Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften: Band 2 Das soziale System Stiftung 9783110417708, 9783110416480

The second volume of this intercultural comparative encyclopedia is devoted to the actors behind ‘medieval’ foundations

180 30 12MB

German Pages 760 Year 2015

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort zum zweiten Band
Foreword to the Second Volume
7. Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen
8. Gedenken und Kultus
9. Wohltätigkeit und Bildung
10. Stiftungsvermögen und -erträge
11. Stifter
12. Stiftungsbegünstigte
13. Stiftungsorganisation
Intercultural Perspectives
Autoren
Siglen
Literatur
Religiöse Stiftungen in China
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Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften: Band 2 Das soziale System Stiftung
 9783110417708, 9783110416480

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Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften Band 2

Enzyklopädie des Stiftungswesens in mittelalterlichen Gesellschaften Unter Mitarbeit von Zachary Chitwood, Emese Kozma, Tillmann Lohse, Ignacio Sánchez und Annette Schmiedchen herausgegeben von

Michael Borgolte

Band 2: Das soziale System Stiftung Mit einem Beitrag von Volker Olles über religiöse Stiftungen in China

Redaktion: Laura Haßler, Paul Predatsch, Philipp Winterhager und Benjamin Wolff

Die Arbeiten, die zu diesen Ergebnissen geführt haben, wurden vom Europäischen Forschungsrat (ERC) im Zuge des Siebten Forschungsrahmenprogramms der Europäischen Union (FRP7/20072013) gemäß der ERC-Finanzhilfevereinbarung Nr. 287389 gefördert.

ISBN 978-3-11-041648-0 e-ISBN (PDF) 978-3-11-041770-8 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-041776-0 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: Hubert & Co. GmbH & Co. KG, Göttingen ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Inhalt

Vorwort zum zweiten Band 11 Foreword to the Second Volume 13

7

Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen 15

7.1 Interkulturelle Perspektiven 15 7.2 Lateinische Christen 27 Allgemeines — 27. Konkurrierende Jenseitsmodelle — 27. Jenseitsvorstellungen und Stiftungsverhalten — 30. Weltliche Ambitionen — 31. 7.3 Muslime 36 Allgemeines — 36. Das Jenseits: Spirituelle Beweggründe — 38. Das Diesseits: Unmittelbare Beweggründe — 43. 7.4 Juden 48 Allgemeines — 48. Religiöses Verdienst — 49. Weltliche Ambitionen — 53. 7.5 Griechisch-orthodoxe Christen 61 Allgemeines — 61. Religiöses Verdienst — 62. Weltliche Ambitionen — 67. 7.6 Indien 72 Allgemeines — 72. Religiöses Verdienst — 74. Weltliche Ambitionen — 79.

8

Gedenken und Kultus 87

8.1 Interkulturelle Perspektiven 87 8.2 Lateinische Christen 91 Allgemeines — 91. Gedenken im Gebet — 92. Repräsentation und Ruhm — 97. Unterhalt von Kultbauten und ‑personal — 98. Steigerungen des Gottesdienstes — 103. 8.3 Muslime 109 Allgemeines — 109. Gedenken — 110. Ritual, Kultus und religiöse Praktiken — 114.

8.4 Juden 128 Allgemeines — 128. Gedenken — 129. Kultgeräte, Bücher und Synagogenausstattung — 133.  Bezahlung der Synagogenangestellten — 137. Bau und Instandhaltung von Kultgebäuden — 139. 8.5 Griechisch-orthodoxe Christen 147 Allgemeines — 147. Liturgisches Gedenken — 148. Weltliches Gedenken — 157. Kultus — 159. 8.6 Indien 165 Allgemeines — 165. Gedenken — 166. Kultus — 169.

9

Wohltätigkeit und Bildung 185

9.1 Interkulturelle Perspektiven 185 9.2 Lateinische Christen 192 Allgemeines — 192. Hybride Stiftungszwecke — 192. Stellvertretende Nächstenliebe — 194.  Wissensvermittlung als ‚frommes Werk‘ — 195. Soziale Disziplinierung und gemeiner Nutzen — 199. 9.3 Muslime 205 Allgemeines — 205. Wohltätigkeit und Armut — 206. Formen der Wohltätigkeit — 208.  Bildung und Wohltätigkeit — 215. Bildungsangebote — 216. 9.4 Juden 223 Allgemeines — 223. Wohltätigkeit — 224. Bildung — 231. 9.5 Griechisch-orthodoxe Christen 242 Allgemeines — 242. Wohltätigkeit: Begriff und Entwicklung — 242. Formen der Wohltätigkeit — 246. Bildung — 251. 9.6 Indien 257 Allgemeines — 257. Wohltätigkeit — 259. Bildung — 266.

10 Stiftungsvermögen und -erträge 281 10.1 Interkulturelle Perspektiven 281 10.2 Lateinische Christen 288 Allgemeines — 288. Unbewegliches Kapital — 290. Bewegliches Kapital — 293. Immaterielles Kapital — 294. Symbolisches Kapital — 296. 10.3 Muslime 300 Allgemeines — 300. Unbewegliches Kapital — 303. Bewegliches Kapital — 305.  Selbstbewegliches Kapital — 307. Immaterielles Kapital — 307. Symbolisches Kapital — 308. 10.4 Juden 311 Allgemeines — 311. Immobilien als Kapital — 313. Bewegliches Kapital — 316. Symbolisches Kapital — 319. Tausch von heqdesh‑Gütern — 320.

10.5 Griechisch-orthodoxe Christen 324 Allgemeines — 324. Unbewegliches Kapital — 325. Bewegliches Kapital — 328.  Selbstbewegliches Kapital — 330. Immaterielles Kapital — 330. Symbolisches Kapital — 333. 10.6 Indien 336 Allgemeines — 336. Unbewegliches Kapital — 338. Bewegliches Kapital — 342.  Selbstbewegliches Kapital — 346. Immaterielles Kapital — 348. Symbolisches Kapital — 351.

11 Stifter 355 11.1 Interkulturelle Perspektiven 355 11.2 Lateinische Christen 359 Allgemeines — 359. Der Stifter bei der Genese der Stiftung — 360. Der Stifter im Sozialgefüge seiner Stiftung — 364. Der Stifter: Vergessen, verdrängt, wieder entdeckt – und fingiert — 370. 11.3 Muslime 380 Allgemeines — 380. Der Stifter bei der Genese der Stiftung — 382. Der Stifter im Sozialgefüge seiner Stiftung — 387. Der Stifter: Vergessen, verdrängt, wieder entdeckt – und fingiert — 389. 11.4 Juden 392 Allgemeines — 392. Der Stifter bei der Genese der Stiftung — 393. Der Stifter im Sozialgefüge seiner Stiftung — 400. Der Stifter: Vergessen, verdrängt und wieder entdeckt — 404. 11.5 Griechisch-orthodoxe Christen 407 Allgemeines — 407. Der Stifter bei der Genese der Stiftung — 408. Der Stifter im Sozialgefüge seiner Stiftung — 411. Der Stifter: Vergessen, verdrängt, wieder entdeckt – und fingiert — 414. 11.6 Indien 420 Allgemeines — 420. Der Stifter bei der Genese der Stiftung — 422. Der Stifter im Sozialgefüge seiner Stiftung — 428. Der Stifter: Vergessen, verdrängt, wieder entdeckt – und fingiert — 432.

12 Stiftungsbegünstigte 439 12.1 Interkulturelle Perspektiven 439 12.2 Lateinische Christen 442 Allgemeines — 442. Die Destinatäre bei der Errichtung der Stiftung — 444. Die Stiftungsbegünstigten im sozialen Gefüge der Stiftung — 446. Die Destinatäre und der Fortbestand der Stiftung — 452. 12.3 Muslime 462 Allgemeines — 462. Die Destinatäre bei der Errichtung der Stiftung — 465. Die Stiftungsbegünstigten im sozialen Gefüge der Stiftung — 468. Die Destinatäre und der Fortbestand der Stiftung — 471.

12.4 Juden 476 Allgemeines — 476. Die Destinatäre bei der Errichtung der Stiftung — 478. Die Stiftungsbegünstigten im sozialen Gefüge der Stiftung — 480. Die Destinatäre und der Fortbestand der Stiftung — 482. 12.5 Griechisch-orthodoxe Christen 486 Allgemeines — 486. Die Destinatäre bei der Errichtung der Stiftung — 487. Die Stiftungsbegünstigten im sozialen Gefüge der Stiftung — 490. Die Destinatäre und der Fortbestand der Stiftung — 492. 12.6 Indien 497 Allgemeines — 497. Die Destinatäre bei der Errichtung der Stiftung — 499. Die Stiftungsbegünstigten im sozialen Gefüge der Stiftung — 503. Die Destinatäre und der Fortbestand der Stiftung — 511.

13 Stiftungsorganisation 517 13.1 Interkulturelle Perspektiven 517 13.2 Lateinische Christen 519 Allgemeines — 519. Verwaltung — 519. Aufsicht — 525. 13.3 Muslime 531 Allgemeines — 531. Verwaltung — 532. Aufsicht — 539. 13.4 Juden 542 Allgemeines — 542. Verwaltung — 543. Aufsicht — 549. 13.5 Griechisch-orthodoxe Christen 554 Allgemeines — 554. Verwaltung — 555. Aufsicht — 560. 13.6 Indien 567 Allgemeines — 567. Verwaltung — 568. Aufsicht — 577.

Intercultural Perspectives 583 7

Religious Merit and Temporal Ambitions 583

8

Commemoration and Cult 594

9

Charity and Education 598

10

Foundation Endowments and Revenues 605

11

Founders 611

12

Beneficiaries of the Foundation 615

13

Foundation Organization 619

Autoren 621 Siglen 623 Periodica, Lexica und Reihen 623 Kanonische Texte 626

Literatur 627 Religiöse Stiftungen in China 681 1

Allgemeines 681

2

Traditionelle Religiosität: Daoismus und Buddhismus 685

3

Grundlagen im Monastizismus: Das Kloster als Stiftung 695

4

Grundbegriffe des chinesischen Stiftungswesens 719

5

Quellen 723

6

Fallstudie: Das Guanyin-Kloster in Sichuan 732

7

Schlussbemerkung und Ausblick 738

Anmerkungen 740 Siglen 747 Literatur 747 Abstract: Religious Foundations in China 751 Abbildungen 753

Vorwort zum zweiten Band Stiftungen benötigen ein wirtschaftliches Fundament und rechtliche Regelungen, um ihre Zwecke zu erfüllen; vor allem ist ihr Erfolg aber vom Zusammenwirken verschie‑ dener Personen und Personengruppen abhängig: vom Stifter, und zwar über dessen Tod hinaus, von den Menschen, die in seinem Sinne und Auftrag handeln sollen, sowie von den Nutznießern seines Werkes. Diesen sozialen Mechanismen der Stiftung ist der zweite Band der ‚Enzyklopädie des Stiftungswesens‘ gewidmet. Die sieben Artikel sollen, wie schon die Beiträge des ‚Grundlagen‘‑Bandes, einen interkulturellen Vergleich zwischen den Welten der lateinischen und griechisch‑orthodoxen Christenheit, des Islams, des Judentums und Indiens während des sogenannten Mittelalters bieten und ermöglichen. Verfasst haben sie wiederum die Expertinnen und Experten des ersten Bandes, also Annette Schmiedchen für Indien, Emese Kozma für das Judentum, Zachary Chitwood für die Byzantinistik, Tillmann Lohse für die Mediävistik und Ignacio Sánchez für die Islam‑ wissenschaft. Für Tillmann Lohse, der sich für eine Elternzeit vorübergehend beur‑ lauben ließ, schrieben der Mitarbeiter des Redaktionsteams Philipp Winterhager den Artikel ‚Stiftungsbegünstigte‘ sowie der Herausgeber den Beitrag über den ‚Stifter‘ in Bezug auf die Lateinischen Christen. Die Artikel ‚Stifter‘ und ‚Stiftungsorganisation‘ für die Muslime verdanken wir Dr. Stefan Knost. Leider haben die an sich sehr großzügig bemessenen Mittel des European Research Council nicht ausgereicht, um auch das Stiftungswesens Chinas systematisch in unse‑ re Arbeit einzubeziehen. Dank einer Beurlaubung von Annette Schmiedchen konnten wir aber den Sinologen Dr. Volker Olles (Berlin) zeitweise anstellen. Olles hat in dieser Zeit einen Beitrag über ‚Religiöse Stiftungen in China‘ verfasst, der sich in Konzeption und Aufbau eng bei der Enzyklopädie anlehnt. Auch wenn sie natürlich nicht einer Mitarbeit an unserem Projekt über die ganze Laufzeit entspricht, können wir die Ab‑ handlung als Anhang zu diesem Band veröffentlichen und so, wie zu hoffen ist, weitere Vergleiche und auch die Stiftungsforschung in der China‑Wissenschaft selbst anregen. Die Verwaltung des Projekts und vor allem die aufwändigen Redaktionsarbeiten lagen wiederum in den Händen der beiden Doktoranden Paul Predatsch und Philipp Winter‑ hager, die von den Hilfskräften Benjamin Wolff, Ruth Schwerdtfeger sowie nach deren erfolgreichem Masterexamen Laura Haßler unterstützt wurden. Für die Übersetzungen

12 konnten wir erneut Gisela Grabo und Zachary Chitwood gewinnen. Bei den Workshops berieten uns wie bisher die Professoren Stephan Conermann, Johannes Heil, Johannes Pahlitzsch und Benjamin Scheller; an die Stelle Conermanns, der seine Mitarbeit im Herbst 2014 aufgeben musste, trat der Islamwissenschaftler Prof. Dr. Jörg Berger (Kiel). Das Foundmed‑Team hat die Zwischenergebnisse seines Unternehmens in den zu‑ rückliegenden Monaten bei verschiedenen Kongressen vorgestellt, in Münster / Westf., Groningen (NL), Kalamazoo (USA), Leeds (UK) und Moskau (s. a.: Michael Borgolte, Foun‑ dations in Medieval Societies. Cross‑cultural Comparisons. A Project of the European Research Council at the Humboldt University of Berlin, in: Journal of Transcultural Medieval Studies 1, 2014, 161–166). Der erste Band wurde bei einer gut besuchten Buch‑ präsentation an der Humboldt‑Universität am 28. 10. 2014 durch den Kirchenhistoriker Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Christoph Markschies sowie den Vizepräsidenten der Humboldt‑ Universität Prof. Dr. Peter A. Frensch eingehend gewürdigt. Bei allen wissenschaftlichen Begegnungen konnten wir eine hohe Wertschätzung für die geleistete Arbeit erfahren, was unsere Motivation weiter gestärkt hat. Beim ‚International Congress on Medieval Studies‘ wurde Philipp Winterhager 2015 mit dem ‚Otto Gründler Award‘ ausgezeich‑ net. Annette Schmiedchen erhielt durch den Präsidenten der Republik Indien Pranab Mukherjee den Indischen Nationalpreis (Padma‑Shri) – eine Ehrung, die umso höher zu bewerten ist, als sie vorher überhaupt nur vier Deutschen zuerkannt worden war. Als Principal Investigator und Herausgeber danke ich allen Genannten sehr herzlich für die ausgezeichnete und hoch engagierte Mitarbeit. Was geleistet worden ist, kann man daran ermessen, dass dieser zweite Band genau ein Jahr nach Erscheinen des ersten, und zwar in gleichem Umfang, in den Druck gegeben werden konnte. Bis zum Ende des Projekts im Mai 2017 glauben wir, auch den dritten (und letzten) vorlegen zu können, der die Außenbeziehungen der Stiftungen (‚Stiftung und Gesellschaft‘) behandeln soll. Für den Abschluss des Forschungsvorhabens planen wir für Frühjahr 2017 auch eine große internationale Tagung in Berlin, bei der unser Werk zur Diskussion gestellt werden soll. Zum Auftrag der ERC‑Bewilligung gehört eine Monographie ‚Weltgeschichte der Stif‑ tungen‘ durch den Principal Investigator; auf der Grundlage der Enzyklopädie‑Artikel, aber auch der Forschungsergebnisse über zahlreiche weitere ‚Stiftungskulturen‘ hoffe ich, diese Darstellung ebenfalls 2017 publizieren zu können. Berlin, Sommer 2015

Michael Borgolte

Foreword to the Second Volume Foundations require an economic basis and legal regulations in order to fulfill their goals, yet above all their success depends upon the cooperation of various persons and groups of persons: of the founder, indeed even after his own demise; of people who act in his interest and on his behalf; as well as of the beneficiaries of his undertaking. It is to these social mechanisms of foundations that the second volume of the ‘En‑ cyclopedia of Foundations’ is dedicated. The seven articles, as the contributions of the ‘Fundamentals’ volume already have done, are to offer and enable an intercultural comparison between the worlds of Latin and Greek Orthodox Christianity, Islam, Ju‑ daism and India during the so‑called Middle Ages. The specialists of the first volume have once again written them, to wit Annette Schmiedchen for India, Emese Kozma for Judaism, Zachary Chitwood for Byzantine Studies, Tillmann Lohse for Medieval Studies and Ignacio Sánchez for Islamic Studies. For Tillmann Lohse, who temporar‑ ily took a leave of absence while on parental leave, Philipp Winterhager, a member of the editorial team, wrote the article ‘Beneficiaries of the Foundation’, while the editor wrote the essay on ‘Founders’ with regard to Latin Christians. We owe the articles ‘Founders’ and ‘Foundation Organization’ regarding Islam to Dr. Stefan Knost. Unfortunately the in and of itself extremely generous support of the European Re‑ search Council did not suffice to systematically take into account the foundations of China as well. Thanks to a leave of absence of Annette Schmiedchen, we were able to temporarily employ the Sinologist Dr. Volker Olles (Berlin). In this time Olles wrote an essay on ‘Religious Foundations in China’, which in its conception and structure was closely modelled on the encyclopedia. Even though it does not correspond to coopera‑ tion on our project over its entire duration, we have been able to publish the essay as a supplement to this volume and thus, it is to be hoped, encourage further comparisons and research on foundations in scholarship on China itself. The administration of the project and above all its elaborate editorial work once again were in the hands of the two doctoral students Paul Predatsch and Philipp Winterhager, who were supported by the student assistants Benjamin Wolff, Ruth Schwerdtfeger and, after her successful master’s exam, Laura Haßler. For the transla‑ tions we were able to once more obtain Gisela Grabo and Zachary Chitwood. As they have to this point, at the workshops Professors Stephan Conermann, Johannes Heil,

14 Johannes Pahlitzsch and Benjamin Scheller advised us; Prof. Dr. Jörg Berger (Kiel) took the place of Conermann, who had to give up his collaboration in the fall of 2014. The Foundmed team has presented the preliminary results of its undertaking in recent months at various congresses, in Münster (Westphalia), Groningen (the Neth‑ erlands), Kalamazoo (USA), Leeds (UK) and Moscow (see also: Michael Borgolte, Foun‑ dations in Medieval Societies. Cross‑cultural Comparisons. A Project of the European Research Council at the Humboldt University of Berlin, in: Journal of Transcultural Medieval Studies 1, 2014, 161–166). The first volume was extensively honored at a well‑ attended book presentation at the Humboldt University of Berlin on October 28, 2014 by the church historian Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Christoph Markschies as well as by the vice president of the Humboldt University of Berlin Prof. Dr. Peter A. Frensch. At all scholarly meetings we were able to experience high estimation for the work we have done, which has further strengthened our motivation. At the ‘International Con‑ gress on Medieval Studies’ Philipp Winterhager was honored in 2015 with the ‘Otto Gründler Award’. Annette Schmiedchen received from the President of the Republic of India Pranab Mukherjee the Indian National Prize (Padma‑Shri) – an honor, which is to be esteemed all the more, since it had previously only been awarded to four Ger‑ mans in total. As the Principal Investigator and editor I would like to heartily thank the afore‑ mentioned for their excellent and highly‑dedicated collaboration. What has been ac‑ complished can be measured by the fact that this second volume could be sent to press exactly one year after the appearance of the first, and indeed encompassing the same breadth. We believe that until the end of project in May of 2017 we will be able to pres‑ ent the third (and final) volume, which is to treat the external relations of foundations (‘Foundations and Society’). For the closing of the scholarly endeavor we are planning a large international conference for early 2017 in Berlin, at which our undertaking is to be presented for discussion. A monograph on a ‘World History of Foundations’ by the Principal Inverstigator is part of the ERC grant; I hope to be able to publish this account likewise in 2017 on the basis of the encyclopedia articles, but also the results of research of numerous further ‘foundation cultures’. Berlin, the summer of 2015

Michael Borgolte

7  Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

7.1  Interkulturelle Perspektiven Wird das Stiftungswesen unter univer‑ salem Aspekt entwicklungsgeschichtlich gedeutet,1 kommt den Götterstiftungen wohl die Priorität zu; Grundlage für die zahlreichen königlichen Stiftungen ‚für alle Zeit‘ zugunsten der Götter waren in Babylon die mesopotamischen Mythen, nach denen „der Mensch einzig und allein in die Welt gesetzt wurde, um Ernährung und Unterhalt der Götter zu sichern“2. Von der uralten Idee, dass die Menschen für die Subsistenz der Götter verantwortlich seien und dadurch ihren Beitrag zur Er‑ haltung des Kosmos erbringen, leitete sich die Vorstellung ab, dass die Götter auch Empfänger der Stiftungen und deren ‚Ei‑ gentümer‘ sein sollten; sie begegnet, zu‑ meist monotheistisch gewendet, in allen in dieser Enzyklopädie bearbeiteten Stif‑ tungskulturen, also auch in Indien. (→ 1.1) Neben den Stiftungen zugunsten des Göt‑ terkultes, die im Alten Griechenland seit dem frühen 4. Jahrhundert v. u. Z. belegt sind 3, war nur etwas später im Hellenis‑ mus der ‚Euergetismus‘ in Erscheinung getreten, der auch im Imperium Romanum das vorchristliche Stiftungswesen prägen

sollte.4 Dieser Kunstbegriff der Forschung geht auf das griechische Nomen euergesia (‚Wohltätigkeit‘) zurück und bezeichnet die – freiwillige oder moralisch‑rechtlich gebo‑ tene – Schenkung aus der Hand von Wohl‑ habenden an die Allgemeinheit, sei es des ‚Staates‘, sei es einer Stadt.5 Die Gaben dien‑ ten einerseits der Förderung von Spielen, öffentlichen Vergnügungen, Festgelagen oder Ähnlichem, andererseits Baumaßnah‑ men wie denjenigen von Amphitheatern, Brücken, Bädern und so weiter. Da diese Schenkungen häufig kultisch konnotiert waren, also einen religiösen Sinn hatten,6 ist es problematisch, bei Stiftungen der griechischen und römischen Antike reli‑ giöse und weltliche Motive, sakrale und agonale beziehungsweise soziale Zwecke strikt zu unterscheiden.7 Diesen Vorbehalt muss man auch im Auge behalten, wenn in der jüngeren Forschung formuliert worden ist, dass im Zentrum antiker Stiftungen „die öffentliche Anerkennung des Stifters und seiner Großzügigkeit“8 sowie das An‑ sehen der Stadt gestanden hätten. Auch im mittelalterlichen Jahrtausend gab es Stiftungen mit ‚weltlichen‘ Zwecken,

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Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

also für das, was in der Moderne als ‚In‑ frastrukturmaßnahme‘ bezeichnet wird, und die trotzdem religiös motiviert waren. Teilweise war man sich der Traditionen auch bewusst, in denen diese neueren Stif‑ tungen standen. Noch im 11. Jahrhundert wollte man in Byzanz wissen, es sei im Altertum unter Wohltätern üblich gewe‑ sen, ein Hippodrom oder andere profane Vergnügungsstätten zu errichten, bevor unter christlichem Einfluss Stätten der Seelsorge an deren Stelle traten.9 (→ 8.5.2) Sehr klar tritt die religiöse Motivation im Islam hervor, wenn der waqf schlechthin als religiöse Tat verstanden wird, die jede materielle und spirituelle Zielsetzung ein‑ schließt. (→ 7.3.1) In lateineuropäischer Befangenheit ist vor Jahrzehnten formuliert worden, dass schlechthin alle Stiftungen des Mittelalters „Stiftungen für das Seelenheil“ gewesen sei‑ en.10 Allgemeinhistorisch geht eine solche Behauptung schon deshalb fehl, weil bei Christen, Juden, Muslimen und Gläubigen der indischen Religionen zahlreiche Vari‑ anten des Denkens über die Seele oder die Seelen des Menschen, über das postmortale Verhältnis von Seele und Leib, über Him‑ mel und Höllen und jenseitige Zwischen‑ aufenthalte bestanden, ganz zu schweigen davon, dass der Buddha und seine Anhän‑ ger die Existenz der Seele überhaupt in Abrede stellten.11 Auch wenn es sich bei allen angesprochenen Religionen um Er‑ lösungslehren handelte, darf man das Heil der Monotheisten mit dem höchsten Glück von Brahmanen, Hindus, Buddhisten und Jinisten nicht verwechseln. Ging es jenen um die vollkommene Seligkeit der mit Leib und Seele (und nur einmal) wiedergebore‑ nen Person, so diesen um die Leere, in der es kein Begehren und keine Empfindung mehr gebe, um ein Glück durch vollkom‑ mene Auflösung. Bei den religiösen Zie‑ len sind ferner, anthropologisch gesehen,

Stiftungen für die Seele oder für die Ahnen von den Stiftungen für das Seelenheil zu unterscheiden; erstgenannte sollen näm‑ lich nur das Weiterleben der Verstorbenen (respektive ihrer Seele) in der anderen Welt ermöglichen, während die anderen eine gesteigerte transzendentale Existenz er‑ wirken wollen, und zwar als Gabe (und nach dem Gericht) Gottes.12 Nach Herodot waren die „Ägypter die Ersten, welche behauptet haben, dass die Seele des Menschen unsterblich sei“13. Für die moderne Wissenschaft gilt als sicher, dass das Volk am Nil zum ersten Mal die Idee vom Totengericht gefasst habe, vor dem sich jeder Mensch für seine Taten im Diesseits rechtfertigen müsse; datiert wird diese religionsgeschichtliche Zäsur in die sogenannte 1. Zwischenzeit (seit ca. 2216 / 2166 v. u. Z.).14 Den Alten Ägyptern waren Werkheiligkeit und Lohngedanke vertraut; fremd blieb ihnen allerdings die Idee, auch durch postmortale Wohltätigkeit für die Seele des Verstorbenen sorgen zu können. Ihre Stiftungen waren lediglich Totenkultstiftungen, die auf das Nachleben im Diesseits abzielten.15 Im Christentum hat Jesus selbst einen Zwiespalt der Verheißung begründet; ei‑ nerseits hatte er gelehrt, dass der Mensch bei Gott kein Verdienst erwerben könne, andererseits gebot er seinen Jüngern zu beten, „erlass uns unsere Schulden, wie auch wir sie unseren Schuldnern erlassen haben“ (Mt 6.12).16 Auch der Apostel Paulus verkündete einerseits die Rechtfertigung allein aus dem Glauben (Röm 3.28), und betonte andererseits doch die Vergeltung nach den Taten des Menschen: „Denen, die beharrlich Gutes tun (…), gibt er ewiges Leben, denen aber, die selbstsüchtig nicht der Wahrheit, sondern der Ungerechtigkeit gehorchen, widerfährt Zorn und Grimm“ (Röm 2.7 f.). Bei der Wiederkunft des Men‑ schensohnes in Gesellschaft der Engel

Interkulturelle Perspektiven

erwartete Paulus, alle müssten sich vor Christi Richterstuhl offenbaren und einem jeden werde Gutes oder Böses zuteil, je nach seinem Handeln im Leben (II Kor 5.10).17 Der afrikanische Kirchenvater Augustinus differenzierte weiter und räumte den nicht ganz Schlechten und den nicht besonders Guten eine postmortale Zeit der Buße bis zum Übergang in die ewige Seligkeit ein.18 Für das christliche Stiftungswesen bedeut‑ sam wurde der Gedanke, das Seelenheil anderer Menschen mit Gebeten und gu‑ ten Werken fördern zu können. Grund‑ legend dafür waren der Märtyrerkult der frühen Gemeinden und der Rückgriff auf die alttestamentliche Geschichte des jüdi‑ schen Aufstandes unter Judas Makkabäus gegen den Seleukiden‑König Antiochus IV. (168–165 v. u. Z.). Judas habe für das Seelen‑ heil der Gefallenen gesorgt, berichtet das zweite Makkabäerbuch.19 Neben Gebet und Almosen wurde später im Christentum die Messfeier als Opfer für die Läuterung der Verstorbenen aufgefasst. Entschei‑ dend war, dass es der christlichen Kirche spätestens im 4. Jahrhundert gelang, sich zum Adressaten frommer Gaben für das Seelenheil zu machen.20 Dazu kam, dass sich die Gemeinden der Christen von jeher zur Caritas verpflichtet fühlten und sie eine geordnete Liebestätigkeit entfalteten, die in der Alten Welt in dieser Weise un‑ bekannt gewesen war.21 Ein anderer Im‑ puls kam vom Erbrecht. Bei griechischen Kirchenvätern findet sich die Lehre vom ‚Seelteil‘ (psychikon), die später von den lateinischen Vätern Augustinus und Hie‑ ronymus übernommen wurde.22 Der dieser Praxis zugrunde liegende Gedanke war, die eigene Seele zum anteiligen Erben neben den eigenen Söhnen zu machen. Bei den Gaben an die Kirche, sei es zur Förderung von Gottesdienst, Gebet und Messe, sei es zur Unterstützung der Bedürf‑ tigen und Armen, müssen Schenkungen

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in einem Akt unterschieden werden von Stiftungen, die auf Dauer Erträge aus be‑ reitgestelltem Gut erbringen sollen.23 Die frommen Werke wurden hier auch post‑ mortal durch die ‚Stiftungsorgane‘ im Na‑ men und in Stellvertretung des Stifters ausgeübt und konnten seinem Seelenheil auf lange Sicht oder auf Dauer dienen. In den Urkunden ist dementsprechend davon die Rede, dass die Gaben „für das Heil“ oder „den Rückkauf der Seele“ (pro remedio und pro redemptione animae) dienen und als „Lohn für das gute Werk“, als „Lohn für die eigene Seele“ (merces boni operis; merces animae meae) gelten sollten.24 Zu den wenigen klaren Lehren über das Jenseits gehörte die lateinische Doktrin vom Fegefeuer, die seit dem 12. Jahrhundert eine deutliche Unterscheidung von einem partikularen Individualgericht gleich nach dem Tod und dem Weltgericht am Ende der Zeiten ermöglichte; es war allerdings ein Irrtum der Forschung anzunehmen, dass damit die Zeitspanne, in der Seelen‑ heilstiftungen wirksam werden konnten, in allgemeiner Auffassung verkürzt oder entwertet worden wäre.25 (→ 2.2.2; 7.2.3) In Byzanz, wo die Fegefeuer‑Lehre auf Ableh‑ nung stieß und überhaupt keine Dogmatik über das Jenseits entwickelt wurde,26 be‑ schäftigte die Phantasie der Gläubigen den‑ noch der Kampf von Engeln und Dämonen um die Seele der Verstorbenen. (→ 7.5.2) Vielfach imaginierte man eine Passage der Seele durch 22 Zollstationen, an denen die guten Werke gegen die ungebüßten Sünden abzuwiegen waren. Hervorragend überlie‑ fert als Stiftungen für das Seelenheil sind besonders die weitverbreiteten Kloster‑ gründungen. Einer der wenigen byzantini‑ schen Autoren, die sich um die Begründung von Stiftung und Memoria bemühten, war der Historiker, Theologe und Mathematiker Michael Glykas (12. Jahrhundert). Befragt, ob die Verrichtung guter Werke die Sünden

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Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

der Verstorbenen ganz auslöschen könn‑ te, verwies er bejahend auf ein Gebet des Heiligen Basilius: „Nicht die Toten preisen Dich, o Herr, noch sind sie in der Lage, Dir aus dem Hades ein Bekenntnis abzulegen, aber wir, die Lebenden, verrichten Bittge‑ bete für ihre Seelen.“27 Im Islam scheint die religiöse Erwar‑ tung, die auf fromme Stiftungen gerichtet werden konnte, auf den Einfluss älterer Religionen zurückzugehen. Nach Analyse der Fachleute tritt uns in der altarabischen Poesie aus der Zeit des Propheten am Be‑ ginn des 7. Jahrhunderts ein dem Diesseits verhafteter Mensch entgegen, der sich vom Tod als sinnlosem und unbegreiflichem Ereignis abgewandt hat und den Dingen dieser Welt widmet.28 Die Gedichtfragmen‑ te schildern vornehmlich Kampfkraft und Edelmut der Helden mit der Verspottung ihrer Gegner, die Auseinandersetzung mit der Natur, auch auf Reisen, sowie Aben‑ teuer der Liebe. Unter dem Einfluss von Christen, Juden und Zoroastriern, denen die arabischen Händler und Pilger etwa beim heidnischen Heiligtum der Kaaba in Mekka oder in Syrien, Äthiopien, Iran und im Jemen begegnen konnten und die auf ihrer Halbinsel auch Gemeinden gebildet und Herrschaften geprägt hatten, dürften ihre Lehren vom Schöpfergott, von der Auferstehung der Menschen und ihrem Sein bei Gott schon Verbreitung gefun‑ den haben.29 Was Mohammed dann über das Endgericht des Schöpfers geoffenbart worden war, fasst eine der ältesten Suren (Q 99.6–8) in folgende Worte: „An jenem Tag werden die Menschen getrennt her‑ vorkommen, damit sie ihre Taten zu sehen bekommen. / Wer Gutes tat, vom Gewichte eines Stäubchens, wird es sehen. / Und wer Böses tat, vom Gewichte eines Stäubchens, wird es sehen.“30 Tatsächlich aber nahmen die Araber die Lehre von Auferstehung und Individualgericht zunächst nicht an.

Ihre naturalistische Skepsis traf jedoch auf die wieder und wieder von Mohammed formulierte Verheißung, dass der Ungläu‑ bige am Tag des Gerichts ins Feuer der Hölle gestoßen werde, während dem Got‑ tesfürchtigen seine guten Taten mit den Freuden des Paradieses vergolten würden. Jedermann hafte am Ende für sein Tun auf der Erde. Die Lehre, dass es Verdienst und Eigenleistung der Menschen seien, die ihr Schicksal im Jenseits bestimmten, vertra‑ ten im 7. Jahrhundert dann besonders die sogenannten Ḫāriğiten, doch war im Ko‑ ran auch schon die Idee angeklungen, dass göttliche Gnade (allein) die Aufnahme ins Paradies bewirken könne.31 Dieser Gedan‑ ke bot offenkundig den Ansatzpunkt für spätere Lehren über Interventionsmöglich‑ keiten zugunsten der Verstorbenen. Bei den Schiiten sollte diese Rolle neben Moham‑ med selbst den aus seiner Verwandtschaft hervorgegangenen Imamen zufallen; wer ihnen Gefolgschaft erwiesen hatte, konnte auf ihre Fürsprache bei Gott für den Einzug ins Paradies hoffen. Die Sunniten wiesen die gleiche Macht neben Mohammed auch dessen treuesten Gefährten zu. Über den Weg des Menschen oder sei‑ ner Seele zwischen Tod und Endgericht ist der Koran wenig beredt; die göttlichen Offenbarungen in der Überlieferung Mo‑ hammeds sind ganz auf Paradies und Hölle fixiert, während sonst in muslimischen Texten die Phantasie der Autoren beim Grab und bei der Grabesexistenz endet. Die Zwischenzeit, in der die Nachleben‑ den durch ein Stiftungswerk zugunsten des Verstorbenen intervenieren können, bleibt meist nebulös. Beim Tod des Men‑ schen, so deuten wenigstens die Suren an, entweicht die Seele dem Körper durch die Kehle und gelangt in die Hände von En‑ geln. Ausgestaltende Erzählungen stellen den Kampf verschiedener dieser Wesen um die Seele dar, der sich auf Listen guter und

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schlechter Taten des Verstorbenen stützen konnte.32 In Sure 23.100 ist immerhin noch von einer Schranke hinter den Verstorbe‑ nen die Rede, die jede Rückkehr ins irdi‑ sche Leben, also zum Beispiel auch eine Wiedergeburt, verhindert; sie soll halten „bis zum Tag, da sie auferweckt werden.“33 Das Trennende wird mit einem persischen Lehnwort al-barzaḫ genannt und gewinnt in der Erzählung der Autoren eine Qualität als Periode zwischen Diesseits und Jenseits. Kein Zweifel besteht daran, dass auch im Islam die heilsbezogene Sorge für die Toten durch Gebet und Wohltätigkeit weit ver‑ breitet war. (→ 7.3.2) Schon in zahlreichen Hadithen werden Verwandten und Freun‑ den verschiedene Hinweise gegeben, wie sie dem Verstorbenen seinen Aufenthalt im Grab angenehmer machen könnten.34 Gene‑ rell unterschieden wurden zwei Kategorien, nämlich das Weinen um die Toten und das Gebet beziehungsweise Almosengeben zu ihren Gunsten. Die Fürbitte, also die Ge‑ betsintervention (duʿāʾ), konnte auch den Lebenden zugutekommen,35 galt aber vor allem als sehr hilfreich für die Verstorbe‑ nen. Der Koran schärft zwar ein, dass jeder einzelne im Endgericht für seine Taten und seinen Glauben Rechenschaft schulde, so dass es nun zu spät sei, neue gute Werke zu verrichten, und ihm niemand zu Hilfe kommen könne,36 doch wurde schon in frühislamischer Überlieferung festgestellt, dass zu Lebzeiten vollzogene gute Werke auch nach dem Tod weiterwirken und das Schicksal des Wohltäters günstig beeinflus‑ sen könnten. Nach einem Hadith handele es sich um Taten der Caritas, wie den Bau einer Moschee oder eines Bewässerungs‑ kanals oder die Pflanzung eines Baumes, ferner um die Verbreitung des Wissens, etwa durch Schaffung einer Schule oder Verteilung von Koranhandschriften, oder aber um das Hinterlassen gottesfürchtiger Kinder, die für die Vergebung der Sünden

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des Toten beten.37 (→ 8.3.2) Auch wenn die Konzession postmortaler Handlungs‑ macht in theologisch‑systematischer Hin‑ sicht als „marginale Ausnahme“ bezeichnet worden ist,38 gilt doch die in diesem Ha‑ dith überlieferte angebliche Äußerung des Propheten als gedankliche Grundlage des muslimischen Stiftungswesens überhaupt. Dementsprechend wird der Hadith in den waqf ‑Urkunden zitiert.39 Die Hadith‑Sammlungen ordnen die Er‑ richtung einer Stiftung (waqf ) als ṣadaqa ein, ein Wort, das ursprünglich jede gute Tat bezeichnet.40 (→ 7.3.2) Erst im frühen 9. Jahrhundert taucht die Definition ei‑ nes „unwiderruflichen Almosens“ (ṣadaqa batta) für den (Familien‑)waqf auf, und im 11. Jahrhundert unterstreicht aš‑Šīrāzī, dass die Stiftung als unzerstörbares und dau‑ erndes Almosen zu betrachten sei. Durch ihren ewigen Bestand könne die Stiftung nach Meinung der muslimischen Juristen als eine gottwohlgefällige Tat gelten, die den Stifter je länger sie bestehe desto nä‑ her zu Gott bringe. Dies war aber für die religiöse Deutung des Stiftungswesens der entscheidende Gedanke. Im Unterschied zur linear‑eschatologischen Dynamik des Christentums folgte der Islam einem zirku‑ lären Konzept mit dem Ziel, die Vertreibung aus dem Paradies zu revidieren; der Gläubi‑ ge musste sich unentwegt an Gott erinnern und zu ihm zurückkehren.41 Da Stiftungen ewig bestehen sollten, mussten sie nicht nur durch immer neue Nachlebende in Gang gehalten werden, sondern indem diese die guten Werke ausübten, vermehrten sie die himmlischen Verdienste des Stifters.42 Die transmortale Annäherung an Gott (qurba), die der muslimischen Vorstellung von einer Rückkehr des Menschen schon von Adams Sündenfall her zum Paradies entsprach43, bemaß sich nach Aufwand und Dauer der Wohltaten. Da es also um die größtmögli‑ che „Nähe zu Gott“44 geht, müsste für den

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Islam statt von ‚Stiftungen für das Seelen‑ heil‘ wie im Christentum eher von ‚Stif‑ tungen für die Gottesnähe‘ die Rede sein. Wie in anderen Religionen auch, sind Seelenglaube und Jenseitsvorstellungen im Judentum unklar, widersprüchlich und umstritten. Weithin Einigkeit herrscht in der Forschung darin, dass im Buch Daniel von ca. 165 v. u. Z., dem letzten der hebräi‑ schen Bibel, zum ersten Mal eindeutig von der individuellen Auferstehung die Rede ist: „Viele von denen, die im Land, das aus Staub besteht, schlafen [sc.: die gestorben bzw. im Kampf umgekommen sind], wer‑ den erwachen, die einen zum ewigen Le‑ ben, die anderen zur ewigen Schande. Die Verständigen aber werden leuchten wie der Glanz der Himmelsfeste, und die, welche viele zur Gerechtigkeit geführt haben, wie die Sterne in alle Ewigkeit.“ (Dan 12.2 f.)45 Allerdings richtete sich diese Auferste‑ hungsverheißung nur an die Angehörigen des Volkes Israel. Man darf indessen nicht annehmen, dass sich seither der Auferste‑ hungsglaube im Judentum ungehindert durchsetzte; noch bis zur Zerstörung des Zweiten Tempels von Jerusalem im Jah‑ re 70 u. Z. widersprachen ihm wirkungs‑ voll die traditionell denkenden Sadduzä‑ er. Mit ihren erfolgreichen Konkurrenten, den Pharisäern, die die große Mehrheit ansprachen, rückte jedoch die Lehre von der „Auferstehung am Ende der Welt zum fundamentalen Glaubenssatz der jüdischen Eschatologie“ auf, der als solcher bis in jüngste Zeit in Geltung blieb.46 Entschei‑ dend dafür war die Rezeption durch das Rabbinentum gewesen. Hier wurde etwa seit dem 3. Jahrhundert u. Z. der Garten Eden als vorübergehender oder endgültiger Zustand des Paradieses von dem gehinnom als Ort der Strafe unterschieden.47 Wäh‑ rend der Gaon Saadja (gest. 942), der reli‑ giöse Führer der babylonischen Juden, noch die Unsterblichkeit der Seele mit der Idee

der körperlichen Auferweckung zu verbin‑ den wusste, begründete Maimonides (gest. 1204) die Lehre von der vom Körper un‑ abhängigen Unsterblichkeit der Seele, die sich als jüdischer Glaubenssatz allmählich durchsetzte, während die Auferstehung des Leibes in den Hintergrund trat. Zwi‑ schen‑ und Endzustand im Jenseits wurden vielfach nicht klar getrennt; nachweisen lässt sich aber auch die Vorstellung, dass die Verstorbenen vorübergehende Strafen im gehinnom erleiden. Teilweise wurde auch angenommen, dass die Verdammten zusammen mit den Gerechten zum End‑ gericht auferweckt, dann aber nach dem Urteilsspruch vom Feuer verschlungen werden. Die Ankunft des Messias wurde tendenziell vom Endgericht abgerückt; die Toten würden dann erst am Gerichtstag am Ende der messianischen Zeit und zugleich an der Schwelle der ‚kommenden Welt‘ (olam ha-ba) auferweckt. Auch wenn sich (wie im Christentum) die Unterscheidung eines partikularen Gerichts unmittelbar nach dem Tode ausbildete, wurde dieses vom universellen Endgericht aber kaum einmal klar unterschieden. Bei Jenseitshoffnungen und ‑befürchtun‑ gen ging es um die Vergeltung der Taten des vergangenen Lebens;48 insofern konnten auch Stiftungen ihre positive postmortale Wirkung entfalten, die im Judentum fast ausschließlich der Fürsorge (ṣedaqa) gewid‑ met waren.49 (→ 7.4.2) Umstritten war aber, ob auch andere zugunsten eines Menschen intervenieren konnten. Als Empfänger der Gaben traten in aller Regel nicht die Ar‑ men und Bedürftigen selbst, sondern die Gemeinden beziehungsweise die Gemein‑ defonds in Erscheinung.50 (→ 12.4) Eine Wechselbeziehung zwischen dem Stifter und dem Begünstigten wurde zusätzlich dadurch erschwert, dass die Gabe als beson‑ ders fromm und verdienstlich galt, wenn sie unbekannterweise erfolgte.51 (→ 9.4.2)

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Immerhin belegen die Einträge des Nürn‑ berger Memorbuches (angelegt 1296 / 1297) das Seelengedächtnis unter anderem für die Stifter,52 während sich die Hoffnung auf das Paradies oder die Gebetshilfe der Gemeinde als Gegenleistung in den Doku‑ menten der Geniza von Altkairo nur mit Mühe belegen lässt.53 Im Vordergrund steht hier ganz das diesseitige Wohlergehen als ‚Gegenleistung‘.54 In Spanien haben Juden ihre Stiftungen in lateinischer Sprache un‑ ter dem Einfluss christlicher Notare „für meine Seele“, „für den Nachlass meiner Sünden“ oder „in der Hoffnung auf das ewige Leben“ errichtet.55 (→ 8.1) Die indischen Religionen Hinduismus, Buddhismus und Jinismus bieten wie unter anderem das Christentum ein Heil für den Einzelnen an;56 gemeinsamer Ausgangs‑ punkt war die Religion der Brahmanen, einer Priesterklasse, die durch jahrtau‑ sendealte Rituale den Kosmos in Gang hielt.57 Seit ca. 600 v. u. Z. wurde in den Upanischaden der Ritualismus der alten Veden überwunden; auch wenn sie zur entscheidenden Textgrundlage des Hin‑ duismus wurden, teilen auch die Religio‑ nen des Buddhismus und Jinismus einige ihrer wesentlichen religiösen Konzepte. Dazu gehören vor allem das Gesetz des karman, also der unbedingten Kausali‑ tät zwischen einer Tat und ihren Folgen, ferner die Lehre von der Wiedergeburt (saṃsāra) und die Techniken der Befrei‑ ung von deren unerbittlichem Kreislauf.58 ‚Wiedergeburt‘ bedeutete vor allem, immer wieder sterben zu müssen;59 zwar konn‑ te man durch gute Taten eine günstigere Existenz erreichen, aber letztes Ziel war es, den ewigen Kreislauf der Geburten zu durchbrechen.60 Bei der hinduistischen Lehre über Unsterblichkeit handelt es sich, anders als bei den monotheistischen Re‑ ligionen des Westens, um eine Selbsterlö‑ sungslehre; durch eigenes Verdienst kann

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der Mensch eine automatische Vergeltung durch eine bessere diesseitige Daseinsform und zum Schluss sogar die ‚Befreiung‘ er‑ langen, ohne auf einen richtenden – und gnädigen – Gott angewiesen zu sein. Der endgültige Lohn ist nicht ein ewiges Le‑ ben in Seligkeit, sondern im Gegenteil die Erlösung von jeglichem Leben sowie von dem damit verbundenen Tod. Das gesamte Lebensschicksal des Men‑ schen liegt nach indischer Auffassung in der Hand des Einzelnen; durch gute Werke sammelt er Verdienst (puṇya) an, was ihm schon im Diesseits zugutekommen und Erlösung bringen kann. Man spricht in der Forschung von einem „Tatvergeltungs‑ mechanismus“. (→ 8.6.2) Wer also bei‑ spielsweise einen Brahmanen‑Priester oder einen hinduistischen Tempel beschenkt,61 ist weder auf die Fürbitten seiner Adres‑ saten angewiesen noch erwartet er das Heil als göttliche Remuneration. Das Mauss’sche Gesetz, dass jede Gabe nach einer Gegengabe verlangt, ist hier außer Kraft gesetzt.62 Trotzdem sind aus Indien nach hunderten, wenn nicht tausenden zählende Stiftungen an Brahmanen‑Pries‑ ter ohne erkennbaren Tempelbezug sowie Stiftungen im Kontext von Tempeln und Schreinen hinduistischer Gottheiten über‑ liefert.63 Alle religiösen Stiftungen sollten dem Anwachsen des religiösen Verdienstes (puṇya) dienen. (→ 3.6.2; 5.6; 7.6) In scharfer Abgrenzung zum Ritua‑ lismus des alten Brahmanentums, aber auf der Grundlage der karman‑ und Wie‑ dergeburtslehre entstanden bald nach den ersten Upanischaden in Indien die beiden Asketenreligionen des Jinismus und des Buddhismus. Die Jaina‑Quellen bezeichnen Mönche und Nonnen als die „Bindungslosen“ und die „Frommen“, aber auch die „Unbehausten“ und die „Anteil Suchenden“, also die Almosen Begehren‑ den.64 Nach ihren Regeln sollen die Mönche

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auf ständiger Wanderschaft sein und von den Laien – den „Hausbewohnern“ – mit Nahrung und in der Regenzeit vorüber‑ gehend mit Obdach versorgt werden.65 Die Laien konnten analog zu den Mön‑ chen „Kleine“ oder „Nachgeordnete Ge‑ lübde“ ablegen, die aber den praktischen Erfordernissen des weltlichen Lebens an‑ gepasst waren. Das fünfte von ihnen sah Spendenfreudigkeit und die Vermeidung großen Reichtums vor.66 Im Unterschied zu den Brahmanen(‑Priestern) waren die Jaina‑Mönche zu einer Gegenleistung ver‑ pflichtet, die in der Belehrung der Laien bestand.67 Die radikale Unbehaustheit und Armut ließ eigentlich keine Stiftungen an Jaina‑Mönche und ‑Nonnen zu. Trotzdem sind im mittelalterlichen Jahrtausend auch Tempel‑ und Klosterstiftungen für sie be‑ zeugt.68 (→ 3.6.5) Die Stifter konnten frei‑ lich auf diesem Weg nur ihre Aussichten auf eine bessere Wiedergeburt erhöhen, nicht aber etwas für ihr Seelenheil tun. ‚Stiftungen für das Seelenheil‘ hatten im religiösen System des Jinismus überhaupt keinen Platz; Erlösung war nur möglich durch radikale Askese, die bis zum frei‑ willigen Hungertod führen konnte.69 Mit dem Jinismus teilt der Buddhismus70 das Streben nach Erlösung als Befreiung von der Welt, und hier wie dort steht die Gemeinschaft von Mönchen (und Nonnen) im Zentrum des religiösen Lebens und der Lehrtradition. Im Gegensatz zum Brahma‑ nismus und Hinduismus lehnte der Buddha die Vorstellung von einer Seele radikal ab. „Der Buddhismus ist die Lehre vom Nicht‑ Selbst (anātmavāda)“.71 Menschen, die frei‑ gebig waren, sittlich handelten und gute Taten vollbrachten, hofften auf eine gute Wiedergeburt nach ihrem Tod, hielten also noch am Glauben an das eigene Selbst fest. „Der Glaube an ein ‚Ich‘ ist jedoch nicht zu vereinbaren mit buddhistischer Erkenntnis, der Überwindung des Begehrens und dem

Weg zum Nirvana.“ Dieses ist kein Paradies; es ist ort‑ und zeitlos und wird negativ be‑ stimmt als „Ende des Leidens“, positiv als „höchstes Glück“. Da es in ihm aber kein Begehren und keine Empfindung mehr gibt, ist es ein Glück ohne Glückseligkeit.72 Wie im Jinismus sind die Mönche und Nonnen im Buddhismus auf die Hilfe der „Haushalter“, angewiesen, die sie mit Al‑ mosen, Kleidung, Schlafstätten und Medi‑ zin und anderem versorgen73; allerdings waren sie selbst, im Unterschied zu den Jaina‑Mönchen, nicht zur persönlichen Ar‑ mut verpflichtet.74 Die Gegenleistung der Asketen für die Gaben der Laien bestand wiederum in deren Belehrung.75 Auf die Verbesserung ihrer Wiedergeburt als Lohn erworbenen Verdienstes sahen sich die Laien auf Dauer auch nicht beschränkt. Am Ende des ersten vorchristlichen Jahr‑ tausends bildete sich eine neue Form des Buddhismus heraus, der Mahāyāna, „Gro‑ ßes Fahrzeug“, genannt wurde und sich polemisch vom älteren Hīnayāna, „Kleines Fahrzeug“, absetzte.76 Die Anhänger dieser jüngeren Glaubensrichtung verpflichteten sich, die Laufbahn eines Bodhisattva, ei‑ nes künftigen Buddha, einzuschlagen. Im Unterschied zum Buddha selbst und seinen ersten Schülern wollten sie den Eingang ins nirvāṇa auf unvorstellbar lange Zeit hinausschieben und unzählige Existen‑ zen durchlaufen, und zwar, um möglichst vielen Menschen aus Mitgefühl auf ihrem Weg zur Erlösung helfen zu können. Die Selbsterlösungslehre ist hier eine überaus eindrucksvolle Verbindung mit der eben‑ falls buddhistischen Idee des grenzenlosen Mitleids eingegangen.77 ‚Stiftungen für das Seelenheil‘ konnte es in einer Religion nicht geben, deren Botschaft in der Ablehnung eines bestän‑ digen Existenzkerns aller Lebewesen und damit auch der Menschen besteht und deren Ziel gerade die Auslöschung des

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Ichs mit seinem Lebensdurst und seinem Begehren ausmacht. Stiftungen sind aber möglich als Wohltaten zur Verbesserung des eigenen karman.78 Auch wenn der Bud‑ dha gelehrt hatte, dass jeder Mensch nur aufgrund eigenen Verdienstes im Zyklus der Wiedergeburten vorankommen und zuletzt das nirvāṇa gewinnen kann, lassen sich Gedanke und Praxis der Verdienstü‑ bertragung schon im alten ‚Mainstream‑ Buddhismus‘ verifizieren.79 Das zeigen etwa Stiftungsinschriften an religiösen Bau‑ und Bildwerken aus Mathurā (heute im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh), die von Mönchen stammten.80 Wie aus den Quellen hervorgeht, sollte die Verdienstü‑ bertragung durch Stiftung Lebenden und Toten, Eltern, also Verwandten, und offen‑ bar noch anderen Menschen zugutekom‑ men, während das nirvāṇa selbst im frühen Buddhismus als Stiftungsziel nicht häufig explizit belegt werden kann. Religiös motivierte Stiftungen schlossen häufig praktische Zwecke ein, die entwe‑ der der jeweiligen religiösen Gemeinschaft

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oder der Bevölkerung von Stadt und Land überhaupt zugutekommen sollten (Spitäler, Schulen, Brücken, Brunnen und so weiter); bemerkenswert ist die Förderung anderer (Liturgie‑)Sprachen durch Klostergründun‑ gen im sonst griechisch geprägten Byzanz. (→ 7.5.3) Daneben dienten sie häufig dazu, das Vermögen des Stifters und seiner Fami‑ lie zusammenzuhalten und jedenfalls dem Zugriff des ‚Staates‘ (oder Herrschers) und seiner Fiskalbehörden zu entziehen. Gut be‑ kannt ist, dass der muslimische waqf auch den Zweck hatte, die Zerstreuung des Erbes durch Mittelabfluss an heiratswillige Töch‑ ter zu verhindern. I. Sánchez hat allerdings gezeigt, dass selbst diese (scheinbar) egois‑ tische Maßnahme religiös begründet war, weil die Vermehrung des von Gott gegebe‑ nen Vermögens als eine fromme Leistung galt. (→ 7.3.1) Stiftungen sollten überall dem Stifter zur Steigerung seines gesellschaftli‑ chen Ansehens und zur Begründung seines Ruhms, sonst Herrschern auch zur Stärkung ihrer Legitimation verhelfen. MB

Anmerkungen 1  Dazu jetzt (mit teilweise anderen Argumen‑ 5 Ebd., 22–24; 27; passim. tationslinien) M. Borgolte, Fünftausend Jahre Stif‑ 6 Z. B. Laum, Stiftungen, Bd. 2 (1914, ND 1964), tungen (im Druck).

2 Maul, Religion Babyloniens (2008), 177; 175;

Laum, Stiftungen, Bd. 1 (1914, ND 1964), 239 f. 3 Ebd., 61, unter Bezug auf Bd. 2, 15, Nr. 12 von 384 v. u. Z. (nach Xenophon); ferner ebd., Bd. 1, 243, unter Bezug auf Bd. 2, 42, Nr. 42 vom 4. Jahrhun‑ dert v. u. Z. (Inschrift), und 65, Nr. 53, von der aber erst Plutarch (gest. um 125 u. Z.) unter Bezug auf Nikias (gest. 413 v. u. Z.) berichtet. Auch handelt es sich nach dem Tenor des Berichts durch Plutarch wohl eher um eine Stiftung, die dem Nikias zu Lebzeiten zugutekommen sollte. Anders Veyne, Brot und Spiele (1988, ND 1990), 226 f. 4  Grundlegend Veyne, Brot und Spiele (1988, ND 1990), hier bes. 162 f.; 188–190.

27–30, Nr. 28 von 159 / 158 v. u. Z., Dekret der Stadt Delphi: „König Attalos, der Sohn des Königs At‑ talos, an den wir eine Gesandtschaft wegen des Unterrichtes der Kinder geschickt hatten (…) – wie er sich schon von alters her freundgesinnt und wohlwollend der Stadt gegenüber gezeigt und seine Pflichten gegen die Götter in frommer und gerech‑ ter Weise erfüllt hat, hat er unserem Wunsche Gehör geschenkt und bereitwilligst der Stadt für den Unterricht der Kinder 18 000 alexandrinische Silberdrachmen und für Festfeiern und Opfer 3 000 Drachmen geschickt, damit diese Gabe für alle Zei‑ ten unvergänglich fortbestehe, die Gehälter für die Lehrer geregelt würden und der Aufwand für die Feste und Opfer von den Zinsen des ausgeliehenen

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Kapitals gedeckt würden. Deswegen beschloß die Stadt: Das Stiftungskapital ist dem Gotte geweiht, und niemandem soll verstattet sein, weder einem Beamten noch einem Privatmanne, etwas von der Summe zu einem anderen Zwecke zu verwenden“. 7 So Laum, Stiftungen, Bd. 1 (1914, ND 1964), 40–53; 60–115. 8 Reden, Glanz der Stadt (2012), 22. 9 Vgl. das Rechtsbuch des Michael Attaleiates; zitiert nach Stolte, Law for Founders (2007), 126: „This is the division that had been made between things under old laws [namely, between things governed by divine law and things governed by human law; to the former category belonged the ἱερά or res sacrae]. Res sacrae were called the tem‑ ples, or sacred precincts, the position of which, since the rise of the orthodox faith, has in truth been inherited by the holy churches and mon‑ asteries and the venerable houses.“ 10  K. Schmid, Stiftungen für das Seelenheil (1985), 66 f.; vgl. auch ebd., 61. – Irreführend an‑ gelegt ist die jüngst erschienene Abhandlung von Feld, Ende des Seelenglaubens (2013), die auf die vorderasiatisch‑europäische (‚abendländische‘) Tradition fixiert ist und die Religionen Süd‑ und Ostasiens ganz unberücksichtigt lässt. 11  Zu den Vorstellungen der verschiedenen Re‑ ligionen ausführlich und mit den nötigen Belegen künftig M. Borgolte, Weltgeschichte der Stiftungen (in Vorbereitung). 12  Zu Seelenkultstiftungen, die „das ganze Al‑ tertum hindurch das Stiftungswesen beherrscht“ haben, siehe Liermann, Geschichte des Stiftungs‑ rechts (1963, ND 2002), bes. 13 f.; vgl. Bruck, Stiftun‑ gen für die Toten (1954). Neuere althistorische Stu‑ dien distanzieren sich z. T. von der durch Bruck begründeten Lehre, unterscheiden aber m. E. nicht klar genug zwischen Seelen‑ bzw. Ahnenkultstif‑ tungen und Stiftungen für das Seelenheil: Veyne, Brot und Spiele (1988, ND 1990), 225–232; Holman, Hungry Are Dying (2001), 14, Anm. 64. Anders Pickert, Römische Stiftungen (2005); Dies., Sehn‑ sucht nach Ewigkeit (2008). 13  Herodot, 9 Bücher zur Geschichte. Übers. Christian Bähr. Berlin 1898, ND Wiesbaden 2004, 204, II.123. 14  Assmann, Ma’at (1990), 122. 15  Vgl. Fitzenreiter, Statuenstiftung (2007); Meeks, Donations aux temples (1979); Materialien

zur Wirtschaftsgeschichte des Neuen Reiches, Bd. 2. Ed. Wolfgang Helck. (Akademie der Wis‑ senschaften und der Literatur. Abhandlungen der Geistes‑ und Sozialwissenschaftlichen Klasse, Jahrgang 1960, Bd. 11.) Wiesbaden 1961. – Toten‑ kultstiftungen sind von den religiösen Stiftungen für den Seelenkult einerseits und für das See‑ lenheil andererseits zu unterscheiden. Zu den altrömischen Totenkultstiftungen siehe oben bei Anm. 7; zur Problematik des Begriffs ‚Totenkult‘ siehe Oexle, Mahl und Spende (1984), 401, Anm. 1. 16  Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 120 f. 17  Ebd., 123 f. 18  Ebd., 85. 19  Vgl. ebd., 157. 20 Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts (1963, ND 2002), 28. 21 Uhlhorn, Christliche Liebesthätigkeit, Bd. 1 (1882 / 1895, ND 1959), 5; 25; vgl. M. Borgolte, Mit‑ telalterliche Kirche (2004), 119–122. 22 Schultze, Augustin und der Seelteil (1928); Bruck, Kirchenväter und soziales Erbrecht (1956); vgl. jetzt Ogris, Freiteil (2008), der aber noch der alten Lehre Schultzes und nicht Bruck folgt. – Un‑ ter Hinweis auf Cyprian (ca. 200–258 u. Z.) und Clemens von Alexandrien (ca. 150–215 u. Z.) sowie die alttestamentlichen Bücher Tobias und Jesus Sirach wurde die Schlüsselrolle der kappadoki‑ schen Väter bei der Entwicklung der ‚Seelteil‘‑ Lehre neuerdings eingeschränkt durch Holman, Hungry Are Dying (2001), 15. 23 Unter vielem anderen: M. Borgolte, Gedenk‑ stiftungen in St. Galler Urkunden (1984, ND 2012); Neiske, Rechtssicherung und Praxis (1986); Hillebrandt, Stiftungen zum Seelenheil (1991); Jorden, Cluniazensisches Totengedächtniswesen (1930), bes. 47–69; Henrici, Schenkungen an die Kirche (1916); Hübner, Donationes post obitum (1888); zuletzt Hugener, Buchführung für die Ewigkeit (2014). 24 Vgl. für unzählige weitere Belege nur ex‑ emplarisch: Chartularium Sangallense, Bd. 1. Ed. Peter Erhart. St. Gallen 2013, 5 f., Nr. 7; 7, Nr. 9. 25 Diese Diskussion hatte Chiffoleau ange‑ stoßen; sie wurde durch Lusiardi entscheidend fortgeführt. 26 Vgl. Angold, Church and Society in Byzan‑ tium (1995), 451–453; Beck, Byzantiner und ihr Jenseits (1979), 41; 69 f.

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27 Zit. bei Angold, Church and Society in By‑ 43  Vgl. Bowker, Meanings of death (1991), 104 f.; zantium (1995), 450 (Übers. MB).

Stillman, Waqf (2000), 358 f.; 361 f.; B. Hoffmann,

Bowker, Meanings of death (1991), 110 f. 32 Vgl. Smith / Haddad, Islamic Understanding (1981), 32–40. 33 Vgl. Rebstock, Grabesleben (2002), 373; Nagel, Koran (2002), 188 f. 34 Smith / Haddad, Islamic Understanding (1981), 59. 35 Vgl. Lev, Charity, Endowments, and Chari‑ table Institutions (2005), 101–103; 159 f. 36 Bowker, Meanings of death (1991), 112–115. 37 Zit. nach Çizakça, History of Philanthropic Foundations (2000), 6; M. Borgolte, Geschichte des Stiftungsrechts (2002, ND 2012), 356: „Wenn ein Mann stirbt, kommen alle seine Handlungen an ein Ende, mit Ausnahme dieser drei: des wie‑ derkehrenden Werkes der Barmherzigkeit, der Werke des Wissens sowie einer frommen Nach‑ kommenschaft, die für ihn betet.“ 38 Bowker, Meanings of death (1991), 116. Der Autor hebt hervor, dass es im Islam keinen Über‑ tragungsmechanismus für die Verdienste an from‑ men Werken geben könne, da im Unterschied zum Christentum der Geist von Rück‑ oder Loskauf fehle, zumal Christi Tod (als stellvertretende Buße zur Erlösung der Menschen) von den Muslimen geleugnet werde; ebd., 113: „Even more to the point, there cannot be any kind of transaction whereby the virtues of one can be set against the vices of others. There is no sense of redemption or ransom, least of all of the Christian understanding of how the death of Christ effects atonement. Muslims do not believe that Jesus died at all.“ 39 Vgl. B. Hoffmann, Gates of Piety and Cha‑ rity (1997), 197; Pahlitzsch, Concern for Spiritual Salvation (2001), 337. 40  Hier und im Folgenden in enger Anlehnung an ebd., 329–332. 41  Bowker, Meanings of death (1991), 102–128, bes. 104 f.; Pahlitzsch, Concern for Spiritual Sal‑ vation (2001), 333 f. 42  Vgl. Anderson, Religious Element in Waqf Endowments (1951), 294; Pahlitzsch, Concern for Spiritual Salvation (2001), 332.

Hoheisel, Tod und Jenseits (1983), 101; Sumegi, Un‑ derstanding Death (2014), 86–89; Raphael, Jewish Views of the Afterlife (2009), 72 f.; Bowker, Me‑ anings of death (1991), 60 f.; Feld, Ende des See‑ lenglaubens (2013), 58. 46  Hoheisel, Tod und Jenseits (1983), 103; vgl. Sumegi, Understanding Death (2014), 89 f.; Raphael, Jewish Views of the Afterlife (2009), 117–162. 47  Das Folgende nach Hoheisel, Tod und Jen‑ seits (1983), 103–108; vgl. Sumegi, Understanding Death (2014), 90–93; N. N., Day of Judgement (1989, ND 2002); N. N., Eschatology (1989, ND 2002); N. N., Eden (1989, ND 2002); N. N., Resurrection (1989, ND 2002). 48  Vgl. N. N., Reward and Punishment (1989, ND 2002). 49  Vgl. in jüngerer Zeit zur jüdischen Wohltä‑ tigkeit auch: Zion, Jewish Giving (2013); Galinsky, Public Charity (2010); M. Frenkel, Charity in Je‑ wish Society (2009); M. Cohen, Foundations and Charity (2005); Ders., Poverty and Charity (2005). 50 Toukabri, Satisfaire le ciel et la terre (2011), 139–244; Documents of the Jewish Pious Founda‑ tions From the Cairo Geniza. Ed. und übers. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Insti‑ tute, Tel Aviv University, Bd. 12.) Leiden 1976, 1–118. 51 M. Cohen, Poverty and Charity (2005), 190; Holman, Hungry Are Dying (2001), 47; B. Klein, Ide‑ alisieren, Neutralisieren, Bekämpfen (2000), 27 f. 52 Vgl. jetzt Barzen, Nürnberger Memorbuch (2011); Edition und Übersetzung des Martyrologs und Auszügen der Nekrologien: Das Martyro‑ logium des Nürnberger Memorbuches. Ed. Siegmund Salfeld. (Quellen zur Geschichte der Juden in Deutschland, Bd. 3.) Berlin 1898; Edition der beiden Nekrologien in deutscher Übersetzung in: Die isra‑ elitische Bevölkerung der deutschen Städte, Bd. 3. Ed. Moritz Stern. Kiel 1894–1896, 100–172; 190–205. 53 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 112–121; dazu ebd., Bd. 5 (1988, ND 1999), 128–187, sowie Documents. Ed. Gil (wie Anm. 50). 54 Vgl. The Voice of the Poor in the Middle Ages. An Anthology of Documents from the Cairo

Islamische fromme Stiftungen (1990), 117. 28 Nagel, Leben nach dem Tod (1983), 131. 29 Ebd., 132. 44  Arjomand, Philanthropy (1998), 109; 111; Still30 Vgl. ebd., 133; Nagel, Koran (2002), 41 f. man, Waqf (2000), 359. 31 Nagel, Leben nach dem Tod (1983), 134 f.; vgl. 45  Vgl. Plöger, Tod und Jenseits (1983), 82–85;

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Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

Geniza. Übers. Mark R. Cohen. Princeton / Oxford 2005, 21, Nr. 1; 28 f., Nrn. 6–8; 31, Nr. 10; 34, Nr. 11; 40, Nr. 14; 44 f., Nrn. 16 f.; 56, Nr. 24; 59, Nr. 26; 61 f., Nr. 27; 69, Nr. 32; 72, Nr. 34; 86 f., Nrn. 43 f.; 89, Nr. 46; 99, Nr. 53; 101, Nr. 55; 103, Nr. 57; M. Cohen, Geniza Documents (2009), 287; Friedman, Indigent Scholar’s Plea (2009). 55 Burns, Jews in the Notarial Culture (1996); Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005); Ders., Commemoration and Heqdesh (2005). 56 Lanczkowski, Heil und Erlösung (1985, ND 1993); Balbir, Jainismus (1987, ND 1993). – Zu den indischen Religionen immer noch höchst lesenswert: Weber, Wirtschaftsethik der Welt‑ religionen. Hinduismus und Buddhismus (1921, ND 1978). 57 Gombrich, Einleitung (1995), 20 f. 58 Lipner, Karman (2010); Ders., Saṃsāra (2010). 59 Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 198. Vgl. Chapple, Ātman (2010). 60 Nelson, Liberation (2010). 61 Vgl. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 142–212; C. Talbot, Temples, Donors, and Gifts (1991); Stein, Econo‑ mic Function (1960). 62 Heim, Gift and Gift Giving (2010), 750, unter Bezug auf Mauss, Gabe (1984). Zur Rezeption die‑ ses Essays in der lateineuropäischen Stiftungs‑ forschung siehe dagegen M. Borgolte, Totale Ge‑ schichte (1993, ND 2012). 63 Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), passim. – Zum hinduisti‑ schen Stiftungswesen siehe auch Orr, Religious Endowments (2011). 64 Die Erlösungslehre der Jaina. Legenden, Parabeln, Erzählungen. Übers. Adelheid Mette. Berlin 2010, 210. 65 Ebd., 211; 214 f. 66 Ebd., 219 f.; 225. 67 Ebd., 211; 214. 68 Vgl. Weber, Wirtschaftsethik der Weltreligio‑ nen. Hinduismus und Buddhismus (1921, ND 1978), 209, Anm. 1; 215; Erlösungslehre der Jaina. Übers. Mette (wie Anm. 64), 220–222, wo aber behauptet wird, es habe keine Jaina‑Klöster gegeben (ebd., 214 f.; 225). 69 Erlösungslehre der Jaina. Übers. Mette (wie Anm. 64), 213; 237; Weber, Wirtschaftsethik der

Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus (1921, ND 1978), 206. 70 Zum Buddhismus: Bechert / Gombrich, Bud‑ dhismus (1995); Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011); Bechert / Bronkhorst / Ensink, Buddhismus (2000). Gegen die verbreitete Darstellung von Brück, Einführung in den Buddhismus (2007), werden in der Fachwissenschaft massive Beden‑ ken erhoben: Kieffer-Pülz, Musterbeispiel (2006/ 2007). Annette Schmiedchen danke ich für den entsprechenden Hinweis. 71 Lamotte, Buddha (1995), 48. Hier auch das folgende Zitat. 72 Ebd., 53. 73 Ebd., 55 f.; 63 f. 74 Kieffer-Pülz, Musterbeispiel (2006/2007), 295, in kritischer Auseinandersetzung mit Brück, Ein‑ führung in den Buddhismus (2007), 198 f.; Walsh, Sacred Economies (2010), 55–57; Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), bes. 78–93; 131–137. 75 Gombrich, Einleitung (1995), 26 f. 76 Bronkhorst, Buddhistische Lehre (2000), 127– 177; Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 48–53; Schumann, Mahāyāna‑Budhismus (1995); Lamotte, Mahāyāna‑Buddhismus (1995). 77 Kieffer-Pülz, Musterbeispiel (2006/2007), 292, hat darauf hingewiesen, dass „Mitleid“ (karuṇā) im frühen Buddhismus „eine eher untergeordnete Rolle“ gespielt habe; vgl. Lamotte, Buddha (1995), 65 f.; ebd. aber auch ein Beispiel für die Barmher‑ zigkeit des Buddha selbst. – Vgl. auch Sizemore / Swearer, Ethics, Wealth, and Salvation (1990). 78 Zum buddhistischen Stiftungswesen abge‑ sehen von den Beiträgen von A. Schmiedchen in dieser Enzyklopädie u. a.: B. Schuler, Stifter und Mäzene (2013); Schopen, Buddha as Owner (1990, ND 1997); Thapar, Patronage and Commu‑ nity (1992); Klimkeit, Stifter im Lande der Seiden‑ straßen (1983). Für China: Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), und vor allem den Beitrag von V. Olles zu religiösen Stiftungen in China im vorliegenden Band. 79 Vgl. Herrmann-Pfandt, Verdienstübertragung (1996); Findly, Dāna (2003), 272–280; Walsh, Sac‑ red Economies (2010), 109–112 mit 181, Anm. 22, mit weiterer Literatur zur Verdienstübertragung. 80 Vgl. Schopen, Two Problems (1985, ND 1997), 34–36.

Lateinische Christen

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7.2  Lateinische Christen 7.2.1  Allgemeines Die abendländischen Stiftungen des Mit‑ telalters waren Instrumente zur Über‑ windung des Todes durch „Produktion von Permanenz“1. Sie dienten (und dienen zum Teil noch heute) dem postmortalen Fort‑ leben ihrer Stifter, und zwar sowohl im Diesseits als auch im Jenseits. Indem die Stifter die Stiftungsorgane zu Exekutoren ihres Willens machten, konnten sie weit über die biologische Limitierung ihrer Le‑ bensspanne hinaus Einfluss auf irdische Belange nehmen; günstigstenfalls sogar bis ans Ende aller Tage, das die mittelal‑ terlichen Christen vielfach in nicht all‑ zu ferner Zukunft erwarteten.2 Das stell‑ vertretende Handeln der Stiftungsorgane prolongierte indes nicht nur die Präsenz der Stifter auf Erden; als ‚gute Tat‘ diente es auch dem jenseitigen Heil ihrer Seelen und sollte ihnen so den Weg ins Paradies ebnen helfen. Insofern galten alle Stiftun‑ gen des abendländischen Mittelalters – wie nicht zuletzt zahlreiche zeitgenössische Formulierungen belegen – als Stiftungen ‚für die Ewigkeit‘, auch wenn jeder Versuch, eine zeitlose Ordnung mit zeitgebundenen Mitteln zu errichten, natürlich früher oder später durch den historischen Wandel zum Scheitern gebracht werden musste. Die weltimmanente und die transzen‑ dente Dimension der durch Stiftungen ermöglichten Verstetigungsleistungen er‑ gänzten sich in der Regel ganz vortrefflich, oft bedingten sie sogar einander. Gut be‑ kannt sind etwa die Wechselbeziehungen zwischen liturgischem Gebetsgedenken (memoria) und profanem Ruhm (fama).3 Auf‑ fällig oft interessierten sich die Destinatäre einer Stiftung nämlich so sehr für ‚ihren‘

Stifter als historische Person, dass sie des‑ sen Wirken im Rahmen einer Stifterchro‑ nik oder Klostergründungsgeschichte zum Gegenstand von Historiographie machten. (→ 5.2.4) Umgekehrt förderte gerade das Urkundenstudium zum Zwecke der kirch‑ lichen Institutionengeschichtsschreibung immer wieder auch zwischenzeitlich in Vergessenheit geratene Wohltäter zu Tage, die dann flugs in den Gedenkbüchern der jeweiligen Kommunität nachgetragen wur‑ den. (→ 5.2.3) Inwieweit solche Wechselwir‑ kungen bereits von den jeweiligen Stiftern intendiert waren, bleibt freilich meist un‑ klar, da es an expliziten Zeugnissen fehlt. Das gilt auch für eine andere Interdepen‑ denz von inner‑ und außerweltlichen Stif‑ terambitionen, die für das abendländische Stiftungswesen des Mittelalters wohl von noch tiefergehender Bedeutung war und immer dort zum Tragen kam, wo die Bau‑ lichkeiten einer Stiftung als Bestattungsort ihres Urhebers fungieren sollten. Auf diese Weise wurde die Stiftung nämlich einerseits zum Garanten der irdischen Grabesruhe, schützte also die sterblichen Überreste des Stifterleibes für alle Zeiten. Andererseits stimulierte das – vielleicht sogar mit ent‑ sprechenden Stifterinschriften versehene – Grabmal die stellvertretenden ‚guten Werke‘ der Stiftungsempfänger und wurde so zu ei‑ nem Garanten des stifterlichen Seelenheils. 7.2.2  Konkurrierende Jenseitsmodelle Die lateinischen Christen des Mittelalters lebten in der Gewissheit, dass die ‚guten‘ Menschen nach dem Tode eine Belohnung

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erwarte, die ‚schlechten‘ hingegen bestraft würden. Über die Frage, wann und wie dieser Prozess dereinst ablaufen werde, konnten die Theologen allerdings kei‑ ne Einigkeit erzielen, da sich die wider‑ sprüchlichen Aussagen der Heiligen Schrift schlechterdings nicht harmonisieren lie‑ ßen. Im Evangelium nach Matthäus heißt es, dass am Jüngsten Tag, an dem die Welt in der Apokalypse ihr Ende findet, alle Menschen vom Tode auferstehen werden, um von Christus als Weltenrichter nach Maßgabe der zu Lebzeiten begangenen Ta‑ ten entweder in den Himmel – „das Reich (…), das euch [Guten] seit Grundlegung der Welt bereitet ist“ – oder in die Hölle – „das ewige Feuer, das dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist“ – verwiesen zu werden (Mt 25.31–46). Im Evangelium nach Johannes bleibt den ‚Guten‘ dagegen das Gericht erspart: „Wahrlich, wahrlich, ich sage euch“, spricht Jesus hier, „wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich ge‑ sandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen“ (Joh 5.24). Je länger die Vollendung der Heilsge‑ schichte mit der Parusie des Heilands auf sich warten ließ, desto drängender stellte sich den Christen eine Frage, über die die Evangelien gänzlich schwiegen: Was genau erwartete einen Menschen eigentlich in der Zeitspanne zwischen seinem Hinscheiden und dem Ende aller Tage? Die verschiede‑ nen Antworten, die die mittelalterlichen Theologen auf diese Frage gaben, kreisten alle um das postmortale Schicksal der un‑ sterblichen Seele, die allein die Kontinuität zwischen dem ehedem irdischen und dem zukünftig auferstandenen Menschen ver‑ bürgte. Die spätantiken Christen wähnten die postmortale Seele – unter Rekurs auf jüdische Scheol‑Vorstellungen – zunächst in einer allgemeinen Unterwelt, gingen

jedoch bald dazu über, die finale Scheidung von ‚Guten‘ und ‚Schlechten‘ bereits in die Phase des Zwischenzustands vorzuverle‑ gen, also zwei verschiedene intermediäre Verweilzustände und Aufenthaltsorte an‑ zunehmen. So lehrte etwa der nordafrika‑ nische Kirchenvater Tertullian (gest. nach 220 u. Z.), den Seelen blühe entweder ein interim refrigerium (eine zwischenzeitige Erquickung) im Schoße Abrahams oder ein interim tormentum (eine zwischen‑ zeitige Folter) an einem Ort peinigender Flammen.4 Von zentraler Bedeutung für das christ‑ liche Stiftungswesen wurde die Auffas‑ sung, dass der wie auch immer geartete Zwischenzustand nicht nur ausgehalten werden müsse, sondern das jenseitige Schicksal der Seele unter bestimmten Bedingungen durch Interventionen der Nachlebenden beeinflusst werden könne. Möglichkeiten und Grenzen dieser Beihilfe Lebender für das Seelenheil Verstorbener erörterte der Heilige Augustinus in seinem 421 entstandenen ‚Enchiridion‘, allerdings noch ohne auf Stiftungen als Anreizinstru‑ ment für derartiges Verhalten einzugehen: „Während der Zeit (…) zwischen dem Tode des Menschen und seiner letzten Auferste‑ hung befinden sich die Seelen an verbor‑ genen Aufenthaltsorten, je nachdem, ob eine der Ruhe oder der Strafe würdig ist, das heißt je nachdem, was sie sich wäh‑ rend ihres Lebens im Fleische verdient hat. Dabei darf nicht in Abrede gestellt werden, dass die Seelen der Verstorbenen dank der Frömmigkeit ihrer noch lebenden Angehö‑ rigen Erleichterung finden, wenn für sie das Opfer des Mittlers dargebracht oder Almosen in der Kirche gespendet werden. Aber nur solche haben davon Nutzen, die es während ihres Lebens verdient haben, dass es ihnen später einmal nutzen kann. Es gibt nämlich eine Art zu leben, die nicht so gut ist, dass sie eine solche Hilfe nach

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dem Tode nicht brauchte, die aber doch auch nicht so schlecht ist, dass eine solche Hilfe nach dem Tode nicht mehr helfen könnte. Es gibt ferner eine so gute Art zu leben, dass es dergleichen Hilfe gar nicht mehr bedarf, und es gibt hinwiederum eine so schlechte Art zu leben, dass nach dem Hinscheiden aus diesem Leben eine Hilfe gar nicht mehr möglich ist. (…) Es haben demnach nicht alle Menschen einen Nutzen [von jenen guten Werken], weil (…) das Leben verschieden war, das ein je‑ der auf Erden führte. Wird also das Opfer des Altares oder irgendeines Almosens für alle verstorbenen Getauften dargebracht, so bedeutet es für die sehr guten Chris‑ ten ein Dankopfer, für die nicht gerade sehr schlechten ein Sühneopfer, für die sehr schlechten zwar kein Hilfsmittel für die Toten, aber immerhin einen gewissen Trost für die Lebendigen. Wem jenes Opfer aber überhaupt einmal nützt, dem nützt es so, dass entweder die Verzeihung eine vollständige oder die Verdammnis eine erträglichere wird.“5 In diesen für das gesamte okzidentale Mittelalter wegweisenden Ausführungen des Bischofs von Hippo wurde der strenge Dualismus der Evangelien aufgeweicht; statt zwei Kategorien von Menschen gab es nun vier. Den „sehr Guten“ (valde boni) und den „sehr Schlechten“ (valde mali) war ihr Platz im Jenseits sicher, sei es im Him‑ mel oder in der Hölle. Sowohl die „nicht sehr Guten“ (non valde boni) als auch die „nicht sehr Schlechten“ (non valde mali) durften sich hingegen in der Hoffnung wiegen, die Urteilsbildung des Welten‑ richters könne bis zuletzt noch zu ihren Gunsten beeinflusst werden und ihnen eine vollständige Vergebung der Sünden bzw. eine weniger qualvolle Verdamm‑ nis bescheren. Die non valde boni wähnte Augustinus zwischen Tod und Auferste‑ hung in einem „reinigenden Feuer“ (ignis

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purgatorius), das zur Keimzelle für die Lehre vom Fegefeuer als jenseitigem Läu‑ terungsort wurde. Wirklich ausgearbeitet haben diese Lehre erst die Theologen der Scholastik ab dem 12. Jahrhundert; 1274 wurde sie auf dem Ökumenischen Konzil von Lyon zum Dogma erklärt. An die Stelle des einen Weltgerichts am Ende aller Tage trat in diesem Jenseitsmodell eine Vielzahl von Partikulargerichten, in denen jeder Verstorbene unmittelbar nach dem Tode sein endgültiges Urteil erhalte. Die Er‑ wählten kämen direkt in den Himmel, die Verdammten direkt in die Hölle. Wer aber zum Zeitpunkt seines Todes nur noch der Reinigung von lässlichen Sünden bedürfe, weil er zu Lebzeiten die erforderlichen Buß‑ leistungen nicht erbracht habe, der müsse im Fegefeuer gewissermaßen ‚nachsitzen‘. Nicht o b , sondern nur w a n n er in den Himmel käme, habe ihn zu sorgen, da der protoparadiesische Zwischenzustand im ‚Fegefeuer‘ nicht mit dem Untergang der irdischen Welt, sondern mit der Tilgung seiner ganz persönlichen Sünden ende.6 Gerade die Uneinigkeit der mittelalterli‑ chen Theologen in Bezug auf das postmor‑ tale Schicksal der Seele wirft unter moder‑ nen Historikern die Frage auf, welche Jen‑ seitsvorstellungen für die ‚einfachen‘ Gläu‑ bigen denn tatsächlich handlungsleitend wurden. Abschließende Antworten lassen sich beim derzeitigen Forschungsstand, der über eine Handvoll regionaler Fallstudien7 bislang nicht hinausgekommen ist, zwar nicht geben, zumindest als Hypothese ist aber bereits formuliert worden: „Bezogen auf die mittelalterlichen Möglichkeiten und Grenzen der Laienkatechese wird man durchaus von einem Siegeszug des Fege‑ feuers sprechen können. Die dogmatischen und katechetischen Anstrengungen der Kirche hatten ein beachtliches Ausmaß (…). Und diese amtskirchlichen Bemühungen fanden auf breiter Front ihren Niederschlag

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in neuen oder modifizierten Formen lai‑ kaler Seelenheilvorsorge. Andererseits erzeugten sie bei den Laien offenbar kein stringentes, neues Jenseitsbild; vielmehr dürften sich Vermittlung und Perzeption der Fegefeuerlehre als ein sehr komplexer Prozess mit regionalen Phasenverschiebun‑ gen und Amalgamierungen mit anderen Glaubensvorstellungen erweisen.“8 7.2.3  Jenseitsvorstellungen und Stiftungsverhalten Im christlichen Kontext galten Stiftungen seit jeher als Mittel der Jenseitsvorsorge, wenn auch beileibe nicht als das wichtigste oder gar einzige. Von entscheidender Be‑ deutung für das jenseitige Heil der Seele war vielmehr der individuelle Lebenswan‑ del auf Erden. Wer gar keine Sünden beging oder nur kleine, die er umgehend einem Priester beichtete, um die vorgesehenen Bußleistungen (Fasten, Almosen, Manu‑ missionen, Messfeiern) ordnungsgemäß zu absolvieren und so die Rekonziliation mit Gott zu erlangen, brauchte sich um das jenseitige Schicksal seiner Seele kei‑ ne allzu großen Sorgen zu machen.9 Ein dem Allmächtigen wohlgefälliges Leben zeichnete sich allerdings nicht nur durch das Vermeiden (oder zumindest Bereuen) sündhafter Handlungen aus, es beinhalte‑ te auch die Orientierung an bestimmten Verhaltensmustern, die Jesus von Nazareth nach dem Bericht des Evangelisten Matthä‑ us als besonders heilswirksam bezeichnet hatte. Der sicherste, ob seiner Radikalität aber stets nur von einer Minderheit der Gläubigen eingeschlagene Weg war die freiwillige Armut, hatte der Heiland ei‑ nem Mann auf die Frage „Meister, was muss ich Gutes tun, um das ewige Leben zu gewinnen?“ doch geantwortet: „Wenn du vollkommen sein willst, geh, verkauf

deinen Besitz und gib das Geld den Armen; so wirst du einen bleibenden Schatz im Himmel haben“ (Mt 19.16–21). Wer sich zu einem solchen Schritt nicht durchringen konnte, dem blieben immer noch die sechs (leiblichen) ‚Werke der Barmherzigkeit‘ als Betätigungsfeld, das heißt die Speisung der Hungrigen, Tränkung der Durstigen, Beherbergung der Fremden, Bekleidung der Nackten, Pflege der Kranken und der Besuch der Gefangenen (vgl. Mt 25.31–40). Die auf die schwächsten Glieder der Ge‑ meinschaft konzentrierte Nächstenliebe konnte jeder Christ ein Leben lang immer wieder im Rahmen seiner (finanziellen) Möglichkeiten praktizieren. Im Gegensatz zur freiwilligen Armut wuchs der ‚Schatz im Himmel‘ auf diesem Wege allerdings nur peu à peu an. So erklärt sich wohl, warum unter den Christen allenthalben das Bedürfnis entstand, auch postmortal noch ‚fromme Werke‘ zu vollbringen. Bereits die spä‑ tantiken Kirchenväter empfahlen den Gläubigen, Christus zum Alleinerben zu machen oder zumindest eine bestimm‑ te Quote ihres Nachlasses, den so ge‑ nannten Seelteil, letztwillig der Kirche respektive den Armen zu dedizieren.10 Üblicherweise geschah das in Form von testamentarischen Vermächtnissen (Le‑ gaten), mittels derer die Erben oder die Testamentsvollstrecker beauftragt wurden, aus der Erbmasse eine bestimmte Summe für mildtätige Zwecke (Armenspeisungen, Geldspenden oder Ähnliches) aufzuwen‑ den. Es handelte sich also um einmalige Vergabungen, die von den mittelalterlichen Zeitgenossen als ‚Schenkung für die See‑ le‘ oder ‚für das Heil der Seele‘ (donatio pro anima bzw. pro salute animae oder pro remedio animae) bezeichnet wurden. Im Gegensatz zu solch singulären Wohltaten boten die auf Dauer angelegten Stiftungen eine Möglichkeit, weit über den eigenen

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Tod hinaus – theoretisch bis zum Ende al‑ ler Tage – religiöses Verdienst anzuhäufen. Der Stifter konnte über die Definition der Stiftungszwecke seine Destinatäre nämlich dazu anhalten, bestimmte caritative oder edukative Aktivitäten stellvertretend für ihn selbst auszuüben. (→ 9.2.3 f.) Auch die Förderung der Liturgie durch Kirchenbau und Pfründendotation galt selbstverständ‑ lich als ‚gute Tat‘. (→ 8.2.4) Insbesondere die Messstiftungen, bei denen die Stiftungs‑ empfänger – ebenfalls stellvertretend für den Stifter – Oblationen darbrachten, hat‑ ten zudem den Charakter eines periodi‑ schen Opfers.11 Charakteristisch für die okzidentale Jenseitsvorsorge im Medium der Stiftung blieb indes, dass sich die Stifter kaum einmal vollständig auf die Verdienst‑ lichkeit ihrer ‚frommen Werke‘ verließen, sondern die Empfänger ihrer Wohltaten fast immer zu regelmäßigen Fürbitten (Suf‑ fragien) verpflichteten, in denen diese den Weltenrichter um Gnade für ihren Wohl‑ täter anflehen sollten. (→ 8.2.2) Die konkurrierenden Jenseitsvorstellun‑ gen waren nicht nur ein zentrales Motiv für die Errichtung von Stiftungen, sie kon‑ ditionierten auch deren konkrete Ausge‑ staltung. Besonders gravierend mussten die Unterschiede im Stiftungsverhalten zwischen solchen Stiftern ausfallen, die an ein Weltengericht glaubten, und solchen, die mit einem Partikulargericht rechneten. Erstere schufen dauerhafte Institutionen der stellvertretenden Nächstenliebe oder unlimitierte Formen der Gebetshilfe, um die bis zum Jüngsten Tag verbleibende Zeit optimal in ihrem Sinne auszunutzen. Letz‑ tere konzentrierten dagegen ihre ‚frommen Werke‘ und Messopfer samt Fürbitten auf eine relativ kurze Zeitspanne nach ihrem Ableben, um die Zeit im Fegefeuer so kurz wie möglich zu halten. In diesem Sinne sind befristete und unbefristete Stiftungen bereits vor mehr als drei Jahrzehnten als

ein besonders aussagekräftiger Indikator für die Ausbreitung und Akzeptanz der Fegefeuer‑Lehre erkannt worden. In seiner Fallstudie über die spätmittelalterlichen Testamente aus Avignon und der Graf‑ schaft Venaissin konnte Jacques Chiffoleau nachweisen, dass einerseits die Zahl der gestifteten Ewigmessen kontinuierlich zu‑ rückging, während andererseits die Zahl der gestifteten Messreihen seit der Mitte des 14. Jahrhunderts signifikant anstieg.12 Analoge Beobachtungen sind auch anhand der Testamentscorpora aus Lyon, Toulouse und Braga gemacht worden.13 In Stralsund setzte ein spürbarer Anstieg kumulativer Messreihen dagegen erst Mitte des 15. Jahr‑ hunderts ein; er wurde freilich nur von einer kleinen Minderheit der Testatoren getragen und ging auch keineswegs mit einem Rückgang unbefristeter Stiftungen einher. In mehr als einem Fall errichte‑ ten die Stralsunder Stifter zudem sowohl Messreihen als auch Ewigmessen. Ralf Lu‑ siardi deutete dieses – in dogmatischer Perspektive vollkommen inkonsequente – Stiftungsverhalten als Ausfluss eines „akti‑ ven Prozess[es] der Glaubensrezeption (…), in dem die Laien bemüht waren um eine sinnvolle Antwort auf die logischen Wi‑ dersprüche der theologischen Lehrinhalte und der überkommenen Glaubensvorstel‑ lungen.“14 7.2.4  Weltliche Ambitionen Alle Stifter verfolgen das zweifellos sehr ambitionierte Ziel, mit Hilfe ihrer Stiftung einem konkreten Anliegen nicht nur bei ihren Zeitgenossen, sondern auch bei (al‑ len) zukünftigen Generationen Geltung zu verschaffen. In Anlehnung an die berühm‑ te Herrschaftsdefinition von Max Weber hat man Stiftung deshalb treffend als „die Chance“ definiert, „für Befehle bestimmten

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Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

Inhalts ü b e r d e n e i g e n e n T o d h i ‑ n a u s bei angebbaren Gruppen von Men‑ schen Gehorsam zu finden“.15 Zwar galt der Stifterwille auch den abendländischen Ju‑ risten des Mittelalters als nahezu unantast‑ bar,16 seine ungebrochene Umsetzung war allerdings allein mit rechtlichen Mitteln, also etwa durch eine formvollendete Stif‑ tungsurkunde, nicht zu erzwingen. In dem Streben nach postmortaler Einflussnahme auf zukünftige Lebenswelten blieb jeder Stifter vielmehr auf das ‚Gehorchenwollen‘ Nachlebender angewiesen, da nur sie den intendierten Wirkungszusammenhang von Stiftungsvermögen und Stiftungszweck tat‑ sächlich mit Leben füllen konnten. Damit der Appell zu stellvertretendem Handeln nicht wirkungslos verhallte, musste ein kluger Stifter deshalb versuchen, die In‑ teressenlagen dieser Personen oder Perso‑ nengruppen möglichst präzise zu antizi‑ pieren und – durch materielle oder ideelle Anreize – in seinem Sinne zu beeinflussen. Doch selbst die raffinierteste Stiftungskon‑ struktion mit einem zu Lebzeiten des Stif‑ ters weithin affirmierten Stiftungszweck, einem hohen Grundstockvermögen und einem komplexen Geflecht wechselsei‑ tiger Kontrolle der Stiftungsorgane bot letztlich immer nur eine unzureichende Gewähr. Denn schon im begründenden Akt lag ja der „Grundwiderspruch“ einer jeden Stiftung beschlossen: „eine dauern‑ de Ordnung mit zeitgebundenen Mitteln errichten zu wollen“.17 Genau aus diesem Grund taten sich insbesondere die Urheber von organisa‑ torisch selbständigen Stiftungen (→ 3.2.3) oftmals schwer damit, ihre ‚frommen Wer‑ ke‘ loszulassen. Stattdessen nahmen sie sich das (informelle) Recht heraus, ihre einmal getroffenen Verfügungen ein Leben lang im Sinne der prospektiven Stiftungs‑ dauer zu optimieren, oder erklärten sich gleich selbst zum initialen Stiftungsorgan.

Unmittelbare wirtschaftliche Vorteile wa‑ ren aus einer solchen Rechtsstellung in der Regel nicht zu ziehen, doch konnte man den Einfluss auf die Auswahl der Stiftungsempfänger dazu nutzen, Ver‑ wandte oder Getreue in den Genuss der Stiftungserträge kommen zu lassen; etwa indem man ihnen ein Kanonikat an einer Stiftskirche oder eine Prädikatur an ei‑ ner Pfarrkirche verschaffte. Mit der sys‑ tematischen Ausarbeitung des Patronats‑ rechts seit dem 12. Jahrhundert wurde diese schon in früheren Jahrhunderten geübte Praxis einer weitreichenden For‑ malisierung unterzogen.18 Die Fundato‑ ren von zusätzlichen Spitalpfründen, die keine Benefizien waren und deshalb nicht kirchlicherseits verliehen wurden, sahen sich im Zuge ihrer Altersvorsorge häufig selbst als ersten Stiftungsempfänger vor. Neben der Mitwirkung am Stiftungsvoll‑ zug in der Rolle eines Administrators oder Destinatärs dürfte mancher Stifter auch die durch keinerlei rechtliche Bestim‑ mungen gedeckte Instrumentalisierung der Stiftungsorgane oder ‑empfänger für ‚stiftungsfremde‘ Zwecke ins Auge gefasst haben; dies gilt insbesondere dann, wenn diese als potentielle Urkundenschreiber oder Rechtsgutachter ein Expertenwissen mitbrachten, das man auf diese Weise be‑ quem abschöpfen konnte.19 Die nach der postmortalen Perpetuierung des eigenen Willens wichtigste weltliche Ambition der mittelalterlichen Stifter war aber zweifel‑ los das Streben nach Ruhm. Die profane Memoria eines Stifters konnte viele Formen annehmen, die bei allen Unterschieden im Detail immer auf die mentale Vergegenwärtigung des physisch abwesenden Stifters hinauslie‑ fen. (→ 8.2.3) Ausgangspunkt war in der Regel ein einschlägiges Erinnerungsme‑ dium. Das älteste und insgesamt wohl auch verbreitetste war die Stifterinschrift.

Lateinische Christen

(→ 5.2.2) Wesentlich effektvoller, in ihrer Herstellung aber auch ungleich aufwendi‑ ger, nahmen sich demgegenüber bildliche oder figürliche Repräsentationen des Stif‑ ters aus, also Stifterbilder und ‑skulpturen. (→ 2.2.7; 6.2.3) Sie alle verwiesen jeweils ausdrücklich auf den Stifter als historische Person. Während die Individualität des Dargestellten erst in der spätmittelalter‑ lichen Kunst zum Thema gemacht wurde, spielte die Inszenierung seines sozialen Rangs zu allen Zeiten des mittelalterlichen Jahrtausends eine wichtige Rolle. Das galt aus naheliegenden Gründen besonders für die sozialen Aufsteiger unter den Stiftern, und zwar quer durch alle Schichten der Gesellschaft. Jede der bislang genannten weltlichen Ambitionen war im Grunde egozentrisch. Die strikte Fixierung auf die Person des Stifters wurde allerdings vielfach dadurch relativiert, dass dieser den diesseitigen Nutzen seiner Stiftung nicht für sich al‑ leine beanspruchte, sondern auch seine Nachkommen daran partizipieren lassen wollte.20 Durch rechtliche Kautelen ver‑ suchte man allenthalben die Mitwirkung von Familienangehörigen (meist den je‑ weils ältesten männlichen Nachkommen) an der Stiftungsverwaltung sicherzustel‑ len.21 Bei entsprechender Phantasie und juristischer Beratung konnte dieses Ver‑ langen zu recht komplexen Stiftungskons‑ truktionen führen; im späteren Mittelalter ermöglichte das voll entwickelte Patro‑ natsrecht mit dem vererbbaren Präsenta‑ tionsrecht aber auch ein vom Einzelfall abstrahierendes Prozedere, das zumindest für alle Arten von Pfründstiftungen eine vergleichsweise große Rechtssicherheit bot. Wenn ein Stifter seinen Nachkommen das Recht einräumte, den oder die Stiftungs‑ empfänger zu benennen, verband er damit die Hoffnung, dass auf diese Weise nur wirklich geeignete Personen in den Genuss

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der Stiftungserträge kamen. Geeignet war zunächst einmal nur derjenige, der in der Lage war, die Auflagen zu erfüllen, an die der Stifter die Konsumption der Stiftungs‑ erträge gekoppelt hatte; wer etwa täglich Messen zu feiern hatte, benötigte zwangs‑ läufig die Priesterweihe. Die tatsächliche Besetzungspraxis von Vikariestiftungen belegt indes, dass sich für die mittelal‑ terlichen Stiftungsverwalter die Eignung als Stiftungsempfänger oft genug aus der Verwandtschaft mit dem Stifter ergab. Wie hoch dieses Kriterium gewichtet werden konnte, zeigen insbesondere diejenigen Fälle, in denen Nachkommen des Stifters kurzerhand unter der Auflage, fehlende Qualifikationen innerhalb einer bestimm‑ ten Frist zu erwerben, als Destinatäre ein‑ gesetzt wurden. Ob eine derartige Bevor‑ zugung der Familie von der Überzeugung geleitet war, ein Verwandter würde für einen besonders gewissenhaften Stiftungs‑ vollzug bürgen, oder ob auf diese Weise nicht eher pragmatische Versorgungsoptio‑ nen für nachgeborene Söhne geschaffen werden sollten, lässt sich nicht pauschal entscheiden, sondern nur für jeden Ein‑ zelfall gesondert diskutieren. Wenn die Nachkommen den Ruhm des Stifters nicht nur pflegen, sondern auch ihrerseits an diesem teilhaben sollten, setzte dies eine Entindividualisierung der Erinnerungsme‑ dien voraus. Hierfür boten sich insbeson‑ dere die im hohen Mittelalter aufkommen‑ den Familienwappen an, die nicht nur auf zahlreichen gestifteten Objekten (etwa auf Fenstern oder Paramenten), sondern auch an den Abschrankungen der sogenannten Privatkapellen angebracht wurden, die in vielen spätmittelalterlichen Kirchbauten einzelne Joche der Nebenschiffe für sich beanspruchten.22 Als Paradebeispiel für eine voll und ganz auf die Familie des Stifters ausgerichte‑ te Stiftung kann diejenige gelten, die der

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Domherr Dr. Lorenz Tucher aus Nürnberg im Jahre 1503 testamentarisch errichtete. Tucher trug seinem Bruder Hans auf, die Hälfte seines Vermögens als Dotation für eine Stiftung zu verwenden, die bedürfti‑ gen Familienmitgliedern helfen sollte. Als Testamentsvollstrecker destillierte Hans aus der letztwilligen Verfügung seines Bru‑ ders eine Stiftungssatzung, die in ihren Grundzügen jahrhundertelang Bestand hat‑ te. Ihren Vorgaben entsprechend versam‑ melten sich alle volljährigen männlichen Angehörigen der Familie Tucher regel‑ mäßig zu einer Familien zusammenkunft, auf der zuerst ein feierliches Mahl ein‑ genommen und etwaiger Streit beigelegt wurde, dann der amtierende Verwalter des Stiftungsvermögens seine Abrechnung vorlegte und ein (gegebenenfalls neuer) Verwalter gewählt wurde, bevor schließ‑ lich jedes in Not geratene Familienmit‑ glied um ein Darlehen aus dem Stiftungs‑ vermögen ersuchen konnte, über dessen Bewilligung die gesamte Versammlung in Abwesenheit des Petenten beschließen musste. Durch kluge Wirtschaftsführung und zahlreiche bedeutende Zustiftungen wuchs das Grundstockvermögen der Stif‑ tung in der Folgezeit so stark an, dass sich die versammelten Familienmitglieder als Stiftungsorgan wiederholt dazu entschlos‑ sen, den ursprünglichen Stiftungszweck zu erweitern, ohne dabei die Stellung der Familienangehörigen als alleinigen Des‑ tinatären der Stiftung zu untergraben. So räumte man schon bald auch weiblichen Familienmitgliedern das Recht ein, Un‑ terstützungsdarlehen zu erbitten. Später wurden – in geradezu antiquarischer Ma‑ nier – auch bedeutende Summen für die konservatorische Betreuung von Altären, Epitaphien, Bildwerken, Wandteppichen und Glasmalereien, die Mitglieder der Fa‑ milie Tucher seit dem 14. Jahrhundert in Nürnberger Kirchen gestiftet hatten, zur

Verfügung gestellt.23 Das ‚fromme Werk‘ des Lorenz Tucher wies – wie viele andere spätmittelalterliche Familienstiftungen (im englischen Common Law: private trusts) – gewisse Analogien zu einem Fideikom‑ miss auf, war aber doch etwas anderes. Während die einst von römischen Juris‑ ten ersonnene Rechtsfigur des fidei commissum (‚zu treuen Händen belassen‘) seit der ersten Jahrtausendwende von adligen Herren als ein probates Mittel wiederent‑ deckt wurde, um der Zersplitterung des Familienbesitzes vorzubeugen, über dessen Profit der jeweils amtierende Fideikommis‑ sar im Rahmen seines Nießbrauchs frei verfügen konnte24, waren die Erträge einer Familienstiftung zu einem mehr oder min‑ der konkret formulierten Zweck an einen klar umrissenen Kreis von Benefiziaren aus der Nachkommenschaft des Stifters auszuschütten, worüber eigene Stiftungs‑ organe wachten, die meist aus mehr als einer Person bestanden. Insbesondere bei caritativen Stiftun‑ gen wurden die selbst‑ und nachkommen‑ schaftszentrierten Planungen mittelalterli‑ cher Stifter auch mit altruistischen Ambi‑ tionen kombiniert, die die Gesellschaft als Ganze verändern sollten. Philanthropische, sozial‑ und wirtschaftspolitische Motiva‑ tionen gingen dabei oftmals eine schwer zu entwirrende Verbindung ein. Der Wunsch, gesellschaftliche Randgruppen mit den Er‑ trägen einer Stiftung zu unterstützen, wur‑ de – wie bereits dargelegt – in erster Linie durch die egoistische Aussicht auf den Erwerb religiösen Verdienstes befördert. Dennoch war es vielen mittelalterlichen Stiftern zweifellos ein echtes Anliegen, die materielle Not der Armen, Kranken und Fremden auf Erden zu lindern. Dafür spricht nicht zuletzt die im Zuge der zu‑ nehmenden Schriftlichkeit des späteren Mittelalters immer präzisere Ausformu‑ lierung der wohltätigen Stiftungszwecke,

Lateinische Christen

durch die ganz konkrete Missstände be‑ seitigt werden sollten. (→ 9.2.3) Dabei er‑ wiesen sich stellvertretende Nächstenliebe und soziale Disziplinierung oft genug als zwei Seiten einer Medaille; und die mildtä‑ tige Unterstützung der Bedürftigen sorgte für eine besonders strikte Kontrolle von deren Lebenswandel, mit dem Ziel, un‑ erwünschtes Sozialverhalten konsequent zu unterbinden. (→ 9.2.5) Insbesondere

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die Stiftung von Hospitälern und Univer‑ sitäten hatte zudem häufig den Charakter einer wirtschaftspolitisch motivierten In‑ frastrukturmaßnahme, mit der der Handel entlang bestimmter Reisewege stimuliert25 oder einem – etwa durch Pestepidemien geschwächten – städtischen Gemeinwesen neue, wirtschaftlich potente Konsumenten zugeführt werden sollten 26. TL

Anmerkungen 1  Lohse, Dauer (2011), 212. Vgl. zum Folgenden

auch ebd., 14–19; 211 f. 2 Zu den mittelalterlichen Endzeiterwartungen vgl. grundsätzlich Fried, Aufstieg aus dem Unter‑ gang (2001). Ein Zusammenhang zwischen apo‑ kalyptischer Naherwartung und intensivierter Stiftungstätigkeit wird in der Literatur mitunter behauptet, allerdings ohne überzeugende Belege. Als Mittel zur kurzfristigen Akkumulation von religiösem Verdienst taugten die auf Dauer ange‑ legten Stiftungen ohnehin nur sehr bedingt; eine hohe Zahl von Fürbitten ließ sich auf anderem Wege, nämlich mittels Gebetsverbrüderung, viel effektiver erzielen. (→ 7.2.3; 8.2.1) 3 Vgl. Oexle, Fama und Memoria (1998). 4  Vgl. Angenendt, Geschichte der Religiosität (2009), 684–686; Stuiber, Refrigerium interim (1957). 5 Sancti Aurelii Augustini Enchiridion ad Lau‑ rentium de fide et spe et caritate. Ed. E. Evans, in: Aurelii Augustini Opera, Bd. 13.2. (CCSL 46.) Turnhout 1969, 21–114, hier 108 f., cap. 29.109 f.: Tempus autem quod inter hominis mortem et ultimam resurrectionem interpositum est, animas abditis receptaculis continet, sicut unaquaeque digna est uel requie uel aerumna pro eo quod sortita est in carne dum uiueret. Neque negandum est defunctorum animas pietate suorum uiuentium releuari, cum pro illis sacrificium mediatoris offertur uel eleemosynae in ecclesia fiunt. Sed eis haec prosunt qui cum uiuerent haec ut sibi postea possent prodesse meruerunt. Est enim quidam uiuendi modus, nec tam bonus ut non requirat ista post mortem, nec tam malus ut ei non prosint ista post mortem; est uero

talis in bono ut ista non requirat, et est rursus talis in malo ut nec his ualeat cum ex hac uita transierit adiuuari. (…) Non enim omnibus prosunt. Et quare non omnibus prosunt, nisi propter differentiam uitae quam quisque gessit in corpore? Cum ergo sacrificia, siue altaris siue quarumcumque eleemosynarum, pro baptizatis defunctis omnibus offeruntur, pro ualde bonis gratiarum actiones sunt, pro non ualde bonis propitiationes sunt, pro ualde malis etiam si nulla sunt adiumenta mortuorum qualescumque uiuorum consolationes sunt. Quibus autem prosunt, aut ad hoc prosunt ut sit plena remissio, aut certe ut tolerabilior fiat ipsa damnatio. Übersetzung in Anlehnung an: Des Heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus ausgewählte praktische Schriften, homiletischen und katechetischen Inhalts. Übers. Sigisbert Mitterer. (Des heiligen Kirchenvaters Aurelius Augustinus ausgewähl‑ te Schriften, Bd. 8; Bibliothek der Kirchenväter. Reihe 1, Bd. 49.) Kempten / München 1925, 492 f. 6 Vgl. Le Goff , Geburt des Fegefeuers (1984); Jezler, Jenseitsmodelle (1994). 7 Vgl. Chiffoleau, Comptabilité (1980); Lorcin, Vi‑ vre et mourir (1981), bes. 140; Faber, Laat‑middelee‑ uwse obsessie (1995); Marandet, Souci de l’au‑delà (1998), bes. 526; Lusiardi, Stiftung und städtische Gesellschaft (2000); Domingues da Costa Carvalho, Fortuna ao serviço (2001/2002). 8 Lusiardi, Stiftung und Seelenheil (2005), 54 f. 9 Vgl. Angenendt, Geschichte der Religiosität (2009), 630–652. 10  Vgl. Schultze, Augustin und der Seelteil (1928); Bruck, Kirchenväter und soziales Erbrecht (1956).

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11  Vgl. Angenendt, Geschichte der Religiosität

(2009), 491–499; jetzt auch: Ders., Offertorium (2013). 12  Chiffoleau, Comptabilité (1980); vgl. auch Ders., Usage (1981). 13  Vgl. Lorcin, Vivre et mourir (1981), 140; Marandet, Souci de l’au‑delà (1998), 526; Domingues da Costa Carvalho, Fortuna ao serviço (2001/2002), 17, Tab. 1; 31. 14  Lusiardi, Stiftung und städtische Gesellschaft (2000), 165. Vgl. auch ebd., 139–166; Ders., Fegefeuer und Weltengericht (2000). 15  M. Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012), 311 f. Vgl. auch ebd., 331 f., sowie Wagner, Universi‑ tätsstift und Kollegium (1999), 26 f. Das Folgende in enger Anlehnung an Lohse, Dauer (2011), 18. 16  Vgl. T. Frank, Spätmittelalterliche Hospital‑ reformen (2010), mit Hinweisen auf einschlägige kanonistische Kompendien des späteren Mittel‑ alters. 17  Vgl. M. Borgolte, Stiftung, Staat und sozialer Wandel (2002, ND 2012), 96. 18  Vgl. Landau, Jus patronatus (1975); Sieglerschmidt, Territorialstaat und Kirchenregiment (1987), 53–126. 19  Zur Urkundenproduktion in königlichen Pfalzstiften siehe Moraw, Pfalzstifte der Salier

(1991); Heinemeyer, Entstehung und Aufgaben (1995); Zotz, Klerikergemeinschaft und Königs‑ dienst (2005). Die Verhältnisse an adligen Burg‑ stiften waren vergleichbar, wenn auch auf nied‑ rigerem Niveau. – Zu Universitätsstiftung als Mittel der Gutachterakquise vgl. Schubert, Motive und Probleme (1978), bes. 22. 20 Vgl. zum Folgenden Lusiardi, Familie und Stiftung (2008). 21 Ein Beispiel: Scheller, Memoria an der Zei‑ tenwende (2004). 22 Vgl. Grewolls, Kapellen (1999). 23 Vgl. Schwemmer, Dr. Lorenz Tucher (1976). 24 Vgl. Weimar / Vismara / Petitjean, Fideikom‑ miß (1989); Ebert, Familienfideikommiss (2008). Große Ähnlichkeiten mit dem römisch‑rechtli‑ chen Fideikommiss hat das ‚fee tail‘ (auch ‚entail‘) des Common Law, das durch das zweite Statut von Westminster aus dem Jahre 1285 (13 Edw. I, St. 1, ch. 1) maßgeblich geprägt wurde. Vgl. Biancalana, Fee Tail (2001). Siehe auch die vergleichenden Überlegungen zu trusts und entails bei Hicks, Beauchamp Trust (1981, ND 1991), 349 f. 25 Ein Beispiel: M. Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012), 316 f. 26 Vgl. Rexroth, Deutsche Universitätsstiftun‑ gen (1992), 273.

7.3  Muslime 7.3.1  Allgemeines Die Gründung einer muslimischen Stif‑ tung ist per definitionem ein religiöser Akt mit dem Ziel, Gott nahe zu sein (qurba). (→ 1.3.1) Dementsprechend besteht der hauptsächliche Beweggrund für musli‑ mische Stifter darin, für die Seele einen Nutzen im Jenseits zu erwirken, und zwar in Form der Gnade Gottes. Selbstverständ‑ lich gibt es unmittelbarere Zwecke, für die sich der waqf bereits zu Lebzeiten des Stifters in vielfacher Weise nutzbringend

einsetzen lässt, aber das bedeutet nicht zwingend, dass diese pragmatischen Ziele religöse Gebote des Islam verletzen würden oder Beleg für eine rein weltliche Moti‑ vation für die Stiftung wären. Daher ist eine Klassifizierung der Motivationen, die der Gründung von awqāf zugrunde liegen, nach dem einfachen Muster materiell / spi‑ rituell irreführend. Zunächst sollten die spirituellen Auswir‑ kungen der Auslegungspraxis islamischen

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Rechts in den Blick genommen werden. Rechtlich zulässige Lösungen für die le‑ benspraktischen Probleme von Muslimen zu finden, stellt nicht nur eine angesehene intellektuelle Übung dar, sondern auch ei‑ nen Akt der Frömmigkeit. Die wichtigsten Motivationen, die zur Gründung von awqāf führten, speisten sich überwiegend aus der geringen Flexibilität des islamischen Rechts in einer bestimmten Frage: der Erbschaft. Anders als die meisten muslimischen Vor‑ schriften, die auf Hadithen beruhen oder das Ergebnis juristischer Auslegung sind, ist das Erbrecht im Koran so restriktiv gere‑ gelt, dass es die Entwicklung von zentralen wirtschaftlichen und sozialen Handlungs‑ weisen erschweren kann.1 Viele juristische Diskussionen in der Entstehungszeit des Islam bestehen aus der Suche nach rechtlich zulässigen Lösungen für häufige prakti‑ sche Probleme, die dort entstehen, wo die natürlichen Interessen der Muslime mit den durch diese Gesetze auferlegten Gren‑ zen kollidierten. Bereits im 9. Jahrhundert stellten muslimische Rechtsgelehrte den Grundsatz kull muǧtahid muṣīb auf (‚jeder Interpret hat Recht‘), demzufolge alle, die sich individuell in hermeneutischer Weise mit der Lösung eines rechtlichen Problems befassen, nicht nur frei von Schuld sind, selbst bei irriger Auffassung, sondern auch als fromme Mitglieder der Gemeinschaft geachtet werden sollten.2 Dieser Lehre zu‑ folge hat Gott seinen Kindern alle Mittel an die Hand gegeben – entweder als direkte Offenbarung oder in Form von Zeichen –, um ein frommes Leben auf der Grundlage seiner Gebote zu führen; die Auslegung dieser Zeichen gilt daher als ein Akt der Frömmigkeit. Genau in diesem Kontext müssen wir die Verwendung des waqf als Instrument zur Umgehung bestimmter Klauseln im islamischen Recht verstehen, insbesondere im Falle des Erbrechts. Vorausgesetzt, dass

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die Beweggründe für die Errichtung eines waqf lauter sind, wie beispielsweise der Schutz der Familie durch die Sicherung eines zusammenhängenden Familienbe‑ sitzes oder auch die Mehrung des Fami‑ lienbesitzes durch Steuervermeidung, so werden diese Stiftungen als gesetzeskon‑ forme Nutzung von Ressourcen betrach‑ tet, die Gott seinen Kindern geschenkt hat. Trotz ihrer erkennbar pragmatischen Ausrichtung und der offensichtlichen irdi‑ schen Vorteile sind sie daher als fromme Handlungen zu betrachten, die letztlich der Seele des Gründers im Jenseits zugu‑ tekommen sollen. Daher ist die Logik, die dem Einsatz von awqāf zur Gewinnung materieller Vorteile zugrunde liegt, auch religiös konnotiert. Natürlich öffnete die Ambiguität dieser Beweggründe und Verfahrensweisen die Tür für mancherlei Missbrauch, der in der mittelalterlichen islamischen Literatur stark kritisiert wurde. (→ 18.3) Da eine Typologie von Beweggründen auf Basis der Dichoto‑ mie materiell / spirituell offenkundig mit Unzulänglichkeiten behaftet ist, wäre es also richtiger, den islamischen waqf als eine Stiftung zu verstehen, die stets zweierlei Art von Vorteilen anstrebt: diejenigen, die zu Lebzeiten von Nutzen sind, und diejenigen, die im Jenseits von Nutzen sind. Zweitens spielten wahrscheinlich die unterschiedlichen Beweggründe privater und öffentlicher Personen bei Stiftungs‑ gründungen im mittelalterlichen Islam eine größere Rolle als in den meisten an‑ deren Kulturen, da awqāf schon immer zu den wichtigsten Instrumenten der Politik gezählt haben. Die Vorteile, welche der Seele des Wohltäters aus der Gründung von awqāf erwachsen, sind identisch und unabhängig von der pragmatischen Di‑ mension der Stiftung sowie von dem öf‑ fentlichen oder privaten Status des Stifters. Die Beweggründe für die Förderung einer

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Lehrmeinungen sogar für alle wahren monotheistischen Gläubigen galt.4 Auch diejenigen Muslime, die kleinere Sünden begangen hatten, konnten ins Paradies gelangen, wo ihre guten und schlechten Taten gegeneinander aufgewogen wurden und sie für ihre Verfehlungen angemessene Strafen erhielten. Die Strafen für sündi‑ ge Handlungen konnten aus drei Quellen Milderung erfahren: der Gnade Gottes, der Reue und der Fürbitte.5 Es gab eine Viel‑ zahl von möglichen Praktiken, mit denen diese erwirkt und Verfehlungen oder Sün‑ den noch zu Lebzeiten abgebüßt werden konnten, um so der Bestrafung durch die himmlische Obrigkeit zu entgehen, aber auch um Gottes Nähe im Jenseits zu erlan‑ gen, nachdem über die Seele des Gläubi‑ gen gerichtet sein würde. Die Errichtung eines waqf – als religiöser Akt – verfolgt das gleiche Ziel wie etwa Almosengeben, Fasten, Abstinenz oder zusätzliche Gebete, nämlich den Lohn Gottes. Die Beweggrün‑ de des Stifters eines waqf aber überschrei‑ ten bei weitem die Grenze einer simplen Belohnung im Jenseits. Sie lassen sich in zwei wesentliche Erwartungen zusammen‑ fassen: die dauerhafte Wirkung frommer Werke und die Aussicht des Wohltäters, sie nach seinem Tod kontrollieren zu können. Der beständige Wert wohltätiger Hand‑ lungen durch awqāf , die theoretisch ewig währen, ist zweifellos der hauptsächliche Beweggrund für diese Form der Wohltä‑ tigkeit im Vergleich zu anderen Formen der ṣadaqa. Wie in dem bekannten ḥadīṯ zum Gedenken verstorbener Muslime fest‑ gehalten, gibt es drei Dinge, die den Tod 7.3.2  Das Jenseits: Spirituelle einer Person überdauern können: das Ver‑ mächtnis nutzbringenden Wissens, Gebete Beweggründe der Nachfahren und eine immerwährende Gemäß islamischer Glaubenslehre kön‑ Wohltätigkeit (ṣadaqa ǧāriya). (→ 8.3.2) nen Muslime allein durch das Befolgen Das Totengedenken wird nur als eine Art der grundlegenden religiösen Geboten Zugabe verstanden; somit ist für das See‑ Erlösung erlangen, was nach manchen lenheil der Toten die dauerhafte Wirkung

institutionalisierten Stiftungstätigkeit im mittelalterlichen Islam indessen sind haupt‑ sächlich politischer Natur und sollten als Teil weitreichender dynastischer Bedürfnis‑ se verstanden werden, die über persönliche Ambitionen einzelner Herrscher und hoch‑ rangiger Beamten hinausreichen. Zudem bestehen viele der Stiftungen von Königen und Sultanen aus heterogenen Ketten von Institutionen und weisen daher Charakte‑ ristika sowohl von öffentlichen als auch von Familienstiftungen auf, obwohl sie auch ca‑ ritative und religiöse Aufgaben erfüllen. In solchen Fällen geht der Stiftungsakt oft mit einer unzulässigen Appropriation öffent‑ licher Güter für die persönlichen Belange der Stifter einher. Ein generelles Problem für Forschungen über religiöse Praktiken im Islam stellt schließlich die Schwierigkeit dar, eine Grenze zwischen Hochkultur und Volks‑ frömmigkeit zu ziehen. Die überlieferten Quellen zeigen uns eine äußerst intellek‑ tualisierte Darstellung der islamischen Spiritualität, insbesondere im Falle der Sufi‑Bewegungen, bei deren Hauptvertre‑ tern es sich um außergewöhnlich gebildete Gelehrte handelte, die wenig mit den bettel‑ armen Mitgliedern der Sufi‑Bruderschaften gemein hatten. Im Fall der Stiftungskultur wird dieses Problem noch durch eine For‑ schungslücke verstärkt: Über jene Periode, für die die Gründung von awqāf am besten dokumentiert und erforscht ist, nämlich die Mamlūkenzeit, fehlen erstaunlicherweise umfassende Forschungen zur Religiosität.3

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ihrer guten Taten entscheidend, die zu Lebzeiten erbracht wurden. Wie beim waqf kann dieses Band zwi‑ schen Lebenden und Toten und damit auch der Einfluss des Diesseits auf die Seelen ewig währen. Trotz vielfältiger Interpreta‑ tionen stimmen die üblichen eschatologi‑ schen Lehren im Islam in den wichtigsten Details überein: Die Seelen der Verstorbe‑ nen müssen ein Gerichtsverfahren über‑ stehen, in dem ihre guten und schlechten Taten gewichtet werden. Diejenigen, die des Einlasses in das Paradies für würdig befunden werden, bleiben dort bis zum Tag der Auferstehung (yaum al-qiyāma), an dem die Seelen wieder in ihre Körper zurückkehren.6 Dieser Sachverhalt ist auch ein bedeutender Beweggrund für die Er‑ richtung von Stiftungen zum Schutz von Begräbnisstätten und zur Wahrung der körperlichen Integrität der Verstorbenen. Was die Gründer von mittelalterlichen awqāf jedoch am meisten beschäftigte, war der Aufenthalt im Jenseits bis zum Tag der Auferstehung. Der islamischen Vorstel‑ lung vom Paradies zufolge ist dieses hier‑ archisch gegliedert: Dort sind die Seelen in verschiedene Klassen unterteilt, in denen sie unterschiedliche Positionen einnehmen, oftmals allegorisch umschrieben mit ihrer Nähe zu Gott. Der Rang, dessen sich die Seele erfreuen kann, hängt von ihren auf Erden erworbenen Verdiensten ab. Aus quantitativer Perspektive besehen hängen die von den Muslimen zu Lebzeiten akku‑ mulierten Verdienste nicht davon ab, auf welche Art und Weise sie erzielt wurden. Die meisten Muslime glaubten jedoch an die Vorstellung, dass ihre Seelen innerhalb der himmlischen Hierarchie aufsteigen und somit größere Nähe zu Gott erlangen könnten. Es ist also die dauerhafte Natur des waqf , die ihn zur beständig sprudeln‑ den und ewig währenden Quelle spirituel‑ len Kapitals für die Seele ihres Gründers

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macht: Solange der waqf seine wohltätigen Zwecke auf Erden erfüllt, akkumuliert die Seele des Stifters Verdienste, die sie Gott näher bringen können. Der Status, den die Seele bei Eintritt in den Himmel erhält, hängt fast ausschließlich von den persön‑ lichen Taten des Verstorbenen ab. Sofern sie aber erst einmal im Himmel ist, kann sich ihre Situation nur noch mittels solcher Taten verbessern, die mit der irdischen memoria des Verstorbenen verknüpft sind und im oben erwähnten hadīṯ aufgezählt werden: wohltätige Handlungen, die Pflege nutzbringenden Wissens oder Gebete für die Seele des Wohltäters, die er sämtlich durch die Stiftung eines waqf über seinen Tod hinaus sicherstellen konnte. Es über‑ rascht nicht, dass diese drei Elemente in der mittelalterlichen Stiftungskultur des Islam nahezu untrennbar miteinander ver‑ bunden sind. Dieses ewig währende Band, das die Seelen der Stifter mit ihren fortbestehen‑ den wohltätigen Institutionen verbindet, birgt aber auch Gefahren. Denn obwohl die Seele der verstorbenen Muslime von anderen abhängig ist, was ihre Fortent‑ wicklung innerhalb der himmlischen Hier‑ archie angeht, so sind die Toten dennoch in moralischer Hinsicht verantwortlich: Sie werden für die Auswirkungen ihrer irdischen Taten auch nach ihrem Tod zur Rechenschaft gezogen. Dieser Sachverhalt ist der zweite wichtige Beweggrund, der hinter der Entstehung von wohltätigen Stiftungen steht: die Hoffnung des Wohl‑ täters, seine gestifteten Besitztümer und Güter auch nach seinem Tod kontrollieren zu können. Die Obsession, mildtätige Stiftungen kontrollieren zu wollen, prägte den mit‑ telalterlichen Islam auf vielfältige Wei‑ se. Obwohl wir uns hier nicht auf Detail‑ studien stützen können, scheint es, als ob Diskussionen über die Kontrolle von

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freiwilliger Armenhilfe (ṣadaqa) durch strenge Auflagen für die Stiftungsemp‑ fänger ein häufig wiederkehrendes Thema in der mittelalterlichen religiösen Literatur gewesen sind. Nach Ansicht vieler Reli‑ gionsgelehrter hing die Gültigkeit einer wohltätigen Handlung, etwa des Almo‑ sengebens, sowohl von der guten Absicht des Wohltäters als auch von der angemes‑ senen Qualifikation des Empfängers als bedürftige Person ab: Wenn der Empfänger von Armenhilfe diese nicht benötigte oder sie unrechtmäßig verwandte, so war die Tat in den Augen Gottes wertlos.7 Typisch hierfür ist das Beispiel eines Schwindlers, der sich als Bettler ausgibt und die von seinem Wohltäter erhaltene Armenhilfe letztlich für eine illegale Handlung ver‑ wendet, wie etwa das Weintrinken. Ist der Wohltäter in diesem Fall für die mit seiner Hilfe begangene Sünde verantwortlich? Obwohl die meisten Autoren der Meinung waren, dass in diesem Fall der einzig Ver‑ antwortliche der Bettler sei, so scheint es doch viele fromme Muslime sehr besorgt zu haben, dass eine rechte Verwendung der Armenhilfe seitens der Empfänger nicht kontrollierbar war. Das traf insbesondere auf Asketen und deren religiöses Milieu zu. Almosengeben und Betteln gehörten zu den meistdiskutierten Themen der Sufi‑ Literatur; statt es jedoch als lobenswerte Handlung zu werten, wurden sie dort sehr oft unter dem Aspekt ihrer möglichen ne‑ gativen Folgen für den Wohltäter betrach‑ tet. Außerdem stellte das Verständnis von Armut als religiösem Ideal dabei auch ein Problem für viele asketische Muslime dar. In seinem berühmten Werk ‚Qūṭ al‑qulūb‘ stellte sich etwa der Sufi al‑Makkī gegen den allgemeinen Brauch, dass der Empfän‑ ger einer Schenkung für die Seele seines Wohltäters betet. Er vertrat die Auffassung, dass der Almosengeber umgekehrt auch für die Armen beten sollte, da er mit seiner

Wohltat nur eine religiöse Pflicht erfüllen würde. Nicht auch zu beten, könnte den Wert der wohltätigen Handlung mindern.8 Muslimische Rechtsgelehrte erlaubten oder entwickelten keine Strategie zur Kontrolle freiwilliger Almosen, wohingegen sich der waqf schon bald als die optimale Lösung der Probleme erwies, die durch die feh‑ lende Kontrolle über den Gebrauch von wohltätigen Gaben entstanden. Er wurde somit zum perfekten Instrument, mit dem sich dieses religiöse Bedürfnis befriedigen ließ, zumindest in der Theorie. Die segensreiche Wirkung caritativer Handlungen auf die Seelen der Wohltäter sicherzustellen, war allerdings keine leich‑ te Aufgabe. Mittelalterliche waqfīyas und fatwas zeigen einen auffälligen Hang zur Kontrolle aller Aspekte des Stiftungsvoll‑ zugs. Dieses Bedürfnis ergab sich aus etab‑ lierten theologischen Grundsätzen über die Beziehung von irdischer Welt und Jenseits. Trotz aller doktrineller Verschiedenheiten war die aktive Wechselbeziehung von Le‑ benden und Toten in vielerlei Situationen im Islam allgemein akzeptiert. Die Fürspra‑ che (šaffāʿa) Mohammeds zugunsten musli‑ mischer Seelen ist im Koran erwähnt,9 und es gab nahezu ausnahmslose Übereinstim‑ mung darüber, dass sie eine Erleichterung der Strafen für sündige Seelen oder ihren Einlass in das Paradies bewirken würde. In der Frage, welcher Wert irdischen Ta‑ ten als Form der Fürsprache beigemessen wird, waren die Rechtsgelehrten jedoch geteilter Meinung. Dass Heilige (walī, pl. auliyāʾ) – oder im schiitischen Islam auch Imame – wirksame Fürsprache bei Gott halten konnten, wurde nicht immer akzep‑ tiert und die Rechtmäßigkeit entsprechen‑ der Lehren innerhalb des islamischen reli‑ giösen Systems bestritten und war daher auch Gegenstand polemischer Schriften, etwa von dem berühmten Ibn Taimīya.10 Dennoch war diese Möglichkeit, eigene

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Schuld durch die Fürsprache religiöser Ausnahmepersonen zu tilgen, sicherlich die Motivation hinter der Errichtung von Stiftungen für charismatische oder heilige Muslime, wie beispielsweise Sufi‑Heilige oder renommierte Gelehrte. Dies trifft etwa auf die Stiftungen zu, die von Saladin und al‑Kāmil für den Rechtsgelehrten aš‑Šāfiʿī in Kairo gegründet wurden und in deren Umkreis später die Mausoleen des Sultans al‑Kāmil, seiner Mutter und des Sayyid Muḥammad Abd al‑Ḥakam entstanden.11 Auch in ritueller Hinsicht war es in der muslimischen waqf ‑Praxis besonders wichtig, die konkrete Ausführung wohltä‑ tiger Werke wegen ihres Einflusses auf die Seele des Wohltäters zu kontrollieren. Im Unterschied zu anderen Kulturen konnten Fürbitten auch negative Auswirkungen haben. Wenn religiöse oder wohltätige Handlungen, die sich auf die Seele eines Muslims segensreich auswirken sollten, nicht gesetzeskonform ausgeführt wurden, konnte dies unabhängig von den zugrunde liegenden guten Absichten negative Folgen haben und die Seele Schaden erleiden.12 Wie erwähnt glaubten viele Muslime, dass eine unrechtmäßige Verwendung des Gel‑ des oder der Güter, die sie als ṣadaqa spen‑ deten, ihre Seelen gefährden könnte, aber auch rituelle Fehler stellten eine solche Ge‑ fahrenquelle dar. So verwundert es nicht, dass bei der Gründung von Stiftungen die Kontrolle dieser Handlungen ein zentrales Anliegen war und dass bei allen Handlun‑ gen innerhalb der waqf ‑Institutionen auf diese Zusammenhänge Rücksicht genom‑ men und die entsprechenden Vorschriften beachteten wurden. Einige religiöse Praktiken sind für das Verständnis der spirituellen Beweggrün‑ de von Stiftern höchst aussagekräftig. Ein bedeutendes theologisches Problem, das möglicherweise bei der Entscheidung für die Gründung eines waqf eine Rolle spielte,

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betrifft die Vorschriften zu Fürbittengebe‑ ten (duʿāʾ). Wie bei allen religiösen Sach‑ verhalten ist eine Generalisierung nicht möglich, aber mittelalterliche Gebetbücher enthalten oftmals eine Reihe von sehr re‑ striktiven Vorschriften über Intention und Ziele von Gebeten. Wenn das verrichte‑ te Gebet nicht mit seiner Intention (nīya) übereinstimmt, verfehlt es das angestrebte Ziel.13 Beispielsweise stellt an‑Nawawī in seinem berühmten Gebetbuch fest, dass es nicht erlaubt sei, für den persönlichen Nut‑ zen und auch nicht für die eigene Familie oder Klientel zu beten, dass es aber zulässig sei, für den Erfolg einer dritten Person zu beten, auch wenn es sich um profane An‑ gelegenheiten handele.14 Demnach konnten Wohltäter durch Gebete, die Profitienten ihrer waqf ‑Institutionen oder regelmä‑ ßiger Almosengaben für sie verrichteten, auf ein gewisses Maß an göttlicher Hilfe zu Lebzeiten hoffen, beispielsweise bei der Genesung von einer Krankheit. Vorherrschende Motivation war aber, als Stifter nach dem Tod Kontrolle über den waqf ausüben zu können. Der multifunk‑ tionale Charakter der waqf ‑Institutionen erlaubte es den Gründern, Nutzen für ihr Seelenheil aus den dort organisierten Ge‑ betsgemeinschaften zu ziehen. Das cha‑ rakteristische Merkmal dieser Gebete war, dass sie oftmals Anweisungen folgten, die in der waqfīya vorgegeben waren, und am Ort der Stiftung verrichtet werden sollten. Um dies sicherzustellen, entstand im Um‑ kreis der Stiftergrablege eine Reihe von multifunktionalen Institutionen, wie etwa Medresen mit der Grabstätte des jeweili‑ gen Stifters, in welchen die Studenten zu Gebeten verpflichtet waren,15 oder auch die großen mamlūkischen Mausoleen, bei denen die dort begrabenen Sultane von den regelmäßigen Gebeten an ihren Grabstät‑ ten profitieren konnten. Die Bedeutung, die diese am Grab verrichteten Gebete für

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die Muslime hatten, ist auch durch die Ent‑ stehung einer besonderen Stiftungsform belegt, bei der viele Besucher an die Gräber auf den Friedhöfen gelockt und zu Gebeten an den Grabstätten bewegt werden sollten, indem sie im Gegenzug Brot und Süßig‑ keiten erhielten.16 (→ 9.3.3) Durch awqāf konnten die verstorbenen Stifter jedoch nicht nur die Anzahl der Gebete steigern, die ihren Seelen zum Vorteil im Jenseits gereichen sollten, sondern auch ihre Qua‑ lität, um sicherzustellen, dass diese Art der Fürsprache keine negativen Auswirkungen haben würde. Auch bei Koranstiftungen stand die Kontrolle von wohltätigen Handlungen im Vordergrund. Koranhandschriften wur‑ den selten in Form einer Schenkung ver‑ gabt, sie wurden nahezu ausschließlich als waqf gestiftet und unterlagen als solcher restriktiven Nutzungsbestimmungen. Aus‑ leihen waren verboten; die Handschriften sollten in der Institution, der sie vermacht worden waren, auch gelesen werden, und manchmal verbot der Stifter sogar die Anfertigung von Kopien. Diese Kontrolle war von noch größerer Bedeutung, wenn nicht nur ein Koran, sondern gleichzeitig auch Vermögen gestiftet wurde, das die Anstellung eines Vorlesers ermöglichte. Da die nicht gesetzeskonforme Lesung des Korans eine Sünde darstellen konnte, die den Status der Seele des Stifters zu beschädigen vermochte – und er letztlich für den Fehler verantwortlich war – waren die Anforderungen an den Vorleser, die zu lesenden Textstellen, der Lesungskalender und die Vortragsweise der Rezitation in den Stiftungsurkunden detailliert vorge‑ geben. (→ 8.3.3) Die Hauptmotivation für die Gründung eines waqf – wie bei jeder wohltätigen Handlung – bestand also in dem Verlan‑ gen, Gott nahe zu sein. Was aber die isla‑ mischen Stiftungen von anderen Formen

islamischer Wohltätigkeit und verwandten Institutionen unterschied, war, dass sie Muslimen die einzigartige Möglichkeit bo‑ ten, noch nach ihrem Tod einen Nutzen aus ihren wohltätigen Werken zu ziehen und – zumindest theoretisch – Schutz vor den Folgen unberechtigten oder unange‑ messenen Gebrauchs ihres Vermächtnisses zu erlangen. Es gab keine substantiellen Unterschiede zwischen privaten und öf‑ fentlichen Personen hinsichtlich des spi‑ rituellen Nutzens, den sie aus zu Lebzeiten gestifteten awqāf im Jenseits zu erhalten glaubten. Die Vorteile, die sich für sie aus diesen Institutionen in ihrem irdischen Leben ergeben konnten, waren natürlich von ganz anderer Art und hingen vom Status des Stifters ab. Es gibt indes eine Stiftungsform, die aufgrund ihrer speziellen spirituellen Bedeutung besondere Berücksichtigung verdient: awqāf für den ǧihād. Bei dieser Art von Stiftungen lässt sich wohl kaum eine Grenze zwischen dem materiellen und spirituellen Nutzen ziehen, der sich daraus ergeben mochte. Das Stiften von Gütern für den Krieg gegen die Ungläubigen tritt in den Quellen als erstes Beispiel für einen waqf auf, wo sie Güter für Gottes Willen ( fī sabīl Allāh) genannt werden.17 Die Geis‑ teshaltung, die diesen Stiftungen zugrunde lag, bewegte sich in der Regel nahe an der wörtlichen Definition der Handlung, der zufolge die Eigentumsrechte des Stifters auf Gott übertragen wurden, ebenso wie erobertes Land ( faiʾ) an Gott zurückfiel.18 So gesehen bewegten sich diese waqf‑Güter außerhalb des Irdischen und unterlagen somit weder menschlicher Gesetzgebung noch staatlicher Kontrolle.19 Der ǧihād und die Stiftungen für Gottes Willen wurden von einigen Muslimen als Instrument be‑ nutzt, um Gottesrecht durchzusetzen und die Versuche des Staates abzuwehren, diese religiöse Pflicht zu monopolisieren.

Muslime

Ein ähnliches Verständnis lag solchen Stiftungen zugrunde, die Besitztümer un‑ bekannten oder zweifelhaften Ursprungs von möglichen Unreinheiten zu reinigen suchten und so ihren bedenkenlosen Ge‑ brauch zu ermöglichen. Solche Auffas‑ sungen von der reinigenden Wirkung der Übertragung in Gotteseigentum fanden sich vor allem bei solchen Gruppen, die sich strengster Orthopraxie (waraʿ) ver‑ schrieben hatten wie etwa den Ḥanbalīten. Nicht umsonst schrieb Ibn Ḥanbal, der namengebende Gründer dieser Schule, vor, dass ererbte Güter in einen waqf einge‑ bracht werden sollten, wenn ihre Herkunft den Verdacht aufkommen ließ, sie seien mit Sünde behaftet.20 7.3.3  Das Diesseits: Unmittelbare Beweggründe Wie zuvor erörtert sollte die Instrumen‑ talisierung von awqāf für den Erhalt ma‑ terieller Vorteile nicht als ein Verstoß ge‑ gen deren inhärente religiöse Bedeutung verstanden werden. Tatsächlich zielten bereits die frühesten Diskussionen über das waqf ‑Recht darauf ab, Vorwürfen ent‑ gegenzutreten, die in dieser Institution lediglich einen Kniff zur Umgehung des koranischen Erbrechts sahen, sowie dar‑ auf, Stiftungspraktiken und andere Rechts‑ akte innerhalb des Spektrums möglicher Interpretationen des islamischen Rechts zu verorten. Die außerordentliche Vielseitigkeit der muslimischen Stiftung machte sie zur per‑ fekten Institution, um einige restriktive rechtliche Bestimmungen zu überwinden, insbesondere solche, die sich vom Erbrecht ableiteten und die Übertragung von Gütern und Besitztümern sowie die Auflösung von Geschäftspartnerschaften betrafen. Diese Eigenschaft aber machte den waqf

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auch zu einem umstrittenen Werkzeug, das von Herrschern oder Eliten oftmals ein‑ gesetzt wurde, um öffentliches Eigentum zu appropriieren, zu missbrauchen oder sich besondere Einkommensquellen zur Finanzierung ihrer Politik zu verschaffen. Für das Verständnis der mittelalterlichen islamischen Stiftungspraktiken sind recht‑ liche, ökonomische, soziale und politische Beweggründe, seien sie rechtskonform oder nicht, genauso von Bedeutung wie religiöse. Rechtliche und ökonomische Beweggründe Die Instrumentalisierung von awqāf zum Erzielen rechtlicher und ökonomischer Vorteile ist bereits sehr früh belegt, etwa durch die Versuche, bestehende Stiftungs‑ praktiken und Erbrecht in Einklang zu bringen, aus welchen die ersten rechtlichen Abhandlungen im 9. Jahrhundert u. Z. her‑ vorgingen. (→ 1.3.1) Der waqf als geläufiges Mittel, das allen Muslimen unabhängig von ihrem sozialen Rang zur Verfügung stand, taucht vor allem da auf, wo Stifter versuchen, die Aufteilung des Familienbe‑ sitzes nach ihrem Tod zu verhindern oder der Konfiszierung ihres Eigentums durch die Obrigkeit vorzubeugen. Mittels awqāf die Übertragung von Besitztümern nach dem eigenen Ableben kontrollieren zu können, war wahrschein‑ lich der wichtigste Beweggrund für die Gründung vieler Stiftungen, insbesonde‑ re bei kleinen Familien‑awqāf. In diesen Fällen wurden Stiftungen zur Umgehung des Erbrechts benutzt. Nach islamischem Erbrecht konnte ein Mensch über ein Drit‑ tel seines Gesamtbesitzes frei verfügen, dessen Verwendung in einem Testament detailliert festzulegen war; die verbleiben‑ den zwei Drittel sollten unter den Haupt‑ erben verteilt werden, insbesondere Ehe‑ partnern, Eltern, Söhnen und Töchtern. Die Besitztümer, die den weiblichen Erben zukamen, waren dann nicht mehr Teil des

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ursprünglichen Gesamtvermögens, da sie bei einer Eheschließung in die neue Fami‑ lie übergingen. Um die Zerstückelung der Familienländereien und der Erbmasse zu verhindern, wandelten viele Muslime ihre Besitzungen in einen waqf um und setzten, zum Nachteil der potenziellen Erbinnen, ihre männlichen Nachkommen als Be‑ günstigte ein. Zahlreiche mittelalterliche Quellen bezeugen die Verbreitung dieser Praxis in allen islamischen Ländern.21 Die Beschwerden enterbter Frauen werden in rechtlichen Dokumenten häufig themati‑ siert,22 und Notarshandbücher enthalten mitunter detaillierte Anweisungen, um Interpretationsschwierigkeiten in diesen Fällen zuvorzukommen.23 Der zweitwichtigste ‚weltliche‘ Beweg‑ grund für Stifter bestand darin, den waqf zur Absicherung eigenen Vermögens ge‑ gen Konfiszierungen einzusetzen. Als Ei‑ gentum Gottes konnte eine Stiftung nicht von der Obrigkeit beschlagnahmt werden. In einigen Fällen stifteten Muslime ihre Häuser, damit die eigene Familie dort woh‑ nen bleiben konnte, wenn ein Unglücksfall eintreten oder die Schuldenlast zu groß werden sollte. Ein gutes Beispiel hierfür aus dem 9. Jahrhundert u. Z. findet sich in al‑Kindīs Geschichte der ägyptischen Statthalter, in der er von einem Mann be‑ richtet, der sein Haus wegen zahlreicher Schulden stiftete, damit es nicht konfis‑ ziert werden konnte. Ein in dieser An‑ gelegenheit konsultierter qāḍī bestätigte, dass das Eigentum von den Gläubigern nicht beschlagnahmt werden könne, weil es ein waqf sei, und dass der Familie als Destinatären dieser Stiftung weiterhin das Wohnrecht zustehe.24 Natürlich konnte sich aber jemand, der kurzerhand sein Eigentum stiftete, nicht immer in Sicher‑ heit wähnen, denn die Herrscher verließen sich oftmals auf die Bestechlichkeit vieler Richter, um ihre Interessen durchzusetzen.

Ein weiterer wichtiger ökonomischer Beweggrund für die Gründung von awqāf leitet sich aus den Besonderheiten des is‑ lamischen Steuersystems ab. Trotz aller Verschiedenheiten, die in den unterschied‑ lichen Interpretationsweisen der großen islamischen Rechtsschulen und den chro‑ nologischen sowie regionalen Variationen begründet sind, haben Ländereien eines waqf stets von günstigen Steuerregelun‑ gen profitiert. Auf muslimisches Agrar‑ land wurden vor allem zwei Steuerarten erhoben, zum einen die ḫarāğ‑Steuer, die sowohl Nichtmuslime als auch Muslime für sogenannte ḫarāğ‑Ländereien in den von Muslimen eroberten Provinzen zu entrichten hatten, die seit der Zeit ihrer Eroberung einen besonderen Steuerstatus beibehalten hatten; zum anderen der ʿušr, wörtlich Zehnt, welcher von Muslimen zu zahlen war, die nicht in ḫarāğ‑Ländern leb‑ ten. Die ḫarāğ‑Steuer fiel zunächst nur für Nichtmuslime an, wurde jedoch letztend‑ lich zu einer Grundsteuer ohne religiöse Konnotation, die für die Mehrzahl aller Besitzungen entrichtet werden musste. So‑ wohl ḫarāğ‑ als auch ʿušr‑Ländereien konn‑ ten unter bestimmten Voraussetzungen in awqāf umgewandelt werden, aber der Vor‑ teil dieses Statuswechsels war offensicht‑ lich für die Besitzer von ḫarāğ‑Ländereien weitaus attraktiver, da sie, je nach Region und Epoche, dreißig bis fünfzig Prozent der landwirtschaftlichen Erzeugnisse ab‑ führen mussten. Im Gegensatz dazu wur‑ den die Ländereien eines waqf wesentlich geringer besteuert, in der Regel mit zehn Prozent, und in einigen Fällen sogar über‑ haupt nicht. Mit Beginn der fatimidischen Herrschaft nutzten Eliten und Herrscher‑ dynastien das waqf ‑System als Hauptform der Landverpachtung: Zuerst brachten sie öffentliches Land in ihren Besitz, entwe‑ der durch Kauf oder indem sie Steuerzu‑ wendungen (iqṭāʿ)25 in privates Eigentum

Muslime

umwandelten, was nicht immer auf lega‑ lem Weg geschah (→ 4.3.4), und danach wandelten sie diesen Landbesitz zwecks Steuerersparnis in Familien‑awqāf um.26 Auch für andere ökonomische Vorhaben erwies sich die Schaffung von Stiftungs‑ netzwerken als außerordentlich vorteilhaft. Aus Sicht des Staates waren awqāf das optimale Mittel für Fürsorgemaßnahmen. Die Gründe dafür waren ihre Vielseitig‑ keit, die Möglichkeit, ihre Einnahmen so‑ wohl durch öffentliche als auch private Zuwendungen zu erzielen, sowie die laxen Bestimmungen, die es den Herrschern bis‑ weilen erlaubten, Vermögenswerte eines waqf auch für andere Zwecke einzusetzen, selbst wenn damit gegen die spezifischen wohltätigen Aufgaben einer Institution verstoßen wurde. Dies war etwa dann der Fall, wenn Herrscher wie Saladin Vermö‑ genswerte von awqāf für die Finanzierung des ğihād verwendeten.27 Ferner wurden Stiftungen zur Förde‑ rung von kommerziellen Aktivitäten ins Leben gerufen, und zwar insbesondere von Kaufleuten. Es konnte sich dabei um ein Handelszentrum (qaisarīya und wakāla), aber etwa auch um einen ḥān, eine Kara‑ wanserei oder einen funduq handeln, die alle ein Netz von Herbergen entlang der großen Handelsrouten des islamischen Reiches bereitstellten und so den Han‑ del begünstigten und zur Sicherheit der Kaufleute beitrugen. Selbst Wehranlagen wie ein ribāṭ konnten als Handelszentren genutzt werden. Nach islamischem Recht war es jedoch nicht möglich, Handelskor‑ porationen zu gründen – eine Hürde, die sich mittels Stiftungen allerdings umgehen ließ. So war es unter osmanischer Herr‑ schaft gängige Praxis, für diesen Zweck stellvertretend awqāf zu nutzen.28 Offenbar wurden islamische Stiftungen im späten Mittelalter manchmal dazu genutzt, Ge‑ schäftspartnerschaften auch über den Tod

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eines der beiden Partner hinaus bestehen zu lassen und somit die Auflösung der Handelsgesellschaft zu verhindern, oder auch das Haftungs‑ und Ausfallrisiko bei Handelsgeschäften auf mehrere Kauf leute zu verteilen.29 Schließlich entwickelten sich die islamischen Stiftungen sogar zu Kreditinstituten, als die Osmanen den Geld‑waqf einführten. (→ 4.3.4) Soziale Beweggründe Andere herausragende Motive, die zur Entstehung von Stiftungen führten, wa‑ ren eher sozialen Charakters. In diesem Zusammenhang spielen islamische awqāf sowohl auf individueller als auch kollek‑ tiver Ebene eine wichtige Rolle. Die materielle Ausstattung eines waqf war zweifellos das perfekte Mittel, um sei‑ nen sozialen Status öffentlich zur Schau zu stellen, da der Reichtum der Stifter durch monumentale Gebäude wie etwa Mauso‑ leen und Medresen sowie durch öffentli‑ che Verteilung von Wohltaten offenkundig wurde. Zur Zeit der mamlūkischen Herr‑ schaft zum Beispiel führte die Konkurrenz zwischen reichen Familien dazu, dass Stif‑ tungen eine zentrale Bedeutung als Mittel sozialer Differenzierung zukam. Im Zuge dieser Entwicklungen kam es sogar zur Entstehung einer Immobilienspekulations‑ blase in Kairo, wo alle reichen Familien bestrebt waren, eine wohltätige Stiftung zu gründen, die ihrer gesellschaftlichen Stel‑ lung gerecht wurde.30 Diese Konkurrenz ist auch unter den Sultanen verschiedener Dynastien zu beobachten, für welche die Errichtung eines monumentalen Mauso‑ leums auch aus Gründen der Legitimation wichtig war. (→ 6.3.2) Die soziale Funktion islamischer Stif‑ tungen geht aber weit über ihre Indienst‑ setzung für die unübersehbare Zurschau‑ stellung von ökonomischem Reichtum und sozialem Status hinaus. Das waqf ‑System

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spielte eine wichtige Rolle bei der Fes‑ tigung sozialer Strukturen, die auf Ver‑ wandtschaft oder anderen Kriterien beruh‑ ten, wie etwa die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Klasse, Berufsgruppe oder Ethnie. Ein gutes Beispiel für dieses Phänomen sind die awqāf der Kaufmanns‑ familie Karīmī, die damit sowohl ihre ge‑ schäftlichen als auch familiären Bindun‑ gen stärkte.31 Im Fall der mamlūkischen Institutionen ist dieser Aspekt von noch größerer Bedeutung, weil Stiftungsprakti‑ ken hier den Kern der sozialen Ordnung be‑ trafen. Was die mamlūkische Gesellschaft vor allem auszeichnete, war das Wahlsul‑ tanat und damit der Umstand, dass den Nachkommen der Sultane kein erbliches Recht auf den Thron oder andere öffentli‑ che Ämter zufiel. Dieses Gefüge wäre zu‑ sammengebrochen, wenn das waqf‑System nicht auf die sozialen Bedürfnissen der enterbten Eliten, der sogenannten aulād an-nās, reagiert hätte. Die Gesellschafts‑ ordnung blieb gerade deswegen erhalten, weil die von den Sultanen während ihrer Regentschaft akkumulierten Besitztümer in Familien‑awqāf umgewandelt wurden, von denen ihre Erben profitieren konnten und die so zur Stabilität eines ansonsten äußerst fragilen Herrschaftssystems bei‑ trugen.32

die auf einen unmittelbaren Nutzen und ein Eingreifen in weltliche Angelegenhei‑ ten abzielten. Das religiöse Leben im mittelalterlichen Islam war extrem vielgestaltig und kannte keine klare hierarchische Struktur. Auf diesem Gebiet suchten verschiedene kon‑ kurrierende Kräfte, Einfluss auf Eliten und die breite Bevölkerung zu erlangen. Der waqf war für die Herrscher das perfekte In‑ strument, mit dem sie auf vielerlei Art und Weise in das religiöse Leben der Muslime eingreifen konnten. Als wohltätige Werke waren awqāf überdies eine unmittelba‑ re Quelle religiöser Legitimation, welche häufig genutzt wurde, um Vertrauen und Gefolgschaft der Bevölkerung zu gewinnen. Ferner handelte es sich bei Stiftungen auch um eine mächtige Waffe in internen Aus‑ einandersetzungen zwischen verschiede‑ nen religiösen Gruppen, die in der islami‑ schen Welt miteinander konkurrierten. Sie spielten zum Beispiel bei der ayyūbidischen Kampagne gegen den Schiismus und beim von Saladin vorangetriebenen Prozess der sogenannten Sunnifizierung eine zentrale Rolle. Die mit der Unterstützung dieses Sultans erbauten Medresen und ḫanqāhs machten nicht nur die Einführung sunni‑ tischer Institutionen möglich, sondern auch die Ablösung der alten religiösen Eliten und die Förderung einer bestimmten Doktrin, Politische und religiöse Beweggründe der ašʿarīya. (→ 8.3) Weitere Gründe für die Errichtung einer Die Einmischung der Obrigkeit in reli‑ islamischen Stiftung konnten politischer giöse Angelegenheiten gründete nicht nur oder religiöser Natur sein. Awqāf waren in Fragen von Differenzen über spezifische immer auch ein politisches Instrument, Lehrmeinungen, sondern auch der sozialen nicht nur um soziale oder ökonomische Ordnung. Stiftungen waren nämlich auch Agenden umzusetzen, sondern auch um ein optimales Mittel, mit dem sich religiöse politische Botschaften zu vermitteln, die Eiferer und Exzesse in asketischen Ge‑ im Islam üblicherweise religiös konnotiert meinschaften eindämmen ließen. Sie wur‑ waren. In diesem Sinne, nicht im Rückgriff den in eigens gegründeten Sufi‑Klöstern auf theologische Erlösungsdiskurse, kann untergebracht und waren folglich relativ man auch religiöse Beweggründe in mittel‑ gut unter Kontrolle zu halten, indem man alterlichen Stiftungspraktiken erkennen, eine bestimmte Form der Askese förderte,

Muslime

die nicht in Exzesse radikaler Minderhei‑ ten mündete. (→ 9.3.2) Obwohl die Ent‑ stehung religiöser Institutionen norma‑ lerweise darauf zurückzuführen ist, dass Herrscher und Eliten danach strebten, das religiöse Leben zu beherrschen, sind ähn‑ liche religiöse Beweggründe auch bei eini‑ gen kleineren Stiftungen vorstellbar. Die Ausführungen mancher Stiftungsurkunden lassen sich jedenfalls manchmal auch als Versuch des Stifters lesen, einen bestimm‑ ten dogmatischen Standpunkt zu vertre‑ ten, der bisweilen gar der Meinung einiger religiöser Gelehrter entgegenstand, wie aus der Fatwa‑Literatur ersichtlich ist. Um einen solchen Fall handelt es sich bei der Verteilung von Wohltaten an ʿĪd al-Mīlād, den Feierlichkeiten zum Geburtstag des Propheten, die von vielen Autoritäten als inakzeptable Innovation angesehen, aber in den waqfīyas manchmal als speziel‑ ler Anlass für die Verteilung von Essen und Almosen aufgeführt wurden. Hier erfüllen die wohltätigen Handlungen eine

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doppelte Funktion und sind zum einen als fromme Handlung und zum anderen als öffentliches Eintreten für eine bestimmte Auslegung islamischer Praxis zu verstehen. (→ 8.3.3) Zu guter Letzt waren awqāf auch ein Werkzeug von unschätzbarem Wert, wenn es um die Auslöschung von Erinne‑ rungen an rivalisierende Dynastien ging. Die Legitimation einer Dynastie beruhte hauptsächlich darauf, ihre Frömmigkeit durch Stiftungen öffentlich zur Schau zu stellen, aber nach ihrem Untergang wa‑ ren sie auch das Mittel der Wahl, um ihr Andenken zu tilgen, ohne als pietätloser Herrscher zu erscheinen: Ein waqf musste durch einen waqf ersetzt werden. Damnatio memoriae ist deshalb ebenfalls eines der politisch‑religiösen Motive, das hinter der Zerstörung und anschließenden Neu‑ gründung von öffentlichen awqāf stand, besonders nach dem Untergang der Fa‑ timiden und zur Zeit der mamlūkischen Herrschaft. (→ 6.3.5) IS

Anmerkungen 1  Zum Erbrecht siehe D. Powers, Islamic Inheri‑ bei ihm Fürsprecher sein, es sei denn, dass er es tance System (1990). Auf welche Weise das islami‑ sche Erbrecht die Entwicklung von ökonomischen Institutionen erschwert haben mag, untersucht Kuran, Long Divergence (2012), 78–96. 2 Zu dieser Lehre siehe Lowry, Early Islamic Legal Theory (2007), 147 f. 3 Bori, Theology, Politics, Society (2013). 4  Zu diesem Thema siehe Khalil, Islam (2012). 5 Smith / Haddad, Islamic Understanding (1981), 24 f. 6 Gardet, Ḳiyāma (1986). 7 Sabra, Poverty and Charity (2000), 35. 8 Khalil, Islam (2012), 35. 9 Q 2.255: „Gott: Kein Gott ist außer ihm, dem Lebendigen und Beständigen. Ihn fasst nicht Schlummer und nicht Schlaf. Ihm gehört, was in den Himmeln und auf Erden ist. Wer kann

erlaubt! Er weiß, was vor und hinter ihnen ist. Doch sie erfassen nichts von seinem Wissen, es sei denn, was er will. Sein Thron umgreift die Himmel und die Erde, sie zu bewahren ist ihm keine Last. Er ist der Erhabene, Gewaltige!“ 10  Olesen, Culte des saints (1991). 11  Mulder, Mausoleum of Imam al‑Shafiʿi (2006) 12  Siehe etwa die Diskussionen bei Marmon, Quality of Mercy (1998). 13  P. Powers, Intent in Islamic Law (2006), 76 f.; Katz, Prayer (2013), 44–74. 14  An‑Nawawī, Al‑aḏkār min kalām saiyid al‑ abrār. Dschidda 2005, 646 f. 15  Chamberlain, Knowledge and Social Practice (1994, ND 2002), 55 f. 16  Sabra, Poverty and Charity (2000). 17  Schacht, Early Doctrines on Waqf (1953).

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18  Lokkegaard, Fayʾ (1991). 19  Zum speziellen Status des waqf außerhalb

des gesetzlichen Wirkungsbereiches siehe Hoexter, Ḥuqūq Allāh (1995). 20 Al‑Ḫallāl, Kitāb al‑wuqūf. Ed. Aḥmad ibn ʿAlī Zayd. Riad 1989, 255 f. 21 Zahlreiche Beispiele finden sich bei Layish, Mālikī Family Waqf (1983), und García Sanjuán, Dios herede la tierra (2002), 141–172. 22 Beispielsweise die Dokumente des Ḥaram aš‑Šarīf, beschrieben bei Müller, Legal Instru‑ ment (2008). 23 Ibn al‑ʿAṭṭār, Kitāb al‑waṯāʾiq wa‑ʾs‑siǧillāt. Ed. Pedro Chalmeta / Federico Corriente. Madrid 1983, 210. 24 Lev, Charity, Endowments, and Charitable Institutions (2005), 60.

25 Zum iqṭāʿ‑System siehe Sato, State and Rural Society (1997).

26 Johansen, Islamic Law (1988), 81 f. 27 Lev, Charity, Endowments and Charitable Institutions (2005), 6.

28 Kuran, Long Divergence (2012), 97–142. 29 Zu muslimischen Regeln zur Geschäftspart‑

nerschaft siehe Udovitch, Partnership and Profit (1970); Çizakça, Comparative Evolution (1996), bes. 10–64. 30 Fernandes, Istibdāl (2000). 31 Reinfandt, Kārimī‑Kaufleute als Stifter (2003). Siehe auch G. Baer, Waqf as a Prop (1997). Obwohl sich Baers Artikel auf die Neuzeit konzentriert, sind seine Schlussfolgerungen auch für frühere Epochen relevant. 32 Haarmann, Sons of Mamluks (1984).

7.4  Juden 7.4.1  Allgemeines Ralf Lusiardi zufolge spielte jenseitiges Heil für Stiftungen im mittelalterlichen Judentum keine besondere Rolle. Er argu‑ mentiert einerseits damit, dass „das Prob‑ lem des zwischenzeitlichen Schicksals der Seele in der talmudischen Epoche wie auch im Mittelalter ohne eine eindeutige und einheitliche Antwort blieb“; andererseits macht er geltend, dass auch „die Wirk‑ samkeit von Fürbitten keine einheitliche theologische Klärung erfahren“ habe. Des‑ halb „dürfte das Interesse der Stifter an der Dauerhaftigkeit ihrer Werke – zumindest aus religiösen Motiven – nicht übermäßig ausgeprägt gewesen sein“.1 Allerdings war die religiöse Motivation bei Stiftungen in den jüdischen Gemeinden dennoch wichtiger als materielle Gründe oder Prestige.2 Trotz der unterschiedli‑ chen Meinungen der Talmudisten über die Endzeit und das göttliche Gericht nach der

Auferstehung stand auch im Judentum der Glaube an die kommende Welt (ʿolam habaʾ) im Mittelpunkt des mittelalterlichen religiösen Denkens. Saadiah Gaon (882– 942), der bedeutende babylonisch‑jüdische Religionsphilosoph des Mittelalters, ver‑ suchte sogar mit rationalen Argumenten zu beweisen, dass die kommende Welt existie‑ re: „Our Lord (be He blessed and exalted), has informed us that He has fixed a time for the reward of the righteous, and that at such time, He will distinguish between them and the unbelievers. (…) It is desir‑ able that I should adduce positive proofs concerning this time called the Future World, from the evidence of Reason, Scrip‑ ture and Tradition“.3 Auf der anderen Seite verlangt die jüdische Religion nicht so sehr den Glauben an bestimmte religiöse Sätze als vielmehr die Beachtung der 248 positi‑ ven und 365 negativen religiösen Gesetze

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(miṣwot) in dieser Welt; dafür werde der Mensch seinen Lohn oder seine Strafe in der kommenden Welt erhalten. Sein wohl‑ tätiges Wirken ist also auf das Diesseits beschränkt, seinen eigentlichen Lohn wird er aber in der kommenden Welt erhalten. Ohne diese jenseitige Motivation hätten die religiösen Gesetze gar keinen Sinn. Wahr ist aber, dass in den Stiftungs‑ dokumenten die religiöse Motivation nur sehr kurz angesprochen wird; das liegt zum Teil daran, dass jüdische letztwillige Verfügungen oder Schenkungen inter vi‑ vos meist von Zeugen niedergeschrieben wurden und deshalb nur sehr verkürzt erhalten geblieben sind. Trotzdem gibt es viele andere Anzeichen für starke reli‑ giöse Beweggründe, die hinter Stiftungen standen. (→ 7.4.2) Weltliche Motivationen waren demgegenüber nachrangig, sei es, dass sie nur materiell, sei es, dass sie so‑ zial ausgeprägt waren. Nichtsdestoweniger nutzten Stifter auch in diesem Sinne for‑ male Eigenschaften der jeweiligen inner‑ und außergemeindlichen heqdesh‑Gesetze, wobei sich letztlich religiöse und weltliche Motive sehr oft verflochten. 7.4.2  Religiöses Verdienst In der talmudischen und rabbinischen Li‑ teratur wurde immer wieder betont, dass Wohltätigkeit (ṣedaqah) wichtiger sei als alle anderen religiösen Gesetze (miṣwot).4 Die Begünstigung in der kommenden Welt sei nur durch die Übung von ṣedaqah mög‑ lich. Diese „rettet von dem Urteil zur Hölle“ (mi-dinah shel gehinnom), sie „sühnt die Sünden“ und „vernichtet das Urteil“, sie „rettet von dem Tod“.5 Nach der talmudi‑ schen Erläuterung des Bibelverses „Eine heimliche Gabe stillt den Zorn“ (Prov 21.14) ist ṣedaqah die heimliche Gabe par excel‑ lence.6

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Ephraim Elimelech Urbach hat sehr überzeugend gezeigt, dass die Ausarbeitung des neuen rabbinischen Begriffes ṣedaqah nach der Zerstörung des Tempels ein meh‑ rere Gelehrtengenerationen dauernder Pro‑ zess war und einen polemischen Kontext hatte. Er zieht dazu zwei Baraitas aus dem babylonischen Talmud zum Beleg heran, also Lehräußerungen aus tannaitischer Zeit, die keinen Eingang in die Mischna gefunden haben. Im ersten Fall (bT Bava Batra 10b) verwies Rabbi Yoḥanan b. Zaqqai (1. Jahrhundert u. Z.) seine Schüler dar‑ auf, dass Nichtjuden nicht aus religiösen Gründen Wohltätigkeit übten, sondern nur aus irdischen Überlegungen, entweder um bewundert zu werden oder um die Dauer‑ haftigkeit ihrer Herrschaften zu erhalten. Demgegenüber habe religiös motivierte ṣedaqah den Juden nach der Zerstörung ihres Tempels als Sühne für ihre Sünden dienen können.7 Diese Deutung richtete sich gegen die hellenistischen Herrscher im Palästina des 1. Jahrhunderts u. Z. In der zweiten Baraita (bT Bava Batra 10a) stimmt Rabbi Gamliel aus Javne – das Haupt der Juden aus der zweiten Generation der Tan‑ naiten nach der Zerstörung des Tempels – der Auslegung von Eleasar ha‑Modai zu, der zufolge die Wohltätigkeit der Nicht‑ juden deshalb Sünde vor Gott sei, weil sie damit Israel schmähten. Wie Urbach argumentiert, richtete sich diese Ausle‑ gung polemisch gegen Judenchristen, die der Wohltätigkeit einen sehr großen Wert zuschrieben und sogar glaubten, dass das Geld der Lebenden die Sünden der Toten sühnen könne.8 Mit diesem ‚Tausch‘ von Geld gegen Entsühnung der Verstorbenen waren jüdische Gelehrte nie einverstanden gewesen. Andererseits wuchs der ṣedaqah (Wohltätigkeit) nach der Zerstörung des Tempels und der Auflösung der mit ihm verbundenen religiös‑sozialen Ordnung eine ganz neue Bedeutung zu, trat sie doch

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an die Stelle der vorigen, an den Tempel‑ kult gebundenen Abgaben und Leistungen (maʿasar ʿani, Armenzehnt; qorban, Tem‑ pelopfer) und bekam damit letztlich den Stellenwert religiöser Sühne. So gelang es den Gelehrten, die Wohltätigkeit als allgemeinreligiöses Gesetz des Judentums darzustellen. In dieser Zeit wurden auch die Gesetze der gemeindlichen quppah, der wöchentlichen Spende für einheimische Arme, und tamḥui, der täglichen Nahrung für Fremde, ausgearbeitet.9 Gott selbst galt in der talmudischen Literatur als Beispiel für Wohltätigkeit an den Menschen, weil er gerecht (ṣaddiq) sei. Urbach gelingt es schließlich nicht nur zu zeigen, dass ṣedaqah im talmudischen Judentum ein religiöses Gebot war, sondern auch, dass sie polemisch gegen Nichtjuden ausgespielt wurde, am Anfang gegen die griechisch‑ römische Welt und später gegen Christen.10 Je dauerhafter Wohltätigkeit praktiziert werde, desto größer sei zudem den Talmu‑ disten zufolge die Belohnung in der kom‑ menden Welt, aber unter einer Bedingung: dass der Stifter um Gottes Willen (le-shem Shamayim) und nicht für eine irdische Be‑ lohnung ṣedaqah übe. Dass im Judentum – abgesehen von Aschkenas – die Fürbitte der Begünstigten für das zwischenzeitliche Schicksal der Seele keine Rolle spielte, be‑ deutet jedoch nicht, dass die Wohltätigkeit des Menschen zu Lebzeiten keine Bedeu‑ tung für sein jenseitiges Schicksal hatte. Die mittelalterliche halakhah arbeitete den Begriff eines Gott gewidmeten und zu‑ gleich dauerhaften ṣedaqah‑Fonds aus, der heqdesh oder qodesh genannt wurde (→ 1.4; 5.4.2); dadurch wurde zugleich die jüdische Stiftung halachisch, also durch das religiö‑ se Gesetz, legitimiert. Für die Motivation des Stifters waren aber sicher vielfach der Glaube an die Gerechtigkeit des Urteils in der kommenden Welt und die Beachtung des ṣedaqah‑Gebotes entscheidend.

Orient Dass die religiöse Motivation in orientali‑ schen Gemeinden des Mittelalters wichti‑ ger war als materielle Überlegungen oder als Prestige für die Stifter, kann man nach Moshe Gil daran erkennen, dass sich in den Dokumenten der Kairoer Geniza nur wenige private Stiftungen für die eigenen Nachkommen nach muslimischem Recht finden (waqf ahlī; → 1.3.3).11 Der heqdesh war im Gegensatz dazu eher eine öffentli‑ che Institution der ganzen Gemeinde. In seinem ‚Sefer ha‑Miṣwot‘ (‚Buch der Gesetze‘) betont Maimonides den Zusam‑ menhang zwischen heqdesh und Opfer, da beide mit einem religiösen Gelübde ver‑ sprochen wurden: „He ordered us to ac‑ complish whatever we have taken upon ourselves by the words: shevūʿā [Schwur], nēder [Gelübde], ṣedāqā, and qorbān [Op‑ fer] (…). He ordered us to give charity, to strengthen those who are weak and to show them generosity (…). We have been warned by Him not to breach what we have taken upon ourselves (…) as also for instance whatever is similar to a sacrifice, such as a vow to house repairs, or to char‑ ity, or to the synagogue, and the like. And whoever breaches his vow (…) will have to be flogged.“12 Tatsächlich wurden Stiftun‑ gen im Rahmen eines Gelübdes verspro‑ chen, das pesiqah genannt wurde. Pesiqah war eine religiöse Pflicht, die regelmäßig an Yom Kippur und manchmal noch an ei‑ nem anderen Tag des Jahres befolgt wurde; die versprochenen Beträge wurden dann von Gemeindeverwaltern eingesammelt. Gelegentlich konnte pesiqah auch verordnet werden, wenn jemand aus der Gemeinde dringend Hilfe brauchte. Beispielsweise galt das für den Freikauf von Gefangenen oder die Leistung der jährlichen Kopfsteuer an die muslimischen Behörden.13 Ein gutes Beispiel für den Ausdruck religiöser Motivation einer Stiftung ist ein

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Dokument aus der Kairoer Geniza vom Jahr 1006: Darin berichten Zeugen über die Sterbebett‑Schenkung einer Stifterin, die kinderlos geblieben war; Teile ihres Hauses hatte sie den zwei Synagogen in Fustat und einer verwaisten Verwandten hinterlassen, den Rest aber für ihre Beerdi‑ gung im heiligen Land bestimmt. Es ist klar, dass sie mit ihrem heqdesh ihre Existenz in der kommenden Welt sichern wollte. Abgesehen von diesem Zeugnis geben die Geniza‑Fragmente bei etwa vierzehn wei‑ teren Stiftungen Informationen, die darauf schließen lassen, dass die religiöse Moti‑ vation eine Rolle gespielt haben dürfte. Da wir aber keine schriftlichen Testamente aus erster Hand und keine schriftlichen stif‑ tungsgründenden Urkunden aus Altkairo haben, sondern nur verkürzte Wiederga‑ ben der Zeugenaussagen vor Gericht, sind weitere Einzelheiten über eine religiöse Motivation nicht überliefert.14 Auch Stiftungen aus Altkairo für Jeru‑ salem waren ohne Zweifel eine religiös motivierte Institution. Beispielhaft hierfür stehen etwa die Dokumente über das Ein‑ kommen eines Hauses, das für Jerusalem gestiftet wurde (dār al-maqādisa).15 Ähn‑ liche religiöse Motivationen kann man auch im Zusammenhang mit Stiftungen für die yeshivot, die hohen Rechtsschulen des Judentums, und für die Armen in Je‑ rusalem für eine frühere Periode in Fustat annehmen.16

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mussten, ist nicht auszuschließen, dass Gelübde zugunsten des örtlichen heqdesh am Neujahrfest oder an Yom Kippur auch in Sepharad verbreitet waren. Belege für die Gelübde wie auch für die Pflicht zu Ab‑ gaben und deren Höhe (etwa in Form eines Zehnten) haben wir aber nicht. In seinem Testament erwähnt allerdings Yehudah b. Asher, der Sohn von Rosh, sein Vater habe in Deutschland – wahrscheinlich in Mainz – verordnet, jedes Gemeindemit‑ glied solle von seinem jährlichen Einkom‑ men einen Zehnten für Wohltätigkeit zur Seite legen und daraus drei Viertel dem Gemeindefonds spenden. Das restliche Viertel durfte man wahrscheinlich den eigenen Verwandten als Almosen geben. Yehudah berichtet auch, dass seine Brüder in Toledo diesen Brauch beibehalten hät‑ ten. Eigentlich war die von ihm bezeugte Abgabe eine Erweiterung des biblischen Getreide‑Zehnten, der religiös vorgeschrie‑ ben war.17 Die privaten oder semiprivaten Stiftungen aus Spanien galten demnach formell als religiöse Widmungen – als heqdeshot. Eine Synagoge oder die zu ihr gehö‑ renden religiösen Gegenstände – wie etwa Öl, Lampen, Becher, Thoramäntel, Tho‑ rarollen, Bücher – wurden eindeutig aus religiöser Motivation gestiftet. Sterbebett‑ Stiftungen oder Zustiftungen enthalten in den lateinischen Notarsurkunden und in den hebräischen Responsa oft Ausdrücke wie „aus Liebe zu Gott“, „für meine See‑ le“, „für das Wohlsein / Heil meiner Seele“ Sepharad oder „als wohltätige Spende für meine See‑ Es ist nicht bekannt, ob eine regelmäßige le an meinem Todestag“ oder sogar „zur Zehntabgabe vor dem 13. Jahrhundert in Erlösung / Sühne meiner Seele“ (in den Sepharad üblich war. Dem Zeugnis von lateinischen Notariatsurkunden über jü‑ Yehuda b. Asher zufolge stammte die ver‑ dische Stiftungen: pro amore dei, pro anima pflichtende Zehntabgabe in Sepharad aus mea, [dedi] caritatem pro anima mea die Aschkenas. Da aber bekannt ist, dass in obitus mei; in den hebräischen Respon‑ Altkairo jährliche Gelübde (neder, nedavah) sa: le-toʿelet nishmati, le-kapparat nishmati zugunsten des heqdesh üblich waren und usw.). Ihre Ähnlichkeit mit Formeln aus diese Gelübde auch eingehalten werden lateinischen Testamenten mag christlichen

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Einfluss beweisen, aber das heißt nicht zugleich, dass in sephardischen Gemein‑ den auch ein entsprechendes liturgisches Gedenken praktiziert worden ist. Diese Ausdrücke bedeuten in den jüdischen Tes‑ tamenten eher, dass der Stiftungsakt selbst ein Erlösungswerk für die Seele sei, und nicht, dass die Stiftung ein Gedenken zur Erlösung der Seele fördern sollte.18 Nach den Responsa des 13. und 14. Jahrhunderts wurde Sterbebett‑Stiftungen sogar Prio‑ rität vor der Begleichung von Schulden oder dem ketubbah‑Geld für die Witwe eines Verstorbenen eingeräumt; später, im 15. Jahrhundert, wurden die Prioritäten allerdings umgekehrt. Ausdruck religiöser Gesinnung waren auch die verschiedenen Strafen und Bußgelder, die dem Fonds ge‑ stiftet wurden. Sehr selten wird in den sephardischen Quellen jedoch explizit die Frage behandelt, wie eine bestimmte Stiftung mit der Beloh‑ nung in der kommenden Welt zusammen‑ hänge. Das ist darauf zurückzuführen, dass im Judentum das Heil in der kommenden Welt vor allem von der Erfüllung der 613 Re‑ ligionsgesetze (miṣwot) abhängt. Trotzdem sind manche besonderen Begründungen bezeugt. Ein Beispiel bietet das Responsum von Rashba, in dem sich der Fragesteller nach der Bedeutung von bT Sanh 104 er‑ kundigt: „Der Vater kann durch die Ver‑ dienste seines Sohnes von seiner Schuld befreit werden, aber nicht der Sohn durch die Verdienste des Vaters.“ Rashba gibt eine Erklärung, bei der midrash‑Motive zur Geltung kommen: Der Mensch bestehe aus Leib und Seele; er erfahre leiblichen Lohn und leibliche Strafe in dieser Welt und seelische Strafen und Belohnungen in der kommenden. Vater und Mutter geben dem Menschen den Leib, Gott gebe ihm die Seele. Der Vater hat folglich keinen Anteil an der Seele des Sohnes, aber der Sohn, der mit seinem Vater aufgewachsen

ist, habe einen Anteil an der Seele seines Vaters. Rashba fügt noch hinzu, es nutze auch, wenn man ṣedaqah übe oder tefillah (ein Gebet) zugunsten des Verstorbenen spreche. Als Vorbild hierfür dient ihm ein Beispiel aus der Bibel: David habe wegen seines schuldigen Sohnes geweint (bT Sot 10, Tosafot s. v. ve-atyah). Das sei das Gleiche, was die Juden mit der ṣedaqah und mit niḥut nefesh (wahrscheinlich: Gebete für einen Verstorbenen) übten.19 Aschkenas Der Brauch der verpflichtenden Zehnt‑ abgabe stammte wahrscheinlich aus Asch‑ kenas; diese wurde dem Fonds durch ein Gelübde an Yom Kippur gewidmet. Sehr oft hat man einen ḥerem, eine Verordnung unter Androhung der Exkommunikation, für eine Abgabe erlassen; die ganze Ge‑ meinde musste dann eine bestimmte Sum‑ me oder einen bestimmten prozentualen Anteil ihres Vermögens für einen festge‑ setzten Zweck geben. Formell waren auch alle privaten oder semi‑privaten heqdeshot durch Gelübde oder Schwur dem Gemein‑ defonds gewidmet (neder, nedavah, heqdesh, shevuʿa). Wie in Spanien hatten in Aschke‑ nas Sterbebett‑Stiftungen Priorität vor der Begleichung von Schulden und dem Auf‑ bringen des ketubbah‑Geldes für die Witwe des Verstorbenen. Auch hier stifteten viele Frauen für Synagogen; ebenfalls wurden Strafen und Bußgelder dem Gemeindefonds gewidmet. Die aschkenasischen privaten oder semi‑privaten Sterbebett‑Stiftungen konnten aber ausdrücklich auch mit der Auflage des Gedenkens der Stifter und Stifterinnen oder ihrer Angehörigen ver‑ bunden werden (wortwörtlich „Erwäh‑ nung ihrer / seiner / meiner Seele“, hazqarat nishmati / nishmat bitti). (→ 8.4.2) Auch im ‚Sefer Ḥasidim‘ war der Brauch des Ge‑ denkens, der Fürbitte und der Spende für die Seele der Verstorbenen vorgesehen.20

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Aus dem Nürnberger Memorbuch wissen wir weiterhin, dass in Nürnberg seit der Mitte des 14. Jahrhunderts für Stiftungen für Jerusalem gesammelt wurde oder diese testamentarisch bestiftet wurden und dass die Erträge dieser Stiftungen auch tatsäch‑ lich ins heilige Land gebracht worden sind. Israel Yuval nimmt an, dass die Testatoren die Begünstigten im heiligen Land um ein Gebet für den „Aufstieg ihrer Seele“ (ʿilluy neshama) gebeten haben. 7.4.3  Weltliche Ambitionen Materielle Motivation Obwohl die wichtigste Stiftermotivation in den mittelalterlichen jüdischen Gemeinden eine religiöse war, gab es auch diesseitige Gründe zu stiften. Einer davon war die materielle Motivation: Indem der Stifter sein Vermögen oder einen Teil davon dem heqdesh stiftete, konnte er es unter Umstän‑ den auch längerfristig sichern. Die Stifter verfolgten dabei meistens zwei Zwecke: Wenn auch das Kapital selbst an den heqdesh überging, wollten sie (a.) wenigstens dessen Zinserträge für die eigenen Erben bewahren oder (b.) das Vermögen vor Kon‑ fiskation durch nichtjüdische Behörden schützen, da das Gemeindeeigentum auch nach nichtjüdischer Rechtslage besseren Schutz genoss als privates Eigentum. Claude Cahen ist der Meinung, dass bei islamischen Familien‑awqāf das wichtigs‑ te Motiv die Umgehung des islamischen Rechts war, nach dem auch Töchter Erb‑ recht genossen. Die meisten waqf ‑Regu‑ larien sahen tatsächlich vor, die Töchter oder wenigstens deren Erben von der Erb‑ schaft auszuschließen. Indem der Vater aus seinem Vermögen einen waqf machte, konnte er dessen Erträge zukommen lassen, wem er wollte.21 Nach muslimischem Recht

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konnte jeder Angehörige einer Schriftre‑ ligion (ḏimmī) einen waqf für seine Erben errichten, vorausgesetzt, dass die Stiftung den Armen seiner Religion zugutekomme, wenn die Familie des Erblassers erlösche. In den von Moshe Gil herausgegebenen Dokumenten der Geniza von Kairo ist zum Beispiel aus dem Jahr 1161 eine Stiftung eines Viertels eines Hauses an den heqdesh belegt. Stifterin ist Sitt an‑Naẓar, die Tochter von Ephraim Ḥalfōn. Ein Sechstel dieses Stiftungsgutes behielt Sitt einem Verwandten vor, sie wollte aber die Rente Zeit ihres Lebens selbst genießen und erst nach ihrem Tod dem Mann und dessen Nachkommen sowie dessen Mutter zugu‑ tekommen lassen; erst nach dem Tod auch dieser Personen sollte alles dem heqdesh gehören. Vielleicht kann man eine ähnli‑ che Überlegung bei einer Mietrechnung aus dem Jahr 1186 unterstellen, die ein zu einem Viertel dem Gemeindefonds gestif‑ tetes Haus betrifft. Die Stifterin, Naẓar, Tochter von ʿAbdallah, wohnte nach der Übertragung des Besitzanteiles weiterhin im Haus und zahlte dem heqdesh Miete. Dass die Häuser des heqdesh nicht so leicht konfisziert werden konnten wie Geld, an‑ dere Mobilien oder Immobilien in priva‑ tem Besitz, wissen wir auch aus einem Dokument des 12. Jahrhunderts: Danach war wiederum ein Viertel eines Hauses für die Wohltätigkeit zugunsten der Armen unter Rabbinen und Karäern bestimmt. Während einer allgemeinen Konfiskation nach 1127 setzte ein Verwalter, der eine Summe Geldes aus dem heqdesh in seinen Händen hatte, ein fiktives Dokument auf, dem zufolge das Geld schon für den Erhalt dieses Immobilienvermögens ausgegeben worden war.22 Dank der Toleranz der Fatimiden konn‑ ten jüdische awqāf in der früheren klassi‑ schen Geniza‑Zeit – etwa vom 10. bis ins 12. Jahrhundert – florieren. Die Ayyūbiden

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dagegen waren weniger großzügig und ak‑ zeptierten nicht immer die Entscheidungen jüdischer Gerichtshöfe, wenn es um eine jüdische Stiftung ging. Ein Beispiel dafür ist in einem Responsum von Maimonides überliefert: Es ging dabei um ein Laden‑ lokal, das von einem Juden, der keine Erben hatte, dem heqdesh gestiftet worden war; das Einkommen sollte Thorastudenten zu‑ gutekommen. Anscheinend klagten aber später die ayyūbidischen Behörden den Verwalter des heqdesh an und wollten das Ladenlokal konfiszieren, da es ihm nicht gehöre und es keine Erben gebe. In der Ayyūbidenzeit gab es tatsächlich keine neuen Stiftungen zugunsten des heqdesh mehr; die letzte Dedikation stammt vom Jahre 1165.23 Aus den sephardischen Responsa liegen ebenfalls Beispiele dafür vor, dass Stiftun‑ gen an den heqdesh auch der Sicherung des Vermögens gegen Konfiskation dien‑ ten. Aus einem Responsum von Rashbaṣ (Shimon b. Ṣemah Duran, 1361–1444) er‑ fährt man, dass ein Jude im Sterben lag, der keine Verwandten in der Stadt hatte. Aus Furcht, der Herrscher könne all sein Erbe nach seinem Tod an sich nehmen, stiftete er es daher dem heqdesh für die Armen Jerusalems. Nach seinem Tod sei indessen ein armer Verwandter herbeigekommen und habe die Gemeinde darum gebeten, einen Anteil des Erbes zu erhalten. Dies wurde ihm gewährt, denn er sei ja auch arm, und die Stiftung habe den Armen von Jerusalem zugutekommen sollen.24 Ähn‑ liche Überlegungen mögen bei einer Wit‑ we aus Huesca eine Rolle gespielt haben, die all ihren Besitz dem heqdesh und den Waisen ihres Mannes hinterließ, sodass ihre Erben kein Recht auf ihr Vermögen geltend machen konnten.25 Manchmal wurde die Weitergabe des Vermögens aber auch gesichert, indem die

Nachkommen des Stifters als Verwalter des heqdesh von einer Stiftung profitierten. Gemäß einem von Baer publizierten hebrä‑ ischen Stiftungsdokument aus Sevilla vom 6. Juni 1332 stiftete Josef von Ecija einen Fonds, bestehend aus einem Weingarten und 5 000 Goldmünzen, zum Unterhalt ei‑ nes Lehrhauses in seiner Heimatstadt, des‑ sen Verwalter seine Söhne und die Nach‑ kommen seiner Söhne sein sollten; für ihre Dienste erhielten sie zugleich auch eine Un‑ terstützung von derselben Stiftung.26 Ähn‑ liche Überlegungen mögen einen weiteren Testator geleitet haben, der zugunsten der Armen dem heqdesh eine Stiftung widmete und seine eigene Nachkommenschaft zur Verwaltung bestimmte, ohne dass in die‑ sem Falle freilich ausdrücklich ein Gehalt dafür festgelegt wurde.27 Für die Gründung von privaten oder semi‑ privaten Stiftungen spielten wahrschein‑ lich auch in Aschkenas materielle Sicher‑ heitsüberlegungen immer wieder eine Rolle. Wenn der Testator oder Stifter all sein Vermögen dem heqdesh überließ oder es unter dem heqdesh und seinen Erben aufteilte und dabei auch eigene Verwalter benannte, schützte er zugleich auch das Vermögen gegenüber den nichtjüdischen Autoritäten. Andererseits wird etwa in einem Responsum von Meir b. Baruch von Rothenburg (Maharam) von einer Frau be‑ richtet, die verhindern wollte, dass das Vermögen ihres verstorbenen Mannes in die Hände seiner Verwandten gelangte. Sie stiftete darum ihr ketubbah‑Geld, das ihr nach dem jüdischen Ehevertrag im Falle des Todes ihres Mannes zustand, an drei verschiedenen Orten dem heqdesh, bevor das Vermögen des Verstorbenen verbind‑ lich aufgeteilt war. Die Verwandten ihres Mannes forderten jedoch das Geld für sich. Da man aber mit einfachen Worten ein Ver‑ mögen dem heqdesh stiften könne, so Meir

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b. Baruch, dürften die Erben den Nach‑ lass des Mannes nicht an sich reißen. Ob einfache Worte genügten, um etwas dem heqdesh zu stiften, war im Talmud noch nicht eindeutig festgelegt – Rav und Shmu‑ el entscheiden, dass es genügte, R. Eliezer aber entschied anders. Erstere Lehrmei‑ nung wurde ab dem 11. Jahrhundert auch in Sepharad verbindlich. Aus einem Re‑ sponsum Maharams erfahren wir jedoch, dass sich in Aschkenas diese Auffassung nicht überall durchgesetzt hatte: Maharam entschied zwar gemäß der Meinung von Rav und Shmuel, aber er merkte auch an, dass der große Rabbi Simcha bar Shmuel von Speyer (ca. 1200) R. Eliezers Meinung gefolgt sei, der zufolge eine gültige Stiftung vor einem Rabbinatsgericht (qinyan bet-din) vollzogen werden müsse, und dass man es auch in Würzburg noch heute so halte.28 Prestigeerhöhung als Motivation Die zweite mögliche diesseitige Motivation für Stiftungen bestand in der Erhöhung des persönlichen Prestiges, etwa dadurch, ei‑ nen Ehrentitel in der Gemeinde zu erhalten. Einen Wettbewerb um Rang und Titel in‑ nerhalb der und unter den jüdischen Ge‑ meinden gab es immer, und die Verwalter des Kairoer heqdesh nutzten diesen Um‑ stand mitunter sehr geschickt aus, um das Vermögen des Fonds zu vergrößern. Beleg dafür ist etwa ein Brief von 1040, geschrie‑ ben von Yefet b. David b. Shekhanyah, dem Kantor der palästinischen Synagoge, an den Gaon Solomon b. Yehuda, das Haupt der yeshivah, der hohen Rechtsschule, in Jeru‑ salem. Yefet legt dar, dass das Ansehen der palästinischen Synagoge durch die Aus‑ zeichnung mit Ehrentiteln für Stiftungen zugunsten der yeshivah in Jerusalem erhöht werde, dass aber die Gemeinde der babylo‑ nischen Synagoge in dieser Hinsicht viel erfolgreicher sei.29 Es war ein allgemeiner

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Brauch während des ganzen Mittelalters, dass die Stifter zugunsten der yeshivot automatisch den Titel ḥaver ha-yeshivah (‚Freund der yeshivah‘) bekamen. Damit wurde zugleich ein akademischer Grad verliehen, der allerdings niedriger als der eines Rabbis bewertet wurde. So vergaben die Verwalter der Gemeinde von Aschkelon den Titel ‚Älteste‘ (zaqen) an Unterstützer ihrer yeshivah.30 Da die großen babyloni‑ schen yeshivot in Sura und Pumbedita die wichtigsten Zentren jüdischer Rechtsge‑ lehrsamkeit waren, erwarteten sie von den Diasporagemeinden materielle Unterstüt‑ zung. Die yeshivah‑Leiter ernannten als Verwalter dieser Stiftungen meistens sehr reiche Kaufleute.31 Einschlägig sind hier mehrere Briefe aus der Geniza aus der Zeit um die Jahrtausendwende, die von R. Sher‑ ira und seinem Sohn R. Hai, den Gaons von Pumbedita, sowie von R. Shmuel b. Hofni, dem Gaon von Sura, stammten und an die Gemeinde von Fes in Nord‑Afrika gerichtet waren. Diese Schriftstücke enthalten Re‑ sponsa auf Anfragen und zugleich Bitten für die Unterstützung der zwei yeshivot in Babylonien. Die Adressaten waren reiche Kaufleute aus dem Maghreb,32 denn diese waren oft daran interessiert, als Patrone zu fungieren und durch das so gesteigerte Prestige ihre Beziehungen zu allen jüdi‑ schen Gemeinden zu stärken 33. Die Leiter der yeshivot wollten sich aber ihrerseits ebenfalls Ehren sichern, die Patronen und Unterstützern zustand, und sorgten auch darum dafür, dass andernorts Geldsamm‑ lungen für ihre Institutionen durchgeführt wurden. In den Jahren 962 und 963 schrieb etwa Sherira Gaon Unterstützungsgesuche an die babylonische Gemeinde in Fustat. In einem der Briefe klagt er darüber, dass ein Rivale – wahrscheinlich Nehemiah Gaon – eifersüchtig auf ihn sei, üble Nachreden über ihn in Fustat verbreitetet habe und er deshalb zu Unrecht das Vertrauen und die

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materielle Unterstützung der dortigen ba‑ bylonischen Gemeinde verloren habe.34 In der Geniza ist auch ein Dokument aus den 1180er Jahren überliefert, dem zufolge der heqdesh von Fustat der Familie des verstor‑ benen babylonischen Exilarchen (nesiʾim) eine Unterstützung gezahlt habe.35 In den 1050er und 1060er Jahren engagierten sich Mūsā b. Barhūn und Abū Isḥaq b. Barhūn b. Mūsā, Mitglieder der reichen, ursprüng‑ lich aus dem Maghreb stammenden und in Fustat ansässigen Kaufmannsfamilie Tāhirtī, stark caritativ; in ihren etwa 22 überlieferten Briefen an Nehorai b. Nissim, das Haupt der Fustat‑Gemeinde, berichten sie über ihre Unterstützung der dortigen Armen.36 Besonders Stiftungen für die Armen von Jerusalem 37 und für den Freikauf von Ge‑ fangenen brachten den Wohltätern in den eigenen Gemeinden große Ehrungen ein. Manchmal sind die Namen der Stifter von Gebäuden oder Land für die Synagogen in Fustat bekannt, etwa Meshullām Ibn Shu‑ rayq al‑Dimashqī im Jahre 1090, Peraḥyā b. Jacob um das Jahr 1095, Sitt Riyāḍ al‑ Nāʾiḥa um 1160 und Sitt al‑Naẓar, Tochter von Ephraim Ḥalfōn, im Jahre 1161.38 Die Stifternamen wurden sicher auch in der Synagoge verlesen. Die Stifter und Sammler von Spenden für Jerusalem, für die yeshivah und für die Armen Jerusalems hatten während der fatimidischen Zeit an einer noch höheren Ehre teil: Ihre Namen wurden nämlich während der großen Pilgerfahrt auf dem Ölberg während des Schawuot laut verle‑ sen und gesegnet. So zeichnete man auch den Namen von Ephraim b. Shemaria aus, weil er eine diyoqne (‚Zahlungsanweisung‘) über eine Summe von 29,5 Dinar von Fustat nach Jerusalem gesandt hatte. Den Stiftern wurden auch sehr viele Dankesbriefe ge‑ sandt, verbunden mit dem Versprechen, dass man für sie beten werde.39

Über eine Ehrengabe anderer Art er‑ halten wir Kenntnis durch ein weiteres Geniza‑Fragment. Es stammt etwa von 1040, berichtet aber von der Tätigkeit des heqdesh Ende des 10. und Anfang des 11. Jahrhunderts; offensichtlich war das Schriftstück für die Veröffentlichung in der Synagoge bestimmt. Es berichtet von den Zerstörungen durch den Kalifen al‑Hakim von 1012 und wir erfahren, dass es Brauch war, bei der Wiederherstellung zerstörter Gebäude eine Inschrift mit dem Namen des Stifters anzubringen.40 Synagogen‑ inschriften selbst sind in Altkairo nicht erhalten geblieben, aber in einem Fragment aus dem 13. Jahrhundert wird Obadiah b. Japhet Abū ʾl‑Maʿālī als Stifter des Syn‑ agogenneubaus und des Umbaus genannt. (→ 6.4.2) Die Bedeutung der Ehre, die die Stiftung von Thorarollen einbrachte, geht auch aus den Kolophonen dieser Schrift‑ zeugnisse hervor. (→ 6.4.5) In Spanien bieten die Synagoge von Cór‑ doba und die El‑Tránsito‑Synagoge in To‑ ledo mittelalterliche Stifterinschriften. Der Text aus Córdoba (1315) nennt Isaak Meḥab, der der El‑Tránsito‑Synagoge in Toledo (1356 / 1357) nennt Samuel Halevi Abulafia als Stifter. (→ 6.4.2) Die Bedeutung solcher Stifterinschriften in den spanischen mittel‑ alterlichen Gemeinden unterstreicht ein Responsum von Rashba: Ein Stifter wollte seinen Namen an dem Haus angebracht sehen, das er für den heqdesh gekauft hat‑ te und das neben der Synagoge stand; die Gemeinde sei aber damit nicht einverstan‑ den gewesen. Rashba entschied, der Stifter habe ein Recht auf eine Namensinschrift.41 Es gibt mehrere Belege für Sterbebett‑ Stiftungen zur Errichtung einer privaten oder einer Gemeindesynagoge; sie konn‑ ten auch die Gründung eines Lehrhauses zum Zweck haben oder der Synagoge bzw. dem Lehrhaus eine Thorarolle, Bücher oder

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das Gehalt des Lehrers widmen, wie dies etwa in Huesca in Katalonien, in Lérida in Aragón42, in Escalona43 oder Arévalo44 in Kastilien der Fall war. Diese Stiftungen bedeuteten eine große Ehre für den Stifter auch nach seinem Tod, ebenso wie für sei‑ ne Nachkommen. Dass es auch in Spanien unter den Gemeindemitgliedern einen Wettbewerb um Ehre gab, wissen wir ebenso durch Responsa. In einem dieser Zeugnisse ist davon die Rede, dass jemand dem heqdesh eine Thorarolle gestiftet habe, die auf das Vorlesepult (bima) zu bringen sei und dort der öffentlichen Lesung diene. Ein ande‑ rer Angehöriger der Gemeinde wollte an dieser Ehre teilhaben, aber die Gemeinde war dagegen. Die Antwort des Respon‑ denten ging dahin, dass es vom Willen des ursprünglichen Stifters abhänge, ob auch einem anderen Gemeindemitglied die Ehre zuteil werden dürfe, am Pult öf‑ fentlich aus der Thora zu lesen.45 Ohne Zweifel war die Stiftung einer Thorarolle oder einer Spende für das Thoralesen ein sehr verbreiteter Brauch sowohl in den spanischen als auch in den aschkenasi‑ schen Gemeinden. Andererseits wurde erlaubt, Geld, das Leute für das Thoralesen gestiftet hatten, für Wohltätigkeitszwecke umzuwidmen.46 Stifterinschriften an Synagogen sind auch aus Deutschland, Frankreich und Italien erhalten geblieben (→ 6.4.2), woraus man schließen kann, dass Ehre in Form von Gedenken hier ebenfalls eine wichtige Rolle spielte. Die Vorschriften des ‚Sefer Ḥasidim‘ sind in dieser Hinsicht jedoch eine Ausnahme, da Judah Hasid selbst sich gegen die Einrichtung eines Stiftergeden‑ kens aussprach.47 Als Grund dafür wird angegeben, dass der Gottesfürchtige alles um des Namens Gottes (le-shem Shamyim) und nichts um irdischen Nutzens willen

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tun solle. Nichtsdestoweniger spielten aber Ehre, Ruhm und Gedenken eine be‑ deutende Rolle. Kultusobjekte, vor allem Thorarollen und Bücher, trugen sehr oft den Namen des Stifters als Inschrift bezie‑ hungsweise im Kolophon. (→ 6.4.5) Ob der Name des Stifters in Vergessenheit geraten war oder nicht, war sogar ein Kriterium für das Recht der Gemeinde oder ihrer Verwalter, den Stiftungszweck zu ändern. Nach dem ‚Sefer Miṣwot Qatan‘ (Nr. 248) des nordfranzösischen Gelehrten R. Isaak von Corbeil aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts durfte man ein gestiftetes Kultusobjekt oder Gelderträge für etwas anderes aufwenden, wenn der Name des Stifters vergessen war.48 Gegenstand einer der größten Rivalitä‑ ten um Ehre war auch in Aschkenas unter den Gemeindemitgliedern das öffentliche Lesen aus der Thorarolle an den dafür be‑ stimmten Tagen der Woche. Gemeinde‑ mitglieder, die vielleicht nicht als gottes‑ fürchtig galten, aber reich waren und sich um ihr Ansehen in der Gemeinde sorgten, erkauften sich oft mit Wohltätigkeitsstif‑ tungen das Recht, vor der Gemeinde aus der Thora zu lesen. Zwei Paragraphen des ‚Sefer Ḥasidim‘ enthalten ein Responsum zu diesem Phänomen: Fragesteller war ein Verwalter einer jüdischen Gemeinde in Böhmen, der sich an mehrere Gelehrte in Regensburg wandte. Der Verwalter be‑ schwerte sich darüber, dass sich in seiner Gemeinde zwölf Leute zusammengetan hätten, um sich für das ganze Jahr das Recht auf das Thoralesen zu erkaufen; in jedem Monat gebe einer von ihnen dafür eine Goldmünze in den Gemeindefonds. Gottesfürchtigen Gemeindemitgliedern, die weniger für die Wohltätigkeit geben könnten, sei es so unmöglich, zur Thora‑ lesung gerufen zu werden. Ruhmsucht dür‑ fe eigentlich keine Rolle bei der Ausübung einer Mitzwa spielen, doch erlaubte der

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Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

Respondent in diesem Fall den reichen Ge‑ meindemitgliedern, die Ehre mit ṣedaqah‑ Geld zu erkaufen, da die Armen der Ge‑ meinde davon profitierten. Allein Gott werde das Gewissen der Spender zur Re‑ chenschaft ziehen.49 Nach einem anderen Responsum von R. Israel Bruna hatten zwei Gemeindemitglieder zusammen ‚miṣwot gekauft‘, also das Recht zum Thoralesen mit einer Stiftung erworben, und sich darauf geeinigt, dass sie sich gegenseitig auch in der Synagoge vertreten könnten. Als ei‑ ner der beiden starb, stifteten seine Erben

seinen Teil dem Gemeindefonds (quppah shel ṣedaqa). Der andere machte geltend, dass die Vereinbarung noch gültig sei, so dass er das vereinbarte Recht des Vorle‑ sens anstelle seines verstorbenen Partners weiterhin in Anspruch nehmen könne. Die Entscheidung gab aber den Erben des Ver‑ storbenen recht.50 Auch zum ‚Kauf‘ eines prominenten Sitzplatzes in der Synagoge konnte man sich in gleicher Weise einer Stiftung bedienen. EK

Anmerkungen 1  Lusiardi, Stiftung und Seelenheil (2005), 65–67. 8 Urbach, Political and Social Tendencies (1951), 9, 2 Documents of the Jewish Pious Foundations Anm. 56. from the Cairo Geniza. Ed. und übers. Moshe Gil. 9 Ebd., 11 f. (Publications of the Diaspora Institute Tel Aviv 10  Ebd., 21; bT Sot 14a. University, Bd. 12.) Leiden 1976, 11. 11  Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 11. 3 Saadya Gaon, The Book of Doctrines and Be‑ 12  Sefer ha‑Miṣwot le‑ha‑Nesher ha‑Gadol

liefs. Übers. Alexander Altmann. Oxford 1946, ND Moshe bar Maimon z‫״‬l. Ed. Shmuel ha-Levi ZuIndianapolis 2002, 181. ckermann. Jerusalem 1926, Teil 1, 151b, Nrn. 194 f.; Teil 2, 223a, Nr. 157. Zitiert nach Documents. Ed. 4  Vgl. bT Bava Batra 9a; 10b; 11a; bT Ket 68a. 5 Urbach, Political and Social Tendencies (1951), 9, Gil (wie Anm. 2), 12. Anm. 55; 13. Vgl. bT Bava Batra 9a; 10a; bT Shab 156b. 13  Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, 6 Vgl. m Sheq 5.6; bT Ber 58b; bT Shab 104a; ND 1999), 106. bT Taʿan 21b; bT Ḥag 5a; bT Ket 67b. Vom ge- 14  Vgl. Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 119–127, hinnom (dem jüdischen Terminus für gehenna, Nr. 1; 127–136, Nr. 2; 136–144, Nr. 3; 151–154, Nr. 7; Hölle) als Ort der Strafe nach dem Tod gibt es 214–217, Nr. 33; 217–219, Nr. 34; 232–240, Nr. 41; Beschreibungen in m Qid 4.14; m Av 1.5; 5.19–20; 246–251, Nr. 45; 270–274, Nr. 55; 294 f., Nr. 63; 295 f., t Ber 6.15; bT Ber 28b; bT RH 16b; 7a; bT Sanh 98a; Nr. 64; 299, Nr. 66; 319–321, Nr. 75; 368 f., Nr. 96; 110a. Danach wird jemand höchstens ein Jahr 482–484, Nr. 147. Dafür, dass ein mündlicher Stif‑ zum gehinnom verurteilt; anschließend kommt tungsakt ausreicht, vgl. ebd., 19: „In medieval er entweder in den gan-Eden (den Garten Eden) as well as talmudic times, there was repeated oder er wird auf ewig zum gehinnom verurteilt. recognition that a simple procedure was all that Für die mittelalterlichen Vorstellungen über was required for the transfer of’ properties to the den Zusammenhang von Verdienst (z. B. durch qōdesh. Reference is made to a responsum provid‑ ṣedaqah) und Urteil im gehinnom (dinah shel gehin- ing that even if the decision to donate something nom) ist der ‚Sefer Ḥasidim‘ besonders wichtig: to charity was made in oneʼs heart without being Sefer Ḥasidim. Ed. Judah Wistinetski. Berlin 1891, stated orally, one is still obliged to implement it ND Frankfurt a. M. 1924, 15–21, Nr. 15; 25 f., Nr. 21; (…). Therefore, it may well be that many of the 50 f., Nr. 72. Vgl. auch unten, Anm. 23. houses of the qōdesh in Fustat had been dedicated 7 Urbach, Political and Social Tendencies (1951), by means of an oral statement made in public. 1–7; bT Bava Batra 10a. There are, of course, those that were dedicated

Juden

by means of deathbed declarations, with proce‑ dures and formula peculiar to them. But as far as donations made during lifetime are concerned, the procedure seems to have been simple.“ 15  Vgl. ebd., 149–151, Nr. 6; 212–214, Nr. 32; 244– 246, Nr. 44; 369–372, Nr. 97. 16  Vgl. Yuval, Almosen aus Nürnberg (1981), 188. Sowohl für Aschkenas und Sepharad als auch für die klassische Geniza‑Zeit (11.–13. Jahrhundert) gilt, dass Stiftungen bzw. Spenden für Jerusalem mit messianischen Hoffnungen verbunden sein konnten und diese sogar zu den wichtigsten Mo‑ tiven zählten. Nach Goitein, Meeting in Jerusalem (1979), 50, erwarteten die Juden der klassischen Geniza‑Zeit das Erscheinen des Messias in der nächsten Zukunft: „The senders [of the letters], one feels, expected him to be just around the corner (…). Private persons expressed the desire not to part this life before the exile was termi‑ nated“. Mit dem Auftritt des Messias beginnt der Tradition nach die Sammlung der Juden aus der ganzen Diaspora in Jerusalem, also die Erlösung aus dem Exil (galut), die in der Auferstehung der Toten mündet. Stiftungen und Spenden zuguns‑ ten von Jerusalem und dem heiligen Land, also dem Ort der Erlösung, waren ein herausragendes religiöses Gesetz (miṣwah); man glaubte, dass sie das Heil der Juden beschleunigen könnten. 17  Sheʾelot u‑Teshuvot Zikhron Yehudah le‑ Rabenu Yehudah ben ha‑Rosh. Ed. Avraham Y. Ḥavatselet. Jerusalem 2005, 180 f. Engl. Übers.: Hebrew Ethical Wills. Ed. und übers. Israel Abrahams. Philadelphia 1926, 193, Nr. 8; vgl. auch Galinsky, Custom (2011), 214 f. 18  Burns, Jews in the Notarial Culture (1996), 98; 101; 108; 84; 89; 121–123; Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 431 f. 19  Sefer Sheʾelot u‑teshuvot ha‑Rashba, Bd. 4. Ed. Rafael ha-Levi. Piotrków Trybunalski 1813, ND Jerusalem 1960, Teil 5, 8, Nr. 49. 20 Sefer Ḥasidim. Ed. Wistinetski. (wie Anm. 6), 33–37, Nrn. 32; 34 f. In den Nummern 34 und 35 wird erklärt, wie und warum Gebete, ṣedaqah und Fasten zugunsten des Stifters nach seinem Tod sei‑ nem Seelenheil nützten. In Nr. 34 hießt es: „Wenn jemand nicht schon während seiner Lebenszeit [sein Vermögen oder eine Spende] in die Hände eines Sachverwalters [neʾeman] gegeben hat, damit dieser es nach seinem Tod [dem Gemeindefonds

59 oder den Begünstigten] gibt, wird es ihm nichts nützen, wenn andere für ihn [nach seinem Tod] ein ganzes Haus voll von Gold geben. Aber wenn er sowohl Verdienste als auch Sünden hat, dann kann der Lebende für ihn fasten und beten, damit seine Strafen vermindert werden entsprechend dem, was der Lebende als Strafe auf sich nimmt. Und der Lebende kann für ihn auch ṣedaqah geben, um seine Strafen entweder zu vermindern oder zu vergrößern gemäß der Größe der Sünden des Toten. Der Lebende kann sogar sagen: ‚Ich werde eine Qual auf mich nehmen, damit ich ihn [aus dem gehinnom] herausbringe.‘ Das gilt jedoch nur, wenn er auch Verdienste hat (…). Denn es kann nicht sein, dass jemandem die kommende Welt [ʿolam ha-ba ʾ] gegeben wird, ohne dass er daran gearbeitet hätte. Und es steht geschrieben: ‚Zu derselben Zeit wird man die Gebeine der Könige von Juda (…) aus ihren Gräbern werfen‘ [Jer 8.1], und auch Ezekias hat die Gebeine seines Vaters herausgeschleppt, damit sie für ihn als Sühne [kapparah] dienen [vgl. bT Pes 56a], denn es steht auch geschrieben: ‚Ihre Missetat ist über ihre Ge‑ beine gekommen‘ [Ez 32.27]. Deshalb nützt ṣedaqah auch nach dem Tod (…).“ In Nr. 35: „Es gibt eine Geschichte über einen ḥasid [frommen Juden], der für die Seelen ein Gelübde gemacht hatte [hayah noder], zuerst für seine Verwandten, und danach auch für alle Seelen ohne Nennung ihrer Namen [stam]. Man fragte ihn: ‚Warum tust du das?‘ Er antwortete: ‚Vielleicht gibt es eine unter den Seelen, von deren früheren Verdiensten ich heute Nutzen habe und ich will nicht undankbar sein. Und auch deshalb, weil es auch mir Nutzen bringt.‘“ – Auf Hebräisch: ‫אם לא נתן בחייו ביד נאמן‬ ‫ אילו היו אחרים נותנין בשבילו בית מלא‬,‫לתת לאחר מותו‬ ‫ אם זכה ועשה עבירות יכול החי‬.‫זהב בשביל המת לא יועיל‬ ‫בשבילו להתענות או להתפלל שימעיטו פורענותו כנגד מה‬ ‫שהחי מקבל פורענות וצדקה למעט פורענותו או להרבות‬ ‫ אף לאחר מיתה יכול לומר אני‬.‫פורענותו כנגד העבירות‬ ‫אקבל עלי שום צער כדי להוציאו זוהו דוקא אם זכה… כי לא‬ (‫ וכתיב )ירמיה ח א‬.‫יתכן לתת עולם הבא למי שלא עמל בו‬ ‫יוציאו ]את[ עצמות מלכי יהודה )פסחים נו ע״א( וחזקיה גירר‬ ‫עצמות אביו להיות כפרה לפי שכתוב )יחזקאל לב כז( ותהי‬ ‫ ולכך מועלת צדקה לאחר מיתה… ]סי׳‬.‫עונותם על עצמותם‬ ‫לה[ מעשה בחסיד אחד שהיה נודר בשביל הנשמות בשביל‬ ‫ אמרו‬.‫קרוביו ואחר הכל היה נודר בסתם בשביל כל הנשמות‬ ‫לו למה אתה עושה כן אמר להם מפני שמא יש מהם שאני נהנה‬ ‫ מזכותו ולא אהיה כפוי טובה ועוד הם כמו כן בשבילם ייטיב לי‬.

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Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

21 Cahen, Réflexions sur le waqf ancien (1961),

54 f.; Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 6. 22 Ebd., 299, Nr. 66 aus dem Jahr 1161; 368 f., Nr. 96 aus dem Jahr 1186; 246–251, Nr. 45 von nach dem Jahr 1127. 23 Ebd., 10; Teshuvot ha‑Rambam, 3 Bde. Ed. Jehoshua Blau. Jerusalem 1957, Bd. 2, 370–373, Nr. 209 f. 24 Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Meir Crescas. Lemberg 1891, Teil 3, 26, Nr. 152. 25 Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot she‑hibber ha‑Rav ha‑Maor ha‑Gadol Rabbenu Shlomo ben Adret. Ed. Zeev Wolf , Bde 1–3. Bnei Brak 1958–1971, Bd. 1, 172, Nr. 296. 26 Die Juden im christlichen Spanien. Erster Teil: Urkunden und Regesten, 2 Bde. Ed. Fritz Baer. (Veröffentlichungen der Akademie für die Wissenschaft des Judentums. Historische Sek‑ tion, Bd. 4.) Berlin 1929–1936, ND Farnborough (Hampshire) 1970, Bd. 2, 153–158, Nr. 157. 27 Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot R. Shlomo ben Ad‑ ret. Ed. Wolf (wie Anm. 25), Bd. 3, 173, Nr. 297. 28 Vgl. Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot Maharam. Ed. Vicenzo Conti. Cremona 1558, 32, Nr. 88. 29 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 11; Mann, Texts and Studies, Bd. 1 (1931, ND 1972), 258; Goitein, Mediterranean Society, Bd. 1 (1967, ND 1999), 21; 399, Anm. 53. 30 Yagur, Geopolitics (2012), 62–65. Yagur zi‑ tiert auch andere Attribute und Titel, die von der yeshivah in Aschkelon ihren ehrwürdigen Unterstützern und Stiftern aus Aschkelon oder Ägypten verliehen wurden und die selten vorka‑ men, was den Wert dieser Titel noch steigerte: segullat ha-qahal, sagul qahal, sagul qahal-misrayim, sagul qahal-soʿan, segullat ha-yeshivah (‚Schatz der Gemeinde‘, ‚Schatz der Gemeinde in Ägyp‑ ten‘, ‚Schatz der yeshivah‘) oder yadid ha-yeshivah (‚Freund der yeshivah‘). 31 Gil, Jews in Islamic Countries (2004), 141–145, Nrn. 97 f. – Eine altehrwürdige Tradition bestand darin, dass Sura zwei Drittel und Pumbedita ein Drittel aus den Sammlungen für die babyloni‑ schen Schulen erhielten. 32 Ebd., 170 f., Nr. 117, Anm. 117. 33 Rustow, Benefaction (2009); Dies., Formal and informal patronage (2008); Dies., Genizah (2011). 34 Gil, Jews in Islamic Countries (2004), 236–239, Nr. 147, hier 238, Anm. 147.

35 Ebd., 441 f., Nr. 257, Anm. 257: „We meet a

great number of nesīʾīm in the first half of the thirteenth century“; vgl. auch ebd., 440. 36 Ebd., 703 f., Nr. 391, Anm. 391. 37 Über die Unterstützung der Jerusalemer yeshivah und der Armen Jerusalems vgl. Gil, History of Palestine (1992), 604–609. 38 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 214–219, Nr. 33; 294 f., Nr. 63; 299, Nr. 66; 368 f., Nr. 96. 39 Gil, History of Palestine (1992), 608. 40  Documents. Ed. Gil (wie Anm. 2), 136–144, Nr. 3, hier 140, Nr. 3b, Z. 20–25: „Three years later the synagogues were destroyed. The farrāshīn [Muslim beadles or servants of the caliph – MG] demolished all their timber and bricks and sold them. They sold the timber of the above‑men‑ tioned apartments and their bricks. All the apart‑ ments remained in ruins until the time when the synagogues were restored [ca. 1025 – MG], when they were taken over by the Ḥāvēr Ephraim, may God preserve him, and by Solomon b. Khalīl, Solomon b. Ḥakīm, and Yeshū’ā b. (empty space), with a document in which each apartment was specified, of each synagogue respectively. They left on each apartment a plate with its name, as it was before.“ 41  Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot R. Shlomo ben Ad‑ ret. Ed. Wolf (wie Anm. 25), Bd. 1, 241, Nr. 581. 42  Sefer Sheʾelot u‑teshuvot ha‑Rashba. Ed. haLevi (wie Anm. 19), Teil 4, 35, Nr. 243. 43  Ebd., Teil 5, 54 f., Nr. 249. 44  Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yom Tov ben Avraham Asevilli. Ed. Joseph D. Qāfiḥ. Jerusalem 1959, ND 2008, 191–194, Nr. 161. 45  Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Crescas (wie Anm. 24), Teil 3, 30, Nr. 194. 46  Sheʾelot u‑Teshuvot le‑ha‑Rav Rabbenu As‑ her. Ed. Yehoshua Grossman. New York 1954, Teil 13, 15, Nr. 17. 47  Vgl. Sefer Ḥasidim. Ed. Wistinetski (wie Anm. 6), 374 f., Nr. 1528. 48  Sefer Amude Golah le‑Rabbenu Yiṣḥaq mi‑ Corbeil Asher Niqra be‑Shem Sefer Miṣwot Qatan. Ed. David Harfanes. Jerusalem 1959, 254, Nr. 248. 49  Sefer Ḥasidim. Ed. Wistinetski (wie Anm. 6), 390 f., Nrn. 1592 f. 50 Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yisrael Bruna. Ed. Moshe Hershler. Jerusalem 1987, 60, Nr. 74: „für meine Seele“.

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Griechisch-orthodoxe Christen

7.5  Griechisch-orthodoxe Christen 7.5.1  Allgemeines Unter den griechisch‑orthodoxen Christen haben religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen als Stiftermotivationen eine wichtige Rolle gespielt; beides lässt sich jedoch nicht immer voneinander trennen. In der normativen Literatur (Theologie, Jurisprudenz) werden die ihnen entspre‑ chenden gesellschaftlich relevanten Pro‑ blemfelder – das Jenseits für religiöses Verdienst, die Treuhandschaft für weltliche Ambitionen – angeschnitten, aber nicht erschöpfend behandelt. Da die orthodoxe Kirche abgeneigt war, die Eigenschaften des Jenseits dogmatisch zu klären, finden sich darüber in den Quellen ganz unter‑ schiedliche Darstellungen. Andererseits gab es unter Kanonisten erhebliche De‑ batten darüber, welche Form einer Treu‑ handschaft zulässig war und in welchem Ausmaß man mit diesseitigem Gewinn von einer Stiftung profitieren dürfe. Eine elaborierte Definition des Jenseits fehlte in der orthodoxen Kirche im Mit‑ telalter und auch noch in jüngerer Zeit: „The Byzantines had no ‚system‘ around the last things. Eschatology remained for them an open horizon within theology, an openness perhaps intended to draw expe‑ rience and thought toward that which lies beyond the bounds of the world of space and time. Perhaps the very inaccessibility of the last things rendered them all the more actual and compelling; a ferment in the present order. It was not the last things that were expected to be carried over into the cosmos, but the cosmos that was called, in and through the microcosm, to be carried beyond itself, out of itself, into the mystery of God, who alone is the first

thing and the last thing.“1 Diese Haltung steht durchaus im Gegensatz zur entspre‑ chenden theologischen Entwicklung in der lateinischen christlichen Tradition, so dass die in diesem Punkt divergenten Ausprägungen beider Kirchen auch Folgen für Versuche ihrer Union haben mussten. Die Ungewissheit über die ‚letzten Dinge‘ spiegelt sich auch in der byzantinischen Kunst wider, wo Darstellungen des Über‑ gangs vom Leben zum Tod (Sterbebett und Beerdigung) viel verbreiteter sind als die des Nachlebens.2 Über die Gründe dafür, dass sich eine Fegefeuerlehre in der ortho‑ doxen Kirche nicht entwickelte, kann nur spekuliert werden, aber die Tatsache, dass die Fegefeuerlehre ab dem 13. Jahrhundert zu denjenigen Themen zählte, die zwischen Ost und West anhaltend debattiert wurden, führte dazu, dass orthodoxe Kirchenobere die Annahme dieser Lehre niemals unter rein theologischen Aspekten besprechen konnten. Die Existenz eines Fegefeuers und die feste Vorstellung des Nachlebens wurden als ‚pro‑lateinische‘ Ansichten betrachtet, selbst wenn es vereinzelt frü‑ here griechische Vorbilder für die letztere Auffassung gegeben hatte (etwa bei Gregor von Nyssa). Die orthodoxe Abneigung, die ‚letzten Dinge‘ genauer festzuhalten, ist dementsprechend im späten Mittelalter zum Bestandteil der Unabhängigkeit von der lateinischen Kirche und zum Abgren‑ zungskriterium zu dieser geworden. Auf den ersten Blick scheint der Mangel einer konkreten orthodoxen Jenseitsvor‑ stellung, vor allem die von einem fegefeu‑ erartigen Zwischenort, auch der Entfaltung religiöser Stiftungen in Byzanz im Wege

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Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

zu stehen. Wozu nämlich sollte durch Stif‑ tungen erworbenes Verdienst gut sein, wenn es im Jenseits gar keinen Nutzen bringen konnte? Tatsächlich wurde indes‑ sen dieser Nutzen gar nicht bestritten, es fehlte nur eine umfassende dogmatische Begründung dafür. Weltliche Ambitionen umzusetzen, hat‑ ten griechisch‑orthodoxe Stifter nur gerin‑ ge rechtliche Spielräume. Das ‚Corpus Iuris Civilis‘ des Kaisers Justinian I. (527–565) beugte dem vor, indem es zwischen dem Stifter und seiner Stiftung streng unter‑ schied. Eine sogenannte ‚Familienstiftung‘, bei der der Stifter selbst oder seine Ange‑ hörigen von der Stiftung direkt begünstigt werden konnten, ist dem byzantinischen Recht, im Gegensatz zum sasanidischen und islamischen Recht, fremd.3 (→ 3.3.3) Trotzdem war auch hier, wie so oft in der byzantinischen Geschichte, die Kluft zwischen den normativen Texten und der gesellschaftlichen Praxis ziemlich groß. Michel Kaplan hält es sogar für normal, dass der Stifter oder der Verwalter eines Klosters aus der Stiftung persönlichen Ge‑ winn zog: „Als Institutionen des privaten Rechts und Eigentum einer natürlichen Person stellen Klöster einen wesentlichen Teil ihres Vermögens dar. Ein Kloster ist ein Grundbesitz wie jeder andere: Es wirft für seinen Eigentümer ein Einkommen ab (…). Die Appropriation des Gewinns, der bei der Bewirtschaftung der Klostergüter zum Profit einer Privatperson, normaler‑ weise eines Laien, abfiel, war also ganz normal. Die Laien waren jedoch nicht die einzigen, die vom Überschuss eines Klosters profitierten.“4 Obwohl sich diese Bemerkungen auf byzantinische Klöster im Allgemeinen beziehen, da die Behand‑ lung von Klöstern als Privateigentum im‑ mer eine Eigenschaft des byzantinischen Mönchtums war, muss man davor warnen, Eigenklöster mit gestifteten Klöstern zu

verwechseln. Bei unabhängigen Klöstern dieser Art, die John Thomas als Produk‑ te einer klösterlichen ‚Reformbewegung‘ angesehen hat (→ 4.5.1), war die Nutzung als Privateigentum zum eigenen Gewinn besonders problematisch. Leider ist in‑ dessen die begriffliche Unterscheidung zwischen Eigenkirchen und Eigenklös‑ tern gegenüber gestifteten Kirchen und Klöstern in der Byzantinistik noch nicht ausgearbeitet. (→ 3.5.3) Um die rechtlichen Vorschriften gegen die Veräußerung kirchlicher und klöster‑ licher Güter zu umgehen, wurde auch im griechisch‑orthodoxen Stiftungswesen eine Institution der Treuhandschaft ent‑ wickelt, die sogenannte (dōrea) charistikē. Wenngleich diese Institution nur in einem relativ kurzen Zeitraum existierte, bietet sie ein anschauliches Beispiel dafür, wie Laien – die selbst nicht Stifter waren – materiell von einer Stiftung profitieren konnten. 7.5.2  Religiöses Verdienst Der Glaube an die Wirksamkeit von Stif‑ tungen für die Verbesserung der Heilsaus‑ sichten lebender und verstorbener Stifter war ein Grundzug der griechisch‑orthodo‑ xen Stiftungspraxis. Obgleich dieser Glau‑ be offensichtlich in der ganzen byzanti‑ nischen Gesellschaft weit verbreitet war, wurde nur selten versucht, seine genauen Charakteristika zu bestimmen. Nach dem Begriff des ‚Seelteils‘ beziehungsweise psychikon (ψυχικόν), der von den kappadoki‑ schen Vätern bereits im 4. Jahrhundert geprägt worden war, konnte der Stifter oder Schenker eine himmlische Belohnung für sein Werk erwarten. (→ 1.5.2) Näheres blieb aber unklar, da keine Übereinstim‑ mung über das Schicksal der Seele nach dem Tod herrschte. Chronologisch lassen

Griechisch-orthodoxe Christen

sich hierbei zwei Phasen unterscheiden: (1.) eine erste Phase vor 1200 und (2.) eine zweite seit dem 13. Jahrhundert. Dabei stellt die Einführung der Fegefeuerdoktrin als Dogma in der lateinischen Kirche auf dem Konzil von Lyon (1274) (→ 7.2.2) eine wichtige Zäsur auch für die griechisch‑ orthodoxe Position dar. (1.) Die alexandrinischen Theologen Cle‑ mens (ca. 150–215 u. Z.) und sein Schü‑ ler Origenes hatten unter dem Einfluss platonischer Auffassungen vorausgesetzt, dass jede Seele durch ein Feuer gereinigt werden müsse. Origenes stellte sich das Feuer als das flammende Schwert eines Cherubs vor, das jede Seele passieren müsse; die Rechtschaffenen erführen da‑ bei nur ein geringes Maß an körperlicher Pein, die Bösen dagegen quälende Schmer‑ zen.5 Letzten Endes werde auf diese Weise alle Schöpfung erneuert (apokatastasis / ἀποκατάστασις). Diese Auffassung des Jenseits, in welchem die Rechtschaffe‑ nen ebenso wie die Bösen erlöst würden, wurde aber später als ‚Origenismus‘ ana‑ thematisiert. Mit dem gleichen Verdikt bedachten viele orthodoxe Theologen des Mittelalters jedoch auch das katholische Fegefeuer, da es die Erlösung von Leuten ermöglichte, die eigentlich für die Hölle bestimmt waren.6 Aussagen orthodoxer Kichenlehrer, mit denen sie ihre Doktrin vom Fegefeuer stützen konnten, fanden spätere lateinische Theologen hauptsäch‑ lich nicht in den Schriften der alexand‑ rinischen Schule – besonders Origenes wurde immer nur mit Vorbehalt als ortho‑ dox betrachtet –, sondern vielmehr in den Werken des kappadokischen Vaters Gregor von Nyssa (um 335 / 340 bis nach 394 u. Z.).7 Auch nach dessen Lehre musste die Seele nach dem Tod eine ‚Reinigung‘ (katharsis / κάθαρσις) erfahren; im Gegensatz zu den Theologen der alexandrinischen Schule

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betonte Gregor die Einheit des Körpers und der Seele.8 Erhellend bezüglich der griechisch‑ orthodoxen Jenseitsvorstellungen sind ei‑ nige Passagen aus der Feder des Anastasios Sinaites (gest. nach 700), eines Mönchs des Katharinenklosters auf dem Sinai. Seine ‚Quaestiones et responsiones‘ spiegelten auch Befürchtungen des Anastasios und seines Umkreises im Hinblick auf die noch junge muslimische Herrschaft wider. „Wo befindet sich die Seele nach dem Tod und vor dem Jüngsten Gericht?“, war er gefragt worden.9 Seine Antwort, typisch für das Verhältnis der Orthodoxie zum Jenseits, lautete, obwohl niemand dies mit Gewiss‑ heit verkünden könne, wisse man doch aus den heiligen Schriften, dass die Recht‑ schaffenen sicher im Paradies seien, die Bösen dagegen im Gefängnis (desmōtērion / δεσμωτήριον) des Hades. Auch das religiöse Verdienst von Stiftern wird durch Anasta‑ sios nur vage skizziert. Auf die Frage, was der Apostel Paulus mit seinem Satz gemeint habe, dass die Sünden von einigen Leuten offenbar seien und ihnen ins Gericht vo‑ rangingen, bei anderen aber erst später offenbar würden (I Tim 5.24), antwortete er folgendermaßen: Bei den Ersten müsse man vor allem an die Häresiarchen den‑ ken. Da sie Anderen ketzerische Gedanken gelehrt hätten, eilten ihnen ihre Sünden auch zum Urteil voraus. Mit den Anderen seien die Rechtschaffenen gemeint, denen ihre guten Taten (agatha erga / ἀγαθὰ ἔργα) folgten; darunter befänden sich diejenigen, die „Spitäler, Kirchen und Waisenhäuser stiften oder Güter und Einkommen solchen Stiftungen vermachen; all diese stehen in gutem Angedenken nach ihrem Tod, und ihr Verdienst wird ihnen folgen.“10 Wo die Theologen schweigen, haben jedoch die Verfasser byzantinischer Apo‑ kalypsen und Heiligenviten ausführlich über das Jenseits geschrieben. Jane Baun

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zufolge darf man die mittelalterliche Es‑ chatologie als einen Fluss betrachten, der aus zwei Inspirationsquellen gespeist wer‑ de, der apokryphen und der patristischen.11 Die apokryphen Quellen, deren Verfasser kaum auf offizielle Dogmen Rücksicht neh‑ men mussten, bieten uns nicht nur einen umfassenden Blick auf die volkstümliche Vorstellung vom Jenseits, sondern erhellen auch die Vorstellungen vom durch Stiften gewonnenen religiösen Verdienst. Diese byzantinischen Apokrypha thematisieren die Orte, an denen sowohl Bestrafung als auch Seligkeit zu finden sind, und identi‑ fizieren sie mit Zonen oder Bewusstseins‑ zuständen, deren Grenzen fließend sind.12 Ihre Jenseitsvorstellungen spiegeln auf vielfältige Weise ihre eigene Gesellschaft wider, die bürokratisch, prozessfreudig und zentralisiert war. Auch scheinbar konkrete Orte wurden so zu uneindeutigen Grenz‑ orten, an denen Himmel und Hölle aufei‑ nander trafen: Besonders beliebt waren der Gerichtshof, wo sich Engel und Dämo‑ nen um das Schicksal einer Seele streiten; oft wird auch ein Bild von Zollstationen (telōniai / τελωνίαι) gezeichnet, von denen jede einer bestimmten Sünde gewidmet ist. Dämonische Zöllner durchsuchen hier das ‚Moralgepäck‘ einer Seele, Engel errech‑ nen die entsprechenden Summen aus dem ‚Moralkapital‘.13 Obwohl sie nur selten im Mittelpunkt der Darstellung standen, werden in sol‑ chen Quellen auch die jenseitigen Wir‑ kungen von Stiftungen thematisiert. Der Verfasser der ‚Apokalypse der Anastasia‘ (geschrieben um das Jahr 1000) erzählt die Geschichte einer frommen Nonne, die eines Tages plötzlich stirbt und nach drei Tagen von Gott wieder ins Leben gerufen wird.14 Anastasia habe in dieser Zeit eine Seelenreise durch das Jenseits unternom‑ men und dabei den himmlischen Hof, das Paradies, ein Büro für das Register der

Sünden und der guten Taten jeder Person sowie verschiedene Orte der Bestrafung gesehen. Als der Engel, der für Anasta‑ sia als Reiseführer fungiert, mit ihr eine Gruppe bestrafter Seelen besucht, erwähnt der Engel, dass Anastasia gerade gestor‑ ben sei und gleich wieder ins Diesseits zurückkehren werde.15 Mit großer Begeis‑ terung hätten die versammelten Bestraften Anastasia gebeten, ihren noch lebenden Verwandten eine dringende Mitteilung zu überbringen. Die Bestraften hatten näm‑ lich testamentarisch fromme Stiftungen für ‚die Erlösung ihrer Seele‘ (περὶ τῆς ψυχῆς ἡμῶν σωτηρίας) gemacht, um die sich ihre Erben allerdings nicht kümmer‑ ten; aus diesem Grund konnten die un‑ glücklichen Testatoren keine Milderung ihrer Last (anesis / ἄνεσις) erhalten. Eine ähnliche Mitteilung macht ein weiterer Bestrafter, den Anastasia und der Engel treffen, Peter von Korinth. Peter, im Leben ein hochrangiger Beamter (prōtospatharios), habe sein Leben hindurch viel Böses getan, etwa Güter gestohlen, Waisenkinder und Witwen ungerecht behandelt, viele Men‑ schen gegen Geld ermorden lassen und unrechte Urteile gesprochen.16 Er habe da‑ rüber hinaus niemals Almosen zugunsten seiner Seele gegeben und stattdessen ein großes Vermögen hinterlassen. Peter bittet jetzt Anastasia, seinen Erben nahezulegen, nicht nur dasselbe Schicksal zu vermeiden, sondern auch aus seinem hinterlassenen Vermögen für seine Seele zugunsten der Armen zu stiften, sodass auch er Erleich‑ terung finden könne. Die Vorstellung, dass jemand durch Spenden auch nach dem Tod eine Erleich‑ terung seiner jenseitigen Existenz erlangen könne, findet auch später noch Ausdruck in einer spätbyzantinischen volkssprachli‑ chen Apokalypse. Der anonyme Verfasser des ‚Apokopos‘ (15. Jahrhundert) beschreibt seinen Abstieg in die Unterwelt durch den

Griechisch-orthodoxe Christen

Mund eines Drachen, der sich am Fuß ei‑ nes Brunnens befindet – eine griechische Adaptation des Jaina‑Gleichnisses ‚des Mannes im Brunnen‘.17 Am Ende seiner Erzählung wird er von den Bitten der Toten fast überfordert; diese wollen ihn nämlich in die Pflicht nehmen: „Deswegen bitten wir Dich – und vergiss es nicht! / Mor‑ gen zu unseren Häusern zu gehen und zu sprechen. / Sag unseren Frauen, sag unse‑ ren Kindern / Den vielen Armen noch von unserem Vermögen zu geben / Den Gefan‑ genen Brot, Wein und Mehl zu schicken / Sodass wir größeren oder kleineren Dank haben mögen.“18 Aus diesen Geschichten ist zu entneh‑ men, dass Spender nicht nur zu ihren Leb‑ zeiten durch Almosen das Schicksal ihrer Seele verbessern konnten, sondern dass ihnen auch Spenden in ihrem Namen nach ihrem eigenen Tod noch nutzen konnten. Obwohl nicht explizit erwähnt, stehen eine Stiftung und ihre Auswirkung auf das Jenseits im Mittelpunkt einer erbau‑ lichen Geschichte aus dem 7. Jahrhundert.19 Es geht dabei um den reichen Philento‑ los Olympiou, der in der Stadt Konstan‑ tia auf der Insel Zypern gelebt habe. Er wirkt wie das komplette Gegenteil des prōtospatharios Peter aus der ‚Apokalypse der Anastasia‘, denn Philentolos habe den Armen und Waisenkindern zu Lebzeiten viel Geld gegeben und ein Spital (nosokomeion) gestiftet. Seinen ganzen Gewinn, den er aus Geschäften auf dem Land und zur See angehäuft hatte, habe Philentolos frommen Zwecken gewidmet. Nur eines habe seinen guten Namen beschmutzt, er habe nämlich unter der ‚Leidenschaft sexueller Zügellosigkeit‘ (τὸ πάθος τῆς πορνείας) gelitten. Als er im Greisenalter gestorben sei, habe er immer noch die Sünde mit Almosen bekämpft. Die Frage des Schicksals seiner Seele löst sodann eine große Diskussion unter den Bischöfen

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und dem Erzbischof der Insel aus. Ist sie im Paradies oder in der Hölle? Da er kei‑ ne zufriedenstellende Antwort auf die‑ se Frage findet, bittet der Erzbischof die Klöster, Eremiten und Styliten um Hilfe. Im Laufe der Zeit kann der ägyptische Mönch Kaiou mos von einer göttlichen Offenbarung berichten: Auf der rechten Seite habe er einen wunderschönen Ort (das Paradies) und auf der linken Seite einen Ofen (die Hölle) gesehen, aus dem eine Flamme bis zu den Wolken hinauf‑ geschlagen sei; Philentolos habe stöhnend zwischen den zwei Orten gestanden. Ein Engel habe ihm klar gemacht, dass ihm seine guten Taten Gehenna, das Verderben der Hölle, erspart hätten, während seine sexuelle Zügellosigkeit ihm die Freude des Paradieses verwehre. (2.) Entscheidend für die weitere Geschich‑ te des religiösen Verdienstes durch Stiftun‑ gen war die griechisch‑orthodoxe Reaktion auf die westliche Fegefeuerlehre. Bis ins 13. Jahrhundert blieb die orthodoxe Begriff‑ lichkeit für das Jenseits, wie oben skiz‑ ziert, noch sehr vage, ehe die katholische Erfindung des Fegefeuers die Orthodoxie im Zusammenhang mit den Unionsbemü‑ hungen dazu zwang, Position zu beziehen. Obgleich die orthodoxe Reaktion letzten Endes in der Ablehnung der Fegefeuerlehre bestand, lohnt es sich, kurz die Reaktion der griechischen Seite zusammenzufassen. Die erste uns überlieferte Debatte zwi‑ schen griechisch‑orthodoxen und lateini‑ schen Christen zu diesem Problem stammt aus Süditalien und den 30er Jahren des 13. Jahrhunderts.20 Das ist typisch, denn auch sonst kommen alle wichtigen Quel‑ len zur beginnenden Auseinandersetzung um das Fegefeuer aus Regionen starker Interaktion zwischen den zwei Kulturen und griechisch‑lateinischer Zweispra‑ chigkeit: Süditalien, Konstantinopel unter

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Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

lateinischer Herrschaft und Zypern.21 Als sich der Metropolitan von Korfu Georg Bar‑ danes in dem Kloster San Nicola di Casoli von einer Krankheit erholte, wurde er von einem Bruder Bartholomäus über das Fe‑ gefeuer befragt (porgatorion / ποργατόριον; auch kathartērion / καθαρτήριον, später der griechische Standardausdruck für ‚Fege‑ feuer‘). Nachdem Bartholomäus den Begriff erklärt hatte, entgegnete Georg Bardanes, dies sei ein Erzeugnis der origenistischen Häresie, nämlich einer Jenseitsvorstellung, der zufolge die Rechtschaffenen ebenso wie die Bösen erlöst würden.22 Bardanes blieb von den Argumenten des Lateiners unbeeindruckt. Das Ergebnis dieser ers‑ ten Debatte war demnach eine Ablehnung der Fegefeuerlehre durch den Griechen und bei dieser Konstellation ist es, mit Ausnahme der sehr kurzen Unionsperio‑ den beider Kirchen, auch in der Folgezeit geblieben. Auf dem Zweiten Konzil von Lyon (1274) erkannte Kaiser Michael VIII. Palaiologos (1259–1281) zwar die Fegefeuer‑ doktrin an, doch konnte sie sich in der orthodoxen Kirche, im Mönchtum oder in der Bevölkerung niemals durchsetzen. Im Gegenteil provozierte sie vielmehr eine heftige Gegenreaktion: Ein lokales Konzil von Konstantinopel (1285) wies das Konzil von Lyon zurück. Nun wurde die Fegefeuerlehre im selben Atemzug mit vielen älteren offenen Fragen zwischen den zwei Kirchen diskutiert, wie etwa dem Primat Roms und dem Filioque. Exemplarisch dafür ist ein uns überlie‑ ferter Dialog aus den Jahren nach dem Konzil von Lyon zwischen dem orthodoxen Mönch Nikephoros und dem päpstlichen Legaten Clemens, der ihn im Rahmen eines Prozesses verhörte.23 Unter den verschie‑ denen Themen des Dialogs fand auch das Fegefeuer seinen Platz: Nikephoros wollte wissen, was genau unter dem ‚Fegefeuer‘ zu verstehen und in welcher heiligen Schrift

dessen Existenz nachgewiesen sei. Die Er‑ läuterungen durch den Legaten stellten den Mönch nicht zufrieden; die Griechen könnten die Lehre keinesfalls akzeptieren. Zwar könne man viele Beispiele finden, dass Heilige für die Erlösung von Christen und sogar von Nichtchristen gebetet hätten, die Wirkung dieser Gebete sei jedoch nicht sicher: „Was geträumt oder in Liedern ge‑ sungen wird, sind doch keine Gewissheiten. Deswegen sagen Basilios der Große sowie viele andere Väter: ‚Führe dein Leben als eine lebende Opfergabe, bringe nicht das Tote zum Altar‘. Mit anderen Worten, tu das Gute während deines Lebens, da nach dem Tod alles abgestorben ist; aus diesem Grund ist das Gebet wirkungslos für die‑ jenigen, die das Gute nicht während ihres eigenen Lebens getan haben.“24 Auffällig ist die große Prominenz der Diskussionen über das Fegefeuer auf dem Konzil von Ferrara‑Florenz (1438–1439).25 Aber selbst in diesem Kontext, wo eine klare Definition der orthodoxen Doktrin dringend nötig war, konnten die griechi‑ schen Theologen untereinander keine Ei‑ nigkeit erzielen.26 Die Uneinigkeit war so groß, dass die orthodoxe Seite sogar for‑ derte, die öffentliche Diskussion der Frage abzubrechen, wenn auch ohne Erfolg.27 Mit den Worten von Robert Ombres gesagt: „A fairly unified, scholastic tradition lay behind the Latin thinking on purgatory, whilst the Greeks had no such resources. It was obvious that they were uncertain and less than unanimous.“28 Nichtsdestotrotz führten die Verhand‑ lungen von Ferrara‑Florenz wie vorher beim Konzil von Lyon zu einer neuen Union der Kirchen. Dieses Ergebnis war aber noch schneller hinfällig als das des früheren Konzils: „The one thing, one might say almost the only thing, gene‑ rally believed about the union of Flor‑ ence is that, after being accepted by the

Griechisch-orthodoxe Christen

Greeks in Italy, it was almost immediately rejected by the same Greeks in Constan‑ tinople.“29 Mit dem Scheitern dieses zwei‑ ten Unionsversuchs blieb es damit bei der orthodoxen Ablehnung der Fegefeuerdok‑ trin. Interessanterweise verglich später nur Gennadios II. Scholarios, der nach der osmanischen Eroberung dreimal Pa‑ triarch von Konstantinopel geworden war (1454–1456; 1463; 1464–1465), die orthodo‑ xen Vorstellungen von Zollstationen im Jenseits mit dem lateinischen Fegefeuer; sein Lehrer Markos Eugenikos hatte diese Ähnlichkeit bewusst in seiner Erklärung der orthodoxen Position beim Konzil von Ferrara‑Florenz nicht erwähnt.30 In der Ablehnung der Fegefeuerlehre kommt also insgesamt die orthodoxe Abneigung, das Jenseits genauer zu bestimmen, exempla‑ risch zum Ausdruck. 7.5.3  Weltliche Ambitionen Neben den begrenzten Möglichkeiten, ein ‚weltliches Gedenken‘ zu erwerben (→ 8.5.3), können im Kontext griechisch‑orthodoxer Stiftungen nichtreligiöse Ambitionen in dreierlei Hinsicht zur Geltung gebracht werden: (1.) indem ein Vermögen durch die Umwandlung in eine Stiftung lang‑ fristig gesichert wird; (2.) indem ein Stifter von seiner Stiftung selbst finanziell profi‑ tiert, hauptsächlich durch das Ausüben einer gewinnorientierten Treuhandschaft (charistikē); (3.) indem durch den Stifter eine Sprache oder Kultur innerhalb der breite‑ ren Orthodoxie gefördert wird. (→ 14.5.6) (1.) Durch eine Stiftung konnte der grie‑ chisch‑orthodoxe Stifter ein Vermögen langfristig sichern. Das gilt auch in den Fällen, wo der Stifter nicht sich selbst oder seine Angehörigen als Begünstig‑ te bestimmt. Ein anschauliches Bespiel

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dafür ist der Klosterkomplex im heutigen Bačkovo in Bulgarien, den der georgische Militär Gregor Pakourianos im Jahr 1083 stiftete. Obwohl liturgisches Gedenken offensichtlich das Hauptmotiv des Stif‑ ters war und weder er selbst noch seine Angehörigen materiell von der Stiftung profitierten, sollte die Stiftung offenkun‑ dig auch dazu dienen, das Vermögen der Pakourianos‑Familie zu erhalten. Fast das ganze Stiftungsvermögen bestand aus kai‑ serlichen Schenkungen an Gregor und sei‑ nen verstorbenen Bruder Apasios für ihren langjährigen Militärdienst auf dem Balkan und im östlichen Kleinasien.31 Diese Besit‑ zungen zu schützen war wichtig geworden, da die Pakourianoi wegen der Angriffe der Seldschuken ihre Stammgüter im Osten verloren hatten.32 Die Umwandlung der vom Kaiser vergabten Ländereien in eine Stiftung ist demnach auch als ein Ver‑ such zu bewerten, das Vermögen zu erhal‑ ten. Besonderen Wert legte der Stifter auf den militärischen Schutz des Gutes durch Festungen (kastra) und Türme; juristische Maßnahmen waren die Bemühungen um Steuerbefreiung sowie die kaiserliche An‑ erkennung der Stiftung.33 Im Gegensatz zu Gregor Pakourianos gestalteten andere Stifter ihre Stiftungen sogar gewinnorientiert und wollten deren Einkommen sich selbst oder ihren An‑ gehörigen zukommen lassen. In gewisser Weise dürfen manche Stiftungen daher als ‚Investments‘ betrachtet werden.34 Ein gut dokumentierter sowie oft diskutierter Fall einer Stiftung dieser Art ist in dem aus‑ führlichen ‚Testament‘ (diataxis) des byzan‑ tinischen Historikers und Juristen Michael Attaleiates von 1077 beschrieben. Obgleich auch hier die Motive des Gedenkens und der Wohltätigkeit im typikon prominent hervortreten, haben Forscher die gewin‑ norientierte Tendenz der Stiftung von At‑ taleiates betont. Nachdem alle im typikon

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Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

vorgeschriebenen Auszahlungen erfolgt waren, sollte ein Drittel der Überschüsse der Stiftung dem Stiftungsvermögen zu‑ geschlagen und zwei Drittel Theodoros zugeteilt werden, dem Sohn des Attalei‑ ates, der zugleich Verwalter der Stiftung (ephoros) war.35 Attaleiates hoffte eindeutig darauf, dass dieses Arrangement über viele Generationen Bestand haben würde, denn die Nachkommen des Theodoros – notfalls auch Frauen – sollten diesen Teil der Stif‑ tungsüberschüsse ebenso erhalten wie die Position des Verwalters.36 Nur im Fall des Aussterbens der Familie war das ganze überschüssige Einkommen ausschließlich für die Stiftung bestimmt.37 (2.) Die beste Möglichkeit, von einer Stif‑ tung zu profitieren, bestand darin, eine be‑ stimmte Art Treuhandschaft (charistikē) zu erwerben. Ursprünglich stand die charistikē ausschließlich bankrotten und verfallenen Stiftungen zur Verfügung; durch die um‑ sichtige Verwaltung eines Treuhänders (charistikarios) – der normalerweise Laie war – konnten diese Stiftungen wieder auf die Beine kommen. Natürlich war in solchen Fällen der Spielraum für einen Gewinn begrenzt. Unter Umständen war es sogar möglich, dass ein Treuhänder über‑ haupt nichts von der Stiftung bekam oder gar ein Minus verzeichnete.38 Bei einem solchen Risiko für den Treuhänder nimmt es nicht wunder, dass er einen Gewinn suchte, wo immer es möglich war. Obwohl es kirchenrechtlich umstritten war, räum‑ ten einige byzantinische Kanonisten, vor allem Theodor Balsamon (gest. um 1200), die Gültigkeit einer (begrenzt) gewinn‑ bringenden Treuhandschaft ein.39 Die Mehrzahl der Quellen mit einem Beleg für charistikē beschreibt aber kei‑ ne legitime Nutzung, sondern vielmehr einen Missbrauch dieses Instruments. Kein Patriarch oder Kanonist billigte

die Beschädigung oder Zerrüttung einer Stiftung durch eigennützige Gewinnab‑ schöpfung. Trotzdem ist Missbrauch von charistikē in großem Ausmaß bezeugt. Bei‑ spielsweise listet ein Anhang zum typikon des Mamas‑Klosters in Konstantinopel die ruinösen Effekte der Vermögensverwal‑ tung auf: „Das Kloster des Heiligen Mamas stand früher unter patriarchaler Rechtspre‑ chung und wurde damals an verschiedene Treuhänder [charistikarioi] vergeben. Die Mehrheit von diesen hielt aber das Kloster für ein Wirtschaftsgut und strebte nichts anderes an, als von ihm zu profitieren. Sie berücksichtigten die Interessen des Klosters und seine Aufgaben nicht. Deswe‑ gen wurde das klösterliche Vermögen auf Null reduziert. Alle Gebäude des Klosters brachen zusammen, mit Ausnahme der Kirche, die selbst ohne Dach dastand. Die Zahl der Mönche wurde auf zwei verrin‑ gert, und diese wurden nicht im Kloster untergebracht, sondern sie mussten das Nötige für ihren täglichen Lebensunterhalt zusammensuchen.“40 Wenn dieses Mamas‑Kloster mit dem gleichnamigen Kloster in der sogenannten ‚Peira‘ – einem um 1050 verfassten Sammel‑ werk von Rechtsurteilen – identisch war, hätten wir eine bessere Vorstellung über die Summen, die charistikarioi aus der Verwal‑ tung einer solchen Stiftung gewinnen konn‑ ten.41 Der Patrizier Panberios schuldete der prōtospatharia Maria Skleraina 62 Pfund Gold und sein Vermögen reichte nicht aus, dieses zurückzuzahlen. Stattdessen bekam Maria die Verwaltung des Mamas‑Klosters von Panberios übertragen, um die Schuld zu begleichen.42 Offensichtlich konnte Maria Skleraina eine solch große Summe als Treu‑ händerin für das Mamas‑Kloster erwarten. Die Gabe von charistikē konnte auch Teil einer Mitgift sein.43 Der Fall des Mamas‑Klosters zeigt, dass charistikarioi versucht haben, die

Griechisch-orthodoxe Christen

Verwaltung erblich zu machen, obwohl eine charistikē theoretisch nur das Leben eines einzeln charistikarios dauern und allenfalls an einen oder (sehr selten) zwei Nachfolger übergehen sollte. Michael At‑ taleiates, der nicht nur ein Stifter, son‑ dern auch ein charistikarios war, schrieb sogar vor, dass seine Stiftung zwei anderen Klöstern Subventionen zahlen sollte, von denen er und sein Sohn dann wiederum profitierten, denn für das eine der beiden Klöster agierte er mit seinem Sohn als Treuhänder, für das andere war sein Sohn der einzige charistikarios.44 Diese missbräuchliche Form der Treu‑ handschaft (charistikē) existierte jedoch nur in dem begrenzten Zeitraum vom 9. bis zum 12. Jahrhundert; sie war keine stän‑ dige Begleiterscheinung des griechisch‑ orthodoxen Stiftungswesens. Auch durch andere Formen der Treuhandschaft gab es die Möglichkeit, von einer Stiftung zu profitieren, jedoch nicht im Ausmaß der charistikē. Als andere Form rein kirchli‑ cher Treuhandschaft praktizierte man die epidosis.45 Im Laufe der Zeit ersetzte die ephoreia als eine begrenzte Treuhandschaft die charistikē.46 In den letzten Jahrhunder‑ ten des Byzantinischen Reiches waren die ktētoreia, die traditionellen Privilegien und Rechte eines Stifters gegenüber seiner Stif‑ tung, und die ephoreia so stark durch die patriarchale Gesetzgebung geregelt, dass es vom Ende des 14. Jahrhunderts an fast keinen Spielraum für den persönlichen Profit eines Treuhänders gab.47

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als orthodox betrachtet wurden. Entschei‑ dend für diesen Sonderweg war die Mis‑ sionierung der mährischen Slawen durch die heiligen Brüder Kyrillos (Konstantin) und Method. Statt den neuen slawischen Christen die Benutzung der griechischen Sprache in Liturgie und Kultur aufzuzwin‑ gen, erfanden sie ein neues Alphabet – zu‑ nächst das Glagolitische, dann später mit größerem Erfolg das Kyrillische –, das als Träger einer neuen literarischen Sprache dienen sollte. Obwohl danach Griechisch noch als primus inter pares galt, fanden andere Sprachen, vor allem (Alt‑)Kirchen‑ slawisch, aber auch Arabisch, Georgisch und Rumänisch (mit kirchenslawischen Buchstaben geschrieben), ihren Platz in der Orthodoxie. Natürlich prägte diese Entwicklung auch die entsprechende orthodoxe Stif‑ tungskultur. Die Stiftung stellte ein Mittel dar, um die diversen Sprachen und Kul‑ turen der Orthodoxie zu stützen. Dieses Phänomen ist besonders auf dem Berg Athos zu beobachten, wo unter den 20 großen Klöstern einige mit einer besonde‑ ren Kultur oder Sprachgruppe verbunden sind: Hilandar (serbisch), Iberer (geor‑ gisch), Koutloumousiou (rumänisch), Pan‑ taleemon bzw. Rossikon (russisch) und Zographou (bulgarisch). Solche Klöster fungierten als intellektuelle Zentren der jeweiligen Kulturen, hauptsächlich durch das Abschreiben von Handschriften, die Übersetzung griechischer Texte und auch die Abfassung eigener neuer Texte in den jeweiligen Sprachen. (3.) Im Gegensatz zum westlichen Christen‑ Stifter konnten die Rolle ihrer Kultur in tum, in dem das Lateinische bis zur Refor‑ ihren Stiftungen auf verschiedene Weise mation als Sprache der Liturgie, Theologie verhandeln. Auf der einen Seite konnten und Kultur dominierte, entwickelte sich sie den Zugang zu der gestifteten Gemein‑ in der Orthodoxie oder dem ‚Byzantine schaft kulturell einschränken. Dies tat der Commonwealth‘ seit dem 9. Jahrhundert oben erwähnte Gregor Pakourianos, indem eine Vielzahl von offiziellen liturgischen er griechische Mönche oder Priester in sei‑ und Kultursprachen, die nichtsdestotrotz nem Kloster ausschloss, dass er offenbar

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Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

für Georgier (und möglicherweise Arme‑ nier) errichtete.48 Wie nachhaltig diese Auflagen wirkten, ist jedoch nicht sicher; immerhin weiß man, dass das Kloster seit ca. 1300 überwiegend von bulgarischen Mönchen, und möglicherweise auch von Griechen, bewohnt und von bulgarischen Stiftern unterstützt wurde. Versuche einer strikten Separierung wie bei Gregor sind denn insgesamt auch nur selten belegt. Auf der anderen Seite konnte ein Stif‑ ter Mönche einer benachteiligten ethni‑ schen Minderheit bewusst fördern, wie es beim Koutloumousiou‑Kloster auf dem Berg Athos der Fall war. Der wichtigste Abt und Neugründer des Klosters, Chari‑ ton (reg. 1355 / 1356–1381), hatte lange nach Stiftern nicht nur in Byzanz, sondern in allen orthodoxen Ländern gesucht, die die finanzielle Sicherheit des Klosters langfris‑ tig stützen könnten. Letzten Endes fand er einen eifrigen Stifter, den Woiwoden Johannes Wladislaw I. Vlaicu (1364–1377)

der Walachei, der aber auf den Eintritt von walachischen Mönchen in das Kloster bestand. Chariton sagte dies zu und stellte seine Bedenken über die Fähigkeit dieser Mönche, ein strenges Gemeinschaftsleben zu führen, zurück; dann schrieb er in den drei Fassungen seines Testaments vor, dass Griechen und Walachen friedlich im Klos‑ ter zusammenleben sollten, obwohl den Griechen in allen Angelegenheiten der Vor‑ rang zukommen sollte.49 Die langfristige Unterstützung des Klosters durch die Herr‑ scher von Moldawien und der Walachei bedeutete, dass das Verhältnis zwischen griechischen und walachischen Mönchen bei griechischer numerischer Übermacht immer wieder neu verhandelt werden musste. Solche Umstände sind geläufig für spätbyzantinische und postbyzantinische orthodoxe Stiftungen, die die zunehmende ethnische Vielfalt der orthodoxen Welt widerspiegeln. (→ 4.5.6) ZC

Anmerkungen 1  Constas, Sleep (2001), 124. 2 Brubaker, Byzantine Visions (2009), 97 f.;

and Answers. Übers. Joseph A. Munitz. (CCT 7.) Turnhout 2011, 93–95. Ein unverzichtbares Hilfs‑ 105–119. mittel zur Deutung der Schriften des Anastasios 3 Zu sasanidischen Privatstiftungen siehe Ma- ist Haldon, Works of Anastasius of Sinai (1992). cuch, Pious Foundations (2004), 190; Dies., Sasa‑ 10  Anastasii Sinaitae quaestiones et respon‑ nidische fromme Stiftung (2009), 30 f. siones. Ed. Richard / Munitz (wie Anm. 9), 128 f., 4  Kaplan, Monastères (1984), 72 (Übers. ZC); quaestio 78; engl. Übers.: Anastasios of Sinai. Kaplan folgt der Meinung von Lemerle, Aspect Übers. Munitz (wie Anm. 9), 192 f. (1967), 11. 11  Baun, Last Things (2008), 607 f. 5 Constas, Sleep (2001), 96 f. 12  Ebd., 615; Baun, Tales from Another Byzan‑ tium (2007), 312. 6 Ombres, Latins and Greeks (1984), 1 f. 7 Dagron, Perception d’une différence (1980), 89; 13  Constas, Sleep (2001), 96–99; Every, Toll Ga‑ tes (1976). Ombres, Latins and Greeks (1984), 9 f. 8 Baun, Tales from Another Byzantium (2007), 14  Apocalypsis Anastasiae. Ad trium codicum 306; Constas, Sleep (2001), 96–99. auctoritatem Panormitani Ambrosiani Parisini. 9 Anastasii Sinaitae quaestiones et responsiones. Ed. Rudolf Homburg. Leipzig 1903; englische Über‑ Ed. Marcel Richard / Joseph A. Munitz. (CCSG 59.) setzung: The Apocalypse of Anastasia. Übers. Turnhout 2006, 35–37, quaestio 20; englische Baun, Tales from Another Byzantium (2007), Übersetzung: Anastasios of Sinai, Questions 401–424.

Griechisch-orthodoxe Christen

15  Apocalypsis Anastasiae. Ed. Homburg (wie

Anm. 14), 28 f.; engl. Übers.: Apocalypse of Anas‑ tasia. Übers. Baun, Tales from Another Byzantium (2007), 411; 422 f. 16  Apocalypsis Anastasiae. Ed. Homburg (wie Anm. 14) 29 f.; engl. Übers.: Apocalypse of Anasta‑ sia. Übers. Baun, Tales from Another Byzantium (2007), 411; 423. 17  Die Quelle dieses Gleichnisses war wahr‑ scheinlich ‚Barlaam und Ioasaph‘. Dieser Text wurde wohl im 11. Jahrhundert von einer geor‑ gischen christianisierten Adaptation des Lebens des Buddha ins Griechische übersetzt; er wurde zuvor durch arabische und mittelpersische Fas‑ sungen vermittelt. Siehe hierzu die umfangreiche Einleitung zur Edition dieses Textes von Volk, Schriften des Johannes von Damaskos (2009), 103–115. 18  Apokopos. A Fifteenth Century Greek (Vene‑ to‑Cretan) Katabasis in the Vernacular. Ed. Peter Vejleskov, übers. Margaret Alexiou. (Neograeca medii aevi, Bd. 9.) Köln 2005, 216, Z. 520–524; englische Übersetzung ebd., 240. Dt. Übers. ZC. 19  La vision de Kaïoumos et le sort éternel de Philentolos Olympiou. Ed. François Halkin, in: Analecta Bollandiana 63, 1945, 56–64. 20 Les discussions sur le purgatoire entre Geor‑ ges Bardanès, métropolite de Corfou, et Frère Bartélemy, franciscain. Ed. Martiniano Roncaglia. (Studi e testi francescani, Bd. 4.) Rom 1953. 21 Dagron, Perception d’une différence (1980), 85–88. 22 Discussions sur le purgatoire. Ed. Roncaglia (wie Anm. 20), 60. 23 Procès de Nicéphore (1277), in: Dossier grec de l’Union de Lyon (1273–1277). Ed. V. Laurent / J. Darrouzès (Archives de l’Orient chrétien, Bd. 16.) Paris 1976, 486–507. 24 Ebd., 499, Z. 22–28. 25 Constas, Sleep (2001), 113–119; Gill, Council of Florence (1959), 116–125; 266 f.; 272 f.; Ombres, Latins and Greeks (1984), 7–14. Zum Konzil selbst siehe jetzt Kolditz, Johannes VIII. Palaiologos (2013), der aber nicht direkt auf die Debatte um die Fe‑ gefeuerlehre eingeht. 26 Gill, Council of Florence (1959), 120. 27 Ebd., 272 f. 28 Ombres, Latins and Greeks (1984), 13. Die‑ se Uneinigkeit hält Hans‑Georg Beck für eine

71 grundlegende Eigenschaft byzantinischer Christ‑ lichkeit, siehe Beck, Byzantiner und ihr Jenseits (1979), 70: „Negation und Ablehnen pflegen sich bereitwilliger zu artikulieren als ein erwarteter Konsens.“ 29 Gill, Council of Florence (1959), 349. 30 Constas, Sleep (2001), 108 f. 31 Lemerle, Cinq études (1977), 181–183. 32 Gregor erwähnt in seinem typikon, dass er fünf Chrysobullen habe, die seine Güter im öst‑ lichen Kleinasien bestätigten: Le typikon du sé‑ baste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 42, 1984, 5–145, hier 125. Engl. Übers. von Robert Jordan in: BMFD 2, 507–563, hier 555. Zum Zeitpunkt der Abfassung des typikon waren aber diese Gebiete für den byzantinischen Staat infolge der Schlacht von Mantzikert (1071) nachhaltig verloren. 33 Kaplan, Monasteries (2007), 40. 34 So Kaplan, Monastères (1984), 78. 35 La diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 39, 1981, 5–143, hier 53, Z. 608, bis 55, Z. 618. Engl. Übers. von Alice-Mary Talbot in: BMFD 1, 326–376, hier 345. Vgl. BMFD 1, 329: „This is the most explicit testimony in any Byzantine source to the entitlement of a founder and his heirs to a share in the ‚surplus‘ income of a private religious foundation.“ 36 Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 35), 35, Z. 280, bis 37, Z. 330; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 35), 338 f. 37 Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 35), 55, Z. 622–624; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 35), 345. 38 Kaplan, Monastères (1984), 80. 39 Zur Meinung von Balsamon über die charistikē siehe Thomas, Private Religious Foundations (1987), 233 f. 40  Typikon tēs en Konstantinopoulei monēs tou hagiou megalomarytos Mamantos. Ed. S. Eustratiades, in: Hellēnika 1, 1928, 256–314, hier 305, Z. 30, bis 306, Z. 2; engl. Übers. von Anastasius Bandy in: BMFD 3, 973–1041, hier 1032. 41  Practica ex actis Eustathiou Romani. Ed. Carl Eduard Zachariä von Lingenthal. (JGR 1.) Leipzig 1856, 48. 42  Die Verwaltung des Klosters wird in der ‚Peira‘ nicht als charistikē bezeichnet, obwohl manche Forscher sie für eine charistikē halten;

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Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

vgl. Lemerle, Aspect (1967), 21 f.; Thomas, Private Religious Foundations (1987), 168 f. 43  Ebd., 233 f. 44  Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 35), 47, Z. 506, bis 49, Z. 529; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 35), 343 45  Ahrweiler, Charisticariat (1967), 16 f. 46  Ebd., 23.

47  Thomas, Private Religious Foundations (1987), 255.

48  Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos.

Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 32), 105, Z. 1420– 1433; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 32), 547. 49  Actes de Kutlumus. Ed. Paul Lemerle. (Ar‑ chives de l’Athos, Bd. 2.) Paris 21988, 110–116, Nr. 29; 116–121, Nr. 30; 134–138, Nr. 36.

7.6  Indien 7.6.1  Allgemeines „Der Glaube an die Wiedergeburt, so erklärt in der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts der große islamische Gelehrte al‑Bīrūnī, definiere die religiöse Identität der Hin‑ dus in einer Weise, die dem Bekenntnis zu Allah und seinem Propheten Mohammed im Islam, dem Glauben an die Trinität im Christentum und der Einhaltung des Sab‑ bat im Judentum entspreche. Wir dürfen diese Äußerung des größten nichtindi‑ schen Indienkenners seiner Zeit in mehr als einer Hinsicht in Frage stellen.“1 Mit diesen Worten beginnt Wilhelm Halbfass sein dem Thema ‚Karma und Wiederge‑ burt im indischen Denken‘ gewidmetes Buch. Der Autor relativiert seinen Einwand später mit den Worten: „Überhaupt nicht zu bestreiten ist jedoch, daß Karma und Wiedergeburt in Indien eine viel größere und wirksamere Rolle gespielt haben als in jedem anderen Kulturkreis. Ihre be‑ griffliche Ausarbeitung ist viel expliziter, gründlicher und umfassender als anders‑ wo, und sie hat alle Bereiche des indi‑ schen Denkens und Lebens in einer Weise durchdrungen, die (…) nicht ihresgleichen hat.“2 Eine Diskussion verschiedener De‑ finitionen von karman schließt Halbfass mit der Bemerkung ab: „Überhaupt ist der

Begriff des Gesetzes für die Beschreibung des Karma und seiner Rolle im indischen Denken nur beschränkt tauglich. In den meisten Fällen wäre der Begriff der Regel (oder der ‚regulativen Idee‘) angemessener. Denn das Karma als Vergeltungskausalität gilt für die meisten seiner indischen Inter‑ preten ‚in der Regel‘. Die Möglichkeit von Ausnahmen von oder Auswegen aus der regulären karmischen Kausalität ist (…) im Verständnishorizont dieses Begriffs von vornherein angelegt. Dies gilt insbesondere für den Hinduismus. (…) Diese inhärente Variabilität und Durchlässigkeit der Kar‑ malehre dürfen wir nicht aus dem Blick verlieren, wenn wir uns darum bemühen, ihren durchaus vorhandenen begrifflichen und intuitiven Kern‑ und Konvergenzbe‑ reich zu erfassen.“3 Durch die Konzeptionen von Tatver‑ geltung (karman) und Geburtenkreislauf (saṃsāra) wurden die Ideen von Kausali‑ tät und Kontinuität mit der von ausglei‑ chender Gerechtigkeit verknüpft. „Ideal‑ typisch sollte dies zu Abläufen des Lebens und Erlebens führen, die sich sozusagen selbst regulieren und keiner göttlichen oder sonstigen Intervention bedürfen. Keine karmisch oder moralisch relevante

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Handlung sollte folgenlos bleiben, sondern Lohn und Strafe, d. h. positive oder negati‑ ve Erlebniszustände und Existenzweisen, nach sich ziehen. Andererseits sollte keine positive oder negative (…) Erlebnis‑ und Existenzweise ohne entsprechende, mo‑ ralisch relevante Tatursache sein. (…) Es ist eine Forderung an die Welt, nicht aber ein aus ihrer systematischen Beobachtung abgeleitetes oder ableitbares Gesetz.“4 Nach Halbfass hat die Lehre von karman und saṃsāra drei Funktionen und Dimensi‑ onen: (1.) Sie bietet einen „Rahmen und Leitfaden für die sittliche und religiöse Orientierung“. (2.) Sie dient dazu, die ge‑ genwärtigen Zustände und Ereignisse zu erklären. (3.) Sie bildet den „Hintergrund bzw. Ausgangspunkt für das Ideal der ab‑ soluten Befreiung (mokṣa, nirvāṇa usw.) und für ein radikales Erlösungsstreben“.5 Gutes karman wird als puṇya, ‚Verdienst‘, oder als dharma, ‚Pflicht; Tugend‘, bezie‑ hungsweise kuśala, ‚passend, kompetent‘, bezeichnet; schlechtes als pāpa, ‚Frevel, Übel‘, oder als adharma, ‚Unrecht, Schuld‘, beziehungsweise akuśala (‚unpassend, in‑ kompetent‘).6 In der Forschung noch umstritten ist die Frage, in welchem religiösen Umfeld um die Mitte des ersten Jahrtausends v. u. Z. die Konzepte von Tatvergeltung und Wieder‑ geburt erstmals klarer formuliert wurden. Als gesichert kann wohl nur gelten, dass es sich dabei um Vorstellungen handelte, die über einen längeren Zeitraum reiften und an Einfluss gewannen. Für die Perio‑ de seit den ersten Jahrhunderten u. Z. ist jedoch davon auszugehen, dass die Ver‑ knüpfung von karman und saṃsāra im Zentrum jinistischer, buddhistischer und brahmanisch‑hinduistischer Religiosität stand – in jeweils unterschiedlicher Aus‑ gestaltung dieser Ideen. Nach indischem Verständnis konnte eine Wiedergeburt in verschiedenen Daseinsstufen (gati, ‚Gang‘)

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erfolgen. Die Jainas unterscheiden die Welt der Götter (Himmel), die der Menschen und Tiere und die der Höllenwesen,7 in denen jeweils eine Vielzahl von konkreten Wie‑ dergeburten möglich ist. Die Buddhisten fügten diesen vier Bereichen als fünften den der Gespenster (preta) und als sechs‑ ten den der Dämonen (asura) hinzu.8 In den verschiedenen brahmanisch‑hinduis‑ tischen philosophischen Richtungen wird unter anderem auch die Frage diskutiert, inwiefern außerhalb der menschlichen Sphäre die Möglichkeit bestehe, neues karmisches Potential zu schaffen oder nur altes ‚abzuleben‘.9 Die Konzepte von karman und saṃsāra eröffnen zwei prinzipielle Handlungsoptio‑ nen für die menschliche Existenz: zum einen den immanenten, innerweltlichen Weg, alle Anstrengungen zu unternehmen, um den Abstieg als Folge schlechter Taten zu vermeiden und einen Aufstieg infolge guter Werke zu ermöglichen; zum anderen das auf Transzendenz gerichtete Streben nach Erlösung (mokṣa, nirvāṇa usw.) aus dem Kreislauf der Wiedergeburten, die zumindest theoretisch allein dadurch er‑ langt werden kann, dass weder schlechtes noch gutes karman angesammelt wird.10 Die beiden Grundvarianten der Lebensge‑ staltung sind meist, aber nicht immer mit der Differenzierung zwischen dem Leben der Laien und dem derjenigen, die sich einer speziellen mönchischen Ordination oder asketischen Initiation unterziehen, identisch – mit potentiellen Einschrän‑ kungen, beispielsweise für Frauen oder Menschen von niedrigem Status. An dieser Stelle sei daran erinnert, dass im indischen Denken sowohl Diesseits als auch Jenseits zum innerweltlichen Be‑ reich gehören und die Erlösung außerhalb des Jenseits verortet wird. Bezogen auf Brahmanismus‑Hinduismus hat Axel Mi‑ chaels in diesem Sinne formuliert: „Eben

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weil Menschen und Götter voneinander abhängig sind, weil aber andererseits das Ewige und das Unsterbliche von nichts abhängig sein darf, gibt es die Vorstellung von Erlösung jenseits des Himmels. In der sanskritisch‑brahmanischen Hindu‑Reli‑ gion liegt Befreiung jenseits von Diesseits und Jenseits.“11 Im brahmanisch‑hinduistischen Welt‑ bild ist Freigebigkeit als höchste religiöse Pflicht auf das ‚dunkle Zeitalter‘ (kaliyuga) bezogen, in dem wir uns befinden.12 Auch im Buddhismus und Jinismus wird insbe‑ sondere den Laienanhängern das Geben von Gaben an würdige oder bedürftige Personen als sehr gute, wenn nicht gar beste Möglichkeit empfohlen, um gutes karman beziehungsweise religiöses Ver‑ dienst (puṇya) zu erwerben. In diesem Kontext spielen Stiftungen vor allem des‑ halb eine besondere Rolle, weil sie auf Dauer angelegt sind und mithin nicht nur einmal, sondern immer wieder – idealer‑ weise auf ewig – Verdienst für den Stifter (und gegebenenfalls andere Profitienten) generieren. Die in Stiftungen zutage tretende reli‑ giöse Praxis belegt, was ein Studium dok‑ trinärer Texte vermuten lässt – es gibt diverse Faktoren, „die in den Ablauf kar‑ mischer Prozesse eingreifen können (…): die Macht ritueller Handlungen; (…) aus der Askese stammende Energie; göttliche Gnade; Sühnezeremonien, Verdienstüber‑ tragung und manches andere mehr. Dies mag im Hinduismus besonders auffällig sein, es gilt in anderer Form aber auch im Buddhismus. Selbst bei den Jainas finden wir eine erhebliche Faszination durch wun‑ dersame, das normale Walten des Karma aufhebende Begebenheiten“.13 Aus den mittelalterlichen Stiftungsdo‑ kumenten geht klar hervor, dass es die hauptsächliche Motivation der meisten indischen Stifter war, religiöses Verdienst

zu erlangen und zu mehren. Häufig wurde auch mitgeteilt, wofür man diese ‚heilsa‑ men‘ Werke zu nutzen wünschte, wobei zwischen religiösen und weltlichen Am‑ bitionen nicht immer klar unterschieden ist. Neben auf Jenseits und Heil gerichteten Intentionen finden sich irdische Absichten: das Streben nach Gesundheit, Glück und guten Wiedergeburten.14 Darüber hinaus werden nicht selten gerade in königlichen Stiftungsurkunden der allgemein formu‑ lierten puṇya‑Idee rein weltliche Ambitio‑ nen an die Seite gestellt: Stiftungen und die sie dokumentierenden Urkunden sollten auch der Legitimation und der Steigerung von Ruhm und Ehre der betreffenden Stifter und ihrer Familien dienen. 7.6.2  Religiöses Verdienst Der zentrale Begriff zur Umschreibung der Motivation für Stiftungen im mittel‑ alterlichen Indien war puṇya. Termini wie saṃsāra und nirvāṇa oder mokṣa tauchen selten in konkreten Stiftungskontexten auf: „When a more specific purpose is also stated, it is, on occasion, the attainment of nirvāṇa, but more frequently it is some‑ thing less than the religious goal sanc‑ tioned by the literary tradition“.15 Das Stre‑ ben nach einer Steigerung des religiösen Verdienstes wurde häufig stereotyp und quasi überkonfessionell formuliert.16 Eine elementare Form der Übertragung von puṇya – die Beteiligung der Eltern an den Früchten der eigenen stifterischen Aktivi‑ täten – ist im Mittelalter regelmäßig mit erwähnt. Königliche Stiftungen zum Un‑ terhalt religiöser Empfänger sollten meist mindestens „dem Anwachsen des religiö‑ ses Verdienstes von Mutter und Vater und der eigenen Person“ (mātāpitror ātmanaś ca puṇyābhivṛddhaye) dienen.17 Sehr häu‑ fig findet sich zudem eine Ergänzung der

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Formel, mit der zum Ausdruck gebracht wurde, dass man – neben einer Zunah‑ me des religiösen Verdienstes – auch an der des Ruhmes (yaśas) interessiert war: mātāpitror ātmanaś ca puṇyayaśobhivṛddhaye.18 Die hier genannten Formeln erscheinen vor allem in den Prosabeschrei‑ bungen von Stiftungen. In Versen konzi‑ pierte Texte machten zuweilen metrische Anpassungen erforderlich, wie z. B. in ei‑ ner zentralindischen Candella‑Urkunde aus dem 10. Jahrhundert, in der sich diese Halbstrophe findet: vṛddhaye puṇyayaśasor mātāpitror athātmanaḥ, „zum Anwachsen des religiösen Verdienstes und des Ruhmes von Mutter und Vater sowie der eigenen Person“.19 In diversen Urkunden wurden die Prosa‑ grundformeln auch erweitert. Das ist bei‑ spielsweise typisch für die Stiftungsin‑ schriften der Maitrakas (6. bis 8. Jahrhun‑ dert) im westindischen Gujarat. Dort heißt es: „für das Anschwellen des religiösen Verdienstes von Mutter und Vater sowie zum Ziele der eigenen wunschgemäßen Erlangung der Früchte im Dies‑ und Jen‑ seits“ (mātāpitroḥ puṇyāpyāyanāyātmanaś caihikāmuṣmikayathābhilaṣitaphalāvāptinimittam).20 Dabei stellt die Differenzierung zwischen den auf die Eltern bezogenen Zielen und den mit der Person des Stifters assoziierten Motiven wohl nur eine schein‑ bare dar. Puṇya und phala, ‚Frucht‘, sind quasi‑synonyme Bezeichnungen für das, was durch die guten Taten akkumuliert werden kann. Die doppelte Formulierung sollte den Gedanken lediglich verstärken.21 Wichtig ist aber die explizit ausgedrückte Erwartung, dass verdienstvolle Werke in der diesseitigen und der jenseitigen Welt ihre Wirkung entfalten mögen.22 Diese Ergänzung findet sich auch in den Ur‑ kunden der Rāṣṭrakūṭa‑Dynastie: Um die Mitte des 8. Jahrhunderts wurde noch die bereits erwähnte, sehr weit verbreitete

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Formel mātāpitror ātmanaś ca puṇyayaśobhivṛddhaye verwendet.23 Seit dem späten 8. Jahrhundert ist die vollständige Variante mātāpitror ātmanaś caihikāmuṣmikapuṇyayaśobhivṛddhaye, „für das Anwachsen des religiösen Verdienstes und des Ruhmes von Mutter und Vater und der eigenen Person im Diesseits und im Jenseits“, belegt.24 Verdienstübertragung war zugunsten von Lebenden und Verstorbenen möglich. Adelheid Herrmann‑Pfandt 25 hat für den Buddhismus nachgewiesen, dass die Idee der Übertragbarkeit von religiösen Ver‑ diensten an Lebende älter ist als die der Beteiligung Verstorbener daran. Wie die indischen Stiftungen bereits seit den ersten Jahrhunderten u. Z. zeigen, wurde puṇya nicht nur den Eltern, sondern auch anderen dem Stifter nahestehenden Personen zuge‑ wiesen, und die Idee der Verdienstüber‑ tragung blieb über Jahrhunderte populär. So dokumentiert eine Urkunde aus dem 10. Jahrhundert eine brahmanische Dorfstif‑ tung des Raṣṭrakūṭa‑Königs Kṛṣṇa III., die ausschließlich dem Erwerb von religiösem Verdienst und Ruhm für dessen jüngeren Bruder Jagattuṅga gewidmet war. Kṛṣṇa III. ließ über Jagattuṅga mitteilen, dass dieser ihm lieber als das eigene Leben sei.26 Unmit‑ telbar im Anschluss an die Übertragung des Verdienstes ist die mit der Stiftung verbundene Absicht erneut in einer ein‑ geschobenen Strophe formuliert, die das Verhältnis der Brüder mit dem zwischen den Helden Rāma und Lakṣmaṇa aus dem berühmten Epos ‚Rāmāyaṇa‘ vergleicht: „Möge diese Gabe von Land wunscherfül‑ lend sein für jenen Jagattuṅga, durch den, indem er [seinem] älteren Bruder unver‑ gleichliche Verehrung entgegenbrachte, Lakṣmaṇa übertroffen wurde“.27 Auch das Verdienst aus der Stiftung religiöser Baulichkeiten konnte übertra‑ gen werden. Mitunter wurde dann die betreffende Institution nach demjenigen

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benannt, dem sie gewidmet war. Einschlä‑ gige Beispiele liegen aus Orissa vor: So dokumentieren zwei Urkunden einer wohl im 9. Jahrhundert regierenden Königin der Bhaumakara‑Dynastie namens Tribhu‑ vana mahādevī Stiftungen zugunsten eines śivaitischen Heiligtums, das Nānneśvara hieß. Die Dotationen kamen auf Bitte der Fürstin Śaśilekhā zustande, die den Nānneśvara‑Tempel gegründet, nach ih‑ rem verstorbenen Vater Nānna benannt (→ 8.6.2) und diesem auch das religiöse Verdienst – hier: dharma – aus der Tem‑ pelgründung zugesprochen hatte.28 Neben dem omnipräsenten puṇya und dem Terminus dharma wurden auch an‑ dere Begriffe verwendet: phala (‚Frucht‘), sukha (‚Glück‘) und śreyas (‚Wohlergehen‘). In diversen Śilāhāra‑Inschriften ist die Verdienstformel auf besondere Weise in die Stiftungsdokumentation eingebettet: „Durch mich, der ich das Wohlergehen [śreyas] für Mutter, Vater und mich wün‑ sche, wurde (…) gestiftet“.29 Der Terminus śreyas ist besonders bei jinistischen Stif‑ tungen verbreitet.30 Vor allem in königlichen Urkunden fin‑ den sich typisierte Verdienstformeln, die kaum dem unterschiedlichen Charakter der Empfänger oder Begünstigten ange‑ passt wurden. Mitunter scheint jedoch die religiöse Affiliation eines Mäzens die kon‑ kreten Formulierungen geprägt zu haben. Dies gilt am ehesten für Stifter, die sich als Buddhisten betrachteten. Insbesondere im Mahāyāna‑Buddhismus existiert die Vorstellung, man könne oder solle eigenes religiöses Verdienst ‚allen Wesen‘ (sarvasattva) zugutekommen lassen.31 Die ersten Könige der Bhaumakara‑ Dynastie, die im 8. / 9. Jahrhundert in Orissa herrschten, waren ‚Anhänger des Buddha‘ (paramopāsaka, paramasaugata, paramatathāgata)32 und ließen folgende For‑ mel in ihren Stiftungsurkunden benutzen:

mātāpitror ātmanaḥ sarvasa[t]tvānāñ ca puṇyābhivṛddhaye, „für das Anwachsen des religiösen Verdienstes von Mutter und Vater, der eigenen Person und aller We‑ sen“.33 Von den buddhistischen Bhauma‑ kara‑Königen sind bisher ausschließlich brahmanisch‑hinduistische Stiftungen bekannt.34 Es liegen jedoch zwei Dota‑ tionsurkunden zugunsten buddhistischer Klöster vor, die im späten 9. Jahrhundert im Auftrag des Herrschers Śivakara V., eines Śivaiten (paramamāheśvara), ausge‑ stellt wurden.35 Auffällig ist, dass in fast allen Kupfertafelurkunden der Bhauma‑ karas die vom Mahāyāna beeinflusste Formel enthalten ist, die ‚alle Wesen‘ in die Verdienstübertragung einschließt: in Stiftungen buddhistischer Könige an Brah‑ manen und Śiva‑Tempel ebenso wie in Dotationen śivaitischer Könige und Köni‑ ginnen an Brahmanen und buddhistische Klöster sowie in der Landverleihung einer viṣṇuitisch orientierten Königin an einen Brahmanen. Dies bedeutet wohl, dass die in der Frühzeit unter buddhistischen Kö‑ nigen eingeführte Formel auch von späte‑ ren nichtbuddhistischen Herrschern und Herrscherinnen übernommen wurde. Abweichend ist der Befund bei der bud‑ dhistischen Pāla‑Dynastie, deren Könige in Bihar und Bengalen vom 8. bis 12. Jahr‑ hundert herrschten und sich als paramasaugata bezeichneten. Nach heutigem Kenntnisstand sind bis ins 10. Jahrhundert buddhistische Stiftungen dieser Königs‑ linie belegt: von Dharmapāla, Devapāla, Mahendrapāla und Gopāla II. Im Unter‑ schied zu den Bhauma kara‑Urkunden scheint eine Einbeziehung ‚aller Wesen‘ in die Übertragung des Verdienstes auf Dotationen an buddhistische Institutio‑ nen beschränkt geblieben zu sein. In zwei Kupfer tafelurkunden von Mahendrapāla und Gopāla II. aus dem 9. und 10. Jahrhun‑ dert heißt es, die betreffenden Stiftungen

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seien getätigt worden „für das Anwach‑ sen des religiösen Verdienstes [und Ruh‑ mes] von Mutter und Vater, der eigenen Person und aller Wesen“.36 Eine erwei‑ terte Variante dieser Formel findet sich in einer buddhistischen Stiftungsurkun‑ de von Dharmapāla aus dem 8. Jahrhun‑ dert: „für das Anwachsen des religiösen Verdienstes des Oberherrn, von Mutter und Vater und der eigenen Person sowie für das Hinübergleiten aller Wesen auf den Erlösungsweg“ (bhaṭṭārakapādānāṃ mātāpitror ātmanaś ca puṇyābhivṛddhaye sakalasya ca sa[t]tvarāśer apavargamārgāvatāraṇāya).37 In der Inschrift wird be‑ richtet, dass Fürst Bhadraṇāga per Boten König Dharmapāla ersucht hatte, ihm die Erlaubnis zu erteilen, bestimmte Landstü‑ cke zugunsten dreier von Bhadraṇāga und seiner Gemahlin gegründeter buddhis‑ tischer Einrichtungen stiften zu dürfen. Diese Bitte ist in Form der direkten Rede des Bhadraṇāga wiedergegeben und ent‑ hält die erwähnte Formel, in welcher der Petent, der Lokalfürst Bhadraṇāga, seinen ‚Oberherrn‘ (bhaṭṭāraka), der die Urkunde ausstellen ließ, an erster Stelle der am Verdienst zu beteiligenden Personen nennt. Möglicherweise hing die Verwendung der buddhistisch geprägten Verdienstübertra‑ gungsformel damit zusammen, dass sie auf einen Fürsten zurückging, der bereits diverse buddhistische Bauten gestiftet hat‑ te. In diesem Kontext ist erwähnenswert, dass auch die beiden zuvor genannten bud‑ dhistischen Urkunden von Mahendrapāla und Gopāla II. dieses Patronatsmuster re‑ flektieren, das Ryosuke Furui so beschrie‑ ben hat: „In all these cases the subordi‑ nate rulers seem to have established the religious institutions within their own territories, their control over which en‑ abled construction. The villages donated to these institutions were also under their control.“38 In den Verdienstübertragungen

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der betreffenden Kupfertafelinschriften von Mahendrapāla und Gopāla II. erfolgte kein Verweis auf diese Oberherren. Aus der Einbettung der Formel in das jeweilige Gesuch muss man wohl schließen, dass sich diese auch jeweils auf den Petenten (und eigentlichen Stifter) – Fürst Vajra‑ deva beziehungsweise Fürst Kokkāka – und nicht auf den Pāla‑Herrscher bezog. Interessanterweise enthält eine weitere, von Devapāla stammende buddhistische Urkunde aus dem 9. Jahrhundert lediglich die Grundformel mātāpitror ātmanaś ca puṇyayaśobhivṛddhaye,39 obwohl auch hier der Herrscher eine Stiftung auf Anfrage tätigte. Im Unterschied zu den bisher dis‑ kutierten Fällen erfolgte diese dem Kom‑ plex von Nālandā zugutekommende Dota‑ tion von fünf Dörfern aber auf Bitte eines auswärtigen Klosterstifters, eines Königs der Insel Sumatra, und die Verdienstüber‑ tragungsformel bezieht sich syntaktisch eindeutig nicht auf diesen Klosterstifter, sondern auf König Devapāla. In Stiftungen an nichtbuddhistische Empfänger beließen es die Pāla‑Könige (beziehungsweise ihre Petenten) ebenfalls bei der Grundformel für die Verdienstübertragung.40 Im Kontext der Verdienstübertragung ist auch eine Gruppe ostindischer Urkun‑ den interessant, die aus dem späten Alter‑ tum und frühen Mittelalter stammen. Diese Kupfertafelinschriften aus der Gupta‑ und der unmittelbaren Nach‑Gupta‑Zeit bezeu‑ gen diverse Landstiftungen von Privat‑ personen, denen zunächst der käufliche Erwerb der betreffenden Liegenschaften aus dem königlichen Bodenfonds voraus‑ gegangen war. Nach dem Kauf der Lände‑ reien und nach deren Befreiung von der Steuerpflicht gegenüber der Krone gaben die Stifter diese Objekte an Brahmanen, Klöster oder Tempel für religiöse Zwecke weiter. Explizit festgehalten ist jedoch in der Regel, dass ein Sechstel des religiösen

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Verdienstes (dharma) aus diesen Dotatio‑ nen dem Herrscher zustünde.41 Der sechs‑ te Teil (ṣaḍbhāga) aber war im alten und frühmittelalterlichen Indien der reguläre Erntesteuersatz für landwirtschaftliche Flächen, auf den die Krone Anspruch hatte. Der Begriff puṇya und Verweise auf die damit verbundenen Konzepte tauchen in indischen Stiftungsurkunden des Mittel‑ alters nicht nur in den Verdienstübertra‑ gungsformeln auf. Sie sind auch präsent in festen Wendungen, die die Unbestän‑ digkeit alles Irdischen beschreiben, und in Versen, die zum Schutz der Stiftung aufrufen beziehungsweise vor deren Ver‑ letzung warnen. So leitete bis in die Mitte des 9. Jahrhunderts in den Urkunden der zentralindischen Rāṣṭra kūṭa‑Dynastie eine Strophe, die die Vergänglichkeit des Lebens schilderte und das mit religiösen Landstiftungen verbundene Verdienst be‑ tonte, von der metrischen Genealogie, die mit der Lobpreisung des aktuellen Regen‑ ten endete, zum ‚funktionalen‘ Prosateil über: „Durch ihn [den Regenten] wurde, weil er erkannt hatte, dass dieses Leben wertlos und unstet wie Wind und Blitz ist, diese Stiftung an einen / mehrere Brahma‑ nen [brahmadāya] getätigt, der höchstes religiöses Verdienst [paramapuṇya] [zu‑ kommt], [weil es sich um] eine Landgabe [kṣitidāna] [handelt].“42 Mitunter wurden auch in die Prosapassage zur Beschrei‑ bung der Stiftung Reflexionen des Stifters eingeschoben, wie etwa die Strophe „weil dieser die Welt als instabil, vergänglich [und] ohne [feste] Grundlage [und] als flüchtig wie ein Wassertropfen an der Spit‑ ze eines Sprosses [und] deren Wesen als unstet wie ein Traum, eine Illu sion oder eine Wasserwelle erkannt hat und auch darüber nachgedacht hat, den Freuden des Daseinswandels zu entkommen.“43 Auf die Beschreibung der Dotation folgt bei den Rāṣṭra kūṭas und vielen anderen

Dynastien des Mittelalters die mit einem nochmaligen Rekurs auf die Vergänglich‑ keit des Lebens und der Herrschaft ver‑ knüpfte Aufforderung an spätere Könige zum Beschützen dieser Stiftung: „Und die künftigen guten Könige, die aus unse‑ rem Geschlecht oder andere, sollen die‑ se unsere Gabe genauso wie eine eigene Gabe anerkennen und beschützen, weil sie sich der gemeinsamen Frucht [phala] von Landstiftungen bewusst sind und erkannt haben, dass die vergänglichen Herrschaftsansprüche so unstet wie Blitze sind und dass das Leben so unbeständig wie ein auf einer Grashalmspitze haftender Wassertropfen ist.“44 Hiermit wird darauf angespielt, dass sich ein König, der die Stiftungen früherer Herrscher bewahr‑ te – unabhängig davon, ob diese seiner eigenen Dynastie angehört hatten oder nicht –, einen Anteil am Verdienst dieser Dotation sicherte. Auf diesen Appell an künftige Könige folgt meist ein Passus, der eine Drohung für diejenigen enthält, die der Anweisung zuwiderhandeln oder die Stiftung schä‑ digen sollten. Dies zeigt die andere Seite des Potentials von Stiftungen: Es konnte nicht nur religiöses Verdienst durch de‑ ren Errichtung und Bewahrung generiert werden, sondern man lief auch Gefahr, schwere Schuld durch deren Konfiskation auf sich zu laden. Eine sehr ausführliche Warnung findet sich interessanterweise in der Dotationsurkunde des Tājika Ma‑ dhumati, eines muslimischen Vasallen der Rāṣṭrakūṭa‑Könige, aus dem 10. Jahrhun‑ dert: „Wer jedoch, weil sein Auge blind ist durch den Schleier des Unwissens, nicht begriffen hat, dass das vom Schicksal [be‑ stimmte] Leben vorübergehend, kurzfristig [und] unbeständig ist, brechend wie eine Welle im Fluss, die von der Kraft des Win‑ des getrieben wird, vergänglich wie der auf Grasspitzen haftende Reif, unruhig

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wie die Ohrspitzen des Elefantenjungen, schwankend wie der Hals eines müden Vogels [und] flüchtig wie der Moment des schnellen Züngelns einer erregten Schlan‑ ge, und [wer] nicht berücksichtigt hat, dass das Anhäufen religiösen Verdienstes durch Freigebigkeit die Ursache für Ruhm und Glück im Diesseits und Jenseits ist, [wer als solcher] Verdienst und Schuld nicht erkennender Narr [die Stiftung] wegneh‑ men oder die Wegnahme billigen sollte, der möge mit den fünf großen und den kleinen Vergehen behaftet sein.“45 Der Verweis auf die ‚großen Vergehen‘ (mahāpāṭaka) und auf die ‚kleinen Vergehen‘ (upapāṭaka) spie‑ gelt klar brahmanische Rechtsvorstellun‑ gen wider;46 und die Metaphorik folgt den Konventionen der klassischen Sanskrit‑ Kunstdichtung (kāvya). Den Abschluss königlicher Stiftungsur‑ kunden bildete jeweils eine Zusammenstel‑ lung von aus einem allgemeinen Bestand schöpfenden Schutz‑ und Fluchversen, die sich auf dem gesamten Subkontinent gro‑ ßer Beliebtheit erfreuten. Zwei sehr po‑ puläre Strophen im Śloka‑Metrum waren: „Sechzigtausend Jahre im Himmel wohnt der Geber von Land. Wer wegnimmt oder [die Wegnahme] billigt, möge diese [Jah‑ re] in der Hölle wohnen.“ „Als trockene Baumhöhlen bewohnende Kobras in den wasserlosen Vindhya‑Wäldern werden die [wieder]geboren, die eine Landgabe rau‑ ben.“47 Nicht selten wird behauptet, dass das Beschützen einer Stiftung höher zu be‑ werten sei als deren ursprüngliche Errich‑ tung: „Selbst zu geben ist leicht möglich, als schwierig [erweist sich] das Schützen [der Dotation] eines anderen. In Bezug auf das Geben oder Schützen ist besser [noch] als das Geben das Beschützen [des Gegebenen].“48

7.6.3  Weltliche Ambitionen Neben auf Jenseits und Heil fokussierten Motiven sind solche irdischen Beweggrün‑ de wie das Streben nach guter Gesundheit und langem Leben, Glück und angeneh‑ men Wiedergeburten in mittelalterlichen indischen Stiftungsinschriften erwähnt. Dies hängt damit zusammen, dass man der Ansicht war, religiöses Verdienst (puṇya) könne auch für diesseitige Ziele verwendet werden.49 Darüber hinaus wurde gerade in den königlichen Stiftungsurkunden der puṇya‑Idee nicht selten die Steigerung von Ehre und Ruhm (yaśas) als Stifterabsicht direkt an die Seite gestellt. Auch aus an‑ deren Passagen der Dotationsdokumente geht hervor, dass jene auf Dauer angelegten Gaben der Legitimation und dem Presti‑ ge der Stifter und ihrer Familien dienen sollten. Dies zeigt sich gerade in den die Urkunden einleitenden dynastischen Ge‑ nealogien, die ganz wesentlich aus Prei‑ sungen (praśasti) bestehen (→ 5.6.3) und häufig viel umfangreicher sind als die Dar‑ stellungen der eigentlichen Stiftungsakte. Dadurch verknüpfte man die konkrete Dotation mit einem allgemeinen Lob der Qualitäten und eben auch der Freigebigkeit des königlichen Stifters. Mitunter wurde in den Dotationsbe‑ schreibungen selbst ausdrücklich festge‑ halten, dass es dem Stifter um die Stabili‑ tät der Herrschaft ging. So stiftete ein im späten 13. Jahrhundert an der westindi‑ schen Konkan‑Küste regierender Vasal‑ lenfürst namens Kṛṣṇadeva ein Dorf an 40 Brahmanen „für [langes] Leben, Ge‑ sundheit und Anwachsen der Herrschaft“ (āyurārogya-aiśvaryābhivṛddhyarthaṃ) des Rāmacandra, seines Oberherrn aus der Dynastie der Yādavas.50 Umgekehrt nahm der Śilāhāra‑König Bhojadeva im späten 12. Jahrhundert eine Stiftung auf Bitte und „für den Aufstieg“ (abhyudayārtham) des

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Prinzen Gaṇḍarāditya vor, bei dem es sich vermutlich um seinen Sohn handelte.51 Indirekte Hinweise darauf, dass religiö‑ se Stiftungen von Königen im mittelalterli‑ chen Indien in engem Zusammenhang mit Herrschaft und Machtanspruch standen, liefern die Angaben über die Anlässe, zu denen solche Dotationen vorgenommen wurden, und über die Orte, von denen aus sie verfügt wurden. Neben besonde‑ ren astrologischen Konstellationen wie Sonnen‑ und Mondfinsternissen 52 werden als Stiftungstermine häufig die Daten der Königsweihe oder Thronbesteigung eines Herrschers genannt.53 Indische Könige tä‑ tigten religiöse Dotationen auch, wenn sie sich auf Kriegszügen befanden. Auffällig viele fürstliche Stiftungen wurden aus Heerlagern (vijayaskandhāvāra) ausgege‑ ben. Diese temporären Aufenthaltsorte müssen nicht in jedem Falle tatsächlich zu militärischen Zwecken aufgesucht wor‑ den sein, aber nicht selten ist dies ganz ausdrücklich festgehalten. In einer Ur‑ kunde des Rāṣṭra kūṭa‑Königs Kṛṣṇa III. zugunsten eines Śaiva‑Asketen aus dem 10. Jahrhundert heißt es: „Als ich [mein] edles Heerlager [vijayakaṭaka] in Melpāṭī aufgeschlagen hatte, um die Provinzen der Südregion zur Lebensgrundlage der [von mir] Abhängigen zu machen, alle Besitz‑ tümer der Provinzfürsten zu übernehmen [und] Tempel für [die Götter] Kālapriya, Gaṇḍamārtaṇḍa, Kṛṣṇeśvara und andere zu errichten, stiftete ich …“.54 Ein Blick auf die multireligiöse indi‑ sche Stiftungskultur offenbart politische Hintergründe für königlich‑öffentliche Stiftungen auch in komplexerer Hinsicht: Zwischen der persönlichen religiösen Ori‑ entierung der Herrscher und der Ausrich‑ tung ihres Patronats zeigt sich häufig eine bemerkenswerte Diskrepanz: Die Mehr‑ zahl der mittelalterlichen Dotationen ging an vedische Brahmanen ohne eine klar

nachweisbare śivaitische, viṣṇuitische oder anderweitige sektarische Affiliation und ohne Tempelbindung. Viele Könige aber ließen zu ihrer eigenen Charakteri‑ sierung religiöse Epitheta benutzen, die sie als Anhänger des Śiva, des Viṣṇu oder des Sonnengottes beziehungsweise des Bud‑ dha auswiesen, wobei ein Bekenntnis als Śivait (paramamāheśvara) sehr häufig an‑ zutreffen ist.55 Śivaitische, viṣṇuitische oder buddhis‑ tische Könige (und Königinnen) stifteten an Brahmanen, hinduistische Tempel und buddhistische Klöster. Sie streuten ihr Pa‑ tronat – wenn auch nur selten in je glei‑ chem Umfang – zugunsten verschiedener religiöser Gruppierungen. Dieser Befund lässt vermuten, dass Herrscher Stiftungen nicht allein um des Erwerbs persönlichen Verdienstes willen, sondern auch aus an‑ deren Motiven tätigten: Durch Dotatio‑ nen wollten sie sich wohl der Loyalität unterschiedlicher religiöser Strömungen versichern und auch deren weltliche Unter‑ stützer zufriedenstellen. Zahlreich sind die Belege dafür, dass königliche Stiftungen auf Bitte von Vasallenfürsten und ande‑ ren Personen aus dem höfischen Bereich zustande kamen. Besonders typisch war dies für Dotationen zum Unterhalt hin‑ duistischer Tempel oder buddhistischer Klöster, die von hohen Amtsträgern ge‑ gründet worden waren. Im Falle buddhis‑ tischer Institutionen konnten die Stifter‑ beziehungen sogar eine ‚außenpolitische‘ Komponente erhalten, wenn fremde Könige (aus Südostasien und Sri Lanka) in Indien Klöster errichteten (→ 3.6.4; 6.6.2) und die dortigen Herrscher ersuchten, diese mit Unterhaltsdotationen auszustatten. Einige Urkunden der ostindischen Pāla‑ Könige belegen zudem, dass untergebene Fürsten religiöse Institutionen auf den von ihnen verwalteten Territorien errichten ließen (→ 7.6.2) und ihre Oberherren, die

Indien

Pālas, lediglich um Zustimmung zu ihren eigenen Stiftungen von Dörfern und Län‑ dereien in diesen Gebieten baten. Ryosuke Furui hat zu den Motiven, die hinter die‑ sem speziellen Patronatsmuster gestanden haben könnten, folgende Vermutung ange‑ stellt: „Such activities by the subordinate rulers can be interpreted as attempts to encroach legitimately upon royal authority in the name of pious deeds. Furthermore, the construction of religious institutions on a massive scale may have exhibited their power to local residents and enhanced their authority in rural society.“56 Während Vertreter der lokalen und re‑ gionalen Eliten religionspolitische Akzente vor allem durch die Gründung von Tem‑ peln und Klöstern setzten, die zwangs‑ läufig eine ausgeprägte Ortsgebundenheit besaßen, waren Herrscher mit überregio‑ nalen Machtansprüchen für eine beinahe flächendeckende Ansiedlung von Brahma‑ nen in Indien verantwortlich und trugen durch ihre Stiftungen ganz bewusst zur Verbreitung bestimmter Texttraditionen sowie zu nachhaltigen Wanderungsbewe‑ gungen von Gelehrten (→ 9.6.3) aus aus‑ gewählten Zentren des Veda‑Studiums bei. Brahmanen wirkten dabei aber nicht nur als Mittler spezifischer religiöser Konzepte und als Spezialisten zur Durchführung von Lebenszyklusritualen, sondern waren auch Träger entwickelter Rechtstraditionen und brachten ‚erprobte‘ Sozialvorstellungen sowie die Fähigkeit und das Instrumen‑ tarium mit, diese an das jeweilige Umfeld anzupassen. So bildeten sie für die indi‑ schen Herrscher des Mittelalters ideale Stützen des Königtums, insbesondere auch im ländlichen Bereich. Nicht nur die königlich‑öffentlichen Stif‑ tungen selbst, sondern auch die sie doku‑ mentierenden Urkunden spielten in regio‑ nalen Machtgefügen eine wichtige Rolle und wurden wohl auch mit normgebender

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Absicht ausgestellt. In einem besonderen Sinne gilt dies vor allem für Dorfverlei‑ hungen, die in Randgebieten vorgenommen wurden, in denen die Fiskalhoheit des fer‑ nen Herrschers mitunter eine rein theore‑ tische war und in der Praxis nicht immer leicht durchsetzbar gewesen sein dürfte. Dadurch, dass in Kupfertafelinschriften sehr detailliert und standardisiert die künf‑ tigen Rechte der Begünstigten und die Abgaben, die ihnen zustanden, aufgeführt wurden, setzte man einheitliche Maßstäbe für die gesamte Umgebung der Dörfer.57 Im Rahmen der Vergabe von Steuerpfründen an religiöse Empfänger formulierte man diese Rechte und Ansprüche und delegierte sie gleichzeitig an Dritte, die lokal ansässig waren oder angesiedelt wurden und die neben der weltlichen Autorisierung durch das Stiftungsdokument auch eine sakrale Autorität besaßen. Im Unterschied zu anderen Kulturen der mittelalterlichen Welt sind klare wirtschaftliche Stiftermotive – beispiels‑ weise nach dem Prinzip der islamischen Familienstiftungen (→ 7.3.3) – im indi‑ schen Bereich kaum nachweisbar. Am ehesten könnten Ausführungen buddhis‑ tischer Texte zum Erbrecht auf diese Wei‑ se ausgelegt werden. Zum einen wird hier das Problem des Erblassers diskutiert, der ohne Erben stirbt. 58 Nach brahma‑ nischer – und damit auch säkularer – Rechtsauffassung fiel der Besitz eines kinderlos Verstorbenen an die Krone. 59 Von den buddhistischen Rechtslehrern wurde dieses Prinzip nicht in Frage ge‑ stellt, aber man suchte nach Wegen, es zu umgehen. Eine effektive Möglichkeit bestand offenbar darin, dass Laien vor dem Ableben ihr Eigentum dem buddhis‑ tischen Orden vermachten. Auch wenn in dem Zusammenhang das Augenmerk vor allem auf der Art der Güter liegt, die so in die Hände einer monastischen

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Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

Gemeinschaft gelangen konnten,60 und nicht explizit von Stiftungen die Rede ist, wäre denkbar, dass diese Option einen von verschiedenen Motivsträngen für private Stifter im indischen Mittelalter darstellte. Wenn es sich bei dem potentiellen Stifter nicht um einen Laienanhänger, sondern um einen buddhistischen Mönch (oder um eine Nonne) handelte, scheint das Problem weniger das Vererben denn das Erben gewesen zu sein. Der hohe Anteil von ordinierten Stiftern bei bestimmten Arten von inschriftlich dokumentierten buddhistischen Stiftungen (insbesondere aus dem Altertum und Frühmittelalter) ist ein äußerst auffälliger Befund, auf den Gregory Schopen wiederholt aufmerksam

gemacht hat.61 Im Zusammenhang mit der Frage, woher die Vermögenswerte stamm‑ ten, mit denen Mönche (und auch Non‑ nen) Dotationen an den Orden bestritten, hat Schopen auf einschlägige Passagen des ‚Mūlasarvāstivādavinaya‘ verwiesen, in denen ausgeführt wird, dass ein dem bhikṣusaṃgha beigetretener Mönch offen‑ bar sowohl nach brahmanischer als auch nach buddhistischer Auffassung berechtigt war, am Erbe seines Vaters regulär beteiligt zu werden.62 Möglicherweise existierten aber von buddhistischer Seite Auflagen oder Beschränkungen hinsichtlich des Erbguts, die vorschrieben, dass bestimm‑ te Arten von Gütern nur für Stiftungen verwendet werden durften.63 AS

Anmerkungen 1  Halbfass, Karma und Wiedergeburt (2000), 9. 2 Ebd., 19. 3 Ebd., 23 f. 4  Ebd., 24 f. 5 Ebd., 28; auch 210. 6 Ebd., 29; 101; Mylius, Wörterbuch Sanskrit‑ Deutsch (1975).

7 Halbfass, Karma und Wiedergeburt (2000),

73; 81; Glasenapp, Brahma und Buddha (1926), 166; 171 f. 8 Vgl. z. B. Halbfass, Karma und Wiedergeburt (2000), 100; Glasenapp, Brahma und Buddha (1926), 215. 9 Siehe hierzu z. B. Halbfass, Karma und Wie‑ dergeburt (2000), 168. 10  Vgl. z. B. ebd., 63. 11  Michaels, Hinduismus (1998, ND 2006), 231. 12  Virkus, Könige und das Kaliyuga (1997), 37 f.; Michaels, Hinduismus (1998, ND 2006), 331 f. 13  Halbfass, Karma und Wiedergeburt (2000), 310. 14  Hermann-Pfandt, Verdienstübertragung (1996). 15  Schopen, Two Problems (1985, ND 1997), 39. Dies bezieht sich auf buddhistische Stiftungen. 16  Schmiedchen, Stiftungen zum Unterhalt bud‑ dhistischer Klöster (2013), 114.

17  Mallar Plates of Maha‑Sivagupta. Ed. V. V.

Mirashi / L. P. Pandeya, in: Epigraphia Indica 23, 1935/1936, 113–122, bes. 121, Z. 14; A Newly Disco‑ vered Copperplate from Tippera. The Gunaighar Grant of Vainyagupta: The Year 188 Current. Ed. D. C. Bhattacharya, in: IHQ 6, 1930, 45–60, bes. 53, Z. 3. 18  Diese Grundformel findet sich in den In‑ schriften diverser Dynastien; hier seien einige nordindische Urkunden aufgeführt: Für die Para‑ māras (10. bis 13. Jahrhundert) vgl. In scriptions of the Paramāras, Chandellas, Kachchhapaghātas and Two Minor Dynasties. Ed. Harihar Vitthal Trivedi, Bd. 2. (CII 7.2.) Delhi 1978, 6, Nr. 1, Z. 19 f.; 7, Nr. 2, Z. 21; 13, Nr. 4, Z. 22; 17, Nr. 5, Z. 16; 24, Nr. 6, Z. 41 f.; 27, Nr. 7, Z. 19; 34, Nr. 9, Z. 15; 38, Nr. 10, Z. 15 f.; 41, Nr. 11, Z. 19; 44, Nr. 12, Z. 18; 48, Nr. 13, Z. 17. Für die Candellas (10. bis 13. Jahr‑ hundert) vgl. ebd., Bd. 3. (CII 7.3.) Delhi 1989, 359, Nr. 107, Z. 10; 364, Nr. 108, Z. 15; 398, Nr. 118, Z. 12; 403, Nr. 119, Z. 16; 427, Nr. 126, Z. 14 f.; 441, Nr. 129, Z. 15 f.; 446, Nr. 130, Z. 19. Für die Gāhaḍavālas (11. / 12. Jahrhundert) vgl. Inscriptions of the Gāhaḍavālas and Their Times. Ed. T. P. Verma / A. K Singh, Bd. 2. Delhi 2011, 466, Nr. 1, Z. 13; 479,

Indien

Nr. 3, Z. 14; 486, Nr. 5, Z. 14; 489, Nr. 6, Z. 14 f.; 493, Nr. 8, Z. 18; 497, Nr. 9, Z. 18 f. 19  Inscriptions of the Paramāras, Chandel‑ las, Kachchhapaghātas. Ed. Trivedi, Bd. 3 (wie Anm. 18), 352, Nr. 100, Z. 11. 20 Für die Stiftungen der Maitraka‑Dynastie vgl. z. B. A Grant of King Dhruvasena I. of Valabhī. Ed. Georg Bühler, in: IA 4, 1875, 104–107, hier 105, Z. 16–18. 21 Dies wird auch dadurch belegt, dass in ande‑ ren Stiftungsurkunden die Zuordnung von puṇya und phala einfach umgekehrt erfolgte; vgl. z. B. Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Vasudev Vishnu Mirashi. (CII 6.) Delhi 1977, 32, Nr. 6, Z. 56 f; 40, Nr. 7, Z. 52 f.: pitror aihikāmuṣmikaphalāvāptaye ātmanaś ca puṇyayaśobhivṛddhaye. Obwohl hier mātā° fehlt, ist durch den Dual (pitror) eindeutig, dass beide Eltern gemeint sind. 22 Mitunter findet sich statt puṇya (und phala) auch sukha, ‚Glück‘, und der kumulative Verweis auf ‚beide Welten‘ (ubhayaloka); vgl. z. B. Five Vala Copper‑Plate Grants. No. I: Copper‑plate of the Gārulaka Mahārāja Varāhadāsa of the Year 230 G. E. (549 A. D.). Ed. A. S. Gadre, in: JUB 3, 1934, 77–79, hier 79, Z. 19 f.: ubhayalokasukhayaśase, ‚für Glück und Ruhm in beiden Welten‘. 23 Dies gilt z. B. für die früheste bekannte Rāṣṭra kūṭa‑Urkunde; vgl. Ellora Plates of Dan‑ tidurga: Saka 663. Ed. S. K. Dikshit, in: Epigraphia Indica 25, 1939/1940, 25–31, hier 30, Z. 17 f. 24 Vgl. z. B. Pimpari Plates of Dharavarsha‑ Dhruvaraja; Saka‑Samvat 697. Ed. K. B. Pathak, in: Epigraphia Indica 10, 1909/1910, 81–89, hier 87, Z. 39. 25 Hermann-Pfandt, Verdienstübertragung (1996). 26 Deoli Plates of Krishna III.; Saka‑Samvat 862. Ed. R. G. Bhandarkar, in: Epigraphia Indi‑ ca 5, 1898/1899, 188–197, hier 195, Z. 48 f.: mama prāṇebhyo pi priyatamasya kaniyaso bhrātuḥ śrīmajjagattuṃgadevasya puṇyayaśobhivṛddhaye, „für das Anwachsen des religösen Verdienstes und des Ruhmes meines jüngeren Bruders, des edlen Jagattuṅgadeva, der [mir] lieber ist als so‑ gar mein Leben“. 27 Ebd., 195, Z. 49–51: jyeṣṭhe bhrātari kurvvatā nirupamāṃ bhaktiṃ jito lakṣmaṇaḥ sauṃdaryeṇa manobhavaḥ sucaritai rāmas sa dharmmātmajaḥ / kāntyā śītaruciś ca yena satataṃ śauryeṇa siṃho jagattuṃgasyāstv abhivāṃcchitapradam idaṃ tasyeti dānaṃ bhuvaḥ //.

83 28 Inscriptions of Orissa, Bd. 2: Inscriptions

of the Bhauma‑Karas. Ed. Snigdha Tripathy. Del‑ hi 2000, 156, Nr. 13, Z. 30 f.; 163, Nr. 14, Z. 30 f.: śrīśaśilekhāyā vijñaptyā svarggībhūtanijatātasya śrīnānnābhidhānasya dharmmāya svakāritaśrīnānneśvaranāmāyatane; „auf Bitte der Śrī‑Śaśilekhā für das religiöse Verdienst [ihres] eigenen, in den Himmel gegangenen Vaters, der Śrī‑Nānna hieß, in dem Tempel namens Śrī‑Nānneśvara, den [sie] selbst gegründet hatte“. 29 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi (wie Anm. 21), 57, Nr. 9, Z. 32; 67, Nr. 11, Z. 45; 79, Nr. 13, Z. 55; 103, Nr. 15, Z. 55; 124, Nr. 20, Z. 54: mātāpitror ātmanaś ca śreyorthinā mayā (…) pratipāditam / pratipāditaḥ. 30 Laughlin, Ārādhakamūrti (2003), 47. 31 Im Mahāyāna geht es um anuttarajñāna, ‚höchstes Wissen‘; vgl. Schopen, Two Problems (1985, ND 1997), 39. 32 Zu diesen Termini vgl. Schmiedchen, Reli‑ gious Patronage and Political Power (2010/2011). 33 Inscriptions of Orissa, Bd. 2. Ed. Tripathy (wie Anm. 28), 107, Nr. 3, Z. 21; 111, Nr. 4, Z. 9; 121, Nr. 7, Z. 18 f.; 127, Nr. 8, Z. 20; 133, Nr. 9, Z. 21; 137, Nr. 10, Z. 39; 142, Nr. 11, Z. 25; 149, Nr. 12, Z. 25 f. 34 Ebd., 105–115, Nrn. 3 f.; 120–134, Nrn. 7–9. 35 Ebd., 140–153, Nrn. 11 f. 36 The Jagjibanpur Plate of Mahendrapāla Com prehensively Re‑edited. Ed. Suresh Chandra Bhattacharya, in: JAIH 23, 2005/2006, 61–125, bes. 69, Z. 40: mātapitror ātmanaḥ sakalasya ca satvarāśeḥ puṇyābhivṛddhaye; A New Copper Pla‑ te Inscription of Gopala II. Ed. Ryosuke Furui, in: SAS 24.1, 2008, 67–75, bes. 73, Z. 47: mātāpitror ātmanaś ca sakalasya ca satvarāśeḥ puṇyayaśobhivṛddhaye. 37 Indian Museum Copper Plate Inscription of Dharmapala, Year 26: Tentative Reading and Study. Ed. Ryosuke Furui, in: SAS 27.2, 2011, 145–156, bes. 154, Z. 61 f. 38 Ebd., 151. 39 The Nalanda copper‑plate of Devapāladeva (39th regnal year). Ed. Hirananda Sastri, Nalanda and Its Epigraphic Material. Delhi 1942, ND 1999, 92–102, hier 98, Z. 37. 40  Vgl. z. B. Re‑Reading Two Copper Plate In‑ scriptions of Gopāla II, Year 4. Ed. Ryosuke Furui, in: Gerd J. R. Mevissen / Arundhati Banerji (Hrsg.), Prajñādhara. Essays on Asian Art History,

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Religiöses Verdienst und weltliche Ambitionen

Epigraphy and Culture in Honour of Gouriswar 50 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ Bhattacharya. Delhi 2009, 319–330, hier 328, Z. 38 f. ligiöses Patronat (2014), 416. 41  Virkus, Politische Strukturen (2004), 149. Hier 51 Ebd., 257; 317. scheint es sich um einen pauschal festgelegten 52 Eklipsen galten als ungünstig beziehungs‑ Anteil zu handeln, denn durch Übertragung von weise gefährlich. Mit Stiftungen zu solchen Zeit‑ puṇya wurde das religiöse Gesamtverdienst nicht punkten war ganz offensichtlich die Abwehr po‑ geschmälert. tentieller Gefahren intendiert. Eine besondere 42  Tenedam anilavidyuccañcalam avalokya jīvi- Häufung von Stiftungen aus Anlass von Son‑ tam asāraṃ / kṣitidānaparamapuṇyaḥ pravarttito nenfinsternissen ist z. B. für die Rāṣṭrakūṭas und brahmadāyo yaṃ //. Vgl. Schmiedchen, Herrscher‑ Śilāhāras belegt; vgl. ebd., 22; 461–471; 473–475; genealogie und religiöses Patronat (2014), 150 f. 477; 479; 482; 485–488; 490–493; 496–499; 501. Stif‑ 43  Tenedam adhruvam aśāśvatam apratiṣ- tungen wurden auch zur Sonnenwende und zur ṭhaṃ svapnendrajālajalavīcicalasvabhā vaṃ / Tag‑und‑Nacht‑Gleiche veranlasst. matvā jagat tad api pallavatoyatucchaṃ saṃ sā- 53 Vgl. z. B. ebd., 103; 208. ra sāgarasukhottaraṇaṃ vicintya //. Vgl. ebd., 151. 54 Ebd., 120: dakṣiṇadiṅmaṇḍalāni bhṛtye[bhyo] 44  Tathāgāmibhadranṛpatibhir asmadvaṃśyair jīvanaṃ karttuṃ maṇḍaleśvarasarvvasvāni pratianyair vvā sāmānyaṃ bhūmidānaphalam avetya grahītuṃ kālapriyagaṇḍamārttaṇḍakṛṣṇeśvavidyullolāny anityaiśvaryāṇi tṛṇāgralagnajala[biṃ]‑ rādyāyatanāni niṣpādayituṃ melpāṭīsamāvāsiducañcalañ ca jīvitam ākalayya svadāyanirvviśeṣo taśrīmadvijayakaṭakena mayā (…) dattaḥ. Zu ähn‑ yam asmaddāyo numantavyaḥ pratipālayitavyaḥ lichen Belegen vgl. ebd., 65; 68 f.; 119; 130. [/*]. Vgl. ebd., 154. 55 Schmiedchen, Religious Patronage and Poli‑ 45  Yas tv ajñānapaṭalāndhitadṛṣṭir anila- tical Power (2010/2011). ba lā hatasarittaraṃgabhaṃguraṃ tṛṇāgrala- 56 Indian Museum Copper Plate Inscription of gnāvaśyāyānavasthiraṃ karikalabhakarṇṇāgra- Dharmapala. Ed. Furui (wie Anm. 37), 151. lolaṃ śrāntavihagagalacapalaṃ prakupitabhujaga- 57 Kulke, Frühmittelalterliche Regionalreiche jihvātaḍitkṣaṇadiṣṭaṃ naṣṭaṃ pratikṣaṇam ana- (1985), 77–114. vasthitaṃ gatijī[vi]tam anālocya ihāmutra ca 58 Schopen, Deaths (1995, ND 2004), 103 f.; 117– ya[ś]aḥsaukhanidānaṃ dānāt puṇyasaṃcayam 119; Ders., Monastic Law (1995, ND 2004), 183 f. anādṛtyādṛṣṭaphalānabhijño durmmatir ācchindyād 59 Unter anderem aus diesem Grunde wird in ācchidyamānaṃ vānumodeta sa paṃcabhir mma- der brahmanischen Rechtsliteratur der Adopti‑ hāpātakais sopapātakaiś ca saṃyukta[ḥ*] syād [/*]. on breiter Raum gewidmet; vgl. Manuʼs Code of Vgl. ebd., 155. Law. Ed. Olivelle (wie Anm. 46), 198 f. und 775–779, 46  Zu den ‚großen Vergehen‘ zählen z. B. Brah‑ Strophen 9.158–178. Als säkulares Recht muss man manenmord und Diebstahl; vgl. Manuʼs Code of die brahmanischen Erbvorschriften deshalb be‑ Law. A Critical Edition and Translation of the trachten, weil sie (und andere Regeln) das Zusam‑ Mānava‑Dharmaśāstra. Ed. Patrick Olivelle. Ox‑ menleben der im weltlichen Leben ‚Verbliebenen‘ ford 2005, 217 f. (Übersetzung); 847 (Text), Stro‑ regelten, also für die Masse der (bekanntlich nicht phe 11.55. zölibatär lebenden) Brahmanen und für andere 47  Ṣaṣṭiṃ varṣasahasrāṇi svarge tiṣṭhati bhūmi- Gruppen von ‚Laien‘, nicht jedoch primär für daḥ / ācchettā cānumantā ca tāny eva narake va- Asketen und Mönche bestimmt waren. set // vindhyāṭavīṣv atoyāsu śuṣkakoṭaravāsinaḥ / 60 Diese Passage aus dem ‚Mūlasar vāsti‑ kṛṣṇāhayo hi jāyante bhūmidānaṃ haranti ye //. vādavinaya‘ findet sich auch im Bericht des chi‑ nesischen Pilgers Yijing, der im 7. Jahrhundert Vgl. Pargiter, Verses (1912), 249–251. 48  Svaṃ dātuṃ sumahac chakyaṃ duḥkham Indien besuchte; vgl. A Record of the Buddhist anyasya pālanaṃ / dānaṃ vā pālanaṃ veti dānāc Religion in India and the Malay Archipelago chreyo nupālanaṃ //. Vgl. Schmiedchen, Herrscher‑ (AD 671–695). Übers. Junjiro Takakusu. London genealogie und religiöses Patronat (2014), 157. 1896, ND Delhi 1982, 192. Zum Sanskrit‑Original 49  Hermann-Pfandt, Verdienstübertragung vgl. Gilgit Manuscripts, Bd. 3.2. Ed. N. Dutt. Sri‑ nagar 1942, 140–143. (1996).

Indien

61 Vgl. z. B. Schopen, Two Problems (1985, ND 1997), 30–34; Ders., Monastic Law (1995, ND 2004), 173 f.; 187. Stiftungen von Jaina‑Mönchen (und seltener Jaina‑Nonnen) sind erst spät belegt. Zu monasti‑ schen Bildstiftungen aus Gujarat ab dem 12. Jahr‑ hundert vgl. Laughlin, Ārādhakamūrti (2003), 153–207. 62 Vgl. Schopen, Monastic Law (1995, ND 2004), 172; 177–182; 185. Bei Jaina‑Mönchen könnten die

85 Voraussetzungen andere gewesen sein, da sie – anders als buddhistische Mönche – oft Empfänger persönlicher, d. h. individualisierter Stiftungen waren. 63 Vgl. aber Kieffer-Pülz, Buddhistische Ge‑ meinde (2000), 336, die der Ansicht ist, dass ein Mönch „nach seinem Gutdünken mit dem Erbe verfahren [durfte]“.

8 Gedenken und Kultus

8.1 Interkulturelle Perspektiven Religiösen Kult sowie die Bewahrung und Weitergabe der jeweiligen Geschichten und Lehren konnten alle betroffenen Gläubigen und Anhänger durch obligatorische Ab‑ gaben oder aber Einzelne durch gelegent‑ liche Gaben auf freiwilliger Basis und in variablem Umfang finanzieren. Christen und Juden erwarteten von den Mitgliedern ihrer Gemeinden von jeher einen regelmä‑ ßigen Beitrag, der sich in der lateinischen Kirche auf der Grundlage des ‚Pfarrzwan‑ ges‘ (Zugehörigkeit jedes Getauften zur Pfarrei seiner Ansiedlung) mit ‚Pfarrter‑ mination‘ (Ausbildung lückenloser Pfarr‑ sprengel) und Festsetzung des Zehnten zu einer sicheren wirtschaftlichen Leistung verdichtete.1 Stiftungen für den Kult haben unter diesen Umständen den Charakter einer ergänzenden Gabe. Anders war es in Indien, wo Kultstiftungen „die zentrale Rolle“ (→ 8.6.1) im Stiftungswesen spielten, weil es offenkundig gar keine Alternative für die Sicherung der religiösen Praktiken gab. Wenn Brahmanen‑Priester bestiftet wurden, brachten sie dementsprechend ihre vedischen Opfer neben den Göttern und den Ahnen schlechthin für alle Men‑ schen und übrigen Lebewesen dar; bevor‑ zugte Begünstigte waren aber sie selbst.

Die buddhistischen, jinistischen und hin‑ duistischen Stiftungen hatten, der späteren Entstehung dieser Religionen gemäß, eher partikulare Beweggründe. Für die Bud‑ dhisten war eine dreigeteilte Zwecksetzung zugunsten der Versorgung lokaler Mönchs‑ und Nonnenorden, der Durchführung des Buddhakultes und der Unterhaltung be‑ ziehungsweise dem Neubau von Klöstern und anderen Bauten charakteristisch. Im Hinduismus und Jinismus ging es eben‑ so um die Verehrung bestimmter Götter und ihrer Bilder, aber im Jinismus, der ja wie der Buddhismus Gründergestalten kannte, kam gegebenenfalls die Verehrung der „Furtbereiter“ hinzu. Unübersehbar im Vergleich ist eine Tendenz zur Anonymi‑ sierung der Begünstigungen in den indi‑ schen Religionen. Am wenigsten tritt dies noch bei den Brahmanen hervor, die oft unter Namensnennung persönlich bestiftet wurden, wenngleich es auch Stiftungen an große Gruppen von ihnen gegeben hat; im Buddhismus erscheinen aber das Kloster oder der Orden als Empfänger der Gabe, im Hinduismus treten hinter dem Tempel oder dem Götterbild die Tempelpriester zurück und im Jinismus werden die einzelnen As‑ keten selten einmal ausdrücklich genannt.

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Die Götter oder Gott, Götterbilder oder Heilige figurierten in den hier un‑ tersuchten Religionen als Empfänger der Stiftung, der deshalb auch Unantastbar‑ keit zugeschrieben wurde. Im Judentum trat allerdings der Gemeindebesitz nicht an die Stelle des alten Tempelschatzes, dessen Eigentümer Gott selbst gewesen war. Im Prinzip konnten Synagogen und andere Baulichkeiten von Privatleuten finanziert werden; die jüdischen Bediens‑ teten scheinen hingegen überall aus dem Gemeindefonds bezahlt worden zu sein. Religiöse Stiftungen dienten zur Ausstat‑ tung der Synagogen beziehungsweise der Liturgie mit Thorarollen, Schmuck, Büchern aller Art, Beleuchtungsmitteln (Öl, Kerzen) und so weiter. In der lateini‑ schen Kirche bildete sich ein differenzier‑ tes System zur Ausgestaltung und Ver‑ mehrung des Gottesdienstes heraus, bei dem Priester‑ beziehungsweise Messstif‑ tungen verschiedener Art und die Grün‑ dung sowie der Unterhalt von Klöstern eine herausragende Rolle spielten. Für das griechisch‑orthodoxe Christentum schränkt die Überlieferung den Blick auf die Förderung von Klöstern und Mönchen ein. In der muslimischen Welt diversifi‑ zierten sich die kultischen Zwecke von Stiftungen weit über Moscheen und Schu‑ len hinaus. Gefördert wurden auf diese Weise Korananfertigungen und ‑lesungen, Pilgerschaften nach Mekka und Medina, aber auch zu Heiligengräbern, Schreinen und Sufikonventen, ferner die Feiern von Ramadan und Opferfest, Predigerstellen sowie die Beherbergung, Ausbildung und Ausstattung von ğihād‑Kämpfern. In den monotheistischen Religionen wurde der Adressat der Stiftung als per‑ sonales Gegenüber gedeutet, von dem sich der Spender die Gegengabe des Heils und des ewigen Lebens erwartete. Allfällige Zweifel, ob Lebende den Verstorbenen vor

Gedenken und Kultus

Gott und seinem Gericht zu Hilfe kommen könnten, wurden durch weiterwirkende Wohltaten der Stifter und das Gebetsge‑ denken durch nachlebende Begünstigte verdrängt. Differenzierte Praktiken der commemoratio (griech.: mnēmosyna) in allgemeiner Verbreitung haben sich in den Christentümern von West und Ost ausgebildet. Bevorzugter Platz des Ge‑ betsgedenkens war die Messfeier durch eigens bestiftete Priester; ebenso wichtig wurde das liturgische Gedenken durch Mönchsgemeinschaften, die dafür auch ihre periodischen Gebetszeiten nutzten. Griechische Stifter beeinflussten durch ihre Gründungsurkunden (typika) den Lebens‑ und Gebetsrhythmus der Mönche tiefgrei‑ fend. Intensität und Dauer der Messopfer und Fürbitten variierten im Westen nach den Endzeitvorstellungen; entscheidend war, ob man das Schicksal der Seele an ein Endgericht mit der Auferstehung des Lei‑ bes gebunden sah, also im Prinzip zeitlich unbegrenzte Fürsprache einlegen musste, oder mit einem persönlichen, partikula‑ ren Gericht rechnete, das bald nach dem Tod des Einzelnen ein endgültiges Urteil sprechen würde. Im Islam wie auch im Judentum galten anonyme Stiftungen als besonders ver‑ dienstlich, was ein persönliches Gedenken ausgeschlossen hätte; andererseits wur‑ de das Totengedenken in diesen beiden Religionen vornehmlich in die Hand der männlichen Nachkommen gelegt. Dar‑ über hinaus gaben frommen Muslimen zahlreiche Hadithe (Sentenzen des Pro‑ pheten) Hinweise darauf, wie Verwandte und Freunde dem Verstorbenen seinen Aufenthalt im Grab angenehm machen könnten. 2 Die Interventionen bei Gott durch Gebete (ṣalāt) und Fürbitten (duʿāʾ) galten als ebenso effektiv wie nachhaltige Wohltaten. Auch wenn der Islam keine dem christlichen Kloster und der Messe

Interkulturelle Perspektiven

gleichartige Einrichtung kennt, erfüllten Sufi‑Gemeinschaften durch Rezitation des Koran und gesungene Gebete die Aufgabe zur „Rettung muslimischer Seelen“. Der Vollzug des ḥuḍūr, des täglichen gemein‑ samen Gebets mit Koranlesungen, galt als wirkungsvollster Beistand für die Ver‑ storbenen, besonders für den Erlass ihrer Missetaten und für die Auferstehung zum Paradies am Jüngsten Tag.3 Obwohl den Juden eine Begebenheit aus dem (nicht kanonisierten) zweiten Makkabäerbuch (2 Mac 12.39–46) das Mo‑ tiv für eine Gebetshilfe der Lebenden für die Verstorbenen bot, widerstrebten dieser stiftungsfreundlichen Praxis nicht wenige ihrer Gottesmänner.4 (→ 3.4.2) Regionale Unterschiede und mutmaßliche Anleihen bei der christlichen beziehungsweise mus‑ limischen Mehrheit ihrer Lebensräume sprechen dafür, dass das Gebetsgeden‑ ken bei den Juden des Mittelalters kein kontinuierlich und allgemein gepflegter Brauch gewesen ist. Am deutlichsten sind Namen und Gaben der Stifter zum Zweck des Gedenkens im Nürnberger Memorbuch aufgezeichnet worden, das durch seine Verbindung mit dem Märtyrergedächtnis an das Modell christlicher Martyrologien‑ Nekrologien erinnert. Das Gedenken von Märtyrern, Lehrern und Stiftern der Ge‑ meinde war in Nürnberg an jedem Sabbat des Jahres vorgesehen, dazu an bestimmten Festtagen. Die Anregung zur Anlage des Buches hatte der Neubau einer Synagoge von 1296 / 1297 gegeben, aber die ältesten Listen wurden schon anlässlich der Po‑ grome des Ersten Kreuzzuges von 1096 angelegt. Noch älteren Ursprungs scheinen Me‑ moriallisten jüdischer Stifter in Fustat (Altkairo) gewesen zu sein;5 sie dienten zur Namenrezitation im öffentlichen Ge‑ meindegottesdienst. Besondere Anlässe für die Memoria boten aktuelle Todesfälle

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oder der Tag der Buße (Yom Kippur), an dem alle wohlhabenden Familien ihrer Verstorbenen gedachten. Im Unterschied zu Nürnberg bietet die Geniza von Fustat auch eine Reihe von Stiftungsakten, zum Teil als letztwillige Verfügungen; hier fehlt aber ein ausdrücklicher Hinweis auf die Gebetshilfe durch die Gemeinde.6 Wertvolle Einsichten in die den Wohltä‑ tern zugeschriebenen Erwartungen er‑ laubt eine größere Anzahl von Bittbriefen, mit denen sich Arme, andere Bedürftige und Fremde an die Führer oder weitere Amtsträger der Juden wandten.7 Als Ge‑ gengabe für die erhoffte Hilfe wünsch‑ ten die Bittsteller ihren Adressaten weit überwiegend ein gutes Leben im Diesseits, Schutz vor Ungemach, Erfolg und Wohl‑ ergehen, vor allem aber eine gesegnete Nachkommenschaft. Soll man deshalb auf eine andere religiöse Haltung zu den Stiftungen für das Totengedenken schlie‑ ßen als in Nürnberg? Ein dritter Raum jüdischen Lebens ist das von christlichen Herrschern bestimm‑ te Spanien. Aus urkundlichen jüdischen Verfügungen in lateinischer Sprache aus dem 13. / 14. Jahrhundert u. Z. und ein‑ schlägigen Responsa spanischer Rabbiner ergibt sich der eindeutige Befund, dass Zustiftungen für den (caritativen) Gemein‑ defonds und selbständige Stiftungen nach Art des muslimischen waqf (oder, wie man in Spanien sagte, ḥubs 8) „für meine Seele“, „für den Nachlass meiner Sünden“ oder „in der Hoffnung auf das ewige Leben“ er‑ richtet wurden.9 Man ist aber darauf auf‑ merksam geworden, dass die Stiftungen keine Gebetsauflagen zum Totengeden‑ ken aufweisen.10 Tatsächlich ist bekannt, dass sich die liturgische Totenmemoria des sephardischen (spanischen) von der des aschkenasischen (etwa des Nürnberger) Judentums unterschieden hat. In Asch‑ kenas entfaltete sich der Rhythmus eines

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Totengedenkens an vier Tagen im Jahr, neben dem Yom Kippur an den drei Pilger‑ festen. Das Totengedenken des hashkavah für die persönlichen Angehörigen scheint in anderen jüdischen Kulturen erst dem Vorbild des aschkenasischen hazkarath neshamoth gefolgt zu sein.11 Bezieht man im Hinblick auf die spanischen Urkunden noch ein, dass sie von christlichen Nota‑ ren in lateinischer Sprache und in Anleh‑ nung an christliche Formeln und Motive verfasst wurden, dann liegt der Schluss nahe, dass wir es in diesen Quellen mit dem Niederschlag christlicher Einflüsse zu tun haben.12 Mit anderen Worten ist es zumindest fraglich, ob die Zeugnisse auf eine Praxis liturgischen Stiftergedenkens in Spanien schließen lassen. Während Christen, Muslime und Juden von Gott selbst die Erlösung zum ewigen Leben in seiner Nähe erhofften, ist eine solche persönliche Beziehung in den in‑ dischen Religionen weniger deutlich und fehlte nicht selten wohl ganz; sie tendier‑ ten (nicht ohne Einschränkung) zur Lehre von der Selbsterlösung. Deswegen verleg‑ ten sie sich auf das Erwerben religiösen Verdienstes, durch das sie eine günstige Wiedergeburt, ein länger andauerndes pa‑ radiesisches Dasein und zuletzt eine glück‑ liche Selbstauflösung zu erlangen hofften. Es galt das Prinzip einer automatischen

Gedenken und Kultus

Vergeltung der (guten oder schlechten) Ta‑ ten, so dass religiöse Verdienste des Stifters „ihre Wirkung auch ohne Fürbitten der Stif‑ tungsbegünstigten“ erzielten. (→ 8.6.2) Allerdings hat die Forschung wenigstens Spuren und Ansätze für den Gedanken einer Verdienstübertragung von einer auf die andere Person festgestellt; diese wurde oft lebenden oder verstorbenen Eltern, ge‑ legentlich auch anderen Verwandten und Lehrern gewidmet.13 Wo in Indien von Stiftermemoria die Rede sein kann, gilt dies aber im Allge‑ meinen für weltlichen Ruhm und das dies‑ seitige Nachleben. In diesen Zusammen‑ hang gehören neben den Stifterinschriften auf Gebäuden und Kultbildern wohl auch die ausgreifenden Genealogien indischer Stifter, gegebenenfalls mit Eulogien, in ihren Urkunden. Selbstverständlich ha‑ ben auch die Stifter in anderen Kulturen mit ihren Werken ihr Ansehen zu mehren gesucht. Im Islam ist für fast jede öffentli‑ che Einrichtung der Name ihres Gründers beziehungsweise Stifters bekannt, und im Christentum wurden schriftliche Vermerke zum Zweck des Gedenkens in Gebet und Liturgie gleichzeitig mit historiographi‑ schen Aufzeichnungen zum Nachruhm des Stifters angelegt. MB

Anmerkungen 1  Vgl. M. Borgolte, Mittelalterliche Kirche (2004),

51–60; Bünz / Fouquet, Pfarrei im späten Mittelalter (2013). Zur Frage der Pfarreien in Byzanz siehe M. Borgolte, Europa entdeckt seine Vielfalt (2002), 368. 2 Smith / Haddad, Islamic Understanding (1981), 59. 3 Homerin, Saving Muslim Souls (1999), bes. 71 f.; vgl. Sabra, Public Policy or Private Charity (2005). 4  Vgl. Lévi, Consultation inédite (1903); Galinsky, Commemoration and Heqdesh (2005), 191.

5 Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971,

ND 1999), bes. 92 f.; 97 f.; 162 f.; 470–510; Bd. 3 (1978, ND 1999), 2–6; The Voice of the Poor in the Midd‑ le Ages. An Anthology of Documents from the Geniza. Ed. Mark R. Cohen. Princeton / Oxford 2005, 164–187; Mann, Texts and Studies, Bd. 2 (1931, ND 1972), 257–283. 6 Documents of the Jewish Pious Foundations From the Cairo Geniza. Ed. und übers. Moshe Gil.

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Lateinische Christen

(Publications of the Diaspora Research Institute Tel Aviv University, Bd. 12.) Leiden 1976. 7 Voice of the Poor. Ed. M. Cohen (wie Anm. 5); Ders., Poverty and Charity (2005). 8 Vgl. García Sanjuán, God Inherits the Earth (2007); Carballeira Debasa, Legados píos y fund‑ aciones familiares (2002); Dies., Role of Endow‑ ments (2005). 9 Burns, Jews in the Notarial Culture (1996); Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005).

10  Galinsky, Commemoration and Heqdesh (2005), bes. 195; 201.

11  Vgl. N. N., Memorial Prayers and Services

(1989, ND 2002); Freehof , Hazkarath Neshamoth (1965), bes. 179; 181; 188 f. 12  Vgl. Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 432; Burns, Jews in the Notarial Culture (1996), 29. 13  Vgl. Herrmann-Pfandt, Verdienstübertragung (1996).

8.2 Lateinische Christen 8.2.1 Allgemeines Die Verstetigung des Gedenkens und die Förderung des Kultus gehörten während des gesamten abendländischen Mittelal‑ ters zu den zentralen Aufgaben von Stif‑ tungen. Die Prominenz dieser beiden Stif‑ tungszwecke beruhte vor allem auf der im mittelalterlichen Christentum allenfalls von Häretikern bestrittenen Auffassung, über das endgültige Schicksal der See‑ le entscheide nicht allein der prämortale Lebenswandel eines Gläubigen; vielmehr seien einerseits durch stellvertretend er‑ brachte fromme Werke auch nach dem Ableben eines Sünders noch Gutschriften auf dessen ‚Seelenkonto‘ möglich. An‑ dererseits könne das – mutmaßlich un‑ vollkommen gebliebene – Bemühen, die immerwährende Gnade Gottes bereits zu Lebzeiten zu erlangen, durch postmortale Fürbittengebete anderer Christen nahtlos fortgesetzt, unter Umständen sogar gestei‑ gert werden. (→ 7.2.2 f.) Allerdings waren Stiftungen keineswegs das einzige Mittel zur Stimulation von memoria und officium divinum. Erstere wurde zumindest von be‑ stimmten sozialen Gruppen (z. B. Mönchen, Kaufleuten oder Handwerkern) meist noch

stärker im Rahmen von Gebetsbruderschaf‑ ten gepflegt,1 letzteres mitunter auch auf Anordnung von Päpsten, Synoden oder weltlichen Herrschern intensiviert, ohne dass hierfür zweckgebundene Vermögen bereitgestellt worden wären.2 Die okzidentalen Stifter des Mittelalters haben sowohl das Gebetsgedenken als auch die Kultuspflege sehr oft zu alleinigen Auf‑ gaben ihrer Stiftungen bestimmt, etwa bei reinen Jahrtags‑ oder Heiligenfeststiftun‑ gen. Insbesondere bei Kirchenstiftungen aller Art, also der Gründung von Klös‑ tern, Kollegiatstiften oder Kapellen, waren die beiden Stiftungszwecke in der Regel aber untrennbar miteinander verbunden. Sie wurden darüber hinaus auch mit ca‑ ritativen oder edukativen Zielsetzungen kombiniert, zum Beispiel wenn man die Professoren und Studenten einer gestifte‑ ten Universität oder die Pfleger und Kran‑ ken eines Hospitals zu gottesdienstlichen Handlungen und der Gebetshilfe für den Stifter verpflichtete. (→ 9.2.2) Unabhängig von konkreten Memorialauflagen des Stif‑ ters können schließlich alle mittelalterli‑ chen Stiftungen in einem weiteren Sinne

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als ‚Gedenkstiftungen‘ aufgefasst werden, insofern sie die periodische Vergegenwär‑ tigung des physisch abwesenden Stifters durch das stellvertretende Handeln der Stiftungsorgane intendierten. (→ 3.2.2) 8.2.2 Gedenken im Gebet Das Gedenken, auf das die mittelalterli‑ chen Stifter in ihren Stiftungsurkunden expressis verbis abhoben, war stets ein liturgisches. Ihr Name sollte zum Be‑ standteil, ihre Seele zum Gegenstand von Gebeten werden, die andere Christen für sie sprachen. Der liturgische Ort derarti‑ ger Fürbitten für Verstorbene war seit der Spätantike die eucharistische Mahlfeier der heiligen Messe. Mönche und Kano‑ niker konnten ihre Gebetshilfe darüber hinaus auch im Rahmen der sieben oder acht kanonischen Gebetszeiten leisten, die als officium divinum (Gottesdienst) Tag und Nacht im Abstand weniger Stunden gefei‑ ert wurden. Das Stiftergedenken im Rahmen der Messe nahm seinen Ausgang von den be‑ sonderen Fürbitten, die man seit alters her bei der Eucharistie‑Feier den Spendern der Oblationen angedeihen ließ. Aus verschie‑ denen gallikanischen Sakramentaren ist ersichtlich, dass man im frühen Mittelalter nicht mehr nur die Namen der lebenden Offerenten verlas, sondern auch diejeni‑ gen von bestimmten Toten, für die – stell‑ vertretend – geopfert wurde. So heißt es etwa in einer um 630 / 640 für eine Kirche in Burgund aufgezeichneten post-nomina‑ Kollekte: „Angesichts unserer Missetaten, geliebteste Brüder, mögen wir Bittsteller den Versöhner ehrfürchtig darum bitten, dass Er die Gaben der darbringenden To‑ ten, deren Namen [gerade] verlesen wor‑ den sind, gnädig berücksichtige, dass die gewährte Heiligung seiner Mächte, dieses

Gedenken und Kultus

in Leib und Blut Christi gewandelte Opfer, den Toten zur Ruhe diene, den Darbietern zur Gnade geschehe und den Empfängern zum Heile diene. Durch unsern Herrn Je‑ sus Christus, Deinen Sohn, der mit Dir lebt und herrscht, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.“3 Mit dieser Gebetspraxis war die Hoffnung verbunden, Gott wer‑ de die rezitierten Namen in sein himm‑ lisches Buch des Lebens eintragen;4 auf Erden bewirkte sie zudem eine „Gegenwart der Toten“, da diese in der Vorstellung der Zeitgenossen durch ihre Namensnennung geradezu herbeizitiert wurden und dann unabhängig von ihrer physischen Abwe‑ senheit unter den Betenden als anwesend galten.5 Ursprünglich wurden die vor der Kollekte zu verlesenden Namen situativ mit dem Griffel auf Wachstafeln aus Holz oder Elfenbein notiert und anschließend wieder ausgestrichen; üblicherweise be‑ nutzte man hierfür zweiteilige Exemplare (Diptychen), bei denen die linke Tafel den Lebenden und die rechte den Verstorbe‑ nen vorbehalten war.6 Insbesondere der ostinate Charakter des Stiftergedenkens muss den Oratoren jedoch schon bald be‑ ständigere Formen der Namensnotation nahegelegt haben, die in Analogie zum himmlischen Buch des Lebens ebenfalls als libri vitae bezeichnet wurden.7 Die ältesten erhaltenen Namenslisten, die um 800 u. Z. in Salzburg, Mittelzell (Reichenau), Remire‑ mont und St. Gallen dem Pergament an‑ vertraut wurden, verzeichnen indes neben Toten auch Lebende, deren Gedenken im Gebet also nicht mehr an einen konkreten Beitrag zur eucharistischen Mahlfeier ge‑ koppelt gewesen sein kann, sondern andere Grundlagen gehabt haben muss.8 Zu dieser Zeit hatten die Namenslisten – zumindest in den genannten monastischen Kommu‑ nitäten – bereits einen solchen Umfang erreicht, dass an eine Verlesung der ein‑ zelnen Namen aus praktischen Gründen

Lateinische Christen

nicht mehr zu denken war. Statt der älteren post-nomina‑Kollekte betete man deshalb nun zum Beispiel: „Entschließe Dich, Herr, der Diener und Dienerinnen zu gedenken, die unseren heiligen Gebeten oder Beich‑ ten anvertraut worden sind, die sich mit ihren Almosen den ehrwürdigen Orten der Heiligen anempfohlen haben, deren Namen in das Buch des Lebens geschrieben und auf den heiligen Altar gelegt worden sind, Deiner Diener und Dienerinnen.“9 Neben der Eucharistie bot – wie bereits erwähnt – auch das Stundengebet verschie‑ dene Gelegenheiten für ein liturgisches Stif‑ tergedenken. Im monastisch‑kanonikalen Milieu des Karolingerreiches gedachten die Brüder vermutlich seit dem 8. Jahrhundert nicht mehr nur des jeweiligen Tageshei‑ ligen, sondern auch ausgewählter Toter, wenn sie sich nach der Prim zum Kapitels‑ offizium versammelten. An dieser Praxis hat man auch in späteren Jahrhunderten festgehalten.10 Parallel dazu entwickelte sich im 8. / 9. Jahrhundert die aufwendige Liturgie der Totenvigilien, bei denen in drei Nokturnen neun kurze Lesungen aus dem Buch Hiob durch gregorianische Gesänge eingerahmt wurden.11 Ursprünglich feierte man diese Form der ‚Nachtwache‘ nur am Sterbebett eines Mitbruders; bereits im Jahr 886 hat aber zum Beispiel Kaiser Karl III. (‚der Dicke‘) den Kanonikern von Langres aufgetragen, sie sollten auch den Jahrtag seines Hinscheidens dereinst „mit Vigilien“ begehen.12 Andere Herrscher äußerten gar die Erwartung, die Destinatäre könnten ihre commemoratio dank der Stiftungser‑ träge „Tag und Nacht“ durchführen, also wann immer sie sich zum Gottesdienst versammelten.13 War das liturgische Stiftergedenken ursprünglich aufs engste verwoben mit den Fürbitten für die lebenden Offeren‑ ten einer konkreten Gottesdienstgemein‑ schaft einerseits und für deren verstorbene

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Mitglieder andererseits, zeichnete sich be‑ reits im frühen Mittelalter die Tendenz ab, den Stifter aus dem umfassenden Bemühen um Gebetshilfe herauszulösen. Besonders wirkungsvoll geschah dies im Rahmen spe‑ zieller Seelmessen. Ihre Entstehung wurde begünstigt durch den bereits zu Beginn des Mittelalters aufgekommenen Usus, neben der öffentlichen Messe an Sonn‑ und Fei‑ ertagen (missa publica) wochentags auch Votiv‑ oder Spezialmessen (missae votivae bzw. speciales) zu feiern, deren „portions‑ haft gedachte Gnadenwirkung (…) gezielt auf Einzelne gelenkt werden“ sollte, „statt sich auf die große Zahl einer Gemeinde zu verteilen“.14 Diese Fokussierung des Geden‑ kens auf den Stifter konnte nicht ohne Fol‑ gen für das Formular der zu sprechenden Gebete bleiben; und so konzipierte man für die Seelmessen eine eigene collecta pro fundatore, die bei Bedarf auch im Stunden‑ gebet verwendet werden konnte und bei der gebetet wurde: „Wir bitten, Herr, sei gnädig mit der Seele Deines Knechtes N., und gewähre, dass derjenige, der an diesem Orte mit den Gaben, die Du ihm gegeben hast, in nie nachlassender Sorge Deinem Namen tägliche Huldigungen eingerichtet hat, es sich verdiene, mit Deinen Heili‑ gen die ewige Glückseligkeit zu genießen. Durch unsern Herrn, Jesus Christus, Dei‑ nen Sohn.“15 Da ein solches Gebet dem Gründer einer Kommunität vorbehalten bleiben musste, sprach man für deren Zu‑ und Beistifter vergleichbare Orationen pro benefactoribus.16 Damit die Destina‑ täre auch wussten, für welche Person(en) welches Fürbittengebet zu sprechen war, wurden die betreffenden Namen in den Totenverzeichnissen mitunter mit den Zu‑ sätzen fundator bzw. benefactor versehen.17 Nicht immer und überall wurde indes ein solcher Aufwand getrieben. Mancherorts begnügte man sich damit, für die verstor‑ benen Wohltäter die Psalmen 50 und 129

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der Vulgata (‚Miserere‘ bzw. ‚De profundis‘) zu intonieren;18 gelegentlich akzeptierten die Destinatäre auch Sonderwünsche des jeweiligen Stifters.19 Ohne die eminente Bedeutung der Na‑ mensnennung für die okzidentale Stifter‑ memoria in Abrede stellen zu wollen, muss darauf hingewiesen werden, dass manch mittelalterlicher Stifter andere Mittel wähl‑ te, um das fortwährende Gedenken der Benefiziare auf seine Person zu beziehen. Insbesondere spatiale Verweissysteme ka‑ men für die Zeitgenossen offenkundig als Alternative in Betracht: So vermachte etwa der Bragenser Domkanoniker Geraldo Pe‑ res Ende des 13. Jahrhunderts seinem Dom‑ kapitel zwei Psalter‑Handschriften, „damit aus ihnen auf derjenigen Seite des Chores rezitiert wird, auf der ich es gewohnt war zu stehen“.20 Und der Komponist Josquin Desprez wies Anfang des 16. Jahrhunderts seine Stiftungsempfänger an, die von ihm komponierte Motette ‚Pater noster / Ave Maria‘ fortan just in dem Moment zu in‑ tonieren, in dem der Prozessionszug vor seinem einstigen Wohnhaus am Markt‑ platz zu stehen kam.21 Die Performanz des Stiftergedenkens hatte neben der spatialen Dimension, die unterschiedlich stark akzentuiert werden konnte, stets auch eine zeitliche, die aufs engste mit den jeweils vorherrschenden Jenseitsvorstellungen korrespondierte. (→ 7.2.2 f.) Bereits die frühen Christen hatten die heidnische Praxis, am 3., 7. und 30. Tag nach dem Eintritt des Todes sowie fortan jährlich am Geburtstag eines Ver‑ storbenen an dessen Grab Totenmähler abzuhalten, dahingehend abgewandelt, dass sie an diesen Terminen im Gedenken an den verstorbenen Glaubensbruder die Eucharistie feierten; allein, an die Stelle des irdischen Geburtstags trat dabei der himmlische Geburtstag, also der Todes‑ tag.22 Um diese jährlich wiederkehrende

Gedenken und Kultus

Gebetshilfe für alle Zeiten zu sichern, er‑ richteten vermögende Christen wie der Bischof Bertram von Le Mans (gest. 623) schon im frühen Mittelalter eigene An‑ niversarstiftungen für den Jahrtag ihres Hinscheidens oder ihrer Bestattung.23 Als ab dem 11. Jahrhundert der Wunsch nach einer individuellen Memoria immer stär‑ ker wurde, entwickelte sich der meist mit nächtlichen Totenvigilien und morgend‑ lichem Totenamt, später auch mit zahlrei‑ chen Beimessen gefeierte Jahrtag (dies anniversarius) zu einem ausgesprochen weit verbreiteten Stiftungszweck, den nicht län‑ ger bloß weltliche oder kirchliche Große mit ihren frommen Werken verfolgten, sondern auch Dienstmannen und Bürger.24 Eine theologische Begründung für den im 13. / 14. Jahrhundert kulminierenden Boom der Anniversarstiftungen lieferte bereits der Zeitgenosse Wilhelm Durandus, der in seinem vor 1286 verfassten ‚Rationale divinorum officiorum‘ drei Gründe be‑ nannte, wegen derer man die Jahrtage der Verstorbenen begehe: „Erstens, damit sie von den Jahren des Verderbens in das Jahr der Ewigkeit gelangen, nämlich das ewige Leben, das ohne Ende ist und sich wie das Jahr in sich selbst herumdreht (…). Zweitens begehen wir die Jahrtage der Verstorbenen zu ihrem Nutzen und unserer Andacht, so wie wir die Jahrtage der Heiligen zu ihrer Ehre und unserm Nutzen feiern (…). Drittens (…), weil wir ja nicht wissen, wie es den Verstorbenen in dem anderen [jenseitigen] Leben ergeht, und es besser ist, wenn ihnen zu viel un‑ serer Wohltat zukommen sollte, als wenn es daran mangeln könnte.“25 Gerade das letzte der drei Argumente galt freilich auch für kürzere Wiederho‑ lungsfrequenzen des Stiftergedenkens, die insgesamt zwar stets weniger verbreitet als die Jahrtage blieben, aber gerade im spä‑ teren Mittelalter durchaus eine wichtige

Lateinische Christen

Rolle spielten. Ein vierteljährliches Stifter‑ gedenken kennzeichnete etwa Stiftungen, deren Vollzug an die vier großen Buß‑ und Fastenzeiten (Quatember) gekoppelt wor‑ den war. Mitunter verlangten die Stifter aber auch wöchentliche oder sogar tägli‑ che Kommemorationen. So unterschied‑ lich man die Rhythmen der liturgischen Memoria im Einzelnen auch kalkulier‑ te, letztlich waren alle Gedenkstiftungen dieser Art auf eine regelmäßige Wieder‑ holung angelegt, die erst mit dem Tag des Jüngsten Gerichts von einer immanenten ‚Ewigkeit‘ nahtlos in eine transzendente übergehen sollte. Die Stifter kalkulierten bei der Jenseitsvorsorge also mit einem Weltengericht am Ende der Zeiten, bis zu dessen Eintreten man durch Fürbitte den Allmächtigen peu à peu gnädiger stimmen konnte. Ganz anders handelten dagegen solche Stifter, die davon ausgingen, dass sie sich unmittelbar nach ihrem Tod einem Partikulargericht zu stellen hätten. Um die Zeit im Fegefeuer abzukürzen, musste es ihr Ziel sein, binnen möglichst kurzer Zeit möglichst viele Fürbitten zu akku‑ mulieren; statt Ewig‑Messen stifteten sie deshalb zeitlich befristete Messreihen, bei denen innerhalb weniger Wochen mitunter geradezu phantastisch anmutende Men‑ gen von Messopfern zu ihren Gunsten geleistet und das Stiftungskapital nicht erhalten, sondern sukzessive verbraucht werden sollte. Dass sich das Welten‑ und das Partikulargericht aus dogmatischer Sicht kontradiktorisch gegenüberstanden, hinderte die mittelalterlichen Sünder im Übrigen keineswegs daran, zweigleisige Strategien zu verfolgen.26 Die Jenseitsvorsorge der okzidentalen Stifter galt in erster Linie stets dem eigenen Seelenheil. Darüber hinaus wurden von ih‑ nen aber auch andere Personen(kreise) als Profitienten benannt, die am himmlischen Lohn ihrer frommen Werke partizipieren

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sollten. Hierfür kamen zu allen Zeiten und in allen sozialen Schichten des abendlän‑ dischen Mittelalters zuvörderst die eigenen Vor‑ und Nachfahren sowie – gerade bei Kinderlosigkeit des Stifters – auch entfern‑ tere Verwandte in Betracht. Politische oder persönliche Verbundenheit konnte eben‑ falls eine Rolle spielen, wenn z. B. Könige für Bischöfe oder Bischöfe für Könige stif‑ teten. Obgleich es ganz normal war, dass Laien für Kleriker und Kleriker für Laien tätig wurden, die religiösen Standesgren‑ zen also im Medium der Stiftung transzen‑ diert wurden, betrieb man die stellvertre‑ tende Jenseitsvorsorge meist innerhalb der eigenen sozialen Schicht. Nach oben waren die Standesgrenzen allerdings offener als nach unten. Darum ist es für die moderne Forschung wirklich spektakulär zu beob‑ achten, wie der in den Wirren des ‚Investi‑ turstreits‘ hart geprüfte Kaiser Heinrich IV. in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts damit begann, Gedenkstiftungen für seine Getreuen, Dienstmannen und Krieger zu errichten.27 Welchen Modus der liturgischen Memo‑ ria ein mittelalterlicher Stifter sich im Ein‑ zelnen erhoffte, erfahren wir aus den mit‑ unter recht detaillierten Gedenkauflagen, an deren Erfüllung er die Konsumption der Stiftungserträge durch die Destinatä‑ re in seiner Stiftungsurkunde knüpfte. So verlangte zum Beispiel König Zwentibold von Lotharingien im Jahre 896 von den Mönchen des Petri‑Klosters in Stablo, „dass sie fortan täglich für [seine] Missetaten eine Messe und einen Psalter singen sol‑ len“.28 Nach 1098 ordnete Abt Rudolf I. von Werden an, „dass man an seinem Jahrtag an allen Altären [des Klosters] Wachsker‑ zen anzünde, den Brüdern eine reichli‑ che Erquickung mit Brot, frischen Fischen und mildem Wein reiche, die von überall herbeiströmenden Armen mit freigebiger Hand und heiterem Gemüt umsorge, und

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so sein Gedenken gefeiert werde“.29 Und 1424 sicherten Dekan und Kapitel des Stifts St. Ansgarii in Bremen der Witwe Hempe Vrese zu, zukünftig folgende „neun Me‑ morien (…) mit Vigilien und Seelmessen nach Sitte und Gewohnheit [ihrer] Kirche“ zu begehen: „Die erste Memorie soll sein für Friedrich Groving, Hempes Vater, am 8. Januar. Die zweite Memorie soll sein für Alheid, Hempes Mutter, am 12. September. Die dritte Memorie soll sein für Albert van den Ware, Hempes ersten Ehemann, am 4. Oktober. Die vierte Memorie soll sein für Albert Vrese, Hempes zweiten Ehe‑ mann, am 13. Oktober. Die fünfte Memorie soll sein für Klaus Vrese, Hempes Sohn, am 15. Oktober. Die sechste Memorie soll sein für Friedrich van den Ware, Hempes Sohn, am 27. Juli. Die achte Memorie soll sein für Johannes van den Ware, ebenfalls Hempes Sohn am 28. Juli. Und die Memorie der Hempe soll an dem Tag sein, an dem sie stirbt.“30 Allerdings haben viele Stifter des Mittel‑ alters aus Gründen, über die man nur spe‑ kulieren kann, auch bloß ganz pauschale Memorialklauseln in ihre Stiftungsurkun‑ den einfügen lassen. In solchen Fällen muss der ursprüngliche Stifterwille entweder per Analogieschluss aus annähernd zeit‑ gleichen Stiftungen (im Idealfall desselben Stifters) oder anhand jüngerer liturgischer Quellen aus der Praxis des tatsächlichen Stiftungsvollzugs rekonstruiert werden. Methodisch bleiben beide Verfahren letzt‑ lich heikel: das erste, weil es ein womög‑ lich ganz diffuses Verlangen des Stifters nach Kommemoration konkreter macht als es tatsächlich jemals war; das zweite, weil neuere Studien zur Beständigkeit von Stiftungen im historischen Wandel gera‑ de im Bereich des Stiftungsvollzugs eine erhebliche Empfänglichkeit für Verände‑ rungen aller Art nachweisen konnten.31 Ein Beispiel mag das veranschaulichen:

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Als Kaiser Heinrich III. in den Jahren um 1050 in Goslar ein Kollegiatstift zu Ehren der Apostel Simon und Judas (Thaddeus) gründete, ließ er in seinen Urkunden für die Kanonikergemeinschaft lediglich fest‑ halten, die Bereitstellung der Stiftungsgü‑ ter erfolge „zum ewigen Gedenken“ (ob aeternam commemorationem) seiner selbst, seiner Gemahlin Agnes und seines Sohnes Heinrich. Da der Herrscher bei seinen Ge‑ denkstiftungen sonst oft sehr konkrete Me‑ morialauflagen zu erteilen beliebte, wird die vergleichsweise blasse Formulierung der Goslarer Urkunden weder dem Zufall noch einem nachlässigen Schreiber ge‑ schuldet, sondern gezielter Ausdruck eines sehr weitreichenden Vertrauensvorschus‑ ses gegenüber den Stiftungsempfängern gewesen sein. Weil Heinrichs andernorts artikulierte Memorialpflichten nun aber zum Teil erheblich voneinander abweichen, ist es schlechterdings nicht möglich, die in Goslar vielleicht mündlich verabredeten Praktiken kurzerhand auf diesem Wege zu erschließen. Ähnlich problematisch gestal‑ tet sich die retrograde Interpretation der reichhaltigen liturgischen Überlieferung des 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts; hier werden nämlich vielfach Gebräuche angesprochen, die nachweislich erst in späterer Zeit aufgekommen sein können. Das gilt vor allem für sämtliche Riten, die mit dem Kenotaph des Gründers im Zusammenhang stehen, da die figürliche Grabplatte im Hohen Chor der Stiftskirche wohl erst 1270 / 1290, vielleicht sogar noch später, entstanden ist. In der Zusammen‑ schau von zeitgenössischer urkundlicher Parallelüberlieferung und jüngeren litur‑ gischen Büchern der Stiftungsorgane lässt sich jedoch eine Jahrtagfeier mit Messe, Vigilien und Armenspeisungen als älteste – und wohl auch vom Stifter approbierte – Form des Goslarer Gründergedächtnisses erschließen.32

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8.2.3 Repräsentation und Ruhm Obgleich die Stiftungen des Mittelalters in erster Linie „Vehikel der Erlösung“ waren, verfolgten ihre Stifter in der Regel neben transzendenten auch immanente Ziele.33 (→ 7.2.4) Da derartige Intentionen aller‑ dings nur selten in den Stiftungsurkunden expliziert wurden, sind sie meist bloß indi‑ rekt aus dem Studium des Stiftungsprozes‑ ses und seiner Ergebnisse zu erschließen. Ein ebenso verbreitetes wie offenkundiges Ziel war das Streben nach irdischem Ruhm ( fama), hatte die Handlungsweise Stiften doch oftmals den Charakter einer offen‑ siv zur Schau gestellten Freigebigkeit, die gleichermaßen von der wirtschaftlichen Potenz, der ästhetischen Kompetenz, dem sozialen Rang und nicht zuletzt den ethi‑ schen Ansprüchen des jeweiligen Stifters künden sollte. Die profane Glorifizierung des Stifters fand ihren Niederschlag in ganz verschie‑ denen Erinnerungsmedien. Das wichtigste und zugleich flüchtigste dieser Medien war die mündliche Rede, deren stark gefilterten Nachhall wir insbesondere in historio‑ graphischen Zeugnissen mitunter noch zu hören meinen. Das gilt vor allem für die hoch‑ und spätmittelalterlichen Stif‑ tungsgeschichten ( fundationes), mittels derer einzelne Destinatäre die Geschichte ‚ihrer‘ Stiftung darzustellen trachteten und dabei der Person des Stifters oft so große Aufmerksamkeit schenkten, dass derartige Texte von der modernen Forschung auch als ‚Stifterchroniken‘ bezeichnet worden sind. (→ 5.2.4) In gewissenhaften textge‑ schichtlichen Analysen konnte neuerdings aufgezeigt werden, in welch großem Maße solche Geschichtserzählungen das Ergeb‑ nis einer fortwährenden Arbeit am Text waren, dessen verschiedene Redaktionsstu‑ fen bei günstiger Überlieferungslage ermit‑ telt und auf die ihnen zugrunde liegenden

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Erinnerungsbedürfnisse hin befragt wer‑ den können.34 Das Wissen um die Wan‑ delbarkeit aller menschlichen Erinnerung war allerdings bereits den mittelalterlichen Zeitgenossen wohl vertraut. Unzählige Stif‑ ter des abendländischen Mittelalters ha‑ ben deshalb das Andenken an ihre Stiftung durch entsprechende Inschriften, Bilder oder Skulpturen zu verstetigen gesucht. (→ 5.2.3; 2.2.7) Besonders effektvoll tat dies etwa Kaiser Heinrich V., als er 1111 den Text seiner Stiftungsurkunde in goldenen Lettern auf der Westfassade des Speyerer Doms anbringen ließ und gleich daneben noch ein Bildnis seiner Person.35 Zweifellos mussten fast alle Stifter des Mittelalters mit sehr viel bescheideneren Lösungen vorlieb nehmen; die Funktion eines sta‑ bilisierenden Erinnerungsankers konnten aber selbst der bloße Stiftername auf einem Grabmal oder ein kleines Stifterwappen in einem Glasfenster übernehmen. Entscheidend für die innerweltliche Repräsentationsfunktion von Stiftungen war letztlich immer der Grad ihrer Öf‑ fentlichkeit, bei dem sich ganz erhebliche Unterschiede feststellen lassen. Das eben angeführte Beispiel Heinrichs V. stellt auch in dieser Hinsicht einen Extremfall dar. Der Anbringungsort der Inschrift war nämlich ganz bewusst gewählt, handelte es sich bei der Westfassade doch um die zur städtischen Siedlung ausgerichtete Seite des Gotteshauses; an ihrem Portal endete die Speyerer Magistrale, die via regia (Königsstraße). Wann immer also die Speyerer Bürger, die der Kaiser als Stiftungsempfänger vorgesehen hatte, in die bischöfliche Kirche kamen, lasen sie von den ihnen erwiesenen Wohltaten, aber auch von den Memorialauflagen des Stif‑ ters, dessen permanente Gegenwart durch das stellvertretende Bildnis hergestellt wurde. Eine analoge, obschon weniger explizite Funktion kam zum Beispiel den

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Stiftertympana zu, die sich über vielen Kirchenportalen finden, deren Errichtung allerdings nicht immer eindeutig auf ein entsprechendes Verlangen des Stifters zu‑ rückgeführt werden kann. Stiftungsin‑ schriften wurden regelmäßig auch über den Eingängen von Armenhäusern ange‑ bracht, die wie die Fuggerey in Augsburg oder das godshuis de Moor in Brügge mit‑ unter gleich ganz nach ihrem jeweiligen Stifter benannt wurden – im Gegensatz zu Kirchen, deren Bezeichnung sich in der Regel nach den Heiligen ihres Haupt‑ altars, ihrem Patrozinium, richtete. Deut‑ lich geringere Publizität kam demgegen‑ über solchen Erinnerungszeichen zu, die nur eingeschränkt sichtbar waren, also zum Beispiel Stifterbildern, die in dem für Laien bzw. Außenstehende durch Lettner und ähnliche Schranken unzugänglich gemachten Presbyterien, Sanktuarien oder Privatkapellen angebracht wurden. Ge‑ radezu strukturell benachteiligt waren schließlich all diejenigen Stiftungen, die ohne konkreten Bezug auf irgendwelche Baulichkeiten auskommen mussten. So hatte etwa – um ein letztes Extrembeispiel anzuführen – eine einfache Jahrtagsstif‑ tung bei einer Klostergemeinschaft, die in strenger Klausur lebte, kaum Chancen, jemals zu einem echten Gesprächsstoff zu werden, geschweige denn zum Anlass ei‑ nes profanen Andenkens an ihren Stifter.

