschichtlicher Perspektive erörtert.2 Zur Erklärung der evidenten Gemein‑ samkeiten heben die Experten für das okzidentale Mittelalter vor allem auf die (partiellen) Analogien in den religiösen Dispositionen von Christen, Muslimen und Juden ab. Insbesondere die allen monothe‑ istischen Religionen gemeinsame Sorge um das postmortale Schicksal der Seele, ge‑ paart mit der Gewissheit einer Verdienst‑ lichkeit von Kultusförderung und Wohltä‑ tigkeit, habe die Ausbildung weitgehend identischer Institutionen begünstigt.3 Die Möglichkeit interkultureller Imitationen wurde hingegen bislang in erster Linie von Vertretern anderer Disziplinen ins Spiel
gebracht, am effektvollsten wohl durch den Islamwissenschaftler George Makdi‑ si. Dieser trat 1981 mit der These hervor, dass nicht nur der spätmittelalterliche Auf‑ schwung der okzidentalen Wissenschaften dem islamischen Bildungssystem allerhand zu verdanken habe, sondern insbesondere das erste abendländische Universitätskol‑ legium in Paris dem Modell der madrasa nachgebildet worden sei. Dafür spräche zum einen die phänomenologische Korres‑ pondenz der Einrichtungen4, zum anderen die – zumindest hypothetisch postulier‑ bare – Kenntnis muslimischer ‚Kollegien‘ durch Jocius de Londoniis, den Stifter des Pariser ‚Collège de Dix‑Huit‘5. Das 1264 errichtete Merton College in Oxford, so Makdisi weiter, sei hingegen (sinngemäß) als intrakulturelle Innovation aufzufassen, da es dem Ideal einer „sich selbst regie‑ renden Korporation“ gehuldigt habe. Als „selbständige wohltätige Treuhand“ sei das Merton College – anders als das erste Pari‑ ser Kolleg, aber auch und vor allem anders
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
als jeder waqf – nicht statisch, sondern dynamisch gewesen, da es nicht den unab‑ änderlichen Bestimmungen eines Stifters unterlegen habe, sondern seine Statuten, wann immer hierzu Anlass bestand, durch die sich selbst erneuernden Treuhänder geändert werden konnten.6 Die Mittelalterforschung hat Makdi‑ sis Behauptungen „nie wirklich ernst ge‑ nommen“7. Westliche Arroganz mag dabei durchaus eine Rolle gespielt haben. Vor allem gründeten die Vorbehalte aber wohl auf der zuletzt von John Sabapathy bemüh‑ ten Binsenweisheit, dass parallele Kultur‑ erscheinungen in der Geschichte oftmals schlichtweg die menschliche Fähigkeit belegen, für ähnliche Bedürfnisse ähn‑ liche Lösungen zu finden, und zwar aus eigener Kraft.8 Wenn es also für die Pariser Kollegiaturen überhaupt eines Vorbildes bedurfte, so wird man dieses zunächst im Okzident selbst zu suchen haben, nämlich bei jenen Armen‑Pfründen, die seit der ersten Jahrtausendwende in caritativen Einrichtungen aller Art gestiftet wurden9 und die ihrerseits die Kleriker‑Pfründen der weltlichen Kollegiatstifte nachahm‑ ten10. Eine solche Kontextualisierung der Pariser Kollegstiftung liegt nicht zuletzt deshalb nahe, weil die ‚Armut‘, unter der die von Jodocius bedachten „armen Kleri‑ ker“11 litten, ja gerade darin bestand, dass diese im Gegensatz zu ihren besserge‑ stellten Kommilitonen solcher Pfründen (noch) entbehrten. Und nicht von unge‑ fähr rechnete später auch Walter de Mer‑ ton – dessen Oxforder Kolleg mit seiner genossenschaftlichen Selbstorganisation im Übrigen noch stärker als die Pariser ‚Freibetten samt Essensgeld‘ dem Vorbild des weltlichen Kollegiatstifts nachemp‑ funden war – in seinem Gründungsstatut mit der Möglichkeit, dass die Destinatäre ihre Kollegiaturen zugunsten „ergiebigerer Pfründen“ aufgeben würden.12
Mit dieser Falsifikation der wohl promi‑ nentesten Imitationshypothese hat sich die Frage nach der Bedeutung interkultureller Austauschprozesse für die Entfaltung des okzidentalen Stiftungswesens keineswegs erledigt. Die Mediävistik ist vielmehr dazu aufgerufen, dem Beispiel anderer Fächer zu folgen und ihr Quellenmaterial unter diesem Gesichtspunkt selbst durchzumus‑ tern. Besonders lohnend scheint dies (1.) im Hinblick auf allgemeine interkultu‑ relle Kontakträume wie den Balkan, die Levante, Sizilien oder Al‑Andalus; (2.) im Hinblick auf stiftungsspezifische Interakti‑ onskonstellationen, etwa die ‚Umwidmung‘ muslimischer oder jüdischer Gotteshäuser infolge von Eroberung oder Vertreibung; sowie (3.) im Hinblick auf Migranten und Konvertiten als Stiftungsakteure. Wie er‑ giebig solche Recherchen letztendlich sein werden, kann beim gegenwärtigen For‑ schungsstand kaum abgeschätzt werden. Statt großer Thesen sind wohl erst einmal nur punktuelle Befunde zu erwarten, die mit viel Fingerspitzengefühl ausgedeutet werden müssen. Das zeigt exemplarisch eine zu Beginn des 16. Jahrhunderts er‑ richtete Kapellenstiftung des Troiano de Buctunis aus Trani. Dieser Nachkomme jü‑ discher Konvertiten nutzte seine Fundation bei dem örtlichen Dominikanerkonvent für eine fein austarierte Inszenierung seiner ambiguen sozialen Position. Von der Kon‑ struktion her blieb das ‚fromme Werk‘ des ‚Neuchristen‘ dabei im Großen und Gan‑ zen recht konventionell gestrickt. Die pro‑ jektierte Verwendung der angewiesenen Zolleinkünfte für eine Anniversarfeier am Todestag des Stifters sowie jährlich zwei Fackeln von zehn Pfund, die an Allerseelen während des gesamten Offiziums brennen sollten, folgte lange etablierten Mustern lateinchristlicher Stiftungen. Zusätzlich verpflichtete Troiano seine Erben aber zu einer jährlichen Opfergabe, da er ihnen
Die mediävistische Perspektive
auftrug, das Haus des Herrn alljährlich am Fest Mariä Lichtmess (2. Februar) ebenfalls mit einer solchen Fackel zu ehren.13 Indem der Stifter seine Nachkommen daran er‑ innern ließ, „dass auch der Erlöser selbst und seine Mutter von Juden abstammten“, bezweckte er offenkundig eine „Verteidi‑ gung der eigenen jüdischen Herkunft“.14 Stiftungen zur Feier der purificatio Mariae waren zwar keineswegs eine Erfindung oder eine Domäne jüdischer Konvertiten.15
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Aufmerksamkeit erregt jedoch die konkre‑ te Ausgestaltung des Festes durch Troiano. Griff die Zinsverpflichtung der Nachkom‑ men jüdische Stiftungsbräuche auf? Oder provozierte gerade die Ambiguität des Neophyten eine kulturelle Neuschöpfung? Stiftungsgeschichtlich relevant wäre eine solche Innovation respektive Invention vor allem dann, wenn sie über den Einzelfall hinaus traditionsbildend gewirkt hätte. TL
Anmerkungen 1 Vgl. Schnorr von Carolsfeld, Geschichte (1933);
Jahren seiner Existenz also sehr wohl nach dem d’Emilia, Comparazione (1953); Kneller, Rechts‑ Vorbild eines waqf konstruiert gewesen sein könne. Diesbezügliche Kenntnisse möge der charakter (1966). 2 Vgl. Borgolte, Geschichte des Stiftungsrechts Stifter, Walter de Merton, auch indirekt durch (2002, ND 2012); Ders., Stiftungen – eine Ge‑ Franziskaner oder Templer vermittelt bekom‑ schichte von Zeit und Raum (2009, ND 2010 men haben. Für eine solche Erklärung spreche und 2012); Ders., Fünftausend Jahre Stiftungen nicht zuletzt die zeitliche Koinzidenz von ver‑ (2015); Ders., Stiftungen für das Seelenheil (2015); mehrtem Kulturkontakt infolge der Kreuzzüge Lusiardi, Stiftung und Seelenheil (2005); Ders., und der Entstehung der damals noch uses ge‑ Familie und Stiftung (2008); Geelhaar, Stiftung nannten trusts. und Innovation (2008); Ders., Vergleichende Per‑ 7 Borgolte, Universität und Intellektueller (2008, spektive (2011). ND 2014), 272 (mit Literatur). Eine Ausnahme: 3 Vgl. Borgolte, Geschichte des Stiftungsrechts Geelhaar, Stiftungszweck Bildung (2007), der (2002, ND 2012), bes. 343–346; 379 f.; Lusiardi, Stif‑ vor allem die Unterschiede zwischen madrasa tung und Seelenheil (2005), bes. 67–69; jetzt vor und Kolleg herausarbeitet. – Auch Islamwissen‑ allem Borgolte, Stiftungen für das Seelenheil (2015). schaftler äußern sich mittlerweile skeptisch. Vgl. 4 Makdisi, Rise of Colleges (1981), 287: „The cor‑ etwa Halm, Madrasa (2002). Anders aber Çizakça, responding elements (…) are many: (…) the ma‑ Cross‑cultural Borrowing (2007). drasa and the college based on the law of waqf 8 Sabapathy, Officers and Accountability (2014), or charitable trust, with their foundationers of 214, Anm. 203. Vgl. auch grundsätzlich Borgolte, graduates and undergraduates, the faqih‑sahib Geschichte des Stiftungsrechts (2002, ND 2012), and mutafaqqih on the one hand, and the fel‑ 338: „Vielleicht verfehlen die Fragen nach Ursprün‑ low and scholar on the other, (…) the founder’s gen, Einflüssen und Entwicklungsstufen aber auch wishes, his freedom of choice and its limitation, das Entscheidende: dass Stiftungen nämlich auf the charitable object and the undeclared motives, jeweils neue Bedürfnisse und Rahmenbedingun‑ gen reagieren und ständig neu erfunden werden.“ the overseeing visitors and the beneficiaries“. Siehe ferner Borgolte, Einleitung (2005), 21. 5 Vgl. ebd., 228 f. 6 Ebd., 236 f. Diese Behauptung wurde später 9 Umfassende Forschungen zu diesem Phäno‑ durch Gaudiosi, Influence (1988), bes. 1247–1256, men fehlen. Eine aufschlussreiche Lokalstudie relativiert, die nachzuweisen versucht, dass das bietet Baucells i Reig, Gènesi de la Pia Almoina Merton College die von Makdisi beschriebene (1982); ergänzend hierzu Rico Camps, Almoinas Verfassung erst 1274 erhalten habe, in den ersten catedralicias (2005), bes. 158 f.
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
10 Zur Stiftung von Einzelpfründen durch Kö‑ 13 Die Urkunde ist gedruckt bei Scheller, Stadt
nige, Bischöfe und Grafen vgl. Borgolte, Typo‑ der Neuchristen (2013), 474–476, hier 474 f.: quod logie und Chronologie (1991, ND 2012), bes. 241: in dicta Cappella haberent dicti fratres (…) post „Wahrscheinlich muss man bei der Entstehung eius [Troiani] mortem singulis annis anniversader Kanonikate weniger an die Verbreitung des rium facere die, quo ipse esset defunctus, et in Phänomens durch Nachahmung, als an Simul‑ die commemorationis omnium defunctorum duas tangenese aufgrund vergleichbarer Bedingungen faces seu torcias librarum decem in ea accendere denken“. Ein weiteres instruktives Beispiel, bei et accensas tenere, donec celebraretur officium, ac dem das Kanonikat nicht auf ein Amt, sondern singulis annis in die purificationis beatissime virgidie Familie des Stifters bezogen wurde, erwähnt nis Marie eius heredes et domum honorare de una Wood, English monasteries (1955), 112. torcia. Vgl. Schellers abweichende Interpretation 11 Chartularium universitatis Parisiensis, Bd. 1. der Stifterauf lagen ebd., 290. Zur Person des Ed. Heinrich Denifle / Émile Chatelain. Paris 1889, Troiano siehe ebd., 398 f. 49 f., Nr. 50, hier 49: pauperes clerici. 14 Ebd., 290. 12 Merton Muniments. Ed. P. S. Allen / H. W. 15 Vgl. etwa einen bereits ins 12. Jahrhundert Garrod. Oxford 1928, 21–26, Nr. 6 (von 1274 VIII), datierten Beleg bei Haas, Leben im Kollegiatstift hier 22: Si autem eorum alicui (…) beneficium (…) (2011), 110 mit Anm. 304. uberius fuerit assecutus.
19.3 Die islamwissenschaftliche Perspektive Die arabische Welt war ein Raum interkul‑ tureller Kontakte. Auf ihrem Gebiet gab es einen ständigen Wissensaustausch, von der vorchristlichen Epoche mit den klassischen persischen und griechischen Zivilisationen bis zum Aufstieg des Islam im 7. Jahrhun‑ dert und den extensiv herrschenden Kali‑ fendynastien. Insbesondere das Aufkom‑ men des Islam im 7. Jahrhundert markiert einen Moment, von dem an die arabische Welt zu einer Schlüsselregion für die Wei‑ tergabe und Umformung von Ideen wurde. In dieser neuen Ära war die Vergangenheit stets präsent.1 Frühere Kulturen wirkten auf verschiedene Art und Weise weiter: durch Institutionen, die weiterhin fortbestanden, durch politische, soziale und geschäftliche Kontakte zwischen Menschen unterschied‑ licher Herkunft sowie durch Texte, Überset‑ zungen und mündliche Tradition.2 Forschungen zur kulturellen Weitergabe und zu interkulturellen Kontakten in der
islamischen Geschichte führten immer wieder zu dem Ergebnis, dass das isla‑ mische Recht in seiner jetzigen Form ein Produkt solcher Kontakte war, die Imitatio‑ nen, Modifikationen und Innovationen mit sich brachten. Fast jede Rechtsinstitution lässt sich so auf vorislamische arabische Praktiken oder Urteile des Propheten und seiner unmittelbaren Nachfolger zurück‑ führen. Selbst die Ablehnung bestimmter Institutionen durch das islamische Recht kann so erklärt werden. Hierfür werden vorislamische Praktiken als pagan und ‚unarabisch‘ dargestellt und der Prophet und seine unmittelbaren Nachfolger als Gewährsmänner herangezogen, die diese Praktiken verurteilten.3 Solche Darstel‑ lungen sind zwar offensichtlich doktrinell beeinflusst, aber dennoch einflussreich, weil die mittelalterliche muslimische His‑ toriographie sich stets vehement gegen Behauptungen wehrte, dass interkulturelle
Die islamwissenschaftliche Perspektive
Kontakte zu Imitationen geführt hätten. Das hat zur Folge, dass praktisch keine Nachahmungen explizit anerkannt werden. Da darüber hinaus keine Quellen aus der Entstehungszeit des islamischen Rechts erhalten geblieben sind, ist die Forschung gänzlich von einer späten Tradition abhän‑ gig, die jede Art von Imitation leugnet. Das gilt auch für Forschungen zu Stiftungen und wohltätigen Einrichtungen. Im antiken Mesopotamien, in Griechen‑ land, Rom und auch bei den vorislamischen Arabern kannte man mit Sicherheit Stif‑ tungen. Welchen Einfluss diese antiken Institutionen auf die islamischen awqāf hatten oder inwiefern diese Stiftungen ein Produkt islamischen Erfindungsreichtums waren, ist dabei nach wie vor ungeklärt. Römische, byzantinische, mesopotamische, sasanidische, jüdische und buddhistische Einflüsse sind für plausibel gehalten wor‑ den.4 Die jüngere Forschung hat vor allem das sasanidische Recht als wahrschein‑ lichste Imitationsquelle hervorgehoben.5 (→ 19.1.5) Würde man im vorislamischen Arabi‑ en nach Hinweisen auf ähnliche Stiftun‑ gen suchen, wären diese leicht zu finden, insbesondere unter den anderen beiden abrahamitischen Religionen. Die bloße Tat‑ sache, dass ein und dasselbe Phänomen in unterschiedlichen Kulturen existier‑ te, bedeutet aber nicht notwendigerweise, dass es auch eine Imitation gab oder eine genetische Verbindung besteht. Wenn man zudem berücksichtigt, dass Historiker des Islam bei ihrer Suche nach ‚externen Präze‑ denzfällen‘ für Realitäten, Normen, Werte, Glaubensvorstellungen und Institutionen manchmal zu weit gegangen sind, muss die These eines außerislamischen Vorbilds besonders kritisch hinterfragt werden. Es ist daher auch möglich, dass trotz einer etwaigen ursprünglichen Verbindung mit anderen ähnlichen Institutionen die
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spätere Entwicklung des waqf einzigartig war und dass er ganz spezifisch islamische Merkmale ausbildete. Islamische Stiftungen brachten ein neu‑ es Stiftungskonzept in die Welt des Mittel‑ alters. Dieses durchdrang sowohl private als auch öffentliche Bereiche und reich‑ te schließlich sogar bis zum ultimativen Mediator menschlicher Angelegenheiten, Gott.6 Stiftungen entwickelten sich zu in‑ frastrukturellen Knotenpunkten islami‑ scher Traditionen und zu deren instituti‑ oneller Basis. Sie sorgten aber nicht nur für die Verbreitung informeller Kontakte unter Gelehrten, einfachen Leuten und Herrschern, sondern überführten diese auch in ‚messbarere‘ Organisationsformen. Dies lässt sich deutlich daran erkennen, wie einfache Leute in wohltätige Prak‑ tiken und Diskurse einbezogen wurden. (→ 14.3.2) Für eine lange Zeit bedeuteten For‑ schungen zu interkulturellen Kontakten eine ‚Suche nach den Ursprüngen‘. Diese Perspektive war tief verankert in einer orientalistischen Tradition, die in verglei‑ chenden Arbeiten die Entstehung des isla‑ mischen Stiftungsrechts den spätantiken oder mittelalterlichen Rechtstraditionen verwandter Institutionen gegenüberstell‑ te. (→ 2.3.1) Die frühesten Vermutungen über fremde Ursprünge des waqf basierten auf dem kulturübergreifenden Vergleich des islamischen Stiftungsrechts mit dem Rechtsstatus der byzantinischen piae causae, der römischen res sacrae und des fidei commissum.7 Heutzutage neigen viele Islamwissen‑ schaftler dazu, den waqf auf islamische Ursprünge zurückzuführen und die Idee möglicher Imitationen zu verwerfen.8 Pe‑ ter C. Hennigan betonte vor nicht allzu langer Zeit, dass der waqf zwar „von Ele‑ menten fremder Praktiken durchdrungen ist“, aber keine „entlehnte Institution“ im
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
engeren Sinne sei.9 Statt von einer Imitati‑ on spricht er daher lieber von „unbewusster Anleihe“.10 Als um die Mitte des 9. Jahr‑ hunderts die ḥanafitischen Abhandlungen von al‑Ḫaṣṣāf (gest. 874) und Hilāl ar‑Raʾy (gest. 859) verfasst wurden und das islami‑ sche Stiftungssystem zum ersten Mal eine rechtlich kodifizierte Form fand, „existier‑ te in der islamischen Gesellschaft eine Vielfalt von treuhänderischen Praktiken, deren fremde Wurzeln schon vor langer Zeit zurückgewiesen worden waren und die jetzt als Fortführung der Praktiken des Propheten und seiner Gefährten angese‑ hen wurden“11. Zur gleichen Zeit wurden Muslime wahrscheinlich dazu angehalten, ihre Vermögen zum Wohle der Menschheit zu stiften. Der Koran schrieb dies vor, um die Unglücklichen zu unterstützen und deren Gemeinschaft durch Almosen und milden Gaben zu stärken.12 Das Wissen über die Durchführung dieser Maßnah‑ men stammte von Zivilisationen, die die Region früher beherrscht hatten.13 Auf konzeptioneller Ebene gibt es ei‑ nige Gemeinsamkeiten mit Byzanz, die auf eine Form von Imitation hindeuten. Armut wurde nämlich im Islam genau wie in Byzanz und im Judentum rechtlich de‑ finiert. Menschen, deren Einkommen oder Vermögen unter einer bestimmten Grenze lag, galten als arm. Dennoch gab es im Is‑ lam keine Terminologie für Armenhäuser, medizinische Dienste, Einrichtungen für Waisen, Blinde und Leprakranke, Unter‑ künfte für Pilger, Fremde und Reisende sowie für alle anderen Dienste zugunsten von Armen, die derart genau differenziert hätte wie die byzantinische. So verwendete etwa der Biograf Šams ad‑Dīn Ibn Ḫallikān (gest. 1282) den Begriff ḫānqāh, um damit Einrichtungen für Waisen und Blinde, aber auch Häuser für Witwen, Findelkinder und sogar Mystiker zu bezeichnen.14 Eine solche Streuung bedeutet jedoch nicht zwingend,
dass es eine institutionelle Leerstelle gab, sondern vielmehr, dass primäre und sekun‑ däre Funktionen miteinander vermischt waren; das gilt etwa für die Unterstützung von Mystikern und Juristen mit den Feier‑ lichkeiten zum Geburtstag des Propheten und der Verteilung milder Gaben. Die isla‑ mische öffentliche Stiftung des Mittelalters war eher auf die Gesellschaft als Ganzes und nicht auf den Einzelnen ausgerichtet, und innerhalb dieser breiten Ausrichtung wurden die Gelehrten den Armen vorge‑ zogen.15 Dennoch spielten byzantinische Traditionen wahrscheinlich eine Rolle bei der Gestaltung von Ideen und Formen mus‑ limischer Wohltätigkeit, wenngleich die Wege und Arten der Imitation zwischen byzantinisch‑christlicher und früher isla‑ mischer Kultur nicht immer offensichtlich oder direkt nachweisbar sind.16 Neben konzeptionellen Ähnlichkeiten haben Wissenschaftler aufzuzeigen ver‑ sucht, dass die byzantinischen piae causae einige ganz konkrete Gemeinsamkeiten mit dem islamischen waqf aufwiesen. Dies betrifft vor allem den Bereich der Verwal‑ tung.17 Von größerer Bedeutung ist jedoch, dass die wohltätigen Zwecke der piae causae den wohltätigen Zwecken des waqf entsprechen – Unterstützung von Armen, Freikauf von Gefangenen, der Bau von Kirchen beziehungsweise Moscheen, Hos‑ pitälern und Herbergen für Reisende so‑ wie Waisen‑ und Armenhäusern. (→ 7.5.3) Die Diskussion derjenigen Forscher, die eine Verbindung zwischen islamischem Stiftungsrecht und byzantinischen Stiftun‑ gen annehmen, hat sich hauptsächlich um den Einfluss der piae causae auf das islami‑ sche Stiftungsrecht gedreht. Dabei handelte es sich um Stiftungen, deren Verwaltung in der Regel kirchlichen Autoritäten oder Laien unter kirchlicher Aufsicht oblag, während den Begünstigten ihre Erträge zugutekamen. Es gibt Belege für christliche
Die islamwissenschaftliche Perspektive
Klosterstiftungen, die schon im 5. Jahrhun‑ dert von Arabern in Palästina gegründet wurden, darunter diejenige eines gewissen Mönches Maris, der allem Weltlichen ent‑ sagt und sein Vermögen für den Bau und die Vergrößerung eines Klosters gegeben hatte, in das er selbst in den 460er Jahren eintrat. Laut Irfan Shahīd handelt es sich hierbei um die erste schriftlich belegte Stiftung, die von einem Araber errichtet wurde.18 Andererseits ist die Tatsache, dass es anders als in Byzanz bei frommen Stif‑ tungen im Islam keinerlei hierokratische Kontrolle gab, das stärkste Argument, das gegen eine Imitation des (ost‑)römischen Rechts spricht. Es war nach Meinung einiger Forscher vor allem die geographische Nähe, die zu Imitationen geführt habe. Das gilt insbe‑ sondere für die ersten Muslime in Arabien, Syrien und Ägypten. Claude Cahen zufolge endeten mit dem Untergang der Fatimiden und der Machtübernahme durch Saladin im Jahr 1171 die byzantinischen Einflüsse. Die Ayyūbiden hätten dann in Ägypten eine „orientalische Form“ des waqf ein‑ geführt und die byzantinisch inspirierten Stiftungen verdrängt.19 Man könnte argu‑ mentieren, dass byzantinisch‑christliche Praktiken – genau wie jüdische – in den er‑ oberten Gebieten von der aufkommenden arabisch‑muslimischen Kultur absorbiert wurden und zusammen mit den Menschen konvertierten, die mit diesen Praktiken vertraut waren. Andererseits werden sol‑ che Hypothesen zu Imitationen von byzan‑ tinischen Stiftungen mit der Begründung zurückgewiesen, dass Stiftungen im frü‑ hen Islam ihre Güter nicht nur in Städten besaßen, wie dies bei den byzantinischen piae causae der Fall war, sondern zumindest außerhalb Ägyptens auch auf dem Land. Dass im Land am Nil Güter islamischer Stiftungen in den Städten konzentriert wa‑ ren, liegt vielleicht darin begründet, dass
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hier die ländliche Bevölkerung noch einige Jahrhunderte lang weitgehend christlich blieb. Darüber hinaus existierten beson‑ ders in der Frühzeit des Islam vorrangig Stiftungen zugunsten von Verwandten und Nachkommen, während byzantini‑ sche Stiftungen in erster Linie religiöse Institutionen und nicht Einzelpersonen begünstigten.20 Auffällige Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Kulturen bleiben jedoch beste‑ hen. So könnte beispielsweise der Stifter eines waqf dessen Regularien nach dem Vorbild byzantinischer typika festgelegt haben. (→ 5.3.2) Ein weiteres Beispiel ist die muslimische Institution des funduq, der gemeinsame Merkmale mit dem by‑ zantinischen pandocheion aufweist und von mittelalterlichen Reisenden und Kauf‑ leuten als fondaco 21 bezeichnet wurde – ei‑ nem Wort, das wohl zugleich das Etymon des arabischen Begriffs ist. (→ 6.3.2) Dass ältere byzantinische und persische Prak‑ tiken fortgeführt wurden, zeigt sich auch bei der geographischen Lage und der Ar‑ chitektur islamischer Herbergen. So wa‑ ren die früheren Exemplare rechteckige zweigeschossige Gebäude, ähnlich dem pandocheion, wenngleich die späteren mit quadratischem Grundriss und zentralem Innenhof eine andere Form annahmen.22 Hospitäler stellen einen in muslimischen Städten verbreiteten Stiftungstyp dar, der viele Wohltäter anzog; ihre Entwicklung folgte in hohem Maße byzantinischen und persischen Vorbildern und lässt sich im Bagdad des 9. und 10. Jahrhunderts be‑ sonders gut erkennen. Die Übersetzung medizinischer Texte unter höfischer Pat‑ ronage, insbesondere die Übertragung der Werke Galens aus dem Griechischen ins Arabische, spiegeln dies ebenfalls wider. Auch die islamische Rechtslehre weist einige Gemeinsamkeiten mit dem byzan‑ tinischen System auf.23 Die Frage nach der
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
Anonymität der Begünstigten, die bereits die piae causae vorweggenommen hatten, wurde auch im islamischen Recht gestellt: So war im justinianischen Rechtskorpus der Status von incertae personae bestimmt worden, und Malik b. Anas (gest. 796) war es, der erstmals awqāf zugunsten unbe‑ kannter Personen anerkannte.24 Ein all‑ gemeines Verbot, fremdes Eigentum zu veräußern, finden wir beispielsweise bei Muḥammad ibn Aḥmad al‑Saraḫsī (gest. 1090), der den waqf als „das Zu‑ rückhalten von Eigentum vor einer Ver‑ äußerung“ definiert. Dies ist auch ein es‑ sentielles Merkmal der piae causae.25 Eine detailliertere Version dieses Verbots findet sich in einer prophetischen Tradition, der zufolge der Verkauf, die Schenkung und die Vererbung von Grundbesitz nicht ge‑ stattet sei.26 Anhand dieser Beobachtungen könn‑ te man zu dem Urteil gelangen, dass das geltende Stiftungsrecht in den neu erwor‑ benen Territorien das islamische Recht beeinflusste oder sogar von diesem imitiert wurde. Obwohl das römische Rechtssys‑ tem im Sinne eines organisierten Geset‑ zeskorpus, das diskutiert, studiert und bewusst bewahrt wurde, zusammen mit dem römischen Staat aus den Provinzen des Nahen Ostens verschwand, lebte es als Teil einer provinzialen Praxis fort, die zugleich professionalisiert und weit ver‑ breitet war. Genau diese Praktiken waren es, mit denen die Araber in Kontakt ka‑ men. David Santillana sah den Einfluss des römischen Rechts als gegeben an, war aber dennoch der Meinung, dass zunächst Grundlagenforschung zum islamischen Recht betrieben werden müsse, bevor diese Frage zufriedenstellend diskutiert werden könnte. Daher beschränkte er sich darauf, in diversen Veröffentlichungen Parallelen zum römischen Recht aufzuzeigen.27 Mar‑ cel Morand wiederum stellte im Zuge einer
Diskussion über die rechtliche Natur des muslimischen waqf mehr oder weniger beiläufig ein Argument zugunsten seiner römischen Herkunft auf. Carl Becker und Joseph Schacht schlossen sich dem ohne ausreichende Belege an.28 Patricia Crones Arbeit ist der jüngste Beitrag zu diesem problematischen Thema: Sie argumentiert, dass für den Fall, dass römische Elemente tatsächlich in das islamische Recht einge‑ gangen sind, dies nur mittels provinzialer Gesetze möglich gewesen sei; gemeint sind „nicht‑römische Gesetze, die in den Pro‑ vinzen des Römischen Reiches praktiziert wurden, und zwar besonders in denjenigen Provinzen, die ehemals unter griechischer Herrschaft standen“29. Römische Institutionen, die in eine an‑ dere Umgebung transferiert wurden, waren einiger ihrer ursprünglichen spezifischen Funktionen beraubt und nahmen neue Ei‑ genschaften an. Vergleiche zwischen dem römischen und dem islamischen Recht nei‑ gen dazu, entweder verallgemeinernd und unpräzise oder sehr spezifisch, dann je‑ doch zugleich isoliert zu sein. In jedem Fall sind sie schwer durchführbar, und selbst wenn es einmal gelingt, Parallelen zwi‑ schen den Rechtskulturen auszumachen, besteht immer noch die Möglichkeit, dass Elemente des islamischen Rechts nicht dem römischen, sondern dem jüdischen Recht entlehnt worden sind.30 Aus diesem Grund sind bis zum heutigen Tag kaum römi‑ sche Elemente im islamischen Recht belegt worden. Einige behauptete Verbindungen sind nachweislich falsch, insbesondere im Bereich der allgemeineren Diskussionen über das Rechtssystem. So kannten die Römer beispielsweise die Konzepte der interpretatio prudentium, womit das gesamte Phänomen des wissenschaftlichen Nach‑ denkens über Recht bezeichnet wird, und der responsa prudentium – Urteilssprüche zu Rechtsfragen, die den Juristen vorgelegt
Die islamwissenschaftliche Perspektive
wurden; keines dieser Konzepte hat aber etwas mit den arabisch‑islamischen Kon‑ zepten von raʾy (‚persönliches Urteil‘) oder iǧmāʿ (‚Konsens‘) zu tun, die im römischen Recht überhaupt nicht auftauchen. Dies führte Patricia Crone und Michael Cook zu dem Urteil, dass es überhaupt keinen direkten Einfluss des römischen Rechts gegeben habe.31 Im Gegensatz dazu ist oft behauptet worden, dass es einen Einfluss des vorisla‑ mischen iranischen Rechts gegeben habe.32 Ein nicht geringer Teil der Forschung zu vorislamischen Stiftungen hat sich auf das sasanidische System konzentriert, unter dessen Herrschaft große Teile Arabiens vom 3. bis zum 7. Jahrhundert u. Z. stan‑ den. (→ 4.3.2) Dieser Einfluss ist aufgrund von Gemein‑ samkeiten mit dem sasanidischen Gesetzes‑ kodex ‚Mātakdān‑i Hazār Dātastān‘ (‚Buch der tausend Urteile‘) vermutet worden. Die‑ sem Text zufolge gab es zwei Typen von sasanidischen Stiftungen: Privatstiftungen für die Seele des Stifters und Stiftungen für wohltätige Zwecke. (→ 3.3.2) Von einigen Forschern ist darauf hingewiesen worden, dass diese Unterteilung der islamischen Kategorisierung in Familienstiftung und öffentliche Stiftung entspreche und von dieser imitiert worden sei.33 Andererseits gilt es aber zu beachten, dass die persische Unterteilung eine moralische Unterteilung war, die sich eindeutig von der rechtlichen Einteilung des islamischen Stiftungswesens in öffentlichen und privaten waqf unter‑ scheidet. Eine mögliche Übernahme der persischen Unterteilung könnte man als Zeichen von Kulturkontakt und Ideenüber‑ mittlung werten, die auf den religiösen Be‑ reich begrenzt war. (→ 19.1.5) Es gibt in der sasanidischen Rechtsterminologie nämlich keine eindeutige Trennung zwischen Pri‑ vatstiftungen mit öffentlichem Charakter, wie Brücken oder Feuertempel zum Wohle
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der Gemeinschaft, und Familienstiftungen, die in erster Linie dazu dienen sollten, den Kindern und Nachkommen des Stifters ein Einkommen zu garantieren.34 Auch bei den Vertragsbedingungen stößt man aber auf Gemeinsamkeiten, insbeson‑ dere bei der Unwiderruflichkeit von Verträ‑ gen. Zudem kennen beide Stiftungssysteme bei ihren frühen Stiftungen Treuhänder, die vom Stifter benannt wurden (nāẓir und mutawallī).35 Es scheint insgesamt jedoch angebracht, eher von Analogien bei der Antwort auf gesellschaftliche Bedürfnisse und der Fusion ähnlicher Elemente zu spre‑ chen als von einer Imitation. Das iranische Rechtssystem in seiner Form, die es bis zur sasanidischen Periode angenommen hatte, hinterließ zweifellos auch seine Spuren bei anderen zeitgenössischen Gemeinschaften. Zahlreiche Parallelen und Gemeinsamkei‑ ten finden sich auch im jüdischen Recht, im sasanidischen Mesopotamien und im nestorianisch‑christlichen Recht.36 Wie rechtliche Ideen in bestimmte In‑ stitutionen und historische Kontexte ein‑ gebettet werden, lässt sich vielleicht am besten an der Entwicklung von Stiftungen beobachten. Jedoch wird bei der Überle‑ gung, dass Rechtsideen in neue Kontex‑ te implementiert werden, häufig davon ausgegangen, dass rechtliche Regelungen ganz ähnlich funktionierten wie heute und dass eindeutige Rechtsinstitute wie Treuhandschaft existierten und damit ein relativ genauer Transfer von einem be‑ grenzten ‚Rechtssystem‘ zu einem anderen möglich war. Frühe Juristen scheinen je‑ doch nicht auf diese Weise gedacht zu ha‑ ben, zumindest nicht bis zur Kodifizierung des waqf‑Rechts. So lässt sich der waqf als Kristallisation einiger großer allgemeiner Rechtsideen betrachten, die zusammen‑ gefügt wurden und ein Resultat aus dem Vergleich verschiedener Erfahrungen im Laufe der Geschichte bildeten.
460
Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
Eine kürzlich erschienene Arbeit des deutschen Historikers Benjamin Jokisch geht von einer grundsätzlich anderen Ent‑ stehung des islamischen Rechts aus. Wäh‑ rend die Theorien anderer Wissenschaftler darauf basieren, dass das klassische Recht von unabhängigen Religionsgelehrten ent‑ wickelt wurde, nimmt Jokisch an, dass dieses das Ergebnis säkularer Reichsge‑ setze war, die von einigen Juristen des Staates in Bagdad angefertigt worden wa‑ ren; genauer gesagt handelte es sich um eine von Kalif Hārūn (gest. 809) ins Leben gerufene Kommission.37 Bei den Quellen, auf die diese staatlichen Gelehrten bei ih‑ rer Arbeit zurückgegriffen hätten, habe es sich hauptsächlich um griechisch‑byzan‑ tinische Texte gehandelt. Folglich stamme viel von den theoretischen Grundlagen des islamischen aus dem byzantinischen Recht. Byzantinische Konvertiten, die häu‑ fig Anhänger kleiner christlicher Sekten waren, aus der abbasidischen Hauptstadt geflohen waren und sich später zum Islam bekannten oder in ihren separaten Sekten verblieben, hätten das byzantinische Recht in die neue Umgebung gebracht und es dann ins Arabische übersetzt. Tatsächlich gibt es zwei Hauptgründe für die verschiedenen Meinungen zum Ur‑ sprung des waqf, den Imitationsmustern durch Kulturkontakt und der Innovations‑ kraft des islamischen Stiftungssystems: das Fehlen unstrittiger Quellen und die methodologischen Unterschiede bei der Frage, wie mit dem vorhandenen Quellen‑ material umzugehen ist. Viele Differenzen
beruhen auch auf Missverständnissen bei Konzepten und empirischen Daten. Was ist beispielsweise in der frühen Formie‑ rungsphase überhaupt unter ‚Recht‘ zu verstehen? Eine systematisierte und ko‑ härente Struktur oder Rechtspraktiken, die ad hoc vor Ort vorgefunden wurden? Ein weiteres methodologisches Problem ist Anthropologen wohlbekannt: Bedeutet die Tatsache, dass eine Idee oder Lösung in zwei verschiedenen Gesellschaften vor‑ gefunden wird, dass diese sich von einer Gesellschaft auf die andere ausgebreitet hat, oder könnte eine bestimmte Praxis in beiden Gesellschaften aufgrund ähnlicher Faktoren auch ganz unabhängig vonein‑ ander entstanden sein? Jenseits solcher Differenzen bleibt fest‑ zustellen, dass die rasante Expansion des Islamischen Reiches den Arabern eindeutig wenig Zeit ließ, sich auf eine rechtliche Verwaltung vorzubereiten. Die Vorschrif‑ ten des Korans boten die Blaupause für historische Kontinuität. Wenn sie aber zu Innovation gezwungen waren, suchten Muslime nach Lösungen innerhalb neu eroberter Territorien, ganz gleich, ob diese einer ‚römischen‘, einer ‚provinzialen‘ oder einer ‚generisch nahöstlichen‘ (Arabien eingeschlossenen) Kultur entstammten. Erst dann nahm die Systematisierung zu, was letztendlich zur Formulierung von Regeln für Stiftungen und Abhandlungen über awqāf führte – mit einer Struktur, wie es sie in früheren kulturellen Kontexten nie zuvor gegeben hatte. ClM
Anmerkungen 1 L. Berger, Entstehung des Islam (2016), 15–36; 97–105. 2 Von den Eroberungen im Allgemeinen nicht betroffen waren die Familie, das Dorf, die
Nachbarschaft, die Stammesgemeinschaften und andere Gemeinschaftsformen kleineren Maßstabs. Auf der anderen Seite blieben auch die grundle‑ genden Institutionen der landwirtschaftlichen
Die islamwissenschaftliche Perspektive
Produktion und des städtischen Handels un‑ verändert, genauso wie die byzantinischen und sasanidischen Reichsinstitutionen; vgl. Lapidus, History (2007), 167–174. 3 Crone, Roman, Provincial, and Islamic Law (1987), 7. 4 Coing, Remarks (1981), 272–274. 5 Arjomand, Philanthropy (1998), 110 f. 6 Barnes, Introduction to Religious Foundations (1986, ND 1987), 5. 7 Für eine allgemeinen Diskussion dieses The‑ mas siehe Hennigan, Birth of a Legal Institution (2004), 52–66. 8 Peters, Waḳf (2002), 60; Mitter, Frühislamisches Patronat (1999), 33; García Sanjuán, God Inherits the Earth (2007), 57; Cahen, Peuples (1977), 302; Macuch, Rechtskasuistik (1993), 1; Dies., Sasanidi‑ sche fromme Stiftung (2009), 164; 180; Perikhanian, Iranian Society (1983), 664 f.; Arjomand, Philanth‑ ropy (1998), 110 f. Eine andere Gruppe von Wissen‑ schaftlern betont die Ähnlichkeit zwischen waqf und res bzw. aedes sacrae im römischen Recht; siehe Mukherji, Islamic Institutions (1990/1991), 114. 9 Hennigan, Birth of a Legal Institution (2004), 52. 10 Ebd., 67. 11 Ebd., 68. 12 Vgl. z. B. Q 2.271; 76.8. 13 Crecelius, Introduction (1995), 249. 14 Lev, Charity, Endowments (2005), 114. 15 Die breite gesellschaftliche Ausrichtung öf‑ fentlicher islamischer Stiftungen kann anhand zahlreicher Beispiele verdeutlicht werden. Unter bestimmten Umständen gab ein waqf einem Bür‑ ger das Recht, eine Klage im Namen des öffentli‑ chen Interesses einzureichen. Im Laufe der Zeit sind zunehmend Gerichtsverhandlungen wegen der unangemessenen Verwaltung von waqf‑Besit‑ zungen belegt, insbesondere zu osmanischer Zeit. Stiftungen hatten darüber hinaus zur Folge, dass öffentliche Ämter organisiert und hierarchisiert wurden. Stiftungen wurden von den imperialen Zentren zunehmend gefördert, indem etwa religi‑ ösen Stiftungen öffentliche Einnahmen zugeteilt wurden, insbesondere Gelehrten. Dieser Prozess perfektionierte eine Praxis, deren Ursprünge in der Seldschukendynastie lagen und deren Höhe‑ punkt in die osmanische Zeit des 16. Jahrhunderts fällt. Zu diesem Thema siehe Salvatore, Sociology of Islam (2016), 174–189.
461 16 Vgl. Schacht, Droit (1956), 214; Ders., Introduc‑
tion (1964), 19; Ders., Early Doctrines (1953), 443; Fyzee, Outlines (1974), 266; Santillana, Istituzioni (1938), 416; Hennigan, Birth of a Legal Institution (2004), 68. 17 Becker, Entstehung (1911), 404 f.; Ders., Is‑ lamstudien (1967), 62; Köprülü, Vakıf (1942), 7–9; Coulson, History (1964), 28; d’Emilia, Roman Law and Muslim Law (1953), 75; Barnes, Introduction to Religious Foundations (1986, ND 1987), 12–16. 18 Shahīd, Byzantium and the Arabs (1989), 191. 19 Cahen, Réflexions (1961), 51. 20 Zu der entsprechenden Diskussion vgl. Peters, Waḳf (2002), 60. 21 Constable, Housing the Stranger (2003), 40– 67. Vgl. auch Pahlitzsch, Christian Pious Found‑ ations (2009); Ders., Development of Christian Waqf (2016). 22 Constable, Housing the Stranger (2003), 40–67. 23 Schacht, Droit (1956), 197. 24 Barnes, Introduction to Religious Founda‑ tions (1986, ND 1987), 14. 25 Muḥammad ibn Aḥmad as‑Saraḫsī, Kitāb al‑mabsūṭ, 31 Bde. Beirut 1989, Bd. 12, 27. 26 Interessanterweise gibt es bei diesem Verbot allerdings eine beträchtliche Anzahl von Aus‑ nahmen; Jokisch, Islamic Imperial Law (2007), 139. 27 Santillana, Code civil (1899), xii. 28 Morand zufolge habe es während der Umayy‑ adenzeit regelmäßige Kontakte zwischen Arabern und Christen am damaszenischen Hof gegeben. Dabei seien die Muslime „ohne jeden Zweifel“ in Kontakt mit Theorien des römischen Rechts zur Zeit Justinians gekommen. Vgl. Morand, Études (1910), 252–254; Becker, Entstehung (1911). 29 Crone, Roman, Provincial, and Islamic Law (1987), 1. 30 Brunschvig, Considérations sociologiques (1955), 64. 31 Vgl. Crone / Cook, Hagarism (1977), 151. 32 Perikhanian betont, dass „die Ähnlichkeit des Regelwerks zwischen iranischen Stiftungen für einen bestimmten Zweck und waqf‑Gütern frappierend ist“. In beiden Fällen sei der Stiftungs‑ akt unwiderruflich, bestimme der Stifter den Ver‑ walter und gebe es zwei Typen von Stiftungen (‚Familienstiftung‘ und ‚öffentliche Stiftung‘). Gleich seien auch die Unterscheidung zwischen
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
Grundkapital und Einkünften, die für einen be‑ Perser und Araber zur Zeit der Sasaniden. Ed. stimmten Zweck zu verwenden seien, die Ver‑ Theodor Nöldeke. Leiden 1879, ND 1973, 111 f. teilung der Einkünfte und steuerliche Verpflich‑ 35 Perikhanian, Iranian Society (1983), 664. tungen: Perikhanian, Iranian Society (1983), 664 f. 36 Macuch, Sasanidische fromme Stiftung 33 Macuch, Sasanidische Stiftung (1994). (2009). 34 Beispiele von Stiftungen ohne diese Unter‑ 37 Jokisch, Islamic Imperial Law (2007), 3. scheidung finden sich bei Tabari, Geschichte der
19.4 Die judaistische Perspektive Als religiöse Minderheit sahen sich Ju‑ den mit verschiedenen Stiftungskulturen in ihrer Umwelt konfrontiert, und es ist unmöglich, dass sie keinen Einblick in das Fundationswesen der andersgläubigen Mehrheiten erlangten. Inwiefern und in welchem Ausmaß jedoch aus entsprechen‑ den Begegnungen interkulturelle Imita‑ tionen resultierten, Juden also Elemente anderer Stiftungskulturen übernahmen oder ihrer eigenen anverwandelten, ist bislang kaum genauer untersucht worden. Ähnlichkeiten in der Stiftungspraxis ver‑ schiedener Gruppen belegen dabei keines‑ wegs immer einen vorausgegangenen oder unmittelbaren Transfer von Konzepten und Verfahrensweisen: In Rechnung zu stellen sind analoge Reaktionen auf zeitgenös‑ sische Herausforderungen sowie geteilte Lebensbereiche innerhalb der multireli‑ giösen Gesellschaften der Vormoderne. Die wenigen komparativen Studien, die das jüdische Stiftungswesen den Funda‑ tionen anderer Religionsgemeinschaften explizit gegenüberstellen, bleiben auf die Herausarbeitung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden konzentriert. Der Aus‑ tauschprozess selbst wird selten problema‑ tisiert.1 Verstreut finden sich in weiteren Untersuchungen Hinweise auf parallele Phänomene in den verschiedenen Stif‑ tungskulturen, die Wechselbeziehungen
zwischen ihnen nahelegen.2 Dass man jüdische Stiftungen unter islamischer Herrschaft insgesamt häufiger in ihrem gesellschaftlichen Kontext betrachtet hat als jene unter christlicher, ist nicht nur auf den ungleichen Forschungsstand im Spezialgebiet zurückzuführen (→ 2.4.3), sondern auch auf verschiedene historio‑ graphische Traditionen: Die Judentümer Spaniens und des Nahen Ostens galten von jeher als integriert in die Gesellschaften ihrer Zeit. Bis heute prägt der Begriff der ,kreativen jüdisch‑arabischen Symbiose‘, der auf Shlomo D. Goitein zurückgeht, die Ausrichtung der Forschung.3 Hingegen ist erst in jüngerer Zeit das Bild des isolierten aschkenasischen Judentums revidiert und der Blick verstärkt für kulturelle Interak‑ tionen geöffnet worden.4 Die konkreten Anfänge des jüdischen Stif‑ tungswesens liegen im Dunkeln und wer‑ den in der primär rechtshistorischen Lite‑ ratur in erster Linie als binnenkulturelle Innovation beschrieben: Ausgangspunkt war der antike Tempelschatz, der nach bi‑ blisch‑rabbinischer Tradition im Eigentum Gottes stand und all jene Dinge umfasste, die dem Unterhalt des Tempels mit seinem Opferkult gewidmet waren.5 (→ 3.4.2) Eine Reihe von Prinzipien, die ursprünglich den Umgang mit dem Heiligtum betrafen,
Die judaistische Perspektive
wurde in talmudischer Zeit für den Gemein‑ defonds beziehungsweise die Armenkasse übernommen. An diesen Grundsätzen ori‑ entierten sich dann auch die mittelalterli‑ chen Gelehrten in ihren Erörterungen von kommunalem Vermögen und Stiftungen, die in den Dokumenten der Kairoer Ge‑ niza und in Spanien zudem häufig mittels der alten Bezeichnung des Tempelschatzes als heqdesh oder qodesh erfasst wurden.6 (→ 1.4.2–3; 2.4.2) Eine feste Kodifizierung und nähere Systematisierung der Bestim‑ mungen unterblieben jedoch. Inwiefern die halachische Diskussion des ersten Jahrtausends u. Z. durch Vor‑ bilder anderer Stiftungskulturen inspiriert war oder ihrerseits das Stiftungswesen weiterer Gruppen befruchtete, ist bisher nahezu unbeleuchtet geblieben: Offenbar stifteten bereits die Juden der griechisch‑ römischen Antike für den Unterhalt ih‑ rer Synagogen. Unklar ist, ob sie hierbei einer eigenen Tradition folgten oder ent‑ sprechend den Gepflogenheiten der Um‑ welt agierten.7 Umgekehrt wusste man in christlichen Kreisen der Spätantike von einer Wohltätigkeit der Juden gegen‑ über den Armen ihrer Gemeinden, wenn‑ gleich eine direkte Fortsetzung und dann Nachahmung der jüdischen Praxis durch Christen zunächst als unwahrscheinlich erachtet worden sind.8 Durchaus im Be‑ reich des Möglichen liegt es, dass die tal‑ mudischen Bestimmungen, auf denen die jüdische Stiftung gründete, Anteil an der Entwicklung der waqf‑Gesetzgebung hat‑ ten.9 Später könnte wiederum eher das islamische Recht auf die Ausgestaltung jüdischer heqdesh‑Bestimmungen gewirkt haben.10 In mehr oder minder ausgebildeter Form greifen wir die Stiftungspraxis der Juden schließlich seit dem 10. Jahrhundert im administrativen Schriftgut der Kairo‑ er Geniza sowie etwa 100 Jahre später in den Responsa spanischer Gelehrter.11 Aus
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ungefähr derselben Zeit, aus dem Jahre 1034, stammt auch die bekannte Stifterin‑ schrift der Wormser Synagoge, die den Stiftungsakt mit der Opfergabe an Gott assoziiert.12 Diese frühen jüdischen Stiftun‑ gen wurden somit jeweils in Gesellschaf‑ ten errichtet, in denen auch die religiösen Mehrheiten bereits über ein reiches Funda‑ tionswesen verfügten. (→ 4.2; 4.3; auch 4.5) Der parallele Tatbestand regt an, die Ver‑ flechtungen zwischen den verschiedenen Stiftungskulturen orts‑ und zeitspezifisch sowie auf unterschiedlichen Ebenen genau‑ er zu untersuchen: Begegnungen zwischen den religiösen Gruppen, so scheint es, be‑ dingten nicht nur interkulturelle Adapti‑ onen, sondern beförderten ebenso weitere binnenkulturelle Entwicklungen. Dies gilt nicht nur für die Anfänge und die Frühzeit des jüdischen Stiftungswesens. Auch für die Zeit nach der Jahrtausend‑ wende bleibt die Frage nach Kontakt und Austausch zwischen den Stiftungskulturen komplex, als die meisten Juden – sicherlich nicht alle (→ 19.6) – in Regionen siedel‑ ten, die nun grundlegend durch Islam und Christentum geprägt waren. Das potentiell breite Untersuchungsspektrum lässt sich anhand der jüdischen Gemeinden unter islamischer Herrschaft skizzieren, bevor ein kürzerer Blick auf die schlechter do‑ kumentierte Fundationspraxis der Juden in den Gesellschaften mit christlicher Be‑ völkerungsmehrheit geworfen wird. Als vielversprechender Ausgangspunkt zukünftiger Forschung bietet sich ein ge‑ naueres Studium des Quellenvokabulars an: Wiederholt ist festgestellt worden, dass sich in den hebräischen und judaeo‑ara‑ bischen Dokumenten der Kairoer Geniza neben der Bezugnahme auf den heqdesh oder qodesh gelegentlich auch die arabi‑ schen Stiftungstermini waqf und ḥubs finden.13 (→ 1.4.3) Um zu Aussagen über
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
die Bedeutung der wechselnden Begriffs‑ verwendung zu gelangen, bedürfte es ei‑ ner gründlichen Analyse der jeweiligen Gebrauchskontexte und Verwendungs‑ häufigkeiten, die bislang nicht geleistet worden ist. Wurden die hebräischen und arabischen Termini synonym genutzt, und belegen sie somit lediglich die Dominanz und den sprachlichen Einfluss des Arabi‑ schen in der entsprechenden Zeit? Oder schlugen sich in einer bewussten Entschei‑ dung für die arabische Begrifflichkeit kon‑ zeptionell‑rechtliche Überlegungen nieder, so dass die Terminologie sehr wohl die Übernahme von Elementen der islami‑ schen Stiftungskultur indiziert?14 Ein erster stichprobenartiger Einblick in solche Do‑ kumente, in denen verschiedensprachliche Stiftungsbegriffe gemeinsam auftauchen, gestattet in dieser Hinsicht keinen spezi‑ fischen Rückschluss: Bisweilen hat es den Anschein, dass der arabische Terminus die einzelne Stiftung bezeichnete, während der hebräische sich auf die Gesamtheit der Fundationen einer Gemeinde bezog. So zählte zum Beispiel Mitte des 12. Jahrhun‑ derts der Besitzanteil eines Grundstücks in Fustat (Altkairo) als waqf zum heqdesh.15 Wenn man in einem anderen Fall in der Ge‑ meinde wenige Jahre zuvor hervorgehoben hatte, dass „gemäß den Gesetzen Israels“ (be-dinei yisraʾʾel) gehandelt worden war, bezog sich diese Aussage vermutlich auf die Achtung einer letztwilligen Verfügung, auf deren Grundlage hier ein regulärer waqf für die Armen errichtet wurde, und nicht auf die rechtlichen Voraussetzungen der Stiftung selbst, die man hätte genauer bestimmen wollen.16 Der Nachweis einer präziseren Verwendung der arabischen Terminologie gelang bislang vor allem für das Osmanische Reich. In einigen Respon‑ sa des 16. und 17. Jahrhunderts nutzten die Gelehrten hier tatsächlich die arabisch‑ osmanische Rechtssprache, wenn sie sich
auf den vakıf evladı bezogen, die osmani‑ sche Version der muslimischen Familien‑ stiftung (waqf ahlī).17 Der exakte Gebrauch des Terminus technicus erklärt sich dabei aus dem veränderten Stiftungskontext: Es ging, zumindest zum Teil, nicht mehr um Fundationen innerhalb der eigenen Ge‑ meinden, sondern um solche, die Juden vor islamischen Scharia‑Gerichten und somit nach islamischem Recht errichteten.18 Wir haben es hier also nicht mehr mit der Frage zu tun, inwiefern die religiöse Minderheit Teilstücke einer anderen Stiftungskultur aufnahm und integrierte, sondern beob‑ achten, wie sie das Rechtssystem wechselte. Zu untersuchen bleibt, ob und inwiefern sich diese Stiftungsform der Juden – Haim Gerber hat vom ,Jewish‑Muslim vakıf‘ oder ,Jewish‑Turkish vakıf‘ gesprochen – mögli‑ cherweise weiterhin von jenen zeitgenös‑ sischer Muslime abhob.19 Ein Studium der verschiedensprachli‑ chen Begrifflichkeiten, das Verwendungs‑ kontexte berücksichtigt, führt auf diese Weise unmittelbar zur Fundationspraxis. Kontakte und Kanäle, über die ein Aus‑ tausch erfolgen konnte, lassen sich im Rechtsbereich vermuten, sind aber glei‑ chermaßen vor dem Hintergrund geteil‑ ter Lebenswelten zu sehen. Die jüngere Forschung hat die Vorstellung einer um‑ fassenden Autonomie der Gemeinde, mit der das jüdische Stiftungswesen eng ver‑ flochten war, in Frage gestellt und gezeigt, wie häufig Recht tatsächlich außerhalb der eigenen Gruppe gesucht wurde.20 Ein Wissen um entsprechende Verbindungen kann unseren Blick auf die Zeugnisse jüdi‑ scher Stiftungen dahingehend sensibilisie‑ ren, Interaktionen mit der nichtjüdischen Umwelt stärker als bisher zu berücksich‑ tigen. Insbesondere eigentumsrechtliche und administrative Fragen dürften im Zu‑ sammenhang mit Stiftungen wiederholt zu Kontakten mit der Obrigkeit geführt und
Die judaistische Perspektive
gerichtliche Einigungen erfordert haben. (→ 10.4.2; 13.4.3) In solchen Zusammen‑ hängen mussten Rechtsinhalte übersetzt und verhandelt werden. Ein frühes Bei‑ spiel bietet das Protokoll des Prozesses vor einem muslimischen Kadi, das aus dem 11. Jahrhundert aus Fustat überlie‑ fert ist und unter anderem bestätigt, dass die Synagoge „wahrer und rechtmäßiger waqf “ (waqf ṣaḥīḥ šarʿī) sowie „unveräu‑ ßerlicher waqf “ (mauqūf muḥabbas) sei.21 Wenn hier zunächst auch nur die analoge Wahrnehmung und Einordnung von ver‑ mutlich jüdischem heqdesh und muslimi‑ schem waqf dokumentiert sind, mögen später über entsprechende Übertragun‑ gen auch spezifische Konzeptionen ver‑ mittelt worden sein, auf die in der For‑ schung verwiesen worden ist: Shlomo D. Goitein etwa hält es für möglich, dass die jüdische Vorstellung der ,Armen‘ als ulti‑ mativer Destinatäre einer Stiftung nicht nur ihre Parallele im Denken der Umwelt hatte, sondern dass entsprechende Formu‑ lierungen islamischer Stiftungsurkunden die jüdische Rechtspraxis direkt beein‑ flussten.22 Judah D. Galinsky erkennt in der privaten Stiftung, die sich durch die Ernennung unabhängiger Verwalter, un‑ ter ihnen häufig Familienmitglieder, aus‑ zeichnete, eine Nachahmung des Vorbilds des islamischen waqf. Ihre Popularität im christlichen Spanien des 13. Jahrhunderts führt er auf die Vermittlung der Institution durch Glaubensgenossen im muslimischen Teil der Halbinsel zurück.23 Andere Elemente des Stiftungsvollzugs, die Juden und Muslimen gemeinsam waren, dürften schlechterdings auf einen gemein‑ samen Lebensraum zurückzuführen sein: Soziales Ansehen erwarb man nicht nur innerhalb der eigenen Gemeinde, sondern auch in der umfassenderen Stadtgesell‑ schaft. Dass sich Angehörige religiöser Mehr‑ und Minderheit dabei beide auch
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der Stiftung bedienten, um ihr Prestige zu mehren, überrascht vor diesem Hin‑ tergrund nicht. (→ 7.3.3; 7.4.3) Zurückge‑ griffen wurde teilweise auf die gleichen Instrumente, wenn Einrichtungen zum Beispiel die Namen ihrer jüdischen oder muslimischen Stifter trugen, und es ist anzunehmen, dass die Bekanntheit der Wohltäter nicht auf die jeweils eigene Religionsgemeinschaft begrenzt blieb.24 Ähnlich teilte man spezifische Takt‑ und Höflichkeitsvorstellungen innerhalb der nahöstlichen Gesellschaft. Sie spiegelten sich im formelhaften Aufbau der an Ge‑ meindevertreter adressierten Bittbriefe notleidender Juden ebenso wider wie in den entsprechend konzipierten Petitio‑ nen von Muslimen an die fatimidischen Herrscher.25 Ein allgemein‑ästhetisches Empfinden fand seinen Ausdruck in der Existenz einer gemeinsamen Kunst‑ und Formensprache, die nicht zuletzt die ge‑ stiftete Sakralarchitektur prägte.26 Aktuelle Herausforderungen und Be‑ dürfnisse ließen es unter der jüdischen ebenso wie der muslimischen Bevölkerung schließlich geboten erscheinen, Stiftungen für ähnliche Zwecke einzusetzen. Ein Bei‑ spiel stellt das Problem der Gefangenen‑ auslösung dar, mit dem man sich infolge von Piratentum und Kreuzzügen seit Ende des 11. Jahrhunderts im Mittelmeerraum verstärkt konfrontiert sah. Die Lasten mochten auf den Schultern der jüdischen Gemeinden schwerer wiegen, die anders als Muslime (und Christen) zudem nicht über die Möglichkeit des Gefangenenaus‑ tauschs verfügten. Doch grundsätzlich fi‑ nanzierten damals alle Gemeinschaften den Freikauf ihrer Glaubensgenossen über Spenden und Stiftungen – und zwar zu denselben Konditionen, der üblichen Lö‑ segeldsumme von 33 ⅓ Dinar.27 In ande‑ ren Fällen, in denen Juden und Muslime gleichartige Stiftungszwecke verfolgten, ist
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
es auch möglich, dass ältere Modelle als Vorbild zur Verfügung standen. Gezeigt worden ist dies am Beispiel der Herbergen, die häufig durch Stiftungen unterhalten wurden: Hier hatte das antike pandocheion, über das wir aus paganen, jüdischen und christlichen Gemeinden erfahren, bereits sehr ähnliche Aufgaben erfüllt, die später die mittelalterlichen Gasthäuser wahrnah‑ men – sei es in Gestalt des muslimischen funduq, sei es in Form des jüdischen pundaq (hebr.) oder funduq (arab.).28 Dass die anti‑ ke und differente Herkunft der Institution den Zeitgenossen späterer Jahrhunderte kaum noch bewusst gewesen sein dürfte, belegt der Bericht Benjamins von Tudela aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts: Der spanische Orientreisende erfasste die Herbergen von Muslimen, Juden und an‑ deren Gemeinschaften gleichermaßen als funduq.29 Im Prinzip nicht anders als das Funda‑ tionswesen der Juden unter muslimischer Herrschaft lassen sich die Stiftungen der jüdischen Minderheit unter christlicher Herrschaft untersuchen. Auf der iberischen Halbinsel ist dabei neben der Möglichkeit einer Beeinflussung durch die umgebende christliche Stiftungskultur auch mit An‑ regungen durch das Vorbild des islami‑ schen waqf zu rechnen, die über jüdische Migranten vermittelt worden sein könnten. Terminologische Beobachtungen, die das spezifische Stiftungsvokabular betreffen und möglicherweise für einen interkultu‑ rellen Austausch sprechen, liegen bislang nicht vor. Freilich sind hier auch die jeweils unterschiedlichen sprachlichen Vorausset‑ zungen und Konstellationen zu berück‑ sichtigen. Zum einen war, zumindest in Aschkenas, die hebräische Begrifflichkeit eine andere: Die Stiftung in Form des Ge‑ meindefonds erfasste man nicht mittels der auf den antiken Tempel bezogenen