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näher bezifferter – Bestandteil der Do‑ tation. Die Kosten für die Aufrichtung des Gebäudes wurden also nicht aus den sukzessive anfallenden Erträgen des Stif‑ tungsgutes bestritten, sondern aus dem Privatvermögen des Stifters. Der bauliche Unterhalt des einmal errichteten Gottes‑ hauses oblag dann zunächst nach spätanti‑ ker Praxis dem Ortsbischof, der seit alters her einen Teil der Zehnteinnahmen dafür aufzuwenden hatte. Anfangs scheint die Höhe des für diesen Zweck reservierten Anteils im freien Ermessen des Bischofs gelegen zu haben, doch bereits im frühen Mittelalter drängten verschiedene Päps‑ te und Partikularsynoden auf ein fixier‑ tes Quantum. In Rom und später auch in weiten Teilen des Frankenreichs bürgerte sich eine Vierteilung der Zehnterträge zugunsten von Bischof, Klerus, Armen und Kirchengebäuden ( fabrica) ein, auf der Iberischen Halbinsel tendierte man dagegen zu einer Dreiteilung, bei der die Armen leer ausgingen und aus dem Fonds für die Reparatur der Kirchen auch deren Beleuchtung zu bestreiten war. Während diese Distributionssysteme die Kirchen‑ rechtler vereinzelt bis ins späte Mittelal‑ ter beschäftigten, verloren sie spätestens seit der Jahrtausendwende an praktischer Bedeutung. In einem vielleicht bis in die Karolingerzeit zurückreichenden, anhand der fragmentarischen Überlieferung in seinen lokalen Verlaufsstadien nur schwer zu rekonstruierenden Prozess entwickelte sich die Kirchenfabrik nämlich von einem 8.2.4 Unterhalt von Kultbauten bloßen Ausgabeposten des bischöflichen und -personal Etats zu einem ortsgebundenen Sonderver‑ Alle Stiftungen, die den Vollzug liturgi‑ mögen – zuerst wohl an den Kathedral‑ scher Handlungen zum Zweck hatten, be‑ kirchen, später auch bei Kollegiatstiften, durften hierfür geeigneter Baulichkeiten Klöstern und Pfarreien. Die zeitgenössi‑ und Zelebranten. Bei Kirchenstiftungen schen Bezeichnungen für diese Sonderver‑ jeglicher Art war das mehr oder weni‑ mögen sind fast so vielfältig wie die Arten ger prächtig ausgeführte Gotteshaus ein ihrer treuhänderischen Verwaltung. Als – in seinem materiellen Wert meist nicht älteste mittellateinische Quellentermini

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erscheinen mit fabrica, opus und structura drei Quasisynonyme mit der Bedeutung ‚Bauwerk‘, unter Rekurs auf die westgoti‑ schen Konzilien im Frühmittelalter zudem die Vokabel luminaria (‚Lichter‘). Zunächst wurden derartige Sondervermögen noch durch den Bischof selbst oder den Küster respektive Thesaurar des Domkapitels ver‑ waltet. Mit der Zeit erhielten sie dann aber eine eigenständige Administration, die bei Stiftskirchen ab dem 11. Jahrhundert, bei Pfarrkirchen rund zwei Jahrhunderte später nachweisbar ist. Diese hatte sich nicht zuletzt an den örtlichen Gegeben‑ heiten auszurichten und nahm dement‑ sprechend mehr oder weniger komplexe Formen an; im Allgemeinen wurde das Fabrikamt (officium fabricae), das nicht mit der Bauhütte zu verwechseln ist, jedoch durch mindestens zwei Meister oder Pfle‑ ger (magistri bzw. procuratores) geleitet, die verschiedene Kleriker, Handwerker und Bedienstete für ihre regelmäßige oder spo‑ radische Mit‑ und Zuarbeit entlohnten und der Aufsicht durch kirchliche oder welt‑ liche Organe (etwa Domkapitel, Stadtrat) unterworfen waren. Das Budget, über das die Baumeister verfügen konnten, speiste sich dabei nicht nur aus den Erträgen der abgeschichteten und gestifteten Fabrik‑ güter (bona fabricae), sondern auch aus anderen Quellen, etwa Schenkungen oder Ablasszahlungen.36 Die Stiftungen für den Unterhalt von Kirchen mussten vor dem Hintergrund der soeben skizzierten Entwicklung der kirchlichen Baulast im Laufe des Mittel‑ alters ein ganz unterschiedliches Gepräge annehmen. Wenn Karlmann im Dezember 771 gleichermaßen „der Abtei [St. Denis], den dort lebenden Mönchen, der Kirchen‑ beleuchtung und der Armensorge“ zwei Gutshöfe dedizierte, „damit sie sich bei deren Vermehrung als nützlich erweisen sollen“, dann kann man nur vermuten,

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dass der Frankenkönig in Anlehnung an die Aufteilung des bischöflichen Vermö‑ gens ein Viertel der Stiftungserträge für den Bau‑ und Lichterdienst reserviert se‑ hen wollte.37 Viel eindeutiger ist der Sach‑ verhalt dagegen in einer Stiftungsurkunde Heinrichs II. zu erkennen, mittels derer der Kaiser der bischöflichen Kirche zu Paderborn 1021 eine Grafschaft verlieh, mit der Maßgabe, kein Lehnsmann des Bi‑ schofs, sondern ein spezieller Amtsträger der Kirche solle dieser Grafschaft jeweils vorstehen und deren Erträge für die Wie‑ derherstellung des Kirchenbaus einsetzen, „damit die Mauern in Stand gesetzt, die Dächer erneuert, und alles, was für die physische Schönheit dieses Gotteshauses vorteilhaft erscheine, dort auch ausgeführt werde.“38 Während Heinrichs Stiftung den Anschein erweckt, der (hier noch einzelne) ‚Baumeister‘39 werde im Zuge des Stiftungs‑ aktes als Stiftungsorgan neu ins Leben gerufen, setzen spätmittelalterliche Zustif‑ tungen an die Kirchenfabrik das Wissen um deren Aufgaben und Vorhandensein einer entsprechenden Verwaltung in der Regel stillschweigend voraus. Ein exem‑ plarischer Eintrag im liber donationum des Straßburger Dombauamts konnte sich dementsprechend auf die lapidare Mittei‑ lung beschränken: „An einem 4. März ist Rudolf gestorben. Er hat der Fabrik alles gegeben, was er besessen hat.“40 Aus der breiten Masse derartiger Zustiftungen ra‑ gen vereinzelt auch projektbezogene Bau‑ stiftungen hervor. So dedizierte etwa der Archidiakon Petrus de Ardeneyo (gest. 1304) dem Dombauamt von Le Mans ein Kapital von 50 Pfund ortsüblicher Mün‑ zen, dessen Erträge dazu beitragen soll‑ ten, dass man endlich den Neubau des Querhauses in Angriff nahm, um eine adäquate Verbindung zwischen der etwa fünfzig Jahre zuvor im Stil der Hochgotik vollendeten Chorapsis und dem älteren

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romanischen Langhaus zu schaffen.41 Neben ihrem Kerngeschäft, dem bauli‑ chen Unterhalt der Kultstätten, wuchsen den Kirchenfabriken im Spätmittelalter noch zahlreiche weitere Aufgaben zu. In dem Maße, in dem sich ihre Verwaltung so weit rechtlich verselbständigte, dass sie mitunter sogar begann, ein eigenes Siegel zu führen42, sahen nämlich immer mehr Gläubige in der fabrica genau jene Dauerperson (→ 13.2.2), der sie ihr ganz persönliches Stiftungsvorhaben anvertrau‑ en wollten. Die spätmittelalterlichen Fa‑ brik rechnungen führen dementsprechend eindrucksvoll vor Augen, wieviel Zeit und Energie die spätmittelalterlichen Baumeis‑ ter in die treuhänderische Verwaltung von Mess‑ und Armenstiftungen investierten, bloß um mit der meist schmalen Differenz zwischen dem Ertrag des jeweiligen Stif‑ tungsvermögens und den tatsächlichen Kosten für den jeweiligen Stiftungsvoll‑ zug ihre Baukasse weiter aufzubessern.43 Um ihren Zweck dauerhaft erfüllen zu können, durfte sich eine mittelalterliche Kirchenstiftung indes nicht auf die Bereit‑ stellung von Baulichkeiten zum Zwecke des Gottesdienstes beschränken, sondern musste auch für die materielle Versor‑ gung des Kultpersonals Sorge tragen. Mit äußerster Klarheit formulierte dieses Er‑ fordernis bereits Kaiser Justinian, als er im Jahre 538 in seiner 67. Novelle beklag‑ te: „Viele bemühen sich um ihres Namens Ansehen willen bei der Gründung von Kirchen, aber dann, wenn diese errichtet sind, lassen sie ihnen ihre Fürsorge nicht länger angedeihen und weisen ihnen [un‑ ter anderem] keine Mittel mehr für die Ernährung derjenigen zu, die in ihnen den Gottesdienst leisten; stattdessen lassen sie die fertiggestellten Kirchen als nackte Mauern einfach im Stich.“ Aus diesem Grund verordnete der Kaiser, dass fort‑ an niemand mehr ein neues Gotteshaus

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errichten dürfe, der nicht zuvor gegen‑ über dem zuständigen Ortsbischof das vorgesehene Quantum für die Ernährung des Kultpersonals festgelegt habe.44 Wie ernst die Bischöfe diese Aufsichtspflicht fürderhin auch im Westen genommen ha‑ ben, verdeutlicht etwa das ca. 950 / 962 im Stift St. Alban vor Mainz abgefasste ‚Pontificale Romano‑Germanicum‘, in des‑ sen 36. Kanon bestimmt wird: „Niemand möge eine Kirche erbauen, bevor nicht der Ortsbischof an die vorgesehene Stel‑ le gekommen ist und dort öffentlich ein Kreuz eingeschlagen hat; und zuvor setze derjenige, der zu bauen wünsche, fest, was zum (…) Lebensunterhalt des Priesters (…) ausreichen und gehören soll; und ist die Dotation erfolgt, möge das Gotteshaus er‑ richtet werden.“45 Vor diesem Hintergrund darf man davon ausgehen, dass bei jeder Neugründung eines Klosters, eines Stifts oder einer Kapelle der Lebensunterhalt des vorgesehenen Kultpersonals einen zwar nur selten vonseiten des Stifters explizit formulierten, aber doch stets zentralen Zweck der Stiftung darstellte. Nachdem man zwischen ca. 800 und 1200 in einem langwierigen Prozess das Vermögen der Stifts‑ und Klosterkirchen in zwei „Tafeln“ getrennt hatte – und zwar in diejenige des Bischofs, Propstes oder Abtes (mensa episcopalis / praepositi / abbatis) einerseits und diejenige des Kapitels bzw. Konventes (mensa capituli / conventi) andererseits –,46 war es nicht länger nur Kirchengründern, sondern auch an‑ deren Stiftern möglich, ausdrücklich für die Ernährung der fratres (‚Brüder‘) zu stiften. Zumindest an den bischöflichen Kirchen des Ostfrankenreiches ging das stipendium oder praebenda genannte Son‑ dergut der Kanoniker (‚Lebensunterhalt‘ bzw. ‚das Gewährte‘) keineswegs aus einer echten Güterteilung mit ihrem Bischof hervor, sondern erwuchs nach und nach

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aus entsprechenden Stiftungen der Gläu‑ bigen.47 Doch selbst dort, wo dem nicht so war, erscheint die mensa fratrum vielfach anlässlich von Zustiftungen erstmals in der schriftlichen Überlieferung. Als die Kanoniker ab der Jahrtausendwende ihr gemeinschaftliches Leben (vita communis) sukzessive aufgaben, gingen sie dazu über, den Ertragsanteil jedes einzelnen aus dem Gemeinschaftsvermögen immer präziser zu beziffern und mit einem individuel‑ len Bezugsrecht zu belegen; aus einer So‑ zietät von Brüdern wurde so allmählich eine Korporation von Pfründnern.48 Hatte dieser Vorgang mit der Festlegung einer bestimmten Zahl von Pfründen erst ein‑ mal seinen (vorläufigen) Abschluss ge‑ funden, wurde es möglich, zusätzliche Pfründen zu stiften, z. B. die sogenannten Königs‑, Bischofs‑ oder Grafenkanonika‑ te.49 Die Errichtung solcher Chorherren‑ präbenden diente später auch als Vorbild für die Stiftung anderer Einzelpfründen, die allerdings in der Regel wirtschaftlich und rechtlich erheblich schlechter gestellt waren. Besondere Bedeutung kam dabei (a.) den Altar‑, (b.) den Prediger‑ und (c.) den Chorknabenpfründen zu. (a.) Eine Altarpfründe (auch Kaplanei oder ewige Vikarie, lateinisch cantaria, eng‑ lisch chantry, französisch chapellenie, nie‑ derländisch kapellanij, spanisch capellaní, italienisch cappellani) sicherte den Lebens‑ unterhalt eines Priesters, der an einem bestimmten Altar einer Stifts‑ oder Pfarr‑, seltener auch Klosterkirche für das Seelen‑ heil des Stifters wöchentlich bis zu sieben Spezialmessen zu zelebrieren hatte, wobei viele Stifter eine Kombination aus Seel‑ und anderen Votivmessen anstrebten.50 Ganz zu Recht hat man das Aufkommen die‑ ser Stiftungskonstruktion in den letzten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts als eine Reaktion auf die latente Überforderung

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der Mönchskonvente und Stiftskapitel mit der gemeinschaftlich begangenen memoria für einzelne Personen gedeutet, bei der die radikale Reduktion der Beter durch eine ebenso radikale Steigerung der Fürbit‑ tenfrequenz gewissermaßen kompensiert wurde.51 Dafür spricht jedenfalls, dass der Stifter einer Altarpfründe in der Regel ganz andere Kontrollmöglichkeiten gegenüber den Destinatären beanspruchte als es etwa einem Jahrzeit‑Stifter überhaupt möglich gewesen wäre. Vor allem forderte er für sich, seine Nachkommen oder den Stadtrat das Präsentationsrecht für den jeweiligen Stelleninhaber; mitunter deklarierte er die Pfründe auch gar nicht erst als kirchli‑ ches Benefizium, über dessen Besitz nach Kirchenrecht letztlich der Bischof zu ent‑ scheiden hatte, sondern als ein bereits bei der kleinsten Verfehlung kündbares An‑ gestelltenverhältnis, das dann commenda (‚Befehlung‘) genannt wurde.52 Um den Stiftungsorganen solch weitreichende Kompetenzen zu verleihen, bedurfte es freilich eines signifikanten Überschusses an pfründlosen Priestern, die bereit wa‑ ren, sich auf solche Arbeitsbedingungen einzulassen und die aktive Seelsorge unter den Lebenden (cura animarum) anderen zu überlassen.53 Die von den Altarpfründen beförderte Individualisierung des Stifter‑ gedenkens – sowohl im Hinblick auf den Profitienten der Fürbitte als auch auf den Empfänger der Stiftungserträge – hatte also neben der religiösen durchaus auch eine sozioökonomische Triebfeder. (b.) Eine Predigerpfründe (lateinisch praedicatura) ernährte einen zum Pries‑ ter geweihten und in Theologie oder zu‑ mindest Kanonistik (Kirchenrecht) gra‑ duierten Weltkleriker, dessen Aufgabe es war, an Sonn‑ und Feiertagen sowie in der vorweihnachtlichen und vorösterlichen Fastenzeit auch werktags außerhalb des

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regulären Pfarrgottesdienstes in der je‑ weiligen Vernakularsprache zu predigen. Einen diesbezüglichen Bedarf hatte bereits das IV. Laterankonzil (1215) konstatiert; als eigene Pfründen wurden Prädikaturen aber erst seit dem ausgehenden 14. Jahr‑ hundert gestiftet oder durch Umwandlung von Altarpfründen eingerichtet.54 Auch sie sollten in erster Linie dem Seelenheil die‑ nen, aber ausdrücklich nicht allein dem‑ jenigen der Stifter, sondern – zumindest potentiell – auch demjenigen aller übri‑ gen Christen. So wollte etwa die Witwe Katharina Kapplerz 1402 durch die Er‑ richtung einer zweiten tschechischspra‑ chigen Prädikatur am Prager Dom „die [geistige] Nahrung des göttlichen Wortes (…) vermehren und verbreitern“, weil sie zu der Auffassung gelangt war, „dass un‑ ter allen, die zum Heil der Seele streben, die Predigt des göttlichen Wortes äußerst notwendig ist.“55

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aber insbesondere an den Bischofskirchen den Wunsch nach einer Professionalisie‑ rung der heranwachsenden Sänger unter der Anleitung eines Choral‑Meisters. Mit der um das Jahr 1000 einsetzenden Auf‑ spaltung des einstmals ungeteilten Kapi‑ telsvermögens in verschiedene Fonds war auch die organisatorische Grundlage für die Stiftung spezieller Sängerschulen mit einer fixierten Anzahl von Chorknaben (lateinisch choristae, pueri choristarii) gege‑ ben. Die Dotation derartiger Institute setz‑ te zu Beginn des 13. Jahrhunderts nicht von ungefähr genau dort ein, wo die Pioniere der mehrstimmigen Kompositionstech‑ nik ihre Heimat hatten, nämlich an den französischen Kathedralkirchen; zuerst anscheinend in Amiens (vor 1208), dann in Chartres (1215) und Tournai (1246).58 Bereits wenige Jahrzehnte später stiftete aber auch Erzbischof Gonzalo García Gudiel von Toledo in seiner Kathedrale zehn solcher Pfründen für clerizones perpetuos („ewige (c.) Eine Chorknabenpfründe versorg‑ Chorknaben“).59 te einen präpubertären Knaben, der in der Messe und beim Stundengebet als Unabhängig vom konkreten Zuschnitt engelsgleiche Stimme eine Alt‑ oder So‑ der bereitgestellten Pfründe waren alle pranpartie zu singen hatte, mit Nahrung, Stiftungen für das officium divinum (wie Obdach, Schul‑ und vor allem Gesangs‑ auch diejenigen für memoria und caritas) unterricht.56 Ursprünglich wurde diese maßgeblich geprägt von dem Gedanken, liturgische Rolle in monastischen Chören die Destinatäre der Stiftungserträge voll‑ wahrscheinlich von Oblaten (also Kindern, brächten ihre frommen Werke stellvertre‑ die von ihren Eltern dem Kloster für das tend für den Stifter. (→ 8.2.2; 9.2.1) Ganz Mönchsleben dargebracht worden waren) in diesem Sinne formulierte etwa Kardinal übernommen, an deren Stelle später die Albrecht von Brandenburg 1532 im Hinblick jüngsten Novizen oder auch Almosen‑ auf seine Gründung des Neuen Stifts in schüler traten 57; in Kanonikerstiften be‑ Halle an der Saale: „Um dem besten und diente man sich hierzu wohl traditionell höchsten Gott (…) immerwährende Dank‑ der einfachen Stiftsschüler. Die Steigerung barkeit zu erweisen, haben wir uns bemüht, des musikalischen Anspruchsniveaus von [Kanoniker] zu bestellen, die an diesem von der Monophonie der klassischen Grego‑ uns von Grund auf dazu erbauten Ort bei rianik (ab dem 4. bis 8. Jahrhundert) über Tag und bei Nacht das Gotteslob und die die Diaphonie des Organums (ab dem Danksagung singen und erschallen lassen. 9. Jahrhundert) zur Polyphonie der Mo‑ Zumal wir ja von den alltäglichen Aufga‑ tetten (ab dem 13. Jahrhundert) nährte ben beansprucht werden, vor ängstlicher

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Sorge häufig geschäftig sind und auch un‑ sere gottesdienstlichen Pflichten nicht in gebührender Weise erfüllen. Daher bringen wir Gott die Gebete und Dienste dar, in‑ dem wir uns der stellvertretenden Dienste anderer bedienen.“60 8.2.5 Steigerungen des Gottesdienstes Die Steigerung des Gottesdienstes war vielen abendländischen Stiftern des Mit‑ telalters ein zentrales Anliegen. Hierzu bedurfte es nicht zwangsläufig der Errich‑ tung eines neuen Gotteshauses (→ 8.2.4); auch die bereits vorhandenen Kulträume boten vielerlei Möglichkeiten, das Lob des Allmächtigen zu vermehren. Grundsätzlich kann man zwischen quantitativen und qualitativen Steigerungen des Gottesdiens‑ tes durch Stiftungen unterscheiden, muss dabei aber im Hinterkopf behalten, dass diese Differenzierung vor allem von heu‑ ristischem Nutzen für die moderne For‑ schung ist; den mittelalterlichen Zeitge‑ nossen wäre sie wohl ganz fremd gewesen. Die quantitativen Steigerungen des li‑ turgischen Pensums erfolgten einerseits durch die Stiftung zusätzlicher Votiv‑ messen (→ 8.2.2), andererseits und vor allem aber durch die Ausdehnung des Stundengebets, das heißt die immer um‑ fangreichere Ausgestaltung der täglichen Gebetszeiten. Zu diesem Zweck stiftete man gewöhnlich für ein konkretes Da‑ tum ein spezielles Offizium zu Ehren des jeweiligen Tagesheiligen, das ein gegen‑ über dem bisherigen Usus deutlich erwei‑ tertes Set von Chorälen, Lesungen und Gebeten umfasste. Um möglichst viele Mitglieder der Gottesdienstgemeinschaft zur Persolvierung des neu festgelegten Pensums zu bewegen, erhielten alle tat‑ sächlichen Teilnehmer – und nur diese! – eine aus den Stiftungserträgen bestrittene

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Aufwandsentschädigung (consolatio, wört‑ lich ‚Tröstung‘), die anfangs aus zusätzli‑ chen Nahrungsmittelrationen (Pitanzen) bestand, später bei Weltgeistlichen auch in Münzen gezahlt wurde (Präsenzgelder).61 Neben vollständigen Offiziumsstiftungen, die – mit Ausnahme der Tages‑ und Vo‑ tivmessen – die gesamte Liturgie von der Vesper des Vortags über die Komplet, die Vigilien, die Prim, die Terz, die Sext, die Non bis zur Vesper des eigentlichen Fest‑ tages prägten, gab es auch Choralstiftun‑ gen, die lediglich das Psalmodieren ein‑ zelner Antiphonen oder Responsorien zu bestimmten Anlässen vorsahen. Besonders zahlreich wurden im 14. und 15. Jahrhun‑ dert solche Stiftungen, mittels derer die sogenannten marianischen Schlussanti‑ phonen ‚Salve Regina‘ und ‚Regina Coeli‘ an das reguläre Ende der Komplet ange‑ hängt werden sollten.62 Je nach individu‑ ellen Frömmigkeitsmustern und vielleicht auch ästhetischen Vorlieben förderten die spätmittelalterlichen Stifter daneben aber auch das Anstimmen anderer Wechsel‑ gesänge.63 Die qualitative Steigerung des Gottes‑ dienstes betraf sowohl die visuellen als auch die auditiven Dimensionen der Li‑ turgie, deren Wirkung auf die Teilneh‑ mer durch die Ausschmückung des Kir‑ chenraums, die Bereitstellung besonders prächtiger Utensilien für den Kultus und nicht zuletzt durch spezielle Handlungen des liturgischen Personals erhöht werden sollte. (→ 3.2.2) Auf performative Effekte zielten etwa Stiftungen für das Läuten der Glocken oder das Schlagen der Orgel zu bestimmten Anlässen, doch auch die be‑ reits erwähnten Predigtstiftungen sind in diesem Kontext zu sehen. Zur dauerhaften Dekoration des Kultortes dienten gestiftete Retabel (Altaraufsätze) oder Glasfenster; die wichtigsten situativen Zierelemente waren Kerzen und Öllampen, wobei gerade

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letztere mitunter auch ununterbrochen brennen sollten. Neben dem sakralen Gerät im engeren Sinne (vasa sacra), das bei der Spendung der Sakramente Verwendung fand, wurden auch illuminierte Prachtaus‑ gaben von Büchern, aus denen während des Gottesdienstes rezitiert wurde (Evangeliar, Lektionar und so weiter), sowie mit Sticke‑ reien und Edelsteinen verzierte Textilien für die Zelebranten (Paramente) gestiftet. Gerade die Objektstiftungen führen noch einmal in aller Deutlichkeit vor Augen, wie eng die Stiftungszwecke Kultuspfle‑ ge und Gebetsgedenken von den mittelal‑ terlichen Menschen aufeinander bezogen

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werden konnten. Zum Teil dienten die Pretiosen nämlich wie der Ornat, den der Kölner Domkanoniker Johann Mettelbach 1506 seinem Kapitel für den Gebrauch im Gottesdienst dedizierte, nachweislich als Dotation für individuelle Memorialstiftun‑ gen.64 Zum Teil stimulierten sie wie der Messkelch, in den die Hofdame Haseke von dem Wolde 1394 ihr Bildnis und ihren Namen eingravieren ließ, auch ohne jede vertragliche Abrede allein durch ihre äu‑ ßere Gestaltung die Fürbitte der Stiftungs‑ empfänger.65 TL

Anmerkungen 1  Den besten Überblick bietet nach wie vor Wol- et cruore conuersa proficiat defunctis ad requiem,

lasch, Mittelalterliche Lebensform (1984). Neuere fiat offerentibus ad mercidem, maniat sumentibus Fallstudien: Fremer / Sander, Memoria und Ver‑ ad salutem: per dominum nostrum [Jesum Chrisbrüderung (1999); Lieven, Spätmittelalterliche tum, filium tuum, qui tecum vivit et regnat, Deus, Verbrüderungsverträge (2008); Militzer, Toten‑ per omnia saecula saeculorum. Amen]. Zur Datie‑ gedenken (2013). Zur Abgrenzung von Stiftung rung und Lokalisierung des hier zitierten libellus und Verbrüderung vgl. M. Borgolte, Typologie und missae, einer Reichenauer Palimpsesthandschrift, Chronologie (1991, ND 2012); Wagner, Liturgische siehe ebd., 62. Weitere Beispiele aus einem um Gegenwart (2010), 34–37. Besonders komplex sind 700 verfassten und vermutlich in Autun (also die Verhältnisse dort, wo Bruderschaften ihrer‑ ebenfalls in Burgund) genutzten Sakramentar, seits als Stifter auftraten. bei denen Heilige als Interzessoren fungierten: 2 Man denke etwa an die berühmte ‚Admoni‑ Missale Gothicum e codice Vaticano Reginensi tio generalis‘ Karls des Großen von 789 oder die latino 317 editum. Ed. Els Rose. (CCSL 159D.) Turn‑ allgemeine Einführung des Festes der Transfigu- hout 2005, 398, Nr. 119: nominum seriem relata ratio Domini durch Papst Calixt III. im Jahre 1457. defunctorum (aus einer ‚Missa in natale sancti Vgl. Die Admonitio generalis Karls des Großen. Clementis episcopi‘). Ebd., 492, Nr. 370: et caris Ed. Hubert Mordek / Klaus Zechiel-Eckes / Michael nostris, quorum sunt nomina recitata, ita refrigeGlatthaar. (MGH Fontes iuris 16.) Hannover 2012; rium pietatis impetret (aus einer ‚Missa in nativi‑ tate sancti Iohannis Baptistae‘). Vgl. Angenendt, Lohse, Stand und Perspektiven (2012), 234 f. 3 Missale Gallicanum vetus (Cod. Vat. Palat. Theologie und Liturgie (1984), 182. lat. 493). Ed. Leo Cunibert Mohlberg / Leo Eizenhö- 4  Vgl. Missale Gothicum (wie Anm. 3), 494, fer / Petrus Siffrin. (Rerum ecclesiasticarum docu‑ Nr. 376; siehe auch ebd., 356, Nr. 15; 418 f., Nr. 172; menta. Series maior: Fontes, Bd. 3.) Rom 1958, 85, 462 f., Nr. 294; sowie Koep, Himmlisches Buch Nr. 31549: Propiciatorem nostris facinaribus, fratres (1952), bes. 100–109. amantissimi, uenerabiliter supplicis exoremus, ut 5 Vgl. Berger, Wendung offere pro (1965); Oexrecitatis nominibus defunctorum dignanter mune- le, Memoria und Memorialüberlieferung (1976, ra respiciat offerentum, ut suae potestatis sancti- ND 2011), bes. 172 f.; Ders., Gegenwart der Toten ficationem largita haec oblatio in Christi corpore (1983, ND 2011).

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6 Vgl. Stegmüller, Diptychon (1957); Jakobi, Di‑ und Trier bildenden mittelrheinischen Territorien, ptychen (1986).

7 Dementsprechend konnte der Bischof Bertram

von Le Mans in seinem 616 aufgesetzten Testa‑ ment von verschiedenen Klerikergemeinschaften als Empfängern seiner Stiftungen die Eintragung seines Namens in deren jeweiligen liber vitae ver‑ langen. Vgl. Weidemann, Testament des Bischofs Berthramn (1986), 18, Nr. 18 (ut nomen meum in libro vitae recitetur); 46, Nr. 68 (delegavi, nomen meum […] in libro vitae jubeant adscribere). Weitere Belege für ein derartiges Begehren, die allerdings nicht in noch frühere Zeiten zurückreichen, bei Zappert, Verbrüderungs‑Bücher und Nekrologien (1853), 22–24, Anm. 15. 8 Hierzu zählte mit Sicherheit die Aufnahme in die Bruderschaft ( fraternitas) des jeweiligen Konventes. Ob auch Freundschaftsbündnisse (amicitiae) die Gebetshilfe der Mönche und Sanktimo‑ nialen nach sich zogen, ist umstritten. 9 Das Verbrüderungsbuch von St. Peter in Salz‑ burg. Handschrift A1 aus dem Archiv von St. Pe‑ ter in Salzburg. Ed. Karl Forster. (Codices selecti, Bd. 51.) Graz 1974, pag. 5: Memorare digneris domine famulos et famulas, quique (…) nobis sacris orationibus vel confessionibus commenda[ti] sunt et qui elymosinis suis se commendaverunt venerabile loca sanctorum, quorum nomina sunt scripta in libro vitae et supra sancto altario sunt posita, famulorum famularumque tu[o]rum. Eine etwas andere Emendation des offenkundig verderbten Textes in: Liber confraternitatum vetustior [mo‑ nasterii s. Petri Salisburgensis]. Ed. Sigismund Herzberg-Fränkel, in: Dioecesis Salisburgensis. (MGH Necr. 2.) Berlin 1904, 4–44, hier 6. – Zur Editionsgeschichte der libri vitae siehe jetzt Schieffer, Memorialquellen (2015). 10  Hofmeister, Totengedächtnis (1959); Oexle, Me‑ moria und Memorialüberlieferung (1976, ND 2011), 176–186. 11  Ottosen, Responsories and Versicles (1993, ND 2007). 12  MGH DD Karl, 237 f., Nr. 147, hier 238: ut (…) anniversarii nostri diem cum vigiliis (…) recenseant. Dazu: Lohse, Heinrich IV. (2013), 225 f. (mit der älteren Literatur). Vgl. auch die Stiftung Er‑ kanfrides an das Kloster St. Maximin vor Trier von 853 im Urkundenbuch zur Geschichte der, jetzt die Preußischen Regierungsbezirke Coblenz

Bd. 1. Ed. Heinrich Beyer. Koblenz 1860, 88 f., Nr. 83, hier 89: in uigiliis et missarum celebrationibus (…) recordentur nostri. 13  MGH DD H III, 87–89, Nr. 68 (1040 XII 29), hier 88: ut eiusdem ęclesię abbatissa cęteręque moniales dei sanctęque genitricis Marię servitium abhinc die noctuque in commemorationem nostri parentumque nostrorum copiosius possint adimplere. 14  Angenendt, Missa specialis (1983), 180; vgl. ebd., 179 f.; Merk, Messliturgische Totenehrung (1926), 60–63; 70–87. 15  CO 7, 193, Nr. 4701: Propiciare, quesumus, Domine, anime famuli tui, illius, et presta, ut, qui de tuis donis in hoc loco pervigili cura nomini tuo quotidiana preparavit obsequia, perpetua cum sanctis tuis mereatur perfrui leticia. Per Christum Dominum nostrum. Amen. Der älteste in dieser Edition nachgewiesene Textzeuge ist das Sacra‑ mentarium Gregorianum ‚Ottonianum‘ aus dem 11. Jahrhundert (Trient, Museo Diocesano, ms. 43, fol. 191v), in dem das Gebet als Bestandteil einer ‚Missa pro edificatore aecclesiae‘ erscheint (diese ist leider ausgelassen in der Teilausgabe Excerp‑ tum e sacramentario Gregoriano „Ottoniano“. Ed. Ferdinando dell’Oro, in: Ders. / Bonifatio Barof‑ fio / Hygino Rogger [Hrsg.], Fontes liturgici libri sacramentorum, Bd. 3. Trient 1988, 45–85, hier 84; siehe aber dell’Oro, Cosiddetto sacramentario [1988], 16). Weitere Belege sind nachgewiesen im CO 7, 193, Nr. 4701, sowie bei Lohse, Dauer (2011), 98, Anm. 9. 16  Vgl. z. B. die ‚Missa pro benefactoribus‘ in: The Sarum Missal. Ed. John Wickham Legg. Oxford 1916, 437, mit den Gebeten ‚Miserere quesumus domine animabus‘, ‚Placeat tibi domine sacrificii‘ und ‚Sumpta sacramenta domine nos absoluant‘ (= CO 5, 164 f., Nr. 3366; CO 6, 248, Nr. 4256 und CO 9, 36, Nr. 5607). 17  Einschlägige Studien zum Aufkommen die‑ ser Praxis fehlen, Quellenmaterial ist reichlich vorhanden. 18  Vgl. etwa Faber, Zorgen voor de ziel (2006), 73. 19  Der Bragenser Scholaster Domingos Peres, genannt Vinagre, erbat sich etwa 1281 die beiden Gebete ‚Deus qui inter apostolicos‘ und ‚Deus qui nos patrem et matrem‘ (= CO 2, 22, Nr. 1757a; ebd., 95, Nr. 1903). Vgl. Domingues da Costa Carvalho, Fortuna ao serviço (2001/2002), 30.

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Gedenken und Kultus

20 Braga, Arquivo Distrital, Lo I dos Test., suo semper anniuersario cerea luminaria ad omnia

doc. 42; zitiert nach Domingues da Costa Carvalho, Fortuna ao serviço (2001/2002), 34: Item mando Ecclesie sancte Marie cathedralis ecclesie Bracarensis duo psalteria ita tamen quod per ea recitur in illa parte choris in que ego consueui stare. 21 Vgl. Kellmann, Josquin (1976), 208. 22 Vgl. Freistedt, Altchristliche Totengedächt‑ nistage (1928, ND 1971); Angenendt, Missa specialis (1983), 196; Oexle, Mahl und Spende (1984). – Nach dem Vorbild des spätantiken Kaiserkultes hat allerdings der westfränkische König Karl der Kahle ab 852 wiederholt Festmahl‑Stiftungen errichtet, die zeit seines Lebens an seinem ‚ir‑ dischen Geburtstag‘ vollzogen, nach seinem Hinscheiden aber auf seinen ‚himmlischen Ge‑ burtstag‘ verlegt werden sollten. Vgl. Wagner, Walahfrid Strabo (2008). Zu Stiftungen, die am Tag der Bischofs‑ oder Königssalbung zu voll‑ ziehen waren, vgl. ebd., bes. 198; 201; 212; sowie Lohse, Heinrich IV. (2013). 23 Vgl. M. Borgolte, Felix est homo ille (1982), bes. 14–18. 24 Vgl. Merk, Messliturgische Totenehrung (1926), 107 mit Anm. 2; P.-J. Schuler, Anniversar (1987). 25 Guillelmi Duranti Rationale divinorum of‑ ficiorum, Bd. 7–8. Ed. Anselme Davril / Timothy M. Thibodeau / Bertrand-Georges Guyot. (CCCM 140B.) Turnhout 2000, 89 f., lib. 7, cap. 35.14–16: Primo, ut defuncti de annis calamitatis perueniant ad annos eternitatis, siue ad uitam eternam que sine fine est et quasi annus in se reuoluitur (…). Secundo, quia sicut sanctorum anniuersarium ad ipsorum honorem et nostram utilitatem celebramus (…), sic et anniuersarium defunctorum ad ipsorum utilitatem et nostram deuotionem. Tertio, (…) quoniam (…) qualiter sit eis in alia uita nescimus, et melius est ut eis supersit beneficium nostrum quam desit. 26 Vgl. Lusiardi, Fegefeuer und Weltengericht (2000). 27 Vgl. K. Schmid, Sorge der Salier (1984), bes. 674–677; 712–716; Ders., Salische Gedenkstiftun‑ gen (1984). 28 MGH DD Zw, 38 f., Nr. 12, hier 39: ut pro nostris facinoribus cotidie missam unam ac psalterium unum ab hinc deinceps cantent. 29 Traditiones Werdinenses. Ed. Wilhelm Crecelius, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichts‑ vereins 7, 1971, 1–60, hier 18–20, Nr. 122: vt in

altaria incendantur deuotissimo studio, largissima fratribus amministretur panis et nouorum piscium uinique lenis et generosi refectio, pauperum quoque omnium undecumque aduenientium cura agatur larga manu et hilari animo et celebris sit eius memoria. Vgl. Stüwer, Reichsabtei Werden (1980), 312. 30 Staatsarchiv Bremen, 1 – 27 (von 1424 II 26): neghen memorien de hiir nascreuen staet, myd vigilien vnde zelmissen na sede vnde wonheyt vnser voscr. kerken. De erste memorie schal wesen Frederikes Grovinghes, Hempen vader, des achteden daghes des manen Januarii. De andere memorie schal wesen Alheydes, Hempen moder, des twolften daghes des manen Septembris. De dridde memorie schall wesen Albertes van den Ware, Hempen ersten mannes, des verden daghes des manen Octobris. De verde memorie schal wesen Albertes Vresen, Hempen anderen manes, in hilghen auende sunte Kalixti. De vifte memorie schal wesen Clawezes Vresen, Hempen zone, des neghesten daghes sunte Kalixti. De zoste memorie schal wesen Gheruerdes Vresen, Hempen zone, in den hilghen auende sunte Luce des hilghen ewangelisten. De zeuede memoria schall wesen mester Vrederikes van den Ware, Hempen zone, des zeueden vnde twintighesten daghes des manen Julii. De achtede memoria schal wesen Johannes van den Ware, ok Hempen zone, des achte vnde twintighesten daghes des vorscr. manen Julii. Vnde der erghenompden Hempen memorie schal wesen vppe den dagh alzo zee sterft (zitiert nach: Presuhn, Totengedenken [2001], 560 f.). 31 Vgl. Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012). 32 Vgl. Lohse, Dauer (2011), bes. 70 f.; 205 f. 33 Eine glänzende Fallstudie hierzu bietet: Scheller, Gedenken und Geschäft (2005). Die For‑ mulierung „vehicles of salvation“ ebd., 133, unter Bezug auf Long, Salvation Through Meditation (1995). 34 Vgl. Lohse, Dauer (2011), 295–321. 35 Die Urkunden Kaiser Heinrichs V. für die Bürger der Stadt Speyer, 7. und 14. August 1111. Ed. Sebastian Scholz, in: Laura Heeg (Bearb.), Die Salier. Macht im Wandel, Bd. 1. München 2011, 174 f. Zur Sache vgl. Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), 68–76 (mit der älteren Literatur). 36 Vgl. Schöller, Rechtliche Organisation des Kirchenbaues (1989), bes. 13–42; 60–63; 117–215; Reitemeier, Pfarrkirchen (2005), bes. 91 f.; 123–133;

Lateinische Christen

524–581; Vroom, Financing Cathedral Building (2010). 37 MGH DD Kar. 1, 74, Nr. 53: donamus (…) ad ipso monasterio vel monachis ibidem degentibus seu ad luminaria ipsius ecclesiae procurandum vel stipendia pauperum, ut praedictas villas proficere debeant in augmentum. 38 MGH DD H II, 562, Nr. 440: ut inde muri releventur, tecta reparentur, et quicquid oportunum fuerit ad corporalem formam ipsius domus domini, ibi inde administretur. 39 Die Urkunde bezeichnet ihn unspezifisch als ministerialis, womit hier dem älteren Sprachge‑ brauch folgend ein ‚königlicher Diener‘ gemeint sein dürfte. Allgemein zur Entwicklung der Mi‑ nisterialität: Hechberger, Adel (2004), 27–34; 91–99. 40  Straßburg, Archives Municipaux, Oeuvre Notre‑Dame 1, fol. 62v: Item Ru(o)dolfus obiit. Dedit (…) omnia fabrice que habuerit (zitiert nach Stanford, Commemorating the Dead [2011], 70, Anm. 101). 41  Nécrologue‑Obituaire de la cathédrale du Mans. Ed. Gustave Busson / Ambroise Ledru. (Ar‑ chives historiques du Maine, Bd. 7.) Le Mans 1906, 43 f.: VIII° kalendas marcii (…) obiit bone memorie magister Petrus de Ardeneyo, archidiaconus de Monte-Forti (…). Item dedit nobis in vita sua quinquaginta libras cenomanensium ad incipiendum opus in cruce ecclesie versus campanile. Dass es sich um eine Stiftung und nicht um eine Schen‑ kung unter Auflage handelte, ist nur aus ver‑ schiedenen Indizien zu erschließen. Zum einen heißt es bei einer ebd. festgehaltenen allgemeinen Zustiftung des Archidiakons zum Fabrikvermö‑ gen ausdrücklich, sie solle deren Ertrag erhöhen (also zur Grundstockerweiterung dienen); zum anderen wurde mit dem Bau des Querhauses tat‑ sächlich erst Jahrzehnte später begonnen, das von Petrus bereitgestellte Geld muss also in der Zwischenzeit angelegt worden sein. 42  Eine hervorragende Abbildung des Metzer Domfabrik‑Siegels aus dem 13. Jahrhundert bietet Vroom, Financing Cathedral Building (2010), 45, Abb. 5. Zum Begriff ‚Dauerperson‘ siehe Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938), 5–8. 43  Vgl. Struck, Baufabrik (1975); Guntermann, Turmbau und Totengedenken (2003); Reitemeier, Pfarrkirchen (2005), 311–393; ebd., 697–705, umfang‑ reiche Nachweise erhaltener Fabrikrechnungen aus

107 dem deutschsprachigen Raum (ggf. mit Hinweis auf Edition); weitere Exemplare, insbesondere aus Frankreich, führt Schöller, Rechtliche Organisation des Kirchenbaues (1989), 361–377, an. 44  Iustiniani Novellae. Ed. Rudolfus Schoell / Guilelmus Kroll. (CIC 3.) Dublin / Zürich 101972, 344– 347, Nr. 67, hier 344 f.: Multi enim nominis gratia ad sanctissimas ecclesias condendas festinant, deinde iisdem aedificatis non amplius curam adhibent ut etiam impensas idoneas iis adsignent (…) et ad alimoniam eorum qui circa eas versantur (…), sed relinquunt eas in nudis aedificiis constantes (…). Deinde non aliter quempiam ecclesiam ex novo aedificare, priusquam loquatur ad deo amabilem episcopum et definiat mensuram quam deputat (…) ad (…) observantium alimenta. Vgl. auch Thomas, Private Religious Foundations (1987), 47. 45  Le Pontifical romano‑germanique du dixi‑ ème siècle, Bd. 1. Ed. Cyrille Vogel / Reinhard Elze. (Studi e Testi, Bd. 226.) Vatikanstadt 1963, 122 f., can. 36: Nemo ecclesiam aedificet, antequam civitatis episcopus illuc veniat et ibidem crucem figat publice, et ante praefiniat qui edificare vult, quod ad luminaria et ad custodiam et stipendia custodum et ad suppletionem necessitatum presbiteri dotemque ecclesiae sufficiat atque pertineat, et facta donatione, sic domum edificet. Vgl. dazu auch Benz, Ecclesiae pura simplicitas (1980); Adámková, Con‑ siderazione (2008); Holder, Medieval foundation stones (2010). 46  Vgl. Pöschl, Bischofsgut und mensa episco‑ palis (1908–1912); Lesne, Origine des menses (1910); Schneidmüller, Verfassung und Güterordnung (1986); Palmboom, Kapittel van Sint Jan (1995); Crosby, Bishop and Chapter (2002). 47  Vgl. Schieffer, Entstehung (1976). 48  Eine anschauliche Vorstellung von diesem Vorgang vermittelt das Statut des Bischofs He‑ zilo von Hildesheim aus den Jahren zwischen 1054 und 1067, gedruckt im Urkundenbuch des Hochstifts Hildesheim und seiner Bischöfe, Bd. 1. Ed. Karl Janicke. (Publicationen aus den k. preußischen Staatsarchiven, Bd. 65.) Leipzig 1896, ND Osnabrück 1965, 92–94, Nr. 93. Dazu erhellend, aber nicht erschöpfend: Snell, Statut Bischof Hezilos (1995). Grundsätzlich zur Gene‑ se der Kanonikerpfründe: Marchal, Weltliches Kanonikerinstitut (1999–2000), mit der älteren Literatur.

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Gedenken und Kultus

49  Zum numerus certus vgl. A. Meyer, Aufkom‑ 60 Ediert bei Hamann, Liber Ordinarius Hallen‑ men des Numerus certus (2007). Zur Stiftung von sis (2014), 550: Optimo illi maximoque Deo (…) instiKanonikaten siehe M. Borgolte, Typologie und tuere qui hoc loco a fundamentis ob idipsum a nobis Chronologie (1991, ND 2012); Colvin, Origin (2000). extructo. dies noctesque diuinas laudes ac gratiarum 50 Vgl. Wood-Legh, Perpetual Chantries (1965); actiones concinent acclamentque. Siquidem nos pro Bériou, Chapellenies (1971); Speetjens, Founder negociis distrahimur. pre anxiis curis crebro uillica(2011); Inde, Aspects économiques (2013). mur: nec in reddendo penso officii nostri. quicquam 51 Vgl. Colvin, Origin (2000); ergänzend: Crouch, digne praestamus. Vnde vicaria aliorum usi opera. Origin (2001). deo persoluimus preces ac ministeria. Übersetzung 52 Vgl. Heepe, Organisation (1913); Frölich, Rechts‑ ebd., 73. Zum komplizierten Stiftungsprozess des formen (1931); Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht Neuen Stifts ebd., 90–97. (1938); Lentze, Rechtsform (1951). 61 Vgl. Haas, Leben im Kollegiatstift (2011), bes. 53 Vgl. Kurze, Niederer Klerus (1976, ND 1996). 109–129; 175–202. Zu Präsenzgeldern: Van Baarsel, 54 Vgl. Neidiger, Prädikaturstiftungen (2011). Zur Memoriemeesters (1982). Geschichte von Predigt und Predigtorganisation 62 Vgl. Haas, Leben im Kollegiatstift (2011), 113; im Allgemeinen: Menzel, Predigt (1991). 116; 125; 202–228. 55 Libri erectionum Archidioecesis Pragensis 63 Ein Beispiel: Stiftung der Antiphon ‚O Crux‘ saeculo 14. et 15., Bd. 6. Ed. Antonín Podlaha. Prag durch die beiden Vikare Eilard Fabri und Johannes 1915–1927, Nr. 151: pabulum verbi divini (…) augere von Helmstede im Stift St. Blasius, Braunschweig. et ampliare, perpendens etiam inter cuncta, [quae] Vgl. Urkundenbuch der Stadt Braunschweig, Bd. 7. ad salutem tendunt animarum, praedicatio verbi Ed. Josef Dolle. (Veröffentlichungen der Histori‑ divini summopere est necesseria. schen Kommission für Niedersachsen und Bre‑ 56 Vgl. Demouy, Pueri chori (1993); Boynton, Boy men, Bd. 215.) Hannover 2003, 200 f., Nr. 211; dazu Singers (2008). Eine sehr nützliche Bibliographie Haas, Leben im Kollegiatstift (2011), 125. zu den englischen Chorknaben‑Schulen bietet 64 Die Protokolle des Kölner Domkapitels, Bd. 1. Mould, English Chorister (2007), 339–347; siehe Ed. Klaus Militzer. (Publikationen der Gesellschaft auch ebd., 23–35. für Rheinische Geschichtskunde, Bd. 77.) Düs‑ 57 Vgl. Bowers, Almonry Schools (1999), bes. 184 f. seldorf 2009, 540, Nr. 2105; vgl. ebd., 85, Nr. 352. mit Anm. 23; 208–212. Den Memorialcharakter von Ornatstiftungen 58 Vgl. Demouy, Pueri chori (1993), 139. unterstreicht auch ein Inventar der Nürnberger 59 Reynaud, Enfants de chœr (2002), 141 f.; vgl. Lorenzkirche von 1524, gedruckt bei Schleif , Do‑ ebd. 13 f. Zu den gleichzeitigen Stiftungen eng‑ natio et Memoria (1990), 237–241. lischer Bischöfe siehe Mould, English Chorister 65 Vgl. Schlotheuber, Miserere mei deus (2012), (2007), 27 f. 54; ein Foto ebd., 53, Abb. 18.

Muslime

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8.3 Muslime 8.3.1 Allgemeines Häufig ist behauptet worden, das charak‑ teristischste Merkmal des Islam sei sein Beharren auf Orthopraxie und nicht auf Orthodoxie.1 Während das Glaubensbe‑ kenntnis als erste der fünf Säulen des Islam dogmatischen Charakters ist, da es ein Be‑ kenntnis zum Glauben an einen einzigen Gott enthält, stehen die anderen vier Säulen für kultische und wohltätige Praktiken, nämlich fünfmal am Tag zu beten, wäh‑ rend des Ramadan zu fasten, den Armen die vorgeschriebenen Almosen zu geben (zakāt) und, wenn möglich, einmal im Le‑ ben nach Mekka zu pilgern (ḥağğ). Einige der häufigsten Selbstbezeichnungen von Muslimen verweisen in der Tat direkt auf fromme Praktiken, wie etwa ahl aṣ-ṣalāt (‚Volk des Gebets‘) oder ahl al-qibla (‚Volk[, das in Richtung] der qibla [betet]‘). Religiö‑ se Praktiken haben allerdings nicht nur den Zweck, Menschen als Gläubige zu identifi‑ zieren. Obgleich im Islam die persönliche Beziehung mit dem Göttlichen wichtig ist und es keiner religiösen Hierarchie und Instanzen wie etwa in der christlichen Kirche bedarf, die zwischen Gott und den Seinen vermitteln, ist der muslimische Kul‑ tus im Grunde ein öffentlicher Akt. Daher können religiöse Praktiken den inneren Zusammenhalt der muslimischen Umma symbolisieren, gleichzeitig aber auch Tag für Tag an ihre Spaltungen erinnern. Die performative Dimension des Gebets (ṣalāh) veranschaulicht diese Ambivalenz besonders gut: Im Mittelalter hörten die Einwohner einer muslimischen Stadt den Ruf zum Gebet (aḏān) fünfmal täglich. Die‑ ser variierte allerdings je nachdem, zu welchem Zweig des Islam die Moschee

und deren Muezzin gehörten. Schiitische und sunnitische Rituale sind verschieden, und auch innerhalb der beiden Glaubens‑ richtungen unterscheiden sich der Ge‑ betsruf und dessen Ausführung je nach schiitischem Zweig (Rāfiḍīten, Zaidīten, Ismailiten etc.) oder sunnitischer Schu‑ le (Ḥanafīten, Šāfiʿīten, Mālikīten und Ḥanbalīten). So lässt sich mit einem solch alltäglichen Akt, der von Außenstehenden in der Regel als ein ‚typisch‘ muslimisches Ritual wahrgenommen wird, besonders deutlich ein akustisches Mosaik religiöser und sozialer Unterschiede zeichnen, die für die Mitglieder der islamischen Gesell‑ schaft selbst offensichtlich waren. Bezieht man weitere religiöse Praktiken ein, so vergrößert sich das Spektrum möglicher Bekenntnisse, persönlicher Beziehungen, sozialer Zugehörigkeiten und sogar poli‑ tischer Loyalitäten noch. Das islamische Ritual ist sowohl ein Weg, die göttlichen Gebote zu befolgen, als auch sich vor der Gemeinschaft zu präsentieren. Diese bei‑ den Komponenten lassen sich nicht von‑ einander trennen. Das hat zur Folge, dass die öffentliche Glaubenspraxis im Islam nur innerhalb eines relationalen Modells richtig verstanden werden kann, das auch für die Analyse von Stiftungspraktiken angewendet werden sollte. Das Stiften von wohltätigen Institutionen diente häufig als ein Mittel, um ein bestimmtes Islamver‑ ständnis zu fördern und damit auch die Art und Weise, wie die islamischen kultischen Praktiken ausgeführt werden sollten. Die Probleme, die sich dadurch für die Erforschung von Stiftungen in mittelalter‑ lichen islamischen Gesellschaften ergeben,

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sind nicht gering. Die Logik, die der Nut‑ zung eines waqf zugrunde liegt, ist die gleiche, die auch den doppelten Charakter anderer religiöser Praktiken bestimmt: Die Stiftung war sowohl ein frommer Akt, der häufig darauf abzielte, einzelne religiöse Gruppierungen zu unterstützen, als auch ein ideales Mittel für einen Stifter, sich vor der Gesellschaft zu präsentieren und nach seinem Tod als frommer Muslim in Erin‑ nerung zu bleiben. Botschaft und Erinne‑ rung, die von einer Stiftung transportiert wurden, sind aber keineswegs eindeutig. Das Bild, das ein Stifter von sich selbst vermitteln wollte, und die Art und Weise, wie man ihn in Erinnerung behalten sollte, hingen nicht nur von seinem Willen ab, sondern auch davon, wie sein Wirken von verschiedenen Zuhörerkreisen interpre‑ tiert wurde. Jemand, der Geld aus seinem waqf für die Rituale am Geburtstag des Propheten Mohammed (maulid an-nabī) zur Verfügung stellte, konnte von einem Groß‑ teil der Festtagsteilnehmer beispielsweise einfach als ein frommer Muslim erinnert werden. Religiöse Autoritäten, die diese po‑ puläre Feier als eine Neuerung christlichen Ursprungs verurteilten, konnten in ihm aber auch einen ignoranten Heterodoxen sehen. Der Stifter konnte sogar für einen Muslim gehalten werden, der sich an die‑ ser religiösen Debatte öffentlich beteiligte und mit Hilfe seiner Stiftung die spezielle Auslegung derjenigen islamischen Ortho‑ praxie unterstützte, die die Feier des maulid an-nabī für rechtmäßig hielt.2 Mittelalterliche Muslime definierten ihre religiösen Praktiken im Spannungs‑ feld von Tradition und Innovation. Ab‑ gesehen von den wenigen Aussagen zu Ritualen, die wir im Koran finden können, wurden islamische Traditionen von der Sunna des Propheten und den Beispielen der ersten Muslime geprägt, aber sie waren nie als apodiktische Normen kodifiziert:

Gedenken und Kultus

Die Traditionen waren immer Interpreta‑ tionen unterworfen, was zu zahlreichen Po‑ lemiken und Schismen führte. Ähnliches gilt für religiösen Kultus und Rituale im Zusammenhang mit der waqf ‑Kultur: Sie lassen sich nur vor dem Hintergrund dieses polemischen Kontextes verstehen, da sie nämlich das Ergebnis von Verhandlungen – und Kollisionen – solcher ritueller Prak‑ tiken waren, die der waqf-Stifter festgelegt hatte, solcher, die der waqf ‑Verwalter ein‑ geführt oder die politischen Obrigkeiten erzwungen hatten, und solcher Praktiken, die von den verschiedenen religiösen Au‑ toritäten gebilligt oder verurteilt wurden. 8.3.2 Gedenken Einem bekannten Hadith zufolge, der von Abū Hurayra überliefert ist, sagte der Pro‑ phet Mohammed: „Stirbt ein Mensch, so enden seine guten Taten, abgesehen von drei Dingen: immerwährende Wohltätig‑ keit [ṣadaqa ǧāriya], das Wissen, [welches er hinterlässt und] von dem die Menschen profitieren, und ein frommer Nachkomme, der für ihn betet“. Dieser Hadith wurde ka‑ nonischen Sammlungen beigefügt,3 er war aber auch Teil von populären Werken, wie etwa an‑Nawawīs ‚Riyād aṣ‑Ṣāliḥīn‘, einer Kompilation von Koranversen und Hadi‑ then, die eine religiöse Handreichung für das gemeine Volk bieten sollte. Natürlich war dies auch ein beliebtes Zitat für die einleitenden Passagen von waqfīyas, weil der waqf – hier ṣadaqa ǧāriya genannt – als Möglichkeit definiert wird, das Vermächt‑ nis des Verstorbenen zu bewahren.4 Die Relevanz dieser Worte für das Ver‑ ständnis von Stiftungspraktiken geht über die bloße Erwähnung der Stiftung hinaus. Dieser Hadith kann zumindest eine der Möglichkeiten aufzeigen, wie das Toten‑ gedenken von mittelalterlichen Muslimen

Muslime

verstanden und auch gepflegt werden konnte. Dieses Verständnis wird in ei‑ nem weiteren Spruch des Propheten noch deutlicher: „Es gibt sieben [Handlungen], die den Diener [Gottes] bis über den Tod hinaus belohnen, während er in seinem Grab ruht: die Kultivierung des Wissens, die Kanalisierung eines Flusses, der Bau eines Brunnens, das Pflanzen von Palmen, die Errichtung einer Moschee, mit dem Koran ein Buch zu hinterlassen [muṣḥaf ] oder die Zeugung eines Sohns, der für ihn um Vergebung bittet“.5 Die memoria, auf die sich der Prophet angeblich in diesen Hadithen bezog, ist kein passives Gedenken an große Taten, die in Geschichten unsterblich werden – im Arabischen in der Regel taḫlīd ge‑ nannt –, sondern ein aktiver Prozess, der die Lebenden mit den Toten verbindet und als Belohnung im Himmel angerechnet wird – im Arabischen in der Regel mit ağr oder ṯawāb bezeichnet. Die Hadithe zeigen zudem Mittel und Wege auf, wie diejenigen Taten, die im Jenseits belohnt werden, vollbracht werden konnten: zum einen durch Handlungen zu Lebzeiten, die in dieser Welt einen immerwähren‑ den und wiederkehrenden Nutzen haben und damit auch die eigene Seele immer wieder belohnen, zum anderen mit Hilfe der Fürbittengebete der Nachkommen, die wiederum selbst das Ergebnis einer guten Tat sind, nämlich der Zeugung eines Kin‑ des und seiner Erziehung zu einem guten Muslim. In diesem Zusammenhang muss auch erwähnt werden, dass die direkte Fürsprache bei Gott denselben Stellenwert hatte wie andere wohltätige Handlungen. Diese Vermittlung mit Hilfe ritueller Ge‑ bete (salāh) und Fürbitten (duʿāʾ) sollte den Toten zugutekommen, nicht jedoch den Lebenden mit Hilfe der Toten einen Vorteil verschaffen. Diese Vorgänge sind vonei‑ nander zu unterscheiden, obwohl beide

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Arten der Fürsprache rituell gesehen durch Gebete an der Grabstätte geleistet werden konnten. (→ 8.3.3) Es sollte noch ein weiterer Aspekt dieser Sprüche in Betracht gezogen werden, und zwar, dass sie keinerlei Hinweise auf eine öffentliche Dimension der Rituale geben, die mit der Kultivierung des Totengeden‑ kens in Zusammenhang stehen. Daraus sollte jedoch nicht geschlossen werden, dass öffentliche Rituale zum Gedenken an Stifter keine wichtige Rolle im Vollzug des waqf spielten. Das Gegenteil ist der Fall: Rituale waren ein essentieller Teil der waqf ‑Kultur. Anders als bei verwandten Fällen in anderen Religionen hing jedoch Gottes Lohn nicht von der öffentlichen Proklamation der Stifternamen ab. Einige Autoren zogen sogar in Erwägung, dass anonyme Wohltätigkeit ruhmreicher sei. Ein Wohltäter konnte dadurch nämlich deutlich machen, dass seine Motive über das Streben nach weltlicher Belohnung hinausgingen.6 Dieses besondere Verständnis von memoria als Belohnung schränkte die öffent‑ liche Dimension des Stiftergedenkens auf ein begrenztes Set ritueller Möglichkeiten ein. Das Gedenken an den Stifter konnte einerseits durch die Fortführung seiner guten Taten mittels eines waqf zelebriert werden, üblicherweise an seinem Todes‑ tag, andererseits mit Hilfe von Gebeten. Natürlich kann man mit solchen Gedenk‑ praktiken nur bei öffentlichen und halb‑ öffentlichen frommen Stiftungen rechnen. So empfingen zwar auch die Gründer von Familienstiftungen die gleiche Belohnung für ihre guten Taten und die Gebete ihrer Nachkommen, allerdings in der Regel nicht in einem öffentlichen Rahmen. Stiftergedenken durch öffentliche Wohltätigkeit Islamische Stiftungen können Gegenstände, öffentliche Institutionen oder öffentliche

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Anlagen und Infrastruktur sein. In diesen Fällen waren bereits die bloße Sichtbar‑ keit des waqf und die Verbindung seiner wohltätigen Funktion mit dem Namen des Stifters, der in Inschriften verewigt war, Formen des Gedenkens. Dies wird auch anhand der urbanen Nomenklatur deutlich, da fast alle öffentlichen Institutionen unter dem Namen ihres Stifters bekannt waren. Einige der seltenen Fälle, bei denen der Name des waqf nicht direkt mit dem Stifter in Zusammenhang gebracht werden kann, sind die Schreine und Mausoleen, die zu Ehren von heiligen Männern und recht‑ schaffenen Muslimen erbaut wurden, wie das von Saladin errichtete Mausoleum des Imam aš‑Šāfiʾī. Hier profitierte der Stifter allerdings von Segen und Fürsprache des Heiligen, dem die Einrichtung gewidmet war. Überdies verband er sein Andenken mit dem des Heiligen. Anders als in an‑ deren Kulturen spielte jedoch der Versuch, sich die Fürsprache heiliger Personen zu si‑ chern in der muslimischen Religiosität nur eine sehr begrenzte Rolle. Denn viel ver‑ breiteter war die Gründung einer Stiftung, die eine direkte Verbindung des Stifters mit Gott durch wohltätige Handlungen herstellte. Folglich wurde die Kultivierung des eigenen Andenkens durch wohltätige Handlungen direkt und indirekt von der Stiftung gefördert. Neben der caritativen Hauptfunktion der Stiftung ging die Gründung einer waqf‑ Institution normalerweise mit der Zuwei‑ sung von Mitteln für weitere wohltätige Zwecke einher, die über das Hauptziel des waqf hinausgehen konnten. Einige standen natürlich in Verbindung mit der Funktion der Einrichtung, wie etwa die Einstellung eines Lehrers für eine Koranschule oder eines Mediziners für ein Hospital etc.; an‑ dere Zuweisungen standen eher im eigenen Ermessen und konnten den verschiedens‑ ten Bedürfnissen angepasst werden. In

Gedenken und Kultus

den Fällen der großen awqāf , die von den Sultanen gegründet wurden, war es üblich, als Teil der Begräbniszeremonie Essen an die Armen zu verteilen, was danach auch jährlich an ihren Todestagen geschah.7 An den wichtigsten Feiertagen des islamischen Kalenders war es ebenfalls üblich, Gaben aus Stiftungsmitteln an die Armen oder as‑ ketische Gruppen zu verteilen. Der hierfür verwendete Begriff fuqarāʾ, der wörtlich übersetzt ‚arm‘ bedeutet, ist mehrdeutig, bezieht sich aber wahrscheinlich über‑ wiegend auf asketische Gruppen. In der waqfīya von Rašīd ad‑Dīn wurden etwa Geldmittel für die zwei ʿIds (das Fest des Fastenbrechens und das des Opferfests), das persische Neujahrsfest (nūrūz), den Geburtstag des Propheten (maulid an-nabī) und ʿAšūrāʾ (die Erinnerung an den Tod des Imams Ḥusain in Kerbala) zugewie‑ sen.8 (→ 8.3.2) In anderen Fällen wurde das öffentliche Andenken des Stifters mittels wohltätiger Handlungen, die sich eindeutig an Bedürf‑ tige und Mittellose richteten, bewahrt. Die Mittel eines waqf wurden häufig ver‑ wendet, um grundlegende soziale Institu‑ tionen der mittelalterlichen muslimischen Gesellschaft zu unterstützen. Dies geschah bei Beschneidungsfesten, Eheschließungen (indem üblicherweise eine bedürftige Braut mit einer Mitgift aus Stiftungsgütern aus‑ gestattet wurde) und Begräbnissen (indem der Sarg bezahlt wurde), oder indem die Pilgerreise nach Mekka finanziert wur‑ de. Woher die jeweiligen Mittel kamen, war den Begünstigten bekannt, und bei Hochzeiten konnte es beispielsweise vor‑ kommen, dass die Feierlichkeiten mit dem Todestag des Wohltäters zusammenfie‑ len, um auf diese Weise das Gedenken des Stifters öffentlichkeitswirksam mit der wohltätigen Handlung zu verbinden. Der mongolische Herrscher Ġazān Ḫān (1295–1304 u. Z.) gründete zum Beispiel

Muslime

nach seinem Übertritt zum Islam zahl‑ reiche Stiftungen in Täbris. Einer seiner awqāf war eine königliche Anlage, in der es eine Suppenküche gab, die die Besucher der Institution am Jahrestag seines Todes mit Essen versorgte.9 Es gab auch Fälle, in denen das weltliche Lob des Stifters mit der memoria, die als Ge‑ genleistung für seine guten Taten verstan‑ den wurde, einhergehen konnte. Das trifft auf mittelalterliche Autoren zu, die ihre eigenen Bücher stifteten, und insbesondere auf diejenigen Schreiber, die für die Ver‑ breitung derselben sorgten, wie der zuvor erwähnte Rašīd ad‑Dīn, der Stiftungsgelder für die jährliche Vervielfältigung einiger seiner Arbeiten zur Verfügung stellte.10 Stiftergedenken im Gebet Die Begünstigten wohltätiger Handlungen mochten für ihre Wohltäter gebetet haben, in den Stiftungsurkunden wurden aber sol‑ che individuellen Gebete nicht gefordert, sondern nur solche, die genau reguliert waren, denn Beten ist im Islam, wie auch das Lesen des Korans, eine heikle Angele‑ genheit.11 Obwohl zahlreiche Stiftungsur‑ kunden also Gebete der Begünstigten für die Seele des Wohltäters vorsahen, ent‑ halten mittelalterliche Gebetshandbücher offenbar keine Hinweise auf diese Praxis. Gebete zugunsten der Stifter sind bei anderen waqf ‑Institutionen indes oftmals Bestandteil der waqfīya‑Auflagen. Bei den Personen, die diese Gebete leisteten, handelte es sich um direkte Begünstigte folgender Stiftungen: Sufis im Falle von Sufi‑Hospizen, Gelehrte in madrasas und Mausoleen sowie Imame und Besucher in Moscheen. Die Gebete zugunsten der Stif‑ ter wurden häufig in die täglichen Rituale eingebunden und von Koranrezitationen begleitet. Wie öffentlich dieses Gedenken war, hing vom Charakter der jeweiligen Institution ab. Sufistische ḫānqāhs und

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zāwiyas waren oft nur eingeschränkt zu‑ gänglich. In einigen Fällen, insbesondere wenn der Stifter ein Herrscher war, schloss das Gedenken an seinem Todestag auch Gemeinschaftsgebete für seine Seele in Mausoleen oder Moscheen ein. Für viele Muslime war die Wirksam‑ keit der Gebete eng mit dem jeweiligen Gebetsort verknüpft. Herrscher und hohe Würdenträger versuchten manchmal, sich den Nutzen aus Gebeten und Koranrezita‑ tionen zu sichern, indem sie ihre Grabmale als Medresen nutzen ließen, in denen Stu‑ denten in der Nähe der Grabstätte für den Stifter oder die Stifterin beteten. Saladin wurde beispielsweise in einer gestifteten madrasa in Damaskus beigesetzt,12 aber er profitierte auch von den Gebeten in weiteren seiner Stiftungen, wie etwa dem Dār Saʿīd as‑Suʿadāʾ in Jerusalem, wo Sufis täglich Gebete für seine Seele rezitierten.13 Manchmal scheint es das Hauptziel des waqf gewesen zu sein, den Besuch des Grabmals und die Gebete für die Seele des Verstorbenen zu fördern. Das ist besonders bei kleineren Grabstiftungen der Fall, wie zum Beispiel bei der Grabstätte von ʿAffān b. Sulaimān al‑Ḫayyāṭ auf dem Qarāfa‑ Friedhof in Kairo. Dieser wurde zusammen mit einem waqf gestiftet, der Besucher mit Süßigkeiten versorgte.14 Weitere Formen von Memoria Neben diesen Praktiken, die die immer‑ währenden Verdienste im Diesseits mit der Belohnung der Seelen im Jenseits verban‑ den, wurden islamische Stiftungen auch für rein innerweltliche Formen des Gedenkens genutzt. Ihr Ziel war es, die Taten, die der Stifter zu Lebzeiten vollbracht hatte, nicht in Vergessenheit geraten zu lassen und sie hervorzuheben. Das evidenteste Beispiel hierfür ist die Erwähnung der Namen von Kalifen und Sultanen in der ḫuṭba (‚Rede‘ oder ‚Predigt‘) der Imame von

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Versammlungsmoscheen. Die Imame der‑ jenigen Moscheen, die von Privatpersonen gestiftet worden waren, konnten den Stifter ebenfalls in ihren Ansprachen erwähnen. Ein weiterer Anlass, zu dem der Stifter von waqf ‑Institutionen öffentlich gedacht wurde, war die jährliche Verlesung der Stiftungsurkunde, die in einigen Dokumen‑ ten vorgeschrieben war. Diese Bedingung sollte man als ein Mittel verstehen, die ursprünglichen Stiftungskonditionen zu bekräftigen: Das Verlesen der Stifterbe‑ stimmungen war eine Möglichkeit, den letzten Willen des Stifters vor Eingriffen der Obrigkeit in die Verwaltung des waqf zu schützen oder Misswirtschaft der Insti‑ tution öffentlich aufzudecken, falls diese Bedingungen zuvor missachtet worden waren.15 8.3.3 Ritual, Kultus und religiöse Praktiken Errichtung und Kontrolle religiöser Institutionen Stiftungen von Kultbauten und anderen Religionszentren gehörten zu den wich‑ tigsten Manifestationen von Religiosität im mittelalterlichen Islam. Nahezu alle religiösen Institutionen, wie Moscheen, madrasas und Sufi‑Konvente, sind entweder gestiftete Institutionen oder Begünstigte anderer Stiftungen. Das Stiften eines waqf ist per se bereits eine fromme Handlung; die Beteiligung des Stifters an den religiö‑ sen Praktiken geht indes weit über den bloßen Stiftungsakt und auch über die Kontrolle seiner Verwaltung hinaus. Die Stiftungsurkunden kann man auch als regulae verstehen, da sie sowohl Kult‑ praxis als auch Zusammenleben innerhalb der Mauern einiger dieser Institutionen regelten. Im Fall von gestifteten Mosche‑ en war die Freiheit des Stifters auf die

Gedenken und Kultus

Auswahl der jeweiligen Rechtsschule be‑ grenzt, der die Institution angehören sollte, auch wenn diese Auswahl deutliche Kon‑ sequenzen für den Kult hatte. Die waqfīyas von Sufi‑Klöstern zeichnen hingegen ein ganz anderes Bild. Sie enthalten nämlich genauere Bedingungen, etwa welche Be‑ günstigten für die Einrichtung in Frage kommen – oft legen sie fest, wie viele von ihnen zölibatär und wie viele mit ihren Familien leben dürfen –, ebenso Zeit und Inhalt der rituellen Gebete und Fürbitten sowie Anweisungen dazu, wie und wann der Koran und der Hadith gelesen werden sollen. Sie regeln außerdem, wann es den Bewohnern erlaubt ist, die Institution zu verlassen, und erteilen Verbote: So war es zum Beispiel untersagt, an Gerichtsver‑ handlungen teilzunehmen oder sich an ökonomischen Aktivitäten zu beteiligen, besonders am Buchhandel. Bei öffentli‑ chen Stiftungen, die von Privatpersonen ins Leben gerufen wurden, scheinen diese Regeln für eine besondere Art der Devotion zu sprechen, die sich nicht immer mit einer bestimmten religiösen Überzeugung in Verbindung bringen lässt. Oftmals spiegelt diese besondere Hingabe eine persönliche Beschäftigung mit ritueller Reinheit so‑ wie asketischem Leben wider und bringt manchmal auch kritische Zwischentöne über ausschweifende religiöse Praktiken der Kalifen und Sultane zum Ausdruck. Wenn Stiftungen von Herrschern gegrün‑ det wurden, ist eine politische und religiö‑ se Agenda – proschiitisch, prosunnitisch, proašʿarītisch – in der Regel offensichtlich. Die Bedingungen der waqfīyas garan‑ tierten sowohl das Wohlergehen der Stif‑ terseele im Himmel als auch das der See‑ len der waqf ‑Begünstigten und sicherten zugleich den materiellen Bestand der In‑ stitution selbst. Jede Stiftung war näm‑ lich verpflichtet, einen Teil ihres jährli‑ chen Einkommens für Ausbesserungen

Muslime

und Renovierungen aufzuwenden. Diese Summe konnte durch Schenkungen von Einzelpersonen oder der Obrigkeit ergänzt werden. Wohltätige Spenden spielten bei der Instandsetzung großer öffentlicher awqāf keine bedeutende Rolle, bei zahl‑ reichen kleinen Familienstiftungen im mit‑ telalterlichen Islam hingegen schon. Deren Begünstigte waren in der Regel religiöse Einrichtungen, die diese Einnahmen für Instandhaltungsmaßnahmen einsetzten. Doch auch die Obrigkeit beteiligte sich an der Instandhaltung und Instandsetzung von religiösen Institutionen. Inwiefern sie dazu Stiftungen nutzte, ist jedoch schwie‑ riger zu bewerten. In seinem Werk ‚Muʿin an‑Niʿam‘ erörtert der šāfiʿītische Gelehrte Tāğ ad‑Dīn as‑Subkī Stück für Stück, wie Vertreter von 114 verschiedenen Berufen Gottes Segen mit Hilfe frommer Taten wie‑ dererlangen könnten, falls sie ihn verloren hätten. Wo er die Verpflichtungen der Herr‑ scher thematisiert, bekräftigt er zugleich, dass die Instandhaltung von öffentlichen Institutionen kein frommer und Gottes Gnade verheißender Akt sei, sondern eine öffentliche Pflicht, die mit dem Status als Herrscher einhergehe.16 Zwar bestreite niemand die religiöse Dimension der von ihnen initiierten Restaurierungsarbeiten, dennoch zweifelten zumindest einige Mus‑ lime – und as‑Subkī zählte keinesfalls zu den rigorosesten – deren Wert in Gottes Augen an. Diese Aussage veranschaulicht, wie schwierig es ist, die Instandsetzung von religiösen Institutionen im Kontext von Stiftungspraktiken zu beurteilen. Sowohl die Errichtung als auch die Erhaltung von Kultstätten oblag den Herrschern, aber es lässt sich kaum sagen, wo genau der Herr‑ scher endet und die Privatperson beginnt. Andere Praktiken, die mit der Instand‑ setzung und Verwaltung von religiösen Institutionen zusammenhängen, sind die

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Bereitstellung von Möbeln und Wandver‑ kleidung (minbar, Gitter, Teppiche), Objek‑ ten (Lampen, Räuchergefäße, Kerzenhalter) und Rohstoffen (wie Weihrauch, Lampenöl) oder – besonders im iranischen Gebiet – von Kerzen, die eine rituelle Funktion hat‑ ten.17 (→ 6.3.3) Pilgerreisen zu heiligen Stätten (ḥağğ) Einmal im Leben eine Pilgerreise zur Kaaba zu machen (ḥağğ), ist eine der fünf Säulen des Islam und eines der wichtigs‑ ten religiösen Ereignisse im Leben eines Muslim. Ähnlich bedeutend wie die Rei‑ se nach Mekka selbst und die Befolgung der Pilgerrituale sind die verschiedenen Stiftungspraktiken, die es erst möglich machten, diese Reise zu verwirklichen. Dazu gehörten neben der Bereitstellung von Geldmitteln für die Pilgerreise auch das Stiften und die Instandhaltung von Herbergen und öffentlichen Versorgungs‑ einrichtungen entlang des Pilgerwegs nach Mekka und an den heiligen Stätten selbst. Die Durchführung des ḥağğ war auf vielfältige Weise mit der islamischen waqf ‑Kultur verbunden, angefangen bei der bloßen Existenz der Städte Mekka und Medina, deren Unterhalt und Verwaltung zu einem großen Teil auf Zuwendungen von öffentlichen und Familien‑awqāf aus allen islamischen Ländern beruhten – den sogenannten awqāf al-ḥaramain (‚Stiftun‑ gen der zwei heiligen Stätten‘).18 Darüber hinaus gab es direkte waqf‑Gaben der mus‑ limischen Herrscher, wie etwa das Tuch, das die Kaaba umhüllt (kiswa), das traditio‑ nell von den ägyptischen Sultanen bereit‑ gestellt wurde. Das Ritual der Pilgerreise nach Mekka und der Besuch der Kaaba sind streng reglementiert. So sollten die Pilger Vorgaben befolgen, die die rituelle Waschung und ihre Bekleidung betrafen, und bestimmte Handlungen durchführen, wie etwa die Umkreisung der Kaaba oder

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die Berührung des darin aufbewahrten schwarzen Steines. Die Pilgerreise nach Mekka sah norma‑ lerweise auch einen Besuch am Grabmal des Propheten Mohammed in Medina vor. Das Grab von Mohammed liegt in der so‑ genannten Prophetenmoschee (al-masğid an-nabawī), die der muslimischen Tradition zufolge die zweite Moschee des Islam ist und daher eine der Hauptbegünstigten von Stiftungsmitteln aus allen muslimischen Ländern war. Muslimische Gelehrte waren sich darin einig, dass durch die Fürsprache Mohammeds die Gesuche derjenigen, die an seinem Grab beten und Fürbitte halten, in Erfüllung gehen. Die Pilgerreise nach Mekka und der Be‑ such von Mohammeds Grabmal gehörten zu den beliebtesten Gegenständen musli‑ mischer Stiftungen. Sie dienten aber auch als rituelles Modell für diejenigen, die andere Grabmale besuchten und dort Se‑ gens‑ oder Fürbittengebete sprachen. Die Assimilation der verehrten heiligen Män‑ ner an die Person des Propheten und die damit einhergehende Frage nach der Wirk‑ kraft von Fürbitten stellten ein schwerwie‑ gendes Problem für Religionsgelehrte dar, das auch Einfluss auf die Entwicklung der Stiftungspraktiken im Zusammenhang mit dem Besuch von Grabmalen hatte.

Gedenken und Kultus

Mehrheit der Religionsgelehrten vor allem als eine Art Memento mori verstanden, d. h. als eine Möglichkeit, sich von der Welt zu distanzieren. Es war aber auch eine Möglichkeit, um Gottes Segen zu erhalten oder die Toten um Vermittlung bei Gott zu bitten. Während die Kultivierung der memoria von Vorfahren und Stiftern darauf zielte, vor den Lebenden und den Toten für die Seelen der Verstorbenen zu beten, ging es beim Besuch von Grabmalen der Propheten und Heiligen um das Heil der Lebenden. Man kann die verschiedenen Schreine grob in drei Gruppen untertei‑ len: heilige Stätten mit den Grabmalen von vorislamischen Propheten – Mohammed spielt hier eine Sonderrolle –, Schreine von schiitischen Imamen und Märtyrern sowie Grabmale von frommen Männern, die vor allem von sunnitischen Muslimen verehrt wurden. Zur letzten Gruppe zählen etwa die Grabmale der Gefährten des Prophe‑ ten (ṣaḥāba), Gräber von charismatischen Personen des Sufismus oder solche von bekannten Religionsgelehrten. All diese Gruppen spielten für die mittelalterliche Stiftungspraxis eine Rolle. Da der Koran hierzu keine Stellung be‑ zog und auch der Prophet zu diesen Fällen keine Aussage gemacht hatte, waren die Regeln für den Besuch von Grabstätten juristischen Interpretationen unterwor‑ fen. Sie gehörten zu den am polemischsten Der Besuch von Grabmalen Neben der Pilgerreise zum Grabmal Mo‑ diskutierten Themen im mittelalterlichen hammeds, dem Besuch von Grabmalen Islam. Seitdem sich der Begriff des Heili‑ von Verwandten, um für deren Seelen gen im 9. Jahrhundert u. Z. in der musli‑ zu beten, und den Pflichtbesuchen von mischen Vorstellung etabliert hatte, sind Begünstigten der waqf ‑Institutionen am auch Diskussionen über den Besuch von Grab ihrer Wohltäter, um dort zu beten Schreinen in den Quellen zu finden. Eine oder den Koran zu lesen (→ 8.3.2), gab es weitere Verbreitung dieser Praxis fand erst eine weitere Praxis, die im Zusammenhang im 12. Jahrhundert im Zusammenhang mit mit dem Grabkult stand: den Besuch von der Entwicklung asketischer Bewegung Schreinen und Grabmalen der Propheten und ihrem wachsenden Einfluss auf die (nabī, Pl. anbīyāʾ) und heiligen Männer (walī, Volksfrömmigkeit. Josef Meri zufolge be‑ Pl. aulīyāʾ). Diese Praxis wurde von der nannten Theologen nicht weniger als neun

Muslime

Probleme: „The validity (1) of praying for the dead; (2) of addressing the dead while regarding them as aware of visitors; (3) of praying directly to the dead; (4) of suppli‑ cating and seeking intercession for oneself and for others; (5) of glorifying and vener‑ ating the dead either through ritual acts or erecting commemorative structures; (6) of making physical contact with the tomb; (7) of asking the dead directly to answer prayers and (8) to fulfil requests and to work miracles; and (9) of participat‑ ing in pilgrimage festivals“.19 Im Grunde implizieren fast alle Stiftungen, die in Zu‑ sammenhang mit dem Grabkult standen, einen gewissen Grad der Beschäftigung mit dieser Polemik, wenn nicht direkt, so zumindest indirekt, indem sie Partei für eine spezielle Interpretation der islami‑ schen Praxis ergriffen. Die elementarste Stiftungsform im Zu‑ sammenhang mit Besuchen von Grabma‑ len ist ganz offenkundig die Errichtung von Mausoleen, aber auch die Stiftung von Pilgerherbergen – ḫāns, funduqs, Karawan‑ sereien – am Grabort oder entlang der Reiserouten. Diese und andere Stiftungen stellten den Pilgern oftmals Geldmittel zur Verfügung, mit welchen sie die Rei‑ se oder die verschiedenen Rituale, die in solchen Institutionen vorgesehen waren, durchführen konnten. Ein typisches Bei‑ spiel für die religiösen Praktiken, die Teil des Besuches eines Grabmals waren, ist ohne Zweifel der Qarāfa‑Friedhof in Kai‑ ro, den Christopher S. Taylor als „a great medium of divine blessing“ beschreibt.20 Der früheste Leitfaden für Pilgerbesucher dieses Friedhofs trägt den Titel ‚Muršid az‑ zuwwār ilā qubūr al‑abrār‘ (‚Pilgerführer für die Grabmale der Rechtschaffenen‘) und wurde zu Beginn des 13. Jahrhunderts von dem Rechtsgelehrten ʿAbd ar‑Raḥmān ibn ʿUṯmān (gest. 1218 u. Z.) verfasst. Während sich der Hauptteil dieser Abhandlung der

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Beschreibung von Grabmalen hier begra‑ bener rechtschaffener Muslime widmet, bezieht sich der erste Teil ausschließlich auf die ‚Etikette beim Besuch von Grabma‑ len‘ (ādāb az-ziyāra). Hier werden rituelle Angelegenheiten thematisiert, wie etwa die Ablehnung der Sitte, am Grabmal zu sitzen, zu essen und dieses zu berühren, um gesegnet zu werden, aber auch die Rechtmäßigkeit, den Koran auf Friedhöfen zu lesen, oder die Anleitung zur korrek‑ ten Ausführung von Fürbitten (duʿāʾ).21 Die vorherrschende Absicht, die sich in diesen Leitfäden, aber auch in den detaillierten Vorschriften mancher waqfīyas erkennen lässt, ist es, abweichende Rituale zu ver‑ hindern. Insbesondere sollten die Fürbit‑ tengebete an die Toten auf die gleiche Weise verrichtet werden wie diejenigen am Grabmal des Propheten Mohammed. Ein typisches Beispiel, das in den Quel‑ len diskutiert wird, sind die Regengebete (ṣalāt al-istisqāʾ). Dieses Ritual, das an den Grabmalen von heiligen Personen durch‑ geführt wurde, wurde oft von den Ob‑ rigkeiten gefördert, allerdings auch von einigen Gelehrten verurteilt, da sie es nur am Grabmal von Mohammed für zulässig hielten. Darüber hinaus ist erwähnenswert, dass waqf ‑Institutionen und insbesondere Friedhöfe auch als Versammlungszentren dienten, in denen sich eine Vielzahl infor‑ meller religiöser und sozialer Praktiken entwickelte, die sich der Kontrolle der Stifter entzogen. Muslimische Friedhöfe werden in den Quellen als Orte der Gesel‑ ligkeit dargestellt, an denen gesellschaft‑ liche Konventionen überschritten oder so‑ gar untergraben werden konnten. Dies wird in den Diskussionen über die Rolle von Frauen beim Besuch von Grabmalen oder Trauerprozessionen deutlich. In der Regel gibt es zwei Einwände der Gelehrten: Erstens werde die Geschlechtertrennung,

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die in Moscheen und anderen Institutionen eingehalten werde, auf dem Friedhof nicht mehr beachtet, da Männer und Frauen sich hier frei begegneten und interagierten; zweitens würden die Begräbnisrituale den Frauen erlauben, ihren Gefühlen, meistens Trauer, freien Lauf zu lassen, was gegen die Konventionen des weiblichen Anstandes verstoße. In der Tat wird in den Quellen der Friedhof oft als ein weiblicher Raum geschildert; in den polemischen Diskussio‑ nen diente die Anwesenheit von Frauen oft als Hauptargument gegen die Praxis des Grabbesuchs. Obwohl dem Besuch von Schreinen, die Propheten gewidmet waren, viele der erwähnten Charakteristika gemein sind, stellen sie eine Untersuchung vor verschie‑ dene Probleme. Mit Ausnahme von Mo‑ hammed verehren Muslime ihre Propheten gemeinsam mit den anderen monotheis‑ tischen Religionen, und zwar gemeinsam mit Juden und Christen die Propheten des Alten Testaments und gemeinsam mit den Christen Jesus. Die Stiftungspraktiken in Zusammenhang mit deren Schreinen wa‑ ren deshalb sowohl ein Akt der Pietät wie auch eine Wiederaneignung der sakralen Geschichte und zuweilen auch des sakralen Raumes. Die Verehrung des apokryphen Propheten al‑Ḫaḍir, in islamischer Tradi‑ tion mit dem Propheten Elia assoziiert oder gar identifiziert, bietet ein gutes Beispiel für diese komplexen Dynamiken der Ap‑ propriation. Mittelalterliche Reisende, wie Ibn Ğubair (gest. 1217 u. Z.), Ibn Baṭṭuṭa (gest. 1377) und al‑Ḥarawī (13. Jahrhun‑ dert), berichten, dass die Verehrung dieses Propheten in allen östlichen islamischen Ländern weit verbreitet war und dass sie auf ihren Reisen Schreine, Sufi‑Klöster, Karawansereien und Moscheen vorfanden, die dem al‑Ḫaḍir‑Kult gewidmet waren.22 Die bedeutendsten Schreine, die diesem Propheten geweiht waren, wurden im

Gedenken und Kultus

13. Jahrhundert gegründet. Informationen über die Umstände ihrer Gründung sind in biographischen Berichten überliefert, die sich ein und desselben narrativen Topos bedienen: Ein Traum veranlasste Maʿbad al‑ʿAraudakī, den Großvater des Sufi‑Hei‑ ligen Abū Bakr ibn Fityān al‑ʿAraudakī (gest. 1273 u. Z.), zur Gründung des ers‑ ten Schreins für diesen Propheten; eine Traumvision war ebenfalls der Grund für die Entstehung des zweiten Schreines, der von dem Soldaten Ḫumārtāš ʿAbd Allāh al‑ Bağanī at‑Turkī aus Aleppo gestiftet wur‑ de. Diese Erzählungen verorten die Ent‑ stehung dieser Stiftungen fernab von der allgemeinen Definition von Frömmigkeit und Wohltätigkeit, die als Dienst an der muslimischen Gemeinschaft verstanden wurden, insofern als sie die Beweggrün‑ de des Stifters mit einer übernatürlichen Intervention verknüpfen.23 Die Logik, die hinter dieser neuen Art der Frömmigkeit steht und für die Stiftung der Schreine aus‑ schlaggebend war, unterscheidet sich von derjenigen, die dem Grabkult des Qarāfa‑ Friedhofs zugrunde liegt. Der besondere Status dieser Gründungen spiegelt sich auch in den religiösen Praktiken wider, die sich in ihrem Umfeld entwickelten, und über die Stifter und Obrigkeit – wie im Fall der Friedhöfe – oftmals die Kon‑ trolle verloren. Während für den Besuch der Grabmäler von rechtschaffenen Mus‑ limen dasjenige Ritual beispielgebend war, das – obgleich von der Mehrheit der reli‑ giösen Gelehrten verurteilt – für den Be‑ such des Grabmals von Mohammed galt, galt für religiöse Praktiken im Fall der Schreine häufig das Vorbild des ḥaǧǧ. So gab es Pilger, die einige der Rituale, die auf der Pilgerreise zur Kaaba durchge‑ führt wurden, übernahmen, insbesondere die Umkreisung – eine Adaptation, die in den Quellen oftmals angeprangert wird.24 Natürlich erkannten viele Muslime darin

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eine Abweichung, die auch Verdammnis über die Seelen der Wohltäter von Pilgern bringen konnte. An den Schreinen, die den schiitischen Märtyrern und Imamen ge‑ weiht waren, wurde diese Art von Ritualen ebenfalls gepflegt, wobei noch hinzukam, dass diejenigen, die hier verehrt wurden, überhaupt keine Propheten waren. Lesung und Rezitation des Koran Als Buchreligion legt der Islam großen Wert sowohl auf private als auch öffent‑ liche Koranlesungen. Koranmanuskripte zählen zu den häufigsten Stiftungsobjekten. In den Bestimmungen der waqf ‑Institutio‑ nen wird in der Regel die Rezitation von Koranstellen vorgeschrieben, um Fürspra‑ che für die Seele des Stifters einzulegen. Die waqfīyas von Hospitälern, Medresen, Moscheen und Mausoleen enthalten häufig nicht nur präzise Angaben über die Zuwei‑ sung von Geldmitteln, um professionel‑ le Vorleser (qurrāʾ) einzustellen, sondern Vorleser konnten auch aus anderen waqf ‑ Mitteln ein Gehalt für die Durchführung von besonderen öffentlichen Rezitationen an den bedeutendsten Tagen des religiösen Kalenders beziehen. Überdies beinhalten die Stiftungsurkunden manchmal klare Anweisungen zu Fragen der Qualifikatio‑ nen der Vorleser und der Vortragsweise der Rezitationen. Wenn wir uns allein mit diesen Quellen begnügten, hieße das al‑ lerdings, die Polemik außer Acht zu las‑ sen, der die in diesen Dokumenten vorge‑ schriebenen Praktiken ausgesetzt waren. Der Koran, seine Handhabung und seine Rezitation zählten zu den meistdiskutier‑ ten Themen im mittelalterlichen Islam und gleichzeitig auch zu den für die Seelen der Muslime riskantesten kultischen Praktiken. Die Probleme, die im Zusammenhang mit Koranstiftungen entstanden, können sowohl aus der Perspektive der Begüns‑ tigten als auch der Wohltäter betrachtet

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werden. Die ersten Diskussionen zum Ge‑ brauch von gestifteten Koranhandschriften sind belegt in ḥanbalītischen Quellen des 9. Jahrhunderts und bringen die Vorbehalte der Begünstigten von Koran‑Stiftungen zum Ausdruck. Ganz allgemein geht es in den Diskussionen um religiöse Bedenken (waraʿ), konkret um Fragen der Zulässig‑ keit von Lesungen aus Koranhandschriften, deren Herkunft unbekannt ist oder wo Zweifel an der religiösen Integrität frühe‑ rer Besitzer aufgekommen ist. Nach An‑ sicht der meisten frommen Muslime konn‑ te, falls das Koran‑Manuskript (muṣḥaf ) durch falsche Handhabung verunreinigt oder Objekt einer irregulären Trans ak‑ tion geworden war, seine Lesung nicht nur ohne Nutzen bleiben, sondern auch bereits als solche Sünde sein. In dieser Situation wurde der Stiftungsakt als Möglichkeit gesehen, das Objekt zu reinigen, so dass seine Leser die Rituale, die mit dem Koran verbunden sind, ohne Risiko durchführen konnten. Verschiedene Traditionen, die Ibn Ḥanbal zugeschrieben werden, berichten, dass man ihn befragt habe, ob Lesungen aus Koranen, die an Moscheen oder andere öffentliche Institutionen gestiftet worden waren, gesetzmäßig seien, und er dies im‑ mer bejaht habe.25 Der waqf entpuppte sich als eine Lösung für die gewissenhaften Ḥanbalīten: Er war ein ideales Instrument, mit dem sich die Vorbehalte derjenigen beseitigen ließen, die um religiöse Rein‑ heit besorgt waren, sodass Koranrezita‑ tionen bedenkenlos durchgeführt werden konnten. Obwohl sich noch sporadische Zwischen‑ töne dieser Diskussion in späteren Quel‑ len finden lassen, scheint es, als ob nach dem 10. Jahrhundert u. Z. waqf ‑Korane für diejenigen, die sie persönlich lasen, nicht mehr als Gefährdung angesehen wurden. Die Koranmanuskripte und ihre öffent‑ liche Rezitation stellten nun jedoch ein

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ernsthaftes Problem für die Stifter dar. Bei Koranstiftungen an Moscheen oder Me‑ dresen fällt auf, dass nahezu alle waqfīyas das Lesen der Bücher ausschließlich in‑ nerhalb der Institution erlauben, der sie gewidmet waren. Ein Grund für das Ver‑ bot, die Handschriften zu verleihen, war natürlich die Gefahr ihres Verlustes. Es gab jedoch noch weitere und wichtigere Motive für diese Maßnahme: In mittelalter‑ lichen fatwas werden waqf ‑Korane immer wieder im Zusammenhang mit der Ände‑ rung der ursprünglichen Stiftungsbedin‑ gungen erwähnt. Al‑Wanšarīsī berichtet beispielsweise von einer Diskussion über Ausleihrechte bei waqf ‑Institutionen, de‑ ren Bedingungen unbekannt waren, weil sie mündlich verabredet worden waren oder weil die Stiftungsurkunde verloren gegangen ist. In diesen Fällen erachtete der muftī das Ausleihen und Lesen von norma‑ len Büchern als problemlos, bei Koranen sei es allerdings ratsam, sie in der Einrichtung zu belassen. In einem anderen Fall antwor‑ tete der muftī, dass die Vorschrift rechtens sei, ein waqf ‑Koran dürfe in der Moschee nur gelesen, nicht aber kopiert werden.26 Diese Fälle gestatten uns einen Blick auch auf die andere Seite des Stiftens von Koran‑ manuskripten: Während sie Sicherheit für die Leser boten, stellten sie eine Gefahr für die Stifter dar, denn der sich aus den Ritualen ergebende Nutzen für ihre Seelen hing von der rechten Verwendung dieser Manuskripte ab. Das Problem wird noch deutlicher, wenn es um die Rezitation des Korans geht. Diese Praxis zählte zu den wichtigsten, aber auch meistdiskutierten Ritualen in Verbindung mit dem Gedenken an und den Gebeten für die Toten. So gab es divergierende Meinun‑ gen einerseits über die Gesetzmäßigkeit des Lesens von Koranen an den Gräbern der Toten und andererseits über die kon‑ krete Durchführung dieses Rituals und die

Gedenken und Kultus

besondere Art und Weise, wie das heilige Buch zu rezitieren sei. Indem waqf ‑Mittel für dieses Ritual bereitgestellt wurden, konnte man sich möglicherweise auf die Seite der einen oder anderen Doktrin stel‑ len. Zugleich konnte so aber auch Kritik an anderen waqf‑Praktiken zum Ausdruck gebracht werden, insbesondere an denje‑ nigen, die von Herrschern und anderen hochrangigen Beamten ausgeübt wurden. Eine waqfīya des Damaszener qāḍī Ibn al‑Munağğā veranschaulicht diesen Sach‑ verhalt sehr gut. Die Urkunde sieht vor, wenn der Stifter in Damaskus verstirbt und dort begraben wird, regelmäßig einen bestimmten Geldbetrag aus den Mitteln des waqf an diejenigen zu zahlen, die den Ko‑ ran an seinem Grab lesen. Wenn er jedoch anderswo verstirbt, wird aus den Mitteln des waqf gar nichts für seinen Grabkult verwandt; stattdessen sollen die Vorleser für die Gräber seiner Familienmitglieder, die in Damaskus begraben sind, Geldmit‑ tel des waqf erhalten. Außerdem sollen die Vorleser fromme Muslime aus seiner Schule sein – in diesem Fall Ḥanafīten – und sich keiner Innovationen beim Lesen bedienen. Der für diese ‚Innovatoren‘ ver‑ wendete Begriff ist mubaddiʿūn. Die Ab‑ sicherung gegen andere Vorleser als die Damaszener Ḥanbalīten und auch gegen Innovationen (bidʿa) kann nur vor dem Hintergrund der mittelalterlichen Pole‑ miken zu Koranrezitationen verstanden werden. Die bedeutendste Innovation wa‑ ren in dieser Hinsicht die sogenannten alḥān al-Qurʾān (‚Rezitationen des Koran mit Melodie‘). Dem populärsten und wei‑ test verbreiteten mittelalterlichen Hand‑ buch zu Koranrezitationen zufolge, dem ‚Tibyān al‑Qurʾān‘ des an‑Nawawī, stellten Rezitationen in diesem Stil eine Sünde dar, und zwar nicht nur für diejenigen, die sie in melodischer Weise vortrugen, sondern auch für diejenigen, die sie hörten. Zwar

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gab es auch andere Ansichten zu diesen Praktiken, dennoch glaubten viele Mus‑ lime, dass sich eine wohltätige Handlung wie eine Koranrezitation in eine Sünde verkehren konnte, wenn sie nicht in rechter Weise ausgeführt wurde. Für den Stifter, der das Ritual finanziell unterstützte, be‑ deutete dies, dass ihn im Jenseits anstelle einer Belohnung eine Bestrafung erwar‑ tete. Neben den rein theologischen Dimen‑ sionen der Koranrezitationen konnte auch eine soziale Kritik beabsichtigt gewesen sein. Viele waqfīyas bestanden recht topisch auf der Frömmigkeit und Integrität der an‑ gestellten Vorleser, in einigen Fatwas sind aber auch sehr detaillierte Anforderungen überliefert, beispielsweise dass der Koran‑ vorleser zölibatär leben sollte.27 Diese Auf‑ lage, die von Autoren wie etwa Ibn Taimīya als Innovation angesehen wurde, spiegelt die Anziehungskraft des asketischen Ideals auf die Stifter wider, kann aber wiederum nur ganz verstanden werden, wenn sie mit anderen Texten, wie dem vorher erwähnten Handbuch von an‑Nawawī und den Bio‑ graphiesammlungen von Koranrezitatoren in Beziehung gesetzt wird. An‑Nawawī beginnt seine Abhandlung mit einer Dis‑ kussion über die Qualifikationen der Rezita‑ toren und die Ziele, die mit Koranlesungen verfolgt werden. Der in diesem Abschnitt am häufigsten wiederholte Gedanke ist, dass das private und das öffentliche Lesen des heiligen Buches eine fromme Handlung mit dem Ziel sein solle, Gottesnähe zu er‑ langen, und nicht mit dem Ziel, materielle Belohnung zu erhalten.28 Richten wir aber unser Augenmerk auf die Biographien vie‑ ler berühmter Vorleser, so erscheinen sie in den Quellen fast wie moderne Rockstars, die von Stadt zu Stadt zogen und enorme Summen für ihre Vorträge erhielten. Ei‑ nige dieser berühmten Vorleser versahen ihren Dienst in waqf ‑Institutionen, die von

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Sultanen und hochrangigen Beamten ge‑ gründet worden waren, so dass im Rahmen von Koranrezitationen auch ihr Reichtum öffentlich zur Schau gestellt werden konnte. Die damit verbundene symbolische Dimen‑ sion reichte weit über die rein religiösen Ziele hinaus. Natürlich boten die gestifteten Koranmanuskripte auch ein einzigartiges Mittel, um die wirtschaftliche Macht der Stifter zur Schau zu stellen. Insofern kann die Tatsache, dass in den Bestimmungen einiger waqfīyas zu Koranrezitationen auf Frömmigkeit und Askese bestanden wur‑ de, auch als stillschweigende Kritik an der Kommodifizierung dieser herrschaftlich veranlassten Praktiken interpretiert wer‑ den. Die Nutzung von Stiftungen, um religiö‑ se Institutionen mit Koranen zu versehen und um die Vorleser bei öffentlichen Fei‑ erlichkeiten aus waqf ‑Mitteln zu bezahlen, war letztlich also nicht nur eine Frage des Rituals. Sie konnten auch zur Verteidigung eines bestimmten Frömmigkeitsideals ver‑ wendet werden, das je nach religiöser und sozialer Zugehörigkeit der Stifter variierte. Ramadan und weitere religiöse Feiern Die Pflicht, im heiligen Monat Ramadan zu fasten (ṣaum), ist eine weitere Säule des Islam und brachte eine Vielzahl religiöser Praktiken hervor, die in direkter Verbin‑ dung mit Stiftungen stehen. Das Fasten ist bekanntermaßen kein performatives Ritu‑ al, musste aber dennoch kontrolliert wer‑ den. Die Verantwortung für die Umsetzung dieser religiösen Pflicht sowie die Sorge dafür, dass Angehörige anderer Religio‑ nen in der Öffentlichkeit nicht essen und vor allem keinen Wein trinken, fiel in den Aufgabenbereich des muḥtasib (‚Marktauf‑ seher‘), der zuweilen mit Geldern öffentli‑ cher awqāf finanziert wurde.29 Unter den religiösen Ritualen zu diesem Anlass ist das Fest des Fastenbrechens (al-ʿīd al-fitr)

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das bedeutendste, mit dem das Ende des heiligen Monats gefeiert wird. Unter den Bedürftigen und Mittellosen wurden Wohl‑ taten in Moscheen und Friedhöfen für das tägliche Fastenbrechen und insbesondere für das Abschlussfest ausgeteilt, sowohl aus frommen Schenkungen wie auch aus Geldmitteln von awqāf. Einige waqfīyas enthalten detaillierte Anweisungen zur Essensverteilung im Monat Ramadan. In der Stiftungsurkunde für das Mausole‑ um des mamlūkischen Sultans an‑Nāṣir Ḥasan wird zum Beispiel festgelegt, auf welche Art und Weise Wohltaten unter den Gruppen, die direkt von seinem waqf abhängen, und auch an das gemeine Volk verteilt werden sollen.30 Neben der Vertei‑ lung von Essen bot der Ramadan auch die Möglichkeit, religiöse Praktiken zu unter‑ stützen, wie etwa gemeinsame Gebete und Versammlungen, Besuche von Grabmalen und öffentliche Koran‑ und Hadithlesun‑ gen. Die Feierlichkeiten boten außerdem die außergewöhnliche Gelegenheit, herr‑ scherliche Wohltätigkeit zu demonstrieren, da die Grenzen zwischen öffentlicher und privater Wohltätigkeit hier äußerst flie‑ ßend sind. Ein weiteres großes Fest im muslimischen Kalender, das Opferfest (ʿīd al-aḍḥā), ist dem des Fastenbrechens so‑ wohl in der Verteilung von Wohltaten als auch in den öffentlichen Ritualen ähnlich. Neben den beiden ʿĪds gab es eine Reihe weiterer Feste, die für viele Muslime von besonderer Bedeutung, für viele andere aber höchst umstritten war: Das Gedenken an die Geburt des Propheten Mohammed (maulid an-nabī) und die Tage von Ġadir Ḫumm und ʿAšūrāʾ, die von den Schiiten begangen wurden, sowie das persische Neujahrsfest (nūrūz), das in den islami‑ schen Kalender übernommen worden war. Die Feiern zum maulid an-nabī zählten zu den beliebtesten und zugleich umstrittens‑ ten Festen im muslimischen Kalender der

Gedenken und Kultus

Sunniten, insbesondere in den westlichen islamischen Ländern, wo nach dem 11. Jahr‑ hundert u. Z. verschiedene Streitschriften aufkamen. Von manchen Gelehrten wur‑ de es als christlich beeinflusste Innova‑ tion verunglimpft und als eine Form von populärer und ungebildeter Religiosität verurteilt, da es dem Menschen nicht ge‑ stattet sei, religiöse Festtage ohne göttliche Zustimmung einzuführen. Obwohl dieses Fest nicht immer die Unterstützung der Obrigkeiten fand, insbesondere nicht in al‑Andalus und dem Maghreb, wurde es dennoch vom Volk gefeiert, das auf diese Weise oftmals in den Genuss von waqf ‑ Mitteln kam. In al‑Wanšarīsīs Sammlung von fatwas wird etwa in mehreren Fällen diskutiert, ob es rechtmäßig sei, für die Feier des Geburtstages des Propheten re‑ ligiöse Stiftungen zu verwenden.31 In den östlichen islamischen Ländern wurde der maulid sogar mit herrscherlichen Banket‑ ten begangen. Gleichwohl wurde das Fest von einigen als christlich beeinflusst an‑ gesehen, wie Ibn Taimīya in Texten dar‑ legt, in denen er es verurteilt.32 Die Förde‑ rung des umstrittenen maulid‑Festes und entsprechender religiöser Praktiken aus Stiftungsmitteln bot in gewisser Hinsicht auch eine Möglichkeit, sich in die Dis‑ kussionen über mittelalterliche islamische Rituale einzubringen. Stiftungen leisteten in der Regel einen Beitrag zu dem Fest, indem sie Essen an die Armen verteilten und asketische Rituale unterstützten, die von den Sufis vollzogen wurden.33 Zwei weitere umstrittene Feiertage sind für die schiitischen Muslime von beson‑ derer Bedeutung. Bei dem ersten handelt es sich um das Ġadir Ḫumm, das an den Tag erinnert, an dem ʿAlī gemäß der schi‑ itischen Tradition zum Nachfolger Mo‑ hammeds ernannt wurde. Das zweite ist das ʿAšūrāʾ, an dem des Märtyrertodes von Ḥusayn, dem Sohn ʿAlīs und Enkelsohn

Muslime

Mohammeds, in der Schlacht von Kerba‑ la im Jahre 680 u. Z. gedacht wird. ʿAšūrāʾ wurde bald zum bedeutendsten schiiti‑ schen Feiertag. Beide Feiertage wurden auch von schiitischen Dynastien, wie den Fatimiden und den Buyiden, begangen, ver‑ loren aber die öffentliche Unterstützung der Sultane nach der Wiederherstellung des Sunnismus im 12. Jahrhundert. Zu den Ritualen beider Festlichkeiten gehörten Essensverteilungen, religiöse Versamm‑ lungen und Gebete. ʿAšūrāʾ wurde indes gefeiert, indem die Grabmale der Märtyrer und Imame besucht und der Märtyrertod Ḥusayns in populären Passionsspielen nachgespielt wurden, wobei die kollektiven Riten der Geißelung (taṭbīr), die von heu‑ tigen Schiiten durchgeführt werden, wohl erst auf die Zeit der Ṣafawīden (1501–1722) und Kadscharen (1799–1925) zurückgehen.34 Als die schiitischen Dynastien in Syrien und Ägypten durch Saladin und im Iran durch die Seldschuken beseitigt wurden, verloren diese Rituale ihre ursprüngliche Bedeutung, wurden jedoch weiterhin von den schiitischen Gemeinschaften prak‑ tiziert und zuweilen von awqāf , die von schiitischen Muslimen gegründet worden waren, unterstützt. Das ʿAšūrāʾ‑Fest mach‑ ten sich indes die Sunniten gelegentlich zu eigen, um seine ursprüngliche Bedeutung zu untergraben. Die Ayyūbiden verwandel‑ ten diesen Tag der Trauer in ein fröhliches Fest, als Teil ihrer Kampagne zur Auslö‑ schung der Erinnerung an die Fatimiden.35 Letztendlich wurde dieser Tag von den Sunniten als Feiertag übernommen. Ein weiterer nennenswerter Feiertag, dem al‑ lerdings die meisten orthodoxen Gelehrten mit Argwohn und Ablehnung begegneten, war ein nicht‑religiöser. Es handelt sich um die Begehung des Sonnen‑Neujahres nach persischem Kalender, Nūrūz, das mit der Tagundnachtgleiche im Frühjahr zusammenfällt. Wie wir der waqfīya des

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mongolischen Wesirs Rašīd ad‑Dīn ent‑ nehmen können, wurde dieses Fest meist mit der Verteilung von Wohltaten, die aus waqf ‑Mitteln stammten, gefeiert.36 Predigten Predigten nahmen in der islamischen Welt des Mittelalters einen bedeutenden Raum im Leben der religiösen Institutionen ein. Sie waren nicht nur ein Mittel, um das Volk in einer Vielzahl von religiösen The‑ men zu unterweisen, sondern auch ein Instrument, mit dem sich hervorragend politische Propaganda betreiben ließ. Im Kontext von Stiftungspraktiken kann man manchmal – jedoch nicht immer – vier religiöse Positionen unterscheiden: den Imam von Versammlungsmoscheen, den Prediger (ḫaṭīb, Pl. ḫuṭabāʾ, oder wāʿiẓ, Pl. wuʿʿāẓ), den Geschichtenerzähler (qāṣṣ, Pl. quṣṣāṣ) und den qāriʿ al-kursī (wörtlich: ‚derjenige, der vom Stuhl aus vorliest‘). Die Aufgabe des Imam war es, die ka‑ nonischen Predigten (al-ḫuṭab aš-šarʿīya) in den Versammlungsmoscheen zu halten: eine wöchentliche Predigt nach dem ge‑ meinsamen Freitagsgebet (ḫuṭbat al-ǧumʿa); die ḫuṭba für die beiden Hauptfeste, das Opferfest und das Fest des Fastenbrechens, bekannt als ḫuṭbat al-ʿīdain; die Regenpre‑ digt (ḫuṭbat al-istisqāʿ), die zusammen mit dem Regengebet gehalten werden sollte; und die Predigten, die zu Mond‑ und Son‑ nenfinsternissen (bzw. ḫuṭbat al-ḫusūf und ḫuṭbat al-kusūf ) erforderlich waren.37 Einen bedeutenden Teil dieser Predigten nahmen Elogen für die regierende Dynastie und das Gedenken an Kalifen und ihre Familien ein. Versammlungsmoscheen waren häufig Einrichtungen, die von den regierenden Familien gestiftet und deren Imame von den Herrschern ernannt wurden. Eine andere Art von Predigten, in diesem Fall nicht rechtlich vorgeschrieben, sind die sogenannten ‚Predigten zur moralischen

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Ermahnung und Orientierung‘ (ḫuṭab alwaʿẓ wa-ʾl-iršād). Im Zentrum dieser An‑ sprachen stand die Erinnerung an den Tod und die Werbung für asketische Werte. Ebenso wie andere religiöse Praktiken war auch das Predigen nicht unumstritten. Am meisten wurde darüber diskutiert, ob es gefährlich sei, über theologische Fragen zu predigen, die das gemeine Volk nicht richtig verstehen könne. Waqf ‑Institutio‑ nen wie madrasas, ḫānqāhs oder Mausoleen bewilligten aus ihren Mitteln eine gewisse Summe, um Prediger (ḫuṭṭāb oder wuʿʿāẓ) anzustellen, die regelmäßig oder zu be‑ stimmten Anlässen predigten. Die dritte Art von Predigten bilden die der Geschichtenerzähler (quṣṣāṣ) und Vor‑ leser (qāriʾ al-kursī, Pl. qurrāʾ al-kursī). Zur Zeit der Umayyaden waren die quṣṣāṣ vor allem von der Obrigkeit ernannte Richter, die das Volk in religiösen Fragen unterwei‑ sen sollten.38 Schließlich wurde die Position des qāṣṣ vom Geschichtenerzähler einge‑ nommen, der weniger religiöse Belehrun‑ gen erteilte als vielmehr auf öffentlichen Versammlungen lehrreiche Geschichten erzählte. Alsbald erhielt dieser Begriff eine abwertende Konnotation und die quṣṣāṣ wurden von den religiösen Eliten oftmals als Scharlatane angesehen. Dennoch haben sie immer eine bedeutende Rolle gespielt. Zur Zeit der Mamlūken war es ihre Aufga‑ be, Textstellen aus der religiösen Literatur zu rezitieren und das Volk in geeigneter Weise zu instruieren, etwa mittels leicht verständlicher Verse aus dem Koran und den Hadithen sowie beispielhafter Ge‑ schichten vom Propheten und seinen Ge‑ fährten. Der Vorleser (qāriʾ al-kursī) hatte dieselben Pflichten, las aber, anders als die quṣṣaṣ, die aus dem Gedächtnis rezitierten, aus einem Buch von einer Kanzel aus vor, die in einer Moschee oder madrasa einge‑ baut war. Sowohl Geschichtenerzähler als auch Vorleser wurden angehalten, nicht

Gedenken und Kultus

über die Prinzipien der Jurisprudenz (uṣūl ad-dīn), den Glauben (ʿaqāʾid) und vor allem nicht über die Eigenschaften Gottes (ṣifāt) zu sprechen.39 Religiöse Gemeinschaft, Askese und ǧihād Islamische Stiftungen sind für die Ent‑ wicklung der muslimischen asketischen Frömmigkeit immer von großer Bedeu‑ tung gewesen, wie aus den allgegenwär‑ tigen Institutionen ersichtlich wird, die das gemeinschaftliche Leben der frühen asketischen Gruppen und der Sufis för‑ derten – ḫānqāhs und zāwiyas. Jedoch ist die Rolle der religiösen Stiftungen, wie bei anderen rituellen Praktiken auch, oftmals mehrdeutig, und möglicherweise lag die Absicht der Stifter, seien diese nun öffentli‑ che oder private Personen, darin, Einfluss auf religiöse Debatten zu nehmen. Die islamische Askese lässt sich, insbe‑ sondere in den ersten Jahrhunderten des Islam, nur verstehen, wenn man sowohl ihren spätantiken Charakter als auch die weiteren Versuche der religiösen Obrigkeit bedenkt, sich von den anderen monotheis‑ tischen Religionen zu unterscheiden und die Grenzen der islamischen Umma zu de‑ finieren. Insofern und in dem Sinne, dass die Annahme eines asketischen Lebens‑ wandels im Wesentlichen darin besteht, sich von weltlichen Dingen loszusagen, ist es möglich, zwischen zwei Grundformen der Askese zu unterscheiden: Die erste besteht im Verzicht auf gesellschaftliche Bindungen und irdische Freuden durch ein Leben in Abgeschiedenheit, Fasten und die Annahme des Zölibats; die zweite Form umfasst ebenfalls die Loslösung von der Gesellschaft, sieht aber den Selbstverzicht nicht als Ziel, sondern nur als ein Mittel, um die Seele für den ǧihād und das Mar‑ tyrium vorzubereiten.40 Bereits im 8. Jahrhundert nahmen isla‑ mische Quellen eine klare Position gegen

Muslime

die erste Option ein. Ein Asket, der sich selbst bestraft, indem er auf die von Gott gewährten Freuden des Lebens verzichtet, wurde als schlechter Muslim angesehen; der Prophet Mohammed sagt in einem ḥadīṯ, der von Muqātil b. Sulaimān (gest. 767 u. Z.) zitiert wird: „Wer sich nicht an unsere sunna [‚unsere Praxis‘] hält, un‑ sere Anweisungen nicht befolgt und die Tiere nicht isst, die wir opfern, ist keiner von uns; dies ist unsere sunna: Kleidung, Essen und Frauen“.41 Die Ablehnung ex‑ tremer asketischer Praktiken war nicht nur eine Angelegenheit religiöser Dispute. Oft griffen auch die Herrscher gegen ihre Anhänger ein, zum Beispiel als 72 Sufis bei der religiösen Verfolgung eingeker‑ kert wurden, die in Bagdad im Jahre 877 von dem Ḥanbalīten Ġulām Ḫalīl (gest. 888 u. Z.) durchgeführt wurde.42 Derartige Verurteilungen richteten sich gegen Weltflucht, Fasten, Selbstkasteiung und Zölibat. Sie waren Teil einer generel‑ len Ablehnung des ‚Monastizismus‘ und basierten, wie die in der erwähnten Defi‑ nition der sunna genannten Themen, auch auf dem Konzept der legitimen Gewalt. Das Mönchtum wird im ganzen Koran nur ein einziges Mal erwähnt; dort heißt es über die Christen: „Dann ließen wir in ihren Spuren unsere Gesandten folgen und ließen Jesus, den Sohn Marias, folgen und gaben ihm das Evangelium und pflanzten in die Herzen derer, die ihm folgten, Milde und Barmherzigkeit und Mönchtum – sie schufen es, wir schrieben es ihnen nicht vor –, und zwar im Bestreben, Gottes Wohl‑ gefallen zu erlangen.“ (Q 57.27). Der Koran verweist auf das Mönchtum (rahbānīya) lediglich als eine Innovation. Frühe Koran‑ kommentatoren interpretierten diesen Vers aber auch auf der Grundlage von Hadithen, die die Selbstaufgabe und Weltflucht christ‑ licher Mönche verurteilten und forderten, ihrem Beispiel nicht zu folgen, sondern

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stattdessen eine militante Frömmigkeit in Diensten Gottes anzunehmen. Im Kon‑ text der islamischen Eroberungen und des mehrere Jahrhunderte dauerndes Kriegs gegen Byzanz ist diese Haltung überaus bedeutsam. So zitiert etwa aṭ‑Ṭabarī (gest. 923 u. Z.), der einflussreichste der frühen Koraninterpretatoren, einen ḥadīṯ, in dem Mohammed feststellt, dass Monotheisten einst in einundsiebzig Gruppen unterteilt waren, von denen nur drei überlebten: Die erste dieser Gruppen verteidigte die Reli‑ gion von Jesus und opponierte aktiv gegen die Tyrannei ungerechter Herrscher; die zweite Gruppe konnte sich nicht selbst verteidigen und wurde von diesen Herr‑ schern niedergemetzelt; die Angehörigen der dritten Gruppe vermieden die Kon‑ frontation, indem sie sich in die Wüste zurückzogen, wo sie als Mönche und Ein‑ siedler lebten und so die Möglichkeit des Märtyrertods eigentlich ausschlossen.43 Andere frühe Werke heben ebenfalls die kontemplative Haltung der Mönche im Ge‑ gensatz zum Aktivismus der muslimischen Religiosen hervor, die „tagsüber Ritter und in der Nacht Mönche“ seien.44 Eindrück‑ lich zusammengefasst findet sich dieser Standpunkt in dem berühmten Diktum des asketischen Kriegers ʿAbd Allāh Ibn al‑Mubārak (gest. 797 u. Z.): „Jede Gemein‑ schaft hat ihre eigene Form des Mönchtums und das Mönchtum unserer Gemeinschaft ist der ǧihād um Gottes willen“.45 Es ist dieser Kontext, in dem sowohl asketische Rituale als auch das Stiften von Institutionen, die das gemeinschaftliche Leben unterstützen und den ǧihād fördern, verstanden werden sollten. Die Verbindung zwischen den Anfängen der Stiftungskul‑ tur und dem ǧihād ist evident: Die ersten awqāf waren eigentlich bewegliche Güter zur Unterstützung von ǧihād‑Kriegern, und letztendlich entwickelte sich die Grenze zu einem beliebten Ort, um hier Stiftungen

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anzusiedeln, wie den ribāṭ, der einerseits als befestigte Garnison im Krieg gegen die Ungläubigen und andererseits auch als gemeinschaftliche Einrichtung diente, in der die frommen Muslime sich in asketi‑ schen Praktiken üben und ihre Seelen auf den Märtyrertod vorbereiten konnten. Stif‑ tungen waren ein ideales Instrument, um diese Form von militanter Frömmigkeit zu unterstützen, insbesondere als die Herr‑ scher begannen, den Aktivismus dieser freiwilligen Kämpfer als eine Bedrohung ihrer religiösen Autorität wahrzunehmen, und die Kontrolle über den ǧihād zu erlan‑ gen suchten. Trotz des suspekten und immerwähren‑ den Schattens des christlichen Mönchtums und der Kritiken, die eine Konstante in der gesamten islamischen Geschichte bilden, gewannen diejenigen asketischen Bewe‑ gungen, die nicht direkt mit dem heiligen Krieg verbunden waren, allmählich eine Vormachtstellung und zentrale Position in den islamischen Gesellschaften.46 Der neue Status dieser Gruppen war ebenfalls eng mit der Stiftungskultur verbunden, insbe‑ sondere seit dem 12. Jahrhundert u. Z., als die Herrscher versuchten, den mystischen Eifer der Sufis abzumildern und ihren stei‑ genden Einfluss auf das Volk zu kontrol‑ lieren, indem sie Klöster und madrasas an

Gedenken und Kultus

ihre šaiḫs stifteten. Über das eigentliche Leben und die asketischen Rituale selbst, die innerhalb dieser Institutionen prakti‑ ziert wurden, ist nur wenig bekannt. In den Quellen finden sich die üblichen Er‑ wähnungen von Gebeten und Koran‑ und ḥadīṯ‑Rezitationen, aber auch von ande‑ ren spirituellen Übungen, wie dem ḏikr (‚[Gottes]gedenken‘), das aus wiederholten Anrufungen Gottes oder einiger ‚schöner Namen‘ Gottes (al-asmāʾ al-ḥusnā) bestand und in der Regel mit Hilfe einer Gebets‑ kette (ṣubḥa) praktiziert wurde. Der ḏikr konnte eine individuelle Übung oder eine gemeinsame Veranstaltung sowohl priva‑ ten als auch öffentlichen Charakters sein.47 Erwähnenswert ist, dass einige fromme Muslime der Obrigkeit und den zivilen Eliten ihre zunehmende Beteiligung an den religiösen Praktiken der asketischen Gemeinschaften übel nahmen. Dieser Un‑ mut nahm zuweilen die Form einer expli‑ ziten Ablehnung von waqf ‑Institutionen aus religiöser Skrupulosität an, wie im Fall von Ṣadr ad‑Dīn b. al‑Ḥamawaihī (gest. 1220 u. Z.), der sowohl Essen als auch Trin‑ ken verweigerte, das von einem waqf oder einer ḫānqāh zur Verfügung gestellt wurde, und sogar Reis ablehnte, der mit dem Was‑ ser aus ihren Brunnen gekocht wurde.48 IS

Anmerkungen 1  Van Ess, Flowering of Muslim Theology (2006),

Erörterung des Konzepts von Memoria, das im 16 f. Wesentlichen auf diesem hadīṯ beruht, siehe 2 Zu diesem Fest siehe Katz, Birth of the Pro‑ Pahlitzsch, Concern for Spiritual Salvation (2001). phet (2007). 5 Ibn al‑Ǧauzī, Birr al‑wālidain. Ed. Muḥammad 3 Muslim, Al‑Musnad aṣ‑ṣaḥīḥ, Bd. 5. Ed. Muḥam- al-Qādir Aḥmad ʿAṭā. Beirut 1988, 74. mad Fuʾād ʿAbd al-Bāqī. Beirut o. J., 1255, Nr. 1631. 6 Siehe beispielsweise Yaḥyā ibn Šaraf an‑ 4  Siehe beispielsweise die waqfīya der Mirǧān‑ Nawawī, Tibyān fī ādāb ḥamalat al‑Qurʾān. Ed. Moschee in Bagdad: Documents sur plusieurs Muḥammad al-Ḥaǧǧār. Beirut 1996, 108. waqfs musulmans. Ed. Louis Massignon, Opera 7  Siehe beispielsweise Lev, Charity, Endowments Minora, Bd. 3. Paris 1969, 181–232, hier 181. Zur and Charitable Institutions (2005), 38; 141.

Muslime

8 B. Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000), 208 f. 9 Singer, Constructing Ottoman Beneficence (2002), 146. 10  B. Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000), 257. 11  Zur Bewertung von Gebeten siehe Katz, Pray‑ er (2013), 44–74. 12  Chamberlain, Knowledge and Social Practice (1994, ND 2002), 55 f. 13  Humphreys, Expressive Intent (1972), 114 f. 14  ʿAbd ar‑Raḥmān ibn ʿUṯmān, Muršid az‑ zuwwār ilā qubūr al‑abrār. Ed. Muḥammad Fatḥī Abū Bakr. Kairo 1995, 656. 15  Für waqfīya‑Beispiele, die diese Bestimmung enthalten, siehe Al-Asyūṭī, Ǧawāhir al‑ʿuqūd wa‑ muʿīn al‑quḍāt, Bd. 1. Riad o. J., 313 f. 16  Tāǧ ad‑Dīn as‑Subkī, Kitāb muʿin an‑niʿam wa‑mubīd an‑niqam [The Restorer of Favours and the Restrainer of Chastisements]. Ed. David W. Myhrman. London 1908, 32 [des arabischen Texts]. 17  Golvin, Éclairage des mosquées (1987/1988). 18  Zu diesen awqāf siehe Hoexter, Endowments (1998), 8–11. 19  Meri, Etiquette of Devotion (1999), 274. 20 Taylor, Vicinity of the Righteous (1998), 15–61. 21 ʿAbd ar‑Raḥmān ibn ʿUṯmān, Muršid az‑ zuwwār. Ed. Abū Bakr (wie Anm. 14), 32–71. 22 Meri, Re‑Appropriating Sacred Space (1999), 254. 23 Ebd., 257 f. 24 Ebd., 257. 25 Al‑Ḫallāl, Kitāb al‑wuqūf. Ed. Aḥmad ibn ʿAlī Zayd. Riad 1989, 255 f. 26 Al‑Wanšarīsī, Al‑Miʿyār al‑muʿrib wa‑ʾl‑ ğamiʿ al‑muġrib ʿan fatāwā ʿulamāʾ al‑Anda‑ lus wa‑ʾl‑Maġrib, Bd. 7. Ed. Muḥammad Ḥağğī / Muḥammad al-ʿArāyīšī / Aḥmad aš-Šarqāwī Iqbāl. Rabat 1981, 37. 27 Ibn Taimīya, Al‑Fatāwa al‑kubrā, Bd. 4. Ed. Muḥammad ʿAbd al-Qādir ʿAṭā / Muṣṭafā ʿAbd alQādir ʿAṭā. Beirut 1987, 246 f.; Al‑Wanšarīsī, Al‑ Miʿyār al‑muʿrib. Ed. Ḥağğī / al-ʿArāyīšī / aš-Šarqāwī Iqbāl (wie Anm. 26), 7.

127 28 Yaḥyā ibn Šaraf an‑Nawawī, Tibyān fī ādāb

ḥamalat al‑Qurʾān. Ed. Muḥammad al-Ḥaǧǧār. Bei‑ rut 1996, 34; 55. 29 Ibn ʿAbdūn, Risālat Ibn ʿAbdūn fī l‑qadāʾ wa‑ʾl‑ḥisba, in: Ibn ʿAbdūn / Ibn ʿAbd ar‑Raʾūf / Ibn ʿAbbās al‑Ǧarsīfī, Ṯalāṯa rasāʾil andalusīya fī ādab al‑ḥisba wa‑ʾl‑muḥtasib. Ed. Evariste LeviProvençal. Kairo 1955, 3–65, hier 26; 29. Zu Trinkge‑ wohnheiten während des Ramadan vgl. Lewicka, Food and Foodways (2011), 546. 30 Lev, Charity, Endowments and Charitable Institutions (2005), 128 f. 31 Katz, Birth of the Prophet (2007), 159 f. 32 Ukeles, Sensitive Puritan (2010), 324 f. 33 Katz, Birth of the Prophet (2007), 73. 34 Zu diesen Ritualen siehe Ayoub, Redemptive Suffering (1978). 35 Langner, Untersuchungen zur historischen Volkskunde Ägyptens (1983), 31. 36 B. Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000), 208 f. 37 Jones, Power of Oratory (2012), 40. 38 Hallaq, Origins and Evolution (2005), 39. 39 Bori, Theology, Politics, Society (2013), 79. 40  Sizgorich, Violence and Belief (2009), 168–195. 41  Muqātil b. Sulaimān, Tafsīr Muqātil b. Sulaimān, Bd. 1. Ed. ʿAbd Allāh Maḥmūd Šiḥatah. Beirut 2002, 499. 42  Silvers, Soaring Minaret (2010), 29 f. 43  Aṭ‑Ṭabarī, Ǧāmiʿ al‑bayān fī tağwīl al‑bayān, Bd. 23. Ed. Aḥmad Muḥammad Šākir. Kairo 2000, 204. 44  Aṭ‑Ṭabarī, Tāʾrīḫ ar‑rusul wa‑ʿl‑mulūk, Bd. I.5. Ed. E. Prym. Leiden 1893, 2395. Zu frühen Koran‑ kommentaren siehe McAuliffe, Qurʾānic Christi‑ ans (1991), 260 f. 45  ʿAbd Allāh Ibn al‑Mubārak, Kitāb al‑ğihād. Ed. Nazīh Ḥammād. Tunis 1972, 35, Nr. 16. 46  Zu diesen Kritiken siehe beispielsweise Fierro, Opposition to Sufism (1999); Homerin, Sufis and Their Detractors (1999). 47  Tallmon-Heller, Islamic Piety in Medieval Syria (2007), 81. 48  Morray, Ayubbid Notable (1994), 119.

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Gedenken und Kultus

8.4 Juden 8.4.1 Allgemeines Im Zentrum des jüdischen Kultes steht bis heute das amidah‑Gebet, das dreimal täglich im Stehen gesprochen werden muss. Es besteht aus achtzehn festgelegten Se‑ genssprüchen; von diesen werden sieben am Sabbat sowie an den Festtagen aufge‑ sagt, während an den Wochentagen alle achtzehn gesprochen werden. Eine Syna‑ goge ist hierfür nicht erforderlich, aber es wird angestrebt, das Gebet in minyan (d. h. zusammen mit mindestens zehn erwachse‑ nen Juden) zu vollziehen. Am Sabbat oder an Festtagen beten die Juden meistens in der Synagoge; dann werden zusätzliche kultische Elemente miteinbezogen. Nach‑ dem die Gemeinde dort leise das amidah‑ Gebet gesprochen hat, wiederholt es der Kantor (ḥazan, Vorbeter) als Gesang. Am Montag, Donnerstag, Sabbat und an Festta‑ gen wird nach einer bestimmten Ordnung laut aus der Thorarolle vorgelesen. Darauf folgen Lesungen aus Prophetenschriften (haftarot). Für das Vortragen von Passagen aus der Thora werden Gemeindemitglieder aufgerufen. Aus der mittelalterlichen Kultpraxis er‑ gibt sich, dass die wichtigsten Kultobjekte die Thorarolle, die Gebetbücher (sowohl größere, aus denen der Kantor vorbetete, als auch kleinere, welche die anderen Ge‑ meindemitglieder benutzten), der ‚Targum‘ (die aramäische Übersetzung der Thora), die haftarot, die Estherrolle und andere Schriften waren. Tatsächlich handelt es sich bei Thorarollen und Büchern um die am häufigsten von Einzelpersonen gestif‑ teten Kultobjekte; reichere Gemeindemit‑ glieder stifteten jedoch auch prachtvol‑ lere Kultobjekte. Die Thorarolle musste

auf besondere Art geschrieben werden, sodass professionelle Thoraschreiber be‑ nötigt wurden. Im Judentum waren Stiftungen für Ge‑ denken und Kultus enger mit der Person des Stifters, mit seinem Seelenheil und im Allgemeinen mit der Stiftermotivation verbunden als Stiftungen für andere Zwe‑ cke, wie z. B. die finanzielle Unterstützung von Armen und Bildungsmaßnahmen. In jedem Fall muss berücksichtigt werden, dass es auch Belege für die Pflege persön‑ lichen Stiftergedenkens gibt; in Aschkenas sind sogar regelrechte Memorialstiftungen zu greifen. Dass persönliches Stifterge‑ denken allerdings insgesamt kaum belegt ist, könnte daran liegen, dass rabbinische Lehren dieser Praxis aus verschiedenen Gründen entgegenstanden. Die wichtigste Person in der jüdischen Kultpraxis war der oben genannte Kantor. Der ‚Rabbiner‘– mit diesem Begriff war früher lediglich allgemein ein ‚jüdischer Gelehrter‘ gemeint – hatte ursprünglich keine andere Rolle als alle anderen Ge‑ meindemitglieder inne. Das Halten einer Predigt kam in aschkenasischen Gemein‑ den erst Ende des 12. Jahrhunderts auf, war jedoch nicht obligatorisch. Nach der Wiedereinführung der rabbinischen Ordi‑ nation (semikha) in den aschkenasischen Gemeinden in der Mitte des 14. Jahrhun‑ derts kamen den Rabbinern wichtigere Funktionen im Kultus zu; grundsätzlich bedeutender blieb jedoch der Kantor. Er bezog seinen Lohn entweder aus dem Ge‑ meindefonds oder aus privaten Stiftungen. Die Synagoge galt als ein heiliger Ort des Gebetes und des Kultus, nicht als

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Tempel. Der Jerusalemer Tempel war Got‑ tes Wohnort gewesen, an dem man Gott hatte Opfer darbringen können. Nach der Zerstörung des Tempels in Jerusalem dien‑ ten die Synagogen als Orte des Gebetes, welches die Opfergaben ersetzte. Darü‑ ber hinaus waren sie für die Gemeinde‑ mitglieder auch Orte der Begegnung. Sie wurden im Mittelalter entweder neu ge‑ baut oder durch Umbauten anderer Häuser geschaffen; besonders in Spanien war es üblich, Synagogen als private Stiftungen neu zu gründen. Bau und Instandhaltung der Synagogen wurden sonst entweder durch den Gemeinde‑heqdesh oder durch kleinere private Zustiftungen finanziert. (→ 8.4.5) Die heqdesh‑Verwaltung hatte unter anderem die Sorge für Kultgegen‑ stände, Kantor und Synagogengebäude zur Aufgabe. Hierbei spielten Stiftungen eine besonders wichtige Rolle.

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Byzanz oder Westeuropa seinem Wohltäter in Ägypten verspricht, dass er, sobald er wieder zu Hause sei, in allen jüdischen Gemeinden des (Ost‑)Römischen Reichs („des Landes von Edom“) an jedem Montag und Donnerstag, den Tagen also, an denen in der Synagoge Lesungen aus der Thora vorgenommen würden, Gebete für den Wohltäter anordnen werde. Das zweite Fragment ist ein Brief, der aus Ramla in Palästina nach Altkairo geschickt wurde. Aus diesem Brief geht hervor, dass sein Verfasser, der von einer Reise nach Tyros und Akkon nach Ramla zurückgekehrt war, am Montag und Donnerstag, als der Thora‑ schrein geöffnet wurde, in der Synagoge Gebete zugunsten seines Wohltäters sprach und dessen Freigebigkeit gegenüber ihm selbst und anderen Begünstigten pries.3 Wir wissen allerdings nichts von einer ständigen im liturgischen Rahmen voll‑ zogenen Gedenkpraxis oder von irgend‑ einem anderen Kult für verstorbene oder lebende Stifter im Orient und in Spanien. 8.4.2 Gedenken Der Ausdruck le-toʿelet nishmati (‚für mein Der Glaube an den Nutzen von Fürbitten Seelenheil‘) bedeutet in den spanischen und Gedenkhandlungen für Verstorbene Responsa des Mittelalters, dass der Stifter war im mittelalterlichen Judentum des Ori‑ mit dem Stiftungsakt selbst sein eigenes ents und Spaniens umstritten. Gelehrte Seelenheil fördern konnte, während Fürbit‑ wie Hai Gaon (939–1038) oder Abraham ten und Stiftergedenken durch die Begüns‑ bar Hiyya (1070–1136) waren nachweis‑ tigten keine Wirkung für das Seelenheil lich Gegner dieser Überzeugung.1 (→ 3.4.2) zugeschrieben wurde. (→ 3.4.2) Auch haben wir keinerlei Kenntnis über den – liturgischen oder nicht‑liturgischen – In Aschkenas lässt sich hingegen eine Entstehungskontext der überlieferten Lis‑ Praxis des Stiftergedenkens nachweisen. ten von Verstorbenen, die karäische Juden So wird der Glaube an den Nutzen des im Mittelalter anlegten, oder über ihren Gebetes und des Gedenkens für das See‑ Gebrauch.2 lenheil der Verstorbenen in mehreren Pa‑ Gebete zugunsten lebender Wohltäter ragraphen des ‚Sefer Ḥasidim‘ (entstanden sind dagegen durch die Geniza‑Fragmente um 1200) mit gewissen Einschränkungen bezeugt. Shlomo Goitein erwähnt zwei anerkannt, manchmal sogar ausdrücklich Schriftstücke, denen zufolge die Begüns‑ bestätigt und mit rabbinischen Quellen be‑ tigten in der Synagoge Gebete für die legt. Nicht zuletzt werden diese Überzeu‑ Wohltäter sprachen. Im ersten Fragment gung und ihre praktische Umsetzung auch ist davon die Rede, dass ein Gelehrter aus mit dem Hinweis auf die zeitgenössische

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Praxis in den Gemeinden des Rheinlandes erläutert.4 Gebete für Verstorbene haben bestimmte Wurzeln in der jüdischen Tra‑ dition.5 Obwohl der ‚Sefer Ḥasidim‘ nicht als repräsentativ für das ‚Mainstream‘‑ Judentum erachtet werden kann, da er die Bräuche und Anschauungen einer sek‑ tiererischen Bewegung, der ḥaside Ashkenaz, widerspiegelt, muss er trotzdem in das Spektrum der jüdischen Bräuche der Zeit einbezogen werden. Wie in der For‑ schung öfter gezeigt worden ist, hatte die Bewegung der ḥaside Ashkenaz nämlich im Bereich der religiösen Praxis (minhagim) durchaus Einfluss auf die Welt außerhalb ihres Kreises.6 Das Vorlesen der Namen von Toten be‑ gann im aschkenasischen synagogalen Got‑ tesdienst in der Zeit unmittelbar nach dem ersten Kreuzzug (1096). Die ganze Gemein‑ de gedachte der ‚Märtyrer‘ der damaligen Pogrome im Rheinland an den Jahrestagen ihrer Ermordung.7 Die Hinterbliebenen der Getöteten hatten für dieses Gedenken Listen zusammengestellt, die sogenannten Memorbücher. Ähnliche Memoriallisten wurden im Rheinland und in den benach‑ barten Gemeinden auch nach der Pestkata‑ strophe und nach ähnlich einschneidenden Ereignissen verfasst.8 Zusätzlich wurde nicht nur der Mär‑ tyrer, sondern an den letzten Tagen der drei Pilgerfeste auch der Stifter gedacht. An diesen Tagen gab man Spenden, wie es im Deuteronomium 16.17 vorgeschrieben wird: „Jeder muss entsprechend der Gabe seiner Hand geben“. Nach Solomon Freehof weitete sich der Brauch des Gedenkens an Märtyrer, Stifter und Familienmitglieder später auch auf die übrigen Sabbatfeste aus.9 Was den liturgischen Rahmen betrifft, so wissen wir, dass die Namen der Mär‑ tyrer an den Sabbaten zwischen Pessach und Schawuot nach der Verlesung der

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Thora, und noch während die Thorarolle auf dem Pult (bima) lag, verlesen wurden; anschließend wurden die Gebete ‚Ashre yoshve betkha‘ („Glücklich sind diejeni‑ gen, die in deinem Haus wohnen“) und ‚Av ha‑Raḥamim‘ („Barmherziger Vater“) gesprochen. Der Text des letzteren Gebetes enthält die Formel: „Barmherziger Gott, (…) gedenke der heiligen, gerechten und schuldlosen Seelen, der heiligen Gemein‑ den, die ihr Leben im qiddush ha-Shem [für die Heiligung des Namen Gottes] auf‑ geopfert haben. (…) Unser Gott, gedenke ihrer mit Wohlwollen zusammen mit den übrigen Gerechten der Welt und räche in unseren Tagen, vor unseren Augen, das vergossene Blut deiner Diener“10. Das Nürnberger Memorbuch enthält die Formel: „Gott möge gedenken der Seele des N., Sohn des N., mit der Seele Abra‑ hams, Isaaks und Jakobs, weil er [es folgt die Nennung der Summe] für den Fried‑ hof hinterlassen hat. Deshalb möge Gott seiner gedenken, zusammen mit all den Gerechten, die im Paradiese sind.“11 Schon im ‚Machsor Vitry‘, einem jüdischen Gebet‑ buch aus Nordfrankreich, das im 12. Jahr‑ hundert ein Schüler des Religionsgelehrten Rashi zusammengestellt haben soll, sind zum Zweck der gemeindlichen Stifterme‑ moria Formeln für die Liturgie am Sabbat und an Yom Kippur überliefert, die nach der Thoralesung gesprochen wurden. Bei‑ spielsweise werden dort zur Liturgie des Sabbats folgende Vorschriften gemacht: „Und dann gedenken wir der Verstorbenen, welche die Tora in Israel und die Rechts‑ satzungen vermehrt und die etwas für die Gemeinde gespendet haben, oder Perso‑ nen, zu deren Wohl durch andere Personen Spenden geleistet wurden.“ Zur Liturgie an Yom Kippur heißt es: „Und dann soll Wohltätigkeit in aller Öffentlichkeit getan werden, zum Wohle der Lebenden und der Toten.“12

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Das Totengedenken erreichte jedoch nicht eine solche Bedeutung, dass es als besonders entscheidend für die Erlösung der Toten wahrgenommen worden wäre, wie dies im Christentum oder etwa im Islam der Fall war. (→ 8.2.2; 8.3.2) Auch wenn man dem Gedenken der Toten – vor allem der Märtyrer, Wohltäter und Stifter – von Zeit zu Zeit eine vermittelnde Rolle zwischen Gott und Menschen zusprach, entwickelten sich keine an bestimmte Zei‑ ten und Orte geknüpften Gedenkrituale und Kulte.13 Wahrscheinlich war das Gedenken an Stifter auch auf eine kürzere Zeitspanne befristet. Einen Hinweis hierauf können wir in R. Isaaks von Corbeil (gest. 1280) ‚Sefer Miṣwot Qaṭan‘ finden, der auch ‚Am‑ mude Golah‘ („Die Säulen des Exils“) ge‑ nannt wird. Der Autor des Codex schreibt, dass ein gestifteter Gegenstand oder eine Summe Geldes nicht für einen anderen Zweck verwandt werden dürften als vom Stifter vorgesehen, solange dessen Name noch bekannt sei. Für den Fall, dass der Name des Stifters schon vergessen sei, sei es erlaubt, die Stiftungsgüter auch für et‑ was einzusetzen, das nicht als miṣwah (d. h. als ein religiöses Gebot) angesehen werde.14 (→ 13.4.2) Die Responsaliteratur bezeugt jedoch, dass in Aschkenas das Gedenken an Stifter und Wohltäter und auch das durch Stiftun‑ gen (heqdeshot) unterstützte Gedenken an Tote seit der Wende vom 12. zum 13. Jahr‑ hundert verbreitet waren, auch wenn wir nicht genau wissen, in welchem Maße und in welcher Form beides praktiziert wurde. In einem Responsum von Shimshon bar Abraham (ca. 1150–1230), einem Talmud‑ kommentator aus Frankreich, wurde ein‑ deutig formuliert, dass es Brauch gewesen sei, ṣedaqah‑Gelübde für die Seelen der Ver‑ storbenen abzulegen (ʿaniyyim ḥayyavim litten ṣedaqah […] she-hizkiru ha-neshamot,

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„die Armen müssen ṣedaqah‑Geld geben […], wenn der Seelen gedacht wird“), also Gaben für mildtätige Zwecke zu verspre‑ chen.15 Eine der taqqanot (Gemeindeord‑ nungen) von 1220 bestimmte, dass, wenn es keinen Fonds für die Bezahlung eines Lehrers gebe, das Geld von solchen Fonds genommen werden dürfe, die die Toten für ihre (oder für das Gedenken ihrer) Seele hinterlassen hatten (she-ḥinniḥu nuḥe nefesh ʿavur nishmatan), außer wenn der Sterbende den Zweck der Aufwendung dezidiert be‑ stimmt hatte.16 (→ 5.4.2) R. Meir b. Baruch von Rothenburg (ca. 1215–1293) antwortete auf vier verschiedene Anfragen, in denen es um das Gedenken der Seelen ging. In allen vier Fällen wurde das Gedenken mit weiteren Stiftungszwecken verbunden, d. h. entweder mit dem des Kultus oder mit dem der Wohltätigkeit. Laut einem der Respon‑ sa stiftete eine Jüdin Geld für den Kauf von Öl für die Beleuchtung der Synagoge und von halbpfündigen Wachskerzen, die für ihr eigenes Seelenheil und für das Seelen‑ heil ihrer Tochter entzündet werden sollten (le-zekher nishmat bittah).17 Selbstverständ‑ lich profitierten hiervon nicht nur die Stif‑ terin und ihre Tochter, sondern die ganze Gemeinde, die in den Genuss des Lichts der Kerzen und Lampen kam. In einem ande‑ ren Fall spielte der praktische Nutzen eine noch größere Rolle, indem Wohltätigkeit als Stiftungszweck mit Gedenken verbun‑ den wurde: Hier schenkte ein Jude seine Kleider und sein Geld dem heqdesh zum Gedenken seiner Seele (6 zequqim u-bigdi ʿavur nishmati, „6 Silbermünzen und mein Kleid für meine Seele“).18 Ebenso nützlich war das Stiften von Büchern, das mit dem Gedenken verbunden wurde. So hinterließ ein Jude für das Gedenken seiner Seele eine Thorarolle und ein großes und schönes Gebetbuch (le-ṣedaqah le-zekher nishmato, „für Wohltätigkeit, zum Gedenken seiner Seele“).19 Bisweilen geschah es sogar, dass

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(2.) Das Gedenken in Liturgie und Kul‑ tus hatte seinen Ursprung in der Komme‑ moration der Märtyrer in den rheinischen Gemeinden nach dem ersten Kreuzzug. Das Märtyrergedächtnis bildete ein Sche‑ ma, das wahrscheinlich spätestens ab dem 12. Jahrhundert auf die Liturgie und den Kultus des Stiftergedenkens angewandt wurde. (3.) Inhaltlich bestanden Liturgie und Kultus des Gedenkens anfangs wahr‑ scheinlich aus der Rezitation der Stifter‑ namen und der Erwähnung der gestifteten Objekte. Später, als die Namen nicht mehr nur an Yom Kippur, sondern auch an den Pilgerfesten verlesen wurden, wurde es üb‑ lich, das liturgische Gedenken um Spenden für das Seelenheil der Stifter zu ergänzen. Die Stifternamen und die gestifteten Ob‑ jekte wurden wahrscheinlich in Listen wie dem Nürnberger Memorbuch aufgeführt und in Handschriften verbreitet. (4.) Die einzige Quellengruppe, die sicher über die Praxis des Gedenkens informiert, sind die Responsa (→ 5.4.4); sie benennen den Stiftungszweck und beinhalten die For‑ mel le-zekher nishmati („für das Gedenken meiner Seele“), mit der dem heqdesh etwas zugunsten des Stifters oder seiner Angehö‑ rigen hinterlassen wurde. Im Nürnberger Memorbuch sind hingegen nur die Stifter‑ namen und ihre Stiftungen aufgeführt. Da Zusammenfassend kann festgehalten wer‑ wir über das im Memorbuch überlieferten den: Märtyrer‑Gedenken wissen, dass es auch (1.) Das Gedenken an Stifter durch die für die Gedenkliturgie niedergeschrieben Nennung ihrer Namen und die Erwähnung wurde, können wir vermuten, dass auch der gestifteten Objekte im liturgischen die Stifter in einem solchen liturgischen Rahmen sind nur für das mittelalterliche Rahmen erwähnt wurden. Aschkenas belegt. Für Spanien und den (5.) Der Ort des Gedenkens war die Syn‑ Orient haben wir diesbezüglich hingegen agoge. Gemäß dem Memorbuch wurde dort keine Hinweise. In Aschkenas war das der örtlichen Stifter gedacht, wahrschein‑ Gedenken an Stifter im liturgischen Rah‑ lich jedoch nicht der Stifter anderer Ge‑ men durch Jenseitsbelohnung motiviert. meinden; demgegenüber wurde das Ge‑ Das Gedenken sollte das Seelenheil des denken der Märtyrer im Laufe der Zeit verstorbenen Stifters fördern. überall gepflegt. Nicht ausgeschlossen der Profit von einer gestifteten Geldsumme dem heqdesh zur Steigerung des Gedenkens bestimmt war. Beispielsweise gab ein Jude einem anderen zwei Mark, die dieser für einen jährlichen Zinsertrag investieren sollte, der wiederum an die Gemeinde flie‑ ßen sollte; Aufgabe der Gemeinde war es sodann, der Seele der Frau des Stifters zu gedenken (le-hazkir nishmat zugato, „für das Gedenken der Seele seiner Frau“).20 In ei‑ nem Responsum im Namen von R. Avigdor bar Eliyyahu ha‑Kohen von Wien (er wirk‑ te in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts) stiftete ein gewisser Moses b. David für den Friedhof in Magdeburg zwölf Silberdinar für das Gedenken seiner Seele (le-ṣorekh hazqarat nishmati, „für die Notwendigkeit des Gedenkens meiner Seele“).21 Und auch im Nürnberger Memorbuch wurden Stifter zusammen mit ihren der Gemeinde gestif‑ teten Gütern oder Geldsummen aufge‑ führt, wahrscheinlich, damit ihre Namen im liturgischen Rahmen genannt wurden.22 Man muss aber auch berücksichtigen, dass die Stifterinschrift des Gründungsbaus der Wormser Männersynagoge aus dem Jahre 1034 einen Hinweis auf einen möglichen liturgischen Kultus des Stiftergedenkens enthält, die eine noch viel frühere Entste‑ hung des liturgischen Stiftergedenkens belegen könnte. (→ 6.4.2)

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werden kann, dass im jüdischen religiösen Brauchtum auch Grabstätten der Stifter als Gedenkorte dienten, obwohl wir darüber keine Belege haben. 8.4.3 Kultgeräte, Bücher und Synagogenausstattung Ägypten Den Dokumenten der Kairoer Geniza zu‑ folge wurden größere Dotationen in Alt‑ kairo direkt dem heqdesh gestiftet. Für kleinere Synagogen und die Gemeinden, die zu diesen Synagogen gehörten, gab man vor allem Kultobjekte und andere wertvolle Gegenstände – wie etwa Thora‑ rollen und ihren Schmuck, Bücher, Teppi‑ che, wertvolle Textilien, Becher, Leuch‑ ter, Lampenöl oder Kerzen.23 Thorarollen wurden in höchster Ehre gehalten; nach Goitein wurden sie in den Altkairoer Ge‑ meinden beinahe kultisch verehrt.24 Bücher, die der Gemeinde gehörten, wurden von berühmten Schreibern ge‑ fertigt und an Richter, Kantoren und Leh‑ rer verliehen. Nach Goiteins Einschätzung hielten diese Bücher etwa ein Jahrhundert lang und konnten dementsprechend häufig als Kultobjekte dienen.25 Den besonderen Schutz, den Bücher im Besitz des heqdesh genossen, veranschaulicht ein Responsum des Maimonides (R. Moshe b. Maimon, geb. 1135 / 1138 in Córdoba, gest. 1204 in Kairo). Die Bücher waren aus einer Synagoge in Altkairo entwendet worden und es bestand der Verdacht, dass der Raub vom Sultan selbst veranlasst worden war; inzwischen waren sie jedoch in die Hände bestimmter Juden gelangt. Maimonides entschied, dass die Bücher dem heqdesh zurückgegeben werden müssten, wenn der Raub nicht auf den Sultan zurückgehe. Unter Eid sollten die Juden, die die Bücher von den Räubern gekauft hatten, überdies aussagen, wie viel

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Geld sie dafür bezahlt hatten; die Gemein‑ de sollte ihnen die Summe zurückerstatten. Für den Fall jedoch, dass die Bücher auf Befehl des Sultans geraubt worden waren, hätten diese laut Maimonides bereits ihren Status als heqdesh‑Gut verloren; sie sollten dann in den Händen der Juden bleiben, die sie von den Räubern erworben hatten.26 Religiös motivierte Stiftungen von Kultobjekten wurden auch in anderen jü‑ dischen Gemeinden des Orients getätigt. Beispielsweise sind Spenden wertvoller Textilien an den heqdesh von Aschkelon belegt.27 Reiche Kaufleute – sogar Karä‑ er wie Ibn Awkal aus der Tustari‑Familie (erste Hälfte des 11. Jahrhunderts) – nah‑ men zugunsten des heqdesh Gelddotationen für die zwei yeshivot von Babylon sowie für die Jerusalemer und die Kairoer yeshivah vor.28 Bei derartigen Gelddotationen wurden ebenso wie bei der Vergabe von Kultobjekten religiöse und caritative mit politischen, sozialen und kulturellen Mo‑ tiven verbunden.29 (→ 9.4.3) Sepharad Die Responsa der spanischen Gelehrten 30 verdeutlichen, dass vom 13. bis zum 15. Jahr‑ hundert vor allem Thorarollen und ‑ver‑ zierungen, aber auch Bücher sowie Öl und Kerzen für die Synagogen gestiftet wurden. Üblich waren derlei Gaben sowohl inter vivos als auch auf dem Sterbebett. Als Zwe‑ cke dieser Dotationen sind vor allem Wohl‑ tätigkeit zugunsten der Gemeinde und das Heil der Stifterseele nachweisbar, nicht aber das Begründen eines Gedenkkultes. Bücher wurden besonders oft als Kult‑ objekte gestiftet. Aus einem Responsum von Rosh erfahren wir beispielsweise, dass jemand dem heqdesh Bücher übereignet hatte;31 aus zwei Responsa von Rashba geht die Stiftung von Thorarollen und anderen Büchern hervor.32 Laut einem weiteren Re‑ sponsum von Rashba hatte ein Jude aus

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Valencia, bevor er eine längere Reise antrat, ein Testament gemacht, in dem er der Ge‑ meinde in Tortosa als heqdesh einen Kasten mit Büchern, Geld und Kleidern hinterließ; sein Sohn dagegen sollte leer ausgehen, da er sich nicht den väterlichen Erwartungen gemäß verhalten hatte.33 Bisweilen war es dem Verwalter erlaubt, Mittel aus dem heqdesh‑Fonds, die für ei‑ nen anderen Zweck gestiftet worden wa‑ ren, stattdessen auch für den Kultus zu verwenden. In einem Responsum schrieb etwa Rashba nach Ṣeruira (Cervera bei Barcelona), wo die Gemeinde dem gabbai (also dem Wohltätigkeitssammler) Geld aus dem heqdesh für die Beerdigung der Armen gegeben hatte. Der gabbai, so erfährt man, hatte das Geld angelegt, und Rashba gab nun die Erlaubnis, die erzielten Erträge für den Kauf einer Thorarolle zu verwenden.34 Das Recht des Verwalters, heqdesh‑Mittel anderweitig als ursprünglich verfügt zu verwenden, war jedoch nicht jederzeit gül‑ tig. In einem Responsum für die Gemeinde von Mostaganem in Algerien ist davon die Rede, dass der parnas (der Gemeindevor‑ steher) ohne Wissen der Gemeinde ein wertvolles Stück ihres Eigentums – den goldenen Schmuck der Thorarolle – benutzt hatte, um damit Geschäfte zu machen; mit dem Ertrag habe er dann die Versorgung der Armen finanziert, für die wegen einer Hungersnot besonders viele Mittel nötig waren. Die Auskunft von Rashbaṣ war, dass der Gemeindevorsteher hierzu nicht berechtigt gewesen sei, denn über die Um‑ widmung von Gemeindegut dürften nur sieben Vertreter der Gemeinde (ṭovei ha-ʿir) in Anwesenheit der ganzen Gemeinde ent‑ scheiden. Der Vorsteher müsste nun aber nur das Kapital, nämlich den goldenen Thoraschmuck, zurückgeben, nicht jedoch den Gewinn.35 Auch Geld, Mobilien und Immobilien wurden zugunsten der Gemeinde gestiftet,

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damit diese etwa eine Thorarolle kaufen konnte. Gemäß einem Responsum von Rashbaṣ hatte eine Jüdin Thora mäntel hinterlassen und weiterhin verfügt, dass ihre Bücher verkauft würden; von dem Geld sollte für 25 Golddinar eine Thorarolle gekauft werden. Laut einem anderen Re‑ sponsum von Rashbaṣ stiftete ein Jude dem heqdesh einen Teil seines Hofes, damit die Gemeinde diesen verkaufen und von dem Geld eine Thorarolle erwerben konnte.36 In einigen Fällen aber gestatteten die Rabbiner nicht, dass Sterbende, die Ver‑ pflichtungen gegenüber ihren Familien‑ mitgliedern hatten, Stiftungen für die Aus‑ gestaltung des Kultus vornahmen. Da der zuletzt genannte Jude beispielsweise eine Ehefrau hatte und dieser wiederum gemäß der ketubbah, dem jüdischen Ehevertrag, für den Fall seines Todes Unterhalt zu‑ stand, durfte er dem heqdesh nicht seinen ganzen Hof überlassen.37 Ein weiteres Re‑ sponsum berichtet von einer Jüdin, die ihr gesamtes Vermögen testamentarisch statt ihren Erben dem heqdesh überlassen woll‑ te – entweder zugunsten der Armen oder der Synagoge, damit man davon Kerzen oder andere Leuchtmittel kaufen könne. Der Respondent lehnte dieses Vorhaben jedoch ab. Er begründete seine Entschei‑ dung mit der Armut der Erben; außerdem sei es ihm zufolge die Gemeinde, die dazu verpflichtet sei, für die Armen und für die Beleuchtung der Synagoge zu sorgen.38 Im Fall von Stiftungen für den Kultus wurde die Intention des Stifters bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Stif‑ tung noch stärker berücksichtigt als im Fall von Stiftungen mit anderen Zwecken. Zum Beispiel hatte laut einem Responsum von Rashbash ein Jude, R. Jakob Abu, krank auf seinem Sterbebett vor zwei Zeugen ver‑ fügt, dass man von seinem Vermögen für die Synagoge eine Thorarolle mit silbernen Aufsätzen kaufen sollte. Einer der Erben

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Jakobs jedoch wollte die Thorarolle nach dessen Tod aus der Synagoge entfernen, denn Jakob sei erst nach einiger Zeit an einer anderen Krankheit gestorben und sei‑ ne Verfügungen auf dem Sterbebett seien somit ungültig. Die Antwort von Rashbash lautete, dass der Erbe das gestiftete Ob‑ jekt nicht an sich nehmen dürfe, denn die Thora rolle gehöre bereits zum heqdesh und das Testament sei somit kasher (‚gültig‘).39 Aschkenas Den aschkenasischen Quellen aus dem 13. bis 15. Jahrhundert zufolge wurden für Synagogen dreierlei Arten von Kultobjek‑ ten bzw. Geld für den Kauf von Kultob‑ jekten gestiftet: sakrales Schrifttum (Bü‑ cher, inklusive Thorarollen), verschiedener Schmuck sowie Kerzen bzw. Öl für die Be‑ leuchtung der Synagoge. Es wurden bereits Responsa erwähnt, in denen Stiftungen von Kultobjekten für das Gedenken an die Toten belegt sind. Das Nürnberger Memor‑ buch verzeichnet außerdem verschiedene Stiftungen an die örtliche Gemeinde, die wahrscheinlich auch mit dem Stiftungs‑ zweck der Gedenkliturgie verbunden wa‑ ren. Da das Nürnberger Memorbuch das einzige erhaltene Beispiel dieser Art ist, scheint es an dieser Stelle lohnenswert, Beispiele für die Vielfalt der gestifteten drei Objektkategorien zu nennen. Gestiftet wur‑ den, was das heilige Schrifttum betrifft, Be‑ träge für die Anschaffung von Thorarollen, auch für Anteile derselben, für Abschriften des Buches Esther, des Pentateuch für den Jugendunterricht oder der haftarot, für die Herstellung eines Machsor (Gebetbuch für Feiertage), für weitere siddurim (Gebetbü‑ cher für die anderen Tage und Sabbate des Jahres), für sliḥot (Gebetsammlungen für Bußtage), yoṣrot (Gebetsammlungen für den Samstagmorgen), für den Targum zum Pentateuch, einen Pentateuch‑Kommentar, für midrashim, einen ‚Sefer Refuʾot‘ („Buch

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der Heilungen“, d. h. ein medizinisches Buch für Ärzte oder über Arzneimittel) und für andere Bücher. In der zweiten Ka‑ tegorie wurden Kessel, silberne Becher und Teppiche gestiftet. An dritter Stelle sind zu erwähnen Lichter, Geld für Öl für die Beleuchtung der Synagoge, ein Wachslicht, das Tag und Nacht vor dem Thoraschrein brennen sollte, und Wachs für das Neu‑ jahrsfest.40 Ein Abschnitt über die Stiftung von Wachs für das ewige Licht (mitsamt anderen Stiftungen) lautet zum Beispiel: „R. Mose, Sohn R. Isaaks ha‑Levi, [hinter‑ ließ] eine Gesetzrolle für die Gemeinde; 70 Pfund Hallisch für die Synagoge; 60 Pfund Hallisch für ein Wachslicht, [das] Tag und Nacht [dauernd] vor der heiligen Lade (…) brennen [soll]; 20 Pfund für den Friedhof; 20 Pfund, um Weizen für die Armen zum Pessachfest anzukaufen; 10 Pfund für den Jugendunterricht, 5 Pfund, [um sie] an die Armen der Stadt zu vertei‑ len, 1 Mark für Kranke und 20 Pfund für die Jünglinge, welche bei dem Rabbiner Talmud studieren“.41 Gestiftete Kultobjekte scheinen we‑ niger unter der Kontrolle der Verwalter gestanden zu haben als gestiftetes Geld. Wenn der Stifter zum Beispiel noch lebte, konnten gestiftete Objekte nicht ohne die Zustimmung des Stifters verkauft werden; das zeigt der Fall einer gestifteten Thora‑ rolle, über die ein Responsum von Meir b. Baruch von Rothenburg Auskunft gibt. Demnach erhob ein gewisser Ruben Klage gegen einen Schimon: In den Händen des letzteren befinde sich eine Thorarolle, die Ruben, so dieser selbst, zuvor dem heqdesh überlassen habe. Ruben habe den gabbaim jedoch nicht erlaubt, seine als Pfand gege‑ bene Thorarolle an Schimon zu verkaufen. Schimon sagte hingegen aus, er habe die gabbaim darum gebeten, ihm die Thorarolle zu verkaufen, da er sie als heqdesh der Ge‑ meinde in seiner Stadt spenden wollte. Der

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Respondent, R. Meir, entschied, Schimon müsse die Thorarolle der ursprünglichen Gemeinde zurückgeben, da die gabbaim ihm diese ohne Rubens Einverständnis verkauft hatten.42 Bücher waren wertvoll und wurden oft nicht nur als Stiftungsobjekte Teil des heqdesh. Sie wurden diesem auch als Pfand übertragen, wenn ein Gemeindemitglied seinen pflichtgemäßen heqdesh‑Beitrag nicht zahlen konnte. Konnte das Buch nicht ausgelöst werden, blieb es im Besitz des heqdesh. In Aschkenas wurden Bücher bisweilen auch zum persönlichen Eigen‑ tum gezählt, anhand dessen der indivi‑ duelle heqdesh‑Beitrag berechnet wurde. Aus einem Responsum des R. Simcha von Speyer (ca. 1200), das er im Namen seines Meisters, R. Shemarya von Speyer, ver‑ fasste, erfahren wir, dass hierbei in den verschiedenen Städten und Gemeinden unterschiedliche Bräuche herrschten.43 In einem Responsum entschied Meir b. Ba‑ ruch von Rothenburg beispielsweise über einen Verwalter (gizbar) des heqdesh na‑ mens Ruben, dem ein gewisser Schimon seine Bücher als Pfand gegeben, danach aber dem heqdesh seinen pflichtgemäßen Beitrag bezahlt hatte; Ruben müsse Schi‑ mon die Bücher nun zurückgeben.44 Bei anderen Arten von Steuern, zum Beispiel im Fall des Beitrags zur Gemeindesteuer, die an einen nichtjüdischen Herrscher ge‑ zahlt werden musste, aber von der Gemein‑ de eingesammelt wurde, wurden Bücher wesentlich seltener als Pfand verwendet. Dies zeigt, dass Bücher, die sich im Besitz des heqdesh befanden, einen zusätzlichen Wert als Kult‑ und Lehrobjekte hatten. Von besonderer Bedeutung sind auch jene Quellen, denen zufolge ein Stifter explizit bestimmt hatte, dass sein gestiftetes Buch für den Kultus zu verwenden sei. Zum Beispiel sollte nach einem Responsum von Meir b. Baruch eine Gemeinde zehn

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Jahre lang aus einem gestifteten Gebet‑ buch beten.45 Es ist bemerkenswert, dass in Asch‑ kenas Teppiche, Thoramäntel, wertvolle Stoffe, goldene Verzierungen der silber‑ nen Kronen und Granatäpfelaufsätze von Thorarollen als Stiftungen zugunsten einer Synagoge seltener belegt sind als in den Geniza‑Fragmenten. Das mag daran lie‑ gen, dass die Gemeindemitglieder nicht so wohlhabend waren oder dass in Aschke‑ nas im Fall von Kultobjekten das religiöse Motiv höher bewertet wurde. Gestiftete Kultobjekte waren enger mit dem Gedenken und dem Seelenheil des Stif‑ ters verbunden als Dotationen mit anderen Stiftungszwecken. So entschied R. Isaak von Corbeil in seinem ‚Sefer Miṣwot Qaṭan‘, dass es für den Fall, dass jemand der Syn‑ agoge Geld für Kerzen oder die Menora gestiftet hatte, verboten sei, dieses Geld für etwas zu verwenden, das nicht eine miṣwah sei. Wenn der Name des Stifters jedoch schon vergessen sei, sei es erlaubt, das Geld auch für etwas anderes zu ver‑ wenden. Wenn ein Nichtjude etwas für die Synagoge gestiftet hatte, so R. Isaak, sei es um des Friedens willen überhaupt verboten, den Stiftungszweck zu ändern.46 Andererseits äußerte sich ein anonymer Autor kritisch über eine nicht benannte Gemeinde, in der es 370 Thorarollen gebe, die von niemandem gelesen würden; be‑ gründet war dies darin, dass Fehler in den Texten dieser Rollen nicht korrigiert worden seien. Man lese stattdessen aus Thorarollen, die der Gemeinde erst kurz zuvor von reichen Mitgliedern gestiftet worden seien. Es sei jedoch besser, die alten Thorarollen zu korrigieren und sie im Unterricht im bet-midrash (Lehrhaus) zu verwenden.47 Nicht nur durch gestiftete Kultobjekte waren im aschkenasischen Judentum Stif‑ ter und Kultus miteinander verbunden.

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Anhand der Quellen ist zu erkennen, dass es Brauch war, die Ehre des Thoralesens am Samstag, Montag und Donnerstag sowie an Festtagen mit Wohltätigkeits‑ geld zu ‚kaufen‘. Nach einer Erzählung im ‚Sefer Ḥasidim‘ hatten sich in einer unbekannten jüdischen Gemeinde zwölf reiche Leute verbündet, um sich die Ehre des Thoralesens gegen Geldzahlungen zu sichern. Jeden Monat gebe einer von ihnen der Gemeinde eine Goldmünze, so dass in einem Jahr insgesamt zwölf Goldmünzen zusammen kämen. Dies sei mehr als die Summe, die bisher für mildtätige Zwecke aufgebracht worden sei. Nun habe die Ge‑ meinde bei den Vorstehern der Gemeinde von Regensburg angefragt, ob das in Ord‑ nung sei. Die dortigen Gelehrten R. Judah b. Shmuel he‑Hasid (gest. 1217), R. Baruch b. Isaak und R. Abraham b. Moses hätten dies zu Beginn des 13. Jahrhunderts be‑ jaht.48 Ein anderer Fall wird durch ein Re‑ sponsum des R. Israel Bruna (1400–1480) bekannt. Er betraf zwei Juden, die sich zusammen durch eine Geldzahlung die Ehre des Thoralesens in ihrer Gemeinde gesichert hatten. Einer von ihnen sei ge‑ storben, so dass der andere nun auch an dessen Stelle lesen wolle. Der Gutachter gab ihm jedoch nicht Recht, sondern ent‑ schied, dass der Anteil des Verstorbenen am Vorlesen aus der Thora dem heqdesh ge‑ höre und erneut vergeben werden könne.49 (→ 7.4.3) Interessant ist in diesen Fällen, dass eigentlich nicht ein Objekt für den Kultus gestiftet wurde, sondern dass ein Kultakt selbst verhandelt wurde.

Gaben zugunsten des Kultus waren mit dem Wunsch des Stifters verbunden, durch sie sein Seelenheil zu fördern. Trotzdem war diese Art von Stiftung nur in Asch‑ kenas (und auch hier nicht in allen Fällen von Stiftungen von Kultobjekten) mit einer Praxis des liturgischen Gedenkens der Na‑ men der lebenden oder verstorbenen Stifter verbunden. Diese Stiftungsobjekte können in zwei große Gruppen eingeteilt werden: wertvoller Schmuck, der im Kultus verwen‑ det wurde – z. B. Thorakronen und ‑mäntel, teure Öllampen, besonders kostspielige und schön gefertigte Thorarollen und Bü‑ cher –, und weniger wertvolle, einfache Thorarollen bzw. Bücher. Die erste Gruppe war für die Kairoer Gemeinde typisch, die zweite für die aschkenasischen Gemeinden. Im Fall der Stiftungen von Thorarollen und Büchern wurde hingegen durch den jewei‑ ligen Stifter selten bestimmt, dass diese nur im Kultus verwendet werden durften. 8.4.4 Bezahlung der Synagogenangestellten

Orient In Altkairo, wie vermutlich in sämtlichen orientalischen Gemeinden, übten die Ge‑ meindeverwalter (parnasim) ihre Arbeit nicht als unbezahltes Ehrenamt, sondern gegen Vergütung aus. Aus den Geniza‑ Fragmenten wissen wir, dass sie spätes‑ tens ab 1150 für ihre Tätigkeiten entlohnt wurden. Gleiches galt in den europäischen Gemeinden für die shammash, d. h. für die Synagogendiener. Sie stehen am Ende der Zusammenfassend lässt sich feststellen, überlieferten Listen, die die Begünstigten dass synagogale Gegenstände, die für des heqdesh nennen, nach den Gelehrten, den Kultus gebraucht wurden, vor allem den Lehrern und weiteren Personengrup‑ Thorarollen und deren Verzierungen, sehr pen. Dass jemand, der den Gemeindefonds oft dem heqdesh übereignet wurden – so‑ verwaltete, aus dem heqdesh entlohnt wer‑ wohl in den Gemeinden des Orients als den musste, konnte mit rabbinischen Tex‑ auch in Spanien und Aschkenas. Diese ten gerechtfertigt werden.50 Außerdem war

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der parnas in der Kairoer Gemeinde, und wahrscheinlich ebenso in anderen Gemein‑ den des Orients, nicht so wohlhabend wie in den europäischen Gemeinden, wo dieser Titel gewöhnlich den reichsten Gemein‑ demitgliedern verliehen wurde und eine Entlohnung durch die Gemeinde keine Voraussetzung für die Amtsausübung sein musste.51 Auch hinsichtlich der Verteilung des heqdesh war der Kontrast zu Europa groß.52 Während in Europa der Hauptteil des heqdesh für die Armen aufgewandt wurde, zahlte man den Geniza‑Fragmenten zufolge in den 1180er Jahren rund 75 % des heqdesh‑Erlöses nach Abzug der Ausgaben für Steuern und Unterhalt der Gebäude für die Entlohnung von Inhabern von Ge‑ meindeämtern.53 Gelehrte, Richter, Predi‑ ger, Kantoren und andere Personen, die im Leben der Gemeinde und im Kultus eine wichtige Rolle spielten, wurden aus heqdesh-Mitteln bezahlt.54 Ein Responsum des Maimonides berichtet beispielsweise, dass jemand dazu berechtigt war, ein dauerhaf‑ tes Gehalt aus Mitteln des Gemeindefonds zu bekommen, weil er aus einer Fami‑ lie von Gelehrten stammte.55 Wir wissen aus den Geniza‑Fragmenten auch, dass in Aschkelon die Verwalter des heqdesh statt parnasim (‚Verwalter‘) zeqenim (‚Älteste‘) genannt wurden. Außerdem haben wir aus den Geniza‑Fragmenten Kenntnis darüber, dass den Titel zeqenim in Aschkelon auch solche Juden bekamen, die den heqdesh unterstützten.56 Sepharad Auch im mittelalterlichen Spanien wurden die Inhaber von Gemeindeämtern bezahlt; ihr Status war dem von Lehrern und Ge‑ lehrten in vielerlei Hinsicht ähnlich. Un‑ klar ist, wie viel Prozent des Gemeinde‑ fonds die spanischen jüdischen Gemeinden für die Bezahlung ihrer Gemeindeange‑ stellten ausgaben; unter Umständen war

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der Prozentsatz in Spanien niedriger als in Altkairo, doch höher als in Aschkenas. Von Rosh ist beispielsweise ein Re‑ sponsum überliefert, in dem erlaubt wird, heqdesh‑Geld gegen Zinsen zu verleihen, wenn die Thoralehre davon Nutzen habe oder wenn man von den Zinsen Synago‑ genangestellte bezahle.57 Dass es auch die Aufgabe des Verwalters des Gemeindefonds war, für die Einstellung und Bezahlung von Lehrern zu sorgen, erfahren wir aus einem Responsum von Rashba: Demzufol‑ ge sei Ruben der gizbar shel heqdesh (der Verwalter des Gemeindefonds) gewesen und habe einen Lehrer für die Kinder an‑ gestellt. Wir erfahren aus diesem Respon‑ sum außerdem, dass der Verwalter seine Funktion selbständig erfüllt und die Ge‑ meinde nicht nach ihrer Meinung gefragt hatte. Der gizbar shel heqdesh war also in dieser Hinsicht eher ein Ehrentitel und keine Funktion. Ein von Javier Castaño veröffentlich‑ tes judaeo‑spanisches Dokument der Ge‑ meinde von Tarazona aus dem Jahre 1406 bietet wichtige Aufzeichnungen über die Bezahlung der Synagogenangestellten aus dem Gemeindefonds – z. B. des Kantors, der Richter des bet-din, der Notare und der Anwälte, die die Gemeinde in verschiede‑ nen Fällen verteidigt oder die in einem Fall bei der Exekution eines Verräters der Ge‑ meinde geholfen hatten.58 Der Missbrauch des Gemeindefonds zum persönlichen Nutzen der Gemeindeverwalter war im 15. Jahrhundert häufig Ursache für sozia‑ le Spannungen in den hispano‑jüdischen Gemeinden, was durch eine Vielzahl von überlieferten Dokumenten bezeugt wird.59 Aschkenas In Aschkenas waren parnas oder gizbar dagegen Ämter, bei denen allein die Titel eine sehr große Ehre bedeuteten. Allem Anschein nach wurden die Inhaber von

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Gemeindeämtern in Aschkenas nicht im‑ mer und nicht regelmäßig bezahlt, mit Ausnahme des Kantors (ḥazan), der ein stetiges Gehalt bekommen musste.60 Neben dem Kantor erhielten, anders als in Alt‑ kairo, außer den Lehrern und Rabbinern keine weiteren Personen Zahlungen für Gemeindetätigkeiten. Auch im Nürnberger Memorbuch sind nur Stiftungen für den Unterhalt von Lehrern oder Thoraschülern belegt, jedoch keine Stiftungen zugunsten von Synagogenangestellten.61 Eine Stiftung für Studierende im Memorbuch wird bei‑ spielsweise wie folgt beschrieben: „Der Sohn von R. Joseph und seine Frau Jachent, Tochter R. Samuels ha‑Kohen, (…) ver‑ machten: eine Gesetzesrolle, Midraschim, 6 Mark für Jugendunterricht, 26 Mark für die Armen der Stadt, 4 Mark für Kranke, 20 Mark Hallisch, um von den Zinsen die Jünglinge zu unterstützen, die beim Rabbi‑ ner Talmud studieren, 40 Mark zum Baue der Synagoge, 33 Mark, um von den Zin‑ sen Lichter für die Synagoge anzuschaffen und 2 Mark für den Friedhof“.62 Aus einem Responsum von Meir b. Baruch haben wir außerdem Kenntnis von einem Juden, der sein Vermögen dem heqdesh stiftete, und zwar unter der Bedingung, dass die Ge‑ meinde von den Erträgen des Vermögens einen Rabbi anstellen lasse.63

spielten bei der Thoralesung eine Rolle, aber sie erhielten hierfür keine Entlohnung. Wenn wir die parnasim und andere nicht am Kultus teilnehmende Amtsinhaber in den Gemeinden des Orients und Spaniens außer Acht lassen, ergibt sich, dass auch dort nur der Kantor (und vielleicht der Synagogendiener) als im Kultus unentbehr‑ liche Personen durch den heqdesh bezahlt wurde. Gegen Ende des Mittelalters wur‑ de auch in Spanien und Aschkenas damit begonnen, Rabbinern, die eine Predigt in der Synagoge halten mussten, ein Gehalt für ihre Leistungen zu zahlen. 8.4.5 Bau und Instandhaltung von Kultgebäuden

Orient Die Instandhaltung von Gebäuden des heqdesh entspricht gemäß dem Talmud einem der zwei Verwendungszwecke des Tempelvermögens, dem bedeq ha-bait (Re‑ paraturarbeiten an der Tempelanlage), ne‑ ben dem heqdesh mizbeaḥ (Bereitstellung von Opfertieren, Getreide usw. oder Auf‑ wendung von Geld für Altaropfer). Die Altkairoer Geniza‑Fragmente enthalten unter anderem Informationen bezüglich des heqdesh in Aschkelon. Wir erfahren zum Beispiel, dass es einen Streit zwischen Zusammenfassend ergibt sich, dass im einem der heqdesh‑Verwalter, die dort als Orient, in Spanien und in Aschkenas die zeqenim bezeichnet wurden, und der Ge‑ jeweiligen Geldsummen, die vom heqdesh meinde darüber gab, ob das heqdesh‑Geld einer Gemeinde zur Bezahlung von Ge‑ für die Renovierung der Synagoge oder für meindeangestellten aufgewendet wurden, den Kauf von schönen Kleidern ausgege‑ unterschiedlich groß waren. In Altkairo ben werden solle; die zeqenim entschieden wurden alle Angestellten der Gemeinde zugunsten der Synagogenrenovierung.64 – vom Verwalter des Gemeindefonds bis hin zum Synagogendiener – von der Gemeinde Sepharad bezahlt; in Spanien wurde weniger Geld Die spanischen Responsa verdeutlichen, zur Bezahlung dieser Personen aufgewandt dass dort vom Ende des 13. bis zum Ende und in Aschkenas wurde sehr oft nur der des 15. Jahrhunderts Synagogen und Lehr‑ Kantor regelmäßig bezahlt. Die parnasim häuser entweder unter Verwendung von

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Mitteln gemeinsamer Kontributionen aller Gemeindemitglieder oder mithilfe privater Dotationen erbaut wurden; Renovierungs‑ arbeiten an Synagogen wurden aus Mitteln des Gemeindefonds oder durch private Stiftungen bezahlt. Bisweilen wurden auch Privathäuser zu Gemeindehäusern umge‑ widmet. Es sind mehrere Fälle bekannt, in de‑ nen ganze Synagogen durch Privatperso‑ nen gestiftet wurden. Rashba und Riṭba antworteten in ihren Responsa zu zwei entsprechenden Streitfällen in Huesca und Lérida.65 Ein Responsum von Rashbaṣ bie‑ tet Informationen zu einer Synagoge, die aus Mitteln des Gemeindefonds gebaut wurde.66 Aus einem anderen Responsum von Rashbaṣ dagegen erhalten wir Kennt‑ nis vom Bau einer kleinen Synagoge auf Mallorca, der von Rabbi Aron als private Dotation finanziert worden war, nachdem Nichtjuden eine größere Synagoge zerstört hatten.67 Neben Stiftungen ganzer Häuser und Synagogen wurden von Zeit zu Zeit auch bestimmte Summen als Zustiftungen für Renovierungsmaßnahmen von Synagogen gegeben. So äußerte sich Rashba zu einem Fall, in dem jemand testamentarisch eine Summe für die Renovierung einer Synago‑ ge (bedeq ha-bait) in Huesca hinterlassen hatte. Vor seinem Tod hatte er jedoch noch viel für die Behandlung seiner Krankheit ausgeben müssen. Die Frage, die sich nun stellte, war, ob man den heqdesh verringern dürfe, um davon die Heilung zu finanzie‑ ren, was Rashba verneinte.68 Die Summe aus dem heqdesh, die für die Renovierung von Synagogen verwendet wurde, setzte sich nicht nur aus privaten Stiftungen, sondern auch aus Bußgeldern zusammen. Beispielsweise wurde gemäß einem Responsum von Ribash von der Ge‑ meinde Calatayud (vermutlich verweist der hebräische Name „Calid“ auf diese

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Stadt) ein ḥerem (ein Bannfluch) verhängt: Wer einen anderen Juden verspottete oder sich dem Würfelspiel hingab, musste eine bestimmte Geldsumme an den heqdesh zahlen, die wiederum entweder zugunsten der Armen oder für die Renovierung der Synagoge verwendet wurde.69 Für die Finanzierung von Renovierungs‑ arbeiten an Synagogen wurden jedoch auch pflichtmäßige gemeindliche Spen‑ densammlungen durchgeführt, an denen sich alle Gemeindemitglieder zu beteiligen hatten. Rashbaṣ schrieb zum Beispiel an die Gemeinde von Málaga wegen des Plans, die zerstörte Mauer, die um die Synagoge he‑ rum verlief, wiederaufzubauen und dafür heqdesh‑Geld zu verwenden. Dieses Geld war ursprünglich für den Bau der miqweh, also des rituellen Tauchbades, vorgesehen. Die Streitfrage, die sich für die Gemeinde nun stellte, war, ob die miqweh in ihrer Heiligkeit mit der Synagoge auf einer Stu‑ fe stehe. Rashbaṣ bejahte dies und sprach sich für die Verwendung des heqdesh für die Reparaturarbeiten an der Synagogen‑ mauer aus, insofern dies durch sieben Vor‑ steher und in Anwesenheit der gesamten Gemeinde so beschlossen werde.70 Der heqdesh konnte darüber hinaus auch anderen zur Gemeinde gehörenden Bau‑ lichkeiten zugutekommen. Dies bezeugt das bereits erwähnte, von Castaño pub‑ lizierte judaeo‑spanische Dokument aus Tarazona. Für das Jahr 1406 finden wir dort nicht nur Einträge über die Ausgaben aus dem Gemeindefonds für die Bezahlung der Synagogenangestellten, sondern auch für die Instandhaltung der Synagoge, des Krankenhauses (espital del almosna) und des Almosenhauses (casa del almosna).71 Aschkenas Dass auch in Aschkenas die Gemeinden Immobilien besaßen, die sie ähnlich wie die Gemeinden in Altkairo und Spanien

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verwalteten, ferner, dass die Synagoge ei‑ gentlich auch Gemeindebesitz war, dass sogar Krankenhäuser zum Gemeindefonds gehören konnten und dass für den Bau von Synagogen und für die Instandhaltung dieser und anderer Gemeindeimmobi lien Geld gestiftet wurde, erfahren wir aus mehreren lateinischen und hebräischen Quellen. Zum Beispiel schloss laut einer lateinischen Urkunde aus dem Jahr 1210 der Abt Eberhard von St. Emmeram mit dem Juden Abraham in Regensburg einen Ver‑ trag über den Verkauf eines Gebäudes, das der jüdischen Gemeinde als Krankenhaus (heqdesh) diente.72 Abraham war entweder ein wohltätiger privater Stifter oder der Verwalter des Gemeindefonds. Der Bau von Synagogen wurde in Asch‑ kenas prinzipiell durch pflichtmäßige Ge‑ meindebeiträge finanziert. So entschied der nordfranzösische Gelehrte R. Isaak von Corbeil in seinem Werk ‚Sefer Miṣwot Qaṭan‘ (Nr. 248), dass jedes Mitglied der Gemeinde Geld geben müsse, wenn für den Bau einer Synagoge gesammelt werde. Wenn aber die Gemeinde einen Synagogen‑ bau beginne und es sich unterdessen ergebe, dass sie Gefangene freikaufen müsse, seien die Gemeindemitglieder dazu verpflichtet, sogar das Baumaterial für die Synagoge zu verkaufen, um die Gefangenen auslösen zu können.73 Aus einem hebräischen Dokument, das Ende des 19. Jahrhundert von Harry Breß‑ lau publiziert wurde, erfahren wir vom Bau einer Synagoge und der Gründung eines heqdesh durch eine regelmäßige mo‑ natliche Abgabe von den Mitgliedern der Münchener Gemeinde in Höhe der Hälfte des Zehnten. Bei dem Dokument handelt es sich um einen Brief dieser Gemeinde an die Gemeinde in Straßburg aus dem Jahr 1381. Diesem Schreiben zufolge hatten die Mitglieder der jüdischen Gemeinde von München beschlossen, dass sie „eine

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Synagoge bauen sowie einen heqdesh be‑ gründen“ und dafür drei Jahre lang mo‑ natlich eine Hälfte ihrer Zehntabgaben sparen würden. Ein wohlhabendes Ge‑ meindemitglied hatte jedoch ein Jahr lang nichts bezahlt, noch dazu Pfandgegenstän‑ de von Nichtjuden, für die er ihnen Geld geliehen hatte und zu deren Rückgabe er verpflichtet war, an sich genommen und die Stadt verlassen, um nach Straßburg zu fliehen. Die Münchener Gemeinde bat mit dem Schreiben die Gemeinde in Straßburg um ihre Mithilfe: Der Mann solle dazu bewegt werden, wenigstens die entwen‑ deten Gegenstände zurückzugeben oder den Nichtjuden deren Preis zu erstatten, denn die Pfandgeber würden sonst der Gemeinde in München auferlegen, für den Verlust aufzukommen.74 Reparaturen an Synagogen und ihrer Einrichtung wurden mithilfe von kleineren privaten Spenden durchgeführt. In den lan‑ gen Listen des Nürnberger Memorbuches werden unter den Namen der Stifter jüdi‑ sche Gemeindemitglieder genannt, Män‑ ner und Frauen, die den Fußboden in der Synagoge verlegen ließen, für die Herstel‑ lung des Fußbodens vor der heiligen Lade sorgten und den Weg zum Friedhof wieder herrichten sowie das steinerne Almemor oder die Nischen in der Mauer bauen lie‑ ßen; sie gaben auch Geld für die Repara‑ turarbeiten des Brunnens, der Leuchter vor dem Schrein und der Synagogentür oder ließen Steine für das Gemeindebad kaufen.75 Zusammenfassend ergibt sich, dass in den mittelalterlichen jüdischen Gemeinden die Finanzierung des Synagogenbaus eine ge‑ meindliche Pflicht war. In Spanien und Aschkenas bestand die Abgabe dazu meist aus der Hälfte des Geldzehnten. Der Zehnt wurde zwar von vielen Autoritäten als religiöse Pflicht benannt, entsprach aber

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nicht der Steuer, die man den nichtjüdi‑ schen Autoritäten schuldete. Wer seinen wohltätigen Beitrag an die Gemeinde nicht zahlte, wurde nicht exkommuniziert. Die Zehnteinnahmen gehörten dem heqdesh. Die Instandhaltung von Synagogen wurde sowohl in Aschkenas als auch in Sepharad und Altkairo aus privaten Spen‑ den finanziert. In Altkairo war die Instand‑ haltung der Synagogen auch Aufgabe des gemeinsamen heqdesh. In Spanien gab es Privatstiftungen von Synagogen.

Gedenken und Kultus

Als Besitzer des heqdesh galt die Gemein‑ de – zwar Gottes Gemeinde, aber nicht Gott. Jedoch waren weder die Synagoge noch der bet-midrash so heilig, wie es das Tempelver‑ mögen im Altertum gewesen war. Es gab nichtsdestoweniger Unterschiede zwischen Synagogen und anderen heqdesh-Gebäuden, die nicht kultischen Zwecken dienten: So war es etwa verboten, in den Synagogen oder Lehrhäusern zu schlafen oder sie für profane Zwecke zu nutzen. EK

Anmerkungen 1  Dieser Haltung liegt ein biblisches Prinzip

gegeben wurde‚ soll er dieses Gebet sagen: ‚Gott zugrunde: „Väter sollen nicht für ihre Söhne und ist barmherzig und vergibt die Schuld‘.“ Söhne nicht für ihre Väter mit dem Tod bestraft 5 Die früheste bekannte Erwähnung eines Ge‑ werden. Jeder soll nur für sein eigenes Verbrechen betes für Verstorbene bietet das zweite Buch der mit dem Tod bestraft werden.“ (Dtn 24.16). Im Buch Makkabäer, in dem davon berichtet wird, dass Ezekiel heißt es entsprechend: „Nur wer sündigt, Judas Makkabäus und seine Anhänger Gebete soll sterben. Ein Sohn soll nicht die Schuld sei‑ und Opfer für ihre gefallenen Genossen spen‑ nes Vaters tragen und ein Vater nicht die Schuld den, damit sie von ihren Sünden frei werden seines Sohnes. Die Gerechtigkeit kommt nur dem (2 Mac 12.39; 12.45). In der rabbinischen Literatur Gerechten zugute und die Schuld lastet nur auf finden wir weitere Entwicklungen dieses Ge‑ dem Schuldigen.“ (Ez 18.2) Dieses Prinzip wird dankens: Der Midrasch ‚Sifre‘ (in Pisqa 210 zu vielmals im Talmud und in den Midraschim erläu‑ Dtn 21.8) besagt, dass auch die Toten der Sühne tert, z. B. in bT Ber 7a, bT Sanh 27a und A, und ist bedürften. Im Midrasch ‚Pesiqta Rabbati‘ (in Pisim Judentum einflussreicher als entgegengesetzte qa 20) erfahren wir, dass Gebete um Gnade auch Auffassungen. für Tote als wirkungsvoll gelten. Der Midrasch 2 Vgl. hierzu Mann, Texts and Studies, Bd. 2 ‚Tanḥuma‘ (Parashat-Wochenabschnitt; Haʾazinu, (1931, ND 1972), 256–283. 9.–10. Jahrhundert) besagt, dass die Lebendigen 3 Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, Verantwortung für die Erlösung der Toten haben. ND 1999), 157; 552, Anm. 7 f. Die Nummer des Sie müssen ihrer an Yom Kippur gedenken und Geniza‑Fragments ist TS 13 J 36 f. 6; in Goiteins in ihrem Namen Wohltätigkeit ausüben, um sie von ihren Sünden zu reinigen und aus dem To‑ Appendix A sec. 13, 11c, mit 415. 4  Sefer Ḥasidim. Ed. Judah Wistinetski. Berlin tenreich Gehenna (gehinnom) zu erlösen. Dieser 1891, ND Frankfurt a. M. 1924, 33–37, Nrn. 33– Gedanke, demzufolge die Lebendigen für die 35; 87, Nr. 273; 108, Nrn. 356 f.; 374 f., Nrn. 1528 f.; Toten Sühne leisten können, wurde ergänzt um 390 f., Nrn. 1592 f.; 397, Nr. 1630. In Paragraph 356 das Konzept, dass die Toten ihrerseits für die heißt es z. B. „Wenn jemand für das Gedenken Lebendigen Fürsprache halten und ihnen helfen der Verstorbenen Wohltätigkeit spendet, muss er können. In bT Sot 34b etwa wird berichtet, dass das [ausdrücklich] mitteilen, damit man für die Kaleb sich in Hebron auf die Gräber der Patri‑ Verstorbenen bete“. In Paragraph 357 heißt es au‑ archen und Matriarchen niederwirft und um ßerdem: „Wenn jemand von solchem Geld etwas ihre Hilfe bittet; bT Taʿan 16a erklärt, dass die bekommt, das für das Seelenheil der Verstorbenen Lebenden auf den Friedhof gehen, um sich die

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Fürsprache der Toten zu sichern. Vgl. Raphael, Yizkor (2008), 7 f. 6 Vgl. etwa Baumgarten, Practicing Piety (2014), 12 f. 7 Die Unterschiede im kollektiven Gedächtnis an Verfolgungen sowie in der Erinnerungs‑ und Gedenkpraxis zwischen Juden, die unter muslimi‑ scher, und jenen, die unter christlicher Herrschaft lebten, wurden von Mark Cohen beschrieben. Nach Cohen gab es in den mittelalterlichen jüdi‑ schen Gemeinden unter islamischer Herrschaft kein Gedenken an antijüdische Verfolgungen, da die Bedingungen zur Schaffung einer solchen kollektiven Erinnerung nur unter den Juden in christlichen Ländern gegeben waren. Vgl. M. Cohen, Persecution (1995), 156; Ders., Kreuz und Halb‑ mond (2005), 188–192. 8 Lévi, Commemoration (1894); Ders., Consulta‑ tion inédite (1903); Ta-Shma, Mourners’ Kaddish (1999); Goldin, Ways (2008), 124; 129; 165; 318 f.; 322 f. Vgl. auch Glick, Light Unto the Mourner (1991); Schwarzfuchs, Place of the Cru sades (1989); Yuval, Vengeance (1993), Ders., Lord (1994); Zimmer, Perse‑ cutions (2001). Goldin schreibt, dass die Rezitation der Namen schon seit dem frühen 12. Jahrhundert Teil der Memorialzeremonien war und dass Ende des 12. Jahrhunderts die ersten Listen erschienen, die schließlich zu Memorbüchern wurden. Der Todestag eines Märtyrers wurde zusammen mit seinem Namen schriftlich festgehalten und beide wurden öffentlich am Sabbatfest (entweder am Sabbat vor Schawuot oder vor dem 9. Av) verle‑ sen; vgl. Goldin, Ways (2008), 129. Goldin betont, dass die Memorialzeremonien zwar Sache der Gemeinde waren, dass jedoch die hinterbliebenen Familienangehörigen diejenigen waren, die das Gedenken der Märtyrer bewahrten, die Memor‑ bücher schrieben und die Namen an den Gedenk‑ tagen verlasen (vgl. ebd., 322). Goldin äußerte sich auch zur Frage des christlichen Einflusses auf die Anlage der Memorbücher, so durch das Vorbild der libri memoriales, und schreibt, dass zwar eine Reihe von äußerlichen Ähnlichkeiten zwischen den beiden Phänomenen bestünden, da beide Gattungen auf frühere Traditionen zurück‑ gingen, dass man das Zusammentreffen zwischen den beiden Kulturen jedoch eher als „Stimulation“ oder „Katalysator“ auffassen müsse, als es auf eine bloße „Übertragung“ zu reduzieren (vgl. ebd.,

143 318). Vgl. zu den christlichen libri memoriales und necrologia: K. Schmid / Wollasch, Gemeinschaft der Lebenden und Verstorbenen (1967); Dies., Societas et Fraternitas (1975); Oexle, Memoria und Memo‑ rialüberlieferung (1976, ND 2011). Auch Oexle er‑ wähnt die jüdischen Memorbücher als parallele Erscheinung zu den christlichen libri memoriales und necrologia. 9 Freehof , Hazkarath Neshamoth (1965). Vgl. zum Brauch von Spende und Wohltätigkeit an den drei Pilgerfesten Zimmer, Matnat‑Yad‑Brauch (2008). Das Gedenken an die Toten im liturgi‑ schen Rahmen ist durch frühe Erwähnungen in den halachischen Werken ‚Orhot Hayyim‘ und ‚Kol Bo‘ belegt (beide Anfang des 14. Jahrhunderts in der Provence entstanden), in denen erwähnt wird, dass am Thorafest Simchat der Toten ge‑ dacht werde. Vgl. Lévi, Commemoration (1894), 45, Anm. 3 f. 10  Goldin, Ways (2008), 124, Anm. 3. Goldin zu‑ folge wuchs das Gebet erst allmählich im Laufe dreier Generationen in seinem Umfang immer weiter an und erhielt Anfang des 13. Jahrhunderts seine endgültige Form. Es ist weder im ‚Rashis‑ Gebetbuch‘ (‚Siddur Rashi‘) noch im ‚Machsor Vitry‘ noch in dem Eliezer von Worms (1160 / 1165– 1238) zugeschriebenen Gebetbuch vom Ende des 13. Jahrhunderts enthalten. 11  Vgl. Barzen, Nürnberger Memorbuch (2011), 5, Anm. 19. Diese Formel ist teilweise auf Altfranzö‑ sisch und mit hebräischen Buchstaben überliefert. 12  Machsor Vitry, Bd. 1. Ed. Shimon ha-Levi Horowitz. Nürnberg 1923, ND Jerusalem 1988, 173, Nr. 190; 392, Nr. 352. Die deutsche Übersetzung dieses Zitats stammt von Barzen, Nürnberger Me‑ morbuch (2011), 4, Anm. 17 f. Barzen führt auch aus, wie das Gedenken gestaltet wurde: „An dieser Stelle des Gottesdienstes erfolgte die Rezitation der aufgelisteten Wohltäter. Eine weitere Mög‑ lichkeit des Totengedenkens bot die Liturgie des Versöhnungstages (Yom Kippur), wiederum unmit‑ telbar nach der Toralesung und vor dem Musaf‑ Gebet in der Gegenwart der Torarolle“ (ebd., 4). 13  Im Judentum war umstritten, ob Gebete, die an Engel (malʾakhim) oder heilige Gelehr‑ te und Märtyrer (qedoshim) gerichtet wurden, wirksam sein können. Gegen das Sprechen des liturgischen Gedichts Makhnisei raḥamim („Die‑ jenigen, die Gnade [vor Gott] einbringen“, d. h.

144 Engel) – eines sogenannten piyyuṭ, das schon im 10. Jahrhundert belegt ist – kam es schon im 13. Jahrhundert zu einiger Polemik. Das piyyuṭ wurde an den zehn Bußtagen zwischen Rosh ha‑Shanah und Yom Kippur gesprochen. Simcha Emanuel publizierte ein Responsum, das in zwei Handschriften erhalten geblieben ist (Strasbourg NL 3936 Sn. 338 f. und London British Library 755, fols. 117a–118b; beide Handschriften können auf das 15. Jahrhundert datiert werden), in dem der anonyme Autor wahrscheinlich im 13. Jahrhun‑ dert die Rezitation des piyyuṭ gegen einen ande‑ ren Anonymus verteidigte, der diese verbot. Ein weiterer von Emanuel in diesem Artikel behan‑ delter Text, der das Sprechen des piyyuṭ verurteilt, ist als Teil einer anonym erstellten Predigtsamm‑ lung (drashot) überliefert: Ms. Cambridge Univer‑ sity Library Add. 11022, fol. 25a–174b, datiert auf das Jahr 1425; gedruckt bei Emanuel, Sagen des piyyuṭ (1998), 10. Darin heißt es (fol. 113b–114b): „Die Nichtjuden, die unter uns leben, fertigen Bil‑ der von Schattenrissen ihrer Heiligen, verbeugen sich vor ihnen und bitten sie, dass sie vor ihrem Gott für sie vorsprechen, denn sie glauben, dass er wegen seiner Höhe die Niedrigen nicht hört und dass sie deshalb Vermittler brauchen. Wir aber, die [wahrlich] glauben, bekennen, dass er Gebete von dem Munde jedes Menschen anhört. (…) Und ich habe an einigen Orten auch Juden gesehen, (…) die in der Zeit, wenn sie Not oder Armut erfahren, ein Gelübde ablegen, dass sie, wenn sie errettet werden, dem Prophet Elias ein Festmahl bereiten, denn sie glauben, dass sie durch dieses gerettet werden und dass er [Elias] es ist, der rettet, wiederbelebt und reich macht (…). Und ich habe auch [Juden] gesehen, die von Zeit zu Zeit ein Fass, ein Brot und Fleisch zur Seite legen, die für dieses Festmahl auf bewahrt werden. (…) Und auch, wenn es kein anderes Ver‑ bot in dieser Hinsicht gäbe, wäre es wegen der Tatsache, dass die Nichtjuden dies regelmäßig jährlich für ihre Feste Jahr tun, [für die Juden] verboten, ähnliches zu machen.“ – Auf hebrä‑ isch: ,‫גויים אשר בקרבינו עושים צורות אבבואות הקדושים‬ ‫ בסוברם‬,‫משתחווים ושואלים מהם שישאלו מלפני אלוהיהם‬ ‫ ואנחנו‬.‫ וצריכים אמצעי‬,‫שמצד מעלתו לא יפנה אל השפלים‬ ‫המאמינים מודים שהוא מקבל תפלו׳ מפי כל אדם )…( גם‬ ‫ראיתי בקצת מקומות בני אדם בישראל )…( שבזמן שתבוא‬ ‫ נודרים שאם ינצלו יעשו סעודה לאליהו‬,‫עליהם צרה או עוני‬

Gedenken und Kultus

‫ בחשבם שבזה ינצלו מצרתם והוא המושיע והמחיה‬,‫הנביא‬ ‫והמעשיר )…( ראיתי מי שרגיל להשים מזמן לזמן חבי׳ ופת‬ ‫ובשר שמורים לו לזה הסעודה )…( ואם לא היה איסור אחר‬ ‫אלא שהגויים רגילים לעשותו חוק ליום אידם בכל שנה‬ ‫ ראוי להימנע ממנו‬. 14  Sefer Amude Golah le‑Rabbenu Yiṣḥaq mi‑ Corbeil Asher Niqra be‑Shem Sefer Miṣwot Qatan. Ed. David Harfanes. Jerusalem 1959, 254, Nr. 248. 15  Sefer Or Zarua le‑Rabbenu R. Yiṣḥaq bar Moshe mi‑Vina, Bd. 4. Ed. Akiva Moses Lehren. Zhitomir 1862, Hilkhot Ṣedaqah, 9, Nr. 26. 16  Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Moses Bloch. Budapest 1895, 158b, Nr. 1022; Galinsky, Com‑ memoration and Heqdesh (2005), 200, Anm. 33. 17  Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Bloch (wie Anm. 16), 148 f., Nr. 998; vgl. Galinsky, Com‑ memoration and Heqdesh (2005), 198 f., Anm. 25. Galinsky gibt dort fehlerhaft die Berliner Edition (1891) anstelle der Budapester (1895) an. 18  Sefer Shaʾare Teshuvot Maharam bar Baruch. Ed. Moses Bloch. Berlin 1891, 156 f. 19  Hier muss die Gemeinde wählen, ob sie die Thorarolle nimmt und dafür den Namen des Stif‑ ters zusammen mit denen der anderen Wohltäter kommemorieren wird, oder ob sie das Gebetbuch entgegennimmt, aus dem sie dann zehn Jahre lang zu beten hat. Ebd., 293 f., Nr. 371; Galinsky, Com‑ memoration and Heqdesh (2005), 199, Anm. 26. 20 Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Bloch (wie Anm. 16), 45, Nr. 286; Galinsky, Commemo‑ ration and Heqdesh (2005), 199, Anm. 28. 21 Emanuel, Responsa von Weisen Deutschlands (2000), 20 f.; Ms. Parma Biblioteca Palatina Cod. Parm. 2758 (Katalog de Rossi, Nr. 86), 135 f., Nr. 245 (die Handschrift hat keine Folionummerierung; stattdessen hat sie eine Seitennummerierung durch die Bibliothek Parma erhalten). 22 Das Martyrologium des Nürnberger Memor‑ buches. Ed. Siegmund Salfeld. (Quellen zur Ge‑ schichte der Juden in Deutschland, Bd. 3.) Berlin 1898; Die israelitische Bevölkerung der deutschen Städte, Bd. 3. Ed. Moritz Stern. Kiel 1894–1896, 103 f. Vgl. weiterhin Epstein, Wormser Minhagbücher (1900, ND 1980); Yuval, Almosen aus Nürnberg (1981); Barzen, Nürnberger Memorbuch (2011). 23 Zu Öl, Leuchtern und Kerzen vgl. M. Cohen, Poverty and Charity (2005), 202, Anm. 47; TS 10 K 20.1; Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 480; ebd. außerdem Appendix C 28

Juden

(das Fragment stammt aus den 1150er Jahren). In den Documents of the Jewish Pious Foundations From the Cairo Geniza. Ed. und übers. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Insti‑ tute Tel Aviv University, Bd. 12.) Leiden 1976, sind ebenfalls eine Reihe solcher Gaben belegt: Ker‑ zenständer und Ketten für die Synagoge (204–207, Nr. 28, aus dem Jahr 1042); Wein (207 f., Nr. 29); ein Haus, mit dessen Mieteinnahmen Lampenöl für die Synagogen gekauft werden sollte (217–219, Nr. 34, ungefähr aus dem Jahr 1095); Mieteinnah‑ men einer weiteren Stiftung, die ebenfalls für Lampenöl verwandt wurden (327–330, Nr. 80); eine weitere, nicht weiter spezifizierte Stiftung, deren Erträge für den Kauf von Öl eingesetzt wurden (350–357, Nr. 89). 24 Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 156. 25 Ebd., 111; 156; zwischen den Jahren 1081 und 1186 wurde der Lagerbestand von Büchern völlig verändert. Welche Bücher beim Großbrand von 1168 in Altkairo verloren gegangen sind, bleibt ungeklärt. 26 Teshuvot ha‑Rambam, 3 Bde. Ed. Jehoshua Blau. Jerusalem 1957, hier Bd. 2, 370 f., Nr. 209. Zu der speziellen Kammer, in der in Altkairo Thora‑ rollen auf bewahrt wurden, vgl. Jacob Saphirs (1822–1886) Reisebericht und das Kolophon auf einer Thorarolle. (→ 3.4.4) 27 Yagur, Geopolitics (2012), 32–35; 51. 28 Rustow, Genizah (2011); Dies., Formal and informal patronage (2008). 29 Y. Frenkel, Political and social aspects (1999); Gil, Dhimmi Donations (1984); Kaplony, Manifes‑ tations of Private Piety (2004). 30 Darunter vor allem Rosh (Asher b. Yehi‑ el, 1250 / 1259–1327), Rashba (Shlomo b. Adret, 1235–1310), Riṭba (Yom Ṭov b. Abraham Ishbili, 1250–1330), Ribash (Isaak b. Sheshet, 1326–1408), Rashbaṣ (Shimeon b. Ṣemah Duran, 1361–1444) und Rashbash (Salomon b. Shimon Duran, ca. 1400–1467). 31 Sheʾelot u‑Teshuvot le‑ha‑Rav Rabbenu As‑ her. Ed. Yehoshua Grossman. New York 1954, 41 f., Nr. 44.2. 32 Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot she‑hibber ha‑Rav ha‑Maor ha‑Gadol Rabbenu Shlomo ben Adret, Bd. 1–3. Ed. Zeev Wolf . Bnei Brak 1958–1971, hier Bd. 3, 86, Nr. 127; Sefer Sheʾelot u‑teshuvot

145 ha‑Rashba, Bd. 4. Ed. Rafael ha-Levi. Piotrków Trybunalski 1813, ND Jerusalem 1960, Teil 4, 35, Nr. 243. 33 Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot she‑hibber Rabbenu Shlomo ben Adret. Ed. Wolf (wie Anm. 32), Bd. 1, 242 f., , Nr. 656. 34 Ebd., Bd. 3, 170, Nr. 291. 35 Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Meir Crescas. Lemberg 1891, 22, Nr. II.135. 36 Ebd., 25, Nr. II.158; 1, Nr. III.4. 37 Ebd., 20, Nr. III.104. 38 Ebd., 30, Nr. III.190. 39 Sefer ha‑Rashbash. Ed. Abraham b. Rafael Mildola. Livorno 1742, 53 f., Nr. 286. 40  Martyrologium des Nürnberger Memorbu‑ ches. Ed. Salfeld (wie Anm. 22), 87–94; fols. 47b–89a und im Memorbuch 196–210; Israelitische Bevöl‑ kerung. Ed. Stern (wie Anm. 22), 100–205; Barzen, Nürnberger Memorbuch, (2011); Epstein, Wormser Minhagbücher (1900, ND 1980). 41  Martyrologium des Nürnberger Memorbu‑ ches. Ed. Salfeld (wie Anm. 22), 89; fol. 54b im Me‑ morbuch; Israelitische Bevölkerung. Ed. Stern (wie Anm. 22), 122. Hallisch Pfund ist eine Münzart, die in Schwäbisch Hall verwendet wurde. 42  Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Bloch (wie Anm. 16), 128, Nr. 925. 43  Dies bedeutet, dass die Bücher zum Vermö‑ gen gezählt wurden, von dem wiederum steuer‑ ähnliche Abgaben an den heqdesh zu erbringen waren. Vgl. Teshuvot u‑Psaqim me‑et‑Ḥakhme Ashkenaz u‑Sarfat. Ed. Ephraim Kupfer. Jerusalem 1973, 182 f., Nr. 121. 44  Teshuvot Baʿale ha‑Tosafot. Ed. Abraham Isaak Agus. New York 1954, 154 f., Nr. 74. 45  Sefer Shaʾare Teshuvot Maharam bar Baruch. Ed. Bloch (wie Anm. 18), 293 f., Nr. 371. 46  Sefer Amude Golah le‑Rabbenu Yiṣḥaq mi‑ Corbeil Asher Niqra be‑Shem Sefer Miṣwot Qatan. Ed. Harfanes (wie Anm. 14), 254, Nr. 248. 47  Emanuel, Sagen des piyyut (1998), 11. In der Handschift Ms. Cambridge University Library Add. 11022, fol. 201b–101a, heißt es: „Es gibt an unserem Ort Synagogen, in denen 370 Thora‑ rollen in der Halle niedergelegt sind, über denen smiṭas [sieben Jahre] und yovels [fünfzig Jahre] vergehen, dass sie hervorgenommen wurden. (…) und man nimmt die neuen zum Lesen her, vor allem, wenn sie den reichen Mitgliedern gehören

146 [d. h. von reichen Leuten gestiftet worden sind]. (…) Und wahrlich, wenn ich in der Lage wäre, würde ich alle Bücher, die nicht in der Gemeinde verwendet werden, aufteilen in einzelne Hefte oder Rollenstücke und würde sie den Lehrern in den Lehrhäusern geben, damit sie daraus lehren, und es wäre meiner Meinung nach eine größe‑ re Wohltat. (…) Umso mehr, als ich sehe, dass es einige Arme gibt, die nicht die wöchentliche Thoralesung wiederholen können, da sie keinen Pentateuch haben.“ – Auf Hebräisch: ‫ויש במקומינו‬ ‫ שעוברי׳ עליהם‬,‫בתי כנסיות שבהם ש׳ וע׳ ס״ת מונחים בהיכל‬ ‫)…( ומוציאים החדשים הבאים‬,‫שמיטין ויובלות שאינם יוצאים‬ .‫ ובפרט אם הם לעשירים הנמצאים היום ביניהם‬,‫מקרוב‬ ‫)…( ובאמת איל]ו[ היה בידי יכולת לעשות הייתי מחלק כל‬ ‫ חומשים חומשים או‬,‫אותם הספרי׳ שאינם יוצאים בציבו׳‬ ‫ ונותנם במדרשות ]מ[למדי תינוקות ללמוד‬,‫יריעות יריעות‬ ‫ והיה ניראה לי יותר מצוה… וכ״ש שאני רואה שיש‬,‫בהם‬ ‫כמה עניינים שאינם חוזרים אפילו הפרשה עם הצבור מפני‬ ‫ שאין להם חומש ברשותם‬. 48  Sefer Ḥasidim. Ed. Wistinetski (wie Anm. 4), 390 f., Nrn. 1592 f. 49  Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yisrael Bruna. Ed. Moshe Hershler. Jerusalem 1987, 60, Nr. 74. 50 Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 80 f. Die von Goitein zitierte rabbinische Quelle ist Midrash Bamidbar Rabbah, in: Midrash Rabbah, Bd. 2. Ed. Hanokh Zundil. Warschau 1867, ND New York 1960, 122, Nr. 18.9; vgl. außerdem Dinur, Toldot Israel ba‑Golah (1938), 198. 51 Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 75–92. 52 M. Cohen, Poverty and Charity (2005), 201 f., Anm. 46–49; Ashtor, Features (1965), 71. 53 Vgl. die Übersicht bei Documents. Ed. Gil (wie Anm. 23), 117 f.. 54 Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 211–240. 55 Teshuvot ha‑Rambam. Ed. Blau (wie Anm. 26), Bd. 2, 370–373, Nr. 210. 56 Yagur, Geopolitics (2012), 31–35; 51; 62–65. – Zu Juden aus Konstantinopel in Jerusalem siehe Lange, Byzantium in the Cairo Genizah (1992); Ders., Greek and Byzantine Fragments (1989). Unter den hier aufgezählten und vorgestellten Fragmenten gibt es nur eines, das sich mit Wohl‑ tätigkeitsabgaben beschäftigt: TS 12.122, publiziert in Golb / Pritsak, Khazarian Hebrew Documents (1982), 11–15 (vgl. Lange, Byzantium in the Cairo

Gedenken und Kultus

Genizah [1992], 38, Nr. 11). Das Dokument ist ein Bittgesuch um ṣedaqah (Wohltätigkeit) für den Träger des Briefes, Jakob b. Hanukkah, und datiert wahrscheinlich aus dem frühen 10. Jahrhundert. Nach Golb wurde der Brief im Auftrag der Kie‑ wer Gemeinde geschrieben (hierauf verweist im Dokument die Verwendung des Wortes qiyyov, was Golb als den hebräischen Ortsnamen für die Stadt Kiew erklärt). 57 Sheʾelot u‑Teshuvot le‑ha‑Rav Rabbenu Asher. Ed. Grossman (wie Anm. 31), 15, Nr. 13.17. 58 Nuevos documentos hebraico‑aljamiados de Aragón (I): Fragmentos de un registro contable de pagos de la aljama de Tarazona. Ed. Javier Castaño, in: Sefarad 64, 2004, 315–340, hier 332, Nr. 3; 333, Nrn. 6 f.; 336, Nr. 24; 337, Nr. 30; 338, Nrn. 33–35. 59 Vgl. Gutwirth, Social tensions (1979). 60 Kanarfogel, Jewish Education (1992), 48 f.; 146 f., Anm. 45. 61 Martyrologium des Nürnberger Memorbu‑ ches Ed. Salfeld (wie Anm. 22); Israelitische Bevölkerung. Ed. Stern (wie Anm. 22); Barzen, Nürnberger Memorbuch (2011); Epstein, Wormser Minhagbücher (1900, ND 1980). 62 Israelitische Bevölkerung. Ed. Stern (wie Anm. 22), 126; fol. 56a in der Handschrift . 63 Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Bloch (wie Anm. 16), 133 f., Nr. 942; Galinsky, Comme‑ moration and Heqdesh (2005), 199, Anm. 30. 64 Yagur, Geopolitics (2012), 32–35; 51. 65 Sefer Sheʾelot u‑teshuvot ha‑Rashba. Ed. haLevi (wie Anm. 32), 35, Nr. 243; Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yom Tov ben Avraham Asevilli. Ed. Joseph D. Qāfiḥ. Jerusalem 1959, ND 2008, 191–194, Nr. 161. 66 Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Crescas (wie Anm. 35), 47 f., Nr. II.293. 67 Ebd., 1, Nr. III.5. 68 Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot she‑hibber Rab‑ benu Shlomo ben Adret. Ed. Wolf (wie Anm. 32), Bd. 3, 171, Nr. 295. 69 Sheʾelot u‑Teshuvot Bar Sheshet hibbero ha‑Hakham ha‑Shalem Beno Yiṣḥaq. Ed. Israel Deiches. Jerusalem 1968, 38, Nr. 171. 70 Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Crescas (wie Anm. 35), 27, Nr. II.170. 71 Nuevos documentos. Ed. Castaño (wie Anm. 58), 332, Nr. 13; 334, Nr. 15; 336, Nr. 26.

147

Griechisch-orthodoxe Christen

72 Aronius, Regesten zur Geschichte der Juden

Weltkrieg verloren gegangen sind. Im Handschrif‑ (1902, ND 1970), 168–170, Nr. 381. tenzensus der Straßburger Bibliotheken wird 73 Sefer Amude Golah le‑Rabbenu Yiṣḥaq. Ed. sie nicht geführt. Harfanes (wie Anm. 14), 254, Nr. 258. 75 Martyrologium des Nürnberger Memorbu‑ 74 Breßlau, Straßburger Judenacten (1892). Zu ches. Ed. Salfeld (wie Anm. 22); Israelitische Be‑ Breßlaus Lebzeiten wurde der Brief im Straßbur‑ völkerung. Ed. Stern (wie Anm. 22), 103 f. Vgl. auch ger Stadtarchiv aufbewahrt. Unklar ist derzeit, Barzen, Nürnberger Memorbuch, (2011); Epstein, ob die Handschrift dort noch vorhanden ist, da Wormser Minhagbücher (1900, ND 1980). zahlreiche Dokumente des Archivs im Zweiten

8.5 Griechisch-orthodoxe Christen 8.5.1 Allgemeines Zu den wichtigsten Motivationen und Zweckbestimmungen griechisch‑ortho‑ doxer Stiftungen zählten Kultus und insbe‑ sondere Gedenken. Zumindest sind diese die am häufigsten dokumentarisch beleg‑ ten Motive, die Stifter zur Gründung oder Unterstützung einer Stiftung bewegten. Die Bedeutung dieser beiden Motive wur‑ de von Manuel, Bischof von Stroumitza am Ende des 11. oder Beginn des 12. Jahr‑ hunderts, treffend zusammengefasst, als er erklärte, dass er sein Kloster einerseits gegründet hatte, „um der Mutter Gottes zu bestimmten Zeiten Lobpreis und Ehre darzubringen, und andererseits, um in diese flehenden Gebete auch eigene per‑ sönliche Bitten einzuschließen.“1 Doch da der Fokus der bisherigen Forschung zum griechisch‑orthodoxen Stiftungswe‑ sen überwiegend auf der kirchlichen und säkularen Rechtsprechung, der Rolle der Wirtschaft und Einzelaspekten der Bezie‑ hung von Stiftungen zum byzantinischen Staat (z. B. Steuerfreiheit) liegt (→ 2.5), ist die Bedeutung von Gedenken und Kultus innerhalb dieser Stiftungen leider noch wenig erforscht.2 Insbesondere das Geden‑ ken blieb fast ausschließlich die Domäne

derjenigen Historiker, die sich der byzan‑ tinischen Liturgieforschung verschrieben haben. Das Hauptaugenmerk byzantinischer Stifter und Geber galt dem liturgischen Gedenken. John Thomas, der profiliertes‑ te Forscher auf dem Gebiet griechisch‑ orthodoxer Stiftungen, schreibt über die Bedeutung der Memoria: „An overriding desire of the creators of private religious foundations in Byzantium was that their foundations should last ‚forever‘. Beyond vanity, the explanation for this desire lies in the belief of the need for continuing prayers (mnemosyna) for the salvation of the benefactors’ souls, those of their relatives (living and departed), and their descendants. It seems unlikely that pre‑ serving foundations for the sake of other beneficiaries, such as the poor, widows, or orphans who occasionally received lim‑ ited charitable distributions from these institutions, was even remotely close in importance.“3 Am besten lässt sich die Bedeutung li‑ turgischen Gedenkens vielleicht an einem Beispiel aus der nachmittelalterlichen Welt und nicht aus dem Byzantinischen Reich

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selbst veranschaulichen – also ‚Byzance après Byzance‘. Die orthodoxen Herrscher des historischen Moldawien und der Wa‑ lachei, die sogenannten Woiwoden, hatten mit Beginn des 14. Jahrhunderts beträcht‑ liche Schenkungen an die orthodoxen Stif‑ tungen vollzogen. Bis in das Jahr 1863, in dem der klösterliche Grundbesitz von Staatsseite beschlagnahmt wurde, waren 27 % des gesamten Agrarlandes in Molda‑ wien und 22 % in der Walachei, insgesamt zwischen 700 000 und 1 000 000 Hektar, in klösterlichen Besitz gelangt.4 Der überwie‑ gende Teil dieser Ländereien gehörte den Athos‑Klöstern und ihren monastischen Dependenzen (metochia). Bei dem Versuch, diese erstaunliche Anhäufung von Reich‑ tum zu erklären, mutmaßte Constantin Coman, der sich mit dem rumänischen Mönchtum auf dem Berg Athos beschäftig‑ te hat: „This concern of the voyevods that they should be commemorated as long as they were alive and especially after death reveals a profound faith in eternal life and resurrection (…). I am sure this was the strongest reason behind the Roma‑ nian voyevods’ and noblemen’s endeavours – they invested their fortune in being com‑ memorated on the Holy Mountain. They somehow tried to amass their wealth in heaven. They donated a quarter of Roma‑ nia’s territory so that after their death they would be commemorated every day at the holy services. The names of some of them can still be heard in the Athonite monasteries.“5 Die historische Entwicklung der ortho‑ doxen Theologie und die dazugehörigen Jenseitsvorstellungen wurden im vorheri‑ gen Artikel ausführlich besprochen (→ 7.5) und sollen hier nicht wiederholt werden. Anstelle dessen stehen im Fokus des folgen‑ den Abschnitts die in den byzantinischen Quellen bezeugte Umsetzung und Praxis des liturgischen Gedenkens.

Gedenken und Kultus

8.5.2 Liturgisches Gedenken Allgemeine Charakteristika Welche Bedeutung hatte das liturgische Gedenken für griechisch‑orthodoxe Chris‑ ten? Der athonitische Mönch Nikodemos Hagiorites (1749–1809), einer der einfluss‑ reichsten orthodoxen Theologen der Frü‑ hen Neuzeit, hielt fest: „Zum Gedenken [mnēmosyna] gehören sowohl kollyva [Ge‑ bäck, bestehend aus gekochtem Weizen und anderen Zutaten, die an Gedenkgot‑ tesdiensten verteilt werden; siehe unten] als auch Gedenkfeiern [parastasima], und nicht allein die anaphorischen Fürbitten am Schluss der heiligen Liturgie.“6 Ob‑ wohl er diese Worte um die Wende zum 19. Jahrhundert verfasste, bezieht sich die Definition von Nikodemos auf die Praxis des Gedenkens im Byzantinischen Reich, was im Folgenden deutlich wird. Noch wichtiger ist aber, dass Nikodemos uns bewusst macht, dass nicht alle Formen des Gedenkens gleichwertig nebeneinander standen: mnēmosyna oder mnēmosynē war eine besondere Form des liturgischen Ge‑ denkens, die von byzantinischen Stiftern stark nachgefragt wurde, wohingegen ana‑ phorische Fürbitten eine reduzierte Form liturgischen Gedenkens darstellten, bei der während der Liturgie nur Stifterna‑ men erwähnt wurden (anaphora). In den byzantinischen Quellen findet sich keine widerspruchsfreie Terminologie zur Un‑ terscheidung dieser beiden Formen. Zu den medialen Trägern des liturgi‑ schen Gedenkens zählten die sogenann‑ ten Diptychen (ta diptycha), was „zwei‑ fach“ oder „doppelt“ bedeutet. Als eine der sechs möglichen Formen der Fürbitte oder des Gedenkens während der Liturgie fand die Verlesung der Diptychen in den meisten ostchristlichen Traditionen ganz zum Schluss – im liturgischen Teil der Anaphora – statt, in einigen Traditionen

Griechisch-orthodoxe Christen

allerdings bereits vorher in der Präana‑ phora.7 Der Begriff ‚Diptychen‘ wird heu‑ te oftmals als Synonym für liturgisches Gedenken verwendet; jedoch bestanden die Diptychen im liturgischen Sinn genau genommen aus einer Namenliste, die vom Diakon zu verlesen war, während die so‑ genannten anaphoralen Fürbitten von der Person gehalten wurden, die die Leitung des Gottesdienstes innehatte.8 Die Dipty‑ chen waren geteilt und enthielten je eine Liste mit den Namen der Lebenden und der Toten.9 (→ 8.2.2) Was die chronologische Entwicklung einer griechisch‑orthodoxen Gedenkpraxis betrifft, ist ein elaborierter Memoria‑Ge‑ brauch im Stiftungskontext erst im Mittel‑ alter, und wohl auch erst in der Zeit nach 1000, zu finden. Wie im Folgenden gezeigt wird, war die Gedenkpraxis der Spätantike zwar durch die Benutzung der Diptychen gekennzeichnet, Nachweise für ein beson‑ deres Gedenken an die Person des Stifters in dieser Zeit jedoch fehlen. Inwieweit die elaborierte Memoria für den Stifter, die wir in den typika finden, auch für die Zeit vor 1000 gilt, muss von der Forschung noch untersucht werden. Das früheste zweifelsfreie Zeugnis für Diptychen ist in den Werken des Bischofs Theodor von Mopsuestia (392 bis ca. 428), einem Bistum nördlich von Antiochien in Kilikien, bezeugt. In seinem Psalmenkom‑ mentar erwähnt Theodor, dass es Brauch war, die Namen ‚tugendhafter‘ Personen nach ihrem Ableben schriftlich festzuhal‑ ten. Er schreibt zum Psalm 68.28: „Weil in älterer Zeit unter den Juden besonders die Namen der tugendhaften Verstorbenen aufgeschrieben wurden – ein [Brauch], der noch heute unter uns in den Kirchen befolgt wird –, mögen die Toten nicht unter den Gerechten verzeichnet werden.“10 In der 15. Katechetischen Homilie Theodors wird allerdings zum ersten Mal der Brauch des

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Verlesens der Diptychen klar beschrieben: „Jedermann steht aufrecht da, wenn der Dia‑ kon ihm das Zeichen gibt, und beobachtet das Geschehen. Nun werden von den Kir‑ chentafeln die Namen der Lebenden und Verstorbenen verlesen, die im Glauben an Christus verschieden sind. Dabei ist klar, dass mit den wenigen, die jetzt erwähnt werden, eigentlich alle Lebenden und Ver‑ storbenen erwähnt werden“11. Während in der Spätantike die Listen der Toten während der Liturgie laut verkündet wurden, verlor sich diese Form des Geden‑ kens im Lauf des mittelalterlichen Jahrtau‑ sends allmählich. Bereits im 11. Jahrhundert scheinen die Namen entweder sotto voce oder überhaupt nicht mehr verlesen worden zu sein; dies entspricht der gegenwärtigen griechisch‑orthodoxen Praxis, in der der Diakon der Toten schweigend gedenkt. Nur in bestimmten Klöstern hat sich das (kaum) hörbare Totengedenken erhalten.12 Im Gegensatz zu manchen anderen Traditionen der östlichen Christenheit gibt es in den verschiedenen byzantini‑ schen Liturgiefassungen kaum formelhaf‑ tes Stiftergedenken.13 Der Standardtext der Diptychen in der armenischen Messe, pataraganatoyć genannt, lautet beispiels‑ weise: „Lasst uns auch bitten und flehen für die Seelen derjenigen, die ihre Ruhe gefunden haben, und insbesondere für die unserer verstorbenen Prälaten, für die der Gründer dieser heiligen Kirche und für all diejenigen, die in ihrem Schatten ruhen“.14 Eine ähnliche Formulierung findet sich in den syrisch‑orthodoxen Diptychen.15 In den frühesten ‚byzantinischen‘ Diptychen, zwei Papyri aus dem spätantiken Ägypten, werden weder Stifter erwähnt, noch wird eindeutig zwischen einem Gedenken für Lebende und Tote unterschieden.16 Das Fehlen des liturgischen Stifterge‑ denkens als generelle Kategorie im byzan‑ tinischen Ritus bekräftigt die Annahme,

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dass das individuelle liturgische Geden‑ ken höher geschätzt wurde als die for‑ melhaften anaphorischen Fürbitten. Hier stellt sich natürlich die Frage, wessen die griechisch‑orthodoxen Stiftungen über‑ haupt gedachten. Diese scheinbar offen‑ kundige Frage, die für unser Verständnis griechisch‑orthodoxer Stiftungen von we‑ sentlicher Bedeutung ist, konnte bisher keineswegs umfassend beantwortet wer‑ den; die Antwort darauf bleibt für die By‑ zantinistik ein Desiderat von außerordent‑ licher Wichtigkeit.17 Für das liturgische Gedenken kamen folgende Personen oder Personengruppen in Frage: Stifter und Ge‑ ber, Mitglieder der Stiftungsgemeinschaft (Mönche und Äbte) sowie kirchliche und weltliche Obrigkeiten. Die byzantinische liturgische Praxis wurde vor allem von zwei chronologischen Faktoren, der liturgischen Woche und dem liturgischen Jahr, bestimmt. Während das Gedenken für die Mitglieder einer mo‑ nastischen Gemeinschaft an jedem Tag der liturgischen Woche stattfinden konnte (außer sonntags), war der Sonnabend dem Gedenken der Toten und der Heiligen ge‑ widmet.18 Wenn jemand starb, gab es im ersten Jahr oftmals am 3., 9. und 40. Tag nach dem Tod Gedenktage, nach einem Jahr nur noch am Jahrestag des Todes selbst. Man glaubte, dass der zeitliche Ab‑ stand zwischen den Gedenktagen mit der allmählichen Trennung der Seele vom Körper in Verbindung stehe – eine Vor‑ stellung vorchristlichen Ursprungs.19 Ein anderes mögliches Relikt vorchristlicher Gedenkpraktiken war die Verteilung von Gebäck aus gekochtem Weizen und ver‑ schiedenen weiteren Zutaten, das kollyba genannt wurde.20 Das elaborierte System des Totengedenkens im griechisch‑ortho‑ doxen Christentum hat jedoch nie einen besonderen Feiertag für das kollektive Totengedenken – analog zum jährlichen

Gedenken und Kultus

Allerseelentag in der lateinischen Chris‑ tenheit – hervorgebracht. Obwohl die griechisch‑orthodoxen Stif‑ tungen mehrheitlich Klöster waren, gilt es zu bedenken, dass es regulären Mönchen nicht gestattet war, die von Stiftern und Gebern bestimmten Gedenkauflagen zu erfüllen. Die Liturgie konnte nur von ei‑ nem Priester oder einem geweihten Mönch (Priestermönch) gefeiert werden. Nikon vom Schwarzen Berg, seinerseits Mönch und ein ausgewiesener Kanonist, erkannte hierin ein potentielles Problem für jene Klöster, die über keinen Priester verfügten und in denen dennoch liturgisches Geden‑ ken vollzogen werden musste. In einem solchen Fall waren die eucharistischen Opfergaben (prosphorai) an ein personell entsprechend ausgestattetes Kloster zu sen‑ den.21 In diesem Zusammenhang sind die Überlegungen des mittelalterlichen Juris‑ ten und Historikers Michael Attaleiates in‑ teressant, da er der einzige dokumentierte Stifter ist, der zugab, dass er den relativen Wert des Gedenkens durch Priester oder Mönche abgewogen und sich letztendlich zugunsten der Mönche entschieden hatte. Attaleiates wünschte in der Tat, dass sein Kloster nicht von gewöhnlichen Mönchen, sondern von Eunuchen bewohnt werden sollte, da es inmitten der Hauptstadt mit‑ samt ihren Versuchungen lag, und es – um mit seinen eigenen Worten zu sprechen – „nicht ohne Risiko für Bartträger [Mönche] ist, dort zu leben.“22 Er machte allerdings Ausnahmen für seine Verwandten und für Stifter von Grundeigentum geltend, die äl‑ ter als 50 waren. Der Einsatz von geweihten Eunuchen brachte auch gewisse Vorteile für die Klosterkonvente mit sich, da die Orthodoxie ausschließlich die Priesterwei‑ he von Männern kannte. Die Stifterin des konstantinopolitanischen Klosterkonvents der Muttergottes Kecharitomene, Kaiserin Irene Doukaina, Gemahlin von Alexios I.

Griechisch-orthodoxe Christen

Komnenos (1081–1118), bestimmte, dass zwei Priester, vorzugsweise Mönchseunuchen, oder falls dies nicht möglich war, Pries‑ tereunuchen, die liturgischen Aufgaben ihrer Gemeinschaft wahrnehmen sollten.23 Die Stifter erachteten es als wesentlich, dass außer den Zelebranten, Mönchen und Priestern auch andere Profitienten der Stif‑ tungen in die Gedenkfeiern mit einbezo‑ gen wurden. Dies geht unmissverständlich aus einer Quelle des 12. Jahrhunderts her‑ vor, dem typikon des sich ausbreitenden Pantokrator‑Klosterkomplexes in Konstan‑ tinopel. Zu Beginn des Vorwortes betont dort der Stifter, Johannes II. Komnenos, dass nicht nur die Mönche und der Kle‑ rus der Stiftung, sondern auch die Alten, Schwachen und Aussätzigen „als Botschaf‑ ter für unsere Sünden Fürsprache einle‑ gen“24 könnten. Johannes sorgte außerdem dafür, dass die Rolle dieser Fürsprecher, die unter der Obhut seines Klosters stan‑ den, nicht nur metaphorischer Natur war. Zu den Anlässen des Gedenkens an seine Person, seinen Vater Alexios I. Komnenos, seine Gemahlin Irene und seinen Sohn Ale‑ xios versammelten sich alle medizinischen Betreuer und diejenigen Kranken, die in ausreichend guter Verfassung waren, in der Hauptkirche zu einer Prozession und feierten eine Reihe von Andachten, die in der Formel gipfelte: „Gott wird die Stifter segnen.“25 Stifter und Zustifter Byzantinische Quellen, insbesondere typika, aber auch Testamente und Stiftungs‑ urkunden, belegen in vielfältiger Weise liturgisches Gedenken an Stifter und Zu‑ stifter. Das liturgische Gedenken in den Stiftungsgottesdiensten wurde im Allge‑ meinen als das Vorrecht eines Gründers angesehen.26 Der georgische General Gre‑ gor Pakourianos ließ im 11. Jahrhundert keinen Zweifel daran aufkommen, wer

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für die Existenz und die Prosperität der monastischen Gemeinschaft verantwort‑ lich war, die er im heutigen Bačkovo in Bulgarien gegründet hatte, als er sich mit folgenden Worten an die monastische Ge‑ meinschaft wandte: „Ich bitte euch als Väter und Brüder, uns auf keinen Fall zu vergessen. Im Gedenken an uns solltet ihr Brüder euch – beim Anblick dieses unseres wunderbaren Gotteshauses, der heiligen Kirche, – der jährlichen Einkünfte und der sonstigen Einnahmen erinnern in dem Bewusstsein, dass nach Gott wir es sind, die dafür die Verantwortung tragen“.27 Die Stifter sicherten sich das Gedenken nicht nur innerhalb ihrer Stiftungen, sondern auch innerhalb anderer Klöster und Kir‑ chen, wofür sie die Einnahmen ihrer Stif‑ tungen verwendeten. So ließ Michael At‑ taleiates, der ebenfalls im 11. Jahrhundert lebte, seiner selbst und seiner Familie nicht nur in seinem konstantinopolitanischen Kloster und Armenhaus in Rhaidestos gedenken, sondern bestimmte auch, dass die Einnahmen seines Armenhauses jähr‑ lich drei Goldmünzen für zwei mittellose Männerklöster und zwei Goldmünzen für zwei mittellose Nonnenklöster in Rhaides‑ tos abwerfen sollten. Als Gegenleistung dafür erwartete Michael die Aufnahme seines Namens in die Diptychen und ein immerwährendes Stiftergedenken sowie ein tägliches Trishagion für seine Person durch die dortigen Mönche und Nonnen.28 Interessanterweise ließen Gründer nicht immer dieselben Namen innerhalb der einzelnen Stiftungsteile kommemorieren; im typikon konnte ein Stifter das Geden‑ ken für besondere Personen, fast immer Verwandte – sowohl lebende als auch ver‑ storbene – spezifizieren, wofür jeweils ein bestimmter Teil der Stiftung zu verwenden war. Dies ist der Fall bei der Stiftung des vorgenannten Gregor Pakouria nos. Gregor und sein Bruder Apasios, der verstorben

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war, bevor das typikon verfasst wurde, beanspruchten den Löwenanteil der Ge‑ denkaktivitäten: Es sollten nicht nur die Jahrestage ihres Todes mit einem großen Fest und beachtlichen Spendengaben ge‑ feiert werden (ein Pfund Gold war jähr‑ lich unter den Mönchen und dem Klerus sowie 24 Goldstücke am Gedenktag unter den Gottesdienstbesuchern aufzuteilen), sondern es sollte auch für jeden von ih‑ nen ein eigener Gedenkgottesdienst an sich abwechselnden Sonnabenden be‑ gangen werden, in dem die Mönche am Schluss des abendlichen Lobgesangs zu beten hatten: „Möge Gott unseren Stiftern ihre Verfehlungen vergeben“.29 Außerdem wurden ihre Grabmäler durchgehend von drei Lampen beleuchtet.30 Es wurden so‑ gar zwei Hospize erbaut und unterhalten, um die Seele von Apasios zu begünsti‑ gen, nicht jedoch diejenige von Gregor.31 Im angegliederten Kloster St. Nikolaus überließ Gregor einem Priestermönch eine Pfründe mit der Auflage, sie für die Aus‑ bildung von Knaben für das Priesteramt zu verwenden, die wiederum seines Vaters, Onkels und Vetters an drei verschiedenen Wochentagen zu gedenken hatten.32 Genauso wie Stifter konnten gleicher‑ maßen Schenker in Diptychen komme‑ moriert werden. Verschiedene typika ent‑ halten spezielle Bestimmungen, die diese Praxis gestatteten. Unklar ist, welche Grö‑ ßenordnung eine Schenkung haben musste, um im Gegenzug dafür liturgisches Ge‑ denken zu erhalten. Gregor Pakourianos äußert sich diesbezüglich nur vage, denn es heißt, es genüge, „wenn jemand etwas für eine Liturgie erhalten hat“33; auch Mi‑ chael Attaleiates erwähnt lediglich, dass er liturgisches Gedenken an Schenker erlaube, ohne jedoch diese Aussage zu spezifizie‑ ren.34 Das typikon eines anderen Klosters aus dem 11. Jahrhundert, Evergetis, gestat‑ tet ein jährliches Gedenken für diejenigen,

Gedenken und Kultus

„die etwas Erinnernswertes für das Kloster getan haben“.35 Mitglieder von Stiftungskommunitäten Auch Einzelpersonen von – nahezu aus‑ nahmslos monastischen – Gemeinschaften, die von einem Stifter gegründet worden waren, konnte liturgisches Gedenken zu‑ teilwerden. Das jährliche Gedenken an die verstorbenen Mitglieder der monastischen Gemeinde war „ein großer Beweis brü‑ derlicher Zuneigung“.36 Diese Praxis wird durch die Studitenregel, eine der einfluss‑ reichsten Formen byzantinischen Mönch‑ tums, bezeugt; während in der liturgischen Woche ausschließlich die Sonnabende dem Psalmengesang für die Toten vorbehalten waren, konnten die Mönche jeden anderen Tag der Woche für die Durchführung von Gedenkaktivitäten nutzen, sofern es sich um die Kommemoration eines Mönchs‑ bruders handelte.37 Dem typikon von Gre‑ gor Pakourianos zufolge war regulären Mönchen am dritten Tag nach ihrem Tod und an deren Jahrestagen zu gedenken.38 Im Laufe der Zeit konnte – insbesondere in großen Gemeinschaften – die Anzahl der verstorbenen Mönche, derer gedacht werden musste, das kommemorative Leis‑ tungsvermögen der noch lebenden Mönche übersteigen, wie es das typikon von Ever‑ getis belegt. Das regelmäßige Gedenken für die verstorbenen Mönche – pro Woche manchmal drei, vier oder mehr an der Zahl – nahm ein solches Ausmaß an, dass es mit den nächtlichen Stundengebeten, die die Mönche in der Regel verrichten muss‑ ten, kollidierte. Aus praktischen Gründen war es den Mönchen gestattet, diese Auf‑ gaben unter sich aufzuteilen. Einige wid‑ meten sich den regulären Stundengebeten, andere den Gedenkandachten, und in der Winterzeit oder wenn Mönche erkrankten, war es ihnen auch erlaubt, alle Kommemo‑ rationen einer Woche in einem einzigen

Griechisch-orthodoxe Christen

nächtlichen Stundengebet zusammenzu‑ fassen.39 Laut dem typikon des Klosters der Muttergottes in Areia (verfasst ca. 1149) wurde dort hingegen für alle verstorbenen Mönche ein zusammenfassendes jährliches Gedenken begangen.40 Bei den Äbten verhielt es sich jedoch völlig anders. Ihre Bedeutung als Vorsteher einer monastischen Gemeinschaft spiegelte sich in differenzierteren Gedenkpraktiken wider. So galt die oben erwähnte wöchent‑ liche Zusammenlegung von Gebetsgeden‑ ken auf einen einzigen Tag gemäß dem typikon von Evergetis nicht für Äbte, son‑ dern nur für Mönche.41 Abweichend vom Gebetsgedenken für die einfachen Mönche bestimmte Gregor Pakourianos in seinem typikon, dass zum Gedächtnis an einen Abt 12 Goldstücke zu verteilen waren, und dass seiner Person am dritten und vierten Tag nach seinem Tod und am Jahrestag seines Todes gedacht werden sollte.42 Das Geden‑ ken an Äbte konnte jedoch auch intermo‑ nastische Beziehungen prägen. Athanasios vom Athos (925 / 930–1001), Stifter der Gro‑ ßen Laura auf dem Berg Athos, sah sich mit einem solchen Dilemma konfrontiert, als seinem Kloster das St. Andreas gewidmete Kloster von Peristerai durch die Chrysobul‑ len zweier byzantinischer Kaiser unterstellt wurde. Athanasios bestand darauf, dass des Abts von Peristerai, Stephan, zu Lebzeiten regelmäßig und jeweils am Jahrestag sei‑ nes Todes durch die Mönche des Klosters Laura zu gedenken war.43 Weltliche Obrigkeit Das liturgische Gedenken an säkulare und kirchliche (siehe unten) Obrigkeiten bildete die Hierarchie, Zugehörigkeit und Funk‑ tionsweise einer Stiftung ab und war oft‑ mals Ursache bitterer Auseinandersetzun‑ gen. Von diesen beiden ist das Gedenken, das für die weltliche Obrigkeit begangen wurde, eindeutiger zu fassen.

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Grundsätzlich sollten griechisch‑or‑ thodoxe Stiftungen Gedenkhandlungen für die höchste säkulare Obrigkeit, näm‑ lich den byzantinischen Kaiser, vollzie‑ hen.44 Sogar in Stiftungen außerhalb des Territoriums des Byzantinischen Reiches scheint der Kaiser kommemoriert worden zu sein. Dies zeigt der erste vollständige liturgische Text, der uns in griechischer Sprache vorliegt und die Diptychen von Lebenden und Toten enthält. Es handelt sich um ein diakonikon (eine Sammlung von liturgischen Lesungen für den Dia‑ kon) aus der Bibliothek des St. Katharinen‑ Klosters vom Berg Sinai (Codex Sinai Gr. 1040, fol. 45v), das in etwa auf das Jahr 1166 datiert wird.45 Diese Diptychen enthalten zwei Namensverzeichnisse: (1.) die gro‑ ßen kaiserlichen Gründerpersönlichkei‑ ten Konstantin I. (306–337), seine Mutter Helena, Theodosios I. (379–395), Markian (450–457) und Basileios I. (867–886); (2.) die nachfolgenden Herrscher Konstantin X. Doukas (1059–1067), Romanos IV. Diogenes (1068–1071), Michael VII. Doukas (1071–1078), Alexios I. Komnenos und seine Gemahlin Irene Doukaina sowie schließlich Johan‑ nes II. Komnenos (1118–1143) und seine Ge‑ mahlin Irene von Ungarn.46 Aus einer Be‑ merkung von Maximos dem Bekenner (gest. 662) lässt sich folgern, dass in der Mitte des 7. Jahrhunderts die gesamte Liste der (or‑ thodoxen) oströmischen / byzantinischen Kaiser, beginnend mit Konstantin, aus den Diptychen der Toten verlesen wurde – ein Brauch, der zur Zeit des Sinai‑diakonikon nicht mehr existierte.47 Doch war der byzantinische Kaiser nicht der einzige weltliche Herrscher, des‑ sen in griechisch‑orthodoxen Stiftungen gedacht wurde. Der sizilische Gründer des Klosters von San Filippo di Fragalà, Gregor – er musste erleben, wie die In‑ sel von der byzantinischen unter die nor‑ mannische Herrschaft fiel –, legte in der

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zweiten Fassung seines Testaments fest, dass in seinem Kloster des Grafen Roger I. (1071–1101), Mitgliedern seines Hofes und Rogers Gemahlin, Adelaide del Vasto, zu gedenken war.48 In einer dritten Fassung des Testaments, erstellt nach dem Tod Ro‑ gers I., sorgte Gregor dafür, dass das Ge‑ denken des Klosters auf die Kinder von Roger einschließlich Simons (1101–1105) und des zukünftigen Roger II. (Graf von Sizi‑ lien 1105–1130, König von Sizilien 1130–1154) ausgeweitet wurde.49 Wie der Fall Gregors von Fragalà zeigt, lag es mitunter näher, des lokalen Poten‑ taten zu gedenken als des Kaisers, wenn eine Stiftung außerhalb des Byzantini‑ schen Reiches lag. Auch innerhalb des eigenen Reiches war der Kaiser für die meisten Byzantiner eine fern stehende Person, die theoretisch offen gegenüber Petitionen jeder Art war, aber in der Pra‑ xis nicht in der Lage oder willens war, in lokale Angelegenheiten einzugreifen. Angesichts dieser Sachlage ist es wenig überraschend, dass weitere lokale weltli‑ che Herren in das liturgische Gedenken der griechisch‑orthodoxen Stiftungen ein‑ geschlossen wurden. Der peloponnesische Heilige Nikon Metanoeite (wörtlich: ‚Tut Buße!‘) stellte seine Klosterkirche um die Jahrtausendwende unter den Schutz der lokalen Obrigkeit, d. h. des Militärgouver‑ neurs (stratēgos) und des Provinzrichters (kritēs). Er legte fest, dass ihrer durch die Mönche zu gedenken war, gemeinsam mit dem Kaiser und Basileios Apokauos, bei dem es sich um den einflussreichsten För‑ derer der Stiftung und ebenfalls einen Mi‑ litärgouverneur gehandelt haben dürfte.50 Eine sehr ähnliche Anordnung findet sich in einer auf den 1. Mai 1027 datierten In‑ schrift eines Klosters, das zur Bewachung einer Brücke erbaut und gleichermaßen sowohl unter den Schutz des Militärgou‑ verneurs und Bezirksrichters als auch des

Gedenken und Kultus

Kaisers gestellt wurde; Gedenkauflagen werden allerdings in diesem Fall nicht erwähnt.51 Das liturgische Gedenken für weltliche Amtspersonen stellte nicht nur eine reine Gunstbezeugung dar. Von den Komme‑ morierten wurde Unterstützung für die Stiftungen in Notzeiten erwartet. Michael Atteleiates erinnert den Kaiser in seinem typikon: „[D]enn es geziemt ihm, den Stif‑ terwillen zu respektieren und ehrwürdige [Institutionen] zu verteidigen, die für sie ausgestellten frommen Chrysobullen zu schützen und vor Zerstörung zu bewahren, da ein tägliches Trishagion für die höchst heiligen Kaiser rezitiert wird, wie es in meinem typikon bestimmt ist.“52 Byzantini‑ sche Kaiser beschenkten Stiftungen in der Erwartung, dass ihnen aus den Gebeten für ihre „Christus liebende Armee“ (entspre‑ chende Bezeichnung in der Liturgie) militä‑ rischer Erfolg erwachsen würde (→ 3.5.2). Gebete von ‚falschen‘ Mönchen waren je‑ doch hierbei dem Kaiser nicht dienlich, wie eine vielleicht apokryphe Anekdote des armenischen Historikers Aristakes von Lastivert erzählt. Der byzantinische Kaiser Romanos III. Argyros (1028–1034) war höchst erstaunt, als er während eines Feldzugs in Nordsyrien große Ansiede‑ lungen von Klöstern und Einsiedeleien im nördlichen Teil von Antiochien vorfand, das zum byzantinischen Herrschaftsgebiet gehörte. Ihm wurde berichtet, dass die Mönche und Eremiten fromme Männer seien, die für den Frieden auf Erden und für seine Gesundheit beteten. Umso mehr war er bestürzt zu erfahren, dass es sich in Wirklichkeit um Häretiker (höchstwahr‑ scheinlich Syrisch‑Orthodoxe) handelte. Barsch erwiderte er, dass er ihrer Gebete nicht bedurfte, und ordnete an, dass ihm jedes dieser Klöster Bogenschützen für den Dienst in seiner Armee zu entsenden hatte.53

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Kirchliche Würdenträger Das liturgische Gedenken für kirchliche Würdenträger in den Diptychen war aus mehreren Gründen ein Brauch mit weit‑ reichenden Konsequenzen für griechisch‑ orthodoxe Stiftungen. Anders als bei der Entscheidung, welcher lokalen weltlichen Instanz zu gedenken sei, waren nach kano‑ nischem und weltlichem Recht theoretisch alle religiösen Stiftungen dem örtlichen Bischof unterstellt, so dass seine Autorität nicht einfach unterlaufen werden konn‑ te. Aus diesem Grund gehörte es zu den Pflichten der Stiftungen, diesem in den Diptychen zu gedenken.54 Ab dem 11. Jahr‑ hundert hatte diese Kommemoration auch fiskalische Auswirkungen, da eine Stiftung im Zuständigkeitsbereich eines Bischofs an diesen eine Sondersteuer abführen musste, das sogenannte kanonikon (κανονικόν).55 Viele byzantinische Stifter bekundeten ein tiefes Misstrauen gegenüber der örtlichen kirchlichen Obrigkeit. Diese Vorsicht war nur allzu verständlich, wenn man in Be‑ tracht zieht, dass dem Bischof die Über‑ nahme einer Stiftung bei einer günstigen Gelegenheit leicht möglich war. Was im Fall der kirchlichen Würden‑ träger wirklich zählte, war – wie bereits in den zuvor erwähnten Beispielen litur‑ gischen Gedenkens – die namentliche Er‑ wähnung des (Erz‑)Bischofs, Metropoliten oder Patriarchen in den Diptychen und nicht in den allgemeinen anaphorischen Fürbitten innerhalb der Liturgie, wie etwa beim kollektiven Gedenken für die Bischö‑ fe. Folglich bemühte sich Gregor Pakouria‑ nos, in einer Klausel seines typikon, die die Unabhängigkeit seiner Stiftung von kirchlicher und laikaler Einmischung be‑ tont, zu erwähnen, dass dem Metropoliten von Philippoupolis – dem örtlichen kirch‑ lichen Oberhaupt – nicht in den Diptychen, sondern in der allgemeinen anaphorischen Fürbitte zu gedenken sei.56

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Um die Kommemoration des örtlichen kirchlichen Würdenträgers, normalerweise des Bischofs, und die daraus erfolgende Anerkennung seiner Autorität zu umge‑ hen, wurde es im Laufe der Zeit zuneh‑ mend üblich, eine Stiftung der direkten Kontrolle des Patriarchen von Konstan‑ tinopel zu unterstellen. Nachdem diese Stiftungen das strauropēgion (‚Errichtung eines Kreuzes‘) des Patriarchen erhalten hatten, unterstanden sie seiner Autorität. Folglich wurde das Gedenken in den Di‑ ptychen, oft als anaphora (ἡ ἀναφορὰ τοῦ ὀνόματος) bezeichnet, sowie das kanonikon ausschließlich ihm und nicht dem Bischof vorbehalten.57 Laientreuhänder Obwohl es keine umfassende Studie zu die‑ ser Thematik gibt, gilt es als wahrschein‑ lich, dass seitens der Stiftungen auch Ge‑ denken an die Laientreuhänder vollzogen wurden, die sie beaufsichtigten. Georg von Kappadokien, der als erster Laientreuhän‑ der (epitropos) für sein Kloster St. Mamas fungierte, hob hervor, dass künftige Treu‑ händer sich damit zufrieden geben sollten, Offizien für ihr Seelenheil (psychōpheles diakonēma; ψυχωφελὲς διακόνημα) statt materiellen Lohn zu erhalten, da das Klos‑ ter, seiner Ressourcen beraubt, den Laien‑ treuhändern nichts weiter als ewig wäh‑ rendes Gedenken (diaiōnizon mnēmonsynon; διαιωνίζον μνημόσυνον) zu bieten habe.58 Andere Stiftungen boten ihnen auch eine materielle Vergütung an, jedoch scheint liturgisches Gedenken das mindeste zu sein, das ein Laientreuhänder für seine Dienste als Aufseher einer Stiftung er‑ warten konnte. Die Laientreuhandschaft von griechisch‑ orthodoxen Stiftungen, insbesondere in Form der oft geschmähten charistikē, wur‑ de in der Forschung häufig als eine Devo‑ lution von Herrschaft und Ressourcen des

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Staates und der Kirche an habgierige lokale Magnaten (wie bei der mutmaßlichen Rolle von charistikē im ‚byzantinischen Feuda‑ lismus‘; → 2.5.4) oder als direkte Ursache für eine klösterliche ‚Reformbewegung‘ angesehen, wie John Thomas postulierte (→ 2.5.3; 2.5.7). Ein wichtiger Aspekt von charistikē, die angebliche Untergrabung oder Behinderung des Gedenkens, muss jedoch noch gründlich untersucht werden. Mit Sicherheit prangerte der bekannteste Kritiker der charistikē, der Patriarch von Antiochien, Johannes V. Oxeites (ca. 1089– 1000), an, dass ob der habgierigen Laien‑ treuhandschaft keine Gedenkhandlungen für Stifter stattfinden konnten: „Es ist nicht nur jedes Offizium für das Göttliche, das von den gesegneten Stiftern [μακαρίων κτητόρων] bestimmt worden war, einge‑ stellt worden und erloschen – zu nennen sind die heiligen Festbeleuchtungen an göttlichen Feiertagen, die lieblichen Düfte und Lobgesänge, darunter auch die tägli‑ chen Beleuchtungen selbst, und ebenso die Verteilung von Almosen, die sowohl an den Feiertagen als auch täglich an den Toren stattzufinden hatte, aber auch dieje‑ nige für das Gedenken der Stifter [αἱ τῶν μνημοσύνων τῶν κτητόρων], zusätzlich zu derjenigen [Verteilung] an die Mönche, die an jedem Feiertag und zu jedem Ge‑ denken, in der Fastenzeit und an Ostern durch die Fürbitten vorgegeben waren –, sondern auch die Mindestzuteilungen an die Mönche, schlicht und ergreifend jede Art von Frömmigkeit, die sich die Stifter für die göttliche Kirche, Mönche und Klöster ersonnen haben, sind verloren gegangen.“59 Selbst wenn die Anschuldigungen des Jo‑ hannes Oxeites als Hyperbel der Polemik abgetan werden könnten, so sind in Brie‑ fen im sogenannten ‚Taktikon‘ von Nikon vom Schwarzen Berg, einem Zeitgenossen und Mönch in Antiochien, ebenfalls Ver‑ suche von charistikarioi (Laientreuhänder)

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belegt, das Gedenken zu behindern. In ei‑ nem seiner Briefe (Logos 20) wird berichtet, dass ein charistikarios versucht habe, den Ausschluss des Bischofs von Seleukia so‑ wie des byzantinischen Herrschers vom liturgischen Gedenken durch die Mön‑ che seines Klosters zu bewirken.60 Insbe‑ sondere der Versuch, den byzantinischen Herrscher von der Kommemoration aus‑ zuschließen, ist, nach Kenntnisstand des Autors, jedoch in keiner anderen erhalte‑ nen Quelle über byzantinische Stiftungen belegt. Angesichts des antiochenischen Umfelds von Johannes Oxeites und Nikon vom Schwarzen Berg ist es möglich, dass Stiftungen in dieser Region mit spezifi‑ schen Problemen zu kämpfen hatten. Die Vielfalt der christlichen Konventionen und Ethnien sowie eine nicht allzu lange Zeit zuvor wieder eingeführte, aber schwache Kirche könnten diese speziellen Bedingun‑ gen für griechisch‑orthodoxe Stiftungen in Nordsyrien erzeugt haben. Im Übrigen hatte Nikon auch Schwierigkeiten, die ar‑ menischen chalkedonischen Mönche des Klosters, in dem er später lebte, dazu zu bewegen, den Namen des Patriarchen von Antiochien in die Diptychen einzutragen und seiner zu gedenken.61 Grabmäler Das Stiftergrab war oftmals der Ort, an dem Gedenkgottesdienste stattfanden, so dass es sinnvoll ist, dieses im Kontext des liturgischen und nicht des weltlichen Ge‑ denkens zu diskutieren, auch wenn diese Kommemorationen eigentlich zu letzterem gezählt werden müssten. Im ‚Codex Theo‑ dosianus‘ (9.17.6) ist ein Gesetz erhalten, das die Bestattung von Menschen in Kirchen verbietet. Dieses Gesetz wurde im Mittel‑ alter ignoriert, falls es überhaupt jemals richtig durchgesetzt wurde. Begräbnisse innerhalb von Kirchen oder Klöstern gal‑ ten als ein besonderes Privileg, das nur

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Stiftern und wichtigen Zustiftern zustand. Isaak Komnenos legte in seinem typikon für das Kloster Kosmosoteira (‚Retterin der Welt‘, gemeint ist Maria) fest, dass niemand außer ihm selbst in der Klosteranlage be‑ stattet werden dürfe, es sei denn, dass diese Personen von ihm ausersehen seien (und ihm darin zustimmten) oder aber es sich um eine sehr begüterte Person handele, die gewillt sei, dem Kloster als Gegenleis‑ tung für ein Begräbnis eine Zustiftung von beweglichen und unbeweglichen Gütern zu überlassen.62 Das Grabmal des Stifters sollte durchgehend mit Lampen und Ker‑ zen beleuchtet werden, ähnlich wie es bei Kirchen oder Ikonen des Schutzpatrons einer Stiftung der Fall war. 8.5.3 Weltliches Gedenken

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weitere Untersuchungen gewidmet wer‑ den, und sei es nur, um die weitverbreitete (aber unbewiesene) Annahme zu bestäti‑ gen, dass weltliches Gedenken als Beweg‑ grund eines Stifters relativ unbedeutend war. Bei den Formen weltlichen Gedenkens, die nachfolgend diskutiert werden, handelt es sich um Inschriften und ‚Stifterporträts‘, die Benennung von Stiftungen nach dem Namen des Stifters, das Verlesen von typika und weltliches Andenken in der Literatur. Inschriften und Stifterporträts Die häufigste Form weltlichen Gedenkens war die Stiftungsinschrift. Die meisten erhaltenen Inschriften sind sehr präzise und enthalten den Namen des Stifters, manchmal mit Titeln oder Ämtern, das Stiftungsgut, das Jahr und oftmals auch eine formelhafte Umschreibung der er‑ folgten Zahlung für die Stiftung (‚errichtet aus der Tiefe‘, ‚sehnsüchtig errichtet‘, etc.). (→ 5.5.2; 6.5.3) Selbst wenn die Mehrzahl dieser Inschriften eher schlicht war, ver‑ körpern sie den Fortbestand des Stifterna‑ mens in einem nichtliturgischen Kontext. Gelegentlich wurden diese Inschriften auch mit bedeutend größerem Aufwand gestaltet. So beinhaltete das katholikon des Pantokrator‑Klosterkomplexes in Kon‑ stantinopel einst ein 145 Zeilen umfassen‑ des Gedicht, das einer der Stifterpersonen, nämlich der Kaiserin Irene, Gemahlin von Johannes II. Komnenos, gewidmet war.64 Neben Inschriften finden sich auch soge‑ nannte ‚Stifterporträts‘, visuelle Darstel‑ lungen des Stifters, seiner Familie oder anderer Personen, die in Beziehung zu dem Stifter standen. Stifterporträts werden in dieser Enzyklopädie an anderer Stelle ausführlich behandelt. (→ 6.5.5)

Zunächst sollte erwähnt werden, dass die verschiedenen Formen des weltlichen Ge‑ denkens für die Gründung einer Stiftung bestenfalls eine untergeordnete Rolle spiel‑ ten. Peregrine Horden stellt deswegen mit Recht fest: „[U]ltimately, the renown that came from founding a hospital, whether it was transmitted orally, in the name of the establishment, or in an inscription over the door, was only a means to an end. Secular commemoration was principally valuable as an incitement to liturgical commemora‑ tion.“63 Im Allgemeinen tendieren byzanti‑ nische Quellen dazu, weltliches Gedenken mit vorchristlichen griechisch‑römischen Stiftungspraktiken in Verbindung zu brin‑ gen. Sie vergleichen diese mit ihren eigenen Stiftungen (Kirchen, Klöstern und philan‑ thropischen Institutionen), wobei sie davon ausgehen, dass diese aus wohltätigen und heilbringenden Gründen ins Leben gerufen worden seien. (→ 1.5.2; 4.5.2) Nichtsdesto‑ Wohltäter als Namensgeber von Stiftungen trotz sollten der Funktion des weltlichen Die Benennung einer Stiftung nach ihrem Gedenkens in byzantinischen Stiftungen Stifter, Hauptwohltäter oder Abt scheint

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eine Seltenheit zu sein – griechisch‑ortho‑ doxe Stiftungen waren fast immer unter dem Namen der Heiligen bekannt, denen sie auch gewidmet waren; es gibt jedoch so etwas wie Präzedenzfälle für diese Pra‑ xis, insbesondere unter den piae causae der Spätantike. Das erste dokumentierte ‚Armenhaus‘ ist der Nachwelt als ‚Basi‑ leias‘ bekannt, benannt nach seinem Stifter Basileios von Kaisareia (ca. 329–370). Bei diesem Beispiel beruht die Namengebung jedoch, wie bei den meisten anderen Fällen von piae causae, die nach ihren Stiftern benannt wurden, wahrscheinlich eher auf der weitverbreiteten Assoziation mit dem Stifter als auf dessen darauf abzielender Intention.65 Auch die Benennung von Klös‑ tern nach ihren Stiftern war relativ selten und ebenfalls hauptsächlich ein Phänomen der Spätantike. Bekanntere Beispiele sind das nordsyrische Kloster von St. Symeon, dem Wundertäter aus dem 6. Jahrhundert, und das Mar-Saba-Kloster in Palästina aus dem 5. Jahrhundert. Die Benennung von Stiftungen nach ihrem Stifter kennen wir auch aus dem Mittelalter: Die ‚Eremitage‘ (enkleistra) von Neophytos dem Einsied‑ ler (1134–1214) ist ein bekanntes, jedoch auf Grund der gut dokumentierten selbst‑ darstellerischen Tendenzen seines Stifters vielleicht extremes Beispiel. Das athonitische Kloster Koutloumou‑ siou präsentiert uns etliche Beispiele für seine Benennung nach Personen, die sich in besonderer Weise um das Kloster ver‑ dient gemacht hatten. Obwohl das Kloster Christus dem Retter (ursprünglich mögli‑ cherweise der Transfiguration) gewidmet war, wurde auf das Patrozinium nament‑ lich so gut wie nie Bezug genommen. Es wird angenommen, dass sich der Name des Klosters von seinem heute gänzlich verges‑ senen Stifter, vermutlich einem christia‑ nisierten Türken aus dem Qutlumuš‑Klan, ableitet, was jedoch keinesfalls bewiesen

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ist.66 Allerdings hatte Koutloumousiou im Laufe seiner Geschichte auch diverse an‑ dere Namen. Sein berühmtester Abt, der Mönch Chariton, hatte sich in einem sol‑ chen Maße um Koutloumousiou bemüht, dass es, da Chariton dieses zunächst ‚zweit‑ rangige‘ Kloster zu einer der reichsten Stif‑ tungen des heiligen Berges emporgehoben und außerdem das Fundament für den langfristigen Bestand des Klosters gelegt hatte, indem er sich das Patronat der Herr‑ scher Moldaus und der Walachei gesichert hatte, in einem 1394 verfassten typikon der athonitischen Klöster als ‚Kloster des Chariton‘ (μονὴ τοῦ Χαρίτωνος) bezeich‑ net wurde.67 Spätere rumänisch‑slawische Dokumente kennen Koutloumousiou als ‚Kloster der Woiwoden‘ oder ‚Kloster des rumänischen Landes‘.68 Die Geschichte von Koutloumousiou zeigt, dass Klöster nach erfolgreichen Äbten und großzügigen Patronen benannt werden konnten, auch wenn dies vielleicht eher selten vorkam. Das Verlesen von typika Eine weitere Form des weltlichen Geden‑ kens war das Verlesen der typika. Dies fand mindestens einmal im Jahr (häufig am Todestag des Stifters), meist jedoch viel öf‑ ter, vor der gesamten Klostergemeinschaft statt.69 Obwohl das Verlesen der typika kein liturgischer Akt im eigentlichen Sinne war, diente es sicherlich dazu, das Gedächtnis an den Stifter zu perpetuieren. So wurde zum Schluss der (mindestens drei Mal im Jahr stattfindenden) Verlesung des typikon des Lips‑Klosters in Konstantinopel von der versammelten Klostergemeinschaft aus‑ gerufen: „Möge das Gedächtnis an den Stifter ewiglich bestehen“.70 Ein typikon war zudem nicht nur einfach eine Ordens‑ regel, sondern enthielt häufig auch biogra‑ phische Details zum Stifter. Die Autoren der sogenannten ‚aristokratischen‘ typika (→ 3.5.5) waren sehr um eine detaillierte

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Darstellung ihrer vornehmen Abstam‑ mung bemüht.71 Kaiser Michael VIII. Pa‑ laiologos (1259–1282), der ein engagierter Stifter von Klöstern war und die byzan‑ tinische Herrschaft über Konstantinopel wiederherstellte, zelebrierte seine militä‑ rischen Heldentaten in seinem typikon für das Kloster des Erzengels Michael auf dem Berg Auxentios. Mit der Hilfe des Herrn habe er, so das typikon, die Türken, Bul‑ garen und selbst die Lateiner zermalmt; ihm sei es auch zu verdanken, dass sogar Konstantinopel, das ‚neue Jerusalem‘, von der „italienischen [lateinischen] Tyrannei“ befreit worden war.72 Im Gegensatz dazu wird in ‚nicht‑aristokratischen‘ typika das heilige und tugendhafte Leben des Stifters, der später manchmal selbst als Heiliger verehrt wurde, ausgiebig betont.73 Weltliches Gedenken in der Literatur Bis zu einem gewissen Grad wurden Stif‑ ter auch in den verschiedenen Genres der byzantinischen Literatur gepriesen. Ins‑ besondere in der Poesie scheint es üblich gewesen zu sein, die Tugenden der Stif‑ ter zu rühmen. Dem bereits erwähnten typikon von Michael VIII. Palaiologos ist ein einzelnes Manuskript vorangestellt, das ein 108 Zeilen umfassendes Gedicht enthält, welches der Kaiser an seinen Na‑ mensvetter, den Erzengel Michael, richtet.74 Ähnlich wie in dem nachfolgenden typikon werden in dem Gedicht die militärischen Erfolge des Kaisers auf indirektem Wege gelobt, indem sie dem Schutz des Erzen‑ gels zugeschrieben werden. Dieses Gedicht repräsentiert ein großes Subgenre der by‑ zantinischen Lyrik, das unter der Bezeich‑ nung ‚Widmungsepigramme‘ bekannt ist; wenngleich normalerweise an den Emp‑ fänger oder ein göttliches Wesen gerichtet, sind sie ebenfalls Beispiele für weltliches Gedenken.75 Auch in anderen Literaturgat‑ tungen findet man weltliches Gedenken;

zum Beispiel lobten (oder kritisierten in einigen Fällen) damalige Historiker die Kaiser ob ihrer Stiftungsaktivitäten. Ge‑ rade von Kaisern wurde erwartet, dass sie philanthrōpia (φιλανθρωπία) praktizierten, wozu das Stiften von Kirchen, Klöstern und philanthropischen Einrichtungen ge‑ hörte.76 (→ 9.5) Ein besonders ergiebiger Bereich für weltliches Gedenken war das Verfassen hagiographischer Texte über das Leben des Stifters. Auch hier bietet das Pantokrator‑ Kloster ein anschauliches Beispiel, das da‑ rüber hinaus die weitere Entwicklung der Gedenkkultur der Stiftung erhellt. Obwohl im typikon Kaiser Johannes II. als alleiniger Stifter bzw. gemeinsam mit seiner Frau als Stifter genannt wird, wurde in der For‑ schung lange vermutet, dass es Kaiserin Irene, die Tochter des ungarischen Königs, war, die ursprünglich die Hauptrolle als Stifterin gespielt hat. Ein anonymes synaxarion für das Kloster, ein hagiographi‑ scher Kalender, wurde später verfasst und enthält daher auch Feiertage, die nicht im typikon erwähnt sind. Unter diesen befindet sich auch die Gedenkfeier für Irene am 13. August. In einer der zwei Fassungen des Textes findet man eine ausführliche hagiographische Beschreibung der Stif‑ terin, ihrer guten Taten und besonders ihrer Stiftung des Pantokrator‑Klosters.77 Obwohl in diesem wie auch in anderen Fällen Liturgisches von Weltlichem nicht komplett getrennt werden darf, war die Hagiographie im Allgemeinen eine lite‑ rarische Gattung, die auch Möglichkeiten für das weltliche Gedenken des Stifters bot. 8.5.4 Kultus Folgt man den Eigendarstellungen grie‑ chisch‑orthodoxer Stifter, so spielte der Kultus eine wichtige Rolle bei der Stiftung

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von Klöstern und philanthropischen In‑ stitutionen. Die Stifterin des Konvents ‚der Sicheren Hoffnung‘ (bebaias elpidos), Theo‑ dora Synadene, meinte, dass es keinen bes‑ seren Weg gebe, um seine reine Liebe und brennende Leidenschaft für den Schöpfer auszudrücken als „von den Grundmau‑ ern aus Heiligtümer und Gotteshäuser emporzuheben“.78 Die besondere Hinga‑ be für einen Heiligen, die Jungfrau oder Christus wird oft als der hauptsächliche Beweggrund für eine Stiftung genannt. Typika enthalten mitunter sehr ausgiebi‑ ge Passagen, die sich an den Patron rich‑ ten, dem die Stiftung gewidmet war: Als Gegenleistung wurde vom Patron erwar‑ tet, dass er am Tag des Jüngsten Gerichts ein gutes Wort für den Stifter einlegen werde. Isaak Komnenos, der Stifter eines der Mutter Gottes Kosmosoteira geweih‑ ten Klosters, legte in seinem typikon fest, dass die Mönche während der Andach‑ ten, die der Kommemoration seiner Per‑ son dienten, an einer bestimmten Stelle Folgendes ausrufen sollten: „Oh geliebte Mutter Gottes, halte Fürsprache bei deinem Sohn und erlöse deinen nahenden Diener und Stifter Isaak von der bevorstehenden Bestrafung und umfasse ihn mit deinen unbefleckten Armen.“79 Zu dem Kultus, der von griechisch‑orthodoxen Stiften prak‑ tiziert wurde, gehörten im Wesentlichen die Begehung eines Gedenktags für einen Patron, das Entzünden von Lampen und Kerzen sowie die zusätzliche Verteilung von wohltätigen Gaben, die sowohl der Klostergemeinschaft als auch den Armen und Bedürftigen zugutekamen. Neben den bedeutenden griechisch‑or‑ thodoxen Feiertagen und dem jährlichen Stiftergedenken handelte es sich bei dem Gedenktag für den Patron, dem eine Stif‑ tung gewidmet war, um ein wichtiges Ereignis, dessen Feier von den Autoren der typika minutiös geregelt wurde. An

Gedenken und Kultus

solchen Gedenktagen verlangten die Stifter, dass die Kirchen festlich erleuchtet werden sollten. Eine größere Anzahl von Kerzen und Lampen waren vor den Ikonen des Schutzheiligen einer Stiftung aufzustel‑ len; diese Ikonen wurden normalerweise durchgehend beleuchtet. Kehren wir zu dem Beispiel des Klosters Kosmosoteira zurück, in dem an Gedenktagen der Mutter Gottes vier Lampen in der Mitte der Kirche aufgestellt werden sollten; zwei Kronleuch‑ ter mit acht Kerzenhaltern und dreimal so viele Silberlampen waren vor den beiden Hauptikonen von Christus und der Jung‑ frau aufzuhängen. Die für ihre Gedenktage getroffenen Maßnahmen waren nicht nur visueller, sondern auch olfaktorischer Na‑ tur: Kostbare Öle und Weihrauch sollten verbrannt werden.80 Zu guter Letzt sollten an solchen Gedenktagen wohltätige Gaben‑ verteilungen an die Armen und die Kloster‑ gemeinschaft stattfinden. (→ 9.5) Ab dem späten 12. Jahrhundert war es männlichen Sängern, kallophonoi (wörtlich: ‚schöne Stimmen‘) genannt, in Ausnahmefällen gestattet, klösterlichen Grund und Boden zu betreten, um die Lobgesänge stimmlich zu unterstützen.81 So erlaubte ihnen der Stif‑ ter des Lips‑Klosters, der normalerweise diese kallophonoi verbot, den Zutritt am Geburtstag der Jungfrau, an dem auch der Kaiser anwesend sein sollte.82 Normalerweise wurde der Patron einer Stiftung am entsprechenden Gedenktag ge‑ feiert, aber es gibt, ebenso wie im Fall des Stiftergedenkens, Beispiele von täglichen oder wöchentlichen Zelebrationen. Kons‑ tantin Akropolites errichtete das Kloster der Wiederauferstehung, das unter der Herrschaft der Lateiner (1204–1261) nahezu vollständig zerstört worden war, gemein‑ sam mit seinem Vater Georg neu. Er legte fest, dass in der von ihm gekauften Ka‑ pelle, die Lazaros von Galesion gewidmet war, wöchentlich drei Messen abgehalten

Griechisch-orthodoxe Christen

werden sollten: sonntags wie üblich zu Ehren Christi, donnerstags zu Ehren des Lazaros von Galesion und samstags zu Ehren des Wiederbegründers Konstantin und seiner Mutter Eudokia.83 Zu allen Zeiten verpflichtete das byzan‑ tinische weltliche und kanonische Recht den Stifter, nicht nur für die Errichtung, sondern auch für die Instandhaltung, Aus‑ schmückung und Verbesserung von Stif‑ tungsgebäuden sowie für den ansässigen Klerus zu sorgen.84 Kaiser und Kanonisten beklagten sich fortwährend über vollmun‑ dige Ambitionen von Stiftern, die Gelder beim Bau einer Stiftung verschwendeten und sehr schnell feststellen mussten, dass ihre Mittel erschöpft waren, sodass die ur‑ sprünglichen Bauvorhaben nicht fertig ge‑ stellt werden konnten, ganz zu schweigen

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von der Instandhaltung und der Sorge für den Klerus. Da die große Mehrheit der er‑ haltenen Quellen zu griechisch‑orthodoxen Stiftungen aus dem klösterlichen Kontext stammt, wo der Unterhalt von Gebäuden und Personal in engem Zusammenhang mit dem Stiftergedenken standen, ist es schwierig, Fälle zu finden, in denen die Ge‑ währung von Unterstützung für Gebäude und Personal eher kultische als kommemo‑ rative Beweggründe hatte. Darüber hinaus gibt es überzeugende Belege dafür, dass der Klerus in der byzantinischen Gesellschaft vielfach auch weltliche Berufe ausübte; ein Priesteramt, das ausschließlich der Aus‑ übung von kultischen Tätigkeiten gewid‑ met war, existierte in der byzantinischen Kirche so gut wie nicht.85 ZC

Anmerkungen 1  [Manuel, Bischof von Stroumitza, Typikon.]

Ed. Louis Petit, Le Monastère de Notre‑Dame de Pitié en Macédoine, in: IRAIK 6, 1900, 1–153, Text 69–93, ND in Miljković‑Pepek, Veljusa (1981), 258– 272, hier 260. Engl. Übers. von Anastasius Brandy, in: BMFD 1, 167–191, hier 175. 2 Das nahezu vollständige Fehlen byzantini‑ scher Gedenkforschung ist jüngst unterstrichen worden von Grünbart, Memorialkultur (2012), 373– 376. Zwei bedeutende Ausnahmen bilden Thomas, In Perpetuum (2005), und Horden, Memoria (2005). Obwohl Ludwig Steindorffs Schwerpunkt auf dem späten Mittelalter und der russischen Frü‑ hen Neuzeit liegt, hat auch er das byzantinische liturgische Gedenken in den typika erörtert, vgl. Steindorff , Memoria in Altrußland (1994), 122–130. Zu Stiftung und Memoria in der byzantinischen Aristokratie jetzt Grünbart, Inszenierung und Repräsentation (2015), 132–170. 3 Thomas, In Perpetuum (2005), 123 f. 4  Coman, Moldavians, Wallachians and Roma‑ nians (2012), 127; 129. 5 Ebd., 130 f. Năsturel, Mont Athos (1986), 35 f., weist darauf hin, dass man die Stiftungen der

Woiwoden auch als im Namen des rumänischen Volkes getätigt verstehen kann (selbst wenn das in den Urkunden nicht expliziert wird). 6 Nikodēmos Hagioritēs, Homologia pisteōs, ētoi Apologia dikaiotatē. Venedig 1819, Neuedi‑ tion in: En askēsei kai martyriō. Anekdota Philo‑ kalika kai Kollybadika hymnagiologika keimena gia ton Monachismo, tous Neomartyres kai tēn Paradosē, tōn hagiōn Nikodēmou Hagioreitou kai Athanasiou Pariou. Sto Epimetro ekdidetai holoklērē hē dyseuretē Apologia kai Homologia Pisteōs tou hagiou Nikodēmou tou Hagioreitou. Ed. Pantelēs V. Paschos. (Hymnagiologika Keimena kai Meletes, Bd. 3.) Athen 1996. Vgl. Petit, Grande controverse (1899), 326. 7 Zu den Diptychen und den sechs Stufen des Gedenkens siehe Taft, History of the Liturgy (1991), 1–7. 8 Zu den Unterschieden zwischen anaphoralen Fürbitten und Diptychen siehe ebd., 30–32. 9 Taft, History of the Liturgy (1991), 6 f.; Zhishman, Stifterrecht (1888), 48 f. 10  Theodore of Mopsuestia, Commentary on the Psalms 1–81. Übers. Robert C. Hill. (Society

162 of Biblical Literature; Writings from the Greco‑ Roman World, Bd. 5.) Leiden / Boston 2006, 914–917. Diese Übersetzung enthält eine photographische Reproduktion von Le commentaire de Théodore de Mopsueste sur les Psaumes. Ed. Robert Devresse. (Studi e testi, Bd. 93.) Vatikanstadt 1939. 11  Theodor von Mopsuestia, Katechetische Ho‑ milien, Bd. 2. Übers. Peter Bruns. (Fontes Chris‑ tiani, Bd. 17.2.) Freiburg i. Br. / Basel / Wien u. a. 1995, 419. Eine photographische Reproduktion des Textmanuskripts (Mingana Syr. 561) findet sich in Les homélies catéchétiques de Théodore de Mopsueste. Ed. und übers. Raymond Tonneau. (Studi e testi, Bd. 145.) Vatikanstadt 1949, hier 526–529. 12  Taft, History of the Liturgy (1991), 9 f.; 105 f. 13  Eine Ausnahme mit abweichender Lesung findet man in einer Handschrift der Messliturgie des Basileios von Kaisareia, die heute im römi‑ schen Kloster Grottaferrata liegt: „Lass uns bitten für die Seligkeit der Seelen der unvergessen Stifter dieses heiligen Klosters“; vgl. Euchologion sive Rituale Græcorum. Ed. Jacques Goar. Venedig 2 1730, 150. 14  Divine Liturgy of the Armenian Apostolic Church. Ed. und übers. Tiran Abp. Nersoyan. Lon‑ don 51984, hier 86. Erörtert bei Taft, History of the Liturgy (1991), 66–68. 15  The Syriac Liturgy of S. James. Übers. F. E. Brightman, in: Ders., Liturgies Eastern and Wes‑ tern, Bd. 1. Oxford 1896, 69–109, hier 92: „Again then we commemorate all faithful kings and true christians who in the four quarters of this world have founded and established churches and monasteries of God: and for every christian polity, the clergy and the faithful people, that they be exercised in virtue let us beseech the Lord.“ Erörtert bei Taft, History of the Liturgy (1991), 74 f. 16  Ebd., 34–36. 17  Diese Frage wird am ergiebigsten erörtert ebd., 165–183. Als Liturgiehistoriker liegt sein Schwerpunkt verständlicherweise auf den liturgi‑ schen Quellen und theologischen Texten, so dass die typika oder byzantinischen Testamente und Schenkungsakte von ihm nicht berücksichtigt werden. Folglich bleibt auch unerwähnt, dass Geber und Stifter zu der Gruppe von Personen gehörten, denen liturgisches Gedenken in den

Gedenken und Kultus

Diptychen zuteil werden konnte, obwohl sie zwei‑ fellos von großer Bedeutung waren. 18  Velkovska, Funeral Rites (2001), 41 f. 19  Siehe hierzu Dagron, Troisième, neuvième et quarantième jours (1984). 20 Taft / Kazhdan, Kollyba (1991). 21 Das Taktikon des Nikon vom Schwarzen Ber‑ ge. Griechischer Text und kirchenslavische Über‑ setzung des 14. Jahrhunderts, 2 Bde. Ed. Christian Hannick. (Monumenta linguae slavicae dialecti veteris. Fontes et dissertationes, Bd. 62.) Freiburg i. Br. 2014, Bd. 1, 136–155, Logos 2, hier 148. Engl. Übers. auf Grundlage einer älteren Edition von Robert Allison in: BMFD 1, 425–439, hier 434. 22 La diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 39, 1981, 5–143, hier 65, Z. 791–802. Engl. Übers. von Alice-Mary Talbot in: BMFD 1, 326–376, hier 348. 23 Le typikon de la Théotokos Kécharitôménè. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 43, 1985, 5–165, hier 59, Z. 708–715. Engl. Übers. von Robert Jordan in: BMFD 2, 649–724, hier 678. 24 Le typikon du Christ Sauveur Pantocrator. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 32, 1974, 1–145, hier 29, Z. 22–31, Z. 41. Engl. Übers. von Robert Jordan in: BMFD 2, 725–781, hier 738. 25 Typikon du Christ Sauveur Pantocrator. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 24), 89, Z. 1007–1019; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 24), 759. 26 Meester, Monachicus status (1942), 11; 149; Zhishman, Stifterrecht (1888), 48 f. 27 Le typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 42, 1984, 5–145, hier 99, Z. 1319–1323. Engl. Übers. von Robert Jordan in: BMFD 2, 507–563, hier 545. 28 Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 22), 47, Z. 506–49, Z. 523; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 22), 343. 29 Zu Memorialfesten und Spendenverteilun‑ gen: Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 27), 97, Z. 1292–1299; Z. 1307; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 27), 544. Zu Samstagsgottesdiensten: Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 27), 101, Z. 1367–1376: engl. Übers. Jordan (wie Anm. 27), 545 f. 30 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 27), 73, Z. 891; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 27), 536.

Griechisch-orthodoxe Christen

31 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos.

Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 27), 113, Z. 1559– 1562; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 27), 549 f. 32 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 27), 117, Z. 1618– 1622; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 27), 551. 33 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 27), 63, Z. 736– 739; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 27), 533. 34 Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 22), 65, Z. 785 f.; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 22), 348. 35 Le typikon de la Théotokos Évergétis. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 40, 1982, 5–101, hier 77, Z. 1083 f. Engl. Übers. von Robert Jordan in: BMFD 2, 454–506, hier 493. 36 Typikon tēs en tō periōnymō bounō Auxen‑ tiou kata tēn eparchian Chalkēdonos basilikēs monēs tou Archistratēgou Michaēl, hēs ktētōr ba‑ sileus Michaēl prōtos tōn Palaiologōn. Ed. Alekseĭ Dmitrievskiĭ, Opisanie liturgicheskikh rukopiseĭ khrani͡ashchikhsi͡a v bibliotekakh pravoslavnogo Vostoka, Bd. 1. Kiew 1895, 769–794, hier 788. Engl. Übers. von George Dennis in: BMFD 3, 1207–1236, hier 1229. 37 Hypotypōsis syn Theō katastaseōs tēs eu‑ agestatēs monēs tōn Stoudiou. Ed. Dmitrievskiĭ (wie Anm. 36), 224–238, hier 230. Engl. Übers. von Timothy Miller in : BMFD 1, 84–119, hier 103. 38 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 27), 103, Z. 1398– 1400; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 27), 546. 39 Typikon de la Théotokos Évergétis. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 35), 77, Z. 1093–79, Z. 1105; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 35), 494. 40  Typikon tēs agias monēs poiēthen para tou ktētoros tēs autēs hagias monēs. Ed. Geōrgios Ath. Chōras, He „agia monē“ Areias. Athen 1975, 244–252, hier 251. Engl. Übers. von Alice-Mary Talbot in: BMFD 3, 954–972, hier 968 f. 41  Typikon de la Théotokos Évergétis, Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 35), 79, Z. 1105–1107; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 35), 494. 42  Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 27), 103, Z. 1387– 1397; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 27), 546. 43  Typikon ētoi kanonikon tou hosiou kai theophorou patros hēmōn Athanasiou tou en tō Athō. Ed. Ph. Meyer, Die Haupturkunden

163 für die Geschichte der Athosklöster. Leipzig 1894, 102–122, hier 119, Z. 24, bis 120, Z. 11. Engl. Übers. von George Dennis in: BMFD 1, 245–270, hier 263. 44  Diese Bedingung führte nach dem Fall des Byzantinischen Reiches im Jahre 1453 zu einigen Problemen, so dass danach in einigen Fällen der russische Zar, und, nachdem Griechenland im 19. Jahrhundert ein unabhängiges Königreich geworden war, der König von Griechenland an dessen Stelle traten; siehe Taft, History of the Liturgy (1991), 15 f. 45  Diptychs of Jerusalem. Ed. F. E. Brightman, Liturgies Eastern and Western, Bd. 1. Oxford 1896, 501–503. Beschrieben und analysiert bei Taft, His‑ tory of the Liturgy (1991), 61–65. 46  Diptychs of Jerusalem. Ed. Brightman (wie Anm. 45), 502, Z. 34–38. Drei Regierungszeiten wurden in der zweiten Liste ausgelassen: zwei von Eudokia in den Jahren 1067 und 1071 und die‑ jenige von Nikephoros III. Botaneiates (1078–1081); zur Analyse der Namen siehe Taft, History of the Liturgy (1991), 170 f. 47  Ebd., 103–105; 170. 48  Monistero di S. Filippo di Fragalà. Ed. und übers. Giuseppe Spata, Le Pergamene greche esis‑ tenti nel Grande Archivio di Palermo. Palermo 1861, 197–210, Nr. 6, hier 203. Engl. Übers. von Patricia Karlin-Hayter in: BMFD 2, 630–633, hier 633. 49  Monistero di S. Filippo di Fragalà. Ed. und übers. Spata (wie Anm. 48), 211–214, Nr. 7, hier 212; engl. Übers. Karlin-Hayter (wie Anm. 48), 633 f., hier 633. 50 Diathēkē Nikōnos, Monachou tou Metano‑ eite. Ed. Od. Lampsidēs, O ek Pontou Nikōn o Me‑ tanoeite. (Archeion Pontou, Bd. 13.) Athen 1982, 252–256, hier 254 f. Engl. Übers. von Anastasius Bandy in: BMFD 1, 313–322, hier 319. Ich folge der Lesart στρατηγὸς in den Manuskripten Π und Λ anstelle von στρατιώτης in Μ. Zur Identifikation von Basileios Apokauos mit dem Militärgouver‑ neur von Korinth, erwähnt in Nikons Vita, siehe ebd., 321. 51 Inventaires en vue d’un recueil des inscrip‑ tions de Byzanz. III. Inscriptions du Péloponnese (à l’exception de Mistra). Ed. D. Feissel / A. Philippidis-Braat, in: TM 9, 1985, 267–369, hier 301 f., Nr. 43. Engl. Übers. von Stephen Reinert in: BMFD 1, 323–325, hier 324 f.

164 52 Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 22), 81, Z. 1051–1055; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 22), 354. 53 Aristakes of Lastivert, History of the Arme‑ nians. Ed. K. Yuzbašyan, in: Patmut’iwn Aristakisi Lastivertc’woy. Jeriwan 1963, hier 42 f.; Übers. M. Carnard / H. Berbérian, Récit des malheurs de la nation arménienne. (Bibliothèque de Byzantion, Bd. 5.) Brüssel 1973, hier 28 f. 54 Zu den Stiftungsmerkmalen unter bischöfli‑ cher Rechtsprechung siehe Meester, Monachicus status (1942), 9 f.; 111–119. 55 Zum kanonikon siehe Herman, Bischöfliches Abgabenwesen (1939), 447–457. 56 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 27), 45, Z. 439– 444; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 27), 527. 57 Meester, Monachicus status (1942), 10 f., 119– 137; Taft, History of the Liturgy (1991), 136; Thomas, Private Religious Foundations (1987), 238–243. 58 Typikon tēs Monēs tou hagiou megalomar‑ tyros Mamontos. Ed. Sōphronios Eustratiadēs, in: Hellenika 1, 1928, 256–314, hier 265, Z. 23–30. Engl. Übers. von Anastasius Bandy in: BMFD 3, 973–1041, hier 998. 59 Ioannis Oxeitae Oratio de monasteriis laicis non tradendis. Ed. und übers. Tizania Creazzo. (Quarderni dell Rivista di Bizantinistica, Bd. 8.) Spoleto 2004, 76, Z. 469–479. 60 Taktikon des Nikon vom Schwarzen Berge. Ed. Hannick (wie Anm. 21), Bd. 1, 586–622, Logos 20. Zusammenfassung bei Giankou, Nikōn (1991), 115 f. 61 Ebd., 211. 62 Typikon Isaakiou Alexiou Komnēniou tēs Monēs Theotokou tēs Kosmosōteiras. Ed. Geōrgios K. Papazoglos. Komotini 1994, 118, Z. 1627–1636. 63 Horden, Memoria (2005), 143. 64 Tē autē hēmera telountai ta enkainia tou perikallous kai theiou naou tēs basilikēs kai pantokratorikēs monēs tou Pantokratoros Sōtēros Christou tou Theou hēmōn. Ed. Vassis, Pantokra‑ torkloster (2013), 213–218. Engl. Übers. bei Magdalino, Foundation (2013), 49–52. 65 Zu ‚Basileias‘ und anderen Beispielen von piae causae, die nach ihren Gründern benannt wurden, siehe Horden, Memoria (2005), 142 f. 66 Vgl. die Einleitung zu Actes de Kutlumus. Ed. Paul Lemerle. (Achives de l’Athos, Bd. 2.) Pa‑ ris 21988, 1–5.

Gedenken und Kultus

67 Epistolē tou panagiōtatou kai oikoumeni‑

kou patriarchou kai tēs hagias synodou tōn tote heurethenōn archiereōn pros tous Agioreitas. Ed. Ph. Meyer, Die Haupturkunden für die Geschichte der Athosklöster. Leipzig 1894, 195–203, hier 197, Z. 26 f; 202, Z. 17. In diesem Dokument wird auch das „Kloster des Konstantin“ erwähnt: ebd. 197, Z. 26; 202, Z. 15. – Vgl. zu diesem Dokument auch die Einleitung zu Actes de Kutlumus. Ed. Lemerle (wie Anm. 66), 14. 68 Ebd., 1. 69 So wurde etwa das typikon für das Konstan‑ tinopler St.‑Mamas‑Kloster insgesamt siebenmal im Jahr vorgelesen sowie an denjenigen Tagen, an denen der Stifter gedacht wurde: Typikon tēs Monēs tou hagiou megalomartyros Mamontos. Ed. Eustratiadēs (wie Anm. 58) 272 f.; engl. Übers. Bandy (wie Anm. 58), 1004. 70 Le typicon du monastère de Lips. Ed. Hippolyte Delehaye, Deux typica byzantins de l’époque des Paléologues. Brüssel 1921, 106–136, hier 111, Z. 11. Engl. Übers. von Alice-Mary Talbot in: BMFD 3, 1254–1286, hier 1268. 71 Galatariotou, Byzantine Ktetorika Typika (1987), 89–91. 72 Typikon tēs en tō periōnymō bounō Auxen‑ tiou kata tēn eparchian Chalkēdonos basilikēs monēs. Ed. Dmitrievskiĭ (wie Anm. 36), 771; engl. Übers. Dennis (wie Anm. 36), 1216. 73 Galatariotou, Byzantine Ktetorika Typika (1987), 133–135. 74 Stichoi eucharistērioi hōs apo tou basileōs pros ton Archistratēgon Michaēl. Ed. P. N. Papageorgiu, Zwei iambische Gedichte saec. XIV und XIII, in: BZ 8, 1899, 672–677, Text 674–677. 75 Zu ‚Widmungsepigrammen‘ vgl. Lauxtermann, Byzantine Poetry (2003), 149–196. 76 Constantelos, Byzantine Philanthropy (1991), 89–103. 77 Tē autē hēmera mnēmē tēs aoidimou kai pam ma karistou basilissēs kai ktētorissēs tēs se‑ basmias monēs tou Pantokratoros sōtēros Chris‑ tou Eirēnēs, tēs dia tou hagiou kai angelikou schēmatos metanomastheisēs Xenēs monachēs. Ed. Kotzabassi, Feasts (2013), 170–175. Engl. Übers. bei Magdalino, Foundation (2013), 53–55. 78 Le typicon du monastère de Notre‑Dame τῆς Βεβαίας Ἐλπίδος. Ed. H. Delehaye, in: Ders., Deux typica byzantins de l’époque des Paléologues.

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Brüssel 1921, 18–105, hier 20, Z. 7–10. Engl. Übers. von Alice-Mary Talbot in: BMFD 4, 1512–1578, hier 1523. 79 Typikon Isaakiou Alexiou Komnēniou. Ed. Papazoglos (wie Anm. 62), 42, Z. 127–130. 80 Ebd., 44, Z. 158 bis 45, Z. 185. 81 BMFD 4, 1376. 82 Typicon du monastère de Lips. Ed. Delehaye (wie Anm. 70), 128, Z. 1–21; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 70), 1277. 83 Logos eis tēn anakainisin tou naou tēs tou kyriou ēmōn Anastaseōs diathētikos. Ed. Hippolyte

165 Delehaye, Constantini Acropolitae hagiographi byzantini epistularum manipulus, in: Analecta Bollandiana 51, 1933, 269–284, Text 279–284, hier 282. Engl. Übers. von Alice-Mary Talbot in: BMFD 4, 1374–1382, hier 1380. 84 Meester, Monachicus status (1942), 12; 143–145; Zhishman, Stifterrecht (1888), 64 f. 85 Zur Ausübung von weltlichen Berufen durch den Klerus im spätantiken Ägypten siehe Thomas, Private Religious Foundations (1987), 69–71; in Byzanz im Allgemeinen siehe Constantelos, Cle‑ rics and Secular Professions (1985).

8.6 Indien 8.6.1 Allgemeines Unter den explizit formulierten Zweckbe‑ stimmungen mittelalterlicher indischer Stiftungen spielte der Kultus die zentrale Rolle. Das Konzept des Stiftergedenkens ist hingegen nur indirekt nachweisbar und hatte offenbar keine so große Be‑ deutung wie im Christentum und im Islam. Die in den Stiftungsdokumenten anzutreffenden ‚Verwendungsrichtlinien‘ waren in der Regel formelhaft und ste‑ reotyp. Nicht alle Kupfertafelurkunden enthalten entsprechende Verfügungen, weshalb wohl davon auszugehen ist, dass in diesen Fällen bereits die genaue Nen‑ nung des Begünstigten und die Charak‑ terisierung der Gabe als religiöse Stif‑ tung den kultischen Zweck hinreichend, wenn auch nur implizit definierten. So scheint nach dem Verständnis der früh‑ mittelalterlichen Urkundenverfasser z. B. nicht zwingend erwähnenswert gewesen zu sein, dass eine Dotation zugunsten eines Brahmanen für kultische Verrich‑ tungen genutzt werden sollte. Offenbar wuchs jedoch der Bedarf nach genaueren

Regelungen in Schriftform im Laufe der Zeit. In mittelalterlichen indischen Stiftungs‑ zeugnissen lassen sich – wie in anderen religiösen Traditionen – im wesentlichen drei Kultaspekte unterscheiden, denen die Dotationen dienen sollten: (1.) der verste‑ tigte Kultus im engeren Sinne, d. h. die Durchführung religiöser Zeremonien, (2.) die kontinuierliche Versorgung der Kul‑ tusverantwortlichen und (3.) die Errich‑ tung und dauerhafte Erhaltung sakraler Baulichkeiten. Diese drei Elemente traten jedoch nicht immer gemeinsam auf. Diffe‑ renzen ergaben sich vor allem in Abhän‑ gigkeit von der religiösen Ausrichtung und von der Organisationsform der jeweiligen Destinatäre. Sowohl rein terminologische als auch inhaltliche Unterschiede und Ge‑ meinsamkeiten zwischen den Kultusbe‑ stimmungen der verschiedenen indischen Denominationen sind belegbar. Eine ausgeprägte memoria im christli‑ chen (oder islamischen) Sinne lässt sich in Dokumenten aus dem mittelalterlichen

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Indien nicht nachweisen. Doch dienten insbesondere die vielen Stifterinschriften selbstverständlich auch dem Andenken an diese Personen und ihre Familien. Be‑ sonders deutlich wird dies in den Lob‑ preisungen königlicher Stiftungsurkunden. Darüber hinaus wurden religiöse Baulich‑ keiten und Kultbilder oft nach den Per‑ sonen benannt, die sie hatten errichten beziehungsweise aufstellen lassen. Nur vereinzelt finden sich Hinweise dazu, dass für verstorbene Stifter Gebete durch die Empfänger ihrer Dotationen zu sprechen waren. 8.6.2 Gedenken Trotz ihrer Vielzahl enthalten die indi‑ schen Stiftungsurkunden so gut wie keine Verfügungen, die mit den ganz konkreten Vorgaben zur liturgischen memoria zu‑ gunsten verstorbener Stifter in den Zeug‑ nissen des lateinischen Christentums ver‑ gleichbar wären. Begünstigte christlicher und auch muslimischer Stiftungen hatten in bestimmten Rhythmen Fürbittengebete für die Seelen ihrer einstigen Mäzene zu leisten, wobei eine zentrale Rolle die Grä‑ ber und Grablegen der verstorbenen Stifter spielten. Im mittelalterlich‑vorislamischen Indien wurden die sterblichen Überreste der Toten nicht in Gräbern bestattet – mit bestimmten Ausnahmen beispielsweise im Buddhismus. Die Verantwortung für die Verstorbenen in Form der Totenopfer (śrāddha) lag, insbesondere im brahma‑ nisch‑hinduistischen Umfeld, beim ältesten Sohn und konnte nicht delegiert werden. Überdies wirkte nach dem karman‑Gesetz der Tatvergeltungsmechanismus automa‑ tisch (→ 7.6.1), und die religiösen Verdiens‑ te (puṇya; → 7.6.2) des Stifters erzeugten ihre Wirkung auch ohne Fürbitten der Stif‑ tungsbegünstigten.

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Gregory Schopen ist bei seinen For‑ schungen zur kanonischen Literatur des Mūlasarvāstivāda allerdings auf einige Anzeichen für Formen des Gedenkens ge‑ stoßen, die möglicherweise mit memoria vergleichbar sind. So heißt es am Anfang einer im ‚Śayanāsanavastu‘ geschilderten, von Schopen übersetzten Episode, die auf eine angebliche Äußerung des Erhabe‑ nen, d. h. des Buddha, Bezug nimmt: „The Blessed One has said: ‚The reward must be assigned in the name of the dead do‑ nors!‘ (abhyatītakālagatānāṃ dānapatīnām nāmnā dakṣiṇā ādeṣṭavyā iti). The Elder of the Community (saṃghasthavira) was reciting the verse for the sake of the dead donors, and a certain householder came to the vihāra. He heard him assigning the reward. He approached the Elder and said: ‚Noble One, if I have a vihāra built, will you assign a reward in my name also?‘ The Elder said: ‚Do so! I will duly make the assignment.‘“1 Aus dieser und anderen in Sanskrit beziehungsweise Tibetisch über‑ lieferten Passagen hat Schopen folgenden Schluss gezogen: „The recitation of verses for the benefit of donors was apparent‑ ly a regular part of a Mūlasarvāstivādin monastic community’s activity. It was ap‑ parently not only a public event (…) it was done daily as a part of the regular round of monastic chores.“2 Die bekannten buddhistischen Stif‑ tungsurkunden enthalten hingegen offen‑ bar keine Hinweise auf ein systematisches liturgisches Gedenken für verstorbene Stifter oder deren Angehörige. In einer brahmanisch‑hinduistischen Dotation des 13. Jahrhunderts aus dem südindischen Karnataka aber wurde z. B. verfügt, dass ein Teil der Erträge für die Durchführung des ‚Ahnentages‘ der Kādamba‑Dynastie benutzt werden sollte, in die die Stifterin eingeheiratet hatte. Als Motiv für das Han‑ deln der Fürstin Daśāvatī Padmaladevī, der

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„gekrönten Hauptgemahlin“ (paṭṭamahiṣī) des Fürsten Malla, ist der „Durst aller Ah‑ nen ihres Kādamba[‑Geschlechts]“ (svakādambāśeṣapitṛtrṣṭyartham) genannt, den es zu stillen galt.3 Dieser „große Festtag der Ahnen[verehrung]“ (pitṛdinamahālaya) wurde vermutlich im Jahresrhythmus be‑ gangen. Erwähnenswert ist in diesem Zusam‑ menhang auch, dass in einigen von den nordindischen Dynastien der Paramāras und Candellas im 11. und 12. Jahrhundert ausgegebenen Urkunden als Anlass für die jeweilige Stiftungshandlung der Jah‑ restag der Verbrennungszeremonie für einen verstorbenen nahen Angehörigen (sāṃvatsarika)4 genannt wird. So ließ der Candella‑König Devavarman im Vikrama‑ Jahr 1107 (1052 u. Z.) „am Jahrestag sei‑ ner Mutter, der Königin Śrī‑Bhuvanadevī“ (ātmīyamātuḥ rājñīśrībhuvanadevyāḥ sāmvatsarike), eine religiöse Stiftung an einen Brahmanen vornehmen.5 Der Paramāra‑ Herrscher Yaśovarman von Ujjain stiftete offenbar in den Jahren 1191 und 1192 der Vikrama‑Ära (1135 u. Z.) „zum Jahrestag des Mahā rāja Śrī‑Naravarma deva“6 so‑ wie „zum Jahrestag der Śrī‑Momaladevī“7. Naravarman war der Vorgänger von Yaśovarman und wohl dessen Vater; bei Momaladevī handelte es sich vermutlich um Yaśovarmans Mutter. Wie bereits erwähnt, hängt die gerin‑ ge Bedeutung des verstetigten Stifterge‑ denkens in Indien vermutlich mit dem karman‑Konzept (→ 7.6.1) zusammen, auf das sich viele Hinweise sowohl in der brah‑ manisch‑hinduistischen als auch in der buddhistischen und jinistischen Literatur finden. Allerdings ergibt sich angesichts der religiösen Praxis, Stifterinschriften an vielen, wenn auch keineswegs allen gestifteten Objekten zu hinterlassen, ein doktrinäres Problem, das Gregory Schopen so formuliert hat: „It is far from clear what

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possible function such records could have in a world that was governed by the certain inexorability of karma; if every act inexo‑ rably had its consequence (…) then any act was already in the most important sense indelibly, automatically, and unavoidably entered into the ‚record‘, and there could be no doubt about who did it. To record it in stone would seem at best redundant, if not, again, completely pointless.“8 Es stellt sich also die Frage, ob die Stifter überzeugt davon waren, dass der Tatvergeltungs‑ mechanismus so ‚unerbittlich‘ und quasi naturgesetzmäßig funktionierte, wie in der Theorie angenommen. Hinzu kommt, dass viele Urkunden, obwohl nach der karman‑Theorie bei ent‑ sprechendem Handeln religiöse Verdienste (puṇya) automatisch entstanden und ihre Wirkung entfalteten, eine Formel enthal‑ ten, in der die entsprechende Motivation des Stifters, nämlich Verdienst zu erwer‑ ben, ausdrücklich Erwähnung findet. In vielen Fällen könnte der Grund dafür sein, dass nach dem Verständnis der Akteure puṇya nicht nur für die Stifter selbst ge‑ neriert, sondern auch auf andere Personen übertragen werden sollte (→ 7.6.2), was ebenfalls einer strengen Auslegung der karman‑Doktrin zu widersprechen scheint. Die erwünschten Übertragungen von Ver‑ dienst zeigen in Hinsicht auf die personelle Distribution gewisse Ähnlichkeiten mit den christlichen und muslimischen Ver‑ fügungen zum Gedenken (→ 8.2.2; 8.3.2), die sich ebenfalls nicht immer nur auf die Stifter bezogen. Puṇya wurde in Indien oft den lebenden oder bereits verstorbenen Eltern gewidmet; mitunter konnten davon auch andere Verwandte sowie Lehrer des Stifters profitieren. Besonders ausgestaltete Verdienstüber‑ tragungsformeln finden sich in einigen buddhistischen Stiftungsinschriften, wie z. B. in einem epigraphischen Dokument

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aus der Herrschaftszeit des Hūṇa‑Königs Toramāṇa, der am Ende des 5. und zu Be‑ ginn des 6. Jahrhunderts über Teile Nord‑ und Westindiens regierte. In der in Kura im Nordwesten des Subkontinents entdeckten Steininschrift,9 die die Errichtung eines buddhistischen Klosters bezeugt, heißt es: „Diese religiöse Stiftung [deyadharma] [ist] die Errichtung eines Klosters durch den ed‑ len Sohn des Roṭṭajayavṛddhi, eines Herrn vieler Klöster. Das hiermit verbundene religiöse Verdienst möge sein für die Er‑ langung unübertroffenen Wissens aller Wesen, [insbesondere] für Mutter und Va‑ ter, (…) für alle Brüder, Schwestern, Frau‑ en, Söhne [und] Töchter des Klosterherrn Roṭasiddhavṛddhi [sowie] für die Köni‑ ginnen, Prinzen und Prinzessinnen des Toramāṇa Ṣāha Jaū[vla].“10 Am mit der Stif‑ tung generierten religiösen Verdienst soll‑ ten demnach des Stifters Verwandte ersten Grades sowie die nächsten Angehörigen des Königs (nicht er selbst!) beteiligt wer‑ den. Die Artikulation des Wunsches, dass durch die Stiftung „alle Wesen unüber‑ troffenes Wissen“ erlangen sollten, deu‑ tet überdies auf einen Mahāyāna‑Kontext hin. Nach den im Mahāyāna propagierten Ansichten ermöglichten höchstes Wissen beziehungsweise höchste Weisheit die Er‑ lösung aus dem Geburtenkreislauf, wobei dieser Weg der Erkenntnis nicht zwingend ein individueller war, sondern die Mög‑ lichkeit offerierte, sich helfen zu lassen oder selbst anderen Hilfe zu leisten, und in der potentiellen Einbeziehung ‚aller Wesen‘ gipfelte. Wie Adelheid Herrmann‑Pfandt anhand epigraphischer und literarischer Quellen überzeugend gezeigt hat, ist die Idee der Übertragbarkeit von Verdienst kein Gedan‑ ke, der erst mit dem Mahāyāna entstand.11 Bereits im frühen Buddhismus existierte diese Vorstellung, allerdings zunächst nur in Hinsicht auf immanente Ziele, d. h. Ziele

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innerhalb des Geburtenkreislaufs (saṃsāra), Vorteile in diesem Leben oder eine bessere Wiedergeburt. Durch den Mahāyāna wur‑ de die Anwendbarkeit des Konzepts auf heilsrelevante, transzendente Ziele und mithin auf das Streben nach Erleuchtung und Erlösung (nirvāṇa) erweitert. In Stiftungsurkunden und ‑inschriften verschiedener religiöser Richtungen wurde geäußert, dass man sich erhoffte, „Früchte im Diesseits und im Jenseits zu erlangen“ (aihikāmuṣmikaphalāvāptyartham). Vor al‑ lem Könige und Fürsten strebten nicht nur nach einem Anwachsen ihrer religiösen Verdienste, sondern explizit auch nach einer Steigerung ihres Ruhmes (yaśas). Über diese Verknüpfung ist auch zu er‑ klären, dass ein anderer Begriff für ‚Ruhm‘ – kīrtana / kīrti – in diversen Inschriften nicht nur für ‚Ruhmestaten‘ schlechthin, sondern auch für ‚Ruhmesmonumente‘, speziell für (von Herrschern) gestiftete Tempel, benutzt wurde.12 Um an ein sol‑ ches ‚Ruhmesmonument‘ die Erinnerung an den Stifter zu binden, wurden in Indien – wie in anderen Teilen der Welt – religiö‑ se Baulichkeiten oft nach ihren Gründern oder Stiftern benannt.13 Sowohl Inschriften (→ 7.6.2) als auch viele Siegelfunde belegen diesen Brauch. In normativen Texten gibt es allerdings kaum Hinweise auf die Pra‑ xis, Stiftungen durch Namensinschriften zu kennzeichnen, wie Gregory Schopen für das buddhistische Umfeld festgestellt hat: „There is little or no textual warrant for the practice of inscribing a donor’s name on the object he or she has given“.14 Lediglich um Streit zwischen den Klöstern zu vermeiden, empfehlen die kanonischen Texte, Besitztümer unter anderem mit den Stifternamen zu deklarieren. Neben Gründungsinschriften an Klös‑ tern beziehungsweise Tempeln enthalten auch Urkunden über Unterhaltsdotatio‑ nen zugunsten solcher Institutionen oft

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Hinweise auf die Namen der einstigen Stif‑ ter dieser Baulichkeiten. So wurde z. B. ein frühmittelalterliches buddhistisches Kloster, das in Gujarat von Prinzessin Duḍḍā, einem weiblichen Mitglied des Herrscherhauses der Maitrakas, gegrün‑ det worden war, entweder als duḍḍāvihāra oder als duḍḍākāritavihāra, „Kloster, das Duḍḍā hatte errichten lassen“, bezeichnet.15 In hinduistischen Kontexten ist erwäh‑ nenswert, dass das Hauptkultbild eines Tempels häufig nach seinem Stifter be‑ nannt wurde, wobei man in vielen Fällen wohl davon ausgehen kann, dass dieser auch der Gründer des Heiligtums war, das erst durch die Weihe des Kultbildes zum Sakralbau wurde. Besonders viele Beispiele dieser Praxis liegen für Śiva‑Tempel vor, in deren Allerheiligstem sich in der Re‑ gel keine anthropomorphe Götterplastik befand, sondern ein (steinerner) Phallus (liṅga) als Symbol des Īśvara (Śiva). So hieß z. B. ein im Auftrag des Rāṣṭrakūṭa‑ Königs Govinda IV. im 10. Jahrhundert auf‑ gestellter ‚Śiva‘ Govindeśvara und dessen Heiligtum Govindeśvarālaya, ein wenige Jahrzehnte später vom Rāṣṭrakūṭa‑König Kṛṣṇa III. gestifteter ‚Śiva‘ Kṛṣṇeśvara und das Heiligtum Kṛṣṇeśvarāyatana,16 ein von einem westindischen Dorfvorsteher na‑ mens Bhāiyapa im 11. Jahrhundert aufge‑ stellter ‚Śiva‘ Bhāiyapeśvara und ein im 13. Jahrhundert von der bereits erwähn‑ ten Fürstin Padmaladevī gestifteter ‚Śiva‘ Padmaleśvara.17 Aus den epigraphischen Quellen geht zudem hervor, dass Götterbilder auch dem Andenken verstorbener Angehöriger ge‑ widmet wurden. Der in Karnataka regie‑ rende Fürst Bīcaṇa, ein Zeitgenosse der Padmaladevī, ließ berichten, dass er meh‑ rere liṅga‑Heiligtümer gegründet hatte, von denen eines Cikkeśvara hieß, nach seinem verstorbenen Vater Cikkadeva.18 Zur sel‑ ben Zeit errichtete in Maharashtra die aus

einer lokalen Vasallenfamilie stammende Fürstin Lakṣmī zu Ehren ihres im Kampf gefallenen Bruders Rāma einen Tempel für Nārāyaṇa (Viṣṇu), der den Namen Rāmanārāyaṇa erhielt.19 8.6.3 Kultus Brahmanische Stiftungen Bis ins 10. / 11. Jahrhundert galt die über‑ wiegende Zahl der mittelalterlichen in‑ dischen Stiftungen Brahmanen ohne er‑ sicht lichen Bezug zu einem Tempel. Die entsprechenden Dotationen sollten die Brahmanenpriester in die Lage versetzen, ihren Standespflichten (varṇadharma) nachzukommen und insbesondere vedi‑ sche Opfer (yajña) für sich und für ande‑ re zu vollziehen. Aus den einschlägigen Rechtstexten, den ‚Dharmaśāstras‘, geht hervor, dass nach brahmanischem Selbst‑ verständnis nur Angehörige des brāhmaṇavarṇa berechtigt waren, Opfer für Dritte, d. h. für Angehörige der drei oberen Stän‑ de (brāhmaṇa‑, kṣatriya- und vaiśyavarṇa), durchzuführen. Die epigraphisch belegten Formeln zur Beschreibung des Zwecks von Stiftungen an einzelne Brahmanen und Brahmanengruppen beziehen sich auf pañcamahāyajña, die sogenannten ‚fünf großen Opfer‘. Das waren die täglichen Riten, die morgens, mittags und abends am Hausfeuer auszuführen waren. In In‑ schriften wurden diese häufig noch spe‑ zifiziert oder zumindest einige der fünf aufgezählt. Eine vollständige Formel konn‑ te lauten: balicaruvaiśvadevāgnihotrātithipañcamahāyajñakriyotsarpaṇārtham, „zum Zweck der Durchführung der Riten für die fünf großen Opfer, [die da sind:] Speise‑ opfer [für alle Wesen] [bali], Darbringung von Reisbrei [caru], Opfergaben für alle Götter [vaiśvadeva], Feueropfer [agnihotra] und [Versorgung von] Gäste[n] [atithi]“.20

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Diese Liste war seit dem späten Alter‑ tum in Stiftungen zugunsten von Brahma‑ nen in vielen Regionen Indiens verbreitet,21 in der brahmanischen Rechtsliteratur aber findet sie sich in dieser Form nicht. Zwar sind auch dort fünfgliedrige mahāyajña‑ Reihen enthalten, doch stimmen diese ter‑ minologisch nicht mit den epigraphisch be‑ legten überein. In einem frühen Text, dem ‚Baudhāyanadharmasūtra‘, sind deva‑, pitṛ‑, bhūta‑, manuṣya‑ und brahmayajña, die Opfer für die Götter, Ahnen, Wesen, Men‑ schen und den Veda, als die fünf großen Opfer bezeichnet.22 Dabei fällt zunächst auf, dass diese Zusammenstellung syste‑ matischer wirkt als die aus den Stiftungs‑ urkunden bekannte. Auch das berühmte ‚Mānavadharmaśāstra‘ gibt eine parallele Klassifizierung, die bali zum Opfer für die Wesen, die Gastfreundschaft (atithipūjana) zum Opfer für die Menschen und – hier an erster Stelle – das Lehren zum Opfer für den Veda erklärt.23 Aus den Identifi‑ kationen wird deutlich, dass der Terminus yajña, ‚Opfer‘, zum Teil metaphorisch be‑ nutzt wurde. Die Bewirtung von Reisenden und das Lehren des Veda fallen nach dem Verständnis der modernen Stiftungsfor‑ schung in die Kategorie ‚Wohltätigkeit und Bildung‘. (→ 9.6) Der regelmäßige Verweis auf mahāyajña deutet darauf hin, dass mit Unterhaltsstif‑ tungen bedachte Brahmanenpriester aus den Dotationserträgen (1.) Kultutensilien für ihre Opfer und Riten beschaffen sollten. Da diese Formeln aber in der überwiegen‑ den Zahl brahmanischer Stiftungen die einzigen Bestimmungen zur Zweckbin‑ dung darstellen, scheinen sie als Chiffre dafür zu stehen, dass sich daraus (2.) auch die (nicht zölibatär lebenden) Brahmanen in ihrer Funktion als Kultusverantwortli‑ che selbst – einschließlich ihrer Familien und anderer zum Haushalt gehörender Per‑ sonen – zu versorgen hatten. Der vedische

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Brahmanismus kam ohne permanente Op‑ ferstätten aus und stand dem Bilderkult und dem Tempelwesen lange Zeit sogar ausgesprochen ablehnend gegenüber.24 Aus diesem Grund (3.) entfällt das Element der Unterhaltung religiöser Baulichkeiten bei den klassischen Stiftungen an Brahma‑ nen. Mitunter werden unter den gestifte‑ ten Objekten zwar auch Baugrundstücke beziehungsweise Häuser genannt; doch dabei handelte es sich wohl um Wohn‑ und Nutzbauten, d. h. um Behausungen für die Kultusverantwortlichen (zu 2.). Erst seit dem 11. Jahrhundert sind im Rahmen von kombinierten brahmanisch‑hinduisti‑ schen Stiftungen häufiger Brahmanen mit einem Bezug zu Tempeln und Schreinen erwähnt.25 Geradezu singulär ist die Detailgenauig‑ keit einer Kupfertafelurkunde des Rāṣṭra‑ kūṭa‑Königs Govinda IV. aus Cambay in Gujarat, die aus dem Jahr 852 der Śaka‑Ära (930 u. Z.) datiert. Die darin dokumen‑ tierte Stiftung ging an einen Spezialisten des Yajurveda, der aus Kāvikā, einem Ge‑ lehrtenzentrum und Pilgerort in Gujarat stammte, zum Zeitpunkt der Dotation aber in der Rāṣṭrakūṭa‑Hauptstadt Mānyakheṭa in Nordost‑Karnataka wohnte und nach dem Erhalt eines Dorfes in der Nähe von Kāvikā offenbar in diese Gegend zurück‑ kehrte. In der Passage, die den Zweck dieser Stiftung definierte, sind an erster Stelle die pañcamahāyajña genannt. Doch das Dokument enthält weitere umfangreiche Bestimmungen, z. B. zur Bereitstellung des Opfergeräts für die sieben großen Soma‑ Opfer (hier: rājasūya, vājapeya, agniṣṭoma etc.). Außerdem sollte diese Stiftung, ob‑ wohl als Empfänger nur ein Brahmane genannt ist, der Ausstattung mehrerer Opferpriester mit Kleidung, Schmuck und Nahrung dienen.26 Seit dem 11. Jahrhundert nahm der Umfang der Ausführungen zu den

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Zweckbestimmungen zu. So verweisen die Dotationsurkunden der Śilāhāras ex‑ plizit auf die Erfüllung der sechs aus der normativen Literatur bekannten brahma‑ nischen Pflichten.27 In Stiftungskontexten wurden jedoch nur vier der Obliegenhei‑ ten aufgelistet: yajanayājanādhyayanādhyāpanādiṣaṭkarmakaraṇāya, „für die Erfül‑ lung der sechs Pflichten: das Opfern und das Durchführen von Opfern für andere, das Studieren, das Lehren usw.“. Diese Vor‑ gaben standen in direkter Korrelation zu den Attributen der Empfänger, die stereo‑ typ als Brahmanen beschrieben wurden, welche den sechs Pflichten ihres Standes nachkamen (yajanayājanādhyayanādhyāpanādiṣaṭkarmanirata). Die syntaktisch auf die Beschreibung der Begünstigten folgen‑ de Definition des Zwecks der betreffenden Stiftung wirkt daher wie eine nachträgli‑ che Bestätigung dafür, dass man würdige Empfänger ausgewählt hatte.28 Den Abschluss der Zweckbindungen bildet in diversen Urkunden zuguns‑ ten brahmanischer Empfänger ab dem 11. Jahrhundert eine Formel, die die be‑ treffende Stiftung ausdrücklich für den Unterhalt der Familie des Begünstigten (svaparigraha- / svaparivārapoṣaṇārtham) bestimmte.29 Dem Charakter nach waren alle Dorf‑ und Landverleihungen an Brah‑ manen Unterhaltsstiftungen und schlossen demzufolge wahrscheinlich auch die zu deren Haushalt Gehörenden ein, doch so deutlich festgehalten wurde dieser Um‑ stand erst relativ spät. Nicht immer wurde bei Stiftungen an vedische Brahmanen ein Zweck in den ent‑ sprechenden Urkunden explizit erwähnt. In diesen Fällen ist wohl davon auszugehen, dass bereits die Definition der Gabe als brahmadāya / brahmadeya oder agrahāra / agrāhāra (→ 1.6.3) sowie die Beschreibung der besonderen Veda‑Gelehrsamkeit des / der Begünstigten den Gedanken einschloss,

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dass die Dotation für die Kultausübung verwendet werden sollte. Mit der flächendeckenden Ansiedlung von Brahmanen auf dem gesamten Sub‑ kontinent durch königliche und fürstliche Stiftungen wurde nicht nur sichergestellt, dass die Träger der vedisch‑brahmanischen Religion ihre Opfer vollziehen und die Ritualtexte bewahren konnten. Durch die Dotationen wurde eine religiöse Infra‑ struktur geschaffen, bestehend aus einem weitgespannten und recht dichten Netz von brahmanischen Priestern, die für große Teile der Bevölkerung Zeremonien durch‑ führten, welche jedoch von den Auftrag‑ gebern gesondert zu entgelten waren. Mit Gaben und Geschenken entlohnten auch indische Herrscher Brahmanen für spezi‑ elle Dienste im Kultus: seit dem Altertum für besondere vedische Opferrituale und seit dem Frühmittelalter zunehmend für einzelne große purāṇisch‑hinduistische Zeremonien. Zu letzteren zählten die in den Purāṇas beschriebenen Schenkungs‑ zeremonien (mahādāna), für deren Durch‑ führung es seit dem 6. / 7. Jahrhundert und das gesamte Mittelalter hindurch epigra‑ phische Belege gibt. Beispielhaft sei hier das tulāpuruṣa‑Ritual (‚Mann auf der Waa‑ ge‘) genannt, bei dem eine in der Regel hochrangige Person ihr Gegengewicht in Gold oder einem anderen edlen Material an würdige Empfänger, d. h. vor allem an religiöse Autoritäten, verteilen ließ. Bei dieser Zeremonie selbst handelte es sich zwar nicht um einen Stiftungsakt, aus An‑ lass eines tulāpuruṣamahādāna nahmen Könige jedoch nicht selten auch Dorf‑ und Landstiftungen an die teilnehmenden Brahmanen vor.30 Buddhistische Stiftungen Wie in einigen brahmanischen fehlt auch in manchen buddhistischen Stiftungen – besonders im frühen Mittelalter – eine

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schriftlich festgehaltene Zwecksetzung. Derartige Dotationen wurden „dem Klos‑ ter / Orden N. N.“ ohne nähere Spezifikation gewidmet. Viele buddhistische Stiftungsur‑ kunden des indischen Mittelalters enthal‑ ten jedoch eine dreigeteilte Zwecksetzung. Sie sollten (1.) der kontinuierlichen Versor‑ gung lokaler Mönchs‑ oder Nonnenorden, (2.) der Durchführung des Buddha‑Kultes sowie (3.) der dauerhaften Unterhaltung und teilweise auch dem Neubau von Klös‑ tern und anderen buddhistischen Baulich‑ keiten dienen.31 Eine (mindestens) dreifache Zweckbe‑ stimmung findet sich z. B. in 22 der 26 bekannten buddhistischen Kupfertafel‑ urkunden, die Könige der westindischen Maitraka‑Dynastie im 6. / 7. Jahrhundert ausfertigen ließen.32 In den Zeugnissen des 6. Jahrhunderts erscheint in der Re‑ gel an erster Stelle die Mitteilung, dass das Dotationsobjekt für kultische Verrich‑ tungen (zu 1.) vergeben wurde, zur regel‑ mäßigen Bereitstellung von „Duftstoffen, Räucherwerk, Blüten, Blumengirlanden, Lämpchen, Sesamöl usw.“33 (gandha-dhūpapuṣpa-mālya-dīpa-tailādi). Der mit diesen Utensilien zu vollziehende Kultus wird in den Dokumenten interessanterweise nicht mit typisch buddhistischen Termini bezeichnet: Zum Teil ist wie in brahma‑ nischen Kontexten von kriyotsarpaṇa, von der ‚Durchführung der Riten‘, die Rede. Mitunter wird der Terminus pūjā[snāna], ‚Verehrung [und religiöse Waschung]‘, verwendet, der aus parallelen Passagen zugunsten von Tempeln hinduistischer Gottheiten übernommen zu sein scheint. Der „erhabene, vollständig erleuchtete Buddha“ (bhagavat samyaksaṃbuddha buddha)34 sollte kultisch verehrt werden, wobei oft unerwähnt bleibt, in welcher Form er visualisiert wurde. Obwohl kein Begriff wie pratimā, ‚Bildnis‘ auftaucht,35 ist wohl davon auszugehen, dass es sich um

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die Verehrung von Buddha‑Bildern, meist Skulpturen, handelte.36 Für diese Deutung sprechen der archäologisch‑architektoni‑ sche Befund (in anderen Regionen), hin‑ duistische und jinistische Parallelen sowie die Tatsache, dass in einigen Urkunden der Buddha als ‚aufgestellt (in)‘ (pratiṣṭhāpita) charakterisiert wird. Zwei Urkunden der Maitrakas nehmen auch auf die pūjā der Tārādevī, eines weib‑ lichen Bodhisattva im Mahāyāna‑Pantheon, Bezug. Aus anderen Regionen Indiens, vor allem aus dem Osten, existieren ebenfalls Belege für den Kult von Gottheiten des Mahāyāna, z. B. Avalokiteśvara 37 und Prajñāpāramitā. Von der Nennung der Kultutensilien, gelegentlichen Verfügun‑ gen zur Frequenz38 und eher allgemeinen Verweisen auf das ‚Salben‘ (anulepana, upalepana, vilepana)39 der Statuen abge‑ sehen, finden sich in den mittelalterlichen indischen Urkunden über Stiftungen an buddhistische Klöster kaum detaillierte Angaben zur Verehrung der Kultbilder. Einschlägige Informationen liefern aber die chinesischen Pilgerberichte. Yijing, der im 7. Jahrhundert Ostindien bereiste, hielt über den Bilderkult fest: „In Indian monas‑ teries, when the monastics are going to ba‑ the the image in the forenoon, the priest in charge (…) strikes a Ghaṇṭā (a gong) for an announcement. After stretching a jewelled canopy over the court of the monastery, and ranging perfumed water‑jars in rows at the side of the temple, an image either of gold, silver, copper, or stone is put in a basin of the same material, while a band of girls plays music there. The image hav‑ ing been anointed with scent, water with perfume is poured over it. (…) The scent is prepared as follows: take any perfume‑tree, such as sandal‑wood or aloes‑wood, and grind it with water on a flat stone until it becomes muddy, then anoint the image with it and next wash it with water. After

Indien

having been washed, it is wiped with a clean white cloth; then it is set up in the temple, where all sorts of beautiful flowers are furnished. This is the ceremony per‑ formed by the resident members under the management of the priest in charge (…). In individual apartments also of a monastery, priests bathe an image every day so care‑ fully that no ceremony is omitted. Now as to the flowers, any sort, either from trees or from plants, may be used as offering. Fragrant flowers blossom continually in all seasons, and there are many people who sell them in the streets.“40 Wahrscheinlich konnten duftende Hölzer und blühende Blumen auch von den Gärten geliefert wer‑ den, die den Klöstern gestiftet wurden. Bemerkenswert ist hier aber insbesondere der Verweis auf den Einsatz von Musikan‑ tinnen. In einer buddhistischen Maitraka‑ Urkunde ist ebenfalls festgehalten, dass die Stiftungsgüter zur Finanzierung von „Mu‑ sik, Gesang und Tanz“ (vādya-gīta-nṛtya) verwendet werden sollten.41 In den Zweckbestimmungen der bud‑ dhistischen Stiftungsurkunden der Maitra‑ kas aus dem 6. Jahrhundert steht an zweiter Stelle meist die Verfügung, dass aus den Erträgen der Dotation der in dem betreffen‑ den Kloster ansässige Orden mit den vier allen Mönchen und Nonnen erlaubten Ka‑ tegorien von Gebrauchsartikeln (pariṣkāra) zu versorgen sei (zu 2.), die oft auch auf‑ gezählt werden: cīvarapiṇḍapātaśayanāsanaglānapratyayabhaiṣajyapariṣkārārtham, „zum Zweck der Ausstattung mit Roben, Almosenspeise, Mobiliar und Arzneimit‑ teln“.42 Neben buddhistischer Termino‑ logie (→ 9.6.2.) finden sich in einigen mit‑ telalterlichen Stiftungen Begriffe aus der brahmanischen Nomenklatur: pānabhojana, ‚Trank und Speise‘, für piṇḍapāta43 sowie grāsācchādana, ‚Nahrung und Kleidung‘, für piṇḍapāta und cīvara.44 In Kupfertafel‑ urkunden der Maitraka‑Könige aus dem

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7. Jahrhundert erscheint die Bestimmung zur Versorgung der Ordinierten sogar an erster Stelle, vor der Bedingung, die Er‑ träge für den Kult zu verwenden. Dies gilt ebenfalls für viele Zeugnisse aus anderen Regionen. Chronologisch gesehen ist die Komponente des Ordensunterhalts auch das älteste Element der dreifachen Zweck‑ bindung für Stiftungen an buddhistische Klöster. Bereits die Geldstiftungen der ers‑ ten Jahrhunderte u. Z. an die Höhlenklöster der indischen Westküste waren diesem Zweck gewidmet. Verfügungen zum Bil‑ derkult tauchten hingegen erst ab dem 5. Jahrhundert systematisch auf. Diejenigen, für deren Einkleidung, Speisung, Unterbringung und medizini‑ sche Versorgung im indischen Mittelalter Dörfer und Land gestiftet wurden, wa‑ ren keine Einzelpersonen, sondern lokale buddhistische Gemeinschaften, die sich in der Regel über ihre Zugehörigkeit zu dem Klosterkonvent eines bestimmten Ortes definierten. Sie wurden als āryabhikṣusaṃgha, ‚edler Mönchsorden‘, oder āryabhikṣuṇīsaṃgha, ‚edler Nonnenorden‘, des vihāra N. N. bezeichnet. Ebenso wie die Brahmanen stellten buddhistische Mön‑ che und Nonnen nicht ausschließlich Kul‑ tusverantwortliche dar. Ihre dauerhafte Unterstützung diente damit noch diver‑ sen anderen Zwecken (→ 9.6) als allein der Buddha‑Verehrung. Aufgaben bei der kultischen Verehrung buddhistischer Sta‑ tuen könnten auch Klosterdienern zuge‑ kommen sein. In einigen Urkunden aus Gujarat (7. Jahrhundert) und aus Orissa (9. / 10. Jahrhundert) ist festgehalten, dass von den so dokumentierten Dotationen der Lebensunterhalt (prajīvana) von Personen bestritten werden sollte, die als Diener (pādamūla, wörtlich: ‚Fußsohlen‘) bezeich‑ net wurden.45 Meist an dritter Stelle der dreifachen buddhistischen Zweckbindungsformel ist

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in Urkunden des indischen Mittelalters definiert, dass die Stiftungserträge auch für die Instandhaltung der baulichen In‑ frastruktur (zu 3.) benutzt werden sollten. In den ersten Jahrhunderten u. Z. hatten sich buddhistische Stiftungen von Geld und Landstücken sowie Dörfern oft un‑ mittelbar an die Stiftung von (Höhlen‑) Klöstern angeschlossen. Diese Dotationen waren vor allem für die Versorgung von Mönchen und Nonnen gedacht; nur selten wurde die Ausschmückung oder Reparatur vorhandener Klosteranlagen verfügt. Erst ab dem frühen Mittelalter ist eine die Er‑ haltung der monastischen Baulichkeiten vorschreibende Formulierung als fester Bestandteil der Zweckbindungen von Stif‑ tungen zugunsten buddhistischer Klöster nachweisbar.46 Dieses Element, das expli‑ zit die Instandsetzung (pratisaṃskaraṇa, pratisamskāra[ṇa]) erwähnte, bildete den uniformsten Teil der dreifachen Zweck‑ bestimmung. In den jeweiligen Formeln sind oft Paare von Quasi‑Synonymen für Reparaturbedürftiges aufgelistet. Die Rede ist von Geborstenem (khaṇḍa-sphuṭita), Eingestürztem (patita-viśīrṇa) und Zer‑ brochenem (bhagna). Dabei fällt erneut auf, dass neben typischen buddhistischen Fachbegriffen (etwa khaṇḍasphuṭita) andere Termini auftauchen, hier solche von all‑ gemeiner Bedeutung (etwa patitaviśīrṇa).47 Die Bereitstellung von Mitteln für Aus‑ besserungen ist in den Urkunden meist auf Klöster (vihāra), in einigen Fällen auf Tem‑ pel (gandhakuṭī, devakula, prāsāda) bezogen. Während es sich bei den letztgenannten Gebäuden um reine Kultbauten handel‑ te, waren buddhistische Klöster (→ 6.6.2) multifunktional. Sie dienten in erster Li‑ nie der Beherbergung von Mönchen oder Nonnen, die – wie erwähnt – unter ande‑ rem als Kultusverantwortliche fungier‑ ten (zu 2.). Darüber hinaus war in die mit‑ telalterlichen buddhistischen Klöster in

Gedenken und Kultus

Indien in der Regel ein Buddha‑Schrein integriert, so dass selbst die Wohnbereiche Kulträume enthielten. Zuweilen scheint der Begriff vihāra auch zur Bezeichnung von Komplexen aus Wohngebäuden und eigenständigen Tempelbauten verwendet worden zu sein. Selten enthalten die Zweckbestimmun‑ gen genauere Bestimmungen zur Art der Reparaturen, die gegebenenfalls vorzu‑ nehmen waren. Eine Ausnahme bildet die entsprechende Formel in einer Urkunde der westindischen Saindhava‑Dynastie aus dem 8. Jahrhundert, deren Stiftung unter anderem „zum Zweck von Reparaturen der Decke, des Putzes und der Bemalung“ (chādyalepyālekhyapratisaṃskārārtham) an einem Nonnenkloster (bhikṣuṇīvihāra) in Gujarat dienen sollte.48 In einigen Stif‑ tungsurkunden sind neben Maßnahmen zur Instandhaltung auch Neubauvorhaben (navakarman) erwähnt, und der Aufseher über derartige Arbeiten spielte im buddhis‑ tischen Kanon eine prominente Rolle.49 Die Mehrzahl der – überwiegend königlichen – Zeugnisse zeigt aber eine deutliche Zwei‑ teilung im Patronatsmuster: Klöster (und Tempel) wurden von Personen aus dem näheren und weiteren Umfeld des Hofes gegründet; Mittel für die Aufrechterhal‑ tung des Kultes, die kontinuierliche Ver‑ sorgung der Kultusverantwortlichen und fällige Reparaturen an den Baulichkeiten stellten überwiegend die Herrscher bereit. Einige Stiftungsurkunden aus Ostindien belegen ein anderes, durch die normati‑ ven Texte des Buddhismus geprägtes Ord‑ nungsschema für die Zweckbestimmungen, das sich an triratna, den sogenannten ‚drei Juwelen‘, orientierte, zu denen der gläubige Buddhist ‚Zuflucht‘ nimmt: dem Buddha, der buddhistischen Lehre (dharma) und dem buddhistischen Orden (saṃgha). Im Vergleich zur traditionellen dreifachen Zweckbindung der Stiftungspraxis kommt

Indien

in dieser Reihe das Element dharma hinzu. Auch in denjenigen buddhistischen Dota‑ tionen, in denen von diesen ‚drei Juwelen‘ die Rede ist, erscheint an vierter Position zuweilen eine Bestimmung zur Instand‑ haltung des vihāra. Im Unterschied zu den stereotypen Zweckbestimmungen königlicher Stiftun‑ gen enthalten die wenigen privaten Do‑ tationen des indischen Mittelalters in der Regel genauere Festlegungen.50 Hinduistische Stiftungen Stiftungen an hinduistische Tempel ent‑ halten im Idealfall auch eine dreifache Zweckbindung, allerdings ist die komplet‑ te Dreifachformel relativ selten und die Gewichtung ist oft eine andere als in den buddhistischen Stiftungen: Während Dota‑ tionen an buddhistische Klöster eigentlich immer dem Unterhalt einer Ordensgemein‑ schaft dienen sollten, war die parallele Zweckbestimmung bei den hinduistischen Stiftungen – die regelmäßige Versorgung der Tempelpriester – das Element, das sich nur schwer durchsetzen konnte. In der Regel ist in hinduistischen Stif‑ tungen mindestens davon die Rede, dass eine bestimmte Gottheit, die (d. h. deren Abbild) an einem namentlich erwähnten Ort aufgestellt worden war, aus den Mit‑ teln des Dotationsobjekts (1.) kultisch ver‑ ehrt werden sollte. Mitunter sind diese Formulierungen sehr vage gehalten, wie z. B. in einer Stiftung des westindischen Sendraka‑Fürsten Allaśakti, der um die Mitte des 7. Jahrhunderts „für die Nutzung zugunsten des [Gottes] Alaṅghyeśvaradeva“ (alaṅghyeśvaradevapādopayogāya) ein Dorf vergab.51 Häufig wurden aber Formulierungen verwendet, die mit den in buddhistischen Stiftungen auftauchenden Formeln iden‑ tisch waren und die kultische Verehrung (pūjā[snāna]) der jeweiligen Gottheit mit

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Duftstoffen (gandha), Räucherwerk (dhūpa), Blüten (puṣpa) und Lichtern (dīpa) festleg‑ ten. Auch aus anderen Quellen ist bekannt, dass buddhistischer und hinduistischer Bilderkult Ähnlichkeiten aufwiesen. So berichtete bereits im 5. Jahrhundert der chinesische Pilgermönch Faxian von einer Episode, die sich einst in der Umgebung des ostindischen Jetavana‑Klosters zuge‑ tragen haben soll und auch darauf hindeu‑ tet, dass man sich durchaus gegenseitiger ‚Entlehnungen‘ bewusst war: „Die Häre‑ tiker beauftragten oft Leute damit, ihren Göttertempel zu bewachen, zu kehren und [dort] Wasser zu sprengen, Räucherwerk zu verbrennen und Lampen anzuzünden [und so] Spenden darzubringen. [Aber] bis zur nächsten Morgendämmerung hat‑ ten sich die Lampen immer in den Bud‑ dhatempel bewegt. Die Brahmanen sagten verärgert: ‚Die śramaṇas nehmen immer unsere Lampen und bringen sie selbst dem Buddha als Spende dar, [und sie] tun das ununterbrochen.‘ In der darauffolgenden Nacht legten sich die Brahmanen auf die Lauer und sahen, wie die Götter, die sie selbst verehrten, die Lampen nahmen, das buddhistische Kloster dreimal umrundeten und [die Lampen] als Spenden darbrach‑ ten. Nachdem sie dem Buddha gespendet hatten, sind sie plötzlich verschwunden. Da erkannten die Brahmanen die göttliche Größe des Buddha, gaben ihr Hausleben auf und traten in den [Orden] ein.“52 Bei der Verehrung von Kultbildern mit Duftstoffen, Räucherwerk, Blüten und Lichtern ist nicht zweifelsfrei auszuma‑ chen, von welcher Religion die Impulse zu diesen Kultformen ursprünglich aus‑ gegangen waren; das Vokabular scheint jedoch stark buddhistisch geprägt zu sein.53 Nach dem epigraphischen Befund wurden „Musik, Gesang und Tanz“ (vādyagītanṛtya) jedoch zunächst und vor allem in hinduis‑ tischen Tempeln praktiziert. In Stiftungen

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zugunsten hinduistischer Götter und Göt‑ tinnen tauchen entsprechende Formeln zumindest häufiger als in buddhistischen Dotationen auf.54 In den hinduistischen Zweckbestim‑ mungen zum Kult finden sich auch Be‑ standteile, die auf direkte Bezüge zum Brahmanismus hindeuten. So ist häufig die Verfügung anzutreffen, dass die Stiftung für balicarusattra des betreffenden Gottes oder der Göttin zu verwenden sei.55 Bali, Speiseopfer, und caru, die Darbringung von Reisbrei, gehören zu den fünf mahāyajña, die in brahmanischen Zweckbestimmun‑ gen regelmäßig genannt wurden (siehe oben). Der Begriff sattra stammt ursprüng‑ lich ebenfalls aus dem brahmanischen Sprachgebrauch und bezeichnet dort ein großes Śrauta‑Ritual, ein Soma‑Opfer, an dessen Ende die Beköstigung von Brahma‑ nen stand.56 In Inschriften wurde der Ter‑ minus für von derartigen Opfersitzungen abgekoppelte Speisungen von Brahmanen und wohl auch von Bedürftigen (→ 9.6.2) sowie für Baulichkeiten benutzt, in denen solche Bewirtungen durchgeführt werden sollten.57 Nach dem brahmanischen Kon‑ zept der ‚fünf großen Opfer‘ kommt sattra damit atithi, der Versorgung von Gästen, am nächsten. Auffällig ist jedoch, dass von den mahāyajña bei Stiftungen an Tempel in der Regel nur bali und caru auftauchen und dass hier immer nur sattra, nicht je‑ doch atithi erscheint.58 Diese brahmanischen ‚Ergänzungen‘ der Kultformel bezogen sich auf Speise‑ darbringungen, die in buddhistischen Kontexten keine prominente Rolle spiel‑ ten. In hinduistischen Formeln findet sich in diesem Zusammenhang auch der Be‑ griff nivedya / naivedya für die Speisega‑ be an einen Gott,59 die man später mit gandha, dhūpa, puṣpa und dīpa zu den pañcopacāra, den ‚fünf Spenden‘, zusam‑ menfasste.60 Seit dem 11. / 12. Jahrhundert

Gedenken und Kultus

liegen zahlreiche epigraphische Belege für nunmehr acht Kultgaben vor: aṣṭāṅgabhoga oder aṣṭavidhārcana.61 Dazu wurde die er‑ wähnte Fünfergruppe um Wasser (jala), unenthülste Reiskörner (akṣatā) sowie Be‑ tel62 (tāmbūla) ergänzt. Diese Reihe ist aber in den wenigsten Urkunden aufgeführt; meist begnügte man sich mit einem Ver‑ weis auf aṣṭavidhārcana oder aṣṭāṅgabhoga. Auch die Kurzform aṅgabhoga ist belegt, die dann ihrerseits oft noch lautmalerisch mit dem Terminus raṅgabhoga komplettiert wurde. Dabei scheint aṅgabhoga stärker das ‚körperliche Wohlbefinden‘ und raṅgabhoga eher die ‚Unterhaltung‘ der zu verehrenden Gottheit in den Mittelpunkt zu stellen.63 Die meisten der genannten Bestim‑ mungen zum Kult beziehen sich auf den regulären ‚Gottesdienst‘. Nur selten geht aus dem Material hervor, dass Mittel für besondere Anlässe zur Verfügung gestellt werden sollten, z. B. wenn eine Stiftung explizit „zum Zwecke der Gottesvereh‑ rung bei Festen“ (melakadevapūjārtham) getätigt wurde.64 Recht häufig ist in mittelalterlichen hinduistischen Stiftungen auch davon die Rede, dass die Dotationserträge für die Instandhaltung der Tempel zu verwenden seien (zu 3.). Neben Formulierungen mit patitaviśīrṇa tauchen vielfach Wendun‑ gen mit dem ursprünglich nur in buddhis‑ tischen Texten belegten khaṇḍasphuṭita auf (siehe oben).65 Daneben wurde oft das Kompositum jīrṇoddhāra, „Instandsetzung von Baufälligem“ verwendet und mitun‑ ter sogar spezifiziert, was darunter z. B. zu verstehen war: „zum Zwecke der In‑ standsetzung von Baufälligem, d. h. von geborstenen Türen usw.“ (khaṇḍasphuṭitadvārādijīrṇoddhārārtham).66 In einer Urkun‑ de aus dem südwestlichen Maharashtra, die aus dem 11. Jahrhundert datiert, wird berichtet, dass ein hoher Minister, der „die Instandsetzung eines verfallenen Tempels“

Indien

(jīrṇaprasādasamuddharaṇa) des Sonnengot‑ tes veranlasst und ein neues Heiligtum für Viṣṇu und Brahman errichtet hatte, seinen Herrn, einen Śilāhāra‑Fürsten, um eine Landstiftung „für Reparaturen von Gebors‑ tenem und Baufälligem“ (khaṇḍasphuṭitajīrṇoddhārāya) an dem neuen Tempel er‑ suchte.67 Wie bereits erwähnt, enthalten nicht alle mittelalterlichen hinduistischen Stif‑ tungen eigene Verfügungen zum Unterhalt der für den Kultus Verantwortlichen68 (zu 2.) – mitunter sogar dann nicht, wenn in den Urkunden Tempelpriester in ande‑ ren Zusammenhängen erwähnt werden.69 Man muss vermuten, dass eine Ursache dafür in der zumindest im Frühmittelalter von brahmanischer Seite vielfach noch umstrittenen Position der Tempelpriester zu sehen ist. In den Fällen, in denen sich entsprechende Festlegungen finden, fällt wiederum auf, dass die Terminologie zur Bezeichnung dieser Tempelpriester und Tempeldiener breit gefächert war. In einer Maitraka‑Urkunde aus dem 6. Jahrhundert zugunsten eines Sonnentempels ist von ei‑ nem paricārakabhojaka, dem „zuständigen Priester“, die Rede, für dessen Nahrung und Kleidung (grāsācchādana) gesorgt werden sollte.70 Der z. B. im ‚Mānavadharmaśāstra‘, einem brahmanischen Rechtstext, belegte Terminus grāsācchādana 71 fand auch in Stiftungen Verwendung, die śivaitische Tempelpriester oder Asketen (tapodhana) begünstigten.72 Mitunter wurden ande‑ re Komposita für die aus den Dotationen bereitzustellenden Dinge benutzt, wie bei‑ spielsweise bhojanācchādana (für Speise und Kleidung), āsanācchādana (für Mo‑ biliar und Kleidung) und āhāradāna (für Essensgaben).73 Einige śivaitische Dotatio‑ nen des 9. Jahrhunderts aus dem ostindi‑ schen Orissa enthalten auch die Bestim‑ mung, dass ein Teil der Stiftungserträge – wohl nach buddhistischem Vorbild – zur

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Beschaffung von Medizin (glānabhaiṣajya) für die Asketen (tapasvin) zu nutzen sei.74 Das Spektrum der zu versorgenden Kul‑ tusverantwortlichen reichte von Tempel‑ vorstehern (sthānapati, sthānācārya) bis zu Tempeldienern (pādamūla, wörtlich: ‚Fußsohlen‘), wobei die Versorgung letzterer oft mit einem anderen Begriff umschrie‑ ben wurde: prajīvana (‚Lebensunterhalt‘). Diese ‚Fußsohlen‘ sind in hinduistischen Tempelstiftungen aus Gujarat, Nordindien, Bengalen und Orissa seit dem 7. Jahrhun‑ dert belegt.75 Mit der engeren Verknüpfung von brah‑ manischen und hinduistischen Stiftungen seit dem 11. Jahrhundert ging auch einher, dass Dotationen häufig für den Kult eines Gottes, die Erhaltung seines Tempels und die regelmäßige Speisung von Brahmanen eingesetzt werden sollten.76 Da andere Tem‑ pelpriester in diesen Fällen nicht genannt wurden, ist vermutlich davon auszugehen, dass diese Brahmanen für den Kultus im Tempel verantwortlich waren. Auch kann nicht immer, wenn von sattra die Rede ist, zweifelsfrei entschieden werden, welchen Charakter die so bezeichnete Einrichtung hatte. Im Kontext von Stiftungen war die tägliche Beköstigung oft nicht oder nicht klar definierter Personengruppen (→ 12.6.3) gemeint. Zum Teil wurde der Begriff sattra zur Umschreibung der regelmäßig wieder‑ kehrenden Verpflegung einer bestimmten Gruppe von Brahmanen oder Asketen be‑ nutzt, so dass man schließen könnte, dies sei eine Umschreibung für die Speisung der Kultusverantwortlichen gewesen.77 Sehr oft scheint es aber auch oder ausschließlich um andere Nutznießer gegangen zu sein, etwa um Reisende oder aus nichtreligiösen Gründen Bedürftige. (→ 9.6.2) Jinistische Stiftungen Strukturell und inhaltlich ähnelt die – idealer weise dreifache – Zweckbindung

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jinistischer Stiftungen den parallelen For‑ mulierungen in buddhistischen und hin‑ duistischen Dotationen; in Hinsicht auf das konkret benutzte Vokabular finden sich jedoch auch hier religionsspezifische Unterschiede. Die einschlägigen Stiftungs‑ urkunden enthalten meist nur Bestimmun‑ gen zur Erhaltung der Bauwerke und zu kultischen Verrichtungen.78 In relativ we‑ nigen Inschriften ist festgelegt, dass die betreffenden Dotationen darüber hinaus für die Speisung von Jaina‑Asketen zu nut‑ zen waren. Ähnlich wie in einigen hindu‑ istischen Stiftungsurkunden geschah dies auch dann oft nicht, wenn Jainas in ande‑ ren Zusammenhängen in den betreffenden Dokumenten genannt wurden. Der Grund hierfür könnte in einem – im Vergleich zu den für buddhistische Mönche geltenden Vorschriften – asketischeren Ideal zu su‑ chen sein, das keine Dauereinrichtungen zum Unterhalt der Ordinierten zuließ. Während man für das Altertum dem Jinismus eine relativ große Nähe zum Buddhismus attestieren könnte, zeigen die Stiftungen des Mittelalters beim Kult eine stärkere Orientierung an den hindu‑ istischen, insbesondere śivaitischen Kon‑ kurrenten in Konzept und Terminologie. Nachweisbar ist dies allerdings nur für die jinistischen Richtungen, für die Dotationen belegt sind. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass es bereits im Mittelalter Jaina‑ Gruppen gab, die den Bilderkult für die Tīrthaṃkaras, die ‚Furtbereiter‘, ablehnten. In den erhaltenen jinistischen Stiftungs‑ urkunden ist entweder allgemein von deva[guru]pūjā, „Verehrung der Götter [und Lehrer]“, die Rede (zu 1.), oder konkreter von der achtfältigen Ehrerweisung (aṣṭavidhārcana) gegenüber einem bestimmten Tīrthaṃkara.79 Mitunter wurde – wie in buddhistischen Kontexten – ausdrücklich das ‚Einreiben‘ (vilepana) der Kultbilder als Stiftungszweck festgelegt,80 und die

Gedenken und Kultus

hinduistische balicarusattra‑Formel findet regelmäßig Erwähnung.81 Einzelbelege lie‑ gen auch dafür vor, dass die Erträge aus jinistischen Stiftungen für „Tanz, Gesang und Musik, dargebracht von schönen Mäd‑ chen“ (varavilāsinīviracitanṛttagītavādya), verwendet werden sollten.82 Recht ausführlich sind in einigen Ur‑ kunden die Verfügungen zur Erhaltung der Bausubstanz von Jaina‑Klöstern und ‑Tempeln gehalten (zu 3.). Die aus buddhis‑ tischen und hinduistischen Kontexten be‑ kannten Formeln mit Bezug auf ‚Gebors‑ tenes‘ (khaṇḍasphuṭita) und ‚Baufälliges‘ (jīrṇa) wurden mitunter durch die Spezifi‑ zierung der künftigen Maßnahmen näher ausgeführt. So sollten aus den Mitteln, die einem Jaina‑Kloster (vasati) in Karnata‑ ka durch die Stiftung eines Königs der Rāṣṭrakūṭa‑Dynastie im 9. Jahrhundert zur Verfügung gestellt wurden, neben Re‑ paraturen die Reinigung, Verputzung und Bewahrung (saṃmārjanopalepanaparipāla) der vorhandenen Baulichkeit bestritten werden. Außerdem ist in der betreffen‑ den Urkunde – wie in anderen jinisti‑ schen und in buddhistischen Dokumen‑ ten – festgehalten, dass auch mit dieser Institution verbundene Neubauvorhaben (tadvasatisaṃbandhinavakarma°) finanziert werden sollten.83 In der eben erwähnten Inschrift aus dem 9. Jahrhundert ist die ausführliche Formel zu den künftigen Bau‑ und Instandhal‑ tungsmaßnahmen die einzige konkrete Verfügung zum Zweck dieser königlichen Stiftung eines Dorfes und diverser Lände‑ reien. Darüber hinaus ist nur allgemein vermerkt, dass die Dotation „für die Er‑ füllung der Religion dienender Pflichten“ (dharmopayogikarmakaraṇanimittaṃ) ein‑ zusetzen sei. Damit könnten sowohl die kultischen Aktivitäten (zu 1.) als auch die Versorgung der Jaina‑Asketen (zu 2.), in deren Hände die Stiftung übergeben wurde,

Indien

gemeint gewesen sein. Diese Asketen (yati, tapodhana, muni) werden regelmäßig in einschlägigen mittelalterlichen Stiftungs‑ zeugnissen erwähnt, und meist ist für sie – im Unterschied zu den mit Dotationen bedachten buddhistischen Mönchen – auch festgehalten, welcher (Jaina‑)Schulrich‑ tung sie angehörten. Vorkehrungen für eine Versorgung der Asketen sind aber relativ selten explizit verfügt, und wenn dies geschah, beschränkten sich diese zu‑ meist auf ‚Essensgaben‘ (āhāradāna) oder ‚Labung‘ (saṃtarpaṇa) für die ortsansässi‑ gen (tatratya, tatrasthita) Asketen.84 Insgesamt bliebe festzuhalten, dass die Zweckbestimmungen der buddhistischen Stiftungen am elaboriertesten, standar‑ disiertesten und umfassendsten sind und auch solche Komponenten enthalten, die in Dotationen an andere religiöse Rich‑ tungen kaum erscheinen, wie z. B. die Bereitstellung von Arzneimitteln für die Mönche.85 In den Konzepten und der Ter‑ minologie der ‚Verwendungsrichtlinien‘ mittelalterlicher Stiftungen lassen sich zahlreiche interreligiöse Einflüsse und Entlehnungen nachweisen. Die Gewich‑ tung der verschiedenen Bestimmungen zum Kultus differierte von Religion zu Religion, und auch zwischen einzelnen Dotationen lassen sich trotz Normierung der betreffenden Formeln unterschiedliche

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Akzente feststellen. In den meisten könig‑ lichen Stiftungen ganzer Dörfer, die etwa zwischen 500 und 1000 u. Z. vorgenommen wurden, sind einzelne Zwecke aufgeführt, ohne dass ihnen konkrete Anteile an der Dotation zugewiesen würden. Nur selten wurden ausdrücklich Gewichtungen der‑ gestalt vorgenommen, dass etwa die Hälfte, ein Drittel oder ein Viertel der vergebenen regelmäßigen Einkünfte für eine bestimm‑ te Aufgabe eingesetzt werden sollte.86 Erst ab dem 11. Jahrhundert wurden die schrift‑ lichen Festlegungen konkreter. Im Früh‑ mittelalter – wie im Altertum – geschah dies am ehesten bei Geldstiftungen, die allerdings im Mittelalter lange Zeit nicht sehr zahlreich getätigt wurden. Ein in‑ struktives Beispiel stammt aus der seit den ersten Jahrhunderten u. Z. existierenden buddhistischen Höhlenanlage von Kanhe‑ ri (→ 6.6.2) und datiert aus dem 9. Jahr‑ hundert. Nach Aussage der betreffenden Steininschrift vergab eine Privatperson 200 dramma 87 als unvergängliches Depo‑ situm (akṣayanīvī; → 1.6.3) und verfügte, dass aus den Zinsen jährlich 29 dramma für folgende Zwecke auszuschütten seien: 20 für den Kultus des Buddha (zu 1.), 3 für Reparaturen am Kloster (zu 3.), 5 für Ro‑ ben der Mönche (zu 2.) und 1 dramma für Handschriften (→ 9.6.3) – letzteres relativ singulär in Indien.88 AS

Anmerkungen 1  Schopen, Lay Ownership (1996, ND 2004), 225;

auch Ders., Doing Business for the Lord (1994, ND 2004), 70. 2 Schopen, Lay Ownership (1996, ND 2004), 226 f. Vgl. auch Ders., Marking Time (1998, ND 2004), 273 f.: „Here it would seem we finally have – in close conjunction with a calendrical device that would have made it possible – an explicit

warrant for the monastic practice of announcing the day, as well as for the recitation of verses for the Owner and gods of the vihāra (…). By linking these two practices, however, our pas‑ sage and those who redacted it gave the donor of a Mūlasarvāstivāda monastery a prominent place in the daily life of the monks who lived in it. Every day those monks – to use a Christian

180 idiom – ‚prayed‘ for him in a communal, litur‑ gical setting.“ 3 Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 392, Anm. 305. Zu einem anderen Beleg siehe auch ebd., 397. 4  Der von saṃvatsara, ‚Jahr‘, abgeleitete Begriff sāṃvatsarika steht hier wohl für sāṃvatsarikaśrāddha; zu diesem Terminus vgl. Monier-Williams, Sanskrit‑English Dictionary (1899), 1197: „an an‑ nual funeral ceremony in honour of deceased ancestors“. 5 Inscriptions of the Paramāras, Chandellas, Kachchhapaghātas and Two Minor Dynasties. Ed. Harihar Vitthal Trivedi, Bd. 3. (CII 7.3.) Delhi 1989, 359, Nr. 107, Z. 8 f. 6 Ebd., Bd. 2. (CII 7.2.) Delhi 1978, 137, Nr. 40, Z. 7 f.: saṃjātamahārājaśrīnaravarmadevasāṃvatsarike. Diese Stiftung ist nur aus der frag‑ mentarischen Kupfertafelurkunde des Prinzen Lakṣmīvarman bekannt, der die Stiftung von Yaśovarman im Jahr 1200 der Vikrama‑Ära (1144 u. Z.) bestätigte. 7 Ebd., 129, Nr. 38, Z. 1: śrīmomaladevīsāṃvatsarike. Yaśovarman nahm aus diesem Anlass offenbar den Austausch von Stiftungsobjekten vor. 8 Schopen, What’s in a Name (1996, ND 2004), 385 f. 9 Zur hybriden Sprache der Inschrift vgl. Damsteegt, Epigraphical Hybrid Sanskrit (1978), 156, Nr. 50. 10  The New Inscription of Toramana Shaha. Ed. Georg Bühler, in: Epigraphia Indica 1, 1892, 238–241, hier 240, Z. 7–11: deyadharmo ya vihārapratiṣṭhāpana (…) roṭṭajayavṛddhi anekavihārasvāmino satputrena yad atra puṇyaṃ tad bhavatu [mā]tāpitro (…) tathā vihārasvāmino roṭasiddhavṛddhi sarveṣāṃ bhrātarāṇāṃ bhaginīnāṃ patnīnāṃ putrāṇāṃ duhitṛṇāṃ mahārājatoramāṇaṣāhajaū[vlaḥ] devīnāṃ rājaputrāṇāṃ rājaduhitānāṃ ca sarvasatvānāṃ anuttarajñānāvāptaye. Unklar ist, welche Rechte / Pflichten sich aus der Bezeich‑ nung vihārasvāmin, ‚Herr / Besitzer eines Klosters‘ (→ 11.6.3), ergaben; vgl. Schopen, Lay Ownership (1996, ND 2004), 228. 11  Herrmann-Pfandt, Verdienstübertragung (1996). 12  Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 158: „kīrtana (…), same as kīrti; a temple or any other thing that renders famous the name of the person responsible for it; often interpreted as ‚a

Gedenken und Kultus

building or temple‘; but really ‚any fame‑produc‑ ing work‘; ‚a monument of fame‘; a pious work like a temple“; „kīrti (…), literally, ‚the thing that speaks of or glorifies one‘; used in the special meaning of ‚any work which renders the con‑ structor of it famous‘; a meritorious work, a pious deed; (…) ‚any fame‑producing work‘.“ 13  Zu Klöstern vgl. Schopen, Lay Ownership (1996, ND 2004), 219 f.; Hinüber, Verwischte Spu‑ ren (2009), 162. 14  Schopen, What’s in a Name (1996, ND 2004), 385. 15  Njammasch, Bauern, Buddhisten und Brah‑ manen (2001), 362–367, Nrn. 18; 23 f.; 40; 46; 70; 80; 86; 89. 16  Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 110 f.; 120 f. 17  Ebd., 275 f.; 393, Anm. 307. 18  Ebd., 358; 394 f.; 426. Bīcaṇa war an den Ort seiner Stiftungen gekommen, um – wie es heißt – seine „Schuld gegenüber dem Vater zu tilgen“. 19  Ebd., 369; 390; 432 f. 20 Vgl. z. B. Pimpari Plates of Dharavarsa‑Dhru‑ varaja; Saka‑Samvat 697. Ed. K. B. Pathak, in: Epi‑ graphia Indica 10, 1909/1910, 81–89, bes. Z. 47 f. 21 Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 231; Willis, Archaeology of Hindu Ritual (2009), 97 f. 22 Dharmasūtras. The Law Codes of Āpastamba, Gautama, Baudhāyana, and Vasiṣṭha. Ed. Patrick Olivelle. Delhi 2000, ‚Baudhāyanadharmasūtra‘, 277 f., Abschnitt 2.11.1–6. 23 Manu’s Code of Law. A Critical Edition and Translation of the Mānava‑Dharmaśāstra. Ed. Patrick Olivelle. Oxford 2005, 112, Strophe 3.69–3.71. 24 Stietencron, Orthodox Attitudes (1977). 25 Vgl. z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 308. 26 Cambay Plates of Govinda IV.; Saka Samvat 852. Ed. Devadatta Ramakrishna Bhandarkar, in: Epigraphia Indica 7, 1902/1903, 26–47, hier 40 f., Z. 54–58. Auch Willis, Archaeology of Hindu Ri‑ tual (2009), 69. 27 Vgl. z. B. Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Vasudev Vishnu Mirashi. (CII 6.) Delhi 1977, 44–54, bes. 49 f., Nr. 8. 28 Die letzten beiden Pflichten dieser tradi‑ tionellen Sechsergruppe, das Schenken (dāna) und die Annahme von Geschenken (pratigraha),

Indien

fehlen. Ihrer pratigraha‑Pflicht kamen brahma‑ nische Empfänger freilich dadurch nach, dass sie die entsprechenden Stiftungen akzeptierten; und in den Bereich von dāna gehörten unter anderem die erwähnten Fürsorgepflichten gegenüber Gäs‑ ten und Besuchern. 29 Vgl. z. B. Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi. (wie Anm. 27), 44–54, bes. 50, Nr. 8. 30 Schmiedchen, Tulāpuruṣa‑Zeremonie (2003); Dies., Ceremony of tulāpuruṣa (2006). 31 Schmiedchen, Formulas (1993). 32 Dem Inschriftencorpus der Maitrakas kommt besondere Bedeutung zu, weil sich darin die größte Zahl von buddhistischen Stiftungen ei‑ ner indischen Dynastie findet. Die buddhisti‑ schen Stiftungen der Maitrakas machen ca. ein Fünftel des bekannten Gesamtbestandes dieses Königshauses aus; vgl. The Inscriptions of the Maitrakas of Valabhī. Texts, Translations, Glos‑ sary. Ed. Annette Schmiedchen. Wiesbaden 2016. 33 Schmiedchen, Formulas (1993), 586–588. Nicht alle Komponenten dieser Aufzählung tauchen immer auf. 34 Das betreffende Genitivattribut stand ent‑ weder im Singular (buddhasya…) oder im Plural (buddhānāṃ…), also im Pluralis Majestatis. Theo‑ retisch wäre auch denkbar, dass die Verwendung des Plurals auf die Verehrung mehrerer Buddha‑ Bildnisse hindeutete. 35 Bildnisse (pratimā), die sich sowohl in ei‑ nem Tempel (prāsāda) als auch in einem Kloster (vihāra) befanden, sind jedoch in einer privaten Stiftungsinschrift des 6. oder 7. Jahrhunderts aus dem ostindischen Buddhagayā (wo Buddha seine Erleuchtung erlangt haben soll) erwähnt. Eines der Kultbilder, vor dem tagtäglich (pratyaham) Butterlämpchen (ghṛtapradīpa) brennen sollten, wird als raityapratimā, ‚Messingbildnis‘, bezeich‑ net; vgl. Selected Inscriptions from Bodh Gayā. Ed. Theodor Bloch, in: ASIAR, 1908/1909, 153–155, bes. 153, Z. 1. 36 Allerdings wurden stūpa‑Heiligtümer auf ähnliche Weise verehrt. 37 A Newly Discovered Copper‑plate from Tip‑ pera. Ed. D. C. Bhattacharya, in: IHQ 6, 1930, 45–60, bes. 53, Z. 3 f. 38 Dreimal täglich in der Gunaighar‑Urkunde von Vainyagupta; siehe vorhergehende Anmer‑ kung.

181 39 Vgl. z. B. Kailan Copper‑plate Inscription

of King Śrīdhāraṇa Rāta of Samataṭa. Ed. D. C. Sircar, in: IHQ 23, 1947, 221–241, bes. 239, Z. 22: gandhadhūpadīpamālyānulepanārtham. 40  A Record of the Buddhist Religion as Prac‑ tised in India and the Malay Archipelago (671–695). Übers. Junjiro Takakusu. London 1896, ND Delhi 1982, 147–149. 41  Some Unpublished Copper‑Plates of the Ru‑ lers of Valabhī. Ed. D. B. Diskalkar, in: JBBRAS, N. S., 1, 1925, 31–35, bes. Z. 24. Häufiger als in buddhistischem Kontext finden sich solche Ver‑ fügungen mit Bezug auf hinduistischen Tem‑ pelkult. 42  Cīvara ist die buddhistische Bezeich‑ nung für die Kleidung der Mönche und Non‑ nen. Piṇḍapāta bedeutet ‚Almosenverteilung‘. Śayanāsana steht wörtlich für ‚Betten und Sit‑ ze‘. Glānapratyayabhaiṣajya ist zu übersetzen mit ‚Medizin zur Heilung der Kranken‘. Diese stereotype Aufzählung findet sich so auch im Sanskrit‑Kanon der Mūlasarvāstivāda‑Richtung; vgl. beispielsweise Gilgit Manuscripts, Bd. 3.2. Ed. N. Dutt. Srinagar 1942, 119, Z. 4 f. Die Pali‑ Entsprechung im Kanon der Theravādins lautet cīvarapiṇdapātasenāsanagilānabhesajjaparikkhāra; vgl. Rhys Davids / Stede, Pali‑English Dictionary (1921–1923, ND 1989), 269. 43  Zu einem einschlägigen Beleg aus Andhra Pradesh vgl. New Light on the Visnukundins: Govindavarman’s Grant. Ed. M. Rama Rao, in: JIH 43, 1965, 738–741, hier 740, Z. 22 f.: pānabhojanaśayanāsanagrāsabhaiṣajya°. 44  Vgl. Hinüber, Verwischte Spuren (2009), 165 f.; 331 f., Anm. 51. Für einen einschlägigen Beleg in einer Maitraka‑Urkunde vgl. Wala Plate of Guha‑ sena: The Year 246. Ed. Lionel D. Barnett, in: Epi‑ graphia Indica 13, 1915/1916, 338–340, bes. Z. 9. 45  Kielhorn, Pādamūla. Pādamūlika (1898); Schmiedchen, Einige Besonderheiten (1993), 92 f.; Dies., Formulas (1993), 590 f.; Dies., Stiftungen zum Unterhalt buddhistischer Klöster (2013); Hinüber, Verwischte Spuren (2009), 167; 332, Anm. 58. Auch hier gilt, dass sich derartige Formeln häufiger in Stiftungen an hinduistische Tempel nachwei‑ sen lassen. In den betreffenden Urkunden stellt diese Verfügung jeweils eine vierte Zweckbe‑ stimmung dar. 46  Schmiedchen, Formulas (1993), 586.

182 47  Vgl. Hinüber, Verwischte Spuren (2009), 163;

Ders., Behind the Scenes (2013), 367–374; Katti, Epigraphical Evidence about Repairs (1995). 48  Ambalas Plates of the Saindhava King Ahivarman. Ed. H. G. Shastri / P. V. Dholakia, in: JOIB 19, 1969/1970, 279–285, hier 284, Z. 12 f. 49  Zu älteren Belegen für diesen Verantwortli‑ chen für Neubauten vgl. Njammasch, Navakam‑ mika (1974). 50 Dies zeigt beispielsweise eine private Stif‑ tungsinschrift aus Buddhagayā; vgl. Selected Inscriptions from Bodh Gayā. Ed. Bloch (wie Anm. 35), 153, Z. 1. 51 Inscriptions of the Kalachuri‑Chedi Era. Ed. Vasudeva Vishnu Mirashi, Bd. 1. (CII 4.1.) Ootaca‑ mund 1955, 114, Nr. 25, Z. 24. 52 Deeg, Gaoseng‑Faxian‑Zhuan (2005), 540. Als ‚Häretiker‘ sind hier die Nicht‑Buddhisten bezeichnet. 53 Zu gandha usw. vgl. Hinüber, Verwischte Spuren (2009), 166 f. 54 Siehe oben, Anm. 41. Vgl. auch Schmiedchen, Formulas (1993), 587. 55 Ebd., 588; Willis, Archaeology of Hindu Ri‑ tual (2009), 96–98. 56 Falk, Ursprung der Sattra‑Opfer (1985). 57 Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 306: „sattra (…) ‚a charitable feeding house‘; an alms‑house“. 58 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 199, Anm. 744. Für eine Ausnahme, in der auch vaiśvadeva erwähnt ist, vgl. Bhamodra Mohota Plate of Dronasimha: The year 183. Ed. Lionel D. Barnett, in: Epigraphia In‑ dica 16, 1921/1922, 17–19. 59 Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 210; 220. 60 Bühnemann, Pūjā (1988), 64, Anm. 210. 61 Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 321; Sircar, Indian Epigra‑ phical Glossary (1966), 33. 62 Hierbei handelt es sich um den sogenannten Betelpfeffer, der als Arzneipflanze benutzt und dessen Blätter (bestrichen mit anderen Ingredi‑ enzien und dann gerollt) zur Munderfrischung gekaut werden. 63 Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 20. 64 Vgl. z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 378.

Gedenken und Kultus

65 Ebd., 193; 199; 203–206; 209; 275; 297. 66 Z. B. ebd., 274, Anm. 262. 67 Z. B. ebd., 308 f. 68 Z. B. ebd., 199; 274. 69 Vgl. z. B. Bhamodra Mohota Plate of Drona‑

simha. Ed. Barnett (wie Anm. 58). Hier ist am Ende ein Priester der Göttin (devīkarmāntika) nament‑ lich erwähnt. Siehe auch Schmiedchen, Herrscher‑ genealogie und religiöses Patronat (2014), 191 f. 70 Inscriptions of the Maitrakas of Valabhī. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 32), Nr. 6. 71 Manu’s Code of Law. Ed. Olivelle (wie Anm. 23), 784, Strophe 9.202. 72 Vgl. z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 275. 73 Zu āsanācchādana vgl. ebd., 192; zu bhojanācchādana vgl. ebd., 297; zu āhāradāna vgl. ebd., 303. 74 Inscriptions of Orissa, Bd. 2: Inscriptions of the Bhauma‑Karas. Ed. Snigdha Tripathy. Del‑ hi 2000, 127, Nr. 8, Z. 23; 157, Nr. 13, Z. 33; 164, Nr. 14, Z. 33. 75 Siehe oben, Anm. 45. Vgl. auch Inscriptions of the Maitrakas of Valabhī. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 32), 276–281, Nr. 50; 291–296, Nr. 53; 376–383, Nr. 67. 76 Vgl. Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 312 f.; 398; 408; 427; 429; 448. 77 Dies gilt z. B. für einen epigraphischen Beleg, in dem die Stiftungen eines Rāṣṭrakūṭa‑Königs an Tempel allgemein charakterisiert werden. Hier findet sich in einer Aufzählung mit Bezug auf die Asketenschaft (tapovana) die Komponente sattra unmittelbar vor ‚Obergewänder‘ (uttarāsaṅga); vgl. ebd., 209. 78 Ebd., 202 f. 79 Ebd., 202; 204; 321. 80 Ebd., 202. 81 Vgl. z. B. ebd., 202; 204. Nicht immer sind jedoch alle drei Komponenten der kultischen Speisendarbringung – bali, caru und sattra – auf‑ gezählt. 82 Ebd., 203. 83 Konnur Spurious Inscription of Amoghavar‑ sha I.; Saka‑Samvat 782. Ed. Franz Kielhorn, in: Epigraphia Indica 6, 1900/1901, 25–38, bes. 31, Z. 37. Wie an anderer Stelle (→ 5.6.3) ausgeführt, ist die Bewertung dieser Steininschrift aus dem 12. Jahr‑ hundert durch Kielhorn als ‚gefälscht‘ wohl zu

Indien

183

relativieren. Im Inschriftentext ist vermerkt, dass Anteilen mitunter mehrere Unterzwecke zu be‑ es sich um die ‚Abschrift‘ einer älteren Kupfer‑ dienen waren; vgl. Inscriptions of Orissa, Bd. 2. tafelurkunde handelt. Zu der betreffenden Formel Ed. Tripathy (wie Anm. 74), 127, Nr. 8, Z. 20–24 vgl. auch Schmiedchen, Herrschergenealogie und (zwei Hälften); 142, Nr. 11, Z. 26–29; 149 f., Nr. 12, religiöses Patronat (2014), 203. Z. 26–29 (je drei Teile); 156 f., Nr. 13, Z. 29–35; 163 f., 84 Ebd., 204; 323–325. Nr. 14, Z. 29–35 (je vier Teile). 85 Vgl. aber Chakravarti / Ray, Healing and Hea‑ 87 Dies war die Bezeichnung für eine Silber‑ lers Inscribed (2011), 21 f.; Basu Majumdar, Medical münze. Practitioners (2013), 19–22. (→ 9.6) 88 Drei Inschriften aus Kaṇheri. Ed. Franz Kiel86 In diversen Urkunden der Bhaumakara‑Dy‑ horn, in: Nachrichten der Gesellschaft der Wis‑ nastie von Orissa aus dem 9. Jahrhundert, die senschaften Göttingen, Januar 1894, 32–47, ND buddhistischen und śivaitischen Institutionen in: Ders., Kleine Schriften. Mit einer Auswahl galten, wurden Anteile aus den Stiftungserträgen der epigraphischen Aufsätze, Bd. 1. Hrsg. von für spezielle Zwecke bestimmt, wobei aus diesen Wilhelm Rau. Wiesbaden 1969, 299–314, bes. Nr. 1.

9  Wohltätigkeit und Bildung

9.1 Interkulturelle Perspektiven Arme oder Hilfsbedürftige aller Art, also auch Hungrige, Kranke, Waisen, Witwen, Alte, Fremde und Gefangene, gibt es in fast allen menschlichen Gesellschaften, aber wo die eigene Arbeit als Selbsthilfe nicht ausreichte oder unmöglich war 1, begegnen diese ihnen mit unterschiedli‑ chen Motiven und Mitteln. Religiöse oder philosophische Lehren begründeten in den ‚Achsenzeitkulturen‘, zu denen alle in diesem Werk behandelten Stiftungen gehören, ein „Leben im Zeichen des Mit‑ gefühls“2; hier neigte man sogar zur As‑ kese, also zu Formen der Enthaltsamkeit, insbesondere, was leibliche Bedürfnisse, aber auch was soziales Ansehen und alle Arten des Sichgeltendmachens betrifft. In diesem Sinne wählten manche frei‑ willig die Armut und stellten sich den gezwungenermaßen Armen sozial, öko‑ nomisch und sogar emotional gleich. Die typische Figur des freiwillig Armen ist der Mönch, dessen Prototyp der Eremit beziehungsweise der Wanderasket, der seine Heimat verlässt, um keine neue zu finden, und entweder in Wald, Wild‑ nis oder Wüste auf sich gestellt zu leben oder durch Betteln eine prekäre Exis‑ tenz zu fristen. Es gab die ‚Hauslosen‘ in

Indien lange vor den Religionsgründern Mahāvīra (Jinismus) und dem Buddha 3 und im Christentum zuerst bei den ägyp‑ tischen Wüstenvätern4. Arme aller Art waren auf Hilfen angewiesen, durch die die Polarität von ‚Starken‘ und ‚Schwa‑ chen‘ gemildert werden konnte. Die bud‑ dhistische Ethik schreibt vor, jedem Lebe‑ wesen, also auch Tieren, mit Liebe zu be‑ gegnen, und entwickelte die (altindische) Pflicht zur Unterstützung der asketisch Fremden weiter.5 Wie die Jainas fasste der Buddha die freiwillig Armen, die Mönche und Nonnen, in Gemeinschaften (Orden, Klöstern) zusammen, und öffnete den Laien den Weg zum Erwerb religiö‑ ser Verdienste durch deren Versorgung.6 Nach der ihrem Gründer selbst offenbar‑ ten Lehre sollte der Mönch nämlich nur ein Gewand aus drei vernähten Tüchern, eine Bettelschale, ein Rasiermesser, eine Nadel, einen Gürtel und ein Wassersieb besitzen.7 Wie dem Buddha selbst Barm‑ herzigkeit zugeschrieben wird – Kranke geheilt, Hungrige gespeist und Schwa‑ chen geholfen zu haben 8 –, so sollten selbstverständlich auch seine asketisch lebenden Gefolgsleute Liebeswerke üben 9. Analog wurde vom ägyptischen Eremiten

186

verlangt, vom selbsterworbenen Lebens‑ unterhalt Almosen zu geben.10 Am wenigsten schätzten die Juden die Armut.11 Das Judentum wird zu jenen le‑ bensbejahenden Religionen gezählt, die „im Prinzip fremd zur Askese“ standen.12 In der Weisheitsliteratur ist Armut ganz negativ besetzt und gilt als selbstverschul‑ det.13 Der kollektive Erwählungsauftrag des Volkes steht in der rabbinischen Tradi‑ tion einer Präferenz für die Weltflucht ent‑ gegen. Wer sich von der Gemeinde trennte (pôreš min haṣ-ṣibbûr), wurde verurteilt.14 Trotzdem wirkten auch andere Traditio‑ nen weiter. Schon bei den Propheten, die der ‚Achsenzeit‘ angehörten, wurde die Armut umgewertet und galt als ungerech‑ tes und zu beseitigendes Übel.15 Die Psal‑ men priesen Jahwe als Richter der Bösen sowie als Helfer und Retter der Armen.16 ‚Rechtschaffenheit‘ (hebr. ṣedeq, ṣedaqah), der Zentralbegriff der alttestamentlichen Gesetzgebung und prophetischen Lehre, wurde im Talmud auf die Vergabe von Almosen und den Beistand für die Ar‑ men verengt.17 Den Rabbinen galt sie in diesem Sinne als eine der größten guten Taten. In der Bibel wurde die Praxis des ṣedeq immer wieder angemahnt. Im Deu‑ teronomium heißt es: „Es werden allezeit Arme sein im Lande; darum gebiete ich dir und sage, dass du deine Hand auftust deinem Bruder, der bedrängt und arm ist in deinem Lande.“ (Dtn 15.11) Armut galt also als unüberwindliche Erscheinung, die Gabe an die Armen als Pflicht, nicht als freiwillige Leistung. Hiob sagte von seinem vergangenen Leben: „Denn ich errettete den Armen, der da schrie, und den Waisen, der keinen Helfer hatte (…), und ich erfreute das Herz der Witwe. Ge‑ rechtigkeit war mein Kleid, das ich anzog wie einen Rock (…). Ich war des Blinden Auge und des Lahmen Fuß. Ich war ein Vater der Armen.“ (Hi 29.12–16) Auch der

Wohltätigkeit und Bildung

Gedanke, durch Almosen Verdienste zu erwerben, findet sich im Alten Testament: „Wer sich des Armen erbarmt, der leihet dem Herrn; der wird ihm wieder Gutes vergelten.“ (Prov 19.17)18 In den Apokry‑ phen (nach jüdischem Kanon) tritt die Idee, mit Gaben für die Armen eigene Sünden zu tilgen, immer wieder hervor. Tobias etwa ermahnt seinen Sohn: „Von deinen Gütern hilf dem Armen, und wende dich nicht vom Armen, so wird dich Gott wie‑ der gnädig ansehen. Wo du kannst, da hilf den Dürftigen. Hast du viel, so gib reichlich; hast du wenig, so gib doch das Wenige mit treuem Herzen. Denn du wirst sammeln einen rechten Lohn in der Not. Denn die Almosen erlösen von allen Sün‑ den, auch vom Tode, und lassen nicht in der Not. Almosen ist ein großer Trost vor dem höchsten Gott.“ (Tob 4.7–11) An ande‑ rer Stelle werden Almosen mit Beten und Fasten zusammen empfohlen: „Ein solch Gebet mit Fasten und Almosen ist besser, als viel Gold zum Schatz sammeln; denn die Almosen erlösen vom Tode, tilgen die Sünden, erhalten am Leben.“ (Tob 12.8–9) Bei Jesus Sirach steht schon ein Vergleich, der im christlichen Mittelalter zur Motiva‑ tion von Schenkungen und Stiftungen für das Seelenheil unendlich oft zitiert werden sollte: „Wie das Wasser ein brennendes Feuer löscht, also tilgt das Almosen die Sünden.“ (Sir 3.30) Ṣedaqah beruhte ausschließlich auf dem materiellen Besitz des Wohltäters und konnte nur dem Armen gegeben werden. Eine andere Form der Wohltat, gemilut ḥasadim (oder: gemilut ḥesed), war umfas‑ sender konzipiert, neben Vermögenswer‑ ten konnte man dabei auch persönlichen Dienst einbringen; mögliche Adressaten waren Arme und Reiche, Lebende und Verstorbene.19 Obgleich keine fixe Größe festgeschrieben war, galt gemilut ḥasadim neben Thora und Gottesdienst als eine

Interkulturelle Perspektiven

der drei Säulen, auf denen die Welt ruhte. Ein dritter Begriff jüdischer Wohltätigkeit war die quppah.20 Dabei handelte es sich um eine Armenbüchse, zu der jedes jüdi‑ sche Gemeindemitglied – Männer, Frau‑ en, Kinder, dazu die Armen selbst – bei den wöchentlichen Gebetszeiten sowie an Festtagen gemäß dem ermittelten Bedarf, aber nach eigenem Vermögen monetä‑ re Beiträge leistete; das Geld wurde von den Aufsehern freitags an die Bedürftigen aufgeteilt.21 Trotzdem empfand der Kirchenvater Hieronymus (gest. 420) die Differenzen zwischen jüdischer und christlicher Auf‑ fassung von Armut und Armensorge sehr stark; in einem seiner Briefe forderte er den Adressaten auf: „Such in allen Syn‑ agogen (…), und du wirst keinen Lehrer fin‑ den, der (…) Verachtung des Reichtums und die Armut lehrte.“22 Indessen hat die For‑ schung sogar für das christliche Mönch‑ tum Wurzeln im Judentum identifiziert: Philo von Alexandria schilderte im ersten Jahrhundert u. Z. das Gemeinschaftsle‑ ben der ‚Therapeuten‘, die sich zu asketi‑ scher Entsagung verpflichtet hatten.23 Im Allgemeinen blieb jedoch die Ethik der freiwilligen Armut mit asketisch leben‑ den Mönchen und Nonnen im Judentum unbekannt. Der Religionsstifter Jesus von Nazareth war selbst arm; seine Frohe Botschaft rich‑ tete er an die Armen, und in Armut sollten seine Jünger diese Botschaft verbreiten.24 Großen Eindruck machte auf die Gläubigen seine Erzählung vom reichen Jüngling, der alle Gebote eingehalten hatte und doch vor Jesu Armutsforderung zusammenbrach: „Willst du vollkommen sein, so gehe hin, verkaufe, was du hast, und gib es den Ar‑ men, so wirst du einen Schatz im Himmel haben!“ (Mt 19.21) Unmissverständlich band er die Verheißung persönlicher Seligkeit an die Bereitschaft zum Verzicht und zur

187

Armensorge. Vom Weltgericht am Ende der Zeiten sagte er voraus: „Wenn aber des Menschen Sohn kommen wird in sei‑ ner Herrlichkeit und alle Engel mit ihm, dann wird er sitzen auf dem Thron seiner Herrlichkeit, und werden vor ihm alle Völ‑ ker versammelt werden. Und er wird sie voneinander scheiden, gleichwie ein Hirt die Schafe von den Böcken scheidet, und wird die Schafe zu seiner Rechten stellen und die Böcke zur Linken. Da wird der König sagen zu denen zu seiner Rechten: Kommt her, ihr Gesegneten meines Vaters, ererbet das Reich, das euch bereitet ist von Anbeginn der Welt! Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich gespeist. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich getränkt. Ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt mich beherbergt. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich bekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin gefangen gewesen, und ihr seid zu mir gekommen. Dann werden ihm die Gerechten antworten und sagen: Herr, wann haben wir dich hungrig gese‑ hen und haben dich gespeist? Oder durstig und haben dich getränkt? Wann haben wir dich als einen Fremdling gesehen und beherbergt? Oder nackt und haben dich bekleidet? Wann haben wir dich krank oder gefangen gesehen und sind zu dir ge‑ kommen? Und der König wird antworten und sagen zu ihnen: Wahrlich, ich sage euch: Was ihr getan habt einem unter die‑ sen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Mt 25.31–40) Es war diese vorbehaltlose Identifikation Jesu mit dem Armen, seine Selbstdemütigung, die seine Apostel verkündeten, als Vorbild auf dem Wege zum individuellen Heil, aber auch für die gegenseitige Liebe in den christlichen Gemeinden (etwa Phil 2.1–11). Auch Mohammed hat die Askese geprie‑ sen und die Förderung unfreiwillig Armer gefordert.25 Die beiden zentralen Begriffe

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muslimischer Wohltätigkeit, ṣadaqa und zakāt, sind jüdischen Ursprungs.26 Schon in seiner mekkanischen Periode verband Gottes Wort in Mohammeds Überlieferung die Praxis des Wohltuns mit der Verhei‑ ßung des Paradieses: „Wer nun gibt und gottesfürchtig ist und an ‚das Schönste‘ glaubt, dem werden wir ein leichtes Los bereiten. Doch wer da geizt und reich sich dünkt und ‚das Schönste‘ leugnet, dem werden wir ein schweres Los berei‑ ten. Sein Reichtum hilft ihm nicht, wenn er zugrunde geht. Siehe, uns obliegt die Leitung. Bei uns sind das Jenseits und das Diesseits. So warne ich euch vor einem Feuer, das lodert, in dem nur der Unselige brennt, der leugnet und sich abkehrt. Der Gottesfürchtige wird von ihm verschont, der sein Gut dahingibt, auf dass er sich läutert. Es gibt bei ihm für keinen eine Wohltat, die vergolten werden müsste, es sei denn, im Trachten nach dem Wohlge‑ fallen seines höchsten Herrn. Dann wird er gewiss zufrieden sein.“ (Q 92.5–21) In Medina entstand nach der ṣadaqa als frei‑ williges Almosen zakāt als verpflichtende Abgabe, die zu einem der fünf ‚Pfeiler‘ des Islam wurde. In der in Medina aufgezeich‑ neten Sure 9.60: ‚Die Buße‘ heißt es unter anderem: „Die Almosen sind bestimmt für Arme und Bedürftige und die sich um sie kümmern [Verwalter]; für Leute, deren Herz gewonnen werden soll [Neubekehr‑ te]; für Sklavenfreikauf und für Schuldner und für den Kampf [um die Sache Allahs] und den ‚Sohn des Weges‘ [Wanderer] – als Pflicht von Seiten Gottes.“ Im religiösen Leben der Muslime kommt die Praxis der Askese vor allem im Fas‑ tenmonat zum Ausdruck, in dem auch der Geschlechtsverkehr bei Tage unter‑ sagt ist; nach einem Diktum Mohammeds selbst galt der ‚heilige Krieg‘ als islami‑ sches Klosterwesen. Sonstige asketischen Strömungen scheinen vom Christentum

Wohltätigkeit und Bildung

beeinflusst zu sein. Sufis trugen den groben Wollmantel des Asketen, Fakire (‚Arme‘) und Derwische führten mit „Die Armut ist mein Stolz“ ein Wort des Propheten im Munde.27 Was das mittelalterliche Jahrtausend angeht, waren die Könige in Indien nach dem Götterkult zur Förderung der (Wald‑) Eremiten, (Wander‑)Asketen und gelehrten Brahmanen noch vor der Hilfe für Bedürf‑ tige verpflichtet; genannt werden hierbei neben den Gruppen der Alten, Kranken, Schutzlosen, (mittel‑ oder kinderlosen) Frauen und Waisen auch Minderjährige, was in christlichen Aufzählungen eher ungewöhnlich wäre. Nachgeordnet sind Infrastrukturmaßnahmen wie die Anlage von Straßen, Brücken und Wasserressour‑ cen. Die Stiftungsinschriften spiegeln diese Normen recht gut wider. Die systematische königliche Förderung von Brahmanen‑ priestern und ‑asketen durch entsprechen‑ de Ausstattung, besonders ganzen Dörfern, ist für den Norden Indiens zwischen dem 5. und 11. Jahrhundert u. Z. nachgewiesen.28 Oft ist nicht klar, ob Brunnen und Feuer‑ stellen und Ähnliches als Zubehör eines Tempels oder Klosters, also zum Gebrauch der Priester und Mönche sowie ihrer Be‑ diensteten, oder als ‚öffentliche‘ Einrich‑ tungen geplant waren. Auch die mehrfach bezeugten Heilstätten im Tempel‑ oder Klosterbereich (‚Genesungshallen‘, auch Speisehallen, Geburtsstationen etc.) müs‑ sen wohl in erster Linie zur internen Ver‑ sorgung gedient haben. Bemerkenswert ist, dass der Buddha selbst Vorkehrungen getroffen haben soll, dass sein Orden sich des Zustroms der Armen erwehren konnte. Brahmanen, buddhistische Klöster und hinduistische Tempel wurden auch zur Fortführung der Lehrtradition ausgestattet. Dabei konnten die Stoffe über die religiöse Überlieferung im engeren Sinne hinausge‑ hen, so dass sich etwa gelehrte Brahmanen

Interkulturelle Perspektiven

nicht auf die Veden beschränkten, son‑ dern etwa auch Phonetik, Astrologie und Philosophie unterrichteten. Die Schüler konnten mit Obdach, Essen und anderem Lebensnotwendigen ausgestattet werden, darunter mit (dem gar nicht asketischen Luxus von) Öl für 51 Bäder im Jahr. Zum Erwerb religiösen Wissens wurden auch Pilgerschaften gefördert. Bemerkenswert ist, dass neben den Laien unter den Stiftern auch buddhistische Ordinierte in Erschei‑ nung traten; obwohl ihre saṃghas (‚Orden‘) durch die beiden Laiengruppen (männliche und weibliche Anhänger) versorgt werden sollten, waren sie, anders als brahmanische und jinistische Asketen, keineswegs zur Besitzlosigkeit verpflichtet.29 Im Unterschied zu Indien erfasste im Bereich des europäischen Christentums eine flächendeckende Institution, die Kir‑ chen der Bischöfe und Pfarrer, die gesam‑ te Bevölkerung.30 In diesem lückenlosen Netz konnte jeder Gläubige das Liebesgebot Christi im Rahmen seiner Familie auch an Nichtangehörigen erfüllen (‚Hausarmen‑ pflege‘), von Anfang an bildete aber die Christengemeinde die Zelle des religiösen Lebens, in der spektakulär, regelmäßig und nachhaltig Werke der Caritas geübt wurden. Seitdem es das Amt gab, war der Bischof stellvertretend für alle verant‑ wortlich; ökonomische Grundlage seines Wirkens bildeten regelmäßige Abgaben, die schon Tertullian (gest. nach 220) be‑ zeugt und die sich offenkundig am Vorbild der jüdischen Gemeindekasse orientier‑ ten.31 Als Kaiser Konstantin der Große (gest. 337) die Kirche mit den anderen Reli‑ gionsgemeinschaften gleichgestellt und ihr Vermögens‑ und Erbfähigkeit zugebilligt hatte, nahmen die caritativen Aufgaben der Christen noch einmal enorm zu, so dass freiwillige Leistungen in Form von Schenkungen und Stiftungen dringend erforderlich wurden. Um 350 wurde im

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Bereich der byzantinischen Kirche das Spital erfunden, allerdings wohl nicht in der Hauptstadt Konstantinopel, sondern im tiefen Anatolien;32 im 6. Jahrhundert unterschied die kaiserliche Gesetzge‑ bung Justinians funktional im Einzelnen Fremden‑ und Krankenhäuser, Witwen‑, Waisen‑ und Findelhäuser sowie Heime für alte Männer. Vom Osten erreichte die Erfindung des xenodochiums den Bereich der westlichen Kirchen. Zur Versorgung der Bedürftigen waren auch die Klöster verpflichtet; diese, wenn nicht der Bischof oder die Stifterfamilie, machten die Spitäler von sich abhängig. Im abendländischen Hochmittelalter ergriff eine Bewegung frei‑ williger Armut weite Kreise der Laien und mündete unter anderem in die Gründung sogenannter Mittelorden (vor allem Domi‑ nikaner und Franziskaner). Zur gleichen Zeit erreichten Spitalstiftungen die Freiheit von weltlicher und geistlicher Herrschaft. In Byzanz spielten ‚Staat‘ (der Kaiser) und ‚Kirche‘ (vor allem das Patriarchat) traditio‑ nell eine viel größere Rolle im Fürsorge‑ wesen; effektvoller als im Westen traten die orthodoxen Kaiser auch als Stifter von komplexen Klosteranlagen in Erscheinung, zu denen caritative und gegebenenfalls auch edukative Einrichtungen gehörten. Schulen hatte Kaiser Justinian in sei‑ nen Gesetzen unter den venerabiles domus (‚ehrwürdigen Häusern‘, also cari‑ tativen Einrichtungen) im Übrigen nicht erwähnt.33 In dieser Leerstelle liegt eine bemerkenswerte Differenz zum Islam, wo zu den gottgefälligen Zwecken, denen jede Stiftung gewidmet sein muss, neben Mo‑ scheen und sozialcaritativen Einrichtun‑ gen vor allem Koranschulen und höhere Privatschulen gehörten. In der lateini‑ schen Kirche wurden Schulen an Klös‑ tern und Kathedralen oder auch an Stifts‑ und Pfarrkirchen errichtet; die Klöster, überwiegend selbst fromme Stiftungen,

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bildeten Schulen auch für Externe aus. Ansätze zu einem allgemeinen, waben‑ artig verdichteten und zentral gelenkten Schulsystem blieben aber unter den Karo‑ lingern stecken. Erst die Ausbildung von Einzelpfründen, vor allem an Stifts‑ und Domkirchen, öffnete neue Wege. Etwa seit dem 11. / 12. Jahrhundert (in Klöstern schon früher) konnte der Schulmeister ein besonderes Kanonikat erhalten, das ihm sogar erlaubte, weitere Lehrer ein‑ zustellen. Mönche und Kleriker machten ihre Pfründen mobil zum Studium an he‑ rausragenden Schulen der näheren oder weiteren Entfernung. Der Durchbruch zur Verbindung von Wissenschaft und Stiftung lag aber bei der Erfindung der Universität durch die lateinischen Christen um 1200; neben dem genossenschaftlichen Zusam‑ menschluss der Lehrer und Schüler war sie auf das System von Stiftungen gegründet, das ihre Angehörigen wirtschaftlich für Bildung und Wissenschaft zumeist erst freistellte. Im Vergleich zum christlichen Westen spielte Bildung im griechisch‑or‑ thodoxen Stiftungswesen kaum eine Rolle. Im mittelalterlichen Judentum waren die Stiftungen fast ausschließlich der Für‑ sorge (ṣedaqah) gewidmet; als Empfänger der Gaben traten aber in aller Regel nicht die Armen und Bedürftigen selbst, son‑ dern die Gemeinden beziehungsweise die Gemeindefonds in Erscheinung, die die Verwaltung und Distribution der aufge‑ brachten Mittel ausübten. Die Bezeichnung des Gemeindefonds heqdesh / qodesh, die vom Tempelschatz abgeleitet war, wurde auch für Stiftungen verwendet. Im Unter‑ schied zur Pfarrei im Christentum gab es keine Zwangsmitgliedschaft der Juden in einer Gemeinde, so dass auch die Abgaben im Prinzip freiwillig waren. Als beson‑ ders verdienstlich galten Gaben, die un‑ bekannter Weise erfolgten (was indessen die Erkennbarkeit von jüdischen Stiftungen

Wohltätigkeit und Bildung

erschwert). Eine herausragende Rolle in den durch den Fonds oder private Stiftun‑ gen finanzierten Maßnahmen spielte die Förderung von Schülern, Studierenden und Gelehrten sowie von Fremden und – vor allem im Orient – die Auslösung von Ge‑ fangenen. In letztwilligen Verfügungen konnte Gott selbst zum Universalerben erklärt werden.34 Generell muss man mit islamischen oder christlichen Einflüssen auf die Ausgestaltung jüdischer Stiftun‑ gen rechnen; das gilt etwa von einem Testament, nach dem die Güter wie bei den Muslimen dem Nießbrauch erbender Verwandter vorbehalten werden und erst nach deren kinderlosem Tod an die Für‑ sorge fallen sollten. Anderswo sollte das Erbe einer ohne Nachkommen bleibenden Tochter, wie mit christlichem Vokabular gesagt wird, „zum Seelenheil“ dem Almo‑ sen zufließen.35 Die Stiftung, waqf , ist die wichtigste Einrichtung für Wohlfahrtspflege im mit‑ telalterlichen Islam. Von anderen Kulturen unterscheidet sich die Praxis des musli‑ mischen Stiftens vor allem darin, dass sie auch die Lehre, den Wissenserwerb und die Pflege der Wissenschaften in die Wer‑ ke der Wohltätigkeit einbezieht und als Akte der Barmherzigkeit (ṣadaqa) bewer‑ tet. Als Felder stiftungsgestützter Fürsor‑ ge lassen sich im Übrigen vor allem die Ausgabe von Lebensmitteln (Essen und Wasser) an Hungrige und Durstende, die Beherbergung von Fremden und Pilgern, die Finanzierung von religiösen Pflichten und rituellen Praktiken für wirtschaftlich Arme und die medizinische Versorgung, besonders in Spitälern und durch Ärzte, identifizieren. Auffällig sind der große Anteil von muslimischen Stiftungen an öffentlichen Infrastrukturmaßnahmen und die besondere Förderung freiwillig Armer (vor allem von Sufis). MB

Interkulturelle Perspektiven

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Anmerkungen 1  Über den Zusammenhang von Armut und

18  Vgl. Uhlhorn, Christliche Liebesthätigkeit, Arbeit siehe Oexle, Armut und Armenfürsorge Bd. 1 (1882 / 1895, ND 1959), 48 f. (1981, ND 2011); Ders., Armut, Armutsbegriff und 19  Himelstein, Gemilut Ḥesed (1997); Ders., Cha‑ Armenfürsorge (1986). Vgl. auch Ders., Armut im rity (1997). Mittelalter (2004). 20 Himelstein, Quppah (1997); Brocke, Armen‑ 2 Armstrong, Achsenzeit (2006), 11. Zum (frühen) fürsorge I (1979, ND 1993), 11 f. Buddhismus differenzierend Kieffer-Pülz, Muster‑ 21 Der bei dem Kirchenhistoriker Sozomenos beispiel (2006/2007), 292. überlieferte Brief Julians an den galatischen 3 Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 37 f.; Oberpriester Arsakios, nach dem sich der Kaiser Brück, Einführung in den Buddhismus (2007), 87– bei der Restauration der heidnischen Reli gion 92; 114 u. ö.; Michaels, Hinduismus (1998, ND 2006), neben den Christen auch auf die Humanität der 347–356; Gombrich, Einleitung (1995), 22. konkurrierenden Juden berufen habe (siehe Uhl4  K. Frank, Grundzüge der Geschichte des horn, Christliche Liebesthätigkeit, Bd. 1 [1882 / christlichen Mönchtums (1975), 15–28. 1895, ND 1959], 319), ist als „Fälschung um einen 5 Brück, Einführung in den Buddhismus (2007), historischen Kern“ erkannt, siehe Rosen, Julian 98; 129 f.; 147–153; Lamotte, Buddha (1995), 38. (2006), 496, Anm. 76 (mit Literatur), u. ö. 6 Brück, Einführung in den Buddhismus (2007), 22 In Esaiam II, zit. nach Brocke, Armenfürsor‑ 99; 113; 182–187; 196–198 u. ö.; Gombrich, Einleitung ge I (1979, ND 1993), 12 f. (1995), 26; Lamotte, Buddha (1995), 55 f. 23 K. Frank, Grundzüge der Geschichte des 7 Brück, Einführung in den Buddhismus (2007), christlichen Mönchtums (1975), 2. Auf andere 87; 154. – Aus „drei verschieden großen Tüchern“ Gruppen (Essener, Qumran‑Gemeinde) gehe ich statt „aus drei vernähten Flicken“ nach Kieffer- hier nicht ein. Pülz, Musterbeispiel (2006/2007), 293. Vgl. Lamotte, 24 Oexle, Armut und Armenfürsorge (1981, Buddha (1995), 63 f. ND 2011), 402–404; Keck, Armut III (1979, ND 1993). 8 Brück, Einführung in den Buddhismus (2007), 25 Wißmann, Armut I (1979, ND 1993), 71 f. 99; Lamotte, Buddha (1995), 37. 26 N. N., Ṣadaḳa (1961); N. N., Zakāt (1961). 9 Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 42 f.; 27 Bergmann, Askese I (1979, ND 1993), 197. Brück, Einführung in den Buddhismus (2007), 28 Datta, Migrant Brāhmaṇas (1989). 153–157; 183; 197 u. ö.; Gombrich, Einleitung (1995), 29 Kieffer-Pülz, Musterbeispiel (2006/2007), 295. 27. 30 Vgl. M. Borgolte, Mittelalterliche Kirche 10  K. Frank, Grundzüge der Geschichte des (2004), bes. 38–60; Tellenbach, Westliche Kirche christlichen Mönchtums (1975), 21. (1988), 34–42; Bünz / Fouquet, Pfarrei im späten 11  D. Michel, Armut II (1979, ND 1993); Maier, Mittelalter (2013). Armut IV (1979, ND 1993); N. N., Poverty and the 31 Vgl. Uhlhorn, Christliche Liebesthätigkeit, Poor (1989, ND 2002). Bd. 1 (1882/ 1895, ND 1959), 136–139. 12  Bergmann, Askese I (1979, ND 1993), 197; vgl. 32 Horden, Memoria (2005), 139 f. Markert, Askese II (1979, ND 1993); Maier, Aske‑ 33 Zum Folgenden M. Borgolte, Stiftung und se III (1979, ND 1993). Wissenschaft (2011, ND 2011 und 2012), 410–413 13  D. Michel, Armut II (1979, ND 1993), 72. (mit weiterer Literatur). Zur abendländischen 14  Maier, Askese III (1979, ND 1993), 200 f. Schulgeschichte z. B.: Fried, Schulen und Studi‑ 15  D. Michel, Armut II (1979, ND 1993), 73. um (1986); Kintzinger / Lorenz / Walter, Schule und 16  Ebd., 75. Schüler (1996). 17  Himelstein, Righteousness (1997); Ders., 34 Burns, Jews in the Notarial Culture (1996), Charity (1997); Brocke, Armenfürsorge I (1979, 89 mit 225, Anm. 15; 133. ND 1993). 35 Ebd., 134; vgl. 70, dazu 222, Anm. 50.

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9.2 Lateinische Christen 9.2.1 Allgemeines Die Nächstenliebe (lat. caritas), die Jesus von Nazareth seinen Jüngern als oberstes Gebot eingeschärft hatte, prägte das christ‑ liche Stiftungswesen seit seinen Anfängen im 4. Jahrhundert u. Z. sehr stark. Zwar zielten keineswegs alle christlichen Stiftun‑ gen auf eine bedingungslose Hinwendung zu den armen, kranken und ausgegrenzten Mitgliedern der Gesellschaft, aber doch so viele, dass für moderne Forscher gerade die Frage nach der Wohltätigkeit zur Leitdiffe‑ renz für die Abgrenzung der altruistischen Seelenheil‑Stiftungen spätantiker Christen von den egoistischen Seelenkult‑Stiftungen ihrer paganen Zeitgenossen auserkoren wurde. (→ 4.2.3) Anders als der Heiland selbst, der seine Nächstenliebe stets spon‑ tan zur Geltung gebracht hatte, trachteten die christlichen Stifter danach, ihre ‚Werke der Barmherzigkeit‘ auf ewige Fortführung oder Wiederholung anzulegen. Die durch die Stiftungsorgane als Stellvertreter des Stifters dauerhaft praktizierte Nächsten‑ liebe war dementsprechend das gemeinsa‑ me Merkmal aller wohltätigen Stiftungen im abendländischen Mittelalter, für deren organisatorische Umsetzung im Laufe der Jahrhunderte freilich ganz verschiedene Lösungen gefunden wurden. Die solcher‑ maßen institutionalisierte Wohltätigkeit sollte spontane Akte der Barmherzigkeit dabei keineswegs ersetzen; unzählige Tes‑ tamente, in denen sowohl caritative Stiftun‑ gen errichtet als auch Legate für caritative Almosen angeordnet wurden, bezeugen zweifelsfrei, dass man beide Formen der Nächstenliebe als komplementär auffasste.1 Im Gegensatz zur Wohltätigkeit wur‑ de die Weitergabe und Vermehrung von

Wissen erst im Laufe des späten Mittel‑ alters zu einer Aufgabe, mit der Stifter ihre Stiftungen expressis verbis betrauten. Allerdings erachteten mittelalterliche Fun‑ datoren dabei nur in den seltensten Fällen Bildung als Selbstzweck. Ideell blieb die Förderung des Studiums meist aufs engs‑ te an die Stärkung und Verbreitung des rechten Glaubens gebunden; sie sollte also vornehmlich der Katechese dienen und nicht etwa ‚neues Wissen‘ produzieren. Dementsprechend wurde das Lehrperso‑ nal der Lateinschulen und Universitäten in der Regel durch kirchliche Pfründen versorgt, die mit Hilfe des Stiftungska‑ pitals neu errichtet oder – auf Betreiben des Stifters – durch Inkorporation für die Stiftung als Vermögen akquiriert wurden. Die meisten Benefiziare von edukativen Stiftungen waren allerdings keineswegs Lehrer, sondern Schüler – genauer gesagt: arme Schüler (pauperes scholares) –, denen als Kollegiaten oder mittels eines Stipen‑ diums der Wissenserwerb überhaupt erst ermöglicht wurde. 9.2.2 Hybride Stiftungszwecke Wie eng die Zeitgenossen den Zusammen‑ hang von Armensorge und Wissensför‑ derung sahen, zeigt exemplarisch die Stif‑ tungsurkunde, mit der Jocius de Londoniis im Jahre 1180 die Keimzelle für das ‚Collège des Dix‑Huit‘ in Paris legte. In Anbetracht der Wohltat, die man im dortigen ‚Hospiz der seligen Maria‘ den Armen und Kranken angedeihen ließ, besichtigte er in diesem die Kammer, in der aus alter Gewohnheit

Lateinische Christen

arme Kleriker beherbergt wurden, und stellte daraufhin ein Kapital von 52 Pfund zur Verfügung, „unter der Bedingung, dass die Prokuratoren des Hauses für immer ausreichend Betten für 18 studierende Kle‑ riker vorhalten und deren Bruderschaft je‑ den Monat zwölf Münzen aushändigen, die in einem gemeinsamen Kasten versammelt werden.“2 In den folgenden Jahrhunderten errichteten einzelne Stifter mitunter auch erheblich ambitioniertere Stiftungskom‑ plexe mit eigenständigen, aber aufeinan‑ der bezogenen Baulichkeiten sowohl für Kranke und Arme als auch für Schüler und Studenten; bis heute erhalten sind solche Anlagen etwa in Ewelme (England) und Perugia (Italien).3 Vielfältige Gemengelagen lassen sich darüber hinaus auch im Hinblick auf an‑ dere weitverbreitete Stiftungszwecke wie das Totengedenken und die Kultuspflege feststellen. (→ 8.2) So verpflichtete zum Beispiel der bereits erwähnte Jocius de Londoniis die Empfänger seiner Wohlta‑ ten dazu, an der Bestattung aller im Hos‑ piz Verstorbenen durch Kreuztragen und Weihwassersprengen mitzuwirken sowie Nacht für Nacht die sieben Bußpsalmen mitsamt der geforderten Gebete zu rezi‑ tieren.4 Es wäre sicher ganz anachronis‑ tisch, diese und ähnliche Verfügungen in bildungsgeschichtlicher Blickverengung einfach als religiöses ‚Beiwerk‘ von nach‑ geordnetem Rang abzutun. Manche Schul‑ oder Studienstiftung erweckt vielmehr den Eindruck, dass es dem Stifter in erster Li‑ nie darum ging, eine Gemeinschaft von Betern zu kreieren oder zu fördern, die nebenher noch ein wenig lernen durften.5 Viele mittelalterliche Bücherstiftungen sollten – zumindest nach den expliziten Äußerungen ihrer Urheber – ebenfalls in erster Linie dem Gebetsgedenken dienen; die Wissensaneignung durch Lektüre war nicht der primäre Stiftungszweck, sondern

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lediglich ein Angebot des Stifters an die Destinatäre, von dem diese ganz nach Be‑ lieben Gebrauch machen konnten.6 Welches Gewicht den caritativen, edukativen, memorialen und kultischen Auflagen eines Stifters im Gesamtgefü‑ ge seiner Stiftung zukam, ist somit für jeden Einzelfall anhand der Gründungs‑ dokumente gesondert zu ermitteln. Da‑ bei darf man aber nicht aus den Augen verlieren, dass die Destinatäre im Lau‑ fe der Zeit die Akzente auch in ihrem Sinne neu justieren konnten. (→ 12.2) Ein instruktives Beispiel hierfür sind die ‚Almosenhaus‑Schulen‘ (almonry schools), die ab dem ausgehenden 13. Jahrhundert von englischen Benediktinerklöstern ein‑ gerichtet wurden. Ursprünglich diente das almonry (lat. eleemosynarium) dazu, die überschüssige Nahrung und Klei‑ dung der Mönche als Almosen ad hoc an nicht näher spezifizierte Bedürftige zu verteilen. Im Spätmittelalter reservierten allerdings immer mehr Kommunitäten den Bezug der Spenden auf eine begrenz‑ te Zahl mittelloser Knaben, die – wohl mit der Perspektive einer späteren Ton‑ sur oder Priesterweihe – in lateinischer Grammatik unterrichtet wurden und den Mönchen bei ihren liturgischen Pflichten assistieren mussten. Auch wenn das Motiv der caritas ungebrochen handlungsleitend war, trat doch edukatives Kalkül an die Stelle des ungeordneten Altruismus, der den jeweiligen Klostergründern wie auch späteren Zustiftern zum Fonds des almonry eigentlich vorgeschwebt haben moch‑ te. Denn „der Konvent kam nicht nur in den Genuss der wohligen Wärme, Gutes zu tun, sondern erhielt auch die Befug‑ nis, fortan das Beste und wahrscheinlich auch Meiste seiner Almosen an einen klar definierten Empfängerkreis zu richten, der vollständig unter seiner Leitung und Kontrolle stand.“7

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9.2.3 Stellvertretende Nächstenliebe Als Grundlage aller christlichen Ethik fun‑ giert seit jeher das vorbehaltlose Liebes‑ gebot Jesu Christi, der seine Jünger lehrte: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ (Mk 12.31; Lk 10.27; Mt 22.39). Wer genau einem zum Nächsten werden könne und wie man diesem seine Liebe ange‑ deihen lassen solle, konkretisierte Jesus nicht bloß im Gleichnis vom barmherzi‑ gen Samariter (Lk 10.25–37), sondern vor allem auch in seiner ‚Endzeitrede‘ auf dem Jerusalemer Ölberg (Mt 25.34–46). Die hier genannten Tätigkeiten – Hungrige spei‑ sen, Durstige tränken, Fremde beherbergen, Nackte kleiden, Kranke pflegen, Gefangene besuchen – galten den mittelalterlichen Christen als die sechs (leiblichen) Werke der Barmherzigkeit, von deren Ausübung man sich positive Effekte auf das jensei‑ tige Schicksal der Seele versprach. „Gott hätte alle Menschen reich machen können“, predigte etwa Bischof Eligius von Noyon (gest. ca. 659), „aber er wollte, dass es in dieser Welt Arme gibt, damit die Reichen eine Chance haben, sich von ihren Sünden loszukaufen.“8 Bereits die frühchristlichen Gemein‑ den verfügten mit den so genannten arcae (Geldkisten) über korporative Sonderver‑ mögen, die sich aus dem stetigen Zufluss von Spenden speisten und mittels derer die situative Mildtätigkeit von Mensch zu Mensch durch repetitive oder kontinuierli‑ che Hilfeleistungen der Gemeinde ergänzt werden konnte. Die konstantinische Wen‑ de des 4. Jahrhunderts u. Z. schuf dann ganz neue rechtliche Voraussetzungen für institutionalisierte Erscheinungsformen der christlichen caritas. Die Erb‑ und Ver‑ mögensfähigkeit der Kirche versetzte die Bischöfe in die Lage, im Umfeld ihrer Ka‑ thedralkirchen permanente Fürsorgeein‑ richtungen für die schwächsten Glieder der

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Gesellschaft zu etablieren. Zu diesen aus dem bischöflichen Vermögen finanzierten Anstalten gesellten sich schon bald auch andere ‚ehrwürdige Häuser‘ (venerabiles domus), die auf private Initiative von Stiftern ins Leben gerufen waren. Der theologische Nährboden dieses Engagements war die Vorstellung, dass nicht nur die mit den ei‑ genen Händen vollbrachte Liebestätigkeit, sondern auch die stellvertretend geleistete caritas für den göttlichen Richter am Ende aller Tage ein sündentilgendes Werk dar‑ stellen werde. Der Stifter beauftragte dem‑ entsprechend geeignetes Personal (Ärzte, Pfleger, Seelsorger), das in den von ihm bereitgestellten Räumlichkeiten an seiner statt die Bedürftigen versorgte und dafür aus den Erträgen des Stiftungsvermögens besoldet wurde. In den folgenden zwei Jahrhunderten scheint sich bei diesen ‚ehrwürdigen Häu‑ sern‘ die Spezialisierung auf bestimmte Gruppen von Bedürftigen eingebürgert zu haben. Die justinianische Gesetzge‑ bung (ab 528 u. Z.) differenziert jedenfalls wiederholt zwischen Häusern für Arme, Kranke, Fremde, Alte, Witwen, Waisen und Findelkinder.9 Im frühmittelalterlichen Ok‑ zident sind solcherart spezialisierte Insti‑ tute allerdings kaum mehr nachzuweisen. Hier dominierten lange Zeit multifunk‑ tionale Einrichtungen, die den verschie‑ densten Arten von Bedürftigen Nahrung, Kleidung und Obdach boten und von den Zeitgenossen bis etwa 800 vornehmlich als xenodochium (oft in arg barbarisierter Form10), später dann als hospitale bezeich‑ net wurden.11 Die Zahl der urkundlich be‑ legten Neugründungen bleibt bis ins hohe Mittelalter hinein recht überschaubar. Die geringe Belegdichte ist wohl nicht (allein) der kargen Überlieferung geschuldet; sie spiegelt vielmehr den Umstand, dass die meisten Spitäler in dieser Zeit gerade keine eigenständigen Stiftungen waren, sondern

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von ihrerseits gestifteten Klöstern oder Stiften betrieben wurden. Sowohl Mönche und Nonnen als auch Kanoniker und Ka‑ nonissen waren nämlich durch ihre jewei‑ ligen Lebensregeln zur Gastfreundschaft (hospitalitas) gegenüber Fremden, Pilgern und Armen verpflichtet.12 Ab dem 12. Jahrhundert lässt sich ein markanter Wandel bei der Stiftung von Hospitälern feststellen, der vor allem mit dem Auf blühen der Städte in Zusammen‑ hang gebracht werden muss. Die rapide zunehmende Urbanisierung bescherte dem Abendland einerseits neue Formen und vor allem zuvor ungekannte lokale Ballungen von Armut, andererseits mit den zu Reichtum gelangten Bürgern auch ganz neue Trägerschichten sozialer Für‑ sorgeeinrichtungen. Die bruderschaftli‑ chen Spitäler, deren Entstehung nicht zu‑ letzt durch eine neue Wertschätzung des Armutsideals motiviert wurde, erwiesen sich dabei langfristig den gestifteten In‑ stituten als unterlegen. Denn diese waren nicht auf die fortwährende Requirierung neuer Bruderschaftsmitglieder angewie‑ sen, sondern konnten den Unterhalt von Baulichkeiten und Personal aus ihrem Stiftungsvermögen finanzieren; auch die von Seiten der Stifter beförderte Einbin‑ dung kommunaler Instanzen (Rat, Gilden, Zünfte, Pfarreien) in die Verwaltung er‑ wies sich oft als vorteilhaft für den dau‑ erhaften Bestand eines Spitals. (→ 2.2.5) In Analogie zu der Entwicklung an den weltlichen Kollegiatstiften kam es bei vie‑ len Spitälern im Laufe des späteren Mittel‑ alters zu einer Verpfründung, das heißt die Anzahl der zu versorgenden Spitaliten und der Umfang ihrer Zuweisungen an Nahrung und Kleidung wurden präzise festgelegt. (→ 8.2.4) So war es möglich, auch einzelne Spitalpfründen zu stiften, die oftmals zunächst zur eigenen Absi‑ cherung im Alter dienen sollten, ihren

caritativen Zweck also erst nach dem Tod des Stifters erfüllten. Obgleich das multifunktionale Spital im mittelalterlichen Abendland stets die wichtigste Säule der Sozialfürsorge war, gab es daneben immer auch andere Stif‑ tungsformen, die auf eine stellvertretende Nächstenliebe abzielten. Seit der Spätan‑ tike waren dies vor allem periodische Ar‑ menspeisungen, die am Jahrtag des Stifters an dessen Grab oder an der Pforte der von ihm mit dem Totengedenken betrauten Kommunität vollzogen werden sollten. Im späteren Mittelalter trugen einzelne Stifter ihren Treuhändern und Destina‑ tären aber auch sehr spezifische Formen der caritas auf, die hier unmöglich in aller Breite aufgefächert werden können.13 Ein Beispiel aus Nürnberg mag die für solche Stiftungen charakteristische Engführung der christlichen Nächstenliebe aber treff‑ lich illustrieren. Dort gab es nämlich seit 1436 eine Stiftung, aus deren Erträgen man barmherzige Mitbürger dafür entlohnte, dass sie die „schädlichen Leute in unse‑ rem Gefängnis, die das Leben verwirkt haben, auf den Tod vorbereiten, besuchen, trösten, ermahnen und in der Erkenntnis ihrer Missetat unterweisen (…); und dass sie dieselben Gefangenen zwei oder drei Tage, bevor man sie hinrichtet, und an dem Tag, an dem man sie zum Henker führt, wie es sich gehört mit Speis und Trank als Labsal pflegen.“14 9.2.4 Wissensvermittlung als ‚frommes Werk‘ Die intergenerationelle Weitergabe von Wissensbeständen lag im mittelalterlichen Abendland fast komplett in der Hand der Kirche.15 Mit dem Niedergang des staatlich organisierten Schulwesens in der Spätanti‑ ke wurden zunächst die Klöster mit ihren

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umfangreichen Bibliotheken zu den bedeu‑ tendsten Bildungszentren, in denen freilich die Unterweisung der Oblaten, Novizen und mitunter auch Externer lange Zeit einen solch informellen Charakter hatte, dass der Begriff ‚Klosterschule‘ leicht zu falschen Vorstellungen verführt. Die Re‑ formbemühungen Kaiser Karls des Großen und seiner Nachkommen im 9. Jahrhun‑ dert16 und vor allem die Beschlüsse des III. und IV. Laterankonzils von 1179 bzw. 121517 förderten die flächendeckende Einrichtung von Elementarschulen auch an Kathedral‑, Kollegiat‑ und Pfarrkirchen. Wo nicht gera‑ de ein besonders ambitionierter Schulmeis‑ ter am Werke war, konzentrierten sich die Unterrichtsinhalte solcher Einrichtungen auf das Erlernen der Kulturtechniken Le‑ sen, Schreiben, Rechnen und Singen. An der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert ge‑ langte durch die Erfindung der Universität als genossenschaftlicher ‚Gemeinschaft der Lehrer und Schüler‘ (universitas magistrorum et scholarium) auch die Vermittlung elaborierterer Wissensbestände zu einer neuen Blüte. An den bis zu vier Fakultäten der Hohen Schulen konnten die Studenten nämlich nicht nur ihre Beherrschung der sieben ‚Freien Künste‘ (Grammatik, Rhe‑ torik, Dialektik, Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie) perfektionieren, sondern auch Theologie, kirchliches und weltliches Recht sowie Medizin studieren. Obschon viele spätmittelalterliche Univer‑ sitätsgründungen auf landesherrliche oder städtische Initiative zurückgingen, konnte ihr laufender Betrieb doch nirgends voll‑ ständig und dauerhaft aus dem jeweiligen Budget bestritten werden.18 Bei der wirt‑ schaftlichen Absicherung der Universitäts‑ angehörigen spielten deshalb Stiftungen überall eine ausgesprochen wichtige Rolle. Während kirchliche Pfründen (Benefizien) den Universitätslehrern bei tadellosem Betragen ein lebenslanges Auskommen

Wohltätigkeit und Bildung

sicherten, deckte eine seit dem 13. Jahr‑ hundert sprunghaft ansteigende Zahl von Kollegiaturen und Stipendien den Lebens‑ unterhalt lernwilliger und unbescholtener Studenten für jeweils etwa fünf bis sieben Jahre. Die bildungspolitische Großwetterla‑ ge unterlag im Laufe des mittelalterlichen Jahrtausends also einem ganz erheblichen – hier nur in groben Strichen angedeute‑ ten – Wandel, der den mittelalterlichen Stiftern zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten ganz unterschiedliche Optionen für die Planung und Realisierung edukativer Stiftungsprojekte bot. Trotz un‑ terschiedlichster Rahmenbedingungen und organisatorischer Lösungen konnte sich Bildung allerdings nur ganz vereinzelt als alleiniger Stiftungszweck etablieren. In den Gründungsdokumenten früh‑ und hochmittelalterlicher Klöster und Stifte spielte die Förderung der Wissens‑ vermittlung keine nennenswerte Rolle. Nichtsdestotrotz hat die Forschung den Gründern solcher Kommunitäten immer wieder entsprechende Ambitionen unter‑ stellt. Besonders plausibel sind derarti‑ ge Hypothesen – ungeachtet des Fehlens expliziter Quellenaussagen – im Fall der sogenannten adligen Hausklöster und Pfalz‑ bzw. Burgstifte. Diese Formen der Kirchengründungen, bei denen ein adliger Herr in unmittelbarer Nähe zu einer seiner bevorzugten, aber doch immer nur episo‑ disch besuchten ‚Residenzen‘ auf Dauer eine geistliche Gemeinschaft ansiedelte, sind typische Merkmale der Herausbil‑ dung familiärer und herrschaftlicher Zen‑ tralorte. Die Hauptaufgaben der Mönche und Kanoniker lagen zweifellos auf dem Gebiet der Liturgie, nämlich im unabläs‑ sigen Lob des Allmächtigen sowie in der fortwährenden Gebetshilfe für den Stifter und seine Sippschaft, die ihr Hausklos‑ ter oder Burgstift folgerichtig gerne als dynastische Grablege nutzte. Zwischen

Lateinische Christen

den täglichen Gebetszeiten konnten die frommen Männer aber sehr wohl auch wertvolle Dienste in der Welt leisten, etwa indem sie für ihre oft genug illiteraten Förderer Urkunden vorlasen, niederschrie‑ ben oder aufbewahrten.19 Die zielstrebige Abschöpfung von intellektuellen Kapa‑ zitäten der Destinatäre durch den Stifter und seine Nachkommen setzte dabei nicht zwangsläufig voraus, dass jene ihr begehr‑ tes Wissen auch im Rahmen der Stiftung erwarben; vor allem die nicht dem Gelüb‑ de der stabilitas loci (Ortsgebundenheit) unterworfenen Stiftsherren konnten ihr Wissen auch andernorts erworben haben, bevor sie in das Kapitel eines Pfalz‑ oder Burgstifts aufgenommen wurden. Weniger vage bleiben die edukativen Effekte gestifteter Gebetsgemeinschaften bei einem anderen Typ von Konventsgrün‑ dung: dem Kanonissenstift, in dem un‑ verheiratete oder verwitwete Frauen ihr Leben den Vorschriften der 816 in Analogie zur Kanoniker‑Regel erlassenen institutio sanctimonialium unterwarfen.20 Während Nonnen bis an ihr Lebensende hinter Klos‑ termauern verschwanden, durften Sankti‑ monialen ihr Stift auch wieder verlassen, weshalb sich diese Institute nicht nur zur materiellen Absicherung von Witwen, son‑ dern auch zur – vorübergehenden – Ver‑ sorgung von adligen Töchtern anboten, die vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt eine politisch oder wirtschaftlich motivierte Eheverbindung einzugehen hatten. Zumin‑ dest in den sächsischen Kanonissenstiften erhielten diese Mädchen bereits im 9. bis 11. Jahrhundert eine solch profunde Be‑ schulung, dass sie – oftmals im Gegensatz zu ihren Vätern und zukünftigen Gatten – sowohl lesen als auch schreiben konnten.21 Ob dies allerdings auf entsprechende As‑ pirationen der jeweiligen Konventsstifter zurückgeführt werden kann oder nicht vielmehr ein ungeplanter Nebeneffekt der

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Stiftungswirklichkeit war, müsste im Ein‑ zelfall noch ermittelt werden. Deutlich enger wurde der Konnex von Stiftungs‑ und Bildungswesen erst in der zweiten Hälfte des mittelalterlichen Jahr‑ tausends. Im Zuge der Gütertrennung an den weltlichen Dom‑ und Kollegiatstiften erhielt der bereits seit dem 8. Jahrhundert in normativen Texten als Dignität des Ka‑ pitels belegte scholasticus (Schulmeister) eine eigenständige Pfründe. Zwar beruhte die ursprüngliche Dotation dieses Benefi‑ ziums in den meisten Fällen nicht auf einer Stiftung, sondern auf einer Aussonderung bestimmter Güter aus dem – ursprünglich ungeteilten – Kapitelsvermögen;22 früher oder später wuchs das vom Scholaster ver‑ waltete Sondervermögen der Stiftsschule aber durch Zustiftungen weiter an. Auch in diesen Fällen ist es indes problema‑ tisch, kurzerhand von ‚Bildungsstiftungen‘ zu sprechen, hatten solche Zustiftungen doch oftmals einen prononciert carita‑ tiven, memorialen oder auch kultischen Charakter, insofern sie vor allem die Er‑ nährung, Kleidung oder Behausung der (armen) Stiftsschüler verbessern sollten, denen im Gegenzug nicht etwa das Errei‑ chen bestimmter Bildungsziele abverlangt wurde, sondern die punktuelle Mitwirkung an Gottesdienst und Gebetsgedenken. Wie ernst die Schulmeister als Stiftungsorga‑ ne die Ausbildung der heranwachsenden Knaben nahmen, sieht man jedoch daran, dass diese bei ausreichenden Mitteln zum Teil sogar eigene Lehrer zur Beschulung der Stiftsschüler anstellten. Zu einem wirklich zentralen, wenn auch keineswegs alleinigen Stiftungs‑ zweck avancierte die Vermittlung von Wissen somit erst bei den spätmittelal‑ terlichen Universitätsgründungen. Wie die Dom‑ und Stiftsschulen waren auch die Universitäten ursprünglich keine Stif‑ tungen. Die Hohen Schulen von Bologna,

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Paris, Oxford und Cambridge entstanden vielmehr um 1200 als spontane Schwur‑ einungen von Studenten (und ihren aka‑ demischen Lehrern).23 Nur wenig später ergriff allerdings König Alfons VIII. von Kastilien (gest. 1214) als erster Herrscher des Abendlands die Initiative zur Errich‑ tung eines studium generale in seinem Herrschaftsgebiet. Nach dem Bericht des wenig später schreibenden Chronisten Rodrigo Jiménez rief Alfons „Gelehrte aus Gallien und Italien zusammen, da‑ mit die Lehre der Weisheit in seinem Königreich nie mehr abwesend sei, und Magister aller Fakultäten versammelten sich in [der Stadt] Palencia, denen auch ein hohes Gehalt gewährt wurde, damit einem jeden, der das Studium begehrte, die Weisheit aller Fakultäten wie Manna in den Mund fliege.“24 Eine echte Stiftung war diese Universität freilich noch nicht, da die Besoldung der Professoren nicht aus den Erträgen eines persistenten Stiftungs‑ kapitals erfolgte, sondern mehr schlecht als recht aus der Staatskasse, später auch aus einem Drittel der Kirchenzehnten be‑ stritten wurde. Erst als man im 14. Jahr‑ hundert nördlich der Alpen dazu überging, den Universitäten kirchliche Pfründen zu inkorporieren (zum Beispiel Kanonikate von eigens zu diesem Zweck gegründeten Kollegiatstiften, den sogenannten Uni‑ versitätsstiften), war eine geeignete Form des Stiftungskapitals für die nachhaltige Ausstattung der Hohen Schulen und ihrer Lehrstühle gefunden.25 Diese Konstella‑ tion bescherte den Professoren‑Chorherren allerdings ein bereits von den Stiftsschü‑ lern bekanntes außerwissenschaftliches Betätigungsfeld: Sofern der Papst ihnen nicht gestattete, ihre Pfründe als Sinekure zu nutzen, hatten sie neben der akademi‑ schen Lehre auch die kanonischen Horen und vor allem den Memorialdienst für den Stifter der Universität zu persolvieren.26

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Entwickelten sich also auch die Univer‑ sitäten nicht zu reinen Bildungsstiftungen, so brach sich doch gerade bei ihnen im 15. Jahrhundert ein Gedanke Bahn, der die Wissensvermittlung als Stiftungszweck in ganz enormer Weise aufwerten sollte. Nun äußerte man nämlich allenthalben die Ansicht, eine Universitätsstiftung sei per se eine pia causa und führe somit zu Gutschriften auf dem himmlischen ‚See‑ lenkonto‘ des Stifters. (→ 7.2.2) In die‑ sem Sinne bezeichnete etwa Erzherzog Albrecht VI. von Österreich die von ihm 1457 in Freiburg im Breisgau ins Leben gerufene Hohe Schule ausdrücklich als ‚frommes Werk‘, durch das er sich, seinen Vorfahren und Nachkommen das Seelen‑ heil sichern wollte.27 Hinter solchen Zu‑ schreibungen verbarg sich keineswegs bloß ein neuer Algorithmus der spätmit‑ telalterlichen Jenseitsmathematik; sie verwiesen vielmehr auf ganz konkrete innerweltliche Ambitionen, die die Stif‑ ter mit ihren Gründungen verknüpften. Besonders offensichtlich waren diese im Falle Władysławs II. Jagiełło, der als Groß‑ fürst von Litauen noch der Gentilreligion seiner Vorfahren anhing, im Zuge seiner Krönung zum König von Polen Christ wurde und dann im Jahre 1400 anläss‑ lich seiner Neugründung der Universität Krakau die Hoffnung äußerte, „dass wir die [paganen] Einwohner und Untertanen unseres Landes Litauen, (…) in den Schoß der heiligen Mutter Kirche (…) bringen durch die Gewohnheit, Handhabung und Kenntnis der frommen Werke, ohne die selbst der Glaube leer ist, (…) und durch die Werke derjenigen, deren Geist eine Fülle von Weisheit und Gelehrsamkeit geschmückt hat.“28 Doch auch dort, wo es keine Heiden mehr zu bekehren gab, verband man – wie bei den spätmittelal‑ terlichen Prädikaturstiftungen (→ 8.2.4) – große und keineswegs nur eigennützige

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Hoffnungen mit einer intensivierten Un‑ terweisung der Gläubigen in der christli‑ chen Lehre.29 Sehr pointiert tat dies etwa der württembergische Graf Eberhard im Bart, der 1477 im Zuge der Tübinger Uni‑ versitätsstiftung aufschreiben ließ: „Wir bevorzugen weder den sorgfältigen Bau von Kirchen noch gar das Stiften von kirchlichen Pfründen, denn die Zierde der Kirche hat stets nur unsere irdische Welt gesehen; und es steht fest, dass der einzige Gott wohlgefällige Tempel das Herz des Menschen ist (…) und die Pracht der Kirchen zur Seligkeit nur wenig bei‑ trägt, sie Gott aber lediglich dann gefällt, wenn man reinen und keuschen Geistes in diese eintritt. Einen solchen können wir auf keine Weise besser oder schnel‑ ler erlangen als durch Unterricht in den Wissenschaften.“30 Neben den religiösen trieben die fürst‑ lichen Universitätsstifter immer auch po‑ litische und administrative Motive an. Sie alle lockte der innerweltliche Ruhm (→ 8.2.3) genauso wie die Aussicht auf kompetentes Personal für die eigene Ver‑ waltung, wobei man bezeichnenderweise keineswegs in erster Linie auf die Aus‑ bildung fähiger Studenten setzte, son‑ dern auf die sporadische oder dauerhafte Rekrutierung der vor Ort gerade tätigen, anderswo graduierten Magister, „denen neben ihren Lehrverpflichtungen zugleich auch Dienst‑ bzw. Konsiliartätigkeiten innerhalb der obrigkeitlichen Verwaltung angesonnen wurden“.31 Die Städte, in de‑ ren Mauern die Universitäten angesiedelt werden sollten und deren Ratsherren in der Regel erheblichen Einfluss auf die Stiftungsprozesse nahmen,32 versprachen sich von den Professoren und Schola‑ ren vor allem wirtschaftliche Impulse, fürchteten aber auch die Unruhe, die der Fremdkörper Universität innerhalb der Stadtgemeinde schüren konnte.

9.2.5 Soziale Disziplinierung und gemeiner Nutzen Wie die Gedenkstiftungen, die neben der liturgischen oft auch der profanen memoria des Stifters dienen sollten (→ 8.2.2 f.), ver‑ folgten auch die caritativen und edukativen Stiftungen – insbesondere des späteren Mittelalters – sowohl jenseitige als auch diesseitige Zwecke. Die innerweltlichen Ambitionen der Stifter können mit den Schlagworten ‚Sozialdisziplinierung‘ und ‚Gemeinnützigkeit‘ charakterisiert werden. Unter ‚Sozialdisziplinierung‘ versteht man seit den grundlegenden, aber nicht un‑ umstrittenen Forschungen Gerhard Oest‑ reichs die obrigkeitliche Einforderung und untertänische Einübung psycho‑sozialer Verhaltensmuster, mittels derer „die Le‑ bensführung christlichen Moralvorstellun‑ gen angepasst, das Arbeiten gesteigerten Effizienzkriterien unterworfen und die Be‑ völkerung zur Befolgung, ja letztlich zur Verinnerlichung eines Tugendkanons er‑ zogen [wurde], der Fleiss und Nützlichkeit, Pflichterfüllung und Gehorsam, Zucht und Ordnung zentral stellte bzw. Müssiggang, Verschwendung und ‚Liederlichkeit‘ sowie überhaupt abweichendes Verhalten kulpa‑ bilisierte“.33 Die Anfänge dieser gesamt‑ gesellschaftlichen Sozialisation, die ihren Höhepunkt in der Welt des Absolutismus gefunden haben soll, werden üblicherweise in den spätmittelalterlichen Stadtgemein‑ den ausgemacht, deren Verwaltungsorga‑ ne das Zusammenleben von immer mehr Menschen auf immer engerem Raum nicht zuletzt durch die Selbstdisziplinierung des Einzelnen zu regulieren versuchten.34 Die legislativen Ordnungsbemühungen der Stadträte wurden dabei insbesondere durch solche Stiftungen unterstützt, deren Benefi‑ ziare ganz am Rande oder sogar außerhalb der durch den Bürgereid konstituierten Stadtgemeinde standen. Das betraf nicht

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nur solche Kranke, die zur Verminderung der Ansteckungsgefahr seit jeher in eigens gestifteten Leprösen‑ oder Blatternhäusern von ihren Mitmenschen abgesondert und vor die Tore der Stadt verwiesen wurden, sondern insbesondere auch die Armen. „Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (Mt 25.40) – eingedenk dieser Worte, mit de‑ nen der Heiland einst seine Jünger auf das Weltgericht am Ende aller Tage vorbereitet hatte, sah man in den ersten Jahrhunderten des Mittelalters grundsätzlich noch j e d e n Armen als Stellvertreter Christi und damit als besonders attraktives Objekt jedweder caritas. Seit dem 14. Jahrhundert vollzog sich jedoch ein tiefgreifender Wandel in der gesellschaftlichen Wahrnehmung und moralischen Bewertung von Armut, der auf eine strikte Differenzierung zwischen würdigen und unwürdigen Bedürftigen hinauslief.35 Zur ersten Gruppe zählten all diejenigen, denen die Pauperisierung ohne eignes Verschulden drohte, weil sie ihren Lebensunterhalt etwa aufgrund von Alter, Krankheit oder Tod des Ehemannes nicht mehr (vollständig) bestreiten konn‑ ten. Diese vom Schicksal gebeutelten Men‑ schen wurden immer schärfer von den (vermeintlich) arbeitsunwilligen Bettlern abgegrenzt, in denen man Kriminelle in spe erblickte. Da erstere ihre Armut nicht öffentlich zur Schau stellten, bezeichnete man sie als ‚verschämte‘ Arme (im Ge‑ gensatz zu den ‚unverschämten‘); solange sie noch in der Lage waren, einen eigenen Hausstand zu führen, sprach man auch von ‚Hausarmen‘. Selbstverständlich waren auch die für ‚Hausarme‘ errichteten Armen‑ oder Seelhäuser des späten Mittelalters from‑ me Werke der Barmherzigkeit, aber die durch sie geleistete Sozialfürsorge hat‑ te zugleich einen dezidiert präventiven Charakter, insofern sie die Empfänger der

Wohltätigkeit und Bildung

Stiftungserträge genau aus jenem Perso‑ nenkreis rekrutierte, der kurz davor stand, die Grenze vom ‚verschämten‘ zum ‚un‑ verschämten‘ Armen zu überschreiten.36 Allein den ‚wirklich‘ Bedürftigen sollte nunmehr geholfen werden, indem man sie in die Lage versetzte, weiterhin ein ‚ehrbares‘ Leben zu führen. Zudem erfolg‑ te die Wohltätigkeit bloß vorbehaltlich der Bedingung, dass die Bedachten kei‑ nesfalls dem diffusen Herumschweifen, Zanken, Fluchen, Trinken, Spielen oder gar der Unkeuschheit frönten, sondern sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu‑ mindest nebenerwerbsmäßig betätigten. Viele Stifter formulierten entsprechende Erwartungen an den Lebenswandel ihrer Destinatäre in strengen Satzungen, die sie den von ihnen errichteten Instituten gaben.37 Darüber hinaus konnten Seel‑ und Armenhäuser aber auch durch ihre spezifischen Bauformen zu regelrechten Disziplinarräumen werden. So war etwa der Fuggerei, einer durch Jakob Fugger den Reichen ab 1516 in Augsburg errichteten Wohnstiftung, „jenes Arbeitsethos, das den Kern des Konzepts des Hausarmen bildete, förmlich eingeschrieben“.38 Eine andere Gruppe, deren mitunter unsteter Lebenswandel durch stifterliche Auflagen reguliert werden sollte, waren die Studenten, die zwar innerhalb der Stadt‑ mauern ihr Quartier bezogen, dort aber Fremde blieben und sich aufgrund ihrer privilegierten Rechtsstellung der städti‑ schen Gerichtsbarkeit entzogen. Bezeich‑ nenderweise waren es nur selten vermögen‑ de Bürger, sondern vor allem Professoren oder graduierte Absolventen, die durch die Stiftung von Kollegien auch für weni‑ ger bemittelte Scholaren die materiellen Voraussetzungen eines Studiums schufen. Allerdings boten diese Institute nicht bloß Obdach, Verpflegung und propädeutischen Unterricht, sondern zwängten den Alltag

Lateinische Christen

der Kollegiaten auch in ein immer straffer geschnürtes Korsett von Verhaltensnor‑ men.39 Charakteristisch für den Impetus, mit dem die Stifter das erwünschte Ver‑ halten der Benefiziare durch schroffe Straf‑ androhungen zu erreichen suchten, ist das Verbot des Glückspiels in den Statuten des 1364 durch Kardinal Gil Álvarez Carillo de Albornoz gestifteten Collegio di Spagna in Bologna. Dort heißt es: „Weil Würfelspiel verboten ist, bestimmen wir, dass niemand aus dem Kolleg es wagen soll, sich mit je‑ mandem auf ein Würfelspiel einzulassen, in dem Geld oder etwas anderes verloren werden könnte. Wer dagegen verstößt, dem soll die gewährte Unterstützung das erste Mal für zwei Monate, das zweite Mal für vier Monate entzogen werden; das dritte Mal aber soll er alle Rechte und Ansprüche gegenüber dem Kolleg einbüßen.“40 Bestim‑ mungen wie diese kamen der Ordnungslie‑ be der lokalen Obrigkeiten, die selbst keine Handhabe gegenüber den Scholaren hatten, zweifellos entgegen; mit ihren Maßregeln reagierten die Stifter aber wohl auch ganz gezielt auf Missstände des akademischen Alltags, die sie mit eigenen Augen beob‑ achtet hatten. Obgleich die Gründer von Armenhäu‑ sern und Kollegien ganz verschiedene Ad‑ ressatenkreise vor Augen hatten, einte sie das Bemühen, ein bestimmtes Gemein‑ wesen in eine ‚gute Ordnung‘ zu bringen. Dieses Ringen um einen innerweltlichen Optimalzustand kennzeichnet auch die Förderung des Gemeinwohls im Medium der Stiftung. Das für alle Nützliche (bonum commune, utilitas publica und ähnlich) ist bekanntlich eine politische Maxime, die seit der griechischen Antike nicht nur die abendländische Staatsphilosophie erheb‑ lich beschäftigt, sondern mit wechselnden Konnotationen und Intensitäten auch als Leitmotiv für gesamtgesellschaftliches Handeln hergehalten hat.41

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Der ‚gemeine Nutzen‘ begegnet einem indes nicht nur in den Proömien legisla‑ tiver Akte, in Fürstenspiegeln und phi‑ losophischen Traktaten, sondern auch in Stiftungsdokumenten aller Art.42 Als Kondensat für den durch die Regelungen des Stifters verfolgten Zweck erscheint der Gemeinnutz etwa in der Stiftungsnotiz einer theologischen Sammelhandschrift aus der Mitte des 15. Jahrhunderts, aus der hervorgeht, dass der Londoner Bürger John Colop den betreffenden Codex for a comyn profite habe anfertigen lassen, auf dass das Buch fortan von Hand zu Hand wandere, so lange es denn bestehe.43 Wollte Colop mit seinem ‚Common‑Profit Book‘ dem Gemeinwohl dadurch dienen, dass er gebildeten Laien die Lektüre theologischer Schriften ermöglichte, lag anderen Stiftern vor allem eine Verbesserung der städti‑ schen Infrastruktur am Herzen: Sie stifte‑ ten für Brunnen und Brücken, für Wege und Stege oder für öffentliche Aborte. Die ‚gute Ordnung‘ bedurfte funktionstüchtiger kommunaler Baulichkeiten, deren Unter‑ halt zum Vorteil der Bürger nicht allein aus Steuermitteln bestritten werden soll‑ te.44 Das galt auch für die Saläre verschie‑ denster Ordnungshüter, die je spezifischen Missständen abhelfen sollten. So fundierte etwa Nicolaus Schildberg im Jahre 1499 den Posten eines Kirchenhüters an der Hallenser Marienkirche. Dieser sollte nicht nur den ganzen Tag die Türen des Gottes‑ hauses offen halten, sondern „zudem ‚ste‑ tiglich fleißig‘ umhergehen und ‚gute ach‑ tunge‘ haben, dass ‚keinerlei unfuge ynn der kirchen geschee‘. Er war verpflichtet, Geschwätz und Gezänk (…) zu unterbinden und Exkremente auszuräumen, wenn ‚waß unreines ynn einem stule geschege‘. Um ‚hunde unnd andere thiere‘ aus der Kirche zu vertreiben, trug er stets eine Peitsche bei sich, die ihn zugleich für jedermann erkennbar machte.“45

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Auch wenn der ‚gemeine Nutzen‘ als Stiftungszweck sich gerade in den spätmit‑ telalterlichen Stadtgemeinden einer beson‑ deren Beliebtheit erfreute, sollte man ihn keineswegs vorschnell als Indiz für eine protoreformatorische Verweltlichung des Stiftungswesens in Anspruch nehmen. Stif‑ tungen wie diejenige des Nicolaus Schild‑ berg mochten den Zeitgenossen sehr wohl als (mittelbare) ‚fromme Werke‘ erscheinen, da sie nicht zuletzt den reibungslosen Voll‑ zug transzendenter Stiftungszwecke (z. B. Totengedenken oder Kultus) ermöglichen

Wohltätigkeit und Bildung

sollten. Zudem blieben die gemeinnützigen Stiftungen des Mittelalters bei aller Dies‑ seitsorientierung den traditionellen Vor‑ stellungen der christlichen Nächstenliebe stets stark verpflichtet.46 Und schließlich versuchten ja auch nicht bloß bürgerli‑ che Laien, das bonum commune durch ihre Stiftungen zu fördern, die Päpste selbst beschworen es im 15. Jahrhundert, wann immer sie die Stiftung einer Universität bestätigten.47 TL

Anmerkungen Collegium Sapientiae zu Freiburg im Breisgau 1  Vgl. Lepine, Cathedrals and Charity (2011). 2 Chartularium universitatis Parisiensis, Bd. 1. 1497. Ed. und übers. Josef Hermann Beckmann /

Ed. Heinrich Denifle / Émile Chatelain. Paris 1889, Robert Feger. Lindau / Konstanz 1957, 82: CVm 49 f., Nr. 50, hier 49: tali facta conditione, quod studium vigeat continuatum discontinuatumque ejusdem domus procuratores decem et octo scolari- necesse est ad interitum transeat, atque (…) non bus clericis lectos sufficientes et singulis mensibus discens dediscat intermissioque omnis honesti studij duodecim nummos de confraria que colligitur in Iethifera sit nouerca. Volumus et statuimus omnem archa, perpetuo administrabunt. – Zu den Kolle‑ domus nostre sapientie inhabitatorem (…) fuerat gien im Allgemeinen siehe jetzt die Beiträge bei suas lectiones (…) sollicite absque vlla JntermissiSohn / Verger, Universitäre Kollegien (2011), sowie one. Dt. Übers. in Anlehnung an ebd., 83. Geelhaar, Stiftungszweck Bildung (2007). 6 So etwa die testamentarische Bibliotheksstif‑ 3 Vgl. Goodall, God’s House at Ewelme (2001); tung des Yorker Klerikers William Wilmyncote Angeletti / Bertini, Sapienza Vecchia (1993). aus dem Jahr 1402. Vgl. Moran, Common Profit 4  Umgekehrt sahen viele Anniversarstiftungen Library (1984), 24 f. (Edition); 23 f. (Kommentar). auch Armenspeisungen vor. 7 Bowers, Almonry Schools (1999), 187 (dt. Übers. 5 In diesem Sinne urteilte etwa Seifert, Georgia‑ TL); vgl. ebd., 179–182; 190 f.; 198; siehe ferner: num (1972), 157, über die 1494 erfolgte Kollegstif‑ Great rex, Almonry School (1994); Rushton, Spa‑ tung Herzog Georgs des Reichen in Ingolstadt. tial Aspects (2002). Einen ganz anderen Eindruck vermitteln da‑ 8 Praedicatio Eligii de supremo iudicio. Ed. Brugegen die Statuten der Freiburger Sapienz von no Krusch, in: Passiones vitaeque sanctorum aevi 1497, in denen es heißt: „Da fortgesetztes Stu‑ Merovingici. (MGH SS rer. Merov. 4.) Hannover / dium Blüten zeitigt, unterbrochenes aber not‑ Leipzig 1902, 749–761, hier 754, cap. 8: Potuit nempe wendig dem Untergang zueilt, und da (…) der Deus omnes homines divites facere, sed pauperes nicht Lernende verlernt und Unterbrechung die ideo in hoc mundo esse voluit, ut divites haberent, todbringende Stiefmutter jedweden ernsthaften quomodo peccata sua redimerent. Studiums ist, wollen und bestimmen wir: Jeder 9 Vgl. Hagemann, Stellung der Piae Causae Inwohner unseres Hauses ‚zur Weisheit‘ höre (1953), 33. (…) seine Vorlesungen (…) sorgfältig und ohne 10  Vgl. z. B. Marculfi Formulae. Ed. Karl Zeumer, irgendwelche Unterbrechungen.“ Johannes Ke‑ in: MGH Formulae Merowingici et Karolini aevi. rer, Statuta collegii Sapientiae. Satzungen des Hannover 1886, 32–106, hier 70: exsinodocio.

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11  Vgl. Boshof , Armenfürsorge im Frühmittelal‑ Jeannou et al. Bologna 31973, 205–225, hier 220,

ter (1984); M. Pauly, Hospitäler zwischen Maas und Rhein (2007), 13–18. Ebd., 18–26, ein konziser Über‑ blick über die mediävistische Spitalforschung. 12  Vgl. Benedicti Regula. Ed. Rudolph Hanslik. (CSEL 75.) Wien 21977, 135–139, cap. 53; In stitutio canonicorum Aquisgranensis. Ed. Albert Werminghoff , in: Concilia aevi Karolini, Bd. 1.1. (MGH Conc. 2.1.) Hannover / Leipzig 1906, 308–421, hier 416 f., cap. 141; Institutio sanctimonialium Aquis‑ granensis. Ed. Albert Werminghoff , in: Ebd., 421– 456, hier 455 f., cap. 28. Zum Realitätsgehalt dieser normativen Texte siehe Boshof , Untersuchungen zur Armenfürsorge (1976). 13  Diese Fälle werden bislang meist bloß als Ku‑ riosa in der lokalhistorischen Literatur behandelt; eine systematische Erfassung und typologische Ordnung ist ein offenkundiges Desideratum. Nur auf einer solchen Grundlage ließe sich wohl ent‑ scheiden, was die Stifter zu der geradezu radika‑ len Konzentration auf ganz spezifische Formen der caritas bewog (persönliche Betroffenheit? Distinktionsstreben?). 14  Aus einen Ewiggeldbuch des Nürnberger Ra‑ tes zitiert bei B. Fuhrmann, Rentenverkäufe (2011), 188: die (…) schedlich leut in unser fenknusse, die das leben verwircht haben, sich zu dem tod bereiten sullen, besuchen, trösten, ermanen und underweisen auff erkenntnusse irer misetat (…). Und daz sie denselben gefangen (…) zwen oder drey tag davor, ee man sie rechtvertigt und an dem tag, als man sie außfurt mit labung essens und trinkens zimlich gutlichen tun und pflegen sollen. Auch die Insas‑ sen von städtischen Schuldgefängnissen waren Empfänger von Stiftungsleistungen; siehe dazu die zahlreichen Stiftungsurkunden zugunsten der doncker camere in Brügge bei Allossery, Mede‑ deelingen (1936; 1937), sowie A. Brown, Civic ce‑ remony (2011), 203–205. 15  Privatlehrer blieben stets ein reines Ober‑ schichtenphänomen; Schulen in kommunaler Trägerschaft entstanden vielerorts erst ab dem 15. Jahrhundert. Vgl. Orme, English Schools (1973). 16  Vgl. die Nachweise bei M. Borgolte, Stiftung und Wissenschaft (2011, ND 2011 und 2012), 411, Anm. 20. Siehe zum Folgenden auch ebd., 410–414. 17  Vgl. Concilium Lateranense III – 1179, in: Conciliorum oecumenicorum decreta. Ed. Giuseppe Alberigo / Giuseppe Dossetti / Perikles-Petros

can. 18; Concilium Lateranense IV – 1215, in: Ebd., 227–271, hier 240, can. 11. 18  Vgl. Romano, Università degli Studenti (2005); Verger, Besoins et ressources financières (2005); Hesse, Pfründen, Herrschaften und Gebühren (2005). 19  Zu Hausklöstern: Brüsch, Brunonen (2000). – Zu Pfalz‑ und Burgstiften: Streich, Burg und Kir‑ che (1984); Moraw, Pfalzstifte der Salier (1991); Heinemeyer, Entstehung und Aufgaben (1995); Auge, Aemulatio und Herrschaftssicherung (2005); Zotz, Klerikergemeinschaft und Königsdienst (2005). 20 Institutio sanctimonialium Aquisgranensis. Ed. Werminghoff (wie Anm. 12). Vgl. Schilp, Norm und Wirklichkeit (1998). 21 Vgl. Bodarwé, Sanctimoniales litteratae (2004). 22 Vgl. z. B. Das Urbar [des Stifts St. Simon und Judas in Goslar] von ca. 1191/94. Ed. Lohse, Dauer (2011), 217–293, hier §§ 118 und 238. 23 Vgl. Oexle, Alteuropäische Voraussetzungen (1985, ND 2011), 648–656. 24 Vgl. Rodrigo Jiménez de Rada, Historia de rebus Hispaniae sive Historia Gothica. Ed. Juan Fernández Valerde. (CCCM 72.) Turnhout 1987, 256, cap. VII.34: Sapientes a Galliis et Ytalia conuocauit, ut sapiencie disciplina a regno suo nunquam abesset, et magistros omnium facultatum Palencie congregauit, quibus et magna stipendia est largitus, ut omni studium cupienti quasi manna in os influeret sapiencia cuiuslibet facultatis. Über die (mutmaßlichen) Motive und den spiritus rector der Universitätsstiftung berichtet Lucas von Tuy im Jahre 1236: Eo tempore rex Adefonsus euocauit magistros teologichos et aliarum arcium liberalium et Palencie scolas constituit procurante reuerentissimo (…) uiro Tellione eiusdem ciuitatis episcopo. Quia ut antiquitas refert, semper ubi uiguit scolastica sapiencia, uiguit et milicia (Lucae Tudensis Chronicon Mundi. Ed. Emma Falque. [CCCM 74.] Turnhout 2003, 324 f., cap. IV.84). Der Begriff ‚Schulen‘ (scolae) meint hier Lerngruppen von Hörern, die sich um einen Lehrer scharten. Zur Kontextualisierung der historiographischen Zeugnisse siehe Rucquoi, Double vie (1998); Rodríguez de la Peña, Rex in‑ stitutor scholarum (2010); Fuente Pérez, Primera universidad hispana (2012).

204 25 An den italienischen Universitäten blieb

das typische Lohnsystem dagegen eine „Misch‑ form aus Salär und Kollekte, aus öffentlicher und privater Bezahlung“ durch die Kommunen bzw. Hörer. Vgl. Schwinges, Fundationen (2005, ND 2008), 44. 26 Vgl. Wagner, Universitätsstift und Kollegium (1999), bes. 16 f.; zur Bedeutung der Sinekuren siehe Moraw, Stiftspfründen (1995). 27 Stiftungslibell vom 21. September 1457, ge‑ druckt bei: Gerber, Wandel der Rechtsgestalt (1957), 27–35, hier 28: durch weliche werck [die Errich‑ tung der Universität] wir nit minder hoffen allen vnsern vorfarn vnd nachkomen sellich heil zu buwen. Vgl. dazu M. Borgolte, Rolle des Stifters (1985, ND 2012), 184 f. 28 Codex diplomaticus universitatis studii ge‑ neralis Cracoviensis, Bd. 1. Krakau 1870, 25–30, Nr. 16, hier 25 f.: ut hos terrarum nostrarum Lythuaniae indigenas et subditos (…) ad gremium sanctae matris Ecclesiae (…) adtulimus per assuefactionem et habitudinem ac scientiam piorum operum, sine quibus ipsa fides est vacua, (…) horum tamen ope pariter opera, quorum animos sapientiae et doctrinae plenitudo decoravit. Vgl. auch Stopka, Jagiellonian Foundation (2003). 29 Ein wesentlich älterer Sonderfall war die Gründung der Universität Toulouse (ab 1229), die sich gegen die Häresie der Katharer richtete. – Später waren es die an den Universitäten Oxford bzw. Prag promovierten Theologen John Wyclif (gest. 1384) und Jan Hus (gest. 1415), die neue Hä‑ resien provozierten. 30 Urkunden zur Geschichte der Universität Tübingen aus den Jahren 1476 bis 1550. [Ed. Rudolf Roth]. Tübingen 1877, 28–30, Nr. 6, hier 28 f.: Non his accurata templorum edificia atque structuras non denique beneficiorum ecclesiasticorum fundationes preferimus Nam satis euo nostro decus ceuit ecclesie (…) Constatque solum acceptabile deo templum esse pectus humanum (…) Atque ea [templorum magnificentia] parum ad beatitudinem conferre sed ita dumtaxat deo placere si quis puram castamque mentem in ea ipsa intulerit quam profecto nulla via atque arte melius neque compendiosius quam ex literarum erudicione consequi poterismus. Dazu: Mertens, Eberhard im Bart (1999), 161 f. Siehe aber auch ebd., 162 f., die Hinweise auf den Memorial‑ charakter der Stiftung.

Wohltätigkeit und Bildung

31 Schubert, Motive und Probleme (1978), 22. 32 Vgl. Rexroth, Deutsche Universitätsstiftun‑ gen (1992).

33 Holenstein, Sozialdisziplinierung (2013). Ebd.

auch Hinweise auf die Kritik an Oestreichs For‑ schungskonzept. Siehe ferner S. Breuer, Sozial‑ disziplinierung (1986). 34 Vgl. etwa Buchholz, Anfänge der Sozialdis‑ ziplinierung (1991). 35 Vgl. Oexle, Armut, Armutsbegriff und Ar‑ menfürsorge (1986). 36 Vgl. Rexroth, Armenhäuser (2005); Ders., Zweierlei Bedürftigkeit (2007). 37 Vgl. etwa The Statutes of God’s House, Ewel‑ me. Ed. Goodall, God’s House at Ewelme (2001), 213–255. 38 Scheller, Memoria an der Zeitenwende (2004), 150. Schellers Deutung bezieht sich ausdrücklich nicht auf Oestreichs Konzept der Sozialdiszipli‑ nierung, sondern knüpft an Überlegungen Michel Foucaults an. Vgl. ebd., 145 f. 39 Vgl. Denley, Collegiate Movement (1991), bes. 39; 48–51. 40  Marti, Spanish College (1966), 334–336: Quia taxillorum ludus prohibitus est, statuimus quod nullus de dicto collegio audeat ludere cum taxillis ludum aliquem in quo pecunia uel quecumque alia res perdatur. Qui uero contrafecerit, pro prima uice prouisione duorum, pro secunda uero quatuor mensium, pro tercia omni iure et comodo quod habet in collegio sit priuatus. 41  Vgl. Hibst, Utilitas publica (1991); Kempshall, Common Good (1999). 42  Diese Quellen sind in der Forschung zur Ge‑ meinwohl‑Semantik bislang sträflich vernach‑ lässigt worden. Vgl. etwa die Beiträge in Münkler / Bluhm, Gemeinwohl und Gemeinsinn (2001). Ganz unbefriedigend bleiben die auf das Mittelalter gemünzten Bemerkungen von Frey, Gemeinwohl (2001), 279. 43  Cambridge, University Library, Ms. Ff.vi31, fol. 100r: This booke was made of ƿe goodis of John Collopp for a comyn profite (…), and so be it delyuered and committed fro persoone to persoone man or womman as long as ƿe booke endureth. Zitiert nach Scase, Common‑Profit Books (1992), 261. 44  Vgl. Rexroth, Stiftungen (2000). Dass am Aus‑ gang des Mittelalters selbst liturgische Stiftungen

Muslime

205

in den Dienste des Gemeinwohls gestellt wurden, 46  Vgl. Rexroth, Stiftungen (2000), 112; 117–121. versucht Staub, Memoria im Dienst von Gemein‑ 47  Vgl. Schwinges, Prestige und gemeiner Nut‑ wohl (1995), nachzuweisen. zen (1998), 14. Diese Zeugnisse bleiben unbe‑ 45  Ruprecht, Stiftungen (2011), 48. Zu der berühm‑ rücksichtigt bei Miethke, Päpste und Gemein‑ ten Nürnberger Hundefängerstiftung des Sigmund wohl (2012). Oertel vgl. Rexroth, Stiftungen (2000), 111 f.

9.3 Muslime 9.3.1 Allgemeines Yacoov Levs Beschreibung des islamischen waqf als „embodiment of ṣadaqa“1 ist si‑ cher treffend, da es sich beim waqf um das wichtigste Instrument zur Bereitstellung von wohltätigen und sozialen Diensten in den mittelalterlichen islamischen Ge‑ sellschaften handelt. Zudem lautet einer der Begriffe, mit dem in den Quellen auf awqāf verwiesen wird, ‚ṣadaqa ǧāriya‘. Dieser Begriff lässt sich in etwa mit ‚im‑ merwährende Wohltätigkeit‘ übersetzen. Das islamische Konzept von ṣadaqa kann jedoch nicht einfach mit demjenigen der christlichen caritas gleichgesetzt werden, sondern bedarf weiterer Diskussion. Der arabische Begriff ṣadaqa, der ins Englische in der Regel mit ‚voluntary alms‘ oder ‚charity‘ und ins Deutsche mit ‚freiwillige Gabe‘ oder ‚Wohltätig‑ keit‘ übersetzt wird, bezieht sich auf nicht verpflichtende fromme – üblicherweise wohltätige – Handlungen, im Gegensatz zu den verpflichtenden Almosen, die als eine der fünf Säulen des Islam gelten und als zakāt bezeichnet werden. Diese freiwillige Wohltätigkeit zielt jedoch nicht unbedingt darauf ab, die Situation der Bedürftigen und Mittellosen zu verbessern. Vielmehr folgt sie einer Reihe frommer Konventio‑ nen, die einen Lohn im Jenseits erwarten lassen und nicht einfach in eine Kategorie

mit der christlichen caritas gefasst wer‑ den können. So werden beispielsweise sexuelle Abstinenz, die Vorbereitung auf das Gebet oder auch die Sicherung des Lebensunterhaltes der Familie von Mus‑ limen als ṣadaqa aufgefasst.2 Dieser Arti‑ kel beschränkt sich daher auf diejenigen Aspekte der islamischen ṣadaqa, die mit der freiwilligen wohltätigen Versorgung von Hilfebedürftigen in direkter Verbin‑ dung stehen, und die Rolle, die Stiftungen hierbei spielen. Es sollte auch berücksichtigt werden, dass die Unterscheidung zwischen Wohl‑ tätigkeit und Bildung bloße Konvention ist und ausschließlich aufgrund prag‑ matischer Überlegungen geschieht. Die Vermittlung von Wissen an Unwissende wurde im Islam als ein Akt von ṣadaqa verstanden, und bereits der bloße Wis‑ senserwerb und die Förderung der Wissen‑ schaft wurden als wohltätige Handlungen aufgefasst. Vor diesem Hintergrund und ungeachtet dessen, dass die Definition des Wissensbegriffs im mittelalterlichen Islam eine äußerst komplizierte Angelegenheit ist, sollte man sich bewusst machen, dass die wohltätige und fromme Dimension der Wissensvermittlung nicht auf die religiö‑ sen Wissenschaften reduziert war, sondern noch weitere Gebiete umfasste.3

206

9.3.2 Wohltätigkeit und Armut Obwohl frühe Diskussionen über die Ar‑ mut in der Regel mit Begriffen geführt wurden, die komplett auf Geld bezogen waren, wird das Konzept der Armut im Is‑ lam nicht nur als ein ausschließlich sozio‑ ökonomisches Phänomen verstanden, son‑ dern auch als ein religiöses Ideal. Armut war eng mit Frömmigkeit verbunden, da sie eine Möglichkeit schuf, sich mit Hilfe von Wohltätigkeit zu läutern.4 Für viele Muslime bestand frommes Verhalten indes nicht einfach darin, die Armut anderer zu lindern, sondern auch darin, die Armut für sich selbst anzunehmen. Die Attraktivität dieses idealisierten Lebenswandels mit seiner Zurückweisung materiellen Ehr‑ geizes wurde durch asketische religiöse Schriften und das Vorbild des Propheten Mohammed bestärkt. Dieser selbstgewählte Verzicht wurde zunehmend zu einem Problem, insbeson‑ dere dann, wenn das religiöse Armutsideal mit Verurteilung von Reichtum und einem gesellschaftlichen Egalitarismus einher‑ ging. Die ersten kritischen Berichte über solche potentiell umstürzlerischen Bewe‑ gungen stammen aus dem 9. Jahrhundert. Al‑Ǧāḥiẓ (gest. 869 u. Z.) behauptet bei‑ spielsweise an einer Stelle, in der er das spezifische Frömmigkeitsverständnis ver‑ schiedener religiöser und gesellschaftlicher Gruppen beschreibt: „if the Sufi who makes external show of his piety is a shiftless lowlife, he will become a beggar, adopt Sufism and publicly forbid anyone else making a living, saying that it is illegal (takrīm al-makāsim). Thus he makes his beggary an expedient for people to re‑ spect him“.5 Diese spezielle Haltung wurde auch von anderen Gruppen wie etwa der Karrāmīya‑Sekte verteidigt, die in Nisha‑ pur im 10. Jahrhundert großen Einfluss gewann. Geteilt wurde diese Meinung auch

Wohltätigkeit und Bildung

von zahlreichen sufistischen Gruppen, die einen bemerkenswerten Zuwachs nach dem 12. Jahrhundert verzeichneten, und insbesondere auch von solchen asketischen Gruppen – in der Regel Sufis –, die sich städtischen oder berufsständischen Orga‑ nisationen anschlossen. Diese bestanden im Allgemeinen aus jungen Leuten, die von einem strengen Ehrenkodex geleitet waren, oftmals aber auch Verbindungen ins kriminelle Milieu hatten.6 Des Weite‑ ren lässt sich Wohltätigkeitspflege nicht eindeutig vom Almosensammeln für re‑ ligiöse Gemeinschaften (tasaʾʾul) als pro‑ fessioneller Beschäftigung abgrenzen. Das Betteln stellte darüber hinaus ein ernsthaf‑ tes Problem für die öffentliche Ordnung in den mittelalterlichen islamischen Städten dar und wurde als solches nicht nur in den meisten religiösen Quellen verurteilt, sondern auch im Koran selbst, wo es über Arme, die wahrhaftig Wohltätigkeit ver‑ dienen, heißt: „Beim Betteln bedrängen sie die Menschen nicht“.7 Die Probleme, die im mittelalterlichen Islam im Zusammenhang mit Armut auf‑ traten, begegnen also in Verbindung mit zwei unterschiedlichen Gruppen: zum ei‑ nen mit denen, die aufgrund gesellschaftli‑ cher Ausgrenzung arm sind, zum anderen mit denen, die aus religiöser Überzeugung wünschen, arm zu sein. Die Bezeichnung ‚arm‘ im Kontext mittelalterlicher islami‑ scher Wohltätigkeit bezog sich in der Regel auf die zweite Gruppe, also auf fromme Muslime, die aus freiem Entschluss die Armut wählten. Aus zweierlei Gründen war es schwierig, diesen Idealzustand zu errei‑ chen: Einerseits wurde zwar das Armuts‑ ideal gepriesen, aber das Betteln – außer in extremen Fällen – verurteilt und sogar das Hinweisen auf die eigene Bedürftigkeit missbilligt; andererseits mussten die ‚ehr‑ lich Armen‘ unterschieden werden von den gewöhnlichen Bettlern und Scharlatanen,

Muslime

die sich vielfach als Sufis ausgaben.8 So verwundert es nicht, dass die Mehrheit der mittelalterlichen sufistischen Autoren, die das von ihren Orden vertretene Ideal der Askese diskutierten, ein Kapitel in ihren Werken den Tugenden der Armut widmeten, in dem das Problem des Bettelns ausgiebig erörtert wurde.9 Die Koexistenz dieser beiden Armuts‑ dimensionen – Armut als sozio‑ökonomi‑ scher Zustand und Armut als Abkehr von der materiellen Welt – sowie die Kollision von gesellschaftlichen und religiösen Idea‑ len stellte die Obrigkeit vor bedeutende Probleme, die größtenteils mithilfe des flexiblen islamischen waqf als zentralen Anbieters sozialer und wohltätiger Dienste gelöst werden konnten. Aus der Sicht des Staates und der Eliten war der waqf dasjenige Instrument, das sich in idealer Weise zur Ausübung von Wohltätigkeit eignete und im Vergleich zu zwei weiteren möglichen Optionen, näm‑ lich dem direkten Almosengeben und der staatlich unterstützten Fürsorge, offen‑ sichtliche Vorteile bot. Obwohl das Almosengeben in mittelal‑ terlichen islamischen Gesellschaften weit verbreitet war, hatte es doch eindeutige Nachteile. Für die Wohltäter stellte es nicht die ideale Lösung dar, da die meisten re‑ ligiösen Traktate auf der Idee beharrten, dass Almosen anonym gegeben werden sollten. Dadurch wurde den Wohltätern die Möglichkeit genommen, diese Gaben für die Gestaltung ihrer Memoria oder der Zurschaustellung ihres Reichtums zu ver‑ wenden. Tatsächlich scheint das anonyme Almosengeben zu allen Zeiten die übli‑ che Form gewesen zu sein, mit der offen‑ sichtlichen Ausnahme der gelegentlichen herrscherlichen Almosen.10 Außerdem be‑ trachteten viele Stiftungsbegünstigte, zu‑ meist fromme Muslime, die aus freiem Ent‑ schluss ein Leben in Armut angenommen

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hatten, die Annahme von Almosen als in‑ akzeptabel. Die awqāf , die häufig Spenden und Lebensmittel an Arme verteilten, wa‑ ren bestens geeignet, öffentlich wohltätig zu sein, das Gedenken an den Wohltäter nicht außer Acht zu lassen und zugleich denjenigen Lebensunterhalt zu gewähren, die keine direkten Almosen akzeptierten. Stiftungen wie zāwiyas, ḫānqāhs und madrasas waren außerdem Institutionen, mit denen die Eliten den Glaubenseifer unter Kontrolle halten und ihre egalitären Ideen beschwichtigen konnten. Sicherlich hätte der Staat andere sozio‑ politische Maßnahmen zur Linderung der Armut entwickeln können, insbesondere im Hinblick auf die medizinische Versor‑ gung. Allerdings brachte der waqf auch für die Herrscher eindeutige Vorteile. Nach islamischem Recht kann ein waqf nur von jemandem gestiftet werden, der über die vollen Eigentumsrechte über das gestiftete Eigentum verfügt; dies war aber erkennbar nicht der Fall bei denjenigen Gütern, die sich im Besitz des Staates befanden. In der Theorie bestanden königliche Stiftungen aus Besitztümern, die Herrscher vorher als Privatpersonen aus dem Staatsschatz erworben hatten. Allerdings verschwamm die Grenze zwischen privat und staatlich in zunehmendem Maße, insbesondere in der Mamlūkenzeit, und sehr oft handelte es sich bei den Hauptbegünstigten dieser wohltätigen Stiftungen zudem um die Fa‑ milien ihrer Gründer. (→ 3.3.1) Schließlich waren awqāf nicht nur ein Mittel, um das Ideal der Wohltätigkeit zu erfüllen, sondern auch den besten Weg boten, um das religiöse Armutsideal zu erreichen. Aus eigenem Entschluss arm zu werden, war für die mittelalterlichen Muslime nicht immer eine einfache Auf‑ gabe. Nach islamischem Recht standen die Rechte der Erben unter strengem Schutz, sodass die Entfremdung von Vermögen auf

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erhebliche Hindernisse stieß. In manchen Fällen war es frommen Muslimen zwar möglich, einen Teil ihres Vermögens der Armenhilfe zugutekommen zu lassen, al‑ lerdings scheinen die Restriktionen dabei größer gewesen zu sein als bei der Grün‑ dung eines waqf .11 Bedauerlicherweise können wir uns nicht auf entsprechende Untersuchungen zu diesem Thema stützen, aber in den Quellen lassen sich durchaus Fälle von Stiftern finden, die ein Leben in Abgeschiedenheit wählten und auf die Kleidung der Reichen verzichteten, um das ‚Gewand der Armen‘ (ṯiyāb al-fuqarāʾ) zu tragen, nachdem sie ihr Vermögen für die Stiftung eines waqf in Form einer Moschee oder einer madrasa eingesetzt hatten.12 Klar ist auch, dass das für die Armenhilfe ein‑ gesetzte Vermögen nicht mit dem Namen des Spenders verknüpft würde, wohinge‑ gen sein Andenken in einer Stiftung bis zu ihrem Ende bewahrt bliebe. Der waqf ist also definitiv die „Verkörperung von ṣadaqa“ (wie Y. Lev sagt), aber es ist ge‑ nauso richtig, dass Wohltätigkeit in der Regel der Ort der Memoria ist. 9.3.3 Formen der Wohltätigkeit Die weit gefasste Definition von ṣadaqa und die Omnipräsenz des waqf in allen gesellschaftlichen Bereichen des mittel‑ alterlichen Islam erschweren einen nicht‑ institutionellen Forschungsansatz: Eine Typologie der Formen von Wohltätigkeit kommt einer Typologie der Stiftungen tat‑ sächlich recht nahe, da nahezu alle wohltä‑ tigen Dienste von awqāf erbracht wurden. Es gibt nur wenige soziale Bedürfnisse, die nicht direkt über waqf-Netzwerke abge‑ deckt wurden. Am auffälligsten ist, dass in islamischen Gesellschaften im Gegensatz zu anderen Kulturen eindeutige Hinweise auf Waisenhäuser fehlen. (→ 9.2.3; 9.5.3)

Wohltätigkeit und Bildung

Dies könnte zum Teil ein terminologisches Problem sein, da Fürsorge und Obdach für Waisen von anderen Institutionen be‑ reitgestellt wurden, ohne dass es dafür eine spezifische Bezeichnung gab. Das ist etwa der Fall bei denjenigen awqāf für Waisen, die im 12. Jahrhundert von Ibn al‑ Muẓaffar in Erbil gegründet wurden und in den Quellen schlicht „Häuser“ (buyūt) genannt werden.13 Auch andere Einrich‑ tungen, wie etwa Elementarschulen (kuttāb, maktab-sabīl), haben Waisen aufgenommen. (→ 9.3.5) Es scheint indes festzustehen, dass die Versorgung von Waisen in der Regel Aufgabe der jeweiligen Großfamilie war. Im mamlūkischen Kairo gab es zum Beispiel gar keine Waisenhäuser. Hier war die Waisenfürsorge auch einer der weni‑ gen Fälle, in denen der Staat direkt in die Sozialpolitik eingriff. Der Staat übernahm im Prinzip die Rolle des Vormundes und Verwalters der Erbschaften der Waisen bis zu ihrer gesetzlichen Volljährigkeit. Diese Vermögen, die in einem öffentlichen Lagerhaus (mauḍiʿ al-ḥukm) aufbewahrt wurden, wurden oftmals jedoch für andere Zwecke verwendet und fielen der Korrup‑ tion anheim.14 Es gibt noch zwei weitere Fälle, in de‑ nen der Staat direkt eingriff, um soziale Unterstützung zu leisten. Der erste betrifft die Linderung von Hungersnöten infol‑ ge von Naturkatastrophen und Kriegen. In diesen Fällen konnte der Staat wirt‑ schaftliche Maßnahmen ergreifen, um die Inflation und Preise zu kontrollieren und gegen das Horten von Waren und Speku‑ lation vorzugehen, oder es konnten den Bedürftigen direkt Lebensmittel zur Ver‑ fügung gestellt werden. Ein prominentes Beispiel hierfür sind die wiederkehrenden Hungersnöte, unter denen die Ägypter zu leiden hatten, wenn die jährliche Nil‑ schwemme einen bestimmten Wasserstand nicht erreichte oder sich ein Hochwasser

Muslime

ereignete. Der Historiker al‑Maqrīzī be‑ handelt diese Hungersnöte ausführlich in seinem Traktat zur Geldpolitik. Als Beispiel einer guten Verwaltung erwähnt er den Wesir Abū Muḥammad al‑Yazūrī, der während der Hungersnot im Jahre 1055 u. Z. Getreide aus den Provinzen mit öffentlichen Geldern aufgekauft, es zu den königlichen Silos nach Kairo gebracht, von dort an die Märkte geliefert und dabei den Verkaufspreis eines tallīs Weizen von acht auf drei Dinar herabgesetzt habe.15 Ein weiteres Beispiel direkter staatlicher In‑ tervention in Zeiten von Hungersnot war die Anordnung Sultan Baybars’ an seine Beamten, unter den Armen Lebensmittel zu verteilen. Er befahl seinen Kämmerern auch, eine Liste der Armen in Kairo zu erstellen.16 Der zweite Fall, in dem ein Herrscher wohltätige Handlungen als eine öffentliche Person ausüben konnte, betraf die Frei‑ lassung von Schuldnern aus dem Gefäng‑ nis, indem er ihre Schulden beglich. Der Freikauf von Schuldnern mit Geldern, die aus der obligatorischen Armenhilfe (zakāt) stammten, war eine Praxis, die schon vom Koran gebilligt wurde und im Laufe der Zeit wohl ein herrscherliches Vorrecht wurde.17 Solche Freikäufe fanden zusam‑ men mit weiteren wohltätigen Handlun‑ gen im Rahmen religiöser Feste statt und waren eine symbolische Zurschaustellung herrscherlicher Gnade. Es war wohl Sultan Barqūq, der im Jahre 1383 u. Z. den Brauch einführte, im heiligen Monat Ramadan Schuldner aus dem Gefängnis freizulas‑ sen – eine Praxis, die ihm nachfolgende Herrscher fortführten.18 Abgesehen von diesen Ausnahmen wur‑ den alle anderen sozialen Bedürfnisse im Wesentlichen von öffentlichen Stiftungen abgedeckt. Der waqf versorgte Bedürftige mit Essen und Wasser, beherbergte Su‑ fi‑Gemeinschaften und andere Gruppen,

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bestritt die Kosten für religiöse Rituale und leistete medizinische Versorgung.19 Soziale Fürsorge und Freigebigkeit Die Versorgung mit Lebensmitteln, Almo‑ sen und anderen Wohltaten, die aus den Vermögenserträgen von waqf‑Institutionen bestritten wurden, ist eine der typischen wohltätigen Praktiken im mittelalterlichen Islam. Sie sind auch Beispiele für die Ver‑ bindung zwischen Wohltätigkeit und memoria, da bei der Verteilung dieser Güter in den meisten Fällen auch das Gedenken an den Stifter zelebriert wurde und auf diese Weise Wohltätigkeit und Tod miteinander verknüpft wurden. Die regelmäßige Versorgung der Ar‑ men mit Lebensmittel konnte in waqf ‑ Institutionen stattfinden, wie etwa ei‑ nem funduq und ḫān. Die Suppenküche, die später von den Osmanen bekannt gemacht und meistens ʿimaret genannt wurde, scheint im mittelalterlichen Islam indes noch eine Ausnahme gewesen zu sein.20 Ein frühes Beispiel einer Suppen‑ küche lässt sich in dem waqf von Rašīd ad‑Dīn finden, die in der Urkunde auf Ara‑ bisch als dār al-masākīn und auf Persisch als dīg-i masākīn bezeichnet wird. Diese Einrichtung, die über einen Koch, einen Küchenhelfer, einen Aufseher (muraṭṭib) und einen Pförtner verfügte, versorgte die Armen und ihre Söhne mit Essen.21 Wäh‑ rend andere Institutionen in demselben waqf ‑Komplex auch Speisen anboten, wie etwa das Gasthaus (dār aḍ-ḍiyāfa), wurde das dār al-masākīn ausschließlich zu die‑ sem Zweck gestiftet. Die öffentliche Verteilung von Lebens‑ mitteln und Almosen war jedoch weitge‑ hend auf besondere Anlässe beschränkt, die sich nach dem religiösen Kalender und den Todestagen der Stifter richteten. Religiöse Feierlichkeiten boten dabei die wichtigste Gelegenheit, um wohltätig zu

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wirken, da Lebensmittel zu verteilen oder Speisen gemeinsam einzunehmen als sol‑ che integrale Bestandteile des islamischen Ritus waren. (→ 8.3.2) In diesen Fällen wurden Almosen und Lebensmittel nicht immer von awqāf zur Verfügung gestellt, sondern sie wurden häufig direkt gespen‑ det. Islamische Feierlichkeiten boten Herr‑ schern eine ausgezeichnete Gelegenheit, ihre Großherzigkeit öffentlich vor den Massen zu präsentieren, insbesondere im heiligen Monat Ramadan. Obwohl religiö‑ se Gelehrte Muslime stets zu anonymem Almosengeben anregten und die öffentli‑ che Zurschaustellung eigener Wohltätig‑ keit missbilligten, bildeten Kalifen und Sultane aus naheliegenden Gründen die Ausnahme von dieser Regel. Ihre Gaben bewegten sich mehr im Bereich des Eu‑ ergetismus als der Wohltätigkeit, da sie – ungeachtet ihrer religiösen Bedeutung – in der Absicht geschahen, ihre Akzep‑ tanz bei den Untertanen zu sichern. In mittelalterlichen Quellen sind zahlreiche Zeugnisse erhalten, die wohltätige Gaben aus der Hand von Herrschern an den ver‑ schiedenen Feiertagen des liturgischen Kalenders belegen. Die Empfänger dieser wohltätigen Gaben waren dabei nicht im‑ mer mittellose Menschen. Die syrischen Statthalter zum Beispiel pflegten religiöse Gelehrte (ʿulamāʾ) in die Zitadelle einzula‑ den und Geschenke und wohltätige Gaben an das Militär und die Verwaltungselite zu verteilen.22 Weitere Anlässe, die sich für die Präsentation der herrscherlicher Großzügigkeit eigneten, betrafen religiö‑ se Rituale, die sich auf Ereignisse des Le‑ benszyklus bezogen, wie etwa Geburten, Eheschließungen und Todesfälle. Diese wohltätigen Handlungen wurden auch als ein Mittel der Fürbitte bei Gott oder der Dankbarkeitsbekundung betrachtet. Sultan Qalāwūn beging etwa feierlich die Genesung seines Lieblingsemirs von einer

Wohltätigkeit und Bildung

Krankheit, indem er Mystiker, fromme Muslime und Staatsbeamte zu einem Fest‑ mahl einlud und gefangene Schuldner frei‑ kaufte. Auch andere Herrscher versuchten bei ähnlichen Schicksalsereignissen ihre Fürbitten mit wohltätigen Handlungen wirksamer zu machen, so wie etwa Sultan Barqūq es anlässlich seiner Erkrankung im letzten Jahr seiner Regentschaft tat: Barqūqs Wohltätigkeit bestand darin, dass er Geld, Kleidung und Getreide an die Menschenmenge verteilte.23 Im Gegensatz zur sichtbaren Wohl‑ tätigkeit von Herrschern wurde private Wohltätigkeit entweder mit anonymen Almosen oder mittels awqāf ausgeübt. In den Quellen sind zahlreiche Berichte über Armenspeisungen und wohltätige Gaben in Zusammenhang mit Stiftungen über‑ liefert. Obgleich die von privaten Stiftern finanzierten awqāf ebenfalls zu religiösen Feierlichkeiten und besonderen Anlässen wohltätige Gaben verteilen konnten, muss die Bereitstellung von Lebensmitteln durch awqāf als integraler Bestandteil des Lebens in diesen Institutionen gesehen werden: Zu den Leistungen von Sufi‑Klöstern, ḫāns, funduqs, zāwiyas und Medresen versorgten nicht nur ihre Bewohner und Besucher, sondern sehr oft auch die Armen mit Le‑ bensmitteln. Lebensmittelverteilungen kam jedoch für einen bestimmten Bereich nicht‑herr‑ scherlicher Stiftungen besondere Bedeu‑ tung zu: den Totenkult. Die Versorgung mit Lebensmitteln, insbesondere Brot und Süßigkeiten, war eine verbreitete Strategie, um Besucher an Gräber zu locken und sich ihrer Gebete zu versichern. Adam Sabra hat dreiundzwanzig Beispiele von Gräbern in den Jahren 1394–1516 u. Z. ge‑ funden, die mit awqāf zur Verteilung von Brot an die Armen im mamlūkischen Kai‑ ro ausgestattet waren. Obschon es einige Vorläufer im 14. Jahrhundert gab, scheint

Muslime

sich dieses Phänomen insbesondere nach 1460 entwickelt zu haben.24 Herbergen Im mittelalterlichen Islam gab es keine Einrichtung, deren ausschließliches Ziel darin bestand, Armen eine Unterkunft auf Dauer zu gewähren. Gasthäuser, wie etwa ein funduq, ein ḫān oder eine Karawanse‑ rei, konnten Pilgern und Besuchern Kost und Logis nur für einen begrenzten Zeit‑ raum bieten. In dem Gasthaus, das sich im waqf ‑Komplex von Rašīd ad‑Dīn in Täbris befand, wurden Gäste beispielsweise in drei Kategorien eingeteilt: Reiche Reisende, die mit ihrer Entourage unterwegs waren, Alleinreisende, die sich selbst versorgen konnten, und Arme. Für alle war die Un‑ terbringung bis zu drei Tagen kostenlos und die reichen Reisenden, ihre Begleiter sowie die Alleinreisenden konnten auch im Gasthaus essen, während die Armen in der Suppenküche (dīg-i masākīn) essen mussten.25 Religiöse Gemeinschaften, die zuguns‑ ten von Asketen gegründet wurden, sorg‑ ten zugleich für die Unterbringung ihrer Mitglieder, obgleich ihre Konvente deutlich mehr waren als ‚Herbergen‘. Denn die‑ se Sufi‑Konvente waren im Wesentlichen Zentren, in denen Asketen und fromme Muslime, dem Dienste Gottes verpflichtet und der materiellen Welt entsagend, in Zurückgezogenheit leben konnten. Statt als Ergebnis von wohltätigen Gaben las‑ sen sich diese Einrichtungen auch als In‑ strumente der Wohltätigkeit auffassen, da sie selbständig agierten und eine Vielzahl von guten Taten verrichteten, und zwar nicht nur in rein spiritueller Hinsicht. Sie richteten ihr Leben auch darauf aus, die Bedürftigkeit von Mittellosen durch das Verteilen von Lebensmitteln, Medizin und anderen Gaben zu lindern. Darüber hinaus waren sie auch Bildungszentren. (→ 9.3.5)

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Vor dem Hintergrund der Probleme, die Armut als religiöses Ideal aufwarf, sollten diese Einrichtungen auch als ein wichtiges Instrument der Sozialkontrolle betrachtet werden. Unabhängig von den religiösen Beweggründen, die hinter der Gründung dieser Klöster standen, konnten die Eliten dadurch, dass sie diesen asketischen Be‑ wegungen einen institutionellen Rahmen gewährten, Entscheidungen innerhalb der Klöster beeinflussen und einzelne asketi‑ sche Strömungen gegenüber anderen pri‑ vilegieren. Sozialkontrolle scheint auch der Grund für die Errichtung der einzigen Institu‑ tion im mittelalterlichen Islam gewesen zu sein, die als wirkliches Spital angese‑ hen werden kann. Es handelt sich um den ribāṭ für Frauen, der vor allem während der Mamlūkenzeit in Ägypten und Syrien aufkam. Die Entstehung sufistischer Ein‑ richtungen für Frauen geht auf das 12. Jahr‑ hundert zurück, die starke Ausbreitung dieser ribāṭs während des 13. Jahrhunderts scheint hingegen die Antwort auf eine Frage der öffentlichen Moral gewesen zu sein. Die Anzahl an Witwen, geschiedenen und zurückgelassenen Frauen erhöhte sich zu dieser Zeit zusehends; zugleich wurde die Präsenz dieser unverheirateten Frauen im öffentlichen Leben als eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung wahrgenommen. Die Einrichtungen dienten in erster Li‑ nie als Zufluchtsort für diese Frauen, of‑ ferierten allerdings auch weitere Diens‑ te, etwa im Bereich der Bildung. Oftmals waren es auch Frauen, die diese ribāṭs ins Leben riefen, wie zum Beispiel derjeni‑ ge, der neben al‑Baybars’ ḫānqāh in Kairo lag und der von seiner Tochter, Tiḏkārbāy Ḫātūn, im Jahr 1285 u. Z. gestiftet wurde. Al‑Maqrīzī zufolge bestanden mindestens sechs ribāṭs für Witwen und alte Frauen auf dem Qarāfa‑Friedhof von Kairo während des 14. Jahrhunderts. Der Damaszener Ibn

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Wohltätigkeit und Bildung

Zufar al‑Irbilī (gest. 1326) führte in seiner Armen gewidmet waren (awqāf at-turahāʾ) Beschreibung der Stadt Damaskus zwanzig und über spezielle Vorrichtungen für die dieser Einrichtungen auf.26 rituelle Waschung der Toten verfügten. Spätere Sultane folgten seinem Beispiel, Religiöse Rituale was zu Zeiten der Pest von besonderer Eine der grundlegenden Formen islami‑ Bedeutung werden sollte.30 scher Wohltätigkeit bestand darin, Hilfe Schließlich gehörte auch der Freikauf bei der Erfüllung religiöser Pflichten und von Gefangenen zur religiösen Pflicht der der Befolgung muslimischer Traditionen gesamten muslimischen Umma, für den in zu leisten, die mit Ereignissen des Lebens‑ der Theorie Mittel aus den verpflichtenden zyklus verbunden waren, wie etwa Ehe‑ Almosen (zakāt) zur Verfügung standen. schließung und Tod, der Pilgerreise nach In der Praxis verwendeten die Herrscher Mekka und insbesondere dem Freikauf indes vielfach die Einkünfte öffentlicher muslimischer Gefangener. awqāf, um Gefangene freizukaufen.31 Viele Wohltätige Handlungen wurden manch‑ fromme Muslime stellten auch einen Teil mal in Form anonymer Gaben aus waqf ‑ der Einkünfte aus ihren Stiftungen zur Mitteln ermöglicht, etwa die Finanzierung Verfügung, um Kriegsgefangene loszukau‑ der Aussteuer armer Frauen.27 Üblicher fen. Insbesondere im Kontext des Krieges war es jedoch, die Kosten zu übernehmen, gegen die Kreuzritter spielte diese Praxis die für die Vorbereitung von Begräbnissen eine wichtige Rolle.32 anfielen und von armen Familien nicht im Entferntesten aufgebracht werden konn‑ Medizinische Versorgung ten. In diesen Fällen gab es verschiedene Das Krankenhaus (bīmāristān oder mārisEinrichtungen, die diese Dienste direkt tān) ist eine der charakteristischen Institu‑ anboten oder die Kosten hierfür übernah‑ tionen des mittelalterlichen Islam. Medi‑ men. Einige Hospitäler, die Armen kos‑ zinische Versorgung konnte aber auch an tenlose medizinische Versorgung gewähr‑ anderen Orten geleistet werden, wie etwa ten, kümmerten sich auch um die rituelle auf dem Markt, im Haus des Arztes oder Leichenwaschung und stellten sogar das im Haus des Patienten.33 Die Ursprünge des vorgeschriebene Leichentuch sowie den islamischen Krankenhauses sind ungewiss. Sarg zur Verfügung. Dies war beispiels‑ In der Forschung wurde die Auffassung weise bei dem Krankenhaus der Fall, das vertreten, dass die ersten Hospitäler auf von Ibrāhīm ibn Naṣr in Samarkand im das späte 8. oder frühe 9. Jahrhundert u. Z. Jahre 1066 gestiftet wurde.28 In anderen zurückgehen und dass sie Institutionen Fällen wurden direkt aus waqf ‑Mitteln seien, die in der medizinischen Tradition Gelder bereitgestellt, um die Kosten für der Nestorianer stünden.34 Die Quellen die Aufwendungen eines Begräbnisses zu bieten gleichwohl nur wenige Hinweise decken. So wurden etwa Einkünfte aus auf Hospitäler vor dem 10. Jahrhundert. dem ḫānqāh, das Baibars al‑Ǧašangīr (gest. Den erhaltenen Zeugnissen zufolge, wur‑ 1310) gestiftet hatte, auch für die Bezah‑ de das erste wirkliche Krankenhaus in lung von Leichentüchern und Armenbe‑ Bagdad von Kalif Hārūn ar‑Rašīd (gest. gräbnissen verwandt.29 Im mamlūkischen 809 u. Z.) begründet, der den christlichen Ägypten war es Sultan aẓ‑Ẓāhir Baibars, Arzt Ǧibrāʾil b. Baḫtīšūʿ mit dem Entwurf der zum ersten Mal fromme Stiftungen und der Verwaltung dieser Institution gründete, die eigens dem Begräbnis von betraute.35 Vier weitere große Hospitäler

Muslime

wurden daraufhin im Laufe des folgenden Jahrhunderts in Bagdad gegründet: das Ṣaʿadī‑Hospital und das Hospital von Badr al‑Muʿtaḍidī, beide errichtet von Kalif al‑ Muʿtaḍid (892–902); ein anderes Kranken‑ haus, erbaut vom buyidischen Emir Muʿizz ad‑Daula (945–967) und in den Quellen nach ihm Bimāristān muʿizz ad‑dawla be‑ nannt; außerdem das berühmte Bīmāristān al‑ʿAḍudī, das vom Buyiden ʿAḍud ad‑Daula (978–983 u. Z.) gegründet wurde.36 Diese Hospitäler sind nicht immer als awqāf aus‑ gewiesen, obgleich sie alle ihre Einkünfte aus waqf ‑Vermögen erzielten, das ihnen ursprünglich von ihren Stiftern oder von anderen Wohltätern übertragen worden war, die die Hospitäler zum Empfänger ihrer Stiftungen bestimmt hatten. Die Institution des Krankenhauses ver‑ breitete sich rasch in der gesamten islami‑ schen Welt. In Ägypten wurde das erste bīmāristān von Ibn Tulūn zwischen 872 und 874 u. Z. gegründet. Der Zangide Nūr ad‑ Dīn erbaute das berühmte Bīmāristān an‑ Nūrī in Damaskus im Jahre 1154, und auch Saladin gründete Krankenhäuser in Kairo und Jerusalem. Das erste große Hospital im islamischen Westen wurde in Marra‑ kesch vom Almohaden Sultan al‑Manṣūr (1184–1199) ins Leben gerufen.37 Das bekannteste Krankenhaus ist je‑ doch das bīmāristān, das in Kairo vom mamlūkischen Sultan Qalāwūn im Jahre 1285 u. Z. erbaut wurde. Es war Bestand‑ teil einer Grabstiftung des Sultans, die auch eine Medrese, eine Koranschule für Waisen (maktab-sabīl) und ein Mausoleum umfasste. Das Hospital selbst hat die Zei‑ ten nicht überdauert, aber seine waqfīya und Beschreibungen in narrativen Quellen geben detailliert Auskunft über sein Aus‑ sehen und seine Funktionen. Das Gebäude war in Abteilungen unterteilt, die nach den Krankheiten der menschlichen Körper‑ teile angeordnet waren, die jeweils unter

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der Aufsicht eines Spezialisten standen. Darüber hinaus gab es auch gesonderte Abteilungen für Fiebererkrankungen, Au‑ genmedizin und Chirurgie. Des Weiteren gab es eine Abteilung für Patienten in der Konvaleszenzphase, die Zugang zu offenen Räumen hatten, eine Abteilung für bett‑ lägerige Patienten, die in geschlossenen Räumen blieben, und Sicherheitszellen für Patienten mit psychischen Störungen. Die Anlage verfügte auch über Küchen, Lagerräume, Latrinen, Lesezimmer und eine Leichenhalle.38 Die Patienten erhielten kostenlose me‑ dizinische Versorgung, Arzneien, Essen und im Todesfall ein Begräbnis. Zu den zentralen Aufgaben des Hospitals zählte auch die Lehre der medizinischen Wis‑ senschaft. Dies ist in seiner waqfīya be‑ legt, in der die Ärzte dazu ermuntert wer‑ den, die Wissenschaft der Medizin (ʿilm aṭ-ṭibb) tatsächlich zu studieren und sich nicht nur um praktische Heilverfahren zu kümmern.39 Die von waqf ‑Institutionen wie dem Qalāwūn‑Krankenhauskomplex bereitgestellte medizinische Versorgung schloss häufig Hausbesuche bei Patienten mit ein. Darüber hinaus wurden Lebens‑ mittel und auch Arzneien an diejenigen verteilt, die erkrankt waren, aber zu Hause bleiben mussten.40 In Krankenhäusern wurden stets so‑ wohl männliche als auch weibliche Patien‑ ten behandelt, die normalerweise getrennt untergebracht waren. Was die Religion der Patienten anbelangt, so richtete sich die Haltung der Hospitalverwalter nach den jeweiligen historischen Gegebenheiten. Zum Beispiel gewährten die Krankenhäu‑ ser von Bagdad im 10. Jahrhundert allen Patienten medizinische Versorgung, un‑ geachtet ihrer religiösen Zugehörigkeit.41 In Zeiten, in denen die Konfrontation mit Nicht‑Muslimen eine größere Rolle spiel‑ te, wurde Nicht‑Muslimen der Zugang zu

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öffentlichen Hospitälern verwehrt, wie dies etwa auch bei dem oben beschriebe‑ nen Qalāwūn‑Krankenhaus aus der Mam‑ lūkenzeit der Fall war.42 Hospitäler und verwandte Einrichtun‑ gen waren allerdings auch Institutionen der Segregation und Isolation. Tatsäch‑ lich gehen die mythischen Ursprünge des Hospitals in den islamischen Quellen auf den umayyadischen Kalifen al‑Walīd I. zu‑ rück (705–715 u. Z.), dem einige Autoren zuschreiben, der erste Herrscher gewesen zu sein, der ein Krankenhaus gebaut habe. Aṭ‑Ṭabarī zufolge scheint al‑Walīd jedoch eher ein Lager für Lepröse eingerichtet zu haben, um sie vom Betteln in der Öf‑ fentlichkeit abzuhalten.43 Leprakranke und Menschen mit psychischen Störun‑ gen stellten nicht nur ein Problem für die öffentliche Gesundheit dar, sondern auch für die öffentliche Ordnung. Obwohl die Bereitstellung von medizinischer Versor‑ gung in jedem Fall eine wohltätige Hand‑ lung war und die Sorge für diese Gruppen auch als solche verstanden wurde, zielten solche von den Behörden getroffenen Maß‑ nahmen vielmehr darauf ab, das Wohl der übrigen Bürger zu schützen, als dasjeni‑ ge der Erkrankten zu verbessern. Auch Krankenhäuser wurden vielfach als An‑ stalten zur Internierung von Patienten mit psychischen Störungen verwendet.44 Im Gegensatz dazu finden wir nur selten Stiftungen mit einem Bezug zu Leprakolo‑ nien. In Córdoba wurde zum Beispiel ein außerhalb der Stadt gelegenes Leprosorium von einem waqf unterstützt, das von der Ehegattin al‑Ḥakams I. gestiftet wurde.45 Im mamlūkischen Ägypten verfolgten die wohltätigen Maßnahmen für Leprakranke (wie auch für Körperbehinderte) eindeutig das Ziel, sie vom Betteln abzuhalten. Aẓ‑ Ẓāhir Baibars war der erste Sultan, der gegen sie vorging, indem er im Jahre 1265 alle Körperbehinderten und Leprösen aus

Wohltätigkeit und Bildung

Kairo nach al‑Fayyūm vertrieb, wo er ei‑ gens ein Dorf für sie hatte errichten las‑ sen. Ähnliche Maßnahmen wurden auch von den Sultanen an‑Nāṣir Muḥammad im Jahre 1330 u. Z. und Barqūq im Jahre 1424 getroffen.46 Obwohl es keine expliziten Hinweise auf awqāf gibt, dürfte ihre Unter‑ bringung und Versorgung wohl nicht selten von Stiftungen abhängig gewesen sein. Öffentliche Infrastruktur Das Verhältnis von Infrastrukturstiftun‑ gen zum weiteren Bereich der Wohltätig‑ keit lässt sich nicht immer einwandfrei feststellen. Die Anlagen konnten zum Ver‑ mögen von waqf‑Institutionen gehören und den Zweck haben, Einnahmen für diese zu generieren, oder ihr Zweck bestand dar‑ in, die Gemeinschaft direkt mit sozialen Diensten zu versorgen. Zur ersten Gruppe zählten beispiels‑ weise Bauten wie öffentliche Backöfen und Mühlen, für deren Nutzung eine Gebühr zu entrichten war. Die Einkünfte daraus flossen denjenigen awqāf zu, zu denen sie gehörten. Mitunter konnten diese Einrich‑ tungen aber auch direkt der Versorgung Bedürftiger mit Brot und Mehl dienen, das dort verteilt wurde oder möglicherweise auch kostenlos produziert werden konnte. Gestiftete Brunnen, Kanäle, Dämme und weitere Bewässerungsanlagen dienten hingegen direkt dem Gemeinwohl. Han‑ delte es sich beim Stifter solcher Anlagen um einen Herrscher oder Staatsbeamten, so verschwamm oftmals die Grenze zwi‑ schen öffentlicher und privater Person. Bewässerungskanäle (qanāt) und Däm‑ me waren übliche Stiftungsobjekte der Eliten in ländlichen Gegenden, wie dem Niltal oder Mesopotamien, und von zen‑ traler Bedeutung für das Leben bäuerlicher Gemeinschaften. Sie wurden aber auch zum Stiftungsvermögen gezählt, da auf ihre Nutzung oftmals eine Steuer erhoben

Muslime

wurde.47 Brunnen waren ebenfalls ein be‑ liebtes Stiftungsobjekt, insbesondere in städtischen Gebieten. Unter den erhalte‑ nen waqf ‑Brunnen stellen die sabīls ein typisches Beispiel dar. Es handelte sich dabei um eine Konstruktion, die eine Zis‑ terne zur Sammlung von Trinkwasser mit Rohrleitungen und entsprechende Vertei‑ lerbecken umfasste. Diese Brunnen konn‑ ten Tieren und Menschen Wasser spen‑ den und, sofern in Moscheehöfen gelegen, für rituelle Waschungen bestimmt sein. Waqf ‑Mittel wurden nicht nur für die War‑ tung der Anlagen, sondern auch für die Einstellung von Personal eingesetzt, das sich um die Brunnen kümmerte. Dies war auch der Fall bei dem sabīl, der von Sultan Faraǧ Ibn Barqūq (1382–1399 u. Z.) gestif‑ tet wurde. Dieser Brunnen verfügte über Gefäße und Tonkrüge zur Wasservertei‑ lung und über einen Bediensteten, der aus den waqf ‑Einkünften entlohnt wurde.48 In mamlūkischer Zeit wurden diese sabīls in der Regel zusammen mit Koranschulen für Waisen und arme Kinder gebaut; die erste derartige Institution, maktab sabīl genannt, geht auf das Jahr 1370 zurück und wurde in Kairo von dem mamlūkischen Emir Asanbuġa erbaut.49 9.3.4 Bildung und Wohltätigkeit Mittelalterliche Muslime bewerteten so‑ wohl den Erwerb als auch die Vermittlung von Wissen als einen Akt von ṣadaqa. Nicht umsonst besagt einer der in der mittelal‑ terlichen Literatur am meisten zitierten Hadithe: „Strebe nach Wissen selbst in Chi‑ na, da das Streben nach Wissen die Pflicht [farīḍa] eines jeden Muslims ist“.50 Obwohl vermutlich apokryphen Ursprungs, so ist der Ausspruch doch genauso illustrativ wie ein weiterer berühmter ḥadīṯ: Dieser beschreibt Wissen als eines der drei Dinge,

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die den Tod des Menschen überdauern und Einfluss auf das Jenseits haben können, neben einem frommen Sohn, der für die Seele seiner Eltern betet, und andauernder Wohltätigkeit. (→ 8.3.1) Wissen – als Form von Wohltätigkeit – war eng mit dem Be‑ griff der Memoria verknüpft und wurde als eine immer wiederkehrende Segensquelle für das Jenseits betrachtet. Die Wissenspflege war daher für die ethische Vorstellungswelt mittelalterlicher Muslime von zentraler Bedeutung. Den mittelalterlichen islamischen Wissensbe‑ griff zu fassen, stellt keine leichte Aufga‑ be dar, jedoch ist klar, dass ‚Wissen‘ (ʿilm oder maʿrifa) nicht ausschließlich ‚religiö‑ ses Wissen‘ bedeutete und dass profanes Wissen stets auch religiöse Implikationen hatte: Naturphilosophie wurde beispiels‑ weise von vielen Muslimen als notwendi‑ ges Mittel erachtet, um die Zeichen Gottes und die Harmonie seiner Schöpfung zu erkennen und zu verstehen.51 Nichtsdesto‑ trotz lassen sich in mittelalterlichen Quel‑ len Kategorisierungen finden, in denen das religiöse Wissen eine bevorzugte Stellung einnahm und andere Formen des Wissens diesem untergeordnet wurden. Diesem Mo‑ dell entsprach auch das ideale Curriculum, das die Rechtsschulen ab dem 11. Jahrhun‑ dert im Laufe der Zeit übernahmen. Im Stif‑ tungskontext bedeutete Wissensförderung hauptsächlich, jedoch nicht ausschließlich die Pflege der religiösen Wissenschaften. Die Gründung frommer Stiftungen zur Förderung des Wissens hatte jedoch auch, wie im Fall des wohltätigen Handelns, eine instrumentelle Dimension, die weit über ihre erklärten altruistischen Ziele hin‑ ausreichte. Wie erwähnt handelte es sich bei den Armen, die von Stiftungen be‑ günstigt wurden, sehr oft um Arme aus freiwilligem Entschluss, also um fromme Muslime, die die Armut als religiöses Ideal angenommen hatten. Mit der Gründung

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von zāwiyas, in denen Sufi‑šaiḫs ihre Leh‑ ren verbreiten konnten, ließen sich Aske‑ ten in einer Institution einbinden. Zudem dienten zāwiyas häufig als Instrument, um erwünschte Lehren gegenüber solchen zu privilegieren, die als unorthodox oder als Gefahr für die öffentliche Ordnung galten. Der instrumentelle Wert der madrasa, der Bildungseinrichtung des Mittelalters par excellence, zeigt sich sogar in noch deutlicherer Weise. Das Beispiel Saladins ist in dieser Hinsicht wahrscheinlich be‑ sonders erhellend: Die madrasa war eines seiner wichtigsten Stiftungsobjekte und zugleich Eckpfeiler seiner Kampagne zur Wiedereinführung des Sunnismus nach seinem Sieg über die schiitischen Fatimi‑ den. Selbstverständlich handelte es sich bei diesen Stiftungen um einen Akt der Wohltätigkeit, denn sie leisteten einen gro‑ ßen Beitrag zur Förderung der religiösen Wissenschaften in Jerusalem und Kairo. Gleichwohl würden wir die Rolle dieser In‑ stitutionen verkennen, wenn wir uns nicht bewusst machten, dass der ayyūbidische Herrscher sie zur Erneuerung seiner reli‑ giösen Eliten einsetzte: Medresen widmete er stets Gelehrten aus Syrien, zum Nach‑ teil der lokalen Eliten. Ferner privilegierte Saladin die Mitglieder einer bestimmten Rechtsschule, die Ašʿarīten. Diese Politik war unverkennbar Teil einer bestimmten Agenda; dem Stifter ging es darum, Kon‑ trolle über die vermittelten Lehrinhalte zu gewinnen. Allerdings wirft die von Stiftungen be‑ förderte Interdependenz ökonomischer, po‑ litischer und intellektueller Belange auch unerwartete Fragen auf. Hierfür können Saladins Medresen als Beispiel dienen. Ei‑ ner der Schlüssellehrsätze der Schule der Ašʿarīten, die vom Sultan unterstützt wur‑ de, war die Verneinung der sekundären Kausalität: Aus ihrer Sicht stammten alle Handlungen aus einer prima causa, also

Wohltätigkeit und Bildung

von Gott. Unter den vielen Implikationen, die sich aus dieser Position ergaben, hatte vor allem eine unverkennbare Folgen für das Leben in den Medresen: Die Ašʿarīten glaubten nicht an den Wert von Fürbitten, da diese eine secunda causa implizierten. Als Begünstigte eines waqf hatten sie aber im Prinzip dennoch die Pflicht, für die See‑ le ihres Wohltäters zu beten. Leider wissen wir nicht, wie sie mit diesem Widerspruch umgingen. Jedoch ist bekannt, dass sich die Gebetsauffassung der Ašʿarīten schließlich änderte und Gelehrte wie etwa al‑Ġazālī (gest. 1111 u. Z.) die Wirkung von Fürbitten anerkannten.52 Selbstverständlich wäre es falsch, vorschnell eine kausale Beziehung zwischen ihrer Pflicht dem Stifter gegen‑ über und der Neufassung ihrer Lehren zu postulieren. Dennoch eröffnet dieser Befund interessante Fragen dazu, welchen Einfluss die ökonomische Abhängigkeit der Gelehrten – in diesem Fall von den Medre‑ sen – auf ihr intellektuelles Leben hatte. 9.3.5 Bildungsangebote In der islamischen Welt des Mittelalters wurde Bildung entweder durch Privatleh‑ rer oder durch waqf ‑Einrichtungen an‑ geboten, die von Herrschern oder Privat‑ personen gestiftet wurden. Wissenspflege konnte auf verschiedene Weise betrieben werden: mithilfe von Bildungseinrichtun‑ gen, in denen renommierte Gelehrte ihre Lehren verbreiten konnten, mit Stipendien und Gehältern für Studenten und Gelehrte, die in der Regel darauf abzielten, ihre Rei‑ sen zur ‚Suche nach Wissen‘ (ṭalab al-ʿilm) zu finanzieren, sowie durch die Stiftung von Büchern und Bibliotheken. Bildungseinrichtungen Elementarbildung für Kinder der Elite war Privatsache. Die Familien stellten einen

Muslime

Privatlehrer an, der den Kindern Unterricht in den Grunddisziplinen gab, im Wesent‑ lichen im Schreiben, in der Grammatik und in der Arithmetik. Mittellose Familien waren für solchen Unterricht auf die Wohl‑ tätigkeit von Herrschern oder Privatper‑ sonen angewiesen. Koranschulen (kuttāb, maktab) ermöglichten auch armen Kindern, insbesondere Waisen, einen Zugang zu Bildung. Diese waren in der Regel direkt an eine Moschee angeschlossen, sofern ihr ein eigenes Gebäude zur Verfügung stand, andernfalls fand der Unterricht informell in einem Nebengebäude der Moschee statt. In der Moschee selbst war das Unterrichten verboten, weil Kinder es mit den vorge‑ schriebenen Reinigungsritualen vermeint‑ lich nicht so genau nahmen.53 Elementar‑ bildung war stark religiös geprägt: Die Kinder lernten Lesen und Schreiben und den Koran zu memorieren. Einige Herr‑ scher spielten für die Entwicklung dieser Einrichtungen eine wichtige Rolle und wa‑ ren aktive Förderer der Elementarbildung. Ein gutes Beispiel ist der umayyadische Kalif al‑Ḥakam II., der in Córdoba sieben‑ undzwanzig Koranschulen errichtete; auch Nūr ad‑Dīn und Saladin engagierten sich stark für die Elementarbildung.54 Nichts‑ destotrotz spielte der Staat in der Regel nur eine geringe Rolle, während private Gönner die wichtigsten Unterstützer der Koranschulen waren. Die Koranschule erscheint im Laufe der Zeit immer mehr als eine von der Moschee unabhängige Institution, obwohl sie wei‑ terhin häufig an andere Stiftungen ange‑ gliedert war. Besonders in der Mam lū ken‑ zeit wurden Elementarschulen üblicher‑ weise zusammen mit einem öffentlichen Brunnen errichtet und als maktab sabīl oder sabīl kuttāb bezeichnet; ein Beispiel ist der sabīl kuttāb, den Ibn Taġrībirdī als Teil seines Grabkomplexes in Kairo stifte‑ te. Seiner waqfīya zufolge beherbergte die

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Schule zehn junge Waisen, die noch nicht in der Pubertät waren und freie Kost und Logis erhielten. Der waqf kam auch für das Gehalt des Lehrers auf.55 Vor dem Aufkommen der Medresen wurde höhere Bildung an verschiedenen Orten und in verschiedenen Institutionen vermittelt. Im frühen Islam lag die Bildung in den Händen renommierter Gelehrter, die ihre Schüler in lose geregelten Zusam‑ menkünften namens ḫalqā trafen. Wo der berühmte Übersetzer Ḥunain ibn Isḥaq von den Büchern Galens schreibt, bezeichnet er dieses System als Weiterführung der spätantiken Praxis des Diktierens und Dis‑ kutierens, die in christlichen Klöstern des 9. Jahrhunderts noch gängig war: So sei es üblich gewesen, dass man sich „jeden Tag zur Lesung [qirāʾa] und Interpretation eines Hauptwerkes von ihnen [sc. bestimmten Büchern Galens] zu versammeln pflegte, wie sich heute unsere christlichen Freun‑ de an den Stätten der Lehre, die als uskūl [scholē] bekannt sind, jeden Tag zu einem Hauptwerk entweder von den Büchern der Alten oder von den übrigen Büchern zu versammeln pflegen“.56 Die Zusammen‑ künfte der muslimischen Lehrer fanden normalerweise in deren Häusern, in Buch‑ läden oder im Falle der Theologen auch in Moscheen statt. Die Anziehungskraft einiger berühmter Gelehrter und die zunehmende Bedeutung der Institution ṭalab al-ʿilm (‚Suche nach Wissen‘), insbesondere für die Sammlung von Hadithen, scheint mitverantwortlich für die Ausbreitung von waqf ‑Herbergen (ḫāns) zu sein, in denen Studenten unter‑ kommen konnten. Im Endeffekt wurden diese ḫāns gezielt zugunsten prestige‑ trächtiger Religionsgelehrter gestiftet und an die Moscheen angeschlossen, an de‑ nen diese unterrichteten und ihr Einkom‑ men bezogen. Diese Kombination brachte den sogenannten ḫān‑Moschee‑Komplex

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hervor, der laut Georges Makdisi der Vor‑ läufer der mittelalterlichen madrasa ist. Makdisi schreibt den Erfolg der madrasa den Besonderheiten des islamischen Stiftungsrechts zu. Viele der Moscheen, denen Gelehrte nahe standen und von denen sie ihre Gehälter erhielten, waren awqāf , die als solche den Bestimmungen ihrer Stifter gehorchten. Jedoch konnte der Stifter gemäß einer im Irak aufge‑ kommenen Interpretation des Gesetzes keine Kontrolle über seine Stiftung aus‑ üben, wenn diese eine Moschee war, und folglich auch nicht darüber, was dort von wem gelehrt wurde. Mit der Schaffung einer Bildungseinrichtung wie der madrasa, die von einer Moschee unabhän‑ gig war, konnte der Stifter die Kontrolle über seine Stiftung behalten. Die in der Stiftungsurkunde festgelegten Bestim‑ mungen blieben in Kraft und somit auch das Recht des Stifters, das Curriculum und die Qualifikationen der Lehrer und Schüler festzulegen sowie Mitarbeiter zu ernennen und zu entlassen.57 Obwohl die ersten Aufzeichnungen zu Institutionen, die als madrasa bezeichnet werden, bereits aus dem 10. Jahrhundert stammen, gilt der seldschukische Wesir Niẓām al‑Mulk (gest. 1092 u. Z.) als erster Stifter einer madrasa. Bald wurde sie zur wichtigsten Institution der höheren Bil‑ dung und schließlich im Wesentlichen eine juristische Hochschule, die sich den Be‑ dürfnissen der großen islamischen Rechts‑ schulen angepasst hatte. Es gibt indes eine bemerkenswerte Ausnahme: al‑Andalus. Hier wurde die madrasa nicht vor dem Jahr 1349 eingeführt. Den Grund für die‑ se interessante Ausnahme fand Makdisi in den Besonderheiten des mālikītischen waqf ‑Rechts, das die Kontrolle des Stifters über seinen waqf stärker einschränkte. Dadurch waren diese Einrichtungen als Stiftungsobjekte weniger attraktiv.58

Wohltätigkeit und Bildung

Trotz der großen Bedeutung der madrasa waren mittelalterliche islamische Insti‑ tutionen extrem flexibel und vermochten sich an viele soziale Bedürfnisse, Bildung eingeschlossen, anzupassen. Neuere For‑ schungen haben gezeigt, dass das statische Bild, das Makdisi von der madrasa zeichnet, der intellektuellen Realität des mittelal‑ terlichen Islam nicht gerecht wird. So lag die Kontrolle über das Curriculum einer Medrese nicht immer ausschließlich in der Hand des Stifters. Die Studien von Berkey, Chamberlain und Ephrat über das Lernen und die Weitergabe von Wissen in Kairo, Damaskus und Bagdad haben gezeigt, dass wir es mit einem Netzwerk aus Institutio‑ nen multifunktionalen Charakters und vielseitiger Zwecke zu tun haben – wie es eben dem waqf entspricht –, in dem eine große Bandbreite informeller Bildung angeboten wurde, die nicht notwendiger‑ weise an einen speziellen Ort gebunden oder der absoluten Kontrolle der Stifter unterworfen war.59 Die Medresen und die Lehrstühle, die Gelehrten in diversen anderen waqf ‑Insti‑ tutionen zur Verfügung standen, waren die Hauptanbieter theologischer und juristi‑ scher Bildung. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass sufistische ḫānqāhs von Beginn des 13. Jahrhunderts u. Z. an in Ägypten das Recht erwarben, Re‑ ligionswissenschaften zu unter richten.60 Ein weiteres Beispiel einer Bildungsein‑ richtung ist der ribāṭ für Frauen. Obwohl Frauen manchmal als Stifterinnen von Medresen in Erscheinung traten – es gab zum Beispiel mindestens fünf von Frauen gestiftete Medresen zur Zeit der Mam‑ lūken61 –, wurde die Bildung von Frauen nahezu vollständig vom öffentlichen Le‑ ben ausgeschlossen. Weibliche Stifterinnen spielten auch bei dem Entwurf des Curri‑ culums oder der Kontrolle der Medresen keine Rolle. Die Bildung von Frauen war in

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erster Linie Privatsache, obwohl es in man‑ chen Quellen missbilligende Anspielungen auf Frauen gibt, die Vorlesungen eines šaiḫ zusammen mit Männern besuchten. Das Bedürfnis, Geschlechtergrenzen aufrecht‑ zuerhalten, scheint den Ausschlag dafür gegeben zu haben, dass die Frauen‑ribāṭs in Kairo als Bildungszentren für junge Mäd‑ chen genutzt wurden. Bedauerlicherweise gibt es aber so gut wie keine Information über die dortige Lehrtätigkeit.62 Disziplinen, die nicht ins Curriculum einer madrasa eingebunden waren, wurden an anderen Institutionen oder privat unter‑ richtet. Das maßgebliche Bildungszentrum für nichtreligiöse Wissenschaften war das Krankenhaus. Angehende Doktoren muss‑ ten dort präsent sein oder Hausbesuche bei Patienten abstatten, um anhand der Beob‑ achtung der Tätigkeit erfahrener Mediziner zu lernen; so gesehen war die Medizin ein Lehrberuf. Vom 10. Jahrhundert an war in‑ des das Krankenhaus der bevorzugte Ort, um Medizin wissenschaftlich zu lehren.63 Viele Krankenhäuser verfügten sowohl über Medresen als auch Bibliotheken. Das typische Curriculum beinhaltete die klas‑ sischen griechischen Werke über Medizin und Pharmakologie, insbesondere diejeni‑ gen Galens. Die erste unabhängige madrasa, die sich ausschließlich der medizinischen Lehre widmete, wurde in Damaskus von ad‑Daḫawār gegründet, dem Leibarzt des ayyūbidischen Herrschers von Damaskus al‑Mālik al‑Ašraf. Diese madrasa war ein waqf und mit Vermögen ausgestattet, um für Instandhaltung, Gehalt der Lehrkräfte und Stipendien für Studenten aufkommen zu können.64 Es ist ebenfalls erwähnens‑ wert, dass die Philosophie oftmals Teil des Curriculums von Medizinstudenten war. In seinem Werk ‚Adab aṭ‑Ṭabīb‘ (‚Unterwei‑ sung des Mediziners‘) zitiert ar‑Ruḥawī (9. Jahrhundert u. Z.) eine berühmte Aussa‑ ge Galens über die besonderen Fähigkeiten

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seiner Kunst, nämlich „dass der vorzüg‑ liche Arzt Philosoph sein muss“.65 Diese Beschreibung zeichnete keinesfalls ein idealisiertes Bild: Viele Bücher mittelal‑ terlicher Mediziner, die in den biographi‑ schen Lexika angeführt werden, sind in der Tat philosophische Werke. Lehrstellen und informelle Bildungsorte Trotz aller Bedeutung der Medresen stütz‑ te sich Bildung im mittelalterlichen Islam nicht auf Institutionen, sondern auf per‑ sönliche Beziehungen. Abgesehen von Me‑ dresen wurde höhere Bildung auch durch eine Vielzahl weiterer Stiftungen ermög‑ licht, die Lehrstellen und gelegentlich auch das Schulgeld für Studenten finanzierten. Ein gutes Beispiel hierfür sind die Vorle‑ sungen, die in Moscheen gehalten wurden. Zwar waren diese selbst selten waqf ‑In‑ stitutionen, allerdings wurden sie oft aus dem Kapital frommer Stiftungen finan‑ ziert. Vor dem Aufkommen der Medresen spielten eigens dazu gegründete Moscheen eine zentrale Rolle bei der Vermittlung höherer Bildung, wie al‑Qarawīyīn in Fez oder al‑Azhar in Kairo, und verloren diese Bedeutung auch später nicht; vielmehr gab es während der gesamten Vormoder‑ ne Moscheen, die mit den Medresen als wichtige Bildungsorte koexistierten und Lehrerstellen boten.66 In vielen Fällen war der Imam einer Moschee auch dafür zuständig, im Rahmen formeller Zusam‑ menkünfte mit einem Kreis von Studenten (ḥalqa) theologische Inhalte zu lehren; viele Moscheen erhielten aber auch finanzielle Mittel von einem waqf , um professionelle Lehrer einzustellen. Vor allem in den westlichen islamischen Gebieten war diese Praxis von besonderer Bedeutung, weil dort die Institution der madrasa erst spät Einzug hielt. Die Ein‑ führung der madrasa im Maghreb wäh‑ rend des 13. Jahrhunderts u. Z. bewirkte

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jedoch keinen Rückgang der Stiftungen für den Lehrbetrieb in Moscheen. Viel‑ mehr wurde er stärker formalisiert und es wurden mehr ‚Lehrstühle‘ (karāsī at-tadrīṣ, karāsī al-ʿilm) gestiftet, oft zusammen mit einem tatsächlichen Stuhl, von dem aus der Lehrer seine Vorlesungen hielt.67 Die Qarawiyyīn‑Moschee verfügte über meh‑ rere awqāf dieser Art, wobei jeder einzelne (Lehr‑)Stuhl entweder für die Lehre eines speziellen Buchs oder eines bestimmten Autors gestiftet worden war. Der watta‑ sidische Sultan Abū al‑ʿAbbās Ibn Šaiḫ al‑ Waṭṭāsī stiftete zum Beispiel eine Lehr‑ stelle an dieser Moschee, die ausdrücklich der Hadith‑Sammlung von al‑Buḫārī und al‑ʿAsqalānīs entsprechendem Kommentar ‚Al‑fatḥ al‑bārī fī ṣaḥīḥ al‑Buḫārī‘ gewid‑ met war.68 Ein weiterer Stiftungstyp, der in der Re‑ gel mit der Bildung im mittelalterlichen Is‑ lam in Verbindung gebracht wird, war das Grabmal oder Mausoleum. Diese Verbin‑ dung resultierte aus dem bisweilen über‑ aus vielseitigen Charakter des islamischen waqf . An Orten wie Damaskus bargen zahlreiche Medresen zugleich die Grab‑ male ihrer Stifter und ihrer Verwandten. Auf diese Weise waren sowohl die sichere Aufbewahrung der sterblichen Überreste als auch die Gebete der Studenten für die Seelen der Verstorbenen garantiert.69 Diese Verflechtung von Grabmal (turba) und madrasa wurde während der Mamlūkenzeit noch enger, als die Sultane sich in großen Grabkomplexen beerdigen ließen, die ganz verschiedene Institutionen umfassten.70 In anderen Fällen stellte der waqf eines Grabmals direkt finanzielle Mittel für Bil‑ dungszwecke zur Verfügung. Hier ist das Grabmal des Emirs Abū al‑Ğaud Manğak als Beispiel zu nennen, das jährlich fünf‑ hundert Dirham für die Bezahlung eines Lehrers (muʾaddib) für Waisenkinder so‑ wie 50 Dirham für Tinte, Papier und Stifte

Wohltätigkeit und Bildung

gewährte; der Lehrer sollte ihnen Lesen und Schreiben beibringen sowie mit ihnen den Koran rezitieren.71 Stiftungen für Sufis (ḫānqāh, ribāṭ) konn‑ ten ebenfalls Lehrerstellen einschließen. Waqfīya‑Formulare aus dem Verwaltungs‑ handbuch von al‑Asyūṭī zeigen, dass aus Stiftungseinkünften in der Regel Mittel für die Einstellung renommierter Religions‑ gelehrten bereitgestellt wurden. Diese soll‑ ten den Koran, Hadithe, die Auslegung des Koran (tafsīr) sowie die dazu nötigen Grundkenntnisse, etwa die arabische Grammatik, lehren. Sie wohnten in den ḫānqāhs, mussten jedoch normalerweise nicht an den eher unorthodoxen Praktiken der Sufis teilnehmen.72 Studienstipendien und Bücher Nahezu alle Bildungsstiftungen stellten Unterkunft und Verpflegung für ihre Stu‑ denten. Muslimische Studenten konnten darüber hinaus Stipendien erhalten, die von nicht bildungsbezogenen awqāf zur Verfügung gestellt wurden; diese Zuwen‑ dungen konnten darauf abzielen, Studen‑ ten zu unterstützen, die dem Studienkreis eines Privatgelehrten angehörten, Reisen für die Suche nach Wissen (ṭalab al-ʿilm) zu ermöglichen und Bücher zu erwerben. Die Praxis der ‚Wissenssuche‘ (ṭalab al-ʿilm) war für die Institutionalisierung der großen islamischen Bildungszentren essentiell. Daphna Ephrat meint, dass die Bildungseinrichtungen Bagdads aus einem „worldwide scholarly network“ hervorgegangen seien.73 Bagdad war in der Tat ein bekanntes Wissenszentrum der islamischen Welt und zog seit dem 11. Jahrhundert zahlreiche Gelehrte aus allen muslimischen Ländern an. Nach dem Niedergang der Fatimiden erwarb sich auch Kairo zunehmend einen guten Ruf aufgrund seiner Gelehrten und wur‑ de schließlich das intellektuelle Zentrum

221

Muslime

des Islam der Mamlūkenzeit. Muslimische Studenten und Gelehrte reisten, um bei den intellektuellen Koryphäen der Zeit zu studieren und die Erlaubnis (iğāza) zu erhalten, deren Werke zu kopieren und weiterzugeben. Fromme Stiftungen unter‑ stützten diese Aktivitäten für gewöhnlich auf vielfältige Weise. Sie konnten direkt ein Stipendium für die Kosten des Studiums und zuweilen auch der Reise zahlen. Ob‑ wohl es Fälle gab, in denen Gelehrte lange Reisen unternahmen, studierte die Mehr‑ zahl von ihnen an Orten in der Nähe ihrer Heimat. In Baza (Spanien) entstand zum Beispiel eine fromme Stiftung, die sich nur an auswärtige Studenten (ṭalabat al-ʿilm alġurabāʾ) richtete, die für ihr Studium nach Baza kamen und vermutlich aus anderen andalusischen Städten stammten; gleiches ist in einem christlichen Dokument über eine Stiftung in der Stadt Motril belegt.74 Stiftungskomplexe konnten Unterkünfte auch für diese Reisenden stellen; daneben gab es private Stiftungen eigens für die Un‑ terbringung reisender Studenten, wie die des Gelehrten al‑Yaḥṣūbī (gest. 1057 u. Z.), der sein Haus in einen waqf für ḥadīṯ‑ Studenten umwandelte.75 Schließlich spielte auch die Stiftung von Büchern und Bibliotheken eine wichtige Rolle für die Förderung muslimischer Bil‑ dung im Mittelalter. Das Stiften von Bü‑ chern diente indes nicht immer ausschließ‑ lich Bildungszwecken; ihr materieller Wert war manchmal genauso wichtig wie ihr Gebrauchswert, insbesondere wenn es um

Korane ging. (→ 6.3.4) Die Mehrzahl der als waqf gestifteten Bücher diente Unterrichts‑ zwecken und war keinesfalls nur auf die Theologie beschränkt. Bücher wurden an Einrichtungen wie etwa Medresen, Mosche‑ en, Krankenhäuser und Mausoleen gestiftet. Allerdings ist es nicht immer möglich, eine direkte Verbindung zwischen dem Inhalt der Bücher und den Einrichtungen, die die Bücher empfingen, herzustellen. Ein gutes Beispiel hierfür ist der Fall des Mediziners und Philosophen Faḫr ad‑Dīn al‑Mārdīnī, der seine eigenen Bücher dem Mausoleum (mašhad) von Ḥassām ad‑Dīn ibn Artaq ver‑ machte, das bereits die wissenschaftlichen Werke (kutub ḥikmīya) seines ursprüng‑ lichen Stifters enthielt.76 Dieses Beispiel veranschaulicht die Multivalenz eines waqf und den informellen Charakter der mit‑ telalterlichen muslimischen Bildung sehr gut: Ein Ort wie das Mausoleum von Ibn Artaq in Mardin umfasste eine fundierte Sammlung von wissenschaftlichen Wer‑ ken, die von Medizinstudenten konsultiert werden konnte. Einen anderen Stiftungstypus stellen Bibliotheken dar, die an eine andere In‑ stitution angeschlossen oder unabhängig sein konnten. Eine gestiftete Bibliothek bestand nicht nur aus ihrer Infrastruktur und den Büchern, sondern verfügte in der Regel auch über Vermögen, mit dem sowohl die Instandhaltungskosten als auch die Gehälter der Bibliothekare und anderer Bediensteter finanziert werden konnten. 77 IS

Anmerkungen 1  Lev, Charity, Endowments and Charitable In‑ 4  Vgl. Bonner, Poverty and Economics (2005), 396 f. stitutions (2005), 2; 64. 5 Al‑Ǧāḥiẓ, Kitāb al‑ḥayawān, Bd. 1. Ed. ʿAbd 2 Vgl. Weir / Zysow Ṣadaḳa (1995), 711. as-Salām Hārūn. Kairo 1965, 219 f. Die englische 3 Zum Wissenskonzept im mittelalterlichen Is‑ Übersetzung findet sich bei Montgomery, Al‑Jāḥiẓ: lam siehe Rosenthal, Knowledge Triumphant (2007).

In Praise of Books (2013), 415.

222

Wohltätigkeit und Bildung

6 Diese Gruppen traten in verschiedenen Epo‑ 19  Obwohl ebenso als Akt der Wohltätigkeit

chen und Orten mit unterschiedlicher Bezeichnung auf, wie futuwwāt, ʿayyārūn, zuʿr oder ḥarāfīš. Zu diesem Phänomen siehe Tor, Violent Order (2007), und Sabra, Poverty and Charity (2000), 9–17. 7 Q 2.273. Der vollständige Vers lautet: „[Was immer ihr an Gutem spendet,] ist für die Ar‑ men, die auf Gottes Weg behindert werden und sich nicht frei im Land bewegen können. Der Unwissende hält sie für reich, ihrer Bescheiden‑ heit wegen. Erkennen kannst du sie an ihrem Gesichtsausdruck. Beim Betteln bedrängen sie die Menschen nicht. Was immer ihr an Gutem spendet, Gott weiß es.“ 8 Es gibt sogar ein Genre von pikaresker Lite‑ ratur über Bettler, Gauner und Scharlatane in der mittelalterlichen islamischen Unterwelt. Siehe beispielsweise Bosworth, Mediaeval Islamic Un‑ derworld (1976). 9 Zu diesen Sufi‑Arbeiten zur Armut siehe Sabra, Poverty and Charity (2000), 41–50. 10  Zur Diskussion über die Anonymität und die von den Herrschern gegebenen Almosen sie‑ he ebd., 37 f. 11  Vgl.ebd., 81. 12  Siehe etwa das Beispiel von ʿAlāʾ ad‑Dīn al‑ Muġlaṭāy (gest. 1360 u. Z.) in Al‑Maqrīzī, Kitāb as‑sulūk fī maʿrifat ad‑duwal wa‑ʾl‑mulūk. Kairo 1941, 98; Ibn Taġrī Birdī, An‑nuğūm az‑zāhira fī mulūk Miṣr wa‑ʾl‑Qāhira, Bd. 9. Kairo 1963, 96. 13  Vgl. Lev, Charity, Endowments and Chari‑ table Institutions (2005), 114. 14  Sabra, Poverty and Charity (2000), 62. 15  Allouche, Mamluk Economics (1994), 35. 16  Sabra, Poverty and Charity (2000), 166. 17  Q 9.60. Der Vers lautet: „Die Almosen [aṣṣadaqāt] sind bestimmt für Arme und Bedürftige und die sich um sie kümmern; für Leute, deren Herz gewonnen werden soll; für Sklavenfreikauf und für Schuldner und für den Kampf und für den ‚Sohn des Weges‘ – als Pflicht von Seiten Gottes. Gott ist wissend, weise.“ Obwohl in diesem Vers der Begriff ṣadaqāt verwendet wird, besteht un‑ ter den Koran‑Kommentatoren Konsens darüber, dass sich dieser Begriff hier auf verpflichtende Almosen bezieht (zakāt). 18  Lev, Charity, Endowments and Charitable Institutions (2005), 44; Sabra, Poverty and Cha‑ rity (2000), 65.

verstanden, werden Bildungsmaßnahmen separat behandelt: → 9.3.4 f. 20 Stillman vertritt die Auffassung, dass sie überhaupt nicht existierte; vgl. Stillman, Charity and Social Service (1975), 111. 21 B. Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000), 232 f. 22 Talmon-Heller, Islamic Piety (2007), 258. 23 Lev, Charity, Endowments and Charitable Institutions (2005), 25. 24 Sabra, Poverty and Charity (2000). 25 B. Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000), 223 f. 26 Vgl. Rapoport, Marriage, Money and Divorce (2005), 40. 27 Vgl. Riḥlat Ibn Ğubaīr. Ed. William Wright / Michael Jan de Goeje. Leiden 1907, 42. 28 Khadr, Deux actes de waqf (1967), 318 f. 29 Lev, Charity, Endowments and Charitable Institutions (2005), 109. 30 Ebd., 136. 31 Vgl. Lev, Prisoners of War (2001). 32 Vgl. Abdel Wahab, Captive Waqfs (2000). 33 Pormann / Savage-Smith, Medieval Islamic Medicine (2007), 95. 34 Dols, Origins of the Islamic Hospital (1987). 35 Dunlop, Bīmāristān (1960), 1223. 36 ʿAbū ʾn-Naṣr, Awqāf fī Baġdād (2002), 32–38. 37 Dunlop, Bīmāristān (1960), 1224. 38 Tabbaa, Functional Aspects (2003), 107 f. 39 Vgl. Northrup, Qalāwūn’s Patronage (2001), 128 40  Sabra, Poverty and Charity (2000), 77. 41  Vgl. Gil, Jews in Islamic Countries (2004), 286. 42  Zu dieser Radikalisierung während der Mam lūkenzeit und ihren Auswirkungen auf das Gebiet der Medizin siehe Lewicka, Medicine for Muslims (2012). 43  Dunlop, Bīmāristān (1960), 1223. 44  Vgl. Shoshan, State and Madness (2003). 45  Vgl. Christys, Meaning of Topography (2010), 121. 46  Sabra, Poverty and Charity (2000), 60. 47  Siehe etwa den waqf des Timuriden Afaq Bagim. Hier werden Kanäle und Mühlen als Han‑ delsgüter beschrieben; vgl. Subtelny, Timurids in Transition (2007), 183 f. 48  Vgl. Lamei Mostafa, Cairene Sabil (1989), 38 f.

Juden

49  Vgl. ebd., 38. 50 Siehe etwa Al‑Ḫaṭīb al‑Baġdādī, Ar‑Riḥla fī

ṭalab al‑ḥadīṯ. Ed. Nūr ad-Dīn ʿIṭr. Beirut 1975, 72 f. 51 Das aufschlussreichste Beispiel hierfür bietet wahrscheinlich die Enzyklopädie, die von den anonymen Brüdern der Reinheit (Iḫwān aṣ-Ṣafāʾ) im späten 10. oder frühen 11. Jahrhundert u. Z. verfasst wurde. Zu diesem Werk siehe die gesam‑ melten Artikel in El-Bizri, Ikhwān al‑Ṣafāʾ (2008). 52 Die von al‑Ġazālī vertretene Ansicht wird oftmals in Gebetsanleitungen zitiert; siehe an‑ Nawawī, Al‑aḏkār min kalām sayyid al‑abrār. Beirut 2005, 639. 53 Lev, Charity, Endowments and Charitable Institutions (2005), 86. 54 Ebd. 55 Hamza, Economic and Social Life (2008). 56 Zit. nach Schoeler, Schriftliche oder münd‑ liche Überlieferung (1985), 229. 57 Makdisi, Rise of Colleges (1981), 10 f. 58 Makdisi, Madrasa in Spain (1973). 59 Vgl. Berkey, Transmission of Knowledge (1992); Chamberlain, Knowledge and Social Practi‑ ce (1994, ND 2002); Ephrat, Learned Society (2000). 60 Little, Nature of Khānqāhs, Ribāṭs, and Zāwiyas (1991), 94. 61 Vgl. Berkey, Women and Islamic Education (1991), 144. 62 Vgl. ebd., 150. 63 Pormann / Savage-Smith, Medieval Islamic Medicine (2007), 81. 64 Ebd., 83.

223 65 Ar‑Ruḥawī, Adab aṭ‑ṭabīb. Ed. Fuad Sezgin.

Frankfurt a. M. 1975, 110. Vgl. Galens Abhand‑ lung darüber, daß der vorzügliche Arzt Philosoph sein muß. Arabisch / deutsch. Ed. Peter Bachmann. (Nachrichten der Akademie der Wissenschaften in Göttingen. Philologisch‑Historische Klasse, Bd. 1965.1.) Göttingen 1966. 66 Zu den Tätigkeiten, die von diesen Institu‑ tionen entwickelt wurden, siehe beispielsweise Dodge, Al‑Azhar (1961). 67 Zu diesem Gelehrtentypus und dem spezi‑ fischen Möbel siehe Erzini / Vernoit, Professorial Chair (2013). 68 Mannūnī, Karāsī al‑asātiḏa (1966), 93 69 Vgl. Chamberlain, Knowledge and Social Practice (1994, ND 2002), 55. 70 Siehe beispielsweise zum Grabkomplex von Sultan al‑Ḥasan Harithy, Four Madrasahs (2007). 71 Ibn Ṭulūn, Mufākahat al‑ḫilān fī ḥawādiṯ az‑ zamān, Bd. 1. Ed. Ḫalīl al-Manṣūr. Beirut 1998, 123. 72 Little, Nature of Khānqāhs, Ribāṭs, and Zāwiyas (1991), 98. 73 Ephrat, Learned Society (2000), 35 f. 74 García Sanjuán, God Inherits the Earth (2007), 225 f. 75 Ebd., 225. 76 Ibn Abī Usaibīʿa, ʿUyūn al‑anbāʾ fī ṭabaqāt al‑aṭṭibāʾ. Ed. Nizār Riḍā. Beirut o. J., 403. 77 Ein gut dokumentiertes Beispiel einer waqf ‑ Bibliothek findet sich in Subtelny, Making of Bukhārā‑yi Sharīf (2001).

9.4 Juden 9.4.1 Allgemeines Im rabbinischen Judentum war das Ide‑ al „die Abwesenheit der Armut, nicht die Armut selbst“. Reichtum wurde nicht ver‑ achtet; stattdessen wurde den „Reichen die Möglichkeit gegeben, ihren Reichtum sinnvoll einzusetzen.“1 Die Bekämpfung der Armut entsprach dem biblischen

Vorbild, das in der rabbinischen Gesetz‑ gebung weiterentwickelt und den verän‑ derten Verhältnissen angepasst wurde. Neben privaten Stiftungen (heqdesh) sind der Gemeindefonds (heqdesh, qodesh, quppah) und Wohltätigkeitsbruderschaften (ḥavurot) die wichtigsten organisierten

224

Formen der mittelalterlichen jüdischen Wohltätigkeit. Ṣedaqah (die organisierte Armenfürsorge) und gemilut ḥasadim (das ‚Darreichen von Liebeswerken‘) wurden in Spätantike und Mittelalter zu grundle‑ genden Normen des jüdischen Gemeinde‑ lebens, die auch die Organisationsformen der Armenfürsorge bestimmten.2 Ihre Be‑ deutung wird noch dadurch verdeutlicht, dass für alle Gemeindemitglieder, inklu‑ sive der Armen, das religionsgesetzliche Gebot galt, Wohltätigkeit zu üben und ṣedaqah zu geben. Eine der wichtigsten Institutionen war dabei die quppah. Ur‑ sprünglich war die quppah ein Korb, aus dem Brot verteilt wurde; im Mittelalter war sie hingegen eine Büchse oder eine Kiste für die Sammlung zugunsten des Gemeindefonds. In der talmudischen Zeit wurden mit der quppah wöchentlich Sammlungen durchgeführt, aus denen täglich zwei Mahlzeiten sowie Kleidung für die Bedürftigen, die Verheiratung von Waisen, der Freikauf von Gefangenen und Begräbnisse für Arme finanziert wurden. Die quppah war für ortsansässige Arme bestimmt, während die Institution des tamḥui (wörtlich ‚Schüssel‘; Suppenkü‑ che) täglich zwei Mahlzeiten für fremde und umherziehende Arme sicherte.3 Sehr oft kam es dazu, dass private Stiftungen oder Wohltätigkeitsbruderschaften die Aufgaben des Gemeindefonds übernah‑ men, wenn dieser seinen Zweck in der Armenfürsorge oder der Bildung nicht erfüllen konnte.

Wohltätigkeit und Bildung

Gemeinden im Mittelmeerraum sind fast keine anderen Quellen zur Armenfürsorge überliefert.4 Unter den Geniza‑Fragmen‑ ten finden wir jedoch auch Daten zu heqdeshot in Sizilien, Kairouan, Alexandria und Aschkelon. Maimonides (geb. Córdoba 1135 / 1138, gest. Altkairo 1204) hierarchisiert in seiner ‚Mishneh Torah‘ die Werke der Wohltätigkeit, worin sich auch Reflexe der Funktionsweise des heqdesh finden. Diese Hierarchie umfasst acht Stufen, von der ersten, angesehensten, bis zur achten, der niedrigsten. Auf der höchsten Stufe dieser Hierarchie steht, wer einem Bedürftigen die Möglichkeit gibt, sich zu ernähren, und sei es, indem man ihm einen Kredit gibt. Die nächste Stufe besteht darin, Wohltä‑ tigkeit zu üben, wenn Spender und Be‑ günstigter einander nicht kennen. Dabei handelt es sich um ein religiöses Gebot im Judentum. Der Zweck einer solchen Gabe wird als ‚um Gottes Willen‘ (le-shem Shamayim) bezeichnet, wodurch irdische Mo‑ tive ausgeschlossen werden sollen. Wenn der Spender den Begünstigten kennt, aber nicht umgekehrt, handelt es sich um die dritte Stufe. Als vierte Stufe ist bestimmt, dass der Bedürftige den Spender kennt, jedoch nicht umgekehrt. Auf der fünften Stufe der Wohltätigkeit befindet sich der‑ jenige, der gibt, bevor man ihn fragt. Die sechste Stufe umfasst das Geben, nachdem man gefragt worden ist. Die siebte Stufe bedeutet, freundlich, aber nicht ausrei‑ chend zu geben. Wer unfreundlich gibt, befindet sich auf der achten, also der nied‑ rigsten Stufe.5 Religiöse Minderheiten in islamischen Ländern mussten selbst für ihre eigenen Mitglieder sorgen. Haupt‑ 9.4.2 Wohltätigkeit aufgabe der Gemeinden war daher die Ar‑ menfürsorge. Die Mitgliedschaft in einer Armenfürsorge Für die jüdische mittelalterliche Armen‑ Gemeinde war für Juden freiwillig, und fürsorge stellen die Geniza‑Fragmente die Gemeinden hatten nicht die Macht, eine einzigartige Quelle dar. (→ 5.4.3) Aus Juden in ihren Städten zur Mitgliedschaft den übrigen mittelalterlichen jüdischen zu zwingen. Deshalb wurde letztlich jede

Juden

Wohltätigkeit freiwillig geleistet. Außer Freiwilligkeit als Grundcharakteristikum betont Shlomo Goitein zwei andere sehr wichtige Eigenschaften des Altkairoer heqdesh: seinen ökumenischen und seinen kommunalen Charakter.6 Erstere bedeutet, dass fremde bedürftige Juden ebenso das Recht auf Versorgung aus heqdesh‑Mitteln hatten wie einheimische Juden, letztere, dass die ganze Gemeinde, ungeachtet der individuellen materiellen oder sozialen Lage, zur Wohltätigkeit beitrug. Die wichtigste unmittelbare Aufgabe des heqdesh war also soziale Fürsorge, die in Form von materieller Unterstützung von Bedürftigen bestand. Im Laufe der klassi‑ schen Geniza‑Zeit (950–1250) wurden in jeder Woche zweimal zwei bis vier Stücke Brot verteilt. Mitunter verteilte man von Zeit zu Zeit Weizen für die Armen im Umfang einer halben wayba, d. h. etwa 6 kg; bisweilen wurden sogar drei waybas Weizen ausgegeben. Auch mit Öl, Holz und Kleidern wurde den Bedürftigen gehol‑ fen.7 Anweisungen für die Austeilung von Brot wurden von Verwaltern des heqdesh geschrieben. Unter den besonders begüns‑ tigten Gruppen waren Frauen, Proselyten und Fremde (gerim), Kranke, freigekaufte Gefangene sowie Gelehrte, die nicht aus Ägypten stammten. Eine sehr wichtige Aufgabe des heqdesh bestand außerdem in der Zahlung der Kopfsteuer für jene Armen, deren Leben oder Freiheit in Ge‑ fahr waren, da sie die jährliche Kopfsteuer nicht aufbringen konnten, die jeder ḏimmī zahlen musste.8 Die wichtigste Gruppe von Armen in Altkairo waren jene, die nicht aus der Stadt selbst stammten. Die‑ se wurden in den Dokumenten meistens mit ihrem Herkunftsort genauer benannt. Unter ihnen waren bedürftige Reisende, Immigranten und befreite Gefangene, die unterwegs in ihre Heimat waren. Um die verdienstvollen und unterstützenswerten

225

Armen unter den Fremden auszuwählen, erkundigte man sich, wer die Fremden kannte und was über sie bekannt war. Zu dieser Gruppe der fremden Armen gehör‑ ten auch viele Proselyten, teilweise solche, die aus Europa geflohen, teilweise solche, die mit den Kreuzzügen in den Orient ge‑ langt und dort zum Judentum konvertiert waren.9 Außerdem gab es viele Gelehrte, die über Kairo ins heilige Land reisten und auf Reisen in Not gerieten.10 Für die Mamlūkenzeit sind sehr wenige Belege für die Aktivität des Gemeinde‑ fonds in den jüdischen Gemeinden Ägyp‑ tens überliefert. Es ist jedoch bekannt, dass die Juden in Kairo auch unter der mamlūkischen Herrschaft einen heqdesh hatten. Mark Cohen hat Briefe eines Amts‑ trägers der Fustater Gemeinde aus dem 14. Jahrhundert veröffentlicht, des Nagid Joshua Maimonides (gest. 1355), in denen dieser Instruktionen für die Armenfür‑ sorge und die Austeilung von Gütern aus dem heqdesh gab.11 Unter den Geniza‑Dokumenten exis‑ tieren auch einige, die Fremde, vor allem aus Byzanz erwähnen. Allerdings haben wir über heqdesh‑Einrichtungen in Byzanz selbst keine ausführlichen Belege.12 Im Jahr 1062 wird jedoch der heqdesh von Palermo auf Sizilien erwähnt: Yeshua b. Ismail al‑ Makhmuri verspricht in einer Notiz auf der Rückseite einer Urkunde, dass er 50 Dinar Strafe an al-ʿaniyyim (‚die Armen‘; hier: den heqdesh) zahlen werde, wenn er den geschlossenen Vertrag nicht einhal‑ ten sollte. Johannes Niehoff‑Panagiotidis hat zudem anhand eines Bibelkommentars aus der Hand eines sonst unbekannten byzantinischen Juden namens Reuel, in dem einige hebräische Termini mit grie‑ chischen Übersetzungen erläutert werden, nachgewiesen, dass die Juden in Byzanz eine dem Altkairoer heqdesh ähnliche

226

Organisation unterhielten. Die hebräi‑ schen Worte le-ṣedaqah und ḥesed in Koh 4.4–6 und Hos 4.1–3 werden von dem Kom‑ mentator mit dem griechischen Ausdruck εἰς ῥόγαν (eis rhogan) wiedergeben, und nicht mit φιλανθρωπία (philanthrōpia) oder εὐεργεσία (euergesia). Das griechische Wort ῥόγα aber bedeutet nicht ‚Wohltätigkeit‘, sondern entweder ‚Sold‘ oder ‚regelmä‑ ßige kaiserliche Geldgabe‘. Vor allem aber bezeichnet ῥόγα auch eine ‚Pension‘, ein ‚Stipendium‘ für Mönche; der Begriff wird also auch im Stiftungkontext gebraucht und begegnet dementsprechend in einem typikon des 11. Jahrhunderts. Dass der jü‑ dische Kommentator das Wort ῥόγα be‑ nutzt, ist dabei kein Zufall, denn er hat eine Gemeinde vor Augen, die aus eigener Kraft diejenigen Aufgaben erfüllt, für die in der Mehrheitsgemeinschaft der Staat oder Stiftungen zuständig sind. Deshalb nimmt Niehoff‑Panagiotidis an, dass es in den by‑ zantinischen Gemeinden heqdeshot gab.13 Eine jüdische Gemeinde in Thessaloniki nennt der Reisebericht Benjamins von Tu‑ dela. Sie zählte in den 1160er Jahren etwa 500 Mitglieder. Die Kontinuität dieser Ge‑ meinde im Mittelalter, die wirtschaftliche Tätigkeit der dortigen Juden und deren Steuerzahlungen sind zudem anderswo belegt. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die Gemeinde auch einen heqdesh hatte.14 Unter den von Nicholas de Lange aufge‑ zählten Dokumenten über Juden aus der Hauptstadt Konstantinopel selbst gibt es nur ein Geniza‑Fragment mit einem Unter‑ stützungsgesuch für Wohltätigkeit, das an die Altkairoer Gemeinde gerichtet ist und wahrscheinlich aus dem frühen 10. Jahr‑ hundert datiert. Nach Norman Golb wurde das Gesuch im Auftrag der Kiewer (qiyyov) Gemeinde geschrieben.15 Gemeindliche Wohltätigkeit war auch in Spanien von sehr großer Bedeutung, so

Wohltätigkeit und Bildung

dass die Behauptung, „im Mittelalter blieb in Spanien und in der Region Provence‑ Languedoc die Armenfürsorge, [die Sor‑ ge] für Erziehung sowie für Almosen und ärztliche Versorgung dem Mäzenatentum der hohen jüdischen vermögenden Wür‑ denträger überlassen“16, modifiziert werden muss. Patronage spielte für die Armenfür‑ sorge und die Unterstützung der säkula‑ ren Wissenschaften und der Kultur in der jüdischen Gesellschaft des muslimischen Spaniens tatsächlich eine entscheidende Rolle. Heqdesh‑Einrichtungen gab es in Spanien bereits im 12. Jahrhundert, wie Ri Migash (geb. Sevilla 1077, gest. Luce‑ na 1141) bezeugt. Auch im ausgehenden 13. Jahrhundert erfüllten im christlichen Spanien gemäß der halachischen Gesetz‑ gebung die jüdischen gemeindlichen oder privaten Stiftungen die Aufgabe, für die Armen zu sorgen. Erst im Spätmittelalter, als die Gemeinden dazu nicht mehr in der Lage waren, traten alternative Institutio‑ nen der Wohltätigkeit hervor.17 Eine organisierte Zehntenabgabe für den heqdesh – gemäß dem Vermögen der Gemeindemitglieder – wurde in Toledo erstmals Anfang des 14. Jahrhunderts von Rosh (Asher b. Yeḥiel, 1250 / 1259– 1327) und seinen Söhnen (Jehuda b. Asher, 1270–1349, und Jakob b. Asher, 1269–1340) eingeführt.18 Ein Responsum von Rashba (Shlomo b. Adret, 1235–1310) beweist, wie schwer es war, die Gemeindemitglieder zur Abgabe des Zehnten zu bewegen. Die sehr reichen Gemeindemitglieder wollten nämlich nichts beitragen.19 Aus den Responsa von Rosh wird eben‑ falls deutlich, dass Armenfürsorge nicht nur vom Gemeindefonds, sondern auch von privaten Stiftungen finanziert wurde.20 Wie in Altkairo war es auch in Spanien üblich, eine Stiftung ohne schriftliches Testament oder im Fall von Stiftungen in‑ ter vivos ohne juristisches Prozedere in

Juden

einem bet-din, einem jüdischen Gerichts‑ hof, zu errichten.21 Diese Praxis der Münd‑ lichkeit begünstigte den heqdesh, der in Streitfällen die Priorität vor den Erben des Wohltäters hatte.22 Manchmal wurde der Zweck einer Stiftung nicht bestimmt und die Entscheidung darüber den Verwaltern des Gemeindefonds überlassen; sie hatten sogar das Recht, den Stiftungszweck zu verändern.23 Gemeindefonds war es sogar gestattet, Geld gegen Zinsen zu verleihen. Schon in den Responsa von Rosh erscheint eine private Stiftung, die den Gemeinde‑ fonds unterstützt,24 und auch eine völlig vom Gemeindefonds unabhängige Wohl‑ tätigkeitsgemeinschaft (ḥaverut für gemilut ḥasadim)25. Die späteren Responsa von Rashba spie‑ geln eine ähnliche Praxis bei der Verwal‑ tung des heqdesh für Arme wider. Gestiftet wurden dem heqdesh für Arme sowohl Land 26 und Gebäude als auch bewegliche Güter (Geld, Kleider)27. Wie Rosh stärk‑ te Rashba in seinen Entscheidungen die Kultur der Mündlichkeit, den Vorrang des heqdesh in Streitigkeiten und die zentra‑ le Stellung der heqdesh‑Verwalter, die er auf die Armensorge verpflichtete.28 Wenn aber jemand aus eigener Initiative auf dem Sterbebett zwei eigene Verwalter für sei‑ ne Armenstiftung ernannte, so wurden diese, und nicht die Gemeindeverwalter, die offiziellen Verwalter seiner Stiftung.29 Auch in den Responsa von Ribash (Isaak b. Sheshet, 1326–1408) begegnen Stiftungen an den heqdesh mit der Auflage, dass das Kapital „für ewig bleibt“ und die Erträge für die Armen aufgewendet werden.30 Er räumt ebenfalls dem heqdesh und seinen Verwaltern weitreichende Rechte und eine zentrale Stellung in der Gemeinde ein, da‑ mit sie die soziale Fürsorge organisieren können.31 In den Responsa von Rashbaṣ (Shimon b. Ṣemah Duran, 1361–1444) und Rashbash

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(Shlomo b. Shimon Duran, ca. 1400–1467) ist ein Wandel der Situation des heqdesh für Arme erkennbar. So hat er eine schwä‑ chere Position und keine Priorität bei Ver‑ mögensstreitigkeiten mehr.32 Die Ursache für die weite Verbreitung der jüdischen privaten Stiftungen und Wohltätigkeitsbruderschaften im Spanien des 14. und 15. Jahrhunderts sieht Eleazar Gutwirth erstens in einer Erscheinung, die er ‚Laienfrömmigkeit‘ nennt und die eine Parallele in der christlichen Gesellschaft habe.33 Wie bei den Christen begannen demnach im 14. Jahrhundert auch jüdische Vermögende aus Religiosität private Stif‑ tungen und Wohltätigkeitsgemeinschaften zu gründen. Zweitens benennt Gutwirth als Ursache für die weite Verbreitung der zwei ‚alternativen‘ Stiftungstypen, die ne‑ ben den Gemeindestiftungen existierten, ei‑ nen wirtschaftlichen Faktor: Die spanisch‑ jüdischen Gemeinden waren zu arm, um die Aufgaben der Armen‑ und Krankenfürsorge sowie der Bildung armer Kinder zu erfül‑ len; die Entstehung alternativer Stiftungs‑ formen war demnach eine Notwendigkeit.34 Der Gemeindefonds für die Armenfürsorge wurde in Spanien almosna genannt; seine Einnahmen wurden in organisierter Form verteilt. Der französische Gelehrte R. Moses Coucy berichtete im 13. Jahrhundert von seiner Reise nach Spanien, dass dort die Verwalter des heqdesh das Geld unter der Woche sammelten und es vor dem Sabbat an die Armen verteilten. In Perpignan wa‑ ren die heqdesh‑Verwalter einflussreich und stellten regelmäßige Almosenverteilungen sicher. Während in Tudela jede Synago‑ ge über ihre eigene almosna mit eigenem Verwalter (ministro) verfügte, gab es auch im 14. Jahrhundert noch Gemeinden, in denen eine Gemeindekasse fehlte.35 Auch in solchen Gemeinden, die eine quppah shel ṣedaqah (Gemeindefonds) hatten, wurde diese jedoch nicht immer bevorzugt für

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die Versorgung der Armen verwendet. Dies führte im 14. und 15. Jahrhundert zur Gründung von Wohltätigkeitsgesellschaf‑ ten (ḥavurot). Nach Ansicht von Aryeh Grabois und Bir‑ git Klein wurde die Armenfürsorge im mittelalterlichen Aschkenas kollektiv von der Gemeinde organisiert, während sie in Spanien den jüdischen Mäzenen über‑ lassen worden sei;36 diese Sichtweise ist jedoch stark vereinfachend. Denn auch in Spanien wurde die Armenfürsorge häufig gemeindlich finanziert, während in Asch‑ kenas ebenso Wohltätigkeit ein Zweck pri‑ vater Stiftungen sein konnte, wenn auch ein eher untergeordneter.37 Krankenhäuser Bis heute wurden in der Kairoer Geniza keine Belege für jüdische Krankenhäuser gefunden. Dies verwundert, denn es gibt viele Urkunden in der Geniza und auch arabische Quellen, die jüdische Ärzte er‑ wähnen, die in Krankenhäusern musli‑ mischer Herrscher arbeiteten; dort sind hingegen keine jüdischen Patienten be‑ legt.38 Andererseits liegen viele Zeugnisse dafür vor, dass der Wohltätigkeitsfonds für bedürftige Kranke und den Kauf von Arzneimitteln verwendet wurde.39 Einen Arzt anzustellen, konnte sich die Gemeinde meist nicht leisten. Umso mehr drängte sie daher die jüdischen Ärzte, bedürftige Juden kostenlos zu behandeln.40

Wohltätigkeit und Bildung

Rheinland und in England aus dem 13. Jahr‑ hundert. Die aus Spanien oder Portugal überlieferten Urkunden, die ein Kranken‑ haus bezeugen, datieren aus dem 14. und 15. Jahrhundert und vor allem aus der Zeit der Vertreibung der Juden aus Spanien (1492).42 Allerdings ist die Bedeutung des in den jüdischen Quellen auftauchenden Begriffs heqdesh in manchen Fällen nicht eindeutig, auch wenn er bisweilen sicher ‚Krankenhaus‘ bedeutet.43 Die wichtigste Frage im Zusammenhang mit diesen spät‑ mittelalterlichen hispano‑jüdischen Kran‑ kenhäusern ist, wer die Stifter waren und wie die wirtschaftliche Verwaltung aus‑ geführt und kontrolliert wurde. Gutwirth weist darauf hin, dass es drei Typen von Krankenhäusern gab. Der erste Typus sei das Gemeindekrankenhaus (wie in Daroca, Buitrago, Segovia und Sanguesa), das am meisten an das spätantike heqdesh‑Kran‑ kenhaus erinnert. Als zweiter Typus gilt das Krankenhaus, das von einer Wohltä‑ tigkeitsbruderschaft (ḥevrah, confradia, confraternitas) gegründet und geleitet wurde. Der dritte Typus war das aus den Mitteln einer privaten Stiftung gebaute und ver‑ waltete Krankenhaus. Dieser letzte Typus wurde meist von Adligen gegründet, die dabei sehr oft einer Tradition ihrer Fami‑ lie folgten. Der Zusammenhang zwischen sozialer Herkunft und der Stiftung von Gemeindeeinrichtungen wurde auch von Javier Castaño analysiert; dieser veröffent‑ lichte ein judaeo‑spanisches Dokument aus dem Jahr 1406, in dem ein Krankenhaus in Tarazona erwähnt wird.44 Hier finden wir Einträge über die Ausgaben des Ge‑ meindefonds für die Instandhaltung des Krankenhauses (hier: espital del almosna) und des Armenhauses (casa del almosna).45

Während Isaak Baer die Kontinuität der In‑ stitution des jüdischen Krankenhauses von der Römerzeit bis ins spanische Mittelalter betonte, vermittelt durch das Bindeglied des Gästehauses (hospitium),41 wies Eleazar Gutwirth darauf hin, dass Urkunden über jüdische Krankenhäuser in Sepharad erst Wie schon erwähnt, sind erste jüdische aus späterer Zeit überliefert sind – sogar Hospitäler in Aschkenas schon für das später als über diejenigen in Italien, im 13. Jahrhundert belegt. Dass sie in dieser

Juden

Zeit in Erscheinung treten, ist mit einem weiteren neuen Phänomen, dem der um‑ herziehenden fremden jüdischen Armen, verknüpft.46 Zuerst wurden diese Armen individuell versorgt, später institutionell. Letzteres geschah im Armenhaus (bait leʿaniyyim, bet-oshpisaniyah), das dem christ‑ lichen Spital nicht unähnlich war.47 Eine Urkunde aus dem Jahr 1210 erwähnt etwa eine domus hospitale Iudeorum in Panzanswinchel in Regensburg.48 Weitere jüdische Hospitäler werden für 1247 und 1253 in Köln, für 1290 in Augsburg, für 1322 in Würzburg, für 1349 in Koblenz und für die Jahre 1280 und 1384 in Nürnberg genannt.49 Man kann davon ausgehen, dass schon im 13. Jahr‑ hundert jede größere städtische jüdische Gemeinde ein Hospital besaß; allerdings wurde dies in den Quellen nicht immer erwähnt. Für das 14. und 15. Jahrhundert sind sogar noch mehr jüdische Hospitä‑ ler in den aschkenasischen Städten belegt. Daneben sind auch Leprosorien bekannt.50 Die Finanzierung der Hospitäler erfolg‑ te zuerst durch private freiwillige Gaben, wobei die Namen der Spender im Memor‑ buch der Gemeinde vermerkt und zu festen Zeiten während des Gottesdienstes vorge‑ tragen wurden.51 (→ 8.4.2) Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts und im 14. Jahrhun‑ dert sind die allgemeinen Abgaben (‚Ar‑ menzehnt‘, maʿasar ʿaniyyim; ‚Geldzehnt‘, maʿasar kesafim) auch jüdischen Hospitälern zugeflossen. Dies hing damit zusammen, dass vor allem nach den Pestverfolgungen die Städte armen Juden kein Bürgerrecht mehr verliehen. Die jüdische Gemeinde musste arme Juden aufnehmen, sie als Gäs‑ te beherbergen und unterstützen: Kran‑ kenhäuser fungierten nunmehr auch als Herbergen.52 Freikauf von Gefangenen Die kostspieligste Art der Wohltätigkeit war der Freikauf von Gefangenen. Diese

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waren zuvor entweder von Piraten oder im Krieg ergriffen worden. Wie bereits er‑ wähnt, sperrten zudem muslimische Auto‑ ritäten häufig Juden ein, die ihre Kopfsteu‑ er nicht bezahlen konnten. Das Lösegeld betrug jeweils 100 Dinar für drei Perso‑ nen.53 Während der Kriege zwischen den Muslimen und Byzanz war es die Pflicht der jüdischen Gemeinde, eigene Gefan‑ genen freizukaufen, was eine sehr gro‑ ße finanzielle Last bedeutete. Während der Invasionen der Beduinen in Tunesien, der Seldschuken in Syrien und Palästina und auch später, während der Massaker der Kreuzfahrer in Europa und Palästina, stieg in Ägypten nicht nur die Zahl jüdi‑ scher Flüchtlinge, sondern auch die der Kriegs‑ und Piratengefangenen.54 Nach der Eroberung Jerusalems durch die Kreuzfah‑ rer wurden vor allem Karäer, aber auch Rabbaniten gefangen genommen. Die Ge‑ fangenen wurden von den Gemeinden in Aschkelon und Kairo freigekauft.55 Doku‑ mente aus der Kairoer Geniza belegen, dass das Sammeln für den Freikauf bisweilen wenig ergiebig war. Eine Quittung für den Freikauf eines Antiocheners wahrschein‑ lich vom Jahr 1099 vermerkt eine kleinere, aus vielen geringen Gaben zusammenge‑ setzte Summe von 10 Dinar.56 In anderen Fällen war das Aufkommen ungeheuer groß. Die drittgrößte gesammelte Summe, über die in der Geniza Informationen er‑ halten sind, bezieht sich auf den Freikauf von byzantinischen Juden, die in etwa auf das Jahr 1157 datiert werden kann. Die Sammlung umfasst insgesamt ungefähr 1 161 Dinar und wurde in der Hauptstadt und im Rif, dem ägyptischen ländlichen Raum, durchgeführt.57 Unter den Geniza‑Dokumenten befinden sich auch drei Fragmente, die Jehuda ha‑ Levis Bemühungen um eine Sammlung für den Freikauf eines kleinen Mädchens in

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Toledo von der „unbarmherzigen christ‑ lichen Königin“ Urraca belegen (vor 1126). Jehuda ha‑Levi schrieb aus Toledo, wo es ihm gelungen sei, 10 Dinar zusammen‑ zubringen, und bat die Kairoer Gemein‑ de um weitere Unterstützung.58 Yvonne Friedman zufolge wichen zwischen dem 9. und 12. Jahrhundert die Einstellungen der jüdischen Gemeinden im Westen und im Orient zum Freikauf von Gefange‑ nen voneinander ab. In den europäischen Gemeinden sei die Pflicht zum Freikauf eine individuelle, im Orient hingegen eine kollektive Aufgabe gewesen. David Assaf sieht die Ursachen für diesen Unterschied überwiegend in den verschiedenen Orga‑ nisationsformen der jeweiligen jüdischen Gemeinden.59 In Aschkenas vertraten tatsächlich ver‑ schiedene Gelehrte die Meinung, dass der Freikauf keine gemeindliche, sondern eine individuelle religiöse Pflicht sei.60 Sogar als R. Meir b. Baruch selbst gefangengenom‑ men worden war, lehnte er die Zahlung des hohen Lösegeldes aus dem Gemein‑ defonds ab.61 Almosen für das heilige Land Wie schon anderswo teilweise ausgeführt (→ 3.4.2), unterstützten die jüdischen Ge‑ meinden der Diaspora während des ge‑ samten Mittelalters das heilige Land. Der Motivation der Stifter in der Diaspora lag einerseits die Erinnerung an das ‚Hei‑ matland‘ zugrunde und damit auch ihre Hoffnung auf eine Rückkehr in das Ge‑ lobte Land; andererseits war Ereṣ Israel im Mittelalter ein sehr wichtiges Pilger‑ ziel für die Juden. Die Spenden kamen aus dem Orient, Spanien und Aschkenas; Nachweise gibt es etwa aus Ramla, Tyros, Sizilien und Syrien.62 Auch aus Spanien ist um 1390 eine Sammlung für Jerusalem belegt.63 Im 14. und 15. Jahrhundert gab es

Wohltätigkeit und Bildung

hier zudem Wohltätigkeitsbruderschaften zur Unterstützung des heiligen Landes.64 Diese Hilfszahlungen hatten mehrere Zwecke: Finanzierung der yeshivot (höhere Talmudschulen) in Jerusalem und Akkon, Subvention der sehr hohen Steuern, die die kleinen jüdischen Gemeinden im heiligen Land unter der muslimischen Herrschaft zu entrichten hatten, und Unterstützung der Armen in diesen Gemeinden. Während der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts etwa wurde ein Bote namens Jakob von der yeshivah in Akkon beauftragt, Hilfsgelder für seine heimische yeshivah zu sammeln.65 Gesammelt wurde auch für arme jüdische Kranke, die nach Tiberias kamen, um in diesem Kurort im heilenden Wasser des Sees Genezareth zu baden.66 Die Aussendung von Boten für Kollek‑ ten zugunsten der Gemeinden im heiligen Land (sheluḥe Ereṣ Israel)67 und der yeshivot hatten nach 429 u. Z. mit der Abschaffung des Patriarchats in Palästina aufgehört, wurde aber im 8. Jahrhundert erneuert. Ein Grabstein aus Venosa in Süditalien erwähnt einen solchen Boten.68 Dort ist in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts ein weiterer Beauftragter belegt.69 Auch aus dem 11. Jahrhundert haben wir mehrere solcher Nachweise. Schon vorher, Anfang des 10. Jahrhunderts, war dem heqdesh in Altkairo ein Haus gestiftet worden, dessen Mieteinnahmen für die Armen in Jerusalem bestimmt waren. Man kann die Geschichte dieses Hauses ungefähr zweihundert Jahre lang nachverfolgen.70 Im Jahr 1055 berichtet ein Schreiber der yeshivah in Jerusalem unter der Führung von Daniel b. Azaryah von einer Bot‑ schaft des Gemeindevorstehers (parnas) Eli ha‑Kohen b. Ezekiel nach Fustat.71 Die Unterstützung der yeshivah wurde als ein Ersatz für den Tempelzehnten betrachtet und bedeutete eine große Ehre für die Spender.72

Juden

Die größte Unterstützung für Jerusalem kam jedoch von besonderen Stiftungen. Einer der frühesten Stiftungszwecke in Fustat war das Spenden für die dortige Gemeinde.73 Kaufleute aus Nordafrika brachten die Gelder auf ihren Reisen ins heilige Land.74 Es gab auch spezielle Dota‑ tionen und Stiftungen direkt für die Juden in Jerusalem (nicht für die yeshivah) und z. B. für die ,Höhlensynagoge‘ (unter der Klagemauer). Eine besondere Belohnung für die Stifter stellte die Proklamation ih‑ rer Namen auf dem Ölberg in Jerusalem am Pilgerfest Hoshanah Rabbah während der Sukkot‑Feiertage dar.75 Im Nürnberger Memorbuch sind zwischen 1352 und 1373 45 Stifter der dortigen Gemeinde bezeugt, die zugunsten der Armen von Jerusalem spendeten, was 22 % der gesamten Stifter ausmacht. Gespendet wurden Geld und Edelmetalle. Während dieser Zeit wurden 102 von insgesamt 684,5 Goldmünzen für die Armen in Jerusalem gestiftet; von 803 Pfund (Silber) gingen 50 an die Armen in Jerusalem.76 Im 15. Jahrhundert wuchs die jüdische Bevölkerung in Jerusalem infolge der Immigration aus dem Orient, Italien, Frankreich und dem Römisch‑Deutschen Reich. Viele der Einwanderer waren arm, sodass der Bedarf an Spenden von außer‑ halb Israels entsprechend hoch war.

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der Gemeinde war lediglich in einer Höhe erlaubt, die der Lehrer bei Ausübung eines anderen Berufs erhalten hätte.77 Die Geonim (7.–11. Jahrhundert) hatten für die Spendenbeschaffung zugunsten ihrer yeshivot in Sura und Pumbedita ein umfangreiches System. Hiervon zeugen vor allem in der Altkairoer Geniza erhal‑ tene Briefe, die finanzielle Probleme zwi‑ schen den yeshivot in Babylonien und den Gemeinden in Ägypten und im Maghreb betreffen. Die finanzielle Unterstützung für die yeshivot in Babylonien durch die Diaspora‑Gemeinden erfolgte auf zweierlei Weise: durch Gebühren für Gerichtsdoku‑ mente oder für Tierschlachtungen (hoq; rashut) und durch Spendengelübde und andere Zahlungen aus den Gemeinden, da die yeshivot ihnen als Rechtsnachfolger des Tempels galten. Außer diesen stän‑ digen Unterstützungen wurden von Zeit zu Zeit von den Gemeinden Anfragen für dringende Beiträge gestellt (reshuyot).78 Die Unterstützung der yeshivah in Jerusalem durch andere Gemeinden bildete auch ei‑ nes der bedeutendsten religiösen Gesetze.79 Dem Beispiel der yeshivot in Babylonien wurde in der ganzen Levante, im Magh‑ reb, in Ägypten und in Spanien gefolgt. Die Donatoren waren sehr oft reiche Mit‑ glieder der jüdischen Gemeinden; meis‑ tens handelte es sich um Kaufleute, die Rabbaniten oder Karäer sein konnten.80 Allerdings war es verboten, den yeshivot 9.4.3 Bildung von Sura und Pumbedita solche Wohltä‑ tigkeitsgelder zu schicken, die eigentlich Traditionelle Bildung und Unterstützung für die Armen bestimmt gewesen waren. von Gelehrten Die yeshivah oder bet-midrash ist die älteste Der Leiter einer yeshivah (Gaon) war für jüdische Erziehungsanstalt und bietet eine verschiedene Wohltätigkeitsstiftungen höhere Bildung an als ein heder oder eine und für die Armenfürsorge verantwort‑ Talmud‑Thora‑Schule. Die Lehrer der Ele‑ lich. Dies war zum einen religiöse Pflicht, mentarschule (melammed) und der yeshivah zum anderen Anordnung des Kalifen. Mai‑ unterschieden sich darin, dass erstere für monides erläuterte seine Meinung hierzu ein Gehalt lehrten, die anderen hingegen in seiner ‚Mish neh Torah‘, in der er schrieb, unentgeltlich. Eine Entlohnung vonseiten dass „alle, die entschieden haben, dass

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sie sich mit der Thora beschäftigen und keiner Arbeit nachgehen und sich vom ṣedaqah‑Geld unterstützen lassen, dadurch Gottes Namen entheiligen.“81 Die Praxis war aber zu Maimonides’ Zeit eine an‑ dere. Unter den von Moshe Gil publizier‑ ten Dokumenten des heqdesh in Altkairo wurden als Stiftungsbegünstigte nicht nur Kinderlehrer (melammed), sondern auch Gelehrte geführt. Die Halachisten im christlichen Spanien des 13. Jahrhunderts betonten das Ideal, dass Gelehrte aufgrund des talmudischen Gesetzes keine Entlohnung für ihre Lehrtä‑ tigkeit bekommen dürfen; gleichzeitig aber ermunterten sie die Gemeinden und Pa‑ trone dazu, die Gelehrten zu unterstützen, damit sie sich selbst und ihre Akademien erhalten konnten.82 Beispielsweise schreibt Yonah Gerondi (gest. 1263) in seinem Kom‑ mentar zu Prov 14.4 und in seinem Werk ‚Iggeret ha‑Teshuvah‘, dass der Reichtum, den ein Gelehrter erworben hat, für ihn eine Gelegenheit sei, auch andere Gelehrte, die sich dem heiligen Zweck widmeten, zu unterstützen.83 Ramban (Moses b. Nahman, Nahmanides, 1194–1270) und Ramah (Meir b. Todros ha‑Levi Abulafia, 1165 / 1170–1244, Toledo) waren der Ansicht, dass Gelehr‑ te eine Aufwandsentschädigung (skhar baṭṭalah, wörtlich: ‚Entlohnung für die Zeitverschwendung‘) aus dem Gemeinde‑ fonds erhalten sollten. Zur Unterstützung der Studenten erlaubte Rosh, einen Teil des Gemeindefonds, der für Thorastuden‑ ten gegeben worden war, zu investieren. Außer der Förderung der Studenten aus Mitteln des Wohltätigkeitsfonds gab es auch private Initiativen für ihre finan ziel‑ le Unterstützung, und zwar nicht nur für Bedürftige. Es begegnen Fälle, in denen reiche Gemeindemitglieder einen Weingar‑ ten oder ein zweckgebundenes Vermögen auf ewig stifteten, um aus dem jährlichen

Wohltätigkeit und Bildung

Einkommen das Thorastudium zu ermögli‑ chen. In den spanischen Gemeinden gab es auch Initiativen, bei denen eine steuerähn‑ liche Zustiftung zugunsten ihrer Studenten eingeführt wurde. Sehr wichtig war die Gemeindeunterstützung solcher Studenten, die aus fernen Ländern in die provenza‑ lischen oder spanischen yeshivot kamen. Benjamin von Tudela beschrieb etwa den Gemeindefonds für Studenten in Lunel und erwähnte vor allem Rabad von Pos‑ quiers (Abraham b. David, 1125–1198), der als Patron Studenten unterstützt habe.84 Die Finanzierung des Besuchs einer Elementarschule erfolgte im Spanien des 13. und 14. Jahrhunderts im Falle wohlha‑ bender Kinder durch die Eltern, während die Erziehung armer Kinder vor allem von privaten Stiftungen (heqdeshot) und von Mäzenen gesichert wurde. So stifte‑ te etwa Josef ha‑Levi im Jahr 1332 einen Weingarten für eine yeshivah und ihre Lehrer; der Weingarten sollte ewig für die Finanzierung der Unterweisung armer Studenten fortbestehen, die jährlich seinen Ertrag erhalten sollten.85 In Ecija gründete Abraham b. Meir im Jahr 1357 einen heqdesh, der ausschließlich für Studierende bestimmt war.86 In Egea stiftete ein Rabbi und Magister und in Tortosa Rabbi Josef Cohen einen heqdesh für Thorastudien.87 In den Judenvierteln von Barcelona,88 in Saragossa im Jahr 1364 und auf Mallorca im 14. Jahrhundert wurden hingegen Bruder‑ schaften gebildet und der Mitgliedsbeitrag für das Lesen der Thora beziehungsweise für die Erziehung der kleinen Kinder auf‑ gewandt 89. In Aschkenas galt für die Gelehrten das Ideal, dass sie kein Gehalt für ihr Wis‑ sen verlangen sollten. Dass im westlichen Christentum Lehrer in den städtischen Zentren, besonders seit dem 12. Jahrhun‑ dert in Kathedralschulen, für ihre Tätigkeit

Juden

durch öffentliche Autoritäten, aus Präben‑ den oder durch Zahlungen ihrer Studenten einen Lohn erhielten, fand im Judentum keine Entsprechung.90 Einige Lehrer beka‑ men eine Aufwandsentschädigung (skhar baṭṭalah), aber kein Gelehrtengehalt. In Aschkenas bemühte man sich nicht dar‑ um, einen Gelehrtenstand zu begründen, der von Privatpersonen oder Gemeinden unterstützt wurde. So wurden aschkenasi‑ sche Gelehrte von ihren Gemeinden auch nicht von der Steuer befreit. Für die Unterstützung von Studenten gab es vor 1348 keine Stipendien.91 Man war aber bestrebt, den finanziellen Bedarf der Studenten (baḥurim) in battei-midrash (Lehrhäuser) oder in yeshivot (Lehrhäuser für höhere Talmudstudien) der Tosafisten zu sichern. Zahlreiche battei-midrash wa‑ ren in den Städten Nordfrankreichs und des Römisch‑Deutschen Reiches verstreut; Studenten, die bei einem großen Gelehrten lernen wollten, mussten zum Haus ihres Lehrers wandern und brauchten Geld für Reise und Unterkunft.92 Das wurde reichen Studenten von ihren Familien finanziert.93 Mittellose Studenten konnten vom heqdesh Unterstützung erhalten.94 Eine wichtige Quelle für die Finanzie‑ rung eines aschkenasischen Lehrhauses durch Stiftungen ist in der Form eines ‚Projektes‘ für die Stiftung von Lehrhäu‑ sern überliefert. Das Dokument ‚Ḥuqqe ha‑Torah‘ (‚Die Regelungen des Thorastu‑ diums‘), das einer Handschrift des Geset‑ zeskodex ‚Semaq‘ (‚Sefer Miṣwot Qatan‘, ‚Kleines Gesetzbuch‘) von Isaak von Corbeil aus dem Jahr 1309 beigefügt wurde, spiegelt das Leben, die Methoden, die Regelungen und das Curriculum in einer yeshivah im Nordfrankreich des 13. Jahrhunderts wider. Das Werk bestand aus drei verschiedenen Sammlungen und wurde von Zeit zu Zeit ergänzt.95 Die frühesten Teile stammen aus dem 11. Jahrhundert. Norman Golb

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nimmt an, dass es in Rouen entstanden ist; dort hat man auch die Reste eines Lehr‑ hauses gefunden, das etwa 100 Studenten und zehn Lehrer beherbergen konnte, wie es auch das Dokument ‚Ḥuqqe ha‑Torah‘ vorschreibt. Die Annahme von Golb ist allerdings nicht bewiesen worden; es ist ungewiss, ob überhaupt ein Zusammen‑ hang zwischen den Ruinen in Rouen und diesem Werk besteht. Allerdings ist Golb gegenüber einzuräumen, dass es sich bei dem archäologischen Fund um ein Lehr‑ haus handelt und dass ein ganz ähnli‑ ches Lehrhaus auch in der Handschrift beschrieben wird. Diese offenbart viele Einzelheiten über das Programm und die Konzeption von Lehrhäusern in der Dia‑ spora und vermutlich auch über tatsächlich existierende Lehrhäuser.96 Die Studenten eines solchen Lehrhauses werden in der Schrift perushim (‚Gesonderte‘) genannt, deren Studium sieben Jahre dauert. Sie wohnen im Lehrhaus (midrash) und werden dort mit Nahrungsmitteln und Kleidung versorgt. Der Leiter der yeshivah wohnt un‑ ter der Woche ebenfalls dort, kehrt jedoch am Wochenende nach Hause zurück. Je‑ des Gemeindemitglied hat den Lehrbetrieb mit jährlich 12 Pfennigen zu unterstützen, wobei die perushim das Lehrhaus von der Gemeinde mieten; außerdem tragen sie auch zur Bezahlung der Lehrer bei. Der Rektor bekommt jährlich zwanzig Mark, ein Lehrer acht Mark.97 Die Judenverfolgungen nach der Pest von 1348, die Pestseuche selbst, (Zwangs‑) Konversionen zum Christentum und an‑ schließende Auswanderungswellen de‑ zimierten viele florierende jüdische Ge‑ meinden. Viele Eltern konnten die höhere Bildung ihrer Kinder nicht mehr sichern. Dementsprechend mussten zahlreiche Akademien und Lehrhäuser in Aschke‑ nas geschlossen werden. Unter diesen Um‑ ständen entwickelte sich das Phänomen

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des Wanderlebens des baḥur, des jungen yeshivah‑Studenten: Diese jungen Männer zogen von einer Stadt in die andere, um ‚zu Füßen eines Rabbis zu sitzen‘.98 Sie fanden meistens in dem baḥurim‑Haus Unterkunft, einer Institution, die es seit dem beginnenden 15. Jahrhundert in jeder Stadt gab, in der ein Rabbi eine besondere Anziehungskraft ausübte. Auch yeshivah‑ Leiter wohnten bisweilen mit den baḥurim zusammen. Die Kosten wurden aus frei‑ willigen Spenden gedeckt, manchmal wur‑ den die baḥurim auch zu Mahlzeiten in die Gemeindehäuser eingeladen. Nach der Pest wurden die aschkenasischen yeshivot zu gemeindlichen Institutionen, und die finanzielle Unterstützung von Studenten wurde eine Gemeindeaufgabe. Dabei wur‑ den mitunter auch die Leiter der Lehr‑ häuser von Seiten der Studenten subven‑ tioniert. Im 15. Jahrhundert führten viele deutsche Gemeinden eine Studentensteuer ein, die es jedem Lernenden ermöglichen sollte, in einer yeshivah zu studieren. Ei‑ nige yeshivah‑Leiter haben sogar Zusatz‑ stipendien gezahlt, damit Studenten in ihre Lehrhäuser kamen.99 Die semikhah (institutionell anerkannte Ordination von Rabbis), die in dieser Zeit allgemein wurde, ermöglichte einem jungen Rabbi, an einem Ort, an dem es bereits einen oder mehrere Rabbis gab, eine yeshivah zu eröffnen. Wissenschaftliche und medizinische Bildung In der Zeit der arabischen Übersetzungstä‑ tigkeit griechischer philosophischer Wer‑ ke im 8.–10. Jahrhundert haben jüdische Denker wahrscheinlich in interreligiösen Gelehrtenkreisen der muslimischen Welt arabische Übersetzungen und Kommen‑ tare der griechischen Philosophie und Naturwissenschaften kennengelernt und gelesen. Das systematische Lehren und Lernen von Philosophie und Naturwis‑ senschaften auf Hebräisch war hingegen

Wohltätigkeit und Bildung

eine viel spätere, europäische Entwicklung. Die Hinwendung zur Philosophie war im mittelalterlichen Judentum eine komplexe sozial‑ und nicht zuletzt bildungspolitische Entscheidung seitens der Intellektuellen.100 Die Medizin hatte in der mittelalterli‑ chen jüdischen Kultur einen außerordent‑ lichen Status, sowohl als Wissenschaft als auch in der Praxis. Während dieser Zeit la‑ sen Juden überall medizinische Werke auf Arabisch, Latein oder auch auf Hebräisch.101 Der interreligiöse Charakter der Verbrei‑ tung medizinischen Wissens war von An‑ fang an eine Voraussetzung für die Popu‑ larität der medizinischen Praxis unter den Juden im Mittelalter. So gab es etwa schon zu Beginn des 9. Jahrhunderts einen wahr‑ scheinlich jüdischen oder christlichen Arzt am Hof von Hārūn ar‑Rašīd (786–809).102 Die Kooperation zwischen Nestorianern, Jakobiten, Sabäern, Griechisch‑Orthodo‑ xen, Sunniten, Schiiten, Zoroastriern und Juden war ein Ergebnis der Patronage der Medizin am abbasidischen Hof.103 In der Ayyūbidenzeit begannen Muslime jedoch, ḏimmi‑Ärzte aus der medizinischen Praxis und Lehre auszuschließen; 1233 gründeten sie in Damaskus und Bagdad medizinische Medresen, deren Besuch für Nichtmuslime verboten wurde.104 In Altkairo bestand beispielsweise keine jüdische Hochschule für Medizin; jüdische Ärzte erwarben ihre Kenntnisse entweder durch Tutoren und Bücher, also privat, oder in einer musli‑ mischen medizinischen Hochschule, wo sie wahrscheinlich nicht von den musli‑ mischen awqāf für medizinische Bildung gefördert wurden.105 Im Byzantinischen Reich sind im 14. und 15. Jahrhundert jüdische Ärzte auf Kreta106 und Sizilien107 nachgewiesen. Von einem jüdischen medizinischen Unterricht wissen wir aber nichts, nicht einmal in Sizilien, wo unter muslimischer Herrschaft medi‑ zinischer Unterricht eingeführt und die

Juden

ersten Krankenhäuser gegründet wurden. Die Juden haben wahrscheinlich privat bei einem Lehrer und aus Büchern Medizin studiert. Die jüdische Kultur in Spanien folgte der des Orients. So wie man dort arabische profane Geistes‑ und Naturwissenschaften und die vom Griechischen ins Arabische übersetzten Werke sehr hoch schätzte, wurden auch hier die weltlichen Wis‑ senschaften durch Patrone unterstützt.108 Herausragende rabbinische Gelehrte, wie beispielsweise Rosh und Rashba, lehnten die weltlichen Wissenschaften und die Philosophie jedoch eindeutig ab.109 Der arabischen Kultur gelang es dennoch, ins Curriculum der rabbinischen yeshivot ein‑ zudringen, als sie ‚judaisiert‘ wurde. Dies geschah etwa in der Provence, in Lunel und in Narbonne. In dieser Hinsicht ist das Beispiel von Judah ibn Tibbon wichtig, der aus Spanien nach Lunel in der Provence kam und unter dem Mäzenatentum von R. Meshullam wichtige judaeo‑arabische Werke ins Hebräische übersetzt hat. Ju‑ dah ibn Tibbon unterrichtete auch in der yeshivah Meshullams.110 Dieser war nicht nur ein Förderer der Übersetzungstätigkeit der Tibboniden, sondern auch der yeshivah sowie der Studenten, die dort lernten. Aus Benjamins von Tudela Reisebericht wis‑ sen wir, dass auch die Gemeinde in Lunel fremde Studenten unterstüzte, die in der yeshivah von R. Meshullam lernten.111 Offen bleibt die Frage, ob es weitere Unterrichts‑ einrichtungen gab, in denen säkulare Wis‑ senschaften gelehrt wurden. Colette Sirat und Marc Geoffroy haben anhand einer Handschrift aus Modena, die in Saragossa kopiert worden war, nachge‑ wiesen, dass im 14. und 15. Jahrhundert in Spanien, vor allem in Saragossa, als yeshivot bezeichnete jüdische Hochschulen existierten, in denen systematisch nicht

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rabbinische, sondern philosophische und naturwissenschaftliche Disziplinen gelehrt wurden.112 Eine Handschrift des Kommen‑ tars zu Aristoteles’ ‚De anima‘ von Aver‑ roes aus der Region enthält Randkommen‑ tare und Anmerkungen von fünf verschie‑ denen Händen auf Arabisch, jedoch mit hebräischen Buchstaben. Die Kommentare stammen ungefähr aus derselben Zeit, vom Ende des 14. und Anfang des 15. Jahrhun‑ derts; alle sind in Saragossa und Umgebung zu lokalisieren. Die fünf Glossatoren ‚un‑ terhalten‘ sich miteinander, und Sirat und Geoffroy behaupten, dass sie jüdische Leh‑ rer waren, die in ihrem Unterricht versuch‑ ten, Notizen zu machen und Argumente zu entwickeln. Außerordentlich an dieser Handschrift ist, dass sie auf ein reguläres und organisiertes Studium hinweist. Wir haben verschiedene Anzeichen dafür, dass Juden profane Inhalte bei Tutoren studier‑ ten, während die jüdischen Gemeinden tra‑ ditionellen Unterricht organisierten. Dass es auch jüdische Schulen für den Unter‑ richt von weltlichen Studien gab, wissen wir aus der anti‑philosophischen Polemik eines Rabbis, der aus Spanien ausgewie‑ sen wurde. Er nennt diese Hochschulen yeshivot ḥokhmot ḥiṣṣoniyyot, „Lehrhäuser der ‚äußeren Wissenschaften‘“, das heißt der nichtjüdischen. Eine solche Schule war die von R. Abraham b. Shem Tov Bibago (gest. nach 1489) in Saragossa.113 Nach Sirat und Geoffroy sprechen viele Handschrif‑ ten, die dem Modena‑Manuskript ähnlich sind, für eine deutliche Trennung zwi‑ schen profanen und rabbinischen yeshivot im Spanien des 14. und 15. Jahrhunderts. Neben Abraham Bibagos philosophischer yeshivah in Saragossa bestand eine wei‑ tere in Segovia, die 1438 von R. Joseph b. Shem‑Tov und danach, in den Jahren 1482 und 1491, von seinem Sohn geleitet wurde. Eine dritte yeshivah existierte in Agui‑ lar de Campo (1459 und 1471). Eine vierte,

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wahrscheinlich in Spanien oder Portugal, wurde 1485 von Hayyim Manyan geleitet.114 Die Texte, die in diesen yeshivot studiert wurden, waren Averroes’ Kommentare, aber deshalb waren die yeshivah‑Leiter kei‑ ne Apostaten. Das Gegenteil war der Fall: Sie verteidigten sowohl das Judentum als auch die Philosophie. Es ist unbekannt, wie die Finanzierung dieser yeshivot ḥokhmot ḥiṣṣoniyyot funktionierte; Kolophone be‑ zeugen allerdings, dass Studenten regelmä‑ ßig Handschriften kopierten, wahrschein‑ lich gegen Geld. Ein Finanzierungssystem durch Gemeinde‑ und private Stiftungen, wie es im Fall von rabbinischen yeshivot üblich war, können wir mit gutem Recht annehmen. Zur Organisation einer solchen Finanzierung haben wahrscheinlich auch die yeshivah‑Leiter beigetragen. Medizinische Bildung hatte auch in Spa‑ nien, in der Provence und in Italien einen außerordentlichen Status, da der Bedarf an Ärzten immer groß war. Im Laufe des Mittelalters praktizierten in fast allen Städ‑ ten Europas jüdische Ärzte; sie hatten trotz vieler Vorurteile sowohl jüdische als auch nichtjüdische Patienten.115 Gelernt hatten

Wohltätigkeit und Bildung

sie bei Privattutoren, anderen jüdischen oder nichtjüdischen Ärzten oder auch mit‑ hilfe medizinischer Bücher.116 Manchmal lassen sich an lateinischen medizinischen Hochschulen jüdische Studenten der Me‑ dizin nachweisen.117 Wahrscheinlich wa‑ ren aber die jüdischen Studenten nicht an christlichen Stipendien für medizinische Studien beteiligt. In Aschkenas sah das traditionelle Rabbi‑ nat in der griechischen Philosophie und im griechischen naturwissenschaftlichen Denken eine Gefahr für die Studenten. Dementsprechend war Aschkenas die‑ sen gegenüber verschlossen.118 Die Hand‑ schriftenbelege beweisen trotzdem, dass Aschkenas nicht ganz frei von wissen‑ schaftlichen Tätigkeiten war.119 Vor allem medizinische Handschriften wurden ko‑ piert, so dass man behaupten kann, dass der Arztberuf unter Juden dort ebenso verbreitet war wie in anderen Teilen Eu‑ ropas.120 Allerdings fehlen Daten über die Finanzierung des medizinischen Lernens in Aschkenas. EK

Anmerkungen 1  B. Klein, Idealisieren, Neutralisieren, Bekämp‑ 8 Ebd., 68–72. fen (2000), 15; 29; vgl. Grabois, Jude als der Fremde 9 M. Cohen, Foreign Jewish Poor (2003), 54–56; (1992), 38 f.

Ders., Poverty and Charity (2005), 72–108; 109–130; The Voice of the Poor in the Middle Ages. An An‑ thology of Documents from the Cairo Geniza. Ed. Ders. Princeton / Oxford 2005, 44–69; 69–72; Ders., Foundations and Charity (2005), 180. le‑ha‑Nesher ha‑Gadol Moshe bar Maimon zʺl, 7 10  Friedman, Indigent Scholar’s Plea (2009). Bde. Ed. Nahum Trebitsch. Warschau 1881, Bd. 4.2, 11  M. Cohen, Jews in the Mamlūk Environ‑ Buch 7, Mattanot ʿAniyyim, 33a–b, Nr. 10.7 f.; ment (1984), 440; Voice of the Poor. Ed. Ders. (wie B. Klein, Idealisieren, Neutralisieren, Bekämp‑ Anm. 9), 191–198. fen (2000), 27 f. 12  Gil, Jews in Islamic Countries (2004), 582 f.; 6 Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, Starr, Jews (1939, ND 1969). ND 1999), 91–143; Ders., Social Services (1964),7 f. 13  Niehoff-Panagiotidis, Byzantinische Lebens‑ 7 Ashtor, Features (1965), 68. welten (2004), 88–101, bes. 56 f.; Greek Jewish Texts

2 Vgl. bT Bava Batra 8a–9a. 3 Vgl. ebd., 8a–b; Goitein, Social Services (1964), 9. 4  M. Cohen, Geniza Documents (2009), 284, Anm. 4. 5 Vgl. Mishneh Torah Hu ha‑Yad ha‑Hazaqah

Juden

237

from the Cairo Genizah. Ed. Nicholas de Lan- ,Zusätzliche Responsa‘, 497, Nr. 66; vgl. Galinsky, ge. (Texte und Studien zum Antiken Judentum, Public Charity (2010), 91, Anm. 24. Bd. 51.) Tübingen 1996, 165–294, Nr. 15, hier 240 f.; 25 Sheʾelot u‑Teshuvot le‑ha‑Rav Rabbenu Asher. 258 f.; Paul Gautier, La Diataxis de Michel Atta‑ Ed. Grossman (wie Anm. 21), 15, Nr. 13.12. liate, in: REB 39, 1981, 5–143, hier 29, Z. 201; 35, 26 Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot she‑hibber Rabbenu Z. 296; 45, Z. 449; 67, Z. 818 f.; Z. 826; 69, Z. 863; Shlomo ben Adret. Ed. Wolf (wie Anm. 19), Bd. 1, 79, Z. 1010; Z. 1025; 121, Z. 1686. – Die Handschrift 241, Nr. 654; Bd. 3, 171, Nr. 293. des ,Reuel‑Kommentars‘ stammt aus dem 11. oder 27 Ebd., Bd. 1, 242, Nr. 656. 12. Jahrhundert und liegt damit zeitlich nah bei 28 Ebd., Bd. 1, 232, Nr. 617; 242, Nr. 656; 360, dem Nachweis aus dem typikon. Nr. 1156; Bd. 3, 170–174, Nrn. 291; 293 f.; 296; 298. 14  The Itinerary of Benjamin of Tudela. Ed. Mar- 29 Ebd., Bd. 3, 173, Nr. 297: „An den Schieds‑ cus Nathan Adler. London 1907, 13. Jacoby, Foreig‑ gerichtshof in Valencia: Ihr habt mich gefragt: ners (2003), 123–131. Ruben war erkrankt und hatte zwei Söhne und hat 15  Vgl. Ms TS 12.122. Vgl. Golb / Pritsak, Kha‑ über sein Vermögen verfügt und zwei Verwalter zarian Hebrew Documents (1982), 11–15; Lange, über seine Söhne für sein nachgelassenes Ver‑ Byzantium in Cairo Genizah (1992), 38, Nr. 11; mögen ernannt. Er hat den Verwaltern verordnet, Greek Jewish Texts. Ed. Ders. (wie Anm. 13). dass sie [von] seinem Vermögen jedes Jahr am 16  B. Klein, Idealisieren, Neutralisieren, Bekämp‑ Chanukka und Purim den Armen, Waisen und fen (2000), 29; vgl. auch Grabois, Jude als der Frem‑ Witwen heqdesh verteilen (…). Das ist der Text de (1992), 38 f. des Testaments: ‚Ich verfüge weiterhin vor dem 17  Vgl. Hiddushe Ha‑Ri Migash al‑Massekhet Tod, dass die oben genannten Verwalter jedes Bava Batra. Ed. Natan Schriftgisser. Warschau Jahr in der Zeit von Chanukka heqdesh‑Geld den 1883, hier der Kommentar zu bT Bava Batra 102b; Armen, Waisen und Witwen verteilen, gemäß Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 423. ihrer Einsicht ihr ganzes Leben lang. Und da‑ 18  Vgl. Sheʾelot u‑Teshuvot Zikhron Yehudah nach [nach dem Tod der Verwalter] [soll] mein le‑Rabenu Yehudah ben ha‑Rosh. Ed. Avraham Y. Sohn XY [das heqdesh‑Geld verteilen] und danach Ḥavatselet. Jerusalem 2005, 180 f. Für eine engli‑ der Sohn des Sohnes ihrer Söhne, damit nichts sche Übersetzung des Testaments vgl. The Testa‑ von dem heqdesh – weder von dem Land noch ment of Judah Asheri. Ed. Israel Abrahams, Hebrew von den Erträgen – verkauft wird.‘“ Ethical Wills, Bd. 2. Philadelphia 1926, 163–200, 30 Sheʾelot u‑Teshuvot Bar Sheshet hibbero hier 193; vgl. auch Galinsky, Custom (2011), 214 f. ha‑Hakham ha‑Shalem Beno Yiṣḥaq. Ed. Israel 19  Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot she‑hibber ha‑Rav Deiches. Jerusalem 1968, 36, Nr. 167; 159, Nr. 507. ha‑Maor ha‑Gadol Rabbenu Shlomo ben Adret. Ed. Ebd., 142, Nr. 465, heißt es: „Was du noch gefragt Zeev Wolf , Bd. 1–3. Bnei Brak 1958–1971, hier Bd. 3, hast: Wenn ein Jude, ein jüdischer Käufer, einen 219, Nr. 380; J. Cohen, Charitable Contributions jüdischen Verkäufer anklagt und sagt, dass das (2001). Über einen Streit aus dem 12. Jahrhundert Geld, das er von ihm gekauft habe, heqdesh sei, in in einer spanisch‑jüdischen Gemeinde zwischen einer Art, dass man davon den Ertrag jedes Jahr den sehr reichen und mittelreichen Mitgliedern den Armen gebe, aber doch das Kapital ewig blei‑ vgl. auch Assis, Institutions sociales médiévales be, damit man davon [ständig] Ertrag bekomme, (1992), 187. den man den Armen geben soll – ob es erlaubt sei, 20 Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), damit Geschäfte zu machen oder nicht. Antwort: 423–426; 428 f.; Ders., Commemoration and Heq‑ Ich habe über den heqdesh shel ʿaniyyim [Stiftung desch (2005), 192; 201–203. für die Armen] einen Streit unter den inzwischen 21 Sheʾelot u‑Teshuvot le‑ha‑Rav Rabbenu Asher. verstorbenen Gelehrten gesehen, denn Rosh hat Ed. Yehoshua Grossman. New York 1954, 14, Nr. 13.1. es erlaubt, Geld aus dem heqdesh shel ʿaniyyim 22 Ebd., 15, Nr. 13.18. mit nicht festgelegtem Zinsen zu verleihen eben‑ 23 Ebd., 15, Nr. 13.5; Nr. 13.14. so wie das Vermögen der Waisen. (…) Aber mit 24 Sheʾelot u‑Teshuvot le‑ha‑Rav Rabbenu As‑ einem festgelegten Zinsen sei es verboten, Geld her. Ed. Yitzhak Yudlov. Jerusalem 1994, Abschnitt aus dem heqdesh shel ʿaniyyim zu verleihen, wie

238 es auch verboten sei, das Geld der Waisen [in dieser Weise] zu verleihen. Rashba aber hat in einem Responsum geschrieben, dass auch das Verleihen gegen festen Zins dem Gesetz der Ha‑ lacha entspreche.“ 31 Ebd., 38, Nr. 171; 142, Nr. 465; 159, Nr. 507. 32 Und zwar in Fällen, in es um das kettubah‑ Geld einer Witwe geht: Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Meir Crescas. Lemberg 1891, 24 f., Nr. II.151; 42, Nr. II.282; um Schulden des verstorbenen Stifters: Ebd., 24 f., Nr. II.151; 42, Nr. II.282; wenn der Stifter arme Hinterbliebene hatte: Ebd., 30, Nr. III.190; sowie bei Stiftungen von Frauen ohne Erlaubnis des Ehemannes: Ebd., 27, Nr. 156. 33 Gutwirth, Jewish Hospitals (1988), 146. 34 Ebd., 146, Anm. 34; vgl. auch Die Juden im christlichen Spanien. Erster Teil: Urkunden und Regesten, 2 Bde. Ed. Fritz Baer. (Veröffent‑ lichungen der Akademie für die Wissenschaft des Judentums. Historische Sektion, Bd. 4.) Berlin 1929–1936, ND Farnborough (Hampshire) 1970, Bd. 1, 635–637, Nr. 397; eine ausführliche Analyse der gesellschaftlichen Verhältnisse der hispano‑ jüdischen Gemeinden im 15. Jahrhundert bietet Gutwirth, Social tensions (1979), 119–200. ‚Lai‑ enfrömmigkeit‘ und ‚Laien‘ ist für die jüdische Religion eigentlich keine sinnvolle Benennung, da es im mittelalterlichen Judentum kein Äquiva‑ lent zum christlichen ‚priesterlichen‘ Stand gab. Die kohanim (Priester) erbten dieses Amt, und es handelte sich nicht um ein Amt, in das man mittels bestimmter Kriterien eingeweiht werden konnte. Mit der Einführung der Ordination (semikha) zum Erhalt eines Rabbinertitels in der Mitte des 14. Jahrhunderts (was unter anderem auch zur Eröffnung einer eigenen yeshivah be‑ rechtigte) ähnelte der Werdegang zum Rabbiner nunmehr dem Werdegang zum Priester bei den Christen. Trotzdem wurde dieses Amt nie als ein Schild der Heiligkeit oder des außerordent‑ lichen Status für den Träger betrachtet. Einen Unterschied zwischen Heiligen und Laien gab es also weiterhin nicht. Das einzige inhaltliche Merkmal des Rabbiners blieb sein Gelehrsamkeit, die Ordination war dabei eine formale Notwen‑ digkeit zum Ausüben seiner Funktionen in der Gemeinde. 35 Assis, Institutions sociales médiévales (1992), 193; 187.

Wohltätigkeit und Bildung

36 Grabois, Jude als der Fremde (1992), 38 f.; B. Klein, Idealisieren, Neutralisieren, Bekämp‑ fen (2000), 29. 37 Barzen, Was der Arme benötigt (2008), 147. Nach dem Nürnberger Memorbuch galten nur 10–12 % der Stiftungen der Armensorge, während beispielsweise 30–40 % an das örtliche jüdische Krankenhaus (hier auch heqdesh genannt) gingen; vgl. Baumgarten, Practicing Piety (2014), 117–124. 38 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 133. 39 Vgl. ebd., 133; 547, Anm. 37. 40  Baron, Social and Religious History (1958), 404, Anm. 46. 41  F. Baer, Grundlagen (1950). 42  Vgl. Gutwirth, Jewish Hospitals (1988), 140 f. Die Urkunden dokumentieren jüdische Kranken‑ häuser in Perpignan, Gerona, Saragossa, Soria, Mallorca, Buitrago, Sanguesa, Segovia, Lissabon, Toledo, Valencia, Guadalajara, Palencia, Barcelo‑ na und Pamplona, vgl. ebd., 145, Anm. 34. Siehe auch Juden im christlichen Spanien. Ed. Baer (wie Anm. 34), Bd. 2, 429–431, Nr. 390; León Tello, Judíos de Toledo, Bd. 1 (1979), 616–620, Nr. 97, hier 619; Dies., Judíos de Palencia (1965, ND 1985), 20 f.; 54, Nr. 8; Pimenta Ferro, Judeus em Portugal (1970), 38 f.; 322 f., Nr. 75; Assis, Institutions sociales mé‑ diévales (1992), 199–201. 43  Vgl. Gutwirth, Jewish Hospitals (1988), 141 f.; Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Nissim mi‑Gerondi. Ed. Isaak Goldman. Warschau 1882, ND Jerusalem 1972, 51b–52b, Nr. 66; Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yom Tov ben Avraham Asevilli (ha‑Ritvʺa). Ed. Joseph D. Qāfiḥ. Jerusalem 1959, ND 2008, 27 f., Nr. 34; 191–194, Nr. 161. Ran ist R. Nissim Gerondi (1320–1376) und Ritba ist Yom Tov b. Abraham Ishbili (1250–1330). 44  Vgl. Castaño, Social Networks (1997); Nuevos documentos hebraico‑aljamiados de Aragón (I): Fragmentos de un registro contable de pagos de la aljama de Tarazona. Ed. Javier Castaño, in: Sefarad 64, 2004, 315–340. 45  Vgl. ebd., 332, Nr. 13; 334, Nr. 15; 336, Nr. 26. Die Frage ist, inwieweit casa del almosna mit der zeitgenössischen christlichen Institution von almoina (‚Almosenhaus‘, ‚Armenhaus‘) parallelisiert werden kann. In beiden Institutionen wurde den ansässigen Armen regelmäßig Essen ausgeteilt, den fremden Armen wurde Unterkunft gestellt.

Juden

46  Vgl. Barzen, Was der Arme benötigt (2008),

148; Sefer Ḥasidim. Ed. Judah Wistinetski. Ber‑ lin 1891, ND Frankfurt a. M. 1924, 213, Nr. 845; 224, Nr. 903; Yuval, Hospices (1990), 125 f.; Barzen / Escher-Apsner / Multrus, Religiös motivierte Barmherzigkeit (2004). 47  Vgl. Barzen, Was der Arme benötigt (2008), 149; Sefer Ḥasidim. Ed. Wistinetski (wie Anm. 46), 371 f., Nr. 1529; Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Ya‑ cob Weil. Ed. Israel Wolf . Jerusalem 1959, 33b– 38a, Nr. 41. 48  Vgl. Aronius, Regesten zur Geschichte der Juden (1902, ND 1970), 168–170, Nr. 381; Barzen, Was der Arme benötigt (2008), 149; Baas, Jüdische Hospitäler (1913), 454; Gutwirth, Jewish Hospitals (1988), 141. 49  Vgl. Barzen, Was der Arme benötigt (2008), 149; Haverkamp, Geschichte der Juden, Bd. 2 (2002), 182; 394; 27; 183; 260; Germania Judaica, Bd. 2.1. Hrsg. v. Zvi Avneri. Tübingen 1968, 426; 33; Bd. 2.2, 931; 602; siehe des Weiteren Baron, Jewish Commu‑ nity, Bd. 2 (1942), 328 f.; Brisch, Geschichte der Juden in Cöln (1879); Baas, Jüdische Hospitäler (1913), 455. 50 Vgl. Barzen, Was der Arme benötigt (2008), 149 f. mit Anm. 74 f. 51 Vgl. Baumgarten, Practicing Piety (2014), 117–124; Barzen, Nürnberger Memorbuch (2011). 52 Vgl. Yuval, Hospices (1990), 126; 128; Barzen, Was der Arme benötigt (2008), 151 f. 53 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 1 (1967, ND 1999), 327–330. 54 Vgl. ebd., Bd. 2 (1971, ND 1999), 137 f. 55 Vgl. ebd., Bd. 5 (1988, ND 1999), 373–376; 612, Anm. 69; 71 f. 56 Vgl. ebd., Bd. 2 (1971, ND 1999), 507 f., Appen‑ dix C135. In jedem Fall handelte es sich bei dieser Summe nicht um einen außergewöhnlich kleinen Betrag. Mein Dank gilt Prof. Johannes Pahlitzsch, der mich darauf hinwies, dass der Preis für den Freikauf eines Gefangenen in den byzantinischen Quellen zwischen 10 und 30 Dinar lag. 57 Vgl. ebd., 481 f., Appendix C29 f.; Mann, Texts and Studies, Bd. 1 (1931, ND 1972), 366–370. 58 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 5 (1988, ND 1999), 457; 462 f. Goitein verweist da‑ rauf, dass Schwierigkeiten bei Sammlungen in Spanien auftraten. 59 Vgl. D. Assaf , Medieval Jewish Communi‑ ties (1985).

239 60 R. Joseph Bonfils an die Gemeinde von Sens, 11. Jahrhundert: Friedman, Charity Begins at Home (2007), 63 f.; Agus, Urban Civilization, Bd. 1 (1965), 174 f.; R. Simḥa von Speyer, um 1200: Emanuel, Responsa von Weisen Deutschlands (2000), 16, Nr. 1; R. Meir b. Baruch von Rothenburg: Vgl. Friedman, Charity Begins at Home (2007), 66; Se‑ fer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Moses Bloch. Budapest 1895, 6, Nr. 39; Perush Mordechai al‑ Ketubbot. (Talmud Bavli, Shas Nehardea, Bd. 8.) Jerusalem 2008, 608b–609a (hebräische Num‑ merierung 24b–25a), Nr. 288; R. Jakob Tam aus Frankreich, 12. Jahrhundert: Teshuvot u‑Psaqim me‑et‑Hakhme Ashkenaz u‑Sarfat. Ed. Ephraim Kupfer. Jerusalem 1973, 172 f., Nr. 109. 61 Vgl. Friedman, Charity Begins at Home (2007), 66; Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Moses Bloch. Budapest 1895, 132, Nr. 540. 62 Vgl. Gil, Dhimmi Donations (1984), 171; Elkan Nathan Adler Collection of Jewish Manuscripts 2804, fr. 8, 1.14; Mann, Jews in Egypt, Bd. 2 (1920, ND 1970), 179 f. 63 Vgl. Sheʾelot u‑Teshuvot Bar Sheshet hibbero ha‑Hakham ha‑Shalem Beno Yiṣḥaq. Ed. Deiches (wie Anm. 30), 159, Nr. 508; David, Sheluḥei Ereẓ Israel (2007), 449. 64 Vgl. Assis, Institutions sociales médiévales (1992), 215. 65 Vgl. David, Sheluḥei Ereẓ Israel (2007), 449. 66 Vgl. ebd. 67 Vgl. für rabbinische Quellen zu sheluḥe Ereṣ Israel: jT Hor 3.7; jT Pes 4.8; jT Ḥag 1.8; jT Ned 10.08. 68 Vgl. David, Sheluḥei Ereẓ Israel (2007), 446– 449. Zu den Spenden und Zustiftungen vgl. auch Anm. 51. 69 Vgl. Megillat Ahimaaz. Ed. Benjamin Klar. Jerusalem 1944, ND 1973, 18 f. 70 Vgl. Goitein, Social Services (1964), 7, Anm. 18. 71 Vgl. Gil, Dhimmi Donations (1984), 168, Anm. 43; Cambridge, University Library, Orien‑ tal Manuscripts 1080 J 4, II. 9–14; TS 13 J 33, fr. 6. 72 Vgl. Gil, Dhimmi Donations (1984), 166–172; Ders., History of Palestine (1992), 601–609; Kaplony, Manifestations of Private Piety (2004), 43 f. 73 Vgl. Documents of the Jewish Pious Fou‑ dations From the Cairo Geniza. Ed. und übers. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Institute, Tel Aviv University, Bd. 12.) Leiden 1976, 116; M. Cohen, Poverty and Charity (2005), 81.

240

Wohltätigkeit und Bildung

74 Vgl. Gil, Dhimmi Donations (1984), 169. 300 Dinar gestiftet [heqdesh gemacht] und [das 75 Vgl. ebd., 171; Kaplony, Manifestations of Pri‑ Geld] in meine Hand gegeben. Und so hat Ruben, vate Piety (2004), 43.

der Stifter, gesagt: ‚Ich gebe 300 Dinar für Talmud

76 Vgl. Yuval, Almosen aus Nürnberg (1981), Torah [das Thorastudium], damit man ihre Erträge

186 f.; Baumgarten, Practicing Piety (2014), 117–124. [die Erträge der Stiftung] jedes Jahr dafür verteilt.‘ – Das jährliche Gehalt eines einfachen Arbeiters Aber er hat nicht bestimmt, ob man davon Land in Nürnberg zu dieser Zeit betrug 27 Goldmünzen. kaufen oder das Geld gegen Zinsen ausleihen soll, 77 Vgl. S. Assaf , Yeshivot (2007); bT Ket 105a; oder ob man damit Handel treiben oder was man bT Qid 58; bT Bek 29a. damit [sonst] machen soll. Und er hat mich zum 78 Vgl. S. Assaf , Yeshivot (2007); Ben-Sasson, Verwalter ernannt. Und jetzt ist das Kapital in meiner Hand. Und ich finde kein Landgut, das Varieties (1992). 79 Vgl. Bonfil, Myth, Rhetoric, History (1989). sich lohnen würde zu kaufen. Und ich fürchte, 80 Vgl. Gil, Babylonian Yeshivot (1991). das Geld gegen Zinsen auszuleihen, damit nicht 81 Vgl. Mishneh Torah Moshe bar Maimon. Ed. ein großer Verlust entstehe. Vielleicht wäre es Trebitsch (wie Anm. 5), Bd. 1, Hilkhot Talmud erlaubt, das Kapital dem Gemeindefonds [quppat Torah, 20a–b, Nr. 3.9. ha-ṣibbur] auszuleihen, so dass davon jedes Jahr 82 Vgl. Kanarfogel, Jewish Education (1992), 30. der Ertrag dem Talmud Torah auszuzahlen sei.“) 83 Vgl. ebd., 47; 145, Anm. 32. 85 Vgl. [Quellen zur Geschichte Medinacelis.] 84 Itinerary of Benjamin of Tudela. Ed. Adler Ed. Antonio Paz y Mélia. (Series de los mas im‑ (wie Anm. 16), 3 f. Vgl. Kanarfogel, Jewish Educa‑ portantes documentos del archivo y biblioteca tion (1992), 52 f. mit 151, Anm. 63–67; Sefer Sheʾelot del exmo. Señor Duque de Medinaceli. 1a Serie u‑Teshuvot she‑hibber Rabbenu Shlomo ben Adret. Histórica.) Madrid 1915, 33–36, Nr. 29, hier 33; Ed. Wolf (wie Anm. 19), Bd. 1, 136a–137b, Nr. 386; S. Assaf , Sources (1931), 61. Sheʾelot u‑Teshuvot le‑ha‑Rav Rabbenu Asher. Ed. 86 Vgl. Rubió y Lluch, Documents, Bd. 2 (1921), Grossman (wie Anm. 21), 6, Nr. 3.13: ‫ ראובן צוה מחמת‬123; S. Assaf , Sources (1931), 62. ‫ מיתה והקדיש בצוואתו כרם אחד להקדש אשקלונה )…( ויהיו‬87 Vgl. Rubió y Lluch, Documents, Bd. 1 (1908), ‫ פירותיו לשכר מלמדי תינוקות ולקנות בהם ספרים שילמדו‬88; S. Assaf , Sources (1931), 61. (…) ‫ בהם‬. („Ruben hat von Todes wegen verfügt 88 Vgl. Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Nissim mi‑ und in seinem Testament dem heqdesh in Esca‑ Gerondi. Ed. Goldman (wie Anm. 43), 58a–59b, lona [bei Toledo in Kastilien] einen Weingarten Nr. 75; S. Assaf , Sources (1931), 61; 73 f. Ran ist gestiftet. Die Erträge sollen für den Lohn der Rabbi Nissim Gerondi (1320–1376). Kinderlehrer und den Kauf von Büchern aufge‑ 89 Vgl. Assis, Jewish Elementary Education (1999). wendet werden.“) Der Ortsname ‫ אשקלונה‬kann 90 Vgl. Kanarfogel, Jewish Education (1992), 42– auch als Aschkelon gelesen werden, so Ben-Yehuda, 46; Ders., Compensation (1989). Complete Dictionary, Bd. 3 (1912, ND 1980), 1171. 91 Vgl. Kanarfogel, Jewish Education (1992), 58; zu Galinsky (pers. Auskunft) ist der Meinung, dass Elementarbildung in Aschkenas: Fischer, Chapters es sich um Escalona handelt, wo eine bedeutende (2002); Ders., Elementary School‑Teacher (1993– jüdische Gemeinde bestand. 1994); Ders., Elementary School‑Teaching (1999); Sefer Sheʾelot u‑teshuvot ha‑Rashba, Bd. 4. Ed. Ders., Teaching (1995). Rafael ha-Levi. Piotrków Trybunalski 1813, ND Je‑ 92 Vgl. Kanarfogel, Jewish Education (1992), 50; rusalem 1960, Teil 5, 54 f., Nr. 249: ‫ ראובן הקדיש שלש‬147 f., Anm. 49. ‫ אני נותן‬:‫ וכן אמר ראובן המקדיש‬.‫ מאות דינרין ומסר לידי‬93 Vgl. M. Breuer, Ashkenazic Yeshivah (1967), ‫ שלש מאות דינרין לתלמוד תורה שיתחלקו פירותיהם בכל‬11 f.; Sefer Ḥasidim. Ed. Wistinetski (wie Anm. 46), ‫ ולא פירש האם ילקחו בהם קרקע‬.‫ שנה ושנה לתלמוד תורה‬361, Nr. 1495; 227, Nr. 919; 316, Nr. 1283; 327 f., Nr. 1327; ‫ ועשאני‬.‫ או יתעסקו בהם ברבית או בסחורה או מה יעשה מהם‬193, Nr. 765; 196 f., Nr. 778 f.; 360, Nr. 1493; 218, Nr. 874. ‫ ואינני מוצא קרקע‬.‫ ועתה הקרן הנה הוא בידי‬.‫ גזנר עליהם‬94 Vgl. Kanarfogel, Jewish Education (1992), 50 f.; ‫ ולהלוותם ברבית ירא אנכי פן יהיה בהם‬,‫ מעלה שכר לקנותו‬149, Anm. 56. ‫ ]…[ או אם מותר להלוותם לקופת‬.‫ הפסד מרובה לפי הזמן‬95 Zur zweiten Rezension des ‚Ḥuqqe ha-Torah‘ ‫ הציבור והם יעלו שכר בכל שנה ושנה לת״ת‬. („Ruben hat vgl. Golb, Jews in Medieval Normandy (1998), 179;

Juden

Ders., Nature et destination (1981); Kanarfogel, Monastic‑Like Setting (2001). 96 Vgl. Golb, Jews in Medieval Normandy (1998), 179. 97 Vgl. Güdemann, Geschichte des Erziehungs‑ wesens (1880, ND 1966), 92–106; Jacobs, Jews of Angevin England (1893), 343 f. Es gibt drei ver‑ schiedene Rezensionen, A, B und C. Die verschie‑ denen Teile des Werkes erscheinen manchmal in allen Rezensionen. 98 Vgl. für wandernde Studenten in früheren Perioden in Aschkenas Kanarfogel, Jewish Edu‑ cation (1992), 49; 147 f., Anm. 49. 99 Vgl. M. Breuer, Ashkenazic Ordination (1968); Ders., Ashkenazic Yeshivah (1967); Ders., Wander‑ ings (1989); Ders., History of the Yeshivot (1999); Kanarfogel, Jewish Education (1992), 58. 100  Vgl. Visi, Philosophy (2010). 101  Vgl. Langermann, Medical Manuscripts from Moscow (1993/1994); Ders., Medical Manuscripts from St. Petersburg (1998/1999). 102  Vgl. Langermann, From My Notebooks (2004). 103  Vgl. Northrup, Al‑Bīmāristān al‑Manṣūrī (2013, ND 2014), 6; Lewicka, Medicine for Muslims (2012), 6 f.; 22 f. 104  Vgl. ebd., 5 f. 105  Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 133. 106  Vgl. Jacoby, Jewish Doctors (1989). 107  Vgl. Shatzmiller, Jewish Physicians in Sicily (1995). Die erste Lizenzierung (Genehmigung) für Ärzte wurde in Europa in Sizilien unter König Roger II. (1092–1154) erteilt. Shatzmiller behandelt in seinem Artikel einen jüdischen Arzt, Mosse de Buonavogla aus Messina, der an europäischen medizinischen Fakultäten studiert hatte (unter anderem in Padua). 108  Es gab zwei Modelle der Patronage: Das ers‑ te bestand in der Unterstützung eines Gelehrten an seinem Ort durch einen ständigen Förderer (z. B. Judah ibn Tibbon in Lunel von R. Meshullam),

241 das zweite betraf den wandernden Gelehrten, der ständig einen neuen Mäzen suchte (z. B. Abraham ibn Ezra). Vgl. Freudenthal, Abraham Ibn Ezra (2013); Ders., Causes and Reasons (2012). 109  Vgl. Sheʾelot u‑Teshuvot le‑ha‑Rav Rabbenu Asher. Ed. Grossman (wie Anm. 21), 52 f., Nr. 55.9; zu Rashbas ḥerem (‚Bann‘) von Maimonides’ Leh‑ ren: Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot she‑hibber Rabbenu Shlomo ben Adret. Ed. Wolf (wie Anm. 19), Bd. 1, 152–154, Nrn. 415 f. 110  Vgl. Freudenthal, Arabic and Latin Cultu‑ res (2011); Ders., Arabic into Hebrew (2012); Ders., Causes and Reasons (2012); Ders., Sciences (1993); Ders., Father (2013); Ders., Abraham Ibn Ezra (2013). 111  Vgl. Itinerary of Benjamin of Tudela. Ed. Adler (wie Anm. 16), 3 f.: „The students that come from distant lands to learn the Law are taught, boarded, lodged and clothed by the congregation, so long as they attend the house of study. The com‑ munity has wise, understanding and saintly men of great benevolence, who lend a helping hand to all their brethren both far and near.“ 112  Gemeint ist Modena, Biblioteca Estense α J. 6. 23 – vgl. Sirat / Geoffroy, Modena Manuscript (2006). 113  Vgl. J. Hacker, Intellectual Character (1983). 114  Vgl. Riegler, Yeshivot in Spain (1997). 115  Vgl. Shatzmiller, Doctors’ Fees (1984); Ders., Jewish Physicians in Sicily (1995). 116  Vgl. Shatzmiller, Livres médicaux (1980). 117  Vgl. Shatzmiller, Etudiants juifs (1992); Ders., Becoming a Jewish doctor (1983); Ders., Faculté de médecine (2004); Ders., Expérience universitaire méconnue (1974); Ders., Expérience universitaire rénouvelée (1985). 118  Vgl. M. Breuer, Keep Your Sons Away (1978). 119  Vgl. Langermann, Science (2009). 120  Vgl. Shatzmiller, Doctors and Medical Prac‑ tice (1982); Ders., Doctors and Medical Practices (1983).

242

Wohltätigkeit und Bildung

9.5 Griechisch-orthodoxe Christen 9.5.1 Allgemeines Nach den Stiftervorschriften oder typika hat die überwiegende Mehrheit der by‑ zantinischen Klöster, die die geläufigs‑ te Form der griechisch‑orthodoxen Stif‑ tung waren, Wohltätigkeit betrieben.1 Am Tor eines Klosters wurden Lebensmittel (hauptsächlich Brot, aber auch Gemüse und sogar Wein) sowie abgelegte Kleidung (Tuniken und Schuhe) an die ‚Armen‘ ge‑ spendet – unter denen man verschiedene Arten von Bedürftigen sowie wandernde Bettelmönche verstand.2 (→ 12.5) Stifter leisteten außerdem an Todes‑ und Feierta‑ gen größere Spenden.3 Die Bedeutung von Almosen für das Seelenheil des Stifters zeigen Anekdoten aus der byzantinischen apokryphen und hagiographischen Litera‑ tur. (→ 3.5.2) Liturgisches Gedenken war danach eng mit Wohltätigkeit verbunden; griechisch‑orthodoxe Stifter konnten das eigene Seelenheil durch beides sichern.4 Um die Mildtätigkeit griechisch‑ortho‑ doxer Stiftungen zu würdigen, muss man auch die institutionelle Wohltätigkeit von Kirche und Staat in den Blick nehmen;5 Privatleute und Institutionen betrieben wohltätige Anstalten und arbeiteten mit Stiftungen verschiedener Art eng zusam‑ men. Obwohl man nicht unbedingt von einer Verstaatlichung sprechen muss, ist doch unverkennbar, dass besonders die am besten belegten der sogenannten piae causae – Stiftungen zur Hilfe einer bestimmten Gruppe von Bedürftigen (→ 3.5.2) – im Mittelalter quasistaatlichen Charakter an‑ nahmen. Staat und Stiftung im Bereich der Wohltätigkeit streng zu unterschei‑ den, ist in Byzanz weder sinnvoll noch in den meisten Fällen möglich.6 Die genaue

Bedeutung einer Stiftung unter ‚staatlicher‘ bzw. kaiserlicher Aufsicht ist anderswo in der Enzyklopädie behandelt. (→ 13.5.3) Die Förderung von Bildung und Wissen wurde in Byzanz in der Regel nicht als eine gottgefällige Tat angesehen, so dass sie auch nicht als eine Stiftermotivation vorkommt. Aber das bedeutet nicht, dass die Vermittlung weltlichen Wissens grund‑ sätzlich abgelehnt worden wäre. Bereits im 4. Jahrhundert plädierte Basileios von Kaisareia für die Nützlichkeit der Lektü‑ re heidnischer Literatur.7 Es war keines‑ wegs ungewöhnlich unter byzantinischen Gelehrten, die stilistischen Stärken und Schwächen heidnischer und christlicher Autoren zu vergleichen; dies tat beispiels‑ weise der Universalgelehrte Michael Psel‑ los.8 Die genauen Gründe für das Desinter‑ esse an der Förderung von Bildung durch Stiftungen sind in der Forschung bislang nicht eingehend untersucht worden; eine weitere Durchdringung des Themas würde sich lohnen. Obwohl Bildung und Wissen in Byzanz sonst gut erforscht sind, fehlen hier klare Antworten, abgesehen von der Frage, ob es echte Universitäten gegeben habe, die mit denen im Westen vergleichbar sind. 9.5.2 Wohltätigkeit: Begriff und Entwicklung Antik-heidnische Wurzeln der byzantinischen Wohltätigkeit Das deutsche Wort ‚Wohltätigkeit‘ ist die bevorzugte Übersetzung eines christlichen Begriffs, der im Lateinischen caritas und im Griechischen philanthrōpia (φιλανθρωπία)

Griechisch-orthodoxe Christen

lautet. Im byzantinischen Griechischen hat‑ te aber philanthrōpia einen weiteren Um‑ fang als das lateinische Pendant caritas; sie bezeichnete nämlich neben Wohltaten auch ein wichtiges Element der byzantinischen politischen Lehre und Herrscher ideologie. Kaiserliche philanthrōpia konnte kirchliche und staatliche Aspekte umfassen sowie in Bezug auf Stiftungen gebraucht werden. Im Allgemeinen kann man für das Wort philanthrōpia vier Bedeutungsebenen un‑ terscheiden: (1.) Einen philosophischen und theologischen Oberbegriff; (2.) eine politi‑ sche Eigenschaft; (3.) Wohltaten an Bedürf‑ tige; (4.) institutionalisierte philanthrōpia, also Philanthropie im heutigen Sinn.9 Der byzantinische Begriff philanthrōpia wurzelt also in der heidnischen Antike und nimmt dann christliche Gehalte auf.10 Die frühesten Belege für das Adjektiv philanthrōpos beziehen sich auf Gotthei‑ ten; in der Tragödie beschreibt Aischylos den Diebstahl des Feuers durch Prome‑ theus, der dafür leiden muss, weil er eine „menschenfreundliche Art“ (φιλάνθρωπος τρόπος) hatte.11 Die göttliche Natur der philanthrōpia vorausgesetzt, ist es über‑ haupt nicht verwunderlich, dass der Be‑ griff auch im Königsideal der vergöttlich‑ ten hellenistischen Herrscher auftaucht.12 Bereits in Xenophons hagiographischer Beschreibung Kyrosʼ des Großen wird be‑ richtet, dass der persische Herrscher im‑ mer danach gestrebt habe, philanthrōpia zu zeigen.13 Philanthrōpia nahm also auch einen politischen Sinn an; im ptolemä‑ ischen Ägypten waren to philanthrōpon (τὸ φιλάνθρωπον) bzw. ta philanthrōpa (τὰ φιλάνθρωπα) kaiserliche Gnadenerweise, normalerweise eine Amnestie. Interessan‑ terweise kommt das Wort zumindest ein‑ mal im Stiftungskontext vor; eine ägypti‑ sche Tempelstiftung aus dem Jahr 18 v. u. Z. wird als „die offenbare Wohltätigkeit“ (τὸ δηλού[με]νον φιλάνθρωπον) bezeichnet.14

243

Philanthrōpia bedeutete in der antiken Welt, sowohl bei den Griechen als auch bei den Römern, Gastfreundschaft und Großzügigkeit gegenüber den Bedürftigen, soweit sie Mitbürger waren; es ging also immer nur um Staatsbürger derselben poli‑ tischen Einheit oder Stadt. Ein spätantiker Stifter wurde als philopatris („einer, der die eigene Stadt liebt“), und niemals als philoptōchos („einer, der die Armen liebt“) gelobt.15 Vor diesem Hintergrund stellt die christliche Caritas einen epochalen Ein‑ schnitt in der Geschichte der Fürsorge dar. (→ 4.5.2) Die Historikerin Judith Herrin hat den Unterschied gegenüber der heid‑ nischen Wohltätigkeit folgendermaßen zusammengefasst: „In distinction to the pagan, who used the occasion for an os‑ tentatious display of wealth, seeking high‑ er status and greater patriotic and civic honor through benevolence, the Christian stressed the desire for future salvation, forgiveness of sins, and life everlasting in the world to come.“16 Im frühen Christen‑ tum wurde aber für ‚Wohltätigkeit‘ noch nicht das Wort philanthrōpia gebraucht, sondern agapē ([Nächsten‑]Liebe). Paulus rechnet im ersten Brief an die Korinther (13.4–8) die Eigenschaften der Wohltätig‑ keit der agapē und nicht der philanthrōpia zu; in der Luther‑Übersetzung heißt es: „Die Liebe [Ἡ ἀγάπη] ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht“. Obgleich agapē also von den frühesten griechischen Kirchenvätern bevorzugt gebraucht wurde, gewann philanthrōpia stetig an Bedeutung. Die alexandrinischen Theologen Clemens (um 150 bis vor 215) und Origenes (um 185 bis 254) stehen dafür exemplarisch.17 Institutionalisierung griechisch-orthodoxer Wohltätigkeit Die Geschichte der Wohltätigkeit im grie‑ chisch‑orthodoxen Stiftungswesen ist im Großen und Ganzen eine Geschichte der

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fortschreitenden Institutionalisierung. Den Umrissen dieser Entwicklung ist bisher keine genauere Untersuchung gewidmet worden, jedoch darf man zwei Phasen un‑ terscheiden: nämlich (1.) eine Verstaatli‑ chung von wohltätigen Aufgaben und (2.) eine ‚Vermönchung‘ der Caritas, haupt‑ sächlich durch eine Verlagerung der Für‑ sorge in die Klöster (ungefähr nach dem Jahr 1000 u. Z.). Der Mangel einer klaren Trennung zwischen Kirche, Staat und Pri‑ vatem führte dann dazu, dass griechisch‑ orthodoxe Stiftungen von Eigenarten dieser drei Träger der Caritas geprägt wurden.18 (1.) Staatliche Wohltätigkeit war sicher kei‑ ne byzantinische Erfindung, weil schon der römische Staat auf entsprechende Weise soziale Fürsorge betrieben hatte, vor al‑ lem durch die annona civica, die jährliche Getreidespende. Der byzantinische Staat praktizierte seine viel umfangreichere so‑ ziale Fürsorge nicht durch massive Ausga‑ ben wie die annona civica, sondern durch die Stiftung und Erhaltung wohltätiger Anstalten. Entscheidend für die Geschichte der Wohltätigkeit in griechisch‑orthodo‑ xen Stiftungen war die zunehmende Rolle des Kaisers und des Staates. Diese ersetzten ältere antike Formen öffentlicher Wohltä‑ tigkeit mit der Förderung von piae causae. Bereits in der Regierungszeit Justins II. (565–578) wurde die annona civica gegen Bezahlung und nicht mehr gratis, wie es früher der Fall gewesen war, jedem Staats‑ bürger in Konstantinopel ausgegeben (oder noch früher in der ehemaligen Hauptstadt Rom). Endgültig wurde sie während der Regierungszeit des Herakleios (610–641) abgeschafft; gleichzeitig aber gewannen die Leiter der konstantinopolitanischen piae causae stark an politischer Bedeutung. Vier Patriarchen dieser Zeit (Sergios I., Pe‑ ter, Johannes V. und Thomas II.) waren ehemalige Leiter von (wohl kirchlichen)

Wohltätigkeit und Bildung

Armenhäusern und Pflegeheimen. Diese Tatsache unterstreicht die endgültige Er‑ setzung des antiken durch das christliche Modell staatlicher Wohltätigkeit.19 Für die Geschichte der Wohltätigkeit durch griechisch‑orthodoxe Stiftungen wurde die Übernahme der philanthrōpia in den normativen Bestand des Kaiserideals wichtig.20 Eusebios von Kaisareia (260–339 / 340) verwandte in seiner ‚Vita Constantini‘, der hagiographischen Beschreibung des ersten pro‑christlichen Kaisers Konstan‑ tin des Großen (306–337), das Wort nicht weniger als 26 Mal; dadurch wurde das kaiserliche Amt mit den Eigenschaften eines christlichen Anführers bzw. mit bi‑ schöflichen Eigenschaften versehen.21 Eine Betonung der philanthrōpia als Qualität des idealen Kaisers liegt auch im berühm‑ testen byzantinischen Fürstenspiegel vor, während der Regierungszeit Justinians ge‑ schrieben von einem gewissen Agapetos, Diakon der Hagia Sophia in Konstantino‑ pel. Nach Agapetos war der Kaiser gegen seine Feinde mit Waffengewalt siegreich, agierte aber seinen Untertanen gegenüber mit „waffenloser Liebe“ (aoplō agapē): „Die Art eurer Regierung wird zu Recht hoch‑ geschätzt, denn den Feinden zeigt sie ihre Macht, den Untertanen aber läßt sie Men‑ schenfreundlichkeit [philanthrōpia] zuteil‑ werden. Siegreich gegen jene mit Waffen‑ gewalt, läßt sie sich von der waffenlosen Liebe der eigenen Leute besiegen. Denn wie groß der Unterschied zwischen einer Bestie und einem Lamm ist, so groß sieht sie den Unterschied zwischen Feind und Freund.“22 Durch diesen Fürstenspiegel beeinflusst, betrachteten dann nicht nur byzantinische, sondern auch russische Kaiser Wohltätigkeit als grundlegendes Regierungsprinzip.23 Staatliche Fürsorge schloss auch den Be‑ trieb wohltätiger Anstalten ein. Herrscher wie Konstantin I. und Justinian I. stifteten

Griechisch-orthodoxe Christen

solche Institute mit großer Begeisterung.24 Der Kaiser Basileios I. (867–886) gründete oder erneuerte ungefähr einhundert wohl‑ tätige Anstalten und Klöster allein in der Hauptstadt.25 Diese langfristige und um‑ fassende kaiserliche Unterstützung wohltä‑ tiger Anstalten führte schließlich zu einer starken Verbindung zwischen dem Staat und den piae causae. Spätestens Ende des 9. Jahrhunderts waren ihre Leiter staatliche Beamte, ihre Güter wurden von staatlichen Aufsehern verwaltet und ihre Vermögen hatten die Privilegien eines staatlichen Gutes.26 Ranglisten von mittelbyzantini‑ schen Beamten schlossen die verschiede‑ nen Leiter von Spitälern (xenodochoi) ein.27 Obwohl eine umfassende Geschichte der caritativen Tätigkeiten der griechisch‑or‑ thodoxen Kirche hier nicht vorzulegen ist, muss die Rolle der Kirche für Wohltätigkeit und Stiftungswesen andeutungsweise dar‑ gestellt werden.28 Zur Zeit Konstantins des Großen übernahm die Kirche mit der Un‑ terstützung des Staates Aufgaben sozialer Wohlfahrt und sorgte für Arme, Sklaven, Kinder, Gefangene, Frauen und andere an den Rand der Gesellschaft Gedrängte.29 Schon damals wurde der Kirche von Kon‑ stantinopel der Auftrag gegeben, Beerdi‑ gungen für die Armen aus Steuern von 950 Werkstätten zu besorgen. Diese Zahl wurde von Kaiser Anastasios I. (491–518) auf 1 100 erhöht und in dieser Dimension durch die Kaiser Justinian I. (527–565) und Leon VI. (886–912) bestätigt.30

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wohltätige Stiftungen immer stärker an Klöster gebunden, statt eigene Institutio‑ nen auszubilden.31 Es gab vielleicht verein‑ zelt Ausnahmen: etwa das (nicht klöster‑ liche) Orphanotropheion von Zotikos, das von Kaiser Alexios I. Komnenos (1081–1118) neu gegründet wurde, das aber nicht ohne Einschränkungen als Stiftung bezeichnet werden kann. Schließlich beschreiben die (sämtlich sekundären) Quellen, die von dieser Institution berichten, diese als ein staatliches Ministerium (sekreton).32 Der ge‑ mischte Charakter des Orphanotropheions lässt aber keine klare Klassifizierung nach modernen Kategorien wie privat, kirchlich oder staatlich zu.33 Exemplarisch für die skizzierte his‑ torische Abfolge ist die Geschichte des Sampson‑Spitals (xenōn, ξενών), einer der berühmten wohltätigen Anstalten in der Hauptstadt.34 Obwohl uns glaubwürdige Angaben über den Ursprung des Spitals fehlen, war Sampson selbst wahrscheinlich ein heiliger Arzt, der in Konstantinopel von ca. 350 an tätig war und vor dem Jahr 380 starb. Nach dem Nika‑Aufstand im Jah‑ re 532 ließ Kaiser Justinian I. das zerstörte Spital viel größer wieder aufbauen; ferner soll er nach späteren Quellen Zustiftungen getätigt haben. Zugleich privilegierte der Kaiser das Sampson‑Spital mit den glei‑ chen Vorrechten wie die Kathedralkirche der Hauptstadt; der Leiter des Spitals, der xenodochos (ξενοδόχος), war auch für die Bestattung der Armen sowie für andere piae causae in der Hauptstadt verantwort‑ (2.) Die Stiftung rein wohltätiger Anstalten lich. Die katastrophale Eroberung Kon‑ oder piae causae, in denen es hauptsäch‑ stantinopels im Jahr 1204 während des lich um die Pflege von Bedürftigen ging Vierten Kreuzzuges bedeutete das Ende und die nicht einem Kloster untergeordnet des Spitals; es wurde dem Templerorden wurden, war eher ein spätantikes als ein übergeben. Einige Urkunden aus der Zeit mittelalterliches Phänomen. Byzantinische nach 1204 betreffen vermutlich ehemalige piae causae wurden im Laufe des frühen Güter des Sampson‑Spitals entlang des Mä‑ Mittelalters unter die Aufsicht des Staates ander‑Flusses im westlichen Kleinasien; die gestellt. Gleichzeitig oder später wurden Terminologie für diese Güter (episkepsis)

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zeigt, dass sie wahrscheinlich kaiserli‑ ches bzw. Staatseigentum gewesen waren.35 Nach der byzantinischen Wiedereroberung der Stadt wird dann ein Sampson‑Kloster erwähnt, das vielleicht auf dem Gelände des früheren Spitals neu gegründet wor‑ den war. Die komplizierte Geschichte des Sampson‑Spitals steht hier exemplarisch für die angesprochene Institutionalisie‑ rung von Wohltätigkeit: Zuerst war die Stiftung eine private Anstalt, wurde später zum Teil verstaatlicht und wohl nach 1261 als Kloster neu geschaffen. Den monasti‑ schen Charakter griechisch‑orthodoxer Wohltätigkeit belegen auch zwei andere große mittelbyzantinische Stiftungen im Rahmen von Klosterkomplexen, die des Spitals des Georg von Mangana durch Konstantin IX. Monomachos (1042–1055) und die des Pantokrator durch Johannes II. Komnenos (1118–1143). 9.5.3 Formen der Wohltätigkeit Wie bereits erwähnt, entwickelten die By‑ zantiner sehr früh eine ausdifferenzierte Typologie von wohltätigen Anstalten nach der Art von Bedürftigen (Alten, Armen, Kranken, Waisen, Witwen usw.). Auch nach den Formen der Wohltätigkeit lässt sich eine Typologie aufweisen: (1.) Beher‑ bergung; (2.) medizinische Pflege; (3.) dau‑ erhafte Heimversorgung für Bedürftige (Alte, Arme, Waisen und Witwen); (4.) Ver‑ teilung von Spenden; (5.) andere Ausgaben (etwa für den Freikauf von Gefangenen, die Unterstützung von Konvertierten). (1.) Die vorherrschende monastische Prä‑ gung der überlieferten Quellen führt dazu, dass auch unsere Vorstellung von byzan‑ tinischer Wohltätigkeit eine starke klös‑ terliche Prägung erhalten hat. Die vor‑ rangige Art klösterlicher Wohltätigkeit

Wohltätigkeit und Bildung

war die Gastfreundschaft. Nach der syri‑ schen monastischen Tradition wurde sogar von einem weit abgeschieden lebenden Anachoreten erwartet, dass er Besucher gastfreundlich beherberge; eine populäre Geschichte, die vielleicht aus dem 5. Jahr‑ hundert stammt, handelt beispielsweise von einem schlecht gekleideten Besucher eines Klosters, der aber ein frommer und heiliger Mann war.36 Die Bedeutung der Geschichte für den Leser war klar: Unge‑ achtet ihres Aussehens musste jeder Mönch oder Einsiedler alle Besucher mit großer Gastfreundschaft aufnehmen. Die Funk‑ tion von Klöstern als Herbergen wurde im syrischen Mönchtum früh rechtlich festgelegt, wie zwei Kanones einer Synode des Jahres 585 zeigen. Der zehnte Kanon erlaubte, Klöster zu stiften, um Besucher unterzubringen, und der elfte schränkte ein, dass das Vermögen eines Klosters groß genug sein müsse, um diese Aufgabe zu erfüllen.37 Darüber hinaus musste nach einer ostsyrischen Kanonessammlung aus dem frühen 5. Jahrhundert jedes Dorf auch eine Herberge betreiben.38 Auch in der byzantinischen Welt im engeren geographischen Sinne war klöster‑ liche Gastfreundschaft selbstverständlich. Sogar in streng asketischem Milieu findet man diesbezüglich Vorschriften. Athana‑ sios Athonites (925 / 930–1001) verlangte von den Mönchen der von ihm gegrün‑ deten Laura, dass sie die in der Herberge überwinternden Menschen mit Lebens‑ mitteln versorgten; selbst wenn das Ver‑ mögen des Klosters nur aus einem modios (Getreidemaß) bestehe, dürfe die Pflicht der Gastfreundschaft (philoxenia) nicht ver‑ nachlässigt werden.39 Um Besucher und Pilger zu bewirten, betrieben viele Klös‑ ter eine Herberge oder ein xenodocheion.40 Herbergen wurden zur geläufigsten Form der pia causa; bis zum Jahr 843 sind in den byzantinischen Provinzen 59 von ihnen

Griechisch-orthodoxe Christen

nachgewiesen.41 Die Verpflichtung zur Gastfreundschaft erstreckte sich auch über ‚konfessionelle‘ Grenzen hinweg: In seinem in der zweiten Hälfte des 11. Jahrhunderts geschriebenen typikon für das Kloster der Mutter Gottes vom Granatapfel erlaubte der Mönch und Kanonist Nikon vom Schwar‑ zen Berge selbst ‚ketzerischen‘ Franken den Aufenthalt in der Herberge des Klosters, besonders falls sie krank seien.42 Syrischen Quellen zufolge war die Gründung von Klöstern mit der Funk‑ tion von Herbergen für Reisende in be‑ sonders trostlosen Einöden entlang ge‑ läufiger Reiserouten nicht selten.43 Dieses Motiv ist in Byzanz nicht überliefert; wohl haben spätantike Kaiser wie Justinian I. die Pilgerfahrt ins heilige Land durch die Stiftung von piae causae unterstützt, aber eine Klostergründung ausschließlich für die Beherbergung von Reisenden war in Byzanz nicht bekannt.44 (2.) Die ersten byzantinischen Hospitäler oder xenōnes (ξενώνες) erschienen um das Jahr 350 in der östlichen Hälfte des Rö‑ mischen Kaiserreichs.45 Fraglich ist aber, inwiefern hier medizinische Pflege ver‑ gleichbar mit modernen Krankenhäusern geleistet wurde. Timothy Miller behauptet, „the Byzantine xenones represent not only the first public institutions to offer medical care to the sick, but also the mainstream of hospital development throughout the Middle Ages, from which both the Latin West and the Moslem East adopted their facilities for the ill.“46 Andererseits haben Millers Kritiker aufgezeigt, dass dieser sei‑ ne These von einem hochentwickelten Ni‑ veau byzantinischer Krankensorge zu sehr auf einem außergewöhnlichen Beispiel, nämlich dem Pantokrator‑xenōn, aufbaut.47 Die Frage kann im Rahmen dieses Artikels nicht näher erörtert werden, aber es liegt nahe, anzunehmen, dass der mutmaßlich

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hohe Standard medizinischer Pflege in den staatlichen xenōnes der Hauptstadt bei der Mehrzahl dieser Einrichtungen nicht an‑ genommen werden kann. Das am besten belegte byzantinische Hospital ist aber in der Tat der Pantokrator‑ xenōn als Teil eines größeren Klosterkom‑ plexes; der Stifter, Kaiser Johannes II. Kom‑ nenos (1118–1143), ging in seinem typikon ausführlich auf das xenōn ein.48 Insgesamt enthielt es fünf Abteilungen (ordinoi, wört‑ lich ‚Reihen‘) mit insgesamt 50 Betten; eine Abteilung mit zehn Betten für Verletzun‑ gen und Knochenbrüche; eine mit acht Betten für Augenleiden sowie innere und akute Krankheiten; zwei Abteilungen für einfache Krankheiten, je zehn Betten; und schließlich eine mit zwölf Betten für kran‑ ke Frauen. Die vier Abteilungen für männ‑ liche Patienten hatten je zwei Ärzte, fünf medizinische Helfer und zwei Diener; eine Ärztin, sechs medizinische Helferinnen und zwei Dienerinnen halfen den beiden für die weibliche Abteilung verantwortli‑ chen Ärzten. Das typikon verrät nur wenig über die genaue Art der medizinischen Pflege, die den Patienten zuteil wurde; auf jeden Fall wurden diese regelmäßig gebadet und erhielten eine reichhaltige vegetarische Ernährung, die Berechnun‑ gen zufolge etwa 3 300 Kilokalorien am Tag lieferte.49 Inwiefern medizinische Pflege den Stif‑ termotiven der Wohltätigkeit entsprach, lässt sich jenseits von Gründungsakten (typika) quellenmäßig kaum beantwor‑ ten. In der Forschung wird angenommen, dass byzantinische Spitäler regelmäßige Schenkungen inter vivos sowie Erbschaf‑ ten erhielten, aber diese These bleibt ur‑ kundlich fast unbeweisbar.50 Eine auffäl‑ lige Ausnahme ist ein leider undatiertes Testament, in dem der Erblasser, ein Mönch, dem Kloster des Heiligen Georg von Man‑ gana elf Bücher und dessen Krankenhaus

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(nosokomeion) zwölf hyperpyra‑Münzen für Zucker und Olivenöl vermachte.51 Dem‑ nach liegt es nahe, dass Hospitäler auch nach der Gründung weitere Zustiftungen erhielten. (3.) Neben Hospitälern, die bis zu einem be‑ stimmten Grad medizinische Pflege anbo‑ ten, stifteten griechisch‑orthodoxe Wohl‑ täter eine ganze Reihe anderer Anstalten. Die früheste davon war das Armenhaus (ptōcheion oder ptōchotropheion). Leider ist die Quellenlage für byzantinische Armen‑ häuser aber vergleichsweise schlecht, so dass wir nur wenig darüber wissen, wie diese Einrichtungen funktionierten.52 Der berühmte Wohltätigkeitskomplex des Ba‑ sileios von Kaisareia, die ‚Basileias‘, wurde von diesem als ein ptōchotropheion bezeich‑ net; leider fehlen uns genaue Angaben über die Aktivitäten in diesem Armenhaus.53 Die Fürsorgetätigkeit des einzigen in den typika erwähnten Armenhauses, näm‑ lich desjenigen des Michael Attaleiates in Rhaidestos, entsprach den Aufgaben griechisch‑orthodoxer Klöster. Attaleiates benutzte die Einkünfte des Armenhauses hauptsächlich dazu, liturgisches Gedenken durch andere Klöster zu sichern; die Mön‑ che dieser Gemeinschaften erhielten näm‑ lich jährlich bestimmte Summen, wenn sie seinen Namen in ihre Diptychen ein‑ trugen.54 Attaleiates sah auch vor, in dem Armenhaus eine Art Herberge (kyklion) für Pilger und andere Reisende bauen zu lassen; diese war bei der Abfassung des typikon (1077) noch nicht erbaut. Die Ein‑ wohner der Herberge wurden wöchentlich mit zwei annonikoi modioi Brot und einem Maß Wein versorgt.55 Größere Wohltaten wurden indes für den Jahrestag seines Todes vorgeschrieben, an denen zwölf alte, behinderte und bedürftige Brüder in Chris‑ tus je eine Goldmünze (nomisma) und sechs annonikoi modioi Brot bekommen sollten.56

Wohltätigkeit und Bildung

Ein Altenheim (gērokomeion) dürfte sich in vielen Fällen nicht von einem Armen‑ haus unterschieden haben.57 Allerdings sind überhaupt bis zum Jahr 843 nur zehn solcher Heime belegt.58 Gut bezeugt sind zwei Stiftungen der kaiserlichen Komne‑ nos‑Familie aus dem 12. Jahrhundert, die eine im Pantokrator‑Komplex, die andere im Kosmosoteira‑Kloster. Aber als massive, mit der kaiserlichen Familie verbundene Stiftungen mit großen Vermögen sind sie wohl nicht repräsentativ für ein byzanti‑ nisches Altenheim. Ganz zufällig wurden in den 1980er Jahren bei Bauarbeiten im Westen der ehemaligen lydischen Stadt Philadelphia in der heutigen Türkei zwei Inschriftenfragmente gefunden, die ein ‚Stifter‘‑typikon für ein Kloster mit Pflege‑ heim aus dem letzten Viertel des 10. Jahr‑ hunderts bieten.59 Die Entdeckung eines dritten Fragments im Jahr 2000 ermöglicht eine noch bessere Rekonstruktion der ur‑ sprünglichen Inschrift.60 Im Kloster Ta derma sollten nach den Vorschriften des Stifters Nikephoros Erotikos zwölf Mönche, zwölf Alte und vier medizinische Helfer (therapontes) leben. Obwohl die Inschrift sehr knapp gehalten ist, kann dieses Klos‑ ter als typisches Beispiel für ein byzanti‑ nisches Pflegeheim gelten. Schließlich gab es auch seltenere Arten wohltätiger Anstalten, nämlich Gebur‑ tenstationen (lochokomeia), Leprosorien (lōbokomeia) und Badehäuser für Lepröse sowie Waisenhäuser (orphanotropheia) und Blindenheime (typhlokomeia). Über diese Institutionen sind uns nur dürftige Anga‑ ben überliefert. Ein Leprosorium war mit dem Pantokrator‑Klosterkomplex verbun‑ den, aber es befand sich weit entfernt von dem Klostergelände neben dem Myrelaion des Romanos I. Lekapenos.61 Wie es genau funktionierte, ist dem typikon nicht zu ent‑ nehmen und auch anderswo nicht bezeugt; wir erfahren nur, dass Leprakranke im

Griechisch-orthodoxe Christen

Unterschied zu den anderen Patienten des Pantokrator nicht zum Kirchgang gezwun‑ gen wurden, um der Stifter zu gedenken. Die Funktionsweise von Waisenhäu‑ sern ist, mit der auffälligen Ausnahme des Orphanotropheion des Zotikos, schwierig zu bestimmen. Es scheint aber plausibel, dass nicht nur orphanotropheia, sondern auch andere piae causae sowie Klöster und Kirchen Waisen aufnahmen. Der ikono‑ klastische Kaiser Leon III. (717–741) schrieb in seinem 741 erlassenen Gesetzbuch, der ‚Eklogē‘, vor, dass „fromme Häuser“ (euageis oikoi) – unter ihnen das Orphanotropheion des Zotikos und Kirchen – die Vormund‑ schaft von Waisen in der Hauptstadt Kon‑ stantinopel übernehmen sollten; in den Provinzen sollten dies die Bischofsresi‑ denzen, Klöster und Kirchen tun.62 Nach einer ergänzenden Bearbeitung der ‚Eklogē‘ wurde der Leiter des Orphanotropheions des Zotikos, der sogenannte orphanotrophos, beauftragt, Vormunde für die Waisen zu finden.63 Ein Trostbrief des klösterlichen Refor‑ mers Theodor Stoudites (759–826) an zwei im heutigen Bursa wohnende Schwestern ermöglicht einen kurzen Blick auf ein mit‑ telbyzantinisches Waisenhaus. Theodor erwähnt eine solche Anstalt, in der de‑ ren gerade verstorbene Bruder Moschos durch sein Vermächtnis vierzig Waisen zu versorgen befohlen hatte. Seine bei‑ den Schwestern sollten das Gleiche für 40 weitere Waisen tun; Mädchen sollten auch mit Mitgiften und Jungen mit Erbgütern versehen werden.64 Obwohl die Unterstützung von 80 Kin‑ dern kaum eine kleine Aufgabe war, wurde diese Wohltätigkeit von der Tätigkeit der angesehenen piae causae des Reiches in den Schatten gestellt; so wurde das Or‑ phanotropheion des Zotikos mit der Vor‑ mundschaft für alle Waisen der Haupt‑ stadt beauftragt.65 Wie das Sampson‑Spital

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existierte auch das erwähnte Orphano‑ tropheion im Laufe seiner Geschichte mit verschiedenen Graden der Abhängigkeit von Staat und Kirche. Zu seinen Aufgaben gehörte nicht nur die Unterbringung von Waisen, sondern auch deren Erziehung, da‑ runter in Musik, christlicher Lehre, Lesen, Schreiben und, nach der Neugründung des Waisenhauses durch Kaiser Alexios I. Kom‑ nenos, auch Rhetorik und Grammatik.66 (4.) Die am besten belegte Form von Wohl‑ tätigkeit, die griechisch‑orthodoxe Stiftun‑ gen vermittelten, waren Gegengaben für das Gebetsgedenken. Arme oder Mitglieder der klösterlichen Gemeinschaften erhiel‑ ten zu diesem Zweck am Jahrtag des To‑ des des Stifters eine in seinem Testament oder typikon vorgeschriebene Menge von Lebensmitteln, Wein oder Geld. Als erhellende Beispiele hierfür stehen uns die verschiedenen Urkunden der geor‑ gischen Pakourianos‑Familie zur Verfü‑ gung. In seinem typikon für das Petritzos‑ Kloster im heutigen Bačkovo (Bulgarien) schrieb der Stifter Gregor Pakourianos 1083 vor, dass am Anniversar seines Todestages 72 Goldmünzen (also ein Pfund Gold ins‑ gesamt) unter den „Brüdern in Christus“ (wahrscheinlich den Mönchen, evtl. ein‑ geschlossen aber auch Bedürftige) verteilt werden sollten; ihnen sollte auch ein reich mit Essen und Getränken gedeckter Tisch dargeboten werden. Sie sollten eine wei‑ tere Summe von 24 Goldmünzen erhalten, wenn sie die Messe zu seinem Gedenken besuchten.67 An diesem Tag sollte auch die Hälfte des Klostereinkommens unter den Mönchen, den Armen und den ver‑ schiedenen Arbeitern auf den klösterli‑ chen Gütern verteilt werden.68 Symbatios Pakourianos, wohl ein Verwandter von Gregor, veranlasste in seinem Testament von 1090 eine ganze Reihe von Wohltaten; seine männlichen Sklaven sollten Kleider,

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Bettwäsche, pekoulia 69, Tiere, Waffen und 20 Bronzemünzen (pholleis) bekommen; für die Unterstützung der Armen sollten 12 Pfund trachea‑Münzen und 3 chiliades Getreide ausgegeben werden; eine wei‑ tere Summe von 6 prōtocharaga‑Münzen waren für Männer bestimmt, die früher seine Sklaven gewesen waren.70 Im Jahr 1098 verfasste die Witwe des Symbatios, Kale Pakouriane, die den monastischen Namen Maria angenommen hatte, ihr ei‑ genes Testament. Danach sollte ein Jahr lang nach ihrem Tod jedem ihrer Abhän‑ gigen (jung oder alt, Mann oder Frau, frei oder unfrei) Getreide und Wein von dem, was am Tag ihres Todes auf dem Gut vor‑ handen war, gegeben werden, dazu zwei Schweine und zwei Schafe; der Rest wurde für die Armen reserviert. Um ihre Memo‑ rialgebete abzusichern, wurden alle Steu‑ ern ihrer Bauern (paroikoi) für ein Jahr vorausbezahlt.71 Interessanterweise wollte Kale‑Maria aus den Einkünften des Gutes Radolibous noch ein Gedenken für ihren verstorbenen Mann Symbatios finanzie‑ ren; die Abwesenheit solcher Ausgaben in dessen eigenem Testament lässt sich vielleicht durch die Tatsache seines vor‑ zeitigen Todes erklären. Die Witwe gab dem Iberer‑Kloster auf dem Berg Athos ihr Gut Radolibous mit der Bestimmung, am Anniversar ihres Mannes sowie ih‑ rem eigenen Todestag einhundert modioi Weizen, zehn Schafe und einhundert Maß Wein auszugeben.72 Seltener als Aufgaben, die mit Gedenken verbunden waren, aber ebenso geläufig in den typika waren tägliche wohltätige Ga‑ ben am Tor eines Klosters. Dem typikon des Michael Attaleiates zufolge sollte an jedem Sonntag jedem Armen vor seinem Kloster in Konstantinopel ein großer modios Brot ausgeteilt werden; sechs eigens bestimmte Arme sollten Brot sowie Fleisch, Käse, ge‑ trocknetes oder gekochtes Gemüse und vier

Wohltätigkeit und Bildung

Bronzemünzen (pholleis) im Refektorium erhalten. Dazu sollten 18 Bedürftige (Wit‑ wen oder alte Männer) je zwölf annonikoi modioi Weizen bekommen.73 (5.) Obwohl im byzantinischen und römi‑ schen Recht der Freikauf von Gefangenen als eine Art der Stiftung genannt ist, ist er urkundlich nicht belegt. Nur indirek‑ te Belege für diese Praxis lassen sich in den Akten des pontischen Bazelon‑Klos‑ ters finden. Regelmäßige Entführungen durch Turkmenen belegt das vergleichs‑ weise häufige Vorkommen des Familien‑ namens Aichmalotos (‚Gefangener‘) in der dortigen Region Matsouka. Einige Dotatio‑ nen an dieses Kloster setzen voraus, dass Gefangene nicht heimkehren würden und deren Erbe frei verfügbar war.74 Aber die Freikäufe hier wie auch in anderen Fällen scheinen vielmehr als Geldsammlungen und nicht als Stiftungen organisiert ge‑ wesen zu sein. In den bekannten Quellen ist nur ein einziger Fall der wohltätigen Unterstüt‑ zung von Konvertiten überliefert, näm‑ lich im typikon des Kosmosoteira‑Klosters (verfasst 1152). Der Stifter Isaak Komnenos versprach den beiden vom Judentum zum Christentum übergetretenen Personen Ale‑ xios und Irene – wahrscheinlich hatten sie in der Taufe diese Namen nach den Eltern des Stifters gewählt – lebenslange Stipendien. Irene bekam drei modioi Getrei‑ de monatlich sowie 15 trachea-nomismata‑ Münzen und einen Mantel jährlich. Vor‑ ausgesetzt, dass er bei Irene bleibe, sollte Alexios monatlich 2 modioi Getreide und zwei Maß Wein sowie zwei hyperpyranomismata‑Münzen jährlich erhalten.75 Mit dieser Art von Wohltätigkeit verwandt ist die Unterbringung von Häretikern zur ‚Be‑ kehrung‘ oder von ‚gefallenen‘ Frauen zur ‚Besserung‘; Klöster für solche Gruppen sind für die Spätantike bezeugt.76

Griechisch-orthodoxe Christen

9.5.4 Bildung Bildung und Wissensvermittlung wur‑ den nicht als eine pia causa betrachtet; vielmehr waren sie Privatangelegenheit. Bildung war normalerweise auch auf die Elite begrenzt. Die Erziehung von nicht der Führungsschicht angehörenden Kin‑ dern in den Klosterschulen des lateinischen Mönchtums hatte in Byzanz kaum eine Entsprechung, sodass diese Erscheinung hier eigentlich erst in die Zeit der osma‑ nischen Herrschaft gehört. Verglichen mit westlichen Kloster‑ und Stiftsschulen spiel‑ ten Stiftungen mit dem Zweck der weltli‑ chen Kindererziehung in Byzanz überhaupt eine sehr geringe Rolle.77 Wenn nicht von Laien oder einzelnen Geistlichen, wurden Schulen bisweilen doch vom Staat und der Kirche (besonders im späten Byzanz) als Institutionen gefördert.78 Besonders von asketischen Klostergemeinschaften wur‑ de die Präsenz von Kindern im Kloster sogar als Gefahr empfunden, weil Kna‑ ben als sexuelle Versuchung betrachtet wurden.79 Selbst in Klöstern, in denen die Erziehung von Kindern geduldet wurde, war das Curriculum manchmal recht be‑ grenzt. Einen Extremfall stellt der aske‑ tische Gemeindegründer Athanasios von den Meteora dar, der in seinem typikon vorschrieb, dass „Kinder kein weltliches Wissen [kosmika grammata] erwerben sol‑ len“.80 Die untergeordnete Rolle von Klos‑ terschulen in Byzanz ist umso auffälliger, wenn man die allgemein große kulturelle Bedeutung griechisch‑orthodoxer Klöster berücksichtigt. Außerhalb von Klöstern gab es jedoch durchaus einen Schulbetrieb. Die Tätig‑ keit einer typischen byzantinischen Schule beschreiben die 122 überlieferten Briefe eines anonymen Lehrers in Konstantino‑ pel aus dem zweiten und dritten Jahrzehnt des 10. Jahrhunderts.81 Der Verfasser (er

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bezeichnet sich meist als didaskalos, ‚Leh‑ rer‘) betrieb eine Schule, in der er selbst nur die fortgeschrittenen Klassen unterrichtete, während sich die älteren Studenten (ekkritoi und epistatai) den Anfängern widmeten. Die Schüler stammten ausschließlich aus Familien der Elite, also aus der Schicht staatlicher und (öfter) kirchlicher Beam‑ ter. Die Schulgebühren wurden oft verspä‑ tet entrichtet, so dass sich der anonyme Lehrer in seinen Briefen häufig beklagte, dass er zu wenig verdiene oder sogar ohne Sold unterrichten müsse. Privatschulen wie diese boten eine allgemeine Ausbil‑ dung (enkyklios paideia) an, die Schüler für Karrieren in Kirche und Staat vorbe‑ reiteten; in Byzanz gab es keine getrennte Ausbildung für kirchliche und weltliche Beamte.82 Doch finanzierten sich solche Häuser aus Lehrgeld und wurden auf ei‑ gene Kosten betrieben; Stiftungen spielten dabei keine Rolle. Hier können wenige Ausnahmen auf‑ gezeigt werden, nämlich (1.) eine im Jahr 1047 gegründete Rechtsschule, (2.) eine Stif‑ tung für die Ausbildung von Priestern im typikon von Gregor Pakourianos, (3.) eine Stiftung für einen Medizinlehrer und (4.) Buchstiftungen. (1.) Obwohl der byzantinische Staat kein umfassendes Bildungssystem betrieb, för‑ derte der Kaiser doch ab und zu staatliche Lehrstellen. Theodosios II. gründete im Jahr 425 eine Schule in Konstantinopel, die in der älteren Literatur manchmal als eine ‚Universität‘ bezeichnet wurde; sie umfasste 31 ‚Lehrstühle‘.83 Der Fort‑ bestand dieser Schule ist zweifelhaft. Bis zum 11. Jahrhundert gibt es kein vergleich‑ bares Zeugnis einer staatlichen Tätigkeit im Bildungsbereich.84 Anfang des 12. Jahr‑ hunderts trat die einzige byzantinische hö‑ here Schule hervor, die eine institutionelle Dauerhaftigkeit besaß: die Akademie des

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Patriarchats.85 In keinem dieser Fälle kann jedoch von einer Stiftung die Rede sein. Zur Zeit des Kaisers Konstantin IX. Mo‑ nomachos entstanden zwei neue Schulen. Eine davon wurde von einem „Leiter der Philosophen“ (hypatos tōn philosophōn), nämlich Michael Psellos, geführt.86 His‑ toriker haben lange Zeit die zweite akade‑ mische Gründung dieses Kaisers, nämlich die Rechtsschule, als universitätsgleiche Einrichtung betrachtet, doch haben dies Autoren in jüngerer Zeit abgelehnt.87 Nach den geläufigen Kriterien der Mediävistik, denen zufolge eine Universität eine Ge‑ nossenschaft des Studiums gewesen ist, gibt es kein überzeugendes Argument dafür, diese Rechtsschule als Universität zu begreifen. Relevanter ist hier jedoch die Frage, ob sie als Stiftung anzusehen ist.88 Nahezu alle unsere Kenntnisse über sie beruhen auf der sogenannten ‚Novel‑ la constitutio‘, die höchstwahrscheinlich von Johannes Mauropous (dem späteren Bischof von Euchaïta) geschrieben wurde und die Kaiser Konstantin IX. im März 1047 als Gründungsurkunde ausfertigen ließ.89 Nach einführenden Bemerkungen, in denen die chaotische Lage des Rechts‑ unterrichts beklagt und die Notwendigkeit einer Reform erläutert werden, kündigt der Kaiser die Schaffung des neuen ‚Lehr‑ stuhles‘ (prosedria) für den nomophylax didaskalos (‚Hüter und Lehrer des Rechts‘) an. Dieser sollte ein jährliches Stipendium (rhoga) von vier Goldpfund, purpurn ge‑ färbte Seide, einen vergoldeten Stab und einige Zuschüsse (sitēresia) bekommen90 und konnte benötigte Bücher aus der kai‑ serlichen Bibliothek entleihen.91 Er sollte dafür eine Rechtsschule auf dem Gelände der Kirche des Georg von Mangana be‑ treiben und Studenten ungeachtet ihrer sozialen Herkunft gratis unterrichten.92 Die Rechtsschule besaß die hauptsächli‑ che Eigenschaft der Stiftungen dieser Zeit,

Wohltätigkeit und Bildung

nämlich in einem Kloster etabliert worden zu sein. In der Tat war die Kirche des Georg von Mangana das Zentrum eines Kloster‑ komplexes, der auch einen Palast und ein Spital sowie das Grab von Konstantin IX. selbst barg.93 Im Gegensatz zum Pantokra‑ tor ist das typikon für das Mangana‑Kloster aber nicht überliefert, sodass wir nichts über das genaue Verhältnis zwischen der Rechtsschule und dem Kloster wissen. Die Vermutung liegt nahe, dass hier der sonst nie bezeugte Versuch gemacht wur‑ de, Schulen als eine weitere Kategorie von Stiftungen innerhalb der griechisch‑ortho‑ doxen Stiftungskultur einzuführen.94 Die ursprüngliche Funktion des nomophylax didaskalos ging aber schnell verloren, so dass in späteren Jahrhunderten nomopylakes didaskaloi kirchliche und staatliche Beamte wurden. Die Schule selbst wurde nach dem Weggang des ersten nomophylax didaskalos, des späteren Patriarchen Johannes VIII. Xiphilinos (1064–1075), nicht weiter betrieben. (2.) Innerhalb eines halben Jahrhunderts nach der Gründung der Rechtsschule wur‑ de indessen eine andere Bildungseinrich‑ tung gegründet, die eindeutig eine Stiftung war und zu der auch ein typikon überliefert ist. Gregor Pakourianos schrieb nämlich in seinem Stiftungsdokument für das Pe‑ tritzos‑Kloster vor, dass in dem Nikolas‑ Kloster, einem abhängigen Kloster inner‑ halb des größeren Stiftungsvermögens, ein alter Priester sein Stipendium (rhoga) und sonstige Leistungen vom Petritzos‑Kloster erhalten sollte, wofür er sechs Jungen in den heiligen Schriften zu unterrichten und sie als Priestermönche auszubilden hatte. Während ihrer Ausbildung wurden die Schüler aus dem Stiftungsvermögen un‑ terstützt; sie sollten nach der Ausbildung einen Platz als Mönch im Petritzos‑Kloster erhalten. Diese Stiftung diente auch der

Griechisch-orthodoxe Christen

Stiftermemoria: Der alte Priestermönch sollte jede Woche an drei verschiedenen Tagen Gedenkmessen für verstorbene Ver‑ wandte des Stifters (seinen Vater, Onkel und Bruder) feiern.95 Die Einzigartigkeit dieser Stiftung ist extrem auffällig; es gibt keine Hinweise auf ähnliche Stiftungen in den erhalte‑ nen typika oder, soweit bekannt, in der byzantinischen Überlieferung überhaupt. Jedoch ist diese Tatsache nicht so ver‑ wunderlich, wenn wir uns erinnern, dass das Petritzos‑Kloster kein griechisches, sondern ein georgisches Kloster war und nach dem ausdrücklichen Verbot des Stif‑ ters überhaupt keine griechischen Mön‑ che oder Priester in das Kloster eintreten durften.96 Die Stiftung wurde zum Vor‑ bild für die spätere georgische Kloster‑ akademie von Gelati, die von König David dem Erneuerer gegründet wurde.97 Solche Klosterakademien, die eine Erfindung der Ostchristen waren, sowie die Entwicklung des Berufs des geweihten Lehrermönchs für solche Schulen haben keine Parallele in Byzanz. Die Lehrermönche – in der armenischen Tradition mit dem Namen vardapet (վարդապետ) bezeichnet, in der syrischen mit malfānā – vermittelten ne‑ ben theologischem auch weltliches Wis‑ sen.98 Anthony Bryer hat mit Bezug auf das Schulwesen auf die Ähnlichkeiten

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zwischen dem nachbyzantinischen und dem armenischen Mönchtum hingewiesen, denn in beiden Kulturen konnten Klöster erst nach der ‚Entstaatlichung‘ des Bil‑ dungswesens Schulen betreiben, in Ar‑ menien noch etwas früher als in Byzanz.99 (3.) Das Pantokrator‑typikon enthält schließlich eine Stiftung für einen Medi‑ zinlehrer. Dieser sollte ein Gehalt von acht Goldmünzen, ein Lebensmittelstipendium von einer Goldmünze, 50 modioi Getreide, 60 modioi Gerste und 1 000 Heuhaufen erhalten. Er sollte „die Kinder der Ärzte des Spitals“ (τοὺς παῖδας τῶν ἰατρῶν τοῦ ξενῶνος) medizinisches Wissen (τὰ τῆς ἰατρικῆς ἐπιστήμης) lehren.100 Die Behaup‑ tung, dass medizinische Lehre auch im spätbyzantinischen Kral‑xenōn in Konstan‑ tinopel existiert habe, ist zweifelhaft.101 (4.) Auch Buchstiftungen fallen unter die Kategorie der Bildungsstiftungen. In der Regel wurden sie mit dem Gedenken an den Stifter verbunden; Kolophone aus Hand‑ schriften schließen die Bitte ein, dass der Leser für den Stifter beten soll.102 Es lässt sich vermuten, dass Bücher, die Klöstern oder Kirchen vermacht wurden, normaler‑ weise dort verbleiben mussten.103 (→ 6.5.5) ZC

Anmerkungen 1  Constantelos, Byzantine Philanthropy (1991),

burden on the income of most late Byzantine 75–88; Ders., Poverty, Society and Philanthro‑ monasteries. Philanthropy was not the busi‑ py (1992), 93–101; Volk, Gesundheitswesen ness of a Byzantine monastery (and education und Wohltätigkeit (1983), 271–280. Vor diesem even less so)“. Hintergrund fällt die interessante, aber kon‑ 2 R. Jordan, Greek Monastic Charity (2007), 38 f. troverse These von Anthony Bryer aus dem 3 Ebd., 39 f. wissenschaftlichen Konsens. Vgl. Bryer, Late 4  Ebd., 47 f. Byzantine Monastery (1979, ND 1980), 227: „We 5 Zur Wohltätigkeit der byzantinischen Kir‑ can at least discount charity as a significant che und des Staates vgl. Constantelos, Byzantine

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Wohltätigkeit und Bildung

Philanthropy (1991), 43–73; 89–103; Ders., Poverty, (Etaireia philōn tou laou. Kentron ereunēs By‑ Society and Philanthropy (1992), 69–92. zantiou, Bd. 4.) Athen 1995, 38, Z. 7–11. 6 Herrin, Bread and Circuses (2013), 283: „While 23 Zur Rezeption des Fürstenspiegels des Agape‑ personal foundations accounted for a good many tos siehe Ševčenko, Agapetus East and West (1985). charitable institutions, it was probably imperial 24 Herrin, Bread and Circuses (2013), 280 f.; Thosupport that guaranteed their survival for cen‑ mas, Private Religious Foundations (1987), 44–46. turies (…). The combination of private and public 25 Theophanes Continuatus. Ed. Immanuel Bekfunding provided the most successful and lasting ker. (CSHB 33.) Bonn 1839, 339. model for Byzantine charity.“ 26 Oikonomidès, Évolution (1976, ND 1992), 138–141. 7 Saint Basil on the Value of Greek Literature. 27 Vgl. etwa Le traité de philothée (899). Ed. Ed. N. G. Wilson. London 1975. und übers. Nicholas Oikonomidès, Les listes de 8 Wilson, Scholars of Byzantium (1996), 166–172. préséance byzantines des IXe et Xe siècles. Paris 9 Nach Constantelos, Byzantine Philanthropy 1972, 65–235, hier 123. (1991), 13. 28 Zur caritativen Tätigkeit der Kirche von By‑ 10  Constantelos, Byzantine Philanthropy (1991), zanz vgl. Constantelos, Byzantine Philanthropy 3–9, hat seine früheren Ansichten aus der ers‑ (1991), 45–73; Herrin, Bread and Circuses (2013); ten Auf lage seines Buches von 1968 in der Dies., Ideals of Charity (1990, ND 2013). Für das zweiten von 1991 stark geändert; jetzt betont späte Byzanz vgl. Constantelos, Poverty, Society er stärker die antiken griechischen Wurzeln and Philanthropy (1992), 69–92. von philanthrōpia. Die maßgebliche philolo‑ 29 Constantelos, Byzantine Philanthropy (1991), 47. gische Untersuchung der Wortgeschichte von 30 Iustiniani Novellae. Ed. Rudolfus Schoell / philanthrōpia in der Antike und in Byzanz bietet Guilelmus Kroll. (CIC 3.) Dublin / Zürich 101972, Hunger, Φιλανθρωπία (1963). 269–273, Nr. 44 (vom Jahr 536); Les novelles de 11  Ebd., 2. Léon VI le Sage. Ed. und übers. P. Noailles / A. 12  Schubart, Hellenistisches Königsideal (1937), Dain. Paris 1944, 51, Nr. 12; vgl. Herrin, Bread and Circuses (2013), 278. 10 f. 13  Farber, Cyropaedia and Hellenistic Kingship 31 Zum abweichenden Votum von Bryer siehe oben Anm. 1. (1979), 509; Hunger, Φιλανθρωπία (1963), 4. 14  Aegyptische Urkunden aus den Koenigli‑ 32 Miller, Orphans of Byzantium (2003), 182–195. chen Museen zu Berlin. Griechische Urkunden, 33 Vgl. ebd., 187: „It seems reasonable therefore Bd. 4. Berlin 1912, 344, Nr. 1202, Z. 10. Vgl. Hunger, to conclude that the Byzantines considered the Φιλανθρωπία (1963), 5; Schubart, Hellenistisches Orphanotropheion as belonging both to the sphe‑ Königsideal (1937), 11. re of the government and to that of the church.“ 15  P. Brown, Poverty and Leadership (2002), 2–8; 34 Das Folgende nach Miller, Sampson Hospi‑ zu philopatris und philoptōchos vgl. ebd., 5. tal (1990). 16  Herrin, Bread and Circuses (2013), 270. 35 Ebd., 132–135; zur Bedeutung von episkepsis 17  Constantelos, Byzantine Philanthropy (1991), siehe Bartusis, Episkepsis (1991). 26 f. Zum Wechsel von agapē zu philanthrōpia vgl. 36 Vööbus, Karitative Tätigkeit (1947), 2 f. Hier‑ in ist der Ursprung der Geschichte des Heiligen auch Herrin, Bread and Circuses (2013), 271. 18  Constantelos, Byzantine Philanthropy (1991), 45. Alexios, des homo dei der westlichen Tradition, 19  Herrin, Bread and Circuses (2013), 284–288. zu sehen. Diese Geschichte war auch in Byzanz 20 Ein guter Überblick zur Idee des ‚armenlie‑ verbreitet; siehe Kazhdan / Ševčenko, Alexios homo benden Kaisers‘ bei Stathakopoulos, Philoptochos dei (1991). basileus (2008). 37 Synode de Mar Jésuyab Ier. [A. D. 585]. Ed. 21 Rapp, Charity and Piety (2009), 84 f.; 87; vgl. und übers. J. B. Chabot, Synodicon orientale, ou, auch Constantelos, Byzantine Philanthropy (1991), Recueil des synodes nestoriens. Paris 1902, 130– 195 (syrischer Text); 390–455 (französische Über‑ 33. 22 Agapetos Diakonos, Der Fürstenspiegel für setzung); hier 147 f.; 408. Vgl. Vööbus, Karitative Kaiser Iustinianos. Ed. und übers. Rudolf Riedinger. Tätigkeit (1947), 7.

Griechisch-orthodoxe Christen

38 The So‑Called Canons of Marūtā. Ed. und

übers. Artur Vööbus, Syriac and Arabic Docu‑ ments Regarding Legislation Relative to Syrian Asceticism. (Papers of the Estonian Theological Society in Exile. Eesti Usuteadlaste Selts Pagulu‑ ses Toimetused, Bd. 11.) Stockholm 1960, 115–149, hier 123 f. 39 Typikon ētoi kanonikon tou hosiou kai theophorou patros hēmōn Athanasiou tou en tō Athō. Ed. Ph. Meyer, Die Haupturkunden für die Geschichte der Athosklöster. Leipzig 1894, 102–122, hier 114. Engl. Übers. von George Dennis in: BMFD 2, 245–270, hier 260. 40  Es sollte hier erwähnt werden, dass das Wort xenodocheion in der Spätantike auch benutzt wur‑ de, um ein Spital, ein Armenhaus oder andere Arten von wohltätigen Anstalten zu bezeichnen; aber im Mittelalter, besonders nach dem 7. Jahr‑ hundert, wurde xenodocheion fast ausschließlich für ‚Herberge‘ benutzt, vgl. dazu Miller, Birth of the Hospital (1985, ND 1997), 26–29. 41  Nach den Zahlen von Mentzou-Meimarē, Ep‑ archiaka euagē idrymata (1982), 306. 42  Das Taktikon des Nikon vom Schwarzen Ber‑ ge. Griechischer Text und kirchenslavische Über‑ setzung des 14. Jahrhunderts, 2 Bde. Ed. Christian Hannick. (Monumenta linguae slavicae dialecti veteris. Fontes et dissertationes, Bd. 62.) Freiburg i. Br. 2014, Bd. 1, 136–155, Logos 2, hier 142. Engl. Übers. auf Grundlage einer älteren Edition von Robert Allison in: BMFD 1, 425–439, hier 432. 43  Vööbus, Karitative Tätigkeit (1947), 7 f. 44  Ein besonders anschauliches Beispiel für Justinians Unterstützung der Pilgerfahrt nach Jerusalem ist die sogenannte ‚Neue Kirche‘ (Nea Ekklesia), die aus einem Klosterkomplex mit Her‑ bergen für Männer und Frauen, einem Kloster und einem Spital bestand. Die Stifterinschrift dazu wurde im Mai 1977 aufgefunden: Avigad, Building Inscription (1977). 45  Horden, Earliest Hospitals (2005), 365–367. 46  Miller, Birth of the Hospital (1985, ND 1997), 4. 47  Vgl. besonders die Kritik von Kislinger, Pan‑ tokrator‑Xenon (1987); Miller antwortete seinen Kritikern in der Einleitung zur zweiten Auflage des Buches, vgl. Miller, Birth of the Hospital (1985, ND 1997), xi–xxxii. 48  Die Regelung für den xenōn findet sich in: Le typikon du Christ Sauveur Pantocrator. Ed. und

255 übers. Paul Gautier, in: REB 32, 1974, 1–145, hier 83, Z. 904, bis 109, Z. 1343. Kommentar und englische Übersetzung von Robert Jordan in: BMFD 2, 725–781. Über den Pantokrator‑Xenon siehe Miller, Birth of the Hospital (1985, ND 1997), 12–21; Volk, Ge‑ sundheitswesen und Wohltätigkeit (1983), 134–199. 49  Miller, Birth of the Hospital (1985, ND 1997), 18 f. 50 Ebd., xviii f.; 209, diskutiert Miller die weni‑ gen Beispiele von Schenkungen und Vermächt‑ nissen an Spitäler. 51 Un testament inédit en faveur de Saint‑Geor‑ ges des Manganes. Ed. S.-G. Mercati, in: REB 6, 1948, 36–47, hier 47. 52 Zu Armenhäusern siehe Constantelos, Byzan‑ tine Philanthropy (1991), 187–194; zur schwierigen Quellenlage über Armenhäuser vgl. ebd., 188. 53 Zur ‚Basileias‘ vgl. P. Brown, Poverty and Leadership (2002), 40–42; Holman, Hungry Are Dying (2001), 74 f. 54 La diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 39, 1981, 5–143, hier 47, Z. 506, bis 49, Z. 529. Engl. Übers. von Alice-Mary Talbot in: BMFD 1, 326–376, hier 345. 55 Ebd., 49, Z. 530–536. Engl. Übers. 343. 56 Ebd., Z. 536–541. Engl. Übers. 343. 57 Auf diese Überlappung von Armenhaus und Pflegeheim hat Mentzou-Meimarē, Eparchiaka euagē idrymata (1982), 306, hingewiesen. 58 Nach den Zahlen ebd., 306. 59 Ein byzantinisches Kloster am Berg Tmolos. Ed. und übers. Thomas Drew-Bear / Johannes Koder, in: JÖB 38, 1988, 197–215. Kommentar und engli‑ sche Übersetzung von John Thomas in: BMFD 1, 310–312. 60 Ein Altenheim als Jungbrunnen? Neues zu einer byzantinischen Inschrift aus Philadelphia in Lydien. Ed. und übers. Georg Petzl, in: Chiron 32, 2002, 173–189. 61 Typikon du Christ Sauveur Pantocrator. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 48), 111, Z. 1390, bis 113, Z. 1413; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 48), 767 f. 62 Ecloga. Das Gesetzbuch Leons III. und Kon‑ stantinos’ V. Ed. und übers. Ludwig Burgmann. (Forschungen zur byzantinischen Rechtsgeschich‑ te, Bd. 10.) Frankfurt a. M. 1983, 198. Es scheint dem Herausgeber wahrscheinlicher, dass sich hier „fromme Häuser“ (εὐαγεῖς οἶκοι) auf wohl‑ tätige Anstalten bzw. piae causae bezieht statt auf Klöster, dies im Gegensatz zu Miller, Orphans of

256 Byzantium (2003), 82. Hier spricht die Quelle über das Orphanotropheion des Zotikos sowie „die an‑ deren frommen Häuser“ (οἱ λοιποὶ εὐαγεῖς οἶκοι). 63 Ecloga privata aucta. Ed. K. E. Zachariä von Lingenthal. (JGR 4.) Leipzig 1865, 27. Vgl. Miller, Orphans of Byzantium (2003), 83. 64 Theodori Studitae Epistulae, 2 Bde. Ed. G. Fatouros. (CFHB 3.) Berlin 1992, hier Bd. 2, 333 f., Ep. 211. Vgl. Miller, Orphans of Byzantium (2003), 133. 65 Zum Orphanotropheion vgl. ebd., 176–246. 66 Ebd., 209–246. 67 Le typikon du sébaste Grégoire Pakouria‑ nos. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 42, 1984, 5–145, hier 99, Z. 1323–1330. Kommentar und eng‑ lische Übersetzung von Robert Jordan in: BMFD 2, 507–563, hier 545. 68 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 67), 99, Z. 1330– 1336; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 67), hier 545. 69 Ein pekoulion (lat. peculium) war eine Form beschränkten Eigentums für diejenigen, die nicht rechtsfähige Eigentümer nach römischem bzw. byzantinischem Recht waren. 70 Actes d’Iviron, Bd 2. Ed. Jacques Lefort / Nicolas Oikonomidès / Denise Papachrysanthou et al. (Actes de l’Athos, Bd. 16.) Paris 1985, 150–156, Nr. 44, hier 155, Z. 12–16. 71 Actes d’Iviron, Bd 2. Ed. Lefort / Oikonomidès / Papachrysanthou et al. (wie Anm. 70), 170–183, Nr. 47, hier 181, Z. 47–50. 72 Ebd., 178 f., Z. 13–18. 73 Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 54), 47, Z. 493–505; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 54), 342. 74 Bryer, Rural Society (1966), 159 f. 75 Typikon Isaakiou Alexiou Komnēniou tēs Monēs Theotokou tēs Kosmosōteiras. Ed. Geōrgios K. Papazoglos. Komotini 1994, 128, Z. 1752–1762. Kommentar und englische Übersetzung von Nancy Patterson Ševčenko in: BMFD 2, 782–858; diese Übersetzung beruht auf der älteren Edition des typikons, die von Louis Petit im Jahr 1908 veröf‑ fentlicht wurde. 76 Herrin, Bread and Circuses (2013), 283. 77 Bryer, Late Byzantine Monastery (1979, ND 1980), 239 f.; Maltese, École et enseignement (1997), 23. 78 Zur mangelnden Berücksichtigung des all‑ gemeinen Schulunterrichts für weltliche Kinder

Wohltätigkeit und Bildung

in den typika vgl. Volk, Gesundheitswesen und Wohltätigkeit (1983), 276 f. 79 Galatariotou, Byzantine Ktetorika Typika (1987), 121–124. 80 Bios kai politeia tou hosiou patros hēmōn Athanasiou, askēsantos en tois Stagois, en tō lithō tō hypʼ autou klēthenti Meteōrō. Ed. N. A. Veēs, Symbolē eis tēn historian tōn monōn tōn Meteōrōn, in: Vyzantis 1, 1909, 191–331, hier 251. Engl. Übers. von George Dennis in: BMFD 4, 1455– 1461, hier 1460. 81 Ein Überblick zum byzantinischen Schulwe‑ sen im Spiegel der Briefe des anonymen Lehrers findet sich bei Lemerle, Byzantine Humanism (1986), 286–298. 82 Maltese, École et enseignement (1997), 22 f. 83 Lemerle, Byzantine Humanism (1986), 66–68. Vielleicht handelte es sich auch um eine Neu‑ gründung. 84 Siehe dazu insbesondere Speck, Kaiserliche Universität (1974). 85 Browning, Patriarchal School (1962–1963, ND 1977); Constantinides, Higher Education (1982), 50–65. Die Annahme, dass diese Patriarchats‑ schule vor 1107 existierte (geläufig in der älteren Literatur), ist höchst zweifelhaft; vgl. ebd., 50. 86 Wolska‑Conus, Écoles de Psellos et Xiphilin (1976); zum hypatos tōn philosophōn im späten By‑ zanz vgl. Constantinides, Higher Education (1982), 113–158. 87 Die ausführlichste Untersuchung zur Grün‑ dung der Rechtsschule sind die Beiträge von Wolska‑Conus, Écoles de Psellos et Xiphilin (1976), so‑ wie Dies., École de droit (1979). Fögen, Modell und Mythos (1996), hat den wesentlich staatlichen Charakter der Schule betont und diese eher in die Nähe der von Kaiser Friedrich II. gegründeten Rechtsschule von Neapel als der Universität von Bologna gerückt. 88 Es soll hier noch erwähnt werden, dass Kon‑ stantin IX. auch einen Lehrstuhl für Philosophie gründete, doch ist die Quellenlage dafür weni‑ ger günstig als für die Rechtsschule; zu dieser Schule siehe Wolska‑Conus, Écoles de Psellos et Xiphilin (1976). 89 Novella constitutio saec. XI medii. Quae est de schola iuris Constantinopoli constituenda et legum custode creando. Ed. und übers. A. Salač. (Textus breves graeci et latini, Bd. 1.) Prag 1954.

Indien

Obwohl kein Datum in der ‚Novella constitutio‘ überliefert ist, gilt das Jahr 1047 als sicher nach der beeindruckenden Argumentation von Lefort, Rhétorique et politique (1976). 90 Zur Bedeutung von sitēresia siehe McGeer, Opsonion (1991). 91 Novella constitutio. Ed. und übers. A. Salač (wie Anm. 89), 24 f. 92 Ebd., 25; 27. 93 Zu diesem Kloster und von ihm abhängigen Anstalten siehe Janin, Géographie ecclésiastique (1969), 70–76. 94 Auch Theodor II. Laskaris, Herrscher des Kaiserreichs von Nikaia (1254–1258), verband einige Lehrstühle mit der Kirche des Heiligen Tryphon; leider sind genauere Angaben darü‑ ber nicht überliefert. Vgl. Constantinides, Higher Education (1982), 19 f. 95 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 67), 115, Z. 1610, bis 117, Z. 1637; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 67), 550 f. 96 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 67), 105, Z. 1418– 1433; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 67), 547. 97 Tarchnišvili, Geschichte der kirchlichen ge‑ orgischen Literatur (1955), 56 f.; Rayfield, Edge of Empires (2012, ND 2013), 88 f. 98 Zu den vardapets und besonders ihrer Lehr‑ tätigkeit siehe Thomson, Vardapet (1962), 379–381.

257 In der ost‑syrischen Tradition kann man etwa die Lehrtätigkeit der malfāne in der spätantiken Schule von Nisibis nachweisen; siehe dazu A. Becker, Fear of God (2006). 99 Bryer, Late Byzantine Monastery (1979, ND 1980), 239 f. 100  Typikon du Christ Sauveur Pantocrator. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 48), 107, Z. 1313–1323; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 48), 765. Ob mit „Kindern der Ärzte des Spitals“ tatsächlich nur die Kinder der Ärzte oder generell des Personals gemeint sind, lässt sich vom Text selbst her nicht klären. Anderswo wird deutlich, dass ‚Kinder der Ärzte‘ nicht wörtlich zu verstehen ist; vgl. dazu Volk, Gesundheitswesen und Wohltätigkeit (1983), 172, Anm. 600. 101  Stathakopoulos, Stiftungen von Spitälern (2005), 157. 102  Vgl. die Beispiele in Krumbacher, Κτήτωρ (1909). 103  Dies scheint in Kolophonen eher selten vor‑ geschrieben worden zu sein, es gibt aber Beispiele von Veräußerungsverboten in klösterlichen Ur‑ kunden, z. B. in einem typikon des sebastokrator Isaak Komnenos; vgl. Typikon Isaakiou Alexiou. Ed. Papazoglos (wie Anm. 75), 140, Z. 1920, bis 141, Z. 1928; engl. Übers. Ševčenko (wie Anm. 75), 844. Eine Diskussion dieser Buchstiftung findet sich bei Grünbart, Memorialkultur (2012), 383.

9.6 Indien 9.6.1 Allgemeines In den Tausenden Stiftungsinschriften aus dem mittelalterlichen Indien stehen cari‑ tative Zwecke nicht im Vordergrund und sind Bildungszwecke meist eher indirekt zu erschließen. Beiden potentiellen Do‑ tationszwecken ist aber gemeinsam, dass sie sehr häufig mit Stiftungen verbunden waren, deren hauptsächliches Ziel in der Verstetigung des Kultes (→ 8.6.3) einer religiösen Gemeinschaft lag.