Termini des heqdesh oder qodesh, sondern beschrieb sie vorrangig mit dem Vokabu‑ lar der ,Wohltätigkeit‘ (ṣedaqah). (→ 1.4.3; 2.4.3) Zum anderen traten im Spätmittel‑ alter das Judaeo‑Spanische und Jiddische verstärkt auch als jüdische Schriftsprachen neben dem Hebräischen in Erscheinung.30 Ob und inwiefern hier ein Austausch mit der jeweiligen Umwelt – etwa im Bereich des Rechts und seiner Übersetzung – er‑ folgte, wäre erst noch zu überprüfen.31 Bislang sind es einzelne Stiftungszwecke gewesen, an denen sich Fragen nach Kon‑ takt und Austausch zwischen den Religions‑ gruppen kristallisiert haben. Unentschie‑ den bleibt die Forschung mit Blick auf das Verhältnis von jüdischem und christlichem Hospital, die beide auch über Stiftungen finanziert werden konnten. (→ 9.4.2) Ana‑ loge Reaktionen auf zeitgenössische Heraus‑ forderungen – die wachsende Anzahl von Armen unter der Bevölkerung – schließen Wechselbeziehungen zwischen Mehr‑ und Minderheit in diesem Bereich vermutlich nicht aus.32 Tatsächlich wird die jüdische Einrichtung in den aschkenasischen Quel‑ len seit dem 13. Jahrhundert nicht nur als bait le-ʿaniyyim (,Armenhaus‘), sondern auch als beit ospizankhiah ( )בית אושפיזנכיהund so‑ mit mittels eines lateinischen Lehnwortes im Hebräischen erfasst.33 Ähnlich begegnet in einem judaeo‑spanischen Dokument zu Beginn des 15. Jahrhunderts die Bezugnah‑ me auf den espital del almosna und die casa del almosna in der Gemeinde von Tarazona.34 Um jedoch belastbare Aussagen hinsicht‑ lich einer möglichen Übernahme konkreter Elemente der jeweils umgebenden Stiftungs‑ kultur zu treffen, wären ortsspezifische und vergleichende Untersuchungen der Funk‑ tionen und Finanzierungsmodalitäten der verschiedenen Einrichtungen erforderlich. Denn es bleibt zu kontrollieren, inwiefern die sprachlich analog erfassten Häuser von Juden und Christen auch annähernd gleich
Die judaistische Perspektive
aufgebaut waren und einander als Modell gedient haben könnten. Einen anderen Schwerpunkt hat die Diskussion um das jüdische Stiftergeden‑ ken, das vor allem in den Gemeinden unter christlicher Herrschaft mit der Vorstellung verbunden war, durch die Gabe eigenes oder fremdes Seelenheil beeinflussen zu können. (→ 3.4.2; 8.4.2; 19.1.6) Als Fak‑ toren, die zur Ausbildung einer besonde‑ ren Memorialpraxis führten, werden der Einfluss älterer jüdischer Traditionen, der Einschnitt der Pogrome von 1096 – er stieß in Aschkenas eine Reihe liturgischer Neu‑ erungen an – sowie schließlich die Wirk‑ kraft christlicher Vorbilder angeführt und in ihrem Gewicht unterschiedlich beurteilt. Besondere Aufmerksamkeit kommt der einzigartigen Überlieferung des im Jahre 1296 angelegten Nürnberger Memorbuchs zu. Unter anderem enthält es zwei Nekro‑ logien, die individuelle Gaben zum eigenen Heil oder, seltener, jenem verstorbener Ge‑ meindemitglieder dokumentieren.35 Anlage und liturgischer Funktion nach ähnelt das Werk einer Vielzahl zeitgenössischer Me‑ morialbücher, die aus Kirchen und Klöstern überliefert sind. Ein Einfluss der christ‑ lichen Umwelt ist somit wahrscheinlich, wenngleich jedes übernommene Element im Kontext der jüdischen Tradition wie‑ derum neue Bedeutung erlangte.36 Dafür, dass auch die Verfolgungserfahrung der Juden von Aschkenas in die Überlegungen einzubeziehen ist, spricht der vergleichen‑ de Blick auf die spanischen Gemeinden: Auch hier konnte eine Orientierung an christlichen Vorstellungen des Seelenheils plausibel gemacht werden.37 Allerdings un‑ terblieb die Ausbildung einer liturgischen Gedenktradition, wie sie das aschkenasi‑ sche Judentum kennzeichnete. Daher mag man mit Ivan G. Marcus in diesem Fall tatsächlich von einer besonderen ,German‑ Jewish Innovativeness‘ sprechen.38
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Es ist zu erwarten, dass ein systemati‑ sches Studium der Beziehungen zwischen den Stiftungskulturen unser Wissen um die Möglichkeiten des Austauschs zwi‑ schen ihnen erweitert. Dabei sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass die jüdische Stiftungskultur, die sich unter islamischer und christlicher Herrschaft entwickelte, das mittelalterliche Jahrtau‑ send hindurch ihre Spezifik bewahrte: Anders etwa als im islamischen Recht bildete sich in den jüdischen Gemeinden keine systematische Stiftungsgesetzge‑ bung aus. Das prominente Vorbild der islamischen Familienstiftung fand kaum Nachahmung. 39 Während unterschied‑ lichste christliche Institutionen, unter ihnen Kirchen, Klöster oder Hospitäler, als Stiftungsempfänger in Erscheinung traten, blieb das jüdische Stiftungswesen auf die Gemeinde beziehungsweise den Gemeindefonds konzentriert.40 Grenzen der Adaptionsfähigkeit des heqdesh schei‑ nen endlich im spätmittelalterlichen Spa‑ nien erreicht worden zu sein, als man mit der genossenschaftlichen Bruderschaft zunehmend auf eine alternative Organi‑ sationsform zurückgriff. (→ 3.4.3; 13.4.2; 17.4.3) Ganz anders als im Falle jüdischer und christlicher Stiftungen fielen die Un‑ terschiede zwischen jüdischen und christ‑ lichen Bruderschaften dabei gering aus und sind kaum grundsätzlich benennbar.41 Um zu einem vollständigen Bild der Bezie‑ hungen zwischen den Stiftungskulturen zu gelangen, ist also nach Übernahmen von Elementen ebenso zu fragen wie nach dem Unterbleiben des Austauschs. Die jüdischen Studien, die das Leben der re‑ ligiösen Minderheit immer schon in ihrer nichtjüdischen Umwelt betrachtet haben, scheinen hier grundsätzlich bereits über mehr Erfahrungen zu verfügen als manch anderes Fach. SH
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
Anmerkungen 1 Vgl. vor allem Toukabri, Satisfaire le ciel et la
allo studio delle antichità cristiane, Bd. 1.) Va‑ terre (2011); in unterschiedlichen Formaten und tikanstadt 1936, 504–507, Nr. 694: In der antiken oft unter allgemeinerer Ausrichtung auf Phäno‑ Synagogeninschrift, die aus dem im Jahre 479 mene der Wohltätigkeit unter anderem Galinsky, zerstörten mazedonischen Stobi stammt, heißt Commemoration and Heqdesh (2005); H. Gerber, es über den Stifter, dieser habe gemäß seinem Jews and the Vakif Institution (2008); Frenkel / Lev, Gelübde verschiedene Gebäude „für den heiligen Charity and Giving (2009); Lev, Charités juive Ort“ (tō hagiō topō) erworben. Dies habe er aus et musulmane (2013); epochenübergreifend Zion, eigenen Mitteln getan und nicht die Erträge des „Heiligtums“ (ek […] tōn hagiōn) berührt. Moshe Jewish Giving, Bd. 1 (2013), bes. 402–443. 2 Vergleichende Seitenblicke auf die Stiftungs‑ Gil spekuliert, dass das griechische hagios im kulturen der Umwelt finden sich zum Beispiel bei zweiten Fall als Übersetzung des hebräischen Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), heqdesh oder qodesh bereits den Gemeindefonds bes. 91–143; in der Einleitung zu den Documents of bezeichnet. Vgl. mit weiteren antiken Belegen the Jewish Pious Foundations from the Cairo Ge‑ Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 1; zur Passage niza. Ed. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora auch Niehoff-Panagiotidis, Byzantinische Lebens‑ Research Institute, Bd. 12.) Leiden 1976, 1–118; bei welten (2004), 96 f.; → 4.4.3. Allgemein zu den M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), bes. 1–12; antiken Grundlagen auch → 19.5. 49–51; 70 f.; 105–108; 167–169; auch bei Baumgarten, 8 Vgl. Holman, Hungry Are Dying (2001), 4; Practicing Piety (2014), bes. 5–9; 103–137; 220–224. zur Entwicklung eines spezifisch christlichen 3 Erstmals Goitein, Jews and Arabs (1955), 10. Armutsdiskurses ebd., 42–62. Insofern sich die Das Werk erschien in mehreren Auflagen, und Differenzierung zwischen Juden und Christen nur der Begriff der ,kreativen jüdisch‑arabischen allmählich vollzog, ist in der Frühzeit auch im Symbiose‘ – von Goitein ursprünglich für die Bereich der Wohltätigkeit eher von einem gemein‑ Jahre 500 bis 1300 reserviert – wurde vielfach samen Vorrat an Vorstellungen und Praktiken aufgegriffen; vgl. Stillman, Judaism and Islam auszugehen als vom Erfolg spezifischer Trans‑ (2011), 12; allgemeiner Lazarus-Yafeh, Judeo‑Arabic ferprozesse zwischen zwei Gruppen. Zur im Üb‑ Culture (2007). rigen häufig schwierigen Bestimmung religiöser 4 Vgl. früh bereits I. G. Marcus, Rituals of Child‑ Zugehörigkeit in den antiken Inschriften vgl. die hood (1996), bes. 1–13; Ders., Jewish‑Christian Sym‑ Einleitung zum Corpus jüdischer Zeugnisse aus biosis (2002); für einen Forschungsüberblick Dav. der Cyrenaika. Ed. Gert Lüderitz. (Beihefte zum Berger, Generation of Scholarship (2010). Einen Tübinger Atlas des Vorderen Orients. Reihe B, Einblick in die verschiedenen historiographi‑ Nr. 53.) Wiesbaden 1983, XI–XVI. schen Traditionen innerhalb des Studiums der 9 Angedacht bei Macuch, Sasanidische fromme jüdischen Geschichte gewähren weiterhin die Stiftung (2009), 21 f. Ob sich eine Beeinflussung jü‑ einschlägigen Artikel des ,Oxford Handbook dischen Stiftungsdenkens durch das sasanidische of Jewish Studies‘, besonders Dan, Narratives Stiftungsmodell jemals wird nachweisen lassen, of Medieval Jewish History (2002); Ben-Shalom, ist fraglich. Grundsätzlich zur Vertrautheit der Medieval Jewry (2002); M. R. Cohen, Medieval Rabbinen mit Teilen der iranischen Jurisprudenz Jewry in the World of Islam (2002). Dies., Iranian Legal Terminology (1999), im Fazit 5 Vgl. Elon / Levitats, Hekdesh (2007), 775–777. 100. Allgemein zur Entwicklung der waqf‑Ge‑ 6 Vgl. zuletzt Kochen, It was not for Naught setzgebung → 19.3. (2008); Dies., Organ Donation (2014), bes. 136–146; 10 Generell zu einem vergleichenden Studium für einen Überblick der älteren Literatur ebd., jüdischen und islamischen Rechts in den ersten Jahrhunderten ihrer parallelen Existenz Meron, 136 f., Anm. 49. 7 Siehe zum Beispiel Corpus Inscriptionum Ju‑ Points de contact (1984); vor allem Libson, Jewish daicarum, Bd. 1. Ed. Jean-Baptiste Frey. (Sussidi and Islamic Law (2003). Gideon Libson spricht
Die judaistische Perspektive
von einem ,feedback model‘, dem zufolge erst das jüdische Rechtssystem das muslimische beein‑ flusste, während in einer späteren Phase, die Ende des 8. Jahrhunderts einsetzte, das muslimische Recht auf jenes der älteren Religion einwirkte – eher im Detail als im Prinzip; ebd., 7–11; Ders., Halakhah and Reality (1995), 98, Anm. 105. Was dies in Bezug auf mögliche Wechselbeziehungen im Stiftungsrecht bedeutet, bedarf erst noch der Untersuchung. 11 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 112; Fink, Corporate Status of Hek‑ desh (1985), bes. 18–21. 12 Siehe Böcher, Alte Synagoge zu Worms (1960), 97 f., Nr. 1; → 6.4.2. 13 Vgl. Goitein, Social Services of the Jewish Community (1964), 7 f.; Ders., Mediterranean So‑ ciety, Bd. 2 (1971, ND 1999), 53; 99; 542, Anm. 24; Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 3 f. 14 Als Einblick in die umfangreiche Forschung zum Judaeo‑Arabischen, der wichtigsten Sprache der Kairoer Geniza und selbst Produkt kultu‑ rellen Austauschs, zuletzt Khan, Judeo‑Arabic (2016); klassisch Blau, Emergence and Linguistic Background (1999). 15 Siehe Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 254– 258, Nr. 47, hier 255: אלרבע מן אלדאר אלוקף ללהקדש. Vgl. in ähnlicher Richtung die Überlegungen Gils ebd., 326, Anm. 9; 480, Anm. 5. 16 Siehe ebd., 246–251, Nr. 45, hier 247; zum konkreten Fall ebd., 23 f. Für weitere Dokumente, in denen hebräische und arabische Bezeichnungs‑ formen der Stiftung in Kombination oder nebenei‑ nander auftreten, auch ebd., 214–217, Nr. 33; 325 f., Nr. 79; 435–441, Nr. 131; 479 f., Nr. 145. Vgl. auch die Überlegungen zur Terminologie bei Toukabri, Fondations pieuses (2016), 57 f. 17 Siehe zum Beispiel R. Yom Tov Ṣahalon, Re‑ sponsa Mahariṭaṣ ha‑ḥadashot. Jerusalem 1981, Nr. 32: ;וואק״ף אולד״יzitiert nach Global Jewish Database: The Responsa Project / Talmudic En‑ cyclopedia, Version 23. Ramat‑Gan 2015. Vgl. H. Gerber, Jews and the Vakif Institution (2008), 166 f.; zur osmanischen Rechtsterminologie ebd. 163 mit Anm. 3. 18 Vgl. vor allem H. Gerber, Jews and the Va‑ kif Institution (2008); auch Rozen, Trust of Lady Khrisula (2015). Kritischer als Gerber schätzt Ben-Naeh, Jews (2008), 285–288, die Verbreitung
469 dieses Stiftungstypus ein, der neben dem regulä‑ ren jüdischen heqdesh bestanden habe. Einschlä‑ gig zum Gebrauch der juridischen Institution des waqf durch Juden und Christen neuerdings die Beiträge des Sammelbands von Mohasseb Saliba, Fondations pieuses (2016). 19 Vgl. H. Gerber, Jews and the Vakif Institu‑ tion (2008), 163. Allgemein zum Stiftungswesen im Osmanischen Reich Deguilhem, Waḳf (2002). Eine Untersuchung der Stiftungen von Juden und Christen nach islamischem Recht im Palästina des 19. Jahrhunderts bei Shaham, Christian and Jewish Waqf (1991); Sroor, Waqfs chrétiens et juifs (2016). 20 Vgl. wegweisend Simonsohn, Communal Boundaries (2007); Ders., Common Justice (2011); zu Spanien auch J. M. Safran, Defining Bounda‑ ries (2013). Fragen nach dem rechtlichen Status religiöser Minderheiten im mittelalterlichen Eu‑ romediterraneum standen ebenfalls im Zentrum des kürzlich abgeschlossenen ERC‑Projekts REL‑ MIN (The Legal Status of Religious Minorities in the Euro‑Mediterranean World, 5th–15th centuries) – siehe hierzu die Projektbeschreibung online: Universität Nantes, http://relmin.univ‑nantes.fr/ index.php/en/project/presentation‑eng (Zugriff am 26. 10. 2016). 21 Siehe Gottheil, Eleventh‑Century Document (1907), 476 (arab. Text), 487 (engl. Übers.); zur Über‑ setzung auch ebd., 487, Anm. 5. Ausgelöst wor‑ den war die Verhandlung durch die Klage eines gewissen Ibrāhīm ibn ʿAlī al‑Anṣārī, der auf die erst vor kurzem erfolgte Errichtung der Synagoge verwies und ihren Abriss forderte. Hintergrund war das Verbot der Neuerrichtung und Erweite‑ rung nichtmuslimischer Gotteshäuser, das in der Praxis freilich unterschiedlich gehandhabt wurde. Im vorliegenden Fall gelang es, das hohe Alter der Synagoge zu belegen und sie sogar – ebenfalls ein heikler Punkt im islamischen Recht – als rechtmäßige Stiftung auszuweisen. (→ 12.3.2; 13.4.3; 18.4.4) Zu einem dichter belegten Konflikt aus dem neuzeitlichen Sanaa, in dessen Zentrum die Frage der Übersetzung des heqdesh als waqf stand, M. S. Wagner, Halakhah (2011). 22 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 119; ähnlich M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 203. 23 Vgl. Galinsky, Commemoration and Heqdesh (2005), 193; Ders., Jewish Charitable Bequests
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
(2005), 439 f. Zum privaten oder semi‑privaten heqdesh → 3.4.3; 13.4.2. 24 Siehe die Auflistung und Beschreibung der Häuser, die sich in Fustat in heqdesh‑Besitz be‑ fanden, in den Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 485–509. Einen knappen, vergleichenden Blick auf die muslimische Praxis wirft M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 203. 25 Vgl. M. R. Cohen, Four Judaeo‑Arabic Pe‑ titions (2000); Ders., Interplay of Arabic and Hebrew (2007). Im Anschluss an Cohen und in vergleichender Perspektive jetzt auch Franklin, Words (2014); Rustow, Diplomatics of Leader‑ ship (2014). 26 Zum engen Verhältnis zwischen ,jüdischer‘ und ,nichtjüdischer Kunst‘ vgl. Feuchtwanger-Sarig / Irving / Schrijver, Jewish Art in Context (2014); auch Dodds / Menocal / Balbale, Arts of Intimacy (2008); aus stärker theoretischer Perspektive Kogmann-Appel, Jewish Art (2011). Zur Überlieferung jüdischer Baulichkeiten → 6.4.2. 27 Vgl. M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 111–123; Frenkel, Charity in Jewish Society (2009), 351–354; Dies., Proclaim Liberty to Captives (2015); → 3.4.2; 9.4.2. Zum Gefangenenloskauf im inter‑ religiösen und epochenübergreifenden Vergleich auch Grieser / Priesching, Gefangenenloskauf im Mittelmeerraum (2015). 28 Vgl. Constable, Housing the Stranger (2003), bes. 11–39; 85–88. 29 Siehe The Itinerary of Benjamin of Tude‑ la. Critical Text, Translation and Commentary. Ed. Marcus Nathan Adler. London 1907, 38 (engl. Übers.), 59 (hebr. Text); 41 (engl. Übers.), 63 (hebr. Text); 71 (engl. Übers.), 99 (hebr. Text); 76 (engl. Übers.), 106 (hebr. Text). 30 Zum Forschungsstand zu diesen und weite‑ ren jüdischen Sprachen vgl. die entsprechenden Beiträge bei Kahn / Rubin, Handbook of Jewish Languages (2016). 31 Vgl. auch hier die Arbeiten, die im Rahmen von RELMIN (wie Anm. 20) realisiert wurden. Für unterschiedliche Einblicke in die konkrete Rechtspraxis zwischen den Religionsgruppen vgl. unter anderem Burns, Jews (1996); Haverkamp / Müller, Verschriftlichung und Quellenüberliefe‑ rung (2014); jüngst Olszowy-Schlanger, Meet You in Court (2016). Das Wissen um die interreligiöse Rechtspraxis ist nicht neu, wohl aber die Einsicht
in ihr Ausmaß, ihre Qualität und den hier erfolg‑ ten Austausch von Kenntnissen. 32 Zum aschkenasischen Raum vgl. Yuval, Hospices (1990); Barzen, Was der Arme benötigt (2008), bes. 148–152; zu Spanien Gutwirth, Jewish Hospitals (1988); Assis, Welfare and Mutual Aid (1992), 330–333; Ders., Institutions sociales mé‑ diévales (1992), 199–201; Ders., Golden Age (1997), 247–249. Die ältere Forschung hat sich auch für die Frage nach dem antiken Ursprung des Hos‑ pitals interessiert und hier den Modellcharakter der jüdischen Einrichtung behauptet; vgl. J. R. Marcus, Communal Sick‑Care (1978), bes. 160–173. Zur Kontrastierung von jüdischem Hospital und christlichem xenodocheion im Frühmittelalter hin‑ gegen Horden, Earliest Hospitals (2005), 373–378. 33 Im ,Sefer Ḥasidim‘ des 13. Jahrhunderts fin‑ den sich beide Bezeichnungsformen; siehe Sefer Ḥasidim. Das Buch der Frommen nach der Re‑ zension in Cod. De Rossi No. 1133. Ed. Jehuda Wistinetzki / Jacob Freimann. Frankfurt a. M. 21924, 168 f., Nr. 630, hier 168; 218, Nr. 872; 374, Nr. 1529. In einem Responsum des R. Jakob b. Judah Weil (genannt Mahari Weil, gest. vor 1456) ist die Rede von der ;אושפזיכנאsiehe Sheʾelot u‑teshuvot rab‑ benu Jakob Weil. Ed. Yonatan Sheraga Domb. Je‑ rusalem 2001, 60–67, Nr. 41, hier 66. Daneben war das jüdische Hospital im Spätmittelalter als heqdesh bekannt, wovon auch in der christlichen Bevölkerung Kenntnis genommen wurde; → 1.4.3. 34 Siehe Nuevos documentos hebraico‑aljami‑ ados de Aragón (1): Fragmentos de un registro contable de pagos de la aljama de Tarazona. Ed. Javier Castaño, in: Sefarad 64, 2004, 315–340, hier 328; 334 (in Transkription), Nr. 15; 330; 336 (in Transkription), Nr. 26. Überdies findet sich die einfache Bezugnahme auf den espital; ebd., 327; 332 (in Transkription), Nr. 3. 35 Siehe Das Martyrologium des Nürnberger Memorbuches. Ed. Siegmund Salfeld. (Quellen zur Geschichte der Juden in Deutschland, Bd. 3.) Ber‑ lin 1898. Die beiden Nekrologien, die Einträge der Jahre 1280–1346 und 1352–1373 umfassen, sind bisher nur in deutscher Übersetzung erschienen: Die israelitische Bevölkerung deutscher Städte, Bd. 3. Ed. Moritz Stern. Kiel 1894–1896. Vgl. zur Edi‑ tionslage Barzen, Nürnberger Memorbuch (2011). 36 Vgl. jüngst die Gegenüberstellung jüdischer und christlicher Praxis bei Baumgarten, Practicing
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Die byzantinistische Perspektive
Piety (2014), 103–137, bes. 110–115; unter breiterer 39 Hiervon geht Hmida Toukabri als wich‑ Einbeziehung der Überlieferung auch Galinsky, tigstem Unterschied zwischen jüdischer und Commemoration and Heqdesh (2005). Verwiesen muslimischer Stiftung in ihrer vergleichenden wird auf Ähnlichkeiten zwischen den jüdischen Studie aus, indem sie dem heqdesh als kommu‑ und christlichen Memorialaufzeichnungen seit nalem Fonds den waqf als privaten Fonds ge‑ Langem; vgl. bereits die Vorbemerkung zur Edi‑ genüberstellt; vgl. Toukabri, Satisfaire le ciel et tion: Israelitische Bevölkerung, Bd. 3. Ed. Stern la terre (2011), 20. (wie Anm. 35), 95. 40 Zur Hervorhebung dieses Unterschieds zwi‑ 37 Vgl. die Verweise auf pro-anima‑Formulie‑ schen jüdischem und christlichem Stiftungswe‑ rungen in den lateinischen Testamenten von Ju‑ sen Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), den bei Burns, Jews (1996), bes. 98; 101; 108; dann 434–436. vor allem Galinsky, Jewish Charitable Bequests 41 Bezeichnenderweise lässt sich im Falle späte‑ (2005), 431–437; Ders., Commemoration and Heq‑ rer Bruderschaften von Konvertiten nicht entschei‑ desh (2005), bes. 193–195; 201. den, ob eher christliche oder jüdische Organisa‑ 38 Vgl. I. G. Marcus, Jewish Life Cycle (2004), tionen als Vorbild dienten; vgl. Oeltjen, Converso bes. 221–224; 227–232; ähnlich auch bereits Ders., confraternity (2010). Jewish‑Christian Symbiosis (2002), 464 f.
19.5 Die byzantinistische Perspektive Die Frage nach Inventionen, Innovationen und Imitationen im byzantinischen Stif‑ tungswesen ist interessanterweise bisher fast ausschließlich von Vertretern anderer Fächer untersucht worden. Dies gilt vor al‑ lem für die Islamwissenschaft, die die piae causae des römischen Rechts als mögliche Grundlagen für den muslimischen waqf erörtert hat. (→ 19.3) Trotz ihrer gemeinsa‑ men Wurzeln in den Institutionen und der Kultur des Imperium Romanum ist selbst ein gegenseitiger Austausch oder einsei‑ tiger Einfluss zwischen dem griechischen und lateinischen christlichen Stiftungswe‑ sen selten thematisiert worden.1 Eine Untersuchung dieser Art wird da‑ durch erschwert, dass die sogenannten Byzantiner selbst ihrer Kultur im Rahmen ihres Reiches und damit auch ihren Stif‑ tungen Dauer und Unveränderlichkeit zu‑ geschrieben haben. Dieses Phänomen, das Cyril Mango einst als das Zerrspiegel‑Pro‑ blem byzantinischer Literatur bezeichnet
hatte, setzte bereits im 6. Jahrhundert eine entsprechend fixierte Weltanschauung vo‑ raus.2 Einige ältere nicht‑orthodoxe Kultu‑ ren waren Teil dieses Weltbildes, etwa das Judentum: Juden hatten im byzantinischen Staat eine Sonderstellung einschließlich des Rechts, Synagogen wenigstens zu er‑ halten, wenn sie auch keine neuen errich‑ ten durften. Der Islam als eine Erscheinung des 7. Jahrhunderts wurde hingegen im kirchlichen oder weltlichen Recht niemals als eine eigene religiöse Gemeinschaft ver‑ standen, sodass die Frage des waqf auf byzantinischem Boden nur ad hoc und kasuistisch behandelt wurde.3 Ein besonderes Feld von Nachwirkun‑ gen der griechisch‑lateinischen Antike, die Christen, Juden und Muslime gleicherma‑ ßen hätten beeinflussen können, ist die Wohltätigkeit. (→ 4.5.2) Indessen schei‑ nen hier Neuansätze (Inventionen oder Innovationen) wichtiger gewesen zu sein als Kontinuitäten oder Imitationen. Das
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
griechische, aber besonders das römische Stiftungswesen hatte die Finanzierung von bedürftigen Personengruppen auf Dauer im Allgemeinen nicht vorgesehen. Der antike Wohltäter oder euergetēs beschäftigte sich vielmehr mit dem Bau prächtiger Gebäu‑ de wie Tempel oder Bäder oder mit der Veranstaltung einmaliger Ereignisse wie religiöser Feiern oder Spiele. Der Unter‑ halt dieser Gebäude blieb dagegen eine staatliche Angelegenheit. Auch in Byzanz bemühten sich Stifter intensiv, manchmal geradezu wie besessen, darum, durch ihre Mittel den Bau kirchlicher oder caritativer Einrichtungen zu ermöglichen oder zu fördern; ihr teilweise geringeres Interes‑ se, auch den ‚Betrieb‘ zu gewährleisten, brachte ihnen viel Kritik ein, nicht zuletzt von kaiserlicher Seite. Inventionen, Innovationen und Imitati‑ onen bei den ersten christlichen Stiftungen zu erkennen, wird durch die Überliefe‑ rungslage stark erschwert: Über die frühes‑ ten Stiftungen von Kirchen, Klöstern und piae causae im oströmischen Reich erfahren wir hauptsächlich aus der Gesetzgebung der christlichen Kaiser, vor allem Justini‑ ans im 6. Jahrhundert. Dessen Verfügun‑ gen beruhen allerdings auf einem stark idealisierten Konzept von Stiftung. Der Urkundenbestand der Spätantike, haupt‑ sächlich Papyri aus Ägypten, entspricht den rechtlichen Regelungen für Stiftungen hingegen nicht.4 Spätestens seit den 1980er Jahren haben Byzantinisten in diesem Sin‑ ne zwar auf die Gefahr einer rein rechts‑ historischen Untersuchung hingewiesen,5 doch blieben die Forschungen über das by‑ zantinische Stiftungswesen, vor allem im Vergleich mit demjenigen anderer Kulturen, fast immer auf das Recht begrenzt; das gilt auch für spezifisch überlieferungskritische Studien.6 (→ 19.3) Zu den wichtigsten Inventionen des byzantinischen Stiftungswesens gehören
die piae causae, also die wohltätigen Ein‑ richtungen für besondere Gruppen von Bedürftigen (Arme, Fremde, Waisen, Wit‑ wen usw.). Wenngleich diese Einrichtungen byzantinisch geprägt blieben, verbreitete sich die oströmische Herberge (xenodocheion) nach Westen, wo sie als xenodochium einen wichtigen Platz im lateinchristlichen Stiftungswesen des Frühmittelalters ein‑ nahm, sowie nach Osten, vor allem nach Armenien, und zwar schon am Ende des 4. Jahrhunderts.7 Besonders innovativ unter den venerabiles domus der Byzantiner war das Altersheim, das erst im 6. Jahrhundert erschien, denn Vorsorge für die Alten war in den antiken Gesellschaften der Mittel‑ meerwelt so gut wie unbekannt gewesen.8 Als eine binnenkulturelle Innovation von großer Tragweite muss man die Rolle des Mönchtums im byzantinischen Stif‑ tungswesen bezeichnen. Die Stiftung von Mönchs‑ und auch Nonnengemeinschaften, die einen Stifterwillen auf Dauer vollzie‑ hen sollten, war ein markanter Einschnitt in der gesamten Stiftungsgeschichte, auch wenn es dergleichen bereits außerhalb der Mittelmeerwelt in Indien (Jinismus, Bud‑ dhismus; → 4.6; 8.6.3) gegeben hatte. Fast alle späteren Innovationen im Rahmen des griechisch‑orthodoxen Stiftungswesens waren zugleich Innovationen des byzanti‑ nischen Klosterwesens: Das gilt besonders für die Entstehung von ‚unabhängigen‘ Klöstern seit dem 10. Jahrhundert, die auf der relativen Selbstständigkeit beruhte, die das Klosterwesen durch kaiserliche oder patriarchalische Rechtsprechung bereits vorher erlangt hatte (→ 13.5.3); zu nennen sind ferner die Laientreuhandschaft von Klöstern (charistikē) (→ 7.5.3, Abschnitt 2) und der Gebrauch der Leibrente (adelphaton) (→ 12.5.3). Was den Austausch mit anderen Stif‑ tungskulturen angeht, hatte Byzanz we‑ gen seiner geographischen Lage intensive
Die byzantinistische Perspektive
Kontakte mit dem lateinischen Westen, den anderen Ostchristen sowie den Muslimen. Obwohl es eine große jüdische Minderheit gab, verrät die äußerst spärliche Überliefe‑ rung hier nichts über Interaktionen. Die Begegnungen zwischen Lateinern und Byzantinern sind am besten überliefert und erforscht. Natürlich ist dies dadurch bedingt, dass Lateiner und Byzantiner noch bis ins frühe 6. Jahrhundert als Va‑ rianten derselben Kultur gelten können, die einen Glauben, ein römisches politisches Erbe und das gleiche griechisch‑römische literarische Schriftgut teilten. Im Reich von Byzanz kamen die ein‑ flussreichsten Lateiner, auch mit Bezug auf das Stiftungswesen, aus den Stadtstaaten Italiens. Bis um 1100 spielten Menschen aus Unteritalien unter den westlichen Händ‑ lern eine Hauptrolle in der byzantinischen Wirtschaft. Die Leute aus Amalfi waren wohl die ersten Leute von der Apennin‑ halbinsel, die ihr eigenes Handelsquartier in der Hauptstadt Konstantinopel hatten; ihrem Muster folgend, entstanden auch die späteren Kolonien der nördlichen Städte Venedig, Pisa und Genua in der Reichs‑ hauptstadt. Im 10. Jahrhundert gehörten zum amalfitanischen Handelsquartier zwei Klöster.9 Wenn man Paul Magdalinos These folgt und das Amalfitaner Panagiou‑Klos‑ ter mit dem lateinischen Marienkloster identifiziert, diente dieses, und mit ihm die unteritalienische Kultur, als Vorbild für viele mittelbyzantinische Klöster, zu denen die Große Laura und die Stiftung von Gregor Pakourianos gehörten, deren typika das amalfitanische Kloster als nach‑ ahmenswert bezeichnen.10 Mehr ist überliefert über das soge‑ nannte Amalfitaner‑Kloster auf dem Berg Athos. Während der Heilige Berg das wichtigste Zentrum des orthodoxen Mönchtums sowie seit dem Spätmittelal‑ ter der Mittelpunkt des Stiftungswesens
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in der orthodoxen Welt überhaupt war, beherbergte er zeitweise auch lateinische Gemeinschaften.11 Zwischen 980 und 984 kam bereits Leo, der Bruder des Herzogs von Benevent, auf den Heiligen Berg und stiftete mit der Unterstützung der latei‑ nischen Gemeinde Konstantinopels und der Georgier des Athos dort ein Kloster.12 Dieses erlangte auch die Gunst der Herr‑ scher und wurde in offiziellen Schreiben als ein ‚kaiserliches‘ (basilikē monē) be‑ zeichnet.13 Die Gemeinschaft folgte der Regel des heiligen Benedikt, wurde von den anderen Mönchen des Heiligen Berges hochgeschätzt und hatte Bestand bis ins 13. Jahrhundert. Wenngleich ihre Rolle viel weniger er‑ forscht ist, hatten auch andere ostchristli‑ che Kirchen Anteil an der Stiftungskultur der Oströmer; Genaueres muss erst die künftige Forschung noch zutage fördern. Immerhin lehrt aber schon ein kurzer Überblick, wie bedeutsam der interkul‑ turelle Austausch war, obwohl sich Byzanz selbst als eine monolithische orthodoxe Einheit wahrnahm. Besonders erstaunlich war vor diesem Hintergrund der Einfluss der als häretisch angesehenen miaphy‑ sitischen Syrer, die immerhin Justinians Gattin Theodora unterstützt hatte. Einer von ihnen, der Kirchenhistoriker und Bi‑ schof Johannes von Ephesos (ca. 507–589), der sich mit der (Wieder‑)Missionierung Kleinasiens beschäftigte, behauptete, dass 70 000 Heiden zum Christentum überge‑ treten seien und von 55 Kirchen betreut würden, die Justinian selbst durch den Fiskus finanzierte; hierbei muss es sich um kaiserliche Stiftungen gehandelt haben.14 Zur selben Zeit entstand in dem haupt‑ städtischen Vorort Sykai (heute Galata) ein ganzes Viertel mit Klöstern und wohltä‑ tigen Anstalten von Miaphysiten; diese waren aber allem Anschein nach keine Stif‑ tungen, sondern wurden durch die eigene
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
Arbeit der Klosterinsassen unterhalten.15 Anders verhielt es sich mit einem Kloster des Heiligen Sergios, das die Kaiserin Theo‑ dora innerhalb des Hormisdas‑Palastes stiftete.16 Selbst wenn die Zahl von 500 Mönchen aus der syrischen Historiogra‑ phie übertrieben sein dürfte, war dieses Kloster eine der ersten kaiserlichen Stif‑ tungen überhaupt.17 Akzeptiert man die These von Cyril Mango, dass dieses Klos‑ ter mit der Kirche der Heiligen Sergios und Bacchos identisch gewesen sei, dann zählt diese Stiftung zu den wenigen bis ins heutige Istanbul überlebenden Kirchen, jetzt bekannt als die ‚Kleine Hagia‑Sophia‑ Moschee‘ (Küçük Ayasofya Camii).18 Die Miaphysiten in Konstantinopel waren aber ein vorübergehendes Phänomen: Ihre in‑ tensive Präsenz überdauerte kaum den Tod Theodoras im Jahr 548, und in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts verschwindet die Gemeinschaft vollständig aus der Über‑ lieferung der Hauptstadt. Trotz des Verlusts der östlichen Provin‑ zen des Reiches an die Araber im 7. Jahr‑ hundert überlebten sonst im Reich im‑ merhin noch einige syrische Miaphysiten. Die Lage änderte sich erst am Ende des 10. Jahrhunderts, als Nordsyrien und die Ostmittelmeermetropole Antiochien von den Byzantinern zurückerobert wurden.19 Nachdem die muslimischen Einwohner dieser Gebiete offenbar vertrieben wor‑ den waren, verfolgten die Kaiser, beson‑ ders Nikephoros Phokas, die Politik einer Neuansiedlung von Miaphysiten in den verwüsteten Regionen Nordsyriens.20 Der Patriarch der syrisch‑orthodoxen Kirche wechselte nach Melitene hinüber, und in der Stadt selbst wie in ihrer Umgebung entstanden viele Klöster, die mit dem Ver‑ mögen der miaphysitischen Gemeinde ge‑ stiftet wurden.21 Michael der Syrer berich‑ tet, Kaiser Nikephoros Phokas habe ein Gesetz erlassen, wonach die Miaphysiten
keine Verfolgung seitens der Reichskirche erleiden sollten.22 Die zweite Blüte des syrischen Stiftungs‑ wesens in Byzanz war indessen wie die erste nicht von langer Dauer. Der wirt‑ schaftliche Erfolg und die lokale Promi‑ nenz der syrischen Miaphysiten erregten den Neid der orthodoxen Gemeinden in Melitene. Die byzantinischen Kaiser, die über ein halbes Jahrhundert die Stiftung von nicht‑orthodoxen Kirchen und Klös‑ tern entlang der südöstlichen Reichsgrenze geduldet hatten, tendierten nach dem Tod des Basileios II. im Jahr 1025 wieder zur Verfolgung. Durch Beschlüsse von drei patriarchalischen Synoden in den 1020er und 1030er Jahren wurden der privilegier‑ te Rechtsstand der syrischen Gemeinde eingeschränkt und Maßnahmen gegen Häretiker nach den gesetzlichen Normen aus der Regierungszeit Justinians wieder eingeführt.23 Der armenische Historiker Aristakes von Lastivert überliefert den Besuch des Kaisers Romanos III. Argy‑ ros am Schwarzen Berg in der Nähe von Antiochien und belegt in diesem Kontext immerhin eine große Zahl miaphysitischer Klöster und Kirchen.24 Ein syrisches mitaton (μιτᾶτον) oder Handelsquartier in Kon‑ stantinopel, das auch eine Kirche umfasste, überdauerte bis in die Regierungszeit von Alexios I. Komnenos (1081–1118).25 Interkultureller Kontakt ist auch in der Stiftungskultur des Südkaukasus be‑ sonders nachweisbar; Hunderte mittelal‑ terliche Stiftungen sind in armenischer Sprache und großenteils durch Inschriften überliefert. Diese Stiftungen entstanden im Grenzgebiet zwischen dem Großreich von Byzanz und dem sasanidischen Persien in der Spätantike, das im Mittelalter dem Ka‑ lifat benachbart war. Lokale Herrschaften von armenischen oder georgischen Fürs‑ ten wechselten zwischen Abhängigkeit und Selbstständigkeit gegenüber diesen
Die byzantinistische Perspektive
größeren Mächten. Entsprechend sind die Stiftungen dieser Adligen und kirchlichen Amtsträger auch von den Stiftungskulturen in Byzanz und im Islam bestimmt; seit dem Ersten Kreuzzug machten sich auch lateini‑ sche Einflüsse bemerkbar. Terminologisch ist dies besonders deutlich: Eine geläufige mittelarmenische Bezeichnung für Stifter, patron (պատբոն), gilt aus armenologischer Sicht als ein Lehnwort aus dem Griechi‑ schen über das Georgische,26 stellt aber wohl eher eine direkte Ableitung des latei‑ nischen patronus dar (→ 1.2.2), vielleicht vermittelt über das armenische Kilikien. Obwohl sie byzantinischen Stiftungen sehr ähnelten, findet man bei armenischen Kir‑ chen‑ und Klostergründungen auch Eigen‑ heiten vermutlich islamischen Ursprungs: Stiftungen bei denen Gott gebeten wurde, dem Wohltäter, dem König oder anderen ein langes Leben zu schenken, waren zwar der byzantinischen, nicht aber der mus‑ limischen Kultur fremd.27 Muslimischer Einfluss ist auch beim Stiftungsvermögen zu entdecken, denn Karawansereien als Kapital sind in der byzantinischen Über‑ lieferung unbekannt.28 Die Interaktion zwischen den armeni‑ schen und byzantinischen Stiftungskul‑ turen war im 10. und 11. Jahrhundert sehr intensiv, als das Reich nach Osten dräng‑ te und bisher unabhängige armenische Fürstentümer annektierte. Wie bei den miaphysitischen Syrern war die kaiserliche Begünstigung auch armenischer Stiftun‑ gen nicht unbekannt. Aus der mittelbyzan‑ tinischen Zeit ist überliefert, wie Basilei‑ os II. und sein Mitkaiser Konstantin VIII. das neugestiftete Kloster von Aparankʼ mit einer Reliquie des Wahren Kreuzes bedach‑ ten.29 Kenntnis dieser Schenkung verdan‑ ken wir einem Gedicht des berühmtesten Dichters der vormodernen armenischen Sprache, Gregor von Narek. Die genauen Eigenschaften der Gabe lassen sich zwar
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dem poetischen Text nicht entnehmen, aber die kaiserliche Schenkung von Reliquien entsprach etwa Bewidmungen der Großen Laura durch Kaiser Nikephoros Phokas. (→ 11.5.2) Vorübergehend befanden sich viele ar‑ menische Kirchen und Klöster unter di‑ rekter byzantinischer Herrschaft. Das gilt etwa für die Zeit des Königs Senek’erim von Vaspurakan, der 1021/1022 sein Fürs‑ tentum an die Byzantiner übergab. Da‑ mals zählte man in seinem Reich 72 be‑ festigte Anlagen sowie 4 400 Dörfer und Klöster. Nach der Annexion seines Reiches durch die Byzantiner bestand er darauf, 115 Klöster, in denen für ihn gebetet werden konnte, behalten zu dürfen; man kann hier durchaus von Eigenklöstern oder aber von Stiftungen ausgehen.30 Der letzte Kö‑ nig von Ani, Gagik II., der sein Reich im Tausch für Ländereien in Kappadokien an die Byzantiner gegeben hatte, wurde nach seinem Tod in einem von ihm gestifteten Kloster beigesetzt, und zwar in Pizu, das vermutlich ebenfalls in Kappadokien lag.31 Eingehende Untersuchungen der inschrift‑ lichen Überlieferung würden vermutlich aufzeigen, dass auch unter byzantinischer Herrschaft weiterhin armenische Kirchen und Klöster gestiftet wurden. Interaktionen zwischen den byzanti‑ nischen und muslimischen Stiftungskul‑ turen innerhalb des Reiches sind von der Forschung noch nicht untersucht worden. Gut dokumentiert ist aber die muslimische Präsenz in Konstantinopel schon vor seiner Eroberung.32 Hier diente eine Moschee den religiösen Bedürfnissen der Minderheit, was in Verträgen zwischen Byzanz und den muslimischen Herrschern auch einge‑ hend geregelt wurde. Das Staatshandbuch Kaiser Konstantins VII. ‚De administran‑ do imperio‘ behauptet allerdings wenig plausibel, dass diese Moschee schon auf Wunsch des Generals Maslama am Ende
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
der Belagerung Konstantinopels (717/718) erbaut wurde; man muss von einer Legende sprechen, die die Existenz einer Moschee in der Hauptstadt erklären sollte, aber wahr‑ scheinlich kaum auf eine geplante Politik zurückging.33 Eine zweite konstantinopo‑ litanische Moschee, die sich in der Nähe der St.‑Irene‑Kirche von Perama befand, wurde gegen Ende des 12. Jahrhunderts von Saladin gestiftet; die Genehmigung dafür geht auf das mögliche Bündnis zwi‑ schen Byzanz und Saladin gegen Friedrich I. Barbarossa zurück.34 Die Moschee wurde aber im August 1203 angegriffen und von
Flamen, Pisanern und Genuesen in Brand gesetzt. Nach der Phase lateinischer Herr‑ schaft (1204–1261), in der keine Moscheen geduldet wurden, genehmigte Kaiser Mi‑ chael VIII. Palaiologos nochmals die Grün‑ dung einer Moschee, sodass muslimische religiöse Einrichtungen in Konstantinopel auch in den letzten Jahrhunderten des Rei‑ ches bestanden.35 Inwieweit die Präsenz von Moscheen in Konstantinopel kultu‑ rellen Austausch bei Stiftungen angeregt hat, müsste die künftige Forschung genauer untersuchen. ZC
Anmerkungen 1 Vgl. aber Borgolte, Sigismund, Radegunde (in
Druckvorbereitung) 2 Mango, Byzantine Literature (1975, ND 1984). 3 Reinert, Muslim Presence (1998), 149. 4 Chitwood, Proprietary Church (2016), 10 f., mit Bezug auf die ältere Literatur. 5 Vor allem Kazhdan, New History (1989); Über‑ blick zum Problem bei Chitwood, Byzantine Legal Culture (2017), 7–17. 6 Einige Ausnahmen: Pahlitzsch, Christian Pi‑ ous Foundations (2009); Yildirim, Pious Found‑ ations (1999). 7 Garsoïan, Nersēs le Grand (1983, ND 1985); Dies., Titre de Protecteur des pauvres (1981, ND 1985). 8 Roueché, Caring for the Elderly (2007), 29. 9 Janin, Géographie ecclésiastique (1969), 570 f. 10 Magdalino, Medieval Constantinople (2007), 109–111. 11 Zu der Jesuiten‑Akademie, die im 17. Jh. auf dem Athos existierte, siehe Plested, Latin Monas‑ ticism (2012), 109 f. 12 The Life of Our Blessed Fathers John and Euthymios, and the Story of their Worthy Citizen‑ ship as Described by the Poor Hieromonk George the Hagiorite. Übers. Tamara Grdzelidze, Georgian Monks on Mount Athos. Two Eleventh‑Century Lives of the Hegoumenoi of Iviron. London 2009, 53–94, hier 70 f. Zur Geschichte des Klosters siehe Plested, Latin Monasticism (2012), 101–106.
13 Ebd., 103 f. 14 Nau, Analyse (1897), 482. 15 Hatlie, Monks and Monasteries (2007), 143– 150.
16 Janin, Géographie ecclésiastique (1969), 444 f.; Unterweger, Image (2014), 104 f.
17 John of Ephesus. Lives of the Eastern Saints,
Bd. 2. Ed. E. W. Brooks. (Patrologia Orientalis, Bd. 18.) Paris 1924, 676–684; Thomas, Your Sword (2007), 27 f., bezeichnet das Reue‑(‚Metanoia‘‑) Kloster als die erste kaiserliche Stiftung, ohne das Sergios‑Kloster zu berücksichtigen. 18 Mango, Church of Sts Sergius and Bacchus (1972, ND 1993); Ders., Church of Sts Sergius and Bacchus Once Again (1975, ND 1993). 19 Dazu Benner, Syrisch‑jakobitische Kirche (1989). 20 Dagron, Minorités ethniques et religieuses (1976), 186–209. 21 Ebd., 187. 22 Chronique de Michel le Syrien, patriarche jacobite d’Antioche (1166–1199), Bd. 3. Ed. und Übers. J.-B. Chabot. Paris 1910, 130. 23 Chitwood, Patriarch Alexios Stoudites (2014). 24 Patmut’iwn Aristakisi Lastivertc’woy. Ed. K. Yuzbašyan. Jeriwan 1963, hier 42 f.; frz. Übers. von M. Carnard / H. Berbérian, Récit des malheurs de la nation arménienne. (Bibliothèque de Byzantion, Bd. 5.) Brüssel 1973, hier 28 f.
Die indologische Perspektive
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25 Benner, Syrisch‑jakobitische Kirche (1989), 31 Matthias von Edessa beschreibt dieses Be‑ 104–106, mit Bezug auf Michael den Syrer. gräbnis im Pizu‑Kloster: Armenia and the Crusa‑ 26 So die These von Mahé, Inscriptions de des. Übers. Dostourian (wie Anm. 30), 145. Zum Hoṙomos (2002), 157 mit Anm. 49. Da aber dieser Pizu‑Kloster vgl. Manuk-Khaloyan, Cemetery Latinismus im byzantinischen Stiftungswesen (2013), 153; M. Thierry, Répertoire des monastères selbst unbekannt ist (→ 1.5.2), wäre eine Trans‑ arméniens (1993), 178, Nr. 1008. mission in dieser Form kaum vorstellbar. 32 G. D. Anderson, Islamic Spaces and Diplo‑ 27 Z. B. Mahé, Testament de Tigran Honenc‘ macy (2009); Reinert, Muslim Presence (1998), (2001), 1323. 126–130. 28 Mahé, Inscriptions de Hoṙomos (2002), 155– 33 Woods, Maslama (2013). 157. 34 The Life of Saladin by Behâ ed‑Dîn (1137–1193 29 Diskutiert bei Mahé, Basile II et Byzance (1991). A. D.). Übers. Claude Reignier Conder. (Palestine 30 Armenia and the Crusades, Tenth to Twelfth Pilgrimsʼ Text Society, Bd. 32.) London 1897, 198 f. Centuries. The Chronicle of Matthew of Edessa. Vgl. Reinert, Muslim Presence (1998), 140–143. Übers. Ara Edmond Dostourian. Lanham (Md.) / 35 Ebd., 143–148. New York / London 1993, 45.
19.6 Die indologische Perspektive Da eine eigenständige Stiftungsforschung in der Indologie nur in Ansätzen existiert (→ 2.6.1), können hier lediglich erste Über‑ legungen zur Frage von Invention, Inno‑ vation und Imitation im interkuturellen Vergleich angestellt werden. Im vormoder‑ nen indischen Stiftungswesen sind zwei Hauptkategorien von Innovationen und Imitationen zu unterscheiden, die durch interkulturelle Kontakte bedingt wurden: zum einen solche Nachahmungen, die als eine Folge des Austauschs der indigenen Glaubenstraditionen untereinander ge‑ deutet werden können, und zum anderen Beeinflussungen, zu denen es durch das Vordringen fremder religiöser Kulturen auf den Subkontinent kam. An dritter Stelle soll auch die Ausstrahlung indischer Stif‑ tungstraditionen nach Südostasien be‑ trachtet werden.
zusammen, dass es aufgrund der geringen Quellendichte und der unspezifischen Ter‑ minologie für die Frühzeit oft schwierig ist, ‚echte‘ Stiftungen von anderen Gaben, insbesondere Schenkungen, zu unterschei‑ den. Erste Hinweise auf Stiftungen könnten sich in Steininschriften aus dem 3. Jahr‑ hundert v. u. Z. finden, nach deren Aussage der Maurya‑König Aśoka im ostindischen Bihar Wohnhöhlen an eine religiöse Sekte vergab.1 Da Aśoka für seine ‚Erfindungen‘ – z. B. für die Einführung einer Schrift 2 – Anleihen bei den persischen Achaimeniden nahm, ist denkbar, dass er die Inspiration für seine Stiftungstätigkeit auch aus dieser Region erhielt. Die von ihm gestifteten Höhlen gingen an Ājīvikas (→ 1.6.2; 4.6.2), eine mit Buddhisten und Jinisten konkur‑ rierende Strömung, deren Anhänger in der Folge kaum noch Stiftungen erhielten. Hinweise auf Stiftungen der Vor‑Aśoka‑ (1.) Die Anfänge des indischen Stiftungs‑ Zeit liefern auch buddhistische kanonische wesens liegen noch weitgehend im Dun‑ Texte; diese sind jedoch erst in der Nach‑ keln. Dies hängt unter anderem auch damit Aśoka‑Zeit kompiliert worden.
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
Bereits im Altertum war das Stiftungs‑ wesen in Indien von Multireligiosität ge‑ prägt. Auch wenn in der Forschung noch umstritten ist, in welchem religiösen Um‑ feld um die Mitte des ersten Jahrtausends v. u. Z. die Konzepte von Tatvergeltung und Wiedergeburt erstmals klarer formu‑ liert worden waren, ist seit den frühen Jahrhunderten u. Z. davon auszugehen, dass die Verknüpfung von karman und saṃsāra (→ 7.6.1) im Zentrum jinistischer, buddhistischer sowie auch brahmanisch‑ hinduistischer Religiosität stand. Das vorislamische Stiftungswesen entwickelte sich in dem Spannungsfeld zwischen einem generellen Konsens über die Verdiensthaftigkeit (puṇya; → 7.6.2) religiöser Stiftungen und einer starken Konkurrenz um materielle Zuwendungen. Das besondere Beziehungsgeflecht führte dazu, dass man oft gegenseitige Anleihen nahm, aber auch versuchte, seine eigene Identität durch Abgrenzung und Diffe‑ renzierung zu wahren. Gerade Stifter und die in deren Auftrag Agierenden dürften wohl häufig für interreligiöse Entlehnun‑ gen verantwortlich gewesen sein. Wenn Könige verschiedene religiöse Richtungen förderten und wenn die gleichen Künstler im Auftrag unterschiedlicher Konfessio‑ nen tätig wurden, trug dies zweifellos zu einem Transfer stiftungsbezogener Ideen und Praktiken bei. Nicht immer geht je‑ doch aus den Quellen hervor, wer von wem bestimmte Konzepte übernommen hat. Zweifelsfrei als Stiftungen zu interpre‑ tierende Gaben sind erst in Steininschriften des 1./2. Jahrhunderts u. Z. nachweisbar. Kombinationen von Baugründungen mit Dotationen für deren Unterhalt, die zu‑ meist als Gelddeposita erfolgten, waren in dieser Zeit fast ausschließlich auf ein buddhistisches Umfeld und die indische Westküste beschränkt. Da das die Region des Subkontinents war, die am meisten
vom Seehandel mit dem Imperium Roma‑ num profitierte, ist durchaus wahrschein‑ lich, dass diese Form der Geldstiftungen als Folge des Austauschs mit dem Westen entstand. Ferner dürfte es berechtigt sein, den Buddhisten eine Vorreiterrolle im Stif‑ tungswesen des indischen Altertums zu‑ zuschreiben. Aus den ersten Jahrhunderten u. Z. gibt es nur sehr vereinzelt epigraphi‑ sche Hinweise darauf, dass auch Brah‑ manenpriestern, den Konkurrenten der Buddhisten, Stiftungen für deren Unterhalt zuteilwurden. So rühmen sich in einigen komplexeren buddhistischen Höhlenin‑ schriften des westlichen Dekkan Personen aus dem höfischen Bereich gewissermaßen nebenher, Dörfer, Kühe, Kokospalmen und Geld auch zugunsten von Brahmanen und Göttern gestiftet zu haben.3 Doch die we‑ nigen direkten Belege für nichtbuddhisti‑ sche Geldstiftungen stammen aus anderen Regionen: aus dem nordindischen Mathurā der Zeit um 150 u. Z. (für die Speisung von Brahmanen) und von der Südostküste aus dem 3. Jahrhundert (für den Tempel eines hinduistischen Gottes).4 Die vergleichsweise dürftige Überlie‑ ferungslage hinsichtlich von Dotationen an Brahmanen dürfte partiell auch ein Quellenproblem sein. Während Steinin‑ schriften das geeignete Medium für eine in‑situ‑Beurkundung von Stiftungen an Klöster und Tempel darstellten, die in Fels gehauen oder aus Stein errichtet wurden, fehlte in den ersten Jahrhunderten u. Z. offenbar ein geeignetes Medium zur dauer‑ haften Dokumentierung von Dotationen an Brahmanen, die ohne eine institutionelle Bindung an Kult‑ oder Wohnbauten aus beständigen Materialien wirkten. Die Si‑ tuation änderte sich aber bereits im späten Altertum, mit dem Beginn der sogenannten brahmanischen ‚Renaissance‘, welche auch Einfluss auf das weitere Stiftungsgesche‑ hen hatte. Mit dem (wieder) wachsenden
Die indologische Perspektive
Einfluss des Brahmanentums nahm die Zahl der Dotationen zugunsten vedischer Brahmanenpriester geradezu sprunghaft zu. In Anlage und Terminologie orien‑ tierten sich die brahmanischen Stiftungen wohl an älteren buddhistischen Vorbildern. Im späten Altertum kam es auch zu einer wichtigen stiftungsrelevanten In‑ novation. Ein neues Medium wurde zur Beurkundung eingeführt. Die (königli‑ che) Kupfertafelurkunde in Sanskrit, die sich durch (recht) gute Transportabilität auszeichnete (→ 5.6.3), löste die Steinin‑ schrift in Prakrit ab. Die früheste erhal‑ tene Kupfertafelurkunde, die vermutlich vom Ende des 3. Jahrhunderts u. Z. da‑ tiert, dokumentiert eine Landstiftung zu‑ gunsten eines buddhistischen Klosters im Südosten Indiens.5 (→ 4.6.3) Dennoch scheint der umfassende Gebrauch dieses Urkundenmediums insgesamt auf einen verstärkten Einfluss des Brahmanentums zurückzuführen zu sein, denn die relativ leicht tragbaren Metalltafeln waren wie geschaffen für die ‚mobilen‘ Brahmanen. Auch wenn nicht geklärt ist, wer das Ein‑ gravieren von Stiftungszeugnissen auf Kupferplatten initiierte, steht außer Fra‑ ge, dass (königliche) Dotationen an Brah‑ manen diesem Medium zum Durchbruch verhalfen. Dafür spricht auch, dass brah‑ manische Rechtstexte (‚Dharmaśāstras‘; → 5.6.2) des späten Altertums und frühen Mittelalters Vorgaben zur Ausfertigung von Stiftungsdokumenten auf Kupferplat‑ ten enthalten. Viele der überlieferten Ur‑ kunden belegen, dass das vorislamische Stiftungsrecht sehr stark brahmanisch geprägt war und dass die für herrscherli‑ che Stiftungen verantwortlichen Beamten vornehmlich Brahmanen waren. Seit dem 4., spätestens dem 5. Jahrhundert ging die weit überwiegende Zahl der auf Kupferta‑ feln dokumentierten Stiftungen an Einzel‑ brahmanen und Brahmanengruppen. Zur
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Beurkundung königlicher und fürstlicher Dotationen wurde dieses Medium auch auf nicht‑brahmanische Destinatäre – bud‑ dhistische Klöster, hinduistische Tempel und jinistische Institutionen – übertragen. Der Wechsel des Mediums ging aber nicht nur mit quantitativen Verschiebun‑ gen auf der Seite der Destinatäre, sondern auch mit Veränderungen in Hinsicht auf die Stiftungsobjekte einher: Die auf Kup‑ fertafeln verzeichneten Stiftungen betra‑ fen in erster Linie Dotationen von Land und kaum noch von Geld. Dass indische Stiftungskonzepte ursprünglich in enger Verbindung mit dem Instrument des Geld‑ depositums entwickelt worden waren, spie‑ gelt sich aber noch in terminologischen Reminiszenzen. So wurde z. B. der Begriff akṣayanīvī (→ 1.6.3; 10.6.3), ‚unvergängli‑ ches Kapital‘, der seit den ersten Jahrhun‑ derten u. Z. eine typische Bezeichnung für Geldstiftungen zu religiösen Zwecken war, später zum Teil auch für Landverleihun‑ gen benutzt. Ein Leben im dörflichen Milieu und Landverleihungen entsprachen viel eher brahmanischen Idealen als die mit Handel, Gilden und einem urbanen Umfeld verbun‑ denen Geldstiftungen, da die orthodoxen Brahmanen Geldverleih und Wucher ab‑ lehnten. Die Buddhisten hingegen zählten ebenso wie die Jainas Kaufleute, Händler und Geldverleiher zu ihrer Anhängerschaft. Beide Strömungen kannten offenbar keine Stigmatisierung von Geschäften, bei denen Zinsen anfielen, was sich in der Behand‑ lung der Thematik akṣayanīvī 6 in einigen buddhistischen kanonischen Texten zeigt. Allerdings waren – im Unterschied zu den Brahmanen – für buddhistische Mönche und Nonnen und noch stärker für jinisti‑ sche Asketen Stiftungen von Ländereien recht problematisch, da mit ackerbauli‑ chen Aktivitäten die potentielle Gefahr von Verstößen gegen das strikte Gebot
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
des Nichtverletzens von Leben verbunden war. Doch seit dem späten Altertum ak‑ zeptierten auch buddhistische Klöster und Jaina‑Institutionen (sowie hinduistische Tempel) – unter zum Teil modifizierten Bedingungen – Landstiftungen und pass‑ ten sich damit den Gegebenheiten an, die vom Niedergang der Münzprägung und des Geldverkehrs und vom Rückgang des privaten Stiftungswesens bestimmt waren. Nicht nur quantitativ, sondern auch konzeptionell und terminologisch war das mittelalterliche Stiftungswesen brahma‑ nisch dominiert. Zahlreiche Bestimmun‑ gen in königlichen Urkunden wurden für die Bedürfnisse von Brahmanen entwi‑ ckelt und auf diese zugeschnitten. Wenn die zumeist brahmanischen Beamten in Herrscherdiensten Stiftungsdokumente für die Destinatäre anderer religiöser Gruppie‑ rungen zu formulieren hatten, benutzten sie entweder brahmanische Begriffe oder hybride Formen oder ließen problemati‑ sche Termini einfach weg. Im Laufe der Zeit versuchten sie jedoch, das Vokabu‑ lar an die Erfordernisse der Begünstigten anzupassen. Man kann davon ausgehen, dass sich buddhistische und jinistische Stiftungsempfänger bereits im Vorfeld be‑ mühten, ihre abweichenden, spezifischen Stiftungsinteressen bei den potentiellen Stiftern zu artikulieren. Allerdings ist die‑ ses Ringen um Formulierungshoheit oft nicht direkt nachweisbar, da entweder das Quellenmaterial zu dürftig ausfällt oder die jeweilige Wortwahl zufällig wirkt. Für die vergleichsweise große Gruppe bud‑ dhistischer Stiftungsurkunden aus dem 6. und 7. Jahrhundert, die die westindische Dynastie der Maitrakas hinterlassen hat, konnte Oskar von Hinüber aber auf Basis der inschriftlich dokumentierten Ergeb‑ nisse, d. h. der sich im Laufe der Zeit ver‑ ändernden Formulierungen, zeigen, dass „the members of the Buddhist saṃgha had
to struggle to get their grants formulated according to their ideas and in accordance to Buddhist legal terminology. (…) It may be this wish to gain influence on or even control of the chancellery that is reflected in the changing wording. In the end the Buddhists managed to push the develop‑ ment into the desired direction“.7 Ein instruktives Beispiel von Imitati‑ on und Adaption stellt die Behandlung der sogenannten Erbformel dar. Um den Fortbestand einer auf Dauer angelegten Stiftung zu gewährleisten, musste eine kontinuierliche Abfolge von Destinatä‑ ren sichergestellt werden. Dotationen zum Unterhalt von Brahmanen sollten in der betreffenden Familie gehalten und vererbt werden. Sie wurden mit der Bestimmung vergeben, dass das Objekt „der Reihe nach von den Söhnen, Enkeln und weiteren Nachkommen zu genießen war“ (putrapautrānvayakramopabhogya; → 12.6.3; 13.6.2). Buddhistische Unter‑ haltsstiftungen enthalten häufig ein den strukturellen Verhältnissen der monas‑ tischen Gemeinschaften angepasstes Pendant: beispielsweise „ohne Unterbre‑ chung zu genießen“ (avyavacchittibhogya) oder „durch den edlen Mönchsorden zu genießen“ (āryabhikṣusaṃghaparibhogya) beziehungsweise „durch den edlen Non‑ nenorden des Klosters zu genießen“ (vihārār yabhikṣuṇīsaṃghopabhogya). Dass der Fortbestand von Stiftungen an jinistische und śivaitische Institutionen ganz wesent‑ lich von der Kontinuität der etablierten Lehrer‑Schüler‑Linien abhing, zeigt ein in den Urkunden verwendetes Gegenstück zu der brahmanischen Erbformel: „der Reihe nach von den Schülern, deren Schülern und [weiteren] Nachfolgern zu genießen“ (śiṣyapraśiṣyānvayakramopabhogya; jinistisch) oder „in der Abfolge der Asketenlinie zu nutzen“ (tapodhanānvayakramopabhogya; śivaitisch, → 12.6.4).