Man kann wohl davon ausgehen, dass viele religiöse Stiftungen auch für Bil‑ dungszwecke verwendet werden sollten. Allerdings dürfte es sich in den meisten Fällen vorrangig um das Studium heiliger Texte gehandelt haben, und die zu Unter‑ richtenden bildeten ausschließlich oder zu‑ mindest überwiegend diejenigen Mitglie‑ der der jeweiligen Religionsgemeinschaft, die sich der dort erforderlichen Weihe,

258

Initiation oder Ordination unterzogen hatten. Die klassische brahmanische Er‑ ziehung und Ausbildung der Vormoderne war individualisiert. Ein Lehrer hatte in der Regel nur einen, manchmal auch eine kleine Gruppe von (männlichen) Schülern. Die Beziehung zwischen einem Schüler und dem Brahmanen, der ihm vedisches Wissen beibrachte, war eng – nicht zuletzt deshalb, weil der junge Mann im Haus des Lehrers wohnte. Obwohl nur relativ we‑ nige brahmanische Stiftungen edukative Ziele explizit nennen, kann man vermuten, dass insbesondere solche Dotationen, die für einzelne Brahmanen oder kleine Grup‑ pen von Brahmanen bestimmt waren, auch dazu dienen sollten, das brahmanische Lehrsystem zu verbreiten und zu erhalten. Die Begünstigten werden in den Dokumen‑ ten häufig als sehr gelehrt beschrieben, und gemäß den normativen Texten gehörten so‑ wohl das Studium als auch das Lehren der Veden zu den sechs Hauptpflichten eines Brahmanen. Innerhalb der Ordensgemein‑ schaften der Buddhisten und Jinisten und innerhalb hinduistischer Richtungen sind enge Lehrer‑Schüler‑Verhältnisse ebenfalls nachweisbar. Doch einige der mittelalter‑ lichen Stiftungen scheinen auch die Ent‑ stehung größerer Bildungseinrichtungen im Umfeld von Klöstern und Tempeln be‑ fördert zu haben. Wohltätigkeit im Sinne der Fürsorge für die Allgemeinheit sowie für beson‑ ders Bedürftige – Alte, Kranke, Witwen, Waisen usw. – spielt in normativen Texten des indischen Altertums und Mittelalters, seien es solche zu Königsobliegenheiten (rājadharma) aus brahmanischer Sicht oder buddhistische und jinistische zur Laien‑ ethik, eine recht große Rolle. Bereits im ‚Kauṭilīya‑Arthaśāstra‘, einem Staatsrechts‑ lehrbuch, das in den ersten Jahrhunder‑ ten u. Z. endredigiert worden sein dürfte, wird der Herrscher als für religiöse und

Wohltätigkeit und Bildung

soziale Belange seiner Untertanen verant‑ wortlich dargestellt. Zu seinen Pflichten gehörten auch caritative Aufgaben sowie Infrastrukturmaßnahmen. So heißt es: „Daher möge er [d. h. der König] sich der Belange der Götter, Einsiedeleien, Asketen, gelehrten Brahmanen, des Viehs und heili‑ ger Orte, der [bedürftigen] Minderjährigen, Alten, Kranken, von einem Unglück Betrof‑ fenen und Schutzlosen sowie [mittelloser] Frauen annehmen – in dieser Reihenfolge oder nach Schwere der Angelegenheit be‑ ziehungsweise gemäß der Dringlichkeit“ (tasmād devatāśramapāṣaṇḍaśrotriyapaśupuṇyasthānānāṃ bālavṛddhavyādhitavyasanyanāthānāṃ strīṇāṃ ca krameṇa kāryāṇi paśyed, kāryagauravād ātyayikavaśena vā).1 An anderer Stelle wird der Gedanke der Wohltätigkeit weiter ausgeführt: „Und der König möge für den Unterhalt der [bedürf‑ tigen] Minderjährigen, Alten, von einem Unglück Betroffenen und Schutzlosen sor‑ gen, [auch für den] der [notleidenden] kin‑ derlosen Frauen und Halbwaisen“2 (bālavṛddhavyasanyanāthāṃś ca rāja bibhṛyāt, striyam aprajātāṃ prajātāyāś ca putrān).3 In welcher Form für Mittellose Sorge zu tragen war, ist nicht festgelegt – im Un‑ terschied zu den Vorgaben, die sich auf gelehrte Brahmanen beziehen. So wird im ‚Kauṭilīya‑Arthaśāstra‘ der Herrscher nach‑ drücklich dazu angeregt, brahmanische Priester mit Stiftungen (brahmadeya) zu be‑ denken,4 und ein entsprechendes Handeln ist in einer Vielzahl königlicher Urkunden dokumentiert. Nach dem Verständnis des ‚Kauṭilīya‑Arthaśāstra‘ war die Krone auch für das Anlegen von Straßen, Brücken, Brunnen und Teichen zuständig.5 In Ur‑ kunden finden sich verhältnismäßig weni‑ ge Belege für konkrete Stiftungen solcher Infrastrukturbauten. Aber viele Fürsten legten summarisch über derartige Aktivi‑ täten Zeugnis ab. Der erste Herrscher, von dem Inschriften überliefert sind, die von

Indien

dessen allgemeiner Fürsorge für Mensch und Tier künden, war der Maurya‑König Aśoka, der im 3. Jahrhundert v. u. Z. regier‑ te. Seit dem 4. Jahrhundert u. Z. berichteten buddhistische Pilgermönche aus China von Rasthäusern für Reisende entlang der großen Überlandrouten in Indien.6 9.6.2 Wohltätigkeit Verschiedene Quellen aus dem indischen Mittelalter zeigen, dass Wohltätigkeit als wichtiges Kriterium zur Charakterisierung eines Herrschers angesehen wurde. Die betreffenden Belege verdeutlichen aber zu‑ gleich auch, dass auf Dauer angelegte und mit Dotationen ausgestattete Stiftungen offenbar nicht den Kern dieser Aktivitä‑ ten bildeten. So wurde Rāṣṭrakūta Kṛṣṇa I., ein zentral indischer König des 8. Jahrhun‑ derts, unter Bezug auf seinen Beinamen ‚Akālavarṣa‘, der wörtlich ‚Regen zur Un‑ zeit‘ bedeutet, in seinen Urkunden und in Urkunden seiner Nachfahren wie folgt gepriesen: „Akālavarṣa lässt für die Schwa‑ chen [dīna] und Schutzlosen [anātha] sowie für [seine] Freunde sofort [und] unaufhör‑ lich das Begehrte nach Gutdünken regnen, um alle Leiden zu löschen.“7 Die Hofdichter des Śilāhāra‑Fürsten Gaṇḍarāditya I., der im 12. Jahrhundert im Süden Maharashtras regierte, verbreiteten von ihrem Herrn und Auftraggeber dieses Bild: „Er konzentrier‑ te sich tagtäglich auf das Beschützen der verschiedenen Lebewesen – der Schwachen, Schutzlosen, Armen [daridra], Unglückli‑ chen [duḥkhin], Krüppel [vikala] und in Bedrängnis Geratenen [vyākīrṇa] – durch anonyme Gaben.“8 Mitunter finden sich jedoch selbst in den allgemeinen Passagen der epigraphischen Zeugnisse etwas spezifischere Ausführun‑ gen zu den religiösen und caritativen Taten

259

der betreffenden Stifter. Über den Fürsten Kholeśvara, einen Vasallen der Yādavas aus dem 13. Jahrhundert, heißt es in des‑ sen Inschriften: „Seine Tempel [devālaya], Brahmanensiedlungen [agrahāra], Was‑ serstellen [prapā], lieblichen Speisehal‑ len [sattra] und Zisternen [vāpī] stehen in großer Zahl am Ufer der Varadā.“9 Die Aktivitäten des Kholeśvara galten nicht nur dem Gebiet um den Fluss Varadā im Nordosten Maharashtras, aus dem dieser Fürst ursprünglich stammte, sondern auch der Region in Zentral‑Maharashtra, die er später selbst verwaltete. Brunnen, Tränken, Zisternen, Wasserreservoire und Feuerstellen Anlagen zum Fördern von Grund‑ und Schichtenwasser und Rückhaltebecken zum Auffangen von Regenwasser werden in den verschiedensten Kontexten in Stif‑ tungsinschriften genannt. Brunnen (kūpa), Wasserstellen (prapā), Zisternen (vāpī) und Teiche (taḍāga) erscheinen in Aufzählun‑ gen sehr oft gemeinsam mit religiösen Bau‑ ten. Mitunter wurde explizit festgehalten, dass konkrete Wasserreservoire von ei‑ nem bestimmten Stifter in Auftrag gegeben worden waren. Dies gilt besonders für die elaborierten Stufenbrunnenanlagen West‑ indiens (→ 6.6.2), doch über Fortbestehen und Erhaltung dieser Gründungen ist oft nichts bekannt. Angesichts der klimatischen Verhältnis‑ se in Indien ist die kontinuierliche Bereit‑ stellung von Wasser kein unerwarteter Akt der Wohltätigkeit. Mitunter erscheinen in Kombination mit diesem Stiftungszweck weitere Vorkehrungen für das, was wir heute unter ‚Gemeinwohl‘ verstehen wür‑ den. In der brahmanischen Rechtsliteratur tauchen dafür teilweise die Begriffe pūrta und utsarga (→ 1.6.3) auf.10 Instruktiv ist in dieser Hinsicht eine recht fragmentari‑ sche Rāṣṭrakūṭa‑Inschrift aus Kandhar in

260

Ost‑Maharashtra, die aus dem 10. Jahrhun‑ dert stammt.11 Im dritten Teil des auf drei Seiten gravierten Pfeilerfragments sind diverse Stiftungen festgehalten. Zunächst ist die Errichtung eines Schreins (maṇḍapa) namens Sarvalokāśraya erwähnt. Dann heißt es, dass „an fünf Orten zum Vertrei‑ ben der Sommerhitze geeignete (…) Wasser‑ stellen [eingerichtet wurden]“ (iti paṃcasu sthāneṣu grīṣmasaṃtāpanirasanakṣamāh (…) prapāḥ /).12 Diese Wasserversorgungspunk‑ te befanden sich an zwei Toren des Königs‑ palastes (rājagṛha), „vor einem Tempel des Liebesgottes in der Nähe des Viertels, in dem die Hauptkurtisanen des Königs [leb‑ ten]“ (pradhānarājavilāsinīpāṭakasannihitakāmadevāyatanapurobhāge),13 auf dem Hof eines Tempels des Sonnengottes (Kālapriya) und bei dem erwähnten Schrein des Sarvalokāśraya. Auf die Mitteilung zu den Wasserstellen folgt eine weitere Aufzäh‑ lung von Plätzen, deren Bezugspunkte alle‑ samt Tempel sind (Sarvalokāśrayamaṇḍapa, Heiligtum des Kālapriya und śivaitische Schreine). Im Zusammenhang mit die‑ sen Orten, die nur partiell mit denen der ersten Liste übereinstimmen, wird festgehalten, dass „an fünf Stellen Feu‑ erplätze [agnisthitikā] [eingerichtet wur‑ den] zur Rettung schutzloser Menschen [anāthajana] bei Kälteeinbrüchen in Zei‑ ten von sehr großem Chaos, [in Zeiten,] die denen der großen Flut gleichen, und in Winter[zeiten]“ (iti paṃcasu sthāneṣu pralayamahāplavāyamānahemantakālaprāleyavilasiteṣv anāthajanaparirakṣaṇārtham agnisthitikā[ḥ] /).14 Eine dritte Fünfergruppe, bestehend aus Märkten (āpana und haṭṭikā) und weiteren Tempeln, diente der Lokali‑ sierung von Stätten, an denen Wasser (jala) und Futter für das Vieh (gogrāsa) offenbar kostenfrei zur Verfügung gestellt werden sollten. All diese Ausführungen werden mit der Bestimmung beendet, dass „zur Kompensation täglich fünfzig dramma15

Wohltätigkeit und Bildung

– [in Zahlen:] dra 50“ (tatpratikaraṇāya pratidinaṃ drammāḥ pañcāśat dra 50)16 – bereitstünden. In den erhaltenen Teilen der Inschrift wird jedoch keine Aussage dazu gemacht, wie dieser Betrag generiert wer‑ den sollte, der sich auf über 18 000 dramma pro Jahr summierte und mithin wohl dem jährlichen Steueraufkommen von vier bis sechs Dörfern entsprach.17 Der Unterhalt derartiger Feuerplätze (hier: agniṣṭikā)18 und Wasserstellen ge‑ hörte auch zu den Zielen einiger späte‑ rer komplexer Stiftungen zugunsten von Tempeln und Brahmanen in Zentralindien. Mit einer Kupfertafelurkunde vergab der bereits erwähnte Gaṇḍarāditya I. aus der Śilāhāra‑Linie von Kolhapur (Süd‑Maha‑ rashtra) im frühen 12. Jahrhundert Län‑ dereien in einem Dorf (→ 3.6.2): (a.) an 16 Brahmanen, (b.) an denjenigen, der eine Speisung von angeblich 100 000 Brahma‑ nen beaufsichtigt hatte, (c.) an einen Pries‑ ter als Opferlohn für eine Zeremonie, (d.) an drei Heiligtümer, die der Fürst am Ufer eines ebenfalls von ihm angelegten und nach ihm benannten Teiches gegründet hatte, und (e.) an den Dorfvorsteher, der wohl als Verwalter der Stiftung fungierte. Ein Anteil (f.) wurde für ewige Lampen (akhaṇḍapradīpārtham) im dörflichen Śiva‑ Schrein, für das Anlegen des Feuers an den Feuerplätzen (agniṣṭikāgnipraguṇanārtham), für die Bereitstellung von Brunnenwas‑ ser (prapodakapradānārtham) und für die Verteilung von großblättrigem Betel19 (sauparṇatāmbūladānārtham) bestimmt.20 In ähnlichem Kontext erscheinen Feuer‑ platz und Wasserstelle auch in der letzten bekannten Urkunde der Yādava‑Dynastie, die aus dem Jahr 1232 der Śaka‑Ära datiert (1310 u. Z.), der Zeit unmittelbar vor deren Niederlage gegen die Militärkontingente des Sultanats von Delhi. Zur Gründung einer Brahmanensiedlung (agrahāra) er‑ hielt der Gebietsfürst Puruṣaināyaka

Indien

alias Puruṣottama vom Yādava‑König Rāmacandra vier Dörfer und neun Wei‑ ler, teilte diese – wie festgehalten ist – in 86 Portionen und bestimmte 83 Anteile für eine gleich große Zahl von Brahma‑ nen, zwei Anteile für zwei Götter und ei‑ nen Anteil für Feuerplatz und Wasser‑ stelle (agniṣṭikāprapārtham).21 Die aus der genannten Anzahl Dörfer bestehende Großsiedlung wurde nach ihrem Gründer ‚Puruṣottamapura‘ genannt, und dies ist auch der Name des Ortes in Maharashtra, an dem die betreffende Urkunde entdeckt worden ist. Speisehallen und öffentliche Speisungen Häufiger als Vorkehrungen für Feuerplät‑ ze und Wasserstellen finden sich in den indischen Stiftungsurkunden Verfügun‑ gen zur Speisung bestimmter Personen und zum Unterhalt von Speisehallen. Der epigraphisch am besten belegte Terminus für eine solche Einrichtung ist sattra – in Inschriften allerdings überwiegend satra geschrieben. Vor allem in hinduistischen 22 Zweckbestimmungen zum Kult (→ 8.6.3) ist die Verfügung anzutreffen, dass die Dotation für balicarusattra der betreffen‑ den Gottheit zu verwenden sei, d. h. für Speiseopfer (bali), für die Darbringung von Reisbrei (caru) und für sattra. Der Terminus sattra steht aber nicht selten auch allein und in Zusammenhängen, die stärker als die Formel balicarusattra auf Aspekte der Wohltätigkeit denn des Kultes schließen lassen. Ursprünglich bezeichnete sattra ein großes brahmanisches Śrauta‑Ritual, an dessen Ende die Beköstigung von Brah‑ manen stand. In Stiftungsurkunden wurde der Begriff für von solchen Opfersitzungen abgekoppelte Speisungen von Brahmanen und wohl auch von Bedürftigen sowie für Baulichkeiten benutzt, in denen derartige Bewirtungen durchgeführt werden sollten. Da sich eine solche Bedeutung von sattra

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lediglich aus dem epigraphischen Befund erschließen lässt, sollen einige Beispiele diesen Aspekt der Zwecksetzung religiöser Stiftungen näher beleuchten. Im Jahr 852 der Śaka‑Ära (930 u. Z.) ließ der Rāṣṭrakūṭa‑König Govinda IV. eine Urkunde ausstellen, die am Ende des 19. Jahrhunderts in Gujarat beim Pflügen gefunden worden ist. Die betreffende Stif‑ tung ging an einen brahmanischen Spe‑ zialisten des Yajurveda, der aus Kāvikā, einem Gelehrtenort in Gujarat, stammte, zum Zeitpunkt der Dotation aber bereits in der Rāṣṭrakūṭa‑Hauptstadt Mānyakheṭa in Nordost‑Karnataka wohnte und, nach‑ dem ihm ein Dorf in der Nähe von Kāvikā übertragen worden war, offenbar in diese Gegend zurückkehrte. Das Dokument ent‑ hält ungewöhnlich umfangreiche Zweck‑ bestimmungen (→ 8.6.3), und die Dotation sollte unter anderem die ‚Mittel für das An‑ legen‘ (karaṇopakaraṇa) von Speisehallen (sattra), Wasserstellen (prapā), Unterkünf‑ ten (pratiśraya), Zisternen (vāpī), Brunnen (kūpa), Teichen (taḍāga), Hainen (ārāma) und Tempeln (devālaya) zur Verfügung stellen.23 Es ist fraglich, ob damit tatsäch‑ lich konkrete Vorhaben gemeint waren, die neben diversen anderen Zwecken aus den Einkünften eines einzigen Dorfes hätten finanziert werden müssen, oder ob nicht vielmehr allgemeine Sentenzen Aufnahme in den Stiftungsteil gefunden haben. Doch es wird deutlich, dass sattra hier bauliche Anlagen bezeichnet.24 Genauere Ausführungen macht ein Stiftungsdokument, das ebenfalls von Rāṣṭra kūṭa Govinda IV. stammt und nur einige Monate älter ist.25 Der König ver‑ gab einen Marktflecken (pattana) an der Westgrenze seiner Hauptstadt Mānyakheṭa „zum Zwecke von sattra“ (sattrārtham). Mit den Steuereinkünften aus dieser Stadt war „die tägliche Speisung [bhojana] von 1 000 Brahmanen durchzuführen“

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(sahasrabrāhmaṇabhojanaṃ pratidinaṃ pravarttanīyam).26 Die 1 000 Brahmanen setzten sich aus fünf unterschiedlich gro‑ ßen Gruppen (zu je 360, 300, 240, 72 und 28) zusammen, die auch nach verschiedenen Kriterien charakterisiert wurden: nach der lokalen beziehungsweise regionalen Herkunft oder aber nach der Zugehörigkeit zu einer vedischen Schulrichtung. Da im Unterschied zu individualisierten Stiftun‑ gen an Brahmanen keiner der Destinatäre namentlich aufgeführt wird, ist durchaus denkbar, dass die personelle Zusammen‑ setzung der Begünstigten variieren konnte. Dies gilt auch für die in einer Urkunde des bereits erwähnten Śilāhāra‑Fürsten Gaṇḍarāditya I. aus dem 12. Jahrhundert verfügte tägliche Beköstigung von zwölf Brahmanen, für die – wie explizit fest‑ gehalten ist – gekochter weißer Reisbrei, Curry, Butterschmalz, Buttermilch und vier Sorten Gemüse sowie Betel auf dem Speiseplan stehen sollten.27 Während von der letztgenannten Stif‑ tung König Govindas IV. ausschließ‑ lich Brahmanen profitierten,28 deutet die Urkunde eines Fürsten der Rāṣṭra kūṭa‑ Seitenlinie von Gujarat aus dem Jahr 789 der Śaka‑Ära (867 u. Z.) eine breitere Wirk‑ samkeit der sattra‑Institution an. Vor die eigentliche Beschreibung der Stiftung ist eine Rückblende eingeschoben, die den Großvater des aktuellen brahmani‑ schen Dotationsempfängers vorstellt: „In Bhadrapalī, einem reichen und dicht be‑ völkerten Landstrich, lebte der unter dem Namen Śrī‑Ḍhoḍḍhi bekannte Brahmane, ein Yajurvedin, der die Menschen glück‑ lich machte. Weil er gekochte Speisen und anderes unaufhörlich und reichlich gab, bereitete selbst in Zeiten der Hungersnot das ‚Füllen des Bauches‘ den Bedürftigen [arthin] keine Sorge. Nachdem er [das Dorf] Trennā von König Dhruvarāja erhalten hatte, stiftete er eine Speisehalle [sattra]

Wohltätigkeit und Bildung

zum Wohle aller Menschen. Tag für Tag speisten in seinem Haus Könige und Brah‑ manen [‚Götter auf Erden‘] zu Tausenden“.29 In der anschließenden Prosapassage wird Ḍhoḍḍhis Sohn Nennapya als ‚Oberhaupt der Speisehalle‘ (sattrapati) bezeichnet und dann Ḍhoḍḍhis Enkel Jojibhā eingeführt, dem mit der Urkunde ein weiteres Dorf übertragen wurde. Die Einkünfte daraus sollten für das Betreiben der Speisehalle (sattrapravartanārtham) und für die Durch‑ führung brahmanischer Rituale verwendet werden. Demnach hatte Jojibhās Großvater ungefähr 30 Jahre vor der hiermit doku‑ mentierten Dotation von Dhruvarāja I. das Dorf Trennā für ein von ihm initiiertes sattra erhalten, das zur Versorgung von Brahmanen und Bedürftigen dienen soll‑ te. Die Einrichtung wurde offenbar von Jojibhās Vater Nennapya und später von Jojibhā selbst fortgeführt. Um dieser be‑ sonderen Aufgabe und seinen allgemeinen Pflichten als Brahmane nachkommen zu können, erhielt Jojibhā von Dhruvarāja II. ein Dorf, das sich in der Nähe seines Wohn‑ ortes Bhadrapalī und des Dorfes Trennā befand.30 Krankenhäuser Früheste Hinweise auf von königlicher Seite veranlasste Vorkehrungen zur Heil‑ behandlung (Prakrit: cikicha; Sanskrit: cikitsā) von Mensch und Tier finden sich bereits in den Edikten des Maurya‑Königs Aśoka aus dem 3. Jahrhundert v. u. Z.31 Im Vergleich zu anderen Regionen der mit‑ telalterlichen Welt waren die Gründung und der Unterhalt von Hospitälern im indischen Mittelalter aber offenbar kein hervorstechendes Ziel von Dotationen.32 Doch gibt es insbesondere aus Südindi‑ en einige Belege für auf Dauer angeleg‑ te Stiftungen zugunsten von Ärzten und Heilstätten. ‚Genesungshallen‘ (ārogyaśālā) oder Krankenhallen (āturaśālā) waren wie

Indien

die häufiger belegten Speisehallen (sattra) meist an religiöse Institutionen gebunden, wie Susmita Basu Majumdar festgestellt hat: „It is interesting to note that as far as epigraphic data is concerned the medical institutions never occur as secular institu‑ tions; rather they are always mentioned in religious context. At times they are directly a part of the religious establishment; in other instances they are allied institutions. Patronage to such institutions was either royal or came from the religious establish‑ ment to which it was attached.“33 Fraglich ist, ob diese Heilstätten nur den Personen zugute kamen, die den so ausgestatteten Klöstern, Tempeln und Kollegien angehör‑ ten, oder philanthropische Institutionen im weiteren Sinne darstellten. In einigen südindischen Stiftungen, die zur Versorgung größerer Gruppen oder ganzer Siedlungen von Brahmanen dienen sollten, sind unter den Begünstigten, denen separate Anteile zugewiesen wurden, auch Ärzte (vaidya oder bhiṣaj) aufgeführt.34 So gehörte nach Aussage einer Inschrift des Coḷa‑Königs Vīrarājendra aus dem 11. Jahr‑ hundert, die am Viṣṇu‑Tempel von Tiru‑ mukkudal in Tamilnadu angebracht ist, zu diesem Heiligtum, dem auch ein Kolleg angeschlossen war (→ 9.6.3), eine āturaśālā (Tamil: āturaśālai) mit 15 Betten. Bestimmte dörfliche Einkünfte sollten für konkret be‑ nannte Zwecke verwendet werden, wobei in dieser Stiftung zwischen Natural‑ und Geldabgaben explizit unterschieden wur‑ de. Die Aufsicht über die Krankenstation hatte ein Arzt (vaidya), dem 90 kalam 35 Reis pro Jahr und ein Stück Land zuge‑ sprochen wurden. Ein Chirurg und zwei Apothekergehilfen, die für das Sammeln von Heilkräutern und Feuerholz verant‑ wortlich waren und bei der Arzneiberei‑ tung helfen sollten, erhielten jeweils 30 kalam Reis. Zwei Krankenschwestern und einem Barbier sowie einem Wasserträger

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standen je 15 kalam zu. Eine bestimmte Reisration wurde für die Ernährung der Patienten festgelegt. Die Geldsumme von jährlich 2,25 kāśu 36 war für das nächtli‑ che Brennen einer Lampe zu verwenden, und mit 40 kāśu wurde ein Medizinvorrat angelegt.37 Nach Aussage der Malkapuram‑Stein‑ säuleninschrift aus Andhra Pradesh, die aus dem Śaka‑Jahr 1183 (1261 u. Z.) datiert und in einer Mischung von Sanskrit und Telugu verfasst ist, stiftete der Kākatīya‑ Herrscher Gaṇapati seinem śiva itischen guru namens Viśveśvara zwei Dörfer. Viśveśvara seinerseits widmete diese Ob‑ jekte drei Zwecken zu je gleichen Teilen: (1.) für den Gott Pinākin (Śiva), (2.) für die Studenten und das (von ihm gegründete) Śaiva‑Kolleg (maṭha) und (3.) für eine Ge‑ burtsstation (prasūtiśālā), ein Krankenhaus (ārogyaśālā) und eine Speisehalle für Brah‑ manen (viprasattra). Trotz ihres Namens ‚Brahmanenspeisung‘ ist für die letztge‑ nannte Einrichtung festgelegt, dass sie die Beköstigung aller Gäste – vom Brahmanen bis zu dem nach brahmanischem Verständ‑ nis unreinen Caṇḍāla – stets gewährleisten solle.38 In den Details wurde geregelt, dass aus den Stiftungserträgen verschiedene Berufsgruppen, unter anderem ein Arzt (vaidya), zu versorgen seien.39 Auch die aus Ostindien stammende Siyan‑Inschrift des Pāla‑Königs Nayapāla aus dem 11. Jahr‑ hundert erwähnt ein auf dem Gelände eines großen Śiva‑Heiligtums befindli‑ ches Kranken haus.40 Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang noch die einer Tempel inschrift in Srirangam in Tamil‑ nadu aus dem Śaka‑Jahr 1415 (1493 u. Z.) zu entnehmende Behauptung, dass die dor‑ tige ārogyaśālā (Tamil: ārogyaśālai) nach muslimischer Zerstörung wiederherge‑ stellt worden sei.41 Die meisten epigraphischen Hinwei‑ se auf aus Stiftungen hervorgegangene

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Einrichtungen für Kranke stammen aus der Zeit seit dem 11. Jahrhundert, in der die buddhistische Klosterkultur aus fast allen Gebieten Indiens bereits verschwunden war. Dieser Umstand sollte jedoch nicht darü‑ ber hinwegtäuschen, dass medizinisches Wissen und Heilmittel im buddhistischen Orden früher als in den anderen Religions‑ gemeinschaften eine wichtige Rolle gespielt hatten. Das spiegelt sich in der kanonischen Literatur und in buddhistischen Stiftungs‑ urkunden wider. Beide Textgattungen be‑ nutzen Verweise auf die vier Kategorien von Utensilien (pariṣkāra), deren Besitz Mön‑ chen und Nonnen ausdrücklich zugebilligt worden war (→ 8.6.3): Roben (cīvara), Almo‑ senspeise (piṇḍapāta), Mobiliar (śayanāsana) und ‚Medizin zur Heilung der Kranken‘ (glānapratyayabhaiṣajya). Im ‚Mahāvagga‘ des Theravāda‑Kanons sind diese Utensilien definiert, wobei klar zwischen einer Basis‑ ausstattung und den ‚zusätzlichen Errun‑ genschaften‘ unterschieden wird. So finden sich neben selbstgenähten Gewändern aus Lumpen neue Roben aus verschiedenen Materialien und außer fermentiertem Kuh‑ urin fünf andere Heilmittel: Ghee (Butter‑ schmalz), Butter, Öl, Honig und Melasse.42 Die aus der kanonischen Literatur entnom‑ mene Reihe cīvara-piṇḍapāta-śayanāsanaglānapratyayabhaiṣajya-pariṣkāra wurde auch in buddhistischen Urkunden benutzt, um den Zweck der Stiftung festzulegen. In den betreffenden Verfügungen bezieht sich die Bereitstellung von Arzneimitteln jedoch immer allein auf die ordinierten Mitglieder der Gemeinde. Als einzige Er‑ weiterung wurde festgehalten, dass neben den ortsansässigen Mönchen und Nonnen auch solche eingeschlossen waren, die als Besucher nur zeitweilig dem durch die Dotation begünstigten lokalen Konvent angehörten. Die auf medizinische Versorgung ab‑ zielende Komponente der Formel fand

Wohltätigkeit und Bildung

auch Eingang in einige Zweckbestim‑ mungen von Stiftungen zugunsten hin‑ duistischer Göttertempel, wenn es um die Versorgung der dortigen Priesterschaft ging. So enthalten śivaitische Dotatio‑ nen des 9. Jahrhunderts aus dem ostindi‑ schen Orissa z. B. die Bestimmung, dass die Stiftungserträge unter anderem „für Speisung, Lendentuch und Obergewand sowie Medizin der [Śaiva‑Lehrer sowie] Asketen“ ([śaivācārya-]tapasvināṃ sattrakaupīnottarāsaṅga-glānabhaiṣajyārtham) zu nutzen seien,43 wobei hier die Verwendung des Begriffs sattra für die Umschreibung der Beköstigung der Tempelangehörigen hervorhebenswert ist. Insbesondere zu den sehr großen bud‑ dhistischen Einrichtungen, die wie die Klosterakademie Nālandā (→ 6.6.2) Wohn‑ komplexe und Lehrinstitutionen funktio‑ nal vereinten, dürften auch Baulichkeiten für die Separierung und Behandlung von Kranken gehört haben.44 In Kumrahar bei Patna (Bihar) haben Ausgrabungen Siegel zutage gefördert, die aus dem späten Alter‑ tum, d. h. aus der Zeit der Gupta‑Dynastie, stammen und auf die Existenz von ‚Gene‑ sungsklöstern‘ (ārogyavihāra) hinweisen. Auch meinen die Ausgräber, aufgrund spe‑ zifischer Formen von Grundrissen Reste eines solchen den Kranken vorbehaltenen Baus identifiziert zu haben.45 Doch finden sich in den erhaltenen buddhistischen Stif‑ tungsinschriften bisher kaum Belege für derartige spezielle Gründungen.46 Dinesh Chandra Sircar hat vermutet, dass „[t]he hospitals attached to the reli‑ gious institutions probably catered also to the need of the local people.“47 Man kann wohl vermuten, dass sich die medizinische Fürsorge monastischer Einrichtungen auch auf dort tätige Laien erstreckte. Nicht sehr wahrscheinlich ist jedoch, dass die loka‑ le Bevölkerung insgesamt versorgt wur‑ de. Bereits in einem frühen kanonischen

Indien

Text, der die Behandlung des historischen Buddha und seiner Anhänger durch den berühmten Arzt Jīvaka thematisiert, wird die Befürchtung artikuliert, der Orden könne fürderhin von Heilung suchenden Kranken geradezu ‚überschwemmt‘ wer‑ den. Angeblich aus diesem Grunde sah sich der Buddha gezwungen, Kranke und Behinderte von der Ordination und damit von der Aufnahme in den saṃgha auszu‑ schließen.48 Wenn es auch aus Indien kaum Hinwei‑ se auf Gründungen buddhistischer Kran‑ kenhäuser und auf Stiftungen zu deren Gunsten gibt, so liegen einschlägige Belege doch aus Sri Lanka vor. Diverse mittelal‑ terliche Steininschriften von der Insel Cey‑ lon erwähnen ‚Arzthallen‘ (Sinhala ved(a)‑ hal(a) < Pali vejjasālā < Sanskrit vaidyaśālā) und ‚Arzneihäuser‘ (Sinhala behedge < Pali bhesajjageha < Sanskrit bhaiṣajyagṛha) in monastischen Kontexten. So berichtet eine Inschrift aus dem 10. Jahrhundert, die im berühmten Kloster von Anurādhapura ge‑ funden wurde, von den Stiftungen des Kö‑ nigs Mahinda IV., zu denen auch ‚Arzthal‑ len‘ gehörten.49 Armutsideal von Mönchen und Asketen Abschließend sei noch auf die Frage einge‑ gangen, ob Vorkehrungen für den Unter‑ halt von Mönchen, Nonnen und Asketen, die sich dem Ideal der Besitzlosigkeit ver‑ schrieben hatten, als Armenfürsorge im weiteren Sinne betrachtet werden können. Die für buddhistische Mönche und Non‑ nen benutzten Bezeichnungen bhikṣu und bhikṣuṇī sind von der Verbwurzel bhikṣ, ‚betteln‘, abgeleitet, und der frühe saṃgha war insofern ein ‚Bettelorden‘, als seine or‑ dinierten Mitglieder gehalten waren, ihre Speisung durch einen täglichen Almosen‑ gang zu erlangen. Doch wurden bereits früh in der kanonischen Literatur Alter‑ nativen zugelassen: Nicht nur konnte der

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Mönch, statt sich in eine selbstgefertigte Robe aus Lumpen zu kleiden, eine neue Robe aus Leinen, Baumwolle, Seide, Wolle oder Hanf von einem Laienanhänger an‑ nehmen und tragen. Es wurde ihm auch gestattet, statt sich durch Almosengang zu ernähren z. B. der Essenseinladung eines Laienanhängers oder einer Laienanhänge‑ rin zu folgen.50 Am Ende einer Entwick‑ lung, die mit der Formulierung derarti‑ ger Ausnahmen begonnen hatte, standen Stiftungen, die den Orden von zufälligen Gaben weitgehend unabhängig machten und Vorsorge trafen für eine regelmäßige Einkleidung, kontinuierliche Beköstigung, dauerhafte Beherbergung und potentielle Heilbehandlung. Auch die Verwendung eines ganz dezidiert buddhistischen Vo‑ kabulars (cīvara, piṇḍapāta) unterstreicht eher den spezifischen Charakter der so benannten Zuwendungen und hebt sie von der Armenfürsorge ab. Die buddhistischen Stiftungen galten lokalen Konventen, und auch die chinesi‑ schen Pilger liefern zahlreiche Hinweise darauf, dass es sehr reiche Klöster im mit‑ telalterlichen Indien gab. Doch selbst ein‑ zelne Mönche und Nonnen konnten über zum Teil nicht unbeträchtliches Vermögen verfügen, das sie vermutlich bereits aus der Zeit vor ihrem Ordenseintritt besa‑ ßen. Seit dem Altertum traten Ordinierte in großer Zahl als Stifter buddhistischer Baulichkeiten und diverser anderer Objek‑ te auf. Dieser Befund hat bei Buddhologen mitunter Erstaunen hervorgerufen, obwohl die Besitzlosigkeit nicht zu den Grundre‑ geln für einen bhikṣu zählte.51 Für jinisti‑ sche und brahmanische Asketen 52 galten ebenso wie für buddhistische Mönche und Nonnen – bei teils etwas unterschiedlicher Prioritätensetzung – die Gebote, nicht zu töten, nicht zu stehlen, nicht unkeusch zu leben und nicht zu lügen. Während brah‑ manische und jinistische Asketen zudem

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zur Besitzlosigkeit verpflichtet wurden, fehlt ein derartiges Gebot für buddhis‑ tische Mönche und Nonnen. An seiner Stelle findet sich als fünfte Verpflichtung, die Mönche, Nonnen und Laien beachten sollten, der Verzicht auf den Genuss jegli‑ cher Rauschmittel.53 In fünf weiteren, nur für Novizen und Ordinierte verbindlichen Regeln geht es um eine persönliche Be‑ schränkung in Hinsicht auf Luxus, wobei insbesondere untersagt wurde, Geld und Gold anzunehmen. Bei brahmanisch‑hinduistischen Aske‑ ten war das Armutsideal normativ viel stärker verankert, und deshalb sind Ab‑ weichungen der religiösen Praxis von der Theorie hier eher erstaunlich. Für eine im Mittelalter einflussreiche śivaitische Sekte hat Alexis Sanderson den folgenden Befund konstatiert: „Now, anyone who is familiar with the available religious literature of the Pāśupatas should immediately be struck by the fact that these epigraphic records show their officiants departing in a fundamental respect from the ideal laid down in that literature. For they evidently transgress the rule (…) that the Pāśupata must be without possessions (niṣparigrahaḥ) other than the items required for his observance, and that his only permitted source of sustenance is food given to him on his begging round. It is inconceivable that Pāśupatas abiding by this rule would have been in a position to fund the construction of a temple or the installation of Śivas, or that they would have been the beneficiaries of land grants intended to provide them with a living.“54 Für Śaiva‑Asketen ist jedoch epigraphisch belegt, dass ihnen – im Unterschied zu buddhistischen Mönchen und Nonnen in Indien – auch persönliche Dotationen ge‑ macht wurden.55 Stiftungen an einen bhikṣu- oder bhikṣuṇī saṃgha beziehungsweise an ein‑ zelne Śaiva‑ oder Jaina‑Asketen wurden

Wohltätigkeit und Bildung

offensichtlich nicht unter der Prämisse getätigt, dass es sich dabei um Armen‑ fürsorge handelte. Anders stellt sich dies bei einigen brahmanischen Dotationen dar. Häufig erfolgten Stiftungen ganzer Dörfer an einzelne, namentlich genannte Brahmanen, die damit sehr komfortabel ausgestattet waren und diese Steuerpfrün‑ den auch vererben konnten. Doch es gibt ebenfalls diverse Beispiele dafür, dass die Einkünfte aus einer vergleichsweise klei‑ nen Dotation für die regelmäßige Ernäh‑ rung von vielen Brahmanen verwendet werden sollten. Insbesondere dann, wenn die Beköstigung einer sehr hohen – oft wohl topisch zu verstehenden – Zahl von Personen ohne genaue Spezifizierung im Vordergrund stand, kann sie durchaus die Züge einer Armenspeisung angenommen haben. In diesen Fällen war der Kreis der Begünstigten nicht fest, und die Stiftung galt vermutlich den jeweils anwesenden Brahmanen. Diese konnten bedürftig sein, weil sie entweder tatsächlich mittellos (ver‑ armt oder freiwillig arm) waren oder weil sie sich auf der Durchreise befanden. Die elementaren Bedürfnisse von Asketen und Reisenden hatte auch der chinesische Pil‑ germönch Faxian im Blick, als er im 5. Jahr‑ hundert indische ‚Heilshäuser‘ (puṇyaśālā / dharmaśālā) beschrieb.56 Aus Sri Lanka wiederum gibt es Belege dafür, dass für mittel‑ beziehungsweise schutzlose bud‑ dhistische Nonnen besondere Vorkehrun‑ gen durch Stiftungen getroffen wurden.57 9.6.3 Bildung In der normativen brahmanischen Litera‑ tur, die sich mit dāna, d. h. mit Gaben und dem Akt des Gebens, beschäftigt, finden sich einige Kategorien mit eher metapho‑ rischer Bedeutung. Hierzu gehört neben abhayadāna, der Gewährung von Schutz

Indien

(‚Furchtlosigkeitsgabe‘), vor allem vidyādāna, die ‚Wissensgabe‘.58 Zu dem breiten Bedeutungsspektrum dieses Terminus hat Maria Heim festgestellt: „First of all it could mean the Vedic teaching of the brahman guru given to his pupil. Here the brahman is the donor of the gift, not its recipient. (…) Copied manuscripts are also considered vidyādāna.“59 Während man im ersten Fall nicht von einer Stiftung sprechen kann, wäre dies im zweiten unter bestimmten Bedingungen durchaus möglich. Nicht immer ist die Konnotation des schillernden Begriffs vidyādāna aus dem jeweiligen Kontext zweifelsfrei zu erschlie‑ ßen, wie einige epigraphische Belege il‑ lustrieren sollen. Der Terminus erscheint als Kategorie in mittelalterlichen indi‑ schen Klassifizierungen von Gaben. Im 10. Jahrhundert ließ der zentralindische Rāṣṭrakūṭa‑König Govinda IV. in einer Urkunde berichten, er habe Landgaben (pṛthivīdāna), Wissensgaben (vidyādāna), Speisegaben (āhāradāna), ‚Wunschbaum‑ gaben‘ (kalpavṛkṣadāna; → 3.6.1) und Me‑ dizingaben (bhaiṣajyadāna) gewährt.60 Mit‑ unter findet sich in solchen Reihen auch śāstradāna, die ‚Gabe von Gelehrtenwissen‘. Der Titulatur eines Vasallen der Śilāhāras von Kolhapur, der im 12. Jahrhundert re‑ gierte, ist zu entnehmen, dass dieser „je‑ mand [war], der mit Vergnügen Nahrung, Schutz, Medizin und Gelehrtenwissen ge‑ währte“ (āhārābhayabhaiṣajyaśāstradānavinoda).61 Aus dem Kontext königlichen Patronats lässt sich schließen, dass hier entweder Gaben von verschriftlichtem Wissen oder Gaben an die Träger oraler Wissensüberlieferung, also ‚Gaben für Wissen‘, gemeint waren. In einer Urkunde des 11. Jahrhunderts aus dem Süd‑Konkan wird der zweite As‑ pekt deutlich: Der Śilā hāra‑Fürst Raṭṭarāja stiftete dem śiva itischen Lehrer (guru) Ātreya, d. h. vermutlich seinem Präzeptor,

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drei Dörfer und andere Objekte „als Wis‑ sensgabe“ (vidyādānasvarūpena). Verwen‑ det werden sollte diese Dotation für den Kult (pūjā) des Gottes Śiva, für Repara‑ turen an einem nicht genannten Gebäu‑ de, für das Beköstigen und Einkleiden (bhojanācchādana) der Asketen (tapasvin) sowie für den Unterhalt (upayoga) der Schüler (chāttra), Lehrer (vidvajjana) und Besucher (abhyāgata).62 Es scheint sich also um eine Stiftung gehandelt zu haben, mit der die Vermittlung religiösen Wissens durch den Śaiva Ātreya belohnt wurde. Zugleich aber war sie dazu bestimmt, den Lehrbetrieb in der Einrichtung, der Ātreya offenbar vorstand, zu finanzieren. Ein solches Ziel wurde mitunter explizit als vidyādānārtham, „zum Zweck der [Weiter‑] Gabe von Wissen“, bezeichnet.63 Ein sehr verbreiteter Begriff für die Entlohnung ei‑ nes königlichen Präzeptors war hingegen gurudakṣiṇā, ‚Lehrergeschenk‘.64 ‚Klassische‘ brahmanische Bildung Wie bereits erwähnt, kann man wohl da‑ von ausgehen, dass viele Stiftungen an Brahmanen unter anderem für Bildungs‑ zwecke bestimmt waren.65 Die klassische brahmanische Erziehung der Vormoderne konzentrierte sich auf das Studieren, d. h. das Auswendiglernen, der zum vedischen Corpus gehörenden Texte, deren Ursprün‑ ge bis in das späte 2. Jahrtausend v. u. Z. zurückreichen. Die sehr individualisierte Form der Vermittlung religiösen Wissens hing nicht zuletzt mit der spezifischen Form der Bewahrung des als heilig gel‑ tenden Wortes zusammen: „The elaborate ritualistic religion developed during the Vedic period naturally called for a system of instruction for the continuous produc‑ tion of Vedic scholars and specialists in various aspects of the sacrificial literature. At a time when the art of writing and writ‑ ing materials were still in their infancy and

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memory and mnemonic devices the only methods available for the transmission and propagation of knowledge, the Vedic masters developed the concept of teacher, the ideal relationship between the teacher and the pupil, and a system of training in conformity with this relationship and the new life the pupils had to live in the modest household of the teacher.“66 Die vier Veden, der Ṛg‑, Yajur‑, Sāma‑ und Atharvaveda, und die sich daran anschließende Litera‑ tur wurden über Jahrhunderte – im Falle des Ṛgveda über zwei Jahrtausende und damit auch nach Einführung der Schrift – nur mündlich tradiert. Mit einer schrift‑ lichen Aufzeichnung dieser Texte begann man wohl erst nach 1000 u. Z., und auch dann starb die orale Überlieferung nicht aus. Daher blieb die Weitergabe sakralen Wissens sehr eng an brahmanische Lehrer‑ Schüler‑Linien geknüpft. Früh entwickelte sich ein Spezialisten‑ tum unter den brahmanischen Gelehrten: Obligatorisch war das Studium eines Veda und seiner Anhangtexte. Es gab jedoch auch Experten, die – wie ihre Beinamen dvivedin, trivedin, caturvedin zeigen67 – Ken‑ ner von zwei, drei oder gar vier Veden waren und wegen dieser Kompetenz bevor‑ zugt zu Empfängern königlicher Stiftungen gemacht wurden. Nicht alle Brahmanen er‑ kannten die Autorität des Atharvaveda an. Es existierten auch brahmanische Gruppie‑ rungen, für die nur drei Veden als autori‑ tativ galten. Sie wurden als traividya – im Unterschied zu cātur vidya – bezeichnet. Das mittelalterliche königliche Stiftungs‑ wesen hat ganz erheblich zur Verbreitung bestimmter Texttraditionen und zur An‑ siedlung von Gelehrten aus ausgewählten Zentren des Veda‑Studiums beigetragen. Ṛgvedins und Yajur vedins stellten wohl in allen Regionen Indiens die Hauptgrup‑ pen der im Mittelalter durch Dotationen Begünstigten. Die Kenner mehrerer Veden

Wohltätigkeit und Bildung

unter ihnen konnten jedoch zumindest potentiell auch als Lehrer eines anderen als ‚ihres‘ Veda agieren. Die männlichen Angehörigen der drei oberen Stände waren zum Erlernen der ve‑ dischen Texte berechtigt. Am Anfang des Studiums stand die sogenannte upanayana‑ Zeremonie, eine mit dem Umbinden der heiligen Schnur (yajñopavīta) verbundene Initiation oder ‚zweite Geburt‘, weshalb die dem brāhmana-, kṣatriya‑ und vaiśyavarṇa entstammenden Jungen und Männer zusammenfassend dvija, ‚Zweimalgebore‑ ne‘, genannt wurden. Für einen Brahma‑ nen begann das formelle Lernen (frühes‑ tens) im Alter von acht Jahren.68 In der ‚Manusmṛti‘, einem der einflussreichsten brahmanischen Rechtstexte, heißt es, „der ‚Zweimalgeborene‘ solle drei Veden studie‑ ren, für 36, 18 oder 9 Jahre beziehungsweise für so lange, wie er braucht. Nachdem er drei oder zwei Veden oder mindestens ei‑ nen Veda gelernt und enthaltsam gelebt hat, soll er sich dem Lebensstadium [āśrama] eines verheirateten Hausvaters [gṛhastha] zuwenden.“69 Der Begriff dvija bezieht sich häufig nur auf Brahmanen. Im Mittelalter war das Studium der Veden – ebenso wie das Vermitteln vedischen Wissens – wohl bereits zur alleinigen Domäne der brahma‑ nischen Priester geworden. Von besonders gelehrten Brahmanen, die mit Stiftungen bedacht wurden, heißt es, sie hätten die ‚14 Wissensgebiete‘ beherrscht, wozu ne‑ ben den vier Veden die sechs ‚Anhänge zum Veda‘ (Phonetik, Metrik, Grammatik, Etymologie, Astrologie und Ritualistik), ‚Dharmaśāstra‘ (Recht), ‚Purāṇa‘ (Legen‑ den), Mīmāṃsā‑ und Nyāya‑Philosophie gehörten.70 Ein Brahmane hatte gleichzeitig immer nur einen oder einige wenige Schü‑ ler, der beziehungsweise die bei ihm im Haus wohnte(n). Aus dem engen Verhältnis erklärt sich auch, warum brahmanische Rechtsgelehrte unter allen Formen des

Indien

Ehebruchs gerade ‚das Gehen zur Frau des Lehrers‘ (gurvaṅganāgama)71 als in höchs‑ tem Maße stigmatisierenswert ansahen. Dieser Tatbestand wurde neben Brahma‑ nenmord, Alkoholgenuss und Diebstahl zu den großen Vergehen (mahāpāṭaka) gezählt, die zu einem ‚Herausfallen‘ aus dem Ge‑ burtsstand (varṇa) führten.72 Neben einer Vielzahl von Stiftungen an einzelne gelehrte Brahmanen finden sich auch einige epigraphische Belege für die Gründung und Unterstützung von Ein‑ richtungen zur kollektiven brahmanischen Erziehung und Ausbildung. In einer priva‑ ten Sanskrit‑Inschrift des Śaka‑Jahres 867 (945 u. Z.) aus Salotgi in Karnataka73 wird zunächst ein brahmanischer Minister, ein Yajurvedin namens Nārāyaṇa, vorgestellt. Dieser hatte im Dorf Pāviṭṭage eine śālā, eine ‚Halle‘, errichten lassen, wobei aus den weiteren Ausführungen hervorgeht, dass es sich bei dieser Baulichkeit wahrschein‑ lich um eine Lehreinrichtung für Brahma‑ nen handelte. Dem Kolleg stiftete ein wei‑ terer Yajurvedin namens Cakrāyudha, der Dorfvorsteher (grāmapati) von Pāviṭṭage, das wohl mit dem heutigen Fundort Sa‑ lotgi identisch ist, Land in ebendiesem Dorf für die „Gemeinde der nach Wissen Strebenden“ (vidyārthisaṃgha)74 und für den Lehrer der śālā. Der Dorfvorsteher gab 500 nivartana 75 Land und 27 Häu‑ ser beziehungsweise Hausgrundstücke (niveśana) für die Schüler, die – wie es explizit heißt – aus verschiedenen Gegen‑ den stammten (nānājanapadodbhava) und wohl auch beherbergt werden mussten. Für einen Blumengarten wurden 4 nivartana und für Lampen 12 nivartana reserviert. Der Lehrer dieser śālā erhielt 50 nivartana und ein eigenes Haus(grundstück).76 Au‑ ßerdem wurde verfügt, dass die ‚Zwei‑ malgeborenen‘ aus Anlass bestimmter Le‑ benszyklusriten besondere Abgaben an die Schule zu leisten hatten. Aufgezählt sind

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die Haarschneidezeremonie (cūḍākarman), die Initiation (upanayana) und Hochzeiten (vivāha). Diese Inschrift (A) von der Mitte des 10. Jahrhunderts verteilt sich über drei Seiten eines Pfeilers, der einst zum Schul‑ gebäude gehört zu haben scheint. Zwei Zu‑ sätze in Kannaḍa wurden auf der vierten Seite (B) beziehungsweise umlaufend unten auf allen vier Seiten (C) eingraviert. Die Ergänzungen sind nicht datiert, stammen aber vermutlich aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts beziehungsweise aus dem 11. / 12. Jahrhundert. Im ersten Zu‑ satz wird berichtet, dass die Schule von einem Śilāhāra‑Fürsten restauriert und mit Land ausgestattet wurde. Der zweite Zu‑ satz bezeugt weitere Landstiftungen durch einen späteren Śilāhāra‑Fürsten an den Gott Trayīpuruṣa in der śālā in der Brah‑ manensiedlung (agrahāra) Pāviṭhage(!).77 Demnach muss die Bildungsstätte bis ins 11. / 12. Jahrhundert existiert haben. Auch unter den diversen Stiftungen aus der zweiten Hälfte des 10. Jahrhunderts, die auf dem bereits erwähnten Pfeiler‑ fragment aus Kandhar dokumentiert sind, finden sich Verfügungen zugunsten einer brahmanischen Bildungseinrichtung: Be‑ stimmte Mengen an Öl und Salz sollten täglich für ein vidyāsthāna,78 eine brah‑ manische ‚Wissensstätte‘, zur Verfügung stehen. Diese Institution wird beschrieben als „verbunden mit ‚Zweimalgeborenen‘, die zur Erlangung tadellosen Wissens ent‑ schlossen sind“.79 Weitere in Stiftungsinschriften belegte Begriffe für brahmanische Schulen sind khaṇḍikā und ghaṭikā.80 Mitunter finden sich diese Termini lediglich in allgemeinen Aufzählungen von religiös‑wohltätigen Werken, neben Tempeln, Hainen, Zister‑ nen, Brunnen, Wasserstellen.81 Aber sie erscheinen auch in komplexen Stiftungen des 13. Jahrhunderts, beispielsweise in der Urkunde eines in Karnataka regierenden

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Vasallen der Yādavas. Eine bestimmte Menge Landes – insgesamt 180 nivartana – wurde für verschiedene Begünstigte und unterschiedliche Zwecke aufgeteilt: für 56 Brahmanen in einer Brahmanensiedlung (brahmapurī), für den Kult (pūjārtham) drei‑ er Götter, für eine Speisehalle (sattrārtham), für eine Schule (khaṇḍikārtham), für den Unterhalt eines brahmanischen Lehrers (bhaṭṭavṛttyartham), für Unterricht der Knaben (bālaśikṣārtham), für die perio‑ dische Ahnenverehrung (pitṛparvārtham; → 8.6.2) sowie für einen Teich.82 Nicht ausdrücklich eine Schule, wohl aber der Unterhalt eines Lehrers (bhaṭṭavṛtti) und der Unterricht für die Knaben (bālaśikṣā) sowie eine Speisehalle (sattra) werden neben anderen Zwecken auch in der Urkunde einer Gebietsfürstin aufge‑ führt, die ebenfalls aus Karnataka stammt, aus dem 13. Jahrhundert datiert und zu‑ gunsten einer brahmapurī ausgestellt wur‑ de.83 Auch in anderen Stiftungsinschriften werden Speisehallen nicht nur im Zusam‑ menhang mit der Beköstigung von Brah‑ manen schlechthin, sondern besonders in Verbindung mit der Versorgung von (Veda‑)Schülern (hier: chāttra)84 genannt, die „begierig auf die Erlangung von Wissen“ (vidyābhyāsarata) waren.85 Laut einer südindischen Stiftungsur‑ kunde hatte auch ein König der Östlichen Cālukyas eine Brahmanensiedlung (hier: agrahāra) gegründet, und zwar durch die Zusammenlegung dreier Hauptdörfer. Diese Siedlung, die mit dem in Südindi‑ en verbreiteten Begriff catur vedimaṅgala bezeichnet wurde, beherbergte insgesamt 536 Brahmanen, welche namentlich als Begünstigte in der Pithapuram‑Urkunde aufgelistet sind.86 Einige Anteile an der Stiftung wurden für spezielle Zwecke, unter anderem für diverse brahmanische Fachlehrer, reserviert: „und einen Anteil für den Lebensunterhalt dessen, der die

Wohltätigkeit und Bildung

Grammatik erklärt, zwei für den Exegeten der Mīmāṃsā[‑Philosophie], einen für den, der Vedānta[‑Philosophie] erläutert, einen für den, der Ṛgveda lehrt, einen für den, der Yajurveda lehrt, einen für den, der die Gesänge des Sāma[veda] unterrichtet, ei‑ nen für den, der Prosodie [rūpāvatāra]87 er‑ klärt, einen für den, der ‚Purāṇa‘‑Rezitation unterrichtet, einen für den Arzt, einen für den Barbier, einen für den Giftkenner [und] einen für den Astrologen – so (insgesamt) zwölf Anteile für den Lebensunterhalt ge‑ mäß der Spezialkompetenz“.88 Instruktiv ist auch die bereits im Zusam‑ menhang mit Krankenhäusern (→ 9.6.2) besprochene Steininschrift an einem Viṣṇu‑ Tempel in Tirumukkudal in Tamilnadu. Ein Hauptzweck der darin beschriebenen, sehr komplexen Stiftung bestand in der Unterstützung einer zu der Tempelanlage gehörenden vedischen Schule, der eigene Wohnräume angeschlossen waren. Die Verfügungen besagen, dass die jeweili‑ gen Lehrer – wie das Personal der Kran‑ kenstation – eine bestimmte Menge Reis pro Jahr und eine Art ‚Handgeld‘ erhalten sollten. Auf diese Weise wurden Spezialis‑ ten zum Lehren des Ṛg‑ und des Yajur veda sowie zum Unterrichten in Grammatik (vyākaraṇa) und Prosodie (rūpāvatāra) be‑ zahlt. Unterrichtet sowie verpflegt wur‑ den insgesamt 60 Schüler, deren genaue Zusammensetzung ebenfalls festgehalten ist.89 Neben den zu erwartenden Brah‑ manenschülern, die den Ṛgveda und den Yajurveda studierten (je 10) oder sich auf Grammatik und Prosodie spezialisierten (insgesamt 20), wurden andere Studen‑ ten (20) explizit als zu bestimmten viṣṇu‑ itischen Gruppierungen (Mahāpañcarātras und Vaikhānasas) gehörig beziehungswei‑ se als Śaivas (Śiva‑Brahmanen) bezeichnet. Dieser Umstand hat den Herausgeber der Tirumukkudal‑Inschrift zu der Vermutung angeregt, dass zum Pensum auch andere

Indien

Studienmaterialien gehört haben dürften, beispielsweise ‚Āgama‘‑ und ‚Tantra‘‑Tex‑ te, für die – so könnte man hinzufügen – vielleicht die Kompetenz gelehrter viṣṇu‑ itischer (und śiva itischer) Tempelpriester hinzugezogen wurde. Die Schüler erhielten neben Essen auch (Schlaf‑)Matten sowie Öl für Lampen und für die Körperpfle‑ ge, wobei genau festgelegt ist, dass jedem Schüler Öl für ein Bad an insgesamt 51 Sonnabenden im Jahr zustand. Während die Lehrer eigene Zuweisungen empfingen – der Ṛg‑ und der Yajurveda‑Spezialist z. B. je 60 kalam Reis und 4 kāśu ‚Handgeld‘ pro Jahr – wurden die Aufwendungen für das Betreiben der Schule, einschließlich der Kosten für Köche und Dienerinnen, pau‑ schal mit 1 650 kalam abgegolten. Hinduistische Tempelkollegien Wie sich bereits in den Ausführungen zur brahmanischen Bildung gezeigt hat, bele‑ gen die mittelalterlichen Stiftungen deut‑ lich, dass es neben dem Privatlehrersystem auch organisierte Formen der Wissensver‑ mittlung gegeben hat: die Veda‑Schule und den Lehrerverbund in einer Brahmanen‑ siedlung. Diese Veränderungen werden in der Regel mit dem Einfluss der monasti‑ schen Organisationsformen der Buddhis‑ ten und der Jinisten erklärt: „Yet organized efforts in religious and educational matters were not unknown in Vedic times. (…) But none of these references throws any light as to whether there was any effort at orga‑ nizing a number of teachers into a school or an institution collectively responsible for the teaching of a number of pupils. In India the Buddhists and the Jainas must be credited with such institutionalization of education with far‑reaching cultural and international consequences“.90 Insbesondere ab dem 10. beziehungs‑ weise 11. Jahrhundert erhielt der traditio‑ nelle vedische Brahmanismus aber auch

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sehr starke Impulse von verschiedenen hinduistischen Strömungen. In Brahma‑ nensiedlungen und Veda‑Schulen spielten die Verehrung von Götterbildern und der Tempelkult zunehmend eine Rolle und er‑ weiterten sich die Lehrinhalte um ganz spezifische śivaitische und viṣṇu itische Themen. Auch wurden – wie aus der Tiru‑ mukkudal‑Inschrift ersichtlich ist – an Tempelkomplexe angeschlossene brahma‑ nische Schulen gegründet, die sich neben dem Studium der Veden auch purāṇischen und tantrischen Texten widmeten. Paradebeispiel für die Institutionalisie‑ rung dieser Symbiose ist der maṭha (auch feminines Diminutiv: die mathikā). Auf‑ grund der funktionalen Komplexität dieser Einrichtung ist es schwierig, eine überall passende Übersetzung zu finden. Die Ver‑ fasserin hat sich entschieden, maṭha be‑ ziehungsweise maṭhikā mit ‚Tempelkolleg‘ wiederzugeben, weil die Anbindung an verschiedene hinduistische Heiligtümer ebenso wie die Verbindung mit eduka‑ tiven Aufgaben klar zu erkennen sind.91 In der Literatur wird der Terminus oft unübersetzt gelassen.92 Zum Teil aber be‑ nutzt man die Bedeutung ‚Kloster‘ oder ‚monastery‘,93 die hier nicht favorisiert wird, da der Begriff für buddhistische und jinis‑ tische monastische Institutionen Verwen‑ dung findet. Dennoch steht außer Zweifel, dass zu einem maṭha in der Regel eigene Unterkünfte gehörten und eine gewisse gemeinschaftliche Abgeschiedenheit zur Außenwelt bestand. Einige ausgewählte Beispiele von maṭha‑ Gründungen und Stiftungen an diese Kol‑ legien sollen den besonderen Charakter dieser Institutionen illustrieren. Aus der Region nördlich von Mumbai liegen Urkun‑ den vor, die auf sehr enge und langfristige Stifterbeziehungen zwischen lokalen Eli‑ ten und hinduistischen Tempeln hinwei‑ sen. In Chinchani wurden 1955 von einem

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Bauern neun Kupferplatten beim Pflügen gefunden.94 Diese Tafeln bilden fünf Ur‑ kunden, die aus der Zeitspanne von Śaka 848 bis 975 (926–1053 u. Z.) datieren und auf die Herrschaft der Rāṣṭrakūṭas und der Śilāhāras Bezug nehmen. Gemeinsam aufbewahrt wurden die Urkunden wohl deshalb, weil sie alle im Zusammenhang mit einer maṭhikā der Göttin Daśamī stan‑ den. Die älteste der Urkunden berichtet, dass ein Brahmane „das unvergleichliche Schmuckstück mit dem Namen maṭhikā in Saṃyāna gegründet habe“.95 Im Śaka‑Jahr 848 erhielt das Tempelkolleg von dem über Saṃyāna regierenden Fürsten Madhumati Sugatipa, bei dem es sich um einen ara‑ bischen Vasallen des Rāṣṭrakūṭa‑Königs gehandelt haben dürfte, ein Dorf und Län‑ dereien. Diese Stiftung sollte für anfallende Reparaturen an der maṭhikā, für die Versor‑ gung einer brahmanischen Gemeinschaft, die als pañcagauḍīya bezeichnet wird, und für die Verehrung der Göttin Daśamī ver‑ wendet werden sowie dem langen Bestand des dharma dienen. Die zweite Urkunde stammt ebenfalls aus der Rāṣṭrakūṭa‑Zeit, ist aber nicht datiert. Im Unterschied zu den anderen Urkunden dokumentiert die‑ se Inschrift keine Stiftung, sondern eine Übereinkunft (vyavasthā) zur Schlichtung eines Nachbarschaftsstreits zwischen dem Kolleg und einem viṣṇuitischen Tempel beziehungsweise – nach Diktion der Ur‑ kunde – zwischen der Göttin Daśamī und dem Gott Bhillamāladeva Madhusūdana (Viṣṇu). Dieses epigraphische Zeugnis ist jedoch insofern interessant, als in ihm eine ausführliche Beschreibung der Göttin und der maṭhikā enthalten ist, aus der ein enger Bezug des Tempelkollegs zum Veda‑Stu‑ dium hervorgeht. So heißt es, die maṭhikā sei bewohnt von (adhiṣṭhitā), gefüllt mit (paritā), voll von (nicitā) und lieblich durch (ramyā) beziehungsweise erstrahle (vibhāti) durch die brahmanischen Veda‑Gelehrten

Wohltätigkeit und Bildung

(bhūsura, ‚Götter auf Erden‘; svādhyāyika, vedapara, vedārthasāranipuṇa).96 Nach Aus‑ sage der dritten Chinchani‑Urkunde vergab im Śaka‑Jahr 956 (1034 u. Z.) ein Vasall der Śilāhāras von Nord‑Konkan eine Ölmühle an das Tempelkolleg für das Brennen einer Lampe vor der Śrī‑Bhagavatī und für das Einsalben der Füße der ansässigen Veda‑ Gelehrten und der zu Besuch kommenden Brahmanen.97 In den Śaka‑Jahren 969 und 975 erhielt die maṭhikā mit der vierten und der fünften Chinchani‑Urkunde weitere Zustiftungen. Nach Aussage einer Yādava‑Stein in‑ schrift aus dem Nordwesten Maha rashtras, die aus dem frühen 13. Jahrhundert datiert, wurde ein ganz besonderes Kolleg (maṭha) mit einer Stiftung bedacht. Caṅgadeva, Hof‑ astrologe des regierenden Yādava‑Königs und Enkel des berühmten indischen Astro‑ logen und Mathematikers Bhāskara, der im 12. Jahrhundert gelebt hatte, ließ zur Verbreitung der von seinem Großvater ent‑ wickelten Theorien einen maṭha errichten: „Caṅgadeva (…), der vorzügliche Astrologe des Königs Siṅghaṇa, (…) stiftet[e] ein Kol‑ leg mit dem Ziel, die von Śrī‑Bhāskarācārya begründeten Lehren zu verbreiten: ‚Die von Bhāskara verfassten Texte, wie der „Siddhāntaśiromaṇi“, und andere Arbeiten von Angehörigen seines Geschlechts sind in meinem Kolleg unbedingt ausführlich zu behandeln.‘“98 Mit den nötigen Finanz‑ mitteln wurde der maṭha durch die Stiftung eines Vasallenfürsten der Yādavas ausge‑ stattet, der Caṅgadeva als seinen eigenen Lehrer (nijaguru) bezeichnete. Die Mehrzahl der bekannten Stiftun‑ gen zugunsten von maṭha‑Einrichtungen stammt aus dem Süden und dem Zentralteil Indiens und datiert aus der Zeit ab dem 10. / 11. Jahrhundert. Hartmut Scharfe hat dazu bemerkt: „the scarcity of data from Northern India is not necessarily an in‑ dication that such colleges did not exist

Indien

there (…). The paucity of data could in part be explained with the large‑scale destruc‑ tion of temples by the waves of Muslim invaders and conquerors“.99Auch wenn unbestritten ist, dass im Norden Indiens mehr Tempel und Klöster als im Süden den islamischen Eroberungen zum Opfer fie‑ len, ist zu konstatieren, dass in den vielen erhaltenen nordindischen Stiftungsurkun‑ den und ‑inschriften aus dem Mittelalter maṭha‑Institutionen nur eine vergleichs‑ weise geringe Rolle spielen. Ohne dass hier eine Erklärung für dieses Phänomen angeboten werden könnte, fällt zumindest auf, dass diese Quellenarmut eben nicht für Stiftungen an Tempel als solche sowie an buddhistische Klöster, jinistische Insti‑ tutionen und Brahmanen gilt, die oftmals ebenfalls von Verfolgungen und Zerstö‑ rungen betroffen waren.100 Eine der wenigen bekannten Stiftungs‑ inschriften aus dem Norden des Subkonti‑ nents, die Informationen zu einer größeren religiös‑edukativen hinduistischen Insti‑ tution enthält, ist eine Kupfertafelurkun‑ de aus Paschimbhag im heutigen Bangla‑ desch.101 Sie wurde von Śrīcandra, einem König der Candra‑Dynastie ausgegeben, der im 10. Jahrhundert in der Sylhet‑Region regierte. Diverse Dotationen von Land soll‑ ten für zwei Schulkomplexe genutzt wer‑ den, die aus jeweils vier Kollegien (maṭha) bestanden. Die beiden Komplexe, die an eine Śrīcandrapura genannte Siedlung von 6 000 Brahmanen angeschlossen waren, werden im Text als vaṅgāla, ‚bengalisch‘, und als deśāntarīya, ‚fremdländisch‘, be‑ zeichnet, also wohl hinsichtlich der Her‑ kunft ihrer Schüler unterschieden. Vier Kollegien standen den Studenten aus der Region, vier weitere denen aus anderen Gebieten zur Verfügung. In jedem maṭha wurden fünf Schüler von einem Lehrer für die vier Veden unterrichtet. Insgesamt setzte sich die Schülerschaft also aus 40

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Schülern zusammen. 102 Im Verhältnis zu den 6 000 in der vom Candra‑König ge‑ gründeten Siedlung lebenden Brahmanen erscheint die Anzahl der Schüler recht gering, weshalb man vermuten könnte, dass nur ausgewählte junge Brahmanen diese Schule besuchten. Zu der Einrich‑ tung gehörte Personal, das aus der Stiftung zu versorgen war: Ärzte, Schreiber und Buchhalter, Blumenbinder, Barbiere und Wäscher, Diener und Dienerinnen. Buddhistische, jinistische und hinduistische Lehrer-Schüler-Linien Im Unterschied zu den an hinduistische Tempel angebundenen Kollegien sind mit‑ telalterliche Stiftungen an buddhistische und jinistische Lehreinrichtungen kaum belegt. Aus Berichten der chinesischen Pil‑ ger, die im Frühmittelalter Indien bereisten, ist jedoch bekannt, dass vor allem die sehr großen buddhistischen Klosterkomplexe als Bildungsinstitutionen von überregio‑ naler Bedeutung fungierten. Berühmtes‑ tes Beispiel ist die Klosterakademie von Nālandā in Bihar, wobei Indologen diese Anlage in der Regel als ‚Klosteruniversität‘ bezeichnen. Den Berichten von Xuanzang und Yijing aus dem 7. Jahrhundert ist zu entnehmen, dass sich Nālandā bereits zu dieser Zeit sehr großer Bekanntheit und eines exzellenten Rufes erfreute und dass von zehn Studienbewerbern nur zwei bis drei aufgenommen werden konnten.103 Den Zeitgenossen fiel besonders ins Auge, dass in Nālandā nicht ausschließlich buddhisti‑ sche Themen behandelt wurden, sondern man dort auch brahmanisch‑hinduisti‑ sche sowie wissenschaftliche Texte stu‑ dieren konnte oder – wie es aus der Per‑ spektive des Biographen von Xuanzang heißt – „even ordinary works, such as the Vedas and other books, the Hetuvidyā, Śabdavidyā, the Chikitsāvidyā, the works of Magic (Atharvaveda), the Sāṅkhya“.104

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Auffällig ist jedoch, dass buddhistische Urkunden selbst aus den Regionen, aus denen solche Dokumente in großer Zahl erhalten sind, wie z. B. Valabhī in Guja‑ rat, edukative Ziele nicht erwähnen. Das könnte damit zusammenhängen, dass die meisten dieser Zeugnisse aus der Zeit vor dem 10. Jahrhundert stammen, als die epi‑ graphisch festgehaltenen Dotationszwe‑ cke sehr formelhaft beschrieben wurden. Vermutlich schwang aber ähnlich wie bei Stiftungen an gelehrte Brahmanen auch bei auf Dauer angelegten Gaben an den bud‑ dhistischen Orden die Intention mit, die Mönche und Nonnen mögen ihre Kenntnis‑ se zu buddhistischen Texten und Dogmen an Novizen und Novizinnen weitergeben. Ein wichtiges Instrument der Verbreitung religiösen Wissens war die Pilgerschaft, und im Stiftungskontext ist es daher be‑ deutsam, wenn als Begünstigte buddhisti‑ scher Dotationsurkunden aus dem mittel‑ alterlichen Indien in der Regel nicht nur die jeweils ansässigen Mönche und Non‑ nen, sondern auch Klostergäste genannt werden. Die chinesischen Pilger berichten davon, wie zu Besuch weilende Mönche für drei (Faxian) oder fünf Tage (Yijing) beherbergt und beköstigt wurden.105 Sie selbst sind aber beste Beispiele dafür, dass in den mit Dotationen reichlich bedachten Klosterkomplexen – wie z. B. in Nālandā – auch längere Studienaufenthalte durchaus möglich und üblich waren. In dieser Hin‑ sicht dienten die Stiftungen zum Unterhalt buddhistischer Konvente indirekt auch der Verbreitung religiösen Wissens über den Subkontinent hinaus. Eine besondere Rolle spielten Klöster, die von singhalesischen und südostasiatischen Königen in Indien gegründet und von indischen Herrschern mit Dotationen ausgestattet wurden. Nach brahmanischem Modell haben auch die Buddhisten früh ein elaborier‑ tes System der Wissensspezialisierung

Wohltätigkeit und Bildung

entwickelt. So wurde beispielsweise zwi‑ schen Kennern des vinaya, des Ordens‑ rechts, und Spezialisten für dharma, für Lehrinhalte, unterschieden. Während für Brahmanenjungen die religiöse Erziehung bereits im Alter von acht Jahren begin‑ nen konnte, setzte sie für buddhistische Novizen aufgrund des vorgeschriebenen Mindestalters für die (niedere) Ordina‑ tion frühestens mit 15 Jahren, also relativ spät, ein.106 Nach den normativen Vorga‑ ben der kanonischen Literatur benötigte jeder Novize zwei geistliche Berater, einen ‚Meister‘ (upādhyāya) und einen ‚Lehrer‘ (ācārya), dessen Gefährte und Mitbewoh‑ ner (sārdhavihārin) beziehungsweise Schü‑ ler (antevāsin) er war.107 In der Begriffs‑ wahl zur Bezeichnung der zwei ‚Erzieher‘ schwingen die brahmanischen Vorbilder ebenfalls mit, doch war im Buddhismus der upādhyāya wichtiger als der ācārya. Zehn Jahre lang sollte das Betreuungs‑ und Abhängigkeitsverhältnis bestehen, d. h. nicht nur während des Noviziats, son‑ dern auch noch in den ersten Jahren als Mönch.108 Die Zahl der von einem Mönch betreuten Novizen wurde bereits sehr früh auf ein bis zwei junge Männer beschränkt. Für Nonnen galten andere Vorgaben. Dass derartige Lehrer‑Schüler‑Verhältnisse sehr eng waren, zeigt sich vor allem in Stiftun‑ gen aus dem indischen Altertum. In der Regel definierten sich als Stifter agierende buddhistische Mönche oder Nonnen mit Verweis auf ihre geistlichen Lehrer und Lehrerinnen und beteiligten diese am re‑ ligiösen Verdienst. In Stiftungen von Or‑ dinierten findet sich dieses Muster noch im Mittelalter, doch werden solche Lehrer‑ Schüler‑Linien nicht in königlichen Ur‑ kunden an buddhistische Klöster erwähnt. Das ist wohl darauf zurückzuführen, dass die so dokumentierten Dotationen nie an Einzelpersonen, sondern an ganze Kon‑ vente gingen.

Indien

Anders ist das bei jinistischen und hin‑ duistischen (insbesondere śivaitischen) Stiftungen. In diesen sind als Empfänger häufig Individuen genannt, für die auch festgehalten ist, welcher Lehrer‑Schüler‑ Linie sie entstammten. Die Jaina‑Leh‑ rer wurden ācārya, ihre Asketenschüler śiṣya oder antevāsin und ihre Laienschüler chāttra oder im kanaresischen Sprachraum guḍḍa genannt.109 Śaiva‑Asketen bezeichne‑ te man als ācārya oder guru, ihre Schüler als śiṣya.110 Es gibt Belege dafür, dass es sich hierbei mitunter – obwohl dies einen Verstoß gegen die für Asketen geltende Zölibatsregel darstellte – um Vater‑Sohn‑ Linien handelte.111 Buchstiftungen Wie eingangs festgestellt, wurden auch Buchstiftungen als vidyādāna betrachtet. Die Tatsache aber, dass Verschriftlichun‑ gen religiöser Texte in weiten Teilen des indischen Kulturraums lange Zeit eine viel geringere Rolle gespielt haben als in anderen Regionen der Welt (→ 6.6.5), hat sich auch auf das mittelalterliche indische Stiftungswesen und auf die traditionel‑ len Lehrmethoden ausgewirkt. Insbeson‑ dere im vedisch‑brahmanischen Umfeld existierten eine ausgesprochene Aversion gegen das Aufschreiben der heiligen Tex‑ te und eine Jahrhunderte währende aus‑ schließliche Konzentration auf mündliche Überlieferung. So wird erklärlich, weshalb im mittelalterlichen indischen Stiftungs‑ wesen der Unterhalt von Personen, die als Träger der religiösen Texttraditionen gal‑ ten, große Bedeutung erlangte. Zwar tra‑ dierten auch die Buddhisten und Jinisten

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ihre Lehrinhalte zunächst oral, doch stan‑ den sie dem Gebrauch der Schrift nicht so ablehnend wie die Brahmanen gegenüber. Auffällig ist, dass Stiftungen zum Un‑ terhalt von Klöstern und Tempeln äu‑ ßerst selten mit der expliziten Bestim‑ mung vergeben wurden, die Erträge für das Abschreiben oder anderweitige Be‑ schaffen von Handschriften (pustaka) zu verwenden.112 Ebenso wie die Gründung von Sakralbauten und das Aufstellen von Kultbildern scheint das Vervielfältigen religiöser Texte eher durch separate Do‑ tationen finanziert worden zu sein. Damit aber nahmen die Stifter sehr viel stärker Einfluss darauf, welche Texte kopiert wur‑ den und mithin die Zeit überdauerten, als dies bei einer komplexen, aber allgemeiner gehaltenen Stiftung zu erwarten wäre. Die Existenz mittelalterlicher buddhisti‑ scher Bibliotheken ist unter anderem durch Berichte der chinesischen Pilger belegt,113 doch werden sie in Stiftungsurkunden nicht erwähnt. Dies gilt auch für die be‑ rühmten Bibliotheken der Jainas, die zum Teil bis in die Gegenwart überdauert ha‑ ben. Früheste inschriftliche Hinweise auf die Existenz von hinduistischen Tempel‑ bibliotheken (sarasvatībhaṇḍāra) stammen wohl erst aus dem 12. oder 13. Jahrhundert. In einer Inschrift aus Chidambaram in Tamilnadu wird im Zusammenhang mit der dortigen Bibliothek eine größere Zahl Bibliothekare erwähnt, von denen acht für das Abschreiben alter Handschriften, vier für das Konservieren der Manuskripte und zwei für das Vergleichen der Kopien mit den Originalen verantwortlich waren.114 AS

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Wohltätigkeit und Bildung

Anmerkungen 1  The Kauṭilīya Arthaśāstra, Bd. 1. Ed. R. P. Kang- erscheinenden genealogischen Strophen auch in le. Bombay 21969, 27, Abschnitt 1.19.29. Zur Über‑ setzung dieser Stelle siehe auch King, Governance and Law in Ancient India. Kauṭilya’s Arthaśāstra. A New Annotated Translation. Übers. Patrick Olivelle. Oxford / New York 2013, 93, Abschnitt 1.19.29. 2 Wörtlich heißt es: „Söhne [putra] von Frauen, die geboren haben [prajātā]“. Das Problem scheint hier die Absenz des Vaters zu sein. Es muss sich also um Halbwaisen oder De‑facto‑Halbwaisen gehandelt haben. 3 Kauṭilīya Arthaśāstra. Ed. Kangle (wie Anm. 1), 33, Abschnitt 2.1.26. Dass es in all diesen Fällen nur um solche Personen geht, für die niemand auszu‑ machen ist, der eigentlich für sie zuständig wäre, geht aus dem übernächsten Paragraphen (2.1.28) hervor, in dem Strafen für diejenigen (Männer) festgelegt werden, die Frau und Kinder, Vater und Mutter, minderjährige Brüder oder unverheiratete beziehungsweise verwitwete Schwestern nicht unterstützen. 4  Ebd., 32, Abschnitt 2.1.7. 5 Ebd., 33, Abschnitte 2.1.19–22. 6 Deeg, Gaoseng‑Faxian‑Zhuan (2005), 540: „Sie suchen auch das Heil, [indem] sie (…) Räume er‑ richten und den vorbeikommenden Reisenden (…) Betten, Bettzeug, Essen und Trinken anbieten“. 7 Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiö‑ ses Patronat (2014), 66, Strophe 1.24: dīnānāthapraṇayiṣu yatheṣṭaceṣṭaṃ samīhitam ajasram / tatkṣaṇam akālavarṣo varṣati sarvārtinirmathanaṃ //. 8 Ebd., 256, Strophe ŚK4.9ab: dīnānāthadaridraduḥkhivikalavyākīrṇanānāvidhaprāṇitrāṇaparāyaṇaḥ pratidinaṃ guptākhyadānena yaḥ /. 9 Ebd., 366 f., YāSt 25, Strophe 20: devālayāny agrahārā yasya tiṣṭhaṃty anekaśaḥ / prapāḥ sa[t]‑ trāṇi ramyāṇi vāpyaś ca varadātaṭe //. 10  Monier-Williams, Sanskrit‑English Dictiona‑ ry (1899), 182; 642; Kane, History of Dharmaśāstra, Bd. 2.2 (1941), 844; 893; Orr, Religious Endowments (2011), 151. 11  Fragmentary Rashtrakuta Inscription from Kandhar. Ed. Dinesh Chandra Sircar / Gourishwar Bhattacharya, in: Epigraphia Indica 35, 1963/1964, 105–114. In den erhaltenen Teilen der Inschrift fin‑ det sich keine Datumsangabe. Da sieben der hier

den Urkunden von Rāṣṭrakūṭa Kṛṣṇa III. – und zwar nur dort – auftauchen, stammt die Kandhar‑ Inschrift vermutlich aus seiner Regierungszeit. Auf der ersten Seite des Pfeilerfragments ist der Beginn der Rāṣṭrakūṭa‑Genealogie erhalten. Auf der zwei‑ ten und dritten Seite finden sich Beschreibungen di‑ verser Schenkungen und Stiftungen; vgl. ebd., 107 f. 12  Ebd., 114, Z. 8–10. 13  Ebd., Z. 4–6. 14  Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 307. 15  Dies war die Bezeichnung für eine Silber‑ münze. 16  Fragmentary Rashtrakuta Inscription from Kandhar. Ed. Sircar / Bhattacharya (wie Anm. 11), 114, Z. 19 f. 17  Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 149; 210 f. 18  Statt agniṣṭikā ist wohl agniṣṭhikā zu lesen; vgl. Monier-Williams, Sanskrit‑English Dictionary (1899), 5: „[agni]‑shṭhikā, f. a fire‑pan“. 19  Hierbei handelt es sich um den sogenannten Betelpfeffer, der als Arzneipflanze benutzt und dessen Blätter (bestrichen mit anderen Ingre‑ dien zien und dann gerollt) zur Munderfrischung gekaut wird. 20 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 305 f. 21 Ebd., 417–419. 22 Mitunter findet sich diese Formel auch in ji‑ nistischen und buddhistischen Zusammenhängen. 23 Cambay Plates of Govinda IV.; Saka Samvat 852. Ed. Devadatta Ramakrishna Bhandarkar, in: Epigraphia Indica 7, 1902/1903, 26–47, bes. 41, Z. 58. 24 Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 306: „sattra (…) ‚a charitable feeding house‘; an alms‑house“. Sattra steht wohl oft für sattraśālā; zu sattraśālā vgl. auch Fragmentary Rashtrakuta Inscription from Kandhar. Ed. Sircar / Bhattacharya (wie Anm. 11), 113, Z. 15 (Teil 2). 25 Vgl. hierzu Three Copper‑Plate Inscriptions from Gaonri: A. – The Fragmentary Grant of the Rāshṭrakūṭa Suvarṇavarsha (Govinda IV): Śaka 851. Ed. K. N. Dikshit, in: Epigraphia Indica 23, 1959/1960, 101–108.

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Śaka 1389. Ed. K. V. Subrahmanya Aiyar, in: Epi‑ 26 Ebd., 107 f., Z. 9 und 21. 27 Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ graphia Indica 17, 1923/1924, 193–204; bes. 200,

giöses Patronat (2014), 308 f. Genaue Festlegun‑ gen in Hinsicht auf die anzubietenden Speisen finden sich vor allem in südindischen Stiftungs‑ inschriften. 28 Zu Beispielen für die sattra‑Institution vgl. ebd., 312–314; 378; 408 (für Brahmanen); 389 (für Tempelpriester); 392; 397 (für Schulen). Auch Frag‑ mentary Rashtrakuta Inscription from Kandhar. Ed. Sircar / Bhattacharya (wie Anm. 11), 113, Z. 15 (Teil 2). 29 Rāṭhor Grants No. III. A Grant of Dhruva III., of Bharoch. Ed. Georg Bühler / Eugen Hultzsch, in: IA 12, 1883, 179–190, bes. Z. 52–55: vipro bhūd bhadrapalyāṃ bahudhanajanatāsaṃkulāyāṃ dharāyāṃ khyātaḥ śrīḍhoḍḍhināmā janitajanasukho [ʼ]dhvaryusabrahmacārī / yasminn arthijanāḥ dadāty avirataṃ prājyaṃ kṛtānnādikaṃ niściṃtodarapūraṇāḥ samabhavan durbhikṣakāleṣv api // trennāṃ sa labdhvā dhruvarājadevāt sattraṃ dadau sarvajanopakāri / dine dine yasya gṛhe narendrāḥ sahasraśo bhuṃjato bhūsurāś ca //. Vgl. auch Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 185–187. 30 Zu den Anfängen vgl. Falk, Ursprung der Sattra‑Opfer (1985). Zu sa(t)tra in Inschriften des Singhalesen‑Königs Niśśaṅkamalla (12. Jahrhun‑ dert) vgl. Epigraphia Zeylanica, Bd. 2. Ed. und übers. Don Martino De Zilva Wickremasinghe. Lon‑ don 1928, 112, Nr. 17, Z. 20; 126, Nr. 19, Z. 2; 129, Nr. 20, Z. 3; 132, Nr. 21, Z. 3; 136, Nr. 22, Z. 3; 174, Nr. 29, Z. 36 f.; 288, Nr. 42, Z. 10. 31 Die großen Felsenedikte Aśokas. Kritische Ausgabe, Übersetzung und Analyse der Texte. Ed. Ulrich Schneider. Wiesbaden 1978. 32 Vgl. aber Deeg, Gaoseng‑Faxian‑Zhuan (2005), 550: „Die Obersten und Gildenmeister (…) richten innerhalb der Städte für ihre guten Werke (…) Krankenhäuser und Apotheken (…) ein.“ 33 Basu Majumdar, Medical Practitioners (2013), 12. 34 Vgl. z. B. Pithapuram Plates of Vira‑Choda. Dated in his Twenty‑third Year. Ed. H. Krishna Sastri, in: Epigraphia Indica 5, 1898/1899, 70–100, bes. 94, Z. 271–274; Chebrolu Inscription of Jaya; After Saka‑Samvat 1135. Ed. Eugen Hultzsch, in: Epigraphia Indica 5, 1898/1899, 142–151, bes. 147 f., Z. 120–124; Somalapuram Grant of Virupaksha:

Z. 49–51, Strophe 30. 35 Kalam war ein südindisches Getreidemaß; vgl. Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 139. 36 Kāśu war eine Tamil‑Münzbezeichnung; vgl. ebd., 150. 37 The Tirumukkudal Inscription of Virarajen‑ dra. Ed. K. V. Subrahmanya Aiyar, in: Epigraphia Indica 21, 1931/1932, 220–250, bes. 239 f., Z. 43–46. Einzelne Arzneien sind speziell aufgelistet. Sie‑ he auch Chakravarti / Ray, Healing and Healers Inscribed (2011). 38 Malkapuram Stone‑Pillar Inscription of Rudradeva (Rudramba). Śaka Samvat 1183, Ed. J. Ramayya Pantulu, in: JAHRS 4, 1929/1930, 147–162, bes. 159, Z. 46–48; 160, Z. 71–73. 39 Vgl. hierzu auch Sircar, Studies in the Reli‑ gious Life (1971), 156–160. 40  Siyan Slab Inscription of Nayapala. Ed. Dinesh Chandra Sircar, in: Epigraphia Indica 39, 1971/1972, 39–56, bes. 53, Z. 20C, Strophe 34: ārogyaśālam ārogyahetau rogavatāṃ nṛṇāṃ / tathā vaidyavāsa[ḥ], „eine Genesungshalle zur Heilung der kranken Männer / Menschen und eine Arzt‑ wohnung“. 41  Srirangam Inscription of Garudavahana‑ Bhatta: Saka 1415. Ed. A. S. Ramanatha Ayyar, in: Epigraphia Indica 24, 1937/1938, 90–101, bes. 99, Z. 32 f. Zur Übersetzung der betreffenden Passage ebd., 100: „which had become dilapidated during the vāṇam“. Der Herausgeber erläutert den von ihm nicht übersetzten Begriff vāṇam (ebd., 97) wie folgt: „As regards the vāṇam (tulukka-vāṇam of the Koyiloḷugu) during which the ārogyaśālā had suffered damage, the reference is to the anarchy which followed in the wake of the Muhammadan invasions of South India in the first half of the 14th century A. D.“ 42  The Book of the Discipline. Vinaya‑Piṭaka, Bd. 4: Mahāvagga. Übers. Isaline Blew Horner. Lon‑ don 1951, 75, Abschnitt 1.30.4. 43  Inscriptions of Orissa, Bd. 2: Inscriptions of the Bhauma‑Karas. Ed. Snigdha Tripathy. Delhi 2000, 127, Nr. 8, Z. 20–24. Vgl. auch ebd., 156 f., Nr. 13, Z. 29–35; 163 f., Nr. 14, Z. 29–35. Zur medizi‑ nischen Versorgung hinduistischer Tempelpries‑ ter siehe auch Basu Majumdar, Medical Practitio‑ ners (2013), 20 f. Vgl. ferner Three Early Charters

278 from Sanjeli in Gujarat. Ed. Koluvail Vyasaraya Ramesh, in: Epigraphia Indica 40, 1973/1974, 175– 186, und dazu auch K. Ray, Resource Base (2007). 44  Sircar, Studies in the Religious Life (1971), 161–163. 45  Zysk, Ascetism and Healing (1991), 44–46. 46  Zu einer buddhistischen Säuleninschrift aus Nepal, auf der eine königliche Landstiftung des frühen 7. Jahrhunderts zugunsten einer ārogyaśālā dokumentiert ist, vgl.ebd., 45. 47  Sircar, Studies in the Religious Life (1971), 161. 48  Book of the Discipline. Übers. Horner (wie Anm. 42), 89–91, Abschnitt 1.39. 49  Epigraphia Zeylanica, Bd. 1. Ed. und übers. Don Martino De Zilva Wickremasinghe. London 1912, 213–229, bes. 222, Nr. 19, Z. 33. Zu einer Stif‑ tung für ein behedge vgl. ebd., 153–161, Nr. 11. Zu späteren Hospitalstiftungen durch Christen und Muslime in Indien vgl. Speziale, Hospitals (2012). 50 Book of the Discipline. Übers. Horner (wie Anm. 42), 75, Abschnitt 1.30.4. 51 Kieffer-Pülz, Musterbeispiel (2006/2007), 295; Dies., Stretching the Vinaya Rules (2007), 20 f. 52 Hierzu zählt nicht der ‚normale‘ Brahmane, für den kein Zölibat galt und dessen idealtypi‑ scher Lebensentwurf vielmehr die Betonung auf den nach dem Studium folgenden Abschnitt des verheirateten Hausvaters legte. 53 Diese fünf Gebote oder besser ‚Selbstver‑ pflichtungen‘ galten nicht nur für buddhistische Ordinierte, sondern auch für Laienanhänger, für letztere allerdings mit einer modifizierten Inter‑ pretation der ‚Keuschheit‘. 54 Sanderson, Impact of Inscriptions (2013), 226. 55 In seinem Versuch, diese Diskrepanz zwi‑ schen Theorie und Praxis zu deuten, weist San‑ derson darauf hin, dass sich sogar in den norma‑ tiven Texten selbst Hinweise darauf finden, dass die asketischen Regeln nicht für alle Gruppen von Asketen in vollem Umfang galten. In den der Atimārga‑Richtung zuzurechnenden Inschriften trifft man in erster Linie auf ācārya genannte Śaivas, die zwar über der Kategorie des sādhaka standen, aber den Regeln weniger strikt unter‑ worfen waren, da es zu ihren Pflichten gehörte, mit den Laien zu interagieren; vgl. ebd., 231–234. 56 Deeg, Gaoseng‑Faxian‑Zhuan (2005), 540. 57 Epigraphia Zeylanica. Ed. und übers. De Zilva Wickremasinghe (wie Anm. 49), 222, Nr. 19, Z. 33.

Wohltätigkeit und Bildung

58 Vgl. die Einleitung zu The Dānakāṇḍa („Book

on Gifting“) of the Kṛtyakalpataru. A Critical Edition and Annotated Translation. Ed. David James Brick. Diss. phil. Austin 2009, 12 f. 59 Heim, Theories of the Gift (2004), 124 f. 60 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 209. 61 Ebd., 259. 62 Ebd., 297 f. 63 Vgl. z. B. ebd., 427. 64 Zu zwei Belegen vgl. ebd., 185; 378. 65 Vgl. auch Altekar, Education in Ancient India (1992), 98–100. 66 Sen, Education (1988), 1. 67 Im Mittelalter bezeichneten diese Beinamen die individuelle Gelehrsamkeit der so Benannten; später entwickelten sich daraus Familiennamen. 68 Vgl. Hinüber, Beginn der Schrift (1990), 67; Michaels, Hinduismus (1998, ND 2006), 95. 69 Manu’s Code of Law. A Critical Edition and Translation of the Mānavadharmaśāstra. Ed. und übers. Patrick Olivelle. Oxford 2005, 108; 447, Stro‑ phe 3.1 f. 70 Slaje, Three Bhaṭṭas, Two Sulṭāns (2007), 333 f., Anm. 21; Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 164. 71 Der Begriff guru bezeichnet nicht nur den Lehrer, sondern auch den Älteren in einem wei‑ teren Sinne. 72 Manu’s Code of Law. Ed. und übers. Olivelle (wie Anm. 69), 217 f.; 847, Strophe 11.55. 73 Salotgi Pillar Inscription. Ed. Franz Kielhorn / H. Krishna Shastri, in: Epigraphia Indica 4, 1896/1897, 57–66. Siehe auch Schmiedchen, Herr‑ schergenealogie und religiöses Patronat (2014), 188–191. 74 Das Wort vidyārthī (von Sanskrit: vidyārthin) wird im Hindi noch heute für ‚Schüler / Student‘ benutzt; vgl. Gatzlaff-Hälsig, Handwörterbuch Hindi‑Deutsch (2002), 1219. 75 Nivartana ist ein altindisches Landmaß, des‑ sen Größe in unterschiedlichen Regionen und Zeiten schwankte; vgl. Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 220. 76 Salotgi Pillar Inscription. Ed. Kielhorn / Krishna Shastri (wie Anm. 73), 60–62, Z. 19–76 (Nr. A). 77 Ebd., 63 f. (Nr. B); 65 (Nr. C). 78 Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 371: „vidyā-sthāna, an educational institution for

Indien

higher studies; a college“. Siehe auch Scharfe, Edu‑ cation in Ancient India (2002), 173. 79 Fragmentary Rashtrakuta Inscription from Kandhar. Ed. Sircar / Bhattacharya (wie Anm. 11), 113, Z. 17–19: nira[va]dyavidyārjana[ju]‑ ṣāṃ dvijanmanāṃ saṃ[b]andhino vidyās[thā]nasya snehalavaṇasamagratāsampādanāya /, „für die voll‑ ständige Ausstattung des Kollegs, das mit ‚Zwei‑ malgeborenen‘ verbunden ist, die zur Erlangung tadellosen Wissens entschlossen sind, mit Fett und Salz“. Das Wort vidyārjan(a) wird im Hindi noch heute für ‚Wissenserwerb, Studieren‘ benutzt. 80 Zu khaṇḍikā vgl. Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 156; Scharfe, Education in Ancient India (2002), 169, Anm. 26. Zu ghaṭikā vgl. ebd., 169–172; 177. 81 Zu einer einschlägigen Urkunde vgl. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 408. 82 Ebd., 397. 83 Ebd., 392, Anm. 305. 84 Das Wort chāttra wird auch im Hindi für ‚Schüler / Student‘ benutzt; vgl. Gatzlaff-Hälsig, Handwörterbuch Hindi‑Deutsch (2002), 468. 85 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 297; 379. 86 Pithapuram Plates of Vira‑Choda. Ed. Krishna Sastri (wie Anm. 34), 90 f., Z. 89–180. 87 Zu rūpāvatāra vgl. Nidur Inscription of Ku‑ lottunga‑Chola. Ed. K. V. Subrahmanya Aiyar, in: Epigraphia Indica 18, 1925/1926, 66. 88 Pithapuram Plates of Vira‑Choda. Ed. Krishna Sastri (wie Anm. 34), 90 f., Z. 89–180: atra vyākaraṇaṃ vyācakṣāṇasya vṛttyarthaṃ bhāga ekaḥ mīmāṃsāvyākhyātre dvau / vedāṃtaṃ vyākhyātur ekaḥ ṛgvedam adhyāpayitur eka[ḥ] yajur vedam adhyāpayitur ekaḥ sāmāni gāpayitur ekaḥ rūpāvatāraṃ vyācakṣāṇasyaikaḥ purāṇa[ṃ] vācayitur ekaḥ vaidyasyaikaḥ aṃbaṣṭhasyai[kaḥ] viṣavādina ekaḥ jyotirvida ekaḥ / iti guṇavṛttibhāgā dvādaśa /. Es handelt sich zwar um zwölf Begüns‑ tigte, aber um 13 Anteile, da dem Mīmāṃsā‑Spe‑ zialisten zwei Anteile zugesprochen wurden. Auf‑ fällig ist hier, dass mit Ausnahme der genannten Differenzierung keine weiteren Unterschiede in den Zuweisungen zwischen den einzelnen ‚Fach‑ vertretern‘ gemacht werden, auch nicht zwischen dem Arzt und dem Barbier, wie dies in anderen Stiftungsinschriften geschieht.

279 89 Tirumukkudal Inscription. Ed. Subrahmanya Aiyar (wie Anm. 37), 238 f., Z. 36–43. 90 Sen, Education (1988), 3 f. 91 Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 201: „maṭha (…), a school or religious college; a temple; a monastery; hermitage or convent; a monastery which was a religious and educational institution.“ Zu Belegen vgl. Scharfe, Education in Ancient India (2002), 167–188. 92 Vgl. z. B. Sanderson, Impact of Inscriptions (2013), 230. Siehe auch Bosma, Bāleśvara Temple Complex (2013), 250: „To summarize, we have the following stages in the construction history of the Bāleśvara‑bhaṭṭāraka Temple Complex: the Bāleśvara‑bhaṭṭāraka temple, the maṭhikā of the Bāleśvara temple, the Dayeśvara‑bhaṭṭāraka shrine in the maṭhikā, the tapovana belonging to the maṭhikā, the Amareśvara‑bhaṭṭāraka shrine in the tapovana, the Ammeśvara‑bhaṭṭāraka temple.“ 93 Vgl. z. B. Sanderson, Impact of Inscriptions (2013), 228. 94 Rashtrakuta Charters from Chinchani. Ed. Dinesh Chandra Sircar, in: Epigraphia Indica 32, 1957/1958, 45–60; Three Grants from Chinchani. Ed. Ders., in: Epigraphia Indica 32, 1957/1958, 60–76. 95 Rashtrakuta Charters. Ed. Sircar (wie Anm. 94), 53, Nr. 1, Vers 22d. 96 Ebd., 59 f., Nr. 2, Strophen 15–19. 97 Three Grants. Ed. Sircar (wie Anm. 94), Nr. 1, Z. 18–20. 98 Patna Inscription of the Time of the Yada‑ va Simghana and His Feudatories Soideva and Hemadideva. Ed. Franz Kielhorn, in: Epigra‑ phia Indica 1, 1892, 338–346, bes. Strophen 23 f.: siṅghaṇacakravarttidaivajñavaryo (…) caṃgadevaḥ / śrībhāskarācāryanibaddhaśāstravistārahetoḥ kurute maṭhaṃ yaḥ //23// bhāskararacitagraṃthāḥ siddhāṃtaśiromaṇipramukhāḥ / tadvaṃśyakṛtās cānye vyākhyeyā manmaṭhe niyamāt //24//. 99 Scharfe, Education in Ancient India (2002), 185. Ähnlich zuvor bereits Sen, Education (1988), 6. Vgl. ferner Ghosh, History of Education (2001); Ders., Civilisation, Education and School (2002). 100  Zwei der wichtigsten brahmanisch‑hindu‑ istischen Gelehrtenzentren Nordindiens waren die Stadt Benares und die Region Kaschmir. Zu maṭha in der ‚Rājataraṅginī‘ vgl. Scharfe, Educa‑ tion in Ancient India (2002), 187 f.

280 101  Paschimbhag Plate of Śrīcandra, Regnal

Year 5. Ed. Dinesh Chandra Sircar, Epigraphic Discoveries in East Pakistan. (Calcutta Sanskrit College Research Series, Bd. 80; Calcutta Sanskrit College Research Series. Studies, Bd. 56.) Kalkutta 1973, 19–40; 63–69, bes. 67 f., Z. 35–47. 102  Nach dem aus Stiftungsinschriften zu ge‑ winnenden Befund existierte eine der größten mittelalterlichen Lehreinrichtungen in Ennayi‑ ram in Tamilnadu. Im 11. Jahrhundert gab es dort 340 Schüler / Studenten, die von zehn Lehrern unterrichtet wurden; vgl. Mookerji, Ancient In‑ dian Education (1951), 368 f. 103  Si‑Yu‑Ki. Buddhist Records of the Western World. Translated from the Chinese of Hiuen Tsiang (A. D. 629). Übers. Samuel Beal, Bd. 2. Lon‑ don 1884, 171. 104  The Life of Hiuen‑Tsiang by the Shaman Hwui Li. Übers. Samuel Beal. London 1911, 112. 105  Deeg, Gaoseng‑Faxian‑Zhuan (2005), 36; 120; 137–140; A Record of the Buddhist Religion

Wohltätigkeit und Bildung

as Practised in India and the Malay Archipelago (AD 671–695). Übers. Junjiro Takakusu. London 1896, ND Delhi 1982, 64. 106  Vgl. Hinüber, Beginn der Schrift (1990), 68. 107  Book of the Discipline. Übers. Horner (wie Anm. 42), 57–79, Abschnitte 1.25–32. 108  Für männliche Anwärter war die Dauer des Noviziats nicht vorgeschrieben. Da das Mindest‑ alter für die höhere Ordination auf 20 Jahre fest‑ gelegt war, konnte es fünf Jahre dauern. Häufig dürfte es jedoch kürzer gewesen sein. 109  Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 202; 321. 110  Ebd., 298, Anm. 379; 395; 403 f.; 427. 111  Sanderson, Impact of Inscriptions (2013), 231. 112  Schmiedchen, Stiftungen zum Unterhalt buddhistischer Klöster (2013), 113. 113  Scharfe, Education in Ancient India (2002), 159. 114  Ebd., 183 f.

10  Stiftungsvermögen und -erträge

10.1  Interkulturelle Perspektiven Die herkömmliche Auffassung, nach der bei einer Stiftung ein materielles Vermögen unabdingbar ist, mit dessen periodischen Erträgen der Stiftungszweck erfüllt wird, scheint im Widerspruch zu den Verhält‑ nissen in Indien zu stehen: Die Grund‑ ausstattung von Klöstern und Tempeln mit Gütern sei hier keineswegs zwingend erforderlich; vielmehr ersuche der (adlige) Initiant gewöhnlich den König als seinen Herrn um eine Landstiftung für den dauer‑ haften Unterhalt. (→ 10.6.1) Vielleicht ging es dabei aber gar nicht um die Gütergabe, sondern eher um eine höhere Legitimie‑ rung des Rechtsaktes durch den König, der dabei vor allem seine Autorität zur Geltung brachte. Weitergehend ließe sich vermuten, dass der eigentliche Gründer dem König jenes Gut überlassen hatte, mit dem die‑ ser dann die Stiftung formell ins Leben rufen sollte. Auch der lateinische Westen kennt überdies den Rollentausch bei der Stiftung. So hat Kaiser Heinrich II. um 1015 dem Bamberger Bischof Eberhard für das Michaelskloster Güter in dessen Stadt übergeben, durch die der Prälat statt seiner als Stifter in Erscheinung treten konnte;1 Heinrich scheint also den Oberhirten auch als Stadtherrn gefördert zu haben – als

Dank an einen treuen Vertrauten und zu dessen künftiger Verpflichtung auf den Herrscher.2 Wichtig dürfte noch ein ande‑ rer Befund sein. Wie man an den Stiftungen von Universitäten im späten Mittelalter beobachtet hat, genügte eine bloße Rechts‑ verleihung ohne Dotation, um eine Person zum fundator werden zu lassen.3 Seitdem den Päpsten das Recht zur Berufung eines studium generale zugeschrieben wurde, galt ihr Befehl oder ihre Erlaubnis zur Errich‑ tung einer Hohen Schule als Stiftungsakt. Demgemäß wird der Humanistenpapst Pius II. in der städtischen Universität von Basel seit dem entsprechenden Privileg von 1459, also von Anfang an, als Stifter be‑ trachtet; daran änderte sich auch nichts, als die Basler erkennen mussten, dass die von ihnen erhofften und vom Römischen Stuhl sogar zugesagten Stiftungsgüter in Form von fünf Kanonikaten ausbleiben würden. Ähnlich war es im benachbarten Freiburg, wo die Universität auf den Habsburger Erzherzog Albrecht VI. zurückging. Dieser konnte 1457 einzig durch die Verleihung von „Gnaden und Freiheiten“ als Stifter er‑ scheinen – nämlich des Rechts der Hohen Schule und aller Fakultäten, Statuten und Ordnungen zu erlassen und zu revidieren,

282

ferner der eigenen Gerichtsbarkeit, des Schutzes und Schirms des Landesherrn für die Angehörigen der Universität gegen weltliche Gewalten und Amtsträger, der Steuer‑, Zoll‑ und Abgabenfreiheit, des Schutzes vor materieller Übervorteilung usw. Er trat damit neben Papst Calixt III., der selbst schon zwei Jahre zuvor eine Bul‑ le mit der Zustimmung zur Gründung der Universität erlassen hatte: „Apostolische Urkunde über die Gewährung, Errichtung, Gründung, Ordnung und Ausführung“, so die Charakteristik des Papstschreibens durch seinen Beauftragten, den Bischof von Konstanz.4 Gegenüber diesen römi‑ schen und landesherrlichen Rechtsverlei‑ hungen trat die Ausstattung der Freiburger Universität mit Pfarrkirchen und sonstigen Pfründen durch Albrecht sowohl in seinen eigenen Augen als auch im Urteil der Frei‑ burger vollkommen in den Hintergrund. Entsprechende Beobachtungen wie in Basel und Freiburg konnte die neuere Forschung auch bei den ersten mitteleuropäischen Universitäten in Prag, Wien, Heidelberg und Köln machen.5 Allgemeiner gesagt, können fundatio (‚Gründung‘) und dotatio (‚Güterausstattung‘) so auseinanderfallen, dass schon das erste ohne das zweite den ‚Stifter‘ macht. (→ 1.2.2; 1.2.4) Abgesehen von der Ausstattung mit Rechten kam es bei der Errichtung einer Stiftung aber vor allem auf die Gaben von Baulichkeiten und von Gütern für jene Personenreihen und ‑gruppen an, die sie selbst zur Erfüllung ihrer Daueraufgaben zum Leben benötigten oder den ihnen An‑ vertrauten zukommen lassen sollten. Für die im westlichen und östlichen Christen‑ tum sowie in Indien verbreitete Stiftung von Klöstern wurden dementsprechend in lateinischer Überlieferung gern Paarfor‑ meln wie monasterium / coenobium – congregatio (sanctimonialium / virorum) (‚Klos‑ ter‘ – ‚Gemeinschaft der Nonnen / Männer‘)

Stiftungsvermögen und erträge

oder locus – caterva (‚Ortschaft‘ – ‚Schar‘) gebraucht.6 Eine wichtige Determinante für den Aufwand, der dabei zu betreiben war, lag in der Größe der kreierten Perso‑ nengemeinschaft. Für etwa 660 Brahma‑ nen stifteten zwei indische Coḷa‑Könige im 11. Jahrhundert 44 Dörfer; um 930 u. Z. soll der zentralindische König Govinda IV. Brahmanen 600 und den Tempeln oder Göt‑ tern 800 Dörfer gestiftet haben, für die Ge‑ samterträge von 700 000 Goldstücken und 3 200 000 Silbermünzen berechnet wurden. (Tatsächlich handelte es sich wohl um die Gesamtdotation seiner Dynastie bis zu die‑ sem Zeitpunkt.)7 Demgegenüber überließ ein Herrscher des 9. Jahrhunderts einem Stifter des berühmten Klosterkomplexes von Nālandā fünf Dörfer, während chine‑ sische Pilgermönche schon früherer Zeit den gesamten Klosterbesitz auf 100 oder 200 Dörfer berechnet hatten. (→ 10.6.2) In Byzanz gab es zwar sehr große Klös‑ ter, besonders auf dem Berg Athos, aber Reformer des 10. / 11. Jahrhunderts such‑ ten die Insassen zu begrenzen und in ein angemessenes Verhältnis zu den Erträgen der Liegenschaften zu setzen. So schrieb Nikephoros Erotikos seinem Kloster auf dem Berg Tmolos nicht mehr als zwölf Mönche neben dem Oberen vor (um 975– 1000 u. Z.), und Michael Attaleiates wollte 1077 gar nur fünf Klosterbrüder zulassen, wenn er auch für eine Aufstockung auf sieben eine zusätzliche Schenkung erhoff‑ te.8 Der Lebensunterhalt für einen Mönch am Schwarzen Meer wurde in spätbyzan‑ tinischer Zeit mit fünf abhängigen Bauern und dem Ertrag von 500 Silbermünzen im Jahr berechnet. Offenbar war das Ge‑ samtaufkommen für koinobitisch verfasste Klöster zeitweise aber so hoch, dass Kaiser Nikephoros II. um 964 jede derartige Neu‑ stiftung verbot; er wollte die Spendenfreu‑ digkeit auch für caritative Einrichtungen auf bestehende Häuser und die Gründung

Interkulturelle Perspektiven

von halb‑koinobitischen Lauren umlenken. Bereits Basileios II. (976–1025) oder Isaak I. (1057–1059) sollen das Verbot aber wieder aufgehoben haben.9 (→ 10.5.1) Kaum weniger ausgeprägt als im Osten war das mittelalterliche Klosterwesen im lateinischen ‚Abendland‘. Insbesondere pe‑ riodische Reformbewegungen führten zu immer neuen Gründungen von Einzelklös‑ tern oder ganzen Orden. Vorbildliche Äbte und Asketen animierten Laien und Kleri‑ ker zu Stiftungen, und wo diese erfolgreich waren und über ihren Ort hin ausstrahlten, folgten Zustiftungen oder Neugründungen, mögen diese nun kleinere Dependenzen, mögen sie große Gemeinschaften gewesen sein. Das 744 ins Leben getretene Klos‑ ter Fulda, das auf den angelsächsischen Mönch und Kirchenreformer Bonifatius zurückgeht, hatte 781 schon über 360, um 825 aber etwa 600 namentlich genannte „Brüder“. Bei dieser Größenordnung blieb es längere Zeit; in den achtziger Jahren des 9. Jahrhunderts zählte man allein in den fuldischen Nebenklöstern 85 „Schü‑ ler“, die sich auf die geistliche Laufbahn vorbereiteten, und bis zum Jahr 900 ver‑ zeichnen die Fuldaer Totenregister knapp 2 000 seit Gründung verstorbene Mönche.10 Auch wenn sich die Forschung bisher zu wenig darum bemüht hat, solche Zahlen in Bezug zu den Stiftungsgütern einer Ab‑ tei zu setzen, kann man sich vorstellen, wie sehr die Äbte daran interessiert sein mussten, wohlhabende Grundherren der näheren und weiteren Umgebung zu Stif‑ tungen und Schenkungen zu bewegen. Zu den Mönchen, den Schülern und den Bediensteten, die versorgt werden mussten, kamen auch noch die Armen, Reisenden und Kranken, die die Mönche ihrer Regel gemäß nicht abweisen durften. Allein in der burgundischen Reformabtei Cluny ver‑ sorgte ein Konvent von etwa 300 bis 400 Mönchen im Jahr über 18 000 Arme.11 Auf

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Stiftungen und Spenden allein mussten sich die Klöster allerdings nicht stützen. Nach der ‚Regula Benedicti‘, die sich im Frühmittelalter allenthalben durchsetzte, musste ein Professe nach Ablauf seiner Novizenzeit nämlich seine ganze Habe zugunsten der klösterlichen Gemeinschaft abgeben;12 Gebühren beim Klostereintritt kannte auch Byzanz, und hier war es sogar möglich, dass sich ein Mönch oder eine Nonne mit höheren Summen ein besseres Leben im Kloster (Verpflegung und Unter‑ bringung) verschaffte. (→ 10.5.2) In Indien konnten buddhistische Klosterleute, die nicht zur persönlichen Armut verpflichtet waren, ihren Häusern selbst mit Geldstif‑ tungen helfen. (→ 10.6.3) Nach dem Evangelisten Lukas (Lk 14.28– 30) sollte einer, der bauen wollte, zunächst berechnen, ob er genug zusammengebracht hatte, um sein Vorhaben auch zu Ende zu führen. Diesem Rat folgten allerdings nicht alle Stifter. Der ehrgeizige Bischof Benno II. von Osnabrück (1068–1088), ein sozialer Aufsteiger aus Schwaben, scheiterte an seiner fehlenden Umsicht mit dem Plan, in Iburg ein Kloster zu gründen.13 Zuerst ließ er sich aus Mainz zwölf Brüder als Grün‑ dungsmannschaft kommen, doch standen für diese weder Wirtschaftsgebäude noch irgendwelche Unterkünfte bereit. Benno habe sie, wie in seiner Lebensbeschreibung berichtet wird, in einer winzigen Hütte ne‑ ben einer Kapelle eingeschlossen und dar‑ auf gehofft, bald geeignete Räumlichkeiten zu schaffen. Die beengte Lage ließ kein regelkonformes und frommes Leben zu, die Brüder gerieten so sehr in Streit, dass der Bischof sie zurückschicken musste. Es ist verständlich, dass der Abt des Reform‑ klosters Siegburg, den Benno etwas später um Hilfe anging, sich erst durch Ortsbege‑ hung ein eigenes Urteil bilden wollte. Ein solches Vorhaben könne ja keinen Bestand haben, wie er argumentierte, wenn es nicht

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durch eine Fülle weltlicher Güter (rerum mundarum abundantia) ausgestattet wäre. Unter körperlicher Entbehrung seien nur wenige oder überhaupt keine Mönche be‑ reit, die Strenge des mönchischen Lebens zu ertragen. Was der Siegburger Abt dann in Iburg sah, befriedigte ihn nicht; er for‑ derte Benno wiederum zu einer besseren Dotierung auf. Allerdings gab es auch den umgekehrten Fall großen Kapitalzuflusses, besonders wenn es sich um Wallfahrtsstätten mit Hei‑ ligenreliquien handelte; so sei dem Kloster Lobbes Anfang des 10. Jahrhunderts von den Königen und anderen Gläubigen so viel Besitz geschenkt worden, dass sich der Bischof von Lüttich, der gleichzeitig dem Kloster vorstand, zu einem Neubau der Kir‑ che entschloss.14 Unter Abt Adalhard II. von St. Trond (1055–1082) nahm der Pilgerstrom zum Grab des Heiligen Trudo so zu, dass nicht mehr alle Menschen untergebracht werden konnten und Zelte aushelfen muss‑ ten. Ein Geschichtsschreiber schildert die Geschenkflut: „Was sage ich von den Gaben für den Altar? Schweige ich doch von den Tieren, den Pferden, Ochsen und Kühen, den Schweinen, Widdern, Schafen, die in unglaublicher Menge dargeboten werden, auch Leinen und Wachs, Brote und Käse, was weder nach Gewicht, Zahl noch Preis gezählt werden konnte, und Silbergarn, und kaum schloss der Abend den Olymp [nach Vergil, Aeneis I.374], erschöpfte die Masse an Geld viele Wächter, die mit der Annahme und Aufbewahrung betraut wa‑ ren, und außer diesen Tätigkeiten konnten sie überhaupt nichts anderes ausführen. Es gab nicht nur einen unzählbaren, sondern wahrlich unschätzbaren Gabenstrom der Pilger, die immerfort zum Altar kamen, und der Ruhm des Heiligen Trudo mit seinen häufigen und außerordentlichen Wundern überschüttete unser Kloster mit Reichtümern. Er wurde ruchbar über das

Stiftungsvermögen und erträge

Reich des ganzen römischen Erdkreises hinaus.“15 Naturalien und auch Edelmetall hiel‑ ten sich im Wirtschaftskreislauf, aber ein Übermaß an Immobilienstiftungen an Kirchen und Klöster, die diesen nach geltendem Recht nicht mehr entzogen werden durften, gefährdeten je länger je mehr die Ökonomie von ganzen Reichen und einzelnen Städten. Ähnlich wie in Byzanz dachte man in Lateineuropa über Gegenmaßnahmen nach, wenn nicht mit Konfiskationen und Säkularisierungen geradezu Kirchenraub begangen wurde.16 Ein Mittel war das Verbot der Stiftun‑ gen an die Kirche. So dekretierte König Friedrich II. 1219 für Goslar: „Keinem ist es erlaubt, sein Haus der Kirche zu geben, es sei denn, es werde verkauft und das Silber[geld] werde der Kirche gegeben, so dass auch dem König sein Recht nicht genommen wird.“17 Entsprechende Rege‑ lungen suchten andere deutsche Städte durchzusetzen.18 In Frankreich und Eng‑ land19 entwickelten die Könige im späten Mittelalter eine Amortisationsgesetzge‑ bung, mit der sie den Kirchen von Fall zu Fall den dauernden steuer‑ und abgabe‑ freien Besitz ihrer Güter (‚zur toten Hand‘) konzedieren konnten. (→ 5.2.2) „Die Zu‑ stimmung des Königs oder Landesherrn wurde so mehr und mehr für nahezu alle Verausgabungen von Immobilien und Ren‑ ten an die Kirche unverzichtbar.“20 Im Her‑ zogtum Burgund konnten beispielsweise die Herren von Valois von den Stiftern bei Übertragungen an die Kirche Ent‑ schädigungszahlungen fordern, die das Renteneinkommen der Güter mehrfach überstiegen.21 Andererseits erlaubte dieses Recht den Herrschern und Fürsten, an den geistlichen Früchten einer Stiftung zu par‑ tizipieren; sie ließen sich dann mit einem Verzicht auf die Entschädigungszahlung selbst ins Gebetsgedenken der bedachten

Interkulturelle Perspektiven

Kirche oder klösterlichen Gemeinschaft einschließen.22 Immobilien bildeten die wichtigste Grundlage für die Erfüllung des Stiftungs‑ zwecks; in der Lebenswelt der Juden, teil‑ weise auch der Muslime, waren dabei Bau‑ lichkeiten in Städten bedeutender als Besitz von Ländereien. Im Unterschied zur west‑ lichen Christenheit wurden in Byzanz we‑ nigstens bis zur Jahrtausendwende meist nicht die Güter selbst, sondern deren Ren‑ ten gestiftet. Dadurch behielten die Stifter und ihre Nachkommen die Verfügung über ihr Werk. Während im Westen die (agrari‑ schen) Arbeitskräfte durch ihre Schollen‑ bindung mit dem Land vergeben wurden und deren Erblichkeit für die Dauer des Stiftungsvollzugs bürgte, war den ortho‑ doxen Stiftern an Steuerbefreiungen gele‑ gen, um Mittel für die Beschäftigung freier Arbeitskräfte zu gewinnen. Auch in Indien bedeutete die Stiftung von Land zumeist die Gabe der Steuerfreiheit. Wirtschaft‑ lich im selben Sinne wirkte das Recht zur Einziehung und zum Einbehalt der (könig‑ lichen) Steuern (auch Steuerpachten). Der geographischen Verteilung der byzantini‑ schen Klöster entsprechend konnten hier spezifische Steuererleichterungen für Was‑ serfahrzeuge ins Gewicht fallen, während in Westeuropa unter Umständen Gewinne aus dem Bergbau neben die Ernteerträge der Landwirtschaft traten. Geldstiftungen liefen in Indien während der Spätantike mit dem Zusammenbruch des römischen Westreiches und dem Rückgang des West‑ handels aus, um erst im 11. Jahrhundert wieder aufzukommen; im lateinischen Europa setzten sie sich langsam seit dem Aufschwung des Städtewesens im hohen Mittelalter (ca. 13. Jahrhundert) durch. Im Judentum bestand das Hauptvermögen des heqdesh aus Geld, das zum großen Teil aus der Vermietung (oder Verpfändung) von Häusern, Werkstätten und Läden bezogen

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wurde. Auch Bußgelder spielten eine Rol‑ le. Im Islam hingegen waren Geldstiftun‑ gen ein regionales Phänomen, das in den Kernländern des Osmanischen Reiches begegnet. Zum Vermögen einer Stiftung gehörten auch Sachen ohne unmittelbaren materi‑ ellen Ertrag. In der muslimischen Welt zählten dazu Waffen für den ǧihād, ergänzt durch die Gabe von Pferden oder Maul‑ tieren für die Kämpfer. Weiteres mobiles Stiftungsgut waren Möbel und andere Kult‑ objekte für die Moscheen. Entsprechendes gilt für Juden und Christen. Als Bischof Bernward von Hildesheim das Kloster des Heiligen Michael stiftete, hielt er in seinem Testament von 1019 fest, er habe diesem beinahe alles übertragen, was er an irdischem Gut besaß, nämlich Höfe, Ländereien, Weiden, Gewässer, Wälder, Wiesen, Land‑, also Eigenkirchen, Reliqui‑ en, Bücher, Gold und Silber sowie das, was er nach Erbrecht besaß oder durch Kauf habe erwerben können.23 Reliquien und Bücher – überhaupt alles liturgische Gerät – waren keineswegs Nebensächlichkeiten, sondern für das Funktionieren einer Kirche oder eines Klosters unverzichtbar. Zu den Reliquien, also den Heiligenleibern oder ihren Fragmenten, gehörten ihre Behält‑ nisse; durch ihre häufige Ummantelung mit Silber‑ und Goldtreibarbeiten und dem Besatz mit Edelsteinen stellten sie einen beträchtlichen materiellen Wert dar, vor allem aber belegte die prächtige Ausstat‑ tung die Echtheit und die Wunderkraft der Heiligen.24 Ausgesetzt auf den Altären und dargeboten in festlichen Prozessionen reg‑ ten sie die Spendefreudigkeit der Gläubigen an, sie waren also auch materiell nutzbar. Abgesehen vom anerkannten kirchlichen Kult konnten sich unter den mobilen Stif‑ tungsgütern aber auch hochgeschätzte Gegenstände befinden, denen man ma‑ gische Kräfte zuschrieb. Der rheinische

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Humanist Christoph von Rheineck (gest. 1535) verband beispielsweise die Stiftung einer Mönchszelle für einen Kartäuser‑ mönch, eines Altars mit Paramenten, sei‑ ner Bibliothek sowie mehrerer wertvoller Heiligenreliquien mit Kleinodien, die man Kranken auflegen konnte: drei Krötenstei‑ nen, also Haifischflossen, die ihre Besitzer vor Vergiftungen, Unglück und Zauberei schützen sollten, dem Teil eines „Einhorns“, vermutlich einem Narwahlzahn, sowie zwei Natternzungen, fossilen Haifischzäh‑ nen, die ebenso vor Vergiftungen bewahren konnten. „Diese Steine sollten die Kartäu‑ ser mit dem von ihm gestifteten Silber zu einer Kette zusammenfügen lassen. Diese sollte in einem Reliquienschrein verwahrt werden, aus dem sie nur für die Heilung von Kranken entnommen werden durfte. Ein Verkauf wurde verboten.“25 Zu gern wüsste man, welchen Anteil Stiftungen am Vermögen eines Stifters überhaupt gehabt haben. Die größten An‑ näherungen versprechen sicher letztwillige Verfügungen. Aber auch in diesen Fällen bleiben viele Fragen offen. Ein Bespiel ist der Bischof Berthram von Le Mans, der im Jahr 616 u. Z. testamentarisch ein rie‑ siges Vermögen in ganz Gallien verteilt hat. Als Erben setzte er stiftungsmäßig zwei Kirchen ein, er bedachte aber auch Einzelpersonen mit Legaten. Einer älteren Berechnung der gesamten Masse auf etwa 300 000 Hektar Land 26 stellte die Neuedi‑ torin des Testaments den Nachweis von 119 größeren oder kleineren Landgütern gegenüber; von diesen sollte etwa ein Vier‑ tel an die Nachkommen von Berthrams Bruder gehen, was dem Erbrecht folgte und mit Stiftungen nichts zu tun hatte.27 Dazu kam u. a. eine letztwillige Schenkung

Stiftungsvermögen und erträge

an König Chlothar II. Welchen Wert die einzelnen Besitztitel hatten, bleibt aller‑ dings ganz offen; andererseits ist sicher, dass der Bischof bei der Vergabe der Güter Kirchen‑ und Privatbesitz nicht immer klar zu trennen vermochte.28 Für einige spätmittelalterliche Stadt‑ bewohner hat man die Relation von Ge‑ samtbesitz und Stiftungsgut einmal nach‑ zurechnen versucht.29 Demnach hätte der Kleinadlige Nikolaus von Nattenheim ein Vermögen von weit über 13 000 Gulden gehabt, von dem er 1 000 für Stiftungen, u. a. einen Altar in der Trierer Pfarrkirche St. Gangolf, ausgab. Und der Frankfurter Mäzen Jakob Heller, der über 20 000 Gul‑ den besaß, machte Stiftungen in der Höhe von etwa 3 000 Gulden, darunter 1 200 für eine Wärmehalle für Obdachlose und 200 Gulden für einen Düreraltar. Trotz aller Schwierigkeiten, die Fürsten und Städte dabei hatten, scheint auch bei Universi‑ tätsstiftungen der Aufwand mindestens manchmal eher gering gewesen zu sein. Jedenfalls ist nachgewiesen worden, dass der Jahresetat der Universität Leipzig nur einem Achtel dessen entsprach, was der Landesherr für seinen Weinkeller benö‑ tigte.30 Ebenso wie in der Christenheit 31 oder in Indien sind selbstverständlich auch aus dem Bereich der muslimischen Umma sehr große Stiftungen überliefert.32 Bei letztwil‑ ligen Verfügungen sollten die Stiftungen zwar immer einem frommen Zweck ge‑ widmet sein, doch kamen sie unmittelbar und oft über sehr lange Zeit den leiblichen Erben zugute. In diesen Fällen wäre eine Abgrenzung von Stiftungsaufkommen und sonstigem Besitz nur wenig sinnvoll. MB

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Interkulturelle Perspektiven

Anmerkungen 1  MGH DD H II, 420–422, Nr. 332a; dazu Wei- 16  Stiftung und Staat. Ed. Geelhaar / Thomas landt, Geistliche und Kunst (1992), 69. Dieser cha‑ rakterisiert St. Michael wohl zurecht als bischöf‑ liches Eigenkloster. 2 Zu Eberhard von Bamberg am Hof Heinrichs II.: Fleckenstein, Hofkapelle (1966), bes. 167–172. 3 Das Folgende nach M. Borgolte, Rolle des Stif‑ ters (1985, ND 2012). 4  Ed. Gerber, Wandel der Rechtsgestalt (1957), 23: pagina apostolica concessionis, constitucionis, fundacionis, Ordinacionis et executionis. 5 Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen (1992), bes. 47–49; 106; 144; 177; 223 f.; 267; 280 f. 6 Vgl. MGH DD O I, 89 f., Nr. 1. 7 Vgl. die kritischen Erwägungen von Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 209–212. 8 BMFD 1, 304; vgl. ebd., 200. 9 Vgl. Stiftung und Staat im Mittelalter. Eine by‑ zantinisch‑lateineuropäische Quellenanthologie in komparatistischer Perspektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011, 334–339, Nr. B 10; 340–343, Nr. B 12; Morris, Two Faces (1988). 10  Freise, Einzugsbereich (1978), 1005. 11  Wollasch, Cluny (1996), 238. 12  Freise, Einzugsbereich (1978), 1017 f.; vgl. 1020. 13  Dazu Weilandt, Geistliche und Kunst (1992), 71 f.; C. Borgolte, Studien zur Klosterreform (1975), 191–195; 263–265. Iburg ist allerdings keine Stif‑ tung, sondern ein bischöf liches Eigenkloster gewesen. 14  Weilandt, Geistliche und Kunst (1992), 73; vgl. 86–95. 15  Ebd., 87: Übersetzung von Rodulfi Gesta abbatum Trudonensium a. 999–1107. Ed. Rudolf Koepke, in: MGH SS 10. Hannover 1852, 227–272, hier 234, lib. 1.10.

(wie Anm. 9).

17  MGH DD F II 3, 203–208, Nr. 528 vom 13 VII

1219, hier 207, Z. 31 f.; vgl. Pleimes, Weltliches Stif‑ tungsrecht (1938), 53. 18  Vgl. Kamp, Amortisation (1995), 255. 19  Raban, Mortmain Legislation (1982, ND 2008). 20 Kamp, Amortisation (1995), 256. 21 Ebd., 259. 22 Ebd., 263. 23 Weilandt, Geistliche und Kunst (1992), 148; 166. 24 Ebd., 169. 25 W. Schmid, Bischof, Stadt und Tod (2000), 241. 26 M. Borgolte, Felix est homo ille (1982), 8, nach Leclercq, Le Mans (1931). 27 Weidemann, Testament des Bischofs Berth‑ ramn (1986), 79; 67; 69; M. Borgolte, Felix est homo ille (1982), 13; 15; 17. 28 Weidemann, Testament des Bischofs Berth‑ ramn (1986), 67; M. Borgolte, Felix est homo ille (1982), 11. 29 W. Schmid, Bischof, Stadt und Tod (2000), 250; zu Jakob Heller siehe auch Ders., Stifter und Auftraggeber (1994), 413–494. 30 Schubert, Motive und Probleme (1978), 32; vgl. Heinrich, Frankfurt und Wittenberg (1978), 122 f. 31 Zu Byzanz vgl. G. Constable, Preface (2000), xxxiii–xxxv; M. Borgolte, Geschichte des Stif‑ tungsrechts (2002, ND 2012), 347–355. 32 Ein berühmtes Beispiel ist die Stiftung des Wesirs Rašīd ad‑Dīn des mongolischen Ilḫans Ġāzān Ḫān von 1309: B. Hoffmann, Waqf im mon‑ golischen Iran (2000); monographisch behandelt wurden unlängst auch die Kuǧuǧī‑Stiftung vom spätem 14. Jahrhundert u. Z., ebenfalls aus der Umgebung von Täbris: Werner / Zakrzewski / Tillschneider, Kuğuğī‑Stiftungen in Tabrīz (2013).

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Stiftungsvermögen und erträge

10.2  Lateinische Christen 10.2.1  Allgemeines Das Grundstockvermögen bildet die öko‑ nomische Basis einer jeden Stiftung. Erst seine Erträge geben den Stiftungsorganen den wirtschaftlichen Handlungsspielraum, der für einen dauerhaften Vollzug des Stif‑ tungszwecks unabdingbar ist. Zwar kann‑ te das abendländische Mittelalter auch Stiftungen, die ihr Kapital sukzessive aufzehren und so den eigenen Untergang herbeiführen sollten (Verbrauchsstiftun‑ gen).1 Ihr Anteil am gesamten Stiftungs‑ wesen blieb aber stets ein geringer, selbst nach der 1274 erfolgten Dogmatisierung der Fegefeuerlehre, mit deren Jenseitsvor‑ stellung solche Stiftungskonstruktionen besonders gut korrespondierten. (→ 7.2.3) In der Regel sollte das Grundstockver‑ mögen vielmehr ungeschmälert erhalten bleiben. Oftmals bestimmten die mittelal‑ terlichen Stifter dementsprechend in ihren Stiftungsurkunden ausdrücklich, dass das bereitgestellte Gut der Stiftung ‚für im‑ mer‘ übertragen worden sei. Auch wo das nicht der Fall war, kann eine solche Erwar‑ tungshaltung auf Seiten der Fundatoren wohl unterstellt werden. Manche Stifter räumten ihren Stiftungsorganen allerdings auch die volle Verfügungsgewalt über das bereitgestellte Stiftungsvermögen ein; sie erteilten also vorab die Lizenz zu Verkauf oder Tausch. Dahinter stand die Idee, dass die Stiftungserträge auch bei geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sta‑ bil gehalten oder sogar gesteigert werden konnten. Eine solche Lösung dürfte von den Akteuren des Stiftungsprozesses vor allem dort angestrebt worden sein, wo die Rentabilität des gestifteten Vermö‑ gens zweifelhaft erschien, weil die Güter

geographisch ungünstig lagen oder die Besitzansprüche strittig waren.2 Als Keimzelle des Grundstockvermö‑ gens fungierte die Gründungsausstattung durch den Stifter (Dotation). Sie musste bei Kirchenstiftungen einen Mindestumfang haben, andernfalls durfte der zuständi‑ ge Bischof den Baugrund nicht weihen.3 Die Höhe dieses Mindestumfangs wurde allerdings in den diesbezüglichen liturgi‑ schen Vorschriften niemals pauschal bezif‑ fert, sondern lag jeweils im Ermessen des Konsekrators. Unabhängig davon wollten Stifter, die ihre frommen Werke nicht erst testamentarisch errichteten, oder deren Nachkommen die ursprüngliche Dotation oft durch Zustiftungen weiter erhöhen. In solchen Fällen konnte sich der Stiftungs‑ prozess über Jahrzehnte hinziehen. Im Spätmittelalter begegnen vereinzelt auch regelrechte Sammelstiftungen; dabei kon‑ zipierten die Urheber ihr frommes Werk von vornherein so, dass der – für den ins Auge gefassten Stiftungszweck anfangs zu geringe – Grundstock durch fortlau‑ fende Zustiftungen anwachsen sollte. Oft waren die Zustifter dann gerade Personen, die in keinerlei familiärer Beziehung zum Stifter standen, aber dessen Stiftungsmo‑ tive teilten.4 Die Übertragung von Vermögenswerten an den Grundstock einer Stiftung wurde zum Zwecke der Rechtssicherung gerne schriftlich fixiert; meist geschah dies in Form einer Urkunde, die der Stifter den Stiftungsorganen aushändigte. Im Laufe des Mittelalters entwickelten sich dane‑ ben alternative Modelle der schriftlichen Dokumentation. Konnte der Stifter nicht

Lateinische Christen

selbst eine Urkunde ausstellen, mochten sich die Stiftungsorgane eine Bestätigung der Stiftung von kirchlichen oder weltli‑ chen Autoritäten wie Bischöfen oder Kö‑ nigen einholen. Oft begnügte man sich auch bloß mit einer knappen Stiftungsnotiz. Dafür eigneten sich Traditionsbücher, Ur‑ bare, Totenregister, Klosterchroniken oder auch Inschriften direkt auf dem dedizierten Objekt. (→ 5.2.3 f.) Rechtlich verpflichtend war die Schriftform des Stiftungsgeschäftes indes nicht. Eine mündliche Abrede reich‑ te vollkommen, machte den Stifterwillen aber anfälliger für Umdeutungen späterer Generationen.5 Im Laufe einer Stiftungsgeschichte er‑ fuhren die Güter meist tiefgreifende Verän‑ derungen. Besitzumschichtungen resultier‑ ten aus Verkäufen und Tauschgeschäften, Besitzzuwächse neben den bereits erwähn‑ ten Zustiftungen auch aus Schenkungen Dritter oder gezielten Akquisitionen der Stiftungsorgane. Die für die Pacht oder den Kauf von zusätzlichen Immobilien, Renten usw. benötigten Geldmittel stammten aus (zweckgebundenen) Zuwendungen, Spen‑ den oder Verkaufserlösen; die Kapitalien, die nach dem Stiftungsvollzug übrigblieben, wurden ebenfalls hierfür reinvestiert.6 Zu‑ mal bei Klöstern und Stiften, die sich viel‑ fach zu komplexen Agglomerationen von Einzelstiftungen entwickelten (→ 13.2.2), führten gezielte Umschichtungen und Er‑ werbungen zu einer erheblichen Diversifi‑ zierung des bewirtschafteten Vermögens, die nicht zuletzt der Risikominimierung diente. Doch auch wenn der Grundstock insgesamt stabil blieb, konnten die erziel‑ ten Erträge von Jahr zu Jahr und erst recht im Laufe der Jahrhunderte erheblich va‑ riieren; dies lässt sich vielerorts anhand administrativer Register und Rechnungs‑ serien nachvollziehen. (→ 5.2.3) Der Profit agrarisch genutzter Stiftungsgüter unterlag nämlich klimatisch oder demographisch

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bedingten Schwankungen.7 Daran konnte auch die zunehmende Monetarisierung der Stiftungswirtschaft nichts ändern. Die Erlöse durch Erbzinse oder Renten waren abhängig von Prozessen der Preisbildung, die sich an dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage orientierten und deshalb ebenfalls schwankten. Die Einnahmen aus Zöllen bemaßen sich nach dem konjunk‑ turell variierenden Handelsvolumen, die‑ jenigen aus Steuer‑ und Zehntansprüchen nach dem wechselhaften Einkommen res‑ pektive Vermögen der Abgabenpflichtigen. Nicht zuletzt die Ungewissheit der tat‑ sächlichen Erträge führte wohl dazu, dass Stiftungen, deren identischer Zweck von identischen Stiftungsverwaltern und ‑emp‑ fängern vollzogen werden sollte, bis ins Hochmittelalter hinein mit unterschiedlich profitablen Vermögenswerten ausgestat‑ tet wurden. So war es keineswegs un‑ gewöhnlich, zwei verschiedenen Stiftern ein mit gleichem Aufwand begangenes Anniversargedenken auf unterschiedlicher Finanzierungsbasis zuzusichern.8 Erst mit dem Aufkommen ‚reiner‘ Geldstiftungen (→ 10.2.3) bürgerte sich zumindest auf lokaler Ebene eine fixe Korrelation von Stiftungszweck und Stiftungsvermögen ein. Voraussetzung hierfür war ein Renten‑ markt, auf dem für eine bestimmte Sum‑ me baren Geldes (Hauptgeld) das Anrecht auf die jährliche Auszahlung eines festen Betrags (Rente) erworben werden konnte, dessen Höhe sich aus dem ortsüblichen Rentensatz ergab. Auf dieser Grundlage ließen sich regelrechte Stiftungstarife kal‑ kulieren: Je nach Höhe des jährlichen Stif‑ tungsertrages wurden die Leistungen der Stiftungsempfänger (Fürbitten, Armenspei‑ sungen u. Ä.) festgesetzt. Da das Niveau des Rentensatzes im Laufe des Spätmittelalters geringfügig, aber beständig abfiel, mussten solche Tarife früher oder später durch die Stiftungsverwalter revidiert werden, um

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die Wirtschaftlichkeit der Stiftungen auch für zukünftige Zeiten zu sichern.9 Mitun‑ ter antizipierten einzelne Stifter auch die Möglichkeit einer schlechteren Wieder‑ anlage des Hauptgelds und verfügten für diesen Fall, dass die Remunerationen der Destinatäre entsprechend gekürzt werden sollten.10 10.2.2  Unbewegliches Kapital Immobilien galten schon im Mittelalter als eine besonders dauerhafte Form von Besitz. (1.) Liegenschaften und (2.) Baulichkeiten stellten deshalb bis weit ins Spätmittelalter hinein das beliebteste Kapital zur Dotation von Stiftungen dar. (1.) Je nach Vermögen des Stifters konnte der Umfang einer Landstiftung dabei er‑ heblich differieren. Das Spektrum reichte von kleinen Gärten über einzelne Hufen bis hin zu ganzen Villikationen. Eine Hufe war eine ca. 30 Morgen große, vornehmlich dem Getreideanbau gewidmete Ackerflä‑ che, die von einer Bauernfamilie mit ih‑ rem Pflug bewirtschaftet wurde. Als Vil‑ likation bezeichnet man solche landwirt‑ schaftlichen ‚Großunternehmen‘, in denen die Bauernfamilien neben ihrer eigenen Hufe unter der Aufsicht eines Meiers mit‑ tels bestimmter Hand‑ und Spanndienste auch noch das so genannte Salland bewirt‑ schaften mussten; die Erträge wurden hier zwischen dem Meier und dem Besitzer der Villikation aufgeteilt. Das Land und seine Bewirtschafter bildeten zumindest bis ins hohe Mittelalter hinein eine un‑ trennbare Einheit, da die unfreien Bauern (und ihre Nachkommen) die von ihnen bestellte Hufe aufgrund der Schollenbin‑ dung nicht verlassen durften.11 Ebenso wie Jagdwild, Gewässer, Wege, Mühlen, Ge‑ höfte und andere Baulichkeiten wurden

Stiftungsvermögen und erträge

sie als Pertinenz („Zubehör“) des Landes angesehen. Insofern erscheint es durchaus legitim, auch die Generationenfolge der schollengebundenen Bauern als immobiles Stiftungskapital aufzufassen. Die jährliche Ernte der Stiftungslände‑ reien wurde lange Zeit durch die Stiftungs‑ empfänger im wahrsten Sinne des Wortes verzehrt. Je nach Stiftungskonstruktion dienten die Liegenschaften entweder der Grundversorgung der Destinatäre mit Brot, Fisch, Met, Wein und Ähnlichem;12 oder sie versorgten diese zu bestimmten Terminen mit einer Extraportion an Nah‑ rungsmitteln (Pitanz). Das erste Modell korrelierte meist mit Stiftungszwecken, die fortlaufend realisiert werden sollten (z. B. Gottesdienst), das zweite mit perio‑ disch wiederkehrenden Stiftungsvollzügen (z. B. Anniversargedächtnissen; Offizien für Heiligenfeste). In beiden Fällen wurde die Ausschüttung der Stiftungserträge im Sinne einer Gabentausch‑Logik als unmit‑ telbare Gegengabe für die erbrachten Stif‑ tungsleistungen aufgefasst.13 Zahlreiche Abgaben‑ und Einkünfteverzeichnisse des abendländischen Mittelalters vermitteln ein anschauliches und ernährungsge‑ schichtlich interessantes Bild von Umfang und Zusammensetzung solch agrarwirt‑ schaftlicher Stiftungserträge. So heißt es etwa in einem Anniversarbuch des Bam‑ berger Domkapitels: „Am 3. April [starb] der Laie Friedrich; er gab das Gut Sam‑ bach, woher 16 Malter Weizen als Abgabe entrichtet werden“, also mehr als 2 000 Kilogramm ungemahlenes Getreide, das für die tägliche Brotration der Kanoniker bestimmt war.14 Und ein St. Galler Regis‑ ter von Nahrungsmittelleistungen, die der Abt als Stiftungsorgan den Mönchen als Stiftungsempfängern schuldete, vermerkt über eine Festtagsstiftung zu Ehren des Heiligen Otmar: „Am Vorabend des Ot‑ mar‑Festes [kommen] von [dem Landgut]

Lateinische Christen

Stammheim zwei Gänge: für jeden Mönch anderthalb Blaufelchen, ein Käse sowie ein Kelch [Wein]. Am Fest selbst werden aus Stammheim gegeben: zwei Blaufelchen, Eier, Käse, ein großer und ein kleiner Laib [Brot] sowie ein Kelch [Wein].“15 Im 13. und 14. Jahrhundert, als diese beiden exemplarischen Registereinträge niedergeschrieben wurden, waren derlei naturalwirtschaftlich geprägte Stiftungs‑ konstruktionen im Abendland vielerorts schon aus der Mode gekommen. Die zu‑ nehmende Monetarisierung der spätmit‑ telalterlichen Wirtschaft machte auch vor dem Stiftungswesen nicht halt, denn Geld war einfacher zu lagern als Getreide. Wenn Stiftungen nun überhaupt noch mit land‑ wirtschaftlichen Nutzflächen ausgestattetet wurden, sollten die erwirtschafteten Na‑ turalien entweder von den Produzenten oder von den Stiftungsadministratoren auf lokalen Märkten verkauft werden; von dem erlösten Bargeld konnten die Destina‑ täre dann auf den Märkten ihren Bedarf an frischen Lebensmitteln decken. Viele früh‑ und hochmittelalterliche Stiftungen wurden ebenfalls auf eine geldbasierte Ge‑ winnausschüttung umgestellt, indem man fällige Naturalien oder Frondienste peu à peu durch Geldzinse ersetzte.16 Auch wenn die Erträge des Grundstock‑ vermögens irgendwann fast nur noch in Form von Münzen ausgeschüttet wurden, beruhte das Wirtschaftsmodell der aller‑ meisten mittelalterlichen Landstiftungen auf der Ausbeutung von Flora und Fau‑ na. Die Gewinnung von Bodenschätzen spielte dagegen im lateineuropäischen Stiftungswesen insgesamt nur eine un‑ tergeordnete Rolle; gleichwohl konnte sie gerade im näheren räumlichen Umfeld einschlägiger Lagerstätten eine gewisse Bedeutung erlangen. So wurden etwa in Goslar am nördlichen Harzrand verschie‑ dene Stiftungen mit Grubenanteilen am

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nahegelegenen Rammelsberg dotiert, in den seit dem 10. Jahrhundert systematisch Stollen getrieben worden waren, um unter Tage Blei‑, Zink‑, Kupfer‑ und Silberer‑ ze abzubauen;17 und in Halle an der Saa‑ le erhielten Klöster, Kapellen, Pfarreien und Spitäler seit dem hohen Mittelalter Anteile an den vier lokalen Solequellen oder den zur Salzgewinnung genutzten Siedekoten.18 In beiden Fällen ermöglichte das hochspezialisierte Verfahren der Roh‑ stoffgewinnung bereits im 12. Jahrhundert eine monetäre Gewinnausschüttung an die Anteilseigner, sodass die Stiftungs‑ organe überhaupt keinen unmittelbaren Kontakt zu den geförderten Bodenschätzen hatten. Im Vergleich zu anderen gestifteten Liegenschaften dürfte der jährliche Profit sowohl bei den Gruben‑ als auch bei den Salinenstiftungen relativ hoch anzusetzen sein; für die Hallenser Solgüter hat man eine jährliche Rendite von sechs bis 18 Prozent errechnet.19 (2.) Neben Ländereien dienten im mittel‑ alterlichen Okzident auch Gebäude aller Art als Stiftungsvermögen. Hierzu zählten zunächst einmal sämtliche Baulichkeiten, die eigens für die Stiftungsverwalter oder Stiftungsempfänger errichtet wurden, also etwa Kirchen, Spitäler oder Universitä‑ ten mit ihrem jeweiligen Inventar und angegliederten Wohn‑ und Wirtschafts‑ räumen. Sie waren für den Vollzug der jeweiligen Stiftungszwecke unabdingbar und deshalb in der Regel Teil der Dotation. Wurden diese Bauten besonders prächtig ausgeführt, hatten sie nicht allein einen praktischen Nutzen, sondern fungierten auch als symbolisches Kapital. (→ 10.2.5) Einen ökonomischen Profit warfen die Stiftungsgebäude im engeren Sinne indes kaum einmal ab, vielmehr forderte ihr Unterhalt mitunter solch hohe Summen, dass bei mangelnder Vorsorge des Stifters

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sogar die Stiftung als ganze gefährdet werden konnte. Baulichkeiten, die nicht wie die Ge‑ höfte der unfreien Bauern als Zubehör des Acker‑ und Weidelandes angesehen wurden, avancierten erst nach der ers‑ ten Jahrtausendwende u. Z. zu allgemein üblichen Stiftungsgütern. Dies hing aufs engste zusammen mit dem Aufschwung des okzidentalen Städtewesens seit dem hohen Mittelalter. Denn hier, innerhalb der Stadtmauern, entstanden oft binnen weniger Jahrzehnte zahlreiche Wohn‑ und Wirtschaftsgebäude, deren Nutzung an Geldzahlungen zugunsten einer Stiftung gekoppelt werden konnte, indem die je‑ weiligen Besitzer zur Entrichtung eines Erbzinses oder einer Rente verpflichtet wurden.20 Während Erbzinse als zeitlich unbefristete Reallasten auf den Gebäu‑ den lagen,21 durften Renten in der Regel durch Wiederkauf der Hypothek abgelöst werden.22 Die Belastung der Baulichkeiten erfolgte meist im Zuge des Stiftungsakts; mittelalterliche Stifter konnten ihre Im‑ mobilien aber auch inklusive bereits be‑ stehender Ansprüche auf Erbzins‑, Renten‑, Lehns‑ oder Pachtabgaben in das Grund‑ stockvermögen einer Stiftung überführen. In den entsprechenden Stiftungsurkunden heißt es dann oft lapidar, das Stiftungsgut werde „mit allen dazugehörigen Rechten und Einkünften“ übereignet.23 Verallgemeinernde Aussagen über die Rolle von Stiftungen auf den städtischen Immobilienmärkten des Spätmittelalters sind beim gegenwärtigen Stand der For‑ schung nicht möglich. In einer methodisch vorbildlichen, aber leider ungedruckt ge‑ bliebenen Fallstudie konnte Sarah Ruth Rees Jones immerhin die Verhältnisse in der nordenglischen Erzbischofsstadt York sehr präzise eruieren, deren Verallgemein‑ erbarkeit anhand anderer Quellencorpora zu überprüfen wäre. Rees Jones zufolge

Stiftungsvermögen und erträge

nahm der Anteil geistlicher Institutionen am städtischen Grundbesitz trotz der kö‑ niglichen Amortisationsgesetzgebung im Laufe des späteren Mittelalters beständig zu, wofür neben der kontinuierlichen Er‑ richtung neuer Anniversar‑ und Messpries‑ ter‑Stiftungen vor allem das gezielte Enga‑ gement der verschiedenen Stiftungsorga‑ ne auf dem städtischen Wohnungsmarkt ausschlaggebend war. Zur Steigerung der jährlichen Einkünfte, die angesichts der Inflation dringend geboten schien, setzten die Administratoren seit dem 14. Jahrhun‑ dert aber nicht nur auf den Neubau von Reihenhäusern, die treffend als chantry rows bezeichnet wurden, sondern auch auf eine Umgestaltung der Vertragsver‑ hältnisse mit den Nutzern der Immobilien: An die Stelle von Renten, deren jährli‑ cher Zins stagnierte und die auch nur auf Initiative des Schuldners durch Wieder‑ kauf abgelöst werden konnten, traten mit der tenancy-at-will nun Mietverhältnisse, die auch vonseiten der Stiftungsverwal‑ ter kurzfristig beendet werden konnten, wenn eine Anpassung des Mietzinses aus wirtschaftlichen Gründen nötig wurde.24 Ein interessanter Sonderfall von Wohn‑ gebäude‑Stiftungen waren schließlich die Kurien der Weltgeistlichen an Dom‑ und Stiftskirchen. In diesen separierten Woh‑ nungen konnten die Stiftsherren ihre Ein‑ zelpfründen bei Auflockerung des gemein‑ samen Lebens (vita communis) genießen. Die private Nutzung löste die Liegenschaf‑ ten aber nicht aus dem Kapitelsvermögen, da sie den Kanonikern nur zum lebenslan‑ gen Nießbrauch überlassen waren. Nicht alle diese Häuser wurden indes auf Kos‑ ten der Kanonikergemeinschaft errichtet; viele beruhten vielmehr auf Stiftungen von ortsansässigen Stiftsherren, die dem Kapitel ein Wohnhaus, etwa ihr ererbtes Elternhaus, als Kurie übereigneten und dabei zur Bedingung machten, dass der

Lateinische Christen

jeweilige Bewohner die Kosten für eine jährliche Gedächtnisfeier des Stifters tra‑ gen müsse.25 Für die aus ihrem Privatver‑ mögen bestrittene Instandsetzung oder Er‑ weiterung einer Kurie konnten einzelne Kanoniker künftige Bewohner ebenfalls zur Finanzierung von Memorialstiftun‑ gen verpflichten, wenn das Kapitel einem solchen Procedere zustimmte. 10.2.3  Bewegliches Kapital Bewegliches Stiftungsvermögen fungierte im mittelalterlichen Abendland oftmals nur als eine Übergangslösung, die der spezifischen Vermögensstruktur des je‑ weiligen Stifters geschuldet war. Insbe‑ sondere die Dotation von Stiftungen mit Bargeld diente bis ins späte Mittelalter hinein vornehmlich dem nachgelagerten Erwerb von Immobilien. Wenn ein Stifter sich nicht selbst darum bemühte, sondern dies den Stiftungsorganen überließ, war wohl entweder gerade kein geeignetes Objekt auf dem Markt oder die zur Ver‑ fügung gestellten Mittel reichten nicht aus. In diesem Fall musste der Fundator darauf vertrauen, dass der von ihm fest‑ gelegte Stiftungszweck auch dann dauer‑ haft vollzogen werde, wenn das hierfür bereitgestellte Vermögen über kurz oder lang mit anderen Stiftungsgütern zu ei‑ nem Vermögenskomplex verschmolz, bei dem der individuelle Anteil der einzelnen Wohltäter kaum mehr zu erkennen war. Zu einem regelrechten Massenphänomen wurde ein solcher Vertrauensvorschuss gegenüber den Stiftungsadministratoren, als große Rahmenstiftungen wie das Straß‑ burger Frauenwerk im Spätmittelalter dazu übergingen, auch Gebrauchsgegenstände des alltäglichen Lebens (Rüstungen, Waf‑ fen, Pelze, Schmuck usw.) als Stiftungs‑ kapital zu akzeptieren; zu Geld gemacht

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und akkumuliert, konnten sie zum Ren‑ tenkauf genutzt werden. Ein Totenbuch der Kathedrale vermerkt dementsprechend bei vielen Objektstiftungen den erzielten monetären Erlös, so zum 23. Oktober: Item obiit uxor Johannis windecke sartor dedit tonicam valore xxxv solidi denarii („Die Frau des Flickschneiders Johannis Windecke starb ebenfalls [an diesem Tag]; sie gab eine Tunika im Wert von 30 Schillingen“).26 Anders als im frühen und hohen Mit‑ telalter waren derartige Renten im Spät‑ mittelalter nicht mehr zwangsläufig an Immobilien gebunden; vielmehr gaben die Stadtgemeinden nun kommunale Anleihen aus, die durch die ‚Unsterblichkeit‘ der Stadt als universitas abgesichert wurden. Das förderte zugleich die Entstehung regi‑ onaler und überregionaler Rentenmärkte mit schwankenden Zinssätzen. Der jährli‑ che Zins und gegebenenfalls auch die Rück‑ zahlung des Darlehns durch Wiederkauf wurden aus den laufenden Einnahmen der Stadtgemeinde (Steuern, Strafgelder u. Ä.) oder durch neue Anleihen bestritten.27 Auf diese Weise entstand eine Wertschöpfungs‑ kette, bei der die Erwirtschaftung mone‑ tärer Überschüsse ohne den ‚Umweg‘ über konkrete Sachwerte als Grundstockver‑ mögen erfolgte, so dass man tatsächlich von ‚reinen‘ Geldstiftungen sprechen kann. (→ 3.2.4) Seit den Anfängen des christlichen Stiftungswesens in der Spätantike gab es aber auch bewegliche Gegenstände, die nach dem – freilich nur selten explizit artikulierten – Willen ihres Dedikators ‚für immer‘ im Eigentum der Stiftung ver‑ bleiben sollten.28 Hierzu zählten insbeson‑ dere die verschiedensten Preziosen, die als liturgische Utensilien im religiösen Kultus Verwendung fanden, etwa Textilien zur Ausschmückung des Kirchenraums und zur Bekleidung der liturgischen Akteure (Paramente), ferner Reliquiare, Kruzifixe,

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Kelche, Patenen, Aspergillen, Weihrauch‑ fässer, Leuchter und nicht zuletzt die zur Rezitation der Schriftlesungen und Cho‑ räle benötigten Codices wie Evangeliare, Antiphonarien oder Missalien. Bei ihrer Herstellung kamen oftmals besonders kost‑ bare Materialien wie Seide, Purpurfarbstoff, Gold, Silber, Elfenbein und Edelsteine zum Einsatz. Trotz des hohen Sachwerts gene‑ rierten die gestifteten Kultobjekte kein Ein‑ kommen; ihr Schutz vor Diebstahl verur‑ sachte vielmehr laufende Kosten für immer aufwendiger gesicherte Schatzkammern (Sakristeien).29 Wie bei den Stiftungsge‑ bäuden im engeren Sinne (→ 10.2.2) er‑ möglichte nicht der erwirtschaftete Profit, sondern der fortwährende Gebrauch des Stiftungsvermögens den Vollzug der Stif‑ tungszwecke durch die Destinatäre; ein symbolischer Mehrwert ergab sich allen‑ falls bei einer ‚öffentlichen‘ Nutzung etwa im Rahmen von Prozessionen, da die Pracht der Kultobjekte den Rang ihrer Eigentümer repräsentierte. (→ 10.2.5) Etwas anders lagen die Dinge bei Dota‑ tionen von Handschriften, die nicht im Got‑ tesdienst benutzt, sondern in einer Biblio‑ thek gelesen werden sollten. Erfolgte ihre Dedikation ohne explizite Zweckbindung, muss typologisch eher von Schenkungen als von Stiftungen die Rede sein, sofern man den Tradenten nicht pauschal die Weitergabe und Aneignung von Wissen durch die Destinatäre als impliziten Stif‑ tungszweck unterstellen möchte. (→ 3.2.4; 9.2.4) Ganz abwegig ist eine solche Hypo‑ these sicher nicht, aber es fällt doch auf, dass zum Beispiel ein so herausragender Gelehrter wie der Kardinal Nikolaus von Kues im 15. Jahrhundert die Dedikation sei‑ ner Privatbibliothek mit 167 Codices an das von ihm gestiftete St.‑Nikolaus‑Hospital in (Bernkastel‑)Kues mit keinerlei bildungspo‑ litischer Zwecksetzung verband; das Tes‑ tament des schon zu Lebzeiten berühmten

Stiftungsvermögen und erträge

Humanisten vermerkte vielmehr lapidar: „Alle seine Bücher hat er seinem genannten Spital gegeben und vermacht, getragen von dem Wunsch, dass sie dort hingebracht und aufbewahrt werden.“30 Dementsprechend hat die neuere Forschung denn auch kei‑ neswegs ein edukatives Anliegen dieser Büchergabe vermutet, sondern in der „un‑ verstreuten Bibliothek“ ein „selbstgesetztes Monument der Geisteskraft des Stifters“, also das Streben nach innerweltlichem Ruhm, erblicken wollen.31 (→ 8.2.3) For‑ derte ein Stifter von den Benutzern eines Codex hingegen ausdrücklich periodische Fürbittengebete ein, dann war ein unmit‑ telbarer funktionaler Zusammenhang zwischen dem Stiftungszweck (Memoria des Stifters) und dem durch Gebrauch des Stiftungsvermögens generierten ‚Ertrag‘ (Wissenserwerb der Destinatäre) über‑ haupt nicht gegeben. Das gilt etwa für die sogenannten common-profit books, die im London des 15. Jahrhunderts von ver‑ mögenden Laien gestiftet wurden. Eine solche Handschrift, meist ein theologisches Kompendium, sollte „von Person zu Person, Mann oder Frau, weitergegeben werden, so lange das Buch denn Bestand habe“; der Stif‑ ter rechnete also ausdrücklich damit, dass das gestiftete Objekt durch den fortwäh‑ renden Gebrauch der Stiftungsempfänger abgenutzt und irgendwann unbrauchbar werden würde.32 10.2.4  Immaterielles Kapital Das immaterielle Kapital mittelalterli‑ cher Stiftungen bestand im Wesentlichen aus herrscherlichen Abgabenansprüchen, vor allem Zehnt‑, Steuer‑ und Zollrechten, mit deren Einziehung die Stiftungsorga‑ ne konzessioniert wurden. Im Gegensatz zu Land‑, Häuser‑ oder Objektstiftungen konnten derartige Gefällestiftungen nicht

Lateinische Christen

von jedermann, sondern nur durch amtie‑ rende weltliche oder geistliche Herrscher wie Bischöfe oder Könige vorgenommen werden. Letztlich blieben derartige Verga‑ bungen aber immer heikel, da die postmor‑ tale Verfügungsgewalt über ein Amtsgut durch den Nachfolger des Amtsträgers in Frage gestellt werden konnte. Die tatsäch‑ liche Abschöpfung der Einkünfte hing de facto von einer gütlichen Einigung der Stiftungsorgane mit dem jeweils aktuellen Amtsinhaber ab. Bei einem schwachen Herrscher konnte der Einzug der gestifteten Gefälle sogar schon zu Lebzeiten des Stifters erhebliche Probleme aufwerfen. Das zeigt exempla‑ risch die im Jahre 1475 durch Kaiser Fried‑ rich III. in der Andernacher Liebfrauen‑ Pfarrei errichtete Messpriester‑Stiftung. Diese sollte durch eine Erhöhung des bislang in Linz erhobenen und nun nach Andernach verlegten Zolls auf Wein und alle anderen auf dem Rhein transportier‑ ten Handelswaren um einen Groschen pro Fuder finanziert werden. Keine zwei Wo‑ chen nach Abschluss des Stiftungsgeschäfts beschwerte sich der Andernacher Stadtrat als Stiftungsorgan bereits beim Kaiser da‑ rüber, dass der verlegte Zoll in Linz ein‑ fach weiter eingezogen werde – und zwar pikanterweise vom Andernacher Stadt‑ herren, dem Erzbischof von Köln. Fried‑ rich wollte den Konflikt offenkundig nicht eskalieren lassen; er entschied deshalb kurzerhand, dass zukünftig beide Zölle erhoben werden sollten, was bei den im Rheinhandel tätigen Kaufleuten verständ‑ licherweise Proteste auslöste. Da sich der Andernacher Stadtrat – zumal nach dem Tod des Kaisers (1493) – nicht in der Lage sah, die gewährten Zollansprüche aus ei‑ gener Kraft durchzusetzen, übertrug er die Zuständigkeit hierfür schon bald dem Kölner Erzbischof; als Entschädigung für seine Bemühungen durfte dieser die Hälfte

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der gestifteten Mehreinnahmen (also fünf Pfennige pro verzolltem Fuder) für sich behalten. Obwohl die jährlichen Erträ‑ ge des immateriellen Stiftungsvermögens auf diese Weise halbiert wurden, konnte die Stiftung noch rund drei Jahrhunderte überdauern.33 Immaterielle Stiftungsvermögen ma‑ nifestierten sich allerdings nicht allein in dem Recht, bestimmte Gefälle stellvertre‑ tend für den Herrscher einzuziehen, son‑ dern insbesondere bei großen Klöstern oder Stiften auch in einer Befreiung von ‚öffentlichen‘ Lasten. Damit ist nicht die allgemeine Steuerfreiheit der Kirche ge‑ meint, die erst im Laufe des Spätmittelal‑ ters von gelehrten Juristen in Frage gestellt und insbesondere durch die städtischen Amortisationsgesetze zurückgedrängt wurde;34 vielmehr ging es um die an be‑ stimmte Auflagen geknüpfte Verleihung einer herausgehobenen Rechtsstellung an eine besondere Stiftung durch einen konkreten Herrscher, die sich durch eine Freistellung von Abgaben verschiedenster Art, aber auch von Gastungs‑ und Beher‑ bergungspflichten auszeichnete. Als Sam‑ melbegriff für solche räumlich radizierten Sonderrechtsbereiche gebrauchte man seit der Spätantike den Terminus ‚Immunität‘ (immunitas, ‚Dienstlosigkeit‘; von munus, ‚Dienst‘).35 Ursprünglich hatten die Immu‑ nitäten geistlicher Gemeinschaften über‑ haupt nichts mit dem Stiftungswesen zu tun. Seit merowingischer Zeit unterwarfen aber einzelne Herrscher gelegentlich die Erträge, die der königlichen Kasse durch eine Immunitätsverleihung oder ‑bestäti‑ gung entgingen, einer dauernden Zweck‑ bindung. Dadurch erhielt das beurkunde‑ te Rechtsgeschäft einen stiftungsartigen Charakter, der von der Forschung als sol‑ cher bislang noch nicht eingehend genug gewürdigt worden ist.36 So wies etwa der Frankenkönig Chilperich II. wohl im Jahre

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716 die Äbte des Klosters St. Denis an, dass fortan alles, „was sich unser Fiskus seitdem [d. h. seit der materiellen Ausstattung, und zwar von den Gütern des Klosters] viel‑ leicht hat erhoffen können, a u f e w i g den Lichtern, dem Lebensunterhalt [der Mönche] und den Armenspenden dieses Klosters (…) überlassen werde, damit sie sich noch mehr befleißigen, für die Be‑ ständigkeit unseres Reiches und die Un‑ gestörtheit aller unserer Untertanen die Gnade des Herren zu erflehen.“37 Neben den Gefällekonzessionen und den ‑befreiungen, bei denen ein immate‑ rielles Stiftungskapital materielle Erträge erwirtschaften sollte, gab es im mittelal‑ terlichen Abendland vereinzelt auch Stif‑ tungskonstruktionen, die eine Entlohnung der Destinatäre mit nicht‑dinglichen Stif‑ tungserträgen vorsahen – systematische Forschungen zu diesem Phänomen fehlen allerdings bisher. So dotierte etwa der Erz‑ bischof Johannes von Viennes im Jahre 1340 eine von ihm gestiftete Marienmesse im Dom zu Reims mit einem vierzigtägigen Sündennachlass (Ablass), in dessen Genuss sowohl die Sänger als auch die Besucher der Messe kommen sollten.38 10.2.5  Symbolisches Kapital Das Prestige einzelner Stiftungen speiste sich in den Augen der mittelalterlichen Zeitgenossen nicht so sehr aus der jewei‑ ligen Gegenwart, sondern aus der Vergan‑ genheit. Ausschlaggebend für das Ansehen einer Stiftung war nämlich nicht etwa die Gewissenhaftigkeit der Stiftungsemp‑ fänger und ‑verwalter bei der Befolgung der Stifterauflagen oder gar der aktuelle Nutzen des Stiftungsvollzuges für das so‑ ziale Ganze, sondern die Anciennität der Institution und vor allem der soziale Status ihres Stifters. Dieser konnte durch ganz

Stiftungsvermögen und erträge

verschiedene Objekte repräsentiert wer‑ den, die vorderhand lediglich immaterielle Erträge abwarfen. Stiftungsgeschichtlich besonders interessant ist allerdings das Phänomen, dass letztere sich wiederum in materielle Einkünfte konvertieren ließen, etwa durch die Akquise von Zustiftungen oder durch systematische Spendensamm‑ lungen. Wie groß das Begehren nach dem sym‑ bolischen Kapital eines ranghohen welt‑ lichen oder geistlichen Fundators allent‑ halben gewesen sein muss, demonstrieren zahllose Stiftungsurkunden, ‑inschriften und ‑geschichten, die die quellenkritische Forschung als Fälschungen und Fiktionen entlarvt hat. (→ 2.2.2; 5.2.3 f.) Unabhängig davon, ob derartige Stiftungszeugnisse der historischen Kritik standhalten oder nicht, war ihre Publizität im Mittelalter aller‑ dings per se meist recht gering. (→ 8.2.3) Das gilt auch für alle Stiftergräber, die sich in Krypten, Presbyterien, Kapellen oder an anderen Orten befanden, die nur den Destinatären zugänglich waren und vor anderen Gläubigen durch Chorschran‑ ken, Lettner oder Gitter verborgen wurden. Nichtsdestotrotz wussten findige Verwal‑ ter aus dem symbolischen Kapital solcher ‚Stifter‑Devotionalien‘ sehr wohl auch ma‑ terielle Erträge zu erzielen. Ein instrukti‑ ves Beispiel hierfür ist die Wertschöpfung, die das Doppelkloster in Königsfelden (Schweiz) aus dem Leichnam ihrer Stifterin, der römisch‑deutschen Königin Elisabeth von Görz‑Tirol, generierte.39 Die Witwe Albrechts I. verstarb 1313; ihre sterblichen Überreste wurden 1316 wunschgemäß aus Wien in das sieben Jahre zuvor gegründete Kloster an der Aare transferiert. Auf Be‑ treiben ihrer Tochter Agnes animierten die dortigen Klarissen zunächst Elisabeths Söhne Leopold und Heinrich zu namhaften Zustiftungen (1314–1316), sorgten dann für die Bestattung der beiden Herzöge in der

Lateinische Christen

Gruft der Klosterkirche (1326 / 1327), um schließlich an der Kurie in Avignon ei‑ nen bemerkenswerten Kollektivablass zu erwirken (1329). Mit diesem gewährten 14 Erzbischöfe und Bischöfe „allen denen, die aufrichtig bereuen und gebeichtet haben und für die Seelen Elisabeths, weiland römische Königin, und ihrer Söhne Leo‑ pold und Heinrich, weiland Herzöge von Österreich, (…) ein Vaterunser samt einem Ave Maria andächtig sprechen, eine Messe halten oder halten lassen, ein Totenamt, den Psalter oder die sieben Bußpsalmen oder irgendwelche andern frommen Gebete sprechen oder sprechen lassen oder Almo‑ sen geben oder an den Totenmessen ihrer Jahrzeiten teilnehmen oder für ihre Seelen (…) dazu einen Beitrag geben werden, (…) vierzig Tage Ablass von den ihnen aufer‑ legten Strafen.“40 Die durch Zustiftungen flankierte Erweiterung des Stifteringra‑ bes zur dynastischen Grablege sicherte den Bestand der jungen Stiftung nicht nur rechtlich gegenüber den Erben ab, sondern stellte jene auch wirtschaftlich auf eine breitere Basis. Die Erlangung des Ablass‑ briefs wiederum potenzierte vordergründig – und sicher ganz im Sinne der Stifter – den Vollzug der Stiftungszwecke durch neu hinzugewonnene Destinatäre. Abgesehen von den avisierten Spenden erschloss die seitens der Ablassgeber ausdrücklich ein‑ geräumte Möglichkeit einer Delegation der geforderten Frömmigkeitsleistungen den

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Franziskanerpriestern, die für die seelsorg‑ liche Betreuung der Königsfelder Klarissen zuständig waren, jedoch auch zusätzliche Einkunftsquellen. Eher mittelbar, aber deshalb nicht weni‑ ger effektvoll, manifestierten ferner Bau‑ lichkeiten und Preziosen den vom Gründer abgeleiteten Rang einer Stiftung. Während ein besonders prächtig ausgeführtes Bau‑ werk seine Wirkung schon allein durch die äußere Gestalt entfaltete, mussten besonders kostbare liturgische Gewänder und Gerätschaften den für die gläubigen Laien häufig nicht einsehbaren Bereich des Sanktuariums erst verlassen, um in ihrer ganzen Pracht sinnlich erfahrbar zu werden. Das geschah etwa im Rahmen von Prozessionen, deren Routen über den Kirchenraum hinaus durch dessen engere und weitere Umgebung führen konnten. Eine Umwandlung von symbolischem in ökonomisches Kapital vollzog sich insbe‑ sondere im Rahmen von Heiltumsweisun‑ gen, bei denen die Reliquien, die ein Stifter (angeblich) für seine Stiftung erworben und in wertvolle Schreine hatte fassen lassen, den versammelten Gläubigen zur andächtigen Schau präsentiert wurden. Der Andrang zu solchen Inszenierungen nahm im Laufe des späteren Mittelalters beständig zu und damit auch die Menge der Opfergaben (Oblationen), mit denen die Veranstalter rechnen durften.41 TL

Anmerkungen 1  Exemplarische Fälle diskutierte bereits Dobson,

Foundation of Perpetual Chantries (1967, ND 1996), 263, ohne allerdings den Zusammenhang zwi‑ schen der zeitlichen Befristung der Stiftungsexis‑ tenz und der Fegefeuerlehre herzustellen. Ein‑ schlägig hierzu Lusiardi, Stiftung und Seelenheil (2005), 52–54 (mit der älteren Literatur). Die Frage,

wie Verbrauchsstiftungen typologisch von Schen‑ kungen unter Auflage abzugrenzen sind, ist in der mediävistischen Stiftungsforschung bislang weder aufgeworfen noch gar beantwortet worden. 2 Ein Beispiel: Lohse, Dauer (2011), 69. 3 Vgl. Le Pontifical romano‑germanique du dix‑ ième siècle, Bd. 1. Ed. Cyrille Vogel / Reinhard Elze.

298 (Studi e Testi, Bd. 226.) Vatikanstadt 1963, 122 f., Nr. 36. Vgl. Benz, Ecclesiae pura simplicitas (1980); Adámková, Considerazione (2008); Holder, Me‑ dieval foundation stones (2010). – In der Praxis konnten Gründung und Güterausstattung einer Stiftung auch zeitlich oder personell auseinan‑ derfallen. Vgl. etwa die Beispiele bei M. Borgolte, Rolle des Stifters (1985, ND 2012). 4  Ein instruktives Beispiel behandelt Haas, Le‑ ben im Kollegiatstift (2011), 246–248. 5 Vgl. Wagner, Stiftungsurkunde (2000), bes. 169. 6 Die Vermögensentwicklung mittelalterlicher Stiftungen ist vielfach sehr detailliert untersucht worden, wobei der funktionale Zusammenhang zwischen Wirtschafts‑ und Stiftungsgeschichte aber gerade in älteren Studien oftmals unberück‑ sichtigt blieb. Eine besonders gelungene Studie aus neuerer Zeit ist zum Beispiel López Pizcueta, Pía Almoina (1998). 7 Vgl. exemplarisch H. Hoffmann, Braunschwei‑ ger Umland (1981). 8 Ein instruktives Beispiel bietet Das Urbar [des Stifts St. Simon und Judas] von ca. 1191/94. Ed. Lohse, Dauer (2011), 217–293, hier §§ 50; 83. Siehe dazu ebd., 91–93. Vgl. auch Necrologien, Anniversarien‑ und Obödienzenverzeichnisse des Mindener Domkapitels aus dem 13. Jahrhun‑ dert. Ed. Ulrich Rasche. (MGH Libri mem. N. S. 5.) Hannover 1998, 279–282. 9 Vgl. Gilomen, Renten und Grundbesitz (1994); Ders., Rente (1995); Die Jahrzeitbücher des Kon‑ stanzer Domkapitels, Bd. 1. Ed. Uwe Braumann. (MGH Libri mem. N. S. 7.1.) Hannover 2009, 124– 126; Haas, Leben im Kollegiatstift (2011), 135–144; 367–402. 10  Ein Beispiel ebd., 377 mit Anm. 76. 11  Vgl. Rösener, Agrarwirtschaft (1992), 10 f.; 22–25; 63 f.; 81–87. 12  Zu einer Met‑Stiftung der Kaiserin Agnes vgl. etwa Urbar von ca. 1191/94. Ed. Lohse (wie Anm. 8), § 103, und dazu ebd., 61, Anm. 90; 64, Abb. 4. 13  Vgl. Oexle, Memoria und Memorialüberliefe‑ rung (1976, ND 2011), 176–186; M. Borgolte, Totale Geschichte (1993, ND 2012). 14  Urbare und Wirtschaftsordnungen des Dom‑ stifts zu Bamberg, Bd. 1. Ed. Erich von Guttenberg. Aus dem Nachlaß hrsg. von Alfred Wendehorst. (Veröffentlichungen der Gesellschaft für Fränki‑ sche Geschichte, Bd. 10.7.1.) Würzburg 1969, 141 f.,

Stiftungsvermögen und erträge

Nr. 16, hier 141: III. non apr. (…) Fridericus laicus dedit Sampach, unde solvuntur XVI modii tritici pro servicio. Zur Verwendung des Weizens vgl. ebd., 139 f., Nr. 15, hier 139, sowie die Erläuterungen des Herausgebers ebd., 72–74. 15  Urkundenbuch der Abtei Sanct Gallen, Bd. 3. Ed. Hermann Wartmann. St. Gallen 1882, Anhang 2, 812 f., Nr. 78, hier 812: In vigilia sancti Othmari duo fercula, cuilibet domino unus felko et dimidius et caseus cum stopo de Stamhein. In ipso festo dantur cuilibet domino 2 velchones, ova, caseus, maximus leibo, minor leibunculus et stopus de Stamhein. Zum Stiftungsakt vgl. Lohse, Konrad I. (2006), 302 f., zum Stiftungsvollzug ebd., 308 f. 16  Eine exemplarische Momentaufnahme dieses Wandlungsprozesses bietet das Gosla‑ rer Urbar von ca. 1191/94. Ed. Lohse (wie Anm. 8), 259, § 118. 17  Vgl. ebd., 252, §§ 88 f. 18  Vgl. Ruprecht, Stiftungen (2011), 105–120. 19  Vgl. ebd., 106 f. 20 Anschauliche Beispiele bieten die Jahrzeitbü‑ cher des Konstanzer Domkapitels. Ed. Braumann (wie Anm. 9), 113. 21 Vgl. Lentze, Erblaststiftung (1960). 22 Zur wucherrechtlich nicht unproblema‑ tischen Zurückdrängung der Ewig‑Renten vgl. Gilomen, Renten und Grundbesitz (1994), 136–145. 23 Ein Beispiel: Urkundenbuch der Stadt Halle, ihrer Stifter und Klöster, Bd. 2. Ed. Arthur Bierbach. (Geschichtsquellen der Provinz Sachsen und des Freistaates Anhalt, Bd. 5.) Magdeburg 1939, 14–16, Nr. 485, hier 15: unam stratam aream (…) cum domibus in eadem constructis (…) cum omni iure et proventibus (…) ecclesie sancte Gerdrudis in Hallis (…) delegavit. Vgl. dazu Ruprecht, Stiftungen (2011), 96. 24 Vgl. Rees Jones, Property, Tenure and Rents (1987), bes. 181; 209 f. 25 Ein Beispiel: Jahrzeitbücher des Konstanzer Domkapitels. Ed. Braumann (wie Anm. 9), 238, Nr. E 247: VIII Kalendas. Heinricus thesaurarius ecclesie Constantiensis obiit. De cuius anniversario dantur fratribus XX solidi Constantienses de curia iuxta capella sancti Petri, quam idem applicavit dignitati thesaurarie. – „Am 24. April starb Heinrich, der Küster der Konstanzer Kirche. Zu seinem Jahrtag werden den Brüdern 20 Konstanzer Schillinge von der Kurie neben der Petri‑Kapelle gegeben,

Lateinische Christen

die derselbe der Würde [gemeint ist: dem Sonder‑ vermögen] der Küsterei einverleibt hat.“ Vgl. dazu ebd., 113 f.; Bauer, Münsterbezirk von Konstanz (1995), 96–100. Instruktive südalpine Beispiele bei Th. Behrmann, Domkapitel (1994), 50 f.; 80 f. All‑ gemein zu Entstehung der Kurien: Lohse, Dauer (2011), 82 f. (mit weiterer Literatur). 26 Strasbourg, Archives Municipaux, Oeuvre Notre‑Dame 1, fol. 295v. Zit. nach Stanford, Com‑ memorating the Dead (2011), 44, Anm. 55; vgl. auch ebd., 41–63. Allgemein zu derartigen Objektstif‑ tungen: Jaritz, Seelenheil und Sachkultur (1980); Ders., Seelgerätstiftungen (1990). 27 Vgl. B. Fuhrmann, Rentenverkäufe (2011), bes. 186–192. 28 Bei akutem Bedarf an Barmitteln sahen die mittelalterlichen Stiftungsverwalter oft genug keine andere Möglichkeit, als sich über die (mut‑ maßlichen) Entfremdungsverbote der einstigen Stifter hinwegzusetzen und die gestifteten Ob‑ jekte kurzerhand zu verpfänden oder sogar zu verkaufen. Welche Folgen ein solches Vorgehen für den Stiftungsvollzug hatte, bedürfte einer vergleichenden Analyse. 29 Vgl. aus architekturgeschichtlicher Perspek‑ tive Bräm, Schatz und Schatzkammer (2010). Ex‑ emplarische Statuten diskutiert Schillinger, Sta‑ tuten (1994), 141–144. 30 Die Urkunden des St. Nikolaus‑Hospitals in Bernkastel‑Kues an der Mosel. Ed. Gottfried Kortenkamp. (Geschichte und Kultur des Trierer Landes, Bd. 3.) Trier 2004, 133–140, Nr. 74, hier 138: suos autem libros omnes dedit et legavit dicto eius hospitali, volens illos ibidem adduci et reponi. 31 Tritz, Schätze im Himmel (2008), 128 f.; ähn‑ lich zuvor bereits Schauerte, Bücherschätze (2006), 312. 32 Cambridge, University Library, Ms. Ff.vi31, fol. 100r: and so be it [this booke] delyuered and committed fro persoone to persoone man or womman as long as ƿe booke endureth. Zitiert nach Scase, Common‑Profit Books (1992), 261. 33 Vgl. Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), 224–231; 262–266. 34 Vgl. Mack, Kirchliche Steuerfreiheit (1916, ND 1965); Gilomen, Renten und Grundbesitz (1994), 139–141. 35 Vgl. Schott / Romer, Immunität (1991); Willoweit, Immunität (2009).

299 36 Das Standardwerk zur Formulargeschichte

der Immunitätsprivilegien fränkisch‑deutscher Herrscher behandelt die einschlägigen Passus ganz stiefmütterlich. Vgl. Stengel, Immunität in Deutschland (1910). Die verdienstvollen Studien von Eugen Ewig zum Gebet für König und Reich ordnen die Quellenbelege weniger nach syste‑ matischen als nach chronologischen Gesichts‑ punkten. Vgl. Ewig, Gebetsklausel (1982); Ders., Gebetsdienst (1982). Zu den ad-luminaria‑Formeln der frühmittelalterlichen Immunitätsprivilegien siehe die wichtigen, aber nicht erschöpfenden Überlegungen bei Fouracre, Eternal light (1995, ND 2012), 68–78. 37 MGH DD Mer. 1, 412–414, Nr. 166 vom 716 II 29, hier 414: Et, ut dictum est, quicquid exinde forsetam fiscus noster sperare potuerat, in lumenarebus vel estipendiis seu et in elimoniis pauperum ipsius monastiriae perenniter (…) sit concessum adque indultum, ut eis melius dilectit pro estabilitate rigni nostri vel pro quietem quibuslibit chunctis leodis nostrus Domini meserecordia deprecare. (Hervorhebung: TL). Zur Drittelung der Einkünfte → 8.2.4. 38 Die Urkunde ist gedruckt bei Bowers, Guillau‑ me de Machaut (2004), 47: nos de omnipotentis dei misericordia confisi omnibus et singulis vere penitentibus et confessis qui ad audiendas missas predictas convenient et in ipsarum celebracione devote intererunt, seu ad ulteriorem ac ampliorem ipsarum fundationem de facultatibus sibi a deo prestitis aliquid competenter iuxta suarum exigenciam facultatum voluntarie obtulerint (…), auctoritate nostra pontificali quadraginta dierum indulgentiam misericorditer impertimur. Vgl. auch ebd., 37–41. Der zelebrierende Priester der Votiv‑Messe sollte aber sehr wohl auch mit Münzen entlohnt werden. 39 Vgl. zum Folgenden Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), 118–129. 40  Edition bei Homburger / Steiger, Zwei illu‑ minierte Avignoneser Ablassbriefe (1957), 137 f., hier 138: Omnibus vere penitentibus et confessis qui pro animabus domine Elizabeth quondam regine Romanorum et Luipoldi et Henrici liberorum suorum quondam ducum Austrie (…) oracionem dominicam cum salutacione angelica pia mente dixerint missam celebraverint aut celebrari fecerint officium mortuorum psalterium aut septem psalmos penitenciales aut aliquas alias devotas oraciones

300 dixerint aut dici fecerint vel elemosinam dederint vel exequiis aniversariorum suorum interfuerint seu pro animabus eorum (…) optulerint (…) confisi singuli nostrum quadraginta dies indulgenciarum de iniunctis eis penitenciis (…) relaxamus. Übersetzung

Stiftungsvermögen und erträge

nach ebd., 139. Eine Abbildung des illuminierten Ablassbriefs ebd., Taf. 39. 41  Eine Fallstudie: Lohse, Dauer (2011), 107–116. Allgemein zu Heiltumsweisungen: Kühne, Osten‑ sio reliquiarum (2000).

10.3  Muslime 10.3.1  Allgemeines Theoretisch entstehen islamische Stiftun‑ gen durch die Abtretung von Eigentums‑ rechten an einem Gut zugunsten Gottes. Da die islamische Stiftung keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, erhalten alle zu einem waqf gehörigen Besitztümer je für sich den Status einer Stiftung und wer‑ den von der Mehrheit der Muslime als Eigentum Gottes betrachtet. (→ 1.3.1) Mit‑ hin ist es in diesem Kontext irreführend, zwischen islamischer Stiftung und ihren Vermögenswerten zu unterscheiden. Es ließe sich anführen, dass gestiftete Insti‑ tutionen in der Praxis den Unterhalt für ihren dauerhaften Stiftungsvollzug aus der Bewirtschaftung einer Vielzahl von Besitz‑ tümern und Gütern erhalten, jedoch wäre dies nur zum Teil zutreffend. Dieses Modell eines waqf , bestehend aus einer zentralen Institution, die aus verschiedenen Besitztü‑ mern ausgestattet und mit deren Erträgen unterhalten wird, dürfte de facto – aber nicht de jure – in etwa der Struktur der großen waqf ‑Komplexe entsprechen, die von einem einzelnen Geber gestiftet wur‑ den. Die Stiftungsurkunde eines solchen Komplexes etwa um eine Moschee oder Medrese enthielt eine Auflistung der Be‑ sitzungen, die dem Destinatär beständige Erträge sichern sollten. Dieses Konzept lässt sich jedoch nicht auf andere waqf ‑ Formen übertragen, insbesondere nicht auf

Familien‑awqāf, bei denen die Abgrenzung zwischen Eigentums‑ und Nießbrauchrech‑ ten in der Praxis kaum möglich ist, und auch nicht auf jene Netzwerke von Stif‑ tungen, in denen awqāf verschiedener Gründer zu ihrem Fortbestand voneinander abhängig waren. Dennoch kann die Verwaltung der ver‑ schiedenartigen awqāf und die Nutzung aller an einen bestimmten Destinatär ge‑ stifteten Besitztümer oftmals Ähnlichkei‑ ten mit der beschriebenen Struktur aus einer formalen Institution mit davon un‑ terscheidbaren Vermögenswerten aufwei‑ sen, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: All diese Besitztümer werden unabhängig von ihrer jeweiligen Funktion als waqf betrachtet. Das hat zwei bedeu‑ tende Konsequenzen: (1.) Die Nutzung von Besitztümern, die in awqāf umgewandelt wurden, folgte nicht in jedem Falle den Bestimmungen der Stiftungsurkunde der bestifteten Institution – falls der Destina‑ tär selbst ein waqf war –, noch konnten ihre Verwalter über sie verfügen – falls der Destinatär kein waqf war. Vielmehr konnten auch einzelne Besitzungen im Stif‑ tungsvermögen den Status unabhängiger Stiftungen mit je eigenen Stiftungsurkun‑ den und ‑bestimmungen besitzen. (2.) Alle gestifteten Besitztümer und Institutionen unterlagen, ungeachtet ihrer jeweiligen

Muslime

Funktion, dem islamischen waqf ‑Recht, sodass ihre Nutzung, zumindest theore‑ tisch, äußerst stark normiert war. Vermutlich lassen sich am Beispiel der Moscheen diese Besonderheiten am besten verdeutlichen. Es gab zwei verschiedene Arten von Moscheen: Entweder wurden sie als Gemeingut mit öffentlichen Mit‑ teln auf öffentlichem Grund und Boden errichtet ( fayʾ), oder sie waren Stiftungen (waqf ). Beide Arten von Moscheen konnten ihrerseits die Destinatäre anderer Stiftun‑ gen sein: Eine Moschee, die selbst keinen waqf ‑Status hatte, konnte Destinatärin einer Stiftung sein, oder manchmal auch Verwalterin von waqf ‑Institutionen oder ‑Besitzungen. Eine waqf ‑Moschee selbst konnte mit einem anderen waqf verbunden sein, was ihre Stifter und die von ihnen festgelegten Nutzungsbestimmungen an‑ belangte, obwohl es sich um voneinander unabhängige Einrichtungen handelte. Ein weiteres Merkmal des waqf , das die Unterscheidung zwischen Stiftung und Vermögenswert erschwert, ist die Un‑ terscheidung zwischen öffentlichen Stif‑ tungen und Familienstiftungen. Bei der Familienstiftung (waqf ḫairī) verblieben die Verwaltung und der Nießbrauch des gestifteten Eigentums in den Händen der Stifterfamilie. Darüber hinaus konnte die‑ se Art von Stiftung aber auch Moscheen und anderen religiösen Einrichtungen, wie etwa den heiligen Schreinen von Mekka und Medina (al-ḥaramain), beständige Er‑ träge zukommen lassen. In einem solchen Fall stellten die Familienstiftungen also de facto Vermögenswerte für die von ihnen unterstützten Institutionen dar, die ih‑ rerseits die Geldmittel nach dem Ermes‑ sen ihrer Verwalter verwenden konnten oder für Zwecke, die von den Stiftern des Familien‑waqf festgelegt worden waren. Am Beispiel der Moscheen lassen sich auch die für den waqf geltenden rechtlichen

301

Restriktionen bei der Nutzung der Stif‑ tungserträge aufzeigen, die sich stark von Stiftungspraktiken in anderen Traditionen unterscheiden. Die normative Auffassung vom Stiftungsvermögen als Gotteseigentum bestimmte den Gebrauch von Stiftungen in islamischen Gesellschaften, der entweder dem Ziel diente, religiöse Gesetze zu erfül‑ len, oder häufig auch dem Ziel, einige ihrer Gebote und Verbote zu umgehen. Schriften, die sich mit der Verwaltung von Moscheen befassen, gewähren sehr interessante Ein‑ blicke in diese Problematik. Zum Beispiel erörtert az‑Zaraḫšī (gest. 1391 u. Z.) in sei‑ nem ‚Iʿlām al‑sāǧid bi‑aḥkām al‑masāǧid‘ (‚Anleitung zur Gebetsniederwerfung nach den für Moscheen geltenden Regeln‘) die Unterschiede zwischen Moscheen mit und ohne waqf ‑Status und weist darauf hin, welche Art von Gütern sie jeweils besitzen dürfen. Laut az‑Zaraḫšī dürfen nämlich Moscheen ohne waqf ‑Status keine Luxus‑ gegenstände, beispielsweise aus Gold und Silber, besitzen – natürlich mit Ausnahme der Moscheen an den heiligen islamischen Stätten, die eine privilegierte Position ein‑ nehmen. In waqf ‑Moscheen seien solche Gegenstände jedoch gestattet, es sei denn der Stifter habe Gegenteiliges festgelegt.1 In diesem besonderen Fall wird durch den Status der Institution bestimmt, welche Art von Besitztümern sie erhalten darf. Natürlich verfügten auch Moscheen ohne waqf ‑Status über Luxusgegenstände, und der Trick, der zur Umgehung dieser Vor‑ schrift angewandt wurde, bestand sehr oft in der Gründung eines waqf. Wenn näm‑ lich eine Lampe aus Gold oder Silber einer Moschee als waqf gestiftet wurde, das heißt als Eigentum Gottes, so konnte die Moschee unabhängig von ihrem eigenen Status als Destinatärin der Gerätstiftung die Lampe nutzen. In diesem Fall war der waqf de fac‑ to, wenn auch nicht de jure, lediglich eine besondere Form des Besitzverhältnisses,

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die sich kaum durch die Unterscheidung zwischen der Institution und ihrem Ver‑ mögen erfassen lässt. Diese Betrachtungsweise kann auch für Fälle gelten, in denen religiöse Gesetze re‑ geln, welche Besitztümer ein waqf erhalten oder erwerben darf. In mittelalterlichen Quellen finden sich einige Diskussionen darüber, welche Art von Gütern als waqf gestiftet werden durften, insbesondere welche Art von Büchern. Beispielsweise berichtet al‑Munāwī (gest. 1621) in seiner Sammlung von Betrachtungen über awqāf mit dem Titel ‚Taisīr al‑wuqūf‘ (‚Handrei‑ chung für [das Verständnis von] awqāf ‘), dass ein muftī gefragt worden sei, ob es rechtmäßig sei, Bücher mit Liebeslyrik (ġazal) zu stiften.2 Hierauf habe der Rechts‑ kundige zwar lediglich geantwortet, dass ihm eine einschlägige Vorschrift nicht bekannt sei, das Beispiel zeigt aber, dass religiöse Überlegungen in die Bewertung von potentiellen Stiftungsgütern einflos‑ sen, aber auch, dass sie in der Praxis als Eigentum der waqf ‑Institution betrachtet wurden, in der sie aufbewahrt wurden. Aus dem besonderen Status des waqf folgte auch, dass gestiftete Güter nicht als Kapitalrücklage gelten konnten, was ins‑ besondere im Gegensatz zur christlichen Praxis stand. Awqāf durften auf keinen Fall verkauft werden und konnten nur mit Zustimmung des Stifters im Rahmen ei‑ nes istibdāl‑Verfahrens gegen andere Gü‑ ter oder Besitzungen eingetauscht wer‑ den. (→ 3.3.4) Schon ein flüchtiger Blick in mittelalterliche Stiftungsurkunden zeigt jedoch, dass sich Stifter in der Regel gegen jegliche Änderung an der ursprünglichen Dotation aussprachen, und Verweise auf den Koranvers Q 2.1813, der als Verurteilung dieser Praxis verstanden wurde, sind in waqfīyas und insbesondere in den Kolopho‑ nen gestifteter Korane und Bücher häufig zu finden.4 (→ 6.3.4) So wurden die für die

Stiftungsvermögen und erträge

Verwaltung von waqf‑Besitztümern gelten‑ den Restriktionen, insbesondere das Ver‑ bot, Immobilien zu verkaufen, vielfach als ernsthafte Hindernisse im ökonomischen Handeln betrachtet, die sich jedoch in der Regel paradoxerweise gerade durch awqāf umgehen ließen.5 Die Praxis des istibdāl wurde von immer mehr waqf ‑Verwaltern übernommen und entwickelte sich sogar zu einer Strategie bei der Spekulation mit Immobilien‑Preisen.6 Auch im mittelalterlichen Islam gab es daneben Stiftungen, die nicht ‚auf ewig‘ angelegt waren. Obwohl sich in den Rechtstexten eine Kategorie ‚Verbrauchs‑ stiftung‘, im Gegensatz zu einer dauerhaf‑ ten Stiftung, nicht finden lässt, betrachte‑ ten die Vertreter der mālikītischen Schule und die Religionsgelehrten der Fatimiden die Gründung einer temporären Famili‑ enstiftung, in deren Genuss nur wenige Destinatäre kamen und die nach Ablauf einer befristeten Nutzungsdauer wieder an ihren ursprünglichen Eigentümer zu‑ rückfiel, als rechtens.7 Nach Meinung aller Rechtsschulen gestattete das islamische Recht zudem in einer Reihe von Fällen auch die Stiftung von vergänglichen Gütern. Dabei handelte es sich zunächst vor allem um die Stiftung von Tieren und Waffen für den ǧihād, in der Folge auch um andere vergängliche Güter, wie etwa Bücher oder das Mobiliar und Teppiche für Moscheen und Medresen.8 Die Umwandlung in Got‑ teseigentum durch den Stiftungsakt war zudem bestens dafür geeignet, sich man‑ che vergänglichen Güter anzueignen, die als anrüchig oder unrein betrachtet wur‑ den, da die Religionszugehörigkeit ihrer früheren Eigentümer unbekannt war: Sie wurden religiösen Einrichtungen als waqf gegeben, dadurch rein und konnten somit für wohltätige Zwecke verwendet werden. Dies war beispielsweise gängige Praxis, wenn Strandgut aufgefunden wurde, das

Muslime

etwa aus einem Schiffbruch stammte und dessen Herkunft im Dunkeln lag.9 Bei der Untersuchung von Kapital und Vermögenswerten in islamischen Stiftun‑ gen muss demnach bedacht werden, dass eine Typologie der zu einem waqf gehöri‑ gen Besitztümer in der Tat einer Typologie von awqāf gleichkommt. Vergegenwärtigt man sich die oben beschriebenen Charak‑ teristika islamischer Stiftungen, ist eine Unterscheidung zwischen der Stiftung und ihren Vermögenswerten keineswegs offen‑ sichtlich. Obwohl diese Unterscheidung tragfähig sein mag, wenn es um die Ana‑ lyse der waqf ‑Verwaltung geht, spiegelt sie doch nicht die Flexibilität und den multi‑ funktionellen Charakter der islamischen Stiftung wider. Aus diesem Grund liegt der Schwerpunkt dieses Artikels mehr auf der Bedeutung von waqf ‑Besitztümern als Vermögenswerten anstatt auf ihrer Bedeu‑ tung für wohltätige und soziale Leistungen. (→ 3.3; 8.3.2) 10.3.2  Unbewegliches Kapital Zu einer der wichtigsten waqf ‑Formen zählte von jeher die Stiftung von Grund und Boden. Die meistverbreitete Stiftung dieser Art war der Familien‑waqf , der be‑ reits seit frühislamischer Zeit aus vielerlei pragmatischen Gründen genutzt wurde, etwa um bestimmte Klauseln des Erb‑ rechts zu umgehen, Konfiszierungen zu verhindern und um in den Genuss von Steuerbefreiungen zu kommen. Wirtschaft‑ lich hatte die Umwandlung von Land in Familien‑awqāf eine zweifache Funktion: Einerseits bot der waqf der Stifterfamilie, dem Hauptdestinatär dieser Stiftungsform, regelmäßige Einkünfte, in Form von Natu‑ ralien oder Pachtgeldern von den Bauern, die das Land bestellten; andererseits war er auch eine beständige Geldquelle für

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diejenigen Institutionen, die der Wohltäter als Empfängerinnen der jährlichen Zutei‑ lung für wohltätige Zwecke aus den waqf ‑ Erträgen bestimmt hatte. Diese Stiftungen waren unterschiedlich groß; die Bandbreite reichte von kleinen Familienobstgärten bis hin zu den großen Ländereien im Besitz der Familien aus dem Umfeld der Herrscher. Ein typisches Beispiel für die Nutzung von waqf‑Ländereien als Einnahmequellen von öffentlichen und religiösen Institutionen sind die sogenannten awqāf al-ḥaramain, bestehend aus Ländereien, die in einen Familien‑waqf eingebracht wurden und jährlich mit einem Teil ihrer Einkünfte zur Unterhaltung der Schreine von Mekka und Medina beitrugen. Die älteste bekannte Stif‑ tung dieser Art war die des Abū Bakr al‑ Maḏarāʾī im Ägypten des 10. Jahrhunderts, die den Quellen zufolge Jahreseinnahmen von 100 000 Dinar erzielte – eine Zahl, die übertrieben erscheint, aber nichtsdesto‑ trotz Zeugnis ablegt von der Bedeutung dieser Stiftungen.10 Ländereien konnten auch als öffentliche awqāf gestiftet werden. In diesen Fällen waren sie eher Vermögenswerte für die Wohltätigkeitsinstitutionen, die als Desti‑ natärinnen bestimmt waren und die Erträ‑ ge den Stifterbestimmungen entsprechend nutzen konnten. Diese sahen oftmals einen prozentualen Anteil der Einnahmen für bestimmte Ausgaben der Vermögensver‑ waltung vor, etwa Instandhaltung oder Gehälter. Gelegentlich finanzierten solche Stiftungsländereien auch direkt vom Stif‑ ter bestimmte wohltätige Aktivitäten, wie etwa den Freikauf von Gefangenen oder die Verteilung von Armenhilfe oder Brotgaben an besonderen Tagen, vor allem anlässlich der muslimischen Hauptfeste. Hier mag es keine direkte Beteiligung weiterer Institu‑ tionen gegeben haben, und die Verteilung der Überschüsse wurde direkt vom Ver‑ walter des Stiftungslandes vorgenommen.

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Der Vermögenswert von waqf ‑Gebäu‑ den hing aufgrund ihrer Unverkäuflichkeit eher von den Einkünften ab, die aus ihrer Bewirtschaftung erzielt wurden, als von ihrem Verkaufspreis. Auch hier konnte der Betrieb schon selbst wohltätigen Zwecken dienen, ohne dass es der Beteiligung an‑ derer Institutionen bedurfte. Herbergen verschiedener Art und ḥammāms konn‑ ten beispielsweise armen Besuchern freie Unterkunft und Dienstleistungen gewäh‑ ren und gleichzeitig anderen Institutionen Geldmittel zur Verfügung stellen, die sie aus den Gebühren erwirtschafteten, wel‑ che sie den übrigen Kunden berechneten. Sie waren also sowohl wohltätige Einrich‑ tungen als auch Vermögenswerte. Diese Doppelfunktion ist sehr gut erkennbar bei den funduqs, die Pilgern kostenlose Unter‑ kunft anboten, aber normalen Reisenden auch eine Gebühr berechnen konnten, die zur finanziellen Unterstützung der Ein‑ richtung verwendet wurde, wie etwa Ibn Baṭṭūṭas Beschreibung seines Aufenthalts in einem ägyptischen funduq belegt.11 Auch Ladengeschäfte dienten Stiftungen als Vermögenswerte. Sie konnten Familien‑ awqāf oder Teil von öffentlichen Stiftungen sein. Es war weitverbreitete Praxis, La‑ denlokale in awqāf umzuwandeln, die in der Umgebung einer als Destinatärin der Stiftungen bestimmten Moschee lagen. In der Stiftungsurkunde eines waqf aus Yazd werden als dotierte Güter zwölf Geschäfte aufgelistet, die in einer Arkade gegenüber einer Moschee lagen, die die Stifter schon vorher als waqf gestiftet hatten.12 Abgesehen von diesen Beispielen ist es schwierig, Immobilienbesitz zu identifi‑ zieren, dessen vorrangige Funktion nicht das Erbringen wohltätiger Dienstleistun‑ gen in irgendeiner Art war. Nahezu alle waqf ‑Gebäude spielten auch eine aktive Rolle in der Stiftungspraxis, statt reine Ein‑ nahmequellen zu sein. Es gab jedoch auch

Stiftungsvermögen und erträge

Zeiten, in denen Verkaufspreise städtischer Immobilien und religiöse oder wohltätige Stiftungspraxis in direktem Zusammen‑ hang stehen konnten; diese Verbindung war oftmals von großer Bedeutung für den Fortbestand und die Entwicklung von awqāf. Im spätmamlūkischen Kairo etwa wurden Gebäudestiftungen vielfach für In‑ vestitionen benutzt, indem auf die Rechtsfi‑ gur des istibdāl zurückgegriffen wurde, um mit Immobilienpreisen zu spekulieren, was jedoch nicht alle Muslime als rechtmäßig erachteten.13 Der Grund hierfür war vor allem die außerordentliche Nachfrage der Eliten nach städtischem Immobilienbesitz, den sie brauchten, um neue prestigereiche awqāf gründen zu können. Bewässerungsanlagen und andere öf‑ fentliche Infrastruktur konnten ebenfalls als waqf gestiftet und als Finanzierungs‑ quelle für andere Institutionen genutzt werden. In diesen Fällen stammten die Einkünfte aus den Gebühren für Nutzungs‑ rechte, die selbst auch waqf ‑Konzessionen sein konnten. (→ 10.3.5) Wasserkanäle etwa waren oft selbst awqāf, die öffentliche Dienstleistungen erfüllten, aber auch zur Finanzierung von anderen Institutionen beitragen konnten. Gleichermaßen waren etwa Mühlen, Ölpressen und Öfen häufig mit anderen Stiftungen verbunden, für die sie als Vermögenswerte fungierten. Das trifft beispielsweise auf den ḫān zu, der im Jahre 1263 von Baibars am Stadtrand von Jerusalem gegründet wurde und mit einem Ofen und einer Mühle ausgestattet war.14 Wie aus den genannten Beispielen er‑ sichtlich, nahmen islamische Stiftungen oftmals die Form von verzweigten Netz‑ werken an, sodass es nahezu unmöglich ist, die spezifische Funktion eines waqf zu er‑ mitteln. Zum Beispiel konnte ein gestifteter Ofen als Vermögenswert für eine Herberge fungieren, die ihrerseits zur finanziellen Unterstützung einer Moschee beitrug, die

Muslime

wiederum selbst ein waqf sein konnte. Au‑ ßerdem gab es häufig Kombinationen von Familien‑ und öffentlichen awqāf , bei de‑ nen die Besitzverhältnisse nur schwer zu durchschauen sind und einem klaren Kon‑ zept von Besitz zuwiderzulaufen scheinen. Das gilt dort, wo ganze Dörfer als waqf ge‑ stiftet wurden, die eben sowohl bewegliche als auch unbewegliche Güter, öffentliche Infrastrukturanlagen und immaterielles Kapital in Form von Steuerbefreiungen und Privilegien umfassten. Ein gutes Beispiel ist der Güterkomplex, der im Jahr 1291 von Saif ad‑Dīn ar‑Raǧīḥī der Sufi‑Bruderschaft Yūnusīya gestiftet wurde: Dieser Komplex umfasste das Dorf Subaina aš‑Šarqīya; der waqfīya zufolge gehörten dazu alle Felder des Dorfes, die Häuser der Bauern, der Bewässerungskanal und damit einherge‑ hende Bewässerungsrechte.15 10.3.3  Bewegliches Kapital Das islamische Recht erlaubte sowohl die Stiftung von beweglichen Sachen als auch Geld‑ und Sachspenden an awqāf. Theore‑ tisch besaßen alle gestifteten Güter an sich den Status eines waqf , und es ist wie bei unbeweglichen Sachen irreführend, sie als eine Art Kapital einer bestimmten Stiftung zu betrachten. Praktisch konnten beweg‑ liche Sachen jedoch manchmal in Vermö‑ genswerte verwandelt werden, insbeson‑ dere wenn das istibdāl‑Prinzip angewandt wurde, das den Tausch eines waqf ‑Gutes gegen ein anderes Gut gestattete, wenn diese Transaktion einen Vorteil für die besitzende Institution bedeutete. Des Wei‑ teren war es manchmal erlaubt, bewegliche Sachen zu verkaufen, da viele von ihnen vergänglich waren oder durch die Nut‑ zung verschlissen, jedoch blieb diese Pra‑ xis nicht unwidersprochen. In einer fatwā aus der Sammlung von al‑Wanšarīsī geht

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es zum Beispiel darum, welche die beste Möglichkeit sei, alte abgenutzte Teppiche zu entsorgen, die der Moschee als waqf überlassen worden waren. Als gestiftete Güter konnten sie beispielsweise nicht an eine Papiermühle verkauft werden und ihr Abnutzungsgrad machte sie als Tauschob‑ jekt uninteressant, sodass der istibdāl nicht angewendet werden konnte. In diesem Fall, so der Mufti, sollte der waqf der musli‑ mischen Gemeinschaft als Armenspende zugutekommen, welche die Teppiche als Kälteschutz verwenden konnte.16 Die Stiftung von Bargeld war bis zur osmanischen Zeit nach islamischem Recht nicht gestattet und wurde auch nur nach langen Gelehrtendebatten zugelassen.17 Waqf ‑Institutionen waren jedoch norma‑ lerweise Empfänger sowohl von Geld‑ als auch von Sachspenden. Diese Zuwendun‑ gen kamen von einzelnen Personen oder anderen awqāf , wie im Fall der awqāf alḥaramain, die jährlich Geldmittel für die Unterhaltung der Schreine in Mekka und Medina bereitstellten. Einige Stiftungen stellten auch Geldmittel für die Instand‑ setzung der Infrastruktur anderer Institu‑ tionen oder für Kerzen und Öl für die Be‑ leuchtung von Moscheen und Grabmalen zur Verfügung.18 In solchen Fällen sollte dieser regelmäßige Beitrag aufgrund der symbiotischen Beziehung zwischen den In‑ stitutionen eines Stiftungsnetzwerks dem Kapital des begünstigten waqf zugerech‑ net werden. Ähnliche Güter und Dienst‑ leistungen konnten auch durch direkte Schenkungen (ṣadaqāt, nawāfil al-ḫairāt) sowohl von Herrschern oder auch Einzel‑ personen gewonnen werden, die sehr oft für die Finanzierung von Reparaturarbei‑ ten verwendet wurden. Die Bereitstellung von Geldmitteln für die Instandsetzung religiöser Institutionen wird oft als Wohl‑ tätigkeit der Geber betrachtet, obwohl mit‑ telalterliche Autoren, wie etwa as‑Subkī,

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sie als eine Verpflichtung der Herrscher beschrieben.19 Stiftungen konnten beweglichen Besitz manchmal zu anderen Zwecken veräu‑ ßern. In Ägypten und Palästina wurde ein System namens ḫulūw al-intifāʿ (wörtlich ‚ohne Gewinn‘) angewandt, um Geldmit‑ tel für die Instandhaltung von Gebäuden zur Verfügung zu stellen. Es bestand aus einem Darlehen zugunsten des waqf , für das im Gegenzug das Nutzungsrecht für das instandzusetzende Objekt abgetreten wurde. Rechtlich wurde für diese Form der Besitzübertragung ein Kauf abgeschlossen, bei dem der waqf das Objekt jederzeit wie‑ dererlangen konnte, indem er es zu seinem nach den Reparaturen erhöhten Preis vom Nutzer zurückkaufte.20 Moscheen, Medresen und ähnliche Institutionen konnten Empfänger gestif‑ teter Möbelstücke und Kultobjekte sein. (→ 6.3.3) Die gängigsten Stiftungsobjek‑ te in diesem Zusammenhang sind wahr‑ scheinlich der bewegliche minbar, eine Kanzel, die üblicherweise aus Holz gefer‑ tigt wurde, sowie Vorleger und Teppiche, um die Böden der Moscheen zu bedecken. Eine weitere typische Stiftung ist das Le‑ sepult (kursī), das bevorzugt in den westli‑ chen Gebieten des Islam gestiftet wurde.21 Dazu kamen Bauelemente wie Türen, Ja‑ lousien und Metallbeschläge, insbesondere während der mamlūkischen Herrschaft, als Metallarbeiten von besonderer Bedeu‑ tung waren.22 Weihrauchkessel, Lampen und Kerzenhalter für die Beleuchtung von Moscheen und Medresen wurden ebenfalls gestiftet. Einige dieser Objekte erlangten den waqf ‑Status zu dem Zeitpunkt, als sie von der gestifteten Institution erworben wurden, während andere von den Wohl‑ tätern in einen waqf umgewandelt und als solcher der übergeordneten Instituti‑ on überreicht wurden. Dies ist relevant

Stiftungsvermögen und erträge

wegen der besonderen Einschränkungen in Zusammenhang mit dem istibdāl (dem Tausch eines waqf ‑Gutes gegen ein ande‑ res Gut) und den Verwaltungsvorschriften für Moscheen. Wie erwähnt, konnte eine Moschee ohne eigenen waqf ‑Status, zu‑ mindest theoretisch, keine Luxusgüter in Form von Gold‑ und Silberobjekten oder Seidenvorhängen besitzen; waren diese Ob‑ jekte jedoch selbst eine Stiftung, konnten sie auch in solch einer Moschee angebracht werden.23 Die Stiftung von Waffen für den ğihād gehört zu den frühesten Formen islami‑ scher Stiftungspraxis.24 Die Verwendung dieser Objekte war auf den heiligen Krieg beschränkt; Nutznießer war in diesem Fall die gesamte islamische Gemeinschaft und keine bestimmte Institution. Einen außer‑ gewöhnlichen Fall bei der Stiftung von Waf‑ fen stellen die etwa fünfhundert Schwer‑ ter dar, die während der mamlūkischen Herrschaft gefallenen Kreuzrittern abge‑ nommen und dem Arsenal von Alexand‑ ria als waqf übergeben wurden. Der Wert dieser Schwerter war eher symbolischer als materieller Natur, da sie die Niederla‑ ge der christlichen Feinde repräsentierten. Obwohl diese Waffen nicht unbrauchbar waren und ihre Stiftung zunächst tatsäch‑ lich der Verteidigung von Alexandria dien‑ te, wurden sie nicht ohne Grund von den osmanischen Eroberern nach dem Nie‑ dergang des mamlūkischen Sultanats im Jahr 1517 beschlagnahmt und in die Türkei verbracht.25 Auch Bücher waren geläufige Stiftungs‑ objekte und können – mit den bereits er‑ wähnten Bedenken bezüglich ihres Status als waqf – zum beweglichen Kapital ge‑ zählt werden. In Form von individuellen Stiftungen oder kompletten Bibliotheken konnten Bücher als waqf an Bildungs‑ einrichtungen oder religiöse Institutionen gegeben werden. Diese Exemplare waren

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manchmal von außergewöhnlich hohem materiellem Wert und wurden, obwohl das theoretisch verboten war, gegen an‑ dere Güter eingetauscht, wenn dies von Vorteil für die innehabende Institution war. Die Quellen zeigen, dass das Unver‑ äußerlichkeitsgebot für waqf ‑Bücher oft nicht beachtet wurde. Ein bekannter Fall, bei dem eine waqf ‑Bibliothek veräußert wurde, steht im Kontext der Niederlage der Fatimiden gegen die Ayyūbiden. Saladins Sekretär al‑Qāḍī al‑Fāḍīl behielt viele Ma‑ nuskripte aus der königlichen Bibliothek der Fatimiden, die später einen Teil seiner eigenen Stiftung ausmachten. Einige Bü‑ cher wurden aber auch verkauft, wobei der Erlös angeblich wohltätigen Zwecken zugutekam.26 10.3.4  Selbstbewegliches Kapital Die Stiftung von Pferden und Maultieren für den ğihād gehört wie die von Waffen in die früheste Phase islamischer Stiftungs‑ praxis. Tiere konnten daneben zu weiteren Zwecken gestiftet werden, zum Beispiel zum Einsatz in der Landwirtschaft, bei Bewässerungsarbeiten oder als Lasttiere. Die Stiftung von Sklaven war theore‑ tisch ebenso gestattet 27 wie ihr Kauf aus dem Ertrag von waqf ‑Ländereien, um sie dann in der Landarbeit einzusetzen 28. In Quellen zum islamischen Stiftungswesen im Mittelalter werden Sklaven jedoch nor‑ malerweise als Destinatäre von wohltä‑ tigen und religiösen Stiftungen genannt: Der Kauf der Verfügungsgewalt über Skla‑ ven und ihre spätere Freilassung wurden manchmal von den Stiftern eines waqf als eine der wohltätigen Handlungen festge‑ legt, die aus seinem Einkommen finan‑ ziert werden sollten. Auch Traktate zum (Stiftungs‑)Recht behandeln Sklaven eher als Destinatäre, insbesondere Sklavinnen

mit Kindern; vergleichsweise selten wer‑ den Sklaven demgegenüber als ‚Stiftungs‑ gut‘ eines waqf dargestellt.29 Es ist daher schwierig festzustellen, in welchem Maße von Sklaven tatsächlich als Stiftungsgut dienten. Die waqfīya von Rašīd ad‑Dīn führt beispielsweise Sklaven unter dem gestifteten Eigentum (mauqūfāt) an, was aber eher die Ausnahme gewesen zu sein scheint.30 Ein weiteres Beispiel, ebenfalls aus Zentralasien, ist der waqf , der für den Sufi‑Orden der Naqšbandīya gestiftet wurde. Auch hier waren Sklaven Teil des Stiftungsguts.31 10.3.5  Immaterielles Kapital Ein offensichtlicher Vorteil bei der Stiftung von Eigentum war die Reduzierung oder sogar gänzliche Befreiung von Steuern für die Destinatäre. Wie viel an Steuern auf waqf ‑Eigentum erhoben wurden, va‑ riierte je nach Zeitpunkt, geographischer Lage sowie Rechtschule und war Verhand‑ lungssache – und oft Quelle des Konflikts – zwischen den Verwaltern eines waqf und den Behörden. In jedem Fall waren die auf waqf ‑Ländereien erhobenen Steuern deutlich niedriger als die auf sogenannte ḫarāğ‑Ländereien. Die ḫarāğ‑Steuer war variabel und hing von verschiedenen Fak‑ toren ab, etwa den angebauten Feldfrüch‑ ten, deren Qualität, dem jährlichen Ertrag und den klimatischen Bedingungen wie dem jährlich schwankenden Nilhochwas‑ ser in Ägypten. Abū Yūsuf (gest. 798 u. Z.) schlug beispielsweise vor, dass Weizen und Gerste produzierende Ländereien in Mesopotamien 40 % ihres Ertrages als Steuern abführen sollten, wenn sie na‑ türlich bewässert würden, und nur 30 % bei künstlicher Bewässerung. In seinem Geschichtswerk erwähnt aṭ‑Ṭabarī, dass al‑Maʾmūn (reg. 812–833) die Besteuerung

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von ḫarāğ‑Ländereien auf 40 % reduziert habe, was vermuten lässt, dass der übliche Steuersatz zu Beginn des 9. Jahrhunderts bei etwa 50 % lag.32 Im Gegensatz dazu waren waqf ‑Ländereien häufig ganz von der Steuer befreit oder mussten nur den Zehnten entrichten (ʿušr).33Als die waqf ‑ Ländereien immer mehr wurden, begann man diese besondere Steuerregelung als potenziell schädlich für den Staat und die muslimische Gemeinschaft wahrzuneh‑ men. Der Gelehrte Ibn Nuğaim schrieb sogar eine Abhandlung, in der er die Be‑ steuerung von waqf‑Ländereien verfocht.34 Obwohl der besondere Steuerstatus von waqf ‑Besitzungen für die Institution selbst und für ihre unmittelbaren Nutznießer – besonders im Falle von Familienstiftun‑ gen – äußerst profitabel war, muss doch erwähnt werden, dass die waqf ‑Vorschrif‑ ten manchmal hinderlich für die wirt‑ schaftlichen Tätigkeiten der Stiftung sein konnten. Bei Ländereien und vor allem Gebäuden, die an öffentliche awqāf ange‑ gliedert waren, profitierten die Mieter von den speziellen langfristigen Pachtkonditio‑ nen eines waqf. Die Miete für solche Im‑ mobilien, normalerweise Ladengeschäfte, bezeichnete man als ḥikr (im Maghreb auch ğalsa, ʿanā oder zīna).35 Sie lag deutlich un‑ ter den üblichen Marktpreisen. In dieser Hinsicht waren die Konditionen für die Pächter von Vorteil und benachteiligten den waqf wirtschaftlich, trugen aber den gemeinnützigen Zwecken dieser Institutio‑ nen Rechnung. Ein ähnliches Phänomen ist bei der Pacht von waqf ‑Ländereien zu beobachten. Oft wurden dabei sogar die besonderen Bedingungen jedes einzelnen Erntejahres berücksichtigt, was eine faire Pacht ermöglichte (aǧr al-miṯl), aber insge‑ samt auch ein geringeres Einkommen für den waqf bedeutete.36 Nutzungsrechte für öffentliche In‑ fra struk turanlagen, besonders für die

Stiftungsvermögen und erträge

Bewässerung, konnten ebenfalls zu den Vermögenswerten einer waqf ‑Institution zählen und stellten häufig eine wichtige Einnahmequelle dar. Bewässerungsanla‑ gen gehörten zu den gängigsten Stiftungs‑ objekten, besonders in Gebieten, wo die landwirtschaftlichen Erträge stark von der richtigen Verteilung und Lagerung des Was‑ sers abhingen. Diese bedeutenden Anlagen wurden oft als Dienst an der gesamten Ge‑ meinschaft angesehen, aber das Recht zur Wasserentnahme aus den errichteten Ka‑ nälen und Reservoiren wurde manchmal den Landpächtern in Rechnung gestellt. Wasserentnahmerechte konnten auch als Konzessionen an awqāf selbst vergeben wer‑ den. Die Tatsache, dass sie häufig in Stif‑ tungsurkunden aufgelistet sind, legt nahe, dass diese Rechte nicht immer als selbst‑ verständlich galten, selbst bei waqf ‑Län‑ dereien nicht, die Bewässerungsstiftungen angegliedert waren. In der Schriftrolle etwa, welche die waqfīya der 1222 in Damaskus an die Yūnusīya‑Bruderschaft gestifteten Besitztümer enthält, sind alle zugehörigen Äcker, Bauernhäuser sowie der Bewässe‑ rungskanal in die Stiftung eingeschlossen und auch die Bewässerungsrechte eigens aufgeführt.37 Auch die Urkunde des waqf ‑ Komplexes, der 1445 von Amīr Čaqmaq, dem timuridischen Gouverneur von Yazd im Iran, gestiftet wurde, nannte neben den dotier‑ ten Gütern für Landwirtschaft und Handel auch die Erweiterung des Ḫairābād‑Kanals sowie weitere Bewässerungskanäle und die damit einhergehenden Bewässerungsrechte, die ausdrücklich mit übertragen wurden.38 10.3.6  Symbolisches Kapital Die symbolische Dimension eines waqf und der Nutzen, den ihr Stifter daraus zog, hing von vielen Faktoren ab. In ei‑ nigen Fällen stammte das symbolische

Muslime

Kapital, von dem der waqf und im weite‑ ren Sinne ihr Stifter und die Destinatäre profitierten, vom Stiftungsobjekt selbst. Die Stiftung von Besitz, ob beweglich oder unbeweglich, implizierte immer auch die öffentliche Zurschaustellung sowohl von Frömmigkeit als auch von Reichtum, was den monumentalen Charakter der meisten Stiftungen erklärt, die von mittelalterli‑ chen muslimischen Herrschern errichtet wurden. In anderen Fällen resultierte die Umwandlung von ökonomischem in sym‑ bolisches Kapital aus der Verbindung des Stifternamens mit dem des Destinatärs. Die anschaulichsten Beispiele hierfür sind re‑ ligiöse Stiftungen, die das Gedenken eines Propheten, eines verehrten Muslims oder eines Heiligen bewahrten. Das Grab von aš‑Šāfiʿī in Kairo zog aus diesem Grund die Aufmerksamkeit der ayyūbidischen Herrscher auf sich: Saladin stiftete dort ein beeindruckendes Ehrenmal, um das Grab des Gelehrten kenntlich zu machen, und begann auch mit der Erbauung des Mausoleums; vollendet wurde es erst von al‑Kāmil, der auch seinen eigenen Begräb‑ niskomplex und denjenigen seiner Mutter neben dem Mausoleum des renommier‑ ten sunnitischen Gelehrten errichtete.39 Gleichermaßen wurde die Stiftung von ḫānqās für Sufi‑Persönlichkeiten, die we‑ gen ihrer Frömmigkeit bekannt waren, in mamlūkischen Gebieten zur gängigen Praxis.40 In diesen Fällen hatten die Ein‑ richtungen, in denen die Gebeine dieser Männer aufbewahrt wurden und die ihnen gewidmet waren, an ihrer Aura von Hei‑ ligkeit teil und profitierten davon, indem sie weitere materielle Schenkungen und Stiftungen erhielten oder, wie im Fall des Grabmals von aš‑Šāfiʿī, ihr symbolisches Kapital durch neugeschaffene angrenzende Komplexe noch weiter gesteigert wurde. Stiftungen waren darüber hinaus ein probates Mittel zur damnatio memoriae,

309

das heißt, um sowohl das Andenken von vorherigen Herrschern und Dynastien aus‑ zulöschen als auch politische und religiöse Legitimation zu erlangen. (→ 6.3.5) Ein gutes Beispiel hierfür ist die Zerstörung von fatimidischen Palästen und Monu‑ menten sowie die anschließende Errich‑ tung religiöser Stiftungen, die zugleich Zeichen des Sieges der Sunniten über die Schiiten waren.41 Ähnlich zu deuten sind die awqāf , die Saladin an den Standorten christlicher Stiftungen erbauen ließ.42 In all diesen Fälle akkumulierten die Stifter symbolisches Kapital vor allem für sich, zu Lebzeiten und über den Tod hinaus. Es gab andererseits Fälle, in denen sich dieses wieder in ökonomisches Kapital für die Stiftung rückumwandeln ließ. Die bereits erwähnten Sufi‑Klöster, die zu Ehren ei‑ nes bestimmten šaiḫ gestiftet wurden, der wegen seiner Frömmigkeit verehrt wurde, konnten großen Nutzen aus dem Prestige des religiösen Führers ziehen, und zwar in der Form von Schenkungen oder wei‑ teren awqāf. Natürlich profitierten awqāf an heiligen Orten in großem Umfang von Schenkungen vermögender Pilger. Die heiligen Orte Mekka und Medina erhiel‑ ten sowohl Zuwendungen von awqāf als auch von Einzelpersonen aus der gesamten muslimischen Welt.43 In Palästina förderte außerdem der mamlūkische Sultan Bai‑ bars I. Pilgerreisen zum Grab des Prophe‑ ten Moses (Nabī Mūsā) und errichtete dort im Jahr 1291 wohlhabende Stiftungen, die durch ihren prominenten Standort große ökonomische Vorteile erlangten.44 In anderen Fällen konnte die Möglich‑ keit, ein bestimmtes Gut zu stiften, ein Privileg für den Geber darstellen. Ein sol‑ ches Beispiel ist der kunstvolle Brokatvor‑ hang (kiswa), welcher die Kaʿba in Mekka umhüllt. Die kiswa war ein waqf , dessen Stiftung bestimmten Dynastien vorbehal‑ ten war, die dieses Recht in großen Ehren

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hielten. Zur Zeit der Mamlūken wurde die‑ ses Privileg den ägyptischen Herrschern zuteil, die es nutzten, um ihre Herrschafts‑ ansprüche zu untermauern. Es war üblich, die kiswa bei Prozessionen, die durch die Straßen von Kairo führten, zu präsentie‑ ren, bevor sie im Pilgermonat nach Mekka gesandt wurde. Einige Male kam es aber

Stiftungsvermögen und erträge

auch vor, dass die kiswa über einen länge‑ ren Zeitraum ausgestellt wurde, etwa im Jahr 1503, als Sultan al‑Ġūrī anordnete, sie einen ganzen Monat lang der Öffentlich‑ keit zu präsentieren, bevor sie zur Kaaba gebracht wurde.45 IS

Anmerkungen 1  Az‑Zaraḫšī, Iʿlām as‑sāǧid bi‑aḥkām al‑masāǧid. al-ʿArāyīšī / Aḥmad aš-Šarqāwī Iqbāl. Rabat 1981, 15 f. Ed. Abū al-Wafāʾ Muṣṭafā al-Marāġī. Kairo 1999, 338.

2 Al‑Munāwī, Taisīr al‑wuqūf ʿalā ġawāmiḍ

aḥkām al‑wuqūf. Ed. Aḥmad ʿAbd al-Ǧabbār ašŠaʿbī. Mekka 1990, 314. 3 Q. 2.181 lautet: „Wenn es jemand ändert [baddala], nachdem er es gehört hat, dann liegt die Schuld daran bei denen, die es verändert ha‑ ben. Siehe, Gott ist der Hörende, der Wissende.“ Das Verb ‚baddala‘ steht in direktem Bezug zur istibdāl‑Praktik – ein Verb, das aus derselben Wortwurzel b-d-l gebildet wird. 4  Siehe beispielsweise James, Qur’āns of the Mamlūks (1988), 236. 5 Zu diesen Hindernissen siehe Kuran, Long Divergence (2012). 6 Fernandes, Istibdāl (2000). 7 R. Peters, Waḳf (2002), 62; A. Meier, Für immer und ewig (2009). Zum faṭimidischen Recht siehe Aš-Šarīf al-Murtaḍā, Al‑Intiṣār al‑muštamal ʿalā al‑masāʾil al‑fiqhīya. Bombay 1897, 124. 8 Schacht, Early Doctrines on Waqf (1953). 9 Khalilieh, Admiralty and Maritime Laws (2006), 212. 10  Lev, Charity, Endowments and Charitable Institutions (2005), 80. 11  Riḥlat Ibn Baṭṭūṭa. Beirut 1992, 54; O. Constable, Housing the Stranger (2003), 58. 12  Iwatake, Waqf of a Timurid Amīr (2003), 91. 13  Fernandes, Istibdāl (2000). 14  Lev, Charity, Endowments and Charitable Institutions (2005), 127. 15  Richards, Damascus Scroll (1990), 270. 16  Al‑Wanšarīsī, Al‑Miʿyār al‑muʿrib wa‑ʾl‑ğamiʿ al‑muġrib ʿan fatāwā ʿulamāʾ al‑Andalus wa‑ʾl‑ Maġrib, Bd. 7. Ed. Muḥammad Ḥağğī / Muḥammad

Siehe auch Risālat Ibn ʿAbdūn. Ed. Évariste LéviProvençal, Documents arabes inédits sur la vie sociale et économique en occident musulman au Moyen  ge, Bd. 1. (Textes et traductions d’auteurs orientaux, Bd. 2.) Kairo 1955, 3–65, hier 22. 17  Zu diesen Polemiken und Debatten siehe Mandaville, Usurious Piety (1979). 18  Awqāf zur Beleuchtung von Grabmalen wur‑ den jedoch von einigen Gelehrten, etwa von Ibn Taimīya, als unrechtmäßig betrachtet – siehe Taylor, Vicinity of the Righteous (1998), 187. 19  Tāǧ ad‑Dīn as‑Subkī, Kitāb muʿin an‑niʿam wa‑mubīd an‑niqam. The Restorer of Favours and the Restrainer of Chastisements. Ed. David W. Myhrman. London 1908, 32 [arabischer Text]. 20 G. Baer, Ḥikr, (2004), 368. 21 Erzini / Vernoit, Professorial Chair (2013). 22 Mols, Mamluk Metalwork Fittings (2006). 23 Az‑Zaraḫšī, Iʿlām as‑sāǧid. Ed. Al-Marāġī (wie Anm. 1), 338. 24 Aš‑Šaibānī, Šarḥ Kitāb as‑Siyar al‑Kabīr, Bd. 4. Ed. Muḥammad Ḥasan Ismaʿīl. Beirut 1997, 249 f. 25 Kalus, Donations pieuses (1982). 26 Hirschler, Written Word (2012), 130 f. 27 Aḥmad ibn ʿAmr al‑Ḥassāf, Kitāb aḥkām al‑awqāf. Kairo 1904, 119 f. 28 Hennigan, Birth of a Legal Institution (2004), 158; 160. 29 Al‑Ḫaṣṣāf widmet beispielsweise zwei Ab‑ schnitte der Diskussion über Sklaven als Begüns‑ tigte eines waqf – Al‑Ḥassāf, Kitāb aḥkām al‑ awqāf (wie Anm. 27), 115–119; 119–121. 30 Siehe B. Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000), 182, die feststellt: „Allerdings ist mir bislang keine andere waqfiyya aus Iran bekannt

311

Juden

geworden, in der Menschen unter den mauqūfāt figurieren“. 31 Paul, Politische und soziale Bedeutung (1991), 117; B. Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000), 182, Anm. 93. 32 Campopiano, State, Land Tax and Agricul‑ ture (2012), 34 f. 33 Eine regionale statistische Analyse des ḫarāǧ bis zur Abbasiden‑Zeit findet sich bei Katbi, Islamic Land Tax (2010). Für einen Überblick über die Be‑ rechnungsmethoden der ḫarāǧ im mamlūkischen Ägypten siehe Cooper, Assessment and Collection (1976). 34 Ibn Nuǧaim, At‑Tuhfa al‑mardīya fī l‑arāḍī al‑miṣrīya. Ed. Muḥammad Aḥmad Sarāǧ / ʿAlī Ǧumʿa Muḥammad, in: Rasāʾil Ibn Nuǧaim al‑ iqṣādīya wa‑ʾl‑ musammāh ar‑rasāʾil az‑zaidīya fī maḏhab al‑ḥanafīya. Kairo 1999, 123–142.

35 G. Baer, Ḥikr (2004), 368. 36 Johansen, Islamic Law (1988), 33 f. 37 Richards, Damascus Scroll (1990), 270. 38 Subtelny, Timurids in Transition (2007), 239. 39 Mulder, Mausoleum of Imam al‑Shafiʿi (2006). 40  Siehe beispielsweise Homerin, Saving Mus‑ lim Souls (1999).

41  Siehe beispielsweise Fernandes, Evolution of a Sufi Institution (1988), 25.

42  Pahlitzsch, Christian Pious Foundations

(2009); Ders., Transformation of Latin Religious Institutions (2004). 43  Zu diesem Phänomen siehe Hoexter, Endow‑ ments (1998). 44  Zum Nabī‑Mūsā‑Grab und seinen Stiftun‑ gen siehe Al-ʿAsalī, Mausim an‑Nabī Mūsā (1990). 45  Alhamzah, Late Mamluk Patronage (2009), 39 f.

10.4  Juden 10.4.1  Allgemeines Die mittelalterlichen jüdischen Gemein‑ den sowohl im Orient als auch in Europa waren hauptsächlich städtischer Natur.1 Deshalb war Landbesitz im Unterschied zu christlichen, muslimischen und indi‑ schen Gesellschaften, in denen er die Basis vieler Stiftungen bildete, weniger wichtig. In muslimischen waqf‑Quellen ebenso wie in christlichen Stiftungsurkunden werden Äcker, Dörfer, Häuser, seltener Tiere, als Hauptbesitz und Kapital von Stiftungen benannt. Der Unterschied zwischen abend‑ ländischer Stiftung und waqf auf der einen und heqdesh auf der anderen Seite liegt vor allem in der Tatsache begründet, dass die Juden im Mittelalter im Grunde nie eine ei‑ gene Territorialherrschaft ausbilden konn‑ ten. Deshalb war der Besitz unbeweglicher Güter, die nicht wieder veräußert werden konnten und somit als ‚Tote Hand‘ hätten

dienen können, zu riskant, denn die Juden hatten wegen immer wieder vorkommen‑ der Konfiskationen und Vertreibungen nie die Sicherheit, die den dauerhaften Besitz von Immobilien garantierte. Vielmehr war das Grundvermögen des jüdischen heqdesh Geld, mit dem aber frei‑ lich auf verschiedene Weise gewirtschaftet wurde, um Erträge zu erzielen. In Altkairo sicherte beispielsweise die Vermietung von Wohn‑ und Gasthäusern dem heqdesh ein Grundeinkommen. Es gibt auch Beispiele für Land‑ und Gartenstiftungen – etwa in Spanien oder Altkairo –, die entweder verpachtet oder durch den heqdesh selbst bewirtschaftet wurden. Historisch war der heqdesh eine Fortsetzung des Tempel‑ vermögens. Theoretisch war er weiterhin Gottes Eigentum; praktisch funktionier‑ te er wie eine juristische Person, die das

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Recht hatte, Eigentum zu verwalten und zu wirtschaften.2 Im Orient garantierte theoretisch das islamische Gesetz das Recht der ḏimmīs auf Eigentum. Ebenso wurde anerkannt, dass die Monotheisten anderer Religio‑ nen in Zivilrechts‑ und Erbschaftsfällen ihren eigenen Institutionen unterworfen waren. Das islamische Recht garantierte auch, dass jeder männliche oder weibliche ḏimmī einen waqf stiften durfte, und zwar unter der Bedingung, dass das Vermögen im Fall von Juden an den heqdesh für die Armen fallen sollte, wenn der Stifter oder seine Erben ohne Nachkommen stürben. Praktisch aber wurden die Gesetze über die Rechte der ḏimmīs nicht immer einge‑ halten. Da etwa Ägypten erobertes Land war, hatten gemäß der offiziellen Ansicht vorherige Landbesitzer keine Eigentums‑ rechte; ihr Land oder anderes Vermögen konnte konfisziert werden.3 Jüdische Stiftungen und ihr Vermögen galten jüdischen Gelehrten als Gott ge‑ widmetes Vermögen (heqdesh), wodurch sie sich von einfachen Schenkungen un‑ terschieden. (→ 5.4.2) In talmudischer Zeit und während des Mittelalters war es allgemeine Praxis und wurde von den halachischen Autoritäten immer wieder bestätigt, dass die einfache Prozedur des Aussprechens des Stiftungsaktes für den Transfer eines Guts aus Privatbesitz in den Besitz des heqdesh genügte, während für Schenkungen insbesondere von Grundbe‑ sitz ein besonderes Dokument (shṭar) erfor‑ derlich war. Ein babylonisches Responsum bestimmte sogar, dass eine Stiftung dem heqdesh schon gehören sollte, wenn jemand ihm etwas nur in Gedanken widmete. Hai Gaon (939–1038), der Vorsteher der Hohen Schule von Pumbedita in Babylonien, ent‑ schied auch, dass Stiftungen zugunsten des heqdesh nicht die üblichen Rechtsprozedu‑ ren für die Übertragung von Mobilien oder

Stiftungsvermögen und erträge

Immobilien benötigten.4 Der Transfer von Eigentum aus Privatbesitz an den heqdesh wurde in Altkairo durch den bet-din, den jüdischen Gerichtshof, vollzogen und war sofort gültig. Im islamischen Recht konnte ein Sterbender nur ein Drittel seines Ver‑ mögens zum waqf erklären; im jüdischen Gesetz hingegen gab es offenbar keine Ein‑ schränkungen für die Höhe von Sterbebett‑ Stiftungen und ihre möglichen Empfänger, während bei Stiftungen zu Lebzeiten eine Höchstgrenze von einem Fünftel des eige‑ nen Vermögens vorgeschrieben war und bei testamentarischen Verfügungen die nach biblischem Erbrecht vorgesehenen Erben berücksichtigt werden mussten.5 Eine weitere Eigentümlichkeit des heqdesh war der gemeinsame oder geteilte Besitz von Gütern mit anderen Partnern; in Altkairo waren 35 % der heqdesh‑Häuser Gemeinschaftseigentum (shirka).6 Was die europäischen Gemeinden be‑ trifft, speziell diejenigen in Deutschland, gab es Michael Toch zufolge während des gesamten Mittelalters eine untere Schicht von Juden, die im Dienst der Gemeinden arbeiteten, und eine obere, wohlhabende Schicht. Trotzdem sei die Mehrheit der Juden zunächst im Handel, später auch im Geldverleih tätig gewesen. Diese beiden Be‑ schäftigungen hätten die eigentliche Basis der jüdischen wirtschaftlichen Existenz gebildet, da sie auf Anforderungen des Marktes reagiert hätten.7 Die europäische jüdische Diaspora in den Städten hatte tat‑ sächlich schon von Beginn an gut ausge‑ bildete und wohlhabende Mitglieder.8 Dort wurde das Geldverleihen auf Zins, sowohl an Nichtjuden als auch zwischen Juden selbst, das wichtigste Geschäft der Juden. Diese innerjüdischen Geldgeschäfte wa‑ ren halachisch problematisch und wurden meist durch einen Mittelsmann erledigt. Zur Versicherung für die Rückzahlung des Kredits wurde entweder ein Dokument

Juden

(shtar ḥov) geschrieben, ein Pfand gegeben oder Land verpfändet; auch bürgten Dritte für den Kreditnehmer.9 10.4.2  Immobilien als Kapital Baulichkeiten Im ägyptischen Fustat erzielte der heqdesh den größten Teil seiner Einkünfte aus der Vermietung von Häusern. Dies belegen Mietverträge, Rechnungen und Quittungen aus der Geniza.10 Die Mieten für eine Woh‑ nung waren je nach Haus und Mietpartei sehr unterschiedlich. Sie lagen zwischen einem Vierteldinar und fünf Golddinar pro Jahr. In den meisten Fällen wurden die Zahlungen in Dirham geleistet, es gab aber auch Goldzahlungen, vor allem von reichen Mietern.11 Das gesamte Einkommen des heqdesh von Altkairo aus der Vermietung von Häusern betrug in der Zeit um 1040 – für die wir Belege für elf Häuser des qodesh besitzen – 150 Dirham pro Monat, also etwa 1 800 Dirham pro Jahr. Am Ende des 12. Jahrhunderts besaß der heqdesh in Altkairo 60 Häuser, sein Einkommen daraus lag bei 1 000 Dirham pro Monat.12 In Altkairo war es üblich, dass Mieter für anfallende Renovierungsarbeiten sorgten.13 Immobilien wurden nicht nur in Fustat, sondern, nach den Verfolgungen der Ju‑ den durch die islamischen Herrscher in den Jahren 1045–1047 und 1049, auch im westlichen Teil von Bagdad, in dem die Mehrheit der Juden gelebt hatte und in dem sehr viele Gebäude zerstört worden waren, auf diese Weise renoviert.14 Einige heqdesh‑Gebäude hatten auch Werkstätten und Läden, die vermietet wur‑ den. So gibt es z. B. vier Kairoer Geniza‑ Dokumente aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts u. Z., die zwei Parfüm‑ destillerien in Häusern des heqdesh be‑ trafen.15 Auch über andere Werkstätten

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und Läden (ukkan, Pl. dakakin) sind Doku‑ mente überliefert: den Laden eines Schus‑ ters, die Gießerei eines Glasherstellers, das hölzerne Warenlager eines Mehlhändlers und den Laden eines Bäckers.16 Auch ein Schlachthaus erscheint in den Listen des heqdesh‑Vermögens, ferner sind belegt ein Ladenkomplex neben dem funduq, der Stand eines Astrologen, die Geschäfte ei‑ nes Webers, eines Spindelmachers, eines Lebensmittelhändlers und eines Schlach‑ ters, die Räume eines Arztes und eines Flachsarbeiters sowie eine Bierbrauerei oder Mälzerei (matbakhah), die nach Gils Erklärung in seiner Einleitung eigentlich Zuckerraffinerien waren.17 In Fustat hatte der heqdesh mindestens zwei funduqs (Ka‑ rawansereien, Gasthäuser); der größere von ihnen lag zwischen den zwei Syn‑ agogen (al-funduq bain al-kanisatain) und ist zum ersten Mal 1165 belegt, der andere, genannt „der kleine“ oder „der neue“ (alfunduq aṣ-ṣaġīr; al-funduq al-ğadīd), wird in einem Dokument von 1160 erwähnt. Die funduqs wurden vom heqdesh auf zwei Wei‑ sen genutzt: Einerseits wurden hier fremde Reisende untergebracht, die dafür wohl nichts zahlen mussten, denn Rechnung sind jedenfalls nicht überliefert; anderer‑ seits wurden Teile dieser Anlagen für län‑ gere Zeiträume vermietet.18 Zur Zeit des Maimonides galt dabei jedoch ein Bann gegen die Vermietung von Häusern an Nichtjuden, was auch den heqdesh betraf.19 In Alexandria hatte der Gemeindefonds aus einem funduq in seinem Besitz ein Ein‑ kommen von 100 Dirham, wie aus einem Dokument von ca. 1200 u. Z. hervorgeht.20 Für das mittelalterliche Spanien bezeugen Responsa, dass an mehreren Orten Häuser im Besitz des heqdesh waren, die die Ge‑ meinden vermieteten. Im Zusammenhang mit Stiftungen von Häusern an den heqdesh und dem Ertrag aus Immobiliengeschäften

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tauchen verschiedene Probleme in den Re‑ sponsa auf, die grob in drei Gruppen un‑ terteilt werden können: Die erste Gruppe der Responsafälle be‑ trifft Häuser, die schon im Besitz des heqdesh sind. Diese Immobilien können den Gutachten zufolge vermietet, verpfändet oder verkauft werden, je nach Bedarf der Gemeinde, solange ihr das Geschäft zu‑ gutekommt. Der im Rheinland geborene und in Toledo verstorbene Rosh (Asher b. Yeḥiel, 1250/1259–1327) beantwortete zu Beginn des 14. Jahrhunderts mehrere die heqdesh‑Häuser betreffende Fragen in diesem Sinne. Jemand hatte etwa Häuser des heqdesh als Pfand bekommen, da die Gemeinde ihm Geld schuldete. Wie wir auch aus anderen Responsa wissen, war es üblich, dass der Gläubiger im Haus des Schuldners wohnte und nicht bezahlte, bis von der Miete die Schuld beglichen war; diese Praxis wurde hebräisch mishkantaʾ nikyataʾ genannt. Im Falle der gepfändeten Häuser des heqdesh war die Frage eigent‑ lich eine religiöse: Darf der Gläubiger darin wohnen, obwohl sie heiliges Eigentum sind, bis die Gemeinde ihm das Geld zurück‑ gezahlt hat oder die Schuld beglichen ist? Rosh bejaht dies: Nur in einer Synagoge oder in einem bet‑midrash sei es verboten zu wohnen; die einfachen Häuser des heqdesh unterschieden sich nicht von anderen Häusern. Im Fall einer anderen Anfrage berichten die Gemeindeverwalter, dass der Gemeinde‑heqdesh Häuser besitze, die renoviert werden müssten, und dass die Verantwortlichen nicht wüssten, wie sie vorgehen sollten. Rosh empfiehlt, sie zu vermieten, damit die Bewohner sie reno‑ vierten; als Gegenleistung sei die Miete zu verringern. In einer weiteren Entscheidung bestimmt Rosh, dass Häuser des heqdesh, wenn es nötig sei, in Anwesenheit von sieben Gemeindeälteren oder den ehe‑ maligen Besitzern, das heißt den Stiftern,

Stiftungsvermögen und erträge

zum Nutzen des heqdesh verkauft werden dürften. Ebenso dürfe man sie vermieten.21 Rashbaṣ (gest. 1444) bestätigte einem Ge‑ meindeverwalter in Bejaia (‫)בגאייה‬, dass er einem Mieter eines heqdesh‑Hauses kündi‑ gen dürfe, wenn ein anderer eine höhere Miete zahlen würde. Die Vermietung von heqdesh‑Häusern zum Vorteil des heqdesh wurde also auch in Spanien, ebenso wie im Orient, weitgehend praktiziert und von den Rabbinern akzeptiert.22 Eine zweite Gruppe von Fällen betrifft Häuser, die dem heqdesh gestiftet wurden, in denen aber die Erben oder der Stifter selbst weiterhin wohnten. Oft wurde in solchen Fällen vereinbart, dass nach dem Tod des Stifters oder der Erben das ganze Haus dem heqdesh gehören sollte. Anderer‑ seits hatten die Angehörigen der Gemeinde Sorgen, dass die Stifter noch zu Lebzeiten den bereits dem heqdesh überschriebenen Immobilienbesitz verpfänden oder in Mit‑ leidenschaft ziehen würden.23 Eine dritte Gruppe stellen solche Fälle dar, in denen nicht ein Haus, sondern aus der Verpfändung von Häusern entstan‑ dener Zins dem heqdesh gestiftet wurde. Wenn hierbei nicht vereinbart worden war, dass der Schuldner das Haus durch mishkantaʾ nikyataʾ (s. o.) zurückerlangen konnte, war es gängige Rechtspraxis, dass die Mieten ab dem Zeitpunkt der Stiftung des Hauses direkt an den heqdesh fließen sollten.24 Für Aschkenas haben wir nur wenige Belege für die Vermietung von heqdesh‑ Häusern.25 Einer der wenigen Fälle ist ein Bescheid des R. Isaak b. Samuel (von Dam‑ pierre, Ri ha‑Zaqen, ca. 1115–1187), demzu‑ folge ein Jude in der Zeit seiner Krankheit ein Gelübde abgelegt hatte, sein Haus nach dem Tod der Gemeinde zu stiften. Schon im 12. Jahrhundert gab es also auch in Aschkenas Wohnhausstiftungen für den

Juden

heqdesh. Weitere Quellenbelege für diese Praxis aus dem aschkenasischen Raum fehlen jedoch fast ganz. Land Die Juden in Ägypten, die in hellenisti‑ scher Zeit von der Landwirtschaft lebten, wurden im Mittelalter städtisch. Das be‑ deutete jedoch nicht, dass sie gar keinen Landbesitz mehr hatten. Moshe Gil gibt vier Dokumente aus Kairo wieder, die Landbesitz des heqdesh bezeugen.26 Eines der Dokumente ist ein Vertrag zwischen dem Verwalter des heqdesh und einem Mie‑ ter über eine Palmenplantage in Dammuh am Nil, die wahrscheinlich der dortigen Synagoge gehörte. Laut dem Vertrag wurde die Pflanzung von der Gemeinde einem Juden für acht Jahre zu einer Miete von jährlich 11 dīnār verpachtet. Der Vertrag beinhaltete auch die Bedingung, dass der Mieter 1 000 Palmzweige zum Nil bringen und sie auf eigene Kosten dort einpflanzen und wässern müsse. In Sepharad ist vom 11. Jahrhundert an Landbesitz von Juden in der Gegend um Barcelona belegt. Sie waren also ebenso wie ihre christlichen Nachbarn mit Land‑ wirtschaft beschäftigt. Das Land der Juden wurde aber häufig verpachtet oder ver‑ kauft. Makhir b. Sheshet (gest. nach 1226) und Samuel ha‑Sardi (gest. ca. 1256) hatten beispielsweise großen, gut dokumentierten Landbesitz.27 Viele hebräische Quellen aus dem 13. Jahrhundert belegen, dass die Juden in Aragón Grundbesitz (sowohl Land als auch Häuser) kaufen und vererben konnten und dass sie von der Aufteilung der von den Christen neueroberten Territorien profi‑ tierten. In anderen Teilen Spaniens hatten sie kein Recht auf Grundbesitz, sondern nur auf Pachtland. In diesen Landesteilen wur‑ de der Verkauf von Immobilieneigentum

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mit 33 % des Erlöses besteuert. Auch die jüdischen Gemeinden waren von diesen Steuern nicht befreit.28 Eine bedeutende Land‑ und Weinberg‑ stiftung zugunsten eines Lehrhauses in Spanien ist in einem von F. Baer heraus‑ gegebenen Dokument vom 6. Juni 1332 be‑ zeugt. Die Stiftung bestand zunächst aus dem Weinberg und 5 000 Goldmünzen, wovon Ackerland gekauft werden sollte. Das Kapital sollte später aus dem Profit erweitert werden, alle weiteren Ausgaben aber ausschließlich den Begünstigten der Stiftung zugutekommen. Dazu gehörten die Bezahlung eines yeshivah‑Lehrers, Sti‑ pendien für Studenten, der Kauf von Bü‑ chern und die Bezahlung eines Juden für die regelmäßige Ausführung der Gedenk‑ liturgie an Yom Kippur: „R. Yosef ha‑Levi b. Don Efraim b. Don Yiṣhaq ha‑Levi b. Shvat und wir sind dafür bevollmächtigte Zeu‑ gen, dass er von jetzt an und für ewig für Gottes Dienst all seine Weinberge mit al‑ lem, was dazu gehört, in Ecija stiftete, und dass der genannte R. Joseph ha‑Levi für Gottes Dienst mit dem genannten Grund‑ besitz noch weitere 5 000 Goldmünzen stif‑ tete (…). Dieser Dienst [diese Stiftung] gehört all den Generationen des jüdischen Volkes für ewig. (…) Die Gemeinde und der genannte R. Yosef ha‑Levi oder sein ältester Sohn oder der Älteste von seiner Familie sollen einen Verwalter [gizbar] ernennen, der ihnen gut scheint und den sie wollen, für eine Zeit, die sie wollen; für seine Bemühungen sollen sie ihm eine Unterstützung aus der genannten Stiftung geben. Sie sollen den Garten und die Wein‑ berge verpachten, an wen sie wollen. (…) Nachdem sie das genannte Grundstück gekauft haben, sollen sie von dem Rest des Geldes 400 Goldmünzen jährlich (…) dem R. Yosafyah geben, der in Ecija lebt und eine yeshivah leitet. (…) Man soll auch den Studenten (…) eine Summe von 300

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Goldmünzen stiften (…). Man soll außer‑ dem alljährlich in den kommenden Jahren 50 Goldmünzen für den Kauf von Büchern geben, damit die genannten Studenten da‑ raus lernen (…). Man soll auch jedes Jahr zu Lebzeiten des genannten R. Yosef ha‑ Levi am 11. Tag des Monats Tishri [dem Tag nach Yom Kippur] dem, der in der Synagoge des genannten R. Yosef ha‑Levi betet, eine doppelte Goldmünze [kefulah] geben, unter der Bedingung, dass er den Namen von R. Yosef ha‑Levi an Yom Kippur segnet. Nach seinem Tod soll die doppel‑ te Goldmünze dem gegeben werden, der für die Seele von R. Yosef ha‑Levi in der genannten Form an Yom Kippur betet.“29 Viele andere Beispiele bestätigen, dass zum Eigentum einiger spanischer Gemein‑ den während des Mittelalters auch Acker‑ land gehörte, aus dem die ganze Gemein‑ de oder eine bestimmte Gruppe Nutzen zog. Diese Quellen bezeugen auch, dass man in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhun‑ derts Landkonfiskationen fürchtete, wie aus manchen Responsa des Ribash (Isaak b. Sheshet, 1326–1408) hervorgeht. Eine Stiftung zugunsten des heqdesh konnte in solchen Fällen eine Lösung sein. In frühen aschkenasischen Quellen wird nur zweimal jüdischer Landbesitz erwähnt. Beide Belege stammen aus dem 10. Jahr‑ hundert, und es handelt sich interessan‑ terweise um Weinberge (Metz vor 945; Re‑ gensburg vor 981). Später begegnet man in den Quellen häufiger Landbesitz von Juden. Vom 12. Jahrhundert an kommen Weinberge wiederholt vor, da die Produk‑ tion von koscherem Wein für die Juden notwendig war.30 In Frankreich war es (wie auch in Spa‑ nien) üblich, dass Nichtjuden Ländereien an Juden verpfändeten, wobei sie ihnen das Land und seine Erträge als Gegen‑ leistung für einen Geldkredit oder eine

Stiftungsvermögen und erträge

Ware übertrugen. Juden kamen so über das Geldverleihen zu Grundbesitz.31 Die Frage ist, inwieweit auch die jüdischen Ge‑ meinden Grundvermögen besaßen und ob Grundstücke für sie gestiftet wurden. Für Land im Besitz des heqdesh‑Fonds gibt es aus Aschkenas jedenfalls weniger Belege als aus Spanien. Obwohl die Gemeinden kein großes Vermögen besaßen, mussten sie wenigs‑ tens über ein kleines Grundstück verfü‑ gen, um darauf die Synagoge oder andere Baulichkeiten wie Lehrhaus, Krankenhaus oder rituelles Bad (miqweh) zu errichten. R. Meir b. Baruch von Rothenburg etwa bestätigte im 13. Jahrhundert die Gültig‑ keit der Stiftung eines Grundstücks, das vom Stifter für den Bau einer Synagoge vorgesehen war; da die christlichen Au‑ toritäten diesen aber verhindert hätten, dürfe die Gemeinde stattdessen ein Lehr‑ haus errichten und müsse das Grundstück nicht zurückgeben. Auch eine gestiftete Menorah oder gestiftetes Öl für die Be‑ leuchtung könnten für etwas anderes ver‑ wendet werden, wenn sie noch nicht in den Gebrauch einer Synagoge genommen worden seien.32 Es wird ersichtlich, dass für die jüdischen Gemeinden in ihrem überwiegend städtischen Umfeld nicht nur Wein‑ und Ölgärten oder Ackerland, sondern insbesondere auch Grundstücke innerhalb der Stadtmauern wertvoll für den Gemeinde‑heqdesh sein konnten. 10.4.3  Bewegliches Kapital Geld und Geldwirtschaft In der ökonomischen Struktur des musli‑ mischen Staates, in dem die orientalischen jüdischen Gemeinden des Mittelalters leb‑ ten, setzten sich in vielerlei Hinsicht die Strukturen der Antike fort. Kennzeich‑ nend dafür ist die Tatsache, dass Geld die

Juden

Grundlage aller Transaktionen war. Wahr‑ scheinlich hatten die meisten Gemeinden des Orients einen heqdesh. In den Kairoer Geniza‑Dokumenten über heqdeshot sind neben Fustat und Alexandria auch die Ge‑ meindefonds von Damaskus, Aleppo oder Aschkelon bezeugt. Nach den Rechnungen des heqdesh von Altkairo wurde nur das Mahl für die Bau‑ leute in Naturalien bezahlt, und auch die‑ se Posten erschienen in den Rechnungen des heqdesh von Kairo in Münzwerten.33 Diese wurden in silbernen dirham oder goldenen dīnār angegeben. Der Wert des Dirham schwankte stark: Während des 11. Jahrhunderts betrug der Wechselkurs ungefähr 40 dirham für 1 dīnār.34 Das Geld des heqdesh kam vor allem von den Mieten der heqdesh-Häuser oder von den ständi‑ gen, gelegentlichen oder außerordentlichen Sammlungen und wurde mal einheitlich, mal nach verschiedenen Stiftungszwecken getrennt verwendet. Bußgelder, die in ver‑ schiedenen Verträgen für deren Nichterfül‑ lung vorgesehen waren, mussten ebenfalls an den heqdesh bezahlt werden. Solche Vertragsstrafen sind in mehreren Geniza‑ Fragmenten zwischen der Mitte des 11. und dem Ende des 12. Jahrhunderts überliefert. Ein Beispiel ist ein Dokument aus dem Jahre 1050, in dem Sa ʾid b. ʿAllun al‑Qudsi verspricht, dass er dem heqdesh 10 dīnār bezahlen werde, wenn sich eine bestimmte Anklage als falsch erweisen sollte.35 Im Unterschied zu Altkairo, wo der Ge‑ meindefonds immer heqdesh oder qodesh genannt wurde, wurde der Fonds in Alex‑ andria in den Geniza‑Urkunden immer als quppah shel ṣedaqah (‚Wohltätigkeitsbüch‑ se‘) bezeichnet. Das hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass in Altkairo Häuser das Grundkapital des Gemeindefonds bil‑ deten, während das Hauptvermögen in Alexandria aus Geld bestand, das aus ver‑ schiedenen Quellen in den Gemeindefonds

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floss. Nach den Alexandria betreffenden Geniza‑Quellen war es dort üblich, der quppah shel ṣedaqah Geld zu spenden. In einem Brief an den Vorsteher der ägyp‑ tischen Gemeinde in Fustat, Mevorakh b. Saadya, klagt der Verfasser (nach 1094) darüber, dass sich die Alexandrinische Gemeinde in großer Not befinde. Sie sei von Feinden angegriffen worden, die auch Gefangene genommen hätten, und brauche jetzt Hilfe und Unterstützung aus Fustat. Er erwähnt, dass die Leute, wie es üblich sei, der quppah shel ṣedaqah hätten spen‑ den wollen, man aber nur sehr wenig habe einsammeln können.36 Aus einem anderen Brief aus derselben Zeit erfahren wir, dass ein Richter und seine Begleiter aus Alex‑ andria nach Fustat zur Unterstützung der Armen ihrer Stadt (ʿaniyye ʿirenu) gekom‑ men seien. Der heqdesh konnte in solchen Notfällen also finanzielle Unterstützung aus dem heqdesh‑Geld anderer Gemeinden erfahren.37 Die jüdischen Gemeinden im christlichen Aragón waren nicht reich, im Gegenteil benötigten sie ständig Geld und hatten sehr oft Schulden bei christlichen Gläubigern. Die Pflichtsteuer, die jährlich als kollektiver Betrag an den Herrscher gezahlt werden musste, betraf nicht denjenigen Teil des Gemeindefonds, der für die Armen oder für religiöse Bedürfnisse vorgesehen war. Um die Beständigkeit des Gemeindefonds für diese Wohltätigkeits‑ und anderen re‑ ligiösen Zwecke zu sichern, bevorzugten weniger wohlhabende Mitglieder einen pflichtmäßigen vermögensabhängigen Bei‑ trag, während reichere Gemeindemitglieder freiwillige Abgaben befürworteten. Geld‑ handel war den Juden erlaubt, gewöhnlich bei einer Zinsobergrenze von 20 %.38 Das heqdesh‑Einkommen setzte sich bei den Gemeinden in Sepharad aus Erträ‑ gen der Geldwirtschaft und Zustiftungen

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zusammen. Zahlreiche Beispiele aus der sephardischen Responsaliteratur belegen, dass all diese Formen der Kapitalvermeh‑ rung in mittelalterlichen spanisch‑jüdi‑ schen Gemeinden anzutreffen waren. Die wichtigste, aber auch problematischste Form war der Geldverleih gegen Zinsen. Kreditvergabe zwischen zwei Juden war verboten, an Nichtjuden war sie hingegen erlaubt. Man umging dieses Verbot, indem man einen Mittelsmann zwischen die Ju‑ den stellte. Bezüglich des heqdesh musste man sich aber auch noch mit anderen Pro‑ blemen auseinandersetzen. So wurde in Frage gestellt, ob überhaupt heqdesh‑Geld an Nichtjuden gegen Zinsen verliehen wer‑ den dürfe, um Profit zu erzielen. Schon im Talmud wurde diese Frage behandelt; im Mittelalter entschieden viele halachische Gelehrte, dass man Geld aus der quppah shel ṣedaqah nicht verleihen dürfe, weil es den Armen jederzeit zur Verfügung stehen müsse.39 Im 13. Jahrhundert wurde die gleiche Frage sowohl in Aschkenas als auch in Sepharad sehr häufig behandelt. In Sepharad wurde von Rashba und Rosh40 entschieden, dass heqdesh‑Geld durchaus gegen Zins verliehen werden dürfe, und zwar nicht nur an Nichtjuden, sondern auch an Juden; denn Juden, von denen Zinsen genommen würden, würden dieses Geld dann nicht als Zins, sondern gewis‑ sermaßen als Wohltätigkeitsbeitrag geben, da der Gläubiger ja der heqdesh sei. Ein Gegner dieser Auffassung war R. Meir b. Baruch, der gleichwohl zugeben musste, dass das Verleihen von heqdesh‑Geld ge‑ gen Zins überall in Aschkenas verbreitete Praxis sei;41 doch begingen diese Leute Sünde. In Sepharad folgte man hingegen der Entscheidung von Rashba und Rosh. Am Ende des 14. Jahrhunderts beschäftigte sich Ribash mit einer Stiftung, bei der der Stifter von vornherein vorgesehen hatte, dass sein gestiftetes Vermögen gegen Zins

Stiftungsvermögen und erträge

verliehen werden sollte. Der Stifter sah dabei vor, dass das Kapital ewig bestehen bleibe und nur der Zinsertrag den Armen gegeben werden solle. Unter Berufung auf frühere sephardische Responsa zu Geld‑ geschäften des heqdesh wurde diese Stif‑ tungskonstruktion erlaubt.42 In Aschkenas entschied Mordechai b. Hil‑ lel (gest. Nürnberg 1298) in einem Fall, dass Bußgeld dem heqdesh gestiftet werden müsse. Jemand hatte ein Gelübde gemacht, dass er, wenn er wieder Würfel spiele, fünf Goldmünzen (zequqim) für die ṣedaqah spenden werde. Er hatte dann jedoch sein Gelübde gebrochen und nicht gezahlt. Die Verwalter des Gemeindefonds wollten das Geld von ihm einkassieren, er aber sagte, dass er es einer anderen Gemeinde geben werde. Schließlich entschied Mordechai, dass er es seiner Gemeinde geben müsse.43 Menachem Merseburg entschied Anfang des 14. Jahrhunderts in einem seiner Re‑ sponsa, dass es richtig sei, dass sich alle Gemeindemitglieder an der ṣedaqah für die Armen der Stadt und für die Fremden (ʾaksanayim) im gleichen Maße beteiligen müssten und dass die Reichen nicht von der Abgabe für die Wohltätigkeit befreit seien. Im konkreten Fall jedoch, als die Reichen nicht in den ḥerem (Bann) ein‑ treten wollten und es stattdessen auf sich genommen hatten, die Ausgaben der Ge‑ meinde für die Unterstützung der Fremden zu leisten, akzeptierte er diese Lösung der Gemeindeverwaltung.44 Wertgegenstände In den Rechnungen des heqdesh in Alt‑ kairo wurden, wie schon erwähnt, alle Einkommen und Ausgaben in Münzwerten angegeben. Demzufolge kaufte der Ge‑ meindefonds alles Nötige mit Geld, mobi‑ ler Besitz des heqdesh war also vor allem von Nutzwert. Es gibt einige interessante

Juden

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Gegenstände, die als heqdesh‑Vermögen wurden, ohne dass der Begriff näher er‑ erwähnt werden, wie etwa Tannenholz als läutert wird.49 Bauholz, das von einem heqdesh‑Verwalter von Alexandrien nach Fustat transportiert Aschkenasische Responsa beweisen, dass werden sollte.45 Der Verwalter starb, bevor dem heqdesh auch Geschirr und Brot gestif‑ er die Reise antreten konnte. Das Geld für tet wurden. Auch Bücher konnten zuguns‑ den Holzkauf im Auftrag des heqdesh blieb ten des heqdesh verpfändet werden, wobei zunächst in den Händen seiner Frau, die es hierbei der materielle Wert der Bücher für dann aber zurückzahlte. (→ 10.4.6) den heqdesh zählte, nicht ihr symbolischer Wert.50 In Spanien wurden dem heqdesh bisweilen sogar Weizen und Teig gestiftet.46 Unter den lateinischen Testamenten sephardi‑ 10.4.4  Symbolisches Kapital scher Juden des Mittelalters finden sich zwei Dokumente, beide aus Puigcerdá (von Alles, was als heqdesh gestiftet oder einem 1306 bzw. 1398), in denen Bettwäsche für heqdesh zugestiftet – und damit geheiligt – die schola (d. h. für das jüdische Lehrhaus) wurde, ohne dass es der Stiftung selbst und für die Armen gestiftet wurden; zur ökonomischen Profit brachte, kann als ersten Stiftung gehörten daneben Möbel. symbolisches Kapital angesehen werden. 1348 vermachte ein Jude aus Puigcerdá all Zwar hatten einige dieser Gegenstände, seine Kleider dem heqdesh als Stiftung etwa Bücher, auch einen ökonomischen für sein Seelenheil (pro anima mea). In Wert und konnten dem heqdesh materiel‑ Carcassonne stiftete ein Jude ein Fass mit len Profit bringen, wenn sie verkauft oder koscherem Wein, damit dieser an jedem verpfändet wurden. Doch bestand ihr über‑ der ‚vier Feste im Jahr‘ (wahrscheinlich wiegender Nutzen für die Stiftung in ihren Sukkoth, Pessah, Shawuot und Purim oder immateriellen, symbolischen Eigenschaf‑ Rosh ha‑Shanah) an die Armen ausgegeben ten. Zum symbolischen Kapital einer Ge‑ werde.47 Dass in Sepharad dem heqdesh meinde‑ oder Privatstiftung gehörten die auch gepfändete Wertgegenstände gestiftet Synagogen, auch Spitäler und Lehrhäuser wurden, belegt eine Gemeindeordnung von sowie Thorarollen, Thoraschmuck, sakrale 1305 aus Tudela; hierin wurde festgelegt Gefäße, Lampenöl, Kerzen und Bücher.51 wurde, dass niemand sie enteignen oder (→ 6.4.; 8.4) Die herausgehobene Bedeu‑ dagegen Einwand erheben dürfe, wenn tung des heqdesh führte auch dazu, dass jemand diese Arten von Gütern dem heq- Stiftungen und Abgaben für die ṣedaqah desh stifte.48 Die Bezeichnung als ‚Pfand‘ immer wieder für besonders schützenswert (mashkon) ist dabei mehrdeutig. Man kann erachtet wurden. Dies drückte sich unter darunter einerseits den Gegenwert eines anderem darin aus, dass Wohltätigkeits‑ Kredites an Dritte verstehen, andererseits abgaben den Entscheidungen einiger Ge‑ auch einen Gegenstand, den der Stifter als lehrter zufolge von innerjüdischen Steuern Gläubiger des heqdesh bis zur Rückzah‑ und Abgaben befreit waren.52 lung des Kredits durch diesen eigentlich Die Synagoge war Teil des heqdesh; ein einbehalten durfte, worauf er in diesem bedeutender Teil seines Einkommens hatte Fall verzichtete. Auch ein Responsum von den Zweck, ihr vollständiges Funktionie‑ Rashba (ca. 1235–1310) erwähnt, dass dem ren sicherzustellen.53 Moshe Gil zufolge heqdesh ‚Mobilien‘ (meṭalṭelim) gestiftet ist es natürlich, dass in einer Gesellschaft

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wie der orientalisch‑jüdischen, die schon am Anfang des Mittelalters hauptsächlich städtisch geworden war, das Stiftungsver‑ mögen in vielen Fällen aus beweglichen Gütern wie etwa Thorarollen bestand.54 Thorarollen und Öl für die Beleuchtung der Synagoge wurden in Altkairo immer wieder gestiftet.55 In Aragón gab es im 13. und 14. Jahrhun‑ dert sehr viele private Synagogenstiftun‑ gen, etwa in Barcelona die von Bonanat Salamo oder in Saragossa diejenige des „don Juce Bienbiniest“, gegründet von ihm oder zu seinem Gedenken. In Calatayud bestanden sieben offiziell anerkannte Syn‑ agogen, darunter solche von privaten Stif‑ tern, aber auch von Bruderschaften (der „midrash der Weber“) und im Besitz des heqdesh. Viele Bruderschaften hatten ihre eigene Synagoge, wie etwa in Saragossa die Synagoge der Silberschmiede. Auch die Beerdigungsgesellschaft (ḥevrah qadishah) in Saragossa stiftete um 1300 ihre eigene Synagoge, ebenso die Gesellschaft für die Krankenpflege (biqqur ḥolim).56 Ins‑ besondere Frauen stifteten den Synagogen Edelsteine, Tuche, Leuchter, Thorarollen, Thorakronen und Thoramäntel (→ 6.4.4) und waren Mäzene von Goldschmieden und Stickern. Beispielsweise stiftete eine Frau aus Puigcerdá 50 solidi der Synagoge von Barcelona für den Kauf einer Krone für die Thorarolle. Der Dichter Samuel b. Yosef b. Sasson verewigte in einem Lobgedicht eine Frau aus den 1330er Jahren, Doña Mira, die der Gemeinde ein Haus gestif‑ tet hatte, damit die Synagoge erweitert werden konnte.57 Einrichtungen und Gegenstände, die vor allem symbolischen Wert hatten und kei‑ nen materiellen Ertrag brachten, wurden in den aschkenasischen Gemeinden vom heqdesh oder durch private Stiftungen und

Stiftungsvermögen und erträge

Spenden finanziert. Heqdesh‑Verwalter konnten gestiftete heilige Gegenstände auch für andere als die ursprünglichen Stiftungszwecke verwenden. Wenn bei‑ spielsweise jemand eine bestimmte Sum‑ me für Öl zur Beleuchtung der Synagoge gestiftet hatte, konnte die Gemeinde das Geld für etwas anderes ausgeben, aber nur, solange genug Öl vorhanden war; sollte der Bedarf daran steigen, musste die gestif‑ tete Summe hierfür verwendet werden.58 Einem Responsum von Meir b. Baruch von Rothenburg lag ein Rechtsstreit zwischen dem Stifter einer goldenen Thorakrone und dem Handwerker zugrunde, der die gestif‑ tete Krone anfertigen sollte und in betrü‑ gerischer Absicht das Gold durch Silber ersetzt hatte.59 Die Baulichkeiten, die zur Synagoge gehörten, wie etwa der Abort oder die miqweh (Ritualbad), sollten vom heqdesh gezahlt werden. Dazu sammelte man von den Gemeindemitgliedern ent‑ sprechend ihrem Vermögen Geld.60 10.4.5  Tausch von heqdesh-Gütern In der Zeit des Tempels (bis 70 u. Z.) war das heqdesh‑Vermögen göttliches Eigentum und konnte nicht getauscht oder verkauft werden. Diese Eigentümlichkeit des heqdesh‑Vermögens galt einigen Rabbis zufolge – vor allem im Orient – auch während des Mittelalters weiter. Andere Gelehrte ent‑ schieden, dass das heqdesh‑Vermögen ver‑ kauft oder Grundstücke auch verpachtet, Häuser vermietet, Wertsachen verpfändet und Geld investiert oder gegen Zins ver‑ liehen werden dürfe. Im Allgemeinen galt im Mittelalter, dass sakrale Gegenstände und Bücher, die einer Synagoge gehörten, nicht verkauft oder verpfändet werden durften, wie auch Synagogen selbst, in denen schon gebetet worden war, nicht mehr anders verwendet werden durften.

Juden

Maßnahmen zur Instandhaltung von Syn‑ agogen oder Mikwen konnten aber mit Stiftungsvermögen durchgeführt werden.61 Das Verkaufsverbot galt aber nur für das heilige Vermögen eines heqdesh; andere Besitztümer unterschieden sich nicht von gewöhnlichen Wertgegenständen, konnten also nach mehrheitlicher Meinung ver‑ kauft werden. Doch auch in den orientalischen Gemein‑ den war nicht unumstritten, ob das nicht für den Ritus bestimmten heqdesh‑Eigen‑ tum veräußert werden durfte. In einem anonymen Responsum wurde ein baby‑ lonischer Gaon, der Vorsteher einer Ho‑ hen Rechtsschule, von einem Petenten in Ägypten gefragt, ob ein alter und verfal‑ lener Hof, der dem heqdesh der Gemeinde gestiftet worden sei und dessen Instand‑ haltung mehr Aufwand bedeute, als er wert sei, gegen einen anderen, in besserem Zustand sich befindenden Hof getauscht werden dürfe. Der Gaon verneinte dies – als heqdesh‑Gut sei er heilig und unver‑ äußerlich.62 Aus einem Responsum des Maimonides erfahren wir, dass das heqdesh‑Eigentum seinen heiligen Status verlieren und dann getauscht oder verkauft werden konnte: In dem konkreten Fall waren dem heqdesh ei‑ ner Synagoge Bücher geraubt worden, die eine andere jüdische Gemeinde dann von den Räubern gekauft hatte. Maimonides wurde gefragt, ob die zweite Gemeinde das Raubgut der ersten zurückgeben und ob der zweiten Gemeinde das Geld dann zu‑ rückerstattet werden müsse. Maimonides antwortet, dass die Bücher, wenn sie auf Befehl des Sultans geraubt worden seien, ihre Heiligkeit verloren hätten und die Ju‑ den, die sie von den Räubern gekauft hätten, sie behalten dürften. Seien sie aber nicht von Muslimen geraubt worden, müsse die zweite Gemeinde sie zurückgeben, würde

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den Kaufpreis aber erstattet bekommen. Solange also die Bücher ihren Status als heqdesh‑Vermögen behielten, mussten sie zurückgegeben werden.63 Ein sephardisches Responsum des Rashbaṣ (Shimeon b. Ṣemah Duran, geb. 1361 in Bar‑ celona, gest. 1444 in Algier) urteilt, dass heiliges Vermögen des heqdesh nur mit Erlaubnis der ganzen Gemeinde verkauft werden dürfe. Ein Verwalter des heqdesh‑ Vermögens in Mustaganis (Nordafrika) hatte in Zeiten einer Hungersnot ohne das Wissen der Gemeinde den goldenen Schmuck der Thorarolle verkauft und vom Erlös die Armen unterstützt. Nur die sie‑ ben Vorsteher der Gemeinde hätten hin‑ gegen den Thoraschmuck zum Verkauf bestimmen dürfen, und zwar in Anwe‑ senheit der ganzen Gemeinde.64 Säkulares Vermögen des heqdesh konnte den sephar‑ dischen Responsa zufolge verkauft oder getauscht werden. Wie bereits behandelt, konnten die Gemeinden gestiftetes Geld beispielsweise gegen Zinsen verleihen.65 (→ 10.4.3) Auch in Aschkenas herrschte die Meinung vor, dass es keinen Unterschied zwischen nicht‑sakralen heqdesh‑Gütern und an‑ derem Eigentum gebe. Nur sakrale heqdesh‑Gegenstände durften nicht getauscht oder verkauft werden, oder jedenfalls war zum Verkauf oder Tausch die Einwilligung der ganzen Gemeinde nötig. Mordechai b. Hillel (1250–1298, Nürnberg) entschied in seinem Kommentar zum Talmud, dass es verboten sei, die Thora einer Gemein‑ de zu verkaufen, nicht einmal sei dies bei einer alten Thora‑Handschrift erlaubt, um eine neue zu kaufen. Privatpersonen hin‑ gegen konnten mit ihren Thora‑Schriften tun, was sie wollten. Er bestätigt damit die Regelung in der Mischna.66 In seinem Kom‑ mentar zum Talmud‑Traktat Bava Batra

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entschied auch er, dass die Verwalter des Gemeindefonds berechtigt seien, mit dem säkularen heqdesh‑Vermögen nach ihrer Einschätzung zu wirtschaften; für das

Stiftungsvermögen und erträge

heilige Vermögen des heqdesh gelte jedoch, dass man seine Heiligkeit nur erhöhen und nicht senken dürfe (maʿalin be-qedushah).67 EK

Anmerkungen 1  Documents of the Jewish Pious Foundations

From the Cairo Geniza. Ed. und übers. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Institute, Tel Aviv University, Bd. 12.) Leiden 1976, 25; Toch, Economic History (2013), 253. 2 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 30 f. 3 Ebd., 8 f.; 299, Nr. 66, aus dem Jahr 1161. 4  Ebd., 19, Anm. 25 f.; vgl. als Quellen dieser halachischen Praxis: bT Qid 28b–29a; Otzar ha‑ Geonim Ned. Nr. 3; Otzar ha‑Geonim Baba Qam‑ ma Nr. 83. 5 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 22. Vgl. zu Sterbebett‑Stiftungen: Teshuvot R. Abraham b. Maimon. Abraham Maimuni Responsa. Ed. Abraham Haim Freiman / Shlomo Dov Goitein. Jerusalem 1937, 53, Nr. 50. Ein Sterbender (shekhiv meraʿ) hat‑ te all sein Vermögen dem heqdesh gestiftet und seinen zwei Söhnen nichts hinterlassen; gefragt wurde, ob die Stiftung gültig sei. Abraham b. Mai‑ mon bejahte dies. – Bezüglich Stiftungen inter vivos heißt es im Talmud weiter (bT Taʿan 24a), dass man von einem notorischen Verschwender keine Gaben annehmen solle; vgl. Marx, Priorities (1979); Sacks, Wohlstand (1992); Amsel, Tzedakah (1996); Heil, Zedaka (2013). 6 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 21; 33; 35. 7 Toch, Economic Activities (2008), 210. 8 Toch, Economic History (2013), 253. 9 Ebd., 204–210. 10  Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 66. 11  Ebd., 68; 144–149, Nrn. 4 f. (aus den Jahren 1029–1031 bzw. 1038); 277–285, Nr. 57 (1120[?]–1147); 313 f., Nr. 73 (1180); 372–375, Nr. 98 (1194 und 1199). 12  Ebd., 79. 13  Ebd., 64–66; 82–87; Gil, Maintenance (1971). 14  Gil, Jews in Islamic Countries (2004), 416 f., Anm. 243. 15  Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 70 f.; 287– 289, Nr. 59; 314–318, Nr. 74; 372–375, Nr. 98; 433–435, Nr. 130.

16  Ebd., 70 f.; 154–161, Nr. 8; 167–175, Nr. 11; 197– 199, Nr. 24; 435–441; Nr. 131; 443 f., Nr. 133.

17  Ebd., 71 f.;, Nr. 65; 375 f., Nr. 99; 184 f., Nr. 16;

154–161, Nr. 8; 167–175, Nr. 11; 179–181, Nr. 13; 181 f., Nr. 14; 193–195, Nr. 22; 199 f., Nr. 25; 203 f., Nr. 27. 18  Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 113 f.; 154; Bd. 4 (1983, ND 1999), 17; 29 f.; Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 114 f.; 295–299, Nr. 65; 304–306, Nr. 68. 19  Ebd., 69. 20 M. Frenkel, Compassionate and Benevolent (2006), 284, Nr. 16. 21 Sheʾelot u‑Teshuvot le‑ha‑Rav Rabbenu Asher. Ed. Yitzhak Yudlov. Jerusalem 1994, 57, Nr. 13.7; 13.9; 59, Nr. 13.16. 22 Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Meir Crescas. Lemberg 1891, Teil 3, 39, Nr. 256. Der Fragesteller taucht noch in anderen Responsa auf; dort ist als sein Wohnort einmal (in Nr. 255) ‚Bejaia‘ (‫ )בגאייה‬ver‑ zeichnet. Bei dem Ort handelt es sich um Béjaïa, eine Stadt südöstlich von Algier; hier lebte auch Rashbaṣ selbst. 23 Ein Beispiel: Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yom Tov ben Avraham Asevilli. Ed. Joseph D. Qāfiḥ. Jerusalem 1959, ND 2008, 11 f., Nr. 13. In diesem Fall ging das Nießbrauchsrecht ganz an den heqdesh über, während die Stifter nur ein lebenslanges Wohnrecht behielten. 24 Sheʾelot u‑Teshuvot Zikhron Yehudah le‑ Rabenu Yehudah ben ha‑Rosh. Ed. Avraham Y. Ḥavatselet. Jerusalem 2005, 20 f., Nr. 46. 25 Shut u‑Pisqe Mahariq ha‑Hadashim le‑Rab‑ benu Yosef Colon zsʺl. Ed. Eliyyahu Dov Pines. Jerusalem 1984, 201–204, Nr. 45. 26 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 79–81; 262–264, Nr. 50; 319–322, Nrn. 75 f.; 324 f. Nr. 78. 27 E. Klein, Jews (2006), 59 f.; 112–115. 28 Assis, Jewish Economy (1997) 87–93. 29 [Quellen zur Geschichte Medinacelis.] Ed. Antonio Paz y Mélia. (Series de los mas importantes

Juden

documentos del archivo y biblioteca del exmo. Señor Duque de Medinaceli. 1a Serie Histórica.) Madrid 1915, 33–36, Nr. 29; Die Juden im christli‑ chen Spanien. Erster Teil: Urkunden und Reges‑ ten, 2 Bde. Ed. Fritz Baer. (Veröffentlichungen der Akademie für die Wissenschaft des Judentums. Historische Sektion, Bd. 4.) Berlin 1929–1936, ND Farnborough (Hampshire) 1970, Bd. 2, 153–158, Nr. 157: ‫הודה בפנינו ר׳ יוסף הלוי בן דון אפרים בן דון יצחק‬ ‫ איך שנתן מעכשיו ולעולם‬,‫הלוי בן שבת ואנחנו עדים בקנין‬ ‫לעבודת האל את כל הכרמים ]הנז׳ למטה[ עם כל השייך‬ ‫ ואיך ר׳ יוסך הלוי הנז׳ קבע מממונו לעבודה‬,‫להם באיסיג׳ה‬ ‫ והעבודה‬.(…) ‫הנז׳ עם הקרקעות הנז׳ ה׳ אלפים זהובים‬ (…) ‫הנז׳ כולה לכל הדורות של כל עם ישראל אשר בעולם‬ ‫ושימנו הקהל הנז׳ ור׳ יוסף הלוי הנז׳ או הגדול מבניו או‬ ‫ ושיעשו‬,‫ממשפחתו עם הקהל למי שירצו לגזבר לזמן שירצו‬ ‫ )…( ושיחכירו‬.‫להם סיוע מממון העבודה הנז׳ בשביל טרחו‬ ‫ )…( מן הנותר מן הממון‬.‫את הכרמים ואת הגן הנז׳ למי שירצו‬ ‫ ]יתנו[ ממנו סך של ד׳ מאות‬,‫ לאחר שיקנו הקרקע הנז׳‬,‫הנז׳‬ ‫זהובים בכל שנה )…( ]לר׳[ יוספיה היושב באיסיג׳ה ותופס‬ ‫ישיבה של תורה )…( ושיתנו עוד לתלמידים )…( סך של ג׳‬ ‫מאות זהובים )…( ושיתנו עוד בכל שנה מן השנים הבאות‬ ‫חמישים זהובעם לקנות ספרים שילמדו התלנידים הנזכרים‬ ‫)…(ושיתנו עוד בכל שנה כל זמן של חיי ר׳ יוסף הלוי הנז׳‬ ‫כפולה אחת למי שיתפלל בבית הכנסת של ר׳ יוסף הלוי‬ ‫ בתנאי שיברך‬,‫ ושיתנו בי״א ימים של תשרי בכל שנה‬,‫הנז׳‬ ‫ ולאחר מותו שיתנו‬,‫את שמו של ר׳ יוסף הלוי ביום כפור‬ ‫את הכפולה הנז׳ למי שיתפלל כנז׳ בכל שנה בתנאי שיתפלל‬ ‫ בעד נשמתו של ר׳ יוסף הלוי הנז׳ ביום כפור‬. 30 Toch, Economic Activities (2008), 205 f.; Aronius, Regesten zur Geschichte der Juden (1902, ND 1970), 55, Nr. 126; 57 f., Nr. 135; vgl. auch Toch, Economic History (2013), 207–255. 31 Ebd., 220 f. Da die Schuldner das Geld sehr oft nicht zurückzahlen konnten, blieb das ver‑ pfändete Land in jüdischem Eigentum. Über die Juden in Frankreich vgl. Blumenkranz, Juifs et chrétiens (1960). 32 Perush Mordechai al‑Megillah. (Talmud Bav‑ li, Shas Nehardea, Bd. 6.) Jerusalem 2008, 543, Nr. 821; vgl. zu R. Meir ben Baruch von Rothen‑ burg auch Mattes, Jüdisches Alltagsleben (2003); Heil, Meir von Rothenburg (2012). 33 Vgl. Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 75. 34 Ebd., 78. 35 Ebd., 26 f., Anm. 35; 211 f., Nr. 31. 36 M. Frenkel, Compassionate and Benevolent (2006), 596. 37 Ebd., 516, Nr. 67.

323 38 Assis, Jewish Economy (1997) 155 f.; 111 f.; 17. 39 Unter Bezug auf bT Ket 106b. 40  Sefer Sheʾelot u‑teshuvot ha‑Rashba, Bd. 4.

Ed. Rafael ha-Levi. Piotrków Trybunalski 1813, ND Jerusalem 1960, Teil 5, 54 f., Nr. 249; Sheʾelot u‑ Teshuvot Rabbenu Asher. Ed. Yudlov (wie Anm. 21), 497b, Nr. 66. 41  Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Moses Bloch. Budapest 1895, 10., Nr.73 ; 133 f., Nr. 942. 42  Sheʾelot u‑Teshuvot Bar Sheshet hibbero ha‑Hakham ha‑Shalem Beno Yiṣḥaq. Ed. Israel Deiches. Jerusalem 1968, 142, Nr. 465. 43  Perush Mordechai al‑Megilla (wie Anm. 32), 543 f., Nr. 825. 44  Dinim shel Menachem Mirzburg, in: Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yacob Weil. Ed. Israel Wolf . Jerusalem 1959, 167. 45  In einem Fragment von ca. 1100: Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 220 f., Nr. 35. 46  Vgl. Sheʾelot u‑Teshuvot Bar Sheshet. Ed. Deiches (wie Anm. 42), 30 f., Nr. 19; Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Crescas (wie Anm. 22), Teil 2, 44 f., Nr. 291. 47  Burns, Jews in the Notarial Culture (1996), 101; 121 f.; 98 f.; 123. 48  Los judíos del reino de Navarra. Documen‑ tos hebreos 1297–1486. Ed. José Luis Lacave. Pam‑ plona 1997, 25. 49  Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot she‑hibber ha‑Rav ha‑Maor ha‑Gadol Rabbenu Shlomo ben Adret, Bd. 1–3. Ed. Zeev Wolf , Bd. 1. Bnei Brak 1958, 368– 370, Nr. 1157. 50 Shut u‑Pisqe Mahariq le‑Rabbenu Yosef Co‑ lon. Ed. Pines (wie Anm. 25), 159, Nr. 48; 190, Nr. 75; Perush Mordechai al‑Bava Batra. (Talmud Bavli, Shas Nehardea, Bd. 14.) Jerusalem 2008. Nr. 491; Teshuvot Baʾale ha‑Tosafot. Ed. Irving Agus. New York 1954, 154 f., Nr. 74. 51 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 25. 52 Sheʾelot u‑teshuvot Maharil ha‑hadashot. Ed. Yitzhok Satz. Jerusalem 1977, 131 f., Nr. 109; 202, Nr. 152. Vgl. Galinsky, Custom (2011), 223 mit Anm. 65. 53 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 54. 54 Ebd., 25. 55 Vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 5 (1988, ND 1999), 137–139; vgl. auch Burns, Jews in the Notarial Culture (1996), 130; 234, Anm. 17. 56 Assis, Golden Age (1997), 214 f.; vgl. auch Ders., Welfare and Mutual Aid (1992).

324 57 Melammed, Jewish Woman (2012), 259 f.; vgl. Gutwirth, Qilusin (2007), 120–128. 58 Vgl. Shut u‑Pisqe le‑Rabbenu Yosef Colon. Ed. Pines (wie Anm. 25), 223, Nr. 128. 59 Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Bloch (wie Anm. 41), 119, 879. 60 Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Moshe Minz, 2 Bde. Ed. Jonathan Shraga Domb. Jerusalem 1991, Bd. 1, 281–285, Nr. 67. 61 In der Mischna, m Meg 3.1–3, wird der Ver‑ kauf und Kauf von heiligen Dingen behandelt. Diesem Abschnitt zufolge durften jüdische Stadt‑ bewohner eine Synagoge verkaufen, um von dem Geld einen Thoraschrein zu kaufen; wenn sie den Thoraschrein verkauften, dürften sie von dem Geld Thoramäntel, beim Verkauf dieser Thora‑ mäntel vom Erlös eine Thorarolle kaufen. Aber wenn sie eine Thorarolle verkauften, dürften sie vom Geld keine neuen Thorarollen kaufen usw.;

Stiftungsvermögen und erträge

erst recht dürften sie keinen der Gegenstände gegen einen der zuvor genannten ‚weniger hei‑ ligen‘ eintauschen. 62 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 23. 63 Teshuvot ha‑Rambam. Ed. Jehoshua Blau, Bd. 2. Jerusalem 1957, 370 f., Nr. 209. Wenn auch nicht explizit genannt, zitiert Maimonides zur Erklärung der zwei Möglichkeiten offensicht‑ lich zwei verschiedene Talmudstellen, in denen es um Entheiligung bzw. einfachen Raub geht (bT Ned 62a und bT BQ 115a). Vgl. auch Fink, Cor‑ porate Status (1985), 22 f. 64 Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Crescas (wie Anm. 22), Teil 2, 22, Nr. 135. 65 Ein weiteres Beispiel ebd., Teil 3, 46, Nr. 303. 66 Perush Mordechai al‑Megillah (wie Anm. 32), 543, Nr. 824. 67 Perush Mordechai al‑Baba Batra (wie Anm. 50), fol. 6a, Nr. 492.

10.5  Griechisch-orthodoxe Christen 10.5.1  Allgemeines Eine gestiftete griechisch‑orthodoxe Ge‑ meinschaft – in fast allen überlieferten Fällen ein Kloster –auf Dauer zu ernähren und unterstützen, war ein kapitalintensi‑ ves Unternehmen. Das spätbyzantinische Pharos‑Kloster im Schwarzmeergebiet Pon‑ tos benötigte je Mönch fünf abhängige Bau‑ ern (paroikoi) und jährliche Erträge von 500 aspra (Silbermünzen) – eine Summe, die vielleicht den Kosten von zwei gewöhnli‑ chen Pferden entspricht.1 Bedenkt man die durchschnittliche Zahl der Mönche eines normalen byzantinischen Klosters, 10 bis 20 Männer, wird der Bedarf einer Stiftung an Land, Kapital und Arbeitskraft deut‑ lich.2 Griechisch‑orthodoxe Stifter waren sich bewusst, welches Problem die Größe einer Stiftung im Verhältnis zu ihrem Ver‑ mögen darstellte. Durch Vorschriften in

ihren typika begrenzten die Stifter oft die Anzahl der Klosterinsassen und variierten sie entsprechend der Ab‑ und Zunahme des Klostervermögens.3 Die Furcht der Stifter, das Stiftungs‑ vermögen könne sich auf Dauer als un‑ zulänglich erweisen, war gut begründet. Kaiserliche Gesetzgebung belegt die rui‑ nösen Folgen eines wirtschaftlichen Ein‑ bruchs; bereits Justinian I. (527–565) ver‑ suchte, Stiftungen durch die vorsichtige Regulierung der Finanzierung zu erhalten,4 mit folgender Begründung: „Viele eilen sich um der Bezeichnung [Stifter] willen, heilige Kirchen erbauen zu lassen, dann aber, nachdem sie gebaut worden sind, machen sie sich keine Gedanken darüber, wie ihnen ein geeignetes Einkommen für die Beleuchtung, die dort Angesiedelten

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Griechisch-orthodoxe Christen

und den heiligen Gottesdienst zukommen kann. Vielmehr verlassen sie sie leer oder aufgelöst oder enthalten [das Vermögen] der heiligen Liturgie vor.“5 Solche Gesetze wurden von einem ständigen Problem veranlasst, nämlich der anscheinend zeitlosen Neigung von Wohltätern, neue Stiftungen zu gründen, statt eine bereits existierende Einrichtung zu unterstützen. Um dennoch zu Zustif‑ tungen zu ermuntern, bestimmte Justi‑ nian in der oben zitierten Novelle, dass jemandem, dem die Mittel für eine Neu‑ stiftung fehlten, trotzdem die Ehrbezeich‑ nung ‚Stifter‘ (ktistēs / κτίστης) verliehen werden könne, wenn er eine verfallene Stiftung neu gründete.6 Mit ähnlichen Überlegungen begründete Nikephoros II. Phokas (963–969) sein Verbot der Stiftung von weiteren Klöstern und philanthropi‑ schen Einrichtungen: „Wie könnte man es nicht prahlerisch finden und in hohem Maße unglaubwürdig, wenn viele andere [Klöster] im Laufe der Zeit leiden und viel Arbeit und Hilfe brauchen, wir aber es ver‑ säumen, ihnen mit Begeisterung Geld zu geben beziehungsweise sie zu verbessern und neu zu stiften, und stattdessen eilen, mit Mühen unsere eigenen zu schaffen.“7 Neben der Größe eines Vermögens weist Nikephoros in seiner Novelle auf eine an‑ dere wichtige Eigenschaft eines bestän‑ digen Stiftungsvermögens hin, nämlich aus verschiedenen Vermögensarten zu be‑ stehen. Er spricht von einem erheblichen Mangel der Stiftungen an Arbeitskräften und Tieren sowie einem hohen Maß an brachliegendem Klosterland.8 Der Kern dieser Gesetzgebung war ein Verbot von Neustiftungen und Dotationen von Land an Stiftungen; jedoch wurde zur Dota‑ tion von Arbeitskräften, Tieren und Geld (um erstere zu entlohnen) ermuntert. Ein Mangel an Arbeitskräften trat nicht nur zur Zeit des Nikephoros Phokas auf und

zeigt, wie wichtig eine ausbalancierte Auf‑ teilung des Stiftungsvermögens war. Die Unausgewogenheit von Stiftungsvermögen konnte aus Gründen wie der allgemeinen Dotationspraxis, dem Recht, den Präferen‑ zen der Stifter und Empfänger sowie von Fall zu Fall aus lokalen oder regionalen Eigenarten entstehen, etwa der jeweiligen Verfügbarkeit von Land und Organisation der Arbeitskräfte. Im Folgenden wird das Stiftungsvermö‑ gen zuerst entsprechend der Dreiteilung aus dem römischen Recht in unbewegli‑ ches, bewegliches und selbstbewegliches Vermögen behandelt, dann nach zwei wei‑ teren Kategorien, nämlich immateriellem und symbolischem Vermögen.9 Natürlich ergeben sich hierbei besondere Probleme, etwa die genaue Bedeutung von Eigentum und Besitz oder der Rechtsstatus von ‚Halb‑ freien‘. Wegen der gebotenen Kürze dieses Artikels können aber solche Fragestellun‑ gen nicht ausführlich thematisiert und nur ihre unmittelbaren Auswirkungen auf das Stiftungsvermögen erörtert werden. 10.5.2  Unbewegliches Kapital Landbesitz war ohne Zweifel die Grund‑ lage der byzantinischen Gesellschaft und Wirtschaft; ebenso sicher ist, dass Stiftun‑ gen in Byzanz, die sich ja regelmäßig in Klöstern manifestierten, besonders erfolg‑ reich Landbesitz ansammelten. So effektiv war ihre Akkumulation von Grund und Boden, dass einige Vertreter der älteren Forschung den Klöstern die Schwächung und am Ende den Untergang des byzan‑ tinischen Staates zugeschrieben haben. Diese These wurde am prominentesten von Peter Charanis vertreten und lässt sich so zusammenfassen, „dass die lang‑ fristige Anhäufung von Ländereien durch größere byzantinische Klöster nicht nur

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die finanzielle und militärische Kraft des Staates ausgesogen habe, sondern auch die tragende Schicht der byzantinischen Gesellschaft, nämlich das freie Kleinbau‑ erntum, was noch gravierender gewesen sei.“10 Tatsächlich war aber die massive Anhäufung von Landgütern durch Klöster eher das Ergebnis einer langfristigen und komplexen Geschichte als eine konstante Eigenschaft des byzantinischen Stiftungs‑ wesens. Bis zum Stiftungsverbot des Nike‑ phoros Phokas gibt es keine eindeutigen Hinweise, dass Klöster oder piae causae zu den größten Grundbesitzern des Reichs zählten. Das liegt auch daran, dass unsere Kenntnis der Stiftungsvermögen erst mit den Archiven der großen Athos‑Klöster beginnt; vor den frühesten überlieferten klösterlichen Urkunden aus dem späten 9. Jahrhundert lässt sich, abgesehen von einigen vereinzelten Belegen, nichts über die genaue Größe und Zusammensetzung byzantinischer Stiftungsvermögen sagen.11 Spätantike Quellen zeigen sogar, dass Land in der oströmischen Reichshälfte zu dieser Zeit nicht unbedingt ein wichtiger Teil des Stiftungsvermögens war. Die aus‑ führliche Regelung des kirchlichen Im‑ mobiliarbesitzes in der justinianischen Gesetzgebung trifft hauptsächlich die ‚öf‑ fentlichen‘ Kirchen (katholikai ekklēsiai); was private Kirchen und Klöster angeht, ist die Rede eher von jährlichen Einkünften (presbia annalia) als von Landvermögen.12 Obwohl diese anscheinend aus den Erträ‑ gen eines bestimmten Landguts bestanden, blieb dieses selbst im Besitz des Stifters und seiner Nachfahren. Auch Justinian I. selbst versah Stiftungen eher mit jährli‑ chen Einkünften als mit Land. 13 Was das Klostervermögen im byzanti‑ nischen Mönchtum angeht, zeigen hagio‑ graphische Quellen aus dem Zeitraum vom 5. bis zum 7. Jahrhundert, dass Mönche ihren Lebensunterhalt hauptsächlich durch

Stiftungsvermögen und erträge

eigene Arbeit verdienten.14 Ein entspre‑ chendes System war in der Struktur der sogenannten lavra‑Klöster verankert, die in diesem Zeitraum vor allem in Palästina belegt sind. (→ 3.5.3) In solchen Klöstern verbrachten die Mönche die Woche allein oder in kleinen Gruppen als Einsiedler; dann versammelte sich die ganze Gemein‑ schaft am Wochenende, um einige gemein‑ same Aufgaben zu erledigen, Fragen von gemeinsamer Bedeutung zu besprechen und natürlich in erster Linie um die Li‑ turgie zu feiern. Weder gab es in solchen Gemeinschaften die Erwartung noch das Bestreben, Landbesitz zu erwerben. Die Grundlagen für die Entstehung von größeren Klostervermögen wurden in der Epoche vom 8. bis zum 10. Jahrhundert ge‑ schaffen. Die Vita der Heiligen Anthousa (ca. 700–775) berichtet, dass Kaiserin Eu‑ dokia, die dritte Frau Kaiser Konstantins V. (741–775), dem Klosterkomplex der Heiligen, der angeblich 900 Mönche und Nonnen be‑ herbergte, viele Dörfer und Landgüter stif‑ tete.15 Genau zu dieser Zeit, – während der Herrschaft des vermeintlichen Mönchsgeg‑ ners Konstantin V. – fand tatsächlich ein tiefgreifender Wandel statt, und zwar inso‑ fern, als Klöster in der Folgezeit Landbesitz zunehmend als unverzichtbaren Teil ihres Vermögens betrachteten. Dieser Prozess ist besonders auf der Halbinsel Chalkidiki mit dem Berg Athos im 9. und 10. Jahrhundert spürbar; hier fanden sich Einsiedler und Mönche zu größeren Klostergemeinschaf‑ ten zusammen, gefördert auf der einen Seite durch Schenkungen und Stiftungen, auf der anderen Seite durch die Erschlie‑ ßung und Bewirtschaftung brachliegenden staatlichen Landes (klasma).16 Mit der verbesserten Quellenlage seit dem 11. Jahrhundert stellt sich der Cha‑ rakter des Landbesitzes ganz anders dar als bei den spätantiken Vorläufern. Die meisten byzantinischen Klöster wurden

Griechisch-orthodoxe Christen

nun von Beginn an mit großen Dotationen versehen.17 Diese bestanden vor allem aus bedeutenden Landgütern. Nach der ur‑ sprünglichen Dotation strebten die Klöster in der Regel eine Vergrößerung des Ver‑ mögens durch andere Formen des Erwerbs von (Land‑) Besitz an: durch Zustiftungen, Gebühren zum Klostereintritt (apotagē), Leibrenten gegen Zustiftung (adelphaton) und Kauf.18 Trotz der zahlreichen Zeug‑ nisse für die große Bedeutung des Im‑ mobilienbesitzes gab es in Byzanz immer noch Stimmen, die den aktiven Erwerb von Landbesitz als unpassend für das Mönch‑ tum betrachteten.19 Bei der geographischen Verteilung der klösterlichen Ländereien spielte die Lage des Hauptklosters eine wichtige Rolle.20 Klöster, die sich in Regionen fruchtbaren Ackerlandes befanden, wie das Bazelon‑ Kloster in Pontos, das Lembos‑Kloster in der Nähe von Smyrna und das Kloster des Johannes Prodromos in Serres, konnten den Erwerb neuer Güter auf ihre Umge‑ bung konzentrieren. Die reichsten Mönchs‑ gemeinschaften, etwa die der Athos‑Klöster oder des Johannesklosters auf der Insel Patmos, lagen dagegen in eher unzugäng‑ lichen Gegenden und mussten Besitzungen in entfernten Regionen erwerben. Weil dies natürlich besondere Gefahren mit sich brachte, neigten die Stifter nur unter bestimmten Umständen dazu, solche Be‑ sitzungen zu übertragen. Neilos, Bischof von Tamasia und Abt des zyprischen Ma‑ chai ras‑Klosters, genehmigte aber in sei‑ nem typikon (verfasst im Jahr 1210) die Veräußerung entfernter Landgüter, weil deren Besitz spirituellen Schaden zu ver‑ heißen schien.21 Räumliche Entfernung bedeutete aber nicht immer unüberwind‑ bare Wegstrecken oder Schwierigkeiten bei der Verwaltung. Es ist bemerkenswert, dass weit entlegener Landbesitz sich oft an Küsten oder Flüssen entlangzog. Solange

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Ländereien zu Wasser erreichbar waren, konnten sie nämlich erschlossen und ver‑ waltet werden; dazu dienten die vielen Boote, die in klösterlichem Besitz belegt sind. (→ 10.5.3) Die Verwaltung vor Ort wurde von einem sogenannten metochion aus durchgeführt, einem vom Hauptkloster abhängigen Satellitenkloster.22 Der Staat war in einigen Fällen direkte oder indirekte Quelle des Klostervermö‑ gens – sei es, dass sich dieses aus kaiserli‑ chen Gaben speiste, sei es, dass ‚Privatleute‘ ihm Güter aus ursprünglichem Reichsbe‑ sitz zugeführt hatten; in manchen Fällen bestanden die klösterlichen Ländereien sogar vollumfänglich aus vormaligem Staatsland. Man sieht dies besonders an den großen gestifteten Klöstern der Haupt‑ stadt wie dem Pantokrator oder dem Lips‑ Kloster.23 Der klösterliche Landbesitz auf der nordägäischen Insel Limnos, der fast ausschließlich aus ehemals staatlichem Besitz bestand, produzierte in spätbyzan‑ tinischer Zeit mehr als ein Sechstel der Wirtschaftserträge der Insel.24 Wenngleich der Großteil des klöster‑ lichen Landbesitzes aus Dotationen oder Schenkungen stammte, spielten auch drei andere Formen des Erwerbs eine gewisse Rolle, nämlich die apotagē, das adelphaton und der Landkauf. Die apotagē (ἀποταγή) war eine materielle Leistung – oft, aber nicht unbedingt, in Form von Land –, die ein Mönch oder eine Nonne beim Eintritt in eine klösterliche Gemeinschaft erbringen musste.25 Wer größere Summen zahlte, be‑ kam bessere Lebensbedingungen an Essen oder Unterkunft innerhalb der Klosterge‑ meinschaft geboten; den mindestens gele‑ gentlichen Missbrauch, zu dem diese Praxis einlud, belegt die andauernde Diskussion der apotagē in kaiserlichen, kirchlichen und monastischen Quellen. Eine ähnliche Verpflichtung war das sogenannte adelphaton (ἀδελφᾶτον). 26

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Obwohl zum ersten Mal in einer Novelle des Kaisers Alexios I. Komnenos (1081–1118) erwähnt, stammt die Mehrheit der über‑ lieferten Fälle erst aus dem 14. Jahrhun‑ dert. Im Prinzip war das adelphaton ein Tauschgeschäft, wobei eine Person dem Kloster eine Schenkung machte – oft, aber nicht unbedingt, von Land – und als Ge‑ genleistung vom Kloster eine lebenslan‑ ge jährliche Zahlung (Leibrente) und das Recht erhielt, dort bis ins hohe Alter zu verweilen. Einige adelphata, die das liturgi‑ sche Gedenken des Schenkers einschlossen, können de facto als Stiftungen betrachtet werden. (→ 12.5.3) Darüber hinaus kauften Klöster auch Land, hauptsächlich um ihren Besitz zu ar‑ rondieren und zu konsolidieren; die meis‑ ten Fälle umfassten nur kleinere Landgüter, vor allem aus bäuerlichem Besitz.27 Nach der lateinischen Eroberung Konstantino‑ pels und mit in der Folge verbesserter Quel‑ lenlage dominiert der Terminus ‚Schen‑ kung‘ (dōrea / δωρεά) für den Landkauf; nach der Ansicht von Kostis Smyrlis war das klösterliche Urkundenwesen für diese Entwicklung verantwortlich, weil die für eine Schenkung erforderliche Dokumen‑ tation umfangreicher war als die für einen Landkauf und damit größere Rechtssicher‑ heit bedeutete.28 Eine weitere Möglichkeit für Klöster, Land zu erwerben, war die Besetzung verlassener Grundstücke (agri deserti) oder von den Eigentümern unge‑ nutzten Ländereien (usucapio) durch die Mönche.29 Welches Gewicht diese Art von Besitzerwerb durch Klöster wirklich hatte, lässt sich angesichts der Quellenlage aber kaum entscheiden. Unter den Gebäuden byzantinischer Stif‑ tungsvermögen sind auf dem Land vor allem Mühlen, kleinere Kirchen und Her‑ bergen (xenodocheia) belegt, während man in den Städten eine größere Bandbreite von Gebäudetypen findet.30 So konnten

Stiftungsvermögen und erträge

klostereigene Immobilien in der Haupt‑ stadt Konstantinopel unternehmerischen Zwecken dienen. Zum Beispiel wurden städtische Häuser und Werkstätten ver‑ schiedener Art als Bäckereien, Metzgereien, Parfümerien, Webereien usw. vermietet. Im Licht der zeitweise strengen Vor‑ schriften gegen das Baden in der byzanti‑ nischen monastischen Tradition (unter dem Begriff ‚Nichtbaden‘ bzw. alousia bekannt) ist es erstaunlich, wie häufig der Besitz von Bädern in griechisch‑orthodoxen Stiftun‑ gen erwähnt wird.31 Kirchen und Klöster verwendeten Bäder aber nicht nur für den Eigenbedarf, sondern betrieben sie auch kommerziell; der Mystiker Symeon der Theologe (gest. 1022) listet Bäder als übli‑ ches Eigentum eines Klosters oder einer Laura auf.32 Nach dem typikon des Klosters der Theotokos Kosmosoteira (verfasst 1152) gehörten der Stiftung zwei Bäder: Das eine, das sich außerhalb des Klostergeländes befand, war für die Öffentlichkeit bzw. kommerzielle Nutzung gedacht; in dem anderen auf dem Klostergelände selbst durften sich die Mönche normalerweise einmal im Monat, in Notfällen, etwa bei Krankheiten, aber auch so oft wie nötig erholen.33 10.5.3  Bewegliches Kapital Inventare von Objekten im Besitz einer Stiftung (βρέβαια, brebaia) wurden zu wichtigen Anlässen verfasst, etwa bei der initialen Dotation, der Abfassung eines typikons oder der Wahl eines neuen Abtes.34 (→ 5.5.3) Im Gegensatz zum Landerwerb, wo jede Schenkung und jeder Kauf separat dokumentiert wurden, fügte man neu er‑ worbene Objekte einfach dem Inventar hin‑ zu. Im Allgemeinen wurden die folgenden beweglichen Dinge in einem klösterlichen Inventar aufgelistet: (1.) Sakrale Objekte;

Griechisch-orthodoxe Christen

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(2.) Bücher und Urkunden; (3.) Arbeitsge‑ Steuerbefreiungen wurden in den Inventa‑ räte und Verkehrsmittel.35 ren erfasst. Im Kloster im heutigen Bačkovo (Bulgarien) gab es 150 bis 200 solcher wich‑ (1.) Zu den sakralen Objekten in den Klos‑ tigen Urkunden.39 terinventaren zählten Gegenstände, die für die Liturgie gedacht waren: Ikonen, Kreuze, (3.) Wenngleich auch landwirtschaftliches Paramente, Reliquiare und Altargerät.36 Gerät, etwa Pflüge, und Fuhrwerke in Klos‑ Durch ihren materiellen Wert sollten sie terinventaren aufgelistet sind, spielten den Reichtum eines Klosters zeigen, und Wasserfahrzeuge eine viel größere Rolle in der Tat kann man oft eine grobe Über‑ für die klösterliche Wirtschaft. So hält ein einstimmung zwischen der Zahl und Qua‑ typikon für die Mönche des heiligen Ber‑ lität sakraler Objekte und dem Umfang ges Athos im 11. Jahrhundert fest: „Keinen des Landbesitzes annehmen. Obwohl der einzigen Tag könnten sie auf dem Berg genaue Wert der Objekte oft schwierig ohne Boote verbringen, die ihnen zur Be‑ einzuschätzen ist, gibt es einige Hinweise friedigung der klösterlichen Bedürfnisse darauf, dass kostbare Gegenstände nicht dienen oder es ihnen erlauben, die Früchte bloß einen reinen Schauwert hatten. Sie und nicht selbst benötigten Wein zu ver‑ konnten im Notfall für ziemlich hohe Sum‑ kaufen.“40 Die wiederkehrende Erwähnung men verkauft werden, etwa zum Zweck des von Booten in klösterlichem Besitz zeigt Freikaufs von Mönchen und Äbten, selbst die wesentlich thalassokratischen Tenden‑ wenn dies im kanonischen Recht und nach zen byzantinischer Klöster besonders im den Regeln vieler typika verboten war; auf späten Mittelalter.41 diese Weise fungierten sie als eine Art Obwohl größere Klöster in geringer Vermögensreserve. Zahl auch Fischerboote unterhielten, wa‑ ren Verkehrsboote wesentlich wichtiger (2.) Von einiger Bedeutung für die Byzan‑ und sind entsprechend häufiger belegt. Vor tinistik sind Kataloge von Handschriften dem 13. Jahrhundert scheint es, dass ihre in klösterlichen Inventaren, weil sie einen Besatzungen hauptsächlich aus Mönchen Einblick in den literarischen Geschmack bestanden; spätere Beispiele, etwa von der der Laien (als Stifter) und Mönche (als Emp‑ Insel Patmos im 14. Jahrhundert, belegen fänger) ermöglichen.37 Einige Ergebnisse Crews aus Laien.42 Diese Verkehrsboote sind erstaunlich: So stiftete etwa Eusta‑ spielten eine wichtige Rolle beim Verkauf thios Boïlas in seinem Testament (ver‑ der Überschüsse, die auf den klösterli‑ fasst 1059 u. Z.) seiner Kirche im östlichen chen Ländereien erwirtschaftet wurden;43 Kleinasien eine Bibliothek von ungefähr Transportziel waren Märkte, normalerwei‑ 90 Büchern; diese Sammlung war damit se in der Hauptstadt, aber auch in regio‑ reicher als alle anderen zeitgenössischen nalen Zentren. Vor dem Hintergrund der Fälle, selbst im Vergleich mit Stiftungen Bedeutung dieser kommerziellen Tätig‑ in der Hauptstadt.38 Wenngleich solche keiten müssen wir Kostis Smyrlis zufol‑ ‚Buchinventare‘ auch zu einem guten Teil ge unser Bild von der Ökonomie byzan‑ weltliche Literatur enthielten, liegt doch tinischer Klöster ändern, die eben nicht der Fokus auf dogmatischen, erbaulichen überwiegend auf der Bewirtschaftung des und liturgischen Themen. Auch wichtige Landbesitzes zur Deckung des Eigenbe‑ Urkunden etwa über Schenkungen von darfs, sondern auch auf Produktion für Landbesitz, Rechtsentscheidungen oder den Markt und auf Handel beruht habe;

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das Johannes‑Kloster auf Patmos erzielte im 14. Jahrhundert beispielsweise sogar mehr Einkommen mit Handelswaren als aus der Landwirtschaft.44 10.5.4  Selbstbewegliches Kapital Unter dem selbstbeweglichen Kapital ei‑ nes byzantinischen Stiftungsvermögens versteht man Tiere. Wie zum Beispiel im Islam (→ 10.3.4) wurde die ‚Stiftung‘ von Tieren im orthodoxen Kulturraum genau wie Stiftungen von Geld, Kunstobjekten oder Ländereien beurteilt; Tiere wurden den gewohnten Zwecken zugeordnet (als Stiftung für das ‚Seelenheil‘ [psychikē sōtēria / ψυχικὴ σωτηρία]), und der Stifter erwartete als Gegenleistung ewiges litur‑ gisches Gedenken. Entsprechend glich die Formulierung der Stiftungsdokumente bei Tierstiftungen der bei der Stiftung anderer Vermögensarten, wie man etwa an der Stiftung eines Jungstiers an das Bazelon‑ Kloster im April 1432 sieht: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Ich, Kostas Karmoutes, stifte den Preis für einen Jungstier in Silbermünzen für mein Seelenheil und den Erlass meiner Sünden sowie derjenigen meiner Eltern.“45 Ausschließlich aus Tieren bestehende Stif‑ tungen sind in Byzanz nur vereinzelt nach‑ gewiesen – offensichtlich jedoch nicht, weil es sie nur selten gegeben hätte, sondern weil unsere Quellen überwiegend größere Stiftungen dokumentieren. Eine Ausnahme stellt das Register des Bazelon‑Klosters dar, dessen Urkundenbestand überhaupt eine in der Überlieferung ungewöhnlich umfangreiche Sammlung von kleinen Stif‑ tungen enthält, die hauptsächlich auf freie Bauern zurückgehen. Unter den mehr als 100 Stiftungen in den Bazelon‑Urkunden tauchen drei Tierstiftungen auf: zwei eines Jungstiers und eine eines Pferdes.46

Stiftungsvermögen und erträge

Auf den ersten Blick mag das Vorhan‑ densein von Tieren in griechisch‑ortho‑ doxen Stiftungen erstaunlich sein. Nach weitbekannten Vorschriften für das by‑ zantinische Mönchsleben ist die Anwe‑ senheit von weiblichen Tieren auf einem Klostergelände verboten; diese Regel gilt noch heute für die Klöster auf dem Berg Athos.47 Theodor Stoudites zufolge, dem einflussreichsten Befürworter des zöno‑ bitischen Mönchtums in Byzanz, sollten weibliche Tiere auf dem Klostergelände sowie auf den Klostergütern verboten sein: „Du, der du dich komplett vom Weiblichen abtrennst, sollst nicht ein Tier des weib‑ lichen Geschlechts für den dienstbaren Gebrauch haben, weder im Kloster noch auf den Feldern. Denn keiner unserer ehr‑ würdigen und heiligen Väter hat diese ge‑ nutzt, die Natur selbst erlaubt es nicht.“48 Nichtsdestotrotz scheint das Eigentum von (vermutlich auch weiblichen) Tieren für griechisch‑orthodoxe Stiftungen geläufig zu sein. Klöster haben Tierhaltung nicht nur für den eigenen Gebrauch, sondern auch für den Verkauf betrieben. Als Tiere sind unter anderem Kühe, Pferde, Maultie‑ re, Esel, Schafe und Ziegen belegt.49 10.5.5  Immaterielles Kapital Während der ersten Hälfte des Mittelal‑ ters war, wie oben angedeutet, der Besitz von Landgütern bei griechisch‑orthodoxen Stiftungen eher eine Seltenheit. Vielmehr statteten Stifter ihre Stiftungen mit Renten aus, d. h. mit dem Anspruch auf eine be‑ stimmte, regelmäßig ausbezahlte Summe von Geld oder Naturalien. Aus rechtlicher Sicht lag die Entscheidung, wie eine Stif‑ tung finanziert werden sollte, beim Stifter. Statt sie direkt mit Landgütern auszustat‑ ten, konnte der Stifter seiner Stiftung eben auch jährliche Einkünfte (presbia annalia)

Griechisch-orthodoxe Christen

versprechen. Dabei wurden nicht nur der Stifter, sondern auch seine Nachkommen auf die Finanzierung der Stiftung verpflich‑ tet; die jährlichen Summen durften nicht durch eine pauschale Einmalzahlung er‑ setzt werden. Die rechtliche Regelung die‑ ser Praxis sah vor, dass der Stifter für ein bestimmtes Grundstück eine Hypothek nahm; die daraus entstandenen Renten wurden als prosoda bezeichnet.50 Besonders Kaiser und andere orthodoxe Herrscher stif‑ teten solche ‚Renten‘ – die aber anders als diejenigen des spätmittelalterlichen latei‑ nischen Westens funktionierten. (→ 14.5.2) Die Tendenz der Stifter, private Kirchen und Klöster mit Stiftungen von Renten statt von Land zu versehen, wird auch in den Papyrusurkunden des spätantiken Ägyptens deutlich.51 Im Unterschied zur späteren byzantinischen Praxis „wäre es eine großzügige Geste gewesen, wenn je‑ mand ein gänzlich unabhängiges Kloster hätte erbauen und ausstatten lassen ein‑ schließlich reicher Ländereien und eigener Bauern. Kein Wunder, dass viele Klöster unter diesen wirtschaftlichen Bedingun‑ gen als Eigenklöster eingerichtet wur‑ den.“52 Ähnliches gilt für die spätantiken ägyptischen Kirchen, die (sogar mehr noch als Klöster) wie Privateigentum behandelt wurden.53 Selbst wenn man nicht unbe‑ dingt alle private Einrichtungen dieser Zeit als ‚Eigenkirchen‘ oder ‚Eigenklöster‘ bezeichnen muss, wurden die damaligen Stiftungen auf jeden Fall von sehr starken herrschaftlichen Tendenzen eingeschränkt; die Tatsache, dass Landbesitz selten bis nie gestiftet wurde, führte zu einer starken Abhängigkeit der Stiftungen von der Gunst der Stifter und ihrer Nachfolger. Das in gewisser Weise wertvollste im‑ materielle Vermögen einer griechisch‑ orthodoxen Stiftung war Steuerfreiheit. Stiftungen waren in Byzanz im Prinzip keineswegs von der Steuer befreit, sondern

331

wurden ganz im Gegenteil wie normale Steuerzahler behandelt. Zur Zeit der Spät‑ antike hatten die römischen Kaiser keine Steuerfreiheit vorgesehen, sondern nur be‑ stimmten Kategorien von Klerikern dieses Privileg gewährt.54 Erst um das 9. Jahrhun‑ dert wurden Stiftungen gewisse Steuerfrei‑ heiten zugebilligt; danach wurden Steuer‑ privilegien für sie immer wichtiger. Drei Kategorien lassen sich unterscheiden: Von enormer Bedeutung für Klöster war ers‑ tens die Steuerfreiheit auf Arbeitskräfte.55 Zweitens wurde durch Steuerbefreiungen für Land die Vermögensbildung der Klös‑ ter gefördert. Drittens gab es noch andere wichtige Formen von Steuerfreiheit, etwa für Boote als klösterliches Vermögen. Größere byzantinische Klöster mussten sich vor allem auf die Arbeitskraft von Laien verlassen. Im Gegensatz zur latei‑ nischen Kirche bildete sich im orthodo‑ xen Mönchtum nach der Spätantike keine Tradition monastischer Arbeit aus. Am geringsten schätzten Eremiten und ‚idior‑ ryhthmische‘ Mönchen (d. h. Mönchen, die nicht einem gemeinsamen Klosterleben folgten) den Wert eigener Arbeit. Skla‑ ven haben dagegen anscheinend niemals eine starke Rolle bei der Bewirtschaftung griechisch‑orthodoxer monastischer Stif‑ tungsgüter gespielt. Dies ging teilweise auf die stouditische Klostertradition zu‑ rück; Theodor Stoudites hatte sich nämlich streng gegen die Verwendung von Sklaven im Klosterwesen ausgesprochen.56 Ohne die Möglichkeit, Sklaven zu besitzen, und bedingt durch die schwächere Tradition der Mönchsarbeit, standen byzantinischen Stiftungen zwei Arten von Arbeitskräften zur Verfügung: bezahlte Arbeiter57 und abhängige Bauern (paroikoi). Wenngleich das byzantinische Recht die strenge Trennung zwischen Freien und Sklaven beibehielt, gab es tatsächlich unterschiedliche Grade von Freiheit. Die

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am besten belegte und erforschte Klas‑ se waren die paroikoi (πάροικοι); sie tau‑ chen nicht nur im Kontext von Stiftungen selbst, sondern auch bei der Privilegierung von Stiftungen durch Steuerfreiheiten auf. Wenn der Staat Stiftungen unterstützte, verschenkte er häufig paroikoi, die keine exkousseiai (sekundäre Steuern und Fronen) bezahlen beziehungsweise erledigen muss‑ ten.58 Nach dem heutigen Forschungstand waren sie wahrscheinlich ärmere Bauern, die keine Landgüter besaßen. Wenn von ‚Verschenkung‘ die Rede war, war wahr‑ scheinlich weniger eine Donation von paroikoi gemeint, als die Konzession, eine bestimmte Zahl von steuerfreien Bauern haben zu dürfen; ursprüngliche ‚Verschen‑ kungen‘ solcher Art sind oft in späteren Urkunden zitiert, in denen die genauen Namen der steuerfreien Bauern überlie‑ fert sind.59 Für den typischen byzantinischen Bau‑ ern waren die Steuern und Fronen teurer und mühsamer als die Hauptsteuer auf Landbesitz (telos). Diese Steuer betraf Tiere, besonders Ochsen, sowie den Haushalt und die Unterkunft von Beamten und Soldaten. Es gab Fronen für das Erbauen von Vertei‑ digungsanlagen, für die Wache bzw. den begrenzten Militärdienst, sogar für die Unterstützung der Post. Die an Klöster ‚verschenkten‘ paroikoi wurden von diesen Steuern und Fronen befreit und mussten ihren Dienst stattdessen für die Klöster leisten. Es steht zu vermuten, dass die Ar‑ beit solcher paroikoi sehr gewinnbringend war: „Bauern konnten klösterliches Land mieten, sogar auf klösterlichem Boden wohnen, und für ihre zweiten Einkunfts‑ quellen an den Fiskus Steuern abführen, aber für das Kloster war es viel gewinn‑ bringender, von sekundären Belastungen dieser Art befreite Bauern zu haben. Wenn steuerfreie Bauern einem Kloster zur Ver‑ fügung standen, konnte das Kloster ein

Stiftungsvermögen und erträge

Stück klösterlichen Landes vorhalten, das nicht Bauern vermietet oder durch ange‑ stellte Arbeitskräfte, sondern durch steu‑ erfrei arbeitenden Paröken bewirtschaftet wurde. Auf diese Weise konnte ein Kloster den vollen Gewinn aus seinem Land ohne Arbeitskosten genießen. Wenn darüber hi‑ naus zu gewissen Zeiten ein Mangel an bäuerlichen Arbeitskräften herrschte, mag viel klösterliches Land nicht bewirtschaftet worden sein, während auf die Arbeit dieser steuerfreien Bauern Anspruch erhoben werden konnte.“60 Byzantinische Stiftungen sahen ver‑ schiedene Arten von Steuerfreiheit für Land vor. Die Formen dieser Steuerfrei‑ heit schlossen die für die Hauptsteuer auf Land (dēmosios kanōn / δημόσιος κανών bzw. telos / τέλος ) ein sowie die oben erwähnten exkousseia für sekundäre Steuern. Steuer‑ freiheit der ersten Art wurde normaler‑ weise als logisimon bezeichnet, und es ist bemerkenswert, dass die erste Erwähnung eines logisimon im Stiftungskontext vor‑ kommt, obwohl es später auch an Perso‑ nen verliehen worden ist. Nach dem Trak‑ tat eines byzantinischen Finanzbeamten wurden bis zur Zeit des Kaisers Leon VI. (886–912) sogenannte prokatespasmena logisima als eine Art kaiserlicher Subvention (basilikē dōrea / βασιλικὴ δωρεά) verwendet; dadurch wurden bestimmte Landgüter der Stiftung komplett aus dem Register für die Hauptsteuer gestrichen.61 Bis zum Ende des 11. Jahrhunderts sind logisima bzw. Konzessionen von Befreiun‑ gen von der Hauptsteuer auf Land (telos) in den überlieferten monastischen Urkunden nicht direkt belegt. In der Überlieferung tritt aber während des 10. und der ersten Hälfte des 11. Jahrhunderts die Rolle der Klöster, besonders auf dem Berg Athos, beim Erwerb und bei der Bewirtschaf‑ tung von Land hervor, das durch den Fiskus bei der Steuer entlastet wurde.62

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Griechisch-orthodoxe Christen

Die mittelbyzantinische Steuerregelung trennte aufgegebene Flächen von den Steuereinheiten der Dörfer oder größeren Landgüter; man sprach hier von klasma‑ Land. Weil der Staat von klasma‑Land kei‑ ne Steuereinnahmen erzielte, versuchte er auf verschiedene Weise, die aufgegebenen Flächen wieder fiskalisch ergiebig zu ma‑ chen. Wurde ein solches Stück Land zum normalen Preis verkauft, bezahlte der neue Eigentümer wegen der sympatheia (Steuer‑ entlastung) nur ein Zwölftel der normalen Hauptsteuer; in entvölkerten Regionen betrug der Steuersatz gar nur ein Vier‑ undzwanzigstel der normalen Rate für 15 Jahre. Ziel der sympatheia war die Wieder‑ herstellung der normalen Steuerraten für ehemaliges klasma‑Land. Die Akkumula‑ tion von großen Klostervermögen auf dem Berg Athos wurde im 9. / 10. Jahrhundert durch die Verfügbarkeit von klasma‑Land in Makedonien ermöglicht, weil sich die‑ se Region gerade von einer langen Phase arabischer und bulgarischer Angriffen er‑ holte.63 Im Gegensatz zum logisimon war die Verleihung solcher Steuerentlastung auch im fiskalischen Interesse des Staates, der unter Umständen die vollen Steuern von der früher aufgegebenen Fläche er‑ warten konnte.64 Stiftungen erlangten auch Befreiungen von sekundären Steuern und Fronen (exkousseia) für ihre Güter, und zwar nicht nur für eine bestimmte Zahl von paroikoi. Erst seit Zeit Kaiser Konstantins IX. Monomachos (1042–1055) wurden einigen Stiftungen exkousseiai für ihre ganzen Ver‑ mögen zuteil: Begünstigt wurden dadurch das Nea‑Mone‑Kloster auf Chios im Jahr 1044, drei Athos‑Klöster (das Amalfitaner‑ Kloster 1057–1059, die Große Laura spä‑ testens 1074 und das Iberer‑Kloster 1079), zwei Mönchsgemeinschaften auf Kos (1079 und das Eleousa‑Kloster in der Nähe von Stroumitza 1085.65

Schließlich genossen byzantinische Stif‑ tungen noch andere Steuerprivilegien. Die Boote der Athos‑Klöster wurden zum Bei‑ spiel als steuerfrei bezeichnet; hier ging es um Steuerfreiheit vom kommerkion, also einer Handelssteuer.66 Einige Klöster er‑ hielten vielleicht auch eine Steuer von Ju‑ den, die normalerweise dem Fiskus bezahlt wurde. 1049 bekam das Nea‑Mone‑Kloster auf Chios 15 jüdische Familien vom Kaiser; diese sollten dem Kloster eine spezielle Steuer (das kephalētion) bezahlen. Ob diese Steuer eine allgemeine jüdische Kopfsteuer oder eine besondere Steuer war, die nur für diesen Kontext erfunden wurde, ist umstritten.67 Ähnlich verhielt es sich mit einem Teil des Vermögens des Pantokrator‑ Klosters, das aus der Steuer einer jüdischen Gemeinde in Cherson hervorging; auch hier ist nicht klar, ob diese Steuer (hebraïkē) eine speziell jüdische Kopfsteuer oder das normale Steueraufkommen aus dieser Ge‑ meinde war.68 10.5.6  Symbolisches Kapital Als Objekte von Ehre, Prestige und An‑ sehen besaßen griechisch‑orthodoxe Stif‑ tungen auch symbolisches Kapital. ‚Sym‑ bolisches Kapital‘ ist in der Byzantinistik noch nicht als Forschungsbegriff etabliert. Catia Galatariotou hat den Begriff einmal auf die Heiligkeit des zypriotischen Ere‑ miten Neophytos Enkleistos angewandt und herausgearbeitet, wie dessen Heilig‑ keit nach seinem Tod symbolisches Kapi‑ tal für die lokale orthodoxe Gesellschaft generierte.69 Von größerer Bedeutung für das Stiftungswesen ist die Benutzung des Begriffs des symbolischen Kapitals durch Anthony Cutler, der im Stiftungsakt eine Verwandlung von materiellem in symbo‑ lisches Kapital wirken sieht. Ihm zufolge würden konkrete Summen – in seinem

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Beispiel 26 000 Goldmünzen (solidi) des Stifters Julianus Argentarius für die Kirche San Vitale in Ravenna – durch Stiften in symbolisches Kapital verwandelt.70 In diesen zwei Beispielen ist die Ver‑ wandlung materiellen in symbolisches Kapital (Julianus Argentarius) und um‑ gekehrt (Neilos Enkleistos) zu beobachten. Fälle des letzteren sind im Stiftungskontext häufiger nachweisbar: Mönche, die Stiftern wenig oder gar nichts Weltliches anzubie‑ ten hatten, verweisen manchmal auf die

Stiftungsvermögen und erträge

symbolische Dimension ihrer Stiftung. Der Abt Chariton (tätig als Abt ab 1355 / 1356) vom Athos‑Kloster Koutloumousiou ver‑ suchte auf diese Weise, den Woiwoden der Walachei Wladislaw I. Vlaicu (1364–1377) als Stifter anzulocken.71 Der Ruhm des Ber‑ ges Athos wurde zu symbolischem Kapital. Auf ähnliche Weise fungierten namhafte Ikonen und Reliquien, die einen weitaus größeren symbolischen als weltlichen Wert besaßen. ZC

Anmerkungen 1  Bryer, Late Byzantine Monastery (1979, 9 Die Unterteilung in Unbewegliches, Beweg‑

ND 1980), 226 f. Vgl. Thomas, Private Religious Foundations (1987), 95, zum Aufwand der Stiftung eines Klosters im spätantiken Ägypten; ihm zu‑ folge seien Kirchen viel günstiger zu unterstützen gewesen, weil Kleriker im Gegensatz zu Mönchen in der Regel durch weitere eigene Arbeiten selbst für ihren Lebensunterhalt sorgten. 2 Zur Zahl der Mönche in einem normalen by‑ zantinischen Kloster vgl. Charanis, Monk (1971), 72. 3 Vgl. die Ausführungen von John Thomas in BMFD 1, 304. 4  Thomas, Private Religious Foundations (1987), 47–53. 5 Iustiniani Novellae. Ed. Rudolfus Schoell / Guilelmus Kroll. (CIC 3.) Dublin / Zürich 101972, 344, Nr. 67 (praefatio), Z. 16–23 (vom Jahr 538). 6 Iustiniani Novellae. Ed. Schoell / Kroll (wie Anm. 5), 345, Nr. 67.2, Z. 13–15. 7 Novelle de Nicephore Phocas. Ed. Nicolas Svoronos / P. Gounaridis, in: Les Novelles des em‑ pereurs macédoniens concernant la terre et les stratiotes. Athen 1994, 151–161, hier 159, Z. 66–71. Englische Übersetzung von John Thomas in Stif‑ tung und Staat im Mittelalter. Eine byzantinisch‑ lateineuropäische Quellenanthologie in kompa‑ ratistischer Perspektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011, 334–339, hier 337. 8 Novelle de Nicephore Phocas. Ed. Svoronos / Gounaridis (wie Anm. 7), 160, Z. 98–105; engl. Übers. Thomas (wie Anm. 7), 339.

liches und Selbstbewegliches findet man auch in byzantinischen Klosterinventaren; vgl. Smyrlis, Fortune (2006), 99, sowie unten. 10  So → 2.5.4 nach Charanis, Monastic Proper‑ ties (1948), 117. Vgl. aber die Meinung von Smyrlis, Fortune (2006), 247, der eine positive wirtschaft‑ liche Rolle der Klöster postuliert. Vgl. auch die neuere Bewertung der ‚Charanis‑These‘ von Thomas, Exkurs (2011). 11  Die früheste überlieferte Urkunde aus den Klosterarchiven des Athos ist ein sigillion des Kaisers Basileios I. aus dem Jahr 883; vgl. Kaplan, Moines (1993, ND 2011), 486. 12  Einige Forscher, vor allem Paul Lemerle und Michel Kaplan, behaupten, dass trotz der justinianischen Gesetzgebung private Klöster im Allgemeinen durch die gesamte byzantini‑ sche Epoche hindurch Institutionen des priva‑ ten Rechts waren. Vgl. Kaplan, Moines (1993, ND 2011), 481; Ders., Monastères (1984), 72; Lemerle, Aspect (1967), 11. 13  Thomas, Private Religious Foundations (1987), 47 f. 14  Kaplan, Moines (1993, ND 2011), 480. 15  Vita Anthousae. Ed. Hippolyte Delehaye, in: Synaxarium ecclesiae Constantinopolitanae e co‑ dice Sirmondiano nunc Berlinensi. Propylaeum ad Acta sanctorum Novembris. Brüssel 1902, 848–852, hier 851. Vgl. Kaplan, Moines (1993, ND 2011), 483. 16  Ebd., 485 f.

335

Griechisch-orthodoxe Christen

17  Smyrlis, Fortune (2006), 133. 35 Zur Stiftung von beweglichen Gütern durch 18  Haldon, Limnos (1986), 168, bemerkt mit Be‑ die Aristokratie vgl. jetzt Grünbart, Inszenierung zug auf die Insel Limnos in spätbyzantinischer Zeit: „Like secular landowners, monasteries ten‑ ded to increase the size of their properties at the expense of neighbouring and / or economically weaker landholders.“ 19  Smyrlis, Fortune (2006), 245. 20 Ebd., 127–132. 21 Neilou typikē diataxis. Ed. Iōannēs Tsiknopoullou, Kypriaka typika. (Pēges kai meletes tēs kypriakēs historias, Bd. 2.) Leukōsia 1969, ND 2001, 1–68, hier 48. 22 Kaplan, Moines (1993, ND 2011), 492 f.; Smyrlis, Fortune (2006), 119. 23 Dies wird besonders deutlich an den kaiser‑ lichen Stiftungen Konstantinopels; vgl. ebd., 127 f. 24 Zu diesen Zahlen und zum ehemaligen Staatsbesitz vgl. Haldon, Limnos (1986), 170; 175. 25 Eine Diskussion der apotagē bei Smyrlis, For‑ tune (2006), 136–138. 26 Dazu ebd., 138–145. 27 Ebd., 146–151. 28 Ebd., 150 f. Vgl. aber Morris, Reciprocal Gifts (2010), bes. 173–179; 191, die solche Schenkungen als Mittel deutet, um Vorschriften zu klösterlicher Armut einzuhalten. 29 Smyrlis, Fortune (2006), 151. 30 Ebd., 119 f. 31 Dazu Magdalino, Church, Bath and Diako‑ nia (1990). 32 Syméon le Nouveau Théologien, Catéchèse 5. Ed. und übers Basile Krivochéine / Joseph Parameille, Symeon le Nouveau Théologien. Catéchèses, Bd 1. (Sources chrétiennes, Bd. 96.1) Paris 1963, 374–469, hier 440; vgl. Magdalino, Church, Bath and Diakonia (1990), 168 f. 33 Typikon Isaakiou Alexiou Komnēniou tēs Monēs Theotokou tēs Kosmosōteiras. Ed. Geōrgios K. Papazoglos, in: Komotēnē 1994, 147, Z. 2071, bis 48, Z. 2095. Eine andere Vorschrift zum Baden im typikon (ebd., 133, Z. 1809, bis 136, Z. 1828), wo ein einziges gemeinsames Bad erscheint, spiegelt eine frühere Phase in der Entwicklung der Stiftung wider und ist durch‑ aus typisch für den etwas konfusen Inhalt der Urkunde. 34 Zum brebaion vgl. Smyrlis, Fortune (2006), 99–101.

und Repräsentation (2015), 150–154.

36 Das Folgende bezieht sich auf Smyrlis, For‑ tune (2006), 101–104.

37 Aufgelistet bei Bompaire, Catalogues de livres‑manuscrits (1979).

38 Ebd., 61 f.; Vryonis, Will of a Provincial Ma‑ gnate (1957), 276 f.

39 Bompaire, Catalogues de livres‑manuscrits (1979), 63; Lemerle, Cinq études (1977), 161–164.

40  Typikon de Monomaque. Ed. Denise Pa-

pachryssanthou, Actes du Prôtaton. (Archives de l’Athos, Bd. 7). Paris 1975, 216–232, hier 226 f., Z. 64 f. 41  Ausführlich diskutiert bei Smyrlis, Fortune (2006), 106–116 (die folgenden Bemerkungen be‑ ziehen sich auf seine Darstellung). 42  Ebd., 116. 43  Ebd., 223–234. 44  Ebd., 245. 45  Ta akta tēs monēs Vazelōnos. Stocheia gia tēn historia tēs monastēriakēs engeias idioktēsias sto Vyzantio kata to 13°–15° ai. Ed. F. I. Uspenskij / V. N. Beneševič. Athen 2007, 285, Nr. 137. 46  Ebd., 189, Nr. 11; 285, Nr. 137 f. 47  Das genaue Motiv für diesen vielleicht bei den Stouditen entstandenen Gebrauch ist nicht bekannt. Nach Einschätzung der Forschung geht es um eine logische Erweiterung des Frauenver‑ bots; vgl. mit Bezug auf weitere Literatur Galatariotou, Byzantine Ktetorika Typika (1987), 121. 48  Sancti Theodori Studitae testamentum. Ed. J. J. Sirmond, in: PG 99, Sp. 1813–1824, hier Sp. 1820. Englische Übersetzung von Timothy Miller in BMFD 1, 67–83, hier 77, 49  Zu Tieren im Klostervermögen vgl. Smyrlis, Fortune (2006), 124 f. 50 Zur rechtlichen Regelung der Finanzierung einer spätantiken Stiftung vgl. Thomas, Private Religious Foundations (1987), 47–53. 51 Ebd., 59–110. 52 Ebd., 95. 53 Ebd., 96 f. 54 Ebd., 25–29. 55 Nach Kaplan, Monastères (1984), 125–127, führte die Untätigkeit der Klöster bei der Bewirt‑ schaftung ihrer eigenen Länder zur Entwicklung von Laien‑Treuhandschaft (charistikē; → 13.5.2).

336 56 Sancti Theodori Studitae testamentum. Ed. Sirmond (wie Anm.48), Sp. 1817. Englische Über‑ setzung 77. 57 Manchmal waren die bezahlten Arbeiter auf Klostergütern selbst Mönche (vermutlich von ei‑ nem anderen Kloster); vgl. Typikon de Tzimiskès. Ed. Denise Papachryssanthou, Actes du Prôtaton (wie Anm. 40), 202–215, hier 211 f. Englische Über‑ setzung von George Dennis in BMFD 1, 232–244, hier 239, 58 Das Folgende bezieht sich auf Bartusis, Land and Privilege (2012), 78–85. 59 Siehe etwa die Liste von paroikoi bei der Stif‑ tung für das Pharos‑Kloster in Pontos (vom Jahr 1432): Le chrysobulle d’Alexis IV et de Jean IV. Ed. V. Laurent, Deux chrysobulles inédits des empereurs de Trébizonde Alexis IV, Jean IV et David II, in: Archeion Pontou 18, 1953, 241–278, hier 256–270, bes. 266 f. 60 Bartusis, Land and Privilege (2012), 84 f. 61 Text des Traktates aus Cod. Marc. Gr. 173. Ed. Franz Dölger, Beiträge zur Geschichte der by‑ zantinischen Finanzverwaltung besonders des 10. und 11. Jahrhunderts. (Byzantinisches Archiv, Bd. 9.) Leipzig 1927, ND Hildesheim 1960, 113–123, hier 117. Englische Übersetzung bei Brand, Two Byzantine Treatises (1969), 48–57, hier 50 f.

Stiftungsvermögen und erträge

62 Ein Überblick zur mittelbyzantinischen Steu‑

erentlastung findet sich bei Bartusis, Land and Privilege (2012), 71–73. 63 Kaplan, Moines (1993, ND 2011), 485 f. 64 Bartusis, Land and Privilege (2012), 74. 65 Ebd., 77. 66 Ebd., 77, Anm. 31. 67 Die verschiedenen wissenschaftlichen Mei‑ nungen zu dieser Steuer sind ausführlich bei Argenti, Jewish Community (1966), diskutiert. Er kommt zu dem Schluss (ebd., 64–67), dass diese Steuer eine spezielle Kopfsteuer für die jüdische Gemeinde in Byzanz gewesen sei; allerdings sei sie nur unter bestimmten Umständen (z. B. bei finanzieller oder politischer Zweckmäßigkeit) tatsächlich eingezogen worden. 68 Le typikon du Christ Sauveur Pantocrator. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 32, 1974, 1–145, hier 119, Z. 1485. Englische Übersetzung von Robert Jordan in BMFD 2, 725–781, hier 770. 69 Galatariotou, Making of a Saint (1991), 4 f.; 7. 70 Cutler, Uses of Luxury (1994), 289 f.; 295. 71 Actes de Kutlumus. Ed. Paul Lemerle. (Archi‑ ves de l’Athos, Bd. 2.) Paris 21988, 102–105, Nr. 28, hier 103, Z. 9 f. Vgl. Oikonomides, Patronage (1996, ND 2005), 101 f.

10.6  Indien 10.6.1  Allgemeines Die religiösen Stiftungen des indischen Mittelalters wurden mit zum Teil beträcht‑ lichen Vermögenswerten ausgestattet, de‑ ren Erträge ihre wirtschaftliche Grundlage bildeten und ihr dauerhaftes Überleben sichern sollten.1 Aus typologischer Sicht (→ 3.6.3), d. h. aus der Perspektive eines idealtypischen Stiftungsprozesses, können Stiftungen von religiösen Baulichkeiten, Dörfern, Immobilien, Geld, abhängigen Personen und Tieren sowie Kultobjekten

und Büchern unterschieden werden. Doch für eine nähere Untersuchung des Ver‑ hältnisses von Grundstockvermögen und Stiftungserträgen empfiehlt sich eine stär‑ ker systematisierende Gliederung, die sich partiell am römischen Recht orientiert und eine bessere Vergleichbarkeit mit den an‑ deren untersuchten Stiftungskulturen er‑ möglicht, und zwar die nach produktivem Kapital – in den Kategorien ‚unbeweg‑ lich‘ (→ 10.6.2), ‚beweglich‘ (→ 10.6.3)

Indien

und ‚selbstbeweglich‘ (→ 10.6.4) –, nach immateriellem Vermögen (→ 10.6.5), das materielle Erträge abwirft, und nach sym‑ bolischem Kapital (→ 10.6.6), d. h. nach materiellen Gütern, deren ‚Erträge‘ von immaterieller Natur sind. Von den verschiedenen Typen produkti‑ ven Kapitals hatte im indischen Altertum, genauer: in den ersten Jahrhunderten u. Z., das ‚bewegliche‘ Vermögen in Form von Gelddeposita eine große Rolle gespielt – in erster Linie an der vom Fernhandel mit dem Imperium Romanum profitierenden Westküste Indiens und im Kontext des Buddhismus. An die Stelle von privaten Geldstiftungen traten bereits seit dem späten Altertum und verstärkt im frü‑ hen Mittelalter königliche Stiftungen von Dörfern und Ländereien, die mehrheit‑ lich an Brahmanen gingen. Dotationen in Geldform tauchten dann erst wieder ab dem 11. Jahrhundert häufiger auf. Die‑ se Zäsuren belegen, dass hinsichtlich der Art ihres Grundstockvermögens und des Grades der Monetarisierung klar unter‑ scheidbare Dotationsmuster die wesentli‑ chen Indikatoren für einen jeden Versuch der Periodisierung (→ 4.6.2) des indischen Stiftungswesens sind. Inventare von Kloster‑ oder Tempelbe‑ sitz fehlen in den meisten Regionen Indiens. Aufgrund der Quellenlage ist eine Vorstel‑ lung vom Umfang indischen Stiftungsver‑ mögens meist nur anhand der überaus großen Zahl überlieferter Inschriften und Urkunden zu Einzeldotationen zu gewin‑ nen. Diese wiederum geben nicht selten indirekt Auskunft über weitere Stiftungen, beispielsweise wenn die an die Stiftungs‑ güter angrenzenden Liegenschaften als ebenfalls aus Dotationen hervorgegangen beschrieben werden. Eine schriftliche Fi‑ xierung von königlichen Landstiftungen wurde in den brahmanischen Rechtstexten ausdrücklich empfohlen (→ 5.6.2), aber

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auch private Stifter ließen ihre Verfügun‑ gen sehr häufig inschriftlich festhalten, was für den stark oral geprägten indischen Kulturraum durchaus bemerkenswert ist. Herrscherliche Kupfertafelurkunden (→ 5.6.3) wurden an die Empfänger oder Verwalter der betreffenden Dotation aus‑ gehändigt. Fürstliche und private Steinin‑ schriften berichten über die Stiftung der religiösen Gebäude, Bauteile, Kultbilder und anderen Objekte, an denen diese an‑ gebracht sind, nicht selten auch über da‑ rüber hinausgehende Dotationsvorgänge. Mitunter dokumentieren in Stein gemei‑ ßelte Texte gleichzeitige oder aufeinander folgende Kumulativstiftungen mehrerer Personen(gruppen) oder die Zustiftungen Dritter. Anders als im lateinischen Chris‑ tentum (→ 10.2.1) war eine Gründungs‑ ausstattung für Klöster und Tempel im mittelalterlichen Indien aber keineswegs obligatorisch. Ein typisches Stiftungsmus‑ ter bestand vielmehr darin, dass der (oft adlige) Gründer einer religiösen Institution den König um eine Landstiftung für deren dauerhaften Unterhalt ersuchte. Stiftungsvermögen wurde im mittelal‑ terlichen Indien „für so lange, wie Mond und Sonne, die Ozeane und die Erde, Flüsse und Berge existieren“ (→ 1.6.3), d. h. ‚auf ewig‘, vergeben. Nicht zuletzt die Tatsa‑ che jedoch, dass wohl kaum eine mittel‑ alterliche indische Stiftung heute noch in Funktion ist, belegt, dass es im Laufe der Zeit zu beträchtlichen Eingriffen in die Um‑ setzung des Stifterwillens gekommen sein muss. Für Besitzumschichtungen dürften vor allem Konfiskationen verantwortlich zu machen sein. Anders als im lateinischen Christentum (→ 10.2.2) waren nach indi‑ scher Rechtsauffassung weder Verkauf noch Tausch gestifteter Liegenschaften durch die Empfänger oder Verwalter der Dota‑ tion zulässig. Mitunter finden sich in den Urkunden selbst Verfügungen, die eine

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Weitergabe durch Verkaufen, Verpfänden oder Verschenken ausdrücklich verboten. Lediglich das Vererben war statthaft und sogar explizit erwünscht, um die Konti‑ nuität der jeweiligen Stiftung zu garantieren. Darüber hinaus gibt es einige Belege dafür, dass insbesondere königliche Stifter unter bestimmten Umständen die von ihnen einst vergebenen Güter später austauschten, falls diese dem Stiftungszweck nicht mehr die‑ nen konnten, zum Beispiel wenn die Bauern eines Dorfes geflohen waren und mithin keine Ernteerträge mehr erwirtschafteten. Für die im Altertum gestifteten Geld‑ deposita waren in der Regel sowohl die genaue Höhe des ‚unvergänglichen Kapitals‘ (akṣayanīvī; → 1.6.3) als auch die jährlich für klar definierte Zwecke auszuschütten‑ den Zinsen festgeschrieben worden, woraus sich jeweils die Zinssätze errechnen lassen. Im Unterschied dazu zeichneten sich könig‑ liche Dorf‑ und Landstiftungen des späten Altertums und frühen Mittelalters dadurch aus, dass die Höhe der Erträge meist nicht fixiert, sondern nur mit bestimmten Fiskal‑ termini umschrieben wurde, für die man zum Teil allgemeine Steuersätze aus der Rechtsliteratur kennt, wie beispielsweise das berühmte ‚Sechstel‘ (ṣaḍbhāga), die üb‑ liche Erntesteuer.2 Differenzen im Umfang der Erträge ergaben sich aus der Zahl und Größe der vergebenen Dörfer und Lände‑ reien, wobei zumindest für einzelne Fel‑ der meist deren genaue Maße festgehalten wurden. Erst ab dem 11. Jahrhundert setzte sich die Tendenz durch, bereits in den Stif‑ tungsurkunden selbst feste Summen der zu erwartenden Erträge anzugeben.

Stiftungsvermögen und erträge

beurkundete Stiftungen von Dörfern (grāma) und Land (bhūmi). Der eigentli‑ che Stiftungsvorgang wurde spätestens seit dem 5. Jahrhundert durch eine Wasser‑ libation bekräftigt. In den verschiedenen Gebieten Indiens waren unterschiedliche Ausdrücke gebräuchlich, z. B. die Formel udakasargeṇa, ‚mit dem Versprengen von Wasser‘. Hinsichtlich der Bedeutung dieser Prozedur ist wohl Dinesh Chandra Sircar zuzustimmen, der vermutet hat: „[It] refers to the custom of pouring water in the hand of the donee while making the ceremonial gift of an object which cannot be placed in the latter’s hands“.3 Das Spektrum der Dotationen ‚unbe‑ weglichen‘ Kapitals reichte „von einzel‑ nen Feldern und Gärten bis zu mehreren Dörfern, wobei der wesentliche Unter‑ schied wohl zwischen der Vergabe von Bodenparzellen in einem Dorf einerseits und von ganzen Dörfern andererseits be‑ stand. Die gängige Interpretation dieser Differenz geht davon aus, daß es sich bei der Verleihung von Dörfern prinzipiell um königliche Steuerpfründen, also um die Übertragung bestimmter Abgaben an den Begünstigten handelte, die die Krone zuvor selbst eingezogen oder zumindest bean‑ sprucht hatte. Im Unterschied dazu sollen bei der Stiftung von Feldern tendenziell eigentumsähnliche Rechte gewährt wor‑ den sein.“4 Von Dynastie zu Dynastie und von Region zu Region war das Verhältnis zwischen den zwei Dotationstypen unter‑ schiedlich. Gesamtindisch überwogen die Stiftungen ganzer Dörfer. Je größer das Territorium war, über das eine Dynastie herrschte, desto höher fiel der Anteil von Dorfverleihungen (im Vergleich zur Verga‑ be einzelner Liegenschaften) am gesamten 10.6.2  Unbewegliches Kapital Dotationsaufkommen aus. Als Schlüssel zur Einschätzung des Cha‑ Zu dieser Form des produktiven Kapitals zählten im mittelalterlichen Indien in ers‑ rakters königlicher Dorf‑ und Landstiftun‑ ter Linie königliche, meist auf Kupfertafeln gen können die mitverliehenen Privilegien

Indien

angesehen werden.5 Auffällig ist hier, dass die zu einer bestimmten Zeit in einer Re‑ gion unter einer konkreten Dynastie ur‑ kundlich aufgeführten fiskalischen und administrativen Rechte in der Regel vom Stiftungsobjekt unabhängig waren. Dar‑ aus könnte man entweder schließen, dass die Privilegienlisten der Urkunden nicht die tatsächlich vergebenen Rechte wider‑ spiegelten, oder aber, dass mit Dorf‑ eben‑ so wie mit Landstiftungen prinzipiell die gleichen Ansprüche verbunden waren.6 Wenn man von der letztgenannten Inter‑ pretation ausgeht, müsste man weiterhin vermuten, dass der Unterschied zwischen beiden Dotationstypen ein rein quanti‑ tativer war und dass es sich in beiden Fällen primär um Steuerübertragungen handelte. Die konkreten Gewichtungen zwischen diesen beiden Liegenschaftska‑ tegorien könnten mit Flächenknappheit (oder Flächenüberschuss) sowie mit un‑ terschiedlicher Bodenfruchtbarkeit und Bewirtschaftungsintensität, aber auch mit der Art der Empfänger (Einzelpersonen oder Institutionen) zusammengehangen haben.7 Die Privilegien und Immunitäten (→ 10.6.5) königlicher Dorf‑ und Land‑ stiftungen wurden als auf das Dotations‑ objekt bezogene Attribute formuliert, die häufig durch vorgestelltes sa° (‚mit …‘) be‑ ziehungsweise a° (‚ohne …‘) gebildet waren – je nachdem, ob es sich dabei um einen mitverliehenen fiskalischen Anspruch oder um die Befreiung von einer Verpflichtung handelte. Auch wenn Herleitung und Be‑ deutung dieses Spezialvokabulars oft nicht klar sind, scheint sicher zu sein, dass die mit sa° gebildeten Termini die Dörfer und Ländereien als Steuerpfründen definier‑ ten.8 Die dem Begünstigten zugesproche‑ nen Erntesteuern aus den Ackerflächen – die ursprünglich der Krone zustehen‑ den Fiskaleinnahmen aus den ländlichen

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Gebieten – zählten zu den Haupterträgen aus ‚unbeweglichem‘ Stiftungsvermögen. Hierzu gehörten im indischen Mittelalter zwar in erster Linie Naturalabgaben, doch erfolgte deren Bemessung nicht selten in Geldform. Das sehr häufig anzutreffen‑ de Begriffspaar sodraṅga – soparikara be‑ zeichnete die Vergabe der Haupt‑ und Ne‑ bensteuern, und der ebenfalls gut belegte Terminus sadhānyahiraṇyādeya stand für die Umwidmung jeglicher Einnahmen in Naturalien (dhānya, ‚Getreide‘) und Geld (hiraṇya, ‚Gold‘) an den Stiftungsempfän‑ ger. 9 Erst ab dem 11. Jahrhundert ging man zu quantitativ klareren Festlegungen über. Obwohl mit den meisten Kupfertafel‑ urkunden ‚lediglich‘ ein Dorf oder einzelne Felder (kṣetra) vergeben wurden, konnte durch eine Stiftung auch erheblich mehr Besitz übertragen werden. Die mit insge‑ samt 85 Kupfertafeln besonders umfangrei‑ che Tiruvindalur‑Urkunde aus Tamilnadu bezeugt, dass im 11. Jahrhundert zwei süd‑ indische Coḷa‑Könige 44 Dörfer zu einer Einheit zusammenfassen ließen und an ca. 660 Brahmanen vergaben.10 Nach Aussage der ebenfalls aus dem 11. Jahrhundert da‑ tierenden Chandravati‑Urkunde stiftete der nordindische Gāhaḍavāla‑König Candra‑ deva einen ganzen Distrikt – d. h. dessen Steueraufkommen – im Gebiet um Benares an 500 Brahmanen. In dem Dokument ist explizit festgehalten, dass einige bereits vergebene Dörfer des betreffenden Dis‑ trikts von der Stiftung ausgenommen wa‑ ren.11 Eine allgemeine Formel, der zufolge früher gestiftete religiöse Gaben prinzipiell von den aktuellen Dotationen unberührt bleiben sollten, findet sich in zahlreichen Urkunden.12 Neben umfangreichen Einzel‑ stiftungen an Gruppen von Begünstigten und Institutionen liegen auch Belege für wiederholte Dotationen an ‚ausgewählte‘ Begünstigte vor. Im 9. Jahrhundert ließ der zentralindische Rāṣṭrakūṭa‑König

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Govinda III. (mindestens) vier Urkunden zugunsten ein und desselben Brahmanen aus Süd‑Maharashtra ausstellen, mit de‑ nen diesem innerhalb von zehn Jahren insgesamt vier Dörfer und sechs kleinere Weiler im Nordosten von Maharashtra zu‑ gesprochen wurden.13 Von dem berühmten buddhistischen Klosterkomplex im ostindischen Nālandā ist aus den Berichten der chinesischen Pil‑ germönche bekannt, dass er über umfang‑ reichen Landbesitz aus Stiftungen verfügt haben muss. In der Biographie Xuanzangs, der im 7. Jahrhundert Nālandā besuchte, ist festgehalten: „The king of the country respects and honours the priests, and has remitted the revenues of about 100 villa‑ ges for the endowment of the convent.“14 Im Reisebericht des Yijing, der sich dort in der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts aufhielt, heißt es sogar, die Erträge aus 200 gestifteten Dörfern hätten für die Versor‑ gung der Klosteranlage zur Verfügung ge‑ standen: „They have been bestowed [upon the monastery] by kings of many genera‑ tions. Thus the prosperity of the religion continues ever“15. Urkundlich belegt ist allerdings nur ein Bruchteil der Dotatio‑ nen, aus denen sich dieses Vermögen zu‑ sammensetzte. Einen Spezialfall für das Stiftungsmuster, dass der Gründer einer religiösen Institution den König um eine Landstiftung für deren dauerhaften Un‑ terhalt ersuchte, dokumentiert eine Ur‑ kunde des Pāla‑Herrschers Devapāla aus dem 9. Jahrhundert über dessen Stiftung von fünf Dörfern an eines der Klöster in Nālandā, und zwar das, welches ein Kö‑ nig des Inselreiches Sumatra dort hatte errichten lassen.16 Kumulative Angaben – nicht zum Stif‑ tungsvermögen bestimmter Empfänger, aber zum von einzelnen Dynastien ge‑ stifteten Gesamtvermögen – finden sich ebenfalls in den Inschriften. So wird in

Stiftungsvermögen und erträge

einer Kupfertafelurkunde von Rāṣṭrakūṭa Indra III., der im frühen 10. Jahrhundert in Zentralindien regierte, behauptet, er habe 650 Dörfer „an Götter und Brahma‑ nen“ gestiftet. Diese Zahl bezieht sich aber wohl insgesamt auf die von Indra III. und seinen Vorfahren, mithin auf die innerhalb von 150 Jahren Herrschaft der Dynastie vergebenen religiösen Stiftungen.17 Nur wenige Jahre später ließ Govinda IV., Sohn und Nachfolger von Indra III., in analogem Kontext auf 600 an Brahmanen und 800 an Götter gestiftete Dörfer verweisen.18 Bemerkenswert ist, dass die jeweiligen Textpassagen nicht nur kumulative An‑ gaben zu den gestifteten Dörfern, sondern auch zu den damit zu erzielenden Erträgen enthalten – bemessen in dramma, einer Silbermünze, beziehungsweise in suvarṇa, der Goldwährung.19 Neben Königen und Vasallenfürsten stifteten mitunter auch Königinnen so‑ wie Kronprinzen und andere männliche Mitglieder der Herrscherfamilien Dörfer und Steuereinkünfte aus Ländereien, wo‑ bei sie in der Regel zuvor die Zustimmung des Regenten einzuholen hatten. Nur bei einem recht kleinen Teil der fürstlichen und bei den wenigen dokumentierten pri‑ vaten Landstiftungen des indischen Mit‑ telalters handelte es sich wohl um echte Übertragungen von Bodenparzellen. Hier‑ von ist beispielsweise dann auszugehen, wenn Liegenschaften zunächst von Dritten erworben werden mussten, um in eine Stiftung eingebracht werden zu können. Hierzu zählen auch die auf Kupfertafeln beurkundeten Kauf‑Stiftungstransaktionen (→ 5.6.3) aus dem ostindischen Bengalen des 5. / 6. Jahrhunderts. Bei den Objekten handelte es sich um Land, vorzugsweise Brachflächen,20 die Privatpersonen – Kauf‑ leute, Beamte, Schreiber und sogar Brah‑ manen – unter Angabe des Zwecks regio‑ nalen Verwaltungsbehörden abkauften, um

Indien

sie als religiöse Dotationen den jeweiligen Destinatären übergeben zu können.21 Dass es typologische Unterschiede bei gestifteten Ländereien in Indien gab, be‑ stätigt Yijing: „According to the teaching of the Vinaya, when a cornfield is culti‑ vated by the Sangha [the Brotherhood or community], a share in the product is to be given to the monastic servants or some other families by whom the actual tilling has been done. Every product should be divided into six parts, and one‑sixth should be levied by the Sangha; the Sangha has to provide the bulls as well as the ground for cultivation, while the Sangha is responsible for nothing else. Sometimes the division of the product should be modified according to the seasons. Most of the monasteries in the West 22 follow the above custom, but there are some who are very avaricious and do not divide the produce, but the priests themselves give out the work to servants, male and female, and see that the farm‑ ing is properly done. Those who observe the moral precepts do not eat food given by such persons“23. Die von Yijing favorisierte Konstella‑ tion dürfte die klassische Steuerpfründe gewesen sein, bei der die übliche Ernte‑ steuer ṣaḍbhāga, das berühmte Sechstel, für einzelne Ländereien oder ganze Dörfer nicht mehr an die Krone, sondern an das jeweilige Kloster abzugeben war. Missbilli‑ gend äußert sich der chinesische Besucher jedoch über monastische Gemeinschaften, die nach seinem Verständnis zu stark in ackerbauliche Aktivitäten involviert wa‑ ren, auch wenn sie vermutlich nicht selbst Hand anlegten. Diese Stigmatisierung der Beteiligung von Mönchen (und Nonnen) an landwirtschaftlichen und gartenbau‑ lichen Tätigkeiten hängt mit dem strik‑ ten Gebot des Nichttötens zusammen, das auch Kleinstlebewesen einschloss. Gerade Übertragungen ‚echten‘ Landbesitzes (im

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Unterschied zu ‚reinen‘ Steuerpfründen) bargen aber wohl die Gefahr eines zu star‑ ken Engagements der Ordinierten – bei Verhandlungen mit den Pächtern oder bei der Organisation der Arbeiten durch Klos‑ terbedienstete. Interessant ist in diesem Zusammen‑ hang, dass insbesondere westindische Stiftungsurkunden auch Nutzungsbe‑ stimmungen enthalten, die über die Verfü‑ gungsmöglichkeiten hinausgingen, welche eine Steuerpfründe normalerweise bot. So heißt es beispielsweise in den Maitraka‑ Urkunden des 6. und 7. Jahrhunderts aus Gujarat mit Bezug auf buddhistische eben‑ so wie auf brahmanische Stiftungsempfän‑ ger, dass „keine Behinderung desjenigen [asya] erfolgen darf, der das vergebene Dorf / Land nach den üblichen Regeln ge‑ nießt [bhuñjataḥ], [selbst] pflügt [kṛṣataḥ], pflügen lässt [karṣayataḥ] oder [dies] an‑ weist [pradiśato vā]“.24 Während als relativ gesichert gelten kann, dass es im Altertum und Mittelalter Brahmanen gab, die sich als Bauern betätigten,25 ist höchst zwei‑ felhaft, ob ein analoges Phänomen unter indischen buddhistischen Mönchen eben‑ falls verbreitet war. Bei der Stiftung eines ganzen Dorfes wurde in der Regel festgehalten, in wel‑ chem Distrikt dieses lag und welche die Nachbarorte waren. Bei der Vergabe ei‑ ner einzelnen Landparzelle wurden deren Größe und Lage in der Dorfflur sowie die angrenzenden Grundstücke vermerkt. Stiftungen an religiöse Empfänger um‑ fassten neben Feldern (kṣetra) Bewässe‑ rungsanlagen wie Zisternen (vāpī) und Brunnen (kūpa), Obstplantagen (ārāma, ‚Hain‘) und Blumengärten (vāṭikā).26 Ab dem 11. Jahrhundert wurden mitunter Öl‑ mühlen und Läden gestiftet. In den Texten aller religiösen Tradi‑ tionen Indiens wurde die Frage disku‑ tiert, welche Güter Mönche und Priester

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überhaupt in Empfang nehmen durften. Die brahmanischen Rechtslehrer des Al‑ tertums und Mittelalters (→ 5.6.2) emp‑ fahlen Herrschern nachdrücklich, Land (bhūmi) an Brahmanen zu vergeben. In buddhistischen kanonischen Texten wur‑ de zwischen solchen Objekten unterschie‑ den, die einzelne Ordinierte annehmen durften, und anderen, die nur dem Or‑ den gemeinschaftlich zustanden. Eine entsprechende Passage, die auch Yijing in seinem Bericht wiedergibt, findet sich im ‚Mūlasarvāstivādavinaya‘: „Felder [kṣetravastu], Häuser [gṛhavastu], Läden [āpaṇavastu] (…) sind nicht zu verteilen, [sondern] zu Allgemeingütern für die ‚Mönchsgemeinschaft der vier Weltgegen‑ den‘ zu machen.“27 Der Terminus cāturdiśa bhikṣusaṃgha, ‚Mönchsorden der vier Weltgegenden‘, bezeichnete die gesamte Gemeinde der Mönche; an der Idee des Einheitsordens hielt man auch nach einer Aufspaltung in lokale Gemeinschaften fik‑ tiv fest. Nach Aussage des Ordensrechts der Richtung des Theravāda wiederum galt bereits der Versuch von Königen, Ver‑ wandten beziehungsweise Frauen, einem einzelnen Mönch Ackerland oder Bau‑ grund zum Geschenk machen zu wollen, als potentiell so ‚gefährlich‘, dass dieses Ansinnen den Ordinierten dazu berech‑ tigte, seinen obligatorischen Aufenthalt in einer Regenzeitunterkunft zu unter‑ brechen und diesen Ort zu verlassen.28 Brahmanen siedelten sich häufig in den Dörfern an, die ihnen gewährt worden wa‑ ren oder in denen sich die ihnen übertra‑ genen Liegenschaften und Immobilien be‑ fanden. Klöster und Tempel wurden nicht selten genau mit der Siedlung bedacht, in der sie gegründet worden waren.29 Eine große Zahl der heute bekannten Kupfer‑ tafelurkunden ist an den Orten oder zu‑ mindest in der Nähe der Orte entdeckt wor‑ den, die mit den gestifteten Dörfern oder

Stiftungsvermögen und erträge

mit den Siedlungen, in denen die Lände‑ reien lagen, identifiziert werden können.30 10.6.3  Bewegliches Kapital Die wichtigste Form einer Stiftung beweg‑ lichen Kapitals stellte im vormodernen Indien das Gelddepositum dar. Der Zweck von Geldstiftungen war in der Regel der gleiche wie bei Dorf‑ und Landdotationen: Erträge aus einem solchen Depositum soll‑ ten für den Unterhalt religiöser Institu‑ tionen und Personen verwendet werden. Mit einer bestimmten Summe Geldes, oft als akṣayanīvī, ‚unvergängliches Kapital‘ (→ 1.6.3), bezeichnet, waren Zinsen zu erwirtschaften, die für die vom Stifter be‑ stimmten Ziele eingesetzt werden konn‑ ten. Obwohl es auch Belege für königliche Geldstiftungen gibt, waren Deposita – wie Dotationen einzelner Liegenschaften – vor allem das Betätigungsfeld privater Stifter, während Steuerpfründen (Dörfer, Felder) Herrschern und gegebenenfalls Vasallen‑ fürsten vorbehalten blieben. Geldstiftun‑ gen konnten prinzipiell von jedem getätigt werden, der über die entsprechenden Mit‑ tel verfügte, auch von Laienfrauen sowie von Mönchen und Nonnen. Über die Her‑ kunft der jeweiligen Geldsumme geben die Stiftungsdokumente in der Regel keine Auskunft. In verschiedenen Regionen und Zeiten finden unterschiedliche Münzar‑ ten Erwähnung. Typisch für Geldstiftun‑ gen war, dass oft genaue Zinsbeträge für spezielle Verwendungszwecke festgelegt wurden. Um die Rolle der mittelalterlichen Geld‑ stiftungen bewerten zu können, ist ein Blick auf die Geschichte dieses Dotationstyps im Altertum erforderlich. Für religiöse Zwecke gestiftete Deposita sind in Indien bereits in den ersten Jahrhunderten u. Z. belegt, und zwar vor allem in an buddhistischen

Indien

Höhlenanlagen der indischen Westküste angebrachten (Stein‑)Inschriften. Wie aus diesem epigraphischen Material hervor‑ geht, war es in der Zeit vom 1. bis zum 3. Jahrhundert durchaus üblich gewesen, dass ein Stifter die Gründung einer Klos‑ ter‑ oder Kulthöhle, eines Gebäudeteils oder einer Zisterne mit einer Geldstiftung, beispielsweise für die Versorgung der Mön‑ che mit Medizin, verband.31 In dem Gebiet, auf dem die Dynastien der Sātavāhanas, Westlichen Kṣatrapas und Abhīras neben‑ beziehungsweise nacheinander regierten, wurden in den Stiftungsinschriften meist genaue Verfügungen dazu erlassen, bei wem und zu welchen Konditionen die gestif‑ tete Geldsumme deponiert werden sollte. Gilden (śreṇi) übernahmen die Funktion von Banken und wickelten die erforder‑ lichen Geldgeschäfte ab, und die pro Jahr festgelegten Zinssummen entsprachen im Verhältnis zum eingesetzten Stiftungskapi‑ tal den in den brahmanischen Rechtstexten empfohlenen Zinssätzen. Nicht nur an der Westküste und im Bud‑ dhismus‑Kontext sind Geldstiftungen des Altertums belegt: Gleichartige Dotationen an hinduistische Tempel erfreuten sich im 4. / 5. Jahrhundert unter den Ikṣvākus im Südosten und den Guptas in Nordindien einer gewissen Beliebtheit.32 Aus dem al‑ ten buddhistischen Zentrum von Sanchi im heutigen Madhya Pradesh stammen ebenfalls einige Dokumente der Gupta‑Zeit, die Stiftungen von Gelddeposita bezeugen. So heißt es in einer Steininschrift aus dem Jahr 131 der Gupta‑Ära (450 u. Z.): „Von der Frau des Laienanhängers Sanasiddha, der Laienanhängerin Harisvāminī, wurden dem ‚edlen Orden der vier Weltgegenden‘ im Großkloster von Kākanādaboṭa zwölf dīnāra als akṣayanīvī gegeben. Durch den Zins, der von diesen dīnāra entsteht, ist Tag für Tag ein dem Orden beigetretener Mönch zu speisen. Auch im Allerheiligsten

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wurden drei dīnāra gegeben. Durch den Zins dieser drei dīnāra ist tagtäglich im Allerheiligsten eine Lampe für den Bud‑ dha anzuzünden. Darüber hinaus wur‑ de bei der caturbuddhāsana[‑Plastik] ein dīnāra gegeben. Durch dessen Zins ist beim caturbuddhāsana [‚Thron mit vier Buddhas‘] tagtäglich eine Lampe für den erhabenen Buddha anzuzünden. So wurde dieses un‑ vergängliche Depositum, das auf einen Stein, [der] so lange wie Mond und Sonne [existiert], zu schreiben ist, durch die Her‑ rin, die Gattin des Sanasiddha, die Laiin Harisvāminī, festgesetzt.“33 Bemerkenswert ist, dass hier Bestimmungen zur Zinshöhe und zum Depotverwalter fehlen. Die vom 1. bis zum 3. Jahrhundert an der indischen Westküste zugunsten der buddhistischen Höhlenklöster bei Gil‑ den deponierten Summen (und die damit zu erwirtschaftenden Zinsen) waren in Kupferwährung (Prakrit / Pali kahāpaṇa; Sanskrit karṣāpaṇa) angegeben worden. Das Stiftungskapital in der Gupta‑Zeit (4. bis 6. Jahrhundert) wurde dann hingegen auf der Basis des Goldstandards dīnāra festgelegt. Der numismatische Befund kor‑ reliert mit diesen epigraphischen Angaben: Die Sātavāhanas (und ihre Zeitgenossen) emittierten Münzen aus Kupfer und an‑ deren weniger edlen Metallen, die Guptas ließen Münzen aus Gold und Silber prägen. Wie archäologische Grabungen belegen, kam es im Frühmittelalter zu einem dra‑ matischen Rückgang der Münzprägung, der mit einem Niedergang in Fernhandel und Urbanisierung einherging. Diese Ent‑ wicklungen zeigten auch Auswirkungen auf das Stiftungswesen: Im Vergleich zu königlichen Stiftern war der Anteil von privaten Stiftern stark rückläufig, und es wurden kaum noch Geldstiftungen beur‑ kundet.34 Die sehr wenigen Belege für frühmit‑ telalterliche Stiftungen von Gelddeposita

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stammen bezeichnenderweise aus den al‑ ten Zentren des Buddhismus, zum Beispiel aus Kanheri an der indischen Westküste. In den ersten Jahrhunderten u. Z. hatte die Mehrzahl der Unterhaltsstiftungen des an einem alten Handelsweg gelege‑ nen Kanheri aus Gelddotationen bestanden. Nach einer mehrere Jahrhunderte währen‑ den Beleglücke sind akṣayanīvī‑Stiftungen an diese buddhistische Höhlenanlage erst wieder für die zweite Hälfte des 9. Jahr‑ hunderts dokumentiert – nun unter Bezug auf die Silberwährung dramma. Der buddhistischen Klosteranlage von Kṛṣṇagiri (Kanheri) wurden in den Śaka‑Jahren 7[65], 775 und 799 (843/844 bis 877/878 u. Z.) zweckgebunden mehrere Gelddeposita gewidmet. Von den betref‑ fenden Inschriften enthält vor allem die älteste, die allerdings den schlechtesten Erhaltungszustand aufweist, genaue An‑ gaben zum Verwendungszweck. Indem sich der Stifter ehrfurchtsvoll an den „edlen Orden“ in Kṛṣṇagiri wandte (śrīkṛṣṇagirau śrīmadāryasaṅghaṃ praṇamya), teilte er nach den Lesungen von Franz Kielhorn 35 und V. V. Mirashi mit, dass jährlich jeweils eine bestimmte Summe für verschiedene Zwecke auszugeben sei: 20 dramma „für die Verehrung des Erhabenen“ (śrībhagavataḥ pūjārthaṃ), 3 dramma „für Reparaturen von Zerfallenem und Geborstenem an eben‑ diesem Kloster hier“ (ihāsminn eva vihāre vyastavyākīrṇapariṣkaraṇārthaṃ), 5 dramma für Roben (cīvarībhyo) der Mönche und 1 dramma für Manuskripte (pustakārthaṃ). Im Anschluss daran heißt es gemäß Mi‑ rashis Lesung des Sanskrit‑Textes: „Das unvergängliche Depositum [beträgt] hier 40 [und] 40 dramma; [und] 100 plus 20 dramma“ (akṣainīvir drammāś catvāriṃśac catvāriṃśad iha / ekaṃ drammaśataṃ viṃśatyuttaraṃ /).36 Die Art der Umschreibung dieser insgesamt 200 dramma, die wohl die unantastbare Grundsumme (akṣainīvi)

Stiftungsvermögen und erträge

bildeten, lässt darauf schließen, dass die Einzelsummen verschiedenen Personen oder Körperschaften anvertraut wurden. Wenn aus der Einlage von 200 dramma insgesamt 29 (20+3+5+1) dramma an Zinsen für die genannten Zwecke ausgeschüttet werden sollten,37 betrug der jährliche Zins‑ satz 14,5 % und kam demnach den Verhält‑ nissen der Inschriften aus der Sātavāhana‑ Zeit und den Vorgaben der brahmanischen Rechtslehrer sehr nahe.38 Am Ende der Inschrift steht eine abschließende Ermah‑ nung, die daran erinnert, dass die gestiftete Summe „so wie Ehefrau und Kinder zu beschützen“ sei (eteṣāṃ drammāṇāṃ [sic!] kalatraputravat pratipālanīya[ḥ*]).39 In der Kanheri‑Inschrift aus dem Śaka‑ Jahr 7[65] war je ein konkreter Anteil für den Buddha (Durchführung des Kultus), für den saṃgha (Versorgung der Ordi‑ nierten), für den vihāra (Erhaltung des Klosters) und für den dharma (Verbrei‑ tung der Lehre) bestimmt. Damit ist in diesem Stiftungsdokument – wie in eini‑ gen zeitgenössischen Urkunden aus Ostin‑ dien (→ 8.6.3) – die klassische dreifache Zweckbindung der Epigraphik (buddha, saṃgha und vihāra) mit dem Konzept der ‚drei Juwelen‘ (triratna: buddha, dharma, saṃgha) der buddhistischen normativen Texte verknüpft. Im ‚Cīvaravastu‘ der buddhistischen Mūlasarvāstivāda‑Richtung heißt es zur Verteilung von Finanzmitteln, die an den Orden fallen konnten: „Geld und Gold so‑ wie anderes gemünztes und ungemünztes [Metall] sind in drei Teile zu teilen: einer [sei] für den Buddha, der zweite für die Lehre, der dritte für den Orden“ (suvarṇaṃ ca hiraṇyaṃ cānyac ca kṛtākṛtaṃ trayo bhāgāḥ kartavyāḥ / eko buddhasya / dvitīyo dharmasya / tṛtīyaḥ saṃghasya /).40 Diese Regel findet sich auch im Bericht des chine‑ sischen Pilgers Yijing, allerdings in etwas erweiterter, gewissermaßen komplettierter

Indien

Form: „Gold, silver, wrought and un‑ wrought goods, shells [cowrie, Kapardaka], and coins, are divided into three portions, for the Buddha, for Religion [Dharma], and for the priesthood [Sangha].“41 Auffällig ist vor allem der Verweis auf Kauri‑Muscheln, deren Verwendung als Zahlungsmittel be‑ reits früheren chinesischen Besuchern in Indien aufgefallen war.42 Die Benutzung von Kauris, die Münzen als Geldäquivalent (zumindest teilweise) ablösten, wird in der Forschung als ein Indikator für den Verfall der Geldwirtschaft im späten Altertum und frühen Mittelalter gewertet.43 Nach einer Phase der Fundarmut in Hinsicht auf Münzen zwischen 600 und 900 u. Z. nahmen auch inschriftliche Er‑ wähnungen von Münzen seit dem 10. Jahr‑ hundert wieder zu. Der Begriff dramma, der sich unter anderem in den drei erwähnten Geldstiftungen aus Kanheri findet, die aus der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts datieren, wurde zu einem verbreiteten Terminus für Silbermünzen im indischen Mittelalter.44 Doch ist auffällig, dass die Kalkulation von Abgabenhöhen auf der Basis von Münzstandards auch in Gebieten erfolgte, für die eine eigene Münzprägung zu dieser Zeit noch nicht wieder belegt ist. So hat man bisher keine von der zen‑ tralindischen Dynastie der Rāṣṭrakūṭas emittierten Münzen gefunden, doch in den Inschriften ihrer Herrscher wurde seit dem 10. Jahrhundert das Steueraufkommen be‑ reits früher gestifteter Dörfer (→ 10.6.2) kumulativ in dramma und zuweilen auch in Gold angegeben. In den betreffenden Urkunden ist in der Regel davon die Rede, dass diese Dörfer ‚mit‘ (saha) den genann‑ ten dramma‑ oder suvarṇa‑Beträgen be‑ stätigt oder gegeben worden waren. Aus den Formulierungen geht jedoch klar her‑ vor, dass es sich bei diesen Geldsummen nicht um zusätzliche Stiftungen zu den Dörfern gehandelt hatte. Diese Beträge

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standen vielmehr für die aus diesen Dör‑ fern zu erwartenden Steuereinkünfte. Die Rāṣṭrakūṭas hatten in zweihundert Jahren Herrschaft hunderte Dörfer vergeben, de‑ ren jeweilige Steuereinnahmen zwischen 3 000 und 5 000 dramma gelegen haben müssen.45 Ein ähnliches Phänomen lässt sich auch unter den zeitgenössischen Königen der ostindischen Pāla‑Dynastie nachweisen, und zwar in diesen Fällen nicht nur kumu‑ lativ für bisher bereits erfolgte Dotationen, sondern in konkreten Einzelstiftungen von Gopāla II. und Mahīpāla I. Die Währung, die hier den Silberstandard darstellte, ist nicht immer ausdrücklich genannt. Wie aber einige Belege zeigen, handelte es sich um den Münzwert purāṇa. Ryosuke Furui, der in jüngerer Zeit mehrere Urkunden der Pālas ediert hat, interpretiert die entspre‑ chenden Angaben wie folgt: „These refer‑ ences seem to indicate the estimation of product from a settlement or a land plot in terms of some currency unit (…). (…) the unit used in these cases as a standard is purāṇa, a unit of silver currency which may be a notional unit rather than a real coined currency in this period.“46 An der indischen Westküste finden sich erst ab dem 11. Jahrhundert, unter den Śilāhāras, den Nachfolgern der Rāṣṭrakūṭas, Verweise auf dramma (und andere Münz‑ bezeichnungen) im Kontext konkreter Stif‑ tungen von Dörfern und Ländereien. An der nördlichen Konkan‑Küste, im Gebiet um das heutige Mumbai, wurde gerade‑ zu systematisch festgehalten, welche Er‑ träge von den vergebenen Pfründen zu erwarten waren – vermutlich um Miss‑ brauch vorzubeugen.47 Dass die Zahl der Münzfunde aus dieser Zeit immer noch äußerst gering ist, hat den indischen Histo‑ riker K. M. Shrimali dazu veranlasst, auch für die Śilāhāras von „limited monetiza‑ tion“ zu sprechen. Das Auftreten diverser

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Münzbezeichnungen in den Inschriften dieser Fürsten erklärt er daher so: „It is well known that once the cash system comes into use, even when it falls into comparative disuse, the old practice of computing prices and payments in cash continues. It is therefore not improbable that some of the allusions to cash dona‑ tions may have been spelt out only in a notional sense rather than in specific mon‑ etary terms.“48 Die Prägung von Münzen setzte in den verschiedenen Regionen In‑ diens zu unterschiedlichen Zeiten wieder ein. In Zentralindien geschah dies in einem nennenswerten Umfang hinsichtlich der Gold‑ und Silberwährung erst unter den Yādavas am Ende des 12. Jahrhunderts, und dieser Aufschwung in der Geldwirtschaft wirkte sich auch auf die Nachbarregionen aus.49 Wenn einleitend festgestellt worden ist, dass Gelddeposita die wichtigste Form von Stiftungen beweglichen Kapitals im vor‑ modernen Indien bildeten, so impliziert das die Existenz weiterer Vermögensarten, die in diese Kategorie fielen. Während bei Gelddeposita klar ist, dass sie zumindest das Potential hatten, als produktives Kapi‑ tal materielle Erträge zu erzeugen, scheint dies bei diversen anderen Gegenständen nicht der Fall gewesen zu sein. Viele im Mittelalter in Indien gestiftete Utensilien sind eher dem symbolischen Kapital zuzu‑ rechnen. Für den besonderen symbolischen Gehalt dieser Gegenstände spricht auch, dass der mit ihrer Übergabe verbundene Stiftungsakt nicht selten in einer auf den betreffenden Objekten selbst angebrachten Widmungsinschrift dokumentiert ist. Einen der außerordentlich raren Belege für pauschal gestiftete Utensilien liefert hingegen eine ostindische Urkunde aus dem 6. Jahrhundert, die auch hinsichtlich der Begünstigten eine Besonderheit dar‑ stellt, da die Dotation beziehungsweise

Stiftungsvermögen und erträge

Dotationsbestätigung einem Ājīvika‑ Orden galt. Die Ājīvikas sind als Konkur‑ renten der Buddhisten und Jinisten vor allem aus den Quellen der letzten Jahr‑ hunderten v. u. Z. bekannt. Zu den in der bengalischen Urkunde vom Beginn des 6. Jahrhunderts aufgeführten Stiftungsob‑ jekten zählten „4 Kochtöpfe aus Messing [kāṃsaśrapaṇa] und 4 Wassergefäße aus Messing [kāṃsagalantaka], 3 Behälter für Opfergaben [balibhājana], 2 Wassergefäße aus Kupfer [tāmragalantaka], 8 Hocker aus Elfenbein [dantapīṭhikā] und 6 Bänke aus Elfenbein, (…) 3 Wetzsteine, (…) 40 Tassen, 5 Beile, 20 Schirme“.50 Wozu diese Koch‑, Kult‑ und anderen Utensilien sowie die Sitzmöbel im Einzelnen – zumal in dieser Kombination – benutzt werden sollten, ist jedoch nicht erwähnt. Damit bleibt auch unklar, ob es sich dabei tatsächlich um produktives Stiftungsvermögen handelte. 10.6.4  Selbstbewegliches Kapital Der chinesische Pilgermönch Faxian, der im 5. Jahrhundert Indien bereiste, hielt fest: „Nachdem der Buddha in das parinirvāṇa [eingegangen war], haben alle Könige, Ältesten und Familienvorstände für den saṅgha buddhistische Klöster errichtet, ihm Felder, Häuser, Höfe, Beete, Leute, Kühe und Kälber gegeben und [diese Schen‑ kungen] auf Eisenblätter eingetragen, und seitdem wird [diese Sitte] von König zu König weitertradiert, und niemand wagt es, [diese] abzuschaffen. [So] dauert [die‑ se Sitte] bis heute fort.“51 Dem epigraphi‑ schen Befund zufolge waren Stiftungen abhängiger Menschen in Indien aber eher die Ausnahme (→ 3.6.3), und die konkre‑ ten Modalitäten sind nicht zweifelsfrei nachzuzeichnen. Daher muss man wohl vermuten, dass die Interpretation Faxians in besonderem Maße seiner chinesischen

Indien

Sicht auf indische Verhältnisse geschuldet ist. In Analogie zu der ihm vertrauten bäu‑ erlichen Abhängigkeit in China kam er of‑ fenbar zu dem Schluss, dass die Bearbeiter des Ackerbodens in Indien vergleichbaren Bedingungen unterworfen seien. Einheimische Quellen lassen diese klare Deutung jedoch nicht zu. Bei königlichen Stiftungen von Dörfern und Land wird mitunter an die ansässige Bevölkerung appelliert, die Steuern fürderhin an den oder die Begünstigten zu zahlen. Bei der Vergabe einzelner Felder sind oft Name und Status der aktuellen Bearbeiter des gestifte‑ ten Bodens und der Nachbargrundstücke erwähnt, ohne dass sich Anhaltspunkte für deren Schollengebundenheit finden lie‑ ßen. Die meisten Ackerflächen wurden von freien Bauern und Pächtern bestellt. In den Urkunden der westindischen Maitraka‑Dy‑ nastie tauchen zwei verschiedene Begriffe zur Charakterisierung des Verhältnisses der Bodenbearbeiter zu dem gestifteten Land auf: °prakṛṣṭa, ‚gepflügt von‘, sowie °pratyaya, ‚im Besitz von‘.52 Beide Termini bezeichneten vermutlich unterschiedliche Formen von Pachtverhältnissen. Für die betreffenden Pächter ist in den Stiftungs‑ urkunden meist nicht nur deren Name, sondern auch eine Standesbezeichnung festgehalten. Besonders häufig erscheint der Titel kuṭumbin, der im alten und mit‑ telalterlichen Indien einen freien Bauern bezeichnete. Als mahattara, Dorfälteste, charakterisierte Personen tauchen eben‑ falls als Pächter auf.53 Die einschlägigen Kupfertafelinschriften halten aber nur den Stand zum Zeitpunkt der Stiftungsver‑ fügung fest. Sie lassen keinerlei direkte Schlüsse darauf zu, wie sich das Verhältnis zwischen Pächtern und Stiftungsbegüns‑ tigten in der Folge entwickelte und ob diese Pachtverhältnisse bestehen blieben. Es war also nicht die Regel, dass ab‑ hängige Bauern, Knechte oder Sklaven

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mit gestifteten Dörfern und Einzelliegen‑ schaften mitvergeben wurden. Dennoch finden sich einige Belege dafür, dass zum Umfang einer komplexen Stiftung auch (unfreie) Menschen gehören konnten. Mit einer Kupfertafelurkunde der westindi‑ schen Śilāhāras aus dem 11. Jahrhundert wurden einem hinduistischen Tempel nicht nur drei Dörfer verliehen, sondern auch „Familien [für die Rekrutierung] junger Mädchen [sowie] eine Ölmüllerfamilie, eine Kranzbinderfamilie, eine Töpferfa‑ milie [und] eine Wäscherfamilie“.54 Bei diesen Arbeitskräften scheint es sich um ‚Dienstleister‘ gehandelt zu haben, deren Aufgabe weniger in dem Bestellen der ge‑ stifteten Ländereien bestand als vielmehr in der korrekten Umsetzung der kultischen und anderen Zweckbestimmungen. Für den auf Dauer angelegten Stiftungscharak‑ ter dieser Gabe spricht auch der Umstand, dass Familien vergeben wurden, so dass durch die Nachkommenschaft die stete Reproduktion der Arbeitskräfte (mehr oder weniger) gesichert war. Im Kontext des ‚selbstbeweglichen Kapi‑ tals‘ ist vielleicht auch eine Formel zu ver‑ stehen, die in Stiftungsurkunden der Bhau‑ makara‑Dynastie aus Orissa (9. / 10. Jahr‑ hundert) zu finden ist. Die nach Aussage der betreffenden Kupfertafelinschriften gestifteten Dörfer wurden demnach „mit Webern, Kuhhirten und Schnapsbrennern“ vergeben.55 Die Bedeutung dieser stereo‑ typen Formulierung ist nicht eindeutig,56 doch steht außer Zweifel, dass sie sich nicht auf diejenigen bezog, die mit der Bewirtschaftung ackerbaulicher Flächen unmittelbar beschäftigt waren. In Pali‑Texten zum Ordensrecht der Theravāda‑Richtung werden potentielle Arbeitskräfte eines Klosters unter anderem als ārāmika bezeichnet. Zu diesem Begriff, der abgeleitet ist von ārāma, ‚Hain‘, hier: ‚Kloster‘,57 und für bestimmte Personen

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steht, die ‚zum Kloster gehören‘, hat Pe‑ tra Kieffer‑Pülz festgehalten: „Ārāmikas sind häufig Sklaven (dāsa, dāsi), die den buddhistischen Klöstern oder einzelnen ihrer Mitglieder von Königen oder anderen Herrschern geschenkt wurden. Da bud‑ dhistische Klöster keine Sklaven anneh‑ men dürfen, erhielten sie die Bezeichnung Ārāmika.“58 Ihre rechtliche Stellung wurde in verschiedenen Texten unterschiedlich beurteilt. In Sri Lanka galten sie offenbar formal als Freigelassene.59 In Stiftungsin‑ schriften zugunsten buddhistischer Klöster taucht der ārāmika nicht auf.60 Aber eine andere, als pādamūla bezeichnete Katego‑ rie von Bediensteten (→ 8.6.3) ist epigra‑ phisch in buddhistischen und hinduisti‑ schen Dotationen belegt: Diese Diener soll‑ ten aus Erträgen von Stiftungen versorgt werden; über ihre Herkunft schweigen die Quellen jedoch. Die Tatsache, dass nur selten abhängige Personen gestiftet wurden, kann mit der Existenz eines ausreichend großen Re‑ servoirs an freien Arbeitskräften erklärt werden, das man mittels Arbeitssteuern (viṣṭi) auch zur Dienstleistung verpflichten konnte (→ 10.6.5); andererseits war Brah‑ manen ebenso wie buddhistischen Mön‑ chen der Handel mit Menschen untersagt, so dass sich dieses Stigma auch auf das Akzeptieren von Sklaven als ‚Geschenk‘ auswirkte. Anders verhielt es sich mit Ga‑ ben von Tieren. Brahmanische Rechtstexte und hinduistische Kompendien empfeh‑ len ausdrücklich Dotationen von Vieh, namentlich solche von Kühen,61 die zur Versorgung mit Milch und den daraus zu gewinnenden Produkten dienen sollten. In epigraphischen Quellen wird godāna, die ‚Kuhgabe‘ (→ 3.6.3) ebenfalls geprie‑ sen. Neben Lobeshymnen enthalten die Stiftungsinschriften und ‑urkunden aber auch Informationen über die konkrete Vergabe von Kühen. So stiftete z. B. nach

Stiftungsvermögen und erträge

Aussage einer auf Stein eingravierten In‑ schrift aus dem 6. / 7. Jahrhundert eine Privatperson im ostindischen Buddhagayā, dem Ort von Buddhas Erleuchtung, drei‑ mal 100 Kühe (gośata) für Butterlämp‑ chen (ghṛtapradīpa) vor drei verschiede‑ nen Buddha‑Bildern (buddhapratimā). Wie eine Geldstiftung wurde diese Dotation als akṣayanīvī, ‚unvergängliches Kapital‘, bezeichnet,62 was durchaus gerechtfertigt erscheint, da eine Herde dieser Größe sich fortdauernd selbst reproduzieren konnte und mithin in ihrem Bestand erhalten blieb, wenn auch die potentielle Gefahr eines Totalverlustes blieb. 10.6.5  Immaterielles Kapital Zum immateriellen Kapital, das materielle Erträge abwarf, gehörten diverse Privile‑ gien und Rechte, die in erster Linie von Herrschern, aber auch von anderen Per‑ sonen gewährt wurden. Das Paradebei‑ spiel dieser Kategorie stellt die königliche Steuerpfründe dar, die kaum von den un‑ ter → 10.6.2 behandelten Stiftungen von Dörfern (beziehungsweise Ländereien) zu trennen ist. Solche Gaben bestanden in erster Linie aus den ‚mitverliehenen‘ Rega‑ lien und Immunitäten, die ihrerseits ganz klar an das übertragene Land gebunden waren.63 An der Spitze der Aufzählungen von aus einer Steuerpfründe abzuleitenden Rechten wurden in der Regel fiskalische Privilegien aufgeführt, wobei jedoch tat‑ sächliche Übertragungen des hoheitlichen Rechts auf Steuereinziehung an den Be‑ günstigten (ausgedrückt z. B. durch mit sa°, ‚mit‘, eingeleitete Komposita) von ein‑ fachen Steuerbefreiungen gegenüber der Krone (z. B. durch mit a°, ‚ohne‘, eingeleitete Komposita ausgedrückt) nicht immer klar zu unterscheiden sind. Festzuhalten ist

Indien

aber, dass religiöse Stiftungen keinesfalls automatisch als steuerbefreit gegenüber dem Herrscher galten. Mitunter bestan‑ den Steuerpflichten teilweise weiter oder mussten durch Dritte abgegolten worden, vorrangig wohl durch diejenigen, die sich für die betreffende Stiftung an eine be‑ stimmte Institution verwendet hatten. In diesem Kontext ist beispielsweise die ab‑ schließende Verfügung einer zentralindi‑ schen Rāṣṭrakūṭa‑Urkunde aus dem frühen 9. Jahrhundert erwähnenswert. Dem ent‑ sprechenden Passus zufolge waren „dem edlen Distriktoberhaupt 5 000 pro Jahr zu geben“.64 Die Stiftung eines Dorfes an einen Brahmanen hatte der Rāṣṭrakūṭa‑König Govinda III. auf Bitte eines Fürsten vorge‑ nommen, so dass die Vermutung naheliegt, dass dieser jährlich 5 000 (dramma) als Ausgleich für die der Krone entgehenden Einkünfte aus diesem Dorf an den Distrikt zu zahlen hatte. Die Übertragung der fiskalischen An‑ sprüche des Herrschers auf einen Anteil an der Ernte stellte die Hauptertragsquelle aus den als Steuerpfründen gestifteten Dör‑ fern oder Ländereien dar. Darüber hinaus gab es noch eine Reihe von Nebenrechten, die – obwohl auch sie an das betreffende Land gebunden waren – zwar eher imma‑ teriellen Charakter hatten, aber ebenfalls materielle Erträge und Vergünstigungen generierten. Hierzu zählten unter ande‑ rem juristische Immunitäten und Befug‑ nisse, in erster Linie das oft vergebene ‚[Recht auf] Strafgelder und [auf] die [Ahn‑ dung der] zehn Vergehen‘; mit der Formel sadaṇḍadaśāparādha wurde die Zuständig‑ keit für die niedere Gerichtsbarkeit an den Empfänger der Stiftung delegiert, wobei entsprechende Verstöße der ansässigen Bevölkerung von dieser durch Strafgelder abzugelten waren.65 Regelmäßig wurden Dörfer und Ländereien auch ‚mit der an‑ fallenden Arbeitspflicht (viṣṭi)‘ gestiftet.

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Das Privileg sotpadyamānaviṣṭika bezog sich auf die Arbeitssteuern, den seit dem Altertum bekannten Anspruch des Kö‑ nigs, die Dorfbewohner zu unbezahlten Tätigkeiten immer dann heranziehen zu können, wenn öffentliche Vorhaben dies erforderten.66 Mitunter tauchen spezielle Privilegi‑ en auf, wie ‚mitsamt den baumbestan‑ denen Waldstücken‘ (savṛkṣamālākula) oder ‚mit Holz, Gras, Teichen, Brunnen‘ (sakāṣṭhatṛṇakūpataḍāgopeta).67 Seit dem 12. Jahrhundert wurden Dörfer auch pau‑ schal ‚mit den acht Privilegien‘ (aṣṭabhoga) vergeben, die nur selten spezifiziert waren. Es gab verschiedene Listen, die mitunter mehr als acht Elemente enthielten, so dass man diese Zahl wohl nicht wört‑ lich, sondern im Sinne einer umfassen‑ den Privilegierung zu verstehen hat. Mit der betreffenden Formel wurden dem Stif‑ tungsempfänger unter anderem Rechte an Bodenschätzen (nidhi) und Hortfunden (nikṣepa) sowie an Wasser[‑] (jala) und Stein[vorkommen] (pāṣāṇa) zugesichert.68 Königliche Steuerpfründen des mittelal‑ terlichen Indien waren häufig mit einer be‑ sonderen Verwaltungsimmunität, einer Art Exterritorialität der vergebenen Ländereien, ausgestattet. Die betreffende Formulierung besagte, dass das gestiftete Dorf oder Land ‚von irregulären und regulären Truppen nicht zu betreten‘ (acāṭabhaṭapraveśya) und ‚von allen Königsleuten nicht [einmal] mit der Hand zu berühren‘ (sarvarājakīyānām ahastaprakṣepaṇīya) sei.69 Die Privilegie‑ rung bestand, wie die Bildungen mit a° andeuten, in erster Linie aus der Aufhe‑ bung üblicher Interventionsmöglichkeiten königlicher Beamter und wohl auch aus dem Erlassen jedweder Versorgungspflich‑ ten der Dörfler gegenüber durchziehenden königlichen Soldaten – beides ‚geldwerte‘ Vorteile für den oder die Stiftungsbegüns‑ tigten.

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Neben den recht typisierten, wenn auch regional durchaus unterschiedlichen Pri‑ vilegien und Rechten, die an königliche Stiftungen geknüpft waren, gehörten zum immateriellen Kapital, das materielle Er‑ träge abwarf, auch die oft sehr konkre‑ ten Selbstverpflichtungen von Gilden und Korporationen zum dauerhaften Unterhalt religiöser Institutionen. Bereits aus dem 5. / 6. Jahrhundert liegen inschriftliche Bele‑ ge für solche selbst auferlegten Abgaben zugunsten hinduistischer Tempel vor. So verpflichteten sich Kaufleute im westin‑ dischen Gujarat dazu, einen bestimmten Anteil ihres Handelsgutes – teils in Geld, teils in Waren – regelmäßig einem Tempel zur Verfügung zu stellen (und dies offenbar zusätzlich zu ihren Steuerpflichten gegen‑ über der Krone).70 Diese Stiftungskonstruk‑ tion wurde in der Urkunde mit dem übli‑ cherweise für Geldstiftungen benutzten Terminus akṣayanī[vī], ‚unvergängliches Kapital‘ (→ 1.6.3; 10.6.3), bezeichnet. In späteren Jahrhunderten berichteten auch Steininschriften aus dem Gebiet von Kolhapur im südlichen Maharashtra über umfangreiche Selbstverpflichtungen zu‑ gunsten von Heiligtümern durch Kaufleu‑ te. Ein Text aus dem Śaka‑Jahr 1058 (1136 / 1137 u. Z.) listet – nicht in Sanskrit, sondern im Lokalidiom Alt‑Kanaresisch – diverse selbst auferlegte ‚Steuern‘ einer großen Handelskorporation aus Karnataka auf, die einem Jaina‑Tempel zugutekommen sollten.71 Dabei handelte es sich vor al‑ lem um Umsatzsteuern, deren Höhe sich nach der verkauften Warenmenge rich‑ tete. In Naturalien waren diese Abgaben anscheinend dann zu entrichten, wenn die Waren für kultische Zwecke benötigt wurden. Nacheinander werden Areca‑ Nüsse, Betelblätter 72 , Öl, Butterschmalz und Getreide genannt. Zudem findet sich eine interessante Aufzählung von weiteren Lebensmitteln, insbesondere Gewürzen, an

Stiftungsvermögen und erträge

deren Handelsumsatz der Jaina‑Tempel in Zukunft ebenfalls beteiligt werden sollte. Dazu gehörten grüner und getrockneter Ingwer, Kurkuma (Gelbwurz), Knoblauch, Kümmel, schwarzer Pfeffer und Senfkörner sowie Salz. Auch von jeder Ladung frischer oder getrockneter Früchte war eine be‑ stimmte Menge an den jinistischen Tempel abzugeben. Für die kultische Verehrung sollte darüber hinaus eine Blumengirlande pro verkauftem Blumenkorb beigesteu‑ ert werden. Bei Handwerkern wurde die Abgabenveranlagung auf bestimmte Fer‑ tigungszeiträume bezogen. So hatte jede Tischlerwerkstatt alle sechs Monate einen Stuhl und andere kleinere Artikel und einmal im Jahr ein Bett an den Tempel zu liefern. Nicht alle der genannten ‚Steuern‘ waren jedoch in Naturalien zu leisten. Mit Gebühren in Geld wurden beispielsweise Kleiderhändler und Goldschmiede belegt.73 Auch eine Steininschrift von 1142 / 1143 u. Z. liest sich wie eine Selbstverpflich‑ tung dieser Handelskorporation aus Kar‑ nataka.74 Die Händler erklärten an einem bestimmten Markttag im Śaka‑Jahr 1065, dass künftig regelmäßig konkrete ‚Steu‑ ern‘ zugunsten eines lokalen Śiva‑Schreins zu leisten seien. In diesem śivaitischen Kontext werden ähnliche Naturalabgaben aufgeführt wie in der bereits erwähnten jinistischen Inschrift: Areca‑Nüsse, Betel‑ blätter, Öl, Butterschmalz und Getreide. Die Baumwollhändler mussten Dochte für Lampen des Gottes abführen; andere Händ‑ ler hatten Schalen für Duftstoffe zu liefern. In einigen Fällen sollte zusätzlich anschei‑ nend der Käufer eine Gebühr in Natura‑ lien entrichten, deren Umfang sich nach der jeweiligen Kaufsumme richtete. In der Inschrift sind auch auf einen bestimmten Fertigungszeitraum bezogene Abgaben‑ festlegungen für Handwerker enthalten. Alle sechs Monate hatten die Schuster ein Paar Sandalen und die Lederarbeiter einen

Indien

Riemen zu liefern. Ähnliche Bestimmun‑ gen scheinen auch für Töpfer und Korb‑ macher gegolten zu haben. In Münzgeld hatten Geldprüfer und Goldschmiede ihre Umsatzgebühr zu begleichen. Bestimmte Summen waren von allen Gildemitgliedern an im Jahresrhythmus wiederkehrenden Festtagen zu zahlen, zum Beispiel für Öl‑ lichter zum Lichterfest Dīpāvali. Im auf die Selbstverpflichtung der Gilde folgenden Jahr fügten zwei Beamte der Regional‑ verwaltung eine eigene Verfügung hinzu, mit der sie bestimmte Anteile an den be‑ hördlichen Steuer‑ und Zolleinkünften für den Kult des Gottes und für die Speisung der Asketen stifteten.75 Der große Anteil von immateriellem Ka‑ pital und besonders von königlichen Steu‑ erpfründen am gesamten Stiftungsvolumen erklärt auch, warum die mittelalterlichen indischen Stiftungen so empfindlich durch die Ausbreitung islamischer Staatlichkeit gestört wurden. Muslimische Herrscher (→ 4.6.6) dürften in weitaus geringerem Maße denn hinduistische, buddhistische oder jinistische Könige als Garanten sol‑ cher Steuerpfründen agiert haben. Sie verfolgten wohl ähnlich wie später die britische Kolonialregierung (→ 4.6.7) eher das Ziel, das ihnen direkt zufließende Steu‑ eraufkommen zu erhöhen.76

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Mieteinnahmen erzeugt werden konnten, für deren Unterhalt aber regelmäßig Do‑ tationseinkünfte bestimmt wurden, da an sie die Existenz religiöser Gruppen und damit das Fortbestehen frommer Stiftun‑ gen gebunden waren. Außerdem gehörten zu diesem Vermögenstyp Kultgegenstände, vor allem Kultbilder, und Handschriften religiöser Texte. Die Generierung von Er‑ trägen dürfte hier ebenfalls nicht der von den Stiftern intendierte Regelfall gewesen sein, auch wenn es derartige Versuche ge‑ geben haben könnte, wie eine Schilderung des chinesischen Pilgers Yijing vermuten lässt. Yijing erwähnt eine Praxis, die er je‑ doch ausdrücklich nicht auf Indien bezieht, der zufolge Bildwerke des Buddha auf der Straße für Geld zur Schau gestellt wurden, wobei er vor allem für kritikwürdig hält, dass die Kultbilder auf diese Weise Staub und Schmutz ausgesetzt seien.77 Für Stiftungen symbolischen Kapitals im mittelalterlichen Indien ist zu konstatie‑ ren, dass diese in der Regel speziellen Pa‑ tronatsmustern folgten. Sie wurden anders dokumentiert als Dotationen produktiven Kapitals: nicht auf Kupfertafeln, sondern auf oder an den Objekten; und in vielen Re‑ gionen Indiens waren die hauptsächlichen Stifter in dieser Kategorie nicht die Herr‑ scher, sondern lokale Fürsten und Poten‑ taten sowie andere wohlhabende Personen. Man erwarb religiöses Verdienst nicht nur 10.6.6  Symbolisches Kapital durch die Stiftung und Bewahrung derar‑ tiger Objekte, sondern auch durch nach‑ In diese Kategorie von Vermögen fallen gelagerte Aktivitäten und Handlungen, in materielle Güter, die im Stiftungskontext deren Zentrum die Objekte selbst standen: ‚lediglich‘ immaterielle Erträge abwar‑ die regelmäßige Verehrung von Kultbau‑ fen. Hierzu zählen in erster Linie Kloster‑ ten und Kultgegenständen, das Lesen oder und Tempelgebäude, mit denen – zumin‑ Abschreiben religiöser Handschriften usw. AS dest im mittelalterlichen Indien – keine

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Stiftungsvermögen und erträge

Anmerkungen 1  Verbrauchsstiftungen, d. h. Dotationen, deren

20 Ödland und ungenutzte Flächen fielen nach Kapital aufgezehrt werden durfte, sind für das altindischen Rechtsvorstellungen an den König. mittelalterliche Indien nicht belegt. 21 Virkus, Politische Strukturen (2004). – Der‑ 2 Vgl. The Law Code of Viṣṇu. A Critical Editi‑ artige Gesuche wurden sowohl an städtische als on and Annotated Translation of the Vaiṣṇava‑ auch an ländliche Verwaltungsbehörden gerichtet, Dharmaśāstra. Ed. Patrick Olivelle. (Harvard Ori‑ die diese Anfragen selbst beschieden. Zu dem ental Series, Bd. 73.) Cambridge (Mass.) 2009, 52 spätesten bekannten Beleg für diese Praxis aus (Übersetzung); 222 (Text), Abschnitt 3.22. dem 7. Jahrhundert vgl. Panchrol (Egra) Copper‑ 3 Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 347. plate Inscription of the Time of Śaśāṅka: A Re‑ 4  Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ Edition. Ed. Ryosuke Furui, in: Pratna Samiksha, N. S., 2, 2011, 119–130. giöses Patronat (2014), 22. 5 Z. B. ebd., 23–26. 22 Die Chinesen bezeichneten Indien als ‚Wes‑ ten‘. Dies zeigt sich z. B. im Titel des Berichts von 6 Ebd., 24. 7 Ebd., 23. Xuanzang: Si‑Yu‑Ki. Buddhist Records of the Wes‑ 8 Ebd., 143. tern World. Translated from the Chinese of Hiuen 9 Ebd., 144. Tsiang (A. D. 629). Übers. Samuel Beal. London 1884. 10  Tiruvindalur Copper Plates. Ed. S. Sankara- 23 Record of the Buddhist Religion. Übers. Tanarayanan / N. Marxia Gandhi / A. Padmavathy kakusu (wie Anm. 15), 61. et al. Chennai 2011. – Diese Informationen ver‑ 24 Schmiedchen, Einige Besonderheiten (1993). dankt die Verfasserin Yellava Subbarayalu (Pon‑ 25 Ritschl, Brahmanische Bauern (1980). dicherry). 26 Zu vāpī, kūpa[ka] und vāṭikā vgl. z. B. The 11  Schmiedchen, Epigraphical Evidence (2007), Inscriptions of the Maitrakas of Valabhī. Texts, 368 f.; Chandravati Plates of Chandradeva: V. S. Translations, Glossary. Ed. Annette Schmiedchen. 1150 and 1156. – (A) Plates of Vikrama‑Samvat 1150. Wiesbaden 2016, Appendix: Glossary. Ed. D. R. Sahni, in: Epigraphia Indica 14, 1917/1918, 27 Gilgit Manuscripts, Bd. 3.2. Ed. N. Dutt. Srinagar 1942, 141: tatra kṣetravastu gṛhavastv 192–209, Nr. 15 (A). 12  Z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und āpaṇavastu (…) avibhājyāḥ / cāturdiśāya bhikṣureligiöses Patronat (2014), 143; 145. saṃghāya sādhāraṇāḥ sthāpayitavyāḥ /. Vgl. auch 13  Schmiedchen, Dorfverleihungen an Brahma‑ Record of the Buddhist Religion. Übers. Takakusu nen (2001), 69–71. (wie Anm. 15), 192. 14  The Life of Hiuen‑Tsiang by the Shaman 28 The Book of the Discipline. Vinaya‑Piṭaka, Hwui Li. Übers. Samuel Beal. London 1911, 112 f. Bd. 4: Mahāvagga. Übers. Isaline Blew Horner. Lon‑ – Der von Beal benutzte Begriff ‚convent‘ bezeich‑ don 1951, Abschnitt 3.5. net hier kein Nonnenkloster, sondern einen Klos‑ 29 Zum Beispiel einer Stiftung an ein buddhisti‑ terkomplex für Mönche. sches Kloster in Bengalen zur Pāla‑Zeit vgl. A New 15  A Record of the Buddhist Religion as Prac‑ Copper Plate Inscription of Gopala II. Ed. Ryosuke tised in India and the Malay Archipelago (AD 671– Furui, in: SAS 24, 2008, 67–75, bes. 73, Z. 48; 51. 695). Übers. Junjiro Takakusu. London 1896, ND 30 Dies gilt z. B. für Urkunden, die Rāṣṭrakūṭa Delhi 1982, 65. Govinda III. für einen Brahmanen ausstellen ließ; 16  The Nalanda Copper‑Plate of Devapalade‑ siehe Anm. 13. va. Ed. Hirananda Sastri, in: Epigraphia Indica 31 Njammasch, Akhayanivi‑Schenkungen (1971); 17, 1923/1924, 310–327. H. Ray, Monastery and Guild (1986). 17  Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ 32 Sarma, Studies in Early Buddhist Monuments giöses Patronat (2014), 149; 208; 210 f. (1988); Njammasch, Akhayanivi‑Schenkungen (1971). 18  Ebd., 209–212. 33 Zum Sanskrit‑Text vgl. Inscriptions of the 19  Ebd., 210. Early Gupta Kings and Their Successors. Ed. John

Indien

Faithful Fleet. (CII 3.) Kalkutta 1888, ND Benares 1970, 260–262, Nr. 62, bes. 261, Z. 1–10. Deutsche Übersetzung von der Autorin. 34 Andererseits hatte die urbane Entwicklung im Altertum stets nur einzelne Regionen und Perioden erfasst. 35 Drei Inschriften aus Kaṇheri. Ed. Franz Kielhorn, in: Nachrichten der Gesellschaft der Wissenschaften Göttingen, 1884, 32–47, ND in: Ders., Kleine Schriften. Mit einer Auswahl der epigraphischen Aufsätze, Bd. 1. Hrsg. von Wil‑ helm Rau. Wiesbaden 1969, 299–314. 36 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Vasudev Vishnu Mirashi. (CII 6.) Delhi 1977, 1–8, bes. 2, Nr. 1, Z. 5. 37 Die Verteilung der Einlage (40+40+100+20) korreliert nicht mit der Verteilung der jährlichen Zinserträge (20+3+5+1) für verschiedene Zwecke. 38 Njammasch, Akhayanivi‑Schenkungen (1971), 206–209. 39 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi (wie Anm. 36), 1–8, bes. 2, Nr. 1, Z. 5. 40  Zum edierten Sanskrit‑Text vgl. Gilgit Ma‑ nuscripts. Ed. Dutt (wie Anm. 27), 143, Z. 10. Deut‑ sche Übersetzung von der Autorin. Die Wörter suvarṇa und hiraṇya sind Quasi‑Synonyme und haben beide primär die Bedeutung ‚Gold‘. Das Kompositum kṛtākṛta bedeutet wörtlich ‚gemacht (kṛta) und nicht gemacht (akṛta)‘ und steht hier wohl für zu Münzen geprägtes Metall und für solches, das nicht auf diese Weise bearbeitet wor‑ den ist; vgl. auch Schopen, Buddha as Owner (1990, ND 1997), 272. 41  Record of the Buddhist Religion. Übers. Takakusu (wie Anm. 15), 192. 42  Die Beobachtung, dass im indischen ‚Mittel‑ land‘ (Madhyadeśa), dem nördlichen Zentral‑ indien, Kauris für Kaufs‑ und Verkaufstrans‑ aktionen benutzt wurden, hat bereits Faxian im 5. Jahrhundert festgehalten; vgl. Deeg, Gaoseng‑ Faxian‑Zhuan (2005). 43  Virkus, Politische Strukturen (2004). 44  Agarwala, Dramma in Ancient Indian Epi‑ graphs (1955). Vgl. auch Mirashi, Dramma Coins (1963), 240. 45  Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 149; 210. 46  Furui, Biyala Copperplate Inscription (2010), 103. Aus der Formulierung von Furui wird nicht

353 ganz deutlich, ob er diese Zahlenangaben als Schätzung des gesamten Ernteertrags der betref‑ fenden Liegenschaft versteht oder – wie die Au‑ torin – lediglich als Definition des Steueranteils, der der Krone zustand. – Vgl. auch Mukherjee, Media of Exchange (1992), 75. 47  Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 269–273; 449. 48  Shrimali, Monetization (2000), 362. 49  Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 343. 50 Furui, Ājīvikas, Maṇibhadra (im Druck). 51 Deeg, Gaoseng‑Faxian‑Zhuan (2005), 530. 52 Njammasch, Bauern, Buddhisten und Brah‑ manen (2001), 64–67. 53 Ebd., 31–34; 53–64. 54 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 298 f. Zu einem Töpfer und einem Wäscher in einem Tempelkontext vgl. auch ebd., 394. 55 Inscriptions of Orissa, Bd. 2: Inscriptions of the Bhauma‑Karas. Ed. Snigdha Tripathy. Delhi 2000, 127, Nr. 8, Z. 23; 157, Nr. 13, Z. 33; 164, Nr. 14, Z. 33; 107, Nr. 3, Z. 18 f.; 121, Nr. 7, Z. 17; 126 f., Nr. 8, Z. 18 f.; 132 f., Nr. 9, Z. 19 f.; 137, Nr. 10, Z. 37 (Formel unvollständig); 142, Nr. 11, Z. 24; 149, Nr. 12, Z. 24; 156, Nr. 13, Z. 27 f.; 163, Nr. 14, Z. 28; 176, Nr. 16, Z. 31; 181, Nr. 17, Z. 29 f.; 188, Nr. 18, Z. 27; 193, Nr. 19, Z. 29 f.; 200, Nr. 20, Z. 31; 206, Nr. 21, Z. 32 f.; 219, Nr. 23, Z. 32. 56 Die Formel lautet meist sa-tantuvāya-gokuṭaśauṇḍikādi-prakṛtika. Der Begriff prakṛti (hier: prakṛtika) kann unter anderem für ‚Untertan‘, aber auch für ‚Handwerker‘ stehen; vgl. MonierWilliams, Sanskrit‑English Dictionary (1899), 654. Das ganze Kompositum wäre demnach als „mit Webern, Kuhhirten, Schnapsbrennern und an‑ deren Handwerkern / Untertanen“ zu übersetzen. 57 Der Begriff ārāma stellt wohl eine Kurzform von saṃghārāma, ‚Ordenshain‘, einem Synonym für vihāra dar. 58 Kieffer-Pülz, Verlorene Gaṇṭhipadas (2013), 259. 59 Ebd., 260. Vgl. auch Kieffer-Pülz, Stretching the Vinaya Rules (2007), 15–17; Schopen, Monastic Ownership (1994). 60 Zu einem allerdings aus Sicht der Autorin zweifelhaften Beleg aus dem Maitraka‑Corpus vgl. Hinüber, Rez. Marlene Njammasch (2004), 311–313. 61 In purāṇischen Texten wird die Gabe von tausend Kühen (gosahasra, ‚Kuhtausend‘), unter

354 den großen Schenkungszeremonien (mahādāna) aufgeführt; vgl. Schmiedchen, Ceremony of tulā‑ puruṣa (2006), 146. 62 Selected Inscriptions from Bodh Gayā. Ed. Theodor Bloch, in: ASIAR, 1908/1909, 153, Z. 1. 63 All diese Privilegierungen beziehen sich in den Urkunden syntaktisch eindeutig auf die Stif‑ tungsobjekte. 64 Nesarika Grant of Govinda III, Saka 727. Ed. P. L. Gupta, in: Epigraphia Indica 34, 1961/1962, 123–134. 65 Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 143. Zur Kurzform sadaśāparādha vgl. Njammasch, Bauern, Bud‑ dhisten und Brahmanen (2001), 25. 66 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 143 f. 67 Ebd., 146 f. Vgl. auch ebd., 380, Anm. 240. 68 Ebd., 410 f. 69 Ebd., 143; 145. Zum letztgenannten Privileg vgl. auch Njammasch, Bauern, Buddhisten und Brahmanen (2001), 24 f. 70 Three Early Charters from Sanjeli in Guja‑ rat. Ed. K. V. Ramesh, in: Epigraphia Indica 40, 1973/1974, 175–186, bes. 181, Z. 8. 71 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi (wie Anm. 36), 229–235, Nr. 49.

Stiftungsvermögen und erträge

72 Hierbei handelt es sich um den sogenannten

Betelpfeffer, der als Arzneipflanze benutzt wird und dessen Blätter (bestrichen mit anderen Ingre‑ dienzien und dann gerollt) zur Munderfrischung gekaut werden. 73 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 323 f. 74 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi (wie Anm. 36), 241–246, Nr. 52. 75 Vgl. hierzu Schmiedchen, Herrschergenealo‑ gie und religiöses Patronat (2014), 303 f. – Auch nach Aussage einer Inschrift des Śaka‑Jahres 1075 (1153 / 1154 u. Z.) aus dem Norden Karnatakas ver‑ pflichteten sich eine Händlerkorporation und ein Goldschmied dazu, bestimmte Abgaben auf Ver‑ käufe für einen religiösen Zweck zu stiften, und zwar sollte ein Dorfoberhaupt diese regelmäßig zwischen einem jinistischen und einem hindu‑ istischen Tempel aufteilen; vgl. Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi (wie Anm. 36), 254– 256, Nr. 55. Zur Interaktion von Händlergruppen und Tempeln in Ostindien vgl. Furui, Merchant Groups (2013). 76 Vgl. hierzu auch Orr, Religious Endowments (2011), 154. 77 Record of the Buddhist Religion. Übers. Takakusu (wie Anm. 15).

11  Stifter

11.1  Interkulturelle Perspektiven Ohne Stifter oder Stifterin gibt es keine Stiftung. Er oder sie stellt das Kapital zur Verfügung, bestimmt die Zwecke und or‑ ganisiert Menschen und Menschengrup‑ pen, die den Auftrag der Stiftung ins Werk setzen. Hinter dem Idealtyp des Stifters verbirgt sich allerdings eine komplexe his‑ torische Wirklichkeit. Das lässt sich schon daran ablesen, dass die Überlieferung meist kein eindeutiges Äquivalent für den ‚Stifter‘ bietet. Während der wissenschaftliche Zu‑ griff stabile Verhältnisse prätendiert und Essentialisierung begünstigt (‚der Stifter ist …‘), zeigen die Quellen der Zeit einen oft unfesten Status der Akteure; auch ist von Fall zu Fall mit einer Pluralität von Stiftern zu rechnen. Die Stiftung selbst ist es, die den Stifter hervorbringt; dem muss die wissenschaftliche Zuschreibung des Titels Rechnung tragen. Zwei Beispiele aus dem lateinchristli‑ chen Mittelalter mögen die Problematik erhellen. Wenige Wochen nach dem Tod seines Vaters König Heinrichs I. besuchte sein Sohn und Nachfolger Otto der Große die Pfalz Quedlinburg in Sachsen, wo der Vorgänger in der Peterskirche auf dem Burgberg bestattet war.1 Hier stellte er die erste von ihm überlieferte Urkunde aus

(13. 9. 936).2 „Aus Liebe zu Gott und allen Heiligen sowie zum Seelenheil“ seiner selbst, seiner Vorfahren und Nachfolger (pro remedio animae nostrae atque parentum successorumque nostrorum) habe er für die Errichtung einer Nonnengemeinschaft in Quedlinburg gesorgt (congregationem sanctimonialium in Quidilingoburg statuere curavimus), damit von dieser das Lob des allmächtigen Gottes und seiner Aus‑ erwählten „auf ewig gepflegt und Unser Gedenken und das aller Unsrigen“ erwirkt werde (laus omnipotentis dei […] ab ea in perpetuum colatur et nostri nostrorumque omnium memoria perpetretur). „Und da‑ mit der Konvent daselbst den Dienst si‑ cher ausüben kann, haben Wir zu seiner Nahrung und Kleidung die Burg, die in Quedlinburg auf dem Berg errichtet ist, mit den Höfen und allen Gebäuden, die dort erbaut sind, sowie dasjenige, was Wir früher den am selben Platz dem Herrn die‑ nenden Klerikern überlassen haben, und den Neunten von allen landwirtschaftli‑ chen Erträgen dieses Hofes (…) zu ewigem Besitz geschenkt“ (urbem […] et nonam partem ex omni conlaboratu eiusdem curtis […] ad eius victum et vestitum perpetuo iure possidendum donavimus). Außerdem

356

schenkte der junge König der Neugrün‑ dung das Nonnenkloster in Wendhausen mit all seinen Gütern. Otto I. tritt hier also als Stifter des Frau‑ enklosters Quedlinburg in Erscheinung; dieses soll auf ewig die Memoria der Kö‑ nigsfamilie am Grab seines Vaters pflegen und wird dafür mit Liegenschaften für den Lebensunterhalt der Sanktimonialen, darunter der Burg am Ort selbst, ausge‑ stattet. Umschrieben wird die Stiftung mit den Verben donare / condonare und dem Substantiv largitio, während das Objekt als Sache (monasterium und locus) und als Personengemeinschaft (congregatio sanctimonialium und caterva) angesprochen wird. Auch in späteren Jahren hat der König die Klosterfrauen wiederholt bestiftet, ohne allerdings jemals wieder als Stifter ihrer Gemeinschaft hervorzutreten.3 Stattdessen agierte er hierbei mehrfach auf Bitten sei‑ ner Mutter Mathilde und verfügte teilweise sogar über Gut der verwitweten Königin zugunsten Quedlinburgs.4 In der historio‑ graphischen Überlieferung des Klosters sowie Sachsens (Thietmar von Merseburg) wird tatsächlich Mathilde die Stiftung zu‑ geschrieben, die dabei einen gemeinsa‑ men Plan mit ihrem Gatten Heinrich I. realisiert haben soll. Die Forschung neigt dazu, dieser Deutung zu folgen. Weshalb aber beanspruchte Otto im Herbst 936 die Stiftung für sich, ohne Mathilde überhaupt zu erwähnen? Die Erklärung ergibt sich aus den Ver‑ fügungen der Stiftungsurkunde Ottos I. selbst. Zum einen bedeutete die Über‑ tragung der Burg auf dem Berg, die wohl nur dem König zustand, zweifellos eine besondere Förderung des Klosters. Wich‑ tiger war aber etwas anderes: Der junge Herrscher, der mit seiner Nachfolge im Königtum die Dynastiebildung in der liudolfingischen Familie verwirklichte,5 nutzte nämlich seine neue Gewalt, um

Stifter

das Kloster auch für den Fall eines Dy‑ nastiewechsels abzusichern: „Wenn ei‑ ner aus Unserer Nachkommenschaft in der Francia und in Sachsen kraftvoll den königlichen Thron innehat, sollen das genannte Kloster und die dort versam‑ melten Gott dienenden Sanktimonialen in seiner Macht und unter seinem Schutz stehen; wenn aber durch das Volk ein anderer König gewählt wird, soll dieser seine königliche Macht über sie wie über die anderen Gemeinschaften, die auf ent‑ sprechende Weise der heiligen Dreifal‑ tigkeit dienen, ausüben. Wer aber aus Unserer Verwandtschaft der Mächtigste ist, soll [dann] als Vogt des genannten Ortes und seiner Schar bestimmt werden.“ Otto nahm hier, und nur hier, für Qued‑ linburg die traditionelle Rolle des Königs als Stifter in Anspruch, weil er in einem entscheidenden Moment des Aufstiegs seiner Familie die Autorität seines Amtes für die Memorialstätte Heinrichs I. und der Liudolfinger nutzen und die Gunst aller Könige für das Kloster erwirken wollte. Er konnte zwar auch durch spätere Dotationen als (einer der) Stifter gelten, es genügte ihm aber, in dieser Funktion bei dem einen, familiengeschichtlich be‑ deutenden Klosterbesuch des Jahres 936 hervorzutreten. Andere Fragen zur Bestimmung der Stif‑ ter stellen sich beim Augustinerchorher‑ renstift Dießen am Ammersee (Bayern).6 Der Kanoniker Liutold hat um 1200 einen sogenannten Traditionscodex angelegt, der ältere Rechtsdokumente und liturgische Texte des Hauses in Abschriften vereinte und dann bis ins 14. Jahrhundert weiterge‑ führt wurde. Offenbar verarbeitete Liutold das verfügbare Material mit der Absicht, eine Geschichte Dießens zu verfassen; ein solches Vorhaben hat er aber nicht mehr ausgeführt. Die Anfänge des Stifts bleiben deshalb im Dunkeln; immerhin lassen die

Interkulturelle Perspektiven

von Liutold gesammelten und geschickt angeordneten Zeugnisse eine adlige Grün‑ dersippe erkennen, die aus mindestens zwei Familien bestand, den (Mark‑)Grafen von Andechs‑Meranien und den Grafen von Wolfratshausen. Beide Linien sind in einer Federzeichnung repräsentiert, die Liutold wichtigen Schenkungsnotizen vo‑ rangestellt hat: Vor der Kirchenpatronin Maria knien links der Graf Heinrich II. von Wolfratshausen und rechts der Bischof Otto II. von Bamberg, der Sohn eines Gra‑ fen von Andechs war. Heinrich überreicht der ‚Himmelskönigin‘ einen Ring, Otto ein Buch. Der Ring symbolisiert die Stiftung des Haupthofes in Dießen, die Heinrich vor seinem Tod 1157 zusammen mit sei‑ nem übrigen Besitz dem Kloster vermacht hatte, während das Abbild Ottos an die Schenkung liturgischen Gerätes anläss‑ lich der von ihm selbst durchgeführten Konsekration der Klosterkirche im Jahr 1182 erinnern soll. Trotz dieser optisch hervorgehobenen Stellung sollten aber nicht Heinrich und Otto, sondern Angehörige der vorange‑ gangenen Generation als ‚Stifter‘ gelten. In den von Liutold in derselben Hand‑ schrift zusammengestellten Anniversa‑ rien werden jedenfalls Graf Bertold I. von Andechs (gest. 1151) und seine Gemahlin Sophia, die Eltern des Bischofs, sowie Graf Otto IV. von Wolfratshausen (gest. 1135?) mit seiner Ehefrau Lauritta, die El‑ tern des Grafen Heinrich, als fundator bzw. fundatrix loci (huius; istius) genannt.7 Offenbar waren die Titel als Auszeich‑ nung gemeint, da sie keinem anderen der nach Hunderten zählenden Namen der Schenkungsurkunden und ‑notizen oder Totenbucheinträge hinzugefügt wurden. Andererseits geben die von Liutold über‑ lieferten Rechtstexte nicht preis, worin denn eine materielle Grundausstattung des Stiftes durch die beiden Grafenpaare

357

bestanden haben sollte. Die von ihnen bezeugten Immobilienschenkungen sind so bescheiden, dass sie allenfalls als Zu‑ stiftungen betrachtet werden können und jedenfalls deutlich hinter der Schenkung Dießens selbst durch Heinrich II. zurück‑ bleiben.8 Der Kompilator und Arrangeur des Traditionscodex hat aber anderswie zu erkennen gegeben, worin er die historische Leistung der Fundatorenpaare erblickte. An prominenter Stelle seiner Handschrift fügte er die Abschrift einer päpstlichen Bulle ein, durch die Innozenz II. 1132 das Kloster mit der Romfreiheit privilegierte.9 Die sogenannte Auftragung Dießens an den Heiligen Stuhl ist dem Text zufolge von den Grafen Bertold (I. von Andechs) und Otto (IV. von Wolfratshausen) mit ihren Gattinnen Sophia und Lauritta und ihren Söhnen vorgenommen worden. Je‑ denfalls in den Augen des Kanonikers Liutold stellte diese Tat offenkundig eine fundamentale Leistung für das Stift dar. Auf päpstlichen Schutz war Dießen beson‑ ders 1208 / 1210 angewiesen, als ein Ange‑ höriger der Grafensippe in die Ermordung König Philipps von Schwaben (21. 6. 1208) verwickelt war und als Geächteter hatte fliehen müssen; der Dießener Konvent sah sich jetzt anderen regionalen Machthabern ausgeliefert. Genau in dieser Zeit und mit der Evokation jener Gründergrafen, die Rom als Rettungsanker installiert hatten, mag Liutold seinen Codex komponiert haben.10 Zweifellos wollte der Dießener Kompi‑ lator nicht einem einzigen Angehörigen der Grafensippe die Stifterrolle zuschrei‑ ben; er hob vielmehr die Bedeutung zwei‑ er Familien in zwei Generationen hervor. Den Begriff fundator / fundatrix, den er verwandte, begründete er keineswegs mit bemerkenswerten Dotationen, sondern setzte ihn zu einer anderen grundlegen‑ den Wohltat zugunsten der Augustiner

358

in Beziehung; eine Abwertung anderer Gründer oder Stifter wird er damit kaum beabsichtigt haben. Die offenkundig situ‑ ationsbedingte Bedeutungszuschreibung an Bertold I., Otto IV. und ihre Frauen durch den lateinischen Titel erinnert an die Selbstpositionierung Ottos des Großen als Stifter 936 in Quedlinburg und bezeichnet nicht unbedingt eine dauernde und schon gar keine exklusive Position. Will man den Einsichten über die Fra‑ gilität und Variabilität des Stifterattributes Rechnung tragen, empfiehlt es sich, die Stifter in der Geschichte ihrer Stiftungen aufzusuchen. Dementsprechend folgen die Abschnitte dieses Artikels in ihrer drei‑ teiligen Gliederung ‚dem‘ Stifter von den Anfängen bis zum Vergessen und gege‑ benenfalls zur Wiederentdeckung seines Werkes. Die Position des Stifters und der anderen am Stiftungsgeschehen Beteiligten im Gesamtgefüge der Gesellschaft, etwa ihr ‚Stand‘, soll anderswo behandelt wer‑ den. (→ 14) Im interkulturellen Vergleich zeigt sich allenthalben der starke Einfluss anderer Personen auf den Stiftungsakt, sei es, dass Vorbesitzer oder (vermeintliche) Miteigen‑ tümer am Stiftungsgut ihre Ansprüche zur Geltung bringen konnten, sei es, dass die künftigen Destinatäre ihre Wünsche arti‑ kulierten oder juristische und administra‑ tive Experten neben den Schreibern selbst mit dem Wortlaut der Dokumente auch die Sinngebung des Ganzen steuerten. Klare rechtliche Regelungen für alle Beteiligten sah die normative Literatur der Muslime vor, denen diesbezüglich ansonsten die jüdische Praxis am nächsten kam. Bemer‑ kenswert ist die Beobachtung aus Indien, dass die Gründer einer religiösen Institu‑ tion einen Herrscher so oft um eine Dorf‑ oder Landstiftung für deren dauerhaften Unterhalt ersuchten, dass dieses Verhalten sogar als „recht typisches Stiftungsmuster“

Stifter

bezeichnet werden kann. (→ 11.6.1; 10.1) Analogien dazu bietet die Überlieferung des Alten Ägypten für private Totenstif‑ tungen. Das früheste Zeugnis dieser Art stammt aus dem Ende der 3. Dynastie (um 2600 v. u. Z.); nach der betreffenden In‑ schrift hat der Stifter Mṯn sein Werk zum Teil aus väterlichem Erbe dotiert, er konnte aber auch auf Stiftungsgüter des Königs zurückgreifen.11 ‚Private‘ Verfügungen mit dem Kapital aus Königsgut sind in Ägypten noch bis in die Zeiten der 19. bis 26. Dynas‑ tie (ca. 1300–525 v. u. Z.) belegt; dabei trat neben dem eigentlichen Schenker und dem hohen Priester vor den Göttern auch der König in Erscheinung. Seine Erwähnung wird in der Forschung damit begründet, dass er als Eigentümer des ganzen Lan‑ des galt, sodass er bei Immobilienübertra‑ gungen förmlich als Schenker figurierte.12 Pharao sorgte aber auf diese Weise auch für den Totenkult seiner Beamten in der Umgebung seines eigenen Grabes.13 Die weitere Geschichte der einzelnen Stiftungen dominierten im Judentum die Gemeinden mit ihren Institutionen, im Islam die Angehörigen und Nachkommen der Stifter. Bei Familien‑ und gemischten Stiftungen bestimmte sich der muslimische Stifter in der Regel sogar selbst zum ersten Begünstigten und zugleich oft zum ersten Verwalter. (→ 11.3.3) Im Übrigen sicherten Memorialmedien – Grab und Grabmal, Stif‑ terbild und Inschrift – und Namensaufruf, besonders im Gebet, die Präsenz des Stif‑ ters in seiner Stiftung; das galt allerdings weniger für das Judentum. Nicht auf das Christentum mit seinem dichten Netz von Klöstern und Kirchen beschränkt14 war die Dispersion des Gedenkens durch Mul‑ tiplikation von gestifteten Gedenkstätten. (→ 11.3.2) Überall drohte der Stifter trotz‑ dem ins Vergessen abzusinken, besonders dann, wenn sein Werk so erfolgreich war, dass Zu‑ oder Neustifter sich seines für

Lateinische Christen

ihre eigenen Zwecke bemächtigten. Das hohe Prestige der Stifter kommt auch darin zum Ausdruck, dass viele Gemeinschaften und Institutionen prominente Personen

359

als ihre Gründer fingierten; das galt im Byzantinischen Reich vor allem für die Kaiser Konstantin d. Gr. und Justinian I. MB

Anmerkungen 1  Zum Folgenden zuletzt Moddelmog, Königliche

Stiftungen (2012), 19–64, mit der älteren Literatur. 2 MGH DD O I, 89 f., Nr. 1. Dazu auch Wagner, Gebetsgedenken der Liudolfinger (1994), 35 f. 3 Neben den in folgender Anm. zit. Urkunden siehe MGH DD O I, 142, Nr. 61; 155, Nr. 75; 266–268, Nr. 184 f. 4  Vgl. MGH DD O I, 105 f., Nr. 18 v. 937: qualiter nos rogatu venerandae ac dilectae domnae matrisque nostrae Mahthildae in Qvitilingobvrg ad sanctam Mariam et ad sanctum Servativm et ad nutrimen sanctimonialium inibi deo famulantium pro remedio animae nostrae debitorumque nostrorum in proprium damus (…) et de proprietate eidem matri nostrae in suum usum concessae. Entspr. ebd., 253 f., Nr. 172, hier 254: partem quandam dotis eiusdem genitricis nostrae. Ähnlich ebd., 268 f., Nr. 186; 312 f., Nr. 228. 5 Vgl. K. Schmid, Thronfolge Ottos des Großen (1964, ND 1971), 466–476. 6 Zum Folgenden: M. Borgolte, Stiftergedenken in Kloster Dießen (1990), mit Tafel X (Abb. 19) im Anhang des Bandes. 7 Ebd., 271 ad 28. 5. (Otto IV.), 273 ad 27. 6. (Ber‑ told I.) und 279 ad 31. 8. (Lauritta) und 6. 9. (Sophia). Die Titel könnte Liutold aus einer Vorlage der beiden Anniversarien entnommen haben.

8 Vgl. die Verweisungen auf Traditionsnoti‑

zen zu den in der vorangegangenen Anmer‑ kung zitierten Einträgen. Zur Schenkung des Haupthofes in Dießen und anderer Güter durch Heinrich II. siehe M. Borgolte, Stiftergedenken in Kloster Dießen (1990), 244 (mit Verweisen auf die Belege). 9 Ebd., 245 f. (mit Quellennachweis). 10  Ebd., 247. 11  Goedicke, Private Rechtsinschriften (1970), 5–21; 205 f. Zur Datierung der 3. Dynastie auf ca. 2707/2657–2639/2454 v. u. Z. siehe Graefe, Altes Ägypten (2009), 149. 12  Iversen, Two Inscriptions (1941), 17 f. Vor‑ sichtiger fragt Mrsich, Untersuchungen (1968), 62; vgl. 133, ob der König in analogen Zeugnis‑ sen „Oberbesitzer oder nur zeitlich Vorbesitzer gewesen“ sei. 13  Goedicke, Cult‑Temple (1979), 120 f.; 125 f. Vgl. auch Materialien zur Wirtschaftsgeschichte des Neuen Reiches, Bd. 2. Ed. Wolfgang Helck. (Aka‑ demie der Wissenschaften und der Literatur. Ab‑ handlungen der Geistes‑ und Sozialwissenschaft‑ lichen Klasse, Jahrgang 1960, Bd. 11.) Wiesbaden 1961, 199 f. und 228. 14  Anders noch M. Borgolte, Grab in der Topo‑ graphie (2000, ND 2012), 292.

11.2  Lateinische Christen 11.2.1  Allgemeines Der für diesen Artikel gewählten Methode abgeleitet, auch wenn diese selbstverständ‑ gemäß wird die idealtypische Stifterbio‑ lich nur einen Bruchteil der realhistori‑ graphie im Folgenden aus konkreten Fällen schen Vielfalt widerspiegeln können.

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11.2.2  Der Stifter bei der Genese der Stiftung Am Beginn des Stiftungswerks konnte ein Plan stehen, wie dieser für Quedlinburg erschlossen werden kann. (→ 11.1) Eher improvisiert wirkt dagegen eine Stiftung, die König Heinrich II. am 8. August 1004 für das Kloster Nienburg an der Saale ver‑ fügte.1 Dem thüringischen Kloster, das erst 975 neu gegründet worden war und seinem Blutsverwandten Abt Ekkehard unterstand, hatte Heinrich gleich nach Beginn sei‑ ner Herrschaft die königlich verliehenen Rechte bestätigt (Schutz, Immunität, Abts‑ wahl);2 jetzt suchte er die Mönchsgemein‑ schaft beim Anmarsch zu einem Feldzug gegen den Herzog von Polen und Böh‑ men auf, weil die Klosterkirche eingeweiht werden sollte. Zu diesem Anlass stattete der ostfränkische Herrscher Nienburg mit den Orten Trebatsch und Leibchel (beide Bundesland Brandenburg) u. a. aus „zum ewigen Gedenken an Unseren und Unserer geliebten Ehefrau Kunigunde Namen sowie zum Andenken Unserer Vorfahren sowie Unseres hochgeschätzten Herrn und Vor‑ gängers, des Kaisers Ottos III.“3 Es handelte sich um eine offenbar beiläufige persönli‑ che und familiäre Gedenkstiftung für das Gotteshaus eines Angehörigen, die durch die bevorstehende Kriegshandlung ange‑ regt worden sein dürfte. Wie fließend die Übergänge zu einer längeren Planung sein konnten, zeigt eine andere Stiftung des Liudolfingers. Als Heinrich II. schon im folgenden Jahr (1005) erneut einen Kriegszug nach Po‑ len vorbereitete, errichtete er mit einer in Dortmund ausgestellten Urkunde zwei Klöster in Aachen, die dem Gebetsgeden‑ ken für Karl den Großen, Otto III., Heinrich selbst sowie seine (anderen) Vorgänger, seine Vorfahren und Nachfolger gewid‑ met sein sollten.4 Der politische Kontext

Stifter

war im Übrigen durch die erfolgreiche Integration der widerstrebenden sächsi‑ schen Großen gekennzeichnet. Trotz dieser Heilsvergewisserung für das Königtum in einer bedrängten Lage scheint Heinrich in Dortmund ein altes Projekt seines un‑ mittelbaren Vorgängers Otto verwirklicht zu haben, das dieser nicht mehr hatte aus‑ führen können. Für eine situationsbeding‑ te Aktualisierung älterer Ansätze spricht auch die Beteiligung eines königlichen Notars, der schon Otto III. gedient hatte und dem Herrscher das alte Anliegen na‑ hegebracht haben könnte.5 Mit der Zunahme der Schriftlichkeit, vor allem im Rechtswesen und der Ver‑ waltung, lässt sich im späteren Mittelalter gut verfolgen, wie aufwändig der Weg zur Stiftung war; besonders an Universitätsstif‑ tungen ist dies in jüngerer Zeit wiederholt gezeigt worden.6 Ist der Entschluss zu einer Stiftung ge‑ fasst, dann muss auch ein Stiftungsgut verfügbar sein. Erbrechtliche Vorbehalte und Unklarheiten über die Verfügungs‑ kompetenz, etwa bei Reichsgut versus Privatbesitz, konnten große Hindernisse darstellen.7 Den Fall eines autokratischen Stifters, der keinerlei Ansprüche Anderer zu fürchten oder auszugleichen hatte, dürf‑ te die Geschichte kaum einmal kennen. Was das materielle Gut, das Stiftungska‑ pital im engeren Sinne, betrifft, so kam einmal Heinrich II. dem Ideal nahe, als er das Bistum Bamberg gründete (1007).8 Der Herrscher hatte keine Kinder und erwar‑ tete, wie er auf einer Synode in Frankfurt erklärte, auch keine Nachkommen mehr; deshalb sei er in der Lage, Christus zu seinem Erben zu machen und sich selbst „samt den von mir erworbenen oder noch zu erwerbenden Gütern dem ungeborenen Vater“, also Gott, als Opfer darzubringen.9 Der Bischofssitz sollte in Bamberg auf sei‑ nem väterlichen Erbgut errichtet und aus

Lateinische Christen

seinem Erbe dotiert werden.10 Aus seinem persönlichen Umfeld hatte er lediglich die Zustimmung seines Bruders, des Bischofs Bruno von Augsburg, und seiner Gemah‑ lin einholen müssen, denen er Entschädi‑ gungen versprach.11 Obschon der König das neue Bistum mit der Bekehrung der Slawen und dem Lobpreis des christlichen Namens motivierte,12 lag ihm, wie auch die zahlreichen, gleichzeitig ausgestellten Dotationsurkunden belegen, vor allem an der liturgischen Memoria seiner selbst und seiner Angehörigen, darunter Ottos III.; ausnahmsweise ließ er auch einmal alle lebenden und verstorbenen Getreuen darin einschließen.13 Vermögensrechtlich viel komplizierter als die Errichtung des Bistums Bamberg durch Heinrich II. war etwa die Stiftung der Grabkirche SS. Peter und Paul durch den merowingerzeitlichen Bischof Berthram von Le Mans.14 Wir wissen davon durch ein umfangreiches römisch‑rechtliches Testament des Oberhirten, durch das die‑ ser neben der Verfügung über zahlreiche Legate, u. a. an Verwandte, die Kathedrale seiner Stadt sowie eine am selben Ort ge‑ schaffene Petersbasilika zu seinen Erben einsetzte (616). Gleich am Beginn hob der Testator hervor, dass sein Herrscher, König Chlothar II., ihm erlaubt habe, von seinem Erbe, königlichem Schenkgut sowie an‑ ders erworbenem Besitz für das Heil seiner Seele oder zugunsten seiner Angehöri‑ gen und Getreuen Gebrauch zu machen.15 Hintergrund der Abmachung war ein ge‑ meinsames Exil Berthrams und Chlothars und die Restitution beider wenige Jahre zuvor;16 der König hatte Berthram nicht nur beim Rückgewinn seiner Privatgüter unterstützt, sondern ihn für seine Treue auch mit weiteren Immobilien belohnt. Al‑ lerdings erwies es sich jetzt als unmög‑ lich, bei den letztwilligen Verfügungen die kirchlich geforderte und von Berthram

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auch angestrebte Trennung von Privat‑ und Kirchenvermögen zu beachten. Der Erb‑ lasser musste zugeben, mindestens eine Besitzung, die der Kirche von Le Mans gehörte, für seine ‚private‘ Stiftung SS. Pe‑ ter und Paul verwendet zu haben; dies sei jedoch mit Zustimmung des Klerus seiner Stadt geschehen.17 Auch funktional zeig‑ te die Peterskirche eine hybride Gestalt. Die basilica oder das monasterium hatte Berthram „als eigenes Werk“ (opere meo) errichtet und mit „Kanonikern“ (canonici) unter Leitung eines abbas besetzt,18 die zusammen mit Gemeinschaften von Laien sein Grab versorgen sollten;19 andererseits aber hatte der Neubau Reliquien der beiden Patrone aufgenommen und sollte, vor den Mauern gelegen, „zum Schutz der Stadt und dem Heil des Volkes“ dienen.20 Für den Erfolg einer Stiftung musste der Stifter oft nicht nur einen Vermögens‑ ausgleich mit weiteren tatsächlich oder vermeintlich Mitberechtigten zustande bringen, sondern auch andere Interessen berücksichtigen. Heinrich II. etwa hatte große Mühe, um den Würzburger Diözesan für Teile seines Sprengels zu entschädigen, die diesem zugunsten des neuen Bistums Bamberg verloren gegangen waren.21 Zu‑ mal er seine Gründung dem Heiligen Pe‑ trus dargebracht hatte, bemühte er sich auch um eine päpstliche Schutzurkunde.22 Johannes XVIII. nahm dies zum Anlass, sich selbst in seinem Privileg als „Grün‑ der“ Bambergs darzustellen.23 Alle Ausstat‑ tungsgüter des Liudolfingers seien dem Apostelfürsten rechtmäßig übertragen, was er durch seine Autorität bekräftige.24 Der Bischofssitz sei frei und vor jeder äuße‑ ren Macht sicher, allein dem römischen Schutz unterworfen, so dass sich der Bi‑ schof umso besser mit seinen Kanonikern dem Gottesdienst widmen und das Geden‑ ken des ersten Errichters dieses Platzes, also Heinrichs II., angemessen begehen

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könne.25 Abgesehen von der Mitwirkung des Papstes bedurfte es der Hilfe des deut‑ schen Episkopats unter Führung von acht Erzbischöfen, dass das Bistum Bamberg in die vorhandene Kirchenstruktur ein‑ gepasst werden konnte.26 Noch komplizierter war die Stiftung von Universitäten im späten Mittelalter. Nach einer Studie über die ersten Gründungen dieser Art im römisch‑deutschen Reich haben fünf Parteien den Stifterwillen min‑ destens modifiziert: der Hochadel des Ter‑ ritorialstaates, die städtische Bürgerschaft, der landesherrliche ‚Stiftungsbeauftragte‘, der lokale Klerus und der jeweilige Papst.27 Ein Leitmotiv war die Ingerenz des römi‑ schen Oberhirten, dessen Privilegienbrief seit dem 14. Jahrhundert für unverzichtbar gehalten wurde.28 Indem der Papst auf Bit‑ ten des eigentlichen Gründers apostolica auctoritate das Generalstudium in einer bestimmten Stadt ins Leben rief, galt er hier wiederum selbst als Stifter; zurück‑ geführt wird dies auf den Grundgedanken der ‚Realisten‘, dass mit der Verleihung des Namens die Einrichtung der Sache verbunden war.29 Dabei war die Rechts‑ verleihung das Stiftungsgut, ohne dass der Papst, etwa durch Übertragung bestimmter Pfründen, auch als materieller Wohltäter hervortreten musste.30 Widerstand gegen die Universitätsgrün‑ dung durch den römischen und böhmi‑ schen König Karl IV. war im Falle Prags (1348) vom Hochadel des Landes zu erwar‑ ten; von der neuen Schule musste dieser eine Stärkung des Landesherrn auf seine Kosten, vor allem durch Kodifikation des böhmischen Rechts, aber auch des Klerus erwarten, der sich mit Durchsetzung des kanonischen Rechts der Kontrolle laikaler Eigenkirchenherren entwinden mochte.31 Bei der ersten Wiener Stiftung von 1365, die zunächst erfolglos blieb, stellte die Er‑ richtung eines eigenen Universitätsviertels

Stifter

direkt neben der Hofburg mit weitgehen‑ den Sonderrechten für die Magister, Scho‑ laren und auch deren Diener, Knechte und Gesinde eine kaum erträgliche Heraus‑ forderung für die städtische Bürgerschaft dar.32 Für Heidelberg waren die drei Pfalz‑ grafen Ruprecht I., dessen Neffe Ruprecht II. und Großneffe Ruprecht III. 1385 an Papst Urban VI. mit der Bitte herangetreten, eine Universität zu errichten; bei den Juristen galten später jedoch vorzüglich Ruprecht II. und Ruprecht III. als Stifter, während die Artisten Ruprecht I. als fundator studij Heidelbergensis verehrten, aber auch des gelehrten Rats und ersten Rektors Marsi‑ lius von Inghen als „Gründer und Anreger dieses Studiums, herausragender Doktor in der heiligen Theologie, und hier zuerst ausgebildet“ gedachten.33 Tatsächlich hat Marsilius als gelehrter Experte schon die Formulierungen des grundlegenden Stif‑ terwillens geprägt.34 Das Studium von Köln 1388 / 1389 ging auf einen Beschluss des städtischen Rats zurück; indem hier zahlreiche Kanonikate an Kölner Stiftskir‑ chen den ersten Magistern zur Verfügung gestellt wurden, vollzog sich die Stiftung in enger Wechselbeziehung mit dem ört‑ lichen Klerus und seinen Institutionen.35 Wenn ein frommer Stifter dem Zugriff Anderer auf das Stiftungsvermögen vor‑ beugen wollte, mochte es ihm geraten er‑ scheinen, diese an seinem Werk zu betei‑ ligen und den Mitgenuss der geistlichen Früchte in Aussicht zu stellen. (→ 4.2.1) Die Erscheinungsweisen der Mehrparteienstif‑ tung sind allerdings für das lateinische Christentum des Mittelalters bisher noch kaum erforscht;36 sicher scheint zu sein, dass Frauen zwar auch selbständig stifte‑ ten, häufig aber mit ihren Ehemännern zusammen handelten.37 Nachgewiesen sind auch sogenannte Minderpfründstiftungen von Kapellen, die Dorfgemeinschaften für ihre geistliche Versorgung unterhalb der

Lateinische Christen

Pfarreiebene errichtet hatten 38: „Was (…) die Finanzierung der Stiftungsausstattun‑ gen betrifft, so basierte diese vornehmlich auf Almosen. Unter den Begriff fallen alle bedingten und unbedingten Gabenreichun‑ gen, aber auch Bußopfer respektive Re‑ demptionen [Kirchenbußen]. Sie wurden nicht allein von denen beigebracht, die in einer Gemeinde als Vollbauern oder Hausväter saßen, sondern ebenso von den wirtschaftlich und politisch minderberech‑ tigten Einwohnern, auch von den Frauen. Kirchen ohne Pfarr‑ und Sendrecht hatten keine regulären Einkünfte aus der kirch‑ lichen Gerichtsbarkeit. Ihre Einkünfte be‑ ruhten vor allem auf freiwilligen Opfern, die aber häufig einem bestimmten Zweck gewidmet waren.“39 Für den Südwesten des römisch‑deutschen Reiches ist diese Art kollektiver Stiftung zwischen 1400 und 1525 eingehend untersucht worden. 1428 stiftete etwa die Gemeinde des Dorfes Plochingen für die im Dorf gelegene Ka‑ pelle der Heiligen Ottilie eine sogenannte Ewigpfründe, die dem Priester jeweils auf Lebenszeit verliehen wurde. Die Dotation bestand aus Gütern, die jährlich 40 Pfund Heller erbringen sollten; das Stiftungs‑ kapital ging auf Almosen der Gemeinde‑ mitglieder und „anderer christgläubiger Menschen“ zurück.40 Neben der Konzentration mehrerer Stifter auf einen Ort sind überaus häufig Fälle von multilokalen Stiftungsunterneh‑ mungen belegt. Insbesondere wenn es um das liturgische Totengedenken, also die Gebetshilfe der Nachlebenden ging, be‑ schränkte sich, wer dazu in der Lage war, selten auf eine Kirche oder seine Grablege, sondern legte auf die Absicherung der Me‑ moria bei mehr als einer Personengruppe und die Vermehrung seiner guten Werke Wert. Das flächendeckende und dichte Ge‑ füge der Kirchen im europäischen Westen hatte zu der Vermutung Anlass gegeben,

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das Christentum sei universalhistorisch betrachtet diejenige Religion und Kultur, die eine potentielle Ubiquität des Geden‑ kens für jedermann geboten habe. Eine ver‑ gleichbare „Dispersion der Gedenkstätten für eine und dieselbe Person“41 durch Stif‑ tungen ist aber jetzt auch im muslimischen Bereich nachgewiesen worden. (→ 11.3.2) Anschauliche Beispiele für aufwändige Stif‑ tungswerke im lateinischen Christentum bietet wiederum die Reichs‑, aber auch die stadtbürgerliche Geschichte.42 Von dem unglücklichen römisch‑deutschen König Friedrich dem Schönen ist bekannt, dass er noch vor seiner Wahl zusammen mit vier Brüdern um 1313 ein Kartäuserkloster in Mauerbach bei Wien stiftete, in dem er 1330 auch bestattet wurde.43 Nach der Stiftungsurkunde sollte Mauerbach aus zwölf Priestern unter einem Prior, einem Spital mit 17 kranken und armen Männern sowie einem Siechenhaus bestehen; Prior und Konvent in Klausur und Spital waren dazu verpflichtet, auch die Anniversare bestimmter habsburgischer Vorfahren und sonstiger Verwandten zu begehen. Das Jahresgedenken sollte Messen, Vigilien, Gebete und andere Gottesdienste umfas‑ sen; dafür sollten Mönche und Gebrechli‑ che eine Aufbesserung ihrer Mahlzeiten erhalten, die einen als Fischgericht, die anderen wohl als Fleischspeise. Im Juni 1327 hatte Friedrich auch sein Testament aufgesetzt, das fast ausschließlich aus ge‑ nau bezifferten Geldlegaten an Kirchen und Klöster bestand. Insgesamt mehr als 80 Gotteshäuser stattete er mit 4 280 Pfund Wiener Pfennigen und 1 636 Mark Silbers aus, die von der Maut zu Enns aufgebracht werden sollten; an der Spitze stehen mit 100 oder 60 Mark acht Bischofskirchen. Im Übrigen zeigt die regionale Konzen‑ tration der Gotteshäuser auf die Länder östlich der Alpen, dass der Habsburger, be‑ sonders nach seiner Niederlage gegen den

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Wittelsbacher Ludwig von Bayern, seine Herzogtümer Österreich und Steiermark mit seinen Stiftungen auch kommemorativ auf sich selbst ausrichten wollte.44 Nicht nur Dynasten, Aristokraten oder Kleriker waren aber bestrebt, ihre Stif‑ tungen zu streuen. Vielmehr haben auch Stadtbürger durch testamentarisch oder anderswie verfügte Stiftungen gern meh‑ rere Gotteshäuser einschließlich Spitälern versorgt, um ihr Gedenken abzusichern. Berühmt als Stifter der ‚Fuggerei‘, also der noch heute bestehenden Armenhäuser in der Augsburger Jakobervorstadt, ist der Kaufmann Jakob Fugger der Reiche (gest. 1525). Erst die jüngere Forschung hat aber herausgearbeitet, dass Jakob, teilweise mit Brüdern und Neffen, seit 1506 ein Gefüge von Stiftungen errichtet hat, das er bis zu seinem Testament wenige Tage vor seinem Tod auch über die Glaubenskrise (Refor‑ mation) hinweg abzusichern suchte.45 Ne‑ ben der Siedlung für rund 50 bedürftige Familien waren besonders wichtig eine Grabkapelle im Westchor der Augsbur‑ ger Karmeliterkirche St. Anna und eine Predigerpfründe an der Kollegiatkirche St. Moritz, wo Jakob als Genosse der Pfar‑ rei angehörte. Interessant ist der Befund der Stralsun‑ der Testamente46, nach denen während des 15. Jahrhunderts einfache Memorien zulas‑ ten von Priesterstellenstiftungen enorm zunahmen. Es handelte sich hierbei um die Stiftung einer dauerhaften Gebetsme‑ moria im Rahmen schon eingerichteter gottesdienstlicher Verrichtungen ohne Fundierung einer eigenen Ewigmesse.47 Ein Bedürfnis nach so kostengünstigen Gebetsstiftungen würde man am ehesten bei weniger vermögenden Bürgern erwar‑ ten, doch das täuscht. Tatsächlich scheint die Vorannahme zwar Heinrich Mersman zu bestätigen, „der dem Johanniskloster für eine ewige Memorie ein Tuchlaken

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bestimmte und in seinem Testament an‑ sonsten nur noch ein weiteres Legat ad pias causas vorsah (…). Allein solche Fälle begegnen erst um die Wende zum 16. Jahr‑ hundert und sind doch recht selten. We‑ sentlich häufiger und früher begegnen Fürbittstiftungen in Testamenten vermö‑ gender Stralsunder Bürger (…). Sie sahen sich dadurch in die Lage versetzt, eine Vielzahl von ewigen Fürbitten in verschie‑ denen Kirchen und Klöstern zu erlangen und daneben noch genügend Kapital für weitere Seelenheilgaben übrig zu haben. So vermachte Gerhard Kryvitze 1429 den drei Pfarrkirchen und den Klöstern St. Jo‑ hannis, St. Katharina und Marienkrone zu Stralsund sowie den Klöstern zu Ribnitz und Bergen insgesamt 75 Mark sundisch, jeweils verbunden mit der Auflage eines Eintrags in ere ewige denkeboek.“48 Nachdem also zunächst die wohlhabenderen Stifter die Gedenkleistungen durch Memorienstif‑ tungen zu akkumulieren hofften, folgten ihnen bei fortschreitender Verbilligung dieses Stiftungstyps auch ihre ärmeren Mitbürger. 11.2.3  Der Stifter im Sozialgefüge seiner Stiftung Die Eigenheit der Stiftung besteht darin, dass der Wille des Stifters über seinen Tod hinaus wirksam bleiben soll und dafür eine Pluralität von Menschen in Anspruch nimmt. Man könnte hier von postmor‑ talen Herrschaftsverhältnissen sprechen, da der Tote in älteren Zeiten – im Unter‑ schied zur Moderne – als weiterlebende Rechtspersönlichkeit aufgefasst wurde.49 Wenn nach Max Weber „Herrschaft (…) die Chance [heißen soll], für einen Befehl bestimmten Inhalts bei angebbaren Per‑ sonen Gehorsam zu finden“,50 lässt sich ‚Stiftung‘ als Chance bestimmen, „für

Lateinische Christen

Befehle bestimmten Inhalts ü b e r d e n e i g e n e n T o d h i n a u s bei angebbaren Gruppen von Menschen Gehorsam zu fin‑ den“.51 Mit der Begrenzung auf eine einzige ‚gehorsame‘ Person käme der Stifter zur Realisierung seines Zwecks nicht aus, son‑ dern er braucht dafür eine Mehrzahl von Menschen, die sich biologisch, durch Er‑ nennung oder Kooptation langfristig oder auf Dauer reproduzieren. Tatsächlich han‑ delt es sich um ein Gefüge von Personen und Gruppen, die sich auch überschneiden können: Zum einen um die Menschen, die den Auftrag des Stifters ausüben (juristisch gesagt: die ‚Stiftungsorgane‘), zum ande‑ ren um die Profitienten seiner guten Tat (die ‚Destinatäre‘). (→ 12; 13) Den Genuss einer Stiftung können neben den ‚Orga‑ nen‘ auch Dritte zuweisen; sie mögen dann identisch sein mit denjenigen Institutionen oder Menschen, die der Stifter vorfindet und die seine Stiftung vor allem zu ihrem Schutz und Bestand benötigt: dem Rat einer Stadt, der Kirche als autoritativem Organ religiöser Ordnung, dem ‚Staat‘ mit seinem Recht und seinen Behörden oder der Fa‑ milie als Gemeinschaft von Nachkommen und Erben. Selbstverständlich können die vom Stifter selbst kreierten Personengrup‑ pen der Stiftung einen eigenen genossen‑ schaftlichen Willen entwickeln, ja es fragt sich, ob eine Stiftung auf Dauer überhaupt gut funktionieren könnte ohne eigendy‑ namische Entfaltung ihrer Beauftragten und Nutznießer. Neuere Studien haben jedenfalls gezeigt, dass sich die Geschichte der Stiftungen vorzüglich aus der polaren Spannung von fixiertem Stifterwillen und sozialem Wandel verstehen lässt.52 Im Sozialgefüge seiner Stiftung bleibt der Stifter gegenwärtig durch seinen Leib, vor allem im Grab, durch seinen Namen, der schriftlich fixiert und rituell aufgeru‑ fen wird, und durch sein Bild.53 Damit die Nachlebenden seiner an der Ruhestätte

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oder anderswo im Gebet gedenken, die Messe für ihn feiern, das Mahl mit ihm teilen und die vorgeschriebenen Leistun‑ gen in seiner Stellvertretung, vor allem an Armen, vollziehen können, müssen schriftliche Aufzeichnungen oder Bilder des Toten ihre Pflichten evident halten und ihre Schritte lenken. Dabei lassen sich ganz verschiedene Memorialgemeinschaf‑ ten erkennen. Als etwa der hochmerowingische Bi‑ schof Berthram sein Testament machte und die von ihm gestiftete Kirche SS. Peter und Paul zu seiner Grablege bestimmte,54 vertraute er seine Totenmemoria neben einer Kanonikergemeinschaft noch 16 In‑ sassen eines Spitals für Arme, Blinde und Gebrechliche an.55 Außerdem ließ er seine Sklaven frei, verfügte aber, dass sie eine Kultgenossenschaft an seinem Grab bilden, die sich durch genetische Erbfolge stetig erneuern sollte. An seinem Anniversar sollten sich die Freigelassenen bei der Pe‑ terskirche einfinden, vor dem Altar Opfer für ihn (oblata nominis mei) darbringen, ihre gewohnten Dienste verrichten und dem Abt ein Mahl bereiten.56 An den Be‑ gängnissen sollten auch die von Berthram beschenkten amici (weltliche Freunde) und fideles servientes („treue Diener“) teilneh‑ men und dem Abt solacium (ein Mahl) gewähren.57 Der Vorsteher der Basilika war seinerseits bei dieser Gelegenheit den Freigelassenen zu einem Mahl verpflich‑ tet.58 Die gegenseitigen Speisungen sind als Totenmähler aus heidnischer Tradi‑ tion zu deuten, bei denen der Verstorbene als Anwesender gedacht wurde und, nach anderen Zeugnissen, mit am Tisch saß, in‑ dem ihm ein Platz zum Essen und Trinken reserviert wurde.59 Die Verwandten des Bi‑ schofs, die er ebenfalls persönlich bedacht hatte, sollten zwei‑ oder dreimal im Jahr sein Grab besuchen und die Armen spei‑ sen.60 Die verschiedenen Memorialgruppen

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an der Ruhestätte Berthrams, deren Zu‑ sammensetzung und Zusammenwirken der Testator detailliert zu regeln such‑ te, wurden durch Legatare an anderen Orten ergänzt, die der Bischof teilweise ausdrücklich zu seinem Gebetsgedenken verpflichtete; darunter befanden sich die Grabkirche seines Erziehers Bischof Ger‑ manus von Paris, der Berthram auch selbst (im Jenseits) durch seine Fürsprache vor den Qualen der Hölle erretten sollte,61 so‑ wie andere Kathedralen und Basiliken.62 So komplex und akribisch Bischof Berthram aber sein Stiftungsgefüge geplant hatte, war er sich doch darüber im Klaren, dass sich mit rechtlichen Regelungen allein der Wille künftiger Generationen nicht steuern oder gar binden ließ. Deshalb appellierte er an die bonitas, das Wohlwollen, seiner amici bei der Beachtung seiner Vorschrif‑ ten.63 Letztlich war es sie oder die fiducia, die Treue, die dem Vorhaben den erhofften Erfolg einbringen konnten.64 In den differenziert formulierten Re‑ gelungen des Bischofstestaments von 616 schlug sich noch die letzte Blüte spätrö‑ mischer Bildung in Gallien nieder; späte‑ re mittelalterliche Zeugnisse sind lange Zeit wesentlich einfacher formuliert, so dass ergänzende mündliche Absprachen vorausgesetzt werden müssen. Die erste überlieferte Stiftung eines Papstes ist nur durch seine Vita im ‚Liber Pontificalis‘ und sein Epitaph überliefert.65 Sie geht zurück auf den Griechen Johannes VII. (gest. 707), der der Sohn eines hohen kaiserlichen Be‑ amten gewesen war. Johannes errichte‑ te im Innern der römischen Peterskirche unmittelbar beim Zugang eine Maria, der Madonna Regina, geweihte Kapelle, in der er sich selbst als Stifter bildlich darstel‑ len und vor deren Altar er sich bestatten ließ. Seine Reichtümer soll er fast ganz auf die Ausstattung der Grabkapelle mit Mosaiken, Gold und Silber verwandt haben,

Stifter

nur den Rest habe er den Armen, insbe‑ sondere den Pilgern, vermacht. Demnach muss Johannes seine Grabkapelle mit einer Armenstiftung verbunden haben; unklar ist aber, ob er den Kreis der Bedürftigen (und zu seinem Gedenken Verpflichteten) genau umschrieb oder sich – analog zu den Pilgern zum Petrusgrab – eher auf ambulante Arme stützen wollte. Über die liturgische Betreuung seines Oratoriums und die Einbeziehung des örtlichen Klerus ist gar nichts überliefert. Andere Akzente setzen die Quellen zur zweiten päpstlichen Grabstiftung in St. Peter, die Gregor III. geschaffen hat.66 Nach dem ‚Papstbuch‘ und einem in Stein gehauenen Synodalprotokoll muss Gregor schon bald nach seiner Weihe am 18. März 731 mit der Errichtung einer Kapelle begon‑ nen haben, die dem Heiland, Maria, den Aposteln, Märtyrern und Bekennern, „den vollkommenen Gerechten“, gewidmet war. Der Sakralraum befand sich im Mittelschiff der Basilika am Vierungsbogen, war also vor der Confessio Petri, der Grabkapelle des Apostels Petrus, platziert; der Papst soll ihn mit Heiligenreliquien aus der ganzen Welt bestückt haben. Außerdem schmückte er seine Kapelle mit einem Bild der Gottesmut‑ ter, die ein goldenes Diadem, eine Halsket‑ te und Ohrringe mit Edelsteinen trug. Am 12. April 732 versammelte Gregor vor dem Petrusgrab das collegium sacerdotum („das Kolleg der Priester“) von Rom, darunter die in Roms Umgebung amtierenden Bischöfe. Die Synodalen fassten auf Gregors Drängen hin Beschlüsse über die künftige Betreuung des neuen Oratoriums. Danach sollten die drei Klostergemeinschaften der Peterskir‑ che, die Kongregationen von St. Johan‑ nes und Paulus, von St. Stephan und von St. Martin, jeden Tag nach Verrichtung der Vesper vor der Confessio zu der Kapelle Gregors hinabsteigen, um dort die Psalmen und das Evangelium vom Tage zu singen.

Lateinische Christen

Der zum Wochendienst bestellte Priester sollte außerdem nach der über dem Petrus‑ grab gehaltenen Messe eine zweite Messe in dem Salvator‑ und Marienoratorium Gregors halten. Offenbar waren bei dieser Verpflichtung aber nicht schlechthin alle Tage des Jahres gemeint, sondern nur die Feste der in der Kapelle verehrten Heili‑ gen. Für den Kanon der Messe setzte man bestimmte Gebete im Wortlaut fest. Neben den Mönchen und Priestern übertrugen die Kollegiaten auch dem Dienstpersonal des Petrusgrabes die Aufgabe der Kultsiche‑ rung, besonders durch die Versorgung der Kapelle mit Kerzen. Die Beschlüsse wur‑ den durch die Androhung des Anathems bekräftigt und auf Geheiß des Papstes „in diesem Gebetsraum auf steinernen Tafeln“ eingraviert. Teile dieser Marmorplatten sind noch heute erhalten. Papst Gregor hatte also, abgesehen von der Kapelle selbst, offenbar nicht in geist‑ liche Memorialgemeinschaften investiert, sondern dazu bereits bestehende Kleri‑ ker‑ und Mönchskonvente der römischen Kirche herangezogen; deshalb benötigte er auch die Zustimmung der städtischen Geistlichkeit. Viele Päpste der folgenden Jahrhunderte haben ebenso für das Anlie‑ gen einer eigenen Memorialstiftung auch die Ressourcen der Kirche herangezogen. Die von Gregor III. geschaffene Chorka‑ pelle von St. Peter mit seinem Grab verlor ihre Funktion für den Klerus der konstan‑ tinischen Basilika erst im 15. Jahrhundert durch Sixtus IV. (gest. 1484).67 Der Ange‑ hörige der della Rovere aus Ligurien war seiner geistlichen Herkunft nach zwar Franziskaner, ist in die Geschichte aber als Mäzen der Humanisten und der Renais‑ sance eingegangen. Seine besondere Liebe galt der Kirche S. Maria del Popolo, bei der er auch einer Reformkongregation der Au‑ gustineremiten ein Kloster errichtete. Die Modernität der Kirche und Gesinnung der

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Observanten ließen S. Maria del Popolo zu einer der beliebtesten Grabkirchen Roms werden. Zahlreiche Grabmäler geistlicher und weltlicher Verwandter des Papstes ga‑ ben Anlass, das Gotteshaus geradezu als Grabkirche der della Rovere zu bezeich‑ nen. Das Werk, mit dem sich der Name Sixtusʼ IV. bis heute in erster Linie verbin‑ det, ist zweifellos die große Kapelle des Va‑ tikanpalastes, doch beruht deren Ruhm vor allem auf dem Fresko Michelangelos aus der Zeit von Sixtusʼ Neffen Papst Ju lius II. Den Zeitgenossen galt hingegen als Sixti capella eine von Sixtus wiederum in St. Pe‑ ter errichtete Kapelle. Am 8. Dezember 1479 weihte sie der Papst ein und erklärte dabei, sich hier seinen letzten Ruheplatz gewählt zu haben. Besucher beiderlei Ge‑ schlechts sollten an den Festen Mariae Unbefleckte Empfängnis, Franziskus und Antonius Indulgenzen (Ablässe) erwerben können; an anderen Tagen mit Ausnahme seines Todestages sollte Frauen im Übri‑ gen der Zutritt zur Kapelle verboten sein. Überall in der Sixtina wurde man an den Stifter erinnert: Die Inschrift am Eingang verkündete seinen Namen, die Wappen auf dem Fußboden seine Herkunft, das Kalottenfresko Peruginos zeigte sein Bild zu Füßen der Jungfrau Maria und des für ihn interzedierenden Heiligen Petrus. Et‑ was später schuf Sixtus eine Stiftung für zwei Benefiziaten (Altarpfründner) und zwei Klerikerstellen, denen er die Aufgabe übertrug, täglich in der Kapelle zwei Mes‑ sen zu lesen; die neuen Angehörigen des Kapitels von St. Peter sollten nach seinem Willen geradezu Sixtini genannt werden. Auch ein Kollegium mit zehn Sängern geht auf Sixtus zurück. Die dritte Gruppe der Geistlichkeit von St. Peter, die Kanoniker, sollte für alle Zukunft verpflichtet sein, viermal im Jahr sein Totengedächtnis zu begehen. Ihre höchste Steigerung erlang‑ te die Memorialplanung des Papstes aber

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dadurch, dass er seine Grabkapelle jetzt zur Chorkapelle des ganzen Kapitels von St. Peter bestimmte. Sixtus ließ zu diesem Zweck eigene Bänke für die drei Abteilun‑ gen des Kapitels aufstellen. Die Ausstattung der Gräber mit einem Grabmal, das den Toten repräsentiert, setzt bei den Päpsten mit Lucius II. (gest. 1185) in Verona ein, was dem allgemeinen kunst‑ historischen Befund entspricht. Da ältere Papstgräber ‚real‘ kaum einmal erhalten blieben und durch literarische Zeugnisse erschlossen werden müssen, scheint das sepulkrale „stellvertretende Bildnis“ ge‑ radezu einer Zerstörung der Gräber vor‑ gebeugt und einer Absicherung der Me‑ moria gedient zu haben.68 Wo der Stifter mit seinem Leib nicht präsent sein konnte, mochte ihn ein Epitaph oder auch eine Skulptur vertreten. Möglicherweise gilt dies für den berühmten Figurenzyklus von zwölf laikalen Stifterinnen und Stiftern im Westchor des Naumburger Domes, die auf urkundlich genannte primi fundatores der Vorgängerkirche bezogen werden (1249); ob und wie eng beim Neubau ihr räumlicher Zusammenhang mit ihren verschollenen Gräbern gewahrt werden konnte, ist un‑ klar.69 Ganz sicher nicht in der von ihm liebe‑ voll und aufwändig errichteten Stiftskirche SS. Simon und Judas in Goslar, sondern im Dom zu Speyer, war Kaiser Heinrich III. (gest. 1056) bestattet.70 Trotzdem beging man in Goslar noch im 15. Jahrhundert an mehr als 50 Tagen im Jahr sein feierliches Totengedenken, bei dem ein geöffneter höl‑ zerner Schausarg mit einer Sandsteinfigur Heinrichs inmitten des Kanonikerchores aufgestellt war.71 Praesente cadavere („in Gegenwart des Leichnams“), so ordnete die Überlieferung der Zeit Bild und Per‑ son einander zu, erinnerte der Vorbeter bei der Vigil des Anniversars daran, dass Heinrich „an diesem Orte mit den Gaben,

Stifter

die Du (Herr Jesus) ihm gegeben hast, in nie nachlassender Sorge Deinem Namen tägliche Huldigungen eingerichtet hat“72; für den ständigen Vollzug der stifterlichen Auflage des feierlichen Gottesdienstes, der ja den Kanonikern und Stiftsherren anver‑ traut war, möge Gott im Gegenzug „gnädig mit der Seele“ Heinrichs sein. Spätestens zur Seelmesse kamen auch die Armen und Kranken herbei, um Almosen im Namen des Stifters entgegenzunehmen und sich an dessen Memoria zu beteiligen.73 Die Feierlichkeiten endeten mit einem mittäg‑ lichen Totenmahl mit Wein und Hühnchen für die Stiftsherren.74 Ein eindrucksvolles anderes Ritual war die seit 1298 alljährlich veranstaltete Heiltumsweisung, bei der das Kapitel von SS. Simon und Judas alle Reliquien innerhalb ihrer Kirche und auch auf Umzügen durch die Stadt zur Vereh‑ rung darbot; sie hatten schon zum symbo‑ lischen Stiftungskapital Heinrichs gehört und lenkten so wiederum das Gedenken auf ihn zurück.75 Den Leib des Heiligen Bekenners Valerius hatte der Salier, wie wir aus einem herrscherlichen Diplom von 1053 wissen, unter anderem vom Kloster St. Matthias / St. Eucharius in Trier erworben; dafür hatte er „die Pfründe der Mönche, die Gott und dem Heiligen Eucharius regelge‑ mäß dienen, um einiges“ erweitert, sodass diese Tag und Nacht umso bereitwilliger dem Lob Gottes obliegen könnten.76 Seine Gegengabe bestand in dem Hof Vilmar aus seinem Erbgut. Wie ernst die Gottesmän‑ ner die Erwartung des Stifters, für sein Seelenheil (sowie das seiner Vorgänger) zu sorgen, nahmen, zeigt eine Staurothek (Kreuzreliquiar) von St. Matthias von ca. 1220. In dieser berühmten Goldschmiede‑ arbeit ist hier Heinrich mit einem Symbol seiner Landstiftung neben anderen Wohl‑ tätern und Heiligen in der Verehrung der Majestas Domini halbplastisch hervorge‑ hoben.77

Lateinische Christen

Grab, Grabmal78 und Abbild sollten den Stifter auf Dauer in seiner Stiftung verge‑ genwärtigen, vor allem aber sollte dies die Nennung seines Namens im Totengeden‑ ken der Messe oder im Kapitelsoffi zium von Mönchen und Klerikern bewirken. (→ 8.2) Die entsprechenden Aufzeichnun‑ gen, so hat man erst kürzlich festgestellt, waren grundsätzlich dazu bestimmt, „im Rahmen ritueller Handlungen öffentlich verkündet zu werden“;79 mindestens seit Beginn des 14. Jahrhunderts wirkte zudem die Absicht, die Namen der toten Stifter auf Dauer zu kommemorieren, geradezu als Verschriftlichungsschub im Rahmen kirchlicher Verwaltungen. Allein im Ge‑ biet der heutigen Schweiz sind seit den 1320er Jahren mehr als eintausend Anni‑ versarbücher nachgewiesen worden, die der Vergegenwärtigung der Stifter und Schenker im Gedenken dienten; manche von ihnen waren bis ins 20. Jahrhundert im Gebrauch. Die Stifter sorgten ferner dafür, dass auch ihre autoritativen Urkunden pe‑ riodisch und vor geeigneter Öffentlichkeit bekannt gemacht und so ihr Wille den Nachlebenden Generation für Generation eingeschärft wurde. So verband der Habs‑ burger Herzog Albrecht VI. von Österreich die Verleihung von „Gnaden und Freiheiten“ an die von ihm ins Leben gerufene Uni‑ versität Freiburg (1457) mit der Vorschrift, seinen Schriftsatz jährlich am Sonntag vor Himmelfahrt, zugleich am Tag der großen Kirchweihe, im Freiburger Münster (also der städtischen Pfarrkirche) „vor allem Volk durch den Stadtschreiber (…) in An‑ wesenheit von zwei Ratsherren und des Stadtbüttels von der Kanzel herab Wort für Wort in vollem Umfang“ zu verlesen.80 Dem Landesherrn nach tat es einer der ersten Freiburger Universitätslehrer, Johannes Kerer, als er 1496 / 1497 das ‚Collegium Sa‑ pientiae‘, eine Studentenburse für „zwölf arme, ehrbare Scholaren“, stiftete.81 In den

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Statuten des Hauses regelte er die Lebens‑ ordnung der Stipendiaten einschließlich des Anniversars für ihn selbst, seine Ver‑ wandten und Wohltäter82 und schrieb vor, dass sie viermal jährlich „im Speisesaal oder an einem anderen passenden Ort des Hauses allen Scholaren“ vorzulesen seien.83 Gelegentlich wurde verlangt, dass Bewoh‑ ner eines Studentenkollegs84 den Stifter in liturgischen Spielen evozierten. Als Johan‑ nes von Hubant 1336 in Paris ein Haus für sechs bedürftige Knaben zwischen acht und 16 Jahren einrichtete, bestimmte er des Weiteren den Vollzug opulenter Mahl‑ zeiten zu seinem Gedächtnis. An hohen Festtagen sollten vor einem Schüler, der seine eigene Person repräsentierte, Wein und Brot aufgetischt, aber von diesem nicht verzehrt werden; dieser Konsumverzicht galt geradezu als Mahnung an sein gutes Werk im Sinne der Caritas.85 In seiner und durch seine Stiftung un‑ ter den Nachlebenden präsent zu bleiben, lag nicht nur an der Zuverlässigkeit der Stiftungsorgane und den Ansprüchen der Stiftungsempfänger; man hat auch geltend gemacht, dass es der Stiftungsvollzug selbst sei, der die Stiftung am Leben hielt: „Die sich selbst verstärkende Wirkung von Ge‑ wohnheiten, die Ritualisierung von Hand‑ lungen, muss als wichtigstes Element der Verstetigung mittelalterlicher Stiftungen gelten, obwohl nur selten diese Macht der Gewohnheit in den Quellen aufscheint“.86 Indessen ist auch nicht zu übersehen, dass eine erfolgreiche Vergegenwärtigung des Stifters im Gebrauch seiner Stiftung als Rahmen für Zustiftungen anderer Men‑ schen,87 besonders für Anschlussstiftun‑ gen von Personen lag, die mit dem Stifter verwandt waren oder in dessen Amts‑ nachfolge standen;88 beide Motive konn‑ ten sich auch vermischen. Eindrucksvoll demonstriert dies die Geschichte der Ka‑ pellenstiftung Gregors III. in der römischen

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Peterskirche;89 hier ließen sich nach dem Papst des 8. Jahrhunderts in bewusster Weiterführung und Erneuerung seines Werkes noch drei andere Päpste beisetzen: Eugen III. (gest. 1153), Eugen IV. (gest. 1447) und – sogar nach der Entwertung des Ora‑ toriums durch Sixtus IV.90 – Innozenz VIII. (gest. 1492).91 Wie bewusst noch die Zeit‑ genossen des 15. Jahrhunderts diese Tradi‑ tion auf Gregor III. zurückführten, zeigen Notizen des päpstlichen Kanzleischrei‑ bers, des Humanisten Maffeo Vegio (gest. 1458).92 In der alten Konventskapelle von St. Peter stiftete Innozenz sogar vier neue Stellen für Kapelläne, die täglich das hei‑ lige Opfer darzubringen hatten. Sein mo‑ numentales bronzenes Grabmal ließ sein Nepot, Kardinal Lorenzo Cibo, durch den Künstler A. Pallaiuolo anfertigen. Vor dem Grab des Papstes sind später auch dessen Sohn Franceschetto (gest. 1517) und dessen Schwiegertochter Maddalena deʼ Medici beigesetzt worden.93 Der Ruheplatz des höchsten kirchlichen Würdenträgers wur‑ de also zugleich Familiengrablege; dies ist auch sonst bei Papstgräbern der Fall, besonders bei Nachbestattung päpstlicher Nepoten.94 Die älteste Sukzedenten‑Grablege, an‑ scheinend ein Novum im gesamten Be‑ stattungswesen, war die ‚Papstgruft‘ der Calixtus‑Katakombe in Rom, wo von 236 bis 283 neun römische Pontifices ihre letzte Ruhe gefunden hatten; hier sind allerdings noch keine Stiftungen belegt, wie dies in der zweiten römischen Bischofssepultur St. Peter der Fall ist.95 Geistliches Amt und Zugehörigkeit zu einer Sippe bestimmten die Bischofs‑ und Abtsgrablege der soge‑ nannten ‚Liudgeriden‘ in Werden (9. Jahr‑ hundert).96 Das Adelsgeschlecht der Salier bestattete seine Angehörigen zunächst im Dom zu Worms, nach seinem Aufstieg zur Königswürde aber in der neu errichteten Bischofskirche zu Speyer.97 Wie sich an

Stifter

dieser Grablege zeigt, konnten dynasti‑ sche Grablegen ihrerseits zu Reichs‑ oder Königsgrablegen schlechthin werden.98 Im Zuge der Territorialisierung bildeten sich allenthalben adlige Herrschaftsmittelpunk‑ te mit Burg, Hauskloster und Grablegen heraus.99 Die Zuordnung von Residenz und Grablege beim weltlichen Adel dürfte einen (weiteren) Anstoß für die Ausbildung von Kathedralgrablegen der Bischöfe, vor allem seit dem 12. Jahrhundert, gegeben haben.100 In all diesen Erscheinungen traditionsbil‑ dender Grabstätten konnte die Gegenwart eines ersten Stifters oder seiner Nachahmer als Teil einer Reihe Bestatteter gewähr‑ leistet sein. Selbst bei der Imitation einer Memorialstiftung an anderem Ort und für andere Personen wurde gelegentlich an das Vorbild bestimmter Vorfahren erinnert; solche Rückbezüge hat man beispielsweise für die Karolinger Karl den Kahlen (877) und Karl den Einfältigen (917; Compiègne) im Verhältnis zu König Pippin (Klöster Prüm und Laon) und Karl den Großen (Ma‑ rienkirche zu Aachen) nachgewiesen.101 11.2.4  Der Stifter: Vergessen, verdrängt, wieder entdeckt – und fingiert Insbesondere wenn sich die Erben eines Stifters zur Aufsicht über den Bestand der Stiftung verpflichtet sahen, konnten sie umgekehrt den Titel des Stifters für sich selbst in Anspruch nehmen. So hat Kur‑ fürst Philipp von der Pfalz 1498 einen Re‑ formversuch bei der von seinen Vorfahren gegründeten Universität Heidelberg mit der Selbstbezeichnung gerechtfertigt, er sei patron und stifter der Hohen Schule.102 Ob ein Erststifter tatsächlich im Laufe der Zeit zugunsten von Neustiftern aus sei‑ ner Nachkommenschaft ins Vergessen ab‑ gedrängt wurde, lässt sich zwar aus der

Lateinische Christen

urkundlichen Überlieferung allein nicht mit Gewissheit ableiten; bemerkenswert ist aber doch, was etwa die Reihe der fränki‑ schen und deutschen Königsdiplome über die Beständigkeit oder Überlagerung einer Stifterpräsenz in der Stiftung verraten kann. Nachweislich hatte eine Dame namens Bertrada/Berta zusammen mit ihrem Sohn Charibert im Jahr 721 das Männerkloster Prüm in der Eifel geschaffen; sie bezeichne‑ ten ihren Rechtsakt dabei als „Schenkung“ (donatio), entäußerten sich aber stiftungs‑ gemäß der Güter und ihrer Herrschafts‑ rechte (ius et dominatio) auf ewig zugunsten der Mönchsgemeinschaft.103 Die gleich‑ namige Enkelin der Bertrada wurde die Gemahlin des ersten karolingischen Kö‑ nigs Pippin, aber beide Eheleute verfügten über Erbgut an denselben Orten; sie müs‑ sen also miteinander verwandt gewesen sein.104 Kurz nach seiner Königserhebung beschenkte Pippin zum ersten Mal Prüm (752), und zwar mit Fischereirechten im Moselgau, und betonte dabei, er habe das Kloster „von neuem zu Ehren des Heilandes und der Heiligen Maria errichtet“ und zu diesem Zweck eine Mönchskongregation eingerichtet.105 Die Schenkung sollte jeder königlichen Gewalt, Verfügungsfreiheit eines Prälaten oder richterlichen Macht entzogen bleiben, so dass von den gegen‑ wärtigen und nachfolgenden Mönchen sei‑ ne Memoria und die seiner Ehefrau Ber‑ trada auf ewig begangen werden. In einem großen Diplom mit Bestätigung früherer Schenkungen und bestimmten Rechtsver‑ leihungen machte sich König Pippin zehn Jahre später zugleich zum Sprecher seiner Frau.106 Sie hätten beide Prüm „aus ihren Eigengütern“ (ex propriis facultatibus) aus‑ gestattet, das Kloster „auf unserem Eigen‑ gut“ erbaut (notum est omnibus (…) nos et coniuge nostra Bertradane (…) monasterium in re proprietatis nostrę aedificare), Reliqui‑ en niedergelegt und Mönche herbeigeholt;

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so sollten diese in völliger Ruhe unter der heiligen Regel leben und in der Nachah‑ mung der seligen (Mönchs‑)Väter für den Bestand der Kirche, die lange Dauer des Reiches sowie für Bertrada, die gemein‑ same Nachkommenschaft und das katho‑ lische Volk die Barmherzigkeit des Herrn anflehen. „Weil aber von uns aus Liebe zu Christus das Kloster selbst von neuem errichtet worden ist“ (ut dum a nobis pro amore Christi ipse monasterium a novo opere constat esse fundatum), solle man darauf achten, dass von Stunde an Priester und Mönche ihren geistlichen Aufgaben unter einem Abt obliegen, der sie zusammenzu‑ halten versteht. Bei den Schenkungen wird im Einzelnen betont, dass sie aus Erbgut der Bertrada einerseits und Pippins ande‑ rerseits hervorgegangen seien: donamus pariter ego et coniux mea Bertrada ad ipsum sacratissimum locum, quem in honore sancti Salvatoris (…) construximus, res proprietatis nostrae (…) in (…) villa (…), tam illa portione, quem de genitore meo Karolo mihi advenit, quam et illa portione ipsius Bertradane, quam genitor suus Heribertus ei in alode dereliquit (…). Similiter donamus (…) illam portionem (…), quam (…) genitor meus Karolus mihi in alodem dereliquit, et illam aliam portionem in ipsa villa, quam Heribertus uxori nostrae Bertrade in alodem dimisit. König Pippin und seine Gemahlin Bertrada behandelten also Prüm als Eigenkloster107 zusammen mit und aus dem Nachlass ihrer jeweiligen Väter, des Hausmeiers Karl Martell und des Grafen von Laon Heribert; auch wenn sie die Neugründung betonten, vermieden sie doch, die ersten Gründer überhaupt (Bertrada d. Ä.) oder ausdrücklich als sol‑ che (Heribert) zu benennen. Während die erste Gründung von 721 als Stiftung kon‑ zipiert worden war, wurde deren Freiheit von den Erben missachtet und zugunsten laikaler Klosterherrschaft beiseitegescho‑ ben. Die nachfolgenden Karolinger haben

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Prüm ebenso als königliches Eigen‑ oder Reichskloster betrachtet. Bis zum Ende der Dynastie im Ostreich wurde der Neu‑ stiftung Pippins, weniger Bertradas d. J., gedacht,108 aber seitdem die Liudolfinger in der Köngsherrschaft an die Stelle der Pippiniden‑Karolinger getreten waren, wurde auch sie nicht mehr erwähnt.109 Eindeutig um eine Stiftung handelte es sich bei dem Spital, das Kaiser Friedrich I. 1181 im thüringischen Altenburg einrich‑ tete.110 Barbarossa verfügte, dass die Ein‑ richtung „zum Trost der Armen“ Brüdern anvertraut werde, die über alles frei verfü‑ gen sollten; die danach gebildete Spitalge‑ nossenschaft betätigte sich selbständig in Kaufgeschäften und wurde von Friedrichs Sohn Heinrich VI. weiter bewidmet und privilegiert.111 Trotz der stiftungsgerechten Selbstorganisation des Spitals fühlten sich die Staufer als Herren des Hauses, weil sie über Altenburg die Stadtherrschaft ausüb‑ ten. 1214 hat der gleichnamige Enkel Fried‑ richs I. das der Armensorge gewidmete Institut dem Deutschen Orden übertragen und damit den Stiftungszweck einschnei‑ dend verändert;112 es diente jetzt mehr und mehr den Aufgaben des Ordens in Über‑ see, während die Armen vor Ort aus den Dokumenten verschwinden. Allerdings richteten die Ordensherren in Altenburg eine Schule ein (1272).113 Seinen Vorfahren Friedrich I. hatte schon Friedrich II. in sei‑ ner Verfügung nicht mehr erwähnt, aber auch dieser selbst und sein Vater Heinrich werden 1261 zum letzten Mal genannt.114 Ohne weiteren Bezug auf die staufischen Stifter verselbständigte sich die Geschichte der Stiftung. 1448 lebten im Altenburger Ordenshaus („Spital“) neben vier Herren mit dem Kreuz und 19 weiteren Personen immerhin noch (oder wieder?) „zwei Sie‑ che“.115 Als sich Stadt und Landesherrschaft in der Reformationszeit dem neuen Glau‑ ben zuwandten, gaben die (katholisch

Stifter

gebliebenen) Ordensherren Messpflich‑ ten, Schule und Spital auf und überwie‑ sen Geld zum Unterhalt der Kirchendiener und der Armen an den Gemeinen Kasten von Altenburg (1529).116 Wiederum zehn Jahre später griffen jedoch die Landes‑ herren auf das alte Stiftermotiv zurück – wiederum ohne namentliche Nennung des Stifters – und verlangten, erneut ein Spital einzurichten.117 Tatsächlich fügten sich die Deutschordensherren, sodass 1546 rund 40 Arme in ihrem Altenburger Haus versorgt wurden;118 allerdings verweiger‑ ten sie die Vorlage der alten Urkunden, aus denen ihre herkömmliche Verpflichtung zur Seel‑ und Armensorge hätte abgelei‑ tet werden können.119 Die Geschichte des Hauses endete 1594, als es die Spitalbrüder an die Herzöge Friedrich Wilhelm und Johann verkauften.120 Wenn die Symbiose des Stifters mit sei‑ ner Stiftung zerbricht, können beide doch unter den Nachlebenden weiter präsent bleiben; nur fallen dann die Geschichten des Stifters und der Stiftung auseinander. Das zeigt besonders ein Fall, der unlängst in einer eindrucksvollen Publikation vor‑ geführt worden ist.121 Die habsburgische Königswitwe Elisabeth ließ, unterstützt durch ihre ebenso verwitwete Tochter Agnes, Königin von Ungarn, im schwei‑ zerischen Aargau (ungefähr) an der Stelle ein Kloster errichten, an der ihr Gemahl 1308 erschlagen worden war. Obwohl die Leiche König Albrechts I. dort nie bestattet, sondern schon 1309 nach Speyer über‑ führt worden war,122 bauten beide Damen das jetzt sogenannte „Königsfelden“, ein Doppelkloster von Franziskanern und Klarissen, zu einer Memorialstätte ihrer Familie aus.123 1316 ließ Agnes ihre drei Jahre zuvor in Wien verstorbene Mutter hierher überführen, und eingeschlossen sie selbst sollten noch zehn weitere Mit‑ glieder der Familie König Albrechts in

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der Königsfeldener Gruft ihre letzte Ruhe finden.124 Abgesehen von einem marmor‑ nen Kenotaph inmitten der Klosterkirche verwies ein kostbarer Zyklus von Glas‑ fenstern seit ca. 1340 auf die bestatteten Stifter_innen und Habsburger hin.125 Als Königsfelden mit dem Aargau 1415 unter die Herrschaft der Stadt Bern fiel, konnten doch die Habsburger Könige und Kaiser Friedrich III. und Maximilian I. vorerst das Totengedenken ihrer Angehörigen schüt‑ zen.126 Infolge der Reformation wurde dann aber das Kloster aufgelöst und sein Besitz zu einer Landvogtei zusammengefasst;127 Bern richtete in den vormaligen Konvents‑ gebäuden ein Spital für die Pflege von Ar‑ men, Kranken und Alten ein (1532). Die von ihrer Memorialgemeinschaft verlassenen Toten wurden erst im 18. Jahrhundert in das Kloster St. Blasien im Schwarzwald transferiert; der dortige Fürstabt Martin II. Gerbert hatte die Absicht, sein Kloster zur Habsburger Grablege auszubauen und sich damit das Wohlwollen der hier noch herrschenden österreichischen Landes‑ herrschaft zu sichern (1770).128 Auch dort blieben die sterblichen Überreste der elf Habsburger aber nicht lange, da im Zuge der Säkularisierung im römisch‑deutschen Reich auch St. Blasien aufgehoben wurde. Die Klosterbrüder erhielten aber die Er‑ laubnis, die Habsburger Gebeine 1807 ins Kloster St. Paul im Lavanttal (Kärnten) zu überführen.129 Während sich also die Geschichte der Stifter seit dem 16. Jahrhun‑ dert erst von der Memorialgenossenschaft der Mönche und Nonnen und dann auch vom Ort ihrer Beisetzung hatte lösen müs‑ sen, ging die Geschichte der Stiftung in Königsfelden weiter. Im Laufe des 16. Jahr‑ hunderts stieg die Zahl der Spitaliten von 24 auf 40 an.130 Gleichzeitig legte Bern Wert darauf, seine Herrschaft zu beto‑ nen; 1595 ließen sich die führenden Amts‑ träger mit farbigen Wappenscheiben an

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denjenigen Fenstern der Klosterkirche mit ihren Wappen repräsentieren, an denen vorher Königin Elisabeth und ihr ermor‑ deter Gemahl dargestellt waren.131 Aller‑ dings blieben die meisten der wertvollen mittelalterlichen Glasfenster erhalten.132 Auch ließen sich Berner Amtsleute in der Klosterkirche, also am Platz der Habs‑ burger Grablege, beisetzen.133 1803 wurde die Berner Herrschaft durch Gründung des Kantons Aargau abgelöst, der in den alten Klostergebäuden ein Spital für kör‑ perlich und seelisch Kranke einrichtete;134 bis heute ziehen indessen vor allem die mittelalterlichen Glasfenster Besucher und Touristen nach Königsfelden.135 Die Fenster erinnern an Tote, die entweder nie hier beigesetzt waren (Albrecht I.) oder in nachmittelalterlicher Zeit eine weit‑ räumige Wanderschaft antreten mussten. Immerhin notierte noch der Romancier Viktor von Scheffel (gest. 1886) nach ei‑ nem Besuch Königsfeldens, wo einst viele wichtige Leichen geruht hatten, brenne „das ewige Licht für sie alle im Chor der glasfensterfarbigen Kirche“.136 Auch Wiederentdeckungen von Stiftern kann es nach langen Unterbrechungen ge‑ ben; dabei spielt die historische Erinnerung einer örtlichen Gemeinschaft ebenso eine Rolle wie die Arbeit der Wissenschaft. In Speyer war die Gedenkstiftung Heinrichs V. für seinen Vater von 1111 um die Mitte des 16. Jahrhunderts erloschen; als aber die Stadt 1990 ihre 2000‑Jahr‑Feier beging und eine ‚Salier‑Gesellschaft‘ gegründet wurde, hielt man wenig später zum ers‑ ten Mal auch wieder das Gedenken der Domstifter und der hier bestatteten Salier ab, darunter Heinrichs IV. Seit 1992 rufen Salier‑Gesellschaft und Domkapitel nun alljährlich zu Gedenkmessen für Hein‑ rich IV. in die Kathedrale.137 Mythische Anfänge für eine Institu‑ tion oder soziale Gruppe zu fingieren, um

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deren Ansehen zu erhöhen und sich der eigenen Stellung in der sich wandeln‑ den Welt zu vergewissern, gehört zu den Grundmotiven historischen Denkens und Erzählens.138 Bezeichnenderweise spielt in diesem Zusammenhang der Stifter eine herausragende Rolle. Bei Einrichtungen wie den ersten Universitäten, die gerade keine herausragenden Einzelnen als Grün‑ der kannten, sondern aus genossenschaft‑ licher Wurzel entstanden waren, kam im Laufe einer längeren Lebensdauer das Be‑ dürfnis nach Stiftergestalten auf. So wurde in Paris Karl der Große erfunden, in Bo‑ logna Kaiser Theodosius II. entdeckt (an‑ gebliche Stiftungsurkunde von 433 u. Z.), in Cambridge ging man bis König Artus (531 u. Z.) oder noch weiter bis zu einem Mann namens Cantaber (1187 v. u. Z.) oder wenigstens zum Jahr 693 v. u. Z. zurück; in Oxford konkurrierten der Trojaner Kö‑ nig Brutus mit König Alfred dem Großen, der sich in der historischen Überlieferung durchsetzte: Noch 1882 beging die Hohe Schule dort mit Bezug auf den angelsäch‑ sischen Monarchen die Eintausendjahr‑ Feier.139 Natürlich kann die kritische For‑ schung gelegentlich auch eine historische ‚Wahrheit‘ hinter solchen Gründungsle‑ genden eruieren; dies wird etwa bei dem Schauenburger Grafen Adolf IV. geltend gemacht, der 1239 im Franziskanerklos‑ ter St. Maria Magdalenen in Hamburg die Mönchskutte nahm. Etwa zwei Jahr‑ hunderte später kam die Legende von der Gründung des Hauses durch Adolf auf, die der Wissenschaft trotz des Fehlens jeden positiven Quellenbelegs als „einigerma‑ ßen plausibel“ gilt.140 Fiktive Stiftungen wurden aber auch geplant. So entwickel‑ te der Jurist Pierre Dubois (ca. 1250 / 1260 bis 1320) das Projekt einer universalen Heilig‑Land‑Stiftung, die nicht bloß der Wiedererlangung, sondern der dauerhaf‑ ten Wohlfahrt des heiligen Landes dienen

Stifter

und zugleich die Bildung in Europa för‑ dern sollte. Er dachte an eine Schulung künftiger Neusiedler in der Levante, und zwar von jungen Männern und Frauen: „Die Stiftung zur dauerhaft christlichen Besiedlung des heiligen Landes, die Pierre skizziert, soll diesseits und jenseits des Meeres Mittel verwalten, Projekte finan‑ zieren und den ehemaligen Kreuzfahrer‑ staaten ihr Auskommen sichern. Sie soll die Überfahrt nach ‚Outremer‘ finanzieren und organisieren und vor allem Schulen in Europa unterhalten, in denen Jungen und Mädchen optimal auf ein Leben in der Ferne vorbereitet werden. Schülerin‑ nen, Schüler und Lehrer sollen gemäß den Verfügungen der Stiftungsbeauftragten (magistri provisionis) vom Stiftungsgut le‑ ben (de bonis predicte provisionis Terre Sancte). Mit dem Ratschlag seiner Suffragane hatte der zuständige Metropolit seinen jeweiligen Magister zu ernennen. Mäd‑ chen, denen das Glück widerfahre, in den Lehranstalten der Stiftung ausgebildet zu werden, würden künftig eine so gute Figur abgeben, dass man sie für die Töchter von Fürsten halten werde! Allerdings müssten die Stipendiatinnen und Stipendiaten das gesamte auf sie verwendete Geld eines Ta‑ ges der Stiftung zurückerstatten; dadurch werde das Stiftungsvermögen sine mensura gesteigert! Die Kleriker und Prälaten des Ostens würden es als sehr wünschenswert ansehen, derart ausgebildete Mädchen zu ihren Frauen zu nehmen [sic!], und so würde dank der geistig‑geistlichen Überle‑ genheit der ‚lateinischen‘ Frauen die Über‑ legenheit der römischen Kirche gegenüber allen anderen Religionsgemeinschaften offenbar werden.“141 Zur Errichtung seiner virtuellen Stiftung sah Pierre Dubois ein baldmöglichst einzuberufendes Konzil vor, er „imaginierte also letztlich das Konzil als korporativen Stifter“.142 MB

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Anmerkungen 1  Zu diesem Fall: M. Borgolte, Stiftungsurkunden

Heinrichs II. (1993, ND 2012), 260 f., mit Literatur‑ hinweisen. Neuerdings: Weinfurter, Heinrich II. (2000), 175; 216; Schneidmüller, Otto III. – Hein‑ rich II. (1997), 18 f.; Zotz, Gegenwart des Königs (1997), 377. 2 MGH DD H II, 50 f., Nr. 43. Heinrich behielt sich bei dieser Gelegenheit eine Mitwirkung an der Abtswahl vor. 3 Ebd., 103–105, Nr. 83: (…) in perpetuum nostri nominis et dilectae coniugis nostrae Cunigundae memoriam parentumque nostrorum et karissimi senioris et antecessoris nostri tercii videlicet Ottonis imperatoris augusti commemorationem. 4  Ebd., 122 f., Nr. 98. Dazu M. Borgolte, Stiftungs‑ urkunden Heinrichs II. (1993, ND 2012), 258–260; zum Kontext jetzt auch Weinfurter, Heinrich II. (2000), 156 f. 5 Eine Analogie dürfte im Fall Quedlinburgs der Hofkaplan Adaldag gewesen sein: Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), 25. 6 M. Borgolte, Rolle des Stifters (1985, ND 2012); Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen (1992). 7 Auf diese komplexe Problematik kann (und muss) hier nicht eingegangen werden. Zu beiden Fragen für das frühe Mittelalter vgl. etwa Kasten, Erbrechtliche Verfügungen (1990); Dies., Dicho‑ tomie von privat und öffentlich (2004). 8 Zum Folgenden M. Borgolte, Stiftungsurkun‑ den Heinrichs II. (1993, ND 2012), 261 f. 9 Die Chronik des Bischofs Thietmar von Merse‑ burg und ihre Korveier Überarbeitung. Ed. Robert Holtzmann. (MGH SS rer. Germ. N. S. 9.) Berlin 1935, 311 f., lib. VI.31. – Der Erbbesitz an Bamberg ging auf eine Schenkung Ottos II. an Heinrichs Vater, einen Herzog von Bayern, zurück: MGH DD O II, 53 f., Nr. 44; Die Vita sancti Heinrici regis et con‑ fessoris und ihre Bearbeitung durch den Bamber‑ ger Diakon Adelbert. Ed. Marcus Stumpf. (MGH SS rer. Germ. 69.) Hannover 1999, 245 f. 10  MGH DD H II, 169–172, Nr. 143, hier 170. 11  Chronik des Bischofs Thietmar. Ed. Holtzmann (wie Anm. 9), 312, lib. VI.31. 12  MGH DD H II, 169–172, Nr. 143, hier 170. 13  Belege bei M. Borgolte, Stiftungsurkunden Heinrichs II. (1993, ND 2012), 261.

14  Dazu M. Borgolte, Felix est homo ille (1982);

danach Neuedition des Testaments mit ausführ‑ lichem Kommentar durch Weidemann, Testament des Bischofs Berthramn (1986). 15  Weidemann, Testament des Bischofs Berth‑ ramn (1986), 7; vgl. ebd., 79–100. 16  Ebd., bes. 173–176. 17  Ebd., 9 f. 18  Ebd., 7; 9; 11. 19  Siehe unten bei Anm. 55 f. 20 Weidemann, Testament des Bischofs Berth‑ ramn (1986), 7: pro defensione civitatis vel salubritatem populi. 21 Vgl. Vita sancti Heinrici regis. Ed. Stumpf (wie Anm. 9), 247–254; Die Regesten des Kaiser‑ reiches unter Heinrich II. 1002–1024. Ed. Johann Friedrich Böhmer / Theodor Graff . (RI 2.4.) Wien / Köln / Graz 1971, 937 f., Nr. 1645a. 22 Papsturkunden 896–1046, Bd. 2. Ed. Harald Zimmermann. (Österreichische Akademie der Wissenschaften. Philosophisch‑Historische Klas‑ se. Denkschriften, Bd. 177.) Wien 1985, 830–833, Nr. 435; Vita sancti Heinrici regis. Ed. Stumpf (wie Anm. 9), 248–250. Vgl. H. Hoffmann, Mönchskönig und rex idiota (1993), 85–101. 23 Vita sancti Heinrici regis. Ed. Stumpf (wie Anm. 9), 249 (bezogen auf eine eigene Intervention des Bischofs Heinrich von Würzburg): Unde etiam prędictus episcopus nobis suas literas misit, ut suo consensu privilegio nostrę apostolicę auctoritatis episcopatus noviter factus fundaretur. Desgl. Pap‑ sturkunden. Ed. Zimmermann (wie Anm. 22), 832. 24 Vita sancti Heinrici regis. Ed. Stumpf (wie Anm. 9), 249; Papsturkunden. Ed. Zimmermann (wie Anm. 22), 832: Cuius (s. Heinrichs II.) sanctissimam intimationem paterna et pręcordiali dilectione intuentes omnes res, quas beato Petro apostolorum principi in loco pręnominato legitima ratione collectas contulit, nostrę auctoritatis privilegio confirmare decernimus. 25 Vita sancti Heinrici regis. Ed. Stumpf (wie Anm. 9), 250; Papsturkunden. Ed. Zimmermann (wie Anm. 22), 832: et primi constructoris eiusdem ecclesie. 26 Regesten des Kaiserreiches unter Heinrich II. Ed. Böhmer / Graff (wie Anm. 21), 937 f., Nrn. 1645a, 1646.

376 27 Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen

(1992), 4. 28 Ebd., 25 f.; 69. 29 Ebd., 69. 30 Zu Prag 1347 siehe ebd., 68–74; zu Wien 1365 112–116; 275; zu Heidelberg 1385 174. Zu Freiburg (1455/1456) M. Borgolte, Rolle des Stifters (1985, ND 2012), 179–186; zu Basel (1459), wo sich Pius II. nicht durch materielle Ausstattung an der Grün‑ dung beteiligte und trotzdem bis heute als studii Basiliensis auctor gilt, siehe ebd., 177 f.; 186–195. 31 Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen (1992), 83–92; 274 f. 32 Ebd., 132–139; 276; Rexroth, Städtisches Bür‑ gertum (1993). Zu Wien vgl. auch Wagner, Lan‑ desfürsten und Professoren (2002). 33 Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen (1992), bes. 173–179; 222–224 ( fundator huius studii et iniciator, in sacra theologia doctor egregius, hic primus formatus). 34 Ebd., bes. 189–196; 207–218. – Eine Analogie: Rexroth, Karriere bei Hof (1993); allgemein zum Thema ‚Experten für die Errichtung und Orga‑ nisation von Hochschulen‘: Ders., Weisheit und ihre 17 Häuser (2006), 430 f. 35 Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen (1992), 251–265; 276 f. 36 Vgl. aber ein Beispiel bei Büttner, Stiftungs‑ praxis (2008), 255–257. 37 Vgl. Hellmuth, Frau und Besitz (1998); Schmuki, Frühmittelalterliche Stifterinnen (2006); G. Jordan, Nahrung und Kleidung (2007), 113–122; Crusius, Dienst der Königsherrschaft (2008); Herder, Women as Benefactors (2008); E. Jordan, Female Founders (2008); Schlütter-Schindler, Frauen der Herzöge (1999); vgl. auch Rasmussen, Monastic Benefactors (2006). 38 R. Fuhrmann, Kirche und Dorf (1995), 75: „‚Minder‘ sollen die (…) Stiftungen heißen im Hin‑ blick auf das Bannrecht von Kirche und Pfarr‑ pfründe, dem sie unterworfen waren.“ 39 Ebd., 160. 40  Ebd., 161. 41  M. Borgolte, Grab in der Topographie (2000, ND 2012), 292. 42  Vgl. auch Burton, Fundator Noster (2006); Kamp, Memoria und Selbstdarstellung (1993); Tritz, Schätze im Himmel (2008); Hensel-Grobe, St.‑Niko‑ laus‑Hospital (2007); Neidiger, Prädikaturstiftungen

Stifter

(2011); Dobson, Church and Society (1996), bes. 253–284. 43  Dazu Proetel, Großes Werk (2000); die fol‑ gende Zusammenfassung nach M. Borgolte, Grab in der Topographie (2000, ND 2012), 297. 44  Proetel, Großes Werk (2000), 66 f. 45  Scheller, Memoria an der Zeitenwende (2004); zuletzt Oexle, Grab und Memoria (2013/2014), 40–48. 46  Aus dem reichen Fundus der Lübecker Testamente wurde unlängst an einem Beispiel eindrucksvoll demonstriert, wie ein Kaufmann Kirchen, Klöster und Spitäler in Lübeck (und Umgebung) ebenso wie im flandrischen Brügge bestiftete, wo er zum Ältermann des hansischen Kontors gewählt worden war, siehe Dormeier, Lai‑ kales Stiftungswesen (2013), bes. 279–284; Edition des Testaments von 1459 ebd., 317–322. 47  Lusiardi, Stiftung und städtische Gesellschaft (2000), 171. 48  Ebd., 187. 49  Oexle, Gegenwart der Toten (1983, ND 2011); M. Borgolte, Stiftungen des Mittelalters in rechts‑ und sozialhistorischer Sicht (1988, ND 2012). 50 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft (1972, ND 1980), 28. 51 M. Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012), 312. 52 Besold-Backmund, Stiftungen und Stiftungs‑ wirklichkeit (1986); M. Borgolte, Stiftungen und Stiftungswirklichkeiten (2000); Lohse, Dauer (2011); Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012). 53 Zur kunst‑ und allgemeinhistorisch unge‑ mein produktiven Forschung über Grablegen und Memoria seien nur einige neuere Titel zitiert: Ruf , Stiftungen der Familie Hardenrath (2011), bes,. 336–340; C. Behrmann / Karsten / Zitzlsperger, Grab, Kult, Memoria (2007); Rader, Grab und Herrschaft (2003); J. Schmid, Pro remedio animae (2002); Valdez del Alamo / Pendergast, Memory and the Medieval Tomb (2000); R. Meyer, Königs‑ und Kaiserbegräbnisse (2000); Michalsky, Memoria und Repräsentation (2000). – Siehe auch Marek, Körper des Königs (2009); Belting / Kamper / Schulz, Quel Corps (2002). 54 Siehe oben bei Anm. 14. Zum Folgenden bes. M. Borgolte, Felix est homo ille (1982), bes. 13–16; Ders., Freigelassene im Dienst der Memoria (1983, ND 2012), bes. 137 f.

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55 Weidemann, Testament des Bischofs Ber‑ 75 Ebd., 107–114. thramn (1986), 11 mit 12, Anm. 3; 26; vgl. auch 21 f. 76  MGH DD H III, 420–423, Nr. 309, hier 422. 56 Ebd., 44. 77 Rhein und Maas (1972), 346 f.; vgl. Oexle, Me‑ moria und Memorialbild (1984), 398 f. 57 Ebd., 43. 58 Ebd., 44. 78 Zur gebotenen Unterscheidung beider vgl. 59 M. Borgolte, Felix est homo ille (1982), 15 mit M. Borgolte, Dauer von Grab und Grabmal (2000,

Anm. 68 (dort weitere Literatur). 60 Weidemann, Testament des Bischofs Ber‑ thramn (1986), 43 f. 61 Ebd., 18; 33. 62 Ebd., 10; 37; 40; bes. 45 f. – Natürlich war auch die Bischofskirche von Le Mans, eine der beiden Erben Berthrams, an den Verpflichtun‑ gen zu seinem Gebetsgedenken beteiligt, siehe ebd., 22; 25; 29. 63 Ebd., 43; dazu M. Borgolte, Felix est homo ille (1982), 18. 64 Vgl. M. Borgolte, Stiftungen des Mittelal‑ ters in rechts‑ und sozialhistorischer Sicht (1988, ND 2012), 10. 65 Hierzu mit Belegen M. Borgolte, Petrusnach‑ folge und Kaiserimitation (1995), 94–102. 66 Das Folgende wörtlich nach ebd., 102 f. 67 Das Folgende nach ebd., 281–285, hier z. T. mit wörtlichen Zitaten. Vgl. jetzt Zitzlsperger, Sehn‑ sucht nach Unsterblichkeit (2004). 68 M. Borgolte, Papstgräber als Gedächtnisor‑ te (1992, ND 2012), 212; Reinle, Stellvertretendes Bildnis (1984). – Chronologisch erst bei Sixtus IV. setzen jetzt ein: Bredekamp / Reinhardt, Totenkult und Wille zur Macht (2004). 69 Zuletzt Oexle, Grab und Memoria (2013/2014), 35–40; Kunde, Westchor (2007), bes. 227–232; Schubert, Dom zu Naumburg (2007). Zur Forschungs‑ geschichte Straehle, Naumburger Meister (2009), zur Kontroverse um die Naumburger Stiftergräber bes. Sauerländer / Wollasch, Stiftergedenken und Stifterfiguren (1984), und Oexle, Memoria und Memorialbild (1984), 405 f. 70 Ehlers, Metropolis Germaniae (1996), 91–97. – In Goslar glaubt man, über das Herz Heinrichs III. zu verfügen; skeptisch aber Lohse, Dauer (2011), 165 mit Anm. 8. 71 Ebd., 97–116. 72 Ebd., 98 (Übersetzung der collecta de fundatore, wie sie auch im Goslarer Brevier steht, vgl. ebd. 475). 73 Ebd., 99; 107. 74 Ebd., 100.

ND 2012); vgl. jetzt auch T. Meier, Archäologie des mittelalterlichen Königsgrabes (2002), 212–271. 79 Hugener, Buchführung für die Ewigkeit (2014), 15, vgl. im Übrigen bes. 13 f.; 31; 38–40; 51; 73. 80 M. Borgolte, Rolle des Stifters (1985, ND 2012), 184 f.; Ders., Freiburg als habsburgische Universi‑ tätsstiftung (1988, ND 1988), 43. 81 Johannes Kerer, Statuta Collegii Sapientiae. Satzungen des Collegium Sapientiae zu Freiburg im Breisgau 1497. Ed. und Übers. Josef Hermann Beckmann / Robert Feger. Lindau / Konstanz 1957, 27 (lat. Original 26). – Vgl. Weisbrod, Freiburger Sapienz (1966). 82 Kerer, Statuta Collegii Sapientiae. Ed. Beckmann / Feger (wie Anm. 81), 110 f., mit dem aus‑ drücklichen Wunsch, seinen Todestag „an einer belebten Stelle unseres Hauses zum ewigen Ge‑ dächtnis unseres Namens“ anzuschreiben. Durch die von jedem Scholar durch Totenvigilien oder Bußpsalmen zu begehenden Feiern und Lesungen wollte Kerer „noch im Grab also im Gedächtnis derer leben, die, wiewohl jetzt noch nicht gebo‑ ren, durch unsere Wohltaten gelebt haben“. Er schließt mit dem Wunsch: „Gehabt euch wohl und seid unser und aller eurer [künftigen] Wohl‑ täter, durch deren Guttaten für euer Leben Sorge getragen ist, eingedenk!“ 83 Ebd., 109, lat. Original 108. 84 Zu diesen typischen Stiftungen spätmittel‑ alterlicher Universitäten vgl. ferner vor allem Wagner, Universitätsstift und Kollegium (1999). 85 Gabriel, Student Life (1955); M. Borgolte, Stif‑ tungen des Mittelalters in rechts‑ und sozialhis‑ torischer Sicht (1988, ND 2012), 5 f. 86 Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), 271; vgl. Lohse, Dauer (2011), bes. 204–206; Lusiardi, Stiftung und städtische Gesellschaft (2000), 51. 87 Den Begriff ‚Rahmenstiftung‘ hat Lohse, Stift und seine Stifter (2008), 283 f., geprägt. 88 M. Borgolte, Grablege (1989), mit Literatur‑ hinweisen. 89 Siehe oben bei Anm. 66. 90 Siehe oben bei Anm. 67.

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Stifter

91 M. Borgolte, Petrusnachfolge und Kaiserimi‑ für Polen jetzt: Mühle, Monarchische und adlige tation (1995), 104 f.; 166–169; 269 f.; 339.

92 Ebd., 105; 269. – Zu den noch erhaltenen

Marmorplatten am Grab Gregors III. oben nach Anm. 66; Neuedition bei Mordek, Rom, Byzanz und die Franken (1988), 147–154. 93 M. Borgolte, Petrusnachfolge und Kaiseri‑ mitation (1995), 288. 94 M. Borgolte, Nepotismus und Papstmemo‑ ria (1988). 95 Dies und das Folgende eng angelehnt an M. Borgolte, Grablege (1989), 1628 f. Zur Papstgruft in der Calixtus‑Katakombe siehe Ders., Petrusnach‑ folge und Kaiserimitation (1995), 21–37. 96 Hauck, Apostolischer Geist (1986); Angenendt, Liudger (2005), 129–131. 97 K. Schmid, Sorge der Salier (1984), 681–689; Ehlers, Metropolis Germaniae (1996), 73–166; Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), 64–109; Ehlers, Räumliche Konzepte (2007), 130 f. 98 Zur Bestattung des Staufers Philipp von Schwaben (gest.1208), der Habsburger Rudolf I. (gest. 1291) und Albrecht I. (gest. 1308) sowie Adolfs I. (gest. 1298) siehe Rader, Umgebetteter Onkel (2010); R. Meyer, Königs‑ und Kaiserbegräb‑ nisse (2000), 19–52; zu Saint‑Denis als Grablege der Merowinger, frühen Karolinger und franzö‑ sischen Könige seit Hugo Capet (gest. 906) siehe Krüger, Königsgrabkirchen (1971), 171–189; Ehlers, Räumliche Konzepte (2007), 131. – Zu Westmins‑ ter als Grablege der englischen Könige: T. Meier, Archäologie des mittelalterlichen Königsgrabes (2002), 331–336. 99 Grundlegend K. Schmid, Problematik von Familie (1957, ND 1983), bes. 226–229. Ein Über‑ blick: Schwineköper, Hochmittelalterliche Fürsten‑ begräbnisse (1988); Beispiele: Welfen in Altdorf / Weingarten siehe Schneidmüller, Welfen (2000), 116 u. ö.; Zähringer in St. Peter / Schwarzwald siehe Schadek / Schmid, Zähringer (1986), 123–137, vgl. 341–356; Andechs‑Meranier siehe M. Borgolte, Stiftergedenken in Kloster Dießen (1990), 242 mit Anm. 41; Stiftung der Ingolstädter Liebfrau‑ enkirche für die Wittelsbacher Linie Ludwigs des Bärtigen siehe Ders., Totale Geschichte (1993, ND 2012), 54–57; Straub, Hausstiftung der Wit‑ telsbacher (1978); regionale Studie: Eugster, Ad‑ lige Territorialpolitik (1991). – Für England vgl. Rexroth, Zweierlei Bedürftigkeit (2007), bes. 23;

Sakralstiftungen (2013).

100  Vgl. M. Borgolte, Salomo III. und St. Mangen

(1984), bes. 216–221; Ders., Fiktive Gräber (1988); Picard, Souvenir des Évêques (1988); Gierlich, Grab‑ stätten der rheinischen Bischöfe (1990); Schäfer, Tradition der mittelalterlichen Bischofssepulturen (1996); zur Papstgrablege am Lateran, der römi‑ schen Bischofskirche (12. Jh.), siehe M. Borgolte, Pe‑ trusnachfolge und Kaiserimitation (1995), 151–178. 101  Siehe besonders: Recueil des actes de Charles II le Chauve, roi de France, Bd. 2. Ed. Georges Tessier. (Chartes et diplômes relatifes à l‘histoire de France.) Paris 1952, 448–454, Nr. 425 vom 877 V 5. – Vgl. Zielinski, Kloster‑ und Kir‑ chengründungen (1989), 109–117; Falkenstein, Karl der Große (1981), 33–45. 102  Urkundenbuch der Universitaet Heidel‑ berg, Bd. 1. Ed. Eduard Winkelmann. Heidelberg 1886, 199 f., Nr. 144; vgl. M. Borgolte, Stiftungen des Mittelalters im Spannungsfeld von Herr‑ schaft und Genossenschaft (1994, ND 2012), 36, in kritischer Auseinandersetzung mit Schubert, Motive und Probleme (1978), 23. – Siehe oben bei Anm. 33. 103  Urkundenbuch zur Geschichte der, jetzt die Preußischen Regierungsbezirke Coblenz und Trier bildenden mittelrheinischen Territo‑ rien, Bd. 1. Ed. Heinrich Beyer. Koblenz 1860, 10 f., Nr. 8: quicquid (…) et nos a die presente tenere uisi sumus. totum et ad integrum sicut superius dixi. ad iam dicto monasterio pro animę nostrę. uel filiis nostris defunctis remedium uel ęterna retributione donamus atque transfundimus de iure nostro in iure et dominatione ipsorum seruorum dei. ut ibidem perpetualiter proficiat eis in augmentis et a die presenti ipsi serui dei in ipsa loca ordine sancta contemplare uidentur. iam dictas ullas habeant. teneant. atque possideant. et eorum posteris spiritualibus derelinquant ad possidendum. uel quicquid de ipsas facere uoluerint liberam ac firmissimam in omnibus habeant potestatem faciendi (die eigenwillige Interpunktion der Edition ist im Zitat beibehalten worden). Vgl. Kuchenbuch, Bäuerliche Herrschaft (1978), 43; Zielinski, Kloster‑ und Kirchengründun‑ gen (1989), 103; vgl. zum Folgenden ebd. 103–108. 104  Hlawitschka, Studien zur Genealogie (1979), 31–55; Ders., Vorfahren Karls des Großen (1967), bes. 79 f., Nr. 34.

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Lateinische Christen

105  MGH DD Kar. 1, 5 f., Nr. 3, hier 5: monas- (unter Bezug auf Pippin als Erbauer): MGH DD terium quod dicitur Prumia (…) a novo construximus opere in honore videlicet sancti Salvatoris vel sanctę Marię. 106  Ebd., 21–25, Nr. 16. 107  Bes. ebd., 21–25, Nr. 16, hier 24: Ita tamen volumus, ut ipse monasterium sancti Salvatoris seu res, qui ad ipsum monasterium [pertinent], tam quae ex auctoritate nostra sunt confirmate quam qui a deum timentibus inantea fuerint conlaturę, in nostra sint potestate vel defensione seu heredum nostrorum et ipsa congregatio, quam in ipsum monasterium intromisimus, seu et abbas nomine Asuerus aut successores eiusdem, dum sub sancta regula ibidem deo auxiliante militare voluerint, nos de alia congregatione ibidem abbatem nec monachum contra nostrum ordinem non intromittimus nec heredes nostri. Vgl. ebd., 26 f., Nr. 18. 108  Karl der Große 775 bzw. 806 und 807 (unter Bezug auf seinen Vater Pippin als [Neu‑]Errich‑ ter des Klosters): Ebd., 153, Nr. 108; 154, Nr. 109; 272, Nr. 203; 274 f., Nr. 205. 790 sowie 797 (unter Bezug auf Pippin und Bertrada als Neustifter): Ebd., 222–224, Nr. 165; 242–244, Nr. 180. – Kaiser Ludwig der Fromme und Lothar I. 826 (mit Bezug auf König Pippin und Bertrada als Erbauer des Klosters): Die Regesten des Kaiserreichs unter den Karolingern 751–918. Ed. Engelbert Mühlbacher / Johann Lechner / Carlrichard Brühl et al. (RI 1.) Innsbruck 21908, ND Hildesheim 1966, 323, Nr. 824. – Kaiser Lothar I. (unter Bezug auf Pip‑ pin und spätere Herrscher) von 841: MGH DD Lo I, 159–161, Nr. 56; sonst in zahlreichen Di‑ plomen ohne Rückbezug auf Pippin, vgl. ebd., 310 f., Nr. 139 (vgl. Wagner, Liturgische Gegenwart [2010], 186 f.). – König Lothar II. (unter Bezug auf Pippin u. a.) von 856: MGH DD Lo II, 386 f., Nr. 3, sonst in anderen Diplomen ohne Rückbezug auf Pippin. – König Ludwig der Deutsche von 870 (mit Bezug auf König Pippin und Bertrada sowie weitere Herrscher): MGH DD LD, 186 f., Nr. 134; vgl. 189 f., Nr. 136, sonst ohne Bezug auf die Neu‑ stifter. – Kaiser Karl III. von 884 (unter Bezug auf seine Vorfahren König Pippin u. a.): MGH DD Karl, 162 f., Nr. 100. – König Arnulf von 888 (un‑ ter Bezug auf König Pippin und Bertrada sowie andere Vorgänger): MGH DD Arn, 42–44, Nr. 29; von 891 (unter Bezug auf Pippin als Gründer al‑ lein): Ebd., 135 f., Nr. 92. – König Zwentibold 898

Zw, 62 f., Nr. 25.

109  Vgl. Otto I. von 949: MGH DD O I, 194 f.,

Nr. 111; Otto II. von 981: MGH DD O II, 286 f., Nr. 252; Heinrich II. von 1016 bzw. 1020: MGH DD H II, 462 f., Nr. 359; 555 f., Nr. 434. – Zu Prüm siehe auch Seibert, Prüm (1995). 110  MGH DD F I 4, 21 f., Nr. 820. Hierzu und zum Folgenden: M. Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012), 316–325. 111  Altenburger Urkundenbuch 976–1350. Ed. Hans Patze. (Veröffentlichungen der Thüringi‑ schen Historischen Kommission, Bd. 5.) Jena 1955, Nrn. 41 (mit ausdrücklichem Bezug auf Friedrich I. als Stifter) und 43 von 1192. 112  MGH DD F II 2, 129–131, Nr. 230. 113  Altenburger Urkundenbuch. Ed. Patze (wie Anm. 111), Nr. 227. 114  Ebd., Nr. 187; vgl. Nrn. 188 und 163. Als Grün‑ der der Komturei wurde Friedrich II. erst 1844 wiederentdeckt, siehe M. Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012), 322 f., Anm. 62 (mit Literatur). 115  Urkunden zur Geschichte der deutschen Ordens‑Ballei Thüringen. Ed. Johannes Voigt, in: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschich‑ te und Alterthumskunde 3, 1859, 313–334, hier 330; vgl. ferner M. Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012), 323, Anm. 63. 116  Gabelentz, Aufhebung des deutschen Or‑ denshauses (1845/1848), 171 f. Nr. 6; ferner M. Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012), 323 f. Anm. 65. 117  Gabelentz, Aufhebung des deutschen Or‑ denshauses (1845/1848), 175, Nr. 8. 118  Ebd., 191 f., Nr. 19. 119  Ebd., 155. 120  Ebd., 164. 121  Teuscher / Moddelmog, Königsfelden (2012); zum Folgenden auch Moddelmog, Königliche Stif‑ tungen (2012), 111–203; Dies., Stiftung als gute Herrschaft (2010). 122  Siehe oben Anm. 98. 123  Zur Geschichte jetzt: Hodel, Mord (2012); Wehrli-Johns, Stiftung (2012). 124  Ebd., 64. 125  Vgl. Moddelmog, Stiftung als gute Herr‑ schaft (2010), 209–213. 126  Wehrli-Johns, Stiftung (2012), 86–89. 127  Rauschert, Landvogteibesitz (2012), 172. 128  Ebd., 209 f.; 212.

380 129  Ebd., 214. 130  Ebd., 184 f. 131  Ebd., 195–197. 132  Egli, Geschichtsort (2012), 233–242. 133  Rauschert, Landvogteibesitz (2012), 200–203. 134  Egli, Geschichtsort (2012), 220. 135  Ebd., 251–253. 136  Zit. nach ebd., 233. 137  Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012),

106 f.; 109. – Auf der Webseite der Salier‑Gesell‑ schaft e. V. (www.saliergesellschaft.de) kann man lesen (Zugriff am 11. 12. 2014): „Die Salier‑Gesell‑ schaft hat diese alte Tradition [des Gedenkens] wieder aufleben lassen: Am ersten Samstag im August feiern wir das Privilegienfest [bezüglich der Urkunde Heinrichs V.]. Bei einem stimmungs‑ vollen Lichtergottesdienst in der Krypta des Do‑ mes wird der dort bestatteten Kaiser gedacht und

Stifter

deren Gräber [werden] mit Blumen geschmückt. Das Gebot des Almosengebens erfüllen wir in der Weise, dass wir nach dem Gottesdienst zu einem Empfang in der Vorhalle des Domes einla‑ den. Dort bieten wir alkoholfreie Getränke, Wein und Brezeln an und bitten die Besucher um eine Spende. Die Spenden und der Erlös aus dem Ker‑ zenverkauf fließen einem wohltätigen Zweck zu.“ Das letzte Privilegienfest mit Predigt des Spey‑ erer Bischofs sei am 2. 8. 2014 begangen worden. 138  Vgl. Rexroth, Meistererzählungen (2007); M. Borgolte, Historie und Mythos (2000); Ders. Europas Geschichten (2001, ND 2014). 139  Rexroth, König Artus (1998), bes. 13–15; 48. 140  Hatje, Gott zu Ehren (2002), 73–119; 674 f. (Zitat). 141  Rexroth, Pierre Dubois (2008), 320 f. 142  Ebd., 329.

11.3  Muslime 11.3.1  Allgemeines Stifter – oder rechtlich handelnde Personen, die man in die Nähe des ‚Stifters‘ bringen könnte – gab es im Islam schon vor Aus‑ bildung der Normen für Stiftungsgeschäf‑ te in den verschiedenen Rechtsschulen, seien es auch nur fiktive Personen, deren tatsächliche Existenz nicht verifiziert wer‑ den kann. Als Beispiel lässt sich hier ein Jude namens Muḫairīq anführen, der zur Finanzierung der Eroberungszüge schon unter Mohammed durch eine ṣadaqa‑Gabe (→ 1.3.2) beigetragen haben soll; er sei, wie berichtet wird, bald nach der hiǧra zum Islam konvertiert, und habe – bevor er in der Schlacht von Uḥud fiel – bestimmt, dass sein gesamter Besitz im Fall seines Todes an den Propheten übergehe.1 Die wichtigs‑ te Überlieferung zu einem frühen waqf betrifft aber den späteren Kalifen ʿUmar b. al‑Ḫaṭṭāb; der Prophet soll ihn demnach

aufgefordert haben, erbeutetes Land in ei‑ nen waqf zu verwandeln und als ṣadaqa für die muslimische Gemeinde zu verwenden.2 Schon früh etablierte sich mit dem Be‑ griff waqf für ‚Stiftung‘ die Bezeichnung al-wāqif / al-muḥabbis für den ‚Stifter‘ sowie al-wāqifa / al-muḥabbisa für dessen weibli‑ ches Äquivalent. Begrifflich festgelegt sind auch bestimmte persönliche Qualitäten der handelnden Personen. Stifter und Stif‑ terin mussten frei (ḥurr) und volljährig (bāliġ) sein, die geistige Reife (ʿaql) und die uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit erlangt haben und durften nicht unter dem Vorbehalt der Zahlungsunfähigkeit stehen. Sie durften auf dem Sterbebett nur ein Drittel ihres Besitzes stiften, was für alle letztwilligen Verfügungen galt. Der Stifterwille entschied, welche Stra‑ tegien mit der Stiftung verbunden waren

Muslime

und welche Form die Stiftung folglich an‑ nahm. Dabei räumte das Recht den Stiftern die Möglichkeit ein, vor der Widmung der Mittel für einen ‚frommen‘ Zweck andere Destinatäre zu fördern. Der variierende Gebrauch, den die Stifter davon machten, führte zu höchst unterschiedlichen ‚Misch‑ formen‘, bei denen die reine Familienstif‑ tung und die reine öffentliche Stiftung nur die typologischen Extreme bilden. Die kreative Nutzung der rechtlichen Lizenzen zur Umgehung der koranischen Erbrege‑ lungen (al-farāʾiḍ) mit Hilfe einer Fami‑ lienstiftung ist zu allen Zeiten eine starke Motivation für potentielle Stifter gewesen. Stifter mussten nicht notwendigerwei‑ se Muslime sein. Angehörige der anderen Buchreligionen (ḏimmī), also zum Beispiel Christen und Juden, konnten ebenfalls einen waqf stiften, sofern sie die erwähnten allge‑ meinen Voraussetzungen erfüllten. Unter‑ schiede im Besonderen gab es hier wieder‑ um zwischen den verschiedenen Schulen. So galt bei den Ḥanafīten der Grundsatz, dass eine Stiftung der ahl aḏ-ḏimma, der Ange‑ hörigen der anderen Buchreligionen, nach den Prinzipien beider Gemeinden, also der muslimischen sowie derjenigen der jeweili‑ gen ḏimmī‑Gemeinde, einen Akt der qurba (Gottesnähe) darstellen muss. Dies war der Fall bei Familienstiftungen zugunsten der eigenen Nachkommen sowie bei Stiftungen für die Armen, die generell als förderlich für die qurba galten. Nicht erfüllt war die‑ se Maßgabe etwa bei Stiftungen von Juden oder Christen zugunsten einer Moschee oder der Stiftung eines Muslims zugunsten einer Kirche oder Synagoge.3 Die mālikītischen Juristen in Andalusien vertraten unterschiedliche Meinungen zu diesen Fragen. Einige erlaubten den Stiftern der ḏimmī‑Gemeinden im Gegensatz zu muslimischen Stiftern ihre Stiftungen zu widerrufen und das Stiftungsgut zu verkau‑ fen. Das Recht gehe nach deren Tod sogar

381

an den entsprechenden Rechtsnachfolger über, zum Beispiel den Bischof der Ge‑ meinde. Stifter mit dem ḏimmī‑Status hat‑ ten offenbar sogar das Recht, muslimische Institutionen, etwa Moscheen, zu fördern, doch war dieser Anspruch ebenfalls um‑ stritten.4 Im Gegensatz zu den Ḥanafīten konnte bei den Mālikīten in Andalusien keine bestimmte Rechtsmeinung mit ent‑ sprechender Praxis die Oberhand gewinnen. Nach ḥanafītischem Recht konnten selbst Ausländer, also Personen, die keine Untertanen eines islamischen Staatswe‑ sens waren, einen waqf errichten, sofern sie sich als mustaʾminūn (Personen, die mit einem Schutzbrief [amān] ausgestattet sind) ‚legal‘ im Dar al‑Islām aufhielten.5 In der historiographischen Literatur spiegelt sich das hohe Ansehen wider, das die Stifter in den islamischen Gesellschaf‑ ten genossen. Die Biographien von Gelehr‑ ten, Wesiren oder Sultanen in den großen mittelalterlichen ṭabaqāt‑Sammlungen be‑ richten in der Regel besonders ausführ‑ lich über Stiftungen, die diese Personen errichtet haben. Um als Stifter tätig werden zu können, musste eine Person über Eigentum verfü‑ gen. Hatte er sein Haus gestiftet, konnte der Wohltäter unter Umständen noch das Nutzungsrecht behalten, darin wohnen und sogar Mieteinkünfte einziehen; aller‑ dings hatte er die Freiheit verloren, es zu veräußern oder zu vererben. Wer nicht über Immobilien verfügte, war deshalb eher kein potentieller Stifter (zur Stiftung von Mobilien → 10.3.3); vor allem in großen Handelsstädten verfügte allerdings eine nicht unbedeutende Anzahl von Personen über Eigentum dieser Art. Die Hauptquelle für Informationen zum Stifter oder zur Stifterin ist die Stiftungs‑ urkunde (waqfīya) selbst; sie bietet in der Regel neben dem Namen Angaben über die Herkunft, den Beruf und gegebenenfalls

382

die Ehrentitel. Art und Lage des Stiftungs‑ guts lassen Rückschlüsse auf die materielle Lage zu, die Reihe der Begünstigten kann ferner auf Verbindungen zu bestimmten Sufi‑Orden oder zu Rechtsschulen hinwei‑ sen. Der grundsätzliche Rang des Stifter‑ willens kommt darin zum Ausdruck, dass die Bestimmungen der waqfīya einen abso‑ lut bindenden Charakter hatten, wie dies auch durch die Wendung qaul al-wāqif kanaṣṣ aš-Šāriʿ („die Rede des Stifters ist gleich dem Text des [göttlichen] Gesetzgebers“) zum Ausdruck kommt. Auch die sorg‑ und vielfältige Überlieferung zu stiftungsbe‑ gründenden Handlungen in Urkundenko‑ pien, Verwaltungsdokumenten und Steu‑ erlisten, durch archivarischen Aufwand oder sogar chronikalische Zitate belegt die Wertschätzung, die man dem Wohl‑ täter entgegenbrachte. Allerdings gilt dies alles mehr für öffentliche als für Fami lien‑ stiftungen. Stifter als Bauherren werden auch inschriftlich genannt und gerühmt, verbunden mit Details zum Stiftungsgut und zu den Ausführungsbestimmungen. Der Großteil der dokumentierten Stifter aus dem islamischen Mittelalter waren Herrscher und Personen aus ihrer Umge‑ bung. Sie erscheinen in den Quellen ver‑ stärkt etwa ab dem 11. Jahrhundert. Wei‑ tere Stifterpersönlichkeiten können aus dem Bereich der Gelehrten und reicher Kaufleute identifiziert werden, begegnen in den Quellen aber deutlich seltener. Für die frühere Zeit sind die Informationen derart spärlich, dass kaum verlässliche Aussagen getroffen werden können. (→ 4.3.3)

Stifter

geworden. Zwei Aspekte bei der Gene‑ se von Stiftungen lassen sich in der For‑ schungsliteratur gut verfolgen. Dies sind zum einen die rechtlich‑administrativen Regelungen (Abfassung der Dokumente, Registrierung und Legalisierung der Stif‑ tung), zum anderen wirtschaftliche und soziale Vorbereitungen (Finanzierung und Ankauf der Stiftungsgüter, Auswahl der Destinatäre und evtl. Verhandlungen mit diesen etc.). Viele Stifter ließen die Registrierung der waqfīya bei Gericht von einem Vertreter (wakīl) durchführen. Ein wakīl konnte eine in Rechtsdingen bewanderte Person aus dem Umfeld des Stifters sein, im Falle von Stifterinnen oft auch einfach der Ehemann. Meist haben die Stifter bei der Abfassung der waqfīya und der konkreten Ausfüh‑ rungsbestimmungen professionelle Hilfe in Anspruch genommen. Generell konn‑ ten Dokumente über Rechtsgeschäfte von einem Richter oder von einem Notar aus‑ gestellt werden. Die Notare, die oft gleich‑ zeitig als professionelle Zeugen bei Gericht arbeiteten, betrieben in der mamlūkischen Zeit ihre Büros in der Nähe der Gerichte und in den Zentren der Städte.6 Die relativ geringen Variationen in Aufbau und Ter‑ minologie der Stiftungsdokumente deuten darauf hin, dass die Schreiber sich in der Regel auf Formularhandbücher stützten, wie zum Beispiel auf Ṭarsūsīs ‚Kitāb al‑ Iʿlām‘ aus dem 14. Jahrhundert, welches eine ausführliche Muster‑waqfīya enthält.7 Besonders bei den großen öffentlichen Stiftungen, zu denen religiöse oder cari‑ tative Einrichtungen gehörten, hatte der Stifter oft eine sorgfältige Auswahl von Zeugen für das geplante Rechtsgeschäft 11.3.2  Der Stifter bei der zu treffen. Mindestens zwei Personen Genese der Stiftung (Sg. šāhid – ‚Zeuge‘) hatten die korrekte Stifter sind in verschiedener Weise, teils Abfassung der Urkunde und die genaue lange vor dem eigentlichen Stiftungsakt, Wiedergabe der Sachverhalte zu bestä‑ im Sinne ihrer zukünftigen Stiftung aktiv tigen (šahāda – ‚Zeugnis‘).8 Neben den

Muslime

erwähnten professionellen Gerichtszeu‑ gen wurde häufig zusätzlich eine Vielzahl prominenter Personen beteiligt, die unter Umständen bei der Abfassung zugegen waren. Zusammen mit der aufwändigen Form der waqfīya, oft ausgeführt in Kalli‑ graphie und auf Pergament, deutet dies auf eine festliche Gestaltung des Stiftungsakts hin, wie dies bei den herrscherlichen Stif‑ tungen die Regel war. Im Fall des Sultans an‑Nāṣir Ḥasan b. Muḥammad b. Qalāwūn (1334–1360) waren unter anderem mehrere Richter (Sg. qāḍī) und Oberrichter (Sg. qāḍī al-quḍāt) aus Ägypten und Syrien hinzuge‑ zogen worden, die ohne unbedingt persön‑ lich anwesend sein zu müssen die Stiftung der weitverzweigten Güter zu bestätigen hatten. Die Liegenschaften bestanden aus umfangreichen Ländereien in Ägypten, der Provinz Damaskus und der Provinz Aleppo.9 Herrscher oder wohlhabende Funk‑ tionsträger haben überhaupt oft multilo‑ kale Stiftungen errichtet, sei es, dass die Stiftungsgüter, sei es, dass die Begünstig‑ ten räumlich verteilt waren. Die Stiftung des Sultans Ḥasan, verfasst in zwei Akten der Jahre 1359 und 1360, begünstigte eine von ihm erbaute madrasa unterhalb der Zitadelle von Kairo. Der Komplex umfasste vier einzelne Teilmedresen für die sunni‑ tischen Rechtsschulen, ferner eine Frei‑ tagsmoschee und eine Grabkuppel (turba) für den Stifter. Bemerkenswert sind die Ausmaße und die räumliche Organisation der madrasa auch angesichts der Tatsache, dass der Stifter bereits mit 27 Jahren ver‑ storben ist: Sultan Ḥasan wurde 1360 von einem seiner eigenen Mamlūken, Yalboġa al‑Ḫaṣṣakīs, ermordet.10 Im Fall von größeren herrscherlichen Stiftungen haben an der Genese der Stif‑ tung trotz des privatrechtlichen Charak‑ ters des Stiftungsaktes staatliche Einrich‑ tungen und Funktionsträger mitgewirkt.

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Dies zeigen exemplarisch die Stiftungen des mamlūkischen Sultans al‑Ašraf Īnāl, der von 1453 bis 1461 regierte. Aus dem inneren Herrschaftszirkel des Sultans wa‑ ren dabei zwei Beamte involviert, nämlich der Heeres‑ und Finanzinspektor (nāẓir alǧaiš wa-l-ḫāṣṣ) Ṣāḥib Ǧamāl ad‑Dīn Yūsuf b. ʿAbd al‑Karīm sowie der Majordomus (ustadār) Zain ad‑Dīn Yaḥyā. Mit ihrem Zugriff auf wichtige Finanzbehörden spiel‑ ten sie für die Herrschaftsausübung des Sultans eine große Rolle. Ǧamāl ad‑Dīn Yūsuf führte indessen nicht nur die Bau‑ aufsicht bei madrasa und Mausoleum des Sultans, sondern trug wohl außerdem die durchaus substantiellen Baukosten selbst.11 Die Gründe dafür sind aus den Quellen nicht ersichtlich; man spekuliert, dass sein finanzielles Engagement als Investition in zukünftige Erträge aus den Stiftungen und eine dauerhaft enge Beziehung mit seinem Herrscher zu gelten hat.12 Zur Vorbereitung einer neuen Stiftung gehörte, das Stiftungsgut zur Verfügung zu stellen. Der Rechtslage gemäß musste der Stifter in der waqfīya seinen Eigen‑ tumsanspruch möglichst eindeutig darle‑ gen. Dies konnte er entweder narrativ im Stiftungsdokument selbst tun oder indem er die einschlägigen Kaufverträge in der‑ selben Dokumentenrolle vor oder nach dem Text der waqfīya selbst kopieren ließ. Im Fall Uġulbak aus Aleppo ist letzteres der Fall. Die Privaturkunden dieser Familie decken den Zeitraum von 1388 bis 1463 ab und bestehen überwiegend aus Kaufver‑ trägen und zwei waqf ‑Dokumenten.13 Der ‚Spitzen ahn‘ der Familie in Aleppo, der Mamlūk Uġulbak b. ʿAbdallāh al‑Ǧāšankīr (gest. 1359), hatte unter anderem das Amt des ḥāǧib al-ḥuǧǧāb (Oberkanzler) inne und war dadurch als Vertreter des Vizekönigs der zweitmächtigste Mann in der Provinz Aleppo.14 Seine Nachkommen verblieben in der Stadt, waren als Bauherren und Stifter

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aktiv und kontrollierten – über ihre Stif‑ tungen – unter anderem eine Stadtvier‑ telmoschee. Nach Christian Müller hätte der dokumentarische Nachweis für die Eigentumsrechte des Stifters zudem einer nachträglichen Anfechtung vorbeugen sollen.15 Selbst bei dürftiger Quellenlage lässt sich in einigen Fällen die Rolle des Stifters bei der Genese der Stiftung rekonstruieren. Die Schwierigkeiten, die konfessionelle Konflikte im Zusammenhang des ‚Sunni Revival‘ mit sich bringen konnten, belegt die Gründung der Madrasa az‑Zaǧǧāǧīya, der ersten madrasa in Aleppo, in der ers‑ ten Hälfte des 12. Jahrhunderts. Die An‑ fänge des Hauses gingen auf den Artuki‑ den Sulaymān b. ʿAbd al‑Ǧabbār im Jahr 1122 u. Z. zurück. Es handelte sich also um eine sunnitische Einrichtung, gegen die die schiitische Bevölkerung der Stadt nachts auf die Straße ging und dabei zerstörte, was am Tag errichtet worden war. Erst das Einschreiten einiger Notabeln brachte das Projekt mit einer Verspätung von sechs Jahren zur Vollendung.16 Trotzdem wurden Medresen von der Bevölkerung weiter‑ hin, bis in die Mitte des 12. Jahrhunderts, abgelehnt; während einer Krankheit Nūr ad‑Dīn Zengīs, des Erneuerers des sunniti‑ schen Islams und großen Gegenspielers der Kreuzfahrer, im Jahr 1157 wurden verschie‑ dene typisch sunnitische Institutionen in der Stadt angegriffen.17 Die ayyūbidischen Sultane in Aleppo, ihre Familienmitglieder und Vasallen ver‑ folgten mit ihren Stiftungen ein veritab‑ les Bauprogramm mit dem Ziel der Herr‑ schaftssicherung. Die Realisierung dieses Programms zog sich über einige Jahrzehn‑ te hin; eine entscheidende Grundlage schuf im Jahr 1212 die Heirat aẓ‑Ẓāhir Ġāzīs, Saladins Sohn, mit der Prinzessin Ḍaifa Ḫātūn, die eine Tochter al‑Malik al‑ʿĀdils, eines Bruders Saladins, war; mit dieser

Stifter

Verbindung wurde nämlich ein Konflikt zwischen zwei Zweigen der ayyūbidischen Konföderation beendet. In Aleppo prägte Ḍaifa Ḫātūn durch ihre Stiftungspolitik das mittelalterliche Bild der Stadt entschei‑ dend mit. Nachdem ihr Ehemann 1216 und ihr Sohn 1236 gestorben waren, regierte sie das Sultanat de facto selbst als Regentin für ihren minderjährigen Enkel al‑Malik an‑Nāṣir ad‑Dīn Yūsuf II. bis zu ihrem ei‑ genen Tod 1244.18 Eigentlich führten die Ayyūbiden mit ihren Stiftungen die bereits erwähnte Er‑ neuerung des sunnitischen Islam fort, die im Wesentlichen in der Gründung von Medresen und Institutionen des Sufi‑Islam bestanden hatte. Das neue Herrscherhaus instrumentalisierte aber die Gründung sol‑ cher Einrichtungen politisch in weitaus größerem Ausmaß als seine Vorgänger. Vor allem die Bauform der Grabmedrese, in der neben Räumen für den Unterricht und das Gebet sowie Wohnzellen für die Studenten ein Stiftergrab vorgesehen war, wurde jetzt aufs Aufwändigste ausgestattet und in ein repräsentatives Bauprogramm integriert. Die Stiftungsaktivität konzentrierte sich auf drei Schlüsselregionen der Stadt: die großräumige Zitadelle im Stadtzentrum, also die Residenz der Ayyūbiden, in der sie Paläste, Bäder und eine Moschee er‑ richteten, einen Bereich südlich vor der Stadtmauer, wo sich die mittelalterlichen Friedhöfe und ein wichtiges, ebenfalls von den Ayyūbiden restauriertes Abra‑ ham‑Heiligtum befand, und drittens auf einen – nach Yasser Tabbaa – ‚zeremo‑ niellen Korridor‘, der diese beiden Orte miteinander verbinden sollte. Abgesehen von den Bauten auf der Zitadelle waren die meisten ihrer Stiftungen Medresen. Da originale Dokumente aus der Gründungs‑ zeit selbst fehlen, sind wir auf Chroniken und vor allem Bauinschriften als Quellen

Muslime

angewiesen. Den Höhepunkt dieses Bau‑ programms bildete eine Gruppe von drei Medresen im Bereich der Friedhöfe südlich der Stadtmauer, unter denen die madrasat al-Firdaus hervorsticht, da in ihr Elemente von madrasa und ḫānqāh, also einer Institu‑ tion für den mystischen Islam, miteinander verbunden sind. Neben Mitgliedern der ayyūbidischen Familie selbst waren Vasallen und enge Vertraute als Stifter oder Berater am Stif‑ tungsprozess beteiligt. So wurde die Ma‑ drasa aṣ‑Ṣulṭānīya, bestimmt als Grablege für den Sultan aẓ‑Ẓāhir Ġāzī, durch seinen freigelassenen Sklaven, den atābek (Prin‑ zenerzieher) Šihāb ad‑Dīn Toġril, im Jahr 1233 vollendet und mit einem waqf aus‑ gestattet. Šihāb hatte nach dem Tod des Sultans im Jahr 1216 für fünfzehn Jahre die Regentschaft für den minderjährigen Sultan al‑ʿAzīz Muḥammad ausgeübt.19 Zwei Stiftungen gingen auf die Regen‑ tin Ḍaifa Ḫātūn zurück. Im zweiten Jahr ihrer Regentschaft errichtete sie einen ribāṭ (Derwischkonvent), heute bekannt unter dem Namen Ḫānqāh al‑Farāfra (oder Ḫānqāh an‑Nāṣirīya); es handelte sich um ein Gebäude mit Wohnräumen um einen Innenhof sowie mit einem Gebetsraum im südlichen Teil des Hauses. Eine Inschrift nennt ihren minderjährigen Enkel, für den sie die Regentschaft ausübte, verschweigt aber den Namen der Gründerin.20 In einer weiteren, deutlich wichtigeren Stiftung aus dem Jahr 1235, der Madrasa al‑ Firdaus (‚Paradies‑Medrese‘), vereinigte die Stifterin eine madrasa mit einer Institution für Sufis sowie mit einer turba, die ihr eige‑ nes Grab aufnehmen sollte. Die mystische Ausrichtung der Institution wird vor allem in einer der längsten Bauinschriften der mittelalterlichen islamischen Architektur deutlich, die sich an der Innenhoffassade befindet, wohingegen eine Bauinschrift der Stifterin Ḍaifa Ḫātūn die gesamte

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Außenmauer bedeckt.21 Das Stiftungsgut bestand überwiegend aus Ländereien, die selbst im 19. Jahrhundert immerhin noch ausreichend Einkünfte erwirtschafteten, um sie als Stadtviertelmoschee in Funktion zu halten.22 Zur Zeit ihrer Stiftungen hatte sich die Machtposition Ḍaifa Ḫātūns so weit gefestigt, dass sie in der Lage war, eine monumentale madrasa in ihrem eigenen Namen und als eigene Grablege zu gründen. Darüber hinaus stellte sich die Stifterin in Aleppo in einen größeren baulichen Kontext der Ayyūbiden. Mit ihrer Lage in der Nähe eines der Abraham‑Heiligtümer der Stadt (Abraham soll der Legende nach in Aleppo seine Kühe gemolken haben) bildete die madrasa den Endpunkt des be‑ reits erwähnten zeremoniellen Korridors, in dem sie zugleich auf die Zitadelle, das politische Zentrum und die Residenz des Sultans, ausgerichtet war. Nach dem Ende der ayyūbidischen Zeit um die Mitte des 13. Jahrhunderts wurden diese Institutio‑ nen in der Regel nicht weiter mit Stiftungen bedacht. Die einschlägigen Aktivitäten der Mamlūken in Aleppo konzentrierten sich auf den Bau und die Stiftung von Freitags‑ moscheen. Detaillierte Stiftungsinschriften konn‑ ten das Fehlen von waqf ‑Dokumenten bis zu einem gewissen Grade ausgleichen. (→ 11.3.1) Ein Beispiel unter vielen ist die Madrasa ar‑Ruknīya in aṣ‑Ṣāliḥīya au‑ ßerhalb von Damaskus. Der Stifter, der Emir Rukn ad‑Dīn Menguveriš al‑Falakī al‑ʿĀdilī al‑Muʿaẓẓamī, war unter ande‑ rem Gouverneur von Damaskus und eine einflussreiche Person im ayyūbidischen Staatswesen. Im Jahr 1226 u. Z. gründete er eine madrasa mit turba, die als seine Grab‑ stätte vorgesehen war. Die Inschrift zählt auf, was er als waqf für den Unterhalt der Institution – genannt werden Lampenöl, Kerzen, Matten, die Entlohnung (ǧāmakīya) von Hausmeister (qaiyim) und Koranleser

386

– gestiftet hat; es handelt sich um einige Immobilien in der Stadt Damaskus sowie Teile von Dörfern in der Umgebung.23 Die Bezeichnung madrasa für diese Institution ist hier aber ein wenig irreführend, da die Inschrift keine Bestimmungen über einen Unterricht, sondern lediglich über Koran‑ lesungen bietet. Auch angesichts der be‑ schränkten Ausmaße des Gebäudes stand die Funktion als Grabmal (turba) sicherlich im Vordergrund. In einigen Fällen haben Stifter mit Hilfe ihrer Stiftungen die institutionellen Grund‑ lagen für nachhaltige Herrschaftsstruktu‑ ren geschaffen. Als etwa der osmanische Sultan Mehmed II. (reg. 1444–1446 und 1451– 1481) mit dem Beinamen ‚Fatih‘ (der Erobe‑ rer) am 29. Mai des Jahres 1453 nach langer Belagerung schließlich die Hauptstadt des Byzantinischen Reiches Konstantinopel erobern konnte, hatte der osmanische Staat bereits seit etwa eineinhalb Jahrhunderten Bestand und mit Bursa und Edirne zwei veritable Residenzstädte hervorgebracht. Trotz des ruinösen Zustands der alten oströmischen Kaiserstadt, bedingt durch die Zerstörungen und den Verlust des größ‑ ten Teils ihrer Bevölkerung, entschloss sich Mehmed II., hier seine neue Hauptstadt zu errichten und Konstantinopel wieder zum alten Glanz zu verhelfen. Zu der Politik des Sultans gehörte die Wiederbesiede‑ lung der Stadt durch Kriegsgefangene sowie die Zwangsmigration von christlichen und muslimischen Bevölkerungsgruppen in die alte Hauptstadt.24 Sultan Mehmed II. scheint viele Ent‑ scheidungen über den Wiederaufbau der künftigen Hauptstadt selbst getroffen zu haben. Er wählte die Institution des waqf , um die Räume in der Stadt neu zu ordnen und bedeutende Einrichtungen zu gründen. Ein erster Schritt war kurz nach der Erobe‑ rung die symbolische Inbesitznahme der Hauptkirche des Byzantinischen Reiches,

Stifter

der Hagia Sophia, indem er dort sein Gebet verrichtete.25 Mit konfiszierten Gütern der weitgehend verlassenen oder zerstörten Stadt wurde 1472–1474 Mehmeds erste Stif‑ tung zugunsten der Hagia Sophia errichtet. Die in eine Moschee verwandelte Kirche, die ihren alten Namen, türkifiziert als Aya Sofya, aber beibehielt, blieb zunächst die einzige Freitagsmoschee Konstantinopels.26 Mit weiteren Stiftungen ordnete der Erobe‑ rer die künftige Hauptstadt seines Reiches neu. Zu den entchristlichten Gotteshäusern gehörte die Kirche der Dominikaner, die er zur Freitagsmoschee von Galata machte. Andere Moscheen stiftete er in den beiden Bosporus‑Festungen Rumeli Hisari und Anadolu Hisari sowie in der neuen Zita‑ delle am Goldenen Tor (Yedikule).27 Schon ganz am Anfang der Inbesitznahme Kon‑ stantinopels hatte auch die Etablierung eines zentralen Marktviertels (bedesten) und seine Eingliederung in die herrscher‑ lichen Stiftungen gestanden, das den Kern des heute noch bestehenden gedeckten Bazars bildet.28 In einem zweiten städtebaulichen Schritt gründete der Sultan am Ort der Apostel‑ kirche den ersten großen ‚eigenen‘ osma‑ nischen Stiftungskomplex. Die Wahl dieses Ortes war kein Zufall: Die von Kaiser Kon‑ stantin erbaute und von Justinian erneuerte Kirche, Grablege der byzantinischen Kaiser von Konstantin bis ins 11. Jahrhundert, re‑ präsentierte die Kontinuität der imperialen Macht, in die Mehmed II. bewusst die eigene Dynastie stellte. Durch seinen Moschee‑ neubau an dieser Stelle ordnete er sich in die Reihe der byzantinischen Kaiser ein.29 Dies zeigt sich ebenfalls in dem Ehrentitel qayṣar, den er seitdem führte und mit dem er sicherlich den Anspruch erhob, auch die europäischen Teile des Römischen Reiches zu beerben.30 Die als ‚neue Moschee‘ bezeichnete An‑ lage umfasste neben der Freitagsmoschee,

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Muslime

die nun die Hagia Sophia als wichtigste Moschee der Stadt ablöste, unter ande‑ rem acht Medresen, ein Krankenhaus, eine Herberge sowie ein Grab für den Sultan hinter der Südwand der Moschee. Sie zen‑ tralisierte die Aufgaben von Kultus, Lehre und dynastischer Legitimation und über‑ nahm damit eine Rolle, die derjenigen der Apostelkirche im Byzantinischen Reich ähnelte.31 Der Stifter hat sich schließlich einem dritten Projekt gewidmet, der Errichtung eines zentralen Heiligtums mit Pilgerstätte, das einen Bezug zum Frühislam herstellen und damit die zweite Säule der Legitima‑ tion der neuen Dynastie bilden sollte. Es handelte sich um einen religiösen Komplex außerhalb der Stadtmauer am Goldenen Horn; hier war wunderbarerweise das Grab des Prophetengefährten Abū Aiyūb al‑Anṣārī wiederentdeckt worden, der an‑ geblich an der arabischen Belagerung Kon‑ stantinopels (um 670 u. Z.) teilgenommen hatte.32 Sicherlich auch um die Rückbe‑ sinnung auf diesen frühen islamischen Helden zu unterstreichen, wurde diese waqfīya interessanterweise in arabischer Sprache verfasst, während die anderen Stif‑ tungsdokumente Mehmeds in osmanisch‑ türkischer Sprache gehalten sind. In der frühen Phase des Osmanischen Reiches sind beide Sprachen für das Abfassen von offiziellen Dokumenten durchaus üblich. In der 1582 / 1583 datierten Kopie der waqfīya nannte sich der Sultan unter anderem ‚Be‑ schützer der Interessen der beiden heiligen Orte Mekka und Medina‘ (kāfil maṣāliḥ al-Ḥaramain aš-Šarīfain) und artikulierte damit seinen Führungsanspruch in der islamischen Welt.33 Durch die aufwendige bauliche Ausstattung sollte dieses neue Heiligtum mit den großen, damals noch nicht im osmanischen Einflussbereich be‑ findlichen islamischen Pilgerorten Mekka, Medina und Jerusalem konkurrieren.34 In

den folgenden Jahrhunderten sollte die‑ ser Ort mit weiteren Stiftungskomplexen ausgestattet und zu einem privilegierten Begräbnisort werden. Anders als die Theorie des islamischen Rechts eigentlich verlangte, machte Sultan Mehmed II. seine frommen Werke nicht jeweils mit einem formellen Akt für die Ewigkeit unumkehrbar. Im Gegenteil be‑ trachtete er seine Stiftungen mit ihren gi‑ gantischen Ausmaßen (etwa 1900 Geschäf‑ te und Ateliers, 1200 Häuser und Teile von Gemeinschaftsunterkünften) auch nach dem Stiftungsakt offensichtlich als mani‑ pulierbare Masse und schob Stiftungsgüter zwischen den einzelnen Stiftungen hin und her. Verschiedene Versionen der ein‑ zelnen Stiftungsurkunden sowie mehrere erhaltene Rechnungsbücher zeigen dies vor allem im Fall des waqf der Hagia Sophia und dem der ‚Neuen Moschee‘. Die Dyna‑ mik des Wiederaufbaus der Hauptstadt mit der einhergehenden Neuorganisation des urbanen Raums bildet sich somit in den verschiedenen Stiftungsdokumenten Mehmeds II. ab. Ganz in diesem Sinne ver‑ knüpfte er in der Einleitung zur waqfīya für die Hagia Sophia die Genese seiner Stif‑ tungen mit der Genese der neuen Haupt‑ stadt und bezeichnete sich als Werkzeug der Vorsehung: Durch seine Hand habe „Gott die Stadt den Muslimen als eine neue Schöpfung gegeben“.35 11.3.3  Der Stifter im Sozialgefüge seiner Stiftung Die waqfīya legt oft bereits die Rolle des Stifters im Sozialgefüge der Stiftung de‑ tailliert fest. Bei Familien‑ und gemischten Stiftungen bestimmte sich der Stifter in der Regel selbst zum ersten (oder einem der ers‑ ten) Begünstigten sowie auch häufig zum ersten Verwalter (mutawallī). Öffentliche

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Stiftungen, vor allem Neugründungen re‑ ligiöser Institutionen wie Medresen und Moscheen, sind oft unter dem Namen des Stifters bekannt geworden, obgleich die Stiftungsdokumente dies in der Regel nicht vorgeben, sondern neutral von dem ‚gestif‑ teten Ort‘ sprechen. Anders als im mittelalterlichen Europa und in Byzanz kennt das Stiftergedenken im Islam grundsätzlich keine Bilder oder Statuen. Dadurch ist es auf den ersten Blick weniger ostentativ, aber trotzdem nicht weniger wichtig. Der Stifter blieb in sei‑ ner Stiftung oft präsent durch eine Bauin‑ schrift, die prominent über dem Hauptpor‑ tal oder an anderer Stelle an der Außen‑ fassade angebracht worden war. Trotz des zumeist begrenzten Platzes für derartige Texte findet sich in den Inschriften eine Reihe wichtiger Informationen über den Namen des Stifters mit seinen Titeln, die Ausführung der Stiftung sowie eine Auf‑ zählung der Stiftungsgüter, oft verbunden mit Verfluchungsformeln gegen möglichen Missbrauch. Das erwähnte Beispiel der madrasa ar-Ruknīya in Damaskus illustriert dies. (→ 11.3.2) Die monumentalste Form der Präsenz des Stifters in seiner Stiftung ist sicherlich das Stiftergrab; seit dem 11. Jahrhundert ist sein typischer Ort in Medresen, je‑ denfalls was Ägypten, Syrien und Anato‑ lien betrifft, in geringerem Ausmaß aber auch an anderen Orten. Stiftergräber in der Umgebung von Moscheen waren in den ersten Jahrhunderten der islamischen Geschichte weniger verbreitet und lagen hier oft an architektonisch weniger pro‑ minenter Stelle; Grund dafür war der nach orthodoxen Vorstellungen problematische Zusammenhang zwischen rituellem Gebet und Grab. In der bereits erwähnten ‚Neuen Moschee‘ Mehmeds II. in Konstantinopel hatte das Stiftergrab des Sultans allerdings eine herausgehobene Stellung und lag in

Stifter

einem eigenen Gebäude (turba) hinter der Südwand der Moschee in der Gebetsrich‑ tung. Die Gemeinde verrichtete also das Gebet nach Mekka und gleichzeitig nach dem Stiftergrab ausgerichtet. In der Folge wurde diese räumliche Anordnung fast kanonisch für repräsentative osmanische Moscheegründungen. Um diese Mauso‑ leen entstanden dann auch oft ausgedehnte Friedhöfe. Der Stifter konnte im Gefüge seiner Stiftung nicht nur über das Totengeden‑ ken im Gebet, sondern noch mit anderen Mitteln präsent bleiben. Ein berühmtes Beispiel dafür ist der Wesir und Gelehrte Rašīd ad‑Dīn (gest. 1318). Als Sohn eines jüdischen Arztes oder Apothekers aus Ha‑ madan war er zum Islam konvertiert und trat in den Dienst der mongolischen Ilḫane Ġazān Ḫān (reg. 1295–1304) und Ölǧäitü (reg. 1304–1316); er wurde deren Gouverneur in mehreren Provinzen, schließlich Wesir und maßgeblicher Reformer der mongoli‑ schen Reichsverwaltung.36 Seinen Herren, aber auch sich selbst setzte er darüber hi‑ naus ein literarisches Denkmal in seiner Geschichte der Mongolen, genannt ‚Gāmiʿ at‑Tawārīḫ‘ (‚Sammlung der Chroniken‘).37 Ein monumentales architektonisches Erbe hinterließ er als Stifter des Rabʿ‑i Rāšidī, eines großen Baukomplexes aus Moschee, Derwischkonventen, Kranken‑ haus und Herbergen am Rand von Täbris. Im Zentrum der Anlage lag sein eigenes Mausoleum. Die Bestimmungen seiner Stif‑ tung sollten ihm zu Lebzeiten die voll‑ ständige Kontrolle über sein Werk sichern (→ 13.3.2), aber auch seine Stellung nach dem Tod regeln. Dabei ging es ihm nicht bloß um die üblichen Bestimmungen zur Sicherung seines Seelenheils, sondern auch um die Bewahrung und Verbreitung seines literarischen Erbes. Er bestimmte, dass in der madrasa seine Werke, neben der Histo‑ riographie vor allem seine theologischen,

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metaphysischen und naturwissenschaftli‑ chen Schriften, unterrichtet werden sollten. Aufbewahrt wurden diese Bücher in einer Bibliothek (kutubḫāna) neben seinem Mau‑ soleum.38 Jeder Student der madrasa sollte während seines fünfjährigen Studiums drei Arbeiten des Gelehrten kopieren, wofür er eine Vorlage ausleihen konnte. Papier und Schreibwerkzeuge wurden von der Stif‑ tung gestellt. Die angefertigten Exemplare gingen in den Besitz der Studenten über. Vorausschauend hatte der Stifter ebenfalls dafür gesorgt, dass sich eine Papiermühle unter den Stiftungsgütern befand.39 Für sein Gedenken sollten an seinem Grab 24 Koranleser nach einem ausgeklügelten Dienstplan ohne Pause (außer während des Freitagsgebets) sorgen und das heilige Buch, also den Koran, rezitieren.40 Stifter konnten als Zustifter in beste‑ henden awqāf die Güter vermehren. In mamlūkischer Zeit wurden Zustiftungen auch bei wirtschaftlich gesunden Stiftun‑ gen getätigt, die eigentlich gar kein zusätz‑ liches Kapital benötigten. In diesem Fall kann die Zustiftung als Investition in eine besonders geschützte Rechtsform betrach‑ tet werden; der Zustifter bewahrte lediglich sein Kapital in der ursprünglichen Stiftung und profitierte von den Erträgen. Akkumu‑ lationen dieser Art sind unter anderem bei den mamlūkischen Sultanen Ināl, Qāytbāy und Qānsūh al‑Gawrī belegt.41 Stifter hatten auch nach dem Stiftungs‑ akt die Möglichkeit, einzelne Ausfüh‑ rungsbestimmungen zu verändern (taʿdīl šurūṭ al-waqf ). Dies betraf vor allem die Verteilung der Erträge (ziyāda wa nuqṣān) und die Ergänzung oder die Entfernung (idḫāl wa iḫrāǧ) von einzelnen Destinatä‑ ren. Dem großen Einfluss des Stifters zu Lebzeiten entsprachen unter Umständen bedeutende Eingriffsmöglichkeiten für die Stiftungsverwalter nach dem Tod des Stif‑ ters. Ein wichtiges Instrument in Händen

des Stifters oder der späteren Stiftungsver‑ walter war das Werkzeug des Immobilien‑ tauschs (istibdāl), mit dem sie Einfluss auf die Substanz der Stiftung nehmen und das Stiftungsgut den wirtschaftlichen Erfor‑ dernissen im historischen Wandel anpas‑ sen konnten. (→ 13.3.2) 11.3.4  Der Stifter: Vergessen, verdrängt, wieder entdeckt – und fingiert Auch wenn der Stifter seine Wohltaten für die Ewigkeit bestimmte und die Hoffnung hegte, dass seine Stiftung auf Dauer oder wenigstens längere Sicht ihre Zwecke er‑ füllen würde, haben die awqāf natürlich nicht losgelöst vom Lauf der Geschichte existieren können. Politische und sozia‑ le Umwälzungen konnten den Stiftungs‑ vollzug nachhaltig verändern oder dem Stifterwillen sogar völlig entgegenwirken. Die Hochschule al‑Azhar (übersetzt etwa ‚die Strahlende‘) in Kairo, bis heute eine wichtige Autorität für den sunniti‑ schen Islam, wurde ab 970 u. Z. als Moschee für die neue fatimidische Stadtgründung al‑Qāhira (‚die Siegreiche‘) erbaut. Von mehreren fatimidischen Kalifen verschö‑ nert, vergrößert und mit reichen Stiftungen ausgestattet, entwickelte sie sich schnell zum Zentrum der ismailitisch‑schiitischen Lehre und Mission. Nach Ablösung der Fatimiden durch Saladin (1171) verschwand die schiitische Lehre aus der al‑Azhar, wur‑ de aber durch kein sunnitisches Pendant ersetzt, da sich die Ayyūbiden eher der Gründung von Medresen zuwandten. Es sollte etwa ein Jahrhundert dauern, bis 1266 der mamlūkische Emir Bīlbak al‑ Ḫāzindār an der Azhar den ersten ‚Lehr‑ stuhl‘ (maqṣūra, wörtlich ‚abgetrennter Teil in einer Moschee‘) für šāfiʿītisches Recht gründete, also für eine sunnitische

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Rechtsschule. In der Folge erhielt die Kai‑ rener Hochschule zahlreiche weitere Stif‑ tungen für einzelne Lehrdeputate oder zur Förderung bestimmter Studentengrup‑ pen und entwickelte sich zur wahrschein‑ lich weltweit wichtigsten Autorität des sunnitischen Islam, die ihre fatimidisch‑ schiitischen Anfänge nicht nur vergessen, sondern verdrängt hat.42 Legendäre Stifterpersönlichkeiten fin‑ den sich unter den vorislamischen Pro‑ pheten, aber auch unter den Muslimen der ersten Stunde, vor allem unter den Persönlichkeiten, die die Eroberungszüge angeführt haben. Eine wichtige Rolle spielt dabei der zweite Kalif ʿUmar b. al‑Ḫaṭṭāb (reg. 634–644 u. Z.), auf den auch entschei‑ dende Impulse bei der Organisation des neuen islamischen Staates zurückgehen. In seine Regierungszeit fallen die Erobe‑ rungen von Syrien, Ägypten, des Irak und Teilen von Persien. Nach einigen nicht un‑ umstrittenen Quellenberichten soll er zwi‑ schen 636 und 638 Jerusalem besucht und dort persönlich über die Unterwerfung der Stadt verhandelt haben. Der abgeschlosse‑ ne Vertrag (ʿahd ʿUmar) ist Grundlage des ḏimmī‑Status von Angehörigen der anderen Buchreligionen geworden.43 ʿUmar soll während dieser Reise auch eine Reihe von Moscheen in syrischen und palästinensischen Städten gegründet haben, zum Beispiel in Bethlehem und in Jerusalem. Architekturzeugnisse aus dieser Zeit sind jedoch nicht erhalten. Der Ǧāmiʿ al‑ʿUmarī (die ʿUmar‑Moschee) im südsyrischen Bosra besitzt zum Beispiel zwar einzelne Spolien mit Inschriften‑ resten aus umayyadischer Zeit, nämlich ein Fragment aus dem Jahr 720 / 721 u. Z. und eine weitere Inschrift aus dem Jahr 745 / 746; eine neuere Bauaufnahme des Deutschen Archäologischen Instituts hat aber keine eindeutigen Belege für einen frühislamischen Vorgängerbau ergeben

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und kam zu dem Ergebnis, dass die heu‑ tige Moschee im 11. bis 13. Jahrhundert von lokalen Gouverneuren erbaut worden sein muss.44 Eine weitere Tradition, die bis in die heutige Zeit fortlebt, beruft sich wieder‑ um auf den Kalifen ʿUmar als Stifter ganz Palästinas. Die Vorstellung hat ihren Ur‑ sprung in der Landverteilung nach der islamischen Eroberung. Der Historiograph Ibn ʿAsākir (gest. 1176) erwähnt, ʿUmar habe nach der Eroberung von aš‑Šām (Groß‑Syrien) das Land nicht unter den Muslimen verteilen wollen; er habe es vielmehr ‚gestiftet‘. Allerdings lässt die in der Quelle gebrauchte Terminologie nicht eindeutig auf einen klassischen waqf, sondern vielmehr darauf schließen, dass von erobertem Land als fayʾ (Kriegsbeute) die Rede war, das in den ‚Besitz‘ der ge‑ samten islamischen Gemeinde überging.45 Die Auffassung, dass Palästina waqf sei, findet sich dann vereinzelt sogar in fatwās der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und wird noch 1988 Teil der politischen Doktrin der Hamas. In deren Charta wird dies folgendermaßen formuliert: „The Land of Palestine is an Islamic waqf land [en‑ dowed] for the benefit of Muslims through‑ out the generations and until the Day of Resurrection. It is forbidden to abandon it or part of it or to renounce it“.46 Bis zur Gegenwart findet die gleiche Vorstellung Eingang in einen allgemeinen politischen Diskurs der Palästinenser; auch von säku‑ laren Parteien und Organisationen dieses Volkes wird die pseudohistorische Lehre vertreten,47 gefördert durch den seit den 1990er Jahren verstärkten Ausbau der is‑ raelischen Siedlungen in den palästinen‑ sischen Gebieten. Auch die problematische Gründungsge‑ schichte der ersten sunnitischen madrasa in Aleppo im 12. Jahrhundert (→ 11.3.2), der madrasa az-Zaǧǧāǧīya, wurde im

Muslime

19. Jahrhundert in nicht weniger prob‑ lematischer Weise fortgeschrieben: Die baulichen Reste der madrasa, die seit dem 15. Jahrhundert aufgegeben worden war, wurde von den Mietern eines benachbar‑ ten Khans als Lagerraum verwendet. Im Jahr 1809 zog aber ein Aleppiner Gelehrter, Šaiḫ Aḥmad Afandī al‑Ašrafī, dagegen vor Gericht und verlangte, die ehemalige madrasa zu räumen und alle baulichen Verän‑ derungen rückgängig zu machen; dies sei

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„früher eine Moschee [gewesen] – bekannt als Masǧid al‑Zaǧǧāǧīn“. Zeugen bestä‑ tigten, dass sie noch einige Jahre zuvor eine Stiftungsinschrift über dem Portal der aufgegebenen madrasa gesehen hatten.48 Nachdem Šaiḫ Aḥmad vor Gericht mit sei‑ ner Klage erfolgreich gewesen war, wurde am selben Platz eine kleine Moschee unter dem Namen der alten madrasa errichtet. SK

Anmerkungen 1  Gil, Earliest Waqf Foundations (1998), 126. Sourdel. Damaskus 1953, 96 f.; Ġazzī, Nahr, Bd. 2 (1992), 67. 2 Ebd. 3 Burhān ad‑Dīn Ibrāhīm b. Mūsā aṭ‑Ṭarābulusī, 17  Tabbaa, Constructions of Power and Piety

Kitāb al‑Isʿāf fī aḥkām al‑awqāf. Kairo 1875–1876, (1997), 127; Elisséeff , Nūr ad‑Dīn (1967), 518. 118–121. 18  Tabbaa, Constructions of Power and Piety 4  García Sanjuán, God Inherits the Earth (2007), (1997), 28 f. 89–94. 19  Ebd., 29; 138 f. 5 Krcsmárik, Waḳfrecht (1891), 521–523; Aṭ‑Ṭarā‑ 20 Ebd., 166. ‚Ḫānqāh‘ und ‚ribāṭ‘ werden oft bulusī, Kitāb al‑Isʿāf (wie Anm. 3), 120 f. synonym für Institutionen des mystischen Islam 6 Conermann / Reinfandt, Anmerkungen (2003), verwendet, vgl. Fernandes, Evolution of a Sufi 185 f. Institution (1988), 10. 7 Guellil, Damaszener Akten (1985), 147–154. 21 Tabbaa, Constructions of Power and Pie‑ 8 Conermann / Reinfandt, Anmerkungen (2003), ty (1997), 171–175. Die Madrasa al‑Firdaus ist 218. während der jüngsten militärischen Ausein‑ 9 The Waqf Document of Sultan al‑Nāsir Ḥasan andersetzungen in Aleppo weitgehend zerstört b. Muḥammad b. Qalāwūn for his Complex in al‑ worden. Rumaila. Ed. Howayda N. al-Ḥarithy. (Bibliotheca 22 Ġazzī, Nahr, Bd. 2 (1992), 218; Knost, Organi‑ sation (2009), 234. Islamica, Bd. 45.) Beirut 2001, 184–186. 10  Siehe die Einleitung ebd., 5 f. 23 Herzfeld, Damascus (1946), 21 f. Die gestif‑ 11  Reinfandt, Mamlukische Sultansstiftungen teten Güter sind das Wohnhaus innerhalb des (2003), 39. Bāb al‑Farādis, ein Sechstel zweier Geschäfte im 12  Ebd., 40. Korbmachermarkt, der Garten südlich des Yazīd 13  Siehe die Einleitung zu: Mamlukische Urkun‑ Flusses in aṣ‑Ṣāliḥīya, ein Drittel und die Hälfte den aus Aleppo. Die Urkundensammlung (ǧāmiʿ eines Neuntels vom Haus an der Westseite des al‑mustanadāt) der mamlukisch‑aleppinischen Gartens, ein Sechstel des Gartens in den Lände‑ Familie Uġulbak. Ed. Souad Saghbini. (Arabische reien des Dorfes Nairab, früher bekannt unter Texte und Studien, Bd. 17.) Hildesheim / Zürich / dem Namen des Stifters, ein Sechstel des Gartens, New York 2005, 11. der Residenz und der Mühle in den Ländereien 14  Ebd., 16. von Nairab, früher bekannt unter dem Namen 15  Müller, Kadi und seine Zeugen (2013), 488. Qāḍī Bahǧa. 16  La description d’Alep d’Ibn Šaddād. Édition 24 Kafescioğlu, Constantinopolis / Istanbul (2009), critique d’al‑Aʿlāq al‑Ḫaṭīra, Bd. 1.1. Ed. Dominique 17.

392 25 Nach der dominierenden Lehrmeinung der

ḥanafītischen Schule reicht ein gemeinschaftli‑ ches Gebet, um eine neue Moschee zu gründen. 26 Kafescioğlu, Constantinopolis / Istanbul (2009), 21. Die Freitagsmoschee für das gemeinschaftliche Freitagsgebet ist eine wichtige Institution im urba‑ nen Raum. Da während der Freitagspredigt (ḫutba) in der Regel der Name des jeweiligen Herrschers genannt wird, trägt sie zur Legitimation seiner Herrschaft bei. 27 Ebd., 22. 28 Ebd., 40 f. 29 Ebd., 66. 30 İnalcık, Meḥemmed II (1991), 979. 31 Kafescioğlu, Constantinopolis / Istanbul (2009), 70. 32 Ebd., 18. 33 Fatih Mehmet II Vakfiyeleri. [Ed. Mehmed Fuad Köprülü.] (Türk Vakfiyeleri, Bd. 1.) Ankara 1938, 307; fol. 41 f. der waqfīya.

Stifter

34 İnalcık, İstanbul (2001), 222. 35 Kafescioğlu, Constantinopolis / Istanbul (2009),

97 f.

36 B. Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000), 59–73.

37 Ebd., 53; 73. 38 Ebd., 199. 39 Ebd., 200 f. 40  Ebd., 208. 41  Reinfandt, Mamlukische Sultansstiftungen (2003), 35.

42  Jomier, Al‑Azhar (1960), 814–816. 43  Levi Della Vida / [Bonner], ʿUmar I (2000), 819. 44  Meinecke / Aalund / Korn, Große Moschee (2005), 59–62.

45  Reiter, Palestine (2007), 184 f. 46  Ebd., 173. 47  Ebd., 174. 48  Knost, Organisation (2009), 159 f.

11.4  Juden 11.4.1  Allgemeines Jüdische Stifter im mittelalterlichen Orient und in Europa gehörten verschiedenen so‑ zialen Schichten und Berufen an. (→ 14.4) Dreh‑ und Angelpunkt ihres Handelns zu Lebzeiten und über den Tod hinaus war der Bezug der Stiftungen auf die Synagogen‑ und Gebetsgemeinde. Bekanntheit oder Anonymität des Stifters, schriftliche oder mündliche Bewahrung seines Gedenkens, liturgische Erwähnungen seines Namens über eine kürzere oder längere Zeitspanne nach seinem Tod hingen von der kollekti‑ ven Erinnerung der engeren oder weiteren jüdischen Gemeinde ab. Sobald der Stifter seinen Willen kund‑ getan und die Stiftung ins Leben gerufen hatte, konnte er durch verschiedene Geden‑ krituale präsent bleiben. Gräber, Grabmäler

und Bilder der Toten wurden aber im Ju‑ dentum als Medien der Erinnerung auf andere Weise gepflegt als etwa im Chris‑ tentum. Von mehreren jüdischen Gelehrten wurde zudem der liturgische Vorrang der Verehrung Gottes betont. Die postmortale Gegenwart des Stifters trat unter den Le‑ benden umso mehr in den Hintergrund, als auch die Verwaltung der Stiftung in der Regel bei der Gemeinde lag und nicht vom Stifter geregelt war. Allerdings gab es auch nicht wenige Stifterinnen oder Stifter, die ausdrücklich verboten hatten, ihre Bestimmungen zu verändern oder die Verwaltung ihres heqdesh dem Gemeinde‑ heqdesh zu übergeben. Im Sozialgefüge der Stiftung traten im Laufe der Zeit sehr oft Zu‑ und Neustifter hinzu, die die ersten

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Stifter hervorheben oder auch ins Verges‑ Häufig nahmen die Gemeindeverwalter sen abdrängen konnten. das Recht für sich in Anspruch, anstelle des Stifters den Zweck der Stiftung zu be‑ stimmen. Dieser Anspruch leitete sich von der Kompetenz der Verwalter für zugestif‑ 11.4.2  Der Stifter bei der tetes Kapital des heqdesh ab. Viele Respon‑ Genese der Stiftung sa mussten sich mit Problemen beschäfti‑ Stiftungen konnten mit einfachen Worten gen, die aus Widersprüchen zwischen dem begründet werden; dies konnte öffentlich, Stifterwillen und seiner Verwirklichung privat oder sogar nur unausgesprochen im resultierten. Geiste geschehen. Diese einfache Rechts‑ form, die schon in der Antike praktiziert Orient wurde, hängt damit zusammen, dass Stif‑ Die Vorbereitung der Stiftung durch den tungen zum Bereich des Vermögens Gottes Stifter, die Dokumentation der Herkunft gerechnet wurden. Im Mittelalter kam die des Stiftungskapitals, die Entscheidung für Heiligkeit des heqdesh‑Vermögens auch bestimmte Stiftungszwecke, der Rechtsakt dadurch zum Ausdruck, dass es sogar Vor‑ des Stiftens selbst einschließlich der Be‑ rang gegenüber dem ketubbah‑Geld für rufung von Zeugen und gegebenenfalls Witwen und auch gegenüber Schulden des der Schreiber, sowie die Aushandlung Stifters genoss. Wenn also jemand etwa der Bestimmungen mit den Destinatären dem heqdesh auf dem Sterbebett sein Ver‑ und Nutznießern der geplanten Stiftung mögen stiftete und seinen Gläubiger (baʿal- treten in den Dokumenten der Kairoer ḥov) noch nicht befriedigt oder seiner Frau Geniza vor allem im Zusammenhang mit ihr ketubbah‑Geld noch nicht ausgehändigt Hausstiftungen in Erscheinung. Diese sind hatte, fiel dennoch dem heqdesh das gestif‑ die Grundform der Stiftungen in Altkairo, tete Vermögen zu. obwohl dem Kairoer heqdesh auch Kultge‑ Sowohl die Stifter eines privaten oder genstände, Geld und Land gestiftet wurden. semi‑privaten heqdesh als auch die Zustifter Die Häuser waren meist im Besitz der zum Gemeinde‑heqdesh wurden entweder Stifter selbst und wurden zudem oft von bei guter Gesundheit aktiv – in diesen Fäl‑ diesen bewohnt. Sie hatten diese Immobi‑ len spricht man von Stiftungen inter vivos lien entweder gekauft, gebaut oder geerbt. oder hebräisch von mattanat bariʾ – oder Nur wenn es sich um eine Sterbebett‑Stif‑ sie verfügten über ihr Vermögen im An‑ tung handelte und der Stifter keine Erben gesicht des Todes (Sterbebett‑Stiftung oder hatte, konnte er das ganze Haus dem heqmattanat shekhiv meraʿ). Stiftungen inter desh überlassen. Wenn es hingegen Erben vivos wurden anscheinend öffentlich in der gab oder der Stifter nach dem Stiftungsakt Synagoge vollzogen. Der Stifter musste im noch am Leben blieb, musste er das Haus Besitz seiner geistigen Kräfte sein; seine zwischen den Erben und dem heqdesh auf‑ Verfügungen galten als unveränderbar.1 teilen; meistens wurden dabei 24 Anteile Für Sterbebett‑Stiftungen brauchte man geschaffen. Diese Praxis ging wahrschein‑ Zeugen, die bei Bedarf vor einem bet-din, lich auf das muslimische Recht zurück, einem jüdischen Gerichtshof, Rede und das seinerseits eine byzantinische Praxis Antwort stehen mussten; der Rechtsakt übernommen hatte,2 und war von beson‑ war nur dann gültig, wenn der Stifter so‑ derer Bedeutung bei Sterbebett‑Stiftungen zugunsten des heqdesh, da im jüdischen fort danach gestorben war.

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Gesetz die Rechte des Stifters weitgehend vom Erbrecht eingeschränkt waren. In sehr vielen Fällen wurde dementsprechend dem heqdesh nur der Teil eines Hauses gestiftet. Der Stifter musste zudem beweisen können, dass das Haus tatsächlich sein Eigentum war, denn gemäß jüdischem Recht konnte man dem heqdesh nur etwas stiften, das tatsächlich eigenes Eigentum war. Nach einem Dokument des bet-din in Tyrus hatte darum etwa ein Mann die Stiftung zwei‑ er Juden in Aleppo in Frage gestellt und behauptet, dass der Vater der beiden ihm das Haus verkauft habe. Die Brüder entgeg‑ neten, dass sie dem heqdesh nur die Rente des Hauses gestiftet hatten, während das Haus selbst im Besitz der Erben verblieben sei. Da der Prätendent kein Dokument über den Verkauf des Hauses vorlegen konn‑ te, wurde das Eigentumsrecht der Brüder anerkannt und entsprechend die Stiftung der Miete zugunsten des heqdesh gültig.3 Der Stifter musste im Besitz seiner geis‑ tigen Kräfte sein, doch war körperliche Gesundheit nicht erforderlich. Der Rechts‑ akt der Stiftung selbst war eine mündliche oder schriftlich verfasste private – aber bezeugte – oder öffentliche Erklärung des Stifters. Das Zeugnis folgte den Prinzipien des jüdischen Rechtes: mindestens zwei männliche Zeugen waren erforderlich, die mit dem Stifter nicht verwandt und vom jüdischen Recht auch ansonsten nicht als ungeeignet ausgeschlossen sein durften. Sie legten vor dem bet-din ihr Zeugnis über den Stiftungsakt ab, das dort meis‑ tens schriftlich fixiert wurde. Oft waren die Zeugen berühmte und herausragende Gemeindemitglieder oder Mitglieder des bet-din selbst. Nachdem das Zeugnis rechts‑ kräftig vollzogen worden war, übernahmen die vom Stifter benannten Verwalter oder die Gemeindeverwalter oder der bet-din das Haus; sie konnten es vermieten, um die Erträge den Begünstigten zukommen

Stifter

zu lassen. Als Beispiel kann ein frühes, auf Hebräisch geschriebenes Geniza‑Fragment vom Jahr 1006 dienen; da es fragmentarisch überliefert ist, sind die Namen der Zeugen gar nicht, der des Richters nur am Ende lesbar geblieben („ha‑Kohen“). Wie aus dem vorhandenen Text zu erschließen ist, scheint die Testatorin im Bett gelegen zu haben, als die Zeugen ihr Zimmer betraten. Die Zeugen bestätigten nach dem Wortlaut, dass die Stifterin bei klarem Bewusstsein war und deutlich zu sprechen vermochte. Die Frau habe bestätigt, dass sie dem heqdesh das Drittel ihres Hauses stiften wolle, das ihr gehöre. Einen anderen Teil habe sie einer Verwandten unter der Bedingung gegeben, dass er ihr Eigentum werde, wenn sie heirate und Erben habe; falls sie aber vor einem Eheschluss oder ohne Kinder sterbe, solle der für sie vorgesehene Anteil ebenfalls an die Stiftung gehen, also dem heqdesh gehören. Die Stifterin berichtete auch, dass sie einem Verwandten einen kleineren Teil ihres Hauses verkauft und mit dem Geld Bauholz gekauft habe, um das Haus, also das Stiftungsvermögen, zu renovieren. Über die Herkunft ihres Eigen‑ tums machte sie keine Angaben, aber man kann vermuten, dass dieses ihr als Erbe oder Mitgift ihres Mannes zugekommen war; es gab freilich auch Frauen, die selbst Geschäfte getrieben und davon Eigentum erworben hatten.4 Die Zeugen lassen am Ende des Schriftstückes festhalten, dass die anonyme Stifterin an der Krankheit, die sie ans Bett gefesselt hatte, gestorben sei. Nicht nur Sterbebett‑Stiftungen, sondern auch Verfügungen inter vivos zugunsten des heqdesh, die postmortal wirksame Be‑ stimmungen enthielten, wurden von einem Richter des bet-din verzeichnet. Ein Frag‑ ment aus dem Jahre 1161 bezeugt etwa die Stiftung einer Frau namens Sitt al‑Naṣar, Tochter Ephraim Ḥalfons, vor dem Richter Mevorakh b. Nathan: Die Frau stiftete ein

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Viertel ihres Hauses für den heqdesh (alʿaniyyim); ferner überließ sie ein Sechstel einem männlichen Verwandten unter der Auflage, dass ihr selbst zu Lebzeiten die Erträge zustanden; nach dem Tod des Man‑ nes sollten seine Mutter und sein Sohn ihn beerben, dann aber sollte alles dem heqdesh gehören. In diesem Fall liegt also eine Stiftung inter vivos zugunsten des heqdesh vor, aber zugleich Verfügungen auch für die Zeit nach dem Tod der Begünstigten.5 Wenn eine Stiftung schriftlich gemacht wurde, unterzeichneten die Zeugen das Schriftstück. Dieses Dokument wurde da‑ raufhin im Gerichtshof von dem Haupt‑ richter oder von mehreren Richtern gegen‑ gezeichnet, um ihm Geltung zu verleihen. Da es in Altkairo zwei große rabbinische Synagogengemeinden gab – die Synagoge der Palästiner und die der Babylonier –, bestifteten manchmal die Wohltäter bei‑ de Gemeinden gleichermaßen. In solchen Fällen unterzeichneten beide Gerichtshö‑ fe, der bet-din der Palästiner und der der Babylonier, die Stiftungsurkunde. Wurde die Dedikation mündlich gemacht, ga‑ ben die Zeugen auch mündlich vor dem Gerichtshof ihre Erklärung ab, während das Protokoll zusätzlich von den Zeugen unterzeichnet und von den Richtern oder vom Hauptrichter gegengezeichnet wurde. Obschon im jüdischen Recht immer we‑ nigstens zwei erwachsene jüdische Zeugen erforderlich waren, schwankt die Anzahl der Zeugen in den Stiftungsdokumenten der Kairoer Geniza zwischen zwei und fünf. Zwischen der Bezeugung des Aktes und der Unterzeichnung durch den Richter konnte längere Zeit vergehen. In einem Dokument über die Stiftung eines Sechstels seines Hauses an die beiden Synagogen traten vier Personen als Zeugen in Erscheinung. Diese seien auch bei der Bestätigung des Stiftungsdokuments im bet-din anwesend gewesen; wie die Richter unterschrieben

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auch sie. Allerdings bietet das Dokument zwei Daten: 4. Iyyar (April / Mai) und 2. Kis‑ lev (November / Dezember) 1047. Das erste bezieht sich auf den Stiftungsakt selbst, das zweite auf die Bestätigung im bet-din, sodass zwischen beiden Vorgängen etwa sieben Monate vergangen sein müssen.6 Da die Stiftungsdokumente der Gemein‑ de‑heqdeshot oder privater heqdeshot fast ausschließlich die jüdische Gemeinde selbst betrafen, mussten sie dem jüdischen Gesetz entsprechen. Andere Dokumente, vor allem Verträge zwischen einem Juden und einem Nichtjuden, wurden vor nichtjüdischen Ge‑ richtshöfen abgefasst; im 14. Jahrhundert war es in Kastilien oder Aragón sogar aus‑ drücklich vorgeschrieben, Verträge zwi‑ schen Juden und Nichtjuden vor nichtjüdi‑ schen Gerichtshöfen zu schließen. Das galt an manchen Orten auch für Testamente. Die Gültigkeit des Rechtsaktes und des Dokumentes, etwa eines Testaments, wurde erhöht, wenn sie vor den nichtjüdischen Gerichtshöfen oder vor beiden Gerichten vollzogen oder dokumentiert wurden. Diese Praxis widersprach allerdings frühen jü‑ dischen Rechtsverordnungen, nach denen es Juden verboten sei, vor einem nichtjüdi‑ schen Gerichtshof zu prozessieren, woran Gelehrte immer wieder erinnerten. Auch im Orient gab es durchaus Fälle, in denen Juden trotzdem vor einem muslimischen Kadi einen Prozess führten. Im Zusam‑ menhang mit dem heqdesh gab es freilich keine außergemeindlichen Betroffenen, so‑ dass der jüdische bet-din hier wichtigste Instanz blieb. Da die Umgangssprache der orientalischen Juden Arabisch war, wurde in der klassischen Geniza‑Zeit die Mehrheit der Dokumente in Judaeo‑Arabisch ausge‑ stellt. Demgegenüber war die Sprache der stiftungsbezogenen Dokumente der Alt‑ kairoer Geniza in einer früheren Periode, also dem 10. oder frühen 11. Jahrhundert, Hebräisch gewesen.7

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Gelegentlich konnte ein Gemeinde‑ schreiber (sofer), den es in fast allen jü‑ dischen Gemeinden gab und der vor al‑ lem Thorarollen, mezuzot, tefillin und religiöse Bücher kopieren musste, auch Rechtsdokumente ausfertigen. Schreiber, die Notarsfunktionen ausübten, wurden nicht von den Gemeindeautoritäten er‑ nannt; ihre Funktion war auch nicht so sehr spezialisiert wie die der jüdischen Notare in Spanien im 14.–15. Jahrhundert.8 Die Bestätigung des Dokumentes von der Hand des Richters konnte er aber keines‑ falls ersetzen. Denn an einem jüdischen Gerichtshof waren nicht der Notar oder der Schreiber die wichtigsten Personen, sondern die Richter (dayyan, dayyanim). Ein bet-din bestand in der Regel aus drei Richtern (dayyanim), ein großer Gelehrter konnte aber auch allein urteilen. Die Ur‑ kunden wurden den Klienten ausgegeben und nicht im Gerichtshof aufbewahrt. In der Geniza überliefert sind aber Kopien von Urkunden, die wahrscheinlich vom bet-din stammten. Da die Kairoer Geniza Aufbewahrungsort für untaugliche und fehlerhafte (pasul) Dokumente war, könn‑ ten dorthin auch verworfene Entwürfe oder Originale gelangt sein.9 Ob alle battedin in der Diaspora ein notarielles Register führten, ist unbekannt. Sepharad Ebenfalls fragmentarisch ist die Überliefe‑ rung von Rechtsdokumenten aus Sepharad, die über die Rolle des Stifters Auskunft geben könnten. Zeugnisse hierfür sind aber die Responsa bedeutender Gelehrter, denen Fragen von kleineren Gerichtshöfen oder einzelnen Richtern vorgelegt worden waren. Sie lassen darauf schließen, dass die Prozedur der schriftlichen Dokumentation einer Stiftung in Spanien ähnlich wie in Altkairo verlief. Wenn eine Stiftung münd‑ lich gemacht wurde, bestätigten dies die

Stifter

Zeugen vor dem bet-din und unterschrie‑ ben das Dokument, bevor dieses durch einen oder mehrere Richter gegengezeich‑ net wurde. Nach einem Responsum von Rosh aus dem frühen 14. Jahrhundert hatten die Zeugen im Hinblick auf eine Sterbebett‑ Stiftung in Escalona (bei Toledo in Kasti‑ lien) erklärt, dass ein Weingarten zuguns‑ ten von Thorastudenten gestiftet worden sei. Dies war indessen nach dem Tod des Stifters durch die Erben in Frage gestellt worden, da sie den Zeugen vorwarfen, ein persönliches Interesse an der Stiftung zu haben (nogʿim ba-ʿedut), was nach jüdi‑ schem Recht nicht erlaubt war. Die Frage lautete, ob sie von der Stiftung entfernt werden mussten, eine Prozedur, die silluq genannt wurde. Rosh bestätigte dies. Die Stiftung wurde dann jedoch wahrschein‑ lich durch Verwalter betreut, jedenfalls wurde den prozessierenden Erben kein Recht auf das Vermögen zugesprochen.10 Außer der traditionellen talmudischen Prozedur wurde in Spanien im 14. und 15. Jahrhundert bei testamentarischen Stiftungen auch eine vom nichtjüdischen Recht beeinflusste, manchmal gemischte, manchmal ganz nichtjüdische notarielle Prozedur befolgt. Die Praxis war dadurch bedingt, dass die Krone in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts das notarielle Amt zentralisierte und nichtjüdische Au‑ toritäten nur noch königlich autorisierte Notare anerkannten. Theoretisch konnten zwar weder Kleriker noch Juden Notare werden, tatsächlich ernannte aber der Kö‑ nig doch jüdische Notare auch für nicht‑ jüdische notarielle Aufgaben. Ein erstes Beispiel dafür war Astruc Azarel, ein Jude aus Lerida, der 1264 vom König bestellt wurde, wahrscheinlich, weil man dort ara‑ bische und lateinische Sprachkenntnis‑ se brauchte. Andererseits konnten Juden auch bei christlichen Notaren Dokumente

Juden

ausstellen lassen. Eine königliche Verord‑ nung von 1275 sicherte ihnen zu, dass dies bei allen Notaren der Stadt Egea möglich sei. An manchen Orten gab es auch spezi‑ elle, durch den König autorisierte Notaria‑ te für judaeo‑christliche Transaktionen.11 Seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhun‑ derts wurden auch speziell für die jüdi‑ schen Gemeinden vom König anerkannte und ernannte Notariate geschaffen. Das jüdische Notarsamt, sofer, erschien zum ersten Mal in einem königlichen Privile‑ gium vom Jahr 1271 für die Gemeinden in Gerona und Besalú sowie für andere Steu‑ erpflichtige jüdischer Gemeinden.12 Diese Notare waren Experten, die gemeindliche und private Dokumente auf Hebräisch aus‑ stellten und wahrscheinlich auch in jüdi‑ schen Gerichtshöfen als Notare agierten. Sie hatten auch die Aufgabe, Testamen‑ te auszufertigen.13 Im Gesetzbuch ‚Siete partidas‘, Mitte des 13. Jahrhunderts von Alfons X. von Kastilien erlassen, wurde das Entgelt für die Ausstellung eines Tes‑ taments durch einen Notar auf zwei Sous festgelegt.14 Gemäß jüdischem Recht waren zwei Zeugen für einen gültigen Rechtsakt erforderlich, aber die Gemeinden tendier‑ ten vermutlich dazu, nichtjüdischem Recht entsprechend mehr Personen aufzubieten.15 In Katalonien und Südfrankreich lag die Zahl der Zeugen vor 1340 bei drei oder fünf, erst später wuchs sie auf sechs oder sieben an. Die vorgeschriebene Zahl der Zeugen für ein Testament betrug in Kastilien fünf (nach dem Codex Theodosianus), in Katalo‑ nien sieben (nach dem Codex Iustinianus). Unter dem Einfluss des kanonischen Rechts reduzierte man die Menge der Zeugen im hochmittelalterlichen Spanien und in der Provence auf drei. Gemäß dem römischen Recht war die Tätigkeit als Zeuge nor‑ malerweise auf Männer beschränkt; Ver‑ wandte und Erben der Prozessbeteiligten blieben ausgeschlossen.16

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Aschkenas Die früheste erhalten gebliebene Stifter‑ inschrift in Aschkenas befindet sich an der alten Wormser Synagoge. Sie befand sich westlich neben dem Nordportal des Gründungsbaus von 1034; hier werden so‑ wohl die Namen des Stifterehepaars – Ja‑ kob b. David und seine Frau Rachel – als auch das Datum der Fertigstellung des Bauwerks (Monat Elul im Jahre [4]794 nach der Erschaffung der Welt) erwähnt. Aus Worms sind zehn weitere mittelalterliche Inschriften (1034 bis ca. 1400) überliefert, teils im Original, teils in Abschrift; sechs von ihnen können eindeutig als Stifter‑ inschriften identifiziert werden, weitere drei könnten auf einen Stiftungsakt hin‑ weisen. (→ 6.4.2) Die Stifter unterstützten den Gemeinde‑ heqdesh in der Form eines Zehnten, der regelmäßig oder gelegentlich gesammelt wurde, oder in Form einer semi‑privaten Stiftung, in der die Verwaltung an die Gemeindeverwalter überging. Schon in den ersten aschkenasischen Gemeinde‑ ordnungen, das heißt denen des Rabbenu Gershom (Meor ha‑Golah, geb. Metz 960, gest. Mainz 1028 / 1040), des Rabbenu Tam (geb. Ramerupt 1100, gest. Troyes 1176) und in einer Verordnung der rheinischen Ge‑ meinden aus dem Jahr 1223, wird die Pflicht zur Zehntenabgabe genannt.17 Auch die französischen und deutschen Tosafisten erwähnten die Zehntabgabe zugunsten des Gemeindefonds. Die Wohltätigkeits‑ spenden oder ‑zehnten wurden in Form eines Gelübdes, meistens am Anfang des Jahres, an Yom Kippur, versprochen.18 Alle halachischen Autoritäten waren sich da‑ rüber einig, dass eine Stiftung durch die einfache mündliche Aussage gültig wird. R. Isaak b. Moshe (Böhmen, ca. 1180–1250), der Autor des halachischen Codex ,Or Za‑ rua‘, vergleicht den Stiftungsakt mit einem Gelübde: „Es gibt heutzutage [nach der

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Zerstörung des Tempels] keinen heqdesh, ḥaramot [Bann] und keine ʿarakhin [Vo‑ tivgaben]. Deshalb darf man nicht sagen: ,Diese Sache, dieses Buch, diese Thorarolle, dieses Stück Land oder dieses Geld ist heqdesh‘, denn dann müsste man für das Buch eine genizah einrichten, die Gefäße [für die Thorarollen] zum Toten Meer bringen usw. Sondern man soll sagen: ,Dieses Geld oder diese Bücher habe ich für diesen und jenen Zweck gesondert vorgesehen‘, also in der Form eines neder [Gelübde] oder ei‑ ner nedavah [Widmung]. Man kann dann, wenn man sich geirrt hat oder eine falsche Stiftung gemacht hat und es sich anders überlegt, einen Gelehrten um die Lösung des Gelübdes bitten.“19 Der Verfasser des ‚Or Zarua‘ entscheidet weiterhin, dass je‑ mand ein solches Gelübde halten müsse, selbst wenn er nur in Gedanken entschie‑ den habe, eine Stiftung vorzunehmen.20 Die gabbaim (Wohltätigkeitssammler) konnten dann von den Stiftern das versprochene Geld auch unter Zwang eintreiben. Die französischen Tosafisten entschieden et‑ was milder und behandelten den Zehnt als freiwillige Abgabe.21 Die meisten von ihnen sowie der deutsche Gelehrte Raaviah (Eliezer b. Joel ha‑Levi, 1140–1225) erlaubten den Verwaltern, den Wohltätigkeitszweck zu ändern, nachdem die Stiftung in ihre Hände gelangt war.22 Bei semi‑privaten Stiftungen zuguns‑ ten des Gemeinde‑heqdesh übertrugen die Stifter das Entscheidungsrecht dem ge‑ meindlichen heqdesh‑Verwalter und verbo‑ ten zugleich den Erben jede Einmischung in die Verwaltung des Vermögens. Wenn das Vermögen schon in den Besitz der ge‑ meindlichen Verwalter gelangt war, hatten die Erben nach dem Tod des Stifters keinen Einfluss mehr, auch wenn keine förmliche Verfügung des Erblassers vorlag. In einem Responsum hob aber der rheinische Ge‑ lehrte Meir b. Baruch im 13. Jahrhundert

Stifter

hervor, solange das Geld nicht in die Hände der gabbae ṣedaqah gelangt sei, könne der Stifter den Stiftungszweck noch frei nach seinem Willen ändern; danach hatten we‑ der der Stifter selbst noch seine Erben das Recht dazu. Die Verantwortung für die Ausführung des Stifterwillens lag in den Händen der Verwalter.23 Im Unterschied zum Orient und zu Se‑ pharad haben wir nur sehr beschränkte Informationen aus den Responsa über die Formalitäten des Stiftungsaktes in Aschke‑ nas. Wahrscheinlich waren auch hier für mündlich vollzogene Stiftungen Zeugen vor Gericht erforderlich. Dafür spricht wie‑ derum ein Responsum des Meir b. Baruch von Rothenburg. Der Gelehrte verlangte eine Zeugenaussage vor Gericht, die bele‑ gen sollte, dass ein gewisser Jude statt der zugesagten Geldgabe an den Gemeinde‑ heqdesh Bücher als Pfand gegeben habe. Der Verwalter wollte nämlich das Pfand nicht zurückgeben, nachdem der Jude offensicht‑ lich seine monetäre Leistung nachträglich erbracht hatte.24 Über das Amt des Notars berichten we‑ niger Quellen als im Orient oder in Spa‑ nien. Die Responsa sind hier aber bei zwei anderen Themenbereichen aufschlussreich. Beide sind eng mit der Person des Stifters oder Hindernissen für die Gültigkeit des Stiftungsaktes verbunden. Es geht darum, ob ein zum Christentum konvertierter Jude eine Stiftung tätigen und ob die Gemein‑ de eine solche Stiftung entgegennehmen dürfe; sowie darum, was geschehen sol‑ le, wenn der Stifter seine Stiftung zwar vorbereitet hatte, ein äußerer Umstand aber die Bedingungen des Rechtsgeschäfts veränderte. Für den ersten Komplex stehe hier als Beispiel ein Responsum von R. Morde‑ chai b. Hillel aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts für seinen Verwandten Rav Levi über einen meshummad, also

Juden

einen Konversen. Dieser hatte, als eine Zwangstaufe (gezerah) drohte, sein ganzes Erbe dem heqdesh gestiftet und sich gleich danach taufen lassen. R. Levis Frage lautete, ob der heqdesh die Stiftung des Apostaten annehmen dürfe. Hintergrund dafür ist die Vorschrift des jüdischen Gesetzes, dass der heqdesh die Gabe eines Nichtjuden (goy) nicht akzeptieren dürfe. R. Mordechai b. Hillel urteilte, dass dies dennoch zulässig sei, um gute Beziehungen mit den Nichtju‑ den aufrecht zu erhalten, von einem Kon‑ versen hingegen dürfe man keine Gabe annehmen, denn dieser habe die Thora verleugnet.25 Den anderen Fragenkreis mö‑ gen zwei andere Responsa beleuchten: Im ersten Text geht es um eine Stiftung für den Kultus. Der Stifter hatte geschworen, der Synagoge eine vergoldete Thorakrone zu stiften, und jemanden bezahlt, diese anzufertigen. Der Handwerker habe aber, nach den Worten des Stifters, das Gold durch Silber ersetzt und in dieser Ausferti‑ gung sei der Kultgegenstand als Stiftung an den Synagogen‑heqdesh gelangt. Fünfzehn Jahre später habe der Stifter sein Gold von dem Handwerker zurückhaben wollen, um sein Versprechen einer goldenen Thorakro‑ ne einzulösen. Der Handwerker stritt den ursprünglichen Auftrag des Stifters ab und behauptete, beide hätten sich darauf geei‑ nigt, das Gold für die Säulen der Synagoge zu verwenden und es mit einer silbernen Thorakrone genug sein zu lassen. R. Meir entschied im Sinne einer Verjährungsrege‑ lung. Nach einem Zeitraum von fünfzehn Jahren solle die silberne Thorakrone dem heqdesh verbleiben und im Übrigen nichts verändert werden.26 Im zweiten Respon‑ sum wird über ein Landstück verhandelt, das zu dem Zweck gestiftet wurde, darauf eine Synagoge zu errichten. Die nichtjü‑ dischen Autoritäten hatten die Errichtung des Baus dem Gemeinde‑heqdesh inzwi‑ schen verboten, aber die Gemeinde wollte

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stattdessen ein Lehrhaus errichten. Wie im vorigen Fall protestierte der Stifter ge‑ gen die Missachtung seines Willens. Da aber äußere Umstände die Ausführung des Plans verhindert hatten und die ge‑ plante Veränderung des Stiftungszweckes den jüdischen Gesetzen nicht widersprach, entschied R. Meir von Rothenburg, dass das Lehrhaus gebaut werden könne.27 Man muss im Zusammenhang mit der Stiftertätigkeit in Aschkenas unbedingt beachten, dass in den aschkenasischen Ge‑ meinden, obwohl sie manchmal arm waren, sehr viele Thorarollen gestiftet wurden. Diese gestifteten Thorarollen wurden in höchster Ehre gehalten, und man durfte sie nicht verkaufen und nicht einmal ge‑ gen eine neuere austauschen. Mordechai b. Hillel hielt fest: „Es ist den Gemeinden – sowohl in den Dörfern als auch in den Städten – verboten, Thorarollen zu verkau‑ fen, nicht einmal eine alte Thorarolle, um mit dem Erlös eine neue zu kaufen. Aber eine Privatperson kann damit tun, was sie möchte.”28 Andererseits äußerte sich ein anonymer Autor kritisch über eine nicht benannte Gemeinde, in der es 370 Thora‑ rollen gebe, die von niemandem gelesen würden, da Fehler in den Texten dieser Rollen nicht korrigiert worden seien. Es sei besser, die alten Thorarollen zu korrigie‑ ren und sie im Unterricht im bet-midrash (Lehrhaus) zu verwenden.29 Auch die großen Rabbiner des 15. Jahr‑ hunderts äußerten sich über Stifter und Stiftungsakt: R. Jakob Mollin (geb. Mainz, ca. 1375; gest. Worms, 1427) traf hierzu zwei bemerkenswerte Entscheidungen: In dem ersten bekräftigte er erneut, dass das Ver‑ sprechen einer Gabe zugunsten des heqdesh wie ein Gelübde sei, die Stiftung danach also eine Pflicht. Wenn es aber es aber eine Bedingung für das Gelübde gebe, sei der Stifter nicht verpflichtet, das Versprechen einzulösen, solange diese nicht erfüllt sei.30

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Im zweiten Fall lobte R. Jakob Mollin solche Frauen, die ohne das Einverständnis ihrer Männer von ihrem Geld einen Zehnt an den heqdesh gaben.31 In einem Responsum von R. Moses Minz (ca. 1420–1482, Posen?) wird das expliziter erklärt: Danach müsse eine Frau, die in ihrem Haus Geschäfte treibe, ihr Gelübde halten und den Armen geben, was sie ihnen versprochen habe, auch wenn ihr Mann ihr dies seither ver‑ boten hatte.32 11.4.3  Der Stifter im Sozialgefüge seiner Stiftung Fortwirken des Stifterwillens Da der bet-din und dadurch auch die Lei‑ tung der Gemeinde Verantwortlichkeit, Aufsicht und Kontrolle über private, semi‑ private und kollektive heqdeshot inne hat‑ ten (→ 13.4.3), waren sie auch verpflichtet zu überprüfen, ob der Wille der Stifter ein‑ gehalten wurde. Auch die Responsa hatten sich mit zahlreichen Fällen zu befassen, in denen es einen Widerspruch zwischen dem Stifterwillen und seiner Verwirkli‑ chung gab, weil die Gemeindeverwalter Änderungen des Zweckes für sich in An‑ spruch nahmen. Bei Stiftungen inter vivos musste im orientalischen Judentum der Wille des Stif‑ ters oder Testators eingehalten werden.33 Wenn der Verwalter oder die Erben wider‑ sprachen, hatte der Stifterwille Vorrang vor anderen Interessen. Nur wenn sich der Stifter zu bestimmten Fragen nicht klar geäußert hatte, konnten die Verwalter oder Erben eigene Ansprüche durchsetzen. Wie oben erwähnt, konnte sich ein Stifter oder eine Stifterin vorbehalten, in einem dem heqdesh überlassenen Haus auf Lebenszeit zu wohnen. Dass dies tatsächlich geschah, belegt ein Dokument aus dem Jahre 1186: Es stammt von Naṣar, der Tochter von

Stifter

Abdallah, die dem heqdesh ein Viertel ih‑ res Hauses in Dār Tuǧīb, außerhalb des Ortes Qasr aš‑Šam, gestiftet hatte34 und nun dafür Miete zahlte35. Ob der Zweck eines gestifteten Objekts verändert werden durfte, hing auch in den Gemeinden des Ostens davon ab, ob des Stifters noch namentlich gedacht wurde. In einem anonymen Responsum beharrte ein Gaon darauf, dass die Verwalter des heqdesh in Kairouan einen gestifteten Hof nicht veräußern dürften, den ein Sterben‑ der dem Fonds hinterlassen hätte, um sein Andenken (zikkaron) zu erhalten und aus den Pachterträgen die Armen zu unter‑ stützen; erst wenn ein Stifter vergessen sei, dürfe das Stiftungsgut veräußert werden.36 Für den Status des Stifters nach dem Stif‑ tungsakt im sephardischen Judentum ist ein Responsum des Ritba (Yom Tov b. Abra‑ ham Ishbili, 1250–1330) aus Spanien auf‑ schlussreich: Der Gelehrte antwortete dem Scheidungsgericht von Tarragona zum Fall eines Stifters aus Montson, R. Shem Tov b. Holo. Dieser hatte bei seinem zweiten Eheschluss eine bedingte Stiftung gemacht; falls die neue Frau mit ihm Kinder haben wolle, sollten ihr und den gemeinsamen Kindern bestimmte Felder gehören, wenn nicht, gehe alles an den heqdesh über. Die Frau habe nun keine Kinder bekommen, aber die übrigen Erben legten nach dem Tod des Stifters die Hand auf die Liegen‑ schaften. Ritba verbot das, da das Geden‑ ken des Stifters noch nicht in Vergessen‑ heit geraten sei, so dass auch sein Wille wortwörtlich umgesetzt werden müsse.37 Unklarheiten im Stiftungsvollzug konn‑ ten entstehen, wenn der Stifter seinen Wil‑ len nicht ausreichend klargemacht hatte und spätere Verwalter nicht sicher wa‑ ren, ob und wie sie in seinem Sinne han‑ deln konnten. In solchen Fällen konnte es vorkommen, dass ein Rechtsgutachten

Juden

nachträglich anstelle des Stifterwillens entscheiden musste. So hatte Rashba (1235– 1310) einmal einen Fall zu entscheiden, in dem der Stifter nicht deutlich gemacht hat‑ te, wie nach seinem Tod die testamenta‑ risch gestifteten 300 Dinar angelegt wer‑ den sollten. Er hatte lediglich festgelegt, die Erträge aus diesem Kapital jährlich an Thorastudenten auszuschütten, aber nicht, welcher Art die Anlage selbst sein sollte: „Er hat nicht bestimmt, ob man davon Land kaufen oder das Geld gegen Zinsen auslei‑ hen soll, oder ob man damit Handel treiben oder was man damit [sonst] machen soll (…). Vielleicht wäre es erlaubt, das Kapital dem Gemeindefonds [quppat ha-ṣibbur] zu leihen“, was der Gelehrte bejahte.38 In einem anderen Fall aus der Gemeinde von Valencia musste Rashba wiederum den Konflikt zwischen dem Verwalter einer Privatstiftung und der Gemeinde lösen: Nach dem Tod des Stifters und eines der zwei von ihm ernannten Verwalter wollte die Gemeinde einen neuen Verwalter aus ihren Mitgliedern ernennen und damit die Erträge von nun an auch allen Armen der Gemeinde sichern. Rashba aber sprach dem verbleibenden Verwalter die volle Verfü‑ gungsgewalt zu, da dies dem Stifterwillen entspreche.39 In beiden vorgeführten Fällen waren die Verfügungen der Stiftung knapp und nicht eindeutig formuliert, so dass die Verwalter entscheiden mussten und sich gegenüber der Gemeinde angreifbar machten. Auf jeden Fall fühlten sie sich aber dem Stifterwillen verpflichtet. Der Wille des Stifters sollte auch den asch‑ kenasischen Responsa zufolge gewahrt blei‑ ben, denn dadurch war der Stifter nach seinem Tod in der Stiftung präsent. Wenn der Stifter, wie es sehr oft in Aschkenas geschehen ist, dem Gemeinde‑heqdesh stif‑ tete, übertrug er, wie schon ausgeführt, mit dem Stiftungsakt alle Rechte der

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heqdesh‑Verwaltung. Meir b. Baruch von Rothenburg etwa bestätigte, dass die Ge‑ meinde frei wählen könne, wen sie von den Erträgen einer Stiftung als Lehrer einstel‑ len dürfe, wenn dies der Stifter so bestimmt habe, auch dann, wenn der Kandidat ein Verwandter des Gemeindevorstehers sei und die Erben des Stifters gegen diese Wahl Einspruch erhöben und einen eigenen Kan‑ didaten präsentierten.40 Es scheint, dass im 15. Jahrhundert semi‑ private Stiftungen so verbreitet waren, dass die halakhah sich in Bezug auf die Verän‑ derbarkeit des Stiftungszweckes wandelte. Sterbebett‑Stiftungen konnten jetzt nach dem Tod des Stifters sogar von den Verwal‑ tern nicht mehr verändert werden. Nach einem Responsum von R. Jakob Weil (gest. ca. 1456) verfügte eine Frau in ihrem Tes‑ tament eine bestimmte Summe dafür, dass davon jede Woche den Armen ihrer Stadt ṣedaqah gegeben werde. Die Verwaltung des Gemeinde‑heqdesh wollte diese Stiftung zugunsten von fremden Thorastudenten umwidmen, aber R. Weil verbot das unter Verweis auf die Unveränderbarkeit des Stif‑ terwillens.41 R. Israel Bruna (geb. Brünn 1400; gest. Prag 1480) bekräftigte dieses Prinzip, indem er in einem Responsum festhielt, dass der Stifterwille auch dann zu respektieren sei, wenn das gestiftete Kapital zwischenzeitlich von einem Nicht‑ juden verwahrt worden sei, aus dessen Händen sonst keine Gaben angenommen werden dürften.42 Präsenz durch Erinnerung Der Stifter wurde in der jüdischen Religion nach seinem Tod fast ausschließlich durch die öffentliche schriftliche oder mündliche Erwähnung seines Namens präsent ge‑ halten. Stiftergräber und ‑bilder spielten in der Bewahrung der Erinnerung an ihn hingegen keine Rolle. Schriftliche Medien der Erinnerung waren etwa die Kolophone

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gestifteter Thorarollen und Bücher sowie Synagogeninschriften. Überliefert ist, dass Wohltäter‑ und Stifternamen sowohl im Orient als auch in Europa in der Synagoge öffentlich verlesen wurden, während an diesem Ort auch der jüdische Gerichtshof Dokumente zu Stiftungen ausstellte. In der Altkairoer Gemeinde wurden die Stifternamen höchstwahrscheinlich in der Synagoge verlesen. Hier wurden auch in Kalligraphie verfasste Dokumente des betdin über gestiftete Häuser ausgestellt. Ein Geniza‑Fragment von ca. 1040, das wahr‑ scheinlich für die Veröffentlichung in der Synagoge bestimmt war, berichtet von der Tätigkeit des heqdesh. Es bezieht sich auf die Zerstörungen durch den Kalifen Ḥākim von 1012 und hebt den Brauch hervor, bei der Wiedererrichtung zerstörter Gebäude eine Inschrift mit dem Namen des Stifters anzubringen (→ 7.4.3);43 Synagogeninschrif‑ ten selbst sind aus Altkairo indes nicht erhalten geblieben. In einem Fragment der Geniza aus dem 13. Jahrhundert wird Oba‑ diah b. Japhet, Abuʾl‑Maʿālī, als Stifter des Synagogenneu‑ und des Umbaus genannt. (→ 6.4.2; 7.4.3) Die Namen der Stifter von Thorarol‑ len wurden in den Kolophonen bewahrt. (→ 6.4.5) Auf der letzten Seite eines Penta‑ teuch‑Bandes, der in der Geniza gefunden wurde, wird Salomon bar Isaak, genannt ‚Bardaʾya‘, als Stifter des Bandes angege‑ ben.44 Dass die Stifter mit ihren Stiftungen ihr Seelenheil sichern wollten, ist durch zahl‑ reiche lateinische Quellen aus der Feder christlicher Notare erwiesen. Das heißt aber noch nicht, dass diese Stiftungen li‑ turgisches Gedenken bezweckten. Aller‑ dings gibt es mindestens ein sephardisches Beispiel dafür bei einer Sterbebett‑Stiftung. Es handelt sich um eine bedeutende Land‑ stiftung zugunsten eines Lehrhauses vom

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6. Juni 1332. R. Josef ha‑Levi bestimmte darin, dass Geld erhalten solle, wer Jo‑ sefs Namen an Yom Kippur segne oder nach seinem Tod an diesem Fest für seine Seele bete.45 Wo Stifter für ihr Gedenken vorsorgten, war die entsprechende Praxis natürlich noch nicht gesichert. Eine Möglichkeit dafür war die Widmung einer privaten Synagoge, die auch dem Stiftergedenken dienen sollte, doch musste die Gemeinde solche Häuser auch anerkennen. In den Gemeinden des europäischen Judentums konnten sich indessen private Synagogen aus Gründen der höheren Sicherheit oder wegen bestimmter Vorzüge bei der Ver‑ waltung empfehlen, was trotzdem Anstoß erregte. Im mittelalterlichen Spanien soll‑ ten die strittigen Fragen durch Gemeinde‑ verordnungen geregelt werden. Ein Responsum von Ribash (1326–1408) für R. Shlomo Ruben aus Calatayud be‑ legt die Existenz zahlreicher Synagogen an diesem Ort, die den jeweiligen Stifter‑ namen trugen. In Calatayud hatte frü‑ her ein durch Aron b. Yaḥyah gestiftetes Gebetshaus bestanden, an dessen Stelle jetzt Yosef b. Yaḥyah eine Synagoge ge‑ baut hatte. Eine ältere Gemeindeordnung (taqqanat ha-qahal) aber enthielt eine Lis‑ te von zulässigen Gebetsorten außerhalb der zentralen Synagoge, die von einigen Gemeindemitgliedern als abgeschlossen angesehen wurde: Neben dem großen betmidrash (Gebetshaus, Synagoge, Lehrhaus) den „bet-midrash, der von R. Yacob b. Ka‑ lina gestiftet wurde“, den „bet-midrash der Weber“, den „bet-midrash der ḥavurat haheqdesh“ (der Bruderschaft des heqdesh), den „bet-midrash, gestiftet von Yom Tov Parhi“, „das Gebetshaus von Don Baḥya al‑Konstantini, dem Arzt“, denn er habe am Morgen vor seinen Krankenbesuchen keine Zeit, in die große Synagoge zu gehen, um zu beten; „das Gebetshaus von Don Moshe

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b. Shaprut“, denn er habe eine Erkrankung an seinen Beinen, sowie „die [Gebets‑]Häu‑ ser der Braut und des Bräutigams“ oder „das Gebetshaus der Trauer“. Ribash stärk‑ te auch hier die Rolle des Stifters und die Bedeutung seines Willens, indem er ent‑ schied, dass die neue Synagoge bestehe bleiben solle und auch alle neugestifteten Synagogen als zulässige Gebetsorte in die Gemeindeordnung aufzunehmen seien.46 Die Benennung dieser privat errichteten Gebetshäuser und Synagogen nach ihren Stiftern spricht dafür, dass man ihrer auch im Gebet gedachte. Herausragende Belege für ein lebendi‑ ges Stiftergedenken bieten die El‑Tránsito‑ Synagoge in Toledo sowie die Synagoge in Córdoba; noch bestehende Inschriften verweisen hier jeweils auf die Namen der Stifter Samuel Halevi Abulafia und Isaak Meḥab. (→ 6.4.2) In Aschkenas gab es eine regelrechte Li‑ turgie des Stiftergedenkens. (→ 8.4.2) Er‑ wähnt sei hier nur ein Responsum des R. Joseph Colon (15. Jahrhundert), aus dem hervorgeht, dass nicht nur Synagogen, son‑ dern auch Kultobjekte nach dem Stifter benannt wurden. R. Joseph Colon hebt beispielsweise eine Thorarolle hervor, die von dem Onkel eines bestimmten Juden gestiftet wurde.47 Präsenz durch Zustifter und Neustifter Vor allem Gemeindestiftungen, aber auch private und semi‑private Stiftungen waren für Zustiftungen offen. Zu Neustiftungen kam es vor allem nach Pogromen oder Zerstörungen. Die entscheidende Frage ist, ob dabei der ursprüngliche Stiftername bewahrt wurde. Sowohl der heqdesh in Altkairo als auch die yeshivot in Babylonien, Sura, Pumbedita, Bagdad und Jerusalem haben von Zeit zu

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Zeit regelmäßige Spenden oder außeror‑ dentliche Zustiftungen aus der Diaspora bekommen, entweder von den Gemeinden oder von reichen Patronen, die meistens Kaufleute waren. Diese Zustiftungen erwirkten für die Zustifter Ehre und Gedenken, ohne dass die ursprünglichen Stifter verdrängt wor‑ den wären. Diese Stiftungen konnten aber auch anonyme Gemeinde‑Stiftungen48 oder Schulen (yeshivot) sein, die mehrere Unter‑ stützer hatten, aber nach dem Leiter der Schule oder dort tätigen Gelehrten, und nicht nach den Stiftern benannt wurden. Falls aber gemeindliche Zustiftungen ano‑ nym gemäß einem Gelübde gemacht wur‑ den (pesiqah, maʿasar ʿani oder maʿasar kesafim), konnte das Gedenken des ursprüng‑ lichen Stifters erhalten bleiben.49 Ein für die öffentliche Bekanntmachung bestimm‑ tes Dokument aus der Kairoer Geniza von ca. 1040 bezeugt die Zerstörungen in der Zeit des Herrschers Ḥākim zu Beginn des 11. Jahrhunderts und die darauf folgende Restauration der Synagogen. Als die Ver‑ walter die renovierten Appartements der Synagogen übernahmen, hätten sie sich, wie berichtet wird, auch auf ein Dokument bezogen, in dem jedes Appartement das Schild mit „seinem Namen“ führte, „wie es gewesen ist“. Dies deutet darauf hin, dass die alten Stifternamen während der Syn‑ agogenrestaurationen konserviert wurden. Die Reparaturarbeiten selbst wurden aber durch Zustiftungen finanziert, deren Stifter offenbar hinter die ursprünglichen Stifter zurücktreten mussten.50 Es gibt aber auch Zeugnisse, die belegen, dass der Name des Neustifters memoriert wurde, während der Name des ursprüng‑ lichen Stifters in Vergessenheit geriet. So wurde etwa bei der Ben‑Ezra‑Synagoge der Name eines Neustifters aufbewahrt, der nach einem Fragment aus dem 13. Jahr‑ hundert Obadiah b. Japhet Abū ʾl‑Maʿālī

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lautete. Auf diesen gehe der Umbau der Synagoge zurück. (→ 6.4.2)

Stifter

von Stifterpersönlichkeiten dar: In seinem Reisebericht beschreibt etwa Jacob Saphir im 19. Jahrhundert die obere Kammer der Im mittelalterlichen Spanien wurden ei‑ Synagoge und verweist dabei auf zahlrei‑ nem Gemeinde‑heqdesh sehr häufig Kult‑ che Stifterinschriften, die er in dem Bau objekte gestiftet, die auch das Gedenken gesehen habe.52 (→ 6.4.2) an den Geber bewirkten oder bewirken sollten. Demgegenüber sind wenige Fälle Der genannte Traktat Arakhin wird auch für Zustiftungen zu privaten heqdeshot in sephardischen Responsa mehrmals wie‑ überliefert. Dies gilt auch für Aschkenas: derholt.53 Jüdische Stifter gerieten aber Wenn dem Gemeindefonds Sakralgerät ge‑ auch in Vergessenheit, als viele Synago‑ stiftet wurde, erwarteten die Stifter, dass gen nach der Vertreibung der Juden aus ihrer gedacht werde. Bei regelmäßigen Spanien im Jahr 1492 entweder zerstört Abgaben an den heqdesh entfiel diese Me‑ oder in christliche Kirchen oder Spitäler umgewandelt oder anderen caritativen morialpflicht. (→ 8.4.3; 6.4.2) Zwecken gewidmet wurden. Andererseits konnte man Stifterinschriften besonders an Synagogen in der Moderne wiederent‑ 11.4.4  Der Stifter: Vergessen, verdrängt und wieder entdeckt decken. Ein Beispiel für solche Zerstörun‑ gen und Wiederentdeckungen ist eine 1820 Da im Judentum das Gedenken durch neu gefundene Inschrift im Judenviertel Gräber, Grabmäler, Bilder und die dazu‑ Barcelonas: „Heqdesh R. Shmuʾel ha‑Sardi, gehörigen Rituale kaum ausgeprägt war möge seine Seele im Garten [Eden] ruhen, und ferner auch hagiographische Literatur möge sein Licht für alle Ewigkeit scheinen.“ keine bedeutende Rolle spielte, blieb das Die Umwandlung einer Synagoge in ein Stiftergedenken der fragilen mündlichen christliches Spital ist etwa für Córdoba oder schriftlichen Erwähnung des Namens 1492 bezeugt; die Geschichte des Hauses in der Liturgie überlassen. Andererseits wurde bei seiner Erklärung zum National‑ trugen Konfiskationen, Vertreibungen und denkmal 1885 neu belebt. (→ 6.4.2) Pogrome des jüdischen Volkes dazu bei, das Gedenken von Stiftern in Vergessenheit Ob der Name des Stifters in Vergessen‑ geraten zu lassen. heit geraten war oder nicht, war auch in Schon der Babylonische Talmud behandelt Aschkenas ein Kriterium für das Recht das Vergessen des Stifters. Wenn ein Stif‑ der Gemeinde oder ihrer Verwalter, den ter demnach der Synagoge eine menorah Stiftungszweck zu verändern. Dies geht (Leuchter, Lampe; siebenarmiger Leuchter) aus einer Entscheidung hervor, die der oder eine Öllampe überlassen hatte, dürfe nordfranzösische Gelehrte R. Isaak von man das gestiftete Objekt, das dem religiö‑ Corbeil in der zweiten Hälfte des 13. Jahr‑ sen Gebot (miṣwah) unterliegt, solange hunderts fällte (‚Sefer Miṣwot Qatan‘). Ein nicht verändern, wie das Gedenken des Stif‑ gestiftetes Kultusobjekt oder Gelderträ‑ ters lebendig bleibe.51 Die Erschließung der ge können demnach für etwas anderes Geniza der aus dem Mittelalter stammen‑ aufgewandt werden, wenn der Name des den Ben‑Ezra‑Synagoge in Altkairo durch Stifters vergessen war. R. Isaak berief sich westliche Antiquare und Forscher stellt dabei ebenfalls auf den Traktat Arakhin einen Sonderfall der Wiederentdeckung des babylonischen Talmud.54

Juden

Auch in Aschkenas wurden zahlrei‑ che Synagogen in eine Kirche oder ande‑ re christliche Baulichkeit umgewandelt, von denen einige in der Neuzeit wieder‑ entdeckt wurden. In der apulischen Stadt Trani war einer Steininschrift zufolge 1247 die Große Synagoge gebaut worden; nach der Zwangskonversion der örtlichen Juden

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1292 hatten die Christen sie sowie eine zweite Synagoge am Ort in eine Kirche umgewandelt. Erst seit dem Jahr 2007 hat sich dort wieder eine jüdische Gemeinde etabliert, so dass aus der Kirche wieder eine Synagoge wurde.55 EK

Anmerkungen 1  Documents of the Jewish Pious Foundations

From the Cairo Geniza. Ed. und übers. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Institute, Tel Aviv University, Bd. 12.) Leiden 1976, 13 f. 2 Ebd., 119–127, Nr. 1, hier 125, Anm. 9. 3 Ebd., 127–136, Nr. 2. 4  Ebd., 119–127, Nr. 1. 5 Ebd., 299, Nr. 66. 6 Ebd., 151–154, Nr. 7. 7 Zur Sprache der Gerichtshöfe in der Geniza‑ Zeit vgl. Goitein, Mediterranean Society, Bd. 1 (1967, ND 1999), 14 f. Vgl. Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 119–136, Nrn. 1 f., aus den Jahren 1006 und 1028. 8 Burns, Jews in the Notarial Culture (1996), 44. 9 Vgl. zu den Schreibern der Geniza‑Zeit Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 228–240. 10  Sheʾelot u‑Teshuvot le‑ha‑Rav Rabbenu Asher. Ed. Yehoshua Grossman. New York 1954, 6, Nr. 3.13. Die allgemeine halachische Rechtsauffassung bezüglich des Stiftungsaktes im Mittelalter war sowohl im Orient als auch in Europa, dass eine mündliche Widmung ausreiche, um etwas gültig dem heqdesh zu stiften. Unter anderem entschie‑ den so die Vorsteher babylonischer Rechtsakade‑ mien, Hay Gaon und Natronai Gaon, im 11. bzw. 9. Jahrhundert. Gil schreibt weiterhin, dass unter den Juden Europas ein Gelübde zugunsten des heqdesh in Anwesenheit der Vorsteher der Ge‑ meinde oder des gabbai sozusagen eine gesetzliche Verpflichtung geworden sei – vgl. Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 19. Wahrscheinlich war die Prozedur in Fustat für Stiftungen inter vivos vergleichsweise einfach; dort wurden beispiels‑ weise viele Häuser öffentlich in der Synagoge

dem heqdesh gewidmet. Im Fall von Sterbebett‑ Stiftungen folgte die Deklaration spezifischen Formeln und Prozeduren. Die Niederschrift dieser Deklaration war nicht unbedingt nötig. Aber so‑ wohl in Kairo als auch in Europa wurden meist im Gerichtshof entsprechende Aussagen von Zeugen der Stiftung festgehalten. Diese Prozedur wie‑ derum folgte den halachischen Vorschriften für Zeugenaussagen: Man brauchte mindestens zwei männliche erwachsene jüdische Zeugen, damit das Zeugnis gültig war. 11  Burns, Jews in the Notarial Culture (1996), 42. 12  Ebd., 46. 13  Ebd., 32. 14  Vgl. ebd., 32; 45. 15  Vgl. ebd., 212, Anm. 48; Neuman, Jews, Bd. 2 (1948), 94; Blasco Martínez, Notarios‑escribanos (1993). 16  Vgl. Burns, Jews in the Notarial Culture (1996), 211, Anm. 39. 17  Vgl. Finkelstein, Jewish Self‑Government (1964), 194; 177; 230 (hebräischer Text) und 199; 185 f.; 247 (englischer Text). Vgl. Galinsky, Custom (2011), 231, Anm. 94; 96; 98. 18  Eleazar b. Natan, Sefer ha‑Raavan. Ed. Shlomo Zalmann Ehrenreich. Szilágysomlyó 1927, ND Jerusalem 1975, 176. 19  Sefer Or Zarua le‑Rabbenu R. Yiṣḥaq bar Moshe mi‑Vina, Bd. 4. Ed. Akiva Moses Lehren. Zhitomir 1862, 19a (Kommentar zu Avodah Zarah 13a). Vgl. Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 425, Anm. 5. 20 Sefer Or Zarua. Ed. Lehren (wie Anm. 19), Bd 1. Zhitomir 1862, 7, Nr. 6 (Hilkhot Ṣedaqah). 21 Zu Bava Batra 148a–b und Taʿan 9a: Die Tosa‑ fot zu den talmudischen Traktaten Bava Batra und

406 Taʿanit wurden von den französischen Gelehrten des 12. und 13. Jahrhunderts geschrieben, die un‑ ter dem Einfluss des größten Tosafisten, Rabbenu Tam (gest. 1171, Troyes), standen. Dieser entschied, dass die Zehntabgabe auf Geld und Naturalien freiwillig sei, während die meisten deutschen Gelehrten entschieden, dass sie eine Pflicht sei. 22 Tosafot zu Bava Batra 8a–b; Eliezer b. Joel ha‑ Levi, Sefer Raviah. Ed. Avigdor Aptowitzer. Berlin 1936, 325 f., Nr. 592 (Megillah). 23 Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Moses Bloch. Budapest 1895, 101, Nr. 754: „die gabbaim sind die Hand der Armen“. 24 Teshuvot Baʾale ha‑Tosafot. Ed. Abraham Isaak Agus. New York 1954, 154 f., Nr. 74. 25 Ebd., 231 f., Nr. 125. 26 Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Bloch (wie Anm. 23), 119, 879. 27 Perush Mordechai al‑Megillah (Talmud Bavli, Shas Nehardea, Bd. 6.) Jerusalem 2008, 543, Nr. 821. 28 Ebd., 543 f., Nr. 824. 29 Emanuel, Sagen des piyyuṭ (1998), 11. Eine Übersetzung aus dem Ms. Cambridge University Library Add. 11022, fol. 101a–102b: → 8.4.3, Anm. 47. 30 So etwa im Falle eines Mannes, der gelobt, dem heqdesh eine Stiftung zu machen, wenn sei‑ ne Söhne die Krankheit überlebten, an der sie litten: Sheʾelot u‑teshuvot Maharil. Ed. Yitzhak Satz. Jerusalem 1979, ND Tel Aviv 1991, 272, Nr. 160. 31 Sheʾelot u‑teshuvot Maharil ha‑hadashot. Ed. Yitzhak Satz. Jerusalem 1977, 131 f., Nr. 109; vgl. Galinsky, Custom (2011), 223, Anm. 65. 32 Sheʾelot u‑teshuvot Moshe Mintz. Ed. Pinchas Moshe Balaban. Lemberg 1851, 9, Nr. 7. 33 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 23. 34 Die Frau ist vielleicht mit derjenigen iden‑ tisch, die ebd., 300–306, Nrn. 67 f., erwähnt wird. 35 Ebd., 368 f., Nr. 96. 36 Teshuvot geʾone mizraḥ u‑Maʿarav. Ed. Yoel ha-Kohen Müller. Berlin 1888, 3b f., Nr. 7: ‫וששאלתם‬ ‫ראובן צוה מחמת מיתה שיהא רביע חצרו לעניי קירוא״ן‬ ‫ונפטר לבית עולמו ואות׳ חצר גדולה וישנה ביותר וצריך‬ ‫הרבה הוצאות ותיקונין בכל שנה כנגד שכרה ולא יעמוד ממנו‬ ‫שכר לעניים מהו למכור את הרביע ונקנה בו חצר חדשה‬ ‫שיהנו עניים בה ולכתוב אותה בשמו של מת כדי שיהיה‬ ‫לו זכרון וקרובי המת אומרים לא רצה קרובינו אלא שיהא‬ …‫שמו קרוא על חצרו עצמה ומצוה לקיים דברי המת וכו׳‬ ‫כך ראינו שנוי צדקות וכיוצא בהם מה שהוא עשוי להוציא‬ ‫ולאכלו ולשתותו… אבל מה שעשוי להניח כמו שהוא אמרו‬

Stifter

‫בו חכמים אמר ר׳ יהודה אמר רב ישראל שהתנדב מנורה‬ ‫או נר לבית הכנסת עד שלא נשתקע שם בעליה אסור לשנות‬ ‫ )…( הלכך אין כאן מצוה לשנותו‬. 37 Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yom Tov ben Avraham Asevilli (ha‑Ritvʺa). Ed. Joseph D. Qāfiḥ. Jerusalem 1959, ND 2008, Nr. 167. 38 Sefer Sheʾelot u‑teshuvot ha‑Rashba, Bd. 4. Ed. Rafael ha-Levi, Teil 5. Piotrków Trybunalski 1813, ND Jerusalem 1960, 54 f., Nr. 249. 39 Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot she‑hibber ha‑Rav ha‑Maor ha‑Gadol Rabbenu Shlomo ben Adret, Bd. 1–3. Ed. Zeev Wolf , Bd. 3. Bnei Brak 1971, 173, Nr. 297. 40  Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Bloch (wie Anm. 23), 47b, Nr. 486. 41  Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yacob Weil. Ed. Israel Wolf . Jerusalem 1959, 17 f., Nr. 26. 42  Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yisrael Bruna. Ed. Moshe Hershler. Jerusalem 1987, 231–234, Nr. 212. 43  Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 136–144, Nr. 3, hier 138, Nr. 3b, Z. 20–25, Übers. 140. 44  Cambridge University Library, Ms TS A41.41; vgl. Worman, Two Book‑Lists (1908). 45  [Quellen zur Geschichte Medinacelis.] Ed. Antonio Paz y Mélia. (Series de los mas importan‑ tes documentos del archivo y biblioteca del exmo. Señor Duque de Medinaceli. 1a Serie Histórica.) Madrid 1915, 33–36, Nr. 29, hier 33 f.; Die Juden im christlichen Spanien. Erster Teil: Urkunden und Regesten, 2 Bde. Ed. Fritz Baer. (Veröffentli‑ chungen der Akademie für die Wissenschaft des Judentums. Historische Sektion, Bd. 4.) Berlin 1929–1936, ND Farnborough (Hampshire) 1970, Bd. 2, 153–158, Nr. 157; eine Übersetzung und der Text → 10.4.2. 46  Sheʾelot u‑Teshuvot Bar Sheshet hibbero ha‑Hakham ha‑Shalem Beno Yiṣḥaq. Ed. Israel Deiches. Jerusalem 1968, 91 f., Nr. 331. 47  Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot Mahariq le‑Rabbe‑ nu Morenu ha‑Rav Yosef Colon zʺl. Ed. Shemuel Eizik Peshes. Warschau 1884, ND Jerusalem 1973, 35, Nr. 70. 48  Unter ‚anonymen Gemeinde‑Stiftungen‘ verstehe ich die quppah / quppot der jüdischen Gemeinden von der Spätantike bis zum Ende des Mittelalters, d. h. die Kassen jüdischer Gemeinden, die im Talmud als unverzichtbares Element jeder Gemeinde galten. Die Gemeindekasse (an man‑ chen Orten quppah, an anderen heqdesh genannt)

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Griechisch-orthodoxe Christen

funktionierte wie eine Stiftung, obwohl häufig kein Stifter oder keine Stifterin namentlich er‑ wähnt wurden. 49  Vgl. zu den pesiqaʾ‑Gaben Goitein, Mediter‑ ranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 122; 123; 440; 465. 50 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 136–144, Nr. 3, hier 140: „All the apartments remained in ruins until the time when the synagogues were restored, when they were taken over by the Ḥāvēr Ephraim, may God preserve him, and by Solo‑ mon b. Khalīl, Solomon b. Ḥakīm and Yeshūʿā b. [empty space] with a document in which each apartment was specified, of each synagogue re‑ spectively. They left on each apartment a plate with its name, as it was before.“ 51 bT Ar 6b; Talmud Bavli, Shas Nehardea, Bd. 19. Jerusalem 2008, 434: ‫ ישראל שהתנדב‬:‫ת״ר‬ ‫ סבר רבי חייא‬.‫מנורה או נר לבית הכנסת ‑ אסור לשנותה‬ ;‫ לא שנא לדבר הרשות ולא שנא לדבר מצוה‬:‫בר אבא למימר‬ ‫ לא שנו אלא לדבר‬:‫ הכי אמר רבי יוחנן‬,‫אמר ליה רב אמי‬ ‫ מדאמר ר׳ אסי אמר‬,‫ אבל לדבר מצוה מותר לשנותה‬,‫הרשות‬ ,‫ עובד כוכבים שהתנדב מנורה או נר לבית הכנסת‬:‫ר׳ יוחנן‬

‫ משנשתקע שם‬,‫עד שלא נשתקע שם בעליה ‑ אסור לשנותה‬ ‫ בעליה ‑ מותר לשנותה‬. 52 Vgl. Jacob Safir, Iben Safir, Bd. 1. Ed. L. Silbermann. Lyck 1866, 21a–b. 53 Etwa: Sheʾelot u‑Teshuvot ha‑Ritvʺa. Ed. Qāfiḥ (wie Anm. 37), Nr. 167. 54 Sefer Amude Golah le‑Rabbenu Yiṣḥaq mi‑ Corbeil Asher Niqra be‑Shem Sefer Miṣwot Qatan. Ed. David Harfanes. Jerusalem 1959, 254, Nr. 248: ‫)ערכין דף ו׳( מי שהתנדב מנורה או נר לבית הכנסת אסור‬ ‫ אף על פי שלא‬,‫לשנותה ואם לדבר מצוה מותר לשנותה‬ ‫ ומהו שם בעלים שאומרים המנורה‬,‫נשתקע שם בעליה מעליה‬ ‫או נר של פלוני ואם נשתקע אפילו לדבר הרשות מותר ואם‬ ‫היה המתנדב עכו״ם אסור )שם( לשנותה אפילו לדבר מצוה‬ ‫ כמו שאמרו בערכין פרק‬,‫עד שישתקע שם בעליה מעליה‬ ‫קמא דעכו״ם מפעא פעי פירוש צועק ואומר הקדשתי דבר‬ ‫ ובפרק קמא דבבא בתרא‬.‫לבית הכנסת ומכרו אותו לעצמן‬ ‫משמע דמלך או שר מן העכו״ם ששלח ממון לישראל בצדקה‬ ‫אין מחזירין מפני דרכי שלום ושלום מלכות אלא נוטלים‬ ‫ ממנו כמו בההיא דאמרינן דשבור מלכא שלח ארנקי וכו׳‬. 55 Die Geschichte der Juden von Trani und ih‑ rer Synagogen ist jetzt umfassend erforscht von Scheller, Stadt der Neuchristen (2013), bes. 359–368.

11.5  Griechisch-orthodoxe Christen 11.5.1  Allgemeines Eine Untersuchung über den griechisch‑ orthodoxen Stifter muss zuerst einem Pa‑ radox Rechnung tragen: die Stiftungen der berühmtesten Stifter sind nicht sel‑ ten hauptsächlich durch eine einzige Stif‑ tungsurkunde (typikon) bekannt. Selbst wenn ein typikon umfangreich ist, stellt es in vielen Fällen die einzige überlieferte Urkunde der Stiftung dar. Das gilt selbst für den Pantokrator‑Klosterkomplex, der zur Zeit seiner Gründung ohne Zweifel zu den reichsten und angesehensten Stif‑ tungen des Byzantinischen Reiches zählte. Abgesehen von seinem typikon sind weitere Auskünfte über die Stiftung so spärlich,

dass einige Forscher daran zweifeln, ob all die ausführlichen Vorschriften des Stifters (besonders für das Krankenhaus) je umgesetzt wurden.1 Die Realisierung des Stifterwillens sowie das langfristige Verhältnis zwischen Stifter und Stiftung sind in solchen Fällen kaum überprüfbar. Umgekehrt haben viele Stiftungen, die über Jahrhunderte bestanden, oft einen zweifelhaften Ursprung: Selbst der Name des ersten Stifters ist in diesen Fällen nicht immer bekannt. Jedoch sind einige Aus‑ sagen über die Person des Stifters trotz der Überlieferungsprobleme für Byzanz und die weitere orthodoxe Welt durchaus

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möglich; bisher fehlen allerdings Studien darüber.2 Die Bezeichnung ‚Stifter‘ (ktētōr) wurde unter den griechisch‑orthodoxen Christen nicht in einem spezifischen Sinn gebraucht. Der ktētōr war nicht unbedingt der ur‑ sprüngliche Stifter, sondern der Ausdruck wurde auch verwendet, um spätere Wohl‑ täter als ‚Neu‑‘‚ oder ‚Zweiter Stifter‘ (deuteros ktētōr) hervorzuheben. (→ 1.5.3) Bei Klosterstiftungen konnte ‚ktētōr‘ für den Gründer der monastischen Gemeinde statt für den Stifter stehen. Der Stifterbegriff war somit in seiner Bedeutung fluid, sein Sinn unterschied sich je nach Umständen und Kontext. 11.5.2  Der Stifter bei der Genese der Stiftung Obwohl ein typikon den Eindruck vermit‑ telt, dass die Genese der Stiftung in einem einmaligen und nachhaltigen Akt bestand, spiegeln solche Urkunden vielmehr die Lage zu einem bestimmten Zeitpunkt wi‑ der, nämlich vor, während oder nach der eigentlichen Entstehung. Viele typika sind dementsprechend in mehreren Fassungen aus verschiedenen Zeiten überliefert, die unterschiedlichen Verhältnissen der be‑ treffenden Institution entsprechen. Die Änderungen an den Vorschriften in den verschiedenen Texten geben in den meisten Fällen keine geänderten Verfügungen des Stifters wieder, sondern waren Ergebnis‑ se andauernder Verhandlungen zwischen dem Stifter und den Destinatären. Ein besonders gut belegtes Beispiel ist das Verhältnis zwischen dem charismati‑ schen Abt Chariton des Koutloumousiou‑ Klosters auf dem Berg Athos (1355/1356– 1381) und dem Woiwoden der Walachei, Wladislaw I. Vlaicu (1364–1377).3 Unter vier Urkunden des Klosterrs befinden sich drei

Stifter

Fassungen des Testaments von Chariton selbst; sie zeigen, wie der Abt Wladislaw ansprach und davon überzeugte, das zu‑ nächst nur mittelmäßige Kloster durch wesentliche Zustiftungen zu vergrößern.4 Als der Herrscher eines neuen orthodo‑ xen Staates strebte Wladislaw seinerseits an, das Ansehen seiner Dynastie und sei‑ nes Fürstentums durch eine Stiftung auf dem heiligen Berg zu vermehren; Chari‑ ton habe ihn daran erinnert, dass bereits „Serben, Bulgaren, Rusʼ und Georgier für ihr Gedenken und ihre Ehre auf diesem wundervollen und heiligen Berg gesorgt haben, der sozusagen das Auge der gan‑ zen orthodoxen Welt [oikoumenē] bildet.“5 Die Verhandlungen zwischen dem pro‑ spektiven Stifter und dem Leiter der klös‑ terlichen Destinatäre kamen aber wegen der ungelösten Frage der klösterlichen Le‑ bensform zunächst nicht voran. Es wur‑ de intensiv besprochen, ob die Mönche ein zönobitisches Leben wählen sollten, wie Chariton wünschte, oder die Lebens‑ form der gemischten Idiorrhythmie, die Wladislaw und seine Anhänger vertraten. Diese Präferenzen entstammten, wie auch Chariton bewusst war, unterschiedlichen ethnischen Traditionen; demnach bevor‑ zugten griechische Mönche ein rigoroses und zönobitisches Klosterleben, die ‚Vla‑ chen‘ und Slawen dagegen irreguläre und ‚laxere‘ Formen.6 Schließlich wurde ver‑ einbart, dass die Vlachen ihr gemischtes Klosterleben weiter pflegen konnten, aber eine griechische Leitung akzeptieren muss‑ ten.7 Wladislaw wurde noch zu Lebzeiten als ktētōr des Klosters akklamiert, und obwohl spätere Fürsten der Walachei an‑ dere Athosklöster reich beschenken sollten, blieb das Verhältnis zwischen ihnen und dem ‚Kloster der Woiwoden‘ besonders eng.8 Von ganz besonderer Bedeutung für das Stiftungswesen vor der Jahrtausendwende

Griechisch-orthodoxe Christen

war das Zusammenwirken zwischen Atha‑ nasios von Athos und Kaiser Nikephoros Phokas (963–969). Dass der asketische Feld‑ herr auch ein begeisterter und großzügiger Stifter sein konnte, ist auf den ersten Blick eine vielleicht überraschende Tatsache, da er in der Historiographie viel stärker als der Verfasser eines strengen Gesetzes ge‑ gen die Neustiftung von Klöstern, Kirchen und piae causae hervortritt. In der neueren Forschung wurden aber diese Züge seiner Persönlichkeit herausgearbeitet, und zwar bezogen auf die Entstehung der Großen Laura.9 Bevor Nikephoros Kaiser geworden war, hatte er Athanasios durch ihren gemein‑ samen Bekannten, Michael Maleïnos, den angeheirateten Onkel des Herrschers und zugleich spirituellen Berater des Mönchs, kennengelernt. Die drei teilten einige re‑ ligiöse Ansichten: das Misstrauen gegen‑ über der Reichskirche, den Glauben an die Kraft eines rigorosen Asketismus und die Vorstellung vom frühen christlichen Mönchtum in Ägypten und Palästina als Vorbild für das zeitgenössische byzantini‑ sche Stiftungswesen. Als Athanasios Nike‑ phoros auf der Insel Kreta kurz nach deren Wiedereroberung im Jahr 961 besuchte, versprach ihm der Heerführer, er werde nicht nur individuelle Mönchszellen oder Einsiedeleien (kellia) und eine Kirche für ein zönobitisches Kloster stiften, sondern auch selbst als Mönch der Gemeinschaft von Athanasios beitreten. Als er aber zwei Jahre später Kaiser wurde – angeblich wi‑ der seinen Willen – gab Athanasios das gemeinsame Vorhaben enttäuscht auf und ging auf Distanz zum neuen Herrscher. Bald darauf versöhnten sich beide Männer jedoch wieder, und Nikephoros ließ im Mai 964 ein Chrysobull ergehen, durch das er Athanasios drei wichtige Reliquien schenkte – das wahre Kreuz Christi und die Häupter des Basileios von Kaisareia

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und Alexanders von Pynda – sowie die früheren Stiftungen von Mobilien und Im‑ mobilien bestätigte.10 Wohl etwas später, aber noch im selben Jahr, promulgierte Nikephoros indessen ein ‚Stiftungsverbot‘; prospektive Stifter sollten stattdessen auf die Erneuerung bereits existierender Kir‑ chen, Klöster und piae causae beschränkt werden, mit der Ausnahme der Einsiede‑ leien (kellia) und halb‑zönobitischen Klös‑ ter (laurai). Es ging Nikephoros also nicht um ein generelles Verbot neuer Stiftungen, sondern um die gezielte Bevorzugung der zuletzt genannten asketischen Lebensfor‑ men.11 Die Frühgeschichte dieser Stiftung wur‑ de dadurch weiter verkompliziert, dass Nikephoros 969 von Johannes Tzimiskes ermordet wurde, der dann selbst den Kai‑ serthron bestieg (969–976). Jetzt war eine spannungsreiche Lage entstanden: einer‑ seits hätte der neue Basileus das Kloster seines Vorgängers abschaffen können, doch musste er auch befürchten, dass Athana‑ sios als Haupt des wichtigsten Klosters auf dem heiligen Berg eine Opposition gegen ihn mobilisieren würde. Johannes Tzimis‑ kes entschied sich, stattdessen Athanasios in internen athonischen Streitigkeiten zu fördern und die Privilegien, unter anderem die jährlichen Stipendien für alle Mönche auf dem Berg Athos, zu bestätigen.12 Was aber blieb, war die Frage, wie der ermorde‑ te Kaiser von der Klostergemeinde erinnert werden sollte (siehe unten). Die Große Laura ist eine der wenigen byzantinischen Stiftungen, bei der man von einer wirklichen Entstehung ex novo spre‑ chen darf. Die beliebtesten Regionen für Stiftungen waren in Byzanz in dieser Zeit schon begrenzt; um die Jahrtausendwende boten die heiligen Berge und Konstantino‑ pel nur noch wenig Platz für Neugründun‑ gen. Besonders in der Hauptstadt wurde der Entfaltungsspielraum einer neuen Stiftung

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oft durch das Umfeld bereits existierender Häuser bestimmt.13 Viel einfacher und in der Tat geläufiger war es, ein verlasse‑ nes oder armes Kloster neu zu gründen. Die Bedeutung solcher verfallener An‑ lagen, darunter auch Einsiedeleien, wird dadurch belegt, dass ihr Verkauf eine der Hauptaufgaben der athonischen Zentral‑ verwaltung war.14 Die letzten Jahrhunderte von Byzanz sind trotzdem wieder reich an Neustiftungen, die oft ethnisch geprägt waren (→ 14.5.6); das bereits genannte Koutloumousiou ist dafür ein prominen‑ tes Beispiel. Im 14. Jahrhundert wurden zwei athonische Klöster von serbischen Adligen neu gestiftet. Gerasimos Radonias und Antonio‑Arsenios Pagasis kauften das damals bereits altehrwürdige Pauls‑Kloster, um es in eine serbische Mönchsniederlas‑ sung zu verwandeln; auf ähnliche Weise wurde das im 11. Jahrhundert gegründe‑ te Kastamonitou‑Kloster um 1420 / 1430 durch den großen serbischen Feldherrn (čelnik) Radić wiederbelebt.15 Leider sind die Übergangsphasen, in denen die Klos‑ tergemeinschaft der neuen Stifter neben einem ursprünglichen oder sogar fiktiven Stifter gedachte, sehr schlecht oder oft gar nicht überliefert. Ein anderer interessanter und gut be‑ legter Fall ist der des Pantokrator, das ver‑ fallen war und im Spätmittelalter auf dem Athos neugestiftet wurde.16 Es ist dabei wenig überraschend, dass die betreffen‑ den Förderer des Mönchtums, die Brüder Alexios und Johannes, ihr Vermögen in Stiftungen auf dem heiligen Berg anlegten, jedenfalls dann, wenn man den politischen und militärischen Wandel der Zeit berück‑ sichtigt: Ein Forscher hat das Phänomen intensiver Stiftungstätigkeit auf Athos im 14. und 15. Jahrhundert geradezu als ein ‚Switzerland syndrome‘ bezeichnet, weil der heilige Berg innerhalb der orthodoxen Welt einen ähnlich stabilen Ort wie die

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moderne Alpenrepublik darstellte.17 Mitte des 14. Jahrhunderts kontrollierten Alexios und Johannes in Thrakien und im östlichen Makedonien weite Territorien im Namen des Kaisers, was die Grundlage ihrer Stif‑ tung bildete. Über ihre Pläne erfahren wir aus einigen Urkunden der Zeit: 1357 bestä‑ tigte ihnen zunächst Patriarch Kallistos I. den Besitz des Kleinklosters (kellion) Rab‑ douchou.18 Zu diesem Zeitpunkt war das ruinierte Rabdouchou ein Eigenkloster der zwei Brüder; sie besaßen es wie ktētores (hier eher im Sinn von ‚Eigentümer‘ als von ‚Stifter‘) und konnten es an ihre Nachkom‑ men unter der Voraussetzung vermachen, dass es unter der Aufsicht der Zentral‑ verwaltung bleibe, das heißt der laura des Karyes bzw. Protaton. Zwölf Jahre später war das ehemalige Eigenkloster eine wohl‑ habende Stiftung, wie eine Urkunde des Patriarchen Philotheos Kokkinos aufzeigt, in dem er die Zustiftungen an das Kloster bestätigte.19 Nachdem Alexios verstorben war, stattete sein Bruder Johannes mit sei‑ ner Frau Anne Asanina Kontostephaina das Kloster reich aus; jedoch blieben ei‑ nige Eigentumsrechte bestehen, etwa dass die Mönche jährlich noch die Hälfte der Einkünfte an die Stifter abführen mussten. Die Zustiftung eines Weinberges durch das Paar im Jahr 1374 war dementsprechend an die Bedingung geknüpft, dass die Hälfte der Erträge den Stiftern zu ihren Lebzeiten zugutekommen sollte.20 Nach einem wei‑ teren Jahrzehnt wohnte Johannes selbst in seiner Stiftung und vermachte durch ein Testament dem Pantokrator‑Kloster viele Güter auf der Insel Thasos.21 Wirt‑ schaftliche Vorteile gemäß seiner früheren Urkunden genoss er nicht mehr; vielmehr kümmerte er sich in Anbetracht seines nahenden Todes nach dem Wortlaut sei‑ nes Testaments um sein Seelenheil. Seine auf Thasos wohnenden Diener – Johannes bezeichnete sie liebevoll als seine ‚Kinder‘

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(paidia), ‚Männer‘ (anthrōpoi) und ‚Brüder‘ (aldelphoi) – genossen einen privilegierten Status. Die Mönche des Klosters sollten sie nicht stören. Als Gegenleistung hatten sie sich um das Gedenken von Johannes zu kümmern und, falls sie einen Weinberg auf der Insel betrieben, auch durch Ren‑ ten das Kloster zu finanzieren. Umgekehrt erhielten zwei besonders beliebte Diener, Palaiologopoulos und Doukas, aus dem Pantokrator Leibrenten (adelphata). Offen‑ sichtlich dienten diese ‚Kinder‘ dazu, die Memoria des Stifters durch die Mönche selbst zu ergänzen und zu vermehren. Auf die Ausbildung oder Formulierung des Stifterwillens wirkten nicht nur die Begünstigen ein (→ 12.5), sondern auch die Verfasser und Zeugen beziehungswei‑ se Kontrollinstanzen bei der Ausfertigung einer Stiftungsurkunde. Die Eigenarten der Schriftfassungen unterschieden sich nach historischem Kontext und sonstigen Um‑ ständen, zumal in Byzanz eine Stiftung nie‑ mals als ein reiner Rechtsakt begriffen wur‑ de. In der Spätantike, also in der Zeit vor der Entfaltung des typikons als Gattung, orien‑ tieren sich die wenigen Stiftungsurkunden stark an der Sprache des Privatrechts.22 Das Testament des Bischofs von Hermonthis Apa Abraham für sein Kloster St. Phoibam‑ mon, verfasst im frühen 7. Jahrhundert nahe Theben in Ägypten, erlaubte etwa seinem Nachfolger Abt Viktor, das Kloster wie ein Privateigentum zu behandeln; dieser konnte es also vermieten, verkaufen, als Schenkung überlassen usw.23 Allerdings sollte man hier nicht gleich auf ein Eigenkloster schließen. Die privatrechtlich geprägte Formulierung des Stifterwillens ist nämlich vermutlich dem Verfasser Peter, höchstwahrscheinlich einem Notar, anzulasten. Ein Notar musste nicht nur den auf koptisch gesprochenen Stifterwillen ins Griechische übersetzen, sondern auch ein Schriftstück verfassen, das unter den gesellschaftlichen Bedingungen

der Zeit als gültiges Rechtsdokument gelten konnte.24 Da künftig Ansprüche der Stif‑ terfamilie auf das Eigentum des Klosters zu befürchten waren,25 musste der Notar privatrechtliche Formeln benutzen, die bei Gütertransaktionen von Haus oder Feld auch sonst gebräuchlich waren.26 Bei Stiftungsurkunden wie jener des Apa Abraham hatten die Verfasser haupt‑ sächlich Leser außerhalb der Stiftung im Blick, während das Verhältnis des Stifters zu den geplanten Begünstigten weniger in den Vordergrund trat. Allerdings waren die Schreiber der Urkunden nicht unbe‑ dingt Notare – die im Ganzen betrachtet eine wichtige Rolle spielten 27 –, weil dies für die typika rechtlich nicht erforderlich war. Als Verfasser von privaten, internen Urkunden kamen sie normalerweise aus dem Kreis der Stiftungsbegünstigen, d. h. der Mönche, selbst.28 Neben den Verfassern der Dokumen‑ te agierten bei der Genese der Stiftung auch Zeugen und ‚öffentliches‘ Aufsichts‑ personal. Die Rolle der Zeugen ist bisher wenig erforscht, aber der Fortschritt der byzantinischen prosopographischen For‑ schung in den letzten Jahren wird Studien dieser Art künftig nachhaltig begünsti‑ gen. Schon erkennbar ist die besondere Bedeutung des Aufsichtspersonals beim Vorgang der Stiftung; lokale Beamte wie etwa Provinzrichter oder Gouverneure, Kleriker verschiedener Würden oder so‑ gar Kaiser werden in Stiftungsurkunden als erwünschte Garanten des Stifterwillens genannt. (→ 13.5.3) 11.5.3  Der Stifter im Sozialgefüge seiner Stiftung Nach der Genese und den entsprechen‑ den Verhandlungen zwischen Stifter und prospektiven Begünstigten musste der

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griechisch‑orthodoxe Wohltäter seine Stellung im Sozialgefüge der Stiftung si‑ chern, damit er nicht vergessen wurde. Die Hauptmittel, um in der Erinnerung seiner Gemeinde zu bleiben, waren das Stiftergrab, die regelmäßige Berufung auf den Namen des Stifters durch liturgisches Gedenken, die Manifestation des Stifters im Bild oder Wohltaten in seinem Namen. Die ersten beiden wurden in den byzantinischen typika recht ausführlich festgelegt. Dagegen fallen die Überlieferungen von typika und Stifterbildern oft auseinander. Im klein‑ asiatischen Kappadokien findet man etwa eine Fülle oft wunderbar erhaltener Klöster und Kirchen mit Bildern, die sich wohl auf Stifter beziehen, jedoch ist mit Ausnah‑ me einiger kurzer Stifterinschriften kein rechtliches Dokument zur Errichtung der Häuser erhalten. (→ 6.5.2) Nichtsdestotrotz kann man einige Fälle anführen, in denen die Vergegenwärtigung des Stifters durch Grab, Bild und Namensaufruf belegt sind. Drei Beispiele aus dem 11. Jahrhundert zeigen die verschiedenen Strategien der Stifter auf, ihre Erinnerung unter den Stiftungsbegünstigten zu bewahren. Der Jurist und Historiker Michael Attaleiates errichtete 1077 eine Stiftung, die aus einem Kloster und einer wohltätigen Anstalt, ei‑ nem Armenhaus, bestehen sollte. Er sicher‑ te sich das Gedenken nicht nur in seiner Stiftung, sondern auch in anderen Klös‑ tern und Kirchen, wofür er die Einnah‑ men seiner eigenen Stiftung verwendete. So ließ Attaleiates nicht nur seiner selbst und seiner Familie in seinem konstanti‑ nopolitanischen Kloster und Armenhaus in Rhaidestos gedenken, sondern schrieb darüber hinaus vor, dass die Einnahmen seines Armenhauses jährlich Goldmünzen für vier mittellose Klöster, darunter zwei Nonnenklöster in Rhaidestos, abwerfen sollten. Als Gegenleistung beanspruchte Attaleiates ein tägliches Gedenken durch

Stifter

die Mönche und Nonnen dieser vier Kon‑ vente.29 Auf diese Weise streute der Stifter Mittel für sein Gedenken an verschiede‑ nen Orten. Interessanterweise sollte Attaleiates selbst nicht auf dem Gelände seiner Stif‑ tung in Konstantinopel oder in Rhaidestos bestattet werden, sondern in der Kirche des Georg von Kyparission.30 Hier spielt seine Stiftung aber insofern eine Rolle, als ein bestimmter Teil des Stiftungseinkommens, nämlich die Hälfte der Mieteinnahme für ein Haus (18 Goldmünzen), für die Priester der Kirche an seinem Grab bestimmt war, die in ihr liturgisches Gedenken neben Michael selbst dessen zwei Frauen und die Eltern einschließen sollten. Obwohl das typikon von Attaleiates umfangreiche Auskünfte über sein Gedenken und auch einige über sein Grab bietet, fehlen ar‑ chäologische Nachweise – ein nicht unge‑ wöhnlicher Befund in der byzantinischen Überlieferung. Dagegen steht das von dem georgischen Feldherrn Gregor Pakourianos gestiftete Kloster im heutigen Bačkovo noch heute und gilt als eines der populärsten Pilger‑ zentren Bulgariens. Hier können kunst‑ historische Beobachtungen ergänzen, was man aus den Vorschriften des typikons von 1083 erfahren kann. Während sein kon‑ stantinopolitanischer Zeitgenosse Michael Attaleiates sein Gedenken an verschiedene Orte verteilt und sein Grab außerhalb der Stiftung selbst gewählt hatte, konzentrier‑ te Pakourianos seine Stiftung auf einen einzigen Ort, wenngleich er unterschied‑ lichen Personen die Memoria zudachte. Das Hauptgewicht des Gedenkens lag bei der Klostergemeinde, die ausschließlich aus aristokratischen Georgiern bestand; dabei ging es hauptsächlich um das See‑ lenheil des Stifters Gregor und seines schon verstorbenen Bruders Apasios. Vorgese‑ hen waren große Spenden und liturgische

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Gedenkfeiern an ihren Todestagen und abwechselnde Gedenkgottesdienste an Sonnabenden.31 Wir wissen außerdem aus dem typikon, dass ihre Grabmäler ständig von drei Lampen beleuchtet sein sollten.32 Wo sich aber ihre Gräber befanden, geht daraus nicht hervor, und ist auch heu‑ te nicht mehr bekannt. Nach geltender wissenschaftlicher Auffassung sollen die beiden Stifter in einem Ossarium bestat‑ tet worden sein, das sich ungefähr 400 Meter außerhalb der bestehenden klöster‑ lichen Mauern befindet und wohl als der älteste Teil des ganzen Komplexes gelten kann.33 Eine solche Bestattung wäre aber für byzantinische Stifter eine auffällige Ausnahme gewesen; normalerweise galten Bestattungen innerhalb des Klosters oder der Kirche geradezu als Bedingungen für Stiftungen und Zustiftungen. Es ist deshalb viel wahrscheinlicher, dass die Brüder in dem nicht mehr erhaltenen katholikon, der Hauptkirche, bestattet waren.34 Hier findet man auch ein weiteres Mittel für die Erin‑ nerung an den Stifter, nämlich ein Bild, das die Brüder prominent in der Wandmalerei des Ossariums darstellt, und zwar an der nördlichen Mauer des Narthex.35 Ein anschauliches Beispiel, wie grie‑ chisch‑orthodoxe Stifter ihre Präsenz durch Grab, Bild und Name absichern konnten, bietet der Pantokrator‑Kloster‑ komplex. Prominent in dem 1136 verfassten typikon des Kaisers Johannes II. Komnenos (1118–1143) ist die Rolle der dem Erzengel Michael gewidmeten Grabkirche; hier woll‑ te Johannes sein eigenes Grab haben, aber auch seine Gemahlin Irene und (falls dieser es wollte) seinen mutmaßlichen Nachfol‑ ger Alexios bestattet sehen.36 Das typikon zeichnet diese Grabkirche als ‚Heldengrab‘ (hērōon) aus, ein Titel, der auch für die Gräber Konstantins des Großen und Justi‑ nians I. in der Kirche der heiligen Apostel gebräuchlich war. Die Grabkirche sollte

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nicht nur Ort für umfangreiche Geden‑ kleistungen sein (→ 8.5.2), sondern ihr wollte der Stifter auch eine wichtige Rolle im öffentlichen religiösen Leben der Haupt‑ stadt zuschreiben. Denn die wöchentliche Prozession der beliebtesten Ikone Konstan‑ tinopels, der ‚Jungfrau Wegweiserin‘, muss‑ te bei der Grabkirche Station machen, und gleiches sollte jedes Jahr an den Todestagen des Kaisers, seiner Gemahlin und seines Sohnes geschehen. Johannesʼ Nachfolger und Sohn Manuel I. Komnenos (1143–1180), der tatsächlich auch in der Grabkirche seines Vaters, und nicht in dem von ihm selbst gestifteten Kloster von Kataskepe bestattet werden sollte, verlieh der Grab‑ kirche als Pilgerstätte einen noch höheren Rang, indem er dieser zwei prominente Kultobjekte übergab, die Grababdeckung des Heiligen Demetrios aus Thessaloniki und den Salbungsstein Christi aus Ephesos. Besonders dieser übte eine starke An‑ ziehungskraft auf Pilger aus Ost und West aus; der spanische Gesandte Ruy González de Clavijo behauptete, die Rillen auf dem Salbungsstein seien noch nass von den Trä‑ nen der um ihren Sohn weinenden Mutter Gottes gewesen.37 Obwohl explizite Hin‑ weise fehlen, scheint dieser Aufschwung der Grabkirche als wichtige Pilger‑ und Kultstätte einem kaiserlichen Programm entsprochen zu haben, die Erinnerung an die Stifter Johannes und Irene abzusichern und zu verstärken. Über die Stifterbilder in Pantokrator kann man weniger entschieden urteilen, weil die Wandmalerei heute nicht mehr erhalten ist. Nach dem Bericht westlicher Reisender scheinen die christlichen Mosa‑ iken und Malereien nach der osmanischen Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453 bis zum 18. Jahrhundert einfach verdeckt und erst danach entfernt worden zu sein.38 Wie es in der byzantinischen Kunst auch sonst der Fall ist, dürfte aber ein Bild der

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Irene mit einer Gedichtinschrift in der Hauptkirche des Komplexes angebracht gewesen sein.39 (→ 6.5.3; 8.5.3) Anschei‑ nend wurde diese Dichtung zur Zeit des Kaisers Johannes II. verfasst; bemerkens‑ werterweise wurde hier seine Gemahlin – und nicht, wie im typikon, das Paar – als ‚Stifter‘ (domētōr) betont.40 Vielleicht war auch Kaiser Manuel I. für die Hervorhebung seiner Mutter Irene als Stifterin des Pantokrators und die Wand‑ malerei verantwortlich; dies könnte sich aus der Politik der Annäherung zwischen Byzanz und Ungarn ergeben haben, denn Irene (oder Piroska) war die Tochter des ungarischen Königs Ladislaus I. gewesen.41 Einige byzantinische synaxaria, hagiogra‑ phische Kalender, nennen den Namen der Irene zum 13. August, an dem Irene als Stifterin des Pantokrator (ktētorissa tēs sebasmias monēs tou Pantokratoros) gefeiert wurde.42 Diese ‚Kanonisierung‘ der Irene darf ebenfalls ihrem Sohn Kaiser Manuel I. zugeschrieben werden.43 11.5.4  Der Stifter: Vergessen, verdrängt, wieder entdeckt – und fingiert Das Gedenken der Stifter wurde in der or‑ thodoxen Welt nur in Ausnahmefällen von Zweitstiftern verdrängt. Im Gegenteil wur‑ den diese oft erfolgreich in die Erinnerung an die ursprüngliche Stiftung integriert. Beim oben angesprochenen Fall der Klos‑ terstiftung von Gregor Pakourianos wird seiner selbst und seines Bruders Apasios noch immer als Stifter gedacht, obwohl das heutige bulgarische Kloster seinen ursprünglichen Charakter als georgische Exklave und kulturelles Zentrum bereits im 13. Jahrhundert komplett verloren hat. Spätere bulgarische Könige, die dort als Stifter agierten, begnügten sich damit, die

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Erinnerung an die frühe Phase der Stiftung zu bewahren. Ein zweites auffälliges Phänomen ist die Suche nach dem erfundenen oder le‑ gendären Stifter; besonders gilt das für die Stiftungen der Hauptstadt, wo sich kaum eine Einrichtung findet, die sich nicht auf einen (meistens fiktiven) Stifter aus der Spätantike berief. Besonders beliebt als fik‑ tive Stifter waren die Kaiser Konstantin I. und Justinian I. Auch für später entstande‑ ne Stiftungszentren wie den heiligen Berg Athos, dessen Klöster frühestens Ende des 9. Jahrhunderts entstanden, wurden spät‑ antike Wurzeln behauptet. Auch wenn der Pantokrator von Kon‑ stantinopel heute nicht mehr besteht und die dort einst gefeierten Gedenkmessen mit ihm untergegangen sind, wird doch noch heute anderer Verwandter der Kom‑ nenoi gedacht, nämlich der Großen Kom‑ nenoi, die das Kaiserreich von Trapezunt (1204–1461) beherrscht haben; Ort ihrer Me‑ moria ist das Dionysiou‑Kloster auf dem Berg Athos.44 Dieses Kloster wurde im 14. Jahrhundert von dem Mönch Dionysios gegründet, der 1347 durch den byzantini‑ schen Kaiser unterstützt wurde, indem dieser frühere Schenkungen von Gütern auf der Insel Lemnos bestätigte.45 Die re‑ lativ schlechte fiskalische und politische Situation des Kaiserreichs bedeutete aber auch, dass Dionysios im byzantinischen Herrscher keinen großzügigen materiel‑ len Förderer finden konnte. Hilfe kam stattdessen vom trapezuntischen Kaiser Alexios III. (1349–1390). Dionysios hatte die‑ sen während eines Besuches bei seinem Bruder Theophilos, dem Metropolitan von Trapezunt, kennengelernt. Um den Kaiser zu überzeugen, verwies Dionysios auf Stif‑ tungen und Förderungen der Klöster auf dem heiligen Berg durch orthodoxe Fürs‑ ten jeglicher Art, Kaiser (basilikōs), Könige (rhēgikōs) und sonstige Herrscher (archikōs),

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zugunsten ihres Seelenheils; würde Alexi‑ os diesem Beispiel folgen, erwarte ihn ein „ununterbrochenes und endloses spirituel‑ les Vergnügen“46. Der Kaiser von Trapezunt stattete daraufhin das Kloster mit einer Kirche mit Mauer, Mönchszelle und Aquä‑ dukt im Wert von 100 sōmia aus, was für ein kleines Kloster reichen würde. Darüber hinaus sollte das Johannes Prodromos (dem Täufer) gewidmete Kloster eine Rente von 1000 aspra aus dem Fiskus des Kaiserreichs erhalten.47 Als Gegenleistung erwartete Alexios ein liturgisches Gedenken für die verstorbenen Mitglieder seiner Dynastie, die ‚Helden‘ der Großen Komnenoi, sowie für sich selbst, seine Mutter, Gemahlin, Kinder und Nachkommen, aber auch Se‑ gen für das Kaiserreich von Trapezunt.48 Vorgesehen war die Umbenennung des Klosters nach dem kaiserlichen Neustifter, was das Gedenken weiter abgesichert hät‑ te.49 Das noch in den Archiven des Klos‑ ters aufbewahrte Chrysobull enthält eine Malerei, in der Alexios und die Kaiserin die Stiftungsurkunde in den Händen halten, während Johannes Prodromos im Hinter‑ grund erhöht steht.50 Dieser Fall zeigt, wie der Stifter das Gedenken an sich selbst und seine Familie sicherte. Er ähnelt mehr dem oben angesprochenen Beispiel von Koutloumousiou als anderen Fällen, wo der Stifter seine Stiftung ex novo kreierte. Wie die spätere Geschichte zeigt, konnte eine Rentenstiftung wie hier ein beson‑ ders enges Verhältnis zwischen der dy‑ nastischen Stifterfamilie und dem Kloster sichern. Zwei Nachfolger des Alexios III. als Kaiser von Trapezunt bestätigten in Ur‑ kunden aus den Jahren 1416 und 1429–1460 die Rente.51 Erst die Eroberung des Kaiser‑ reichs 1461 und die Vernichtung der Dynas‑ tie 1463 durch die Osmanen bedeuteten das Ende der Finanzierung. Das Kloster Dio‑ nysiou überdauerte trotzdem, dank neuer und umfangreicher Unterstützung durch

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die Herrscher der Walachei und Moldaus seit dem Beginn des 16. Jahrhunderts.52 Ein Bild Alexios’ III., auf dem der Kaiser dem Johannes Prodromos eine Kirche dar‑ bietet, ist bis heute im Besitz des Klosters geblieben und stammt vermutlich aus der Zeit der Stiftung selbst.53 Nur in Ausnahmefällen gerieten die Stif‑ ter komplett in Vergessenheit, doch drohte ihnen die Abdrängung in den Hintergrund des Gemeindegedächtnisses. Nochmals bie‑ tet uns der Pantokrator‑Komplex von Kons‑ tantinopel ein anschauliches Beispiel: Erst wurde die Stiftung als Werk der Kaiserin Irene wahrgenommen, dann akzentuier‑ te man bei der Abfassung des typikons die gemeinsame Leistung Irenes und des Kaisers Johannes II. Komnenos, schließlich trat wiederum Irene in der Regierungszeit ihres Sohnes Manuel I. Komnenos als pri‑ märe Stifterin hervor. Es gibt zudem auch Hinweise, dass bereits kurz nach dem Tod von Johannes II. seine Vorschriften für das Gedenken unbeachtet blieben.54 Freiräume für andere Stifter entstanden, als nach der lateinischen Eroberung von Konstantino‑ pel 1204 der Pantokrator vermutlich einen großen Teil seines Vermögens verlor.55 Die letzte Dynastie von Byzanz, die der Palaio‑ logen, hat Zustiftungen für den Pantokrator getätigt und diesen als Grablege für viele Familienmitglieder genutzt.56 Inwiefern sie trotzdem das Gedenken ihrer kaiser‑ lichen Vorgänger förderte, ist ungewiss.57 Genaueres über das im Pantokrator prak‑ tizierte Gedenken erfahren wir aus einem der letzten Abbatiate, dem des Maka rios (1422–1431). Wegen des geschrumpften Vermögens und einer nur noch kleinen Mönchsschar von sechs Männern soll die Stiftung in große Gefahr geraten sein, so‑ dass Makarios Unterstützung von außer‑ halb des Kaiserreichs suchte. Gegen eine große Zustiftung bot er dem Metropolitan Photios von Kiew an, ihn als ktētōr des

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Klosters auszuzeichnen und seiner vor al‑ len anderen zu gedenken.58 Dieses Angebot, das gegen das typikon verstieß und ohne Kenntnis der damals regierenden Kaiser gemacht wurde, wurde herzlich angenom‑ men. Der Plan scheiterte trotzdem: Die Eroberung der Stadt durch die Osmanen führte 1453 zum Ende der Stiftung und ihrer Gedenkleistungen. Der fiktive oder fingierte Stifter tritt in der griechisch‑orthodoxen Überlie‑ ferung häufig auf. Nach der sogenann‑ ten ‚Patria von Konstantinopel‘ (verfasst kurz vor dem Jahr 1000, redigiert etwa ein Jahrhundert später), in der viele der berühmtesten Klöster und Kirchen der Hauptstadt beschrieben wurden, sollen 22 auf Stiftungen Konstantins des Großen und seiner Mutter Helena zurückgehen – eine durchaus unplausible Menge.59 Kaiser waren als gedachte Stifter besonders be‑ liebt, neben Konstantin gilt dies besonders für Justinian I.60 Diese zwei berühmten Kaiser nehmen eine prominente – und völlig erfundene – Stelle als Stifter in der im 19. Jahrhundert verfassten Sammlung von mündlichen Überlieferungen für die Athos‑Klöster ein, die unter dem Titel ‚Pat‑ ria‘ bekannt ist.61 Auch das Zeitalter spielte bei den Fiktio‑ nen eine Rolle, so waren frühchristliche oder spätrömische Stifter sehr populär.62 Fiktive Stifter wurden in einigen Fällen neben den echten Stiftern in die Geschich‑ te der Häuser eingeführt. Das typikon des Phoberos‑Klosters, verfasst nach 1113, re‑ digiert 1144, will glauben machen, diese Gemeinschaft sei zuerst von einem un‑ bekannten Stifter des 5. Jahrhunderts ge‑ schaffen worden, der angeblich zum Kaiser aufgestiegen sei.63 Zur Zeit der Abfassung des typikons sei dieser angeblich nicht als ktētōr anerkannt worden. In den Gedenk‑ messen des Klosters wurden aber ein be‑ stimmter Lukas als erster Stifter und nach

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dessen Tod eine ‚Zweite Stifterin‘ (deutera ktētorissa), Eudokia Komnene, angeführt. Vergessen, Verdrängen, Wiederentde‑ cken und Fingieren des Stifters können auch für das Philotheou‑Kloster auf dem Berg Athos nachgewiesen werden. In ei‑ nem für die Byzantinistik bahnbrechenden Beitrag hat Robert Allison vor wenigen Jahren gezeigt, wie faszinierend die Ge‑ schichte eines orthodoxen Stifters ‚nach seiner Stiftung‘ sein kann. Solche Studien können sich nicht nur auf die sehr hetero‑ genen und oft widersprüchlichen Quellen des Mittelalters selbst stützen, sondern müssen auch nachbyzantinische Zeugnisse, wie die Sammlungen mündlich tradier‑ ter Geschichten, einbeziehen, die im 18. und 19. Jahrhundert auf dem heiligen Berg aufgezeichnet wurden (z. B. ‚Patria‘ und ‚Athonida‘). Nach Allison können in der Geschichte des Philotheou‑Klosters vor dem Jahr 1600 sieben Stifter oder ‚Zwei‑ te Stifter‘ identifiziert werden. Der erste ‚Stifter‘ oder vielleicht besser ‚Gemeinde‑ Gründer‘ war ein im 10. Jahrhundert le‑ bender Mönch namens Philotheos.64 Star‑ ke Indizien deuten darauf hin, dass sein kleines Kloster (monydrion) um 1050 un‑ gefähr ein Jahrhundert lang vollständig verlassen war. Nichtdestotrotz gilt er, wie der Name des Klosters zeigt, auch heutzu‑ tage als dessen Stifter. Die Gründe, war‑ um der Neustifter Arsenios in der Mitte des 12. Jahrhunderts das Gedächtnis an Philotheos als Stifter beibehalten hat, sind nicht erkennbar.65 Vielleicht um eine Er‑ klärung zu bieten, haben moderne atho‑ nische Quellen behauptet, dass es der Kai‑ ser Nikephoros III. Botaneiates (1078–1081) war, der das Philotheou‑Kloster gestiftet habe – und bieten damit das Beispiel ei‑ nes fingierten Stifters.66 Als dritter Stif‑ ter ist der Nationalheilige Serbiens, Sava (1175–1235), belegt, der als Stifter vieler zeit‑ genössischer athonischer Klöster hohes

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Ansehen genoss. Obgleich er als Zustifter des Philotheou‑Klosters agierte, ging er trotzdem nicht ins Gedächtnis des Klos‑ ters als Stifter ein.67 Einige Mitglieder der palaiologischen Dynastie sind als ktētores für das Philotheou‑Kloster in der Mitte des 14. Jahrhunderts in Erscheinung getreten; im Unterschied zu der Zustiftung des Sava wurde diese Verbindung noch lange nach dem Aussterben der Dynastie erinnert, un‑ ter anderem durch ein gefälschtes Chryso‑ bull des Kaisers Andronikos II. (1282–1328) aus dem 16. Jahrhundert.68 Gegen Ende des 15. Jahrhunderts bestiftete der Woi‑ wode Vlad IV. Kalogeros, der Halbbruder Vlads III. Drăculea (‚Dracula‘), einem eige‑ nen Chrysobull zufolge das Kloster mit ei‑ ner Rente von 4000 aspra.69 Wie lange diese Unterstützung gewirkt hat und warum die Mönche des Klosters Vlad IV. später als Stifter überhaupt nicht anerkannt haben, müsste künftig genauer untersucht werden. Allison deutet diesen Befund als Reaktion

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der Klostergemeinde auf das Vorpreschen der Woiwoden als Stifter.70 Möglicherweise ging die Zurückdrängung Vlads IV. aber auch auf den sechsten Stifter zurück, den Abt Dionysios von Olympos (um 1500).71 Als letzte mittelalterliche Stifter des Klosters sind die georgischen Könige Alexander und Levon von Kakheti im östlichen Georgien bekannt, die im Refektorium des Klosters in einem Bild mit Inschrift aus dem Jahr 1540 als Stifter dargestellt wurden.72 In der Moderne ging die Erinnerung an die mit‑ telalterlichen Stifter zunehmend verloren. Um 1700 wurden drei von ihnen, nämlich Philotheos, Arsenios und Dionysios, im Narthex der Hauptkirche dargestellt. Diese Bilder führten bis ins 20. Jahrhundert zu der Annahme, dass Philotheou von diesen im 11. Jahrhundert lebenden Stiftern ge‑ gründet worden sei.73 Die Fiktion verdankt sich auch einer athonischen Vorliebe für eine Triade von heiligen Stiftern (hosioi).74 ZC

Anmerkungen hier 118, Z. 51 bis 119, Z. 56; engl. Übers. Dennis 1  Kislinger, Pantokrator‑Xenon (1987). 2 Eine prominente Ausnahme, die aber die gro‑ (wie Anm. 4), 1415; 1420. Zur angeblichen Unfä‑ ßen Schwierigkeiten einer derartigen diachronen higkeit der Russen zum zönobitischen Leben in Untersuchung zeigt, ist Allison, Founders and der Neuzeit vgl. Fennell, Russians (2001), 68–71. Refounders (2007). 7 Actes de Kutlumus. Ed. Lemerle (wie Anm. 4), 3 Das Folgende bezieht sich auf Chitwood / Gri- 110–116, Nr. 29, hier 115, Z. 62–64; 116–121, Nr. 30, gore, Byzantinisches Stiftungswesen (im Druck). hier 120, Z. 122 bis 121, Z. 132; engl. Übers. Dennis Diese historische Phase des Klosters hat Năsturel, (wie Anm. 4), 1417; 1423. Mont Athos (1986), 39–54, analysiert. 8 Für die gelegentliche Bezeichnung des Kout‑ 4  Actes de Kutlumus. Ed. Paul Lemerle. (Archi‑ loumousiou‑Klosters als ‚das Kloster der Woiwo‑ ves de l’Athos, Bd. 2.) Paris 21988, 102–105,Nr. 26; den‘ sowie andere Bezeichnungen siehe Năsturel, 110–116, Nr. 29; 116–121, Nr. 30; 134–138, Nr. 36. Engl. Mont Athos (1986), 39 f. Übers. von George Dennis für Nr. 29, 30 und 36 9 Ganz meisterhaft und überzeugend gezeigt in: BMFD 4, 1408–1432. von Morris, Two Faces (1988), 101–106. 5 Actes de Kutlumus. Ed. Lemerle (wie Anm. 4), 10  Actes de Lavra, Bd. 1. Ed. Paul Lemerle / André 102–105, Nr. 26, hier 103, Z. 9 f. Vgl. Oikonomides, Guillou / Nicolas Svoronos et al. (Actes de l’Athos, Patronage (1996, ND 2005), 101 f. Bd. 5.) Paris 1970, 103–106, Nr. 5. 6 Actes de Kutlumus. Ed. Lemerle (wie Anm. 4), 11  So die Deutung von Morris, Two Faces (1988), 110–116, Nr. 29, hier 113, Z. 25–27; 116–121, Nr. 30, 105 f.; stellvertretend für die ältere Deutung des

418 ‚Stiftungsverbots‘ Charanis, Monastic Properties (1948), 58 f. 12  Actes de Prôtaton. Ed. Denise Papachryssanthou. (Archives de l’Athos, Bd. 7.) Paris 1975, 202–215, Nr. 7. Engl. Übers. von George Dennis in: BMFD 1, 232–244. Vgl. Morris, Two Faces (1988), 113. 13  Magdalino, Foundation (2013), 35. 14  Papachryssanthou, Athōnikos monachismos (1992), 314 f. 15  Oikonomides, Patronage (1996, ND 2005), 101 f. 16  Zu seiner Geschichte siehe die Einleitung zu: Actes du Pantocrator. Ed. Vassiliki Kravari. (Archives de l’Athos, Bd. 17.) Paris 1991, 7–15; Oikonomides, Patronage (1996, ND 2005), 103–110. 17  Ebd., 100; 111. 18  Actes du Pantocrator. Ed. Kravari. (wie Anm. 16), 79–81, Nr. 5. 19  Ebd., 88–90, Nr. 8. 20 Ebd., 91–94, Nr. 9. 21 Ebd., 95–102, Nr. 10; Bestätigung durch den Patriarchen ebd., 103–108, Nr. 11. 22 Für die klösterlichen Regeln in Byzanz vor den typika siehe Hatlie, Byzantine Monastic Ru‑ les (2007). 23 Testament von Apa Abraham (P. Lond. I. 77). Ed. F. G. Kenyon, in: Greek Papyri in the British Museum, Bd. 1. London 1893, 231–236, hier 233. Engl. Übers. von Leslie S. B. MacCoull in: BMFD 1, 51–58, hier 55 f. 24 Diese Stiftungsurkunde ist das einzige auf Griechisch geschriebene Dokument aus dem Ar‑ chiv von St. Phoibammon; vgl. Wipszycka, Moines (2009), 92–95. 25 Testament von Apa Abraham. Ed. Kenyon (wie. Anm. 23), 233 f. 26 Zu den ausführlichen Formeln von griechi‑ schen Notaren für die Übertragung von Eigentum siehe Saradi-Mendelovici, Greek Notarial System (2009), 538 f. 27 Zum byzantinischen Notarwesen siehe Saradi, Notariat byzantin (1992); zusammenfassend auch mit Bezug auf die nachbyzantinische Epoche Saradi-Mendelovici, Greek Notarial System (2009). 28 Stolte, Law for Founders (2007), 130, betont die vor allem private, interne Natur von typika. 29 La diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 39, 1981, 5–143, hier 47, Z. 506 bis 49, Z. 523. Engl. Übers. von Alice-Mary Talbot in: BMFD 1, 326–376, hier 343.

Stifter

30 Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 29), 45, Z. 456–464; engl. Übers. Gautier (wie Anm. 29), 341. Zu dieser Kirche siehe Janin, Géographie ecclésiastique (1969), 70. 31 Gedenkfeier und Spenden: Le typikon du sé‑ baste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 42, 1984, 5–145, hier 97, Z. 1292– 99, Z. 1307. Engl. Übers. von Robert Jordan in: BMFD 2, 507–563, hier 544. Gedenkgottesdienste an Samstagen: Ebd., 101, Z. 1367–1376; engl. Übers. Jordan, 545 f. 32 Typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 31), 73, Z. 891; engl. Übers. Jordan (wie Anm. 31), 536. 33 Für die Meinung, dass die Stifter in dem Os‑ sarium bestattet sind, siehe etwa Grishin, Literary Evidence (1981). 34 Überzeugend argumentiert von Bakalova, Function (2003). 35 Bakalova, Ossuary (2003), Tafel 39; vgl. Grishin, Literary Evidence (1981), 91. 36 Das Folgende nach Magdalino, Foundation (2013), 41; 43 f.; 46. 37 Beschreibung durch Clavijo: Taxidis, Monas‑ tery of Pantokrator (2013), 101. Beschreibung des Salbungssteins in den Erzählungen von Reisen‑ den aus der slawischen Welt: Mineva, References (2013), 83 f. 38 Taxidis, Monastery of Pantokrator (2013), 103, Anm. 33; 105 f., Anm. 43. 39 Tē autē hēmera telountai ta enkainia tou perikallous kai theiou naou tēs basilikēs kai pantokratorikēs monēs tou Pantokratoros Sōtēros Christou tou Theou hēmōn. Ed. Vassis, Pantok‑ ratorkloster (2013), 213–218. Engl. Übers. in Magdalino, Foundation (2013), 49–52. 40  Vassis, Pantokratorkloster (2013), 218 f. 41  So die Deutung von Magdalino, Foundation (2013), 47. 42  Tē autē hēmera mnēmē tēs aoidimou kai pam‑ makaristou basilissēs kai ktētorissēs tēs sebas‑ mias monēs tou Pantokratoros sōtēros Christou Eirēnēs, tēs dia hagiou kai angelikou schēmatos metonomastheisēs Xenēs monachēs. Ed. Kotzabassi, Feasts (2013), 170–175. 43  Magdalino, Foundation (2013), 47. 44  Nach der Einleitung zu: Actes de Dionysiou. Ed. Nicholas Oikonomidès. (Archives de l’Athos, Bd. 4.) Paris 1968, 11.

Griechisch-orthodoxe Christen

45  Ebd., 42–47, Nr. 2. 46  Ebd., 50–61, Nr. 4, hier 60, Z. 22–25. 47  Ebd., Z. 47–51. 48  Ebd. Z. 38–45. 49  Ebd., Z. 46 f. 50 Ebd., Pl. 6. 51 Ebd., 97–101, Nr. 16, und 155–157, Nr. 27. 52 Vgl. die Einleitung ebd., 26. 53 Ebd., 18 f. 54 Nach der Deutung von Jeffreys / Jeffreys, Im‑ mortality in the Pantokrator (1994).

55 Erwähnungen von ehemaligen Gütern des

Pantokrator in Kotzabassi, Monastery of the Pan‑ tokrator (2013), 57; 60. 56 Die Namen der im Pantokrator bestatteten Angehörigen der Palaiologen finden sich ebd., 67–69. 57 Eine Zustiftung aus dem Jahr 1407 von Jo‑ hannes VII. Palaiologos für den Pantokrator und fünf andere Klöster, wobei die Mönche seiner und seines Vaters Manuel II. gedenken sollten, erwähnt die früheren Stifter des Pantokrators nicht: Actes de Lavra, Bd. 3. Ed. Paul Lemerle / André Guillou / Nicolas Svoronos et al. (Actes de l’Athos, Bd. 10.) Paris 1979, 144–149, Nr. 159. 58 Kotzabassi, Monastery of the Pantokrator (2013), 64 f. 59 Thomas, Private Religious Foundations (1987), 5, Anm. 1. 60 Für die Bedeutung Konstantins des Gro‑ ßen und Justinians in der mittelbyzantinischen Wahrnehmung siehe Magdalino, Distance (1999), 127–129. 61 Ta Patria tou Hagiou orous, in: Neos Hellēno‑ mnēmōn 9, 1912, 116–161; 209–244. 62 Man findet ein ähnliches Phänomen bei früh mittelalterlichen armenischen Stiftungen, die oft Apostel Christi (besonders Thaddäus und Bartholomäus), Gregor den Erleuchter u. a. als Stifter imaginierten; siehe Garsoïan, Introduction (2005–2007, ND 2010), 186. 63 Hypotypōsis kai hermēneia, Ed. A. I. Papadopoulos-Kerameus. Noctes Petropolitanae. Sankt Petersburg 1913, ND Leipzig 1976, 1–88, hier 5–9. Engl. Übers. von Robert Jordan in: BMFD 3, 872– 953, hier 884–886. Gründung während der Zeit des Kaisers Leo I. (457–474): Ebd., 51, Z. 29–31. 64 Allison, Founders and Refounders (2007), 470–477.

419 65 Zu Arsenios als Neustifter siehe ebd., 477–482.

In dieser Hinsicht ist seine Vermutung (477), dass es vielleicht eine ‚offizielle‘ Stiftung des Klosters durch Philotheos gegeben habe und dadurch die rechtliche Stiftung des Klosters bis zur Neustif‑ tung abgesichert worden sei, nicht überzeugend. Die Fortsetzung eines verlassenen Klosters als rechtliche Persönlichkeit entspricht weder der athonischen Praxis noch römischem bzw. by‑ zantinischem Recht; danach hätte ‚verlassenes‘ Land (d. h. Land, das keine Steuer erbringt) als sogenanntes klasma‑Land an den Staat zurück‑ fallen müssen; vgl. oben, Anm. 14. 66 Ebd., 476, Anm. 14, zur Nicht‑Historizität dieser Stiftung. 67 Ebd., 485, wird postuliert, dass Sava nicht als Stifter erinnert wurde, weil dieser auf Bitten eines Dritten, nach seiner Deutung des zweiten Stifters Arsenios, gehandelt habe. 68 Ebd., 485–493. 69 Übersetzung des Chrysobulls ins Englische von Radu Costinescu ebd., 493–496. 70 Ebd., 500–503. Diese Deutung beruht al‑ lerdings auf einer falschen Auffassung des so‑ genannten Stifterrechts (to ktētorikon dikaion); im spätbyzantinischen sowie im frühmoder‑ nen rumänischen Kontext wurde das gestiftete Gut nachhaltig von dem Vermögen des Stifters getrennt; vgl. Zhishman, Stifterrecht (1888), 13; Cotlarciuc, Stifterrecht (1907, ND 1965), 14 f. Woi‑ woden sprechen in Urkunden über die von ih‑ nen bestifteten Klöster und ihre Güter als von ‚unseren‘ (Besitzungen) indessen ausschließlich, wo sie eine Stiftung im Sinne der Ḥanafī‑Schule des islamischen Rechts dem osmanischen Sul‑ tan erklären mussten. Die Fähigkeit orthodoxer Klöster, selbständig als Eigentümer ihrer selbst zu agieren, wurde also von muslimischen Juris‑ ten in Frage gestellt; vgl. Fotić, Official Expla‑ nations (1994). 71 Da alle Quellen für Dionysiosʼ Tätigkeit als ein ‚Wieder‑Hellenisierer‘ des damals angeblich von bulgarischen Mönchen besiedelten Klosters aus dem 18. und 19. Jahrhundert stammen, also aus einer Zeit, in der der Hellenismus als eine nationalistische Idee formuliert wurde, ist die Glaubwürdigkeit der Tradition im Gegensatz zum Urteil von Allison, Founders and Refounders (2007), 503–514, fraglich.

420 72 Recuil des inscriptions chrétiennes de

l’Athos. Ed. Gabriel Millet / Jeanne Fourier-Pargoire / Louis David Petit. (Bibliotèque des écoles françaises d’Athènes et de Rome, Bd. 91.) Paris

Stifter

1904, 99, Nr. 304; vgl. Allison, Founders and Re‑ founders (2007), 514; 516. 73 Ebd., 465–468. 74 Dazu ebd., 465, Anm. 1.

11.6  Indien 11.6.1  Allgemeines In der brahmanischen Theorie zum ‚Geben / Schenken‘ (dāna), die das Stiften im enge‑ ren Sinne einschloss, wurden sechs einen Schenkungsvorgang konstituierende ‚Kom‑ ponenten‘ (ṣaḍ-aṅga) unterschieden: der Stifter (dātṛ), der Empfänger (pratigrahītṛ), Spendefreudigkeit (śraddhā), die rechtmä‑ ßige Gabe (deya), der rechte Ort (deśa) und die rechte Zeit (kāla).1 Der ideale Wohltäter wiederum sollte sich durch folgende sechs Eigenschaften auszeichnen: „Ein Stifter, der frei von üblen Krankheiten, rechtschaffen, freigebig, ohne Laster [und] rein ist und [seinen] Lebensunterhalt auf untadelige Weise bestreitet, wird wegen dieser sechs [Tugenden] gepriesen.“2 In Hinsicht auf Stiftungen bedeuteten diese Vorgaben, dass eine die genannten Grundvoraussetzun‑ gen erfüllende, sich durch Spendefreudig‑ keit3 auszeichnende Person dem geeigneten Stiftungsempfänger (→ 12.6) rechtmäßig erworbenes Vermögen (→ 10.6) an einem dafür passenden Ort und zu einem dafür günstigen Zeitpunkt4 stiften sollte. Wie David James Brick überzeugend gezeigt hat, spielen Ausführungen zur Be‑ schaffenheit potentieller Stifter eine ver‑ gleichsweise geringe Rolle in Anthologien (nibandha) zu dāna: „Generally speaking, these texts only stress that a donor should possess a ‚spirit of generosity‘ (śraddhā), which has merely to do with his attitude toward giving, not his more general purity.

Beyond that, they devote little attention specifically to the description of a fit do‑ nor. (…) This fact is particularly striking when one considers that the Dānakhaṇḍa, Dānasāgara, and Dānavivekoddyota all con‑ tain separate sections devoted specifically to the proper recipients, objects, times, places, and ‚spirit of generosity‘ (śraddhā).“5 Dieses Phänomen erklärt Brick damit, dass die Perspektive, aus der diese nibandha‑ Texte geschrieben wurden, die der poten‑ tiellen brahmanischen Stiftungsempfänger (→ 12.6), nicht die der prospektiven Stifter gewesen sei6 und dass die brahmanischen Theoretiker relativ wenige Beschränkun‑ gen hinsichtlich der Stifter erlassen woll‑ ten, um breite Bevölkerungsschichten zu motivieren,7 den Brahmanen Spenden, Schenkungen und Stiftungen zukommen zu lassen, auch wenn reichen Unterstüt‑ zern eine besondere Bedeutung eingeräumt wurde.8 Brick vermutet ferner: „Those who identified themselves primarily or even exclusively as donors appear to have de‑ veloped separate theories of the gift that applauded the act of giving, but disparaged the act of receiving. (…) Hence, it is clear that many of those who participated as donors in the South Asian system of gift‑ ing were not simply the unwitting dupes of a vast priestly conspiracy, for they had their own non‑Brahmanical, ideological reasons for offering gifts.“9

Indien

Aufschluss über die Sicht der Stifter auf sich selbst sind am ehesten aus Stif‑ terinschriften und Stiftungsurkunden zu erwarten. Doch zumindest unter termi‑ nologischem Aspekt sind die indischen Quellen zur Stiftungspraxis in Hinsicht auf den Stifter nicht sehr ergiebig: Während sich in derartigen Dokumenten Begriffe für ‚stiften‘ und ‚Stiftung‘ häufig finden, stößt man auf Termini für den ‚Stifter‘ oder die ‚Stifterin‘ eher selten. (→ 1.6.3) Obwohl man wohl davon ausgehen kann, dass jemand, der stiftete, als ‚Stifter‘ des betreffenden Werkes angesehen wurde, scheint die recht geringe Zahl von Bele‑ gen für einschlägige Bezeichnungen dar‑ auf hinzudeuten, dass die Klassifizierung der Stifter nicht immer eindeutig war und ein Stiftungsakt in vielen Fällen wohl erst durch das Zusammenwirken mehrerer ‚Ini‑ tiatoren‘ mit unterschiedlichen Intentionen zustande kam. Insbesondere auf königli‑ che Stifter wurde von verschiedener Seite Einfluss ausgeübt, und stiftende Herrscher erhielten bei der Auswahl der Stiftungsbe‑ günstigten und ‑objekte vermutlich auch Unterstützung von Dritten. Könige, Fürsten und (einige) Regentin‑ nen stellten die Mehrzahl der dokumen‑ tierten Stifter im indischen Mittelalter. Ein recht typisches Stiftungsmuster bestand darin, dass der (oft adlige) Gründer einer religiösen Institution den Herrscher um eine Dorf‑ oder Landstiftung für deren dauerhaften Unterhalt ersuchte. In der‑ artigen Fällen waren – folgt man der No‑ menklatur der lateinischen Christen – für fundatio und dotatio (→ 1.2.2; 1.2.4) nicht dieselbe, sondern verschiedene Personen verantwortlich. Während es in den ersten Jahrhunderten u. Z. an der Westküste In‑ diens im Umfeld des Buddhismus durchaus nicht unüblich war, dass ein buddhistischer Laienanhänger eine einzelne Klosterhöh‑ le stiftete und diese auch mit Kapital für

421

den Unterhalt der darin lebenden Mönche ausstattete, scheinen sich im frühen Mittel‑ alter private Stifter mit ihren im Vergleich zur Krone geringeren Mitteln stärker auf die Errichtung von Klöstern und Tempeln konzentriert und dann Könige oder Fürs‑ ten um die Stiftung einer Steuerpfründe für deren Unterhalt ersucht zu haben.10 Der Wechsel in den Stiftungsmustern könnte mit der zunehmenden Größe von Kloster‑ und Tempelkomplexen zusam‑ mengehangen haben, die kaum mit den Erträgen aus einem Stück Land, gut aber mit den Steuern aus einem oder mehreren Dörfern zu unterhalten waren. Vorbild dieses Dotationsmodells könnte die kö‑ nigliche Verleihung von Steuereinkünften aus Dörfern und Feldern11 zur Versorgung von vedischen Brahmanen ohne Tempel‑ bezug gewesen sein – ein Stiftungstyp, der bereits im späten Altertum verbreitet war und meist ohne Vermittlung Dritter zustande kam. Nicht immer ging die ‚Bitte‘ um eine Unterhaltsdotation vom einstigen Grün‑ der des zu begünstigenden Klosters oder Tempels aus. Auch anderen Akteuren wer‑ den solche Initiativen zugeschrieben, ohne dass in jedem Fall ersichtlich wäre, welche Motive dazu geführt hatten. Während in den königlichen Urkunden häufig auf An‑ fragen beziehungsweise Vermittlung durch Dritte Bezug genommen wird, werden Stif‑ tungen in den von Vasallen ausgegebenen Urkunden oft anders präsentiert, und zwar als Dotationen, die mit der ‚Zustimmung‘ des Oberherrn erfolgten. Auch wenn es viele Indizien für die Beteiligung mehre‑ rer Personen an stifterlichen Aktivitäten gibt, bleibt in den meisten Belegen doch im Dunkeln, was sich vor einem konkreten Stiftungsakt ‚hinter den Kulissen‘ abspielte und welche mündlichen Absprachen getrof‑ fen wurden. Für die Festlegungen von Ort und Zeit einer Stiftung dürfte das Wissen

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von Ritualspezialisten und Astrologen in Anspruch genommen worden sein.12 Erwähnenswert ist, dass sich indische Herrscher nicht nur als Stifter zugunsten derjenigen religiösen Richtung hervorta‑ ten, der sie persönlich anhingen, sondern ihre diesbezüglichen Aktivitäten insbeson‑ dere auf dem Gebiet der Unterhaltsdotatio‑ nen streuten, und dass auch ausländische (buddhistische) Könige in Indien als Stifter religiöser Baulichkeiten agierten. 11.6.2  Der Stifter bei der Genese der Stiftung Den meisten Aufschluss über das Agieren und Interagieren von Stiftern bei der Gene‑ se ihrer Stiftungen im mittelalterlichen In‑ dien liefern königliche und fürstliche Kup‑ fertafelurkunden (→ 5.6.3) und die darin enthaltenen Schilderungen von Dotationen zum Unterhalt religiöser Personen bezie‑ hungsweise in der Regel schon bestehen‑ der Institutionen; dabei wird häufig nicht klar, wie lange deren Gründung bereits zurücklag. In der überwiegenden Zahl der Urkunden ist belegt, dass Herrscher und deren Vasallen derartige Stiftungen von Dörfern und Ländereien tätigten (→ 10.6.2), seltener andere Angehörige der jeweiligen Dynastien. Wie erwähnt, stifteten Könige oft auf Bitte untergebener Fürsten – und Vasallen mit Einverständnis ihrer Ober‑ herren. Mit ihren Stiftungen reagierten die Herrscher vielfach auf die speziellen Interessen ihrer weiteren höfischen Umge‑ bung, deren Vertreter mit entsprechenden Gesuchen an sie herantraten. Im Vorfeld von Stiftungsakten musste mitunter ein Ausgleich verschiedener Ansprüche auf die potentiellen Verleihungsobjekte herbeige‑ führt werden, der Verhandlungen mit Ge‑ bietsfürsten, königlichen Ressortbeamten, Dorfvorstehern, Landbesitzern, Pächtern

Stifter

und anderen beteiligten Personen einge‑ schlossen haben dürfte. Zahlreiche Kupfertafelurkunden über Unterhaltsdotationen aus dem mittelal‑ terlichen Indien erwähnen jedoch nur pauschal, dass der betreffende König auf Gesuch eines Dritten als Stifter wirkte und dass mit der Stiftungsvorbereitung bestimmte Beamtenkategorien befasst waren. So heißt es beispielsweise in 14 der insgesamt 72 bekannten Stiftungsur‑ kunden der Haupt‑ und der Seitenlinie der Rāṣṭrakūṭa‑Dynastie, die vom 8. bis 10. Jahrhundert in Zentral‑ und Westindien herrschte, dass die betreffende Dotation ‚auf Bitte‘ (vijñāpanayā / vijñāpanena) der Königin, eines Prinzen oder eines Vasal‑ len beziehungsweise einer oder mehrerer lediglich namentlich genannter Personen getätigt wurde.13 Umgekehrt erfolgten fünf Stiftungen von Dörfern durch Angehörige der Rāṣṭrakūṭa‑Dynastie und durch deren Vasallenfürsten ‚mit der [ausdrücklichen] Zustimmung‘ (anumatyā / anumatena) des aktuell regierenden Herrschers.14 In einer Kupfertafelurkunde von Govinda III., die eine Dorfstiftung dieses Rāṣṭrakūṭa‑Königs an 13 Brahmanen bezeugt, heißt es am Ende, dass dieses Dokument „auf Befehl [ājñayā] des Herrschers [und] mit dem Einverständnis [anumatena] der Königin“ aufgesetzt worden sei.15 Die Gründe dafür, warum die Königin dieser Dotation ihres Ehemannes zuzustimmen hatte, werden nicht erklärt. Während bereits über die Hälfte der Rāṣṭrakūṭa‑Stiftungen, die auf Ersuchen Dritter vollzogen wurden, Institutionen und nicht Einzelpersonen zugute kam, ist dieser Befund im Corpus der Bhaumaka‑ ras, die wohl vom 8. bis 10. Jahrhundert im ostindischen Orissa regierten, noch deut‑ licher: Von den 19 überlieferten Kupferta‑ felurkunden der Herrscher und Herrsche‑ rinnen dieser Dynastie verweisen sechs

Indien

auf Bitten Dritter, die die Stifter zu ihren frommen Gaben motiviert hatten.16 Fünf der ‚auf Gesuch‘ (vijñaptyā) zustande ge‑ kommenen Dotationen galten der Begüns‑ tigung von Tempeln und Klöstern, und unter den ‚Antragstellern‘ taten sich vor allem die einstigen Gründer beziehungs‑ weise Gründerinnen dieser Institutionen hervor. Nicht nur diejenigen, die den prospek‑ tiven königlichen Stifter zu einer Dota‑ tion zugunsten einer religiösen Einrich‑ tung oder Person bewegten, sondern auch einige Amtsträger, die in die Vorbereitung des Stiftungsaktes und die Formulierung des Stifterwillens involviert waren, wer‑ den in den meisten Kupfertafelinschriften namentlich aufgeführt, und zwar oft am Ende des betreffenden Textes. Eine zentrale Rolle spielten ein sogenannter Bote (dūtaka) und der Kanzleisekretär, der die Urkunde abzufassen beziehungsweise aufzusetzen hatte. Trotz einer Vielzahl an Belegen ist das Tätigkeitsspektrum eines dūtaka kei‑ nesfalls klar einzugrenzen. Dinesh Chan‑ dra Sircar hat das Aufgabenportfolio von Trägern dieser Funktionsbezeichnung auf Basis des epigraphischen Befundes wie folgt dargestellt: „according to some, the technical title of an officer connected with royal charters, whose duty it was to carry the king’s order to the local officials by whom the charter was then drawn up and delivered. But the Dūtaka seems to have been responsible for putting the document and also perhaps the gift land in the donee’s possession. There are instances of more Dūtakas than one.“17 Aus den bekannten Kupfertafelinschriften geht jedoch in der Regel nicht hervor, wer den Begünstigten diese Stiftungsdokumente aushändigte und in welcher Form der Stifterwille kundge‑ tan wurde. Man kann lediglich vermuten, dass die betreffende Urkunde in Anwe‑ senheit der Destinatäre und anderer von

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den Verfügungen des Stifters betroffener Personen(gruppen) verlesen wurde. Klarere Indizien gibt es für den Einsatz des dūtaka in dem Sinne, den Sircar zuerst nennt, aber selbst eher zu bezweifeln scheint: Derartige Boten waren anscheinend für die Übermitt‑ lung des königlichen Stifterwillens an die höfische Kanzlei zuständig. Zumindest ist auffällig, dass in Corpora, deren Urkun‑ den regelmäßig einen dūtaka nennen, ein solcher nur dann fehlt, wenn der für die Verschriftlichung Verantwortliche darauf verweist, auf direkten persönlichen Be‑ fehl (svamukhājñayā, ‚auf Anweisung aus eigenem Munde‘) des Königs gehandelt zu haben.18 In Ostindien scheinen Boten bereits in einem früheren Stadium der Stiftungsge‑ nese eine Rolle gespielt zu haben, und zwar bei der erwähnten Übermittlung eines ent‑ sprechenden Anliegens von Dritten an den prospektiven königlichen Stifter. In diver‑ sen Urkunden der Pāla‑Dynastie, die vom 8. bis 12. Jahrhundert in Bihar und Bengalen herrschte, ist dieser Vorgang im Stile wört‑ licher Rede dargestellt. So wird zum Bei‑ spiel in der Khalimpur‑Urkunde aus dem 9. Jahrhundert König Dharmapāla wie folgt zitiert: „Durch Śrī‑Nārāyaṇavarman, den Oberherrn der Großvasallen, wurden wir aus dem Munde des als dūtaka [fungieren‑ den] Kronprinzen Śrī‑Tribhuvanapāla fol‑ gendermaßen gebeten: ‚Wir ließen (…) für das Anwachsen von religiösem Verdienst einen Tempel bauen. Dem dort aufgestell‑ ten erhabenen Nunnanārāyaṇabhaṭṭāraka [Viṣṇu] (…) möge der Herrscher für die Durchführung von Kult, Riten usw. vier Dörfer (…) geben‘.“19 Wie die Kupfertafel‑ inschrift belegt, wurde diesem Petitum des Nārāyaṇavarman durch Dharmapāla entsprochen. Doch in den durch einen Boten übermit‑ telten Anliegen sind auch Formulierungs‑ varianten nachweisbar. So heißt es in einer

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weiteren Urkunde von Dharmapāla, dass dieser König vom Vasallen Bhadraṇāga gebeten wurde, Land zugunsten dreier buddhistischer Einrichtungen, die er und seine Gemahlin gegründet hatten, selbst geben zu dürfen: „(…) wünsche ich zu stif‑ ten, wenn der Herr [mir die Erlaubnis] gnädig gewährt.“20 Die dokumentierte Ant‑ wort des Pāla‑ Herrschers lautete: „Durch uns (…) wurde gestattet, diese Ländereien zu geben.“21 Für diesen und einige etwas weniger klare Fälle aus der frühen Pāla‑ Zeit hat Ryosuke Furui vermutet, dass diese Stiftungskonstruktion Ausdruck spezifi‑ scher Machtkonstellationen gewesen sei: „In all these cases, the subordinate rulers seem to have established the religious ins‑ titutions within their own territories, their control over which enabled construction. The villages donated to these institutions were also under their control. (…) Such activities by the subordinate rulers can be interpreted as attempts to encroach legiti‑ mately upon royal authority in the name of pious deeds. Furthermore, the construc‑ tion of religious institutions on a massive scale may have exhibited their power to local residents“.22 Leider fehlen Angaben zur Person des dūtaka für einige der Stiftungen, bei denen genauere Kenntnisse über seine Identität Aufschluss über die Kommunikationska‑ näle geben könnten. Dies ist besonders bedauerlich im Falle der Nālandā‑Kupfer‑ tafel inschrift (→ 3.6.4; 6.6.2) von Dharma‑ pālas Sohn Devapāla, mit der dieser auf eine Nachricht des Herrschers von Suma‑ tra reagierte und zum Stifter von fünf Dör‑ fern zugunsten eines buddhistischen Klos‑ ters wurde. Dort heißt es: „Von Mahā rāja Śrī‑Bālaputradeva, dem Herrscher über Suvarṇadvīpa, wurden wir aus dem Mun‑ de eines Boten [dūtakamukhena] wie folgt informiert: ‚Ich habe in Śrī‑Nālandā ein Kloster errichten lassen‘.“23 Wohl deshalb,

Stifter

weil es sich beim Petenten um einen frem‑ den König und nicht um einen ortsansäs‑ sigen Fürsten handelte, ist dieses Zitat nicht als konkretes Gesuch, sondern nur als Mitteilung formuliert. Aus den Belegen, in denen nicht nur die Namen, sondern auch die Titel der je‑ weiligen am Vollzug des Stiftungsaktes beteiligten Boten angegeben sind, geht hervor, dass – bei allen potentiellen regio‑ nalen Unterschieden – der Posten eines solchen dūtaka meist hochrangig besetzt war. Neben Bezeichnungen für hohe mi‑ litärische Ränge und zivile Ämter finden sich Hinweise darauf, dass oft dem kö‑ niglichen Stifter besonders nahestehende Personen ausgewählt wurden. Wie das Beispiel des Tribhuvanapāla in der Kha‑ limpur‑Urkunde aus dem 9. Jahrhundert gezeigt hat, war gerade auch der jeweilige Kronprinz (yuvarāja) prädestiniert für eine derartige Funktion. Unter den westindi‑ schen Maitrakas scheint sich bereits am Ende des 6. Jahrhunderts die Praxis eta‑ bliert zu haben, einen Prinzen (rājaputra) und vorzugsweise den designierten Nach‑ folger zum amtierenden Boten in königli‑ chen Stiftungsangelegenheiten zu machen. Bemerkenswert sind zwei Urkunden von Dharasena IV., nach deren Aussage im 7. Jahrhundert kurzfristig eine Prinzessin (rājaduhitṛ) als dūtaka agierte.24 Eine noch wichtigere Rolle für die For‑ mulierung des Stifterwillens als der dūtaka spielte der Kanzleibeamte, von dem es in vielen Urkunden heißt, er habe diese ‚ge‑ schrieben‘ (likhita). Dafür, dass es sich bei dem meist namentlich genannten Sekretär nicht einfach um denjenigen handelte, der den Text auf‑ beziehungsweise abschrieb, wie das benutzte Verb suggerieren könnte, sondern vielmehr um denjenigen, der ihn verfasst oder redaktionell bearbeitet hatte, sprechen einige Faktoren. Zum einen ist das Wirken ein und desselben derartigen

Indien

‚Schreibers‘ häufig über mehrere Jahrzehn‑ te belegt.25 Zum anderen zeigen nicht selten diverse angeblich von derselben Person ‚geschriebene‘ Kupfertafelurkunden bemer‑ kenswerte Unterschiede im Schriftstil, die belegen, dass diese Niederschriften eben nicht aus ein und derselben Hand stam‑ men können.26 Nach dem epigraphischen Befund war saṃdhivigrahika (oder eine andere Ablei‑ tung von saṃdhi-vigraha) ein verbreiteter, wenn nicht gar der am weitesten verbreite‑ te Titel für den Verfasser mittelalterlicher Urkunden in vielen Regionen Indiens.27 Die Gründe dafür, warum ein Ressort, welches für das Formulieren von herrscherlichen Stiftungsdokumenten zuständig war, mit dem Kompositum saṃdhi-vigraha bezeich‑ net wurde, das man mit ‚Krieg (vigraha) und Frieden (saṃdhi)‘ übersetzen kann,28 erschließen sich keineswegs auf den ersten Blick. Sie müssen wohl mit den besonderen Intentionen verbunden gewesen sein, die königliche Stifter an ihre Dotationen und deren Beurkundung knüpften. Patrick Oli‑ velle hat auf der Basis einschlägiger Belege aus dem ‚Kauṭilīya‑Arthaśāstra‘ nachge‑ wiesen, dass saṃdhi und vigraha für poli‑ tische Taktiken standen, die mit formalen Verträgen und Erklärungen einhergingen.29 Die Strategien von ‚Ausgleich / Harmonie‘ und ‚Konflikt / Kontroverse‘ spiegeln sich auch in verschiedenen Teilen königlicher Stiftungsurkunden wider: zum einen in den Schilderungen von Auseinanderset‑ zungen mit feindlichen Herrscherhäusern und in den nach einer Auflösung inner‑ dynastischer Widersprüche strebenden Lobpreisungen der eigenen Linie, zum anderen in dem um religiöse Ausgewo‑ genheit bemühten königlichen Stiftungs‑ wesen selbst.30 Beamte, die als Boten oder als Kanzlei‑ sekretäre für fürstliche Stifter tätig waren, erscheinen gelegentlich selbst in der Rolle

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des Stifters. So hatte ein unter den west‑ indischen Maitraka‑Königen im 6. Jahr‑ hundert als dūtaka eingesetzter ‚Torhüter‘ (pratihāra) Mammaka einen Tempel für den Sonnengott errichtet, wie aus einer Urkun‑ de hervorgeht, die eine königliche Stiftung zugunsten dieses Heiligtums bezeugt und für die er persönlich als dūtaka fungierte. Im 7. Jahrhundert zeichnete der ‚oberste Sekretär‘ (divirapati) Skandabhaṭa II. un‑ ter zwei Maitraka‑Königen für deren Stif‑ tungsurkunden verantwortlich. Darüber hinaus tat dieser sich aber auch als Grün‑ der mehrerer buddhistischer und carita‑ tiver Institutionen hervor, die später von den Maitraka‑Königen gefördert wurden: Er hatte ein Mahāyāna‑Kloster und einen der Tārā gewidmeten Schrein errichten sowie einen Teich graben lassen.31 Viele andere Personen dürften in unter‑ schiedlichem Maße auf die eine oder an‑ dere Weise insbesondere dem königlichen Stifter bei der Genese einer Stiftung zur Seite gestanden haben – nicht selten wohl auch, um die Interessen der prospektiven Begünstigten zu berücksichtigen. Die so‑ genannten Adressformeln (→ 2.6.3; 5.6.3) der Kupfertafeln geben einen anschauli‑ chen Überblick über Gruppen potentiell von einem Stiftungsakt ‚Betroffener‘, die von den Details der Dotation vorsorglich in Kenntnis gesetzt wurden. Eindrucks‑ volle Listen enthalten vor allem die Stif‑ tungsurkunden der ostindischen Pāla‑, Candra‑ und Sena‑Herrscher, wobei zu den genannten Personengruppen nicht nur diverse Kategorien von Beamten, sondern auch die am Ort des Stiftungsobjekts an‑ sässigen Bauern gehörten.32 Obwohl die epigraphischen Quellen nur bruchstückhaft Einblick in die Be‑ ziehungsgeflechte um den Stifter gewäh‑ ren, sollen einige aussagefähige Beispiele angeführt werden, um einen Eindruck davon zu vermitteln, welche Einsichten

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aus diesen Texten zu gewinnen sind. In‑ teressant ist in diesem Kontext eine im Gebiet nördlich von Mumbai gefundene Urkunde aus dem Jahr 848 der Śaka‑Ära (926 u. Z.).33 Die Genealogie dieser Kupfer‑ tafelinschrift aus Chinchani beginnt mit der Beschreibung der Rāṣṭrakūṭa‑Dynastie bis zu Herrscher Indra III. (Strophen 5–15), führt dann dessen (arabischen) Vasallen aus dem Tājika‑Geschlecht 34 (→ 3.6.4) na‑ mens Madhumati Sugatipa ein (Strophen 16–20), der die Provinz von Saṃyāna ver‑ waltete, erwähnt darauf den Minister die‑ ses Fürsten namens Puvvaiya (Strophe 21) und beschreibt schließlich den Brahmanen Annaiya, den Stifter eines Tempelkollegs (maṭhikā) in Saṃyāna, als Gefolgsmann des Rāṣṭrakūṭa‑Königs Indra III. und als Freund des Ministers Puvvaiya (Strophe 22).35 Aus der in Prosa verfassten Passage zur aktuellen Landstiftung an das Kolleg geht hervor, dass der Tājika‑Fürst Sugati‑ pa diese auf ein nachdrückliches Gesuch (uparodha) von Annaiya vornahm (hier: Annamaiya), nachdem er seinerseits wie‑ derum das Einverständnis (anumata) von König Indra III., seinem aktuellen Ober‑ herrn, eingeholt hatte.36 Über die Kupferta‑ felurkunde selbst heißt es, sie sei von dem Kanzleibeamten Sugata verfasst worden, und zwar auf Befehl (ājñā) von Tājika Su‑ gatipa, der wiederum von Rāṣṭrakūṭa In‑ dra III. diesbezüglich angewiesen (anujñāta) worden war, sowie mit der Billigung des obersten Steuerbeamten 37 von Saṃyāna. Aus den in dieser Urkunde genannten Stif‑ tungsdetails lässt sich schlussfolgern, dass der Tājika‑Vasall als Stifter von Steuer‑ einnahmen aus Dörfern und Ländereien, die auf dem von ihm verwalteten Gebiet lagen, nicht ohne formelle Zustimmung seines Oberherrschers aus der Rāṣṭrakūṭa‑ Dynastie wirken konnte. Auch hatte er bei einem derartigen Stiftungsakt die für die Steuererhebung zuständigen Beamten zu

Stifter

beteiligen oder zumindest zu konsultie‑ ren. Überdies handelte Tājika Sugatipa auf Bitte eines Brahmanen, der offenbar über ausgezeichnete Beziehungen zum Hofe verfügte und seinerseits als Stifter der zu begünstigenden maṭhikā (→ 9.6.3) bezeichnet wird. Nicht nur die Beziehungen zwischen Oberherren und Vasallen bestimmten das Agieren von Stiftern, auch zwischen Ver‑ tretern derselben Familie oder Dynastie gab es unterschiedliche Beteiligungen an einer Stiftung. Eine in Panhale, südlich von Mumbai, gefundene Urkunde aus dem Śaka‑Jahr 1061 (1139 u. Z.) beschreibt zu‑ nächst den Stammbaum der Śilāhāras von Nord‑Konkan bis zu dem aktuellen Herr‑ scher Aparāditya I. (Strophen 3–29) und stellt dann dessen Sohn Vikramāditya als den Statthalter von Praṇāla (heute Pan‑ hale) vor (Strophe 30).38 In der Stiftungs‑ passage heißt es, Aparāditya I. habe für das Wohlergehen (śreyas; → 7.6.2) seines Sohnes, des Prinzen Vikramāditya, ein Dorf im Praṇāla‑Distrikt an einen Brah‑ manen ‚geben lassen‘ (dāpita).39 An die Beschreibung der Dotationsdetails schließt sich folgender Satz an: „Und durch den klugen, [den Eltern] äußerst zugetanen Śrī‑Vikramādityadeva wurde [das Dorf] für das Wohlergehen von Mutter und Va‑ ter sowie seiner eigenen Person gegeben“ (śrīvikramādityadevena ca matimatā paramabhaktena mātāpitror ātmanaś ca śreyase dattaḥ).40 Am Ende des Inschriftentextes ist es wieder Vikramāditya, der das Do‑ kument als ‚Urkundenaussteller‘ (śāsanadātṛ) autorisiert: „Und genau zu der Form, in der der [Text ist], gibt der Urkunden‑ aussteller durch die Hand des Schreibers seine Zustimmung: ‚Dem, was hier in der Urkunde geschrieben [wurde], stimme ich, der Mahāmaṇḍaleśvarādhipati Śrīmad‑ Vikramāditya deva, Sohn des Śrīmad‑ Aparādityadeva, zu‘.“41 Die Verbalformen

Indien

deuten darauf hin, dass Vikramāditya die Stiftung im von ihm verwalteten Gebiet Praṇāla selbst vornahm. Zudem ließ er die entsprechende Kupfertafelurkunde ausfer‑ tigen. Die ihm übergeordnete Instanz war der eigene Vater und aktuelle Herrscher, der seinen Sohn ‚stiften ließ‘, mit dessen Einverständnis demnach die Dotation er‑ folgte. Bemerkenswert ist jedoch, dass die rituellen Handlungen, die den Stiftungsakt begleiteten, König Aparāditya zugeschrie‑ ben werden: ein zeremonielles Bad im Meer ebenso wie die kultische Verehrung der Götter.42 Die Rolle des Stifters auf eine Person zu beschränken gelingt auch nicht für die Urkunde der Kādamba‑Fürstin Daśāvatī Padmaladevī (→ 3.6.2) aus dem Śaka‑Jahr 1167 (1245 u. Z.), die in Karnataka gefunden wurde. Die Genealogie dieser Inschrift aus Hulgur beginnt mit der Beschreibung der Yādavas bis zu König Siṅghaṇa II. (Stro‑ phen 3–5), über den es heißt, er sei „zum besten Freund der Kādamba‑Fürsten ge‑ worden“,43 von denen Malla sowie des‑ sen Vater vorgestellt werden (Strophen 6–8). Die eigentliche Stiftung aber nahm Padmaladevī, die ‚gekrönte Hauptgemah‑ lin‘ des Malla, vor. Diese Fürstin wird zwar ausführlich über Position und Titel ihres Ehemannes definiert, doch spielt dieser in der weiteren Beschreibung des Geschehens zunächst keine Rolle. Es ist vielmehr davon die Rede, dass Padmaladevī von Yādava Siṅghaṇa II. die Verfügungsgewalt über 300 Dörfer erhalten hatte, zu denen auch das mit dem Fundort Hulgur identische Hulluṃgūru gehörte. Nach Aussage der Urkunde hatte sie in diesem Dorf eine Sta‑ tue des Gottes Prasannakeśava Nārāyaṇa (Viṣṇu) aufstellen lassen und erhielt von Yādava Siṅghaṇa II. dort Land für Grün‑ dung und Ausstattung einer brahmapurī, einer Brahmanensiedlung.44 Die Kādamba‑ Fürstin verwaltete zwar den Distrikt, zu

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dem auch Hulluṃgūru gehörte, musste aber für eine geplante Stiftung in diesem Dorf das betreffende Land erwerben, und zwar in jenem Falle vom Yādava‑König selbst. Anscheinend fügte sie den von Siṅghaṇa erhaltenen Ländereien noch außerhalb von Hulluṃgūru gelegene Objekte aus ihrem eigenen Besitz hinzu, um den „Durst al‑ ler Ahnen ihres Kādamba[‑Geschlechts]“ (svakādambāśeṣapitṛtṛṣṭyartham) zu stillen45 (→ 8.6.2); diese Liegenschaften sind aller‑ dings später nicht mehr erwähnt. Das von Siṅghaṇa II. in Hulluṃgūru bereitgestellte Land wurde von der Stifterin für einzelne Zwecke aufgeteilt, wobei der größte Teil für die Brahmanen, die in der brahmapurī angesiedelt werden sollten, und für den Kult des Gottes bestimmt war. Den Brah‑ manen wurde neben Acker‑ auch Bauland gewährt, wobei sogar die Abmessungen der zu errichtenden Häuser festgelegt sind. Nach diesen Padmaladevī zugeschriebenen Verfügungen endet die Sanskrit‑Stiftungs‑ passage wie folgt: „Padmaladevī (…) über‑ gab den [Begünstigten], nachdem sie diese [mit Geschenken] zufriedengestellt hatte, [die Siedlung mit den Worten:] ‚Durch euch ist diese von beiden Königen gestiftete [ubhaya-rāya-datta] Brahmanensiedlung bis ans Ende des Weltzeitalters zu bewah‑ ren‘.“46 Das Padmaladevī in den Mund ge‑ legte Zitat erweckt den Eindruck, als habe die Fürstin mit der von ihr vollzogenen Stiftung lediglich den Wunsch zweier Kö‑ nige verwirklicht. Der erste dürfte ihr Ehe‑ mann gewesen sein; der zweite, dem so ein Anteil an der Stiftung zugesprochen wur‑ de, war wohl der Yādava‑Oberherrscher Siṅghaṇa II. Dieser könnte als einer der Stifter angesehen worden sein, weil er das betreffende Land zur Verfügung gestellt hatte; in welcher Form dessen ‚Erwerb‘ durch Padmaladevī erfolgte, ist in der Ur‑ kunde nicht spezifiziert. Auch ob der Gat‑ te von Padmaladevī zur Zeit der Stiftung

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noch am Leben war, geht aus der Inschrift nicht hervor. Es könnte sich aber um die Umsetzung seiner letztwilligen Verfügung gehandelt haben. Zahlreiche königliche Stifter nahmen – ganz im Sinne der brahmanischen nor‑ mativen Texte – besondere astrologische Konstellationen zum Anlass für ihre religiösen Dotationen, wie z. B. Sonnen‑ und Mondfinsternisse, die Sommer‑ oder Wintersonnenwende, die Tag‑und‑Nacht‑ Gleiche sowie andere für Landstiftungen empfohlene Termine, und sie suchten zu diesen Zeiten als heilig geltende Orte (tīrtha) auf, die oft an Flüssen oder ande‑ ren Gewässern lagen.47 Doch die Befunde der Stiftungspraxis belegen, dass viele kö‑ nigliche Stifter darüber hinaus bestimm‑ te Orte und Zeitpunkte jenseits dieser Empfehlungen favorisierten. Ähnlich wie im lateinischen Christentum (→ 11.2.2) wurden auch indische Herrscher durch bevorstehende militärische Handlungen zu religiösen Werken angeregt. So stifte‑ ten die Rāṣṭrakūṭa‑Könige nicht nur aus Anlass ihrer eigenen Thronbesteigung (→ 7.6.3) oder der Krönung ihrer Gattin,48 sondern insbesondere auch dann, wenn sie sich auf Kriegszügen befanden.49 Allein 14 Rāṣṭrakūṭa‑Dotationen wurden verfügt, als sich der jeweilige königliche Stifter in einem Heerlager (vijayaskandhāvāra) auf‑ hielt. Nicht in jedem Falle müssen diese temporären Aufenthaltsorte tatsächlich zu militärischen Zwecken aufgesucht wor‑ den sein, aber nicht selten ist dies ganz ausdrücklich festgehalten, wie in einer Urkunde des Rāṣṭrakūṭa‑Königs Kṛṣṇa III. für einen Śaiva‑Asketen: „Als ich [mein] edles Heerlager [vijayakaṭaka] in Melpāṭī aufgeschlagen hatte, um die Provinzen der Südregion zur Lebensgrundlage der [von mir] Abhängigen zu machen, alle Besitztümer der Provinzfürsten zu über‑ nehmen [und] Tempel für Kālapriya,

Stifter

Gaṇḍa mārtaṇḍa, Kṛṣṇeśvara und andere [Götter] zu errichten, stiftete ich“.50 11.6.3  Der Stifter im Sozialgefüge seiner Stiftung Das Repertoire, das einem Stifter im in‑ dischen Mittelalter zur Verfügung stand, um seine Stellung in der Stiftung zu si‑ chern, war anscheinend begrenzter als in anderen Traditionen, in denen man sich auf drei Grundpfeiler seiner dauerhaften Präsenz und der Erinnerung an seine Per‑ son und sein Werk stützen konnte: sei‑ nen Namen, sein Bild und schließlich sein Grab. Eine Grabkultur (→ 8.6.2), die mit der christlichen oder muslimischen ver‑ gleichbar wäre, gab es im vorislamischen Indien nicht. Auch Stifterbilder (→ 6.6.3) spielten im mittelalterlichen Indien keine so prominente Rolle wie im Christentum. Insbesondere an Kultbildern finden sich aber nicht selten Darstellungen kleinerer Figuren, die zuweilen als Stifter gedeutet werden. Vincent Lefèvre beschreibt diese Darstellungen so: „They are almost always small pictures, placed on the pedestal of the image in order to distinguish them from the different celestial characters sur‑ rounding the main deity. The devotion of the portrayed person is expressed by his / her joined hands or the presence of offerings close to him.“51 Hinsichtlich der Bedeutung von Stifterbildnissen kommt er zu folgendem Schluss, der freilich nicht nur auf den indischen Kulturraum anwendbar ist: „[F]or those unable to read the inscrip‑ tion, the sight of the portrait was also a memory of the donation. We could even say that portraiture acted as a sort of vi‑ sual signature.“52 Die Erinnerung an den Stifter stützte sich im mittelalterlichen Indien hauptsäch‑ lich auf den in Inschriften, Urkunden und

Indien

anderen Texten verewigten Stifternamen. Allerdings ist in Hinsicht auf das indische Stiftungswesen eine weitere Besonderheit zu beachten: Auch wenn sich die Wissen‑ schaft ganz überwiegend schriftlicher Text‑ quellen bedienen muss, da die mündliche Überlieferung durch die großen Zäsuren und Brüche in der indischen Stiftungs‑ geschichte in besonderem Maße gestört sein dürfte, kann man angesichts der gro‑ ßen Bedeutung oraler Tradition in Indien im Vergleich zu anderen Regionen nicht zwangsläufig davon ausgehen, dass für die Erinnerung an einen Stifter in den mittel‑ alterlichen Jahrhunderten schriftliche Auf‑ zeichnungen und Bilder eine notwendige Voraussetzung darstellten (→ 11.2.3); sie waren dafür aber sehr förderlich. Für die Quellenlage in Hinsicht auf die Rolle des Stifters im Sozialgefüge seiner Stiftung im mittelalterlichen Indien sind mehrere Spezifika zu berücksichtigen: (1.) Zahlreiche religiöse Institutionen – Klöster, Tempel und auch Brahmanensiedlungen – wurden nach ihren Gründern benannt. (2.) In äußerst vielen Fällen waren die Grün‑ der von Tempeln und Klöstern und die Stifter von Dotationen zum Unterhalt der betreffenden Institution nicht miteinander identisch. (3.) Die große Mehrzahl der vor‑ liegenden Stiftungsdokumente bilden Kup‑ fertafelurkunden, die königliche Dotatio‑ nen zum Unterhalt religiöser Personen und existierender Institutionen dokumentieren. Aus diesen Faktoren ergeben sich einige Unterschiede in Bezug auf die Art und Weise, wie die Erinnerung an die Person des Stifters wach gehalten werden konnte; diese hing wohl auch vom Charakter der Begünstigten ab. Bei Unterhaltsstiftungen dürften die Nennung und die Lobpreisung des Stifters und seiner Familie in der Urkunde selbst das Hauptmedium gewesen sein, mit der dieser Wohltäter seine möglichst dauerhafte

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Vergegenwärtigung zu sichern versuchte, da man – bildlich gesprochen – an diese Stiftungsobjekte (Dörfer und Land) we‑ der im eigentlichen noch im übertragenen Sinne ein ‚Namensschild anheften‘ konnte. Für Stiftungen an Einzelbrahmanen stell‑ te die urkundliche Nennung des Stifters vermutlich sogar das einzige Mittel dar, was aber nicht bedeuteten muss, dass die‑ ses unwirksam blieb. Es gibt Belege dafür, dass zumindest über einige Generationen die Erinnerung an einstige, insbesondere königliche Stifter wachgehalten wurde. In einer Urkunde der Rāṣṭrakūṭas aus Guja‑ rat, die aus dem Śaka‑Jahr 789 (867 u. Z.) datiert, schließt sich an die Genealogie der Rāṣṭrakūṭa‑Hauptlinie und ihrer Seitenlinie von Gujarat die Beschreibung von drei Ge‑ nerationen einer lokalen Brahmanenfami‑ lie an. Über den Großvater Ḍhoḍḍhi heißt es, er habe einst, wohl etwa 30 Jahre zuvor, ein Dorf von Fürst Dhruvarāja I. erhalten. Dessen Enkel Dhruvarāja II. stiftete im Jahr 867 u. Z. zugunsten von Jojibhā, Ḍhoḍḍhis Enkel, noch ein Dorf.53 Man kann vermuten, dass diese Brahmanenfamilie das Anden‑ ken an den einstigen fürstlichen Stifter nicht nur uneigennützig pflegte, sondern durch Rekurs auf ihre Beziehung zum Fürs‑ tenhaus auf spätere Zustiftungen hoffte. Klöster, Tempel und Brahmanensiedlun‑ gen wurden oft, doch nicht durchgängig nach ihrem jeweiligen Gründer benannt.54 Häufig ist die Errichtung einer solchen Institution aber nicht aus einer eigenen Stifterinschrift bekannt, sondern aus einer sekundären Stiftungsurkunde, die Dotatio‑ nen für deren Unterhalt dokumentierte und aus stifterlicher Sicht formal Zustif‑ tungen bezeugte. Zeitlich und personell am engsten war die Verbindung zwischen Gründung und Unterhaltsstiftung bei spe‑ ziellen Brahmanensiedlungen (brahmapura oder brahmapurī). Ein einschlägiges Bei‑ spiel liefert eine Yādava‑Urkunde aus dem

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Śaka‑Jahr 1232 (1310 u. Z.), die in Purshot‑ tampuri (in Maharashtra) gefunden wor‑ den ist. Darin wird zunächst berichtet, dass der Yādava‑König Rāmacandra seinem Va‑ sallen Puruṣaināyaka alias Puruṣottama für dessen geplante Gründung einer Brah‑ manensiedlung vier Dörfer und neun Wei‑ ler gewährt hatte.55 Puruṣottama wiederum bestimmte, dass 83 namentlich aufgeführte Brahmanen in diesem agrahāra leben soll‑ ten und für welche Zwecke die Stiftung zu nutzen war. Nach Nennung der Grenzen dieser Brahmanensiedlung ist die Beschrei‑ bung der Stiftungsdetails folgendermaßen abgeschlossen: „So wurde der durch vier Grenzen definierte agrahāra gegründet, dessen anderer Name Puruṣottamapura ist.“56 Dem von Puruṣaināyaka alias Pu‑ ruṣottama gestifteten Dörferkonglomerat wurde also, wie es häufiger bei Gründun‑ gen von Brahmanensiedlungen geschah, ein neuer Name verliehen. Die Benennung erfolgte – ebenfalls keinesfalls unüblich – nach dem unmittelbaren Stifter.57 Bemer‑ kenswert ist jedoch, dass sich die neue Bezeichnung, wie der Name des Fundortes Purshottampuri belegt, bis in die Gegen‑ wart erhalten hat.58 In vielen Kupfertafelurkunden ist aller‑ dings nur indirekt festgehalten, dass das mit einer Stiftung bedachte buddhistische Kloster beziehungsweise der durch eine Dotation unterstützte hinduistische oder jinistische Tempel von einer bestimmten Person gegründet (kārita oder pratiṣṭhāpita; → 1.6.3) worden sei. Die durch eine könig‑ liche Unterhaltsstiftung begünstigte reli‑ giöse Institution musste nicht nach ihrem einstigen Gründer oder ihrer Gründerin benannt sein. Mitunter erfolgte die Benen‑ nung nach der Person, der ein Stifter die von ihm gestiftete Einrichtung gewidmet beziehungsweise das religiöse Verdienst (puṇya) aus selbiger zugesprochen hatte (→ 7.6.2; 8.6.2), oder auch nur nach dem

Stifter

Ort, an dem sich die Baulichkeit befand, oder nach der Gottheit, der ein Tempel gewidmet war. Zudem scheint es je nach Art der Begünstigten Unterschiede gege‑ ben zu haben. So wurden beispielsweise nur zwei der fünf hinduistischen Tempel, zu deren Gunsten die Könige der westin‑ dischen Maitraka‑Dynastie nachweislich Urkunden ausstellen ließen, über ihren Stifter definiert. Im Unterschied dazu tru‑ gen fast alle der mindestens 16 in Maitra‑ ka‑Urkunden erwähnten buddhistischen Klöster den Namen ihres einstigen Stifters oder ihrer Stifterin.59 Die Beziehung zwischen buddhisti‑ schen Klöstern und ihren Stiftern scheint im indischen Altertum und Frühmittel‑ alter auf eine Weise gepflegt worden zu sein, wie sie für Institutionen anderer religiöser Richtungen nicht nachweisbar ist. In kanonischen buddhistischen Texten taucht der Begriff vihārasvāmin, ‚Kloster‑ herr‘, auf, und außer dem Maskulinum erscheint in Inschriften auch das Femini‑ num vihārasvāminī. Denkbare Pendants wie etwa ‚Tempelherr‘ (*devakulasvāmin) oder ähnliche Termini sind hingegen nicht belegt. Verweise auf solche ‚Klosterherren‘ finden sich vor allem in Quellen aus dem Nordwesten des Subkontinents, wie etwa in einer Steininschrift aus der Herrschaftszeit des Hūṇa‑Königs Toramāṇa, der am Ende des 5. und zu Beginn des 6. Jahrhunderts über einige Gebiete Nord‑ und Westin‑ diens regierte. In der in Kura, auf dem Territorium des heutigen Pakistan, ent‑ deckten Steininschrift, die die Errichtung eines buddhistischen Klosters bezeugt, werden der Gründer dieses vihāra, der Roṭasiddhavṛddhi hieß, als vihārasvāmin und dessen Vater Roṭṭajayavṛddhi60 sogar als anekavihārasvāmin, ‚Herr vieler Klöster‘ (→ 8.6.2), bezeichnet.61 Weder aus diesem noch aus anderen epigraphischen Bele‑ gen für vihārasvāmin und vihārasvāminī

Indien

geht hervor, ob es sich dabei lediglich um Bezeichnungen für Klosterstifter handel‑ te oder ob damit noch weiter reichende Implikationen verbunden waren. Gregory Schopen vertritt die Ansicht, dass Träger dieses Titels „owners of monasteries with obligations for their maintenance“ waren.62 Es ist durchaus wahrscheinlich, dass es sich bei einem vihārasvāmin um eine be‑ sondere Form von (Laien‑)Stifter handelte, der gewisse Verpflichtungen zum Unterhalt der von ihm gestifteten Institution einge‑ gangen war. Fraglich ist jedoch, ob dieses besondere Verhältnis zwischen dem Stifter und ‚seinem‘ Kloster mit ‚ownership‘ ad‑ äquat umschrieben ist. Auffällig ist auch, dass epigraphische Belege für vihārasvāmin nach dem 6. Jahrhundert seltener werden. Marlene Njammasch hat bereits in ei‑ nem 1970 veröffentlichten Aufsatz auf einen möglichen Zusammenhang zwischen dem Begriff vihārasvāmin und dem ebenfalls epigraphisch belegten Kompositum svavihāra hingewiesen, den man mit ‚eigenes Kloster‘ übersetzen kann.63 Im Kontext einer interkulturell‑vergleichenden En‑ zyklopädie zum Stiftungswesen kommt der Frage, ob es in Indien ein dem christ‑ lichen ‚Eigenkloster‘ (→ 4.2.2; 4.5.1) ver‑ gleichbares Phänomen gegeben hat, spe‑ zielle Bedeutung zu. Inschriftliche Belege für den Gebrauch des Begriffs svavihāra geben nur indirekte Hinweise. In einer Urkunde, die im südindischen Karnataka gefunden worden ist und aus dem 6. Jahr‑ hundert stammt, heißt es, dass der Bhoja‑ König Aśaṅkitarāja auf Bitte des Kaikeya‑ Fürsten Kottipeggili ein Dorf „zum Zwe‑ cke der Versorgung des eigenen Klosters“ (svavihāraparibhogārtham) gestiftet habe.64 Es ist nicht klar, ob sich sva hier auf den Bhoja‑König oder auf den Kaikeya‑Fürs‑ ten bezieht; angesichts des Gesuchs von Kottipeggili kann man aber davon ausge‑ hen, dass er es war, der das Kloster gestiftet

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hatte. Der Ausdruck svavihāra könnte als eine Kurzform für svakāritavihāra, ‚selbst gebautes Kloster‘, oder svapratiṣṭhāpitavihāra, ‚selbst errichtetes Kloster‘, stehen.65 Derartige Verkürzungen finden sich auch bei echten Benennungen nach dem Stifter oder der Stifterin. So ist für ein berühm‑ tes Mönchskloster in Gujarat, das von der buddhistischen Laiin Duḍḍā in der Stadt Valabhī gegründet wurde, sowohl die Be‑ zeichnung duḍḍākāritavihāra, ‚von Duḍḍā gebautes Kloster‘, als auch die verkürzte Form duḍḍāvihāra, ‚Duḍḍā‑Kloster‘, über‑ liefert.66 Hinduistische Kultbilder (in an‑ thropomorpher und anikonischer Form) und die dazugehörigen Heiligtümer wur‑ den häufig mit Komposita benannt, deren erstes Glied der Name des Stifters und deren zweites Glied eine Bezeichnung des Gottes bildete.67 Auch wenn Kupfertafelurkunden die große Mehrzahl der aus dem Mittelalter vorliegenden Stiftungsdokumente bilden, dürften Steininschriften eine besondere Rolle für die Erinnerung an den oder die Stifter gespielt haben, da sie in situ an‑ gebracht waren. Wie die Fundumstände belegen, sind Kupfertafelinschriften oft Bodenfunde, d. h. sie wurden nicht selten zur sicheren Aufbewahrung vergraben. Wann genau nach einer Stiftung dies ge‑ schah, ist nicht bekannt. Im Unterschied dazu wurden Steininschriften an Tempel‑ oder Klosterwänden sowie auf Pfeilern und Steinplatten angebracht, so dass von vorn‑ herein eine größere Sichtbarkeit gewähr‑ leistet war. Da Brahmanen weniger häufig in Steinschriften denn in Kupfertafeln als Begünstigte erwähnt sind, ist damit zu rechnen, dass Personen, die an religiöse Institutionen stifteten, im kulturellen Ge‑ dächtnis stärker präsent waren als solche, die Brahmanen ohne Tempelbezug förder‑ ten, zumal auch die Sakralbauten selbst eine Memorialwirkung entfaltet haben

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dürften. Die erfolgreiche Vergegenwär‑ tigung der Stifter (→ 11.2.3) von Tempeln und Klöstern sowie derjenigen, die deren dauerhaften Unterhalt durch Dotationen gesichert hatten, war vermutlich auch för‑ derlich für Zustiftungen durch Verwand‑ te, Amtsnachfolger und andere potentiell Interessierte. Am wirksamsten war dieser Effekt wohl in den ersten Jahr(zehnt)en nach einer Stif‑ tung. So erfasst eine in Sanskrit geschrie‑ bene Steininschrift aus Mardi im Süden Maharashtras die Stiftungsaktivitäten lo‑ kaler Eliten zugunsten eines śivaitischen Heiligtums. Insgesamt sind fünf separate Stiftungen dokumentiert, die sich über ei‑ nen Zeitraum von über 30 Jahren, von etwa 1180 bis 1212 u. Z., erstrecken.68 So wird berichtet, dass (1.) der Brahmane Deveśa Yogeśvara den Yogeśvaradeva (Śiva) in Gavareśvarapura, im Südosten der Stadt Mārūḍhi (heute Mardi), hatte aufstellen lassen und im fünften Herrschaftsjahr des Kaḷacurya‑Herrschers Saṅkamadeva zwei Landstücke in der Stadt Mārūḍhi für den Kult des Yogeśvaradeva stiftete. Weiterhin heißt es, dass (2.) der Tempelverantwort‑ liche Dharma sāyaka Dhoyipaiyanāyaka einen Hain im Süden von Gavareśvarapura kaufte und für die Verehrung des Gottes stiftete. Ferner vergab (3.) im vierten Regie‑ rungsjahr des Yādava‑Königs Bhillama V. der Sohn des bereits erwähnten Deveśa Yogeśvara die Hälfte eines Feldes in einem Dorf im Distrikt von Mārūḍhi für den Kult und für Reparaturen am Schrein des Yogeśvaradeva. Die zweite Hälfte dieses Feldes war offenbar einem weiteren (Kult‑ bild namens) Yogeśvaradeva in einem an‑ deren Dorf zugedacht. Außerdem stiftete (4.) während der Herrschaft von Yādava Jaitugideva ein Mann namens Jaitasiṃha wieder Land für den Yogeśvaradeva von Mārūḍhi. Schließlich erfolgte (5.) eine Zu‑ stiftung im 13. Regierungsjahr von Yādava

Stifter

Siṅghaṇa II., das hier mit dem Śaka‑Jahr 1134 (1212 u. Z.) gleichgesetzt wird. Zur Win‑ tersonnenwende übergab Vikramapālarāja eine Ölmühle in der Stadt Mārūḍhi für den Unterhalt ewiger Lämpchen des Yogeśvara‑ deva in der Stadt.69 Fünf verschiedene Pri‑ vatpersonen stifteten demnach im Verlauf von mindestens drei Jahrzehnten und unter unterschiedlichen Königen für Yogeśvara beziehungsweise dessen Schrein. 11.6.4  Der Stifter: Vergessen, verdrängt, wieder entdeckt – und fingiert Da für viele mittelalterliche indische Grün‑ dungen und Dotationen nur eine Stiftungs‑ urkunde vorliegt, doch sämtliche Quellen fehlen, die etwas über die weitere Geschich‑ te der Stiftungen aussagen könnten, wird es hier nur möglich sein, einige der wenigen Beispiele zu erwähnen, denen man Infor‑ mationen zu vergessenen, verdrängten und wieder entdeckten sowie fiktiven Stiftern entnehmen kann. Wenn für einen Stiftungskomplex meh‑ rere Zeugnisse aus unterschiedlichen Zei‑ ten vorliegen, wird mitunter deutlich, dass sich die Sicht auf den oder die Stifter än‑ dern konnte. So ist in Chinchani nicht nur die Kupfertafelurkunde des Tājika‑Vasallen Madhumati Sugatipa aus dem Śaka‑Jahr 848 (926 u. Z.) entdeckt worden (→ 11.6.2), sondern es wurden insgesamt fünf Urkun‑ den gefunden, deren Datierungen bis in das Śaka‑Jahr 975 reichen (1053 u. Z.). Diese Do‑ kumente wurden wohl gemeinsam aufbe‑ wahrt, weil sie alle im Zusammenhang mit einer maṭhikā der Göttin Daśamī standen. Die Inschrift aus dem Jahr 926 berichtet zu‑ nächst in einer Strophe, dass der Brahmane Annaiya alias Annamaiya das Kolleg ge‑ gründet habe.70 Bereits in einer Strophe am Ende der Urkunde wird die Kollegstiftung

Indien

nicht allein Annaiya, sondern auch zwei weiteren Personen zugeschrieben, die bis dahin nicht erwähnt wurden: „Annaiya, Revaṇa und Kautuka, alle [drei] zusam‑ men, mögen durch dieses die drei Welten erobernde Werk wegen der Gnade der Göt‑ tin auf dem herrlichen Götterberg ansässig sein.“71 In den vier jüngeren Urkunden aber wird die maṭhikā stets und ausschließlich als alleiniges Werk des Kautuka bezeich‑ net.72 Bei Kautuka könnte es sich um den einstigen Hauptstifter des Tempelkollegs der Daśamī gehandelt haben. Dies mag in der frühesten bekannten Urkunde deshalb in den Hintergrund getreten sein, weil die darin bezeugte fürstliche Stiftung eines Dorfes und eines Landstücks auf Gesuch von Annaiya / Annamaiya erfolgte.73 Nach einigen Jahrzehnten wurde die maṭhikā nur noch mit Kautuka assoziiert. Seine bei‑ den Mitstreiter beziehungsweise Mitstifter waren offenbar in Vergessenheit geraten.74 Ein solches Schicksal dürfte Stiftergrup‑ pen nicht selten ereilt haben, zumal man eine Stiftung nur schwer nach mehreren Stiftern benennen konnte. Ebenso wie Stifter vergessen oder die Erinnerung an sie verdrängt werden konn‑ te, tauchen schriftliche Hinweise auf be‑ stimmte Stifterpersönlichkeiten mitunter erst nach deren Tod auf. Interessante Be‑ lege zu diesem Phänomen stehen im Zu‑ sammenhang mit der Tempelanlage von Ellora in Maharashtra (→ 6.6.2), und zwar mit deren jüngsten hinduistischen Tem‑ peln, dem Daśāvatāra‑Höhlentempel und dem Kailāsanātha‑Felsentempel, die wohl beide im 8. Jahrhundert entstanden sind. Über dem Fenster an einer Innenwand des Pavillons vor der Dasāvatāra‑Höhle befindet sich eine Sanskrit‑Inschrift, die den Rāṣṭra kūṭa‑König Dantidurga, der um die Mitte des 8. Jahrhunderts regiert hatte, mit diesem Tempel in Verbindung bringt. Diese Inschrift wurde aber wohl

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erst im 9. Jahrhundert, unter Rāṣṭra kūṭa Amoghavarṣa I., vor Ort eingraviert. Auch über den Bau des berühmten freistehen‑ den Kailāsanātha‑Tempels von Ellora be‑ richtet dessen angeblicher Auftraggeber, der im dritten Viertel des 8. Jahrhunderts regierende Kṛṣṇa I., der Nachfolger von Dantidurga, in keiner seiner (bekannten) Inschriften. Erst ein halbes Jahrhundert später wird dieser stifterliche Akt Kṛṣṇa I. zugeschrieben, und zwar durch einen An‑ gehörigen der Rāṣṭrakūṭa‑Seitenlinie von Gujarat in einer seiner Urkunden.75 Eine wichtige Quelle für Untersuchun‑ gen zu verschiedenen Formen der Rezep‑ tion einstiger Stifter stellt die – in Indien allerdings nicht sehr reiche – Chronik‑ literatur dar. So bietet Kalhaṇa, der im 12. Jahrhundert die kaschmirische Chro‑ nik ‚Rājataraṅginī‘ verfasste, darin unter anderem einen Bericht über die Kārkoṭa‑ Dynastie, die vom 7. bis 9. Jahrhundert in Kaschmir herrschte. Nach Kalhaṇas Aussage hatten Könige dieser Dynastie diverse Viṣṇu‑Statuen aufstellen und Schreine beziehungsweise Tempel für die Götterbilder errichten lassen: König Durlabhavardhana soll beispielsweise ein als Durlabhasvāmin bezeichnetes Heilig‑ tum gestiftet haben, König Lalitāditya Muktā pīḍa den Muktasvāmin 76 sowie den Muktākeśava und die Königinmutter Amṛtaprabhā den Amṛta keśava usw.77 Auch Gründungen buddhistischer Klöster werden von Kalhaṇa mehreren Angehöri‑ gen der Kārkoṭa‑Dynastie zugeschrieben, wie z. B. ein Prakāśikāvihāra der Königin Prakāśadevī.78 Kalhaṇa sah nach eigenem Bekunden für seine Chronik Dokumente über die Gründung (religiöser) Baulichkei‑ ten durch frühere Könige ein, um die Fehler seiner Vorgänger zu tilgen, und die daraus resultierenden Erkenntnisse ließ er in sein Werk einfließen.79 Deshalb kann man mit gewisser Berechtigung durchaus von der

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Wiederentdeckung königlicher Stifterper‑ sönlichkeiten durch den kaschmirischen Historiker sprechen. Da sich bedauerli‑ cherweise keine epigraphischen Zeugnis‑ se aus der Herrschaftszeit der Kārkoṭa‑ Dynastie erhalten haben, können Kalhaṇas Ausführungen nicht überprüft werden. So ist keinesfalls auszuschließen, dass einige Stifter aufgrund der Quellenlage vergessen oder durch Kalhaṇas Ordnung des Mate‑ rials verdrängt wurden. Insbesondere seine Angaben zur Vor‑Kārkoṭa‑Zeit gelten als recht unsicher,80 weshalb man vermuten muss, dass sich auch der ein oder andere vermeintliche Stifter fälschlicherweise in seiner Auflistung findet. Eine ähnliche Bedeutung wie Kalhaṇas ‚Rājataraṅginī‘ und spätere Chroniken für Kaschmir haben chinesische Pilger‑ berichte und tibetische Geschichtswerke zum indischen Buddhismus für den Os‑ ten Indiens, insbesondere für Bihar und Bengalen. Der Pilger Xuanzang, der die berühmte Klosterakademie von Nālandā in der ersten Hälfte des 7. Jahrhunderts besuchte, als noch nicht alle der heute nachweisbaren Wohnbauten existierten, berichtet von insgesamt sechs Klöstern (hier: saṃghārāma), die allesamt Stiftun‑ gen von Königen gewesen sein sollen; zu ihnen könnten auch einige Gupta‑Herr‑ scher des 5. / 6. Jahrhunderts gehört ha‑ ben: „After the Nirvāṇa of Buddha an old king of this country called Śakrāditya (…) built this convent. After his decease his son Budhagupta‑rāja (…) built, towards the south, another Saṅghārāma. Then his son (successor) Tathāgata‑rāja built a Saṅghārāma to the eastward. Next, his son (…) Bālāditya built a Saṅghārāma to the north‑east. (…) His son Vajra suc‑ ceeded and built another Saṃghārāma to north. After him a king of Mid‑India built by the side of this another Saṅghārāma. Thus six kings in connected succession

Stifter

added to these structures.“81 Diese sehr idealtypisch anmutende Beschreibung lässt allerdings einige Zweifel an der His‑ torizität der aufgeführten Herrscher und insbesondere an deren Rolle als Stifter aufkommen. Mit zum Teil sehr viel größerem zeit‑ lichem Abstand schrieben tibetische Au‑ toren ihre Werke über die Geschichte des indischen (und tibetischen) Buddhismus: Bu‑ston 82 im Jahr 1322 und Tāranātha 83 im Jahr 1608. Insbesondere im Bericht des Tāranātha sind nachweislich einige Feh‑ ler zu den Klostergründungen der Pāla‑ Könige enthalten, die in Ostindien vom 8. bis 12. Jahrhundert herrschten. Diese Ungenauigkeiten scheinen partiell damit zusammenzuhängen, dass Tāranātha die richtige Abfolge der frühen Pāla‑Herrscher offenbar nicht bekannt war. So bezeichnet er Dharmapāla als Stifter des berühmten Klosters Vikramaśīla und schreibt dem Devapāla die Gründung der Klosteran‑ lagen von Somapura und Trikaṭuka zu.84 Dies ist damit zu erklären, dass er die Re‑ gentschaft des Devapāla, der tatsächlich Sohn und Nachfolger von Dharma pāla war, vor dessen Herrschaftszeit ansetzt. Wie Alexis Sanderson ganz überzeugend gezeigt hat,85 gibt es zu diesen drei Bei‑ spielen weitere Quellen, die eine andere Zuordnung sehr wahrscheinlich machen. An der in Paharpur in Bangladesch gele‑ genen Ausgrabungsstätte von Somapura 86 wurde ein Terrakotta‑Siegel mit folgender Inschrift gefunden: śrīsomapure śrīdharmapāladevamahāvihāre, „im Großkloster des Śrī‑Dharmapāladeva in Somapura“.87 Im Falle von Trikaṭuka 88 behauptet ein bud‑ dhistischer Autor, er habe sein Werk dort während der Herrschaft und unter dem Patronat von Dharmapāla verfasst.89 In einem weiteren Text ist erwähnt, dass das Kloster mit Namen Vikrama – eine auch anderweitig belegte Kurzform für

Indien

Vikramaśīla,90 das mit der archäologischen Stätte von Antichak91 in Bihar identifiziert wird – von Devapāla errichtet worden sei.92 Zu den Belegen für völlig fiktive Stif‑ ter müssen solche Stiftungen gezählt wer‑ den, denen man einen göttlichen Ursprung

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nachsagte, wie etwa die Gründung einer Brahmanensiedlung in Kolhapur in Süd‑ Maharashtra, die nach Aussage einer Ur‑ kunde aus dem 12. Jahrhundert auf den Schöpfergott Brahman persönlich zurück‑ gehe.93 AS

Anmerkungen 1  Kane, History of Dharmaśāstra, Bd. 2.2 (1941), punaḥ // dānārhau deśakālau tau syātāṃ śreṣṭhau

843. In diversen Anthologien (nibandha) zu dāna (→ 5.6.2) finden sich entsprechende Ausführun‑ gen, die einem Autor namens Devala zugeschrie‑ ben werden; vgl. z. B. The Dānakāṇḍa („Book on Gifting“) of the Kṛtyakalpataru. A Critical Edition and Annotated Translation. Ed. und übers. David James Brick. Diss. phil. Austin 2009, 87 (Überset‑ zung); 289 (Text), Strophe 1.11: dātā pratigrahītā ca śraddhā deyaṃ ca dharmayuk / deśakālau ca dānānām aṅgāny etāni ṣaḍ viduḥ //. 2 Ebd., 87 (Übersetzung); 289 (Text), Strophe 1.12: apāparogī dharmātmā ditsur avyasanaḥ śuciḥ / anindyājīvakarmā ca ṣaḍbhir dātā praśasyate //. 3 Śraddhā bedeutet ‚Vertrauen, Treue; Glaube‘; vgl. Mylius, Wörterbuch Sanskrit‑Deutsch (1975), 490. Im Kontext von dāna wird der Begriff so erklärt: „Übergroße Freude mit einem heiteren Gesichtsausdruck usw. immer beim Anblick von Bittstellern sowie Wohltätigkeit und Neidlosigkeit – das heißt dann śraddhā.“ Vgl. z. B. Dānakāṇḍa. Ed. Brick (wie Anm. 1), 87 (Übersetzung); 289 (Text), Strophe 1.14: saumukhyādyabhisaṃprītir arthināṃ darśane sadā / satkṛtiś cānasūyā ca tadā śraddheti kīrtyate //. Zu śraddhā in dāna‑Texten vgl. auch Köhler, Śrad‑dhā ([1948,] ND 1973); P. Hacker, Śraddhā (1963, ND 1978); Hara, Two Sanskrit Reli‑ gious Terms (1963/1964); Jamison, Sacrificed Wife (1996), 176–184; Heim, Theories of the Gift (2004), 45–53; Einleitung zu: Dānakāṇḍa. Ed. Brick (wie Anm. 1), 1–84, hier 36–42. 4  Generell heißt es: „Der beste, für das Geben passende Ort und [der beste, dafür günstige] Zeit‑ punkt sind [dort und dann], wo oder wann ein Gut schwer zu erlangen [ist]; kein anderer.“ Vgl. z. B. ebd., 87 (Übersetzung); 289 (Text), Strophe 1.16: yatra yad durlabhaṃ dravyaṃ yasmin kāle ʼpi vā

na cānyathā //. Die Empfehlungen der normativen Texte zu den für Stiftungen günstigen Terminen sind weitaus umfangreicher als die zu den pas‑ senden Orten; vgl. ebd., 55 f. 5 Ebd., 20. 6 Ebd., 30. 7 Ebd., 19. 8 Ebd., 32 f.; 53. 9 Ebd., 11. 10  Schmiedchen, Untersuchungen (1994), 14. 11  Wenn mittelalterliche indische Herrscher Dörfer und Ländereien vergaben, so taten sie dies wohl nicht als etwaige Obereigentümer über alles Land in ihrem Reich, sondern als Inhaber der Steuerhoheit über diese Territorien. Die Dif‑ ferenzierung zwischen Kron‑ und königlichem Privatvermögen ist nicht immer klar. Es gibt jedoch Belege dafür, dass Könige auch Land‑ stücke aus ihrem persönlichen Besitz stifteten oder Land für eine Stiftung kauften und dann vergaben. 12  Einleitung zu: Dānakāṇḍa. Ed. Brick (wie Anm. 1), 55. 13  Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 460–485. Die 72 Urkunden sind RāUr 1 f.; 4–16; 18–73; 75. Bitten – mitunter auch anders als mit vijñāpanayā / vijñāpanena formuliert – sind erwähnt in RāUr 8–10; 24–26; 28; 32; 36; 39 f.; 46; 53; 65. In RāUr 8 wird auf die ‚Wünsche‘ von insgesamt drei Personen Bezug genommen. 14  Ebd., 460–485; siehe insbesondere RāUr 1; 18; 49; 55; 65. 15  Anjanavati Plates of Govinda III; Saka Year 722. Ed. V. V. Mirashi / L. R. Kulkarni, in: Epigraphia Indica 23, 1935/1936, 8–18, bes. 17, Z. 53 f. Vgl. auch

436 Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 466, RāUr 21. 16  Inscriptions of Orissa, Bd. 2: Inscriptions of the Bhauma‑Karas. Ed. Snigdha Tripathy. Delhi 2000, Nr. 7–8, 11–14. 17  Sircar, Indian Epigraphical Glossary (1966), 104. 18  Für die Gurjaras vgl. Inscriptions of the Ka‑ lachuri‑Chedi Era. Ed. Vasudev Vishnu Mirashi, Bd. 1. (CII 4.1.) Ootacamund 1955, 57–66, Z. 50 f.: likhitaṃ sandhivigrahādhikaraṇādhikṛtareveṇa svamukhājñayeti //. 19  Khalimpur Plate of Dharmapaladeva. Ed. Franz Kielhorn, in: Epigraphia Indica 4, 1896/1897, 243–254, bes. 250, Z. 49–52: mahāsāmantādhipatiśrīnārāyaṇavarmaṇā dūtakayuvarājaśrītribhuvanapālamukhena vayam evam vijñāpitaḥ yathā ʼsmābhir (…) puṇyābhivṛddhaye (…) devakula[ṃ] kārita[n] tatra pratiṣṭhāpitabhagavann[u]nnanārāyaṇabhaṭṭārakāya (…) pūjopasthānādikarmaṇe caturo grāmān (…) dadātu deva iti /. 20 Indian Museum Copper Plate Inscription of Dharmapala, Year 26: Tentative Reading and Study. Ed. Ryosuke Furui, in: SAS 27.2, 2011, 145– 156, bes. 154, Z. 66: pratipādayitum icchāmi / yadi bhaṭṭārakapādāḥ prasādīkurvantīti /. 21 Ebd., 154, Z. 67: asmābhir etā bhūmayo dātum anumoditāḥ. 22 Siehe den Kommentar ebd. 150–152, hier 151. 23 The Nalanda Copper‑Plate of Devapalade‑ va. Ed. Hirananda Sastri, in: Epigraphia Indica 17, 1923/1924, 310–327, bes. 322, Z. 37 f. 24 Additional Valabhī Grants: No. XII. – A Grant of Dharasena IV. Ed. Georg Bühler, in: IA 7, 1878, 73–75; Valabhi Inscriptions, No. XVIII: A New Grant of Dharasena IV. Ed. Ders., in: IA 15, 1886, 335–340. 25 Z. B. Einleitung zu: The Inscriptions of the Maitrakas of Valabhī. Texts, Translations, Glossa‑ ry. Ed. Annette Schmiedchen. Wiesbaden 2016, 1–63, hier 6–11. Für die Maitrakas ist ab dem 7. Jahr‑ hundert eine Tendenz zur Vererbbarkeit dieses Amtes nachweisbar. 26 Vgl. z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 167 f., Anm. 596. Mitunter wechseln sich sogar innerhalb einer Urkunde verschiedene ‚Handschriften‘ ab; vgl. ebd., 20, Anm. 24. 27 Einicke, Korrektur, Differenzierung und Ab‑ kürzung (2009), 446–448.