Die indologische Perspektive
(2.) Seit dem frühen 13. Jahrhundert kam es – im Norden beginnend – zu einem deutlicheren Bruch in der indigenen Stif‑ tungspraxis, der klar mit der Ausbreitung islamischer Herrschaft in Zusammenhang stand. Aus dieser Entwicklung resultierte ein ganz erheblicher Rückgang von (nicht‑ muslimischen) Neustiftungen in vielen Re‑ gionen, zum Teil ihr völliges Erlöschen. Sie führte auch zu erheblichen Störungen der älteren, ‚auf ewig‘ angelegten religiösen Stiftungen, nicht selten sogar zu deren Ende. Mit den ersten muslimischen Stiftun‑ gen änderte sich das zuvor beschriebene Bild. Bis dahin hatten indische und fremde Stifter stets indigen indische Religionen unterstützt; und die Destinatäre hatten die‑ sen religiösen Richtungen angehört, selbst wenn sie – wie buddhistische Pilgermön‑ che aus China – Ausländer gewesen waren. Nun stifteten Fremde – zunächst Araber, später auch Perser und Angehörige von Turkvölkern – für den nach Indien ‚ein‑ gewanderten‘ Islam. Anfangs waren wohl auch die Destinatäre Migranten, die sich durch ihre Religion und Herkunft von der auf dem Subkontinent ansässigen Bevölke‑ rung unterschieden. Diese andersgläubigen Fremden siedelten sich aber allmählich dauerhaft an und wurden im Laufe der Zeit durch Konvertiten ergänzt. Auf die Entwicklung des indischen Stiftungswe‑ sens wirkten diese fremden Stifter und Destinatäre nachhaltig, da sie ein völlig andersartiges Stiftungskonzept, das des waqf, in Indien dauerhaft etablierten. Allerdings ist insbesondere die Frühzeit der Ausbreitung des Islam im indischen Kulturraum schlecht erforscht. Es liegen Belege dafür vor, dass sich vom 8. bis zum 10. Jahrhundert arabisch‑muslimische Fürs‑ ten nicht nur an militärischen Eroberun‑ gen im Westen Indiens beteiligten, sondern teilweise als Vasallen indischer Herrscher agierten. In dieser Funktion traten sie als
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Stifter in Erscheinung und folgten dabei dem Vorbild der einheimischen Könige. Eines der bedeutendsten Beispiele für diese Praxis liefert die Chinchani‑Kupfertafel‑ urkunde eines Tājika‑Fürsten, eines Ara‑ bers, namens Madhumati (< Muḥammad) Sugatipa aus dem Jahr 926 u. Z.,8 die eine Unterhaltsstiftung für ein Tempelkolleg (maṭhikā) der Göttin Daśamī Bhagavatī an der indischen Westküste bezeugt. Do‑ tationen an hinduistische Tempel waren im 10. Jahrhundert in dieser Region noch nicht sehr verbreitet, und es ist durchaus bemerkenswert, dass ausgerechnet ein muslimischer Stifter den Bilderkult in ei‑ nem hinduistischen Tempel förderte. Der Tājika Madhumati imitierte voris‑ lamische Traditionen in Inhalt und Form. Die Urkunde ist in Sanskrit geschrieben und in üblicher Weise auf einer Kupfer‑ platte eingraviert. Die Einleitungsstrophe galt der hinduistischen Göttin Pārvatī und dem Gott Śiva. Auf eine Genealogie des indischen Oberherrn im Stile der klassi‑ schen Literatur folgt die Beschreibung des Tājika‑Fürsten Madhumati Sugatipa, der das Gebiet nördlich von Mumbai verwal‑ tete. Dann erwähnt das Stiftungszeugnis einen brahmanischen Minister des Madhu‑ mati und den brahmanischen Gründer der maṭhikā. Tājika Madhumati veranlasste seine Stiftung auf Bitte des Brahmanen, der das Tempelkolleg gegründet hatte, und nachdem er das Einverständnis seines in‑ dischen Oberherrn eingeholt hatte. Auf Befehl von Tājika Madhumati und mit der Zustimmung des höchsten Steuerbeamten setzte ein Kanzleibeamter die Dotations‑ urkunde auf. Aus diesen Stiftungsdetails ist ersichtlich, dass der arabische Vasall in ein traditionelles regionales Machtge‑ füge eingebunden war. Für die Vergabe von dörflichen Steuerrechten in dem von ihm regierten Gebiet hatte er seinen indi‑ schen König um Erlaubnis zu bitten, und
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
er musste auch Beamte der Fiskalbehörde konsultieren. Schließlich aber handelte der Muslim Madhumati auf Anfrage ei‑ nes Brahmanen, der augenscheinlich über gute Beziehungen zum Königshof verfügte. Den brahmanisch‑hinduistischen Tenor der Stiftungsurkunde des Tājika Madhu‑ mati Sugatipa unterstreicht ferner auch eine ausführliche Passage zum Konzept von religiösem Verdienst (puṇya). In vielfacher Hinsicht stellte Tājika Ma‑ dhumati Sugatipa aber eine seltene Ausnah‑ me dar. Die meisten Muslime, die nach In‑ dien kamen, unterstützten ebenso wie spä‑ ter die indigenen Konvertiten ihre Religion (und nur ihre Religion). Erste Moscheen gab es nach arabischen Quellen bereits im 8. Jahrhundert im heute zu Pakistan gehö‑ renden Sindh und seit dem 10. Jahrhundert auch an der indischen Westküste.9 In der Frühzeit islamischer Stiftungen in Indien scheint es nicht ungewöhnlich gewesen zu sein, diese auf Sanskrit zu beurkunden.10 Noch im 16. Jahrhundert war es offenbar keinesfalls unüblich, die Gründungs‑ inschrift eines muslimischen Herrschers völlig in Sanskrit zu verfassen und die ein‑ schlägige indische Terminologie zu nutzen. So endet eine Sanskrit‑Inschrift über dem Eingangsportal der Jama Masjid in Burhan‑ pur in Madhya Pradesh, die aus dem Jahr 1590 datiert, mit dem Satz: „Diese Moschee wurde zum Schutze der eigenen Religion (dharma) geschaffen“ (masītir iyaṃ nirmitā svadharmapālanārthaṃ /).11 Seit dem späten 12. Jahrhundert wurden jedoch verstärkt das Arabische und später das Persische benutzt.12 Mit wachsendem muslimischem Einfluss in Westindien wurde auch die In‑ stitution des islamischen waqf eingeführt, und zum ersten Mal tauchten ein eindeu‑ tiger Begriff und ein klares Konzept von Stiftung auf dem Subkontinent auf. So heißt es, der Ghuriden‑Sultan Muḥammad ibn Sām habe am Ende des 12. Jahrhunderts
der Jama Masjid von Multan (im heute zu Pakistan gehörenden Panjab) ein Dorf als waqf gestiftet.13 Bedeutende frühe Zeugnisse für musli‑ mische Stiftungen in Gujarat stellen zwei Inschriften aus dem Jahr 1264 u. Z. dar, die an der Südküste der Halbinsel Kathiawar entdeckt wurden und sich auf eine Mo‑ schee in dem berühmten hinduistischen Pilgerort Somanātha (Somnath) beziehen.14 Die beiden Steinplatten finden sich nicht mehr in ihrem ursprünglichen architek‑ tonischen Kontext. Sie wurden zu einem späteren Zeitpunkt an zwei verschiedenen Heiligtümern in Veraval, einige Kilome‑ ter westlich von Somnath, ‚verbaut‘: die Sanskrit‑Inschrift in einem hinduistischen Tempel, die arabische Inschrift in einer relativ jungen Moschee.15 Aus dem jeweili‑ gen Inhalt kann geschlossen werden, dass die arabische Inschrift, die zwei Monate jünger als ihr Sanskrit‑Pendant ist, eine kürzere, modifizierte Version von letzte‑ rem darstellt. Die beiden Steininschriften illustrieren den interkulturellen Austausch zwischen den Stiftungstraditionen des Brahmanismus‑Hinduismus und des Islam. Das Sanskrit‑Dokument orientiert sich an den vorislamischen Konventionen der Abfassung von Stiftungszeugnissen – mit allen für muslimische Destinatäre nöti‑ gen Anpassungen. Nach indigener Dik‑ tion beginnt es mit einer Anrufung von und einer Lobpreisungsstrophe für eine Gottheit, hier Viśvanātha, den ‚Herrn der Welt‘, die sich klar auf Allāh bezie‑ hen sollen.16 Das Datum ist in vier Ären angegeben: nach islamischem Kalender und nach drei einheimischen indischen Systemen.17 Die Stiftungen werden durch Verweise auf die Regentschaft des Regio‑ nalherrschers von Kathiawar, des Königs Arjunadeva aus der Caulukya‑Dynas‑ tie, und auf die Aktivitäten der Verwal‑ tungsbehörde von Somanāthadevapattana
Die indologische Perspektive
historisch kontextualisiert. Arjunadeva ist als ein Anhänger des Gottes Umāpati (Śiva) charkterisiert, ein Vertreter der Verwaltungsbehörde als Gelehrter der śivaitischen Pāśupata‑Doktrin beschrie‑ ben.18 Mögliche muslimisch‑hinduistische Interaktionsmuster in Gujarat während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zeigen sich in der Stiftungspassage der Sanskrit‑ Inschrift. Diese berichtet vom Bau einer Moschee (mijigiti) für die ‚Musalamānas‘ (hier: muśalamāna)19 und von Dotationen eines arabischen Schiffseigners (nākhū[dā]) aus Hormuz für den Unterhalt dieses Sa‑ kralbaus (dharmasthāna). Die Zuwendung bestand aus Land, einer Ölmühle und zwei Märkten (haṭṭa), die zunächst der lokalen Hindu‑Gemeinschaft abgekauft werden mussten, bevor sie ihrem neuen Zweck zugunsten der Moschee zugeführt werden konnten. Aus den Einkünften der Stiftung sollten verschiedene Personen und Dienst‑ leisungen in der mijigiti bezahlt werden; Überschüsse waren nach Mekka und Me‑ dina zu senden.20 In der arabischen Version wird die Do‑ tation indirekt als waqf bezeichnet, da die Verbform waqafa benutzt wird, um die Handlungen des muslimischen Stifters zu beschreiben.21 Nach Ansicht von Himan‑ shu Prabha Ray liegt die Bedeutung dieser Inschrift auch in erster Linie darin, dass, „[i]n keeping with the legal requirements of Islamic law the mosque was definable as a waqf (i. e. a charitable endowment) and trustees and beneficiaries had to be ap‑ pointed. The Arabic version is thus crucial to an understanding of the establishment of the institution of waqf in western In‑ dia.“22 Doch obwohl die arabische Inschrift erheblich kürzer ist, enthält sie auch In‑ formationen, die im Sanskrit‑Text fehlen, beispielsweise das folgende Gebet: „Möge Gott ihn [den Ort Somanātha] zu einer Stadt des Islam machen und Unglauben
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und Götterbilder von hier vertreiben“.23 Formulierungen wie diese belegen, dass mit der Verbreitung des waqf immer auch weiterreichende Ziele verbunden waren, die der lokalen Bevölkerung verborgen blieben, wenn sie die arabische Sprache nicht beherrschte.24 Bald jedoch traten an die Stelle derarti‑ ger bilingualer Inschriften epigraphische Texte, die nur in Arabisch beziehungsweise Persisch gehalten waren, womit auch die Versuche entfielen, die fremde islamische Stiftungskultur quasi in die Sprache und Terminologie des vorislamisch‑indischen Stiftungskomplexes zu übersetzen. Hinzu kamen Konfiskationen älterer indigener Stiftungen. Da die große Mehrheit der frühmittelalterlichen Dotationen in der Vergabe von königlichen Steuerrechten bestanden hatte, kann diese Diskontinuität kaum überraschen. Die Dauerhaftigkeit derartiger Dotationen konnte nur durch die Herrscher garantiert werden. Die mus‑ limischen Regenten aber beschlagnahm‑ ten häufig die Güter von buddhistischen Klöstern, hinduistischen Tempeln und ji‑ nistischen Institutionen25 – vermutlich mit der Intention, die Steuereinnahmen des Staates zu erhöhen, und eventuell mit der Absicht, aus den Mitteln die waqf‑Kultur in Indien zu fördern. Gelegentlich hatte es Konfiskationen auch in vorislamischer Zeit gegeben. Aber mit der Ausbreitung islamischer Herrschaft war der Konsens über die Verdiensthaftigkeit buddhisti‑ scher, brahmanisch‑hinduistischer sowie jinistischer Stiftungen verloren gegangen. Während buddhistische Stiftungen im Lau‑ fe des Mittelalters aus Indien verschwan‑ den, bestand die Tradition hinduistischer und jinistischer Dotationen fort. Eine Antwort auf die Frage, ob das is‑ lamische Stiftungswesen konzeptionel‑ len Einfluss auf die brahmanisch‑hin‑ duistische Stiftungspraxis des indischen
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
Spätmittelalters hatte, ist noch ein Deside‑ ratum der Forschung. Als gesichert kann aber gelten, dass es in der Kolonialzeit unter dem Einfluss des Christentums und hinduistischer Reformbewegungen zu ei‑ ner stärker philanthropischen Ausrichtung der hinduistischen Stiftungskultur kam.26 Über mittelalterliche Stiftungen an Christen und Juden in Indien ist nur we‑ nig bekannt. Es existieren einige wenige einschlägige Zeugnisse in Alt‑Malayalam aus Hafenstädten des südindischen Ke‑ rala: zwei Kupfertafelurkunden von der Mitte des 9. Jahrhunderts aus Kollam,27 in denen Christen begünstigt wurden, und eine Kupfertafelurkunde mit einem jüdischen Destinatär aus Kochi, die aus der Zeit um 1000 datiert.28 Obwohl diese Dokumente, die sich noch im Besitz der betreffenden Gemeinden befinden,29 seit langer Zeit bekannt sind,30 liegen keine verlässlichen Editionen und Übersetzungen vor.31 Dies hängt auch mit nicht unerheb‑ lichen terminologischen Schwierigkeiten zusammen. Bei der Urkunde aus Kochi ist nicht einmal sicher, ob es sich überhaupt um ein Stiftungszeugnis im engeren Sinne handelt. Nach bisheriger Interpretation wird darin bezeugt, dass ein König der Cera‑Dynastie bestimmte Privilegien und Zollrechte – ohne Angabe des Zwecks – an den jüdischen Kaufmann Īssuppu Iṛappāṇ (Joseph Rabbān) verliehen habe. Die zwei etwas älteren Kupfertafelurkunden der syrisch‑christlichen Kirche sind in ihrer Diktion ähnlich wie die an den jüdischen Kaufmann, lassen jedoch klarer den Stif‑ tungscharakter erkennen. Nach ihrer Aus‑ sage stiftete der Vasall eines Cera‑Königs Land und Zollprivilegien, unter anderem für Öllampen, an eine ostchristliche Kirche (paḷḷi) in Kollam, die ein gewisser Maruvāṇ Sapīr Īso gegründet hatte. Erwähnt werden auch die Vertreter verschiedener Berufs‑ gruppen,32 wobei nicht klar ist, ob diese
lediglich als Bewohner genannt sind oder mit dem Land ‚mitvergeben‘ wurden.33 (3.) Zu Imitationen, die mit indischen Stif‑ tungstraditionen in Verbindung standen, kam es nicht nur auf dem Subkontinent selbst. Mit der Ausbreitung indischer Reli‑ gionen wanderten Normen und Praktiken des Stiftungswesens in andere Regionen Asiens. Dies gilt vor allem für den Buddhis‑ mus, der seit den ersten Jahrhunderten u. Z. über Zentralasien nach China gelangte und auch sehr weite Teile Südostasiens prägte. Der letztgenannten Großregion soll spezielle Aufmerksamkeit gelten, weil indische Sprachen, Schriften und Kom‑ munikationsformen in besonderem Maße auf dortige Regionalkulturen einwirkten und Südostasien über Jahrhunderte nicht nur den buddhistischen, sondern auch brahmanisch‑hinduistischen Einflüssen aus Indien ausgesetzt war. Inschriften stellen in Südostasien eben‑ so wie in Indien die Hauptquellen für Er‑ kenntnisse zum mittelalterlichen Stiftungs‑ wesen dar. Mit Ausnahme von Nordviet‑ nam, wo im Mittelalter das Chinesische vorherrschte, wurden in den Teilen Süd‑ ostasiens, in denen sich buddhistische und brahmanisch‑hinduistische Traditionen entwickelten, ausschließlich Schriftsyste‑ me benutzt, die aus verschiedenen Gebieten Indiens übernommen waren.34 Auch indi‑ sche Sprachen zeigen eine starke Präsenz in den mittelalterlichen Stiftungszeugnissen aus Südostasien. Sanskrit‑Inschriften sind in allen heutigen Staaten dieser Großre‑ gion (außer in Singapur) entdeckt worden, zumeist in bilingualer Kombination mit den Vernakularsprachen des jeweiligen Gebiets.35 Der epigraphische Gebrauch des Pali ist auf buddhistische Kontexte und auf das heutige Myanmar und Thai‑ land beschränkt; die Zahl der Belege für Stiftungsinschriften in Pali ist dort sogar
Die indologische Perspektive
höher als in Indien (und in Sri Lanka).36 Auch Tamil wurde in Südostasien zur Do‑ kumentierung von Stiftungen benutzt.37 In Hinsicht auf die zur Beurkundung verwendeten Medien wurden ebenfalls Anleihen bei den indischen Vorbildern genommen: So gravierte man Stiftungs‑ texte nicht nur auf Stein, sondern – wie aus dem mittelalterlichen Indien wohl‑ bekannt – auch auf Kupfertafeln, wobei zumeist die Vernakularsprachen benutzt wurden. Verbreitet war diese Praxis vor allem auf den Inseln Bali, Java und Lu‑ zon;38 einzelne Belege gibt es ferner aus Myanmar und Thailand.39 Das epigraphische Material aus Süd‑ ostasien ist insgesamt noch nicht so gut erschlossen wie das indische, doch gerade in den letzten Jahrzehnten wurden erheb‑ liche Anstrengungen zur Inventarisierung und Herausgabe von Inschriftencorpora unternommen. Untersuchungen, die die gesamte südostasiatische Großregion er‑ fassen, werden dadurch erschwert, dass sie viel mehr Ländergrenzen zu überwinden haben als auf den indischen Kulturraum konzentrierte. Außerdem sind für die Bear‑ beitung der Quellen Kompetenzen sowohl in indischen als auch in südostasiatischen Sprachen erforderlich. Impulse zur Edition und Übersetzung sowie zur Interpretation epigraphischer Quellen aus Südostasien sind in jüngerer Zeit immer wieder von Indologen ausgegangen.40 Die dabei in den Blick genommenen Fragestellungen waren nicht primär solche der Stiftungsforschung, sondern eher religionshistorischer Natur.41 Die bisherigen Untersuchungen bieten – trotz ihrer Vorläufigkeit – ein Bild von Imitation und Adaption. Bei aller direkten oder indirekten Orientierung an indischen Mustern sind als Folge von mehreren Pha‑ sen des Austauschs freilich auch Modifi‑ kationen mit verschiedensten Hintergrün‑ den sowie große regionale Unterschiede
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hinsichtlich der religiösen Ausrichtung des Stiftungsgeschehens zu erkennen. Ob‑ wohl Kupfertafeln als Stiftungszeugnisse auch in Südostasien belegt sind, haben sie schon allein aus quantitativen Gründen nie eine solche Bedeutung wie in Indien erlangt. Ähnlich wie in Sri Lanka stellen Steininschriften in weiten Teilen Südost‑ asiens die Hauptmasse der Quellen zum Stiftungswesen dar. So folgen zum Beispiel die epigraphischen Texte aus dem mittel‑ alterlichen Kambodscha vom 6./7. bis zum 14. Jahrhundert einem weitgehend einheit‑ lichen Schema: Sie beurkunden fast aus‑ schließlich Gründungs‑ und Stiftungsakte, sind stets auf Stein (meist Stelen und Pfei‑ ler) eingraviert und enthalten immer eine ganze Reihe von Lobpreisungsstrophen in Sanskrit nach bester indischer Kunst‑ dichtungstradition sowie meist noch einen geschäftlichen Teil in Alt‑Khmer‑Prosa.42 Die Konzentration auf das Medium Stein könnte mit den Destinatären zusammen‑ hängen: Vedische Brahmanen stellten wohl – anders als im mittelalterlichen Indien – in Südostasien (ebenso wie in Sri Lanka) nie die Hauptgruppe der Stiftungsempfänger. Dies ist kaum verwunderlich angesichts der Abneigung, die die brahmanische Orthodo‑ xie gegenüber Reisen in ferne Länder hegte. Andererseits spielten (indische) Brahmanen in mehreren Königreichen Südostasiens durchaus eine wichtige Rolle. Sie standen unter anderem in den Diensten von Khmer‑ Herrschern und wurden gerühmt für ihre Veda‑Gelehrsamkeit. Nach Aussage einer Inschrift der Vor‑Angkor‑Zeit stiftete ein Brahmane Handschriften des Mahābhārata, des Rāmāyaṇa und eines Purāṇa an einen śivaitischen Tempel, den er gegründet hat‑ te, und stattete diesen so aus, dass die betreffenden Texte täglich rezitiert werden konnten.43 Das mittelalterliche Stiftungswesen in Südostasien war stärker auf die bauliche
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
Gründung und dauerhafte Ausstattung hinduistischer Tempel und buddhistischer Klöster, nicht jedoch auf den Unterhalt von Brahmanen fokussiert. Die religiösen Gewichtungen im häufig königlichen Pa‑ tronat waren dabei höchst verschieden; oft konkurrierten Buddhismus und Śivaismus miteinander um stifterliche Zuwendun‑ gen. Im mittelalterlichen Kambodscha erhielten auch Viṣṇu‑Tempel Stiftungen, doch der Śivaismus dominierte.44 Aus Myanmar sind hingegen ausschließlich buddhistische Stiftungen belegt; auch in Sumatra überwogen in vorislamischer Zeit bei weitem die buddhistischen Inschriften. Allerdings ist die Sanskrit‑Terminologie nicht immer ganz eindeutig. Anders als in Indien konnten sich in Südostasien ty‑ pisch buddhistische Schlüsselbegriffe wie bhikṣusaṃgha und vihāra in Einzelfällen
auf śivaitische Asketen und deren monas‑ tische Institutionen beziehen.45 Mitunter erhielten buddhistische und śivaitische Destinatäre gemeinsam Stiftungen, und es lassen sich auch Hinweise auf eine Art Synkretismus zwischen beiden Richtungen finden.46 Während es im indischen Bereich eher eine Ausnahme war, dass Sklavinnen und Sklaven mitvergeben wurden, ist Stif‑ tungskapital dieser Art in südostasiati‑ schen Dotationen keine Seltenheit.47 Auch das Erb‑ und Verwandtschaftsrecht der einzelnen Regionen wirkte auf die impor‑ tierte indische Stiftungstradition ein. So ist beispielsweise im Bereich des Khmer‑ Einflusses eine stärkere Position der Frau in der Großfamilie zu erkennen, was sich auf ihre Rolle als potentielle Stifterin, aber auch als Destinatärin auswirkte.48 AS
Anmerkungen 1 H. Falk, Aśokan Sites and Artefacts (2006), 10 Salomon, Indian Epigraphy (1998), 150. 266–268. 11 Ebd., 305–307, Nr. 14, hier 307, Z. 6. 2 H. Falk, Schrift im alten Indien (1993). 12 Ebd., 106 f. 3 Burgess, Report on the Buddhist Cave Temples 13 Kozlowski, Muslim Endowments (1985), 22.
(1883), 99–102 (Fälle aus Nasik und Karla); H. P. Aber noch in der Mogul‑Zeit war der Begriff Ray, Monastery and Guild (1986), 221. waqf nicht weit verbreitet; vgl. Ders., Imperial 4 Mathura Brahmi Inscription of the Year 28. Authority (1995). Ed. Sten Konow, in: Epigraphia Indica 21, 1931/1932, 14 Zu einer jüngeren Auswertung des Materials 55–61; More Inscriptions from Nagarjunikonda. und zur häufig sehr kontrovers geführten Debat‑ Ed. Dinesh Chandra Sircar, in: Epigraphia Indica te um Somnath vgl. Thapar, Somanatha (2004). 35, 1963/1964, 1–36, hier 4–7. 15 Shokoohy, Legacy of Islam (2012), 309, 5 The Pātagaṇḍigūdem Copper‑Plate Grant of the Anm. 27. Zur Sanskrit‑Inschrift vgl. A Grant of Ar‑ Ikṣvāku king Ehavala Cāntamūla. Ed. Harry Falk, in: junadeva of Gujarat. Ed. Eugen Hultzsch, in: IA 11, Silk Road Art and Archaeology 6, 1999/2000, 275–283. 1882, 241–245; Veraval Inscription of Chaulukya‑ 6 Zu diesem Begriff in Sanskrit‑Texten vgl. Scho- Vaghela Arjuna, 1264 A. D. Ed. Dinesh Chandra pen, Doing Business for the Lord (1994, ND 2004), Sircar, in: Epigraphia Indica 34, 1961/1962, 141–150. 52–56. Zur arabischen Inschrift vgl. Arabic Inscriptions 7 Hinüber, Behind the Scenes (2013), 376 f. of the Rajput Period from Gujarat. Ed. Z. A. Desai, 8 Rashtrakuta Charters from Chinchani: 1. Grant Epigraphia Indica. Arabic and Persian Supple‑ of the time of Indra III, Śaka 848. Ed. Dinesh Chand- ment, 1961, 1–24, hier 10–15, Nr. 4. ra Sircar, in: Epigraphia Indica 32, 1957/1958, 45–55. 16 Veraval Inscription. Ed. Sircar (wie Anm. 15), 9 Wink, Al‑Hind (1990), 69; 203. 141; 146, Z. 1 f.
Die indologische Perspektive
17 Ebd., Z. 2–4. Die indischen Systeme sind die
Vikrama‑, die Valabhī‑ und die Siṃha‑Ära. 18 Ebd., 146 f., Z. 5–8: °śrī-umāpativaralabdhaprauḍhapratāpa° (…) paramapāśupatācārya°. 19 Ebd., 149, Z. 39. 20 Ebd., 147–149, Z. 17–40. Für eine Diskussion dieses Textes vgl. Thapar, Somanatha (2004), 88– 95; Patel, Transcending Religion (2008), 145–148; H. P. Ray, Trading partners (2015), 297 f.; Chattopadhyaya, Representing the Other (1998), 73 f. 21 Arabic Inscriptions. Ed. Desai (wie Anm. 15), 13, Z. 16 f.; Patel, Transcending Religion (2008), 149. 22 H. P. Ray, Trading partners (2015), 298. Zu den damit verbundenen Implikationen siehe auch Patel, Transcending Religion (2008), 155 f. Mukherji, Islamic Institutions (1990/1991), 114–117, enthält trotz seines vielversprechenden Unterti‑ tels ‚Origin and Practice in Muslim India‘ außer Allgemeinplätzen kaum Konkretes und wenig Erhellendes zu den Anfängen des waqf in Indien. 23 Arabic Inscriptions. Ed. Desai (wie Anm. 15), 13, Z. 6 f.; engl. Übers. ebd., 14, Z. 6 f.: „may God make it one of the cities of Islām and [banish?] infidelity and idols“. 24 Shokoohy, Legacy of Islam (2012), 310: „While the Sanskrit version remains a matter‑of‑fact re‑ cord of the treaty and shows respect and courtesy to the Hindu hosts, the Arabic version is phrased more to the taste of the Muslim community. (…) The discrepancy between the Arabic and Sanskrit texts (…) reveals the [Muslim] community’s view of itself and its values as opposed to the way it presented itself to its hosts“. In einer Junagadh‑ Inschrift aus dem Jahr 1286/1287 u. Z. wird an die Errichtung einer Moschee durch einen Händler erinnert, der auf seinen Schiffen Pilger nach Mek‑ ka schickte, vgl. Arabic Inscriptions. Ed. Desai (wie Anm. 15), 18 f., Nr. 7. 25 Zu Übertreibungen des Tempelvermögens in muslimischen Quellen vgl. Thapar, Somana‑ tha (2004), 57. 26 Orr, Religious Endowments (2011), 153 f. 27 Three Inscriptions of Sthāṇu Ravi. Ed. T. A. Gopinatha Rao, in: Tamil and Vetteluttu Inscrip‑ tions on Stone and Copper‑Plates. Parts I to III. (Travancore Archaeological Series, Bd. 2.) Tri‑ vandrum 1916, 60–86. 28 Cochin Plates of Bhaskara Ravivarman. Ed. Eugen Hultzsch, in: Epigraphia Indica 3, 1894/1895,
487 66–69; The Jewish Copper‑Plates of Cochin. Ed. M. G. S. Narayanan, in: Cultural Symbiosis in Kerala. Trivandrum 1972, 23–30; 51–53; 79–82. 29 Die Kupfertafeln aus Kollam werden heute in Kottayam aufbewahrt; Subbarayalu, Anjuvan‑ nam (2009), 160. 30 Gundert, Translation and Analysis (1844/1845). 31 Zu einem Projekt, das sich seit einigen Jahren der Erforschung der sogenannten Kollam Plates widmet, vgl. The copper plates from Kollam, on‑ line: http://849ce.org.uk (Zugriff am 20. 10. 2016). Zu ersten Ergebnissen siehe ebd., http://849ce.org.uk/ wp‑content/uploads/2013/11/Kollam‑Plates‑booklet‑ UK.pdf. 32 Genannt werden unter anderem Landarbei‑ ter, Wäscher, Tischler, Salzmacher und Palm‑ weinsammler (‚toddy‑tappers‘); vgl. ebd., sowie Subbarayalu, Anjuvannam (2009), 159. 33 Mitunter ist von „assigning [them] (…) to (…) the Christian church“ und von „serfs“ die Rede: ebd., 159. An anderer Stelle heißt es nur: „The text sets out the boundaries of the church lands and describes the different occupations of the people who lived on the land“; vgl. The copper plates from Kollam, online: http://849ce. org.uk/wp‑content/uploads/2013/11/Kollam‑Pla‑ tes‑booklet‑UK.pdf (Zugriff am 20. 10. 2016). Auf den Kupfertafeln finden sich Unterschriften von Zeugen in Arabisch, Mittelpersisch und Judaeo‑ Persisch. 34 Griffiths / Lammerts, Epigraphy: Southeast Asia (2015), 989. Siehe auch Olles, Religiöse Stif‑ tungen in China, Bd. 2 dieser Enzyklopädie. 35 Ebd., 991 f. 36 Ebd., 996. 37 Zu einer hinduistischen Stiftungsinschrift in Tamil und Sanskrit aus Myanmar vgl. A Vaish‑ nava Inscription at Pagan. Ed. Eugen Hultzsch, in: Epigraphia Indica 7, 1902/1903, 197 f.; dazu Wisseman Christie, Medieval Tamil‑language In‑ scriptions (1998), 265 f. Zu einer zweisprachigen buddhistischen Stiftungsinschrift in Tamil und Malaiisch aus Sumatra vgl. Griffiths / Lammerts, Epigraphy: Southeast Asia (2015), 998. 38 Ebd., 991; Corpus of the Inscriptions of Java (Corpus Inscriptionum Javanicarum), up to 928 A. D. Ed. Himansu Bhusan Sarkar, 2 Bde. Kal‑ kutta 1971–1972; Gaur, Indian Charters (1975), 32, Ind. Ch. 57.
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Inventionen, Innovationen und Imitationen im interkulturellen Kontakt
39 Fragmentary Copper‑Plate Grant from Ara‑ werden in der einschlägigen Epigraphik die
kan. Ed. Dinesh Chandra Sircar, in: Epigraphia Indica 37, 1967/1968, 61–66; A Mon Copper Plate in the National Library, Bangkok. Ed. Nai Pan Hla / E. Guillon, in: JBuRS 55.1–2, 1972, 9–17; Nou‑ velles données épigraphiques sur l’histoire de l’Indochine centrale. Ed. G. Coedès, in: Journal Asiatique 246.2, 1958, 125–142. 40 Hier wären vor allem die einschlägigen Ar‑ beiten von Arlo Griffiths und Alexis Sanderson zu nennen; vgl. Griffiths / Lammerts, Epigraphy: Southeast Asia (2015); Sanderson, Śaiva Religion (2003/2004). 41 Zum Śivaismus vgl. ebd. 42 Griffiths / Lammerts, Epigraphy: Southeast Asia (2015), 992 f. 43 Es handelt sich um die Inschrift K. 359; vgl. Sanderson, Śaiva Religion (2003/2004), 380, Anm. 105. Mit ‚K.‘ und fortlaufenden Nummern
Khmer‑Inschriften klassifiziert; vgl. Griffiths / Lammerts, Epigraphy: Southeast Asia (2015), 992. 44 Sanderson, Śaiva Religion (2003/2004), 349. 45 Griffiths / Lammerts, Epigraphy: Southeast Asia (2015), 989. 46 Ebd., 1001. 47 Sanderson, Śaiva Religion (2003/2004), 352; 391 f.; 395–402; 420 f.; Ders., Śaiva Age (2009), 118; Griffiths / Lammerts, Epigraphy: Southeast Asia (2015), 997. Zu spätmittelalterlichen Beispielen für Stiftungen von Reisfeldern und Arbeitskräf‑ ten in Thailand und Laos vgl. Grabowsky, Bud‑ dhistische Klosterstiftungen (2013), 66 f.; 71; 76; 81–88; 90–96. Die Terminologie ist allerdings nicht immer eindeutig. Grabowsky nennt diese Arbeitskräfte teilweise auch Klosterdiener oder Freigelassene. 48 Sanderson, Śaiva Religion (2003/2004), 391 f.
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Social Positions of the Actors
Intercultural Perspectives
14 Social Positions of the Actors Endowment actors, whether the founders themselves, those participating in admin‑ istration, benefitting from the foundation, or entrusted with its oversight, were re‑ cruited from various classes, estates and groups and were divided with differing density amongst the various functions. In Judaism, for example, apart from the ʻcourt Jewsʼ in Spain, overall wealthy mer‑ chants stood at the heart of endowment activity, in part also in the administra‑ tion of endowments. By contrast, in the culture of the Mamluks, men of servile origin who converted from ʻpaganismʼ to Christianity, merchants were not to be found among the founders; instead, the military elite predominated. Conversely, since the High and above all Late Middle Ages endowments within Western Chris‑ tendom diffused into the urban classes, while in Byzantium burghers are barely evidenced as founders; wherever an in‑ dividual estate did not suffice, burghers (in India merchants), yet increasingly in the countryside also peasants and oth‑ er members of agrarian society, formed cooperative endowments. In Judaism as well philanthropic societies and confra‑ ternal associations acted on the basis of
foundations. Everywhere the poor them‑ selves could act as founders; in the Latin West the entries of their modest donations constantly filled numerous and volumi‑ nous anniversary books (‘Jahrzeitbücherʼ), which aided their annual commemorative prayer. In Islam even Sufis and slaves are attested as founders. It is noteworthy in cross‑cultural comparison that monks and nuns, despite their ascetic way of life, not only were the beneficiaries of charities, but could also serve as founders under certain circumstances. Otherwise one finds the poor, the needy of every sort and strang‑ ers as above all the recipients of benefac‑ tions, with the exception of India, where charitable motives hardly played a role in foundations. Emperors, kings and caliphs, indeed potentates of every sort, constitute a prom‑ ising field of inquiry, not only due to the surviving source material and the state of the scholarship, but also because of their especially manifold opportunities as endowment actors, as well as, from a methodological perspective, potential for comparison. A glance back to pre‑Chris‑ tian antiquity demonstrates that emperors played no prominent part in endowments.
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From a legal historical perspective it is commonly claimed that in the classical pe‑ riod there existed no conception of endow‑ ments, according to which temples could be viewed as independent legal persons.1 In fact the public cults, the sacra publica, were a ʻstateʼ matter.2 The personnel for the worship of the gods and other cult practices were financed by public funds, which were supplied primarily from taxes, tributes and the spoils of war.3 Augustus himself, however, supported the reconstruction of fallen temples, as well as the construction of new temples for pagan deities. The Christianized emperor Constantine the Great and Justinian stood in his suc‑ cession with their church and monastic foundations, yet the historical circum‑ stances differed quite starkly. Christian congregations arose in the Roman Empire namely in opposition to traditional cultic practices and ʻreligious constitutionʼ. In its first centuries the Church survived on the regular and extraordinary offerings and donations of worshippers.4 However, real estate was a different matter than that of liquid capital in the pre‑Constantinian period. For their religious services and other gatherings Roman Christians were, like adherents of other ʻforeign religionsʼ, dependent on the houses or dwellings of wealthy members of the congregation.5 Nonetheless, it is certain that the Primitive Church was in the possession of certain pieces of property.6 Yet the Church could acquire immovable property in great style only from the time of Constantine.7 In the west and east, above all in Rome, in the Holy Land and in the new capital on the Bosporus, he erected basilicas and other religious buildings that were to trumpet the triumph of the Christian God and in‑ crease his own glory;8 he financed these structures in Rome completely from his family fortune, and not from the fisc.9
Intercultural Perspectives
In the Byzantine Empire the ʻstateʼ and the ʻchurchʼ never were separated as clearly and permanently as in what would become the Latin West of Christendom, yet both spheres were on different levels gradually able to be differentiated and also periodi‑ cally at certain times stood at odds with each other.10 As newer studies demonstrate, imperial interference in foundation praxis was less characterized by sovereign foun‑ dations themselves than by the attempt to regulate the endowments of ʻprivate personsʼ.11 From the time when Constantine the Great and some of his successors first created a model for church and monastic foundations, emperors and high‑ranking clerics had to over and over again come to terms with the fact that there existed too many foundations of religious institutions by private persons, which were often too poorly endowed and thus had to be repeat‑ edly recapitalized by the bishops. On the other hand, the sometimes excessive drain of endowments was dangerous for the state; especially the loss of real estate threatened to lead to the danger of monetary short‑ ages, tax deficits and the damaging of the business cycle. Thus it was especially con‑ troversial whether religious foundations should be financed with lands or instead with money. The emperor Nikephoros II Phokas (963–969) outlawed any further en‑ dowment of monasteries, guesthouses and old‑age homes, since they already num‑ bered in the thousands and, aside from the hope for the recompense of God, brought no benefit. Yet the emperor did not want to combat pious works altogether, but instead recommended that benefactors sell their properties and give the proceeds to the poor; those among them that were able to found monasteries or philanthropic insti‑ tutions with their wealth were to instead aid the numerous ancient houses that were ruined and languishing, by purchasing for
Social Positions of the Actors
them slaves, oxen, sheep and other animals. Nikephoros expressly forbade anyone from donating land to monasteries, hospitals, metropolitans and bishops.12 The period until the middle of the 10th century was however a period of nearly unchecked growth of private foundations. These were so attached to their founders that bishops and emperors worried about their influence. Despite repeated imperial countermeasures these problems remained unresolved until the first capture of Con‑ stantinople in 1204 by western crusaders. On the other hand, rulers themselves also participated in the expansion of founda‑ tions. From the time of Romanos I Lekape‑ nos (920–944) they oriented themselves increasingly on the model of the aristoc‑ racy and “used endowments above all as an instrument for securing liturgical and secular memoria for themselves and their kinsmen.” (→ 14.5.2) The apogee of im‑ perial foundations in this sense was at‑ tained under the dynasty of the Komnenoi (1081–1185). The history of the first ‘Germanic’ kings of the European West in turn offers a con‑ text for endowments completely different from that of Constantine the Great and his successors. As they settled with their ‘gentes’ on Roman territory and founded their own kingdoms, a Christianized population was already to be found in all provinces, even if it was of varying density, which was organized into bishoprics or, at the very least, congregations.13 The old sena‑ torial aristocracy had to a degree found a new sphere of activity in the office of bishop and the governance of cities, and likewise founded an increasing number of monasteries, due in part to the influence of ascetic immigrants.14 Since conversion to a Christianity of Roman Catholic character, in the sense of a cultural assimilation, ap‑ peared inevitable to (most) leaders of the
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kingdoms of the ‘Völkerwanderung’, they enforced the ‘conversion’ of their peoples from top to bottom.15 Without the coopera‑ tion of its nobility, the kings would not have been able to achieve the building of churches connected with conversion. Thus the Merovingian king Dagobert I (623–639) was able, with the duke of Alemannia, to found and endow a hugely expanded bishopric of Constance, which, while hav‑ ing its center at the site of a Roman fort, included areas that were only partly or not all Romanized.16 It is attested that the Frankish kings or mayors of the palace in the 8th century outfitted the first sees outside the ancient Roman areas (Hes‑ sen, Thuringia) with properties from the fisc or claimed for them lands and inheri‑ tances of the aristocracy (esp. Büraburg, Würzburg).17 Though it was the task of the bishops, from a canon law perspective, to found new churches from the collections of the faithful, they would not have been able to accomplish this task, connected as it was with the erection of a thick net‑ work of parishes across the entire land, without the material support of the lay nobility.18 Kingdom, nobility and episco‑ pate worked together throughout the en‑ tire Middle Ages in the construction and development of churches and monasteries. In the case of Muslim potentates, one can hardly separate endowments from the construction of a caliphate, emirate or sultanate. Where a conqueror along with his warriors renounced his claim to spoils for the benefit of the Umma, made them permanently inalienable as a waqf and financed charitable endeavors with its incomes, these then converged with ‘public tasks’.19 On the other hand, ‘court circles’, that is the governing elite, were so involved in the endeavors of caliphs and other potentates that clearly differen‑ tiating between them in the foundations’
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initiation and implementation is hardly possible. This also applies to the separation of ‘state’ and ‘private’ possessions among those who enjoyed the use of both.20 Ev‑ erywhere in the Islamic tradition where public facilities are discussed, under these premises one can postulate that they are endowments; since all members of society participated in these endeavors, rulers only stood out from other believers through costly outlays. With the Seljuk Turks, who from the early 11th century expanded west‑ ward and conquered Baghdad and other cities, there spread, apart from al‑Andalus, the important educational institution of the madrasa.21 This was, however, not a ‘free’ endowment, as it remained perma‑ nently under the supervision of the found‑ er and his descendants.22 The institution of the madrasa and its systematic spread demonstrates exemplarily the political in‑ strumentalization of foundations and, at the same time, the close cooperation of rulers and political elites for the benefit of the community. In Indian antiquity ‘private’ foundations long predominated, before in the time of the Gupta Empire (320–520/570 C. E.) kings and princes decisively took the lead in this respect. Nonetheless, kings were also active as founders in earlier epochs. This was characterized by a close alliance of potentates with the priestly caste of the Brahmins and by the religious diversifi‑ cation of South Asia, by the patronage of Buddhists, Jains and Hindus as well for mutual benefit. According to the conclu‑ sions of Indological scholarship, in the second half of the first millennium B. C. E. tributes and taxes appear in the place of offerings, so that the king could finance the appropriate state apparatus from them.23 At this time theological writings were also composed which revolve around good and worthy deeds as well as successful royal
Intercultural Perspectives
government and the proper condition of the state. In one of the most famous of these tracts royal endowments to Brah‑ mins are mentioned, above all in connec‑ tion with land colonization. Endowment, from which the king could claim taxes and other tributes, are only indirectly dis‑ cussed, yet it must have doubtless con‑ cerned revenues assigned permanently, a necessary precondition for a foundation, since its inheritability is made a condi‑ tion, as with various other functions of the Brahmins. Even when Brahmanical legal texts emphatically call for it, Indian kings did not all restrict themselves to the support of Brahmanical priests; still during the last phase of antiquity the rise of Hindu temples began, which competed with Bud‑ dhist monasteries, until Buddhism disap‑ peared from most parts of India around the 11th century.24 Everywhere in which ‘kings and ca‑ liphs’25 (on ‘queens’ and the wives of Mus‑ lim rulers → 15) undertook the function of a founder, one can speak of Stiftungspolitik (‘endowment policy’), even when concern for the salvation of the soul or the acquisi‑ tion of merit for existence in the hereafter also appeared as ‘private’ religious motives. As part of this form of action, Indian rul‑ ers – like the Roman emperors of antiquity – patronized cults, monks and priests of various domestic religions, to which they were not inclined personally. It is remark‑ able that Jewish founders, usually members of the wealthy urban elite, also endowed adherents of heterodox tendencies, above all in the relationship of Rabbanic to Kara‑ ite Jews and vice versa. To this point scholarship has not paid much attention to the distribution of age groups among foundation actors; yet get‑ ting results is also difficult, because the source material usually only allows ap‑ proximations (age restrictions for the
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Social Positions of the Actors
priesthood in the West, support for stu‑ dents and scholars everywhere, testamen‑ tary regulations in general for older or younger persons, etc.). The density (or re‑ jection) of foundations among heterodox or apostates must also be further investigated
by the various disciplines. It can already be observed that in Byzantium canon and civil law sought to exclude non‑Orthodox from endowment practice, while in Islam non‑Muslims could also erect waqfs. MB
Notes 1 See now Alexander, Anstalten und Stiftungen
(2003), here esp. 49–51. 2 Rüpke, Religion der Römer (2001), 27–31; see now esp. Bowes, Private Worship (2008, repr. 2011), 18–60. 3 Rüpke, Religion der Römer (2001), 27. 4 Among many others cf. Staats, Deposita pie‑ tatis (1979), 5 f.; Angenendt, Offertorium (2014), passim. 5 Markschies, Antikes Christentum (2006), 177– 180; Beard / North / Price, Religions of Rome (1998, repr. 2000), vol. 1, 267; vol. 2, 110–113; Krautheimer, Rom (1987), 28 f. 6 Thomas, Private Religious Foundations (1987), 11. – In Rome the Christian community possessed its own cemeteries, of which at the very least the Catacomb of Calixtus itself in the early 3 rd cen‑ tury had been an espiscopal foundation: Beard / North / Price, Religions of Rome (1998, repr. 2000), vol. 1, 270; Guyon, Kirche Roms (1996, repr. 2005), 882; Borgolte, Petrusnachfolge und Kaiserimita‑ tion (1995), 27–30. 7 Beard / North / Price, Religions of Rome (1998, repr. 2000), vol. 1, 368 f.; Krautheimer, Ecclesiasti‑ cal building policy (1993); G. T. Armstrong, Impe‑ rial Church Building (1967), 5–13. 8 Cf. Voelkl, Kirchenstiftungen (1964), 28 with n. 71 f.; 26. 9 Bowes, Private Worship (2008, repr. 2011), 68; Krautheimer, Rom (1987), 41. Cf. Delmaire, Largesses sacrées (1989), 641 f. 10 Cf. Beck, Geschichte (1980), 5 f.; Id., Kirche (1959, repr. 1977), 36. Most recently Höfert, Kai‑ sertum und Kalifat (2015), esp. 139–145.
11 Thomas, Private Religious Foundations (1987);
→ 14.5; esp. → 10.5.
12 Stiftung und Staat im Mittelalter. Eine byzan‑
tinisch‑lateineuropäische Quellenanthologie in komparatistischer Perspektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011, 334–339, B 10. 13 Cf. Borgolte, Mittelalterliche Kirche (2004), 3 f.; Id., Christen, Juden, Muselmanen (2006), 105. 14 Hechberger, Adel im fränkisch‑deutschen Mit‑ telalter (2005), 105–108; Id., Adel (2004), 5; Prinz, Frühes Mönchtum (1965); Id., Mönchtum und Ge‑ sellschaft (1976). 15 Borgolte, Mittelalterliche Kirche (2004), 5. 16 Ibid., 7 f. 17 Schieffer, Bischofssitz und Fiskalgut (1975). 18 Borgolte, Mittelalterliche Kirche (2004), 35. 19 Cf. Sabra, Public Policy (2005), 97. 20 Cf. Lev, Charity, Endowments (2005), 47. 21 Cf. Makdisi, Rise of Colleges (1981), who presents it as the Islamic educational institu‑ tion par excellence, in particular for the study of law. The in part critical discussion of Makdisi’s views in the newer scholarship on Islamic Studies is oriented in Geelhaar, Stiftungszweck Bildung (2007), 64 f. 22 Makdisi, Rise of Colleges (1981), 28. 23 Ali, Kingship (2011), 92 f. 24 Schmiedchen, Stiftungen zum Unterhalt (2013), 107; 109. 25 This short phrase for rulers of every sort, also for non‑Christian and non‑Muslim kings in India, is borrowed from the title of Höfert, Kaisertum und Kalifat (2015).
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Intercultural Perspectives
15 Gender As a social category, ‘gender’ has been analyzed to vastly differing degrees over the preceding decades among the discip‑ lines included in this encyclopedia. The approach has been thoroughly taken up by Byzantine Studies, to a similar degree by Islamic Studies (as well as other disciplines touching upon Muslim lands and cultures), yet rather reservedly by Medieval Studies, Indology and Jewish Studies. Therefore, with regard to the actors of medieval foun‑ dations, all the authors in the following article are largely forging new paths. The broadening of the older ‘women’s history’ to ‘gender studies’ is to be attrib‑ uted to, inter alia, the discovery of the ‘third sex’ of eunuchs and the accompany‑ ing problem of the demarcation of human existences. Though eunuchs and hermaph‑ rodites are often mentioned in Indian texts, they have hitherto not been found within the context of foundations; this applies to Western Christendom and Judaism all the more, where they are seldom mentioned. Eunuchs are indeed well‑suited to the role of founder, since on the one hand they were often imported from distant lands, and thus were not able to meet any obligations to their family of origin, and on the other hand had no natural heirs. In fact, their activities in the service of leading families, as tutors and administrators, among other roles, in the Byzantine Empire as well as in Islamic lands, appears to have made them so wealthy that they could use their fortunes for the founding of monaster‑ ies (Byzantium) or philanthropic institu‑ tions and schools (the Muslim world). As ‘surrogate families’ they also freed slaves that they provided for via foundations af‑ ter death. Eunuchs are also attested as
administrators of foundations in Islam and in the Christian Orthodox Empire. Prostitutes were ascribed quite differ‑ ent roles in the various cultures and their foundations. In India these women were frowned upon by orthodox Brahmins, yet the Buddha and his fellow religion founder Mahāvīra Jina accepted them. In the ‘Kāmasūtra’ the “highest concubines” were called upon to donate their profits for religious and caritative purposes. In fact, inscriptions attest to the endowment of shrines, assembly halls and cisterns by such women, designated ‘gaṇikā’. While here the leading courtesans were ascribed a wider scope of action, Byzantine pros‑ titutes appear in the history of Byzantine endowments because of their dire poverty. It is in any case related that Justinian and his consort Theodora in the 6th century took umbrage at the fact that women be‑ came prostitutes for economic reasons. The imperial couple founded a ‘Monastery of Atonement’, in which ‘reformed’ prosti‑ tutes were to live as nuns.1 This work of Christian caritas did not constitute an anomaly, since the emperor Michael IV half a millennium later apparently copied this model. Meanwhile in the Latin Church there arose in the 13th century a special ‘Or‑ der of Saint Magdalena of Repentance’ for former prostitutes. Monasteries of the so‑ called ‘Magdalenerinnen’ or Penitents were founded in many places within the Holy Roman Empire, in Poland and in Hungary, and over the course of time recruited un‑ married burgher daughters. In the Jewish communities of Spain special distributions for prostitutes are attested. The standing that men and women in medieval societies could attain was
Gender
partially determined by foundations. Thus the formation of endowed individ‑ ual prebends for secular clergy from the 11th century onwards doubtless supported the process of western individualization in a one‑sided fashion, to the benefit of men. This applies as well to the universi‑ ties of the Late Middle Ages, which often stemmed from endowments, again a spe‑ cial manifestation of Western Christendom, to which female students had no access.2 If in the traditions of the Middle Ages women in other ways as well receded be‑ hind men as agents or objects of action for others, this stems partially from the virile perspective of their authors. Though the ‘objective’ legal and social disadvantage of women can hardly be glossed over, there is a need for a differentiated exegesis of the sources, before historians can distribute the weight between the sexes. This natu‑ rally applies as well for the share of women in the complex goings‑on of a foundation. The best opportunities for women to act as founders were apparently in the Islamic lands. Especially when they were married, though not exclusively so, they possessed property, without having to take into ac‑ count male vetos. Their extensive activity as founders, which can be well documented back to the dawn of Islam, appears to have been further supported by the influence of Turco‑Mongolian steppe peoples. Along‑ side mosques Muslim women founded mau‑ soleums, madrassas, hostels and irrigation systems, rarely however hospitals, which were particularly expensive. They used inheritance law in order to sequester their estates, by means of religious foundations, from the seizures of their husbands or their families. As in Muslim lands, in India women employed foundations to raise their social prestige. For this they used above all their ‘women’s property’, which was gifted to
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them before, during and after the wedding by their parents and relatives as well as the husband and his family. Some religious scholars however, especially among the Brahmins, qualified this, by stating that women were only to have access to their personal property with the approval of their husbands. On the other hand, wives functioned as the head of household in the absence of their spouses. Thus it can be ex‑ plained that among medieval female found‑ ers in India comparatively many wives of long‑distance traders are found. Yet the dominance of royal foundations in the Early Middle Ages merely tempered a gen‑ erally male flavor of foundations. Amongst women queens and princesses were es‑ pecially prominent. With the expansion of Hindu temples from the 11th century onwards female founders again stemmed from various social strata, including a prosperous peasantry. Recent calculations for certain regions and periods have led to astounding conclusions. Thus in the ter‑ ritory of Veṅgi in the 12th/14th century the share of female founders, at least in the great temples, measured 47 %. In Judaism marriage and inheritance law restricted the access of women to eco‑ nomic goods, yet similar circumstances prevailed for husbands as well. Nonethe‑ less, from material of the Cairo Geniza, the Nuremberg Memorial Book and notarial documents from Spain one can ascertain an impressive proportion of female found‑ ers, which extended to 50 %. By comparison, a female quota of 20 to 25 % of foundations occurring in Western Christendom, which in particular local or regional source material can be dis‑ cerned, looks modest. The degree to which these figures are representative is however questionable, even though there can be no doubt of the restriction of female access to property and thus to the independent
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endowment activity of women in general. On the other hand more recent scholarship has determined how important the role of women was in the cultivation of familial commemoration, for which they provided memorial endowments. One of the very first western foundations, the monastery of the Thuringian Radegunde in Poitiers (d. 587), served the self‑portrayal of a king’s daughter in a foreign land and a partially hostile environment.3 From the time of Constantine’s mother Helena onwards, female rulers appeared prominently in Byzantine foundations. A solution to the monastic precept of the separation of women and men was sought via double monasteries (with male mon‑ asteries alongside convents), until these were, from the Middle Byzantine period, largely restricted to Constantinople and its hinterland. Mount Athos, by contrast, was to be kept free from everything fe‑ male, even from animals of this sex. In the Late Middle Ages women (along with eunuchs and prepubescent boys) were even banned from the suburban monasteries of the capital. The opportunities for women as founders were constrained from the beginning of the 12th century onwards to, alongside Constantinople itself, the other large cities. Women in Christianity and in Indian religions appear via monastic foundations as beneficiaries and grantees. The Buddhist order of nuns appears to have even been,
Intercultural Perspectives
for certain periods, patronized to the same degree as its male counterpart. The Latin Christian world of the Late Middle Ages saw the social‑caritative institution of the poorhouse exclusively for women, in which poor marriage‑seeking women and young mothers were supported through special money endowments. In Constantinople the apogee of monastic foundations for women occurred around 1300. Meanwhile women were circumscribed or even rigor‑ ously excluded from the distributions to the needy at the gates of a monastery in the Late Middle Ages, as is attested for Mount Athos and a monastery of Meteora. In Islam women especially patronized su‑ fis and erected lodgings for their travels, contemplation and even the defense of the empire’s borders (“fortified convents”). There also existed foundations for female sufis, who, among other things, lived in small communities in cemeteries and culti‑ vated the commemoration of the deceased. The question as to whether the foundation revenues in each case reached the intended female beneficiaries was however often controversial and occupied the courts. In Judaism the poor were often supported by endowments irrespective of their sex. The administration of endowments lay in all cases usually with men; the more generous participation of women in this regard can only be hypothesized for Bud‑ dhism in India. MB
Notes 1 On the differing evaluation of the role of Theo‑ 3 Among the more recent literature cf. esp. dora in the sources see however → 15.5, n. 33.
2 Cf. Borgolte, Universität und Intellektueller (2008, repr. 2014); Id., Stiftung und Wissenschaft (2011, repr. 2011 and 2012).
Hartmann, Königin (2009), 68–71. In the future: Borgolte, Sigismund, Radegunde (in preparation).
Space
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16 Space Since foundations must be understood as social systems, their actors produce spaces via interactions.1 It is expedient to diffe‑ rentiate between spaces which are concen‑ trated in a geographical location and, as it were, unfold internally, from those which are scattered over a wider distribution,2 in addition to accounting for the interferences of foundations with other socially construc‑ ted spaces. Upon the cemeteries of the age of the Völkerwanderung (i. e. the epoch of ‘barbarian migrations’) or the Early Middle Ages, churches could be erected and sup‑ plied with foundations, which were meant to display a particular burial and secure the commemoration of the deceased in question; thereby other tombs could slide into oblivion over the course of time.3 If a saint – whether martyr or confessor – was venerated at a church tomb, it could attract pilgrims and alter the transport geography of its surroundings. The tomb of a saint‑ ly church patron also encouraged further burials of ordinary Christians, who made the house of God with its accompanying endowment into a multi‑focal necropolis; churches could even be erected for the bu‑ rial of a founder.4 The commemoration of the dead was the responsibility of the cle‑ rical or monastic community of the chur‑ ch itself or of particular groups or single, consecutively praying ecclesiastics under its roof, for which it functioned as trustee. Wealthy Christians, weighed down by the guilt of their sins or wary of these praying communities, endowed multiple memorial sites far beyond their own tomb. A charac‑ teristic of these pluri‑local foundations was that they were each oriented toward their (deceased) founder, yet hardly cultivated contact amongst themselves.
The diversification of mono‑local sites was pronounced to various degrees in the different foundation cultures. In Christi‑ anity monasteries, guesthouses, hospices (poorhouses, hospitals, etc.) and schools attached themselves to churches (and ac‑ cumulated around ‘founders’ tombs’), and similarly complex sites characterize Is‑ lam; in Buddhism, however, during the so‑called Middle Ages only dwellings for monks and nuns can be differentiated from sacred sites and spaces (stūpa structures and chapels for cultic statues). Similar to Christian satellite monasteries, filial mon‑ asteries are attested in India, although in the same place, not on different sites5. In Judaism the synagogue, ritual bath, school and cemetery formed a typical ensemble for the community heqdesh, which, in addition to the obligatory tithes of the congregants, was financed through special endowments by the wealthy. The choice of the ‘seats of a founda‑ tion’ was influenced by religious belief and everyday needs. Though monks in their ascetic exercises tended to separate themselves from other believers, they were still reliant for their livelihood upon their proximity, and this applied especially to nuns in need of outside protection. Reli‑ gious foundations were likely to be situated on traditional sacred sites, whereby Chris‑ tian monasteries were meant to erase the pagan pre‑history of their localities, while in India in the pre‑Islamic Period rather peaceful and not always seamless transi‑ tions can be observed. The predominately urban foundations of Jews were influenced by the environment left to them by the ma‑ joritarian societies of other faiths. Where rulers followed a ‘endowment policy’, these
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institutions aided the development or set‑ tlement of land (colonization), but also, as with the ribāṭs in Islam, the military safeguarding of borders. The ‘seats of a foundation’ were cer‑ tainly marked by buildings and, sometimes, inter alia as privileged areas, delimited by walls or fences, yet they also radiated out beyond their territorial boundaries. The call to prayer and the ringing of a bell allowed their sounds to diffuse radi‑ ally, while the economic means by which foundations were maintained had to be supplied by their dispersed estates or the fiscal administration. In Byzantium one can observe a concen‑ tration of foundations in the capital of Con‑ stantinople and later on Mount Athos; the latter enjoyed such an elevated religious reputation that even foreign potentates (kings from Serbia and Georgia, princes from the Danube region) wanted to be represented there by their own monastic communities. Imperial boundaries were likewise crossed by the foundations of Singhalese and Southeast Asian kings in the region of Indian monarchs; the latter even supported the maintenance of the complexes of foreigners with their own
Intercultural Perspectives
resources. Jerusalem as well as Mecca and Medina were sites respectively of Chris‑ tian and Jewish as well as Muslim long‑ distance endowments. In what was for its time a singular deed from the perspective of global history, Charlemagne around 800 supported and indeed probably endowed religious communities in the Holy Land, which had been subjected to Muslim rule since the 7 th century;6 a duke like Henry the Lion came upon more favorable cir‑ cumstances in 1172, when he endowed the Church of the Holy Sepulchre, after ‘West‑ ern’ knights had conquered the Holy City for Christianity during the First Crusade. Even so, Jerusalem did not at the time form any part of a universal Christian empire. Jews, by contrast, via their alms, donations and endowments for Jerusalem bridged the separation of the diaspora from the holy sites of God’s covenant and promise and thus always created anew a comprehensive space of religious unity. The holy sites of Islam in a similar way received endow‑ ments from individual rulers near and far as well as the customary pilgrims, yet were also components of a theoretically unified Muslim empire (caliphate).7 MB
Notes 1 On the ‘spatial turn’ and the understanding
4 Borgolte, Churrätischer Bischofsstaat (1986); of space as a social construct see Schroer, Räume, Id., Stiftergrab und Eigenkirche (1985, repr. 2012); Orte, Grenzen (2006); Bachmann-Medick, Cultural Id., Stiftergrab / Grabkirche (1997). Turns (2006), 284–328; Dünne / Günzel, Raumthe‑ 5 Cf. K. Schmid, Mönchslisten (1978), 597–610. orie (2006); Löw, Raumsoziologie (2015). On the 6 McCormick, Charlemagne’s Survey (2011), adaptation of this new theory in Medieval Studies esp. 76–81; 206 f.; Borgolte, Karl der Große (2013, see Borgolte, Christen und Juden im Disput (2008); repr. 2014), 258. Czock, Gottes Haus (2012). On the ‘spatial turn’ in 7 On which now (with contestable argumenta‑ foundations: Borgolte, Stiftungen – eine Geschich‑ tion) Höfert, Kaisertum und Kalifat (2015). te von Zeit und Raum (2009, repr. 2010 and 2012). 2 Cf. on the “dispersion of memorial sites” Borgolte, Grab in der Topographie (2000, repr. 2012), 292. 3 Cf. ibid., esp. 287–292.
Societal Change
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17 Societal Change To date all attempts to measure the contribu‑ tion of foundations to change in ‘medieval’ societies have fallen short. Sweeping con‑ clusions, such as that endowments stood in the way of ‘progress’ or had a stultifying effect, as were formulated as verdicts in the Western European Enlightenment with re‑ gard to the Pre‑Modern period, or according to feudalism theories were responsible for decentralization and fragmentation (India), general backwardness (the lands of Islam) or the fall of entire empires (Byzantium), can hardly be verified empirically, nor, due to the complexity of the problem, at all be cor‑ roborated via counterfactual thought experi‑ ments. Scholarship is thus well‑advised, as with all important historical factors, here as well to assume retarding and invigorating ef‑ fects at the same time. This realization must however immediately be followed by the condition that there still hardly exist pru‑ dent evaluations of the benefits and down‑ sides of foundations; this applies especially to questions of long‑term trends or abrupt changes of direction, so that for historians of foundations practically everything still remains to be done, and even more so where it is to take a comparative perspective. Most of what is said in this article can thus hardly go beyond a tentative attempt that at best is able to encourage new scholarship. If one were to choose not the founder himself but his direct social environment as a point of departure, then his nuclear family or household comes into view, in which or on which he, with his deed, has influence. Foundations here played an important role in the division of wealth, especially in its intergenerational transmission. With the especially widespread family foundations, testators in Muslim lands could hinder the
division of property and support a particu‑ lar line of posterity; in this regard clear regulations to the benefit of the male first‑ born in Judaism appear to have rendered corresponding interventions of this sort redundant. In India founders could benefit particular families when they endowed Brahmins; indeed, this was connected with the condition that the fortune be passed on to later generations, in which also Brahman‑ ism itself was to be continued. In Christian kingdoms the antique Roman norm of a testator’s freedom held sway, yet above all the teaching of the ‘portion for the soul’ (Seelteil) encouraged individual gifts to the church, at the cost of oneʼs bodily heirs. Such donations were not yet however foundations, but became so when first they enabled the financing of persons and groups of persons on a permanent basis, without them being subjected to the bishop’s control. The forma‑ tion of the extra‑familial groups that were necessary in this context benefitted from the Christian esteem for celibacy, which in Judaism and Islam was completely or largely condemned, and had only limited parallels in India. Especially at the foundation or benefaction of monasteries by Christian ‘laity’, the impulses of association and en‑ dowment converged: cenobitic groups strove toward freedom and autonomy against all secular and church powers in order to ful‑ fill their religious duties unhindered, and foundations in turn required communities which could reproduce themselves and on a permanent basis were dedicated to their predetermined goals.1 Monks and nuns were certainly able to support themselves to an extent from the work of their own hands or the donations of outside believers, and above all in Byzantium they preferred from
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the beginning to finance themselves via regular incomes of the fisc. It was however only through the foundation of endowed properties, mainly gifts of land for agricul‑ tural cultivation, that communities could become independent. Indicatively it is pos‑ sible to verify again and again the endow‑ ment or further benefaction of monasteries within the context of monastic reform, yet research on the role of foundations within societal change must clarify this relation‑ ship in the future.2 It is doubtful whether a connection of this sort, between ‘foundation and reform’, would be able to be ascertained also in the Buddhist and Jaina monaster‑ ies of India. Meanwhile, monastic foundations served not only the establishment of societal alter‑ natives to the biological nuclear family, but also partially offered it a new home; divided by sex, they took in their members and in this way even contributed to the safeguard‑ ing of traditional ruling and proprietary rights. Also as administrators of endow‑ ments of this sort, ‘pious benefactors’ and their descendants used the religious context for the protection of their material control. Already in the Middle Ages foundations also replaced biological heirs for childless couples; even in Judaism one can speak of a “substitute character” (→ 17.4.2) for endow‑ ment activities. For the middle and for the most com‑ prehensive levels of societies the respective state of scholarship has, despite justifiable reservations, encouraged the formulation of sweeping theses. For India royal foundations for Brahmins in the Early Middle Ages are
Intercultural Perspectives
seen as catalysts for colonization and the formation of regional empires, as well as instruments for the spread of certain reli‑ gious doctrines and practices. In relation to Brahmanism they influenced the extent of Buddhist and Jaina monasteries and Hindu temples. Great importance is ascribed to monastic foundations in the Empire of Byz‑ antium, not simply due to the surviving source material, but it becomes manifest also in the expansion of monastic land and the spread of high culture. For Latin Christian Europe one can even consider the asser‑ tion that from the Early to the Late Middle Ages foundations freed themselves from a societal “niche existence” (→ 17.2.4) and developed into a “complete penetration of all areas of life”; correspondingly it has been averred that in the Ottoman period, thus at the end of the ‘medieval millennium’, all the inhabitants of Muslim lands were affected by foundations. Particularly spectacular is the thesis of the effect of foundations in Judaism, where one would like to ascribe to them very few chances for development, whether due to the strength of the family or the foundation‑like structure of the congre‑ gation itself. Precisely because foundations in this context everywhere aided where normal social relations were lacking (‘de‑ ficiencies’) or where Jews were temporarily loosed from their familial environment, in order to go on journeys of trade, knowledge or pilgrimage (‘hiatus’), they strengthened the coherence of the Jewish community as a whole and even constituted the unity of ‘Is‑ rael’ in the thought and actions of its people. MB
Notes 1 Borgolte, Sigismund, Radegunde (forthcoming). 2 For now, see Borgolte, Stiftungsurkunden Heinrichs II. (1993, repr. 2012), 264. In the future
in greater detail Id., Weltgeschichte der Stiftun‑ gen (in preparation).
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Critique, Reform and Liquidation
18 Critique, Reform and Liquidation Criticism of foundations themselves or in the context of foundations has been ar‑ ticulated and unfolded quite differently over the course of the ‘medieval millen‑ nium’ in the five cultural environments under examination. In India there were no fundamental reservations in this regard, rather only objections to the patronage of competing religious denominations (thus Brahmins against Buddhists and Jains) or actors (orthodox Brahmins against Hindu temple priests, for example) are transmit‑ ted. For Jews a fundamental critique of endowments did not come into question, because the communal institutions them‑ selves were built upon them or upon dona‑ tions. Meanwhile it is unclear how accurate the occasionally attested admonitions of Karaites against Rabbinic charitable prac‑ tices were. Critique in Judaism tended to affirm the practice of foundations, since it habitually objected to other believers who donated nothing or too little, allowed themselves to be swayed by the false mo‑ tive of vainglory or disadvantaged certain (groups of) needy persons. Equally indis‑ pensable were foundations under Muslim rule. Critique on the ‘eternity’ of family foundations, the inappropriate material benefaction of scholars and mystics or the corruption of administrators was indeed endemic in Islam, and even took aim at structural deficiencies, yet it remained without lasting effect and never strove for the abolition of the foundation as an institution. As in India, certain groups fell into conflict over the criticism prompted by an individual case with recurring mo‑ tives; thus Sunnis turned against Shiis, Malikīs against other schools of juris‑ prudence, ʿulamāʾ against Sufis and both
against dervishes. The critique of family foundations was particularly diverse: they were accused of benefitting particular de‑ pendents and descendants at the expense of others, neglecting the common good despite religious precepts to the contrary, and even encouraging the appropriation of state property by private hands. Similar to Muslim lands, yet quite differ‑ ently from South Asia or among the Jews in their diaspora, critique of foundations in the Christianity of Byzantium was a constant companion, which has contin‑ ued even in modern scholarship until the present day. Since one cannot separate cenobitic monasticism in the Orthodox world from the foundations on which it was based, the latter followed the fortunes of monasticism. Wherever monastic disci‑ pline appeared assailable, the accusation arose of the material benefaction of pious idleness through foundations; all those who attempted to accrue benefits from monastic foundations as administrators or trustees faced faced similar charges. Also the suspicion that the ‘stateʼ was deprived of considerable tax revenue through exor‑ bitant foundations, and thus was unable to fulfill its duties, extends back already to the High Middle Ages. In Western Chris‑ tendom criticism was long concentrated on concrete abuses and laxities in the admin‑ istration of properties and the execution of the foundation’s goal, then however turned to the alienation of financial resources from the ‘stateʼ through mortmain. The reversal of the doctrine of Purgatory, after which a cleansing after death was no lon‑ ger to be avoided, but rather strived after, introduced a theologically‑based critique of foundations in the Late Middle Ages.
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The accumulation of good works for the salvation of one’s own soul as well as for the benefit of others was criticized during the Reformation, but the philosophers of the Enlightenment and the Revolutionary Period, with their preference for the fitness of the state and societal change, were the first to dismiss foundations. Regardless of occasionally voiced criticism, foundations were also naturally subject to the exigen‑ cies of adaptation, even more so because they were meant to operate over the long term. Already during his own life a founder was able to change, if not his fundamental motivation, at least the material basis of his endeavor, the execution of his undertak‑ ing or even the circle of beneficiaries, and this holds true all the more so for his heirs or later administrators. Modifications of this sort were probably only written down on the rarest of occasions; the casualness with which they were implemented can be discerned by, for example, the confirma‑ tion documents of Latin Christian kings, who laconically specified or altered the intentions of their respective predecessors. For rather local corrections of this sort, which in rare cases can also be detected in Indian copper plate documents, the word ‘reformʼ already goes too far. It was far dif‑ ferent in cultures in which planned inno‑ vations were measured against religious prescriptions, as in Judaism with regard to the Talmud and the doctrine of Hal‑ akha, or in Islam in view of the norms of the Koran and the tradition of the Sunna. Correspondingly, the opinion of scholars like Maimonides or the verdict of Muslim experts on jurisprudence was sought af‑ ter. Rulers and other temporal authorities among Christians intervened in the prac‑ tice of foundations more often than reli‑ gious officials. Their reforms and attempts thereof applied above all to an ‘amelioratedʼ way of life for endowed communities, in
Intercultural Perspectives
particular for monks in monasteries, and to the struggle against the accumulation of lightly taxed or tax‑free landholding as endowments. Countermeasures consisted not only of amortization laws, but also of the cultivation of money endowments, which apart from the Christian West in the Late Middle Ages are also attested in the Islamic world under the Ottomans. Occasionally ‘reformsʼ were expressed in the practice of foundations through the invention of completely new types of en‑ dowments. In an intercultural comparison madrasas would be counted among these reforms; they are already attested before the turn of the millennium in Nishapur, founded as a Persian city, and reached the central Islamic west with the Seljuk expansion, initially in particular Iraq and Syria.1 Alongside these schools of jurispru‑ dence, which were to exist ‘foreverʼ under the oversight of their founders and their descendants,2 under the Seljuks there also appeared the endowment of convents for Sufis. As philanthropic institutions Sufi communities were then patronized by the Mongols and spread across the Ilkhanate (1256–1335), especially in the countryside. For the liquidation of foundations two motives were essential: the wish to ap‑ propriate the endowed capital, as well as to triumph in the struggle against a ‘falseʼ religion or religious practice. Al‑ ready around 700, the Pippinid mayors of the palace in the Frankish realm, for the implementation of their claims to power, confiscated sees and the monastic founda‑ tions of their aristocratic rivals and with this booty rewarded their own retinues; even though these measures were later par‑ tially reversed, Charles Martel (ca. 714–741) retained the blemish of a ‘robber of the churchʼ.3 In Egypt the Mamluks in the Late Middle Ages seized endowed properties to prepare for war or overcome other threats.