Stifter

28 Das ist zumindest die traditionelle Überset‑

zung dieses Begriffs; vgl. Sircar, Indian Epigra‑ phical Glossary (1966), 295: „sandhivigrahika (…) minister for peace and war“. Diese Übersetzung hat sogar zu der Interpretation des betreffenden Ressorts als „ministry of foreign affairs“ geführt; vgl. ebd., 295. 29 Olivelle, War and Peace (2011), 131 f.; 134–137; 139. 30 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 189 f. 31 Inscriptions of the Maitrakas. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 25), Nr. 6; 71; 75; 76. 32 Furui, Rural Society and Social Networks (2007), 329–334. 33 Rashtrakuta Charters from Chinchani: 1. Grant of the time of Indra III, Śaka 848. Ed. Dinesh Chandra Sircar, in: Epigraphia Indica 32, 1957/1958, 45–55. 34 Zur Bezeichnung tājika als einer vom mit‑ telpersischen Wort tāzik abgeleiteten Bezeich‑ nung für ‚Araber‘ vgl. Pingree, Sanskrit Evidence (1981/1982); Sundermann, Early Attestation (1993). 35 Rashtrakuta Charters. Ed. Sircar (wie Anm. 33), 51–53. 36 Ebd., 53, Z. 27–39. 37 Ebd., 54 f., Z. 60–63. Zur Beamtenbezeich‑ nung dhruva vgl. Sircar, Indian Epigraphical Glos‑ sary (1966), 96: „[a collector of] the fixed royal share of grain“. 38 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Vasudev Vishnu Mirashi. (CII 6.) Delhi 1977, 133–142, bes. 135–139 (Text); 139–142 (Übersetzung), Nr. 23. 39 Ebd., 138, Z. 61–72. 40  Ebd., Z. 72 f. 41  Ebd., 139, Z. 90–92: yathā caitad evaṃ tathā śāsanadātā lekhakahastena svamatam āropayati tad yathā mataṃ mama mahāmaṃḍaleśvarādhipatiśrīmadvikramādityadevasya śrīmadaparādityadevasūnor yad atra śāsane likhitaṃ //. 42  Ebd., 138, Z. 64–66. 43  Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 373. 44  Ebd., 391. 45  Ebd., 392, Anm. 305. 46  Ebd., 394. 47  Kane, History of Dharmaśāstra, Bd. 2.2 (1941), 851–854; Einleitung zu: Dānakāṇḍa. Ed. Brick (wie Anm. 1), 1–84, hier 53–56.

Indien

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48  Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ des 7. Jahrhunderts aus Andhra Pradesh; vgl. Hyde‑ giöses Patronat (2014), 460–485, RāUr 60–64; 67; 69.

49  Ebd., RāUr 7–9; 11; 15; 19–21; 23; 25; 32; 39;

47; 72 f. 50 Karhad Plates of Krishna III.; Saka‑Samvat 880. Ed. R. G. Bhandarkar, in: Epigraphia Indica 4, 1896/1897, 278–290, bes. 285 f., Z. 57–63. 51 Lefèvre, Portraiture in Early India (2011), 35. 52 Ebd., 46. 53 Schmiedchen, Herrschergenealogie und religi‑ öses Patronat (2014), 185 f. Zur weiteren Geschichte des zuerst gestifteten Dorfes vgl. aber ebd., 187. 54 Zu Beispielen aus Süd‑ und Südostasien vgl. Sanderson, Śaiva Age (2009), 54; 60 f.; 73; 75 f.; 78; 85; 118. 55 Purshottampuri Plates of Ramachandra: Saka 1232. Ed. Vasudev Vishnu Mirashi, in: Epigraphia Indica 25, 1939/1940, 199–225. 56 Ebd., 218, Z. 117: evaṃ caturāghāṭaviśuddhaḥ puruṣottamapurāparanāmadheyo [ʼ]grahāraḥ kṛtaḥ /. 57 Zu einem ähnlichen Fall vgl. Paschimbhag Plate of Śrīcandra, Regnal Year 5. Ed. Dinesh Chandra Sircar, Epigraphic Discoveries in East Pakistan. (Calcutta Sanskrit College Research Series, Bd. 80; Calcutta Sanskrit College Research Series. Studies, Bd. 56.) Kalkutta 1973, 19–40; 63– 69. Nach Aussage dieser Urkunde hatte König Śrīcandra die von ihm gegründete Brahmanen‑ siedlung Śrīcandrapura nennen lassen. 58 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 417–419. 59 Einleitung zu: Inscriptions of the Maitrakas. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 25), 1–63, hier 47–49. 60 Zur hybriden Sprache der Inschrift vgl. Damsteegt, Epigraphical Hybrid Sanskrit (1978), 156, Nr. 50. 61 The New Inscription of Toramana Shaha. Ed. Georg Bühler, in: Epigraphia Indica 1, 1892, 238–241, bes. 240, Z. 7–11. 62 Schopen, Lay Ownership (1996, ND 2004), 226. 63 Njammasch, Hierarchische Strukturen (1970), 534 f. Vgl. auch Damsteegt, Epigraphical Hybrid Sanskrit (1978), 161. 64 Hiregutti Plates of Bhoja Asankita. Ed. P. B. Desai, in: Epigraphia Indica 28, 1949/1950, 70–75, bes. 75, Z. 5. 65 Das Kompositum svapratiṣṭhāpitamahāvihāra, ‚selbst errichtetes Großkloster‘, findet sich beispiels‑ weise in einer buddhistischen Stiftungsurkunde

rabad Museum Plates of Prithivi‑Sri‑Mularaja. Ed. S. S. R. Murthy, in: Epigraphia Indica 38, 1969/1970, 192–195, bes. 195, Z. 22. 66 Inscriptions of the Maitrakas. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 25), Nrn. 19 f.; 24 f.; 38; 43; 59; 75; 78; 81; 87; 92. Zu weiteren Beispielen aus anderen Regionen vgl. Sanderson, Śaiva Age (2009), 71; 73–76; 86; 90. 67 Stellvertretend für den Namen des Stifters konnte auch nur der erste Teil seines Namens stehen. 68 Yādavakālīna Mārḍī śilālekha. Śa. 1134. Ed. G. H. Khare, Dakṣiṇacyā madhyayugīna itihāsācīṃ sādhaneṃ [Sources of the Medieval History of the Dekkan], Bd. 1. Pune 1930, 43–54. 69 Ebd., 53, Z. 23–46. 70 Rashtrakuta Charters. Ed. Sircar (wie Anm. 33), 53, Nr. 1, Z. 26, Strophe 22. 71 Ebd., 55, Nr. 1, Z. 64 f., Strophe 35: annaiyaḥ kīrtanena tribhuvanajayinā revaṇaḥ kautukaś ca sārdhaṃ devyāḥ prasādād amaragirivarasthāyukāḥ santu sarve //. 72 Vgl. z. B. ebd., 59, Nr. 2, Z. 27, Strophe 15: kautukakṛtir maṭhikā. In einer Urkunde aus dem Śaka‑Jahr 969 ist der Name des Stifters allerdings mit Kavatika angegeben; siehe hierzu Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 276, Anm. 277. 73 Rashtrakuta Charters. Ed. Sircar (wie Anm. 33) , 53, Nr. 1, Z. 29: śrīmadannamaiyoparodhād etatkṛtamaṭhikā°. 74 Sircar hat vermutet, dass Annaiya und Re‑ vana jüngere Brüder von Kautuka gewesen sein könnten; vgl. ebd., 49. Darauf gibt es jedoch keine Hinweise im Text. 75 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 194. 76 Hier zeigt sich, dass stellvertretend für den Namen des Stifters oft nur der erste Teil seines Namens stand. Zur Benennung viṣṇuitischer Kultbilder und Heiligtümer vgl. Sanderson, Śaiva Age (2009), 85 f., Anm. 150. 77 Ebd., 60 f. 78 Ebd., 73. 79 Ebd., 60, Anm. 60. 80 Ebd., 298 f., Anm. 707. 81 The Life of Hiuen‑Tsiang by the Shaman Hwui Li. Übers. Samuel Beal. London 1911, 110 f.

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82 Vgl. The History of Buddhism in India and 87 Dikshit, Excavations at Paharpur (1938), 20; Tibet by Bu‑ston. Übers. Eugéne Obermiller. Hei‑ 90. Theoretisch könnte das Kloster auch nach dem delberg 1932, ND Delhi 1986. Vater benannt sein, um das religiöses Verdienst 83 Vgl. Tāranāthaʼs History of Buddhism in auf diesen zu übertragen; vgl. Sanderson, Śaiva India Translated from the Tibetan. Übers. Lama Age (2009), 91. Chimpa / Alaka Chattopadhyaya. Simla 1970, ND 88 Die Lokalisierung von Trikaṭuka ist noch Delhi 1990. unbekannt; vgl. ebd., 88, Anm. 156. 84 Ebd., 266 f.; 274 f. 89 Ebd., 90 f., Anm. 162. 85 Sanderson, Śaiva Age (2009), 90 f. 90 Ebd., 88, Anm. 156. 86 Zur Struktur von Somapura vgl. jüngst Sen / 91 Vgl. Verma, Antichak Excavations (2011). Syfur Rahman / Ahsan, Crossing the Boundaries 92 Sanderson, Śaiva Age (2009), 91, Anm. 165. (2014). Zu einer Zustiftung vgl. Indian Museum 93 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi (wie Copper Plate Inscription of Dharmapala. Ed. Fu- Anm. 38), 227, Nr. 48, Z. 25. rui (wie Anm. 20).

12  Stiftungsbegünstigte

12.1  Interkulturelle Perspektiven Ohne Stifter gibt es zwar keine Stiftung, aber er kann sein Werk auch nicht auto‑ kratisch gestalten. Selbstverständlich ist er auf Experten angewiesen, die den Betrieb dauerhaft in Gang halten, doch lenken seine Entschlüsse, Pläne und Aussichten auf Erfolg ebenso die Begünstigten selbst. Sensible Philologen spüren schon in den Stiftungsdokumenten die Sprache derer auf, die von den Wohltaten erst profitie‑ ren sollten. Wenn bei privaten Dotatio‑ nen für buddhistische Klöster oder jinis‑ tische Einrichtungen des ‚mittelalterlichen Jahrtausends‘ der Duktus der Adressaten durchschlägt (→ 12.6.2), entspricht dies den Befunden der Altertumswissenschaft‑ ler an den Weihinschriften hellenistischer Könige. So wird aus der Herkunftsbezeich‑ nung Περγαμεύϛ (Pergameus) des Königs Philetairos für die mittelgriechische Stadt Thespiai (um 270 v. u. Z.) geschlossen, dass die Nutznießer „dessen Spende in ihrem eigenen Dialekt“ erwähnen ließen.1 Auch aus der lateineuropäischen Diplomatik sind ‚Empfängerausfertigungen‘ bekannt, die bei königlichen Stiftungen über die Sprache des Dokuments die Regelungen in der Sache selbst beeinflussen konnten. Als der reformgesinnte Abt Remaclus in

den Ardennen durch den Merowinger Si‑ gibert III. die Klöster Stablo und Malme‑ dy gründen ließ (ca. 643–648 u. Z.), hatte zum Beispiel der Kontext der königlichen Stiftungsurkunde „ohne Zweifel eher ei‑ nen Mönch denn einen Kanzleinotar zum Urheber“.2 Reicher als in anderen Überlieferun‑ gen scheint im christlichen Westeuropa explizit belegt zu sein, dass die Initiative zu Stiftungen, Schenkungen usw. auf die Empfänger der Wohltaten zurückzuführen war. Der Autor einer umfassenden Unter‑ suchung zur karolingischen Urkundenpra‑ xis kam erst unlängst zu dem Urteil: „Die Initiative zur Privilegierung [von Klöstern, Bischofssitzen usw.] ging in viel stärkerem Maße auf die Empfänger zurück als meist angenommen. Das karolingische König‑ tum reagierte privilegierend auf die An‑ fragen, die an den Hof getragen wurden.“3 Schon in einer Zehntbestätigung für das Bistum Utrecht vom 23. Mai 753 ließ König Pippin eine fortan immer wieder benutzte Formel verwenden: „Wenn wir den Bitten der Bischöfe in allem bereitwillig folgen, vertrauen wir darauf, den Herrn dadurch als gnädigen Wiedergutmacher zu gewin‑ nen.“4 Entweder wandten sich die Bittsteller

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persönlich an den Herrscher oder sie ver‑ trauten auf Briefe beziehungsweise Un‑ terhändler. In der Zeit Pippins gab es nur wenige echte Urkunden ohne ausdrückli‑ chen Bezug auf die Bitten der Empfänger, und dabei bleibt es im Wesentlichen auch unter seinen Nachfolgern.5 Privilegierung im Allgemeinen war ein ‚Kommunikationsprozess‘,6 und das galt auch für die Stiftungen im Speziellen. In diesem Artikel ist dies beispielsweise für Kloster Quedlinburg in Sachsen (→ 12.2.2) gezeigt worden, und in Byzanz gilt Glei‑ ches auch für charismatische Mönche, die Kaiser oder andere Machthaber für Stiftun‑ gen von Kirchen, Klöstern und Spitälern angingen (→ 12.5.2); auch in Indien kannte man diese Praxis, wie die erfolgreiche Ein‑ werbung eines Dorfes durch den Mönch Sthiramati für ein Kloster in Gujarat beim Regenten der Rāṣṭrakūtā‑Dynastie belegt (884 u. Z.; → 12.6.2). Sehr instruktiv ist in diesem Zusammenhang der Seitenblick auf den monarchischen Euergetismus7 in der Antike. Eine umfassende Erhebung aller Schenkungen und Stiftungen helle‑ nistischer Herrscher für griechische Poleis und Heiligtümer hat kürzlich ergeben, dass von 319 vorwiegend inschriftlich bezeug‑ ten Fällen nur sechs ohne vorherige Bitten oder Verhandlungen von den Königen an‑ geboten wurden. In allen anderen Fällen ging die Initiative von den Städten aus. Die Bürger wussten, dass das Königsideal die Herrscher zum Wohltun verpflichtete; Aristoteles hatte ja gelehrt, dass erwiesene Wohltaten die Grundlage der Monarchie seien. Deshalb traten sie ungescheut an vermögende Könige heran, um ein neu‑ es Gymnasium, Theater oder Kultgebäu‑ de, um Agone oder Feste zu finanzieren. Die Gegengabe bestand in Ehrungen ver‑ schiedener Dignität. Auf der Grundlage der Inschriften hat Klaus Bringmann den Verlauf der Verhandlungen zwischen dem

Stiftungsbegünstigte

Wohltäter und den Städten idealtypisch nachgezeichnet: „Volksbeschluss über Ent‑ sendung einer Bittgesandtschaft an einen Herrscher – Königsbrief, die Finanzie‑ rungszusage enthaltend – Volksbeschluss beziehungsweise ‑beschlüsse über die An‑ nahme des Geschenks, Ehrung des Stifters und Entsendung einer neuen Gesandtschaft mit dem Auftrag, dem Wohltäter das Eh‑ rendekret zu überbringen – Volksbeschluss beziehungsweise ‑beschlüsse über Ehrun‑ gen, a) der städtischen Gesandten und b) der Freunde und Funktionäre des Königs, die sich als Vermittler und Helfer verdient gemacht hatten – Volksbeschluss über die Verwaltung der gestifteten Mittel und Ein‑ setzung einer ausführenden Kommission – Königsbrief betreffend die Annahme der beschlossenen Ehren und die Gewährung zusätzlicher Mittel zur Errichtung einer Stiftung, von deren Ertrag wiederkehrende Feste zu Ehren des Wohltäters finanziert werden sollten – Protokoll über die Ver‑ pachtung des gekauften Landes, auf das die errichtete Feststiftung fundiert werden sollte – Dedikationsschriften auf dem er‑ richteten Bauwerk, auf den Grenzsteinen, die das betreffende Land als der Feststif‑ tung zugehörig kennzeichnen, sowie auf sonstigen Objekten, die aus den Mitteln der Schenkung finanziert wurden – Aufnahme der betreffenden Zuwendung in eine Liste der Schenkungen, die ein oder mehrere Herrscher der Gemeinde beziehungsweise dem Heiligtum gemacht hatten – Protokol‑ lierung von Rechtsakten zur Sicherung der auf einer Schenkung beruhenden Eigen‑ tumsverhältnisse.“8 Selten nur erfanden Stifter kultische oder caritative Praktiken neu; wenn sie sich, wie eigentlich unvermeidlich war, von ihren Verhandlungspartnern in die Pflicht nehmen ließen, gaben sie ihre Gestaltungs‑ freiheit zugunsten von Gewohnheiten und Präferenzen der nutznießenden Empfänger

Interkulturelle Perspektiven

weitgehend auf. Enge Grenzen waren ihnen ohnehin im Judentum und im Islam gesetzt, wo die Gemeinden selbst oder die gesamte Glaubensgemeinschaft (ʿam Israel, die Ju‑ denheit; die muslimische Umma) prinzi‑ piell als Empfänger von guten Gaben dieser Art galten. Die Gebräuche der Adressaten entfalteten aber ihre Eigendynamik auch, wenn man sich in Indien zwischen Brah‑ manen, śivaitischen Asketen, buddhisti‑ schen Mönchen und Nonnen, Jainas oder hinduistischen Tempelpriestern oder im westlichen Christentum zwischen ver‑ schiedenen Klerikergemeinschaften und monastischen Orden entschieden hatte. In Byzanz eröffnete indessen der vergleichs‑ weise unfeste Status des Zönobitentums den Stiftern größeren Spielraum für Ab‑ sprachen mit den Begünstigten, der sich auch eindrucksvoll in den klösterlichen Ortsregeln, den typika, manifestierte. Gewollt war der Funktionswechsel zwi‑ schen Stiftungsverwaltern und Destina‑ tären; so wurden Geistliche und Mönche selbst Nutznießer materieller Förderung, sahen sich aber neben der Gegengabe im Stiftergedenken auch zur Betreuung Bedürf‑ tiger verpflichtet, an denen sie das Werk des Stifters weiter ausübten. Kein Stifter‑ wille kann freilich künftiges Geschehen lückenlos regeln oder gar gegen den histo‑ rischen Wandel immunisieren, so dass die Verwalter das Vorhaben selbstständig (wei‑ ter)entwickeln mussten; das gilt aber auch für die Begünstigten. So lässt sich aus der Stiftung für 1 000 Brahmanen mit gerin‑ gem Kapital durch den König Godvinda IV. im Jahr 930 u. Z. schließen, dass diese den Kreis der zu Versorgenden täglich neu be‑ stimmen mussten. (→ 12.6.3) Der Kampf um knappe Ressourcen und zunehmende Not mochte allenthalben die Bedürftigen selbst zur Suche nach Zustiftern motivie‑ ren; die Gemeinde in Jerusalem veranlasste etwa wiederholt neben Geldsammlungen

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auch die Vermehrung des Stiftungskapi‑ tals von Immobilien in Altkairo zu ihren Gunsten. (→ 12.4.2) Stiftungszwecke konn‑ ten auch einfach obsolet werden; als die furchtbare Infektionskrankheit des ‚An‑ toniusfeuers‘ (Ergotismus) in Westeuropa zurückgedrängt werden konnte, drohte den Spitalstiftungen des Ordens der Antoniter ohne Änderung ihres Zweckes geradezu der Leerstand. (→ 12.2.2) ‚Systemimma‑ nent‘ waren demgegenüber die Selbstor‑ ganisationskräfte bei den Familienstiftun‑ gen im Islam, doch findet man Ähnliches auch im griechischen Christentum (zum adelphaton → 12.5.3) oder im Judentum (→ 12.4.1). Modifikationen oder Einschränkungen des ursprünglichen Stiftungszwecks konn‑ ten dadurch unvermeidlich werden, dass sich diejenigen, die zur Gegenleistung für ihre Förderung mit der „Buchführung für die Ewigkeit“ betraut waren, schlicht über‑ fordert fühlten.9 Andererseits musste man Stiftungsdokumente fälschen, um unter veränderten Zeitumständen die Rechte der Destinatäre zu wahren (→ 12.6.2); dabei ging es keineswegs immer um ‚dolose‘ Absichten, also einen widerrechtlichen Vorteil, sondern häufig um die Sicherung des ursprünglichen Stiftungszwecks durch ‚korrigierende‘ Eingriffe in eine unzurei‑ chend gewordene Überlieferung.10 Das unhistorisch gedachte Konzept von ‚Stif‑ tung‘, mit materiellen Gaben einen ewig unantastbaren Zweck verfolgen und ver‑ wirklichen zu können, scheitert, wenn‑ gleich manchmal erst nach Jahrhunder‑ ten, unvermeidlich am unaufhaltsamen Wandel der Zeiten. Dass daran neben den Stiftungsverwaltern auch die Begünstig‑ ten der guten Tat mitwirkten und sogar mitwirken mussten, ist die Botschaft einer sozial‑ und kulturhistorisch betriebenen Stiftungsforschung. MB

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Stiftungsbegünstigte

Anmerkungen 1  Schenkungen hellenistischer Herrscher an

gebotene – Schenkung von Wohlhabenden an die griechische Städte und Heiligtümer, Bd. 1. Ed. Wal- Allgemeinheit, sei es des ‚Staates‘, sei es einer Stadt. ter Ameling / Klaus Bringmann / Barbara Schmidt- Die Gaben dienten einerseits der Förderung von Spielen, öffentlichen Vergnügungen, Festgelagen Dounas. Berlin 1995, 137 f., Nr. 86 [E]. 2 MGH DD Mer. 1, 205–207, Nr. 81, hier 206. Hier o. Ä., andererseits Baumaßnahmen wie denjenigen ist auch ausgeführt, dass trotz der merowingi‑ von Amphitheatern, Brücken, Bädern usw. Grund‑ schen Verfügung der karolingische Hausmeier legend Veyne, Brot und Spiele (1988, ND 1990), 22–24; Grimoald als Gründer des Klosters anzusehen 27 und öfter; vgl. Gauthier, Cités grecques (1985). sei, vgl. auch ebd., 202–204, Nr. 80. 8 Bringmann, Geben und Nehmen (2000), 16 f.; 3 Mersiowsky, Urkunde in der Karolingerzeit, vgl. 4 f.; Ders., König als Wohltäter (1993), hier bes. Bd. 2 (2015), 946. 86; Ders., Ehre des Königs (1995). – Hinzuweisen 4  Ebd., 558 f., mit Zitat aus MGH DD Kar. 1, 6 f., ist darauf, dass Schenkungen und Stiftungen von Nr. 4, hier 6: Si petitionibus sacerdotum in omni- Bringmann ausdrücklich nicht unterschieden bus non negamus, dominum exinde retributorem werden. habere confidimus. 9 Vgl. Hugener, Buchführung für die Ewigkeit 5 Mersiowsky, Urkunde in der Karolingerzeit, (2014). Weitere Beispiele genannt in: Die Jahr‑ Bd. 2 (2015), 560, vgl. 563 u. ö. – Allerdings haben zeitbücher des Konstanzer Domkapitels, Bd. 1. unter Karl dem Großen gerade bei Schenkungs‑ Ed. Uwe Braumann. (MGH Libri mem. N. S. 7.1.) urkunden häufiger die Hinweise auf Appelle an Hannover 2009, bes. 177; Neiske, Funktion und den Herrscher gefehlt, siehe ebd., 570. Später hat Praxis (1997), bes. 111–118. wohl Karl der Kahle laikale Empfänger so nach‑ 10  Vgl. H. Fuhrmann, Mittelalter (1987); Boshof , drücklich mit Schenkungen an sich zu binden Gefälschte Stiftbriefe (1988); Rexroth, König Artus gesucht, dass dies in den Texten eigens hervor‑ (1998). – Ein Beispiel: Von den 262 heute erhalte‑ gehoben wurde; ebd., 597. nen Urkunden auf den Namen Karls des Großen 6 Ebd., 547; siehe auch 605: „Kommunikations‑ gelten 104 als Fälschungen; die größte Gruppe prozess zwischen Aussteller der Herrscherurkun‑ unter diesen bilden „erwartungsgemäß Schen‑ de und Empfänger“. kungen, Besitzgarantien, Restitutionen und Über‑ 7 Dieser Kunstbegriff ist von dem griechischen tragungen“ – Hägermann, Urkundenfälschungen Nomen euergesia, ‚Wohltätigkeit‘, abgeleitet und be‑ auf Karl den Großen (1988), hier 435; 439. zeichnet die – freiwillige oder moralisch‑rechtlich

12.2  Lateinische Christen 12.2.1  Allgemeines Mittelalterliche Stiftungen lassen sich als soziale Systeme begreifen, die auf der dau‑ erhaften Interaktion zwischen Stiftern und Stiftungsempfängern beruhen, wobei der Stifter auch nach seinem Ableben als gegen‑ wärtig gedacht wird. Die Beziehung zwi‑ schen beiden ist daher dauerhaft reziprok

und nimmt die Form eines Gabentauschs an: Während der Stifter Güter bestimmt, aus deren Erträgen regelmäßige Gaben an die Destinatäre geleistet werden, sind diese ihrerseits eben dadurch zur Gegengabe an den Stifter verpflichtet; meist besteht die Gegengabe der Destinatäre in der Memoria

Lateinische Christen

an den Stifter und Fürbitten für ihn, oft aber auch in caritativen und kultischen Leistungen in seinem Namen. Beide Seiten erhalten so die jeweils andere als Akteur der Stiftung.1 (→ 2.2.4) Nichtsdestoweniger haben die Empfän‑ ger der Stiftung häufig bereits Anteil an deren Errichtung, zumal dann, wenn zwi‑ schen ihnen und dem Stifter schon zuvor eine soziale Bindung besteht. In diesen Fällen kann es vorkommen, dass sie etwa Ort, Dotation oder Regularien der Stiftung prospektiv in ihrem Sinne beeinflussen. Darüber hinaus sind auch Fälle bekannt, in denen die künftigen Destinatäre von Stiftungen deren Errichtung und Begabung erst selbst anregen und den Willen anderer, (für sie) zu stiften, nachgerade hervorrufen. In der Regel war die soziale Praxis des Stiftungsgefüges zwar maßgeblich vom Stifter bestimmt. Gleichwohl blieb es in den seltensten Fällen aus, dass die Empfänger der Stiftergaben – denen meist auch deren Verwaltung oblag – im Laufe der Zeit Än‑ derungen gegenüber dem ursprünglichen Stifterwillen vornahmen: an Art und Weise wie auch Profitientenkreis der Memoria, durch neue Formen der Anlage des Stif‑ tungsguts und der Erwirtschaftung von Erträgen oder indem sie caritative und kultische Leistungen an die Gegebenhei‑ ten ihrer Zeit anpassten. Diese – allein rechtshistorisch nicht adäquat zu erfassen‑ de – Dynamik des Sozialgefüges Stiftung war wesentlich eine Leistung seiner Des‑ tinatäre und Verwalter, wobei beide Kreise oftmals deckungsgleich waren. (→ 13.2.2) Jenseits dieses idealtypischen Modells wäre allerdings zu fragen, ob es nicht auch Begünstigte von Stiftungserträgen gab, die nicht zur Memoria für den Stifter oder anderen Gegengaben verpflichtet waren. Denn gerade im Falle der Unterstützung von Armen konnte es einem Stifter offenbar bisweilen genügen, auf jenseitigen Lohn

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zu hoffen, ohne dass er eine Gegengabe im Diesseits erwartete. Zu fragen ist also jeweils, welche Begünstigten zu welchen Aufgaben verpflichtet waren. Teilweise im Zusammenhang damit ist noch eine zweite Differenzierung am idealtypischen Gabentausch‑Modell vom ‚sozialen System Stiftung‘ vorzunehmen: So könnte man bei der Untersuchung berücksichtigen, ob die Stiftungsbegünstigten zu den direkt vom Stifter begabten – und zur Gegengabe ver‑ pflichteten – Destinatären gehörten oder zu einem weiteren Kreis von Begünstigten zählten, die darüber hinaus und vermit‑ telt durch die erste Gruppe Anteil an den Erträgen der Stiftung genossen. Wollte man diese Trennung überhaupt begrifflich durchhalten – die Frage wird kaum über‑ haupt thematisiert; die Terminologie der Forschung ist hier daher weder einheitlich noch irgendwie verbindlich –, könnte man die unmittelbar dotierten Destinatäre, die dann auch Verwalter der Stiftung waren, von Benefiziaren unterscheiden, die (etwa im Falle wohltätiger Stiftungen) durch die‑ sen ersten Kreis Gaben und Leistungen erhielten.2 An der Stelle dieser weiteren Benefiziare sind, gerade im spätmittelalter‑ lichen Denken, auch weiter gefasste Perso‑ nenkreise – Pfarrgemeinden, Städte – bis hin zu Abstracta wie ‚das Land‘ oder ‚das Gemeinwohl‘ vorstellbar, ohne dass diese direkt dotiert worden wären. Dergestaltige Überlegungen müssten auch eine Rolle spielen bei einer mögli‑ chen Typologie von Stiftungsempfängern. Damit ist hier keine Klassifizierung nach sozialer Herkunft und im Rahmen des gesamten Gesellschaftsgefüges gemeint (→ 14.2), sondern nach der Rolle im Stif‑ tungsgeschehen selbst. Bereits vorgeschla‑ gen worden ist, eine solche in Anlehnung an die Zwecke der Stiftung vorzunehmen und etwa materiell Arme von Kranken (daneben wären spezieller u. a. Lepra‑,

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Blattern‑, Ergotismuskranke3 zu nennen), des Weiteren von Alten, Fremden, Studen‑ ten, Waisen und Gefangenen sowie Witwen und ‚gefallenen Frauen‘ zu unterscheiden. (→ 3.2.3) Interessanterweise ist die Ausdif‑ ferenzierung der Caritasempfänger selbst ein Produkt des mittelalterlichen Stiftungs‑ wesens: Im Laufe der Zeit fassten Stifter immer genauer, wer in den Genuss wohl‑ tätiger Leistungen kommen sollte. Waren dies im Frühmittelalter oft pauschal ‚die Armen‘4, entstanden seit dem hohen Mit‑ telalter zunehmend Stiftungen und damit auch Einrichtungen für spezifische For‑ men von Armut und Krankheit.5 Im spä‑ ten Mittelalter wurde darüber hinaus die Unterscheidung zwischen ‚arbeitsscheuen‘ Bettlern und ‚verschämten‘ Armen wichtig; nur für letztere wurde jetzt meist gestiftet.6 Die genannte Reihe erfasst jedoch nur die Empfänger caritativer Gaben; darüber hinaus und wohl am häufigsten im latei‑ nischen Mittelalter sind Kleriker und mo‑ nastische Gemeinschaften Destinatäre von Stiftungen, wo diese Kultus und Gedenken zum Gegenstand hatten. (→ 8.2) Hier las‑ sen sich vor allem Stiftungen für Einzelne (Priester, Prediger, Professoren) von sol‑ chen für Gruppen (Klöster, Kanonikerstif‑ te, Bruderschaften, Orden) unterscheiden. Eher zum weiteren Kreis der Benefizia‑ re zählen drittens größere Gruppen wie Pfarrgemeinden (etwa als Empfänger von Musik‑ oder Prädikaturstiftungen), Städte (bei herrscherlichen Privilegien‑ und bür‑ gerlichen policey‑Stiftungen) oder eben, ganz abstrakt, das bonum commune. Gewissermaßen quer zu diesem Ver‑ such einer typologischen Ordnung liegt diejenige nach der Nähe der Stiftungsemp‑ fänger zum Stifter. Während ‚Familien‑ stiftungen‘ etwa im Islam als eigene und häufig praktizierte Rechtsform begegnen (→ 3.3.1), sind die Destinatäre lateineuropä‑ ischer Stiftungen fast immer Kleriker oder

Stiftungsbegünstigte

geistliche Institutionen. Schon hierbei sind aber regelmäßig Fälle beobachtet worden, in denen die Empfänger Verwandte oder Vertraute des Stifters waren.7 Aber auch bei Stiftungen an Arme, etwa Spitalinsassen oder Stipendienempfänger, fällt in Ein‑ zelfallanalysen auf, dass Verwandte oder andere Angehörige des Stifters bevorzugt behandelt wurden.8 Da typologische und systematische Untersuchungen zum Zu‑ sammenhang von Verwandtschaft, sozialer Nähe und Rolle im Stiftungsgefüge fehlen, lässt sich einstweilen nur konstatieren, dass die mittelalterliche kirchenrechtliche An‑ sicht von der Dignität des Armen ohne An‑ sehen der Person der Stiftungswirklichkeit nicht völlig gerecht wird.9 Explizite vom Stifter so intendierte ‚Familienstiftungen‘10 sind jedoch ein Phänomen des ausgehenden Mittelalters; es scheint sie dann erst in der Frühen Neuzeit häufig gegeben zu haben.11 12.2.2  Die Destinatäre bei der Errichtung der Stiftung Die Destinatäre mittelalterlicher Stiftun‑ gen waren nicht bloß passive Empfänger von Gaben, sondern oft von vornherein in die Errichtung der Stiftung oder die Ge‑ staltung ihres Vollzugs involviert. Denn „der Wille des Stifters ist von vornherein nicht absolut, er ist eingeschränkt, er hat sich an den Möglichkeiten und auch der Bereitschaft“12 der Destinatäre auszurich‑ ten. Diese konnten daher in verschiedenem Maße und auf unterschiedliche Weise auf die Stiftung einwirken. Als Heinrich I. mit seiner Frau Mathil‑ de kurz vor seinem Tod im Jahre 936 bei seiner Pfalz in Quedlinburg ein Kanonis‑ senstift einrichten wollte, dem an diesem Zentralort seiner Herrschaft die Memo‑ ria für ihn und sein Geschlecht obliegen sollte, bezog er offenbar den sächsischen

Lateinische Christen

Adel frühzeitig in seine Planungen ein. Die Großen der Region schlugen vor, Nonnen aus dem nahen Kloster Wendhausen nach Quedlinburg zu transferieren – und damit ihre eigenen Töchter, weil, wie eine Quelle berichtet, „es den Eltern wegen des Mangels an vielen Dingen missfiel, dass ihre Töchter dort blieben“13. Auch die Äbtissin Dietmot von Wendhausen wurde vorgeladen und mit dem Wunsch des Adels konfrontiert. Während die Quellen zunächst ihre Zu‑ stimmung andeuten, scheint sich Dietmot aber gegen die Pläne des Stifterehepaars ge‑ weigert zu haben, nicht nur weil Mathilde den Konvent von nun an selbst leiten wollte, sondern auch, weil die Königin dort nur „Schülerinnen von höchster Abstammung, nicht von einfachem Rang“14 einsetzen woll‑ te.15 Zu beobachten ist also, wie die Stifter von vornherein verschiedene Empfänger‑ gruppen in die Planung miteinbezogen, und zwar die Äbtissin einerseits, andererseits die regionalen Adligen (in Vertretung ih‑ rer Töchter), wobei diese die Idee offenbar auf eigene Initiative vorbrachten – und sich letztlich durchsetzten. Die Adelstöch‑ ter wurden nach Quedlinburg transferiert, Mathilde ihre Vorsteherin, Wendhausen eine Filiale des Stifts. Keineswegs also nur der ‚Stifterwille‘, sondern auch der Einfluss der Großen entschied über Zusammenset‑ zung und Gestalt der Stiftung.16 Die Empfänger von Stiftungsgut hatten darüber hinaus auch einen gewissen Spiel‑ raum bei der Umsetzung des Stifterwillens, soweit der Stifter diese nicht im Detail gere‑ gelt hatte: In Speyer hatte König Friedrich II. 1213 eine Anniversarstiftung für sich und seinen Vorgänger Philipp von Schwaben errichtet und dafür die Kirche von Ess‑ lingen an die Domkanoniker von Speyer übertragen, wobei er sich auf eine frühere königliche Stiftung bezog, bei der ebenfalls Bischof und Domkapitel dotiert und zur Memoria verpflichtet worden waren.17 Ohne

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dass ein Anstoß dazu vom Stifter erkennbar wäre, gründeten die Speyerer Domherren jedoch unmittelbar eine Laienbruderschaft (die sogenannten ‚Stuhlbrüder‘), die im Ge‑ stühl bei den Königsgräbern die Memoria für Philipp von Schwaben leisten sollte und darüber hinaus sehr bald selbst zur Emp‑ fängerin eigener Gedenkstiftungen wurde.18 Zwar blieb die Stuhlbruderschaft immer vom Domkapitel abhängig,19 war jedoch bald die eigentliche Trägerin weiter Teile des Speyerer Totengedenkens. Als solche hielt sie sich bis ins 19. Jahrhundert.20 Die Destinatäre schufen somit schon im Mo‑ ment des Entstehens der Stiftung eine ei‑ gene Form ihrer konkreten Umsetzung, die als städtische Memorialinstanz erfolgreich war und dauerhaften Bestand haben sollte. Erheblichen Einfluss konnten die Des‑ tinatäre auch auf die Wahl der dotierten Güter besitzen. Gerhard Jaritz hat dazu Objekt‑ und Pitanzstiftungen an österrei‑ chische Klöster im Hoch‑ und Spätmittelal‑ ter statistisch ausgewertet und ist zu dem Schluss gekommen, dass sich darin über längere Zeit die veränderlichen Bedürf‑ nisse der Klöster zeigten:21 Während im 12. Jahrhundert nach einer Welle von Neu‑ gründungen vor allem Stiftungen lebens‑ notwendiger Objekte zur Befriedigung von „Grundbedürfnissen“ verzeichnet werden – Tuch, Bettzeug, Grundnahrungsmittel –, treten diese im 13. und 14. Jahrhundert zu‑ gunsten von aufwändigeren Pitanzen zur Verfeinerung des Speiseplans deutlich in den Hintergrund. Für das 15. Jahrhundert schließlich stellt er fest: Wo auch diese Stiftungen zur „Verbesserung der Alltags‑ kost (…) im Laufe der Zeit durch ihre große Zahl zur ‚Alltäglichkeit‘ geworden [sind]“22, werden jetzt verstärkt Kultgeräte durch Stiftungen finanziert, daneben auch an‑ dere Luxusgüter, die als Wertanlage und zu Repräsentationszwecken dienen konn‑ ten. Eine solche statistische Verteilung in

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Parallele zur allgemeinen Entwicklung der Klöster ist nur dann erklärlich, wenn die Empfänger der Stiftungen jeweils von sich aus signalisierten, welcher Stiftungsgüter sie bedurften oder welche sie bevorzug‑ ten.23 Ihre Interessen lagen den Objektstif‑ tungen zugrunde. Überhaupt finden sich aus dem Spätmit‑ telalter vermehrt Belege für die Beteili‑ gung der Empfänger an der Stiftungspla‑ nung. In manchen Fällen traten dabei die prospektiven Destinatäre in einem solchen Maße für die Stiftung ein, dass eigentlich von ihnen eher als von den Stiftern die Ini‑ tiative zur Fundation auszugehen scheint. Sinnfällig für diese planmäßige Anwer‑ bung von Stiftern durch die Destinatäre sind Kirchenbauten, in denen vorab Stifter‑ kapellen eingeplant waren, die schon vor Baubeginn ‚verkauft‘ wurden. Noch einen Schritt weiter ging die Stiftungsplanung der Destinatäre im Falle der Kirche des Augustinereremitenklosters S. Spirito in Florenz (15. Jahrhundert): Die regelmäßi‑ ge, alle Außenmauern einnehmende An‑ lage von Seitenkapellen bezeugt, dass von vornherein mit Altarstiftungen begüterter Bürger gerechnet wurde. Man hat gar fest‑ gestellt, dass drei Viertel der Baukosten auf diese Weise aufgebracht wurden; denn die Augustiner warben immer wieder An‑ gehörige der lokalen Nobilität an, die als Mitglieder des ‚Baubeirats‘ (opera) das Recht besaßen, Kapellen zu stiften. Der Kirchen‑ bau ließ sich also überhaupt erst dadurch finanzieren, dass die Mönche im Vorfeld reiche Familien der Nachbarschaft als Stif‑ ter gewinnen konnten.24 (→ 6.2.2) Eine solche „gesteuerte Stiftungskampagne“25 konnte ebenso dazu genutzt werden, weni‑ ger Vermögende zum Stiften zu animieren, nämlich indem vonseiten der Empfänger dafür gesorgt wurde, dass auch kleinere Gaben einem gemeinsamen größeren Stif‑ tungszweck zuflossen. So wurde etwa der

Stiftungsbegünstigte

Neubau der Klosterkirche von Nonnberg (Salzburg) nach den erhaltenen Einkom‑ mensregistern aus einer Vielzahl kleiner und kleinster Sachstiftungen finanziert, die von den Nonnen verkauft wurden: Dort findet man mal hosn und iopn, mal ain rock und ain mantel, ain silbrein pecherl usw., die von den namentlich genannten Stiftern auf den Nonnberg herauff geschaft worden seien, jeweils mit Angabe des Verkaufser‑ löses. Erst die Initiative und das planvolle Vorgehen der Destinatäre ermöglichte so einer Vielzahl von Stiftern ein Engagement für das Kloster, das sie aus eigener Kraft oder durch selbstorganisierten Zusammen‑ schluss nicht hätten leisten können.26 Neben der Einflussnahme auf den Stifter‑ willen bzw. dessen konkrete Ausgestaltung und der Initiative für eine Stiftung besaßen Destinatäre insbesondere bei fiduziarischen Stiftungen großen Einfluss darauf, ob eine solche überhaupt zustande kam. Irmgard Haas hat für das Kollegiatstift St. Blasius in Braunschweig eine ganze Reihe vor al‑ lem spätmittelalterlicher Fälle beobachten können, in denen künftige Stifter mit ih‑ rem Vorhaben an den Konvent herangetre‑ ten waren. In den meisten Fällen ist dabei zu konstatieren, dass das Stiftskapitel die Konditionen des Stiftungsgeschäfts beein‑ flusste oder änderte. Auch eine Ablehnung der Stiftung war denkbar. Ob und wie die treuhänderischen Stiftungen im Einzelnen zustande kamen, hing abermals von der Einschätzung der Destinatäre über Bedarf, wirtschaftliche Lage und ‚Leistungsfähig‑ keit‘ zur gottesdienstlichen Gegengabe ab.27 12.2.3  Die Stiftungsbegünstigten im sozialen Gefüge der Stiftung Letztlich waren alle mittelalterlichen Stif‑ tungen Gedenkstiftungen im weiteren oder engeren Sinne, sei es, weil sie vorsahen,

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dass (wohltätige) Werke im Namen des Stifters verrichtet wurden, sei es, weil sie ganz konkret der Fürbitte für seine Seele dienten. (→ 8.2.2) Die Destinatäre, die ei‑ gentlichen Empfänger der Stiftungsgüter, waren daher meist Geistliche – Mönche, Nonnen und weltliche Kleriker –, denen zu diesem Zweck dauerhaft die Mittel für den Unterhalt von Kultpersonal, ‑bau und ‑gerät bereitgestellt wurden. Sie hatten da‑ für Sorge zu tragen, den Stifter und seinen Willen vor Gott, aber auch innerhalb der eigenen Kommunität, präsent zu halten. Auch wo Laien zu direkten Stiftungsemp‑ fängern wurden, wie in vielen Hospitälern und den spätmittelalterlichen Armenhäu‑ sern, wurde von ihnen das Gedenken an den Stifter verlangt, galten doch Arme neben Klerikern als besonders gottesnah: Sie wurden daher „als ‚spiritually pow‑ erful‘ erachtet.“28 Das Sozialgefüge einer mittelalterlichen Stiftung gestaltete sich also idealtypisch als fortdauernder Aus‑ tausch von Gabe und Gegengabe, wobei die Destinatäre aber den ‚aktiven Part‘ einnahmen; Bestand, Dauer und Gestal‑ tung des Stiftungsbetriebs lagen vor allem in ihrer Hand. Allerdings erforderte dies, je weiter die ursprüngliche Stiftung zurücklag und je mehr ‚angelagerte Stiftungen‘ eine geistli‑ che Kommunität aufnahm, zum Teil enor‑ me organisatorische Bemühungen. Einzel‑ ne Überlieferungsfälle von stiftungsbezo‑ genem ‚Gebrauchsschriftgut‘ wie Totenbü‑ chern, Nekrologien und Traditionsnotizen werfen ein bezeichnendes Licht darauf, wel‑ chen Anforderungen sich die Destinatäre mittelalterlicher Stiftungen bei der schrift‑ lichen Fixierung des Stiftungsgeschäfts und der Organisation des Stiftungsvollzugs ge‑ genübersahen.29 So ist beispielsweise beim Vergleich des karolingerzeitlichen Urkun‑ denbestandes des Klosters St. Gallen mit der gleichzeitigen Memorialüberlieferung

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„eine gewisse Spannung, um nicht zu sagen Diskrepanz“30 zwischen den Namen der verzeichneten Stifter und geistlichen Profi‑ tienten in beiden Quellengruppen bemerkt worden. Erklärlich wird sie dadurch, dass Stifterfamilien – dem Befund der Urkunden nach – öfter bestehende Eigenkirchen und ‑klöster an St. Gallen stifteten, in denen sie noch zu Lebzeiten das eigene Gedenken ordnen konnten. Das große Reichsklos‑ ter sollte zwar langfristig den Bestand der Stiftung sichern, gestiftete Güter und Me‑ morialpraxis wurden aber offenbar lieber den Geistlichen ‚vor Ort‘ anvertraut – wie auch die Stiftungsurkunden, die „häufig für Jahre oder Jahrzehnte in den Dependenzen aufbewahrt“31 wurden und deren Angaben somit oft keinen Weg in die Gedenkbücher der Mutterabtei fanden. Hier tritt zutage, welch enormen, ja schier unbewältigbaren Aufwand die schriftliche Fixierung und Ak‑ tualisierung der Stiftungsgeschäfte gerade für große Klöster wie St. Gallen bedeutete. Aus dem Pfalzstift Goslar ist eine „Jahr‑ tag‑Liste“ von kurz nach 1300 überliefert, die in diesem Zusammenhang aufschluss‑ reich ist: Denn die Liste, in der (Zu‑)Stifter mit Stand und Todesdatum verzeichnet sind, folgt keinem erkennbaren Ordnungs‑ prinzip; sie ist also gerade kein benutzbares Nekrolog. Vielmehr erfüllte die Liste offen‑ bar „die Funktion eines ‚Arbeitsspeichers‘“, in dem (zunächst) unsortiert Angaben zu zahlreichen ‚angelagerten‘ Stiftungen ge‑ sammelt wurden, bevor sie mutmaßlich – ein solches Nekrolog oder Anniversar hat sich dort nicht erhalten – in ein zentrales Memorialbuch übernommen werden soll‑ ten.32 Die beiden Beispiele zeigen stellver‑ tretend den Organisationsaufwand, der die Aktivitäten der Destinatäre begleitete bzw. ihnen vorausgehen musste, aber auch die Dynamik mittelalterlicher Stiftungen, die den Begünstigten weit mehr abverlangte als die rein iterative Wiederholung eines

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einmal zentral urkundlich festgelegten Stifterwillen. Wer in welchem Maße als Destinatär mit‑ telalterlicher Stiftungen gelten konnte, lässt sich, der Auffassung von Stiftung als Gabentauschsystem folgend, nach der Art der Dotation, aber auch der sozialen Nähe zwischen ihm und dem Stifter differenzie‑ ren. Die Gedenkauflagen in den von Frank Rexroth ausgewerteten Londoner Bürger‑ testamenten sind in beiderlei Hinsicht in‑ teressant: Die Stifter hatten darin vorgese‑ hen, ihre Memoria auf mehrere Gruppen zu verteilen. Zunächst wurde ein nicht näher eingeschränkter Kreis von Armen bedacht, die beim Begräbnis geringe Pfen‑ nigbeträge oder Reste vom Leichenschmaus erhalten sollten; auch Unterstützungsleis‑ tungen für die Mitgift armer Mädchen und Ähnliches begegnen. Hierbei wurde von den Empfängern in der Regel gar keine Memorialleistung verlangt. Einen zwei‑ ten, etwas engeren Kreis bildeten Arme aus der näheren sozialen Umgebung des Stifters (seiner Gilde, seinem Stadtviertel etc.). Diese erhielten höhere Beträge für die Anwesenheit beim Begräbnis und unter der Bedingung bestimmter Memorialleistun‑ gen. Drittens waren in den Testamenten aber auch Armenhausstiftungen für wenige, etwa ein Dutzend, pauperes vorgesehen. Die Insassen dieser Armenhäuser bekamen aus der Stiftung lebenslang ein Dach über dem Kopf und ihren Lebensunterhalt. Hier aber sollte dafür des Stifters regelmäßig und dauerhaft gedacht werden.33 Handelt es sich bei den Gaben an die weiteren Empfängerkreise auch nur um Schenkungen ohne und mit bestimmten Auflagen, verdeutlichen diese Testamente doch den Zusammenhang von Stiftungs‑ begünstigung und Graden sozialer Nähe. Neben dem Glauben daran, dass Arme besonders ‚effektive Beter‘ waren – der

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für alle bedachten Gruppen relevant ist –, ist die Art der Gabe, aber auch der Gegen‑ gabe von der Nähe zwischen Stifter und Destinatären bestimmt. Dies gilt auch für die erwähnten ‚Familienstiftungen‘: Ver‑ wandte sollten nicht zuletzt in den Genuss der Ausschüttung von Stiftungserträgen kommen, weil man sich von ihnen offenbar ein langfristigeres und nachhaltigeres Ge‑ denken für das eigene Seelenheil erwartete als von sozial ‚ferneren‘ Begünstigten.34 Mittelalterliche Stiftungen sahen oft ver‑ schiedene Gruppen als Begünstigte vor. Schon Berthram von Le Mans (gest. 623) hatte zu gleichen Teilen, aber auf verschie‑ dene Weise, Stiftskleriker, Arme und Frei‑ gelassene mit dem von ihm gestifteten Gut dotiert. (→ 11.2.2) Die verschiedenen Grup‑ pen von Destinatären unterschieden sich dabei nicht nur nach der sozialen Nähe zum Stifter, wie in den eben geschilderten Fällen, sondern auch danach, welche Rolle im gestifteten sozialen Gefüge – das heißt in Relation zu den anderen Begünstigten – ihnen von Stiftern, Zustiftern, nicht zuletzt aber auch in später aufgestellten Regula‑ rien zugewiesen worden war. In mittelal‑ terlichen Stiftungen konnten verschiedene Gruppen von Begünstigten in verschie‑ dener Weise in die Güterverwaltung, die wohltätigen Leistungen der Stiftung und die Memorialpraxis eingebunden sein. Grundlegend ist dabei, dass in den meis‑ ten Stiftungen ein Teil der Destinatäre als Verwalter des Stiftungsvermögens vorge‑ sehen war und fungierte. Damit kam ih‑ nen eine Schlüsselrolle zu: Denn nicht nur waren sie selbst Begünstigte des Stifters mit den dazugehörigen Auflagen in Hin‑ blick auf Kultus und Memoria, sondern sie mussten auch weitere Begünstigte in die Stiftung einbeziehen. Das konnte wie‑ derum auf Bestimmungen des Fundators zurückgehen: Viele Stifter ordneten etwa

Lateinische Christen

an, dass Kleriker, die von ihnen mit einer Offizienstiftung betraut waren, an beson‑ deren Festen oder Jahrtagen außerdem aus dem ihnen anvertrauten Gut Arme speisen sollten.35 Aus ihrer verwaltenden Rolle erwuchs vielen Stiftungsdestinatären aber auch selbst der Anspruch oder das Bedürfnis, weitere Menschen zu Benefi‑ ziaren der Stiftung zu machen, etwa zur weiteren Ausgestaltung des Gottesdienstes: Mittelalterliche Stiftskirchen kannten eine ganze Reihe von ‚Angestellten‘ (etwa Sa‑ kristan / Messner, Organist, Glöckner), die die Destinatäre in ihrer Funktion als Ver‑ walter der Stiftung hinzugezogen hatten, um ihren Aufgaben gerecht zu werden.36 Auch diese waren Begünstigte der Stiftung, ihre Rolle hing aber von der gestaltenden und verwaltenden Tätigkeit der ‚eigent‑ lichen‘ Destinatäre ab. Gerade bei ihnen kann daher nur noch von einer mittelbaren Beziehung zum Stifter gesprochen werden. Die Vielgestaltigkeit mittelalterlicher Hospitäler bietet reichliche Beispiele für die verschiedenen Rollen der Begünstig‑ ten im Stiftungsgefüge, auch hinsichtlich ihrer ‚Gegengabe‘ an den Stifter: Während gemeinhin davon ausgegangen wird, dass Hospitäler bis ins 12. Jahrhundert an Klös‑ ter oder Stifte angebunden waren – die im eigentlichen, wirtschaftlichen Sinne die Destinatäre von Stiftungen waren, diese verwalteten und im Namen des Stifters caritativ handelten 37 –, lässt sich diese Trennung bei den späteren ‚selbständigen‘ Spitälern schwerer durchhalten.38 Zwar gab es einerseits auch hier solche, bei denen man zwischen Hospitalmitglie‑ dern und ‑insassen unterscheiden kann 39, wobei erstere „Träger des gemeinsamen Lebens, der Krankenpflege und des Wirt‑ schaftsbetriebs“ und „zur Teilnahme am zeitaufwändigen Gebetsdienst“ verpflich‑ tet waren.40 So auch in Chichester: Dort mussten die Brüder und Schwestern des

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Spitals am späten Abend, nachdem Reisen‑ de und Kranke schon gut versorgt in ihren Betten lagen, noch einer ganzen Reihe von Fürbitten lauschen, deren jede sie mit ei‑ nem Vaterunser und einem Ave Maria zu beantworten hatten.41 In solchen Häusern, wie auch in Hospitälern an Klöstern oder Stiftskirchen, gehörten die Armen und Kranken „allenfalls mittelbar“42 zu den Bestifteten und waren auch keineswegs immer zum Stiftergedenken verpflichtet.43 Andererseits gab es zunehmend auch Hospitalstiftungen, deren Empfänger Re‑ ligiosen oder direkt ‚die Armen‘ waren, sei es als Korporation, durch Aufnahme in den betreuenden Orden bei Eintritt ins Spital44 oder durch Einzelpfründen. Kleriker als Stiftungsbegünstigte konnten in diesen Häusern Destinatäre mit anderen oder wei‑ teren Pflichten sein45, eine vorrangig der Stiftermemoria dienende46, eine unterge‑ ordnete47 oder auch gar keine Rolle48 spie‑ len. Allgemeine Regeln, welche Gruppen von Begünstigten zu welchen Leistungen verpflichtet waren, gibt es daher nicht.49 Für jeden einzelnen Fall ist also zu klären, wer (bzw. welche Gruppen) in welchem Maße Destinatäre des Stifters waren, wer von ihnen ihm dafür ‚Gegengabe‘ schuldete (und in welcher Form), in welcher Weise er in die Verwaltung der Stiftung einge‑ bunden war und wer darüber hinaus von den Stiftungszwecken profitierte. Der hier zugrunde gelegte Idealtyp der mittelalterlichen Stiftung – die Destina‑ täre leisten für den gestifteten Unterhalt Memoria für den Stifter oder Caritas in seinem Namen – umreißt die Rolle der Stif‑ tungsbegünstigten in den so geschaffenen sozialen Gefügen treffend. Gleichwohl wei‑ sen, den genannten Fragen folgend, einige Aspekte der sozialen Praxis des Stiftungs‑ vollzugs darüber hinaus. Die folgenden Beispiele verstehen sich daher vor allem als Einzelfälle, die eine Bandbreite von

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Möglichkeiten umreißen, ohne dass jeder von ihnen repräsentativ für mittelalterliche Stiftungen im Ganzen wäre. So gab es Stiftungen, bei denen von ih‑ ren Destinatären – oder manchen ihrer Destinatäre – offenbar gar keine ‚Gegen‑ leistungen‘ erwartet wurden. Bereits ange‑ sprochen sind Spitalstiftungen, bei denen (gerade im hohen Mittelalter) vor allem die ‚Betreiber‘, also Bruderschaften oder geistliche Kongregationen, als Destinatäre gelten können, da sie als Gabenempfänger mit dem Stifter in Austausch traten und die Stiftungsurkunden oder Statuten in erster Linie sie zu Fürbitten verpflichte‑ ten; die versorgten Armen waren dazu dann nur implizit aufgefordert und sogar nicht einmal in allen Fällen weiter in das Stiftungsgeschehen eingebunden, als dass an ihnen die caritas des Stifters verrichtet wurde.50 Nicht zuletzt von der ökonomi‑ schen Ausstattung einer Stiftung hing es auch ab, inwieweit von den Destinatären überhaupt eine memoriale Gegenleistung verlangt werden k o n n t e . So hat Thomas Frank postuliert, dass die wenigsten Hospi‑ täler zu einem liturgischen Stiftergedenken überhaupt in der Lage waren; denn „zahl‑ reiche andere Hospitäler, wohl die Mehr‑ heit, waren erheblich kleiner, konnten sich kaum klerikales Personal leisten und daher auch wenig für das liturgische Gedenken ihrer Wohltäter und Insassen tun.“51 Stiftungsdestinatäre konnten aber auch dann ohne erwartete Gegengabe in den Genuss regelmäßiger Leistungen kommen, wenn ihnen Pfründen allein zum Zweck des Lebensunterhalts gestiftet worden wa‑ ren. Dem konnte vorausgehen, dass sich der Pfründner zuvor schon um den Stifter verdient gemacht hatte. Einen solchen Fall stellt die Dotation der Dekanatspfründe des Wiener Neustädter Kollegiatstifts für Peter Engelprecht im Jahr 1473 dar: Kö‑ nig Friedrich III. hatte ihm das Dekanat

Stiftungsbegünstigte

übertragen, obwohl er das Stift zur selben Zeit schon ‚aussterben‘ ließ; ein Interesse an der Pflichterfüllung des Pfründennehmers im Sinne der ursprünglichen Stiftung hatte er offenbar nicht.52 Peter war aber zuvor Lehrer Maximilians, Friedrichs Sohn, ge‑ wesen; später wurde er Bischof von Wiener Neustadt. Die bereits bestehende Pfründe wurde also genutzt, um einen verdienten Gefolgsmann zu versorgen, und möglicher‑ weise auch, um ihn am künftigen (noch zu schaffenden) Bischofssitz einzuführen. Für manche ‚Ehrenpfründe‘ wurde gar von vornherein explizit die Entbindung von Prä‑ senz und Verpflichtung festgeschrieben.53 Auf der anderen Seite lässt sich die Be‑ deutung der Stiftungsdestinatäre für die Fundatoren mit dem Gabentausch‑Modell nicht immer vollumfänglich erfassen. Häufig war ein durchaus innerweltlicher ‚Mehrwert‘ des Handelns der Stiftungsbe‑ günstigten intendiert, etwa bei Stiftungen im Rahmen von Herrschaftssicherung und Landesausbau. Das zeigt sich besonders im Falle der sogenannten alien priories im normannischen England: Hierbei handelte es sich um Klöster, die von den Eroberern nach 1066 gestiftet worden waren und als Priorate französischen Abteien unterstellt waren.54 Auch wenn dies in den Stiftungsur‑ kunden selbstverständlich keinen expliziten Niederschlag findet, so ist doch deutlich, dass die Bestellung ‚eigener‘, d. h. französi‑ scher Mönche in die priories nicht allein der Aufrechterhaltung monastischen Lebens in England und dem Seelenheil des Stifters dienen sollte (wie es die Stiftungsurkunden promulgieren). Die Destinatäre dieser Stif‑ tungen, eben Mönche aus großen Klöstern des Festlandes, hatten auch die Aufgabe, im Sinne der Eroberer und ihrer kontinenta‑ len Familienverbände zur Sicherung der neuen Herrschaftsverhältnisse beizutra‑ gen. Ein gutes Beispiel hierfür bietet das Kloster Kirby (Warwickshire). Der Stifter,

Lateinische Christen

Gottfried von La Guerche, hatte den Ort kurz zuvor erobert, wobei die Kirche arg in Mitleidenschaft gezogen worden war. Nach der Übernahme der lokalen Herr‑ schaft heiratete er die Frau des getöteten angelsächsischen Herzogs und stiftete die Kirche neu – als alien priory an das Kloster St. Nikolaus in Angers. Von diesem wurde verlangt, Mönche zu schicken, die im Na‑ men des Klosters tatsächlich die neugeweih‑ te Kirche entgegennahmen. Interessant ist Gottfrieds Umgang mit dem lokalen Klerus: Obwohl er sich mit seiner neuen Ehe und dem Kirchenbau in eine lokale Tradition stellte, verordnete er explizit, dass die bei‑ den Priester, die zuvor an der Kirche Dienst getan hatten und dort sehr wohl noch lebten, keine Begüterung aus der Stiftung erfahren sollten; sie hatten dem Priorat bis zu ihrem Lebensende nur mehr als Knechte zu die‑ nen.55 Die Bestellung der Stiftungsdestina‑ täre der neuen priories folgte damit nicht allein sakralen und memorialen Zwecken, sondern war eingebunden in ‚koloniale‘ Zu‑ sammenhänge und einen Kontext sozialer Beziehungen, die ihr weitere Bedeutungs‑ dimensionen verliehen. Darüber hinaus fällt auf, dass mittel‑ alterliche Stiftungen häufig neben den ei‑ gentlichen Destinatären – materiell Begab‑ ten und auf den Stifterwillen verpflichteten Stiftungsempfängern – auf weitere Kreise von Benefiziaren, und dabei vor allem grö‑ ßere Personenverbände, abzielten. Bereits angesprochen sind Arme als Empfänger wohltätiger Sorge in vielen früh‑ und hoch‑ mittelalterlichen Spitälern, denen oft gar keine Pflichten gegenüber dem Stifter auf‑ erlegt waren, welche vielmehr die Mönche und Spitalbrüder innehatten. Sinnfällig ist die Unterscheidung von direkten Destina‑ tären und ‚indirekten Benefiziaren‘ auch bei wohltätigen Stiftungen an bestimmte Ritterorden, die sich dem Loskauf gefan‑ gener Christen verschrieben hatten. Sie

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unterhielten dazu eigens ‚Hospitäler‘, de‑ nen Stiftungen zuflossen. Der Stifter wur‑ de sicher von den Mönchen des Spitals gedacht, wohl kaum aber von den losge‑ kauften Gefangenen – diese waren reine Benefiziare der stifterlichen Caritas, und als solche konnten sie nach ihrem Frei‑ kauf aus der Hand der Ungläubigen wohl heimkehren, ohne dass man sie noch auf ein Stiftergebet im Hospital verpflichtet hät‑ te.56 Auf vergleichbare Weise profitierten im ganzen Mittelalter wohl Massen von durchreisenden Pilgern, Studenten und Bettlern von Hospitälern, die zwar primär der Pflege und Versorgung von Kranken und Armen verpflichtet waren, aber auch ihnen aus Stiftungsvermögen einen Schlaf‑ platz boten – ohne dass man wohl die (gelegentlich als zusätzliche Begünstigte genannten) Durchreisenden als Destinatä‑ re dieser Einrichtungen im engeren Sinne bezeichnen muss. Sie sind durchaus aber mittelbar als Stiftungsbegünstigte anzuse‑ hen. Denn dass die Herberge für Reisende nicht bloß ein ‚Nebenprodukt‘ von Hospital‑ und Klosterstiftungen war, sondern sie als Benefiziare durchaus mitgedacht wurden, zeigt die regelmäßige Fundation, auch im ländlichen Raum, von bruderschaftlichen Pilgerhospizen oder Klöstern der Hospital‑ orden von Irland bis Palästina.57 Dementsprechend können vor allem weitere und abstraktere Kreise als Bene‑ fiziare mittelalterlicher Stiftungen gelten, das heißt als von ihnen begünstigt, ohne aktiv ins Stiftungsgefüge eingebunden zu sein. Beispiele hierfür bieten spätmittelal‑ terliche Prädikaturstiftungen, bei denen einzelne Stifter eine Altarpfründe unter der Auflage einer Jahrtagsmesse und re‑ gelmäßiger Gemeindepredigten stifteten. Während die Pfründner als die unmittel‑ baren Destinatäre dieser Stiftungen gel‑ ten können, profitierten von der Stiftung gleichwohl auch all diejenigen, die den

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gelehrten Ausführungen an Sonn‑ und Feiertagen folgen konnten, wie es von im‑ mer mehr Gemeinden verlangt wurde.58 Gemeinden oder jedenfalls gebildetere Besucher von Messen konnten auch Be‑ nefiziare von Musikstiftungen sein, wie Julie Cummings gezeigt hat: Ihr zufolge sollten die Aufführungen gerade auch der schwer verständlichen, ‚himmelsgleichen‘ polyphonen Motetten der geistlichen Er‑ bauung wie auch dem eher weltlichen Ge‑ nuss der Zuhörerschaft dienen. Das gelte insbesondere auch für durch Stiftungen angeregte und ermöglichte Darbietungen, bei denen die Destinatäre im engeren Sinne zwar Kantor und Chor waren (die auf diese Weise den Willen des Stifters vollführten und für ihn beteten), die aber auch auf das gehobene städtische ‚Publikum‘ ge‑ wirkt hätten.59 Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die verschiedensten Infrastruktur‑ und policey‑Stiftungen des 14. und 15. Jahrhunderts. Diese zielten auf eine verbesserte Ordnung oder einen ver‑ besserten Lebensstandard im ländlichen oder städtischen Raum. Öfter waren diese Stiftungen so konstruiert, dass bestimmte Gruppen oder einzelne Personen als unmit‑ telbare Destinatäre von ihnen profitieren sollten, immer aber waren hier schon die Stadtgesellschaft oder ‚die Allgemeinheit‘ als weitere Kreise von Benefiziaren mitge‑ dacht und von vornherein sinnhaft in das Stiftungsgefüge eingeschlossen. So etwa bei einem Nürnberger Kuriosum: der Hun‑ defängerstiftung des Sigmund Oertel aus dem 15. Jahrhundert.60 Der Angestellte, der hier bezahlt werden sollte, war als ‚direkter Destinatär‘ des Stifters dafür zuständig, in dessen Namen streunende Hunde von den Kirchen fernzuhalten. Als Benefiziare mitgedacht waren freilich all diejenigen Bürger, deren Gebete vom unziemlichen Bellen jetzt nicht mehr gestört wurden. Diesen weiteren Kreis von Begünstigten

Stiftungsbegünstigte

stellen zwar immer noch Personengruppen dar, die zum Stifter in einer konkreten Ver‑ bindung stehen – Pfarre, Stadtgesellschaft u. Ä. –, er ist bei solchen Stiftungen aber gleichzeitig schon so weit und abstrakt gefasst, dass dahinter die Idee des Gemein‑ wohl (bonum commune) deutlich aufscheint. Dieses Prinzip, den Kreis der Stiftungs‑ begünstigten ‚bis zur Unkenntlichkeit‘ weit zu fassen, transzendierte letztlich die Stif‑ tung als soziales Beziehungsgefüge. Je‑ denfalls konnte dergestalt argumentiert werden, wie ein Traktat Wilhelms von Ockham zeigt; er setzt genau bei dieser Frage nach dem Kreis der Stiftungsbegüns‑ tigten an, um die Stiftungen selbst unter‑ laufen zu können: Wilhelm argumentiert, dass, wo der Stiftungszweck und damit der Kreis der Begünstigten nicht genau fest‑ gesetzt sei (cum […] non constat expresse et in particulari ad quas pias causas data sunt […] temporalia), man das Gut möglichst vernünftig verwenden solle. Das bedeu‑ te auch, das Wohl Vieler dem Einzelner vorzuziehen (bonum commune est melius et divinius quam bonum unius), und des‑ wegen sei auch das Wohl des Vaterlandes wichtiger als das Wohl der Armen dieses Landes: bonum totius patriae est melius et divinius quam bonum pauperum illius patriae.61 In Wilhelms Traktat ist es mithin der größtmögliche Kreis der Benefiziare – das bonum commune –, mithilfe dessen der viel kleinere Kreis der armen Destina‑ täre ‚überrollt‘ wird: Seine Argumentation dient dem Ziel, Stiftungsgut dem König zur Landesverteidigung zu überlassen. 12.2.4  Die Destinatäre und der Fortbestand der Stiftung Da Vollzug und oft auch Verwaltung der Stiftungen ihren Destinatären oblagen, wa‑ ren sie es auch, die die Dauerhaftigkeit von

Lateinische Christen

Kapitalerträgen und deren Verwendung im Sinne des Stifters zu verantworten hat‑ ten. Das bot ihnen einerseits Handlungs‑ spielräume, etwa bei der Bestellung ihrer Nachfolger oder weiterer Begünstigter oder bei der Umstrukturierung des Stiftungs‑ kapitals und seiner Bewirtschaftung. An‑ dererseits bedeutete die Dauerhaftigkeit der Stiftung auch eine Herausforderung: Die Stiftung musste gegenüber den Erben des ursprünglichen und potentiellen neu‑ en Stiftern, Beaufsichtigungsorganen und Herrschern ihren dauerhaften Bestand be‑ haupten sowie den Vollzug der Stiftungs‑ zwecke über längere Zeiträume hinweg organisieren. Schließlich war die Stiftung aber auch vom korrekten Verhalten ihrer Destinatäre und Verwalter abhängig, die keinesfalls immer nur den Stifterwillen im Kopf hatten. Nicht zuletzt konnte veränder‑ tes Verhalten der Begünstigten auch zum Ende der Stiftung führen. Unter Berück‑ sichtigung dieser verschiedenen Aspekte wird deutlich, dass sich die Perspektive der Stiftungsbegünstigten besonders anbietet, um die Dauer der Stiftung in den Blick zu nehmen.62 Am wichtigsten für ein dauerhaftes Be‑ stehen der Stiftung war die rechtzeitige Benennung nachfolgender Destinatäre, vor allem dann, wenn ihnen auch die Ver‑ waltung oblag. In der kirchenrechtlichen Theorie hatten Stiftskirchen, aber beispiels‑ weise auch Hospitalstiftungen, das Recht, neue Mitglieder zu kooptieren. Zumindest Klerikerstellen aber unterlagen oftmals dem (ebenso kirchenrechtlich abgesicher‑ ten) Patronat des Stifters und seiner Erben, sei es für eine einzelne Pfründe, sei es für eine ganze Stiftskirche. Wer dieses und damit das Recht zur Präsentation eines Präbendaren hatte, besaß direkten Ein‑ fluss auf die Geschicke der Stiftung; durch gezielte Bestellung von Stiftsherren nach

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geographischen oder familiären Kriterien konnten Stiftungen so zu Orten lokaler ‚Identitätsbildung‘ und genossenschaftli‑ chen Handelns werden. Lag das Patronats‑ recht umgekehrt in vielen verschiedenen Händen, konnte das letztlich auch zu Las‑ ten des Einflusses der Stiftung gehen.63 Manch ein Stifter überließ aber auch den Destinatären oder anderen Organen das Recht, neue Begünstigte hinzuzuwählen. Etwa verzichtete mancher Stifter bei den Universitätskollegien des späten Mittelal‑ ters auf das künftige Präsentationsrecht für sich und seine Erben, sodass es den Magistern überlassen blieb, ihren Kreis bei Bedarf durch Kooptation zu ergänzen. Nicht immer jedoch konnten die Kapitel diese Freiheit dauerhaft behaupten.64 In spätmittelalterlichen Städten bedachten Stifter auch oftmals den Rat mit dem Recht, neue Destinatäre für ihre Stiftungen zu be‑ nennen – auch das konnte Konsequenzen für den Stiftungsvollzug haben.65 Bei caritativen Stiftungen sind grund‑ sätzlich zwei Formen der Auswahl von Begünstigten zu unterscheiden: Einerseits ‚pauschale‘ Gaben an Bedürftige, anderer‑ seits Pfründen. Die Armenpfründen setz‑ ten sich im späteren Mittelalter nicht nur durch, sondern wandelten sich auch zu Versorgungsanstalten, mit denen Stifter sich selbst noch zu Lebzeiten ein geord‑ netes Auskommen ermöglichten, bevor nach ihrem Ableben Arme oder Kranke be‑ dacht werden sollten. Diese Verpfründung zog nach sich, dass Hospitäler vermehrt einer begrenzten Anzahl von Pfründen‑ nehmern offenstanden (statt allgemein ‚den Armen‘).66 Andererseits ermöglich‑ te diese Form nicht nur die Anwerbung vermögender Zustifter und den Eintritt Gesunder und zur Pflege Fähiger ins Ho‑ spital, sondern auch eine bessere Auswahl der Benefiziare durch die Empfänger und Verwalter des Stiftungsguts.67 Doch auch

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eine kritische Einlasskontrolle vonseiten der Hospitalbruderschaft konnte diesen wichtigen Zweck erfüllen: nämlich immer nur die ‚richtigen‘ Armen zum Genuss der Stiftungserträge zuzulassen.68 Dem lag ein spätmittelalterlicher Wandel in der Wahr‑ nehmung von Armut zugrunde, der sich seit dem 14. Jahrhundert auch massiv auf die Bestellung von Stiftungsbegünstigten auswirkte: In Zeiten des Arbeitskräfte‑ mangels nach der großen Pest achtete man genau darauf, nur noch ‚verschäm‑ te‘, unschuldig in Not geratene Arme mit Stiftungen zu helfen, nicht aber ‚starke Arme‘, also bloß ‚arbeitsscheue‘ Bettler.69 Genauso wichtig wie die Zulassung neu‑ er und weiterer Begünstigter zur Stiftung war die Verwaltung ihrer Güter, die eben‑ so oft den Destinatären oblag. (→ 13.2.2) Unter dem Aspekt des Fortlebens der Stif‑ tung war es den Destinatären vor allem aufgegeben, das Stiftungskapital und seine Einkünfte organisatorisch präsent und da‑ mit zusammenzuhalten. Die Anlage von Güterverzeichnissen bedeutete, solange bevorzugt Land gestiftet wurde, oftmals erheblichen Organisationsaufwand: Bis‑ weilen mussten die Güter besucht werden, abhängige Bauern mussten befragt, Urkun‑ den geordnet und ältere Vorlagen gesichtet werden.70 Das forderte nicht nur Konzen‑ tration und Zeitaufwand, sondern führte manches Mal auch zu niederschmetternden Ergebnissen: „Das, was eine Unterstrei‑ chung [im folgenden Urbartext] anmerkt, obwohl von den Gläubigen zusammenge‑ tragen und mit Privilegien befestigt, be‑ sitzt unsere Kirche dennoch nicht“, wie ein Kanoniker des Stifts Hamersleben im 13. Jahrhundert einleitend zu seinem Urbar feststellen musste71: Die Güter waren wohl trotz Urkundennachweises entfremdet oder ohne Nachweis vertauscht worden. Konse‑ quenterweise stellten die dortigen Stiftska‑ noniker dann aber, im Versuch, die Stiftung

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künftig zu sichern, dem neuen Urbar eine kirchenrechtliche Zitatensammlung zum Thema Privilegien, Rechtmäßigkeit und Entfremdung von Kirchengut voran.72 Wie bereits dargestellt, hatten die Stif‑ tungsbegünstigten teilweise erheblichen Einfluss auf die Art der Dotation von Zu‑ stiftungen (→ 12.2.2); auch für das beste‑ hende Grundstockvermögen mussten die Destinatäre immer wieder neue Mecha‑ nismen der Bewirtschaftung finden, da es ja dauerhaft ertragreich sein sollte. Eine wichtige Rolle spielte dabei die Monetari‑ sierung ihrer Einkünfte. Deutlich ist, dass Verkauf und Verrentung des Kapitals für die spätmittelalterliche Stiftungsverwal‑ tung zu wichtigen Instrumenten wurden. Der Einzug des Geldes stellt freilich eine gesamteuropäische Entwicklung des hohen und späten Mittelalters dar und geht nicht von den Stiftungen aus, stellte für sie – wie auch für prospektive Stifter! – aber eine bessere Berechenbarkeit der zu erwarten‑ den Erträge her. (→ 10.2.1) Auch für im‑ mobiles Vermögen spielten wirtschaftliche Transformationen eine Rolle: Nicht zuletzt die Feststellung, dass der Wandel der Er‑ trags‑Erwirtschaftung von Frondiensten zu geldlichen oder geldwerten Abgaben keinen reinen „Formwechsel“, sondern eine Intensivierung sozialer Beziehungen darstellt73, macht den Gegenstand für die Stiftungsforschung besonders interessant. Neben der Verwaltung von Kapital und Personal durch die Destinatäre war auch die Erfüllung der eigentlichen Stiftungs‑ zwecke dem Wandel der Zeiten unterle‑ gen. Das galt schon für die liturgische Ausgestaltung der Stiftermemoria, denn keineswegs immer war diese vorab ge‑ nau geregelt, noch hielt sich ihre Form unverändert. Liturgisches Wissen war – auch und gerade da, wo sich die Mes‑ sen und Gebete aufgrund von Stiftungen

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häuften – praktisches Erfahrungswissen. Als solches wuchs und veränderte es sich mit der Dauer der Stiftung, reagierte auf veränderte Glaubenspraxis und Stiftungs‑ konjunkturen. Aber gerade diese Ände‑ rungen im praktischen Vollzug konnten sich geradezu als lebensnotwendig für die Stiftung erweisen, denn weil „sie in ers‑ ter Linie die aktuellen Bedürfnisse der Lebenden zu befriedigen suchten, nutz‑ ten sie letztlich auch dem Anliegen des Stifters, das auf diese Weise allem histo‑ rischen Wandel zum Trotz vermittelbar blieb.“74 Zeugnisse des steten Wandels in der liturgischen Stiftungspraxis sind die Handschriften der sogenannten ‚libri ordinarii‘; solche Ritualbücher können daher geradezu als „unfeste[.] Text[e]“ bezeichnet werden.75 (→ 5.2.3) Durch die Zu‑ und angelagerten Stiftun‑ gen konnte sich das Gebetsgedenken in Umfang und Profitientenkreis verändern. Auch daran hatten die Destinatäre einen entscheidenden Anteil, sofern sie neue Do‑ tationen aus eigenem Interesse anwarben. Wuchs die Zahl der weiteren Fundatoren, konnten der ursprüngliche Stifter und sei‑ ne Familie gar bei der Memoria ins Hinter‑ treffen geraten; jedenfalls beeinträchtigte es die „Exklusivität des Gründergeden‑ kens“.76 Ähnlich wie bei (vermeintlichen) Neugründungen durch Zustifter (wie in Prüm, → 11.2.4) konnten der Änderung des Stiftergedenkens aber auch vonseiten der Destinatäre bewusste Motive zugrunde liegen. So verfuhr man im 12. Jahrhun‑ dert in Wagenhausen am Hochrhein: Das dortige Kloster wurde vom Abt Siegfried des Schaffhauser Allerheiligenklosters auf Land gegründet, das er dazu angeblich von einem gewissen Touto erhalten hat‑ te. Touto leugnete das später und es kam zum Streit, doch im Wagenhauser Nekro‑ log wurde dennoch Siegfrieds als fundator gedacht. Einige Jahrzehnte später hatte

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sich die Situation verändert: Wagenhausen war dabei, sich von der Schaffhauser Mut‑ terabtei zu emanzipieren, das Geschlecht Toutos war inzwischen ausgestorben. Be‑ zeichnend ist, wie die Mönche im Zuge dieser Verselbständigung ihr Nekrolog nachträglich veränderten: Siegfried – als Vertreter des Mutterklosters – wurde der Status als fundator durch Rasur aberkannt; Touto hingegen (von dessen Familie nun keine Übergriffe mehr zu befürchten wa‑ ren) bekam dieses Attribut in großen Let‑ tern hinzugeschrieben.77 Auf diese Weise spiegelt die Schriftpraxis des Wagenhau‑ ser Nekrologs nicht nur ein verändertes Stiftergedenken wider, sondern offenbart auch dessen Hintergründe und die Moti‑ vation der Destinatäre, sich zu gegebener Zeit einen alternativen Stifter ‚zu suchen‘. Eingriffe der Begünstigten in die Me‑ morialpraxis einer Stiftung nahmen im Laufe der Zeit zwangsläufig zu, da ja auch die zu bewältigende Menge an Stiftern und Stiftungen stieg. Oftmals aber zielten diese Veränderungen gar nicht primär darauf ab, bestimmter Personen nicht mehr zu gedenken, sondern vielmehr darauf, ein vertretbares Verhältnis von Gabe und Ge‑ gengabe wiederherzustellen: So ist jüngst festgestellt worden, dass die Mehrzahl der Streichungen in Nekrologien und Jahrzeit‑ büchern wirtschaftlich motiviert war und zustande kam, wenn Prüfungen ergaben, dass das gestiftete Gut nicht mehr genug abwarf, um die individuelle Stiftermemoria bewältigen zu können. Das Jahrtagsgeden‑ ken wurde dann aus Gründen der liturgi‑ schen Arbeitsökonomie entweder ganz be‑ endet, oder die Destinatäre wandten einen Kunstgriff an: Durch Stiftungsreduktion – die Zusammenlegung kleiner, unprofi‑ tabler Stiftungen – und die gleichzeitige Errichtung eines kollektiven Anniversars für deren Urheber wurden die Begünstig‑ ten dem Ewigkeitsanspruch der Stiftungen

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weiterhin gerecht, ohne sich für wenige Erträge selbst zu verausgaben.78 Weitergehend als ein Eingriff in den Profi‑ tientenkreis liturgischer Memoria war die vollständige Abwandlung des Stiftungs‑ zwecks. Bereits erwähnt ist etwa die Ver‑ pfründung hochmittelalterlicher Hospitä‑ ler, die deren Destinatären aus wirtschaft‑ lichen Gründen durchaus zupass kommen konnte. Solche Änderungen des Stiftungs‑ zwecks waren nur schwer mit dem Willen der Stifter vereinbar, konnten aber nötig sein, wenn sich die Verhältnisse derart gewandelt hatten, dass der Stiftung neue Betätigungsfelder gesucht werden mussten. Von besonders weitreichenden Folgen war das für den Orden der Antoniter, dessen Hospitäler in der gesamten lateinischen Welt verbreitet und auf die Behandlung des Ergotismus (‚Antoniusfeuer‘) speziali‑ siert waren. Unwillig, vom Stiftungszweck abzuweichen und sich der Behandlung an‑ derer Krankheiten zuzuwenden, wurden schließlich immer mehr Antoniterhäuser in ihrer Existenz bedroht, ja der Orden selbst geriet in Gefahr. Eine Kennerin der Materie urteilt: „Gerade diese Kontinuität hat dem Orden möglicherweise auf Dau‑ er geschadet. Ein Funktionswandel hätte Not getan, ist aber unterblieben. Denn (…) nach der Mitte des 13. Jahrhunderts [ver‑ lor das Antoniusfeuer] an Virulenz. (…) Jedenfalls ging den Antonitern ihre ur‑ sprüngliche Aufgabe allmählich verloren. Um ihre Nützlichkeit zu bewahren, hätten sie ihren therapeutischen Tätigkeitsbereich erweitern müssen.“79 Wo ein Funktionswandel der Stiftung von außen, also durch Aufsichtsorgane oder Zustifter, verordnet worden war, konnten gleichwohl die Destinatäre eine ‚Wiederentdeckung‘ des ursprünglichen Stiftungszwecks erreichen, wie das Bei‑ spiel des Altenburger Spitals Friedrich

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Barbarossas zeigt. Dort hatte die Über‑ tragung an den Deutschen Orden zu einer fast vollständigen Verdrängung der Ar‑ mensorge geführt. Doch war sie offenbar nicht nachhaltig genug: Als die Ritter das Haus nach über 300 Jahren an die Stadt resignierten, erinnerte man sich des ur‑ sprünglichen Zwecks; noch immer hatte die Stadt Bedarf an einer Einrichtung für Arme und Kranke. Bald darauf wurden diese dort tatsächlich wieder versorgt.80 Zwischen den Polen von Dauer und Wandel versuchten Stiftungsdestinatäre ihre Institutionen ab dem Hochmittelal‑ ter auch ganz bewusst zu verorten; die Stiftung wurde so zum Gegenstand der Historiographie, deren Aufgabe es dann war, sie diskursiv zu verstetigen. Anlass waren meist Krisen der wirtschaftlichen Existenz, aber auch Probleme im Verhältnis zur Stifterfamilie, weswegen eine historia fundationis auch als bewusste Zurschau‑ stellung intensiver Stiftermemoria verstan‑ den werden kann. Dabei wurden nicht nur der Gründungsakt, sondern auch Zu‑ stiftungen, die anhaltenden Beziehungen zur Stifterfamilie und die Fortdauer des Gedenkens behandelt; den historisch kon‑ tingenten Geschicken der Stiftung wurde überzeitliche Bedeutung gegenübergestellt und so Dauerhaftigkeit verliehen, ihre Dar‑ stellungen waren „Geltungsgeschichten par excellence“81. Ein solcher Gestaltungswille zeigt sich nicht allein in der Historiogra‑ phie, vielmehr konnte der Wunsch, die Ge‑ schichte der Stiftung auf bestimmte Weise darzustellen, auch auf Besitz‑ und Gedenk‑ überlieferung übergreifen.82 Schließlich gehören in diesen Zusammenhang auch Urkundenfälschungen auf berühmte Herr‑ scher, denen offenbar eine besondere Wirk‑ samkeit zugestanden wurde. Einem König wie Karl dem Großen eignete in den Augen der Nachgeborenen „eine besondere Dig‑ nität, die geeignet schien, potentielle oder

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tatsächliche Gegner und Rechtsverletzer abzuschrecken bzw. alte oder vermeintlich alte Rechtszustände wieder herbeizufüh‑ ren.“83 Nicht zufällig stellen die meisten der vielen Falsa dieses Königs Besitzüber‑ tragungen und Privilegienverleihungen an Klöster und Stiftskirchen dar. Stiftungen als auf Dauer angelegte Sozial‑ gefüge stellten die Begünstigen nicht nur vor die Herausforderung und die Mög‑ lichkeiten zur Gestaltung, sondern hingen in ihrer Existenz auch wesentlich davon ab, dass sie diese im Einklang mit Stifter‑ willen, Regularien, verfügbarem Kapital oder schlicht dem für den Fortbestand der Stiftung Verträglichen wahrnahmen. Das zeigen die Fälle, in denen Stiftungen durch das Verhalten ihrer Destinatäre in Gefahr gerieten, und die Maßnahmen, die dagegen immer wieder ergriffen wurden. Weltgeistliche Stifte waren im Laufe der Zeit, vor allem im Spätmittelalter, mit dem Wunsch der Stiftsherren konfrontiert, ihre Residenzpflicht aufzugeben. Die dar‑ aus bald resultierende dauerhafte Absenz vom Chordienst konnte weder im Sinne der Stifter noch im Sinne des Fortbestan‑ des der Stiftung sein. Um die Attraktivität der Teilnahme am Gottesdienst zu steigern, wurden daher vermehrt Präsenzgelder ausgezahlt.84 Wo Belohnung nicht wirk‑ te, mochte Strafe helfen: Mit dem Pflicht‑ bewusstsein der Priester und Kapläne des Freiburger Münsters waren der Stadtrat, der Generalvikar des Bistums Konstanz (als Aufsichtsorgan) und vor allem die vie‑ len Pfründenstifter so unzufrieden, dass sie sich zwischen 1352 und 1364 dreimal an die Chorherren wandten. Zunächst blieb es bei Ermahnungen, dann wurde wegen der „schweren und auffälligen Verfehlungen“ (gravibus et enormibus scandalis) ein Auf‑ sichtsgremium aus Stadt, Pfarrklerus und dem örtlichen Johanniterkomtur gebildet,

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das die Kleriker unter Eid auf Strafen (so‑ gar durch weltliche Gerichtsbarkeit!) ver‑ pflichtete, sollten sie ihre Pflichten weiter vernachlässigen. Doch da diese nicht genau ausformuliert waren, blieben die Kapläne hartnäckig und setzten sich über die Rege‑ lungen hinweg – bis schließlich ganz de‑ taillierte Präsenzstatuten erlassen wurden, die keinen Zweifel mehr am Umfang der Pflichten und der Art der Strafen ließen.85 Wurden die Pflichten gegenüber den Stiftern vernachlässigt, müssen dahinter nicht immer Mutwilligkeit oder Nachläs‑ sigkeit gestanden haben. Durchaus konn‑ te es auch schlicht Überforderung sein durch die Zahl der zu lesenden Messen und abzuhaltenden Offizien. In diesen Fällen brauchte es Fingerspitzengefühl und Or‑ ganisationstalent, um nicht die Stifterfa‑ milien vor den Kopf zu stoßen; meist blieb es aber nicht aus, dass dem Stifterwillen nicht mehr vollumfänglich gefolgt werden konnte, wenn das Maß der liturgischen Verpflichtungen die Kapazitäten der Stif‑ tungsdestinatäre überstieg.86 Schließlich konnte sich wohl kaum eine Stiftung des Eindringens weltlicher Bedürfnisse und Moden erwehren, selbst wenn diese aus Sicht der Stiftungszwecke ein Fehlverhalten darstellten. ‚Mensch‑ liches Versagen‘ der Destinatäre konnte dann für das Stiftungsgefüge existenz‑ bedrohend werden. Nicht immer ging es dabei vielleicht so rabiat zu wie im Barce‑ loneser St.‑Eulalien‑Spital: Bei einer Visi‑ tation Anfang des 14. Jahrhunderts musste der Bischof feststellen, dass nicht nur das Haus großenteils verwahrlost war, sondern auch der Leiter regelmäßig Würfel spiel‑ te, nachts laut feierte und mit zwielichti‑ gen Personen verkehrte, das Stiftungsgut veruntreute und das Mobiliar mutwillig zerstörte; „den traurigen Höhepunkt der geschilderten Vorfälle bildete die Verge‑ waltigung einer Minderjährigen in der

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Salvatorkapelle“, während die bittenden und wehklagenden Eltern an die verrie‑ gelte Türe schlugen.87 Die Folgen solchen Verhaltens waren unmittelbar spürbar: Hat‑ ten die Bürger der Stadt zuvor noch alle Spitäler gleichermaßen bestiftet, blieben Zustiftungen an das Haus der Heiligen Eulalia bald fast vollständig aus. Als nach der Pest überhaupt seltener gestiftet wurde, konnte sich das Spital dann kaum noch halten. Wenn dieser Fall auch besonders drastisch ist, zeigt doch die Regelmäßigkeit der Benennung von „Subsidiärstiftungen“ die Vorsicht der Stifter vor den Gefahren von Misswirtschaft und schlechter Füh‑ rung. Dabei wurde für den Fall, dass die Destinatäre sich als unfähig erweisen soll‑ ten, eine andere Stiftung zur ersatzweisen Begünstigten bestimmt.88 (→ 13.2.3) Statuten und Regularien, nicht selten erlassen von Beaufsichtigungsorganen, sollten deviantes Verhalten verhindern.

Stiftungsbegünstigte

In ihren Details zeigt sich, womit Stiftun‑ gen bisweilen zu kämpfen hatten. Im Fal‑ le von bedeutenden Stiften, gerade alten Domstiften, die nur Adlige als Kanoni‑ ker zuließen, lag ein Problem darin, dass weltlich‑adlige Lebensweise und Normen auch im Stift Einzug hielten. Das wiede‑ rum beförderte nicht nur die Absenz von den Chorverpflichtungen, sondern hatte auch mangelnde Eignung zum Gottesdienst zur Folge. Dass beispielsweise in Meißen Mitte des 14. Jahrhunderts mehr als ein Drittel der Kanoniker illiterat war – da‑ runter der Kantor – und man es sich in Merseburg verbat, dass beim Erscheinen zum Chordienst Jagdhunde und Falken in die Kirche mitgebracht würden, zeigt, dass solche Stellen eher der Versorgung adliger Patronatsfamilien dienten als dem eigentlichen Stiftungszweck.89 PhW

Anmerkungen 1  Vgl. M. Borgolte, Stiftungen des Mittelalters in

(1981, ND 2004). Diachron angelegte Fallstudi‑ rechts‑ und sozialhistorischer Sicht (1988, ND 2012). en sind Mangelware, vgl. aber bspw. M. Pauly, 2 Den ebenso für Stiftungsempfänger anzutref‑ Hospitäler zwischen Maas und Rhein (2007), bes. fenden Begriff ‚Profitienten‘ benutzt Lohse, Dauer 287–292, sowie die Beiträge bei Matheus, Funk‑ (2011), 56 und öfter, für die in den Fürbittgebeten tions‑ und Strukturwandel (2005). Kommemorierten, also gewissermaßen die Emp‑ 6 Vgl. Rexroth, Zweierlei Bedürftigkeit (2007), fänger der ‚spirituellen Gegengabe‘ der (materiel‑ 31–34, mit weiterer Literatur. len) Stiftungsempfänger. 7 Drei Beispiele: Lusiardi, Stiftung und städtische 3 Im Mittelalter als ‚Antoniusfeuer‘ bekannt, Gesellschaft (2000), 92, Anm. 69: Beispielsweise ausgelöst durch Mutterkornvergiftung; vgl. Win- setzte Konrad von Ordens 1435 seine Schwester und demuth, Hospital (1995), 53–65; Clementz, Isenhei‑ ihr Kloster gegen Gedenkauflagen als Teilerben ein. mer Antoniter (2005). Ebd., 93, verweist Lusiardi auf die Regelmäßigkeit 4  Trotz der Unterscheidung des Justinianischen von Stralsunder Stiftungen für Priester, deren je‑ Rechts in Fremden‑, Armen‑, Kranken‑, Waisen‑, weiliger Destinatär der Beichtvater des Stifters war. Alten‑ und Findelhäuser, die im frühen Mittelalter 8 Beispiele hierfür bei Rabeler, Karitatives Han‑ zwar bekannt war, aber wohl kaum praktischen deln (2005). Niederschlag fand; vgl. Boshof , Armenfürsorge 9 Programmatisch zum Thema Lusiardi, Fami‑ im Frühmittelalter (1984), 153 f. lie und Stiftung (2008), explizit im Vergleich zu 5 Zur Periodisierung der Armutsauffassung im islamischen Familienstiftungen; zu Verwandten Mittelalter vgl. Oexle, Armut und Armenfürsorge als Stiftungsempfängern bes. 356–362.

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10  Damit gemeint sind hier Stiftungen, deren

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19  Vgl. Gütermann, Hoc facite (2010): Die Stuhl‑ Erträge exklusiv oder hauptsächlich Verwandten brüder wurden aus bischöflichen, nicht könig‑ des Stifters zugedacht waren. Anders, nämlich im lichen Gütern dotiert und wurden im Laufe des Sinne einer Stiftung am Stammsitz, zur Memoria Mittelalters mehrfach zu den Angehörigen des oder unter Patronat einzelner adliger Familien, Domklerus, nicht zu den Speyerer Bruderschaf‑ wird der Begriff beispielsweise verwendet bei ten gezählt. Oldermann, Stift Börstel (2009); Rüdebusch, Del‑ 20 Habermehl, Domstift (1993), 157 f.; Gütermann, menhorster Kanonikerstift (2004); ähnlich Tritz, Hoc facite (2010), 33–44. Zur Geschichte der Stuhl‑ Schätze im Himmel (2008), 99–173. bruderschaft jetzt Ders., Stuhlbrüder (2014); zu 11  Lusiardi, Familie und Stiftung (2008), 360 f. ihrer Auflösung ebd., 199–202. – Die früheste Nürnberger Stiftung zugunsten 21 Jaritz, Religiöse Stiftungen (1990). Angehöriger des Stifters stammt von 1386, vgl. 22 Ebd., 21. Schwemmer, Dr. Lorenz Tucher (1976). In Zerbst 23 Ebd., 20–22, räumt Jaritz jedoch ein, dass als (Anhalt) wurde eine Altarstiftung des 14. Jahr‑ ‚Alltägliches‘ Wahrgenommenes später vielleicht hunderts im Zuge der Reformation in eine Fami‑ auch weniger häufig verzeichnet wurde. lienstiftung umgewandelt, die bis heute an Nach‑ 24 Jentzsch, Partizipation (2013). Siehe auch den kommen der Stifter Stipendien vergibt. Die Liste Grundriss der Kirche, → 6.2, Abb. 4. – Ähnlich der bekannten potentiellen Destinatäre umfasst war die Strategie der Florentiner Franziskaner: mittlerweile – noch unvollständig – zwei Bände: Nicht nur konnten sie Stifter damit werben, dass Smidt, Stammtafeln (1997); Wlokka, Stammtafeln sie in ihrer Kirche Laien beerdigen durften, auch (1999). wurden immer dann, wenn der Bau ins Stocken 12  M. Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012), geriet, bevorzugt neue Seitenkapellen zum Zwe‑ 312; vgl. auch Wagner, Stiftungsurkunde (2000), cke des ‚Fundraising‘ geplant: Vgl. Waldmann, 145–148. Etappenweise Vollendung (2013). 13  Vita Mathildis reginae antiquior. Ed. Bernd 25 Jaritz, Religiöse Stiftungen (1990), 23. Schütte, in: Die Lebensbeschreibungen der Köni‑ 26 Jaritz, Seelenheil und Sachkultur (1980), bes. gin Mathilde. (MGH SS rer. Germ. 66.) Hannover 66 f.; 78–81 (Teiledition des Einnahmenverzeich‑ 1994, 107–142, hier 120: filias (…) quas ibi manere nisses). multorum pro penuria displicuit parentibus. 27 Haas, Leben im Kollegiatstift (2011), 363 f. 14  Die Quedlinburger Annalen. Ed. Martina 28 Rexroth, Armut und Memoria (1994), 346, Giese. (MGH SS rer. Germ. 72.) Hannover 2004, in Anlehnung an Clive Burgess. – Zur Konzep‑ 460: non vilis personae, sed summae ingenituitatis tion der Armenhäuser vgl. Rexroth, Armenhäu‑ ser (2005); Ders., Zweierlei Bedürftigkeit (2007). tirunculas. 15  Diese Deutung nach Moddelmog, Königliche Zur religiösen Motivation, Arme zu bestiften, Stiftungen (2012), 20 f. vgl. Auge, Pauperes et debiles (2007), 92–96; aus 16  Ehlers, Franken und Sachsen (2006), 26, ur‑ rechtshistorischer Sicht Drossbach, Hospital (2001). teilt: „Dies beleuchtet eindrucksvoll das Macht‑ 29 Vgl. zum Ganzen auch Hugener, Buchführung gefüge am Nordharz“; die Adligen hätten die Stif‑ für die Ewigkeit (2014). terfamilie „schon bei der Gründung ihres neuen 30 M. Borgolte, Gedenkstiftungen in St. Galler Urkunden (1984, ND 2012), 129. Klosters in die Schranken gewiesen.“ 17  Die Urkunde spricht von einer Stiftung „zum 31 Ebd., 128. gemeinen Nutzen der Herren Kanoniker der 32 Lohse, Stift und seine Stifter (2008); das Zi‑ Speyerer Kirche“ (ad communes usus dominorum tat ebd. 280. canonicorum Spirensis ecclesie): MGH DD F II 2, 33 Rexroth, Armut und Memoria (1994), bes. 95–97, Nr. 213, hier 96. Friedrich bezog sich auf 348–355. Anniversarstiftungen der Salier (11. oder frühes 34 Lusiardi, Familie und Stiftung (2008), 358 f. 12. Jahrhundert). 35 Vgl. etwa Zenhäusern, Zeitliches Wohl (1992), 18  Vgl. Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), 144–146; Lohse, Dauer (2011), 99; 107. – Nicht Kle‑ riker, sondern Studenten waren die Destinatäre 84–87.

460 der Stiftung des Johannes von Hubant (1346), der von den Insassen seiner Pariser Bursenstiftung memoriale, aber auch organisatorische und ca‑ ritative Dienste an weiteren Begünstigten ver‑ langte: Gabriel, Student Life (1955); vgl. M. Borgolte, Stiftungen des Mittelalters in rechts‑ und sozial‑ historischer Sicht (1988, ND 2012), 5 f. 36 Vgl. etwa Haas, Leben im Kollegiatstift (2011), 276–278. Ein Beispiel sind auch die o. g. Stuhl‑ brüder. 37 Mit M. Pauly, Hospitäler zwischen Maas und Rhein (2007), 230 f., lässt sich diese idealtypische Trennung in Stiftungsempfänger mit der Auflage, ein Spital zu betreiben, auf der einen Seite und Arme und Pilger als Benefiziare des Spitals auf der anderen Seite geradezu konstitutiv an den Anfang des Spitalwesens stellen. Demnach lös‑ te das Hospital mit dieser Trennung die älteren Armen‑Matrikeln ab, bei denen die Armen direkt bestiftet wurden. Grund hierfür sei unter ande‑ rem die „Verpfründung“ (so Pauly) der Armenma‑ trikeln gewesen, also die Stiftung von Matrikeln für den Stifter selbst oder seine Verwandten, die den eigentlich caritativen Zweck zunehmend un‑ terlaufen habe; für Lothringen datiert Pauly die Trennung der Gruppen im Sinne der caritas ins 8. / 9. Jahrhundert. 38 Andenna, Hospitäler (2011), bietet Beispiele genau für den Übergang vom regularkanonika‑ len zum von Laien verantworteten Hospitalwe‑ sen. – Zum diachronen Wandel in der Hospital‑ geschichte siehe oben, Anm. 5. 39 Nach Auge, Pauperes et debiles (2007), 107. 40  Ebd., 111; 112. Ganz klar in diesem Sinne un‑ terscheiden die Regularien des Johanniterhos‑ pitals in Jerusalem zwischen Kranken (malades) und Betreuern ( freres) und regeln unter anderem das Stiftergedenken durch Letztere: Chascune nuit (…) vait .i. frere et fait la priere por toute crestiente et por touz les bienfaitours de la maison de lospital, et plus especiaument por les plus especiaus: Admi‑ nistrative Regulations for the Hospital of St John in Jerusalem dating from the 1180s. Ed. Susan B. Edgington, in: Crusades 4, 2005, 21–35, hier 32; 34. 41  The rule of St Mary’s hospital, Chichester. Ed. Sethina Watson, The Sources for the English Hospitals 1100 to 1400, in: Martin Scheutz / And‑ rea Sommerlechner / Herwig Weigl et al. (Hrsg.), Quellen zur europäischen Spitalgeschichte in

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Mittelalter und Früher Neuzeit. (Quelleneditio‑ nen des Instituts für Österreichische Geschichts‑ forschung, Bd. 5.) Wien / München 2010, 65–103, hier 93: Omni sero receptis pauperibus et refectis dicantur preces [und zwar für Papst, Erzbischof, Bischof, Dekan, Kapitel und alle Prälaten der örtlichen Kirche, für alle verstorbenen Kano‑ niker der Stadt, König, Königin und Königreich, vier namentlich genannte und alle zukünftigen Stifter sowie die Bürger Chichesters] (…), et ad singulas preces dicant singuli fratres et sorores i Pater noster et i Ave Maria. 42  Rexroth, Stiftungen (2000), 111. 43  Siehe oben bei Anm. 41. – Anders M. Pauly, Hospitäler zwischen Maas und Rhein (2007), 403, der einen unausgesprochenen ‚Vertrag‘ zwischen Stifter und zukünftigen Spitalinsassen immer voraussetzt. 44  Auge, Pauperes et debiles (2007), 107 f., mit Belegen zu verschiedenen Hospitalorden. 45  Wie in Ewelme (Oxfordshire): Dort verlang‑ ten die Stifter von einem der zwei Priester im Hospital, öffentlichen Unterricht anzubieten (to teche and informe Childer in the faculte of grammer): Goodall, God’s House at Ewelme (2001), 226. 46  Z. B. im Leprosenhaus von Rambin (Rügen), dem eine Kapelle und ein Priester beigegeben wurden, damit dieser in memoriam des Stifters Messen lese: Lusiardi, Stiftung und städtische Gesellschaft (2000), 227 f. 47  So im Allerheiligenhospital in Treviso: Rando, Laicus religiosus (1983), bes. 620. Rando attestiert dem Haus „una struttura orizontale, priva di ge‑ rarchia autoritaria“ (631). 48  Vgl. Auge, Pauperes et debiles (2007), 98 f. Ebd., 98, wird ein Stifter aus Reggio Emilia zitiert, der über die Rechte und Besitztümer seines Spi‑ tals verfügt, „dass sie nicht kirchlich seien noch würden, sondern weltlich blieben und seien“ (quod ecclesiatica non fiant nec transeant, sed profana remaneant et sint). – Mindestens zur Spendung der Sterbesakramente wird man aber doch einen Priester hinzugelassen haben. 49  M. Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012), 320 f., weist darauf hin, dass unter den vielen Hospitalstiftungen Friedrichs I. nur eine unter Memorialauflage gemacht wurde. – Zur Vielge‑ staltigkeit des Verhältnisses von Hospital und Memoria vgl. Pohl-Resl, Rechnen mit der Ewigkeit

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(1996), 74–96; T. Frank, Sorge um das Seelenheil Herbergen (1983), 71–77; Ó Riain-Raedel, Schiff (2007): „Das Besondere an der memoria in Hospi‑ auf Pilgerfahrt (1999), bes. 114–119; Schein, Latin tälern ist also nicht ihre Form, sondern die Viel‑ Hospices (1985). – Ein solches ‚Programm‘ zur falt der an ihr beteiligten Personen“ (218). Förderung der Mobilität verfolgte beispielswei‑ 50 Ein weiteres Beispiel: The statutes of Thomas se auch Friedrich I. Barbarossa, vgl. M. Borgolte, de Fyndon, Abbot of St Augustineʼs, Canterbury König als Stifter (2000, ND 2012), 316–320. [1294 II 18]. Ed. Watson, Sources (wie Anm. 41), 58 Vgl. Neidiger, Prädikaturstiftungen (2011); 96–98. Vgl. auch Rando, Laicus religiosus (1983), Ders., Wortgottesdienst (2002); Mai, Predigtstif‑ 647–649 (Urkunde mit Beschreibung der Aufgaben tungen (1968). des Hospitals). – Im Wiener Bürgerspital wurde 59 Cumming, Aesthetics (1994), bes. 74 f.; zum genau unterschieden, daher wurden zwei Stif‑ Stiftungscharakter spätmittelalterlicher polypho‑ tungsregister geführt: Eine Jahrtag‑ und eine ner Musik vgl. Haggh, Foundations or Institutions ‚Mahlzeitliste‘; denn nur im ersten Fall schuldete (1996). – In diesem Sinne auch der Kommentar des das Spital dem Stifter ein Gebetsgedenken: Pohl- Johannes de Grocheio (Frankreich, um 1300) zu Resl, Rechnen mit der Ewigkeit (1996), 77–80. polyphoner Musik: Sie solle nicht vor „einfachen 51 T. Frank, Sorge um das Seelenheil (2007), 223. Leuten“ (vulgares) aufgeführt werden, durchaus 52 Vgl. Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), aber „vor Gebildeten und jenen, die nach Verfeine‑ 218. rung ihrer Fähigkeiten trachten“ (coram litteratis 53 Einige Beispiele: St. Martin (Oberwesel), vgl. et illis qui subtilitates artium sunt quaerentes): Jo‑ F. Pauly, Erzbistum Trier (1980), 444; Eutin, vgl. hannes de Grocheio, [De musica]. Ed. Christopher Röpcke, Eutiner Kollegiatstift (1977), 38–41; St. Gan‑ Page, Johannes de Grocheio on secular music: a golf (Magdeburg), vgl. Wentz / Schwineköper, Erz‑ corrected text and a new translation, in: Plainsong bistum Magdeburg (1972), 797. – Damit verwandt & Medieval Music 2, 1993, 17–41, hier 36. ist die im frühen, dann noch einmal vor allem im 60 Vgl. Rexroth, Stiftungen (2000), 111–113. späten Mittelalter übliche Praxis der Kommende, 61 Wilhelm von Ockham, An princeps. in: also der (theoretisch nur vorübergehenden) Ver‑ Stiftung und Staat. Ed. Geelhaar / Thomas (wie gabe eines Klosters, einer Pfarrkirche etc. an zu Anm. 54), 270–285, die Zitate aus cap. 7 f., 274; 278. versorgende Personen. Zumindest die ‚jüngere 62 Vgl. grundsätzlich Lohse, Dauer (2011). Kommende‘ des Spätmittelalters war aber ein 63 So war es am Stift St. Blasius in Braunschweig, päpstlich‑kuriales Institut, das der europaweiten wo das Patronatsrecht turnusmäßig bei vier Zwei‑ Versorgung von Kardinälen, Weihbischöfen u. a. gen der herzoglichen Familie lag, die jeweils ihre dienen sollte. Es erwuchs damit nicht aus dem eigenen Gefolgsleute zu Stiftsherren bestellten. Vgl. sozialen Gefüge der betreffenden Stiftungen selbst, Haas, Leben im Kollegiatstift (2011), 20 f. sondern war von außen auferlegt. Vgl. Meuthen, 64 Wagner, Universitätsstift und Kollegium Spätmittelalterliches Kommendenwesen (1998); (1999), 64–81; 141–145; 148–154 (Prag; Wien); BaczDiener, Vergabe von Klöstern (1988). kowski, Kollegien (2011), 191 (Krakau); Kusche, Ego 54 Zur Stiftungsgeschichte der alien priories (in collegiatus, Bd. 1 (2009), 195–220, bes. 196 f.; 207– Ermangelung einer neueren umfassenden Stu‑ 212 (Leipzig). – Die Aufgabe des Patronatsrechts die) vgl. die Einleitung zu Stiftung und Staat im war aber keineswegs die Regel: Vgl. zum Kontext Mittelalter. Eine byzantinisch‑lateineuropäische Wagner, Mittelalter (2012); Foissac, Conquête (2011). Quellenanthologie in komparatistischer Pers‑ 65 So verschaffte die Übertragung des Patro‑ pektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) natsrechts von Prädikaturstiftungen an den Rat Berlin 2011, 32–35. den Städten im 15. Jahrhundert den gewünsch‑ 55 Greenway, Conquest (1996). ten Einfluss auf die Qualität der Predigten. Das 56 Vgl. hierzu Brodman, Military Redemptio‑ wiederum begünstigte dann entscheidend die nism (1980); Ders., Community (2006), 245–251; Reformation: Vgl. Neidiger, Wortgottesdienst Forey, Military Orders (1991, ND 1994), 267–274. (2002), 181 f.; 187 f. 57 Vgl. Lassotta, Pilger‑ und Fremdenherber‑ 66 M. Pauly, Hospitäler zwischen Maas und gen (1984); Szábo, Xenodochia, Hospitäler und Rhein (2007), 252–265, stellt jedoch fest, dass

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die Armen durch Pfründner nie völlig verdrängt 79  Clementz, Isenheimer Antoniter (2005), 171. wurden. 80 Vgl. dazu M. Borgolte, König als Stifter (2000, 67 Beliebt waren Stiftungen für zwölf Arme oder ND 2012), 319–325. „So überlebte Friedrichs I. Stif‑ Alte, vgl. Fouquet, Zwölf‑Brüder‑Häuser (2007). terwille (…) nicht durch die Spitalbrüder, son‑ 68 Ein Beispiel: Rexroth, Armut und Memoria dern durch die Adressaten seiner Wohltat“ (324 f.); (1994), 336 f. → 11.2.4. 69 Schubert, Hausarme Leute (2004); des Wei‑ 81 Siehe → 5.2.4; das Zitat ebd., 347. Vgl. des Weiteren Kastner, Historiae fundationum (1974); teren siehe oben Anm. 5. 70 Heidrich, Befragung (1998); Lohse, Dauer (2011), instruktiv: Hill, Stiftermemoria und Gründungs‑ 192 f.; 217–235 mit weiterer Literatur. geschichte (2000). Auch die Funktion von Stifter‑ 71 Das Stiftsurbar. Ed. Walter Zöllner, Die Urkun‑ bildern ist in diesem Kontext zu verstehen: Sauer, den und Besitzaufzeichnungen des Stifts Hamers‑ Fundatio und Memoria (1993). leben. (Studien zur katholischen Bistums‑ und 82 So ist wohl die Anlage des Traditionscodex Klostergeschichte, Bd. 17.) Leipzig 1978, 276–291, des Chorherrenstifts Dießen (Oberbayern) um hier 276, § 1: Ea, quae ___ suppositio notat, quamvis 1200 zu verstehen, vgl. M. Borgolte, Stiftergeden‑ a religiosis collata et privilegiis comprehensa sint, ken in Kloster Dießen (1990). tamen non habet ecclesia; vgl. G. Peters, Skriptori‑ 83 Hägermann, Urkundenfälschungen auf Karl um, Gottesdienst und Bauernhof (2011), 94 f.; Ders., den Großen (1988), das Zitat 434. Hamersleben (2008), 4–15. 84 H.-J. Becker, Präsenz (1995); ein Beispiel: Lohse, 72 G. Peters, Skriptorium, Gottesdienst und Bau‑ Dauer (2011), 100–104, mit detaillierten Abrech‑ nungen. ernhof (2011), 95. 73 Durch die Applizierung der Kategorien von 85 Vgl. dazu Flamm, Präsenzstatuten (1909), Wert, Vergleichbarkeit und Währung auf die di‑ mit Nachträgen zur Edition der Präsenzstatuten rekte Arbeit: Kuchenbuch, Vom Dienst zum Zins durch Dens., Ordnungen und Satzungen (1905). (2003), 28 f. 86 Vgl. Wagner, Stiftungsurkunde (2000), bes. 74 Lohse, Dauer (2011), 198. – Genannt wer‑ 151–154: Solche Situationen wurden sehr wohl den dort etwa der Einbezug eines Stifterbildes, wahrgenommen und konnten für ein einzelnes Heiltumsweisungen oder das Ablasswesen als Kloster, aber auch auf Ordensebene, Verände‑ Faktoren für liturgischen Wandel. rungen nach sich ziehen. 75 Lohse, Liber Ordinarius (2011). 87 Jaspert, Stift und Stadt (1996), 106. 76 Lohse, Dauer (2011), 91–93, hier 91. 88 Rexroth, Stiftungen (2000), 125 f. mit Anm. 67. 77 Vgl. Hugener, Buch des Lebens (2014), 216–218. 89 Kinne, Bemerkungen (2011), 181 f.; 184. 78 Ebd., bes. 219–223.

12.3  Muslime 12.3.1  Allgemeines In einer berühmten Passage seines ägyp‑ tischen Erfahrungsberichts beschreibt der Orientalist Edward Lane, dass der qāḍī der Moschee, die von aẓ‑Ẓāhir Baibars (gest. 1277 u. Z.) gegründet wurde, umher‑ streunende Katzen aus der Nachbarschaft

allabendlich fütterte. Darauf angespro‑ chen, erzählte ihm der qāḍī, dass er da‑ mit die Verfügungen des Sultans befolge, der den Tieren einen in der Nähe liegen‑ den Garten gestiftet habe, welcher ‚Der Garten der Katzen‘ (ǧaiṭ al-qiṭaṭ) genannt

Muslime

wurde.1 Die Praxis, Tiere als Begünstigte von Stiftungen zu bestimmen, scheint auch die Aufmerksamkeit vieler anderer europäischer Reisender2 erregt zu haben, und sogar Michel de Montaigne stellt in seinem Essay ‚Über die Grausamkeit‘ fest: „Les Turcs ont des aumônes et des hôpitaux pour les bêtes“.3 In den uns überlieferten mittelalterlichen Quellen sind keine Hinweise darauf enthalten, dass Baibars eine besondere Vorliebe für Katzen hegte. Jedoch berichtet alMaqrīzī (gest. 1442) in einer sehr ähnlichen Geschichte von einer Moschee, die von Ibn Saʿūd Abū al-Ḥasan ʿAlī ibn Muḥammad al-Baġdādī ungefähr im Jahre 1051 u. Z. gegründet und nach dem berühmten Prediger und Koranleser ‚Moschee des Abū Ṣādiq‘ benannt wurde, der dort tätig war. Die Tierliebe von Abū Ṣādiq, insbesondere für Katzen, sei so groß gewesen, dass die Einkünfte eines waqf -Geschäftes, das zur Moschee gehörte, für den Unterhalt dieser Tiere verwendet worden seien.4 Diese Stiftungen sind im Vergleich zu anderen Stiftungstypen natürlich lediglich anekdotisch interessant. Aber wenn wir uns vor Augen halten, dass eine Katze zu den Begünstigten eines waqf gehören konnte, dann wird klar, dass die Kategorisierung und Untersuchung von Begünstigten islamischer Stiftungen als soziale Akteure die Forschung vor gewisse Herausforderungen stellen. Probleme ergeben sich in erster Linie bei den Fragen nach (1.) der Bandbreite und Art der Begünstigten, (2.) ihrer Beteiligung an den verschiedenen Prozessen der Errichtung und des Vollzugs der Stiftung und (3.) der Wechselseitigkeit ihrer Beziehung zum Stifter.

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bestimmen, und islamische Rechtsabhandlungen behandelten Probleme in diesem Zusammenhang ausschließlich kasuistisch. Die Frage, welche Begünstigten für den Stifter in Betracht kamen, konnte unter dem Aspekt sowohl ihrer Eignung für die Ziele und Aufgaben der Stiftung5 als auch der rechtlichen Zulässigkeit ihrer Einsetzung diskutiert werden;6 das gilt aber auch im Hinblick auf qurba, also etwa, ob es als wohltätige Handlung gelten könne, wenn sehr vermögende Personen, also nicht Bedürftige, zu Begünstigten eines waqf ernannt werden.7 Theoretisch gesehen war die muslimische Umma die direkte Begünstigte einer jeden öffentlichen Stiftung (waqf ḫairī) und letztlich auch die Begünstigte einer jeden Familienstiftung (waqf ahlī), sobald die vom Stifter designierten Personen oder Institutionen aufgehört hatten, zu existieren. In der Praxis handelte es sich bei den Begünstigten öffentlicher Stiftungen meistens um bereits bestehende awqāf , wie etwa Moscheen, Medresen oder Hospitäler, die zwischen dem Stifter und den eigentlichen Empfängern der sozialen, religiösen oder wohltätigen Dienste dieser Institutionen vermittelten. (→ 10.3.1) In den Stiftungsurkunden konnte aber auch festgelegt sein, auf welche Weise die Einkünfte des waqf zu verwenden seien und welche Gruppen als Begünstigte eingesetzt werden durften, etwa Koranleser oder Lehrer in einer Moschee, Schüler, Arme und in einigen Fällen sogar Tiere. Beim Familien-waqf waren die Begünstigten die Mitglieder der Stifterfamilie, aber die Rollen des Begünstig ten, des Verwalters und bisweilen sogar des Stifters selbst waren hier nicht immer klar zu trennen.

(1.) Die Begünstigten islamischer Stiftungen können nicht allein juristisch gefasst (2.) Die weitreichende Beteiligung von werden. Der Stifter konnte die Destinatäre Begünstigten an den Vorgängen innerim Wesentlichen nach seinem Belieben halb einer Stiftung war charakteristisch

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für Familienstiftungen, da hier die Erben des Stifters und Begünstigten der Stiftung meist direkt in die Verwaltung des waqf eingebunden waren. Bei öffentlichen Stif‑ tungen hingegen lässt sich der Einfluss und der Handlungsspielraum der Begüns‑ tigten und ihre Bedeutung innerhalb der gestifteten Institutionen aus verschiede‑ nen Gründen nur schwer ermitteln. Dass lag offensichtlich an der besonderen Form dieser awqāf selbst: Viele von ihnen waren multifunktional, und sowohl öffentliche Stiftungen als auch Familienstiftungen bil‑ deten oft komplexe und weit verzweigte Netzwerke, sodass die spezifischen Kom‑ petenzen einzelner Akteure innerhalb die‑ ser institutionellen Komplexe schwerlich voneinander abgegrenzt werden können. Die Umayyaden‑Moschee in Damaskus oder die awqāf von Mekka und Medina bei‑ spielsweise gehörten zu den bedeutendsten Begünstigten mittelalterlicher Stiftungen in der islamischen Welt, sollten aber weni‑ ger als monolithische Akteure als vielmehr als komplexe soziale Systeme verstanden werden.8 Ein weiteres Problem bei der Untersu‑ chung der Handlungsmöglichkeiten von Begünstigten ist die – zumindest theore‑ tisch – strenge Kontrolle des Stifters über Verwaltung und Betrieb gestifteter Institu‑ tionen: In vielen Fällen gab es sowohl für die Verwalter als auch für die Begünstigten praktisch keinerlei Spielraum; selbst die Empfänger gestifteter Objekte, etwa Bü‑ cher oder Möbelstücke, hatten bestimmte Auflagen für deren Gebrauch zu befolgen. (→ 6.3.4) Schließlich hatten Stifter große Freiheiten bei der Auswahl der Destina‑ täre und Begünstigten ihrer Stiftung, die ihrerseits gerade darum kaum Einfluss auf die Auswahl hatten. Dass die Beteili‑ gung potentieller Destinatäre an diesem Vorgang sogar völlig entfallen konnte, zei‑ gen das Beispiel der glücklichen Katzen

Stiftungsbegünstigte

bei Baibars’ Moschee, aber auch zahllose Fälle, in denen die Errichtung eines waqf und die Ernennung seiner Begünstigten de facto Manöver waren, um das Gesetz zu umgehen – etwa wenn ein Minderjäh‑ riger, der rechtlich gesehen selbst nicht mündig war, oder gar ein ungeborenes Kind als Destinatäre eingesetzt wurden. Auch Begünstigte jüdischer und christli‑ cher Stiftungen konnten besonders strenger Kontrolle unterliegen. (3.) Auch aus dem Blickwinkel soziologi‑ scher Theorien zu Reziprozität und Ga‑ bentausch ist die Rolle der Begünstigten von waqf ‑Institutionen uneindeutig. Die Gründung eines waqf stellte eine Transak‑ tion zwischen ihrem Stifter und Gott dar. In einem ḥadīṯ, der häufig in Stiftungsur‑ kunden zitiert wurde wird diese Beziehung treffend beschrieben: „Wer immer für Gott eine Moschee baut, und sei sie so klein wie das Nest eines Vogels, für den wird Gott einen Palast im Paradies bauen“.9 Der Stifter erwartete nach dem Prinzip der Reziprozität von Gott eine Gegengabe im Jenseits. Das bedeutet aber nicht, dass von den Begünstigten selbst kein Beitrag ge‑ leistet werden sollte, um bei der Erfüllung dieser Hoffnungen mitzuwirken. Bei Be‑ günstigten von Familienstiftungen ist eine solche wechselseitige Beziehung zum Stif‑ ter jedoch kaum zu erkennen, dienten sie doch vor allem dazu, den Familienbesitz zu kontrollieren, Sicherheit zu gewähren und zu verhindern, dass der Besitz geteilt wurde. Aber auch bei diesen Stiftungen hatten die Destinatäre Verpflichtungen als Bewahrer des gemeinsamen Besitzes gegenüber der Familie wahrzunehmen, die kaum von denjenigen zu unterschei‑ den sind, die auch sonst gegenüber dem Stifter bestanden. In anderen Fällen, in denen die Begünstigten von Familienstif‑ tungen keine Nachkommen des Gebers

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waren, wurden Stiftungen möglicherweise dazu genutzt, kommerzielle Tätigkeiten oder materielle Vorteile zu verschleiern. Hier war die Beziehung zwischen Stifter und Destinatären dann ganz weltlicher Natur. (→ 7.3.3) Auch bei öffentlichen Stiftungen gab es verschiedene Möglichkeiten. In einigen Fällen sollte durch die Stiftung eine wech‑ selseitige Beziehung zwischen dem Stifter und seinen Begünstigten nach seinem Tod sichergestellt werden. Ein typisches Bei‑ spiel hierfür sind die ‚Brot‑awqāf ‘, die in spätmamlūkischer Zeit auf dem Gräber‑ feld von Kairo in großer Zahl entstanden, und aus denen die Besucher einer Grab‑ stätte Brot und Süßigkeiten als Gegengabe für ihre Gebete erhielten.10 Eine ähnliche Beziehung kann dort beobachtet werden, wo Gebete oder Koranvorlesungen für das Seelenheil des Wohltäters zu den Pflichten der Destinatäre gehörten, wie etwa bei Studenten in Medresen oder Sufis in ihren Konventen. Diese Fürsprache für den Stif‑ ter kann als Tauschverhältnis zwischen Stifter und Begünstigtem interpretiert wer‑ den, das auch nach dessen Tod fortbestand. In anderen Fällen aber ist diese wech‑ selseitige Beziehung überhaupt nicht er‑ kennbar, und erneut sind die Katzen bei Baibars’ Moschee hierfür ein gutes Bei‑ spiel. Auch die Empfänger von gestifteten Bibliotheken, Objekten oder Waffen für den ǧihād hatten keine weitere Pflicht, als sich an die Auflagen für ihren Gebrauch zu halten. Die Begünstigten von wohltätigen Stiftungen wie Hospitälern, awqāf zum Freikauf von Gefangenen oder Herbergen hatten ebenfalls keine direkte Beziehung zum Stifter: Sie waren Begünstigte der Leistungen, die von dem jeweiligen waqf bereitgestellt wurden, und mochten dazu beitragen, den Namen des Stifters unter den Lebenden in Erinnerung zu behalten; jedoch hingen im Islam Wohlergehen des

Verstorbenen und auch sein Lohn im Jen‑ seits weniger von solchem Gedenken als von eigenen Verdiensten ab. (→ 7.3.2) Für das Verhältnis von Stiftung und Be‑ günstigten ist die Quellenlage dürftig, da dokumentarische und narrative Zeugnisse, die Informationen über muslimische awqāf bieten, in chronologischer, geographischer und sozialer Hinsicht unvollständig, par‑ teiisch und unausgewogen sind. Schnell wird zudem klar, dass islamische Stiftun‑ gen stets aus der Perspektive des Stifters betrachtet wurden. 12.3.2  Die Destinatäre bei der Errichtung der Stiftung Die prominente Rolle des Wohltäters in der islamischen Stiftungspraxis ist unbe‑ streitbar. Der Stifter entschied nicht nur über Form und Zweck seiner Stiftung, son‑ dern griff oft direkt in ihren Vollzug ein – manchmal sowohl als Verwalter als auch als Begünstigter. Noch nach seinem Tod kontrollierte er die Stiftung indirekt durch seine strengen Auflagen für die Verwen‑ dung der gestifteten Güter. Die Rolle der Begünstigten muss an diesen Stifterauf‑ lagen gemessen werden, da sie entweder seinen Bestimmungen folgten oder, wie oft aus Fatwas ersichtlich, ihnen zuwider‑ handelten. (→ 12.3.3) So ist die aktive Beteiligung der Begüns‑ tigten bei der Gründung von Stiftungen in islamischen Gesellschaften üblicherweise von geringer Bedeutung. In den meisten Fällen überwogen Restriktionen, die ihren Handlungsspielraum begrenzten. Trotz‑ dem war es den Begünstigten, entweder als Einzelperson oder als Kollektiv, manchmal möglich, zum Zeitpunkt der Gründung des waqf einen gewissen Einfluss auf den Stifter auszuüben. Das hing allerdings von Form und Funktion der Stiftung ab.

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Die Stiftungsform bestimmte entschei‑ dend, ob den Begünstigten eine solche Be‑ teiligung möglich war. Dies ist im Fall des waqf ahlī erkennbar, der Familien‑ stiftung, insbesondere wenn es sich bei den direkten Destinatären um den Stifter selbst und seine Familie handelte und sie folglich bestimmen konnten, wie die Stif‑ tung errichtet wurde. In anderen Fällen, in denen der Begünstigte eines waqf ahlī kein direkter Verwandter war, verbarg die Stiftung de facto die kommerzielle Tätig‑ keit einer Handelsgesellschaft, weswegen wahrscheinlich auch hier der Begünstigte bei der Gründung des waqf eine aktive Rolle spielte.11 Wenn ein waqf aus vergänglichen Gü‑ tern bestand – etwa Öl und Lampen für die Beleuchtung einer Moschee oder Waf‑ fen und Reittiere für den ǧihād –, war der Stiftungsakt durch die besonderen Bedürf‑ nisse des Begünstigten motiviert. Über diese kleineren Stiftungen gibt es jedoch kaum Quellen. In welcher Beziehung der künftige Stif‑ ter und die potentiellen Begünstigten zu‑ einander standen, konnte ebenfalls eine gewisse Rolle bei der Gründung eines waqf spielen und sogar dazu führen, dass die Begünstigten direkt in die Planung der Stiftung eingebunden wurden. Mindes‑ tens vier Faktoren lassen sich erkennen: Geschlecht, berufliche Tätigkeit, Herkunft und religiöse Zugehörigkeit. Geschlecht war eine entscheidende Ka‑ tegorie bei einigen awqāf , die von Frauen ins Leben gerufen wurden. Ein gutes Bei‑ spiel dafür ist der Ribāṭ al‑Baġdādīya im mamlūkischen Kairo. Tiḏkārbāi Ḫātūn, Tochter des Sultan Baibars, gründete diese Institution im Jahre 1285 eigens für eine in Damaskus lebende Mystikerin namens Zainab al‑Baġdādīya und deren Gemein‑ schaft.12 In diesem Fall wurde die Ent‑ scheidung der Stifterin sowohl von der

Stiftungsbegünstigte

Reputation der Mystikerin begünstigt als auch von der weiblich codierten Praxis, awqāf für Frauen zu gründen. Bei anderen waqf ‑Gründungen war der Beruf des Stifters von Bedeutung für die Wahl der Begünstigten. So wurden Ka‑ rawansereien und qaisarīyas in der Regel von Kaufmannsfamilien gegründet, die neben dem spirituellen Nutzen, den sie aus der Stiftung zogen, auch den kommer‑ ziellen Nutzen dieser Institutionen für das Fami lienunternehmen im Auge hatten.13 Entsprechend war es unter Ärzten üb‑ lich, Stiftungen zugunsten ihrer eigenen Wirkungsstätten ins Leben zu rufen. Der berühmte Ibn an‑Nafīs (gest. 1288 u. Z.) stiftete beispielsweise sein Haus und sei‑ ne Bibliothek dem Kairener Hospital al‑ Manṣūrī, in welchem er selbst tätig war und dessen besonderen Bedarf er sicher kannte.14 Der Arzt ʿAbd ar‑Raḥmān ibn ʿAlī ad‑Dahwār wandelte sein Haus in Da‑ maskus im Jahre 1225 in eine Medizinhoch‑ schule um und stattete sie mit Grundbesitz aus, aus dem ihre Ausgaben gedeckt, das Gehalt des Lehrers und die Stipendien der Studenten bezahlt werden sollten; er er‑ nannte den Arzt Šaraf ad‑Dīn ʿAlī ibn ar‑ Raḥbī zum Dozenten.15 Die Wahl seines Kollegen zum Hochschullehrer legt die Vermutung nahe, dass die Gründung der madrasa in Kooperation mit anderen Mit‑ gliedern der Ärztegemeinschaft erfolgte. Es ist bemerkenswert, dass Ärzte außer‑ ordentlich wohlhabend sein und awqāf gründen konnten, die mit denjenigen der Militär‑ und Verwaltungseliten vergleich‑ bar waren.16 Auch die gemeinsame Herkunft von Stifter und Begünstigten konnte Beweg‑ grund für die Errichtung einer Stiftungen sein. Dies war etwa bei den awqāf der Fall, die in großer Zahl zum Wohl der ‚Westler‘ (maġāriba) gegründet wurden. (→ 3.3.2) So war das Viertel der Maghrebiner (Ḥārat

Muslime

al-Maġāriba) in Jerusalem ursprünglich eine Stiftung des ayyūbidischen Sultans al‑Malik al‑Afḍal zugunsten von Pilgern, die aus dem Westen stammten.17 Im Lau‑ fe der Zeit wurde die westliche Gemein‑ schaft in Jerusalem aber auch von ande‑ ren großen Stiftungen andalusischer und maghrebinischer Stifter begünstigt. Hier ließe sich die Stiftung des Abū Madyan (gest. 1197) nennen, des Enkelsohns des berühmten marokkanischen Sufi Abū Madyan. Sie bestand aus dem Dorf ʿAin Karīm und verschiedenen Immobilien in Jerusalem, von denen eine in eine Herber‑ ge zur Unterbringung maghrebinischer Pilger umgewandelt wurde. Die Begüns‑ tigten dieser Stiftung waren Maghrebiner, die in Jerusalem lebten oder die heilige Stadt besuchten. Geschlecht oder sozia‑ ler Status spielten dabei keine Rolle. Für den Fall, dass einmal keine Maghrebiner mehr in der Stadt leben sollten, war be‑ stimmt worden, dass die maghrebinische Gemeinschaft in Mekka und Medina als Begünstigte nachfolgen sollte, und würde auch diese irgendwann nicht mehr exis‑ tieren, sollte das Dorf seinen Einwohnern selbst gehören.18 Ähnliche Stiftungen für maghrebinische Gemeinschaften gab es beispielsweise in Kairo19 und Damaskus20. Die Initiative zur Finanzierung dieser Stif‑ tungen ging von den Stiftern aus, aber da sie selbst oft im islamischen Westen lebten, war eine gewisse Kooperation mit den Gemeinschaften der Maghrebiner im Osten bei der Konzeption der Stiftung un‑ verzichtbar. Ebenso konnte die religiöse Zugehö‑ rigkeit bei der Entscheidung, einen waqf zu gründen, und bei seiner Ausgestaltung entscheidend sein. Diese hing auch hier hauptsächlich von den Präferenzen des jeweiligen Stifters ab. Einen Sonderfall stellen hier jedoch Stiftungen von Angehö‑ rigen der religiösen Minderheiten (ḏimmīs)

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dar. Theoretisch konnten Christen und Juden Stiftungen gründen, solange diese dem Wohl der ganzen Gesellschaft und nicht nur ihrer jeweiligen Gemeinschaft dienten. Öffentliche Stiftungen und Schen‑ kungen waren zulässig, solange sie nicht die eigenen Glaubensgenossen exklusiv begünstigten; gegen Schenkungen und Stif‑ tungen zugunsten von Kirchen, Klöstern, Synagogen und auch gegen Familienstif‑ tungen gab es aber zuweilen Einwände muslimischer Rechtsgelehrter.21 So gesehen beeinflusste die muslimische Gemeinschaft als Mitbegünstigte – trotz ihrer passiven Rolle – auch nichtmuslimische Stifter. In der Praxis hingegen sahen sich die An‑ gehörigen der ḏimmī‑Gemeinschaften oft strengen Restriktionen ausgeliefert, die die Freiheit des Stifters bei der Auswahl von Begünstigten und der Bestimmung der Stiftungsauflagen weiter einschränkten.22 Zu einigen Zeiten, etwa unter den späten Mamlūken, waren sonst übliche Vorgänge wie beispielsweise die Restaurierung von Kirchen und Synagogen verboten, die ge‑ wöhnlich mit Hilfe von Stiftungen finan‑ ziert wurden.23 Auch muslimische Stifter konnten mit einem waqf konkrete religionspolitische Ziele verfolgen. Hierfür sind die genann‑ ten Stiftungen für Maghrebiner ein gutes Beispiel: Maghrebinische Gemeinschaften mit streng mālikītischer Ausrichtung wa‑ ren in Städten wie Alexandria Verfechter des Sunnismus und wurden dort von den ersten Ayyūbiden gefördert, um schiiti‑ sche Gemeinschaften zu verdrängen. Der mālikītische Gelehrte aṭ‑Ṭurṭūšī gründe‑ te zum Beispiel seine eigene Medrese in Alexandria. Seine Lehren und Anhänger scheinen einen großen Einfluss auf die Stiftungspolitik von Saladin und al‑ʿĀdil in dieser Stadt gehabt zu haben.24 In einigen Fällen mochten Reputa‑ tion und Charisma des Begünstigten der

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Beweggrund zur Stiftung eines waqf ge‑ wesen sein. Das ist insbesondere bei Su‑ fi‑Mystikern und berühmten Gelehrten nicht zu übersehen. Sufi‑Bruderschaften entstanden im Umfeld berühmter Mysti‑ ker, die für ihre Frömmigkeit bekannt und als heilig angesehen waren, und waren in der Regel Empfänger von Stiftungen re‑ ligiöser Zentren. (→ 6.3.2) So wurde die zāwiya des Šaiḫ Alī al‑Baka in Jerusalem im Jahr 1269 u. Z. auf seine Initiative hin von einem Gouverneur gegründet, und seine Gemeinschaft sollte noch viele Jahre später Empfängerin von Stiftungen sein.25 Manchmal kam es aber vor, dass wohlha‑ bende sufische šaiḫs auch eigene Besitz‑ tümer zum Wohl ihrer Gemeinschaft ein‑ setzten: Šaiḫ Ḫwāǧa ʿUbaid Allāh Ahrār stiftete beispielsweise 1470 u. Z. mehrere Besitzungen in Zentral asien an seinen Orden des Naqšbandī, darunter eine gro‑ ße madrasa in Samarkand.26 Schließlich zeigt der bereits erwähnte Fall des Ribāṭ al‑Baġdādīya, der in Kairo für eine Mys‑ tikerin aus Damaskus ins Leben gerufen wurde, dass Stiftungen dazu genutzt wur‑ den, gezielt Mystiker aus anderen Ländern herbeizurufen.27 Im Bildungsbereich konnte der Ruf von Gelehrten – oder ihre Frömmigkeit – eben‑ falls von entscheidender Bedeutung für die Gründung eines waqf sein. Die Pra‑ xis, einen ‚Lehrstuhl‘ (kursī, Pl. karāsī) zu stiften, mag dies verdeutlichen. Eine solche Stiftung umfasste normalerweise das eigentliche Möbelstück, einen als kursī bezeichneten Stuhl für Predigt und Unter‑ weisung, sowie das Gehalt für den Lehren‑ den, das aus den Einkünften eines waqf ‑ Besitztums finanziert wurde. (→ 6.3.3) Direkter Destinatär der Stiftung war die Moschee, in der sich die Lehrstelle befand und in der die Vorlesungen stattfanden. Bei der Einrichtung einer solchen Stelle hatte der Stifter aber oft schon einen bestimmten

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Kandidaten im Sinn. Vor diesem Hinter‑ grund ist davon auszugehen, dass der künf‑ tige Stelleninhaber bereits einen gewissen Einfluss auf die Entstehung des waqf hatte. Besonders in Marokko wurden Lehrstüh‑ le häufig gestiftet. Manchmal trugen sie auch den Namen des Gelehrten, für den sie ursprünglich eingerichtet worden waren. Dies ist etwa der Fall bei einem kursī für die Moschee al‑Qarawīyīn: Der Gelehrte Abū ar‑Rabīʿ Sulaimān al‑Wanšarīsī (gest. 1305) sollte hier Vorlesungen zum Koran und über die ‚Mudawwana‘ halten, eine Abhandlung über mālikitisches Recht aus dem 9. Jahrhundert.28 Es ist möglich, dass einige dieser karāsī und ähnliche Posten auf die Initiative von Moscheeverwaltern und Lehrstuhlinhabern hin geschaffen wurden, jedoch sind keine direkten Ge‑ suche dieser Art überliefert. 12.3.3  Die Stiftungsbegünstigten im sozialen Gefüge der Stiftung Die Diskussion über die soziale Di‑ mension islamischer Stiftungen ist gleich‑ bedeutend mit der Diskussion über die muslimische Gesellschaft insgesamt. Die Rolle von Begünstigten muslimischer Stif‑ tungen ergibt sich entsprechend nicht aus der Logik des Stiftungswesens allein. Jede Kategorisierung der sozialen Akteure ei‑ ner Stiftung beruht stets nur auf unzurei‑ chenden Modellen, dennoch lassen sich die Begünstigten grob differenzieren: (1.) In einigen Fällen waren sie Agenten des waqf als Anbieter sozialer und religiöser Dienstleistungen und hatten demzufolge (2.) auch Einfluss auf das Schicksal des Wohltäters im Jenseits; in anderen Fällen zogen sie (3.) als soziale Akteure in der Stif‑ tung einen persönlichen Vorteil aus diesen Institutionen, da der waqf den dort tätigen Personen Karrieremöglichkeiten bot.

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(1.) Während anonyme Begünstigte in den Quellen häufig kaum greifbar sind, können Stiftungen zugunsten charismatischer re‑ ligiöser Persönlichkeiten oder asketischer Gemeinschaften Hinweise auf unterschied‑ liche und manchmal unerwartete Möglich‑ keiten geben, auf welche Weise Begünstig‑ te Veränderungen für die Stiftung und die gesamte Gesellschaft bewirken konnten. Einerseits hing der wachsende Einfluss der Sufi‑Gemeinschaften auf die mamlūkische Gesellschaft vom Ansehen der sufischen šaiḫs und ihrer Anhänger ab: Durch ihr religiöses Charisma erwarben sie sich mit der Zeit die Gunst bürgerlicher Eliten. Ma‑ terielle und narrative Quellen bezeugen, dass sufische Gruppen kontinuierlich bestif‑ tet wurden. Die mittelalterlichen Kairener Wohngebiete veranschaulichen die zuneh‑ mende Agglomeration von Gebäuden bei verschiedenen Sufi‑Institutionen.29 Ähnli‑ che Beispiele, wenn auch nicht in diesem Ausmaß, lassen sich ebenso in anderen Städten finden, etwa die bereits erwähnte zāwiya von Šaiḫ Alī al‑Baka (gest. 1271) in Jerusalem, die noch Jahrhunderte nach ih‑ rer Gründung weitere Stiftungen erhielt.30 Andererseits hatte die besondere Religio‑ sität asketischer Gemeinschaften religiöse Eliten immer beunruhigt. Die Begünstig‑ ten konnten nämlich einen unvorhergese‑ henen Einfluss auf die Entwicklung von Institutionen entwickeln. Mamlūkische ḫānqāhs sind hierfür ein gutes Beispiel: Im Unterschied zu anderen Konventen, in denen asketische Gemeinschaften einem weltabgewandten und entsagungsvollen Leben nachgingen, entwickelten sich ei‑ nige ägyptische ḫānqāhs zu Beginn des 14. Jahrhunderts u. Z. zu Bildungszentren. Obwohl wenig über das interne Leben die‑ ser Gemeinschaften bekannt ist, scheinen die unorthodoxen religiösen Praktiken der Sufis dazu geführt zu haben, dass ih‑ nen von den Behörden das Recht gewährt

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wurde, auch höhere Bildung zu vermitteln, ein Recht, das bislang den Medresen vorbe‑ halten war. Diese Maßnahme zielte darauf ab, jene Rechtsgelehrten und weltlichen Eliten zu besänftigen, die den Sufis und dem Sufismus skeptisch gegenüberstan‑ den.31 So wurden etwa gemäß der waqfīya des von Baibars al‑Ğāšnakīr gegründeten ḫānqāh Geldmittel für die Bezahlung eines Hadithlehrers bereitgestellt, der dreißig Schüler im dortigen Mausoleum zu un‑ terrichten hatte.32 Bei neuen Stiftungen für Sufi‑Gemeinschaften wurde es bald darauf üblich, Gelehrte einzubinden und entsprechende Infrastruktur für den Lehr‑ betrieb zu schaffen. In einigen Fällen wur‑ den diese Komplexe auch madrasa genannt, so im Fall der 1325 gegründeten Medrese Mihmāndārīya, zu der auch ein ḫānqāh und eine Moschee gehörten.33 Diese in‑ stitutionellen Veränderungen, die große Auswirkungen auf die Verfügbarkeit von Bildung hatten, sind den Begünstigten zu‑ zuschreiben. Dieser Wandel wurde von ihnen gleichwohl nicht aktiv betrieben, sondern war das Resultat dessen, dass ihre Lebensweise von den Behörden ursprüng‑ lich negativ bewertet wurde, weswegen die sufischen Lehrer zuvor aus dem eta‑ blierten Medresensystem ausgeschlossen worden waren. (2.) Ein anderes Gebiet, auf dem der Einfluss der Begünstigten klar zutage tritt, ist die Pflege des Stiftergedenkens. Hier lässt sich ihr Verhalten als Teil einer wechselseitigen Beziehung mit ihrem Wohltäter interpre‑ tieren. Gebete für das Seelenheil des Stif‑ ters gehörten bei vielen waqf‑Institutionen zu den Pflichten der Begünstigten. In man‑ chen Fällen bestand sogar überhaupt kein Bezug zwischen Stifter und Begünstigten jenseits des Gabentauschs, etwa bei den mamlūkischen Brotstiftungen, die Fried‑ hofsbesuchern Brot oder Süßwaren gaben,

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wofür sie im Gegenzug ihre Dankbarkeit bezeigen mussten, indem sie am Grab des Stifters Gebete rezitierten.34 Besonders in Moscheen und Bildungseinrichtungen wa‑ ren Gebete von Begünstigten für den Stif‑ ter üblich. Weiterhin war es Brauch, des Wohltäters am Jahrestag seines Todes zu gedenken, indem Armenhilfe und andere Wohltaten verteilt wurden. (→ 8.3.2) (3.) Islamische Stiftungen bildeten große Netzwerke von Institutionen, von denen der Lebensunterhalt und soziale Aufstieg vieler Menschen abhingen. So gesehen bot der waqf eine Karrieremöglichkeit, und seine Besonderheiten bestimmten die Berufsstrategien vieler Muslime. Ein‑ blick hierein bieten vor allem biographi‑ sche Quellen des muslimischen Mittelal‑ ters: Eine der wichtigsten unter ihnen ist al‑Nuʿaimīs ‚Dāris fī Tāʾrīḫ al‑Madāris‘. Dieses Werk enthält Biographien von Da‑ maszener Gelehrten, aus denen hervorgeht, wie viele dieser Personen Karriere mach‑ ten, indem sie verschiedene Institutionen durchliefen. Šihāb al‑Adrāʾī unterrichtete beispielsweise nacheinander an der Mad‑ rasa al‑Baldaqīya, der Madrasa aẓ‑Ẓāhirīya und der Madrasa al‑Asadīya, die allesamt in Damaskus angesiedelt waren und der šāfiʿītischen Rechtsschule angehörten.35 Als Stiftungsbegünstigter unterrichtete er, zugleich war er aber auch ein Gelehrter, der Karriere machte und bekannt wurde, indem er von waqf zu waqf wechselte. In anderen Fällen konnten Gelehrte sogar Po‑ sitionen in verschiedenen Ländern inneha‑ ben. Ğamāl ad‑Dīn as‑Subkī unterrichtete beispielsweise an den Damaszener Medre‑ sen al‑Atābakīya, aẓ‑Ẓāhirīya, ar‑Rawāḥīya und al‑Qaimarīya. Während er an den Medresen al‑Ġāzlīya und al‑ʿĀdilīya tätig war, wurde er zum qāḍī ernannt; später zog er nach Kairo, wo er die Regierungsämter eines Militärrichters, eines Gesandten des

Stiftungsbegünstigte

Sultans, des obersten Regierungssprechers (an-niyāba al-ḥukm al-kubrā) und des Ober‑ qāḍī innehatte. Nachdem er beim Sultan in Ungnade gefallen war, wurde er abgesetzt und nahm erneut seine Lehrtätigkeit im Mausoleum des Imam aš‑Šāfiʿī und der Medrese al‑Manṣūrīya in Kairo auf.36 Ge‑ lehrte lassen sich demnach nicht auf bloße Agenten f ü r d i e Stiftung reduzieren, die Bildungsangebote bereitstellten. Ihr Han‑ deln i n n e r h a l b der Stiftungsstruktur war nämlich auch von persönlichen Am‑ bitionen geprägt. Die Divergenz von institutionellen und persönlichen Interessen konnte ebenfalls Auswirkungen auf kollektive Entschei‑ dungen haben, die für das Schicksal der Stiftung von großer Tragweite waren. In manchen Fällen kann man die sozialen Di‑ mensionen dieser Interessenkonflikte und ihre Auswirkungen auf die Verwaltung eines waqf nachvollziehen . Der Fürsten‑ spiegel des Damaszener Ḥanafīten Nağm ad‑Dīn ibn ʿAlī aṭ‑Ṭarsūsī (gest. 1356) enthält so ein Beispiel. Dieser wurde wahrschein‑ lich für den mamlūkischen Sultan an‑Nāṣir Ḥasan geschrieben und ist weniger ein ty‑ pischer Ratgeber für Könige als vielmehr eine gezielte Lobbykampagne zugunsten der ḥanafītischen Rechtsschule.37 Seine Ausführungen über Stiftungen sind äußerst aufschlussreich und zeigen, von welcher Bedeutung die Kontrolle über diese Institu‑ tionen war. Das Hauptziel aṭ‑Ṭarsūsīs war es, den Sultan davon zu überzeugen, dass ein ḥanafītischer qāḍī zur Beaufsichtigung der Stiftungen der Umayyaden‑Moschee ernannt und der traditionell šāfiʿītische Amtsinhaber abgelöst werden sollte. Um sein Ziel zu erreichen, denunzierte er mā‑ li kītische Stiftungspraktiken, indem er be‑ hauptete, diese erlaubten den Verkauf von waqf ‑Besitz.38 Gleiches tat er mit Šāfiʿīten, denen er unterstellte, Gelder aus Waisen‑ stiftungen zu veruntreuen.39

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Die religiöse Zugehörigkeit der Person, die mit der Verwaltung öffentlicher Stiftun‑ gen betraut war, war von entscheidender Bedeutung für die Institutionen, die von den Stiftungen der Umayyaden‑Moschee abhängig waren. Aṭ‑Ṭarsūsīs Apologie der Ḥanafīten und seine bewusste Falschdar‑ stellung anderer Rechtsschulen zeigt, dass die Akquise von Geldmitteln, Spenden und Ressourcen für waqf ‑Institutionen nicht immer getrennt von den besonderen Inter‑ essen der Begünstigten betrachtet werden kann; schließlich hatte die Einflussnahme auf den Sultan klare ökonomische Konse‑ quenzen für die verschiedenen religiösen Gemeinschaften. Wie diese Beispiele zeigen, spielten die Begünstigten oftmals eine vermittelnde Rolle zwischen unterschiedlichen sozia‑ len Akteuren, die ganz unterschiedliche Interessen verfolgten. Ihr Verhalten hing einerseits davon ab, was sie für ihre jewei‑ lige Institution tun konnten, andererseits war ausschlaggebend, was die Institution für sie tun konnte. 12.3.4  Die Destinatäre und der Fortbestand der Stiftung Erst in der Neuzeit ist es möglich, die Ent‑ wicklung eines waqf umfassend und über einen langen Zeitraum zu verfolgen.40 Im Mittelalter können wir hingegen lediglich auf die wenigen erhaltenen waqfīyas zäh‑ len, die die Stifterbestimmungen zum Zeit‑ punkt der waqf ‑Gründung belegen; ferner können wir auf archäologische und archi‑ tektonische Überreste zurückgreifen sowie auf seltene dokumentarische Quellen, die in der Regel die Ernennung neuer Verwal‑ ter und Angestellter verzeichnen.41 Aussa‑ gen zur Rolle der Begünstigten im Wandel der Zeiten sind somit nur bedingt möglich und zudem einseitig. Häufig nehmen die

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Quellen nämlich nur die Sichtweise des Stifters ein. Dies ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass der Stifter selbst auch der Urheber seiner Urkunden war; schließlich ging es um seine Anordnungen, die im Stiftungsalltag befolgt werden mussten. Einflüsse vonseiten der Begünstigten sind hier also kaum zu fassen. Zum anderen wird in den Fällen, in denen Anordnungen verändert oder gar nicht befolgt wurden, die aktive Rolle der Begünstigten zwar sichtbar, dieses abweichende Verhalten zugleich allerdings negativ bewertet. Die Begünstigten einer Stiftung wur‑ den in den Stiftungsurkunden zwar klar benannt, aber die Dokumente konnten vor‑ sorglich auch eine Reihe von Bedingungen enthalten, um bei Bedarf für Änderungen gerüstet zu sein, die im Wandel der Zeit notwendig werden mochten. Dabei wurde vor allem für zwei Fälle vorgesorgt: Für den Fall, dass die direkten Begünstigten eines waqf ausstarben, insbesondere bei Familienstiftungen, und für den Fall, dass die Auflagen nicht erfüllt werden konnten, die ein Stifter für die Auswahl von indirekt Begünstigten gemacht hatte, etwa um ein Stipendium von einem waqf zu erhalten oder von seinem religiösen und sozialen Diensten zu profitieren. Das Aussterben der direkten Destinatä‑ re war ein Umstand, mit dem in fast allen Dokumenten gerechnet wurde. Theoretisch würden in diesem Fall alle Stiftungen, egal ob öffentlich oder familiär, wieder an die muslimische Gemeinschaft zurückfallen. Bei Familienstiftungen gab es eine Rechts‑ formel, die die unmittelbaren Nachkom‑ men des Stifters zu den ersten Destinatären bestimmte, dann deren Söhne und ihre Nachkommen; wenn irgendwann die Fa‑ milie ausgestorben war, sollten die Armen (al-fuqarāʾ) Begünstigte der Stiftung wer‑ den. Es ist bemerkenswert, dass sich bei vielen Familienstiftungen der Stifter selbst

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sowohl zum Destinatär als auch zum Ver‑ walter bestimmte. In diesen Fällen unter‑ schied sich die Position der Begünstigten zu Lebzeiten des Stifters grundlegend von derjenigen nach seinem Ableben. Manchmal ging der Stifter mit dem Pro‑ blem des möglichen Wegfalls aller in Frage kommenden Begünstigten auf eine sehr spezifische Art und Weise um. Die oben erwähnte Stiftung von Abū Madyan ist dafür ein gutes Beispiel: In seiner waqfīya bestimmte der Stifter die maghrebinischen Einwohner Jerusalems als unmittelbare Begünstigte und nach deren Verschwinden die Maghrebiner an den heiligen Stätten, wobei er hier wohl eine hypothetische Er‑ oberung Jerusalems durch die Christen im Sinn hatte. Sollten beide Gemeinschaften nicht mehr existieren, würde das gestiftete Land an seine Bewohner selbst fallen.42 Da es sehr viele Stiftungen gab, die von muslimischen Familien ins Leben gerufen worden waren, kam es in der Praxis recht häufig vor, dass die direkten Begünstigten ausstarben. In diesen Fällen wurden die Familienstiftungen staatlich verwalteten Stiftungen angegliedert, deren Beamte dann auch Begünstigte bestimmten, etwa Bedürftige oder auch andere Institutionen, die untereinander um die Kontrolle der staatlichen Stiftungen und die Verteilung der Gelder konkurrierten, wie die oben behandelte Abhandlung aṭ‑Ṭarsūsīs belegt. (→ 12.3.3) Der Stifter konnte darüber hinaus aber auch festlegen, dass sich der Kreis der Be‑ günstigten ändern sollte, wenn eine Be‑ dingung darin bestand, vorgeschriebenen Pflichten nachzukommen. Dies galt insbe‑ sondere dann, wenn die Destinatäre reli‑ giöse Rituale ausüben sollten. Ein Beispiel dafür sind die Geldmittel eines waqf , die für Koranrezitatoren vorgesehen waren. Die Ernennung dieser Vorleser war häu‑ fig an bestimmte Bedingungen geknüpft.

Stiftungsbegünstigte

In der 1120 u. Z. in Damaskus verfassten waqfīya des qāḍī Ibn al‑Munağğā war die Einstellung von Gelehrten, die den Koran rezitieren sollten, an folgende Konditionen geknüpft: Sein Grab müsse in Damaskus liegen und nirgendwo anders, die Vorle‑ ser müssten der ḥanbalītischen Rechts‑ schule angehören, für ihre Frömmigkeit bekannt sein und die melodische Rezi‑ tation (alḥān) ablehnen. Sollte der Stifter aus irgendwelchen Gründen nicht in Da‑ maskus begraben sein, so seien die für die Vorleser vorgesehenen Geldmittel den Armen zuzuweisen.43 Ähnliche Auflagen für Koranrezitatoren finden sich in der waqfīya der Familie Uġulbak aus Aleppo: Falls die Vorleser die festgelegten Bedin‑ gungen nicht erfüllen konnten, sollten die hierfür bestimmten Geldmittel stattdessen Waisen zukommen.44 Ein weiteres Beispiel, bei dem der Stif‑ ter Einfluss auf die Rolle der Begünstig‑ ten nach seinem Tod hatte, betrifft Frauen aus seinem Umfeld. So waren in einer der Stiftungen derselben Familie Uġulbak die Sklavinnen, mit denen der Stifter ein Kind gezeugt hatte (ummuhāt al-aulād), unter den Begünstigten seiner Familienstiftung geführt und erhielten finanzielle Unterstüt‑ zung, solange sie unverheiratet blieben. Bei einer Heirat sollten sie indes von der Liste der Begünstigten gestrichen werden; die freigewordenen Geldmittel kamen dann den Söhnen des Wohltäters zugute.45 Bezeugt sind auch Wechsel der Begüns‑ tigtengruppe, die nicht auf direkte Anord‑ nungen des Stifters zurückgingen. Dies war normalerweise eine Folge unvorhergesehe‑ ner Umstände, die sich auf die ursprüngli‑ chen Empfänger seiner Wohltätigkeit aus‑ wirkten, ganz gleich ob es sich dabei um Einzelpersonen oder Institutionen handelte. Wie bereits erwähnt, wurden Regelun‑ gen für den Fall getroffen, dass alle in der Stiftungsurkunde einer Familienstiftung

Muslime

aufgelisteten Einzelpersonen und ihre Nachkommenschaft verstorben waren. Dann übernahmen Staatsbeamte die Kon‑ trolle der waqf ‑Besitztümer und legten de‑ ren weitere Nutzung zugunsten der gesam‑ ten muslimischen Gemeinschaft fest. Bei öf‑ fentlichen Institutionen konnten im Krieg neue Begünstigte bestimmt werden, wie Fatwas belegen: Der andalusische Jurist Ibn Manẓūr wurde beispielsweise einmal gefragt, ob es möglich sei, die Einkünfte eines fast verlassenen ribāṭ, der nur noch während des Ramadan von Muslimen be‑ sucht wurde, auch für andere Zwecke ein‑ zusetzen, wie etwa für die Instandhaltung von Stadtmauern, was er bejahte.46 Ein andalusischer Mufti wurde gefragt, was mit einem waqf passieren solle, der einem ribāṭ gestiftet worden war, welcher jetzt in einem von christlichen Armeen eroberten Gebiet stand; der Stiftungsverwalter wollte wissen, ob eine anderweitige Verwendung der Stiftungsmittel rechtmäßig sei, worauf‑ hin der Mufti einwilligte, dass ein neuer Begünstigter gefunden werden müsse; er beschloss, die Geldmittel für die Finan‑ zierung des Krieges gegen die Christen zu verwenden.47 Auch die Kreuzzüge in der Levante wirkten sich auf die Zuteilung von waqf ‑Stipendien und Ernennung von Begünstigten aus, da zur Finanzierung des ǧihād die Einkünfte einiger Stiftungen und sogar die zakāt‑Steuern umgewidmet wurden.48

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Landparzellen und Geschäfte, denn sie konnten über diese frei verfügen, solange ihre Verwendung im Einklang mit dem waqf ‑Recht stand. So waren – um nur zwei Beispiele zu nennen – der Verkauf auch solcher Stiftungsgüter oder ihr Einsatz als Garantie bei kommerziellen Geschäf‑ ten nicht gestattet. (→ 13.3) Bei reinen Familienstiftungen war es nicht Aufgabe der Begünstigten, soziale oder religiöse Dienste zu leisten. In diesem Punkt ist ihre Position nicht mit derjenigen der Agenten öffentlicher Stiftungen zu vergleichen. Für die langfristige Entwicklung, ja sogar die Existenzsicherung von Familienstiftun‑ gen war ihre jeweilige Verwendung ent‑ scheidend, denn obwohl ihre Güter zwar eigentlich unveräußerlich waren, konn‑ ten sie mit Hilfe der Rechtsfigur istibdāl trotzdem getauscht, beim Aussterben der Begünstigten den vom Staat verwalteten Stiftungen angegliedert oder gar konfis‑ ziert werden, wenn den Bestimmungen des Stifters oder dem Stiftungsrecht nicht entsprochen wurde. Bei öffentlichen Stiftungen und den gro‑ ßen Stiftungskomplexen, die von Herr‑ scherfamilien und Eliten ins Leben gerufen wurden und die öffentliche und private Funktionen zugleich erfüllten, waren die Destinatäre Institutionen wie Medresen, Moscheen oder Mausoleen; über ihre ak‑ tive Rolle ist jedoch nur wenig bekannt. In einigen Fällen bemühten sich bestimm‑ te Abteilungen dieser Institutionen um Trotz der strengen Vorschriften des Stifters Spenden zur Sicherung ihrer Posten. Es spielten die Begünstigten eine wichtige sind beispielsweise einige Petitionen von Rolle im Entfaltungsprozess der Stiftun‑ Destinatären eines solchen waqf erhalten, gen. Der Einfluss der Begünstigten auf die dazu führten, dass Zuwendungen aus die Verwaltung ist bei Familienstiftun‑ Stiftungsmitteln und Spenden an spezielle gen offensichtlich. Ihre Funktion und die bereits existierende Einrichtungen gingen. des Verwalters sind bei diesen Stiftungen Ein gewisser Burhān ad‑Dīn Ibrāhīm an‑ oftmals kaum zu unterscheiden. Dies gilt Nāṣirī bat etwa den Gouverneur von Je‑ insbesondere für Begünstigte, die kleine‑ rusalem in zwei Petitionen um Geldmittel re Besitzungen erhielten, etwa einzelne für die Zahlung seines Gehalts, damit er

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in seiner Stellung als Vorleser des Koran und der Hadithe in der Al‑Aqsa‑Moschee verbleiben könne.49 Es ist wahrscheinlich, dass Begünstigte eine aktive Rolle bei der Akquise neuer Ver‑ mögenswerte und Spendengelder spielten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Staat großen Einfluss auf die Verteilung von Stiftungsgeldern hatte. Wie die bereits erwähnte Abhandlung von aṭ‑Ṭarsūsī zeigt, besteht kein Zweifel daran, dass die Be‑ günstigten von waqf ‑Institutionen nicht

Stiftungsbegünstigte

nur eine administrative Funktion hatten oder von frommen Zielen getrieben waren, sondern dass ihre Handlungen vielmehr auch in einen anderen Kontext einzuord‑ nen sind: Das Ringen der Rechtsgelehrten um Einfluss bei den Herrschern zur Siche‑ rung der Ressourcen und Geldmittel, die von ihren eigenen religiösen Gemeinschaf‑ ten benötigt wurden. In dieser Hinsicht diente der waqf den Begünstigten häufig als bloßes Mittel zum Zweck. IS

Anmerkungen 1  Lane, Account (1860), 287; 444. 2 Canova, Sinnawr, Hirr, Qiṭṭ (2014), 210–213. 3 „Die Türken haben Almosen und Hospitäler

für Tiere.“ – Montaigne, Essais. Livre second. Ed. Pierre Michel. Paris 1965, 137. 4  Al‑Maqrīzī, al‑Mawāʿiẓ wa‑l‑iʿtibār bi‑ḏikr al‑ ḫiṭaṭ wa‑ʾl‑āṯār, Bd. 4. Beirut 1997, 338 f. 5 Beispielsweise wurde diskutiert, ob ein Koran einem blinden Mann gestiftet werden sollte; so Al‑Munāwī, Taisīr al‑wuqūf ʿalā ġawāmiḍ aḥkām al‑wuqūf, Bd. 1. Ed. Aḥmad ʿAbd al-Ǧabbār aš-Šaʿbī. Mekka 1990, 252. 6 Zum Beispiel bestand die Frage, ob nur männ‑ liche Erben Begünstigte eines waqf sein konn‑ ten, und Frauen ausgeschlossen werden durften; so Ibn al‑ʿAṭṭār, Kitāb al‑waṯāʾiq wa‑ʾl‑siǧillāt. Ed. Pedro Chalmeta / Federico Corriente. Madrid 1983, 210 f. 7 Siehe etwa Aḥmad ibn ʿAmr al‑Ḥassāf , Kitāb aḥkām al‑awqāf. Kairo 1904, 61 f., für eine Erör‑ terung von Stiftungen zugunsten reicher und armer Verwandter. 8 Wie komplex die waqf ‑Strukturen um die Umayyaden‑Moschee waren, lässt sich an der Politik Nūr ad‑Dīns gegenüber dieser Institution beobachten, die untersucht wird bei Heidemann, Charity and Piety (2009). 9 Al‑Qalqašandī, Ṣubḥ al‑aʿšā fī ṣināʿat al‑inahāʾ, Bd. 14. Kairo 1963, 352. 10  Zu diesen Stiftungen siehe Sabra, Poverty and Charity (2000), 90 f.

11  Leider gibt es aus dem Mittelalter hierzu

kaum Informationen, und die Forschung kon‑ zentriert sich auf spätere Epochen, wo eine Fülle dokumentarischer Quellen solche Studi‑ en erlaubt. Zum heutigen Gebrauch des waqf in kommerziellen Unternehmungen siehe Kuran, Long Divergence (2012), 45–77. Mittelalterliche waqfīyas enthalten jedoch oft Vorschriften, dass die Stiftung weder zu veräußern noch als Ge‑ schäftspfand zu verwenden sei. Die Häufigkeit dieser Hinweise und die Beschreibung ähnlicher Kniffe in der ḥiyal‑Literatur lassen vermuten, dass dies jedoch nicht selten vorkam. In einer juristischen Abhandlung über awqāf aus dem 9. Jahrhundert u. Z. wird bereits erörtert, ob die Stiftung illegal erworbenen Land‑ oder Immo‑ bilienbesitzes rechtmäßig sei, was der Autor unter bestimmten Umständen gestattet – siehe Al‑Ḥassāf , Kitāb aḥkām al‑awqāf (wie Anm. 7), 315 f. Zu Dokumenten über diesen Stiftungstyp mit Klauseln gegen den falschen Gebrauch der Stiftung siehe beispielsweise Saghbini, Mamlu‑ kische Urkunden (2005), 59. 12  Rapoport, Marriage, Money and Divorce (2005), 40. 13  Reinfandt, Kārimī‑Kaufleute als Stifter (2003). 14  Northrup, Al‑Bīmāristān al‑Manṣūrī (2013, ND 2014), 133. 15  Ibn Abī Uṣaibiʿa, ʿUyūn al‑anbāʾ fī ṭabaqāt al‑aṭibbāʾ, Bd. 2. Ed. August Müller. Königsberg 1884, 244.

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Muslime

16  Siehe beispielsweise die Untersuchung über

das Mausoleum des Chefchirurgen vom Bīmāristān al-Manṣūrī bei Hamza, Turbat Abū Zakariyyā (2015). 17  Muǧīr ad‑Dīn al‑ʿUlainī, Al‑Uns al‑ǧalīl bi‑tāʾrīḫ al‑Quds wa‑l‑Ḫalīl, Bd. 2. Ed. Maḥmūd ʿAwara al-Kaʿābina. Amman 1991, 46. 18  Vgl. die Bestimmungen des Stifters: Docu‑ ments sur plusieurs waqfs musulmans. Ed. Louis Massignon, Opera Minora, Bd. 3. Paris 1969, 181– 232, hier 194 f. 19  The Travels of Ibn Jubayr. Ed. William Wright / Michael Jan de Goeje. (The E. J. W. Gibb Memorial Series, Bd. 5.) Leiden 21907, 42. 20 Pouzet, Maghrébins à Damas (1975). 21 Siehe beispielsweise Ibn Qaiyim al‑Ǧauzīya, Aḥkām ahl aḏ‑ḏimma, Bd. 1. Ed. Yūsuf ibn Aḥmad al-Bakrī / Šākir ibn Taufīq al-ʿĀrūrī. Beirut 1997, 601 f. 22 Zu den Restriktionen in Zusammenhang mit der Gründung von christlichen und muslimischen awqāf siehe Ibn Sahl, Dīwān al‑aḥkām al‑kubrā. Ed. Yaḥyā Murād. Kairo 2007, 594 f. 23 Ward, Construction and Repair (1984). 24 Sālim, Tāʾrīḫ al‑Iskandariyya (1982), 236 f. 25 Ephrat, Sufism and Sanctity (2006), 13. 26 Gross, Central Asian Waqf (1996). 27 Rapoport, Marriage, Money and Divorce (2005), 40. 28 Mannūnī, Karāsī al‑asātiḏa (1966), 93. Zu den Gelehrtenstellen in der Moschee von Qarawīyīn siehe Tāzī, Ğāmiʿ al‑Qarawiyyīn, Bd. 2 (1973), 371–403. 29 Petry, Civilian Elite of Cairo (1981), 271 und Abb. 27–A, 27–B 30 Ephrat, Sufism and Sanctity (2006), 13. 31 Little, Nature of Khānqāhs, Ribāṭs and Zāwiyas (1991), 94. 32 Fernandes, Foundation of Baybars al‑Jashan‑ kir (1987), 26 33 Little, Nature of Khānqāhs, Ribāṭs and Zāwiyas (1991), 94. 34 Sabra, Poverty and Charity (2000), 90 f.

35 An‑Nuʿaimī, Ad‑Dāris fī taʾrīḫ al‑madāris, Bd. 1. Beirut 1990, 123.

36 Ebd., 30. 37 Zu dieser Schrift siehe Winter, Inter‑Madh‑ hab Competition (2001).

38 Trotz der Besonderheiten im mālikītischen

Recht, das eine Umkehrbarkeit des waqf erlaub‑ te, handelt es sich bei aṭ‑Ṭarsūsīs’ Bericht über mālikītische Lehre um eine offenkundige Miss‑ deutung. Er behauptete auch, dass die Mālikīten die befristete Ehe und den Verzehr von Hunde‑ fleisch billigten. Siehe aṭ‑Ṭarsūsī, Tuḥfat al‑Turk fīmā yaǧib an yuʿmal fī l‑mulk. Ed. ʿAbd al-Karīm Muṭīʿ al-Ḥamdāwī. Damascus 2000, 137 f. 39 Aṭ‑Ṭarsūsī, Tuḥfat al‑Turk. Ed. al-Ḥamdāwī (wie Anm. 38), 140. 40  Das beste Beispiel hierfür ist McChesney, Waqf in Central Asia (1990). 41  Beispielsweise enthält die Schriftrolle mit der Stiftungsurkunde der Yūnusīya‑Bruderschaft, ob‑ wohl sie drei Meter lang ist, keinerlei Information über die Entwicklung der Stiftung, sondern nur eine Abschrift des Originaldokumentes und viele Beurkundungen von Neuernennungen. Zu dieser Schriftrolle siehe Richards, Damascus Scroll (1990). 42  Documents sur plusieurs waqfs musulmans. Ed. Massignon (wie Anm. 18), 194 f. 43  Kitāb waqf al‑qāḍī ʿUṯmān ibn Asʿad al‑ Munaǧǧā al‑Ḥanbalī. Ed. Ṣalāḥ ad-Dīn al-Munaǧǧid. Damaskus 1949, 31. 44  Saghbini, Mamlukische Urkunden (2005), 50. 45  Saghbini, Mamlukische Urkunden (2005), 53. 46  García Sanjuán, Dios herede la tierra (2002), 199. 47  Al‑Wanšarīsī, Al‑Miʿyār al‑muʿrib wa‑ʾl‑ğamiʿ al‑muġrib ʿan fatāwā ʿulamāʾ al‑Andalus wa‑ʾl‑ Maġrib, Bd. 7. Ed. Muḥammad Ḥağğī / Muḥammad al-ʿArāyīšī / Aḥmad aš-Šarqāwī Iqbāl. Rabat 1981, 139. 48  Lev, Charity, Endowments and Charitable Institutions (2005), 6. 49  Little, Five Petitions (1996).

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Stiftungsbegünstigte

12.4  Juden 12.4.1  Allgemeines Der jüdische heqdesh als soziales System beruhte auf einer Interaktion zwischen Stiftern, Verwaltern und Begünstigten, so‑ wohl in seiner ältesten Form als Gemein‑ defonds als auch in der der im Mittelalter entstandenen privaten und semi‑privaten heqdeshot sowie der Bruderschaftsstiftun‑ gen. Das heißt vor allem, dass die Desti‑ natäre nicht bloß Gabenempfänger waren, sondern auch entscheidende Akteure für Errichtung, Dauer und Wandel der Stiftung. Obwohl schon die beiden Grundformen des Gemeindefonds (quppah und tamḥui) ihren wichtigsten Zweck in der Hilfe für lokale und fremde Bedürftige gefunden hatten,1 waren die Nutznießer der heqdeshot im Grunde alle Gemeindemitglieder und in weiterer Perspektive das ganze jüdische Volk; Destinatäre waren also nicht nur die unteren Schichten. Deutlich wird das be‑ sonders bei der Errichtung einer Synagoge und anderer religiöser Institutionen in ei‑ ner Gemeinde, also etwa eines bet-ʿolamim (Friedhof), einer miqweh (Ritualbad) oder eines Talmud Thora (Lehrhaus); diese dien‑ ten dem bonum commune der Gemeinde, zu dem alle ihre Mitglieder beitragen soll‑ ten. Einrichtung und Aufrechterhaltung dieser Institutionen war die Aufgabe des Gemeinde‑heqdesh. Ferner waren die Gren‑ zen zwischen den wirtschaftlich‑sozia‑ len Schichten der jüdischen Gemeinden während des ganzen Mittelalters nicht so fest, dass ihre Mitglieder auf Dauer ent‑ weder ausschließlich den Gönnern oder ausschließlich den Begünstigten hätten zugeschlagen werden können. (→ 14.4.2) Reiche Juden, die viel für einen Gemein‑ defonds stifteten, konnten sehr leicht in

die Lage geraten, selbst als Bedürftige die Hilfe anderer Gemeindemitglieder in An‑ spruch nehmen zu müssen. Es mag hier genügen, die Beispiele von Kriegsgefan‑ genen oder Geiseln zu nennen. Aber nicht nur in solchen Sonderfällen zeigt sich der interaktive Charakter des jüdischen heqdesh, denn Ursachen für Verarmung und Not waren auch Hungersnöte, Epidemien, Vertreibungen und Pogrome. Bevor wir den interaktiven Charakter des heqdesh im Einzelnen betrachten, emp‑ fiehlt sich eine Typologie der Destinatäre. Unterscheiden lassen sich fünf Kategorien: (1.) Bedürftige aller Art (Arme, Kranke, Waisen, Witwen, Alte, Fremde); (2.) Ge‑ haltsempfänger für bestimmte Ämter oder Tätigkeiten (Thora‑Gelehrte, Kinderleh‑ rer, Gemeindeangestellte); (3.) alle Mitglie‑ der einer Gemeinde; (4.) Mitglieder einer ḥevrah; (5.) Verwandte der Stifter. Arme und andere Bedürftige erbrachten keine Gegenleistungen für empfangene Wohltaten. Nach dem Gebot des Talmud war der Gemeindefonds zur quppah und zum tamḥui verpflichtet, das heißt einmal in der Woche vor dem Sabbat mussten den örtlichen Armen Lebensmittel oder mone‑ täre Gaben ausgeteilt werden, während fremde Arme täglich Anspruch auf eine Lebensmittelration aus der Suppenküche hatten.2 Die Waisen und Witwen (yatom veʾalmanah) wurden ebenfalls bereits im Tal‑ mud als eine besonders unterstützungsbe‑ dürftige Gruppe bezeichnet, die dem Schutz des bet-din anbefohlen wurde; der jüdische Gerichtshof war zum Beispiel auch damit beauftragt, das Vermögen minderjähriger Waisen zu verwalten. Eine talmudische

Juden

religiöse Pflicht waren schließlich auch Besuch und Pflege der Kranken der Ge‑ meinde (biqqur ḥolim) wie auch der Freikauf der Gefangenen (pidyon shvuyim). All diese Fürsorgeaufgaben der Gemeinde als ganzer wurden durch verschiedene Stiftungstypen erfüllt. Der Talmud war jedoch nicht nur im Hinblick auf die Aufgabenbereiche der gemeindlichen Fürsorge, sondern auch auf deren Umsetzung die zentrale Grundlage: So bestimmte das talmudische Recht sogar die Maßstäbe materieller Bedürftigkeit, die etwa R. Moshe Mintz aufgriff, als er ein Vermögen von weniger als 200 zuz (oder 25 biblischen Silberlingen) als Grenze für Ansprüche auf gemeindliche Unterstüt‑ zung festlegte; ausgenommen von dieser strengen Regel seien nur Fremde in Not und Gelehrte.3 In die zweite Kategorie von Stiftungsbe‑ günstigten fallen all diejenigen, die vom heqdesh ein Gehalt erhielten: Gelehrte, Kin‑ derlehrer (melammed) und Gemeindeange‑ stellte aller Art, wie etwa Verwalter (parnas, gabbai), Kantoren (ḥazan), Schreiber (sofer), Synagogenbedienstete (shammash) usw. Dazu kamen auch Thoraschüler, die mit einem Stipendium gefördert wurden. In Altkairo lag das Aufkommen für die Gehälter der Gelehrten und Gemeindean‑ gestellten während der 1180er Jahre etwa bei 76 % der Gesamtausgaben des heqdesh.4 In Aschkenas und zu gewissen Zeiten auch in Spanien wurden hingegen nicht alle Gemeindebediensteten vom heqdesh bezahlt; manchmal verdienten sie ihren Lebensunterhalt auch anderweitig selbst und erfüllten trotzdem zugleich bestimmte Funktionen in der Gemeinde. Der einzige Angestellte, der in den meisten Fällen ein Gehalt bezog, war der Kantor; er war der einzige, der zur Erfüllung seiner Aufgabe eine spezielle Ausbildung brauchte, da er in der Synagoge vorbeten musste. Gelehrte einer yeshivah oder außerhalb derselben

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erhielten manchmal auch ein Gehalt. Da‑ bei war es nach talmudischem Recht ei‑ gentlich verboten, sich für die Weitergabe religiösen Wissens finanziell entlohnen zu lassen. Abgesehen von Aschkenas, wo die Gelehrten oft auch als Geldleiher tätig waren, genossen sie im Allgemeinen Steu‑ erfreiheit. Hier wie auch in Spanien war es seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhun‑ derts allgemeine Praxis, die Schulen aus Mitteln des Gemeindefonds oder privater und semi‑privater Stiftungen zu unter‑ stützen, die neben dem Lehrhaus und den Büchern auch das Gehalt für die Lehrer und die Stipendien für arme Studenten finanzierten. Die dritte Gruppe bildeten alle Gemein‑ demitglieder, die die Gemeindeinstitutio‑ nen und ihre Ausstattung nutzten. Sämtli‑ che Gemeindemitglieder waren verpflichtet, für die Einrichtung und Aufrechterhaltung dieser Institutionen gemäß ihrem Vermö‑ gen einen Beitrag zu leisten. So waren die Gemeindemitglieder zugleich Stifter und Begünstigte. In die vierte Gruppe von Stiftungsbe‑ günstigten fallen die Mitglieder einer ḥevrah. Diese Wohltätigkeitsgesellschaften entstanden im Spätmittelalter in Spa nien,5 etwas später auch in Aschkenas6. Die ḥevrot spezialisierten sich auf verschiedene Auf‑ gaben: Krankenbesuch (biqqur ḥolim), Be‑ stattung der Toten (ḥevrah qadishah, ḥevrat qabbarim), Talmud Thora, Wohltätigkeit für Arme (ṣedaqah), praktische Hilfe (gemilut ḥasadim)7. Diese Gesellschaften können als Idealtypen für solche Stiftungen gel‑ ten, bei denen die Begünstigten auch eine aktive Rolle spielten. Wie bei den Musli‑ men gab es im orientalischen Judentum keine Korporationen oder Zünfte wie die christlichen confraternitates oder die ḥevrot. Darin dass in islamischen Städten über‑ haupt keine Körperschaften aufgekommen waren, sieht Mark Cohen den Grund für

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das Fehlen korporativer Stiftungen unter muslimischer Herrschaft.8 Die fünfte Kategorie der Begünstig‑ ten bildeten die Verwandten der Stifter. Reine Familienstiftungen waren für die jüdischen heqdesh‑Typen nicht charakte‑ ristisch, und trotzdem begegnen im isla‑ mischen Kontext (und offensichtlich unter islamischem Einfluss) einige Beispiele für Stiftungen dieser Art.9 Bei den verschie‑ denen Stiftungstypen wird die Frage nach der Stellung der Verwandten unter den Begünstigten unterschiedlich beantwor‑ tet. Beim Gemeindefonds musste das Ver‑ hältnis zum Armenzehnt gelöst werden: Durfte man das ganze Aufkommen oder die Hälfte des Zehnten, der eigentlich dem heqdesh zustand, direkt armen Verwand‑ ten geben? Die Antworten der Gelehrten waren unterschiedlich: Einige erlaubten, den ganzen Armenzehnt so zu verwenden, andere gestatteten dies nur für die Hälfte, wieder andere verboten die Praxis ganz. Bei privaten oder semi‑privaten Stiftungen erscheinen Verwandte entweder als vom Stifter ernannte Verwalter des heqdesh, die für ihre Tätigkeit ein Gehalt von der Stiftung erhielten, oder als arme Begüns‑ tigte. Im zweiten Fall war oft die Frage vorausgegangen, ob der Stifter verpflichtet sei, seine armen Verwandten durch die Stiftung zu versorgen, oder ob umgekehrt ein armer Verwandter, der vom Stifter als Begünstigter übergangen wurde, das Recht habe, von der Stiftung zu profitieren. Auch in diesen Fragen fielen die Antworten ganz unterschiedlich aus.10 12.4.2  Die Destinatäre bei der Errichtung der Stiftung In zahlreichen Fällen spielten die künftigen Begünstigten schon von Anfang an eine entscheidende Rolle bei der Einrichtung

Stiftungsbegünstigte

eines heqdesh. Manchmal ging die Idee zur Stiftung selbst auf die Begünstigten zurück oder sie entschieden zumindest über Ort, Größe, Art oder Zustifter der Einrichtung sowie die konkreten Regelungen für den Stiftungsvollzug mit. Zahlreiche Geniza‑Fragmente doku‑ mentieren, dass die Gemeinde in Jerusa‑ lem oder deren yeshivah von Zeit zu Zeit Geldsammlungen in Altkairo zugunsten ihrer Armen oder Gelehrten anregte, vor allem vor religiösen Festen wie Passah oder Shawuot. Die Jerusalemer Gemeinde entsandte hierfür sogar Geldbeschaffer an den Nil, die die Spenden zusammen‑ bringen sollten (tafriqat al-maqādisa). Eine noch bedeutendere Einnahmequelle waren die Mieten eines ganzen heqdesh‑Hauses (dār al-maqādisa), das Anfang des 11. Jahr‑ hunderts in Fustat für die Armen von Jerusalem und die Jerusalemer yeshivah gestiftet worden war; später kamen zu diesem Haus noch weitere als Stiftungs‑ kapital hinzu. Die Zahlungen zugunsten der Glaubensgenossen in Jerusalem aus den Erlösen dieses heqdesh‑Häuser‑Kom‑ plexes in Fustat lassen sich in den Kairener Quellen über zwei Jahrhunderte verfolgen, jedoch wurde der Kreis der Begünstigten später im Kontext der Kreuzzüge verän‑ dert.11 Auch wenn es allgemein religiös geboten war, die Gemeinde in Jerusalem zu unterstützen, ergriff diese doch immer wieder selbst die Initiative, um Mittel ein‑ zuwerben. Einem hebräischen Brief an die Gemein‑ de in Straßburg aus dem Jahr 1381 zufolge hatten die Mitglieder der Gemeinde von München beschlossen, „eine Synagoge [zu] bauen sowie einen heqdesh [zu] begründen“. Dafür wollten sie drei Jahre lang monat‑ lich die Hälfte ihrer Zehntabgaben spa‑ ren.12 Die Initiative zur Gründung dieses heqdesh ging also von der Gemeinde aus, die sowohl Stifterin als auch Begünstigte

Juden

war. Zahlreiche ähnliche Fälle wurden in der Responsaliteratur der aschkenasischen und sephardischen Gelehrten behandelt; darüber hinaus war es ein talmudisches Gebot, dass eine Gemeinde in der Diaspora einen heqdesh (oder eine quppah) einrich‑ ten müsse.13 Der Freikauf von Gefangenen war eben‑ falls ein Stiftungszweck sowohl im Orient als auch in Europa. Bei solchen Stiftungen handelte es sich nicht nur um Institutionen zur Umsetzung eines allgemeinen religiö‑ sen Gebots, sondern auch um eine Ant‑ wort auf ein humanitäres Problem, das unbedingt mit Hilfe von Stiftungen oder Geldsammlungen in der Gemeinde gelöst werden musste. Auch wenn ein Gefange‑ ner seinen Freikauf ablehnte, was öfter der Fall war, stand die Gemeinde in der Pflicht, denn Geiselnahmen oder die Gefangen‑ schaft von Juden konnten die ganze Ge‑ meinde gefährden. Geiseln oder Gefangene konnten jedoch auch umgekehrt mit eige‑ nen Mitteln zu ihrem Freikauf beitragen. Es war kein Zufall, dass die Jerusalemer Gemeinde und ihre Institutionen besonders in Fustat um Unterstützung baten und etwa das erwähnte heqdesh‑Haus, das zu diesem Zweck gestiftet worden war, ge‑ nau dort stand. Die Altkairoer Gemein‑ de war nämlich während der klassischen Geniza‑Zeit und während des Mittelalters überhaupt eine der reichsten im Orient. Jährlich wurden von der offenbar äußerst profitablen Kairener Immobilienstiftung 40 Dinar zugunsten Jerusalems abgeführt. Wenn diese Summe ausblieb oder nur re‑ duziert geleistet wurde, schrieben die Ver‑ walter oder die Häupter der yeshivah von Jerusalem nach Fustat und erhoben dort Nachforderungen.14 Anscheinend hatten die Begünstigten hier bewusst den Ort der Stiftung ausgewählt, um möglichst umfänglich und zuverlässig Unterstützung zu erhalten.

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An den Kairener Stiftungen zuguns‑ ten der Jerusalemer Gemeinde lässt sich aber auch beobachten, dass Begünstigte Einfluss auf die praktische Verwaltung einer Stiftung nehmen konnten: Seit dem Beginn der Kreuzzüge verlor die Jerusa‑ lemer Gemeinde an Bedeutung, und viele Juden flohen vor den unsicheren Verhält‑ nissen nach Altkairo. Hier erreichten die Ankömmlinge, dass sie trotz ihrer Umsied‑ lung weiterhin die Erträge des Immobilien‑ heqdesh für die Jerusalemer Gemeinde als Unterstützung erhielten. Schon während der seldschukischen Besatzung Palästi‑ nas war die yeshivah von Jerusalem nach Tyrus übergesiedelt und wurde bis 1099 trotzdem ebenfalls durch den Gemeinde‑ heqdesh von Fustat unterstützt.15 Bei der Eroberung Jerusalems durch die Kreuz‑ fahrer im Juli 1099 wurden viele Juden getötet, andere aber gefangengenommen. Sie mussten für 30 Goldstücke freigekauft werden, wie auch jüdische Quellen aus der Geniza von Kairo bestätigen.16 Nicht weni‑ ge von ihnen gelangten nach Altkairo und wurden hier ebenfalls von den Erträgen der dār al-maqādisa versorgt. So hatten die Jerusalemer Begünstigten nach ihrer Vertreibung offenbar erwirkt, dass bei der Auszahlung der Stiftungserträge von ihrem unfreiwilligen Wohnortwechsel abgesehen wurde und ihnen die Gelder aus Kairo zur Unterstützung jüdischen Lebens in Jeru‑ salem weiterhin zustanden. Begünstigte konnten aber nicht nur auf die konkrete Umsetzung von Stiftungsre‑ gularien Einfluss nehmen, sondern auch auf deren ursprüngliche Abfassung. Zwei Gruppen waren in dieser Hinsicht von Be‑ deutung: die Mitglieder einer Gemeinde, die Einfluss auf die taqqanot (Gemeinde‑ ordnungen) nahmen und damit auch die Verordnungen zum heqdesh mitbestimmten, und die Mitglieder einer ḥevrah, die nach eigenen Vorgaben Gelder auszahlten.

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Die drei ersten wichtigen Gemeinde‑ ordnungen aus dem 11.–13. Jahrhundert wurden unter den Namen bedeutender Ge‑ lehrter oder als Entscheidungen überregio‑ naler Synoden tradiert. Von den lokalen Gemeinden wurden sie in Anwesenheit all ihrer Mitglieder unter Bannandrohung (ḥerem) akzeptiert. So wirkten diese dabei mit, die Gemeindeordnungen (taqqanot) zu legitimieren. Es ist je eine taqqanah für das 11., 12. und 13. Jahrhundert überliefert, nämlich im Namen von R. Gershom Meor ha‑Gola (ca. 960–1028), von R. Tam (ca. 1100–1171) und im Namen der Synode der Rheingemeinden (1223). Diesen Ordnungen zufolge konnte sich niemand den Zehnt‑ zahlungen verweigern, wenn ein ḥerem ausgesprochen, also ein Bann angedroht wurde.17 Diese Ordnungen waren noch im 15. Jahrhundert gültig; sie sind also immer wieder von den Mitgliedern verschiedener Gemeinden akzeptiert worden. Es gab aber auch taqqanot, die nur lokale Gültigkeit besaßen und hierfür von den Mitgliedern der Einzelgemeinde, in der sie entstanden waren, akzeptiert wurden. Die Gemeinde‑ heqdeshot mussten also der taqqanah des jeweiligen Ortes folgen.18 Noch strenger waren die Mitglieder ei‑ ner ḥevrah auf die gemeinsamen Beschlüs‑ se verpflichtet. Einige solcher statutenar‑ tigen Regelungen sind erhalten geblieben. Beispielsweise hat der Infant Alfons im Jahr 1323 und nach ihm König Peter IV. im Jahr 1348 die Statuten der Beerdigungs‑ bruderschaft der Gemeinde von Huesca bestätigt. Beide Texte enthalten 33 Para‑ graphen, in denen die Pflichten und Rech‑ te der Bruderschaftsmitglieder aufgezählt werden.19 Auch in den anderen jüdischen Gemeinden Spaniens, vor allem in Sara‑ gossa, wurden zahlreiche Bruderschaften errichtet.20 In Aschkenas sind ḥevrot auch aus Miltenberg (1329) und Vilnius (1481) bekannt. Eine Satzung für eine ḥevrah ist

Stiftungsbegünstigte

auch aus Ferrara überliefert und datiert vom Jahr 1515; zu den Mitgliedern der gemilut ḥasadim, des Wohltätigkeitsverbandes also, zählten Männer, Frauen und Kinder.21 12.4.3  Die Stiftungsbegünstigten im sozialen Gefüge der Stiftung Der heqdesh lässt sich als interaktives Sozialgefüge mit dem Grundprinzip des Gabentausches verstehen; die meisten Be‑ günstigten leisteten also Gegengaben. Am wichtigsten war dabei ihre Mitwirkung bei der Fürsorge für Dritte oder an der Stifter‑ memoria. Begünstigte, die ein Gehalt oder Stipendium vom heqdesh bekamen, erfüll‑ ten als Gegengabe wichtige gemeindliche Funktionen als Verwalter oder Angestellte des heqdesh oder als Lehrer oder Schüler der Bildungseinrichtungen. (→ 12.4.1; 9.4.3) Caritative Leistungen aller Art waren im Judentum oft nicht an eine Stiftung gebunden, sondern folgten einem allge‑ meinen religiösen Gebot. Man kann fol‑ gende Leistungen der Gemeindemitglieder oder einer ḥevrah unterscheiden: gemilut ḥasadim (praktische Wohltätigkeit mit dem eigenen Körper)22, ṣedaqah (Geldspende, Arbeitsvermittlung, Speisung und wei‑ tere caritative Leistungen) und maʿasar ʿaniyyim (Armenzehnt). Sowohl die Ge‑ meindemitglieder als auch die Mitglieder einer ḥevrah, die von verschiedenen Ein‑ richtungen der Gemeinde oder der ḥevrah ‚profitierten‘, waren verpflichtet, neben ei‑ ner Mitgliedssteuer oder einer Mitglieds‑ gebühr verschiedene caritative Leistungen zugunsten anderer Mitglieder zu leisten. Diese Pflicht wurde für die Gemeinde in den lokalen Ordnungen (taqqanot) vorge‑ schrieben, für die ḥevrot in deren Statuten. Jedes Mitglied einer jüdischen Ge‑ meinde, das von den Dienstleistungen der Gemeinde profitierte, war im Gegenzug

Juden

verpflichtet, der Gemeindekasse entweder eine beliebige Summe zu spenden (ṣedaqah) oder einen Zehnt (maʿasar) abzugeben. Die Höhe des Zehnten wurde von den Verwal‑ tern des heqdesh oder den Vorstehern der Gemeinde in Abhängigkeit vom jeweiligen Vermögen des Spenders bestimmt. Außer‑ dem hatten alle Mitglieder die religiöse Pflicht, Kranke zu besuchen, Tote zu be‑ statten, praktische Unterstützung Bedürf‑ tiger durch körperliche Arbeit zu leisten (gemilut ḥasadim) sowie durch Spenden den Talmud‑Unterricht und materielle Hilfe für Arme zu ermöglichen. All diese Arten von Fürsorge wurden schon im Talmud von den Mitgliedern einer Gemeinde gefordert.23 In Spanien und in Aschkenas entstan‑ den seit dem 13. Jahrhundert an vielen Or‑ ten zusätzlich besondere Genossenschaften, die sich diesen Aufgaben beständig wid‑ meten (ḥevrot). Sie sind um 1300 in einem der Responsa von Rashba belegt und später sowohl in Sepharad als auch in Aschkenas präsent.24 Über ihre spezifischen Zwecke hinaus hatten sie für die mittleren und unteren gesellschaftlichen Schichten eine umfassendere soziale Funktion: Sehr oft entstanden sie nämlich gerade an solchen Orten, an denen Reiche und Angehörige der Elite Vorsteher und Verwalter der Gemein‑ de‑heqdeshot waren, sodass die Interessen weniger wohlhabender Gemeindemitglie‑ der häufig nicht ausreichend berücksichtigt wurden.25 Wer in eine Bruderschaft eintrat, war verpflichtet, einen Mitgliedsbeitrag zu zahlen. Die von ihr Begünstigten mussten wiederum die allgemeinen Pflichten der Wohltätigkeit erfüllen, sei es durch Gaben von Geld oder Lebensmitteln, sei es durch physische Arbeit, Bestattung der Toten oder Krankenbesuch. Liturgische Gedenkleistung (hazkarat neshamot) seitens der Begünstigten zuguns‑ ten des Stifters war kein originär jüdischer Brauch, sondern eine wahrscheinlich unter

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dem Einfluss der Christen in Aschkenas und teilweise auch in Sepharad entwickel‑ te Praxis. Dabei ist nicht ausgeschlossen, dass es eine liturgische Stiftermemoria auch im Orient gab, wir haben aber kei‑ ne Belege dafür. Die Stifterlisten aus der Kairoer Geniza sind vermutlich eher Auf‑ zeichnungen der Verwalter (parnasim) des heqdesh, die teilweise auch in der Synagoge zusammengestellt wurden; wahrscheinlich wurden die Namen hier aber auch verlesen. In Jerusalem wurden ebenfalls die Namen von Stiftern während der Pilgerfahrten zu den Festen wie Sukkot laut auf dem Ölberg rezitiert. Diese öffentlichen Erwähnungen dienten, so scheint es, indes eher dem dies‑ seitigen Ruhm des Stifters als der Förderung seines Seelenheils. Das Verlesen der Namen übernahmen dabei die Häupter der Jeru‑ salemer yeshivah, nicht die Begünstigten der Stiftungen selbst.26 Aus Sepharad und Aschkenas sind Fälle bekannt, in denen Stifter die Begünstigten zum Gedenken verpflichteten. In dem Fall einer semi‑privaten Stiftung aus Spanien, von der jährlich Geld für ein Lehrhaus zur Verfügung gestellt wurde, war vorge‑ schrieben, dass die Begünstigten an Yom Kippur Fürbitte für den Stifter halten soll‑ ten, solange dieser am Leben war, und nach seinem Tod für seine Seele beten sollten.27 Einschlägigstes Zeugnis für Stif‑ tergedenken aus Aschkenas ist das Nürn‑ berger Memorbuch, in dem abgesehen von Märtyrerverzeichnissen in Nekrologien nach christlichem Vorbild eine lange Reihe von Stifternamen samt ihren Stiftungen vermerkt ist. Da wir wissen, dass die Mar‑ tyrologien im Judentum an Sabbaten und an Pilgerfesten in der Liturgie gebraucht wurden, ist anzunehmen, dass auch die Aufzeichnungen der Stifternamen diesem Zweck dienten.28 Neben Stiftungen für die heimische Synagoge gibt es im Nürnber‑ ger Memorbuch auch eine Liste mit den

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Stiftungen zugunsten der Jerusalemer Ge‑ meinde, entweder für die dortigen Armen oder für die yeshivah. Fürbitten für das Seelenheil des Stifters oder die liturgische Erwähnung seines Namens (hazkarat neshamah) waren nicht nur den Mitgliedern der Nürnberger Gemeinde auferlegt, son‑ dern auch den Empfängern der Stiftung, den Jerusalemer Juden selbst.29 12.4.4  Die Destinatäre und der Fortbestand der Stiftung Die Begünstigten als Akteure im Sozialge‑ füge des heqdesh waren unentbehrlich für die Sicherung der Stiftung auf Dauer. Sie spielten einerseits eine Rolle bei Konflikten zwischen den Stiftungsorganen und den Erben des Stifters, bei denen sie vor allem zugunsten der Stiftung intervenierten, so‑ wie bei der Anwerbung neuer Zustifter. Stif‑ tungsbegünstigte konnten aber auch zum Nachteil der Stiftung wirken und sogar die Existenz des heqdesh durch Überforderung oder Fehlverhalten gefährden. Bei Rechtsstreitigkeiten zwischen dem heqdesh und den Erben des schon verstorbe‑ nen Stifters hatten vor allem die Verwalter, die meist auch Begünstigte des heqdesh waren, mit den Erben Prozesse zu führen. Das jüdische Recht (halakhah) begünstig‑ te in solchen Streitigkeiten in fast allen Fällen den heqdesh, erst im Spätmittelalter änderte sich die Lage ein wenig zugunsten der Erben. Dies betrifft vor allem Frauen, die ihren Witwenanteil (ketubbah) nicht erhalten hatten, weil ihr Mann ihn dem heqdesh vermacht hatte. Insbesondere ihre Rechte wurden nun gestärkt. Ein Beispiel für einen derartigen Konflikt überliefert ein Responsum von Ritba.30 Zustifter wurden auf vielerlei Weise durch Begünstigte zu ihrer Wohltat an‑ geregt. Insbesondere sind hier die vielen

Stiftungsbegünstigte

Bittbriefe an die Verwalter des heqdesh Altkairos und an die Vorsteher der dortigen Gemeinde zu erwähnen. Diese Schreiben stammten von ‚verschämten Armen‘, die ihre Lage nicht offenbaren wollten und deshalb die Öffentlichkeit der Synagoge scheuten. Die persönliche Form der Bit‑ te verfehlte ihre Wirkung oft tatsächlich nicht.31 Auch der Zuzug von Fremden in eine Gemeinde trug dazu bei, dass neue Stifter gewonnen werden konnten. Beob‑ achten lässt sich das in Aschkenas und Sepharad zur Zeit der Großen Pest und der mit ihr einhergehenden Verfolgungen und Vertreibungen. Diese Umwälzungen führten teilweise auch zu neuen Stiftungs‑ formen, zum Beispiel durch Einführung einer allgemeinen vermögensabhängigen Gemeindesteuer für gemeindliche Fürsor‑ geaufgaben.32 Dass Destinatäre auch Abweichungen von den Stifterauflagen erreichen konnten, zeigt das oben bereits behandelte Beispiel Jerusalemer Juden, die auch nach ihrer Flucht nach Altkairo weiter von einer Stif‑ tung für die Gemeinde in der heiligen Stadt profitierten.33 (→ 12.4.2) Wenn eine ganze Gemeinde einen Ort verließ und an einen anderen Ort umzog, stellte sich die Frage der Übertragung und Neuorganisation des heqdesh. R. Joseph Kolon (geb. Chambéry, 1420; gest. Pavia, 1480) beschäftigte sich in zwei Responsa mit diesem Problem. Hatte der ṣedaqah‑ Sammler der Gemeinde das Geld vom alten Standort mitgeführt, müsse die quppah am neuen Ort wieder aufgestellt, und die Mit‑ tel müssten ihrem ursprünglichen Zweck zugeführt werden; ansonsten müssten am Zufluchtsort quppah und tamḥui neu ge‑ schaffen werden, wenn absehbar sei, dass man auf Dauer bleiben werde.34 Manchmal trugen die Destinatäre auch dazu bei, den Stifterwillen durch Ausdeh‑ nung der Memorialeistung auf weitere

Juden

Generationen von Begünstigten zu ver‑ stetigen. Beispiele hierfür bietet das Nürn‑ berger Memorbuch. Dieses besteht aus drei Abteilungen: dem Nekrolog I, einem Mar‑ tyrologium und dem Nekrolog II. Isaak von Meiningen, der erste Schreiber, hatte das Buch anlässlich der Einweihung der neuen städtischen Synagoge 1296 angelegt und die Textgestaltung geprägt, der auch die späteren Schreiber folgten. Die Ein‑ träge des Nekrologs I gelten Verstorbenen der 1280er bis 1340er Jahre und schließen Angaben über Spenden beziehungswei‑ se Stiftungen der Toten ein. Die zweite Abteilung, das Martyrologium, dokumen‑ tiert die Verfolgungen im aschkenasischen Raum von der Zeit des Ersten Kreuzzugs bis zu den Pestpogromen in der Mitte des 14. Jahrhunderts. Hier finden sich die Namen der Ermordeten. Die dritte Abtei‑ lung, das Nekrolog II, umfasst Einträge für den Zeitraum von 1373 bis 1392. Wie bei dem ersten Totenkalender handelt es sich auch hierbei um ein Spendenregister. Die Einträge wurden regelmäßig datiert. In dieser Abteilung des Buches befinden sich, wie schon erwähnt, auch Aufzeich‑ nungen über Spenden für Jerusalem. Im ersten der Bücher sind bis zum Pogrom von 1298, dem auch Isaak von Meiningen zum Opfer fiel, im Ganzen 515 Stiftungen aufgeführt; zwischen 1298 und 1341 zählte man mehr als 600, zwischen 1341 und 1346 weitere 130 Stiftungen. Erst bei den letz‑ ten Einträgen finden sich indes regelmä‑ ßig Jahresangaben.35 Der Schreiber Isaak wollte zunächst die Stifter für den Bau der Synagoge aufzeichnen; später vermerkten er und seine Nachfolger dann auch die Namen der Stifter, die die Synagoge ausstat‑ teten oder für andere Zwecke spendeten. Offenbar wurde der liturgische Zweck des Stiftergedenkens, der dem Buch zugrunde lag, so gut erfüllt, dass auch Angehörige späterer Generationen als Stifter für die

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Nürnberger Synagoge beziehungsweise deren Gemeinde tätig wurden. Das Nekro‑ log II enthält die Namen von 204 Spendern sowie Angaben zur Höhe ihrer Spenden und zum Jahr ihres Todes (1375–1392). 45 der Stiftungen beinhalten terumot (Spenden, Gaben, Beiträge) für die Armen von Jeru‑ salem. Wahrscheinlich wurden die Namen der Wohltäter zusammen mit den Spenden von Nürnberg nach Jerusalem übermittelt. Diese Vermutungen decken sich mit den Forschungen Israel Yuvals, denen zufolge es in der Zeit nach der Pest in Jerusalem eine aschkenasische Gemeinde gab.36 Wir können sogar annehmen, dass die aschke‑ nasischen Juden in der heiligen Stadt selbst die Gaben aus Nürnberg angeregt hatten; sie mochten damit geworben haben, dass Gebete und Fürbitten durch die Begüns‑ tigten im heiligen Land einen besonderen Wert für Stifter hatten, da nur dort die Liturgie des ʿilluy neshamah (Aufstieg der Seele) vollzogen wurde.37 Im Ganzen ergibt sich, dass neue Begünstigte in der Nürn‑ berger wie in der Jerusalemer Gemeinde dazu beigetragen haben müssen, dass auch die alten Stiftungen und womöglich die Stiftermemoria weiterlebten. Eine Gefährdung des Stiftungsgefüges aufgrund einer Überforderung des heqdesh durch die Bedürftigen dagegen belegen vie‑ le andere aschkenasische und sephardische Beispiele: Nach einem Responsum, das Jo‑ nathan Cohen analysiert hat, war Rashba durch den Vorsteher einer Gemeinde mit einem Streit zwischen den gemäßigt Wohl‑ habenden und den Reichen der Gemeinde konfrontiert worden. Dabei ging es um die Armen, die versorgt werden mussten. Die Wohlhabenden wandten sich gegen eine organisierte Form der Armenfürsor‑ ge. Die Armen sollten also nicht durch die Gemeindekasse unterstützt werden, sondern betteln gehen – dann könnten die anderen Gemeindemitglieder je für sich

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entscheiden, ob und wie viel sie als Spen‑ de geben wollten. Einige Mitglieder der Gemeinde, die weder als besonders reich, noch als besonders arm gelten konnten, waren hingegen der Meinung, dass eine gemeindliche Lösung der Frage besser sei; zum einen, weil es sehr viele Arme gebe, die konkrete und verlässliche Hilfe bräuch‑ ten, zum anderen, da es nur gerecht sei, wenn auf diese Weise alle Mitglieder der Gemeinde eine ihrem Vermögen gemäße Abgabe an die Gemeindekasse leisteten. Rashba entschied daraufhin im Sinne der zweiten Partei, also für eine heqdesh‑Ein‑ richtung zur Lösung der Armenfrage.38 Mit dem gleichen Problem sahen sich ebenfalls im 14. Jahrhundert in Aschkenas Mittel‑ und Oberschicht konfrontiert. Israel Yuval hebt bei seiner Analyse dieser Fälle hervor, dass es um eine grundsätzliche Frage ging, nämlich um eine veränderte Lage der jüdischen Armen. Seit der Pest von 1349 galten die Juden nicht mehr als Abhängige des Königs;39 den Reichen und Besitzenden unter ihnen verliehen viele Städte das Bürgerrecht, den Armen aber nicht. Diese hatten nur die Möglichkeit, sich als Diener reicherer jüdischer Familien in einer Stadt aufzuhalten oder als Frem‑ de und Kranke in den neu geschaffenen

Stiftungsbegünstigte

jüdischen Armen‑ und Krankenhäusern Obdach zu finden. Darüber hinaus brachte die veränderte soziale Lage auch neue In‑ stitutionen hervor, nämlich gemeindliche, private oder bruderschaftlich verwaltete Fürsorgestiftungen.40 Beispiele für die Gefährdung jüdischer Stiftungen durch Konversion der Begüns‑ tigten oder Verwalter kann man vor al‑ lem aus Spanien anführen. Während der Zwangstaufen in der Spätzeit des Mittel‑ alters (vor 1492) gab es hier Gemeinden, die ganz oder teilweise zum Christentum übertraten. Dies führte oft dazu, dass sich Gemeinde‑heqdeshot auflösten oder vom Königtum konfisziert wurden. Beispiels‑ weise hatten sich viele Mitglieder der jüdi‑ schen Gemeinde in Gerona taufen lassen, und auch der Verwalter des dortigen heqdesh wurde Christ. In der Folge bestimmte König Alfons V. von Aragón, dass der zum Christentum konvertierte Verwalter die dortige Armenstiftung weiterhin leiten dürfe. Aus ihren Erträgen durften nun sowohl Juden als auch Judenchristen und Christen versorgt werden. Letztlich konnte so die Stiftung bei verändertem Empfän‑ gerkries weiterbestehen.41 EK

Anmerkungen 1  Vgl. bT Bava Batra 8a. 2 Ebd. 3 Sheʾelot u‑teshuvot Moshe Mintz. Ed. Pinchas

Moshe Balaban. Lemberg 1851, 25, Nr. 33; 50 f., Nr. 65. 4  Documents of the Jewish Pious Foundations From the Cairo Geniza. Ed. und übers. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Institu‑ te, Tel Aviv University, Bd. 12.) Leiden 1976, 117 f. 5 Vgl. Stuber, Havurot ṣedaqah (1979); Assis, Wel‑ fare and Mutual Aid (1992); Ders., Institutions sociales médiévales (1992); Blasco Martínez, In‑ stituciones sociorreligiosas (1989).

6 Vgl. Ruderman, Founding (1976), 244, Anm. 31. 7 Wortwörtlich bedeutet dieser Ausdruck

schlicht ‚Ausübung von Wohltätigkeit‘, aber schon im Talmud verstand man darunter, im Unterschied zu ṣedaqah, eine Hilfe für Bedürftige durch phy‑ sische Arbeit. Es handelte sich um eine Art von praktischer Wohltätigkeit, die theoretisch nicht als Gegengabe galt, sondern ein religiöses Gebot war. Trotzdem wurde sie sehr häufig als Gegengabe verstanden, mit der ein Bedürftiger dem Wohltäter Dank erweisen konnte. 8 Vgl. M. Cohen, Poverty and Charity (2005), 197 f.

Juden

9 Vgl. Teshuvot Rabbi Maimon Ha‑Dayyan Avi ha‑Rambam. Ed. Aaron Freimann, in: Tar‑ biz 6, 1935, 408–420. R. Maimon b. Joseph, der Vater von Maimonides, antwortete in diesem Responsum auf eine Frage zur Gründung einer Familienstiftung, die aus Büchern bestand. Er entschied, dass ein einfacher Stiftungsakt von Büchern genüge, um eine Familienstiftung auf ewig zu bestiften. Vgl. auch Fink, Corporate Sta‑ tus (1985), 22. 10  Siehe z. B. zwei Responsa von R. Moshe Mintz, die ausführlich dieses Problem behandeln: Sheʾelot u‑teshuvot Moshe Mintz. Ed. Balaban (wie Anm. 3), 9, Nr. 7; 50 f., Nr. 65. 11  Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 96 f.; 542, Anm. 15 und 18. 12  Breßlau, Straßburger Judenacten (1892). 13  Siehe z. B. das Responsum von R. Joseph Co‑ lon aus dem 15. Jahrhundert in Norditalien: Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot Mahariq le‑Rabbenu Morenu ha‑Rav Yosef Colon z‫״‬l. Ed. Shemuel Eizik Peshes. Warschau 1884, ND Jerusalem 1973, 15, Nr. 17.2; 70, Nr. 123. 14  Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 96 f.; 542. 15  Gil, History of Palestine (1992), 418. 16  Ebd., 827 f. 17  Vgl. Finkelstein, Jewish Self‑Government (1964), 194, engl. Übers. 199. Weitere Beispiele ebd., 177, engl. Übers. 185 f.; 230, engl. Übers. 247. Zu diesen Belegen vgl. Galinsky, Custom (2011), 231, Anm. 94; 96; 98. 18  Vgl. Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Moses Bloch. Budapest 1895, 10, Nr. 75. 19  Vgl. Die Juden im christlichen Spanien. Ers‑ ter Teil: Urkunden und Regesten, 2 Bde. Ed. Fritz Baer. (Veröffentlichungen der Akademie für die Wissenschaft des Judentums. Historische Sek‑ tion, Bd. 4.) Berlin 1929–1936, ND Farnborough (Hampshire) 1970, Bd. 1, 229–239, Nr. 179. 20 Assis, Welfare and Mutual Aid (1992); Blasco Martínez, Instituciones sociorreligiosas (1989); vgl. auch Barzen, Was der Arme benötigt (2008). 21 Vgl. Ruderman, Founding (1976). 22 Siehe Anm. 7. 23 Siehe bT Ned 39b zum Krankenbesuch (biqqur ḥolim); bT BQ 99b; bT Bava Meṣ 30b zu gemilut ḥasadim; bT Sanh 46a zu Bestattung der Toten (qevurat ha-met).

485 24 Vgl. Ruderman, Founding (1976), 243, Anm. 25; 244, Anm. 31. 25 Vgl. J. Cohen, Charitable Contributions (2001); Yuval, Hospices (1990). 26 Gil, History of Palestine (1992), 608. 27 Es handelt sich um eine bedeutende Landstif‑ tung des R. Yosef ha‑Levi zugunsten eines Lehr‑ hauses im Jahr 1332. Vgl. [Quellen zur Geschichte Medinacelis.] Ed. Antonio Paz y Mélia. (Series de los mas importantes documentos del archivo y biblioteca del exmo. Señor Duque de Medinaceli. 1a Serie Histórica.) Madrid 1915, 33–36, Nr. 29, hier 33 f.; Juden im christlichen Spanien. Ed. Baer (wie Anm. 19), Bd. 2, 153–158, Nr. 157; eine Übersetzung und der Text → 10.4.2. 28 Vgl. Baumgarten, Practicing Piety (2014), 103–137. 29 Vgl. Yuval, Almosen aus Nürnberg (1981); Baumgarten, Practicing Piety (2014), 103–137. 30 Vgl. Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yom Tov ben Avraham Asevilli (ha‑Ritvʺa). Ed. Joseph D. Qāfiḥ. Jerusalem 1959, ND 2008, Nr. 167. 31 Vgl. M. Cohen, Poverty and Charity (2005), 39–70; vgl. für die Übersetzung von Bittbriefen The Voice of the Poor in the Middle Ages. An Anthology of Documents from the Cairo Geniza. Ed. Ders. Princeton / Oxford 2005, 16–103; Scheiber, Beggars’ Letters (1981). Darüber hinaus auch M. Cohen, Foreign Jewish Poor (2003); Ders., Jews in the Mamlūk Environment (1984); Ders., Feeding the Poor (2005); Ders., Introduction (2005); Ashur, Horaʾa (2013). 32 Vgl. Yuval, Hospices (1990); J. Cohen, Chari‑ table Contributions (2001). 33 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 4), 488; Goitein, Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 542. 34 Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot Yosef Colon. Ed. Peshes (wie Anm. 13), 15, Nr. 17; 70, Nr. 123. 35 Das Martyrologium des Nürnberger Memor‑ buches. Ed. und übers. Siegmund Salfeld. (Quel‑ len zur Geschichte der Juden in Deutschland, Bd. 3.) Berlin 1898; Barzen, Nürnberger Memor‑ buch (2011); Baumgarten, Practicing Piety (2014), 103–137, bes. 105; 110; 116; Grossman, Communi‑ cation (1996). 36 Das geht auch aus den Artikeln zu Heidel‑ berg und Weinheim in der Germania Judaica her‑ vor. Vgl. Hundsnurscher, Heidelberg (1987); Ders., Weinheim Rhein‑Neckar‑Kreis (1995).

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Stiftungsbegünstigte

37 Barzen, Nürnberger Memorbuch (2011); Yuval, betrachtet werden können. Selbst mit der Vergabe Almosen aus Nürnberg (1981), 185–190; 194–197; von Rechten für Juden wurde die theoretische Baumgarten, Practicing Piety (2014), 103–137; Gross- Zugehörigkeit zur königlichen Kammer – auch nach 1356 – nicht aufgehoben. man, Communication (1996). 38 J. Cohen, Charitable Contributions (2001). 40  Yuval, Hospices (1990). 39 Theoretisch blieben sie in seinem Besitz. Al‑ 41  Juden im christlichen Spanien. Ed. Baer (wie lerdings ist fraglich, ob die Juden als Zugehörige Anm. 19), Bd. 1, 856–858, Nr. 533; → 13.4.2. der Kammer des Königs auch als dessen ‚Besitz‘

12.5  Griechisch-orthodoxe Christen 12.5.1  Allgemeines Obwohl die Begünstigten als eigenstän‑ dige Kategorie im griechisch‑orthodoxen Stiftungswesen des Mittelalters kaum er‑ forscht sind, spielten die ‚Destinatäre‘ ohne Zweifel eine große Rolle innerhalb des sozialen Systems der Stiftung. Wie anders‑ wo im Mittelalter war das grundlegende Prinzip der griechisch‑orthodoxen Stiftung ein gegenseitiger Austausch zwischen dem Stifter, der sein Vermögen zur Verfügung stellte, und den Begünstigten, die für den Stifter bestimmte Gegengaben leisteten. Die Erwartungen und damit verbunde‑ nen Gegenleistungen der Begünstigten unterschieden sich je nach Kontext. Die vertragsartigen Vorschriften einiger typika spiegeln dabei komplexe Verhandlungen zwischen Stifter und Begünstigen wider. Destinatäre byzantinischer Stiftungen lassen sich grob in drei Kategorien eintei‑ len: Mönche und Kleriker, Bedürftige und rein finanziell Begünstigte. Die erstgenann‑ ten Angehörigen von Kloster und Kirche sind in diesem Zusammenhang besonders prominent; ihre Rolle als Mitgestalter der Stiftung ist unübersehbar. Es lohnt sich aber kurz zu skizzieren, inwiefern sich Destina‑ täre dieser Art von ihren Mitbrüdern unter‑ schieden, die nicht innerhalb einer Stiftung

tätig waren. Kleriker zu sein bedeutete in Byzanz im Unterschied zum lateinischen Westen in der Regel keine vollzeitige oder exklusive Beschäftigung; orthodoxe Kleri‑ ker des Mittelalters mussten vielmehr ihren Lebensunterhalt in der Regel durch viele Nebentätigkeiten absichern.1 Ähnliches gilt für byzantinische Mönche, die der Überlie‑ ferung zufolge zu einem Großteil Stiftungs‑ begünstigte waren. Besonders trifft dies für die in den Quellen am besten belegte Epoche des Spätmittelalters zu, in der die sogenannte idiorrhythmia das Klosterwe‑ sen bestimmte. Dabei handelte es sich um eine weniger strikte Form des klösterlichen Lebens, die gelegentlich ohne Abt auskam und den Mönchen ‚privaten‘ Besitz oder den Erwerb zusätzlichen Einkommens erlaub‑ te.2 (→ 3.5.3) Unter diesen Bedingungen musste eine Stiftung, die ihren Begünstig‑ ten materielle Mittel versprach, natürlich besonders attraktiv erscheinen. Als Stif‑ tungsbegünstige im griechisch‑orthodoxen Kontext kamen jedoch nicht nur Mönche und Kleriker in Betracht, sondern auch Bedürftige verschiedener Art: Alte, Arme, Kranke, Waisen, Witwen. Leider bleiben sie in der Überlieferung nur schattenhaft präsent und begegnen – abgesehen von

Griechisch-orthodoxe Christen

den typika – allenfalls anonym. Anders als Mönche und Kleriker nahmen Bedürftige nicht an der Verwaltung einer Stiftung teil.3 Es muss künftiger Forschung über‑ lassen bleiben, die Bedürftigen als Akteure der Stiftung besser zu untersuchen, etwa durch Studium der Wertmarken, mit denen die Armen ihr Anrecht auf Wohltat von Seiten einer bestimmten Institution rekla‑ mierten. Als eine letzte Gruppe von Stif‑ tungsbegünstigen darf man ausgewählte Personen bezeichnen, die finanziell von der Stiftung profitierten, ohne unbedingt eine Gegenleistung bieten zu müssen. Solche Begünstigten waren in der Regel der Stifter selbst, seine Familie oder andere Angehö‑ rige. Destinatäre dieser Art sind vor allem im Spätmittelalter belegt, in dem das soge‑ nannte adelphaton (ἀδελφᾶτον) besonders verbreitet war. Ein adelphaton – das nicht unbedingt eine Stiftung im engeren Sinn war – bestand aus einer einmaligen Schen‑ kung an ein Kloster. Als Gegenleistung bezahlte das Kloster eine Leibrente an eine von dem Schenker bestimmte Person oder an adelphatarioi (ἀδελφατάριοι). Obwohl ein adelphaton dieses Typs eine Schenkung oder sogar Investition und keine Stiftung war, findet man auch adelphata, die tatsäch‑ lich als Stiftungen liturgischen Gedenkens Teile größerer Stiftungen waren.4

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Verhältnis zwischen einer charismatischen Persönlichkeit, meistens einem Abt, und einem wohlhabenden potentiellen Stifter: die Gründungsgeschichten byzantinischer Klöster bieten eine Fülle von Beispielen für solche Paarungen.

(1.) Die Stiftung konnte manchmal sogar im Ganzen die Idee der Destinatäre sein. In seiner Vita des Sabas erzählt Kyrillos von Skythopolis, der palästinische Mönch sei im Jahr 530 auf Bitten der Bischöfe von Palästina nach Konstantinopel an den Hof Justinians gegangen; nachdem die Provinzen Palästina I und II durch ei‑ nen Aufstand von Samaritanern verwüstet worden waren, habe er Steuererleichte‑ rungen für diese Gebiete erwirken sol‑ len.5 Beeindruckt von dem Heiligen habe der Kaiser angemerkt, dass er gern für eines der von Sabas gegründeten Klöster eine Rente stiften würde. Der Mönch aber habe dieses Angebot abgelehnt; stattdessen habe er nicht nur Steuerentlastungen und Hilfe beim Wiederaufbau der Kirchen in Palästina gefordert, sondern zusätzlich verlangt, dass der Kaiser ein Spital und eine Kirche der Muttergottes in Jerusalem stiften sowie eine Festung für die Vertei‑ digung seiner Klöster erbauen lassen solle. Als Gegengabe, stellte Sabas in Aussicht, würde Gott Justinian die verlorenen kai‑ serlichen Westprovinzen einschließlich 12.5.2  Die Destinatäre bei der Afrikas und Roms zukommen lassen. Der Errichtung der Stiftung Kaiser habe schließlich all diesen Forde‑ rungen zugestimmt und eine Rente von Ohne Zweifel spielten Destinatäre eine 1 850 Goldmünzen (solidi) für ein Spital ge‑ große Rolle bei der Errichtung griechisch‑ stiftet; davon sollten, abgesehen von einem orthodoxer Stiftungen. Oft waren es die großen Kirchenbau, 100 Betten finanziert Begünstigten, die (1.) die Idee der Stiftung werden, wodurch die 100 bereits vorhande‑ entwickelten, (2.) den Ort der Stiftung aus‑ nen Lagerstätten verdoppelt würden.6 Die wählten, (3.) die Art und Größe der Dota‑ geforderte Kirche wurde in der Überliefe‑ tion bestimmten und (4.) Typ und Regel rung als die ‚Neue Kirche‘ (Nea Ekklēsia) der Gemeinschaft festlegten. Das Modell bekannt; ihre Stifterinschrift wurde erst für eine Einflussnahme dieser Art war das im Mai 1977 wieder entdeckt.7

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Sabas war keine Ausnahme in der by‑ zantinischen bzw. orthodoxen Tradition. In der Überlieferung stößt man immer wieder auf ähnliche Fälle, in denen ein charisma‑ tischer Mönch einen Kaiser oder anderen politischen Machthaber zu einer Stiftung überredete. Zu ihnen gehören Athanasios Athonites (gest. 1001) und Kaiser Nikepho‑ ros II. Phokas (963–969), Chariton (gest. 1381) und die Woiwoden der Walachei, Dionysios und der Kaiser Alexios III. von Trapezunt (1349–1390), um nur einige Bei‑ spiele zu nennen. Beinah unternehmerisch wirkt die Behauptung Charitons, des Abts des athonischen Koutloumousiou‑Klosters: „Ich [verbrachte] fast mein ganzes Leben unter freiem Himmel; im Winter kämpfte ich gegen Schneestürme und Unwetter, im Sommer gegen Hitze und die Angst, dass ich von ausländischen Stämmen gefan‑ gen genommen würde. Ich traf Byzantiner, Serben und Walachen, von denen ich viel Geld und Ländereien bekommen habe.“8 Wenngleich derartige herrscherliche Stif‑ tungen in der Überlieferung prominent hervortreten, war die große Mehrheit der Stiftungen viel bescheidener. Aber auch auf einem lokalen Niveau suchten poten‑ tielle Destinatäre Stifter zu gewinnen und erregten dadurch unter Umständen sogar Anstoß. So erzählte Eustathios, der Bischof von Thessaloniki, davon, wie die Mönche seiner Diözese reiche Männer aufsuch‑ ten und sie dann auf ziemlich skrupellose Weise bedrängten, selbst in das Kloster einzutreten und ihm ihr Vermögen zu überlassen.9 Nicht immer betrieben die künftigen Be‑ günstigten die Einwerbung von Stiftungs‑ gut so offensichtlich, sondern manchmal auf subtilere Weise. Dies zeigt ein Beispiel aus dem pontischen Bazelon‑Kloster: Wäh‑ rend eines Aufenthalts im Kloster sei eine Frau namens Anna schwer krank gewor‑ den.10 Die Mönche sorgten für sie, schoren

Stiftungsbegünstigte

sie aber auch zur Nonne und gaben ihr den klösterlichen Namen Anousia. Nach ihrem Tod begruben sie ihre Leiche auf dem Klostergelände. Für diese Wohlta‑ ten – insbesondere war die Bestattung auf dem Klostergelände eigentlich nur selten erlaubt – stifteten ihr Vater, der Priester Theodor Limpos, und ihr Bruder, der Lek‑ tor Basileios Limpos, ein Feld für Anna‑ Anousias Seelenheil. Obwohl der knappe Text über die Verhandlungen im Vorfeld der Stiftung keine expliziten Aussagen enthält, machten die Mönche durch ihre Sorge um die Kranke und später um ihren Leichnam die Erwartung einer Gegengabe in Form einer Schenkung oder Stiftung deutlich. (2.) Die Destinatäre konnten aber auch erheblichen Einfluss auf den Ort der Stif‑ tung nehmen. Dies lag vor allem darin begründet, dass die Mönche nach dem Vor‑ bild der asketischen ‚Wüstenväter‘ in jeder (auch besiedelten) Landschaft die ‚Wüste‘ (erēmos / ἔρημος) suchten.11 Zum Beispiel wurden wasserlose Orte, die ungeeignet für Landwirtschaft waren, in einigen Fällen zu Orten für Klöster bestimmt.12 Eine un‑ kritische Lektüre monastischer Literatur könnte sogar den Eindruck erwecken, dass die meisten der byzantinischen Klöster in verwüsteten Einöden gelegen haben. Ein solcher Schluss wäre aber falsch, denn selbst die als Vorbild herangezogenen Wüs‑ tenklöster des spätantiken Ägypten lagen selten wirklich weit von anderen Siedlun‑ gen entfernt.13 Ein anschauliches Beispiel dafür, wie ein Begünstigter den Ort der Stiftung be‑ stimmen konnte, bietet der Mönch Christo‑ doulos, der Gründer (ktētōr) des noch heute bestehenden Johannes‑Klosters auf der In‑ sel Patmos. Dieser hatte den Kaiser Alexi‑ os I. Komnenos (1081–1118) überzeugt, ihm die ganze Insel Patmos zu überlassen. Auf Patmos als Ort seiner Klostergemeinschaft

Griechisch-orthodoxe Christen

war die Wahl des Christodoulos gefallen, nachdem er sich während eines früheren Aufenthalts auf Kos mit den Einwohnern dieser Insel überworfen hatte. Kaiser Ale‑ xios hatte zwar versucht, Christodoulos andere Orte anzubieten, doch hatte dieser auf der Insel Patmos bestanden.14 In dem 1088 erlassenen Chrysobull heißt es: „Aus Liebe zur Ruhe (hēsychia) und Sehnsucht nach dem einsamen Leben versucht die‑ ser fromme Mann irgendeine Unterkunft zu finden, die geeignet für seinen eige‑ nen Charakter und sein Leben ist. Er fand, dass die Insel Patmos, sonst rau und arm, reich für die nötigste Ernte von spirituel‑ len Früchten [war]“15. Um die wilde Insel noch geeigneter für das kontemplative Leben zu machen, verordnete der Kaiser auf Bitten des Christodoulos, dass „auf der Insel nur Laien sein sollen, die den Mön‑ chen dienen; sie sollen unverheiratet sein, auch sonst nicht mit Frauen wohnen und keine Kinder haben.“16 Auch wenn dieser unrealistische Plan schon bald scheiterte,17 belegt die Geschichte von der Gründung des Johannes‑Kloster auf Patmos einmal mehr, wie die durch eine Klosterstiftung begünstigten Mönche den Ort der Kloster‑ gründung bestimmen und sogar auf seine Gestaltung Einfluss nehmen konnten. Die Sehnsucht nach Ruhe und Einsam‑ keit war auch bei den Mönchen städtischer Klöster lebendig.18 Sogar die Vororte einer Großstadt wie Konstantinopel waren in diesem Sinne noch für ein asketisches Le‑ ben geeignet und galten manchmal eher als ‚Wüste‘ denn als Stadt.19 Besonders Nonnenklöster wurden im Umfeld von Städten errichtet. Dabei ging es sowohl um die Sicherheit der Frauen als auch darum, Familienbesuche zu ermöglichen.20

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des byzantinischen Mönchtums eine Rolle: Die Mönche nahmen eigentlich ungern Landbesitz an, und wenn dies doch ak‑ zeptiert wurde, verwahrten sie sich gegen übermäßig große Besitzungen.21 Der Ka‑ nonist Nikon vom Schwarzen Berge stellte fest, dass „ein Besitz, der fremde [d. h. nicht klösterliche] Sorgen mit sich bringt, (…) für uns nicht von Vorteil [ist]; besonders wenn wir sensibel für Leidenschaften und spirituell schwach sind, müssen wir davor fliehen und diesen Gefahren entkommen“22. Obwohl natürlich Landbesitz bei byzan‑ tinischen Klöstern verbreitet war, findet man immer wieder Vorbehalte dagegen.23 (→ 10.5.2) So hatte der Klostergründer Neo‑ phytos Enkleistos in der ersten Fassung seines typikon vorgeschrieben, dass dem Kloster kein Immobilienbesitz erlaubt sei. Nach der lateinischen Eroberung Zyperns durch Richard Löwenherz nahm er diese Vorschrift jedoch zurück, da die lokale Bevölkerung mehr als zuvor auf die Wohl‑ tätigkeit des Klosters angewiesen war.24 Die zu beobachtende Vorliebe für Ren‑ tenstiftungen in der gesamten byzantini‑ schen Geschichte ist wohl teilweise dieser Neigung zur ‚Besitzlosigkeit‘ (aktēmosynē / ἀκτημοσύνη) (an Immobilien) zuzuschrei‑ ben.25

(4.) Ein letzter Bereich, bei dem die Be‑ günstigten auf die Errichtung einer Stif‑ tung Einfluss nehmen konnten, waren Typ und Regel der Klostergemeinschaft. Weil im byzantinischen oder orthodoxen Mönchtum das Zönobitentum nie die Ober‑ hand gewann, musste der genaue Grad des klösterlichen Zusammenlebens oft intensiv zwischen Stifter und Begünstigen ausge‑ handelt werden.26 (→ 11.5.2) Besonders dezidierte Ansichten von Be‑ (3.) Art und Größe der Stiftungen wurden günstigten konnten auch zur Ablehnung ebenfalls von ihren Destinatären mitbe‑ einer Stiftung führen, wie eine Begeben‑ stimmt. Dabei spielten zwei Besonderheiten heit aus der Vita des Sabas zeigt. Dieser sei

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von einigen Eunuchen gefragt worden, ob sie mit ihrem Reichtum in seine Klöster eintreten dürften. Sabas habe dies aber abgelehnt und sie an ein anderes Kloster verwiesen.27 12.5.3  Die Stiftungsbegünstigten im sozialen Gefüge der Stiftung Nachdem eine Stiftung ins Leben getre‑ ten war, stellte sich die Frage, inwiefern die Begünstigten als Akteure im sozialen Gefüge der Stiftung auftreten würden. Der Grad ihrer Beteiligung an Verwaltung, Me‑ moria, Caritas usw. hing stark davon ab, welcher der drei oben skizzierten Gruppen sie angehörten. Dies entschied auch über die Art von Gegengabe, die sie nach dem Stifterwillen erbringen sollten; sie bestand in der Regel aus (1.) liturgischem Gedenken und (2.) Wohltaten im Namen des Stifters. Wenngleich bei den meisten byzantini‑ schen Stiftungen diese zwei Arten von Gegenleistungen erwartet wurden, muss man noch eine dritte Kategorie von Stif‑ tungsbegünstigten einbeziehen, nämlich solche (3.), deren Gegenleistung entweder gar nicht explizit benannt oder sehr flexi‑ bel geleistet wurde. (1.) Zweifellos war die Pflicht zu liturgi‑ schem Gedenken die wichtigste Tätigkeit der Begünstigten griechisch‑orthodoxer Stiftungen und generell der Hauptgrund für Stiftungen. (→ 8.5.2) Wenngleich es keine eingehende Untersuchung zur by‑ zantinischen Gedenkpraxis gibt, scheint in den Stiftungsurkunden – ähnlich wie im mittelalterlichen Westen – eine expli‑ zite Klausel mit Gedenkauflagen für die Begünstigten oft zu fehlen. Zumeist ist in den Dokumenten nicht explizit von memoria (mnēmosynē) die Rede, sondern vom ‚Seelteil‘ (psychikon), von der ‚Schenkung

Stiftungsbegünstigte

für die Seele‘ (psychikē dōrea) oder einfach vom Motiv ‚für mein Seelenheil‘ (hyper psychikēs sōtērias mou).28 Die Austauschbar‑ keit dieser Formulierungen, die sich auch vereinzelt in ein und derselben Urkunde zeigen lässt, verdeutlicht, dass sie in der byzantinischen Wahrnehmung eigentlich dasselbe bedeuten konnten und stets mit der Erwartung des Gedenkens verbunden waren.29 Obwohl die Stifter durch ihre typika Gedenkpraktiken genau festlegen konn‑ ten, ist die Frage noch immer schwer zu beantworten, ob auch die von ihnen Be‑ günstigten, vor allem Mönche, die Me‑ moria mitbestimmten. Stifternamen in die Diptychen als liturgische Fürbitten‑ verzeichnisse einzutragen war geläufiger Gebrauch, vereinzelt wurde dies auch in den Stiftungsurkunden erwähnt. Die Be‑ deutung der Diptychen nicht nur für das Gedenken, sondern auch für ein Kloster im Allgemeinen, wird am Bazelon‑Kloster erkennbar, wo das Klosterarchiv als diptycharion bezeichnet wurde.30 Abgesehen von den Diptychen trugen Stiftungsbegünstigte die Namen zu kommemorierender Stifter auch als Marginalien in ihre liturgischen Kalender, also in ‚liturgische‘ typika,31 oder in andere Handschriften, wie Evangelia‑ re32, ein. In einigen Fällen ging die Verschriftli‑ chung der Gedenkpraxis noch einen Schritt weiter; spezielle memoria‑Bücher wurden zum Dank für die Stifter, verstorbene Mön‑ che oder beide Gruppen angelegt. Hand‑ schriften dieser Art sind zumindest für einige athonische Klöster (Dionysiou33, das Iberer‑Kloster34 und die Große Laura 35) so‑ wie das Johannes‑Kloster auf Patmos36 be‑ kannt. Eine eingehende Untersuchung die‑ ser Totengedenkbücher würde zweifellos klären, welchen Einfluss die Begünstigten auf die Praxis des Gedenkens hatten, aber die Quellen sind größtenteils noch nicht

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ediert, geschweige denn wissenschaftlich erforscht. Unbekannt ist auch, wie vie‑ le solcher Totengedenkbücher überhaupt erhalten sind. Die Begünstigten konnten natürlich das Gedenken an den Stifter auch zum Zwecke seiner Heiligsprechung fördern. Wenngleich besonders im 10. Jahrhundert standardisierte Martyrologien (synaxaria) angefertigt wurden, die der Praxis der kon‑ stantinopolitanischen Kirche folgten, ver‑ fügten regionale oder lokale (klösterliche) Stiftungsgemeinschaften über eigene synaxaria, die sich von denen der Hauptstadt unterschieden; mit dem Eintrag des eigenen Stifters in diese lokalen Heiligenkalender konnte dieser selbst zum Heiligen erhoben werden. So wurde die Kaiserin Irene ver‑ mutlich unter dem Einfluss ihres Sohnes Kaiser Manuels I. Komnenos (1143–1180) in den synaxaria des Pantokrator‑Klosters nicht nur als Stifterin, sondern auch als Heilige bezeichnet. (→ 11.5.3) Ein interes‑ santes Beispiel für die Kanonisierung eines Stifters durch die Stiftungsbegünstigten ist die des umstrittenen Kaisers Johannes Tzimiskes (969–976). Dieser hatte seinen Vorgänger Nikephoros Phokas (963–969) auf brutale Weise beseitigt. Für diesen Mord, so der anonyme Verfasser der ‚Apokalypse der Anastasia‘ um das Jahr 1000, werde er das schlimmste Viertel der Hölle bewohnen und die Anklagen des ermordeten Kaisers Nikephoros hören müssen.37 Tzimiskes hat‑ te indessen mittels eines Chrysobulls das georgische Iberer‑Kloster mit einer Ren‑ tenstiftung von jährlich 244 Goldmünzen bedacht,38 was ihm jetzt zugutekommen sollte. Bald nach der Übersetzung des grie‑ chischen synaxarion des Iberer‑Klosters ins Georgische wurde Tzimiskes dort als Heili‑ ger geführt; sein Fest wurde schon vor dem Jahr 1044 am 10. Januar gefeiert.39 Da Tzi‑ miskes weder in der griechischen Vorlage noch in irgendeinem anderen griechischen

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synaxarion erscheint, muss man davon aus‑ gehen, dass erst die Begünstigten seiner Stiftung die Aufnahmen seines Namens er‑ wirkten. In dieser Heiligenverehrung lässt sich der Versuch der Begünstigen seiner Stiftung erkennen, den Ruf des umstritte‑ nen Kaisers zu rehabilitieren. (2.) Auch bei der Durchführung caritativer Wohltaten im Namen des Stifters konnten die Stiftungsbegünstigten das Stiftungsge‑ schäft mitgestalten. Das Problem bei der Erforschung liegt hier aber in der mangeln‑ den Verschriftlichung: Wohltaten dieser Art wurden nämlich in der Regel nicht do‑ kumentiert. Eine Ausnahme bilden Wert‑ marken (spragidia), die ausgewählte Arme gegen Lebensmittel, sonstige Hilfsmittel oder Geld eintauschen konnten. Obwohl in den Quellen bezeugt, sind diese Armen‑ wertmarken äußert selten überliefert. Zu‑ dem stammt keine der erhaltenen Marken eindeutig aus einem Stiftungskontext.40 Auch das Verfahren der Auswahl von Armen ist unklar. Interessant ist die Be‑ merkung im typikon des Michael Attalei‑ ates, dass der Diener eines verstorbenen Mönchs – denn adlige Mönche brachten beim Klostereintritt oft ihre Diener mit – diejenige Unterstützung vom Kloster er‑ halten durfte, die sonst für einen ‚Armen‘ bestimmt war.41 Sofern er ein einwandfrei‑ es Leben führte, durfte er mit den sechs ‚Armen‘ speisen, die täglich im Refekto‑ rium aßen, oder eine Rente von jährlich zwölf annonikoi modioi Weizen beziehen. (3.) Eine letzte Gruppe von Stiftungsbe‑ günstigten bilden diejenigen, die finanziell von der Stiftung profitierten, ohne unbe‑ dingt eine Gegenleistung bieten zu müssen. Obwohl oft von der Forschung behauptet wurde, dass römisches bzw. byzantinisches Recht keine Familienstiftung kenne, ent‑ wickelten sich in der Stiftungspraxis selbst

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ähnliche Institutionen. Vor allem nahmen einige Typen von adelphata im Spätmit‑ telalter die Form von Familienstiftungen an. Ähnliche unkanonische Maßnahmen sind indessen auch schon aus dem 10. und 11. Jahrhundert überliefert.42 Begünstigte, die zugleich Verwandte oder Diener des Stifters oder sogar der Stifter selbst waren, haben in diesen Fällen das Stiftungsge‑ schäft besonders aktiv mitgestaltet. Die Bedeutung von Angehörigen als Begünstigte tritt in der Stiftung des Ar‑ menhauses und Klosters des Michael At‑ taleiates deutlich hervor. Dieser Jurist und Historiker schrieb nämlich vor, dass von den Überschüssen seiner Stiftung ein Drit‑ tel dem Stiftungsvermögen zugeschlagen und zwei Drittel seinem Sohn Theodoros zugeteilt werden sollten, der zugleich Ver‑ walter der Stiftung (ephoros) war.43 Die Vorschriften des typikon stellten zudem sicher, dass das Amt des ephoros auch nach Attaleiatesʼ Tod von seinen männlichen Nachkommen bekleidet würde.44 Inwiefern diese tatsächlich das Stiftungsgeschäft wei‑ ter beeinflusst haben, ist leider unbekannt. Wie oben bereits angedeutet, war die Institution des adelphaton nicht zwingend eine Stiftung, sondern muss häufig viel‑ mehr als Kapitalanlage betrachtet wer‑ den.45 Man findet aber auch Beispiele, in denen adelphata als Teile einer Stiftung vorgeschrieben wurden. Das war dann der Fall, wenn der Stifter selbst oder andere von ihm bestimmte Begünstigte eine Leib‑ rente bekommen sollten. Weil das adelphaton niemals im weltlichen Recht oder in der Kanonistik definiert wurde, variiert der Begriffsgebrauch in den Quellen sehr stark. In den adelphata, die mit Stiftungen ver‑ bunden waren, ist der Stifter selbst fast immer auch ein Begünstigter. Irene Pa‑ laiologina stiftete etwa im 14. Jahrhun‑ dert dem Prodromos‑Kloster in Serres Teile des Gutes Tholos gegen ein wöchentliches

Stiftungsbegünstigte

liturgisches Gedenken und zwei Leibren‑ ten; eine von diesen war für den Fall vorge‑ sehen, dass sie in das Kloster eintrete, die andere für ihr Verbleiben im Laienstand.46 Obwohl oft nicht erblich, gab es einzelne Fälle von adelphata, die über Generationen hinweg übertragen werden konnten.47 Da die Bestimmungen über ein adelphaton mitunter unklar waren, kam es häufig zum Rechtsstreit zwischen verschiedenen Begünstigtengruppen; meist waren die Nachkommen des Stifters als Empfänger von adelphata mit den Mönchen uneinig über die Bezahlung oder Übertragbarkeit eines adelphaton. Das Testament von Johannes, dem Stifter des Pantokrator‑Klosters auf dem Berg Athos, belegt, wie adelphatarioi das Stiftungsgeschäft mitgestalteten. Johan‑ nes hatte am Ende seines Testaments eine Klausel über zwei seiner ‚Kinder‘ (paidia), d. h. über Krieger aus seiner Gefolgschaft, hinzugefügt, die er zunächst ‚vergessen‘ hatte. Diesem Passus zufolge durften die zwei Männer, für die Johannes wohl adelphata plante, auch im Pantokrator‑Kloster oder in den unabhängigen Klöstern (metochia) wohnen, falls sie das wollten.48 Möglich ist, dass die beiden Begünstigten diesen Nachtrag von Johannes gefordert hatten, nachdem sie das ursprüngliche Testament gelesen hatten. 12.5.4  Die Destinatäre und der Fortbestand der Stiftung Begünstigte griechisch‑orthodoxer Stiftun‑ gen trugen auf vielerlei Weise dazu bei, den Bestand einer Stiftung zu sichern. Es lassen sich einige allgemeine Tendenzen, (1.) die Stiftung selbst gegen die Ansprüche seitens der Nachkommen des Stifters zu bewahren, (2.) das liturgische Gedenken für den Stifter durch Übergabe an einen

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Dritten zu sichern, (3.) das Stiftungsvermö‑ gen durch die Einbeziehung eines zweiten bzw. neuen Stifters zu erhalten oder zu vermehren. (1.) Obwohl eine Stiftung theoretisch ein unwiderruflicher Akt war und so auch in den Stiftungsurkunden festgeschrie‑ ben wurde, haben die Hinterbliebenen des Stifters dies nicht selten bestritten. Davon legen nicht nur die ausführlichen vermö‑ gensrechtlichen Formeln der Stiftungsur‑ kunden beredtes Zeugnis ab, die für den Fall eines Vertragsbruchs oft Geldstrafen für beide Seiten einschlossen, sondern auch Verfluchungen derjenigen, die die Stiftung widerrufen wollten. Diese Flüche wurden so formuliert, dass beim Jüngsten Gericht der Schutzheilige des Klosters oder der Kirche sowie Andere, zum Beispiel die 318 Bischöfe, die am Konzil von Nikaia beteiligt waren, gegen solche Leute vor Christus aussagen würden. Ein möglicher Rechtsstreit wurde dann nicht nur als ein diesseitiger Prozess gedacht. Der Jurist Michael Attaleiates verlangte etwa in sei‑ nem typikon (verfasst 1077), dass ein Kläger gegen seine Stiftung eine Urkunde vorle‑ gen müsse, die die Formel enthalte: „Ich, N., greife das Erbe des Gottessohnes an.“49 Stiftungsbegünstigte, vor allem Mön‑ che, gaben sich große Mühe, die Stiftung abzusichern. Aus dem Chartular des Lem‑ biotissa‑Klosters in der Nähe von Smyrna (heute Izmir) ist eine Urkunde aus dem Jahr 1230 überliefert, in der eine Stiftung bestätigt wird.50 Ihr ist zu entnehmen, dass ein Mann mit dem monastischen Namen Gerasimos dem Kloster des Georg Exo‑ kastrites eine Saline gestiftet hatte, um auf dem Klostergelände bestattet zu werden und ein jährliches liturgisches Gedenken zu erhalten. Dieser Gerasimos war zuletzt ein außerordentlich wichtiger Spender, der sogar als ‚Stifter‘ (ktētōr) bezeichnet wurde.

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Nach seinem Ableben hatte die Familie von Gerasimos aus der gestifteten Saline noch die Hälfte des Einkommens erhalten. Dann aber hatte der Abt des Klosters das Testament genauer gelesen und herausge‑ funden, dass es tatsächlich um die Stiftung der ganzen Saline ging. Um das Gedenken des Stifters nicht zu gefährden, bestätigten nun sein Sohn Xenos Balkes, dessen Frau Anna und ihr gemeinsamer Sohn Georg, dass die ganze Saline dem Kloster gehöre. Wenngleich dieser Fall wohl aus einem Versehen oder Missverständnis entstan‑ den war und die Erben des Stifters seinen Willen respektierten, bekämpften andere Hinterbliebene Stiftungen im Nachhinein zuweilen auch aktiv. Noch im Jahr 1788 drohte zum Beispiel der Patriarch Proko‑ pios von Konstantinopel einem bestimmten Nikolakes Chastas mit Exkommunikation, weil dieser die Umsetzung der Stiftung seines Cousins Triantaphyllos behindert habe.51 Dieser hatte nämlich während einer Pilgerfahrt zum heiligen Berg Athos ein Drittel seines Vermögens nach Begleichung aller ausstehenden Schulden gestiftet und dafür die Eintragung von 13 Namen in die Diptychen des Koutloumousiou‑Klosters verlangt. Nach seinem Tod versuchte sein Vetter Nikolakes, die Realisierung der Stif‑ tung zu verhindern oder deren Umfang zu reduzieren, hauptsächlich, indem er die Schulden des Stifters zu hoch angab. Die Mönche des Klosters baten daraufhin den Patriarchen um Hilfe, der mit einem Brief an den örtlichen Bischof schließlich die Umsetzung der Stiftung bewirkte. Eine Intervention beim Patriarchen von Konstantinopel war allerdings ein sehr teures und mit Mühen verbundenes Mit‑ tel, um Widerstand gegen eine Stiftung zu überwinden; nicht jedes Kloster konn‑ te diesen Weg beschreiten. Daher besänf‑ tigten manche Mönche die Nachkommen des Stifters auf subtilere Weise. In einigen

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Urkunden ist von der sogenannten eulogia die Rede, das heißt von einem Vergleich mit einem potentiellen Kläger. Eine Ur‑ kunde aus dem Bazelon‑Klosters bestätigt, Michael Tzerekeres habe eine Urkunde ge‑ sehen, in der sein Vater Johannes für das Kloster zugunsten seines eigenen Seelen‑ heils eine Stiftung getätigt habe.52 Michael habe zugestimmt, keine Klage gegen das Kloster anzustrengen, als man ihm dafür ein Maß Roggen und 20 Silbermünzen (aspra) anbot. Streitigkeiten konnten auch zwischen verschiedenen Begünstigten entstehen. Ein etwas komplizierter Fall, in dem der Stifter und seine Familie zugleich Begüns‑ tigte mittels eines adelphaton waren, ist in fünf Urkunden des Docheiareiou‑Klosters auf dem Athos überliefert.53 Ihnen zufolge hatte Manuel Doblytzenos um 1381 dem Kloster sein Gut Hermeleia gestiftet. Als Gegenleistung wurden sein Name und die‑ jenigen seiner Eltern in dem Gedenkbuch (brebeion) des Klosters vermerkt; darüber hinaus wurden ihm drei Leibrenten (adelphata) auf Lebenszeit versprochen. Nach seinem Tod sollte dann eine von ihm zu bestimmende Person diese Renten erhalten, sodass erst nach deren Tod die Leibrenten endgültig abgeschafft würden. Die Mön‑ che sollten auch dieser zweiten Person ein Totengedenken widmen.54 Nach Manuels Tod erbte tatsächlich seine Frau Maria sein Vermögen, einschließlich der Leibrenten. In einer Urkunde aus dem Jahr 1389 stimm‑ te sie zu, dass die Leibrenten nach ihrem Tod aufgehoben werden sollten.55 Anschei‑ nend bezahlten aber die Mönche Maria die Leibrenten nicht aus.56 Die Tochter von Manuel und Maria klagte später mit ihrem Ehemann gegen das Kloster, weil sie die Stiftung für ungültig hielt, und legte hierzu auch Urkunden vor. Nach Intervention des Metropoliten von Thessaloniki verzichtete sie auf ihren Anspruch gegen die Zahlung

Stiftungsbegünstigte

von 12 Goldmünzen (hypera) und die ein‑ malige Auszahlung der drei Leibrenten.57 (2.) Destinatäre griechisch‑orthodoxer Stif‑ tungen übergaben manchmal bestimmte Güter an einen Dritten, normalerweise ein größeres Kloster. Kirchenstiftungen, die sonst nur einen kleinen Teil der byzan‑ tinischen Stiftungsüberlieferung ausma‑ chen, sind besonders in solchen Zusam‑ menhängen greifbar. Wieder kann man dafür ein Beispiel aus den Urkunden des Bazelon‑Klosters anführen: Einem Priester namens Leon Ziganites war ein Stück Land unter Gedenkauflagen gestiftet worden. Später übertrug er es aber im Gegenzug für sein eigenes Gedenken den Mönchen des Bazelon‑Klosters.58 Bischöfe, denen oft de facto die Aufsicht einer Stiftung anvertraut wurde, (→ 13.5.3) haben diese in einigen Fällen auf ähnliche Weise an ein Kloster ihrer Diözese über‑ geben. In diesem Zusammenhang wurden die Bischöfe selbst zu Begünstigten, weil sie neben der Steuer (dem kanonikon) und bestimmten anderen Privilegien auch ein liturgisches Gedenken erhielten. Jakob, der Metropolit von Thessaloniki, übertrug etwa im Jahr 1299 ein kleines Kloster (kellion) an das Zographou‑Kloster auf dem Athos. Dies geschah unter der Vorausset‑ zung, dass das Kleinkloster unter anderem jährlich zwei Pfund Wachs an die Kirche von Thessaloniki abführen sollte; außer‑ dem sollte der byzantinischen Kaiser, des jeweiligen Metropoliten von Thessaloniki und der Stifter gedacht werden.59 Warum haben Stiftungsbegünstigte sol‑ chen Stiftungsübertragungen zugestimmt? Zwar fehlen in den Urkunden explizite Angaben, aber vermutlich erwartete man von der Übergabe einer Stiftung an ein grö‑ ßeres Kloster deren Absicherung für eine längere Dauer. Besonders die Athos‑Klöster verfügten über umfangreiche Vermögen,

Griechisch-orthodoxe Christen

größere Gemeinschaften sowie Einfluss und gute Beziehungen nicht nur zu den lokalen kirchlichen und staatlichen Behör‑ den, sondern auch den zentralen Autoritä‑ ten wie dem Kaiser, dem Patriarchen oder später dem muslimischen Sultan. Illustrativ ist in diesem Zusammenhang eine Urkunde des Jahres 1257 aus dem Lem‑ biotissa‑Kloster. Danach hatte ein gewisser Mann mit dem Mönchsnamen Nikodemos der lokalen Kirche des Heiligen Polykarp in Mantaia 16 Olivenbäume gestiftet.60 Nach seinem Tod verfiel die Kirche, so dass auch die Stiftung nicht mehr verwaltet werden konnte. Das Kloster erwarb daraufhin das Eigentum an der Kirche, wollte einen Neu‑ bau errichten und diesen in ein abhängi‑ ges Kloster (metochion) verwandeln. Zu diesem Zeitpunkt erschien allerdings der ehemalige Lehnsherr des verstorbenen Stif‑ ters, um den Fortbestand der Stiftung mit dem Abt des Klosters zu besprechen. Mit dem Testament des Stifters und anderen Urkunden in der Hand überzeugte er den Abt, dass das Lembiotissa‑Kloster auch die Olivenbaum‑Stiftung übernehmen sollte.

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(3.) Auch die Suche nach einem Zustifter oder einem neuen Stifter war ein Bereich, in dem Stiftungsbegünstigte die Fortset‑ zung der Stiftung aktiv förderten. Die spätmittelalterliche und frühneuzeitliche Geschichte griechisch‑orthodoxer Klös‑ ter kennt die Figur des ‚Bettelmönchs‘, der von Ort zu Ort zog, um Spenden zu sammeln und Stiftungen anzuregen.61 Ma‑ karios (1422–1431), einer der letzten Äbte des Pantokrator‑Klosters in Konstantino‑ pel, hat versucht, das Überleben seines Klosters zu sichern, indem er eine rei‑ che Zustiftung durch den Metropoliten von Kiew, Photios, erwirkte. Sein Ange‑ bot bestand darin, diesen als ktētōr des Klosters auszuzeichnen und seiner vor allen anderen zu gedenken.62 (→ 11.5.4) Für die Rekrutierung eines neuen Stifters scheute man auch nicht vor Urkundenfäl‑ schung zurück. So haben die Mönche des Bazelon‑Klosters zwei Chrysobullen der trapezuntinischen Kaiser gefälscht, um ihren Rechtsanspruch auf den Besitz von Dörfern in der Umgebung des Klosters zu untermauern.63 ZC

Anmerkungen 1  Zusammenfassend Constantelos, Clerics and

ist der Text des Gesetzes wohl korrumpiert. Auf Secular Professions (1985); sehr detailliert für das jeden Fall wurde das Gesetz nicht in die standar‑ Spätmittelalter Kraus, Kleriker (2007). disierte hellenisierte Fassung der justinianischen 2 Zu idiorrhythmia und damit verbundenen Fak‑ Gesetzgebung, die ‚Basilika‘, aufgenommen. toren im spätmittelalterlichen byzantinischen 4  In letzter Zeit hat Evangelatou-Notara, Ἀδελ‑ Mönchtum siehe Bryer, Late Byzantine Monastery φᾶτον (2005), 164–167, die Forschung auf diese (1979, ND 1980), 235–239. zwei Typen von adelphata aufmerksam gemacht. 3 Hagemann, Stellung der Piae Causae (1953), Darüber hinaus ist ein weiterer, nur in zyprischen 36 f. Eine interessante Ausnahme stellt ein Gesetz Handschriften belegter Typ bekannt, die reine Justinians aus dem Jahr 528 dar, in dem neben Stiftung ohne Leibrente: vgl. ebd., 167–170. dem Verwalter und den Klerikern auch die Armen 5 Kyrillos von Skythopolis. Ed. Eduard Schwartz. eines für sie bestimmten Hauses der Veräußerung (Texte und Untersuchungen zur Geschichte der eines Stiftungsguts zustimmen müssen: Codex altchristlichen Literatur, Bd. 49.2.) Leipzig 1939, Iustinianus. Ed. Paulus Krueger. (CIC 2.) Dublin / 173–178. Engl. Übersetzung in Price, Lives of the Zürich 151970, 15, lib. 1, cap. 2.17. Nach Hagemann Monks (1991), 182–187.

496 6 Obwohl Geld für die Errichtung der Festung

designiert wurde, wurde der Erlass Justinians für den Bau dieser Festung nie umgesetzt. 7 Avigad, Building Inscription (1977). 8 Actes de Kutlumus. Ed. Paul Lemerle. (Archi‑ ves de l’Athos, Bd. 2.) Paris 21988, 116–121, Nr. 30, hier Z. 31–33. 9 Eustathii Thessalonicensis De emendenda vita monachica. Ed. und übers. Karin Metzler. (CFHB 45.) Berlin / New York 2006, 132; 134. 10  Ta akta tēs monēs Vazelōnos. Stocheia gia tēn historia tēs agrotikēs kai monastēriakēs en‑ geias idioktēsias sto Vyzantio kata to 13°–15° ai. Ed. F. I. Uspenskij / V. N. Beneševič. Thessaloniki 2007, 226, Nr. 70. 11  A.-M. Talbot, Foundersʼ Choices (2007), 50–52. 12  Ebd., 53 f. 13  Wipszycka, Moines (2009), 107–225. 14  Acta et diplomata Graeca Medii Aevi sacra et profana, Bd. 6. Ed. Fransicus Miklosich / Iosephus Müller. Wien 1890, 59–80, Nr. 19, hier 64 f. Eigent‑ lich handelt es sich um einen Gütertausch, da Christodoulos die Insel Patmos gegen Besitzungen in Strobelos und Kos eintauschte; trotzdem stellt er dieses Geschäft als eine ‚kaiserliche Schenkung‘ (basilikē dōrea) dar: ebd., 66. Englische Überset‑ zungen von Patricia Karlin-Hayter in: BMFD 1, 578–594, hier 582–584. 15  Vyzantina engrapha tēs Monēs Patmou, Bd. 1. Ed. Maria Nystazopoulou-Pelekidou / Era L. Vranousē. Athen 1980, 55–68, Nr. 6, hier 59 f. 16  Ebd., 55, Z. 12 f. 17  Acta et diplomata. Ed. Miklosich / Müller (wie Anm. 14), 59–80, Nr. 19, hier 67 f.; engl. Übers. Karlin-Hayter (wie Anm. 14), 584 f. 18  A.-M. Talbot, Foundersʼ Choices (2007), 45–50. 19  Hatlie, Monks and Monasteries (2007), 80–82. 20 A.-M. Talbot, Foundersʼ Choices (2007), 45; vgl. Dies., Comparison (1985), 1–5. 21 Galatariotou, Byzantine Ktetorika Typika (1987), 124–129. 22 Das Taktikon des Nikon vom Schwarzen Ber‑ ge. Griechischer Text und kirchenslavische Über‑ setzung des 14. Jahrhunderts, Bd. 1. Ed. Christian Hannick. (Monumenta linguae slavicae dialecti veteris. Fontes et dissertationes, Bd. 62.) Freiburg i. Br. 2014, 48–135, Logos 1, hier 116. 23 Smyrlis, Fortune (2006), 245.

Stiftungsbegünstigte

24 Neophytou Presbyterou Monachou kai Eg‑

kleistou Typikē syn Theō Diathēkē. Ed. Iōhannēs P. Tsiknopoulos, Kypriaka typika. (Pēges kai Me‑ letes tēs Kypriakēs Historias, Bd. 2.) Leukosia 1969, ND 2001 (Kentro Epistēmonikōn Ereunōn Pēges kai Meletes tēs Historias, Bd. 37.), 69–104, hier 80 f. 25 Diese Ansicht teilten manchmal auch die Stifter, etwa Kaiser Manuel I. Komnenos (1143– 1180) für sein Kataskepe‑Kloster; vgl. Charanis, Monastic Properties (1948), 82. 26 Galatariotou, Byzantine Ktetorika Typika (1987), 95–101; 116–120. 27 Kyrillos von Skythopolis. Ed. Schwartz (wie Anm. 5), 171. Engl. Übersetzung in Price, Lives of the Monks (1991), 180 f. 28 Zepos, Psycharion (1981), 20–22. 29 Zur Austauschbarkeit der Begriffe ‚Seel‑ teil‘ und ‚Schenkung für die Seele‘: EvangelatouNotara, Ἀδελφᾶτον (2005), 169. Als Beispiel für eine Urkunde, in der das Motiv der memoria und die Formel ‚für mein Seelenheil‘ nebenein‑ ander benutzt wurden, siehe Ta akta tēs monēs Vazelōnos. Ed. Uspenskij / Beneševič (wie Anm. 10), 269 f., Nr. 116. 30 Ta akta tēs monēs Vazelōnos. Ed. Uspenskij / Beneševič (wie Anm. 10), 222, Nr. 64; 224 f., Nr. 66; 265, Nr. 110. 31 Z. B. im konstantinopolitanischen Kloster von Christus dem Barmherzigen: Kouroupou / Vannier, Commémoraisons des Comnènes (2005). 32 Darrouzès, Notes (1958), 223–225; 227–246. 33 Dionysiatos, Symplērōmatikos katalogos (1957), 241 f., Nr. 627.3. 34 At´onis k´art´velt´a monastris saaġape cigni. Ed. M. Metreveli. Tiflis 1998, 131–191. 35 Beyer, Michael Sphrantzes (1990), 295–302. 36 Brabeion tēs Hieras Monēs Ag. Iōannou tou Theologou Patmou. Ed. Chrysostomos G. Phlōrentēs. Athen 1980. 37 Apocalypsis Anastasiae. Ed. Rudolf Homburg. Leipzig 1903, hier 23 f. Englische Übersetzung: The Apocalypse of Anastasia. Übers. Baun, Tales from Another Byzantium (2007), 401–424, hier 410 f.; 422. 38 The Life of Our Blessed Fathers John and Euthymios, and the Story of their Worthy Citizen‑ ship as Described by the Poor Hieromonk George the Hagiorite. Übers. Tamara Grdzelidze, Georgian Monks on Mount Athos. Two Eleventh‑Century

Indien

Lives of the Hegoumenoi of Iviron. London 2009, 53–94, hier 61. 39 Van Esbroeck, Empereur Jean Tzimiscès (1983), 68–70. 40  Ein Beispiel hierfür ist Bendall / Nesbitt, Poor Token (1990); vgl. Grünbart, Inszenierung und Repräsentation (2015), 154. 41  La diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 39, 1981, 5–143, hier 80, Z. 1032–1038. Engl. Übers. von Alice-Mary Talbot in: BMFD 1, 326–376, hier 353. 42  Morris, Reciprocal Gifts (2010), 185–187. Diese früheren Leibrenten wurden unterschiedlich (z. B. als anapausis) bezeichnet. 43  Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 41) 53, Z. 608 bis 55, Z. 618.; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 41), 345. 44  Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 41), 35, Z. 280 bis 37, Z. 330; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 41), 338 f. 45  Zu allgemeinen Eigenschaften des adelphaton mit Bezug auch auf die ältere Literatur siehe Smyrlis, Fortune (2006), 138–145. 46  Le codex B du monastère Saint‑Jean‑Prodro‑ me (Serrès). A (XIIIe–XVe siècles). Ed. Lisa Bénou. (Textes, documents, études sur le monde byzantin, néohellénique et balkanique, Bd. 2.) Paris 1998, 311–313, Nr. 175. 47  Ebd., 275–278, Nr. 159. 48  Actes du Pantocrator. Ed. Vassiliki Kravari. (Archives de l’Athos, Bd. 17.) Paris 1991, 95–102, Nr. 10, hier 102, Z. 52–64.

497 49  Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers.

Gautier (wie Anm. 41) 69, Z. 844 f.; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 41), 349. 50 Acta et diplomata. Ed. Miklosich / Müller (wie Anm. 14), Bd. 4, 48–51, Nr. 10. 51 Actes de Kutlumus. Ed. Lemerle (wie Anm. 8), 208 f., Nr. 75. 52 Ta akta tēs monēs Vazelōnos. Ed. Uspenskij / Beneševič (wie Anm. 10), 243 f., Nr. 102. 53 Actes de Docheiariou. Ed. Nicholas Oikonomidès. (Archives de l’Athos, Bd. 13.) Paris 1984, 252–257, Nr. 48; 265 f., Nr. 50; 267–269, Nr. 51; 290– 292, Nr. 57; 293–296, Nr. 58. 54 Ebd., 252–257, Nr. 48. 55 Ebd., 265 f., Nr. 50. 56 Ebd., 267–269, Nr. 51. 57 Ebd., 290–292, Nr. 57; 293–296, Nr. 58. 58 Ta akta tēs monēs Vazelōnos. Ed. Uspenskij / Beneševič (wie Anm. 10), 226 f., Nr. 71; 227, Nr. 72. 59 The Medieval Greek and Bulgarian Docu‑ ments of the Athonite Monastery of Zographou. Ed. Cyril Pavlikianov. (Universitetska Biblioteka, Bd. 512.) Sofia 2014, 198–200, Nr. 16. 60 Acta et diplomata. Ed. Miklosich / Müller (wie Anm. 14), Bd. 4, 69–71, Nr. 21. 61 Bryer, Late Byzantine Monastery (1979, ND 1980), 236–238. 62 Kotzabassi, Monastery of the Pantokrator (2013), 64 f. 63 Oikonomides, Chancery (1979), 301–302; 306– 308.

12.6  Indien 12.6.1  Allgemeines Bereits Marcel Mauss hat in seinem ein‑ flussreichen Essay zum Gabentausch in einer Fußnote, die in der Sekundärliteratur zu Indien häufig zitiert worden ist, zur Re‑ ziprozität von Gaben folgende Einschrän‑ kung für das brahmanisch‑hinduistische Milieu formuliert: „Wir müssen gestehen,

daß es hinsichtlich der Verpflichtung, die Gaben zu erwidern – unser Hauptthema –, nur wenige Tatsachen im Hindu‑Recht gibt, außer vielleicht im Gesetzbuch von Manu, VIII, 213. Noch der deutlichste Hinweis besteht in der Vorschrift, die eine Erwide‑ rung verbietet.“1 In der Tat schlossen die

498

brahmanischen Verfasser von Abhandlun‑ gen zur Schenkungstheorie Gegengaben beschenkter Brahmanen aus. Aber selbst wenn sich das Prinzip der Reziprozität nicht zwischen Stifter und Stiftungsemp‑ fänger manifestierte, bedeutete dies kei‑ nesfalls, dass solche Vorstellungen nicht existierten, wie David J. Brick zu Recht betont hat: „[L]ike all actions under the laws of karma, dāna is ultimately recip‑ rocated. This reciprocity, however, does not take place between donor and recipi‑ ent, but between donor and universe.“2 Obwohl diese Form von Reziprozität keine Gegengaben im engeren Sinne beinhaltete, verpflichtete die Annahme einer Stiftung den Brahmanen – zumindest ausweislich des in Inschriften und in Urkunden doku‑ mentierten Stifterwillens – zu bestimmten Handlungen, die als Zwecke der betref‑ fenden Dotation festgelegt wurden. Die epigraphischen Quellen belegen auch, dass sich Stifter in ihren Ansichten zur Wirk‑ samkeit von Stiftungen (und Schenkungen) nicht allein von normativen Texten leiten ließen.3 Deren Vorgaben waren aus der Per‑ spektive der potentiellen Gabenempfänger verfasst: „[T]he ideology of generosity to worthy recipients is here being espoused by those who stand to benefit most from it – high status male clerics in the case of Jains and Buddhists and spokesmen for the brahmanical order in the case of Hindus.“4 Der Umstand, dass religiöse Stiftungen in Indien nicht als Gabentausch verstan‑ den wurden, trägt wohl auch zur Erklä‑ rung dafür bei, warum Stiftungsempfän‑ ger nicht zu Fürbitten für den Stifter oder zu Leistungen aufgefordert wurden, die der christlichen memoria (→ 8.2.2) ver‑ gleichbar wären. Der ideale beziehungs‑ weise würdige Empfänger religiöser Gaben wurde als ‚Gefäß‘ (pātra) bezeichnet, d. h. mit einem Begriff, der seine vermeintliche Passivität eher unterstreicht.5 Die Quellen

Stiftungsbegünstigte

für die Stiftungspraxis belegen aber, dass sich Brahmanen, hinduistische Tempel‑ priester, buddhistische Mönche und jinis‑ tische Asketen nicht nur rezeptiv verhiel‑ ten, sondern aktiv am Stiftungsgeschehen beteiligten; Anzeichen dafür finden sich auch in normativen Texten. Das Hauptziel zahlreicher Stiftungen im mittelalterlichen Indien war es, religiöse Spezialisten in die Lage zu versetzen, dem ihnen schon per Geburt vorgeschriebenen (Brahmanen) oder anderweitig bestimmten (Tempel‑ priester) oder aber selbst gewählten Le‑ bensweg (Mönche oder Asketen) folgen zu können. Davon unterschieden sich Dotatio‑ nen an hinduistische Götter, die Buddhas und die jinistischen ‚Furtbereiter‘. Auch hier ging es nicht (mehr) um Gabentausch;6 aber es standen die Gottesliebe (bhakti) beziehungsweise die Verehrung der je‑ weiligen ‚Religionsstifter‘ im Vordergrund. Stiftungen an all diese Empfängerkreise war gemein, dass sie – bei richtiger Vorge‑ hensweise des Stifters – über das Potential verfügten, religiöses Verdienst (puṇya) zu generieren. Mit der Unterscheidung von mensch‑ lichen und transzendenten Destinatären ist auch eine weitere Differenzierung ver‑ bunden, und zwar die zwischen Empfän‑ gern und Begünstigten. Aus den Stiftungs‑ urkunden geht nicht immer zweifelsfrei hervor, wer die jeweilige Dotation nach dem Verständnis der beteiligten Akteure erhielt. Einige Indizien sprechen jedoch dafür, dass man Unterschiede nach der religiösen Ausrichtung und der institutio‑ nellen Organisation der Begünstigten vor‑ nahm. Im Falle von Stiftungen an einzelne Brahmanen fungierten diese als Empfän‑ ger, Begünstigte und Verwalter (→ 13.6.2) derselben. Bei brahmanischen Gruppen konnten verschiedene Funktionen auch auf mehrere Personen verteilt sein. Bei Dotationen an hinduistische Tempel galten

499

Indien

nach indischem Verständnis die betreffen‑ den Gottheiten als Empfänger;7 Tempel‑ priester konnten zu den Begünstigten und zu den Verwaltern gehören. Śivaitische Asketen erhielten – ähnlich wie vedische Brahmanen – häufig direkte Stiftungen. Bei buddhistischen Dotationen fungier‑ ten lokale Mönchs‑ oder Nonnenorden als Empfänger, Begünstigte und Verwalter; von der Stiftung profitierten aber oft noch andere Gruppen. Bei jinistischen Institutio‑ nen gab es sowohl dieses kollektive Modell als auch das der Stiftungen, die einzelnen Asketen zugesprochen wurden. Aus typologischer Sicht kann bei den Hauptbegünstigten mittelalterlicher Stif‑ tungen zwischen Göttern und Heiligen auf der einen Seite und religiösen Spezia‑ listen auf der anderen Seite unterschieden werden. Letztere bedachte man individuell oder kollektiv mit Dotationen. Bei Emp‑ fängergruppen definierten die Stifter nach Aussage der vorliegenden Urkunden diese entweder als Einheiten, die aus konkret be‑ nannten Einzelpersonen zusammengestellt wurden (häufig bei Stiftungen an mehrere Brahmanen), oder verwiesen auf bereits bestehende Gemeinschaften (meist bei buddhistischen Dotationen). Die Zweck‑ bestimmungen einiger Stiftungsdokumente lassen vermuten, dass zu den mittelbar Begünstigten weitere Personen gehören konnten: Arme und Kranke, Reisende oder Studenten. Gruppen von nutznießenden Bedürftigen spielen in Dotationsurkunden des indischen Mittelalters jedoch keine prominente Rolle (→ 9.6), und wenn sie erwähnt werden, dann stets nur pauschal. Es lassen sich Anhaltspunkte dafür finden, dass mitunter bereits vor einer konkre‑ ten Stiftung Verbindungen zwischen den prospektiven Stiftern und Destinatären bestanden. Ob derartige Beziehungen im Einzelfall familiärer Natur waren, lässt sich nicht belegen.

12.6.2  Die Destinatäre bei der Errichtung der Stiftung Eine der insgesamt sechs Komponenten, die nach brahmanischer Theorie zum ‚Ge‑ ben‘ (dāna) einen Schenkungsvorgang kon‑ stituierten (→ 11.6.1), stellte der Empfänger (pratigrahītṛ) der Gabe dar.8 Das galt auch für zweckgebundene, auf Dauer angelegte Stiftungen als spezielle Form von Gaben. Die Annahme (pratigraha) des gestifteten Objekts durch den Begünstigten war ein so zentrales Element innerhalb des Stif‑ tungsvorgangs, dass der Begriff pratigraha auch für die religiöse Gabe selbst, nicht nur für deren Akzeptieren stehen konnte. Der nach brahmanischem Verständnis ge‑ eignete Empfänger von Stiftungen wird so beschrieben: „Ein Brahmane, der in drei‑ facher Weise rein ist und über einen ma‑ geren Lebensunterhalt [verfügt], der voll Mitgefühl, Herr all seiner Sinne und frei von Geburtsfehlern ist, wird ein [passen‑ des] ‚Gefäß‘ (pātra) [für Gaben] genannt.“9 Brahmanische Texte führen das Anneh‑ men von Gaben als eines der Privilegien auf, die allein dem Brahmanenstand zuste‑ hen, und empfehlen potentiellen Stiftern ausschließlich diese Art von Dotationen. In Texten der Buddhisten und Jainas wird ein solcher Anspruch auf Ausschließlichkeit nicht vertreten; in deren Listen von emp‑ fohlenen Begünstigten werden Mönche und Nonnen aber an erster Stelle genannt.10 Bereits die Ausführungen der normati‑ ven Texte, die von religiösen Spezialisten und mithin von Vertretern der jeweils emp‑ fohlenen Destinatäre verfasst wurden, deu‑ ten darauf hin, dass die Interaktion zwi‑ schen Stiftern und Begünstigten nicht erst mit einer konkreten Stiftung begann. Mit ihren jeweiligen Texten zur Freigebigkeit versuchten das Brahmanentum sowie das buddhistische und das jinistische Mönch‑ tum das Schenkungs‑ und Stiftungswesen

500

von vornherein entscheidend mitzugestal‑ ten. Dies gilt vor allem für den Brahmanen‑ stand, der in dieser (und anderer) Hinsicht besonders erfolgreich auf das Königtum einwirkte: durch mehr oder weniger de‑ taillierte Vorgaben zu potentiellen Stiftern, zu passenden Stiftungsgütern und anderen Gaben, zu würdigen Dotationsempfängern und auch zur richtigen Ausfertigung von Stiftungsdokumenten. Die in überaus gro‑ ßer Zahl vorliegenden königlichen und fürstlichen Kupfertafelurkunden aus dem indischen Mittelalter belegen in ihrer reli‑ giösen Ausrichtung11 ebenso wie in ihrer Diktion sehr starken brahmanischen Ein‑ fluss; zudem waren die für herrscherliche Stiftungen zuständigen höfischen Beamten überwiegend Brahmanen. Doch nicht nur die jeweiligen Gemein‑ schaften potentieller Destinatäre spiel‑ ten eine Rolle für die Errichtung von Stiftungen. In einigen Urkunden finden sich auch – oft indirekte – Belege dafür, dass Begünstigte bereits im Vorfeld aktiv geworden waren und in die Vorbereitun‑ gen und Entscheidungen einbezogen wur‑ den. So wird in einer Kupfertafelinschrift des Rāṣṭra kūṭa‑Herrschers Kṛṣṇa I. aus dem Śaka‑Jahr 687 (765 u. Z.) zunächst berichtet, dass jener König dem Brahma‑ nen Śrīdharabhaṭṭa diese Urkunde über fünf Dörfer gegeben habe, weil er „die schon früher genutzten [Dörfer] als un‑ antastbar akzeptierte“.12 Dann gewährte Śrīdharabhaṭṭa seinerseits diese Dörfer „120 außergewöhnlichen Brahmanen, die in den Veden und Vedāṅgas bewandert [und] auf die Verrichtung der in Śruti und Smṛti (d. h. den normativen Texten) fest‑ gelegten Tätigkeiten bedacht waren [so‑ wie] sich des Würfelspiels, Diebstahls und Umgangs mit Śūdra‑Frauen enthielten“.13 Der Urkundenausstellung im Jahr 765 u. Z. müssen einige Anfragen oder Verhand‑ lungen vorausgegangen sein, über deren

Stiftungsbegünstigte

Verlauf nur Vermutungen angestellt wer‑ den können. Offenbar hatte der Brahma‑ ne Śrīdharabhaṭṭa gegenüber Rāṣṭrakūṭa Kṛṣṇa I. ältere Rechte an fünf Dörfern in Maharashtra geltend gemacht. Darauf ließ der Herrscher zur Bestätigung des be‑ rechtigten Anspruchs von Śrīdharabhaṭṭa – in einem üblichen Verfahren – die vor‑ liegende Urkunde aufsetzen. Da in dem‑ selben Dokument auch festgehalten ist, dass Śrīdharabhaṭṭa die ihm urkundlich garantierten Dörfer weitergab, also ver‑ mutlich eine größere Gruppe, nämlich 120 Brahmanen, als Begünstigte an der Stiftung beteiligte, muss man wohl von weiteren Vorabsprachen zwischen ihm und dem Stifter oder dessen Vertretern ausgehen. Diese Gruppe wird nur pau‑ schal beschrieben; Einzelpersonen sind nicht aufgezählt. Das ist angesichts der relativ großen Anzahl von 120 Brahmanen nicht ungewöhnlich. Doch sind die expli‑ zit erlassenen Auflagen für die sekundär Begünstigten eher untypisch: zum einen, weil diese als äußerst gelehrt beschrieben werden, zum anderen, weil es sich um das Verbot von Aktivitäten handelt, die Brah‑ manen ohnehin untersagt waren. Diese Formulierung könnte aber eingefügt wor‑ den sein, da die Entscheidung darüber, wer an den Stiftungserträgen zu beteiligen war, eben nicht bei dem königlichen Stifter oder seiner Kanzlei lag, sondern beim primären Empfänger Śrīdharabhaṭṭa, dem mit jener Klausel wohl die Verantwortung für die Auswahl würdiger Destinatäre auferlegt wurde. Ein Stiftungsversprechen konnte nämlich bei einem unlauteren Lebenswan‑ del der Begünstigten zurückgenommen und für nichtig erklärt werden.14 Weitere Belege für die Beteiligung se‑ kundärer Begünstigter, die bereits in den Urkunden festgehalten sind, finden sich in zwei der insgesamt vier bekannten Kupfer‑ tafeldokumente von Rāṣṭrakūṭa Govinda III.

Indien

aus den Jahren 803, 807, 810 und 812 u. Z. zugunsten des Brahmanen Risiyappa aus Dhārāśiva im Süden Maharashtras. In den Jahren 803 und 807 u. Z. erhielt Risiyappa ein Dorf beziehungsweise ein Dorf und einen kleineren Weiler im Nordosten Maha‑ rashtras. Im Jahr 810 folgten ein weiteres Dorf und fünf Weiler, wobei in der betref‑ fenden Urkunde steht, dass Risiyappa 100 beziehungsweise 80 nivartana15 Land an zwei andere, namentlich aufgeführte Brah‑ manen weitergab. Im Jahr 812 war Risiyappa noch einmal der Hauptempfänger der Stif‑ tung eines Dorfes mit Nebenobjekt, von der er dieses Mal 400 nivartana für sich reser‑ vierte und offenbar den Rest, insgesamt 120 Anteile, für andere Brahmanen bestimmte, von denen acht namentlich genannt werden. Nach dem epigraphischen Befund wurde Risiyappa im Laufe von zehn Jahren von einem individuell mit Steuerpfründen be‑ dachten Brahmanen zum Oberhaupt zweier Gruppen, auf deren Zusammensetzung er Einfluss nehmen konnte und die durch Do‑ tationen begünstigt wurden. Wie Risiyappa seine umfangreichen Stiftungsgüter ver‑ waltete, geht aus den Urkunden nicht her‑ vor. Mindestens im Falle der etwas abseits gelegenen Siedlungen wäre aber denkbar, dass seine brahmanischen ‚Teilhaber‘ dafür zuständig waren und ihm seine jährlichen Erträge lieferten.16 Auch einzelne Wanderungsbewegungen von Brahmanen lassen vermuten, dass es bereits vor der später erfolgten Stiftung zu einer Kontaktaufnahme des prospektiven Destinatärs mit dem königlichen Stifter oder dessen Umfeld gekommen war. Der Rāṣṭra kūṭa‑König Govinda IV. stiftete im Śaka‑Jahr 852 (930 u. Z.) ein Dorf in der Nähe des Ortes Kāvikā in Gujarat. Empfän‑ ger dieser Steuerpfründe war der Brahma‑ ne Nāgamārya, „der aus dem bedeutenden Ort Kāvikā im Kheṭaka‑Distrikt des Lāṭa‑ Landes weggegangen ist, nun hier, in [der

501

Residenz] Mānyakheṭa, wohnt [und] von der Gnade des edlen Herrschers lebt“.17 Zum Zeitpunkt der Stiftung befand sich Govin‑ da IV. selbst nicht in Mānyakheṭa, sondern aus Anlass seiner Krönung und einer damit verbundenen tulāpuruṣa‑Zeremonie18 im Dorf Kapitthaka am Ufer der Godāvarī. Der Inschriftentext lässt jedoch keinen Zweifel daran, dass der Brahmane bereits vor der Dotation seine Heimat verlassen hatte und in der Rāṣṭrakūṭa‑Hauptstadt lebte – und dies offenbar von den Zuwendungen des Königs –, bis er in ein ihm gestiftetes Dorf in der Nähe seines Herkunftsortes zog. Da die Stiftung aus Anlass der Krönung des kö‑ niglichen Stifters erfolgte, kann man wohl annehmen, dass der Brahmane (mit ande‑ ren Vertretern seines Standes) dem Hofstaat für diese Feierlichkeiten gefolgt war. Die Tatsache, dass sich das Stiftungsobjekt un‑ weit des Herkunftsortes von Nāgamārya befand, lässt nicht an eine rein zufällige Auswahl glauben, sondern macht eine ge‑ zielte Bitte des prospektiven Destinatärs beziehungsweise direkte Absprachen mit der Stifterseite sehr wahrscheinlich.19 Auf Beziehungen zwischen Stiftern und Destinatären deuten auch solche Dotatio‑ nen hin, in denen der Begünstigte als ‚(spi‑ ritueller) Lehrer‘ (guru) und die jeweili‑ ge Stiftung als ‚Opferlohn für den Lehrer‘ (gurudakṣinā) bezeichnet wurden. Brahma‑ nen sowie śivaitische und jinistische Aske‑ ten sind als Präzeptoren indischer mittel‑ alterlicher Stifter belegt.20 Bei königlichen Stiftungen ist mitunter auch nachweisbar, dass die Personen, die den Herrscher zu Unterhaltsdotationen für eine religiöse Institution bewegt hatten, in einem en‑ gen persönlichen Verhältnis zu den Ober‑ häuptern der betreffenden Einrichtungen standen. So heißt es in einer Rāṣṭrakūṭa‑ Urkunde vom Beginn des 9. Jahrhunderts aus Karnataka, dass ein Fürst namens Śrī‑ Bappayya einer religiösen Unterweisung

502

(dharmopadeśa) des Prabhācandra beige‑ wohnt hatte, der Vorsteher des Jaina‑Tem‑ pels von Mānyapura war. Der Sohn des Fürsten Śrī‑Bappayya trat dann an den lokalen Rāṣṭrakūṭa‑Regenten mit der Bitte um eine Stiftung für das Heiligtum heran, der dieser schließlich „mit durch das Ver‑ nehmen des Gesuchs entstandener Eifrig‑ keit“ nachkam.21 Es gibt auch Hinweise darauf, dass Stif‑ ter direkt von den prospektiven Begüns‑ tigten um eine Stiftung für die Institution gebeten wurden, der sie selbst angehör‑ ten, wie eine der wenigen buddhistischen Rāṣṭrakūṭa‑Urkunden belegt, die aus dem Śaka‑Jahr 806 (884 u. Z.) datiert. Nach Aus‑ sage dieses Dokuments aus Gujarat stiftete der dortige Rāṣṭrakūṭa‑Regent einer von dem Weisen Kāṃpilya gegründeten und nach diesem benannten monastischen In‑ stitution ein Dorf, „nachdem er von dem Mönch Sthiramati geneigt gemacht worden war“.22 Erleichternd mag in solchen Fällen gewirkt haben, dass die Ordinierten nicht für sich persönlich um eine Stiftung bitten mussten – dies war ihnen ohnehin unter‑ sagt –, sondern für die buddhistische Ge‑ meinde aktiv wurden: de jure zugunsten des Gesamtordens ‚der vier Weltgegenden‘, de facto zugunsten einer lokalen monasti‑ schen Gemeinschaft in einem bestimmten Kloster. Wie Gregory Schopens Untersuchun‑ gen zu Kanontexten aus dem Nordwesten Indiens zeigen, versuchten buddhistische Mönche nicht nur mit Worten potentielle Stifter zu überzeugen, sondern diese auch durch die Attraktivität ihrer Bauten an‑ zulocken und zum Stiften zu motivieren. Ausführliche Passagen im Regelwerk der Mūlasarvāstivāda‑Schule belegen, dass die Ordinierten angehalten wurden, schö‑ ne Orte für die Errichtung von Klöstern auszuwählen, beeindruckende Gebäude errichten zu lassen, diese in Ordnung zu

Stiftungsbegünstigte

halten, auf deren Sauberkeit zu achten und sie mit Bildwerken auszuschmücken. Mo‑ nastische Bauwerke sollten anziehend auf Stifter wirken, und auch durch das äußere Erscheinungsbild wollte man Zustiftungen ‚einwerben‘, denn – wie Schopen meint – „[i]f the early Northwest was anything like modern India, it is not difficult to see how a clean and well‑maintained monastery might make a distinct impression“.23 Buddhistische und jinistische Stiftungs‑ inschriften belegen, dass insbesondere pri‑ vate, von den jeweiligen Laienanhängern in Auftrag gegebene Dotationen auch im Duktus der betreffenden Religionsge‑ meinschaften formuliert wurden.24 Die wenigsten indischen Könige aber, die im Mittelalter als Stifter agierten, betrachte‑ ten sich selbst als Anhänger (der Lehren) des Buddha oder des Jina.25 Angesichts der Tatsache, dass das indische Stiftungsrecht stark brahmanisch geprägt war und die für herrscherliche Stiftungen verantwort‑ lichen Beamten überwiegend Brahmanen waren, kann man wohl davon ausgehen, dass Buddhisten und Jainas versuchen mussten, ihre eventuell abweichenden, spezifischen Stiftungsinteressen bei den potentiellen Stiftern zu artikulieren. Die‑ ses Ringen um Formulierungshoheit ist oft nicht nachweisbar, da entweder das Quellenmaterial zu dürftig ausfällt oder die jeweilige Wortwahl zufällig wirkt. Für die vergleichsweise große Gruppe buddhistischer Stiftungsurkunden aus dem 6. und 7. Jahrhundert, die die westindi‑ sche Maitraka‑Dynastie hinterlassen hat, konnte Oskar von Hinüber aber auf Basis der inschriftlich dokumentierten Ergeb‑ nisse, d. h. der sich im Laufe der Zeit ver‑ ändernden Formulierungen, zeigen, dass „the members of the Buddhist saṃgha had to struggle to get their grants formulated according to their ideas and in accordance to Buddhist legal terminology. (…) [It was

Indien

their] wish to gain influence on or even control of the chancellery that is reflected in the changing wording. In the end the Buddhists managed to push the develop‑ ment into the desired direction“.26 Buddhistische Mönche und Nonnen versuchten jedoch nicht nur, Einfluss auf potentielle und prospektive Stifter zu neh‑ men, sondern fungierten nicht selten selbst als Stifter. Im Mittelalter gründeten vor allem männliche Ordinierte Klöster und stifteten Kultbauten und ‑bilder. Man kann vermuten, dass stifterlich aktive Ordens‑ angehörige auch zu den indirekt Begüns‑ tigten derartiger Stiftungen gehörten, z. B. als Insassen einer monastischen Institu‑ tion, als deren alleiniger oder Hauptstifter sie galten. Eine besondere Form der Einflussnah‑ me von Personen, die sich für potentielle Begünstigte religiöser Stiftungen hielten, sei an dieser Stelle ebenfalls erwähnt, und zwar die Produktion von Fälschungen, ins‑ besondere von gefälschten Kupfertafelur‑ kunden.27 Das Spektrum solcher Manipula‑ tionen reichte von nicht autorisierten Ver‑ änderungen an der Empfängerspezifikation und an der Beschreibung der Stiftungs‑ güter in echten königlichen Stiftungsdo‑ kumenten 28 bis hin zu völlig erfundenen Stiftungen.29 Nicht auszuschließen ist, dass derartige Änderungen an den Urkunden von den einstigen Stiftungsempfängern oder deren Nachfolgern vorgenommen wurden.30 Dies kann man zum Beispiel dann vermuten, wenn die Namen einiger Empfänger nachträglich aus der Urkunde getilgt wurden, um die Zahl der Begüns‑ tigten zu verringern, und die Passage neu, aber nicht fachmännisch graviert wurde.31 Manche komplett gefälschte Urkunde ist bereits im Mittelalter entlarvt worden. So informiert in einer ostindischen Felsen‑ inschrift aus dem Jahr 1169 ein Fürst seine Nachfahren darüber, dass die Brahmanen

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eines bestimmten Dorfes von einem kor‑ rupten Beamten gegen Bestechungsgeld eine Landstiftungsurkunde erhalten hät‑ ten, diese aber als ungültig zu betrachten sei.32 (→ 5.6.3) 12.6.3  Die Stiftungsbegünstigten im sozialen Gefüge der Stiftung Das Konzept des organisierten Stifterge‑ denkens hatte im mittelalterlichen Indien (→ 8.6.2) offenbar keine so große Bedeu‑ tung wie im Christentum und im Islam. Von den Destinatären religiöser Stiftungen wurden keine direkten Gegengaben erwar‑ tet. Das Reziprozitätsprinzip manifestierte sich nicht unmittelbar zwischen Stifter und Stiftungsempfänger (→ 12.6.1), aber die Stifter (und andere Profitienten) erwarben religiöses Verdienst (puṇya) durch Gaben. Da der Tatvergeltungsmechanismus nach dem karman‑Gesetz automatisch wirkte (→ 7.6.2), erzeugten Verdienste des Stifters ihre Wirkung auch ohne Fürbitten der Stif‑ tungsbegünstigten. Dennoch spielten die Destinatäre im sozialen Gefüge indischer Dotationen eine entscheidende Rolle, und die Annahme einer Gabe verpflichtete sie in der Regel zu bestimmten Handlungen, die als Stiftungszwecke in den Dotations‑ urkunden festgelegt wurden. Zum Sozialgefüge indischer Stiftungen gehörten auch ethische Verbindungen zwi‑ schen den Stiftern und den Empfängern. Die religiöse Qualifikation der potentiellen Begünstigten sollte bei deren prospektiven Förderern Wertschätzung und Spenden‑ freudigkeit (śraddhā; → 11.6.1) erzeugen. Von diesen (und anderen) Faktoren hing die Höhe des zu erwartenden religiösen Verdienstes ab: von den Stifterabsichten ebenso wie von den moralischen und spi‑ rituellen Qualitäten des Destinatärs. Damit lag ein großer Teil der Verantwortung für

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das Gelingen der Stiftung in Hinsicht auf das puṇya, das daraus entstehen sollte, bei den Empfängern der Dotation.33 In bud‑ dhistischen und jinistischen Texten werden würdige Begünstigte nicht nur als ‚Gefäß‘ (pātra) bezeichnet, sondern auch als ‚Feld für Verdienst[erwerb]‘ (puṇyakṣetra).34 He‑ macandra, ein Jaina‑Autor des 12. Jahrhun‑ derts, nennt im Zusammenhang mit Gaben, die er den Laienanhängern empfiehlt, sie‑ ben Arten von ‚Feldern‘ (kṣetra): Jina‑Bilder, jinistische Tempel, die Āgamas (d. h. die ka‑ nonischen Texte), Mönche, Nonnen, Laien und Laiinnen.35 Diese Zusammenstellung zeigt zum einen, dass die metaphorische Be‑ zeichnung kṣetra mehr einschließen konn‑ te als der Forschungsbegriff ‚Destinatär‘, und zum anderen, dass in den normativen Texten des Jinismus – anders als im Bud‑ dhismus – auch weltliche Anhänger zu den geeigneten Begünstigten von Gaben gezählt wurden. Das Gleichnis vom ‚Feld‘ korre‑ liert mit der Bezeichnung ‚Frucht‘ (phala), die neben dem Begriff puṇya für religiöse Verdienste (→ 7.6.2) verwendet wird: „In gift giving this metaphor of cultivation is particularly germane: one plants the seed of a good action in a suitable field of a re‑ cipient which yields, often exponentially, the fruits of one’s effort.“36 Neben religiösen Spezialisten (Brahma‑ nen, Tempelpriestern, Asketen, Mönchen und Nonnen) wurden in Indien auch Göt‑ ter und Göttinnen direkt mit Stiftungen bedacht. Hingegen spielten Arme (→ 9.6.2) sowie Verwandte der Stifter in den über‑ lieferten Urkunden kaum eine oder keine klar belegbare Rolle als potentielle Be‑ günstigte. Auch in diesem Zusammen‑ hang ist ein Blick in die brahmanisch‑ normativen Texte aufschlussreich, denn diese Themen werden dort keineswegs ausgespart.37 Im ‚Dānakāṇḍa‘‑Abschnitt des aus dem 12. Jahrhundert datierenden ‚Kṛtyakalpataru‘ von Lakṣmīdhara heißt es

Stiftungsbegünstigte

beispielsweise: „Was den Eltern, Brüdern und den eigenen Töchtern gegeben wird, was der Ehefrau und den Söhnen gegeben wird, das [stellt] eine tadellose Brücke in den Himmel [dar].“38 David J. Brick hat die‑ se Belegstelle wie folgt interpretiert: „Pas‑ sages of this sort clearly state that a person is able to derive soteriological benefit by giving gifts to his / her own relatives; and there is no indication that these relatives must be learned, virtuous, or Brahmins. From a certain perspective, this appears somewhat surprising, for one might imag‑ ine that such gifts would typically involve some worldly motive and, therefore, be incapable of generating otherworldly re‑ sults according to Dharmaśāstric thought. However, there is no indication that Brah‑ manical authors considered the production of ‚unseen‘ rewards from gifts to one’s relatives at all problematic.“39 Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass dieser Text die würdigen Empfänger von verdienstvollen Gaben (dāna; → 1.6.2) in einem weiteren Sinne und nicht von Stiftungen im engeren Sinne behandelt. Dokumente der Stiftungspraxis deuten zumindest nicht darauf hin, dass Familien‑ stiftungen ein gängiges Modell im mittelal‑ terlichen Indien waren. Nicht nachweisbar ist, ob Angehörige von Stiftern zu den Des‑ tinatären der Dotationen zählten – obwohl dies insbesondere bei den verschiedenen Ordensgemeinschaften keinesfalls ausge‑ schlossen werden kann. Zahlreiche Bele‑ ge existieren andererseits dafür, dass die Familienmitglieder von Stiftern, vor allem deren Eltern, regelmäßig zum Kreis der Profitienten (→ 7.6.1) gehörten, d. h. am durch Dotationen generierten Verdienst per Übertragung von puṇya (→ 7.6.2) par‑ tizipieren sollten. Auch Spenden an Bedürftige werden in der brahmanischen Schenkungstheorie thematisiert. Im ‚Dānavivekoddyota‘ heißt

Indien

es, dass eine Gabe (dāna), die an Schwa‑ che, Blinde und Arme (dīnāndhakṛpaṇa) gegeben wird, „für die Ewigkeit wirksam ist“ (ānantyāya kalpate), obwohl es sich bei diesen um ‚ungeeignete Gefäße‘ (apātra; zum Antonym pātra → 12.6.1) handle.40 Die brahmanischen normativen Texte for‑ mulieren allerdings erhebliche Einschrän‑ kungen hinsichtlich der Objekte, die an diesen Empfängerkreis gegeben werden sollten. Lediglich bescheidene, auf das Lebensnotwendige beschränkte Gaben wurden empfohlen, wenn es sich bei den Begünstigten nicht um gelehrte Brahma‑ nenpriester handelte.41 Nach brahmani‑ schem Verständnis qualifizierte man sich als würdiger Empfänger sehr viel mehr durch seine religiösen Fähigkeiten als durch etwaige Bedürftigkeit, wie in einer häufig in einschlägigen brahmanischen Texten auftauchenden Strophe zum Aus‑ druck kommt: „Einen Brahmanen, dessen Mund mit dem Veda gefüllt ist, möge man speisen, selbst wenn er gut genährt ist, nicht jedoch einen nahrungslosen Dumm‑ kopf, der [bereits] sechs Nächte fastet.“42 Ähnliche Schlüsse legen auch jinistische sowie buddhistische Texte der alten Schu‑ len (z. B. Theravāda) zu dāna nahe – mit entsprechenden Implikationen für cari‑ tative Gaben –, wie Maria Heim in ihrer vergleichenden Studie gezeigt hat: „It is crucial to note that a clear distinction is drawn between the religious dependent and the ordinary poor person, with the lat‑ ter not typically regarded as the worthiest recipient. (…) Charitable gifts made out of altruism and pity rather than esteem are generally not regarded as meritorious as giving to the religious, though they are not prohibited.“43 Lediglich im Mahāyāna‑Buddhismus wird dem Geben an Bedürftige eine zen‑ tralere Rolle eingeräumt. In Hinsicht auf normative Vorgaben zu Stiftungen haben

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die Theoretiker des Theravāda‑Buddhismus sehr viel mehr mit ihren jinistischen und brahmanisch‑hinduistischen Gegenspie‑ lern als mit den Vertretern des Mahāyāna gemeinsam. Dies ist damit zu erklären, dass die ethischen Ansichten des Mahā‑ yāna‑Buddhismus eng mit einer neuen Interpretation der Bedeutung religiöser Gaben verbunden sind und eine radikale Abkehr von traditionellen indischen Sozial‑ vorstellungen darstellen.44 Auch dies zeigt sich in den Dokumenten der Stiftungspra‑ xis auf spezifische Weise: nicht dadurch, dass in Dotationen, die nachweislich im Mahāyāna‑Kontext standen, signifikant häufiger Personen als Destinatäre erschei‑ nen, die aus nichtreligiösen Gründen zu den Bedürftigen zählten, sondern dadurch, dass in die Reihe der Profitienten formel‑ haft ‚alle Wesen‘ (sarvasattva; → 7.6.2) auf‑ genommen wurden.45 Religiösen Spezialisten wurde im indi‑ schen Mittelalter mit hoher Wertschätzung begegnet, Armen und Kranken bestenfalls mit Mitgefühl: „Unlike certain Christian notions toward the poor in which the poor are sometimes seen to have a certain no‑ bility and moral status (…) poverty and wretchedness in South Asian culture are markers of demerit and moral want ow‑ ing to past wrongdoing.“46 Angesichts der Tatsache, dass Notleidende und Bedürfti‑ ge in der normativen Literatur nicht als geeignete Gabenempfänger gelten, kann es kaum als Überlieferungszufall angese‑ hen werden, dass dieser Personenkreis in Quellen zur Stiftungspraxis keine promi‑ nente Rolle spielt, zumal Stiftungen keine einmaligen Spenden darstellten, sondern auf Dauer angelegt waren. Es gibt anschei‑ nend keine Belege dafür, dass Arme und Kranke als direkte Dotationsempfänger eingesetzt wurden, und selbst als indi‑ rekte Begünstigte tauchen sie nur selten auf. Auch entsprechende Institutionen,

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z. B. regelmäßige Armenspeisungen und Krankenhäuser (→ 9.6.2), werden nur ver‑ einzelt in Stiftungsurkunden genannt. Die normativen Texte wiederum ordnen die Bereitstellung öffentlicher Bauten (utsarga; → 1.6.3), zu denen unter anderem Brunnen und Wasserreservoire zählen, nicht in die Kategorie dāna ein, weil diese keine klar zu definierenden Empfänger haben.47 Brahmanische Stiftungen Im Falle von Stiftungen an einzelne Brah‑ manen fungierten diese als Empfänger, Begünstigte und Verwalter (→ 13.6.2) derselben. Wenn mehrere brahmanische Destinatäre in einer Dotationsurkunde namentlich genannt wurden, spezifizier‑ te man auch meist deren genauen Anteil an den gestifteten Ländereien (→ 10.6.2) beziehungsweise an der Steuerpfründe (→ 10.6.5). Über den Namen hinaus wur‑ den Brahmanen regelmäßig nach ihrer Zugehörigkeit zu einem bestimmten brah‑ manischen Geschlecht (gotra), zu einer ve‑ dischen Traditionslinie (śākhā) beziehungs‑ weise zu einem Herkunfts‑ oder Wohnort spezifiziert (→ 3.6.2), um eine eindeutige Zuordnung zu ermöglichen. Die normati‑ ven Texte empfahlen, Brahmanen aus der Umgebung zu beschenken. Brahmanen aus weiter Ferne zu bedenken war lediglich dann zulässig, wenn diese gelehrter als die lokalen waren.48 Stiftungsurkunden belegen aber, dass Könige häufig Brahma‑ nen aus anderen Regionen begünstigten.49 Da Brahmanen nicht zölibatär lebten, wurde mitunter darauf verwiesen, dass Stif‑ tungen auch dem Unterhalt der Familien des Empfängers und der zu seinem Haus‑ halt gehörenden Personen dienen sollten. Selbst wenn dies nicht explizit festgehalten wurde, konnte es mitgedacht werden. Da‑ für spricht unter anderem auch, dass die Stiftungsgüter vererbt werden konnten und sollten. Häufig enthalten die betreffenden

Stiftungsbegünstigte

Dokumente Erbformeln, die das Dotations‑ objekt zu einem machten, welches „der Reihe nach von den Söhnen, Enkeln und [weiteren] Nachkommen zu genießen [war]“ (putrapautrānvayakramopabhogya).50 Brah‑ manische Rechtstexte empfahlen potenti‑ ellen Stiftern, für Brahmanen Hochzeiten auszurichten und dann durch Stiftungen für ihren Unterhalt zu sorgen.51 Auch für dieses Patronatsmuster finden sich in‑ schriftliche Belege in den Dotationsurkun‑ den. So gehörte zu einer sehr komplexen Stiftung, die ein Śilāhāra‑Fürst im frühen 12. Jahrhundert vornahm, unter anderem die Verheiratung von 16 Brahmanen und deren Ausstattung mit je einem Haus und einem Stück Land.52 Die epigraphisch belegten Bestim‑ mungen zum Zweck von Stiftungen an Brahmanen beziehen sich in der Regel auf die sogenannten ‚fünf großen Opfer‘ (pañcamahāyajña; → 8.6.3), die täglichen Riten, die morgens, mittags und abends am Hausfeuer auszuführen waren. Aus den Dotationserträgen sollten sich die Brah‑ manen in ihrer Funktion als Kultusver‑ antwortliche versorgen und Kultutensilien für ihre Riten beschaffen. Bei umfangrei‑ cheren Stiftungen an einzelne Brahmanen ist durchaus denkbar, dass diese auch zur Bereitstellung von Nahrung und Kleidung für andere Opferpriester und Gehilfen dienen sollten. Explizit erwähnt ist das allerdings nur sehr selten.53 Seit dem 11. Jahrhundert nahm der Um‑ fang der Ausführungen zu den Zweckbe‑ stimmungen zu. So verweisen die Dota‑ tionsurkunden der Śilāhāras explizit auf die Erfüllung der sechs aus der normati‑ ven Literatur bekannten brahmanischen Pflichten.54 In Stiftungskontexten wurden (nur) das Opfern für sich selbst und das Opfern für andere sowie das Studieren und Lehren der vedischen Texte aufgelistet. Die Beschreibung sehr vieler Brahmanen,

Indien

die tatsächlich mit Unterhaltsstiftungen bedacht wurden, als äußerst gelehrt kor‑ reliert mit den Vorgaben der normativen Texte. Obwohl nur relativ wenige brahma‑ nische Stiftungen edukative Ziele (→ 9.6.1) explizit nennen, kann man vermuten, dass diese Dotationen auch dazu bestimmt wa‑ ren, das brahmanische Lehrsystem zu ver‑ breiten und zu erhalten. Da der (oder die) Schüler im Haus des Lehrers wohnte(n), können Veda‑Studenten auch dann zu den indirekt Begünstigten von Stiftungen an Brahmanen gezählt werden, wenn dies nicht ausdrücklich festgehalten ist. Durch Dotationen an einzelne Brahmanen wurde eine religiöse Infrastruktur vorgehalten, die aus einem weitgespannten und recht dichten Netz von brahmanischen Priestern bestand. Zu den indirekt Begünstigten der Stiftungen gehörten vermutlich auch viele Personen, die nicht explizit in den Stiftungsdokumenten Erwähnung finden und für deren Auswahl die jeweiligen Do‑ tationsempfänger oft selbst verantwortlich gewesen sein dürften. Mitunter werden sehr hohe Zahlen von Begünstigten (→ 3.6.2) in königlichen Stif‑ tungen an Brahmanen genannt. In diesen Fällen sind zwei Kategorien von Dotatio‑ nen zu unterscheiden: (1.) solche, in de‑ nen tatsächlich alle (oder fast alle) Des‑ tinatäre namentlich aufgeführt werden, und (2.) solche, in denen lediglich einige Brahmanen stellvertretend genannt oder bestimmte Untergruppen definiert wer‑ den. Der nordindische Gāhaḍavāla‑König Candradeva stiftete nach Aussage der aus dem 11. Jahrhundert datierenden Chandra‑ vati‑Urkunde einen ganzen Distrikt im Benares‑Gebiet (→ 10.6.2), d. h. dessen Steueraufkommen, an 500 Brahmanen.55 Die Dotation umfasste auch ein Dorf in einem anderen Distrikt, das für die An‑ siedlung dieser Brahmanengemeinschaft bestimmt war. Von den 500 brahmanischen

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Stiftungsempfängern werden immerhin 495 mit genauen Angaben aufgezählt. Die Details, die drei der insgesamt fünf Kup‑ fertafeln dieser Urkunde füllen, geben auch Aufschluss darüber, dass Spezialisten aller vier Veden zu den Stiftungsbegünstigten gehörten.56 Bemerkenswerterweise stellte mit 198 Atharvavedins eine Gruppe brah‑ manischer Spezialisten die Mehrheit, die gesamtindisch gesehen vergleichsweise selten in den Genuss von Landstiftungen kam.57 Auch einige Kupfertafelurkunden der südindischen Dynastie der Coḷas, die zu den längsten Stiftungsinschriften des mittelalterlichen Indien zählen (→ 5.6.3), nennen sehr hohe Zahlen brahmanischer Destinatäre. Die mit 3 170 Zeilen auf 85 Kupfer tafeln besonders umfangreiche Tiruvindalur‑Urkunde aus Tamil nadu bezeugt, dass im 11. Jahrhundert zwei Coḷa‑Könige 44 Dörfer zu einer Einheit zusammenfassen ließen und an ca. 660 Brahmanen vergaben, die auch mehr oder weniger vollständig aufgelistet werden.58 Die ebenfalls aus Tamilnadu stammenden und aus dem 11. Jahrhundert datierenden ‚Karandai Tamil Sangam Plates‘, die aus 57 Tafeln bestehen, führen sogar 1 083 brah‑ manische Begünstigte namentlich auf.59 Während in den bisher genannten Bei‑ spielen die Empfänger bereits mit der Stif‑ tungsurkunde festgeschrieben wurden, liegen auch Dokumente vor, die große De‑ stinatärsgruppen viel vager umschreiben, so dass man von einer gewissen Flexibilität in der Umsetzung des Stifterwillens und von größerem Entscheidungsspielraum für die Gemeinschaft der Begünstigten ausge‑ hen kann. Zur Illustrierung mögen zwei Stiftungen der zentralindischen Rāṣṭra‑ kūṭa‑Dynastie aus dem 8. und 10. Jahrhun‑ dert dienen. Im Śaka‑Jahr 705 (783 u. Z.) stiftete König Dhruvarāja ein Dorf an 500 Brahmanen;60 im Śaka‑Jahr 851 (930 u. Z.)

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vergab König Govinda IV. einen Marktfle‑ cken in der Nähe der Hauptstadt an 1 000 Brahmanen.61 Beide Gruppen werden als mahājana (‚bedeutende Gemeinschaft‘) bezeichnet.62 Im ersten Fall ist nur das Oberhaupt (pramukha) der Gruppe, ein Ṛgvedin, mit allen ihn betreffenden De‑ tails genannt, der wohl die Verwaltung (→ 13.6.2) der Stiftung übernahm. Im zwei‑ ten Fall werden Namen überhaupt nicht erwähnt, aber fünf Unterabteilungen der Gesamtgruppe nach Gesichtspunkten re‑ gionaler Herkunft beziehungsweise vedi‑ scher Zugehörigkeit spezifiziert.63 Wäh‑ rend die Stiftung aus dem Jahr 783 u. Z. die 500 Empfänger in die Lage versetzen sollte, die ‚fünf großen Opfer‘ regelmäßig durchführen zu können, ist in der über ein Jahrhundert jüngeren Dotationsurkunde festgelegt, dass täglich 1 000 Brahmanen (in der vorgeschriebenen Zusammenset‑ zung) mit Nahrung (bhojana) im Rahmen eines sattra (→ 3.6.2; 8.6.3; 9.6.2) zu ver‑ sorgen seien. Da der Stiftungsumfang in Relation zu der sehr hohen Zahl von Des‑ tinatären vergleichsweise gering erscheint, ist verständlich, dass die Zuwendungen an die Begünstigten auch nur ein Minimum umfassen konnten. Zur täglichen Speisung war eventuell ein wechselnder Kreis von Personen zugelassen, solange die Anforde‑ rungen der jeweiligen Gruppenzugehörig‑ keit erfüllt wurden. Eine reine, wenn auch täglich wiederkehrende Beköstigung legte den Brahmanen, die daran partizipierten, vermutlich keine spezifischen Handlungs‑ verpflichtungen auf. In der Regel wurden in Urkunden zu‑ gunsten sehr großer Brahmanengruppen auch dann, wenn man deren Mitglieder einzeln aufführte, diesen keine konkreten Anteile am Vermögen der Stiftung zuge‑ sprochen. Bei mittelgroßen brahmanischen Destinatärsgemeinschaften war das anders. Im Śaka‑Jahr 1171 (1249 u. Z.) vergab ein

Stiftungsbegünstigte

Vasall der Yādava‑Dynastie eine Siedlung in Karnataka an 107 Brahmanen, von de‑ nen die meisten einen Anteil (vṛtti) erhiel‑ ten. Zwei der Brahmanen wurden mit je zwei Anteilen und ein Brahmane mit vier Anteilen bedacht.64 Hinduistische Stiftungen Bei Dotationen an hinduistische Tempel galten die jeweiligen Götter oder Göttinnen als Empfänger: „If property is dedicated to a god, he is invariably mentioned in the dative case (…). It is significant that gifts to a deity are never made to the image of the deity or to the temple of the deity, but that the gift is always directed to the god indicating his name“.65 In der Regel heißt es in derartigen Stiftungsurkunden min‑ destens, dass die betreffende Gottheit, die (d. h. deren Abbild) an einem bestimmten Ort aufgestellt worden sei, aus den Mit‑ teln des Dotationsobjekts kultisch verehrt werden solle. Auch davon, dass die Erträ‑ ge für die Instandhaltung der Tempel zu verwenden seien, ist recht häufig die Rede. Bemerkenswert ist aber, dass keineswegs alle hinduistischen Stiftungen Kultverant‑ wortliche erwähnen (→ 8.6.3);66 und wenn Tempelpriester genannt wurden, gehörten diese nicht immer zu den Stiftungsbegüns‑ tigten.67 Man muss vermuten, dass eine der Ursachen für die schwach dokumentierte Beteiligung von Tempelpriestern am Stif‑ tungsgeschäft zumindest im frühen Mit‑ telalter in deren von brahmanischer Seite noch vielfach umstrittener Position lag. In den Fällen, in denen sich Festlegun‑ gen zu ihren Gunsten finden, ist auffällig, dass die Terminologie zur Bezeichnung dieser Tempelpriester und Tempeldiener breit gefächert ist. Das Spektrum der zu versorgenden Kultverantwortlichen reich‑ te von Tempelvorstehern (z. B. sthānapati) bis hin zu Tempeldienern (pādamūla). Auch hinsichtlich der Leistungen, die den

Indien

einzelnen Ebenen der Tempelhierarchie aus den Stiftungen zustanden, scheint dif‑ ferenziert worden zu sein. Für die Tem‑ peldiener ist nur pauschal vom ‚Lebens‑ unterhalt‘ (prajīvana) die Rede, während sich für die höheren Ränge detailliertere Angaben finden. Insbesondere seit dem 9. und 10. Jahr‑ hundert ist epigraphisch belegt, dass Stif‑ tungen direkt an namentlich genannte Śaiva‑Asketen (→ 3.6.2) gingen.68 Diese wurden als Angehörige einer śivaitischen Lehrer‑Schüler‑Linie beschrieben und fun‑ gierten mitunter als spirituelle Lehrer von Königen. Hier galt die als permanent kon‑ zipierte und – anders als bei den vedi‑ schen Brahmanengeschlechtern – in der Regel nicht auf Verwandtschaft beruhende Lehrer‑Schüler‑Tradition als Garant für die Dauerhaftigkeit der Dotationen.69 Einige wenige Beispiele sollen illustrieren, dass śivaitische Asketen den Gott Śiva als Stif‑ tungsempfänger teilweise zu verdrängen begannen und auf welche Art sie in das Stiftungsgeschehen eingebunden waren: Eine in Karnataka gefundene Rāṣṭra kūṭa‑ Urkunde aus dem Śaka‑Jahr 728 (806 u. Z.) bezeugt eine Dorfstiftung an Īśvaradāsa, einen śivaitischen Asketen (tapodhana) und Tempelvorsteher (sthānādhipati). Diese Stiftung von Govinda III. war „in der Abfolge der Asketenlinie zu nutzen“ (tapodhanānvayakramopabhogya) und für Räucherwerk, Lichter und Opfergaben des Gottes Śiva bestimmt. In der Formel zur Be‑ schreibung der Nutzungsrechte (→ 13.6.2.) ist die Dotation als ‚Gabe an einen Gott‘ (devadāya; → 1.6.3; 3.6.2) bezeichnet und festgehalten, dass Mahādeva (Śiva) in sei‑ nen Nutzungsrechten künftig nicht zu be‑ hindern sei.70 Im Śaka‑Jahr 880 (959 u. Z.) erhielt der Asket (mahātapasvin) Gaganaśiva, Schü‑ ler des Īśānaśiva, eines Tempelvorstehers (sthānapati) in Karahāṭa, von Rāṣṭrakūṭa

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Kṛṣṇa III. ein Dorf in Süd‑Maha rashtra. Die Stiftung war, wie aus der betreffenden Urkunde hervorgeht, für die vier Monate zuvor versprochene (regelmäßige) Bereit‑ stellung von Mobiliar und Kleidung für ‚alle‘ Asketen (sakala-tapodhana) gedacht und sollte somit einer śivaitischen Ein‑ richtung in Karahāṭa zugutekommen. In der Nutzungsformel wurde schließlich festgelegt, dass der Asket Gaganaśiva in seinen Rechten bezüglich des Dorfes nicht zu behindern sei.71 In einer Śilāhāra‑Urkunde aus Nordwest‑ Maharashtra, die aus dem Śaka‑Jahr 956 (1034 u. Z.) datiert, heißt es: „[Durch mich] wurde für Speisung und Kleidung der As‑ keten [tapodhana], die in dem mit meiner Zustimmung durch das Distriktoberhaupt Bhāiyapa errichteten Śrī‑Bhāiyapeśvara‑ Tempel in Kundegrāma (…) wohnen, für die Verehrung des Gottes [Śiva] mit Duftstoffen, Blumen, Räucherwerk, Lämpchen, Speisen, Betel72, Gesang, Musik, Tanz usw. und für Reparaturen das Feld (…) in Kundegrāma dem Jñānaśivabhaṭṭāraka, Schüler des Śrī‑ Vāḍācarya (…), aus höchster Zuneigung [bhakti] gewährt.“73 In vielen Regionen Indiens, insbeson‑ dere im Süden, entwickelten sich hindu‑ istische Tempel zu einflussreichen religiö‑ sen Komplexen mit diversen daran ange‑ schlossenen Einrichtungen. Die diesen Institutionen geltenden Dotationen wur‑ den immer vielschichtiger, und das hatte eine Vergrößerung des Kreises der direkt oder indirekt Begünstigten zur Folge. Be‑ reits im 7. Jahrhundert kam es zu Erwei‑ terungen bei dem Kultpersonal, das durch Stiftungen finanziert wurde, wie an den Zweckbestimmungsformeln ablesbar ist: Dotationen an Tempel sollten auch für ‚Musik, Gesang und Tanz‘ (vādyagītanṛtya; → 8.6.3) vor den jeweiligen Kultbildern verwendet werden.74 Dazu mussten ent‑ sprechende Künstler und Künstlerinnen

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engagiert werden. Allerdings ist die Ab‑ grenzung zwischen Begünstigten und der Kategorie ‚selbstbewegliches Kapital‘ (→ 10.6.4) nicht immer ganz eindeutig; dies gilt insbesondere für die sogenannten ‚Tempeltänzerinnen‘.75 Hinduistischen Tempeln konnten auch Lehreinrichtungen, Krankenhäuser und Speisehallen angeschlossen sein. Als Bei‑ spiel für die religiös‑edukative Symbiose seien Tempelkollegien (maṭha; → 9.6.3) genannt. In Stiftungen für solche Institu‑ tionen (sowie andere religiöse Lehranstal‑ ten)76 sind häufiger die konkreten Zahlen der zu unterhaltenden Lehrer mit genau‑ en Stiftungsanteilen und zuweilen auch die der Schüler genannt. Dotationen für Krankenhallen (āturaśālā; → 9.6.2) zählen Zuwendungen an Ärzte, Apotheker und Krankenschwestern, Barbiere und Was‑ serträger auf und erwähnen mitunter die von diesen Berufsgruppen zu erbringen‑ den Leistungen, wie z. B. das Sammeln von Heilkräutern und das Herstellen von Arzneien. Im Kontext solcher komplexen Einrichtungen sind mehrere Typen von Destinatären zu unterscheiden, die direkte Leistungen erhielten: zum einen diejenigen, die wie Brahmanen und Tempelpriester, Mönche und Asketen für das Fortbestehen des jeweiligen religiösen Systems unab‑ dingbar waren – Lehrer und Schüler; zum anderen diverse Dienstleister – Ärzte und Schwestern, aber auch ‚Tempeltänzerinnen‘. Die einzelnen Gruppen konnten sich zum Teil überlappen (z. B. denkbar beim Lehrer). Darüber hinaus müssen zu den Begünstig‑ ten diejenigen gezählt werden, die Nutznie‑ ßer der jeweiligen Dienstleistungen waren, selbst wenn sie oft nicht explizit erwähnt sind – z. B. die Patienten, wobei auch hier vermutet werden kann, dass es sich dabei in erster Linie um kranke Tempelpriester oder Schüler handelte, die bereits in an‑ deren Gruppen erfasst sind.

Stiftungsbegünstigte

Ein anderer Aspekt, der zur Komplexität von Stiftungen an hinduistische Institutio‑ nen beitrug, ist die Tatsache, dass es seit dem 11. Jahrhundert nachweislich zu einer engeren Verknüpfung von brahmanischen und hinduistischen Dotationen kam. Um‑ fangreiche Stiftungen sollten für den Kult eines Gottes, die Erhaltung seines Tempels und die regelmäßige Speisung von Brah‑ manen eingesetzt werden.77 Buddhistische Stiftungen In Bezug auf die Begünstigten im Sozial‑ gefüge der Stiftung stehen buddhistische Dotationen zwischen der klaren und ein‑ fachen Struktur brahmanischer Stiftungen und der häufig weniger klaren, mitunter höchst komplexen Struktur von Dotationen zugunsten hinduistischer Tempel. Wie bei einigen brahmanischen fehlt auch bei manchen buddhistischen Stiftun‑ gen – besonders im frühen Mittelalter – eine schriftlich festgehaltene Zweckset‑ zung. Derartige Dotationen wurden „dem Kloster / Orden N. N.“ gewidmet. Auch pauschal ist mitunter von Stiftungen an „Tempel [devakula], Klöster [vihāra] und Brahmanen“78 die Rede. In vielen Urkunden über buddhistische Unterhaltsstiftungen wurden jedoch drei Zweckbindungen79 fest‑ gelegt und die Destinatäre im Rahmen dieser Bestimmungen als Genitivattribute genannt: Die Erträge aus dem Stiftungs‑ vermögen sollten (1.) für den Unterhalt einer lokalen Gemeinde von Mönchen oder Nonnen, (2.) für den Kult des Bud‑ dha und (3.) für Reparaturen am Kloster verwendet werden. Aus dieser Dreifach‑ bindung könnte man drei Empfänger ab‑ leiten: den Buddha, den Orden (saṃgha) und das Kloster (vihāra). Eventuell bestand ursprünglich die Absicht, formal dieser Triade als Gesamtheit Stiftungen zukom‑ men zu lassen. Dotationen aus Ostindien belegen ein weiteres, durch die normativen

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Indien

Texte des Buddhismus geprägtes Schema für die Zweckbestimmungen, das sich an triratna orientiert, den sogenannten ‚drei Juwelen‘, zu denen ein gläubiger Buddhist ‚Zuflucht‘ nimmt (→ 8.6.3): dem Buddha, dem Orden und der buddhistischen Lehre (dharma). Auch bei Dotationen, in denen von triratna die Rede ist, erscheint an vier‑ ter Position zuweilen eine Bestimmung zur Instandhaltung des Klosters. Das Problem des Stiftungsempfängers scheint auch die buddhistischen Rechts‑ lehrer selbst beschäftigt zu haben. Die An‑ hänger der verschiedenen Lehrrichtungen beantworteten diese Frage unterschiedlich, wie Étienne Lamotte festgestellt hat: „[T]he Theravādins (…) and Sarvāstivādins (…) were of the opinion that a gift to the Bud‑ dha and a gift to the Saṃgha both yielded a great fruit. (…) For the Mahīśāsakas (…), the Buddha is included in the Saṃgha, but as he has (…) entered Nirvāṇa, he cannot in any way enjoy the gift offered to him; that is why a gift made to the Buddha in Nirvāna is less advantageous than a gift made to the Saṃgha which consists of living persons. Conversely, for the Dhar‑ maguptakas, the Buddha is not included in the Saṃgha. Since the Buddha is the supreme and peerless being, a gift made to him greatly surpasses that of a gift made to the Saṃgha.“80 Gregory Schopen hat – in Analogie zu Stiftungen an hinduistische Götter und Göt‑ tinnen – die Ansicht vertreten, man habe im indischen Mittelalter (5. bis 14. Jahr‑ hundert)81 den Buddha als den Stiftungs‑ empfänger angesehen, weil er als ständig im Kloster präsent empfunden wurde. Die konkreten Bestimmungen der einschlä‑ gigen Urkunden liefern jedoch kaum Be‑ lege für Schopens Interpretation. Wenn innerhalb einer dreifachen buddhistischen Zweckbindung ein Element hervorgeho‑ ben wird, so ist dies in der Regel nicht der

Buddha, sondern der Orden (saṃgha). In einigen der Dokumente steht dieser in der betreffenden Zweckbestimmung im Dativ und ist daher gut mit dem entsprechenden Verb zur Bedeutung „dem Orden wurde (für seinen Unterhalt) gegeben“ zu verbinden, während die auf den Buddha bezogene Formel mit einem Genitiv konstruiert ist.82 Eine der wenigen Ausnahmen, in der der Buddha als alleiniger Stiftungsempfänger erscheint, stammt aus Gujarat und datiert aus dem 9. Jahrhundert.83 12.6.4  Die Destinatäre und der Fortbestand der Stiftung Angesichts der Quellenlage zur indischen Stiftungspraxis ist es nicht verwunder‑ lich, dass nur wenige Informationen zur konkreten Rolle der Destinatäre für den Fortbestand mittelalterlicher Stiftungen vorliegen. Die meisten Dotationsdoku‑ mente liefern Hinweise zur gewünschten Funktion der Begünstigten im Stiftungs‑ gefüge (→ 12.6.3), einige lassen auch Rück‑ schlüsse auf deren Wirken vor der Stiftung (→ 12.6.2) zu. Was den Fortbestand der Stiftung betrifft, finden sich in den die‑ se begründenden Urkunden in der Regel nur allgemeine Verfügungen. Die meis‑ ten der Stiftungen an Brahmanen wur‑ den mit der Bestimmung vergeben, dass eine solche auf ewig angelegte Dotation „der Reihe nach von den Söhnen, Enkeln und [weiteren] Nachkommen zu genießen [war]“ (putrapautrānvayakramopabhogya; → 12.6.3; 13.6.2). Die brahmanische Erb‑ formel sollte quasi den kontinuierlichen Nachschub an Destinatären sichern. Zahl‑ reiche buddhistische Unterhaltsstiftungen enthalten ein den strukturellen Verhält‑ nissen der monastischen Gemeinschaften angepasstes Pendant zur brahmanischen Erbformel. Eine einfache Formel konnte

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lauten: „ohne Unterbrechung zu genießen“ (avyavacchittibhogya). Man benutzte aber auch elaboriertere Äquivalente wie: „durch den edlen Mönchsorden zu genießen“ (āryabhikṣusaṃghaparibhogya) oder „durch den edlen Nonnenorden des Klosters zu genie‑ ßen“ (vihārāryabhikṣuṇīsaṃghopabhogya). Dass der Fortbestand von Stiftungen an jinistische und śivaitische Institutionen wesentlich von der Kontinuität etablierter Lehrer‑Schüler‑Linien abhing, zeigt die Verwendung entsprechender Pendants zur brahmanischen Erbformel: „der Reihe nach von den Schülern, deren Schülern und [wei‑ teren] Nachfolgern zu genießen“ (śiṣyapraśiṣyānvayakramopabhogya; jinistisch) be‑ ziehungsweise „in der Abfolge der Asketen‑ linie zu nutzen“ (tapodhanānvayakramopabhogya; śiva itisch).84 Da jedoch weitere Unterlagen zur Stif‑ tung in der Regel fehlen, sind die Bele‑ ge zum späteren Wirken der Destinatäre äußerst spärlich und von eher zufälligem Charakter. Als Beispiel für einen indirek‑ ten Hinweis sei ein Passus in einer Stein‑ inschrift aus Süd‑Maharashtra genannt, die im 12. Jahrhundert aufgesetzt wurde. Die darin beurkundeten Sammelstiftungen galten einem Tempelkolleg (maṭha), das der Brahmane Lokaṇanāyaka gegründet hatte. Dotationen zugunsten des maṭha wurden vom aktuellen Śilāhāra‑König, von Lokaṇanāyaka selbst und später von des‑ sen Sohn Kāliyaṇanāyaka vorgenommen. Über diesen heißt es, er habe in der Brah‑ manensiedlung (agrahāra) Pauva aus dem Anteil (vṛtti) von Māyiṃkauvā, der Enke‑ lin des Someśvarabhaṭṭa, ein Stück Land ‚durch Kauf für eine Gabe‘ (dānakrayeṇa) erworben und dieses für die Speisung von Veda‑Schülern an vier ortsansässige Brah‑ manen übergeben.85 Dieser Vorgang ist in verschiedener Hinsicht bemerkenswert: Brahmanensiedlungen (auch: brahmapura; → 1.6.3) stellten in der Regel Stiftungen

Stiftungsbegünstigte

zugunsten von Brahmanengruppen dar; vṛtti ist ein Terminus, der zur Bezeichnung individueller Anteile einzelner brahma‑ nischer Destinatäre benutzt wurde. Nach indischer Rechtsauffassung war das Ver‑ kaufen oder das Verschenken gestifteter Liegenschaften durch die Empfänger oder Verwalter einer Dotation nicht zulässig (→ 10.6.1),86 doch gibt es im epigraphi‑ schen Material durchaus Belege dafür, dass derartige Transaktionen in der Pra‑ xis vorgenommen wurden. Allerdings scheint es sich in all den dokumentier‑ ten Fällen um Veräußerungen zugunsten anderer religiöser Stiftungen gehandelt zu haben: Brahmanen gaben einen Teil ihres brahmadeya an einen Tempel weiter oder aber verkauften quasi zweckgebunden ein Landstück – wie in dem vorliegenden Bei‑ spiel – an den prospektiven Stifter einer geplanten religiösen Dotation.87 Auffällig ist hier jedoch ferner, dass die dauhitrī, die Enkelin (wörtlich: ‚Tochtertochter‘), eines Brahmanen aktiv wurde. Nach den Bestimmungen von Stiftungsurkunden durften und sollten Stiftungsgüter an den Sohn, Enkel und weitere männliche Nachkommen vererbt werden.88 Einige brahmanische Rechtslehrer ließen im Erb‑ recht unter bestimmten Bedingungen den Sohn einer Tochter (→ 13.6.2) als ‚Ersatz‘ zu, wenn es keinen direkten männlichen Erben gab.89 Die Enkelin des Someśvara‑ bhaṭṭa könnte im Ergebnis einer solchen Hilfskonstruktion die Verfügungsgewalt über das großväterliche Stiftungsvermö‑ gen erlangt haben, da in der Familie dieses Brahmanen vermutlich bereits in zweiter Generation kein männlicher Nachkomme geboren worden war. Aus dem Inschriften‑ text geht allerdings nicht hervor, ob dieser Verkauf eines Teils der großväterlichen Parzelle durch die Māyiṃkauvā auf Druck Dritter, etwa der brahmanischen Gemein‑ schaft, erfolgte.90

Indien

Eine in ihrem Duktus singuläre ostin‑ dische Kupfertafelurkunde soll hier aus‑ nahmsweise auch herangezogen werden, obwohl sie bereits aus dem späten 5. Jahr‑ hundert datiert. Die Inschrift liefert in‑ teressante Aufschlüsse dazu, was einem brahmanischen Stiftungsbegünstigten nach Erhalt einer Dotation widerfahren konnte. Diejenigen, die den Urkundentext aufgesetzt haben, waren offenbar darum bemüht, das Handeln der verschiedenen Akteure adäquat zu erfassen. Aus der sehr komplexen Verschachtelung unterschiedli‑ cher Ebenen indirekter Rede lässt sich fol‑ gender Sachverhalt entnehmen: Die lokale Behörde einer Region auf dem Gebiet des heutigen Bangladesch informiert zunächst darüber, dass sich ein brahmanischer Pe‑ tent namens Nandabhūti an sie gewandt habe. Der Brahmane habe berichtet, ihm sei zwei Jahre zuvor ein Stück Land gestiftet

513

worden, das der damalige Stifter in einer rechtmäßigen Transaktion von der lokalen Behörde durch Kauf (→ 4.6.3) erworben hätte. Zwei Jahre später nun habe der König das ganze Dorf, in dem das Nandabhūti ge‑ stiftete Land liege, einer Brahmanengrup‑ pe übertragen, ohne dass er entschädigt worden sei. Nach diversen Rücksprachen verfügte die Behörde auf Anweisung des Königs, dass der Brahmane Nandabhūti ein Austauschobjekt erhalten solle.91 Ein Austausch des Stiftungsguts konnte auch dann erfolgen, wenn dieses sich als untauglich erwiesen hatte oder im Laufe der Zeit unbrauchbar geworden war. In einschlägigen Belegen ist aber die direkte Einflussnahme der Destinatäre auf eine entsprechende Abwandlung der ursprüng‑ lichen Stiftungen oft nicht erkennbar.92 AS

Anmerkungen 1  Mauss, Gabe (1984), 139, Anm. 57. Vgl. auch

Michaels, Gift and Return Gift (1997). 2 Einleitung zu: The Dānakāṇḍa („Book on Gift ing“) of the Kṛtyakalpataru. Ed. und übers. David James Brick. Diss. phil. Austin 2009, 1–84, hier 28. 3 Vgl. ebd., 11 f.; Heim, Theories of the Gift (2004), 28 f. 4  Heim, Theories of the Gift (2004), XX. 5 Ebd., 57 f.; 64 f.; Einleitung zu: Dānakāṇḍa. Ed. Brick (wie Anm. 2), 11. 6 Im Unterschied zu vedischen Opfern an die Götter; vgl. Heim, Theories of the Gift (2004), 117. 7 Sontheimer, Religious Endowments (1965). 8 Kane, History of Dharmaśāstra, Bd. 2.2 (1941), 843. In diversen Anthologien (nibandha) zu dāna (→ 5.6.2) finden sich entsprechende Ausfüh‑ rungen, die einem Autor namens Devala zu‑ geschrieben werden; vgl. z. B. Dānakāṇḍa. Ed. Brick (wie Anm. 2), 87 (Übersetzung); 289 (Text), Strophe 1.11.

9 Dānakāṇḍa. Ed. Brick (wie Anm. 2), 87 (Über‑

setzung); 289 (Text), Strophe 1.13: triśuklaḥ kṛśavṛttiś ca ghṛṇāluḥ sakalendriyaḥ / vimukto yonidoṣebhyo brāhmaṇaḥ pātram ucyate //. 10  Heim, Theories of the Gift (2004), 64 f.; 75 f. 11  Die Mehrzahl der mittelalterlichen indischen Stiftungen von Königen ging an Brahmanen. 12  Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 208, Anm. 781. 13  Ebd., 165. 14  Kane, History of Dharmaśāstra, Bd. 2.2 (1941), 886 f. 15  Zum in Maharashtra und im nördlichen Kar‑ nataka gebräuchlichen Landmaß nivartana vgl. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 310, Anm. 433. 16  Ebd., 167–169. 17  Ebd., 174 f. 18  Zu dieser Zeremonie, bei der sich der König gegen Gold aufwiegen ließ, vgl. Schmiedchen, Ce‑ remony of tulāpuruṣa (2006).

514

Stiftungsbegünstigte

19  Zu einem ähnlich gelagerten Fall vgl. Schmied- and learned Brahmins that are the archetypal re‑

chen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 175. 20 Vgl. z. B. ebd., 185; 321; 377 f.; 423; 465; 499. 21 Ebd., 202. 22 A New Copper Plate of Dhruva II of the Guja‑ rat Rashtrakuta Branch, Dated Saka 806. Ed. A. S. Altekar, in: Epigraphia Indica 22, 1933/1934, 64–76, bes. 75, Z. 42: sthiramatināmnā bhikṣuṇāvarjya ca. Die Syntax dieser Belegstelle ist allerdings nicht ganz eindeutig; vgl. ebd., 67, Anm. 1. In der Stiftungspassage findet sich auch einer der wenigen Belege dafür, dass mitunter der Buddha – ähnlich wie eine hinduistische Gottheit – als direkter Empfänger angesehen wurde; vgl. ebd., 75, Z. 42 f.: śrīmate buddhabhaṭṭārakāya. 23 Schopen, Art, Beauty, and the Business (2004), 34. 24 Dies soll nicht heißen, dass alle in privaten Stiftungsdokumenten formulierten Ansichten den Vorgaben der jeweiligen normativen Tex‑ te entsprachen, aber sie sind eben buddhistisch oder jinistisch (und nicht brahmanisch) geprägt. 25 Schmiedchen, Religious Patronage and Poli‑ tical Power (2010/2011). 26 Hinüber, Behind the Scenes (2013), 376. 27 Zu indischen Fälschungen von Inschriften allgemein vgl. Salomon, Fine Art of Forgery (2009). 28 Vgl. z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 461, RāUr 4; 465, RāUr 18; 466, RāUr 19; 484, RāUr 71. 29 Njammasch, Fälscherwerkstatt (1993). 30 Allerdings wurden auch autorisierte Kor‑ rekturen an Originalen nicht immer als solche gekennzeichnet. 31 Vgl. z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 466, RāUr 19: Ma‑ nipulation zur Reduzierung von sieben brahma‑ nischen Destinatären auf vier. 32 Tarachandi Rock Inscription of Pratapadha‑ vala, V. S. 1225. Ed. Dinesh Chandra Sircar, in: Epi‑ graphia Indica 34, 1961/1962, 23–27. 33 Heim, Theories of the Gift (2004), 66 f. 34 Chhabra, Puṇyakṣetra (1946/1947). 35 Vgl. z. B. Heim, Theories of the Gift (2004), 76 f.; 133. 36 Ebd., 40. 37 Vgl. hierzu Einleitung zu: Dānakāṇḍa. Ed. Brick (wie Anm. 2), 47 f.: „In addition to the virtuous

cipients in the Dharmaśāstric theory of gifting, the dānanibandhas mention at least two other types of legitimate – if marginal – recipients. The first of these comprises essentially one’s relatives. (…) The second type (…) is broadly speaking a person in need.“ 38 Ebd., 109 (Übersetzung); 313 (Text), Strophe 3.78: mātāpitṛṣu yad dattaṃ bhrātṛṣu sva sutāsu ca / jāyātmajeṣu yad dattaṃ so ʼnindyaḥ svargasaṃkramaḥ //. 39 Einleitung ebd., 47. 40  Ebd., 48. 41  Ebd., 48: „This shows that one could derive great soteriological benefit from giving to those in need, even if they would not ordinarily qua‑ lify as proper recipients. However, Brahmanical literature appears to put strong restrictions on the kinds of things that one might give to such people. In short, the literature holds that one is supposed to give only modest gifts that do not far exceed a person’s basic necessities (unless, of course, that person is a virtuous Brahmin).“ In anderen Texten wird sogar abgelehnt, caritative Unterstützung als pratigraha (→ 12.6.1) zu bezeichnen; vgl. ebd. 42  Ebd., 102 (Übersetzung); 305 (Text), Strophe 3.17: vedapūrṇamukhaṃ vipraṃ subhuktam api bhojayet / na tu mūrkhaṃ nirāhāraṃ ṣaḍrātram upavāsinam //. 43  Heim, Theories of the Gift (2004), 74. 44  Ebd., 28. Zu Einzelheiten vgl. auch ebd., 79–81. 45  Damsteegt, Epigraphical Hybrid Sanskrit (1978), 186; Schopen, Two Problems (1985, ND 1997), 39. Zu Beispielen und Kontexten für eine solche Formel vgl. Inscriptions of Orissa, Bd. 2: Inscrip‑ tions of the Bhauma‑Karas. Ed. Snigdha Tripathy. Delhi 2000, 107, Nr. 3, Z. 21; 111, Nr. 4, Z. 9; 121, Nr. 7, Z. 18 f.; 127, Nr. 8, Z. 20; 133, Nr. 9, Z. 21. 46  Heim, Theories of the Gift (2004), 75; → 3.5.2. 47  Vgl. Einleitung zu: Dānakāṇḍa. Ed. Brick (wie Anm. 2), 13; 49 f. Vgl. auch Heim, Theories of the Gift (2004), 121 f. 48  Kane, History of Dharmaśāstra, Bd. 2.1 (1941), 114 f. 49  Datta, Migrant Brāhmaṇas (1989); Schmiedchen, Brahmanische Wanderungsbewegungen (2015). 50 Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 145. Diese Formel konnte variieren.

Indien

51 Kane, History of Dharmaśāstra, Bd. 2.2 (1941), 857; Einleitung zu: Dānakāṇḍa. Ed. Brick (wie Anm. 2), 83. 52 Vgl. z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 305. 53 Zu einem einschlägigen Beispiel vgl. Cam‑ bay Plates of Govinda IV.; Saka Samvat 852. Ed. Devadatta Ramakrishna Bhandarkar, in: Epigra‑ phia Indica 7, 1902/1903, 26–47, bes.40 f., Z. 54–58. Obwohl die Urkunde eine Dorfstiftung an einen Spezialisten des Yajurveda dokumentiert, wer‑ den in der ganz ungewöhnlich ausführlichen Be‑ schreibung der Zweckbindungen unter anderem Priestergaben an den Hauptpriester des Ṛgveda und dessen verschiedene Gehilfen genannt. Siehe auch Willis, Formation of Temple Ritual (2009), 69; Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 187. 54 Z. B. Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Vasudev Vishnu Mirashi. (CII 6.) Delhi 1977, 44–54, Nr. 8, bes. 49 f. 55 Chandravati Plates of Chandradeva: V. S. 1150 and 1156. – (A) Plates of Vikrama‑Samvat 1150. Ed. D. R. Sahni, in: Epigraphia Indica 14, 1917/1918, 192–209, Nr. 15 (A); Inscriptions of the Gāhaḍavālas and Their Times. Ed. T. P. Verma / A. K. Singh, Bd. 2. Delhi 2011, 468–477, Nr. 2. In dem Dokument ist allerdings explizit festgehalten, dass einige bereits früher vergebene Dörfer des betreffenden Distrikts von der aktuellen Stiftung ausgenommen waren. 56 Zu den Details vgl. auch Schmiedchen, Epi‑ graphical Evidence (2007), 376. 57 Ebd., 368 f. 58 Tiruvindalur Copper Plates. Ed. S. Sankaranarayanan / N. Marxia Gandhi / A. Padmavathy et al. Chennai 2011. Nach Auskunft von Yellava Subbarayalu (Pondicherry) werden ca. 660 Namen genannt. Die Sanskrit‑Passage verweist kumu‑ lativ auf 656 Brahmanen, die Tamil‑Passage auf 730, wobei es sich hier auch um die Anzahl der Anteile handeln könnte, wenn einige Empfänger zwei Anteile erhielten. 59 Karandai Tamil Sangam Plates of Rajendra‑ chola I. Ed. K. G. Krishnan. Delhi 1984. 60 Kāsārśirsi Copperplates of Dhruvarāja, Śaka 705. Ed. D. V. Chauhan / A. R. Kulkarni, in: JASBom, N. S., 43/44, 1968/1969, 94–105. 61 Three Copper‑Plate Inscriptions from Gaon‑ ri: A. – Fragmentary grant of the Rāshṭrakūṭa

515 Suvarṇavarsha (Govinda IV): Śaka 851. Ed. K. N. Dikshit, in: Epigraphia Indica 23, 1959/1960, 101–108. Bei dieser Urkunde handelt es sich um ein Pa‑ limpsest; → 3.6.5; 5.6.3. 62 Zu diesem Terminus vgl. Schmiedchen, Herr‑ schergenealogie und religiöses Patronat (2014), 176–184. 63 Zur genauen Zusammensetzung vgl. ebd., 184. 64 Ebd., 399 f. 65 Sontheimer, Religious Endowments (1965), 70 f. 66 Z. B. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 199; 274. 67 Vgl. z. B. Bhamodra Mohota Plate of Dro‑ nasimha: The year 183. Ed. Lionel D. Barnett, in: Epigraphia Indica 16, 1921/1922, 17–19. Hier ist am Ende ein Priester der Göttin (devīkarmāntika) na‑ mentlich erwähnt. 68 Vgl. z. B. Schmiedchen, Patronage of Śaivism (2013), 359 f.; Dies., Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 467, RāUr 24; 469, RāUr 28; 484, RāUr 72; 489, ŚiNoUr 10; 495, ŚiSüUr 2; 496, ŚiKpUr 1; 499, YāUr 5. 69 Zu Verstößen gegen die Zölibatsregel vgl. Sanderson, Impact of Inscriptions (2013), 231. 70 Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 191 f., RāUr 28. 71 Karhad Plates of Krishna III.; Saka‑Samvat 880. Ed. R. G. Bhandarkar, in: Epigraphia Indica 4, 1896/1897, 278–290; Schmiedchen, Herrschergenea‑ logie und religiöses Patronat (2014), 192, RāUr 72. 72 Hierbei handelt es sich um den sogenannten Betelpfeffer, der als Arzneipflanze benutzt und dessen Blätter (bestrichen mit anderen Ingredi‑ enzien und dann gerollt) zur Munderfrischung gekaut werden. 73 Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 275 f., ŚiNoUr 10. 74 Eine solche Zweckbestimmung findet sich auch in einigen buddhistischen und jinistischen Stiftungsurkunden; vgl. Schmiedchen, Herrscher‑ genealogie und religiöses Patronat (2014), 199 f., Anm. 744; 203. 75 Orr, Donors, Devotees and Daughters (2000); Patra, Devadāsī System in Orissa (2004). 76 Hierzu zählen Stiftungen an Einrichtungen zur kollektiven brahmanischen Erziehung und Ausbildung; zu khaṇḍikā, ghaṭikā und śālā → 9.6.3.

516 77 Vgl. Schmiedchen, Herrschergenealogie und

Stiftungsbegünstigte

86 Vgl. z. B. ebd., 413, Anm. 383. religiöses Patronat (2014), 312 f.; 398; 408; 427; 429; 87 Zu dānakrayeṇa (‚durch Kauf für eine Gabe‘), 448. vgl. auch ebd., 182; 311 f.; 316. 78 Vgl. z. B. Griffiths, New Documents (2015), Nr. 2, 88 Ebd., 145; 258, Anm. 191; 274; 287; 305. Z. 10: devakulavihārabrāhmaṇaviśeṣebhyo. In dieser 89 Der von den Rechtslehrern gebrauchte Ter‑ Kupfertafelurkunde aus dem 6. oder 7. Jahrhundert minus für die Institution der ‚Erbtochter‘ ist wird auf die in Ostindien zu dieser Zeit übliche putrikā; vgl. hierzu ebd., 316, Anm. 451. Praxis verwiesen, Land für religiöse Stiftungen 90 In einer Kupfertafelurkunde, die ein Vasall von lokalen Behörden durch Kauf zu erwerben. der Rāṣṭrakūṭa‑Dynastie in Gujarat ausstel‑ 79 Idealtypisch finden sich drei Zweckbestim‑ len ließ, werden 43 brahmanische Begünstigte mungen (→ 3.6.2; 8.6.3) auch in hinduistischen genannt. Die Größe der genauen Anteile, die und jinistischen Unterhaltsstiftungen, allerdings den einzelnen Brahmanen aus dem gestifteten ist die Zahl der Belege für eine tatsächlich drei‑ Dorf und dem mitverliehenen Nebenobjekt zu‑ geteilte Zwecksetzung geringer als bei buddhis‑ standen, regelt das Stiftungsdokument nicht, tischen Stiftungsurkunden. doch enthält es eine interessante Verfügung 80 Lamotte, History of Indian Buddhism (1988), zu Nr. 32 der Destinatäre, dem Brahmanen 633 f. Maheśvara. Er hatte „seinen Anteil an Nāina, 81 Schopen, Buddha as Owner (1990, ND 1997). den Sohn [seiner] Tochter, gegeben“ (tena Die Obergrenze dieser Zeitspanne ist durch den ātmāṅśo nāinadauhitrāya dattaḥ). Vgl. Torkhede Niedergang des Buddhismus und die damit ver‑ Copper‑Plate Grant of the Time of Govindaraja bundene Beleglage bedingt. of Gujarat. – Saka‑Samvat 735. Ed. John Faithful 82 Vgl. hierzu auch Schmiedchen, Untersuchun‑ Fleet, in: Epigraphia Indica 3, 1894/1895, 53–58, bes. 56, Z. 35. Siehe hierzu auch Schmiedchen, gen (1994), 103. 83 New Copper Plate of Dhruva II. Ed. Alte- Herrschergenealogie und religiöses Patronat kar (wie Anm. 22), 75, Z. 42 f.: śrīmate buddha- (2014), 172, Anm. 613. bhaṭṭārakāya (…) pratipāditas. 91 Griffiths, New Documents (2015), Nr. 1. 84 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ 92 Zu dem einschlägigen Zusatz in einer Ur‑ ligiöses Patronat (2014), 145; 191. kunde vgl. Schmiedchen, Herrschergenealogie 85 Inscriptions of the Śilāhāras. Ed. Mirashi und religiöses Patronat (2014), 377. Hier wurde (wie Anm. 54), 264–267, Nr. 59, bes. 266, Z. 1–23. auf Empfehlung der königlichen Beamten ein Vgl. auch Schmiedchen, Herrschergenealogie und sumpfiges Dorf ausgetauscht. religiöses Patronat (2014), 312 f.

13  Stiftungsorganisation

13.1  Interkulturelle Perspektiven Damit eine Stiftung arbeiten konnte, be‑ durfte sie Organe, die für sie handelten und sie repräsentierten, sowie einer Auf‑ sicht, die sie im Rahmen der größeren Gesellschaft schützte und ihr Funktio‑ nieren überwachte. Bei der Suche nach geeignetem Personal scheint es aber erst nachrangig darum gegangen zu sein, die Stiftung aus der Nähe zum Stifter zu lösen, damit sie ihre Aufgaben unparteiisch er‑ füllen und so über den Tod ihres Gründers hinaus tätig sein konnte. Ursprünglich dürften nämlich die Stifter zu Lebzeiten die Leitung der Stiftungsgeschäfte selbst beansprucht, Aufsichtsrechte ausgeübt so‑ wie beides erblich ihren – meist männli‑ chen – Nachkommen vorbehalten haben. So sah das im 7. Jahrhundert u. Z. kodifi‑ zierte sasanidische Recht die Verwaltung durch Familienangehörige vor.1 Gut be‑ zeugt in alten Kulturen ist auch die mit dem Selbstgenuss der Erträge verbundene Administration bei einer erblichen Pries‑ terreihe. Praxis war dies etwa schon in Ägypten wenigstens seit der 18. Dynas‑ tie (1550–1292 v. u. Z.)2 und später bei den Magiern am Grab des Perserkönigs Kyros des Großen (550–530 v. u. Z.). Diese haben, wie der Grieche Arrian noch für die Zeit

Alexanders des Großen (um 330 v. u. Z.) bezeugt, in der Sohnesfolge gemäß einer Verfügung von Kyrosʼ Sohn tägliche und monatliche Opfer dargebracht.3 Kein Wunder also, dass Stiftungen zu‑ gunsten der eigenen Familie und mit fami‑ liärer Verwaltung auch in muslimischen Ländern einen hervorragenden Rang ein‑ nahmen. Die lateinischen Christen fanden ebenso Wege zur entsprechenden Beherr‑ schung und Kontrolle ihrer Stiftungen, die sich seit dem hohen Mittelalter in der expli‑ ziten Form des Patronatsrechtes auspräg‑ ten; in Byzanz konnten Kirchenstiftungen von Stifterverwandten verwaltet werden, doch haben bei den hier dominierenden Klosterstiftungen die Ortsbischöfe lange mit Erfolg ihre Rechte auf Verwaltung und Aufsicht zur Geltung gebracht. Im Judentum spielte der Gemeindefonds als Empfänger individueller Stiftungen und ordentlicher Abgaben der Gläubigen eine herausragende Rolle, sodass auch private und semiprivate Stiftungen, die eigenen Verwaltern vorbehalten bleiben sollten, in die Nähe zur gemeindlichen Verwaltung gerieten. Für Indien kann nur vermutet werden, dass die Stifter die Funktionen der Administration und Kontrolle sich

518

selbst sowie den von ihnen Begünstigten reservierten. Charakteristisch war hier aber wiederum die Erblichkeit der Dop‑ pelfunktion bei den Destinatären, seien es, wie besonders häufig, die Brahmanen und ihre männlichen Erben und Nachfol‑ ger, seien es die lokalen buddhistischen Orden in der Generationenfolge der Mön‑ che oder Nonnen. Bei den Jainas spielten die Reihen von Lehrern und Schülern die entsprechende Rolle. Tendenzen zu rechtlich wirklich freien Stiftungen, wie man sie im lateinischen Reformmönchtum feststellen kann und auch für das byzantinische Klosterwesen seit dem hohen Mittelalter beobachtet ha‑ ben will, können nicht darüber hinweg‑ täuschen, dass juristische Regelungen die Stiftungen niemals allein in ihrem Bestand und zur Erfüllung ihrer Zwecke absichern konnten. Für Indien wird angenommen, dass es der Wirkmechanismus von Ge‑ burtenkreislauf und Tatvergeltung war, der eine disziplinierende Wirkung auf

Stiftungsorganisation

die Stiftungsorgane ausgeübt habe, und Androhungen ewiger Sündenstrafen ge‑ hören in gleicher Weise zum Repertoire christlicher Stiftungsurkunden. Schon in der römischen Antike wusste man, dass Stifter Vertrauen aufbringen und Organe oder Destinatäre Treue wahren mussten, wenn das Werk (auf Dauer) gelingen sollte.4 Wo die Stiftung im Geist des Stifters arbei‑ tete, galten häufig auch Änderungen am Stiftungszweck durch die Stiftungsorgane als hinnehmbar. Die Stiftungsforschung wird deshalb den institutionellen Rahmen einer Stiftung weniger als Instrumenta‑ rium des Stifterwillens denn als Ergebnis dynamischer interaktiver Aushandlung zwischen allen oder mehreren Beteiligten verstehen, bei denen dem (toten) Stifter ein ebenso großes Gewicht zukommt wie dem historischen Wandel, dem seine Stiftung unvermeidlich unterworfen ist und den sie durch ihre Fähigkeit zur Anpassung überleben kann. MB

Anmerkungen 1  Macuch, Sasanidische fromme Stiftung (2009),

3 Arrian, Alexanderzug. Ed. und übers. Gerhard 30 f. Wirth, in: Arrian, Der Alexanderzug / Indische 2 Materialien zur Wirtschaftsgeschichte des Geschichte, 2 Bde. Berlin 1985, Bd. 1, 1–611, hier Neuen Reiches, Bd. 2. Ed. Wolfgang Helck. (Aka‑ 522–527, VI.29; dazu M. Borgolte, Foundations for demie der Wissenschaften und der Literatur. Ab‑ the Salvation of the Soul (2015), 93. handlungen der Geistes‑ und Sozialwissenschaft‑ 4  Vgl. M. Borgolte, Stiftungen des Mittelalters lichen Klasse, Jahrgang 1960, Bd. 11.) Wiesbaden in rechts‑ und sozialhistorischer Sicht (1988, 1961, 226; vgl. Fitzenreiter, Statuenstiftung (2007); ND 2012), 10. Meeks, Donations aux temples (1979).

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Lateinische Christen

13.2  Lateinische Christen 13.2.1  Allgemeines Damit ein Stiftungszweck keine bloße Ab‑ sichtserklärung bleibt, sondern eine mess‑ bare Wirkung entfaltet, müssen Menschen im Sinne und an Stelle des Stifters tätig werden. Denn allein durch stellvertre‑ tendes Handeln generiert ein Stiftungs‑ vermögen Erträge, die im Gegenzug für bestimmte Leistungen an die Destinatä‑ re ausgeschüttet werden können. Damit die Wirtschaftskreisläufe einer Stiftung ungestört funktionieren, sind neben öko‑ nomischen Aktivitäten im engeren Sinne stets auch rechtssichernde und dokumen‑ tarische Maßnahmen vonnöten. Die Personen oder Personengruppen, die ein Stifter mit der Wahrnehmung all dieser Aufgaben betraut, bezeichnen moderne Ju‑ risten als Stiftungsorgane. Je nachdem, ob ihre durch den Stifterwillen eingeschränk‑ te Handlungsfreiheit, ihre administrative Funktion oder ihr eigentumsrechtlicher Status akzentuiert werden soll, spricht man auch von Exekutoren, Verwaltern oder Treuhändern. Einer vergleichbaren Nomenklatur, die vom Einzelfall abstra‑ hiert, um auf alle Typen von Stiftungen gleichermaßen applizierbar zu sein, haben sich die mittelalterlichen Zeitgenossen in ihren schriftlichen Aufzeichnungen noch nicht bedient. Sofern kirchliche Amtsträ‑ ger oder Körperschaften als Stiftungsor‑ gane fungieren sollten, rekurrierte man einfach auf deren sonst übliche Bezeich‑ nung; das galt etwa für Äbte, Bischöfe, Pröpste, Mönchskonvente und Stiftskapitel. Als im späteren Mittelalter immer mehr Laien – sei es als Einzelpersonen oder in Kollegien – in die Verwaltung und vor al‑ lem auch Beaufsichtigung von Stiftungen

eingebunden wurden, bezeichnete man diese mittellateinisch vielfach als procuratores oder provisores; dem entsprachen die vernakularsprachlichen Begriffe churchwardens in England und kirchpfleger in Deutschland. Für jeden dieser Termini lässt sich indes sowohl eine Vielzahl von Quasisynonymen nachweisen als auch eine – nach heutigen Maßstäben – wenig präzise Verwendung in der Sprachpraxis konstatieren.1 Welche Rolle eine Person oder Personengruppe im Rahmen der Stif‑ tungsverwaltung spielen sollte und tat‑ sächlich gespielt hat, ergibt sich deshalb nicht unmittelbar aus ihrer Bezeichnung, sondern nur aus der detaillierten Analyse der stifterlichen Anordnungen einerseits und des erhaltenen Geschäftsschriftguts andererseits. 13.2.2  Verwaltung Das im lateinisch‑christlichen Europa des Mittelalters nur schwach ausgebilde‑ te Stiftungsrecht (→ 5.2.2) gewährte den Stiftern große Gestaltungsspielräume im Hinblick auf die interne Organisation ih‑ rer ‚frommen Werke‘. Charakteristisch für das abendländische Stiftungswesen war allerdings, dass der Stifter seine Verfügun‑ gen keineswegs völlig autark formulierte, sondern in enger Abstimmung mit den ins Auge gefassten Administratoren, die oft genug mit den Destinatären identisch waren. (→ 12.2.2) Auch wenn der Gestus der stifterlichen Satzungen etwas anderes suggeriert, war das Stiftungsgeschäft in der Regel das Ergebnis eines interaktiven

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Aushandlungsprozesses, an dem neben dem Stifter auch die zukünftigen Verwal‑ ter und Empfänger der Stiftung beteiligt waren.2 In einer Welt, in der der Bestand von Stiftungen durch gesellschaftliche Bindungen zwischen Lebenden und To‑ ten effektiver gesichert werden konnte als durch juristische Kautelen, war diese Vor‑ gehensweise jedem Stifter angeraten, dem eine dauerhafte Verstetigung seines ‚from‑ men Werks‘ am Herzen lag.3 Als „soziales System, das den Tod a l l e r Beteiligten überdauerte“4, funktionierte eine Stiftung jedoch nur, wenn die Aufgaben der anfangs vom Stifter auserwählten Verwalter (und Destinatäre) nach deren Hinscheiden von anderen Menschen übernommen wurden. Die Partizipation an den Stiftungserträgen bot hierzu in der Regel einen hinreichen‑ den materiellen Anreiz. Je nach Charakter der Stiftungsorgane wurden die nachrückenden Administra‑ toren auf unterschiedliche Art und Weise rekrutiert: Genossenschaftlich organisierte Verbände wie Mönchskonvente, Kanoni‑ kerkapitel, Gilden und Universitäten er‑ gänzten sich durch Kooptation neuer Mit‑ glieder. Einzelpersonen, die wie Bischöfe, Äbte, Pröpste, Küster, Bürger‑, Gilde‑ oder Schulmeister qua Amt als Stiftungsorgane fungierten, verdankten diese Stellung einer Wahl, mitunter sogar durch die Destinatä‑ re. Insbesondere bei Laien resultierte die Teilhabe an der Verwaltung von Stiftungen nicht selten aus der Verwandtschaft mit dem Stifter. Die Mitwirkung der Stifter‑ erben an der Stiftungsverwaltung wur‑ de ab dem 12. Jahrhundert durch das ius patronatus weitgehend formalisiert.5 Als Pat rone erhielten die Erben – wie zuvor der Stifter – neben allgemeinen Schutz‑ und Aufsichtsbefugnissen das Recht, dem zuständigen Bischof geeignete Destinatäre zur Provision (Einführung) in ihre kirch‑ lichen Pfründen vorzuschlagen. Dieses

Stiftungsorganisation

Präsentationsrecht spielte gerade bei der Organisation der zahlreichen Mess‑, Altar‑ und Kapellenbenefizien, die im Laufe des späten Mittelalters gestiftet wurden, eine wichtige Rolle.6 Ungeachtet der großen Varianz organi‑ satorischer Lösungen lassen sich für die wichtigsten Stiftungsformen des abendlän‑ dischen Mittelalters (→ 3.2) folgende ideal‑ typische Verwaltungsstrukturen skizzie‑ ren: Bei Klöstern oblag die Administration des Grundstockvermögens üblicherweise dem Abt, der diese Aufgaben aber auch an untergeordnete Amtsträger (Pröpste, Dekane, Prioren) delegieren konnte. Das Grundstockvermögen von Kanonikerge‑ meinschaften wurde ebenfalls durch deren Vorsteher verwaltet. Bei Domstiften waren das die Bischöfe, bei Kollegiatstiften zu‑ nächst die Pröpste; nach der ökonomischen und rechtlichen Emanzipation der Kapitel im Laufe des hohen Mittelalters übernah‑ men diese Aufgabe einzelne Kanoniker, die das Amt des Kämmerers oder Ökonomen bekleideten.7 Bei Spitälern, die keinem Kloster, Stift oder Orden zugeordnet waren, erfolgte die Verwaltung des Stiftungsver‑ mögens in der Regel durch einen Meister. Je nach Größe des Instituts wurde er bei der Lagerhaltung durch einen Schaffner oder Kellner und bei der Anfertigung der Abrechnungen durch einen (Korn‑)Schrei‑ ber unterstützt. Seine Bestellung erfolgte durch die Prokuratoren der Stiftung, denen er auch Rechenschaft ablegen musste. Ihm oblag nicht nur die Führung der laufenden Geschäfte, sondern auch die Disziplinarge‑ walt über die Spitaliten bzw. Kollegiaten, deren ordnungsgemäßen Stiftungsvollzug er überwachte.8 Die interne Organisation von Armen‑, Seel‑ und Kollegienhäusern orientierte sich im Wesentlichen am Mo‑ dell des ‚bürgerlichen‘ Spitals.9 Etwas komplizierter gestaltete sich demgegenüber die Verwaltung der

Lateinische Christen

ausgesprochen zahlreichen fiduziarischen Stiftungen. Sie verfügten nicht über ‚eigene‘ Stiftungsorgane, sondern delegierten die Administration an eine unabhängig von der Stiftung bestehende „Dauerperson“10, die als Treuhänder fungierte. (→ 3.2.3) So bestimmte etwa der Hamburger Bürger Gerhard Lange, als er im Jahre 1299 eine Rente zur Erhaltung eines Brunnens in Schleswig stiftete, den Priester der dortigen Dreifaltigkeitspfarrei zum treuhänderi‑ schen Verwalter des Stiftungsvermögens, der stets alle notwendigen Reparaturen veranlassen sollte.11 Neben kirchlichen In‑ stitutionen konnten im späteren Mittelalter auch laikale Genossenschaften, also Zünfte, Gilden und Kommunen, sowie deren Amts‑ träger als Dauerpersonen fungieren.12 Vor allem Klöster und Stifte entwickelten sich aber durch „vermögensmäßig eingebaute[.]“ oder „verwaltungsmäßig eingegliederte[.]“ Stiftungen13 von einfachen „Anstaltsstif‑ tungen“ zu komplexen „Rahmenstiftun‑ gen“.14 Bei Klöstern wurden alle angelager‑ ten Stiftungen, die spezielle Memorialfei‑ ern, Offizien oder Armenspeisungen zum Zweck hatten, zunächst separat durch den Vorsteher des Konvents verwaltet. Später fasste man sie in einem eigenen Sonder‑ vermögen zusammen, das Oblei (von lat. oblatio, ‚Gabe‘) oder Pitanz (von lat. pietas, ‚Wohltat‘) genannt wurde und den regu‑ lären Lebensunterhalt der Asketen durch periodische Reichnisse aufbesserte. Die Bewirtschaftung dieses Stiftungsvermö‑ gens oblag dann einem aus dem Kreise der Konventualen ernannten Pitanzier, der die erzielten Erträge etwa in Form von Fi‑ schen, Eiern, Weißbrot oder Wein an seine Mönchsbrüder als Destinatäre aushändig‑ te.15 Wie bei den Klöstern entstanden auch bei den Stiften etwa seit der ersten Jahr‑ tausendwende durch die wirtschaftliche und organisatorische Zusammenlegung fiduziarischer Stiftungen umfangreiche

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Sondervermögen, die man vom Präben‑ dalgut, aus dem Verpflegung, Bekleidung und Obdach der Kanoniker bestritten wur‑ de, strikt getrennt hielt. Anders als bei den Mönchen wurden derartige ‚Beistif‑ tungen‘ nicht in einem einzigen Fonds konzentriert, wodurch die Zahl der gestif‑ teten Sondervermögen, die verschiedene Amtsträger des Kapitels verwalteten, im Laufe des späteren Mittelalters beständig anwuchs.16 Die administrative Zersplitte‑ rung resultierte nicht zuletzt daraus, dass viele solcher Stiftungen durch Dignitäre des jeweiligen Stifts errichtet wurden, die ihre Amtsnachfolger für die bestmöglichen Treuhänder hielten; ein Kustos siedelte seine Stiftung dementsprechend bei der Kustodie an, ein Scholaster bei der Stifts‑ schule und so weiter. Praktikabel wurde das organisatorische Wirrwarr, das wohl selbst die Zeitgenossen irgendwann nur noch mit Mühe durchschauten, vor allem durch die konsequente Monetarisierung der Stiftungswirtschaft. (→ 10.2.2) Eine Schlüsselrolle nahm dabei der aus den Rei‑ hen der Kanoniker bestimmte Bursar ein, dessen Geldbeutel fortlaufend Zuflüsse aus den verschiedenen Fonds erhielt. Ihm oblag nämlich die nahezu tägliche Auszahlung der meist geringfügigen Pfennigbeträge an die jeweils berechtigten Empfänger.17 Die großen Gestaltungsspielräume, die abendländische Stifter bei der internen Or‑ ganisation ihrer ‚frommen Werke‘ hatten, korrespondierte mit einer geringen Forma‑ lisierung diesbezüglicher Bestimmungen in den maßgeblichen Urkunden und Sat‑ zungen. Insgesamt lässt sich deshalb eine beachtliche Spannweite im Hinblick auf die Konkretion der stifterlichen Anordnun‑ gen konstatieren. Bei Stiftskirchen‑ und Klosterstiftungen waren entsprechende Bestimmungen schon allein deshalb obso‑ let, weil die verschiedenen Mönchs‑ und Kanonikerregeln jeweils eigene Abschnitte

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zur Vermögenverwaltung beinhalteten. Bei anderen Stiftungstypen erklären sich vage formulierte oder gänzlich fehlende Richt‑ linien entweder durch mündliche Abspra‑ chen, durch eine bewusste Zurückhaltung des Stifters oder durch dessen kognitive Unfähigkeit zur konzeptionellen Ausge‑ staltung seines Stiftungsvorhabens.18 Letzt‑ genanntes wird man all jenen abendlän‑ dischen Stiftern nicht vorwerfen können, die ihre Stiftungen mit fein austarierten Verwaltungsstrukturen versahen. Das gilt etwa für Bischof Konrad IV. von Regens‑ burg, der für seine Spitalstiftung am Fuße der dortigen Donaubrücke ein Verfahren zur Rekrutierung der Stiftungsorgane er‑ sann, das sich bis auf den heutigen Tag bewährt hat: „Wir bestimmen“, heißt es in seiner von späteren Generationen hochach‑ tungsvoll ‚Ordinatio Conradina‘ genannten Urkunde von 1226, „dass die Verwaltung des Spitals durch vier Domkanoniker und ebenso viele Laien erfolgen soll; [und zwar folgende] Kanoniker: den Dompropst, den Domdekan, den Domküster und den Dom‑ pfarrer, die zu der Zeit das jeweilige Amt innehaben. Zu den Laien bestimmen wir aber gegenwärtig Herrn Goswin bei der Pforte, Ainwich und Otto am Markt, Bür‑ ger, [und] Haward Kastener. Und wenn es geschieht, dass einer von ihnen verstirbt, sollen die sieben Verbliebenen in gemein‑ schaftlicher Übereinstimmung einen ach‑ ten zum Helfer wählen.“19 Mit den Amtsträ‑ gern des Domkapitels und den Honoratio‑ nen der Stadtgemeinde sollten also gleich zwei Dauerpersonen den Fortbestand des Spitals gewährleisten; durch die paritäti‑ sche Zusammensetzung des Kollegiums wurde dabei verhindert, dass die Stiftung bei etwaigen Streitigkeiten zwischen den beiden Parteien Schaden nahm. Unabhängig davon, wie konkret und detailliert die Anweisungen eines Stifters für die Administration seines ‚frommen

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Werks‘ ausfielen, sollten die Stiftungsor‑ gane stets als stellvertretende Exekutoren des Stifterwillens agieren. „Stiftung“ lässt sich deshalb in Abwandlung der berühm‑ ten Herrschaftsdefinition von Max Weber begreifen als „die Chance, für Befehle be‑ stimmten Inhalts ü b e r d e n e i g e n e n T o d h i n a u s bei angebbaren Gruppen von Menschen Gehorsam zu finden.“20 Eine solche Unterwerfung unter den Willen des Stifters wurde im mittelalterlichen Abend‑ land durch die Verwalter bereits im Zuge des Stiftungsprozesses erklärt; lange Zeit geschah dies ausschließlich mündlich, seit dem 13. / 14. Jahrhundert zunehmend auch durch eigens angefertigte Stiftungs‑ reverse.21 Die ad hoc geleisteten Zusagen der ersten Administratoren wurden in der Folgezeit durch Schwurleistungen ihrer Amtsnachfolger bekräftigt und aktualisiert. Die Eide, die die Stiftungsverwalter bei Antritt ihres Amtes leisten mussten, nah‑ men auf deren asymmetrische soziale Be‑ ziehung zum jeweiligen Stifter allerdings lange Zeit keinen expliziten Bezug. Die Administratoren schworen also nicht etwa, den Anordnungen des Stifters Folge zu leis‑ ten, sondern meist nur in recht allgemeiner Form, das Vermögen und die Gewohnheiten der Stiftung mit Gottes Hilfe nach Kräften zu bewahren.22 Erst im ausgehenden Mittel‑ alter, als die Fundatoren für ihre Spitäler, Armenhäuser und Universitätskollegien eigene Statuten aufsetzten, in denen sie sehr detaillierte Anordnungen trafen, nahmen die zu leistenden Eide den Charakter eines Gehorsamsversprechens gegenüber dem Stifter an. So forderten etwa Graf Wilhelm und Gräfin Alice de la Pole von den beiden Priestern, die sie mit der Verwaltung ihres 1437 in Ewelme gestifteten Armenhauses betraut hatten, ebenso wie von allen Stif‑ tungsempfängern: „Du sollst beim Inhalt dieses [Statuten‑]Buchs schwören, dass du mit all deiner Kraft alle [von den Stiftern

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erlassenen] Statuten in diesem Buch und jedes einzelne von ihnen wahrhaftig ein‑ halten und beachten wirst, nachdem sie dir bekannt gemacht worden sind.“23 Das in solchen Eiden erkennbare Ver‑ langen, die Handlungsoptionen der Stif‑ tungsorgane einem immer konkreter aus‑ formulierten Stifterwillen zu unterwerfen, fand allerdings in den spätmittelalterlichen Städten seine Grenzen in analogen Bemü‑ hungen der kommunalen Selbstverwaltung. Vielerorts forderten die Stadträte nämlich ihrerseits von den durch sie bestellten Pro‑ kuratoren strikten Gehorsam. So ließ man zum Beispiel in Überlingen am Bodensee zu Beginn des 16. Jahrhunderts sowohl die Pfleger der städtischen Kirchen als auch diejenigen des örtlichen Armenhauses schwören, „den Nutzen und Vorteil der Heiligen und ihrer Gotteshäuser zu fördern und Schaden von ihnen abzuwenden, und alles, was zum Gut der Heiligen und der Kirchen gehört, (…) n u r g e m ä ß d e n E i n s i c h t e n d e s R a t s zu verändern, und das Gut und Geld der Heiligen we‑ der zu eigenem Nutzen einzusetzen, noch ohne das Wissen und die Zu‑ s t i m m u n g d e r [R a t s ‑] H e r r e n auszuleihen.“24 Der Gehorsam gegenüber dem toten Stifter und der Gehorsam gegen‑ über dem amtierenden Rat mussten indes nicht zwangsläufig in Widerspruch zuei‑ nander stehen.25 In Biberach sollten etwa alle Kleriker dem Rat als Patronatsherren schwören, die vom Stifter verlangte Anzahl wöchentlicher Messen auch tatsächlich zu halten.26 Und auch der Nürnberger Rat wies ‚seine‘ Pfründner ausdrücklich an, die ih‑ nen obliegenden Gottesdienste dem Wort‑ laut der Stiftungsurkunden entsprechend (nach laut der stiftung) zu feiern; allerdings mit einer bezeichnenden Einschränkung: es sei denn, sie würden durch eine offenbar und redlich ursach daran gehindert, wor‑ über der Rat zu entscheiden habe.27

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Welche Taten auf derartige Selbstver‑ pflichtungen der Administratoren folgten, lässt sich vielfach recht präzise rekonstru‑ ieren. Die Geschäftstätigkeit der abendlän‑ dischen Stiftungsorgane ist nämlich im Vergleich zu allen anderen Stiftungskul‑ turen des mittelalterlichen Jahrtausends ausgesprochen gut dokumentiert. (→ 5.2.3; 5.3.3; 5.4.3; 5.5.3; 5.6.3) Dichte und Va‑ rianz des erhaltenen Schriftguts nehmen im Laufe der Jahrhunderte beständig zu; vor allem im letzten Drittel des Mittel‑ alters ist ein exponentielles Anwachsen zu verzeichnen, das sowohl dem allge‑ meinen Aufschwung der Schriftlichkeit als auch immer ambitionierteren Formen der Archivierung geschuldet ist. Zu den wichtigsten Quellengattungen, die der his‑ torischen Stiftungsforschung je spezifische Erkenntnismöglichkeiten zum Wirken der Stiftungsorgane bieten, zählen: (1.) Register, (2.) Rechnungen und (3.) Urkunden. (1.) Besitz‑ und Einkünfteverzeichnisse geben nicht nur Auskunft über den Um‑ fang des Grundstockvermögens, die Art und Weise seiner Bewirtschaftung und die Höhe der Erträge. Mit ihrer logischen Gliederung und syntaktischen Struktur dokumentieren solche Register auch kogni‑ tive Prozesse der Administratoren, die für ein erfolgreiches Management von Stiftun‑ gen offenkundig unerlässlich war.28 Geo‑ graphische Ordnungssysteme verweisen z. B. auf das Prozedere zielgerichteter Be‑ standsaufnahmen, bei denen die Verwalter die Ländereien persönlich aufsuchten, um die Pflichtigen an Ort und Stelle über das bewirtschafte Stiftungsgut und die Höhe der zu leistenden Abgaben auszufragen.29 Chronologische Ordnungssysteme wie‑ derum spiegeln die logistischen Heraus‑ forderungen einer Zwischenlagerung von Naturalien, die immer dann notwendig war, wenn die Fälligkeitstermine für die

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Einziehung und Ausschüttung der Stif‑ Besonderes Interesse verdienen darüber tungserträge auseinanderfielen.30 hinaus die von den Administratoren veran‑ lassten Abschriften von Stiftungsurkunden, (2.) Während Register immer nur Ansprü‑ sind diese doch stets Ausdruck einer retro‑ che formulieren, deren Umfang oft genug spektiven Rekapitulation und prospektiven durch Streichungen und Nachträge den Sicherung des ursprünglichen Stifterwil‑ tatsächlichen Verhältnissen angepasst wer‑ lens. Solche Abschriften erfolgten entwe‑ den musste,31 dokumentieren die Rechnun‑ der in Kopialbüchern oder in separaten gen der Stiftungsorgane die tatsächlichen Bestätigungsurkunden, deren meist hoch‑ Einnahmen und Ausgaben innerhalb ei‑ rangige Aussteller die Übereinstimmung nes Rechnungsjahres. Lange Zeit wurden mit dem Originalwortlaut ausdrücklich solche Abrechnungen auf Wachstafeln, beglaubigten.34 Rechenbrettern oder Kerbhölzern vorge‑ nommen, die lediglich eine kurzfristige Die von der mediävistischen Stiftungsfor‑ Speicherung der jeweiligen Beträge erlaub‑ schung zunehmend in Angriff genommene ten.32 Erst ab dem 12. Jahrhundert erfolgte Analyse des erhaltenen Geschäftschriftguts die Rechnungslegung zunehmend auf Pa‑ erhellt, wie stark die jeweiligen Verwalter pierblättern, die zu Rotuli oder Faszikeln Gepräge und Geschick ‚ihrer‘ Stiftung nicht gebunden auch archiviert werden konnten. nur im Prozess der Errichtung, sondern Als Einzelstücke und erst recht als lücken‑ auch in den folgenden Jahren, Jahrzehn‑ lose Serie ermöglichen diese Texte sehr ten oder gar Jahrhunderten bestimmten. detaillierte Einblicke in die konkrete Wirt‑ (→ 2.2.4) Das Handeln der Stiftungsorgane schaftsführung der Stiftungsverwalter. Da changierte dabei stets zwischen Versteti‑ das spätmittelalterliche Geschäftsschrift‑ gung und Entstetigung des ursprünglichen gut in der Regel nicht ediert vorliegt, sind Stiftungsgefüges.35 Mitunter verteidigten entsprechende Fallstudien bislang aber rar die Administratoren die Geltungskraft der gesät. Ihr Schwerpunkt liegt zudem meist stifterlichen Satzungen rigoros gegen den nicht so sehr auf verwaltungs‑, sondern historischen Wandel; mitunter zögerten sie auf wirtschaftsgeschichtlichen Fragestel‑ aber auch nicht, die Überlebenschancen der Stiftung durch gezielte Modifikationen zu lungen.33 verbessern. Derlei Veränderungen muss‑ (3.) Ganz andere Perspektiven auf das Wir‑ ten nicht zwangsläufig im Widerspruch ken der Stiftungsorgane vermittelt schließ‑ zum ursprünglichen Willen des Stifters lich die urkundliche Überlieferung, die bei stehen, zumal wenn es um dessen „inne‑ bedeutenden Stiftungen hunderte oder gar re Zweckrationalität“ nicht gut bestellt tausende von Schriftstücken aus Mittelalter war.36 Gerade im Hinblick auf die Bewah‑ und Neuzeit umfassen kann: Kaufverträge rung des Stiftungsvermögens gestanden zeugen von Umschichtungen des Stiftungs‑ viele Fundatoren ihren Treuhändern in vermögens, Schenkungen und Zustiftungen weiser Voraussicht ausdrücklich einen von dessen Anwachsen, Besitzbestätigun‑ Gestaltungsspielraum zu, sofern sich die gen und Vergleiche von der Notwendigkeit, Stiftungserträge auf diese Weise sichern das Angehäufte gegen Entfremdungen zu oder – besser noch – erhöhen ließen. Auf‑ verteidigen, Belehnungen und Pachtver‑ fällig vage gehaltene Vorschriften zu Me‑ schreibungen von der Sorge um dessen morialauflagen, Ertragsausschüttungen, tatsächliche Bewirtschaftung. (→ 10.2.1) Organisationsstrukturen usw., die sich in

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vielen Stiftungsdokumenten finden, dürf‑ ten häufig eine ähnliche Funktion gehabt haben; die historische Stiftungsforschung steht in solchen Fällen allerdings stets vor dem Problem, die Intentionalität der stif‑ terlichen Zurückhaltung durch weitere Indizien untermauern zu müssen. Doch auch ohne prospektiv erteilte Lizenz zur Modifikation konnten nachträgliche Ein‑ griffe der Administratoren in die Funk‑ tionsweise einer Stiftung sehr wohl im Sinne des Stifters sein. Das gilt insbeson‑ dere für die vielfach zu beobachtende An‑ passung der Memorialpraktiken an ge‑ wandelte Frömmigkeitsformen, die zum Beispiel zur nachträglichen Errichtung von Stiftergrabmälern führte,37 aber auch für die Umwandlung individueller Fürbitten in summarische Gebete, sofern der Verlust des einst bereitgestellten Vermögens Stif‑ tungsreduktionen erforderlich machte.38 Wenn im Spätmittelalter das Gebetsge‑ denken mit dem Ablasswesen verknüpft wurde, nahm der Stiftungsvollzug eine Gestalt an, die jenseits des theologischen Vorstellungshorizonts eines früh‑ oder hochmittelalterlichen Stifters lag – und trotzdem dem einstmals von diesem fest‑ gelegten Stiftungszweck der liturgischen Memoria diente.39 Cum grano salis gilt dies auch für die vielfältigen Formen rein profanen Stiftergedenkens, die sich insbe‑ sondere im Fahrwasser von Reformation und Säkularisation etablierten und mit‑ unter das lokale Andenken an den Stifter selbst dann noch wachhielten, als sein ‚frommes Werk‘ dem historischen Wandel längst zum Opfer gefallen war.40

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Je nach Stiftungstyp wurde die Zuständig‑ keit von unterschiedlichen, zum Teil auch konkurrierenden Akteuren beansprucht, die sich hierfür mal auf ausdrückliche Anordnungen des Stifters, mal auf Kirchen‑, mal auf Gewohnheitsrecht, mal auch bloß auf ihre offenkundige Machtfülle berufen konnten. Wenn ein mittelalterlicher Stifter in sei‑ ner Stiftungsurkunde überhaupt Regelun‑ gen zur Beaufsichtigung des Stiftungsvoll‑ zugs traf, stand ihm hierfür eine Vielzahl möglicher Kontrollorgane zur Verfügung.41 Neben den Erben boten sich insbesondere geistliche oder weltliche Amtsträger und Körperschaften an. Diese überwachten dann in der Regel nicht nur die Adminis‑ tratoren, sondern auch die Destinatäre der Stiftung; sei es, weil beide ohnehin personenidentisch waren, sei es, weil nur so ein ordnungsgemäßer Vollzug der Stif‑ tungszwecke gesichert werden konnte. Üb‑ licherweise gaben die Stifter den Aufsehern hierfür wirkungsvolle Zwangsmittel an die Hand, indem sie ihnen bestimmte Eingriffs‑ oder Verfallsrechte konzedierten. Bei Miss‑ achtung der Stifterauflagen erhielten die Kontrolleure also das Recht, neue Verwal‑ ter oder Empfänger mit dem Vollzug der Stiftungszwecke zu beauftragen („Subsi‑ diärstiftung“42) oder – sofern es sich bei den Aufsehern um Erben handelte – sogar die gesamte Stiftung zu kassieren. Zumindest die von bürgerlichen Stiftern avisierten Zwangsmittel nahmen in ihrer Härte mit der Zeit aber eher ab als zu. Im 13. Jahrhun‑ dert ordnete man meist noch „den Verfall des gesamten Gutes an, später begnügte man sich mit dem Verfall des jeweiligen Jahresertrages, dessen stiftungsgemäße 13.2.3  Aufsicht Verwertung versäumt wurde; schließlich l[ieß] man den Verfall erst nach längerer Eine allgemeinverbindliche Instanz zur Säumigkeit eintreten. Weiter verfeinert Kontrolle der Stiftungsorgane hat es im und zugleich abgeschwächt w[urde] das abendländischen Mittelalter nicht gegeben. Verfallsrecht durch die Umwandlung in

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eine Strafbestimmung, meist die Pflicht zur Zahlung einer bestimmten Buße.“43 In all diesen Fällen erfolgte das stell‑ vertretende Handeln der Stiftungsaufseher keineswegs selbstlos; es wurde vielmehr durch materielle Anreize stimuliert. Wie bei ihren Administratoren und Destina‑ tären setzten die mittelalterlichen Stifter bei ihren Kontrolleuren nicht allein auf die normative Kraft des Rechts, sondern auch und vor allem auf den menschlichen Eigennutz als handlungsleitende Maxime. Aus der Fülle individueller Stiftungskon‑ struktionen sei hier nun ein Beispiel her‑ ausgegriffen, bei dem sich zwei Destinatäre einer Stiftung wechselseitig kontrollieren sollten. Als der Straßburger Bürger Hein‑ rich Babensun im Jahre 1271 sein Testament machte, errichtete er für den Fall seines Todes eine recht komplexe Gedenkstiftung, als deren Grundstockvermögen er sein Gut in Finkenweiler bestimmte. Zur Treu‑ händerin des Stiftungskapitals bestimm‑ te Babensun die Priorin des Dominika‑ nerin nen‑Klosters St. Elisabeth, die von den Erträgen unter anderem einen Kaplan unterhalten sollte, der wöchentlich ein präzise festgelegtes Pensum von Seelmes‑ sen, Kollekten und Grabbegängnissen zu absolvieren hatte. Die Nonnen des Klosters wiederum sollten alljährlich die Jahrzeit des Stifters begehen und auch zahlreiche andere Personen(gemeinschaften) dazu an‑ halten, unter anderem die Insassen des Leprosenhauses von Rotenkirchen. Als Lohn für ihre Mühen stellte der Stifter den Leprakranken 30 Pfennige für Semmeln in Aussicht, den Konventualinnen von St. Eli‑ sabeth hingegen eine beträchtliche Summe Geldes (10 Vierding), von der ein Festmahl am Jahrtag sowie Fische für die Fastenzeit bezahlt werden sollten. Zum Zwecke der Stiftungsaufsicht installierte Babensun sodann ein System wechselseitiger Kon‑ trolle, indem er bestimmte: „Wenn aber die

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Frauen von St. Elisabeth die vorgeschrie‑ benen Dinge nicht so ausführen, wie sie oben festgelegt worden sind, dann möchte ich, dass dieses [ihnen zustehende] Geld vollständig den ‚guten Leuten‘ zu Roten‑ kirchen gehören soll; tun die ‚guten Leute‘ aber nicht das, was sie für mich tun sollen, so soll das Geld, das ich ihnen zugewiesen habe, zu St. Elisabeth gehören.“44 Trotz der auf den ersten Blick geradezu bestechen‑ den Raffinesse erweisen sich Babensuns Verfügungen bei näherem Hinsehen als reichlich defizitär. Zum einen blieb völlig ungeklärt, wie denn der eine Destinatär den ordnungsgemäßen Stiftungsvollzug des anderen überhaupt überprüfen sollte. Rechnete der Stifter wirklich damit, dass eine Abordnung der Dominikanerinnen die Jahrzeitfeier der Leprakranken visitie‑ ren würde und vice versa? Selbst wenn das der Fall gewesen sein sollte, gab es mit den sechzehn weiteren Konventen, von denen sich Babensun durch seine testamentari‑ sche Stiftung periodische Gebetsleistungen erhoffte, zahlreiche Destinatäre, die über‑ haupt keiner Kontrolle unterlagen. Das soziale System, das der Straßburger Bürger durch seine Stiftung schuf, trug zweifellos ziemlich individuelle Züge; die verfolgte Absicherungsstrategie war in ihrer organisatorischen Unvollkommen‑ heit allerdings sehr wohl typisch für die Stiftungen des abendländischen Mittel‑ alters. Regelungen wie die von Heinrich Babensun mögen dem heutigen Betrach‑ ter als Produkte einer wenig elaborier‑ ten Jurisprudenz erscheinen; eine solche Einschätzung verkennt jedoch allzu leicht das ambivalente Verhältnis, das viele mit‑ telalterliche Stifter gegenüber den welt‑ lichen und kirchlichen Autoritäten als Stiftungsaufsehern hatten. Mit ihren spe‑ zifischen Organisationstrukturen zeugen deren Stiftungskonstruktionen nämlich einerseits von der stifterlichen Zuversicht,

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ausgerechnet eine bewusst partikulare Lö‑ sung könne langfristig die bestmögliche Rechtssicherheit herstellen; andererseits verweisen die offenkundigen Regelungslü‑ cken der individuellen Kontrollsysteme, die schon den Zeitgenossen kaum verborgen geblieben sein können, auf das grundsätz‑ liche Vertrauen darauf, dass sich im Notfall auch andere als die explizit beauftragten Instanzen dazu berufen fühlen würden, dem ursprünglichen Stifterwillen Geltung zu verschaffen. Als kirchliche Institutionen im weitesten Sinne unterlagen die meisten Stiftungen des abendländischen Mittelalters der Dis‑ ziplinargewalt des jeweiligen Ortsbischofs. Etwaige Missstände waren durch diesen abzustellen. Dementsprechend häufig er‑ folgten episkopale Eingriffe in die Verwal‑ tung von Stiftungen, zum Beispiel durch Amtsenthebungen. Als oberste Richtschnur diente den Bischöfen dabei allerdings in der Regel das Kirchenrecht und nicht der individuelle Stifterwille. Zu einem echten oder gar expliziten Sachwalter des Stifters wurden sie deshalb nur in Ausnahmefäl‑ len. Mitunter hatten Stifter aber auch das dringende Bedürfnis, die Disziplinargewalt des zuständigen Diözesans ausdrücklich auszuschließen, da sie dessen eigennützi‑ ge Interessen fürchteten; dann unterstell‑ ten sie ihre ‚frommen Werke‘ der Aufsicht ortsfremder Bischöfe oder gar des Papstes in Rom. Eine effektive Kontrolle der Stif‑ tungsorgane war in solchen Fällen kaum möglich, aber wohl auch gar nicht das primäre Anliegen der Stifter; ihnen ging es vielmehr darum, den Treuhändern vor Ort eine besonders starke Position zu ver‑ schaffen. Mit dieser Absicht erwirkten im römisch‑deutschen Reich zum Beispiel die ottonischen Herrscher päpstliche Schutz‑ privilegien für ihre Kirchengründungen in Quedlinburg, Gandersheim, Selz, Magde‑ burg und Bamberg.45 Eine kirchenrechtliche

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Exemtion neuer Qualität erlangte Kaiser Heinrich II. für seine Bamberger Stiftung im Jahre 1020 durch die förmliche Über‑ eignung an den Heiligen Petrus; sie wurde später zum Vorbild für die ‚Klosterpolitik‘ Papst Leos IX. (amtierte 1049–1054), der zahlreiche Adlige aus Deutschland, Bur‑ gund und Italien dazu brachte, ihre mo‑ nastischen Stiftungen unmittelbar dem Heiligen Stuhl zu unterstellen.46 Seit die Zisterzienser im 12. Jahrhundert nicht nur den zentralistisch aufgebauten Mönchsorden, sondern auch die regelmä‑ ßige Visitation der einzelnen Konvente als Kontrollinstrument erfunden hatten, fungierten die von der Ordensleitung zu diesem Zweck ausgesandten Kommissio‑ nen in allen größeren monastischen Kon‑ gregationen des Spätmittelalters als eine Art Stiftungsaufsicht. Im Rahmen ihrer Überprüfung der klösterlichen Zucht und Ordnung untersuchten die Visitatoren nämlich unter anderem, ob die gestifteten Güter auch nicht entfremdet worden waren und die Auflagen der Stifter eingehalten wurden.47 In diesem Sinne hielten zum Beispiel zwei Cluniazenser‑Visitatoren im Jahre 1290 fest: „In Marcigny [Departement Saône‑et‑Loire] sind 18 Mönche mit einem Prior. Dort wird der Gottesdienst ehrbar gefeiert, wie es üblich ist. Die Vorgänger des dortigen Priors haben den Ertrag der Jahrtage des Bischofs Johann von Mâcon in die Hand eines Laien entfremdet; we‑ der findet dort das Totenoffizium des ge‑ nannten Bischofs statt, noch wird an den festgelegten Tagen den Nonnen die Pitanz gereicht, und daher beklagen sich diese nicht wenig. Wir haben berichtigt, was wir dort als zu verbessern erachten.“48 Neben kirchlichen Instanzen kontrol‑ lierten auch Laien die ordnungsgemäße Verwaltung von Stiftungen. Seit jeher erhielten bzw. beanspruchten vor allem die Erben eines Stifters solche Vorrechte,

528

sofern sie dessen ‚frommes Werk‘ zu ihrem eigenen Anliegen machten und es nicht durch Rückforderung der Stiftungsgüter gefährdeten. (→ 11.2) Seit dem 12. Jahrhun‑ dert bot das Patronatsrecht für die Aufsicht seitens der Stiftererben eine belastbare gesetzliche Grundlage, derer sich etwa Generationen reicher Stadtbürger bei der Etablierung von Familienkapellen bedien‑ ten, die im spätmittelalterlichen Okzident die Seitenschiffe aller großen Stifts‑ und Pfarrkirchen okkupierten.49 In früheren Jahrhunderten beruhte die Beteiligung der Stifterfamilie an der Stiftungsverwaltung auf expliziten Anordnungen des Stifters oder auf gewohnheitsrechtlichen Ansprü‑ chen der Stiftererben. Ein typisches Bei‑ spiel hierfür sind die sogenannten Haus‑ klöster und ‑stifte, die von vielen Adligen im Laufe des frühen und hohen Mittelalters in unmittelbarer Nähe ihrer Stammburg er‑ richtet wurden. So selbstverständlich wie die Nachkommen des jeweiligen Stifters diese Institute zu Lebzeiten als Archiv und nach ihrem Tode als Grablege benutzten, so selbstverständlich kontrollierten und modifizierten sie auch die Verwendung der Stiftungserträge. Ob sie dabei immer im Sinne des Stifters handelten, darf wohl

Stiftungsorganisation

bezweifelt werden; gerade dann, wenn der Fundator keine Stiftungsurkunde ausge‑ stellt hatte, war der ursprüngliche Stifter‑ wille in einem solchen Umfeld aber auch bald gar nicht mehr zu ermitteln. Das Recht zur Beaufsichtigung von Stif‑ tungsorganen beanspruchten schließlich nicht nur die spätmittelalterlichen Stadträ‑ te (→ 13.2.2), sondern auch viele Könige des Mittelalters. Sie taten dies allerdings nicht per se, sondern stets fallbezogen. In der Regel sahen sich einzelne Herrscher näm‑ lich nur dann zu Eingriffen genötigt, wenn ihnen vonseiten der Destinatäre Klagen über ein (vermeintliches) Missmanagement der Administratoren zu Ohren gekommen waren.50 Ausdrücklich vorgesehen war ein solches Prozedere aber eigentlich nur bei königlichen Stiftungen, deren Gründer ih‑ ren Nachkommen respektive Nachfolgern entsprechende Rechte zugestanden hatten. Im römisch‑deutschen Reich erlangten die‑ se Institute im Spätmittelalter mitunter den verfassungsmäßigen Rang der ‚Reichsfrei‑ heit‘, das heißt sie unterstanden in allen Fragen der weltlichen Herrschaft und Ge‑ richtsbarkeit nicht den lokalen Gewalten, sondern unmittelbar dem Kaiser. TL

Anmerkungen 1  Vgl. Schröcker, Kirchenpflegschaft (1934), 35–42. 4  M. Borgolte, Stiftung (1996), 179 (Hervorhe‑ Zur Polysemie von pfleger siehe auch Speer, Deut‑ bung TL). sches Rechtswörterbuch (2001), 925–932. 5 Vgl. Landau, Jus patronatus (1975); Siegler2 Vgl. M. Borgolte, Rolle des Stifters (1985, ND 2012), schmidt, Territorialstaat und Kirchenregiment bes. 192; Ders., Stiftungsurkunden Heinrichs II. (1987), bes. 53–126. (1993, ND 2012), bes. 263 f.; Rexroth, Deutsche Uni‑ 6 Lokale Fallstudien: Graf , Niederkirchenwesen versitätsstiftungen (1992), passim; Wagner, Univer‑ (1998), bes. 188 f.; 197 f.; Rikhof , Kapelanieën (2006), sitätsstift und Kollegium (1999), passim; Scheller, bes. 61; Rousseau, Souls (2011), bes. 39; Speetjens, Memoria an der Zeitenwende (2004); Lohse, Dauer Founder (2011). (2011), 68–71; Moddelmog, Königliche Stiftungen 7  Vgl. Marchal, Weltliches Kanonikerinstitut (2012), 20–27; 68–76; 113–118; 206–212; 224–228. (1999–2000). 3 Grundlegend hierzu: M. Borgolte, Stiftungen in 8 Vgl. Reicke, Deutsches Spital (1932, ND 1970), rechts‑ und sozialhistorischer Sicht (1988, ND 2012). bes. 39–116. Neuere Fallstudien: Knefelkamp,

Lateinische Christen

Heilig‑Geist‑Spital (1989); Pohl-Resl, Rechnen mit der Ewigkeit (1996); Hatje, Gott zu Ehren (2002). 9 Vgl. Bauernfeind, Nürnberger Seelhäuser (2010); Denley, Collegiate Movement (1991). 10  Diesen Terminus technicus prägte Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938), 6. Die ‚Dauer‑ person‘ als Stiftungsorgan ist ausdrücklich nicht gleichzusetzen mit der ‚juristischen Person‘, die als Rechtsfiktion die Dogmatik des modernen Stiftungsrechts prägt. Vgl. ebd., 29–31 und öfter. 11  Vgl. Hamburgisches Urkundenbuch, Bd. 1. Ed. Johann Martin Lappenberg. Hamburg 1842, 758, Nr. 913. Siehe dazu auch Rathjen, Schleswig im Spätmittelalter (2005), 165. 12  Vgl. Scheller, Stiftungen und Staatlichkeit (2005), bes. 214 f.; Ders., Memoria, Caritas und das Problem der Dauer (2009). 13  Diese waren ob ihrer partikularen Stiftungs‑ zwecke keineswegs Zustiftungen, sondern kön‑ nen sachgemäß als ‚angelagerte Stiftungen‘ oder ‚Beistiftungen‘ bezeichnet werden. 14  Die typologischen Termini nach Pleimes, Welt‑ liches Stiftungsrecht (1938), 75; 7; 9. 15  Vgl. Ehlers-Kisseler, Entwicklung (2003). Die Verhältnisse in den Frauenklöstern entsprachen im Wesentlichen denjenigen in den Männerkon‑ venten. Zu Pitanzierinnen und ihren männlichen Gehilfen siehe etwa Kuhn-Refus, Zisterzienserin‑ nenkloster Wald (1992), 173–175. 16  Vgl. Necrologien, Anniversarien‑ und Obö‑ dienzenverzeichnisse des Mindener Domkapitels aus dem 13. Jahrhundert. Ed. Ulrich Rasche. (MGH Libri mem. N. S. 5.) Hannover 1998, 217–236; 273– 339; Lohse, Stift und seine Stifter (2008), 283–287; Ders., Dauer (2011), 90–95. 17  Vgl. Van Baarsel, Memoriemeesters (1982). 18  Vgl. M. Borgolte, Stiftungsurkunden Hein‑ richs II. (1993, ND 2012), 263 f. 19  Die älteren Urkunden des St. Katharinenspi‑ tals in Regensburg (1145–1251). Ed. Stefan König. (Regensburger Beiträge zur Regionalgeschichte, Bd. 1.) Regensburg 2003, 86–90, hier 89 f., Nr. 15: Statuimus preterea, quod semper respectus habeatur dispensacionis circa idem hospitale ad pauperes per quatuor canonicos maioris ecclesie et totidem laicos. Canonicos: Maiorem prepositum, maiorem decanum, custodem et maiorem plebanum, quicumque fuerint pro tempore in eisdem officiis substituti. Laicos vero ad presens ibi ordinamus dominum Gozwinum

529 iuxta portam, Ainwicum et Vtonem in foro burgenses, Hawardum Kastenaer. Et si contingat, vnum eorundem decedere, septem residui octauum de communi consensu sibi eligant adiutorem. Vgl. auch Lohse, Rez. Stefan König (2004). 20 M. Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012), 312. 21 Vgl. Bartsch, Seelgerätstiftungen (1908), 45 f.; Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938), 38; Wagner, Stiftungsurkunde (2000), 146–148; 169. 22 Die Kanoniker von St. Simon und Judas in Goslar schworen bei der Aufnahme in das Kapi‑ tel etwa: Ego, N., bonas et honestas consuetudines istius ecclesie pro viribus meis servare promitto, ad quam electus sum in canonicum et in confratrem (Stadtarchiv Goslar, Bestand B, Domstift, Kopial‑ buch A, pag. 56; von einer Hand des beginnenden 13. Jahrhunderts; zit. nach Lohse, Dauer [2011], 219, Anm. 17). 23 Oxford, Bodleian Library, Ms. DD Ewelme d.42, fol. 2r: Ye shall sweere by the co[n]tentte of thatt boke that ye shall treuly kepe and obs[er]ve to the best of yo[ur] power and connuyge all and singler thies statute w[ith] in thise boke p[er]teynge to yow (…) aft knowledge of them be Gifen to yow (…). Zit. nach Goodall, God’s House at Ewelme (2001), 223. Eine Transkription der Statuten ebd., 223–255; eine Analyse der Verwaltungsstrukturen von Ewelme im Vergleich mit anderen englischen Armenhaus‑Stiftungen des Spätmittelalters ebd., 109–121. 24 Oberrheinische Stadtrechte, Bd. 2.2: Überlin‑ gen. Ed. Fritz Geier. Heidelberg 1908, 220, Nr. 34.36: Item ir werden sweren, den hailigen und irn gotzheusern nutz und frommen zů fürdern und irn schaden zů wenden, und was üch allen und üwer jeglichen besonder der hailigen und der kirchen gůts inwirdet, (…) n a c h a i n s r a t s e r k a n n t n u ß b e w e n d e n , und der hailigen gůt und gelt zů üwerm aigen nutz nit bewenden n o c h h i n z e l i c h e n , o n e m i n e r h e r r e n u n d w i l l e n (Hervor‑ hebung TL). Vgl. dazu Schultze, Stadtgemeinde und Kirche (1914), 129–134. 25 Vgl. Scheller, Stiftungen und Staatlichkeit (2005), bes. 217 f. 26 Vgl. Ernst, Biberacher Kirche (1898), hier 47. Siehe auch ebd., 41. 27 So ordnet es der zweite Artikel einer kom‑ munalen Kapellenordnung aus dem frühen

530 15. Jahrhundert an, aus der Reicke, Stadtgemeinde und Stadtpfarrkirchen (1926), 89, zitiert. Die ebd., 88, Anm. 1, genannte Signatur (Staatsarchiv Nürn‑ berg, VI, 102/2, Nr. 1209) bezieht sich vermutlich auf einen vorübergehenden Lagerort; das Stück ist anhand dieser Angabe heute jedenfalls nicht mehr auffindbar (freundliche Mitteilung des Lei‑ tenden Archivdirektors PD Dr. Peter Fleischmann vom 11. 2. 2015). 28 Grundlegend Kuchenbuch, Ordnungsverhal‑ ten (1997). 29 Vgl. Kuchenbuch, Verrechtlichung (1991); Heidrich, Befragung (1998). 30 Beispiele bei: Lohse, Dauer (2011), 84–88; 224–228. 31 Ein besonders eindrucksvolles Zeugnis hier‑ für ist die kommentierte Abschrift des Prümer Urbars von 893, die Abt Cesarius von Milendonk im Jahre 1222 anfertigte. Vgl. Das Prümer Urbar. Ed. Ingo Schwab. (Publikationen der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde, Bd. 20; Rheini‑ sche Urbare, Bd. 5.) Düsseldorf 1983; siehe dazu auch Kuchenbuch, Achtung vor dem alten Buch (1995). 32 Vgl. Wedell, Zählen (2011). 33 Siehe jetzt aber die wegweisende Studie von Haas, Leben im Kollegiatstift (2011). 34 Beispiele bei Lohse, Dauer (2011), 193–195. 35 Zum Folgenden ebd., 196–214. 36 M. Borgolte, Stiftung, Staat und sozialer Wan‑ del (2002, ND 2012), 96 (unter Bezug auf Claudia Moddelmog). 37 Ein Beispiel: Lohse, Goslarer Pfalzstift (2002/ 2003), 97–100. 38 Vgl. Wollasch, Konventsstärke und Armensor‑ ge (1988), 194–196; Wagner, Stiftungsurkunde (2000), 153–162; Hugener, Buch des Lebens (2014), bes. 219– 222. 39 Ein Beispiel: Lohse, Dauer (2011), 107–116. Ei‑ nen etwas anders gelagerten Fall erörtert Moddelmog, Königliche Stiftungen (2012), 128 f. 40  Vgl. Lohse, Goslarer Pfalzstift (2002/2003), 101 f. mit Anm. 64 (weitere Beispiele).

Stiftungsorganisation

41  Vgl. zum Folgenden Pleimes, Weltliches Stif‑ tungsrecht (1938), 39–47.

42  Rexroth, Stiftungen (2000), 125. 43  Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938), 43 f. Siehe auch Lentze, Begräbnis (1950), 358–361.

44  Urkundenbuch der Stadt Strassburg, Bd. 3.

Ed. Aloys Schulte. (Urkunden und Akten der Stadt Strassburg, Bd. 1.3.) Straßburg 1884, 13 f., Nr. 39, hier 14: Swie aber dise frowen von sant Elsabethe dise vorgeschriben ding niht entůnt, als da obenan bescheiden ist, so wil ich das dis gelt alles hoͤre zů den gůten liuten zů Rotenkirchen. tůnt aber die gůten liute niht das das oͧ ch sie mir tůn sulnt, so sol das gelt das ich in bisetzet habe das sol hoͤren zů sant Elsabethe. 45  Vgl. Johrendt, Papsttum und Landeskirchen (2004), 149–154; 200–208. 46  Vgl. Bloch, Klosterpolitik Leos IX. (1930); Dahlhaus, Anfänge (1991), 423; 427; Oberste, Papst Leo IX. (2006); Lohse, Dauer (2011), 67 f. – Bei der Erforschung der Exemtionen spielt die Perspekti‑ ve des Stifters bislang keine nennenswerte Rolle. Vgl. exemplarisch Kéry, Klosterfreiheit (2012), mit ausführlicher Diskussion der älteren Literatur. 47  Vgl. Oberste, Dokumente der klösterlichen Visitationen (1999). 48  Statuts, chapitres généraux et visites de l’Ordre de Cluny, Bd. 2. Ed. Gaston Charvin. Paris 1967, 1–4, Nr. 131: Apud Marciniacum sunt XVIII monachi cum priore. Officium divinum ibidem honeste celebratur sicut consuetum est. (…) Predecessores istius prioris alienaverunt redditus anniversarium domini Johannis episcopi Masticonensis in manu seculari, nec fit ibidem officium dicti episcopi, nec refectio datur monialibus diebus statutis, unde moniales non minime conqueruntur. (…) Correximus alia que ibidem reperimus corrigenda. Zum Verhältnis von Mönchen und Nonnen in Marcigny siehe Wischermann, Marcigny‑sur‑Loire (1986), 83–87. 49  Vgl. Grewolls, Kapellen (1999). 50 Ein Beispiel: Lohse, Dauer (2011), 73–80. Grundsätzlich: M. Borgolte, König als Stifter (2000, ND 2012), 312–314.

Muslime

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13.3  Muslime 13.3.1  Allgemeines Die unterschiedlichen Stiftungen, ob kleine Familienstiftungen oder große öffentli‑ che Stiftungen, benötigten zur Erfüllung ihrer Aufgaben eine zum Teil aufwändi‑ ge Stiftungsorganisation. So wie die Be‑ günstigten einer Stiftung in der waqfīya genau bezeichnet sind, so entsprechen jeder Gruppe von Begünstigten Bestim‑ mungen, die die Verwaltung der Stiftung betreffen. Dies wurde in den waqfīyas in der Regel präzise dargelegt. So wurden im Fall von größeren Stiftungen bereits in diesem Dokument die Grundlagen für einen großen, ambitionierten und unter Umständen geographisch weit verstreuten Verwaltungsapparat gelegt, die später nur unter bestimmten Bedingungen geändert werden konnten. Quellen für die Stiftungs‑ organisation sind folglich überwiegend die waqfīyas selbst; daneben stehen ju‑ ristische und historische Werke, letztere vor allem aus der mamlūkischen Zeit, in denen besonders die Stiftungen von Herr‑ schern, wichtigen Emiren und Gelehrten beschrieben wurden. Den Bestimmungen des Stifters, nieder‑ gelegt in der waqfīya, wurde eine beson‑ dere Autorität beigemessen: Die Formu‑ lierung qawl al-wāqif ka-naṣṣ aš-šāriʿ (‚die Rede des Stifters ist gleich dem Text des göttlichen Gesetzgebers‘) in juristischen Werken und vielen waqfīyas ist Ausdruck dieser Bedeutung.1 Die Verwaltung der Stiftung wurde als wilāya (‚rechtliche Gewalt‘) bezeichnet 2, wobei sich die rechtliche Qualität der ver‑ schiedenen mit der Verwaltung beauftrag‑ ten Funktionsträger unterschied. Wir kön‑ nen in der Regel drei verschiedene Ebenen

in der Struktur der Verwaltung ausmachen: (1.) Zunächst die Person, die entsprechend den Bestimmungen des Stifters mit den Ver‑ waltungsaufgaben (wilāya) betraut wurde. Sie wurde als mutawallī (nāẓir und qayyim sind regionale Varianten) bezeichnet, was gewöhnlich mit ‚Verwalter‘ übersetzt wird. (2.) Eine Reihe von Personen, die – vor allem bei größeren Stiftungen – dem Verwalter untergeordnet waren; diese Leute unter‑ stützten ihn bei seiner Arbeit, zogen die Miet‑ und Pachtzahlungen ein, führten die Rechnungsbücher und so weiter. (3.) Der In‑ spektor (oft nāẓir genannt), der den Verwal‑ ter beaufsichtigte. Diese Position findet sich nicht in allen Stiftungen; als Grundregel kann festgehalten werden, dass größere, vor allem auch öffentliche Stiftungen eine zu‑ sätzliche Kontrollinstanz vorsahen. Wie das Eigentum von Waisen standen auch Stiftun‑ gen unter einem besonderen Schutz, was dem Richter (qāḍī) besondere Rechte ein‑ räumte. Er war es, der die Aufsichtsfunk‑ tion wahrnahm, falls kein nāẓir bestimmt wurde, und der den Verwalter (mutawallī) ernannte, falls dieser Posten vakant war oder der Stifter keine entsprechenden Vor‑ kehrungen in der waqfīya getroffen hatte. Ebenfalls überwachte er die Rechnungsfüh‑ rung der Stiftungen und musste bestimm‑ te das Stiftungsgut (mawqūf ) betreffende Transaktionen bestätigen. Dazu gehörten langfristige Mietverträge (iǧāra ṭawīla), der Gütertausch (istibdāl) oder Kreditanträge (istidāna), um Teile des Immobilienbesitzes instandzusetzen. Im Verlauf der Jahrhunderte werden die Informationen zu der Stiftungsorganisa‑ tion und zu den Verwaltern der Stiftung

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reichhaltiger, und zwar in dem Maße, in dem Stiftungen zu einem gesamtgesell‑ schaftlichen Phänomen wurden. Für die Frühgeschichte fehlen uns hingegen vie‑ le Informationen, da kaum dokumenta‑ rische Quellen vorhanden sind und auch die beiden waqf ‑Traktate des 9. Jahrhun‑ derts u. Z., Hilāl ar‑Rāʿīs ‚Aḥkām al‑waqf‘ und al‑Ḫaṣṣāfs ‚Aḥkām al‑awqāf‘, nicht sehr ausführlich auf die Stiftungsorgani‑ sation eingehen.3 Zwei große Bereiche lassen sich bei der Verwaltung von Stiftungen identifizieren, die zu Konflikten zwischen verschiedenen gesellschaftlichen Interessen führten und in denen sich eine besondere Dynamik bei der Entstehung neuer Rechtsnormen zeigt: Zum einen ist dies der Bereich der staatlichen Einflussnahme auf Stiftungen. In dem Maße, in dem die awqāf signifikan‑ te Teile des Land‑ und Immobilienbesitzes kontrollierten, kam es oft zu Versuchen staatlicher Einflussnahme und zur Ein‑ bindung der einzelnen Stiftungen (die de jure unabhängige Institutionen waren) in staatliche Verwaltungsstrukturen. Der andere Bereich ist die Vermietung und Verpachtung des Stiftungsgutes zur Erzie‑ lung eines für die Aufgaben der Stiftung notwendigen Ertrages. Die Prämisse des ewigen Bestandes der Stiftung (taʿbīd) kol‑ lidierte mit den vielfältigen Risiken, denen ihr Eigentum ausgesetzt war, seien es Zer‑ störungen durch kriegerische Auseinan‑ dersetzungen oder Naturkatastrophen, sei es einfach der Zahn der Zeit, der immer wieder Restaurierungen und Renovierun‑ gen notwendig machte, für die eine Finan‑ zierung gefunden werden musste. Falls Stiftungen diese finanziellen Mittel nicht aufbringen konnten, musste Kapital aus anderen Quellen beschafft werden. Mögli‑ che Investoren erwarteten jedoch attrakti‑ ve Bedingungen für ihre Investitionen, die in der Regel mit dem Erwerb besonderer

Stiftungsorganisation

Rechte, die einer Teilprivatisierung von Stiftungseigentum gleichkamen, einher‑ gingen. Hierfür wurden verschiedene Ver‑ tragsformen entwickelt, die oft zu einer stärkeren Beteiligung der Richter an der Verwaltung der Stiftung führten, die die Verträge bestätigen mussten. 13.3.2  Verwaltung Das wichtigste Organ der Stiftungsorgani‑ sation war ohne Zweifel der mutawallī, der mit dem täglichen Geschäft der Stiftungs‑ verwaltung betraut war und die ‚private rechtliche Gewalt‘ (wilāya ḫāṣṣa), über die Stiftung ausübte. Die rechtliche Gewalt des Richters war dagegen allgemeiner Natur (wilāya ʿāmma) und stand über der des Verwalters; er konnte mithin Entscheidun‑ gen des Verwalters außer Kraft setzen und musste ohnehin in verschiedenen Fällen konsultiert werden.4 (→ 13.3.3) In der Regel bestimmte sich der Stifter selbst zum ersten Verwalter, lediglich die mālikītische Schule erlaubte dies nicht. Der Verwalter der Stiftung musste bestimmte Kriterien erfüllen; so musste er volljährig und geschäftsfähig sein sowie vertrauen‑ erweckend und kompetent. Außer bei den Ḥanafīten musste er männlich und mus‑ limisch sein (Stiftungen von Angehörigen der ḏimmī‑Gemeinden konnten auch von einem Vertreter der jeweiligen Religions‑ gruppe verwaltet werden). Oft verblieb das Amt des Verwalters bei den Nachkommen des Stifters; die Juristen räumten ihnen sogar ein besonderes Recht an der Verwal‑ tung der Stiftung ein. So sollte der Richter bei Vakanz dieser Position ein Familienmit‑ glied ernennen, sofern dieses kompetent sei. Diese Stellung, die sich in besonderen Rechten und einer besonderen Verantwor‑ tung für die Stiftung äußerte, konnte bei öffentlichen Moscheestiftungen auch die

Muslime

Moscheegemeinde einnehmen; sie genoss eine privilegierte Stellung, da sie zum Bei‑ spiel den Verwalter der Moscheestiftung bestimmen durfte.5 Falls die Position des mutawallī vakant blieb, etwa weil entsprechende Bestim‑ mungen in der waqfīya fehlten oder die in diesem Dokument festgelegten Bestim‑ mungen nicht mehr anwendbar waren, lag es beim Richter, einen mutawallī zu be‑ stimmen oder die Verwaltung der Stiftung selbst auszuüben.6 Die Arbeit der Stiftungsverwaltung begann in dem Moment, in dem die Stif‑ tung rechtsgültig wurde, in der Regel mit der Übergabe des Stiftungsgutes an den mutawallī. Bei den Mālikīten wird dieser Vorgang als hiyāza bezeichnet; er war für die Gültigkeit des Stiftungsaktes erforder‑ lich. Eine Ausnahme bildeten bewegliche Stiftungsgüter wie Waffen und Reittiere, denn sie konnten im Besitz des Stifters bleiben.7 Die Frage, ob Begünstigte selbstständig ohne einen offiziell bestellten Verwalter die Stiftung verwalten dürften, wurde kontrovers diskutiert; von einigen Rechts‑ schulen (Šāfiʿīten, Ḥanbalīten, Imāmīten) wurde dies akzeptiert, da die Nutznießer bestimmte Besitzrechte (milk al-manfaʿa) am Ertrag der Stiftung hätten.8 So könnten nach Ansicht des ḥanbalītischen Juristen Ibn Qudāma (gest. 1223) die Begünstigten (al-mauqūf ʿalayh) die Verwaltung ausüben, falls der Stifter keinen Verwalter bestimmt habe oder dieser ohne Nachfolger sterbe.9 Die im Jahr 1309 u. Z. ausgestellte waqfīya des Wesirs und Gelehrten Rašīd ad‑ Dīn, die einen Komplex religiöser und ge‑ lehrter Einrichtungen von der Größe eines Stadtviertels in Täbris umfasste, ist einer der ältesten und detailliertesten Stiftungs‑ texte des iranischen Raums.10 Zugleich han‑ delt es sich um ein gutes Beispiel dafür, wie bei einer typischen gemischten Stiftung (die

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eine Hälfte der Einnahmen kam den vom Stifter gegründeten Einrichtungen zugute, die andere Hälfte seinen Nachkommen) die wichtigen Funktionen der Stiftungs‑ verwaltung bei der Familie verblieben. Der Stifter hatte drei Funktionsträger in der Verwaltung vorgesehen: Zum einen den Stiftungsverwalter (mutawallī), zum Zweiten einen Rechnungsprüfer (mušrif ) und schließlich drittens einen Aufseher (nāẓir), der den mutawallī vertrat. Zu seinen Lebzeiten hatte der Stifter Rašīd ad‑Dīn die drei Funktionen offenbar selbst ausgeübt; danach sollten sie an seine Söhne und deren männliche Nachkommen übergehen. Weib‑ liche Nachkommen sollten erst zum Zuge kommen, wenn es keine männlichen Nach‑ kommen mehr gebe.11 Die Bevorzugung der agnatischen Linie ist durchaus typisch für viele Familien‑ und gemischte Stiftungen. Die Verwaltung einer derart großen Stif‑ tung war aber auf die Unterstützung durch vertrauenswürdige Personen angewiesen, die als ʿummāl (‚Agenten, Eintreiber‘) und ruʾasāʾ (‚Oberhäupter, Vorsteher‘) bezeich‑ net wurden.12 Bevor der mutawallī aus den Erträgen der Stiftung Beträge an Begünstigte aus‑ zahlte oder für den laufenden Betrieb der begünstigten Institutionen ausgab, musste er notwendige Reparaturen und andere Instandsetzungsarbeiten an den Immobi‑ lien der Stiftung durchführen lassen. Diese Bestimmung findet sich bereits in einer der ältesten heute bekannten waqfīyas: Der fatimidische Wesir Ṭalāiʿ ibn Ruzzīk be‑ stimmte in seiner Stiftung aus dem Jahr 1159 die Priorität der Ausgaben für die bauliche Instandhaltung (al-bidāya bi-ʿimāratihā).13 Dem Verwalter, sowie auch allen an‑ deren Stiftungsorganen, stand für ihre Arbeit eine Entlohnung zu, die oft bereits in der waqfīya genau festgelegt war. Ein Richtwert, den die Juristen für die Bezüge des Verwalters anvisierten, lag bei zehn

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Prozent der Einnahmen der Stiftung.14 Der Stifter hatte allerdings das Recht, die Höhe dieses Betrages selbst zu bestimmen. Aufschluss darüber, wie Stiftungen tat‑ sächlich verwaltet wurden, geben doku‑ mentarische Quellen aus der Arbeit der verschiedenen Stiftungsorgane. Diese sind aus der Zeit vor 1500 u. Z. nur in wenigen Bereichen der islamischen Welt überliefert. Aus dem iranischen Raum besitzen wir etwa nur einige vereinzelte Dokumente. Für das mamlūkische Ägypten ist der Quellen‑ bestand deutlich besser und entsprechend besser erforscht, etwa die weiter unten be‑ handelten Stiftungsdokumente des Sultans Qansūh al‑Ġūrī und des Yaḥyā b. as‑Saifī Ṭūġān. Aber selbst die mamlūkischen Ar‑ chive betreffen im Wesentlichen nur die Stiftungen der Sultane und anderer bedeu‑ tender Persönlichkeiten des Reiches. Eine wichtige osmanenzeitliche Quelle ist bereits vereinzelt auch für die voros‑ manische Zeit herangezogen worden15: Es handelt sich um die Steuerlisten (tahrir defterleri), die nach der Eroberung durch die Osmanen in den neuen Provinzen er‑ stellt wurden. Diese Registerserien enthal‑ ten neben den Listen aller zu besteuern‑ den Güter (Land, Märkte oder Haushalte) ebenfalls Bände, die aus einer Aufzählung von Stiftungen in einer bestimmten Pro‑ vinz bestehen. Diese Verzeichnisse wur‑ den von Inspektoren in Zusammenarbeit mit lokalen Stellen (Notabeln, Richtern und Beamten) erstellt und enthalten neben einer Aufzählung der Stiftungsgüter – oft mit den Erträgen, die sie erzielen konnten – eine kurze Zusammenfassung der Bestim‑ mungen der waqfīya. Das Register TD 602 der Provinz Damaskus aus der Zeit um 1583 ist besonders reich an Informationen und wurde bereits für Untersuchungen zur Mamlūkenzeit herangezogen.16 Die Regis‑ ter sind beinahe die einzige Möglichkeit, Informationen über kleinere und mittlere

Stiftungsorganisation

Familien‑ wie öffentliche Stiftungen zu erhalten, die nicht von wichtigen Reprä‑ sentanten des Staates errichtet wurden. Die Vorgabe der Juristen, dass der Ver‑ walter der Stiftung (mutawallī, nāẓir) mit zehn Prozent der Stiftungserträge entlohnt werden könne, wird von einem Teil dieser Dokumente bestätigt. Dies trifft etwa für die Stiftung von Šihāb ad‑Dīn Aḥmad ibn Šaraf ad‑Dīn Maḥmūd ibn al‑ʿAdawī aus dem Jahr 1447/1448 zu, die im Übrigen für Koranlesungen zum Seelenheil des Stif‑ ters, für die Verteilung von Kleidung an Bedürftige sowie für die Nachkommen des Stifters bestimmt war.17 In anderen Fällen war ‚die Hälfte von zehn Prozent‘ (niṣf ʿušr) für den Verwalter vorgesehen.18 Nicht nur die Verwalter, sondern auch die verschiedenen anderen Funktionsträ‑ ger im Bereich der Stiftungen erhielten regelmäßige Einkommen. Es war nicht unumstritten, Tätigkeiten, die mit der Durchführung der Gebete und mit dem Unterrichten des Korans zusammenhingen, zu entlohnen. Die Motivation dazu sollte nämlich eigentlich die Tätigkeit selbst dar‑ stellen. In der Idealvorstellung der Juristen sollten der Staat, in Form der Staatskasse (bait al-māl), und die spontane Spendenbe‑ reitschaft der Gemeinde die Inhaber dieser Positionen ausreichend unterstützen. Weil dies aber nicht (oder, im Sinne der Juris‑ ten, nicht mehr) der Fall war, bestand die Notwendigkeit (ḍarūra), die Beschäftigten in den Moscheen und anderen religiösen Institutionen für ihre Arbeit zu entlohnen. Wie die Art dieser Bezahlung auszusehen hatte, wurde von den Juristen kontrovers diskutiert. Unzufrieden damit, dass dem Moscheepersonal für seine Dienste eine uǧra, eine vertraglich festgelegte Entloh‑ nung für eine definierte Arbeitsleistung, gezahlt werden sollte, kombinierten sie die Eigenschaften der uǧra mit denen der ṣila; das war die einer Pension ähnliche

Muslime

Zuwendung, die den Empfänger zu kei‑ ner Gegenleistung verpflichtete, ihm aber auch keinen starken Rechtsanspruch auf die Zahlung einräumte. Diese neuen Zu‑ wendungen werden in den Rechtstexten murattabāt, zawāʾid oder ǧāmakīya genannt; die zuletzt genannte Bezeichnung findet sich üblicherweise in mamlūkischen Ur‑ kunden und Chroniken und meint neben den Zuwendungen an die Beschäftigten der Stiftungen auch Pensionen an Mamlūken im Ruhestand. Dabei handelte es sich um Zahlungen, normalerweise monatlich, für die Erfüllung einer bestimmten Aufgabe, zum Beispiel an den Imam einer Moschee. Der Inhaber eines solchen Postens musste allerdings bei Aufgabe seiner Arbeit in der Regel die bereits erhaltene Entlohnung nicht zurückerstatten. Sein Anspruch auf den Posten und die Entlohnung erlosch ebenso wenig bei einer Abwesenheit von – je nach Lehrmeinung – 15 Tagen bis zu drei Monaten.19 Alle Funktionsträger einer Stiftung (aṣḥāb al-waẓāʾif ) sollten nach diesem Prin‑ zip entlohnt werden. Unter den vorgese‑ henen Aufgaben (waẓāʾif ) wurden einige als ‚šaʿāʾir‘ hervorgehoben (Sg. šaʿīra, etwa ‚religiöse Zeremonien, rituelle Praktiken‘). Sie hatten bei finanziellen Schwierigkeiten der Stiftung einen Vorrang vor den anderen Aufgaben, weil sie für das gute Funktio‑ nieren der Institution notwendig waren und das ‚geistige Gebäude‘ (al-ʿimāra almaʿnawīya) der Institution bildeten. Im Falle einer Moschee waren dies zum Beispiel der Imam, der Muezzin und der Prediger (ḫaṭīb), aber auch der farrāš, der die notwendigen manuellen Arbeiten in der Moschee erle‑ digte, sowie der Verwalter (mutawallī) der Stiftung.20 Das ‚geistige Gebäude‘ stand damit in der Reihe der privilegierten Aus‑ gaben direkt hinter der Instandhaltung der Stiftungsgüter; beide hatten absoluten Vorrang vor Zahlungen an Begünstigte.

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Die Entlohnung für Stiftungsverwal‑ ter konnte außerdem deutlich höher und damit attraktiver sein. Der nāẓir von Sa‑ ladins Stiftung zugunsten der von ihm in Kairo gegründeten madrasa as-Suyufīya, der Gelehrte Maǧd ad‑Dīn Muḥammad al‑Ḫutanī (gest. 1180), gleichzeitig mit der Lehre in der madrasa betraut, erhielt 11 Golddinar pro Monat.21 Die relativ hohen Entlohnungen sind sicherlich im Zusam‑ menhang mit dem sogenannten ‚Sunni Revival‘ zu verstehen, das die Politik der Seldschuken, Zangiden und Ayyūbiden be‑ stimmte: Schiitisch‑fatimidische Einflüsse sollten zurückgedrängt werden; zu diesem Zweck wurden Medresen und Sufi‑Kon‑ vente gegründet und sunnitische Gelehrte aus anderen Regionen – vor allem Zentral‑ asien – angeworben. Der Nachfolger von Maǧd ad‑Dīn al‑Ḫutanī sollte ebenfalls ein Gelehrter ( faqīh) sein.22 Andere madrasa‑ Stiftungen von Saladin und seinem Sohn al‑Malik al‑ʿAzīz in Ägypten hatten sogar noch höhere Entlohnungen von 40 bezie‑ hungsweise 60 dīnār für die Lehre vorge‑ sehen, um entsprechend qualifizierte und bekannte ʿulamāʾ zu rekrutieren.23 Nicht in allen Fällen waren die Aus‑ führungsbestimmungen der waqfīya bis in alle Ewigkeiten konzipiert. Es gab im Wesentlichen zwei Wege, diese Bestim‑ mungen zu verändern. Zum einen hatte der Richter im Zuge seiner besonderen Rechts‑ autorität über die Stiftungen die Möglich‑ keit, einerseits im Sinne und zum Nutzen der Begünstigten der Stiftung zu handeln, andererseits das Gemeinwohl (maṣlaḥa) zu schützen. Er hatte zum Beispiel die Macht, unfähige oder korrupte Verwalter abzusetzen oder auch einen Gütertausch (istibdāl) zu legalisieren, selbst wenn der Stifter diese Möglichkeit in der waqfīya explizit ausgeschlossen hatte.24 Zum an‑ deren hatte aber auch der Stifter selbst nach dem Stiftungsakt und nachdem die

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Stiftung rechtskräftig geworden war noch die Möglichkeit, begrenzte Änderungen an den Ausführungsbestimmungen (šurūṭ) vorzunehmen; er konnte diese Befugnis in der waqfīya auch späteren Verwaltern zu‑ gestehen. Bei Änderungen dieser Art han‑ delte es sich zum einen um die Erhöhung und Verminderung (ziyāda wa-nuqṣān) der Anteile für die einzelnen Begünstigten der Stiftung beziehungsweise um Zuwendun‑ gen an Beschäftigte der einzelnen Institu‑ tionen. Andere Bestimmungen betrafen das Ergänzen oder die Entfernung (idḫāl wa-iḫrāǧ) von einzelnen Destinatären der Stiftung. Beide Verfügungsrechte gaben Stif‑ tern und Verwaltern noch mehr Flexibilität in der Verwaltung der Stiftung. Die Juris‑ ten versuchten diese ‚Beliebigkeit‘ durch das Verbot zu relativieren, eine derartige Veränderung ihrerseits erneut zurückzu‑ nehmen oder zu korrigieren. Es sollte sich also – wenigstens in der juristischen Theo‑ rie – um einmalige Aktionen handeln.25 Die Transformationen hinterließen in der Regel wohl wenig schriftliche Spuren; deshalb ist das Ausmaß solcher Verfügungen in der Verwaltungspraxis der Stiftungen schwer abzuschätzen. Die zum Teil recht theoretisch anmu‑ tenden Bestimmungen über nachträgli‑ che Veränderungen an den Dispositionen der Stiftung lassen sich am besten an‑ hand eines konkreten Falles illustrieren. Die Stiftung des Yaḥyā b. as‑Saifī Ṭūġān b. ʿAbdallāh al‑Ḥasanī, die vom 28. Šawwāl 870 (13. Juni 1466 u. Z.) datiert, ist durch eine Urkundenrolle mit Transaktionen über einen Zeitraum von mehr als zwan‑ zig Jahren dokumentiert.26 Der Stifter ge‑ hörte zu der Gruppe der awlād an-nās, der Mamlūkennachkommen, die zwar in der Regel von der politischen Macht ausge‑ schlossen waren, aber ansonsten durch‑ aus ein privilegiertes Leben führten und deshalb zahlreiche Stiftungen gründen

Stiftungsorganisation

konnten. In diesem Fall hatte der Stifter Yaḥyā b. Ṭūġān in der ursprünglichen waqfīya nachträgliche Veränderungen (taʿdīl šurūṭ al-waqf ) an der Anzahl der Be‑ günstigten und der Höhe ihrer Ansprüche erlaubt.27 Drei Wochen nach der Ausferti‑ gung der waqfīya änderte er ihre Ausfüh‑ rungsbestimmungen: Er entfernte seine erste Frau Šīrīn aus der Liste der Nutznie‑ ßer und übertrug ihren Anteil am Ertrag von 5 % zu gleichen Teilen auf seine Kinder Muḥammad, Faḍl und Zahrā, denen er in der ursprünglichen Urkunde bereits die Hälfte des Stiftungsertrages zugestanden hatte.28 Etwa 20 Jahre nach dem Stiftungs‑ akt wurden einige weitere Transaktionen auf der Dokumentenrolle registriert, die Auswirkungen auf die künftige Verwaltung der Stiftung hatten; so finden wir zwei Tauschgeschäfte (istibdāl) und drei Verkäufe von Immobilien.29 Die Auswertung der mamlūkischen Dokumentenrollen erlaubt, Aspekte der Verwaltung überwiegend herrscherlicher Stiftungen nachzuvollziehen. Die Stiftun‑ gen zeigen sich als dynamische Unterneh‑ mungen, die – die Möglichkeiten des Stif‑ tungsrechts ausnutzend – das Stiftungsgut flexibel in Wert setzten, austauschten und sogar verkauften sowie, auf der Ausgaben‑ seite, die Anteile der einzelnen Begünstig‑ ten erhöhten beziehungsweise minderten oder diese ganz aus der Liste der Begüns‑ tigten entfernten. Das islamische Stiftungswesen wird in der Forschung bislang im Wesentlichen als ein urbanes Phänomen wahrgenom‑ men. Dies liegt vor allem daran, dass Stif‑ ter, Stiftungsverwalter und Begünstigte ganz überwiegend in Städten lebten, auch wenn sich die Stiftungsgüter zu einem gro‑ ßen Teil außerhalb der Städte befanden. Entsprechend wurden schriftliche Doku‑ mente überwiegend im urbanen Umfeld produziert. Es gab aber wohl auch religiöse

Muslime

Stiftungen mit Zentren im ländlichen Raum. Eine Gruppe von Dokumenten, die erst in der jüngeren Vergangenheit entdeckt und ausgewertet werden konnte, lässt we‑ nigstens für das mittelalterliche ländliche Ägypten erste Aussagen über die Institution der rizaq iḥbāsīya (etwa ‚gestiftete Güter‘) zu. Nicolas Michel, einer der ersten, der die‑ se Dokumente analysiert hat, unterstreicht die Differenz dieser Stiftungen zum waqf ; zum einen wird diese Unterscheidung be‑ reits in den mamlūkischen Quellen selbst getroffen, zum andern sind die Begünstig‑ ten einiger rizaq koptische Klöster. Die Stif‑ tungen lassen sich bis in die ayyūbidische Zeit zurückverfolgen und sind zum ersten Mal im Jahr 1315 von der mamlūkischen Finanzverwaltung registriert worden und damit in das Blickfeld staatlicher Verwal‑ tung gerückt.30 Über die Entstehung dieser Stiftungen ist nicht viel bekannt; gelegent‑ lich werden in den Quellen Namen von Stif‑ tern genannt, die darauf hindeuten, dass es sich wenigstens in den meisten Fällen wohl um individuelle Stiftungsakte handel‑ te. Ein osmanisches Dokument, basierend auf einem mamlūkischen Kataster aus dem Jahr 1315, belegt, dass Einnahmen aus den Ländereien der Dörfer für wichtige religiö‑ se und kommunale Aufgaben verwendet wurden, etwa für die Finanzierung der örtlichen Moschee.31 Die großen Stiftungen der Sultane und anderer wichtiger Funktionsträger konn‑ ten aufwändige Stiftungsorgane beschäf‑ tigen. Ein gutes Beispiel ist die Stiftung des mamlūkischen Sultans Qansūh al‑ Ġūrī (gest. 1516). Die Bestimmungen in der waqfīya schufen nicht nur einen an‑ spruchsvollen Verwaltungsapparat, son‑ dern verknüpften diesen auch nachhaltig mit dem Stifter und dem mamlūkischen Staat. So sollten 30 dīnār an den Stifter gehen, nach seinem Tod an den jeweiligen Sultan, der als erster Verwalter (nāẓir auwal

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kabīr) fungierte. Der Sohn des Stifters, und nach dessen Tod der fähigste seiner Nach‑ kommen, wurde zum zweiten Verwalter (nāẓir ṯānī) für monatlich 20 dīnār ernannt. Jeweils 10 dīnār sollten zwei stellvertretende Verwalter (nāʾib nāẓir) aus dem Kreis der Vertrauten des Sultans erhalten. Eher prak‑ tische Tätigkeiten wurde in dirham bezahlt. Ein dīnār entsprach 20 dirham, eineinhalb bis zwei dīnār entsprachen gegen 1300 in etwa dem Existenzminimum.32 Je 2 000 dirham sollten zwei Aufseher (šādd) erhal‑ ten, die unter den Freigelassenen des Sul‑ tans ausgewählt wurden. Ihre Aufgabe be‑ stand darin, die Erträge der Stiftungsgüter einzuziehen und daraus die notwendigen Instandhaltungsarbeiten zu finanzieren. Je 1 000 dirham sollten vier Inspektoren (mušrif ) erhalten, die die Ausführungsbe‑ stimmungen der waqfīya überwachten und dem nāẓir Auskunft darüber gaben. Je 2 500 dirham waren für einen šafiʿītischen und einen ḥanafītischen Richter vorgesehen, ohne dass deutlich wird, für welche konkre‑ te Aufgabe sie entlohnt wurden. Khaled A. Alhamzah nimmt an, dass sie Urteile und Entscheidungen ausführen sollten, die die Verwaltung der Stiftung betrafen. Beide Positionen wurden zu einem späteren Zeit‑ punkt wieder entfernt. Weitere Stellen der Verwaltung umfassten einen Buchhalter (kātib al-waqf ), insgesamt vier Zeugen oder Notare (šāhid), die Einnahmen, Ausgaben und Mietverträge bestätigen sollten, einen Boten (birdārī) sowie einen Zahlmeister (ṣarrāf ), der die Geldbeträge verwaltete und auf Anordnung des nāẓirs ausgeben sollte. Zusätzlich zu diesen Entlohnungen waren Brotzuteilungen für alle Bediens‑ teten der Stiftung, nicht nur für die in der Verwaltung tätigen, vorgesehen.33 Die verfügbaren Quellen, vor allem die administrativen Dokumente, wie die siǧill der Richter, oder die verschiedenen Ein‑ träge in den ägyptischen mamlūkischen

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Dokumentenrollen, die verschiedene Trans‑ aktionen im Anschluss an die waqfīya be‑ trafen, informieren uns nur sehr lückenhaft über die täglichen Geschäfte der Stiftung und damit über die Tätigkeit der Verwalter, Buchhalter, Inspektoren oder Richter. Dies hat mehrere Gründe. Zum einen sind die Rechnungsbücher und die Mietverträge über das Stiftungsgut, sofern letztere über‑ haupt eine Schriftform hatten, entweder nicht erhalten oder bislang nicht zugäng‑ lich, zum anderen mussten ‚gewöhnliche‘ Mietverträge nicht von Richtern approbiert werden, weshalb sie auch nicht in den Ar‑ chiven (siǧill) der Richter erscheinen. Ledig‑ lich die bereits erwähnten Transaktionen, die zum Teil eine nachhaltige Veränderung der Struktur der Stiftung mit sich brachten und aus diesem Grund vom qāḍī bestätigt werden mussten (→ 13.3.1), wurden auf der Dokumentenrolle der waqfīya registriert. Bei diesen Transaktionen handelte es sich vor allem um den Gütertausch (istibdāl); juristisch war er wegen des möglichen Missbrauchs umstritten. Sonst wurde er aber allgemein akzeptiert, da mit ihm ein wirksames Instrument in die Hände der Stifter gelangt war, um neue städtebau‑ liche Maßnahmen in die Wege zu leiten und überhaupt neue Stiftungen von Rang zu gründen.34 Die großen mamlūkischen Stiftungen sollten im Zentrum Kairos ent‑ stehen, wo natürlich bereits Bauten standen, die teilweise in Stiftungsbesitz waren. Seit der Zeit des Sultans Faraǧ ibn Barqūq (gest. 1412) scheint das Werkzeug des istibdāl in großem Maße Verwendung gefunden zu haben, um die Wünsche herrscherlicher Stif‑ ter nach neuem Bauland zu befriedigen.35 Mietverträge (iǧāra) für Baulichkeiten waren auf ein Jahr beschränkt, für Lände‑ reien in der Regel auf drei Jahre, da nicht in jedem Jahr ein Ernteertrag zu erzielen war. Lediglich für den Fall, dass niemand eine Immobilie für nur ein Jahr mieten wollte

Stiftungsorganisation

oder in einer längeren Mietdauer (iǧāra ṭawīla) mit einer Vorauszahlung eines Teiles der Gesamtmiete bei Vertragsabschluss ein Nutzen für den waqf lag, waren – nach Au‑ torisierung des Richters – längere Mietzei‑ ten erlaubt. In der Praxis zeigten sich diese strengen Regeln als nicht praktikabel und sogar unvorteilhaft sowohl für den waqf als auch für den Mieter; Miriam Hoexter und andere haben argumentiert, dass für beide Seiten eine gewisse Planungssicher‑ heit sinnvoll gewesen sei, die bei einjähri‑ gen Verträgen nicht gewährleistet gewesen sei.36 Die Juristen erkannten jedoch die Hauptgefahr von langen Mietzeiten: Nach einer gewissen Zeit betrachteten sich die Mieter als Eigentümer, vor allem wenn die gemietete Immobilie an die nächsten Ge‑ nerationen weitergegeben wurde und sich die Kenntnis der genauen Sachverhalte der Mietsituation langsam verlor.37 Die Überlieferung in den ḥanafītischen Rechtsbüchern belegt eine interessante Neuerung gegen Ende der Mamlūkenzeit. Der mamlūkische Sultan Qansūh al‑Ġūrī überließ den Händlern in dem von ihm erbauten Souk die Geschäfte (ḥānūt) mit einem ḫulū‑Vertrag (wörtlich ‚Leere‘). Zu‑ sätzlich zum Mietvertrag wurde mit diesen ḫulū‑Verträgen ein Besitzrecht erworben, welches dem Mieter ein Anrecht auf die Nutzung der Immobilie einräumte. Als Grund kann ein verstärkter Finanzbedarf gegen Ende der Mamlūkenzeit angenom‑ men werden. In den folgenden Jahrhun‑ derten wurde dieser Vertrag als ein be‑ sonders flexibles Werkzeug verwendet, um Investitionen in Stiftungsimmobilien zu ermutigen, die mit der Schaffung privater Besitzrechte einhergingen.38 Abschließend soll an dieser Stelle auf einen wichtigen Aspekt des Wirtschafts‑ lebens derjenigen Länder verwiesen wer‑ den, die sich auf den islamischen Kalen‑ der stützten, und der relevant für die

Muslime

Stiftungsorganisation von Ackerland und Gärten war. Die landwirtschaftlichen Pro‑ duktionszyklen folgten dem Sonnenjahr und nicht dem – elf Tage kürzeren – Mond‑ jahr, nach dem sich der islamische hiǧrī‑ Kalender richtet. Eine Besteuerung nach dem islamischen Kalender hätte etwa alle 33 Jahre ein Jahr mit Doppelbesteuerung bedeutet. Aus diesem Grund folgten die staatlichen Verwaltungen und auch die Stif‑ tungsverwaltungen in der Regel dem Son‑ nenkalender, im mamlūkischen Ägypten als sana ḥarāǧīya (ḥarāǧ‑Jahr) bezeichnet. Diese Regelungen werden selten in Doku‑ menten oder narrativen historischen Quel‑ len thematisiert, was sicherlich durch eine langjährige administrative Praxis bedingt ist, die eine Thematisierung in offiziellen Dokumenten unnötig machte. 13.3.3  Aufsicht Nach klassischem islamischem Verständ‑ nis geht alle Gewalt und Autorität im Staat vom Führer der Gemeinschaft, dem Kalifen, als Nachfolger des Propheten Mohammed aus. Diese Autorität wurde, vor allem in späteren Zeiten, an Sultane oder Provinz‑ gouverneure delegiert. Die Jurisdiktion (qaḍāʾ), vor allem – aber nicht ausschließ‑ lich – die Anwendung der Šarīʿa, wurde von dem Herrscher oder seinen Vertretern an den Richter (qāḍī) übertragen.39 Die Rol‑ le des Richters wird in einer besonderen Literaturgattung adab al-qāḍī (‚Verhaltens‑ regeln für den Richter‘) behandelt, die aus Anweisungen sozialer und religiöser Natur für den Richter und Fragen des Prozess‑ rechts besteht.40 Der Handlungsrahmen des Richters entwickelte sich in einer Zeit, in der sich auch andere Institutionen des islamischen Staates konstituierten, darun‑ ter das Stiftungswesen. In diesem Zusam‑ menhang ist nicht uninteressant, dass der

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Autor eines der beiden Traktate über das Stiftungswesen aus dem 9. Jahrhundert, Abū Bakr Aḥmad aš‑Šaibānī al‑Ḫaṣṣāf (gest. 874), auch ein sehr einflussreiches adab alqāḍī‑Werk verfasste.41 In die Verantwortlichkeit des qāḍī fiel neben der Jurisdiktion auch eine Reihe von Aufgaben, die mit dem Allgemein‑ wohl und der Bewahrung der öffentlichen Ordnung in Zusammenhang standen. So identifizierte der šafiʿītische Staatsrechtler Abū al‑Ḥasan ʿAlī al‑Māwardī (gest. 1058) zehn Bereiche, in denen der Richter die „absolute allgemeine rechtliche Gewalt“ (wilāya ʿāmma muṭlaq aṭ-ṭaṣarruf ) ausüb‑ te. Dazu gehörten neben seinen originären rechtlichen Aufgaben die Aufsicht über das Wohl von Waisen beziehungsweise nicht geschäftsfähigen (entmündigten) Personen, ferner die korrekte Ausführung von Tes‑ tamenten sowie die Aufsicht über öffentli‑ che Baumaßnahmen und den Straßenbau; dazu kam die Aufsicht über Stiftungen, vor allem die korrekte Durchführung ih‑ rer Ausführungsbestimmungen und der Rechnungsführung.42 Ebenfalls war der Richter angehalten, über Stiftungsgüter, Ernennungen und Absetzungen von Stif‑ tungsverwaltern sowie die Rechnungs‑ führung ein Archiv zu führen und dieses an seinen Nachfolger zu übergeben.43 Diese Bestimmungen in verschiedenen Genres der frühen Rechtsliteratur scheinen in der Stiftungspraxis bald angewendet worden zu sein. So erinnert bereits eine waqf ‑Inschrift aus dem Jahr 913 u. Z., die im palästinensischen ar‑Ramla gefunden wurde, daran, dass ein detailliertes Doku‑ ment bei einem „Richter unter den Richtern der Muslime“ (qāḍī min quḍāt al-muslimīn) erstellt worden sei.44 Ob die juristischen Traktate auf eine bereits bestehende Recht‑ spraxis in den Stiftungen Bezug nahmen oder diese ihrerseits beeinflussten, ist al‑ lerdings heute nicht mehr zu entscheiden.

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Der Richter in seiner Funktion der Aus‑ übung der allgemeinen rechtlichen Gewalt (wilāya ʿāmma) über die Stiftungen befand sich zwischen der inneren Organisation der Stiftungen und der Stiftungsaufsicht. Die‑ se Aufsicht konnte er selbst ausüben oder aber an andere, ihm beigeordnete Institu‑ tionen delegieren. So gab es in Andalusien seit dem 9. Jahrhundert den ṣāḥib al-aḥbās (‚Vorsteher der Stiftungen‘), der bis in die almoravidische Zeit, in einzelnen Fällen gar bis ins 13. Jahrhundert, nachzuweisen ist.45 Die wenigen Informationen, die wir über seine Aufgaben besitzen, lassen ihn als Assistenten des Richters erscheinen, der in Streitfällen die genauen Gegebenheiten inspizierte.46 Ägypten besitzt, bedingt durch seine be‑ sonderen klimatischen und geomorpholo‑ gischen Bedingungen, eine lange Tradition zentralisierter staatlicher Strukturen. So verwundert es nicht, dass auch Stiftun‑ gen in größerem Ausmaß dem Versuch staatlicher Kontrolle ausgesetzt waren als in anderen Regionen der islamischen Welt. Bereits in fatimidischer Zeit finden wir Informationen über einen dīwān alaḥbās, dessen Aufgabe es war, die Stiftun‑ gen zu kontrollieren.47 In mamlūkischer Zeit wurde diese zentrale Kontrolle weiter ausgedehnt. Bereits zur Regierungszeit des Sultans Baibars (gest. 1277) wurden Stiftun‑ gen in drei Kategorien eingeteilt: awqāf ḥukmīya bestanden überwiegend aus Immo‑ bilien in Kairo und waren der Kontrolle des šafiʿītischen Oberrichters unterworfen; mit

Stiftungsorganisation

awqāf ahlīya wurden die großen Stiftungen der Sultane und Emire zusammengefasst;48 für rizaq iḥbāsīya schließlich war einer der höchsten Beamten des Sultans, der dawādār, als Aufsichtsorgan verantwortlich.49 Dies wird besonders deutlich in der Stif‑ tung des Sultans Qansūh al‑Ġūrī (gest. 1516), der letzten großen herrscherlichen mamlūkischen Stiftung. Die Stiftung dieses Sultans enthält Bestimmungen, die über die eigene Stiftungsorganisation hinaus‑ gehen. So erhielt der Inspektor der Stif‑ tung (al-nāẓir al-akbar), der identisch war mit dem jeweiligen Herrscher Ägyptens, monatlich die Summe von 6 000 dirham; ebenfalls mit erheblichen Zahlungen be‑ dacht wurden andere staatliche Würden‑ träger, so der dawādār und der ḫazīnadār (Schatzmeister).50 Ob kleine und mittlere Stiftungen, gegründet von Mamlūken oder anderen Bevölkerungsgruppen, ebenfalls in dieses System eingebunden waren, ist bislang nicht im Detail untersucht worden. Eine in jedem Einzelfall zu klärende Frage bleibt, inwieweit diese Kontroll‑ und Zentralisierungsversuche staatlicher Insti‑ tutionen tatsächlich in die tägliche Verwal‑ tung der Stiftungen eingegriffen haben und auf welche Stiftungen und Stiftungstypen sie ausgedehnt wurden. Die begrenzte Zahl der erhaltenen Archivquellen aus vormo‑ derner Zeit wird nur in den wenigsten Fäl‑ len die Beantwortung dieser Frage ermög‑ lichen. Im mamlūkischen Ägypten scheint dies noch am ehesten möglich zu sein. SK

Anmerkungen 1  Vgl. etwa D. Powers, Maliki Family Endow‑ Kitāb al‑Isʿāf fī aḥkām al‑awqāf. Kairo 1875/1876, ment (1993), 391.

41.

Ḫaṣṣāf, Kitāb aḥkām al‑awqāf. Kairo 1904, 201; Burhān ad‑Dīn Ibrāhīm b. Mūsā aṭ‑Ṭarābulusī,

vgl. al‑Ḫaṣṣāf, Kitāb aḥkām al‑awqāf (wie Anm. 2), 201–204.

2 Abū Bakr Aḥmad ibn ʿAmr aš‑Šaibānī al‑ 3 Bei al‑Ḫaṣṣāf etwa lediglich auf vier Seiten,

Muslime

4  Johansen, Servants of the Mosque (1982,

ND 1999), 123, nach dem ḥanafītischen Gelehrten Akmal ad‑Dīn Muḥammad b. Maḥmūd al‑Bābartī (gest. 1384). 5 R. Peters, Waḳf (2002), 62; Krcsmárik, Waḳfrecht (1891), 558–560; Aṭ-Ṭarābulusī, Kitāb al‑Isʿāf (wie Anm. 2), 41–43. 6 García Sanjuán, God Inherits the Earth (2007), 304–317. 7 D. Powers, Maliki Family Endowment (1993), 382; García Sanjuán, God Inherits the Earth (2007), 295. 8 R. Peters, Waḳf (2002). 9 Ibrāhīm Bek / Ibrāhīm, Mausūʿat ahkām al‑waqf (2009), 189. 10  B. Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000), 21. 11  Ebd., 148. 12  Ebd., 151. 13  Gedruckt in Cahen / Rāġib / Taher, Achat et le waqf (1978), 115, Zeile 50 in der transkribier‑ ten waqfīya. 14  Krcsmárik, Waḳfrecht (1891), 559. 15  Für die mamlūkische Zeit zum Beispiel: Miura, Salihiyya Quarter of Damascus (2010); Ders., Continuity and Discontinuity (2009); Walker, So‑ wing the Seeds (2007). Für die frühe osmanische Zeit: Reinkowski, Wesen und Unwesen (1992); Hayashi, Vakif Institution (1992). 16  Zum Beispiel Miura, Continuity and Dis‑ continuity (2009). 17  Bašbakanlik Osmanli Aršivi (Istanbul), Tah‑ rir Defteri 602, 63, etwa aus dem Jahr 1583. 18  Bašbakanlik Osmanli Aršivi (Istanbul), Tah‑ rir Defteri 602, 66; 147. 19  Knost, Organisation (2009), 87 f., nach Johansen, Servants of the Mosque (1982, ND 1999), 123–127. 20 Johansen, Servants of the Mosque (1982, ND 1999), 127. 21 Y. Frenkel, Political and social aspects (1999), 11. 22 Ebd., 12. 23 Leiser, Endowment (1984), 49 f. 24 Krcsmárik, Waḳfrecht (1891), 559; vgl. Aṭ‑ Ṭarābulusī, Kitāb al‑Isʿāf (wie Anm. 2), 27. 25 Vgl. Ebd., 29. 26 Zu diesem Dokument Conermann / Saghbini, Awlād al‑Nās as Founders (2002); Conermann / Reinfandt, Anmerkungen (2003).

541 27 Ebd., 221. 28 Conermann / Saghbini, Awlād al‑Nās as Foun‑

ders (2002), 50; Conermann / Reinfandt, Anmer‑ kungen (2003), 222. In der Tabelle ebd. haben die Autoren fälschlicherweise Šīrīns Anteil so‑ wohl den Kindern als auch anderen Verwandten zugeschlagen, sodass er nun in der Rechnung zweimal erscheint. 29 Ebd., 192 f. 30 N. Michel, Rizaq iḥbāsiyya (1996), 108; 114–117. 31 Ebd., 131–134. 32 Leiser, Endowment (1984), 49. 33 Alhamzah, Late Mamluk Patronage (2009), 113 34 Fernandes, Istibdāl (2000), 205 f. 35 Ebd., 208. 36 Hoexter, Endowments (1998), 100. 37 Aṭ‑Ṭarābulusī, Kitāb al‑Isʿāf (wie Anm. 2), 55. 38 G. Baer, Dismemberment (1979), 222. 39 Tyan, Ḳāḍī (1978), 373. 40  Schneider, Bild des Richters (1990), 2. Dort auch die gebotene Übersetzung des Genrenamens. 41  Abū Bakr Aḥmad ibn ʿAmr aš‑Šaibānī al‑ Ḫaṣṣāf, Kitāb adab al‑qāḍī. Ed. Farḥāt Ziyāda. Kairo 1978. 42  Abū al‑Ḥasan ʿAlī al‑Māwardī, Al‑Aḥkām as‑ sulṭānīya wa al‑wilāyāt ad‑dīnīya. Ed. Muḥammad Ǧāsim al-Ḥadīṯī. Bagdad 2001, 213–216. 43  Hallaq, Qāḍī’s dīwān (1998), 428, nach Bestim‑ mungen des Juristen Abū Naṣr as‑Samarqandī (11. Jahrhundert u. Z.). 44  Tillier, Cadis d’Iraq (2009), 620; Sharon, Waqf Inscription (1966), 77; 82 f. 45  García Sanjuán, God Inherits the Earth (2007), 327–336. 46  Ebd., 332 f. 47  Ebd., 64. 48  Behrens-Abouseif, Waḳf (2002), 65. 49  N. Michel, Rizaq iḥbāsiyya (1996), 114. Der dawādār (wörtlich ‚Träger und Bewahrer des herr‑ scherlichen Tintenfasses‘) war ein Emir, der als oberster Steuereinzieher wichtige Funktionen in der Finanzverwaltung ausübte. Seit dem Ende des 14. Jahrhunderts gehörte dieses Amt zu den mächtigsten Positionen im mamlūkischen Staat, vgl. Ayalon, Dawādār (1965). 50 Alhamzah, Late Mamluk Patronage (2009), 117.

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13.4  Juden 13.4.1  Allgemeines Von den drei Grundtypen von heqdeshot – Gemeindefonds, (semi‑)private Stiftungen und ḥavurot (‚Bruderschaften‘)‑heqdeshot (→ 3.4.3) – hatte nur der Gemeindefonds spätantike Vorläufer, dessen Regeln im Tal‑ mud festgelegt waren. Gemeindefonds gab es während des ganzen Mittelalters überall dort, wo Juden lebten. Ihr Vermögen setzte sich aus einzelnen Stiftungen, Zustiftun‑ gen und Schenkungen zusammen und war gemeindlichen Verwaltern anvertraut, die entweder durch die Gesamtgemeinde, durch die Gemeindeleitung oder das Haupt der Gemeinde gewählt bzw. ernannt wurden. Private und semi‑private Stiftungen kamen im 10. Jahrhundert in den islamischen Län‑ dern auf, vermutlich unter dem Einfluss des waqf. Sie existierten sowohl im musli‑ mischen als auch im christlichen Spanien; während des Hoch‑ und Spätmittelalters gab es sie auch in Aschkenas. Unsicher ist sich die Forschung darüber, ob sie in Frankreich, Deutschland und dem Gebiet des späteren Österreich unter christlichem Einfluss entstanden oder von den judaeo‑ hispanischen Gemeinden nach Aschkenas gekommen waren. Typisch sind sie jeden‑ falls eher für das sephardische als für das aschkenasische Judentum. Ungeachtet der Entstehungsumstände folgten sie stets der Struktur des Gemeindefonds, nur waren sie in vielerlei Hinsicht ‚kleiner‘ und ‚flexibler‘ als der Gemeindefonds selbst. Dieser hatte im Allgemeinen mehrere Verwalter, sein Vermögen setzte sich aus mehreren Arten von Kapital zusammen (Land, Häusern, Geld, Mobilien; → 10.4), während private und semi‑private Stiftungen nur über eine Vermögensart verfügten und üblicherweise

von zwei Verwaltern geführt wurden. Bei privaten Stiftungen wurde das Vermögen vom Gemeindefonds getrennt und beson‑ deren Verwaltern unterstellt; semi‑private Stiftungen wurden entweder von den Ver‑ waltern des Gemeindefonds separat verwal‑ tet oder dem Gemeindefonds zugeschlagen, dabei aber eigenen Verwaltern unterstellt. Bruderschafts‑heqdeshot gab es im hier beahndelten Zeitraum nur im spätmittel‑ alterlichen Spanien, während sie in den aschkenasischen Gemeinden (vor allem in Italien) erst zu Beginn der Neuzeit auftraten. Ihre Funktion bestand darin, Angehöri‑ gen der mittleren und niedrigen Schichten dort soziale Sicherheit zu verschaffen, wo der Gemeindefonds nicht die Not aller Ju‑ den lindern konnte. Die Struktur der Stif‑ tungsverwaltung einer solchen ḥavurah entsprach dem Aufbau des Gemeindefonds in kleinerem Maßstab. Ihr Vermögen setz‑ te sich aus Stiftungen und ständigen Mit‑ gliedsbeiträgen zusammen; ihre Verwalter wurden teils gewählt, teils ernannt. Die jüdischen Gemeinden behandel‑ ten den Gemeindefonds in vielerlei Hin‑ sicht wie das alte Tempelvermögen, das hauptsächlich aus unbeweglichem Besitz bestanden hatte und entsprechend verwal‑ tet worden war. Genau deswegen ist der mit‑ telalterliche jüdische heqdesh auch christli‑ chen und muslimischen Stiftungen ähnlich: Obwohl nämlich im Mittelalter jüdische Stiftungen, anders als ihre Pendants im Christentum und im Islam, hauptsächlich über mobilen Besitz verfügten, wurden sie doch wie diese nach Prinzipien verwaltet, die an unveräußerlichem Immobilienbesitz entwickelt waren.1

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Die heqdesh‑Beaufsichtigung wurde hauptsächlich vom bet-din, dem jüdischen Gerichtshof, geleistet, dessen Verantwort‑ lichkeit im talmudischen Recht geregelt war. Abgesehen von dem Gerichtshof konnten die Gemeindevorsteher und das Haupt der Gemeinde ähnliche Funktionen erfüllen. Nichtjüdischen Obrigkeiten mischten sich in die Verwaltung im Allgemeinen nicht ein. Die jüdischen heqdeshot hatten aber Konfiskationen vonseiten der andersgläu‑ bigen Obrigkeit zu befürchten. 13.4.2  Verwaltung Gemeinde-heqdeshot Die grundsätzlichen Richtlinien für den Gemeindefonds sind im Talmud festgelegt; diese betreffen die Anzahl seiner Verwal‑ ter sowie Bestimmungen über die Rechen‑ schaftspflicht. „Der Gemeindefonds wird von zwei Personen gesammelt und von drei Personen verteilt. Er wird von zwei Perso‑ nen eingezogen, denn jedes Amt, das Au‑ torität über die Gemeinde überträgt, muss von wenigstens zwei Personen vertreten werden. Er wird von drei Personen verteilt in Analogie zu den geldwirtschaftlichen Angelegenheiten. (…) Die ṣedaqah‑Sammler sind nicht verpflichtet, [irgendjemandem aus der Gemeinde] Rechenschaft über das gesammelte ṣedaqah‑Geld abzulegen; auch die Treuhänder sind nicht verpflichtet, über das Geld, das dem heqdesh für heilige Zwe‑ cke gegeben wurde, Rechenschaft abzule‑ gen.“2 Im Mittelalter wurden die Verwalter meistens parnasim genannt; manchmal hie‑ ßen sie auch zeqenim (‚Älteste‘), gabbaim (‚Sammler‘), gabbae ṣedaqah (‚Wohltätig‑ keitsammler‘) oder gizbarim (‚Finanzleiter‘). Trotz des talmudischen Verbots, mit dem heqdesh‑Vermögen Geschäfte zu treiben, wurden im ägyptischen Altkairo mit

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seinen Mitteln allerlei Transaktionen vor‑ genommen: Investitionen in die Instand‑ haltung von Immobilien oder die Vermie‑ tung von Häusern, Läden und Werkstätten bzw. die Verpachtung von Agrarland. Das jährliche Einkommen des heqdesh wurde von Shlomo D. Goitein und Moshe Gil auf 10 000–12 000 Dirham geschätzt.3 Den Geniza‑Dokumenten zufolge wur‑ den die täglichen Aufgaben des heqdesh nach den talmudischen Vorschriften von den Verwaltern erledigt. Sie arbeiteten eng mit dem Gerichtshof zusammen, erhielten von diesem Anweisungen und Aufträge und mussten ihm gegenüber Rechenschaft ablegen. Anfangs waren sie Freiwillige. Sie sollten vertrauenswürdige Personen sein und konnten als solche auch allein für die Sammlung und Verwaltung des heqdesh‑Vermögens tätig werden – entge‑ gen der talmudischen Regelung, dass diese Aufgaben in der Hand zweier oder dreier Personen liegen müsse. Verwalter wirkten auch als Treuhänder (neʾemanim) und wa‑ ren überhaupt überall dort zu finden, wo der heqdesh tätig war, vor allem bei Bau‑ unternehmungen, der Instandhaltung von heqdesh‑Immobilien und der Eintreibung von Mieten. Häufig teilten sich die Verwal‑ ter eines heqdesh ihre Aufgaben unterein‑ ander auf, etwa nach Stadtbezirken. Meist waren die parnasim reichere Leute und oft selbst Mieter in heqdesh‑Häusern. Etwa seit der Mitte des 12. Jahrhunderts wurden sie bezahlt, vor allem, wenn sie Mieten einzo‑ gen, und bekamen ca. 10 % der von ihnen gesammelten Summe. Ihr Anteil an den Erträgen war in der Folge offenbar nicht gering: Moshe Gil berechnete für Kairo in den 1180er Jahren durchschnittlich folgen‑ de Verteilung der Ausgaben: Bezahlung der heqdesh‑Verwalter und Gelehrten 73,3 %; Instandhaltung und Betrieb der Synago‑ gen 14 %; auf die Wohltätigkeit entfielen hingegen nur 10 %. An der Verwaltung der

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Synagoge wirkten zusätzlich die Synago‑ gendiener mit.4 Verwalter hatten das Recht, die Zahlung der Summen, die vorher von den Stiftern zugesagt worden waren, zu erzwingen.5 Manch ein Verwalter erwies sich dabei jedoch als unehrlich. Maimonides urteilte hierzu, dass die Leitung des heqdesh kei‑ nen Verwalter ernennen dürfe, der nicht vorher von der Gemeinde überprüft wor‑ den sei. Wenn dies nicht der Fall gewesen sei, dürfe man von ihm nicht verlangen, Rechenschaft abzulegen.6 Auf die Prüfung legte man großen Wert: Wir kennen etwa den Fall eines Verwalters eines heqdesh shel ʿaniyyim, der starb und zuvor seinen Sohn zu seinem Nachfolger bestimmt hatte. Dieser war jedoch in den Augen der Ge‑ meinde ungeeignet. Maimonides urteilte, dass der bet-din in diesem Fall gut daran getan habe, Zeugen herbeizuzitieren und den Sohn zu strafen und abzusetzen.7 Die Buchhaltung eines heqdesh enthielt Berechnungen und Aufzeichnungen über Einkommen, Ausgaben und Bilanzen, die dem bet-din vorgelegt wurden. Manche dieser Dokumente wurden in kalligraphi‑ scher Schrift geschrieben – ein Zeichen dafür, dass sie in der Synagoge öffentlich ausgestellt wurden.8 Aus der Diskussion jüdischer Gelehrter über Rechtsfragen des Gemeinde‑heqdesh im muslimischen Spanien geht eindeutig hervor, dass die Verwaltung des Gemein‑ defonds eine organisierte Struktur hatte. Isaak Alfasi (geb. Algerien, 1013; gest. Luce‑ na, 1103) und sein Schüler Ibn Migash (Lu‑ cena, 1077–1141) beschäftigten sich in ihren Responsa beispielsweise mit der Möglich‑ keit, den Gemeinde‑heqdesh durch einen Verwalter oder einen Gemeindevorsteher vertreten zu lassen.9 Die Responsa vieler spanischer Gelehr‑ ter auch des 13.–15. Jahrhunderts10 belegen,

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dass der heqdesh unter christlicher Herr‑ schaft in allen Gemeinden weiterhin funk‑ tionierte und deren Existenzgrundlage bil‑ dete. Das Einkommen des heqdesh wurde nach wie vor von einzelnen Stiftungen gesichert, hinzu kam aber auch eine regel‑ mäßige Abgabe in Form eines Zehnten.11 Zwei schwere Lasten bedrückten die se‑ phardischen Gemeinden bis zu ihrer Ver‑ treibung am Ende des 15. Jahrhunderts: Armut und Steuern. Die Steuer‑ und die Wohltätigkeitsbeiträge wurden manchmal zusammen, manchmal getrennt gesam‑ melt.12 An vielen Orten wurde eine Verord‑ nung unter Bannandrohung ausgegeben, dass jeder Jude, der in die Stadt komme, Steuern, ṣedaqot und andere Ausgaben an den heqdesh zahlen müsse.13 Wahrschein‑ lich waren die Sammlung und Verwaltung von ṣedaqah und die Steuereintreibung in der Regel getrennt, im Notfall, etwa bei plötzlichen Forderungen des Herrschers für einen Kriegszug, war es aber möglich, dass die Gemeindefonds für ṣedaqah und Königssteuer vermischt wurden. Die Regelungen für die Verwaltung des heqdesh‑Fonds unterschieden sich je nach Ort und Zeit. Die Verwalter hatten die Aufgabe, die Einnahmen aus Stiftungen, Zustiftungen und Sammlungen einzutrei‑ ben sowie Bußgeldzahlungen entgegen‑ zunehmen, die ebenfalls in den heqdesh flossen.14 Sie hatten das Recht, die Erben eines Stifters zur Durchsetzung von des‑ sen Willen zu zwingen, wenn diese ein Testament zugunsten des heqdesh nicht vollstrecken wollten.15 Die gabbaim, die ṣedaqah‑Geld sammelten, vertraten auch die Interessen der Armen; wo es ein sol‑ ches Amt gab, durfte kein anderer als Sammler auftreten. In späteren Quellen aus dem 15. Jahrhundert sind Entlohnun‑ gen für die Verwalter belegt.16 In einem Responsum des Rashbaṣ begegnet man einem offenbar vermögenden Verwalter,

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der der Gemeinde in Notzeiten Geld lieh.17 Wichtigstes Kriterium für die Bestellung der Verwalter war ihre Vertrauenswür‑ digkeit. R. Moshe Halavah wurde einmal gefragt, ob die Gemeinde berechtigt sei, von den Gemeindeverwaltern (gabbaim) einen Eid zu verlangen (le-hashbiʿa), wenn man sie eines Vergehens verdächtige. Die Antwort lautete, dass die Gemeinde die Verwalter nicht zum Schwur verpflichten könne – nicht für ṣedaqah und auch nicht für Steuer‑Geld –, obwohl, wie er schreibt, die Verwalter in der Tat offenbar nicht so anständig gehandelt hatten wie ihre Vor‑ gänger.18 Verwalter müsse man nämlich prüfen, bevor sie angestellt würden. Bei der Bestellung der Verwalter jedoch kön‑ ne ein nicht vertrauenswürdiger Sohn als Nachfolger eines verstorbenen Vorstehers und Verwalters (ḥaver ha-ʿir) auch von ei‑ ner Minderheit der Gemeinde verhindert werden, urteilte einmal Rosh.19 Aus verschiedenen Quellen geht hervor, welche Kompetenzen die Verwalter genau hatten. Im Allgemeinen galt in den sephar‑ dischen Gemeinden des 13.–15. Jahrhun‑ derts, dass Stifter, Zustifter und Beiträger den Stiftungszweck nicht mehr ändern konnten, sobald das Geld in die Hände der Verwalter gelangt war. Diese Vorschrift stammte möglicherweise aus Aschkenas. R. Asher b. Yehiel (Rosh) entschied mehr‑ mals in diesem Sinne, und zwar im Ein‑ klang mit R. Tam (Nordfrankreich, 12. Jahr‑ hundert).20 Es gab aber in Spanien auch anderslautende Entscheidungen.21 Rashbaṣ schrieb im 15. Jahrhundert, dass der Stifter selbst sein Gelübde zugunsten des heqdesh ändern könne, wenn das Stiftungskapital noch nicht in die Hände der Verwalter gelangt sei.22 Den Verwaltern war es in gewissen Grenzen erlaubt, spezifische Stif‑ tungszwecke zu ändern, wenn das situativ von Nöten war und das Ziel der Stiftung im Groben erhalten blieb; das galt etwa,

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wenn Geld aus dem Synagogenfonds, das für Beleuchtung bestimmt war, für Repa‑ raturen der Synagoge selbst verwendet werden sollte.23 Entscheidend für jeglichen Umgang mit dem Stiftungsvermögen war, dass die Verwalter immer Vor‑ und Nach‑ teile für die Gemeinde abwägen mussten.24 Im Allgemeinen konnten die Verwalter auch als Zeugen für den heqdesh auftreten, sofern sie selbst in der Sache nicht betrof‑ fen waren.25 Prinzipiell konnten jedoch alle Gemeindemitglieder als Zeugen für heqdesh‑Transaktionen dienen; Zeugen von Außen mussten nicht hinzugezogen werden.26 Auch als Treuhänder für das gestiftete Gut konnten sie dienen.27 Sämtliche Verkäufe, auch Notverkäufe, von heqdesh‑Vermögen mussten vor den sieben Vorstehern der Gemeinde vollzogen werden.28 Andere Transaktionen, wie etwa die Verpfändung von heqdesh‑Häusern oder das Eintreiben von Zinsen von Nichtju‑ den zugunsten der Gemeinde und andere Geldgeschäfte des heqdesh, mussten eben‑ falls in Anwesenheit der sieben Vorsteher sowie der ganzen Gemeinde durchgeführt werden.29 Zahlreiche Quellen belegen, dass in Asch‑ kenas eine regelmäßige Sammlung zuguns‑ ten des Gemeindefonds schon im 12. Jahr‑ hundert üblich war; damit sicherten die Gemeinden das Einkommen des Gemein‑ de‑heqdesh oder der Wohltätigkeitskasse quppat ṣedaqah. In einigen Handschriften sind Zehntverordnungen für wohltätige Zwecke im aschkenasischen Raum bereits für die Zeit um 1000 u. Z. überliefert, doch ist die Echtheit dieser Angaben strittig. Authentisch sind in jedem Fall die Zehnt‑ verordnungen des 12. Jahrhunderts im Na‑ men von R. Tam und zweier rabbinischen Synoden der Städte Speyer, Worms und Mainz (taqqanot ShU″M) von 1220 und 1223. Die ‚Tosafot‘ (die französisch‑jüdischen

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Kommentare zum Talmud aus dem 12.–13. Jahrhundert), der ‚Sefer Ḥasidim‘ (Ende 12. oder Anfang 13. Jahrhundert), die deutsch‑jüdischen Tosafisten im Rhein‑ land sowie die Gelehrten Raavan (Eliezer b. Nathan, 1090–1170) und Raaviah (Eliezer b. Joel ha‑Levi, 1140–1225) erwähnen Re‑ gelungen zum Gemeindefonds und zum Abgabenwesen.30 Diesen Quellen zufol‑ ge waren die Verwalter des Fonds auch diejenigen, die das Geld sammelten. Sie waren auch berechtigt, Stiftungszwecke zu ändern und das Vermögen (vor allem Geld) zu investieren bzw. es gegen Zinsen zu verleihen. Eine ganze Reihe von aschkenasischen Quellen des 13.–15. Jahrhunderts belegt, wie Zehntabgaben in der Praxis einge‑ trieben wurden und welch differenzierten Regeln sie unterlagen. Wichtig waren ne‑ ben den regelmäßigen Sammlungen grö‑ ßere Stiftungen auf Initiative Einzelner31 und Bußgelder32. Das gestiftete Geld oder das Kultobjekt wurde zusammen mit dem restlichen Vermögen durch den Gemein‑ defonds verwaltet – die Stiftungsverwal‑ ter kümmerten sich also immer um den gesamten Fonds. Sie durften vom Moment der Stiftung an deren Zwecke bestimmen. Deshalb sind diese Stiftungen auf Initia‑ tive Einzelner – wie in Spanien – nicht zu den privaten oder semi‑privaten Stiftungen zu zählen. Wo jedoch der Stifter den Stif‑ tungszweck schon vorher festgelegt hatte, ging das gestiftete Vermögen nicht in den allgemeinen Fonds ein. Bei diesen Privat‑ stiftungen war der Handlungsspielraum der gemeindlichen Verwalter demzufolge eingeschränkt. Eine andere Aufgabe der Verwalter konnte darin bestehen, die eigentliche Praxis der Wohltätigkeit anzuleiten: So organisierten sie das ‚Wohltun mit dem eigenen Körper‘ (gemilut ḥasadim), z. B. Krankenbesuche, das zur religiösen Pflicht

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aller Gemeindeglieder gehörte. Dazu wur‑ den manchmal aber auch eigenständige Körperschaften innerhalb oder außerhalb des Gemeindefonds gegründet.33 Im Unterschied zu den sephardischen Gemeinden blieb in Aschkenas im 13.– 15. Jahrhundert die regelmäßige Erhebung des Zehnten die wichtigste Aufgabe der Verwalter. In einigen aschkenasischen Städten durften Gemeindemitglieder die Hälfte der Abgabenschuld und mitunter sogar die gesamte Summe zur Versorgung armer Verwandter einsetzen, statt sie dem Gemeindefonds zu geben.34 Die heqdesh‑Verwalter hatten das Recht, Gemeindemitglieder zu zwingen, ihre Ab‑ gaben zu zahlen, wobei Wohltätigkeits‑ beiträge sofort geleistet werden mussten. Sie waren berechtigt, alles durchzusetzen, was allgemein festgelegt worden war; Än‑ derungen daran konnten nur nach Ab‑ sprache mit den sieben Gemeindevorste‑ hern vorgenommen werden. Mit Hilfe des bet-din konnten die Gemeindemitglieder einander zwingen, den Beitrag zu zahlen. Wer seinen Teil nicht bezahlt hatte, konn‑ te vor Gericht nicht als Zeuge auftreten. Fremde, die länger als drei Monate in der Stadt lebten, mussten von da an selbst die Wohltätigkeitsabgabe zugunsten der Nicht‑Ortsansässigen zahlen, denn für diese wurde immer Geld oder eine Spei‑ se im Gasthaus ( funduq) benötigt. Orts‑ ansässige bekamen jeden Freitag Wohl‑ tätigkeitsleistungen (quppah); in diesem Fall musste jeder, der länger als sechs Monate in der Stadt wohnte, bereits dazu beitragen.35 Die Sammlung selbst wurde von min‑ destens zwei Verwaltern durchgeführt, die Verteilung von dreien. Wenn ihn die Armen verspotteten und beschimpften, sollte der Sammler diese Schmähungen erdulden, was ihm als Verdienst angerech‑ net wurde.36 Außer der Vorschrift, dass

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mindestens drei Verwalter den heqdesh‑ Fonds verteilen mussten, mussten sie auch beachten, dass niemand ṣedaqah‑Geld von dem Fonds bekommen dürfe, der es nicht brauche, weil er mehr als eine bestimmte Summe Geldes (200 zuz) besitze, oder dazu aus anderen Gründen nicht würdig sei.37 Die Verwalter sollten „die Hand der Ar‑ men“ sein, das heißt diese gegenüber der Gemeinde vertreten.38 Wie in Spanien war auch in den aschkenasischen Gemeinden die Vertrauenswürdigkeit das wichtigste Kriterium für die Auswahl der Verwalter. Wenn das Geld des Gemeindefonds ge‑ stohlen wurde, mussten sie es nicht zu‑ rückzahlen; man vertraute ihnen, ohne sie zum Schwur zu verpflichten. Wenn es bei der Wahl eines Verwalters Streit in der Gemeinde gab, konnte eine Minderheit die Mehrheit dazu zwingen, einen anderen Verwalter anzustellen.39 Entgegen früheren Verboten, Stiftungs‑ zwecke nachträglich zu ändern – nicht ein‑ mal für den Freikauf von Gefangenen40 –, wurde die halakhah im 13.–15. Jahrhundert (beginnend mit R. Isaak b. Moses Or Za‑ rua, Österreich / Böhmen, ca. 1180–1260) im Allgemeinen so ausgelegt, dass es den Verwaltern vom Moment des Stiftungsak‑ tes an immer erlaubt sei, das Vermögen so aufzuwenden, wie sie selbst es für gut er‑ achteten.41 Quellen dieser Zeit können wir entnehmen, dass Zins‑ und Geldgeschäfte sowie andere Investitionen mit Mitteln des Gemeindefonds und privater Stiftungen im Rahmen der biblischen Ge‑ und Verbo‑ te erlaubt war: Nichtjuden und jüdischen Privatpersonen durfte Geld gegen Zinsen geliehen werden; es war sogar erlaubt, es gegen einen vorher nicht bestimmten Zins an jüdische Gemeindefonds oder private Wohltätigkeitsstiftungen zu verleihen. In diesem Fall wurde der Zins als Wohltätig‑ keitsabgabe des Schuldners aufgefasst.42 (→ 10.4.3)

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Private und semi-private heqdeshot Semi‑private Stiftungen waren Ausdruck des Wunsches der Stifter, durch eigens ernannte Verwalter auch nach ihrem Tod Einfluss auf ihre Stiftung auszuüben. Manchmal kam in der Entscheidung über den Kapitaleinsatz und die Verteilung der Erträge auch der Gemeindeverwaltung eine wichtige Rolle zu, denn die Begüns‑ tigten waren die Gemeindemitglieder. Der Stifter wollte die Gemeinde jedoch keines‑ falls immer mit der Verwaltung betrauen. Er konnte sogar selbst Verwalter seiner Stiftung werden, wie etwa ein Beispiel aus dem späten 12. Jahrhundert belegt.43 Bereits im muslimischen Spanien gab es private jüdische Stiftungen, wie Quellen des 12. Jahrhunderts belegen.44 Aus dem Spätmittelalter, der christlichen Epoche Spaniens, haben wir eher viele Belege se‑ mi‑privater heqdeshot, bei denen jemand sein Vermögen zwar dem Gemeindefonds stiftete, aber eigene Verwalter ernannte. Manchmal legten Stifter auch noch andere Bedingungen für ihre Stiftungen fest, z. B. dass das Vermögen nicht mit dem Rest des Gemeindefonds vermischt werden sollte. Auch der Stiftungszweck wurde oft vom Stifter bestimmt.45 In einem Fall um 1300 waren dem Verwalter des Gemeindefonds vom sterbenden Stifter 300 dīnār anvertraut worden, deren jährliche Erträge das Thora‑ Studium finanzieren sollten. Doch hatte der Stifter nicht bestimmt, ob der Verwalter davon Land kaufen, das Geld gegen Zin‑ sen verleihen oder damit Handel treiben sollte. Der Verwalter klagte, er finde kein Landgut, das zu kaufen sich lohnen wür‑ de; aus Angst vor großen Verlusten wage er auch nicht, das Geld gegen Zinsen zu verleihen. Daher fragte er, ob es erlaubt sei, das Kapital dem Gemeindefonds (quppat ha-ṣibbur) beizugeben, damit dieser es verleihe, um einen jährlichen Ertrag für das Thora‑Studium sicherzustellen. Rashba

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erlaubte es ihm, denn es gelte hier, dass der bet-din es auch einem Juden gegen Zinsen verleihen dürfe.46 Wir kennen den Fall einer semi‑privaten Stiftung einer reichen Frau in Ariél, die ein Haus und 2 000 dīnār hinterlassen hatte, damit die von ihr ernannten Verwalter mit dem Einverständnis des Königs und des Bischofs eine Synagoge einrichteten. Diese hatten nach ihrem Tod zu entscheiden, wie viel Geld für die Einrichtung und wie viel für Kultgegenstände verwendet werden solle. In vielen Fällen solcher Stiftungen hatten die Stifter die Beteiligung der Ge‑ meindeinstitutionen an der Stiftungsver‑ waltung explizit ausgeschlossen.47 Von einer anderen semi‑privaten jüdi‑ schen Stiftung wissen wir aus einem könig‑ lichen Dokument: König Alfons V. von Ara‑ gón entschied am 6. Juni 1431 in Barcelona über die Frage, ob ein zum Christentum konvertierter Jude in Gerona, Narcissus (Nicim) Ferrer, die Verwaltung einer Ar‑ menstiftung fortführen dürfe. Die Stiftung war von einem jüdischen Privatmann er‑ richtet worden und wurde von ihm, Nicim und dem Sekretär seiner Gemeinde (aljama) verwaltet; sie verteilte nicht nur an Juden, sondern auch an Christen wohltätige Ga‑ ben. Jedoch waren in Gerona inzwischen so viele Juden zum Christentum übergetreten, dass die Gemeinde kaum noch Vorsteher hatte. Der König entschied deshalb, dass die Stiftung von dem Konversen Nicim Ferrer allein verwaltet werden sollte; ihre Einkünfte konnten weiterhin sowohl für Christen als auch für Juden verwendet werden, ab jetzt aber waren sie besonders an Christen zu verteilen.48

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seine Stiftung eingesetzten Verwaltern behaupten.49 Umgekehrt war die Position der semi‑privaten Stiftungen und ihrer Verwalter nach dem Tod des Stifters so stark, dass sich Gemeindevertreter ihres Vermögens nicht ohne Weiteres bemäch‑ tigen konnten, wenn sie nicht explizit als Verwalter eingesetzt worden waren. Jeden‑ falls leitete sich ein solches Recht nicht au‑ tomatisch aus ihrer Rolle als Vorsteher des Gemeinde‑heqdesh ab, wie ein Fall aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts zeigt. Wenn der Stifter allerdings vor seinem Tod nichts anderes festgelegt hatte, fiel die Verwaltung in der Praxis dennoch oft an die Gemeinde, auch wenn diese sich damit gegenüber den Erben angreifbar machte.50 Im 15. Jahrhundert waren bei privaten Stiftungen auch nicht‑jüdische Treuhänder zulässig, wenn der Stifter einen solchen benannt hatte.51 Wenn Stifter und Verwal‑ ter Eheleute waren, konnten sie das gestif‑ tete Geld im eigenen Haus aufbewahren und notfalls sogar anderweitig verwen‑ den. In diesen Fällen durfte allerdings die Stiftungsverwaltung vom Ehepartner des Stifters nicht weiter delegiert werden.52

Bruderschaften Verschiedene ḥavurot, die eine Alterna‑ tive zum Gemeindefonds darstellten, er‑ scheinen in Sepharad um die Wende zum 14. Jahrhundert. Einige Leute hatten sich als ḥaverim (‚Vereinigte‘) zum Zwecke der Wohltätigkeit (gemilut ḥasadim) zusam‑ mengeschlossen. Sie verständigten sich darauf, alle Entscheidungen gemeinsam zu treffen. Hier wird schon das Grundprinzip der Verwaltung dieser ḥavurot deutlich, nämlich dass die Mitglieder Treuhänder In Aschkenas behielt der Stifter zu Lebzei‑ des gemeinsamen Vermögens waren.53 ten das Zugriffsrecht auf bereits an eine Aus Perpignan sind verschiedene Zwe‑ semi‑private Stiftung übertragenes Ver‑ cke solcher ḥavurot überliefert: Dort hatten mögen. Dieses Recht konnte er im Zwei‑ die Vorsteher der Gemeinde (tove ha-ʿir) felsfall auch gegenüber den von ihm für sich zu einer Bruderschaft (ḥavurat miṣwah)

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für Krankenbesuche (biqqur ḥolim) und zur Versorgung armer Kranken (parnasat ḥole ha-aniyyim) zusammengeschlossen. In ei‑ ner Vereinbarung (haskamah) wurden Vor‑ steher und Verwalter der ḥavurah bestimmt, und man schwor auf die Thorarolle, dass die Hälfte der Wohltätigkeitsabgaben der Mitglieder nicht an den Gemeinde‑heqdesh, sondern an die Bruderschaft gehen solle.54 Neben dieser gab es vier weitere ḥavurot in Perpignan – für die Bestattung der Toten, für das Thora‑Studium, für Armenfürsorge sowie für ‚wohltätige körperliche Arbeit‘ (qevurah, Talmud Torah, ṣedaqah, gemilut ḥasadim). Überliefert ist das Testament ei‑ nes Juden, der allen ḥavurot seiner Stadt zu gleichen Teilen Geld stiftete, wobei er selbst Mitglied der ḥavurah für Bestat‑ tungen war.55 Bisweilen entwickelten die Bruderschaften gegenüber den Gemein‑ den eine beträchtliche Eigendynamik: Eine ḥavurah, die innerhalb einer Gemeinde entstand und sich ausgliedern wollte, traf sehr oft auf starken Widerstand seitens des Gemeindefonds. Wollte eine solche Gebetsbruderschaft aus der Gemeindesyn‑ agoge ausscheiden und in einem eigenen bet-midrash und in eigener Synagoge beten, durfte sie das nur mit dem Einverständnis der gesamten Gemeinde tun.56 13.4.3  Aufsicht Der bet-din Das wichtigste und einflussreichste Auf‑ sichtsorgan über die Tätigkeiten des heqdesh war der bet-din, der rabbinische Ge‑ richtshof. Dies ging auf eine spätantike Tradition zurück, und zwar unter Berufung auf den babylonischen Talmud, wo es heißt: „Der Gerichtshof ist die Hand der Waisen“. Spätere Gelehrte leiteten aus diesem Satz das Recht des bet-din ab, Stiftungen an den heqdesh zu approbieren.57 Ein bet-din

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wurde durch einen professionellen Richter repräsentiert und war eng mit einem Lehr‑ haus (yeshivah) verbunden, dem der Richter meist vorstand. Die Richter, oft herausra‑ gende Talmudgelehrte, hatten sich häufig mit Fragen der heqdesh‑Organisation zu beschäftigen. Dass diese Fragen so häu‑ fig an die Richter herangetragen wurden, kann man Moshe Gil zufolge einerseits mit dem heiligen Charakter des heqdesh begründen, andererseits mit dem Einfluss der muslimischen Umwelt, die in Gestalt der waqf‑Administration ein zentralisti‑ sches Modell vorgab, das ebenfalls die Kon‑ trolle durch Richter vorsah. (→ 13.3.3) In beiden Gesellschaften gab es Bemühungen, die Funktionsweise der Stiftungen dem traditionellen Religionsrecht anzupassen; Unterschiede bestanden hingegen bei der gerichtlichen Organisation.58 Nach talmudischem Recht wurde in Fi‑ nanzstreitigkeiten von drei Richtern geur‑ teilt (dine mammonot bi-shloshah), wobei jeder als Richter fungieren konnte, der über das entsprechende Wissen dazu ver‑ fügte. Die Mischna lässt ausnahmsweise auch Urteile einer einzigen Person zu, doch darf das nach dem babylonischen Talmud nur ein öffentlich anerkannter Spezialist sein (mumḥe le-rabbim). Auch der Jeru‑ salemer Talmud lässt Urteile einzelner Richter zu, wenn die Prozessparteien sich einigen können – nicht jedoch in Fällen, die den heqdesh betreffen: Hier wieder‑ um dürfen nur drei Richter gemeinsam entscheiden. Die Leiter der babylonischen Hohen Schulen nahmen für sich in An‑ spruch, in Streitigkeiten, die Stiftungen zugunsten ihrer yeshivot betrafen, auch allein urteilen zu können. Maimonides zufolge war es dem bet-din erlaubt, jegli‑ ches Vermögen des heqdesh zu verkaufen, die Verwendung seines Einkommens zu jeglichem Bedarf der Gemeinde anzuord‑ nen und Stiftungsgüter verschiedener Art

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in andere Kapitalformen umzuwandeln; ausgenommen hiervon waren Stiftungen, die von vornherein zu einem bestimmten Zweck gemacht wurden. In Fustat zum Bei‑ spiel gab es zwei Gerichtshöfe für die drei Synagogengemeinden, woraus geschlos‑ sen werden kann, dass dort bestimmte Bereiche getrennt beaufsichtigt wurden. Außerdem wurden dem Gerichtshof, wie die heqdesh‑Dokumente in der Kairoer Ge‑ niza belegen, Berichte über Sammlungen, Einkünfte, Ausgaben und die ganze Buch‑ haltung des heqdesh vorgelegt und von den Richtern gegengezeichnet.59 Auch in Sepharad war der bet-din die wich‑ tigste Instanz in Fragen der rechtmäßigen Verwaltung des heqdesh. In schwierigen Fragen wandten sich die Gerichtshöfe ih‑ rerseits an anerkannte Autoritäten. Es gehörte dort um 1300 zur Kompetenz des bet-din, auf der Grundlage mündlicher Zeugenaussagen Dokumente auszustellen, die die Gültigkeit von Stiftungen oder die Ernennung von Verwaltern bestätigten, die im Streitfall über das Stiftererbe von großem Gewicht waren. Zudem urteilte der Gerichtshof in solchen Streitfällen selbst.60 Der bet-din musste jede Stiftung approbieren und ihre Rechtmäßigkeit be‑ stätigen; dazu mussten ihm die genauen Umstände des Stiftungsakts allerdings offenliegen, beispielsweise durch Zeugen‑ aussagen.61 Das halachische Kompendium des asch‑ kenasischen Gelehrten Mordechai b. Hil‑ lel vom Ende des 13. Jahrhunderts enthält mehrere Entscheidungen der Tosafisten über die Autorität des bet-din in Ange‑ legenheiten des heqdesh. So wurde im 12. Jahrhundert etwa entschieden, dass der bet-din einen Juden zwingen könne, dem Vorsteher der Gemeinde oder den Verwaltern zu gehorchen, wenn dieser dem

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heqdesh nichts geben wolle und gegen die Gemeinde vor Gericht ziehe. Auch dürfe jemand, der seinen Teil für den heqdesh nicht bezahlt habe, vor Gericht nicht als Zeuge auftreten. Wenn es in der Stadt einen professionellen Richter gebe, dürften die Vorsteher der Gemeinde mit dem Gemein‑ defonds nichts machen, was nicht dessen Entscheidungen entspreche.62 Externe Obrigkeiten Die höhere Beaufsichtigung des heqdesh wurde in Ägypten in Fustat von vertrau‑ enswürdigen Gemeindevorstehern ge‑ leistet. Ein Beispiel dafür ist ein von Gil veröffentlichter Brief aus der Kairoer Ge‑ niza, in dem es um ein Haus in Aleppo geht. Die Adressaten sind diejenigen, „die gemäß dem Brauch und [bevollmächtigt] von der Versammlung für die [Einhaltung der] Thora verpflichtet sind“. Die Absender sind „die Gemeinden, die in Tyrus wohnen“. Beide Gemeinden hatten eine gemeinsame übergeordnete Leitung, die auch für den heqdesh in den zwei Städten verantwortlich war.63 Seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts wirkte der Nagid als neu eingeführte jü‑ dische Autorität in Ägypten als höchstes Beaufsichtigungsorgan des heqdesh, wobei diese stärkere Zentralisierung mit einem generellen Bedeutungsverlust der Institu‑ tion heqdesh zusammenfiel.64 Wie bei der Verwaltung muslimischer Stiftungen, bei denen die konkrete Be‑ aufsichtigung einem Hauptverwalter (mutawallī) oblag, gab es auch in der Ge‑ schichte des Kairoer heqdesh eine Zeit, in der ein externer Administrator die Rolle des Gerichthofes übernahm. So ernannten im Jahr 1150 u. Z. der Nagid, sein bet-din und die Gemeindeältesten einen Gene‑ ralverwalter (wakil) zur Verwaltung und Beaufsichtigung des heqdesh. Ein Brief an Maimonides von 1171 enthält Klagen ge‑ gen eine Entscheidung des jetzt mutawallī

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genannten Verwalters; auch ein Brief von 1201 gibt Hinweise auf seine Rolle als Administrator. In diesen Quellen wird deutlich, dass er während der Zeit seiner Oberaufsicht anstelle des bet-din Stiftungen approbierte und Verträge gegenzeichnete. Laut seinem Ernennungsbrief hatte er das Recht, je nach Bedarf weitere Personen zur Beaufsichtigung und Vertretung der Stiftung zu bestellen. Dass nach ihm keine weiteren Personen dieses Amt ausübten, kann als Hinweis darauf gelten, dass des‑ sen Einführung Unzufriedenheit in der Ge‑ meinde hervorgerufen hatte, widersprach sie doch den grundsätzlichen Prinzipien des heqdesh.65 Im islamischen Recht gibt es die Aussa‑ ge, dass jeder ḏimmī berechtigt sei, einen eigenen waqf zu gründen, aber nur unter der Bedingung, dass mit dem Aussterben der Familie der waqf an die Armen seiner Religion übergehe. Eine weitere Vorausset‑ zung war, dass der waqf der ḏimmī nicht gegen die übrigen Gesetze des Islam versto‑ ßen dürfe. Daher wurden Kultusstiftungen von Juden und Christen im Allgemeinen nicht gefördert, während sie von den mus‑ limischen Autoritäten in der Regel ermu‑ tigt wurden, einen waqf für die Armen zu gründen.66 Einige Kalifen befahlen gar per Erlass, dass sich die Oberhäupter der ḏimmīs (z. B. der nestorianische Katholi‑ kos, der Nagid der jüdischen Gemeinden oder das Haupt einer yeshivah) um die wohltätigen Stiftungen ihrer Gemeinden sorgen sollten. Die ‚Oberaufsicht‘ durch weltliche Herr‑ scher konnte für die Stiftung freilich auch gefährlich sein, wenn dieser das Recht der ḏimmīs nicht anerkannte; es war dann an den Verwaltern, das Vermögen wenn mög‑ lich zusammenzuhalten. So in einem Fall des 12. Jahrhunderts, in dem der Sultan Vermögen des heqdesh in Kairo konfis‑ zieren wollte. Der Verwalter des heqdesh

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wurde von jemandem beim Sultan denun‑ ziert (hilshin), er besitze und vermiete ein Geschäft, das nicht ihm gehöre und für das es keine Erben gebe. Deshalb habe der Sultan ein Anrecht darauf. In der Tat war das Geschäft dem heqdesh von einem kinderlosen Stifter übertragen worden, auf dass das Einkommen aus der Vermietung an Thorastudenten verteilt werde. Der Ver‑ walter wurde daraufhin von dem Gelehr‑ ten Maimonides ermächtigt, dem Sultan das Geschäft als sein eigenes Vermögen zu präsentieren und darauf sogar zu schwören, um zu verhindern, dass das Vermögen des heqdesh konfisziert werde.67 Die Vorsteher der Gemeinden in Spanien, die zugleich großen Einfluss am königli‑ chen Hof hatten, konnten weitreichend über finanzielle Fragen der Gemeinden entscheiden. Jedoch waren die Stiftungen der Gefahr ausgesetzt, dass einer dieser königsnahen Gemeindevorsteher zum Christentum konvertierte. Diese Glau‑ bensübertritte waren offenbar einer der Hauptgründe für den Untergang der jüdi‑ schen Gemeinden in Spanien. Auch nicht‑ jüdische Autoritäten, vor allem die Könige, mischten sich oft in die Verwaltung der Gemeindefonds ein. Große jüdische Gelehrte hatten in Asch‑ kenas auch von außerhalb der Gemein‑ den eine beträchtliche Autorität, wenn es strittige Fragen über die Verwaltung der Gemeindefonds zu entscheiden gab. Nichtjüdische Autoritäten hatten mit der Verwaltung jüdischer Gemeinden und ihrer Stiftungen wenig zu tun, da in Aschkenas eine kollektive Steuer bezahlt wurde und die Gemeinden daher selbst entscheiden konnten, wie sie diese Last unter ihren Mitgliedern und Einrichtungen aufteilen wollten. EK

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Stiftungsorganisation

Anmerkungen 1  Documents of the Jewish Pious Foundations

From the Cairo Geniza. Ed. und übers. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research In‑ stitute, Tel Aviv University, Bd. 12.) Leiden 1976, 30 f.: „But if the community was not a legal per‑ son, at least not from the point of view of legal philosophy, the qōdesh certainly was, and acted as such. The abstract and sophisticated point of view, of mortmain property, was never adopted, nor expressed. Jewish self‑government and its institutions in the Diaspora were deprived of the sound and secure support provided by terri‑ tory of their own. On the other hand, there was avoidance of new terms and preference for old legal patterns and precedents. Thus, the qōdesh was considered the legal equivalent of the Temple, subject to the same well‑elaborated rules and granted the same preferential status.“ 2 So bT Bava Batra 8a; vgl. auch Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 47. 3 Ebd., 62–81, bes. 77; Goitein, Social Services (1964), 17; Ders., Mediterranean Society, Bd. 2 (1971, ND 1999), 112–121. 4  Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 47–57. 5 Teshuvot ha‑Rambam, 3 Bde. Ed. Jehoshua Blau. Jerusalem 1957, Bd. 2, 613 f., Nr. 341. 6 Ebd., Bd. 1, 89 f., Nr. 54. 7 Ebd., Bd. 2, 477–479, Nr. 257. 8 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 54–61. 9 Sheʾelot u‑Teshuvot le‑Marana u‑Rabbana ha‑ Gaon Rabbenu Yitzhaq Alfasi. Ed. Yehudah Aryeh Leib Ashkenazi. Livorno 1781, 20, Nr. 135; Teshuvot Rabbenu ha‑Gadol Yosef ha‑Levi Ibn Migash. Ed. Nathan Schriftgisser. Warschau 1870, 26a, Nr. 153; 22b, Nr. 136. 10  Darunter vor allem Rosh (Asher b. Yeḥiel, 1250/1259–1327); sein Sohn Jehuda b. Asher (1270– 1349); Rashba (Shlomo b. Adret, 1235–1310); Ritba (Yom Tov b. Abraham Ishbili, 1250–1330); Moshe Halavah (Barcelona, ca. 1290–1370); Ran (R. Nis‑ sim Gerondi, 1320–1376); Ribash (Isaak b. Sheshet, 1326–1408); Rashbaṣ (Shimon b. Ṣemah Duran, 1361–1444); Rashbash (Shlomo b. Shimon Duran, ca. 1400–1467). 11  Diese Neuerung wurde von R. Asher b. Ye‑ hiel (Rosh) und seinen Söhnen, Judah b. Asher

und Jakob b. Asher (1269–1340), eingeführt. Vgl. Sheʾelot u‑Teshuvot Zikhron Yehudah le‑Rabenu Yehudah ben ha‑Rosh. Ed. Avraham Y. Ḥavatselet. Jerusalem 2005, 180 f.; → 9.4.2. 12  Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot she‑hibber ha‑Rav ha‑Maor ha‑Gadol Rabbenu Shlomo ben Adret, Bd. 1–3. Ed. Zeev Wolf, Bd. 3. Bnei Brak 1971, 380; J. Cohen, Charitable Contributions (2001). 13  Sheʾelot u‑Teshuvot Bar Sheshet hibbero ha‑Hakham ha‑Shalem Beno Yiṣḥaq. Ed. Israel Deiches. Jerusalem 1968, 30 f., Nr. 132. 14  Ebd., 38–40, Nr. 171; 91 f., Nr. 331. 15  Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Shlomo ben Adret. Ed. Wolf (wie Anm. 12), Bd. 3, 171, Nr. 293; Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Meir Crescas, Bd. 1. Lemberg 1891, 54, Nr. 287. 16  Ebd., Bd. 1, 51, Nr. 138. 17  Ebd., Bd. 2, 47, Nr. 293. 18  Sheʾelot u‑Teshuvot Maharam Halavah. Ed. Moshe Herschler / Ben-Zion Herschler. Jerusalem 1987, 94, Nr. 94. 19  Sheʾelot u‑Teshuvot le‑ha‑Rav Rabbenu Asher. Ed. Yehoshua Grossman. New York 1954, 15, Nr. 13.13. 20 Ebd., 15, Nrn. 13.5; 13.14. 21 R. Shlomo b. Adret etwa, ein Zeitgenosse von Rosh, entschied, dass der Stifter den Stif‑ tungszweck, nachdem die Stiftung in die Hände der Verwalter gelangt sei, ändern könne: Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Shlomo ben Adret. Ed. Wolf (wie Anm. 12), Bd. 1, 232, Nr. 617; 294, Nr. 887; 360, Nr. 1156; Bd. 3, 170, Nr. 291. Im ersten Responsum verneint Rashba diese Möglichkeit, während er sie in den drei letzten bejaht. 22 Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Crescas (wie Anm. 15), Bd. 2, 38–41, Nr. 272. 23 Sefer ha‑Rashbash. Ed. Abraham b. Rafael Mildola. Livorno 1742, 140, Nr. 40; Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Crescas (wie Anm. 15), Bd. 2, 27, Nr. 170. 24 So etwa bei der Vermietung von Immobili‑ en: Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Crescas (wie Anm. 15), Bd. 3, 39, Nr. 256. 25 Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Shlomo ben Adret. Ed. Wolf (wie Anm. 12), Bd. 1, 239, Nr. 642; 368–370, Nr. 1157. 26 Ebd., 249, Nr. 680; 278, Nr. 811; 277, Nr. 881; Sefer ha‑Rashbash. Ed. Mildola (wie Anm. 23), 112, Nr. 568.

Juden

27 Sheʾelot u‑Teshuvot le‑ha‑Rav Rabbenu Asher.

Ed. Grossman (wie Anm. 19), 97, Nr. 105.8. 28 Das galt für Häuser, aber beispielsweise auch für Getreide, das im Notfall verkauft wer‑ den musste: Ebd., 16, Nr. 13.16; Sheʾelot u‑Teshuvot Bar Sheshet. Ed. Deiches (wie Anm. 13), 30 f., Nr. 19. 29 Sefer ha‑Rashbash. Ed. Mildola (wie Anm. 23), 117, Nr. 597; Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Shlomo ben Adret. Ed. Wolf (wie Anm. 12), Bd. 3, 240 f., Nr. 416; Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Crescas (wie Anm. 15), Bd. 2, 22, Nr. 135. 30 Vgl. Finkelstein, Jewish Self‑Government (1964), 177; 194; 230 (hebräischer Text); 185 f.; 199; 247 (englischer Text). Vgl. Galinsky, Custom (2011), 231, Anm. 94; 96; 98; siehe auch → 5.4.2. Sefer ḥasidim. Ed. Reuven Margaliot. Jerusalem 1957, 148 f.; Tosafot bT Bava Batra 148a; Tosafot bT Taʿan 9a; Eleazar b. Natan, Sefer ha‑Raavan. Ed. Shlomo Zalman Ehrenreich. Szilágysomlyó 1927, ND Jerusalem 1975, 176; Eliezer ben Joel ha‑Levi, Sefer Raviah. Ed. Avigdor Aptowitzer. Jerusalem 1958, Nr. 592; 799. Vgl. auch Galinsky, Custom (2011), 209 f., Anm. 22 f. 31 Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Moses Bloch. Budapest 1895, 128, Nr. 925; 133 f., Nr. 942. 32 Drei Responsa des R. Meir b. Baruch von Rothenburg belegen, dass in der zweiten Hälf‑ te des 13. Jahrhunderts dem heqdesh Bußgelder gestiftet wurden: Sefer Shaʾare Teshuvot Maha‑ ram bar Baruch. Ed. Moses Bloch. Berlin 1891, 237, Nr. 231; Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Bloch (wie Anm. 31), 68, Nr. 493; Perush Mordechai al‑ Megillah. (Talmud Bavli, Shas Nehardea, Bd. 6.) Jerusalem 2008, 543 f., Nr. 825; Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yisrael Bruna. Ed. Moshe Hershler. Jeru‑ salem 1987, 176, Nr. 147. 33 Sefer Or Zarua le‑Rabbenu R. Yiṣḥaq bar Moshe mi‑Vina, 4 Bde. Ed. Akiva Moses Lehren. Zhitomir 1862, Bd. 1, 7, Nr. 1. 34 Ebd., Bd. 1, 12, Nr. 22; Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Bloch (wie Anm. 31), 10, Nr. 75; 73, Nr. 541; 127, Nr. 918; Mishneh Torah Hu ha‑Yad ha‑Hazaqah le‑ha‑Nesher ha‑Gadol Moshe bar Maimon z‫״‬l, 7 Bde. Ed. Nahum Trebitsch. War‑ schau 1881, Bd. 6, Teshuvot Maimoniot Neziqin, 139, Nr. 5; Teshuvot Maimoniot Qinyan, 99 f., Nr. 27 f.; Mordechai Ha‑shalem al‑Masekhet Bava Qamma. Ed. Avraham Halperin. Jerusalem 1992, 239, Nr. 192; Perush Mordechai al‑Baba Batra. (Talmud Bavli, Shas Nehardea, Bd. 14.) Jerusalem 2008, 6b, Nr. 502;

553 Emanuel, Responsa von Weisen Deutschlands (2000), 19, Nr. 4, Anm. 30. Vgl. Galinsky, Custom (2011), 218, Anm. 49; Sheʾelot u‑teshuvot Maharil. Ed. Yitzhak Satz. Jerusalem 1979, ND Tel Aviv 1991, 29, Nr. 36; 52–55, Nr. 54; 59, Nr. 56.7; 79 f., Nr. 62.2; Sheʾelot u‑teshuvot Maharil ha‑hadashot. Ed. Yitzhak Satz. Jerusalem 1977, 65, Nr. 59; 130, Nr. 108; 131, Nr. 109; Sheʾelot u‑teshuvot Moshe Mintz. Ed. Pinchas Moshe Balaban. Lemberg 1851, 50 f., Nr. 65. 35 Perush Mordechai al‑Baba Batra (wie Anm. 34), 3b–5b, Nrn. 478–480; 483; 488; 490. 36 Sefer Or Zarua le‑Rabbenu R. Yiṣḥaq bar Moshe mi‑Vina. Ed. Lehren (wie Anm. 33), Bd. 1, 10, Nrn. 2–4. 37 Sefer Or Zarua. Ed. Lehren (wie Anm. 33), Bd. 1, 8, Nrn. 14–16; Perush Mordechai al‑Baba Batra (wie Anm. 34), 5a, Nr. 489; 6, Nrn. 500–502. 38 Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Bloch (wie Anm. 31), 80, Nr. 586. 39 Perush Mordechai al‑Baba Batra (wie Anm. 34), 5a, Nr. 489; 6b, Nr. 503; Mishneh Torah Moshe bar Maimon. Ed. Trebitsch (wie Anm. 34), Bd. 1, Hagahot Maymoni, 25b, Tefillah 11.2; Sheʾelot u‑teshuvot Maharil ha‑hadashot. Ed. Satz (wie Anm. 34), 133, Nr. 110; Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yisrael Bruna. Ed. Hershler (wie Anm. 32), 151, Nr. 124; 221, Nr. 173. 40  Teshuvot u‑Psaqim me‑et‑Hakhme Ashke‑ naz u‑Sarfat. Ed. Ephraim Kupfer. Jerusalem 1973, 184 f., Nr. 121. 41  Sefer Or Zarua. Ed. Lehren (wie Anm. 33), Bd. 1, 8, Nrn. 14–16; Sefer Shut Maharam bar Ba‑ ruch. Ed. Bloch (wie Anm. 31), 10, Nr. 74; 158b, Nr. 1022; Perush Mordechai al‑Baba Batra (wie Anm. 34), 5a, Nr. 489; 6, Nrn. 482; 485; 491; 492; Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yisrael Bruna. Ed. Hershler (wie Anm. 32), 32, Nr. 26; 60, Nr. 41. 42  Sefer Or Zarua. Ed. Lehren (wie Anm. 33), Bd. 1, 9, Nrn. 27; 30; Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Bloch (wie Anm. 31), 10, Nr. 73; 23, Nr.147; Sheʾelot u‑teshuvot Maharil. Ed. Satz (wie Anm. 34), 216, Nr. 121; Sheʾelot u‑teshuvot Maharil ha‑hadashot. Ed. Satz (wie Anm. 34), 84, Nr. 80.2; 91, Nr. 91. 43  Teshuvot ha‑Rambam. Ed. Blau (wie Anm. 5), Bd. 2, 370–373, Nr. 210. 44  Ein Responsum von R. Maimon b. Josef behan‑ delt eine rein private Familienstiftung: Teshuvot Rabbi Maimon Ha‑Dayyan Avi ha‑Rambam. Ed. Aaron Freimann, in: Tarbiz 6, 1935, 408–420.

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Stiftungsorganisation

45  Ein Beispiel: Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot Rab‑ 54 Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Nissim mi‑

benu Shlomo ben Adret. Ed. Wolf (wie Anm. 12), Gerondi. Ed. Goldman (wie Anm. 47), 3–7, Nr. 1. Bd. 3, 173, Nr. 297. 55 Ebd., 341, Nr. 75. 46  Sefer Sheʾelot u‑teshuvot ha‑Rashba, Bd. 4. 56 Sheʾelot u‑Teshuvot Bar Sheshet. Ed. Deiches Ed. Rafael ha-Levi. Piotrków Trybunalski 1813, ND (wie Anm. 13), 143, Nr. 466. Jerusalem 1960, Teil 5, 54 f., Nr. 249. 57 Vgl. bT BQ 36a; Documents. Ed. Gil (wie 47  Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yom Tov ben Anm. 1), 39 f. Avraham Asevilli. Ed. Joseph D. Qāfiḥ. Jerusa‑ 58 Vgl. z. B. ebd., 39; 325–327, Nr. 79. lem 1959, ND 2008, 250–256, Nr. 206; Sheʾelot u‑ 59 Vgl. bT Sanh 2a; 5a; m Av 4.8; jT Sanh 1.18b– Teshuvot Rabbenu Nissim mi‑Gerondi. Ed. Isaak 19a; Osar Ha‑Geonim. Thesaurus of Geonic Res‑ Goldman. Warschau 1882, ND Jerusalem 1972, 7–12, ponsa, Sanhedrin. Ed. Hayyim Zvi Taubes. Jeru‑ salem 1966, 27, Nr. 56; Teshuvot ha‑Rambam. Ed. Nr. 2; 61, Nr. 66; 70, Nr. 74. 48  Die Juden im christlichen Spanien. Erster Blau (wie Anm. 5), Bd. 2, 361–363, Nr. 206. Vgl. Teil: Urkunden und Regesten, 2 Bde. Ed. Fritz Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 40 f. mit Anm. 51. Baer. (Veröffentlichungen der Akademie für die 60 Ein Beispiel: Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Wissenschaft des Judentums. Historische Sek‑ Yom Tov ben Avraham Asevilli. Ed. Qāfiḥ (wie tion, Bd. 4.) Berlin 1929–1936, ND Farnborough Anm. 47), Nr. 167. (Hampshire) 1970, Bd. 1, 856–858, Nr. 533. 61 Sefer ha‑Tashbeṣ. Ed. Crescas (wie Anm. 15), 49  Sefer Shut Maharam bar Baruch. Ed. Bloch Bd. 1, 20, Nr. 52. (wie Anm. 31), 45, Nr. 286. 62 Perush Mordechai al‑Baba Batra (wie Anm. 34), 50 Ebd., 149, Nr. 999. 6, Nrn. 482–484. 51 Sheʾelot u‑Teshuvot Rabbenu Yisrael Bruna. 63 Documents. Ed. Gil (wie Anm. 1), 37 f.; 127–136, Ed. Hershler (wie Anm. 32), 131–134, Nr. 212. Nr. 2. 52 Sefer Sheʾelot u‑Teshuvot Mahariq le‑Rabbe‑ 64 Ebd., 45. nu Morenu ha‑Rav Yosef Colon z‫״‬l. Ed. Shemuel 65 Ebd., 45–47; 259–262, Nr. 49; 363–366, Nr. 94; Eizik Peshes. Warschau 1884, ND Jerusalem 1973, 292–294, Nr. 62. Nr. 6. 66 Ebd., 8 f. 53 Sheʾelot u‑Teshuvot le‑ha‑Rav Rabbenu Asher. 67 Teshuvot ha‑Rambam. Ed. Blau (wie Anm. 5), Ed. Grossman (wie Anm. 19), 15, Nr. 13.12. Bd. 2, 371 f., Nr. 210.

13.5  Griechisch-orthodoxe Christen 13.5.1  Allgemeines Zu Beginn des mittelalterlichen Jahrtau‑ sends richteten die meisten griechisch‑or‑ thodoxen Stifter ihre Gedanken offensicht‑ lich kaum auf die effektive Verwaltung ihrer Stiftungen. Die spätrömische Gesetzgebung deutet darauf hin, dass die ungenaue For‑ mulierung der stifterlichen Anweisungen oft zu rechtlichen Problemen führte. Auf dem Sterbebett oder schon früher bestimm‑ te der Stifter manchmal Gott selbst oder

Jesus Christus, einen Engel, einen Heiligen oder auch pauschal ganze Personengruppen wie ‚die Armen‘ oder ‚die Gefangenen‘ zu seinen Erben. In Fällen sogenannter incertae personae, also wenn die Stiftungsbegünstig‑ ten nicht genauer bestimmt wurden, musste sich der Gesetzgeber um die Verwaltung der Stiftung kümmern.1 Nicht nur in diesen Fällen, sondern auch sonst war der Bischof diejenige Person, der

Griechisch-orthodoxe Christen

die Beaufsichtigung oder die Verwaltung einer Stiftung anvertraut wurde. Deswegen hat eine Untersuchung der Stiftungsorga‑ nisation im griechisch‑orthodoxen Bereich vor allem das Verhältnis der Stiftung zum Bischof zum Gegenstand; falls der Stifter keinen bestimmten Verwalter vorgesehen hatte, war dieser die allgegenwärtige Fi‑ gur der Stiftungsverwaltung. Wenn aber der Stifter selbst einen Verwalter benannt hatte, lag trotzdem die Stiftungsaufsicht beim Bischof. Die hoch‑ und spätmittelalterliche Stif‑ tungsorganisation wies jedoch gegenüber früheren Epochen ganz andere Tenden‑ zen der Verwaltungspraxis auf. Von der justinianischen Gesetzgebung und ihren Bezügen auf die incertae personae unter‑ schieden sich die byzantinischen ‚Stifter‑ typika‘ (ktētorika typika) stark, in denen die Stifter regelmäßig jede vorstellba‑ re Einzelheit der Stiftungsorganisation vorschrieben.2 Hier gab sich der Stifter große Mühe, die Beaufsichtigung und Rechtsprechung des lokalen Bischofs zu umgehen. 13.5.2  Verwaltung Bei der Untersuchung der internen Orga‑ nisation griechisch‑orthodoxer Stiftungen muss man zwischen (1.) piae causae sowie (2.) nicht‑klösterlichen Kirchen einerseits und (3.) Klöstern andererseits unterschei‑ den. Dies lässt sich auch chronologisch begründen, weil nach ca. 900 u. Z. nahezu alle bekannten Fälle von Stiftungen Klöster oder wenigstens mit einem Kloster ver‑ bunden waren. Während über die Admi‑ nistration von Klöstern viele Quellen zur Rechtswirklichkeit Aufschluss geben, ist man bei den piae causae hauptsächlich auf die Gesetzgebung angewiesen. Über die rechtlichen Vorschriften hinaus lässt sich

555

die innere Organisation der piae causae also oft nur vermuten. (1.) Wohltätigkeitsanstalten bzw. piae causae (wörtl. ‚fromme Gründe‘) standen in der östlichen Reichshälfte im Jahrhundert nach Konstantin dem Großen (gest. 337) norma‑ lerweise im Eigentum der bischöflichen Kirche. Die ersten nachgewiesenen piae causae, etwa der Wohltätigkeitskomplex des Basileios von Kaisareia (um 329–379; sog. ‚Basileias‘), wurden vom Bischof ge‑ gründet und betrieben.3 Erst ab der zwei‑ ten Hälfte des 5. Jahrhunderts darf man aufgrund kaiserlicher Gesetzgebung die Schlussfolgerung ziehen, dass die piae causae tatsächlich als Stiftungen, das heißt als unabhängige Institutionen mit eigenem Vermögen, agierten.4 Die Kaiser dieser Zeit, vor allem Justinian I. selbst (527–565), be‑ schäftigten sich sodann als Gesetzgeber intensiv mit Fragen der Verwaltung der piae causae.5 Aus rechtlicher Sicht hatten die „Piae Causae (…) keine Mitglieder, sondern le‑ diglich Verwaltungspersonen einerseits und Destinatäre anderseits“6; das unter‑ schied sie von Klöstern. Ihre Leitung sollte, wenn keine bestimmte Person durch den Stifter als Verwalter oder Leiter bezeichnet worden war, dem Bischof anvertraut wer‑ den. In der Praxis spielte ein vom Bischof ausgewählter Kleriker eine zentrale Rolle in der Verwaltung; er wurde je nach Typ der pia causa als orphanotrophos (Leiter eines Waisenheims), xenodochos (Leiter einer Herberge), ptōchotrophos (Verwalter einer Armenhauses) oder allgemeiner als dioikētēs bezeichnet. Ihm wurde das übrige Verwaltungspersonal (leitourgountes oder hypourgountes) unterstellt.7 Im Allgemeinen mussten die Leiter und das übrige Personal danach streben, den Stifterwillen zu erfüllen. Oft richtete sich dieser nach den privat‑ bzw. erbrechtlichen

556

Vorschriften. Nach der Formulierung eines Gesetzes Justinians agierten der Bischof, der oikonomos (Verwalter des Vermögens der Bischofskirche) oder der xenōn (das Spital) im Namen und Interesse ‚der Armen‘ oder ‚Gefangenen‘ als Erben des Stifters; sie galten als Erben ohne Erbanteil (lat. falcidia).8 Einen guten Einblick in die frühen piae causae erlauben die aus dem spätan‑ tiken Ägypten stammenden Papyri. Al‑ lerdings unterscheiden sich diese durch Privatpersonen, besonders die mächtige Apion‑Familie begründeten Wohltätig‑ keitsanstalten in vielerlei Hinsicht von der Darstellung der piae causae in der spätrömischen Gesetzgebung. Während bei Justinian die Leitung von piae causae Klerikern zugeschrieben wird, findet man im spätantiken Ägypten viele Beispiele von laikalen Verwaltern.9 Die Terminolo‑ gie der spätrömischen Gesetzgebung für die finanzielle Unterstützung von Stiftun‑ gen, auch für die piae causae, fehlt in den Papyri fast vollständig.10 Auch darf man die ägyptischen piae causae der Spätantike auf Grundlage der überlieferten Papyri nur eingeschränkt als Stiftungen bezeichnen. Sie blieben näm‑ lich in der Regel im Besitz ihrer Gründer und waren keine unabhängigen Institu‑ tionen.11 Neben 47 Kirchen, elf Klöstern und zwei martyria (Kapellen) finanzierte die Apion‑Familie im 6. Jahrhundert auch vier piae causae, darunter drei Herbergen (xenodocheia) und ein Spital (nosokomeion).12 Die enge Abhängigkeit dieser Wohl‑ tätigkeitsanstalten von ihrem Herrn zeigt sich in der Tatsache, dass ein gewisser Menas gleichzeitig Verwalter (oikonomos) des Spitals von Abba Elias und Notar des Apion‑Vermögens war.13 Manchmal war diese Abhängigkeit sogar noch enger; im Jahr 570 vermachte der Chefarzt Flavius Phoibammon seinem Bruder Johannes die

Stiftungsorganisation

Verwaltung und Finanzierung seines Spi‑ tals (xenōn).14 Nach dem 7. Jahrhundert ist die Quellen‑ lage für piae causae sowie für griechisch‑ orthodoxe Stiftungen in Allgemeinen ziem‑ lich mager; wo aber ab dem 10. Jahrhundert erneut umfangreichere Quellen überliefert sind, die über eine bloße Erwähnung von Wohltätigkeitsanstalten hinausgehen, lag deren Organisation ausschließlich in der Hand von Klöstern, in manchen Fällen waren sie sogar Teil eines Klosterkom‑ plexes. In gewisser Weise setzten diese Erscheinungen Tendenzen schon des frü‑ hen Mönchtums fort, da man piae causae schon bei den ersten Klöstern in Ägypten gefunden hat.15 Ein bestimmter Typ der piae causae, das Altersheim (gērokomeion), war ursprünglich eine rein monastische Institution, sie war ursprünglich nur für alte Mönche gedacht. In der Forschung herrscht aber Unklarheit darüber, ab wann genau auch Laien in Altersheimen unter‑ gebracht wurden.16 Die ausführlichsten Quellen zu Stif‑ tungen in Byzanz, die typika, überliefern keinen einzigen Fall einer unabhängigen Wohltätigkeitsanstalt. Ein nur aus einer Inschrift bekanntes Altersheim, genannt ‚Ta Derma‘, am Berg Tmolos westlich des lydischen Philadelphia in der heutigen Tür‑ kei war für zwölf Mönche, zwölf Alte, vier Helfer und einen Abt eingerichtet.17 In sei‑ nem typikon für eine Klostergemeinschaft im heutigen Bačkovo (Bulgarien) erwähnte der Stifter und georgische Feldherr Gregor Pakourianos am Ende des 11. Jahrhunderts drei Herbergen (xenodocheia), die von Mön‑ chen betrieben wurden, aber als Teile des Klostervermögens firmierten.18 Die promi‑ nentesten piae causae des 12. Jahrhunderts, die des Pantokrator‑Klosterkomplexes in Konstantinopel und die des Klosters Kos‑ mosoteira, wurden ebenfalls von Mönchen verwaltet.19

Griechisch-orthodoxe Christen

(2.) Wie im Fall der piae causae ist die Über‑ lieferung für selbständige Kirchenstiftun‑ gen in Byzanz schmal. Die chronologische Verteilung von Kirchenstitungen ähnelt der von piae causae, weil besonders nach der Jahrtausendwende fast alle Kirchenstif‑ tungen eigentlich Klosterstiftungen waren. Neben der spätrömischen Gesetzgebung verfügen wir hauptsächlich über Nach‑ weise von Eigenkirchen. Papyri aus dem spätantiken Ägypten bieten uns wiederum hauptsächlich ein Bild von Kirchen als Teil von Privatvermögen.20 Die 47 Kirchen, die von der Apion‑Familie unterhalten wurden, waren allem Anschein nach mindestens abhängige Institutionen, falls sie nicht überhaupt alle Eigenkirchen waren.21 Im Gegensatz zu Mönchen verrichte‑ te der byzantinische Weltklerus selten ausschließlich geistliche Aufgaben. Dass Kirchen im Verhältnis zu Klöstern schon im spätantiken Ägypten wesentlich gerin‑ gere Subventionen erhielten, wurde damit begründet, dass Kleriker von ihrer eige‑ nen weltlichen Arbeit leben sollten.22 Die Existenz eines hauptamtlichen Klerus ist zwar durchgehend belegt, dieses Phäno‑ men beschränkte sich aber im Grunde auf die großen Reichs‑ und Stiftungskirchen der Hauptstadt 23 Ein besonders gut belegter Fall einer nicht‑klösterlichen Kirchenstiftung in By‑ zanz, vielleicht der anschaulichste über‑ haupt, ist das Testament des Provinzmag‑ naten Eustathios Boïlas aus dem Jahr 1059.24 Obwohl der Löwenanteil seines Vermögens an die Erben floss, kümmerte sich der Stifter darüber hinaus um sein ewiges liturgisches Gedenken in einer von ihm errichteten Kirche. An diese, die der Muttergottes geweiht war, vermachte Eu‑ stathios die Hälfte des Gutes von Bouzina für den Unterhalt des Klerus und die Be‑ leuchtung der Kirche. Dieser Anteil sollte auf das gesamte Gut erweitert werden, falls

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die Erben des Eustathios sein Gedenken vernachlässigen sollten. Verschiedene Per‑ sonen wurden damit betraut, diese Maßga‑ ben durchzusetzen: seine zwei Schwieger‑ söhne, die beiden Söhne eines doux (eines Militärgouverneurs in einem Grenzgebiet), der Bischof und der ranghöchste Priester seiner Kirchenstiftung. Es lohnt sich in diesem Fall, einige Wor‑ te über die Gemeinschaft der Destinatä‑ re als Teil der Stiftungsorganisation zu verlieren. An dem Testament ist nämlich auffällig, dass viele der Priester entwe‑ der befreite Sklaven des Eustathios oder seine eigenen Nachkommen waren. Hier lässt sich einmal klar die Rekrutierung des Stiftungspersonals erkennen; die über‑ wiegend monastische Überlieferung gibt Entsprechendes sonst nicht preis. Wenn‑ gleich das Testament von Eustathios Boïlas in dieser Hinsicht einzigartig ist, werden architektonische Eigenheiten einiger zur selben Zeit bestehender kappadokischer Klöster so gedeutet, dass größere Provinz‑ magnaten in Kleinasien ebensolche Memo‑ rialgemeinschaften gründen wollten.25 Die Parallelen zum lateinischen Westen sind dabei offensichtlich.26 (3.) Verglichen mit den piae causae oder Kirchen war die Einbeziehung von Klöstern in das byzantinische Stiftungswesen eine spätere Entwicklung. Klöster als Leitphä‑ nomen des mittelalterlichen griechisch‑or‑ thodoxen Stiftungswesens zu benennen, be‑ deutet jedoch nicht, dass das Klosterwesen selbst standardisiert war. Wie andernorts in dieser Enzyklopädie diskutiert, liegt eine grundlegende Eigenschaft des byzantini‑ schen Mönchtums vielmehr in der Vielfalt der Organisationsformen. (→ 3.5.1) Dass es hier anders als im lateinischen Christentum keine monastischen Orden gab, führte zu einer großen Bandbreite von Organisations‑ formen, selbst unter zönobitischen Klöstern.

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Anders als im lateinischen Westen fanden in Byzanz auch nicht‑zönobitische monas‑ tische Formen, nämlich das Eremitentum, und halb‑zönobitische Formen (die der Lau‑ ra oder des ‚idiorrhythmischen‘ Klosterle‑ bens), ihre Fortsetzung. Obwohl alle diese Formen zum griechisch‑orthodoxen Stif‑ tungswesen gehörten, stammt das meiste, das wir über das byzantinische Mönchtum wissen, aus zönobitischen Klöstern. Diese Quellenlage entspricht der gesamtgesell‑ schaftlichen Bedeutung der zönobitischen Klöster in Kirche, Politik und Wirtschaft des Reiches. Während unsere Kenntnisse der Kloster‑ organisation hauptsächlich auf den typika aus der zweiten Hälfe des Mittelalters beru‑ hen, können wir über ihre Ausgestaltung in früherer Zeit viel weniger sagen. Die jus‑ tinianische Gesetzgebung, unsere Haupt‑ quelle zu Klosterstiftungen aus der Zeit vor dem Jahr 1000, bestimmt sehr minutiös und umfassend die Klosterorganisation,27 und zwar besonders die von Zönobien.28 Die Gesetze stellen auf eine gewisse Weise ein ‚Stiftungsrecht‘ dar, das allerdings nichts oder zumindest nichts Eindeutiges über andere Klosterarten (Eigenklöster, Klöster aus kollektiver Wurzel statt aus individu‑ ellem Stiftungsakt usw.) sagt. Der justinianischen Gesetzgebung zu‑ folge oblag die Organisation der Kloster‑ gemeinschaft der Entscheidung des Stif‑ ters; der Vorsteher der Mönche, der Abt, konnte jedoch nur mit der Genehmigung des Ortsbischofs eingesetzt werden.29 Im Kloster selbst fungierte der Abt als höchste Autorität. Mit dem geläufigen griechischen Wort für Abt, hēgoumenos / ἡγούμενος, wird seine Stellung zutreffend aus der ‚Hege‑ monie‘ (hēgemonia / ἡγεμονία) abgeleitet.30 Der Abt war für die ganze Verwaltung des Klosters zuständig; nur in zwei Fällen, bei Veräußerung eines Klostergutes oder bei Verwandlung einer Zeitpacht in eine

Stiftungsorganisation

Erbpacht, bedurfte er der Zustimmung der Klostergemeinde.31 In der Klosterhierar‑ chie folgten auf ihn der Prior (deutereuōn / δευτερεύων bzw. deuterarios / δευτεράριος) und danach mehrere Apokrisiare (apokrisiarioi / ἀποκρισιάριοι).32 Das Management des Klostervermögens übernahm der oikonomos (οἰκονόμος), der unmittelbar vom Abt bestimmt wurde.33 Die Neuwahl des Abtes lag in der Hand der klösterlichen Gemeinschaft; inwiefern der Stifter oder seine Nachkommen weiteren Einfluss auf die Verwaltung des Klosters nehmen konn‑ ten, wird in der justinianischen Gesetzge‑ bung nicht geregelt.34 Genaueres über die Stiftsklöster und ihre Verwaltung muss man aus späteren und andersgearteten Quellen eruieren. Wie im Fall der piae causae und der Kir‑ chen bieten die Papyri aus dem spätantiken Ägypten ein Bild des Klosterwesens, das nicht dem der spätrömischen Gesetzge‑ bung entspricht. Die vielen überlieferten Mönchstestamente beschreiben hauptsäch‑ lich Einsiedeleien, die als Vermögensobjek‑ te und nicht als Stiftungen in Erscheinung treten.35 Ebenso wenig waren die größeren Klöster Stiftungen, die zu ihren Gründern in einer starken Abhängigkeit standen.36 Das Kloster Apa Agenios etwa wurde in der ersten Hälfte des 6. Jahrhunderts durch den comes Ammonios verwaltet und ali‑ mentiert; dieser hatte auch einen privaten Steuererheber in seinem Dienst, Apollos, als Verwalter des Klosters installiert.37 Für die zweite Hälfte des Mittelalters wird das Bild der Klosterverwaltung auf Grund der typika als neuer Quellengattung und der sonstigen archivalischen Überlie‑ ferung viel umfassender. Die Klosterver‑ mögen erreichten in dieser Epoche zum Teil riesige räumliche Dimensionen, so dass es sinnvoll ist, eine allgemeine und eine lokale Klosterverwaltung zu unterschei‑ den. Der Abt war nach wie vor Vorsteher

Griechisch-orthodoxe Christen

der allgemeinen Klosterverwaltung, aber die typika zeigen eine zunehmende Auf‑ spaltung in eine spirituelle Rolle und eine wirtschaftliche Aufgabe, die nun häufig von dem oikonomos übernommen wurde. Auf Gütern des Hauptklosters, den soge‑ nannten metochia, wohnten metochiarioi bzw. pronoētai, deren Leiter oft ebenfalls als oikonomos bezeichnet wurden.38 Obwohl die Verwaltung überwiegend monastisch war, ist auch der Einsatz von Laienver‑ waltern, besonders für Frauenklöster, be‑ kannt.39 Erfolgreiche Verwalter konnten erwarten, dass sie in der Klosterverwal‑ tung aufstiegen; der erfolgreiche oikonomos eines metochion konnte im Laufe der Zeit sogar zum Abt werden.40 Neben der Klosterverwaltung bedien‑ ten sich byzantinische Klöster einer gan‑ zen Reihe von Treuhandschaften: ephoreia, epidōsis, epitropē und charistikē. Die frü‑ heste Form der Treuhandschaft war die epitropē; ursprünglich war der epitropos im römischen Recht ein Vormund. Erst allmählich erschien diese Rechtsinstitution auch im Stiftungskontext. Die ersten Bei‑ spiele von epitropoi deuten darauf hin, dass sie ihr Amt mit spiritueller oder weltlicher Macht bekleiden konnten. Athanasios vom Athos, Gründer der dortigen Laura, hatte in seinem Testament (nach 993) zwei epitropoi vorgeschrieben. Der erste von ihnen, der georgische Mönch und Freund des Atha‑ nasios, Johannes der Iberer, übte eine eher spirituelle Autorität aus; nichtsdestotrotz stand nicht dieser epitropos, sondern der Abt und Nachfolger von Athanasios der Gemeinde vor.41 Der zweite epitropos war dagegen ein hochrangiger Beamter und Feldherr, Nikephoros Ouranos, der sich um die weltlichen Angelegenheiten des Klosters kümmern sollte.42 Diese wechselnden Aufgaben des epitropos findet man auch für die ephoreia, eine Art Treuhandschaft, die nicht mit

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Gewissheit vor dem Jahr 1000 nachge‑ wiesen werden kann.43 Ein Unterschied zwischen epitropē und ephoreia lässt sich nicht klar fassen. Im Gegensatz zur epitropē entwickelte sich die ephoreia aus der ge‑ sellschaftlichen Praxis und hatte keinen Ursprung in einer Institution des römi‑ schen Rechts; ein möglicher Grund für ihre Entstehung ist deswegen der Bedarf einer neuen Form von Treuhandschaft, die nicht die bereits bestimmten (und zum Teil sehr eng gefassten) Eigenschaften des rechtlichen Vormunds besaß.44 Im Laufe des 11. Jahrhunderts findet man ephoroi in ganz verschiedenen Kontexten. Der wohl‑ habende Stifter Michael Attaleiates hatte durch das Amt des ephoros einen Mecha‑ nismus geschaffen, der einer Familienstif‑ tung ähnelte; aus dem Einkommen sollte ein Drittel dem Stiftungsvermögen zuge‑ schlagen und zwei Drittel dem Sohn des Attaleiates als ephoros zugeteilt werden.45 Er hoffte, dass dieses Arrangement viele Generationen überdauern würde, weil nur seine Nachkommen (vorausgesetzt, dass es sie noch geben würde) das Amt der ephoreia bekleiden sollten.46 (→ 7.5.3) Während griechisch‑orthodoxe Stifter seit jeher Treuhänder und Verwalter wie epitropoi und ephoroi als Grundelemente der Organisation vorgesehen hatten, wurden zwei andere Formen von Treuhandschaft, epidōsis und charistikē, theoretisch nur als Notfallmaßnahmen betrachtet. Beide konnten eingesetzt werden, falls Vermö‑ gensverluste die Existenz eines gestifte‑ ten Klosters bedrohten.47 In solch einem Fall durfte ein charistikarios, der oft Laie, manchmal aber auch Bischof oder sogar Mönch war, eingesetzt werden und die Stiftung als Treuhänder verwalten. Diese Treuhandschaft durfte sich über eine, zwei oder sogar drei Generationen erstrecken.48 Weil wir über die charistikē fast ausschließ‑ lich aus den Schriften ihrer Gegner wissen,

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ist es schwierig einzuschätzen, wie oft die‑ se Form der Treuhandschaft missbraucht wurde.49 Die chartistikē war in jedem Fall nur ein zeitlich begrenztes Phänomenon, das nur etwa zwischen dem 10. und dem 12. Jahrhundert in Erscheinung trat. Die epidōsis, eine begrenztere Form der Treu‑ handschaft, konkurrierte mit ihr und er‑ setzte schließlich die charistikē.50 Gemäß dem Modell der epidōsis wurde ein Kloster unter kirchlicher Beaufsichtigung an eine andere kirchliche Gewalt übertragen. Trotz vielfältiger Formen der Treuhand‑ schaft ist die entsprechende byzantinische Überlieferung, besonders was die konkre‑ te Tätigkeit eines Treuhänders betrifft, schwach; fast alle Angaben für charistikē stammen aus den Federn scharfer Kriti‑ ker dieses Gebrauchs. Obwohl wir von dem prominentesten dieser Gegner, dem Patriarchen von Antiochien Johannes V. Oxeites (ca. 1089–1100), über den Wortlaut der Übergabe eines Klosters an einen Treu‑ händer verfügen, sind Urkunden jeglicher Art über Treuhandschaft – Verträge, Rech‑ nungsbücher usw. – nicht erhalten.51 Sogar die sonst reiche urkundliche Überlieferung vom Athos hilft hier nicht weiter. Allerdings bietet uns ein wichtiger Hof‑ gelehrter des 11. Jahrhunderts, Michael Psellos, mit seiner voluminösen Korres‑ pondenz einen Einblick in den Alltag eines Treuhänders. Psellos wurde im Laufe seiner Karriere nicht nur mit der Treuhandschaft mehrerer Klöstern betraut, sondern agierte auch als Schutzherr für die Besitzer bzw. Stifter anderer Klöster.52 Aus seinen Briefen geht hervor, dass Psellos seine Tätigkeit als Treuhänder weniger fürsorglich als vielmehr unternehmerisch verstand.53 In einem Brief beklagte er als Treuhänder des Medikion‑Klosters die ungünstige geo‑ graphische Lage des Hauses;54 ihm war bewusst, dass die Güter des Klosters be‑ reits verpfändet waren und seinerseits eine

Stiftungsorganisation

größere Investition nötig sein würde, um Medikion aus den roten Zahlen zu führen.55 Deshalb versuchte er auch, den wichtigsten lokalen Staatsbeamten für seine Ziele zu gewinnen, als der Provinzrichter (kritēs) bei einem Streit zwischen Medikion und einem Nachbarn über Wasserrechte zu entscheiden hatte.56 Letzten Endes waren seine Bestrebungen für die Verbesserung des Klosters aber vergeblich; mit einem letzten Brief bat Psellos deshalb den Kaiser, die Treuhandschaft über Medikion aufge‑ ben zu dürfen und sie anderen Personen zu übertragen.57 Nicht immer handelte Psellos jedoch wie ein Unternehmer. Beim Kloster ‚Ta Narsou‘ erwies er sich nämlich als großzügig: „Die Mönche [betrachten] mich nicht nur als ei‑ nen Wohltäter des Klosters, aber sie haben mich dazu gezwungen und mich als einen Stifter für sich selbst angenommen. Ich bin nicht der Erbauer des Klosters, aber ein Verschönerer nach besten Kräften.“58 Das Kloster besaß viele, aber arme Landgüter.59 Auch die Verteidigung der Steuerfreiheit (von sekundären Steuern und Fronen) war Aufgabe eines Treuhänders und Schutz‑ herrn wie Psellos. In einem Brief erinnert er einen Provinzrichter daran, dass seine Lau‑ ra von Megala Kellia steuerfrei und nicht dazu verpflichtet sei, den Provinzrichter und seine Beauftragten bei sich aufzuneh‑ men.60 Zwei weitere Briefe belegen ferner, dass Psellos erfolgreich die Befreiung von der Pflicht durchsetzte, bei einer staatlichen Requisition Pferde zu liefern, nachdem ein Provinzrichter versucht hatte, dagegen bei einem von Psellosʼ Klöstern vorzugehen.61 13.5.3  Aufsicht Die Geschichte der Beaufsichtigung grie‑ chisch‑orthodoxer Stiftungen entspricht ihrer allgemeinen Entwicklungsgeschichte

Griechisch-orthodoxe Christen

selbst; Klöster entzogen sich in diesem Pro‑ zess allmählich der Gewalt der kirchlichen und weltlichen Autoritäten und erreich‑ ten den Stand selbständiger Institutionen. (→ 4.5) Gegenspieler dieser Befreiung wa‑ ren (1.) der Bischof, der seit den frühesten Regulierungsversuchen der kirchlichen und weltlichen Gewalten de facto mit der Beaufsichtigung der Stiftungen betraut worden war. Jedoch konnten byzantinische Stiftungen nicht nur unter seiner Beauf‑ sichtigung stehen, sondern (2.) auch un‑ ter der des Patriarchen von Konstantino‑ pel oder (3.) der des Kaisers. Eine weitere Möglichkeit, die ab dem 10. Jahrhundert bestand, waren (4.) unabhängige Stiftun‑ gen, die keiner Beaufsichtigung unterla‑ gen. (→ 3.5.7) Darüber hinaus muss man in dieser Zeit mit der Entstehung eines weiteren wichtigen Beaufsichtigungsor‑ gans rechnen, das mit der Entwicklung eines unabhängigen Status verbunden ist, nämlich (5.) der Zentraladministration des Berges Athos. (1.) Der im Laufe der Zeit weitaus geläufigs‑ te Typ byzantinischer Stiftungen, das Klos‑ ter, wurde in seiner frühesten Geschichte von niemandem beaufsichtigt. Die ersten christlichen Mönche der ägyptischen Wüs‑ te waren Vertreter einer sozialen Bewe‑ gung, die außerhalb der offiziellen Kirche stand; Klöster dieser Zeit hatten eher den Charakter christlicher religiöser Genos‑ senschaften als den einer Stiftung. Als das Mönchtum allgemein akzeptiert und in das Stiftungswesen einbezogen wurde, wurde auf dem Konzil von Chalkedon (451) der erste ernsthafte Versuch unternommen, das Klosterwesen zu regulieren. Grund‑ sätzlich tendierte das Konzil, wie später auch die Kirchengesetzgebung Kaiser Justi‑ nians I., dazu, alle religiösen Einrichtungen der Beaufsichtigung des Ortsbischofs zu unterstellen.62 Dieses Prinzip wurde ganz

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deutlich im 8. Kanon des Konzils ausge‑ drückt: „Die Kleriker der Armenhäuser, der Klöster und der Kapellen müssen nach der Überlieferung der heiligen Väter unter der Gewalt [exousia] der Bischöfe jeder Stadt bleiben. Diejenigen aber, die sich erdreisten, eine solche Regelung auf irgendeine Weise aufzuheben und sich nicht dem Bischof zu fügen, sollen unter Strafe der Kanones ge‑ stellt werden, falls sie Kleriker sind. Falls sie aber Mönche oder Laien sind, sollen sie exkommuniziert werden.“63 Darüber hinaus dürfe keiner eine Stiftung ohne die Genehmigung des Bischofs errichten; diesem stehe die Beaufsichtigung (pronoia) der Klöster seiner Diözese zu.64 Justinian bestätigte diese Regeln und führte einige neue Vorschriften ein, etwa die Anweisung, dass eine Abtwahl durch den Stifter vom Ortsbischof genehmigt werden müsse.65 Von dieser Zeit an durfte rechtlich gesehen keine Stiftung der Aufsicht des Ortsbischofs oder einer anderen kirchli‑ chen Gewalt entgehen. Die Beaufsichti‑ gung durch den Ortsbischof begünstigte freilich auch Missbrauch. Einem Gesetz des Kaisers Basileios II. von 996 zufolge sollen kleinere Dorfstiftungen nach dem Tod des Stifters oft durch den Ortsbischof oder Metropoliten übernommen und dann an charistikarioi weitergegeben worden sein.66 Die Möglichkeiten für kleine Stif‑ ter, ihre Werke vor der Macht des Orts‑ bischofs zu sichern, waren offensichtlich begrenzt. Wohlhabende Stifter größerer Klöster strebten nach einer schwächeren oder gar keiner Beaufsichtigung. Aus der Zeit um die Jahrtausendwende sind zwei Beispiele dafür bekannt. Nach einem inschriftlich überlieferten typikon von 1027 für eine Klosterkirche, die für eine Brücke über den Fluss Eurotas auf der Peloponnes gestiftet wurde, wurde die Aufsicht dem Militärgouverneur und Pro‑ vinzrichter sowie dem Kaiser übergeben;

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dem Ortsbischof wurde dagegen sogar ex‑ plizit verboten, das Gelände der Stiftung zu betreten.67 Ein ähnliches Beaufsichti‑ gungsmodell findet sich in dem Testament des peloponnesischen Heiligen Nikon Me‑ tanoeite; hier werden die kirchlichen Ge‑ walten gar nicht erst erwähnt und dem Militärgouverneur und Provinzrichter je fünf Maß Äpfel und ein Maß Wein im Gegenzug für die Erfüllung ihrer Auf‑ sichtsfunktion zugesprochen.68 Diese im Wesentlichen ad hoc bestimmten Beauf‑ sichtigungsregelungen lassen die Entwick‑ lung der anderen Anordnungen erahnen, deren Beweggründe ebenfalls als Versuche betrachtet werden können, der Gewalt des Ortbischofs zu entgehen.

Stiftungsorganisation

die sonst an den Ortsbischof zu bezah‑ len waren, und spirituell, nämlich durch Eintrag und Erwähnung (anaphora) des Patriarchen in den Diptychen der Stiftung. In einer bestimmten Hinsicht kann man die Beaufsichtigung einer Stiftung durch den Patriarchen mit der durch den Kai‑ ser und durch andere Dritte vergleichen. Alle drei Kategorien bedeuteten eine we‑ sentliche Unabhängigkeit der Stiftung. Es gab aber auch gemischte Verhältnisse. So wurde das Johanneskloster auf der Insel Patmos 1088 durch Kaiser Alexios I. Kom‑ nenos von jeder kirchlichen und weltli‑ chen Aufsicht befreit, aber 1132 durch den Patriarchen Johannes IX. Agapetos mit dem patriarchalen stauropēgion belastet; in der Praxis stellte dies keine wesentliche (2.) Als im 5. und 6. Jahrhundert die rechtli‑ Veränderung des Status dar.72 Auch heut‑ chen Vorschriften für die Beaufsichtigung zutage ist die Bezeichnung ‚stauropegiales von Stiftungen verfasst wurden, unterschie‑ und patriarchales Kloster‘ (stauropēgiakē den sich die betreffenden Kompetenzen kai patriarchikē monē / σταυροπηγιακὴ καὶ des Erzbischofs bzw. des Patriarchen von πατριαρχικὴ μονή) ein Ehrentitel, der bei Konstantinopel und die des Ortsbischofs offiziellen Anlässen erwähnt wird. oder Metropolitans nicht.69 Der Patriarch behielt aber darüber hinaus das Recht, (3.) Ebenso prestigeträchtig ist noch für religiöse Einrichtungen auch außerhalb heutige griechisch‑orthodoxe Klöster die seiner Diözese unmittelbar zu beaufsichti‑ Bezeichnung ‚kaiserlich‘ (basilikē / βασι‑ gen. Er tat dies mittels seines stauropēgion λική) – auch wenn es seit mehr als fünf (σταυροπήγιον), wörtlich der ‚Errichtung Jahrhunderten keinen byzantinischen Kai‑ eines Kreuzes‘. Der genaue Ursprung die‑ ser mehr gibt.73 Das Konzil von Chalkedon ses Brauchs ist nicht bekannt; der früheste hatte keine unmittelbare kaiserliche Rolle Beleg dafür findet sich wohl in dem um im Klosterwesen vorgesehen; Justinian I. 890 verfassten Rechtsbuch ‚Eisagoge‘, in war indessen der erste Kaiser gewesen, dem Klöster unter dieser Art der Aufsicht der selbst Klöster gestiftet hatte.74 Wie die byzantinische Kirche betrieb auch der erwähnt sind.70 Für Stifter war die Möglichkeit, ihre Kaiser viele religiöse Einrichtungen, die Stiftung direkt der Gewalt des Patriarchen von kaiserlichen Verwaltern (lat. curatozu unterstellen, attraktiv.71 Eine solche Be‑ res) geleitet wurden. Beim Großteil die‑ aufsichtigung war oft eher theoretischer ser Institutionen handelte es sich allem und symbolischer Natur, besonders wenn Anschein nach aber nicht um Stiftungen; sich die Stiftung weit entfernt von Konstan‑ byzantinische Kaiser vergaben Klöster oft tinopel befand. Das Verhältnis lohnte sich als Sinekuren oder Belohnungen an Un‑ für den Patriarchen finanziell, in Form der tertanen; im Grunde genommen waren Steuern (des kanonikon bzw. der synētheia), sie ein öffentliches Gut.75

Griechisch-orthodoxe Christen

Die kaiserliche Beaufsichtigung von Stiftungen wurde in Goldbullen dekre‑ tiert, die dann in klösterlichen Archiven Aufnahme fanden. Nicht selten wurden solche Goldbullen gefälscht. Dies war etwa bei der angeblich kaiserlichen Urkunde von Alexios I. Komnenos von 1082 der Fall, die auf ein Machwerk der Mönche des Athos‑Klosters Koutloumousiou zu‑ rückging; Grundlage war hier die Golde‑ ne Bulle von Alexios III. Komnenos, des Kaisers von Trapezunt, aus dem Jahr 1382 für das Dionysiou‑Kloster.76 (4.) Von jeglicher Beaufsichtigung einer anderen Gewalt freigestellt waren die so‑ genannten ‚unabhängigen‘ Klöster,77 die als ‚selbstbestimmt‘ (autexousios bzw. autodespotos) bezeichnet wurden. Die erste Stiftung, die diesen Status erreichte, war die Große Laura von Athanasios Atho‑ nites; dieser Gründer der klösterlichen Gemeinde hatte seiner eigenen Aussa‑ ge nach den Status der Unabhängigkeit vom Stifter Kaiser Nikephoros II. Phokas (963–969) erwirkt.78 Es hatte zwar schon früher gestiftete Klöster gegeben, die die‑ sen Status in der Praxis erlangt hatten, allerdings stellte der offizielle Verzicht auf die Beaufsichtigung der Laura eine Neuerung dar, die von vielen späteren Klöstern nachgeahmt wurde. John Thomas zufolge war die Entste‑ hung unabhängiger Klöster mit der Be‑ freiung byzantinischer Stiftungen von der charistikē verbunden; er hat dieses Phäno‑ men als eine ‚Reformbewegung‘ dargestellt, die an entsprechende Entwicklungen in der lateinischen Kirche erinnert.79 Obwohl diese Deutung nicht von allen Byzanti‑ nisten akzeptiert wird, gibt es bis heute keine andere oder gar bessere historische Interpretation. (→ 2.5.7) Eine eingehende Prüfung der These von Thomas bleibt künf‑ tigen Forschern überlassen.

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(5.) Als sich seit dem 9. Jahrhundert der Berg Athos zum wichtigsten klösterlichen Zentrum der orthodoxen Welt und damit zum bevorzugten Ort für Stiftungen ent‑ wickelte, entstand auch das Problem des Sonderstatus des heiligen Berges als Region außerhalb jeder kirchlichen Rechtspre‑ chung. Die Gemeinschaften auf dem Athos entwickelten anstelle kirchlicher Aufsicht eine eigene zentralisierte Sonderregierung, die man zutreffend als ‚Mönchsrepublik‘ bezeichnet. Bereits Mitte des 10. Jahrhunderts las‑ sen sich die wichtigsten Eigenschaften der Zentralverwaltung auf dem Athos ausma‑ chen.80 Diese hatte drei pyramidal ange‑ ordnete Ebenen: Die unterste und breiteste Ebene waren die Mönche des Berges, die sich dreimal im Jahr (Weihnachten, Ostern und Mariä Himmelfahrt) bei sogenannten synaxeis versammeln; die mittlere Ebene bildete ein Konzil (symboulion) der Äbte der wichtigsten Klöster, Lauren und Ein‑ siedeleien; an der Spitze agierte der prōtos, der vom Konzil beraten wurde, als Haupt der athonischen Mönchsgemeinden. Die‑ se Zentralverwaltung befand sich in der Laura des Protaton, wo die wichtigsten Urkunden für die Regulierung des heili‑ gen Berges, wie etwa kaiserliche typika, aufbewahrt wurden. Auch für das Stiftungswesen spielte die Zentralverwaltung eine große Rolle. (Zu‑)Stiftungen in Form von Renten, die nicht für ein bestimmtes Kloster, sondern für alle Mönche auf dem Athos bestimmt waren – wie kaiserliche rhogai, jährliche Stipendien für jeden Mönch auf dem Berg Athos – wurden von der Zentralverwal‑ tung verwaltet und aufgeteilt. Das Protaton administrierte auch die Gemeindegüter des Berges Athos, darunter unbestelltes Land und verlassene Klöster, Lauren und Einsiedeleien; es konnte sie auch verkau‑ fen. Für prospektive Stifter war es oft von

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Vorteil, diese von der Zentralverwaltung zu erwerben statt für eine Neustiftung ganz ungenutztes Land zu verwenden.81 Der prōtos musste, analog zum Bischof oder Patriarchen, auch die Wahl des Ab‑ tes in einem Athos‑Kloster bestätigen und ihm seinen Stab als Symbol seiner Gewalt überreichen.82 Orthodoxe Stifter mussten sich immer mit der Zentralverwaltung des heiligen Berges arrangieren. Nicht nur war deren Genehmigung für eine neue Klosterstif‑ tung auf dem heiligen Berg nötig, es gab auch Fälle, in denen ein Stifter von sei‑ ner eigenen Stiftung vertrieben wurde.

Stiftungsorganisation

Zum Beispiel wurde der Neustifter des Xenophon‑Klosters, der Eunuch und Ad‑ miral (megas droungarios) Stephan (mo‑ nastischer Name Symeon), am Ende des 11. Jahrhunderts durch eine Entscheidung der synaxis mit dreien seiner Anhänger, ebenfalls Eunuchen, vom heiligen Berg verbannt; Grundlage dieser Entscheidung bildete das allgemeine Zutrittsverbot für ‚Bartlose‘ (Eunuchen, Frauen und Knaben). Erst die Interzession des Kaisers Alexios I. Komnenos zwang den prōtos, die Anwesen‑ heit dieser Eunuchen auf dem Berg Athos wieder zu akzeptieren.83 ZC

Anmerkungen 1  Genaueres zu incertae personae und piae causae

bei Hagemann, Stellung der Piae Causae (1953), 62. 2 Smyrlis, Management of Monastic Estates (2002), 246, hebt das zunehmende Interesse an wirtschaftlichen Angelegenheiten und der Verwal‑ tung der Stiftungen seit dem 11. Jahrhundert in den typika hervor. Es stellt sich die Frage, ob diese Ent‑ wicklung tatsächlich mit der zunehmenden Sorge des Stifters um die effektive Bewirtschaftung der Klostergüter zusammenhängt oder nicht vielmehr die Zufälligkeit der Quellenlage ausschlaggebend ist, da die Zahl der überlieferten typika aus der Zeit vor dem 11. Jahrhundert gering ist. 3 Hagemann, Rechtliche Stellung (1956), 268. 4  So Hagemann, Stellung der Piae Causae (1953), 26, der im Hinblick auf diese Zeit von der Entste‑ hung ihrer ‚Rechtssubjektivität‘ spricht. Neuere Überlegungen zur ‚legal personhood‘ byzantini‑ scher piae causae und Klöster bei Stolte, Law for Founders (2007), 126–129. 5 Interessanterweise finden die piae causae kei‑ ne Erwähnung in dem im Jahr 428 erlassenen ‚Codex Theodosianus‘; durchaus plausibel ist die Vermutung von Hagemann, Rechtliche Stellung (1956), 267, dass sie deshalb bis zum ausgehenden 5. Jahrhundert keine unabhängigen Institutionen gewesen seien und daher nicht die Aufmerksam‑ keit des Gesetzgebers benötigten.

6 Hagemann, Stellung der Piae Causae (1953), 36. 7 Hagemann, Rechtliche Stellung (1956), 274;

Ders., Stellung der Piae Causae (1953), 34 f. 8 Codex Iustinianus. Ed. Paulus Krueger. (CIC 2.) Dublin / Zürich 151970, 34, 1.3.48 (49): si enim heredum eis et ius et nomen dedimus, sine Falcidiae tamen legis emolumento. Vgl. Hagemann, Stellung der Piae Causae (1953), 68 f. 9 Thomas, Private Religious Foundations (1987), 63–69. 10  Ebd., 75. 11  Hagemann, Stellung der Piae Causae (1953), 31–33. 12  Eine übersichtliche Zusammenstellung der Subventionen der Apion‑Familie für religiöse Ein‑ richtungen in einer Tabelle bei Thomas, Private Religious Foundations (1987), 98–102. 13  Hagemann, Rechtliche Stellung (1956), 278 f.; Thomas, Private Religious Foundations (1987), 87. 14  P. Cairo Masp. 2 67151. Ed. Jean Maspero, in: Papyrus grecs d’époque byzantine, 3 Bde. (Ca‑ talogue général des antiquités égyptiennes du musée du Caire, No. 67125–67278.) Kairo 1911–1916, Bd. 2 (1913), 85–101, hier 96, Z. 182–195. Im Ge‑ gensatz zu Thomas, Private Religious Founda‑ tions (1987), 68, ist die Rede hier nicht von einem Vermächtnis des xenōns selbst, sondern nur von seiner Verwaltung und Finanzierung.

Griechisch-orthodoxe Christen

15  Zu piae causae in den ersten ägyptischen

Klöstern vgl. Hagemann, Rechtliche Stellung (1956), 269. 16  Nach Roueché, Caring for the Elderly (2007), 31–33, gibt es vor der Mitte des 6. Jahrhunderts keinen Hinweis darauf, dass Altersheime andere Personen als Mönche versorgten. Der erste ein‑ deutige Fall eines Laien im Altersheim stammt aus dem Pantokrator‑Komplex aus dem 12. Jahr‑ hundert. 17  Nikephoros Erotikos, Ein byzantinisches Kloster am Berg Tmolos. Ed. und übers. Thomas Drew-Bear / Johannes Koder, in: JÖB 38, 1988, 197–215; englische Übersetzung von John Thomas in BMFD 1, 310–312. Nach der Veröffentlichung der BMFD wur‑ de ein weiteres Fragment des typikon entdeckt: Ed. und übers. Georg Petzl, Ein Altenheim als Jugendbrunnen? Neues zu einer byzantinischen Inschrift aus Philadelphia in Lydien, in: Chiron 32, 2002, 173–189. 18  Le typikon du sébaste Grégoire Pakourianos. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 42, 1984, 5–145, hier 111, Z. 1530, bis 115, Z. 1589. Englische Über‑ setzung von Robert Jordan in BMFD 2, 507–563, hier 549 f. 19  Die Organisation des Pantokrator‑Komple‑ xes erinnert trotz des klösterlichen Charakters der Gesamtanlage an eine Wohltätigkeitsanstalt, weil die Mönche keine Verwaltungsaufgaben au‑ ßerhalb des Kloster‑Komplexes wahrnahmen; vgl. Smyrlis, Management of Monastic Estates (2002), 249. 20 Mehrere Beispiele bei Steinwenter, Byzanti‑ nische Mönchstestamente (1932); Ders., Rechts‑ stellung (1930). 21 Thomas, Private Religious Foundations (1987), 84. 22 Ebd., 69–71. 23 Allgemeines zum berufstätigen Klerus bis zum Ende des 12. Jahrhunderts bei Constantelos, Clerics and Secular Professions (1985); eine sehr detaillierte Untersuchung zum selben Thema für die Zeit ab dem 13. bis zum 15. Jahrhundert bietet Kraus, Kleriker (2007). 24 Le testament d’Eustathios Boїlas (Avril 1059). Ed. und übers. Paul Lemerle, Cinq études (1977), 13–63. Englische Übersetzung einer älteren Edi‑ tion der Urkunde bei Vryonis, Will of a Provincial Magnate (1957).

565 25 So die Deutung von Ousterhout, Remembe‑

ring the Dead (2010), bes. 95–100, dem an die‑ ser Stelle für Auskünfte zum Totengedenken im byzantinischen Kappadokien herzlich gedankt sei. Er wird das Thema in der näheren Zukunft monographisch behandeln. 26 Siehe dazu M. Borgolte, Freigelassene im Dienst der Memoria (1983, ND 2012). 27 Zur Klosterorganisation nach justiniani‑ schem Recht vgl. Granić, Rechtliche Stellung (1929/1930); Knecht, System des justinianischen Kirchenvermögensrechtes (1905, ND 1963), 55–66. 28 Granić, Rechtliche Stellung (1929/1930), 16. 29 Die Zustimmung des Ortsbischofs bei der Wahl des Abtes war eine Neuerung Justinians; vgl. ebd., 12. 30 Auch zu finden ist der Neologismus hēgoumonia (ἡγουμονία), der die Macht des Abtes be‑ zeichnet; vgl. ebd., 18. 31 Ebd., 17. 32 Ebd., 25 f. 33 Ebd., 24; 29. 34 Ebd., 9; zur Wahl des Abtes 20–22. 35 Beispiele bei Steinwenter, Byzantinische Mönchstestamente (1932). 36 Zusammenfassend Thomas, Private Religious Foundations (1987), 95. 37 Steinwenter, Rechtsstellung (1930), 25 f.; Thomas, Private Religious Foundations (1987), 64; 89. Zurecht beschreibt Steinwenter, Rechtsstellung (1930), 26, Apa Agenios als „das grunduntertä‑ nige Kloster“. 38 Smyrlis, Management of Monastic Estates (2002), 247 f. 39 Ebd., 248 f. 40  Ebd., 251. 41  Hē diatypōsis tou hosiou kai makariou pat‑ ros hēmōn Athanasiou. Ed. Ph. Meyer, Die Haup‑ turkunden für die Geschichte der Athosklöster. Leipzig 1894, 123–130, hier 124, Z. 27, bis 125, Z. 7. Englische Übersetzung von George Dennis in BMFD 1, 271–280, hier 274 f. 42  Hē diatypōsis. Ed. Meyer (wie Anm. 41), 125, Z. 8, bis 126, Z. 17; engl. Übers. Dennis (wie Anm. 41), 275 f. 43  Dazu Chitwood, Origins of Ephoreia (2013). 44  Nach der Deutung ebd., 61 f. 45  La diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Paul Gautier, in: REB 39, 1981, 5–143, hier 53,

566 Z. 608, bis 55, Z. 618. Englische Übersetzung von Alice-Mary Talbot in BMFD 1, 326–376, hier 345. 46  Diataxis de Michel Attaleiate. Ed. und übers. Gautier (wie Anm. 45), 35, Z. 280, bis 37, Z. 330; engl. Übers. Talbot (wie Anm. 45), 338 f. 47  Bemerkenswert ist, dass eigentlich alle Arten der Treuhandschaft in Byzanz nur bei gestifteten Klöstern vorkommen. Treuhandschaft war nur dann sinnvoll, wenn es überhaupt ein Stiftungs‑ vermögen gab, das der Treuhänder verwalten konnte. Diese wichtige Erkenntnis formulierte bereits Lemerle, Aspect (1967), 11 f., Anm. 1, der zwischen Klöstern, die als Privateigentum gelten konnten, und denen, die von einem charistikarios übernommen werden durften, unterschied; mit anderen Worten handelt es sich um die Unterschei‑ dung von Eigenklöstern und gestifteten Klöstern. 48  Ahrweiler, Charisticariat (1967), 4. 49  Die wissenschaftlichen Meinungen zu dieser Frage divergieren. Vor allem Vertreter der fran‑ zösischen Byzantinistik betonen die Entwicklung der charistikē als eines sinnvollen wirtschaftlichen Mechanismus. Danach verfügten byzantinische Stiftungen über viele Ländereien, sie litten aber unter einem Mangel an Arbeitskräften und Tie‑ ren, die den charistikarios versorgen konnten; vgl. Kaplan, Monastères (1984). Varnalidēs, Thesmos (1985), postuliert hingegen, dass man zwischen ‚guten‘ und ‚schlechten‘ charistikarioi unterschei‑ den könne, je nachdem, in welchem Maße solche Treuhänder die Lage einer Stiftung verbesserten oder nicht. John Thomas sieht die charistikē als Hindernis bei der allmählichen Befreiung der by‑ zantinischen Stiftungen von äußeren kirchlichen und weltlichen Autoritäten an (s. unten). 50 Ahrweiler, Charisticariat (1967), 16 f.; 23. 51 Ioannis Oxeitae Oratio de monasteriis laicis non tradendis. Ed. und übers. Tizania Creazzo. (Quarderni dell Rivista di Bizantinistica, Bd. 8.) Spoleto 2004, 71, Z. 315–320. 52 In der Korrespondenz des Psellos kann man terminologisch kaum zwischen Eigenklöstern und Klosterstiftungen unterscheiden. Grund da‑ für ist der besondere, gehobene Stil seiner Briefe; Ähnliches gilt allgemein für die byzantinische Epistolographie. 53 Varnalidēs, Thesmos (1985), 121–126, bezeich‑ net Psellos als einen ‚guten‘ (d. h. legitimen) charistikarios.

Stiftungsorganisation

54 Michaelis Psellis scripta minora, Bd. 2. Ed. Eduardus Kurtz / Franciscus Drexl. (Orbis Romanus. Biblioteca di testi medievali, Bd. 13.) Mailand 1941, 149, Nr. 125. 55 Michaēl Psellou historikoi logoi, epistolai, kai alla anekdota. Ed. Kōnstantinos N. Sathas. (Mesaiōnikē bibliothēkē epistasia, Bd. 5.) Vene‑ dig 1876, 263–265, Nr. 29. 56 Michaelis Psellis scripta minora. Ed. Kurtz / Drexl (wie Anm. 54), 167 f., Nr. 140. 57 Ebd., 230 f., Nr. 202. 58 Michaēl Psellou historikoi logoi. Ed. Sathas (wie Anm. 55), 378 f., Nr. 135, hier 379 [Übers. ZC]. 59 Michaelis Psellis scripta minora. Ed. Kurtz / Drexl (wie Anm. 54), 150 f., Nr. 127. 60 Ebd., 137, Nr. 108. 61 Ebd., 62 f., Nr. 38; 84 f., Nr. 53. 62 Granić, Rechtliche Stellung (1929/1930), 8 f.; Thomas, Private Religious Foundations (1987), 37 f. 63 Kanones tēs en Chalkēdoni hagias kai oikoumenikēs tetartēs synodou. Ed. G. A. Rhallēs / M. Potlēs, in: Syntagma tōn theiōn kai hierōn kanonōn tōn te hagiōn kai paneuphēmōn Apostolōn, kai tōn hierōn oikoumenikōn kai topikōn Synodōn, kai tōn kata meros hagiōn Paterōn, Bd. 2. Athen 1852, 216–291, hier 234, Kanon 8 [Übers. ZC]. 64 Ebd., 225 f., Kanon 4. 65 Granić, Rechtliche Stellung (1929/1930), 12. 66 Novelle de Basile II. Ed. Nicolas Svoronos / P. Gounaridis, in: Les Novelles des empereurs macé‑ doniens concernant la terre et les stratiotes. Athen 1994, 190–217, hier 208, Z. 99–114 (Fassung 1); 209, Z. 131–147 (Fassung 2). Englische Übersetzung von John Thomas in Stiftung und Staat im Mittelalter. Eine byzantinisch‑lateineuropäische Quellenan‑ thologie in komparatistischer Perspektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011, 343–345. Vgl. Thomas, Crisis (1985), 271 f. 67 Inventaires en vue d’un recueil des inscrip‑ tions historiques de Byzance. Inscriptions du Pé‑ loponnèse (à l’exception de Mistra). Ed. D. Feissel / A. Philippidis-Braat, in: TM 9, 1985, 267–396, hier 301 f., Nr. 43, bes. 301, Z. 16–22. Engl. Übers. von Stephen Reinert in: BMFD 1, 323–325, hier 324 f. 68 Diathēkē Nikōnos, Monachou tou Metano‑ eite. Ed. Odysseus Lampsidēs, O ek Pontou Nikōn o Metanoeite. (Archeion Pontou, Bd. 13.) Athen 1982, 252–256, hier 254 f.. Ich folge der Variante

Indien

„στρατηγὸς“ in den Manuskripten Π und Λ anstelle von „στρατιώτης“ in Μ. 69 Zu den Klöstern unter patriarchaler Beauf‑ sichtigung siehe Meester, Monachicus status (1942), 10 f.; 119–137; Oesterle, Monasterium stauropegia‑ cum (1953), 452–458. 70 Vgl. Meester, Monachicus status (1942), 120 f. 71 Thomas, Private Religious Foundations (1987), 238–243, zufolge war der Gebrauch des patriar‑ chalen stauropēgion ein Hindernis für die von ihm postulierte ‚Reformbewegung‘ (siehe unten). 72 Meester, Monachicus status (1942), 121. 73 Zu kaiserlichen Klöstern siehe ebd., 104 f. 74 Thomas, Your Sword (2007), 27 f. 75 Thomas, Crisis (1985), 268; Ders., Private Re‑ ligious Foundations (1987), 155 f. 76 Faux chrysobulle de fondation d’Alexis I Comnène (Alexis III Comnène de Trébizonde). Ed. Paul Lemerle. Actes de Kutlumus. (Archives de l’Athos, Bd. 2.) Paris 21988, 225–228. 77 Dazu Thomas, Private Religious Foundations (1987), 214–243. 78 Typikon ētoi kanonikon tou hosiou theopho‑ rou patros hēmōn Athanasiou tou en tō Athō. Ed. Ph. Meyer, Haupturkunden (wie Anm. 41), 102– 122, hier 109, Z. 6–13. Englische Übersetzung von George Dennis in BMFD 2, 245–270, hier 255. Vgl.

567 Thomas, Private Religious Foundations (1987), 216; Ders., Rise (1985), 23 f. 79 Thomas hat diese Deutung mehrmals ver‑ breitet: Thomas, Byzantine Ecclesiastical Reform Movement (1984); Ders., Rise (1985); Ders., Crisis (1985); Ders., Private Religious Foundations (1987). Später hat er die angebliche Reformbewegung genauer mit dem Evergetis‑Kloster (einem vor‑ bildlichen ‚Reform‑Kloster‘) in Zusammenhang gebracht; vgl. Ders., Documentary Evidence (1994). 80 Zur mittelalterlichen Entwicklung der Zen‑ tralverwaltung des Athos vgl. Papachryssanthou, Athōnikos monachismos (1992), 287–344; für die Frühe Neuzeit und die Moderne vgl. Dies., Dioikēsē tou agiou orous (1999), 17–54. 81 Papachryssanthou, Athōnikos monachismos (1992), 314 f. 82 Einige der Äbte der größeren Klöster, etwa der Großen Laura, wurden nicht vom prōtos, son‑ dern unmittelbar vom Kaiser eingesetzt; vgl. ebd., 137; 314 f. 83 Acte du prôtos Paul. Ed. Denise Papachryssanthou, Actes de Xénophon. (Archives de l’Athos, Bd. 15.) Paris 1986, 59–75. Vgl. Pavlikianov, Me‑ dieval Aristocracy (2001), 153–156. Dazu Morris, Symeon the Sanctified (2007).

13.6  Indien 13.6.1  Allgemeines Aus den Quellen, die für das mittelalterliche indische Stiftungswesen zur Verfügung ste‑ hen, geht bestenfalls indirekt hervor, wie die Stiftungen zu verwalten und zu beauf‑ sichtigen waren. In Stiftungsurkunden und ‑inschriften finden sich nur selten konkrete Verfügungen der Stifter, mit denen die Or‑ ganisation und die Kontrolle der betreffen‑ den Dotationen geregelt wurden; und es gibt so gut wie keine anderen einschlägigen Dokumente, die diese Fragen behandeln.

Die Akteure, die im Fokus der überlieferten Texte stehen, sind Stifter und Begünstigte, nicht die mit der Dotationsverwaltung und ‑aufsicht betrauten Personen. Dabei ist je‑ doch für das mittelalterliche Indien – wie für andere Stiftungstraditionen – zu un‑ terstellen, dass sehr häufig auch die Stifter und die Begünstigten derartige Funktionen übernehmen konnten. Die Gründe dafür, dass die Verwal‑ tung und vor allem die Beaufsichtigung

568

von Stiftungen im vorislamischen Indi‑ en keine so große Rolle wie in anderen Traditionen gespielt zu haben scheinen, mögen vielfältig sein – weder existierte ein so elaboriertes Stiftungsrecht wie im Islam, noch hat irgendeine indigene indi‑ sche Religion organisatorische Strukturen hervorgebracht, die denen der christlichen Kirchen vergleichbar wären. Die Verwal‑ tung der Dotationen lag oft in den Händen der Begünstigten selbst, auf deren sorgfäl‑ tige Auswahl größter Wert gelegt wurde; und für die Stiftungskontrolle vertraute man offenbar zu einem großen Teil auf die Wirkmechanismen von Geburtenkreislauf und Tatvergeltung, wie die Fluchformeln und Schutzverse in den Stiftungsurkun‑ den belegen. Dies trifft auch für die sehr zahlreichen königlichen Dotationen im in‑ dischen Mittelalter zu. Das Königtum galt wohl als allgemeiner Garant des Stiftungs‑ wesens, doch war es geradezu typisch für königliche und fürstliche Steuerpfründen, dass sich die staatliche Verwaltung aus den betreffenden Dörfern zurückzog und mithin nicht für die Stiftungsaufsicht zur Verfügung stand. Es kann vermutet werden, dass es in Hinsicht auf Stiftungsorganisation und Stiftungskontrolle erhebliche Unterschie‑ de je nach Charakter der jeweiligen Be‑ günstigten gab. Stiftungen, die einzelne Brahmanen begünstigten, wurden von diesen individuell verwaltet. Bei Gaben an größere Gruppen von Brahmanen fin‑ den sich nicht selten Indizien für interne Hierarchien. Stiftungen an buddhistische Klöster konnten auf die innere Organisa‑ tion der Konvente zurückgreifen, ohne dass dies allerdings in den meisten Fällen aus den betreffenden Urkunden selbst her‑ vorginge. Die Verwaltung von Dotationen an jinistische Institutionen lag hingegen offenbar häufig in den Händen einzelner Lehrer‑Schüler‑Linien. Bei hinduistischen

Stiftungsorganisation

Tempeln wiederum muss man von einer be‑ sonderen Vielgestaltigkeit in den Modellen der Stiftungsverwaltung ausgehen, obwohl auch hier direkte Anhaltspunkte in den jeweiligen Dokumenten selten sind. Als Akteure der Stiftungsorganisation kamen neben den Stiftern und ihren Erben sowie anderen Laien die betreffenden Tempel‑ priester und später Brahmanen in Betracht. Hinweise auf eine externe Verwaltung fin‑ den sich in erster Linie bei sehr komplexen Stiftungen mit verschiedenen Arten von Destinatären. 13.6.2  Verwaltung Brahmanische Stiftungen Stiftungsdokumente zugunsten einzelner Brahmanen sind in ihrem Duktus beson‑ ders klar, enthalten jedoch selten spezi‑ fische Verfügungen hinsichtlich der Ver‑ waltung des Vermögens. Genannt werden neben den Stiftungsgütern der – oft könig‑ liche – Stifter, der Begünstigte sowie der Stiftungszweck. Man kann wohl davon ausgehen, dass bei diesem Dotationstyp die Destinatäre und Administratoren iden‑ tisch waren. Dafür spricht auch, dass die brahmanischen Begünstigten nach der Zu‑ widmung von Stiftungsvermögen nach‑ weislich häufig innerhalb oder in der Nähe derjenigen Siedlungen lebten, in denen sich die Dotationsobjekte befanden, wie die Informationen zu den Fundorten der jeweiligen Kupfertafelurkunden belegen. Dass Stiftungen den Tod ihrer primä‑ ren Akteure überdauerten, wurde unter anderem dadurch sichergestellt, dass die Stiftungsgüter vererbt werden konnten und sollten. Häufig enthalten die betreffenden Urkunden eine auf das Dotationsobjekt bezogene Erbformel, die dieses zu einem machte, das „der Reihe nach von den Söh‑ nen, Enkeln und [weiteren] Nachkommen

Indien

zu genießen“ war (putrapautrānvayakramopabhogya).1 Da nach dem Verständnis normativer brahmanischer Texte Rechte und Pflichten des Brahmanenstandes (in‑ nerhalb der männlichen Linie) vererbt wur‑ den, hatte der Stifter mit der sorgfältigen Auswahl des Begünstigten bereits alles für einen in seinem Sinne erfolgreichen Stif‑ tungsvollzug getan. Zahlreiche Urkunden halten fest, dass es sich bei den Stiftungs‑ empfängern um sehr gelehrte Brahmanen handelte.2 Bei einem solchen Personen‑ kreis konnte man wohl davon ausgehen, dass die Standesnormen hinreichend be‑ kannt waren. Aus Stifterperspektive oblag es nun den begünstigten Brahmanen, für künftige Destinatäre und Administrato‑ ren in Form männlicher Nachkommen zu sorgen. Hierbei konnte der Initiator einer Dotation darauf vertrauen, dass für den Empfänger ein Sohn nicht nur als Erbe der Stiftungsgüter, sondern auch als Vollzieher der Ahnenriten für ihn selbst und seine männlichen Vorfahren von ganz essenti‑ eller Bedeutung war. Da die meisten brah‑ manischen Rechtslehrer wiederum statt des leiblichen und legitimen Sohnes eines Ehepaares unter bestimmten Bedingungen auch den von einem anderen Mann mit der Ehefrau gezeugten Sohn (vorzugsweise im Levirat, das heißt, wenn der Brahmane selbst kinderlos geblieben war) oder einen Adoptivsohn oder gar den Enkel (Sohn der Tochter) als ‚Ersatz‘ zuließen,3 waren die Hürden für den Fortbestand von brahma‑ nischen Stiftungen nicht so hoch, wie sie auf den ersten Blick erscheinen mögen. In diversen mittelalterlichen Urkunden West‑ und Zentralindiens, die königliche Stiftungen ganzer Dörfer oder einzelner Ländereien dokumentieren, finden sich besondere Formeln zur künftigen Nut‑ zung des Dotationsvermögens im unmit‑ telbaren Anschluss an die Formulierung des Stiftungsaktes. So heißt es in einer

569

Maitraka‑Urkunde aus dem 6. Jahrhundert zugunsten eines Brahmanen: „Daher soll durch niemanden nicht einmal eine ge‑ ringe Beeinträchtigung oder Behinderung desjenigen verursacht werden, der gemäß der üblichen Regel für eine Brahmanen‑ gabe [das Objekt] genießt, pflügt, pflügen lässt oder [anderen zum Pflügen] über‑ trägt“ (yato [’]syocitayā brahmadāyasthityā bhuñjataḥ kṛṣataḥ karṣayataḥ pradiśato vā na kaiścit svalpāpy ābādhā vicāraṇā vā kāryā).4 Dem Brahmanen, der diese Stif‑ tung erhielt, wurde hiermit neben dem Anspruch auf reinen Nießbrauch das Recht zugesprochen, auf dem Land selbst Acker‑ bau zu betreiben oder Dritte mit landwirt‑ schaftlichen Arbeiten zu betrauen. Wenn man zwei Brahmanen gemeinsam mit einer Stiftung bedachte, wurde die Formel durch Verwendung des Duals angepasst. Ab drei Begünstigten benutzte man Pluralformen.5 Mit diesen Formeln wurde nur das Spek‑ trum des aus Stiftersicht Zulässigen abge‑ steckt. Es liegen keinerlei Quellen vor, aus denen hervorgeht, wie das Land tatsächlich bewirtschaftet wurde. (→ 10.6.2) Vermutet werden kann, dass einzelne Brahmanen, die ganze Dörfer erhielten, aus diesen nur die Steuern einzogen und sich in die Pro‑ zesse der Bodenbestellung und Ernte nicht direkt einschalteten. Wahrscheinlicher war dies hingegen, wenn ihnen kleinere Ackerflächen aus dem Kronland verliehen wurden. Mitunter ist in solchen Fällen festgehalten, an wen die Ländereien zum Zeitpunkt der Stiftung verpachtet waren, und es ist nicht auszuschließen, dass die Begünstigten in solche bereits bestehenden Pachtverhältnisse dann später eingriffen. Ging eine Stiftung nicht an einen einzel‑ nen oder einige wenige Brahmanen, son‑ dern an eine große Gruppe brahmanischer Begünstigter, stellte sich die Frage der Or‑ ganisation oft in ganz anderem Maße. Wenn eine Dotation lediglich urkundenmäßig

570

eine Stiftung zugunsten einer Gruppe dar‑ stellte, de facto aber eine Agglomeration von Einzelstiftungen mit von vornherein genau abgegrenzten individuellen Anteilen bildete, war nicht zwangsläufig eine beson‑ dere Form der Stiftungsorganisation und ‑verwaltung erforderlich. Derartige Grup‑ pen könnten nur in besonderen Situatio‑ nen als solche agiert haben, beispielsweise wenn ein Anteil doch einmal ohne Erben blieb und diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen war. Handelte es sich aber um eine Gruppenstiftung im engeren Sinne, in der das betreffende Stiftungsvermögen einer bestimmten brahmanischen Gemein‑ schaft kollektiv zugesprochen wurde, be‑ durfte es eines Stiftungsorgans zu dessen Verwaltung. Für solche Dotationen werden oft eines oder mehrere Oberhäupter (pramukha) der Brahmanen in den Urkunden genannt,6 die Administratoren stammten also auch hier meist aus den Reihen der Begünstigten selbst. Erwähnenswert ist ferner, dass die mit königlichen Dotatio‑ nen bedachten Gruppen von namentlich aufgeführten Brahmanen häufig erst durch den eigentlichen Stiftungsakt zusammen‑ gestellt wurden. Buddhistische Stiftungen Die buddhistischen Stiftungen von Dörfern und Ländereien, die von indischen Königen im Mittelalter getätigt wurden, waren aus‑ schließlich Dotationen an Gruppen, und zwar an lokale Orden von Mönchen und Nonnen. Gleichartige Unterhaltsstiftungen an einzelne, namentlich genannte Ordi‑ nierte sind für das mittelalterliche Indien nicht belegt. Städtische Konvente erhielten Liegenschaften in der Nähe dieser urba‑ nen Zentren; und in dörflichen Siedlungen ansässige monastische Gemeinschaften wurden nicht selten mit genau den Dör‑ fern bedacht, in denen sich ihre Klöster befanden. In West‑ und in Ostindien lassen

Stiftungsorganisation

sich große buddhistische Klosterkomplexe (vihāramaṇḍala, mahāvihāra) nachweisen, zu denen wirtschaftlich offenbar unab‑ hängige Einzelklöster (vihāra, vihārikā) gehörten, die eigene Stiftungen erhielten.7 Zahlreiche buddhistische Unterhalts‑ stiftungen enthalten ein den strukturellen Verhältnissen der monastischen Gemein‑ schaften angepasstes Pendant zur brahma‑ nischen Erbformel. Eine einfache Formel konnte lauten: avyavacchittibhogya, ‚ohne Unterbrechung zu genießen‘. Man benutzte aber auch elaboriertere Äquivalente wie āryabhikṣusaṃghaparibhogya, ‚durch den edlen Mönchsorden zu genießen‘, oder vihārāryabhikṣuṇīsaṃghopabhogya, ‚durch den edlen Nonnenorden des Klosters zu genießen‘. Wie in brahmanischen Stiftungen West‑ und Zentralindiens wurde auch in bud‑ dhistischen Unterhaltsdotationen Guja‑ rats festgehalten, auf welche Weise die Stiftungsgüter zu nutzen waren. Mitunter finden sich in buddhistischen Kupfertafel‑ urkunden direkte Parallelen zu den brah‑ manischen Vorbildern: „Daher soll durch niemanden eine Störung desjenigen erfol‑ gen, der gemäß der üblichen Regel für eine steuerfreie Dotation an eine Gottheit [das Objekt] genießt, pflügt, pflügen lässt oder [anderen zum Pflügen] überträgt“ (yato [’]syocitayā devāgrāhārasthityā bhuñjataḥ kṛṣataḥ karṣayataḥ pradiśato vā na kaiścid vyāsedhe vartitavyam).8 In einigen buddhis‑ tischen Stiftungen der Maitraka‑Dynastie aber wurde diese komplexe Formel quasi auf ihren Grundgehalt reduziert: „Daher soll durch niemanden eine Störung oder Behinderung der dort Eingesetzten verur‑ sacht werden, die das einsammeln lassen, was dort wächst“ (yataḥ tatrādhikṛtānāṃ yat tatrotpadyate tad udgrāhayatāṃ na kenacit pratiṣedho vicāranā vā kāryā).9 In anderen Maitraka‑Urkunden für buddhis‑ tische Klöster findet sich eine noch stärker

Indien

verkürzte Variante, deren Nutzung wohl auf die Einflussnahme buddhistischer Mönche zurückzuführen ist: „Und daher soll [die Stiftung,] die gemäß der üblichen Regel für eine steuerfreie Dotation an eine Gottheit genutzt wird, durch niemanden gestört werden“ (yata ucitayā ca devāgrāhārasthityā bhujyamānakaḥ na kaiścit paripanthanīyaḥ).10 All diese Formulierun‑ gen sind zwar recht vage, lassen jedoch das Dilemma erkennen, in dem sich die buddhistischen Ordensgemeinden in Hin‑ sicht auf die Verwaltung von Stiftungen befanden. Auch wenn es sich nur um ein formal eingeräumtes Recht handelte, von dem man keinen Gebrauch machen musste, dürfte es jedem der Ordensregeln kundigen Mönch ein gewisses Unbehagen bereitet haben, wenn in einer seinem Kloster ge‑ widmeten Urkunde vom ‚Pflügen‘ die Rede war. Im Unterschied zu Brahmanen war es buddhistischen Mönchen strikt untersagt, sich selbst ackerbaulich zu betätigen, da sie sonst Gefahr liefen, dem für sie geltenden strengen Tötungsverbot – in diesem Falle gegenüber Kleinstlebewesen – zuwiderzu‑ handeln. Auch die in der ausführlichen Formel genannte Option des Delegierens landwirtschaftlicher Tätigkeiten durch Or‑ dinierte scheint in Mönchskreisen nicht unumstritten gewesen zu sein. Wie die Berichte der chinesischen Pilger belegen, war vor allem das direkte Zuteilen von Arbeiten durch die Mönche stigmatisiert (→ 10.6.2): „There are some who are very avaricious and do not divide the produce, but the priests themselves give out the work to servants, male and female, and see that the farming is properly done. Those who observe the moral precepts do not eat food given by such persons“11. Während vom indischen Festland keine dokumentarischen Quellen zur Verwal‑ tung konkreter buddhistischer Stiftungen überliefert sind, geben einige auf Stein

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eingravierte Inschriften aus Sri Lanka Aus‑ kunft über entsprechende Verfügungen. Besonders instruktiv in dieser Hinsicht ist die – leider nicht vollständig erhaltene – sogenannte Jetavanārāma‑Inschrift, die vermutlich aus dem 9. Jahrhundert stammt und in der auf Sanskrit festgehalten ist, wie die Arbeitsteilung in einem monas‑ tischen Komplex von Anurādhapura zu organisieren sei.12 Aufgrund ihres fragmen‑ tarischen Erhaltungszustandes ist nicht klar, ob es sich bei dieser Steininschrift um eine Stiftungsurkunde oder um ein Dokument mit späteren Anordnungen des vermutlich königlichen Stifters handel‑ te, dessen Identität aus dem Text nicht zu erschließen ist. Acht Dörfer im Besitz der monastischen Einrichtung werden na‑ mentlich aufgeführt. Es ist auch in anderen Zusammenhängen von Dörfern (grāma) die Rede; diese bleiben jedoch für den Leser anonym. So heißt es – zwangsläufig etwas unvermittelt – am Beginn des überlieferten Textes: „Und je ein Novize ist in diesen drei Dörfern jeweils zu stationieren.“13 Aus einem längeren Passus geht dann hervor, dass neben Mönchsanwärtern (śrāmaṇera) auch vollordinierte Mönche (bhikṣu) in die Liegenschaftsverwaltung des Klosters ein‑ gebunden waren: „Die drei Mönche, die in der Klause [parṇaśālā, ‚Laubhütte‘] von Lahasikā zusammen mit zwei Novi‑ zen wohnen, sollen gut nach Lahasikā, Urulgoṇu und den für Roben[lieferung] [cīvara] und Neubau[vorhaben] [navakarman] bestimmten Dörfern sehen, von jedem dieser Orte die durch die jeweiligen Haushälter erlangten Einkünfte [lābha] ins Kloster [vihāra] bringen lassen, am Ende eines jeden Jahres die gesamten Einkünfte, Ausgaben und den Überschuss [śeṣa, ‚Rest‘] mit [Unterstützung von] Arbeitern [karmin] und Buchhaltern [gaṇaka] den vom Orden eingesetzten Mönchen darlegen und [ansonsten] mit rechtschaffenen Gehilfen

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nach Belieben hier in diesem Kloster wei‑ len.“14 Außer einfachen Mönchen werden in der Inschrift auch Ordensältere (sthavira) genannt, d. h. Ordinierte, deren höhe‑ re Weihe bereits mindestens zehn Jahre zurücklag. Ihnen oblag offensichtlich die Verantwortung für die Rechnungsbücher (pañjikā)15 und mithin für die interne Kon‑ trolle über Stiftungsgüter und ‑erträge. In diesen Rechnungsbüchern sollten auch die Namen und Tätigkeiten derjenigen verzeichnet werden, die Arbeiten an den Klostergebäuden überwachten und dafür Landzuteilungen erhielten.16 Vergleichbare Verfügungen oder andere dokumentarische Quellen zur Verwaltung konkreter buddhistischer Stiftungen liegen vom indischen Festland nicht vor. Die ka‑ nonischen Texte der Buddhisten enthalten jedoch Ausführungen zur internen Organi‑ sation der Klöster, vor allem zu speziellen Funktions‑ und Verantwortungsbereichen der Mönche, und auch dazu, wie der Or‑ den mit Besitztümern, zu denen vorrangig Stiftungsgüter gehörten, verfahren sollte.17 Hinduistische Stiftungen Zusätzlich zu dem bereits für brahmani‑ sche und buddhistische Stiftungen genann‑ ten Problem, dass konkrete Ausführungen zur Dotationsverwaltung fehlen, ist aus den frühmittelalterlichen Stiftungsurkun‑ den für hinduistische Tempel oft nicht einmal indirekt zu erschließen, wer für die Umsetzung des Stifterwillens verant‑ wortlich war. Dies hängt vor allem damit zusammen, dass derartige Dotationen als Gaben an eine bestimmte Gottheit aufge‑ fasst wurden und die im Stiftungskontext stellvertretend für den Gott oder die Göttin Handelnden in den betreffenden Dokumen‑ ten häufig gar nicht in Erscheinung treten. Grund dafür wiederum könnte eine noch schwach entwickelte interne Struktur des Tempelwesens sein, die wohl auch mit der

Stiftungsorganisation

Polemik orthodoxer Brahmanen gegen ei‑ nen institutionalisierten Tempelkult und eine häufig nicht‑brahmanische Tempel‑ priesterschaft zusammenhing.18 Das Bild, das die zunächst noch nicht sehr zahlreichen Stiftungsurkunden für hinduistische Tempel bieten, bleibt nicht zuletzt auch deshalb diffus, weil der ver‑ wendete Formelapparat nicht so standar‑ disiert ist wie bei brahmanischen und bud‑ dhistischen Dotationen und in Analogie zu diesen Vorlagen gebildete Formeln seltener auftauchen. Während z. B. praktisch alle der mehr als 100 Stiftungsurkunden der westindischen Maitraka‑Dynastie aus dem 6. bis 8. Jahrhundert eine Ewigkeitsformel enthalten (‚für so lange, wie Mond, Sonne, Ozeane, Erde existieren‘), findet sich nur in brahmanischen und buddhistischen Do‑ tationen eine Formel, die diesen Gedan‑ ken der ‚ewigen Stiftungsdauer‘ auf einer personellen Ebene untermauert: die brah‑ manische Erbformel beziehungsweise ein buddhistisches Äquivalent. Eine Variante für hinduistische Tempel gab es unter den Maitrakas offenbar nicht.19 In west‑ und zentralindischen Stiftungs‑ urkunden zugunsten hinduistischer Tem‑ pel erscheinen zwar Entsprechungen der aus den brahmanischen und buddhisti‑ schen Dotationen bekannten Nutzungsfor‑ meln, doch sind diese besonders disparat. Erschwerend kommt hinzu, dass die zur Bezeichnung von Tempelpersonal verwen‑ dete Terminologie höchst uneinheitlich ist. So heißt es in der frühesten Maitraka‑ Urkunde zugunsten einer hinduistischen Gottheit – in diesem Falle einer Göttin –, dass „keine Behinderung desjenigen zu verursachen ist, der genießt, pflügt“ usw.20 Es bleibt unklar, wer hier als Akteur ge‑ meint war; allerdings steht am Anfang der letzten Zeile dieses Stiftungsdoku‑ ments vom Beginn des 6. Jahrhunderts lapidar: „Bhirugavaka ist der Priester der

Indien

Göttin [devīkārmāntika].“21 Eine Maitraka‑ Stiftung an einen Sonnentempel, die nur wenig jünger ist, sollte unter anderem der Versorgung des amtierenden Pries‑ ters (hier paricārakabhojaka) dienen. In der Nutzungsformel wurde verfügt, dass „keine Beeinträchtigung oder Behinderung derjenigen zu verursachen ist, die [dort] eingesetzt sind, sich niederlassen oder an‑ gesiedelt werden“.22 In den Zweckbindungs‑ formeln der Maitraka‑Urkunden zugunsten hinduistischer Tempel aus dem 7. Jahrhun‑ dert erscheint der Terminus pādamūla, der wohl für eine niedere Kategorie des Tem‑ pelpersonals (→ 8.6.3; 10.6.4), also eher für ‚Diener‘ (wörtlich: ‚Fußsohlen‘) als für ‚Priester‘ steht und auch in zeitgenössi‑ schen buddhistischen Zweckbindungsfor‑ meln verwendet wurde.23 Wie für eine kon‑ tinuierliche Rekrutierung oder Nachfolge bei den jeweiligen Tempelpriestern und ‑dienern gesorgt werden sollte, geht aus den erwähnten Stiftungsurkunden nicht hervor. Anders war dies bei Dotationen, die direkt an Tempelpriester beziehungsweise Asketen erfolgten, für die Lehrer‑Schüler‑ Linien jeweils explizit erwähnt sind.24 Im mittelalterlichen Indien galten kö‑ nigliche Unterhaltsstiftungen zugunsten von Tempeln oft solchen Heiligtümern, die von Adligen, Kaufleuten sowie zunehmend auch von Brahmanen geschaffen worden waren. Nicht auszuschließen ist, dass die Tempelgründer eine Rolle bei der Stiftungs‑ organisation und ‑verwaltung spielten. Für die Uccakalpīyas, eine Regionaldynastie, die im 5. und 6. Jahrhundert im Nordos‑ ten des heutigen Madhya Pradesh regierte, lässt sich dies sogar am epigraphischen Befund belegen. Fünf der acht Urkunden, die von diesem Fürstenhaus bekannt sind, dokumentieren Dorf‑ und Landstiftungen zugunsten von Tempeln. Dabei vergaben die Herrscher das entsprechende Stif‑ tungsobjekt meist an eine oder mehrere

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Privatpersonen mit der klaren Auflage, für den materiellen Unterhalt der überwiegend dem Gott Viṣṇu geweihten Heiligtümer Sorge zu tragen. Unter diesen Personen befanden sich Kaufleute und Brahmanen, die teilweise auch als Tempelgründer in Erscheinung getreten waren.25 Einen aufschlussreichen, wenn auch re‑ lativ singulären Beleg dafür, vor welche Probleme die Verwalter von Stiftungsver‑ mögen gestellt sein konnten, liefert eine in Chinchani nördlich von Mumbai gefundene Kupfertafelinschrift (→ 9.6.3), die aus dem 10. Jahrhundert stammt. Diese Urkunde dokumentiert keine Stiftung, sondern eine Übereinkunft zur Schlichtung eines Nach‑ barschaftsstreits zwischen einem Tempel‑ kolleg und einem viṣṇuitischen Heiligtum beziehungsweise – nach Diktion des Textes – zwischen der Göttin Daśamī Bhagavatī (Durgā) und dem Gott Bhillamāladeva Madhusūdana (Viṣṇu). Das Problem be‑ stand offenbar darin, dass ein Stück Land, welches Bhillamāladeva gehörte, auf dem Gelände des Tempelkollegs der Göttin lag und mithin für die im Namen des Gottes Agierenden nicht oder nur unter Schwie‑ rigkeiten zugänglich war. Das Viṣṇu‑ Heiligtum hatten Kaufleute aus Bhillamāla (Bhinmal bei Jodhpur in Rajasthan) ge‑ gründet; als Stifter des Kollegs der Göt‑ tin Daśamī wird ein Brahmane genannt. Nach einer Beschreibung der herrschenden Rāṣṭrakūṭa‑Dynastie und der zwei religiö‑ sen Institutionen heißt es: „Und dieser oben genannte Śrī‑Bhillamāladeva, dessen Die‑ ner vārika [heißen], bietet dem mit den Gelehrten der großen Versammlung verse‑ henen Kolleg [maṭhikā] diese auf einer Ur‑ kunde [śāsana] festgehaltene Übereinkunft [vyavasthā] an: ‚In Verbindung mit unserem kleinen Stück Land, das sich im nördlichen Teil des Kollegs befindet, im Inneren der bestehenden Mauern, sind durch das Kolleg jeweils am Ende unseres Lichterfestes als

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Kompensation [śrotaka] vierzig dramma des Kaufmanns Gaṃbhuvaka zu geben, in Ziffern: 40 dra.‘“26 Ausführlicher als der knappe Text des Vergleichs sind die sich an die beiden Vertragsparteien richten‑ den Schutzbestimmungen. Künftig bestraft würden auf der Seite des Bhillamāladeva von dessen Priestern oder von den Kauf‑ leuten verübter „Betrug durch Steigern der Kompensationssumme“ und das „Einreißen der Mauer“. Seitens des Kollegs würden von dessen Gelehrten und Priestern begange‑ ner „Betrug durch Nichtzahlung der Kom‑ pensation“ und damit quasi der „Raub des Landstücks“ geahndet. Für beide Parteien bestand die angedrohte Strafe in erster Li‑ nie in sozialer Ächtung. Jemand, der sich eines entsprechenden Vergehens gegen die Vereinbarung schuldig gemacht hatte, galt selbst dann noch, wenn er Suizid beging, „als Hund, Esel oder Unberührbarer“. Den Händlern wurde auch die Konfiskation ih‑ rer gesamten Habe durch die Krone ange‑ droht. Zusammengefasst sind die Bestim‑ mungen so: „Gemäß dieser Festlegung ist die Übereinkunft für so lange, wie Mond und Sonne existieren, durch beide Parteien einzuhalten.“ Am Ende heißt es, dass mit dem Text der Initiator der Übereinkunft (vyavasthādātṛ), Bhillamāladeva, seine Mei‑ nung ausdrücke. Der Schreiber teilte aber darüber hinaus mit, dass er diese Urkunde mit Zustimmung (anumatena) beider Seiten aufgesetzt habe. Kaufleute spielen auch in einer Steinin‑ schrift aus dem ostindischen Bengalen eine Rolle, in der es um die Bearbeitung von Land in Götterbesitz geht. Die Rajbhita‑Inschrift, die wohl aus dem 11. Jahrhundert datiert, hält ‚die Rede‘ (vāk) bestimmter Händler‑ gruppen, genauer: eine Übereinkunft zwi‑ schen diesen, fest. Die Kaufleute wollten of‑ fensichtlich Gärten zum Anbau von Areca‑ und Kokosnüssen in vier Dörfern pachten, die per Stiftungsurkunde (śāsana) in den

Stiftungsorganisation

Besitz des Gottes Sonnakāmādhava (Viṣṇu) gelangt waren, und verpflichteten sich in der Inschrift dazu, jedes Jahr bestimmte Abgaben für den Kult des Sonnakāmādhava zu leisten.27 Bei Zuwiderhandlung – so der Fluch (śapatha) – werde sich die Gottheit abwenden und der Vater (des Delinquenten) als Esel, die Mutter als Sau und der Onkel (väterlicherseits) als Kamel wiedergeboren, was auch bildlich auf dem betreffenden Stein dargestellt ist.28 Jinistische Stiftungen Für die Verwaltung von Stiftungen an ji‑ nistische Institutionen konnte – ähnlich wie bei den buddhistischen Dotationen – auf die innere Organisation des Ordens zurückgegriffen werden. Trotz gewisser Parallelen gab es jedoch markante Unter‑ schiede. Wie bereits erwähnt, stellten die mittelalterlichen indischen Stiftungen zu‑ gunsten buddhistischer Klöster ausschließ‑ lich Dotationen an Gruppen dar, schweigen die Urkunden über die konkreten Stiftungs‑ organe und ist die Stiftungsverwaltung fast nur aus normativen Quellen zur internen Struktur des Ordens zu erschließen. Im Gegensatz dazu werden in jinistischen Do‑ tationsurkunden regelmäßig die für das Stiftungsvermögen und die Umsetzung des Stifterwillens Verantwortlichen na‑ mentlich aufgeführt. Hierbei handelte es sich überwiegend um lokale Kloster‑ und Tempelvorsteher. Häufig wurden die gestif‑ teten Güter auch direkt in die Hände von Jaina‑Asketen gegeben, deren Zugehörig‑ keit zu bestimmten Lehrer‑Schüler‑Linien oft festgehalten ist. Dass der Fortbestand der Stiftungen von der Kontinuität derar‑ tiger Meister‑Schüler‑Folgen wesentlich abhing, zeigt auch die Verwendung eines jinistischen Pendants zur brahmanischen Erbformel: „der Reihe nach von den Schü‑ lern, deren Schülern und weiteren Nach‑ folgern zu genießen“.29

Indien

Neben dem ausgeprägten Sukzessions‑ prinzip war für mittelalterliche jinistische Stiftungen die Einbeziehung von Laien typisch. Dies zeigt sich beispielsweise in der Bijapur‑Steininschrift eines Adels‑ geschlechts aus Rajasthan, die aus dem 10. Jahrhundert datiert.30 Das Dokument beschreibt über mehrere Jahrzehnte und Generationen andauernde Stiftungen zu‑ gunsten eines Tempels des Ṛṣabha, des ers‑ ten ‚Furtbereiters‘ (tīrthaṃkara) der Jainas, den Fürst Vidagdha auf Anregung seines spirituellen Lehrers (ācārya) in der Stadt Hastikuṇḍī gegründet hatte.31 Vidagdha führte eine große Schenkungszeremonie zugunsten des Tempels durch und verlieh diesem im Jahr 917 u. Z. bestimmte Abga‑ benrechte.32 Sowohl für die Schenkung als auch für die Stiftung galt als Vertei‑ lungsschlüssel, dass jeweils zwei Drittel dem Heiligen Ṛṣabha und ein Drittel dem Präzeptor des Vidagdha zugesprochen wurden. Auffällig ist, dass zumindest in Hinsicht auf die Stiftung die Aufteilung an‑ scheinend von Vidagdhas Präzeptor selbst vorgenommen wurde: „Von diesen Ein‑ künften wurden durch den Lehrer [guru] zwei Anteile dem Heiligen [arhant] zuge‑ teilt [und] der verbleibende dritte Teil als ‚Vermögen für Wissen‘ [vidyādhana] sich selbst gewährt.“33 Im Jahr 940 bestätigte Vidagdhas Sohn die Stiftung.34 Unter Vi‑ dagdhas Enkel und Urenkel, die ihrerseits einen Brunnen (kūpaka) stifteten,35 wurden das Heiligtum von der goṣṭhī (‚Versamm‑ lung‘) der Stadt restauriert und im Jahr 997 u. Z. das Kultbild des Ṛṣabha (wieder) aufgestellt.36 Für die Bewirtschaftung des Tempels war also nicht allein die Fürs‑ tenfamilie zuständig, sondern ferner ein Gremium, in dem vermutlich die ange‑ sehensten Einwohner beziehungsweise Repräsentanten der wichtigsten sozialen Gruppen der Stadt Hastikuṇḍī vertreten waren. Dies zeigt sich auch im Wortlaut

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der Formel, die der Stiftung Schutz ga‑ rantieren sollte: „Durch den König und durch dessen Söhne und Enkel, durch die goṣṭhī und durch die Stadtbevölkerung ist das Vermögen des Lehrers [guru] und des Gottes [deva] zu bewahren“37. Dass die dem guru zustehenden Stiftungsanteile in einer (asketischen) Lehrer‑Schüler‑Linie weiter‑ gegeben wurden, kann man vermuten, da sowohl der unmittelbare Nachfolger des Präzeptors von Vidagdha namentlich er‑ wähnt wird als auch „die Linie [saṃtati] des edlen Keśavasūri“ am Ende der Inschrift genannt ist.38 Komplexe Stiftungen Hinweise auf und Belege für eine Stiftungs‑ verwaltung durch Personen, die weder zu den Stiftern noch zu den primären Emp‑ fängern gehörten, finden sich vor allem bei sehr komplexen Stiftungen, bei denen es wohl auch um den Ausgleich konkurrieren‑ der Interessen der verschiedenen Begüns‑ tigten ging. Obwohl die Verwaltung von komplexen Dotationen und Sammelstiftun‑ gen offenbar häufig nicht von einem der eigentlichen Begünstigten, sondern von einem ‚Außenstehenden‘ geleistet wurde, kann dies nicht als echte externe Verwal‑ tung beziehungsweise Kontrolle angese‑ hen werden, da die für derartige Aufgaben Eingesetzten oft an den Stiftungserträgen beteiligt wurden oder einen eigenen Land‑ anteil erhielten. So vergab ein zentralindischer Śilāhāra‑ Fürst im frühen 12. Jahrhundert mit einer Urkunde verschiedene Ländereien in ei‑ nem Dorf (→ 3.6.2; 9.6.2): (a.) an 16 Brah‑ manen, (b.) an denjenigen, der eine Spei‑ sung von angeblich 100 000 Brahmanen beaufsichtigt hatte, (c.) an einen Priester als Opferlohn für eine Zeremonie, (d.) an Śiva, Buddha und Jina, deren Kultbilder der Fürst am Ufer eines ebenfalls von ihm an‑ gelegten und nach ihm benannten Teiches

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hatte aufstellen lassen, (e.) an den Vorsteher des vergebenen Dorfes sowie (f.) für ewige Lampen im dörflichen Śiva‑Schrein, für das Anlegen des Feuers an den Feuerplät‑ zen, für die Bereitstellung von Brunnen‑ wasser usw. Der Grund dafür, dass auch dem Dorfvorsteher eine Landparzelle zu‑ gesprochen wurde, ist in der Kupfertafel‑ inschrift nicht explizit festgehalten, doch die Vermutung liegt wohl nahe, dass er für die Erfüllung neuer Aufgaben entschädigt werden sollte, die ihm durch die Stiftung zuwuchsen. Interessant sind in diesem Kontext auch einige buddhistische und hinduistische Stiftungen der ostindischen Bhaumakara‑ Dynastie aus dem 9. Jahrhundert. Darin wurden bestimmte Anteile an den Stif‑ tungserträgen für konkrete Zwecke re‑ serviert, unter anderem für den Unterhalt des dānapati. Dieser Begriff, der wörtlich ‚Gabenherr‘ bedeutet, kann einen ‚Stifter‘ (→ 1.6.2 f.) bezeichnen. In den genannten Inschriften aus Orissa scheint dies aber nicht der Fall zu sein, wie ein Blick auf einige einschlägige Beispiele aus diesem Corpus illustrieren soll: Auf Bitte des Fürs‑ ten Pulindarāja vergab der Bhaumaka‑ ra‑König Śubhākaradeva mit seiner Hin‑ dol‑Urkunde ein Dorf zugunsten des von Pulindarāja gegründeten und nach ihm als Pulindeśvara benannten śivaitischen Tem‑ pels. Śubhākaradeva wollte eine Hälfte des Dorfes für den Kult des Gottes Vaidyanātha (Śiva), für die Versorgung der Tempeldie‑ ner (pādamūla) sowie für Reparaturen am Tempel verwendet wissen (→ 8.6.3); die andere Hälfte sollte für die Ausstattung der Śaiva‑Lehrer und der Asketen „sowie für den Unterhalt des Gabenherrn in Form von täglich sechs āḍhaka Reis [und] von vier paṇa Geld“ eingesetzt werden.39 Ähnliche, wenn auch allgemeinere Ver‑ fügungen finden sich in zwei buddhisti‑ schen Urkunden von Bhaumakara‑König

Stiftungsorganisation

Śivakaradeva aus Talcher und in zwei śivaitischen Dorfstiftungen von Bhauma‑ kara‑Königin Tribhuvanamahādevī aus Baud. König Śivakaradeva stiftete auf Bitte des Fürsten Vinītatuṅga insgesamt zwei Dörfer zugunsten des Klosters Jayāśrama. Benutzt werden sollten je ein Anteil für den Buddha‑Kult in einem von einer an‑ deren Person gegründeten Schrein, für die Versorgung der Tempeldiener sowie für die Ausstattung von zehn Mönchen nebst Ge‑ hilfen, der jeweils zweite Teil für Reparatu‑ ren (an den Gebäuden) „und der dritte Teil für den Unterhalt des Gabenherrn in un‑ unterbrochener Abfolge seiner Nachkom‑ menschaft“.40 Eine analoge Formulierung enthalten auch die zwei Baud‑Urkunden, mit denen Königin Tribhuvanamahādevī auf Bitten der Fürstin Śaśilekhā einem von dieser zu Ehren ihres verstorbenen Vaters gegründeten Śiva‑Tempel mehrere Liegen‑ schaften zusprach. Je ein Anteil wurde für Kult, Reparaturen und Ausstattung der Asketen bestimmt, der jeweils zweite Teil für Speise und Kleidung von Brahmanen, der dritte Teil für die Versorgung der Tem‑ peldiener und der vierte „für den Unterhalt des dānapati in ununterbrochener Abfolge seiner Nachkommenschaft“.41 In keiner Bhaumakara‑Urkunde er‑ scheint der Terminus dānapati in einem anderen als dem genannten Kontext. Es wird kein ‚Gabenherr‘ namentlich erwähnt, und keiner der mit Namen genannten Akteure trug den Titel dānapati. Daher ist vermutlich auszuschließen, dass sich die entsprechenden Verfügungen auf die Gründer der religiösen Institutionen be‑ zogen. Denkbar wäre allerdings, dass als ‚Gabenherr‘ der jeweilige Verwalter der Stiftung bezeichnet ist.42 Wie er rekrutiert wurde, geht aus dem epigraphischen Mate‑ rial nicht hervor. Sicher scheint aber, dass seine Position erblich war, wie der Verweis auf die Nachkommenschaft vermuten lässt.

Indien

13.6.3  Aufsicht Wenn es in den mittelalterlichen indischen Urkunden schon kaum um die Stiftungs‑ organe ging und die Stiftungsverwaltung nur schwer zu rekonstruieren ist, so gilt dies in noch weitaus stärkerem Maße für eventuelle Kontrollinstanzen. Keine indi‑ gene indische Religion hat überregional wirksame organisatorische Strukturen hervorgebracht, die denen der christlichen Kirchen vergleichbar wären. Überregionale Strukturen auf königlich‑staatlicher Ebene existierten zwar – zumindest zeitweise – im vormodernen Indien, doch war gerade das Mittelalter von schnell wechselnden Herrschaften regionaler Mächte geprägt. Das Königtum war wohl allgemeiner Ga‑ rant von Stiftungen. Es ist jedoch fraglich, ob staatliche Behörden in den konkreten Stiftungsvollzug eingriffen. Sri Lanka mag in Südasien (wie an‑ dere Länder des Theravāda‑Buddhismus in Südostasien) einen Sonderfall darstel‑ len. Auf der Insel Ceylon ist schon seit dem Altertum eine sehr enge Verflech‑ tung zwischen singhalesischem Königtum und buddhistischer Gemeinde belegbar. Die Herrscher übten Aufsichtsfunktionen gegenüber Klöstern aus, nahmen Amtsent‑ hebungen vor, ließen bestimmte Mönche ausschließen und Besitztümer einzelner Konvente konfiszieren.43 Derartige Konfis‑ kationen, die in erster Linie Stiftungsgüter betroffen haben dürften, erfolgten stets mit der Begründung, dass die Könige Sorge für die ‚Reinhaltung‘ des Ordens trügen. Zu‑ mindest hinsichtlich des Ausschlusses von Ordinierten, die sich eines schweren Ver‑ gehens schuldig gemacht hatten, scheinen die ‚Selbstreinigungskräfte‘ buddhistischer Gemeinden mitunter nicht ausgereicht zu haben. Die weltliche Macht wurde benötigt, um die einmal Ausgeschlossenen tatsäch‑ lich aus den Klöstern zu entfernen. Dies

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wiederum war ein für jeden Stifter sehr wichtiger Aspekt königlichen Agierens: Nur wenn Stiftungsgüter von würdigen Personen genutzt wurden, war die Generie‑ rung religiösen Verdienstes gewährleistet. Für die Festlandgebiete des mittelalterli‑ chen Südasien stellt sich die Frage, ob es ex‑ terne Kontrollinstanzen zur individuellen Stiftungsaufsicht überhaupt gab und ob sie nötig waren. Stiftungsbegünstigte und ‑ver‑ walter konnten gegen vom Stifter verfügte Auflagen verstoßen. Da wiederkehrende Memorialleistungen im Unterschied zu an‑ deren Stiftungstraditionen in Indien in der Regel nicht abgefordert wurden (→ 8.6.2), waren Verstöße in diesem für einen Stifter potentiell sensiblen Bereich kaum möglich. Es konnte auch zu Zweckentfremdungen und Umwidmungen des Stiftungsvermö‑ gens kommen, doch die Dotationszwecke wurden in den meisten Urkunden eher pau‑ schal denn konkret festgehalten. Zumindest im Frühmittelalter sind es vor allem private Stiftungsdokumente, die detailliertere Fest‑ legungen enthalten. In diesen Fällen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Familie des Stifters, seine Nachkommen und Erben, die Aufsicht über die Stiftung führten. Der größte Teil der religiösen Stiftungen des indischen Mittelalters bestand aber nicht aus privaten, sondern aus königli‑ chen und fürstlichen Dotationen von Dör‑ fern und Ländereien für den Unterhalt von Brahmanen, Klöstern und Tempeln. Da die Gründungen buddhistischer Klöster, hin‑ duistischer Tempel und jinistischer Institu‑ tionen meist nicht auf die Herrscher selbst, sondern auf andere Stifter, häufig Adlige, zurückgingen, die sich oft beim König für eine Dotation zugunsten ‚ihrer‘ Einrich‑ tung verwendeten, kann man vermuten, dass diesen Personen auch eine gewisse Verantwortung und Aufsichtsfunktion für die ordnungsgemäße Umsetzung der kö‑ niglichen Unterhaltsstiftung zukam. Neben

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Privatpersonen scheinen auch religiöse Körperschaften und städtische Gremien in ähnlicher Weise agiert zu haben.44 Königliche Kupfertafelurkunden ent‑ halten am Übergang zwischen der Genea‑ logie des Stifters und der Beschreibung der aktuellen Stiftung in der Regel eine Anrufung oder eine Adressformel, mit der bestimmte Gruppen von Personen über die Dotation informiert wurden. (→ 5.6.3) Zu diesem Kreis gehörten zwar auch die Dörfler, die in Zukunft die Erträge zu erwirtschaften hatten, in erster Linie je‑ doch diverse Kategorien von ‚betroffenen‘ (yathāsaṃbadhyamāna)45 Beamten. Mehr noch als deren Ressorts lassen die Immuni‑ tätsformeln erkennen, dass diese Beamten nicht für die Verwaltung und die Kontrol‑ le der Stiftungen zuständig waren. Den Empfängern der Steuerpfründen wurde vielmehr urkundlich garantiert, dass die gestifteten Objekte mit Verwaltungsimmu‑ nität, einer Art Exterritorialität, ausgestat‑ tet waren. Der Wortlaut dieser Formeln besagte, dass das gestiftete Dorf oder Land ‚von irregulären und regulären Truppen nicht zu betreten‘ sowie ‚von allen Kö‑ nigsleuten nicht [einmal] mit der Hand zu berühren‘ sei.46 Hiermit verzichtete der Herrscher auf Interventionsmöglichkeiten, die seinen Beamten üblicherweise zustan‑ den. (→ 10.6.5) Einige Urkunden erwecken aber den Eindruck, als hätten sich die Könige für besondere Fälle Eingriffsmöglichkeiten vorbehalten. So enden mehrere zentral‑ indische Kupfertafelinschriften aus dem 12. und 13. Jahrhundert, die Dotationen zugunsten größerer Gruppen von Brah‑ manen bezeugen, mit folgender auf die Begünstigten gemünzten Strophe: „Käuf‑ lichen Frauen ist kein Niederlassungsrecht zu gewähren; das Veranstalten von Wür‑ felspielen ist ebenfalls zu verbieten; auch Waffen usw. sind nicht zu tragen – [das] hat

Stiftungsorganisation

zu geschehen durch diese auf gute Taten Bedachten [d. h. die Brahmanen].“47 Um‑ gang mit Prostituierten, Würfelspiel und Waffentragen waren Brahmanen ohnehin untersagt. Wenn eine solche eigentlich überflüssige Regel dennoch extra festge‑ schrieben wurde, bedeutete dies wohl, dass sich der König bei Zuwiderhandlung eine Intervention gestattete. Ein ‚laxer‘ oder unwürdiger Lebenswandel von Mönchen und Priestern konnte den Vorwand für Konfiskationen durch die Krone liefern. Aus naheliegenden Gründen war bei königlichen Stiftern die Furcht vor der Be‑ schlagnahmung gestifteter Güter durch spätere Regenten stärker ausgeprägt als die Sorge, ihre Stiftung könnte nicht den Bestimmungen getreu umgesetzt werden. Regelmäßig schließt sich an konkrete Stif‑ tungsverfügungen eine allgemeine Auf‑ forderung zum Schutz vor Übergriffen an. Solch ein Appell konnte beispielsweise lauten: „Und die künftigen guten Könige, die aus unserem Geschlecht oder andere, sollen diese unsere Gabe genauso wie eine eigene Gabe anerkennen und beschützen, weil sie sich der gemeinsamen Frucht von Landstiftungen bewusst sind.“48 Auf den Appell an künftige Könige folgt ein Passus, der eine Drohung für diejenigen enthält, die den Anweisungen zuwiderhandeln: „Und wer, weil sein Geist verhüllt ist vom fins‑ teren Schleier des Unwissens, [dieses Ob‑ jekt] wegnehmen oder [seine] Wegnahme billigen sollte, der möge mit den fünf gro‑ ßen Vergehen zusammen mit den kleinen Vergehen behaftet sein.“49 Diese generelle Warnung wurde üblicherweise mit Stro‑ phen aus einem allgemeinen Versbestand ergänzt, die die Folgen einer (gravierenden) Störung der Stiftung ausmalen. Man setzte jedoch nicht allein auf Abschreckung unter Rekurs auf die Wirkmechanismen von Ge‑ burtenkreislauf und Tatvergeltung. Häufig wurde auch versucht, durch die Aussicht

Indien

auf Beteiligung am religiösen Verdienst zur Stiftungsbewahrung zu motivieren: „Selbst zu geben ist leicht möglich, als schwierig [erweist sich] das Schützen [der Dotation] eines anderen. In Hinsicht auf das Geben oder Schützen ist besser [noch] als das Ge‑ ben das Beschützen [des Gegebenen].“50 Königliche Stifter forderten nicht nur den Schutz ihrer Gaben durch künftige Herrscher ein, sondern stellten sich ihrer‑ seits als Bewahrer früherer Dotationen dar. Zu den Formeln, die die Rechte hinsichtlich des Stiftungsvermögens definierten, gehör‑ te in der Regel auch eine, mit der erklärt wurde, dass frühere religiöse Stiftungen von der aktuellen unberührt blieben.51 Eine Reihe von Kupfertafelurkunden do‑ kumentiert keine neuen Dotationen, son‑ dern bestätigt von Vorgängern gemachte Stiftungen, und mancher König ließ sich dafür preisen, dass er sowohl „früher ge‑ raubte Stiftungen an Götter und Brahma‑ nen beschützte“, als auch selbst zahlreiche Dörfer gewährte.52 Das Fehlen effektiver Stiftungsaufsicht scheint sich vor allem im Verhältnis der Begünstigten zu den die Stiftungserträge erwirtschaftenden Dorf bewohnern be‑ merkbar gemacht zu haben. In den früh‑ mittelalterlichen Urkunden hielt man den Umfang der Erträge, die den Destinatären zustanden, noch mit vagen Formeln fest, und die Bauern wurden mitunter explizit dazu aufgefordert, ihre Abgaben ordnungs‑ gemäß zu leisten. Die Tatsache, dass sich seit dem 11. Jahrhundert in zahlreichen Stiftungsinschriften genauere Angaben

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zu den zu erwartenden Geld‑ und Natural‑ leistungen finden, ist jedoch wohl als Indiz dafür zu werten, dass Regelungsbedarf bestand, um Übergriffen und Missbrauch vorzubeugen.53 Dass bestimmte Nutzungsformen von Stiftungen bereits im Mittelalter, insbe‑ sondere durch Konkurrenten unter den potentiellen Destinatären oder durch or‑ thodoxe religiöse Lehrer, als Zweckent‑ fremdung gedeutet wurden, zeigen Dis‑ kussionen in zeitgenössischen religiösen Texten. Entsprechende Polemiken galten insbesondere hinduistischen Priestern 54 und jinistischen Asketen 55, wenn sie Göt‑ terbesitz beziehungsweise Tempelvermö‑ gen für ihren eigenen Lebensunterhalt nutzten. Aus heutiger Perspektive würde man vermuten, dieses Handeln könnte mangelnder Aufsicht geschuldet gewesen sein. Diverse mittelalterliche Urkunden legen jedoch den Schluss nahe, dass es durchaus nicht den Intentionen der Stifter widersprach beziehungsweise sogar durch deren Verfügungen gedeckt war, wenn die einem Gott gemachte Stiftung auch für die Versorgung von Priestern und Asketen verwendet wurde. Dotationen zugunsten eines Tempels betrachtete man formal als Stiftungen an die betreffende Gottheit.56 Unter den konkret benannten Stiftungs‑ zwecken (→ 8.6.3) finden sich aber nicht selten Hinweise darauf, dass die Erträge aus dem gestifteten Vermögen unter ande‑ rem für den Unterhalt der Tempelpriester eingesetzt werden sollten. AS

Anmerkungen 1  Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ 3 Die meisten brahmanischen Rechtstexte füh‑ giöses Patronat (2014), 145. Diese Formel konnte variieren. 2 Ebd., 165.

ren zwölf Arten von Söhnen auf, an deren Spitze der leibliche Sohn steht. Die Zusammensetzung der übrigen elf unterscheidet sich jedoch in den

580 einzelnen Rechtsschulen. Nur die ersten sechs Kategorien wurden als erbfähig anerkannt. Bei Manu findet sich an zweiter Stelle der in Levi‑ ratsehe gezeugte Sohn; vgl. Manu’s Code of Law. A Critical Edition and Translation of the Mānava‑ Dharmaśāstra. Ed. Patrick Olivelle. Oxford 2005, 198 f.; 775–779, Strophe 9.158–178. 4  The Inscriptions of the Maitrakas of Valabhī. Texts, Translations, Glossary. Ed. Annette Schmiedchen. Wiesbaden 2016, 108–112, Nr. 13, hier 110, Z. 19 f. 5 Ebd., 67–71, Nr. 2, hier 68, Z. 22 f.: yato [’]nayor ucitayā brahmadāyasthityā bhuñjatoḥ kṛṣatoḥ pradiśator vā na kaiścit svalpāpy ābādhā kāryā, „Daher soll durch niemanden nicht einmal eine geringe Beeinträchtigung der beiden erfolgen, die gemäß der üblichen Regel für eine Brahmanenga‑ be [das Objekt] genießen, pflügen oder [anderen zum Pflügen] überlassen.“ Ebd., Nr. 7, Z. 20–22: yata eṣām ucitayā brahmadeyasthityā bhuñjatāṃ kṛṣatāṃ pradiśatāṃ vā na kaiścit svalpāpy ābādhā kāryā, „Daher soll durch niemanden nicht ein‑ mal eine geringe Beeinträchtigung derjenigen erfolgen, die gemäß der üblichen Regel für eine Brahmanengabe [das Objekt] genießen, pflügen oder [anderen zum Pflügen] überlassen“. 6 Schmiedchen, Herrschergenealogie und reli‑ giöses Patronat (2014), 179. 7 Für Ostindien vgl. z. B. Indian Museum Copper Plate Inscription of Dharmapala, Year 26: Ten‑ tative Reading and Study. Ed. Ryosuke Furui, in: SAS 27.2, 2011, 145–156. 8 Inscriptions of the Maitrakas. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 4), 322–329, Nr. 59, hier 325, Z. 40 f. 9 Ebd., 131–134, Nr. 19, hier 132, Z. 23–25. 10  Ebd., 245–250, Nr. 43, hier 247, Z. 29. 11  A Record of the Buddhist Religion as Prac‑ tised in India and the Malay Archipelago (AD 671– 695). Übers. Junjiro Takakusu. London 1896, ND Delhi 1982, 61. 12  Jetavanārāma Sanskrit Inscription. Ed. Martino De Zilva Wickremasinghe, in: Epigraphia Zeyla‑ nica 1, 1904–1912, 1–9. 13  Ebd., 4, Z. 1: ekaikaś ca śrāmaṇeraḥ t[ri]ṣv api grāmeṣu pratyekaṃ pratyekaṃ sthāpyaḥ. 14  Ebd., 4, Z. 3–7: tribhir bhikṣubhir lahasikāparṇaśālāyāṃ dvābhyāṃ śrāmaṇerābhyāṃ saha nivasadbhir lahasikāṃ urulgoṇum cīvaranavakarmaṇe niyuktāṃś ca grāmān samyag ālocya tatra tatra lābhan tais taiḥ kuṭumbibhir adhiṣṭhitam

Stiftungsorganisation

vihāram praveśya varṣaparisamāptau tatra tatrasamastam āyaṃ vyayaṃ śeṣañ ca karmibhir gaṇakaiś ca saṃghānujñāteṣu bhikṣuṣūpadarśya pariśuddhaparivārakair yathāsukham atra vihāre vihartavyaṃ /. Zu dem für Neubauvorhaben Zu‑ ständigen vgl. Njammasch, Navakammika (1974). 15  Jetavanārāma Sanskrit Inscription. Ed. De Zilva Wickremasinghe (wie Anm. 12), 4, Z. 10, er‑ scheint der Begriff pañjikāsthavira, ‚für Rech‑ nungsbücher [verantwortlicher] Ordensälterer‘. Zur monastischen Buchführung vgl. auch Gunawardana, Robe and Plough (1979), 125–127. 16  Jetavanārāma Sanskrit Inscription. Ed. De Zilva Wickremasinghe (wie Anm. 12), 5, Z. 27–29. 17  Silk, Managing Monks (2008); Kieffer-Pülz, Rez. Jonathan A. Silk (2010). Zu Arbeitskräften und Klostervereinbarungen: Dies., Verlorene Gaṇṭhipadas (2013), 258–264. Zur Geschäftstätig‑ keit vgl. Schopen, Doing Business for the Lord (1994, ND 2004). 18  Stietencron, Orthodox Attitudes (1977). 19  Allerdings dokumentieren auch nur fünf ihrer über 100 Urkunden Stiftungen an hindu‑ istische Tempel. 20 Inscriptions of the Maitrakas. Ed. Schmiedchen (wie Anm. 4), 64–67, Nr. 1, hier 65, Z. 6 f. 21 Ebd., 65, Z. 11. 22 Ebd., 80–84, Nr. 6, hier 82, Z. 21 f. 23 Kielhorn, Pādamūla. Pādamūlika (1898); Schmiedchen, Einige Besonderheiten (1993), 92 f.; Dies., Formulas (1993), 590 f.; Silk, Managing Monks (2008), 203–205; Hinüber, Verwischte Spuren (2009), 167. 24 Vgl. hierzu z. B. Schmiedchen, Herrscher‑ genealogie und religiöses Patronat (2014), 395; 403; 427. 25 Z. B. Inscriptions of the Early Gupta Kings and Their Successors. Ed. John Faithful Fleet. (CII 3.) Kalkutta 1888, 121–138, Nrn. 27–31. 26 Rashtrakuta Charters from Chinchani. Ed. Dinesh Chandra Sircar, in: Epigraphia Indica 32, 1957/1958, 55–60. 27 Furui, Merchant Groups (2013), 393–395. 28 Abbildung ebd., 394 oben. 29 Schmiedchen, Herrschergenealogie und religi‑ öses Patronat (2014), 145: śiṣyapraśiṣyānvayakramopabhogya. 30 Bijapur Inscription of Dhavala of Hastikundi. Ed. Ram Karna, in: Epigraphia Indica 10, 1909/1910,

Indien

17–24; vgl. auch Laughlin, Ārādhakamūrti (2003), 156 f. 31 Die Inschrift besteht aus zwei Teilen. Der erste Abschnitt (Z. 1–23) endet mit der Datie‑ rung Vikrama‑Jahr 1053 (997 u. Z.). Der zweite Teil (Z. 23–32) stellt eine Art Rückblende dar und enthält die Datierungen Vikrama 973 (917 u. Z.) und Vikrama 996 (940 u. Z.). 32 Bijapur Inscription. Ed. Karna (wie Anm. 30), 24, Z. 26–29. 33 Ebd., 24, Z. 29, Str. 2.14: ādānād etasmād bhāgadvayam arhataḥ kṛtaṃ guruṇā / śeṣas tṛtīyabhāgo vidyādhanam ātmano vihitaḥ //. 34 Ebd., 24, Z. 31, Str. 2.20; 24, Z. 32. 35 Ebd., 23, Z. 20, Str. 1.38. 36 Ebd., 22 f., Z. 17–19, Str. 1.33–37; 23, Z. 22. 37 Ebd., 24, Z. 29, Str. 15: rājñā tatputrapautraiś ca goṣṭhyā purajanena ca / gurudevadhanaṃ rakṣyaṃ. 38 Ebd., 24, Z. 31 f., Str. 21. 39 Inscriptions of Orissa, Bd. 2: Inscriptions of the Bhauma‑Karas. Ed. Snigdha Tripathy. Delhi 2000, 127, Nr. 8. 40  Ebd., 142, Nr. 11, Z. 29; 150, Nr. 12, Z. 29: dānapateḥ svasantāna[paraṃ]parāvartanārthaṃ. 41  Ebd., 157, Nr. 13, Z. 34 f.; 164, Nr. 14, Z. 35: dānapatisvasantānaparaṃparāvartanārthaṃ. 42  Snigdha Tripathy paraphrasiert die entspre‑ chende Formel der buddhistischen Stiftungen mit „for the maintenance of the family of the Dānapati or the person in charge of receiving the royal grant on behalf of the concerned reli‑ gious establishment“; vgl. ebd., 145; 152. Die fast gleichlautende Formulierung der śivaitischen Stiftungen gibt sie hingegen wieder mit „for the maintenance of the family of the Dānapati or the Brahmin in charge of worship of the deities and all the functions associated with receiving the royal grant“; vgl. ebd., 166; ähnlich auch ebd., 81; 129 f. In der Einleitung zu ihrer Edition der Bhau‑ makara‑Inschriften führt Snigdha Tripathy aus: „dānapati who is mentioned in several records of the family as the receiver of the grants on behalf of the religious establishments. He was supposed to look after the gift and the maintenance of the religious establishment for which the grant was issued by the ruling authority“; vgl. ebd., 93. Was hier als vermeintliche Tatsache dargestellt wird, kann jedoch bestenfalls als Vermutung angesehen

581 werden. Dies gilt insbesondere für die angebliche Rolle des dānapati bei kultischen Verrichtungen. 43  Zum Verhältnis von Orden und König in Sri Lanka vgl. Gunawardana, Robe and Plough (1979), 170–190. 44  So übertrug ein zentralindischer Śilāhāra‑ Fürst am Ende des 10. Jahrhunderts eine Stiftung an einen Sonnentempel, indem er die bei Land‑ vergaben übliche Wasserlibation an Vertretern örtlicher Gremien (eventuell Gilden) vornahm. Das kann wohl nur bedeuten, dass diese Korpo‑ rationen, zu denen neben Kaufleuten auch Brah‑ manen gehörten, für die Stiftungsverwaltung und ‑aufsicht Sorge zu tragen hatten; vgl. hierzu Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 274. 45  Vgl. z. B. ebd., 140 f.; 236. 46  Ebd., 143; 145. Zu diesem Privileg siehe auch Njammasch, Bauern, Buddhisten und Brahmanen (2001), 24 f. 47  Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), 411: paṇyāṃganānāṃ sadanaṃ na deyaṃ dyūtapracāro pi nivāraṇīyaḥ / śastrādikaṃ cāpi na dhāraṇīyaṃ satkarmaniṣṭhair bhavitavyam ebhiḥ //. 48  Vgl. z. B. ebd., 154. 49  Ebd., 155: yaś cājñānatimirapaṭalāvṛtamatir ācchindyād ācchidyamānakaṃ vānumodeta sa pañcabhir mmahāpātakaiḥ sopapātakaiś ca saṃyuktaḥ syād [/*]. 50 Ebd., 157: svaṃ dātuṃ sumahac chakyaṃ duḥkham anyasya pālanaṃ / dānaṃ vā pālanaṃ veti dānāc chreyo nupālanaṃ //. Eine andere Stro‑ phe ähnlichen Inhalts lautet: „Selbst gegebene oder von anderen gegebene Erde behüte eifrig, o König. Das Beschützen ist besser als das Ge‑ ben, o bester Erdenhüter“ (svadattāṃ paradattāṃ vā yatnād rakṣa narādhipa / mahīṃ mahībhṛtāṃ śreṣṭha dānāc chreyo nupālanaṃ //). 51 Zur Formel pūrvaprattadevabrahmadāyarahita vgl. ebd., 143; 145. 52 Ebd., 149; 209. 53 Ebd., 449. 54 Stietencron, Orthodox Attitudes (1977). 55 Dundas, Tenth Wonder (1987/1988), 182 f.; Laughlin, Ārādhakamūrti (2003), 153–156. 56 Sontheimer, Religious Endowments (1965).

Intercultural Perspectives

7  Religious Merit and Temporal Ambitions If one examines the historical development of foundations in universal terms,1 then foundations for the gods definitely are to be recognized as the earliest ones. The basis for the numerous royal foundations ‘for all timeʼ in favor of the gods were the Mesopotamian myths, according to which “man was only put into this world in order secure the nourishment and maintenance of the gods.ˮ2 The notion that the gods are also the beneficiaries of endowments and are their ‘ownersʼ is derived from the pri‑ mordial idea that men are responsible for the subsistence of the gods, and in this way perform their contribution for the preser‑ vation of the cosmos. This conception is found, usually in reference to monotheism, in all of the foundation cultures exam‑ ined in this encyclopedia, thus in India as well. (→ 1.1) Alongside foundations for the benefit of the cult of the gods, which are attested in ancient Greece from early in the 4th century B. C. E. onwards3, ‘Ever‑ getism’, which also supposedly influenced pre‑Christian foundations in the Imperium Romanum, appeared only slightly later within Hellenism.4 This heuristic device of scholarship is based on the Greek noun euergesia (‘beneficence’) and designates

the voluntary or morally and legally or‑ dained donation from the wealthy to the public, whether of the ‘state’ or of a city.5 These gifts supported on the one hand the financing of games, public entertainment, fortifications or something similar, on the other hand construction such as that of amphitheaters, bridges, baths etc. Since these donations often had cultic connota‑ tions, and thus had a religious meaning6, it is problematic to strictly differentiate between religious and temporal motives, as well as sacral and agonal or social goals among the foundations of Greco‑Roman Antiquity.7 One must keep such caution in mind, since in the more recent literature it has been postulated, that “the public rec‑ ognition of the founder and his liberalityˮ8 as well as the fame of the city stood at the center of antique foundations. In the medieval millennium as well there existed foundations with ‘secular’ aims, that is what in modernity is termed an ‘infastructure project’, which were nonetheless religiously motivated. To an extent one was aware of the traditions in which these new foundations stood. Still in the eleventh century one wanted to know in Byzantium whether it had been

584

customary in Antiquity among benefac‑ tors to erect a hippodrome or other sites of profane entertainment, before sites of concern for salvation replaced them under Christian influence.9 (→ 8.5.2) Religious motivation is clearly evident in Islam, since the waqf was frankly understood as a re‑ ligious act which included every material and spiritual objective. With Latin European bias it was stated decades ago that quite simply all founda‑ tions of the Middle Ages had been “foun‑ dations for the salvation of the soulˮ.10 From a general historical perspective an assertion of this sort does not hold water because among Christians, Jews, Muslims and adherents of Indian religions there existed numerous variations in thought about the soul or the souls of an individual, the post‑mortal relationship of body and soul, and heaven and hell and otherworldly waystations, to say nothing of the fact that the Buddha and his followers denied the very existence of the soul.11 Even where the salvation doctrines of the aforementioned monotheistic religions are concerned, one cannot confuse the salvation of the mono‑ theists with the highest happiness of the Brahmins, Hindus, Buddhists and Jains. For the former it concerned the complete bliss of the (only once) reincarnated person with body and soul, for the latter however the emptiness, in which there exists neither desire nor feeling, a joy through complete disintegration. From an anthropological perspective religious objectives are to be divided further between foundations for the soul or ancestors and foundations for the salvation of the soul; the former are supposed to enable the continued existence of the deceased (or their souls) in another world, while the latter are aimed at effect‑ ing an improved transcendental existence, and to wit as the gift (and according to the judgment) of God.12

Intercultural Perspectives

According to Herodotus the “Egyptians were the first to teach that the human soul is immortalˮ.13 What is certain among mod‑ ern researchers is that the people on the Nile were the first to apprehend the idea of the Court of the Dead, before which every person would have to justify his deeds in this life; this caesura in the history of reli‑ gion is dated to the so‑called First Interme‑ diate Period (from ca. 2216 / 2166 B. C. E.).14 The ancient Egyptians were familiar with righteousness through works and divine recompense; yet to them the idea was for‑ eign that one could also care for the soul of the deceased through post‑mortal charity. Their foundations were essentially founda‑ tions for the cult of the dead, which aimed at this‑worldly afterlife.15 In Christianity Jesus himself created a discrepancy of a promise; on the one hand he had taught that one could not at‑ tain merit from God, on the other hand he commanded his disciples to pray “forgive us our trespasses as we forgive those who trespass against usˮ (Mt 6.12).16 The Apostle Paul as well preached on the one hand justification by faith alone (Rom 3.28), yet on the other hand did emphasize retribu‑ tion according to a person’s deeds: “To those who by persistence in doing good seek glory, honor and immortality, he will give eternal life. But for those who are self‑seeking and who reject the truth and follow evil, there will be wrath and angerˮ (Rom 2.7–8). At the Second Coming of the Son of God, in the company of angels, Paul expected that all would have to present themselves before Christ’s seat of judgment and to each would be meted out good or evil, according to his conduct in life (2 Cor 5.10).17 The African church father Augus‑ tine differentiated further and conceded to the not entirely bad and the not especially good a post‑mortal time of penance until a transition to eternal bliss.18 For Christian

Religious Merit and Temporal Ambitions

foundations of great import was the no‑ tion that one could support the salvation of the soul of other people through prayer and good works. The basis for this was the cult of martyrs of early communities and recourse to the Old Testament story of the Jewish revolt under Judas Maccabeus against the Seleucid King Antiochus IV (168–165 B. C. E.). Judas provided for the salvation of the souls of those who had fallen, as the Second Book of Maccabees reports.19 Alongside prayer and alms, later in Christianity the celebration of masses was understood as an offering for the puri‑ fication of the deceased. Instrumental was the Christian church’s success, by the 4th century at the latest, at making itself the beneficiary of pious gifts for the salvation of the soul.20 In addition, communities of Christians from the beginning felt them‑ selves obliged to practice caritas and devel‑ oped an organized philanthropy, which in this respect was unknown in the ancient world.21 Another impulse stemmed from inheritance law. Among the Greek church fathers is found the doctrine of the ‘quota for the soul’ (psychikon), which was later adopted by the Latin church fathers Au‑ gustine and Jerome.22 The idea underlying this practice consisted of making one’s own soul part of the division of the inheritance next to one’s own sons. Among donations to the church, wheth‑ er for the fostering of the liturgy, prayer and mass or for the support of the needy and poor, one‑off donations must be dis‑ tinguished from foundations, which over the long term were meant to produce an income from an allocated property.23 The pious works were here exercised post‑mor‑ tally as well via the ‘foundation organs’ in the name of and as a representative of the founder and could serve the salvation of his soul over the long term or permanently. Correspondingly, the formulation in the

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documents is of gifts serving “for salvationˮ or “the redemption of the soulˮ (pro remedio and pro redemptione animae) and were to be regarded as a “reward for a good deedˮ or as a “reward for one’s own soulˮ (merces boni operis; merces animae meae).24 Among the few clear teachings regard‑ ing the Hereafter was the Latin doctrine of Purgatory, which from the 12th century onward enabled a clear differentiation be‑ tween a particular individual judgment di‑ rectly after death and the Last Judgment at the End of Days; it was however an error of scholarship to assume that the span of time, in which foundations for the salvation of the soul were effective, was by common understanding shortened or invalidated.25 (→ 2.2.2; 7.2.3) In Byzantium, where the doctrine of Purgatory encountered strong resistance and no dogma at all was devel‑ oped regarding the Afterlife26, the struggle between angels and demons for the souls of the deceased still exercised the imagina‑ tion of believers. (→ 7.5.2) Frequently one imagined a passage of the soul through 22 toll‑booths, at which good works were bal‑ anced against unatoned‑for sins. Especially well‑transmitted as foundations for the salvation of the soul are the widespread monastic endowments. One of the few Byzantine authors who concerned him‑ self with the justification for foundations and memoria was the historian, theologian and mathematician Michael Glykas (12th century). Asked whether the performance of pious deeds could completely erase the sins of the dead, he referred approvingly to the prayer of Saint Basil: “The Dead do not praise You, O Lord, nor have they the freedom to make confession to You from Hades, but we, the living, make supplica‑ tion for their souls.ˮ27 In Islam the religious expectation on which pious foundations could be erected appears to go back to the influence of older

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religions. According to the analysis of spe‑ cialists, we are presented with a man cling‑ ing to this world in the Old Arabic poetry from the time of the Prophet at the begin‑ ning of the 7th century, who rejected death as a meaningless and incomprehensible event and devoted himself to the things of this world.28 The poetry fragments princi‑ pally sketch the martial prowess and gal‑ lantry of heroes with the derision of their opponents, the conflict with nature, as well as journeys and amorous adventures. Under the influence of Christians, Jews and Zoroastrians, with whom the Ara‑ bian merchants and pilgrims could have come into contact with for instance at the pagan holy site of the Kaaba in Mecca or in Syria, Ethiopia, Iran and in Yemen and which formed communities and influenced principalities on the peninsula, their doc‑ trines of the Creator God, the resurrection of man and his being with God would have gained currency.29 What was then revealed to Mohammed about the Last Judgment of the Creator is contained in one of the oldest Suras (Q 99.6–8) as follows: “On that Day will men / Proceed in companies sorted out, / To be shown the Deeds / That they (had done). // Then shall anyone who / Has done an atom’s weight / Of good, see it! // And anyone who / Has done an atom’s weight / Of evil, see it.ˮ30 In reality at first the Arabs refused to accept the teaching of resurrection and an individual judg‑ ment. Their naturalist skepticism came up against the promise, repeatedly formulated by Mohammed, that the unbeliever would be cast into Hellfire on the Day of Judg‑ ment, while the god‑fearing man would have his good deeds rewarded by the joy of Paradise. Everyone in the end would be responsible for his conduct on earth. The doctrine that it was the merit and personal contribution of a person which affected his fate in the Afterlife was supported in

Intercultural Perspectives

the 7th century especially by the so‑called Kharijites, yet even in the Quran the idea that divine mercy (alone) could allow en‑ trance into Paradise had been expressed.31 This line of thinking apparently offered a starting point for later doctrines on the possibilities for intervention on behalf of the deceased. Among the Shiites this role fell both to Mohammed himself as well as the imams stemming from his family; whoever had given his allegiance to them could expect their intercession with God for entrance into Paradise. The Sunnis as‑ cribed the same power to Mohammed along with his closest companions. Regarding the path of a person or his soul between death and the Final Judgment the Quran is laconic; the divine revela‑ tions in the tradition of Mohammed are quite fixed on Paradise and Hell, while elsewhere in Muslim texts the imagination of the authors ends at the grave and the existence in the grave. The interim, with its potential for the intervention of poster‑ ity who realized the work of a foundation, remained for the most part nebulous. The Suras at least indicate that at the death of a person the soul escaped through the throat and came into the hands of angels. Embellished narratives depict the struggle among several of these beings for the soul, which could be buttressed by lists of the good and wicked deeds of the deceased.32 Yet in Sura 23.100 there is mention of a gate behind the deceased, which prevents any return to earthly life, for example a reincarnation; it is to hold “until the day on which they are awakened.ˮ33 The barrier is designated by the Persian loanword albarzaḫ and in the narrative of the author acquires a quality as a period between this life and the Afterlife. There exists no doubt that in Islam as well salvific concern for the dead through prayer and charity was widespread.

Religious Merit and Temporal Ambitions

(→ 7.3.2) Already in numerous hadiths relatives and friends were given various indications of how to make the deceased’s stay in the grave more pleasant.34 In gen‑ eral two categories were differentiated, namely wailing for the dead and prayer or the dispensation of alms on their behalf. Intercession, that is intercessory prayer (duʿāʾ), could also benefit the living35, but was viewed above all as especially propi‑ tious for the dead. The Quran does indeed emphasize that each individual bears re‑ sponsibility at the Final Judgment for his deeds and belief, so that at that point it would be too late to perform new good works, and that no one would be able to come to his aid 36; yet it was already de‑ termined in the Early Islamic tradition that good deeds brought to completion while living could also have an effect af‑ ter death and positively influence the fate of the benefactor. According to a hadith works of caritas were such things as the construction of a mosque or an irriga‑ tion canal or the planting of a tree. Also accounted as such works was the propa‑ gation of knowledge, as for instance via the creation of a school or the dispersion of Quranic manuscripts, or leaving be‑ hind as a legacy god‑fearing children who prayed for the forgiveness of the deceased’s sins.37 (→ 8.3.2) Even if the concession of a post‑mortal ability to negotiate has been deemed a “marginal exceptionˮ from the perspective of systematic theology,38 none‑ theless the assumed opinion of the Prophet in this hadith was definitely seen as the intellectual basis of Muslim foundations in general. Correspondingly it is cited in the waqf documents.39 The hadith collections classify the erec‑ tion of a foundation (waqf ) as ṣadaqa, a word which originally designated a good deed.40 (→ 7.3.2) Beginning in the early 9th century a definition of “irrevocable almsˮ

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(ṣadaqa batta) appears for the family waqf , and in the 11th century aš‑Šīrāzī empha‑ sizes that a foundation is to be viewed as indissoluble and lasting alms. Through its eternal duration a foundation could, ac‑ cording to opinion of Muslim jurists, be viewed as an act pleasing to God, which would bring the founder closer to God the longer it lasted. This however was the de‑ cisive idea for the religious interpretation of foundations. In contrast to the linear es‑ chatological dynamic of Christianity, Islam followed a circular concept with the goal of reversing the expulsion from Paradise; the believer must incessantly remember God and return to Him.41 Since foundations were to last forever, they had not only to be kept running by ever newer ranks of posterity, but by their performance of good works the heavenly merit of the founder increased.42 The post‑mortal convergence to God (qurba), which corresponded to a conception of a return of man to Paradise already from the time of Adam’s Original Sin43, was conditioned by the difficulty and duration of the benefactions. Since it thus concerned the greatest possible “nearness to Godˮ44, one must speak of ‘foundations for nearness to God’ instead of ‘founda‑ tions for the salvation of the soul’. Like in other religions, in Judaism be‑ liefs concerning the soul and conceptions of the Hereafter are unclear, contradictory and controversial. Agreement to a large degree holds in the scholarship, that in the Book of Daniel, stemming from ca. 165 B. C. E. and thus the last book of the Hebrew Bible, the resurrection of the indi‑ vidual is spoken of clearly for the first time: “Multitudes who sleep in the dust of the earth will awake: some to everlasting life, others to shame and everlasting contempt. Those who are wise will shine like the brightness of the heavens, and those who lead many to righteousness, like the stars

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for ever and ever.ˮ45 (Dan 12.2 f.) However, this promise of resurrection was directed only at the members of the people of Israel. Meanwhile one cannot assume that a be‑ lief in resurrection in Judaism was imple‑ mented unimpeded from the start; until the destruction of the Second Temple in the year 70 C. E. the traditionally‑minded Sadducees effectively opposed it. With their successful opponents the Pharisees, who spoke for the great majority, the doctrine of the “resurrection at the end of the worldˮ came out on top as a “fundamental tenet of faith of Jewish eschatologyˮ, and as such remained in force until the most recent period.46 Decisive was its reception into the Rabbinic tradition. Here from the 3rd century C. E. onward the Garden of Eden as a transitory or permanent state of Paradise was differentiated from gehinnom as a place of punishment.47 While the Gaon Saadja (d. 942), the religious leader of the Babylonian Jews, still knew to connect the immortal‑ ity of the soul with the idea of physical awakening, Maimonides (d. 1204) created the doctrine of an immortality of the soul independent of the body, which slowly gained ground as a Jewish dogma, while the resurrection of the body retreated into the background. Transitory and final states in the Hereafter were often not clearly di‑ vided; one can however prove that there was a belief that the dead would primarily suffer punishment in gehinnom. It was also partially assumed that the Damned would be awakened together with the Righteous at the Last Judgment, then however after the verdict would be engulfed by fire. The coming of the Messiah tended to diverge from the Last Judgment; the dead would then be awoken beginning on the Day of Judgment at the end of the Messianic age and at the same time at the threshold of the ‘World to Comeʼ (olam ha-ba). Even if (as in Christianity) the differentiation developed

Intercultural Perspectives

of an individual judgment directly after death, this was however hardly ever once even clearly divided from a universal Last Judgment. Hopes and fears for the Hereafter con‑ cerned the recompense for deeds in one’s past life48; insofar foundations also could develop their post‑mortal effect, which in Judaism were exclusively devoted to welfare (ṣedaqa).49 (→ 7.4.2) It was debated whether others as well could intervene on behalf of an individual person. The poor and needy themselves did not appear as re‑ cipients of donations, but rather the com‑ munities or community funds.50 (→ 12.4) An interdependence between the found‑ er and the beneficiaries was made even more difficult by the fact that a gift was viewed as especially pious and meritorious if it was made anonymously.51 (→ 9.4.2) Nonetheless, the entries of the Nuremberg Memorial Book (compiled 1296 / 1297) at‑ test to the remembrance of souls for the founders,52 among others, while the hope for Paradise or the aid of prayer of the community as a quid pro quo can only verified with difficulty in the documents of Old Cairo.53 Here the emphasis is en‑ tirely on material prosperity as a quid pro quo.54 Jews in Spain, under the influence of Christian notaries, erected foundations in the Latin language “for my soulˮ, “for the remission of my sinsˮ or “in the hope of eternal lifeˮ.55 (→ 8.1) The Indian religions of Hinduism, Bud‑ dhism and Jainism offer, like Christianity, salvation for the individual;56 the collec‑ tive starting point was the religion of the Brahmins, a priestly caste which through millennia‑old rituals kept the cosmos func‑ tioning.57 From ca. 600 B. C. E. the ritual‑ ism of the old Vedas was surmounted in the Upanishads; even though they became the key textual foundation of Hinduism, the religions of Buddhism and Jainism

Religious Merit and Temporal Ambitions

shared some of their essential religious concepts. Among them was above all the law of karman, that is the unconditional causality between an action and its con‑ sequences, as well as the teaching of re‑ incarnation (saṃsāra) and the techniques of deliverance from its unrelenting cy‑ cle.58 ‘Reincarnation’ meant above all to die over and over again;59 certainly one could reach a more favorable existence through good deeds, but the ultimate goal was to break through the eternal cycle of births.60 Hindu teaching regarding immor‑ tality, in contrast to those of the monothe‑ istic religions of the West, is a doctrine of self‑salvation; through one’s own merit a person can achieve an automatic recom‑ pense through a better temporal form of existence and in the end even ‘deliver‑ ance’, without having made reference to a judging – and merciful – God. The final reward is not an eternal life in bliss, but on the contrary salvation from any life at all as well as the death that accompanies it. A person’s entire fate in life, accord‑ ing to the Indian conception, lay in the hand of the individual; through his good works he collects merit (punya), which already in this life benefits him and can bring salvation. Scholars speak of a “Taten‑ vergeltungsmechanismusˮ (→ 8.6.2) Who‑ ever for instance endowed a Brahmin priest or Hindu temple61 either referenced the intercessions of his donees or expected sal‑ vation as divine remuneration. The Mauss‑ ian dictum that every gift requires a gift in return does not hold here.62 Nonetheless, there are hundreds, if not thousands, of foundations to Brahmin priests without any recognizable reference to temples as well as foundations in the context of tem‑ ples and shrines of Hindu deities which have survived.63 All religious foundations were to serve the propagation of religious merit (punya). (→ 3.6.2; 5.6; 7.6)

589

In sharp disassociation to the ritualism of ancient Brahmanism, yet on the basis of the doctrine of karman and reincarnation, soon after the first Upanishads in India there arose the two ascetic religions of Jainism and Buddhism. The Jaina sources designate monks and nuns as the “rootlessˮ and “piousˮ, but also the “homelessˮ and “portion‑seekingˮ, that is those begging for alms.64 According to their rules the monks were to be continually peripatetic and sup‑ plied by the laity – the “house‑dwellersˮ – with food and, during the rainy season, with shelter.65 Laypersons, analogously to monks, could take “minorˮ or “second‑ ary ordersˮ, which were however suited to the practical demands of worldly life. The fifth of these envisioned enthusiastic char‑ ity and the avoidance of great wealth.66 In contrast to the Brahmins (priests), the Jaina monks were obligated to a quid pro quo, which consisted of teaching the la‑ ity.67 Radical homelessness and poverty in practice allowed no foundations for Jaina monks and nuns. Nonetheless, temple and monastic foundations are attested on their behalf in the medieval millennium.68 (→ 3.6.5) Founders were however in this way only able to improve their chances for a better rebirth, yet not to do something for the salvation of their souls. ‘Foundations for the salvation of the soul’ had no place at all in the religious system of Jainism; salvation was only possible through radi‑ cal asceticism, which could even lead to voluntary death from starvation.69 Buddhism70 shared with Jainism a striv‑ ing after salvation as deliverance from the world, and here as well as there the community of monks (and nuns) stands at the center of religious life and doctrinal tradition. In contrast to Brahmanism and Hinduism the Buddha radically rejected the idea of a soul. “Buddhism is the teach‑ ing of selflessness (anātmavāda).ˮ71 People

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who like laypersons were generous, be‑ haved morally and performed good deeds hoped for a good reincarnation after their death, thus still held onto belief in their own self. “Belief in a ‘self’ is however not compatible with Buddhist enlightenment, the overcoming of desire and the way to Nirvana.ˮ This was no Paradise; it is place‑ and timeless and designated negatively as the “end of sufferingˮ, positively as the “highest happinessˮ. Yet, since there exists in it no more desire and feeling, it is a hap‑ piness without bliss.72 As in Jainism, the monks and nuns in Buddhism are directed to the aid of the “househouldersˮ, who supply them with alms, clothing, board and medicine (among other things)73; they were themselves how‑ ever, in contrast to the Jaina monks, not obligated to personal poverty.74 In return for the donations of laypersons the ascet‑ ics were again to instruct them.75 For the improvement of their rebirth as a reward for the merit they had acquired, the laity did not restrict themselves over the long term. At the end of the first millennium before Christ a new form of Buddhism developed, which was termed Mahāyāna “large vehicleˮ and polemically set itself apart from the older Hīnayāna “small vehicleˮ.76 The adherents of this younger school obligated themselves to embark upon the path of a Bodhisattva, a future Buddha. In contrast to the Buddha himself and his first disciples, they wanted to delay entry into Nirvāṇa for an unimaginably long time and cycle through innumerable existences, in order to aid out of empathy as many people as possible along their way to salvation. The doctrine of self‑salvation is here an exceedingly impressive connec‑ tion with the likewise Buddhist idea of boundless compassion.77 ‘Foundations for the salvation of the soul’ could not exist in a religion whose message

Intercultural Perspectives

consists of the rejection of the steady core of existence of all life and thus also of men, and whose goal is the obliteration of the self with its lust for life and desire. Foundations are however here possible as acts of charity for the betterment of one’s own karman.78 Even though the Buddha had taught that every person could only advance within the cycle of reincarna‑ tions through their own merit and even achieve Nirvāṇa itself, the thinking and praxis of the transmission of merit can be verified already in ancient ‘mainstream Buddhism’.79 This is evidenced by founda‑ tion inscriptions on religious buildings or sculptures from Mathurā (today within the Indian state of Uttar Pradesh), which stem from monks.80 As it comes out in the sources, the transmission of merit via foundations was to aid the living and dead, parents, that is relatives, and apparently other people as well, while Nirvāṇa itself cannot be explicitly attested often in Early Buddhism as the goal of a foundation. Religiously motivated foundations fre‑ quently included practical goals, which either benefited the religious community in question or the urban or rural popula‑ tion in general (hospitals, schools, bridges, wells etc.); noteworthy is the support of other liturgical languages via monastic foundations in otherwise Greek‑oriented Byzantium. (→ 7.5.3) In addition they also served to consolidate the fortune of the founder and his family and in the event to evade the intervention of the ‘state’ (or rul‑ er) and its fiscal officials. It is well‑known that the Muslim waqf also had the purpose of preventing the dispersal of inheritance through the disposal of funds to daugh‑ ters who wanted to marry. I. Sánchez has however demonstrated that even this (sup‑ posedly) egoistic measure was justified on a religious basis, since the increase of a God‑given fortune was seen as a pious act.

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Religious Merit and Temporal Ambitions

(→ 7.3.1) Foundations everywhere were to or support rulers by strengthening their aid the founder by increasing his societal legitimation. reputation or for the rationale for his fame, MB Notes 1  On which now see (with a somewhat different

line of argumentation) M. Borgolte, Fünftausend Jahre Stiftungen (in press). 2 Maul, Religion Babyloniens (2008), 177; 175; Laum, Stiftungen, vol. 1 (1914, repr. 1964), 239 f. 3 Ibid., 61, with reference to vol. 2, 15, no. 12 from 384 B. C. E. (according to Xenophon); in ad‑ dition ibid., vol. 1, 243, with reference to vol. 2, 42, no. 42 of the 4th Century B. C. E. (an inscription); 65, no. 53, which however Plutarch (d. around 125 C. E.) with reference to Nikias (d. 413 B. C. E.) is the first to attest. According to the tone of the attestation by Plutarch it was likely a foundation, which was to benefit Nikias while he was still alive. Alternatively Veyne, Brot und Spiele (1988, repr. 1990), 226 f. 4  Fundamental is Veyne, Brot und Spiele (1988, repr. 1990), esp. 162 f., 188–190. 5 Ibid., 22–24; 27; passim. 6 E.g. Laum, Stiftungen, vol. 2 (1914, repr. 1964), 27–30, no. 28 from 159 / 158 B. C. E., a decree of the city of Delphi: “König Attalos, der Sohn des Königs Attalos, an den wir eine Gesandtschaft wegen des Unterrichtes der Kinder geschickt hat‑ ten (…) – wie er sich schon von alters her freund‑ gesinnt und wohlwollend der Stadt gegenüber gezeigt und seine Pflichten gegen die Götter in frommer und gerechter Weise erfüllt hat, hat er unserem Wunsche Gehör geschenkt und bereit‑ willigst der Stadt für den Unterricht der Kinder 18 000 alexandrinische Silberdrachmen und für Festfeiern und Opfer 3 000 Drachmen geschickt, damit diese Gabe für alle Zeiten unvergänglich fortbestehe, die Gehälter für die Lehrer geregelt würden und der Aufwand für die Feste und Op‑ fer von den Zinsen des ausgeliehenen Kapitals gedeckt würden. Deswegen beschloß die Stadt: Das Stiftungskapital ist dem Gotte geweiht, und niemandem soll verstattet sein, weder einem Be‑ amten noch einem Privatmanne, etwas von der Summe zu einem anderen Zwecke zu verwendenˮ.

7 According to Laum, Stiftungen, vol. 1 (1914, repr. 1964), 40–53; 60–115.

8 Reden, Glanz der Stadt (2012), 22. 9 Cf. the lawbook of Michael Attaleiates; cited

after Stolte, Law for Founders (2007), 126: “This is the division that had been made between things under old laws [namely, between things governed by divine law and things governed by human law; to the former category belonged the ἱερά or res sacrae]. Res sacrae were called the temples, or sacred precincts, the position of which, since the rise of the orthodox faith, has in truth been inherited by the holy churches and monasteries and the venerable houses.” 10  K. Schmid, Stiftungen für das Seelenheil (1985), 66 f.; cf. also ibid., 61. – Misleadingly con‑ ceived is the recently published treatment of Feld, Ende des Seelenglaubens (2013), which is fixated on the Near Eastern –European (‘Western’) tra‑ dition and completely ignores the religions of South and East Asia. 11  On the conceptions of the various religions in detail and the necessary attestations see in the future M. Borgolte, Weltgeschichte der Stiftungen. 12  On foundations for the cult of the soul, which “dominated the endowment praxis of the entirety of Antiquityˮ, see Liermann, Geschichte des Stif‑ tungsrechts (1963, repr. 2002), esp. 13 f.; cf. Bruck, Stiftungen für die Toten (1954). Newer studies of ancient history distance themselves to a degree from Bruck’s conceptualization, yet they do not in my opinion differentiate clearly enough between foundations for the soul or ancestors and those for the salvation of the soul: Veyne, Brot und Spiele (1988, repr. 1990), 225–232; Holman, Hungry Are Dying (2001), 14, n. 64. Alternatively Pickert, Römische Stiftungen (2005); ead., Sehnsucht nach Ewigkeit (2008). 13  The Histories of Herodotus, in: Herodotus. Translated by A. D. Godley. (Loeb Classical Li‑ brary, vol. 117–120.) London / Cambridge (Mass.)

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Intercultural Perspectives

1921–1924, revised and reprinted 1961–1966, here 24 Cf. for innumerable further references only by way of example: Chartularium Sangallense, vol. 1 (1966), 424 f., II.123. vol. 1. Ed. Peter Erhart. St. Gallen 2013, 5 f., no. 7; 14  Assmann, Ma’at (1990), 122. 15  Cf. Fitzenreiter, Statuenstiftung (2007); 7, no. 9. Meeks, Donations aux temples (1979); Mate‑ 25 This discussion was initiated by Chiffoleau rialien zur Wirtschaftsgeschichte des Neuen and was decisively continued by Lusiardi. Reiches, vol. 2. Ed. Wolfgang Helck. (Akademie 26 Cf. Angold, Church and Society in Byzantium der Wissenschaften und der Literatur. Abhand‑ (1995), 451–453; Beck, Byzantiner und ihr Jenseits lungen der Geistes‑ und Sozialwissenschaftli‑ (1979), 41; 69 f. chen Klasse, Jahrgang 1960, vol. 11.) Wiesbaden 27 Cited in Angold, Church and Society in Byz‑ 1961. – Foundations for the cult of the dead antium (1995), 450. (‘Totenkult‑Stiftungen’) are to be differentiated 28 Nagel, Leben nach dem Tod (1983), 131. between on the one hand religious foundations 29 Ibid., 132. for the cult of the soul and on the other hand 30 Cf. ibid., 133; Nagel, Koran (2002), 41 f. those for the salvation of the soul. On ancient 31 Nagel, Leben nach dem Tod (1983), 134 f.; cf. Roman foundations for the cult of the dead see Bowker, Meanings of death (1991), 110 f. above at n. 7; on the problematic of the idea 32 Cf. Smith / Haddad, Islamic Understanding of the ‘Totenkult’ see Oexle, Mahl und Spende (1981), 32–40. (1984), 401, n. 1. 33 Cf. Rebstock, Grabesleben (2002), 373; Nagel, 16  Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), Koran (2002), 188 f. 120 f. 34 Smith / Haddad, Islamic Understanding (1981), 17  Ibid., 123 f. 59. 18  Ibid., 85. 35 Cf. Lev, Charity, Endowments, and Chari‑ 19  Cf. ibid., 157. table Institutions (2005), 101–103; 159 f. 20 Liermann, Geschichte des Stiftungsrechts 36 Bowker, Meanings of death (1991), 112–115. (1963, repr. 2002), 28. 37 Cited after Çizakça, History of Philanthropic 21 Uhlhorn, Christliche Liebesthätigkeit, vol. 1 Foundations (2000), 6; M. Borgolte, Geschichte des (1882 / 1895, repr. 1959), 5; 25; cf. M. Borgolte, Mit‑ Stiftungsrechts (2002, repr. 2012), 356: “When a telalterliche Kirche (2004), 119–122. man dies, all of his actions come to an end, with 22 Schultze, Augustin und der Seelteil (1928); the exception of these three: the recurring work Bruck, Kirchenväter und soziales Erbrecht (1956); of compassion, works of knowledge as well as a cf. now Ogris, Freiteil (2008), who however still pious posterity that prays for you.ˮ follows the old theory of Schultze and not of 38 Bowker, Meanings of death (1991), 116. The Bruck. – With reference to Cyprian (ca. 200– author emphasizes that in Islam there could not 258 C. E.) and Clement of Alexandria (ca. 150– have existed any transfer mechanism of merit for 215 C. E.) as well as the Old Testament books of pious works, because in contrast to Christianity Tobias and the Wisdom of Sirach the key role of it lacked even the spirit of ransom or redemption, the Cappadocian fathers in the development of even the death of Jesus was discounted by Mus‑ the ‘quota for the soul’ doctrine has been qualified lims (as a substitutional penance for the salvation by Holman, Hungry Are Dying (2001), 15. of mankind); ibid., 113: “Even more to the point, 23 Among many others: M. Borgolte, Gedenk‑ there cannot be any kind of transaction whereby stiftungen in St. Galler Urkunden (1984, repr. 2012); the virtues of one can be set against the vices of Neiske, Rechtssicherung und Praxis (1986); Hille- others. There is no sense of redemption or ransom, brandt, Stiftungen zum Seelenheil (1991); Jorden, least of all of the Christian understanding of how Clu niazensisches Totengedächtniswesen (1930), the death of Christ effects atonement. Muslims esp. 47–69; Henrici, Schenkungen an die Kirche do not believe that Jesus died at all.ˮ (1916); Hübner, Donationes post obitum (1888); re‑ 39 Cf. B. Hoffmann, Gates of Piety and Char‑ cently Hugener, Buchführung für die Ewigkeit ity (1997), 197; Pahlitzsch, Concern for Spiritual (2014). Salvation (2001), 337.

Religious Merit and Temporal Ambitions

40  Here and in what follows I rely heavily on

ibid., 329–332. 41  Bowker, Meanings of death (1991), 102–128, esp. 104 f.; Pahlitzsch, Concern for Spiritual Sal‑ vation (2001), 333 f. 42  Cf. Anderson, Religious Element in Waqf Endowments (1951), 294; Pahlitzsch, Concern for Spiritual Salvation (2001), 332. 43  Cf. Bowker, Meanings of death (1991), 104 f.; Stillman, Waqf (2000), 358 f.; 361 f.; B. Hoffmann, Islamische fromme Stiftungen (1990), 117. 44  Arjomand, Philanthropy (1998), 109; 111; Stillman, Waqf (2000), 359. 45  Cf. Plöger, Tod und Jenseits (1983), 82–85; Hoheisel, Tod und Jenseits (1983), 101; Sumegi, Un‑ derstanding Death (2014), 86–89; Raphael, Jew‑ ish Views of the Afterlife (2009), 72 f.; Bowker, Meanings of death (1991), 60 f.; Feld, Ende des Seelenglaubens (2013), 58. 46  Hoheisel, Tod und Jenseits (1983), 103; cf. Sumegi, Understanding Death (2014), 89 f.; Raphael, Jewish Views of the Afterlife (2009), 117–162. 47  The following after Hoheisel, Tod und Jenseits (1983), 103–108; cf. Sumegi, Understanding Death (2014), 90–93; N. N., Day of Judgement (1989, repr. 2002), 205; N. N., Eschatology (1989, repr. 2002), 246 f.; N. N., Eden (1989, repr. 2002), 225; N. N., Res‑ urrection (1989, repr. 2002), 654; 656. 48  Cf. N. N., Reward and Punishment (1989, repr. 2002). 49  Cf. more recently on Jewish charity also: Zion, Jewish Giving (2013); Galinsky, Public Char‑ ity (2010); M. Frenkel, Charity in Jewish Society (2009); M. Cohen, Foundations and Charity (2005); Id., Poverty and Charity (2005). 50 Toukabri, Satisfaire le ciel et la terre (2011), 139–244; Documents of the Jewish Pious Founda‑ tions From the Cairo Geniza. Ed. and trans. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Insti‑ tute, Tel Aviv University, Bd. 12.) Leiden 1976, 1–118. 51 M. Cohen, Poverty and Charity (2005), 190; Holman, Hungry Are Dying (2001), 47; B. Klein, Idealisieren, Neutralisieren, Bekämpfen (2000), 27 f. 52 Cf. now Barzen, Nürnberger Memorbuch (2011); Edition and translation of the martyrol‑ ogy and excerpts of the necrology: Das Marty‑ rologium des Nürnberger Memorbuches, Ed. Siegmund Salfeld. (Quellen zur Geschichte der Juden

593 in Deutschland, Bd. 3.) Berlin 1898; Edition of both necrologies in German translation in: Die israelitische Bevölkerung der deutschen Städte, Bd. 3. Ed. Moritz Stern. Kiel 1894–1896, 100–172; 190–205. 53 Cf. Goitein, Mediterranean Society, vol. 2 (1971, repr. 1999), 112–121; in addition ibid., vol. 5 (1988, repr. 1999), 128–187, as well as Documents. Ed. Gil (as n. 50). 54 Cf. The Voice of the Poor in the Middle Ages. An Anthology of Documents from the Cairo Geniza. Trans. Mark R. Cohen. Princeton / Oxford 2005, 21, no. 1; 28 f., nos. 6–8; 31, no. 10; 34, no. 11; 40, no. 14; 44 f., nos. 16 f.; 56, no. 24; 59, no. 26; 61 f., no. 27; 69, no. 32; 72, no. 34; 86 f., nos. 43 f.; 89, no. 46; 99, no. 53; 101, no. 55; 103, no. 57; M. Cohen, Geniza Documents (2009), 287; Friedman, Indigent Scholar’s Plea (2009). 55 Burns, Jews in the Notarial Culture (1996); Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005); Id., Commemoration and Heqdesh (2005). 56 Lanczkowski, Heil und Erlösung (1985, repr. 1993); Balbir, Jainismus (1987, repr. 1993). – On In‑ dian religions still well worth reading is: Weber, Wirtschaftsethik der Weltreligionen. Hinduismus und Buddhismus (1921, ND 1978). 57 Gombrich, Einleitung (1995), 20 f. 58 Lipner, Karman (2010); Id., Saṃsāra (2010). 59 Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 198. Cf. Chapple, Ātman (2010). 60 Nelson, Liberation (2010). 61 Cf. Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 142–212; C. Talbot, Tem‑ ples, Donors, and Gifts (1991); Stein, Economic Function (1960). 62 Heim, Gift and Gift Giving (2010), 750, with reference to Mauss, Essai sur le don (1950). On the reception of this essay in the Latin European re‑ search on foundations see by contrast M. Borgolte, Totale Geschichte (1993, repr. 2012). 63 Schmiedchen, Herrschergenealogie und re‑ ligiöses Patronat (2014), passim. – On Hindu foun‑ dations see also Orr, Religious Endowments (2011). 64 Die Erlösungslehre der Jaina. Legenden, Pa‑ rabeln, Erzählungen. Übers. Adelheid Mette. Berlin 2010, 210. 65 Ibid., 211; 214 f. 66 Ibid., 219 f.; 225. 67 Ibid., 211; 214.

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Intercultural Perspectives

68 Cf. Weber, Wirtschaftsethik der Weltreli‑ 75 Gombrich, Einleitung (1995), 26 f. gionen. Hinduismus und Buddhismus (1921, repr. 76  Bronkhorst, Buddhistische Lehre (2000), 127–

1978), 209, n. 1; 215; Erlösungslehre der Jaina. Übers. Mette (as n. 64), 220–222, where it is how‑ ever claimed that there never existed any Jaina monasteries (ibid., 214 f., 225). 69 Erlösungslehre der Jaina. Übers. Mette (as n. 64), 213; 237; Weber, Wirtschaftsethik der Wel‑ treligionen. Hinduismus und Buddhismus (1921, repr. 1978), 206. 70 On Buddhism: Bechert / Gombrich, Buddhis‑ mus (1995); Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011); Bechert / Bronkhorst / Ensink, Buddhismus (2000). Considerable objections have been raised against the widespread characterization of Brück, Einfüh‑ rung in den Buddhismus (2007): Kieffer-Pülz, Mus‑ terbeispiel (2006/2007). I would like to thank An‑ nette Schmiedchen for the reference in question. 71 Lamotte, Buddha (1995), 48. Here the follow‑ ing citation as well. 72 Ibid., 53. 73 Ibid., 55 f.; 63 f. 74 Kieffer‑Pülz, Musterbeispiel (2006/2007), 295, in critical opposition to Brück, Einführung in den Buddhismus (2007), 198 f.; Walsh, Sacred Econo‑ mies (2010), 55–57; Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), esp. 78–93; 131–137.

177; Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 48–53; Schumann, Mahāyāna‑Budhismus (1995); Lamotte, Mahāyāna‑Buddhismus (1995). 77 Kieffer-Pülz, Musterbeispiel (2006/2007), 292, has pointed out that “compassionˮ (karuṇā) in Early Buddhism played “a rather ancillary roleˮ; cf. Lamotte, Buddha (1995), 65 f.; ibid. also however an example for the charity of the Buddha him‑ self– Cf. also Sizemore / Swearer, Ethics, Wealth, and Salvation (1990). 78 On Buddhist foundations, besides the contri‑ butions of A. Schmiedchen in this Encyclopedia, see among others: B. Schuler, Stifter und Mäzene (2013); Schopen, Buddha as Owner (1990, ND 1997); Thapar, Patronage and Community (1992); Klimkeit, Stifter im Lande der Seidenstraßen (1983). For China: Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), and above all the contribution of V. Olles on religious foundations in this volume. 79 Cf. Herrmann-Pfandt, Verdienstübertragung (1996); Findly, Dāna (2003), 272–280; Walsh, Sacred Economies (2010), 109–112 with 181 n. 22 contain‑ ing further literature on the transfer of merit. 80 Cf. Schopen, Two Problems (1985, ND 1997), 34–36.

8 Commemoration and Cult All of the believers and followers concerned here could finance religious cult as well as the preservation and transmission of their respective histories and teachings through obligatory tithing or individually via occasional donations on a voluntary basis and of variable size. From the earli‑ est times Christians and Jews expected a regular contribution from the members of their communities. In the Latin Church this sum was consolidated on the basis of the ‘parish obligation᾽ (the affiliation of every baptized person to the parish of

his locality) with ‘parish termination᾽ (the creation of seamless diocese of parishes) and the assignment of the tithe as a secure economic payment. Foundations in favor of cult in these circumstances have the character of a complementary donation.1 The situation was different in India, where cult foundations played “the central role” (→ 8.6) in foundation praxis, as there was evidently no alternative whatsoever for the safeguarding of religious practices. When Brahmin priesthoods were endowed, they correspondingly made Vedic sacrifices not

Commemoration and Cult

only for the gods and ancestors but also for all people and other living creatures; yet they themselves remained the pre‑ ferred beneficiaries. Buddhist, Jaina and Hindu foundations had, due to their later appearance, more particular motivations. For the Buddhists a tripartite purpose was characteristic: for the support of local or‑ ders of monks and nuns, the performance of the Buddha cult and the maintenance or construction of monasteries and other buildings. In Hinduism and Jainism it was likewise a matter of the worship of particu‑ lar gods and their images, however in Jain‑ ism, which like Buddhism knew founding figures, there was occasionally the adora‑ tion of the “ford‑makers”. Comparatively conspicuous is the tendency to anonymize the beneficiaries in Indian religions. At the very least it was still prominent among the Brahmins, who were often personally endowed by name, even when endowments of larger groups of them occurred; in Bud‑ dhism however the monastery or order appeared as the recipient of the donation, in Hinduism the temple priests came after the temple or the images of the gods and in Jainism the individual ascetics were seldom specifically mentioned. The gods or God, images of the gods or saints figured in the religions exam‑ ined here as recipients of an endowment, which for precisely that reason were re‑ garded as sacrosanct. In Judaism howev‑ er communal ownership did not replace the ancient temple treasure, the owner of which was God himself. Theoretically synagogues and other buildings could be financed by private persons; Jewish staff by contrast appear to have everywhere been paid from the community funds. Religious foundations supported the furnishing of synagogues with Torah rolls, decoration, books of every sort, supplies for illumina‑ tion (oil, candles) etc. In the Latin church

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a differentiated system developed for the design and propagation of religious ser‑ vice, in which the endowment of priests or masses of different sorts and the founding as well as the maintenance of monasteries played a disproportionate role. In Greek Orthodox Christianity the record limits one’s perspective to the support of monks and monasteries. The cultic purposes of foundations in the Muslim world diver‑ sified far beyond mosques and schools. In this way the making and reading of Qurans were fostered, as were pilgrimages to Mecca and Medina, and to the tombs of saints, shrines and Sufi monasteries, less so the celebration of Ramadan and Eid al‑Adha, positions for preachers and the accommodation, training and equipping of warriors for the ğihād. In the monotheistic religions the recipi‑ ent was considered a personal counterpart, from whom the donor expected in exchange salvation and eternal life. Possible doubts as to whether the living would be able to come to the aid of the deceased before God and his court were overcome through the still efficacious good deeds of the founder and the commemorative prayers of the sur‑ viving beneficiaries. Differentiated prac‑ tices of commemoratio (Greek: mnēmosyna) formed in a general diffusion within the Christianities of East and West. The pre‑ ferred place of commemorative prayer was the mass celebrated by priests benefitting from endowments specifically made for this purpose; as important was liturgical com‑ memoration by monastic communities, for which they also used their regular times of prayer. Greek founders via their founda‑ tion documents (typika) deeply influenced the way of life and prayer of the monks. In the West the intensity and length of the Sacrifice of the Mass and the propitiatory prayers varied according to notions of the End Times; the decisive factor was whether

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one saw the fate of the soul as bound to the Last Judgment and the resurrection of the body, and thus the need in principle to in‑ stitute an unlimited propitiatory prayer, or whether one reckoned with a personal and particular judgment, which soon after the death of the individual would pronounce a final verdict. In Islam as well as in Judaism anony‑ mous foundations were seen as especially meritorious, which would exclude a per‑ sonal commemoration; on the other hand the commemoration of the dead in both religions was placed principally in the hands of the male descendants. In addi‑ tion numerous hadiths (precepts of the Prophet) gave plentiful pointers, as to how relatives and friends could make the stay of the deceased in his grave pleasant.2 Inter‑ ventions with God through prayers (ṣalāt) and intercessions (duʿāʾ) were seen to be as effective as permanent benefactions. Even though Islam knows no institutions comparable to the Christian monastery and mass, Sufi communities fulfilled the task of “saving Muslim souls” through the recitation of the Quran and chanted prayers. The performance of ḥuḍūr, daily communal prayer with readings from the Quran, was viewed as an efficacious suc‑ cor for the deceased, especially for the diminution of their misdeeds.3 Though an occurence from the (non‑ca‑ nonical) second book of Maccabees (2 Mac 12.39–46) offered the Jews a motif for the power of prayer of the living for the dead, their religious scholars mostly resisted this foundation‑friendly praxis.4 (→ 3.4.2) Regional differences and probable borrow‑ ings from the Christian or Muslim majority of their living environments indicate that commemorative prayer among medieval Jews did not become a continual and gen‑ erally cultivated practice. The clearest are the names and donations of the founders

Intercultural Perspectives

written for the purpose of commemoration in the Nuremberg “Memorial Book”, which through its connection to the remembrance of martyrs is reminiscent of the model of Christian martyrologies‑necrologies. The commemoration of martyrs, teachers and founders of the community was planned in Nuremberg for every Sabbath of the year, as well as on certain holidays. The proximate cause for the composition of the book was the construction of a synagogue in 1296 / 1297, but the oldest lists had already been compiled due to the pogroms of the First Crusade in 1096. The memorial lists of the Jewish found‑ ers of Fustat (Old Cairo) appear to have been even more ancient;5 they were used for the recitation of names in the public re‑ ligious services of the community. The Day of Atonement, on which all wealthy fami‑ lies commemorated their dead, and recent deaths offered particular cause for memoria. In contrast to Nuremberg the Geniza of Fustat offers a number of foundation acts, in part as testamentary dispositions; yet here an express indication for the aid of prayer through the community is lacking.6 Valuable insights into the expectations ascribed to benefactors are allowed by a large number of petitions, with which the poor, other needy and foreigners turned to the leader or other office holders of the Jews.7 As recompense for this hoped‑for help the vast majority of the petitioners would wish their hearers a good life on this Earth, protection from adversity, suc‑ cess and well‑being, but above all blessed progeny. Should one thus come away with a different religious stance to foundations for the commemoration of the dead as compared to that in Nuremberg? A third dimension of Jewish life is that of Spain, which was influenced by Christian rulers. From Jewish documentary provi‑ sions composed in Latin from the 13th / 14th

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Commemoration and Cult

century C. E. and the relevant responsa of Spanish rabbis emerges the clear conclusion, that additional endowments for the (philan‑ thropic) community funds and independent foundations in the form of Muslim awqāf (or ḥubs8, as they were called in Spain) were instituted “for my soul”, “for the diminution of my sins” or “in the hope of eternal life”.9 One is alerted to the fact that these founda‑ tions evidence no prayer provisions for the commemoration of the dead.10 In fact it is well known that liturgical memoria for the dead was different in Sephardic (Spanish) and Ashkenazi (e. g. Nuremberg) Judaism. In Ashkenaz the rhythm of commemora‑ tion for the dead unfolded on four days of the year, on Yom Kippur and on the three pilgrimage festivals. The commemoration of hashkavah for personal relations in the other Jewish cultures appears to have fol‑ lowed the example of the Ashkenaz hazkarath neshamoth.11 Turning to the Spanish documents once more, by taking into ac‑ count that they were composed by borrow‑ ing Christian formulas and motifs, then it seems plausible, that with these sources we are dealing with the appearance of Chris‑ tian influence.12 In other words it is at the least questionable whether these sources allow the conclusion of the existence of a praxis of liturgical commemoration for the founder. While Christians, Muslims and Jews hoped for salvation from God himself for eternal life in his presence, such a personal relationship in the Indian religions is less

clear and is sometimes completely lacking; they tended toward (not without qualifica‑ tion) the doctrine of individual salvation. Therefore they resorted to the acquisition of religious merit, by which they hoped to attain a favorable rebirth, a longer‑lasting, paradisiacal existence and at least a happy self‑enlightenment. There held the principle of an automatic retribution of (good or bad) deeds, so that the religious merit of the founder attained “its effect even without the petitions of the foundation’s beneficia‑ ries”. (→ 8.6.2) Yet scholarship has at least determined the traces and approaches for the notion of a transfer of merit from one person to others; these were often dedicated to living or deceased parents, sometimes also other relatives and teachers.13 Where one can speak of the memoria of the founder in India, this also applies in general for worldly fame and temporal afterlife. In this context belong not only founders’ inscriptions on buildings and cult images but also the far‑reaching gene‑ alogies of Indian founders, sometimes with eulogies, in their documents. Naturally the founders in other cultures as well sought to increase their prestige through their deeds. In Islam for almost every public building the name of the founder is known, and in Christianity written memoranda for the purpose of commemoration in prayer and the liturgy were composed at the same time as historiographic chronicles of the posthumous reputation of the founder. MB

Notes 1  Cf. M. Borgolte, Mittelalterliche Kirche (2004), 51–60; Bünz / Fouquet, Pfarrei im späten Mittelalter (2013). On the question of parishes in Byzantium see M. Borgolte, Europa entdeckt seine Vielfalt (2002), 368.

2 Smith / Haddad, Islamic Understanding (1981), 59. 3 Homerin, Saving Muslim Souls (1999), esp. 71 f.;

cf. Sabra, Public Policy or Private Charity (2005).

4  Cf. Lévi, Consultation inédite (1903); Galinsky, Commemoration and Heqdesh (2005), 191.

598 5 Goitein, Mediterranean Society, Vol. 2 (1971,

repr. 1999), esp. 92 f.; 97 f.; 162 f.; 470–510; Vol. 3 (1978, repr. 1999), 2–6; The Voice of the Poor in the Middle Ages. An Anthology of Documents from the Cairo Geniza. Ed. Mark R. Cohen. Princeton / Oxford 2005, 164–187; Mann, Texts and Studies, Vol. 2 (1931, repr. 1972), 257–283. 6 Documents of the Jewish Pious Foundations From the Cairo Geniza. Ed. und übers. Moshe Gil. (Publications of the Diaspora Research Institute, Tel Aviv University, vol. 12.) Leiden 1976. 7 Voice of the Poor. Ed. Cohen (as n. 5); Id., Pov‑ erty and Charity (2005). 8 Cf. García Sanjuán, God Inherits the Earth (2007); Carballeira Debasa, Legados píos y

Intercultural Perspectives

fundaciones familiares (2002); Ead., Role of En‑ dowments (2005). 9 Burns, Jews in the Notarial Culture (1996); Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005). 10  Galinsky, Commemoration and Heqdesh (2005), esp. 195; 201. 11  Cf. N. N., Memorial Prayers and Services (1989, repr. 2002); Freehof , Hazkarath Neshamoth (1965), esp. 179; 181; 188 f. 12  Cf. Galinsky, Jewish Charitable Bequests (2005), 432; Burns, Jews in the Notarial Culture (1996), 29. 13  Cf. Herrmann-Pfandt, Verdienstübertragung (1996).