Critique, Reform and Liquidation
The confiscation of all church property for the Crown by the English king Henry VIII was at the same time politically and re‑ ligiously motivated, after he broke away from Rome in 1534. In India the inroads of Muslim armies from the 12th century sig‑ naled the deepest caesura for the property of domestic religious communities, and this holds true in a similar fashion for Or‑ thodox Christians under the Ottomans, af‑ ter they had however already fallen victim to Latin empire‑building after the Fourth Crusade. The Jews were not only repeat‑ edly persecuted as persons and expelled, but also with their property they lost at the
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same time the donations and foundations of their community members. The liquidation of foundations often manifested itself not simply in the ap‑ propriation of endowed properties or in juridical measures, but also represented, from a historical perspective, a process of the disintegration of structures and social bonds, which could stretch over a longer period of time. This has been demonstrated above all by more recent scholarship on endowments in the context of the Latin Christian world.4 MB
Notes 1 Bulliet, Patricians of Nishapur (1972), passim;
cf. Bosworth, Ghaznavids (1963), 157. 2 Makdisi, Rise of Colleges (1981), 28. 3 Cf. most recently Fischer, Karl Martell (2012), esp. 145; 147; with accompanying literature ibid., 256, n. 20. The sources in translation are now conveniently available in: Stiftung und Staat
im Mittelalter. Eine byzantinisch‑lateinische Quellenanthologie in komparatistischer Per‑ spektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011, 96–107, nos. A 2–A 6; 114–121, no. A 9. 4 Cf. Lohse, Dauer (2011), esp. 189–200; Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), passim.
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Intercultural Perspectives
19 Inventions, Innovations and Imitations in Intercultural Contact A note in advance: In contrast to articles 1–18, which in their first sections offer a summary of the other five parts of the re‑ spective article alongside perspectives on foundations in further contexts, the main emphasis is here placed on the world his‑ tory perspective. The following contribu‑ tions by experts function as additions from the perspective of their respective fields. Problem and Methods This encyclopedia has been conceived to undertake trans‑European comparisons and to contribute to more precisely com‑ prehending the history of foundations as a universal phenomenon. Comparative studies by a single author on this topic are, to date, rare, and are limited almost exclusively to bipolar constellations.1 Mul‑ tiple comparisons of different ‘foundation cultures’ are consistently offered for the first time in this work, however limited and preliminary their results might be.2 Historical comparisons of either sort are instructive, since they order the diver‑ sity of the world and aid in tolerating the other and the strange3, yet scholarship demands explanations for similarities and differences. One path to the ‘causa rerum’ leads through the analysis of respective contexts, another through the knowledge of relationships of exchange. In the case of foundations there is a complete lack of explicit mentions in the sources on in‑ ventions, reforms (or ‘innovations’) and imitations within intercultural contact.4 Comparisons at least allow approximations
on information as to how foundations in the Pre‑Modern period may have spread and developed. As this approach is utilized in what follows, the historical dimensions should initially be selected to be as wide as possible5, with the problem being supple‑ mented by the viewpoints of the individual disciplines. Foundations were first able to emerge after the ‘Agricultural Revolution’, as they required stockpiling and the creation of a surplus value;6 in addition, society had to practice an at least partial division of labor, since there must exist specialists for the administration of foundations and the real‑ ization of their goals. Though many regula‑ tions in the process of founding may have taken place orally and ancillary agree‑ ments were entrusted to the memory of the participants, writing would have hardly been avoidable in a more elaborate founda‑ tion, which was to last over the long term, if not ‘forever’.7 One would hardly expect foundations where people and groups of persons remained concentrated within one settlement and worshipped their dead and gods at traditional sites, yet certainly so where mobility, that is geographic alien‑ ation, occurred, within at least a larger area. Foundations are thus doubtless a phenomenon of complex societies, and it is not then surprising that they are first encountered in advanced cultures that formed large empires8, namely in Egypt and Mesopotamia from the early third millennium B. C. E. onwards.9 For ancient China the same conditions would have been met since the time of the empire of the Shang dynasty, with their ancestor cult
Inventions, Innovations and Imitations in Intercultural Contact
and oracular inscriptions, that is around 1200 B. C. E., but foundation documents from this period are lacking.10 Mesopotamia and Egypt According to the source material, founda‑ tions for the gods predominated in Meso‑ potamia, those for ancestors or the dead in Egypt.11 People had to ‘nourish’ both cir‑ cles of recipients through sacrifices, since they kept the all‑encompassing cosmos going and in particular were to protect and support the living.12 Their economic basis could be an empire‑wide system of taxation; if the gods, as in Mesopotamia, were seen as the owners of the land, then the exactions were directed to the court for the running of central shrines.13 Thus in this schema foundations had a supple‑ mentary function, as they contributed to the expansion of worship or compensated for the laxity of those obligated to it.14 For both rulers and ruling families, as well as for other wealthy members of society, personal property determined the range of action for ‘private foundations’.15 In Egypt the kings were seen as the lords and ‘owners’ of the land.16 Taxes de‑ livered to the palace served, alongside a central administration and the prominent cultic sites, from the time of the Second Dy‑ nasty (ca. 2800 until ca. 2700 B. C. E.) gradu‑ ally also the personal economic domain of the Pharaoh. This continued to exist after his death and formed, entrusted as it was with the maintenance of his tomb, the basis of royal foundations for the dead.17 With increasing complexity, and alongside magazines for the royal tombs, these also developed for the tombs of the most senior officials, since there existed the notion that kings had to provide for the persons of their time, also in death, for eternity.18
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An increasing monumentalization of royal tombs (from the time of the Third Dynasty) necessitated a reorganization of the entire land. According to the economic historian Wolfgang Helck, the funerary endowments that stemmed from ancestor worship for the benefit of the Pharaohs even brought about the Egyptian state and economy. Not only did the population have to be mobilized for works like quarrying, as in the building of the pyramids; there also arose pressure to register and supply them during their construction work: “But at the same time demand for trained person‑ nel increased: craftsmen, scribes, planners, administrators, ‘managers’ of every sort, rising to hitherto unheard of heights.”19 An economy of state domains thus be‑ came the basis of royal foundations. By the same token, the king was obligated to secure for his servants a worthy burial and a fitting funerary cult.20 From this claim some officials, who were entrusted with the administration of state properties or royal (funerary) temple foundations in the provinces, derived the right to access their shares and to erect their own funerary en‑ dowments, without regard to the king.21 An official of the Fifth Dynasty emphasized, for example, that he had erected his tomb “in a month”, and added: “I have truly built this tomb from my property (…) and I took nothing from others.”22 The rise in private foundations does not however appear to have lasted.23 Nonetheless, the spread of foundations for the dead beyond the king is of epochal importance. While in the Old Kingdom (until roughly 2200 B. C. E.) every human existence, especially that of the official, referenced its meaning only from partici‑ pating in the business of the king,24 the central place of the monarch eroded to‑ wards the end of the period to the benefit of the individual, who proudly emphasized
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his own actions. What made someone’s life worthy of being remembered and gave it purpose was no longer the faithful obedi‑ ence of royal commands, but rather au‑ tonomous behavior, farsighted planning and unceasing care.25 At the same time, new ground was being broken in ethics. In a work from the period the individual is called upon to do the following: “Do not conceal your face to him whom you have known, nor be blind to him upon whom you have gazed, do not rebuff him who turns to you in supplication, but instead cast off this hesitation from allowing your utterance to be heard. Act for him who acts for you!”26 Good deeds were at the same time drawn into the context of reciprocity. The benefactor, alongside the king espe‑ cially officials, could expect the continu‑ ation of his name in this life as a reward. The incomparable pains that the Egyptians took for their tombs were founded upon the expectation that they would not be forgot‑ ten among posterity, and would become famous for their deeds.27 For good deeds in favor of third persons one expected earthly goods, long life, health and the Pharaoh’s favor.28 Usually these actions consisted of relief granted by the authorities, to which officials were obligated in the name of the king; thus they confined this to the city or the district that they governed.29 It is however also to be concluded from the ‘Teachings of Wisdom’ that each individual was called upon to help his fellow man in need.30 Acts of charity for fellow persons in need stood alongside sacrifices for the gods and the blessed dead.31 The ethicizing of human behavior went hand in hand with a spiritualization; of greater use than a thousand gifts, so it was taught, was the good character of a person: deeds had to be coupled with righteous‑ ness.32 In the time directly after the end of the Old Kingdom there arose texts about
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the judgment of the dead, at which each person would have to justify his deeds in this life. The good deeds of a person would be weighed and his entrance into heaven decided upon. This judgment is thus tied to the idea of immortality. According to Jan Assmann, the judgment of the dead is the only religious idea of central importance that connects Egypt to the great world religions.33 Also the ideas of justification through good works and of recompense familiar to us from Christianity and Is‑ lam were already known to the Egyptians; yet the idea that one could care for one’s soul through works of charity after one’s death was unknown to them. As long as the corpse was prepared for burial, for instance by embalming, those left behind could accompany the deceased on his path, without however being able to help him at the court of judgment.34 The living had no means of interceding for salvation in the afterlife, which the dead needed to have earned through their deeds while they was still alive. Foundations were thus limited to cult, and especially to the preservation of the memory of the deceased and main‑ tenance of his tomb. Along with their contribution to the formation of the ‘state’ and ‘economy’, Egyptian funerary foundations possess epochal status through their role as the ferment for individualization and ethiciz‑ ing. That which was achieved in the so‑ called First Intermediate Period between the Old and the Middle Kingdom has been rightly classified as a phenomenon of the ‘Axial Age’ by Assmann.35 This epoch was marked by a fundamental shift of mentality, at the center of which stood the turning away from traditional cosmos‑thinking, the discovery of the individual and with it the breakthrough of caring for others. Foundations for the gods and ancestors had, with regard to their origin, belonged
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to the older epoch of human history; they had been the product of an understanding of existence and the ‘world’ in which the living and the dead found their place in the unity of the cosmos. In order to reach the hereafter from this world, a person was not yet dependent upon divine aid or their own attainment. Individuals were certainly connected to their families, social class and local groups in solidarity, but an ethical imperative to help the other was as little known as empathy. The value of the individual was also not defined. According to Karl Jaspers and others, the caesura of the Axial Age in general is to be dated later, namely in the first mil‑ lennium B. C. E., yet in Egypt this break‑ through appears to have transpired con‑ siderably earlier (without having remained unchallenged). Everywhere, the discovery of transcendence stood at its center.36 The conception of the cosmos, which encom‑ passed the world of humankind and the gods, was supplanted by the separation of the temporal and the hereafter. The indi‑ vidual was no longer part of a cosmic cul‑ tic community, but had to bridge the gap that arose between here and there himself. With the discovery of transcendence the individual is thrown back upon himself and experienced himself as a subject or a personality, thus as someone different from his fellow human beings.37 In contrast to Mesopotamia, one can thus establish two facts for Egypt: foun‑ dations in the form of funerary endow‑ ments for the Pharaohs profoundly shaped the state there, even if they didn’t quite create it; and they were, at least at times, influenced by the thinking of the Axial Age and contributed to the revolution of individualization and ethicizing.38 These differences however say nothing about the question of mutual influence or dependen‑ cies between Egypt and Mesopotamia, for
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which the geographic proximity of both lands and regions speaks. India As with Mesopotamia and Egypt, India also developed an advanced culture. The Indus or Harappa Culture of circa 2600 to 1900 B. C. E. was of an urban nature; to it is ascribed a hierarchical social system and an advanced economy, however there is as yet no archaeological evidence for resi‑ dences or cultic structures such as royal tombs, temples and palaces.39 A writing system was in use and was engraved upon around 5 000 small tablets, seals and amu‑ lets, but it has to date not been deciphered by scholarship; the respective text length of on average 5, at most 21 characters40 hardly allows one to infer that the inscriptions deal with complex subject matters. It is thus doubtful that there already existed foundations at this time. Their origins are to be sought after the migration of the Āryas out of Central Asia (around 1300 B. C. E.) or after the settlement of nomads around the turn of the millen‑ nium;41 thus the source material already squeezes out other foundation cultures in favor of a perspective confined to South Asia. The ‘Axial Age’ was a caesura of last‑ ing permanence in India as well, which is to be ordered later than that of Egypt, but roughly parallel to that of Persia and China. However, Jaspers and others have come to the conclusion that no exchange can be discerned between the Asian vari‑ ants of the Axial Age, but that they rather emerged independently of one another.42 Though the Indians and Iranians had been of the same geographic and ‘ethnic’ ori‑ gin,43 the Persian (Zoroastrian) and Indian solutions to the question of transcendence fundamentally differed from one another.
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This also influenced their respective foun‑ dation cultures. Probably after the incursion of the forty tribes or more into the northwest of the subcontinent, the Āryas began to pre‑ serve their sacred wisdom in the ‘Vedas’.44 Alongside freemen, the nobility, warriors and tribal chiefs there is mention already in the first period of Brahmin priests, who became an invaluable buttress of the incipi‑ ent kingdoms.45 Similar to Mesopotamia, the kings were ascribed a central role in sacrifice, that is in the nourishment of the gods, while the mass of the inhabitants had to raise the necessary donations.46 The Brahmins performed the religious rituals and inter alia the anointment of kings, but also acted as learned advisors to rul‑ ers.47 Via foundations medieval kings also supported Brahmins as colonists and in the political consolidation of the land.48 (→ 2.6.3; 7.6.3; 16.6.3) Royal patronage to the priests supported their families, since Brahmanism could (and should) be passed on by the male line of succession through sons. (→ 3.6.2) Alongside the direct endowment of Brahmins, families of Brahmins and groups of Brahmins, there existed in In‑ dia, as in Mesopotamia and Egypt, foun‑ dations for the gods; these were directed above all at Hindu temples. (→ 3.6.2; 8.6.3) (Ascetic) Hinduism grew out of Brahman‑ ism49 and formed, along with Jainism and Buddhism, a triad of indigenous salvific religions, which belong to the most potent phenomena of the ‘Axial Age’. The priest and ritual religion of the Brahmins also changed in this context. The spiritual turn was introduced in the middle of the first millennium C. E. through the canonization of the ‘Upanishads’, which became new components of the Veda.50 The traditional Indian conception of a rebirth was modi‑ fied already in the oldest Upanishads in
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the sense of an endless cycle and, at the same time, a decisive ethicizing in cos‑ mological thinking was achieved.51 It was now taught: “What a man turns out to be depends on how he acts and on how he conducts himself. If his actions are good, he will turn into something good. If his ac‑ tions are bad, he will turn into something bad.”52 Whoever performed good works was promised a rebirth as a Brahmin or as a member of the upper bureaucratic or merchant class; persons of bad behavior had to, by contrast, count upon being re‑ born from the dirty lap of a dog, a pig or an outcast woman.53 Through good works the individual gathered merits, which could benefit him already on earth and could offer salvation. Yet none of the Indian religions knew the post‑mortal or divine court of the End Times, as in Egypt, so that an automatic recompense was ascribed to a good deed. (→ 7.6.2; 8.6.2) Thus whoever donated to a Brahmin priest or a Hindu temple54 did not expect salvation as divine remunera‑ tion, but was also not dependent on the prayers of the recipients of his gift. Fu‑ nerary endowments and memoria, as in Egyptian and other non‑Indian religions, were essentially unknown on the South Asian subcontinent. (→ 8.6) In sharp contrast to the ritualism of ancient Brahmanism, but rather on the basis of the teachings of deeds (karman) and rebirth, there arose the two ascetic religions of Jainism and Buddhism soon after the first Upanishads.55 Foundations for the benefit of monks and nuns repre‑ sented a world‑historical invention (and, for the history of foundations, an innova‑ tion). Mahāvīra, the founder of Jainism, lived in the 6th century B. C. E. (d. probably after 527);56 the Buddha may have been his contemporary, yet more likely belonged to a somewhat later epoch.57
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The Jaina sources designate monks and nuns as the ‘rootless’ and the ‘pious’, but also as the ‘unhoused’ and the ‘portion‑ seeking’, that is those coveting alms.58 Ac‑ cording to their rules, the monks were supposed to continuously stay on the move and were to be supplied by the laity – the ‘house‑dwellers’ – with sustenance and temporary shelter during the rainy sea‑ son.59 Laypersons could, analogously to monks, take ‘lesser’ or ‘subordinate’ or‑ ders, which were however adapted to the practical exigencies of temporal life. The fifth of these orders prescribed generos‑ ity and the avoidance of great wealth.60 It was however impossible for the laity to attain eternal salvation;61 the only road to salvation stood open to the monk, even nuns could not go upon it, but rather first had to be reborn as men62. Jaina monks were obliged to recompense the laity by instructing them.63 This radical houselessness and poverty in fact allowed no endowments for Jaina monks and nuns. Nonetheless, in the me‑ dieval millennium temple and monastic foundations are attested for them as well.64 (→ 3.6.2; 8.6.3) Founders could however in this way only improve their prospects for a better rebirth, yet could not undertake anything for their salvation. ‘Foundations for the salvation of the soul’ had no place whatsoever in the religious system of Jain‑ ism; salvation was only possible via radi‑ cal asceticism, which could even lead to voluntary death by starvation.65 Instead of eternal rebirth the Jaina monk strove for complete erasure, as the emancipation from any material substance. The freeing of the jīva, the soul or life, aimed at a complete unmooring from the world, including love, because this could arouse desire; this also applied to love of a god or neighbor. “There is no mercy and forgiveness, no repentance that erases sin, and no effective prayer.”66
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Jainism wanted to restrict itself to the ‘pure land’ of the Āryas between the In‑ dus and the Ganges (and has never spread beyond India),67 while Buddhism until the middle of the first millennium of the Com‑ mon Era spread over the entire subconti‑ nent. It then lost its dynamism and from the 13th century onwards almost completely disappeared from the land;68 through pros‑ elytizing wandering monks, traders and the religious preferences of rulers how‑ ever, Buddhism then had already spread to South, Southeast and East Asia. Buddhism shared with Jainism a striv‑ ing after salvation as emancipation from the world, and in one as well as the other the community of monks (and nuns) stands at the center of religious life and the tra‑ dition of doctrine. Its founder, Siddhārtha Gautama,69 attained ‘enlightenment’ at the age of 35 and thus acquired the honorary epithet of ‘Buddha’.70 He had left his family and home six years earlier in order to seek immortality as a wandering beggar‑monk – not in the sense of the eternal life of the Christians or Muslims, but in the escape from an endlessly long chain of sorrowful existences. The nirvāṇa that he so notably achieved already during his life, and even as a young man, consisted of the quelling of desire and lust for life, hate and delu‑ sion, and is said to have led at his death as an octogenarian, with it the end of all bodily functions, to permanent Nirvāṇa (parinirvāṇa). In the second half of his life he devoted himself to the undertaking of leading all living things to Nirvāṇa. Ac‑ cording to his experience, conviction and teaching each person could however only himself come to the salvific revelation that everything was transient, sorrowful and without a lasting core, so that thus no god and also no fellow person could help him in this. The ‘middle way’, which he discovered after the disappointing results of extreme
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asceticism, could only be followed in a religious order. The layperson, however, could never attain salvation.71 In contrast to Brahmanism and Hinduism, which be‑ lieved in the existence of a permanent, eternal self, the Buddha sharply rejected the notion of a soul. “Buddhism is the teaching of the non‑self (anātmavāda).”72 Persons who like the laity were generous, acted morally and performed good deeds hoped for a good rebirth after their death, thus they clung to the belief in their own self: “The belief in a ‘self’ is however not compatible with the Buddhist recognition of the overcoming of desire and the way to Nirvana.”73 As in Jainism, the monks and nuns in Buddhism were dependent upon the help of the ‘householders’, who supplied them with alms, clothing, places to sleep and medicine (inter alia);74 they themselves were however, in contrast to Jaina monks, not obligated to personal poverty75. The repayment of ascetics for the donations of the laity also consisted of their teaching them.76 But over the long term the laity contented themselves with the improve‑ ment of their rebirth as a reward for the merit they had acquired. At the end of the first millennium B. C. E. a new form of Buddhism emerged, which was termed Mahāyāna, ‘Large Vehicle’, and thus sep‑ arated itself polemically from the older ‘Small Vehicle’ variant, the Hīnayāna.77 Its adherents were obligated to follow the path of a Bodhisattva, a future Buddha. In contrast to the Buddha himself and his first disciples, they desired out of empa‑ thy to delay their entry into Nirvāṇa for an unimaginably long time and to pass through countless existences, in order to be able to help as many people as pos‑ sible on their path to salvation. While in early Buddhism (as well as in Brahman‑ ism and Jainism) the conception was still
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widespread that donations ought to be es‑ sentially designated for ‘worthy’ recipients, the support of the needy played a central role in the Māhāyana.78 (→ 18.6.2) Here the doctrine of salvation entered into a particularly impressive connection with the likewise Buddhist idea of empathy,79 which in general is characteristic of the cultures of the Axial Age80. Foundations in Buddhism not only served one’s attainment of salvation, but were able, as works of charity, to increase one’s own merits and improve the pros‑ pect for transcendental obliteration. Even though the Buddha had taught that every person can attain Nirvāṇa only on the ba‑ sis of his own actions, one can ascertain the thought and practice of the transfer of merit already in older Buddhism;81 this is proven, for example, by foundation inscrip‑ tions for religious structures and depic‑ tions in Mathura (Uttar Pradesh)82. It was characteristic of Mahāyāna Buddhism that the pious desired to acquire salvation for their family members and, in the end, for all beings. The monk in Mahāyāna became a facilitator of salvation for others as well. He was put into a position by laypersons to acquire merit, which he could again trans‑ fer back to them. Spiritual capital could be acquired especially via the foundation of monasteries.83 Even if the salvation that Christians and Muslims hoped for from foundations of this sort fundamentally differed from those of the Indians, the motives and forms of the religious foun‑ dation, especially in Mahāyāna Buddhism, approached those of Western religions. Differently than in Egypt, the kings of India were not the principal addressees of cultic foundations, and thus one cannot speak of foundations creating the ‘state’. Since no state religion arose, rulers served all religious congregations by supporting them via foundations; in this context even
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their personal religious preferences were of little importance. (→ 7.6.2) China Things were once again different in China. Gongyang, ‘to bring nourishment’, is thought to be the key term for ‘to found’ which “in the original Chinese context referred to the support of parents in their dotage, yet in a wider sense meant the meal offerings to an‑ cestors and deities as well”84. Thus, alongside the veneration of heavenly and chthonic deities by the ruler or his functionaries, the ancestor cult of each respective ruling house belonged to the Chinese state cult, which must be spoken of for the entire premodern period.85 The Chinese ancestor cult attained its classical formulation at the time of the Western Zhou dynasty (ca. 1050–771 B. C. E.), and as such has retained its prescriptive character until the present.86 The practices of the Zhou period were predicated on the assumption that “the ghosts of deceased ancestors possessed extraordinary powers. It was believed that one’s ancestors were in principle favorably inclined towards their children and children’s children, that they could even help them along the path to prosperity and renown; they in return had to earn the favor of their ancestors through the correct and punctual performance of the offertory rites again and again. Ances‑ tors and offspring thus lived in a symbiosis with one another, in which the living kept their ancestors alive through food offerings, while they in turn influenced the forces of nature to help their descendants.”87 The of‑ ferings were conducted via ritual meals, at which a family member was stationed in the ancestral temple and the ancestral spir‑ its used a human being as a medium. The spheres of the living and the dead formed a unity, which is typical of cosmic thought
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that has no concept of transcendence, yet through foundations the mechanism of gift and reciprocal gift could be reinforced.88 A clear reorientation within Chinese thinking is dated by scholars to the last years of the Eastern Zhou dynasty (770– 221 B. C. E.). Indicative of this change is a waning funerary cult;89 instead of the com‑ munication between the living and dead, it came now to a starker division between the two spheres, which hints at the experi‑ ence of transcendence90. The ‘Analects’ of Confucius (d. 479 B. C. E.) are emblematic of this change, which must be traced back either to him or to his disciples. ‘Confucius’ did not at all reject the ancestor cult, yet refrained from giving concrete statements about the world of the spirits and gods, in order to even more energetically indicate one’s duties to one’s fellow man, ‘society’ and ‘state’. By contrast, Confucius reported‑ ly avoided questions regarding posthumous existence.91 Disciples and family meanwhile took pains for his commemoration in Qufu, where Confucius had been born and buried; yet the decisive step for the cult of Confu‑ cius was the attention of the emperor.92 The founder of the Han dynasty, Han Gaozu (r. 206–195 B. C. E.), was the first to person‑ ally sacrifice at the Temple of Confucius. Successive emperors furnished the ‘Kongs’, the descendants of Confucius, with consid‑ erable honors and estates; in the Middle Han Period the Kongs already possessed over 3 800 households, which had been given to them to provide for sacrifices to Confucius in their temple.93 Later, the emperor Ming Taizu in the year 1368 alone donated almost 100 000 acres of land.94 Without a doubt these material furnishings of the Confucius Temple in Qufu were foundations – foun‑ dations which however were meant ‘only’ to further a temporal commemoration and to secure for the living relatives the succor of their ancestor.
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The signature of the ‘Axial Age’, which in ‘Confucius’, despite his adherence to ances‑ tor worship, can be discerned by the decisive turn toward temporal ethics, also influenced Taoism in its foundational writings.95 The first work, the ‘Daodejing’, certainly did not stem from a single author, Laozi, the sup‑ posed contemporary of Confucius,96 but its most ancient components date back to the 4th century B. C. E. and it was compiled in its present form above all in the 3rd century B. C. E.97 “The main contribution of the Daode jing to Taoism and Chinese thought lies in the new meaning given to the word dao. Usually and broadly understood as ‚way‘, ‚method‘, or ‚rule of life‘, dao takes on for the first time in the Daode jing the meaning of Ultimate Truth, one and transcendent, invisible, inaudible, and imperceptible, not usuable and not namable.”98: “The Dao is the source of the world, the point to which everything flows.”99 It is thus the experience of broken cos‑ mic unity, the experience of transcendence, which served as a point of departure for the doctrine of the ‘Daiodejing’ and in‑ fluenced Taoism. The second foundational work, the ‘Zhuangzi’, can be ascribed to a historical person, Zhuang Zhou, who died in 290 B. C. E.; yet only the first components of it go back to him, with other parts stem‑ ming from later authors.100 In contrast to the ‘Daiodejing’, the book of ‘Master Zhuang’ is not directed at the ruler, but rather at every human being with its counsel and stories on the correct way of life. The individual should lose himself in deep contemplation, in order to experience the cosmic power of the Tao as an actual reality.101 This ten‑ dency towards emptiness and self‑forgetting stands of course diametrically opposed to the conception of individual salvation that, for example, the monotheistic religions of Christianity and Islam strove towards. On the other hand, one can also infer in these
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early writings tendencies in Chinese cul‑ ture towards the affirmation of the indi‑ vidual. As Taoism took its own particular form as a religion in the late period of the Han dynasty (23–220 C. E.),102 certain teach‑ ings and techniques of extending life or of striving towards a (temporal) immortality could thus also take root, and at this time even exercise their greatest manifestation for China103. From the beginning of religious Tao‑ ism, temples were erected and used; from the 6th century C. E. to the present a Tao‑ ist clergy has been established as a pro‑ fession specializing in rituals.104 A lasting change in the religious life of China, which affected foundations as well, was caused by the reception of Buddhism, especially of Mahāyāna, from the 2nd century onwards.105 The teachings of reincarnation, the torments of hell and the acquisition of merit as well as – from the time of the 4th century – the infiltration of monasticism, also all deeply changed Taoism.106 The Indian doctrine of the mechanism of reciprocity brought home to the individual the consequences of his good and evil deeds, and loosened famil‑ ial responsibilities. One’s ancestors, from whom one had expected aid and guidance according to the ancient Chinese tradition, were now exiled to the netherworld them‑ selves in need of one’s help in order to at‑ tain post‑mortal salvation.107 Increasingly, priests and monks were tasked with acquir‑ ing merit through religious cultic practices, recitations and penances, which could then be transmitted to others, particularly to the deceased. Jacques Gernet and others have impres‑ sively demonstrated the central place of Buddhist monasteries in medieval China.108 Through them an element that had origi‑ nally been foreign to native thinking was implanted; whenever someone entered a monastery, the sources speak indicatively
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of the ‘exit from the family.’109 Buddhist foundations came to China via Buddhist monastic foundations; on the Buddhist model Taoists began to organize them‑ selves as monks and in monasteries.110 The Indian monastic foundation thus expe‑ rienced an imitation in China.111 Dona‑ tions to priests and monks, and thus also foundations, according to the reception of Mahāyāna Buddhism with its doctrine of merit, served within Taosim to effect prayers, intercessions and other religious acts, which benefitted the post‑mortal fate of the donor. In contrast to Buddhism, the final goal was not Nirvāṇa, but rather one‑ ness with the Tao, in which the individual would not be lost.112 Religious foundations of this sort thus came very close to being ‘foundations for the salvation of the soul’ as we know them from the West, although they lacked a clear conception of a final judgment and a personal relationship be‑ tween human being and God. Despite the portent of religious plural‑ ism, the relationship of the ruler to foun‑ dations played out in China differently than it did in India. In the East Asian em‑ pire (or the empires of China) there was a state cult that was strongly influenced by Confucianism and stood opposed to Tao‑ ism and Buddhism, with their religious institutions and communities. All these were meanwhile supported or endowed by emperors and princes, though naturally with different accents from time to time and place to place.113
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served more ethical and humane aims. Even if they were now often influenced by salvific religions, they were supposed to work towards a lengthening of life on earth or the liquidation of human existence, or at least the exaltation of the individual into a whole or the universe. The religions of the Axial Age in the West present a completely different conception of human salvation, namely of personal bliss or an ameliorated life after death; usually they were dependent on the belief in one God, and manifested themselves in the category of ‘foundations for the salvation of the soul’.114 Its first incarnation is to be found in Persian Zoroastrianism, and is encoun‑ tered especially in Christianity and Islam. It is important to make clear that the roots of Western foundations since the Middle Ages are to be found less among the ‘pagan’ Greeks and Romans than among the sal‑ vific religions of the Middle and Near East. As in other cultures of the ancient world, foundations for the gods and for one’s an‑ cestors developed as the primordial types of endowment also in Greece and in the Roman Empire. One encounters phenom‑ ena of this sort among the Greeks from the 4th century B. C. E. onwards, and foun‑ dations for the dead from the 3rd century onwards.115 From the time of Hellenism, Greek and Roman foundations were also impacted by a phenomenon which has been termed Euergetism.116 This describes the voluntary or morally and legally prescribed donation of beneficence to the body politic, be it that of the ‘state’ or of a city;117 the level of unconditional love to the needy, Persia and the West whatever their social class or origin, as later demanded by Christianity, was never South and East Asian foundation cultures attained by Euergetism. Along with the originally contributed to the goals of the supply of the annona118, as well as the cult worship of ancestral and divinity worship, of the dead and memory119, religious foun‑ which also were also prevalent elsewhere, dations even in the Roman imperial period but after the shift of the Axial Age they were rather limited in scope and shape.
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The official cults were a matter of state,120 and without the permission of the magis‑ trates, citizens could not be active in this context121. The erection of new shrines or idols was namely connected with burdens on the treasury for their upkeep and peri‑ odic festivals. There certainly existed no need for endowed estates for the financing of priestly colleges, because these were far smaller in size than the clergy of religious systems in which they were to reach each person;122 furthermore, pagan priests were often recruited from wealthy families and thus not dependent on the revenues from endowments for their personal upkeep123. In contrast to pagan Rome, ‘foundations for the salvation of the soul’ are attest‑ ed in Iran from the time of the Sasanian Empire (221–642/651 C. E.);124 yet they are influenced by much older ideas, which go back to the religious and ethical reform of the supposed priest and prophet Zoroaster. Jaspers had counted him among the pro‑ tagonists of the ‘Axial Age’,125 but whether Zoroaster actually lived and, if so, whether he belongs to the first or already the sec‑ ond millennium B. C. E. is under scholarly debate126. The principal source for Zoroas‑ trian thinking is the ‘Avesta’, which after hundreds of years of oral transmission was given a fixed written form under the Sassanids.127 As an Iranian, Zoraster, if one accepts that he existed, was the member of a people sharing the same tribal forefa‑ thers as the Indians, who migrated in the third millennium B. C. E. from the Asiatic Steppe southward. Scholarship believes that the original religious concepts and practices of these shepherds and farmers can be extrapolated based on a compari‑ son of the ‘Avesta’ with the ancient Indian tradition. According to this the ancient Iranians sacrificed to fire and water with prayers for the souls of man and animal: “So then we worship (…) our own souls
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and those of the domestic animals which nourish us (…) and the souls of useful wild animals.”128 The gifts which were offered to the many gods were to keep the world functioning, as well as improve human life. It has been inferred that there was a belief in the post‑mortal existence of the individual, an existence which could for a certain time be decisively influenced by those still living.129 This only however con‑ cerned the post‑mortal existence of princes, warriors and priests,130 and not a ‘salva‑ tion’ in the sense of an enhanced life as a gift of God or the gods, but rather its mere continuation. In contrast to a furtherance of the ‘salvation of the soul’, one speaks instead of the ‘soul cult’, in the sense of a variation of the funerary cult.131 Zoroaster is said to have received a revelation from a highest God and imple‑ mented fundamental changes that possess connotations of the Axial Age. At center stage stood the discovery of the individual, who had to decide between good and evil and would have to justify his actions at a court of God at the End of Times, after the Egyptian model.132 Furthermore, the message that all persons, of every sex and social class, were able to enter Paradise, and thus salvation for one’s own soul was attainable, was innovative.133 Foundations now had the purpose, but also the power, to facilitate the ascendance of souls also post‑mortally, as through prayer and sac‑ rifices, via the performance of charity. Persian empire‑building was essential to the spread of Zoroastrianism; already the Achaemenid Cyrus the Great (559– 530 B. C. E.)134, and then especially the Sasanid Ardašīr (224–239/240?)135, played key roles. The foundation inscription of Ardašīr’s son Šābuhr I on a tower at Perse‑ polis, which inter alia hints at the motive of care for others, is renowned.136 A large collection of legal decisions from shortly
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before the Arab conquest treats founda‑ tions for religious ceremonies, which in part were conducted to directly benefit the founder and are to be classified to the older historical stage of foundations for the soul cult, as well as the more recent ‘foundations for the salvation of the soul’.137 In scholarship it has been repeatedly evaluated whether Sasanid foundations influenced their Islamic counterparts,138 yet surprisingly little consideration has been given as to whether Zoroastrian foun‑ dations for the soul could also have been models for Christian ‘foundations for the salvation of the soul’ or for Jewish foun‑ dations139, even though there had been cultural contacts between Persians and Greeks or Jews since at least the days of Cyrus the Great and especially the Sasa‑ nids. The reverse relationship of Christian models for Sasanid practice is instead to be excluded with some probability, since the church could hardly have accepted foundations before emperor Constantine the Great granted Christian communities equal footing to other religious communi‑ ties (311/313) and granted them property and testamentary capacity (321).140 While the analogies between Zoroas‑ trian and Christian ‘foundations for the salvation of the soul’ have not to date been discussed, Jan Assmann, without specifi‑ cally mentioning foundations, has hypoth‑ esized a particular relationship between the ancient Egyptian religion and the teaching of Christianity141: both are bound together in their desire for salvation from the yoke of ephemerality and the idea of the Hereafter as a place of righteousness. As in Egypt, the immortality of the indi‑ vidual stands at the center of the Christian message. What ties both religions together meanwhile sets them sharply apart from Old Testament teaching, because the idea of the immortality of the individual was
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foreign to Israel. God’s righteousness was fulfilled on Earth, not in the Hereafter, and was promised to God’s people as a whole rather than the individual. A person lived on through his descendants. Along with Mesopotamia and the Greeks, Israel knew a world of the dead that had nothing in common with the ‘Elysium’ of the Egyp‑ tian belief in the dead or the Paradise of the Christians. Whether it is accurate that, alongside a belief in personal immortality, that of the existence of the soul was also unknown in ancient Judaism, the scholarship on the Old Testament has not arrived at a consen‑ sus,142 but already in earliest Christianity the fixation with a post‑mortal salvation played a much greater role than in antique Judaism. This is, of course, relevant to the question of the appearance of ‘foundations for the salvation of the soul’. Yet the idea of salvation of the soul developed only gradually among Christians as well. Jesus himself hardly occupied himself with the question of resurrection, since he expect‑ ed the coming of the Kingdom of God.143 Paul as well lived with the conviction of a proximate resurrection (1 Thess 4:16 f.). As it became clear to the first Christians that the promise of the End Times would not be immediately fulfilled, they were forced to think about the dwelling place of the deceased. An indicative result was the assumption of a way‑station for the penitent soul after death,144 so that those remaining could intervene in its favor with prayers and donations. According to Christian doctrine, the faithful could achieve salvation in two ways: through God’s mercy or through their own actions. Though Jesus him‑ self taught that a person could not attain merit before God, the ancient principle of recompense did not at all cease, but he instead encouraged his disciples to pray:
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“And forgive us our trespasses, as we for‑ give those who trespass against us.” (Mt 6:12). The conception of a compensation or remuneration soon became more and more prominent and influenced Christian thinking about heaven and hell.145 God was practically made into a debtor who had to pay for human deeds.146 This applied in a similar fashion to sinners. The idea that the salvation of other per‑ sons could be furthered with prayers and good works was important for Christian foundation practices; this teaching devel‑ oped already in the early period of the congregations. Along with prayers and the celebration of masses, alms were thought of as an offering for the amelioration of the dead.147 Already in the early period of its history, the church was able to make itself the recipient of pious donations for the salvation of the soul. In addition, con‑ gregations of Christians had from time immemorial felt themselves obligated to perform charity, and developed a system of philanthropy, which was unknown in this form and shape in the ancient world.148 According to its norms, every person in need was to be shown mercy, regardless of his reputation. Gifts could proceed as simple donations to the church, or as foun‑ dations, which were to enable long‑term philanthropic activity from the continuous exploitation of an endowment. (→ 7.2; 8.2) However, as soon as it was transferred to the church’s power, the bishop could lay claim to their use, so that a permanent goal for the foundation could hardly be secured. Furthermore, pious foundations in Christianity were continually threatened by the founder’s heirs or by confiscations on the part of temporal authorities (mon‑ archs, cities). It is thus hardly due to the surviving source material alone that in Byzantium, the Christian empire of the eastern Mediterranean, most foundation
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documents have survived for monasteries (→ 2.5.3; 5.5.3), because monastic commu‑ nities had a natural communal desire to assert themselves, which predisposed them towards resistance against the encroach‑ ments of ‘church’ and ‘state’, and thus also towards the preservation of the founder’s mandate. This also holds true in the context of the Latin church of the West.149 On the Arabian Peninsula foundations are evidenced in inscriptions already be‑ fore the coming of Islam; religious do‑ nations are attested for gods and priests, as well as for the funerary cult. Roman, Hellenistic, Jewish or Sasanid influences come into question as their basis, without more precise information being known or a scholarly consensus having been reached. (→ 4.3.1) A site of Persian influence was the oasis of Taimāʾ on the Incense Road, which connected the region of the Arabs in the south with the eastern Mediterra‑ nean (Gaza, Syria) as well as Mesopotamia and southern Iraq.150 Before the overthrow of his empire by Cyrus, King Nabonid of Babylon had retreated there for ten years (between 556 and 539 B. C. E.); he was sup‑ posedly accompanied by Jewish conscripts, but had also filled his army with Greek mercenaries.151 In Taimāʾ, pillars often bear Aramaic inscriptions, thus they had adopted the language of an important merchant people, which the Babylonians and Persians used as a language of state. Around 400 B. C. E. the oasis apparently fell into vassalage to the regional kingdom of Liḥyān.152 An official of this empire had a pillar erected which bore witness to the foundation of a temple. Engraved are a winged solar disk, a lunar globus and an eight‑pointed star of Venus encompassed by a circle; alongside the thus recogniz‑ able Mesopotamian deities, the founder also expressly addressed three other gods, namely the so‑called ‘Aramaic Pantheon’,
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which is thought to have reached Taimaʼ from northern Syria.153 This foundation was erected not only for the worship of the gods, for which individuals or the community as a whole could expect temporal prosperity as divine recompense; the endower also dedicated it to the “life of his soul” and that of his descendants. Should one here speak of a foundation for the salvation of the soul under Persian influence? Clearly, the founder ascribed to the gods a decisive in‑ fluence on the fate of the soul, which goes beyond a simple foundation for the soul cult, yet every indication of a post‑mortal judgment and of philanthropic good deeds, with which one could justify a claim for salvation, is lacking. Besides Babylonian and Aramaic religious influences, those of Persia, with the Zoroastrian promise of eternal remuneration for the charity of a founder, are discernable, though not unambiguously so.154 The same applies for a further cultic foundation from the same period, which the founder erected for ‘the life of his soul’,155 and an inscrip‑ tion from the Nabataean period (1st mil‑ lennium B. C. E.). According to this ʾAḫbōl, the ward of Ḥaṭmah, had endowed the Arabian goddess of fate, Manawah, “for the life of his soul and the souls of his posterity forever.”156 As Ignacio Sánchez has ascertained, studies regarding a connection of more ancient foundations to the waqf are lacking. (→ 4.3.2) On the other hand, the opinion has recently been advanced that Muslim foundations can, according to their inten‑ tions, be categorized alongside Christian ‘foundations for the salvation of the soul’.157 (→ 7.3; 8.3; 9.3) Commensurate conceptions of the Hereafter were however, especially in early Islam, as unclear as they were in Christianity or Judaism.158 Pagan tradi‑ tions of empathetic temporality asserted themselves along with the revelation of
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the God of creation and judgment, of the punishments of hell and joy of Paradise. But there is no doubt that salvific care for the dead, through prayer and philan‑ thropy, was widespread in Islam as well. The Quran certainly specified that each individual would bear responsibility for his deeds and faith at the Last Judgment, and that it would be too late to perform new good works, and no one would be able to help him; yet it was determined already in the Sunni tradition that good works performed during one’s lifetime could also have an effect after death and influ‑ ence the fate of the benefactor’s soul for the better. Friends and relatives are given various indications in numerous hadiths on how they could make the stay of the deceased in his grave more pleasant.159 In general, two categories of a substitutive good work were differentiated: mourn‑ ing for the dead and prayer or the giving of alms on his behalf.160 (→ 8.3; 9.3) How essentially analogous to Christianity the motive of post‑temporal retribution and the succor of the living, but also the con‑ tinuance of the renown of the founder, played a role in Muslim foundations is shown exemplarily by the expansive en‑ dowments of Tabriz from the 14th century;161 Birgitt Hoffmann has fittingly expressed the motivation of one of the major found‑ ers with the subtitle of her monograph on the matter: “Concern for Renown and the Salvation of the Soul.”162 Doubtless the traditions of the Roman or Greek (Hellenistic) foundations for the funerary cult and the gods had an effect on Christian and Muslim endowments, but in intercultural contact the impulses above all of Zoroastrianism were of great importance. ‘Foundations for the soul’ or ‘for the salvation of the soul’ bind all three religions together, and it is hardly likely that they formed two or three times
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independently of one another. The triad of the religions of the West, with their clear monotheism, stood in this respect in con‑ trast to the foundations of the Asiatic East, which, though they certainly experienced a change of focus during the Axial Age, nonetheless followed a completely differ‑ ent picture of being and human life. In any case there of course existed contacts between both hemispheres,163 and for the monastery, an important phenomenon for the history of foundations, Indian models from the 4th century could very well have spread all the way out to the Egyptian desert to the Greeks and Latins164. The religious goals of ascetics which were sup‑ posed to be supported by foundations were however quite different between the two places. The position of the ruler or the ‘state’ also differed. While in ancient Egypt or in pagan Rome religious foundations were still only supposed to support the state cult, Indian and Chinese rulers (for cer‑ tain periods) tolerated a religious plural‑ ism, which served them and which they fostered through their own foundations.165 The monotheistic character of the West generally meant for religious foundations a close connection to the state order. But above all in the Christian West, with some variations also in Byzantium, they occu‑ pied contested space between ‘church’ and ‘state’, which gave them room to maneu‑ ver. Monasteries, which habitually sought to escape the oversight of patriarchs and bishops, thus even became the prototypes of Christian foundations. Judaism The situation in Judaism differed from that of the other cultures under examination in that there was no ruler; an agent of
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salvation, like the Church among Chris‑ tians, was also lacking. Among the Jews there was controversy as to whether they could at all intervene in favor of a person before God. Even the resurrection story from the Book of Maccabees (2 Macc. 12:39– 46), with which one could justify recom‑ pense or memorial acts for foundations in favor of the salvation of the soul, did not convince everyone.166 The reservations of religious scholars can however hardly be verified in foundation praxis; this does not stem from the unsatisfactory state of modern scholarship,167 but above all from the material itself and the corresponding tradition. Foundations in Judaism were dedicated almost exclusively to philanth‑ ropy; as the recipients of the gifts in most cases, the poor and needy themselves did not appear, but rather the communities or the community funds, which exercised the administration and distribution of the dedicated property. (→ 9.4) The designation of the community fund as heqdesh / qodesh, which is derived from the temple treasure, was also used for foundations; a specific term for this was thus lacking. (→ 1.4) A reciprocal relationship between the foun‑ der and the beneficiaries, which characte‑ rizes foundations for the salvation of the soul, was in addition made more difficult in that donations were seen as especially pious and meritorious if they were made anonymously.168 Moreover, foundations in Judaism were (among other ways) created by oral agreement, so that there are few documents in general, in which the founder would have been able to lay out his motives and expectations. (→ 5.4; 3.4) Whether Jewish foundations followed an autochthonous history or developed under the influence of majority societies with different beliefs is to be explained only from region to region. In the case of Ashkenaz, the entries of the Nuremberg
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Memorial Book of 1296/1297 allow one to conclude that certain faithful made en‑ dowments in favor of the community in order to find peace for the soul with the patriarchs in Paradise.169 (→ 8.1; 8.4) The similarity to the rich tradition in the Chris‑ tian West could be used to claim that they followed Latin models. On the other hand, the unique logic of the history of Ashke‑ naz has been pointed out by scholars; the pogroms of 1096 caused, according to this view, the composition of a list of Jewish victims (now lost, but which preceded the Memorial Book).170 Meanwhile, it would be careless to claim that the thinking of Jewish founders first arose under the particular circumstances of Judaism in the Rhineland at the turn of the 12th century.171 Lists of benefactors are likewise transmitted among the docu‑ ments of the Jewish community of Fustat (Old Cairo), thus under Muslim rule, and they are thought to reach back to the first half of the 11th century.172 These registers of names were, as Shlomo D. Goitein has shown, strongly shaped by familial con‑ cerns and allowed the founder, after mul‑ tiple (often seven or more) generations of his forebears, to appear as the forefather of his progeny. As ‘memorial lists’ they were conducive to being recited during the public worship of the congregation.173 In contrast to Nuremberg, the genizah of Fustat also contains a series of founda‑ tion acts, in part as testamentary disposi‑ tions.174 The founders in this case, to the degree that it can be discerned, never ex‑ pressed a hope for Paradise or intercessory prayer as a quid pro quo.175 Meanwhile,
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from petitions it emerges that there cer‑ tainly existed such wishes,176 yet temporal prosperity remained the primary concern. A third area of Jewish life was that of Spain, influenced by Christian principali‑ ties. From records177 recently brought to wider attention, there comes the conclu‑ sion that supplementary endowments for (philanthropic) community funds and in‑ dependent foundations on the model of the Muslim waqf (or, as one would have said in Spain and in North Africa, ḥubs 178) were created ‘for my soul’, ‘for the forgive‑ ness of my sins’ or ‘in the hope of eternal life’. Judah D. Galinsky noted that Jewish foundations in Christian Spain or in the south of France demonstrated no obliga‑ tion of prayer for the commemoration of the dead, as can be concluded in Ashkenaz, for example in Nuremberg.179 It is in fact known that in this regard the practice of liturgical memoria for the dead differed here from that of Sephardic Judaism. Only in Ashkenaz did the rhythm of commemo‑ ration for the dead form around four days of the year, on Yom Kippur and the three pilgrimage festivals. The prayer for the dead of the hashkavah for those within one’s personal circle appears in other Jew‑ ish cultures to have followed the model of the Ashkenazi hazkarat neshamot.180 With regard to the Spanish documents, if one takes into account that they written by Christian notaries in Latin on the model of Christian formulas and motives, then this would suggest that with these sources one is dealing with imprint of Christian influence.181 MB
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Notes 1 Cf. without claiming to be comprehensive
Chitwood, Proprietary Church (2016); Macuch, Sasanidische fromme Stiftung (2009); H. Gerber, Jews and the Vakif Institution (2008); Geelhaar, Stiftungszweck Bildung (2007); Galinsky, Com‑ memoration and Heqdesh (2005); Macuch, Pious Foundations (2004); Pahlitzsch, Concern for Spir‑ itual Salvation (2001); Yildirim, Pious Founda‑ tions (1999); Macuch, Sasanidische Stiftung (1994); Makdisi, Rise of Humanism (1990); Id., Rise of Colleges (1981); W. R. Jones, Pious Endowments (1980). – See also: Stiftung und Staat im Mittelalter. Eine byzantinisch‑lateineuropäische Quellenan‑ thologie in komparatistischer Perspektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011. 2 See the introductory sections on ‘Intercultural Perspectives’ in the various articles of this en‑ cyclopedia and their English translations at the end of the respective volumes. Multipolar com‑ parisons of foundations: G. Baer, Muslim Waqf (2005); Borgolte, Geschichte des Stiftungsrechts (2002, repr. 2012); Id., Foundations (2015), in Ger‑ man as Id., Stiftungen für das Seelenheil (2015); Id., Weltgeschichte der Stiftungen (in prepara‑ tion). In the future also Adam, Interreligious und Intercultural Transfers (in press). 3 Cf. Borgolte, Perspektiven (2001), 24: “The joy of rediscovering historical phenomena in unexpected places, and likewise the wonder of the divergences of history, these two emotional and primordial experiences of the comparison sharpen not only the evaluation of the other in history, they affect above all the recognition of that which has been long known, which suddenly appears in a new light.” 4 On differentiating between ‘invention’ and ‘in‑ novation’ (as well as ‘diffusion’) in the history of technology, see Borgolte, Europa entdeckt seine Vielfalt (2002), 311 f. – On differentiation, but also the ‘permeability’ of concepts, an intra‑European example can be cited: In the early 14th century – at least this is when it is first known of – the so‑ called ‘Prince’s anniversary’ is attested for the Bavarian House of Wittelsbach. The secular clergy of the territory were required by the stipulations of the endowment to participate annually in a
commemoration of the dead at a central memorial location of the dynasty, which fostered the integra‑ tion of the Wittelsbach territory. One could speak of an ‘invention’ in this case, since something of this sort had not existed earlier. Yet it could also be seen as an ‘innovation’, if one understands the ‘Prince’s anniversary’ as a new variant of memorial foundations in general or if one has a narrower sense in mind, that the ‘dispersion’ of memorial sites has characterized at least Latin Christianity from the beginning. One could speak of an ‘imita‑ tion’ if it could be proven that other ruling houses followed the example of the Wittelsbachs. The phenomenon appears to have first appeared among the House of Württemberg only in the middle of the 14th century. Cf. already Straub, Hausstiftung (1978), 47–53; Stievermann, Landesherrschaft (1989), 145 f.; Borgolte, Totale Geschichte (1993, repr. 2012), 56; then above all Menzel, Memoria Kaiser Ludwigs (2001). – On ‘dispersion’ see Borgolte, Grab in der Topographie (2000, repr. 2012), 292; on ‘diffusion’ see Helmrath / Muhlack / Walther, Diffusion des Hu‑ manismus (2002). 5 In what follows I will refer to the entries of the encyclopedia, but also to insights garnered from the composition of my forthcoming world history of foundations: Borgolte, Weltgeschichte der Stiftungen (in preparation). 6 Cf. A. Zimmermann, Neolithisierung (2009). 7 On the exception of Judaism → 5.4.3; 19.1.6. 8 Cf. Jockenhövel, Grundlagen (2009), 145–294; H. Franke / Hoffmann / Jedin, Saeculum Weltge‑ schichte, vol. 1–3 (1965–1967). 9 On which for now Borgolte, Fünftausend Jahre Stiftungen (2015), and in the future at length Id., Weltgeschichte der Stiftungen (in preparation). 10 Cf. Emmerich, Prähistorisches und früh‑ dynastisches China (2009), 396–411. – But also → 19.1.4. – Regarding the state of research on foundations in China see Olles, Religiöse Stiftun‑ gen in China, vol. 2 of this encyclopedia, esp. 682 f. 11 One has to keep in mind that kings since the time of Akkad, the first great territorial empire of Mesopotamia (2334–2193 B. C. E.), also made ances‑ tral offerings for their own forebears. Conversely, the (deceased) Pharaohs were deified.
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12 On the ‘nourishment’ of the gods in Mesopo‑ 16 This is demonstrated by the private founda‑ tamia see Maul, Gott ernähren (2008); cf. Oppenheim, Ancient Mesopotamia (1977), 183–198; Groneberg, Götter des Zweistromlandes (2004), 92–108. 13 Cf. Charvát, Social configurations (2007, repr. 2009), 254; still in Assyria the god Aššur was perceived as the true ruler of the land, see Galter, Textanalyse (1998), 22. – Rural temples with their staffs can be ascertained since the time of the so‑ called Early Dynastic Period (ca. 2900–2750), but it is not certain whether these sacrificial offerings were organized ad hoc by the settlers or through long‑term planning, cf. Richardson, World of Baby‑ lonian countrysides (2007, repr. 2009), 20; 31, n. 40; Chiera, Wrote on Clay (1938, repr. 1954), 106–110; Van Driel, Pfründe (2003–2005), 519. 14 Cf. on the two fundamental explanations for the formation of foundations, with different emphases, Laum, Stiftungen (1914, repr. 1964), vol. 1, 238; 242 f.; Bruck, Stiftungen für die Toten (1954), 53, versus Veyne, Brot und Spiele (1988, repr. 1990), 53. – An early example of a royal foundation as compensation for the neglect of worship of the gods from Assyria, 713 B. C. E.: Grants, Decrees and Gifts of the Neo‑Assyrian Period. Ed. Laura Kataja / Robert Whiting. (State Archives of Assyria, vol. 12.) Helsinki 1995, 21, no. 19; cf. ibid., XXIV; Postgate, Neo‑Assyrian Royal Grants (1969), 67–69; on the historic context Neumann, Mesopotamien (2009), 198–200. 15 On the question of the palace or oikos econ‑ omy see Renger, Economy (2007, repr. 2009), esp. 189 f.; Id., Palastwirtschaft (2003–2005), esp. 276– 279. – Enmetana created one of the oldest royal foundations around 2400 B. C. E.: Charvát, Social configurations (2007, repr. 2009), 251, with refer‑ ence to the translation in Sumerian and Akkadian Royal Inscriptions, vol. 1. Ed. and transl. Jerrold S. Cooper. (The American Oriental Society. Transla‑ tion Series, vol. 1.) New Haven (Conn.) 1986, 63 f., no. La 5.17. – In the first millennium B. C. E. the archives attest for city dwellers “ample informa‑ tion on private ownership of agricultural land”, thus Jursa, Babylonian economy (2007, repr. 2009), 227; cf. Da Riva, Schafe (2002), 57; 63. A foundation by private persons is however already attested from the city of Adab under King Sargon of Ak‑ kad (2340–2285 B. C. E.): Biga, Sargonic Foundation Cone (2005), esp. 30–33.
tion of a temple from the so‑called Third Inter‑ mediate Period (ca. 1000 until ca. 600 B. C. E.): Two Inscriptions Concerning Private Donations to Temples. Ed. and transl. Erik Iversen. (Det Kgl. Danske Videnskabernes Selskab. Historisk‑filol‑ ogiske Meddelelser, vol. 27.5.) Kopenhagen 1941, here esp. 5 f. 17 Helck, Wirtschaftsgeschichte (1975), 26. 18 Ibid., 28; 31. 19 Ibid., 32. 20 Ibid., 73. 21 Ibid., 59; 64 f.; 67 f.; 135. 22 Ibid., 75; Goedicke, Private Rechtsinschriften (1970), 199. 23 Ibid., 55–70. 24 Assmann, Große Texte (1992), 249. 25 Ibid., 254. 26 Cited after Assmann, Ma’at (2006), 63 f. 27 Assmann, Stein und Zeit. Mensch und Gesell‑ schaft (1991); Id., Stein und Zeit. Monumentales Gedächtnis (1988); Id., Tod und Jenseits (2010). 28 Cited after Von den Driesch, Geschichte der Wohltätigkeit (1959), 136. 29 Cf. the self‑praise of a high official of the Ramesside period (around 1220 B. C. E.) cited in Brunner-Traut, Wohltätigkeit (1990), 33. 30 On the teaching of Amenemope from the 20th Dynasty (ca. 1200–1080 B. C. E.) to exercise leniency with the old, poor and weak, see the quotation Ibid., 37 f. 31 Ibid., 39. 32 Assmann, Große Texte (1992), 258. 33 Assmann, Ma’at (2006), 122. 34 Cf. Ibid., 114 f.; Assmann, Tod und Jenseits (2010), 100–105; 116–159; 394–452. 35 On the ‘Axial Age’ see Jaspers, Ursprung und Ziel (1949, repr. 1963); Joas, Achsenzeit (2014); K. Armstrong, Achsenzeit (2006). Further litera‑ ture in Borgolte, Fünftausend Jahre Stiftungen (2015), 595, n. 6. 36 The following borrows from Borgolte, Uni‑ versität und Intellektueller (2008, repr. 2014), 277. 37 Cf. Joas, Achsenzeit (2014); Stroumsa, Entste‑ hung des reflexiven Selbst (1992); Halbfass, Mensch und Selbst (1992). 38 It would be a misunderstanding to assume that the older conception of the cosmos was forev‑ ermore overcome. On the contrary, the so‑called
522 Middle Ages were still strongly influenced by it. The ‘Axial Age’ is better understood as a break‑ through which occurred at different places on Earth, according to Jaspers independently of one another, and whose impulses could again and again be seized upon, but also lost. Cf. pointedly Jaspers, Ursprung und Ziel (1949, repr. 1963), 42: “Even the Axial Age failed.” 39 Parpola, Indus Civilization (2012); Rothermund, Politics and Economy (2011), 135; U. Franke, Indus‑ Kultur (2009), here esp. 227 f.; Kulke / Rothermund, Geschichte Indiens (2010), 24–44, where however “cultic structures” are spoken of and the “great bath” is ascribed ritual functions (ibid., 25); in ad‑ dition ibid., 36, a reference to “traces of fire altars” in Kalibangan; Witzel, Altes Indien (2003), 19–21. 40 U. Franke, Indus‑Kultur (2009), 233; Witzel, Altes Indien (2003), 20. 41 Kulke / Rothermund, Geschichte Indiens (2010), 44–65; a partially different narrative in Witzel, Altes Indien (2003), 25–33. 42 Jaspers, Ursprung und Ziel (1949, repr. 1963), 19 f. – The observation of world historical paral‑ lels goes back to Ernst von Lasaulx in the middle of the 19th century, cf. Pitz, Griechisch‑römische Ökumene (2001), 524; 540; Bayer / Boyce / Christ, Neue Hochkulturen (1966), 9; 151 f.; 253 f.; 286–293; 317–325; 382. 43 Cf. Witzel, Altes Indien (2003), 12–18. 44 Cf. Proferes, Vedas and Brāhmaṇas (2010), 27–31. 45 Kulke / Rothermund, Geschichte Indiens (2010), 56; Schmidt-Glintzer, Geschichte Indiens (2009), 336. 46 Ali, Kingship (2011), 91. 47 Kulke / Rothermund, Geschichte Indiens (2010), 59–61. 48 Quite recently Sahu / Kulke, Interrogating Political Systems (2015). 49 On the problem of Hinduism and its relation‑ ship to Brahmanism see Michaels, Hinduismus (1998, repr. 2006), 27–47. 50 The oldest Upanishads are dated to ca. 7 th/6th until ca. 4th/3th century B. C. E.: Olivelle, Upaniṣads and Āraṇyakas (2010), 44; Michaels, Hinduismus (1998, repr. 2006), 67: “500 B. C.–200 B. C.”; Witzel, Altes Indien (2003), 125: “around 600–450”; Kulke / Rothermund, Geschichte Indiens (2010), 64: “sometime between 750 and 500 B. C.”
Intercultural Perspectives
51 Lipner, Saṃsāra (2010). 52 Bṛhadāraṇyaka Upaniṣad 4.4.6, in: Upaniṣads.
Transl. Patrick Olivelle. (Oxford World’s Cassics.) Oxford 1996, repr. 2008, 65. 53 Chāndoya Upaniṣad 5.10.7, in: Upaniṣads. Transl. Olivelle (as n. 52), 142. 54 Cf. C. Talbot, Temples (1991); Stein, Economic Function (1960). 55 In what follows I repeat in part what has been said in → 7.1. 56 Cf. the introduction in Die Erlösungslehre der Jaina. Legenden, Parabeln, Erzählungen. Ed. and Transl. Adelheid Mette. Berlin 2010, 207 f., where Mette finds the year of death advanced by supporters of the doctrine of 527/526 B. C. E. as dated “perhaps too early”; Witzel, Altes In‑ dien (2003), 53 f.: Mahāvīra “supposedly died in 477 B. C.”, but a “contemporary” of the Buddha; Kulke / Rothermund, Geschichte Indiens (2010), 72. A predecessor of Mahāvīra by the name of Pārśva is said to have died 250 years before him: Erlö‑ sungslehre der Jaina. Ed. Mette, 205 f.; Bronkhorst, Buddhistische Lehre (2000), 42, n. 34. 57 Cf. the preceding note. – In the dat‑ ing of the Buddha a ‘long chronology’ (d. 543/544 B. C. E.) is differentiated from a ‘short chronology’ (d. 486/477 B. C. E.), but the year of death is now sought even later: Bechert, Einlei‑ tung (2000), 6 f.: “between around 420 B. C. and 350 B. C.”; Witzel, Altes Indien (2003), 54: “around 400”; thus also Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 34 f.; Brück, Einführung (2007), 66 f.: “life‑ time of the Buddha around 450–370 B. C.” 58 Erlösungslehre der Jaina. Ed. Mette (as n. 56), 210. 59 Ibid., 211; 214 f. 60 Ibid., 219 f.; 225. 61 Ibid., 235–237. 62 Ibid., 210 f.; 216; 234. 63 Ibid., 211; 214. 64 Cf. as much as ever M. Weber, Wirtschafts‑ ethik der Weltreligionen. Hinduismus und Bud‑ dhismus (1921, repr. 1978), 203–217, esp. 209; 215; Erlösungslehre der Jaina. Ed. Mette (as n. 56), 220–222, who however falsely claims that no Jaina monasteries existed. 65 Ibid., 213; 237; M. Weber, Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus (1921, repr. 1978), 206.
Inventions, Innovations and Imitations in Intercultural Contact
66 Ibid., 214. 67 Erlösungslehre der Jaina. Ed. Mette (as
n. 56), 225; 229; cf. 222. Cf. Balbir, Jainismus (1987, repr. 1993), 458. 68 Cf. now the excellent overview by Sen, Spread of Buddhism (2015). On the retreat of foundation activity in favor of Buddhists after the 9th cen‑ tury see Schmiedchen, Stiftungen zum Unterhalt (2013), esp. 109. 69 On the issue of his dating see above n. 57. 70 Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 36. 71 Lamotte, Buddha (1995), 66. 72 Ibid., 48. 73 Ibid. 74 Ibid., 55 f.; 63 f. 75 Kieffer-Pülz, Musterbeispiel (2006/2007), 295; Walsh, Sacred economies (2010), 55–57; Gernet, Buddhism (1995), passim, esp. 78–93; 131–137. 76 Gombrich, Einleitung (1995), 26 f. 77 Bronkhorst, Buddhistische Lehre (2000), 127– 177; Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 48–53; Schumann, Mahāyāna‑Buddhismus (1995); Lamotte, Mahāyāna‑Buddhismus (1995). 78 Heim, Theories of the Gift (2004), 28; 79–81. 79 Also Kieffer-Pülz, Musterbeispiel (2006/2007), 292, has however pointed out that “empathy” (karuṇā) played “a rather secondary role” in ear‑ ly Buddhism. Cf. Lamotte, Buddha (1995), 65 f., with however an example for the mercy of the Buddha himself. – Cf. also Sizemore / Swearer, Ethics (1990). 80 Cf. K. Armstrong, Achsenzeit (2006). 81 Cf. Herrmann-Pfandt, Verdienstübertragung (1996); Findly, Dāna (2003), 272–280; Walsh, Sacred economies (2010), 109–112 with 181, n. 22, with further literature on the transfer of merit. 82 Quoted and translated in Schopen, Two Prob‑ lems (1985, repr. 1997), 31 f.; see also Joschi, Bud‑ dhistische Kunst (1995), 104. 83 Olles, Religiöse Stiftungen in China, vol. 2 of this encyclopedia, 694; 698. 84 Ibid., 720. 85 Ibid., 696. 86 Falkenhausen, Ahnenkult (1990), 35; on the ancestral cult of the present: Reiter, Religionen in China (2002), 52–54; 56–61. 87 Falkenhausen, Ahnenkult (1990), 35. 88 Cf. Bokenkamp, Ancestors and Anxiety (2007), esp. 51–53. – On bell endowments, in this
523
case still from the 7 th century, Falkenhausen, Ahn‑ enkult (1990), 39. 89 Ibid., 44. 90 On the discusssion about the Axial Age in China cf. Hsu, Rethinking the Axial Age (2005), here esp. 453–456; Harbsmeier, Axial Millenium in China (2005). Furthermore the essays in: Eisenstadt, Kulturen der Achsenzeit (1992). 91 Cf. Konfuzius, Gespräche. Transl. Richard Wilhelm. Frankfurt a. M. 1997, repr. 2008, 55, cap. VI.34; cf. Van Ess, Konfuzianismus (2009), 20. 92 On the following esp. Lamberton, Kongs of Qufu (2002); Van Ess, Konfuzianismus (2009), 55–60; Shryock, Origin and Development (1966). 93 Lamberton, Kongs of Qufu (2002), 319. 94 Ibid., 311. 95 On Taoism now especially Pregadio, Rout‑ ledge Encyclopedia of Taoism (2008, repr. 2011); Kohn, Daoism Handbook (2000). Furthermore Van Ess, Daoismus (2011); Clart, Religionen Chinas (2009), esp. 38–44; 159–162. 96 Van Ess, Daoismus (2011), 17–28; Kohn, Laozi and Laojun (2008, repr. 2011). 97 Clart, Religionen Chinas (2009), 39 f.; Robinet, Daode jing (2008, repr. 2011), esp. 311 f. 98 Ibid., 312 f. 99 Ibid., 313. 100 Kohn, Zhuangzi (2008, repr. 2011); Clart, Religionen Chinas (2009), 42 f. 101 Cf. Zhuangzi 6, quoted in Kohn, zuowang (2008, repr. 2011), 1308. 102 Cf. Clart, Religionen Chinas (2009), 159 f. 103 This leitmotif in the identification of Tao‑ ism, especially by western scholars and Confu‑ cians, has been questioned by Russell Kirkland, who warned most of all of “romanticizing” the “immortals”, see Kirkland, Taoism (2004), 172–210; but the same author also admits: “Yet, Taoism was the only Chinese tradition that provided color‑ ful images of a happy afterlife”: Kirkland, Tran‑ scendence and immortality (2008, repr. 2011), 93. 104 Kirkland, daoshi (2008, repr. 2011); Reiter, Religionen in China (2002), 103 f. 105 Clart, Religionen Chinas (2009), 79 f.; Reiter, Religionen in China (2002), 147 f. 106 Cf. above all Bokenkamp, Ancestors and Anxiety (2007); Kohn, Monastic Life (2003). 107 Bokenkamp, Ancestors and Anxiety (2007), 4, 6, 51 f.
524 108 Gernet, Buddhism (1995); Walsh, Sacred
economies (2010); Benn / Meeks / Robson, Buddhist Monasticism (2010, repr. 2011); now Olles, Religiöse Stiftungen in China, vol. 2 of this encyclopedia, esp. 695–719. 109 Ibid., 699. 110 Kohn, Monastic Life (2003), and now again Olles, Religiöse Stiftungen in China, vol. 2 of this encyclopedia, esp. 684; 689; 695–719, passim. 111 Ibid., 695. 112 Cf. Kirkland, Taoism (2004), 192. 113 Olles, Religiöse Stiftungen in China, vol. 2 of this encyclopedia, 687; 690 f. and elsewhere. 114 On the following already Borgolte, Stiftungen für das Seelenheil (2015), as well as Id., Fünftausend Jahre Stiftungen (2015), and Id., Wie Weltgeschichte erforscht werden kann (2016); Id., Sigismund, Ra‑ degunde (in preparation.). I will use these works also in verbatim quotations without stating it. 115 Laum, Stiftungen (1914, repr. 1964), vol. 1, 2; 15, no. 12; Reden, Glanz der Stadt (2012), 25 f. 116 Fundamental is Veyne, Brot und Spiele (1988, repr. 1990), here esp. 162 f.; 188–190; cf. Gauthier, Ci‑ tés grecques (1985); numerous essays in: Christol / Masson, Actes du Xe Congrès International (1997). – I shall not go into detail on the widespread en‑ dowments in the Hellenistic kingdoms, which the more recent scholarship has worked out; see however: Schenkungen hellenistischer Herrscher an griechische Städte und Heiligtümer, vol. 1. Ed. Walter Ameling / Klaus Bringmann / Barbara Schmidt-Dounas. Berlin 1995; on this: Bringmann, Geben und Nehmen (2000), and Schmidt-Dounas, Geschenke (2000); Ameling, Dona ferentes (1987), esp. 12–16; 31–40. Cf. also now Harter-Uibopuu, Stadt und Stifter (2015). – In the future also my world history of foundations, in which there is also a chapter on the empire of the Commagene. 117 Veyne, Brot und Spiele (1988, repr. 1990), 22–24; 27; passim. 118 On imperial alimentary foundations Pickert, Sehnsucht nach Ewigkeit (2008), 108 f.; Seelentag, Kaiser als Fürsorger (2008); Woolf, Food (1990). 119 Cf. Bruck, Stiftungen für die Toten (1954), 53; controversally Andreau, Fondations privées (1977); Reden, Glanz der Stadt (2012), 29–33; Pickert, Römische Stiftungen (2005), 30 f.; Ead., Sehnsucht nach Ewigkeit (2008), esp. 33–56. 120 Rüpke, Religion der Römer (2001), 27.
Intercultural Perspectives
121 Voelkl, Kirchenstiftungen (1964), 11, with
source citations in n. 17; on the sacra privata see Rüpke, Religion der Römer (2001), 36 f.; Bowes, Private Worship (2008, repr. 2011), 18–60, passim. 122 Cf. Beard / North / Price, Religions of Rome (1998, repr. 2000), vol. 1, 302 f. 123 Ibid., 27 f.; 61; 102–104; 115; 192. 124 Esp. Macuch, Sasanidische Stiftung (1994); further literature above, n. 1. In addition: Boyce, Pious Foundations (1968); Menasce, Feux et Fon‑ dations Pieuses (1964). 125 Jaspers, Ursprung und Ziel (1949, repr. 1963), 20. 126 Cf. Kreyenbroek, Zoroastrismus (2013), 160: around 1000 or earlier; Boyce, Zoroastrians (2001), xiii: around 1200 B. C. E.; 2: around 1400–1200; 18: between 1700 and 1500 B. C. E.; Clark, Zoroastri‑ anism (1998), 18–22: 1400 B. C. E. – In contrast one finds the older conception still in Boyce, Zoroas‑ trismus (1966), 261: around 588 B. C. E.; Lanczkowski, Iranische Religionen (1987, repr. 1993), 250: around 600 B. C. E.; N. N., Zarathụstra (2006), 460: born around 628 B. C. E., d. around 551 B. C. E. 127 Cf. Kreyenbroek, Zoroastrismus (2013), esp. 162 f.; Macuch, Iranische Literaturen (2013), 283. 128 Yasna 39.1–2, quoted after the English trans‑ lation in Textual Sources for the Study of Zoro‑ astrianism. Ed. Mary Boyce. (Textual Sources for the Study of Religion.) Manchester 1984, 55 (cf. the commentary ibid., 53). Cf. Ead., Zoroastrians (2001), 5. – The quotation stems from the Yasna Haptaŋhāiti, which was encircled in the Gathas, see Macuch, Iranische Literaturen (2013), 284. 129 Boyce, Zoroastrians (2001), 9; 12 f. 130 Ibid., 14. 131 On foundations for the soul cult, which “predominated throughout all of Antiquity”, see Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts (1963, repr. 2002), esp. 13 f.; cf. Bruck, Stiftungen für die Toten (1954). New studies on Antiquity refute the connection between pagan foundations and the cult for the soul: Veyne, Brot und Spiele (1988, repr. 1990), 225; further references to the scholarly literature in Holman, Hungry Are Dying (2001), 14, n. 64; cf. most recently Reden, Glanz der Stadt (2012). See however Pickert, Römische Stiftungen (2005); Ead., Sehnsucht nach Ewigkeit (2008). 132 Boyce, Zoroastrians (2001), 20 f.; 29; Ead., Zoroastrismus (1966), 262; in greater nuance Clark, Zoroastrianism (1998), 63–65.
Inventions, Innovations and Imitations in Intercultural Contact
525
133 Boyce, Zoroastrians (2001), 27. 146 On the early evidence of Tertullian 134 Wiesehöfer, Iranische Großreiche (2009), 49– (d. ca. 220 C. E.) see K. Schmid, Stiftungen für
53; Kuhrt, Cyrus the Great (2007); Briant, Histoire de l’Empire Perse (1996), esp. 41–60. 135 Wiesehöfer, Reich der Sasaniden (2009), 284; in particular on holy fires and the relevant foun‑ dations in Zoroastrianism esp. Boyce, Sacred Fires (1968); Menasce, Feux et Fondations Pieuses (1964). 136 Die dreisprachige Inschrift Šābuhrs I. an der Ka‘ba‑i Zardušt (ŠKZ). Ed. Philip Huyse, 2 vols. (Corpus Inscriptionum Iranicarum. Part 3: Pahlavi Inscriptions, vol. 1.1.) London 1999; with a Ger‑ man translation: Michael Back, Die sassanidischen Staatsinschriften. Studien zur Orthographie und Phonologie des Mittelpersischen der Inschriften zusammen mit einem etymologischen Index des mittelpersischen Wortgutes und einem Textcorpus der behandelten Inschriften. (Acta Iranica, vol. 18.) Leiden / Teheran / Lüttich 1978, 284–371. Cf. Henning, Great Inscription of Šāpūr I (1939), esp. 845–847; Macuch, Sasanidische fromme Stiftung (2009), 33 f.; Ead., Sasanidische Stiftung (1994), 174 f. 137 An edition of the Middle Persian text of the relevant chapter, including a translation: Rechtskasuistik und Gerichtspraxis zu Beginn des siebenten Jahrhunderts in Iran. Die Rechts‑ sammlung des Farroḫmard i Wahrāmān. Ed. and Transl. Maria Macuch. (Iranica, vol. 1.) Wiesbaden 1993, 252–257; commentary ibid., 258–266; cf. also the related chapter ibid., 192–219. Cf. Macuch, Sa‑ sanidische fromme Stiftung (2009), esp. 26–35. 138 E. g. Macuch, Sasanidische Stiftung (1994); Ead., Sasanidische fromme Stiftung (2009); Hennigan, Birth of a Legal Institution (2004), 50–70; Arjomand, Philanthropy (1998), 110 f. 139 This holds true despite the legal historical comparison between Sassanian and Byzantine foundations by Macuch, Pious Foundations (2004). 140 Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts (1963, repr. 2002), 28. 141 Assmann, Tod und Jenseits (2001), 521–525. 142 Feld, Ende des Seelenglaubens (2013), 34–58. 143 Cf. Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 79–81; Jezler, Himmel, Hölle, Fegefeuer (1994); Angenendt, Geschichte der Religiosität (1997), 684 f. 144 Fundamental is Stuiber, Refrigerium interim (1957); Rotach, Durst der Toten (1994), esp. 33; 35 f. 145 Even in the Old Testament the ius talionis pre‑ vailed: Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 119.
das Seelenheil (1985), 59; 61; cf. recently Angenendt, Offertorium (2014), 265–279. 147 Ibid., passim. 148 Borgolte, Mittelalterliche Kirche (2004), 119–122; Angenendt, Offertorium (2014), 88 f., with reference to further scholarship. 149 Cf. Borgolte, Sigismund, Radegunde (in preparation). 150 Hausleiter, Antikes Taymaʼ (2011); further‑ more U. Franke / Al-Ghabban / Gierlichs, Roads of Arabia (2011), passim; Schiettecatte, Arabian Iron Age funerary stelae (2010). 151 Potts, Altes Arabien (2011), 90–93; Hausleiter, Antikes Taymaʼ (2011), 114 f.; Beaulieu, Nabonidus the Mad King (2007). 152 Hausleiter, Antikes Taymaʼ (2011), 116; cf. AlSaid, Dedan (2011). 153 Die neuesten aramäischen Inschriften aus Taima. Ed. and Transl. Klaus Beyer / Alasdair Livingstone, in: ZDMG 137, 1987, 285–296; Marx, Schriften und Sprachen (2011), 183 with 188, image 6. – Maraqten, Aramaic pantheon (1996), 28, n. 12, regards the translation of Beyer and Livingstone as unsatisfactory, without however making his own suggestion. 154 Cf. Potts, Altes Arabien (2011), 93: “For the period after Nabonid’s time in Taymaʼ indications are difficult to find which allow one to postulate the rule of the Persian Achaemenids in the Near East (539–330 B. C. E..” According to Herodotus (III: 88), Cyrus the Great received tribute from Arabs ‘who lived in tents’, yet whose identity and provenance are unknown. 155 Kanaanäische und aramäische Inschriften. Ed. Herbert Donner / Wolfgang Röllig, vol. 1. Wies‑ baden 52002, 58, no. 229; vol. 2 (1964), 281. 156 Neueste aramäische Inschriften. Ed. Beyer / Livingstone (as n. 153), 290–292. 157 Pahlitzsch, Concern for Spiritual Salvation (2001), 343 f.; cf. Id., Memoria und Stiftung (2005); Lev, Charity, Endowments (2005), 159 f.; cf. ibid., 103. – On which see earlier the negative attitude of W. R. Jones, Pious Endowments (1980), esp. 23 f.; 28 f.; 32. 158 Here I will not go into details (see in the future my world history of foundations). Cf. how‑ ever Rebstock, Grabesleben (2002); Bowker, Mean‑ ings of death (1991); Bauer, Todesdiskurse (1999);
526 Nagel, Leben nach dem Tod (1983); J. I. Smith / Haddad, Islamic Understanding (1981). 159 Ibid., 59. 160 Cf. Homerin, Saving Muslim Souls (1999), esp. 71 f.; cf. Sabra, Public Policy (2005). 161 Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000); Die Kuǧuǧī‑Stiftungen in Tabrīz. Ein Be‑ itrag zur Geschichte der Ǧalāyiriden. Ed. und Übers. Christoph Werner / Daniel Zakrzewski / HansThomas Tillschneider. (Nomaden und Sesshafte, Bd. 16.) Wiesbaden 2013. 162 Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000). 163 Cf. Borgolte, Kommunikation (2010, repr. 2014). 164 Lilienfeld, Mönchtum (1994), 158. 165 A notable exception from the concentration on one’s own observance (the Catholic religion) in the Latin West are the monastic foundations for Greek monks which are ascribed to King Saint Stephen of Hungary: (ed.), Diplomata Hungariae Antiquissima accedunt epistolae et acta ad histo‑ riam Hungariae pertinentia, vol. 1. Ed. Georgius Györffy. Budapest 1992, 81–86, no. 13; on which Sutt, Slavery (2015), 73; Bagi, Christianisierung Ungarns (2013), 377. 166 Cf. Bowker, Meanings of death (1991), 62 f.; Lévi, Consultation inédite (1903); Galinsky, Com‑ memoration and Heqdesh (2005), 191. 167 Newer scholarship: Toukabri, Satisfaire le ciel et la terre (2011); Galinsky, Jewish Charitable Bequest (2005); Id., Commemoration and Heqdesh (2005); cf. Id., Custom (2011); Burns, Jews (1996); Documents of the Jewish Pious Foundations from the Cairo Geniza. Ed. and Transl. Moshe Gil. (Pub‑ lications of the Diaspora Research Institute, Tel Aviv University, vol. 12.) Leiden 1976, 1–118; Goitein, Mediterranean Society 2 (1971, repr. 1999), 112–121, 545 f.; 413–510. 168 M. R. Cohen, Poverty and Charity (2005), 190; Holman, Hungry Are Dying (2001), 47; B. E. Klein, Idealisieren, neutralisieren, bekämpfen (2000), 27 f. 169 Cf. now Barzen, Nürnberger Memorbuch (2011). Edition and translation of the list of mar‑ tyrs and of excerpts from the necrologia: Das Martyrologium des Nürnberger Memorbuches. Ed. Siegmund Salfeld. (Quellen zur Geschichte der Juden in Deutschland, vol. 3.) Berlin 1898;
Intercultural Perspectives
German translation of both necrologia: Die is‑ raelitische Bevölkerung der deutschen Städte, vol. 3. Ed. Moritz Stern. Kiel 1894–1896, 100–172; 190–205. 170 Shepkaru, From after Death to Afterlife (1999); Id., Die for God (2002); in addition Id., Death Twice over (2002). – Freehof, Hazkarath Nesham‑ oth (1965); Raphael, Yitzkor (2008, repr. 2013), at n. 4. Cf. Hebräische Berichte über die Judenver‑ folgungen während des Ersten Kreuzzugs. Ed. Eva Haverkamp. (MGH. Hebräische Texte aus dem mittelalterlichen Deutschland, vol. 1.) Hannover 2005, 19 with n. 83; 22 f. 171 Tending toward this assumption is however Freehof, Hazkarath Neshamoth (1965), esp. 179; 181; 189, as well as Raphael, Yitzkor (2008, repr. 2013), at n. 4; more nuanced: Lévi, Commémoration (1894), esp. 46. Cf. also already the introduction in: Martyrologium des Nürnberger Memorbuches. Ed. Salfeld (as n. 169), IX–XI. 172 Goitein, Mediterranean Society, vol. 2 (1971, repr. 1999), esp. 92 f.; 97 f.; 162 f.; 470–510; vol. 3 (1978, repr. 1999), 2–6; The Voice of the Poor in the Middle Ages. An Anthology of Documents from the Cairo Geniza. Ed. Mark R. Cohen. Princeton / Oxford 2005, 164–187; J. Mann, Texts and Studies (1931, repr. 1972), 256–283. 173 Cf. Goitein, Mediterranean Society, vol. 3 (1978, repr. 1999), 2 f. 174 Ibid., vol. 2 (1971, repr. 1999), 112–121; on which ibid., vol. 5 (1988, repr. 1999), 128–187. 175 Documents. Ed. Gil (as n. 167). 176 Cf. Voice of the Poor Ed. M. R. Cohen (as n. 172), passim; cf. M. R. Cohen, Poverty and Char‑ ity (2005). 177 Burns, Jews (1996); Galinsky, Jewish Chari‑ table Bequests (2005); Ders., Commemoration and Heqdesh (2005). 178 Cf. García Sanjuán, God Inherits the Earth (2007); Carballeira Debasa, Legados píos (2002); Ead., Role of Endowments (2005). 179 Galinsky, Commemoration and Heqdesh (2005), esp. 195; 201. 180 Cf. N. N., Memorial prayers (1989, repr. 2002), 517 f.; Freehof, Hazkarath Neshamoth (1965), esp. 179; 181; 188 f. 181 Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 432; cf. Burns, Jews (1996), 29.
Autoren
Prof. Dr. Michael Borgolte (MB), geb. 1948, z. Zt. Senior Researcher und Beauftragter der Humboldt‑ Universität zu Berlin für die Einrichtung eines Instituts für Islamische Theologie; von 1991 bis 2016 Professor für Geschichte des Mittelalters an der Humboldt‑Universität zu Berlin. Ord. Mitglied der Berlin‑Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (seit 2005) und der Academia Europaea (seit 2013). Werke u. a.: ‚Christen, Juden, Muselmanen. Die Erben der Antike und der Aufstieg des Abendlandes, 300 bis 1400 n. Chr.‘ München 2006; ‚Stiftung und Memoria.‘ Berlin 2012; ‚Mittelalter in der größeren Welt. Essays zur Geschichtsschreibung und Beiträge zur Forschung.‘ Berlin 2014. Dr. Zachary Chitwood (ZC), geb. 1983, Studium der Geschichtswissenschaften am Ripon College (Wisconsin); 2012 Promotion an der Princeton University mit einer Dissertation zum Thema ‚Byzantine Legal Culture under the Macedonian Dynasty, 867–1056‘; 2012 bis 2016 Wissen‑ schaftlicher Mitarbeiter bei Foundmed; seit 2016 im Arbeitsbereich Byzantinistik des Histo‑ rischen Seminars der Johannes‑Gutenberg‑Universität Mainz. Dr. des. Susanne Härtel (SH), geb. 1976, Studium der Geschichtswissenschaft, Politikwissenschaft und Philosophie an der Humboldt‑Universität zu Berlin, der Hebräischen Universität in Je‑ rusalem und der Universität Warschau. Nach dem Magisterexamen 2006 zunächst Wissen‑ schaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte I (HU Berlin), seit 2009 am Lehrstuhl für die Geschichte der Religionen und des Religiösen in Europa der Universität Konstanz; Promotion dort 2016 mit der Arbeit ‚Jüdische Friedhöfe im mittelalterlichen Reich (11.–16. Jh.). Zum Umgang mit religiöser Differenz‘; seit 2015 Wissenschaftliche Mitarbeiterin im ERC‑Projekt Foundmed. Prof. Dr. Birgit Klein (BK), 1998 Promotion in Jüdischen Studien an der Gerhard‑Mercator‑Univer‑ sität Duisburg, 2006 Habilitation an der FU Berlin; seit 2006 Professorin für Geschichte des jüdischen Volkes an der HfJS Heidelberg; 2011 Weiner Family Fellowship am Katz Center for Advanced Judaic Studies der University of Pennsylvania, Mitglied des Wissenschaft‑ lichen Beirats des Deutschen Historischen Museums (DHM), Berlin, des ‚Zentralarchivs zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland‘, Heidelberg, sowie der Stiftung ‚Topographie des Terrors‘, Berlin; Publikationen u.a.: ‚Wohltat und Hochverrat: Kurfürst Ernst von Köln, Juda bar Chajjim und die Juden im Alten Reich.‘ Hildesheim / Zürich / New York 2003, Mitherausgeberin der Reihe ‚Forschungen zur Geschichte der Juden‘ und der ‚Enzyklopädie der Neuzeit‘.
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Autoren
Dr. Emese Kozma (EK), geb. 1970, schloss ihr Studium der Germanistik und der Hungarologie an der Babeș‑Bolyai‑Universität Cluj 1993 mit einem M. A. ab; 2002 erwarb sie einen weiteren Ma‑ gistertitel im Fach Judaistik an der Eötvös‑Loránd‑Universität (ELTE) Budapest. PhD‑Studien im selben Fach an der ELTE, an der Freien Universität Berlin (2004–2005), an der Universi‑ tät Tel Aviv (2005) und an der Hebräischen Universität Jerusalem (2005–2010), wo sie auch als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Genizah Bibliography Project tätig war; Promotion 2013 in Judaistik an der ELTE. Von 2013 bis 2015 war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin des ERC‑Projekts Foundmed. Dr. Corrado la Martire (ClM), geb. 1983, Studium der Arabistik und Islamwissenschaft an der Univer‑ sität Neapel ‚L’Orientale‘ und 2014 Promotion mit der Arbeit ‚Il concetto di ‚imamato politico‘: studio analitico di una controversia tra al‑Ghazālī e Ibn al‑Walīd nei secc. V‑VII/XI‑XIII‘ (im Druck: Venedig 2017); Honorary Fellow für Arabistik an der Universität Bari ‚Aldo Moro‘; seit 2015 Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Foundmed. Dr. Tillmann Lohse (TL), geb. 1975, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichtswis‑ senschaften der Humboldt‑Universität zu Berlin (seit 2002). Publikationen u. a.: ‚Die Dauer der Stiftung. Eine diachronisch vergleichende Geschichte des weltlichen Kollegiatstifts St. Simon und Judas in Goslar.‘ Berlin 2011; ‚Europa in der Welt des Mittelalters. Ein Colloquium für und mit Michael Borgolte.‘ Berlin 2014. PD Dr. Annette Schmiedchen (AS), geb. 1966, hat Indologie studiert und wurde 1994 an der Humboldt‑ Universität zu Berlin über ‚Untersuchungen an Dorf‑, Land‑ und Geldschenkungsinschriften zugunsten buddhistischer Klöster in Nordindien vom 5. bis 8. Jahrhundert‘ promoviert. Ihre Habilitation erfolgte 2009 an der Martin‑Luther‑Universität Halle‑Wittenberg mit der Schrift ‚Inschriftenkultur und Regionaltradition im frühmittelalterlichen Maharashtra: Legitimation politischer Herrschaft und offizielles religiöses Patronat unter den königlichen Dynastien der Rāṣṭrakūṭas, Śilāhāras und Yādavas vom 8. bis 13. Jahrhundert‘ (erschienen u. d. T.: ‚Herr‑ schergenealogie und religiöses Patronat‘ 2014 in Gonda Indological Studies, Bd. 17). Ausge‑ zeichnet mit dem Indischen Nationalpreis Padma‑Shri 2015. Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Foundmed seit 2012.
Siglen
Periodica, Lexica und Reihen AA AAS ABORI AI AJSLL AJSR ALQ AO AoF ArOr AS ASIAR BEFEO BEO BMFD BMGS BSI BSOAS BZ CHE CIC CII CSSH DA DM DOP DOS EI2
Asian Art Asian and African Studies Annals of the Bhandarkar Oriental Research Institute Annales Islamologiques American Journal of Semitic Languages and Literatures Association of Jewish Studies Review Arab Law Quarterly Ars Orientalis Altorientalische Forschungen Archiv Orientální Anatolian Studies Archaeological Survey of India. Annual Report Bulletin de l’École Française d’Extrême‑Orient Bulletin d’Études Orientales Byzantine Monastic Foundation Documents. A Complete Translation of the Surviving Founders’ Typika and Testaments, 5 Bde. Ed. John Thomas / Angela Constantinides Hero. (DOS 35.) Washington (DC) 2000. Byzantine and Modern Greek Studies Beiträge des Südasien‑Instituts, Humboldt‑Universität zu Berlin Bulletin of the School of Oriental and African Studies Byzantinische Zeitschrift Cahiers d’Histoire Égyptienne Corpus Iuris Civilis Corpus Inscriptionum Indicarum Comparative Studies in Society and History Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters Damaszener Mitteilungen Dumbarton Oaks Papers Dumbarton Oaks Studies Encyclopaedia of Islam, 2. Auflage, 12 Bde. Leiden 1960–2004.
530 EI3 EJ2 EMA FMSt GWU HI HO
HRG2 HUCA HZ IA ICLQ IESHR IHQ IIJ IJMES ILS IRAIK IS JAIH JAOS JARCE JASGBI JBuRS JEP JESHO JESI JGR JIABS JIPh JIS JNSI JÖB JOIB JRAS JRCAS JSAI JSEAS JSS JTS LMA LSR LThK3
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Siglen
MGH
MIÖG MSR OA ODB PG PL PUSHD REA REB RGG4 SA SAS SI SII SILS StG StII TM TRE VCSS VJTL VMPIG VSWG ZDMG ZfG ZGO ZHF ZRG
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532
Siglen
Kanonische Texte Bücher der Bibel werden nach der TRE abgekürzt. Q
Qurʾān, Koran; deutsch zitiert nach: Der Koran. Übers. Hartmut Bobzin / Katharina Bobzin. München 2010, ND 2012.
bT / jT
babylonischer Talmud / Jerusalemer Talmud Bekh Talmud‑Traktat ‚Bekhorot‘ Ber Talmud‑Traktat ,Berakhot‘ Ket Talmud‑Traktat ,Ketubbot‘ Ned Talmud‑Traktat ,Nedarim‘ Sheq Talmud‑Traktat ‚Sheqalim‘ Yom Talmud‑Traktat ‚Yoma‘ Mischna
m
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Register zum Gesamtwerk
Orts- und Personenregister Aachen I 455–457, 460, 470262, 240; II 360, 370 Aare II 296 Aargau II 372 f. R. Aaron II 140 Aaron ha‑Levi III 65 Aaron b. Yaḥyah II 402 Aaron von Lincoln III 7623 ʿAbbādān III 46 Abbasiden I 251, 282–284; III 52, 53, 54, 135, 137, 138 Abbott, Nadia III 1441 ʿAbd Allāh I 37858 ʿAbd Allāh ibn al‑Mubārak I 197, 283; II 125 ʿAbd al‑Ġanī ibn al‑Ǧīʿān III 143 ʿAbd al‑Malik I 487 ʿAbd al‑Qādir an‑Nuʿaimī III 46 ʿAbd ar‑Raḥmān III. (Córdoba) I 475, 478, 491; III 66 ʿAbd ar‑Raḥmān ibn ʿAlī ad‑Dahwār II 466 ʿAbd ar‑Raḥmān Katḫudā III 14523 ʿAbd ar‑Raḥmān ibn ʿUmar Ǧalāl ad‑Dīn III 297 ʿAbd ar‑Raḥmān ibn ʿUṯmān II 117 ʿAbd ar‑Razzāq as‑Sanhūrī I 109 Ibn ʿAbdūn I 359 Abhīriden II 343 Ibn Abī ʿĀmir I 491 Ibn Abī Usaibī ʿa I 373 Abraham (AT) II 28, 130, 384 f. Abraham ibn Daud I 205; III 7623 Abraham ibn Ezra II 241108 Abraham ibn al Faḫar III 66 Abraham bar Ḥiyya ha‑Nasi I 203; II 129 Abraham b. Maimon I 387; II 3225
Abraham b. Meir II 232 R. Abraham b. Moses II 137 Abū al‑ʿAbbās Ibn Šaiḫ al‑Waṭṭāsī II 220 R. Abraham b. Shem Tov Bibago II 235 R. Abraham b. Shoshan III 69 Abū ʿAbd Allāh al‑Ḥākim III 366 Abū Aiyūb al‑Anṣārī II 387 Abū ʿAlī at‑Tanūḫī III 137 Abū Bakr ibn ʿAmr ibn aš‑Šaibānī al‑Ḫaṣṣāf III 51 Abū Bakr ibn Fityān al‑ʿAraudakī II 118 Abū Bakr al‑Maḏarāʾī II 303 Abū Bakr Muḥammad aṭ‑Ṭurṭūšī II 467 Abū Burda III 298 Abū al‑Ǧaud Manǧak II 220 Abū Ḥanīfa I 44; III 55, 295 Abū al‑Hasan ʿAlī ibn Yūsuf aš‑Šaibānī I 19824, 374 Abū Huraira II 110 Abū Isḥaq ibn Barhūn ibn Mūsā II 56 Abū Madyan II 467, 472 Abū Muḥammad al‑Yazūrī II 209 Abū ar‑Rabīʿ Sulaimān al‑Wanšarīsī II 468 Abū Saad, Mohammad Sheta I 109 Abū Ṣādiq II 463 Abū as‑Suʿūd III 372, 404 Abū Taqīya III 30660 Abū ʿUmar Muḥammad ibn Aḥmad I 493 Abū Yūsuf al‑Kindī II 44; III 217 Abū Yūsuf Yaʿqūb ibn Ibrāhīm ibn Ḥabīb al‑ Kūfī II 307; III 294 f. Achaimeniden III 477 Açık Saray I 5282
606
Register zum Gesamtwerk
Adalhard II. von St. Trond (Lobbes) II 284, 607 ʿAin Karīm II 467 Adam (AT) II 19, 587 Ainos III 251 Adam Kraft I 457 Aischylos II 243 Adelaide del Vasto II 154 Aistakes von Lastivert II 154 Adelheid von Burgund I 450; III 124 Ajanta I 243, 533–535, 538, 543 f., 55021 f., 24; III 181 Aden III 301 Ajita III 190 al‑ʿĀdil II 467 Ājīvikas I 314 Ādinātha I 237, 544 R. Akiva (Talmud) I 202 Adolf IV. (Schauenburg) II 374 Akkade III 44511, 52011 ʿAḍud ad‑Daula I 19925; II 213 Akkon I 492 f.; II 129, 230; III 209 Aelia Eudocia (Gattin Theodosiusʼ II.) III 167 ʿAlāʾ ad‑Dīn al‑Muġlaṭāy I 490; III 226 Aelia Eudoxia (Gattin Arkadiosʼ) III 167 Alam, Muzaffar I 33076 Al‑Afḍal ibn Badr al‑Ǧāmālī III 54 f. ʿAlamiden III 296, 297, 30425 ʿAffān ibn Sulaimān al‑Ḫaiyāt II 113 Albeck, Shalom I 122 Afghanistan I 547 Albert van den Ware II 96 Afrika / afrikanisch I 37; II 487; III 69 Albrecht I. (HRR) I 450; II 296, 372 f.; III 201 Nordafrika I 37, 41, 46 f., 49, 51, 53, 105, 203, Albrecht II. (Österreich) I 27 296, 372, 435, 496; II 231, 321; III 54, 228 Albrecht VI. (Österreich) II 198, 281 f., 369, 605 Ostafrika I 151 Albrecht Kardinal von Brandenburg II 102; III 21483 Ägäis II 327 Albrecht Dürer II 610 Agapetos II 244 Alchon‑Hunnen siehe Hunnen Alemannien I 258 Agnese Nascimbene I 440 Agnes von Ungarn II 296, 372 Aleppo I 116, 365, 367, 373, 487, 489–492, 49544; Aguilar de Campo II 235 II 118, 317, 383–385, 390 f., 394, 472, 550; III 53, Ägypten / Ägypter I 21, 5524, 62, 65, 6836, 86, 103, 65, 219, 221 f., 225–228 108, 109, 111, 113, 119, 122, 124, 133, 136, 188 f., Alexander III. der Große (Makedonien) II 517, 619 193, 196, 202, 204, 208, 21017, 21135, 216 f., 249, Alexander I. (Kakheti) II 417 251, 264, 266, 277 f., 280, 285–287, 300, 304, Alexander von Pynda II 409 306, 367, 371 f., 379 f., 383, 388, 392, 399 f., Alexandria I 205, 208, 21017, 306, 376, 399, 404, 404, 406, 408, 41025, 34, 432, 472, 477, 479, 493, 493, 510; II 63, 224, 243, 306, 313, 317, 319, 467; 497, 503, 505 f., 559, 564, 568 f., 573; II 16, 44, III 46, 160, 168, 171, 225, 24325, 405 6030, 123, 129, 133, 149, 16585, 185, 208, 211–214, Alexios I. Komnenos (Byzanz) I 214, 22740, 300, 308, 407, 523; II 150 f., 245, 249, 328, 488 f., 218, 225, 229, 231, 243, 303 f., 306 f., 310, 31133, 562–564; III 170, 253, 327, 474 312 f., 315, 317, 321, 331, 3341, 358, 383, 388, 390, 409, 411, 462, 469, 488, 517, 534–536, Alexios III. Angelos (Byzanz) III 81, 254 539 f., 543, 550, 556–558, 561, 584, 599, 614, Alexios Komnenos Porphyrogennetos (Byzanz) 619; III 44, 49, 56, 74, 83 f., 86, 90, 92, 140 f., II 151, 413; III 250, 401 150, 160, 222, 238–240, 297 f., 30541, 310–312, Alexios III. Komnenos (Trapezunt) II 414 f., 488, 563; III 91 316, 325, 347, 367, 369, 373, 384, 428–431, 442, Alexios IV. Komnenos (Trapezunt) III 81, 252 457, 502, 504–508, 518 Aḥmad ibn ʿAlī al‑Qalqašandī I 186, 360 f., 371, 37744 Alfons IV. (Aragón) II 480; III 313 Alfons V. (Aragón) I 51; II 484, 548 Aḥmad ibn Hišām I 369 Aḥmad ibn Ṭūlūn II 213; III 56 Alfons VIII. (Kastilien) II 198; III 66 Aḥmad ibn Yaḥyā al‑Wanšarīsī I 282, 287, 359; Alfons X. (Kastilien) II 397 Alfons XI. (Kastilien) I 443 II 120, 122, 305 Ahmed, Leila III 135, 1441 Alfred der Große (England) II 374; III 21 Algerien I 104; II 134 Ahmedabad I 541, 548 Aiga von Turenne III 129 Algier I 104; II 32222; III 233 Aihole I 418, 540 Alhamzah, Khaled A. II 537
Orts- und Personenregister
ʿAlī ibn Abī Ṭālib (Kalif) II 122; III 373 Al‑Ibrashy, May I 111 Alice de la Pole II 522; III 202 ʿAlī ibn Ḫalaf al‑Kātib I 360 Allahabad I 233, 316 Allaśakti (Sendraka) II 175 Allison, Robert II 416 f. Almohaden I 196, 287, 295; II 213 Almoraviden II 540 Alp Arslān III 49 Alpen III 33 Alpger (alleman. Graf) I 446, 467115 al‑Ašraf Barsbāy siehe Barsbāy Altekar, Anant Sadashiv I 146, 148, 154, 16120 Altenburg II 372, 456 Alt‑Kairo siehe Fustat Alt‑Malayalam III 484 Alypios I 407 Alyre (S. Croce, Florenz) I 442 Amāǧūr (syr. Gouverneur) I 11722, 190, 485 Amalasuntha I 445 Amalfi III 473 Amaravati I 315 f., 19351 Amasya I 285, 407; III 301 Ambajogai I 423; III 185 Ambapālī III 180 Ambrogio Griffe III 34 Ambrosius von Mailand I 20, 558 Amenemope III 44530, 52130 Amicia de Montfort III 127 Amiens II 102; III 210 Amīn I 367 Amīn ad‑Daula Sulaimān III 68, 69 Amir al‑Ḥāǧǧ Sunbul III 51, 139 Ammonios von Ägypten III 86 Amoghavarṣa I. (Rāṣṭrakūṭa) II 433; III 108 f. Amṛtaprabhā II 433 al‑Amshati I 505 Ānanda III 190 Ānandapura I 24899 Anaplous I 22981 Ānartapura I 24899 Anastasios I. (Byzanz) II 245 Anastasios Sinaites I 306; II 63, 709 Anastas Vardapet III 90 Anāthapiṇḍika I 32824; III 180 Anatolien I 111, 285, 407; II 189, 388, 602; III 48, 51, 219, 222, 301 R. Anatoli von Lunel III 69, 31923
607 al‑Andalus I 37, 41, 46, 105, 190, 287, 291 f., 295, 359, 360, 367, 372, 374, 491; II 122, 218, 221, 381, 467, 473, 540; III 18, 66, 452, 492; siehe auch Spanien Andernach II 295 Anderson, James N. D. I 110 Andhra‑Gebiet I 317; III 188 Andhra Pradesh I 319, 326, 32819; II 263, 43765; III 102, 181, 184, 264 Andrea Ghilini III 34 Andrea di Guglielmo de’ Pazzi I 442 Andreas (Kloster Monteverdi) I 27223 Andreas Bodenstein von Karlstadt III 351 Andronikos II. Palaiologos (Byzanz) I 523 f.; II 417; III 170 Angelsachsen III 33 Angeloi III 253 Angers II 451; III 210 Ani III 92, 251, 254 f. Anicia Juliana III 168 Anjou I 442 Anna Dalassene III 253 Annaiya II 426, 432 f., 43774 Ansegis (Fontenelle) I 336 Antichak I 537; II 435 Antiochia (Orontes) I 64, 225, 300, 306, 309; II 154; III 80, 396, 405, 474 Antiochia (Kilikien) II 149 Antiochus IV. (Seleukiden) II 17, 585 Antonio‑Arsenios Pagasis II 410 Antonio Pollaiuolo II 370 Antonius Abbas I 452 Anurādhapura I 538; II 265, 571; III 267 Anūšīrwān III 373 Apa Abraham (Hermonthis) I 300, 41025; II 411; III 325 Aparāditya I. (Nord‑Konkan) II 426 f. Aparājita III 101 Aparankʼ III 475 Aparārka I 77 Apasios Pakourianos II 151 f., 412, 414; III 248, 251 Āpastamba III 179 Apennin III 33 Apionen II 556 f., 56412; III 83, 92 Appadurai, Arjun I 156 Apulien I 460 Aquitanien I 383 Arabien / Araber I 278–281; II 18, 333, 586; III 45, 592, 112, 134, 1441, 293, 440, 455, 457–460, 483, 516
608 Aragón I 126, 207, 295, 385 f.; II 57, 315, 317, 320, 395; III 313, 380 Ārāmika II 348 Ardašīr (Sasaniden) III 438, 514 Ardennen II 439, 615 Areia II 153 Arévalo II 57 Arhant siehe Jina Aristakes von Lastivert III 474 Aristoteles II 235, 440, 616 Arjomand, Said I 110, 115, 277 Arjunadeva (Kathiawar) III 482 f. Armenien / Armenier I 305; II 70, 253; III 90, 92, 251, 254 f., 472, 475 Arrian II 517, 619 Arsakios (Galatien) I 59; II 19121 Arsenios II 416 f. Arsūf I 481 Artus II 374 Arunachal Pradesh I 530 Āryas III 431, 433, 507–509 Ibn ʿAsākir I 372; II 390 Asanbuġa (Ägypten) II 215 Aśaṇkitarāja II 431 al‑Ašʿarī I 286 f. Aschkelon I 481; II 55, 6030, 138 f., 224, 229, 24084, 317 Aschkenas I 47, 51 f., 5523, 56351, 120, 126–128, 204, 206, 207 f., 295, 379, 381, 383 f., 386 f., 389, 392, 496–498, 50859, 51088, 558; II 51 f., 54 f., 57, 5916, 89, 128 f., 131 f., 135–142, 228, 230, 232 f., 236, 314, 316, 318–321, 397–399, 401, 403–405, 477, 479–482, 483 f., 542, 545–547, 550 f., 597; III 64, 66–68, 70–74, 7513, 147 f., 151 f., 155, 157, 160, 235, 238, 24214, 307, 309 f., 314–316, 3188, 31922, 378, 380–385, 387, 443, 466 f., 518 f. R. Asher b. Jeḥiel (Rosh) I 51, 384, 388 f., 50611; II 51, 133, 138, 226 f., 232, 235, 23730, 314, 318, 396, 545, 55210 f., 21; III 69, 154, 384 Asien I 124; III 431, 507 Ostasien II 2410, 59110, 681, 684, 691 f., 694, 724, 732; III 433, 437, 509, 513 Südasien I 155 f.; II 2410, 420, 505, 577, 59110; III 345, 433, 437, 501, 507, 509, 513 Südostasien I 156, 164112; II 80, 274, 577; III 198, 433, 477, 484–486, 498, 509 Zentralasien I 37, 106, 547; II 307, 468, 535, 691 f., 711; III 110, 227, 431, 484, 507 Askas‑Phterikoudi I 52942
Register zum Gesamtwerk
Aśoka (Maurya) I 19, 71, 314 f., 317, 3273, 32812, 21, 554125, 557; II 259, 262, 685; III 258, 477 al‑ʿAsqalānī II 220 al‑Ašraf Barsbāy (Mamlūken) III 53, 368 al‑Ašraf Ḫalīl (Mamlūken) III 223 al‑Ašraf Ināl (Mamlūken) II 383, 389; III 218 al‑Ašraf Musa (Ayyubiden) I 490 al‑Ašraf Šaʿbān (Mamlūken) III 139 Assaf, David II 230 Assis, Yom Tov I 125 f., 131109, 207, 502; III 384 Assmann, Jan I 264; III 429, 430, 439, 506, 515 Astruc Azarel II 396 al‑Asyūtī I 360; II 220 Athanasios von Athos I 214, 222, 301, 308, 404, 41036; II 153, 246, 409, 488, 559, 563; III 399, 401 Athanasios von Meteora I 403; II 251 Athen I 224, 31237, 405 Äthiopien II 18, 586 Athos I 6952, 133 f., 137, 14214 f., 14321, 215, 223, 225, 22715, 301, 308–311, 31363, 69, 397, 402–404, 406, 408, 41036, 512, 5285; II 69 f., 148, 153, 250, 282, 326, 330, 332–334, 33411, 408–410, 414–416, 492–494, 560 f., 563 f., 606; III 80–84, 89–91, 119 f., 168–170, 172, 198, 247, 251 f., 254, 323, 326–331, 400 f., 403–405, 473, 496, 498 Attalos II. Philadelphos (Pergamon) II 236, 5916 Ibn al‑ ͑Aṭṭār I 360 Augsburg I 175; II 98, 200, 229, 364; III 203, 282 Augustinus von Hippo II 17, 28 f., 584 f. Autun II 1043 Auvergne III 33 Averroes II 235 f. R. Avigdor bar Eliyyahu ha‑Kohen II 132 Avignon I 90, 267; II 31, 297 Awerbuch, Marianne I 119 Ibn ʿAukal II 133; III 70 Ayyūbiden I 44, 277, 285, 290, 490; II 46, 53 f., 123, 216, 219, 234, 307, 384 f., 389, 467, 535, 537; III 47, 6381, 302, 369, 457 Azdūd I 481 Azela III 3727 al‑ʿAzīz Muḥammad (Ayyubiden) II 385 Baas, Karl I 126 Babenberger I 455 Babylon III 239, 24439 Babylonien I 297, 379; II 15, 20, 48 f., 55, 6031, 133, 231, 312, 321, 395, 403, 40510, 549, 588; III 64, 70, 73, 149, 239 f., 315, 440, 516 Bachja b. Josef ibn Paquda III 382
Orts- und Personenregister
Bačkovo II 67, 70, 151, 249, 329, 412, 556; III 83 Badami I 540 Baden‑Württemberg I 10160 Bader, Karl Siegfried I 257 Baer, Fritz II 54, 315 Baer, Gabriel I 106 f., 115, 131104 Baer, Yitzhak I 21013; II 228 Bagdad I 115, 124, 187, 189, 196, 19825, 19946, 284, 29322, 372, 477, 486; II 125, 212 f., 218, 220, 234, 313, 403; III 18, 49, 53, 7623, 135, 137, 140, 221 f., 301, 457, 460, 492 Bagratiden III 254 Bagaran III 254 Bahrain III 54 Don Baḥya al‑Konstantini II 402 Baibars I. siehe aẓ‑Ẓāhir Baibars I. Baibars al‑Ǧašankīr II 212, 469 Bait Ūnya I 37724 Bakker, Hans I 156 Bālāditya I 536, 551 46, 48 f. Bālaputradeva (Suvarṇadvīpa) I 536 al‑Balawī III 56 Balch III 221 Balduin von Luxemburg I 444 Bali III 485 Balkan I 132, 250, 310 f., 405, 568; II 67, 79; III 371, 452 Ballāla I 43060 Ballālasena III 409 Bamberg I 437, 448, 460, 46531, 471253; II 281, 360– 362, 3759, 527, 605, 612 Bandaranayake, Senake I 538 Bangladesch I 157, 233, 32949, 534, 537; II 273, 434, 513; III 413 Banū an‑Naǧǧār III 37511 Banū aṣ‑Ṣūfī III 296 Barābār I 314, 3287 Baraka Ḫātūn III 139 Barbara von Nikomedien I 219 Barcelona I 50, 295, 386, 389, 498, 502, 50975, 86; II 134, 232, 315, 320, 404, 457, 548; III 25, 66, 69, 321 46 Bardas Phokas I 219 f., 522 Bardas Mamikonian I 22854 Barnes, John R. I 108 Baron, Salo W. I 124 Barsbāy siehe al‑Ašraf Barsbāy Bartusis, Mark III 329 f. R. Baruch b. Isaak II 137
609 Barzen, Rainer I 127; II 14312 Basel I 439, 471256; II 281 f., 605; III 27, 3724, 123 Basham, Arthur Llewellyn I 150, 16228 Basileios I. (Byzanz) II 245, 33411; III 89 Basileios II. (Byzanz) I 399; II 283, 561, 606; III 84, 396, 400, 474 f. Basileios der Große (Kaisareia) I 59, 216, 22725, 37, 302–306, 31224, 522; II 66, 158, 16213, 242, 248, 409, 555, 585; III 249, 324 Basileios Kinnamos I 514 Basileios Lekapenos ‚Nothos‘ III 166 Basileios Limpos II 488 Bathystrokos (Karabaş Kilise) I 515 Battle Abbey (Sussex) III 21115 Ibn Baṭṭūṭa I 188, 19937, 374; II 118; III 299, 301 Baud II 576 Baumgarten, Elisheva III 158, 24431 Baun, Jane II 63 Baxandall, Michael I 474 Bayern I 338, 458; II 356, 46282, 612; III 35, 206 Baza II 221 Beatrix von Burgund I 457 Beaulieu III 129 Beaune I 443 Beck, Hans‑Georg I 132, 397 Becker, Carl III 458 Beda Venerabilis I 27, 3322 Begim, Afaq I 113 Behera, Karuna Sagar I 55382 Behisitun siehe Behistan Behistan I 314 Behrens‑Abouseif, Doris I 109 Beijing II 697, 735 Beinhauer‑Köhler, Bärbel III 24434 Bejaja II 314, 32222 Beltramo, Silvia I 440 Benares I 233, 316; II 279100, 339, 507 Benedikt XV. (Papst) I 137 Benedikt XIII. (Gegenpapst) I 386 Benedikt von Nursia I 217, 455, 502; II 607 Benedikt (Kloster Monteverdi) I 255 Beneshevich, Vladimir Nikolaevich I 133 Bengalen I 77, 152 f., 155, 16485, 241, 24898, 319, 324, 326, 42943; II 76, 177, 340, 423, 434, 574; III 107, 270, 272, 417, 419 Bengescu, Grégoire III 405 Benjamin von Tudela I 124; II 226, 232, 235; III 466 Benno II. (Osnabrück) II 283 f., 607 Ben‑Sasson, Haim Hillel I 2983, 50981
610 Ben‑Sasson, Menachem III 237 Bentley, Jerry H. I 295 Bera III 248 f., 251 Bergen (Norwegen) I 30 Bergen (Rügen) II 364 Berkey, Jonathan Porter I 115; II 218 Berlin I 107, 120, 151, 155, 458 Bern II 373 Bernardo Gui III 351 Bernkastel‑Kues II 294 Bernulf (Utrecht) III 208 Bernward (Hildesheim) I 437, 46522, 469212; II 285, 609; III 21111 Berthold I. (Andechs) II 357 f., 613 Berthold II. (Straßburg) I 50848 Berthold von Regensburg III 21 Bertrada die Ältere II 371 Bertrada die Jüngere II 371 Bertram (Le Mans) I 267; II 94, 286, 361, 365 f., 448, 609 Besalú II 397 Beth, Karl I 136 Bethel I 502, 50869 Bethlehem II 390; III 167 f. Beuckers, Klaus Gereon I 451, 46522 Bezalel Ashkenazi I 39315 Béziers I 501 Bezobrazov, P. I 133 Bhadraṇāga II 77, 424; III 183, 262 Bhadrapalī II 262 Bhaiṣajyasena I 554137 Bhandarkar, Devadatta Ramakrishna I 146 Bhandarkar, Ramakrishna Gopal I 146 Bhañja I 233 Bharhut (Madhya Pradesh) I 315, 32816; III 180, 181 Bhāskara I 234; II 272 Bhattacharya, Swapna I 77, 152 Bhaumakara I 233; II 76, 18386, 347, 422, 576, 58142; III 185, 186 Bhillama V. (Yādava) II 432 Bhirugavaka II 572 f. Bhita I 542 Bhoja (Paramāra) III 408 Bhoja II 431 Bhojadeva (Śilāhāra) II 79 Bhutan I 530 Bhuvaneshwar I 540, 545 Biale, David I 294 Bianca von Valois I 438
Register zum Gesamtwerk
Biberach II 523 Bibi Fāṭima Ḫatūn I 187 Bīcaṇa (Karnataka) II 169 Bifeng (Guanyin Si) II 733–736 Bihar I 158, 16485, 241 f., 314, 324 f., 421, 426, 43072, 534–537, 546, 55132; II 76, 264, 273 f., 282, 340, 423 f., 434 f., 606; III 108, 111 f., 262, 268, 271, 340, 423, 477 Bīlbak al‑Ḫāzindār II 389 Bilhaṇa I 426 al‑Bīrūnī II 72 Bithynien I 215, 225, 307; III 168 Blake, Stephen I 116 Blanka von Anjou‑Neapel I 442 Blasco Martínez, Asunción III 313 Blau, Joshua I 125 Bloch, Marc I 151 Bloxam, Mary Jennifer I 97 Böcher, Otto I 499 Bodhivarman I 55397 Bodhi‑Baum (Buddhagayā) III 419 Böhmen I 295; II 57, 360, 397; III 69, 314 Bologna I 219, 335 f.; II 197, 201, 25687, 374; III 34, 126, 2905 Bombay I 146 Bonanat Salamo II 320 Bonifacius Ammanati ‚de Vitalinis‘ I 34925 Bonifatius II 283 Bonine, Michael E. I 114 Bonner, Michael I 112 Boqvist, Marianne III 218 Borgolte, Michael I 91, 107, 142, 22843, 455; II 681 Borja (Aragón) III 24324 Borrut, Antoine I 112 Bosporus I 63, 224 f.; II 386, 413; III 252, 401 Bosra II 390 Bosworth, Clifford Edmund I 112 Boularioi III 87 Bourg‑en‑Bresse I 340 Braga I 10033; II 31, 94 Brancacci I 452 Brandenburg II 360 Branfoot, Crispin I 160 Braudel, Fernand I 346 Braun, Joseph I 458 Braunschweig I 18050, 344 f.; II 10863, 446, 46163; III 40101 Bremen I 172; II 96; III 26, 27, 124 Brescia I 342
Orts- und Personenregister
Breslau I 35386 Breßlau, Harry II 141, 14774 Brick, David James II 420, 498, 504; III 176 Bringmann, Klaus II 440, 4428, 616, 6188 Brisch, Carl I 56 Brou siehe Bourg‑en‑Bresse Brown, Peter I 303, 305; III 402 Bruck, Eberhard F. I 261 f., 265, 268, 31224; II 2412, 22 , 59112, 592; III 324 Brügge I 97, 17944; II 98 Brun (Köln) I 437 Brunner, Heinrich I 269 Bruno (Augsburg) II 361 Bruno (Hildesheim) I 175 f., 18191 Bruno (Würzburg) III 3724 Brutus (myth. König) II 374 Bryer, Anthony I 512; II 2531; III 398 Buchara I 49430 Buddha I 71, 8130, 8260, 236–238, 24562, 64, 24789, 316 f., 32824, 415 f., 418, 426 f., 432, 532 f., 536, 542–544, 546–548, 551 44, 553103, 106, 554137, 573; II 16, 22 f., 26, 7117, 76, 80, 87, 166, 172–175, 179, 18134 f., 185, 188, 265, 343–345, 348, 351, 434, 502, 510 f., 51422, 575 f., 584, 589 f., 59477, 595, 598, 601, 691–694, 698, 701, 708, 712, 736–738; III 117, 180, 261, 269, 271, 411, 419, 432–434, 494, 508–510 Buddhagayā I 242, 426; II 18135, 18250, 348; III 111, 268, 271 f. Buddhagupta‑rāja (Gupta) I 536; II 434 Buḫara III 298 al‑Buḫārī II 220 Bühler, Georg I 146 Buitrago II 228 Bukowina I 135 Būlāq (Kairo) I 490; III 224, 226, 23044 Bulgarien / Bulgaren I 309; II 67, 151, 159, 249, 329, 333, 408, 412, 556; III 81, 91, 247 f., 251 Bulqīna (Ġarbīya) III 297 Bulqīnī III 297 Büraburg III 17, 491 Burchard (Worms) I 336 Burgmann, Ludwig III 1738 Burgos I 451 Burgund I 10161, 449–451, 46686; II 1043, 284, 527, 607 f. Burhān ad‑Dīn Ibrāhīm an‑Nāṣirī II 473 Burhān ad‑Dīn aṭ‑Ṭarābulusī I 282, 358; III 51, 294 f.
611 Burhān‑Familie III 298 Burkhard von Nellenburg I 448 Burns, Robert Ignatius I 385, 39454 Bursa I 309; II 386 Bu‑ston II 434 Būyiden I 284, 289; II 123, 213; III 47 Caen III 210 Caesarea I 59, 216, 302–306; III 249 Cahen, Claude I 108, 277, 280; II 53; III 457 Cai Fatao II 726 Cakrāyuha II 269 Calatayud II 140, 320, 402 Calixt III. (Papst) II 1042, 282, 605 Calopodius III 168 Cālukya I 149, 540; II 270; III 271 Cambay (Gujarat) II 170; III 264 Cambridge I 19949; II 198, 374; III 127 Cambridgeshire I 35266 Candella II 167 Candia I 498; III 308 Candra I 233; II 273, 425 Candradeva (Gāhaḍavāla) I 233; II 339; III 414 Candraprabha I 237 Candrāvatī III 414 Caṅgadeva II 272 Cantaber II 374 Čaqmaq (Yazd) II 308 Carcassonne II 319 Carmoly, Eliakim I 50723 Castaño, Javier II 138, 140, 228 Caulukya I 149; III 420 Cera III 484 Cesarius von Milendonk II 53031 Ceylon siehe Sri Lanka Chabbi, Jacqueline I 112 Chaldia I 408 Chalkedon I 61, 225, 300, 306, 400; II 561 f. Chalkidiki II 326; III 81 Chamberlain, Michael I 115, 355; II 218 Champaner I 541 Champmol I 439, 444, 449, 451 Chandravati (Uttar Pradesh) III 414 Chang’an II 705, 710, 712, 714, 717, 724 Chang Jiujing II 733 Changshu II 731 Charanis, Peter I 85, 137–140, 142, 14462, 72, 308, 563; II 325; III 328, 398, 402 Chariton von Imbros I 215, 309; II 70, 158, 334, 408, 488; III 91
612 Charroux I 337 Chartres II 102 Cassian (Johannes Cassianus) III 86 Chattisgarh I 534, 537 Chattopadhyaya, Brajadulal I 151 Chengdu II 728, 732–734 Chen Wenze II 731 Cherson II 333 Chichester II 449 Chidambaram II 275 Chiffoleau, Jacques I 90, 267; II 2425, 31, 59225 Childebert I. (Merowinger) I 335, 448, 467 125; III 3614, Chilperich II. (Merowiger) II 295 China I 7913, 55030; II 8460, 215, 259, 347, 571, 681–708, 709–712, 715–725, 727–729, 732, 734, 736–739; III 112, 268, 272, 27684, 428, 431, 434, 436 f., 442, 481, 484, 507, 511–513, 518 Nordchina II 685, 691, 693, 699, 725 Ostchina II 684 Westchina II 685, 689, 704 Chinchani II 271 f., 426, 432, 573; III 263, 417 Chios II 333; III 328 Chittarāja I 77 Chlothar II. (Merowinger) II 286, 361, 609 Choniates, Niketas I 224 Chorasan I 189, 283 f., 374 Chorin I 458 Chosrau I. Anushirvan (Sasaniden) I 407 Christodoulos (Johannes‑Kloster, Patmos) II 488 f., 49614; III 327 Christoph Cellarius I 252 Christoph von Rheineck II 286, 609 Christophoros (Longobardia) III 83 Churrätien I 258 Cīkārya III 100 Cikkadeva III 101 Civizade III 367 Çizakças, Murat I 277 Clara Heilmennin I 175 Clavel, Eugène I 104, 108 Clemens V. (Papst) I 336 Clemens (päpstlicher Legat) II 66 Clemens von Alexandrien II 2422, 63, 243, 59222 Clermont‑Ferrand I 440 Cluny II 283; III 125, 353 f. Coenred (Mercia) I 464 Cohen, Jonathan II 483; III 380 Cohen, Josef II 232
Register zum Gesamtwerk
Cohen, Mark R. I 49, 111, 13070, 131109, 204, 384, 39452; II 1437, 225, 477; III 70, 156, 380 Coḷa I 421 f.; II 263, 282, 339, 507, 606; III 111, 183, 271, 417, 419 Colmar III 363, 21348 Coman, Constantin II 148 Compiègne II 370 Condé‑sur‑l´Escaut I 96 Conermann, Stephan I 112 Conradus Wellin I 471269 Constantelos, Demetrios I 137, 31221; II 25410 Constantinides Hero, Angela I 141, 300 Constantius II. (Oströmisches Reich) I 218 Cook, George Henry I 441 Cook, Michael III 459 Corbeil II 57, 131, 136, 141 Córdoba I 19926, 369, 37849, 491, 501, 504; II 56, 133, 214, 217, 224, 403 f.; III 233, 24330 Cosimo deʼ Medici I 453 Cotlarciuc, Nico I 135 Cozide an der Wipper III 205 Crone, Patricia III 458, 459 Cui Xiaotong II 732, 734 Cummings, Julie II 452 Cutler, Anthony II 333 Cuza, Alexandru Ioan III 405 Cyprian II 2422, 59222 Dadda II. (Gurjara) III 413 Dagobert I. (Merowinger) III 17, 491 ad‑Daḫawār II 219 Ḍaifa Ḫātūn II 384 f.; III 53 Damaskus I 49, 114 f., 188, 191, 19937, 286, 307, 367, 372 f., 480, 487 f., 490–493, 49544; II 113, 120, 211–213, 218–220, 234, 308, 317, 383, 385f., 388, 464, 466–468, 470, 472, 534; III 46, 47, 50, 54, 65, 69, 138, 217–220, 222, 224, 226 f., 296–298, 301 f., 367, 374 Damen, Mario I 454 Dammūh II 315; III 237 Daṇḍimahādevī, Bhaumakara‑Königin III 186 Daniel (AT) II 20, 587 Daniel b. Azaryah II 230 Daniel al‑Qumīsī III 378 f. Dante Alighieri I 452 Dantidurga II 433 Dār al‑Ḥadīth al‑Kāmilīya (Damaskus) III 47 Daroca II 228 Dar an‑Nāqa (Fustat) III 65 Darb al‑Aḥmar (Kairo) III 225
Orts- und Personenregister
Darbhavatī (Dabhoi) III 267 Dār as‑Sunna (Nischapur) III 366 Dār Tuǧīb II 400 Daśaratha I 315 Daśāvatī Padmaladevī I 235; II 166, 427 Daṯīna I 279 Datta, Swati I 155 David IV. (Georgien) II 253; III 80, 254 R. David Abudarham I 50859 David Ben Isaak ha‑Levi I 205 DDR I 151; III 78 Dekkan I 243, 315–317, 533–535, 538, 540, 543; III 268, 343, 478 Delhi I 152, 250, 320, 326, 541, 568; II 260 Delphi II 236, 5916 de Meester, Placidus I 137 Demetrios Chomatenos I 408 Deng Yuzhi II 726 St. Denis III 3722 Dequilhem, Randi I 107 Derrett, John Duncan Martin I 149 Deutschland I 46, 50–53, 93 f., 118, 120, 126–128, 13089, 131103, 219, 252, 271, 343, 35029, 379, 381 f., 388 f., 454; II 51, 57, 312, 519, 527, 542; III 31, 34, 67, 70 Devadatta III 411 Devala II 4351, 5138 Devapāla (Pāla) I 241, 536; II 76 f., 340, 424, 434 f.; III 271 Devaśirikā I 548 Devavarman (Candella) II 167 Deveśa Yogeśvara II 432; III 99 Dhaky, Madhusudan A. I 159 Dhank I 541 Dhārā III 409 Dharasena II. (Maitraka) I 8132 Dharasena IV. (Maitraka) II 424 Dhārāśiva II 501 Dharmamahādevī (Bhaumara) III 186 Dharmapāla (Pāla) II 76 f., 423 f., 434; III 183, 262 Dharmasāyaka Dhoyipaiyanāyaka II 432 Dheli I 554131 Dhruvarāja I. (Rāṣṭrakūṭa) II 262, 429, 507 Dhruvarāja II. (Rāṣṭrakūṭa) II 262, 429 Dhruvasena I. (Maitraka) III 182 Dießen am Ammersee II 356 f., 46282 Dietmot (Kloster Wendhausen) II 445 Dietrich II. (Holland) I 461 Dietrich II. (Meißen) I 449 f.
613 Dilwara I 539 Dīnār al‑Muršidī III 14635 Dionysios von Olympos II 417 Diskalkar, D. B. I 154 Dmitrievskiĭ, Alekseĭ I 133 Dölger, Franz I 134 Donaldson, Thomas E. I 159 Donau II 522 Dopsch, Alfons I 257 Dordrecht I 17926 Dortmund II 360 Doumani, Beshara I 116 Draviḍasaṃgha I 237 Dschingis Khan I 284 Dubnow, Simon I 124 Duby, George III 281 Duḍḍā (Maitraka) II 169; III 104, 182 f. Duḍḍāvihāra, Valabhī III 104, 108, 262, 27425 Du Guangting II 721 f., 733 f., 736 Dunhuang II 685, 704, 724, 728, 739 Durgā I 241, 322, 545; II 573 Durham I 342 Durlabhavardhana (Kārkoṭa) II 433 Eaton, Richard I 531 Eberhard I. (Bamberg) II 281, 605 Eberhard I. im Bart (Württemberg) II 199; III 349 Eberhard VI. (Nellenburg) I 448 Eberhard II. (St. Emmeram) II 141 Ecclesius (Ravenna) I 446 Ecgwine (Worcester) I 464 Ecija II 232, 315; III 69 Edgar (England) I 462 Edirne II 386 Edrei, Arye I 297 f. Eduard I. (England) I 2988, 335, 35040; III 22, 350 Eduard VI. (England) I 168, 344 Egea II 232, 397; III 69 Egmond I 461 Ehavala Cāntamūla I 317 Ehlers, Caspar III 129 Eichstätt I 46529 Eilard Fabri II 10863 Einbeck I 456 Einicke, Katrin I 5491 Ekkehard (Nienburg) II 360 Elad, Amikam I 111 Elāpura siehe Ellora Eleonore von Kastilien III 23 Elephanta I 540; III 261
614 Eliade, Mircea II 718 R. Eliezer b. Joel ha‑Levi (Ravjah) I 382, 390 f., 39325, 39570, 39699; II 398, 546; III 151 R. Eliezer b. Nathan (Ravan) I 381; II 546; III 151, 153 f., 157 R. Eliezer b. Samuel von Metz I 390 Eliezer b. Samuel von Worms I 499, 50723; II 14310 Eligius von Noyon II 194 Eli ha‑Kohen b. Ezekiel II 230 Elisabeth von Kärnten, Görz und Tirol I 450; II 296 f., 372 f.; III 201 Ellora I 244, 533, 538, 540, 551 41; II 433; III 264, 337 Elon, Menachem I 121–123, 12928 Eltville I 337 England I 114, 295, 298, 344, 35039 f., 35267, 379, 441, 496; II 193, 228, 284, 292, 450, 519, 608; III 24, 7623, 148, 152, 210, 358 f., 39468 Enmetana (Sumerer) III 44515, 52115 Ennayiram II 280102 Ennin II 705 Enrico Scovegni I 452 Ephesus I 225, 400, 525; II 413 Ephraim Elimelech Urbach II 49 f. Ephraim Ḥalfōn II 53, 56 Ephraim b. Isaak III 380 Ephraim b. Shemaria II 56 Ephrat, Daphna I 115; II 218, 220 Ephrem der Syrer I 31232 Epiros I 408, 520 Epstein, Abraham I 498 f., 50723 Erazgavork III 254 Erbil I 493; II 208 Erdmann, Wolfgang I 458 Erfurt III 24438 Erkanfride II 10512 Erlangen I 260 Escalona I 51, 389; II 57, 24084, 396 Essen I 470262 Essex I 464 Esslingen II 445 Eudocia (Gattin Theodosiusʼ II.) siehe Aelia Eu‑ docia Eudokia (Gattin Konstantins V.) II 326; III 402 Eudokia Komnene I 63; II 416 Eugen III. (Papst) II 370 Eugen IV. (Papst) II 370 Euphrosyne (Tochter des Johannes Komnenos Doukas) I 527
Register zum Gesamtwerk
Europa Mitteleuropa I 87 Nordeuropa I 87 Osteuropa I 250, 252, 295, 510, 568; III 69, 79 Südeuropa I 87, 344 Südosteuropa I 252 Westeuropa I 19, 87, 216, 218–220, 22848, 251, 260, 384, 432, 557, 567–569, 572 f.; III 277, 499 Eusebios von Kaisareia II 244 Eustathios (Thessaloniki) II 488; III 397, 401 Eustathios (Sebaste) I 304 f. Eustathios Boïlas I 219, 308; II 329, 557; III 83, 331 Eustathios Rhomaios I 60, 408; III 326 Eustratios (Athos‑Laura) III 169 Eustratios (Zeugos und Klados) I 515 Euthymios I. (Konstantinopel) III 403 Eutychios I 407 Evesham I 464; III 359 Ewelme II 193, 46045, 52923; III 202 Exeter III 3969 Faḫr ad‑Dīn al‑Mārdīnī II 221 Fāʾiq al Ḫādim I 368 Fairbank, John K. II 682 Falk, Harry I 314 Falludscha I 203 Faraǧ ibn Barqūq II 209 f., 214, 538; III 367 Fāṭima Muḥammad III 138 Fatimiden I 37, 196, 277, 285, 290; II 53, 56, 123, 220, 307, 309, 389, 533, 535, 540; III 47, 59, 369, 381, 457 Faxian I 7913, 426, 43069, 546, 55132; II 175, 266, 274, 346, 35342; III 111, 190, 268, 272 Fay, Mary Ann I 116; III 140 al‑Fayyūm II 214 Feenstra, Robert I 24, 91 Fehrmann, Antje I 441 Feine, Hans Erich I 255, 257 Felice di Michele Brancacci I 453 Felicitas Krewsner I 461, 471251 Felix IV. (Papst) I 445 Ferdinand I. der Große (León) I 459 f. Ferdinand II. (León) I 458, 470221; III 66 Fernandes, Leonor I 111 Ferradou, André III 397 Ferrara I 50979; II 66 f., 480 Feuchter, Jörg I 112 Fez I 480, 484; II 55, 219; III 30425 Filippo Brunelleschi I 441
Orts- und Personenregister
Fink, David I 123, 12940 f., 296, 379 Finkenweiler II 526 Flandern I 449 Flavius Phoibammon II 556 Fleet, John Faithful I 146 Fleischmann, Peter II 53027 Florenz I 440 f., 452, 461, 521; II 66 f., 446, 45924; III 122, 123, 287, 288 Fögen, Marie Theres I 41013 Franceschetto Cibo II 370 Francis, Emmanuel I 5495 Franciscus Zabarella I 34925 Frank, Thomas II 450 Frankenreich / Franken I 258, 267; II 98, 612; III 33, 347, 502 Frankfurt am Main I 52, 382, 50723; II 286, 360, 610; III 39468 Frankreich I 46, 50–53, 127 f., 131103, 271, 295, 341, 35267, 381, 390, 439, 454, 496, 501; II 57, 131, 231, 284, 316, 46159, 542, 608; III 39468 Nordfrankreich I 379, 381 f., 39323; II 130, 233, 404, 545; III 148 Südfrankreich I 295, 338, 379, 383, 438; II 397; III 160, 443 Freehof, Solomon II 130 Freiburg im Breisgau II 198, 2025, 281 f., 369, 457, 605 Freyer Stowasser, Barbara III 1441 Friedberg I 500; III 39468 Friedman, Yvonne II 230 Friedrich I. Barbarossa (HRR) I 27350, 457; II 372, 456, 46049, 46280; III 3615, 476 Friedrich II. (HRR) II 25687, 284, 372, 445, 608 Friedrich Wilhelm I. der Große Kurfürst (Bran‑ denburg) I 458 Friedrich III. der Weise (Sachsen) III 352 Friedrich III. der Schöne (Österreich) II 295, 363, 373, 450; III 206 Friedrich Groving II 96 Friesen III 33 Frisch, Ephraim I 124 Fritz, Johann Michael I 499 Fritzlar I 497 Fubin II 733, 735 f. Fuhrmann, Rosi III 28 Fulda I 342, 436; II 283, 606 Furui, Ryosuke I 153, 2446; II 77, 81, 345; III 108 Fusṭāṭ I 49, 5649, 84 f., 124 f., 13067, 205, 208 f., 21025, 371, 379, 384, 387 f., 39449, 39572, 503–506, 562,
615 564; II 21, 51, 55 f., 5814, 89, 129, 133, 137–140, 142, 14526, 224–226, 230–232, 234, 311–313, 317–320, 395 f., 402–404, 40510, 424, 441, 477– 479, 482, 543, 550, 588, 596, 617; III 56, 65, 68, 70, 72 f., 7517, 7519, 160, 1629, 223, 225, 233, 235–239, 24319, 24430, 24547, 300, 311 f., 31921, 381, 386 f., 443, 464 f., 519 Gabriel Bănulescu‑Bodoni (Moldau) III 405 Gaganaśiva II 509 Gagik II. (Ani) III 475 Gāhaḍavāla I 149, 233; II 8218, 339 al‑Ǧāḥiẓ I 376; II 206; III 6119 Ǧalāl ad‑Dīn Qaratay III 51 Ǧalāl ad‑Dīn as‑Suyūṭī I 359, 375; III 37526 Galata I 304, 52942; II 386 Galatariotou, Catia I 140, 14478, 223, 2261, 22975, 403; II 333; III 325 Galatien I 59; II 19121, 60421 Galen von Pergamon II 217, 219, 22365; III 457 Galiläer I 59 Galinsky, Judah I 5545, 125–128, 203, 206, 383, 385, 39580; III 72, 315, 383, 443, 465, 519 Ġālīya ibnat ʿUṯmān ibn Ṯuʿailib aš‑Šarafī I 365 Galla Placidia I 467105 Gallien II 198, 286, 366, 609; III 128 Ǧamāl ad‑Dīn al‑Muḥsin al‑Iḫmīmī, Eunuch III 51, 139 Ǧamāl ad‑Dīn as‑Subkī II 470 Ǧamāl ad‑Dīn al‑Ustādār III 367 Gaṃbhuvaka II 574 Gaming I 27 R. Gamliel II 49 Gaṇapati (Kākatīya) II 263 Gaṇḍarāditya I. (Śilāhāra) II 80, 259 f., 262; III 183 Gandersheim II 527 Gandhāra I 315 f., 547, 5494, 55399, 554125; III 181 Gandhinagar I 548 Ganges III 433, 509 Gangra I 304 Ganguly, Dhirendra Chandra I 148 Gansu II 704 Gaonri I 423 Gaozong (Tang) II 727 Ġarbīya III 297 García Sanjuán, Alejandro I 110 Gatteschi, Domenico I 108 Gaudiosi, Monica M. I 114 Ǧauhar al‑Lālā III 371 al‑Ġaurī, Qānṣauh III 222, 373
616 Gaurīmahādevī (Bhaumakara) III 186 Gautamī Balaśrī I 316 Ibn al‑Ǧauzī I 196, 375; III 138, 368, 37524 Gaza I 481 al‑Ġazālī II 216 Ġazān Ḫān I 284 f.; II 112, 28732, 388, 61132; III 227 Geelhaar, Tim I 142 Gelasius I. (Papst) I 446 See Genezareth II 230 Genf III 32 Gennadios II. Scholarios (Konstantinopel) II 67 Genua III 255, 473 Geoffroy, Marc II 235 Georg Bardanes (Korfu) II 66 Georg von Kappadokien II 155 Georg der Reiche (Bayern‑Landshut) II 2025 Georg Fugger III 283 Georg Gemistos Plethon III 396, 397 Georg Spalatin III 352 Georgien / Georgier I 571; II 67, 70, 151, 408, 412, 417, 556; III 91 f., 198, 248, 254, 330, 473, 498 Geraldo Peres II 94 Geraldus de Sancto Dioniso I 50 Gerasimos Radonias II 410 Gerber, Haim I 50, 118, 125; III 464 Gerhard, Dietrich I 252 Gerhard Kryvitze II 364 Gerhard Lange II 521 Germanen I 91, 269 Germanus von Paris II 366 Gernet, Jacques II 683–685, 698, 702, 704, 706 f., 710, 712 f., 722, 727 f., 739 f.; III 436, 512 Gerona I 50 f., 295; II 397, 484, 548; III 321 46 R. Gershom Meor ha‑Golah I 381; II 397, 480 Gertrud Anna von Hohenberg I 450 Gevher Nesibe I 480 Ghaznawiden III 47 Ghazni I 325 Giacomo Gaetani Stefaneschi I 453 Gibbon, Edward I 138 Ǧibrāʾil b. Baḫtīšūʿ II 212 Gierke, Otto I 173, 253 f. Giersleben III 205 Ǧihat Ṣalāh III 138 Gil, Moshe I 49, 122, 125, 131109, 202, 204, 206, 29828, 384; II 50, 53, 232, 315, 319, 40510, 543, 549 f.; III 65, 72, 156, 238, 307 Gil Álvarez Carillo de Albornoz II 201; III 34 Gilgit I 415, 424 f., 547 f.
Register zum Gesamtwerk
Giotto di Bondone I 452 f. Girgenti I 386 Girona I 389 Gisla Firidolfi III 122 Glykeria III 169 Gmünd I 46668 Goa I 233 Goethe, Johann Wolfgang von I 22, 270, 560 Goitein, Shlomo Dov I 49, 53, 106, 112 f., 125, 131109, 208, 21280, 296, 384, 387, 39444, 505; II 129, 133, 225, 23958, 543; III 64 f., 156, 311, 462, 465, 519 Golb, Norman II 14656, 226, 233 Goldbach am Bodensee I 446 Goldin, Simha II 1438, 10 Goldziher, Ignaz III 47 Golzio, Karl‑Heinz I 156 Gonzalo García Gudiel II 102 Goodman, Martin I 119 Goody, Jack III 281, 283 Gopal, Lallanji I 150 Gopāla II. (Pāla) II 76 f., 345 Gopatipaṇḍita III 335 Gorochov, Nathalie I 95 Goslar I 35275; II 96, 284, 291, 368, 37770, 72, 447, 52922, 608; III 205 Göss I 460, 463 Gottfried von La Guerche II 451 Goushi II 730 Govinda III. (Rāṣṭrakūṭa) I 422; II 340, 349, 35230, 422, 500, 509; III 266 Govinda IV. (Rāṣṭrakūṭa) I 230, 243, 425; II 169 f., 261 f., 267, 282, 340, 441, 501, 508, 606, 617; III 264 f., 27438 Govinda Yogeśvara III 99 Grabar, Oleg I 49544 Grabois, Aryeh II 228 Gracianus Sabatanellus I 386 Granada I 367, 480; III 228 Granda, Peter I 156 Granić, Branko I 136 Granoff, Phyllis Emily I 154 Gratian (Weströmisches Reich) I 254, 335 Gratissimus III 168 Gregor I. der Große (Papst) I 263 Gregor III. (Papst) II 366 f., 369 f. Gregor VII. (Papst) III 35 Gregor von Nazianz (Konstantinopel) I 59; III 326 Gregor von Nyssa I 59; II 61, 63 Gregor (S. Filippo di Fragalà) II 153 f.
Orts- und Personenregister
Gregor von Narek III 475 Gregor Pakourianos I 63, 215, 22720; II 67, 69 f., 7132, 151–153, 155, 249, 251 f., 412, 414, 556; III 83, 90 f., 247 f., 251, 329, 331, 473 Grewolls, Antje I 441 Griechenland / Griechen I 134, 141, 262, 266, 399; II 15, 70, 16344, 583, 615; III 79, 85, 91, 248, 328, 331, 405, 437, 439, 455, 513, 515 Grimoald der Ältere II 4422, 6182 Großbritannien I 93 Guardamar del Segura I 369 Ibn Ǧubair I 188, 374; II 118; III 368 Guḍālaya I 237 Guḍāleśvara I 237 Guérinot, Armand Albert I 154 Guglielmo Raimondo Moncada I 386, 39458 Guigone de Salin I 443 Guilelmus Peraldus I 461 Guillelmus de Monte Lauduno I 34925 Guillou, Andre I 134 Gujarat I 74, 8252, 146 f., 155, 158, 236, 241–243, 24783, 24898, 320, 324–326, 417, 537, 539, 541, 545, 548; II 75, 169 f., 173 f., 177, 261 f., 274, 341, 350, 429, 431, 433, 440, 501, 511, 51690, 570, 616; III 105, 110, 111, 182, 190, 265, 267, 269, 271, 414, 420, 422, 482 f. Ġulām Ḫalīl II 125 Gumfred (Kloster Monteverdi) I 255 Gumpelstadt III 27 Guṇaprabha I 425 Gunduald (Kloster Monteverdi) I 27223 Gupta, Chitrarekha I 155 Gupta I 2446, 315, 319; II 77, 264, 343, 434; III 18, 181 f., 259, 492 al‑Ġūrī II 310 Gurjara I 233, 422; III 271, 413 Gurjara‑Pratihāra I 149, 233 Gutwirth, Eleazar I 386; II 227 f. Haas, Irmgard I 97; II 446 Habsburger I 135; II 281, 372 f. al‑Ḥādī (Abbasiden) I 29322 al‑Ḥādī (Imam) III 59 al‑Ḫaḍir II 118 Ḥadīṯat al‑Mauṣil III 46 Hadrian I. (Papst) I 347 Hadrian Komnenos III 253 Hagemann, Hans‑Rudolf I 136, 14356 Hagenau I 501 Haggh, Barbara I 96
617 Ḥāǧǧ Mūsā al‑Amīrī III 23035 Hai (Pumbedita) I 203, 21017, 379; II 55, 129, 312, 40510 Ḫaibar I 281 Ḫairābād‑Kanal II 308 Ḫaizurān I 283; III 137 al‑Ḥakam I. (Córdoba) I 19926 al‑Ḥakam II. (Córdoba) II 217 al‑Ḥākim (Fatimiden) II 56, 402 f.; III 221, 24555, 39471 Halbfass, Wilhelm II 72 f. Haldon, John III 328, 329 Ibn Ḫaldūn I 185, 486; III 45, 6010, 369 Ḥalīl ibn Aibak as‑Safadī I 372 al‑Ḥallāǧ III 54 Halle an der Saale I 168; II 102, 201, 291; III 26, 21483 Ibn Ḫallikān siehe Šams ad‑Dīn ibn Ḫallikān Halm, Heinz III 297 Hålogaland I 30 Hama III 222 Hamadan II 388 Hamburg II 374, 521; III 3975 Ibn al‑Ḥamīd III 14520 Ḥammām al‑Ǧadīd (Tripolis) III 219 R. Hananel von Kairouan III 7623 Ibn Ḥanbal II 43, 119 Han II 682 f., 696, 698 f.; III 435 f., 511 f. Han Gaozu III 435, 511 Ḫān Paša III 218 al‑Ḫānqāh aṣ‑Ṣalāḥīya I 366 Hansen, Valerie 729 Hans IV. Imhoff I 457 al‑Ḥaram aš‑Šarīf I 105, 356, 365–367, 37720, 486; III 138, 140, 221 Ḥārat as‑Sūdān (Aleppo) III 226 al‑Ḥarawī II 118 al‑Ḥarīrī I 49430 Harald II. (England) III 21115 Harappa III 431, 507 Harṣa (Kanauj) I 32955 Harṣadeva (Kaschmir) III 421 Hartley, John S. I 93 Hārūn ar‑Rašīd I 283; II 212, 234; III 137, 460 Harvey, Alan III 329 Ḥasan al‑Qudsī al‑Ḥusainī III 30526 Ḥasan Šāh (Kaschmir) III 422 Hasdai Ibn Šaprut III 66 Haseke von dem Wolde II 104
618 al‑Ḫaṣṣāf I 40, 197, 281, 282, 291, 357, 358; II 31029, 532, 539; III 55, 57, 372, 37511, 39469, 456 Ḥassām ad‑Dīn ibn Artaq II 221 Hastikuṇḍī II 575 al‑Ḥaṭīb al‑Baġdādī I 372, 486 Ḥātim Ṭāʾī III 373 al‑Ḫaṭīrī I 490; III 226 Ibn Ḥatrābeh I 372 Hatto I. (Mainz) I 436, 46417 Ḫair ad‑Dīn ar‑Ramlī III 14529 R. Ḥayyim bar Hanʾael I 505 R. Ḥayyim bar Isaak Or Zarua III 152 Hayyim Joseph David Azulai I 510 Hayyim Manyan II 236 Hebron I 366, 37724, 474, 486, 498; II 1425; III 142 Heidelberg I 155, 464; II 282, 362, 370, 48536, 605 Heidemann, Stefan I 112 Heil, Johannes I 119 Heiliges Römisches Reich I 335; II 231, 233; III 22, 118, 206, 287, 39468, 494 Heim, Maria I 158; II 267, 505; III 176, 411 Heineken, Johanna III 129 Heinrich I. (Ostfrankenreich) I 437; II 355 f., 444, 611–613 Heinrich II. (HRR) I 437 f., 448, 45631, 34, 460 f., 465, 469199, 201, 470245, 471253; II 99, 281, 360 f., 527, 605, 613 f. Heinrich III. (HRR) I 450; II 96, 368, 37770; III 3724, Heinrich IV. (HRR) I 447, 450; II 95 f., 373; III 35, 3727, 42149, Heinrich V. (HRR) I 337; II 97, 373, 380137; III 35 Heinrich VI. (HRR) II 372 Heinrich VII. (HRR) III 3728 Heinrich II. (England) I 470232 Heinrich V. (England) I 441, 45636, 465 Heinrich VII. (England) I 444 Heinrich VIII. (England) I 344; III 347, 358, 503 Heinrich Mirabilis (Braunschweig‑Grubenha‑ gen) I 456 Heinrich der Löwe (Sachsen und Bayern) I 18050; III 198, 209, 498 Heinrich II. Jasomirgott (Österreich) I 438 Heinrich der Sanftmütige (Österreich) II 296 f. Heinrich II. (Wolfratshausen) II 357, 612 f. Heinrich Babensun II 526; III 207 Heinrich Groneland I 172 Heinrich von Haren III 207 Heinrich Heister I 454, 469187 Heinrich Mersman II 364
Register zum Gesamtwerk
Heinrich (St. Pantaleon) I 470234 Heitzman, James I 156 Helck, Wolfgang III 428, 505 Helena (Mutter Konstantins des Großen) II 416; III 119, 167, 496 Hemacandra I 426; II 504; III 178, 410, 411 Henan II 730 Hengshan II 726 Hengzhou II 727 Hénia I 107 Henige, David P. I 148 Hennigan, Peter Charles I 108, 110, 281 f.; III 364, 455 Hennings, Verena I 1282 Herakleios II 244; III 402 Heribert (Köln) I 463 Heribert (Laon) II 371 Hering, Sabine I 128 Herlihy, David III 289 Herman, Emil I 137 f., 299 f. Hermann von Stockach III 3728 Hermonthis I 300, 41025 Hero, A. Constantinides I 133 Herodot II 16, 584 Herrin, Judith II 243 Herrmann‑Pfandt, Adelheid II 75, 168 Hessen I 500; III 17, 491 Heuberger, Georg I 12949 Hezilo (Hildesheim) I 457, 469204; II 10748 He Ziquan II 739 Hiereia I 307 Hieronymus (Kirchenvater) I 20, 3322, 558; II 17, 187, 585, 600 Hieronymus Wolf III 89 Hilāl ar‑Raʾy I 40, 281 f., 357 f.; II 532; III 456 Hilāl ibn Yaḥyā al‑Baṣrī III 57, 372 Hildesheim I 175, 457, 46522, 469212; II 10748, 285; III 29, 21111 Hillebrandt, Maria III 124 Himalaya I 530, 5507; III 258 Hinüber, Oskar von I 424, 547 f.; II 502; III 480 al‑Hīra I 280 R. Ḥiyya I 504 Hobsbawm, Eric I 346 Hoexter, Miriam I 106 f.; II 538; III 370 Hoffmann, Birgitt I 106, 113 f.; III 441, 517 Höger, Annegret I 440 Hohenkirchen (Mecklenburg) III 32 Homer I 59
Orts- und Personenregister
Homs I 365, 367; III 221 Horden, Peregrine I 142, 14599; II 157 Hormuz III 483 Horn, Georg I 252 Hornbach I 461 Howard, Angela Falco II 684 Hu Cong II 736 Ibn Huḏail III 228 Huesca I 51, 385; II 54, 57, 140, 480; III 313, 321 46 Hugelinus de Argentina III 41114 Hugh Clopton I 444 Hülegü I 284 Hulgur (Karnataka) I 235; II 427; III 185 Hulluṃgūru siehe Hulgur Hultzsch, Eugen I 146 Ḥulwān III 46 Ḫumārtāš ʿAbd Allāh al‑Baǧanī at‑Turkī II 118 Ḥunain ibn Isḥaq II 217 Hunan II 726 Hunger, Herbert I 397 Hunnen I 319; II 168, 430; III 110 al‑Ḥusain b. ʿAlī II 112, 122 f. Ḫusraw Paša (Aleppo) III 225 al‑Ḫutanī II 535 Hüttenmeister, Frowald I 510 Huviṣka I 317 Iberische Halbinsel I 37, 47, 190, 292, 295; II 98; III 31, 287, 384, 465 f. Ibrāhīm ibn ʿAlī al‑Anṣārī III 469 Ibrāhīm ibn Naṣr II 212 Ida von Nellenburg I 448 Ibn ʿIḏārī I 187 Iburg II 284, 607 Ignatius (Smolensk) I 41169 Ikṣvāku I 317; II 343; III 181 f. Ilḫanat III 347, 502 Immena von Turenne III 129 Imperium Romanum siehe Römisches Reich Inalcik, Halil I 113 Inden, Ronald III 261 Indien Nordindien I 147, 155, 159, 233, 251, 315, 317, 320 f., 323–326, 32831, 34, 415, 423, 426, 43069, 540, 542, 547, 55010, 569; II 167 f., 177, 188, 272 f., 279100, 339, 343, 430, 507, 691; III 98, 110, 181, 188, 258, 339, 409, 420 Nordostindien I 530 Nordwestindien I 315, 32831, 34, 33073, 424–426, 530, 541, 55010, 554125, 502; III 110, 181, 188
619 Ostindien I 71, 146, 153, 156, 233, 236, 319, 321, 32949, 421, 534 f., 540, 543, 549, 5509, 55132; II 172, 174 f., 177, 18135, 263 f., 340, 344–346, 348, 422 f., 425, 434, 503, 510, 513, 51678, 570, 574; III 111, 183, 190, 262, 268, 342 Südindien I 76, 146, 151 f., 156, 159, 235 f., 251, 319 f., 322 f., 325 f., 3272, 33061, 65, 421 f., 539 f., 543, 55394, 569; II 166, 262, 270, 272 f., 27727, 339, 431, 507, 509; III 183, 337, 343, 417, 420, 484 Südostindien I 232, 315, 317, 32819; II 343; III 265, 479 Südwestindien I 232 Westindien I 147, 155, 233, 236, 315, 317, 319, 324, 32819, 422, 432, 533, 537, 539, 541, 543, 547, 573; II 75, 79, 168 f., 172, 174 f., 337, 343–345, 347, 350, 422, 424 f., 430, 569 f., 572; III 110, 111, 181, 188, 268, 269, 337, 342, 478, 481 f. Zentralindien I 146, 155, 230, 232–234, 251, 315, 319 f., 325–327, 32819, 33071, 423, 569; II 78, 259 f., 267, 272, 282, 339 f., 345 f., 349, 353, 422, 434, 507, 569 f., 572, 575, 581 44, 606; III 99, 107, 413, 417, 420 Indischer Ozean I 19, 557 Indo‑Griechen III 110 Indo‑Skythen III 110 Indra III. (Rāṣṭrakūṭa) I 230, 425; II 340, 426; III 265, 266 Indraji, Bhagvanlal I 146 Indus I 249, 568; III 433, 509 Ingolstadt I 182102; II 2025; III 3615 Innozenz II. (Papst) II 357, 613 Innozenz III. (Papst) I 455 Innozenz IV. (Papst) III 127 Innozenz VIII. (Papst) II 370 Irak I 203, 307, 379; II 218, 390; III 54, 226, 239, 347, 502 Iraklio I 498 Iran I 113 f., 190, 277, 285, 314, 372; II 18, 123, 308, 533 f., 586; III 54, 135, 227, 297 f., 367, 438, 514 Irene Choumneina III 171 Irene Doukaina Komnene II 150; III 171 f., 253 Irene Palaiologina II 492 Irene (alias Piroska von Ungarn) I 214, 516, 518; II 151, 157, 159, 413–415, 491; III 80, 250 Irland II 451; III 128 Irukuḍi I 237 Isaak I. Komnenos (Byzanz) II 283, 606; III 403 Isaak II. Angelos (Byzanz) III 255
620 Isaak Komnenos (Byzanz) I 523, 52956; II 157, 160, 250; III 248 f., 251 Don Isaak Abrabanel III 66 Isaak Alfasi I 379; II 544 Isaak Arama III 160 R. Isaak b. Abraham Ishbili (Ritva) I 50 R. Isaak von Corbeil II 57, 131, 136, 141, 233, 404 Isaak b. Ghiyyat I 510 Isaak Koblenz I 500 R. Isaak von Oppenheim I 383, 39328 R. Isaak b. Moses ‚Or Zarua‘ I 384, 388–391; II 397, 547; III 154, 1615 Isaak Meḥab I 501; II 56, 403 R. Isaak b. Samuel von Dampierre II 314 Isaak b. Samuel von Meiningen I 386, 500; II 483; III 157 R. Isaak b. Sheshet Perfet (Ribash) I 389; II 140, 227, 316, 318, 402 f.; III 24324, 382 Isaak (AT) II 130 Isabella I. von Kastilien III 66 Isaiah ha‑Levi ben Mishael III 65 Isfahan I 116, 480 Isidor von Sevilla I 29, 459; III 31 Ismailiten II 109 Israel I 53, 120, 125, 202, 205, 502; II 20, 49, 130, 230 f., 588; III 73, 168; siehe auch Palästina Israel Ben‑Zeʾeb I 505 R. Israel Bruna II 58, 137, 401 R. Israel Isserlein I 383 Israel Al‑Nakawa III 153, 161 Īssuppu Iṛappān III 484 Istanbul siehe Konstantinopel Īśvaradāsa II 509 Italien / Italiener I 131103, 255, 295, 336, 439, 456, 468178, 497, 502; II 57, 67, 193, 198, 228, 231, 236, 527, 542; III 67, 7515, 13359, 157, 255, 314 Norditalien I 379; III 287 Süditalien I 133, 404; II 65, 230 Izmir siehe Smyrna Jaca I 385 f. Jacob Vogt III 352 Jacobi, Renate I 116 Jacques de Révigny (Verdun) I 31 Jaffa I 481 Jagajjibanpur I 537 Jagattuṅga (Raṣṭrakūṭa) II 75 Jain‑Neubauer, Jutta I 541 Jaitugideva II 432 Jakob (AT) II 130
Register zum Gesamtwerk
Jakob (Thessaloniki) II 494 Jakob I. der Eroberer (Aragón) I 335 Jakob II. (Aragón) I 442 R. Jakob Abu II 134 f. R. Jakob b. Asher III 235, 24323, 379 Jakob b. David I 499; II 397 Jakob Fugger, der Reiche I 97; II 200, 364; III 203, 282 f. Jakob Heller II 286, 610 R. Jakob b. Judah Weil (Mahari Weil) II 401; III 47033 R. Jakob b. Moses ha‑Levi Mollin (Maharil) I 383, 39570,39699; II 399 f.; III 73, 154, 160, 385, 39358 Jakob ha‑Parnas I 504 Jakob Safir I 503; II 404 Jama Masjid (Burhanpur) III 482 Jama Masjid (Multan) III 482 Jan Hus II 20429 Janin, Raymond I 137 Japan II 692 Japhet ben ʿEli III 74 Jaritz, Gerhard II 445 Jasper, Kathryn L. III 123 Jaspers, Karl III 430, 431, 438, 44638, 507, 514, 52238 Játiva III 382 Java III 485 Javne II 49 Jayendravihāra (Srinagara) III 421 Jean de Rouvillers I 454 Jean de Vienne I 10399, 174 Jehuda b. Samuel he‑Ḥasid I 203, 391, 499 Jehuda ha‑Levi II 229 f. Jemen II 18, 586; III 54, 137, 239 Jericho III 168 Jerusalem I 20, 27, 47–49, 5649, 105 f., 111, 114, 11724, 121 f., 124 f., 127, 131104, 18191, 201, 205 f., 250 f., 285 f., 292, 294, 355 f., 365–367, 385 f., 39562, 437, 457, 482, 486–489, 50983, 558, 568 f.; II 20, 51, 53–56, 5916, 113, 129, 133, 194, 213, 216, 229–231, 25544, 304, 387, 390, 403, 441, 46040, 467–469, 472 f., 478 f., 481–483, 487, 617; III 67, 73 f., 7519, 80, 90, 138, 140, 147, 167, 198, 209, 221, 226 f., 231–233, 237–241, 24210, 24325, 24547, 296, 310, 317, 378 f., 405, 498 Jersualemhofje (Leiden) III 128 Jesaja (AT) I 499 Jesselinus de Cassanis I 34925 Jesus von Nazareth I 20, 27 f., 60 f., 255, 259, 263, 266, 437, 440, 447, 451 f., 457–462, 516, 519 f.,
Orts- und Personenregister
522 f., 525 f., 558; II 16 f., 2538, 28, 30, 92 f., 118, 125, 158, 160 f., 187, 189, 192, 194, 200, 248 f., 360, 366, 368, 371, 409, 413, 493, 554, 584, 588, 59238, 600; III 79, 209, 285, 439 f., 515 f. Jha, D. N. I 156 Jiang Zhixian II 738 Jina I 237, 418, 543 f.; II 502, 575 Jin II 725 f. Jing (Zhao) II 712 Jīvaka II 265 Jocheved b. Jechiel b. Ephraim III 308 Jocius de Londoniis II 192; III 451 f. Jodhpur II 573 Johann von Mâcon I 345; II 527 Johann Mettelbach II 104 Johann Senn von Ensingen I 471256 Johanna von Navarra III 34 Johannes I. Tzimiskes (Byzanz) I 402; II 409, 491; III 17443, Johannes II. Komnenos (Byzanz) I 214, 516 f.; II 151, 157, 159, 246 f., 413–415; III 80, 88, 248, 250, 401 Johannes V. Palaiologos (Byzanz) III 81 Johannes VI. Kantakouzenos (Byzanz) III 249 Johannes VII. Palaiologos (Byzanz) II 41957 Johannes Komnenos Doukas (Byzanz) I 527 Johannes Komnenos (Byzanz) III 253 Johannes IV. Komnenos (Trapezunt) III 403 Johannes VII. (Papst) II 366 Johannes XVIII. (Papst) II 361 Johannes XXII. (Papst) III 35 Johannes V. (Konstantinopel) II 244 Johannes VIII. Xiphilinos (Konstantinopel) I 220; II 252 Johannes IX. Agapetos (Konstantinopel) II 562 Johannes XI. Bekkos (Konstantinopel) I 22981 Johannes V. Oxeites (Antiochia) I 64, 300; II 156, 560; III 400 f. Johannes I. (Speyer) III 3727 Johannes (Ephesos) III 473 Johannes (Eunuch) III 403 Johannes (Evangelist) II 28 Johannes Alexander (Zar) III 81 Johannes Andreae I 34925 Johannes Apokauos I 408 Johannes Chrysostomos I 59–61, 302, 513, 520, 526; III 84 Johannes von Damaskus I 307 Johannes Gadeking III 32, 33 Johannes de Grocheio II 46159
621 Johannes von Helmstede II 10863 Johannes von Hubant II 369, 46035 Johannes der Iberer II 559 Johannes de Imola I 34925 Johannes Kerer II 369, 37782 Johannes Klimax I 307 Johannes Lapus de Castelliono I 34925 Johannes Mauropous II 252 Johannes ‚der Orphanotroph‘ III 166 Johannes Petri I 17926 Johannes von Rila I 311 Johannes der Täufer I 517, 523 Johannes Theologes I 133, 404 Johannes Tornikios III 91 Johannes von Vienne II 296 Johannes Wladislaw I 215; II 70 Johannikios von Bithynien I 307 John Colop I 175; II 201 John Wyclif II 20429 Jokisch, Benjamin I 108; III 460 R. Jona b. Abraham Gerondi II 232; III 153, 160, 391 40 Jonarāja I 426; III 421, 422, 423 Jones, A. H. M. III 92 Jones, William I 146 R. Josef ha‑Levi II 54, 232, 315 f., 402, 48527; III 69 R. Josef Colon II 403, 482 R. Josef Ḥayyim b. Moshe I 383 R. Josef ibn Migash (Ri Migash) I 122, 379, 39214; II 544 Josef Qimḥi I 204 R. Josef b. Shem‑Tov II 235 Josef b. Yaḥyah II 402 Joseph, Sabrina III 138 Joshi, Lal Mani I 531 Joshua Maimonides I 388; II 225; III 386, 39016 Josquin Desprez I 96; II 94 Juan II. (Aragón) I 386 Juda (Königreich) II 5920 Judah b. Asher I 389, 392; II 51 Judah Hasid II 57 R. Judah b. Samuel he‑Ḥasid II 137; III 381 R. Judah b. Tibbon II 235, 241108; III 39138 Judas Makkabäus II 17, 1425, 585 Judith (Gattin Ludwigs I.) III 123 Julian ‚Apostata‘ (Römisches Reich) I 59, 302; III 324, 396 Julian (Rechtslehrer) I 336 Julianus Argentarius I 446; II 334
622 Julius II. (Papst) II 367 Junagadh I 541 Jurchen II 725 Justin II. (Oströmisches Reich) II 244 Justinian I. (Oströmisches Reich) I 21, 31, 60, 136, 168, 249, 252, 304, 306, 3111, 332, 334, 336, 398–400, 559, 567, 571; II 62, 100, 189, 194, 244 f., 247, 25544, 324–326, 33412, 359, 386, 413 f., 416, 487, 4953, 4966, 555 f., 558, 561 f., 602, 614; III 16, 79, 87 f., 118, 168, 171, 247, 324, 399, 472–474, 490, 494 Justinian II. (Byzanz) I 405 Kadamba I 232, 235; II 167, 427 Kadscharen II 123 Kaiḫusraw I. I 480 Kaikeya II 431 Kaimal, Padma I 160 Kaioumos II 65 Kairo I 49, 53, 5522–24, 5649, 104, 106 f., 111, 113– 115, 119 f., 122, 124 f., 13058, 89, 185–189, 196, 19929, 202–205, 208, 21017, 285 f., 288 f., 29342, 355 f., 367, 369, 371 f., 379 f., 384, 387 f., 3929, 11, 394 f.44–53, 63–68, 472, 478, 489 f., 493, 503–505, 50983; II 41, 45, 50 f., 53, 113, 117, 133, 137 f., 208–211, 213–220, 225, 228–230, 304, 309 f., 313, 315, 317, 383, 389 f., 393, 395 f., 403, 40510, 465–470, 479, 481, 535, 538, 540, 543, 550 f.; III 49, 53 f., 56, 70, 75, 7623, 138–140, 142 f., 218–226, 228, 2296, 23, 300, 374, 387 Kairouan I 379; II 224, 400; III 70, 74, 240 Kākanādaboṭa II 343 Kākatīya II 263; III 102, 103, 11430, 187 Kakopetria I 52942 Kalabrien I 215, 22719 Kaḷacurya II 432 Kaldellis, Anthony III 89 Kale Pakouriane II 250; III 89, 169 Kalhaṇa, Chronist I 426; II 433 f.; III 420 f., 42425 Kaliṅga Niśśaṅkamalla I 42829 Kalkutta I 146, 16113, 32813, 537, 55158 Kallistos I. (Konstantinopel) II 410 Kalopanagiotes I 520 Kalopissi‑Verti, Sophia I 52827; III 85 Kalvarienberg III 209 Kambodscha III 485 f. al‑Kāmil I 478; II 41, 309 Kana I 525 Kanauj I 325, 32955 Kāñcī I 540
Register zum Gesamtwerk
Kandhar II 259, 269 Kane, Pandurang Vaman I 77, 158 Kanheri I 243, 533; II 344, 268, 269 Kant, Immanuel I 270 Kapitthaka II 501; III 264, 27438 Kaplan, Michel I 140; II 62, 33412 Kappadokien I 304, 306, 513, 515, 520, 522 f., 5282; II 2422, 62 f., 155, 412, 557, 56525, 59222; III 475 Karäer II 53, 129, 133, 229, 231 Karahāṭa II 509 Karashima, Noboru III 417, 418 Karīmī II 46 Kārkoṭa II 433 Karl I. der Große (Frankenreich) I 253, 337, 436, 455, 460; II 1042, 196, 360, 370, 374, 4425, 10, 456, 6185, 10; III 42129, 198, 498 Karl II. der Kahle (Westfrankenreich) I 27350; II 10622, 370, 4425, 6185; III 3722, 3840, Karl III. (Ostfrankenreich) I 27350; II 93 Karl III. der Einfältige (Westfrankenreich) II 370 Karl IV. (HRR) I 3429, 4642; II 362 Karl Martell II 371; III 347, 502 Karnataka I 146, 155, 235 f., 243, 322, 324–326, 418, 423, 42940, 530, 539–541; II 166, 169 f., 261, 269 f., 350, 35475, 427, 431, 501, 508 f.; III 98, 100 f., 107, 263, 415 Karolinger II 370–372, 439, 4422, 602, 616, 6182 Kars III 254 Karya I 514 Kaschmir I 33072, 426, 531, 554121; II 279100, 434; III 261, 420–422 Kastilien I 207, 21013, 459; II 57, 24084, 395–397; III 151, 157, 313 Kastilien‑León I 295 f., 498, 501 Katalonien I 203, 502; II 57, 397; III 13359, Kataragama I 55264 Katharina Kapplerz II 102 Katharina Petri I 17926 Kathiawar I 537; III 267, 420, 482 Katz, Jacob I 124, 12952 Katz, Paul R. II 684, 707, 734 Kāvikā II 501 Kaukasus I 305, 309; III 92, 474 Kauśāmbī I 316 Kauṭilya III 175, 177 Kautuka II 433, 43774 Kavatika II 43772 Kāvīkā (Gujarat) II 170, 261; III 265 Kazaov, Bahadir I 106,
Orts- und Personenregister
Kazhdan, Alexander I 67, 140, 1426, 22848; III 78 Kazimierz III 24214 Kerala I 42830, 55262; III 484 Kerbala II 112, 123 Kerman I 284; III 54 Keśavasuri II 575 Khalimpur II 424 Kheṭaka I 24899 Kholeśvara II 259; III 185 Kieffer‑Pülz, Petra II 348 Kielhorn, Franz I 146; II 18283, 344; III 415 Kiev I 295; II 226, 415 f Kilchberg III 27 Kilikien II 149 Ibn Killi III 49 al‑Kindī siehe Abū Yūsuf al‑Kindī Kinsley, David I 154 Kirschenbaum, Aaron I 122 f. Kisrā Anuširwān I 478 Kitbuġā (Sultan) I 489, 493 Kitchener Jordan, Wilbur I 983; III 365. Klados I 515 Klein, Birgit II 228 Kleinasien I 214, 222, 304, 309 f., 403 f., 408, 513; II 67, 7132, 245, 329, 412, 557; III 83, 92, 331, 473 Klinkenberg, Emanuel S. I 448 Klos, Lydia I 444 Klueting, Harm III 3604 Kluge, Arndt I 93 Knecht, August I 136 Koba I 548 Koblenz I 52, 444; II 229 Kochen, Madeline I 123; III 380 Kochi III 484 Koçi Bey III 375 Kohn, Livia II 684, 699, 715 Kokkāka (Fürst) II 77 Kolhapur (Maharashtra) I 233, 237, 24540, 423; II 260, 267, 350, 435; III 107, 266 Kollam I 42830; III 484 Köln I 52, 5652, 95, 437, 453 f., 463, 469182, 470226, 234 , 471269, 499; II 104, 229, 282, 295, 362, 605; III 26, 67, 235 Kölver, Bernhard I 155 Komnenen II 414; III 17, 80 f., 250, 253, 401, 491 Konarak I 540, 545, 55281 f. Konfuzius II 687, 697; III 435, 511 f. Kong III 435, 511 Konidarēs, I. M. I 136
623 Königsfelden I 439; II 296 f., 372 f.; III 201 Konkan I 233; II 79, 267, 272, 345, 426; III 101, 267, 420 Konrad I. (Ostfrankenreich) I 27350 Konrad II. (HRR) I 450 Konrad I. (Konstanz) I 436 f. Konrad IV. (Regensburg) II 522 Konrad von Megenberg III 369 Konrad von Ordens II 4587 Konrad von Scheyern I 3428 Konstantia (Zypern) II 65 Konstantin Akropolites II 160 f. Konstantin I. der Große (Römisches Reich) I 249, 263, 266, 294, 3111, 517, 567; II 189, 244 f., 359, 386, 413 f., 416, 555, 602, 614; III 16 f., 21, 79 f., 439, 490 f., 515 Konstantin II. (Römisches Reich) III 166 Konstantin V. (Byzanz) I 14472; II 326; III 1738, 402 Konstantin VII. Porphyrogennetos (Byzanz) I 518; III 475 Konstantin VIII. (Byzanz) III 80, 475 Konstantin IX. Monomachos (Byzanz) I 220, 402; II 246, 252, 25688, 333; III 80, 17443, 253, 328 Konstantin XI. Palailogos (Byzanz) I 527 Konstantin Cholebiares III 33237 Konstantin Harmenopoulos I 134; III 79 Konstantin Lagoudes III 326 f. Konstantin Lips I 517, 52822 Konstantina (Tochter Konstantins I.) III 167 Konstantina (Gattin Maurikios’) III 167 Konstantinopel I 59, 64 f., 106, 115, 131 f., 135, 137, 141 f., 166, 19949, 209, 214, 218–220, 224 f., 22848, 22981, 88, 304, 306–310, 3111, 336, 399–405, 407–409, 41015, 41169, 493, 516 f., 520, 523–526, 52956 f., 566; II 65–68, 151, 155, 157–159, 16469, 189, 226, 244–246., 249–251, 253, 328, 33523, 386–388, 409, 412–416, 487, 489, 491, 493, 495, 556, 561 f., 602; III 16f., 80 f., 83 f., 88–90, 119, 167 f., 170–172, 198, 227, 247 f., 250–254, 296, 325, 327, 330, 388, 39471,397, 400 f., 403–405, 473–476, 490 f., 496, 498 Konstanz I 35271, 436 f.; II 282, 29825, 457, 605; III 17, 27, 3728, 491 Köpstein, Helga III 78 Kopten II 537 Korea II 692 Korfu II 66 Körner, Hans I 448 Körntgen, Ludger I 462
624 Kos II 333, 489, 49614 Koselleck, Reinhart I 252 Kosovo III 81 Kostas Karmoutes II 330 Kottayam I 42830 Kottipeggili II 431 Krakau II 198 Krcsmárik, János I 104, 108 Kreta I 405, 498; II 234, 409; III 85, 326 Kṛṣṇa I. (Rāṣṭrakūṭa) II 433, 500 Kṛṣṇa III. (Rāṣṭrakūṭa) II 75, 80, 169, 259, 27611, 428, 509; III 271 Kṛṣṇadeva (Yādava) II 79 Krumbacher, Karl I 62 f., 397 Kṣatrapa I 316; II 343; III 110 Kṣemagupta (Kaschmir) III 421 Kūfa III 46, 137 Kulke, Hermann I 150, 152, 155, 320; III 338 Kulke, Wolf‑Heinrich I 438 Kumāragupta I 16356 Kumārajīva (Mönchsgelehrter) II 692, 694 Kumrahar II 264 Kundegrāma II 509 Kunigunde von Luxemburg I 438, 449, 46531; II 360 Kunegunde II. (Göss) I 460 Kura II 168, 430; III 188 Kuran, Timur I 113; III 293, 372 Kurundaka III 265 Kuṣāṇa I 317; III 110 Kuwait I 85, 107, 563 Kymina I 215 Kyrillos von Saloniki II 69 Kyrillos von Skythopolis I 217; II 487 Kyros II. der Große (Persien) II 243, 517, 619; III 438 f., 514 f. Ladakh I 530; III 421 Ladislaus I. (Ungarn) II 414 Lagerwey, John II 686 Lahasikā II 571 Laiou, Angeliki III 165 Lakape III 80, 252 Lakṣmaṇa II 75 Lakṣmī (Tochter des Kholeśvara) II 169; III 185 Lakṣmīdhara I 414; III 176, 413 Lakṣmīdharapaṇḍita III 335 Lakṣmīvarman (Paramāra) II 1806 Lalitāditya Muktāpīḍa (Kārkoṭa) II 433 Lambton, Ann I 113, 11883 Lamotte, Étienne II 511
Register zum Gesamtwerk
Landsberger, Franz I 50979 Landshut I 390 Lane, Edward II 462 de Lange, Nicholas II 226 Langobarden III 33 Langres II 93 Languedoc II 226 Laon II 370 Laozi II 688–690, 698, 717, 724, 728, 731; III 435, 512 Lapus Abbas I 34925 Lapidus, Ira III 50, 293 Latros I 215, 514 Läufelfingen III 27, 4082 Lausanne I 513 Lavaṇetaṭa III 101 Lavanttal (Kärnten) II 373 Layish, Aharon I 110 Lazaros von Galsion II 160 f. Lefèvre, Vincent I 160, 542; II 428 Le Goff, Jacques I 252 Lehnert, Hans III 355, 3604 Leibchel II 360 Leipzig II 286, 610 Lekapenoi I 517 Le Mans I 267; II 99, 286, 361, 37762, 448 Lemerle, Paul I 140, 14481; II 33412 Lemnos II 414 Leo IX. (Papst) II 527 Leo (Benevent) III 473 Leo Allatius I 132, 401 León I 458 f. Leon III. (Byzanz). II 249; III 1738, 402 Leon VI. (Byzanz) I 136, 332, 399, 41013, 571; II 245, 332; III 166, 171, 403 Leon (Nauplion) III 87 Leon von Chalkedon I 300 Leon Katakoilas III 403 Leon Kuropalates Phokas I 522 Leon Ziganites II 494 Leopold I. (Österreich und Steiermark) II 296 f. Lepine, David I 10155 Lérida II 57, 140, 396; III 321 46 Lev, Yaacov I 110, 115; II 205, 208; III 56 Levante I 285; II 231, 374, 473; III 293, 452 Lévi, Sylvain I 147, 156 Levon von Kakheti (Georgien) II 417 Leyser, Karl III 129 Liang II 726 Libanos III 396
Orts- und Personenregister
Liceria, M. I 155 Lichtenstädter, Ilse III 1441 Licinia Eudoxia (Tochter Theodosiusʼ II.) III 168 Liège II 607 Liermann, Hans I 260 f., 263, 268 Liestal III 4082 Li Fachao II 726 Ligurien II 367 Liḥyān III 440, 516 Limburg III 40101 Limnos II 327, 33518; III 328 Linda, Mary F. I 153 Lingenthal, Karl Eduard Zachariä von I 134; III 1738 Linz II 295 Lisān ad‑Dīn Ibn al‑Ḫaṭīb I 480 Litauen II 198 Liudolfinger II 356, 361, 372, 612 Liutold (Dießen) II 356 f. Lodi III 34 Lohse, Tillmann I 92 Loire I 258 Loiseau, Julien I 114 Lokaṇanāyaka (Śilāhāra) II 512 London I 150, 175, 344, 50983 f., 86; II 201, 294, 448; III 204, 21111 Longchamp I 439 Longobardia III 83 Lorenz Tucher II 34 Lorenzen, David N. I 156 Lorenzo Cibo II 370 Lothar I. (Frankenreich) I 471262 Lothringen II 46037 Louis van Boghem I 340 Lowenthal, Ernst G. I 118 Lübeck I 441, 463, 46688; II 37646 Lucas von Tuy III 351 Lucca I 27223 Lucena I 510 Lucius II. (Papst) II 368 Ludolf (Halberstadt) III 27 Ludwig I. der Fromme (Frankenreich) III 123 Ludwig II. der Deutsche (Ostfrankenreich) III 3737 Ludwig IV. der Bayer (HRR) II 364; III 35, 3615, 206 Ludwig VII. (Frankreich) I 340 f. Ludwig VII. der Gebartete (Bayern‑Ingolstadt) I 182102 Ludwig, Andreas I 118 Lunel II 232, 235, 241108
625 Luoyang II 717, 724 Lusiardi, Ralf I 90, 168 f., 268; II 2425, 31, 48, 4587, 59225 Lutz Krafft I 447 Luzon III 485 Lyon I 90, 10032, 335; II 29, 31, 63, 66; III 3614 Maastricht I 440 Maʿbad al‑ʿAraudakī II 118 Machaut, Guillaume de I 96, 10399 Machosa III 153 Macridy, Theodore I 52822 Macuch, Maria I 109 Maddalena de’ Medici II 370 Madhumati Sugatipa I 241, 322; II 272, 426, 432; III 111, 481 f. Madhyadeśa I 426 Madhya Pradesh I 248104, 315, 319, 423; II 343, 573; III 180 Maffeo Vegio II 370 Maǧd ad‑Dīn Muḥammad II 535 Maǧdal Faḍīl I 366, 37724 Magdalino, Paul III 250, 252, 473 Magdeburg I 447; II 132, 527; III 39358 Maghreb I 110, 189, 193, 196, 251, 277, 287, 359, 379, 569; II 55 f., 122, 219, 231, 308, 466 f., 472; III 46 Magistros Melia I 522 f. Mahabalipuram I 540 Mahābhavagupta I. Janamejaya (Somavaṃśin) III 414, 415 Al‑Maḥalla al‑Kubrā I 505 Mahāmaṇḍaleśvara Gaṇḍarāditya I 237 Maharashtra I 158, 233, 237, 243 f., 316, 422 f., 533; II 169, 176, 259–261, 272, 340, 350, 430, 432 f., 435, 500 f., 509, 512; III 107, 181, 184, 191, 265, 266, 271, 415, 418 Mahāvīra Jina I 237, 544; II 185, 598; III 117, 180, 432, 494, 508 al‑Mahdī (Abbasiden) III 137 Mahendrapāla (Pāla) II 76 f. Mahinda IV. (Sri Lanka) II 265 Mahīpāla I. (Pāla) II 345 Maḥmūd von Ghazni I 325, 540; III 420 Mai, Angelo I 132 Mailand I 436; III 34 Maimonides siehe Moses b. Maimon R. Maimon b. Josef I 379; II 4859, 55344 Mainfranken I 343 Mainz I 203, 21021, 341, 381, 436, 46522; II 51, 100, 283, 545, 607; III 157, 385
626 Maitraka I 75, 77, 147, 149, 233; II 75, 169, 172–177, 18132, 341, 347, 424 f., 430, 502, 569 f., 572 f.; III 104, 108, 182 f., 190, 262, 265, 269, 271, 335, 342, 480 Majumdar, Susmita Basu II 263 Makarios (Pantokrator) II 415, 495 Makdisi, George I 109, 114; II 218; III 451 f. Makedonien I 134, 404; II 327, 333, 410; III 79, 81, 83, 166, 251, 33237 Makhir b. Sheshet II 315 al‑Makkī II 40 Málaga II 140 Malla (Kadamba) II 427; III 185 Ibn Mālik I 41 al‑Malik al‑ʿĀdil (Ayyubiden) II 384 al‑Malik al‑Afḍal (Ayyubiden) II 467 al‑Malik al‑Ašraf Abū an‑Naṣr Barsbay (Mam‑ lūken) II 219; III 228 al‑Malik al‑Ašraf Saif ad‑Dīn Qāʾitbāy (Mam‑ lūken) II 389; III 222, 241, 298, 373 al‑Malik al‑ʿAzīz (Ayyubiden) II 535 al‑Malik al‑Kāmil Muḥammad (Ayyubiden) III 47 al‑Malik al‑Muǧāhid (Taḥiriden) III 301 al‑Malik an‑Nāṣir ad‑Dīn Yūsuf II. II 384 al‑Malik an‑Nāṣir Faraǧ (Mamlūken) III 143 al‑Malik an‑Nāṣir Ḥasan I 477 f.; II 122, 470; III 374 al‑Malik an‑Nāṣir Muḥammad ibn Qalāwūn I 186, 365, 489; II 214, 383; III 221 al‑Malik aẓ‑Ẓāhir al‑Ġāzī (Ayyubiden) III 53 Mālik ibn Anas I 291; III 458 Malkhed (Karnataka) I 243, 248104; II 170, 261; III 264 f. Malla (Yādava) II 167 Mallanāga Vātsyāyana III 179 Mallorca II 140, 232; III 69 Malmedy II 615 Mamert (Vienne) I 436 Mamlūken I 40, 42, 44, 183, 192, 277, 285, 287 f., 290, 356; II 38, 41, 46 f., 122, 124, 207 f., 210–215, 217 f., 221 f., 225, 304, 306, 309 f., 383, 385, 389, 465–467, 469 f., 531, 534–540; III 15, 47–50, 53, 55, 6381, 137, 139–141, 14423, 14632, 218, 220, 223 f., 297 f., 347, 367, 369, 371, 373, 489, 502 Mamlūk Uġulbak b. ʿAbdallāh al‑Ǧāšankīr II 383 Ibn Mammāti III 369 al‑Maʾmūn I 283; II 307; III 55 Mango, Cyril I 132; III 471, 474 Mann, Jacob I 39559 Mansetov, Ivan I 133
Register zum Gesamtwerk
al‑Manṣūr (Abbasiden) I 19946; II 213 al‑Manṣ ūr Saif ad‑Dīn Qalāwūn al‑Alfī (Mam‑ lūken) I 480, 488 f.; II 210, 213; III 49 Mantaia II 495 Mantineon III 402 Manu (Rechtslehrer) III 179, 19221 Manuel I. Komnenos (Byzanz) I 222, 224, 525; II 413–415, 491; III 80, 399, 401 Manuel II. Palaiologos (Byzanz) I 402; II 41957; III 170, 397 Manuel (Stroumitza) II 147; III 86 Manuel Doblytzenos II 494 Mānyakheṭa siehe Malkhed Mānyapura II 502 Manzikert I 513 Ibn Manẓūr II 473; III 30418 al‑Maqrīzī siehe Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī Mara Branković III 404 Marçais, Georges I 112 Marcigny I 345; II 527 Marchtal an der Donau III 23 Marcus, Ivan G. III 467 Marcus, Jacob I 51, 5652, 59, 127, 294 Mardi (Maharashtra) I 423; II 432; III 98f. Mardin II 221 Margaret Beaufort III 127 Margarete III. von Flandern I 449 Margarete von Österreich I 340 al‑Marġinānī I 358 al‑Marḥūm Sulaimān I 365 Maria Lagoudes III 326 f. Maria Skleraina II 68 Maris I 280 Markellai I 307 Markos Eugenikos II 67 Marokko I 374, 477; II 467 f. Mar Qardagh I 305, 31243 Marrakesch II 213 Mar Saba I 307; III 91 Marsilius von Inghen II 362 Martin II. Gerbert (St. Blasien) II 373 Martin Luther II 243; III 351 f., 355 f., 36128 Martindale, Jane III 129 Mārūḍhi siehe Mardi Marūtā I 304 Marx, Karl I 16231 Masaccio I 452 Maslama ibn ʿAbd al‑Malik III 475, 476 Masolino I 452
Orts- und Personenregister
Masrūr III 219 Massignon, Louis I 111 Ibn Maʿṣūn III 369 Mathews, Thomas F. I 517 Mathilde (Gattin Heinrichs I.) I 437; II 356, 444 f., 612; III 124 Mathurā (Uttar Pradesh) I 315–317, 325, 3287, 43069, 5494; II 23, 590; III 179, 181, 434, 478, 510 Matsouka II 250 Matthäus (Evangelist) II 28, 30 Mattson, Ingrid III 55 Maurya I 554125; II 259, 262 Mauss, Marcel I 22, 91, 97, 123, 560; II 21, 497, 589 al‑Mawardī I 358; II 539; III 6123, Maximianus (Ravenna) I 446 Maximilian I. (HRR) II 373, 450 Maximos (Boteine) III 326 Mazumdar, B. P. I 155 f. McChesney, Robert I 106 McNair, Amy II 685 Mechelen I 340 Medici III 287 Medin a I 41, 166, 183, 197 f., 367, 487, 566; II 88, 115 f., 188, 301, 303, 305, 309, 387, 464, 467, 595, 601; III 137, 198, 221, 483, 498 Mehmed II. (Sultan) II 386–388; III 367, 404 Meinardus, Otto I 525 f. Meiningen I 386, 500 R. Meir b. Baruch von Rothenburg (Maharam) I 205 , 381, 383, 388–391; II 54 f., 131, 135 f., 139, 230, 316, 318, 320, 398 f., 401, 55332; III 151, 154 f., 160, 24219, 385 R. Meir ha‑Kohen III 24219 Meir b. Joel I 499 Meir b. Todros ha‑Levi Abulafia (Ramah) II 232 Meißen I 449–450 Meister, Michael W. I 159 Mekka I 166, 183, 196–198, 283, 365, 367, 487, 541, 566; II 18, 88, 109, 112, 115 f., 188, 212, 301, 303, 305, 309 f., 387 f., 464, 467, 586, 595, 600; III 137, 140, 198, 221, 483, 48724, 498 Melania die Ältere III 168 Melitene III 474 Melpāṭī II 80, 428; III 271 Memleben I 437 Menachem Merseburg II 318 Mendels, Doron I 297 f. Mercier, Ernest I 104, 108 Meri, Josef II 116
627 Meriniden‑Dynastie I 287 Meriwether, Margaret L. I 116 Merseburg I 39; II 458 R. Meshullam II 235, 241108 Meshullām ibn Shuraiq ad‑Dimašqī II 56 Mesopotamien II 214, 307, 583; III 222, 428, 430 f., 439, 455, 459, 504 f., 507 f., 515 f. Messina II 241107 Method von Saloniki II 69 Metz II 316 Mevissen, Gerd I 55392 Mevoraḥ b. Nathan II 394 Mevoraḥ b. Saadya II 317 Meyer, Otto I 24 Meyer, Philipp I 133; III 323 Michael III. Methysos (Byzanz) I 219 Micha el IV. der Paphlagonier (Byzanz) III 80, 118, 166, 171, 494 Michael V. Kalaphates (Byzanz) III 166 Michael VII. Doukas (Byzanz) I 52967 Michael VIII. Palaiologos (Byzanz) I 527; II 66, 159; III 88, 89, 476 Michael IX. Palaiologos (Byzanz) I 524 Michael Attaleiates I 63, 140, 14481, 22720, 302, 308; II 249, 67, 69, 150–152, 154, 248, 250, 282, 412, 491–493, 559, 606; III 83, 171 f., 251, 325, 331 Michael Glykas II 17, 585 Michael Lachanodrakon III 402 Michael Maleïnos II 409; III 399 Micha el Psellos I 409; II 242, 252, 560, 56652 f.; III 396 f. Michael der Syrer III 474 Michael Tzerekeres II 494 Michaels, Axel I 153; II 73 Miche, Nicolas II 537 Michel de Montaigne II 463 Michelangelo Buonarroti II 367 Michell, George I 159 Middlesex I 344 Mihirakula (Hūṇa) III 110 Mikālīs III 298 Milet I 225, 514 Miller, Maureen C. III 123 Miller, Timothy I 137–138; II 247 Millet, Gabriel I 133 Miltenberg II 480 Mīmās I 481 Mimmā III 183 Minden I 35275
628 Ming II 683, 689, 697, 733–736, 738 f. Ming Taizu III 435, 511 Miraj III 107 Mirashi, Vasudev V. II 344 Mistra I 524 Mitteis, Heinrich I 269 Mittelmeer I 46, 62, 107, 216, 220, 22611, 302, 456, 480 Mittelzell II 92 Moddelmog, Claudia I 260 Modena I 510; II 235 Modhera I 545 Moghalmari I 537 Mogul‑Reich I 249 Mohammed (Prophet) I 38, 44, 186, 249, 281, 369, 374, 567; II 18 f., 40, 47, 72, 110 f., 116–118, 122–125, 187 f., 206, 380, 539, 586 f., 596, 600 f.; III 137, 1441, 366 Mohammed V. (Granada) I 480 Moldau I 135, 309; II 70, 148, 158, 415; III 330, 405 Molsheim I 501 Monastir I 480 Mongolen I 284, 287; II 112, 28732, 388, 61132, 683; III 135, 224, 347, 502 Monier‑Williams, Monier III 175 Montargis III 127 Montauban III 35 Montgomery Watt, William III 1441 Montson II 400 Morand, Marcel I 104, 108; III 458 Mordechai b. Hillel I 390; II 318, 321, 398 f., 550; III 24219 Morini, Enrico I 22975 Morris, Rosemary I 140, 308 Morrison, Barrie M. I 153, 157 Mosel I 444 Moselgau II 371 Moser, Johann Jacob I 94 Moses (AT) I 21155; II 309 Moses von Coucy I 39329, II 227 Moses b. Maimon I 1319, 205, 207 f., 21135, 56, 379 f., 384, 387, 3929, 50618; II 20, 50, 54, 133, 138, 224, 231 f., 313, 321, 32463, 4859, 544, 549–551, 588; III 68, 346, 379, 381, 384, 38915, 502 R. Moses Minz II 400, 477; III 154 f. Moses b. Nahman (Ramban) II 232 Moshe Ḥallewa I 50; II 545 Don Moshe b. Shaprut II 402 f. Moshe ha‑Yerushalmi b. Elija Halevi I 50981 Mosse de Buonavogla II 241107
Register zum Gesamtwerk
Mossul III 227 Mostaganem II 134 Mo Tingyi II 721 Motril II 221 Mottahedeh, Roy III 299 Mṯn II 358, 614 al‑Muʾaiyad (Imam) III 59 al‑Muʾaiyad Šaiḫ (Mamlūken) I 480; III 221, 225 Mudéjares I 190 Muǧīr ad‑Dīn al‑ʿUlaimīs III 241, 297 Muḫairīq II 380 Muḥammad ͑Abd al‑͑A ẓīm, I 19925 Muḥammad ͑Abd al‑Ḥakam I 478 Muḥammad ibn Aḥmad as‑Saraḫsī III 458 Muḥammad ʿAlī (Ägypten) III 3756 Muḥammad Amīn I 113 Muḥammad Baḫtiyār Ḫalaǧī I 325, 535 Muḥammad ibn al‑Ḥāǧǧ III 366 Muḥammad ibn Sām III 482 Muḥammad ibn al‑Ḥasan aš‑Šaibānī III 294 Muḥammad ibn al‑Ḥusain as‑Sulamī III 366 al‑Muḥāsibī I 374 al‑Muḥibbī III 297 Muḥyī ad‑Dīn an‑Nawawī II 41, 110, 120 f.; III 47 Muʿizz ad‑Daula (Buyiden) I 19925; II 213 Mūlasaṃgha I 237 Muḷgunda (Karnataka) III 100 Müller, Christian I 356; II 384 Mumbai I 241, 322; II 271, 345, 426, 573; III 267 Mummuṇirāja I 233 Ibn al‑Munaǧǧa II 120, 472 al‑Munāwī II 302 München I 52, 5659; II 141, 478 al‑Muqaddasī I 373, 387, 480; III 46, 228 Ibn al‑Muqaffaʿ III 44, 6119 Muqātil b. Sulaimān II 125 Murad II. (Osmanisches Reich) III 404 Murād Bey (Mamlūken) III 14632 al‑Murādī III 297 Mūsāibn Barhūn II 56 Mūsā al‑Kāẓim III 369 Mūsā ibn Sulaimān al‑ʿAlam III 30425 Musidan I 383 al‑Mustaḍīʾ bi‑Amr Allāh III 222 Mustaganis II 321 Muṣṭafā ʿĀlī III 370 Müstair I 436 al‑Mustanṣir I 19925 al‑Muʿtaḍid (Abbasiden) I 19925; II 213
Orts- und Personenregister
al‑Mutawakkil I 283; III 142 al‑Muʿtazz III 142 al‑Muʿizz (Fatimiden) III 300 Muẓaffar ad‑Dīn Abū Saʿīd al‑Kaukabūrī I 493, Myanmar III 484–486 Ibn al‑Muẓaffar II 208 Nablus I 365, 493 Nabonid von Babylon III 440, 516 Nachmanides I 549 Ibn an‑Nadīm I 29313 Ibn an‑Nafīs II 466 Nafīsa al‑Baiḍā III 14632 Nāgamārya (Brahmane) II 501 Nagarjunakonda I 315; III 181 Nāgārjuni I 314 f.; III 258 Nāgīpattana, Hafenstadt III 111, 184, 271 Naǧm ad‑Dīn Ayyub I 477 Naǧm ad‑Dīn ibn ʿAlī aṭ‑Ṭarsūsī II 470–472, 474, 47538 Nahapāna I 316 Naḥmanides I 502 Nairab II 39123 Nakdimon ben Gurion III 380 Nāla I 55132; II 273 f., 282, 340, 424, 434, 606; III 108, 111 f., 262, 268, 271, 340 Nandabhūti II 513; III 413 Nandi, Ramendra Nath I 157 Nannarāja I 55022 Napoleon I. Bonaparte (Frankreich) I 22, 86, 103, 560, 564 Naravarman (Paramarā) III 413 Nārāyaṇa II 269; III 98 Nārāyaṇapaṇḍita III 335 Narbonne I 258, 436, 46411, 501; II 235 Narcissus (Nicim) Ferrer II 548 Narses III 168 Nasik I 316 Nāṣir ad‑Dīn al‑Ḥamawī I 366 Naṣīr ad‑Dīn aṭ‑Ṭūṣī I 285; III 54 an‑Nāṣir Faraǧ siehe al‑Malik an‑Nāṣir Faraǧ an‑Nāṣir al‑Ḥasan siehe al‑Malik an‑Nāṣir Ḥasan Nāṣir Ḫusraw I 374 an‑Nāsir li‑Dīn Allāh (Abbasiden) III 56, 221 an‑Nāṣir Muḥammad siehe al‑Malik an‑Nāṣir Muḥammad Nath, Vijay I 8260 Nathan b. Samuel (an‑Nēzer) III 69, 156 Natronai (Sura) II 40510 Naumburg I 449–451; II 368
629 Navarra I 295; III 69 an‑Nawawī siehe Muḥyī ad‑Dīn an‑Nawawī Nayapāla (Pāla) II 263 Nea Mone, Chios III 328 Neapel I 439 f.; II 25687 Nehemiah (Pumbedita) II 55 Nehemias Brüll I 50723 Nehorai b. Nissim II 56 Neilos Enkleistos (Tamasia) II 327, 334 Nelidov, Andreĭ Ivanovich I 132 Nellenburg I 448 Neophytos (Zypern) I 521 Neophytos Enkleistos (Zypern) I 214, 513 f., 516 f., 521 f.; II 158, 333, Nepal I 155, 33070, 530, 5507; II 27846 Nerses I. der Große (Katholikos) I 305, 31237 Nesbitt, John I 528 Nestorianer II 212, 234 Nethan ͗el Ben Eliezer ha‑Cohen, I 205 Neumüllers‑Klauser, Renate I 338 Neuss III 29 New Jersey I 139 New York I 50983 f. Niccolò Baroncelli I 440 Nicolas Rolin I 443, 46686 Nicolaus de Tudeschis I 34925 Niederlande I 340, 454; III 314 Niehoff‑Panagiotidis, Johannes II 225 f. Nikaia I 400, 520; II 25794, 493 Nikephoros I. (Byzanz) III 402 Nikephoros II. Phokas (Byzanz) I 215, 22719, 399, 522 f.; II 282, 325 f., 409, 488, 491, 563, 606; III 16f., 88, 399–401, 474 f., 490 f. Nikephoros III. Botaneiates (Byzanz) I 526, 52967; II 416 Nikephoros (Konzil von Lyon) II 66 Nikephoros (Panagia Asinu) I 519 Nikephoros Erotikos II 248, 282, 606 Nikephoros Ouranos II 559 Nikephoros Magistros ‚Yschirios‘ I 521 Niketas Choniates III 401 Niketas Stylites I 515 Nikias (Athen) II 233, 5913 Nikodemos Hagiorites II 148 Nikolakes Chastas II 493 Nikolaos von der Hagia Sion I 407 Nikolaos Kamomerotes I 520 Nikolaos Romanes I 519 Nikolaus I. (Russland) III 405
630 Nikolaus von Kues II 294 Nikolaus von Nattenheim II 286, 609 Nikolaus Schildberg II 201 f.; III 26 Nikomedien I 219 Nikon Metanoeite II 154; II 562 Nikon vom Schwarzen Berg II 150, 156, 247, 489 Nil I 21, 432, 559; II 16, 208, 214, 307, 315, 478, 584; III 225 Nischapur I 195; II 206; III 49, 346, 366, 502 Nisibis I 306, 31345; II 25798 R. Nissim (Kairouan) I 379, 387 Niyogi, Pushpa I 155 Niẓām ad‑Dīn Čaqmaq (Timuriden) I 187 Niẓām al‑Mulk (Seldschuken) I 189, 196, 284, 37857, 477; II 218; III 49, 53, 222 Niẓāmīya‑Madrasa (Bagdad) III 49, 53, 221 f. Njammasch, Marlene I 151, 155, 157, 16240; II 431 Nordnes I 30 Notker der Deutsche I 29 Nowgorod I 406, 41169 an‑Nuʿaimī I 374; II 470 Nūba I 365, 37724 Ibn Nuǧaim II 308 Nūr ad‑Dīn Muḥammad (Artuqiden) III 222 Nūr ad‑Dīn ibn Zankī I 286, 480, 487, 489, 492; II 213, 217, 384, 4748; III 228 Nürnberg I 52, 127, 18049, 204, 206, 332, 386 f., 39560, 62 , 445, 457, 461, 4642, 46688, 471251, 497, 500, 503, 505, 50740, 570; II 21, 34, 53, 89, 10864, 130, 132, 135, 139, 141, 195, 229, 231, 23837, 452, 45911, 481–483, 48535, 523, 588, 596 f.; III 67, 73, 119, 157–160, 443, 467, 495, 518 f. an‑Nuwairī I 362 Obadiah ben Japhet Abū al‑Maʿālī I 503; II 56, 402 f. Obolensky, Dimitri III 323 Obrecht, Jacob I 97 Obuda I 439 Odo (König) I 436 Odysseus I 225 Oestreich, Gerhard II 199, 20433, 38 Oexle, Otto Gerhard I 268–270; II 1438 Offa (Essex) I 464 Ohtoshi, Tetsuya I 111 Oikonomides, Nicholas III 84, 327 Ölberg III 168 Ölğäitü II 388 Olivelle, Patrick II 425 Oltingen III 27, 4086
Register zum Gesamtwerk
Olymp II 284, 607 Ombres, Robert II 66 Oppenheim I 383, 39328, 500 Orhan (Sultan) I 309 Orient I 106, 266; II 50, 129, 132 f., 137–139, 190, 225, 230 f., 235, 311 f., 314, 320, 392, 395, 398, 402, 40510, 479, 481; III 64, 66, 68, 73, 235, 379 Origenes von Alexandrien I 376; II 63, 243 Orissa I 7911, 153, 156 f., 159, 326, 33070, 534, 537, 540, 545; II 76, 173, 177, 18386, 264, 347, 422, 576; III 185, 414 Orléans I 335; III 24555 Orme, Nicholas I 10155 Orr, Leslie I 78, 154, 160, 24766, 323, 326; III 187–189 Ortlieb von Zwiefalten I 28 Osmanisches Reich / Osmanen I 40, 44, 5522, 5677, 107, 113, 118, 13075, 132, 206, 209, 288, 310, 311; II 45, 209, 305, 387, 413, 415 f., 534, 537; III 79, 82, 227, 228, 279, 303, 314, 31915, 346, 347, 366, 369, 370, 372, 375, 383, 388, 402, 403, 404, 46115, 464, 500, 502, 503; siehe auch Türkei / Türken Österreich I 338, 340, 379, 383; II 297, 364, 373, 542; III 148, 206 Ostrogorsky, Georg I 139; III 328 Oströmisches Reich siehe Byzanz Othenin‑Girard, Mireille III 27 Otto I. (HRR) I 447, 450; II 355 f., 358, 611–613 Otto III. (HRR) I 437, 471275; II 360 f. Otto IV. (Wolfratshausen) II 357 f., 613 Otto II. (Bamberg) II 357, 612 f. Ottonen II 527, 612 R. Ovadiah Bertinoro III 73, 74 Oviedo I 443 Oxford I 527; II 198, 20429, 374; III 126, 451, 452, 4536 Oxyrhynchus I 218 Øystein II. Haraldsson (Norwegen) I 29 Pachomios der Große I 216 Pachymeres, Georg I 22981 Paderborn I 46529; II 99 Paḍigū (Šahrū) I 279 Padmaladevi III 185 Padua I 440, 451 f.; II 241107; III 34 Paharpur siehe Somapura Pahlitzsch, Johannes I 112, 114; II 23956 Pakourianos II 249 f.; siehe auch Apasios Pa‑ kouria nos, Gregor Pakourianos, Kale Pa‑ kouriane, Symbatios Pakourianos Pāla I 233, 536; II 76 f., 81, 263, 340, 345, 423–425, 434
Orts- und Personenregister
Palaiologen I 309; II 415, 417 Palencia II 198 Palermo II 225; III 238–240 Palitana I 539 Palma de Mallorca I 510 Palola I 424 Pakistan I 326, 415, 424, 541, 547; II 430 Palästina I 5649, 77, 166, 193, 205, 217, 280, 297, 306, 379, 401, 405, 477, 480, 513, 566; II 49, 51, 53, 55, 5916, 129, 158, 229–231, 247, 306, 309, 326, 390, 395, 409, 451, 479, 483, 487, 539; III 16, 64, 70, 73, 90, 149 f., 160, 167 f., 198, 209, 228, , 232, 237–239, 315, 457, 490, 498; siehe auch Israel Palitana I 325 Pallava I 323, 540 Panberios, Patrizier II 68 Pañcikeśvara I 235 Panda, Shishir Kumar I 152 Pandeya, Braj Kishore I 156 Panhale II 426 f. Paphlagonien III 166 Paphos I 514 Paramāra II 8218, 167 Paris I 95, 107, 219, 448 f., 509 f.; II 192, 198, 366, 369, 374, 46035; III 34, 2905, 451 f. Parthenopolis III 168 Pārśvanātha I 237, 544 Pārvatī I 545 Paschalis I. (Papst) I 446 Paschimbhag II 273 Patlagean, Évelyne I 303; III 87 Patmos I 133 f., 223, 31369, 404, 4107; II 327, 329 f., 488–490, 49614, 562; III 82, 327, 331, 404 Patna (Bihar) I 546; II 264; III 265 Pattadakal I 540 Paul von Latros I 514 Paula (Freundin des Hieronymus) III 168 Paulus de Liazariis I 34925 Paulus (Apostel) II 16 f., 63, 243, 584; III 439, 515 Pauly, Anders M. II 46037 Pauva III 191 Pavia III 34 Pāviṭṭage II 269 Pazzi I 440, 442, 46680 Pedersen, Johannes I 114 Peking siehe Beijing Peloponnes I 403, 519, 524; II 561 f.; III 85, 87 Pera, Konstantinopel III 255 Peraḥyah b. Jakob II 56; III 73
631 Peristerai II 153 Perpignan I 207 f.; II 227, 548 f.; III 160, 16494, 32146 Persepolis III 439, 514 Persien / Perser I 113, 265, 279, 284, 562; II 390; III 54, 112, 239, 301, 431, 438, 439, 440, 459, 474, 507, 514, 515, 516 Persischer Golf III 46 Perugia II 193; III 157 Peter IV. (Aragón) II 480 Peter IV. (Bulgarien) III 82 Peter I. (Kastilien‑León) I 296, 498, 501; III 66 Peter (Konstantinopel) II 244 Peter Mezzabarba (Florenz) III 122 f. Peter Engelprecht II 450 Peter von Korinth II 64 f. Petrus (Apostel) I 453, 462, 464 f.; II 361, 366 f., 527 Petrus de Anc(h)arano I 34925 Petrus de Ardeneyo II 99 Petrus Cellani III 35 Petrus Waldes III 351 Petry, Carl. F. I 113–115; III 143, 373 Petschenegen III 248 Pfäfers I 342 Pharisäer II 20, 588 Pharos III 81 Philadelphia (Lydien) II 248, 556 Philentolos Olympiou II 65 Philetairos II 439 Philipp von Schwaben (HRR) II 357, 445, 613 Philipp IV. (Frankreich) I 438 Philipp II. der Kühne (Burgund) I 439, 449, 451 Philipp von der Pfalz (Freising und Naumburg) II 370 Philippoupolis II 155 Phillibert II. I 340 Philo von Alexandria II 187, 600 Philotheos (Philotheou‑Kloster, Athos) II 416 f., 41965 Philotheos Kokkinos (Konstantinopel) II 410 Phokades I 523 Photios (Kiew) II 415, 495 Picard, Christophe I 112 Picardie I 454 Pierre Dubois II 374; III 209 Pietro Garfrano III 34 Pietro Perugino II 367 Pippiniden III 347, 502 Pippin der Jüngere II 370–372, 439 f., 616 Piroska von Ungarn siehe Irene
632 Pisa I 255–257; III 255, 473 Pistoia I 452 Pitra, Jean‑Baptiste I 132 Pius II. (Papst) II 281, 37630, 605 Pizu III 475 Placidia (Tochter Valentinians III.) III 168 Placidius de Meester I 66 Plaeschke, Herbert und Ingeborg I 160, 534, 538, 543 f. Platon II 63 Platon von Sakkoudion I 307 Pleimes, Dietrich I 91 Plochingen II 363; III 28 Plutarch II 233, 5903 Poissy I 438 f. Poitiers III 119, 496 Polemitas I 519 Polen I 295; II 198, 360; III 118, 494 Polonnaruva I 538, 55265 Pontisches Gebirge I 404 Pontos I 41017, 512; II 250, 324, 327, 488; III 81, 85, 87, 254, 403 f. Ponziano I 256 Populonia I 255 Portugal I 496; II 228, 236 Powers, David I 110 Prag I 95, 439, 464, 510; II 102, 282, 362, 605; III 24214, 39468 Prakāśadevī (Kārkoṭa) II 433 Prato I 452 Pravarasena I 233 Prochno, Joachim I 95 Prokop III 171, 17333, 17456 Prokopios (Konstantinopel) II 493 Protaton II 563 Provence I 379, 383; II 226, 235 f., 397; III 69, 148, 310 Prüm I 259, 27246, 336; II 370–372, 455, 53031 Pṛthivīmahādevī siehe Tribhuvanamahādevī II. Pulakeśin II. I 418 Pumbedita I 203; II 55, 231, 312, 403; III 239 Puigcerdá II 319 f. Pulindarāja (Bhaumakara) II 576 Puri I 540 Pūr‑i Bahā III 367 Pūrṇabhaṭṭā (Maitraka) III 183, 190 Purshottampuri II 430 Puruṣaināyaka II 260 f. Puruṣottama II 430
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Puruṣottamapura II 261 Pushkara I 545 Puvvaiya II 426 Pyrenäen III 33 Pyun, Kyunghee I 97 Qabīha ar‑Rūmīya III 142 al‑Qāḍī al‑Fāḍīl II 307 Qalāwūn siehe al‑Manṣūr Saif ad‑Dīn Qalāwūn al‑Alfī Ibn Qalāwūn siehe al‑Malik an‑Nāṣir Muḥammad ibn Qalāwūn al‑Qalqašandī siehe Aḥmad ibn ʿAlī al‑Qalqa‑ šandī Qānṣūh al‑Ġaurī (Mamlūken) II 389, 534, 537 f., 540; III 298 al‑Qarawīyīn I 486; II 219 Qartamin I 307 Ibn al‑Qasim I 291 Qasr aš‑Šam II 400 Ibn Qaṭṭān I 292 Qāʾitbāy (Mamlūken) siehe al‑Malik al‑Ašraf Saif ad‑Dīn Qāʾitbāy Ibn al‑Qaiyim I 292 Qin II 683 Qingcheng Shan II 698, 718, 721 Qing II 683, 697, 725, 729, 733, 736, 738 Ibn Qudāma II 533 Quedlinburg I 437; II 355 f., 358, 440, 444 f., 527, 611–613, 616 Qufu (Shandong) III 435, 511 Qumran I 47 f. Quṣūr I 37724 Ibn Qutaiba I 370 Quṭb ad‑Dīn (Kaschmir) III 422 Quṭb ad‑Dīn Aibak I 541 Quṭb ad‑Dīn al‑Hirmāsī III 347 Qutlumuš II 158 Rabad von Posquiers (Abraham b. David) II 232 Rabbaniten II 229, 231 Rabbat, Nasser III 227 Radegunde (Gattin Chlothars I.) III 119, 496 Radić II 410 Rāfiḍīten II 109 Rājagṛha I 55132 Rājarāja I. (Coḷa) III 111, 271 Rajasthan I 539, 541, 545; II 573, 575 Rajbhita (Bengalen) III 417 Rājendra I. (Coḷa) I 421 Rāma I 545; II 75
Orts- und Personenregister
Rāmacandra (Yādava) II 79, 261, 430 Rāmagiri / Ramtek I 158 Ramah siehe Meir b. Todros ha‑Levi Abulafia Ramban siehe Moses b. Nahman Rāmbapaṇḍita III 335 Ramla I 11722, 205, 368, 481; II 129, 230; III 238, 24657 Ramsund I 444 Ranger, Terence O. I 346 Rapoport, Yossef I 116 Rashba siehe R. Salomon b. Abraham b. Aderet Rashbaṣ siehe R. Shimeon b. Ṣemaḥ Duran Rashbash siehe Salomon b. Shimon Duran Rashi II 130 Rašīd ad‑Dīn Ṭabīb I 106, 114, 187, 285, 356, 364, 372, 484, 486; II 112 f., 123, 209, 211, 28732, 307, 388, 533, 611; III 227 Rastko Nemanjić siehe Sava, Heiliger Rāṣṭrakūṭa I 76, 233, 422, 55022; II 75, 78, 8452, 169 f., 178, 18277, 261 f., 267, 272, 27611, 339 f., 345, 349, 35230, 422, 426, 428 f., 433, 440, 500–502, 507, 509, 51690, 573, 616; III 111, 184, 259, 265, 266 Rasūlīden III 137, 138 Ratcausus (Kloster Monteverdi) I 27223 Ratchis (Kloster Monteverdi) I 255 Ratnagiri I 537 Raṭṭarāja (Śilāhāra) II 267 Ravan siehe R. Eliezer b. Nathan Ravenna I 141, 446 f.; II 334 Ravina III 153 Ravjah siehe R. Eliezer b. Joel ha‑Levi Rav Levi I 390; II 398 f. Ray, Himanshu Prabha III 483 Rees Jones, Sarah Ruth II 292 Regensburg I 52, 459, 462, 471267; II 57, 137, 141, 229, 316, 522; III 67 Reggio Emilia II 46048 Regino von Prüm I 336 Reichenau I 342, 436, 467113; II 92 Reicke, Siegfried I 90, 254, 260 Reillanne I 383, Reims I 96, 174; II 296 Reiter, Florian C. II 684 Remaclus (Stablo und Malmedy) II 439, 615 Remiremont I 342; II 92 Renou, Louis I 154 Reutlingen I 471269 Revaṇa II 433, 43774 Rexroth, Frank I 95; II 448 Reynolds, Susan I 258
633 Rhaidestos II 151, 248, 412; III 83, 251 Rhein I 258; III 148, 208 Rheinland I 338, 383; II 130, 132, 228, 285 f., 314, 397 f., 480, 546; III 148, 151, 157, 443, 519 Ribash siehe R. Isaak b. Sheshet Perfet Ribnitz II 364 Richard I. (England) I 520, II 489 Ri Migash II 226 Risiyappa, Brahmane III 266 Ritba siehe R. Yom Tov b. Abraham Ishbili Ritva siehe R. Isaak b. Abraham Ishbili Robert (flämischer Händler) III 25 Robson, James II 684 Rodley, Lyn I 515, 523 Rodrigo Jiménez II 198 Rodulf von Bourges III 129 Rodulf Glaber III 24555 Roger I. (Sizilien) II 154 Roger II. (Sizilien) II 154, 241107 Rogers, Alan I 93 Rom I 25, 3545, 137 f., 177, 262, 265, 3111, 438, 440, 445–447, 459, 464, 467104; II 66, 98, 244, 357, 366 f., 369 f., 37895, 487, 527, 613; III 16, 196, 33, 82, 167, 490, 4936 Romanos I. Lekapenos (Byzanz) I 517; II 248; III 17, 79, 83, 88, 166, 251 f., 491 Romanos III. Argyros (Byzanz) I 524; II 154; III 80, 474 Romanus (Subiaco) I 455 Römisch‑deutsches Reich siehe Heiliges Römi‑ sches Reich Römisches Reich / Römer I 25, 62, 218, 252, 262, 266, 317 f.; II 285, 386, 583, 608; III 16, 165, 166, 167, 325, 437, 442, 455, 458, 471, 478, 490, 513, 518 Rosenthal, Joel T. III 24 Rosh siehe R. Asher b. Jeḥiel Rotenkirchen II 526 Rothenburg ob der Tauber I 205, 383, 388; II 54 f., 131, 135 f.; III 388 Roth‑Gerson, Lea I 29824 de Rothschild, Edmond Benjamin James I 54 Rouen I 436; II 233; III 210 Rouffach I 501, 50848 Rouillard, Germaine I 133 Rowson, Everett K. III 1445 Ṛṣabha II 575 Rudadevī I 541 Rudolf I. (HRR) I 205, 450
634 Rudolf III. (Österreich) I 438 Rudolf IV. (Österreich) I 438, 450 Rudolf I. (Werden) II 95 Rudolf von Cahors III 129 Rufinus I 336 Rügen II 46046 ar‑Ruḥawī II 219 Rukn ad‑Dīn Mengüveriš al‑Falakī II 385 Rumänien II 148, 158, 1615; III 82, 405 Ruprecht I. (Pfalz) I 464; II 362 Ruprecht II. (Pfalz) I 464; II 362 Ruprecht III. (Pfalz) II 362 Ruprecht, Michael I 93, 168 f. Rus’ I 20, 558 Ibn Rušd al‑Ǧadd I 359 Russland I 20 f., 137, 14214 f., 406, 558, 561, 571; III 69, 330, 405 Rustiakos (Karabaş Kilise) I 515 Ruy González de Clavijo I 523 f.; II 413 Saadia (Sura) II 20, 48, 588 Saarbrücken I 463 Sabäer II 234 Sabapathy, John III 452 Sabar, Shalom I 5061 Sabas, Heiliger III 90, 168 Sābiq ad‑Dīn Miṯqāl al‑Anūqī al‑Ḥabašī III 139 Sabra, Adam I 111 f.; II 210 Šābuhr I. (Sasaniden) III 438, 439, 514 Sachsen II 355 f., 440, 444, 611 f., 616; III 129 Ibn aš‑Šaddād I 373, 492; III 50 Saʿd ad‑Dīn Bašīr an‑Nāṣirī III 142 Sadduzäer II 20, 588 Sādhāraṇa III 414, 415 Ṣadr ad‑Dīn ibn al‑Ḥamawaihī II 126 Ṣafawiden II 123; III 135 aš‑Šāfi ͑ī (Imam) I 286, 369, 478, 484, 489; II 41, 112, 309, 470; III 55 Safir, Jacob I 208, 21275, 50983 Ṣafīya Sulṭān III 39474 Safrai, Shmuel I 29822 Šaġab (Mutter von al‑Muqtadir) III 137, 138, 14420 Sagara I 420 Saghbini, Suad I 112 Saha, Sharmila I 55398 as‑Saḫāwī I 116, 373 Ṣāḥib Atā III 51 Ṣāḥib Ǧamāl ad‑Dīn Yūsuf II 383 Ibn Šāhīn Ḫalīl aẓ‑Ẓāhirī I 478 Sahl ibn Salāma I 284; III 301
Register zum Gesamtwerk
Sahl ibn Maṣliaḥ III 74 aš‑Šaibānī siehe Muḥammad ibn al‑Ḥasan aš‑ Šaibānī Saʿīd b. ʿAllun al‑Qudsi II 317 Saʿ īd as‑Suʿadāʾ I 489 Saidā I 37724 Saif ad‑Dīn ar‑Raǧīḥī II 305 Saif ad‑Dīn Baktamur al‑Ǧūkandār I 366, 37724 Saif ad‑Dīn Qiǧlis an‑Nāṣirī I 484 Ibn as‑Saifadī I 360 Šaiḫ ʿAbd al‑Ġanī an‑Nābulusī III 14529 Šaiḫ Aḥmad Afandī al‑Ašrafī II 391 Šaiḫ Alī al‑Baka II 468 f. Šaiḫ Ḫwāǧa ʿUbaid Allāh Ahrār II 468 Śailendra III 111 Saindhavae II 174 Saint‑Geniès (Sarrazac) III 129 Saint‑Michel‑sur‑Orge III 124 Śaka II 426 Śakrāditya I 536; II 434 Saladin I 188 f., 19958, 251, 286, 290, 369, 477 f., 484, 489, 492 f., 569; II 41, 44, 46, 112 f., 123, 213, 216 f., 307, 309, 384, 389, 467, 535; III 46, 54, 227, 303, 457, 475 Ṣalāḥ ad‑Din aṣ‑Ṣafadī III 53 Salfeld, Siegmund I 126, 50840 Salier II 370, 373, 380137 aṣ‑Ṣāliḥ Ṭalāʾīʿ ibn Ruzzīk III 369 Ṣāliḥ b. ʿUmar ʿAlam ad‑Dīn III 297 Salokar, Douglas I 96 Salomon, Richard I 78, 145, 16113, 420 R. Salomon b. Abraham b. Aderet (Rashba) I 50 f., 380 f., 389, 39315, 39575, 498; II 52, 56, 133 f., 138, 140, 226 f., 235, 23830, 318 f., 401, 481, 483 f., 547; III 72, 153, 24326, 380, 384, 391 43 Salomon b. Isaak (Bardaʾya) I 505; II 402 Salomon b. Judah ibn Gabriol III 391 40 Salomon b. Shimon Duran (Rashbash) I 389; II 134 f., 227 Salotgi (Karnataka) II 269; III 98 Salvian von Marseilles Salzburg I 342; II 92, 446 Samarkand II 212, 468 Samatya II 412 Sampson (griechischer Arzt) II 245 f., 249 Šams ad‑Dīn al‑Ǧuwainī I 285 Šams ad‑Dīn ibn Ḫallikān I 373; III 456 Šams ad‑Dīn Muḥammad Ibn al‑Maʿṣarānī I 490; III 226
Orts- und Personenregister
Šams ad‑Dīn Mūsā I 474, 486 Šamsī Aḥmad Paša III 217, 218 Samuel b. Hannanya I 21280 Samuel b. Saadya III 69 Samuel b. Yosef b. Sasson II 320 Samuel Halevi Abulafia I 498, 501, 504 f.; II 56, 403; III 66 Samuel ha‑Nagid III 391 40 Samuel ha‑Sardi II 315 Saṃyāna II 272, 426 Sánchez, Ignacio II 23, 590; III 441, 517 Sanchi (Madhya Pradesh) I 315 f., 32812, 21; II 343; III 180, 181, 268 Ṣandal ibn ʿAbd Allāh, III 50 Sanderson, Alexis I 156, 160, 239; II 266, 434 Sanǧar aš‑Šuǧāʿ ī I 493 Sanguesa II 228 Saṇhāyikā (Gattin des Bhadraṇāga) III 183 Sanjeli (Gujarat) III 110 Saṅkamadeva II 432 Śaṅkaravarman (Kaschmir) III 421 Sankt Gallen I 342, 436; II 92, 290, 447; III 23 Santiago de Compostela I 491 Śāntikara I. (Bhaumakara) III 186 Santillana, David I 104, 108; III 458 Šaqrā (Tochter des an‑Nāṣir Faraǧ) III 143 aš‑Šaqundī I 491 Šaraf ad‑Dīn ʿAlī ibn ar‑Raḥbī II 466 Šaraf ad‑DīnʿIsā ibn Ġānim I 356, 365 Saragossa I 50, 389; II 232, 235, 320, 480; III 66, 69, 313, 321 46 Sarnath I 316, 32824, 549; III 181 Sarrazac III 129 Sarvaśūra I 554137 Sasaniden I 265; II 62, 517, 619; III 438 f., 455, 4612, 515 Śaśāṅka (Bengalen) III 419 Śaśilekhā (Bhaumakara) II 76, 576 Sastri, Hirananda I 536, 551 48 Sastri, Kallidaikurichi Aiyah Nilakanta I 146, 148 Satalos Kosmas III 87 Sātavāhana I 316; II 343 Ibn Saʿūd Abū al‑Ḥasan ʿAlī ibn Muḥammad II 463 Saurāṣṭra siehe Kathiawar Sava, Heiliger (Rastko Nemanjić) I 309; II 416 f.; III 81 Savoyen I 340 Sawād (Irak) III 301 as‑Saifī Yašbak ad‑Dawādār III 373
635 Saiyid Muḥammad Abd al‑Ḥakam II 41 Schacht, Joseph I 109, 111; III 458 Schaffhausen I 448 Scharfe, Hartmut II 272 Schedl, Barbara I 439 Scheller, Benjamin I 97; II 20438 Schilde, Kurt I 118 Schleif, Corine I 445 Schleswig II 521 Schmid, Karl I 90; III 281, 282 Schmiedchen, Annette I 156; II 2670, 59470, 740 Schmitt, Jean‑Claude I 267 Schoenblum, Jeffrey III 365 Schöller, Wolfgang I 436 Schönfeld, Walther I 254 Schopen, Gregory I 153, 156, 160, 16381, 236, 322, 415, 419, 532, 548, 55024; II 82, 166–168, 431, 502, 511, 697; III 180 f., 260 f., 268 f. Schreuer, Hans I 269 Schuler, Barbara II 684 f. Schulze‑Dörrlamm, Mechthild I 470217 Schwaben II 283, 607 Schwarzes Meer I 512; II 282, 324, 606 Schwarzwald II 373 Schweden I 444, 499 Schweiz I 35267, 439; II 296, 372 Sebaste siehe Sivas Segovia II 228, 235 Seiwert, Hubert II 696 Seldschuken I 251, 284; II 67, 123, 229, 479, 535; III 18, 48, 49, 51, 83, 222, 347, 46115, 492, 502 Seleukia‑Ktesiphon I 306 Seligenstadt III 123 Selim I. (Osmanisches Reich) I 493 Selim II. (Osmanisches Reich) I 311; III 404 Selime Kalesi I 520 Selz II 527 Sembiyan Mahādevī III 183, 184 Sena I 233; II 425 Sendraka II 175; III 271 Senekʼerim von Vaspurakan (Arrmenien) III 25770, 475 Sepharad siehe Spanien Serbien / Serben I 135; II 408, 488; III 81, 198, 254, 401, 498 Sergios I. (Konstantinopel) II 244 Serrai I 134, 14329 Serres II 327, 492 Śeṣa I 77
636 Sevilla I 50859; II 54 Shaham, Ron I 13075 Shahīd, Irfan I 280; III 457 Shahjahanabad I 116 Shang III 428, 504 Sharma, Ram Sharan I 150 f., 16231 Shatrunjara I 539 Shatzmiller, Joseph II 241107 Shatzmiller, Maya III 293 R. Shemarja von Speyer I 391; II 136 R. Shem Tov b. Holo II 400 R. Sherira (Pumbedita) I 379; II 55 R. Shimeon b. Ṣemaḥ Duran (Rashbaṣ) I 389; II 54, 134, 140, 227, 314, 321 f., 544 f.; III 233, 234, 39363Shimshon bar Abraham I 390; II 131 Shizutani, Masao I 155 R. Shlomo I 390 R. Shlomo Ruben (Calatayud) II 402 Shmuel b. Baruch I 390 R. Shmuel b. Hofni (Sura) II 55 Shmuel he‑Ḥasid I 391 Shmuel Jehudah bar Menachem ha‑Levi I 390 R. Shmuel ha‑Sardi I 502; II 404 Ibn Shoshan III 69, 7519 Sichuan II 689, 692, 698, 719, 728, 732, 737 Siddhārtha Gautama siehe Buddha Sidi Frej I 480 Siegburg II 283 f., 607 Sieglerschmidt, Jörn I 258 Sigibert III. (Merowinger) II 439, 615 Sigmund Oertel II 452 Sigurd I. (Norwegen) I 30 Šihāb ad‑Dīn Toġril II 385 Šihāb ad‑Dīn (Kaschmir) III 421 Šihāb al‑Adrāʾī II 470 Sikandar (Kaschmir) III 422 Sikkim I 530 Sikri I 32823 Śīlāditya I. (Maitraka) III 104 Śilāhāra I 233; II 8452, 171, 177, 259 f., 262, 267, 269, 272, 345, 347, 426, 506, 509, 512, 575, 581 44; III 266 f., 335 Śīlamahādevī (Cālukyas) III 184 Silk, Jonathan III 178 Silvester I. (Papst) I 347113, 467 Silwān III 46 Simcha Emanuel II 14413 R. Simcha von Speyer I 391; II 55, 136 Siṃhala siehe Sri Lanka
Register zum Gesamtwerk
Sinai I 133, 306 f., 525; II 63; III 90 Sinān ibn Ṯābit III 138 Sindh I 326, 541; III 482 Singer, Amy I 111; III 369 Singh, Harihar I 160 Singh, Sheo Bahadur I 160 Singh, Upinder I 157 Siṅghaṇa II. (Yādava) II 272, 427, 432 Sirat, Colett II 235 aš‑Šīrāzī II 587 Sircar, Dinesh Chandra I 145 f., 150; II 264, 338, 423, 43774 Sirpur I 537 Sītamarhi I 314 Sitt ʿĀʾiša I 365 Sitt ʿĀʾiša Hanūm III 23044 Sitt Amatullāh ‚al‑Bayḍā‘ III 14523 Sitt al‑Husn, Gattin des Nathan ben Samuel III 156 Sitt an‑Naẓar II 53, 56 Sitt ar‑Riyāḍ an‑Nāʾiḥa II 56; III 74 Śivabhāgapura I 32958 Śivakara I. (Bhaumakara) II 76 Śivakara IV. (Bhaumakara) III 186 Sivas I 285, 304, 305, 522 f.; III 227, 301 Sixtus IV. (Papst) II 367 f., 370 Sizilien I 386; II 224 f., 230, 234, 241107; III 67, 452 Skanda I 545 Skandabhaṭa II. II 425; III 105 Skandinavien I 252, 444 Skepides I 515 Skilling, Peter III 181 Skinner, Patricia I 294 f. Skythopolis I 217 Slaje, Walter III 421 Slawen II 408 Smyrlis, Kostis I 140, 222, 22861; II 328 f. Smyrna II 327, 493 Smyrnakēs, Gerasimos I 14214 Snorri Sturlusons I 29 f. Södermanland I 444 Solomon b. Ḥakīm II 6040 Solomon b. Ḫalīl II 6040 Solomon b. Yehuda (Jerusalem) II 55 Somapura / Paharpur I 537; II 434; III 262 Somnathpur I 540 Song II 683 f., 686 f., 690, 711, 725, 727, 729 f., 733 f., 738 Sonnakāmādhava II 574
Orts- und Personenregister
Sontheimer, Günther‑Dietz I 159 Sōtērios Varnalidēs I 138 Sousse I 480 Sowjetunion siehe UdSSR Sozomenos (Kirchenhistoriker) II 19121, 60421 Spanien I 20, 46, 50 f., 53, 5545, 84, 125–127, 13089, 131103, 203, 207 f., 21169, 249, 251, 294, 296 f., 35267, 369, 379 f., 383, 385–389, 39214, 434, 480, 496 f., 501 f., 50859, 562, 568 f.; II 21, 51 f., 54–57, 5916, 89 f., 129, 132, 137–142, 221, 226–228, 230– 232, 235 f., 311, 314–319, 321, 396–398, 400, 402, 404, 477, 479–484, 542, 544–548, 550 f., 588, 596 f.; III 64, 66, 68 f., 71–74, 118 f., 127, 147 f., 153, 156, 160, 228, 233, 235, 238, 240, 24321, 307, 309 f., 312–314, 3188, 31920, 31922, 378–380, 382–384, 387, 443, 462 f., 465, 467, 494 f., 519 Sparta I 524 Spatharakis, Ioannis I 52967, 71 Speake, Graham III 330 Spencer, George W. I 156; III 183 Speyer I 203, 21021, 337, 381, 391; II 55, 97, 136, 368, 370, 372 f., 380137, 445, 45917, 19, 545; III 20, 41114, 21468, 236, 385 Spink, Walter I 55022 Śrāvastī I 316, 32824; III 27684 Śrī‑Bālaputradeva (Pāla) I 241; II 424 Śrī‑Bappayya (Rāṣṭrakūṭa) II 501, Śrī‑Bhuvanadevī (Candella) II 167 Śrīcandra I 233, 32957; II 273, 43757 Śrīcandrapura II 273 Śrī‑Daddapaiya I 24539 Śrīdharabhaṭṭa II 500 Śrī‑Ḍhoḍḍhi II 262 Śrī‑Kollāpura siehe Kolhapur Sri Lanka I 158, 24893, 33070, 415, 426, 42829, 530, 537 f., 543, 55030; II 80, 265 f., 348, 571, 577; III 111, 198, 266 f., 271 f., 340, 411 f., 419, 485, 498 Śrī‑Momaladevī II 167 Śrī‑Nālandā I 241 Śrī‑Naravarmadva II 167 Śrī‑Nārāyaṇavarman II 423 Śrī‑Prayāga I 237 Śrī‑Tribhuvanapāla II 423 f. Srirangam II 263 Śrīvara I 426; III 421 Stablo II 95, 615 Stephan I. der Heilige (Ungarn) III 450165, 526165 Stephan Nemanja I 309; III 81, 254 Stephan Nemanjić III 81
637 Stephan von Nowgorod I 41169 Stephan Orbelean III 254 Stephan (Peristerai) II 153 Steiermark II 364 Stein, Burton I 151, 156, 16242, 44 Steindorff, Ludwig II 1612 Steinwenter, Arthur I 67, 136, 299, 300 Stern, Gertrude III 1441 Stern, Moritz I 126, 50840 Sthiramati II 440, 616 Stietencron, Heinrich von I 155 Stobi I 297; III 4687 Stolte, Bernard I 136 Stralsund I 90, 168, 268, 441; II 31, 364, 4587; III 207 Straßburg I 5659, 175, 462, 471271, 50848; II 99, 141, 14774, 478, 526; III 3860, 123–125, 207 Stratford‑upon‑Avon I 444 Strobelos II 49614 Stroumitza II 333; III 86 f. Stutz, Ulrich I 22842, 253–255, 257 f., 260, 301 Subaina aš‑Šarqīya II 305 Śubhākara V. (Bhaumakara) III 186 Śubhākara VI. (Bhaumakara) III 186 Śubhākaradeva I 32957; II 576 Subiaco I 455 Subtelny, Maria E. I 113 Sui II 717, 726 Sulaimān ibn ʿAbd al‑Ǧabbār II 384 Sulaimān Qānūnī III 370 Sumatra I 241, 536, 55030; II 77, 340, 424; III 111, 271 Śuṅga I 315 Šuraih ibn al‑Ḥāriṯ I 44 Sura (Babylonien) II 55, 231, 403; III 239 Sūrya I 545 Suvarṇadvīpa II 424 Suvarṇapura III 414 Suzhou II 725, 731 Śvetāmbara I 236 Sykae siehe Galata Symbatios Pakourianos II 249 f.; III 89, 169 Symeon ‚von den Oliven‘ (Harrān) I 307 Symeon Stylites der Jüngere I 515 Symeon der Theologe II 328 Symeon (Xenophon‑Kloster) III 169, 170, 172, 17340 Syrien I 111, 116, 215 f., 306, 5282; II 18, 123, 154, 156, 158, 211, 216, 229 f., 246, 253, 383, 388, 390, 586; III 46, 53 f., 56, 92, 141, 222 f., 227, 239, 297 f., 300, 347, 369, 474, 502 aṭ‑Ṭabarī I 370; II 125, 214, 307
638 Tabbaa, Yasser II 384 Täbris I 285; II 113, 211, 28732, 388, 533; III 227, 441, 517 Tāǧ ad‑Dīn al‑Mānawī III 374 Tāǧ ad‑Dīn as‑Subkī II 115, 305; Tāǧ ad‑Dīn (mamlūkischer Heerführer) III 373 Ibn Taġrībirdī I 189, 20076; II 217; III 369 Ṭāhir ibn al‑Ḥusain I 37858 Tahiriden I 284; III 301 Tāhirtī II 56; III 70 at‑Tanūḫī III 14520 Ibn Taimīya I 282, 292, 359; II 40, 121 f., 310 Taiping II 737 Taiso (Kloster Monteverdi) I 255 Taiwan II 686, 726, 728 Taiwu (Wei) II 695 Taizong (Tang) II 727 Tājika II 426, 432; III 111 Tājika Madhumati II 78 Tājika Sugatipa II 426 Ṭalāʾiʿ ibn Ruzzīk II 533, Talbot, Alice‑Mary I 14591; III 165 Talbot, Cynthia I 156; III 103, 187 Talcher II 576 Talmon‑Hellers, Daniella I 111 R. Tam I 381 f.; II 397, 406, 480, 545 Tamar (Georgien) III 81 Tamerlan I 523 Tamilnadu I 236, 24766, 319, 322–324, 326, 421, 530, 540, 55262; II 263, 270, 275, 280102, 339, 507; III 187, 189 Tanaiten II 49 Ṭandatā III 374 Tang II 683, 690, 693, 695–697, 700, 703 f., 706, 709, 713–717, 721 f., 724, 727, 730, 733 Taqī ad‑Dīn al‑Maqrīzī I 183, 196, 371 f.; II 209, 211, 463; III 44, 140, 219, 224, 23041, 367, 374 Taqī ad‑Dīn as‑Subkī I 359 aṭ‑Ṭarābulusī siehe Burhān ad‑Dīn aṭ‑Ṭarābulusī Tāranātha II 434 Tarazona I 39455; II 138, 140, 228 Tarkavāgīśa, Rādhākānta I 146 Tarragona II 400 Ṭarsūsī II 382 Tassilo III. (Bayern) I 458, 470220; III 23 Tatev (Armenien) III 25770 Tathāgata‑rāja I 536 Taylor, Christopher Schurman I 111; II 117 Taimāʾ I 279; III 440 f., 516 f.
Register zum Gesamtwerk
Ibn Taimīya III 368 Telangana III 187 Terker Ḫatun I 284 Tertullian II 28, 189, 602 Thailand III 484, 485 Thane (Mumbai) III 267 Thanjavur I 540 Thapar, Romila III 420 Thasos II 410 Theben I 220, 300, 41024; II 411; III 325 Theoderich der Große I 445 Theodor II. Laskaris (Byzanz) II 25794 Theodor Balsamon I 399; II 68; III 397 Theodor Bardales III 87 Theodor Limpos II 488 Theodor Metochites I 523 Theodor von Mopsuestia II 149 Theodor Stoudites I 307, 409; II 249, 330 f. Theodor Tzerteues III 87 Theodor (Sohn Michaels Attaleiates) II 68, 492, 559; III 325 Theodora (Gattin Justinians I.) I 304; III 118, 168, 171, 17456, 473 f., 494 Theodora Kantakouzene III 403 Theodora Palaiologina I 517 Theodora Palaiologina Synadene II 160 Theodosios I. (Konstantinopel) I 408 Theodosios II. (Konstantinopel) I 219, 263; II 251, 374 Theophanes Homologetes I 407; III 402 Theophano (Gattin Nikephoros’ II.) I 522 Theophilos (Trapezunt) II 414 Theophylaktos Lekapenos III 166 Therwil III 27, 4082 Thespiai II 439, 615 Thessalien II 69 Thessaloniki I 60, 224, 311, 405; II 226, 413, 494; III 83, 169 Thietmar von Merseburg II 356, 612 Thocasiṃgha I 548 Thomas II. (Konstantinopel) II 244 Thomas Knolles III 21111 Thomas Krebs III 203 Thomas, John Philip I 66 f., 133, 138 f., 141–142, 14594, 99, 218, 300 f.; II 147, 156, 563; III 400 Thome, Markus I 438 Thrakien I 405; II 410 Thurgau I 462 Thüringen II 360, 372; III 17, 491
Orts- und Personenregister
Tiberias II 230 Tibet I 5507 Tiḏkārbāy Ḫātūn II 211, 466; III 138, 140 Tigran Honenc‘ III 92, 251 Tigris III 46 Timm, Erika I 47 Timuriden I 113; II 308; III 135 at‑Timurtāšī III 141 Tirumukkudal II 263, 270 f. Tmolos I 215; II 282, 556, 606 R. Tobias von Vienne (R. Tuvya) I 383 Toch, Michael I 13089, 295 f.; II 312; III 64, 66 Tokat I 285; III 301 Toledo I 335, 388 f., 498, 501, 504; II 51; II 56, 102, 226, 230, 232, 24084, 314, 396, 403; III 66, 69, 7519, 151, 233, 235, 24330 Tolmacheva, Marina I 116 Toramāṇa (Hūṇa) II 430; III 109, 110, 188 Toramāṇa II 168 Tortosa I 50, 386, 389; II 134, 232; III 69 Toukabri, Hmida I 109, 128, 131109, 277; III 236, 241, 24210 Toulouse I 10032; II 31, 20429 Tournai I 456; II 102 Tours I 471262 Trachtenberg, Marvin I 440 Trani I 502, 504; II 405; III 452 Transoxanien I 249, 568; III 298 Trapezunt I 133, 224, 512, 520; II 414 f., 495, 563; III 81, Trayīpuruṣa (Gott) II 269 Treadgold, Warren III 329 Trebatsch II 360, Trennā II 262 Tribhuvanamahādevī I. (Bhaumakara) II 576; III 186 Tribhuvanamahādevī II. (Bhaumakara) III 186 Trichy I 540 Trier I 52; II 10512, 286, 368, 610; III 359 Trikaṭuka I 434 Tripathy, Snigdha II 581 42; III 185 Tripoli I 490 f. Troiano de Buctunis III 452 Trombert, Eric II 728, 739 Trombley, Frank I 407 Troyes I 182110 Tschechien I 439 Tsukamoto, Keisho I 156 Tübingen II 199; III 349
639 Tucher II 34 Tudela II 227, 319 Tulln I 450 Ibn Ṭūlūn siehe Aḥmad ibn Ṭūlūn Tunesien I 104, 379, 480; II 229 Tungusen II 725 Turgot, Anne Robert Jacques I 270; III 352 Türkei / Türken I 85, 305, 563; II 159, 248, 306, 463, 556; III 227, 371, 404; siehe auch Osma‑ nisches Reich / Osmanen Turkmenen II 250 Turk‑Mongolen siehe Mongolen Turnus Rufus I 202 aṭ‑Ṭurṭūšī siehe Abū Bakr Muḥammad aṭ‑Ṭurṭūšī Tustarī II 133; III 70 Twitchett, Denis C. II 682, 739 Tyros I 190, 485; II 230, 394, 479, 550; III 65, 238 Tzurulon I 405 ʿUbaid Allāh al‑Mahdī I 186, 489 ʿUbaid Ibn Maʿālī I 369 Überlingen am Bodensee II 523 Uccakalpīya‑Dynastie II 573 al‑ʿUḏaib III 46 UdSSR I 134, 151; III 78 Uġulbak II 383, 472; III 298 Ujjain I 248104, 423 Ulm I 52, 447 Ulrich Fugger I 175 f.; III 282, 283 Ultrogotha (Gattin Childeberts I.) I 335; III 3614, ʿUmar (Kalif) I 281, 487; II 380, 390; III 46 ʿUmar ibn Raslān ibn Nāṣir ibn Sāliḥ Sirāǧ ad‑ Dīn III 297 Umayyaden I 251, 282; II 124, 214, 217, 390, 464, 470 f., 4748; III 46 Ungarn I 295, 439; II 414; III 82, 118, 494 Untermann, Matthias I 435 f. Urban IV. (Papst) I 182110; II 362 Uroš II. (Raszien) I 310 Urraca von León II 230 Urraca von Portugal I 458, 470221 Urulgoṇu II 571 USA I 22, 119 f., 140, 560 Uster III 357 Uṣavadāta I 316 Uspenskiĭ, Fëdor Ivanovich I 132 f. ʿUṯmān ibn ʿAffān III 46 ʿUṯmān Āġā III 142 Utrecht II 439, 616; III 208 f. Uttama Coḷa III 183, 184
640 Uttar Pradesh I 325, 540; II 590 Vågen I 30 Vāghelā I 541 Vaghli (Maharashtra) III 184 Vainyagupta (Gupta) I 2446; III 270 Vaiśālī I 415 Vajra I 536, 55150 Vajradeva (Pāla) II 77 Vākpatirāja I 426 Vakulamahādevī (Bhaumakara) III 186 Valabhī I 147, 156–158, 243, 248100, 320, 537; II 274, 431; III 190, 262, 265, 269, 27425 Valabhipur siehe Valabhī Valencia I 386; II 134, 23729, 401; III 72, 32027, 321 46 Valkhā I 319 Vallendar I 470216 Valois II 284, 608 Van Berchem, Max I 111; III 47 van der Ven, Johannes A. I 12810 Van Leeuwen, Richard I 114; III 217, 22922 Vasilʼevskiĭ, Vasiliĭ III 398 Vasiliev, Alexander A. I 14464; III 398 Vasubandhus I 73, 416 Vākāṭaka I 232 Vatikan II 367 Vaza, Ora I 125 Veltheim am Fallstein III 27 Venaissin II 31 Venedig III 67, 7515, 255, 473 Veṅgi (Andhra Pradesh) I 319; III 119, 187, 265, 495 Venkataramanayya I 16121 Venosa II 230 Veraval I 326, 541 Vereinigte Staaten von Amerika siehe USA Vergil II 284, 607 Verona II 368 Victor, Schüler Apa Abrahams I 300; II 411 Victor von Carben I 453 Vidagdha (Rajasthan) II 575 Vidale (aus Huesca) I 51 Vienne I 336 f., 436 Vietnam II 692; III 484 Vijayabāhu I. (Sri Lanka) III 419 Vijayanagara I 325 f., 33065 Vikramabāhu I. (Sri Lanka) III 419 Vikramāditya II 426 f. Vikramapālarāja II 432 Vikramaśīla I 42959 Viktor von Scheffel II 373
Register zum Gesamtwerk
Vilnius II 480 Vindhya‑Gebirge III 258 Vinītatuṅga (Bhaumakara) II 576 Violante (Aragón) I 386 Vīrarājendra (Coḷa) II 263 Vīra‑Baṇañjas III 107 Vīrasiṃha I 541 Viṣṇukuṇḍin I 232 Vlachen II 408 Vlad III. Drăculea (Walachei) II 417 Vlad IV. Călugărul (Walachei) II 417; III 82, 252 Wādī Labaḫ I 279 Waghora I 533 Wagner, Wolfgang Eric I 95, 462 Walachei / Walachen I 309; II 70, 148, 158, 334, 408, 415, 488; III 82, 330, 405 Walad (Mamlūken) III 373 Walahfrid Strabo I 446 Waldschmidt, Ernst I 77 Waldes siehe Petrus Waldes Walfred (Kloster Monteverdi) I 255–257, 27223, 27 Walī ad‑Dīn as‑Sifṭī III 143 al‑Walīd ibn ʿAbd ar‑Rahmān ibn al‑Qurašī al‑ Ḫurāsānī I 369 al‑Walīd I. (Kalif) II 214; III 46, 224 Walsh, Michael II 684 f., 710, 729 Walter de Merton III 452, 4536 Walters Robertson, Anne I 96 Wang Chang II 730 Wang, Eugene II 684, 697 Wang Xun II 725 al‑Wanšarīsī siehe Aḥmad ibn Yaḥyā al‑Wanšarīsī al‑Wardī, ʿAlī III 365 Warwickshire II 450 Washington (D. C.) I 137 al‑Waṭāwīṭ I 372 Wattasiden II 220 Weber, Max I 22 f., 151, 560; II 31, 364, 522 Wei II 685, 695, 706 Weinheim II 48536 Weisbrod, Adolf I 95 Weitzel, Sabine‑Maria I 441 Werden I 436; II 95, 370 Wertheim I 462 Wessel Gansfort III 351 Westbengalen I 157, 32949, 534, 537, 55159 West‑Ghats III 268 Westminster I 344; II 3624 Wetzlar III 359
Orts- und Personenregister
Wien I 52, 134, 141, 389–391, 438, 450, 52828; II 132, 282, 296, 362 f., 372, 450, 46150, 64, 605; III 357 Wilhelm I. der Eroberer (England) III 210, 21115 Wilhelm I. (Aquitanien) III 353, 354 Wilhelm de la Pole (Suffolk) II 522; III 202 Wilhelm Durandus II 94 Wilhelm von Ockham II 452 Wilkins, Charles I 146 William Waynflete (Winchester) III 126 Willigis (Mainz) I 46522 Willis, Janice I 160 Winchester I 35266, 462, 471256, 258 Winfield, David I 512 Winidhere I 446 f. Wink, André I 531 Winkelmann, Friedhelm III 78 Wischnitzer, Rachel I 503, 510 Witigowo I 471256 Wittelsbacher III 4444, 5204 Wittenberg III 352, 355 Witzel, Michael I 155 Władysław II. Jagiełło (Polen) II 198 Wladislaw I. Vlaicu (Walachei) II 334, 408; III 91 Wolper, Ethel Sara I 111 Wood, Susan I 258 f. Worcester I 464 Worms I 203, 21021, 336, 381, 497–501, 503, 50723; II 132, 370, 397, 545; III 29, 157, 161, 233, 24214, 24438, 308, 385, 39468, 463 Wu (Liang) II 726 al‑Wuḥša I 5649; III 156 Wujastyk, Dominik I 547 Württemberger III 4444, 5204 Würzburg I 337; II 42129, 229, 361; III 17, 491 Wuzong (Tang) II 704–706 Xenophon II 243 Xilang, Lin II 713 f. Xinjin II 732 f., 735, 737 f. Xizong (Tang) II 718, 728 Xuanzang I 33063, 426, 43071, 530, 536, 55150; II 273, 340, 434; III 108, 111, 190, 268, 271 f., 27556, 340–343, 419 Xuanzong (Tang) II 690, 696, 698, 710, 718, 724 Xu Lingqi III 726 R. Yacob b. Kalina II 402 Yadava, B. N. S. I 150 f. Yādava I 235; II 79, 259–261, 270, 272, 346, 427, 43071, 432, 508; III 99, 101, 184 f., 335 al‑Yaḥṣūbī II 221
641 Yaḥyā ibn as‑Saifī Ṭūġān II 534, 536 Yakṣaśūra III 190 Yakṣaśūravihāra, Valabhī III 262 Yamunā I 316 Yalboġa al‑Ḫaṣṣakīs II 383 Yāpanīyasaṃgha‑Orden I 237 Yāqūt al‑Ḥamawī I 187, 486 Yaśomitra I 73, 416 Yaśovarmadeva (Paramāra) I 535 f., 551 42 Yaśovarman von Kanauj I 426 Yaśovarman von Ujjain II 167 Yazd I 187, 285; II 304, 308 Yazdgard I. (Sasaniden) I 306 Ye Fashan II 727 Yefet b. David b. Sheḥanyah II 55 Yefet ha‑Levi von Damaskus III 69 R. Yehuda Ḥasid III 71 Yeshua b. Ismail al‑Makhmuri II 225 R. Yeruḥam III 153 Yijing I 426, 537; II 8460, 172, 273 f., 340–342, 344, 351; III 108, 111, 190 f., 272, 340 R. Yom Tov b. Abraham Ishbili (Ritba) I 380, 389, 39575; II 400, 482 Yom Tov Parhi II 402 York II 292 R. Yosafyah (Ecija) II 315 Yuanche (Guanyin Si) II 733, 735 f. Yuan II 683, 734 f. Yuangang (Guanyin Si) II 733, 735 f. Yuanli (Guanyin Si) II 735 Yubnā I 481 Yunūsīya‑Bruderschaft I 367 Yuval, Israel I 127; II 53, 483 f.; III 158, 238 Zabīd III 138 Zāhida Ḫatun I 284 aẓ‑Ẓāhir Baibars I. I 188, 482, 488 f.; II 209, 211 f., 214, 304, 309, 462, 464–466, 540; III 50, 138, 223 aẓ‑Ẓāhir Ġāzī II 384 f. Zahra, Abū I 109 Zahraa, Mahdi I 109 Zain ad‑Dīn Yaḥyā II 383 Zain al‑ʿĀbidīn III 421 Zain ad‑Dīn ibn Ibrāhīm ibn Nuǧaim III 141 Zainab al‑Baġdādīya II 466; III 140 az‑Zaraḫšī II 301 Zarathustra III 438, 514 Zarfat I 295 Zeʾev Samuel Melli I 50979
642 Zenon (Römisches Reich) III 324 Zerbst (Anhalt) II 45911 Zeugos I 515 Zhang Daoling II 689 f. Zhang Huilang II 727 Zhang Shangying II 733, 738 Zhao Guizhen II 705 Zhao Zilong II 735 Zhejiang II 684 Zheng Hong II 737 Zhishman, Joseph von I 66 f., 7075, 134 f., 137 f., 1426. 14337, 299 f., 3113 Zhou‑Dynastie, Östliche III 435, 511 Zhou‑Dynastie, Westliche III 434, 511 Zhou Jingzhen II 726
Register zum Gesamtwerk
Zhuang Zhou III 436, 512 Zhu Yueshao (Shu) II 733 f. Zielsinski, Heidrich I 27350 Zion, Noam I 128, 131114 Zoen Tencarari (Avignon) III 34 Zosimos III 396 Zosimus der Diakon I 41169 Zotiko I 215, 218, 226, 528; II 245, 249, 25662 Zubaida (Gattin Hārūns ar‑Rašīd) I 283; III 137 Ibn Zufar al‑Irbīlī II 212; III 138 Zuo Qingzhi II 730 f. Zürcher, Erik II 698 Zürich I 171; III 315 Zwentibold von Lotharingien II 95 Zypern I 405, 513, 519–521; II 65 f., 327, 489
Sachregister
643
Sachregister Ablass I 174, 444; II 99, 201, 296 f., 367, 525; III 2906 Arme, Armut I 21 f., 41, 49, 84, 129, 165, 172, 177, 188, 199, 202, 204, 2107, 214, 250, 260 f., 263, Abort, öffentlicher II 201, 320 266 f., 270, 338, 361, 366, 380, 382 f., 385, 432, Abt, Äbtissin I 28, 61, 64, 67, 215, 217, 220, 225, 256, 479, 482; II 20, 22, 30, 38, 40, 50 f., 53 f., 58, 259, 309, 342, 347, 402, 407 f., 515, 527; II 153, 158, 290, 296, 411, 487, 495, 519 f., 558, 564; 65, 89, 95, 108, 112, 122, 128, 134 f., 138–140, III 29, 88, 97, 99 f., 102, 104, 107, 109, 122, 129, 185–280, 283, 296, 303–305, 312, 317–319, 321, 168, 170, 172, 17441, 184, 187, 19221, 340, 358 f. 365 f., 372, 381, 400 f., 444, 447–451, 452, 454, Adel I 166, 176, 213, 223, 242, 258, 260, 279, 305, 309, 464, 470, 472–474, 476–478, 480–484, 486, 491, 321, 332, 348, 404, 415, 449, 541, 548; II 196 f., 499, 504–506, 544, 546–549, 551, 556; III 15, 26, 30 f., 44, 46, 49, 50 f., 54–57, 6113, 6264, 65, 444 f., 458, 527 f., 681, 715; III 17, 23 f., 3856, 44, 48, 51, 593, 64, 66, 82, 209 f., 282 67, 70–72, 74, 87 f., 97, 106, 108, 125, 138 f., 147, adelphaton siehe Rente 153, 156 f., 160 f., 219, 288, 298, 300 f., 3032, 26 60 agrahāra, agrāhāra I 20, 74–76, 80 , 426, 430 ; 311 f., 369, 373, 378, 380, 383–385, 39024, 409, 9 420, 432, 456, 463, 466 II 171, 259 f., 269 f., 276 , 430, 512, 571 Armenhaus I 51, 10295, 130, 140, 168, 170, 173, Ahnenverehrung I 235; II 87, 166 f., 170, 270, 427, 569, 696, 707 f.; III 176, 299, 410, 428, 430, 207, 218, 263, 304, 308, 518; II 98, 151, 158, 434 f., 437, 443, 44511–13 194, 200, 201, 228 f., 23845, 248, 364, 412, 24 28 447 f., 453, 484, 520, 522 f., 555, 705, 707; akṣayanīvī I 74, 76, 80 , 240, 328 , 415; II 179, 338, 342–344, 348, 350, 719; III 479; siehe auch III 26, 30 f., 51, 80, 88, 119, 125–127, 138, Geldstiftung 197, 200, 202 f., 251, 286, 456, 466 Alimente I 262; III 50, 219, 284, 296, 437 Asket, Askese I 122, 166, 192, 197, 214, 220, 234, 236 f., 283, 285, 287, 307, 315, 321, 324, 371 f., Almosen I 26, 38, 50, 90, 110, 168, 170, 172, 202, 214, 251, 266, 283, 317, 322, 386, 416, 463, 479, 481, 375 f., 407, 479, 513, 539; II 40, 46 f., 73, 80, 8459, 483; II 19, 22, 29 f., 38 f., 40 f., 47, 64 f., 140, 186, 87, 91, 112, 114, 116 f., 120–126, 177–179, 185, 188, 206, 211, 258, 264–267, 275, 27855, 290 f., 192 f., 195, 205–207, 209 f., 212, 222, 226, 227, 23845, 250, 363, 380, 474, 491; III 26, 28, 30, 351, 385, 388, 428, 469, 498–504, 509–512, 521, 55, 125, 137, 156, 160, 172, 203, 218, 224, 293, 573–576, 579, 715; III 30, 44, 48, 51, 54–56, 6258, 300, 309, 311 f., 351, 357, 370, 373, 381, 456, 466 105 f., 139, 14525, 179, 259, 266, 301, 334, 368, 37524, 409–411, 479 f., 486 Altenheim I 61, 65, 138, 170, 215, 263, 516; II 32, 151, 185, 188 f., 195, 248, 476, 556; III 16, 48, 66, 80, Aussteuer siehe Frauengut Bad, Badehaus I 20, 187, 206, 366, 432, 479–480, 88, 138, 140, 248, 250 f., 253, 301, 472 Altruismus I 263; II 34, 192 f. 500; II 140 f., 316, 320 f., 328, 476; III 154, Amortisation I 91, 334 f., 35040; II 284, 295; III 22– 220, 232, 236 24, 143, 346, 348, 350, 354, 369, 372 Bauer I 92, 176 f., 221; II 214, 290, 303, 305, 308, 331 f., 338, 341, 347, 425, 579, 689, 703; III 15, Anniversar I 26, 168, 170, 333, 338, 340 f., 345; 24, 26–28, 44, 54, 84 f., 98, 102, 119, 187, 205, II 93 f., 153, 160, 242, 249 f., 290, 359, 363, 365, 368 f., 445, 449, 451, 455, 526 f.; III 15, 27, 29 f., 222, 285, 298, 327–329, 337, 339, 365, 374, 287, 351, 359, 4444, 452 397, 403, 438 Apostat, Apostasie III 34 f., 348, 350 f.; siehe auch Beamte I 36, 43, 72, 132, 148–150, 183, 191, 195, 209, Konversion, Konvertit 226, 233, 241–243, 264, 279, 290, 305, 317, 319, Archiv I 57, 85, 104 f., 114, 132–134, 221, 256, 309 f., 321, 360, 362, 364, 366 f., 384 f., 404, 420–421, 344 f., 354–356, 362, 364, 366–368, 397, 403 f., 423, 484, 523, 527, 541; II 38, 120 f., 209 f., 214, 406 f., 412 f., 42948, 513, 527; II 326, 382, 490, 340, 349, 351, 383, 422, 424–426, 472 f., 500, 502 f., 536, 578, 688, 696 f., 707, 710, 715, 734; 523, 536, 540–542, 563; III 138, 14643, 221, 368
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Register zum Gesamtwerk
III 3737, 48, 50, 55, 83, 104, 142, 169 f., 182, 270,
364, 367, 423 f., 479–482 Bergbau I 174; II 285, 291 Bettler siehe Arme Bibliothek I 21, 171, 175 f., 189 f., 195, 222, 367, 373, 375, 386, 461 f., 485–487, 548; II 196, 2026, 216, 219, 221, 223, 275, 294, 306 f., 329, 389, 466; III 49, 54 f., 221, 224, 296, 331, 343 Bildung II 22, 128, 231–236, 366, 374; III 46–50, 52–54, 57–59, 61 25, 6385, 139, 141, 143, 215, 219–226, 228, 293, 296 f., 298, 300–302, 364, 366, 371, 373 f. ‑seinrichtung I 184 f., 189 f., 192, 195 f., 216, 218– 220, 234, 306, 384, 476; II 189, 216, 242, 251, 258, 264, 267, 269, 273, 280102, 480, 51576; III 53 f., 138 f., 221, 297, 302 Kollegium, Burse I 94 f., 168, 170 f.; II 192 f., 196, 200 f., 520, 522; III 21, 29, 34, 123, 126 f., 202, 287, 451 Koranschule (kuttāb) I 187, 189, 193, 195, 200, 363; II 112, 208, 213, 215, 217 Lehrhaus (bet-midrash, yeshivah) I 206, 386, 388; II 51, 54–56, 6030, 133, 136, 142, 230, 231– 236, 23834, 312, 314–316, 319, 321, 399, 402 f., 40510, 477, 479, 481 f., 48527, 549, 551; III 68–70, 73 f., 198, 232, 236, 238–240, 310, 315 f. Medrese (madrasa) I 114 f., 184–186, 189 f., 192 f., 196, 199, 284, 286–288, 361–363, 366, 373 f., 377, 477–480, 482, 486–489, 492 f., 688; II 42, 45–47, 113, 118, 210, 213, 216–221, 234, 300, 302, 306, 383–385, 387 f., 390, 464 f., 468–470, 474, 537; III 18, 46–49, 51, 53, 118, 139, 215 f., 218–223, 227 f., 23041, 293, 296 f., 300–302, 346 f., 368, 370 f., 374 Philosophie und Naturwissenschaften II 215, 219, 234–236, 366, 374; III 45, 608, 217, 227, 297 Schule I 166, 171, 177, 251, 332, 432; II 19, 23, 43 f., 88, 102, 108, 112, 114, 120, 189 f., 192 f., 195–197, 208, 213, 215–219, 231 f., 24084, 251, 269–271, 273, 27728, 302, 307, 372, 380–383, 389 f., 392, 440, 464, 467, 469–472, 476 f., 534 f.; III 19, 30, 46–49, 53, 57–59, 98, 117, 123, 126, 139, 197, 202, 220, 223–225, 228, 254, 298, 300–302, 364, 366, 371, 373 f. Stipendium I 94, 168, 170 f., 189; II 54, 100, 135, 137–139, 152, 192, 196, 216, 219–221, 231– 234, 236, 24084, 241108, 241111, 252 f., 315 f., 369, 374, 396, 401, 409, 412, 467, 471–473,
476–478, 480, 547, 549, 551, 563; III 49, 51, 608, 65, 69, 7518, 80, 171, 222, 252, 284, 302, 310, 352, 355, 367 Tempelkolleg (maṭha) I 234, 238, 423, 426, 540; II 263, 271–273, 27991, 426, 432 f., 510, 512, 573; III 111, 263, 417, 420, 481 Universität I 95, 166, 171, 173, 219, 432; II 36, 190, 192, 196–199, 242, 251 f., 281 f., 286, 360, 362, 368, 374, 453, 520; III 21, 26, 30, 6124, 118, 123, 2905, 349 Unterricht I 166, 169, 171, 189, 231, 235, 363, 386; II 102, 135 f., 139, 196–199, 201, 217 f., 221, 231–236, 24084, 241111, 257, 270, 273, 280102, 294, 384, 386, 389, 399, 469 f., 481, 536; III 53 f., 68 f., 71, 105 f., 110, 202, 220, 222, 297, 313, 480 Bischof I 59, 61 f., 92, 177, 225 f., 254–256, 258, 261, 266 f., 335, 347, 408 f., 526; II 95, 98–100, 147, 149, 155, 189, 282, 288, 294, 296 f., 326, 381, 519 f., 527, 554 f., 561 f.; III 27, 86 f., 122 f., 169, 208–210, 289, 350, 353 f., 397, 399 Boot I 166, 222 f., 290; II 303, 327, 329, 331, 333 brahmadāya, brahmadeya I 74–76, 8028, 153, 155, 157, 232 f., 323, 413 f.; II 171, 258, 569, 5805; III 99, 417, 423, 42431 brebeion siehe Güterverzeichnis Brief I 339–340, 378, 409, 492; II 55 f., 129, 141, 14656, 14774, 225, 231, 317, 381, 478, 482, 48531, 550 f.; III 71, 238 f., 24547, 31921, 380, 388 f.2, 38915, 139 f.16, 39017, 39128, 39129 ‑patent (letter patent) I 35040 Brücke I 171, 187, 266, 305, 432, 434, 444; II 15, 23, 188, 201; III 26, 49, 201, 459 Bruderschaft, Schwesternschaft I 50, 52, 94, 111, 126 f., 188, 190, 192, 207 f., 251, 285, 287, 297, 342, 367, 375, 386, 476, 479; II 38, 193, 195, 223 f., 227 f., 230, 232, 305, 308, 320, 402, 445, 449 f., 468, 475–477, 479–481, 484, 542, 548 f.; III 15, 25, 53, 56, 6258, 66, 69, 71, 13357, 160, 238, 286, 302, 311–314, 31812, 31922, 321 44, 32248, 467, 471 41 Brunnen I 21, 77, 187, 237, 240, 311, 323, 361, 365 f., 372, 432, 480, 482, 489, 541, 711; II 23, 110, 126, 141, 201, 214 f., 217, 258–261, 269, 341, 349, 506, 521, 575 f.; III 26, 49, 56, 118, 137, 14632, 218 f., 2735, 221, 224, 287, 300, 30551 Bürger I 21, 92, 166, 177, 260 f., 265; II 94, 195, 214, 362, 469; III 15, 19, 24–26, 45 f., 54, 118, 140, 210, 227, 282 f., 286–288, 368
Sachregister
Buße siehe Sühne Chorknabe I 171, 463; II 102; III 32 damnatio memoriae I 186, 371, 453, 488 f., 520; II 309 dāna I 70–71, 74, 76–77, 158, 165, 230, 414, 426; II 78, 166, 18028, 266 f., 348, 420, 498 f., 504–506, 576, 720; III 106, 176, 179, 191, 259, 409, 411, 415 Derwisch siehe Asket, Askese devadāya, devadāna I 74, 76, 157, 234, 2445; II 340, 509, 579 deyadharma I 72, 235, 425, 547; II 168 dharma (Brahmanismus: brahmanische Rechts‑ vorschriften) I 8130, 158, 4271; II 73, 169, 258, 272; III 97, 105, 175–177, 258, 335, 410 f., 479 dharma (Buddhismus: buddhistische Lehre) I 8130, 236; II 174 f., 274, 344 f., 511 dharmadāya, dharmadeya I 74–76, 157, 235 Dharmaśāstra I 70 f., 158, 413 f., 422; II 169 f., 177, 268, 337, 343, 348, 504, 506, 5793; III 97, 175, 177, 335, 410 f., 479 Diaspora I 46, 119, 205, 250, 294, 297; II 55 f., 5916, 230 f., 312, 396, 403, 479, 5521; III 73, 231, 237–239 ḏimmī siehe religiöse Minderheiten Diptychen I 20, 62, 92, 213, 225, 405; II 148 f., 151 f., 155 f., 490–493, 562 Dom (Bischofskirche, Kathedrale) I 166, 261, 267, 345; II 97–99, 102, 190, 196 f., 290, 296, 445, 458, 520 Dotation I 25 f., 30, 32, 174–176, 251, 255 f., 344, 384 f.; II 100, 133, 136, 140, 197, 288, 291, 2983, 302, 325, 327 Eigenkirche, Eigenkloster I 30, 167, 173, 218 f., 249 f., 253–260, 299–301, 400, 404, 407 f.; II 62, 285, 287, 331, 362, 371 f., 410, 431, 447, 558; III 23, 33, 282, 29121, 325, 353, 403 Einung siehe Genossenschaft Entail, fee tail II 3624; III 283 Entfremdung siehe Konfiskation Erbe, Erbrecht I 22, 37, 41, 44, 106, 108–110, 113 f., 185, 191, 255, 262 f., 267, 278, 281, 291, 35029, 357–359, 366, 390; II 17, 23, 33, 44, 46, 53–55, 58, 81 f., 89, 133–135, 189, 194, 207 f., 227, 266, 285 f., 297, 312, 314, 338, 358, 360 f., 388 f., 393 f., 396, 398–401, 453, 464, 474, 482, 506, 511 f., 51689, 517 f., 520, 525, 527 f., 544, 548, 550 f., 568–570, 572, 574, 577; III 48, 50, 57 f., 6115, 79, 103, 109, 118 f., 121, 129, 134, 136, 138 f., 141, 148–155, 177 f., 180, 191, 221, 223, 235, 277 f., 281, 283, 294 f., 297, 299,
645 30419, 308 f., 31814, 323, 326, 335, 364, 369, 372 f., 382 f., 39244, 414 f., 439, 454, 480, 486 Erbzins I 174; II 289, 292; III 29247, 295 Eremit I 62, 214, 217, 307, 403 f., 440 f., 513–517, 521 f., 674; II 65, 188, 715; III 457 Eucharistie I 20, 263, 269, 405, 431, 457 f.; II 28 f., 31, 92–95, 101, 103, 150; III 351 Euergetismus I 265; II 15, 242 f., 440, 437, 442 Eunuch I 141, 376, 489, 50731; II 150, 564; III 50 f., 117, 119, 121, 135 f., 139, 141–143, 1448, 166–172, 175 f., 179, 326, 371, 37517, 403 Exilarch II 56; III 239 Fabrik (Baukasse) I 172, 436; II 98–100, 293, 446; III 25, 27, 35, 122, 139, 215–218, 220, 222, 224 f., 227 f., 287, 293 Fakir siehe Asket, Askese Fälschung I 89, 337, 421, 42940; II 119, 296, 456 f., 503, 51427, 563; III 137, 366 f., 415, 423, 42440, 426109 Fegefeuer I 90, 267 f., 339; II 17, 28–31, 61, 65–67, 95, 288, 2971; III 346, 351 Festung I 21, 166, 187, 215, 432, 480; II 67, 386; III 48 f., 137 f., 201, 23041, 247 f., 282 Feudalismus III 277 abendländischer I 94; III 289 f. byzantinischer I 138–140, 308; III, 78, 328–330, 398 indischer I 84–85, 150–152, 154; III 338 Fideikommiss (fidei commissum) I 41, 108–109; II 34; III 283, 455 fides, fiducia I 262; siehe auch Treuhänder Findelhaus I 138, 170, 218, 263; II 189, 194; III 32 fiqh siehe Recht, islamisches Fiskus I 42, 190 f., 239, 286, 316, 334 f.; II 81, 284 f., 295 f., 305, 332 f., 338 f., 348 f., 415, 704 f., 709; III 16 f., 22 f., 45, 53, 198, 21358, 271, 278, 299, 303, 324 f., 329 f., 338, 350, 354, 364, 367, 371, 396 f., 402 f., 482 Frauengut I 168, 171, 391 f.; II 52, 54, 68, 134, 212, 23832, 249, 393 f., 482; III 26, 29, 121, 128 f., 134–136, 140 f., 14643, 149–152, 155, 160, 176–178, 188, 19218, 287 f., 308 f. Frauenkloster siehe Kloster, Frauen‑ Freigelassener, Freilassung I 173, 265–267; II 30, 307, 365, 385, 448, 539, 557; III 27, 44 f., 51, 55 f., 6249, 135, 139–141, 14523, 14635, 296, 298, 364 Fremdenhaus I 21, 168, 170, 188, 218, 263, 267, 317, 321, 335, 369, 380, 382 f., 425 f., 443; II 30, 34, 50, 80, 89, 185, 187, 189 f., 194 f., 200, 224 f.,
646 228 f., 235, 23845, 313, 318, 401, 424, 476 f., 482, 484, 546; III 33, 69 f., 7519, 147, 160, 309 f., 312, 317, 320 f.35; siehe auch Spital Fürbitte I 32, 170, 175 f., 186, 203, 263, 337, 342, 369, 405, 448, 454, 457 f.; II 19, 21, 31, 38, 41, 48–50, 52, 88 f., 91–96, 110 f.,114–117, 129, 151, 160, 193, 210, 216, 294, 364, 481–483; III 22, 34, 202, 237, 351, 354, 372 Gabentausch I 20, 22 f., 91 f., 174, 207, 259, 265, 270, 331, 343, 433; II 21, 87, 186, 190, 290, 368, 440–443, 447 f., 450, 464, 470, 480, 520; III 381 Gefälle I 166, 174; II 125, 294 f., 360, 470 Gefangene, ‑nbefreiung I 21, 166, 170 f., 190, 199, 204, 211, 214, 367, 369, 379 f., 480 f., 491; II 50, 56, 65, 141, 185, 195, 20314, 210, 212, 224 f., 229 f., 23956, 250, 303, 317, 386, 451, 465, 476 f., 479, 547, 556; III 74, 219, 228, 303, 316, 38915, 39017, 39024, 456, 465 Geldverleih siehe Rente; Zinsverbot Gelübde I 381 f., 390; II 22, 50–52, 197, 314, 318, 397 f., 399 f., 403, 40510, 405 f.21, 545; III 137, 155, 219, 239, 359, 374, 46817 Gemeinde I 37, 46, 50, 52, 85, 93 f., 111, 121, 124, 165, 175, 186, 204, 251, 262 f., 266, 283, 296, 298, 331 f., 367, 379–383, 386, 432, 486, 493 f., 507; II 17 f., 20, 48, 50, 87–89, 109, 124, 142, 186 f., 189, 199, 201 f., 212, 223–228, 286, 293, 358, 363, 380 f., 388, 390, 440 f., 463, 476–480, 517, 521–523, 532–536, 542–548; III 16–18, 196, 48, 54, 66–68, 70–74, 217, 219, 225 f., 235–240, 287 f., 293, 296, 299, 301, 310–317, 354 f., 377, 379–383, 385 f., 456, 459 f., 4602 Gemeinnutz I 171; II 201 f., 214, 308, 443 f., 452, 476, 537; III 308, 350, 354, 383 Genealogie I 72, 76, 84, 148, 150, 160, 419–421, 450, 455; II 78 f., 90, 426 f., 429, 578; III 99, 109, 185 f., 282, 337, 416, 481 Genossenschaft I 95, 127, 166 f., 173, 207 f., 253, 260; II 101, 196, 199, 365, 367, 520 f.; III 15, 24, 278, 282, 312–314 ǧihād I 39, 41, 111, 190, 192, 197, 251, 278, 283, 287, 291 f., 361, 483; II 42 f., 45, 88, 124 f., 127, 188, 285, 302, 306 f., 465 f., 473; III 227 f. Gilde I 109, 126, 168, 173, 176, 208, 242, 315–317, 344; II 195, 343, 350 f., 448, 520 f.; III 25 f., 101, 199, 286, 479 Gotteseigentum I 37 f., 63, 111, 122, 302, 475, 494; II 43, 301, 340, 498 f., 504, 508 f., 574, 579; III 380, 386 f., 410, 42312, 462 f.
Register zum Gesamtwerk
Grab, Grablege I 21, 173, 176, 219, 251, 261, 264 f., 267, 340, 347, 431, 436 f., 439, 442, 448 f., 455– 457, 462, 514–517, 523; II 18, 27, 41 f., 45 f., 51, 110–113, 115–118, 120–123, 132–135, 139, 141, 142 f.5, 166, 196, 213, 217, 219–221, 223 f., 297, 305, 309–311, 320, 355, 358, 363–370, 372 f., 377 f., 380, 383 f., 392, 404, 415, 428, 448, 465, 469 f., 472, 474–477, 480 f., 48523, 488, 528, 549; III 33, 54, 80, 83, 118, 120, 138, 156 f., 159, 161, 167, 169, 197 f., 218–220, 223 f., 226–228, 23041, 232, 251, 282, 308, 313 f., 315, 396 f., 429 f., 435 Grenze, Grenzraum I 166, 197 f., 373, 480; II 125; III 44, 46, 48, 138, 203, 225, 227 f., 248, 258, 262, 270, 272, 311, 32027, 340, 373, 474 Grundherr, ‑schaft I 254, 257 f., 266, 343; II 283, 450 f.; III 140, 205, 285, 364, 369, 371, 458 Grundsteinlegung I 29 f., 337, 340 f., 368, 447; II 288; III 200 Gütertausch I 194, 209, 288, 339, 362; II 288 f., 302, 304–307, 310, 320–322, 32461, 389, 399, 454, 470, 473 f., 533, 537 f., 540; III 370 f., 383–385, 412 f. Güterverzeichnis I 221 f., 339, 343–345, 518 f.; II 289, 328, 454, 523 f.; III 206, 217, 357 f. ḥadīṯ, Hadith I 38, 44, 186, 281–284, 357, 361, 363, 474, 486, 491; II 37, 39, 42, 88, 110, 114, 118, 121, 124–126, 215, 217, 220 f., 223, 464, 469, 474; III 46 f., 59 f.3, 226, 228, 301, 366, 372, 37511 halakhah siehe Recht, halakhah ḥavurah, ḥevrah siehe Bruderschaft, Schwes‑ ternschaft Händler, Kaufmann I 175–177, 192, 195, 209, 240, 242, 251, 289 f., 296, 315, 317, 319, 323, 326, 339, 482, 520, 541; II 18, 46, 55 f., 91, 133, 231, 295, 312, 340, 350, 364, 373 f., 403, 466, 540, 681; III 24 f., 44 f., 48–50, 53, 65–67, 70, 74, 100, 102, 104, 107 f., 111, 156, 179, 201, 238, 240, 301 f., 30660, 337, 341, 417, 457, 479 Handwerker I 177, 208 f., 240, 289, 315, 323, 339, 363, 369, 407, 473, 483, 496, 519; II 91, 99, 313, 317, 320, 350 f., 399, 681; III 24 f., 44, 65, 67, 70, 102, 107, 203, 217, 286, 313, 338 ḫānqāh I 111, 184, 187 f., 192, 287, 363, 365–367, 373, 375 f., 476, 480, 489; II 47, 113, 123 f., 126, 207, 211 f., 218, 220, 223, 385, 391, 469, 475; III 47–49, 53, 608, 138, 14526, 216, 218, 221, 225, 367, 456 heilige Stätten I 166, 188, 197 f., 365, 367, 426, 487; II 108, 112 f., 115, 212 f., 216, 301, 303–305, 309 f., 387 f.,390, 464, 467–469, 472, 474, 717 f.,
Sachregister
728 f.; III 80 f., 90, 137 f., 140, 167–170, 172, 221, 226, 231, 259, 265, 267, 296, 482 Herberge II 45, 88, 115 f., 189, 209, 211, 217, 304, 387, 389, 451, 465, 467; III 21, 33, 118, 201; siehe auch Spital funduq I 51, 130, 184, 188, 192 f., 195, 208, 212, 251, 332, 374, 432, 476, 481 f., 685; II 45, 116, 209–211, 304, 311, 313, 546; III 224, 317, 457, 466 xenodocheion I 61, 168, 170, 194, 218, 246, 304 f., 328, 555 f.; III 21, 168, 253, 255, 472 Historical Reenactment I 97 Hospiz siehe Spital Hypothek I 174, 221; II 292 idior[r]hythmia I 217; II 408, 486, 558 Ikonoklasmus I 251, 307 f., 324, 406, 512, 531; III 402, 420 f. Immunität I 150, 239, 323; II 295, 339, 348 f., 360, 578; III 263, 338, 353 f. iqṭāʿ I 44, 113, 289 f.; II 45, 48; III 298, 302, 373 istibdāl siehe Gütertausch Jenseits I 20, 90, 97, 112, 178, 185 f., 194, 262–264, 268, 339, 374, 420, 454, 474, 483; II 16–20, 27–31, 36–40, 42, 48–53, 5920, 61–64, 67, 73–75, 79, 88–90, 110, 113, 120, 129–133, 187 f., 205, 215, 465, 469 f.; III 134, 350 f., 451; siehe auch nirvāṇa Kanonikat, Kanoniker I 173, 261, 343, 345, 190, 281, 357, 361, 365, 368; II 94, 100 f., 198, 290, 292 f., 522; III 289, 452 Kanonissen I 93, 171; II 197; III 127, 349 f. Kantor I 18057; II 55, 128 f., 133, 138 f., 160, 452, 477; III 71, 218, 374 Kapelle I 61, 65, 88, 171, 177, 216, 218, 261, 399, 404, 431, 440–442, 452, 515–518; II 98, 100, 366, 369 f., 446, 528; III 197, 202, 204, 248, 250, 260, 262, 287, 358, 452 Karäer I 209; II 53, 129, 133, 229, 231; III 19, 70, 74, 236 f., 24439, 317, 345, 378 f. Karawanserei I 187, 192, 332, 362, 373, 432, 473, 481 f.; II 116, 118, 211; III 49, 51, 300, 302 Kauṭilīya-Arthaśāstra I 8028, 158, 2449, 413, 4272; III 11555, 175, 177, 1918, 19210, 270 ketubbah‑Geld siehe Frauengut Kloster II 17, 22, 47, 118, 126, 210 f., 217, 309, 445– 447, 449, 467, 539, 695–719; III 16 f., 25, 29, 119 f., 197 f., 278 f., 285 f., 345 f., 358 f., 432–434, 436 f., 440 abhängiges, Tochter‑ I 218; II 148, 327, 492, 495, 559; III 81 f., 205, 210, 251, 405
647 Einsiedelei I 62, 64 f., 217, 238, 513–515, 521 f., 533–535, 538; II 125, 158, 409, 712; III 285 f., 400 Frauen‑ I 141, 147, 165, 171, 213 f., 216, 220, 223 f., 235 f., 243, 258, 317, 322, 415, 439, 518, 533, 537; II 151, 174, 197, 211, 444 f.; III 80f., 104, 119, 168, 170 f., 183, 190, 198, 251, 260, 287, 325, 342, 349 f., 401, 432 f. Höhlen‑ I 58, 71, 224, 243 f., 314–317, 322, 418, 513–516, 520, 522 f., 530, 532–535, 538, 540, 543 f.; II 173 f., 179, 343 f., 421; III 260, 264, 268 f. laura I 217, 301, 512; II 326, 558; III 400 f. ‑regel I 71, 332, 340 f., 415 f., 539; II 195, 489 f., 521; III 180, 189, 260–263, 412 Kolonisation I 151, 3272, 331; II 214, 450 f.; III 18, 43, 198, 201, 210, 213, 269, 278 f., 338 f., 431 Kolophon I 62, 21275, 240, 362, 368, 413, 424 f., 432, 511115, 527, 547 f.; II 56 f., 302, 401 f.; III 242 f.19 Konfiskation I 44, 168, 186, 191, 195, 288, 290, 311, 325, 327, 332, 335 f., 344 f., 347, 3486, 34923, 367, 386, 414, 420; II 43 f., 53 f., 284, 287 f., 29928, 303, 311 f., 316, 386, 404, 454, 473 f., 484, 524 f., 527, 543, 551; III 50, 138 f., 141, 217, 289, 299, 347, 348, 356–358, 365, 367, 371, 373, 3756, 385–388, 39472, 74, 402–405, 409, 412, 416 f., 419–422, 426105, 440, 483 Konversion, Konvertit I 51, 542, 59, 284 f., 302, 325, 390; II 20429, 225, 250, 339, 380, 388, 398 f., 405, 484, 548; III 54, 6249, 110, 254, 421, 452 f., 457, 460 Körperschaft I 123, 253, 262, 291, 379; II 101, 477 f., 519, 525, 546; III 25, 50, 372 Kranke, ‑nhaus I 26, 52, 56, 61, 65 f., 126, 137 f., 168, 170, 187 f., 199, 207, 213–215, 218, 250, 263, 309 f., 335, 366, 375, 386, 391, 416 f., 436, 443 f., 479 f., 487, 489, 492, 516, 675; II 135, 139–141, 151, 181 42, 185, 189, 192, 200, 212–214, 219, 221, 225, 228, 230, 234–236, 23837, 23842, 245–249, 253, 258, 262–265, 270, 283, 313, 316, 320, 368, 387–389, 402, 449, 451, 454, 456, 458, 476 f., 481, 484, 48523, 487, 546, 548 f.; III 48 f., 55 f., 66, 71, 80, 118, 138, 145 f.30, 156, 197, 216, 220, 225, 250, 403, 456 f. Kreuzfahrer, Kreuzzüge I 166, 189 f., 286, 290, 292, 369, 477 f., 489, 492 f., 688; II 130, 132, 225, 229, 384, 473, 478 f., 483; III 17, 73, 198, 209, 223, 227, 303, 465 Kultus II 15, 87–183, 387, 440; III 58, 296, 370
648 Bild I 65, 73, 80, 141, 159, 171, 220–222, 231, 236, 238–240, 264, 322, 413, 423, 530, 534, 538, 542–546, 549 f.; II 104, 166, 169 f., 172, 175, 178, 275, 329, 334, 337, 348, 351, 388, 415, 428, 431–433, 462, 504, 509, 575; III 104, 182, 197, 260–262, 420–422, 426103 Chorgestühl I 456 f.; III 202 Gerät I 171, 175, 204, 337, 342, 434, 454, 457 f.; II 51, 104, 133–137, 141, 144 f.23, 294, 297, 316, 319–321, 32461, 356, 393, 396, 403 f., 445, 548; III 73, 130, 157, 159, 233 f., 384, 386, 402, 420 Glocke I 171 f., 337, 361, 483 f., 491–493, 686; II 103; III 203, 357 Kanzel I 476, 483; II 124, 306 Kerze I 168, 171, 457, 462; II 88, 95, 98 f., 103 f., 115, 131, 133–136, 144 f.23, 157, 160, 296, 29936, 305 f., 319, 386; III 43149, 102 f., 107, 452 f. Kruzifix I 458 f., 461; II 293, 329; III 208 f. Lampe I 168, 171 f., 237, 361, 369, 384, 432, 469, 483 f., 491 f., 502, 504, 546, 686; II 103 f., 115, 131, 133, 135, 137, 139, 141, 144 f.23, 157, 160, 175, 260, 263, 270–272, 294, 301, 306, 316, 319 f., 343, 350, 386, 404, 413, 466, 509, 545, 576; III 7519, 209, 484 Lesepult I 456, 503, 510; II 57, 130, 141; III 233, 235, 24215 Musik I 96 f., 171, 227, 463; II 102 f., 172 f., 175, 178, 294, 452, 509; III 203 Parament I 171, 175, 337, 342, 434, 458, 460; II 104, 293, 297, 329; III 130 Predigerstuhl (minbar) I 369, 432, 476, 483, 492, 685; II 115, 306; III 296 Reliquiar I 141, 171, 175, 194, 316, 318, 337, 406, 409, 437, 458–461, 525 f., 532, 543–548; II 293, 297, 329, 334; III 26, 208, 400, 475 Retabel I 171, 175, 432 f., 441, 443 f., 451, 453 f.; II 103 Ritualbuch I 92, 341 f., 363; II 114, 119–121, 454 f. Sakramentshaus I 457 Sitzplätze I 448, 456 f., 474, 498, 506; II 117, 346; III 234 f., 24324, 24325,24326, 382 f. Thorakrone I 432, 502, 504 f.; II 137, 320, 399; III 386 Thoraschrein I 432, 501, 510; II 129, 135, 141, 32461; III 233–235, 24215, 308, 384 Legat I 339; II 192, 286; III 57, 287; siehe auch Testament
Register zum Gesamtwerk
Leprosorium I 170, 187, 199, 215, 218, 516; II 200, 214, 229, 248, 363, 526; III 80, 456 Mahāyāna‑Buddhismus I 156, 235, 243, 322, 543 f., 546, 548 f.; II 76, 168, 172, 425, 505, 716; III 105, 181, 188, 190, 269, 341 f., 411 māristān, bīmāristān siehe Krankenhaus Markt I 20 f., 60, 96, 194, 359; II 121, 209, 213, 260, 289, 291, 293, 350, 386, 392, 536; III 107, 142, 205 f., 215, 220, 223, 225, 2295, 302, 372, 483 Mausoleum siehe Grablege Mäzen I 31, 72, 95 f., 115, 308, 431, 445, 472, 474 f., 492, 512, 518; II 226, 228, 232, 234 f., 241108, 403; III 49, 66, 138, 209, 215 Memorbuch siehe Totenbuch Miete I 193, 208, 289 f., 364–366; II 53, 144 f.23, 230, 292, 308, 311, 313–315, 317, 320, 381, 391, 394, 533, 539 f., 543, 551; III 65, 73, 209, 216, 371, 374, 382 f.; siehe auch Pacht Mikwe siehe Bad Mission I 214 f., 251, 278, 286; II 198, 390; III 54, 6133, 111, 220 f., 473 Mitgift I 188; II 112, 448; III 72 f., 149–152, 155 f., 160, 295, 308 f.; siehe auch Frauengut Monetarisierung I 174 f.; II 373, 454; III 205 Mündlichkeit I 27, 129, 153, 200, 217, 232, 309, 331 f., 338, 343 f., 355, 358, 360 f., 387, 392, 402, 424, 546, 549; II 5814, 96, 119, 227, 268, 275, 289, 312, 392–398, 401, 404, 40510, 421, 429, 522; III 454 nagid (Vorsteher) I 129, 206, 209; II 225, 550 f.; III 74, 311, 32031, 386, 389 f.16 Nießbrauch I 74 f.; II 34, 300 f., 32223, 341, 535, 569 f., 572, 5805; III 121, 295 nirvāṇa I 77, 213, 426, 536, 543; II 73 f. Notar I 355, 357, 359 f., 364, 385; II 21, 51, 90, 138, 360, 382, 396–398, 402, 411, 439, 537, 539; III 119, 14643 Opfer I 20, 48, 77, 165, 232, 237, 262, 264, 269, 414, 416, 420, 431, 462, 498; II 17, 28 f., 31, 50, 87, 92, 112, 122–124, 129 f., 139, 1425, 166, 169–171, 176, 260 f., 297, 346, 501, 506, 508 f.; III 35, 55, 97, 178, 202, 233, 351 f., 373, 379, 411, 42552, 428, 452 f., 462 f. Orden, Mönchs‑ I 75, 87, 89, 93, 171, 212, 235, 328, 345, 35416, 416, 543; II 87, 172 f., 185, 189, 283, 342, 355 f., 360, 441, 456, 499, 510, 512, 527, 570, 691; III 25, 28 f., 104, 106, 111, 126, 176, 180, 183, 189–191, 260–262, 342, 353, 411, 480 Orden, Nonnen‑ I 89, 147, 169, 171, 235 f., 315–318, 322, 324, 345, 415, 532 f., 537–539; II 172 f., 185,
Sachregister
283, 441, 499, 510, 512, 570; III 25, 29, 104, 106, 118, 127, 180, 183, 189–191, 260, 480; siehe auch Kloster, Frauen‑ Orden, Ritter‑ I 112, 166, 190; II 372, 451; III 3615, 403 Pacht I 193, 200, 284, 288–290, 3486, 363–366; II 285, 289, 292, 303, 308, 311, 315, 320, 341, 347, 400, 422, 440, 531, 543, 558, 569, 574; III 47, 59, 143, 199, 216, 316, 39361; siehe auch Miete Papst, Papsttum I 177, 263, 269, 334–336, 339, 347, 445–448, 455, 464; II 91, 98, 198, 202, 281 f., 357, 361 f., 366–370, 527; III 354 Patronat, ‑srecht I 9, 24, 31, 61 f., 66 f., 93 f., 134 f., 250, 254, 258, 260 f., 299, 336; II 32 f., 453, 46165, 517, 520, 523, 528, 558, 681, 697, 717; III 26, 32, 49, 51, 55, 57, 282, 289 f., 29127, 354, 372, 456, 461 Pfarrei I 94, 167, 176, 254; II 87, 98 f., 195 f., 282, 363 f., 443 f., 451 f., 521; III 17, 25, 29, 208, 350, 357 f. Pflegschaft I 93 f.; II 99, 193, 519 f., 523; III 25 f., 30, 35, 30417, 357 f. Pfründe I 26, 94, 166, 168, 171, 173, 250, 261, 268, 344; II 31–33, 100–103, 190, 192, 195–199, 201, 282, 363 f., 362, 367, 444, 450, 451 f., 453, 456, 458, 46037, 46153; III 22, 28, 30, 3733, 3856, 56, 102, 107, 111, 118, 126 f., 184, 271, 287, 289, 293, 349, 354, 366, 420, 452, 454 philanthrōpia I 59, 137, 265, 302–304, 306, 310; II 159, 242 f.; III, 396 pia causa I 21, 26, 41, 61, 65, 108 f., 124, 136, 213 f., 254, 263, 280, 299, 302 f., 334, 398; II 158, 194, 198, 242, 244 f., 247, 249, 251, 326, 409, 555–557; III 80, 3604, 396, 456–458, 471 f. Pilger I 170, 188, 197–199, 239, 283, 355, 365, 374, 409, 413, 416, 425 f., 443, 459, 473, 482, 525 f., 530, 535–537, 541, 546; II 18, 88, 90, 108, 112, 115–118, 185, 188–190, 211 f., 230 f., 246–248, 274, 282, 284, 304, 309 f., 366, 387, 412 f., 451, 467, 481; III 33, 108, 111 f., 137–139, 200, 220 f., 231, 237–239, 259, 262, 266–268, 272, 310, 337, 341, 343, 411, 419, 456, 481 f., 48724 Pitanz I 171 f., 345; II 95, 103, 290 f., 521, 527; III 130 Präsenzgeld, ‑pflicht I 171 f., 174, 342 f.; II 103, 108, 450, 457 Prediger I 93, 173, 185, 188, 196, 278, 284, 476, 483, 492; II 88, 101 f., 123, 198 f., 451 f.; III 29, 123, 126, 219, 296 Proselyt siehe Konversion, Konvertit qurba I 20, 37, 289; II 19, 36, 381, 463; III 55 f.
649 rābiṭa, ribāṭ I 111 f., 184, 188, 190, 192, 196 f., 283, 287, 363, 369, 373, 476, 479–481, 489, 493; II 45, 125, 211, 218–220, 223, 385, 391, 466, 468, 473, 475; III 120, 138, 140 f., 14526, 198, 221, 227 f. Rechnung I 344 f.; II 53, 100, 289, 308, 311, 313, 317 f., 387, 520, 523 f., 533, 535, 540 f., 543 f.; III 75, 268 Recht II 360, 700 f. brahmanisches (dharma) siehe dharma (Brah‑ manismus: brahmanische Rechtsvor‑ schriften) halakhah I 121, 123, 202, 296, 332, 379, 381, 383 f., 387 f., 392; II 50, 1439, 226, 237 f.30, 312, 318, 393–399, 40510, 477, 482, 543, 549 f.; III 148–155, 24326, 315 f., 318 f.15, 377–381, 383–385, 38912, 39247, 463 hanafitisches I 37–42, 44, 104, 110, 190, 195 f., 282, 286, 357; II 109, 120, 381, 392, 471, 534, 539 f., 543; III 46, 49, 57 f., 6367, 80, 142, 14529, 222 f., 227, 298, 30313, 374, 37642, 456 hanbalitisches I 44, 190, 199, 359, 375, 475, 477, 493; II 43, 109, 119 f., 124, 472, 535; III 58 f., 6383 islamisches I 37–45, 104, 106, 108–110, 114, 183, 185, 191, 194, 196, 276, 278, 280–282, 286, 289, 291, 354 f., 357–359, 364–367, 485, 489, 495; II 50, 53, 312, 393, 541, 551; III 43 f., 46–50, 52 f., 55–59, 6115, 18, 6367, 84–86, 134–136, 138, 141 f., 144 f.9, 215, 220, 222, 22922, 241, 294–301, 303, 3037, 10, 30413, 318 f.15, 364–374, 3741, 37510, 387 f., 404, 454–460, 4618, 463 f. Kanonistik I 25, 27, 57, 61, 225, 253–255, 335 f., 398–400, 408 f.; II 68, 98, 101, 196, 397, 525, 527, 561; III 23, 79, 240, 282, 388, 394 f.75 mālikitisches I 22, 37, 39–42, 104, 109 f., 183, 190, 196, 282, 287 f., 291, 358 f., 477; II 109, 218, 302, 381, 468, 471, 475, 534 f.; III 46, 57–59, 6382, 228, 298, 30541, 345, 364, 366 römisches I 19 f., 57 f., 60 f., 63, 135 f., 214, 221, 225, 253–255, 257 f., 261–263, 266, 361, 398 f.; II 17, 62, 250, 282, 324 f., 397, 411, 4584, 491, 517, 554 f., 558, 561; III 31, 165, 240, 283, 324, 326, 388, 394 f.75, 455, 457–459, 4618, 28 šāfiʿitisches I 190, 195 f., 359, 477; II 41, 109, 114, 309, 390, 470 f., 535, 539, 541 f.; III 222 Stiftungs‑ I 19, 24, 31, 90 f., 167 f., 172 f., 334–336; II 43, 194, 301, 307, 473 f., 519, 525 f., 727; III 51, 55, 57, 2104, 2116, 352 f., 372, 3756, 10, 456; siehe auch Patronat
650 taqqanah I 381 f., 384, 388; II 131, 395, 397, 402, 479 f., 545; III 385 weltliches I 57, 60 f., 65, 92, 135 f., 216, 221, 225, 302, 334–336, 398 f., 408, 524; II 324 f., 554–556, 558, 561, 563, 700; III, 78 f., 84 f., 87, 165 f., 324–326, 399–401, 472 Rechtsgelehrter I 47, 185, 189, 191, 193, 291 f., 358, 379, 484; II 37, 40 f.,44, 49 f., 57, 81, 114, 117, 120, 128, 130, 133, 137 f., 141, 225, 227, 230–235, 23730, 241108, 312, 318–320, 342, 344, 383, 392, 395 f., 398, 400 f., 403 f., 405 f.21, 463, 467–472, 474, 476–480, 511 f., 533, 537, 540–544, 546, 549–551, 569; III 44 f., 47 f., 52, 59, 65 f., 67–70, 72, 97, 103, 156, 177–179, 297, 303, 30310, 30539, 310, 334, 369, 371 f., 373 f., 410 Rechtsgutachten Fatwa I 282, 287, 292, 332, 355, 357–359, 365, 372, 487; II 40, 47, 119 f., 122, 305, 390, 466, 473; III 47, 30542, 367 Responsum I 50, 53, 55, 121, 200, 206, 208, 251, 332, 378–380, 382, 384 f., 387–389, 392, 396, 498; II 51 f., 54–58, 129, 131–140, 143 f.13, 226 f., 23730, 312–316, 318–320, 32222, 396, 398–404, 479, 481–483, 4859, 48510, 48513, 544 f., 55221, 55332, 55344; III 72 f., 148, 153, 155, 233, 24327, 316, 321 46, 379, 382–384, 386 f., 463 f. Rechtspersönlichkeit I 22, 31, 86, 90–91, 109, 122–123, 134, 136, 172–173, 219, 253, 255, 269; II 300, 52910; III 2116, 372, 37510 Rechtswissenschaft I 19, 22 f., 37–39, 41, 84, 104, 110, 165, 190, 252 f., 269, 358, 372, 473, 477; II 19; III 51, 55, 57, 372, 37511, 456; siehe auch Recht, Kanonistik Reconquista I 251, 287, 292, 367; III 32027, 452 Reformation I 90, 261, 268, 271, 344, 433; II 372 f., 525; III 290, 346, 348, 355 f., 358 religiöse Minderheiten I 37, 190, 198, 287, 291 f., 359, 491; II 47, 53, 69 f., 156, 225, 234, 253, 312, 381, 390, 467, 534, 686; III 45, 91 f., 228, 231 f., 240 f., 318 f.15, 328, 387 f., 39469, 395 f., 411, 413, 464–466, 471, 473–476 Rente I 42, 172, 174 f., 193, 221 f., 288, 316, 343; II 53, 57, 134, 139, 14423, 227, 232, 23729, 237 f.30, 24084, 289, 292 f., 311, 314, 316, 318, 320 f., 326–328, 330 f., 394 f., 400 f., 404, 410 f., 415, 417, 479, 484, 487, 489, 491 f., 494, 545, 547 f.; III 29, 88, 123, 205, 252, 287, 298, 307, 325, 327, 366, 400–402
Register zum Gesamtwerk
Rezitation, Verlesung der Stiftungsurkunde II 42, 89, 114, 119, 158 f.; III 218, 374 Ritterorden siehe Orden, Ritter‑ ṣadaqa I 37–40, 110, 194, 474, 483; II 19, 39–41, 110, 188, 190, 205, 208, 215, 305, 380; III 37511 Säkularisation I 253, 271, 344, 433; II 284, 348, 356, 358, 373, 525 Saline, Salzpfanne I 443; II 291, 493; III 205 sattra (Speisung, Speisehalle) I 234 f., 238, 5492; II 259, 261–264, 270, 27624; siehe auch Sup‑ penküche Schenkung I 19, 31, 49, 119, 175, 221, 339, 433, 443; II 17, 40, 42, 49, 51, 10714, 114, 121, 131, 186, 189, 283, 289, 294, 296 f., 2971, 305, 309, 312, 328, 359, 361, 371, 439 f., 442, 467, 487, 524, 542; III 47, 125, 139, 147, 155, 220 f., 224, 228, 252, 255, 295, 30310, 307, 313, 365 f., 373, 37511, 387, 458 Schiff siehe Boot Schlachthaus I 21; II 313; III 422 Schriftlichkeit, pragmatische I 333; II 37 f., 303, 523 f.; III 44, 428 Schule siehe Bildung, Schule Seelhaus siehe Arme, Armut, Armenhaus Seelteil I 59 f., 302; II 17, 24, 30, 62, 490; III 79, 283, 324 Sklave I 41, 171, 191, 193, 24727, 251, 265 f., 286, 304, 360, 490; II 188, 222, 307, 311, 331, 347 f., 365, 385, 394, 557, 703, 714; III 15, 17, 26 f., 44 f., 51, 55 f., 6249, 51, 103, 117, 135, 139–141, 1445, 8, 14523, 14635, 296, 364, 486; siehe auch Freigelassener solemnion siehe Steuer, ‑freiheit; Zustiftung Sozialdisziplinierung II 35, 199–201; III 26, 190, 220, 222, 260, 302 Spital, hospitale I 21, 26, 51 f., 56, 88 f., 93, 126 f., 166, 168, 170, 173, 185–188, 192, 199, 250, 254 f., 260 f., 267 f., 286, 361, 373, 377, 431, 443 f., 479 f., 486 f., 489; II 23, 63, 65, 112–114, 119, 189 f., 192–195, 211–214, 228 f., 294, 319, 363– 365, 372 f., 376, 404, 440, 447, 449–451, 453 f., 456, 463, 465 f., 474, 520, 522, 555 f., 706 f.; III 17, 21, 25, 30, 33, 71, 125, 147, 155, 160, 197, 200, 202, 208, 236, 251, 254, 286, 355, 466 Spolien I 251, 286, 434, 456, 489, 491–493, 531; II 390; III 46, 223, 370, 426103 Stadtrat I 176, 334; II 99, 101, 195, 199, 200 f., 295, 362, 365, 523, 528; III 25 f., 30, 209, 289 f., 29127, 354 f.
Sachregister
Statut I 340, 342; II 36, 448, 457 f., 480, 522 f.; III 313, 452 stauropēgion I 225, 409; II 155 f., 562 Steuer I 44, 104, 193, 197, 289, 356, 366, 381; II 37, 44 f., 50, 136, 214, 225 f., 229 f., 234, 303, 305, 307 f., 317, 319, 473, 482, 536, 541, 544 f., 551; III 16, 18, 45, 53, 65, 71, 154, 156, 239, 346, 364, 367, 371, 39358, 428, 46232 ‑freiheit I 74, 8028, 139, 153, 222 f., 308 f., 32954, 334, 405, 414; II 285, 295, 329, 331–333, 339, 348 f., 477, 560, 570 f., 693, 711; III 22 f., 68, 71, 81, 154, 270, 329 f., 350, 354, 371, 404, 422 kirchliche (kanonikon) I 225; II 155, 494, 562; III 86 ‑übertragung I 139, 150 f., 223, 233, 239, 241, 316, 321, 325, 417, 422, 426; II 289, 294, 338–342, 345, 347–349, 351, 421, 426, 43511, 501, 506 f., 568 f., 578; III 98, 102, 107 f., 111 f., 183 f., 205, 267, 269, 271, 338 f., 420, 481, 483 Stifter ‑bild I 95 f., 141, 337, 432 f., 438–440, 443, 445– 463, 516, 518–523, 527, 542, 55399; II 33, 97 f., 104, 109, 157, 358, 365, 368 f., 401, 413, 415, 417, 428 ‑familie I 28, 261, 347, 424, 453, 520; II 33, 34, 95 f., 101, 151, 157, 196, 292, 296 f., 301, 303, 412 f., 415, 450 f., 453, 455, 464, 474, 520, 535, 724; III 26, 46, 48, 52, 58 f., 82, 90 f., 142 f., 167 f., 171, 226, 253 f., 283, 295–299, 30418, 30527, 323–327, 364 f., 369, 453 ‑grab I 177 f., 266, 439, 448; II 42, 96 f., 113, 120, 132 f., 156 f., 220, 296 f., 355, 384 f., 387 f., 401, 412 f., 428, 470, 525; III 202 f., 218 f., 224, 228, 353; siehe auch Grab, Grablege ‑inschrift I 49, 84, 10287, 314–316, 32821, 337 f., 362, 368 f., 404 f., 413, 419, 423–425, 453–461, 497–506, 515, 518–523, 530, 532, 542, 545, 547, 55024; II 27, 32, 56 f., 97 f., 157, 166 f., 289, 296, 367, 404, 412–414, 421, 429, 487, 723 f.; III 92, 118, 157, 167 f., 187, 233, 308, 367, 463, 4687 ‑recht I 27, 94, 250, 335 f.; II 32, 43, 384, 520; III 53, 58 f., 294–296, 302 f., 366–368, 458 f.; siehe auch Patronat ‑wappen I 441–444, 454, 457 f., 462; II 33, 373; III 308 Stiftskirche I 88, 93, 166, 177, 261, 343–345, 456; II 190, 295, 356, 364, 366, 441, 520; III 25, 29 f., 126, 358
651 Stiftung Altar‑ I 26, 171, 261, 432, 453 f., 460; II 101, 285, 451; III 32, 126, 199, 202, 204, 358 befristete I 173; II 31, 95, 294, 2971; III 352 beweglicher Güter, Objekte I 37, 39, 96, 175, 183, 188, 190 f., 193, 197 f., 208, 219, 279, 288, 356, 360, 368 f., 473, 476, 482–485; II 88, 125, 133–137, 249 f., 285, 293 f., 305 f., 309, 318–320, 328–330, 445 f., 535; III 46, 372 Buch‑ I 37, 65, 175 f., 190 f., 193, 357, 363, 367 f., 370, 461 f., 473–475, 485–487; II 19, 56 f., 104, 112 f., 128, 131, 133–137, 139, 14419, 145 f.47, 193, 201, 216, 220 f., 24084, 253, 285 f., 294, 302, 306 f., 315 f., 319–321, 32461, 382 f., 387, 396, 398 f., 401 f., 403, 477, 4859, 533, 539 f.; III 154, 158 f., 1615, 221, 313, 387, 39365, 233–235, 237, 242 f.19, 384, 386, 39365 Dorf‑ I 74, 233, 239, 242, 365 f., 417; II 75, 81, 171, 305, 337 f., 345–348, 421 f., 429, 43511, 440, 467, 509, 569 f., 573, 576–578; III 46, 84 f., 87, 101, 137, 14520, 190, 342, 419 ereṣ-yisraʾel- I 205; II 51, 53–56, 5916, 6037, 133, 230 f., 403, 478 f., 481–483; III 73, 237–239, 310, 317 Familien‑ I 41, 43 f., 50 f., 109, 126, 170, 176, 183, 185, 188, 191 f., 195, 207, 280, 290, 331, 361, 367, 432, 473 f.; II 34, 38, 53, 111, 114, 301, 308, 360, 381, 444, 448, 45910, 463–465, 467, 472 f., 478, 4859, 491, 533; III 26, 50, 57–59, 121, 139–143, 221, 226, 283 f., 294 f., 298 f., 3036, 307–309, 364 f., 368 f., 459, 46132, 467 freie, selbstverwaltete I 141, 173, 226, 300 f.; II 194, 388, 464, 466, 534–539, 561, 563; III 33, 282, 353 f., 397, 399 f. Gebäude‑ I 25, 72 f., 174, 208, 286, 388, 391, 413, 415, 418, 432, 434–436, 482, 497–499, 501 f.; II 45, 56, 98–100, 140, 199, 213, 217, 227, 291, 297, 304–306, 308, 313–315, 320 f., 385 f., 388, 393–395, 397, 400, 402 f., 40510, 469, 478 f., 483, 535, 537; III 49, 137 f., 14526, 215– 220, 222–228, 2295, 23, 232 f., 235 f., 259 f., 262, 268, 293, 299, 303, 368, 370, 373, 457 Geld‑ I 42, 74, 174 f., 191, 238, 240, 242, 316–318, 416; II 24, 41, 45, 115–118, 120–121, 131, 173, 179, 212, 283, 285, 289, 293, 301, 303, 306, 321, 337 f., 342–345, 348, 350, 363, 374, 393, 398, 401, 469, 441, 471–474, 539, 547; III 354 f., 371 f., 37646 f.
652
Register zum Gesamtwerk
Glasfenster‑ I 95, 175, 337, 432, 436, 439, 442, Stipendium siehe Bildung, Stipendium Straße I 21, 166, 171, 266, 305; II 188, 201, 290, 310, 454; II 97, 373 Grab‑ I 111, 177 f., 185 f., 190, 192, 194, 198, 261, 384, 541; III 137, 205, 218, 223–225, 300, 302 363, 368, 374, 441 f., 474, 477–480, 484, 490, Stundengebet I 171; II 92, 102 f., 290; III 30, 207, 351 f. 684; II 42, 51, 113, 115–118, 120, 132, 134 f., 139, 213, 217, 220, 224, 305, 309, 383–389, stūpa I 71, 239, 315–317, 431, 532, 534–536, 538–539, 470, 472, 476, 711; III 156 f., 159, 198, 232, 543, 546–548, 707; III 180, 197, 260 f. 308, 315; siehe auch Grab, Grablege Sufi I 111, 185 f., 188–190, 192, 1989, 19818, 251, 284 f., kollektive I 176, 240, 315; II 362 f., 446; III 25 f., 287, 375, 476, 479, 489; II 88, 188, 190; III 15, 56, 120, 14526, 296, 368, 37626; siehe auch As‑ 35, 84 f., 87, 97, 107, 326, 341 ket, Askese Land‑ I 70, 74, 78, 84, 149–152, 155, 158, 233, 239, 284, 318 f., 321, 413, 420 f., 425; II 43–45, 56, Sühne I 168, 170, 202 f., 291, 490; II 49 f., 51 f., 5920, 75–79, 81, 171, 177, 227, 229, 23729, 281, 284– 95, 140, 1425, 317 f., 544, 546, 526, 55332; III 226 286, 290, 303 f., 307 f., 311, 315 f., 337–349, Suppenküche I 187, 206, 375, 382; II 50, 112 f., 209, 356–358, 360, 362, 368, 374, 380, 393, 396, 211, 224, 476, 482; III 48, 293, 312, 383 f., 39248; 398–402, 421–429, 432 f., 43511, 472–473, siehe auch sattra 475, 48527, 488 f., 494, 534, 536, 547, 569 f., tamḥui siehe Suppenküche 573–578, 710 f.; III 46 f., 51, 65, 139 f., 188, Testament I 62, 88, 104 f., 136, 168, 203, 219, 266 f., 190, 221 f., 226–228, 237, 299 f., 302 f., 316, 300, 336, 339, 354, 356, 364 f., 384 f., 389 f., 392, 342, 364, 367, 369, 371, 374, 3756, 11, 400 f., 398, 402–404; II 44, 49, 52, 1057, 133–135, 153 f., 413, 416, 419, 423, 479 f. 247–250, 226, 24084, 312, 319, 361, 363 f., 366, für Mekka und Medina (waqf al-ḥaramain) 395–397, 401, 408, 495, 544, 548, 557, 559, 562; I 188, 197 f., 365, 487; II 115, 301, 303, 305, III 57, 109, 160, 30415; siehe auch Erbrecht 387, 464, 467; III 221, 483 Tier I 42, 174, 222; II 124, 185, 215, 302, 307, 324 f., operative I 22, 173; III 352 f., 356 330, 462–466, 474; III 102 f., 119, 187, 249, 400, private, semi‑private (Judentum) I 51, 16, 206 f., 411, 438 308, 502; II 51 f., 54, 129, 140, 226–228, 232, Tosafist I 381, 390; II 233, 397 f., 405 f.21, 546, 550 398, 401, 542, 547 f.; III 66 f., 69 f., 72, 156 f., Totales soziales Phänomen I 9, 22, 85, 149, 278, 333, 472, 532; II 46; III 301 f., 356 235, 307 f., 310, 465 Rahmen‑ I 173; II 209, 219, 293, 302, 521, 541 Totenbuch I 56, 92, 175, 206, 333, 338 f., 342 f., 386 f., selbständige I 172 f.; II 32, 561, 563; III 200 462, 497, 503, 505, 508; II 27, 53, 89, 92 f., 1057, Subsidiär‑ II 458, 525 130, 132, 135, 141, 1438, 229, 231, 23837, 289, 293, testamentarische I 26, 1789; II 31, 33 f., 64, 1057, 447, 455 f., 481–483, 490; III 25, 27, 29, 73 f., 124, 157 f., 160, 21348, 238, 24431, 357, 443, 467 2026, 24084, 249 f., 319, 396, 401, 547 f.; 15 Totenkult I 19, 21, 60, 261–266, 270, 279, 314, 431; III 57, 72, 156, 161, 207, 287, 304 , 383 treuhänderische, fiduziarische I 173; II 100, II 16, 39, 111, 116, 120, 210, 358; III 54, 428–430, 446, 521; III 25 f., 48, 58, 121, 200, 207, 432, 437, 439–442, 449131 209, 451, 456, 459 Totenmahl I 26, 262 f., 266, 269; II 34, 94, 148, 150, unselbständige I 30, 172 f.; III 200; siehe auch 365, 368 f., 526; siehe auch Pitanz Traditionsbuch I 333, 338 f.; II 289; III 25 Bildung, Universität Verbrauchs‑ I 173; II 288, 2971, 302 Treuhänder I 26, 28, 31 f., 53, 67, 88, 90 f., 108, Stiftungsprozess I 24, 27 f., 30 f., 88 f., 92, 337 f., 340, 137–139, 141, 172 f., 223 f., 262, 300 f., 305, 308, 345–347, 435; II 96, 108, 443, 453, 519 f., 524 339, 386, 400, 403, 408 f., 527; II 5920, 62, 68 f., ‑reduktion I 91, 342; II 307 f., 455, 470; III 228, 100, 492, 519, 521, 526 f., 543, 545, 548, 559 f.; 295, 357, 366, 372 III 48, 58, 121, 172, 197, 238, 282, 325, 346, ‑vollzug I 31, 90, 92, 340–347; II 40, 92–96, 111, 451 f., 399–401, 456 f. 289, 293, 300, 389, 400 f., 463, 478, 525, Trust II 34, 3624; III 121, 4536 569, 577; III 48, 102, 218, 222, 302, 312, 315, typikon I 57 f., 63, 83, 132 f., 140–142, 212–215, 220, 223, 226, 300, 363, 398, 401–403, 404–406, 334, 353, 356 f., 359, 382, 465
Sachregister
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513 f., 516 f., 519, 523, 527; II 67 f., 70, 151 f., Willenstheorie I 253 157–160, 247–249, 251–253, 324, 327, 329, 407 f., Wissenschaft siehe Bildung 411–416, 441, 486 f., 490 f., 493, 555 f., 558 f., Witwe, Witwer I 97, 187, 196, 213 f., 339 f., 390, 437, 561, 563; III 82, 87 f., 91, 170 f., 247–250, 325, 461, 479; II 52, 54, 185, 189, 194, 197, 211, 23729, 398 f., 400, 457, 473 23832, 258, 393, 476, 482; III 65, 69 f., 72 f., 74, 2 Verbrüderung I 167, 216, 220, 342, 462; II 35 , 91, 121 f., 124, 139–141, 148 f., 151 f., 155, 159 f., 166, 177–179, 184–186, 296, 308 f., 32027, 326, 456 1041, 1058; III 298 Verfolgung, Vertreibung I 126, 251, 295, 308, 324 f., Wucher siehe Zinsverbot 386–388, 495 f., 500–502; II 124, 229, 233, 311, xenodocheion siehe Herberge 403–405, 476, 479, 482–484; III 70, 151, 158 f., zāwiya I 111, 188, 287, 363, 476, 479, 486; II 124, 312, 314, 387 f., 452, 467 207, 210, 216, 468 f.; III 54, 134, 140, 226, 296 Vormund I 214, 360; II 208; III 121, 151, 16237, 30417; Zehnt I 125, 174, 21136, 343, 381–383, 389, 391, 393; siehe auch Pflegschaft II 44, 50–52, 87, 141 f., 198, 226, 229 f., 289, 294, Waffe I 37, 175, 190, 193, 251, 283, 360, 483, 493; 308, 384, 397 f., 400, 405 f.21, 439, 478, 480 f., 484, 544–546; III 67, 72, 74, 86, 155, 157, 160, II 285, 293, 302, 306, 307, 465, 535; III 123; siehe auch ǧihād 205, 315, 380, 385 Waise, Waisenhaus I 61, 65, 138, 168, 170, 187, 215, Zeuge I 12928, 200, 279, 338, 355, 362, 364, 366, 390; 218, 226, 263, 409; II 63, 185, 188, 194, 208, II 49, 51, 134 f., 382 f., 389, 391, 393–398, 40510, 29 30 213, 215, 217, 220, 224, 237 , 237 f. , 245, 249, 411, 544 f., 550; III 140, 368 f., 387 471 f., 476, 533, 541, 549, 555; III 32, 49, 59, Zins siehe Rente 65, 69 f., 72 f., 139, 155, 253, 296, 308 f., 31922, Zinsverbot I 42, 121, 193, 288; II 237 f.30, 29822, 312 f., 32027, 37511, 456 317 f.; III 67, 160, 316, 355, 372, 386, 479 waqfīya I 37, 39, 104–106, 110, 113 f., 117, 184, 186, Zoll I 174; II 289, 294 f.; III 452, 484 189, 200, 285, 355 f., 360–362, 367 f., 372, 376, Zoroastrismus I 109, 265, 305 f.; III 459 f. 474, 482, 484–486; II 40, 42, 47, 110, 112–114, Zunft I 94, 176, 440; II 195, 521; III 25, 30, 286 117–121, 123, 126, 213, 217, 220, 302, 305, 307 f., Zustiftung I 28, 32, 48, 50, 18067, 239, 323, 339, 382 f., 387 f., 469, 472, 475, 533, 535–540; III 48, 347, 511, 523, 544; II 34, 51, 101, 10741,129, 140, 193, 197, 232, 272, 288, 296 f., 317 f., 319, 337, 51, 137 f., 140–143, 14520, 23, 29, 14643, 45, 215–217, 369, 389, 392 f., 403 f., 415, 445 f., 455 f., 478, 219–222, 224, 228, 294–296, 3036, 30418, 367‑ 482, 502, 524, 529, 542, 544 f.; III 35 f., 206, 370, 374 Wasserleitung I 21, 266; II 19, 188; III 118; siehe 221, 232–235, 239 f., 255, 282, 379, 383, 391 f.43 auch Brunnen
Abbildungen
Abb. 1
Abb. 2 Abb. 3 Abb. 4 Abb. 5 Abb. 6 Abb. 7
Abb. 8
Abb. 9 Abb. 10 Abb. 11 Abb. 12 Abb. 13 Abb. 14 Abb. 15 Abb. 16 Abb. 17
Die Brückenkapelle St. Edmund in Exeter (England). In: Civitates orbis terrarvm. Theatri Praecipvarvm Totivs Mvndi Vrbivm Liber Sextvs. Ed. Anton Hierat / Abraham Hogenberg. Köln 1617, Nr. 1, online: Universitätsbibliothek Heidelberg, http://digi.ub.uni‑heidelberg.de/ diglit/braun1618bd6 (Zugriff am 29. 4. 2016); Detailhervorhebung durch TL. Der Stiftungskomplex Ewelme (England). Zeichnung: Peter Palm, auf Grundlage von Goodall, God’s House in Ewelme (2001), 38, Abb. 10. Stundenbuch von ca. 1480. Bodleian Library, add. ms. 54782, fol. 184v. Bildrechte: Bodleian Library. Fuggerei in Augsburg. In: Weidenbacher, Fuggerei (1926), Abb. 15/16. Stift St. Simon und Judas in Goslar und seine Villikation Giersleben. Zeichnung: Peter Palm. Gedenkstiftung des Straßburger Bürgers Heinrich Babensun. Zeichnung: Colin Arnaud / Fabian Dombrowski. Utrechter Kirchenkreuz. In: Civitates orbis terrarvm. Ed. Georg Braun / Franz Hogenberg. Köln 1593 Nr. 19, online: Universitätsbibliothek Heidelberg, http://digi.ub.uni‑heidelberg.de/ diglit/braun1593bd1 (Zugriff am 29. 4. 2016); Hervorhebung durch TL. Hof der Sulṭan‑Ḥasan‑Schule in Kairo. Foto: Simon Schleicher, 2008. Abdruck mit Genehmi‑ gung des Aga Khan Documentation Center am MIT, online: http://hdl.handle.net/1721.3/41862 (Zugriff am 9. 5. 2016). Grabanlage des Sultan al‑Ašraf Īnāl in Kairo. Zeichnung: Fabian Dombrowski, auf Grund‑ lage von Behrens-Abouseif, Islamic Architecture (1989), Abb. 29. Grundriss der Madrasa aẓ‑Ẓāhirīya in Aleppo. Zeichnung: E. Herzfeld, 1955. Publiziert bei Gaube / Wirth, Aleppo (1984), 151, Abb. 31. Dispersion des waqf von Sultan al‑Muʾayyad Šayḫ. Zeichnung: Fabian Dombrowski, auf Grundlage von Loiseau, Investissements (2012), 189, Karte 2. Stiftungen im mamlūkischen Damaskus (Auswahl). Zeichnung: Fabian Dombrowski, auf Grundlage von Sack, Damaskus (1989), Beil. 6. Sultan‑Ḥasan‑Komplex (Kairo). Foto: Francis Frith, 1858. Abdruck mit Genehmigung von The Francis Frith Collection. Brunnenstiftungen in Kairo. Zeichnung: Peter Palm, auf Grundlage von Raymond, Manage‑ ment (2008), Abb. 7. Alte Synagoge von Kazimierz. Bildrechte: The Jewish Museum, New York. Kleine Synagoge in Córdoba. Foto: Mark Rentz, 2009. Online: trover, http://www.trover. com/d/ksGV‑sinagoga‑cordoba‑spain (Zugriff am 6. 6. 2016). Jüdisches Zentrum in Speyer. Entwurf: Pia Heberer; Zeichnung: Heribert Feldhaus.
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Abbildungen
Abb. 18 Speyerer Judenhof. In: Heberer, Perspektive Welterbe SchUM (2013), 406, Abb. 10. Abb. 19 Fustat (Altkairo). Zeichnung: Peter Palm, auf Grundlage von Ben-Sasson, Medieval Period
Abb. 20 Abb. 21 Abb. 22
Abb. 23 Abb. 24 Abb. 25 Abb. 26 Abb. 27 Abb. 28 Abb. 29
(1994, ND 2001), 205, Abb. 7.1; 259, Anm. 6. Heqdesh‑Besitz nach: Documents of the Jewish Pious Foundations from the Cairo Geniza. Ed. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Institute, Bd. 12.) Leiden 1976, 485–509. Plurilokaler Stiftungsraum von Jerusalem. Zeichnung: Peter Palm. Vermögen des Klosters Theotokos Petritzonitissa. Zeichnung: Peter Palm, auf Grundlage der Zeichnung von Catherine Asdracha in Lemerle, Cinq études (1977), 176a. Kosmosoteira‑Komplex des Isaak Komnenos bei Bera, Thrakien. Zeichnung: Peter Palm, auf Grundlage von Typikon Isaakiou Alexiou Komnēnou tēs Monēs Theotokou tēs Kosmosōteiras. Ed. Geōrgios K. Papazoglos. Komotini 1994. Stiftungen der Komnenen in Konstantinopel. Zeichnung: Peter Palm, auf Grundlage von Magdalino, Medieval Constantinople (2007), I, 2–5. Buddhistisches Höhlenkloster Nr. 5 von Ellora. Zeichnung: Fabian Dombrowski, auf Grund‑ lage von Plaeschke / Plaeschke, Indische Felsentempel (1982), 74. Hinduistischer Höhlentempel von Elephanta. Zeichnung: Fabian Dombrowski, auf Grund‑ lage von Plaeschke / Plaeschke, Hinduistische Kunst (1978), 43. Buddhistische Klosteranlage von Nalanda. Zeichnung: Fabian Dombrowski, auf Grundlage von Mishra, Nalanda (2008), 198. Buddhistische Klosteranlage von Somapura / Paharpur. Zeichnung: Fabian Dombrowski, auf Grundlage von Dikshit, Excavations at Paharpur (1938, ND 1999), Tafel 1. Stiftungen des Rāṣṭrakūṭa‑Königs Indra III. Zeichnung: Peter Palm. Begünstigte und Stiftungsvermögen in zwei westindischen Stiftungen. Zeichnung: Peter Palm.
Abb. 1
Die Brückenkapelle St. Edmund in Exeter (England) auf einer 1578 angefertigten Vogelperspektive der Stadt.
Abbildungen
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Abb. 2
Abbildungen
Der Stiftungskomplex Ewelme (England), errichtet zwischen 1437 und ca. 1450 (Erdgeschoss).
Abbildungen
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Abb. 3
Schematische Darstellung des Totengedenkens am Grabmal aus einem Stundenbuch von ca. 1480.
Abb. 4
Hausgrundrisse der Fuggerei in Augsburg, errichtet ab 1516 u. Z.
660
Abbildungen
Abb. 5
Die Dispersion des Stiftungsvermögens: Das Stift St. Simon und Judas in Goslar und seine Villikation Giersleben im 12. Jahrhundert u. Z.
Abb. 6
Die Dispersion der Destinatäre: Stiftungssitz, Stiftungsvermögen und Stiftungsempfänger der Gedenkstiftung des Straßburger Bürgers Heinrich Babensun aus dem Jahre 1271.
Abbildungen
661
Abb. 7
Das um 1200 errichtete Utrechter Kirchenkreuz in einer frühneuzeitlichen Vogelperspektive.
Abb. 8
Der Hof der Sulṭan‑Ḥasan‑Schule in Kairo mit dem zentralen Brunnenbecken im Achsen‑ kreuz der Torbögen.
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Abb. 9
Abbildungen
Grabanlage des Sultan al‑Ašraf Īnāl in Kairo, errichtet 1451–1456, mit einem offenen Hof zur Versammlung zum Gebet, zwei nebeneinanderliegenden Eingangsportalen zum Komplex aus Moschee und madrasa sowie separat zugänglichen Wohnräumen der Studenten.
Abb. 10 Grundriss der Madrasa aẓ‑Ẓāhirīya in Aleppo aus dem Jahr 1277 mit zwei separaten Ein‑
gängen zum Wohnkomplex und zum Innenhof mit Wasserbecken (baḥra) und davon ab‑ gehenden weiteren Räumen..
Abbildungen
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Abb. 11 Dispersion des waqf von Sultan al‑Muʾayyad Šayḫ aus dem Jahr 1420, der zahlreiche weitere
Zustiftungen im Ostmittelmeerraum erhielt.
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Hauptmoschee.
Hauptmoschee.
Abb. 12 Stiftungen im mamlūkischen Damaskus (Auswahl). Gestiftete öffentliche Gebäude konzentrieren sich im Stadtbild um Zitadelle und
Abb. 12 Stiftungen im mamlūkischen Damaskus (Auswahl). Gestiftete öffentliche Gebäude konzentrieren sich im Stadtbild um Zitadelle und
Abbildungen
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Abbildungen
Abbildungen
Abb. 13 Der Sultan‑Ḥasan‑Komplex gegenüber der Kairener Zitadelle.
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Abb. 14 In osmanischer Zeit errichtete Brunnenstiftungen in Kairo.
Abbildungen
Abbildungen
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Abb. 15 Innenansicht der Alten Synagoge von Kazimierz, heute ein Stadtteil Krakaus, errichtet im
späten 14. oder frühen 15. Jahrhundert, Zustand vor dem Zweiten Weltkrieg. Der aron ha-qodesh befindet sich an der Ostwand des Gebäudes, die bimah in zentraler Position. Zwei zentrale Mittelstützen mögen an die Jerusalemer Tempelsäulen erinnern.
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Abb. 16 Innenansicht der Kleinen Synagoge in Córdoba, errichtet 1314/1315. Frauen verfolgten den
Gottesdienst von der Empore aus, konnten aber als Stifterinnen im gesamten Gebäude wirken.
Abb. 17 Karte des hochmittelalterlichen jüdischen Zentrums in Speyer mit seiner Konzentration
verschiedener monolokaler Stiftungsräume.
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Abb. 18 Grundriss der Gebäude im Speyerer Judenhof, Bauphasenkartierung.
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Abb. 19 Fustat (Altkairo). Karte des südlichen Endes der ehemals römischen Festung Babylon, Re‑
konstruktion der Verhältnisse, schwerpunktmäßig des 13. Jahrhunderts: Ein größerer Teil des Stiftungsvermögens in Form von Grundstücken und Häusern konzentrierte sich um die Synagogen.
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Abb. 20 Exemplarischer Ausschnitt aus dem plurilokalen Stiftungsraum, der auf der Unterstützung
der Jerusalemer Juden gründete (erste Hälfte des 11. Jahrhunderts).
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Abb. 21 Verteilung des Vermögens des Klosters Theotokos Petritzonitissa (Bačkovo und Umgebung),
gestiftet von Gregor Pakourianos im Jahr 1083, rekonstruiert nach dem typikon.
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Abb. 22 Kosmosoteira‑Komplex des Isaak Komnenos bei Bera, Thrakien, (1152) rekonstruiert nach
dem typikon.
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Abb. 23 Stiftungen der Komnenen in Konstantinopel (11. und 12. Jahrhundert).
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Abb. 24 Grundriss des buddhistischen Höhlenklosters Nr. 5 von Ellora, 7. Jahrhundert. Zeigt die
räumliche Strukturierung einer im Mittelalter häufig gestifteten Bauform: Um eine zentrale Säulenhalle, die hier auch mit steinernen Sitzbänken ausgestattet ist, gruppierten sich Zellen für die Ordinierten. Direkt gegenüber vom Gebäudeeingang befand sich eine Kultbildkapelle.
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Abb. 25 Grundriss des hinduistischen Höhlentempels von Elephanta, 7. Jahrhundert. Zeigt typische
Grundstruktur aus kubischem Allerheiligstem und Säulenhalle. Verfügt über Eingänge im Osten und Norden: Priester gelangten über das Ostportal zum Allerheiligsten, die Gläubigen konnten die dortigen Kulthandlungen vom Nordportal aus verfolgen.
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Abb. 26 Grundriss der buddhistischen Klosteranlage von Nalanda, 6. bis 9. Jahrhundert. Komplex
bestand aus einer Reihe von einzeln abgegrenzten Klostergebäuden im Osten und einer Reihe von Tempeln westlich davon.
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Abb. 27 Grundriss der buddhistischen Klosteranlage von Somapura / Paharpur, 8./9. Jahrhundert. Nur
ein, wenn auch monumentales und komplexes Klostergebäude mit zentralem Kultbau wurde freigelegt.
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Abb. 28 Streuung von fünf Stiftungen, die der Rāṣṭrakūṭa‑König Indra III. am 24.2. 915 aus Anlass
seiner Krönung vornahm.
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Abb. 29 Dispersion von Begünstigten und Stiftungsvermögen in zwei westindischen Stiftungen aus
dem 12. Jahrhundert.