9 Charity and Education The poor or needy of every sort, whether the hungry, sick, orphans, widows, aged, strangers and captives, exist in almost all human societies; when however their own labor to better their condition did not suf‑ fice or was impossible1, they were met with differing motives and means. Reli‑ gious or philosophical teachings founded in the ‘cultures of the Axial Ageʼ, to which all the foundations included in this work belonged, formulated a “life characterized by compassionˮ2; there arose a tendency towards asceticism, that is to forms of ab‑ stinence, especially with regard to bodily needs, but also to social status and all types of self‑assertion. In this sense some volun‑ tarily chose poverty and made themselves equal socially, economically and even emo‑ tionally to those fated to be poor. The typi‑ cal figure of the voluntary poor man is the monk, whose pioneer was the hermit or wandering ascetic, who left his homeland in order to never find a new one, and to either live in the desert, forest or wilderness or

to maintain a precarious existence by beg‑ ging. There existed the ‘houselessʼ in India long before the religion founders Mahāvīra (Jainism) and the Buddha 3, in Christian‑ ity first with the desert fathers4. The poor of all types were assigned assistance, by which the polarity between ‘strongʼ and ‘weakʼ could be alleviated.5 Buddhist ethics prescribed that all life, including animals, is to be treated with love and further de‑ veloped the (ancient Indian) duty of sup‑ porting ascetic strangers. Like the Jainas the Buddha subsumed the voluntary poor, monks and nuns into communities (orders, monasteries) and opened the way for the laity to acquire religious merit by supplying them.6 According to the teaching of their founder a monk was to have only three patched rags, a begging bowl, a razor, a needle and a water sieve.7 As charity was ascribed to the Buddha himself – healing the sick, feeding the hungry and helping the weak8 –, so naturally were his asceti‑ cally living followers to do good works

Charity and Education

as well9. Similarly Egyptian hermits were exhorted to give alms from their livelihood that they themselves had earned.10 Jews prized poverty the least.11 Judaism is counted among those life‑affirming re‑ ligions, which were “in principle alien to asceticism.ˮ12 In the wisdom literature it has very negative connotations and is viewed as self‑inflicted.13 The task appointed col‑ lectively to the chosen Jewish people in the Rabbinic literature is opposed to flight from the world. He who separated himself from the community (pôreš min haṣ-ṣibbûr) was condemned.14 Nonetheless other tra‑ ditions also had an effect. Already in the time of the Prophets, who belonged to the Axial Age, poverty was reevaluated and presented as an unjust evil that was to be overcome.15 The Psalms praise Yahweh as the judge of the wicked and the succor and savior of the poor.16 ‘Righteousnessʼ (Hebr. ṣedeq, ṣedaqah), the central concept of Old Testament law and the teaching of the prophets, was restricted in the Talmud to the dispensation of alms and assistance to the poor.17 In this sense it was regarded as one of the greatest good deeds by the rabbis. In the Bible the practice of ṣedeq was demanded time and again. It is stated in Deuteronomy: “There will always be poor people in the land. Therefore I com‑ mand you to be openhanded toward your fellow Israelites who are poor and needy in your land.ˮ (Dt 15.11) Poverty was thus per‑ ceived as an insurmountable phenomenon, and giving to the poor as a duty, not as a voluntary act. Job said of his past life: “Be‑ cause I rescued the poor who cried for help, and the fatherless who had none to assist them (…), I made the widow’s heart sing. I put on righteousness as my clothing (…). I was eyes to the blind and feet to the lame. I was a father to the needy.ˮ (Jb 29.12–16). The thinking that one could attain religious merit by almsgiving is also found in the

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Old Testament: “Whoever is kind to the poor lends to the Lord, and he will reward them for what they have done.ˮ (Prv 19.17)18 In the apocrypha (according to the Jewish canon) the idea of redeeming one’s own sins by giving to the poor surfaces repeatedly. Tobias, for example, exhorts his son: “Give alms from your possessions, and do not let your eye begrudge the gift when you make it. Do not turn your face away from any‑ one who is poor, and the face of God will not be turned away from you. If you have many possessions, make your gift from them in proportion; if few, do not be afraid to give according to the little you have. So you will be laying up a good treasure for yourself against the day of necessity. For almsgiving delivers from death and keeps you from going into the Darkness. Indeed, almsgiving, for all who practice it, is an ex‑ cellent offering in the presence of the Most High.ˮ (Tb 4.7–11) In another passage alms are recommended together with prayer and fasting: “Prayer with fasting is good, but better than both is almsgiving with righ‑ teousness. A little with righteousness is better than wealth with wrongdoing. It is better to give alms than to lay up gold. For almsgiving saves from death and purges away every sin. Those who give alms will enjoy a full life.ˮ (Tb 12.8–9). Already in the Wisdom of Sirach there appears the simile, which would be cited endlessly in the Christian Middle Ages as a motivation for donations and foundations: “As water extinguishes a blazing fire, so almsgiving atones for sin.ˮ (Sir 3.30). Ṣedaqah referred exclusively to the mate‑ rial possession of the benefactor and could only be given to the poor. Another form of charity, gemilut ḥasadim (or gemilut ḥesed), was more broadly conceived; along with assets one could also contribute personal service, with possible beneficiaries being the poor as well as the rich, the living and

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the dead.19 Although no fixed sum was pre‑ scribed, gemilut ḥasadim was understood to be one of the three pillars on which the world stood, along with the Torah and religious service. A third concept of Jew‑ ish charity was the quppah.20 It consisted of collections for the poor, to which ev‑ ery member of Jewish community – men, women, children as well as the poor them‑ selves – paid monetary sums according to their individual wealth at the weekly times of prayer as well as on religious festivals to meet to the want which had been ascer‑ tained; the money was divided by the ad‑ ministrators among the needy on Fridays.21 Nonetheless the church father Jerome (died 420) perceived the differences be‑ tween the Jewish and Christian concep‑ tion of poverty and care for the poor to be quite stark; in one of his letters he asked his readers: “Look in all the synagogues (…), and you will not find any teacher, who (…) teaches poverty and disdains wealth.ˮ22 Meanwhile researchers have identified the roots of Christian monasticism in Judaism: Philo of Alexandria described in the first century C. E. the communal life of the ‘at‑ tendants’, who had bound themselves to ascetic renunciation.23 Generally speaking however the practice of voluntary poverty with monks and nuns living the ascetic life remained unknown in Judaism. The religion founder Jesus of Nazareth was himself poor; he directed his Good News at the poor and his disciples were to spread the word while being themselves poor.24 The story of the rich young man, who had kept all the commandments and yet collapsed before Jesus’s demand of pov‑ erty, made a major impression on believ‑ ers: “If you want to be perfect, go, sell your possessions and give to the poor, and you will have treasure in heaven.ˮ (Mt 19.21) He unmistakably bound the promise of personal salvation with renunciation and

Intercultural Perspectives

aiding the poor. Of the Last Judgment at the End of Days he foretold: “When the Son of Man comes in his glory, and all the angels with him, he will sit on his glorious throne. All the nations will be gathered before him, and he will separate the people one from another as a shepherd separates the sheep from the goats. He will put the sheep on his right and the goats on his left. Then the King will say to those on his right, ‘Come, you who are blessed by my Father; take your inheritance, the kingdom prepared for you since the creation of the world. For I was hungry and you gave me something to eat, I was thirsty and you gave me something to drink, I was a stranger and you invited me in, I needed clothes and you clothed me, I was sick and you looked after me, I was in prison and you came to visit me.’ Then the righteous will answer him, ‘Lord, when did we see you hungry and feed you, or thirsty and give you something to drink? When did we see you a stranger and invite you in, or needing clothes and clothe you? When did we see you sick or in prison and go to visit you?’ The King will reply, ‘Truly I tell you, whatever you did for one of the least of these brothers and sisters of mine, you did for me.’ˮ (Mt 25.31–40) Such was Jesus’s unconditional identification with the poor, his self‑abasement, which his apostles proclaimed as a paragon for the way to individual salvation as well as for mutual charity in Christian communities (for example Phil 2.1–11). Mohammed as well praised asceticism and demanded the support of the involun‑ tarily poor.25 The two central conceptions of Muslim charity, ṣadaqa and zakāt, are of Jewish origin.26 Already in his Meccan period the word of God according to Mo‑ hammed’s transmission linked the practice of charity with the promise of paradise: “So he who gives / (In charity) and fears (God), // And (in all sincerity) / Testifies to the Best,

Charity and Education

– // We will indeed / Make smooth for him / The path to Bliss. // But he who is / A greedy miser / And thinks himself / Self‑sufficient, // And gives the lie / To the Best, – // We will indeed / Make smooth for him / The Path to Misery; // Nor will his wealth / Profit him when he / Falls headlong (into the Pit). // Verily We take / Upon Ourselves to guide, // And verily unto Us / (Belong) the End / And the Beginning. // Therefore do I warn you / Of a Fire blazing fiercely; // None shall reach it / But those most unfortunate ones // Who give the lie to Truth / And turn their backs. // But those most devoted / To God shall be / Removed far from it, – // Those who spend their wealth / For increase in self‑ purification, // And have in their minds / No favour from anyone / For which a reward / Is expected in return, // But only the desire / To seek for the Countenance / Of their Lord Most High, // And soon will they / Attain (complete) satisfaction.ˮ (Q 92.5–21). In Me‑ dina after the voluntary alms of ṣadaqa the zakāt arose as a compulsory payment, which became one of the five ‘pillars’ of Islam. In Sura 9.60, ‘Repentance’, which was com‑ posed in Medina, it states: “Alms are for the poor / And the needy, and those / Employed to administer the (funds); / For those whose hearts / Have been (recently) reconciled / (To Truth) ; for those in bondage / And in debt ; in the cause / Of God ; and for the wayfarer : / (Thus is it) ordained by God [.]ˮ In the religious life of Muslims the prac‑ tice of asceticism is expressed above all dur‑ ing the month of fasting, in which sexual contact during the day is also forbidden; ac‑ cording to a saying of Mohammed himself ‘holy warʼ was to be understood as Islamic monasticism. Particular ascetic movements appear to have been influenced by Chris‑ tianity. Sufis wore the coarse woolen coat of ascetics, fakirs (‘poorʼ) and dervishes carried the words of the prophet “poverty is my prideˮ on their lips.27

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As far as the Middle Ages are concerned, kings in India were obliged according to the cult of the gods to support the (forest) hermits, (wandering) ascetics and learned Brahmins, all before help for the needy; here named are, besides the groups of the old, sick, defenseless, (destitute or child‑ less) women and orphans, minors as well; something that would be quite unusual in Christian enumerations. Subordinated are infrastructure measures such as the construction of streets, bridges and water resources. Foundation inscriptions reflect these norms quite well. The systematic royal support of Brahmin priests and as‑ cetics through corresponding endowments, especially of entire villages, is attested for the north of India between the 5th and 11th centuries C. E.28 It is often not clear, whether wells, hearths, etc. were planned as part of a temple or monastery, and thus for the use of priests and monks as well as attendants, or as ‘public’ works. The oft‑mentioned sanitoria on the grounds of a temple or monastery (‘convalesence halls’, as well as soup kitchens, mater‑ nity wards, etc.) probably must have been first and foremost for internal use. It is noteworthy that the Buddha himself is said to have taken precautions so that his order could withstand the onslaught of the poor. Brahmins, Buddhist monasteries and Hindu temples were also outfitted for the purpose of traditional teaching. There the teaching material could go beyond the religious tradition in the narrower sense of the word, so that, for example, learned Brahmins did not restrict themselves to the Vedas, but also taught phonetics, astrology and philosophy. The students could also be supplied with lodging, food and other ne‑ cessities of life, among which was oil (not at all an ascetic indulgence) for 51 baths a year. For the acquisition of religious knowledge pilgrimage was also supported. Worthy

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of mention is that alongside laypersons ordained Buddhist monks also appear as founders; although their saṃghas (‘orders’) were to be supplied by both groups of laity (male and female supporters), they were, in contrast to Brahmin and Jaina ascetics, in no way obliged not to hold property.29 In contrast to India, within the domain of European Christianity a single compre‑ hensive institution, the churches of bishops and parish priests, encompassed the entire population.30 In this seamless net each be‑ liever could fulfill Christ’s New Command‑ ment within his family as well as towards strangers (‘caring for the housed poorʼ); however from the beginning the Christian parish served as the quiddity of religious life, in which the spectacular, regular and permanent works of charity were prac‑ ticed. As long as the office had itself existed the bishop was vicariously responsible for everyone; the economic basis of his influ‑ ence were periodic distributions, which already Tertullian (died after 220) attested and which was conspicuously oriented on the model of the Jewish community fund.31 Once Constantine the Great (died 337) gave the Church equality with other religious groups and granted it the ability to ac‑ cumulate and inherit wealth, Christian philanthropic activities increased enor‑ mously, so that voluntary services in the form of donations and foundations became urgently necessary. Around 350 the hospi‑ tal was invented in the Byzantine Church, not however in the capital Constantinople, but rather deep within Anatolia;32 in the 6th century Justinian’s imperial legislation functionally distinguished between hostels, hospitals, as well as homes for widows, orphans, foundlings and the aged. From the east the invention of the xenodochium reached the region of the Western Church. Monasteries were also obligated to provide for the poor; these, if not the bishop or

Intercultural Perspectives

the family of the founder, made hospitals dependent on them. In the Western High Middle Ages a movement of voluntary pov‑ erty took hold of broad swathes of the laity and led to, among other things, the found‑ ing of so‑called mendicant orders (above all the Dominicans and Franciscans). In the same period hospital endowments attained freedom from all temporal and spiritual authority. In Byzantium the ‘state’ (the emperor) and the ‘church’ (above all the patriarchate) traditionally played a much greater role in philanthropy; more effec‑ tively than in the West Orthodox emperors appeared as founders of monastic com‑ plexes, to which philanthropic as well as possibly educational institutions belonged. As it happens, the Emperor Justinian did not mention schools among the venerabiles domus (‘venerable houses’, that is philan‑ thropic institutions).33 This lacuna repre‑ sents a noticeable contrast to Islam, where alongside mosques and institutions of social welfare above all Koran schools and higher private schools were counted among the aims that were pleasing to God, to which every foundation had to be dedicated. In the Latin Church schools were often erected attached to monasteries or cathedrals, or to endowed and parish churches; monaster‑ ies, which usually were themselves pious foundations, set up schools for the outside world as well. Attempts at a general, hon‑ eycombed and centrally‑controlled school system bogged down under the Carolin‑ gians. It was first with the education of individual prebends, especially in endowed and cathedral churches, that cleared new paths. From around the 11th / 12th centuries (in monasteries even earlier) a headmaster could receive a particular canonry, which even allowed him to hire additional teach‑ ers. Monks and clerics made their prebends mobile to study at outstanding schools both near and far. The breakthrough of

Charity and Education

connecting knowledge and foundations lay in the invention of the university by Latin Christians around 1200; along with the mutual coalition of teachers and students it was created on a system of foundations, which economically freed their dependents for education and knowledge. In contrast to the Christian West education hardly played a role in Greek Orthodox foundations. In medieval Judaism foundations were devoted almost exclusively to the care (ṣedaqah) of the poor; as recipients of these donations were not the poor and needy themselves, but rather the communities or more precisely the community funds, which exercised the administration and distribution of the capital raised. The des‑ ignation of heqdesh / qodesh for the com‑ munity fund, derived from the term for the temple treasure, was used for foundations as well. In contrast to the parish in Chris‑ tendom there existed no compulsory form of membership of Jews in a congregation, so that in principle the donations were vol‑ untary. Viewed as especially meritorious were anonymous donations (a characteris‑ tic which however makes the identification of Jewish foundations more difficult). The support of pupils, students and scholars as well as of newcomers played a leading role in the financial measures financed by the fund or private foundations, as well as in the ransoming of captives (above all in the Near East). In testamentary provisions

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God himself could be designated as the sole heir.34 In general one must account for Islamic or Christian influence in the shaping of Jewish foundations; this applies, for example, for a testament in which, as among Muslims, the usufruct of its goods was preserved for the inheriting relatives, only to be redesignated to welfare should the line die out. Elsewhere the inheritance of a surviving daughter bereft of heirs was, employing Christian vocabulary of “for salvationˮ, to go to almsgiving.35 The foundation, waqf , was the most im‑ portant institution for welfare in medieval Islam. The praxis of Muslim founding dif‑ fered from that of other cultures above all in that teaching, the acquisition of knowl‑ edge and the cultivation of learning were included among the works of charity and deemed acts of compassion (ṣadaqa). Apart from that, above all provisions (food and water) to the hungry and thirsty, the hous‑ ing of strangers and pilgrims, the financing of religious obligations and ritual practices for the economically poor and medical care, particularly in hospitals and by doctors, are areas of welfare that were supported by foundations which can be identified. Noteworthy are the large number of Mus‑ lim foundations in public infrastructure and the special support of voluntary poor (especially Sufis). MB

Notes 1  On the connection between poverty and work

3 Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 37 f.; see Oexle, Armut und Armenfürsorge (1981, repr. Brück, Einführung in den Buddhismus (2007), 2011); Id., Armut, Armutsbegriff und Armenfür‑ 87–92; 114 and passim; Michaels, Hinduismus sorge (1986). Cf. Id., Armut im Mittelalter (2004). (1998, repr. 2006), 347–356; Gombrich, Einleitung 2 Armstrong, Achsenzeit (2006), 11. On differ‑ (1995), 22. entiating (early) Buddhism Kieffer-Pülz, Muster‑ 4  K. Frank, Grundzüge der Geschichte des christ‑ beispiel (2006/2007), 292. lichen Mönchtums (1975), 15–28.

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Intercultural Perspectives

5 Brück, Einführung in den Buddhismus (2007), Sozomen, according to which the emperor in re‑ storing the pagan religion made reference to the 98; 129 f.; 147–153; Lamotte, Buddha (1995), 38. 6 Brück, Einführung in den Buddhismus (2007), humanity of the competing Jews as well as Chris‑ 99; 113; 182–187; 196–198 and passim; Gombrich, tians (cf. Uhlhorn, Christliche Liebesthätigkeit, vol. Einleitung (1995), 26; Lamotte, Buddha (1995), 55 f. 1 [1882 / 1895, repr. 1959], 319), has been recognized 7 Brück, Einführung in den Buddhismus (2007), as a “forgery with a historical basisˮ, cf. Rosen, Ju‑ 87; 154. – “Three different large rags” instead of lian (2006), 496, n. 76 (with literature), and passim. “from three sewn patches” according to Kieffer- 22 In Esaiam II, cited in Brocke, Armenfürsorge I Pülz, Musterbeispiel (2006/2007), 293. Cf. Lamotte, (1979, repr. 1993), 12 f. Buddha (1995), 63 f. 23 K. Frank, Grundzüge der Geschichte des 8 Brück, Einführung in den Buddhismus (2007), christlichen Mönchtums (1975), 2. I will not here 99; Lamotte, Buddha (1995), 37. discuss other groups (Essenes, the Qumran com‑ 9 Freiberger / Kleine, Buddhismus (2011), 42 f.; Brück, munity). Einführung in den Buddhismus (2007), 153–157; 183; 24 Oexle, Armut und Armenfürsorge (1981, repr. 197 and passim; Gombrich, Einleitung (1995), 27. 2011), 402–404; Keck, Armut III (1979, repr. 1993). 10  K. Frank, Grundzüge der Geschichte des 25 Wißmann, Armut I (1979, repr. 1993), 71 f. christlichen Mönchtums (1975), 21. 26 N. N., Ṣadaḳa (1961); N. N., Zakāt (1961). 11  D. Michel, Armut II (1979, repr. 1993); Maier, 27 Bergmann, Askese I (1979, repr. 1993), 197. Armut IV (1979, repr. 1993); N. N., Poverty and the 28 Datta, Migrant Brāhmaṇas (1989). Poor (1989, repr. 2002). 29 Kieffer-Pülz, Musterbeispiel (2006/2007), 295. 12  Bergmann, Askese I (1979, repr. 1993), 197; cf. 30 Cf. M. Borgolte, Mittelalterliche Kirche (2004), Markert, Askese II (1979, repr. 1993); Maier, Ask‑ esp. 38–60; Tellenbach, Westliche Kirche (1988), ese III (1979, repr. 1993). 34–42; Bünz / Fouquet, Pfarrei im späten Mittel‑ 13  D. Michel, Armut II (1979, repr. 1993), 72. alter (2013). 14  Maier, Askese III (1979, repr. 1993), 200 f. 31 Cf. Uhlhorn, Christliche Liebesthätigkeit, 15  D. Michel, Armut II (1979, repr. 1993), 73. vol. 1 (1882 / 1895, repr. 1959), 136–139. 16  Ibid., 75. 32 Horden, Memoria (2005), 139 f. 17  Himelstein, Righteousness (1997); Id., Charity 33 For what follows, see M. Borgolte, Stiftung (1997); Brocke, Armenfürsorge I (1979, repr. 1993). und Wissenschaft (2011, repr. 2011 and 2012), 410– 18  Cf. Uhlhorn, Christliche Liebesthätigkeit, 413 (with further literature). On the history of vol. 1 (1882 / 1895, repr. 1959), 48 f. Western schools e. g.: Fried, Schulen und Studi‑ 19  Himelstein, Gemilut Ḥesed (1997); Id., Char‑ um (1986); Kintzinger / Lorenz / Walter, Schule und ity (1997). Schüler (1996). 20 Himelstein, Quppah (1997); Brocke, Armen‑ 34 Burns, Jews in the Notarial Culture (1996), fürsorge I (1979, repr. 1993), 11 f. 89 with 225, n. 15; 133. 21 The letter of Julian to Arsakios, the chief priest 35 Ibid., 134; cf. 70 with 222, n. 50. of Galatia, transmitted by the church historian

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Foundation Endowments and Revenues

10  Foundation Endowments and Revenues The traditional understanding of a foun‑ dation, according to which a material en‑ dowment constitutes a necessary condition by whose regular revenues the goal of the foundation is fulfilled, seems to stand in contradiction to the circumstances in India. There, the initial endowment of monas‑ teries and temples with property was not at all required; instead its (aristocratic) initiator normally petitioned the king as his overlord for a landed endowment for its permanent maintenance. (→ 10.6.1) Yet perhaps it was not a transaction by the ruler at all, but rather a higher legitima‑ tion of the legal act by the king, who thus asserted his authority before all. It can be furthermore conjectured that the actual founder left that property to the king, so that he could formally call the foundation into being. The Latin West as well knows this exchange of roles for a foundation. Emperor Henry II for example handed over estates in Bamberg around 1015 for the Ab‑ bey of St. Michael to the Bishop of Bamberg, Eberhard, so that the prelate could appear as the founder;1 Henry thus seems to have supported the spiritual leader as ruler of the city – in thanks to a trusted confidante and for his future fidelity to his ruler.2 Yet another finding could be of import. As has been observed with the foundations of uni‑ versities in the Late Middle Ages, a simple concession of rights without an endow‑ ment sufficed to allow a person to become a fundator.3 Since the popes were ascribed the right to call for a studium generale, their order or permission to erect a school of higher education was interpreted as an act of foundation. Accordingly the humanist Pope Pius II was seen from the time of the corresponding charter of 1459 onwards,

that is from the beginning, as the founder by the city University of Basel; it made no difference that the endowment in the form of five canonries, hoped for by the citizens of Basel and even confirmed by the Roman See, were to remain unfulfilled. It was similar in neighboring Freiburg, where the university stemmed from the Habsburg Archduke Albrecht VI. In 1457, he could appear as a founder merely by granting “mercies and freedomsˮ – i. e. the right of the educational establishment and all its faculties to enact and redact statues and ordinances; in addition to its own jurisdic‑ tion, the protection and patronage of the sovereign for the members of the university against secular authorities and officials; tax, tariff and imposition exemption; protection against material overreach, etc. He joined hands with Pope Calixtus III, who him‑ self already two years earlier had issued a bull with the “permission to found the universityˮ: “Apostolic charter concern‑ ing the granting, erection, founding and executionˮ – thus the characterization of the papal document by its appointee, the bishop of Constance.4 Compared with these Roman and sovereign legal concessions, the endowment of the University of Freiburg with parish churches and other prebends by Albrecht took a backseat, both in his own eyes as well as the judgment of the citi‑ zens of Freiburg. Observations analogous to those in Basel and Freiburg have also been made by more recent scholarship for the first Central European universities in Prague, Vienna, Heidelberg and Cologne.5 More generally, foundatio (‘founding’) and dotatio (‘endowment’) could so diverge from one another that the former without the latter made the ‘founder’. (→ 1.2.2; 1.2.4)

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Besides the conferral of privileges, the erection of a foundation concerned above all the grant of buildings and of estates for its arrays and groups of persons, who themselves required these for the execu‑ tion of their long‑term duties for living or were to be received by their charges. For the foundation of monasteries, widespread in Eastern and Western Christendom as well as in India, formulary pairings such as monasterium / coenobium – congregatio (sanctimonialium / virorum) (‘monastery’ – ‘congregation of nuns / men’) or locus – caterva (‘place’ – ‘group’) were used.6 An important determinant of the difficulty of such an undertaking was the size of the community created. Two Indian Coḷa kings in the eleventh century endowed around 660 Brahmins with 44 villages; around 930 C. E. the Central Indian king Govinda IV is said to have endowed Brah‑ mins with 600 villages and temples or their deities with 800 villages, the total yields for which are calculated to have been 700 000 gold pieces and 3 200 000 silver coins. (In fact this was the entire endowment activity of his dynasty to this point in time.)7 By contrast a ruler of the 9th century left five villages to the founder of the famed mo‑ nastic complex of Nālandā, while Chinese pilgrims of an earlier period had already reckoned its monastic assets at 100 or 200 villages. (→ 10.6.2) In Byzantium there were certainly large monasteries, especially on Mount Athos, yet reformers of the 10th / 11th centuries sought to limit their occupants and to put them in a reasonable relationship to the yields of their properties. Thus Nikeph‑ oros Erotikos prescribed no more than twelve monks alongside the superior for his monastery on Mount Tmolos (around 975–1000 C. E.), and in 1077 Michael Atta‑ leiates wanted to only allow five monastic brothers, even if he hoped for an additional

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donation and thus an increase to seven.8 The upkeep for a monk on the Black Sea coast in the Late Byzantine period is reck‑ oned to have been met by five dependent peasants and an income of 500 silver coins. Apparently the entire cost for coenobitic monasteries was so high that the Emperor Nikephoros II Phokas around 964 banned every new foundation of this sort; he de‑ sired to redirect the immense generosity – that also extended to philanthropic insti‑ tutions – to already‑existing houses and the establishment of half‑coenobitic lauras. Basil II (976–1025) or Isaac I (1057–1059), however, are thought to have revoked the prohibition.9 (→ 10.5.1) Hardly less pronounced than in the East was medieval monasticism in the Latin West. Periodic reform movements in particular led again and again to the founding of individual monasteries or of whole orders. Exemplary abbots and ascetics animated laypersons and clerics to make endowments, and where these were successful and radiated beyond their bounds, additional endowments or further foundations followed, whether of smaller dependencies or of great communities. The monastery of Fulda, founded in 744, which can be traced back to the Anglo‑ Saxon monk and church reformer Boni‑ face, had in 781 already over 360, around 825 however around 600 “brothersˮ, listed by name. It remained this size for a long time; in the eighties of the 9th century in the affiliated monasteries of Fulda alone there were counted 85 “disciplesˮ, who pre‑ pared for a spiritual career, and until the year 900 about 2 000 deceased monks were listed in the register of the dead since the time of the monastery’s founding.10 Even if the scholarship has not taken enough pains to relate such numbers to the en‑ dowed properties of the abbey, one can imagine how keen the abbots must have

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been to encourage the wealthy seigneurs of the nearer and farther surrounding area to endow and donate. In addition to the monks, novices and servants that had to be supported were also the poor, travelers and sick, who the monks were, according to their rule, unable to turn away. In the Burgundian reform abbey of Cluny alone a monastery of around 300 to 400 monks supplied over 18 000 poor a year.11 Yet the monasteries did not have to resort to en‑ dowments and donations alone. Accord‑ ing to the ‘Regula Benedicti’, which was widely implemented over the course of the Early Middle Ages, a votary after the completion of his novitiate was required to surrender all he owned to the monastic community.12 Fees for the entrance into a monastery were also known in Byzantium, and there it was even possible for a monk or a nun to attain a better life in the monas‑ tery (board and lodging) by paying higher sums. (→ 10.5.2) In India Buddhist monas‑ tics, who were not obligated to personal poverty, could themselves aid their houses with monetary endowments. (→ 10.6.3) According to the Evangelist Luke (Lk 14.28–30), someone who wants to build something must first determine whether he has collected enough to bring his under‑ taking to completion. Yet not all founders followed this advice. The ambitious Bishop Benno II of Osnabrück (1068–1088), a social climber from Swabia, failed because of his insufficient prudence in his plan to build a monastery in Iburg.13 First he had twelve brothers sent from Mainz as a founding community, yet neither outbuildings nor lodging was ready for them. Benno, as his vita states, had confined them to a small hut next to a chapel and hoped to acquire suitable surroundings. The straitened space allowed neither an observant nor a happy life, and the brothers quarreled to such a degree that the bishop had to send them

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back. It is understandable that the abbot of the reform monastery of Siegburg, whom Benno later asked for help, wanted to form his own opinion beforehand by visiting the site. Such an endeavor could not en‑ dure, so he argued, unless it were supplied with an abundance of worldy goods (rerum mundarum abundantia). Only few or indeed no monks at all were willing to endure the rigors of monastic life while suffering physi‑ cal privation. What the abbot of Siegburg then saw in Iburg did not assuage him; he demanded that Benno endow it better. Yet there also existed the opposite case of the great influx of capital, especially where it concerned pilgrimage sites with saintly relics; thus Lobbes Abbey at the start of the 10th century was the object of the donation of so much property by kings and other believers that the bishop of Liège, who at the same time was head of the monastery, decided to rebuild the church.14 Under Abbot Adalhard II of St. Trond (1055–1082) the throng of pilgrims to the tomb of St. Trudo waxed to such a degree that not all the people could be lodged and they had to make use of tents. A historian depicted the flood of dona‑ tions as follows: “What should I say of the gifts for the altar? Yet I leave unmen‑ tioned the animals, horses, oxen and cows, the pigs, rams, sheep, which were offered in unbelievable masses, as well as linen and wax, bread and cheese, which could not be measured by weight, number or price, and silver thread, and hardly had evening closed Olympus [after Vergil, Ae‑ neid I.374], did the mass of money exhaust many watchmen, who were entrusted with its deposit and custody, and could do noth‑ ing else at all outside of these activities. There was not only an innumerable, but a truly inestimable onslaught of donations from pilgrims, who continually came to the altar, and the fame of St. Trudo, with

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his frequent and extraordinary miracles, showered our monastery with riches. He became famous throughout the empire of the entire Roman world.ˮ15 Goods in kind and precious metals per‑ sisted in economic circulation, yet an ex‑ cess of landed endowments to churches and monasteries, which could not be revoked according to the law in force, increasingly endangered the economy of entire em‑ pires and individual cities. As in Byzan‑ tium countermeasures were considered in Latin Europe, or even an attack on the church via confiscation and secularization was committed.16 One means was the ban of foundations for the church. Thus King Frederick II decreed in 1219 for Goslar: “No one is permitted to give his house to the church, rather it is to be sold and the silver [money] given to the church, so that the king is not deprived of his right.ˮ17 Other German cities sought to implement simi‑ lar regulations.18 In France and England19 kings developed an amortization legisla‑ tion in the Late Middle Ages, by which on a case by case basis churches could be conceded lasting tax and imposition immunity. (→ 5.2.2) “The permission of the king or the local lord was, to an ever greater degree, indispensable for almost all transactions of estates and rents to the Church.ˮ20 In the Duchy of Burgundy, for example, the lords of Valois could demand compensatory payments for transfers to the church, which exceeded the rent in‑ come of the estates by several multiples.21 On the other hand this privilege allowed sovereigns and princes to participate in the spiritual fruits of a foundation; for by deigning to neglect their right to compen‑ satory payments they were included in the commemorative prayers of the benefiting church or monastic community.22 Landed properties constituted the most important pillar for the fulfillment of a

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foundation’s purpose; in the environment of the Jews, to an extent of the Muslims as well, buildings in cities were more impor‑ tant than the ownership of landed estates. In contrast to Western Christianity, in Byzantium at least until the turn of the millennium not estates themselves, but rather their rents were endowed. Thereby founders and their descendants retained access to their endeavor. While in the West the (agrarian) labor force through its cor‑ vée obligations was donated along with the land and their heritability guaranteed the longlivity of the foundation, Orthodox founders relied on tax exemptions as a means of gaining the employment of free labor. In India as well the endowment of land usually meant the bestowal of tax immunity. The same economic effect was achieved by the privilege to collect and keep (royal) taxes or tax farming. The geo‑ graphic distribution of Byzantine monas‑ teries could make specific tax reductions for maritime vessels valuable for them, while in Western Europe profits from min‑ ing could potentially appear alongside the yields from harvesting the land. Monied endowments in India expired during Late Antiquity with the collapse of the West‑ ern Roman Empire and the contraction of trade with the West, only to appear again starting in the 11th century; in West‑ ern Europe they slowly became prevalent from the time of the blossoming of ur‑ ban life in the High Middle Ages (ca. 13th century) onwards. In Judaism the heqdesh primarily made use of money, which was drawn for the most part from the renting (or mortgage) of houses, workshops and shops. Fines as well played a role. In Islam, by contrast, monied endowments were a regional phenomenon found in the heart‑ land of the Ottoman Empire. Things without a direct material yield also belonged to the endowment of a

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foundation. In the Muslim world among these were counted weapons for the ǧihād, supplemented by the donation of horses or mules for the warriors. Further mov‑ able endowed goods were furniture and other cult objects for mosques. A similar phenomenon held for Jews and Christians. As the Bishop Bernward of Hildesheim founded the Monastery of St. Michael, he recorded in his testament of the year 1019 that he had given almost all his earthly possessions, including farms, estates, pas‑ tures, bodies of water, forests, meadows, rural – that is to say: proprietary – church‑ es, relics, books, gold and silver, as well as what he possessed through inheritance and was able to acquire by purchase.23 Relics and books – and liturgical instruments in general – were not at all secondary objects, instead being indispensable for the functioning of a church or monastery. Belonging to relics, that is the bodies of saints or their fragments, were their re‑ positories; on account of their frequent sheathing with silver and gold repousée and edging with precious stones, they held impressive material value, yet above all this notable accoutrement manifested the veracity and the miraculous power of the saints.24 Put forth on the altars and offered in celebratory processions, they encouraged the generosity of the faith‑ ful, thus they possessed a material use as well. Disregarding the officially‑recognized church cult among a foundation’s movable goods sometimes prized possessions could be found to which magical powers were ascribed. The Rhenish humanist Christoph von Rheineck (gest. 1535) bound together the foundation of a monastic cell for a Cartusian, an altar with paraments, his library as well as numerous valuable rel‑ ics of saints with precious objects, which could be applied to the sick: three toad’s stones, that is shark’s fins, which were

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supposed to protect their owner from poisoning, misfortune and sorcery, part of a “unicornˮ, presumably the tusk of a narwhale, as well as two adder’s tongues, fossilized shark’s teeth which likewise supposedly protected one from poisoning. “The Carthusians were supposed to have had these stones made into a chain made from the silver he had endowed. This was to be kept in a reliquary shrine, and only removed for the healing of the sick. Its sale was forbidden.ˮ25 One would gladly know what portion foundations made up of the founder’s entire estate. The best estimates might be made based on testamentary disposi‑ tions. Yet also in these cases there remain many open questions. An example is that of Bishop Berthram of Le Mans, who in the year 616 C. E. divided up his estate throughout Gaul by testament. By way of foundation he named two churches as heirs, yet he also made mention of indi‑ vidual persons with bequests. The new editor of the testament contrasts the evi‑ dence of 119 larger or smaller landed estates with an older estimate of its total size at around 300 000 hectares of land;26 of these around a quarter was to go the offspring of Berthram’s brother, which was in ac‑ cordance with testamentary law and had nothing to do with foundations.27 There was also a testamentary bequest to King Chlothar II. What the worth was of the individual titles remains however quite open; on the other hand it is certain that the bishop was not always able to clearly differentiate between church and private property while allocating them.28 Attempts have even been made to de‑ termine the relation between the entire fortune and the endowed property for some Late Medieval urban inhabitants.29 Ac‑ cording to this the minor noble Nicholas of Nattenheim had possessed a fortune of

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well over 13 000 guilders, 1 000 of which he gave away to foundations, among others an altar in the Trier parish church of St. Gan‑ golf. Jacob Heller, a patron from Frankfurt who possessed over 20 000 guilders, made foundations in the sum of around 3 000 guilders, among which were 1 200 for a shelter for the homeless and 200 guilders for an altar by Dürer. Despite all the dif‑ ficulties which princes and cities had with university endowments, the expense seems to have sometimes been rather minute. In any case it has been demonstrated that the yearly budget for the University of Leipzig

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corresponded to a mere eighth of what the Duke needed for his wine cellar.30 As in Christianity31 or India there are very large foundations transmitted from the Muslim Umma.32 In testamentary dis‑ positions foundations were always sup‑ posed to be dedicated to a charitable pur‑ pose, yet the blood heirs benefitted directly and often for a very long time. In these cases a differentiation between revenue for the foundation and other property would hardly be sensible. MB

Notes 1  MGH DD H II, 420–422, no. 332a; on which Weilandt, Geistliche und Kunst (1992), 69. He fit‑ tingly characterizes St. Michael as an episcopal proprietary monastery. 2 On Eberhard of Bamberg at the court of Hen‑ ry II: Fleckenstein, Hofkapelle (1966), esp. 167–172. 3 The following according to M. Borgolte, Rolle des Stifters (1985, repr. 2012). 4  Ed. Gerber, Wandel der Rechtsgestalt (1957), 23: pagina apostolica concessionis, constitucionis, fundacionis, Ordinacionis et executionis. 5 Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen (1992), esp. 47–49; 106; 144; 177; 223 f.; 267; 280 f. 6 Cf. MGH DD O I, 89 f., no. 1. 7 See the critical considerations of Schmiedchen, Herrschergenealogie und religiöses Patronat (2014), 209–212. 8 BMFD 1, 304; cf. ibid., 200. 9 See Stiftung und Staat im Mittelalter. Eine byz‑ antinisch‑lateineuropäische Quellenanthologie in komparatistischer Perspektive. Ed. Tim Geelhaar / John Thomas. (StG 6.) Berlin 2011, 334–339, no. B 10; 340–343, no. B 12; Morris, Two Faces (1988). 10  Freise, Einzugsbereich (1978), 1005. 11  Wollasch, Cluny (1996), 238. 12  Freise, Einzugsbereich (1978), 1017 f.; cf. 1020. 13  On which Weilandt, Geistliche und Kunst (1992), 71 f.; C. Borgolte, Studien zur Klosterreform (1975), 191–195; 263–265. Iburg was not however a

foundation, but rather an episcopal proprietary monastery. 14  Weilandt, Geistliche und Kunst (1992), 73; cf. 86–95. 15  Ibid., 87: German translation of Rodulfi Gesta abbatum Trudonensium a. 999–1107. Ed. Rudolf Koepke, in: MGH SS 10. Hannover 1852, 227–272, here 234, lib. 1.10. 16  Stiftung und Staat, Ed. Geelhaar / Thomas (as n. 9). 17  MGH DD F II 3, 203–208, no. 528 from July 13, 1219, here 207, lines 31 f.; Cf. Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938), 53. 18  Cf. Kamp, Amortisation (1995), 255. 19  Raban, Mortmain Legislation (1982, repr. 2008). 20 Kamp, Amortisation (1995), 256. 21 Ibid., 259. 22 Ibid., 263. 23 Weilandt, Geistliche und Kunst (1992), 148; 166. 24 Ibid., 169. 25 W. Schmid, Bischof, Stadt und Tod (2000), 241. 26 M. Borgolte, Felix est homo ille (1982), 8, cit‑ ing Leclercq, Le Mans (1931). 27 Weidemann, Testament des Bischofs Berth‑ ramn (1986), 79; 67; 69; M. Borgolte, Felix est homo ille (1982), 13; 15; 17. 28 Weidemann, Testament des Bischofs Berth‑ ramn (1986), 67; M. Borgolte, Felix est homo ille (1982), 11.

Founders

29 W. Schmid, Bischof, Stadt und Tod (2000), 250;

on Jakob Heller see also Id., Stifter und Auftragge‑ ber (1994), 413–494. 30 Schubert, Motive und Probleme (1978), 32; cf. Heinrich, Frankfurt und Wittenberg (1978), 122 f. 31 On Byzantium cf. G. Constable, Preface (2000), xxxiii–xxxv; M. Borgolte, Geschichte des Stiftungsrechts (2002, repr. 2012), 347–355.

611 32 A famous example is the endowment by the Vizir Rašīd ad‑Dīn of the Mongol Ilkhan Ġāzān Ḫān of 1309: B. Hoffmann, Waqf im mongolischen Iran (2000); recently examined in a monograph was the Kuǧuǧī foundation of the late 14th centu‑ ry C. E., likewise from the vicinity of Tabriz: Werner / Zakrzewski / Tillschneider, Kuğuğī‑Stiftungen in Tabrīz (2013).

11  Founders Without a founder or foundress there is no foundation. He or she provides the capital, determines its aims and organizes per‑ sons and groups of persons who realize the mission of the foundation. Yet behind the ideal type of the founder lurks a com‑ plex historical reality. That can already be deduced from the fact that the tradi‑ tion usually offers no clear equivalent for ‘founder’. While the scholarly approach postulates stable relationships and favors essentialization (‘the founder is …’), the sources of the period evidence an often uncertain status of the actors; also from time to time one must contend with a plu‑ rality of founders. The foundation itself is that which creates the founder; this must be taken into account for the scholarly assignation of the title. Two examples from the Latin Chris‑ tian Middle Ages are able to illustrate the problem. A few weeks after the death of his father King Henry I, his son and suc‑ cessor Otto the Great visited the palace of Quedlinburg in Saxony, where his prede‑ cessor was buried in the Church of St. Peter on the Burgberg.1 Here he issued the first document which survives in his name on September 13, 936.2 “Out of love for God and all the saints as well for the salva‑ tion of the soulˮ of himself, his ancestors

and successors (pro remedio animae nostrae atque parentum successorumque nostrorum) he had seen to the erection of a convent in Quedlinburg (congregationem sanctimonialium in Quidilingoburg statuere curavimus), so that through it praise to the Almighty God and his elect could be “cultivated in perpetuity and that Our Commemoration and that of all of Usˮ could be effected (laus omnipotentis dei […] ab ea in perpetuum colatur et nostri nostrorumque omnium memoria perpetretur). “And so that the con‑ vent in this place can perform this service, We have given in perpetual ownership the fortress which has been erected in Quedlinburg upon the mountain, with the farms and all the buildings that have been constructed there, as well as that which We earlier had left in the same place to the clerics serving the Lord, and a ninth of all the agricultural yields of this domain to provide for its maintainance and clothingˮ (urbem […] et nonam partem ex omni conlaboratu eiusdem curtis […] ad eius victum et vestitum perpetuo iure possidendum donavimus). In addition, the young king donated the convent in Wendhausen with all its properties to the new foundation. Otto I thus appears here as the founder of the convent in Quedlinburg, which was to cultivate the memoria of the royal family

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at the grave of his father in perpetuity and for this reason was outfitted with estates for the maintenance of the nuns, among which was the fortress in situ itself. The foundation is described with the verbs donare / condonare and the substantive largitio, while the object is addressed as a thing (monasterium and locus) and com‑ munity of persons (congregatio sanctimonialium and caterva). In later years as well the king repeatedly further endowed the women of the convent, without however appearing in those cases as the founder of their community.3 Instead he acted often at the request of his mother Matilda, and to an extent even had access to the estate of the widowed queen for the benefit of Quedlinburg.4 In the historiographical tra‑ dition of the convent as well as of Saxony (Thietmar of Merseburg) the foundation is in fact ascribed to Matilda, who supposedly realized a shared plan with her husband Henry I. Scholarship has tended to follow this interpretation. Why then did Otto in the fall of 936 claim the foundation for himself, without mentioning Matilda at all? The explanation emerges from the stip‑ ulations of the foundation document of Otto I himself. On the one hand the do‑ nation of the fortress on the mountain, to which certainly only the king was entitled, doubtless meant extraordinary support for the convent. Yet even more important was something else: the young ruler, who realized with his succession to the king‑ dom the formation of a dynasty in the Liudolfing (Ottonian) family,5 utilized his new power in order to secure the convent even in the case of a change of the ruling house: “If one of our posterity in Francia and Saxony powerfully possesses the royal throne, the aforementioned convent and the nuns serving God who are gathered there are to stand under his power and protection; if however the people elect

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another king, he should exercise his royal might over it as well as over other com‑ munities, which similarly serve the Holy Trinity. Whoever is the most powerful of Our family should [then] be chosen as the bailiff of the aforementioned place and its congregation.ˮ Otto claimed here, and only here, the traditional role of the king as founder, because at the moment of the rise of his family he wanted to use the authority of his office for the memorial site of Henry I and the Liudolfings (Otto‑ nians) and secure the favor of all kings for the convent. He was certainly able to be seen as (one of) the founders through later endowments, yet it sufficed for him to come forth to the convent in this func‑ tion during the one visit in 936 which was so important for the history of his family. Other questions in determining the founder present themselves for the Augus‑ tinian monastery of Diessen am Ammersee (Bavaria).6 The canon Liutold around 1200 compiled a traditions‑codex, which com‑ prised copies of older legal documents and liturgical texts in duplicate and was then continued until the 14th century. Appar‑ ently Liutold worked through the available material with the intention of composing a history of Diessen: he did not however further carry out such a project. The begin‑ nings of the collegiate church thus remain clouded; yet the documents gathered and skillfully organized by Liutold allow one to recognize a group of founders, which con‑ sisted of at least two families, the counts and later margraves of Andechs‑Merania and the counts of Wolfratshausen. Both lines are represented in a sketch, which Liutold prefixed to important notices of donation: Before the church patron Mary kneels Count Henry II of Wolfratshausen to her left and to her right Bishop Otto II of Bamberg, who was a son of a count of Andechs. Henry offers a ring to the ‘Queen

Founders

of Heaven’, Otto a book. The ring symbol‑ izes the endowment of the main estate in Diessen, which Henry had left as a bequest to the monastery before his death in 1157 along with the rest of his property, while the image of Otto is meant to recall the gift of liturgical objects on the occasion of the consecration of the monastic church, which he carried out in the year 1182. Despite this visual emphasis it is not Henry and Otto, but rather family members of the preceding generation who should be seen as the ‘founders’. In the anniversaries compiled by Liutold in the same manuscript Count Bertold I of Andechs (d. 1151) and his consort Sophia, the parents of the bishop, as well as Count Otto IV of Wolfratshau‑ sen (d. 1135?) with his wife Lauritta, the parents of Count Henry, were respectively titled fundator or fundatrix loci (huius; istius).7 Apparently the titles were meant as accolades, because they were not added to any other of the hundreds of names in the donation documents and notices or en‑ tries in the necrology. On the other hand the legal texts transmitted by Liutold do not disclose what a material endowment of the collegiate church by the two count couples is supposed to have consisted of. Their donations of property are so modest that they by themselves can only be seen as additional endowments and in any case clearly pale in comparison to the donation of Diessen itself by Henry II.8 The compi‑ lator and arranger of the traditions‑codex revealed however in a different way how he viewed the historic contribution of the founder‑couples. At a prominent place in his manuscript he inserted a copy of a papal bull, by which Innocent II in 1132 granted the Roman Freedom to the monastery.9 The so‑called Application of Diessen to the Holy See was, according to the text, undertaken by Counts Bertold (I of Andechs) and Otto (IV of Wolfratshausen) with their consorts

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Sophia and Lauritta and their sons. At least in the eyes of the canon Liutold this deed clearly represented a fundamental contribu‑ tion to the collegiate church. Diessen was especially dependent on papal protection in 1208 / 1210 as a family member of the clan of counts was implicated in the murder of King Philipp of Swabia on June 21, 1208 and had to flee as an outlaw; the monas‑ tery of Diessen saw itself controlled by other regional powers. Exactly at this time and with the evocation of those founding counts, which had installed Rome as a life‑ line, Liutold likely composed his codex.10 Doubtless the compiler of Diessen did not want to ascribe the role of founder to a single member of the clan of counts; he instead emphasized the importance of two related families over two generations. In no way did he base the concept of fundator / fundatrix that he used on impressive initial endowments, but he related it to an‑ other fundamental benefaction for the sake of the Augustinians; he hardly intended by this means a devaluation of the other founders. The clearly contextual ascrip‑ tion of importance to Bertold I, Otto IV and their wives by the Latin title recalls the self‑positioning of Otto the Great as founder in 936 in Quedlinburg and does not necessarily designate a lasting, much less an exclusive, position. If one wants to account for insights regarding the fragility and variability of the attribution of the status of founder, it is advisable to look for founders within the history of their foundations. Correspond‑ ingly, the sections of these articles follow ‘the’ founder in a tripartite format, from the origins until the oblivion and, as nec‑ essary, to the rediscovery of his undertak‑ ing. The position of the founder and others involved in endowment praxis within the larger fabric of society, for example on their ‘estateʼ, will be covered elsewhere. (→ 14)

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In intercultural comparison the strong influence of other persons on the act of foundation is everywhere apparent, wheth‑ er previous owners or (supposed) co‑own‑ ers could assert their claims to the foun‑ dation’s property, or future beneficiaries articulated their wishes or juristic and administrative experts steered the inter‑ pretation of the whole enterprise along with the writers themselves in the wording of the documents. The normative litera‑ ture of the Muslims prescribed clear legal regulations for all participants, to which the Jewish praxis seems most similar in this regard. Noteworthy is the observation from India that the founders of religious institutions so often sought a village or landed endowment for their permanent maintenance from a ruler that this be‑ havior can even be designated as a “quite typical pattern for foundationsˮ. (→ 11.6.1; 10.1) The tradition of Ancient Egypt offers analogies to this for private foundations for the dead. The earliest evidence of this sort stems from the end of the 3rd Dynasty (around 2600 B. C. E.); according to the inscription in question the founder Mṯn endowed his endeavor in part from his patrimony, yet he could also resort to the foundation properties of the king.11 ‘Private’ stipulations with the capital stemming from royal property are still evidenced until the times of the 19th to 26th Dynasty (ca. 1300–525 B. C. E.); here, alongside the true donor and high priest, the king also appeared before the gods. His mention is

Intercultural Perspectives

explained by scholarship in that he was seen as the owner of all land, so that he acted formally as the donor in transfers of real estate.12 The Pharaoh in this way ensured the cult of the dead for his officials as well in the vicinity of his own grave. The further history of individual foun‑ dations was dominated in Judaism by com‑ munities with their institutions, in Islam by the dependents and descendants of the founders.13 In family and mixed founda‑ tions the Muslim founder normally desig‑ nated himself as the first beneficiary and often at the same time the first adminis‑ trator. (→ 11.3.3) Furthermore memorial media – grave and tomb, donor portrait and inscription – and calling upon his name, especially in prayer, ensured the presence of the founder in his foundation; this applies however less so for Judaism. The dispersion of commemoration by the multiplication of endowed commemorative sites was not limited to Christianity, with its thick net of monasteries and churches.14 (→ 11.3.2) Everywhere there was the dan‑ ger of the founder fading into oblivion, especially if his undertaking was so suc‑ cessful that additional or new founders usurped it for their own ends. The high prestige of founders also found expression in the phenomenon that many communi‑ ties and institutions falsified prominent persons as their founders; in the Byzantine Empire that applied above all to the Emper‑ ors Constantine the Great and Justinian I. MB

Notes 1  For the following see recently Moddelmog, Köni‑ 3 Along with documents cited in the following gliche Stiftungen (2012), 19–64, with the older lit‑ footnote see MGH DD O I, 142, no. 61; 155, no. 75; erature. 266–268, no. 184 f. 2 MGH DD O I, 89 f., no. 1. On which see also Wag- 4  Cf. MGH DD O I, 105 f., no. 18 of 937: qualiter ner, Gebetsgedenken der Liudolfinger (1994), 35 f. nos rogatu venerandae ac dilectae domnae matrisque

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Beneficiaries of the Foundation

nostrae Mahthildae in Qvitilingobvrg ad sanctam Mariam et ad sanctum Servativm et ad nutrimen sanctimonialium inibi deo famulantium pro remedio animae nostrae debitorumque nostrorum in proprium damus (…) et de proprietate eidem matri nostrae in suum usum concessae (…). Correspondingly ibid., 253 f., no. 172, here 254: […] partem quandam dotis eiusdem genitricis nostrae. Similarly ibid., 268 f., no. 186; 312 f., no. 228. 5 Cf. K. Schmid, Thronfolge Ottos des Großen (1964, repr. 1971), 466–476. 6 For the following: M. Borgolte, Stiftergedenken in Kloster Dießen (1990), with plate X (im. 19) in the appendix to the volume. 7 Ibid., 271 ad May 28 (Otto IV), 273 ad June 27 (Bertold I) and 279 ad August 31 (Lauritta) and September 6 (Sophia). Liutold could have taken the titles from a template for both anniversaries. 8 Cf. the references to notices of tradition in the entries cited in the previous footnote. On the donation of the main estate in Diessen and other properties by Henry II see M. Borgolte,

Stiftergedenken in Kloster Dießen (1990), 244 (with references to the documents). 9 Ibid., 245 f. (with the source reference). 10  Ibid., 247. 11  Goedicke, Private Rechtsinschriften (1970), 5–21; 205 f. For dating the 3rd Dynasty to ca. 2707/ 2657–2639/2454 B. C. E. see Graefe, Altes Ägypten (2009), 149. 12  Iversen, Two Inscriptions (1941), 17 f. More carefully Mrsich, Untersuchungen (1968), 62; cf. 133, asks whether the king in analogous documents was “principal owner or only previous ownerˮ. 13  Goedicke, Cult‑Temple (1979), 120 f.; 125 f. Cf. also the evidence in Materialien zur Wirtschafts‑ geschichte des Neuen Reiches, vol. 2. Ed. Wolfgang Helck, (Akademie der Wissenschaften und der Literatur. Abhandlungen der Geistes‑ und Sozialwissenschaftlichen Klasse, Jahrgang 1960, vol. 11.) Wiesbaden 1961, 199 f. and 228. 14  An earlier different interpretation in M. Borgolte, Grab in der Topographie (2000, repr. 2012), 292.

12  Beneficiaries of the Foundation While without a founder there is certainly no foundation, he does not however shape his undertaking autocratically. Naturally he relies upon experts who keep it per‑ manently functioning, yet still the benefi‑ ciaries themselves also guide his resolu‑ tions, plans and perspectives for success. Attentive philologists detect already in the foundation documents the language of those who were to profit first from these benefactions. If in private endow‑ ments for Buddhist monasteries or Jaina institutions of the ‘medieval millennium’ the ductus of the addressees is prominent (→ 12.6.2), then this matches the discover‑ ies of scholars of Antiquity for the dedi‑ catory inscriptions of Hellenistic kings. Thus it was concluded from the designation

of origin Περγαμεύϛ (Pergameus) of King Philaretos for Thespiae, a city in central Greece (around 270 B. C. E.), that the usu‑ fructuaries could mention “his donation in their own dialect.ˮ1 ‘Recipient originals’ are also known from Latin European diplomat‑ ics, which could influence the provisions of the content itself of a document via its language in royal foundations. When the reform‑minded Abbot Remaclus had the monasteries of Stablo and Malmedy found‑ ed in the Ardennes by the Merovingian Sigibert III (ca. 643–648 C. E.), the context of the royal foundation document had, for example, “without a doubt a monk rather than a chancellery notary as its authorˮ.2 More richly than in the other tradi‑ tions, it seems to be explicitly attested in

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Christian Western Europe that the initia‑ tive for foundations, donations, etc. led back to the recipients of the good works. The author of a comprehensive monograph on Carolingian documentary praxis re‑ cently came to the conclusion: “The initia‑ tive for concessions [to monasteries, bish‑ oprics, etc.] goes to a much greater degree back to the recipients than has hitherto been assumed. The Carolingian Kingdom reacted with concessions to the requests which were brought to court.ˮ3 Already in a confirmation of tithes for the diocese of Utrecht of May 23, 753, King Pippin em‑ ployed a formula that would henceforth be used continuously: “If we do not deny the requests of the bishops in all [matters], then we trust that we shall have the Lord as a recompenser.ˮ4 Supplicants either turned to the ruler personally or they confided in letters or mediators. In the time of Pippin there were only few genuine documents without explicit reference to the requests of beneficiaries, and it essentially remained this way under his successors as well.5 The granting of concessions was a ‘pro‑ cess of communication’,6 and that applied to foundations in particular. In this article this has been demonstrated for the con‑ vent of Quedlinburg in Saxony (→ 12.2.2), and in Byzantium the same was true for charismatic monks, who approached em‑ perors or other potentates for the founda‑ tion of churches, monasteries and hospitals (→ 12.5.2); this praxis is recognizable in India as well, as shown by the successful application for a village by the monk Sthi‑ ramati for a monastery in Gujarat from the regents of the Rāṣṭrakūtā Dynasty (884 C. E.; → 12.6.2). Quite instructive in this context is a look at monarchical Ev‑ ergetism7 in Antiquity. A comprehensive investigation of all donations and founda‑ tions of Hellenistic rulers for Greek poleis and deities has recently revealed that of

Intercultural Perspectives

319 cases transmitted predominantly by inscription, only six were offered without previous requests to or negotiations with kings. In all other instances the initia‑ tive stemmed from the cities. The citizens knew that the ideal image of a king com‑ pelled rulers to act beneficently; Aristo‑ tle had taught, after all, that proven acts of benefaction were the basis of monar‑ chy. Thus they unabashedly approached wealthy kings in order to finance a new gymnasium, theater or cult building, or competitions or feasts. The recompense consisted of honors of varying dignity. Klaus Bringmann has sketched the ideal type of the course of negotiations between benefactors and cities as follows: “A de‑ cree of the people to send an embassy to a ruler. – A letter of the king, containing the approval of financing. – A decree or decrees of the people to accept the gift, honoring of the founder and the dispatch of a new embassy with the task of bring‑ ing the honorary decree to the benefactor. – A decree or decrees of the people, a) of the city emissaries and b) of the friends and functionaries of the king, who had served as intermediaries and aides. – A decree of the people on the governance of the endowed property and the enact‑ ing of a committee for its execution. – A royal letter regarding the acceptance of the decreed honors and the preservation of additional means for the erection of a foundation, from whose yields regular festivals in honor of the benefactor were to be financed. – A protocol on the leas‑ ing of the sold land, on which the festive foundation would be founded. – Dedicatory inscriptions on the erected construction, on the boundary stones, which mark the land in question as belonging to the fes‑ tive foundation, as well as inscriptions on other objects that were financed by endowment revenues. – The entry of the

Beneficiaries of the Foundation

aforementioned grant in a list of donations which a single or multiple rulers had made to the congregation or divinity. – The tak‑ ing of a protocol of legal acts for the se‑ curing of the property relations touching upon the donation.ˮ8 Only rarely did founders invent cult or charitable practices ex nihilo; when they, as was in fact unavoidable, allowed themselves to accept the promises of their negotiating partners, they for the most part surrendered their freedom of agency in favor of the customs and preferences of the usufructuary beneficiaries. In any case strict boundaries were set for them in Judaism and Islam, where the congrega‑ tions themselves or the entire community of believers (ʿam Israel, Jewry; the Muslim umma) were in principle seen as the re‑ cipients of pious gifts of this sort. Yet the practices of the recipients developed their own dynamic, as when one had to decide between Brahmins, Śiva ascetics, Buddhist monks and nuns, Jainas or Hindu temple priests, or in Western Christendom be‑ tween different orders of clerics and monks. Thus in Byzantium the comparatively un‑ certain status of communal monasticism offered founders tremendous leeway for conversations with the beneficiaries, which also manifested itself impressively in the local monastic rules, the typika. The change of function between admin‑ istrators of the foundation and beneficia‑ ries was sought after; thus the ordained and monks became themselves usufructuaries of material support, yet considered them‑ selves to be obligated, besides commemo‑ rating the founder as a recompense, to look after the needy, by whom they executed the endeavor of the founder. Yet no founder’s will can however seamlessly regulate fu‑ ture events or even become immune to his‑ torical change, so that the administrators must independently (further) develop the

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undertaking; that applies for the benefi‑ ciaries as well. Thus it can be concluded from a foundation for 1 000 Brahmins with meager capital by King Godvinda IV in the year 930 C. E. that they had to daily determine anew the number of those to be supplied. (→ 12.6.3) The battle for scarce resources and increasing need was able to everywhere motivate beneficiaries to find additional founders; the community in Je‑ rusalem for instance occasioned repeatedly, alongside collections of money, also the increase of foundation capital from real estate in Old Cairo in its favor. (→ 12.4.2) A foundation’s purpose could also sim‑ ply become obsolete; once the terrible in‑ fectious disease of ‘Saint Anthony’s Fire’ (Ergotism) in Western Europe could be pushed back, without a change of purpose even bankruptcy threatened the hospital foundations of the Order of St. Anthony. (→ 12.2.2) By comparison the powers of self‑organization were ‘immanent to the system’ in the family foundations of Islam, yet one finds something similar in Greek Christianity as well (on the adelphaton → 12.5.3) or in Judaism (→ 12.4.1). Modifications or qualifications of the original purpose for the foundation thus could become unavoidable, in that those who as repayment for their support were entrusted with “bookkeeping for eternityˮ felt themselves simply overwhelmed.9 On the other hand one had to falsify founda‑ tion documents, in order to protect the rights of the beneficiaries in shifting chron‑ ological circumstances (→ 12.6.2); it did not at all concern ‘fraudulent’ intentions, that is an illegal advantage, but instead often a securing of the original purpose of the foundation through ‘corrective’ in‑ terventions on a tradition that had become insufficient.10 The ahistorically‑conceived concept of ‘foundation’ as being able to pursue and realize an eternally inalterable

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purpose with material gifts fails, even if sometimes only after centuries, unavoid‑ ably in the face of the unceasing passage of time. That the beneficiaries of the good deed along with the administrators of the

Intercultural Perspectives

foundation in this regard worked together, and even had to work together, is the mes‑ sage of a social‑ and cultural‑historically driven research on foundations. MB

Notes 1  Schenkungen hellenistischer Herrscher an

donation of the well‑to‑do to the public, be it griechische Städte und Heiligtümer, Bd. 1. Ed. Wal- the ‘state’ or a city. The donations supported on ter Ameling / Klaus Bringmann / Barbara Schmidt- the one hand games, public spectacles, fortifica‑ Dounas. Berlin 1995, 137 f., no. 86 [E]. tions and so on, on the other hand infrastructure 2 MGH DD Mer. 1, 205–207, no. 81, hier 206. Here projects such as amphitheaters, bridges, baths, it is also determined that despite the Merovin‑ etc. Essential is Veyne, Brot und Spiele (1988, repr. gian addition the Carolingian Mayor of the Pal‑ 1990), 22–24; 27 and more often; cf. Gauthier, Cités ace Grimoald is to be seen as the founder of the grecques (1985). monastery, cf. ibid., 202–204, no. 80. 8 Bringmann, Geben und Nehmen (2000), 16 f.; 3 Mersiowsky, Urkunde in der Karolingerzeit, cf. 4 f.; Id., König als Wohltäter (1993), here esp. 86; Id., Ehre des Königs (1995). – It is to be noted vol. 2 (2015), 946. 4  Ibid., 558 f., quoting MGH DD Kar. 1, 6 f., no. that Bringmann does not differentiate explicitly 4, here 6: Si petitionibus sacerdotum in omnibus between donations and foundations. non negamus, dominum exinde retributorem ha- 9 Cf. Hugener, Buchführung für die Ewigkeit bere confidimus. (2014). Additional examples are mentioned in: 5 Mersiowsky, Urkunde in der Karolingerzeit, Die Jahrzeitbücher des Konstanzer Domkapitels, vol. 2 (2015), 560, cf. 563 and more often – yet un‑ vol. 1. Ed. Uwe Braumann. (MGH Libri mem. N. S. der Charlemagne even in documents of donation 7.1.) Hannover 2009, esp. 177; Neiske, Funktion indications for the appeal to the ruler are more und Praxis (1997), esp. 111–118. often lacking, see ibid., 570. Later Charles the 10  Cf. H. Fuhrmann, Mittelalter (1987); Boshof , Bold sought to tie lay beneficiaries so expressly Gefälschte Stiftbriefe (1988); Rexroth, König Ar‑ to himself with donations that this was itself tus (1998). – An example: Of the 262 documents emphasized in the texts, ibid., 597. which have survived to this day under the name 6 Ibid., 547, see also 605: “A process of commu‑ of Charlemagne, 104 are forgeries; the largest nication between the compiler of the potentate’s group of these are “as expected, donations, guar‑ document and the beneficiaries.ˮ antees of ownership, restitutions and transfers of 7 This heuristic device stems from the Greek propertyˮ – Hägermann, Urkundenfälschungen noun euergesia, ‘beneficience’, and designates auf Karl den Großen (1988), here 435; 439. the voluntary or morally and legally prescribed

Foundation Organization

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13  Foundation Organization In order to function, a foundation requires organs to act on its behalf and represent it, as well as oversight to protect it in the context of broader society and supervise its functioning. Yet the search for appro‑ priate personnel seems to be only second‑ arily about loosening the foundation from proximity to the founder, so that it could fulfill its tasks impartially and thus remain active after the death of its founder. At first founders were able to retain the direction of foundation activities themselves dur‑ ing their lives and to exercise the right of supervision, as well as maintaining both as hereditary for their mostly male poster‑ ity. Thus Sassanian law, codified in the 7th century C. E., prescribed administration by family members.1 Also well‑attested in an‑ cient cultures is administration bound up with the usufruct of the revenues within a hereditary priesthood. This was already the praxis in Egypt from at least the time of the 18th Dynasty (1550–1292 B. C. E.)2 on‑ wards and later under the Magians at the tomb of the Persian King Cyrus the Great (550–530 B. C. E.). As the Greek Arrian noted with regard to the time of Alexander the Great (around 330 B. C. E.), they offered daily and monthly sacrifices through suc‑ cessive generations of sons, according to a stipulation of Cyrus’ son.3 It is thus hardly surprising that founda‑ tions for the benefit of one’s own family and with familial administration occupied a premier position in Muslim lands. Latin Christians likewise found ways for similar dominance and control of their founda‑ tions, which from the time of the High Middle Ages took shape in the explicit form of the ius patronatus. In Byzantium church foundations could be administered

by relatives of the founder, yet local bish‑ ops for a long time successfully asserted their rights of administration and over‑ sight over the dominant monastic foun‑ dations. In Judaism the community fund as recipient of individual endowments and the regular contributions of believ‑ ers played a prominent role in the flow of endowment revenues, so that also private and semi‑private foundations, which were to retain their own administrators, were close to the community administration. For India it can only be hypothesized that founders reserved the functions of admin‑ istration and supervision for themselves as well as their beneficiaries; here again a prominent feature was the heritability of this double function among the beneficia‑ ries, whether they were, being especially distinct, Brahmins and their male heirs and their successors, or the local Buddhist orders in the successive generations of monks and nuns. Among the Jainas suc‑ cessions of teachers and students played the same role. Tendencies towards, from a legal per‑ spective, truly free foundations, as one can ascertain in Latin reform monasti‑ cism and has been claimed to have been observed for Byzantine monasticism from the time of the High Middle Ages, cannot hide the fact that legal regimes could never by themselves secure foundations in their holdings and the fulfillment of their aims. For India one thinks of the mechanism of the cycle of rebirths and recompense for one’s deeds, which had a disciplinary ef‑ fect on the foundation organs, and threats of eternal retribution in the same way belonged to the repertoire of Christian foundation documents. Already in Roman

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Antiquity it was known that founders had to muster trust and the organs or benefi‑ ciaries had to maintain their loyalty if the endeavor were to succeed (over the long term).4 Wherever the foundation worked in the spirit of the founder, then changes to the foundation’s purpose by the foundation organs were often tolerable. The research on foundations will thus understand the institutional context of a foundation less

Intercultural Perspectives

as an instrument of the founder’s will than as a result of a dynamic and interactive negotiation between all or multiple par‑ ticipants, for whom the (deceased) founder held as much weight as historical change, to which his foundation is unavoidably yoked and which, through its capacity to adapt, it can survive. MB

Notes 1  Macuch, Sasanidische fromme Stiftung (2009),

3 Arrian, History of Alexander and Indica. Ed. and trans. E. Iliff Robson, 2 vols. (Loeb Classical 30 f. 2 Materialien zur Wirtschaftsgeschichte des Library 236; 269.) London / Cambridge (Mass.) Neuen Reiches, vol. 2. Ed. Wolfgang Helck. (Akade‑ 1929–1933, repr. 1958–1961, vol. 2, 196 f., VI. 29; on mie der Wissenschaften und der Literatur. Abhan‑ which see M. Borgolte, Foundations for the Salva‑ dlungen der Geistes‑ und Sozialwissenschaftli‑ tion of the Soul (2015), 93. chen Klasse, Jahrgang 1960, vol. 11.) Wiesbaden 4  Cf. M. Borgolte, Stiftungen des Mittelalters in 1961, 226; cf. Fitzenreiter, Statuenstiftung (2007); rechts‑ und sozialhistorischer Sicht (1988, repr. Meeks, Donations aux temples (1979). 2012), 10.

Autoren

Prof. Dr. Michael Borgolte (MB), geb. 1948, Professor für Geschichte des Mittelalters an der Humboldt‑ Universität zu Berlin (seit 1991). Leiter des „Instituts für Vergleichende Geschichte Europas im Mittelalter“ ebd. (seit 1998). Ord. Mitglied der Berlin‑Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (seit 2005) und der Academia Europaea (seit 2013). Werke u. a.: Christen, Juden, Muselmanen. Die Erben der Antike und der Aufstieg des Abendlandes, 300 bis 1400 n. Chr. München 2006; Stiftung und Memoria. Berlin 2012; Mittelalter in der größeren Welt. Essays zur Geschichtsschreibung und Beiträge zur Forschung. Berlin 2014. Dr. Zachary Chitwood (ZC), geb. 1983, schloss 2006 sein Studium der Geschichtswissenschaften am Ripon College (Wisconsin) mit einem B. A. ab und wurde dann 2012 an der Princeton University mit einer Dissertation zum Thema „Byzantine Legal Culture under the Macedonian Dynasty, 867–1056“ promoviert. Seitdem ist er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Byzantinistik beim ERC‑Projekt „Foundations in Medieval Societies, Cross‑Cultural Comparisons“ tätig. Dr. Stefan Knost (SK), geb. 1965, promoviert als Islamwissenschaftler 2004 an der Humboldt‑Uni‑ versität zu Berlin mit der Dissertation „Die Organisation des religiösen Raums in Aleppo. Die Rolle der islamischen Stiftungen (auqāf ) in der Gesellschaft einer Provinzhauptstadt des Osmanischen Reiches an der Wende zum 19. Jahrhundert“ (im Druck: Beirut 2009). Wissen‑ schaftlicher Mitarbeiter des Seminars für Arabistik und Islamwissenschaft an der Universität Halle‑Wittenberg und zeitweilig bei Foundmed für die Artikel 11 und 13. Dr. Emese Kozma (EK), geb. 1970, schloss ihr Studium der Germanistik und der Hungarologie an der Babeș‑Bolyai‑Universität Cluj 1993 mit einem M. A. ab; 2002 erwarb sie einen weiteren Ma‑ gistertitel im Fach Judaistik an der Eötvös‑Loránd‑Universität (ELTE) Budapest. PhD‑Studien im selben Fach an der ELTE, an der Freien Universität Berlin (2004–2005), an der Universität Tel Aviv (2005) und an der Hebräischen Universität Jerusalem (2005–2010), wo sie auch als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Genizah Bibliography Project tätig war; Promotion 2013 in Judaistik an der ELTE. Von 2013 bis 2015 war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin des ERC‑ Projekts Foundmed. Dr. Tillmann Lohse (TL), geb. 1975, Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Geschichtswis‑ senschaften der Humboldt‑Universität zu Berlin (seit 2002). Publikationen u. a.: Die Dauer der Stiftung. Eine diachronisch vergleichende Geschichte des weltlichen Kollegiatstifts St. Simon und Judas in Goslar. Berlin 2011; Europa in der Welt des Mittelalters. Ein Colloquium für und mit Michael Borgolte. Berlin 2014. Dr. Volker Olles (VO), geb. 1969, Sinologe mit dem Arbeitsschwerpunkt Religions‑ und Geistesge‑ schichte Südwest‑Chinas, von 2013 bis 2014 Mitarbeiter im Projekt Foundmed. Veröffentlichun‑ gen u. a.: Der Berg des Lao Zi in der Provinz Sichuan und die 24 Diözesen der daoistischen Religion. Wiesbaden 2005; Ritual Words. Daoist Liturgy and the Confucian Liumen Tradition in Sichuan Province. Wiesbaden 2013. Dr. Ignacio Sánchez (IS), geb. 1974, studierte Geschichte und Arabische Philologie an den Univer‑ sitäten Valencia und Salamanca; Promotion zum PhD 2011 in ‚Islamic and Middle Eastern History‘ an der Universität Cambridge mit einer Dissertation über „Al‑Jāḥiẓ’s Treatises on

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Autoren

the Imamate“. Von 2010 bis 2012 arbeitete er als Fachreferent und Handschriftenspezialist an der Universitätsbibliothek Cambridge. Zwischen Juni 2012 und Juni 2014 vertrat er die Islam‑ wissenschaft / Arabistik bei Foundmed und gehört dem Projekt seither als freier Mitarbeiter an. Zur Zeit ist er Research Fellow an der Universität Warwick (Großbritannien), wo er am Ibn Abī Uṣaibiʿa Project beteiligt ist. PD Dr. Annette Schmiedchen (AS), geb. 1966, hat Indologie studiert und wurde 1994 an der Humboldt‑ Universität zu Berlin über „Untersuchungen an Dorf‑, Land‑ und Geldschenkungsinschriften zugunsten buddhistischer Klöster in Nordindien vom 5. bis 8. Jahrhundert“ promoviert. Ihre Habilitation erfolgte 2009 an der Martin‑Luther‑Universität Halle‑Wittenberg mit der Schrift „Inschriftenkultur und Regionaltradition im frühmittelalterlichen Maharashtra: Legitimation politischer Herrschaft und offizielles religiöses Patronat unter den königlichen Dynastien der Rāṣṭrakūṭas, Śilāhāras und Yādavas vom 8. bis 13. Jahrhundert“ (erschienen u. d. T.: „Herr‑ schergenealogie und religiöses Patronat“ 2014 in Gonda Indological Studies, Bd. 17). Ausge‑ zeichnet mit dem Indischen Nationalpreis Padma‑Shri 2015. Wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Foundmed seit 2012. Philipp Winterhager, M. A. (PhW), geb. 1986, studierte an der Humboldt‑Universität zu Berlin Mittel‑ alterliche Geschichte und Klassische Archäologie. Seit seinem Magisterexamen 2011 arbeitet er an einer Dissertation über „Migration und Stadtgesellschaft: Griechischsprachige Migranten im frühmittelalterlichen Rom“ und wirkt als Wissenschaftlicher Mitarbeiter bei Foundmed mit.

Siglen

Periodica, Lexica und Reihen ABORI AJS AnIsl AoF ASIAR BEI BEO BMFD BMGS BSI BSOAS BZ CCCM CCSG CCSL CCT CFHB CIC CII CO CSEL CSHB DA DOP EAZ EI2 EJ2 EMA FMSt HRG2 HZ IA IHQ

Annals of the Bhandarkar Oriental Research Institute Association for Jewish Studies Annales Islamologiques Altorientalische Forschungen Archaeological Survey of India. Annual Report Bulletin d’Études Indiennes Bulletin d’Études Orientales Byzantine Monastic Foundation Documents. A Complete Translation of the Surviving Founders’ Typika and Testaments, 5. Bde. Ed. John Thomas / Angela Constantinides Hero. (Dumbarton Oaks Studies, Bd. 35.) Washington (DC) 2000. Byzantine and Modern Greek Studies Beiträge des Südasien‑Instituts, Humboldt‑Universität zu Berlin Bulletin of the School of Oriental and African Studies Byzantinische Zeitschrift Corpus Christianorum – Continuatio Mediaevalis Corpus Christianorum – Series Graeca Corpus Christianorum – Series Latina Corpus Christianorum in Translation Corpus Fontium Historiae Byzantinae Corpus Iuris Civilis Corpus Inscriptionum Indicarum Corpus orationum, 14 Bde. Hrsg. von Eugène Moeller / Johanes Maria Clément / Bertrand Coppieters ’t Wallant. (CCSL 160.) Turnhout 1992–2004. Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum Corpus Scriptorum Historiae Byzantinae Deutsches Archiv für Erforschung des Mittelalters Dumbarton Oaks Papers Ethnographisch‑Archäologische Zeitschrift Encyclopaedia of Islam, 2. Auflage, 12 Bde. Leiden 1960–2004. Encyclopedia Judaica, 2. Auflage, 22 Bde. Detroit 2007. Europa im Mittelalter. Abhandlungen und Beiträge zur historischen Komparatistik Frühmittelalterliche Studien Handwörterbuch zur deutschen Rechtsgeschichte, 2. Auflage. Berlin seit 2004. Historische Zeitschrift The Indian Antiquary Indian Historical Quarterly

624 IIJ IJMES IRAIK JAHRS JAIH JAOS JASBom JBBRAS JESHO JESI JGR JIABS JIH JIPh JNSI JÖB JOIB JPTS JRAS JRCAS JUB LMA MGH

Siglen

Indo‑Iranian Journal International Journal of Middle Eastern Studies Izvi͡estīi͡ a Russkago Arkheologicheskago Instituta vʺ Konstantinopole Journal of the Andhra Historical Research Society Journal of Ancient Indian History Journal of the American Oriental Society Journal of the Asiatic Society of Bombay Journal of the Bombay Branch of the Royal Asiatic Society Journal of the Economic and Social History of the Orient Journal of the Epigraphical Society of India Jus graeco‑romanum Journal of the International Association of Buddhist Studies Journal of Indian History Journal of Indian Philosophy Journal of the Numismatic Society of India Jahrbuch der Österreichischen Byzantinistik Journal of the Oriental Institute of Baroda Journal of the Pali Text Society Journal of the Royal Asiatic Society Journal of the Royal Central Asian Society Journal of the University of Bombay Lexikon des Mittelalters, 9 Bde. und ein Registerband. Bde. 1–6 München / Zürich 1980–1993, Bde. 7–9 und Registerband München 1995–1999. Monumenta Germaniae Historica Conc. Concilia DD Arn Die Urkunden Arnolfs. Ed. Paul Kehr. (Die Urkunden der deutschen Karolinger, Bd. 3.) Berlin 21956. DD F I Die Urkunden Friedrichs I., 5 Bde. Ed. Heinrich Appelt. (Die Urkun‑ den der deutschen Könige und Kaiser, Bd. 10.) Hannover 1975–1990. DD F II Die Urkunden Friedrichs II., bisher 4 Bde. Ed. Walter Koch. (Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd. 14.) Hannover 2002–2014. DD H II Die Urkunden Heinrichs II. und Arduins. Ed. Harry Breßlau / Hermann Bloch / Robert Holtzmann. (Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd. 3.) Berlin 21957. DD H III Die Urkunden Heinrichs III. Ed. Harry Breßlau / Paul Kehr. (Die Ur‑ kunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd. 5.) Berlin 1931. DD Karl Die Urkunden Karls III. Ed. Paul Kehr. (Die Urkunden der deutschen Karolinger, Bd. 2.) Berlin 1937. DD Kar. 1 Die Urkunden Pippins, Karlmanns und Karls des Großen. Ed. Engelbert Mühlbacher. (Die Urkunden der Karolinger, Bd. 1.) Berlin 21956. DD LD Die Urkunden Ludwigs des Deutschen, Karlmanns und Ludwigs des Jüngeren. Ed. Paul Kehr. (Die Urkunden der deutschen Karolinger, Bd. 1.) München 21980, 1–284. DD Lo I Die Urkunden Lothars I. und Lothars II. Ed. Theodor Schieffer. (Die Urkunden der Karolinger, Bd. 3.) Berlin / Zürich 1966, 1–365. DD Lo II Die Urkunden Lothars I. und Lothars II. Ed. Theodor Schieffer. (Die Urkunden der Karolinger, Bd. 3.) Berlin / Zürich 1966, 367–463.

Periodica, Lexica und Reihen

DD Mer.

MGWJ MIÖG ODB PG QSA REB RI ROMM SAS StG StII TM TRE TS VSWG WZKSO ZDMG ZfG ZGO ZRG

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Die Urkunden der Merowinger, 2 Bde. Ed. Theo Kölzer. Hannover 2001. DD O I Die Urkunden Konrad I. Heinrich I. und Otto I. Ed. Theodor Sickel. (Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd. 1.) Berlin 21956, 80–638. DD O II Die Urkunden Otto des II. Ed. Theodor Sickel. (Die Urkunden der deutschen Könige und Kaiser, Bd. 2.1.) Berlin 21956. DD Zw Die Urkunden Zwentibolds und Ludwigs des Kindes. Ed. Theodor Schieffer. (Die Urkunden der deutschen Karolinger, Bd. 4.) Berlin 1960, 1–71. Fontes iuris Fontes iuris Germanici antiqui in usum scholarum separatim editi Libri mem. N. S. Libri memoriales et Necrologia, Nova Series Necr. Necrologia Germaniae SS Scriptores (in folio) SS rer. Germ. Scriptores rerum Germanicarum in usum scholarum separatim editi SS rer. Germ. N. S. Scriptores rerum Germanicarum, Nova Series SS rer. Merov. Scriptores rerum Merovingicarum Monatschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums Mitteilungen des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung The Oxford Dictionary of Byzantium, 3 Bde. New York / Oxford 1991. Patrologiae Cursus Completus. Series Graeca, 161 Bde. Ed. Jacques Paul Migne. Paris 1857–1866. Quaderni di Studi Arabi Revue des études Byzantines Regesta Imperii Revue de l’Occident Musulman et de la Méditerranée South Asian Studies StiftungsGeschichten Studien zur Indologie und Iranistik Travaux et Mémoires Theologische Realenzyklopädie, 36 Bde. Berlin / New York 1977–2004. Taylor‑Schechter Geniza Collection. Cambridge University Library Vierteljahrschrift für Sozial‑ und Wirtschaftsgeschichte Wiener Zeitschrift für die Kunde Süd‑ und Ostasiens Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft Zeitschrift für Geschichtswissenschaft Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins Zeitschrift der Savigny‑Stiftung für Rechtsgeschichte GA Germanistische Abteilung KA Kanonistische Abteilung

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Siglen

Kanonische Texte Bücher der Bibel werden nach der TRE abgekürzt. 2 Mac Sir Tob

Zweites Buch Makkabäer Jesus Sirach Tobit, Tobias

bT / jT

babylonischer Talmud / Jerusalemer Talmud Ar Traktat ,Arakhin‘ Bava Batra Traktat ‚Bava Batra‘ Bava Meṣ Traktat ‚Bava Meṣia‘ Bek Traktat ,Bekhorot‘ Ber Traktat ‚Berakhot‘ BQ Traktat ,Bava Qamma‘ Ḥag Traktat ‚Ḥagigah‘ Hor Traktat ,Horayot‘ Ket Traktat ‚Ketubbot‘ Ned Traktat ,Nedarim‘ Pes Traktat ,Pesaḥim‘ Qid Traktat ,Qiddushin‘ RH Traktat ‚Rosh Ha‑Shanah‘ Sanh Traktat ‚Sanhedrin‘ Shab Traktat ‚Shabbat‘ Sot Traktat ‚Sota‘ Taʿan Traktat ‚Taʿanit‘ Mischna‑Traktat ‚Avot‘ Mischna‑Traktat ‚Megillah‘ Mischna‑Traktat ‚Qiddushin‘ Mischna‑Traktat ‚Sheqalim‘ Mischna‑Traktat ‚Berakhot‘ aus der Tosefta

m Av m Meg m Qid m Sheq t Ber Q

Qurʾān, Koran; deutsch zitiert nach: Der Koran. Aus dem Arabischen neu übertragen von Hartmut Bobzin unter Mitarbeit von Katharina Bobzin. München 2010, ND 2012; englisch zitiert nach: The Holy Qurʾan. Text, Translation and Commentary by Abdullah Yusuf Ali. Lahore 31938, ND Elmhurst (NY) 2001.

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Religiöse Stiftungen in China

1  Allgemeines Wie in anderen alten Kulturen waren im traditionellen China Stiftungen ein inte‑ graler Bestandteil der Lebenswirklichkeit. Der Vorgang des Stiftens war in allen Pha‑ sen der chinesischen Geschichte zwischen 500 und 1500 präsent und spielte in den Bereichen Religion, Politik, Wirtschaft, Kunst, Wohltätigkeit und Bildung – um nur einige Schlagwörter zu nennen – eine bedeutende Rolle. Obwohl Stifterinnen und Stifter1 mehrheitlich den wohlhaben‑ den Bevölkerungsschichten entstammten und häufig Mitglieder des Adels bzw. der Gentry waren, war das Stiften mitunter auch ein kollektiver Akt, an dem Perso‑ nen mit völlig verschiedenen sozialen und beruflichen Hintergründen beteiligt wa‑ ren. Zahlreiche groß angelegte Stiftungen dienten der Legitimation von Herrschern und Dynastien oder manifestierten sich als kaiserliches Patronat in allen Teilen des Reiches, was in der Regel auch die ad‑ ministrative Kontrolle etwa über buddhis‑ tische Klöster stärken sollte. Trotz dieser deutlich sichtbaren Präsenz von staatli‑ cher oder herrschaftlicher Stiftertätigkeit hatte das Stiften in China auch ein ande‑ res Gesicht, von dem wir annehmen kön‑ nen, dass es die Mehrheit der Stiftungen

repräsentierte: Zum einen gab es lokale Machtstrukturen, die – je nach Epoche der chinesischen Geschichte mehr oder weniger ausgeprägt – von Großfamilien oder Klans getragen wurden. Mitglieder dieser Familien waren als Stifter und loka‑ le Entscheidungsträger von größter Bedeu‑ tung. Zum anderen schlossen sich Bauern, Handwerker, Händler und auch Kleriker2 zu religiös geprägten Vereinigungen zu‑ sammen, die Stiftungen ins Leben rufen oder zu ihrem Fortbestand beitragen konn‑ ten. In Form von Zustiftungen und durch die Beteiligung an kollektiven Stiftungen konnten auch weniger vermögende Per‑ sonen ihren Platz in der chinesischen Stif‑ tungslandschaft finden. Es spricht daher nichts dagegen, diese Phänomene – im Unterschied zu Stiftungen durch das Kai‑ serhaus oder hohe Regierungsbeamte – als p r i v a t e Stiftungstätigkeit zu definieren. Es ist gewiss ein lohnendes Unterfangen und bedeutendes Forschungsdesiderat, den von Michael Borgolte vertretenen interdis‑ ziplinären Ansatz der Stiftungsforschung weiter nach Ostasien auszudehnen. Mit dem vorliegenden Beitrag wird versucht, einen ersten Schritt in diese Richtung zu ge‑ hen und einen Zugang zum Stiftungswesen

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Chinas herzustellen. Dabei ist hervorzu‑ heben, dass es in der Sinologie und ande‑ ren China‑bezogenen Wissenschaften eine eigentliche ‚Stiftungsforschung‘ nicht gibt. Ähnlich wie in anderen Disziplinen stellt die Fokussierung auf Stiftungen auch in der Sinologie noch Neuland dar, obgleich Un‑ mengen von relevanten Quellen vorliegen und der Vorgang des Stiftens auch schon in der sinologischen Forschung beobachtet und dokumentiert worden ist. Der hier gewählte Zugang zum chine‑ sischen Stiftungswesen über den themati‑ schen Schwerpunkt ‚Religion‘ bedarf einer Erklärung. Dass religiöse Stiftungen hier im Mittelpunkt stehen, wird die meisten Leser der ‚Enzyklopädie des Stiftungswe‑ sens in mittelalterlichen Gesellschaften‘ nicht überraschen. Innerhalb der Sinolo‑ gie, eines Fachs, das der Erforschung des Gesamtphänomens ‚China‘ verpflichtet ist, ist die Konzentration auf religiöse Aspekte der chinesischen Geschichte und Kultur hingegen nur ein Teilbereich, der gerade in der deutschen China‑Forschung häufig unterrepräsentiert ist. Es ist aller‑ dings eine Tatsache, dass Religionen ganz wesentlich die chinesische Kultur im All‑ gemeinen und die dortige Stiftungskultur im Besonderen geprägt haben. Da in Er‑ mangelung einer sinologischen Stiftungs‑ forschung der Zugang zu dieser Thematik über einen für die betrachtete Epoche re‑ levanten Teilbereich erfolgen muss, bietet sich die traditionelle Religiosität Chinas in geradezu idealer Weise an; sie verfügt über ein Höchstmaß an Anknüpfungs‑ punkten und Vergleichsmög lichkeiten mit anderen mittelalterlichen Stiftungs‑ kulturen. Auch zwingen die Größe und Vielfalt der chinesischen Welt sowie ihre sprachliche und kulturelle Andersartig‑ keit zu einem selektiven Vorgehen bei dieser ersten Annäherung an das dortige Stiftungswesen.

Religiöse Stiftungen in China

Ein weiteres Problem, das an dieser Stelle zu erläutern ist, stellt der Begriff ‚Mittelalter‘ selbst dar. Der Bereich, für den dieser Terminus normalerweise An‑ wendung auf die chinesische Geschichte findet, weicht oft wesentlich von dem Zeit‑ raum ab, der im europäischen Kulturkreis als ‚Mittelalter‘ bezeichnet wird. China besaß im Unterschied zu Indien ein ausge‑ prägtes Geschichtsbewusstsein, was sich unter anderem in einer nach Dynastien und Regierungsepochen unterteilten tra‑ ditionellen Historiographie äußert. Rund zweitausend Jahre lang haben chinesische Historiker eine lange Reihe offizieller Dy‑ nastiegeschichten geschaffen – in einer teilweise auch persönlich und moralisch gefärbten Retrospektive. Die traditionel‑ len ‚24 Dynastiegeschichten‘ (Ershisi shi 二十四史) sind ein Zyklus von Chroniken, Biographien und Abhandlungen, die in über 3 000 Kapiteln ein Bild der chine‑ sischen Geschichte von den legendären Urherrschern bis ins Jahr 1644 zeichnen.3 Die von diesem reichen literarischen Fun‑ dus repräsentierte Auffassung der chinesi‑ schen Geschichte als Abfolge von Dynasti‑ en wurde von den China‑Wissenschaften einerseits übernommen, andererseits aber auch um weitere Oberbegriffe und Konzep‑ te ergänzt. Die monumentale ‚Cambridge History of China‘, eine unter der Federfüh‑ rung von Denis C. Twitchett (1925–2006) und John K. Fairbank (1907–1991) begon‑ nene Buchreihe, spiegelt in ihrem auf das chinesische Kaiserreich bezogenen Teil die traditionelle Einteilung noch deutlich wider.4 Es ist zu beachten, dass Begriffe wie ‚Mittelalter‘ und ‚medieval China‘ in der Sinologie meistens zur Bezeichnung eines früheren Zeitraums, etwa 200–600 u. Z.,5 verwendet werden. Diese Phase der chinesischen Geschichte nach dem Ende der Han‑Dynastie (206 v. u. Z. bis 220 u. Z.) war sowohl vom Zusammenbruch der

Allgemeines

früheren politischen Ordnung als auch von einer starken Religiosität geprägt, weshalb viele China‑Historiker sie mit dem europä‑ ischen Mittelalter verglichen haben. Auch in dem weit verbreiteten Standardwerk ‚Die chinesische Welt‘ von Jacques Gernet wird die Zeit vom 3. bis 6. Jahrhundert als chinesisches ‚Mittelalter‘ bezeichnet.6 Der hier im Mittelpunkt stehende Zeit‑ abschnitt von 500 bis 1500 umfasst in der Geschichte Chinas wichtige Dynastien mit mehr oder weniger zentralistischer Verwaltung sowie Phasen der Zersplitte‑ rung und ‚Fremdherrschaft‘. Die gesamte historische Entwicklung des chinesischen Kaiserreiches oszillierte zwischen der re‑ lativen Stabilität eines großen Reiches und dem Zerfall des Territoriums in kleinere, oft kurzlebige Staatsgebilde, wobei letz‑ terer Zustand meistens, wenn auch nicht immer, auf das Eindringen nomadischer Grenzvölker zurückzuführen war. Seit dem Altertum existierte in China das Ideal des Zentralstaats: tianxia 天下 (‚alles unter dem Himmel‘). Die kleinen Reiche weit‑ gehend unabhängiger Feudalfürsten im chinesischen Kernland, etwa acht Jahr‑ hunderte lang zusammengehalten durch Bündnisse und die zunehmend nominel‑ le Oberhoheit des Königtums der Zhou, wurden nach einer kriegerischen Phase von Chinas erstem Kaiser, dem Herrscher des Reiches der Qin, im Jahre 221 v. u. Z. vereint. Der Zentralstaat war somit Rea‑ lität geworden. Darauf folgten – in einem zunehmend ausgedehnten Staatsgebiet – große Dynastien chinesischer Herrscher‑ häuser wie die der bereits erwähnten Han sowie der Tang (618–907), Song (960–1279) und Ming (1368–1644). Wenn Teile des Reiches oder ganz Chi‑ na von ‚Fremdvölkern‘ erobert wurden, hing der Bestand ihrer Dynastien wesent‑ lich von der Geschicklichkeit der neuen Herrscher ab, sich an chinesische Kultur

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und Gepflogenheiten anzupassen. ‚Fremd‑ herrscher‘ mussten sich grundsätzlich der chinesischen Verwaltungsstrukturen be‑ dienen und sich in chinesische Riten‑ und Repräsentationsformen fügen. Mäßigen Erfolg hatten dabei die Mongolen, deren Yuan‑Dynastie (1279–1368) nur knapp 90 Jahre lang über China herrschte. Äußerst geschickt waren hingegen die Mandschus, die mit ihrer Qing‑Dynastie (1644–1911) Chi‑ na eine gewaltige Ausdehnung und späte kulturelle Blüte bescherten, bis erstarrte und korrupte Machtstrukturen in Ver‑ bindung mit dem aggressiven Eindringen ausländischer Mächte das Ende des chine‑ sischen Kaiserreiches einläuteten. Das in der vorliegenden Enzyklopädie betrachtete ‚mittelalterliche Jahrtausend‘ umfasst also die Tang‑, Song‑ und Yuan‑ Dynastie sowie die frühe Ming‑Zeit und eine Reihe von kürzeren Dynastien und regional begrenzten Reichen, deren Herr‑ scher zum Teil den Nachbarvölkern Chinas entstammten. In Bezug auf das Stiftungs‑ wesen ist anzumerken, dass sowohl chi‑ nesische Kaiser als auch ‚fremdvölkische‘ Herrscher sich zu Legitimationszwecken häufig der Religion bedienten, was zu einer regen Stiftertätigkeit auf höchster Ebene führte. In der Tang‑Dynastie war beispielsweise der Daoismus zeitweise Staatsreligion, doch zugleich war diese wichtige Epoche der chinesischen Kultur auch eine Blütezeit des in China heimisch gewordenen Buddhismus. Die traditionelle chinesische Religio‑ sität kann uns vor allem auch deshalb ei‑ nen Zugang zum Stiftungswesen Chinas verschaffen, weil durch diese thematische Eingrenzung eine gezielte Literaturrecher‑ che erst möglich wird. Durch das Fehlen ei‑ ner eigentlichen Stiftungsforschung würde eine beliebige Suche nach dem Phänomen ‚Stiftung‘ auf dem weiten Feld der China‑ Wissenschaften zu keinem brauchbaren

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Ergebnis führen. Doch selbst in der Lite‑ ratur zu chinesischen Religionen stehen Stiftungsgeschichten an sich nie im Fokus der Studien. Wie Barbara Schuler in einer rezenten Publikation zu bedenken gibt, „haben die mit den Religionen befassten Wissenschaften dem Stifter‑ und Mäzena‑ tentum noch nicht das Interesse entgegen‑ gebracht, das seiner vermutlichen Rolle im Religionsbetrieb angemessen wäre“, wobei sich ihre Beobachtung nicht ausschließlich auf China bezieht.7 Obwohl sinologische Studien, die sich speziell der Stiftungs‑ thematik widmen, meines Wissens nicht vorliegen, enthalten Arbeiten zur chine‑ sischen Religionsgeschichte oft eine Fülle von Informationen, die für die Stiftungsfor‑ schung nutzbar gemacht werden können. Vor allem Jacques Gernets bahnbrechen‑ de Studie über die wirtschaftlichen As‑ pekte des chinesischen Buddhismus vom 5. bis zum 10. Jahrhundert kann in diesem Bereich bereits als Klassiker gelten.8 Da Gernets Werk auf einer breiten Quellen‑ grundlage die wichtigsten Grundzüge und Termini des buddhistischen Stiftungswe‑ sens in China vermittelt und sich weitge‑ hend auf den hier betrachteten Zeitraum bezieht, wird im Folgenden häufig auf diese Studie verwiesen.9 In jüngerer und jüngs‑ ter Zeit steuerte die China‑bezogene For‑ schung Einzelstudien über bestimmte Orte und Klöster sowie politische oder dynas‑ tische Hintergründe des Stiftens bei. Flo‑ rian C. Reiter thematisierte in den 1980er und 1990er Jahren in mehreren Beiträgen die Beziehung des Daoismus, Chinas ein‑ heimischer Religion, zu Herrschern und Eliten, die häufig mit der Stiftung von Tem‑ peln und dem ‚Sponsoring‘ kanonischer Schriftensammlungen verbunden war.10 Stiftungsgeschichten erzählt auch die Mo‑ nographie von Paul R. Katz über einen daoistischen Tempel, der in der Mongolen‑ Zeit entstand, und dessen spektakuläre

Religiöse Stiftungen in China

Wandbilder.11 Livia Kohn fügte in ihrer Monographie über monastisches Leben im mittelalterlichen Daoismus diesen Aspek‑ ten auch eine komparatistische Perspektive hinzu, indem sie bei der Betrachtung des Gesamtphänomens ‚Monastizismus‘ As‑ pekte und Entwicklungen der daoistischen Praxis mit christlichen, (sowohl indischen als auch chinesischen) buddhistischen und hinduistischen Formen vergleicht. Zeitlich beschränkt sie ihre Untersuchung auf die Periode zwischen dem späten 6. Jahrhun‑ dert und der Mitte des 8. Jahrhunderts, da aus diesem Zeitraum eine Fülle von zeit‑ genössischen daoistischen Quellentexten vorliegt.12 Studien über buddhistische Grotten‑ heiligtümer und Felsskulpturen in China sind zu zahlreich, um hier aufgezählt zu werden. Es wird dabei auch deutlich, dass bei der Forschung über das Phänomen ‚Stif‑ tung‘ in China nicht nur Arbeiten des stark textorientierten Faches Sinologie, sondern auch Publikationen aus dem Bereich der Ostasiatischen Kunstgeschichte beachtet werden müssen. Ein gutes Beispiel für ei‑ nen solchen kunsthistorischen Beitrag ist das Buch von Angela Falco Howard über die vorwiegend Song‑zeitlichen Skulptu‑ ren des Grottenheiligtums von Dazu 大足, in dem die Autorin auch auf den sozialen, politischen und religiösen Kontext der Ent‑ stehung des Heiligtums eingeht.13 Beiträge von James Robson und Eugene Wang sowie eine Monographie von Mi‑ chael Walsh zählen zu den aktuellsten Studien über buddhistische Klöster und Kunstwerke im mittelalterlichen China.14 Walsh knüpft in seiner Darstellung an die Arbeiten von Gernet an, stellt aber das 13. Jahrhundert und einige Großklöster in der heutigen Provinz Zhejiang 浙江 (Ost‑ china), mit Hauptaugenmerk auf dem Klos‑ ter Tiantong Si 天童寺 (‚Kloster des Him‑ melsknaben‘), in den Mittelpunkt, wogegen

Traditionelle Religiosität: Daoismus und Buddhismus

Gernet sich auf frühere Quellen, darunter zahlreiche Textdokumente aus der Oa‑ senstadt Dunhuang 敦煌 im Westen Chi‑ nas, stützt. Die Studie von Walsh ergänzt Gernets Ausführungen damit um spätere, zum Teil bis heute als Kloster existierende Beispiele – allerdings ohne das Phänomen ‚Stiftung‘ zu thematisieren. Dabei könn‑ ten die von ihm beschriebenen imperial sanktionierten Großklöster durchaus als kaiserliche Stiftungen gelten. Zumindest widmet sich Walsh ausführlich dem wich‑ tigsten Mechanismus, der chinesischen religiösen Stiftungen zugrunde liegt: der Erzeugung sowie dem Austausch und der Übertragung von Verdienst. Abschließend soll noch kurz auf einen Artikel von Amy McNair eingegangen wer‑ den, der kürzlich in dem von Barbara Schu‑ ler herausgegebenen Band über Stifter und Mäzene und ihre Rolle in der Religion er‑ schienen ist.15 McNairs Arbeit bezieht sich auf die Nördliche Wei‑Dynastie (386–534), die zur Vor‑ und Frühphase des hier be‑ trachteten ‚mittelalterlichen Jahrtausends‘ gehört. Nach McNair hatte die Stiftung buddhistischer Monumente (Gebäude und Grotten mit Steinskulpturen) unter den Nördlichen Wei, deren Herrscher dem Volk der Tabgatsch entstammten und große Tei‑ le Nordchinas erobert hatten, vor allem politische Ziele, nämlich die Legitimati‑ on der ‚Fremdherrscher‘ im chinesischen

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kulturellen und religiösen Umfeld. Die neuen Herrscher und ihre Regierungssit‑ ze auf chinesischem Boden sollten quasi zu Avataren altindischer buddhistischer Persönlichkeiten (etwa des Königs Aśoka) oder mythischer heiliger Stätten werden. Weit verbreitet war der Glaube, Indien und China lägen beide auf dem südlichen Kontinent des buddhistischen Kosmos: Jambudvīpa.16 So überzeugend die stark kunsthistorisch geprägte Argumentation von McNair auch ist, zum eigentlichen Thema Stiftung sagt sie wenig. Vielmehr geht es um den Z w e c k der gestifteten Monumente, also die politische Agenda hinter den frommen Bauprojekten und Kunstwerken: Legitimation und Verdienst. Dieser kurze Einblick in sinologische Arbeiten mit Bezug zur Stiftungsforschung zeigt nicht nur die Vielfalt und Breite des Feldes, sondern auch eine grundlegende Problematik: Selbst in solchen Studien, in denen der Vorgang des Stiftens bzw. ge‑ stiftete Institutionen oder Gegenstände eine wichtige Rolle spielen und entspre‑ chende Quellen ausgewertet werden, steht das Thema Stiftung nicht im Mittelpunkt und wird mitunter gar nicht zur Sprache gebracht. Der Zugang zum Stiftungswesen Chinas muss also auf Umwegen und auf der Grundlage disparater Forschungsansätze gesucht werden.

2 Traditionelle Religiosität: Daoismus und Buddhismus Das Stiftungswesen wurde überall vom po‑ litischen, religiösen und kulturellen Kon‑ text der jeweiligen Region und Gesellschaft geprägt. Zum besseren Verständnis der Manifestationen religiöser Stiftungen in

China und ihrer besonderen Eigenschaften sollen nun die Grundzüge der traditionel‑ len Religiosität Chinas erläutert werden. Die chinesische Tradition war von einem religiösen Pluralismus geprägt, der auch

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heute noch auf Taiwan und – mit gewis‑ sen Einschränkungen – in der Volksre‑ publik China fortbesteht. Während auch verschiedene Formen des Christentums und der Islam in China dauerhaft Fuß gefasst haben, blieben diese monotheis‑ tischen Lehren ‚Fremdreligionen‘, deren Absolutheitsanspruch und Vorstellung ei‑ ner grundsätzlichen Gnadenbedürftigkeit des Menschen nicht der chinesischen Tra‑ dition entsprechen. Dass auch das Chris‑ tentum und vor allem der Islam in China Stiftungsgeschichte geschrieben haben, kann als sicher gelten. Gerade ihr Status als Minderheitsreligionen wird Stiftungen und ähnliche Versorgungsmechanismen zur Sicherung ihres Fortbestands erfor‑ dert haben.17 Historisch und kulturell bedeutsa‑ mer waren aber zweifellos Buddhismus und Daoismus, die zusammen mit dem früher staatstragenden konfuzianischen Wertesystem den ‚Club‘ der Drei Lehren (sanjiao 三教) und damit quasi den spi‑ rituellen Mainstream des traditionellen China bilden. Der Terminus ‚Drei Lehren‘ ist einerseits ein Sammelbegriff für Kon‑ fuzianismus, Daoismus und Buddhismus, wobei bereits deutlich wird, dass – vor allem im Hinblick auf den Konfuzianis‑ mus – der europäische Religionsbegriff sowie die Unterscheidung zwischen Phi‑ losophie und Religion nicht problemlos auf die chinesische Tradition übertragen werden können. Andererseits steht sanjiao bzw. sanjiao heyi 三教合一 (‚Einheit der Drei Lehren‘) auch für eine harmonisie‑ rende Tendenz in der Geistesgeschichte Chinas, die seit der Song‑Dynastie immer mehr in den Vordergrund trat und nach der Konfuzianismus, Daoismus und Bud‑ dhismus wie verschiedene Zweige eines einzigen Baumes und letztlich als Einheit zu verstehen seien.18 Im vorliegenden Bei‑ trag wird der Ausdruck ‚Drei Lehren‘ im

Religiöse Stiftungen in China

Sinne des oben genannten Sammelbegriffs als Synonym für das traditionelle religiöse System Chinas verstanden. Die Entwicklung der Drei Lehren wur‑ de stark von ihrem Verhältnis zum Staat geprägt: „These systems either distinguish themselves from the state, as in the case of Buddhism and, to a lesser extent, Dao‑ ism, or continue to identify themselves entirely with the state, as in Confucian‑ ism. To put it another way, hitherto the state was the church; henceforth, the state had rival social organizations.“19 Seit dem 2. Jahrhundert u. Z. traten Buddhismus und Daoismus zunehmend als organisierte Religionsgemeinschaften auf. Das obige Zitat von John Lagerwey zeigt auch, dass der Begriff ‚Staat‘ in der sinologischen Literatur ohne Bedenken verwendet wird, und in der Tat war China über lange Zeit‑ räume des ‚mittelalterlichen Jahrtausends‘ ein zusammenhängendes Staatsgebilde mit einheitlicher Verwaltung. Neben einem eigenen Staatskult förderten chinesische Herrscher auch – je nach dynastischer oder persönlicher Vorliebe mit unterschiedli‑ chem Schwerpunkt – Buddhismus und Daoismus. Dadurch sollte einerseits Segen für das Reich erwirkt werden, andererseits war auch die Kontrolle der Religionsge‑ meinschaften ein wichtiges Ziel. Tatsäch‑ lich wurden in China religiöse Aktivitäten auf lokaler Ebene privat organisiert und waren durch Tempelnetzwerke, Berufs‑ priester, Laienkongregationen und rela‑ tiv unabhängige Klöster gekennzeichnet, so dass sich die unmittelbare staatliche Kontrolle vor allem auf kaiserlich sankti‑ onierte Großklöster und offizielle Tempel beschränkte. Dennoch blieb der Zusam‑ menhang von Religion und Politik eng. So war es seit der Song‑Dynastie gängige Praxis, populäre lokale Gottheiten durch die Verleihung von Titeln staatlich anzuer‑ kennen, wozu Lagerwey schreibt: „Insofar

Traditionelle Religiosität: Daoismus und Buddhismus

as the process cannot but remind us of the way the medieval Catholic church vetted candidates for sainthood, it also reminds us that, in China, the real church was the state. That is, in spite of the emergence of the institutional religions of Buddhism and Daoism – referred to above as social organizations that in some sense rivaled the state – the underlying and far more ancient tradition that identified church and state, religion and politics, remained dominant.“20 Zur Zeit des chinesischen Kaiserreiches war es die Lehre des Konfuzius (chinesisch: Kongzi 孔子 ‚Meister Kong‘; 551–479 v. u. Z.), die den familiären und staatlichen Hi‑ erarchien ihre ethische Prägung verlieh. Bildung, Lernen und vor allem moralische Vervollkommnung in Verbindung mit Eti‑ kette und der Pflege altehrwürdiger Tra‑ ditionen propagierten Konfuzius und an‑ dere Denker des Altertums, deren Lehren später unter dem Begriff ‚Konfuzianismus‘ (chinesisch: Rujia 儒家) vereint wurden. Ein konfuzianischer Schriftenkanon, be‑ stehend aus den antiken ‚Fünf Klassikern‘ (wujing 五經) sowie Konfuzius und seinen Nachfolgern zugeschriebenen Werken, die in der Song‑Zeit als die ‚Vier Bücher‘ (sishu 四書) kanonisiert wurden,21 sollte bis 1905 zum Prüfungsstoff für die staatlichen Beamtenprüfungen gehören. Von zentraler Bedeutung in der konfuzianischen Lehre sind Begriffe wie ‚Menschlichkeit‘ (ren 仁) und ‚Rechtlichkeit‘ (yi 義). Im Konfuzia‑ nismus geht man also davon aus, dass der Mensch das Potenzial besitzt, seine Um‑ welt positiv zu gestalten. Durch moralisch korrektes und verantwortungsvolles Han‑ deln innerhalb der sozialen Beziehungen kann er sein von Geburt an gutes Wesen entfalten und vervollkommnen. Ein im heutigen China weniger beachteter Kern‑ gedanke des konfuzianischen Denkens ist, dass ein guter Herrscher nicht durch

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Gewalt, sondern durch Charisma und Tu‑ gend regiert. Dies impliziert ausdrücklich, dass ein unmenschlicher oder tugendloser Herrscher vom Volk abgesetzt werden darf. Der Konfuzianismus ist nach unserem westlichen Verständnis keine Religion im engeren Sinne.22 Er ist aber auf keinen Fall als Atheismus oder gar Materialismus zu betrachten, da er den Menschen als beseeltes Wesen versteht und den Him‑ mel als höchste Instanz ansieht. Ferner werden im Konfuzianismus, der übrigens auch dem Ahnenkult eine wichtige Rolle zuschreibt, spirituelle Praktiken und die Verehrung von Gottheiten überhaupt nicht abgelehnt. Da Konfuzius sich – nach den überlieferten Texten – nicht zu metaphysi‑ schen und spirituellen Fragen geäußert hat, wurde die konfuzianische Lehre vielfach als grundsätzlich areligiös missverstanden. Auf die Frage, was Weisheit sei, antwortete Konfuzius: „Sich seinen Pflichten gegen‑ über dem Volk widmen; Geister und Gott‑ heiten ehren und ihnen fern bleiben – das kann man Weisheit nennen.“23 Der Passus „Geister und Gottheiten ehren und ihnen fern bleiben“ (jing gui shen er yuan zhi 敬鬼神而遠之) wurde häufig als Hinweis auf eine besonders diesseitige Orientierung des Konfuzius und seine Ablehnung des Übernatürlichen gedeutet. Davon abgese‑ hen, dass allein die Formulierung Konfuzi‑ us’ Überzeugung von der Existenz höherer Mächte beweist, ist dieses Abstandhalten zu Geistern und Gottheiten wohl eher als Mahnung zu einer respektvollen Erfüllung der rituellen Pflichten gegenüber dieser Sphäre zu verstehen – mit gebührendem Abstand und ohne sich (etwa durch über‑ triebene Opfergaben) einzuschmeicheln.24 Der Konfuzianismus stand also trotz seiner rationalen Ausrichtung nicht im Gegensatz zu Spiritualität und Religion. Die ethischen Ideale der konfuzianischen Tradition werden daher bis heute auch

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von den zwei Hauptreligionen des chi‑ nesischen Volkes propagiert, die im Fol‑ genden vorgestellt werden. Zuständig für die eigentlichen religiösen Bedürfnisse aller Bevölkerungsschichten waren näm‑ lich im traditionellen China (und sind es auch noch heute) zwei Lehren, deren Bezie‑ hung zueinander sowohl von gegenseitiger Durchdringung als auch von Konkurrenz geprägt ist: der Buddhismus (Fojiao 佛教) und der Daoismus (Daojiao 道教). Auch der konfuzianisch gebildete Beamte im mittel‑ alterlichen China, der – etwa für das See‑ lenheil seiner verstorbenen Eltern – eine religiöse Stiftung ins Leben rufen oder sich an einer kollektiven Stiftung beteiligen wollte, wandte sich mit seinem Anliegen an buddhistische oder daoistische Institutio‑ nen, die einerseits als Nutznießer von Stif‑ tungen in Frage kamen und andererseits durch ihren besonderen Status religiöses Verdienst ‚produzieren‘, potenzieren und übertragen konnten. Obwohl der Buddhismus zahlenmäßig, etwa in Bezug auf die Anzahl der Klöster und Kleriker, immer überlegen war und er die chinesische Religionsgeschichte wie keine andere Lehre geprägt hat, ist der nun folgende Abschnitt dem Daoismus25 gewidmet, der als genuin chinesische Tra‑ dition auch dem oben behandelten Konfu‑ zianismus näher steht. Der Daoismus ist die einzige einheimische Religion Chinas, in der sich die ältesten Glaubensvorstel‑ lungen der Chinesen bis heute erhalten haben. Die Lehre vom Dao 道 (wörtlich: ‚Weg‘), dem universalen kosmischen Prin‑ zip und Urgrund des Seins, war im Wes‑ ten lange Zeit fast ausschließlich durch die der Philosophie zugerechneten Ab‑ handlungen einiger Denker des chinesi‑ schen Altertums bekannt. Vor allem das ‚Buch vom Dao und seiner Kraft‘ (Daode jing 道德經) des legendären Weisen Lao‑ zi 老子 (5.–4. Jahrhundert v. u. Z.) ist in

Religiöse Stiftungen in China

zahlreichen Übersetzungen zugänglich.26 Diese teilweise mystischen Ausführungen wurden in ihrem Ursprungsland schon früh in einem religiösen Sinn interpretiert. Das kleine Weisheitsbuch wurde ferner mit meditativen und physiologischen Übungen zur Verlängerung des Lebens oder gar zur Erlangung der Unsterblichkeit in Verbin‑ dung gebracht. Dabei ist anzumerken, dass diese ‚Unsterblichkeit‘ eher einen trans‑ zendenten Zustand umschreibt und nicht die körperliche Überwindung des Todes. Dennoch wurden mit diesem spirituel‑ len Ziel zu allen Zeiten auch sehr kon‑ krete Vorstellungen verbunden, was das Interesse am Daoismus vor allem bei der Oberschicht erheblich steigerte. Tatsäch‑ lich fanden mehrere chinesische Kaiser nach der Einnahme von alchemistischen Unsterblichkeits‑Elixieren den Tod.27 Die in bestimmten daoistischen Kreisen gepflegte operative Alchemie trat allerdings zuneh‑ mend hinter Systeme der rein meditativen Selbstkultivierung zurück, in denen die alchemistische Terminologie nur noch eine symbolische Funktion hatte. Natürlich gab die nachgewiesene Nutzung alchemisti‑ scher Praktiken durch daoistische Adepten mancher Kritik am Daoismus den schärfs‑ ten Stachel. Es wäre allerdings verfehlt, in der Alchemie die Hauptströmung der daoistischen Religion zu sehen. Liturgische Praktiken und meditative Übungen spiel‑ ten eine weitaus wichtigere Rolle. Laozi selbst wurde zu einer kosmischen Gottheit, die der Menschheit in allen Zeit‑ altern als Lehrmeister erscheint, und es entwickelte sich eine religiöse Lehre vom Dao, die auch liturgische und exorzistische Praktiken beinhaltet und im 2. Jahrhun‑ dert u. Z. zunächst die Form von Volks‑ bewegungen annahm. Eine der frühes‑ ten daoistischen Gemeinschaften, die als ‚Weg der Himmelsmeister‘ (Tianshi dao 天師道) bekannt ist, wurde – so berichten

Traditionelle Religiosität: Daoismus und Buddhismus

traditionelle Quellen – von Zhang Daoling 張道陵 (1.–2. Jahrhundert u. Z.) auf dem Gebiet der heutigen Provinz Sichuan 四川 in Südwest‑China gegründet.28 Von einzelnen Kaisern gefördert, ent‑ wickelte sich der Daoismus allmählich zu einer Hochreligion mit einem gewaltigen Pantheon, das auch viele Gottheiten aus dem Volksglauben in sich aufnahm. An der Spitze des Pantheons steht spätestens seit der Tang‑Zeit die abstrakte Trinität der ‚Drei Reinen‘ (Sanqing 三清), die drei As‑ pekte des Dao repräsentiert: die kosmische, kreative und im Prinzip unbeschreibliche und unaussprechliche Natur des Dao selbst, die heiligen Schriften und die Belehrung der Menschheit. Lehrmeister und Retter der Menschheit ist niemand anders als Laozi, der folglich mit der dritten Gottheit in der Trinität der Drei Reinen identifiziert wird. Durch Liturgie und konkrete Vorstellungen von Göttlichkeit hat die daoistische Reli‑ gion das Dao quasi begreif‑ und ansprech‑ bar gemacht. Neben besonders verehrten Lehrmeistern, die als historische Personen fassbar sind, besteht das daoistische Pan‑ theon aus einer Vielzahl von Gottheiten, die kosmische Kräfte verkörpern und, ge‑ nau wie die heiligen Schriften auch, letzt‑ lich als Emanationen des Dao verstanden werden. Die aus der ersten Hälfte der Tang‑ Dynastie stammende ‚Schrift über Reinheit und Stille‘ (Qingjing jing 清靜經) legt Laozi folgende Zeilen in den Mund: „Das große Dao hat keine Gestalt; es gebiert und hegt Himmel und Erde. Das große Dao ist frei von Emotionen; es hält Sonne und Mond in Bewegung. Das große Dao hat keinen Namen; es lässt alle Dinge und Wesen wachsen und nährt sie. Ich kenne seinen Namen nicht; gezwungenermaßen nenne ich es Dao.“29 Die Interaktion mit dem in China all‑ mählich heimisch werdenden Buddhismus, die sowohl Konkurrenz als auch Austausch

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umfasste, führte schließlich zur Entste‑ hung eines daoistischen Klosterwesens. Daoistische Schriften wurden wiederholt auf kaiserlichen Befehl gesammelt und zu einem bis heute erhaltenen Kanon vereint. Die Grundstruktur dieser Text‑ sammlung bilden drei Hauptkategorien – möglicherweise inspiriert vom buddhisti‑ schen Tripiṭaka (‚Drei‑Korb‘). Die rund 1 500 Werke des daoistischen Kanons (Daozang 道藏) enthalten auch Texte aus Epochen vor unserer Zeitrechnung, etwa verschie‑ dene kommentierte Ausgaben des Daode jing und anderer Klassiker. Die weitaus überwiegende Zahl (über die Hälfte der Werke oder – bezogen auf die gesamte Textmenge – zwei Drittel aller Kapitel) stellen aber liturgische Schriften: Texte zur Rezitation und ‚Regieanweisungen‘ für die verschiedensten Rituale, die daoistische Priester und ihre Akolythen durchführen. Daneben finden sich auf Offenbarungen zu‑ rückgehende Schriften, Meditationsmanu‑ ale, medizinische Texte etc. Seine heutige Form hat der Daozang in der Ming‑Dynas‑ tie erhalten. Daneben existieren allerdings auch weitere daoistische Schriften und Sammelwerke aus späteren Epochen. Der daoistische Kanon der Ming‑Zeit war Ge‑ genstand eines sinologischen Großprojekts, das 1979 mit Unterstützung der European Science Foundation seine Arbeit aufnahm und dessen Ergebnisse – nach zahlreichen individuellen Publikationen der am Pro‑ jekt beteiligten Forscher – 2004 in einem umfassenden historischen Referenzwerk veröffentlicht wurden.30 Im Verlauf seiner Geschichte hat der Daoismus eine Vielzahl von Traditionen, Schulen und Überlieferungslinien hervor‑ gebracht. Mit seiner Liturgie und Selbst‑ kultivierung durchdrang er Kultur und Gesellschaft Chinas, wobei daoistische Lehren und Praktiken die bäuerliche Be‑ völkerungsmehrheit ebenso erreichten

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wie Angehörige der hochgebildeten Eli‑ te und der Aristokratie. Eine besonders enge Bindung mit dem regierenden Herr‑ scherhaus ging der Daoismus während der Tang‑Dynastie ein, deren Gründung bereits von daoistischen Prophezeiun‑ gen flankiert wurde. Die Tang‑Herrscher trugen den gleichen Familiennamen, den die traditionelle Historiographie Laozi zu‑ schreibt: Li 李. Die Tang‑Kaiser betrach‑ teten Laozi daher als ihren Urahnen, was zu einer massiven staatlichen Förderung des Daoismus führte. Im daoistischen Ka‑ non und den offiziellen Geschichtswerken wird von wundersamen Erscheinungen von Statuen, Talismanen und anderen nu‑ minosen Gegenständen berichtet, durch die Laozi seinen göttlichen Beistand für die Tang‑Herrscher zum Ausdruck brachte. Die Kaiser reagierten auf diese Hieropha‑ nien mit der Verleihung von Ehrentiteln an Laozi, der Errichtung von Tempeln, der Aufnahme daoistischer Schriften in den Prüfungskanon für angehende Beamte und weiteren Maßnahmen zugunsten daoisti‑ scher Institutionen und Kleriker. Den Daoisten und vor allem Laozi, sei‑ nem heiligen Urahn, war Kaiser Xuan‑ zong 玄宗 (reg. 712–756) besonders zuge‑ tan. Neben der Nutzung der Religion zur Konsolidierung seiner politischen Macht hegte Xuanzong ein starkes Interesse an spirituellen Praktiken, insbesondere an daoistischen Techniken der Lebensver‑ längerung. Im Jahre 733 verfügte er, dass jeder Haushalt eine Ausgabe des Daode jing zu besitzen habe. Ferner sollte das Laozi zugeschriebene Werk das ‚Buch der Urkunden‘ (Shujing) und die ‚Gespräche‘ (Lunyu) des Konfuzius unter den Texten des Curriculums für staatliche Prüfungen er‑ setzen. Die Verehrung von Laozi erreichte unter der Herrschaft von Kaiser Xuanzong, der im ganzen Reich Tempel zu Ehren sei‑ nes daoistischen ‚Ahnen‘ errichten ließ,

Religiöse Stiftungen in China

einen Höhepunkt. Auch die Kompilation des ersten daoistischen Kanons fällt in seine Regierungszeit. Die Förderung un‑ ter Xuanzong und anderen Tang‑Kaisern hatte offenbar das Ziel, den Daoismus „zur offiziellen Ideologie zu machen, in dem Versuch, ihm eine Bedeutung zu verleihen, die wenigstens der gleichkommen sollte, in deren Genuß der weitaus reichere und besser verwurzelte Buddhismus stand.“31 Freilich waren solche besonderen kai‑ serlichen Fördermaßnahmen nicht von Dauer. Dennoch stand der Daoismus auch noch in späteren Zeiten, etwa in der Song‑ Dynastie, immer wieder in der Gunst ein‑ zelner Herrscher und war – neben dem Buddhismus – auch im religiösen Leben der Bevölkerung fest etabliert. Dabei legte der Daoismus eine bemerkenswerte Flexi‑ bilität an den Tag, die es ihm ermöglichte, auch in Zeiten fehlender staatlicher Gunst zu florieren – gestützt auf lokale Tempel‑ Netzwerke und überregionale Ordensge‑ meinschaften sowie in Verbindung mit volksreligiösen Traditionen. Trotz seiner sichtbaren Präsenz in der chinesischen Welt verfügte der Daoismus im von uns betrachteten Zeitraum (und später) aber nie über so viele Anhänger und Institutionen wie der chinesische Buddhismus, womit er Laozis Anspruch, „nicht zu wagen, sich in der Welt hervorzutun“,32 gerecht geworden zu sein scheint. Zwei Lehrrichtungen des Daoismus, die beide im mittelalterlichen Jahrtausend entstanden beziehungsweise ihre Orga‑ nisationsform konsolidierten, bestehen bis heute in China. Die Priester der Lehre der ‚Orthodoxen Einheit‘ (Zhengyi 正一), die ihre Überlieferungslinien direkt auf ‚Himmelsmeister‘ Zhang Daoling zurück‑ führen, wohnen nicht in Klöstern und füh‑ ren meist ein gewöhnliches Familienleben. Sie sind in der Regel Berufspriester, die der Bevölkerung ihre rituellen Dienste,

Traditionelle Religiosität: Daoismus und Buddhismus

etwa im Rahmen kommunaler Tempelfeste oder bei Trauerriten, anbieten. Die Über‑ lieferung liturgischer Fähigkeiten findet oft innerhalb bestimmter Familienlinien statt. Dabei ist anzumerken, dass nicht alle daoistischen Ritualtraditionen zur Zhen‑ gyi‑Richtung im engeren Sinne gehören. Es gibt ein breites Spektrum daoistischer und quasi‑daoistischer Liturgieexperten. Dennoch wird Zhengyi häufig als Ober‑ begriff für Daoisten verwendet, die nicht monastisch organisiert sind. Anders als die Zhengyi‑Priester führen die Mönche und Nonnen der Lehre der ‚Vollkommenen Verwirklichung‘ (Quan‑ zhen 全真) ein zölibatäres Leben und haben ihren Wohnsitz in daoistischen Klöstern, die sowohl in Städten als auch auf vie‑ len heiligen Bergen zu finden sind. Der Quanzhen‑Daoismus, der die Synthese daoistischer, buddhistischer und konfu‑ zianischer Prinzipien anstrebte, entstand im 12. Jahrhundert in Nordchina. Diese Dichotomie von Berufspriester‑ tum und Monastizismus gibt nur ein un‑ vollkommenes Bild der daoistischen Rea‑ lität wieder. So gab und gibt es auch eine Minderheit zölibatär lebender Zhengyi‑ Daoisten. Innerhalb des Quanzhen‑Ordens existieren wiederum eigene Ritualtradi‑ tionen mit interner Überlieferung, und auch Quanzhen‑Klöster bieten liturgische Dienste an.33 Der Buddhismus, der dem gesamten chinesischen Denken eine neue ethische und kosmologische Dimension verlieh, drang kurz nach Christi Geburt über den Land‑ und Seeweg aus Indien und Zen‑ tralasien nach China ein. Die Lehre des Buddha, des ‚Erwachten‘, wurde in ihrer progressiven 34 Form, dem ‚Großen Fahr‑ zeug‘ (Mahāyāna), wo die Erlösung von Leiden und Wiedergeburt auch Laienan‑ hängern zugänglich ist, in China heimisch. Das Wort ‚Buddha‘ ist kein persönlicher

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Name, sondern bezeichnet einen Menschen, der die Erleuchtung erlangt hat, und alle buddhistischen Lehrrichtungen gehen von der Existenz zahlreicher Buddhas aus, die entweder in der Vergangenheit lebten oder in der Zukunft erscheinen werden. Die Grundlagen der Lehre und die Gründung eines ersten Mönchsordens werden auf den ‚historischen Buddha‘ Siddhārtha Gautama (5.–4. Jahrhundert v. u. Z.) zurückgeführt, der in Nordindien wirkte. Im Mahāyāna‑ Buddhismus Ostasiens spielen hingegen andere Buddhas, rein abstrakte Wesen, die über imaginäre ‚Buddha‑Länder‘ herrschen, sowie Bodhisattvas, Heilswesen, die ihre eigene Befreiung aufschieben, um andere leidende Wesen zu erretten, eine mindes‑ tens ebenso wichtige und oft prominentere Rolle als der historische Buddha.35 Obwohl vereinzelte Buddha‑Darstellun‑ gen schon Artefakte aus der Östlichen Han‑ Dynastie (25–220 u. Z.) zieren,36 etablierte sich der Buddhismus, der in den ersten Jahrhunderten nach der Zeitwende in ei‑ nem vom Daoismus geprägten Milieu rezi‑ piert und mitunter als dessen ausländische Variante verstanden wurde, erst allmäh‑ lich in China.37 Die indische Lehre, nach der der Mensch durch sittliches Verhalten und Meditation selbst sein Heil erreichen kann, wurde in ihrer chinesischen Versi‑ on zunächst auch von daoistischen Ideen beeinflusst, da zur Übersetzung der bud‑ dhistischen Schriften oft nur daoistisches Vokabular zur Verfügung stand. Erst um das Jahr 300, „als bereits eine größere Zahl von buddhistischen Texten in chinesischer Sprache vorlagen, fand diese indische Leh‑ re eine größere Resonanz bei Angehörigen der gebildeten Schichten in den einzelnen regionalen Machtzentren Chinas.“38 Über Jahrhunderte integrierte sich der Buddhis‑ mus völlig in die chinesische Kultur und entwickelte dort eine ganz eigene Ausprä‑ gung. Ähnlich wie der Daoismus wurde die

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Buddha‑Lehre von einzelnen Herrschern und adligen Familien gefördert – nur in einem erheblich größeren Umfang. Trotz‑ dem kontrollierte der bürokratische Staat auch die buddhistischen Gemeinschaften und schreckte nicht vor harten Gegen‑ maßnahmen zurück, wenn der Reichtum der Klöster und die Zahl der Mönche als zu groß empfunden wurden. Sowohl Inder und Zentralasiaten als auch Chinesen arbeiteten in verschiede‑ nen Regionen Chinas – meist in größeren ‚Teams‘ – an der Übersetzung der buddhis‑ tischen Texte. Die Übersetzungstätigkeit wurde zunehmend vervollkommnet, wo‑ bei parallel zur Übertragung neuer Texte auch bestimmte Aspekte der buddhisti‑ schen Lehre und in Indien entstandene Denkschulen in China bekannt wurden und der dortigen Buddhismus‑Rezeption neue Impulse gaben. Zu den bedeutendsten Übersetzern zählen der im zentralasiati‑ schen Königreich Kucha geborene Mönchs‑ gelehrte Kumārajīva (343–413; chinesisch: Jiumoluoshi 鳩摩羅什) sowie der berühmte chinesische Indien‑Pilger Xuanzang 玄奘 (gest. 664). Es entstand ein gewaltiger Schriftenkanon, der die aus dem Sansk‑ rit und – in geringerem Umfang – Prak‑ rit übersetzten Sutren und auch einige in China verfasste, quasi apokryphe Texte sowie eine umfangreiche Kommentarlite‑ ratur und andere Werke umfasst. Die erste Blockdruck‑Ausgabe des buddhistischen Kanons (Dazang jing 大藏經) wurde 983 in Sichuan vollendet. Sie umfasste 130 000 hölzerne Druckplatten.39 Weitere Editionen folgten, wodurch der chinesische Tripiṭaka – trotz seiner abweichenden Struktur wird der chinesische Kanon in der westlichen Forschung mit diesem Sanskrit‑Begriff bezeichnet – stetig erweitert wurde. Ne‑ ben dem mittelindischen Pali und dem Tibetischen wurde das klassische Chine‑ sisch so zur wichtigsten Schriftsprache des

Religiöse Stiftungen in China

Buddhismus, dessen Rolle in Ostasien mit der des Lateinischen in Europa verglichen werden kann. Der chinesische Kanon war nämlich nicht nur die in China maßgeb‑ liche Sammlung buddhistischer Literatur, sondern auch in Japan, Korea und Vietnam. Maßgeblich für die Wissenschaft ist heu‑ te der 100 Bände umfassende ‚Revidierte Tripiṭaka der Taishō‑Ära‘ (Taishō Shinshū Daizōkyō 大正新脩大藏經, Tokyo 1924– 1932), der auf der Grundlage mehrerer frü‑ herer Kanones von japanischen Gelehrten zusammengestellt und redigiert wurde.40 Im Laufe seiner Geschichte brachte der chinesische Buddhismus eine umfangrei‑ che Gelehrsamkeit und mehrere Schulen hervor,41 die wiederum ganz Ostasien be‑ einflussten. So ist auch der heute mehr in seiner japanischen Form bekannte Zen‑Buddhismus, die ‚Meditationsschule‘ (Chanzong 禪宗), auf chinesischem Boden entstanden, obwohl er sich traditionell auf eine lange Reihe indischer Patriarchen bis hin zum historischen Buddha selbst beruft. Chan 禪 (japanische Aussprache: zen) ist die Kurzform von channa 禪那, der phone‑ tischen Wiedergabe des Sanskrit‑Begriffs für ‚Meditation‘: dhyāna. Die Chan‑Schule legt größten Wert auf eine intensive Medi‑ tationspraxis, durch die jenseits des diskur‑ siven Denkens, das lediglich als Hindernis angesehen wird, die eigene Wesensnatur, die letztlich mit der Buddha‑Natur iden‑ tisch ist, erkannt und befreit werden soll. Neben eigenen Überlieferungslinien und der Ablehnung scholastischer Spekulati‑ on zeichnet sich der Chan‑Buddhismus auch durch die unorthodoxen, teilweise drastischen Lehrmethoden einiger seiner Vertreter aus. Von der chinesischen Kul‑ tur geprägt wie keine andere buddhisti‑ sche Schule, wirkte die Chan‑Lehre wie‑ derum stark auf das intellektuelle Leben im kaiserlichen China ein. Andererseits prägte der Chan‑Buddhismus, der in der

Traditionelle Religiosität: Daoismus und Buddhismus

Tang‑Dynastie seine erste Hochblüte er‑ lebte, mit seiner Wertschätzung der kör‑ perlichen Arbeit und seiner hierarchischen Gemeinschaftsstruktur auch wesentlich das Klosterwesen Chinas.42 Bereits 446 und 574–577 war es zu be‑ hördlichen Verfolgungen des Buddhismus in nordchinesischen Reichen gekommen. Während der Argwohn konfuzianischer Beamter gegenüber der indischen Lehre und die Missgunst daoistischer Kleriker, die im Buddhismus oft einen Konkurrenten sahen, dabei eine gewisse Rolle gespielt haben mögen, lag der Hauptgrund für anti‑ buddhistische Maßnahmen in fiskalischen Problemen, die von der enormen Populari‑ tät des Buddhismus herrührten. Zum einen wurde die steigende Anzahl von Mönchen und Nonnen als bedrohlich empfunden, da Angehörige der Ordensgemeinschaften von Steuern und Arbeitsdiensten befreit und damit unproduktiv waren. Zum an‑ deren hatten viele Klöster einen enormen Reichtum gehortet und verfügten als Groß‑ grundbesitzer über gewaltige Ländereien (insbesondere Agrarland), die ihnen mit‑ unter zum Zwecke der Steuerbefreiung nur pro forma gestiftet worden waren.43 In der Tang‑Zeit kam es zu einer groß angelegten mehrjährigen Verfolgung des Buddhismus, die 845 ihren Höhepunkt erreichte und auf die weiter unten noch eingegangen wird.44 (→ Abschnitt 3) Zahlreiche Klöster wurden geschlossen, nicht offiziell aner‑ kannte Tempel zerstört, ihre Ländereien konfisziert, und Tausende von Mönchen und Nonnen wurden in den Laienstand zurückversetzt. Obwohl das tatsächliche Ausmaß der Zerstörungen und die lang‑ fristige Wirkung dieser Maßnahmen nicht abschließend zu klären sind, wird das Jahr 845 sowohl in der buddhistischen Tradition als auch in der wissenschaftlichen Litera‑ tur als deutliche Zäsur in der Geschichte des chinesischen Buddhismus betrachtet,

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nach der die Religion ihren früheren Glanz und intellektuellen Elan weitgehend ver‑ loren hatte. Obwohl die Buddhisten wei‑ terhin die größte Religionsgemeinschaft in China bildeten und auch nach der Tang‑ Zeit bedeutende Meister der Lehre neue Impulse gaben, gehörten die Vielfalt der Schulen und ein Teil der Überlieferung endgültig der Vergangenheit an. Im weiteren Verlauf seiner Geschichte wurden die Institutionen des chinesischen Buddhismus zunehmend von zwei Schulen dominiert, die die Harmonisierung ihrer Lehren und Praktiken anstrebten und bis in die Gegenwart gemeinsam das Antlitz dieser Religion prägen: Die Chan‑Tradition und die ‚Schule des Reinen Landes‘ (Jingtu zong 淨土宗) , deren Gläubige nach der Wiedergeburt im ‚Reinen Land des Westens‘ streben, wo der Buddha des unermessli‑ chen Lichts, Amitābha (chinesisch: Amituo Fo 阿彌陀佛), residiert, unter dessen An‑ leitung sie zu endgültiger Befreiung und Erleuchtung gelangen werden. In der Tat praktizieren bis heute viele chinesische Buddhisten sowohl Chan‑ als auch Jingtu‑ Methoden. Die Praxis des Reinen Landes, deren Anfänge in China bereits im frühen 5. Jahrhundert liegen, beinhaltet vor allem die Vergegenwärtigung Amitābhas, die mit der hörbaren Rezitation des Buddha‑ Namens verbunden sein kann, aber nicht muss. Die Jingtu‑Lehre wird allgemein als im Vergleich zu anderen buddhistischen Praktiken leicht zugängliche Methode ver‑ standen und hat den gesamten ostasiati‑ schen Buddhismus durchdrungen.45 Im Buddhismus und in der Volksfröm‑ migkeit hat sich auch die gesonderte Vereh‑ rung von Heilswesen eingebürgert, die mit dem Buddha Amitābha assoziiert werden. Von größter Bedeutung ist hier der Bo‑ dhisattva des Mitgefühls, Avalokiteśvara, dessen chinesischer Name Guanshiyin 觀世音 bedeutet: ‚auf die [Klage‑]Laute

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der Welt achten‘. Guanshiyin – häufiger erscheint der Name in seiner Kurzform Guanyin 觀音 – flankiert in der Grup‑ pe der ‚Drei Heiligen des [Reinen Landes des] Westens‘ (xifang sansheng 西方三聖) zusammen mit einem anderen Bodhisatt‑ va den Buddha Amitābha. Guanyin, ein ursprünglich männlicher Bodhisattva, der allerdings in unzähligen Manifestationen leidenden Wesen zur Hilfe eilen kann, wird in Ostasien meistens in weiblicher Form dargestellt und hat sich zu einer regelrech‑ ten ‚Göttin der Barmherzigkeit‘ entwickelt. Guanyin wird in einem eigenständigen Kult verehrt und ist auch in das Pantheon des Daoismus integriert worden.46 Kein an‑ derer Text hat das Bild von Guanyin mehr geprägt als das in ganz Ostasien populäre ‚Lotos‑Sūtra‘, das von Kumārajīva im Jahre 406 ins Chinesische übersetzt wurde. Dort werden dem historischen Buddha folgende Worte in den Mund gelegt: „Angenommen, da wären unermessliche hunderttausende und Abermillionen von Lebewesen, die alle Übel und Leiden erfahren. Wenn sie von diesem Bodhisattva Avalokiteśvara erfahren und einen Herzens seinen Na‑ men ausrufen, dann wird der Bodhisattva Avalokiteśvara ihre Stimmen wahrnehmen und alle werden von ihren Leiden befreit werden.“47 Eine weitere Passage aus dem Lotos‑ Sūtra lässt erahnen, welche Anziehungs‑ kraft das Heilsversprechen von Guanyin (Avalokiteśvara) auf Gläubige ausübt, und vor allem, welche Möglichkeiten für die Ansammlung von religiösem Verdienst durch diesen Bodhisattva eröffnet wer‑ den. Im Zwiegespräch mit dem Bodhisatt‑ va Akṣayamati (‚Unerschöpfliche Absicht‘, chinesisch: Wujinyi 無盡意) äußert sich der Buddha folgendermaßen dazu: „‚Wenn es einen Menschen gäbe, der die Namen von Bodhisattvas, so zahlreich wie die Sandkörner in zweiundsechzig Millionen

Religiöse Stiftungen in China

Gaṅgā‑Flüssen, annehmen und bewahren48 und ihnen außerdem bis zum Ende seines Lebens Speis und Trank, Kleidung, Bettstatt und Arznei spenden würde – was meinst Du: Wäre das Verdienst dieses Sohnes aus gutem Hause oder dieser Tochter aus gu‑ tem Hause groß oder nicht?‘ – Akṣayamati sprach: ‚Äußerst groß, oh Weltverehrter!‘ – Der Buddha sprach: ‚Angenommen, da gäbe es noch einen Menschen, der den Namen des Bodhisattva Avalokiteśvara an‑ nehmen und bewahren, ihn auch nur ein‑ mal verehren und ihm Spenden darbringen würde – das Verdienst dieser beiden Men‑ schen wäre gleich und ohne Unterschied und wäre in Myriaden von Kalpas49 nicht erschöpft. Oh Akṣayamati! Wenn man den Namen des Bodhisattva Avalokiteśvara annimmt und bewahrt, dann kommt man in den Genuss von solch unermesslichem, unbegrenztem Verdienst.‘“50 In diesen Vorstellungen von Verdienst, einer Art spirituellen Kapitals, das na‑ türlich auch auf andere übertragen wer‑ den kann, liegen die weltanschaulichen Grundlagen des religiösen Stiftens in Chi‑ na. Die blumige Sprache und die Gleich‑ nisse astronomischen Umfangs, die die buddhistischen Sutren auszeichnen, waren ein Novum und müssen umso anziehen‑ der auf das Publikum im mittelalterlichen China gewirkt haben. In Kombination mit einheimischen Vorstellungen vom Leben der Seele nach dem Tod, vom Wirken der Ahnen und familiärer Verantwortung über den Tod hinaus sowie konfuzianischer Ge‑ dächtniskultur und daoistischem Streben nach Transzendenz entstand ein solides Fundament für das religiöse Stiftungswe‑ sen Chinas. Der Buddhismus, der mit zahlreichen sakralen Stätten, seinen Mönchs‑ und Non‑ nenorden und einer begeisterten Laienan‑ hängerschaft auch heute noch sehr stark die Kultur Chinas prägt, brachte neben

Grundlagen im Monastizismus: Das Kloster als Stiftung

der Lehre von Wiedergeburt und Karma vor allem das Klosterwesen, das Konzept einer religiösen Körperschaft, die sich von der Umgebungsgesellschaft unterscheidet, zugleich aber nur in der Interaktion mit dieser existieren kann,51 nach China. Der buddhistische Monastizismus war somit ein wesentlicher Anstoß für das religi‑ öse Stiftungswesen und beeinflusste es

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nachhaltig. Diese Institutionsform, die auch vom Daoismus übernommen und modifiziert wurde, stellte der gesamten chinesischen Religiosität einen Mechanis‑ mus zur Verfügung, durch den ‚spirituelles Kapital‘ erzeugt, übertragen und für un‑ terschiedliche, in der Regel religiöse, Ziele eingesetzt werden konnte.

3 Grundlagen im Monastizismus: Das Kloster als Stiftung Bevor wir uns nun dem Monastizismus in China zuwenden, wird ein abschlie‑ ßender Blick auf die wesentlichen Merk‑ male der dortigen religiösen und religi‑ onspolitischen ‚Ausgangslage‘ hilfreich sein. Mit Konfuzianismus, Daoismus und Buddhismus haben wir die traditionellen Drei Lehren (sanjiao) Chinas kennenge‑ lernt, unter denen die beiden letzten als Religionsgemeinschaften im engeren Sinne zu definieren sind. In ideologischer Hin‑ sicht grenzten sich diese Drei Lehren zwar voneinander ab, wurden aber meistens als kompatibel und einander ergänzend betrachtet. Man kann also durchaus von einem religiösen Pluralismus sprechen, dem ein Absolutheitsanspruch in spiritu‑ ellen Belangen völlig fremd war. Manche Sinologen relativieren den Pluralismus‑ begriff im Hinblick auf die zeitweise res‑ triktive Religionspolitik und ‑verwaltung etwa der Tang‑Dynastie52 oder lehnen ihn aufgrund der fehlenden „Bereitschaft zu einem pluralistischen Synkretismus“53 ganz ab. Dennoch: Die gelebte religiöse Vielfalt war eine soziale und kulturelle Realität. Es sei dahingestellt, ob es sich dabei um ein mögliches Vorbild für mo‑ derne Pluralismusvorstellungen handelt.

Es kam jedenfalls nicht zur Konzentrati‑ on von (weltlicher) Macht in den Händen einer bestimmten Kirche oder zu einer rein religiös begründeten Ausübung von (militärischer) Gewalt. So haben sich im chinesischen Kaiserreich weder mit dem lateinisch‑christlichen Papsttum vergleich‑ bare religiöse Autoritäten entwickelt, die dauerhaft und entscheidend ins politische Geschehen eingreifen konnten, noch kam es zur Ausbildung von Formen religiöser Gerichtsbarkeit, die wie die Inquisition der Verfolgung von ‚Häresie‘ dienten und maßgeblich vom Klerus gesteuert wurden. Ein herausragendes Merkmal der chi‑ nesischen Religionsgeschichte ist daher die wichtige Rolle von Staat, Kaiserhaus und Verwaltung, mit denen sich sowohl Buddhismus als auch Daoismus ausein‑ anderzusetzen hatten. Keine Religionsge‑ meinschaft hat in der chinesischen Vergan‑ genheit die Staatsgewalt dominiert, wenn man von wenigen Intermezzi wie etwa der kurzlebigen daoistischen ‚Theokratie‘ unter Kaiser Taiwu 太武帝 (reg. 424–452) der Nördlichen Wei‑Dynastie absieht.54 Vielmehr versuchte der bürokratische Staat immer wieder, eine umfassende Kontrolle über Religionsgemeinschaften auszuüben,

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und schon die Tang‑Dynastie verfügte über eine hochentwickelte Religionsverwaltung, durch die der buddhistische und daois‑ tische Klerus weltlichen Kontrollinstan‑ zen unterstellt wurde.55 Die ausschließ‑ liche bzw. einseitige Begünstigung von Buddhismus oder Daoismus wurde durch die Einbeziehung der offiziell anerkann‑ ten Vertreter b e i d e r Religionen in das staatliche Verwaltungssystem verhindert – von Ausnahmen wie beispielsweise unter Kaiser Xuanzong abgesehen. Durch ‚ein‑ hegende Patronage‘56 bestimmter Groß‑ klöster wurden Institutionen unterstützt und kontrolliert, deren religiöse Praxis gängigen Vorstellungen von Orthodoxie entsprach. Der buddhistische und daoisti‑ sche Klerus musste sich daher immer der Kontrolle durch den bürokratischen Staat beugen, auch wenn die schiere Größe des chinesischen Reiches diese Kontrolle oft eher symbolisch erscheinen ließ. Es gab natürlich eine lebhafte Religiosität und eine Vielzahl sakraler Stätten außerhalb dieses ‚offiziellen‘ Systems, die in der Regel geduldet wurden. Kam es aber zu ‚Säu‑ berungen‘ der institutionalisierten Reli‑ giosität in restriktiveren Phasen der chi‑ nesischen Religionsgeschichte, konnten Tempel und Klöster, die nicht staatlich sanktioniert und damit eigentlich illegal waren, geschlossen oder zerstört werden. Die gelehrte Beamtenschicht des kai‑ serlichen China stand immer dem konfu‑ zianischen Denken nahe, das durchaus als staatstragende Ideologie gesehen werden kann, da es Riten und Institutionen prägte. Die Kenntnis der konfuzianischen Klas‑ siker war Voraussetzung für den Zugang zur Elite, der seit dem frühen 7. Jahrhun‑ dert durch ein staatliches Prüfungssys‑ tem, dessen früheste Vorläufer schon in der Han‑Dynastie zu finden sind, führte. Die Omnipräsenz konfuzianischer Wert‑ vorstellungen und der hohe Stellenwert

Religiöse Stiftungen in China

der konfuzianischen Klassiker in der Bil‑ dung dürfen aber nicht darüber hinweg‑ täuschen, dass Buddhismus und Daoismus ebenso die Elitenkultur prägten und dass ihr Anteil an den Lebensbereichen, die man als ‚religiös‘ im engeren Sinne de‑ finieren würde, weit größer als der des Konfuzianismus war. Sozial verbindliche Elemente des Weltbildes, die man – bei aller gebotenen terminologischen Vorsicht – als ‚orthodox‘ bezeichnen könnte, etwa bestimmte kosmologische Vorstellungen und eine darauf basierende hierarchische Gesellschaftsordnung, wurden von allen der Drei Lehren geteilt. Diese kognitiven und normativen Orientierungen im vor‑ neuzeitlichen China, die in der Elitenkultur verwurzelt waren, deren Gültigkeit aber weit über die Sphäre der Eliten hinausging, deutete Hubert Seiwert als „Zivilreligion“,57 die von den konfuzianischen Werten zwar maßgeblich geprägt war, sich aber ebenso auf die als ‚orthodox‘ anerkannten Formen von Buddhismus und Daoismus erstreckte. Diese ‚Zivilreligion‘ ist natürlich nicht als Institution fassbar. Der Terminus hilft hin‑ gegen, die Rolle des Staates als Hüter einer gewissen ‚Orthodoxie‘ besser zu verstehen. Es gab in China zwar keine Inquisition, aber es war der Staat, der wiederholt gegen Formen der Religiosität vorging, die „den zivilreligiösen Kriterien von Orthodoxie“58 nicht genügten. Als weiterer Aspekt dieser chinesi‑ schen ‚Zivilreligion‘ ist der Staatskult zu betrachten, der die Verehrung himmli‑ scher und chthonischer Mächte durch den Herrscher bzw. in dessen Auftrag sowie den Ahnenkult des jeweiligen Herrscher‑ hauses umfasste. Opferkulte und zum Teil auch schamanische Praktiken gehörten seit den Anfängen der chinesischen Zi‑ vilisation sowohl zum religiösen als auch zum politischen Leben. Die Verehrung von Bergen, Flüssen und Naturgewalten

Grundlagen im Monastizismus: Das Kloster als Stiftung

durch chinesische Herrscher diente auch ihrer Legitimation, indem ihre Herrschaft über das Territorium rituell mit kosmolo‑ gischen Ordnungsprinzipien in Einklang gebracht wurde. Zum Teil blieben diese uralten Traditionen bis zum Ende des Kai‑ serreiches lebendig. Die Altäre für Himmel, Erde, Sonne und Mond aus den Dynastien Ming und Qing sind in der Hauptstadt Beijing 北京 bis heute erhalten. Obwohl sich der Staatskult anfangs unter diversen Einflüssen formierte, wurde er bereits im 1. Jahrhundert v. u. Z. unter konfuziani‑ scher Ägide systematisiert. Konfuzianische Ritenbücher bildeten hinfort den Standard für Staatsopfer und Hofzeremoniell, und auch Konfuzius selbst wurde ein eigener Tempelkult gewidmet. Hierbei wird deut‑ lich, dass der Staat nicht nur die (säkulare) Kontrolle über Religionsgemeinschaften auszuüben suchte, sondern an sich eine ‚religiöse‘ bzw. rituelle Grundlage hatte.59 In diesem Beitrag wird der Staatskult hin‑ gegen nicht weiter berücksichtigt, da eine Verbindung zur ‚Privatinitiative‘ der Stif‑ tung nicht gegeben ist – zumindest nicht in dem Maße wie bei Buddhismus und Daoismus. Vor dem Hintergrund einer stets an‑ gestrebten und immer wieder in die Tat umgesetzten staatlichen Aufsicht über die institutionalisierten Religionen wird die Doppelrolle sichtbar, die der buddhistische und daoistische Monastizismus im chi‑ nesischen Kaiserreich spielte: Zum einen bedeutete die vom Staat gewährte Sonder‑ stellung der Klöster ein hohes Maß an Au‑ tonomie. Zum anderen wurden (und wer‑ den noch heute in der Religionspolitik der Volksrepublik China) monastische Formen der Religiosität von staatlicher Seite vor allem deshalb bevorzugt und gefördert, da Klöster durch die offizielle Einsetzung von Äbten und die Reglementierung von Ordi‑ nationen vom Staat besser zu kontrollieren

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waren als selbständige Priester, volksreligi‑ öse Gruppierungen oder stets mit Argwohn betrachtete Wandermönche. Patronat, das im Kaiserreich oft die Form von Stiftungen annahm, war daher auch ein Instrument zur Kontrolle religiöser Gemeinschaften und ihrer Subordination unter die staat‑ liche Autorität. Dennoch hatten selbst religiöse Stif‑ tungen von Mitgliedern des Kaiserhau‑ ses häufig auch familiäre Beweggründe und verfolgten nicht unbedingt politische oder administrative Ziele. So erläutert etwa Eugene Wang, dass die Stiftung von be‑ stimmten Bauwerken und Wandgemälden in buddhistischen Klöstern der Tang‑Zeit dem ‚Streben nach posthumem Wohlerge‑ hen‘ (zhuifu 追福) verstorbener Angehöri‑ ger diente. Zweck solcher Stiftungen, die auch von Kaisern vorgenommen wurden, war also die Ansammlung von Verdienst zugunsten des Verstorbenen, um der wan‑ dernden Seele eine günstige Wiedergeburt zu ermöglichen oder gar den Weg ins Para‑ dies zu weisen.60 Wie Gregory Schopen an epigraphischen Quellen demonstriert hat, ist die Übertragung des durch Stiftungs‑ handlungen erworbenen Verdienstes auf die lebenden oder verstorbenen Eltern des Stifters übrigens keine chinesische Erfin‑ dung, sondern war bereits im frühen indi‑ schen Buddhismus eine häufig praktizierte Form der ‚Kindespietät‘.61 Neben diesen kaiserlichen Stiftungen gab es natürlich auch privat gestiftete Klöster, die eine deutliche Mehrheit bildeten. Auch diese mussten sich der Aufsicht der Religions‑ verwaltung beugen, aber der Zweck ihrer Gründung war freilich nicht die Kontrolle der jeweiligen Religionsgemeinschaft. Schließlich ist darauf hinzuweisen, dass gerade vor dem Hintergrund staatlicher Kontrolle und Sanktionierung das Verhält‑ nis der beiden organisierten Religionen – Buddhismus und Daoismus – nicht immer

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von Harmonie erfüllt war. Die Konkurrenz um Patronage und Einfluss war hart, und besonders um die Frage der Legitimität und Rangfolge innerhalb der zivilreligi‑ ösen Orthodoxie konnte erbitterter Streit entstehen. Kam es zu Konflikten oder dokt‑ rinären Streitfällen, so wurden diese in der Regel in Form von Debatten ausgetragen, die vom Kaiserhaus veranstaltet wurden.62 Der Staat, das heißt die gelehrte Beam‑ tenschaft und – als höchste Instanz – der Kaiser, fungierte also als ‚Schiedsrichter‘. Eine alte Legende, nach der der Buddha eine Inkarnation von Laozi gewesen sei, der zusammen mit seinem Meisterschüler nach Indien gekommen war, um die ‚Bar‑ baren zu bekehren‘ (huahu 化胡), nahm dabei besonders polemische Züge an, stell‑ te sie doch den Buddhismus als an ‚bar‑ barische‘ Verhältnisse angepasste Form des Daoismus dar. Letztlich schadete die huahu‑Theorie den Daoisten sehr, da sich die Buddhisten in den Debatten mehrfach erfolgreich dagegen gewehrt hatten, was in manchen Fällen zur Anordnung der Vernichtung daoistischer Schriften geführt hatte.63 Auch Konflikte um sakrale Orte, wie etwa die Aneignung religiöser Stätten durch die jeweils andere Religion, kamen in China immer wieder vor. Ein typisches Beispiel betrifft den Qingcheng Shan 青城山 in der Provinz Sichuan, der bis heute zu den wichtigsten heiligen Bergen des Daoismus gehört. In der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts hatten sich buddhis‑ tische Mönche die ‚Abtei des Ewigen Dao‘ (Changdao Guan 常道觀), das Hauptheilig‑ tum des Berges, angeeignet und nutzten sie als buddhistisches Kloster. Kein Geringerer als Kaiser Xuanzong befahl den Buddhis‑ ten, sich in ihr Stammkloster zurückzu‑ ziehen und die daoistische Abtei ihren rechtmäßigen Besitzern zurückzugeben. Eine steinerne Stele mit dem kaiserlichen

Religiöse Stiftungen in China

Edikt von 725 ist in dem heute als ‚Höh‑ le des Himmelsmeisters‘ (Tianshi Dong 天師洞) bekannten Heiligtum erhalten.64 Der Monastizismus hat die chinesische Stiftungskultur wesentlich beeinflusst und geformt. Entscheidende Impulse gingen hier offensichtlich vom Buddhismus aus. Bereits im frühen 5. Jahrhundert wurden die wichtigsten Texte über monastische Disziplin (Sanskrit: vinaya; chinesisch: lü 律) ins Chinesische übersetzt,65 um das Leben der dortigen buddhistischen Ge‑ meinschaften zu regeln. Jacques Gernet betrachtet diese monastischen Regeln und Institutionen als innovative Elemente im damaligen China, das – abgesehen vom Strafrecht – juristisch wenig entwickelt war. Tatsächlich brachte der Buddhismus auf Grundlage indischen Klosterrechts das Konzept einer religiösen Stiftung als rechtlicher Körperschaft nach China. Ich möchte daher die vielleicht etwas gewagt klingende These aufstellen, dass im Prin‑ zip alle – also auch daoistische – Klöster Stiftungen waren. Bevor dies im Einzelnen erläutert wird, muss klargestellt werden, dass es auch indigene Vorformen des chinesischen Monastizismus gab, die noch nicht vom Buddhismus beeinflusst waren. Erik Zür‑ cher hat bereits auf den autonomen und autarken Charakter frühdaoistischer Ge‑ meinden hingewiesen: „Daoist communi‑ ties constituted a kind of self‑sustaining units, the members themselves ensuring the existence of the church by contributing the annual ‚Heavenly tax‘ ([tianzu] 天租) of five bushels of rice.“66 Die Anhänger der Gemeinschaft der ‚Himmelsmeister‘ im Sichuan der Östlichen Han‑Dynastie waren in 24 ‚Diözesen‘ (zhi 治) organisiert, die – meist mit einem heiligen Berg als Zentrum – sowohl rituelle als auch admi‑ nistrative Funktionen hatten. Die Zentren der Diözesen waren Versammlungsorte, an

Grundlagen im Monastizismus: Das Kloster als Stiftung

denen nicht nur Rituale stattfanden, son‑ dern auch die Bevölkerungsregister aktu‑ alisiert und die ‚Kirchensteuer‘ beglichen wurden. Weitere Diözesen kamen dazu, und in den chaotischen Zeiten am Ende der Han‑Dynastie waren die Gemeinden der ‚Himmelsmeister‘ faktisch autonom und ersetzten in manchen Regionen die staatli‑ che Verwaltung.67 Die straffe Organisation sowie kommunale Regeln und Praktiken in den frühdaoistischen Gemeinden, die an monastische Lebensformen gemahnen, haben Livia Kohn dazu bewogen, hier eine Vorform des daoistischen Monastizismus zu identifizieren.68 Auf jeden Fall sind die korporative Prägung und die wirtschaftli‑ che Unabhängigkeit der Himmelsmeister‑ Diözesen Gründe dafür, sie als indigene Vorläufer des chinesischen Klosterwesens zu betrachten. Was aber den Monastizismus als I n ‑ s t i t u t i o n betrifft, die von den chinesi‑ schen Staatswesen offiziell anerkannt und eben auch kontrolliert werden konnte, so sind die Ursprünge gewiss im Buddhis‑ mus zu suchen. Die oben genannten früh‑ daoistischen Gruppierungen – neben der Himmelsmeister‑Bewegung gab es noch weitere, die sich zum Teil aktiv an Auf‑ ständen beteiligten – sind als Vorform der organisierten daoistischen Religion zu verstehen und agierten außerhalb der staatlichen Sphäre und ‚Legalität‘. Nach‑ dem diese daoistischen Volksbewegungen durch Kriegshandlungen oder politische Maßnahmen im Rahmen der Neueintei‑ lung des Territoriums im 3. Jahrhundert aufgehört hatten zu existieren, entwickelte sich der Daoismus, dessen Einfluss im Volk unverändert stark war, zu einer ‚orthodo‑ xen‘ Religion – parallel zum sich in China ausbreitenden Buddhismus. Neu war im Falle des Letzteren, dass die buddhistischen „Mönche Anspruch auf eine rechtliche Sonderstellung erhoben“69

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– und zwar aus rein religiösen Gründen. ‚Austritt aus der Familie‘ (chujia 出家), so der chinesische Terminus für den Eintritt in eine monastische Gemeinschaft, bedeu‑ tete nämlich nach buddhistischem Selbst‑ verständnis auch, nicht mehr der weltli‑ chen Gerichtsbarkeit, sondern nur noch der Mönchsdisziplin (vinaya) unterworfen zu sein. Diese Logik war auf der Grundlage des konfuzianischen Denkens, nach dem die Familie als Mikrokosmos und der Staat als Makrokosmos sozialer Organisation gelten, der Staat also nur eine ‚Familie‘ auf höherer Ebene ist, durchaus nachvoll‑ ziehbar. Dessen ungeachtet zeigte massiver konfuzianischer Widerstand gegen den Buddhismus, dass die Möglichkeit eines ‚Austritts‘ aus dem sozialen Mikro‑ und Makrokosmos im konfuzianischen Welt‑ bild eigentlich nicht vorgesehen war. Trotz‑ dem wurde die monastische Lebensform von den chinesischen Autoritäten in der Regel akzeptiert und stellte einen Sonder‑ status mit einer Reihe von Privilegien dar. Auf der anderen Seite bedeutete die ‚Rück‑ führung in den Laienstand‘ (huansu 還俗), die als höchste Strafe der Klosterdisziplin den Ausschluss aus dem Orden bedeutete, aber auch als staatliche Zwangsmaßnah‑ me, beispielsweise im Zuge von religions‑ politischen ‚Säuberungskampagnen‘, zur Anwendung kommen konnte, den Verlust der Privilegien und die Rückkehr in den Geltungsbereich des weltlichen Strafrechts. Schon Ende des 4. Jahrhunderts gab es Klöster, die Tausende von Mönchen beher‑ bergten. Zu dieser Zeit entstanden auch erste Ämter zur Aufsicht des buddhisti‑ schen Klerus in verschiedenen Staaten im Norden und Süden Chinas, das damals in mehrere kleinere Reiche und kurzle‑ bige Dynastien zerfallen war. Einzelne Herrscher standen dem Buddhismus sehr nahe und versuchten ihn auch politisch zu vereinnahmen, wovon sie sich nicht nur

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spirituelle, sondern oft sicher auch diplo‑ matische oder machtpolitische Vorteile erhofften. Zum Vorteil des Buddhismus blieb es dennoch bei der Sonderstellung des Klerus, nach der das Staatsgesetz und auch Formen der weltlichen Etikette nicht auf Mönche anwendbar waren. Mehrmals wurde beispielsweise – mit unterschiedli‑ chem Ausgang – die Diskussion geführt, ob Mönche dem weltlichen Herrscher eine Ehrfurchtsbezeugung (durch den Kotau) schuldig waren oder nicht. In dieser Epo‑ che der schnellen Ausbreitung und zuneh‑ menden Einflussnahme des Buddhismus kam es auch schon zur Akkumulation von Reichtum in Klöstern, der Ausbeutung der Landbevölkerung durch klösterliche Zins‑ geschäfte und anderen Formen des Miss‑ brauchs der klerikalen Sonderstellung, wo‑ rauf weiter unten noch einzugehen ist. Die weltlichen Autoritäten reagierten darauf mit dem Ausbau der Religionsverwaltung und gewissen Einschränkungen der Son‑ derbehandlung der Mönchsgemeinschaft (saṃgha; chinesisch: sengqie oder sengjia 僧伽)70. So wurde etwa im Jahre 508 ver‑ fügt, dass Mönche, die ein Kapitalverbre‑ chen begangen hatten, wieder nach staat‑ lichem Recht abzuurteilen seien, wogegen geringfügigere Vergehen von Klerikern weiterhin auf Grundlage der Mönchsdiszi‑ plin (vinaya) geahndet werden sollten; für diese Fälle war dann ein geistliches Auf‑ sichtsamt zuständig. Um 500 existierten für den buddhistischen Klerus im Prinzip drei Rechtssphären: (1.) Das auch als ‚internes Gesetz‘ (neilü 內律) bezeichnete Ordens‑ recht (vinaya), (2.) die staatlichen Gesetze sowie (3.) von der Religionsverwaltung aus‑ gearbeitete ‚Mönchsregulationen‘ (sengzhi 僧制), die als Bindeglied zwischen vinaya und säkularem Recht gelten können.71 In den folgenden Jahrhunderten setzten sich diese Tendenzen im Wesentlichen fort. Die Religionsverwaltung wurde weiter

Religiöse Stiftungen in China

ausgebaut und von wechselnden weltlichen Instanzen kontrolliert. Die Autonomie des buddhistischen Klerus und die Anwend‑ barkeit des staatlichen Rechts auf Mönche und Nonnen waren wiederholt Schwan‑ kungen ausgesetzt – je nachdem, welche Rolle dem Buddhismus in den jeweiligen Dynastien zufiel und in welchem Maße die Herrscher ihm zu‑ oder abgeneigt waren. Fest steht, dass buddhistische Klöster im‑ mer eine relativ ausgeprägte rechtliche und wirtschaftliche Unabhängigkeit genossen. Allerdings war diese Unabhängigkeit nicht unantastbar. Kamen aufgrund von inter‑ nen Missständen oder anti‑buddhistischen Tendenzen staatliche Zwangsmaßnahmen zum Tragen, so trafen diese zuerst die gro‑ ße Menge der ‚inoffiziellen‘ Klöster, Einsie‑ deleien und Tempel, die von der gewöhn‑ lichen Bevölkerung eingerichtet worden waren und in der Regel vom Staat geduldet wurden, und schließlich – in Form von ‚Säuberungen‘ oder Zusammenlegungen – auch die offiziell anerkannten Institutio‑ nen. Auch wenn die privat organisierte Re‑ ligiosität nie völlig vom Staat vereinnahmt und kontrolliert werden konnte, blieb die von Herrscherhaus und Administration getragene zivilreligiöse Orthodoxie stets die gültige Norm. Übereinstimmung mit dieser Norm wurde daher immer wieder nachdrücklich eingefordert. Auf welche Grundsätze stützten sich die buddhistischen Ordensgemeinschaften? In der formativen Phase des buddhistischen Monastizismus in China spielten vier Text‑ sammlungen über Ordensrecht (vinaya), die zwischen 404 und 424 übersetzt wurden, eine wichtige Rolle. Es handelt sich dabei um die Ordensregeln verschiedener Schu‑ len des frühen indischen Buddhismus, die normativen Charakter für alle Ordinierten hatten und auf Fallrecht, d. h. der Formu‑ lierung von Regeln auf Grundlage der Dis‑ kussion konkreter oder fiktiver Probleme,

Grundlagen im Monastizismus: Das Kloster als Stiftung

beruhen (→ 5.6.2). Im chinesischen Kanon sind dies der ‚Vinaya in zehn Rezitationen‘ (Shisong lü 十誦律; T 1435, Bd. 23, 1–470) der Sarvāstivāda‑Schule, der ‚Vinaya in vier Teilen‘ (Sifen lü 四分律; T 1428, Bd. 22, 567–1014) der Dharmaguptaka‑Schule, der ‚Vinaya in fünf Teilen‘ (Wufen lü 五分律; T 1421, Bd. 22, 1–194) der Mahīśāsaka‑Schule und der ‚Vinaya der großen Gemeinschaft‘ (Mohe sengqi lü 摩訶僧祇律; T 1425, Bd. 22, 227–549) der Mahāsāṃghika‑Schule. Vor al‑ lem der Sifen lü erlangte weite Verbreitung und war Gegenstand zahlreicher Kom‑ mentare. Die Übersetzung des Vinaya der Mūlasarvāstivāda‑Schule (Genben shuo yiqie youbu pi’naiye 根本説一切有部毘奈耶; T 1442, Bd. 23, 627–905) wurde hingegen erst im Jahre 703 abgeschlossen, wodurch dieses Regelwerk erheblich weniger Ein‑ fluss auf die Formierung monastischer Institutionen ausüben konnte als seine vier in China bereits bekannten Vorgän‑ ger.72 Die Vinaya‑Sammlungen und andere buddhistische Werke über Ordensregeln beeinflussten auch damals entstehende daoistische Texte mit monastischen Vor‑ schriften.73 Auf der Grundlage der Vinaya‑Texte entwickelte sich das normative Konzept vom Besitz der monastischen Gemein‑ schaft, der nicht aufgeteilt, von einzelnen Individuen besessen oder veräußert wer‑ den kann. Folgende Definition findet sich im Wufen lü: „Im [universalen] saṃgha der vier Himmelsrichtungen gibt es fünf Arten von Gütern, über die nicht [ein Einzelner] verfügen darf und die weder verkauft noch aufgeteilt werden dürfen. Welche fünf sind dies? Erstens das Land, auf welchem [der saṃgha] siedelt, zwei‑ tens die Gebäude [des Klosters], drittens die Gebrauchsgegenstände [der Mönche oder Nonnen], viertens Obstbäume sowie fünftens Blumen und Früchte.“74 Dieses Konzept vom ‚Besitz des saṃgha der vier

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Richtungen‘ (caturdiśasaṃghasya; sifang sengwu 四方僧物) entstammt einer relativ frühen Entwicklungsstufe des indischen Buddhismus, führte aber schließlich zur konkreten Vorstellung des unantastbaren Eigentums monastischer Gemeinschaften, die auch rechtlich verbindlich wurde. Die Vorstellung des Stiftens wurde zwischen 400 und 500 durch die Rechts‑ form des Klosters zunehmend ausgeprägt, da Klöster und ihre Bewohner nicht nur als Destinatäre in Frage kamen, sondern gleichzeitig auch einen institutionellen Rahmen für Verwaltung und Verwendung gestifteter Gelder und Gegenstände zur Verfügung stellten. Ein Terminus aus dem buddhistischen und daoistischen Kloster‑ wesen steht exemplarisch für den Bestand der Stiftung ‚für alle Zeiten‘: Der Begriff changzhu 常住 (‚dauerhaft bzw. ewig ver‑ weilen‘) bezeichnete zunächst, das heißt ab dem 5. Jahrhundert, den Immobilien‑ besitz der Klöster, also Hallen und Statuen ebenso wie Ländereien, und wurde in der Tang‑Zeit auch auf Vermögenswerte und Vorräte ausgedehnt. Changzhu steht für den unveräußerlichen, dauerhaften und kollektiven Besitz der monastischen Ge‑ meinschaft – die Gesamtheit des materiel‑ len Besitzes, die die Existenz des Klosters ermöglicht.75 Der vom Staat anerkannte und ge‑ schützte Sonderstatus des changzhu‑Be‑ sitzes basiert auf einem rein religiösen Denkmechanismus: seiner Zuordnung zu den ‚Drei Juwelen‘ (Sanskrit: triratna) bzw. den ‚Drei Schätzen‘ – im Chinesischen gleichermaßen als sanbao 三寶 bezeichnet. Im Buddhismus bezieht sich der Begriff ‚Drei Juwelen‘ auf den Buddha (Fo 佛), die Lehre (dharma; fa 法) und die Ordensge‑ meinschaft (saṃgha; seng 僧). Die Daoisten kennen mehrere als sanbao bezeichnete Begriffsgruppen, worunter das Dao 道, die heiligen Schriften (jing 經) und die Meister

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(shi 師) in Analogie zu den buddhistischen triratna als die ‚Drei Schätze‘ fungieren, die für unsere Thematik relevant sind.76 Es ist die Verbindung mit den Drei Juwe‑ len (Buddhismus) bzw. den Drei Schätzen (Daoismus), durch die der Besitz von mo‑ nastischen Gemeinschaften ‚geweiht‘ und in der Regel für Außenstehende und sä‑ kulare Autoritäten unantastbar wird. Mit diesem Konzept hängt auch eine weitere religiöse Vorstellung zusammen, nach der Klöster und Kleriker an sich einen beson‑ deren, heiligen Status haben, wodurch jede positive oder negative Handlung, die man ihnen angedeihen lässt, besonders weitrei‑ chende karmische Folgen hat. Das heißt, dass die nach dem Kausalgesetz des Karma zu erwartende Belohnung oder Vergeltung um ein Vielfaches potenziert wird, wenn die ursächliche Handlung im Rahmen der Interaktion mit einer monastischen Ge‑ meinschaft stattfindet. Auf der Grundlage dieser im religiösen Denken Chinas bis heute lebendigen Überzeugung standen in der Vergangenheit Kleriker und ihr Ei‑ gentum unter besonderem Schutz. Zugleich erklärt dieses Prinzip die Motivation zahl‑ reicher Stifter, die für ihre Unterstützung monastischer Institutionen und Personen mit einer Potenzierung ihrer religiösen Verdienste rechnen konnten.77 Im buddhistischen Monastizismus Chi‑ nas war die Kategorie des changzhu‑Besit‑ zes auch von pragmatischen Vorstellungen geprägt. Zum einen wurde das Problem der ‚Unreinheit‘ profaner Dinge und Hand‑ lungen dadurch gelöst, dass bestimmte als ‚unrein‘ betrachtete Tätigkeiten, etwa in der Landwirtschaft oder Küche, aber auch Handel, meistens von Laien‑Bediens‑ teten, sogenannten jingren 淨人 (‚reinen Menschen‘)‚ übernommen wurden. Zum anderen wurden ‚unreine‘, profane Güter wie Geld und Edelmetalle, deren Besitz den Klerikern theoretisch verboten war,

Religiöse Stiftungen in China

durch ihre Übereignung an die Drei Ju‑ welen ‚gereinigt‘. Daher konnten die per definitionem besitzlosen Mönche gewisse Güter durchaus ‚weltlich‘ investieren, so‑ lange nur die Drei Juwelen die Nutznießer der Investition blieben. Die heilige Natur des changzhu‑Besitzes stand also nicht im Widerspruch zu kommerziellen Unterneh‑ mungen. Es verwundert daher nicht, dass buddhistische Gemeinschaften schon im 7. Jahrhundert als Kreditgeber für Laien‑ anhänger auftraten.78 In seiner Studie ‚Buddhism in Chinese Society‘ bescheinigt Jacques Gernet dem Buddhismus einen signifikanten Einfluss auf die Wirtschaft und das Verständnis von Eigentum im mittelalterlichen Chi‑ na. Die in den indischen Vinaya‑Texten enthaltenen Regeln zur Aufteilung des (zumeist bescheidenen) Besitzes verstor‑ bener Mönche innerhalb der Ordensge‑ meinschaft stehen für Gernet am Anfang der Entwicklung von Privatbesitz (im Un‑ terschied zum changzhu‑Besitz des Ordens) unter chinesischen Mönchen. Das strikte Verbot des Geldbesitzes entstamme zudem einer sehr frühen Entwicklungsstufe des indischen Buddhismus und sei zur Zeit der Buddhismus‑Verbreitung in China auch in Indien nicht mehr gültig gewesen. Ende des 5. Jahrhunderts hätten auch indische Or‑ den nicht mehr ausschließlich vom Betteln gelebt, sondern auch vom Ertrag eigener Ländereien, Zinsen etc. Die Integration von Handel und anderen kommerziellen Praktiken in den traditionellen Spenden‑ kreislauf habe aus einer Gemeinschaft von Wandermönchen schließlich eine ökonomi‑ sche Macht werden lassen. Ein profunder Wandel in der chinesischen Wirtschaft zwischen dem 5. und 10. Jahrhundert sei zum Teil auf den Einfluss des Buddhismus zurückzuführen, der einen neuen Begriff von Eigentum nach China gebracht habe, wo es ursprünglich nur ein Nutzungsrecht

Grundlagen im Monastizismus: Das Kloster als Stiftung

für agrarisch bebautes Land gegeben habe. Neu war, dass die Klöster ein e x k l u s i ‑ v e s B e s i t z r e c h t über ihre Ländereien hatten, was die Vorstellung von Eigentum in China nachhaltig verändert habe. Die Idee, dass Land gespendet sowie ge‑ und verkauft werden kann, habe sich durchge‑ setzt, wodurch ein sozialer und ökonomi‑ scher Wandel in der Tang‑Zeit eingeleitet worden sei. Ferner habe der Buddhismus durch die Einführung ursprünglich indi‑ scher Formen des Darlehens zur Entwick‑ lung des Handels in der Tang‑Dynastie beigetragen.79 Neben Spenden und Einkünften aus religiösen Dienstleistungen und der Land‑ wirtschaft waren es vor allem auch aus dem changzhu‑Bestand gewährte Darle‑ hen, deren Zinserträge zum Fortbestand der monastischen Stiftungen beitrugen. Es sei daran erinnert, dass der Begriff ‚permanenter Besitz‘ (changzhu) sich in der Tang‑Zeit nicht mehr ausschließlich auf den Immobilienbesitz der Klöster bezog, sondern vor allem auf Vermögenswerte, insbesondere Geld und Verbrauchsgüter in den klösterlichen Schatz‑ und Vorratskam‑ mern. Der Bestandteil des changzhu‑Besit‑ zes, der gegen Zinsen an Dritte verliehen werden konnte, wurde als ‚unerschöpfli‑ cher Besitz‘ (wujin wu 無盡物) bzw. ‚un‑ erschöpfliches Kapital‘ (wujin cai 無盡財) bezeichnet, womit der Sanskrit‑Terminus akṣayanīvī (‚unvergängliches Kapital‘) aus den Vinaya‑Texten wiedergegeben wird. Land, Verbrauchsgüter und Geld wurden mitunter von Laienanhängern und Mön‑ chen für eben diesen Zweck gespendet. Die Zinserträge aus diesem ‚unerschöpflichen Kapital‘ trugen zur dauerhaften Versor‑ gung der Klöster bei.80 Somit ist grundsätz‑ lich festzustellen, dass Klöster in China durch ihren Rechtsstatus, eigene wirt‑ schaftliche Aktivitäten und regelmäßige Dotationen auf Dauerhaftigkeit angelegt

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waren und somit an sich als Stiftungen gelten können. Was wurde nun konkret gestiftet? Neben Grundstücken, den Klostergebäuden und kostspieligen Statuen aus Metall, Stein oder Holz sowie weiteren, oft verschwenderisch verzierten Devotionalien wurden Klöster zu ihrer Versorgung mit gartenbaulich und landwirtschaftlich nutzbaren Ländereien bedacht, zu denen auch Bauernfamilien gehörten, deren Status als Leibeigene die‑ ser Institutionen über Generationen wei‑ tervererbt wurde. Während es vor allem in der früheren Phase des buddhistischen Monastizismus auch Sklaven unter diesen Bediensteten gab, unter denen sich sogar dem Orden geschenkte und damit begna‑ digte Sträflinge befanden, bestand etwa in der Tang‑Zeit die Mehrheit dieser ‚Kloster‑ Haushalte‘ (sihu 寺戶) aus abhängigen Bau‑ ern, die zu Diensten und Abgaben an die Klöster verpflichtet waren, aber dennoch gewisse ökonomische Freiheiten genossen. Es gab sogar freie Bauern, die freiwillig und dauerhaft einen Ertragsanteil dem buddhistischen Orden widmeten. Der Sta‑ tus der ‚Kloster‑Haushalte‘ ging hingegen oft auf Stiftungsakte zurück, weshalb sie – als Bestandteil einer Stiftung – auch unter der Bezeichnung ‚Haushalte in permanen‑ tem Besitz‘ (changzhu baixing 常住百姓) bekannt waren.81 Chinesische Kleriker bildeten – nach dem Vorbild von Beamten und Adligen – eine eigene soziale Klasse und waren in der Regel nicht selbst in der Landwirt‑ schaft aktiv, was auch mit dem Verbot der Verletzung von Tieren und Pflanzen in frühen Vinaya‑Texten begründet wurde. Chinesische Mönche fungierten eher als ‚Manager‘ ihrer Ländereien. Es gab aber Ausnahmen. So wurden Novizen, die noch nicht voll ordiniert und damit nicht al‑ len Verboten unterworfen waren, in der Landwirtschaft eingesetzt. Auch galt (und

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gilt) die körperliche Arbeit in Klöstern des Chan‑Buddhismus und der daoistischen Quanzhen‑Tradition als Teil der spiritu‑ ellen Praxis, weshalb es in China auch immer Mönche und Nonnen gab, die auf den Feldern und in den Gärten arbeiteten.82 Buddhistische Klöster spielten auch bei der Erschließung trockener Randgebiete eine aktive Rolle.83 Ein herausragendes Beispiel ist die Oasenstadt Dunhuang 敦煌 in der heutigen Provinz Gansu 甘肅 (Nordwest‑China), die durch ihre zwischen dem 4. und 14. Jahrhundert entstandenen Grottenheiligtümer und den spektakulären Fund von Schriftstücken und Artefakten aus der Zeit vom 4. bis 11. Jahrhundert welt‑ berühmt geworden ist.84 Eine wichtige Ein‑ nahmequelle der großen buddhistischen Klöster im Dunhuang der Tang‑Dynastie waren der Betrieb und die Vermietung von eigenen Mühlen und Ölpressen. Die in diesen Betrieben beschäftigten Mül‑ ler gehörten – wie die Bauern der großen monastischen Landgüter – zu den oben beschriebenen ‚Kloster‑Haushalten‘ (sihu) bzw. ‚Haushalten in permanentem Besitz‘ (changzhu baixing), deren Status erblich war. Gernet schreibt: „thanks to the indus‑ trial installations on their estates, the great monasteries at Tun‑huang [Dunhuang] played a very important economic role in the region. It may be surmised that they provided the entire supply of flour and oil to the population of Tun‑huang. (…) Here may be witnessed the beginnings of a capitalist economy“.85 Die Mönche und Nonnen waren von Steuern und Fronarbeit befreit; in Zeiten mit sehr vielen Klerikern stellte dies ein echtes fiskalisches Problem dar. Ferner konnte man sich durch den Eintritt in ein Kloster dem Militärdienst entziehen. Durch ihren Sonderstatus und die sehr fle‑ xible Auslegung des monastischen Verbots der Anhäufung von Wertgegenständen

Religiöse Stiftungen in China

und Geld betrieben vor allem Mönche in Machtpositionen einträgliche Kredit‑ und Zinsgeschäfte.86 Wenn die Anzahl der Kle‑ riker und der in Klöstern gehortete Reich‑ tum überhand nahmen, antwortete der Staat mit harten Zwangsmaßnahmen, die die Schließung und Zerstörung von Klös‑ tern, Zwangslaisierungen und die Etablie‑ rung strengerer Regeln und Standards für Ordinationen beinhalteten. Durch große Statuen, Glocken und andere liturgische Paraphernalien waren ferner beachtliche Mengen von Kupfer und Edelmetallen an die Klöster gebunden. Das im Zuge staat‑ licher Maßnahmen konfiszierte Kupfer wurde oft dringend zur Herstellung von Münzgeld benötigt.87 Besonders hart traf es den Buddhismus zwischen 841 und 845, als der Tang‑Kaiser Wuzong 唐武宗 (reg. 840–846) während der Regierungsperiode Huichang 會昌 massiv gegen die buddhistische Religion vorging.88 Eklatante Missstände innerhalb des bud‑ dhistischen Ordens, der von einer großen Menge Steuer‑ und Militärdienstflüchti‑ ger – also lediglich pro forma Ordinierter – unterwandert worden war, waren die Hauptursache dieser in der vormodernen Geschichte Chinas in ihrer Härte und Gründlichkeit einmaligen Unterdrückung des Buddhismus. Dabei war der enorme Zuwachs an Klerikern zumindest teilweise ein hausgemachtes Problem. Zu manchen Zeiten galt der Verkauf von Ämtern, aber auch von Ordinationszertifikaten für bud‑ dhistische und daoistische Kleriker als probates Mittel, um die Staatskasse – vor allem für militärische Zwecke – aufzubes‑ sern. Während und im Gefolge einer de‑ saströsen Rebellion, die zwischen 755 und 763 Teile des Landes mit Kriegshandlungen überzog, bediente sich der geschwächte Tang‑Staat dieses Mittels, was zu einem sprunghaften Wachstum des (vor allem buddhistischen) Klerus führte. Obwohl

Grundlagen im Monastizismus: Das Kloster als Stiftung

der Verkauf der Ordinationsurkunden dem Fiskus kurzfristig Gewinn brachte, war die langfristige Wirkung dieser Maßnahme auf die Staatsfinanzen durch den Sonder‑ status der Kleriker fatal, brach durch die massenhaften ‚Ordinationen‘ doch ein sehr großer Teil der Steuern zahlenden und in Fronarbeit und Militär einsetzbaren Be‑ völkerung weg.89 Kaiser Wuzong war sehr dem Daoismus zugetan und soll – nach Angaben von (frei‑ lich nicht völlig neutralen) Zeitzeugen wie dem japanischen buddhistischen Mönch Ennin 圓仁 (793 oder 794–864) – eine star‑ ke Abneigung gegen den Buddhismus ge‑ hegt haben. Dass in erster Linie ökonomi‑ sche Gründe und Missstände innerhalb des buddhistischen Ordens Anlass zu staatli‑ cher Intervention gaben, zeigen die frühe‑ ren Maßnahmen Wuzongs, die vor allem gegen den Privatbesitz von Mönchen und Nonnen gerichtet waren und als ‚gemä‑ ßigte Phase‘ der Huichang‑Proskription gelten können: „The decree for a general purge of the Buddhist clergy was finally handed down in the middle of the tenth month of 842. It had two clear objectives: the laicization of ‚undesirable‘ monks and the seizure of all property belonging to individual members of the Buddhist clergy. (…) The decree further called for the con‑ fiscation of all money, grain, paddy land or estates privately owned by monks or nuns. Members of the clergy, however, were given the option of retaining their property by returning to lay status and having their names entered in the tax rolls. (…) 3,491 monks and nuns residing in monasteries in Ch’ang‑an [Chang’an 長安]90 chose laicization and a taxable status rather than suffer the loss of their property. In its final form the decree also limited the number of slaves that members of the clergy might own. (…) Monks and nuns were specifically warned against

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trying to conceal their slaves by having them ordained and listed as members of the clergy.“91 Unter dem Einfluss des intriganten dao‑ istischen Priesters Zhao Guizhen 趙歸真 (gest. 846), der die anti‑buddhistischen Sentiments des Kaisers weiter befeuerte, nahmen Wuzongs Maßnahmen gegen den Buddhismus allmählich extreme Formen an. Zugleich richtete Wuzong zunehmend irrationale Hoffnungen auf die daoisti‑ sche ‚Unsterblichkeit‘, was in einem ver‑ schwenderischen Bauprojekt für eine Art Landungsterrasse für Unsterbliche kul‑ minierte und schließlich auch zum Tod des Kaisers nach der Einnahme alche‑ mistischer Elixiere führen sollte. Neben der Entfernung aller buddhistischen Pa‑ raphernalien aus Palast‑Kultstätten und dem Verbot von Pilgerfahrten zu wichtigen heiligen Stätten des Buddhismus sowie der damit verbundenen Spenden von Laien ordnete Wuzong die Zerstörung buddhis‑ tischer Einsiedeleien und die Schließung kleinerer Klöster an, womit die Prohibiti‑ on nun auch auf Formen buddhistischer Volksfrömmigkeit ausgedehnt wurde. 845 erreichte die Huichang‑Proskription ihren Höhepunkt, als der changzhu‑Besitz der Klöster eingezogen und die Laisierung aller buddhistischen Mönche und Nonnen unter 50 Jahren befohlen wurde. Dieser zerstö‑ rerische Schlag gegen den Buddhismus, der die Schließung von über 4 600 Klös‑ tern, die Laisierung von 260 500 Klerikern, die Zerstörung von über 40 000 Kapellen und Einsiedeleien und die Konfiskation von gewaltigen Ländereien beinhaltete, hatte auch eine desaströse Wirkung auf klösterliche Armenhäuser, die schließlich von säkularen Institutionen weiterbetrie‑ ben werden sollten.92 Zweifellos stellt die Huichang‑Verfolgung den absoluten Tief‑ punkt in der vormodernen Geschichte des chinesischen Buddhismus dar. Allerdings

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war schon der Nachfolger von Wuzong dem Buddhismus wieder wohlgesonnen.93 Für unsere Thematik ausschlaggebend sind aber nicht die ökonomischen Prob‑ leme, die Klöster zu manchen Zeiten dem chinesischen Kaiserreich bereiteten – Ger‑ net spricht an einer Stelle gar von einer ‚parasitären Wirtschaft‘94 – oder die rati‑ onalen und irrationalen Reaktionen auf Missstände innerhalb des Klerus, sondern die Tatsache, dass diese Institutionen als dauerhafte Stiftungen angelegt waren und somit eine Rechtsform darstellten. Natür‑ lich gingen von den Klöstern nicht nur negative Wirkungen aus. Die Entwicklung des Buddhismus schenkte China eine neue spirituelle und ethische Dimension. Sie belebte Kunst, Handwerk und zahlreiche nicht‑agrarische Wirtschaftszweige. Auch die Wohltätigkeit zählte bereits im 5. Jahrhundert zur Domäne des Bud‑ dhismus. In einer Phase der Nördlichen Wei‑Dynastie, als der Buddhismus quasi Staatsreligion war, entstanden Landbau‑ Kolonien in Trockengebieten unter dem Management und Patronat buddhisti‑ scher Klöster, deren leibeigene Bauern in ‚saṃgha‑Haushalten‘ (sengqi hu 僧祇戶) organisiert waren. Die von den sengqi hu produzierte Hirse war für Getreidespei‑ cher vorgesehen, die der Preisregulierung und zugleich der Bekämpfung der häufi‑ gen Hungersnöte dienten. Damit hatte der Staat die Notversorgung der Hungernden in die Hände der Klöster gelegt: „The fact alone that the distributions of grain to the starving were assured by the monasteries changed their character from material re‑ lief to charitable donation. It was acknowl‑ edged that acts of charity belonged to the domain, and constituted a privilege, of the Buddhist Church.“95 Auch wenn die Organisation von Wohl‑ tätigkeit durch buddhistische Klöster nicht immer frei von Missbrauch war, blieb sie

Religiöse Stiftungen in China

doch eine Konstante im weiteren Verlauf der religiösen Geschichte Chinas. Eine wichtige Grundlage bildete die Vorstellung einer universalen Wohltätigkeit, die sich im Mahāyāna‑Buddhismus herausgebil‑ det hatte: „Charity (…) was extended to the whole universe of sentient beings in Mahāyāna Buddhism: pilgrims, the faith‑ ful visiting monasteries, participants in the great Buddhist assemblies, the poor, the hungry, the sick, and animals.“96 So waren auch die an buddhistische Klöster gebundenen ‚Unerschöpflichen Schatzhäu‑ ser‘ (wujin zang 無盡藏), Institutionen mit Zweigstellen in vielen Teilen des Tang‑ Reiches, nicht nur der dynamischen Zir‑ kulation von Reichtum gewidmet, sondern dienten auch caritativen Zwecken. Von reichen Zuwendungen der Oberschicht er‑ möglicht, eröffneten diese Banken nicht unähnlichen ‚Schatzhäuser‘ an bestimm‑ ten Daten des religiösen Kalenders ‚Ver‑ dienst‑Büros‘ (gongde chu 功德處) in den Provinzen, wo jedermann spenden konnte. Die Einnahmen wurde zum großen Teil für den saṃgha, Klosterrenovierungen und den Kult verwendet, wurden aber auch für Aufgaben der Wohltätigkeit eingesetzt.97 Angetrieben von einer verbindenden Motivation, der Ansammlung von religi‑ ösem Verdienst, engagierten sich sowohl Kleriker als auch Laien in caritativen Be‑ reichen wie der Versorgung von Armen und Kranken. Auch wenn wenig konkrete Informationen über die buddhistischen caritativen Einrichtungen vorliegen, wis‑ sen wir, dass es sie gegeben hat und dass sie sich vor allem aus den Erträgen eigens dazu bestimmter Ländereien, der ‚Felder des Mitgefühls‘ (beitian 悲田), finanzier‑ ten. Gernet berichtet auch von buddhis‑ tischen Krankenhäusern der Tang‑Zeit. Auch wenn diese Institutionen sicherlich Kranke versorgten und auf kaiserlichen Befehl als ‚Krankenstationen‘ (bingfang

Grundlagen im Monastizismus: Das Kloster als Stiftung

病坊) bezeichnet wurden, handelte es sich dabei um Spitäler, also Häuser für alle Bedürftigen, weswegen Weinstein sie als Armenhäuser (almshouses) bezeichnet.98 Was den buddhistischen Monastizis‑ mus allgemein betrifft, so unterscheidet Gernet zwischen offiziellen und privaten Institutionen, wobei vom Kaiserhaus legi‑ timierte und subventionierte Großklöster sowie von Beamten und Adligen gegrün‑ dete Einrichtungen zur ersten Kategorie gehörten und von Privatleuten gestiftete Klöster zur zweiten: „Some monasteries are official places of worship and are re‑ cognized as such. They have received their name (o [e 額])99 by imperial bestowal as well as gifts of land, funds, servants, allotments of local families, and certain privileges. They are entitled to annual subventions from the court. Their monks have been selected and ordained by the emperor and are supervised by officially appointed clergy who are held account‑ able for their conduct. The other kind of establishments are merely tolerated and are always the first to fall victim to repres‑ sions. These are private places of worship, serving the great families as well as the people. Even if the term private does not appear in the texts, such was in fact their status.“100 Zu letzterer Kategorie zählten auch Massen von kleinen Heiligtümern und Dorftempeln. Gemeinsam ist diesen religiösen Institutionen vor allem eins: ihr Stiftungscharakter. Im Rahmen der lokal und privat or‑ ganisierten Religiosität bildeten sich seit dem Ende des 5. Jahrhunderts Gemein‑ schaften von buddhistischen Laien und Klerikern, deren Ursprung in dörflichen Kultgemeinschaften des Altertums zu su‑ chen ist, die für das Opfer am jeweiligen Erdgott‑Altar (she 社) zuständig waren. In ihrer Organisationsform frühdaoisti‑ schen Gemeinden ähnlich, hatten diese

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privaten buddhistischen Gesellschaften ein zweifaches Ziel: den religiösen Kult und die daraus entstehenden Verdienste der ganzen Gemeinschaft ebenso zu ge‑ währleisten wie die Kontinuität der ein‑ zelnen Familien‑ bzw. Ahnenkulte. Die Mitgliedschaft in diesen Gruppen, die auch gewisse Parallelen zu jüdischen und latei‑ nisch‑christlichen Bruderschaften erken‑ nen lassen, bezog sich auf ganze Sippen und war erblich. Diese Gesellschaften, de‑ ren Mitgliederzahlen im zwei‑ oder sogar dreistelligen Bereich lagen, entwickelten auch Formen der gegenseitigen Hilfe, etwa die gemeinschaftliche Finanzierung der Bestattung verstorbener Mitglieder. Ziel der kollektiven Aktivitäten war in jedem Fall die ‚Erschaffung von Segen (bzw. Ver‑ dienst)‘ (jianfu 建福), was sich konkret in frommen Werken wie der Herstellung von Statuen, der Gestaltung von heiligen Grotten, dem Bau von sakralen Gebäuden, der Organisation religiöser Feste sowie dem Kopieren und Rezitieren von Sutren manifestierte. Auch die Pflege und Erhal‑ tung von Heiligtümern, etwa von Grotten‑ kapellen in Dunhuang, lag in den Händen solcher Gesellschaften.101 Diese privaten buddhistischen Kör‑ perschaften zählen zu den ‚Graswurzel‑ Organisationen‘ des religiösen Stiftungs‑ wesens im mittelalterlichen China. Solche Gemeinschaften gab es auch im daoisti‑ schen Kontext. Paul Katz beschreibt sie als ‚local ritual associations‘, die maßgeblich am Bau und Erhalt des daoistischen Tem‑ pel‑ und Klosterkomplexes Yongle Gong 永樂宮 (‚Palast der ewigen Freude‘) be‑ teiligt waren.102 Die von Katz erwähnten daoistischen Gemeinschaften wurden als shehui 社會 (‚Gesellschaften‘) bezeichnet. Für die von Gernet beschriebenen bud‑ dhistischen Gruppierungen gab es eine Reihe von Bezeichnungen: yi 邑 (‚Gemein‑ de‘), yiyi 義邑 (‚Wohltätigkeits‑Gemeinde‘),

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yihui 邑會 (‚Gemeinde‑Vereinigung‘), she 社 (‚Gesellschaft‘), sheyi 社邑 bzw. yishe 邑社 (‚Gemeinde‑Gesellschaft‘). Wenden wir uns nun den wesentlichen Charakteristika chinesischer Klöster zu. Es ist nicht sinnvoll, im Kontext der chi‑ nesischen Religiosität streng zwischen Klöstern und Tempeln zu unterscheiden, da auch monastische Einrichtungen in der Regel über öffentlich zugängliche Kultstät‑ ten verfügten und damit auch die Funk‑ tion von Tempeln erfüllten. Im Gegensatz dazu gab es eine gewaltige Zahl kleiner Heiligtümer, zu denen auch die priva‑ ten Ahnentempel einflussreicher Fami‑ lien gehörten, die keine Klöster waren und in Zeiten außerhalb religiöser Feste oder familiärer Feiern auch keine Kleriker beherbergten. Der familiäre Ahnenkult kam auch ganz ohne religiöse Spezialisten aus, aber zu wichtigen Anlässen war es doch üblich, buddhistische Mönche oder daoistische Priester mit einer erweiterten Liturgie zu betrauen und zu diesem Zweck als Experten temporär einzustellen. Klös‑ ter, die hier im Mittelpunkt stehen, wa‑ ren (sind) Einrichtungen unterschiedlicher Größe, die – im Unterschied zu ‚reinen‘ Tempeln – dauerhaft von buddhistischen oder daoistischen Mönchen und Nonnen bewohnt werden. Dass die Klöster zugleich als Tempel fungierten, ist in der mittelalterlichen Reli‑ giosität nicht ungewöhnlich. Auch christli‑ che Klöster in Europa verfügen über eigene Kirchen, die nicht nur Ordensangehörigen, sondern auch gewöhnlichen Gläubigen zu‑ gänglich sind. Große Unterschiede liegen hingegen in der architektonischen Anla‑ ge und den Möglichkeiten des Zugangs für Laien. Chinesische Klöster – sowohl buddhistische als auch daoistische – be‑ stehen aus einem rechteckigen Hof, der auf allen Seiten von einer Mauer umgeben ist.103 Die wichtigsten Hallen, die dem Kult

Religiöse Stiftungen in China

der durch Statuen vertretenen Buddhas oder Gottheiten sowie Predigten und li‑ turgischen Versammlungen dienen, ste‑ hen hintereinander auf einer zentralen Nord‑Süd‑Achse. Alle Hallen auf dieser Achse öffnen sich nach Süden, wobei diese Nord‑Süd‑Ausrichtung nicht immer ex‑ akt und zuweilen auch fiktiv ist. Die An‑ lage wird durch das Haupttor im Süden betreten, wobei ein Laienanhänger oder Pilger vor bzw. in jeder Halle den Gott‑ heiten seine Verehrung durch den Kotau bzw. rituelle Niederwerfungen und Opfer von Weihrauchstäbchen, Kerzen, Geld etc. bezeugt und sich so immer weiter nach Norden fortbewegt. Hier zeigt sich bereits ein fundamentaler Unterschied zu euro‑ päischen Klöstern, wo die Kirche in der Regel am Rand des Klosterareals steht und nicht über den Klosterhof betreten wird, sondern über einen eigenen ‚öffentlichen‘ Eingang. Für die Ordinierten erfolgt der Zugang zur Kirche über einen speziellen, für Laien nicht zu betretenden Durchgang, der aus der Klausur in den Kirchenraum führt. Die Trennung der Bereiche von Kle‑ rikern und Laien war also strenger als in den chinesischen Institutionen. Das heißt freilich nicht, dass Besucher in chinesi‑ schen Klöstern überall Zutritt gehabt hät‑ ten. Die Wohn‑ und Arbeitsbereiche der Kleriker, bestimmte Hallen, beispielsweise die Meditationshalle, das Refektorium so‑ wie Verwaltungs‑ und Lagerräume durf‑ ten von Außenstehenden ohne besondere Aufforderung oder Genehmigung nicht betreten werden. Rechts und links wurden die Haupthal‑ len auf der Zentralachse von kleineren Schreinhallen und Nutzgebäuden umge‑ ben, die somit das rechteckige Gelände begrenzten. In einem zweiten konzentri‑ schen Kreis (vielmehr: Rechteck) um die zentralen Gebäude befanden sich weitere profane Bauten wie die Quartiere für Gäste

Grundlagen im Monastizismus: Das Kloster als Stiftung

und Bedienstete, Werkstätten und Stäl‑ le sowie sekundäre kultische Bauten wie Hallen für Bestattungszeremonien oder Gebäude, in denen sterbende Kleriker ihre letzte und wichtigste Transformation er‑ warteten. In einem dritten Kreis – zum Teil sicher auch außerhalb der Mauern – lagen Gärten, Felder und Mühlen. In ihrer Erscheinung und Anlage unterscheiden sich chinesische Klöster also deutlich von ihren europäischen Pendants: „Over‑ all the Chinese structure is more open in its layout than the Christian monastery – an impression enhanced by the fact that buildings were in wood, not stone, and had only one story instead of two. Typi‑ cally there was ample greenery between the halls and buildings, creating a sense of open nature rather than an enclosed stone structure that was shielded from the natural world.“104 Die Kloster‑Architektur Chinas orien‑ tierte sich am Erscheinungsbild von Paläs‑ ten sowie kultischen Gebäuden der Anti‑ ke, was gleichermaßen für buddhistische und daoistische Anlagen gilt. Die Nähe zur Palast‑Architektur ist an den prächtig verzierten geschwungenen Dächern und den oft auf erhöhten Steinterrassen errich‑ teten Hallen leicht zu erkennen. Auch die Ausrichtung der Hallen – und damit die Blickrichtung der Statuen – nach Süden entspricht einer alten Tradition, nach der der Kaiser, während er das Reich regierte, nach Süden, in die Richtung von yang 陽 (Sommer, Feuer, Aktivität), blickte.105 Bei der Platzierung und Planung der Gesamt‑ anlage kamen natürlich auch die kom‑ plizierten Prinzipien der traditionellen Gestaltungslehre fengshui 風水 zur An‑ wendung, nach denen ein Gebäudekom‑ plex in idealer Lage – stark vereinfacht ausgedrückt – durch einen Berg (Schutz) hinter sich und ein Gewässer (Prospe‑ rität) vor sich ausgezeichnet ist. In den

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wesentlichen Punkten der Architektur und Anordnung der Gebäude waren (sind) buddhistische und daoistische Klöster einander sehr ähnlich. Einzig das Vor‑ handensein einer Pagode (ta 塔) auf dem Klosterareal oder in seiner unmittelbaren Umgebung ist ein relativ sicheres Indiz dafür, dass es sich um eine buddhistische Anlage handelt und nicht um eine daois‑ tische. Diese turmförmigen Bauten gin‑ gen aus der Verschmelzung chinesischer Gebäudeformen mit dem indischen stūpa hervor und enthielten oft Reliquien und andere sakrale Gegenstände.106 Pagoden, von denen viele zu den Meisterwerken tra‑ ditioneller chinesischer Architektur zäh‑ len, entstanden gewöhnlich im Rahmen von Klosterstiftungen oder auch als Einzel‑ oder Zustiftungen. Die meisten Pagoden verfügen über Inschriften, die bei einer zielgerichteten Auswertung wahrschein‑ lich ein eigenes Kapitel zur Stiftungsge‑ schichte Chinas beitragen könnten. Die Nähe der Kloster‑ zur Palast‑Ar‑ chitektur rührt auch daher, dass immer wieder Residenzen von Aristokraten und hohen Beamten und sogar Paläste gestiftet und in Klöster umgewandelt wurden.107 Umgekehrt lässt sich feststellen, dass die Übereinstimmung der grundlegenden ar‑ chitektonischen Merkmale von Palästen und Klöstern solche Konversionen, die bis in die späte Kaiserzeit vorkamen, wesent‑ lich erleichterte. Viele Mitglieder der Elite konnten so ihren Lebensabend in vertrau‑ ter Umgebung spirituellen Zielen widmen, wobei ihr monastischer Status nicht nur Schutz vor dem Fiskus, sondern in man‑ chen Fällen auch vor Intrigen und akuter Lebensgefahr bot. Letztere Überlegungen spielten möglicherweise eine Rolle bei zwei Tang‑Prinzessinnen, die im frühen 8. Jahr‑ hundert zu daoistischen Nonnen geweiht wurden: Jade‑Verwirklichte (Yuzhen 玉真, 690er Jahre bis 762) und Gold‑Unsterbliche

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(Jinxian 金仙, 689–732). Die beiden präch‑ tigen Klöster in Chang’an, in die diese Schwestern von Kaiser Xuanzong nach ihrer Ordination einzogen, wurden aller‑ dings eigens für sie errichtet und auch nach ihnen benannt.108 Ein wesentlicher Bestandteil monas‑ tischer Stiftungskomplexe waren zu den Klöstern gehörige Ländereien, worauf wei‑ ter oben schon verschiedentlich hingewie‑ sen wurde. In der unmittelbaren Umgebung der Klöster handelte es sich dabei vorwie‑ gend um hügeliges Terrain, das gartenbau‑ lich bewirtschaftet wurde, etwa durch den Anbau von Obst, Gemüse und Tee. Durch staatliche und private Zuwendungen ka‑ men aber auch zunehmend große und ebe‑ ne landwirtschaftliche Flächen – Felder, auf denen Reis, Hirse und anderes Getreide angebaut wurde – in den Besitz von Klös‑ tern, wobei solche den Drei Juwelen bzw. Drei Schätzen geweihten Agrarflächen nicht direkt an die Kloster‑Grundstücke angrenzen mussten. Entscheidend war al‑ lein die rechtliche Bindung ihrer Erträge an die Klöster, die so zum dauerhaften Bestand der monastischen Stiftungen bei‑ trugen. Gernet erwähnt den typischen Fall eines hochrangigen Beamten der Tang‑ Dynastie, der sein Landgut (bieshu 別墅) einem buddhistischen Kloster stiftete, um als ‚unerschöpfliches Kapital‘ (wujin cai) die Versorgung der monastischen Gemein‑ schaft zu sichern.109 Walsh bringt es auf den Punkt: „To do‑ nate land was to be a good Buddhist. This material logic was vital not only to the long‑term success of Buddhism in China but also to anything else we might wish to term ‚Chinese religion‘.“110 In seiner Studie, die die Mechanismen in der chinesischen Reli‑ giosität analysiert, durch die Klöster einen gewaltigen Landbesitz ansammeln konnten, stellt Walsh soziokulturelle Konzepte in den Vordergrund und geht – bedauerlicherweise

Religiöse Stiftungen in China

– nicht auf das Phänomen ‚Stiftung‘ ein. Die Kernfrage ist, wie das Verb ‚to donate‘ in obigem Zitat zu übersetzen ist. Meines Erachtens kann nur ‚stiften‘ die richtige Antwort sein, da das Land – wie andere gestiftete Güter – den Klöstern nicht ein‑ fach geschenkt, sondern gegen religiöses Verdienst e i n g e t a u s c h t wurde; in Walshs eigenen Worten „the exchange of merit for land. From a Buddhist doctrinal perspective, merit was accrued by the do‑ nor and could be used to attain salvation in a future life, or more commonly, to aid deceased family members in reaching a better state of existence.“111 Die gängigste Form des Landerwerbs buddhistischer Klöster waren Landstiftun‑ gen lokaler Patrone und Anhänger. Dieses gestiftete Agrarland wurde als ‚geopfer‑ te Felder‘ (shetian 捨田) bezeichnet. Für Landstiftungen des Kaiserhauses waren hingegen Begriffe wie ‚gewährte Felder‘ (citian 賜田) oder ‚gewährte Landgüter‘ (cizhuang 賜莊) üblich. Als Bestandteil des Klosterbesitzes wurden solche Ländereien dann auch als changzhu tian 常住田 (‚Fel‑ der in permanentem Besitz‘) bezeichnet. Die Motivation des Stifters – egal, welcher sozialen Gruppe er oder sie angehören mochte – war in den meisten Fällen die Ansammlung von Verdienst, worauf im folgenden Kapitel noch näher eingegangen wird. Dieses Verdienst wurde zudem häufig auf verstorbene Angehörige übertragen, um deren postmortales Wohlergehen zu fördern.112 Die Ländereien in permanentem Be‑ sitz der Klöster (changzhu tian) dienten offenbar als Vorbild für private Wohltätig‑ keits‑Landgüter (yitian 義田 oder yizhuang 義莊), die erstmalig für das frühe 11. Jahr‑ hundert belegt sind. Dabei handelte es sich um treuhänderisch im Namen eines bestimmten Clans verwaltete Ländereien, deren Einkünfte die Kosten für Hochzeiten,

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Begräbnisse oder die Ausbildung bedürfti‑ ger Clanmitglieder decken sollten.113 Klosterland wurde übrigens in der Re‑ gel offiziell registriert und besteuert. Le‑ diglich vom Kaiser oder einem anderen Mitglied der imperialen Familie gestiftetes Land war von der Steuer befreit, was na‑ türlich solchen Klöstern, die mit großzü‑ gigen kaiserlichen Dotationen ausgestattet waren, sehr zum Vorteil gereichte. Eine weitere Ausnahme bildeten sogenannte ‚Verdienst‑Klöster‘ (gongde yuan 功德院) oder ‚Verdienst‑Grab‑Klöster‘ (gongde fensi 功德墳寺). Diese privaten Grab‑Kapellen wurden – gewöhnlich mit kaiserlicher Genehmigung – nahe den Grabstätten einflussreicher Familien und Amtsträger errichtet. Sie wurden meistens nur von einigen wenigen Mönchen bewohnt, die Liturgien für die Verstorbenen abzuhalten hatten. Da das zu diesen Grab‑Kapellen ge‑ hörige Land nicht besteuert wurde, wurden diese privaten Heiligtümer in der Song‑Zeit nicht selten als Steueroasen missbraucht. Es gab in jener Epoche aber auch die genau umgekehrte Praxis des Missbrauchs, wobei sich mächtige Familien bereits existierende Klöster illegal aneigneten, indem sie solche zu privaten Grab‑Kapellen erklärten. Die‑ se willkürliche Aneignung von changzhu‑ Eigentum begann oft mit der Errichtung von Gräbern in der Nähe der Klöster.114 Die chinesische Schriftsprache kennt eine Reihe von Bezeichnungen für bud‑ dhistische und daoistische Klöster. Der geläufigste Terminus für buddhistische Institutionen ist si 寺, der ursprünglich für Amtsgebäude verwendet wurde. Die wahr‑ scheinlichste Erklärung für diese Wahl liegt in der frühen Geschichte des Bud‑ dhismus in China, als die ausländischen buddhistischen Mönche (aus Indien und Zentralasien) zunächst in Regierungsins‑ titutionen oder amtlichen Herbergen un‑ tergebracht wurden. Als der buddhistische

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Orden dann seine eigenen Behausungen hatte, sollte die Bezeichnung si vielleicht an ihre ursprüngliche Verbindung zu offi‑ ziellen Institutionen erinnern.115 Etwas komplizierter gestaltet sich die Erklärung der Herkunft des Terminus guan 觀 für daoistische Klöster, der weiter oben – orientiert an der häufigen Wiedergabe als ‚abbey‘ in der englischsprachigen For‑ schungsliteratur116 – als ‚Abtei‘ übersetzt wurde. Auch für die monastischen Ins‑ titutionen des Daoismus existieren ver‑ schiedene Bezeichnungen. Erscheint etwa statt guan das Wort gong 宮 (‚Palast‘) als Namensbestandteil, so weist dies in der Regel auf die Verleihung eines besonde‑ ren Status durch den Kaiser hin.117 Die geläufigste Bezeichnung aber ist guan, was ‚betrachten‘, ‚beobachten‘ oder auch ‚Aussichtsturm‘, ‚Sternwarte‘ bedeutet. Die Beobachtung von Himmelskörpern und ihre innere Visualisierung spielte in ver‑ schiedenen daoistischen Praktiken eine wichtige Rolle. Auch soll der Passwächter, der Laozi auf seinem Weg nach Westen aufhielt und – nach daoistischer Tradition – als erster Schüler von ihm das Daode jing erhielt, nach besonderen astralen Zeichen Ausschau gehalten und so das Eintreffen des Weisen vorausgesehen haben.118 So etablierte sich als Standardbezeichnung daoistischer Klöster der Terminus guan, der in westlichen Abhandlungen mitunter auch als ‚observatory‘ oder sogar ‚Belve‑ dere‘ übersetzt wird. In der Forschungsliteratur werden die Übersetzungen für si und guan oft willkür‑ lich gewählt, um zwischen buddhistischen und daoistischen Institutionen zu unter‑ scheiden. Anders als die Unterscheidung von ‚monastery‘ und ‚abbey‘ im Englischen wird in deutschen Arbeiten beispielswei‑ se si als ‚Tempel‘ und guan als ‚Kloster‘ wiedergegeben – und umgekehrt. Letztere Methode basiert auf der Erkenntnis, dass

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in den chinesischen Religionen diese Ins‑ titutionen sowohl Kloster‑ als auch Tem‑ pelfunktionen haben, weshalb die Wahl der Übersetzung einer rein philologischen Unterscheidung der chinesischen Begriffe gilt.119 Es war in China nicht üblich, Tempel und Klöster nach ihren Stiftern zu benen‑ nen. Überhaupt kamen Personennamen in diesem Zusammenhang eher selten vor. Religiöse Institutionen trugen in den meis‑ ten Fällen Namen, die der Terminologie ihrer jeweiligen heiligen Schriften bzw. grundlegenden Konzepten ihrer Lehren entstammten. Auch enthielten die Namen oft Hinweise auf die mythologische Vor‑ geschichte des Heiligtums oder eine wun‑ dersame Erscheinung, die zu seiner Ent‑ stehung führte. Relativ häufig finden sich Namen oder Titel von Buddhas, Bodhisatt‑ vas, Gottheiten, Heiligen und Patriarchen. Handelte es sich in den beiden letzteren Fällen um historische Persönlichkeiten, so wies der Name – sollte die Stiftung bereits zu dessen Lebzeiten erfolgt sein – konkret auf den Destinatär hin, nicht aber auf den Stifter. Dies gilt auch für die weiter oben erwähnten Klöster für die beiden Tang‑ Prinzessinnen, die nach ihren imperialen Bewohnerinnen benannt wurden. Aller‑ dings waren die Ordensnamen der Prin‑ zessinnen, die auch die Klöster trugen, so perfekt an die daoistische Terminologie angepasst, dass die Klosterbezeichnungen kaum noch einen Rückschluss auf persön‑ liche Namen zuließen. Es gab ferner religiöse Institutionen, deren Namen den erhofften Segen und Bei‑ stand für die jeweilige Dynastie erkennen ließen oder die nach Regierungsperioden benannt waren. Personenbezeichnungen – in der Regel Titel und keine persönlichen Namen – hatten die Funktion des G e d e n ‑ k e n s an die Person, der ein Tempel oder Kloster gewidmet wurde, dienten aber in

Religiöse Stiftungen in China

den mir bekannten Fällen nicht dem Stif‑ tergedenken. Ein Beispiel dafür ist das ‚Kloster des Herzogs Jing von Zhao‘ (Zhao Jinggong Si 趙景公寺) in Chang’an, das die Tochter des Herzogs für ihren verstorbe‑ nen Vater errichten ließ.120 Doch auch im Falle des Gedenkens an einen Elternteil wurden deskriptive Bezeichnungen wie ‚zur Vergeltung [mütterlicher] Güte‘ (baoci 報慈) etc. in den Benennungen gestifteter Monumente viel häufiger verwendet als Namen oder Titel der betreffenden Perso‑ nen.121 Freilich trugen private Ahnentempel einflussreicher Familien und Sippen auch den jeweiligen Familiennamen – beispiels‑ weise Liujia Ci 劉家祠 (‚Ahnentempel der Familie Liu‘). Gernet berichtet außerdem von buddhistischen Einsiedeleien in Dun‑ huang, die Familiennamen trugen.122 Auch in diesen Fällen handelt es sich aber nicht um die Namen individueller Stifter. Angesichts der Größe des chinesischen Kaiserreiches und der häufigen Umbenen‑ nungen von Klöstern und anderen reli‑ giösen Stätten wäre ein Versuch, genaue Zahlen gestifteter Klöster anzugeben, von vornherein zum Scheitern verurteilt. Es ist auch nicht anzunehmen, dass die An‑ gaben in Quellentexten über die Anzahl sakraler Stätten erschöpfend sind, da ge‑ rade privat gestiftete Tempel und Klöster oft sehr klein waren.123 So wurden etwa buddhistische Einsiedeleien (lanre 蘭若), in denen zwei oder drei Mönche lebten, häufig nicht erfasst. Als Anhaltspunkt zu buddhistischen Institutionen in der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts können uns die bereits genannten Angaben zur Huichang‑ Verfolgung von 845 dienen, wonach über 4 600 (große) Klöster geschlossen und über 40 000 Kapellen und Einsiedeleien zerstört wurden. Die Zahl der ursprünglich exis‑ tierenden Institutionen wird aber noch größer gewesen sein. Weitere Angaben zur Anzahl buddhistischer Institutionen und

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Kleriker finden sich bei Gernet, der eine Reihe von Quellen ausgewertet und mit Schätzungen ergänzt hat.124 Was die zweite hier betrachtete Religion betrifft, so wird in einem 739 vollendeten Verwaltungs‑ Codex der Tang‑Dynastie angegeben, dass im ganzen Reich 1 687 monastische Insti‑ tutionen des Daoismus registriert waren, wovon 550 von Nonnen bewohnt wurden. Dabei scheint es sich um daoistische Klös‑ ter aller Größenordnungen gehandelt zu haben.125 Der daoistische Monastizismus weist – nicht zuletzt aufgrund seiner zeitweise engen Bindung an Staat und Kaiserhaus – einige Besonderheiten auf. Viele bekannte Daoisten lebten zölibatär in Klöstern oder klosterähnlichen Gemeinschaften, doch innerhalb der gesamten daoistischen Tradi‑ tion waren sie eine Minderheit. Die meisten Daoisten waren als Berufspriester tätig, die verheiratet waren, von ihren lokalen Gemeinschaften unterstützt wurden und deren Profession oft innerhalb ihrer Fa‑ milien überliefert wurde. Erst mit dem im 12. Jahrhundert entstandenen Quan‑ zhen‑Daoismus hatte sich eine Traditions‑ linie etabliert, deren ordinierte Mitglieder eindeutig als ‚Mönche‘ bzw. ‚Nonnen‘ zu definieren sind. Erst die Dichotomie von Zhengyi und Quanzhen126 ermöglichte eine halbwegs exakte Unterscheidung von Be‑ rufspriestertum und Monastizismus. Da‑ vor war der Übergang zwischen daoisti‑ schem Priester‑ und Mönchtum fließend. In Bezug auf die Tang‑Zeit etwa kann man daoshi 道士 (‚Meister des Dao‘) sowohl mit ‚daoistischer Priester‘ als auch mit ‚daoistischer Mönch‘ übersetzen. Das Glei‑ che gilt für nüguan 女冠 (‚Frauen‑Kappe oder ‑Krone‘)127, was sowohl ‚daoistische Priesterin‘ als auch ‚daoistische Nonne‘ bedeutet. Entscheidend ist, dass die so be‑ zeichneten Männer und Frauen ordinierte Kleriker waren, weshalb wahrscheinlich

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die Einheitsübersetzung ‚(ordinierter) Dao‑ ist‘ bzw. ‚(ordinierte) Daoistin‘ die beste Wahl ist. Kaiserliche Unterstützung des Daoismus bedeutete also immer auch eine Investition in den B e r u f s s t a n d des daoistischen Priesters. Obwohl der Buddhismus immer viel stärker an monastische Organisations‑ formen gebunden war, darf nicht überse‑ hen werden, dass buddhistische Kleriker – genau wie Daoisten – von der Bevölke‑ rung in erster Linie als religiöse Experten betrachtet und mit der Ausübung von Ritu‑ alen betraut wurden. Auch buddhistische Mönche wirkten also als ‚Priester‘ – in Arbeitsteilung mit oder in Konkurrenz zu den Daoisten. Der Unterschied liegt darin, dass ein daoistischer Priester ordiniert und ausgebildet werden kann, ohne dafür in ein Kloster eintreten zu müssen. Dennoch war der Monastizismus auch im Daoismus stets präsent – als vom Staat erwünschte und geförderte Idealform des religiösen Lebens. Obwohl es vermutlich zu allen Zeiten unabhängige daoistische Priester und Einsiedler gegeben hat, spielte das daoistische Klosterwesen vor allem in der Tang‑Zeit eine besonders wichtige Rolle in der Organisation dieser Religion, der Standardisierung und Überlieferung von Lehre und Schriften sowie in der Ausbil‑ dung der Daoisten. Über das staatliche Verwaltungssys‑ tem des Daoismus in der Tang‑Dynastie liegt eine Studie von Lin Xilang vor, de‑ ren stiftungsrelevante Ergebnisse hier zusammengefasst werden. Ein besonders wichtiges Legitimationsinstrument in der Verwaltung und Kontrolle daoistischer Klöster war die kaiserliche ‚Verleihung bzw. Gewährung von Namenstafeln‘ (ci’e 賜額), durch die auch nicht staatlich sank‑ tionierte, also rein private Institutionen nachträglich legitimiert werden konnten. Die Verleihung von Klostername und Tafel

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wurde in der Tang‑Zeit zum System und geschah sowohl in Erwiderung auf Bitten bzw. Eingaben von Daoisten als auch aus eigener Initiative des Kaiserhauses. In letz‑ terem Fall reagierte der Hof damit oft auf Wunder, die sich an heiligen Stätten des Reiches ereignet hatten und von der staat‑ lichen Administration überprüft und doku‑ mentiert wurden. Da die Tang‑Herrscher eine besondere Beziehung zu Laozi und der daoistischen Lehre pflegten, kamen offizielle Gründungen oder Aufwertungen von Heiligtümern häufig dort vor, wo Laozi erschienen war, aber auch an Orten, von denen von anderen Hierophanien berichtet wurde.128 Weitere Gründe für kaiserliches Patronat waren der erhoffte Segen für die Dynastie – imperiale Gründungen waren beispielsweise die ‚Abtei zur Segnung der Tang‘ (Futang Guan 福唐觀) und die ‚Abtei zum Gedeihen der Tang‘ (Xingtang Guan 興唐觀) in Chang’an129 – und das jenseitige Wohlergehen verstorbener Angehöriger. Wie auch bei buddhistischen Klöstern waren nur Institutionen mit kaiserlichen Namenstafeln registriert und damit legal, auch wenn die privat gestifteten Klöster meistens geduldet wurden. Angehörige der Elite und reicher Familien wandelten ihre Residenzen und Landsitze auch in daoistische Klöster um. Das Problem von Pro‑forma‑Stiftungen, Steuerflucht und staatlichen Gegenmaßnahmen existier‑ te – gewiss in bescheidenerem Umfang – auch im daoistischen Milieu. Lin zitiert die daoistischen ‚Aufzeichnungen über die Verehrung des Dao durch alle Zeitalter‘ (Lidai chongdao ji 歷代崇道記) von 885, nach denen seit Beginn der Dynastie über 1 900 daoistische Klöster offiziell gegründet wor‑ den seien. Diese Zahl enthalte aber nicht die privaten Stiftungen von Adligen und Beamten, deren Residenzen und Landsitze in Klöster umgewandelt wurden.130 Nach Lin waren unter diesen Privatstiftungen

Religiöse Stiftungen in China

nur sehr wenige Klöster, die nachträglich legitimiert worden waren, wogegen die Mehrzahl dieser Institutionen, deren ge‑ naue Anzahl wir leider nicht kennen, über keine offizielle Namenstafel verfügten.131 Auch die historische Entwicklung, die Anlage sowie der permanente und unver‑ äußerliche Besitz (changzhu) daoistischer Klöster werden in der Studie von Lin aus‑ führlich analysiert.132 Für die daoistischen Klöster der Tang‑Zeit unterscheidet sie drei Arten von Einkommen.133 (1.) Die als Haupteinnahmequelle identifizierten Zu‑ wendungen vom Kaiserhaus bzw. Staat umfassten Bau und Instandhaltung der Gebäude sowie die Gewährung von Land, Feldern, Sklaven, freien Haushalten sowie Gegenständen für die Liturgie und den täglichen Gebrauch. Dazu kamen Unter‑ halt und manchmal auch Bestallung von hohen daoistischen Meistern. Eine genaue Trennung der Sphären von Kaiserhaus und Staat ist hier kaum möglich. Wurde auf Befehl des Kaisers ein Kloster gegründet oder mit Dotationen bedacht, so war dies ohne Zweifel ein offizieller und politischer Akt. Dennoch konnten auch Mitglieder der kaiserlichen Familie ihren persönlichen Besitz, etwa ihre Residenz, einem Kloster stiften. Mönche und Nonnen bekamen vom Staat auch Felder zugeteilt, deren Fläche allerdings deutlich kleiner war als die re‑ gulär steuerpflichtigen Bauern zugeteil‑ ten Ländereien. Auch wurde der staat‑ lich geregelte Landbesitz der Kleriker au‑ tomatisch zum permanenten Eigentum (changzhu) ihrer jeweiligen Klöster. Die Feldzuteilung war ferner an eine gewisse Qualifikation der Kleriker gebunden, das heißt sie mussten vor ihrer Ordination die Kenntnis grundlegender kanonischer Texte nachweisen. Trotz dieser einhegen‑ den Maßnahmen verfügte ein Teil der daoistischen Klöster über umfangreiche

Grundlagen im Monastizismus: Das Kloster als Stiftung

Ländereien, die durch den changzhu‑Status geschützt waren. Wichtige Institutionen, die einen besonderen Rang in der religi‑ ösen Geographie hatten oder Hauptsitz bedeutender Traditionslinien waren, er‑ hielten außerdem großzügige Spenden von Land und Waren (Seide, Reis etc.). Auch kleinere Klöster kamen nach dort beobach‑ teten Wundern, sogenannten ‚numinosen Beweisen‘ (lingyan 靈驗), manchmal in den Genuss kaiserlicher Dotationen. Zur Verrichtung diverser Arbeiten wur‑ den daoistischen Klöstern auch Sklaven und freie Familien zugewiesen, wobei Letz‑ tere in der Regel schon vorher in der Nähe der jeweiligen Institution ansässig waren. Die Mitglieder dieser ‚Abtei‑Haushalte‘ (guanhu 觀戶) – auch bekannt als ‚Haus‑ halte zum Sprengen und Kehren‘ (sasao hu 灑掃戶), obgleich ihre Pflichten sich nicht auf Reinigungsarbeiten beschränk‑ ten – waren von gewöhnlichen Steuern und Frondiensten befreit. Ihre Arbeitskraft stand also auf kaiserliche Verfügung den Klöstern voll zur Verfügung. Eine weitere Form staatlicher oder kaiserlicher Zuwen‑ dung, die hier zu erwähnen ist, bestand in der Verleihung von Adelstiteln und Lehen an wichtige daoistische Meister.134 (2.) Die zweitwichtigste Einnahmequel‑ le waren die Stiftungen und Spenden von Adligen, Beamten, Gelehrten und Privat‑ leuten. Eine besonders häufige Form der Unterstützung war die bereits mehrfach erwähnte Stiftung von Wohnsitzen bzw. ihre Umwandlung in Klöster. Waren die Stifter Angehörige des Adels, wurden die zu ihrem Lehen gehörigen Leibeigenen automatisch ‚Abtei‑Haushalte‘ (guanhu). Zu den üblichen Zuwendungen von Mit‑ gliedern der Oberschicht gehörte auch die Finanzierung des Neubaus oder der Reno‑ vierung von Klöstern.135 (3.) Schließlich sind die von den Klös‑ tern selbst erwirtschafteten Einnahmen

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zu erwähnen. Sie umfassten Erträge aus Landwirtschaft und Handel, aber auch Gebühren für die Durchführung von Ri‑ tualen. Außerdem betrieben auch daois‑ tische Klöster – wie ihre buddhistischen Pendants – Zinsgeschäfte.136 Gerade in der Tang‑Dynastie ist natür‑ lich eine enge Bindung daoistischer Insti‑ tutionen an das Kaiserhaus festzustellen. In den wesentlichen Punkten glichen die wirtschaftliche Situation daoistischer Klös‑ ter und die staatlichen Verwaltungs‑ und Kontrollmechanismen, denen sie unter‑ worfen waren, aber weitgehend den ent‑ sprechenden Merkmalen der monastischen Einrichtungen des chinesischen Buddhis‑ mus. Es sind allerdings gerade die Nuancen und einzelnen Schwerpunkte, in denen sich der daoistische Monastizismus vom buddhistischen unterscheidet, in denen die weltanschaulichen Grundlagen des monastischen Stiftungswesens in China noch deutlicher zu Tage treten. Livia Kohn identifiziert drei Hauptur‑ sprünge des daoistischen Monastizismus: den chinesischen Buddhismus, die daois‑ tische Himmelsmeister‑Bewegung sowie die Tradition der Eremiten und Asketen im chinesischen Altertum.137 Gerade in Bezug auf die klösterlichen Besitzverhältnisse, Stiftungen und Unterstützung durch den Staat orientierten sich daoistische Klöster am Vorbild der chinesischen buddhisti‑ schen Institutionen. Was aber das grund‑ legende religiöse Gedankengut und die angestrebte Rolle der Klöster in Staat und Gesellschaft betrifft, trugen daoistische Vorstellungen wesentlich zur Ergänzung und Anpassung des buddhistischen Vor‑ bilds bei. Während der daoistische Monastizismus vom späten 6. bis ins 8. Jahrhundert zur vollen Ausprägung gelangte, entstanden auch normative Texte, die – zum großen Teil im daoistischen Kanon erhalten – das

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monastische Leben in allen Details regeln und auch zur Stiftung daoistischer Institu‑ tionen und zu caritativem Engagement auf‑ rufen. Das in diesen Schriften entwickelte Weltbild des daoistischen Monastizismus basiert auf zwei wesentlichen Konzepten. Dass nach der Lehre des Karma der Inter‑ aktion mit Klöstern und Klerikern, deren Status eine besondere Reinheit und Hei‑ ligkeit implizierte, stärkere Auswirkungen – im Guten wie im Schlechten – auf das jetzige Leben und zukünftige Existenzen zugeschrieben wurden, ist bereits im Zu‑ sammenhang mit dem Buddhismus erläu‑ tert worden. Der besondere Schutz von Klerikern und ihrem Eigentum wird von dieser Vorstellung ebenso abgeleitet wie die Motivation von Stiftern, denen es um die Ansammlung von Verdienst für sich und andere geht. Die Ideen von Karma und der Übertrag‑ barkeit von Verdienst wurden in China nach der Interpretation des Mahāyāna‑ Buddhismus rezipiert und vermischten sich dort mit daoistischen Konzepten. Dazu gehörten die Vorstellung, dass gute und böse Taten einen numerischen Wert be‑ säßen und unter der Aufsicht bestimmter Gottheiten zur Verlängerung bzw. Ver‑ kürzung der Lebensspanne oder anderen Konsequenzen führten, und das Konzept der ‚ererbten Bürde‘ (chengfu 承負), nach dem Individuen und Gemeinschaften die Verantwortung für Verfehlungen trügen, die sie von ihren Vorfahren ‚erbten‘. Umge‑ kehrt bedeutet natürlich moralisch vorbild‑ liches Verhalten, wie etwa die Ansamm‑ lung von Verdienst, Segen und Frieden für die nachfolgenden Generationen. Diese Vorstellungen basierten auf Theorien über die Wechselbeziehung zwischen Himmel und Menschheit, deren Wurzeln im 5. Jahr‑ hundert v. u. Z. oder früher liegen. Es wa‑ ren indigene Konzepte, die in China zu ei‑ ner besonders ausgeprägten Fokussierung

Religiöse Stiftungen in China

des Stiftungswesens auf Verdienst übertragung und postmortales Wohlerge‑ hen führten, indem die dort fest veranker‑ ten Vorstellungen vom Weiterleben der Seele und familiärem Zusammenhalt über den Tod hinaus mit den buddhistischen Ideen von Karma und Reinkarnation ver‑ söhnt wurden. Das zweite grundlegende Konzept des daoistischen Monastizismus war das tra‑ ditionelle chinesische Ideal des ‚höchsten Friedens‘ (taiping 太平), das bereits in den frühesten daoistischen Bewegungen eine zentrale Rolle spielte: „Great Peace meant that the Dao, as the highest and most fun‑ damental force of creation, ordered both the human world and the universe at large. It pervaded all equally, joining the different levels of existence into one whole: cosmos, nature, state, and body. Cultivation of one plane consequently had reverberations on all others and influenced the entire sys‑ tem.“138 Ausgehend von diesem daoisti‑ schen Ideal fiel vor allem in der Tang‑Zeit daoistischen (und natürlich auch buddhis‑ tischen) Klöstern eine Schlüsselrolle dabei zu, den Staat beim Streben nach Harmonie und Prosperität spirituell zu unterstützen. Daher rührte auch die intensive staatliche Kontrolle der monastischen ‚Reinheit‘ und Integrität. Das Ideal des ‚höchsten Friedens‘ impliziert nicht nur eine universale Welt‑ ordnung, sondern auch politische Stabilität – eine Stiftermotivation auf höchster Ebene. Die politisch wichtige Rolle daoistischer und buddhistischer Klöster führte zum staatlichen Schutz ihres changzhu‑Status, aber auch zu einer strengen Überwachung ihrer religiösen Standards. Interne Miss‑ stände und fehlende Disziplin – also nicht allein wirtschaftliche Gründe – konnten daher zum Verlust des geschützten Status führen.139 In der Tang‑Zeit und auch unter an‑ deren Dynastien des mittelalterlichen

Grundlagen im Monastizismus: Das Kloster als Stiftung

Jahrtausends existierte in China quasi ein staatliches Netzwerk geheiligter Stät‑ ten, in dem der Staat als Kontrolleur und Hauptsponsor fungierte. So wurde etwa im Jahre 666 auf Befehl des Kaisers je ein buddhistisches und ein daoistisches Kloster in jeder Präfekturhauptstadt gegründet. In den beiden Hauptstädten der Tang‑Dynas‑ tie, Chang’an und Luoyang 洛陽, wurde je ein daoistisches Großkloster etabliert. Die‑ se zentralen Institutionen dienten zugleich dem Ahnenkult des Tang‑Hauses und der Verehrung von Laozi, dem ‚Urahnen‘ der Tang‑Kaiser. Sie waren ferner Schauplatz regelmäßiger Rituale zum Segen des Rei‑ ches und beherbergten daoistische Aka‑ demien und Bibliotheken. Dagegen bestand die große Mehrheit daoistischer Klöster aus kleineren, pri‑ vat gegründeten Stätten, die allerdings auch – zumindest theoretisch – offiziell registriert werden mussten. Selbst kleine Einsiedeleien konnten durch einen dort ansässigen charismatischen Meister eine größere Anhängerschaft anziehen und sich dann zu Klöstern entwickeln, die den formellen Ansprüchen genügten und mit Landstiftungen und anderer Unter‑ stützung rechnen konnten. Eine Alterna‑ tive gab es kaum, denn Betteln war unter daoistischen Mönchen der Tang‑Zeit nicht üblich. Auch scheinen die damaligen Dao‑ isten ortsgebunden gewesen zu sein: „In general, medieval Daoist monastics did not encourage travel and outside contacts. In this they are similar to medieval Chris‑ tians who likewise found stabilitas loci, the commitment to one institution, a highly positive value – and different from Bud‑ dhists, who never relinquished the ideal of the wandering ascetic, even after the creation of extensive settled communi‑ ties.“140 Das Wandern (yunyou 雲遊) von ei‑ nem Kloster zum anderen, mit dem Zweck des Lernens von verschiedenen Meistern,

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wurde erst im Quanzhen‑Daoismus stark befürwortet – ein deutlicher Einfluss des Chan‑Buddhismus. Große daoistische Klosterkomplexe, die nach festen Regeln organisiert waren, ka‑ men in den Dynastien Sui (581–618) und Tang auf. Sowohl der Bau dieser Institu‑ tionen als auch die Instandhaltung von Gebäuden und Statuen141 erforderten um‑ fangreiche finanzielle und personelle Res‑ sourcen. Die ‚Regeln und Vorschriften zur ehrerbietigen Praxis des Dao‘ (Fengdao kejie 奉道科戒) aus der frühen Tang‑Zeit lassen im Abschnitt über die Errichtung von Klös‑ tern keinen Zweifel daran, welche Art von Stiftung und Patronage als ideal angesehen wurde: „All die [nach himmlischem Vorbild begründeten Institutionen] brauchen die Förderung und das Patronat von Kaisern und Prinzen und müssen [mit der Hilfe] von Ministern und hohen Staatsbeamten gebaut und instand gehalten werden. Die Ordination von Daoisten und Daoistinnen sowie die [reibungslose] Organisation [des Klosterlebens] und der Unterhalt [für die Kleriker] genießen absolute Priorität un‑ ter den guten Taten, deren [verdienstvolle Wirkung] unvorstellbar ist.“142 Im Laufe der Jahrhunderte und insbe‑ sondere durch kriegerische Auseinander‑ setzungen kam es immer wieder dazu, dass gestiftete Klöster und Tempel baufällig wurden oder verfielen. Renovierung oder Wiederaufbau erfolgten nicht immer sofort. Dennoch sorgten die spirituelle Ausstrah‑ lung und die historische Bedeutung sakra‑ ler Stätten in China immer wieder für die Erneuerung und oft auch Erweiterung der Gebäude und Grundstücke, wobei häufig lokale Würdenträger als Stifter auftraten. Bei chinesischen Heiligtümern können wir daher oft eine lange Reihe von Folgestif‑ tungen beobachten. Die wichtigste Kons‑ tante ist dabei der jeweilige Ort selbst, ein Phänomen, das Religionswissenschaftler

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– insbesondere Mircea Eliade – als ‚heiliger Raum‘ beschreiben.143 Während diese Eigenschaften sowohl auf buddhistische als auch auf daoistische Stätten zutreffen, besaß die r e l i g i ö s e G e o g r a p h i e vor allem im Daoismus eine herausragende Bedeutung und wurde in kanonischen Texten systematisch be‑ schrieben.144 In den Quellentexten durch‑ dringen mythische und irdische Geogra‑ phie einander, was bedeutet, dass auch daoistische Klöster ein himmlisches Vor‑ bild besaßen und nach diesem Idealtypus errichtet werden sollten. Als ‚Spiegelbild des Kosmos‘ übten daoistische heilige Stät‑ ten im China des mittelalterlichen Jahr‑ tausends eine eigene Anziehungskraft auf potenzielle Stifter aus, wobei sich die re‑ ligiöse Legitimation solcher Orte sowohl auf ihre numinose Qualität an sich als auch auf das Charisma historischer oder legendärer Daoisten, die dort gelebt hatten (oder haben sollten), stützte. So stand die heilige Geographie des Daoismus am An‑ fang zahlreicher Klosterstiftungen.145 Auf lange Sicht war dabei die entscheidende Konstante der heilige Raum selbst: „The belvedere [guan] represents a religious value or notion which transcends changes in the historic and actual fate of such es‑ tablishments.“146 Es war in China nicht nötig, religiöse Stiftungen mit Fluch‑Formeln oder Ähn‑ lichem zu schützen. Zum einen stand zu‑ mindest der Besitz offiziell anerkannter Institutionen unter dem Schutz des staat‑ lichen Strafrechts. Zum anderen ist die kanonische Literatur des Buddhismus und Daoismus voll von frommen Anekdoten, die von den negativen karmischen Folgen oder auch unmittelbaren Strafen berichten, mit denen der unrechtmäßige Zugriff auf das changzhu‑Eigentum von Klöstern oder die Zerstörung desselben geahndet wurden. So berichten etwa daoistische Quellen, dass

Religiöse Stiftungen in China

die Zerstörung von Klostergebäuden oder die Zweckentfremdung des Baumaterials zum plötzlichen Tod der Verursacher und zu ihrer Verurteilung zu dauerhaften Höl‑ lenstrafen führten.147 Nach anderen Erzäh‑ lungen wurden solche Ansinnen dadurch vereitelt, dass plötzlich erscheinende Rie‑ senschlangen die Arbeiter vertrieben, und ebenso wundersam auftretende Gewitter und Regengüsse verhinderten etwa, dass Klöster einem absichtlich gelegten Feuer zum Opfer fielen. Als abschließendes Beispiel soll die Ge‑ schichte der bereits erwähnten ‚Abtei des Ewigen Dao‘ (Changdao Guan) auf dem Berg Qingcheng Shan dienen, die in der ersten Hälfte des 8. Jahrhunderts von bud‑ dhistischen Mönchen usurpiert worden war und auf Befehl von Kaiser Xuanzong an die Daoisten zurückgegeben werden musste. Die historischen Fakten werden in den nach 905 vollendeten ‚Aufzeichnungen numinoser Beweise zugunsten des Daois‑ mus‘ (Daojiao lingyan ji 道教靈驗記) um einige Details ergänzt. Nachdem die bud‑ dhistischen Mönche in die Abtei eingezo‑ gen waren, „wurden sie ständig von Geist‑ wesen belästigt; mal zerschlugen fliegende Steine die Dächer ihrer Behausungen, mal wurden Türen und Fenster herausgerissen und die Felsabgründe hinabgeworfen. Eine riesige Glocke des Klosters wurde dreimal hinab ins Tal geschleudert und jedes Mal unter Aufwendung größter Mühen wie‑ dergeholt. Die Mönche wussten, dass sie dort nicht wohnen sollten, und waren oft darüber bekümmert.“ Nachdem die Abtei durch kaiserliche Intervention wieder in den Besitz der Daoisten übergegangen war, erlebte sie eine wechselvolle Geschichte. Auch ein erneuter Versuch der Aneignung durch die Buddhisten scheiterte durch übernatürliches Eingreifen. Im Jahre 879 begann für die Abtei schließlich eine neue Blüte. Als Kaiser Xizong 僖宗 (reg. 874–889)

Grundbegriffe des chinesischen Stiftungswesens

881 auf der Flucht vor einem Aufstand nach Sichuan kam, wurde das Heiligtum in ‚Abtei des Ahnen‑Mysteriums‘ (Zong‑ xuan Guan 宗玄觀) umbenannt. Als dann unter kaiserlicher Ägide dort ein großes Ri‑ tual stattfand, „überzogen göttliche Lichter

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den ganzen Berg, die heiligen Glocken erklangen von selbst, [glückverheißende] goldene Schlangen erschienen auf dem Altar, und die verdorrten Kiefern vor dem Berg erwachten zu neuem Leben.“148

4  Grundbegriffe des chinesischen Stiftungswesens In der klassischen chinesischen Schrift‑ sprache konnte ich bisher keinen Terminus ausmachen, der exakt dem Wort ‚Stiftung‘ entspräche. Wie in anderen Kulturen des mittelalterlichen Jahrtausends gab es je‑ doch auch im damaligen China zahlreiche Ausdrücke, die sich auf den Vorgang des Stiftens beziehen. So haben wir bereits den Schlüsselbegriff changzhu 常住 (‚dauerhaft verweilen‘, ‚permanenter Besitz‘) kennen‑ gelernt, der im buddhistischen und daoisti‑ schen Klosterwesen den unveräußerlichen, dauerhaften und kollektiven Besitz der mo‑ nastischen Gemeinschaft bezeichnet. Tat‑ sächlich kann der Terminus changzhu auch für die ständigen Bewohner eines Klosters, die Gesamtheit aller Mönche und Nonnen sowie monastische Institutionen an sich stehen. Im Kontext des Stiftungswesens meint changzhu hingegen die rechtlich verbindliche Kategorie des ‚permanenten Besitzes‘, die einem Kloster seinen dauer‑ haften Bestand als relativ unabhängige, autarke Körperschaft ermöglicht und da‑ mit letztlich seine Definition als ‚Stiftung‘ rechtfertigt. Ein Teil des changzhu‑Besitzes, der gegen Zinsen an Dritte verliehen wer‑ den kann, wurde als ‚unerschöpflicher Be‑ sitz‘ (wujin wu 無盡物) oder ‚unerschöpfli‑ ches Kapital‘ (wujin cai 無盡財) bezeichnet. Basierend auf dem Terminus akṣayanīvī (‚unvergängliches Kapital‘) aus indischen

Vinaya‑Texten, steht diese Bezeichnung für das dauerhafte Stiftungsvermögen. In diesem Abschnitt werden weitere grundlegende Begriffe aus dem chinesi‑ schen Stiftungswesen vorgestellt, die in Inschriften und anderen Dokumenten vorkommen. Ähnlich wie im indischen Kulturkreis ist die chinesische Stiftungs‑ terminologie diffus (→ 1.6.3). Weder un‑ terscheidet der mittelalterliche Sprachge‑ brauch genau zwischen Stiftung, Spende und Schenkung, noch liegen moderne For‑ schungsergebnisse vor, die auch nur an‑ satzweise einen systematischen Zugang zu relevanten Quellen und ihrer Terminologie böten. Vor allem Inschriften, auf die weiter unten noch eingegangen wird, kommen als Quellen für die Stiftungsforschung in‑ frage. Viele solcher Texte, deren Gesamt‑ zahl vermutlich Zehntausende erreicht, stehen heute zwar in modernen Buchedi‑ tionen und Datenbanken zur Verfügung. Sie sind allerdings kaum erschlossen und nur nach Dynastien, Orten, Religionen oder ähnlichen Kategorien geordnet. Die hier vorgestellten Begriffe, die in Stiftungs‑ kontexten vorkommen, können nur eine erste Orientierung für die zukünftige Er‑ schließung von Teilen dieser gewaltigen Corpora bieten. Auf den Vorgang des Stiftens weisen in chinesischen Quellen eine Reihe von

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Termini und Begriffsfeldern hin. Mit dem Buddhismus fand der Sanskrit‑Begriff für die religiöse Gabe bzw. Spende (dāna), sinngemäß übersetzt als bushi 布施, Ein‑ gang in den chinesischen Sprachgebrauch. Seltener ist die phonetische Wiedergabe als tanna 檀那. Auch der davon abgelei‑ tete Terminus ‚Gabenherr‘ bzw. Patron (dānapati) kommt als shizhu 施主 häufig in den Quellen vor. Tatsächlich kann die‑ ser auch als tanyue 檀越 wiedergegebene Begriff im chinesischen Sprachgebrauch und Kontext durchaus als ‚Stifter‘ übersetzt werden. Von bushi, einem Terminus, der häufig im Zusammenhang mit Stiftungen verwendet wird, ist die ‚Spende für religi‑ öse Dienstleistungen‘ (dakṣiṇā) zu unter‑ scheiden, die auf Chinesisch als dachen 達嚫 bzw. chen 嚫 (Schreibvarianten: 儭, 襯) bezeichnet wird.149 Der Begriff bushi kommt bereits in antiken chinesischen Texten in der Bedeutung von ‚Freigebig‑ keit‘ und ‚Almosen geben‘ vor und wird für verschiedene Formen der religiösen Gabe auch in daoistischen Schriften verwendet. Der Terminus an sich entstammt also der klassischen (vor‑buddhistischen) chinesi‑ schen Schriftsprache, wogegen sein späte‑ rer Gebrauch – auch in den daoistischen Texten – deutlich von der buddhistischen Vorstellung von dāna geprägt ist. Ein weiterer Schlüsselbegriff ist gongyang 供養 (wörtlich: ‚Nahrung darbrin‑ gen‘), der sich im ursprünglichen chinesi‑ schen Kontext auf die Versorgung der El‑ tern im Alter bezog, im weiteren Sinn aber auch Speiseopfer an Ahnen und Gottheiten bedeutet.150 Unter dem Einfluss des Bud‑ dhismus wurde gongyang in der Bedeutung des Sanskrit‑Begriffs pūjā (‚Speiseopfer an Gottheiten‘) verstanden und bezeichnete schließlich das religiöse Opfer von ganz unterschiedlichen Dingen, die Körper und Geist Nahrung zuführen. Im chine‑ sischen Buddhismus wird die Gewährung

Religiöse Stiftungen in China

von Spenden und Unterhalt für Klöster und einzelne Kleriker auch heute noch als gongyang bezeichnet. Da sich das Verb gongyang auf die verschiedensten materi‑ ellen und immateriellen Gaben beziehen kann, lässt es sich auch als ‚stiften‘ über‑ setzen. Die bis heute gängige Bezeichnung für ‚Stifter‘ im Chinesischen lautet daher gongyang ren 供養人, entstanden durch die Hinzufügung des Wortes ren (‚Mensch, Person‘) als Suffix. Ein zentraler Begriff, der – einzeln oder als Bestandteil von Komposita – in Inschriften und anderen Stiftungsdoku‑ menten vorkommt, ist gongde 功德 (wört‑ lich: ‚Verdienst und Tugend‘ oder ‚Tugend durch verdienstvolle Handlungen‘). In der Vergangenheit und Gegenwart Chinas be‑ zeichnet gongde das religiöse Verdienst von Einzelpersonen oder Gruppen, das sich meistens in Form einer Stiftung von Gebäuden, Statuen oder Devotionalien ausdrückt. Es kann sich aber auch auf die Schenkung von Ländereien, die Finanzie‑ rung des Drucks heiliger Schriften, die Renovierung von Tempeln und Klöstern oder Aufwendungen für Rituale bezie‑ hen. Freilich entsteht religiöses Verdienst vor allem im immateriellen Bereich, etwa durch eine ethische Lebensführung, die Rezitation oder das Abschreiben heiliger Schriften, Pilgerfahrten, die Verbreitung religiöser Lehren etc. Relevant für das Stiftungswesen ist dabei, dass materielle und immaterielle Aspekte in der Vorstel‑ lung von gongde zusammenfließen und eine Einheit bilden. Auch in der chinesi‑ schen Religiosität wurde (und wird) da‑ von ausgegangen, dass eine verdienstvolle Handlung, etwa die Stiftung eines Klosters, nur dann ‚wirksam‘ ist, also tatsächlich Verdienst erzeugt, wenn sie auf einer auf‑ richtigen Geisteshaltung basiert. Der Terminus gongde ist bereits in vor‑buddhistischen chinesischen Texten

Grundbegriffe des chinesischen Stiftungswesens

zu finden, wo er das Verdienst bzw. ver‑ dienstvolle Werke, vor allem des Herr‑ schers gegenüber dem Volk, bezeichnet. Eine weitere Möglichkeit der Übersetzung neben ‚Verdienst und Tugend‘ wäre etwa ‚Errungenschaften und Integrität‘. Auch in den frühen chinesischen Quellen handelt es sich dabei um eine Art von Verdienst, das über den Tod des Wohltäters hinaus weiterwirkt und dessen posthume Vereh‑ rung mit Opfern in einem Tempel recht‑ fertigt. Diese Vorstellung impliziert auch eine segensreiche Wirkung der Verdienste auf nachfolgende Generationen, womit der Weg zur Übertragbarkeit von religiösem Verdienst auf andere, wie er im Buddhis‑ mus und Daoismus vorausgesetzt wird, nicht mehr weit ist. In der daoistischen Ritualpraxis kann der Priester seine litur‑ gischen Verdienste auf Verstorbene über‑ tragen und damit deren Erlösung bewirken. Zumindest auf Taiwan werden daoistische Rituale für Verstorbene daher auch heute noch als gongde bezeichnet.151 In chinesischen buddhistischen Tex‑ ten wurde gongde zur Übersetzung des indischen Begriffs für religiöses Ver‑ dienst, puṇya, gewählt. Auch die Termi‑ ni fu 福 (‚Segen‘, ‚Glück‘) bzw. fude 福德 (‚gesegnete Tugend‘) wurden im Sinne von puṇya verwendet, aber gongde blieb allgemein und besonders im Kontext von Stiftungen der weitaus wichtigere Aus‑ druck. Das Konzept von puṇya (→ 7.6.2) umschreibt gutem Karma entsprechendes Verdienst, das akkumuliert und auf andere übertragen werden kann. Mit der Verbrei‑ tung des Buddhismus in China bereicher‑ ten die mit puṇya verbundenen Vorstellun‑ gen und die zentrale Bedeutung, die dem religiösen Verdienst in der buddhistischen Lehre zukommt, den Begriff gongde um neue Inhalte und verhalfen ihm zu einer allgegenwärtigen Präsenz in religiösen Schriften, Bau‑ und Kunstwerken.

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Ein Beispiel aus der späten Tang‑Zeit ist der Text ‚Aufzeichnungen über Verdienst und Tugend für die Instandsetzung der daoistischen Abteien auf dem Berg Qing‑ cheng‘ (Xiu Qingcheng Shan zhuguan gongde ji 修青城山諸觀功德記) des Hof‑Daoisten Du Guangting 杜光庭 (850–933).152 Im Jah‑ re 895 wurde die Abhandlung auf eine Stele gemeißelt, die man in einem Klos‑ ter am Fuß des Berges Qingcheng Shan aufstellte. Du Guangting ehrte mit seiner Inschrift – und möglicherweise auch mit einem entsprechenden Ritual – einen ver‑ storbenen Kreisvorsteher, der durch um‑ fassende Renovierungen von Klöstern auf dem heiligen Berg Verdienst angesammelt hatte. Wie es in solchen Texten üblich ist, beschreibt der literarisch hochgebildete Daoist Du Guangting zunächst ausführ‑ lich den geschichtlichen, geographischen und hagiographischen Hintergrund des Berges, woran sich sein Elogium auf den verstorbenen Vorsteher des Kreises Qing‑ cheng anschließt. Im Jahre 893 ermöglichte der Kreis‑ vorsteher namens Mo Tingyi 莫廷乂 die Renovierung der zwei Hauptklöster des Berges sowie einiger kleinerer Anlagen. Die Arbeiten dauerten zwei Jahre, und Mo verwendete dabei keine öffentlichen Gelder. Obwohl das wichtigste Verdienst von Mo Tingyi die Renovierung der dao‑ istischen Stätten war, was in der Inschrift ausführlich beschrieben wird, betont Du Guangting zugleich seine konfuzianischen Tugenden und Leistungen als Staatsbeam‑ ter. Dieser Text ist also gleichzeitig ein persönliches Denkmal und ein Dokument über die religiöse Handlung, die das gute Werk des Stifters darstellt. Interessant ist, dass Du Guangting in einem Passus die Einzelbegriffe gong (‚Ver‑ dienst‘) und de (‚Tugend‘) aufgreift und ihre Wirkung aus konfuzianischer und daoistischer Perspektive beschreibt: „Im

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Daoismus erstreckt sich das Verdienst auf [die Welten] der Toten und der Lebenden, während die Tugend mit dem Hegen und Nähren [aller Wesen] verbunden ist. Im Konfuzianismus schützt das Verdienst vor großem Unheil und die Tugend widersteht großen Katastrophen.“153 Obwohl in dieser und zahllosen anderen Inschriften der Ter‑ minus gongde für das religiöse Verdienst der gepriesenen Wohltäter steht, waren sich gebildete Verfasser wie Du Guangting stets seiner Etymologie und der Signifi‑ kanz der Einzelbegriffe bewusst. Verdienst steht im Zentrum des chine‑ sischen Stiftungswesens und ist die trei‑ bende Kraft hinter jeder religiösen Stiftung. Walsh sieht darin das mächtigste Gut, das Klöster produzierten und in Umlauf brach‑ ten: „Buddhist monastic institutions pro‑ duced a variety of vital and material com‑ modities in medieval Chinese society such as oil, flour, and bridges, and others appar‑ ently less mundane, for example, religious merit; however, I will argue that merit was the most powerful material religio‑ economic commodity they produced and disseminated.“154 Gernet, der gongde unter anderem als ‚fromme Handlung‘ überträgt, zeigt, dass auch chinesische religiöse Stiftungen ei‑ nen dauerhaften Kult zum Ziel hatten: „It was rare that a donor simply parted with his property; normally, he would wish to reap the benefits of his pious deed (kungte [gongde]) by ensuring the perpetuity of a cult. New foundations were a means for arranging the provision of funds for the payment of regular and, in principle, perpetual ceremonies in the future.“155 Ein konkretes Beispiel ist in der von Gernet zitierten Biographie eines pro‑buddhis‑ tischen Beamten der Tang‑Dynastie ent‑ halten: „After the death of his wife, Lady Li, he made a gift of [she 捨] his mansion in the Tao‑cheng [Daozheng 道政] ward

Religiöse Stiftungen in China

(…) to be made into a monastery [wei si 為寺] in order to bring blessings upon her [wei zhi zhuifu 為之追福]. (…) Thirty monks were ordained [du 度] to ensure permanent services [zhuchi 住持] at this monastery.“156 Die in der Zeit um 600 entstandene daoistische ‚Schrift über karmische Ver‑ geltung und Ursachen‘ (Yebao yinyuan jing 業報因緣經), deren Titel bereits den star‑ ken buddhistischen Einfluss auf diesen Text erkennen lässt, nennt neun Arten von verdienstvollen Werken (gongde): (1.) Die Herstellung von [heiligen] Abbildern (zaoxiang 造像), (2.) das Kopieren von hei‑ ligen Schriften (xiejing 寫經), (3.) die Grün‑ dung oder Stiftung von Klöstern (zhiguan 置觀), (4.) die Ordination von Mönchen und Nonnen (duren 度人), (5.) das Abhalten [und Finanzieren] von Fasten‑ und Rei‑ nigungsritualen (jianzhai 建齋), (6.) die Rezitation von heiligen Schriften (songjing 誦經), (7.) das Einhalten der Gebote (chijie 持戒), (8.) Spenden und Unterhalt [für die monastischen Gemeinschaften] (gongyang 供養) und (9.) Freigebigkeit und die Gabe von Almosen (bushi 布施).157 So entstand im China des mittelalterli‑ chen Jahrtausends um den Terminus gongde und damit verbundene Vorstellungen ein großes Begriffsfeld, das verschiedene Bereiche des religiösen Lebens betraf. Bei‑ spielsweise wurde speziell zur Herstellung von Devotionalien vorgesehenes Kupfer als ‚Verdienst‑Kupfer‘ oder ‚Kupfer für ver‑ dienstvolle Werke‘ (gongde tong 功德銅) bezeichnet. Überhaupt hatte gongde in be‑ stimmten Kontexten auch die Bedeutung von ‚Devotionalien‘, bezeichnete also die zur Schaffung von religiösem Verdienst hergestellten Gegenstände wie Statuen. Zum ersten Mal in der Tang‑Zeit eingesetz‑ te Beamte, die zunächst die buddhistischen Institutionen in den Hauptstädten und in späteren Epochen auch andere religiöse

Quellen

Gemeinschaften kontrollierten, trugen den Titel ‚Beauftragter für Verdienst und Tugend‘ (gongde shi 功德使).158 Schließ‑ lich existiert auch noch eine alternative Bezeichnung für ‚Stifter‘, die häufig in In‑ schriften anzutreffen ist: gongde zhu 功德主 (‚Herr über Verdienst und Tugend‘). Tatsächlich ist die Aufstellung von ‚Ver‑ dienststelen‘ (gongde bei 功德碑) bis heu‑ te in China üblich – häufig in religiösen Stätten, aber nicht ausschließlich. Schon in der Kaiserzeit wurden auch Brücken und andere für die Öffentlichkeit nützli‑ che Bauten mit solchen Stiftungsinschrif‑ ten versehen. Der Terminus gongde spielt also eine zentrale Rolle im Stiftungswesen Chinas und geht weit über den religiösen Kontext hinaus. Allerdings gab es im tra‑ ditionellen China keine klare Trennung von Religion und anderen Bereichen des sozialen Lebens, und eine Diskussion, ob man in China zwischen 500 und 1500 auch

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von ‚säkularen Stiftungen‘ sprechen kann, sprengt den Rahmen dieses Beitrags. In chinesischen Inschriften und anderen Quellentexten weisen häufig solche Begriffe auf einen möglichen Stiftungskontext hin, die den Bau oder die Renovierung religi‑ öser Stätten umschreiben. Zusammen mit dem Namen eines Klosters oder Tempels erscheinen beispielsweise Ausdrücke wie chuangjian 創建 (‚gründen‘, ‚errichten‘), xiu 修 (‚bauen‘, ‚reparieren‘), xinjian 新建 (‚neu errichten‘), chongxiu 重修 bzw. chongjian 重建 (‚wiederaufbauen‘), jianxiu 建修 (‚er‑ richten‘) etc. Abschließend ist aber festzu‑ halten, dass keiner dieser Begriffe ein siche‑ res Indiz für das Vorliegen einer Stiftung bzw. ausführlicher Informationen zum Stif‑ tungsgeschäft darstellt. Allein die sorgfäl‑ tige Lektüre der infrage kommenden Texte selbst kann zu einer Entscheidung führen, ob oder in welchem Maße ein Dokument Relevanz für die Stiftungsforschung besitzt.

5 Quellen Stiftungsgeschäfte – von Einzelgegenstän‑ den bis zu Gebäudekomplexen und Insti‑ tutionen – wurden in China schriftlich festgehalten. Groß angelegte Stiftungen von Klöstern, Tempeln und Monumenten, zumal auf Befehl von Kaisern und anderen hochstehenden Persönlichkeiten, wurden in den Dynastiegeschichten, in Chroniken und geographischen Werken verzeichnet. Das weitaus wichtigere Medium aber wa‑ ren (und sind) Inschriften, die meistens auf Steintafeln oder Stelen gemeißelt und an oder in einem gestifteten Gebäude aufgestellt wurden. Stiftungsinschriften finden sich auch direkt auf Wandgemäl‑ den, Statuen, Glocken, Weihrauchkesseln

und anderen Gegenständen. Dabei kann es sich um einfache Aufzeichnungen von Stifternamen, Datum und Segenswünschen handeln. Dagegen waren Steleninschriften in der Regel mit längeren gelehrten Ab‑ handlungen über die religiöse Geschichte der jeweiligen Lokalität, das Zustande‑ kommen der Stiftung und die Umstände der Bauausführung versehen. Nicht selten waren die Namen aller Stifter mit exakten Geldbeträgen auf der Rückseite verzeichnet. Besonders prestigeträchtig war es, wenn die Inschrift von einem angesehenen Kal‑ ligraphen abgeschrieben und dann in ex‑ akt dieser Form auf Stein verewigt wurde. Als Quellen reflektieren solche Inschriften

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die gesamte Bandbreite der chinesischen Stiftungslandschaft – von auf kaiserlichen Befehl auf heiligen Bergen errichteten Mo‑ numenten bis zur Renovierung von Dorf‑ tempeln. Auch zahlreiche Sachzeugnisse sind erhalten geblieben. Größere Gebäude aus dem betrachteten Zeitraum sind im Vergleich zu Europa allerdings seltener, da in Ostasien vielfach Holzarchitektur vor‑ herrschte. Dagegen haben Inschriften oft auch den Verlust oder die Zerstörung des ‚Trägermediums‘ überdauert, da schon im kaiserlichen China die Texte solcher Do‑ kumente in Sammelwerke aufgenommen wurden. So ist es nicht verwunderlich, dass ‚Inschriften auf Metall und Stein‘ (jinshi 金石) eine traditionelle Literaturgattung bilden. Es handelt sich dabei um eine ge‑ waltige Masse von Quellentexten, die noch manche Forschergeneration beschäftigen wird. Zwar gibt es inzwischen auch mo‑ derne interpunktierte Editionen von In‑ schriftensammlungen, doch Studien oder gar Übersetzungen solcher Quellen sind aufgrund des zum Teil erheblichen Schwie‑ rigkeitsgrads der Texte noch Mangelware. Als besondere Kategorie der Sachzeug‑ nisse sind Stifter‑Abbilder (gongyang renxiang 供養人像) zu erwähnen. In China enthalten religiöse – vor allem buddhisti‑ sche – Kunstwerke (Wandgemälde, Statuen, Felsskulpturen etc.) oft Darstellungen von Stiftern. Die im Vergleich zu den Buddhas und Gottheiten viel kleiner dargestellten Männer und Frauen – je nach Kunstform gemalt oder als Plastik – sind realistisch ausgeführt und tragen Kleidung, die in den jeweiligen Epochen üblich war. Meistens stehen die Stifter mit zusammengelegten Händen (heshi 合十) in aufwartender Hal‑ tung seitlich oder unterhalb der Hauptfigu‑ ren, seltener sind kniende Darstellungen. Viele Stifterbilder wurden mit Inschriften versehen, die aber nur in Einzelfällen aus längeren Texten bestehen und nicht immer

Religiöse Stiftungen in China

datiert sind. In der Regel finden sich nur die Namen der Stifter – bei Würdenträgern und Adligen mit Amts‑ und Adelstiteln von beeindruckender Länge – mit standardi‑ sierten Widmungen. Eine häufige Formu‑ lierung, wie sie etwa in den Grottenhei‑ ligtümern von Dunhuang vorkommt, ist: „von XY einen Herzens dargebracht [oder gestiftet] [yixin gongyang 一心供養].“ Die Namen und (so vorhanden) Datierungen geben Aufschluss über die soziale und eth‑ nische Herkunft der Stifter und die Ent‑ wicklung der Heiligtümer, weshalb auch solche kurzen Stifter‑Inschriften in China gesammelt und publiziert werden.159 Zum Stiftungsgeschäft selbst enthalten diese Zeugnisse aber kaum Informationen. Das typische Stiftungsdokument, also eine Textgattung, deren Form und Inhalt grundsätzlich auf das Vorliegen einer Stif‑ tung hinweisen, scheint es im China des mittelalterlichen Jahrtausends nicht gege‑ ben zu haben. Allerdings wurde die Grün‑ dung von Klöstern und Tempeln immer schriftlich festgehalten, und zwar in ganz unterschiedlichen Quellen. Werke aus den Bereichen der offiziellen Historiographie und der imperialen Verwaltung bieten zumindest genaue Daten der Gründungen und Informationen zu den jeweiligen An‑ lässen der Errichtung. Zu nennen sind hier etwa die ‚24 Dynastiegeschichten‘ (Ershisi shi 二十四史). Kaiserliche Tempel‑ und Klosterstiftungen sind dort in den Anna‑ len (benji 本紀) der jeweiligen Herrscher verzeichnet. So findet sich beispielswei‑ se ein Erlass von Kaiser Xuanzong, mit dem er 741 die Errichtung von Tempeln zu Ehren von Laozi in Chang’an, Luoyang und den Hauptstädten aller Präfekturen befahl.160 Noch ergiebiger ist die Sek‑ tion der Biographien (liezhuan 列傳), aus der das weiter oben zitierte Beispiel des Tang‑Beamten stammt, der seine Behau‑ sung für das postmortale Wohlergehen

Quellen

seiner Frau in ein Kloster umwandelte. (→ Abschnitt 4) Gestiftete Klöster sind auch in manchen geographischen Werken des kaiserlichen China verzeichnet, wo man sie unter den Rubriken ‚Buddhistische Klöster‘ ( fosi 佛寺) und ‚Daoistische Klöster‘ (daoguan 道觀) bzw. ‚Buddhistische und daoistische Klöster‘ (siguan 寺觀) findet. Ein Beispiel ist Fangyu shenglan 方輿勝覽 (‚Vortreff‑ licher Überblick über die Regionen‘) aus der Südlichen Song‑Dynastie (1127–1279). Fangyu shenglan bezieht sich freilich nur auf das verkleinerte Staatsgebiet im südli‑ chen China, nachdem das Kaiserhaus der Song Nordchina an das tungusische Volk der Jurchen verloren hatte. Die Angaben zu den religiösen Institutionen beschrän‑ ken sich hier und in ähnlichen Werken meistens auf die geographische Lage, die historischen oder mythologischen Hin‑ tergründe ihrer Entstehung sowie topo‑ graphische und andere Besonderheiten. Frühere Aufzeichnungen und vor allem Gedichte werden reichlich zitiert. Religiöse Gründerfiguren werden in vielen Fällen genannt. Zu Stiftern finden sich hingegen nur vereinzelte Hinweise, die sich meist in der Angabe des Namens erschöpfen oder in seltenen Fällen von der Konversion ei‑ ner Residenz in ein Kloster berichten. So heißt es etwa über das ‚Tigerhügel‑Kloster‘ (Huqiu Si 虎丘寺) nahe der heutigen Stadt Suzhou 蘇州: „[Das Kloster liegt] neun li [里] nordwestlich der Stadt. [Zur Zeit der Östlichen] Jin‑Dynastie [317–420] stifteten der Minister Wang Xun [王珣] [349–400] und dessen jüngerer Bruder [Wang] Min [王珉] ihre Residenzen, die in [dieses] Klos‑ ter umgewandelt wurden [she zhai wei si 捨宅為寺].“161 Werke, die speziell einer bestimm‑ ten Region oder einem bestimmten Ort gewidmet sind, enthalten umfassende‑ re Angaben. Diese Textgattung ist unter

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der Bezeichnung ‚Regionalbeschreibung‘ ( fangzhi 方志 bzw. difang zhi 地方志) be‑ kannt und zählt zu den wichtigsten Infor‑ mationsquellen für die chinesische Lokal‑ und Regionalgeschichte.162 Obwohl diese Quellengattung bereits in der Song‑Zeit aufkam, stammt die Mehrzahl der heute erhaltenen Regionalbeschreibungen aus späteren Phasen des chinesischen Kaiser‑ reiches, vor allem aus der Qing‑Dynastie. Die unter anderem als Handbuch für die lokale Administration gedachten Werke umfassen einen Abriss der Ortsgeschichte sowie Angaben zu Verwaltungseinheiten, der Bevölkerungszahl, Bergen, Flüssen, lokalen Produkten und Gebräuchen, der Besteuerung, öffentlichen Gebäuden, Tem‑ peln und Klöstern, bekannten Persönlich‑ keiten, Omen und besonderen Begebenhei‑ ten usw. Oft sind auch große Sammlungen von Gedichten, Inschriften und histori‑ schen Texten in diesen Büchern enthalten. Regionalbeschreibungen in dieser Form wurden noch in der Zeit der Republik Chi‑ na (1912–1949) kompiliert und nachgedruckt. Obwohl die meisten Regionalbeschreibun‑ gen aus der Zeit nach dem mittelalterlichen Jahrtausend stammen, enthalten sie eine Fülle von Informationen zur früheren Ge‑ schichte und entsprechende Quellentexte. Material zu religiösen Stiftungen ist in verschiedenen Sektionen der Regionalbe‑ schreibungen zu finden – vor allem unter den Rubriken ‚Buddhistische und daois‑ tische Klöster‘ (siguan), ‚Inschriften auf Metall und Stein‘ (jinshi) und ‚Schrifttum‘ (yiwen 藝文). Eine weitere wichtige Quellengattung sind Monographien zu einzelnen Klös‑ tern, Tempeln oder heiligen Bergen. Zu‑ sammen mit dem Namen des jeweiligen Orts bzw. der jeweiligen Institution tragen diese Texte im traditionellen chinesischen Schrifttum Bezeichnungen wie ‚Notizen‘ oder ‚Aufzeichnungen‘ (ji 記), ‚Bericht‘ (lu

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錄), ‚Beschreibung‘ (zhi 志 / 誌), ‚Samm‑ lung‘ (ji 集), ‚Abriss‘ (jilüe 紀畧 bzw. zhilüe 志畧) oder auch ‚bebilderte Beschreibung‘ (tuzhi 圖志). Diese Monographien liegen sowohl zu buddhistischen als auch zu dao‑ istischen Stätten vor. Eine große Samm‑ lung buddhistischer Berg‑ und Kloster‑ beschreibungen wurde im Rahmen des ‚Temple Gazetteer Project‘ unter der Fe‑ derführung des Dharma Drum Buddhist College (Taiwan) im Internet zugänglich gemacht.163 Ein signifikanter Unterschied zwischen den buddhistischen Werken und ihren daoistischen Pendants besteht darin, dass Letztere Bestandteil des überlieferten daoistischen Kanons sind, während eine kleine Auswahl buddhistischer Berg‑ und Klostermonographien erst in die moderne Taishō‑Edition des buddhistischen Ka‑ nons aufgenommen wurde.164 Zwar gibt es für die buddhistische Zurückhaltung in Bezug auf die Inklusion dieser Werke auch ‚technische‘ Gründe wie das relativ späte Aufkommen dieser Quellengattung. Grundsätzlich lässt sich aber feststellen, dass die religiöse Geographie als integ‑ raler Bestandteil kanonischer Schriften und liturgischer Praxis im Daoismus eine weitaus wichtigere Rolle spielte als im Buddhismus. Um eine ideale Quelle für die Stiftungs‑ forschung scheint es sich jedoch auch bei diesen Kloster‑ und Bergbeschreibungen nicht zu handeln. Walsh bemerkt lapidar: „Monastic gazetteers seldom, however, dis‑ cussed in any great detail why they had land, other than to say it was to support themselves.“165 Diese Verschwiegenheit in Bezug auf klösterlichen Landbesitz lässt erahnen, dass konkrete Angaben zum Stif‑ tungsgeschäft und der Verwaltung des Stif‑ tungskapitals in diesen Texten eher selten anzutreffen sein werden. Während in den meisten Fällen genau festgehalten wur‑ de, wer wann was wo und wofür gestiftet

Religiöse Stiftungen in China

hat, sind Informationen zum praktischen Stiftungsvollzug – sofern sie überhaupt vorliegen – oft nur rudimentär. Natürlich kann im vorliegenden Beitrag über die Er‑ giebigkeit der Quellen kein abschließendes Urteil gefällt werden. Allein die Lektüre und Erschließung von Teilen dieser bislang wenig beachteten Textcorpora wird dies in Einzelfällen ermöglichen. Als Beispiel soll der Eintrag zur daois‑ tischen ‚Abtei des heiligen Berges Heng‘ (Hengyue Guan 衡嶽觀) im ‚Kleinen Be‑ richt vom Südlichen Berg‘ (Nanyue xiaolu 南嶽小錄) von 902 dienen. Dieser Pas‑ sus gilt einem wichtigen Kloster auf dem Hengshan 衡山, dem heiligen Berg des Südens in der Provinz Hunan 湖南.166 Dort liest man: „Die Hengyue‑Abtei liegt unterhalb des Blütenbaldachin‑Gipfels [Huagai feng 華蓋峯]167. Nach der Inschrift auf einer alten Stele wurde sie im 8. Jahr der Ära Taikang 太康 der [Westlichen] Jin‑Dynas‑ tie [287] von den Wahren Menschen168 Xu Lingqi 徐靈期 und Deng Yuzhi 鄧郁之 ge‑ gründet. Im 2. Jahr der Ära Tianjian 天監 der Liang‑Dynastie [503] wurde sie unter dem Wahren Menschen Zhou Jingzhen 周靜真 weiter ausgebaut. Kaiser Wu 武帝 [reg. 502–549], [der den Abt Zhou Jingzhen als seinen Meister verehrte], stiftete [ci 賜, wörtlich: ‚gewährte‘] die Höfe und Felder von 300 Haushalten, die hinfort zum fes‑ ten Grundbesitz [jiye 基業] [des Klosters] gehörten, [wodurch ihre Erträge direkt der Abtei zuflossen]. Im 8. Jahr der Ära Daye 大業 der Sui‑Dy‑ nastie [612] berief man auf kaiserlichen Er‑ lass die Himmelsmeister Cai Fatao 蔡法濤 und Li Fachao 李法超 als Vorsteher der Abtei, um dort Weihrauch zu opfern und zu praktizieren [ fenxiu 焚修] und damit die [rechten] Lehren und Methoden zu fördern. Die Ländereien und Gerätschaften

Quellen

des Bezirksspeichers von Hengzhou 衡州 wurden allesamt der Abtei gestiftet, um zu ihrem Unterhalt beizutragen. Im 2. Jahr der Ära Zhenguan 貞觀 der Tang‑Dynastie [628] schrieb Kaiser Taizong 太宗 [reg. 626–649] eine neue Namenstafel [für das Kloster] und beauftragte Him‑ melsmeister Zhang Huilang 張惠朗, 49 Daoisten zu ordinieren, um für das Reich Weihrauch zu opfern und zu praktizieren. Im 1. Jahr der Ära Hongdao 弘道 [683–684] beauftragte Kaiser Gaozong 高宗 [reg. 649– 683] Himmelsmeister Ye Fashan 葉法善 [631–720], die [Fünf] Heiligen Berge [dar‑ unter den Hengshan] rituell zu ehren und das Land im Umkreis von 40 li den jewei‑ ligen Abteien [so auch der Hengyue‑Abtei] als ‚Gebiete der Langlebigkeit‘ [changsheng zhi di 長生之地] zuzuteilen, wo hinfort als dauerhafte Regel Holzeinschlag, Reisig Sammeln und Jagd verboten und keinerlei Abgaben zu entrichten waren.“169 Der Passus zeigt, wie genau kaiserliche Stiftungen, Ehrungen und Berufungen in den Kloster‑ und Bergmonographien dokumentiert wurden – ein nicht unbe‑ deutender Bestandteil der Legitimation chinesischer religiöser Institutionen. Der Terminus ‚Gebiet der Langlebigkeit‘ (changsheng zhi di), der auf den ersten Blick die daoistische Wertschätzung des natürlichen Lebens widerzuspiegeln scheint, könnte sich auch durchaus auf den Status des ‚per‑ manenten Besitzes‘ (changzhu 常住) der Klöster beziehen. Gernet berichtet von Pfandleihhäusern, die von buddhistischen Klöstern betrieben wurden und unter der Bezeichnung ‚Langlebigkeits‑Schatzhaus‘ (changsheng ku 長生庫) bekannt waren.170 Obwohl letzterer Begriff erst in der Song‑ Zeit für klösterliche Pfandhäuser benutzt wurde, könnte hier ein terminologischer Zusammenhang bestehen und changsheng (‚Langlebigkeit‘) auch in obigem Beispiel

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aus der Tang‑Dynastie auf den unantast‑ baren Besitz der daoistischen Klöster hin‑ weisen. Normative Quellen, die speziell dem Stiftungswesen bzw. ‑recht gewidmet wa‑ ren, scheint es in China zwischen 500 und 1500 nicht gegeben zu haben. Eine diesbe‑ zügliche Bewertung des Rechtssystems der entsprechenden Dynastien müsste auf der Lektüre von Originaltexten, etwa der Gesetzbücher der Tang‑Dynastie, erfolgen, was im Rahmen des vorliegenden Beitrags nicht geleistet werden kann. Auch zu Ei‑ gentums‑ und Besitzverhältnissen sowie der Rolle von Verträgen im mittelalterli‑ chen China gibt es inzwischen Studien, die aktueller sind als etwa die Ausführungen von Gernet.171 Ob sich daraus konkrete Aussagen zum chinesischen Stiftungs‑ recht ableiten lassen, müssen zukünftige Forschungen zeigen. Wichtige normative Quellen mit einiger Signifikanz für religi‑ öse Stiftungen sind freilich die Textsamm‑ lungen über buddhistisches Ordensrecht (vinaya; lü 律) und daoistische Werke mit monastischen Vorschriften, die im obigen Abschnitt ‚Grundlagen im Monastizismus‘ vorgestellt und zitiert werden. Dokumentarische Quellen wie Verträge, Rechnungen oder Testamente sind nur in Einzelfällen erhalten. Das um die Zeitwen‑ de in China erfundene Papier hatte sich dort bereits im 4. Jahrhundert u. Z. durch‑ gesetzt und frühere Beschreibstoffe (Bam‑ busstreifen, Seidenrollen) verdrängt.172 So praktisch die Verwendung von Papier für die hochentwickelte Bürokratie des kaiser‑ lichen China und den dort früh florieren‑ den Buchdruck auch war, so vergänglich war dieser Beschreibstoff im Angesicht von häufigen Bränden, denen in Kriegen auch viele Bibliotheken zum Opfer fielen, und den zersetzenden Einflüssen der feuchten subtropischen Witterung in weiten Lan‑ desteilen. Im Gegensatz zu kanonischen

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und historiographischen Schriften wur‑ den ‚Alltags‑Dokumente‘ auch nicht in Sammelwerke aufgenommen, die unter jeder Dynastie neu kompiliert und editiert wurden. Wir müssen also davon ausgehen, dass der größte Teil solcher Dokumente nicht erhalten ist. Es gibt natürlich Ausnahmen wie bei‑ spielsweise Schriftstücke, die in den tro‑ ckenen Wüstenregionen im äußersten Wes‑ ten Chinas erhalten geblieben sind. Hier sind vor allem die Manuskripte aus der Zeit vom 4. bis zum 11. Jahrhundert zu nennen, die Anfang des 20. Jahrhunderts in der Oasenstadt Dunhuang gefunden wurden und heute über Museen und Bibliothe‑ ken in der ganzen Welt verteilt sind. Die meisten Texte aus Dunhuang sind freilich buddhistische Sutren und andere religiöse Schriften, aber es wurden auch ‚profane‘ Dokumente gefunden. Im Rahmen des In‑ ternationalen Dunhuang‑Projekts bemüht man sich, die Manuskripte aus Dunhuang und anderen Fundstätten in der Region über das Internet allgemein zugänglich zu machen. Immer mehr Texte – außer chinesischen auch tibetische und solche in anderen zentralasiatischen Sprachen – werden digitalisiert und in Datenbanken eingestellt.173 Systematische Forschung an‑ hand von Dunhuang‑Manuskripten, die religiösen und wirtschaftlichen Aspekten des mittelalterlichen China gewidmet ist, haben Jacques Gernet und Eric Trombert betrieben. So zitiert Gernet Testamente (yishu 遺書) und andere Vertragsdokumen‑ te aus diesem bemerkenswerten Fund.174 Die Nutzbarkeit solcher Dokumente für die Stiftungsforschung ist schwer einzu‑ schätzen. Komplexere Stiftungsvorgänge wurden vermutlich in mehreren Schrift‑ stücken festgehalten, doch es wäre ein reiner Zufall, in Manuskriptsammlungen auf einen Satz zusammenhängender Do‑ kumente zu treffen.

Religiöse Stiftungen in China

Neben den bereits genannten Berg‑ und Klosterbeschreibungen und den Schriften zu monastischen Regeln enthalten sowohl der buddhistische als auch der daoistische Kanon noch weitere Texte mit stiftungs‑ relevanten Informationen. Vor allem in hagiographischen Werken und Mönchs‑ biographien können Hinweise zu Stiftun‑ gen gefunden werden, da die meisten re‑ ligiösen Stiftungen eng mit dem Wirken charismatischer Mönche, Nonnen oder Priester(innen) verbunden waren. Wäh‑ rend die daoistischen Werke über das Klas‑ sifikationssystem des Daozang‑Projekts lokalisiert werden können, wird wieder‑ um vom Dharma Drum Buddhist College (Taiwan) ein Internet‑Zugang zu mehreren buddhistischen Biographie‑Sammlungen mit vielfältigen Recherchemöglichkeiten angeboten.175 Auch bedeutende Inschriften, die im Zusammenhang mit Tempeln und Klöstern entstanden, wurden in die Kanones auf‑ genommen. Ein interessantes Beispiel im daoistischen Kanon ist die ‚Steleninschrift für den Palast der grauen Ziege im Bezirk Xichuan‘ (Xichuan Qingyang Gong beiming 西川青羊宮碑銘), die 884 von einem hohen Regierungsbeamten unter Kaiser Xizong 僖宗 (reg. 874–889) verfasst wurde, als der Kaiser und sein Hofstaat von 881 bis 885 während eines Aufstands Zuflucht in Sichuan gefunden hatten. Der Qingyang Gong 青羊宮 (‚Palast der grauen Ziege‘) in der heutigen Provinzhauptstadt Chengdu 成都 gilt traditionell als Erscheinungs‑ ort von Laozi, dessen Meisterschüler einst durch das Erkennungszeichen einer grau‑ en Ziege zu ihm geführt worden sein soll. Nachdem am 3. Oktober 883 während eines Rituals in diesem Heiligtum ein Ziegel aus‑ gegraben worden war, dessen archaische Beschriftung das Ende des Aufstands und des kaiserlichen Exils voraussagte, wurde die Anlage unter der Ägide des Kaisers

Quellen

großzügig renoviert und erweitert, erhielt eine große Landstiftung, Geschenke und den bis heute gültigen Namen ‚Qingyang Gong‘. Aus diesem Anlass wurde die In‑ schrift verfasst und auf eine Stele gemei‑ ßelt, die man in dem Heiligtum aufstellte.176 Wie das Beispiel bereits andeutet, sind Inschriften die wichtigste Literaturgattung für die Suche nach stiftungsrelevanten In‑ formationen. Impliziert doch die versuchte Verewigung dieser Texte in ‚Metall und Stein‘ (jinshi 金石) besonders deutlich das Streben ihrer Verfasser und Auftraggeber nach Dauerhaftigkeit. Auch zeichnen sich Inschriften im Vergleich zu historiogra‑ phischen Werken, wie etwa den Dynas‑ tiegeschichten, durch eine unmittelbarere und weit weniger manipulierbare Wie‑ dergabe der geschilderten Ereignisse aus, wie Valerie Hansen in einem Beitrag über ihre Sichtung solcher Quellentexte aus der Song‑Zeit bemerkt: „Because only books deemed of worth to succeeding generations were reprinted, our source base is shaped largely by traditional historical biases. But stone is more durable than paper; many steles from the Song survived into the nine‑ teenth and twentieth centuries. Moreover, admirers of calligraphy and compilers of local histories took rubbings regardless of content. Accordingly, the documents in epigraphical compendia are of particular interest to the modern historian exactly because they were not subjected to the editing all printed books were.“177 Gerade Landstiftungen an Klöster wur‑ den durch die Aufstellung von Stelen mit den entsprechenden Inschriften publik ge‑ macht. Walsh demonstriert an diesem Bei‑ spiel, dass religiöses Verdienst und Prestige in Stiftungshandlungen zusammenfließen und letztlich nicht voneinander zu trennen sind: „Erecting a stele was an expensive and lengthy process involving many peo‑ ple. (…) When a stele was erected people

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knew what it was even if many could not read it. (…) A stele was a powerful form of cultural capital (for both the donor and the recipient), a structure that projected prestige, articulated a process of naming, and signified knowledge and power. (…) From the perspective of the donor and the donation (land, harvest) there was the accumulation of merit, the possibility of salvation, tax exemption, and perhaps most importantly, cultural capital (especially if a stele was erected and one’s family name was written into stone). (…) Monastic dona‑ tions, however, were not gifts. They were part of an exchange of values within which merit was a commodity, a commodified object of exchange, and thus always part of a distribution of power.“178 Inschriften wurden schon im kaiserli‑ chen China als historisch und kulturell wertvoll betrachtet und daher sowohl in speziellen Sammlungen als auch in Regio‑ nalbeschreibungen und religiösen Werken aufgezeichnet, wodurch sehr viele dieser Texte ihre ursprünglichen ‚Trägermedien‘, die Kriegen, Konfiskationen oder der Ver‑ witterung zum Opfer gefallen waren, um Jahrhunderte überdauerten. Das Studium von Inschriften hatte sich ursprünglich aus dem Interesse gebildeter Chinesen an Aufschriften und Mustern auf antiken Bronzegefäßen und anderen Artefakten entwickelt und war bereits in der Song‑Dy‑ nastie ein Zweig der Gelehrsamkeit, in dem mitunter der Beginn der chinesischen Ar‑ chäologie gesehen wird. Trotz dieser Nähe zu Kunstgeschichte und Archäologie stand aber das geschriebene Wort im Mittelpunkt, so dass im Laufe der Zeit eine gewaltige Menge von Inschriften gesammelt wurde, die man für die Nachwelt erhalten und als Ergänzung zur offiziellen Historiographie verfügbar machen wollte. Besonders pro‑ duktiv in der Inschriftenforschung waren die Gelehrten der Qing‑Dynastie. Das 1805

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vollendete Werk Jinshi cuibian 金石萃編 (‚Gesammelte Inschriften auf Metall und Stein‘) von Wang Chang 王昶 (1724–1806) etwa enthält, nach Dynastien geordnet, über 1 500 Steininschriften und wird bis heute von Forschern konsultiert. Die Länge der Inschriften und die Größe der Stelen richteten sich in der Regel nach dem sozialen und politischen Status der Stifter sowie der religiösen, kulturellen und politischen Bedeutung der Destinatäre. Lange Texte beschreiben oft die Entwick‑ lung eines Heiligtums über Jahrhunderte sowie dessen mythologische Vorgeschichte. Die weiter oben erwähnte Inschrift des Qingyang Gong entspricht mit ihrer Länge von über 8 500 Schriftzeichen ganz der he‑ rausragenden Bedeutung des Heiligtums, das mit einer imperialen Stiftung bedacht wurde, nachdem der wundersame Fund des beschrifteten Ziegels die Restaurati‑ on der Tang‑Dynastie angekündigt hatte. Allerdings wurden nicht nur Stiftungen von Kaisern, Adligen und hohen Beamten in Inschriften gewürdigt. Tatsächlich er‑ möglicht diese Quellengattung Einblicke in die Stiftungstätigkeit breiter Bevölke‑ rungsschichten. Zwei Inschriften aus der Song‑Dynastie, die beide vom 19. September 1050 datie‑ ren und in Kapitel 134 der Sammlung Jinshi cuibian enthalten sind, berichten vom Wiederaufbau eines daoistischen Klosters im Landkreis Goushi 緱氏 der Provinz Henan 河南. Die ‚Abtei des Unsterblichen‑ Kranichs‘ (Xianhe Guan 仙鶴觀) war zum Gedenken an einen Unsterblichen des Al‑ tertums errichtet worden und hatte in der Tang‑Zeit eine offizielle Namenstafel erhal‑ ten. Der gelehrte Autor der ‚Aufzeichnun‑ gen über den Wiederaufbau der Abtei des Unsterblichen‑Kranichs‘ (Chongxiu Xianhe Guan ji 重修仙鶴觀記), der die große Überzahl buddhistischer Institutionen und die Armut daoistischer Stätten beklagt,

Religiöse Stiftungen in China

berichtet weiter, dass auch dieses lokale Heiligtum einst dem Verfall überlassen worden war. Schließlich formierte sich eine Gemeinschaft aus Gläubigen und ört‑ lichen Würdenträgern, die mit amtlicher Genehmigung die Abtei an einem neu‑ en, nach geomantischen Gesichtspunkten sorgfältig ausgewählten Standort wieder aufbauten und als Abt einen ranghohen Daoisten einsetzten. Interessante Details verrät der ‚Tatsa‑ chenbericht über den Wiederaufbau der Abtei des Unsterblichen‑Kranichs‘ (Chongxiu Xianhe Guan shilu 重修仙鶴觀實錄). Die Stifter waren in einer lokalen Kult‑ Vereinigung organisiert, deren Mitglieder‑ zahl zwischen 20 und 100 lag und die den Namen ‚Opferritual‑Gesellschaft [zur Dar‑ bringung des] Lampenöls‘ (dengyou jiaoshe 燈油醮社) trug. Der relativ kurze Text informiert die Leser, wie die Gesellschaft durch Vermittlung örtlicher Würdenträger ein Gesuch bei den Behörden einreichte und so den Daoisten Zuo Qingzhi 左慶之 aus der Hauptstadt, der vom Kaiser mit einer purpurnen Robe ausgezeichnet (cizi 賜紫) worden und damit Träger eines ho‑ hen Beamtengrades war, als Abt (guanzhu 觀主) gewinnen konnte, der forthin für das „Weihrauchopfer und die dauerhafte Aufrechterhaltung der liturgischen Praxis“ ( fenxiu zhuchi 焚修住持) zuständig war. Wie den oben zitierten ‚Aufzeichnungen‘ zu entnehmen ist, waren die Bauarbei‑ ten, mit denen 1046 begonnen worden war, noch keineswegs abgeschlossen, als Zuo Qingzhi die Abtei bezog. Gerade die Anwe‑ senheit und religiöse Praxis des Meisters – und sicherlich auch die aktive Stifterak‑ quise durch ihn – verhalfen dem Projekt schließlich zum Erfolg. Der nächste Teil des ‚Tatsachenberichts‘ ist eine Liste der Hauptstifter (shizhu 施主), darunter zwei Frauen, mit präzisen An‑ gaben zu den jeweiligen Dotationen. Von

Quellen

namentlich genannten Einzelpersonen ge‑ stiftet wurden das Grundstück (diji 地基), dessen Ausmaße und steuerlicher Status genau angegeben werden, die Haupthal‑ le (zhengdian 正殿), aus Lehm modellier‑ te Statuen von Laojun 老君 (‚Herrn Lao‘; also Laozi) und dessen Gefolge, ein aus Ziegeln gemauerter Thronsitz (zhuanzuo 塼座) für Laozi, eine Dao(isten)‑Halle (daotang 道堂; Wohngebäude für die Daoisten) sowie Statuen der Gottheiten des Erdbo‑ dens und der Ortschaft (tudi liyu zhenguan 土地里域真官) und ein Schrein für sie. Abt Zuo Qingzhi und die Mitglieder der Ge‑ sellschaft errichteten bzw. finanzierten ge‑ meinsam eine ‚Halle des Wahren Kriegers‘ (Zhenwu Dian 真武殿), die einer mit Exor‑ zismus und der Himmelsrichtung Norden assoziierten Gottheit gewidmet war, und vollendeten das Torhaus (menlou 門樓) des Klosters. Gegen Ende der Inschrift sind die Namen von zwölf Mitgliedern der ‚Opfer‑ ritual‑Gesellschaft‘ verzeichnet.179 Teil‑ und Zustiftungen waren (und sind) in chinesischen Klöstern und Tempeln die Regel. Auch wenn die Grundlage einer dauerhaft funktionierenden religiösen In‑ stitution natürlich in einer größeren Stif‑ tung, vor allem von Land, bestand, konn‑ ten durch kleinere Zustiftungen oder ge‑ meinschaftliche Dotationen wie im Falle der ‚Opferritual‑Gesellschaft‘ auch solche Stifter am Verdienst teilhaben, die nicht zur Aristokratie oder Beamten‑Elite gehör‑ ten. Trotz ihres bescheideneren Umfangs wurde auch die Finanzierung einzelner

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Bauelemente oder Kultgegenstände als Stiftung behandelt und durch Auf‑ bzw. Inschriften dauerhaft dokumentiert. So berichten etwa die ‚Aufzeichnungen über die Kapitalstiftung des Chen Wenze‘ (Chen Wenze shecai ji 陳文澤捨財記), wie Chen Wenze 陳文澤 und seine Ehefrau aus der Familie Gong 龔 der ‚Abtei der Erlan‑ gung des Dao‘ (Zhidao Guan 致道觀) im nahe Suzhou gelegenen Landkreis Changs‑ hu 常熟 eine Summe ‚reinen Kapitals‘ (jingcai 淨財) stifteten, die der Anschaffung von Steinplatten zur Befestigung der Treppen‑ aufgänge vor und hinter der ‚Erhabenen Halle der Drei Reinen‘ (Sanqing Baodian 三清寶殿) sowie dem Bau eines aus Zie‑ geln gemauerten Thronsitzes diente. Durch diese wohltätige Handlung konnten Chen und seine Frau, so der Text, „oben die vier [Arten von] Güte [si’en 四恩] [von Himmel und Erde, von Herrscher und Staat, von El‑ tern und von Lehrmeistern] erwidern und unten [alle Wesen im] dreifachen Besitz [sanyou 三有] [von Bewusstsein, Gefühlen und Schicksalsbindungen] unterstützen.“ Zugleich werden Chens verstorbene El‑ tern den höheren Mächten anempfohlen, auf dass sie „in reinen Gefilden wiederge‑ boren und dem Reich der Unsterblichen anvertraut“ werden. Die Leser der kurzen Steleninschrift, die vom 29. April 1059 da‑ tiert, erfahren noch, dass die Aufstellung der Stele und damit in der Regel auch ihre Finanzierung vom Verwalter der Abtei, der offensichtlich ein Laie war, besorgt wurde.180

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Religiöse Stiftungen in China

6 Fallstudie: Das Guanyin-Kloster in Sichuan Wir haben gesehen, dass chinesische Klös‑ ter durch ihren Sonderstatus als Stiftun‑ gen verstanden werden können und dass Stiftungsvorgänge aller Größenordnun‑ gen in Inschriften sorgfältig dokumentiert wurden. Als relativ autonome religiöse Körperschaften boten Klöster die Möglich‑ keit, Dotationen gegen Verdienst ‚einzu‑ tauschen‘, und stellten gleichzeitig einen institutionellen Rahmen zur Verwaltung des Stiftungsvermögens zur Verfügung. Obwohl detaillierte Informationen zum Stiftungsgeschäft und zur Vermögensver‑ waltung aus dem chinesischen Kaiserreich zwischen 500 und 1500 in den meisten Fällen nicht mehr vorliegen, berichten publizierte und in situ erhaltene Inschrif‑ ten von Stiftungszwecken und ‑anlässen, beteiligten Personen, der historischen Entwicklung sowie religiösen und sozi‑ alen Kontexten. Als institutionalisierter Bestandteil von Chinas heiligem Raum überdauerten buddhistische und daoisti‑ sche Klöster Jahrhunderte, und selbst nach Phasen des Verfalls und der Zerstörung wurden sie immer wieder zu Bezugspunk‑ ten des religiösen Lebens und des Stiftungs‑ wesens. Diese Eigenschaften treffen auch auf das folgende Fallbeispiel aus der Pro‑ vinz Sichuan zu. Ganz bewusst wurde als Beispiel eine Stätte gewählt, über die kaum Sekundärliteratur vorliegt, deren Inschrif‑ ten und Sachzeugnisse hingegen bis heute erhalten und vor Ort zu besichtigen sind. Das buddhistische Guanyin‑Kloster (Guanyin Si 觀音寺) ist dem populären Bo‑ dhisattva des Mitgefühls (Avalokiteśvara; chinesisch: Guan[shi]yin 觀[世]音) ge‑ weiht, der in Ostasien fast immer in weiblicher Form dargestellt wird.181 Das im Kreis Xinjin 新津 bei Chengdu, der

Provinzhauptstadt von Sichuan, gelege‑ ne Heiligtum offenbart einen Teil seiner Stiftungsgeschichten in Inschriften sowie in beeindruckenden Sachzeugnissen aus dem 15. Jahrhundert. Tatsächlich begann die Geschichte dieser sakralen Stätte je‑ doch erheblich früher. Der Standort des Klosters gehörte im 2. Jahrhundert u. Z. zur Gruppe der ‚24 Diözesen‘ (ershisi zhi 二十四治)182 , daoistischer Gemeindezen‑ tren, die sowohl als religiöse Versamm‑ lungsorte als auch administrative Verwal‑ tungssitze der frühen Himmelsmeister‑ Bewegung fungierten. Diese Diözesen mit ihren einfachen sakralen Gebäuden verloren ab dem 3. Jahrhundert allmählich ihre ursprüngliche Funktion, blieben aber vielfach spirituelle Bezugspunkte, wo im Laufe der Zeit neue daoistische oder auch buddhistische Heiligtümer errichtet wur‑ den. Die früheste nachweisbare religiöse Affiliation der Stätte, die heute Standort des Guanyin‑Klosters ist, war also eine daoistische: Als Pinggai‑Diözese (Pinggai Zhi / Hua 平蓋治 / 化) im daoistischen Ka‑ non verzeichnet, gilt sie als der Ort, von dem sich einst ein vollendeter Unsterbli‑ cher namens Cui Xiaotong 崔孝通 in den Himmel erhoben haben soll.183 In der Lokalgeographie von Xinjin ist der Standort des Guanyin‑Klosters auch als Jiulian Shan 九蓮山 bekannt, was als ‚Neun Lotos‑Hügel‘ oder ‚Neun‑Lotos‑Hü‑ gelkette‘ übersetzt werden kann. Bei die‑ sen neun ‚Lotosblüten‘ – einem Symbol für Reinheit und die buddhistische Leh‑ re – handelt es sich um neun Hügel, die das Klostergelände umgeben und damit eine ideale Topographie und die Konzen‑ tration spiritueller Kraft anzeigen. Trotz dieser auf einen buddhistischen Kontext

Fallstudie: Das Guanyin-Kloster in Sichuan

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hindeutenden Symbolik, die vielleicht re‑ lativ späten Datums ist, ist der Ort fest in der religiösen Geographie des Daoismus verankert und war offensichtlich bis in die Tang‑Zeit Standort eines daoistischen Heiligtums. Die ‚Beschreibung des Kreises Xinjin‘ (Xinjin xianzhi 新津縣志) aus der Ära Daoguang 道光 (1821–1850) weist im Kapitel ‚Berge und Gewässer‘ (shanchuan 山川) noch darauf hin, dass sich am Stand‑ ort des Guanyin‑Klosters einst die daois‑ tische ‚Abtei an der Felsen‑Stromschnelle‘ (Yantan Guan 巖灘觀) befand.184 Die nach 905 vollendeten ‚Aufzeichnungen numi‑ noser Beweise zugunsten des Daoismus‘ (Daojiao lingyan ji), die übrigens aus der Feder des weiter oben genannten Hof‑Dao‑ isten Du Guangting stammen, berichten von zwei Fällen himmlischer Vergeltung für die Zerstörung von Klostergebäuden, das Fällen von Bäumen und den Raub von Statuen auf dem Gelände der alten Pinggai‑ Diözese. Wir erfahren, dass im Jahr 890, also in der späten Tang‑Dynastie, dort zwar noch Gebäude und andere Relikte einer daoistischen Institution existierten, der Ort aber nicht mehr von Daoisten be‑ wohnt war.185 Die Anfänge des buddhistischen Guan‑ yin‑Klosters liegen hingegen in der Song‑ Dynastie, wozu in Xinjin auch seit langem eine Legende überliefert wird. Am Standort des Klosters soll sich einst die Residenz des Gelehrten und hohen Staatsbeamten Zhang Shangying 張商英 (1043–1121) befunden ha‑ ben. Der aus Xinjin stammende Zhang war nicht nur ein bedeutender Politiker seiner Zeit, sondern auch auf vielfältige Weise in religiöse Belange involviert. So verfasste er u. a. Werke zu daoistischen Themen und wurde vom Kaiser mit der Überarbeitung einer wichtigen daoistischen Liturgie be‑ traut. Entsprechend der in der Song‑Zeit be‑ sonders einflussreichen Theorie der Einheit der Drei Lehren vertrat Zhang Shangying

die Auffassung, Konfuzianismus, Daois‑ mus und Buddhismus ergänzten einander und trügen gleichermaßen zur Stabilität von Staat und Gesellschaft bei. Tatsächlich war Zhang aber besonders dem Buddhis‑ mus zugeneigt. Er pflegte enge Kontakte zu buddhistischen Mönchen, war selbst Schüler eines Chan‑Meisters, unterstützte buddhistische Klöster in vielen Belangen und ist der Autor eines ‚Diskurses zur Ver‑ teidigung des Dharma‘ (T 2114: Hufa lun 護法論). Obwohl konkrete Beweise fehlen, wird in Xinjin überliefert, dass die Familie von Zhang Shangying nach dessen Able‑ ben ihre Residenz als Kloster gestiftet habe und dass dies der Anfang des heutigen Guanyin Si gewesen sei.186 Einen telegrammhaften Abriss der his‑ torischen Entwicklung des Guanyin Si ent‑ hält die Sektion ‚Buddhistische und daois‑ tische Klöster‘ (siguan) der Kreisbeschrei‑ bung (Xinjin xianzhi): „Das Guanyin‑Klos‑ ter liegt 24 li südlich der Kreisstadt in den Neun‑Lotos‑Hügeln. Es wurde im 8. Jahr187 der Ära Chunxi 淳熙 [1181] der Song‑Dy‑ nastie gegründet. In der Ära Jingtai 景泰 [1450–1457] der Ming‑Dynastie wurde es unter den Mönchen Bifeng 碧峯 und Fu‑ bin 福賓 sowie deren Schülern Yuanche 圓徹 und Yuangang 圓綱 wieder aufgebaut. In der Epoche Chenghua 成化 [1465–1488] wurden weitere Hallen hinzugefügt, bis eine Gesamtzahl von zwölf Gebäuden er‑ reicht war. Im 5. Jahr der Ära Kangxi 康熙 [1666] [der Qing‑Dynastie] wurde das Klos‑ ter unter der Führung des Kreisvorstehers Chang Jiujing 常九經 wieder hergerichtet. Im 50. Jahr der Ära Qianlong 乾隆 [1785] erfolgten weitere Restaurationsarbeiten. Im 1. Jahr der Epoche Daoguang [1821] wurde die Guanyin geweihte Haupthal‑ le renoviert. In der Ming‑Zeit hatte der Prinz von Shu 蜀 [der mit der Region um Chengdu belehnte Spross der kaiserlichen Familie] dem Kloster einen buddhistischen

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Kanon gestiftet, dessen größter Teil heute nicht mehr erhalten ist. Die Mönche des Klosters bewahren [den erhaltenen Teil] im [Hohlraum einer] Steinmauer auf. Die öffentliche Pinggai-Schule befindet sich innerhalb des Klosters.“188 Eine wichtige Rolle bei der Wiederbele‑ bung des Guanyin Si in der Ming-Dynastie spielte der buddhistische Meister Bifeng, der dort in der Ära Jingtai (1450–1457) als Abt fungiert haben soll. Im Kapitel ‚Dao‑ isten und Buddhisten‘ (xianshi 仙釋) der Kreisbeschreibung heißt es, er habe in ho‑ her Gunst beim Prinzen von Shu gestan‑ den. Bei Letzterem handelt es sich um Zhu Yueshao 朱悅𤉎 (1409–1461), einen Enkel des Dynastiegründers, der von 1435 bis 1461 als Prinz von Shu in Chengdu residierte. Bifeng sei, so der Text, in die Residenz des Prinzen eingeladen worden, wo er diesen in der Doktrin des Mahāyāna-Buddhismus unterwiesen habe. Der Prinz habe sich mit der Stiftung eines vollständigen Kanons erkenntlich gezeigt.189 Genauere und unmittelbarere Informa‑ tionen zu religiösen Stätten, ihren Stiftern und ihrer historischen Entwicklung wur‑ den meistens in Stein gemeißelt. Dauerhaf‑ te Zeugnisse dieser Art finden sich auch im Guanyin-Kloster. Die Inschrift einer Stele von 1490, die auf dem Klostergelände erhalten ist (→ Abb. 1)190, berichtet von der bewegten Geschichte des Guanyin Si – und zwar viel ausführlicher als die oben zitier‑ te Kreisbeschreibung. Das buddhistische Kloster auf dem Boden der alten daoisti‑ schen Diözese wurde demnach im Jahre 1181 gegründet. Nach seiner Zerstörung in den Kriegswirren der mongolischen YuanDynastie (1279–1368) wurde das Guanyin Si während der Ming-Dynastie (1368–1644) in mehreren Etappen wieder aufgebaut und 1490 mit der Aufstellung der Stele vollendet. Die im Stelentext beschriebene Rekonstruktion zeigt das typische Muster

Religiöse Stiftungen in Chin

solcher Unterfangen im traditionellen Chi‑ na: Führende Mönche des Klosters, die als charismatische religiöse Persönlichkeiten in der Region bekannt waren, zogen Stifter aus dem Kreis ihrer Laienanhänger an, mit deren finanzieller und sonstiger Hilfe dann Projekte aller Größenordnungen realisiert wurden. Vermögende Familien und Per‑ sönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wie lokale Beamte und Gelehrte, stellten Land zur Verfügung und finanzierten den Bau der Hauptgebäude. Die Namen der Mönche, die den Wiederaufbau leiteten, und die der Hauptstifter erscheinen in der Inschrift, wogegen die Namen weiterer Stifter auf der Stelenrückseite zu lesen sind. Diese typische Form der ‚Arbeitsteilung‘ hat auch Paul Katz in seiner Studie des daoistischen Heiligtums Yongle Gong beobachtet. Auch dort spielten Daoisten als Bauleiter und ‚Manager‘ eine herausragende Rolle beim Bau und der Ausstattung mit Wandgemäl‑ den etc. Finanzielle Unterstützung kam aber hauptsächlich von Angehörigen der lokalen Elite. Diese Laien-Patrone stifteten auch das Land, auf dem der Yongle Gong errichtet wurde.191 Der Stelentext ‚Aufzeichnungen über die Wiedererrichtung des Chan-buddhis‑ tischen Guanyin-Klosters in der PinggaiDiözese in den Neun-Lotos-Hügeln‘ (Jiulian Shan Pinggai Zhi Guanyin Chansi chongxiu ji 九蓮山平蓋治觀音禪寺重修記) 192 berichtet nach einer kurzen Würdigung der Verbreitung des Buddhismus und sei‑ ner Institutionen in China von der Grün‑ dung des Klosters in der Song-Zeit (1181). Eine ältere, beschädigte Stele, die darüber Auskunft gibt, sei noch erhalten. Eben‑ so wird erwähnt, dass Cui Xiaotong sich am Standort des jetzigen Klosters einst in Selbstkultivierung übte und die Unsterb‑ lichkeit erlangte. Später hinterließ der HofDaoist Du Guangting dort in Erinnerung an den Unsterblichen ein Gedicht, dessen

Fallstudie: Das Guanyin-Kloster in Sichuan

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kompletter Text auf der Stelenrückseite zu lesen ist. Die ‚Aufzeichnungen‘ fahren mit einer Beschreibung der geographischen Lage und Topographie des Ortes fort, die auf eine ideale Landschaftsform und die Konzentration spiritueller Kraft hindeuten. Leider sei das Kloster dann durch Kriegs‑ handlungen in der Yuan‑Dynastie zerstört und vorerst nicht wieder aufgebaut worden. Erst nach Gründung der Ming‑Dynastie hätten schließlich Frieden und eine für den Buddhismus förderliche Atmosphäre geherrscht. Die Wiederbelebung des Klosters habe damit eingesetzt, dass sich der Mönch Haijin 海金, bekannt als ‚Chan‑Meister Bifeng‘ (Bifeng Chanshi 碧峯禪師), dort niedergelassen und mit dem Wiederaufbau begonnen habe. Nach dem Tod von Haijin (Bifeng) habe ein anderer einflussreicher Meister sein Werk fortgesetzt. Im Jahre 1432 sei Fubin 福賓, auch bekannt als ‚Mönch Daquan‘ (Daquan Heshang 大權和尚), ins Guanyin‑Kloster gekommen. Unter seiner Leitung und mit der Unterstützung des Stifters (gongde zhu 功德主) Zhao Zilong 趙子隆 sei das Kloster um mehrere neue Gebäude und Statuen erweitert worden. Hier liegt nun ein Widerspruch zwi‑ schen zwei Quellen vor. Wenn Fubin sich 1432 im Guanyin‑Kloster niederließ, was nach der Inschrift eindeutig nach dem Tod von Bifeng geschah, dann kann Bifeng nicht in der Ära Jingtai (1450–1457) aktiv gewesen sein. Letzteres wird aber in der Kreisbeschreibung von Xinjin angegeben. Dieser Widerspruch wird sich ohne das Vorliegen von Belegen in anderen Quellen‑ texten – sofern diese überhaupt existieren – nicht auflösen lassen. Im Allgemeinen ist der Steleninschrift eine größere Au‑ thentizität zuzugestehen, da die Zeit ihrer Entstehung viel näher an den beschrie‑ benen Ereignissen liegt als die Kreisbe‑ schreibung aus dem 19. Jahrhundert. Es

ist anzunehmen, dass die Kompilatoren von letzterem Werk nur oberflächliche Kenntnisse der Geschichte des Guanyin Si besaßen. Die Steleninschrift scheinen sie nicht gekannt zu haben, da diese nicht in der Sektion ‚Schrifttum‘ (yiwen) der Kreisbeschreibung verzeichnet ist. Das ist nicht ungewöhnlich. Die in Kreisbe‑ schreibungen wiedergegebene Menge von Inschriften ist nie erschöpfend, und die konfuzianisch ausgebildeten Kompilatoren maßen buddhistischen und daoistischen Stätten – zumal im 19. Jahrhundert, als westliche Einflüsse die chinesische Tradi‑ tion erschütterten – oft keine allzu große Bedeutung bei. Die ‚Aufzeichnungen‘ auf der Stele von 1490 berichten weiter, dass auch Fubin ver‑ starb. In seiner Nachfolge hätten die Mön‑ che Yuanche 圓徹 und Yuanli 圓曆 das Guanyin‑Kloster weiterentwickelt, indem sie weitere Gebäude und Statuen errich‑ tet und das Areal großzügig mit Bäumen bepflanzen lassen hätten. Nachdem sich Yuanche und Yuanli in die Hauptstadt, das heutige Beijing, begeben hätten, um dort in verschiedenen Klöstern zu lernen und Kontakte zu knüpfen, hätten ihre Mitbrü‑ der Yuangang 圓綱 und Yuanjing 圓鏡 er‑ folgreich um weitere Stifter (tanyue 檀越) geworben und das Kloster innerhalb eines Jahres im großen Stil ausgebaut. Yuanche sei in der Hauptstadt verstorben. Nach der Rückkehr von Yuanli, der eine Samm‑ lung von vier wichtigen Sūtra‑Texten und die sterblichen Überreste Yuanches mit‑ gebracht habe, sei Yuanche feierlich bei‑ gesetzt worden, was dem Kloster weitere Beachtung und das Patronat lokaler Wür‑ denträger eingebracht habe. Auf Veranlas‑ sung von Yuangang seien die hier zitier‑ ten ‚Aufzeichnungen‘ schließlich auf eine eigens gestiftete Stele gemeißelt worden. Im Text heißt es, die alte Pinggai‑Diözese wäre ohne die Stiftung des Klosters nur ein

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einsamer, öder Hügel geblieben. So sollten die Namen aller Stifter in Stein gemeißelt werden, auf dass ihre verdienstvollen Wer‑ ke auf ewig überliefert würden. Auf der Stelenrückseite sind je ein Ge‑ dicht von Du Guangting und Hu Cong 胡聰, Direktor einer konfuzianischen Schule und Verfasser der Steleninschrift, sowie die Namen aller Stifter verzeichnet. Ferner erfährt der Leser die Namen der drei Ge‑ lehrten, die den Text verfasst (zhuanwen 撰文), den Stelen‑Titel in Siegelschrift ge‑ schrieben (zhuan’e 篆額) und die Inschrift kalligraphiert (shudan 書丹) haben. Die Stele wurde am 15. Tag des 7. Monats im 3. Jahr der Ära Hongzhi 弘治 der Ming‑ Dynastie (31. Juli 1490) aufgestellt. Eine zentrale Rolle beim Wiederauf‑ bau des Guanyin Si spielten vier Äbte, von denen in der Inschrift die Rede ist: Bifeng, Fubin, Yuanche und Yuangang. Diese Angaben decken sich auch mit je‑ nen der Kreisbeschreibung, obwohl die genannten Daten in Letzterer nicht präzise sind. Die Wiederbelebung des Klosters in der Ming‑Zeit erstreckte sich über einen längeren Zeitraum des 15. Jahrhunderts und begann schon vor der Ära Jingtai. Ein in der Inschrift beschriebenes wichtiges Ereignis der Klostergeschichte war die feierliche Beisetzung – der Text deutet trotz der in buddhistischen Kreisen weit verbreiteten Kremation auf eine Erdbestat‑ tung hin – des auf der Reise verstorbenen Abtes Yuanche. Die mit der Bestattung eines Abtes oder Großmeisters verbun‑ denen liturgischen Feierlichkeiten sind im chinesischen Buddhismus bis heute öffentlichkeitswirksame Großereignisse. Die Beisetzung von Yuanche fand, so die Inschrift, im Rahmen einer ‚Liturgie der universalen Erlösung‘ (pudu hui 普度會) statt, habe Massen von Pilgern angezogen und das Prestige des Klosters beträchtlich erhöht.

Religiöse Stiftungen in China

Bau und Ausstattung sakraler Stätten gingen in China immer mit zahlreichen Zustiftungen von Statuen, liturgischen Gegenständen und sogar einzelnen Bau‑ elementen einher, die im Gesamtplan in der Regel einkalkuliert waren. Stiften war immer ein kollektiver Akt. Jede noch so kleine Zustiftung wurde als vollwertiger Bestandteil des unantastbaren und unver‑ äußerlichen changzhu‑Besitzes betrachtet, weshalb wir auch auf einzelnen Statuen, Malereien und Bauelementen Inschriften mit Stifternamen, Datum und Segensfor‑ meln finden. Zwei in der Ming‑Zeit errich‑ tete Hallen des Guanyin Si, die – neben mehreren Gebäuden aus der Qing‑Dynastie – auch die Zerstörungen der jüngeren und jüngsten Geschichte Chinas weitgehend schadlos überstanden haben, legen mit ih‑ ren Wandgemälden und Statuen bis heute darüber Zeugnis ab. Stifterbilder und kur‑ ze Auf‑ bzw. Inschriften auf Bildern und anderen Artefakten gewähren Einblicke in sehr persönliche Stiftungsgeschichten, von denen im Folgenden zwei Beispiele für sich selbst sprechen sollen. Die Halle Pilu Dian 毘盧殿 (→ Abb. 2), die dem Ur‑Buddha Vairocana193 geweiht ist und 1462 vollendet wurde, enthält kostbare Wandgemälde.194 Unter Verwendung von natürlichen Mineralfarben wurden sie im Jahre 1468 auf insgesamt sieben Flächen – eine hinter den zentralen Buddha‑Statuen und je drei auf der rechten und linken Seitenwand der Halle – ausgeführt und nehmen eine Gesamtfläche von 94 m2 ein. Auf den Seitenwänden sind die zwölf ‚Bo‑ dhisattvas des Vollkommenen Erwachens‘ (yuanjue pusa 圓覺菩薩) abgebildet. Dabei handelt es sich um abstrakte Heilswesen, die im ‚Sūtra des Vollkommenen Erwa‑ chens‘ (T 842: Yuanjue jing 圓覺經), einem wahrscheinlich im frühen 8. Jahrhundert in China entstandenen Text, dem Buddha Fragen zu Doktrin, Praxis und Erleuchtung

Fallstudie: Das Guanyin-Kloster in Sichuan

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stellen. Flankiert werden sie von 24 Him‑ melsgottheiten (deva; chinesisch: zuntian 尊天) indischen Ursprungs, die in China ‚sinisiert‘ wurden und als Schutzmächte fungierten, sowie 13 Stifterbildern. Wendet man sich nach Betreten der Halle gleich nach rechts, steht man vor einem Wandbild, das zwei Bodhisattvas zeigt (→ Abb. 3). In diesem Bild gibt eine Aufschrift (Mitte) darüber Auskunft, dass die Abbilder des rechten Bodhisattva und zweier devas von der Familie Zheng 鄭 aus Xinjin gestiftet wurden. Der Text in dem rechteckigen Schriftfeld (→ Abb. 4) lautet: „Der fromme Gemäldestifter Zheng Hong 鄭宏 aus der Gemeinde Taiping im Kreis Xinjin der Provinz Sichuan, seine Ehefrau, fünfte Tochter aus [einer anderen] Familie Zheng, sowie ihre Söhne Zheng Xiren 鄭希仁 und Zheng Xidao 鄭希道 zusammen mit ihren Familien trugen die Kosten der Bemalung dieser Wand mit dem Bodhisattva des Vollkommenen Erwachens [trägt den gleichen Namen wie die ganze Bodhisattva‑Gruppe; rechts] sowie dem Himmelsmusikanten [kiṃnara, ein halb‑ menschliches Wesen; Mitte unten] und der [sechsarmigen] Göttin [Mitte oben]. Voller Demut erhoffen sie: Mögen die vom Ehepaar [Zheng] seit langem kultivierten Wohltaten [wörtlich: yin 因 ‚Ursachen‘] mit unermesslichem und vortrefflichem guten Karma vergolten werden. Niedergeschrie‑ ben an einem glückverheißenden Tag im 4. Jahr der Regierungsdevise Chenghua 成化 [1468].“ Die Bildnisse der Stifter, die an den unteren Bildrändern zu sehen sind und anhand der Kleidung als Männer und Frau‑ en identifiziert werden können, scheinen nur die Hauptstifter zu repräsentieren und nicht alle in den Aufschriften genann‑ ten Personen. Die Stifterbilder könnten vermutlich im Rahmen einer gründlichen Analyse aller Wandgemälde eindeutig den

Namen in den Schriftfeldern zugeordnet werden. Als visuelles Beispiel soll hier der ‚Bodhisattva der Reinen Weisheit‘ (Qing‑ jinghui Pusa 清淨慧菩薩) dienen, dessen Abbild (→ Abb. 5) sich am hinteren Ende der rechten Hallenwand befindet. Rechts unten im Bild ist eine Gruppe von Stif‑ tern (→ Abb. 6) zu sehen. Zwei Männer sind an ihren hohen Kappen und langen Obergewändern zu erkennen. Der Mann im hellen Gewand trägt ein Räucherge‑ fäß in der rechten Hand, während seine linke anscheinend ein Stück kostbaren Räucherwerks hält. Der Mann im dunklen Gewand hinter ihm hat die Hände gefaltet, was auch auf die ältere Frau am rechten Bildrand zutrifft, die an der rundlichen Kopfbedeckung, Schmuck und dem kurzen Obergewand zu erkennen ist. Hinter ihr sieht man noch eine vierte Person, eine junge Frau mit aufwendigem Kopfschmuck, die aber von einem offensichtlich nachträg‑ lich angebrachten Holzrahmen weitgehend verdeckt wird. Die Halle Guanyin Dian 觀音殿 (→ Abb. 7), das 1469 errichtete Hauptge‑ bäude des Klosters, ist dem Bodhisattva des Mitgefühls geweiht. Ihre drei Hauptsta‑ tuen (→ Abb. 8), deren Höhe ca. fünf Me‑ ter erreicht, stellen Guanyin selbst sowie die Bodhisattvas Mañjuśrī (Wenshu 文殊) und Samantabhadra (Puxian 普賢) dar, die Weisheit und meditative Praxis verkörpern. Die prachtvollen Figuren wurden um ein Holzgerüst herum aus Lehm modelliert, bemalt und vergoldet. Die Guanyin‑Halle enthält über 600 Figuren und Reliefskulp‑ turen jeder Größe, und an den wichtigs‑ ten Artefakten geben Inschriften Auskunft über ihre Stifter. Unterhalb der zentralen Guanyin‑Statue (→ Abb. 9) erzählt ein 1477 in den steiner‑ nen Sockel gemeißelter Text (→ Abb. 10) ihre Stiftungsgeschichte: „Der zu Ehren des Buddha freudvoll spendende fromme

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Stifter Jiang Zhixian 江志先, wohnhaft im Kreis Xinjin in der Straße westlich der Taiping‑Brücke, gemeinsam mit seiner Frau und frommen Mitstifterin Miaojin 妙金 aus der Familie Tang 唐, ihrem Sohn Jiang Yi 江鎰, ihrem zweiten Sohn Wu’er 五兒, der Schwiegertochter aus der Familie Du 杜, dem Enkel Hei’er 黑兒195 sowie allen [weiteren] Angehörigen, hat voller Aufrich‑ tigkeit den Entschluss gefasst, die Kosten für das Modellieren und Ausschmücken einer Statue von Bodhisattva Guanshiyin, die voller Mitgefühl aus Not und Unheil errettet, sowie für einen Buddha‑Schrein und zwei Säulen zu tragen. Anlässlich [die‑ ses guten Werkes] beten [Jiang Zhixian

Religiöse Stiftungen in China

und seine Angehörigen]: Möge ihre gan‑ ze Familie von reinem Glück erfüllt sein, und mögen ihre Nachkommen zahlreich sein und prosperieren. Niedergeschrieben zur Zeit der erhabenen Ming‑Dynastie im Frühling des 13. Jahres der Ära Chenghua am 1. Tag des 1. Monats [15. Januar 1477].“ Diese über 500 Jahre alten Kunstwerke und Schriftzeugnisse vermitteln ein facet‑ tenreiches und intimes Bild des Stiftungs‑ wesens in der chinesischen Religiosität. Sie bezeugen die zentrale Bedeutung von ‚Verdienst und Tugend‘ (gongde) im Rahmen einer blühenden Kultur des religiösen Plu‑ ralismus, in der letzten Endes der Mensch selbst im Mittelpunkt steht.

7  Schlussbemerkung und Ausblick Das obige Fallbeispiel zeigt in aller Deut‑ lichkeit, wie komplex die Stiftungsge‑ schichten chinesischer Klöster sind. Selbst eine Institution wie das Guanyin Si in Xinjin, das weder zu den staatlich sank‑ tionierten Großklöstern des Kaiserreiches gehörte noch Gegenstand einer eigenen Kloster‑Monographie ist, wurde von einer Vielzahl von Akteuren und Dotationstypen geprägt. So stand am Anfang der bud‑ dhistischen Klostergründung im Gebiet der alten daoistischen Pinggai‑Diözese die überlieferte und vermutlich legendäre Stif‑ tung der Residenz von Zhang Shangying in der Song‑Zeit. Gesicherte Informationen finden sich erst zum Wiederaufbau des Klosters in der Ming‑Dynastie, der von mehreren buddhistischen Meistern und vielen Stiftern getragen wurde. Je nach Bedeutung und Umfang ihrer Dotationen sind die Namen der Stifter auf der Stele von 1490 in der Hauptinschrift oder auf der

Stelenrückseite verzeichnet. Den Stiftern von individuellen Statuen und Wandgemäl‑ den sind hingegen Auf‑ bzw. Inschriften auf oder an den jeweiligen Kunstwerken gewidmet. Selbstverständlich endet die Stiftungsgeschichte des Guanyin‑Klosters nicht in der Ming‑Zeit. Relevante Inschrif‑ ten aus der nachfolgenden Qing‑Dynastie sind dort ebenfalls erhalten. Je berühmter ein Heiligtum ist und je enger seine Bindung an Staatskult und Kaiserhaus, desto mehr prominente Per‑ sönlichkeiten werden sich unter seinen Stiftern finden. Dies bedeutet, dass schon die Rekonstruktion der Stiftungsgeschichte eines einzigen Klosters ein aufwendiges Unterfangen sein kann. Allein die Identi‑ fizierung der Stifter oder die Verifizierung von Daten in Inschriften erfordern meis‑ tens die Recherche in weiteren Quellen. Welchen Weg könnte die Erforschung religiöser Stiftungen im China des

Schlussbemerkung und Ausblick

mittelalterlichen Jahrtausends einschla‑ gen? Meines Erachtens kann eine solide Grundlage nur durch weitere Fallstudien geschaffen werden, wobei sich die Konzen‑ tration auf exemplarische Orte und Regi‑ onen anbietet. Erst wenn eine bestimmte Anzahl von Fallstudien verfügbar ist, die auf das Phänomen ‚Stiftung‘ fokussiert sind und ihm angemessene Aufmerksam‑ keit widmen, wird es möglich sein, allge‑ mein gültige Aussagen zum Stiftungswesen Chinas zu machen. Der vorliegende Beitrag soll ein erster Schritt in diese Richtung sein und eine erste Orientierung in Bezug auf Terminologie und Quellen ermöglichen. Ideale Quellen wären solche Werke, die auch auf Details der Klosterverwal‑ tung eingehen, da gewöhnlich das Klos‑ ter selbst die Körperschaft war, die das Stiftungsvermögen verwaltete. Wie oben bereits angedeutet, sind solche Angaben in Kloster‑ oder Bergmonographien aber nur selten zu finden, und Alltagsdokumente wie Verträge sind in den meisten Fällen nicht erhalten. Eine Ausnahme stellen die von Gernet und Trombert untersuch‑ ten Manuskripte aus Dunhuang dar. Zu wirtschaftlichen Aspekten der Geschichte chinesischer buddhistischer Klöster liegen zahlreiche Studien in chinesischer Sprache vor, die im Rahmen einer weiterführenden Stiftungsforschung zu China zu berück‑ sichtigen wären, so etwa die Arbeiten des Historikers He Ziquan 何兹全 (1911–2011).196 Weitere Anhaltspunkte lassen sich gewiss auch in den Studien von Denis Twitchett finden. Die Rolle des Buddhismus in der Wirtschaft des chinesischen Kaiserreiches haben vor allem japanische Forscher un‑ tersucht, deren Publikationen auch für die

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Stiftungsforschung nutzbar gemacht wer‑ den könnten.197 In China ist seit der zweiten Hälfte des ‚mittelalterlichen Jahrtausends‘, einer Epoche also, die von der sinologischen Forschung nicht mehr zum ‚chinesischen Mittelalter‘ gezählt wird, eine wachsen‑ de Tendenz zu Privatinitiativen und mehr Unabhängigkeit vom Staat bei der Begrün‑ dung von (religiösen) Institutionen sowie Stiftungen und Patronat im Allgemeinen zu beobachten. Dieser Trend setzte sich fort. In der späten Ming‑Zeit, von der Mitte des 16. bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts, ge‑ hörte die private Patronage buddhistischer Klöster ganz wesentlich zur Lebensart und zum Selbstverständnis lokaler Eliten.198 In der Moderne lag das Patronat von Tempeln und Klöstern dann häufig in den Händen privat organisierter quasi‑religiö‑ ser Gemeinschaften, die aus den Kreisen konfuzianischer Gelehrter hervorgegangen waren. Diese Gemeinschaften finanzierten Renovierung und Neubau religiöser Stät‑ ten, organisierten liturgische Feiern und engagierten sich umfassend in caritativen Belangen.199 Als wichtiger Bestandteil der damaligen chinesischen Zivilgesellschaft haben sie gewiss auch Stiftungen ins Leben gerufen. Als in der Mitte des 20. Jahrhun‑ derts die junge Volksrepublik dann auf eine einzige Ideologie eingeschworen und unter die Kontrolle einer einzigen Partei gestellt wurde, wurden diese Gemeinschaften als Überreste der ‚feudalistischen‘ Vergangen‑ heit und Kultur vielfach als ‚reaktionäre Geheimsekten‘ stigmatisiert und verfolgt. Ihre Geschichte muss daher erst wieder neu geschrieben werden. VO

740

Religiöse Stiftungen in China

Anmerkungen 1  Die im Folgenden ausschließlich verwendete

maskuline Form ‚Stifter‘ ist als Oberbegriff zu verstehen und schließt die auch in China sehr zahlreichen Stifterinnen mit ein. 2 Als ‚Kleriker‘ werden im Kontext der chine‑ sischen Religionen sämtliche Personen bezeich‑ net, die durch Ordination oder das Ablegen von Mönchs‑ bzw. Nonnengelübden in eine religiöse Gemeinschaft oder in den Berufsstand religiö‑ ser Experten aufgenommen wurden. Dieser vom Staat anerkannte Stand umfasste buddhistische und daoistische Mönche und Nonnen sowie dao‑ istische nicht‑monastische Berufspriester. Analog werden die Begriffe ‚Klerus‘ und ‚klerikal‘ ver‑ wendet. In der traditionellen Religiosität Chinas sind die Grenzen zwischen Priester‑ und Mönch‑ tum oft fließend. 3 Auch eine moderne Kleindruck‑Ausgabe (Bei‑ jing: Zhonghua shuju, 1997) füllt noch 20 volu‑ minöse Bände. 4  Dreizehn der fünfzehn geplanten Bände der Reihe sind bereits bei Cambridge University Press erschienen; der erste 1978, der jüngste 2009. 5 Siehe Franke / Trauzettel, Chinesisches Kaiser‑ reich (1968, ND 1990), 117–148. 6 Siehe Gernet, Chinesische Welt (1988), 148– 198. 7 Schuler, Stifter und Religion (2013), 5 f. 8 Sie erschien zuerst 1956 unter dem Titel „Les aspects économiques du Bouddhisme dans la société chinoise du Ve au Xe siècle“; hier zitiert wird Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995). 9 Herangeführt an Gernets Werk hat mich die an der vorliegenden Enzyklopädie beteiligte Indo‑ login Annette Schmiedchen, der an dieser Stelle für ihren Weitblick gedankt sei. 10  Siehe Reiter, Chinese Patriot’s Concern (1990); Ders., Einundachtzig Bildtexte (1986); Ders., Inves‑ tigation Commissioner (1988); Ders., Observations Concerning Taoist Foundations (1983); Ders., Vi‑ sible Divinity (1988). 11  Katz, Images of the Immortal (1999). 12  Siehe Kohn, Monastic Life (2003), XI f. 13  Howard, Summit of Treasures (2001). 14  Robson, Introduction (2010, ND 2011); Ders., Monastic spaces (2010, ND 2011); Wang, Pictorial

program (2010, ND 2011); Walsh, Sacred Econo‑ mies (2010). 15  McNair, Patronage of Buddhist Buildings (2013). 16  Ebd., 20. 17  Zur thematischen Einführung bzw. Literatur‑ recherche in Bezug auf Christentum und Islam in China seien hier zwei Werke empfohlen: Standaert, Handbook of Christianity in China (2001); Leslie / Yang / Youssef, Islam in Traditional China (2006). 18  Eine kritische Bewertung dieser Theorie bietet Bauer, Hoffnung auf Glück (1989), 331–338. 19  Lagerwey, Religious State (2010), 28. 20 Ebd., 43. Zur Interaktion von chinesischem Staat und Religionen im hier behandelten Zeit‑ raum vgl. ebd., 28–49. 21 Die Fünf Klassiker sind das ‚Buch der Lieder‘ (Shijing 詩經), das ‚Buch der Urkunden‘ (Shujing 書經), die ‚Aufzeichnungen über das Ritual‘ (Liji 禮記), das ‚Buch der Wandlungen‘ (Yijing 易經) und die ‚Frühlings‑ und Herbstannalen‘ [aus Kon‑ fuzius’ Heimatstaat Lu] (Chunqiu 春秋). Bei den Vier Büchern handelt es sich um die ‚Gespräche‘ [des Konfuzius] (Lunyu 論語), das Werk ‚Menzi‑ us‘ (Mengzi 孟子) des nach Konfuzius wichtigs‑ ten konfuzianischen Denkers sowie die kurzen Traktate ‚Vom Großen Lernen‘ (Daxue 大學) und ‚Maß und Mitte‘ (Zhongyong 中庸). Siehe dazu Bauer, Geschichte der chinesischen Philosophie (2001), 44–46; 264–267; Van Ess, Konfuzianismus (2003), 28–30; 74–78. 22 Zur Bewertung und Definition des Konfuzia‑ nismus im Kontext der Religionsgeschichte siehe Clart, Religionen Chinas (2009), 156–159. 23 Lunyu 6.22: Lunyu zhengyi 論語正義. Ed. Liu Baonan 劉寶楠. (Zhuzi jicheng 諸子集成, Bd. 1.) Beijing 1954, ND 2006, 126. 24 Siehe hierzu Wilhelm, Lehren des Konfuzi‑ us (2008), 207; Slingerland, Confucius. Analects (2003), 60. 25 Die Schreibung ‚Taoismus‘, an der manche Autoren auch heute noch festhalten, entstammt einem älteren Umschriftsystem für die Wieder‑ gabe chinesischer Zeichen. Eine prägnante Dar‑ stellung der Problematik bietet Miller, Daoism (2008), XII f.

Anmerkungen

26 Beispiele für Übertragungen ins Deutsche

sind Laotse, Tao te king: Das Buch vom Sinn und Leben. Übers. Richard Wilhelm. Kreuzlingen / München 132000; Lao‑tse, Tao‑Tê‑King: Das Hei‑ lige Buch vom Weg und von der Tugend. Übers. Günther Debon. Stuttgart 1979, ND 2001; Laudse (Lao‑tse), Daudedsching (Tao‑te‑king). Übers. Ernst Schwarz. München 21985; Laotse, Tao Te King: Nach den Seidentexten von Mawangdui. Übers. Hans-Georg Möller. Frankfurt a. M. 1995. 27 Pregadio, Elixirs and Alchemy (2000), 171. 28 Zu Zhang Daoling siehe Olles, Spuren des Himmelsmeisters (1998), sowie den entsprechen‑ den Eintrag von Terry Kleeman in Pregadio, Ency‑ clopedia of Taoism, Bd. 2 (2008), 1222 f. Die von Pregadio herausgegebene Enzyklopädie ist bis dato das umfassendste Nachschlagewerk zum Daoismus in einer westlichen Sprache. 29 DZ 620 (1a): Daozang 道藏 [Daoistischer Ka‑ non]. Shanghai / Beijing / Tianjin 1996, Bd. 11, 344a. Die Sigle DZ wird in Verbindung mit den in der Daoismus‑Forschung üblichen Werknummern verwendet. In Klammern steht die traditionelle Paginierung. 30 Schipper / Verellen, Taoist Canon (2004); einen umfassenden Überblick über den Kanon bietet die Einleitung von Kristofer Schipper ebd., Bd. 1, 1–52; zum Daozang‑Projekt siehe ebd., 45–50. 31 Robinet, Geschichte des Taoismus (1995), 263. Zur Entwicklung des Daoismus in der Tang‑Zeit vgl. ebd., 261–297, sowie Barrett, Taoism under the T’ang (1996). 32 Daode jing 67: Laozi zhu 老子注. Ed. Wang Bi 王弼. (Zhuzi jicheng 諸子集成, Bd. 3.) Beijing 1954, ND 2006, 41. Diese Bescheidenheit wird als Voraussetzung für wahre Größe und die Fähigkeit der Führung betrachtet. 33 Weitere Informationen und Literaturhin‑ weise zu Quanzhen und Zhengyi bieten die ent‑ sprechenden Einträge von Vincent Goossaert und Chen Yaoting in Pregadio, Encyclopedia of Taoism, Bd. 2 (2008), 814–820; 1258–1260. 34 Das Mahāyāna als spätere Ausprägung des Buddhismus zeigt deutlich progressive Züge, z. B. seine stärkere Ausrichtung auf universale Erlö‑ sung, die Vielfalt der Heilswege, das Bodhisattva‑ Ideal (s. u.) und die Aufwertung der Rolle von Laien. 35 Zum historischen Buddha siehe Klimkeit, Bud‑ dha (1990). Einen Überblick über die verschiedenen

741 Formen des Buddhismus bietet Schmidt-Glintzer, Buddhismus (2007); zu Geschichte und Lehre des Großen Fahrzeugs siehe Schumann, Mahāyāna‑ Buddhismus (1995); speziell zur Entwicklung in China Clart, Religionen Chinas (2009), 75–87; 92– 100; 112–114; 162–164. 36 Olles, Spuren des Himmelsmeisters (1998), 17. 37 Siehe Zürcher, Buddhist Conquest of China (2007), 36–38. Die zuerst 1959 publizierte Studie von Erik Zürcher ist bis heute das Standardwerk zur Ausbreitung und frühen Entwicklung des Buddhismus in China. 38 Schmidt-Glintzer, Buddhismus (2007), 82 f. 39 Siehe Twitchett, Druckkunst und Verlags‑ wesen (1994), 36–38. 40  Einen Überblick über die drei vollständigen buddhistischen Kanones bietet Keown, Lexikon des Buddhismus (2005), 309–311; zum chinesi‑ schen Kanon und zur Taishō‑Edition vgl. ebd., 54; 255. 41  Eine prägnante Darstellung der buddhisti‑ schen Schulen Chinas bietet Bauer, Geschichte der chinesischen Philosophie (2001), 198–226. 42  Einen Überblick über die Chan‑Tradition bie‑ tet z. B. Hershock, Chan Buddhism (2004). Siehe auch Schmidt-Glintzer, Buddhismus (2007), 97–107. 43  Zu solchen Fällen siehe Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 130 f.; Walsh, Sacred Economies (2010), 80 f. 44  Eine kurze Beschreibung findet sich bei Clart, Religionen Chinas (2009), 99 f. 45  Zur Jingtu‑Lehre vgl. Keown, Lexikon des Buddhismus (2005), 204–207. 46  Die beste Studie zu Guanyin ist Yü, Kuan‑yin (2001). Zu Guanyin im daoistischen Kontext siehe Olles, Berg des Lao Zi (2005), 183–188. 47  Miaofa lianhua jing 妙法蓮華經, T (Taishō) 262, Bd. 9, 56c, Spalte 6–8; zitiert nach: Das Lotos‑ Sūtra. Übers. Max Deeg. Darmstadt 22009, 306. 48  ‚Annehmen und bewahren‘ ist im Sinne von ‚an etwas festhalten‘ oder ‚hochhalten‘ zu verstehen. 49  Kalpa (chinesisch: jie 劫) bedeutet ‚Zeitalter‘. 50 T 262, Bd. 9, 57a, Spalte 12–19; adaptiert von Lotos‑Sūtra. Übers. Deeg (wie Anm. 47), 308. 51 Schon frühe buddhistische Klöster sollten weder zu weit von anderen Siedlungen entfernt noch zu nah an diesen errichtet werden; siehe dazu Robson, Introduction (2010, ND 2011), 3 f.

742 52 So etwa Höckelmann, Tang‑Dynastie (2013). 53 Gentz, Drei Lehren (2006), 34; vgl. auch ebd.,

27; 34 f. 54 Siehe dazu Mather, K’ou Ch’ien‑chih (1979). 55 Höckelmann, Tang‑Dynastie (2013), 177–179. 56 Den treffenden Begriff entlehne ich ebd., 177. 57 Der Begriff ‚Zivilreligion‘ entstammt der Aufklärung und wurde ursprünglich von Jean‑ Jacques Rousseau (1712–1778) geprägt; vgl. Seiwert, Orthodoxie, Orthopraxie und Zivilreligion (1994), 533. 58 Ebd., 541. 59 Eine umfassende Darstellung dieser The‑ matik bietet Eichhorn, Alte chinesische Religion (1976). 60 Wang, Pictorial program (2010, ND 2011), 79 f. Natürlich konnte das Verdienst auch auf Lebende übertragen und / oder vom Wohltäter selbst in An‑ spruch genommen werden. Es war nur gerade in der kaiserlichen Familie und unter Adligen recht häufig, dass z. B. ein Kloster oder eine Pagode für die verstorbene Mutter oder andere Angehörige post mortem gestiftet wurde. 61 Siehe Schopen, Filial Piety (1984, ND 1997). 62 Einen historischen Abriss bietet Gentz, Drei Lehren (2006). 63 Zur frühen Geschichte dieses Konflikts sie‑ he Zürcher, Buddhist Conquest of China (2007), 288–320. Quellenstudien, die die mittelalterli‑ che Entwicklung dokumentieren, sind z. B. Reiter, Einundachtzig Bildtexte (1986); Kohn, Laughing at the Tao (1995); Jülch, Bodhisattva der Apolo‑ getik (2014). 64 Siehe Olles, Berg des Lao Zi (2005), 12; 136 f. 65 Es gab frühere Übersetzungen solcher Texte, die aber nicht erhalten sind; vgl. Kohn, Monastic Life (2003), 37. 66 Zürcher, Buddhist Conquest of China (2007), 289. 67 Zu den 24 Diözesen vgl. Olles, Berg des Lao Zi (2005), 14–29, sowie den entsprechenden Eintrag von Terry Kleeman in Pregadio, Encyclopedia of Taoism, Bd. 2 (2008), 1274–1276. 68 Kohn, Monastic Life (2003), 30–35. 69 Eichhorn, Religionen Chinas (1973), 201. 70 Eigentlich steht der Begriff saṃgha für die Ge‑ meinschaft aller Buddhisten, wird aber oft im Sin‑ ne von ‚Mönchsgemeinschaft‘ benutzt. Vor allem in säkularen Quellen (Throneingaben, Chroniken

Religiöse Stiftungen in China

etc.) bezieht sich der Terminus immer auf Mönche und Nonnen bzw. die monastische Gemeinschaft. 71 Siehe Eichhorn, Religionen Chinas (1973), 191– 206; insbesondere 201–206 zur rechtlichen Stellung des Buddhismus zu Beginn des mittelalterlichen Jahrtausends. 72 Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 334, Anm. 3. 73 Kohn, Monastic Life (2003), 37 f. Zu den mit‑ telalterlichen Quellentexten über daoistischen Monastizismus siehe ebd., 44; 203–225. 74 T 1421, Bd. 22, 168c, Spalte 18–20; vgl. Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 67. 75 Kohn, Monastic Life (2003), 97. 76 Der Terminus sanbao kann auch als ‚drei Kostbarkeiten‘ übersetzt werden. Die in der si‑ nologischen Literatur übliche Unterscheidung zwischen ‚Drei Juwelen‘ und ‚Drei Schätzen‘ dient lediglich der Zuordnung zu den Sphären des Bud‑ dhismus bzw. des Daoismus. 77 Kohn, Monastic Life (2003), 44 f. 78 Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 73; zu den Eigenschaften des changzhu‑Besitzes vgl. ebd., 67–73. Zum Kreditwesen in Dunhuang liegt eine ausführliche Studie vor, die sich – in Fortsetzung der Arbeit von Gernet – auf die Ana‑ lyse dort erhaltener Manuskripte stützt: Trombert, Crédit à Dunhuang (1995). Ich danke T. H. Barrett (London) für diesen Hinweis. 79 Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 73–93, insbesondere 93. 80 Ebd., 163–166; 169. 81 Eine Gesamtdarstellung der Thematik ebd., 94–141. 82 Vgl. Kohn, Monastic Life (2003), 90 f.; Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 95 f. 83 Ebd., 98–116. 84 Das Thema ‚Dunhuang‘ hat sich inzwischen als eigenständiges Forschungsfeld etabliert, das hier nicht dokumentiert werden kann. Basisinformati‑ onen zu Dunhuang bietet der entsprechende Ein‑ trag in Keown, Lexikon des Buddhismus (2005), 274. 85 Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 152. Zu Mühlen und Ölpressen siehe ebd., 142–152. 86 Ebd., 167–186. 87 Ebd., 21–25. 88 Weinstein, Buddhism under the T’ang (1987, ND 2009), 114–136. Vgl. Eichhorn, Religionen Chi‑ nas (1973), 246–251.

Anmerkungen

89 Weinstein, Buddhism under the T’ang (1987,

ND 2009), 59–61; Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 29–43; 48–62. 90 Chang’an, das heutige Xi’an 西安, war eine der beiden Hauptstädte des Tang‑Reichs. 91 Weinstein, Buddhism under the T’ang (1987, ND 2009), 119. 92 Ebd., 124–136. Zu Zhao Guizhen vgl. den ent‑ sprechenden Eintrag von T. H. Barrett in Pregadio, Encyclopedia of Taoism, Bd. 2 (2008), 1244 f. 93 Siehe Weinstein, Buddhism under the T’ang (1987, ND 2009), 136–144. 94 Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 178. Auch der Einfluss byzantinischer Klöster auf Staat und Wirtschaft wird kontrovers diskutiert (→ 2.5.4; 2.5.5). 95 Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 102; zu den sengqi hu siehe ebd., 99–105. 96 Ebd., 221. 97 Ebd., 210–217. 98 Ebd., 217–228, insbesondere 222; vgl. Weinstein, Buddhism under the T’ang (1987, ND 2009), 131. 99 Das Wort e bedeutet wörtlich ‚Stirn‘ und bezieht sich auf horizontale, über dem Kloster‑ Eingang aufgehängte Tafeln mit dem (kaiserlich verliehenen) Namen der jeweiligen Institution. Diese Namenstafeln sind auch als bian’e 匾額 oder heng’e 橫額 bekannt. Zur Bedeutung dieser Namenstafeln vgl. Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 43–45; Walsh, Sacred Economies (2010), 79 f. 100  Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 4 (Kursiv im Original). 101  Siehe ebd., 259–277. 102  Katz, Images of the Immortal (1999), 30; 35 f.; 126. 103  Zur Anlage buddhistischer Klöster und ih‑ rem kosmologischen Kontext siehe Walsh, Sacred Economies (2010), 36–45. Zu daoistischen Institu‑ tionen Kohn, Monastic Life (2003), 87–111. 104  Ebd., 90. Für eine schematische Darstel‑ lung daoistischer Kloster‑Komplexe siehe ebd., 95, und Yoshioka, Taoist Monastic Life (1979), 250–252. Ein buddhistisches Beispiel bietet Walsh, Sacred Economies (2010), 136–138. In der Tat waren oder sind gerade die Neben‑ und Nutzbauten chinesi‑ scher Klöster oft zweistöckig. Der entscheiden‑ de Eindruck geht von den zentralen Hallen aus,

743 die mit ihren gewaltigen Dächern die höchsten Gebäude sind, aber (bis auf eine manchmal vor‑ handene Balustrade außen) meist kein zweites Stockwerk besitzen. 105  Siehe Kohn, Monastic Life (2003), 88 f. Spe‑ ziell zu daoistischen sakralen Bauten Steinhardt, Taoist Architecture (2000). 106  Siehe Luo, Chinas alte Pagoden (1994), 9–26. Eine unvollständige Liste der Pagoden in der Tang‑Hauptstadt Chang’an bietet Thilo, Chang’an (1997), 120 f. 107  Siehe dazu Luo, Chinas alte Pagoden (1994), 14; Thilo, Chang’an (1997), 118; Lin, Tangdai Daojiao guanli (2006), 94 f.; 268–270; Robson, Monastic spaces (2010, ND 2011), 46; 60 f., Anm. 19; Wang, Pictorial program (2010, ND 2011), 65 f.; 93, Anm. 2. 108  Zu den Tang‑Prinzessinnen siehe Barrett, Daoism in Action (2007); zu den beiden Klöstern Thilo, Chang’an (1997), 159 f. 109  Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 169. 110  Walsh, Sacred Economies (2010), 3. 111  Ebd., 21. 112  Ebd., 84 f. 113  Ebd., 75. 114  Ebd., 80 f.; vgl. Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 308 f. 115  Eine Diskussion der Terminologie buddhis‑ tischer Klöster bietet Robson, Monastic spaces (2010, ND 2011), 45 f. 116  Dort wird die Übersetzung ‚abbey‘ gewählt, um daoistische Klöster (guan) von buddhistischen (si) zu unterscheiden, die als ‚monastery‘ bezeich‑ net werden. 117  Die wichtigsten Termini zur Bezeichnung daoistischer Institutionen werden vorgestellt von Steinhardt, Taoist Architecture (2000), 57–59. 118  Reiter, Observations Concerning Taoist Foun‑ dations (1983), 365; Kohn, Monastic Life (2003), 97. 119  Siehe Thilo, Chang’an (1997), 116, Anm. 39. 120  Thilo, Chang’an (1997), 272, schreibt ‚Tempel des Herzogs Jing von Zhao‘. 121  Zum Beispiel eines Tang‑Kaisers, der ein entsprechendes Monument für seine verstorbe‑ ne Mutter errichten ließ, siehe Wang, Pictorial program (2010, ND 2011), 80. 122  Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 294. 123  Siehe Thilo, Chang’an (1997), 118, Anm. 43.

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Religiöse Stiftungen in China

124  Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 150  Kohn, Monastic Life (2003), 124; 240, Anm. 15. 3–14; eine Übersicht bietet die Tabelle ebd., 6. 151  Siehe den entsprechenden Eintrag von Asa125  Kohn, Monastic Life (2003), 67; vgl. Eichhorn, no Haruji in Pregadio, Encyclopedia of Taoism, Religionen Chinas (1973), 229.

Bd. 1 (2008), 449–451.

der besonders kunstvollen Kopfbedeckung der Daoistinnen her. 128  Siehe z. B. Reiter, Investigation Commissio‑ ner (1988); Ders., Chinese Patriot’s Concern (1990). 129  Siehe Thilo, Chang’an (1997), 195; 251 f. Thi‑ lo übersetzt ‚Kloster der Glückvollen Tang‘ und ‚Kloster der Aufsteigenden Tang‘. 130  DZ 593 (20a): Daozang (wie Anm. 29), Bd. 11, 7b; vgl. Lin, Tangdai Daojiao guanli (2006), 94 f. 131  Zum Thema der Namenstafelverleihung siehe ebd., 91–96. 132  Ebd., 246–276. 133  Ebd., 258–276. 134  Ebd., 259–268. 135  Ebd., 268–272. 136  Ebd., 272–275. 137  Kohn, Monastic Life (2003), 19; 26–39. 138  Ebd., 51. 139  Vgl. ebd., 43–63. 140  Ebd., 69 f. (Kursiv im Original). Zur Bezie‑ hung zwischen daoistischen Klöstern und der Gesellschaft siehe ebd., 64–86. 141  Zur Bedeutung daoistischer Abbilder und ihrer Idealbeschreibung in kanonischen Texten vgl. Reiter, Visible Divinity (1988). 142  DZ 1125 (1.13ab): Daozang (wie Anm. 29), Bd. 24, 745a; vgl. Reiter, Observations Concerning Taoist Foundations (1983), 369; Kohn, Monastic Life (2003), 100; zum Patronat daoistischer Klös‑ ter ebd., 98–103. 143  Siehe dazu Eliade, Das Heilige und das Pro‑ fane (1990), 23–60. 144  Zur Einführung in die religiöse Geogra‑ phie des Daoismus siehe Olles, Berg des Lao Zi (2005), 1–14. 145  Reiter, Observations Concerning Taoist Foundations (1983), 371. 146  Ebd., 368. 147  Ebd., 373 f. 148  DZ 590 (1.4a–5a): Daozang (wie Anm. 29), Bd. 10, 803ab. 149  Siehe Gernet, Buddhism in Chinese Soci‑ ety (1995), 89.

jing 1988, 192–194. Für eine englische Übersetzung siehe Peterson, Recorded for the Ritual (1995). 153  Daojia jinshi lüe. Ed. Chen (wie Anm. 152), 193 f.: 在道則功及幽明, 德兼覆育. 在儒則功捍大患, 德禦大災. 154  Walsh, Sacred Economies (2010), 14. 155  Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 231. 156  Ebd., 292. Die chinesischen Termini in ecki‑ gen Klammern wurden anhand des Originaltextes hinzugefügt. 157  DZ 336 (7.7ab): Daozang (wie Anm. 29), Bd. 6, 114b. Zu diesem Text vgl. Kohn, Monastic Life (2003), 215–217, sowie den Eintrag von T. H. Barrett in Pregadio, Encyclopedia of Taoism, Bd. 2 (2008), 1155 f. 158  Siehe dazu Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 23; 45; 80; 294. Zum Amt des gongde shi ferner Weinstein, Buddhism under the T’ang (1987, ND 2009), 85–88, und Hucker, Dictionary of Official Titles (1985), 295 f., Nr. 3485. 159  Die Stifter‑Inschriften von Dunhuang lie‑ gen komplett vor in Dunhuang Mogaoku gong‑ yang ren tiji 敦煌莫高窟供養人題記 [Die Stifter‑ Inschriften der Mogao‑Grotten in Dunhuang]. Ed. Dunhuang yanjiuyuan 敦煌研究院 (Dunhuang Academy). Beijing 1986. 160  Olles, Berg des Lao Zi (2005), 125. 161  Songben Fangyu shenglan 宋本方輿勝覽 [Faksimile einer Song‑Ausgabe von Fangyu sheng‑ lan]. Shanghai 1986, Bd. 2, Zhexi lu 浙西路, Ping‑ jiang fu 平江府, 2.9b. Ein li entspricht etwa einem halben Kilometer. 162  Siehe dazu Moll-Murata, Chinesische Re‑ gionalbeschreibung (2001). 163  Digital Archive of Chinese Buddhist Temp‑ le Gazetteers (Zhongguo Fojiao simiaozhi shu‑ wei dianzang 中國佛教寺廟志數位典藏), online: http://buddhistinformatics.ddbc.edu.tw/fosizhi/ (Zugriff am 3. 7. 2014). Zu dieser Sammlung vgl. Bingenheimer, Bibliographical Notes (2012). Zur Quellengattung ferner Robson, Monastic spaces (2010, ND 2011).

126  Siehe oben unter ‚Traditionelle Religiosität‘. 152  Daojia jinshi lüe 道家金石略 [Anthologie 127  Die Bezeichnung rührt wahrscheinlich von daoistischer Inschriften]. Ed. Chen Yuan 陳垣. Bei‑

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Anmerkungen

164  Bingenheimer, Bibliographical Notes (2012), 177  Hansen, Inscriptions (1987), 17. 66–70. 178  Walsh, Sacred Economies (2010), 115–117. 165  Walsh, Sacred Economies (2010), 100. Für weitere Literatur zum Thema siehe ebd., 183, 166  Zum Hengshan vgl. den Eintrag von James Anm. 46. Robson in Pregadio, Encyclopedia of Taoism, Bd. 1 179  Daojia jinshi lüe. Ed. Chen (wie Anm. 152), (2008), 480 f., und Robson, Power of Place (2009).

167  ‚Blütenbaldachin‑Gipfel‘ ist offensichtlich

270–272.

180  Ebd., 274 f. eine Fehlschreibung (Kopisten‑Fehler?) von ‚Pur‑ 181  Zu Guanyin siehe oben im Abschnitt ‚Tra‑ purbaldachin‑Gipfel‘ (Zigai feng 紫蓋峯).

168  ‚Wahrer Mensch‘ (zhenren 真人) wird hier

als Ehrentitel für daoistische Meister bzw. Äbte verwendet. Die gleiche Funktion erfüllt ‚Him‑ melsmeister‘ (tianshi 天師) im weiteren Text‑ verlauf. 169  DZ 453 (4b): Daozang (wie Anm. 29), Bd. 6, 862c. Siehe auch Robson, Power of Place (2009), 140; 153; 164 f. Zu Ye Fashan siehe den Eintrag von Russell Kirkland in Pregadio, Encyclopedia of Taoism, Bd. 2 (2008), 1154 f. 170  Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 173 f.; 360 f., Anm. 98. 171  Siehe z. B. Ebrey, Family and Property (1984); Chao, Man and Land (1986); Hansen, Negotiating Daily Life (1995). 172  Zur Papierherstellung und ‑verwendung in China siehe Twitchett, Druckkunst und Ver‑ lagswesen (1994), 6–10. 173  In Deutschland ist die Berlin‑Brandenbur‑ gische Akademie der Wissenschaften Partnerins‑ titution des Internationalen Dunhuang‑Projekts; online: http://idp.bbaw.de/ (Zugriff am 11. 7. 2014). 174  Siehe Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), XIV; 81–85; 338, Anm. 68. Eine spezielle Untersuchung des Kreditwesens bietet Trombert, Crédit à Dunhuang (1995). 175  Zu daoistischen Quellen siehe Schipper / Verellen, Taoist Canon, Bd. 3 (2004), 1359; 1377 (je‑ weils unter ‚Hagiographies‘). Zugang zu bud‑ dhistischen Quellen bietet die Webseite ‚Chinese Buddhist Biographies‘ (Fojiao zhuanji wenxue 佛教傳記文學), online: http://buddhistinforma‑ tics.ddbc.edu.tw/biographies/gis/ (Zugriff am 11. 7. 2014). 176  Die Inschrift findet sich in DZ 964: Daozang (wie Anm. 29), Bd. 19, 679b–687a, und Daojia jin‑ shi lüe. Ed. Chen (wie Anm. 152), 186–192. Siehe Schipper / Verellen, Taoist Canon, Bd. 1 (2004), 433 f., zur Quelle und Kohn, God of the Dao (1998), 47–49; 315 f., zum Kontext.

ditionelle Religiosität‘.

182  Zu den Diözesen siehe oben im Abschnitt

‚Grundlagen im Monastizismus‘. 183  Siehe Yan, Daojiao Pinggai Zhi (1993); Olles, Berg des Lao Zi (2005), 42; 255. Ich bin Herrn Yan Kaiming 顏開明 von der Denkmalschutzbehörde des Kreises Xinjin sehr zu Dank verpflichtet. Er beantwortete kenntnisreich meine zahlreichen Fragen zum Guanyin‑Kloster und stellte mir ein unveröffentlichtes Manuskript zur Verfügung, das detaillierte Auskünfte zur Geschichte und den Gebäuden des Klosters gibt. 184  Xinjin xianzhi (5.43b), in: Zhongguo difang zhi jicheng 中國地方志集成 [Sammlung chine‑ sischer Regionalbeschreibungen]. Sichuan fu xianzhi ji 四川府縣志輯 [Kreisbeschreibungen der Region Sichuan]. Chengdu 1992, Bd. 12, 578b. 185  DZ 1032 (Yunji qiqian 雲笈七籤 122.6a–7a): Daozang (wie Anm. 29), Bd. 22, 846ab. 186  Siehe Li, Bei Song chengxiang Zhang Shang‑ ying (2005). Zu Zhangs daoistischen Aktivitäten vgl. Schipper / Verellen, Taoist Canon, Bd. 3 (2004), 1288; zu seiner Interaktion mit Chan‑Buddhisten Levering, Dahui Zonggao and Zhang Shangying (2000). 187  Die das Jahr bezeichnenden zyklischen Zei‑ chen müssen korrekt xinchou 辛丑 lauten. Die in der Kreisbeschreibung fehlerhaft angegebene Kombination xinhai 辛亥 kam in der Chunxi‑Ära nicht vor. 188  Xinjin xianzhi (12.33a), in: Zhongguo difang zhi jicheng (wie Anm. 184), 596b. 189  Xinjin xianzhi (33.73b), ebd., 677a. 190  Der Abbildungsteil steht als Anhang ge‑ schlossen hinter dem Text dieses Beitrags. 191  Siehe Katz, Images of the Immortal (1999), 103; 121–130; 135 f. 192  Der Text der Inschrift wird wiedergegeben bei Yan, Daojiao Pinggai Zhi (1993), 21 f. 193  Zu Vairocana siehe Keown, Lexikon des Buddhismus (2005), 281.

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Religiöse Stiftungen in China

194  Wie solche Wandgemälde technisch aus‑ 196  Siehe dazu He, Han‑Tang Fojiao siyuan jing‑ geführt wurden und wer ihre Aufschriften ver‑ fasste, erläutert Katz, Images of the Immortal (1999), 136–139. Eine rezente Publikation zu ei‑ nem buddhistischen Kloster mit herausragenden Wandgemälden ist Toyka, Splendours of Para‑ dise (2014). 195  Bei Hei’er (‚Schwarzes Söhnchen‘) handelt es sich ebenso wie bei Wu’er (‚Söhnchen Fünf‘) um spezielle Säuglingsnamen (ruming 乳名), die Kinder in den ersten Lebensmonaten tragen und die als Spitznamen auch länger verwendet werden. Im traditionellen China erhielten Kinder in der Regel erst drei Monate nach der Geburt ihren richtigen Namen.

ji (1986). Dieser Band enthält mehrere Aufsätze von He Ziquan sowie weitere Beiträge zur The‑ matik und eine ausführliche Bibliographie. Ich danke T. H. Barrett (London) für diesen Hinweis. 197  Siehe dazu die ‚Additional Bibliography‘ in Gernet, Buddhism in Chinese Society (1995), 413–423. 198  Zu diesem Phänomen in einer Zeit pro‑ funden sozialen Wandels liegt eine ausführliche Studie vor: Brook, Praying for Power (1993). 199  Ein Beispiel aus der Region von Sichuan ist die als Liumen 劉門 (‚Liu‑Schule‘) bekannte Ge‑ meinschaft; vgl. dazu Olles, Gazetteer of Mt. Tian‑ she (2012); Ders., Ritual Words (2013), 12–14; 41–49.

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Siglen

Siglen DZ T

Daozang 道藏 [Daoistischer Kanon], 36 Bde. Shanghai / Beijing / Tianjin 1996. Die Titel‑ nummern folgen Schipper, Concordance du Tao‑tsang (1975). Taishō Shinshū Daizōkyō 大正新脩大藏經 [Revidierter buddhistischer Kanon der Taishō‑ Ära], 100 Bde. Tokyo 1924–1932.

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751

Abstract: Religious Foundations in China

Abstract: Religious Foundations in China It is generally agreed among Sinologists that in imperial China the state played a paramount role in organizing and control‑ ling religion, education, and other spheres of social life. At the same time, however, private forms of organization were also present at all levels of traditional Chi‑ nese society, sometimes paralleling or even consciously imitating the imperial model. The underlying notion, which was deeply influenced by the Confucian worldview, was that of the family as microcosm and the state as macrocosm of social organi‑ zation. Foundations were present in both the state and the private sectors of the Chinese empire. The phenomenon of foundations has rarely been touched upon in the various fields of China‑related research, and the present contribution is a first attempt to identify and describe basic characteris‑ tics of the Chinese endowment culture. Following the cross‑cultural approach of the ‘Encyclopedia of Foundations in the Medieval Millenniumʼ, the focus is on religious foundations. I will argue that Chinese monasteries, both Buddhist and Daoist, constituted a form of foundation. Furthermore, notions of religious merit will be identified as the driving force be‑ hind most acts of endowment. The preliminary remarks include a gen‑ eral introduction to Chinese history as well as a discussion of the term ‘medieval Chinaʼ, which Sinologists mostly apply to a period that begins earlier and overlaps only in part with the ‘medieval millenniumʼ perceived by scholars of European history. Following an overview of relevant schol‑ arly literature, a thorough introduction to traditional Chinese religion introduces

readers to the key features and the his‑ torical development of Daoism and Chi‑ nese Buddhism. The endowment culture of traditional China was primarily based on the organizational structures of these two religions and on conceptions of merit serving as a kind of ‘spiritual capitalʼ. A major section deals with Buddhist and Daoist monasticism. Although the imperial administration always strove to keep tight control over religious institu‑ tions, Chinese monasteries enjoyed a high degree of autonomy, which was based on their special legal status. It is exactly this status of relative autonomy that justifies the identification of Chinese monasteries as foundations. While Chinese monasti‑ cism did have indigenous precursors, e.g., early Daoist communities, it was the mo‑ nastic rules (vinaya) of Indian Buddhism which introduced the normative concept of religious foundations as corporate bod‑ ies to China. Monastic property, known as ‘permanent assetsʼ (changzhu), was consecrated through its dedication to the Three Jewels or Three Treasures (sanbao) and, at least in principle, inviolable. Thus, Buddhist and Daoist monasteries not only were beneficiaries of endowments, but also provided the organizational framework for the foundationsʼ administration. Fur‑ thermore, many Chinese monasteries were economically powerful landowners who had a hand in the business of lending as well as charitable work. The next section explores the terminol‑ ogy of the Chinese endowment culture. Although there is no exact match for the modern word ‘foundationʼ in literary Chi‑ nese, the source texts contain many related terms that describe acts of endowment.

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Among the key terms is the word for re‑ ligious merit, gongde, which denominates the ‘spiritual capitalʼ donors receive in exchange for their pious deeds. Another section introduces various types of pri‑ mary sources that contain information on religious foundations. Inscriptions stand out as the most important genre, as is dem‑ onstrated by means of several examples. Finally, the case study of a Buddhist monastery in Sichuan province, based on the thorough analysis of written sources and artifacts, reveals that patrons and donors played a vital role in the histo‑ ry of this religious institution. Chinese monasteries relied on many benefactors and a variety of endowment types, which means that their endowment histories can

Religiöse Stiftungen in China

be extremely complex. Thus, there are no shortcuts to a thorough understanding of Chinese religious foundations, and re‑ search into this phenomenon is still in its infancy. Only the availability of a fair num‑ ber of case studies focusing on foundations will enable us to make general statements on the endowment culture of China. To facilitate matters, future research could concentrate on representative localities and regions. The consultation of related studies by Chinese and Japanese scholars will also be indispensable. The present article, as a first step toward the study of Chinese foundations, aims at providing some basic orientation regarding the rel‑ evant terminology and sources. VO

Abbildungen

Abb. 1

Rückseite der Stele von 1490 im Guanyin‑Kloster, Kreis Xinjin, Provinz Sichuan. (Höhe: 2,37 m.) Foto: Volker Olles.

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Religiöse Stiftungen in China

Abb. 2

Die Halle Pilu Dian im Guanyin‑Kloster, Kreis Xinjin, Provinz Sichuan, erbaut 1462. Foto: Volker Olles.

Abb. 3

Wandgemälde von 1468 in der Halle Pilu Dian im Guanyin‑Kloster. (Höhe der Bodhisatt‑ va‑Abbilder: 1,80 m.) Foto: Volker Olles.

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Abbildungen

Abb. 4

Detail: Stifter‑Aufschrift im Wandgemälde von 1468 in der Halle Pilu Dian im Guanyin‑ Kloster. Foto: Volker Olles.

四川新津縣太平鄉繪壁信士鄭宏

同緣 鄭氏五 男 鄭希仁

鄭希道 洎家眷等捐貲繪畫

圓覺菩薩緊那娑迦尊天一壁

伏願 夫婦修因有素善業洪傑者

成化四年吉旦題

Umschrift:

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Abb. 5

Religiöse Stiftungen in China

Bodhisattva der Reinen Weisheit, Wandgemälde von 1468 in der Halle Pilu Dian im Guan‑ yin‑Kloster. Foto: Volker Olles.

Abbildungen

Abb. 6

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Detail: Stifter‑Gruppe im Wandgemälde von 1468 in der Halle Pilu Dian im Guanyin‑ Kloster. (Höhe der Stifterbilder: ca. 90 cm.) Foto: Volker Olles.

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Religiöse Stiftungen in China

Abb. 7

Die Halle Guanyin Dian im Guanyin‑Kloster, Kreis Xinjin, Provinz Sichuan, erbaut 1469. Foto: Volker Olles.

Abb. 8

Die Hauptstatuen in der Halle Guanyin Dian im Guanyin‑Kloster. (Höhe: ca. 5 m.) Foto: Yan Kaiming.

Abbildungen

Abb. 9

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Die zentrale Guanyin‑Statue in der Halle Guanyin Dian im Guanyin‑Kloster. Foto: Yan Kaiming.

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Religiöse Stiftungen in China

Abb. 10 Stifter‑Inschrift von 1477 unterhalb der zentralen Guanyin‑Statue in der Halle Guanyin

Dian im Guanyin‑Kloster. Foto: Volker Olles.

新津縣太平橋西街居 奉 佛喜捨信士江志先同緣信 女唐氏妙金 男 江鎰 次男五兒 男媍杜氏 孫男黑兒 一家眷等謹發誠心捐 貲塑粧 大慈大悲救苦救難 觀世音菩薩一尊 佛堂一座 棟柱二根 專祈家門清吉子嗣繁 昌者 時維 皇明成化紀年丁酉春在正 月吉旦書

Umschrift: