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German Pages 298 [291] Year 2000
Ralf Lusiardi
Stiftung und städtische
Gesellschaft
Stiftungsgeschichten
Band 2
Herausgegeben von Michael Borgolte
Ralf Lusiardi
Stiftung und städtische Gesellschaft
Religiöse und soziale Aspekte des Stiftungsverhaltens im spätmittelalterlichen Stralsund
Akademie Verlag
Dissertation am Institut für Geschichtswissenschaften der Philosophischen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin während des Dekanats von Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba 1. Gutachter: Prof. Dr. Michael Borgolte (Berlin) 2. Gutachter: Prof. Dr. Johannes Helmrath (Berlin) 3. Gutachter: Prof. Dr. Winfried Schich (Berlin) Tag der Disputation: 1. Juli 1998
Abbildung auf dem Einband und auf Seite 3 aus: Muenster, Sebastian,
Cosmographia oder Beschreibung der gantzen Weltt, Basel 1628, S. 1280 f.
Signatur: KS 2° Pp 1520 a Staatsbibliothek
zu
Kartenabteilung
Berlin Preußischer Kulturbesitz -
Die Deutsche Bibliothek
CIP-Einheitsaufnahme -
Lusiardi, Ralf:
Stiftung und städtische Gesellschaft : religiöse und soziale Aspekte des Stiftungsverhaltens im spätmittelalterlichen Stralsund / Ralf Lusiardi
Berlin : Akad. Verl., 2000
(Stiftungsgeschichten ; Bd. 2) -
Zugl.: Berlin, Humboldt-Univ., Diss., 1997/98 ISBN 3-05-003427-0
© Akademie Verlag GmbH, Berlin 2000 Der Akademie Verlag ist ein Unternehmen der R. Das
Oldenbourg-Gruppe.
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-
Einbandgestaltung: Jochen Baltzer
Druck: Druckhaus „Thomas Müntzer", Bad Langensalza Bindung: Norbert Klotz, Jettingen-Scheppach Printed in the Federal Republic of Germany
Inhalt
Vorwort.7
Einleitung.9 I.
Forschungslage, Quellen und Methode.17 1.
II.
Stiftung und städtische Gesellschaft
ein Problemaufriß.17 -
2.
Stralsunder Stiftungen und ihr historischer Kontext: Zum Forschungsstand.26
3.
Quellenlage und Methode.31
4.
Stiftung als Handlungsform
zur
Definition des
-
Begriffs.50
Schenken und Stiften.67 1. 2.
Büßen im
Spätmittelalter
eine Skizze des -
Handlungsfeldes.67
Schenkungen für das Seelenheil Handlungsoptionen und -präferenzen im Spiegel der Stralsunder Testamente.78 -
3.
Vergabungsstrategien und Jenseitsvorstellungen.114
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung.119
III. Die
Inhalt
6
IV.
Fegefeuer und Weltengericht über den Zusammenhang von Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen.139 -
V.
Motive, Moden und Funktionen.167 1.
Eine
Typologie der Stiftungszwecke.167
2.
Angebot und Nachfrage über die Zusammenhänge zwischen Stiftungsverhalten und Frömmigkeitsmarkt.189 -
3.
up dat se alle vor my bydden spätmittelalterliche Stiftungen zwischen caritas und Sozialfürsorge.223 -
Schlußbetrachtung.243
Quellen- und Literaturverzeichnis.247 1.
Ungedruckte Quellen.247
2.
Gedruckte
3.
Literatur.253
Quellen.250
Verzeichnis der Karten,
Diagramme und Tabellen.285
Abkürzungs- und Siglenverzeichnis.287 Personen- und Ortsindex.289
Vorwort
Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1997/1998 von der Philosophischen Fakultät I der Humboldt-Universität zu Berlin als Dissertation angenommen. Das Manuskript wurde für den Druck in Teilen überarbeitet; hierbei konnte die zuletzt erschienene Literatur nur noch in Einzelfällen berücksichtigt werden. Am Ende eines langen Weges stellt sich nicht unerwartet und doch willkommen ein Gefühl der Erleichterung, noch mehr aber der Dankbarkeit ein; denn von vielen Seiten wurden mir Begleitung, Rat und Hilfe zuteil, ohne die diese Arbeit nicht entstanden wäre. Mein erster Dank gilt Prof. Dr. Michael Borgolte (Berlin), meinem akademischen Lehrer. Er hat die Untersuchung angeregt und in jeder Phase gefördert mit immer wachem Interesse und konstruktiver Kritik, aber auch mit steter Ermutigung, Nachsicht und Fürsorge; nicht zuletzt danke ich ihm für die Aufnahme der Arbeit in die Reihe „Stiftungsgeschichten". Das Zweitgutachten übernahm Prof. Dr. Johannes Helmrath (Berlin), das Drittgutachten Prof. Dr. Winfried Schich (Berlin). Ihnen gebührt Dank für die genaue Lektüre und für vielfache Hinweise und Anregungen. Frau PD Dr. Sabine Pettke (Rostock) möchte ich dafür danken, daß sie mir mit beherztem und beschwingtem Rat auf den richtigen Weg half. Frau Prof. Dr. Sabine Weiss (Innsbruck) erteilte mir auf zuvorkommende Weise hilfreiche Auskünfte aus dem noch in Arbeit befindlichen Ortsindex zu Band IV des Repertorium Germanicum. Prof. Dr. Dietrich Poeck (Münster) stand für manche klärende Fragen zur Verfügung und überließ mir bereitwillig ein -
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Aufsatzmanuskript.
Freundliche und
kompetente Unterstützung
wurde mir stets im
Mecklenburgischen
Landeshauptarchiv Schwerin, im Vorpommerschen Landesarchiv Greifswald und im
Stadtarchiv Stralsund zuteil. Mit besonderer Dankbarkeit erinnere ich mich an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Stralsunder Archivs, die meinen .Heimsuchungen' mit außergewöhnlicher Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft begegneten. Mein Dank gilt auch Herrn Manfred Karras, dem verantwortlichen Lektor des Akademie Verlages, für die Nachsicht und Sorgfalt, die er der Arbeit auf den letzten Metern angedeihen ließ. Unterstützung der anderen, nicht minder unverzichtbaren Art gewährte das Land Berlin durch ein zweijähriges
Promotionsstipendium.
Zu danken habe ich schließlich auch vielen Freunden und Kollegen. Peter Wiegand (Münster) stellte mir bereitwillig ein Manuskript seiner damals noch ungedruckten Dissertation zur Verfügung, ebenso Hartmut Bettin (Greifwald); beide gaben darüber hinaus manchen instruktiven Rat. Silke Freier (Frankfurt a. M./Leiden) und Michael Huyer (Mainz) verdanke ich hilfreiche Materialien. Dietmar Volksdorf (Stralsund) bin ich nicht nur für seine stete Bereitschaft zu anregenden Gesprächen und fachkundiger Kritik sehr dankbar, sondern auch für seine großzügige Gastfreundschaft.
Vorwort
8
Frank Rexroth hat das Manuskript für die Drucklegung gelesen und zahlreiche wertvolle Hinweise und Anregungen beigesteuert. Ludger Hohmann, Katrin Proetel, Benjamin Scheller und Wolfgang E. Wagner danke ich für viele produktive Gespräche, ebenso den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Forschungskolloquiums von Michael Borgolte für die Diskussion meiner Exposés. Ein besonderer Platz in der Reihe meiner ,Gläubiger' gebührt schließlich Hans Cymorek. Ohne seine unerschöpfliche Bereitschaft, dem Werk durch ungemein präzise und einfühlwohldosierte Kritik auf die Beine wo notwendig same Lektüre, durch scharfsinnige und anderes ein es ohne seine geduldige Anteilnahme zu helfen, wäre geworden, beklagenswert und vertrauensvolle Aufmunterung hätte ich manch schwierigen Abschnitt kaum bewältigen können. Meinen Eltern, die mir nicht allein in den letzten Jahren, sondern immer, wenn ich dessen bedurfte, liebevolles Vertrauen und bedingungslose Unterstützung gewährt haben, widme ich dieses Buch in Dankbarkeit. -
Berlin, im September 1999
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Ralf Lusiardi
Einleitung
Wundern, von denen die Vita des hl. Fridolin erzählt, gehört die Geschichte von der Totenerweckung Ursos.1 Urso, zusammen mit seinem Bruder Landolf Herr in Glarus, hatte seinen Teil des Landes dem Kloster Säckingen vermacht. Nach seinem Tod aber wollte Landolf das Land seines Bruders an sich bringen und die Schenkung rückgängig machen. So kam es zu einer Gerichtsverhandlung, in der Fridolin als Klostergründer und Empfänger des Gutes vergeblich versuchte, die Rechtmäßigkeit der Schenkung zu beweisen. Das Gericht ließ ihm aber noch die Möglichkeit, den Geber selbst als Zeugen vor das Gericht zu bringen, um seiner Sache zum Sieg zu verhelfen. Fridolin begab sich zum Grab Ursos, wo es ihm tatsächlich gelang, Urso vom Tode zu erwecken. Er führte ihn vor das Gericht, und Urso sprach zu seinem Bruder: Ach bruder mine warumb hast du min sele beroubet des gutes so mich anhörte?2 Darauf versprach Landolf nicht allein die Rückgabe des Bruderteils, sondern zudem, seinen eigenen Teil des Landes dem Kloster Säckingen zu vermachen. Obgleich diese Geschichte nicht von einer Stiftung im eigentlichen Sinn handelt, da nichts über eine dauerhafte Zweckbindung des Gutes erwähnt wird, vermag sie dennoch einige Aspekte zu verdeutlichen, die auch für das Verständnis mittelalterlicher Stiftungen von Bedeutung sind. Die Erscheinung Ursos zeugt von der mittelalterlichen Vorstellung der Fortexistenz der Toten und der Möglichkeit ihrer Vergegenwärtigung unter den Lebenden. Bemerkenswerterweise wendet sich der Tote nicht an die Gerichtsherren, um einen sein Recht wahrenden Urteilsspruch zu bewirken. Vielmehr appelliert er direkt an Landolf und erinnert ihn andeutungsweise daran, daß dieser mit der ,Beraubung der Seele' des Bruders Zu den zahlreichen
Das Urso-Wunder ist allerdings kein Bestandteil der aus dem 10. Jh. stammenden, von Balther von Säckingen verfaßten Fridolins-Vita, sondern stellt eine Ergänzung aus dem 13. Jh. dar. S. zu Fragen der Überlieferung jetzt die kommentierte Edition von Pörnbacher, Vita Sancti Fridolini (1997). 2 Irtenkauf Fridolin (1983), 79. Das Zitat ist der faksimilierten Ausgabe eines Basler Druckes von ca. 1480 entnommen, dessen Grundlage eine vermutlich noch im 13. Jh. entstandene Übersetzung bildet; s. dazu Pörnbacher, Vita Sancti Fridolini (1997), 194. Der für das Verständnis der Stelle wesentliche Seelenbegriff findet sich ebenso in den überlieferten lateinischen Textfassungen: Frater, cur meam animam spoliasti parte possessionum, que ad me pertinebat?; ebd., 292. Er wurde jedoch bei der in der genannten Edition gebotenen Übersetzung zugunsten der folgenden Variante fallengelassen: Bruder, warum hast du mich nach meinem Tode des Anteils der Besitzungen beraubt, der mir gehört hat?; ebd., 293. 1
Einleitung
10
auch dessen Seelenheil gefährde. Urso beruft sich mit seiner Klage also weniger auf eine rechtliche als auf eine soziale Norm, nämlich die Solidarität der Lebenden mit den Toten. Und dies mit Erfolg; denn Landolf verzichtet nicht allein auf die erhobenen Ansprüche, wodurch sich auch ein förmliches Urteil erübrigt, sondern entschließt sich seinerseits, als Zeichen seiner Schuld und seiner Reue, zu einer Seelenheilschenkung.3 Mit diesen Überlegungen sind wichtige Elemente zutage gefördert, die, wie noch zu zeigen sein wird, zur Erklärung des Funktionsmechanismus mittelalterlicher Stiftungen beitragen. Die Behandlung des Stiftungsphänomens in der historischen Forschung war allerdings lange Zeit nicht durch die soeben skizzierten Aspekte geprägt, sondern durch rechtshistorische Perspektiven. So untersuchte Robert Bartsch österreichische Stiftungsurkunden im Hinblick auf den Verbreitungsgrad des römischen Testamentsrechts im 14. Jahrhundert.4 Daher interessierte ihn weniger der rechtliche Charakter der mittelalterlichen Stiftung selbst als vielmehr, ob die Vergabungen zu Lebzeiten oder im Todesfall erfolgten, und ob die Stiftungsurkunden ein zweiseitiges, sachenrechtlich geprägtes Rechtsgeschäft oder eine einseitige, erbrechtlich geprägte Verfügung erkennen lassen. Eine Gruppe anderer Arbeiten kam dem Kern der rechtshistorischen Stiftungsproblematik näher.5 Sie behandelten unter Einbeziehung sozialgeschichtlicher Fragestellungen die rechtliche Ausgestaltung von Priesterstellenstiftungen im Spannungsfeld von kirchlicher Hierarchie und laikalem Streben nach Mitbestimmung. Dabei wurden unterschiedliche Typologien kirchlicher Pfründen vorgeschlagen, deren gemeinsames Kriterium Art und Umfang der rechtlichen Einbindung in die kirchliche Hierarchie war. Die Frage nach der rechtlichen Selbständigkeit von Stiftungen war damit zumindest indirekt gestellt. Sie wurde allerdings nur im Hinblick darauf behandelt, in welcher Weise bei der rechtlichen Konzeption von Pfründstiftungen die konkurrierenden Interessen von Stifter, Kirche und städtischer Obrigkeit zum Zuge kamen. In den Mittelpunkt der Überlegungen rückte das Problem der rechtlichen Selbständigkeit mittelalterlicher Stiftungen bei Siegfried Reicke.6 Reickes Forschungen über die Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Spitals7 und insbesondere seine ergänzende Untersuchung -
-
3 Eine rechtshistorische Interpretation des Urso-Wunders, die sich auf dessen prozessurale Vorgeschichte konzentriert und unter diesem Gesichtspunkt auch die Überlieferungslage und etliche bildliche Darstellungen analysiert, jedoch die Erscheinung Ursos vor Gericht und den Ausgang des Konflikts bezeichnenderweise ausklammert, bietet Schott, Sankt Fridolin (1993). Vgl. zur Deutung der Urso-Erscheinung als Wiedergängerphänomen die Katalogbeiträge von Markus Brühlmeier in: Himmel, Hölle, Fegefeuer (1994), 248-251. 4 Bartsch, Seelgerätstiftungen im XIV. Jahrhundert (1908). 5 Zu nennen sind vor allem: Heepe, Die Organisation der Altarpfründen (1913); Katz, Mittelalterliche Altarpfründen der Diözese Bremen (1926); Matthaei, Die Vikarienstiftungen der Lüneburger Stadtkirchen (1928); Frölich, Die Rechtsformen der mittelalterlichen Altarpfründen (1931); Lentze, Die Rechtsform der Altarpfründen (1951). 6 Die folgenden Bemerkungen zum Problem der Rechtspersönlichkeit mittelalterlicher Stiftungen können knapp gehalten werden mit Verweis auf die ausführliche Behandlung bei Borgolte, Die Stiftungen des Mittelalters in rechts- und sozialhistorischer Sicht (1988). 7 Reicke, Das deutsche Spital ( 1932).
Einleitung
11
„Stiftungsbegriff und Stiftungsrecht im Mittelalter" von 1931/33 standen nicht so sehr spätmittelalterlichen Ringens um weltliche Einflußnahme im kirchlichen Bereich, als vielmehr im Bann der Bekämpfung des germanischen Eigenkirchenwesens durch die römische Kirche. Negative Folie für das Ideal des autonomen Spitals war daher das „Eigenxenodochium, das unbeschützt der vollen und freien Verfügungsgewalt des Stifters als des Eigentümers und Herrn ausgeliefert war".9 Im Kern ging es Reicke um die Frage, ob bereits im Mittelalter der moderne Gedanke der Stiftung begegnet, dem zufolge das einem dauerhaften Zweck gewidmete Vermögen und die zur Realisierung eben dieses Zweckes geschaffene Organisation eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen. Da Reickes Stiftungsverständnis durch diesen modernen Stiftungsbegriff geprägt war, beschränkte er sein Untersuchungsfeld, genau betrachtet, auf gestiftete, in der Regel karitative Einrichtungen, auf „Wohltätigkeitsanstalten"10; andere mittelalterliche Stiftungsformen fanden hingegen keine ausdrückliche Beachtung. Reicke kam zu dem Ergebnis, daß eine eigene Rechtspersönlichkeit der Stiftung bereits im spätrömischen Recht der piae causae entwickelt war und nach ihrem Untergang im „primitiven Rechte der Germanen"", also dem Eigenkirchenrecht, ihre Wiederauferstehung erlebte, als der Kirche die Durchsetzung der neuen kanonistischen Lehre gelang. Sein Versuch, das Vorhandensein der Idee einer freien Rechtspersönlichkeit der anstaltlichen Stiftung in den Rechtsvorstellungen der Bevölkerung nachzuweisen, zeitigte jedoch keine überzeugenden Ergebnisse. Denn das bruderschaftliche und auch das bürgerliche Spital erscheinen in den Quellen nicht durchgängig mit einem abstrahierten Anstaltsbegriff (hospitale), sondern sehr häufig durch die bruderschaftliche Korporation als Träger, durch städtische Spitalprovisoren oder -Verwalter, durch die Spitalinsassen oder in verschiedenen Kombinationen dieser Varianten (conventus et hospitale; infirmi et hospitale).n In der Quellensprache dokumentiert sich also, daß es weder zu einer durchgehenden Abstraktion der Stiftungsinstitution noch zu einer klaren begrifflichen Trennung zwischen Stiftung und Korporation gekommen war.13 Reicke konnte diesem Resultat nur in ungenügender Weise begegnen, indem er darauf verwies, daß den jeweils anstelle des Spitals erscheinenden Personen oder Organen in den meisten Fällen offenbar keine Eigentumsfähigkeit am Spitalvermögen zugemessen wurde14, und im übrigen resümierte, daß die über
unter dem Eindruck des
8 9 10
Reicke, Stiftungsbegriff und Stiftungsrecht (1933). Ebd., 256. Ebd., 249-252. In diesem Sinne hatte bereits Gierke die moderne Stiftung als „eine als Verbandsperson anerkannte Anstalt, deren Sozialrecht in seinem Kerne dem Privatrechte angehört", definiert (Gierke, Deutsches Privatrecht, Bd. 1 [1895], 645) und ebenfalls den anstaltlichen Stiftungsbegriff an die vormodernen Stiftungsphänomene angelegt; vgl. ders., Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 2 (1873), 968. 11 Reicke, Stiftungsbegriff und Stiftungsrecht (1933), 257. 12 Ebd., 267-269. 13 Vgl. Borgolte, Die Stiftungen des Mittelalters in rechts- und sozialhistorischer Sicht (1988), 82 f.; Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen (1992), 46 f. 14 Reicke, Stiftungsbegriff und Stiftungsrecht (1933), 269-272.
12
Einleitung
Vorstellung einer eigenen Stiftungspersönlichkeit „gegenwärtig, aber nicht zur Abstraktion erhoben"15 war. Trotz des negativen Befundes von Reicke folgte Dieter Pleimes in seiner umfassenden Studie über „Weltliches Stiftungsrecht" von 1938 dessen Auffassung von der juristischen Persönlichkeit des bruderschaftlichen und des bürgerlichen Spitals.16 Allerdings sah er diese Rechtsqualität nicht im Stiftungs-, sondern primär im Anstaltscharakter des Spitals begründet. Folglich vermochte er bei anderen mittelalterlichen Stiftungsformen keine ausgeprägte Rechtspersönlichkeit zu erkennen. Lediglich bei Pfründstiftungen und bei auf Zustiftungen angelegten Rahmenstiftungen, beispielsweise Almosenstiftungen in städtischer Regie, stellte er Ansätze einer abstrakten Stiftungspersönlichkeit fest.17 Überhaupt warnte er vor einer Verfremdung des mittelalterlichen Rechtsdenkens durch moderne Begriffe und Fragen. So habe erst im 19. Jahrhundert der Begriff der Juristischen Person" einem bis dahin sehr flexiblen und kreativen Stiftungsrecht Fesseln angelegt, das im übrigen seine Beweglichkeit seit dem Ausgang des 12. Jahrhunderts dem Streben der Stifter nach Verweltlichung eines durch die Kirche beherrschten Stiftungswesens zu verdanken gehabt habe.18 Auch an anderen Punkten stießen Reickes Auffassungen auf Einwände. So stellte HansRudolf Hagemann in seiner Untersuchung über „Die Stellung der Piae Causae nach justinianischem Rechte" 1953 zwar fest, daß die mit dem Begriff piae causae bezeichneten christlichen Wohltätigkeitsinstitutionen rechtlich selbständig waren; aus seiner Beobachtung, daß statt der Institution selbst häufig deren Vertreter als handelnde Subjekte in den römischen Rechtsquellen erschienen, folgerte er jedoch, daß ihre juristische Personifizierung noch keineswegs vollkommen ausgeprägt war.19 Ebensowenig war es im mittelalterlichen gelehrten Recht zur Entwicklung eines eigenständigen Stiftungsbegriffs gekommen. Dies hatte bereits Otto Gierke bei seiner Untersuchung der romanistischen und der kanonistischen Korporationslehre konstatiert.20 Demnach wurde den piae causae zwar eine rechtssubjektive Qualität attestiert, jedoch nicht auf der Grundlage eines selbständigen Stiftungsbegriffs, sondern als Folge ihrer Subsumierung unter einen alle rechtsunabhängigen menschlichen Verbände umfassenden Korporationsbegriff. Den in der älteren rechtshistorischen Forschung unternommenen Versuchen, im mittelalterlichen Rechtsdenken die klare Vorstellung von einer eigenständigen Stiftungspersönlichkeit nachzuweisen, ist also ihr Scheitern gemeinsam. Zwar wurden verschiedentlich mehr oder weniger ausgeprägte Ansätze zu einer Rechtspersönlichkeit von Stiftungen konstatiert,
15 Ebd., 273. 16 Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938), bes. 29-38. Zu der von Reicke und auch von ihm konstatierten uneinheitlichen Quellensprache bemerkte er lediglich, daß bei den in Rede stehenden Rechtsgeschäften (Verkäufe, Vergabungen etc.) eine genaue Bezeichnung der Rechtsform des Spitals gar nicht notwendig gewesen sei; ebd., 35. 17 Ebd., 63 f., 123-125, 152 f., 194. 18 Ebd., 1 f., 21, 63 f. 19 Hagemann, Die Stellung der Piae Causae (1953), 29-31, 35-40. 20 Gierke, Das deutsche Genossenschaftsrecht, Bd. 3 (1881), bes. 193 f., 198, 275, 361, 421 f., 817.
Einleitung
13
die sich aber bei genauerer Betrachtung nicht etwa einem spezifischen Stittungs-, als vielmehr einem ,anstaltlichen' Charakter der jeweiligen Einrichtungen verdankten. Die Frage, worin eigentlich der Kern der mittelalterlichen Stiftung zu erblicken sei, konnte infolge des modernen Vorverständnisses von Stiftung zu keiner plausiblen Antwort führen. Es blieb Michael Borgolte vorbehalten, in einem programmatischen Aufsatz 1988 den Weg zu einem neuen Verständnis der vormodernen Stiftung zu bahnen.21 Die Erkenntnis, daß sich im mittelalterlichen Recht keine Rechtspersönlichkeit der Stiftung entwickelt hatte, sondern als Träger der Stiftung natürliche Personen und Personenverbände erschienen, ließ ihn folgern, daß jene personalen Bindungen und damit der Vollzug einer Stiftung mit rechtlichen Mitteln nicht vollständig gesichert werden konnten. Dies führte ihn zu der Frage, „ob eine sozialhistorische Analyse der Bindungen zwischen den Menschen die Funktionsfähigkeit der Stiftungen besser erklären könnte."22 Den Schlüssel zum Verständnis der sozialen Beziehungen zwischen Stifter und Stiftungsorganen respektive Stiftungsempfängern sah er in der vormodernen Vorstellung von der „Gegenwart der Toten", auf die Otto Gerhard Oexle in einer breit angelegten Studie nachdrücklich aufmerksam gemacht hatte.23 Demnach blieben in der Vormoderne die Toten Mitglieder der menschlichen Gesellschaft. Ihre Gegenwärtigkeit ist dabei nicht zu verstehen als imaginäres Produkt der Erinnerung, sondern als reale, wenn auch nicht körperliche Präsenz unter den Lebenden. Ihre Gegenwart wurde durch Nennung ihres Namens evoziert, ein Vorgang, der die gesamte mittelalterliche Totenmemoria kennzeichnet, als deren konstitutive Elemente Oexle „das Mahl mit dem Toten und das Opfer für ihn in Form der Armenspende" ansah.24 Ebenso konnten die Verstorbenen durch Namensnennung an der Eucharistiefeier und damit an der Heilswirkung des Meßopfers teilhaben.25 Auch in rechtlicher Hinsicht dauerte ihre Existenz nach dem Tode fort, sie waren bestimmter Rechtshandlungen fähig und konnten als Subjekte von Rechten erscheinen.26 Sowohl die Totenmemoria wie auch das Rechtsleben verweisen also darauf, daß die Toten zu sozialen Beziehungen mit den Lebenden befähigt waren. Besondere Relevanz gewinnen diese vormodernen Vorstellungen für das Stiftungswesen, wie Michael Borgolte erkannte. Der tote Stifter existierte als Rechtssubjekt fort und war der Interaktion mit den Organen und Destinatären seiner Stiftung fähig. Kennzeichen und Mittelpunkt dieser Wechselbeziehung war ein Gabentausch, bei dem der Empfänger als Gegenleistung für die erhaltene Gabe in der Regel zur Memoria für den Stifter verpflichtet war.27
21 Borgolte, Die Stiftungen des Mittelalters in rechts- und sozialhistorischer Sicht (1988). 22 Ebd., 83. 23 Oexle, Die Gegenwart der Toten (1983). 24 Ebd., 53. 25 Dazu ausführlich Berger, Die Wendung „offerre pro" (1965), 127 f., 220-223, 228-235. 26 Zur Rechtsfähigkeit der Toten bereits Brunner, Der Totenteil (1898); ders., Das rechtliche Fortleben (1907); ders., Die Klage (1910); Schreuer, Das Recht der Toten (1915/16); mit Beispielen aus dem lübischen Rechtskreis: Ebel, Forschungen zur Geschichte des lübischen Rechts (1950), 60-64. 27 Borgolte, Die Stiftungen des Mittelalters in rechts- und sozialhistorischer Sicht (1988), 91 f.; ders., „Totale Geschichte" (1993), 12.
Einleitung
14
In der
Beziehung zwischen Stifter und Stiftungsorganen und -empfängern hatte demnach der
„soziale Mechanismus der Stiftung"28 seinen Kern.
Aus dieser Erkenntnis leitete Borgolte eine weitreichende forschungsstrategische Konsequenz ab: Das mittelalterliche Stiftungswesen werde durch einen institutionengeschichtlichen Ansatz nicht in angemessener Weise erfaßt, da er auf der unzutreffenden rechtsgeschichtlichen Vorstellung von der juristischen Persönlichkeit der vormodernen Stiftung beruhe. Erforderlich sei vielmehr ein sozialgeschichtliches Konzept, das seinen Ausgangspunkt in der Vorstellung von der Gegenwart des toten Stifters habe und die durch die Stiftung geschaffenen sozialen Bindungen und Interaktionen in den Mittelpunkt stelle.29 Die vorliegende Arbeit macht sich diesen Ansatz zu eigen, der zu einer entsprechenden Definition des Stiftungsbegriffs weiterentwickelt werden soll. Gegenstand der Untersuchung ist das Stiftungswesen in Stralsund von den Anfangen der Stadt im 13. Jahrhundert bis zur Reformation. Durch den Verzicht auf eine Eingrenzung auf bestimmte Stiftungsarten oder Stifterkreise gerät die ganze im Spiegel der Überlieferung sichtbare Vielfalt von Stiftungen und Stiftungsweisen in einer spätmittelalterlichen Stadt in das Blickfeld. Dem .totalen' Blick kommt dabei eine doppelte Bedeutung zu: Zum einen ist er Voraussetzung für Erkennmisse darüber, welche Rolle Stiftungen überhaupt sowie spezifische Stiftungsarten und -Strategien bei dem Bemühen um jenseitiges Heil und auch bei der Gestaltung der diesseitigen sozialen Umwelt spielten oder spielen sollten. Zum anderen ermöglicht er es, den sozialen Funktionsmechanismus von Stiftungen in seiner ganzen Komplexität zu erfassen. Dem spätmittelalterlichen Stadtbewohner stand ja nicht nur ein bis dahin einzigartiges Spektrum von Stiftungsarten zur Auswahl, das von der Vergabung eines schlichten Abendmahlskelchs bis zur Gründung eines großen Spitals reichte; er konnte und mußte ebenso entscheiden, wem seine Stiftung zugute kommen sollte, und wen er mit der Durchführung und Beaufsichtigung der Stiftung betrauen sollte. Je nach Ausgang dieser Entscheidungen galt es, unterschiedliche Rahmenbedingungen der Stiftungsgestaltung sowie Handlungsmöglichkeiten und -motive der Akteure zu beachten. So konnten bei der Stiftung einer Lohnpriesterstelle an einer Pfarrkirche umfangreichere Vorkehrungen zur Sicherung des Stiftungszwecks getroffen werden als bei der Einrichtung einer einfachen liturgischen Memoria bei einem Mendikantenklöster; und aus der Übertragung des Patronats einer Altarpfründe an den städtischen Rat ergaben sich andere Vor- und Nachteile hinsichtlich des Stiftungsvollzugs, als wenn der Stifter die eigenen Verwandten für das Patronat vorsah. Ausschlaggebend für den Erfolg einer Stiftung war eine Reihe von Faktoren. Wenn in den sozialen Interaktionen zwischen Stifter, Stiftungsempfängern und -beauftragten der Kern des Funktionsmechanismus der vormodernen Stiftung gesehen wird, so bleibt gleichwohl zu bedenken, daß auch Momente auf Gelingen oder Scheitern eines Stiftungsvorhabens einwirkten, die außerhalb dieses Verhältnisses lagen. Wirtschaftliche Krisen konnten die -
28 29
-
Borgolte, Die Stiftungen des Mittelalters in rechts- und sozialhistorischer Sicht (1988), 83. Ebd., 83, 94. Vgl. zur Rezeption dieses sozialhistorischen Stiftungsverständnisses innerhalb der rechtshistorischen Forschung R. Schulze, Art. Stiftungsrecht (1990), bes. Sp. 1982-1985; dagegen wurde jüngst eine Vernachlässigung von Abstraktionstendenzen im hoch- und spätmittelalterlichen Rechtsdenken moniert von Kleinknecht, Entstehung und Verwaltung (1996), 17-20.
Einleitung
15
materielle Ausstattung einer Stiftung in gravierendem Maße schrumpfen lassen, klösterliche Reformen die Fortführung von Jahrtagsstiftungen in Frage stellen, enttäuschte Hoffnungen auf eine ansehnliche Erbschaft die Verwandten zur Obstruktion von Stiftungsplänen verleiten. Insbesondere dürfen ungeachtet des skizzierten sozialhistorischen Ansatzes rechtliche Rahmenbedingungen nicht aus dem Auge verloren werden. Zwar ließ sich aufgrund des Fehlens einer Rechtspersönlichkeit der mittelalterlichen Stiftung deren dauerhafter Vollzug mit rechtlichen Mitteln nicht ausreichend sichern. Dennoch mußte der Stifter bei der Stiftungserrichtung relevante Rechtsnormen beachten und konnte andererseits vorhandene Möglichkeiten nutzen, um günstige Voraussetzungen für einen gerichtlichen Austrag denkbarer zukünftiger Konflikte zu schaffen. Schließlich war sein Handlungsfeld, die spätmittelalterliche Stadt, gekennzeichnet durch einen Prozeß zunehmender Verschriftlichung und Verdichtung des städtischen weltlichen Rechts, durch die Ausbreitung des gelehrten kanonischen Rechts und der geistlichen Gerichtsbarkeit sowie mit zeitlichem Abstand des römischen Rechts und durch eine sich verschärfende Konkurrenz zwischen geistlicher und weltlicher Gerichtsbarkeit. Aus diesen Entwicklungen resultierten für den Stifter je nach Art der Stiftung Einengungen seines Handlungsspielraums, aber auch verbesserte Möglichkeiten der rechtlichen Absicherung seines Stiftungsvorhabens. Diese knappe Skizze des Handlungsfeldes kann freilich noch nicht die Antwort auf die Frage liefern, welche konkrete Untersuchungsperspektive eine Arbeit über das Stralsunder Stiftungswesen einnehmen sollte. Diese Entscheidung muß vielmehr am Ende einer genauen Analyse der Überlieferungslage stehen. -
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I.
Forschungslage, Quellen und Methode
1.
Stiftung und städtische Gesellschaft
ein -
Problemaufriß
Das mittelalterliche Stiftungswesen stieß in jüngerer Zeit auf ein stetig wachsendes Interesse, das seinen Niederschlag in einer Vielzahl von Arbeiten mit unterschiedlichsten Themenstellungen gefunden hat.1 Untersucht wurden nicht nur einzelne Stiftungseinrichtungen wie Stiftskirchen2 oder Universitäten3, sondern ebenso die Stiftungstätigkeit von Einzelpersoder Inhaber von Kirchenämtern6, aber auch von nen4, Herrscher- und Zunehmende Beachtung unter Stiftungsaspekten fanden auch Bauwerke8 und Sachgegenstände liturgischen wie profanen Charakters.9
Dorfgemeinden.7
1
Vgl. Borgolte,
Fürstendynastien5,
Die mittelalterliche Kirche
267 f.
(1992), 120-122; ders., Stiftungen
des Mittelalters
(1994),
Moraw, Hessische Stiftskirchen (1977); ders., Über Typologie (1980); ders., Zur Sozialgeschichte (1977); Marchai, Das Stadtstift (1982); Tremp-Utz, Das Kollegiatstift St. Vinzenz (1985); Fouquet, St. Michael in Pforzheim (1983). 3 Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen (1992); Borgolte; Die Rolle des Stifters (1985); ders., Freiburg (1988); s. zum Verhältnis von Kollegiatstift und Universität auch ders., Stiftungen des Mittelalters (1994); Wagner, Universitätsstift und Kollegium (1999). 4 Kamp, Memoria und Selbstdarstellung (1993); Borgolte, Die Stiftungsurkunden Heinrichs II. (1993). 5 Heidrich, Die kirchlichen Stiftungen (1990); K Schmid, Salische Gedenkstiftungen (1984); Zielinski, Die Kloster- und Kirchengründungen der Karolinger (1989); Straub, Die Hausstiftung der Witteisbacher (1978); Wagner, Das Gebetsgedenken der Liudolfinger (1994). 2
6 7
Laudage, Caritas und Memoria (1993).
Fuhrmann, Kirche und Dorf (1995); dies., Die Kirche im Dorf (1987); dies., Dorfgemeinde und Pfründstiftung (1989). 8 Tietz-Strödel, Die Fuggerei in Augsburg (1982). 9 Jaritz, Seelenheil und Sachkultur (1980); Sauer, Fundatio und Memoria (1993); Schleif, Donatio et Memoria (1990); Vavra, Kunst als religiöse Stiftung (1985); dies., Kunst und ihre Auftraggeber (1985); dies., Kunstwerke als religiöse Stiftung (1987); Becksmann, Fensterstiftungen und Stifterbilder (1975); Heller, Das altniederländische Stifterbild (1976); Rooch, Stifterbilder (1988), sowie die Beiträge im Sammelband: Materielle Kultur und religiöse Stiftung (1990); s. zu Objektstiftungen im städtischen Kontext ausführlicher unten S. 20 f.
18
/.
Forschungslage, Quellen und Methode
Besonders wandte sich die Forschung Stiftungen in der spätmittelalterlichen Stadtgesellschaft zu, was angesichts der Ausmaße des Phänomens sowie der vergleichsweise günstigen Überlieferungslage nicht verwundern kann. Die Bedeutung von Stiftungen für die soziale Fürsorge in den Städten wurde bislang vorwiegend am Beispiel von Spitälern und ähnlichen Fürsorgeeinrichtungen untersucht. Zum einen liegt eine Reihe von Einzelstudien über städtische Stiftungseinrichtungen, insbesondere über Spitäler, vor, bei denen das Interesse an der Bedeutung der einzelnen Häuser innerhalb der städtischen sozialen Fürsorge im Vordergrund steht.10 Untersucht werden vorwiegend die Versorgung und Lebensverhältnisse der Insassen, die Besitzverhältnisse und der Spitalhaushalt sowie die innere Verfassung des Häuser. Die Frage nach dem Stiftungscharakter der Einrichtung, mithin nach den Beziehungen zwischen Stifter und Spitalinsassen sowie -bediensteten, tritt demgegenüber meist zurück. Vorherrschend ist also ein anstaltliches Spitalverständnis und nicht seine Auffassung als Personenverband.11 Daneben fanden Stiftungen auch Beachtung in Untersuchungen, die das Fürsorgewesen einzelner Städte oder städtische Armut, Wohltätigkeit und soziale Fürsorge in weiterem Rahmen behandeln.12 Das Interesse reduzierte sich jedoch häufig auf den Beitrag karitativer Stiftungen zur Bedürftigenversorgung und führte oftmals zu dem Urteil, die private Almosenvergabe sei planlos erfolgt oder zumindest in keiner Weise in der Lage gewesen, die sozialen Probleme in der spätmittelalterlichen Stadt in den Griff zu bekommen. Im gleichen Kontext begegnet die These, daß erst die Rationalisierung und Systematisierung der städtischen Sozialpolitik im 16. Jahrhundert, verbunden mit einer obrigkeitlichen Sozialdisziplinierung, eine entscheidende Wende in der Geschichte der sozialen Fürsorge herbeigeführt
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Knefelkamp, Das Heilig-Geist-Spital in Nürnberg (1989); ders., Stiftungen und Haushaltsführung (1989); Pohl-Resl, Rechnen mit der Ewigkeit (1996); Boldt, Das Fürsorgewesen der Stadt Braunschweig (1988); Berger, Das St.-Georgs-Hospital zu Hamburg (1972). Eine Ausnahme stellt die rechtshistorische Dissertation von Wolfgang Schürle über das Konstanzer Heiliggeistspital dar, die in der Tradition der Spitalforschungen Reickes steht; Schürle, Das Hospital zum Heiligen Geist in Konstanz (1972). Eine wichtige Kritik der institutionengeschichtlichen Perspektive leistet am Beispiel des Heiliggeistspitals und des Mendelschen Armenhauses in Nürnberg Proetel, Spitalgeschichte (1995); einen anderen Ansatz verfolgt auch ein Beitrag Joachim Wollaschs über die Spitalbruderschaft des Freiburger Heiliggeistspitals, der deren Gemeinschaftsbewußtsein untersucht; Wollasch, Anmerkungen zur Gemeinschaft des Heiliggeistspitals (1984). Es ist aber zu betonen, daß hier nur eine Forschungstendenz bezeichnet werden soll und damit keine kritische Beurteilung der einzelnen Arbeiten verbunden ist. In Anbetracht der schon von Reicke herausgearbeiteten vielfältigen Spitalformen und Gründungssituationen sowie sehr unterschiedlicher Überlieferungsverhältnisse (gerade auch zur Spitalgründung) würde dies eine hier nicht anzustellende genaue Einzelfallprüfung voraussetzen. T. Fischer, Städtische Armut und Armenftirsorge (1979); ders., Armut, Bettler, Almosen (1985); Oexle, Armut, Armutsbegriff und Armenfürsorge (1986); W. Fischer, Armut (1982); vgl. zur internationalen Armutsforschung bes. Mollat, Die Armen im Mittelalter (1984); ders., Études (1974); Geremek, Geschichte der Armut (1988); Lassotta, Formen der Armut (1993); Rexroth, Armut und Memoria (1994), 339 f. Die Zusammenhänge zwischen Stiftungswesen und Armenftirsorge werden in einem großangelegten Münsteraner Forschungsprojekt untersucht; s. die Beiträge in Jakobi/ Lambacher/Metzdorf/Winzer (Hrsg.), Stiftungen und Armenftirsorge (1996).
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Stiftung und städtische Gesellschaß
ein Problemaufriß
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habe.13
Diese Auffassung blieb nicht ohne Widerspruch: Im Hinblick auf die Stiftungsthematik verdient besondere Beachtung, daß wiederholt ein Wandel in der Armutsperzeption bereits in das 14. Jahrhundert gelegt wurde.14 In Zusammenhang mit einer Verschärfung des Armutsproblems einerseits und der zeitgenössischen kirchlichen Diskussion um die Bewertung der Armut andererseits lasse sich eine zunehmende Tendenz feststellen, zwischen verschuldeter' und unverschuldeter' Armut zu unterscheiden. Mit dieser Kategorisierung sei bei der Almosenvergabe eine Bevorzugung der ,verschämten Hausarmen', die aus der eigenen Pfarrei oder Zunft stammten und deren Ehrlichkeit man daher kannte, gegenüber den vagabundierenden, .arbeitsscheuen' Bettlern verbunden gewesen. Frank Rexroth hat auf einen bislang nicht beachteten Zusammenhang dieser Differenzierung mit der Stiftermemoria am Beispiel Londons im Spätmittelalter aufmerksam gemacht.15 Danach sei eine sorgfältige Auswahl der Almosenempfänger besonders da zu beobachten, wo den Armen eine dauerhafte memoriale Gegenleistung abverlangt wurde, also namentlich in gestifteten Spitälern und, noch ausgeprägter, in Armenhäusern.16 Des weiteren wurde die Rolle von Stiftungen in der städtischen Bildungsförderung untersucht. Die Spanne der Handlungsformen reicht von der Unterstützung armer Scholaren bis zur Universitätsgründung aus städtischer Initiative oder mit städtischer Hilfe, einer fraglos außergewöhnlichen Steigerung städtischer Stiftungstätigkeit im Bildungswesen, die im deutschsprachigen Raum eher als Ausnahme von der Regel der landesherrlichen Universitätsgründung anzusehen ist.17 Häufig sind dagegen vielfältige Formen der Bildungsförderung
S. bes. Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge (1984); vgl. hierzu zusammenfassend Rexroth, Armut und Memoria (1994), 337-340. 14 So Mollat, Die Armen im Mittelalter (1984), 228-238; Rexroth, Armut und Memoria (1994), bes. 339 f.; dagegen wurde der beschriebene Wandel in der Armutsperzeption für die fränkische Kleinstadt Forchheim auf das 16. Jh. datiert von Besold-Backmund, Stiftungen und Stiftungswirklichkeit (1986), 65-67. 15 Rexroth, Armut und Memoria (1994). Grundsätzlich zum Zusammenhang von Memoria und Armenfürsorge: Wollasch, Gemeinschaftsbewußtsein und soziale Leistung (1975); ders., Toten- und Armensorge (1985); zum monastischen Totengedächtnis im Hochmittelalter Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 196-198; zur Einbeziehung von pauperes in die hochmittelalterliche (monastische) Liturgie Witters, Pauvres et pauvreté (1974), bes. 198-204, 214 f.; zu Aspekten des Zusammenhangs von Armenfürsorge und Memoria im Spätmittelalter zuletzt auch Poeck, Totengedenken in Hansestädten (1991), bes. 200-202; ders., Omnes stabimus (1995), 244; Presuhn, Seelenheil und Armensorge (1993); Besold-Backmund, Stiftungen und Stiftungswirklichkeit (1986), bes. 54 f., 64 f.; Kamp, Memoria und Selbstdarstellung (1993), bes. 286 f. Herr Prof. Dr. Dietrich Poeck hat mir freundlicherweise vor Erscheinen seines Beitrags „Omnes stabimus ..." ein Skript desselben überlassen, wofür ich ihm Dank schulde. 16 Dagegen sieht Rolf Kießling in der für Augsburg festgestellten Konzentration bürgerlicher Armenfürsorge auf Hausarme und andere fest umrissene Gruppen von Bedürftigen in der zweiten Hälfte des 15. Jh. primär ein verstärktes Bemühen um karitative Effizienz; Kießling, Vom Pfennigalmosen zur Aussteuerstiftung (1990), bes. 55-62. 17 Die städtischen Initiativen und Motive bei der Gründung der Universitäten Rostock und Greifswald beleuchten Wriedt, Stadtrat Bürgertum Universität (1983); Schmidt, Rostock und Greifswald (1978); ders., Kräfte, Personen und Motive (1981); zur städtischen Rolle im Fall der Universität Köln 13
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Forschungslage, Quellen und Methode
Scholaren und Studenten anzutreffen. Anders als in der frühen Neuzeit wurden Universitätsbesuche nicht überwiegend durch ausschließlich dafür bestimmte Stipendienstiftungen gefördert, sondern durch Vikarienstiftungen mit Residenzbefreiung.18 Die Unterstützungsformen für arme Scholaren an pfarrkirchlichen, stiftischen und städtischen Schulen hat unlängst Martin Kintzinger am Beispiel Braunschweigs in umfassender Weise untersucht.19 Als typische Form der Unterstützung von Pfarr- und Stiftsschülern erschien dabei deren regelmäßige, entlohnte Einbeziehung in gestiftete liturgische Feiern, vornehmlich in Memorienfeiern, womit ein doppelter Zweck erreicht wurde, nämlich die Förderung der Stiftermemoria und der Bildung. Die vor allem für Scholare an städtischen Schulen bestimmten Schulgeldstiftungen sah Kintzinger hingegen in stärkerem Maße durch den Wunsch nach gezielter Förderung einzelner geeigneter Schüler bestimmt, wie er überhaupt resümierend urteilte, daß die städtische Bildungsforderung ihre Grundlage und Ausrichtung in der Funktionalität der Bildung gehabt habe. Ein in jüngster Zeit intensiv bearbeitetes Feld des städtischen Stiftungswesens sind Objektstiftungen, was in nicht geringem Maße auf die Forschungstätigkeit des Kremser Instituts für mittelalterliche Realienkunde Österreichs zurückzuführen ist.20 Zum einen wurden in mehreren kleineren Beiträgen einzelne Aspekte des Phänomens diskutiert, beispielsweise die Repräsentationsfunktion städtischer Grabmalstiftungen21, der Zusammenhang zwischen Objektstiftungen und entsprechenden Bedürfhissen der Empfänger22 sowie die Ausgestaltung von Stifterbildern in Abhängigkeit von der sozialen Stellung des Auftraggebers.23 Zum anderen liegen Arbeiten über Objektstiftungen im Rahmen einzelner Städte vor. Hervorzuheben ist die jüngst publizierte Dissertation von Wolfgang Schmid über von
Meuthen, Kölner Universitätsgeschichte (1988), bes. 53-58; zu Trier Matheus, Das Verhältnis der Stadt Trier zur Universität (1980), bes. 62-70; zu Erfurt Kleineidam, Universitas Studii Erffordensis (1964), bes. 4-9; vgl. auch zusammenfassend Wriedt, Studienförderung und Studienstiftungen (1993), 34 f.; königliche bzw. landesherrliche Hochschulstiftungen untersucht vergleichend Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen (1992). 18 Vgl. Wriedt, Studienförderung und Studienstiftungen (1993), bes. 39 f., 43, 47^19; ders., Stadtrat Bürgertum Universität (1983), 523; zu Universitätsstipendien Stieda, Hansestädtische Universitätsstipendien (1911); Kintzinger, Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig (1990), 454-457; zur indirekten Förderung mittels Vikarienstiftungen ebd., 449-452; Heepe, Die Organisation der Altarpfründen (1913), 18, 30; Matthaei, Die Vikarienstiftungen der Lüneburger Stadtkirchen (1928), 29 f., 158, 213; in der fränkischen Kleinstadt Weismain kamen Stipendienstiftungen erst im 16. Jh. auf; s. Besold-Backmund, Stiftungen und Stiftungswirklichkeit (1986), 92. 19 Kintzinger, Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig (1990), bes. 188-191, 209-212, 445-449, -
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533-537. Vgl. den Tagungsband: Materielle Kultur und religiöse Stiftung (1990), sowie die oben S. 17 Anm. 9 genannten Beiträge von Elisabeth Vavra und Gerhard Jaritz. Zu verweisen ist aber auch auf die einschlägigen Aufsätze und Objektbeschreibungen im Katalog der 1994 in Zürich und Köln realisierten Ausstellung „Himmel, Hölle, Fegefeuer. Das Jenseits im Mittelalter". Herklotz, Grabmalstiftungen und städtische Öffentlichkeit (1990). Dies untersucht vorwiegend für monastische Empfänger Jaritz, Religiöse Stiftungen (1990). Vavra, Kunstwerke als religiöse Stiftung (1987); unter das Leitthema der Intentionen von Stiftern und ihrer Einflüsse auf die Gestaltung der Kunstwerke ist auch eine unlängst erschienene kunsthistorische Festschrift gestellt: MeierUäggilBüttner (Hrsg.), Für irdischen Ruhm (1995).
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Stiftung und städtische Gesellschaft
ein Problemaufriß
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in Köln24, der in innovativer Weise das Stiftungsverhalten einer Kölner Kauftnannsfamilie und ihrer Verwandtschaft über vier Generationen hinweg untersuchte. Dabei gelangte er durch die interdisziplinäre Verbindung von kunsthistorischen Interpretationsmethoden und einer sozialhistorischen Untersuchung der konkreten Entstehungssituation jeder einzelnen Stiftung zu Ergebnissen, die mit kunsthistorischen Analysen allein nicht zu erreichen sind.25 Stadtbürgerliches Stiftungsverhalten fand auch wiederholt in Arbeiten Beachtung, deren übergeordnete Thematik das Verhältnis von Stadt und Kirche im Spätmittelalter bildete. In gewisser Weise lassen sich hierzu auch die älteren, bereits angesprochenen Werke über die rechtshistorische Entwicklung von Pfründ- und Spitalstiftungen zählen, da sie die rechtlichen Stiftungsformen primär vor der Folie des stadtbürgerlichen Ringens um vermehrten Einfluß im kirchlichen Bereich reflektierten.26 Aber auch Autoren, die das Verhältnis von Kirche und städtischer Gesellschaft in seiner Vielschichtigkeit zu erfassen suchten, gingen auf städtische Stiftungen ein.27 Hervorzuheben ist die beispielhafte Studie von Rolf Kießling28, der die Struktur und Entwicklung des spätmittelalterlichen Augsburg unter dem Aspekt des Verhältnisses von städtischer Gesellschaft und Kirche untersuchte. Die bürgerlichen Stiftungen fanden hier im wesentlichen in zweierlei Hinsicht Berücksichtigung, nämlich zum einen in ihrer Funktion im Prozeß der Übernahme sozialer und kultureller Aufgaben der Kirche durch die Bürgerschaft, zum anderen als Indikator für die Beziehungen der einzelnen sozialen Schichten und Gruppen der Einwohnerschaft zu den verschiedenen klerikalen Institutionen in Augsburg. Städtische Stiftungen wurden zudem in Arbeiten behandelt, die Teilaspekte des Verhältnisses von Stadt und Kirche thematisierten. Neben der bereits erwähnten Stiftskirchenforschung, innerhalb derer die Erforschung städtischer Stiftsgründungen im schweizerischen Raum in diesem Zusammenhang von besonderem Belang ist29, verdienen
„Kunststiftungen"
W. Schmid, Stifter und Auftraggeber (1994); vgl. auch ders., Kunststiftungen (1990); ders., Zwischen Tod und Auferstehung (1994); ders., Kölner Hansekaufleute (1995); s. zum Problem des Begriffs ,Kunststiftung' unten S. 168 Anm. 2. Objektstiftungen im spätmittelalterlichen Nürnberg behandelt Schleif, Donatio et Memoria (1990). 25 Vgl. die kunsthistorischen Arbeiten über spätmittelalterliche Stifterbilder von Rooch, Stifterbilder (1988); Heller, Das altniederländische Stifterbild (1976); mit erweiterten Fragestellungen und methodischen Ansätzen, die aber nicht die methodische Konsequenz von Schmid erreichen, Schleif, Donatio et Memoria (1990). 26 Vgl. die oben S. 10 Anm. 5 genannten Titel sowie Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938), und die entsprechenden Kapitel in Reicke, Das deutsche Spital (1932). 27 Trüdinger, Stadt und Kirche (1978), bes. 64 f., 110-115, 123-126; Johag, Die Beziehungen zwischen Klerus und Bürgerschaft (1977), bes. 93-95, 98-102, 159-176, 190-196; Geiger, Die Reichsstadt Ulm (1971), 88 f., 150-156, 167-170; Mahl, Kirche und Stadt (1974), bes. 89, 104-131; Lindenberg, Stadt und Kirche (1961), 102-122. 28 Kießling, Bürgerliche Gesellschaft und Kirche ( 1971 ). 29 Vgl. dazu die oben S. 17 Anm. 2 angegebenen Titel, bes. Tremp-Utz, Das Kollegiatstift St. Vinzenz (1985); Marchai, Das Stadtstift (1982); Marchai hat daraufhingewiesen, daß die Kollegiatstiftsgründung als Mittel im städtischen Ringen um mehr Unabhängigkeit von der bischöflichen Kirchenhoheit 24
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Forschungslage, Quellen und Methode
Geschichte der Bettel- und Drittorden sowie der Beginen und In ihnen wurde städtisches Stiftungsverhalten vornehmlich im Hinblick auf seine Motivierung durch religiöse Vorstellungen sowie auf das Verhältnis zwischen Bürgerschaft und Kirche betrachtet. Daneben trat ein neues, für die Bettelorden spezifisches Problem: Welche Auswirkungen auf Stiftungsverhalten und Stiftungsvollzug hatten die Armutsdiskussion in den Orden und die Ordensreformen des 15. Jahrhunderts?31 Vor allem die den Franziskanerkonventen auferlegten Verbote des Besitzes von Liegenschaften und festen Einkünften, die nach zunehmender Aufweichung im Laufe des 14. Jahrhunderts zu einem zentralen Thema der franziskanischen Reform wurden, warfen zwei Fragen auf: Wie ließen sich unter den Bedingungen dieser Besitzverbote liturgische Stiftungen realisieren? Und: Was sollte mit bestehenden Stiftungen bei Konventen geschehen, die sich der observanten oder reformierten Richtung der Reform anschlössen? Die Antworten fielen durchaus uneinheitlich aus. Im ersten Fall reichten sie von der Deklarierung fester Renteneinkünfte als elemosine perpetué über die Transferierung der Stiftungsgüter auf angeschlossene Frauenklöster oder Beginenkonvente, die nicht dem Besitzverbot unterworfen waren, bis zur Durchführung dauerhafter Memorialleistungen gegen eine einmalige Geldgabe. Auch die bereits bestehenden Stiftungen bei Franziskanerklöstern, die sich wegen der Durchführung der Reform von ihren Liegenschaften und festen Einkünften trennten, ereilte nicht immer dasselbe Schicksal: Einmal wurden mit Zustimmung der Stifterfamilien die gestifteten Güter abgegeben und die Memorialdienste eingestellt, ein anderes Mal Stiftungsdotationen und liturgische Pflichten an klerikale Institutionen in der Stadt übertragen, die dem Besitzverbot nicht unterlagen.32 Wichtige Impulse für die Erforschung des bürgerlichen Stiftungsverhaltens im Spätmittelalter vermittelte die Erschließung der Quellengruppe der Testamente für religions-, sozialvor
allem
Begharden
Beiträge
zur
Beachtung.30
und kulturgeschichtliche Fragestellungen; sie wurde im deutschsprachigen Raum in erster Linie durch einen 1973 erschienenen, richtungweisenden Aufsatz von Ahasver von Brandt33 während diese Orientierung in der französischen Testamenteforschung auf eine
angeregt34,
in der Schweiz erscheint und ansonsten als Instrument der landesherrlichen Kirchenpolitik fungierte; ebd., 465 f., 471. Vgl. Neidiger, Mendikanten (1981); Nübel, Mittelalterliche Beginen- und Sozialsiedlungen (1970), bes. 108-115; Nyhus, The Franciscan Observant Reform (1989), 208 f. Vgl. dazu Neidiger, Armutsbegriff und Wirtschaftsverhalten (1992), bes. 214-220; ders., Mendikanten (1981), 85-90, 161-164; Nyhus, The Franciscan Observant Reform (1989), 212 f. Zu Nürnberg und Basel Nyhus, The Franciscan Observant Reform (1989), 212 f. Brandt, Mittelalterliche Bürgertestamente (1973). Auf eine vollständige Bibliographie kann hier verzichtet werden, da ein ausführlicher Forschungsüberblick vermittelt wird von Baur, Testament und Bürgerschaft (1989), 14-35; verwiesen sei daher nur auf einige wichtigere sowie nach Baurs Arbeit erschienene Titel: Schulz, Testamente des späten Mittelalters (1976); H. Boockmann, Leben und Sterben (1983); Jaritz, Österreichische Bürgertestamente (1984); Zahnd, Spätmittelalterliche Bürgertestamente (1988); Kolmer, Spätmittelalterliche Testamente (1989); Hölzel, pro salute anime mee (1990); Queckenstedt, Geseke Vysevase (1991); Schildhauer, Hansestädtischer Alltag (1992); Zenhäusern, Zeitliches Wohl (1992); Reinhardt, Stiftersorgen (1993); Hartinger, Patrizische Frömmigkeit (1993); Riethmüller, to tröste miner sele (1994); Klosterberg, Zur Ehre Gottes (1995). nur
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Stiftung und städtische Gesellschaft
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längere Tradition zurückblicken kann. Als erste, auch für die Stiftungsforschung vorteilhafte Konsequenz aus der Entdeckung des sozialgeschichtlichen Wertes der Testamente sind zweifellos die jüngeren Editions- und Regestenwerke anzusehen36, mit denen allerdings bisher nur ein Bruchteil der spätmittelalterlichen Testamente im deutschsprachigen Raum zugänglich gemacht worden ist.37 Hilfreich ist zudem, daß die Untersuchungen der Testamente den Blick für die Vielfalt der Formen religiös-karitativer Vergabungen geschärft haben, eine Tatsache, die bei der Auswertung von Stiftungsurkunden leicht übersehen werden kann. Die Stiftung als auf Dauer gerichtete Handlungsform erscheint in den Testamenten nur als eine von mehreren Möglichkeiten und steht in den Studien auch keineswegs im Mittelpunkt des Interesses, ebensowenig wie sie für den einzelnen Testator das vorrangige Instrument seiner Vorkehrungen darstellen mußte. Aus der Stiftungsperspektive fällt an den Testamentsstudien jedoch auf, daß Stiftung als eine von der Schenkung durch das Kriterium der Dauer analytisch unterscheidbare Handlungsweise kaum thematisiert wird. Folglich wird hinsichtlich der mit Vergabungen verbundenen religiösen Motive und Jenseitsvorstellungen selten eine Differenzierung zwischen Stiftungen und Schenkungen vorgenommen.38 Dem liegt offenbar ein mangelndes spezifisches Interesse am Stiftungsphänomen zugrunde, was sich auch darin äußert, daß die Strategien der Testatoren zur dauerhaften Sicherung des Stiftungsvollzuges kaum Beachtung finden. Die konsequente Erschließung der Quellengruppe der Testamente unter Stiftungsaspekten steht also im wesentlichen noch aus. Die bisher angeführten Arbeiten verbindet, daß sie entweder nur einen Teilbereich des städtischen Stiftungswesens behandeln oder auf die Stiftungen lediglich im Rahmen einer
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An erster Stelle sind aufgrund des konsequenten Einsatzes neuer serieller Methoden Studien zu überwiegend ländlichen Kulturräumen bzw. zu frühneuzeitlichen Testamenten zu nennen: Gonon, Les institutions et la société (1960); dies., La vie quotidienne (1968); dies., La vie familiale (1961); Vovelle, Piété baroque (1973); Chaunu, La mort à Paris (1978). Die hier erprobten Methoden wurden in der Folgezeit auch in Arbeiten zu städtischen Testamenten des Spätmittelalters eingesetzt: Lorcin, Vivre et mourir (1981); Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980). Zusammenfassungen des französischen Forschungsstandes bei Hahn, Tod und Individualität (1979), 753-765; Böse, Das Thema „Tod" (1983); Baur, Testament und Bürgerschaft (1989), 20-28. Zur Testamenteforschung in England (mit kritischen Einschätzungen der Aussagefähigkeit und Quantifizierbarkeit der Testamente) Burgess, Late Medieval Wills (1990); ders., „By Quick and by Dead" (1987); daneben auch Heath, Between Reform and Reformation (1990), 667-678; vgl. zur italienischen Forschung Bertram, Mittelalterliche Testamente (1988), und den Tagungsband: Nolens intestatus decedere (1985). Hamburger Testamente 1351-1400 (1970); Brandt, Regesten der Lübecker Bürgertestamente (1964/1973); Jenks, Hansische Vermächtnisse (1986); Mack, Testamente der Stadt Braunschweig
(1988/1990). 37
Hinweise auf erhaltene Testamentsserien und deren Bearbeitung bei Brandt, Mittelalterliche Bürgerf.; Baur, Testament und Bürgerschaft (1989), 30 f. Eine Ausnahme stellt Jacques Chiffoleau dar, der hinsichtlich von Meßwünschen unterscheidet zwischen der Stiftung von Ewigmessen und der Anordnung zahlreicher Einzelmessen in einem relativ kurzen Zeitraum nach dem Tod; vgl. Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 326-354; ders., Sur l'usage obsessionnel (1981). Auf seine Interpretation der beiden Handlungsweisen ist noch näher einzugehen; s. dazu unten S. 67.
testamente (1973), 338
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Forschungslage, Quellen und Methode
übergeordneten Fragestellung eingehen. Dagegen liegt bislang erst eine Monographie vor, die das gesamte Stiftungswesen einer Stadt zum Thema hat. Es handelt sich um die 1986 publizierte Dissertation von Marlene Besold-Backmund über die Stiftungen in den beiden oberfränkischen Kleinstädten Forchheim und Weismain.39 Besold-Backmund verfolgt darin das Ziel, den sozialen Gesamtzusammenhang der Entstehung und Nutzung der Stiftungen zu erfassen. Dahinter steht die Hypothese, daß sich das Stiftungsverhalten nicht allein mit individuellen Motiven der Stifter erklären läßt, sondern „als bewußte Reaktion einzelner Bürger auf zeitgenössische Bedürfnisse sowohl die eigenen als auch die anderer zu interpretieren"40 ist. Die Arbeit zerfällt im wesentlichen in zwei Teile: Im ersten werden Entstehung und Entwicklung des Stiftungswesens im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit untersucht. Zur Erklärung des Stiftungsverhaltens werden gemäß dem Untersuchungsansatz nicht allein die von den Stiftern explizierten Motive herangezogen, sondern in stärkerem Maße soziale Einflüsse, genauer: Traditionen, Vorbilder und die Beeinflussung durch persönliche Beziehungen. Indem die Stiftungen derart in ihren sozialen Kontext eingebettet werden, erscheinen sie vice versa als wichtiger Indikator sozialer Erfahrungen, Bedürfnisse -
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und Verhaltensweisen. Der zweite Teil der Arbeit ist der „Stiftungswirklichkeit" gewidmet. Untersucht werden die Verwaltung und Nutzung der Spital- und Stipendienstiftungen, und zwar vor allem für das 17. und 18. Jahrhundert, da in diesem Zeitraum, bedingt auch durch die Ausweitung der Aufsichtsfunktionen der Bamberger Geistlichen Regierung, in vermehrtem Maße aussagefähiges Verwaltungsschriftgut entstand. Infolge der Gliederung der Untersuchung erscheint der Stiftungsvollzug jedoch weitgehend abgelöst vom Entstehungszusammenhang der spätmittelalterlichen Stiftungen. Dies liegt zum einen sicherlich an der Überlieferungslage, die bis in das 16. Jahrhundert hinein nur wenige aus dem Stiftungsvollzug resultierende Quellen bietet. Eine zweite, nicht weniger bedeutsame Ursache liegt jedoch offenbar darin, daß die Vorstellung von der Gegenwart der Toten und damit von der Weiterexistenz des Stifters als Rechtssubjekt keine wirksame Beachtung findet. Denn es unterbleibt auch eine konsequente Analyse des Vollzugsproblems aus der Stifterperspektive, also die von der Quellenlage her mögliche Untersuchung der spätmittelalterlichen Stiftungsakte auf soziale und rechtliche Strategien der Stiftungssicherung. Der „soziale Mechanismus der Stiftung", die immer wieder erneuerte Interaktion zwischen Stifter, Stiftungsorganen und -destinatären bleibt somit unberücksichtigt, so daß die Stiftungswirklichkeit als ein vom Stiftungsakt weitgehend unabhängiges Phänomen betrachtet wird. Der Überblick über die jüngeren Forschungen zum städtischen Stiftungswesen im Spätmittelalter hat neue Perspektiven und Ergebnisse, aber auch Defizite deutlich werden lassen. Zweifellos ist in der Ablösung der älteren rechtshistorischen Ansätze durch neue religions-, sozial- und kulturgeschichtliche Fragestellungen ein Prozeß von enormer innovativer Kraft zu sehen. Das rechtshistorische Verständnis der Funktionsweise von Stiftungen wurde dabei jedoch nicht durchgängig in Frage gestellt. Ebensowenig wurde bislang der Versuch unter-
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Besold-Backmund, Stiftungen und Stiftungswirklichkeit (1986). Ebd., 11.
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Stiftung und städtische Gesellschaft
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Bedeutung der Handlungsform Stiftung für die Seelenheilvorsorge des spätmittelalterlichen Stadtbewohners zu ermessen. Zu konstatieren ist darüber hinaus ein drittes Manko: ein Mangel an Untersuchungen, die sich nicht auf bestimmte Stiftungsphänomene beschränken, sondern das gesamte Stiftungswesen einer Stadt zu ihrem Gegennommen, die
stand machen.
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Forschungslage, Quellen und Methode
2. Stralsunder Stiftungen und ihr historischer Kontext: Zum Forschungsstand Die mittelalterliche Geschichte Stralsunds wurde bislang vor allem in Arbeiten von Hansehistorikern der ehemaligen DDR behandelt, vornehmlich von Konrad Fritze und Johannes Schildhauer. Aus diesem Kreis stammen sowohl einige Gesamtdarstellungen1 als auch eine Reihe von wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Untersuchungen, die in erster Linie Handel und Produktion, die Besitzverhältnisse, die städtische Sozialstruktur sowie soziale Konflikte zum Gegenstand haben und meist andere Hansestädte vergleichend miteinbeziehen.2 Die mit dieser thematischen Präferenz und dem damit zusammenhängenden geschichtstheoretischen Vorverständnis einhergehende Vernachlässigung anderer Themenbereiche erführ durch dieselben Historiker erst in jüngerer Zeit eine gewisse Korrektur3, als auch
kulturgeschichtliche Fragestellungen Berücksichtigung fanden.4 Diese Defizite werden durch Werke anderer Autoren der ehemaligen DDR sowie durch Publikationen westlicher Provenienz und eine Vielzahl älterer Beiträge bis zu einem gewissen Grade kompensiert. So liegen Arbeiten zur Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte Stralsunds vor, die zumeist im 19. Jahrhundert entstanden sind.5 Dagegen fehlt eine systematische Darstellung des bürgerlichen Rechts anhand der erhaltenen Stralsunder Quellen. Letztere wurden lediglich zur Beantwortung einzelner privatrechtlicher Fragen
Fritze, Die Hansestadt Stralsund (1961); ders., Entstehung, Aufstieg und Blüte (1984); Schildhauer, Die Stadt im 16. Jahrhundert (1984). 2 Fritze, Die Bevölkerungsstruktur (1964); ders., Stralsunds Bevölkerung (1966); ders., Am Wendepunkt der Hanse (1967); ders., Hansisches Städtebürgertum (1974); ders., Bürger und Bauern (1976); ders., Soziale Aspekte der Zuwanderung (1978); ders., Entwicklungsprobleme der nichtagrarischen Produktion (1979); ders., Hansisches Bürgertum und Feudaladel (1981); Schildhauer, Soziale, politische und religiöse Auseinandersetzungen (1959); Langer, Die Stralsunder Gerichtsbücher (1970); Hamann, Wismar Rostock Stralsund Greifswald (1956); Zoellner, Zur gewerblichen Produktion (1970); ders., Der Stralsunder Seehandel (1970/71). 3 Einen knappen, aber dennoch aussagekräftigen Überblick zur Hansegeschichtsforschung der DDR zwi1
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schen 1970 und 1980 lieferte mit Johannes Schildhauer einer ihrer Protagonisten und räumte dabei 1982 ein, „Lebensweise, Kultur und Ideologie der hansestädtischen Bevölkerung" stellten ungeachtet erster Ansätze noch ein Forschungsdesiderat dar; Schildhauer, Die Hanse (1982), 10. 4 So legte unlängst Herbert Ewe eine an ein breiteres Publikum gerichtete, sehr anschauliche „Kulturgeschichte" Stralsunds vor: Ewe, Das alte Stralsund (1994); und Johannes Schildhauer stellte in mehreren Beiträgen die Ergebnisse seiner Untersuchungen über die mittelalterlichen Testamente Stralsunds vor: Schildhauer, Hansestädtischer Alltag (1992); ders., Religiöse Vorstellungen (1989); ders., Tägliches Leben (1988); ders., Zur Lebensweise und Kultur (1981). Auf die Testamentsstudien Schildhauers ist noch näher einzugehen; s. unten S. 29 f. 5 Dinnies, Von der Gerichtsvogtei (1782); C. F. Fabricius, Der Stadt Stralsund Verfassung und Verwaltung (1831); Brandenburg, Geschichte des Magistrats (1837); Francke, Abriss der Geschichte (1866); Baack, Die Entstehung (1934). Die Verfassungsrealität unter dem Aspekt der politischen Partizipation einzelner Segmente der städtischen Gesellschaft wird unter marxistischen Vorzeichen vergleichend untersucht von Hamann, Der Einfluß der verschiedenen Bevölkerungsklassen (1953).
2. Stralsunder Stiftungen und ihr historischer Kontext: Zum Forschungsstand
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herangezogen, so von Johannes Schildhauer zur Skizzierung des Testamentsrechts.6 Diese Lücke ist allerdings erträglich und erklärlich, da Stralsund zum lübischen Rechtskreis gehörte, und hier daher auch das lübische Privatrecht Geltung besaß7, welches vornehmlich von Wilhelm Ebel in umfassender und intensiver Weise untersucht worden ist.8 Der Kunstgeschichte Stralsunds im Mittelalter widmen sich zahlreiche Untersuchungen, von denen besonders die Beiträge des Greifswalder Kunsthistorikers Nikolaus Zaske hervorzuheben sind.9 Gemeinsam ist diesen Arbeiten allerdings, daß die Auftraggeber und Mäzene der Kunstwerke nicht konsequent in den Blick genommen wurden, geschweige denn die Stiftungsproblematik im engeren diskutiert wurde. Keine besondere Beachtung fand der Stiftungsaspekt bisher auch bei einem weiteren Betätigungsfeld Stralsunder Stifter, nämlich der sozialen Fürsorge. So bietet die unlängst abgeschlossene Greifswalder Dissertation von Hartmut Bettin über die mittelalterliche Gesundheitspflege in den norddeutschen Hansestädten zwar wertvolle Erkenntnisse zu verschiedenen Fragen im Zusammenhang mit karitativer Stiftungstätigkeit, klammert jedoch mit Bedacht das Thema der religiös motivierten caritas aus.10 Daneben liegt eine Reihe von Aufsätzen vor, die einzelne Spitäler und andere Fürsorgeeinrichtungen in und bei Stralsund" sowie das Spitalwesen in Pommern12 behandeln. Hier werden zwar in unterschiedlicher Intensität Träger, Formen und Motive sozialer Fürsorge untersucht, die Stiftung als spezifische Form karitativen Handelns aber ebensowenig thematisiert wie der Stiftungscharakter einzelner Spitäler.13
6 Schildhauer, Hansestädtischer Alltag ( 1992), 15-17, 20 f. Die Geltung des lübischen Rechts wurde dadurch befestigt, daß der Lübecker Stadtrat für alle Städte des Rechtskreises die oberste Appellationsinstanz darstellte; s. dazu bes. Ebel, Lübisches Recht im Ostseeraum. Der Stadt Stralsund wurde im Gründungsprivileg von 1234 zwar das Rostocker Stadtrecht verliehen, und im 13. Jh. war Rostock erste Appellationsinstanz, dennoch aber galt auch hier im materiellen Sinn das ius Lubicense; zudem erhielten die Stralsunder 1314 ausdrücklich die Möglichkeit zum direkten Rechtszug nach Lübeck; Ebel, Der Rechtszug (1967), 7 f. 8 Ebel, Bürgerliches Rechtsleben (1954); ders., Forschungen zur Geschichte des lübischen Rechts (1950); ders., Lübisches Recht (1971); ders., Rechtsfragen des bürgerlichen Grundbesitzes (1978); ders., Kostverträge und Verwandtes (1978); ders., Über die Formel (1978); Pauli, Abhandlungen 7
(1841).
9
Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964); ders., Hansische Plastik und Malerei (1986); ders., Mittelalterlicher Backsteinbau Norddeutschlands (1970); ders.lR. Zaske, Kunst in Hansestädten (1986); Kurtz, Das Katharinenkloster (1959); Grüger, Das Stralsunder Rathaus (1984); Fait, Die norddeutsche Bettel-Ordensbaukunst (1954); O. Schmitt, Die Stralsunder Anna Selbdritt (1931); Rosen, Die metallene
10 11
Grabplatte (1871).
Bettin, Die Gesundheitspflege ( 1994). Pooth, Das Kloster St. Jürgen am Strande (1934); ders., Das Kloster St. Jürgen vor Rambin (1940); ders., Das Gasthaus (1965); Buchholz, Die Gasthauskirche (1965). 12 Heyden, Die Fürsorgearbeit (1963); ders., Bruderschaften, Häuser und Altäre (1964); ders., Die ersten Heilig Geisthospitäler (1939); ders., Die Hospitäler „St. Georg" und „St. Gertrud" (1939). 13
Eine unvollständige Zusammenstellung von Quellen zu karitativen Stralsund bietet Kruse, Umriß einer Geschichte (1855).
Stiftungen
und
Einrichtungen
in
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Forschungslage, Quellen und Methode
Ein ähnliches Bild ergibt sich für die zahlreichen Arbeiten, in deren Mittelpunkt kirchenund religionsgeschichtliche Aspekte stehen. Eine ausführliche Gesamtdarstellung der Stralsunder Kirchen- und Religionsgeschichte hat Hellmuth Heyden, der „Altmeister der pommerschen Kirchengeschichte"14, verfaßt15, aus dessen Feder außerdem eine Kirchengeschichte Pommerns1 sowie einige Aufsätze zu einzelnen Aspekten der pommerschen Kirchengeschichte stammen, insbesondere zum Wallfahrtswesen17 und zur Heiligenverehrung.18 Die Kirchen- und Kultgeschichte des südlichen Ostseeraums war auch Gegenstand der Habilitationsschrift von Jürgen Petersohn19, deren hochmittelalterlicher Untersuchungszeitraum allerdings nur noch die Anfange Stralsunds miteinschließt. In zumeist monographischer Form wurde die Geschichte einiger pommerscher und mecklenburgischer Klöster behandelt, die in Beziehungen zu Stralsund und seinen Einwohnern standen, wobei diese Beziehungen allenfalls am Rande Beachtung fanden, da die entsprechenden Stralsunder Quellen meist nicht ausgewertet wurden.20 Von besonderem Wert ist das voluminöse Werk des ehemaligen Stettiner Staatsarchivdirektors Hermann Hoogeweg, der die Geschichte aller Stifte und Klöster im Herzogtum Pommern in jeweils eigenen Kapiteln dargestellt und dabei auch auf große Teile der Stralsunder Überlieferung zurückgegriffen hat.21 Auf die drei Stralsunder Klöster und das Schwesternhaus St. Annen gingen neben Hoogeweg auch einige andere Autoren ein, jedoch meist nur in kleineren Aufsätzen oder im Rahmen von weiter ausgreifenden Fragestellungen.22 Ähnliches gilt für
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So die Würdigung von Metz, D. Hellmuth Heyden (1983), 96. Heyden, Die Kirchen Stralsunds ( 1961 ). Heyden, Kirchengeschichte Pommerns (1957). Zwei weitere Darstellungen der pommerschen Kirchengeschichte stammen aus älterer Zeit: Uckeley, Zustände Pommerns (1908); Bütow, Staat und Kirche (1910/1911). Heyden, Stralsunder Wallfahrten (1968/69); ders., Das Wallfahrtswesen (1940); ders., Die letzten Wallfahrten (1965). Heyden, Kirchen Pommerns (1958); ders., St. Maria in Pommern (1940). Vgl. als publizierte Hauptteile des voluminösen Werkes: Petersohn, Der südliche Ostseeraum (1979); ders., Forschungen und Quellen (1972). Vgl. außerdem ders., Mittelalterliche Patrozinien (1971); ders., Grundlegung einer Geschichte (1961). Hingegen erfassen die Untersuchungen des Volkskundlers Matthias Zender zur Heiligenverehrung auch das Spätmittelalter: Zender, Räume und Schichten (1959); ders., Heiligenverehrung im Hanseraum (1974); ders., Regionale und soziale Auswirkungen (1981). Schlegel, Die vergessene Kartause Marienehe (1989); Gerlach, Studien zur Gründungsgeschichte (1962); H Hacker, Das Kloster Ribnitz (1926); Behlau, Anlage und Güterbestand (1908); Pyl, Geschichte des Cistercienserklosters Eldena. 1. Teil (1880/81). Eine gesonderte Erwähnung verdient die jüngst erschienene Münsteraner Dissertation von Ingo Ulpts, die die Geschichte der mecklenburgischen Mendikantenkonvente im Zusammenhang darstellt und analysiert und im Falle des Ribnitzer Klarissenklosters auf der Basis des gedruckten Quellenmaterials auch auf Stralsunder Beziehungen zu diesem Konvent eingeht; Ulpts, Die Bettelorden in Mecklenburg (1995), 207 f. Hoogeweg, Die Stifter und Klöster (1924/1925); die Einarbeitung von archivalischem Material in derart enormem Umfang war Hoogeweg auch deshalb möglich, weil er selbst in jahrelanger Arbeit den überwiegenden Teil der urkundlichen Überlieferung im damaligen Staatsarchiv Stettin und im Stadtarchiv Stralsund durch Regesten erschlossen hatte. Auf die Geschichte des Dominikanerklosters St. Katharinen geht im Rahmen einer kunsthistorischen Dissertation ein Kurtz, Das Katharinenkloster (1959); einen kurzen Abriß der Geschichte des Katharinenklosters gibt Bütow, Zur Geschichte des Dominikanerklosters (1932); einen ebensolchen für das -
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2. Stralsunder Stiftungen und ihr historischer Kontext: Zum
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Forschungsstand
die Stralsunder Pfarrkirchen: Abgesehen von einer systematischen und vergleichenden Darstellung der mittelalterlichen Geschichte der einzelnen Pfarrkirchen von Horst-Diether Schroeder finden sich Ausführungen zu deren Geschichte vor allem in vorwiegend kunstund bauhistorischen Beiträgen.24 Auf das Verhältnis zwischen der Einwohnerschaft und ihren Pfarrkirchen geht nur Schroeder näher ein, indem er das Sozialprofil der einzelnen Pfarrgemeinden skizziert und allerdings nicht erschöpfende Angaben zur Ausstattung und zum Legataufkommen der Pfarrkirchen macht, ohne hierbei im übrigen den Stiftungen an die Kirchen besondere Aufmerksamkeit zu widmen.25 Als vorläufiges Fazit der Forschungslage zum Stralsunder Stiftungswesen ist zweierlei festzuhalten: Zum einen liegen zu benachbarten Themenbereichen, insbesondere zur Geschichte der sozialen Fürsorge sowie zur Kirchen- und Religionsgeschichte, zwar zahlreiche Beiträge vor, die jedoch die erwähnten Lücken und Mängel aufweisen. Zum anderen sind Stralsunder Stiftungen bisher nur punktuell beachtet worden, ohne mit einer noch zu nennenden Ausnahme Gegenstand eigenständiger Untersuchungen geworden zu sein. Auch die im Jahre 1992 erschienene Abhandlung von Johannes Schildhauer über die Stralsunder Testamente sieht ihre zentrale Aufgabe nicht in der Untersuchung religiöser und sozialer Praktiken, sondern versteht sich als ein Beitrag zur Alltagsgeschichte.26 Die Testamente werden hinsichtlich einer Vielzahl von Aspekten ausgewertet, ohne daß dem eine übergeordnete und das Quellenmaterial strukturierende Fragestellung zugrundeläge.27 Demzu-
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Franziskanerkloster St. Johannis bietet Ewe, Die Franziskaner (1993). Mehr Beachtung fand das 1421 vor den Toren Stralsunds gegründete Birgittenkloster Marienkrone in den Forschungen von Tore Nyberg zur Geschichte des Birgittenordens: Nyberg, Das Birgittenkloster von Stralsund (1973); vgl. auch ders., Birgittinische Klostergründungen (1965), bes. 99-121. Mehrmals war das gegen Ende des 15. Jh. gegründete Schwesternhaus St. Annen Objekt des Interesses, allerdings nicht etwa infolge einer besonders ansprechenden Überlieferungslage, die im Gegenteil ausgesprochen dürftig ist, sondern wegen eines jahrhundertelangen Irrtums über die Gründerperson, den es zu korrigieren galt; Dinnies, Kurze Nachricht (1786); Reuter, Die Gründung von St. Annen (1898); Hoogeweg, Der Gründer von St. Annen (1929); dementsprechend knapp fielen daher die Ausführungen zu St. Annen aus bei Rehm, Die Schwestern vom gemeinsamen Leben (1985), 96 f. Die Stralsunder Beginenkonvente behandelt unter irrtümlichem Einschluß von St. Annen Adler, Die Beginen (1936). 23 Schroeder, Bürgerschaft und Pfarrkirchen (1964). 24 Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964); Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958); Uhsemann, Die Stralsunder St. Nikolaikirche (1924); Francke, Die Kirchen St. Nicolai und St. Marien (1877); Grewolls, Die Organisation des mittelalterlichen Pfarrkirchenbaues (1996). In Arbeit befinden sich zwei kunsthistorische Dissertationen, nämlich von Michael Huyer (Univ. Mainz) über die Stralsunder Nikolaikirche, von Silke Freier (Univ. Frankfurt) über die Stralsunder Marienkirche; eine weitere von Antje Grewolls über Kapellen an den mittelalterlichen Kirchen Norddeutschlands (Univ. Kiel 1997) ist als Druckfassung für 1999 angekündigt. 25 Schroeder, Bürgerschaft und Pfarrkirchen ( 1964), 275-277, 282 f. -
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Schildhauer, Hansestädtischer Alltag ( 1992), 7 f.
Die Untersuchungsergebnisse zu einzelnen Aspekten des Testierverhaltens hat Schildhauer vor Erscheinen der zitierten Monographie in drei Aufsätzen präsentiert, deren Inhalt sich nicht wesentlich von den entsprechenden Ausführungen in der Monographie unterscheidet; Schildhauer, Zur Lebensweise und Kultur (1981); ders., Tägliches Leben (1988); ders., Religiöse Vorstellungen (1989). Postum erschien zudem eine von Schildhauer bearbeitete Liste der Stralsunder Testatoren bis zum Ende des 16. Jh.: ders., Stralsunder Bürgertestamente (1998).
I.
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Forschungslage, Quellen und Methode
folge bildet die Behandlung der Legate adpias causas nur einen zwar gewichtigen, aber mit den anderen Abschnitten unverbundenen Teil der Arbeit. Hierbei werden Stiftungen nicht als besondere Form religiös-sozialen Handelns wahrgenommen und untersucht. Dies stellt, blickt man auf andere jüngere Testamentsarbeiten28, keinen außergewöhnlichen Befund dar. Jedoch sind darüber hinaus Mängel zu konstatieren, die den Ertrag der Arbeit in mehrfacher Hinsicht schmälern. So entsteht mitunter der Eindruck, daß zur Deutung religiös motivierten Testierverhaltens konkrete religiöse Vorstellungen nicht in ausreichendem Maße herangezogen wurden.29 Schwerer wiegt, daß die Interpretation des Testierverhaltens allzu oft in generalisierender Weise auf die Gesamtheit der Testatoren bezogen wird, so daß Einzelfalle meist nur als Beleg oder Illustration erscheinen, während auf die Untersuchung sozial bedingter Unterschiede oder langfristiger Veränderungen im Testierverhalten und seinen Ursachen weitgehend verzichtet wird.30 Die erwähnte Ausnahme stellt ein vor kurzem veröffentlichter Aufsatz von Dietrich Poeck
dar, der den Zusammenhängen von Stiftung, Memoria und Gemeinschaft an pommerschen Beispielen nachgeht und zugleich Grundzüge der bürgerlichen Stiftungstätigkeit in Stralsund in exemplarischer Weise skizziert.31 Dabei ist es Poeck nicht um den Aspekt der Dauerhaftigkeit von Stiftungen und deren Sicherung zu tun, sondern um deren Funktionen, die er zusammenfassend in der Vermehrung des cultus divinus und der Fürsorge für Arme und Kranke sieht32, sowie um deren Bedeutung für die Memoria. Dadurch wird auch erklärlich, warum er andere Vergabungsformen, beispielsweise einmalige Geld- und Sachspenden
Kirchen oder Arme, miteinbezieht und dabei keinen grundlegenden Unterschied zwischen Stiftungen und Schenkungen macht. Der Blick auf die Forschungslage hat deutlich werden lassen, daß die Beiträge zu Stralsunder Stiftungen im Mittelalter kaum mehr als punktuelle Ansätze zu deren Erforschung bieten. Gerade die eingangs skizzierten Leitgedanken die Fragen nach der Bedeutung von Stiftungen in der Seelenheilvorsorge und nach dem sozialen Funktionsmechanismus mittelwurden jedoch in diesen Arbeiten nicht in eingehender Weise alterlicher Stiftungen an
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thematisiert.
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Vgl. oben S. 23. Beispielsweise kann nicht befriedigen, wenn Schildhauer im Zusammenhang mit testamentarischen Almosen lapidar formuliert: „An einen bestimmten Wirkungseffekt war sicher auch gedacht, wenn die Witwe des Bürgermeisters Matthias Dame, Margarete, verfügte, den Armen 50 M sund. zu überreichen, solange ihr Sarg über der erde stünde" [Hervorhebung im Original]; Schildhauer, Hansestädtischer Alltag (1992), 36. Dies führt im Ergebnis zu pauschalen und daher wenig hilfreichen Feststellungen wie beispielsweise der folgenden: „Die Städtebürger des ausgehenden Mittelalters versprachen sich einen noch größeren Gewinn für ihr Seelenheil, wenn sie den Armen und Kranken nicht nur eine einmalige Zuwendung zukommen ließen, sondern diese mehrfach wiederholten und damit zugleich die Erinnerung an sie weckten"; ebd., 36. Poeck, Omnes stabimus (1995). Ebd., 245.
3.
31
Quellenlage und Methode
3.
Quellenlage und Methode
Die archivalische Überlieferung zur mittelalterlichen Geschichte Stralsunds weist eine beachtliche Dichte und Vielfalt auf. Der bemerkenswerteste unter den im Stadtarchiv Stralsund verwahrten Quellenbeständen ist zweifellos das Corpus der Testamente. Im Original sind 962 Testamente bis zum Jahre 1520 erhalten1, eine im deutschsprachigen Raum nur von wenigen Städten übertroffene Zahl.2 Die zweite für die Stiftungsthematik zentrale Quellengruppe bilden die übrigen Urkunden.3 Insgesamt sind im Stralsunder Stadtarchiv etwa 2600 vorreformatorische Urkundenoriginale, vor allem aus der Überlieferung des Rates und kirchlicher und spitalitischer Institutionen, verwahrt.4 Hinzu kommen etwa 200
1
Davon befinden sich 959 im Bestand „StAS Testamente", während drei als Notariatsinstrumente ausgefertigte Testamente an anderer Stelle verwahrt sind: StAS Urk. Marienkrone Nr. 83; StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. 31 ; ebd., Nr. 32. Nicht mitgerechnet wurden erhaltene Zweitexemplare der in den meisten Fällen in doppelter Ausführung angefertigten Chirographen-Testamente; folgende Testamente sind in jeweils zwei Exemplaren erhalten: StAS Test. Nr. 84/85, 160/161, 179/180, 196/197, 236/237, 369/370,
414/415, 501/502, 557/558, 671/672, 743/744, 877/878, 918/919. Komplettiert wird die testamentarische Überlieferung durch sechs zeitgenössische oder spätere Abschriften von Testamenten, die nicht mehr im Original erhalten sind: StAS Urk. Marienkrone Nr. 83; StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 45 f.; ebd., S. 53 f.; ebd., Kopiar III, S. 177-180; StAS HS 1672, S. 70-73; ebd., S. 74-77.
2 Die bei weitem umfangreichste mittelalterliche Testamentsüberlieferung im deutschsprachigen Raum befindet sich nach kriegsbedingter Auslagerung, anschließender Verschleppung und kürzlich erfolgter, fast verlustfreier Rückkehr wieder im Lübecker Stadtarchiv. Nach Brandt, Mittelalterliche Bürgertestamente (1973), 8 f., umfaßte ihr Vorkriegsbestand „rund 6400" mittelalterliche Originale, während Graßmann, Zur Rückführung der Lübecker Archivbestände (1992), 70, angibt, daß nach der Rückkehr der Bestände die „etwa 6000 mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Bürgertestamente wieder bis auf ganz wenige Stücke vollständig" vorliegen. In Köln sind rund 1500 spätmittelalterliche Testamente überliefert; Klosterberg, Zur Ehre Gottes (1995), 12; für Wien sind zwar nur 51 regestierte Originaltestamente bekannt, dafür aber 2300 Testamente, die in den Wiener Testamentsbüchern verzeichnet sind; Baur, Testament und Bürgerschaft (1989), 26 f. Bei den genannten Zahlen ist natürlich zu bedenken, daß Köln, Lübeck und Wien wesentlich größer als Stralsund waren. Dagegen ist keine Stadt von der Größe Stralsunds bekannt, deren Überlieferung die Zahl der Stralsunder Testamente übertrifft; einen ähnlichen Umfang dürfte der Braunschweiger Bestand erreichen; Brandt, Mittelalterliche Bürgertestamente (1973), 8 f., gibt unter Berufung auf eine Auskunft des Stadtarchivs Braunschweig eine Schätzung von „über 800" mittelalterlichen Testamenten an; vgl. Mack, Testamente der Stadt Braunschweig, Teil III (1990), der seine Bearbeitung des Testamentbuches der Braunschweiger Altstadt (1358-1446) mit dem Hinweis abschließt, 224 Testamente bis zum Jahre 1411 und damit etwa 40 % der allein in diesem Band erhaltenen Testamente erschlossen zu haben; eingedenk der Überlieferung vor 1358 (zwischen 1300 und 1350 143 Testamente aus ganz Braunschweig; ders., Testamente der Stadt Braunschweig, Teil I [1988], 10) sowie der Testamentbücher der übrigen Braunschweiger Weichbilder deutet dies auf eine Gesamtzahl, die weit über 800 liegt. 3 In der vorliegenden Arbeit wird, um sprachliche Umständlichkeiten zu vermeiden, der Begriff .Urkunde' im üblichen Sinn, aber unter Ausschluß der Testamente verwendet, obwohl letztere strenggenommen der Quellengattung der Urkunden zuzurechnen sind. 4 Vgl. zur urkundlichen Überlieferung im Stadtarchiv Stralsund und ihrer Erschließung H.-J. Hacker, Zum Urkundenbestand (1994). ...
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Forschungslage, Quellen und Methode
Urkunden, die aus Kirchen, Klöstern und Spitälern in und bei Stralsund stammen und infolge
teilweise durchgeführten Archivalienverlegung vom Stadtarchiv Stralsund in das damalige Staatsarchiv Stettin gelangten und von dort nach 1945 schließlich in das Vorpommersche Landesarchiv Greifswald.5 Die urkundliche Überlieferung wird ergänzt durch mehr als 1000 Urkundenabschriften in verschiedenen Kopiaren und sonstigen Handschriften, von denen ein kleinerer, bisher noch nicht systematisch erfaßter Teil nicht mehr im Original erhalten ist. Die Abschriften sind fast durchweg im 16. bis 18. Jahrhundert entstanden6, zum Teil im Zuge nachreformatorischer Kirchenvisitationen7, zum Teil im Bemühen um eine allgemeine Beständesicherung und -erschließung im 18. Jahrhundert.8 einer
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nur
S. die Bestände Rep. 1 Stralsund und Rep. 1 Kl. Marienkron b. Stralsund im VpLA Greifswald. Bei den genannten Zahlen sind die Urkunden der im weiteren Umfeld Stralsunds gelegenen und für die Stralsunder Stadtgeschichte ebenfalls bedeutsamen Klöster nicht miteingerechnet. Sie sind fast ausnahmslos
im VpLA Greifswald im Bestand Rep. 1 verwahrt. 6 Die ältesten überlieferten Kopiare stammen aus dem 16. Jh. Zum einen handelt es sich um verschiedene Schriftstücke, die als „3 Kopiare der Jakobikirche" unter einer gemeinsamen Signatur verzeichnet wurden (StAS HS IX.2); ihr Entstehungskontext läßt sich kaum noch rekonstruieren, wurde doch bei ihrer Verzeichnung im 19. Jh. eine exakte Beschreibung der angetroffenen Verwahrungssituation und des Vorgehens bei der Verzeichnung versäumt. Als Problem stellt sich nämlich dar, daß „Kopiar I" und „Kopiar III" jeweils aus mehreren losen Blättern bzw. nur z. T. fadengehefteten Faszikeln bestehen, die von verschiedenen Händen beschrieben sind, und zudem „Kopiar I" neben Urkundenabschriften auch verschiedenartige Verzeichnisse und Notizen zu Stiftungen, insbesondere Vikarien, an allen drei Pfarrkirchen enthält. Einen undeutlichen Hinweis auf die Entstehung bieten die Datierungen der abschriftlich erfaßten Urkunden: „Kopiar I" enthält Abschriften von Urkunden zwischen 1410 und 1521, „Kopiar II" von Urkunden zwischen 1519 und 1532 und „Kopiar III" von Urkunden zwischen 1440 und 1561, wobei in keinem Fall eine durchgehende chronologische Reihenfolge vorliegt, also Abschriften nachreformatorischer Urkunden zwischen solchen aus früheren Jahren zu finden sind (s. StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 16-25; Kopiar III, S. 45-70). Dies könnte dafür sprechen, daß die verschiedenen Manuskripte (oder Teile von ihnen) im Zusammenhang mit nachreformatorischen Kirchenvisitationen des 16. Jh. entstanden sind, und damit den von modemer Hand stammenden Vermerk auf dem Umschlagdeckel von „Kopiar I" bestätigen, daß den Abschriften und Aufzeichnungen „eine Art Inventar der Stiftungen, offenbar zum Zweck der Kirchenvisitation von 1560", vorangehe. Das zweite Kopiar aus dem 16. Jh. könnte unter ähnlichen Umständen entstanden sein. Es handelt sich um eine dreiteilige, ca. 170 Abschriften umfassende Urkundensammlung der Marienbruderschaft an der Marienkirche (StAS HS IX.4), die größtenteils aus Rentenkaufbriefen besteht. Der Verzeichnungstitel verweist auf das letzte Jahrzehnt des 16. Jh. als Entstehungszeitraum. Das dritte und zugleich älteste Kopiar wurde 1516 in der Nikolaikirche angelegt (StAS HS 427); es enthält neben ca. sechzig Urkundenabschriften, vornehmlich von Rentenkäufen, auch allgemeine Bestimmungen über die Bezahlung und die Pflichten der Kirchengeistlichen und -diener. 7 Anläßlich der Kirchenvisitation von 1613/14 wurden in einer Matrikel (StAS Rep. 28 Nr. 1029) für alle Stralsunder Pfarrkirchen und alle aus mittelalterlichen Institutionen entstandenen Fürsorgeeinrichtungen Verzeichnisse ihrer Besitztitel und Inventare ihrer Kleinodien, Gerätschaften, Gewänder und Bücher erstellt; dabei wurden in derselben Matrikel auch regestenähnliche Verzeichnisse derjenigen Urkunden und Testamentsauszüge angelegt, die Stiftungen an den drei Pfarrkirchen betreffen. Zudem ist ein im Zuge der Visitation von 1613/14 entstandenes Kopiar der Marienkirche überliefert (StAS HS IX.3), das neben dem Verzeichnis von stiftungsrelevanten Urkunden auch deren Abschriften enthält (allerdings feh-
3.
Quellenlage und Methode
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Quellengattung stellen die Stadtbücher dar. Ebenso wie in anderen Städten9 größeren vollzog sich in der Schriftführung der städtischen Verwaltung Stralsunds eine allmähliche Ausdifferenzierung in der Anlage und Führung der Bücher.10 Während das Eine weitere wertvolle
sogenannte älteste Stralsundische Stadtbuch (1270-1310)11 noch entstand, indem einzelne, zu verschiedenen Bereichen getrennt geführte Pergamentlagen zu einem Band vereinigt wurden, begann man im Anschluß mit der Führung getrennter Bücher. Im Jahre 1310 wurden das Verfestungsbuch (Liber de proscriptis)12 und das sogenannte zweite Stralsundische Stadtbuch
(1310-1342)13 angelegt;
letzteres war nur noch für Grundbuchund eintragungen (Auflassungen Verpfändungen) sowie für Willküren und Beschlüsse des Rates vorgesehen. Die zwischen 1385 und 1522 folgenden vier erhaltenen Bände der Stadtbuchreihe waren dann nur noch in zwei Teile für die beiden Arten der Grundbucheintragun-
len von 53 der insgesamt 160 verzeichneten Urkunden die Abschriften). Es kann angenommen werden, daß ein derartiges Kopiar auch für die Nikolaikirche und die Jakobikirche angefertigt worden ist; war dem tatsächlich so, dann waren diese bereits 150 Jahre später nicht mehr erhalten. Denn als Johann Albert Dinnies Abschriften von den Urkundenverzeichnissen der Pfarrkirchen erstellte, lagen ihnen für die Marienkirche (StAS HS 56') das Kopiar (StAS HS IX.3) zugrunde, für die Nikolaikirche (StAS HS 56) und die Jakobikirche (StAS HS 562) aber die Gesamtmatrikel (StAS Rep. 28 Nr. 1029). 8 Besondere Verdienste hat sich hier der Stralsunder Rechtsgelehrte und spätere Bürgermeister Johann Albert Dinnies erworben, der in der zweiten Hälfte des 18. Jh. daran ging, Abschriften aller von ihm vorgefundenen Urkunden des Heiliggeistspitals (StAS HS 160; Konzeptfassung: StAS HS 59), des Jürgenspitals vor Stralsund (StAS HS 167; Konzept: StAS HS 592, HS 168), des Jürgenspitals vor Rambin (StAS HS 167'; Konzept: StAS HS 591), des Klosters Marienkrone (StAS HS 151; Konzept: StAS HS 102; erweiterte Zweitfassung der Reinschrift: StAS HS 85), der Stralsunder Bruderschaften (StAS HS 1672) sowie der städtischen Urkunden (StAS HS 154; Konzept: StAS HS 153) anzufertigen; darüber hinaus hat er jeweils in einem Vorwort erste Auswertungen des Materials vorgenommen. Bereits verwiesen wurde auf seine Abschriften der pfarrkirchlichen Urkundenverzeichnisse; s. oben S. 33 Anm. 7. Hier sei auf ein weiteres wertvolles Ergebnis der archivalischen Arbeiten von Dinnies hingewiesen: Er hat die von ihm gesichteten Quellen, die außer den Urkunden und einigen Handschriften auch die allgemeine Stadtbuchreihe und den Liber memorialis umfaßten, herangezogen, um eine umfassende Genealogie der Stralsunder Ratsfamilien zu erarbeiten; sie besteht aus drei Teilen: Teil 1 (StAS HS 129, HS 130) enthält Kurzbiographien der erfaßten Ratsherren in chronologischer Reihenfolge, Teil 2 (StAS HS 131, HS 132, HS 133) die chronologische Zusammenstellung der ausgewerteten Quellen und Teil 3 (StAS HS 134, HS 135, HS 136) die Stemmata der Ratsfamilien. Zur Person von Dinnies vgl. Curschmann, Johann Albert Dinnies (1934); Brandenburg, Johann Albert Dinnies (1827). 9 Zur Stadtbuchforschung sowie zur Entwicklung des Schriftwesens in den Städten Köln, Nürnberg und Lübeck Pitz, Schrift- und Aktenwesen (1959), bes. 17-23, 452-^166; vgl. zu Stadtbüchern auch Rehme, Über Stadtbücher (1913). 10 Vgl. zu den Stralsunder Stadtbüchern F. Fabricius, Die erhaltenen mittelalterlichen Stadtbücher (1896); Rehme, Stadtbücher (1927), 182-193; ders., Neues (1938); Schroeder, Stadtbücher der Hansestädte (1970), 3 f. 11 StAS, HS 1.1; es wurde ediert von F. Fabricius, Das älteste Stralsundische Stadtbuch (1872) [weiter zit.: 1. Stb.]. 12 StAS HS 1.15; ediert von Francke, Das Verfestungsbuch (1875). 13 StAS HS 1.2. Nach einer Teiledition von Christian Reuter, Paul Lietz und Otto Wehner wurde es vollständig ediert von Robert Ebeling: Das zweite Stralsundische Stadtbuch (1903) [weiter zit.: 2. Stb.].
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Forschungslage, Quellen und Methode
gegliedert.14
Es folgten weitere spezielle Bücher: Bereits um 1310 könnte ein erstes gen Schuldbuch (Liber debitorum) angelegt worden sein. Erhalten ist seine Fortsetzung von 1376 bis 151115, die privatrechtliche Schulderklärungen von Einzelpersonen enthält.16 Im Jahre 1319 setzt das erste Bürgerbuch ein, in das die Namen aufgenommener Neubürger sowie ihrer Bürgen eingetragen wurden.17 In den bis zu diesem Zeitpunkt angelegten speziellen Büchern fanden Eintragungen über verschiedene Vorgänge keinen Platz mehr, die davor noch Aufnahme in das älteste Stadtbuch gefunden hatten. Sie betrafen zum einen städtische Verwaltungsangelegenheiten, beispielsweise die Anstellung von Bediensteten oder die Vermietung städtischer Häuser, zum anderen private Rechtsgeschäfte unterschiedlicher Art; dazu gehörten Leibrentenverträge, Vormundschaftsregelungen, Abfindungen, Verfügungen von Todes wegen und ähnliches mehr. Man begann, diese gesondert aufzuzeichnen, woraus sich das aufgrund seiner inhaltlichen Vielfalt „geschichtlich werthvollste [!] von allen Büchern des Stadtarchivs"18 entwickelte, der Liber memorialis (oder Denkelbok, 1320-1524).19 Die Liste der überlieferten mittelalterlichen Amtsbücher wird abgeschlossen durch vier Bücher, deren Entstehungszeit vornehmlich in das 15. Jahrhundert fällt: das Kämmereibuch (1394-1434)20, in das städtische Einnahmen eingetragen wurden, sowie drei Gerichtsbücher, nämlich den älteren Liber judicii (oder Richtebok, 1415-1497)21, der vor allem Besitzvollstreckungsbeschlüsse, insbesondere gegen Schuldner, enthält, den jüngeren Liber judicii (1467-1475 und 1504-1536)22 für die Aufzeichnung von Todesurteilen und ein Protokollbuch für Ratsurteile in Privatrechtsfallen (1504—1529).23 Die städtischen Amtsbücher des mittelalterlichen Stralsund sind also in einem sehr beachtlichen Umfang überliefert. Aus sozialhistorischer Sicht wird man bei der bisherigen Aufzählung allerdings eine Quellenart vermissen, nämlich städtische Steuerlisten. In der Tat ist von den Stralsunder Schoßregistern nur ein Bruchstück erhalten, das zur Beantwortung sozialstatistischer oder auch prosopographischer Fragen kaum beizutragen vermag.24
14
StAS HS 1.3, 1.4, 1.5, 1.6. Die zwischen 1342 und 1385 klaffende Lücke ist mit Sicherheit auf einen F. Fabricius, Die erhaltenen mittelalterlichen Stadtbücher (1896), 92. StAS HS 1.17. Anzumerken ist, daß seit dem Jahre 1474 die noch freien Blätter zu Aufzeichnungen über die Bestellung städtischer Bediensteter genutzt wurden; Rehme, Neues (1938), 695 f. StAS HS III. 1; Edition: Das älteste Stralsunder Bürgerbuch (1925), bearb. von Ebeling. Dessen bislang unedierte Fortsetzung (StAS HS III.la) hat eine Laufzeit von 1349 bis 1571. F. Fabricius, Die erhaltenen mittelalterlichen Stadtbücher ( 1896), 86. StAS HS II. 1, II. 1 a, II.2; Edition: Der Stralsunder Liber memorialis ( 1964-1988), bearb. von Schroeder (weiter zit.: LM). Zum Liber memorialis vgl. F. Fabricius, Die erhaltenen mittelalterlichen Stadtbücher (1896), 85-91; Rehme, Neues (1938), 696-707; Schroeder, Stadtbücher der Hansestädte (1970), 4-13. StAS HS 1.16. StAS Rep. 3 Nr. 6027. StAS Rep. 3 Nr. 6028. StAS Rep. 3 Nr. 150. „Bruchstück eines alten Katasters" 1400-1410; StAS HS 1.23. Zu diesem Fragment vgl. auch Fritze, Stralsunds Bevölkerung (1966), 15; ders., Die Bevölkerungsstruktur (1964), 70.
Überlieferungsverlust zurückzuführen; vgl.
15 16
17
18 19
20 21 22 23 24
3.
Quellenlage und Methode
35
Diesen Verlust wird man allenfalls als Wermutstropfen ansehen, sobald man die städtische Überlieferung mit derjenigen der Stralsunder Kirchen, Klöster und Spitäler vergleicht. Auf die beträchtliche Zahl der im Original oder abschriftlich erhaltenen Urkunden dieser Institutionen ist bereits hingewiesen worden. Dabei wurde noch nicht verdeutlicht, daß die einzelnen Urkundenbestände im Umfang erheblich differieren; so ist vermutlich keine der vor der Reformation in den Bettelordensklöstern St. Katharinen und St. Johannis verwahrten Urkunden überliefert25, dagegen mehr als 130 aus dem Birgittenkloster Marienkron und dem Schwesternhaus St. Annen, die beide erst im 15. Jahrhundert gegründet wurden. Solche Diskrepanzen lassen sich freilich nur teilweise aus der mittelalterlichen Urkundenpraxis erklären.26 Zwar führten die aus dem Armutsgebot in den Bettelorden resultierenden Besitzrestriktionen insbesondere bei den Franziskanern zu einem geringeren Urkundenaufkommen als bei den übrigen Orden, aber die genannten Zahlen werden erst dann plausibel, wenn man überlieferungsgeschichtliche Faktoren mitbedenkt: Denn während das Schriftgut der Stralsunder Mendikantenklöster die Bettelmönche bei ihrer Flucht vor der reformatorischen Bewegung vermutlich begleitet hat, beziehungsweise seine zurückgelassenen Teile ein Opfer der Klosterstürme wurden,27 blieben die Birgittinerinnen in der Stadt, so daß der Stadtrat in der Lage war, bei der Säkularisierung der Klöster deren Schriftgut und damit die Nachweise der nun städtischen Besitzansprüche zu sichern. Unterschiede zeichnen sich auch in der Überlieferung des internen Schriftguts der Kirchen, Klöster und Spitäler ab, allerdings auf einem sehr niedrigen Gesamtniveau. Aus den Stralsunder Klöstern ist nichts erhalten geblieben; die Überlieferung der Spitäler beschränkt sich auf ein Einnahmen- und Ausgabenregister des Jürgenspitals vor Rambin (1446-1453)28
25
26
27
28
Es ist mehr als fraglich, ob die im VpLA Greifswald unter „Rep. 1 Stralsund 2. Dominikanerkloster" verzeichneten drei Urkunden tatsächlich ursprünglich im Katharinenkloster verwahrt waren; die Zweifel werden gestützt durch deren Inhalt und die Tatsache, daß die genannte Repositur zurückgeht auf Ordnungsarbeiten im ehemaligen Staatsarchiv Stettin, als in den dreißiger Jahren aus dem Bestand der dort befindlichen Stralsunder Urkunden diejenigen .geistlichen' Inhalts ausgesondert wurden; vgl. VpLAG, Revisionsprotokoll Rep. 2 Weltliche Urkunden Stadt Stralsund vom 16.08.1983. Deutliche Unterschiede zeichnen sich auch bei den Spitälern ab: Die Zahl der im StA Stralsund verwahrten Urkunden bis 1520 beläuft sich für das Heiliggeistspital auf 161, das Jürgenspital vor Rambin auf 107 und das Jürgenspital vor Stralsund auf 34. Von der Überlieferungsgeschichte ist hier allerdings zu wenig bekannt, als daß man die Zahlenverhältnisse auf mittelalterliche Ursachen zurückführen könnte; zumindest im Vergleich der beiden Jürgenspitäler mutet dies auch nicht sehr wahrscheinlich an. Noch unübersichtlicher ist die Lage bei den pfarrkirchlichen Urkunden wegen der relativ umfangreichen Überlieferung im VpLA Greifswald. Denn während die Bestände im StA Stralsund (Nikolaikirche bis 1520 47 Urkunden, Marienkirche 63, Jakobikirche 7) aus den Pfarrarchiven in Depositum-Reposituren überführt, also in der Provenienzordnung belassen wurden, sind im ehemaligen Staatsarchiv Stettin die Stralsunder Urkunden nach dem Pertinenzprinzip geordnet worden („St. Nikolai" bis 1520 40 Urkunden, „St. Marien" 54, „St. Jakobi" 32). Im Jahre 1903 unternahmen die Stadtarchivare Ebeling und Reuter eine Romreise, um den verschollenen Urkunden der Stralsunder Mendikantenklöster auf die Spur zu kommen; ihr war jedoch kein Erfolg beschieden; Hoogeweg, Die Entstehung (1928), 102. StAS Rep. 8 Nr. 1143. -
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Forschungslage, Quellen und Methode
Ausgabenregister des Heiliggeistspitals (1523-26) und Inventarlisten der Heiliggeistkirche von 1491 und 1497.30 Kaum günstiger ist die Situation bei den Pfarrkirchen. Vom mittelalterlichen Schriftgut der Nikolaikirche ist nur ein Kirchenbuch von 1516 der Erwähnung wert, in dem unter anderem Bestimmungen über die Bezahlung und die Pflichten von Kirchengeistlichen und -dienern festgehalten sind.31 Von der Tätigkeit der Kirchenpflegschaften von St. Marien und St. Jakobi haben sich überhaupt keine vorreformatorischen Zeugnisse erhalten; allerdings verdienen hinsichtlich der Stiftungsthematik einige Schriftstücke Erwähnung, die zwar erst im 16. Jahrhundert entstanden sind, aber dennoch wertvolle Hinweise auf mittelalterliche Verhältnisse liefern. An erster Stelle ist ein von Bürgermeister sowie ein
Franz Wessel wohl um 1560 verfaßtes Verzeichnis aller vorreformatorischen Altäre in der Marienkirche zu nennen, das in unterschiedlicher Ausführlichkeit Angaben zu Stiftern und Einkünften miteinschließt.32 Des weiteren enthält das bereits erwähnte Kopiar der Jakobikirche neben Urkundenabschriften auch zahlreiche Notizen über Stiftungen an der Jakobikirche wie auch an den anderen beiden Pfarrkirchen33, darunter auch Auszüge aus einer wahrscheinlich im Jahre 1370 angelegten bischöflichen Matrikel des Archidiakonats Tribsees; in diese waren nicht nur die Stralsunder Pfarrkirchen mit ihren Abgaben eingetragen, sondern zudem alle existierenden Vikarien mit den jeweiligen Vikaren und meist auch den Einkünften und den Inhabern des Patronats.34 Eine vergleichbare Liste entstand über -
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29
VpLAG Rep. 40 I 39a. Der auf dem Umschlagdeckel von modemer Hand stammende Verzeichnungstitel lautet: „Ausgaberegister Heiligengeistkirche zu Stralsund angelegt von Bürgermeister Christoph Lorber 1524-1526 ..."; die im Register ausgewiesenen Aufwendungen für Leibrenten, Bedienstetenlöhne und Lebensmittelkäufe weisen allerdings eindeutig darauf hin, daß es sich um Ausgaben für das gesamte Spital handelt. Die irrige Verzeichnung rührt vermutlich von dem üblichen und auch hier auftauchenden Quellenterminus gadeshus zum Hl. Geist her. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, daß die Transkription ungedruckter Quellen in Anlehnung an
die „Richtlinien für die Edition mittelalterlicher Amtsbücher" (1978) bzw. an Schultze, Richtlinien (1962), erfolgt; abweichend davon wird auf Vereinfachungen bei Konsonantenhäufungen und auf Abkürzungen verzichtet; weiterhin werden römische Ziffern übernommen und übergeschriebene Punkte immer als solche wiedergegeben. Eigene Auslassungen innerhalb einer zitierten Textpassage werden durch Punkte ohne Klammem gekennzeichnet. 30 StAS Rep. 9 Nr. 186. 31 S. oben S. 32 Anm. 6; überliefert ist daneben ein stark beschädigtes Fragment mit kirchenrechtlichen Texten (StAS HS XV.8), das, so gibt die archivische Verzeichnung an, aus einem Rechnungsbuch der Nikolaikirche herausgetrennt worden ist. 32 StAS Rep. 28 Nr. 753; ediert von Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 467-506. 33 Die Notizen befinden sich in „Kopiar I", S. 3-30, der unter der Signatur StAS HS IX.2 verzeichneten Schriftstücke; vgl. oben S. 32 Anm. 6. 34 Die Matrikel ist nicht mehr im Original erhalten. Eine Abschrift aus dem 16. Jh. befindet sich im LHA Schwerin (Rep. 1 Bistum Schwerin C 1); diese könnte ungeachtet einiger geringer Abweichungen die Vorlage einer modernen Abschrift im StA Stralsund (HS 113) gewesen sein. Eine weitere moderne Fassung, die gegenüber den schon genannten zahlreiche Kürzungen und Auslassungen aufweist und wahrscheinlich auf eine andere Vorlage zurückgeht, ist verzeichnet unter StAS HS IX.6. Zur Datierung der Originalmatrikel vgl. die Einleitung von StAS HS 113, wo die anderweitig bekannten Lebensdaten der als Patrone genannten Stralsunder Ratsherren verglichen wurden. -
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3.
Quellenlage und Methode
37
hundertfünfzig Jahre später, als 1531 in einer Ratssitzung alle Ratsherren zu Protokoll gaben, über welche Benefizien sie und ihre Verwandten den Patronat ausübten.35 Überblickt man die außerordentlich kurze Reihe interner Aufzeichnungen der geistlichen Institutionen Stralsunds, so sticht aus der Stiftungsperspektive besonders ein Manko hervor: Es hat sich nicht eines der zweifellos vorhandenen Anniversarien oder Nekrologien erhalten. Wenn man auch die Klöster im Umland miteinbezieht, die zu den häufigeren Adressaten von Stralsunder Stiftungen und Schenkungen zählten, so hellt sich die düstere Bilanz etwas auf: Aus dem Zisterzienserkloster Neuenkamp ist immerhin ein annähernd zwei Kalendermonate umspannendes Anniversarfragment überliefert36, und in einer Chronik des Klarissenklosters Ribnitz findet sich ein offensichtlich unvollständiges Verzeichnis von Wohltätern des Klosters; dies wurde vermutlich
aus
einem nicht erhaltenen Totenbuch des Klosters
zusam-
mengestellt und enthält in der Mehrzahl der Fälle auch Vermerke über die empfangene Gabe, jedoch nicht über memoriale Gegenleistungen des Konvents.37 Diese Lichtblicke vermögen jedoch keine wesentliche Korrektur des Befundes zu bewirken, daß eine memoriale Gegenüberlieferung zur Stiftungspraxis der Einwohner Stralsunds kaum existent ist. Auf die methodischen Implikationen dieses Faktums wird noch einzugehen sein. Etwas günstiger stellt sich die Überlieferung internen Schriftguts für einige Stralsunder Korporationen dar.38 Von der Kompanie der Leinewandschneider zeugt deren im Jahre 1425 angelegtes Buch, in dem neben der Kompaniesatzung auch Listen der lebenden und der toten Mitglieder verzeichnet sind.39 Von der Bruderschaft der Träger ist ein ähnliches Buch erhalten, das mit der Abschrift eines für die Bruderschaft 1329
von
der Kurie erworbenen
beginnt, gefolgt von einem Verzeichnis ihrer Mitglieder.40 Die an der Marienkirche angesiedelte Marienbruderschaft ist ebenso durch ein Buch bezeugt41, das in seiner
Ablasses
Informationsfülle die anderen bei weitem in den Schatten stellt. In das Bruderschaftsbuch wurden zwischen 1501 und 1566 Jahr für Jahr sämtliche Einnahmen und Ausgaben eingetragen; darunter neben Zahlungen für Urkundenausstellungen, für den Bedarf des Bruderschaftsaltars und für gestiftete Almosen auch die jährlichen Aufwendungen für liturgische Memorien von mehr als hundert Personen.
35
36 37 38
39 40 41
StAS HS IX.5. Die Erhebung ist vermutlich im Zusammenhang mit der reformatorischen Umgestaltung der kirchlichen Verhältnisse zu sehen. Die Angaben zu Inhaber, Stifter, Dotierung und Lokalisierung der Stelle sind allerdings häufig unvollständig oder ungenau, wodurch die Identifizierung der Benefizien erschwert bzw. vereitelt wird. Es umfaßt den Zeitraum vom 21. Mai bis zum 15. Juli und wurde ediert in: PUB I, 499-518; erhalten und ebenda ediert ist femer die zweite Hälfte eines sich ursprünglich direkt an das Anniversar anschließenden Kalendariums. Edition in: Die Chroniken des Klosters Ribnitz (1909), 197-203. Vgl. dazu auch Fritze, Kompanien und Bruderschaften (1993), der vor allem die Überlieferung und die Geschichte der Gewandschneiderkompanie, der Schifferkompanie und der Trägerbruderschaft behandelt. StAS HS 164; dieses Buch hatte einen Vorläufer, aus dem auch Überträge vorgenommen wurden (vgl. Totenliste und Satzung); s. ebd., fol. 29-30'. StAS HS 163. StAS Rep. 28 Nr. 838.
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Forschungslage, Quellen und Methode
Zwei Stralsunder Korporationen haben durch ihre bis in das 19. Jahrhundert beziehungsweise bis in die Gegenwart fortdauernde Existenz und durch die ebenso lange sorgsame Aufbewahrung ihres mittelalterlichen Schriftguts dafür gesorgt, daß dieses in weit größerem Umfang erhalten ist als bei allen übrigen mittelalterlichen Korporationen der
Stadt. Es in seiner Breite und Vielfalt darzustellen, ist hier nicht der Platz, weshalb eine Skizzierung des Materials unter Stiftungsaspekten genügen soll. Zum einen handelt es sich um die erst im Jahre 1488 gegründete Marienbruderschaft der Schiffer, späterhin allgemein „Schifferkompanie" genannt.42 Der Gründungsvorgang fand in einem Erinnerungsbuch der Bruderschaft seine ausführliche Darstellung43, gefolgt von Einträgen, die in chronologischer Abfolge weitere denkwürdige Ereignisse festhielten, darunter auch die Anschaffung von liturgischen Büchern und Geräten durch die Bruderschaft sowie testamentarische Stiftungen und Schenkungen einzelner Mitglieder.44 Erhalten ist weiterhin ein Nekrolog der Bruderschaft, in welchem jeweils auch das durch den Verstorbenen oder dessen Angehörige für die Bruderschaft bestimmte Legat verzeichnet wurde45, sowie ein Rechnungsbuch, das unter den Einnahmen neben den jährlichen Beiträgen der Mitglieder auch testamentarische Legate aufführt.46 Die zweite Korporation, die Gewandschneiderkompanie, war zugleich die älteste und, läßt man einmal den Stralsunder Kaland außer acht, angesehenste der mittelalterlichen Vereinigungen in Stralsund.47 Bereits 1281 durch ein erstes Mitgliederverzeichnis nachweisbar, versammelte sie überwiegend Kaufleute, insbesondere Tuchhändler, blieb aber in der Anfangszeit auch für andere Gruppen offen, gegen die sie sich jedoch spätestens im 15. Jahrhundert konsequent abschloß. Von der Stiftungstätigkeit der Gewandschneiderkompanie zeugen mehrere Bücher: Das Oldermennerbok dokumentiert neben anderem die Aktivitäten
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Ihre Geschichte von der Gründung bis zum Dreißigjährigen Krieg hat unter marxistischen Vorzeichen Thomas Brück in seiner Greifswalder Dissertation von 1985 untersucht: Brück, Untersuchungen zur Entwicklung der Bruderschaften (1985); eine stark überarbeitete Druckfassung erschien 1994: ders., Korporationen der Schiffer und Bootsleute (1994); vgl. auch mit einer Zusammenfassung der Ergebnisse ders., Stellung und Aufgaben (1993); sowie auf der Grundlage von Brücks Arbeit Fritze, Kompanien und Bruderschaften (1993), 37—40. Das (nicht durchgehend paginierte) Buch wird wie alle anderen Archivalien der Schifferkompanie immer noch von dieser selbst verwahrt: Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 16. Die Übergabe der Archivalien als Depositalbestand an das StA Stralsund ist jedoch geplant. Ein unter der Leitung von Herbert Ewe erstelltes Repertorium kann auch im Stadtarchiv eingesehen werden. Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 16. Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 15. Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 17. Vgl. den Überblick bei Fritze, Kompanien und Bruderschaften (1993), 33-37. Im Gegensatz zur Schifferkompanie ist die Gewandschneiderkompanie trotz ihrer Bedeutung und der guten Überlieferungslage in neuerer Zeit noch nicht Gegenstand einer umfassenden Untersuchung geworden. Einen Ansatz hierzu liefert die Zulassungsarbeit von Nicole Kiesewetter (Univ. Greifswald), die aber das umfangreiche archivalische Material kaum berücksichtigen konnte, sondern sich primär auf die gedruckten Quellen und die ältere Literatur stützen mußte; Kiesewetter, Die Stralsunder Gewandschneiderkompanie (1994). Aus der älteren Literatur ist hervorzuheben: Lorenz, Blick auf die Geschichte (1878); Kruse, Register (1851); ders., Verzeichniß (1851). -
44
45 46 47
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3.
Quellenlage und Methode
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der Gewandhaus-Alterleute für Stiftungen der Kompanie und als Treuhänder fremder Stiftungen48; ein 1434 angelegtes Erinnerungsbuch registriert vor allem Ausgaben der Alterleute, darunter für Kirchenfenster und für die Altäre der Kompanie in der Nikolaikirche und der Marienkirche.49 Derartige Ausgaben erscheinen auch in einem weiteren Buch, das zudem etliche Eintragungen zu Stiftungen in der Treuhand der Kompanie enthält.50 Ergänzende Angaben zu einzelnen Stralsunder Stiftungen und mehr noch zu ihrem historischen Kontext, vornehmlich zur Geschichte der geistlichen Institutionen Stralsunds, bieten schließlich die historiographischen Quellen. Neben zwei Stralsundischen Chroniken aus dem ausgehenden 15. beziehungsweise beginnenden 16. Jahrhundert51 liegen aus späterer Zeit vier chronikalische Werke vor, deren Berichtszeitraum die vorreformatorische Epoche einschließt: ein Chronik-Fragment aus der Mitte des 16. Jahrhunderts52; die zur selben Zeit entstandene Chronik Johann Berckmanns53; die „Congesta Hinrici Buschii"54, eine kaum später erstellte Kompilation aus mehreren älteren Aufzeichnungen; schließlich die Storchsche Chronik55, ein Auszug aus einer verlorenen Chronik des 16. Jahrhunderts. Zu erwähnen
48 49 50 51
52
StAS Gewandhaus StAS Gewandhaus StAS Gewandhaus Die den Zeitraum
HS 3. HS 4. HS 5. 1170-1482 umfassende Chronik wurde erstmals 1842 ediert von Zober, Eine alte Stralsunder Chronik (1842); für einen Wiederabdruck als „Stralsundische Chronik A" sorgte 1893 Baier, Zwei Stralsundische Chroniken (1893). Anlaß hierfür war der Fund einer zweiten „Stralsundischen Chronik B" in Wien, die die Jahre 844 bis 1495 umspannt und ebd. ediert wurde; vgl. zu beiden Chroniken auch Baier, Bruchstücke (1900), 54 f. Die nur abschriftlich überlieferten Fragmente, die Aufzeichnungen für insgesamt 19 Jahre zwischen 1254 und 1476 enthalten, wurden ediert und kommentiert von Baier, Bruchstücke (1900). Demnach könnten sie auf eine Chronik des 16. Jh. zurückgehen, die auch der Storchschen Chronik zugrundegelegen hat; ebd., bes. 58-62; Baier geht bei seiner Untersuchung indes nicht auf inhaltliche Unterschiede zwischen beiden Texten ein, etwa bei der Lokalisierung des Begräbnisorts der Rügenftirstin Euphemia: im Fragment zutreffend im Chor der Katharinenkirche (ebd., 65), in der Storchschen Chronik dagegen im Chor der Johanniskirche (MohnikelZober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik
[1833], 161). Berckmann, erst Mönch, dann reformatorischer Prediger an der Marienkirche, setzt mit seiner Chronik schon im Jahre 1124 ein, berichtet aber erst für die Zeit ab etwa 1510 als Augenzeuge; die Chronik wurde herausgegeben von MohnikelZober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik (1833). Vgl. zu Berckmann und zur Stralsunder Chronistik des 16. Jh. generell auch Neumann, Die Zeit der frühbürgerlichen Revolution (1985); Stark, Zur Stralsunder Geschichtsschreibung (1994). 54 Die Congesten sind im Anhang der Berckmann-Chronik abgedruckt von MohnikelZober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik (1833), XXVIII-XXXII, 161-224. Unter ihren jeweils bezeichneten Vorlagen ist das sog. „Chronicon Sundense" hervorzuheben, eine verlorene, wohl von städtischer Seite geführte Chronik aus dem 15. Jh.; vgl. ebd., 337 Anm. 57; Baier, Bruchstücke (1900), 57. Sehr kritisch muß der Versuch einer Rekonstruktion des „Chronicon Sundense" durch Geerds, Das Chronicon Sundense (1889), beurteilt werden. Überhaupt ist eine vergleichende Untersuchung aller chronikalischen Quellen zur mittelalterlichen Geschichte Stralsunds als Desiderat anzusehen. 53
55
Die im Jahre 1254 einsetzende Storchsche Chronik ist nur in einer Abschrift Johann Albert Dinnies' erhalten und zusammen mit den „Congesta Hinrici Buschii" abgedruckt bei MohnikelZober, Johann
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40
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sind in diesem Zusammenhang auch zwei Schriften Franz Wessels, der lange Jahre Provisor der Marienkirche und im übrigen eine führende Figur der reformatorischen Bewegung in Stralsund war; er hinterließ neben anderem Aufzeichnungen zur Geschichte der Marienkirche56 und eine von abfälliger Kritik durchsetzte Beschreibung des vorreformatorischen Gottesdienstes in Stralsund.57 Nach diesem Überblick bleibt die Frage zu beantworten, welche Konsequenzen sich aus der Überlieferungslage für die Konzeptualisierung der Studie ergeben. Dabei gilt es, sowohl inhaltliche als auch methodische Aspekte zu berücksichtigen. Was die Thematik einer Untersuchung des städtischen Stiftungswesens anlangt, verdienen zwei Fragestellungen besondere Aufmerksamkeit: Welche Bedeutung kam Stiftungen in der Seelenheilvorsorge der spätmittelalterlichen Stadtbewohner zu? Und: Welche konkreten Grundlagen hatte der soziale Funktionsmechanismus der Stiftung in der spätmittelalterlichen Stadt? Während für den ersten Aspekt das Stiftungsverhalten und zu dessen Bewertung auch die übrigen Maßnahmen zur Erlangung des Seelenheils in den Blick zu nehmen sind, kann eine Untersuchung der zweiten Frage kaum allein auf Quellen zum Stiftungsverhalten fußen. Sie benötigt vielmehr in gleichem Maße Zeugnisse über den Stiftungsvollzug nach dem Tod des Stifters. In methodischer Hinsicht stellt sich für beide Themen die Frage, ob die Überlieferungslage eher eine Untersuchung langfristiger Veränderungen mittels quantifizierender Verfahren nahelegt oder die exemplarische Untersuchung einzelner, hervorragend dokumentierter -
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Stiftungsfalle beziehungsweise Stifterpersonen. Für die Erforschung des Stiftungsverhaltens sind in erster Linie die Quellen von Belang, die im Zusammenhang mit der Planung oder Errichtung einer Stiftung entstanden sind, da nur sie im Regelfall den Stifterwillen in detaillierter Weise spiegeln. Im vorliegenden Fall sind im wesentlichen vier Quellengruppen dieser Kategorie zuzurechnen: Testamente, Stiftungsurkunden, Stadtbücher und verschiedene Handschriften von Korporationen und
klerikalen Institutionen. Unter ihnen ragen die Testamente nicht allein wegen ihrer Zahl heraus, sondern auch wegen ihrer Eigenschaft als relativ homogene Quellenserie. Hierfür sind zwei Faktoren ausschlaggebend: Erstens sind die Entstehungssituation und die Form der Testamente in den meisten Fällen sehr ähnlich, während sich die Gruppe der Stiftungsurkunden aus Dokumenten unterschiedlicher Art zusammensetzt. Zu ihr zählen neben Urkunden von Stiftern auch Ausfertigungen von Stiftungsempfängern, kirchliche Konfirmationen und Beurkundungen einer Stiftungserrichtung post mortem. Der zweite Faktor betrifft die Überlieferungsgeschichte: Fast alle erhaltenen Originaltestamente gelangten auf demselben Weg in unsere Zeit, nämlich über die Verwahrung beim städtischen Rat und anschließend im Ratsarchiv. Anders die Urkunden und Handschriften: Neben den städtischen Überlieferungsstrang tritt hier die Archivierung durch verschiedene klerikale Institu-
Berckmanns Stralsundische Chronik
(1900), 55 f., 58-62. 56
57
(1833),
XXXI
f., 161-222; vgl.
zu
ihr auch Baier, Bruchstücke
Die Notizen beziehen sich vor allem auf das 15. und 16. Jh. und sind niedergeschrieben auf einigen Vorsatzblättern der sog. „Wesselschen Bibel", die Franz Wessel der Marienkirche überlassen hatte; ediert von Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 507-527. Eine kommentierte Herausgabe besorgte erneut Zober, Schilderung des katholischen Gottesdienstes
(1837).
3.
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Quellenlage und Methode
tionen und durch städtische Korporationen, wodurch, wie bereits dargelegt, sehr unterschiedliche Verlustraten bedingt sind. Für die Untersuchungsmethode ergibt sich daraus, daß die Urkunden nicht auf alle Fragen quantifizierbare Antworten geben, während die Testamente in fast jeder Hinsicht ein beträchtliches Maß an Repräsentativität aufweisen. Um dieses Maß genau zu bestimmen, müßte man zum einen die Verlustquote beziffern können, zum anderen präzise Kenntnisse über die soziale Verbreitung der Testierpraxis besitzen. Beides ist nicht der Fall. Aber immerhin weisen einige Indizien auf eine relativ hohe Repräsentativität der Testamente hin. Hinsichtlich der Verlustrate ist neben der absoluten Zahl der erhaltenen Originale und dem Vergleich mit der testamentarischen Überlieferung anderer Städte58 zu beachten, daß in dem rund zweihundertjährigen Zeitraum zwischen einer ersten Häufung erhaltener Testamente und der Reformation zwar zeitliche Schwankungen in der Überlieferungsdichte, aber keine signifikanten, großen Lücken zu verzeichnen sind.59 Auch gibt es in der Überlieferungsgeschichte keinen Hinweis auf größere Verluste. Gleichwohl läßt sich nicht ausschließen, daß eine beträchtliche Zahl von Testamenten verlorengegangen ist. Festzuhalten bleibt jedoch, daß die Verluste sich vermutlich über den gesamten Zeitraum verteilen und damit nicht imstande sind, die serielle Qualität des Bestandes entscheidend zu schmälern. Schwieriger ¡st die Frage nach der sozialen Verbreitung der Testierpraxis zu beantworten. Denn zum einen ist der Beruf des Testators nur selten angegeben oder anhand bestimmter aufgeführter Gegenstände mit hinreichender Sicherheit zu eruieren. Zum anderen darf man keinesfalls davon ausgehen, mit den im Testament aufgelisteten Gütern das gesamte Vermögen des Testators vor sich zu haben. Dagegen spricht zweierlei: erstens die Bestimmung des lübischen Erbrechts, daß der Testator nur über die beweglichen Güter und den von ihm selbst erworbenen Grundbesitz frei verfügen durfte, der ererbte Grundbesitz also ausgenommen bleiben mußte; zweitens die Möglichkeit, unbegrenzt große Teile des Besitzes der gesetzlichen Erbfolge zu überlassen oder über den verfügbaren Vermögensteil mit pauschalen Formulierungen zu bestimmen, ohne die betreffenden Güter im einzelnen aufzulisten.60 Trotz dieser Hindernisse läßt sich das Problem durch einige Beobachtungen etwas eingrenzen. Grundsätzlich stand jedem, ob Stralsunder Bürger oder Einwohner ohne Bürgerrecht, ob Einheimischer oder Fremder, Mann oder Frau, die Möglichkeit offen, ein lübischrechtliches Testament abzufassen und beim Rat zu hinterlegen.61 Tatsächlich sind jedoch einzelne Segmente der städtischen Gesellschaft offensichtlich nicht proportional zu ihrem Bevölkerungsanteil unter den Testatoren vertreten. So bilden lübisch-rechtliche Testamente von Klerikern eine seltene Ausnahme, eine Folge des kirchlichen Bestrebens, die Geistlichen zur Testamentserrichtung nach kanonischem Recht anzuhalten.62 Unterrepräsentiert sind
58 59 60 61 62
S. oben S. 31 Anm. 2. S. dazu die Diagramme 1 und 2, unten S. 124 f. S. dazu ausfuhrlicher unten S. 131 f. Vgl. dazu und zum folgenden Schildhauer, Hansestädtischer Alltag (1992), 14 f. Überliefert sind in Stralsund nur fünf vorreformatorische Testamente nach lübischem Recht, die von Geistlichen in den Jahren 1339, 1340, 1342, 1350 und 1382 errichtet worden waren; PUB X, Nr. 5719, Nr. 5886; PUB XI, Nr. 6010; StAS Test. Nr. 155, 399. -
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auch die Frauen, deren Anteil an der Testatorenschaft bis zum Ende des 16. Jahrhunderts von Johannes Schildhauer auf elf Prozent beziffert wird.63 Ähnlich verhält es sich mit Testamenten von minderbegüterten Einwohnern, beispielsweise einfachen Handwerkern oder Kleinkrämern, deren Zahl nicht dem Anteil dieser Testatorenschicht an der Gesamtbevölkerung entspricht. Daß besitzarme Personen nur in Ausnahmefällen ein Testament errichteten, bedarf keiner weiteren Erklärung. Aber auch einem Erblasser, der das eine oder andere zu vererben hatte, mochte es aufgrund familiärer Verhältnisse und Bindungen als lohnende Alternative erscheinen, sein Hab und Gut der Familie gemäß der gesetzlichen Erbfolge zu vermachen und ihr auf mündlichem Wege die Sorge für sein Seelenheil anzuvertrauen. Denn auf diese Weise konnte er immerhin die Kosten für die Testamentsausfertigung einsparen, die normalerweise einem geschulten und juristisch versierten Schreiber anvertraut
wurde.64
Bei einer quantifizierenden Auswertung der Testamente ist also als deren einziges erhebliches Manko eine vom Sozialprofil der Einwohnerschaft abweichende soziale Zusammensetzung der Testatorenschaft zu beachten. Die Relevanz dieses Faktums für die Untersuchung des Stiffungsverhaltens ist differenziert zu beurteilen; schließlich kamen Stiftungsarten mit einem größeren finanziellen Aufwand auch nur für einen Personenkreis in Frage, bei dem der Anteil der Testierenden sehr hoch gewesen sein dürfte. Der Vergleich mit den sonstigen Urkunden läßt einen weiteren Vorteil der Testamente deutlich werden: In ihnen erscheinen grundsätzlich alle vorkommenden während es zur Ausstellung von Urkunden nur bei bestimmten Stiftungstypen kam, nämlich in erster Linie dann, wenn ein zur Stiftungsdotation vorgesehener Besitztitel rechtskräftig übertragen werden sollte, oder von den Stiftungsempfängern oder -treuhändern zu erbringende, sich wiederholende Leistungen zu definieren waren. Die Ausstellung von Urkunden wurde vor allem in zwei Fällen zumeist für verzichtbar gehalten: bei Objektstiftungen, beispielsweise der Vergabung von Kelchen oder liturgischen Gewändern für einen bestimmten Altar, sowie bei den durch eine einmalige Gabe gestifteten liturgischen Memorien, sei es eine sonntägliche Namensverlesung nach der Predigt oder eine Anniversar-
Stiftungsarten65,
feier. Während eine quantifizierende Auswertung von Stiftungsurkunden also praktikabel erscheint, aber mehrere Eigenheiten dieser Quellengruppe zu beachten hat, stehen der glei-
63
Hinzu kommen die
von
Eheleuten
ausgestellten
Testamente mit einem Anteil
von
Schildhauer, Hansestädtischer Alltag (1992), 15. 64 Vgl. ebd., 21. 65
etwas über 7
%;
bestätigt die Stralsunder Überlieferung, wie sich noch zeigen wird, nicht die aus der Untersuchung englischer Testamente entstandenen Bedenken von Clive Burgess gegen eine quantifizierende Auswertung der Testamente. Burgess hatte konstatiert, daß gerade Stiftungen, die mit einem größeren organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden waren, zumeist zu Lebzeiten des Stifters errichtet und in dessen Testament nicht mehr erwähnt wurden; Burgess, „By Quick and by Dead" (1987), bes. 839-841, 855 f.; ders., Late Medieval Wills (1990), bes. 16 f., 23. Zu beachten ist gleichwohl, daß auch in Stralsund in deutlich geringerem Maße als in Bristol Stiftungen großen Ausmaßes mitunter in den Testamenten nicht mehr erscheinen und daher die sonstige Überlieferung zur Interpretation des testamentarischen Befundes heranzuziehen ist. In dieser Hinsicht
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Quellenlage und Methode
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chen Vorgehensweise im Fall der Stiftungseinträge in Stadtbüchern und sonstigen Handschriften gravierende Probleme und Nachteile im Wege. Ganz unzweifelhaft trifft dies für die verschiedenen Handschriften von Korporationen und geistlichen Institutionen zu, da bereits ihre nur bruchstückhafte Überlieferung einem seriellen Ansatz den Boden entzieht. Dagegen sind die relevanten Stadtbuchreihen, also die beiden ältesten Stadtbücher, die Grundbücher sowie der Liber memorialis, fast lückenlos erhalten. Hier türmt sich ein anderes Hindernis auf, nämlich eine vielschichtige Heterogenität der Einträge, die deren Inhalt, Informationsdichte und Entstehungsanlaß betrifft. Dies gilt für alle genannten Bücher, besonders aber für den Liber memorialis, der ja als Sammelbecken für alle Arten von Einträgen diente, für die keine besonderen Bücher angelegt waren. Demzufolge begegnen hier neben vergleichsweise wenigen Vermerken über Stiftungsvorhaben und Einträge, die die Dotation einer Stiftung betreffen, darunter vor allem Rentenkäufe, und Aufzeichnungen über Vikarienbesetzungen oder die Regelung von Patronatsrechtsfragen. Das hiermit keineswegs vollständig skizzierte Spektrum von Inhalten findet sich in annähernd ähnlicher Breite im zweiten Stadtbuch wieder, jedoch nicht im ältesten Stadtbuch; in letzterem sind die vorhandenen Stiftungseinträge allesamt auf den Vorgang der Errichtung oder Dotierung einer Stiftung bezogen.67 Im übrigen ist deren Zahl nicht genau zu bestimmen, da bei zehn der sechzehn Einträge kein konkreter, dauerhafter Stiftungszweck angegeben ist, und daher der Stiftungscharakter des Vorgangs nicht deutlich wird. Dies verweist auf ein zweites gravierendes Hindernis für eine quantifizierende Auswertung der Stadtbucheinträge. Die Texte variieren in ihrer Länge und ihrem Informationsgehalt zwischen kurzen, nur wenige Angaben enthaltenden Sätzen und Urkundenabschriften beziehungsweise Aufzeichnungen vergleichbarer Ausführlichkeit. So finden sich in ihrer Kürze kaum zu übertreffende Einträge wie beispielsweise die Notiz, Dietrich Witte bestimme 250 Mark sundisch68 ad unam vicariam instaurandam69, in fast unmittelbarer Nachbarschaft mit Vikarienstiftungen, bei denen auch über das Patronatsrecht und den Empfängerkreis
-errichtungen66
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69
Von insgesamt 51 Einträgen mit Stiftungsbezug sind nur acht auf eine Stiftungserrichtung bezogen; s. LM 1, Nr. 167, Nr. 1040, Nr. 1046; LM 3, Nr. 66, Nr. 230; LM 4, Nr. 665a; LM 5, Nr. 42; LM 6, Nr. 130. Dieser Befund wirkt zunächst überraschend, da in dieser Zeit Vorgänge im Zusammenhang mit bestehenden Stiftungen ja in keinem anderen Stadtbuch festgehalten werden konnten. Er läßt sich wohl am ehesten erklären durch das Zusammenwirken zweier Faktoren: zum einen ein geringes Aufkommen an Handlungen des Stiftungsvollzugs in dieser frühen Phase der Stadtentwicklung, in der die Mithilfe am Aufbau und der Grundausstattung von Kirchen, Klöstern und Spitälern gegenüber der Gründung eigenständiger Stiftungen bei weitem überwog; zum anderen eine noch schwache Intensität städtischer Schriftlichkeit zum Zwecke der Rechtssicherung, worauf auch der im Durchschnitt wesentlich kürzere Umfang von Einträgen im ersten Stadtbuch im Vergleich zu Aufzeichnungen ähnlichen Inhalts im Liber memorialis hindeutet. Die einheimischen sundischen Münzen waren in Stralsund so gängig, daß die Angabe in den Quellen oft fehlt. Sie wird in der vorliegenden Arbeit zum leichteren Verständnis immer ergänzt, wobei die Währungsangaben im Anmerkungstext abgekürzt werden. S. zu den Währungsverhältnissen ausführlicher unten S. 133. 2. Stb., Nr. 3590.
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bestimmt wird. Mindestens ebenso große Schwankungen sind bei Einträgen festzustellen, die aus dem Vollzug von Stiftungen resultieren. Beispielsweise ist einem Vermerk im Liber memorialis über eine Rentenschuld Heinrich Rubenows und seiner Erben für eine Kapitalsumme von 300 Mark sundisch lediglich zu entnehmen, daß die Rente vicario vicarie, ad quam dicte 300 mrc. spectant, zu zahlen ist71, während man bei einem Rentenkauf zugunsten einer von Johann Wreden gestifteten Vikarie neben dem Namen des Stifters auch den des aktuellen Inhabers und des Ortes der Vikarie erfährt.72 Die Liste derartiger Diskrepanzen ließe sich noch um einiges verlängern. Sucht man nach Erklärungen für die Divergenz der Stadtbucheinträge, so gilt es vor allem zu bedenken, daß die Eintragungen je spezifische Funktionen erfüllen sollten, die den Umfang der notwendigen Informationen definierten. Wenn es nur darum ging, einen gerade für eine Vikarie käuflich erworbenen Rentenanspruch rechtlich abzusichern, konnte eine Kurzidentifikation der Vikarie mittels des Namens ihres Stifters oder Inhabers durchaus genügen. Analog dazu mußte auch eine Vereinbarung über die künftige Ausübung eines Patronatsrechts nicht unbedingt beinhalten, was der Stifter ursprünglich über dasselbe bestimmt hatte. Bei der Eintragung eines Stiftungsaktes dagegen konnte das Interesse des Stifters über die schlichte Registrierung des Vorgangs hinausgehen und sich auf eine möglichst umfassende Dokumentierung der Stiftungsbestimmungen, also die Anfertigung einer wörtlichen oder inhaltlichen Wiedergabe der Stiftungsurkunde richten.73 Eine genauere Aufzeichnung von Stiftungsdispositionen konnte auch auf Veranlassung des Rates geschehen, insbesondere dann, wenn Bürgermeistern, Rats- oder Kammerherren eine bestimmte Aufgabe im Stiftungsvollzug zugedacht war.74 Die Aufzeichnungspraxis wurde aber sicherlich nicht nur von konkreten, funktionalen Überlegungen geprägt, sondern auch von langfristigen Veränderungen in der städtischen Buchführung, zumal einer immer genaueren schriftlichen Erfassung von rechtsrelevanten Sachverhalten, was sich bereits daran ablesen läßt, daß
Vgl. 2. Stb., Nr. 3585, Nr. 3657; bei letzterer handelt es sich um einen wörtlichen Auszug aus dem Testament des Stifters. 71 LM 4, Nr. 463. 72 LMl.Nr. 423. 73 Ein Beispiel für die Mehrfachdokumentation von Stiftungsanordnungen ist eine Ewiglichtstiftung Jakob von Hiddingens von 1428 in der Jakobikirche. Die ausführliche Eintragung darüber im Liber memorialis schließt mit dem Hinweis, daß den Provisoren der Jakobikirche und den Provisoren der Fronleichnamsbruderschaft als den Stiftungsbeauftragten je ein Notariatsinstrument über die Stiftung ausgehändigt worden sei; LM 5, Nr. 42. 74 Dies legt vor allem der einzige ausführliche Stiftungseintrag im ältesten Stadtbuch über eine Ewiglichtstiftung in der Nikolaikirche nahe, der zugleich als einziger eine Aufsichtsfunktion der Ratsherren vorsieht; diese wird in bemerkenswerter Weise formuliert, indem nämlich am Ende die Ratsherren ihren zukünftigen Nachfolgern den Auftrag dazu erteilen: Et nos cónsules committimus nostris successoribus, prout deum et animarum suarum salutem dilexerint et quemadmodum altissimo super hiis responderé in die nouissimo voluerint, eadem firmiter et perhenniter obseruanda, quecunque predicti homines coniugati ad laudem et dei gloriam in hiis articulis fecisse euidencius dinoscuntur; 1. Stb., II Nr. 269. 70
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Quellenlage und Methode
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dem ältesten Stadtbuch die Einträge im Liber memorialis und auch schon im zweiten Stadtbuch im Durchschnitt deutlich länger ausfallen. Nachdem die einzelnen Quellengattungen im Hinblick auf ihren Aussagewert zum Stiftungsverhalten und auf ihre serielle Qualität etwas ausführlicher betrachtet wurden, können die beiden noch offenen Fragen, nämlich die Überlieferungslage zum Stiftungsvollzug und die quellenmäßigen Voraussetzungen für einzelne case studies, in kürzerer Form behandelt werden. Die Quellenlage zu Fragen des Stiftungsvollzugs reicht in keiner Hinsicht an die günstigen Bedingungen für die Erforschung des Stiftungsverhaltens heran. Dies liegt zuvörderst daran, daß das für letztere so wertvolle Corpus der Testamente zur Untersuchung des Stiftungsvollzugs kaum Substantielles beizutragen vermag. Denn die Testamente bieten im wesentlichen nur zwei Arten von Informationen, die diesbezüglich von Belang sind: zum einen Zustiftungen, die Aufschlüsse über die Existenz und den Zustand bestehender Stiftungen ermöglichen, zum anderen Anordnungen von Testatoren über die Ausführung von Stiftungsvorhaben, mit der sie als Angehörige oder Vertraute der Stifter beauftragt worden
gegenüber
waren.
Urkunden, die im Zusammenhang mit dem Vollzug einer Stiftung zur Ausfertigung kamen, sind in geringerer Zahl überliefert als solche, die im Zuge der Planung oder Errich-
tung einer Stiftung entstanden sind. Zudem variiert ihr Informationswert beträchtlich und ist
oft recht begrenzt. So geben die zahlreichen Urkunden, mit denen Kleriker zu einem Benefizium präsentiert wurden, oder ihnen vom zuständigen Bischof oder Archidiakon das Benefizium übertragen wurde, in der Regel nur Auskunft über den Standort des Benefiziums, den neuen und den vorherigen Inhaber desselben sowie die Person, die das Präsentationsrecht ausübte.75 Vergebens sucht man hingegen meist nach dem Namen des Stifters und nach Angaben zur Dotierung und den Pflichten des Benefiziaten.76 Bei Geschäften wiederum, die der Sicherung regelmäßiger Einkünfte dienten, also bei Rentenkäufen, Landverpachtungen und ähnlichem, finden sich durchweg Angaben über die Ausstattung und die Empfänger einer Stiftung, nicht immer jedoch über den Stifter und die Stiftungsbeauftragten.77 Hinsichtlich der Frage nach dem sozialen Funktionsmechanismus von Stiftungen fällt noch stärker ins Gewicht, daß die Urkunden mit den beiden genannnten Betreffgruppen größtenteils Routinevorgänge registrieren, deren konkrete Aussagekraft nur gering ist. Urkunden hingegen, deren wesentlich aufschlußreicherer Entstehungszusammenhang auf Konflikte um Stiftungsgüter oder Patronatsrechte verweist, begegnen nur ganz vereinzelt. Daß das Corpus der Urkunden zum Stiftungsvollzug aufgrund der Heterogenität der Betreffe und der -
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Vgl. beispielsweise die Präsentation von Heinrich Nigebur zu einer Vikarie in der Jakobikirche (StAS Stadt. Urk. Nr. 1843) und die Übertragung der Vikarie an denselben (StAS Stadt. Urk. Nr. 1844). 76 Die Urkunde über die Präsentation von Borchard Plötze aus dem Jahre 1428 (StAS Stadt. Urk. Nr. 821) und ihr Gegenstück über die Vikarienverleihung (StAS Stadt. Urk. Nr. 825) teilen den Namen des Vikarienstifters Johann von Beke mit, dafür fehlt hier die Lokalisierung der Vikarie. 77 Vgl. das Dokument über einen Pachtkauf durch den Vikar Ewald Rellin (StAS Rep. 11 Nr. 67, fol. 12V) ohne Stifterangabe mit dem Rentenkauf zugunsten einer von Johann Berndes gestifteten Vikarie (StAS HS IX.2, Kopiar HI, S. 173-175). 75
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Forschungslage, Quellen und Methode
bereits skizzierten Divergenzen in der gesamten Stralsunder Urkundenüberlieferung in serieller Hinsicht kaum Auswertungsmöglichkeiten bietet, braucht kaum noch betont zu werden. Nach den Urkunden stellen die Stadtbücher die zweitwichtigste Quellengruppe für Fragen des Stiftungsvollzugs dar. Die Eintragungen weisen eine ähnliche inhaltliche Spannweite wie die Urkunden auf.78 Ihre Anzahl und Ausführlichkeit bleibt indes hinter dem Maß zurück, das Voraussetzung für eine befriedigende Behandlung der entsprechenden Probleme wäre. Noch mehr gilt dies für die fragmentarische Überlieferung der Stralsunder Korporationen und klerikalen Institutionen; hier schlägt insbesondere zu Buche, daß der fast vollständige Verlust von Anniversarien und Nekrologien Aufschlüsse über die Dauerhaftigkeit des liturgischen Stiftergedenkens nicht zuläßt. Möglichkeiten zu ausgedehnten Fallstudien zum Stralsunder Stiftungswesen bietet die Überlieferung nur in Ansätzen. Sie werden durch mehrere Faktoren eingeschränkt, die in der Skizzierung der Stralsunder Überlieferungslage bereits angedeutet wurden. So liegen für mehrere gestiftete Personengemeinschaften beziehungsweise karitative Einrichtungen zwar Dokumente zum Gründungsvorgang vor, allerdings fehlt es fast gänzlich an einer späteren Überlieferung der einzelnen Häuser, in der sich deren Geschichte als die einer Stiftung und also das Verhältnis zwischen Stifter und gestifteter Gemeinschaft über die Gründung und den Tod des Stifters hinaus spiegeln würde. Das Stiftungsverhalten von Einzelpersonen oder Familien ist in einigen Fällen in einer Dichte belegt, die eine eingehendere Betrachtung ermöglicht; jedoch erreichen in keinem einzigen Fall die Stiftungsaktivitäten beziehungsweise ihr Niederschlag in den Quellen auch nur annähernd ein Ausmaß, das eine Zentrierung der Untersuchung auf eine oder mehrere case studies ermöglichen würde. Aus diesen Charakteristika der Überlieferungslage ergeben sich in zweierlei Hinsicht konzeptionelle Konsequenzen. Das Herzstück der Überlieferung zum Stralsunder Stiftungswesen bilden zweifellos die Testamente. Sie auch zur Leitüberlieferung der Studie zu machen, rückt unweigerlich das Stiftungsverhalten in deren Mittelpunkt. Der Umstand, daß die Quellen zum Stiftungsvollzug deutliche Defizite aufweisen und damit eine Untersuchung des sozialen Funktionsmechanismus der Stiftung vor erhebliche Probleme gestellt ist, legt eine thematische Ausrichtung auf die religiösen Dimensionen des Stiftungsverhaltens nahe. Damit muß freilich keineswegs eine völlige Vernachlässigung sozialer Aspekte verbunden sein. Insbesondere soll das Stralsunder Quellenmaterial dazu herangezogen werden, um die im nächsten Abschnitt herzuleitende Definition von ,Stiftung' und deren Probleme in der empirischen Anwendung zu diskutieren. Zweitens drängt sich angesichts der seriellen Qualität der Stralsunder Testamente der Einsatz quantifizierender Methoden geradezu auf. Die solcherart gewonnenen Ergebnisse sollen durch eine quantifizierende Bearbeitung der Stiftungsurkunden, soweit sie angesichts des
78
Dabei zeichnen sich im Detail einige nicht weiter verwunderliche Unterschiede in den inhaltlichen Betreffen zwischen Stadtbucheinträgen und Urkunden ab. So finden sich im Liber memorialis nur ausnahmsweise Nachrichten über Benefizienverleihungen (s. z.B. LM 2, Nr. 149). Der Dotierung von Stiftungen dienende Rechtsgeschäfte, die innerstädtische Immobilien betrafen, wurden meist in ein Stadtbuch eingetragen, während bei auswärtigen Besitztiteln die Ausstellung von Urkunden die Regel war.
3.
Quellenlage und Methode
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diesbezüglich problematischeren Materials möglich ist, ergänzt werden. Die Erträge nichtserieller Auswertung der übrigen Quellen79 lassen sich daran anlagern, womit weniger eine schlichte Anreicherung der Ergebnisse beabsichtigt ist als vielmehr gezielte Überprüfungen, Korrekturen und Erweiterungen der mit quantifizierenden Methoden gewonnenen Erkennt-
nisse. Die Entscheidung für eine Präferenz serieller Methoden erfolgt im übrigen nicht nur in dem Bemühen, sich die spezifischen Vorzüge der Stralsunder Überlieferungslage in konsequenter Weise zunutze zu machen, sondern wird durch zwei weitere, eng miteinander verbundene Momente bestimmt. Zum einen gibt dieser methodische Ansatz, der weniger nach dem Denken und Handeln des Einzelnen als vielmehr einer Gesamtheit von Personen fragt und weniger nach dem Verhalten in einem konkreten historischen Moment als nach den Verhaltensweisen und ihren Veränderungen über lange Zeiträume hinweg, die adäquate Antwort auf ein wichtiges Merkmal der hier vorliegenden Stiftungsquellen: ihre Stereotypie. Während der formale Charakter von Stadtbucheintragungen und Stiftungsurkunden, deren Arengen in den meisten Stralsunder Fällen keine individuellen Stiftungsmotive offenbaren, recht deutlich zutage tritt, erscheinen die Testamente auf den ersten Blick als Zeugnisse individuellen Denkens und Wollens in einer besonderen Lebenssituation, nämlich der Vorbereitung auf den eigenen Tod. Tatsächlich aber sind sie das Resultat vielschichtiger sozialer Prozesse: Nicht nur reagierten die Testatoren auf Bedürfhisse, Erwartungshaltungen und Normvorstellungen ihres Umfeldes, wenn sie Legate für Kirchen und Klöster, Spitäler und Bedürftige vorsahen und Angehörigen ihrer Familie und ihres Hauses Teile ihres Besitzes vermachten, wobei testamentarische Bestimmungen, gerade über größere Stiftungsvorhaben, nicht selten das Resultat konkreter Absprachen mit den Empfängern gewesen sein dürften.80 Auch der Vorgang der eigentlichen Testamentsabfassung war ein eminent soziales Ereignis, worauf bereits Jacques Chiffoleau mit Nachdruck hingewiesen hat.81 Denn die im Beisein von Zeugen stattfindende Endredaktion des Testamentstextes wurde meist durch einen juristisch geschulten Schreiber vorgenommen, der den Willen des Testators nicht nur in eine rechtlich einwandfreie Form goß, sondern ihn darüber hinaus durch Vorschläge zur Formulierung der Arenga, zum Aufbau des Textes und unter Umständen auch zur inhaltlichen Ausgestaltung einen Filter sozialer Gewohnheiten passieren ließ.82 Es sind die soziale Genese und Prägung der Testamente und ihre damit
79 Zu diesen sind auch einige noch nicht genannte, da quantitativ weniger bedeutsame Quellen zu zählen, z. B. verstreute chronikalische Notizen über Stiftungen oder Eintragungen über Stralsunder Stiftungspfründen in den Vatikanischen und Avignonesischen Registern. 80 Daß Stiftungen keineswegs a priori als autonome Stifterakte aufgefaßt werden dürfen, konnte Wolfgang Schmid am Beispiel Kölner Kunststiftungen zeigen, bei denen ein Ausgleich konkurrierender Interessen zwischen Stiftern und kirchlichen und monastischen Empfängern bis in das Bildprogramm der Kunstwerke hinein notwendig war; W. Schmid, Stifter und Auftraggeber (1994), 512-514. 81 Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 39, 84-86. 82 Diese Skizzierung des Vorgangs der Testamentsredaktion gilt selbstredend nur cum grano salis und bedarf der regionalen und zeitlichen Differenzierung. So wurde die Abfassung der römisch-rechtlichen Testamente in Avignon und der Gft. Venaissin im Beisein von sieben Zeugen in der Regel durch Notare vorgenommen, die den Notariatsinstrumenten eine verhältnismäßig uniforme Gestalt verliehen; vgl.
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Forschungslage, Quellen und Methode
verbundene Stereotypie, die sie weniger zu Zeugnissen individueller Anschauungen und Intentionen machen, zumal wenn sie den einzigen Quellenbeleg zu einer Person darstellen, als vielmehr zu Informanten über kollektive Gewohnheiten und Vorstellungen sowie deren allmähliche Veränderungen. In Zusammenhang damit steht die zweite Überlegung, die einen seriellen Ansatz bei der Auswertung der Stiftungsquellen angeraten erscheinen läßt. Ähnlich wie die Testierpraxis wird auch das Stiftungsverhalten in starkem Maße durch langfristig wirksame Faktoren geprägt, vor allem durch religiöse Vorstellungen und soziale Konventionen.83 Diese Einsicht darf zwar keineswegs in Richtung einer Negierung situationsgebundener Einflüsse verabsolutiert werden, läßt aber keine Zweifel daran aufkommen, daß eine Untersuchung der longue durée der Stiftungspraxis grundlegende Erkenntnisse über deren Wesen zutage fordern müßte. Um so erstaunlicher ist es, daß sich in dem immer vielfältiger werdenden Forschungsfeld zum mittelalterlichen Stiftungswesen bislang noch keine konsequent quantifizierende Untersuchung städtischen Stiftungsverhaltens und Stiftungsvollzugs findet. Lediglich in der Arbeit von Marlene Besold-Backmund über das Stiftungswesen in Forchheim und Weismain kommen serielle Methoden zum Einsatz; allerdings haben die Überlieferungslage und der kleinstädtische Untersuchungsrahmen zur Folge, daß der Quellenumfang erst für die nachreformatorische Zeit quantifizierbare Ausmaße annimmt.84 Es zeigt sich somit, daß die Voraussetzungen für ein vergleichendes Vorgehen, das bei der vorliegenden Thematik wie für die Stiftungsforschung insgesamt sicherlich als Königsweg gelten muß, nicht gegeben sind, sondern der Grundstein für eine vergleichende, quantifizierende Erforschung des städtischen Stiftungswesens erst noch gelegt werden muß. Obwohl die Entscheidung für den vorrangigen Einsatz serieller Methoden also triftige, in Überlieferungslage und Untersuchungsgegenstand gründende Argumente für sich reklamieren kann, führt sie nicht zu einer Überwindung der immanenten Probleme und Grenzen der Methode.85 Sie liegen darin begründet, daß der auf die Stiftungspraxis einer städtischen Gesellschaft und damit das soziale Ganze gerichtete Blickwinkel die Lebenswelt des einzelnen Stifters und damit den konkreten Kontext seines Stiftungsverhaltens nicht zu erfassen vermag. Zwar ließen sich, eine geeignete Überlieferungslage vorausgesetzt, Fallstudien zu einzelnen Stiftern durchführen, damit wäre aber noch nicht geklärt, wie sich diese zur Untersuchung der Stiftergesamtheit verhalten. Daß sich beide nicht einfach zu einer Synthese In Stralsund war zwar die Gegenwart zweier Ratsherren (in Notfällen zweier Bürger) und Einbringung des Testaments in den Rat, nicht aber die Abfassung durch einen Notar oder rechtsgelehrten Schreiber Voraussetzung für die Rechtsgültigkeit des Testaments. Infolgedessen war hier die Varianz der Schreiber höher und die Uniformität der Testamente geringer; letztere steigt mit der zunehmenden Rechtsgelehrtheit der Schreiber und der Verfestigung bestimmter Testierpraktiken im
ebd., 39, 86. die
15. Jh. an. Dieser Gedanke veranlaßte unlängst Michael Borgolte dazu, Bedenken gegen einen biographischen Zugriff auf das Stiftungsverhalten zu formulieren; Borgolte, Rez.: Hermann Kamp (1995). 84 Besold-Backmund, Stiftungen und Stiftungswirklichkeit (1986). 85 Die folgenden Ausführungen verdanken sich maßgeblich einem unveröffentlichten Vortrag von Michael Borgolte, gehalten am 4. Dezember 1993 auf einem Festkolloquium zu Ehren von Johannes Schildhauer in Berlin, wo der Referent parallele Überlegungen zur Testamenteforschung anstellte.
83
3.
Quellenlage und Methode
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verbinden lassen, liegt an der in der Geschichtswissenschaft jüngst wieder erörterten allgemeinen erkenntnistheoretischen Kluft zwischen dem Teil und dem Ganzen86; sie resultiert nicht allein aus der unlösbaren Frage nach der Repräsentativität des Einzelnen für das Ganze, sondern zudem aus dem Umstand, daß mit der Untersuchung beider Aspekte neben verschiedenartigen Methoden auch Fragen und Inhalte verbunden sind, die sich auf unterschiedlichen Ebenen bewegen. Lassen sich die Ergebnisse von quantifizierenden Untersuchungen auf der einen, case studies auf der anderen Seite also nicht ,aufheben', so ermöglichen sie immerhin gegenseitige Ergänzungen und Korrekturen. Daß dies im vorliegenden Fall nicht in gleichgewichtiger Weise geschehen kann, ist durch die bereits angesprochenen Merkmale der Überlieferungslage bedingt.
86
Vgl. die Beiträge in AchamlSchulze, Teil und Ganzes ( 1990).
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4.
Stiftung als Handlungsform Begriffs
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zur
Forschungslage, Quellen und Methode
Definition des
Ein Vorhaben, das sich um die Erfassung aller in einem bestimmten Quellencorpus vorkommenden Stiftungen bemüht, sieht sich unweigerlich vor die Aufgabe gestellt, den Stiftungsbegriff genau zu definieren, also zu einer möglichst klaren Abgrenzung der Handlungsformen Stiftung und Schenkung zu gelangen. Eine Klärung des Stiftungsbegriffs tut um so mehr not, als die Fachhistorie von einer einheitlichen Verwendung des Terminus noch weit entfernt scheint.1 Die Spannweite der Begriffsinhalte ist im wesentlichen durch zwei Divergenzen markiert. Zum einen begegnen neben einem Stiftungsverständnis, für welches das Kriterium der Dauerhaftigkeit des Stiftungszwecks konstitutiv ist, auch Begriffsverwendungen, die das Element der Permanenz nicht voraussetzen, bei denen also kein prinzipieller Unterschied zwischen Stiftung und Schenkung deutlich wird.2 Zum anderen lassen sich bei den Ansätzen, die Dauerhaftigkeit zugrunde legen, ein rechtshistorisch und ein sozialhistorisch geprägtes Begriffsverständnis unterscheiden. Am klarsten kommt die rechtshistorische Auffassung bei Siegfried Reicke zum Ausdruck, der Stiftungen allgemein definierte als „Bindungen von Gütern über das Dasein des Stifters hinaus zur Verwirklichung bestimmter Zwecke"3 und damit die Dauerhaftigkeit des vergabten Gutes zu einem Stiftungskriterium machte. Zu diesem Stiftungsbegriff gelangte Reicke infolge seiner Auffassung von der rechtlichen Eigenständigkeit der mittelalterlichen Stiftungen, die die Vorstellung von der dotatio als dem Kern
Einen „genuin mediävistischen Stiftungsbegriff' hat auch der Rechtshistoriker Dietmar Willoweit in einer kritischen Rezension der Dissertation Frank Rexroths eingefordert, ohne im übrigen dem durch Michael Borgolte gebahnten sozialhistorischen Stiftungsverständnis hierbei eine maßgebliche Funktion zuzusprechen; Willoweit, Rez.: Frank Rexroth (1996). 2 So verwendet Christine Sauer zur Abgrenzung vom Typus des Gründers (fundator) einer geistlichen Gemeinschaft einen weiter gefaßten Stifterbegriff zur „Bezeichnung eines jeglichen Wohltäters einer geistlichen Gemeinschaft unabhängig vom Umfang oder von der Art seiner Stiftung" [Hervorhebung im Original]; Sauer, Fundatio und Memoria (1993), 13; daß hierbei Dauerhaftigkeit nicht eindeutig als notwendige Voraussetzung fungiert, wird auch deutlich, wenn Sauer an anderer Stelle für den klösterlichen Bereich Stiftung als eine „Schenkung an ein Kloster mit der Verpflichtung zu einer Gegengabe" definiert, um im direkten Anschluß als scheinbar identische Definition eine solche Karl Schmids anzufügen, nach der Stiftung zu verstehen ist als „Widmung von wirtschaftlichen Gütern durch menschlichen Willen zu einem bestimmten Zweck, dessen dauerhafte Verwirklichung von der Rechtsordnung anerkannt wird." [Hervorhebung R. L.]; ebd., 23; vgl. auch ebd., 25. Ein ohne das Kriterium der Dauerhaftigkeit auskommender Stiftungsbegriff findet sich auch in anderen Arbeiten, ohne dort allerdings genau definiert zu werden; vgl. W. Schmid, Stifter und Auftraggeber (1994), 77 f.; Schulz, Testamente des späten Mittelalters (1976), 66; Hölzel, pro salute anime mee (1990), 31, 34 f.; Riethmüller, to tröste miner sele (1994), 49; Jaritz, Leben, um zu sterben (1985), 136; an anderer Stelle verwendet Jaritz den Stiftungsbegriff jedoch in engerem Sinne, wenn er Objektgaben nur im Falle einer intendierten Dauerhaftigkeit Stiftungscharakter attestiert; Jaritz, Religiöse Stiftungen (1990), 23. 3 Reicke, Stiftungsbegriff und Stiftungsrecht ( 1933), 247. 1
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Stiftung als Handlungsform
zur
Definition des Begriffs
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Stiftung und von einer Distanzierung des Stifters von der Stiftung nach dem initialen Stiftungsakt beinhaltete.4 Reickes These von der Rechtspersönlichkeit der mittelalterlichen Stiftung fand zwar kaum ungeteilte Zustimmung, aber die Frage nach der Eigenständigkeit von Stiftungen implizierte auch bei anderen rechtshistorisch orientierten Ansätzen die Vorstellung, zu einer Stiftung gehöre in jedem Fall ein dauerhaftes Stiftungsgut.5 Der Stiftungsbegriff läßt sich anders fassen, wenn man wie in der vorliegenden Untersuchung ein sozialhistorisches Stiftungsverständnis zugrunde legt. Geht man mit Michael Borgolte davon aus, daß die mittelalterliche Stiftung gekennzeichnet ist durch eine soziale Wechselbeziehung zwischen den Stiftungsempfängern und dem Stifter, der auch nach seinem Tod als Rechtssubjekt fortexistiert, dann liegt es nahe, das Kriterium der intendierten Dauerhaftigkeit einer Stiftung nicht an das Stiftungsgut, sondern an die durch die Stiftung geschaffene soziale Beziehung zu knüpfen. In diesem Sinne lassen sich Stiftungen im Mittelalter definieren als Vergabungen von Gütern, mit denen ein bestimmter, vom Stifter gesetzter Zweck auf unbegrenzte Dauer realisiert werden soll.6 Garant für den Erfolg der Stiftungsintentionen ist also der Stiftungsvollzug durch bestimmte Personen und damit die soziale Bindung zwischen diesen und dem Stifter. Die Dauerhaftigkeit des vergabten Gutes beziehungsweise eine unbegrenzte Wiederholung der Gabe stellt hingegen insofern keine notwendige Bedingung dar. Veranschaulichen läßt sich dies an einer Stiftungsform, die in ihren verschiedenen Varianten im Spätmittelalter sehr häufig begegnet. Dabei ersuchte der Stifter bei einer geistlichen Kommunität, sei es ein Kloster, eine Pfarr- oder Spitalkirche, um eine vergleichsweise wenig aufwendige Memorialleistung, beispielsweise um die Verlesung seines Namens in der Fürbitte nach der sonntäglichen Predigt oder während der Messe, und gab dafür einen einmaligen, meist eher niedrigen Geldbetrag oder eine kleine Sachspende. Die Verwendung der materiellen Gabe unterlag keinen Auflagen, ihre dauerhafte Existenz war in keiner Weise gesichert und auch gar nicht vorgesehen. Der Anspruch des Stifters auf Fürbitte gründete zwar auf seiner Gabe, wurde aber nicht durch eine Wiederholung der Gabe der
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aktualisiert, sondern stützte sich auf die auch nach dem Tod des Stifters fortbestehende Ver-
pflichtung der Gemeinschaft zur Gegenleistung. Eine zweite wichtige Implikation der Stiftungsdefinition betrifft die Beziehung zwischen Stifter und Destinatären. Eine Fürbittleistung für den toten Stifter ist, obwohl sehr oft anzutreffen, nicht als notwendiger Bestandteil der Verpflichtung der Lebenden und damit einer Stiftung anzusehen. So war es beispielsweise bei karitativen Stiftungen zwar häufig der Fall, aber eben nicht die Regel, den Empfängern Gebete für ihren Wohltäter aufzuerlegen.7 Bei
4 5
6 7
Vgl. dazu auch Rexroth, Deutsche Universitätsstiftungen (1992), 47 f. Vgl. Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938); ebenso unlängst Fuhrmann, Kirche und Dorf (1995), 8. Dieser Stiftungsbegriff begegnet durchaus auch in Beiträgen, die ansonsten keine rechtshistorische Ausrichtung aufweisen; s. beispielsweise Jezler, Jenseitsmodelle und Jenseitsvorsorge (1994), 22 f. Vgl. ebenso Borgolte, Die Stiftungsurkunden Heinrichs II. (1993), 232. So kam Frank Rexroth bei der Untersuchung der Almosen- und Memorialpraxis im spätmittelalterlichen London zu dem Ergebnis, daß verschiedene Gruppen von Almosenempfängern in unterschiedlicher Intensität zum Gebetsgedenken herangezogen wurden: Angeordnet in der Art konzentrischer Kreise,
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Forschungslage, Quellen und Methode
einer Ewiglichtstiftung wiederum waren gar keine Nutznießer materieller Gaben involviert, sondern lediglich bestimmte Stiftungsbeauftragte, die dafür Sorge zu tragen hatten, daß von den gestifteten Mitteln Kerzen gekauft und an dem dafür bestimmten Ort entzündet wurden; zur Fürbitte für den Stifter waren sie nicht verpflichtet, wohl aber zur Ausführung der
Stiftungsbestimmungen.
Wenn also Gebetsmemoria nicht als konstitutiver Teil der Beziehungen zwischen Stifter und Stiftungsempfängern beziehungsweise -beauftragten aufgefaßt wird, so verdeutlicht dies, daß die Definition hier mit Bedacht nur formale Kriterien vorgibt, die Stiftung als eine bestimmte soziale Praxis beschreiben, ohne zugleich konkrete Aussagen über die religiösen Vorstellungen und Intentionen der Stifter zu formulieren. Zwar gilt auch für das Stiftungswesen in der spätmittelalterlichen Stadt, daß Stiftungen sehr häufig mit liturgischer Memoria oder privater Fürbitte verbunden waren; dennoch dürfen diese Elemente einer Unterstützung der Lebenden für die Toten nicht a priori als zentrales Anliegen einer jeden Stiftung angesehen werden. Andererseits ist es für das Verständnis des sozialen Mechanismus der Stiftung wesentlich, jegliches Handeln für den Vollzug einer Stiftung gemäß dem Willen des toten Stifters im Kern als memoriales Handeln zu begreifen, da es die Vergegenwärtigung des Stifters in seinem Werk und den damit verbundenen Beziehungen zu den Lebenden ermöglichte. Definiert man Stiftung als Vergabung eines Gutes, mit der ein bestimmter, vom Stifter gesetzter Zweck auf unbegrenzte Dauer realisiert werden soll, so ist man trotz der damit gewählten formalen Kriterien keineswegs in der Lage, alle Vergabungsphänomene ohne weiteres als Stiftung oder Schenkung zu klassifizieren. Probleme rühren zum einen daher, daß bestimmte Vergabungsformen gewisse Ambivalenzen aufweisen und deshalb eingehender betrachtet werden müssen, zum anderen daher, daß die Formulierungen in den Quellen sowie die jeweils verfügbaren sonstigen Informationen nicht immer für ausreichende Klarheit sorgen. Zu den generell erläuterungsbedürftigen Fällen gehören in erster Linie Vergabungen von Sachobjekten im kirchlichen Bereich, also von liturgischen Geräten und Büchern, Meßgewändern, Altar- und Kirchenschmuck. Liturgische Geräte und Gewänder wurden häufig einzelnen Geistlichen testamentarisch vermacht, meist ohne daß damit Auflagen über eine bestimmte dauerhafte Verwendung der Objekte verbunden wurden. Die Empfänger konnten somit frei über sie verfügen, sie nach eigenem Gutdünken veräußern oder ihrerseits testamentarisch vermachen. Da der Geber hier also nicht für alle Zeiten eine bestimmte Verwendungsweise vorschrieb, ist diese Vergabungsform dem Typus der Schenkung zuzuordnen.
befanden sich demnach im innersten Zirkel Spital- und Armenhausinsassen, die in den meisten Fällen auf ein regelmäßiges Gebetsgedenken verpflichtet wurden, und im äußersten Zirkel die Empfänger öffentlicher Almosenverteilungen, denen eine memoriale Gegenleistung nicht explizit auferlegt wurde; Rexroth, Armut und Memoria (1994), bes. 348-351. In manchen Fällen läßt sich aber selbst bei Stiftungsspitälern keine Memorialverpflichtung der Insassen nachweisen; vgl. zu dem vom burgundischen Kanzler Rolin gestifteten Spital von Beaune Kamp, Memoria und Selbstdarstellung (1993), 276-278, 286.
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Stiftung als Handlungsform
zur
Definition des Begriffs
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Auch Vergabungen an Kirchen oder Klöster konnten ohne Verwendungsauflage erfolgen mit derselben Konsequenz für ihre Häufig jedoch verfügte der Geber, daß ein Abendmahlskelch oder ein Meßgewand an einem bestimmten Altar auf Dauer zu verwenden sei9, daß eine Kette oder ein Armreif einem Altar oder einem Heiligenbildnis als dauerhafte Zierde dienen sollte.10 Das formale Stiftungskriterium der dauerhaften Zweckbestimmung ist hier also erfüllt. Aber bedurfte es in solchen Fällen überhaupt der Mitwirkung von Personen, die dadurch in eine soziale Beziehung zum Stifter traten? Offenkundig unterblieb hier ein sich wiederholender, aktiver Stiftungsvollzug, wie er beispielsweise bei einer Almosenstiftung vonnöten war. Immerhin bedurfte es aber der dauerhaften Beachtung des Stifterwillens durch die beteiligten Personen, also den oder die jeweiligen Altarpriester und die zuständigen Provisoren. Sie waren somit auch ohne explizite Anweisung gehalten, das gestiftete Objekt vor einer Zweckentfremdung zu bewahren, hatten mithin einen Auftrag zu memorialem Handeln in oben beschriebenem Sinn, wodurch der Stiftungscharakter derartiger Objektvergabungen bestätigt wird. Als zusätzliche Sicherung gegen eine Zweckentfremdung konnte der Stifter seine Gabe durch eine Inschrift oder gegebenenfalls sein Wappen kennzeichnen lassen. Derartige Hinweise auf den Stifter erfüllten zugleich eine ostentative Funktion, die verbunden sein konnte mit der Hoffnung auf Fürbitte, sei es durch den Meßpriester, die einer Messe beiwohnenden Gemeindemitglieder oder den Betrachter gestifteter Kirchenfenster, Altarretabeln oder Heiligenfiguren.11 Allerdings mußte der Wunsch nach Fürbitte der Lebenden nicht im Zentrum der Stifterintentionen stehen und ist, wie bereits dargelegt, nicht maßgebend für den Stiftungscharakter einer Objektgabe. Denn folgt man den Formulierungen von Testatoren, so war eine solche Gabe oftmals in erster Linie an den jeweiligen Heiligen gerichtet, von dem
Klassifizierung.8
-
8
Daß die
Vergabung
eines Kultgegenstandes durchaus in der Erwartung seiner Veräußerung erfolgen B. das Testament von Agathe Louwes erkennen, welches für das Birgittenkloster Marienkrone ein Paternoster tor buwete vorsah; StAS Test. Nr. 962. Einen mutmaßlichen Beleg für einen derartigen Verkauf stellt ein Eintrag in einem Buch der Gewandschneiderkompanie dar, der den Ankauf eines fertigen Abendmahlskelches von den Provisoren der Marienkirche zur Verwendung am Gewandschneideraltar in derselben Kirche festhielt. Vermutlich war der Kelch durch eine Vergabung in kirchlichen Besitz gelangt und von den Provisoren für entbehrlich erachtet worden; StAS Gewandhaus HS 5, S. 50. In unmißverständlichen Worten äußerte Bedekin Sachtelevent seine Geberintentionen bei seinem testamentarischen Kelchlegat für die Nikolaikirche: Et nolo quod idem calix vendatur vel frangatur sed quod ad eandem ecclesiam manebit ad cultum divinum; StAS Test. Nr. 107. So bestimmte beispielsweise Peter Haiesten in seinem Testament, seine silberne Kette solle dem Kruzifix vor dem Chor in der Nikolaikirche umgehängt werden; StAS Test. Nr. 694; ähnlich StAS Test. Nr. 698 (s. unten S. 54 Anm. 12). Eine Objektvergabung konnte natürlich auch mit einer expliziten Memoria-Auflage verbunden werden, wodurch sie in die typologische Nähe zu einer liturgischen Gedenkstiftung mit einmaliger Gabe und sich wiederholender Fürbittleistung rückt. Beispielsweise stiftete 1397 Timmo Swarte der Kirche zu Velgast einen Kelch, dar scholen se myner zele vore dencken unde myner olderen to eweghen tyden; StAS Test. Nr. 471.
konnte, läßt
9
10
11
z.
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Forschungslage, Quellen und Methode
Oder sie zielte als gutes Werk auf eine direkte göttliche man sich Fürsprache erhoffte. Vergeltung ohne Umwege über die Fürsprache eines Heiligen oder die Fürbitte eines Men-
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schen. So bestimmte der Stralsunder Bürger Peter Haiesten in seinem Testament von 1474 deme lidende Christi eine silberne Kette zur Anbringung an dem Kruzifix vor dem Chor der Nikolaikirche, up dat sin hilge lident myyo to hulpe körne.13 Schwierigkeiten bereitet die Klassifizierung von Legaten zur Herstellung von Fenstern und zum Kirchenbau ganz allgemein. Mit Hilfe der dafür bereitgestellten Mittel wurden zwar dauerhafte Gegenstände geschaffen, eine ständige Mitwirkung bestimmter Personen aber war nach der einmal erfolgten Verwendung der Mittel generell nicht mehr vonnöten. Zudem führte eine Spende für die Kirchenfabrik oder ein kleiner Beitrag zur Teilfinanzierung eines großen Fensters nicht zu eigenständigen Werken, die kommende Generationen noch auf ihren Urheber hätten hinweisen können. Sind insoweit die Stiftungskriterien nicht erfüllt, so weiß man andererseits darum, daß im Spätmittelalter Kirchenfenster sehr häufig mit Inschriften, Wappen und Bildern versehen wurden, die ihre Spender kenntlich machten14, und des öfteren auch auf Bausteinen im Kircheninneren Hausmarken auf die Familie des Gebers verwiesen. Solche Kennzeichnungen ermöglichten die Identifizierung des Wohltäters und damit das erhoffte Gedenken durch spätere Betrachter. Ihr Vorhandensein erlaubt es also, die entsprechende Vergabung als Stiftung aufzufassen. Damit ist ein deflatorisches Problem gelöst, ein methodisches jedoch neu aufgeworfen: Wie sollen die einzelnen testamentarischen Legate beurteilt werden angesichts der Tatsache, daß sich in den Testamenten regelmäßig keine Angaben über derartige Kennzeichnungen von Fenstern finden? Hier helfen, ebenso wie bei ähnlich gearteten, noch zu behandelnden Schwierigkeiten, nur Plausibilitätsüberlegungen weiter: Darf man bei der Vergabung ganzer Fenster die Kennzeichnung der aufwendigen Gabe und damit das Vorliegen einer Stiftung als wahrscheinlich annehmen15, so läßt sich gleiches nicht von einfachen Baulegaten oder von kleineren Beiträgen zur Finanzierung eines Fensters sagen; solche Vergabungen werden
Im Jahre 1475 bestimmte der Ratsherr Johann Saterok testamentarisch eine Goldkette für das Marienbild auf dem Altar zu St. Birgitten, de schalme er in dem hals hengen ...up dat se ere ¡eve kint vor my bidde; StAS Test. Nr. 698. In derselben Hoffnung hatte sieben Jahre zuvor Barbara Grape zwei Marienbildnissen, eines in der Johanniskirche, das andere in der Katharinenkirche, je ein Paternoster vermacht, nämlich up dat de leve moder Godes ere leve kynd truweliken vor my bidde; StAS Test. Nr. 668. Auf eine vergleichbare Erwartungshaltung weist die Legende der hl. Kaiserin Kunigunde bzw. der Seelenwägung von Kaiser Heinrich II. hin: Als es nach dem Tod des Kaisers zur Wägung seiner Seele kommt und sich die Waage zur Seite seiner Sünden zu neigen droht, erscheint der hl. Laurentius und legt einen vom Kaiser der Eichstätter Kirche gestifteten Kelch in die Gegenschale, wodurch die Seele Heinrichs gerettet wird; zur Legende s. Legenda áurea, 572; eine bildliche Darstellung der Legende in: Himmel, Hölle, Fegefeuer (1994), 220 f. 13 StAS Test. Nr. 694. 14 Becksmann, Fensterstiftungen und Stifterbilder (1975), bes. 71 f., 76-80, 83 f.
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15
Diese Annahme kann durch die Beobachtung ergänzt werden, daß besonders bei Fenstern mit Glasmalereien mitunter die Familien der Stifter oder, wenn eine Korporation als Stifterin auftrat, dieselbe auf die Erhaltung der Fenster verpflichtet wurden; auch kam es vor, daß einzelne Stifter eine Geldrente für laufende Ausbesserungsarbeiten an ihren Fenstern bereitstellten; Becksmann, Fensterstiftungen und Stifterbilder (1975), 84.
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Stiftung als Handlungsform
zur
Definition des Begriffs
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Stiftungen aufgefaßt, es sei denn, sie seien mit einer expliziten Memorialauflage verknüpft. Bei diesem Vorgehen muß man jedoch in methodischer Hinsicht der Möglichkeit eingedenk bleiben, daß scheinbar kleine Fensterlegate in vereinzelten Fällen dennoch zu einer Fenstermarkierung führen konnten und damit der Stiftungscharakter dieser Vergabung unerkannt bleibt und daß umgekehrt, aber sicherlich noch seltener, ein Verzicht auf Kennzeichnung bei einem in toto gespendeten Fenster vorkommen konnte und somit eine fälschliche Einstufung als Stiftung erfolgt. Eine besondere Variante der Objektvergabung liegt vor, wenn der Empfänger eine vom Geber selbst gestiftete Kapelle oder Kirche ist. In diesem Fall wird durch die Gabe im Regelfall keine gesonderte soziale Beziehung begründet, sondern eine vorhandene (oder geplante) Beziehung zwischen dem Stifter und den jeweiligen Geistlichen und Provisoren bestätigt beziehungsweise verstärkt. Dieser Typus besitzt also nur in eingeschränkter Weise Stiftungscharakter; es erscheint daher angebracht, für ihn in Abgrenzung von einer eigenständigen Stiftung den Begriff .Zustiftung' zu verwenden. Der Begriff der Zustiftung, verstanden als Vergabung eines materiellen Gutes an eine bestehende Stiftung, ohne daß damit eine separate und dauerhafte Beziehung zwischen dem Geber und den Begünstigten oder Verwaltern der bestehenden Stiftung beabsichtigt wäre, läßt sich zur Kennzeichnung weiterer Phänomene heranziehen. So bestimmte Johann Bolkow in seinem 1501 verfaßten Testament 50 Mark sundisch to der lampe achter der hilgen dre koninge altare vor deme Marien bylde in der Jakobikirche.16 Es ist zu vermuten, daß die Lampe auf eine Ewiglichtstiftung zurückging, so daß das Legat einer Erhöhung des womöglich nicht mehr ausreichenden Kapitalstocks gedient haben dürfte. Ein paralleler Vorgang vollzog sich bei der Almosenstiftung des Stralsunder Bürgermeisters Matthias Darne, als Hans Lussow in seinem Testament einen Gulden to den almyssen van her Darnes wegen selyger dachtnysse umme de leve Gades bestimmte.17 Bei einem solchen Legat für eine bestehende Almosenstiftung stellt sich allerdings die Frage, ob die Gabe auch dann, wenn eine explizite Memorialklausel im Testament fehlt, eine memoriale Gegenleistung der Almosenempfänger zur Folge hatte. Dies muß als wenig wahrscheinlich gelten, zumal bei öffentlichen Almosenverteilungen wie im vorliegenden Fall, bei denen nicht einmal eine Fürbitte für den eigentlichen Stifter als üblich anzusehen ist.18 Unterblieb eine solche Memorialleistung, so bestand für die Exekutoren einer Stiftung wiederum keine Veranlassung, die Erinnerung an jeden einzelnen Geber aufrechtzuerhalten, so daß es zu keiner dauerhaften sozialen Bindung kam. Die genannten und analoge Vergabungen sollen als ,Zustiftungen' erfaßt werden, um kenntlich zu machen, daß sie zwar keine eigenständigen Stiftungen begründeten, aber zu deren Erhaltung beitrugen, und daß sie durch eben dieses Bestreben motiviert sein konnten, demnach nicht als
...
auch wenn solches im Einzelfall meist nicht nachweisbar ist. Mit Blick auf die Intentionen der Handelnden soll ein bestimmter Typus nicht als Zustiftung erfaßt werden, nämlich einfache Legate an Klöster und Spitäler, die durch einen Stiftungsakt entstanden sind; dem liegt
16 17
18
StAS Test. Nr. 850. StAS Test. Nr. 947. Vgl. Rexroth, Armut und Memoria
(1994), 349-351; s. zur Almosenstiftung Dames unten S. 236, 241.
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Forschungslage, Quellen und Methode
die Annahme zugrunde, daß deren Stiftungsqualität für die Testatoren und andere spätere Wohltäter bei der Vergabungsentscheidung mit der Zeit kaum noch von Belang war, daß sie also im wesentlichen wie nichtstiftische Klöster und karitative Einrichtungen behandelt wurden.
Mit der Klärung der definitorischen Fragen, die sich bei der Unterscheidung der Handlungsformen Stiftung, Zustiftung und Schenkung stellen, sind jedoch noch nicht die schwierigen methodischen Probleme gelöst, die sich daraus ergeben, daß der quantifizierende Ansatz der Untersuchung die Identifizierung möglichst jeder in den Quellen vorkommenden Vergabung als Stiftung, Zustiftung oder Schenkung verlangt. Dieses Erfordernis stellt sich besonders für die Quellengruppe der Testamente und bereitet hier zugleich die meisten Schwierigkeiten, da knappe Formulierungen mitunter keine klaren Aufschlüsse über den Charakter einzelner Legate zulassen.19 Dabei hat der Historiker im übrigen keineswegs Grund zu der Annahme, das, was ihm verborgen bleibt, könnte auch den Zeitgenossen der Testatoren unklar gewesen sein. Vielmehr sind die
Rätsel, die ihm die
Testamentstexte
nachträglich aufgeben, wohl vor allem zwei Momenten zuzuschreiben: Oftmals ersetzten sicherlich mündliche Durchführungsanweisungen an die Testamentsvollstrecker ausgedehnte schriftliche Bestimmungen. Ins Gewicht fällt zudem und vielleicht noch stärker, daß
bestimmte Sachverhalte und Absichten keines Ausdrucks bedurften, weil sie allen Beteiligten im Unterschied zu späteren Generationen selbstverständlich erschienen, mit anderen Worten: Bestandteil ihres sozialen Wissens waren. Wendet man sich den durch diese Eigenheiten der Testamente aufgeworfenen Problemen zu, so wird sogleich deutlich, daß deren Lösung im vorliegenden Fall durch den fast gänzlichen Verlust der memorialen Gegenüberlieferung der Legatempfänger erheblich erschwert wird.20 Als methodische Kompensationsmöglichkeiten verbleiben aber immerhin genaue inhaltliche und sprachliche Vergleiche zwischen den einzelnen Testamenten sowie der behutsame Rückgriff auf Erkenntnisse, die für andere Orte gewonnen wurden oder zu gewinnen sind. Der genaueren Erörterung bedarf vor allem jene Gruppe von Stiftungen, die eine dauerhafte liturgische Memoria zu begründen suchten. Daneben und zuvor ist aber auf Identifikationsprobleme bei Objektvergabungen einzugehen. Wie bereits erläutert, werden Objektvergabungen, abgesehen von den Fällen der Verbindung mit einer Fürbittklausel, nur dann als Stiftungen aufgefaßt, wenn der Geber deren unbefristete Verwendung an einem bestimmten Ort verfügte. Denn nur dann wurde eine dauerhafte Beachtung des Stifterwillens durch die -
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19
20
sprachliche Kürze von Testamentstexten wurde auch schon in anderen Arbeiten Marguerite Gonon für ein Quellencorpus, das die Stralsunder Testamente in dieser
Die inhaltliche und
konstatiert,
so von
Hinsicht fraglos zu übertreffen vermag, nämlich die Testamentsakten aus dem zentralfranzösischen Forez, also einem durch und durch ländlichen Milieu; Gonon, Culture Matérielle (1990), 83-85, 91. Nur wenig vermag da die zweifellos zutreffende Feststellung von Gerhard Jaritz zu trösten, daß bei Objektvergabungen, insbesondere bei Gegenständen des alltäglichen Ge- und Verbrauchs, das Bedürfnis nach einer schriftlichen Fixierung der Gabe beim Geber in der Regel ausgeprägter war als beim Empfänger, somit die Überlieferung der Empfangerseite für sich allein genommen hier noch größere Probleme aufzuwerfen imstande ist; Jaritz, Religiöse Stiftungen (1990), 21 f.
4.
Stiftung als Handlungsform
zur
Definition des Begriffs
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Empfänger erforderlich; dies war nicht der Fall, wenn eine Kirche oder ein Kloster über das Objekt, häufig ein liturgisches Gerät oder Gewand, frei verfügen konnte. Was aber, wenn der genaue Ort der Verwendung vom Testator mündlich vorgegeben wurde oder wenn mangels Alternativen nähere Anweisungen überflüssig waren? Derartige Fälle sind zweifellos als Stiftungen zu behandeln. Allerdings liegen meist keine hinreichenden Indizien für die
Annahme der genannten Konstellationen vor. Eine solche Vermutung läßt sich kaum stichhaltig begründen, wenn beispielsweise eine Testatorin anordnete, einen Abendmahlskelch herzustellen und uni ecclesie, que sit pauper, zu vergeben21, oder wenn ein Testator ecclesie beate virginis meam scalam argenteam ad calicem vermachte.22 Es gibt allerdings auch Fälle, bei denen die genaue Destination eindeutig, weil alternativlos erscheint. Hierzu können Vergabungen von liturgischen Geräten oder Gewändern an geistliche Bruderschaften gezählt werden, da diese in der Regel nur über einen Altar verfügten, an dem das Objekt offenbar Verwendung finden sollte.23 Ebenso darf man davon ausgehen, daß die Vergabung kostspieliger Kunstwerke nicht vonstatten ging, ohne daß es zu genauen Absprachen mit dem Empfänger über deren Plazierung und vielleicht auch deren künstlerische Gestaltung gekommen wäre.24 Mit Hilfe solcher Überlegungen können etliche Fälle mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit als Stiftungen identifiziert werden, so daß nur eine kleinere Anzahl von Objektvergabungen übrigbleibt, die mangels gegenteiliger Indizien als Schenkungen
S. das Testament von Adelheid, der Witwe von Bernhard Institor; StAS Test. Nr. 148. So lautete ein Legat im Testament Heinrich von Zipkes von 1334; PUB VIII, Nr. 5140, S. 286. In ähnlicher Weise bestimmte eine gewisse Adelheid im Jahre 1330 Silbergerät ad unum calicem ad ecclesiam beate virginis; PUB VII, Nr. 4561, S. 343. Ein Gegenbeispiel stellt das Kelchlegat von Bedekin Sachtelevent an die Nikolaikirche dar, bei dem ein Kelch zwar ebenfalls einer Pfarrkirche und nicht einem bestimmten Altar in dieser zugesprochen wurde, die Gabe aber dennoch Stiftungsqualität erhält durch folgende Auflage: Et nolo quod idem calix vendatur vel frangatur sed quod ad eandem ecclesiam manebit adcultum divinum; StAS Test. Nr. 107. 23 Beispielsweise vermachte Wolter Kremer der Paulusbruderschaft in der Johanniskirche sein bestes Tafellaken und 1 Vi M sund. zur Herstellung eines Altarlakens (StAS Test. Nr. 787) und Thomas Vischer seinen Paternoster der Jakobibruderschaft in der Katharinenkirche; StAS Test. Nr. 650. Während hier also mit gutem Grund die Stiftungsqualität des Legats angenommen werden darf, steht sie außer Zweifel, wenn sich überdies Zusätze finden wie in einem Testament aus dem Jahre 1451, in dem den Stralsunder Kalandsherren die beträchtliche Summe von 78 M sund. zum Kauf eines Meßgewands vermacht wurde, des se in deme kalande bruken mögen to déme denste Godes, dat se God bidden vor Ludolfo unde mester Gerde Gropen, den God gnade, unde vor my; StAS Test. Nr. 620. 24 So hielt das Testament von Gerhard Brockmöller zwar lediglich fest, daß die Testamentsvollstrecker das kleine Vermögen von 200 fl. rhein. und 100 M sund. verwenden sollten zur Bezahlung einer Altarretabel, dar seal yn sneden wesen de passie unses leven heren und buten up der tafelen seal sunte Bartolomeus passie syn gemalt. Diese Retabel gebe er in myne lantstat to Wyttenborch ymme lande to Mekelenborch; StAS Test. Nr. 908. Weitere Angaben hielt der Testator an dieser Stelle offenbar für überflüssig; aber daß er solches in die Wege geleitet hätte, ohne in seiner Heimatstadt Wittenburg eine genaue Vereinbarung über die Aufstellung der Retabel getroffen zu haben, ist kaum vorstellbar. Vgl. die zahlreichen, von Wolfgang Schmid untersuchten Kölner Fälle, in denen der Herstellung aufwendiger Kunstwerke offensichtlich ausführliche Verhandlungen zwischen Stifter und Empfänger, aber auch zwischen Stifter und Künstler über deren Gestaltung vorausgingen; W. Schmid, Stifter und 21 22
Auftraggeber (1994).
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Forschungslage, Quellen und Methode
anzusehen sind, ohne daß sich hier die Möglichkeit einer ,verdeckten' Stiftung völlig ausschließen ließe. Erheblich größere Probleme bereiten diejenigen Vergabungen, die mit dem ausdrücklichen Verlangen nach liturgischer Memoria verbunden waren. Bei der Untersuchung ihres Stiftungscharakters geht es regelmäßig darum herauszufinden, ob die gewünschte Memorialleistung dauerhaft erfolgen sollte oder nicht. Die Notwendigkeit dieser Überprüfung ergibt sich aus zahlreichen Belegen für zeitlich befristete Gedenkformen im Spätmittelalter. Weit verbreitet war der Brauch, eine besondere Totenfeier für den Verstorbenen nur an den traditionellen Gedenktagen, dem dritten, siebten seltener dem neunten -, dem dreißigsten sowie dem Jahrestag nach dem Tage des Todes oder der Bestattung zu begehen.25 Demgegenüber wurde der Wunsch nach Totenfeiern für eine begrenzte Zeit über den Jahrestag hinaus wesentlich seltener artikuliert.26 Auch die Zeitspanne der Fürbitte für einen Verstorbenen im Gottesdienstgebet konnte variieren, wie beispielsweise aus dem Nekrolog der Lübecker Marienkirche hervorgeht, das Einträge über ein-, fünf- und zehnjähriges Gedenken im Anschluß an die Predigt beinhaltet.27 Folglich darf man nicht davon ausgehen, daß ein nicht näher präzisierter testamentarischer Wunsch nach memoria generell deren Dauerhaftigkeit implizierte; ebensowenig wie sich im übrigen die Annahme begründen läßt, daß testamentarische Legate an klerikale Institutionen auch dann regelmäßig an die Erwartung einer memorialen Gegenleistung geknüpft waren, wenn dieser Erwartung nicht Ausdruck verliehen wurde.28 -
Vgl. Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 172 f.; Lentze, Begräbnis und Jahrtag (1950), 333 f.; Schulz, Testamente des späten Mittelalters (1976), 41-43. Anzutreffen ist daneben auch die tägliche Totenfeier in den durch den dritten, siebten oder dreißigsten Tag markierten rituellen Zeiträumen; s. Schlemmer, Gottesdienst und Frömmigkeit (1980), 289. 26 Beispielsweise findet sich in einem Hamburger Testament aus dem Jahre 1350 ein Legat an die dortigen Franziskaner, das geknüpft ist an die Durchführung von Gedenkfeiern während eines fünfjährigen 25
27
28
Zeitraums: // talenta principaliter post obitum meum et Herum alio tempore II tálenla ad mee anime Vannorum spacium memoriam in vigiliis et missis habendam; ÜB Hamburg IV, Nr. 427, S. 344. Wehrmann, Der Memorienkalender (1892), 76 f. Aus Lübeck ist eine weitere interessante Variante bekannt: Marquard Langeside bestimmte in seinem Testament von 1350 100 M sund. dafür, daß in allen Kirchen der Stadt so lange von der Kanzel gebetet werde, wie es für diese Summe geschehen könne; ebd., 77; Brandt, Regesten der Lübecker Bürgertestamente, Bd. 1 (1964), 205 Nr. 398. Letzteres anzunehmen, ist offenbar Dietrich Poeck geneigt, der entsprechende Legate in Lübecker Testamenten als Gaben für die Memoria bezeichnet; Poeck, Totengedenken in Hansestädten (1991), 203-207. Dabei unterscheidet er im Hinblick auf die memoriale Gegenleistung für einfache Legate auch nicht zwischen allgemeinen Gaben an eine Kirche und Schenkungen an deren Baukasse, wobei er als Indiz für memoriale Konsequenzen letzterer auf eine Bremer und eine Osnabrücker Quelle über Memorialverpflichtungen von Dombauherren verweist; ebd., 207 Anm. 182. Jedoch bestehen die im Handbuch des Bremer Dombaumeisters Hemeling festgehaltenen Verpflichtungen des jeweiligen Baumeisters in der Zahlung gewisser Geldbeträge für bestimmte regelmäßige Gedenkfeiern bzw. in einem Fall für eine Vikarie, die jeweils auf eine tatsächliche Stiftung und nicht auf ein Baulegat zurückgegangen sein dürften; Klink, Johann Hemelings „Diplomatarium fabricae ecclesiae Bremensis" (1988), 91, 119 f. Ähnlich verhält es sich mit den von Poeck angegebenen Einträgen im Osnabrücker Domstrukturregister, die sich auf eine Gedenkfeier für Geseke Vysevase mit Seelmesse und Armen-
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Stiftung als Handlungsform
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Vermachte ein Testator einer geistlichen Kommunität etwas ad unam perpetuam to ewiger dechtnisse oder dat men Got to ewigen tyden vor my bidde, dann zwei konnten verschiedene Formen liturgischer Memoria gemeint sein, die sich allein anhand solcher und ähnlicher Formulierungen nicht sicher bestimmen lassen: entweder eine eigene, sich wiederholende Jahrtagsfeier oder eine regelmäßige namentliche Fürbitte im liturgischen Gebet. Eine Anniversarfeier fand meist am Todes- oder Begräbnistag des Verstorbenen statt und bestand im allgemeinen aus einer Vigil, also einem Totenoffizium mit Gebeten, Gesängen und Lektionen, deren Zusammensetzung bis zum Tridentinum variabel blieb, und einer sich anschließenden Totenmesse.29 Mitunter wurde eine solche Memorialfeier auch mehrmals pro Jahr gewünscht, wobei dann häufig die Tage besonders verehrter Heiliger als Termine gewählt wurden. Die namentliche Fürbitte konnte an mehreren Stellen in der allgemeinen Liturgie ihren Platz finden. In Frage kamen für ein individuelles Totenmemento das Stundengebet, das Eucharistiegebet und im Spätmittelalter vergleichsweise häufig das Gebet nach der Predigt im sonntäglichen Wortgottes-
memoriam,
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dienst.30
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Beide Formen liturgischen Gedenkens wurden, wie bereits ausgeführt, befristet und unbefristet praktiziert. Um nun zu eruieren, welche Variante sich jeweils hinter einer uneindeutigen Formulierung in den Stralsunder Testamenten verbirgt, und so herauszufinden, ob eine Stiftung vorliegt oder nicht, erscheint es sinnvoll, die Legate nach drei Empfängergruppen Pfarrkirchen, Klöster und Beginenhäuser sowie Bruderschaften getrennt zu untersuchen.31 Unter den Wünschen nach liturgischer Memoria, die an die Stralsunder Pfarrkirchen und
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almosen beziehen: In Vysevases Testament findet sich kein diesbezügliches Legat, was vermuten läßt, daß die Einträge auf eine nichttestamentarische Stiftung zurückgehen; s. Queckenstedt, Geseke Vysevase(1991), bes. 52. Eine genauere Untersuchung der Stralsunder Testamente liefert im übrigen weitere Anhaltspunkte, die gegen die Annahme regelmäßiger memorialer Gegenleistungen für einfache Legate sprechen. Des öfteren sahen nämlich einzelne Testatoren sowohl eine Gabe für eine Pfarrkirche bzw. deren Baukasse (ohne zusätzliche Klauseln) als auch ein davon getrenntes Legat an die dortigen Pfarrkleriker vor, damit diese für sie beten sollten (StAS Test. Nr. 323, 555, 619, 620, 664, 694, 959), oder sie bestimmten neben einem allgemeinen Legat einen weiteren Betrag zur Stiftung eines Jahrtags oder einer ewigen liturgischen Fürbitte an derselben Pfarrkirche (PUB VIII, Nr. 5184; StAS Test. Nr. 664, 817, 847, 900, 927, 959, 965). In ähnlicher Weise, wenngleich seltener, ergingen auch an die Stralsunder Mendikantenklöster Doppellegate (StAS Test. Nr. 204, 298, 873). 29 Vgl. zu anniversarium, ojficium defunclorum und missa pro defunctis insbesondere im Spätmittelalter Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 172 f.; ders., Missa specialis (1983), 197-202; Burgess, A service for the dead (1987); Merk, Die meßliturgische Totenehrung (1926), 65-69, 100-104; ////', Wohin die Toten gingen (1992), 88; Frank, Das Totenbuch (1993), 60; Mayer, Triebkräfte und Grundlinien (1976), bes. 184; Schulz, Testamente des späten Mittelalters (1976), 40-43; Hach, Aus dem Rechnungsbuche (1908), 42 f.; Katz, Mittelalterliche Altarpfründen der Diözese Bremen (1926), 71-73; Wehrmann, Der Memorienkalender ( 1892), 77. 30 Vgl. dazu Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 189-193; Frank, Das Totenbuch (1993), 59 f.; Lechner, Liturgik des römischen Ritus (1953), 245 f.; Wehrmann, Der Memorienkalender (1892), 75-77; Mayer, Triebkräfte und Grundlinien (1976), 184, 262-266. 31 Andere Empfänger, beispielsweise Spitäler, treten bei diesen Vergabungsarten seltener in Erscheinung und werfen keine spezifischen Probleme auf.
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Forschungslage, Quellen und Methode
deren Kleriker gerichtet wurden, findet sich häufig derjenige nach einer namentlichen Fürbitte von der Kanzel im Anschluß an die Predigt. Dabei deutet vieles darauf hin, daß diese Art des Gedenkens in Stralsund regelmäßig unbefristet erfolgte. Denn unter den acht Testatoren, die hierfür ein Legat an eine oder mehrere Pfarrkirchen richteten, formulierten vier ausdrücklich ihre Erwartung, daß dies to ewigen tiden geschehen solle32; in einem dieser vier Fälle wurde zugleich verlangt, die zu Kommemorierenden sollten in ere denkelbock eingetragen werden.33 Die Verbindung von Predigtstuhlgedächtnis und Gedenkbucheintrag findet sich in zwei weiteren Testamenten, ohne daß hier die zeitliche Unbegrenztheit der namentlichen Fürbitte betont wurde.34 Eine solche Bestimmung fehlt ebenso in zwei Testamenten, in denen eine Fürbitte nach der Predigt ohne jegliche Präzisierung gewünscht wurde.35 Da in Stralsund aber keiner der Testatoren, die ein Predigtstuhlgedächtnis oder einen Gedenkbucheintrag an einer Pfarrkirche wünschten, eine zeitliche Befristung festlegte, darf angenommen werden, daß in den genannten Fällen Dauerhaftigkeit vorausgesetzt wurde, es sich also hier immer um eine Stiftung handelte. Im Unterschied dazu gibt es für die übrigen Formen eines individuellen Totenmementos, nämlich in der Eucharistie und im kanonischen Gebet, an den Stralsunder Pfarrkirchen Belege für einen zeitlich befristeten Vollzug. So sollte der Vizerektor der Jakobikirche, Bernhard von Lübeck, aus dem Nachlaß von Tybbe Gripeswold 34 Paar Ärmelspangen im Wert von 8 Mark sundisch erhalten, pro quibus mariti mei et mei memoriam habeat in suis missis et oracionibus temporibus vite sue36 Derartige Legate an einzelne Geistliche, nicht nur an den Stralsunder Pfarrkirchen, sondern ebenso in Stralsunder und auswärtigen Klöstern, finden sich in großer Zahl, wobei die Erwartung von Fürbittgebeten meist nur in allgemeinen, fast stereotypen Wendungen wie up dat he Got vor my bidde ausgedrückt wurde.37 Es ist offensichtlich, daß die memoriale Gegenleistung hier nur von den jeweiligen Empfängern erbracht werden sollte, also befristet war. Nicht offensichtlich, aber anzunehmen ist dasselbe bei den mit ähnlich allgemeinen Fürbittklauseln verbundenen Legaten, die an die Kapläne einer Pfarrkirche gehen sollten.38
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So StAS Test. Nr. 615; mit ähnlichen Formulierungen: StAS Test. Nr. 664, 859, 927. StAS Test. Nr. 927. StAS Test. Nr. 689, 900; im ersten Fall wird das Buch als kerkheren bocke bezeichnet; es handelt sich aber sicherlich um ein und dasselbe Gedenkbuch, zumal da bei dieser Form des Gedenkens des öfteren der jeweilige Kirchherr als Adressat des Legats erscheint, der somit für den Gedenkbucheintrag und fur den Vollzug der Fürbitte durch seine Kapläne sorgen sollte; s. StAS Test. Nr. 664, 737, 900, 927. StAS Test. Nr. 737, 817. StAS Test. Nr. 300. StAS Test. Nr. 207, 448, 500, 533, 592, 717, 791, 951 u. a. m. Darauf deuten vor allem zwei Fälle hin. Nach dem Willen Hans vom Rodes sollten die vier Kapläne und die zwei Augustinereremiten an der Nikolaikirche je 1 M sund. erhalten, dat se myner to Gode dencken; zugleich stiftete er aber auch ein ewiges Predigtstuhlgedächtnis an der Nikolaikirche, für das deren Pfarrherr jährlich 28 Seh. sund. erhalten sollte; StAS Test. Nr. 664. Hermann Virow vermachte den beiden Augustinereremiten an der Nikolaikirche 2 M sund., upp dat se vor my bidden in eren missen. Zusätzlich sah sein Testament 20 M sund. vor, mit welchen neben den Begräbniskosten auch ein ewiges Gedächtnis, vermutlich von der Kanzel, bezahlt werden sollte; StAS Test. Nr. 959. In beiden
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Stiftung als Handlungsform
zur
Definition des Begriffs
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Im Gegensatz zum namentlichen Fürbittgebet rufen die testamentarischen Wünsche nach einer Jahrtagsfeier in einer der Pfarrkirchen keine Unklarheiten hervor, da in allen Fällen ausdrücklich deren alljährliche Wiederholung verlangt wird.39 Im übrigen läßt sich hieraus jedoch nicht folgern, daß die Anniversarfeier nicht auch in befristeten Zeiträumen begangen wurde. Vielmehr war das Begängnis an der Kirche, an der die Beisetzung erfolgte, an den traditionellen Gedenktagen bis hin zum ersten Jahrtag offenbar so selbstverständlich, daß es keiner ausdrücklichen Anordnung im Testament bedurfte. Zur zweiten wichtigen Empfängergruppe, den Klöstern und Beginenhäusern, gehören das Johanniskloster der Franziskaner, das Katharinenkloster der Dominikaner sowie je ein an sie angegliederter Beginenkonvent, das Annenhaus der Schwestern vom gemeinsamen Leben, die alle innerhalb der Stadtmauern angesiedelt waren, das vor den Toren gelegene Birgittenkloster Marienkron sowie einige Klöster im weiteren Umkreis Stralsunds. Am häufigsten wurden die beiden städtischen Mendikantenkonvente gewählt, weshalb sich die dort praktizierten Formen liturgischer Memoria besser eruieren lassen als für die übrigen Konvente. Ebenso wie der Pfarrklerus wurden die Mendikanten um namentliche Fürbitte in verschiedenen liturgischen Gebeten ersucht. Dabei sollte auch hier das Gedächtnis im Anschluß an die Predigt offenbar immer auf Dauer erfolgen.40 Dies traf wohl nicht für die übrigen Varianten des Gebetsgedenkens zu, wie die Bestimmungen zweier Testatoren vermuten lassen. In dem einen Fall vermachte der Stralsunder Bürger Michael Richtestich den Konvenmalen des Johannisklosters je 2 Schilling sundisch, dat se den leven God vor my bidden. Zugleich bestimmte er dem Johanniskloster ein Legat von 10 Mark sundisch, wofür die Franziskaner ihn und seine Ehefrau in ere denckelbock scriven unde den almechtigen God
erfolgte die Gabe an die Kapläne bzw. Augustinereremiten der Nikolaikirche also zusätzlich zur Stiftung einer ewigen Fürbitte an derselben. Dies legt die Vermutung nahe, daß auch dann, wenn ein Testament kein derartiges Doppellegat vorsah, ein mit einer allgemeinen Fürbittklausel verbundenes Legat an die Kapläne einer Pfarrkirche keine dauerhafte Memoria bewirken wollte; das Gegenteil läßt sich allerdings für jeden Einzelfall nicht mit letzter Sicherheit ausschließen. S. PUB VIII, Nr. 5184; StAS Test. Nr. 400, 699, 847, 859, 879, 912, 959. Adressat des Legats und des damit verbundenen Memorialauftrags ist im übrigen nur in zwei Testamenten der jeweilige Pfarrklerus (PUB VIII, Nr. 5184; StAS Test. Nr. 847), in den übrigen Fällen sind dies zwei Pfarrschülerbruderschaften (StAS Test. Nr. 400), die Priester an bestimmten Altären (StAS Test. Nr. 699, 912) sowie Klerikergemeinschaften, die gestiftete Hören abhielten (StAS Test. Nr. 859, 879, 959). Ausdrücklich wurde dies in folgenden Testamenten verlangt: StAS Test. Nr. 111, 837, 838, 873, 927. In den beiden letztgenannten Fällen sollte zugleich ein Eintrag in ein Gedenkbuch erfolgen. Bei anderen Testatoren findet sich die Verbindung des Wunsches nach Fürbitte und Gedenkbucheintrag, ohne daß die Art der Fürbitte, in zwei Fällen als ewig bezeichnet, präzisiert worden wäre: StAS Test. Nr. 448, 472, 781, 864, 908, 948, 954, 959, 961. Anders als bei den Pfarrkirchen läßt sich im Fall der Mendikantenklöster die Annahme, die Erwähnung eines Gedenkbuchs verweise mit hoher Wahrscheinlichkeit auf ein Predigtstuhlgedächtnis, nicht hinreichend begründen. Dazu ist zum einen die Zahl der Wünsche nach einem Gedenkbucheintrag ohne Präzisierung der damit verbundenen Memorialform zu groß; zum anderen weiß man von der Ordensliturgie der Dominikaner, daß ein üblicher Ort für ein namentliches Totenmemento das tägliche capitulum war, und daß zum Zweck der dort geleisteten memoria mortuorum et benefactorum ebenfalls Gedenkbücher, nämlich calendaría mortuorum, geführt wurden; Frank, Das Totenbuch (1993), 4 f., 59 f. Hingegen läßt auch bei den Klöstern die Erwähnung eines Gedenkbuchs auf eine dauerhafte Form der Memoria schließen. Fällen
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40
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Forschungslage, Quellen und Methode
predickstole to ewygen tyden vor uns bydden sollten.41 Die Annahme, daß das Legat nicht mit der Erwartung einer dauerhaften Fürbitte verbunden war, wird durch das Zusammentreffen mehrerer Elemente nahegelegt: die Duplizität eines Legats an die Franziskaner, den Wunsch nach ewiger Memoria im zweiten Teil sowie die einmalige Austeilung der Gabe an jeden einzelnen Konventualen im ersten. Im zweiten Fall vermachte Jürgen Lange dem Johanniskloster 24 Mark sundisch sowie dem Katharinenkloster und dem Kloster Marienkron je 12 Mark sundisch, uppe dat se in ereme gadesdenste, vigilien unde selenmissen truweliken miner denken unde Got den heren vor my bidden.*2 Hier ist es die Häufung der Fürbittarten, die auf den Wunsch nach zwar zeitlich begrenzten, aber dafür möglichst zahlreichen Fürbitten schließen läßt.43 Wenn diese Überlegungen zutreffen, dann gibt es keine hinreichenden Gründe für die Annahme, daß die zahlreichen Vergabungen an ein Kloster oder dessen Konventualen, die mit dem Wunsch nach einer nicht näher spezifizierten Gebetsleistung verbunden sind, regelmäßig zu einer dauerhaften Memoria führen sollten. Denn Formulierungen wie ad memoriam mei, dat se Got vor my bidden, dat se myner gedenken und ähnliche lassen in Stralsund ohne zusätzliche Anhaltspunkte weder auf eine bestimmte Form liturgischer Memoria noch auf deren Dauer schließen.44 Diese Vergabungen sind also nicht mit ausreichender Sicherheit als Stiftungen zu identifizieren. Ebenso wie bei den entsprechenden Legaten an die Kleriker der Pfarrkirchen ist jedoch auch hier zu bedenken, daß sich die Möglichkeit einer tatsächlich beabsichtigten dauerhaften Memoria und damit einer .verdeckten' Stiftung nicht völlig ausschließen läßt. Die testamentarischen Wünsche nach Jahrtagsfeiern in einem Kloster enthalten nicht immer einen Hinweis auf eine unbegrenzte Wiederholung. Es lassen sich vielmehr zwei Typen unterscheiden: auf der einen Seite Legate mit dem ausdrücklichen Anspruch auf eine
van ereme
erste
StAS Test. Nr. 873. StAS Test. Nr. 900. Ein weiteres Phänomen weist auf die Praxis zeitlich befristeter Fürbitten in den Klöstern, nämlich die mit einer Memorialklausel verbundenen Legate für einzelne Geistliche. Es lassen sich zwar nur zwei Fälle nachweisen, wo dies eine Nonne oder einen Mönch betraf, nämlich zum einen Elisabeth, Nonne in Krummin, der ihr Bruder Sybrand von Hären 30 M sund. vermachte, pro quibus memoria anime faciet et habebit (StAS Test. Nr. 113), und zum anderen Mechthild Vryberg, eine Nonne im Zisterzienserinnenkloster zu Bergen, der Katharina Witte ihren besten Rock vermachte, datze God vor my bidde (StAS Test. Nr. 500); man darf aber eine ähnliche Erwartungshaltung in vielen Fällen annehmen, in denen ein Legat für einen Konventualen ohne einen derartigen Zusatz festgelegt wurde. 44 Einen solchen Anhaltspunkt kann die regelmäßige Wiederholung einer Gabe darstellen. So sollten nach dem testamentarischen Willen des Stralsunder Ratsherrn Matthias Bene jede Woche 80 Pf. sund. zum Ankauf von Weißbrot verwendet werden, das zweimal pro Woche an die Konventualen des Johannisund des Katharinenklosters verteilt werden sollte, uppe dat se Gode vor my bidden. Der Testator hatte hierbei sicherlich eine regelmäßige Fürbitte beabsichtigt, womöglich sogar jeweils am Tag der Austeilung; StAS Test. Nr. 657. Ebenso ist wohl die testamentarische Bestimmung Heinrich von Ordens zu verstehen, nach der jede Begine beim Johannis- und beim Katharinenkloster jeweils am Mittwoch einer Quatemberwoche 1 Seh. sund. erhalten sollte, uppe dat se alle samende den leven God bidden vor myne seien; StAS Test. Nr. 651. 41 42 43
4.
Stiftung als Handlungsform
zur
Definition des Begriffs
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wobei auch mehrere Feiern pro Jahr veranlaßt wurden45, auf der anderen Seite Wünsche nach einem Begängnis ohne eine klare Angabe hinsichtlich seiner Wiederholung.46 Bei der zweiten Gruppe dürfte es sich regelmäßig um eine einmalige Totenfeier am Jahrtag des Todes oder der Bestattung gehandelt haben, zumal damit jeweils eine einmalige Gabe verbunden war, während bei der ersten Gruppe, den Anniversarstiftungen, häufig eine jährliche Wiederholung der Gabe geplant war. Zur letzten wichtigen Empfängergruppe sollen mit den Bruderschaften Gemeinschaften mit unterschiedlicher sozialer Zusammensetzung, Organisationsweise und Wirkungsabsicht zusammengefaßt werden47, eine Vorgehensweise, die im Hinblick auf die hier verfolgte Fragestellung bei Beachtung relevanter Unterschiede zulässig erscheint. Ein deutlich formulierter Wunsch nach einer namentlichen Fürbitte während bestimmter liturgischer Feiern einer Bruderschaft findet sich, von einer Ausnahme abgesehen48, in keinem Testament. Selbst wenn man wie bei den Pfarrkirchen und Klöstern die Erwähnung eines Gedenkbuchs mit gutem Grund als Hinweis auf diese Form des Gedenkens nimmt, bleibt die Zahl der Fälle verschwindend gering.49 Dies ist nicht weiter verwunderlich, gehörte doch die namentliche oder zumindest summarische Fürbitte für die verstorbenen Mitglieder an den Hauptfesten der Bruderschaft für gewöhnlich zu den obligatorischen Aufgaben der Verbrüderten beziehungsweise des jeweiligen Priesters, so daß sich ein gesonderter Wunsch erübrigte.50 Eine
alljährliche Begehung,
45
46 47
48
49 50
Eine Totenfeier pro Jahr, die dann vermutlich jeweils am Todes- oder Begräbnistag stattfinden sollte, wurde verlangt in: PUB VIII, Nr. 5184; StAS Test. Nr. 158, 606, 614, 747, 817, 959; je zwei jährliche Feiern in einem Konvent in: StAS Test. Nr. 651, 959; schließlich sollten nach dem Willen von Henning Junge die Franziskaner zu Stralsund alle verndel jars twe memorien ausrichten, wobei aber vermutlich Totenoffizium und Seelmesse als je eine memorie gerechnet wurden und vielleicht an Feiern in jeder Quatemberwoche gedacht war; StAS Test. Nr. 747. StAS Test. Nr. 556, 584, 632, 689, 859. Zu verschiedenen Typen von Bruderschaften im Spätmittelalter s. Remling, Bruderschaften (1986). Bruderschaften' werden hier im Sinne des Definitionsvorschlags von Ludwig Remling verstanden, mithin als „freiwillige, auf Dauer angelegte Personenvereinigungen mit primär religiösen, oft auch caritativen Aktivitäten, bestehend innerhalb oder neben der Pfarrei, wobei durch die Mitgliedschaft weder der kirchenrechtliche Status des einzelnen tangiert wird, noch sich im privaten Lebensbereich Veränderungen ergeben müssen"; ebd., 49 f. In seinem Testament von 1405 vermachte Heinrich Hagedom den Kalandsherren 20 M sund. und fügte hinzu: dar vor scolet se my beghan unde ene ewighe dachtnisse na don; StAS Test. Nr. 489. Die Zweiteilung läßt darauf schließen, daß an ein einmaliges (oder jedenfalls nur wenige Male wiederholtes) Begängnis sowie an eine regelmäßige liturgische Fürbitte in anderem Rahmen gedacht war. Dagegen liegt in drei anderen Fällen, in denen eine nicht näher explizierte ,ewige Memoria' gewünscht wurde, die Vermutung näher, daß die Testatoren sich hier eigene Totenmessen oder -offizien wünschten. Denn die dafür vergabten Beträge (50 M sund., 30 M sund., 4 M sund. jährlicher Rente) lagen um ein Vielfaches über dem durchschnittlichen Satz für ein einfaches Gebetsgedenken; StAS Test. Nr. 182, 306, 900. Heinrich Hasendorp vermachte der Engelbruderschaft Vi fl. rhein. und der Maria-Magdalena-Bruderschaft 1 M sund., jeweils verbunden mit der Auflage, die Empfänger sollten ihn scriven laten in ere denckelbock; StAS Test. Nr. 791. Vgl. entsprechende Inhalte von Bruderschaftsstatuten und Verbrüderungsverträgen bei Zmyslony, Die Bruderschaften (1977), 42, 71, 105, 122, 141; Remling, Bruderschaften (1986), 97, 139, 168.
64
I.
Forschungslage, Quellen und Methode
Ausnahme stellen zwei Bruderschaften dar, an die zahlreiche Legate mit dem Ersuchen um einen Gedenkbucheintrag oder um ein ewiges Gedächtnis gerichtet waren; es handelt sich um Verbrüderungen, die von den sogenannten Johannisboten und Antoniusboten propagiert wurden, also von Klerikern des Johanniter- beziehungsweise Antoniterordens, die in ihrem jeweiligen Bezirk einmal im Jahr von Ort zu Ort zogen und die Bevölkerung mit verschiedenen Mitteln zu Almosengaben zu bewegen suchten.51 Jeder Bote führte bei seinem Erscheinen in Stralsund offenbar neben einer Kreuzreliquie52 ein Gedenkbuch mit sich und verhieß denjenigen, die sich darin eintragen ließen, ewige Fürbitte.53 Häufiger als für einfache liturgische Fürbitten erhielten die in Stralsund beheimateten Bruderschaften Legate zur Ausrichtung von ewigen Jahrtagsfeiern, welche nicht zu den üblichen Leistungen einer Bruderschaft für ihre Mitglieder gehörten.54 Die Identifizierung
51 52
Vgl. Mischlewski, Grundzüge der Geschichte des Antoniterordens (1976), 35-38. Vgl. dazu StAS Test. Nr. 533 und Nr. 852 sowie die Bemerkung Franz Wessels, die Reliquie sei van einer olden solttunnen, also einem Salzfaß; in seiner kritischen Darstellung des vorreformatorischen Gottesdienstes aus dem Jahre 1550 hatte Wessel fur die anscheinend erfolgreichen Bettelpraktiken der Johanniter und Antoniter noch weitere Abfälligkeiten übrig, deren Wahrheitsgehalt sich nicht überprüfen läßt. Immerhin korrespondiert seine Bemerkung, die Boten hätten sich in der Stadt stets um den Umtausch der auf dem Land gesammelten Silberschillinge in Goldgulden bemüht, weil diese leichter zu verbergen seien, mit der Beobachtung, daß die für die Boten bestimmten testamentarischen Legate überdurchschnittlich oft aus einem Guldenbetrag bestanden; Zober, Schilderung des katholischen Gottesdienstes (1837), 13 f.
Die genauere Form dieser Memoria läßt sich nicht mit Sicherheit bestimmen. Konkretere Hinweise enthalten lediglich zwei Testamente; in dem einen Fall sollten die beiden Bruderschaften je 5 M sund. erhalten, uppe dat ere baden miner to Gade denken na eren sermonen, wente ik ere broder byn; StAS Test. Nr. 817; im zweiten wurden der Johannisbruderschaft 1 fl. rhein. und der Antoniusbruderschaft 10 M sund. vermacht, altemale umme de leve Godes up dat de leven brodere unde sustere alle truweliken vor myne arme sele bidden; StAS Test. Nr. 697. Vorstellbar ist danach, daß die Boten bei ihrem jährlichen Erscheinen in Stralsund einen Gottesdienst für die Mitglieder der Bruderschaft abhielten, in dessen Rahmen der Toten gedacht wurde. Nicht völlig zu klären ist auch die Frage, ob die Aufnahme in die Bruderschaft gleichbedeutend mit dem Eintrag in das erwähnte Gedenkbuch war. Für diese Möglichkeit scheint das Testament Konrad von Ordens zu sprechen, der den Johannisboten 2 M sund. vermachte, dat se my nemen in ere broderscop, und den Antoniusboten 2 M sund., dal se my ok nemen in ere ewigen broderschop; StAS Test. Nr. 584. Andererseits bestimmte Hans Bure den beiden Bruderschaften je 1 M sund. für Aufnahme in die Bruderschaft und 1 M sund., up dat se my na dode in ere bok laten schryven unde Gode vor my bidden; StAS Test. Nr. 717. Angesichts der Unklarheiten wird im folgenden ein Legat an eine der beiden Bruderschaften nur dann als Stiftung erfaßt, wenn es mit einer Bestimmung über einen Gedenkbucheintrag oder über ein ewiges bzw. ein Gedächtnis nach der Predigt verbunden ist. Allerdings bleibt bei diesen Bruderschaften zu bedenken, daß auch die Legate für eine Aufnahme in die Bruderschaft oder für eine nicht weiter präzisierte Fürbitte Stiftungscharakter gehabt haben könnten. 54 Hingegen gehörte dazu häufig das einmalige Begängnis nach dem Tod eines Mitgliedes; vgl. Remling, Bruderschaften (1986), 168; Zmyslony, Die Bruderschaften (1977), 42, 141; Link, Die geistlichen Brüderschaften (1920), 224 f.; Stracke, Geistliche Laienbruderschaften (1971/72), 40.
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4.
Stiftung als Handlungsform
zur
Definition des Begriffs
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dieser Anniversarstiftungen, die im übrigen fast immer beim Kaland oder einer Pfarrschülerbruderschaft errichtet wurden55, bereitet meist keine Probleme.56 Die Behandlung der wesentlichen definitorischen und methodischen Probleme, die sich bei der Erfassung von Stiftungen im spätmittelalterlichen Stralsund stellen, hat zwei Aspekte deutlich werden lassen, die für den weiteren Gang der Untersuchung von Belang sind. Erstens läßt sich auch bei Einsatz aller verfügbaren methodischen Mittel die Möglichkeit nicht ausschließen, daß einzelne ,verdeckte' Stiftungen nicht als solche erkannt oder erfaßt werden. Dies gilt es bei der quantifizierenden Auswertung des Stiftungsverhaltens zu berücksichtigen; immerhin wird das Problem durch den Umstand entschärft, daß diese Möglichkeit im wesentlichen nur zwei Stiftungstypen betrifft, nämlich Objektstiftungen ohne Fürbittklausel sowie Stiftungen von liturgischen Fürbitten im Rahmen allgemeiner Gottesdienste. Zweitens führt die gewählte Definition der Stiftung als einer Form sozialen Handelns dazu, daß Stiftung und Schenkung in bestimmter Weise als analytische Kategorien gefaßt werden. Auf einem anderen Blatt steht die Frage, inwiefern sich die so getroffene Unterscheidung von Handlungsweisen mit den Vorstellungen und Intentionen der Handelnden deckt, genauer: inwieweit der Dauerhaftigkeit des Vergabungszwecks und der dafür unverzichtbaren sozialen Beziehungen tatsächlich zentrale Bedeutung in den Überlegungen der Stifter zukam. In engem Zusammenhang damit steht die Feststellung, daß durch die Entscheidung für einen bestimmten Stiftungsbegriff das Handlungsfeld der Seelenheilssicherung durch eine scharfe Trennlinie geteilt wird. Dieser im Wortsinne analytische Vorgang ist zwar unvermeidlich, darf aber nicht zur Ausblendung nicht-stiftischer Handlungsweisen pro remedio anime führen. Vielmehr bedarf es der Vergewisserung über die Koordinaten des gesamten Handlungsfeldes, um in einem weiteren Schritt überhaupt nach dem Stellenwert von Stiftungen fragen zu können.
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Kaland: PUB X, Nr. 5886; StAS Test. Nr. 215, 369, 506; StAS Urk. Marienkrone Nr. 83; dazu die mutmaßlichen Anniversarstiftungen in StAS Test. Nr. 182, 306; Schülerbruderschaften: StAS Test. Nr. 400, 633; die einzige (mutmaßliche) Anniversarstiftung, die bei einer anderen Bruderschaft, nämlich der Marienbruderschaft an der Marienkirche, errichtet wurde: StAS Test. Nr. 900. Zu den nicht evidenten Ausnahmefällen s. oben S. 60 Anm. 38.
IL Schenken und Stiften
Spätmittelalter Handlungsfeldes
1. Büßen im
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eine Skizze des
Frage nach der Bedeutung, die Stiftungen bei den Bemühungen des spätmittelalterlichen Stadtbewohners um die Sicherung seines Seelenheils zukam, wurde in jüngerer Zeit eine wachsende Aufmerksamkeit zuteil, nachdem zwei französische Historiker hierzu bemerkenswerte Thesen publiziert hatten. In seiner 1980 erschienenen thèse de doctorat untersuchte Jacques Chiffoleau anhand von mehr als 9000 Testamenten aus Avignon und der Grafschaft Venaissin für den Zeitraum zwischen 1320 und 1480 das Testierverhalten und den sich darin widerspiegelnden Wandel der Todes- und Jenseitsvorstellungen.1 Im Hinblick auf den Stellenwert testamentarischer Stiftungen verdienen vor allem seine Erkenntnisse über die Entwicklung von Meßwünschen Beachtung.2 Er stellte nämlich fest, daß zwar über den gesamten Zeitraum hinweg Ewigmessen, vor allem in Form von Jahrtagsmessen, gestiftet wurden, sie aber gleichwohl einen relativen Bedeutungsrückgang zu verzeichnen hatten. Denn etwa seit der Mitte des 14. Jahrhunderts sei ein erstaunlicher Anstieg von solchen Messen zu verzeichnen, die in großer Zahl in einem kurzen Zeitraum nach dem Tod des Testators zu feiern waren. Mit diesen beiden Typen der Terminierung von Messen sah Chiffoleau zwei klar unterscheidbare Logiken verbunden, die von verschiedenartigen Jenseitsvorstellungen herrührten: eine Logik der dauerhaften Wiederholung, die auf die Idee des Jüngsten Gerichts verweise und damit auf den Glauben, daß das Urteil über Heil oder Verdammnis der Seele erst am Ende der Zeit gefällt werde und durch eine ewige Wiederholung des Meßopfers positiv zu beeinflussen sei; und eine Logik der Akkumulation, die auf die Vorstellung von einem Partikulargericht kurz nach dem Tode jedes einzelnen zurückgehe. Demzufolge sollte die Konzentration einer großen Zahl von Messen auf einen kurzen Zeitraum nach dem Tod zu einem möglichst günstigen Partikularurteil führen Der
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1 2
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Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980). S. zum folgenden ebd., 339-352, 412^424; ders., Sur l'usage obsessionnel (1981), 236-246.
//. Schenken und Stiften
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beziehungsweise zu einer möglichst raschen Beendigung der auferlegten jenseitigen Bußqualen mit Hilfe der stellvertretend erbrachten Meßopfer.3 Trotz der klaren Unterscheidung der repetitiven und der kumulativen Logik und der damit verbundenen, theologisch kaum miteinander zu vereinenden Jenseitsmodelle übersah Chiffoleau im übrigen keineswegs, daß die beiden Konzepte nicht nur zur selben Zeit existent waren, sondern auch in ein und demselben Testament nebeneinander in Erscheinung treten oder sich sogar verbinden und vermischen konnten. Gleichwohl blieb als wichtiges Ergebnis seiner Auswertung der Testamente der Nachweis eines deutlichen Anstiegs kumulativer Meßanordnungen. Diese Entwicklung führte er in erster Linie auf die Verbreitung der Fegefeuervorstellung zurück, die eine entsprechende zeitliche Konzentration stellvertretender Bußleistungen nahegelegt habe. Die von Chiffoleau hergestellte Verbindung zwischen den verschiedenen Meßarten und damit korrespondierenden Jenseitsvorstellungen legt es nahe, analoge Schlüsse für andere Arten der Seelenheilssicherung zu ziehen, je nachdem ob sie in zeitlich befristeter oder unbefristeter Weise realisiert werden sollten. Einen solchen Schritt vollzog Jean-Claude Schmitt in seiner Studie über das Phänomen der Wiedergänger im Mittelalter.4 In den einleitenden, Ziel und Argumentation der Untersuchung begründenden Ausführungen konstatierte er ebenso wie Jacques Chiffoleau einen logischen Widerspruch zwischen dem Konzept der Ewigmesse und der Fegefeueridee. Die Funktion von Seelmessen und darüber hinaus im Kontext der seit dem Ende des 12. Jahrhunvon liturgischer Memoria generell sah er derts verbreiteten Fegefeuerlehre in der Verkürzung des Aufenthalts der Verstorbenen im Fegefeuer. Daher, so seine allerdings nicht durch eigene empirische Untersuchungen, sondern primär durch den Verweis auf die Ergebnisse Chiffoleaus gestützte Schlußfolgerung, seien die Messen und Gebete für einen Verstorbenen meist zeitlich begrenzt geblieben und -
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hätten sich selten über den Zeitraum eines Jahres hinaus erstreckt. Dies erkläre sich zudem durch eine weitere, für Schmitts Interpretation des Wiedergängerphänomens zentrale Überlegung: Demnach habe das eigentliche Ziel der von den Lebenden geleisteten liturgischen Memoria darin bestanden, mit der Erlösung der Seele eines Verstorbenen zugleich dessen endgültigen Übergang in das Jenseits und damit dessen Trennung von der Gesellschaft der Lebenden zu bewirken. Memoriales Handeln sei also nicht auf eine dauerhafte Verbindung zwischen Lebenden und Toten gerichtet, sondern im Kern eine „soziale Technik des Vergessens"5 gewesen und somit Ausdruck eines elementaren menschlichen Bedürfnisses. Schmitts Interpretationsansatz zufolge sind Wiedergänger, also den Lebenden erscheinende Geister von Verstorbenen, als ein Indiz dafür anzusehen, daß die ,Trauerarbeit' nicht erfolgreich
Zusammenhang mit dem zweiten Modell sah Chiffoleau ein drittes, das ebenfalls in einer Spannung Idee des Weltengerichts gestanden habe; es sei gekennzeichnet gewesen durch die regelmäßige Wiederholung von Messen innerhalb einer begrenzten Zeitspanne, nämlich besonders an den traditionellen Gedenktagen des neunten, des dreißigsten und des Jahrtags oder den durch diese Tage begrenzten Zeiträumen, und durch den damit verbundenen älteren Glauben an eine Zeit der Prüfung vor der endgültigen Trennung von Körper und Seele; s. Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 327. J.-C. Schmitt, Die Wiederkehr der Toten (1995). Ebd., 17; vgl. auch ders., Bilder als Erinnerung und Vorstellung (1993).
3 In
zur
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eine Skizze des Handlungsfeldes
Büßen im Spätmittelalter
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abgeschlossen werden konnte, daß der Prozeß der Trennung der Toten von den Hinterblie-
benen gestört war. Hier ist nicht der Ort, um das Erklärungsmodell von Jean-Claude Schmitt in seiner Gänze einer kritischen Würdigung zu unterziehen; es ist jedoch nach den Konsequenzen zu fragen, die sich aus seinen Prämissen für das spätmittelalterliche Stiftungswesen überhaupt ergeben. Sie liegen auf der Hand: Stiftungen als auf Dauer angelegte Maßnahmen zur Sicherung des Seelenheils hätten demnach mit der Verbreitung der Fegefeuerlehre ihre transzendentale Logik und damit ihre Attraktivität für diejenigen eingebüßt, die geeignete Vorkehrungen für ihr jenseitiges Heil treffen mußten. Zudem hätten Stiftungen nur mehr geringe Chancen auf einen dauerhaften Vollzug besessen, da sie zum einen nach der vermeintlichen Erlösung der Seele aus dem Fegefeuer ihre auf das Jenseits gerichtete Funktion verloren hätten, zum anderen dem Bedürfnis der Hinterbliebenen nach Abschluß der ,Trauerarbeit' und Trennung von den Toten entgegengestanden hätten. Findet diese skeptische Einschätzung des spätmittelalterlichen Stiftungswesens, die in Teilen an die Ergebnisse und Überlegungen Chiffoleaus anknüpft, im Falle Stralsunds eine Bestätigung? Um die Frage nach dem Stellenwert von Stiftungen bei der Sorge für das Seelenheil beantworten zu können, ist es erforderlich, sich das Spektrum der Handlungsmöglichkeiten und -formen vor Augen zu führen, die dem spätmittelalterlichen Stadtbewohner für die Erlangung des Seelenheils zur Auswahl standen. Dabei geht es insbesondere darum, die durch die Definition von ,Stiftung' bewirkte analytische Teilung des Handlungsfeldes wieder aufzuheben und in der Gesamtschau nach Handlungsweisen zu suchen, bei denen der subjektive Wunsch nach der Dauerhaftigkeit von guten Werken oder nach ihrer Konzentrierung in einem kurzen Zeitraum nach dem Tod möglichst deutlich zutage tritt. Der Bußgedanke, seit dem frühen Mittelalter in der christlichen Theologie fest verankert, stellte auch noch im Spätmittelalter einen, wenn nicht den zentralen Bestandteil der Glaubens- und Erlösungsvorstellungen im populus christianus dar. Freilich hatte er zumindest auf der dogmatischen und kerygmatischen Ebene erhebliche Wandlungen erfahren. Stand im Frühchristentum die Idee der Besserung und Reinigung der Seele durch die Bußleistung noch im Vordergrund, so wurde sie im Frühmittelalter abgelöst durch ein Verständnis der Buße als Strafe oder Sühne, womit zugleich die Voraussetzung für eine stellvertretende Ableistung der Buße geschaffen war.6 Dieser Wandel war Ausfluß eines neuen Gottesbildes: Aus dem neutestamentlichen gütigen Vater wurde der gerechte, aber unerbittliche Richter, eine Veränderung, deren religionssoziologischer Hintergrund im Fehlen eines funktionsfähigen weltlichen Rechtssystems zu sehen ist.7 Als im Hochmittelalter, genauer in der Hochscholastik, das neutestamentliche Gottesbild und insbesondere der Erlösungstod Christi wieder mehr in den Vordergrund rückte, war damit auch eine Abschwächung des Straf- und Vergeltungsgedankens verbunden.8 Zudem vollzog sich im 12. Jahrhundert ein Wandel des Ausgleichsdenkens: Maßgeblich für die Bemessung der Buße sollte nun nicht mehr die Tat
Vgl. dazu Angenendt, Geschichte der Religiosität (1997), 626-639; ders., Buße und liturgisches Gedenken (1985), 47 f.; ders. u. a., Gezählte Frömmigkeit (1995), 12. 7 Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 124; vgl. ders., Geschichte der Religiosität (1997), 94-97. 8 Angenendt, Theologie und Liturgie ( 1984), 122-131.
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//. Schenken und Stiften
selbst, sondern die böse Absicht sein. Ein Ausgleich für die Sünde wurde weiterhin als
not-
wendig angesehen, stand nun aber im Dienst der Gesinnungserneuerung, die als Voraussetzung für die Erlangung der göttlichen Gnade verstanden wurde.9 Die deutlichste Ablehnung erfuhr die Praxis der tarifbußlichen Berechnung von Sühneleistungen in der hoch- und spätmittelalterlichen Mystik10, die dagegen das Ideal der verinnerlichten Gotteserfahrung setzte. Der Askese wurde in diesem Kontext die Funktion zugedacht, die Authahmebereitschaft für die mystische Glaubenserfahrung zu stärken. Wenn auch die Mystik in ihrer reinen Ausprägung vergleichsweise wenige Anhänger zählte, so fanden doch mystische Elemente im Spätmittelalter eine weitere Verbreitung, so daß ein spannungsreiches Nebeneinander mystischer und tarifbußlicher Strömungen entstand, das im Rosenkranz „in seiner Verbindung von Meditation und meßbarer Gebetsleistung"11 seinen vielleicht sinnfälligsten Ausdruck erhielt. Im Spätmittelalter artikulierten sich also durchaus neue religiöse Bedürfhisse der Laien, nämlich vor allem nach Verinnerlichung der Glaubenserfahrung auf der einen Seite, nach Anschauung der Gnadenmittel insbesondere in der Sakramentsfrömmigkeit auf der anderen.' Gleichwohl blieb, gerade in der Erwartung des eigenen Todes und der Furcht vor jenseitiger Bestrafung oder Verdammnis, das Verlangen nach Tilgung der Sündenstrafen ungebrochen. Die Palette der Sühnemöglichkeiten gerade für Laien hatte seit den frühmittelalterlichen Bußkatalogen nach und nach eine enorme Erweiterung erfahren: Sie bestand in der karolingischen Epoche vor allem noch aus der traditionellen Trias von Gebet, Fasten und Almosen13, wobei sich in der sozialen Realität die Möglichkeiten für unbemittelte Laien fast gänzlich auf das Standardbußmittel Fasten reduzierten, weil Laiengebete generell als unzureichend angesehen wurden und unter Almosen in erster Linie umfangreiche Vergabungen an Klöster verstanden wurden.14 Mit solchen Gaben eröffnete sich ein sozial sehr begrenzter Kreis zusätzliche Wege der Sündentilgung, nämlich den des stellvertretenden Gebets durch eine klerikale Gemeinschaft und den des durch den Priester als Vermittler dargebrachten Meßopfers. Dabei avancierte, nachdem sich die Idee der Opferhandlung für eine einzelne
Le Goff Wucherzins und Höllen9-11. Der Gedanke der Intentionshaftung ist notabene keine scholastische Erfindung, sondern schon im frühen Christentum anzutreffen; zu seinem Fortwirken noch in den frühmittelalterlichen Bußbüchem Lutterbach, Intentions- oder Tathaftung (1985). 10 Angenendt, Geschichte der Religiosität (1997), 648-650; ders., Buße und liturgisches Gedenken (1985), 48; ders. u. a., Gezählte Frömmigkeit (1995), 57-62. 11 Schubert, Einführung (1992), 276; s. auch Angenendt u. a., Gezählte Frömmigkeit (1995), 62-69; zu den Formen und der Bedeutung des „gezählten Gebets" im Spätmittelalter ebd., 41-57. 12 Torsy, Eucharistische Frömmigkeit ( 1971 ); Angenendt, Geschichte der Religiosität ( 1997), 505 f. 13 Angenendt führt weitere Möglichkeiten an, die in der Praxis aber eine geringere Bedeutung besaßen, nämlich die Taufe, das Martyrium, die mitbrüderliche Vergebung, die Bekehrung anderer, karitative Tätigkeit und die Buße; Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 133; vgl. ders., Geschichte der Religiosität (1997), 627, 636 f. 14 Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 140-143.
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Ebd.
152-154; ders., Geschichte der Religiosität (1997), 644-646;
qualen (1988),
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Büßen im Spätmittelalter
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Handlungsfeldes
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Person durchgesetzt hatte, die missa specialis in ihren vielfältigen Variationen, allen voran in Gestalt der Totenmesse, allmählich zu dem begehrtesten und wichtigsten Sühnemittel.15 Der wirtschaftliche Aufstieg der Städte und die zunehmende Ausdifferenzierung der städtischen Gesellschaft seit dem Hochmittelalter führten dazu, daß sich im Spätmittelalter auch dem nichtadligen und nichtklerikalen Stadtbewohner ein größeres Spektrum von Sühnemöglichkeiten bot, dessen Breite freilich durch die jeweilige materielle und soziale Lage bestimmt blieb. Das Bedürfnis nach tätiger Reue konnte nun auch in einer Vielzahl von Handlungsweisen seinen Ausdruck finden, die nicht oder nicht primär mit einem Vergabungsakt verbunden waren. Zu ihnen gehörte die conversio, die Entscheidung, fortan eine vita religiosa zu führen, welche insbesondere dank der Existenz der Mendikanten- und der Drittorden einem weit größeren Personenkreis offenstand als noch im 11. und 12. Jahrhundert. Freilich war der Eintritt in eine regulierte Gemeinschaft keineswegs immer durch den Wunsch nach Sühne bestimmt, boten doch die aus der klösterlichen Reformbewegung des 12. und 13. Jahrhunderts hervorgegangenen Komm unitäten ähnlich wie die den Drittorden vorausgegangenen und zum Teil weiterbestehenden Beginen- und Beghardengemeinschaften die Verwirklichung einer spezifischen Lebensform von beachtlicher Anziehungskraft, nämlich der vita apostólica, und erfüllten zudem in der städtischen Welt des Spätmittelalters soziale Versorgungs- und Integrationsfünktionen.16 Diesen eher kontinuierlichen Formen tätiger Reue, zu denen auch der tägliche Dienst an Kranken und Pflegebedürftigen im Rahmen einer Spitalbruderschaft zu rechnen ist17, standen andere gegenüber, denen in mehr oder minder starkem Maße der Charakter des NichtAlltäglichen anhaftete. Dazu zählt insbesondere das spektakuläre, vor allem während der großen Pestepidemien auftretende Phänomen der Geißlerzüge, in denen sich als Folge extremer Todesangst und der Vorstellung eines göttlichen Strafgerichts ein gesteigertes Bedürfnis nach Selbstkasteiung und Askese, mithin nach Buße offenbarte.18 Eine ebenfalls außeralltägliche, jedoch weitaus verbreitetere und bedeutsamere Bußform waren Pilger- oder Wallfahrten.19 Allerdings konnten Pilgerfahrten verschiedenen Funktionen dienen und daher von unterschiedlichen Motiven getragen sein. So konnten sie von Kaufleuten mit der Verfolgung geschäftlicher Interessen verknüpft werden, kommunikativ-geselligen Zwecken dienlich sein, einen Ausstieg aus dem Alltag und der Enge seiner Normen ermöglichen oder eine -
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Vgl. Angenendt, Missa specialis (1983); ders., Theologie und Liturgie (1984), 145-148, 172 f.; ders., Geschichte der Religiosität (1997), 495^198; ders. u. a., Gezählte Frömmigkeit (1995), 30-38. Vgl. Neidiger, Mendikanten (1981), 177-187; ders., Stadtregiment und Klosterreform (1989), 567; Degler-Spengler, Die religiöse Frauenbewegung (1984), 82-85. Gleichwohl gibt es nicht wenige Beispiele, die einen solchen Schritt als Folge eines gesteigerten Sündenbewußtseins erscheinen lassen; eine derartige Annahme legt beispielsweise die Entscheidung mehrerer Venezianer Dogen nahe, ihren Kaufmannspalast mit einer Klosterzelle zu vertauschen; Maschke, Das Berufsbewußtsein (1980), 412. S. dazu Remling, Bruderschaften (1986), 278. Vgl. zur Flagellantenbewegung von 1349 Graus, Pest Geißler Judenmorde (1988), 38-59, und zu Pestzeiten allgemein Bergdolt, Der Schwarze Tod (1994), 107-119, mit weiterer Literatur. Zur Unterscheidung von Pilgerfahrt und Wallfahrt, wobei letztere mit regelmäßigen Zeiten und organisierten Begehungen verbunden ist, Brückner, Das Problemfeld Wallfahrtsforschung (1992), 21 f. -
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//. Schenken und Stiften
Zeit relativer Muße gewähren. Vorrangig dürfte der Sühnegedanke zumindest in den Fällen gewesen sein, in denen eine Pilgerreise infolge eines freiwilligen Bußgelübdes oder einer auferlegten Bußstrafe unternommen wurde, und ohne Zweifel ging es überall dort um Sündentilgung, wo nach dem Prinzip der stellvertretenden Buße eine andere Person gegen Bezahlung auf Pilgerfahrt geschickt wurde.21 Mit Vorliebe wurden für solche Auftragspilgerfahrten bedürftige Kleriker ausgewählt, weil man auf diese Weise einen Akt der caritas mit der stellvertretenden Bußleistung durch eine Person verbinden konnte, der in höherem Maße als einem gewöhnlichen Laien die Qualität eines ,Gerechten' zugeschrieben wurde.22 Mit der bisherigen Aufzählung ist die Liste der religiösen Praktiken ohne direkten Zusammenhang mit einem Vergabungsakt natürlich keineswegs vollständig. Weitere sind zu nennen, bei denen allerdings der Bußgedanke nicht durchweg eine dominierende Rolle einnahm. Dies trifft insbesondere für das Prozessionswesen und die Fronleichnams- sowie die Heiligen- und Reliquienverehrung zu, in denen vielfältige religiöse und soziale Bedürfnisse zusammentrafen23; gemeinsam war ihnen zumindest, daß sie allesamt Elemente einer den amtskirchlich vorgegebenen Rahmen überschreitenden und sich das Sakrale nach Kräften
aneignenden Laienfrömmigkeit waren.
Die genannten Formen frommen Tuns, die nicht mit einer materiellen Gabe verbunden waren, blieben für große Teile der städtischen Bevölkerung hinsichtlich der Sündentilgung eher von untergeordneter Bedeutung. Denn entweder wurden sie, wie die conversio, nur von einer relativ kleinen Zahl gewählt oder, wie die nicht-alltäglichen Formen tätiger Reue, nur in besonderen Situationen praktiziert. Eine gewisse Ausnahme bilden immerhin das Pilgern als eine vom Einzelnen zwar nicht oft geübte, aber dennoch unter dem Bußaspekt sehr bedeutsame Praxis und das Fasten, über dessen Bedeutung im spätmittelalterlichen Bußalltag allerdings nicht allzu detaillierte Aufschlüsse aus den Quellen zu gewinnen sind. Einen größeren Stellenwert besaß demgegenüber die zur Sündentilgung geleistete materielle Gabe. Dies lag wohl in erster Linie daran, daß sich hier eine Potenzierung von Bußleistungen realisieren ließ, die für Laien auf andere Weise nicht erreichbar war. Denn während mit den bisher genannten Varianten tätiger Reue fast durchweg nur die persönliche Abbüßung eigener Sündenstrafen im Diesseits möglich war, stellten Gaben das wichtigste Instrument zur Erlangung stellvertretender Büß- beziehungsweise Fürbittleistungen dar. Zwar konnten Laien auch darauf hoffen, daß nach ihrem Tod die Solidarität der Familie und sonstiger sozialer Gruppen eine solche Fürsorge für ihr Seelenheil miteinschließen würde; diese Hilfe gewann aber in der Regel nicht jene Intensität, die für Religiose insbesondere auch mittels Gebetsverbrüderungen erreichbar war. Durch eigene Gaben hingegen war eine nur durch die individuellen Vermögensverhältnisse begrenzte Anhäufung von guten Werken und stellvertretenden Fürbitten möglich. Nimmt man dieses Handlungsfeld etwas näher in den Blick, so wird zum einen deutlich, daß Stiftungen nur einen Handlungstypus unter -
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Vgl. Kümmell, Alltag und Festtag (1985), 88 f.; Schmugge, Kollektive und individuelle Motivstrukturen (1988); Kühne!, Frömmigkeit (1985), 99. Schmugge, Die Pilger (1985), 30-33, 42^17. Zur Stellvertretung durch ,Gerechte' Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 150-152. Vgl. Torsy, Eucharistische Frömmigkeit (1971); Schubert, Einführung (1992), 273-276, 279.
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eine Skizze des
Büßen im Spätmittelalter
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mehreren darstellen, zum anderen, daß sie von den übrigen Handlungsformen mitunter nur durch graduelle Unterschiede getrennt waren, die zudem den Handelnden keineswegs immer bewußt sein mußten. Ein für die spätmittelalterliche Stadtgesellschaft außerordentlich wichtiges Phänomen, bei dem sich Elemente von drei Handlungsmustern verbanden, nämlich von korporativer Solidarität, von Schenkung und Stiftung, stellt die Fürsorge von sozialen Gruppen für ihre toten Mitglieder dar. Hier wirkte das Gebot der Gruppensolidarität, die allerdings in den meisten Fällen nicht zum Nulltarif gewährt wurde, sondern ihrerseits verschiedene Gaben an die Gemeinschaft voraussetzte. Obligatorisch in Zünften und Bruderschaften waren häufig Aufnahmegebühren und jährliche Mitgliedsbeiträge. Erwartet wurden mitunter auch testamentarische Legate zugunsten der Gemeinschaft; so wurde im Gründungsstatut der Marienbruderschaft der Stralsunder Schiffer der Grundsatz formuliert, jedes Mitglied solle die Bruderschaft na synen vormoghe bedenken.24 Hierfür wurden dem einzelnen sowohl zeitlich befristete als auch unbefristete Dienste der Gemeinschaft zuteil. Sie konzentrierten sich auf die Zeit des Übergangs in das Jenseits, auf die rites de passage, und im besonderen auf das Begräbnis. Häufig waren beim Tod eines Korporationsmitglieds alle Brüder und Schwestern verpflichtet, an den Begräbnisfeierlichkeiten teilzunehmen.25 Korporationen mit sozial schwächeren Mitgliedern besaßen darüber hinaus eine wesentliche Funktion in der Sicherung des Begräbnisses überhaupt. Hierzu traf man des öfteren Vereinbarungen mit einem Gotteshaus über die Durchführung des Begräbnisses und einer einfachen Liturgie zu einem bestimmten Preis, der von der Familie des Verstorbenen oder bei Bedürftigen von der Korporation zu entrichten war. Bevorzugte Partner solcher Übereinkünfte waren städtische Mendikantenkonvente. Es ist daher bezeichnend, daß die drei einzigen derartigen Verträge, die aus Stralsund überliefert sind, mit den Dominikanern beziehungsweise den Franziskanern abgeschlossen worden waren.26 Während in diesen Vereinbarungen keine individuelle
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Schifferkompanie Stralsund Nr. 1, Art. 8, 21. Vgl. Fritze, Kompanien und Bruderschaften (1993), 38; Brück, Korporationen der Schiffer und Bootsleute (1994), 28. Dies schrieb auch die Ordnung der Stralsunder Schifferbruderschaft vor; Archiv der Schifferkompanie Archiv der
Stralsund Nr. 1, Art. 16. Überliefert sind Vereinbarungen der Dominikaner mit dem Amt und der Bruderschaft der Leineweber aus dem Jahre 1404 (StAS Stadt. Urk. Nr. 628) sowie mit der Kompanie der Müller von 1513 (VpLAG Rep. 1 Stralsund 2. Dominikaner-Kloster 3) und der Franziskaner mit dem Amt und der Bruderschaft der Zimmerleute von 1426 (StAS Stadt. Urk. Nr. 785). Die Regelungen über das Begräbnisrecht weisen durchaus Unterschiede auf; so verlangten die Dominikaner von den Leinewebern für jedes Begräbnis auf dem Kirchhof 12 Seh. sund. und im Kreuzgang 2 M sund., während sie den Mitgliedern der Müllerbruderschaft freies Begräbnis auf dem Kirchhof einräumten, allerdings verbunden mit der Erwartung, diejenigen Brüder und Schwestern, die im Katharinenkloster beerdigt werden wollten, sollten ere allemyssen unde gave an ereme testen dem vaken vorbenomeden kloster myldichliken to keren. Die Bruderschaft sollte aber pauschal 7 M sund. pro Jahr bezahlen, wofür die Dominikaner zudem drei wöchentliche Messen am Bruderschaftsaltar und zwei jährliche Begängnisse abhalten
sollten. Die Franziskaner gestanden den Brüdern und Schwestern der Zimmerleute ebenfalls freies Begräbnis auf ihrem Kirchhof zu und dehnten diese Zusage sogar auf den Kreuzgang aus, machten letzteres jedoch von einer Zustimmung des Guardians und der Ältesten des Konvents abhängig. Dieses Privileg
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Memoria über den Tag des Begräbnisses hinaus vorgesehen war, sind aus anderen Städten Fälle bekannt, in denen das namentliche liturgische Gedenken über einen bestimmten Zeitraum hinweg geübt werden sollte.27 Von unbegrenzter Dauer waren in der Regel allerdings nur summarische Fürbitten für alle verstorbenen Korporationsmitglieder, nämlich bei den überall üblichen Begängnissen am Tag der jährlichen Zusammenkunft oder gegebenenfalls in eigens für die Korporation gefeierten regelmäßigen Messen. Der Umstand, daß man als Mitglied einer Korporation im Gegenzug für die erbrachten Beiträge neben anderem in ein dauerhaftes, wenn auch summarisches Gedenken eingeschlossen wurde, markiert ein dem Stiftungsmodell zugehöriges Element einer solchen Mitgliedschaft. Allerdings kann sie keineswegs als Stiftung im eigentlichen Sinn angesehen werden, da die dauerhafte Memoria nur einen, wenn auch wichtigen Aspekt einer weit umfassenderen Gemeinschaftsbildung darstellte. Dennoch wird hier sichtbar, wie die Merkmale verschiedener theoretischer Handlungsmodelle, in diesem Fall von Stiftung, Schenkung und korporativer Solidarität, in der Realität verknüpft sein konnten. Noch deutlicher wird die begrenzte Paßfahigkeit der analytischen Modelle in den Fällen, in denen sich die Mitgliedschaft in einer Bruderschaft auf die Teilhabe an deren guten Werken beschränkte, also nicht mit einer umfassenden Integration in die soziale Gruppe verbunden war. Zu denken ist hier vor allem an die Aufnahme von Laien in die Bruderschaft eines Klosters oder eines Ordens. Wie die Stralsunder Testamente belegen, standen dabei im 15. Jahrhundert der Johanniter- und der Antoniterorden in der Hansestadt im Mittelpunkt des Interesses, was in erster Linie auf die offensive und systematische Bettelpraxis der beiden Orden in der Region zurückzuführen ist. Die mit der Aufnahme in die Bruderschaft verbundenen Leistungen nennt eine Urkunde des Johanniterkomturs zu Maskenholt auf Rügen von 1421, in der den in die Bruderschaft des Johanniterordens aufgenommenen Henning und Hebele Unrowe die
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sowie die eingeräumte Teilhabe an allen guten Werken der Franziskaner hatten sich die Zimmerleute durch ihre Leistungen beim Bau des klösterlichen Brauhauses sowie durch ihre Bereitschaft zu weiteren, gegebenenfalls erforderlichen Arbeiten für die Franziskaner verdient. Immerhin sollte, wenn ein Bruderschaftsmitglied ohne rechtmäßige Erben sterben sollte, das ghelenede gud des Toten an das Kloster fallen. Für den Einschluß der verstorbenen Bruderschaftsangehörigen in das allgemeine Gebetsgedächtnis der Franziskaner sowie für die jährliche Gedächtnisfeier für die Bruderschaft sah die Vereinbarung im übrigen ebenfalls keine festen Tarife vor. So beinhalteten die Verbrüderungsverträge der Lübecker Dominikaner mit der Antoniusbruderschaft und der Heiligen Leichnamsbruderschaft, die sich beide aus Lübecker Kaufmannskreisen rekrutierten, daß die Mendikanten eines verstorbenen Bruderschaftsmitglieds zehn Jahre lang sollten mit namen denken van vnsem predikstole und danach das Gedenken in dat ghemeyne erfolgen sollte, also im Rahmen der allgemeinen Fürbitten für die Bruderschaften unter Verzicht auf eine Namensverlesung; ÜB Stadt Lübeck IV Nr. 690, S. 784 Anm. 1; fast identisch: ÜB Stadt Lübeck VII Nr. 697, S. 683 f.; vgl. Zmyslony, Die Bruderschaften (1977), 42. Der Vergleich dieser Verträge mit den aus Stralsund überlieferten verdeutlicht, daß sich das liturgische Leistungsangebot nach der Zahlungsfähigkeit und -bereitschaft der jeweiligen Bruderschaft richtete. Denn während mit den Lübecker Kaufleutebruderschaften neben dem namentlichen Gedenken eine tägliche Lese- und eine wöchentliche Singmesse sowie ein allgemeines Predigtstuhlgedenken an jedem Freitag und Sonntag vereinbart wurde, sah die Übereinkunft der Stralsunder Dominikaner mit den Müllern nur drei Messen pro Woche und die mit den Leinewebern keine weiteren Dienste neben den bei Begräbnissen und am Jahrtag der Bruderschaft üblichen vor; StAS Stadt. Urk. Nr. 628; VpLAG Rep. 1 Stralsund 2. Dominikaner-Kloster 3.
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Teilhabe an allen guten Werken des gesamten Ordens sowie ein kirchliches Begräbnis für den Fall versprochen wurden, daß sie während eines Interdikts sterben sollten.28 Obwohl hier nicht ausdrücklich erwähnt, führte eine solche Aufnahme wohl auch zum Einschluß der Verbrüderten in ein summarisches Gebetsgedenken, während eine dauerhafte namentliche Fürbitte offenbar einer gesonderten Gabe bedurfte.29 Derartige, vom Vergabungsakt abgesehen, gleichsam passive Mitgliedschaften kannten nicht nur Kloster- und Ordensbruderschaften, sondern mitunter auch Bruderschaften von Klerikern oder Laien. Bezeichnend ist das Beispiel der Stralsunder Trägerbruderschaft, also eigentlich einer Vereinigung der Hafen- und Transportarbeiter. Im Verzeichnis der Bruderschaft finden sich nun zahlreiche Einträge von Personen, die man in der Korporation einer Berufsgruppe, die zudem kein besonders hohes Sozialprestige genoß, nicht auf Anhieb vermuten würde: Neben Stralsunder Bürgermeistern und Ratsherren erscheinen auch Geistliche, Angehörige von Adelsfamilien und sogar regierende Fürsten.30 Wie Konrad Fritze dargelegt hat, läßt sich dies nur dadurch plausibel erklären, daß die genannten Personengruppen nicht den Status vollintegrierter Mitglieder besaßen, sondern lediglich in den Genuß eines Ablasses gelangen wollten, der im Jahre 1329 allen Teilnehmern an gottesdienstlichen Handlungen der Bruderschaft und allen ihren Wohltätern in Aussicht gestellt worden war.31 Während die Erlangung stellvertretender Bußleistungen durch die Mitgliedschaft in einer Korporation also eine Parallele zu der Handlungsform Stiftung aufweist, waren im übrigen auch die Aktivitäten der Korporationen selbst zum Teil in diesem Handlungsfeld angesiedelt, ohne durchweg einem bestimmtem Typus in eindeutiger Weise zugeordnet werden zu können. Bei der Beurteilung des Stiftungscharakters stellt sich nämlich eine zusätzliche Frage, sobald nicht Einzelpersonen, sondern dauerhafte soziale Gruppen als Initiatoren des Vergabungsaktes auftraten: Waren die nachfolgenden Generationen von Gruppenmitgliedern oder -Vorstehern an den Willen der Initiatoren gebunden oder stand es ihnen frei, nach ihrem eigenen Gutdünken über das Werk ihrer Vorgänger zu verfügen? Dies ist oft schwierig zu beurteilen, da eine explizite Verpflichtung der Nachfolger auf die Einhaltung von Vorgaben meist fehlt. Wenn also beispielsweise ein Abendmahlskelch für den Altar einer Bruderschaft angeschafft wurde, so stand es nachfolgenden Vorstehern allem Anschein nach frei, den Kelch etwa dann wieder zu entfernen, wenn der Bruderschaft zu einem späteren Zeitpunkt ein wertvollerer vermacht wurde. Allerdings stand bei bestimmten Objekten die Intention der Dauerhaftigkeit und damit der Stiftungscharakter außer Zweifel, so beim Bau einer Kapelle oder eines Gestühls oder bei der Finanzierung eines mit den Insignien der Korporation ver-
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StAS Stadt. Urk. Nr. 744. S. oben S. 64. StAS HS 163, fol. 15r, 18r. Fritze, Kompanien und Bruderschaften (1993), 40-42. Dennoch wurden auch diese Personen als Brüder und Schwestern der Trägerbruderschaft angesehen, wie ihre Auflistung unter den Überschriften De namen der gyemenen vorstorvenen broderen und susterer van den dregheren und Hoc sunt nomina mortuorum fratrum fertorum erkennen läßt; StAS HS 163, fol. 15', 18r. Eine Abschrift des von mehreren italienischen und französischen Bischöfen in Avignon ausgestellten Ablasses findet sich auf den ersten Seiten des Bruderschaftsbuches; ebd., fol. lr-2v.
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sehenen Kirchenfensters. Bei der Einrichtung einer Priesterstelle am Altar der Korporation stellt sich die Frage nach der Dauerhaftigkeit in ähnlicher Weise. Entschloß man sich zur Gründung eines Altarbenefiziums, so wurde damit eine feste Dotierung und dauerhafte Aufrechterhaltung der Pfründe erforderlich. Bei den im 15. Jahrhundert zunehmend bevorzugten Lohnpriesterstellen hingegen bestanden solche kirchenrechtlich bedingten Verpflichtungen nicht. Somit war es möglich, den Priester auch aus den laufenden Einnahmen der Korporation zu bezahlen32, an der Bezahlung und den Aufgaben des Priesters zu einem späteren Zeitpunkt Änderungen vorzunehmen und die Stelle überhaupt wieder zu streichen. Von Stiftungen im eigentlichen Sinn kann in solchen Fällen nicht mehr gesprochen werden. Die Schaffung einer Lohnpriesterstelle durch eine Korporation ist wiederum anders zu beurteilen, wenn die Initiatoren ihre Nachfolger auf die Einhaltung ihrer Vorgaben verpflichteten. Aus Stralsund ist ein derartiger Fall überliefert: Im Jahre 1435 richteten die Alterleute der Goldschmiede an ihrem Altar in der Nikolaikirche eine Priesterstelle ein und dotierten diese mit einer festen Ackerpacht.33 Von ihren Nachfolgern forderten sie, sie sollten die Bestimmungen holden unde vorstan in aller mathe, alse vor is uthedrûcket, unde doen umme Godes willen dat beste dar by, dan wy ere seien unde samwitticheide merkliken mede beswaren. Sie beließen es jedoch nicht dabei, das Seelenheil ihrer Nachfolger mit dem getreuen Vollzug der Vorgaben zu verknüpfen, sondern verpflichteten alle Angehörigen des Goldschmiedeamtes, die Alterleute bei der Ausführung zu kontrollieren und gegebenenfalls die Einhaltung der Bestimmungen einzufordern. Das Bemühen um eine dauerhafte Implantierung der neuen Priesterstelle wird aus diesen Klauseln mehr als deutlich, wodurch zugleich die Stiftungsqualität der Initiative erhellt wird. Dem Einzelnen bot sich also die Möglichkeit, durch die Aufnahme in eine Korporation ein Mindestmaß an liturgischer Memoria zu erhalten, ein Vorgang, der durch zwei Elemente markiert war: die Solidarität der Gruppe mit ihren Mitgliedern und den Mechanismus von Gabe und Gegengabe im Verhältnis von Einzelnem und Gemeinschaft. Abgesehen von die-
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Diese Praxis läßt sich beispielsweise anhand eines Memorialbuchs der Schifferbruderschaft nachzeichnen, in das die aus den laufenden Einnahmen bezahlten jährlichen Löhne für die im Dienst der Bruderschaft stehenden Meßpriester eingetragen wurden; verzeichnet sind auch andere aus der Bruderschaftskasse bestrittene Ausgaben, beispielsweise für Wachs oder für das jährliche Begängnis; Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 16. Die Ausgaben für das Begängnis sind auch ausgewiesen in einem Register, das die Einnahmen und Ausgaben anläßlich des jährlichen Bruderschaftsfestes auflistet; Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 17. Die Gewandschneiderkompanie hingegen stattete, vermutlich im Jahre 1411 oder 1412, zwei Priesterstellen an ihrem Altar in der Nikolaikirche mit festen Einkünften aus, während die Priester in den Jahren zuvor offenbar ebenfalls aus der allgemeinen Kasse bezahlt worden waren; StAS Gewandhaus HS 3, S. 11, 17. Auch für die zwei Priesterstellen am Gewandschneideraltar in der Marienkirche waren feste Renteneinkünfte vorgesehen; ebd., S. 13. Die Dotierung solcher Stellen mit festen Renten bedeutete aber keineswegs, daß sie nicht dennoch zur Disposition stehen konnten; wie nämlich aus einem anderen Buch hervorgeht, beschäftigte die Gewandschneiderkompanie im Jahre 1453 immer noch zwei Priester in der Nikolaikirche, aber nur noch einen in der Marienkirche; StAS Gewandhaus HS 3, S. 41, 47-49. 1457 waren es insgesamt wieder vier Priester; ebd. S. 50; aus diesem Buch geht allerdings nicht hervor, aus welcher Quelle der immer noch identische Lohn von je 10 M sund. jährlich bezahlt wurde. StAS Stadt. Urk. Nr. 924.
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eine Skizze des Handlungsfeldes
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besonderen Form stand dem spätmittelalterlichen Stadtbewohner eine Vielzahl von Handlungsweisen offen, um durch die Vergabung eines materiellen Gutes eine Tilgung der eigenen Sündenstrafen zu erwirken. Die Vielfalt der Vergabungsvarianten rührt daher, daß der Geber hinsichtlich der Art und Höhe seines Legats, des Adressaten, des Verwendungszwecks, eventueller Gegenleistungen und schließlich der Terminierung der Gabe und gegebenfalls der Gegengabe zwischen mehreren Optionen wählen konnte. Gemeinsam war allen Fällen trotz der Vielgestaltigkeit das ihnen zugrundeliegende Handlungs- oder Vorstellungsmodell vom Gabentausch. Freilich konnten die Empfanger der Gabe im Diesseits oder im Jenseits zuhause sein; auch konnten Empfänger und Erwiderer der Gabe auseinanderfallen, nämlich vor allem dann, wenn bei einer Schenkung an irdische Personen, beispielsweise an pauper es, auf eine Gegenleistung in Gestalt von Fürbitten verzichtet wurde in der Erwartung, allein durch die fromme Gabe Gott zu einer jenseitigen Vergeltung bewegen zu können. ser
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2.
Schenkungen für das Seelenheil Handlungsoptionen und -Präferenzen im Spiegel der Stralsunder -
Testamente
Ein detailliertes Bild von den Vergabungsoptionen und -Präferenzen der Einwohnerschaft Stralsunds im Spätmittelalter läßt sich am besten anhand einer Durchsicht der Stralsunder Testamente gewinnen. Dabei verdient im Hinblick auf die Bedeutung von Stiftungen für die Seelenheilssicherung und auf damit verbundene Jenseitsvorstellungen die Frage besondere Beachtung, in welcher Weise und Intensität sich die Testatoren um eine bestimmte Terminierung von Schenkungen und geplanten Gegenleistungen bemühten. Eine feste Adresse für testamentarische Legate waren die drei Stralsunder Pfarrkirchen St. Nikolai, St. Marien und St. Jakobi.1 Gering war die Zahl der Testatoren, die nicht wenigstens ihre eigene Parochialkirche mit einer Schenkung bedachten.2 Der Wert der Legate bewegte sich zwischen geringen Gaben von 1 Mark sundisch oder nur wenig mehr bis zu Summen von 100 Mark sundisch, in sehr seltenen Fällen sogar deutlich mehr.3
Keine entsprechende Rolle konnte hingegen die Kirche St. Petri spielen, die nur in der Frühzeit Stralsunds existiert hat. Ihre Geschichte und ihre Lage geben immer noch Rätsel auf, da sie zu Anfang des 14. Jh. vollständig aufgegeben wurde und bislang keinerlei archäologische Spuren von ihr entdeckt werden konnten. Die außerhalb des altstädtischen Siedlungskerns errichtete Kirche ist, folgt man der bislang wohl plausibelsten Hypothese Horst-Diether Schroeders, vermutlich im unteren Teil der Langen- und der Frankenstraße zu lokalisieren und dürfte damit ursprünglich der Bevölkerung des ebenfalls in diesem Bereich vermuteten slawischen Fährdorfes als Gotteshaus gedient haben. Damit wäre auch ein plausibler Grund für ihre vollständige Aufgabe zugunsten der später errichteten Marien- und Jakobikirche gefunden, nämlich neben ihrem baulichen Ungenügen ihr Charakter als Wendenkirche; vgl. Schroeder, Schadegard (1964), 45-49, 52 f.; ders., Bürgerschaft und Pfarrkirchen (1964), 262 f.; Fritze, Frühphasen (1983), 122; ders., Zur Gründung Stralsunds (1995), 137-139. Nicht überzeugend ist dagegen der Vorschlag Hellmuth Heydens, St. Peter auf dem Katharinenberg zu lokalisieren und als ursprüngliche Burgkirche anzusehen; Heyden, Zum Schadegard-Problem (1964), 59. Als Empfängerin von Legaten tritt die Peterskirche nur zwischen etwa 1270 und 1295 in einigen Stadtbucheinträgen in Erscheinung. Zumeist handelte es sich hierbei um einfache Schenkungen im Rahmen testamentarischer Verfügungen; s. 1. Stb., I Nr. 208, Nr. 212; 1. Stb., III Nr. 55, Nr. 162; 1. Stb., IV Nr. 181, Nr. 182, Nr. 352, Nr. 370. Nur ein Stadtbucheintrag, zugleich der älteste und der einzige, in dem die Peterskirche ecclesia apostolorum Petri et Pauli genannt wurde, hielt eine Stiftungsabsicht fest: Konrad von Wachenscede bestimmte hier fünf Personen, die, falls er nicht von einer geplanten Rigafahrt zurückkehren sollte, über seine Güter verfügen sollten, um einen Altar versehen zu lassen; 1. Stb., I Nr. 33. 2 Von den bis 1520 beim Rat hinterlegten 197 Testamenten von in Stralsund ansässigen Stiftern enthielten die folgenden achtzehn kein Legat für eine der Stralsunder Pfarrkirchen oder in diesen befindliche Empfänger: StAS Test. Nr. 43, 51, 76, 83, 139, 140, 158, 169, 176, 221, 318, 380, 485, 730, 830, 863, 866, 954. 3 So vermachte Jakob Herder im Jahre 1445 der Nikolaikirche 200 M sund.; StAS Test. Nr. 604. Peter Swan bestimmte 1474 neben drei Kleidungsstücken nach seinem und seiner Ehefrau Tod die Hälfte des beweglichen Nachlasses und sein ganzes Wohnhaus der Marienkirche; StAS Test. Nr. 693. 1
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2.
Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
Tranten
Karte 1: Plan der Stralsunder Altstadt
(Zeichnung von Gerda Nützmann)
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//. Schenken und Stiften
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Meist erfolgten die Vergabungen ohne jegliche Zweckbindung oder waren für Bauzwecke vorgesehen. Bei letzteren beschränkten sich die Testatoren oft darauf, ihre Gaben in allgemeiner Form adfabricam beziehungsweise tome buwete zu bestimmen, also der jeweiligen Kirchenfabrik zukommen zu lassen. Nicht selten wurde ein konkreterer Verwendungszweck vorgegeben, insbesondere dann, wenn ein größerer Bauabschnitt, etwa die Fertigstellung eines Kirchturms, oder besondere Vorhaben der Kirchenausgestaltung anstanden. So begegnen mitunter Gaben für den Bau eines Kirchturms4 oder Kupferlegate für dessen Abdeckung5 sowie Beiträge zur Anschaffung oder Fertigstellung einer Orgel6 oder eines größeren Kirchenfensters.7 Anders als etliche Legate für die Geistlichen einer Pfarrkirche waren die Vergabungen an die Kirche selbst meist nicht an eine Gegenleistung gekoppelt, wenn man von den Aufwendungen für das eigene Begräbnis absieht.8 Die Ausnahme stellen einige Legate dar, die mit dem Verlangen nach einem ewigen Gebetsgedenken verbunden, mithin Stiftungen waren.9 Fehlte eine derartige Auflage, so ist damit nicht ausgeschlossen, daß der Testator, insbesondere bei größeren Legaten, von den Pfarrgeistlichen Fürbitten oder Gebete erhoffte oder erwartete. Er konnte aber auch auf eine Vergeltung für die fromme Gabe durch Gott allein bauen oder auf Fürbitten des jeweiligen Kirchenpatrons hoffen. Denn der Heilige wurde als Empfänger der Gabe mitgedacht, so daß es nur naheliegend war, auch von ihm eine Erwiderung der Gabe zu erwarten. In den Texten der Stiftertestamente scheint diese Vorstellung bis in die zwanziger Jahre des 15. Jahrhunderts jedoch nur im Ansatz durch, nämlich dann, wenn beispielsweise ein Legat nicht tho sinthe Nicolaus kerkew, sondern to sunte Nycolawese11 bestimmt wurde.12 In der Folgezeit verliehen die Testatoren ihrer Hoffnung auf die Fürbitte der Heiligen mitunter offenen Ausdruck. Es unterstreicht die hervorgehobene Stellung Marias in der Heilsvermittlung, daß dies
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Beispielsweise
bestimmte Heinrich Hundertmark in seinem 1340 abgefaßten Testament für den Turm der Nikolaikirche 5 M sund. und den Marienkirchturm 10 M sund., zudem der Marienkirche und der Jakobikirche für die Glocke je 5 M sund.; PUB X, Nr. 5864, S. 490. Der Bürgermeister Matthias Dame sah im Jahre 1485 für den anvisierten Ausbau des zweiten Turms der Nikolaikirche gar ein Legat von 100 M sund. vor, verfügte aber für den Fall, daß das Bauvorhaben nicht ausgeführt würde, die ganze Summe zur Verteilung an Arme; StAS Test. Nr. 737. StAS Test. Nr. 697, 737. StAS Test. Nr. 697, 737. StAS Test. Nr. 774, 884. StAS Test. Nr. 471,717. S. z. B. StAS Test. Nr. 111, 346, 473, 489, 614. Manche Testatoren sahen im Zusammenhang mit ihrer Beerdigung mehrere Legate vor, wenn sie auch an anderen Kirchen ein Glockenläuten während der Begräbnisfeierlichkeiten und mitunter weitere Lichter wünschten; s. StAS Test. Nr. 606, 737, 826, 908, 959, 970; s. zur Begräbnisgestaltung ausführlich Kap. IV. StAS Test. Nr. 615, 689, 847, 859, 959, 965. StAS Test. Nr. 460. StAS Test. Nr. 448. Solche Verkürzungen weisen zwar auf die Vorstellung vom Heiligen als Empfänger der Gabe hin, entwickelten sich jedoch zugleich zu Kurzformen zur Bezeichnung des jeweiligen Gotteshauses. Besonders deutlich wird dies im Fall der Spitäler, wenn beispielsweise eine Gabe für die Insassen des Jürgenspitals den elenden to sunte Iurian vermacht wurde; StAS Test. Nr. 427.
2.
Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
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Karte 2:
Das mittelalterliche Stralsund; Kupferstich nach Johannes Staude in Matthäus Merians Cosmographia..." von 1650 ,,
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nur bei Legaten an die Marienkirche geschah.13 Erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts schloß man andere Patrone in den Wunsch nach Fürbitte ein, so daß nun immer häufiger Legate an mehrere Stralsunder Kirchen, darunter auch Kloster- oder Spitalkirchen, verfügt wurden, up dat de hilgen Gades den leven Got vor my bydden. Wesentlich seltener als die Pfarrkirchen selbst wurden die dort tätigen Pfarrherren und Kapläne in den Testamenten bedacht. Derartige Legate, in der Regel Beträge von einigen Schilling oder einigen wenigen Mark sundisch pro Empfanger, verzeichneten seit den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts eine leichte Zunahme und waren seitdem des öfteren, vor allem bei Vergabungen an Geistliche der Nikolaikirche, mit dem Wunsch nach Fürbitten für den verstorbenen Testator verbunden.15 Neben den Pfarrkirchen und den bei ihnen errichteten Kapellen16 und abgesehen von den Kloster-, Spital- und Gasthauskirchen gab es innerhalb der städtischen Gemarkung Stralsunds drei weitere Gotteshäuser, die sich als Empfänger milder Gaben anboten. Dabei erhielt allerdings die am Frankendamm vor der Heiliggeistkirche gelegene Heiligkreuzkapelle kaum einmal ein testamentarisches Legat17, während die Markuskapelle und die Kapelle St. Maria Magdalena vor allem in der Phase ihrer Entstehung des öfteren bedacht wurden. Ausschlag-
anfangs
13 14
StAS Test. Nr. 555 (1428), 581 (1433), 615 (1449). StAS Test. Nr. 773; vgl. auch StAS Test. Nr. 658, 850, 896. Auch bei den Formulierungen, die die Erwartung von Fürbitten mehrerer Patrone ausdrückten, wurde häufig die Sonderstellung Marias betont. So sollten nach dem Willen von Gerhard Kremer Gaben an verschiedene Kirchen erfolgen, up dat Maria, de moder Gades myt den leven hilgen ere benedide kynt vor my bidde; StAS Test. Nr. 752; vgl. ähnliche, Maria heraushebende Wendungen u.a. in folgenden Testamenten: StAS Test. Nr. 698,
15 16
S. u. a. StAS Test. Nr. 555, 612, 691, 620, 664, 692, 693, 694, 737, 959. In unmittelbarer Nähe der Marienkirche existierten zwei Kapellen: die Apollonienkapelle und die Erasmuskapelle auf dem Marienkirchhof; zu letzterer s. die das dortige Benefizium betreffenden Eintragungen aus den Jahren 1419, 1424 und 1429 in den Vatikanischen Supplikenregistern: RepGerm 4/1, Sp. 1096; RepGerm 4/2, Sp. 2192; RepGerm 4/3, Sp. 3758. Die Apollonienkapelle hatte die Stadt als Sühne für den „Pfaffenbrand" von 1407 erbauen müssen; dabei waren drei Priester von einer wütenden Menge auf dem Neuen Markt verbrannt worden, nachdem der Archidiakon Konrad Bonow als Antwort auf eine Reduzierung der Abgaben an die Kirche infolge einer Münzverschlechterung eine Strafexpedition unternommen hatte, bei der vor den Toren der Stadt mehrere Stralsunder Einwohner getötet und einige Häuser und Buden niedergebrannt worden waren; eine Darstellung der dramatischen Vorgänge bieten die Chronik Johann Berckmanns und die „Congesta Hinrici Buschii"; MohnikelZober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik (1833), 6-8, 170-175; vgl. Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 52, 108-110. Sowohl die Erasmus- als auch die Apollonienkapelle wurden von den Stralsunder Testatoren kaum mit Legaten bedacht, was im Falle letzterer nicht weiter verwunderlich ist. Soweit bekannt ist, wurde die offenbar dem Heiliggeistspital angegliederte Kapelle 1464 erstmals erwähnt, als die Provisoren des Heiliggeistspitals Heinrich Hofmester eine Bude belegen achter deme hilgen crutze uppde deme vrankendamme verkauften, der mit den daraus zu beziehenden Renteneinkünften eine Almosenstiftung zugunsten der Spitalinsassen zu finanzieren beabsichtigte; StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 123. Im Jahre 1484 bestätigten die Spitalprovisoren die Stiftung einer Meßpriesterstelle in der Heiligkreuzkapelle durch den Priester Johann Danske; StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 137.
717,725,770,806,838.
17
2.
Schenkungenfür das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
83
gebend für diese Unterstützung war, daß beide Kapellen im Zusammenhang mit zwei Pestepidemien als kollektive Sühnemaßnahme errichtet wurden.18 Auch in Stralsund hatten die Pfarrkirchen auf dem Gebiet der Seel- und Seelenheilsorge in den Mendikanten starke Konkurrenten. Bereits um die Mitte des 13. Jahrhunderts, also knapp zwanzig Jahre nach der Verleihung des Stadtrechts im Jahre 1234, wurden das Johanniskloster der Franziskaner und das Katharinenkloster der Dominikaner Während in der Gründungsphase die Nachrichten über die Förderung der beiden Konvente durch die Stralsunder Einwohnerschaft überlieferungsbedingt eher spärlich fließen20, offenbaren die Testamente des 14. und 15. Jahrhunderts, daß die Mendikanten sich bald einen festen Platz unter den Adressaten letztwilliger Seelenheilgaben erobert hatten. nur
gegründet.19
Der Bau der Kapelle St. Maria Magdalena, wiewohl vermutlich schon einige Zeit zuvor geplant, wurde offenbar 1352, also nach dem großen Seuchenzug von 1349/50, in Angriff genommen, während die Errichtung der Markuskapelle, die neben dem hl. Markus dem hl. Fabianus und den als Helfern gegen die Pest verehrten hl. Antonius und hl. Sebastianus geweiht war, wahrscheinlich durch die Epidemie von 1475 den entscheidenden Anstoß erfuhr; Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 51-53; vgl. zur Kapelle St. Maria Magdalena, die mit dem dazugehörigen Kirchhof 1421 dem in der Gründung befindlichen Birgittenkloster Marienkrone überlassen wurde, auch Adler, Stralsundische Begräbnisstätten (1939), 6. 19 Beide Gründungen erfolgten offenbar unter maßgeblicher Unterstützung adliger Personen. Den Franziskanern überließen die Ritter Lippold, Borchard und Johann von der Osten einen Hof zur Errichtung des Klosters; s. die deutsche Übertragung der lateinischen Bestätigungsurkunde von Fürst Jaromar II. von 1254, gedruckt: PUB VI, Nr. 3944, und Wehrmann, Zur Gründung des Johannisklosters (1901), 123 f.; nach den Angaben einer Stralsunder Chronik stifteten Borante von Putbus und dessen Schwester Margarete sowie die Brüder Helmer und Arnold Schriver je ein weiteres Drittel des städtischen Grundes und ließen Borante den Chor und das Schlafhaus und Margarete das Eckhaus am Kirchhof errichten; Baier, Bruchstücke (1900), 64, 70; vgl. auch Mohnike/Zober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik (1833), 161; vgl. zur Gründung des Johannisklosters auch Wehrmann, Zur Gründung des Johannisklosters (1901); Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 709 f.; Fait, Die norddeutsche Bettel-Ordensbaukunst (1954), 66; Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 29 f.; ders., Die Franziskaner (1993), 145. Auch die Dominikaner waren wohl von Jaromar II. in die Stadt gerufen worden und hatten diesem und vielleicht auch dessen Gattin Euphemia die Bewidmung mit einem städtischen Areal zu verdanken, die 1261 durch Jaromars Sohn Wizlaw II. förmlich bestätigt wurde; PUB II, Nr. 705; vgl. eine ausführliche chronikalische Gründungsnotiz, die allerdings im Datum und wohl auch hinsichtlich des Begräbnisortes von Euphemia irrt, gedruckt bei Baier, Bruchstücke (1900), 64 f., 70 f. Einen weiteren Hinweis auf die Entstehungszeit liefert eine Inschrift im Chorgestühl der Dominikanerkirche zu Röbel aus dem Jahre 1519, die 1251 als Gründungsjahr des Stralsunder Klosters angibt; MUB II, Nr. 761. Vgl. zur Gründungszeit Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 718 f.; Fait, Die norddeutsche Bettel-Ordensbaukunst (1954), 69; Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 30 f.; Kurtz, Das Katharinenkloster, Bd. 1 (1959), 26-28; Schroeder, Bürgerschaft und Pfarrkirchen (1964), 263 f.; Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 246 f. 20 Im ersten Stadtbuch, das von 1270 bis 1310 geführt wurde, also während eines Zeitraums, aus dem nur ein datiertes Originaltestament überliefert ist, finden sich zehn Einträge über Vergabungen an die Franziskaner oder die Dominikaner. Meist handelt es sich dabei um Auszüge aus Testamenten oder letztwilligen Verfügungen; s. 1. Stb., I Nr. 107, Nr. 208, Nr. 212, Nr. 339; 1. Stb., III Nr. 55, Nr. 162, Nr. 329, Nr. 384; 1. Stb., IV Nr. 352, Nr. 370. Hinzu kommt eine Eigentumsübertragung infolge eines Ordenseintritts; 1. Stb., IV Nr. 40.
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Der Wert der den beiden Klöstern vergabten Güter variierte beträchtlich, blieb jedoch in den meisten Testamenten unter 50 Mark sundisch und damit unter den Summen, die die Pfarrkirchen von den reichsten Testatoren erhielten.21 Vermacht wurden meist Geldbeträge, die mitunter allgemein zum Bau und selten für speziellere Zwecke bestimmt waren22, daneben finden sich auch Kleidungsstücke23, Kelche und Ornate.25 Von den Kloster zu unterscheiden sind das an gesamte Legate zur Verteilung an einVergabungen zelne oder an alle Konventualen. Ihr Wert lag im Durchschnitt unter dem von Vergabungen für das ganze Kloster. So erhielt bei Legaten, die zur Aufteilung unter allen Brüdern gedacht waren, jeder meist nur zwischen 2 und 8 Schilling sundisch.26 Einzelne Konventualen erhielten mitunter jedoch deutlich mehr. Solche Einzellegate, die aus einem Betrag von mehreren Mark sundisch, einem Kelch oder gar einer Leibrente bestehen konnten, gingen zumeist an den Beichtvater27 oder einen Verwandten des Testators28 oder an herausgehobene Personen wie den Guardian beziehungsweise den Prior oder den Lektor.29 Klammert man die Stiftungsfalle aus, so enthält nur ein Bruchteil der letztwilligen Verfügungen zugunsten der Mendikantenklöster Fürbittklauseln. Dies trifft sowohl für die Legate an das Kloster insgesamt wie auch für diejenigen an einzelne oder alle Konventualen zu. Solche Klauseln erscheinen vor dem zweiten Drittel des 15. Jahrhunderts nur vereinzelt, anschließend häufiger. Die Formulierungen sind meist so allgemein gehalten, daß sie keine Rückschlüsse auf die Form, Zahl und Dauer der erwarteten Fürbitten zulassen.30 Nur in einzelnen Fällen deuten sich konkretere Vorstellungen an, die im übrigen durchaus auf unterschiedliche Formen liturgischen Gedenkens abzielten. So vermachte Hans Kedinck im Jahre 1502 den beiden Mendikantenkonventen je ein Drömt Roggen und bestimmte, sie sollten ihn dafür myt vilgen unde zelemyssen vor began latent Dagegen sollten nach dem 1508 nieder-
Getreidelegate24,
Ausnahmen stellen die Legate in Höhe von 50 M sund. dar, die den Dominikanern von Jakob Herder (StAS Test. Nr. 604), Hans Bure (StAS Test. Nr. 717) und Joachim Frame (StAS Test. Nr. 965) und den Franziskanern ebenfalls von Jakob Herder und Hans Bure bestimmt wurden. 22 So bestimmte Wilhelm von Struncken 1392 dem Katharinenkloster 50 M sund. für die Orgel; StAS Test. Nr. 457. 23 PUB VII, Nr. 4561; PUB VIII, Nr. 5140; StAS Test. Nr. 117, 148, 526, 615, 693, 873 u. a. m. 24 StAS Test. Nr. 458, 679, 699, 791, 809, 859 u. a. m. 25 PUB XI, Nr. 6010; StAS Test. Nr. 345, 457, 500 u. a. m. 26 Von außergewöhnlicher Großzügigkeit war die testamentarische Verfügung Johann Hogedorps von 1393, die jedem Konventualen acht Ellen Tuch, die Elle zu 1 M sund., für eine Kutte bestimmte; StAS Test. Nr. 458. 27 So u. a. in PUB X, Nr. 5864; StAS Test. Nr. 235, 298, 360. 28 S. u. a. PUB XI, Nr. 5965; StAS Test. Nr. 631. 29 S. beispielsweise PUB VII, Nr. 4477; PUB VIII, Nr. 5184; PUB XI, Nr. 5965; StAS Test. Nr. 360. 30 Von derart allgemeiner Form sind Wendungen wie dat se Got vor my bidden (StAS Test. Nr. 526), dat se sametliken bidden vor myne armen seien (StAS Test. Nr. 631) oder dat se miner denken unde God vor mi bidden (StAS Test. Nr. 620); vgl. für das Johanniskloster ähnliche Klauseln u. a. in den Testamenten StAS Test. Nr. 581, 607, 619, 754, 757, 785, 791, 879, 891, 895, 902; für das Katharinenkloster u. a. in den Testamenten StAS Test. Nr. 500, 526, 581, 619, 620, 631, 691, 699, 785, 791, 847, 879, 891, 896, 902, 908, 947, 965. 31 StAS Test. Nr. 859. 21
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Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
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testamentarischen Willen von Jürgen Lange die Franziskaner 24 Mark sundisch Bau und die Dominikaner 12 Mark sundisch erhalten, uppe dat se in ereme Gades denste, vigilien unde selenmissen truweliken miner denken unde Got den heren vor my bidden32 Während Kedinck also an ein eigenes, wohl einmaliges Begängnis, wahrscheinlich am Jahrtag seines Todes oder Begräbnisses, dachte, schwebten Lange mehrere sicherlich möglichst zahlreiche namentliche Fürbitten in den allgemeinen Gottesdienstfeiern vor. Bei einmaligen Gaben, die unter den Konventualen zu verteilen waren, finden sich ähnlich allgemein gehaltene Wünsche nach memorialen Gegenleistungen.33 Während auch hier am ehesten davon auszugehen ist, daß diese in einem kurzen Zeitraum nach dem Tod angesiedelt sein sollten, wurde bei einem anderen Gabetypus sicherlich eine längerfristige Verbindung zwischen Geber und Empfänger angestrebt: Eine Leibrente erinnerte den einzelnen Mendikanten immer wieder an seinen Wohltäter und an seine Pflicht zur Erwiderung der Gabe.34 Dabei schließt die Tatsache, daß solche Leibrenten nicht nur im Fall der Mendikanten, sondern von Ordens- und Weltgeistlichen überhaupt des öfteren für Verwandte des Testators bestimmt waren und damit die Funktion der materiellen Versorgung der eigenen Familie erfüllten, nicht aus, daß auch von solchen Empfängern Solidarität mit dem toten Geber erwartet wurde. Daß nur relativ wenige testamentarische Legate an die Bettelordensklöster mit dem ausdrücklichen Wunsch nach Fürbitte verbunden waren, vermag auf den ersten Blick zu überraschen, bedenkt man die vielfältigen und insbesondere die liturgisch-memorialen Dienste, mit denen die Mendikanten das Bemühen der spätmittelalterlichen Stadtbewohner um die Erlangung des ewigen Heils unterstützten. Hat man also zu folgern, daß bei den Vergabungen sehr häufig eine im Testament nicht ausgesprochene Erwartung bestimmter Gebetsleistungen mitschwang? Es wurde bereits festgestellt, daß dies bei Legaten an klerikale Institutionen nicht durchweg angenommen werden darf.35 Im Hinblick auf die Mendikanten scheinen solche Überlegungen indes näherzuliegen, und gerade bei Gaben größeren Umfangs dürften sie sicherlich des öfteren zutreffend sein. Dennoch sind auch hier Motive für einen Verzicht auf besondere memoriale Gegenleistungen vorstellbar: So mochte manch ein Testator einen solchen Verzicht als Ausdruck demütiger Selbstbescheidung verstanden wissen wollen.36 Zudem galt bei Legaten an die Klosterkirche wohl nicht selten
gelegten zum
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StAS Test. Nr. 900. StAS Test. Nr. 632, 774, 873. Die Erwartung einer derartigen Gegenleistung wurde allerdings nur selten explizit formuliert, d. h. in den Stralsunder Stiftertestamenten nur in einem von neun Fällen; s. StAS Test. Nr. 651. In Anbetracht der durch eine Leibrente bewirkten vergleichsweise engen personalen Bindung ist jedoch davon auszugehen, daß eine solche Erwartungshaltung sich auch ohne schriftliche Manifestation im Testament verstand. S. oben S. 53. Bei der Gestaltung von Grabmälern und Begräbnisfeiern ist dieses durch die vielstimmige spätmittelalterliche Kritik an ausuferndem Begräbnispomp geforderte Motiv der modestia bereits hinlänglich bekannt; vgl. etwa Uli, Wohin die Toten gingen (1992), 97; Vavra, Pro remedio anime (1990), 136. Schwieriger ist eine derartige Haltung bezüglich der Totenmemoria zu belegen. Eine in dieser Hinsicht wie auch unter Stiftungsaspekten bemerkenswerte Quelle ist der Liber oblationum et anniversariorum
Vgl.
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der jeweilige Kirchenpatron als eigentlicher oder vorrangiger Adressat, auf dessen Interzession man hoffte; diese Hoffnung wurde mitunter explizit formuliert, wenn auch nicht so häufig wie bei Gaben an die Pfarrkirchen und hier besonders an die Marienkirche. Daß die Patrone der Klosterkirchen als Legatempfänger nicht dieselbe Bedeutung besaßen wie die Pfarrkirchenheiligen, wird im übrigen auch daran deutlich, daß sie in der Regel nicht separat, sondern nur summarisch mit anderen Kirchenpatronen angesprochen wurden.37 Solche pauschalen Wendungen konnten neben Pfarrkirchenheiligen auch die Patrone kleinerer Kapellen und von Spital- und Gasthauskirchen einschließen, wobei häufig die Gottesmutter als einzige herausgehoben wurde.38 Ähnliche Beobachtungen wie für das testamentarische Schenkungsverhalten gegenüber den Mendikantenklöstern lassen sich auch hinsichtlich der beiden städtischen Konvente machen, die erst im 15. Jahrhundert gegründet wurden. Das zum Birgittenorden gehörende Kloster Marienkrone entstand infolge einer Initiative des Stralsunder Rates, der mit dem Birgittenkloster Marienwold bei Mölln, südlich von Lübeck, im Jahre 1421 einen Vertrag über die Klostergründung durch Marienwolder Konventualen abschloß.39 Im selben Jahr
des Wiener Schottenklosters (MGH Necr., Bd. 5, 308-318). Seine Anlage im Jahre 1442 entsprang dem Bemühen des Konvents um eine Neufestlegung der aus älteren Stiftungen herrührenden liturgischen Verpflichtungen nach Maßgabe der überhaupt noch vorhandenen Stiftungseinkünfte. Im Anschluß an die Abschrift eines hierüber ausgefertigten Notariatsinstruments wurde im darauffolgenden Jahr ein Verzeichnis der Wohltäter des Klosters begonnen, um derjenigen besser gedenken zu können, die de fratrum devocione confisi studuerunt communibus bonis contentan, nolentes humeros nostros in speciali onerare per anniversariorum aut aliorum divini cultus obsequiorum perpetuam institucionem (ebd., 312, Z. 20-22). Die einzelnen Einträge der Liste wiederholen zwar meist nicht das vorgebliche Motiv, sich mit der Teilhabe an den geistlichen Früchten des Konvents zu bescheiden, sondern nennen in dem sich an das Erstverzeichnis älterer Vergabungen anschließenden Teil abgesehen von einer Minderzahl von Fällen mit spezifischen liturgischen Gegenleistungen nur den Namen der Person und ihre jeweilige Gabe. Eine bemerkenswerte Ausnahme stellt jedoch der Eintrag über ein Legat von Dorothea Puschinger dar: Item Dorothea Puschingerin testata est monasterio 200 [marcas denariorum] nullam obligacionem specialem monasterio imponens, sperans suffragium sibi impendí oracionibus fratrum, cuius anima requiescat in pace (ebd., 316, Z. 20-22). Daß die Wohltäterin hier tatsächlich Verzicht geübt hat, unterstreicht ein Blick auf die enorme Höhe des Geldlegats, mit dem sie ohne weiteres etwa eine ewige Jahrzeit hätte finanzieren können. Ein weiterer auffälliger Spendenvermerk könnte auf eine ähnliche Motivlage zurückzuführen sein, ohne hier jedoch klaren Aufschluß zu bieten: Item quedam persona, que noluit nominari, testata est monasterio aflórenos Ungaricales et 2 Renenses (ebd., 316, Z. 1 f.). Vgl. zum Liber oblationum et anniversariorum des Wiener Schottenklosters demnächst ausführlich Wagner, Von der Stiftungsurkunde zum Anniversarbucheintrag [im Druck], der mir freundlicherweise vorab Einsicht in das Manuskript gewährte. Als Ausnahme ist die Anrufung des hl. Johannes in dem Testament von Hans Sume anzusehen; StAS Test. Nr. 754; vgl. dagegen die Anrufung eines einzelnen oder zweier Pfarrkirchenpatrone u. a. in folgenden Testamenten: StAS Test. Nr. 737, 754, 767, 815, 896. So ist der im Testament von Kunneke Kruse gewählte Ausdruck, up dat Maria, de moder Gades, myt den leven hilgen ere benedide kynt vor my bidde, als eine typische, meist nur geringfügig variierte Formulierung anzusehen; StAS Test. Nr. 770. Der Stralsunder Liber memorialis enthält Abschriften der anläßlich der Gründungsvereinbarung ausgestellten Urkunden, nämlich der vom Stralsunder Rat erteilten Genehmigung der Klostergründung (LM 2, Nr. 559), der Bestätigung der Erlaubnis und ihrer Bedingungen durch den Marienwolder Konvent -
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Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
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erfolgte die Ansiedlung eines birgittinischen Doppelkonventes von getrennt wohnenden Nonnen und Mönchen auf einem Gelände vor dem Kütertor unter Einschluß der Kapelle St. Maria Das Kloster, dessen Gründung durch erhebliche Zuwendungen vor allem aus führenden Stralsunder Kreisen ermöglicht worden war41, erfuhr auch in der Folgezeit nach Ausweis der Testamente immer wieder Unterstützung durch Stralsunder Einwohner. Häufig waren die Legate zum Bau bestimmt, was durchaus verständlich ist, wenn man die auch nach dem Einzug des Konventes notwendigen Bauarbeiten bedenkt und
Magdalena.40
(LM 2, Nr. 562), der Einwilligung des Stralsunder Pfarrherrn Johann von der Heyde in die Gründung (LM 2, Nr. 560), alle datiert vom 12. März 1421, sowie schließlich der Zustimmung Herzog Wartislaws IX. von Pommern als des Patrons der Stralsunder Pfarrkirchen zur Gründung, ausgestellt am 6. April 1421 (LM 2, Nr. 561). 40 Den Einzug der ersten Schwestern und Brüder am 20. Juli 1421, dem Sonntag vor Maria Magdalena, dem Fest der Patronin der zur Verfügung gestellten Kapelle, vermerkt eine Stralsundische Chronik des 15. Jh.; Baier, Zwei Stralsundische Chroniken (1893), 22. 41 Bereits einige Jahre vor dem Gründungsakt wurden die ersten Weichen zur Gründung des Klosters gestellt: Nach einem Eintrag im 4. Stadtbuch aus dem Jahre 1422 hatte der Stralsunder Rat 1417 einen Garten bei der Kapelle St. Maria Magdalena erworben, den wiederum der Ratsherr und spätere Bürgermeister Simon von Orden der Stadt abkaufte. Diesen Garten stellte er am 8. März 1421 zur Gründung des Klosters Marienkrone zur Verfügung; s. StAS, HS 1.4, fol. 33v. Im Jahre 1418 kaufte Reimborgis, die Witwe des Ratsherrn Arnold Poleman, für sich eine Leibrente von 115 M sund. und vereinbarte dabei, daß der Verkäufer, der Bürgermeister Konrad Bischop, nach ihrem Tod innerhalb von zwei Jahren insgesamt 50 M sund. zum Bau des neuen Klosters zahlen solle. Hoogeweg, der hier vermutlich eine unvollständige Transkription Dinnies' benutzt hat (StAS HS 151, S. VI), gibt hingegen irrigerweise an, daß die Zahlungsverpflichtung auf 50 M sund. pro Jahr, mithin 100 M sund. lautete; Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 734. Die Eintragung im Stadtbuch kann jedoch nur in der erstgenannten Weise verstanden werden: Et ultra hoc dictus dominus Conradus vel sui heredes debent et tenentur quinquaginta marcas denariorum ad structuram novi monasterii monialium in capella sánete Marie Magdalene extra muros Sundenses erigendi in duobus annis post mortem predietam. Et ultra hoc dictus dominus Conradus vel sui heredes debeant et tenentur post mortem ipsius domine Reymborgh dare et erogare pro salute anime ipsius quinquaginta
denariorum ad structuram novi monasterii monialium in sánete Marie in duobus annis post mortem predietam videlicet in primo anno XXV extra muros Sundenses marcas et post hoc in secundo anno XXV marcas denariorum dicto monasterio persolvendo; StAS HS marcas
erigendi
capella
Magdalene
1.3, registrum de hered. obligat., fol. 74r_v. Falsch ist auch die Darstellung Heydens, Reimborgis habe eine Rente
von 115 M sund. zum Bau des Klosters vorgesehen; Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 101. Angefügt sei noch eine Schenkung des Gewandschneideraltermanns Jakob von Hiddingen an das Kloster, die im Juli 1422 in das Stadtbuch eingetragen wurde und dessen Ackerhof in der Nachbarschaft des Klosters betraf; StAS HS 1.4, fol. 36r. Das Engagement führender Stralsunder Persönlichkeiten bei der Implantierung des Konvents wird auch daran deutlich, daß die genannten Simon von Orden und Jakob von Hiddingen zusammen mit Hiddingens Schwiegersohn Nikolaus Krakow in der Anfangsphase als vom Rat bestellte Prokuratoren des Klosters tätig waren. Nach dem Tod Ordens legten die Prokuratoren im Jahre 1427 Rechenschaft über ihre Tätigkeit ab und übergaben alle Urkunden und sonstigen klösterlichen Besitztümer an den Konvent; StAS HS 1.4, fol. 84v. In der Folgezeit übte der Konvent die Verwaltungsgeschäfte offenbar in der Regel selbständig aus, da in den diesbezüglichen Quellen nur noch zweimal vom Rat bestellte Prokuratoren erwähnt werden; StAS HS 1.5, fol. 1 lv, 85"; vgl. Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 739 f.; s. zur Klostergründung auch ausführlich Nyberg, Birgittinische Klostergründungen (1965), 99-112.
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insbesondere den 1446 begonnenen Neubau der Klosterkirche. Ebenso wie bei den Mendikantenklöstern lag der Wert der Legate meist unter 50 Mark sundisch43, wobei allerdings zu bedenken ist, daß die großen Gaben, die Gründung und Aufbau des Klosters ermöglicht hatten, nicht auf testamentarischem Wege erfolgt waren. Sowohl Vergabungen an das Kloster insgesamt wie auch die relativ seltenen Legate zur Verteilung unter den Konventualen waren des öfteren mit dem Wunsch nach Fürbitte verbunden.44 Ebenso wie gegenüber den Mendikanten wurde dieses Verlangen meist nur in allgemeinen Wendungen ausgedrückt.45 Die Besonderheit Marienkrones als birgittimsches Kloster, nämlich das Nebeneinander eines Nonnen- und eines Mönchskonventes, schlug sich bei den Vergabungen an die Konvenmalen in der Weise nieder, daß die Brüder beziehungsweise die Priester unter ihnen gegenüber den Schwestern merklich bevorzugt wurden. Sicherlich hatten sie dies ihrer liturgischen Kompetenz zu verdanken, die zwar nicht immer explizit nachgefragt wurde, aber wohl auch bei den Vergabungen an die Mönche ohne Fürbittklausel das Objekt unausgesprochener Erwartungen war.46 Die letzte Konventsgründung im mittelalterlichen Stralsund verdankte sich vor allem der Großzügigkeit eines einzelnen Stralsunder Bürgers. In seinem Testament vom 23. September 1480 bestimmte Hans Bure sein Wohnhaus in der Fischerstraße sowie 100 rheinische Gulden zur Gründung eines Hauses der Schwestern vom gemeinsamen Leben nach dem Vorbild des der Augustinerregel verpflichteten Lübecker Segebergkonventes.47 Der Konvent
42 Baier, Zwei Stralsundische Chroniken (1893), 23. In Johann Berckmanns Chronik ist die Grundsteinlegung auf das Jahr 1445 datiert; Mohnike/Zober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik (1833), 9 f. Der Dachstuhl wurde 1464 errichtet, sechs Jahre später wurde die Kirche schließlich geweiht; Baier, Zwei Stralsundische Chroniken (1893), 37, 4L In den letzten beiden Jahrzehnten des 15. Jh. ist ein relativer Rückgang der testamentarischen Baulegate festzustellen. 43 Die außergewöhnlich hohe Summe von 100 M sund. vermachte im Jahre 1445, womöglich motiviert durch den anstehenden Kirchenneubau, Jakob Herder dem Birgittenkloster; Herder hatte allerdings auch anderen Stralsunder Gotteshäusern umfangreiche Legate bestimmt; StAS Test. Nr. 604. 44 Daß die relative Häufigkeit von Fürbittklauseln hier größer ist als bei den Mendikanten, liegt natürlich in erster Linie daran, daß die Vergabungen an die Birgittiner erst zu einer Zeit einsetzen, als sich die Fürbittklauseln in den Stralsunder Testamenten insgesamt zu mehren beginnen. 45 Davon weicht beispielsweise der bereits zitierte Wunsch Jürgen Langes nach Fürbitten in ereme Gades denste, vigilien unde selenmissen ab, den er in gleicher Weise gegenüber Franziskanern, Dominikanern und Birgittinern äußerte; StAS Test. Nr. 900. Präziser als die Mehrheit formulierte auch Heinrich Scharf seine Vorstellungen, der den Priestern des Klosters Marienkrone 10 M sund. zur Verteilung in de hende vermachte und anfügte: dar vor so scholen se myner armen zelen vilgen unde selemissen holden; StAS Test. Nr. 734. Ein eigenes Begängnis wünschte sich ebenfalls Gobbeke Brandenburg, die die nur einmal abzuhaltende Feier mit einem vermutlich dauerhaften Fürbittgedenken kombinieren wollte; für ihren besten Mantel mit drei Paar Spangen sollten die Konventualen nämlich mi began mit vilghen unde mit selemissen unde miner sele denken laten in deme denste Godes unde wen se Godeswort gedan hebben; StAS Test. Nr. 556. 46 Vgl. die Legate an die Mönche bzw. Priester mit Fürbittklausel u. a. in folgenden Testamenten: StAS Test. Nr. 734, 754; ohne Klausel: StAS Test. Nr. 549, 711. 47 StAS Test. Nr. 717. In der älteren Forschung hatte man längere Zeit fälschlicherweise angenommen, das Haus sei von dem Stralsunder Bürgermeister Otto Voge, dem vormaligen Eigentümer, gestiftet worden, ein Irrtum, der offenbar durch die in den Quellen, insbesondere den Testamenten, häufig
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Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
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konstituierte sich wohl bald darauf, denn die Existenz des Hauses ist bereits für das Jahr 1485 bezeugt, in dem den Schwestern zwei Buden geschenkt wurden.48 Die in der Folgezeit an das der hl. Anna geweihte Haus ergangenen testamentarischen Schenkungen offenbaren, daß die Testatoren bei dem Bemühen um ihr Seelenheil den Schwestern nicht dieselbe Rolle zumaßen wie den Mendikanten und den Birgittinern. Denn im Vergleich waren die Schenkungen an das Annenhaus weniger zahlreich und im Durchschnitt von geringerem Umfang.49 Auch kam es seltener vor, daß die Schwestern im Gegenzug um Fürbitten für das Seelenheil des Testators gebeten wurden50; dies verweist auf ein Charakteristikum, das maßgeblichen Anteil an ihrer geringeren Attraktivität als Legatempfängerinnen gehabt haben dürfte, nämlich das eingeschränkte liturgische Angebot des Konventes. Schließlich stand für Gottesdienstfeiern nur der dem Konvent zugeteilte Beichtvater zur Verfügung51; und die Genehmigung, einen eigenen Kirchhof anzulegen, erhielten die Schwestern erst im Jahre 1519 und auch nur für die Bestattung von Konventsmitgliedern.52 Ihre eigentümliche Stellung zwischen Beginen, Franziskanertertiarierinnen und Chorfrauen der Windesheimer Kongregation führte auch dazu, daß die Schwestern vom gemeinsamen Leben von den Zeitgenossen und auch der historischen Forschung immer wieder mit den Beginen verwechselt wurden53; so auch in Stralsund54, obwohl hier die Annahme der Augustinerregel dem Konvent ein deutlich monastischeres Gepräge hatte geben müssen. Eine dennoch verbliebene Nähe zu den Beginen mochte im übrigen auf das testamentarische
begegnende Benennung des Klostergebäudes als Voge-Haus hervorgerufen worden war; vgl. Dinnies, Kurze Nachricht (1786), 121; Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 729 f. Er wurde korrigiert durch Christian Reuter, der das Testament Bures entdeckt und publiziert hat; Reuter, Die Gründung von St. Annen (1898), 209 f.; vgl. auch Adler, Die Beginen (1936), 72 f.; Hoogeweg, Der Gründer von St. Annen (1929); Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 64 f.; Rehm, Die Schwestern vom gemeinsamen Leben (1985), 96 f. 48 49 50
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StAS Urk. Marienkrone Nr. 98. Ein Legat im Wert von 30 M sund. bildete bereits eine Ausnahme; StAS Test. Nr. 850; vgl. StAS Test. Nr. 746, 747, 752, 757, 787, 790, 817, 838, 935, 955, 959, 965, 980. Vgl. StAS Test. Nr. 757, 850, 908. Dieses Bild wird ergänzt durch die Beobachtung, daß für das Annenhaus nur drei testamentarische Stiftungen zum Zwecke liturgischer Memoria überliefert sind, darunter eine Meßstiftung (StAS Test. Nr. 866) und zwei Stiftungen ewiger, nicht näher beschriebener Fürbitten, wobei in einem Fall zusätzlich zwei einmalige Begängnisse gefeiert werden sollten (StAS Test. Nr. 838, 959). Zur Stellung und den Aufgaben der Beichtväter in den Schwesternhäusern Rehm, Die Schwestern vom gemeinsamen Leben (1985), 190-197. StAS Rep. 28 Nr. 175; s. auch Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 730. Zur Charakterisierung der Schwestern vom gemeinsamen Leben und zu den Problemen ihrer Identifizierung in Abgrenzung von den übrigen Formen religiöser und semireligioser Frauengemeinschaften Rehm, Die Schwestern vom gemeinsamen Leben (1985), bes. 34-54. Vgl. zur Wahrnehmung der Zeitgenossen etwa StAS Test. Nr. 787, 829, 839, 850, 863a, 906, 908; ihre Widerspiegelung in der älteren lokalen Forschung: Adler, Die Beginen (1936), 73; Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 730; ders., Der Gründer von St. Annen (1929), 182; Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 64 f. Erst Gerhard Rehm gelang es, durch die Untersuchung der Schwesternhäuserfiliationen in Nordwestdeutschland auch den genauen Charakter der Stralsunder Gründung aufzudecken; Rehm, Die Schwestern vom gemeinsamen Leben (1985), 96 f.
90
//. Schenken und Stiften
Schenkungsverhalten nicht ohne Auswirkung geblieben sein, das jedenfalls in der Behandlung beider gewisse Parallelen aufweist. Während es keine Hinweise auf die Existenz von Begharden in Stralsund gibt, bestand wohl seit dem späten 13. Jahrhundert ein bei den Dominikanern angesiedelter Beginenkonvent55, während eine an die Franziskaner angegliederte, offenbar kleinere56 Gemeinschaft erst seit 1350 nachweisbar ist.57 Daneben ist um die Mitte des 14. Jahrhunderts, als die Beginenbewegung offenbar im Zusammenhang mit der Pestepidemie einen regionalen Höhepunkt erlebte, ein weiterer, in mehreren Testamenten bedachter Konvent in .der Mühlenstraße
belegt, dem aber dem Anschein nach nur ein kurzes Leben beschieden war.58 Die Stralsunder Beginengemeinschaften erhielten vergleichsweise selten testamentarische Legate, die zudem den Wert von einigen wenigen Mark sundisch kaum überstiegen.59 Damit ist eine Tendenz aufgezeigt, die auch im Hinblick auf die Schwestern vom gemeinsamen Leben zu beobachten ist, bei den Beginen allerdings noch deutlicher ausgeprägt erscheint. Ähnliches gilt für die testamentarischen Wünsche nach Fürbitten der Beginen, die ebenfalls selten waren.60 Daß die Wünsche zudem nur in allgemeiner Weise, also ohne konkrete liturgische Vorgaben formuliert wurden, verweist darauf, daß das liturgische Angebot der Beginen im Vergleich zu den monastischen Gemeinschaften bescheiden ausfiel. Daher kann es
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Der erste Beleg für die Existenz von Beginen in Stralsund datiert auf das Jahr 1282, in dem, wie das älteste Stadtbuch vermerkt, zwei Stendaler Schuster verfestet wurden, quia interfecerunt Alheyden bacginam; 1. Stb., VII Nr. 43. Der Konvent hingegen läßt sich erst für 1306 nachweisen; s. 1. Stb., VI Nr. 137. Statuten für die Beginen beim Dominikanerkloster erließ der Stralsunder Rat im Jahre 1332: PUB VIII, Nr. 5001. Die Kapazität der beiden Beginenhäuser, nämlich dreißig Plätze für das bei den Dominikanern, vierzehn bis sechzehn für das bei den Minoriten, ließ sich aus einer späteren baulichen Bestandsaufnahme erschließen; Adler, Die Beginen (1936), 72. Fritz Adler nimmt an, daß beide Konvente schon gegen Ende des 13. Jh. bestanden haben; ebd., 69 f. Er übersieht allerdings, daß die Beginen bei den Franziskanern in einem Haus untergebracht waren, das offenbar von dem Bürgermeister Albert Hovener und seiner Frau Hebele zur Verfügung gestellt worden war; denn letztere spricht in ihrem 1350 abgefaßten Testament, das zugleich den Erstbeleg für den Konvent liefert, von den sororibus apudfratres minores in domo nostra; StAS Test. Nr. 158. Nun ist zwar denkbar, daß die Beginen davor anderweitig untergebracht waren, jedoch scheint der Zeitpunkt ihrer Ersterwähnung die Annahme zu stützen, daß ihre Konstituierung im Zusammenhang mit der Vergabung der Eheleute Hovener zu sehen ist. Adler hält die in einem weiteren Testament bedachten Beginen im Haus von Albert Hovener irrtümlicherweise für einen weiteren, nicht mit den Minoriten verbundenen Konvent; StAS Test. Nr. 204. StAS Test. Nr. 122, 158, 184. Ob die mehrfach erwähnten sórores de tercia regula tatsächlich, wie Fritz Adler meint, einen weiteren Konvent bezeichnen, erscheint fraglich; vielmehr dürfte es sich hierbei um die den Franziskanern angeschlossenen Beginen handeln, worauf vor allem das Testament von Heinrich Langeneck hindeutet, in dem dieser den sororibus in dem reghelhus apud barvotos ein Bierlegat bestimmte; StAS Test. Nr. 357; vgl. StAS Test. Nr. 87, 315; Adler, Die Beginen (1936), 70. Als außergewöhnlich großzügige Gabe hat das Doppellegat von je 10 M sund. an die beiden Beginenkonvente bei den Mendikanten zu gelten, das der Bürgermeister Roloff Möller in seinem im übrigen weitaus umfangreichere Seelenheilgaben enthaltenden Testament bestimmt hat; StAS Stadt. Urk. Nr. 1810a. StAS Test. Nr. 612, 817, 850.
2.
Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
auch nicht sonderlich
Beginen überliefert
91
überraschen, daß für Stralsund lediglich eine Stiftung zugunsten der
ist.61
Neben den Stralsunder Kirchen und Klöstern boten sich zur Multiplizierung der Sühneleistungen auch auswärtige Gotteshäuser als Empfänger frommer Gaben an. Die Orte, an die testamentarische Legate adressiert waren, sind weit gestreut. Unter ihnen befinden sich viele kleinere Orte der näheren Umgebung, Städte der südlichen Ostseeküste wie Lübeck, Wismar, Rostock, Greifswald, Stettin und Kolberg, Handelsorte auf Gotland, Schonen und in Norwegen sowie Hansestädte im niedersächsischen und westfälischen Raum.62
Die Kontakte zu den entfernteren Orten resultierten in erster Linie aus Handelsbeziehungen und aus verwandtschaftlichen Bindungen. Diese beiden Bezüge zeichnen sich insbesondere bei Legaten für Pfarrkirchen ab, die sich auf Handelsorte wie Visby63, Lund64 und verteilten sowie auf Orte im westlichen Deutschland66 und an der Ostseeküste67, aus denen Zuwanderung nach Stralsund erfolgt war.
Bergen65
61 62
63
StAS Test. Nr. 651. S. dazu auch Schildhauer, Hansestädtischer Alltag (1992), 81-85; unter den pommerschen Städten Böcker, Die „guten Beziehungen"
(1994).
Die Johannis- und die Marienkirche in
Visby
sowie die
dortigen
vgl. zu den regionalen Beziehungen (1993); dies., Regionale Bindungen Franziskaner werden in dem Testa-
bedacht; StAS Test. Nr. 896. Eindeutige Hinweise auf seinem Testament nicht hervor; die Ratszugehörigkeit seines
ment Michael Munters aus dem Jahre 1508
Munters berufliche Tätigkeit gehen aus Bruders Gerhard unterstützt zumindest die Annahme einer kaufmännischen Existenz. 64 Unklar ist der Bezug Peter Svenessons zu Lund, der der dortigen drottenskerke 2 M sund. vermachte; StAS Test. Nr. 319. Es kommen in Anbetracht seines Familiennamens sowohl verwandtschaftliche Bindungen in Frage als auch Handelsaktivitäten, auf die die Vergabung von zweihundert Ellen Leinentuch hinweisen könnte. 65 Ohne Zweifel dürfte die Vergabung von zwei Last Teer für alle Kirchen in Bergen durch den Stralsunder Ratsherrn Matthias Bene auf dessen kaufmännische Betätigung zurückgehen, die durch die Erwähnung einer selschop, also einer Handelsgesellschaft, mit Heinrich Rave und mit Jürgen Lange belegt ist. Denn in seinem Testament aus dem Jahre 1459 stiftete er zugleich zwei Meßpriesterstellen am Altar der Bergenfahrer in der Stralsunder Nikolaikirche; StAS Test. Nr. 633. 66 Bei Heinrich Warendorp, der der Marienkirche und dem Heiliggeistspital zu Warendorf ein testamentarisches Legat vermachte, verweist der Familienname auf die Herkunft; StAS Test. Nr. 147. Dasselbe trifft für Dietrich von Verden zu, der in seinem Testament die Pfarrkirche und das Gasthaus zu Verden bedachte; StAS Test. Nr. 448. Michael Knut, dessen Testament mehrere fromme Legate zugunsten von Helmstedter Empfängern beinhaltet, könnte selbst nach Stralsund zugewandert sein, da er auch seine Köchin mit ihren beiden Kindern in Helmstedt bedacht hat; StAS Test. Nr. 829. 67 Mehrere Gaben an geistliche Institutionen und Personen in Kolberg finden sich gleich in zwei Stralsunder Testamenten: Johann Witte vermachte 1334 u.a. 10 M kolberg. ad structuram ecclesie in Colberg, womit offenbar die Kollegiatkirche St. Marien gemeint war; daß sein Vater in Kolberg gelebt hatte und vielleicht auch gestorben war, wird mit einiger Sicherheit aus einer Anniversarstiftung von Johann Witte in der Marienkirche zu Kolberg deutlich, deren Durchführung er dem Vikar der von seinem Vater gestifteten Vikarie übertrug; PUB VIII, Nr. 5184. Dabei dürfte es sich um eine Vikarie am Bartholomäusaltar gehandelt haben, den Berthold Witte 1316 gestiftet hatte; s. PUB V, Nr. 3006; vgl. Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 1 (1924), 364 f. Das zweite Testament stammt von dem Onkel Johann Wittes, Konrad Witte, der darin 50 M kolberg. einer bestehenden Vikarie in der Marienkirche zu Kolberg zustiftete; vermutlich war diese an dem von Konrad Witte selbst gestifteten Jakobialtar in
92
//. Schenken und Stiften
Die Auswahl von Kirchen und Klöstern außerhalb Stralsunds konnte durch weitere Faktoveranlaßt sein. Die Entscheidung für eine bestimmte Dorfkirche mochte beispielsweise daher rühren, daß der Testator Grundbesitz in der Gemarkung hatte und dadurch zu Kenntnissen der lokalen kirchlichen Verhältnisse gekommen war.68 Bei Vergabungen an Klöster ist zu beobachten, daß nicht selten die Konvente bedacht wurden, denen Verwandte der Testatoren angehörten.69 Ein weiteres Moment bei der Auswahl von Klöstern konnte neben ren
der Kolberger Marienkirche angesiedelt; s. PUB IV, Nr. 2894; vgl. Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 1(1924), 364 f. Mehrere klerikale Institutionen in Stettin, darunter die drei dortigen Pfarrkirchen, wurden in dem Testament von Hans Bolhagen bedacht. Wodurch Bolhagen mit Stettin verbunden war, geht aus seinem Testament nicht klar hervor; die Erwähnung von Außenständen in Stettin, Greifswald und Stralsund deutet auf kaufmännische Aktivitäten hin; StAS Test. Nr. 485. Keine derartigen Anhaltspunkte bietet das Testament von Everd Segeberg, der in Greifswald u. a. den drei Pfarrkirchen Legate bestimmte; StAS Test. Nr. 757. 68 Beispielsweise besaß der Stralsunder Bürger Johann von Beke drei Hufen in Behnkenhagen und drei im benachbarten Ahrendsee südlich von Stralsund. Eine der Behnkenhagener Hufen vermachte er St. Jakobi zu Behnkenhagen, wo er auch bestattet werden wollte; im übrigen sollten an die Kirche im benachbarten Brandshagen 2 M sund. und an jeden Priester ebenda 4 Seh. sund. bezahlt werden; PUB VI, Nr. 3602. Hans Kummerow bestimmte 50 M sund. für den Bau der Kirche in Solkendorf, etwa 15 km nördlich von Stralsund gelegen; er besaß dort nicht genauer bezeichnete Güter, die er seinem Sohn vererbte; StAS Test. Nr. 607. Weitere Schenkungen an Kirchen und Kapellen in der näheren und weiteren Umgebung gingen u. a. in die rügianischen Orte Ummanz (StAS Test. Nr. 826), Ralow (PUB VI, Nr. 3602), Zudar (PUB XI, Nr. 6189), Altefähr (PUB XI, Nr. 6058), Garz (PUB XI, Nr. 5965), Wiek und Altenkirchen auf Wittow (StAS Test. Nr. 604) sowie Gellen auf Hiddensee (PUB XI, Nr. 5965), weiterhin in die südwestlich von Stralsund gelegenen Orte Lüssow (StAS Test. Nr. 752), Lüdershagen (StAS Test. Nr. 717) und Voigdehagen (StAS Test. Nr. 581, 717), nach Parow (StAS Test. Nr. 711) im Norden Stralsunds sowie Velgast westlich von Stralsund (StAS Test. Nr. 169). Allerdings bieten die Testamente in den genannten Fällen keine Hinweise auf die Hintergründe der jeweiligen Entscheidung. 69 Ein Doppellegat an eine verwandte Person und deren Kloster beinhaltet das Testament Konrad von Ordens von 1435, der seiner Schwester Katharina, die Konventualin eines Lübecker Klosters war, eine Kutte vermachte und dem ganzen Konvent 5 M sund., up dat se Gode vor my bidden; StAS Test. Nr. 584. Die beiden überlieferten Testamente des Stralsunder Ratsherrn Arnold Voet sahen neben einer stattlichen Leibrente von 30 M sund. jährlich für seine Tochter Telseke, Klarissin im Kloster Ribnitz, kleinere Legate an drei weitere Ribnitzer Nonnen vor, deren Verhältnis zu ihm unklar bleibt; zudem vermachte Voet jeder Konventualin zu Ribnitz 3 Seh. sund.; StAS Test. Nr. 473, 477; vgl. zu Ribnitz auch StAS Test. Nr. 489. Auf mehrfache Weise war die Stralsunder Ratsfamilie Papenhagen mit dem Zisterzienserinnenkloster Krummin auf Usedom verbunden: Heinrich Papenhagen vermachte 1341 den Konventualinnen Katharina und Gertrud, Töchtern seines Vetters Konrad Papenhagen, 4 M sund. sowie dem Konvent 5 M sund.; PUB XI, Nr. 5965, S. 68. Sein Vetter, der Bürgermeister Hermann Papenhagen, bedachte in seinem zwei Jahre später abgefaßten Testament seine Tochter Gertrud, die ebenfalls im Krumminer Kloster lebte, mit einer jährlichen Leibrente in Höhe von 8 M sund. und das Kloster selbst mit 5 M sund.; PUB XI, Nr. 6189, S. 279 f.
2.
Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
93
der Verbundenheit mit einer Stadt auch die Affinität zu einem bestimmten Orden sein, die in manchen Fällen in Vergabungen an mehrere Klöster desselben zum Ausdruck kam.71 Eine Alternative zu Schenkungen an eine kirchliche Institution beziehungsweise die Gruppe der dort tätigen Geistlichen bestand darin, bestimmten Klerikern ein Einzellegat zu vermachen. Hierdurch konnte man ebenfalls liturgische Gegenleistungen wie beispielsweise Privatmessen oder die Aufnahme in die liturgischen Gebete des Priesters erwirken; zugleich konnte der Testator Personen unterstützen, die ihm aufgrund verwandtschaftlicher oder anderer Beziehungen nahestanden, was den Vorteil mit sich brachte, in dieser Verbundenheit einen zusätzlichen Garanten für die tätige Dankbarkeit des Empfängers zu besitzen. Insofern ist es nicht verwunderlich, wenn häufig namentlich genannte, dem Testator in einer bestimmten Weise verbundene Kleriker bedacht wurden.72 Wiederholt fiel die Wahl dabei auf Geistliche, deren seelsorgerische Tätigkeit, insbesondere als Beichtiger, das Bindeglied 3 zwischen Geber und Empfänger darstellte. Des öfteren entschieden sich Testatoren aber auch für eine Vorgehensweise, die der Auswahl einer bestimmten Person entgegengesetzt war. So vermachte Dietrich Witte jedem Weltgeistlichen in Stralsund 4 Schilling sundisch74; Johann Witte und Arnold von Hären sahen denselben Betrag für jeden Stralsunder Vikar vor75; der aus Kolberg stammende Konrad Witte wollte nicht nur 8 Schilling sundisch an jeden Priester oder Vikar in Stralsund austeilen lassen, sondern darüber hinaus 8 Schilling kolbergisch an jeden Priestervikar in der Stadt Kolberg und 4 Schilling kolbergisch an jeden Priester im Kolberger Land.76 Die Zahl der Empfänger ließ sich weiter eingrenzen, indem man lediglich, wie wir bereits gesehen haben, die Geistlichen einer Pfarrkirche oder eines Klosters bedachte. Eine andere Möglichkeit wählte Hans Bolhagen, nach dessen Willen armen presteren in Stettin insgesamt 16 Mark sundisch und armen presteren in Stralsund 50 Mark sundisch ausgeteilt werden sollten, wobei erstere jeweils 4 Schilling, letztere deren 8 erhalten sollten.77 Auch Dietrich von Verden machte bei Kleiderlegaten für zwei Priester zur Bedingung, daß die Empfänger arm sein sollten.78 Während bei solchen Schenkungen für eine Vielzahl von Geistlichen das einzelne Legat meist nur eine Höhe von einigen Schilling hatte, fielen die Vergabungen an geistliche Personen mit einem besonderen Verhältnis zum Testator mitunter recht großzügig aus. Neben
Mitunter führten die lokalen Bindungen auch dazu, daß mehrere Klöster am selben Ort bedacht wurden; s. für Greifswald StAS Test. Nr. 757, 906; für Rostock StAS Test. Nr. 139; für Stettin StAS Test. Nr. 485; für Helmstedt StAS Test. Nr. 829. 71 So vermachte Tobias Gildenhusen im Jahre 1413 den Kartäusern zu Stettin, Rostock und Ahrensbök to hulpe to ereme buwete je 30 M sund.; StAS Test. Nr. 506; vgl. auch StAS Test. Nr. 633, 694. 72 S. u. a. StAS Test. Nr. 132, 229, 232, 235, 297, 302, 506, 658, 676, 951. 73 S. u. a. StAS Test. Nr. 89, 302, 346, 399, 460, 554, 560, 584, 592, 698, 717. 74 StAS Test. Nr. 192. 75 PUB VIII, Nr. 5184; PUB X, Nr. 5719. 76 PUB VII, Nr. 4477. 77 StAS Test. Nr. 485. 78 StAS Test. Nr. 448. 70
//. Schenken und Stiften
94 *7Q
fi i
fin
größeren Geldbeträgen begegnen auch Leibrenten und Abendmahlskelche als wertvolle Gaben. Sollten junge Männer aus dem eigenen Verwandten- oder Bekanntenkreis, die die Priesterweihe anstrebten, aber noch nicht erlangt hatten, solche Schenkungen erhalten, so wurde mitunter die Klausel angefügt, daß die Vergabung erst nach Empfang der Weihe erfolgen solle.82 Eine solche Maßnahme sollte wohl weniger der Motivierung der jungen Schüler dienen als vielmehr die liturgischen Früchte der eigenen Gabe sichern helfen. Der Erwartung einer Gegenleistung verliehen die Testatoren bei Klerikerlegaten allerdings erst seit Ende des 14. Jahrhunderts offenen Ausdruck. Häufig geschah dies mit ähnlich allgemeinen Formulierungen wie bei Gerhard Kryvitze, der seinem Beichtiger 2 Mark sundisch vermachte, up dat he Gode vor my bidde*3 Ohne Frage dachte man dabei in der Regel an liturgische Gebete, wenngleich Präzisierungen diesen Inhalts selten sind.84 Einen anderen Zweck verfolgten die Legate des Stralsunder Bürgers Hans Leneke und des Priesters Petrer Remmeler, die jedem Priester, der an ihrer Vigilie oder Seelmesse teilnehme, je 1 Schilling sundisch auszahlen lassen wollten.85 Einen weiteren Kreis von Empfängern testamentarischer Schenkungen bildeten die Bruderschaften. Sie sind im spätmittelalterlichen Stralsund in großer Zahl nachzuweisen86 und
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Klerikerlegate
in Höhe
von
20 M sund. beinhalten
u. a.
folgende
Testamente: StAS Test. Nr. 229,
297,791. Einen mehr als existenzerhaltenden Umfang hatten die Leibrenten in Höhe von 10 fl. lüb. jährlich, die Wenemar Buchhorn zwei Töchtern von Dietrich Los nach deren Eintritt in ein Kloster vermachte; StAS Test. Nr. 302. 81 So sollte Borchard von Rethen nach dem letzten Willen von Katharina Witte einen vergoldeten Kelch erhalten, der aus verschiedenen Gegenständen ihres Nachlasses angefertigt werden sollte; StAS Test. Nr. 500; vgl. auch StAS Test. Nr. 297, 592, 668. Manche Testatoren entschieden sich allerdings dafür, dem Geistlichen den Kelch nur auf Lebenszeit zu überlassen, um ihn nach dessen Tod auf Dauer einer kirchlichen Institution übertragen zu lassen; s. z. B. StAS Test. Nr. 132. 82 Vgl. StAS Test. Nr. 297, 592, 668, 676, 787. 83 StAS Test. Nr. 560; vgl. auch StAS Test. Nr. 448, 485, 584, 592, 676, 787, 791, 951. 84 Eine solche enthält das Testament von Katharina, der Witwe von Asmus Faber, die Heinrich Verman ein kleines Bett vermachte, uppe dat he Got vor my bidde in syner missen; StAS Test. Nr. 912. 85 StAS Test. Nr. 713 (s. auch StAS Test. Nr. 732); StAS Urk. Marienkrone Nr. 83. 86 Johannes Schildhauer gibt an, bei der Auswertung der Stralsunder Testamente „etwa 37" Bruderschaften identifiziert zu haben, wobei er „berufsorientierte und beruflich neutrale Laienbruderschaften sowie Bruderschaften von Geistlichen" zusammenfaßt; Schildhauer, Religiöse Vorstellungen (1989), 32; vgl. auch ders., Hansestädtischer Alltag (1992), 29. Keine genaue Zahl nennt Hellmuth Heyden, dessen Ausführungen über das Stralsunder Bruderschaftswesen ebenfalls auf den Testamenten sowie auf den ersten beiden Stadtbüchern und der urkundlichen Überlieferung fußen; Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 40—46. Bezieht man neben den Testamenten die übrige Stralsunder Überlieferung mit ein, wobei aus den unedierten Stadtbüchem nur die von Johann Albert Dinnies erfaßten Bruderschaftsnennungen (s. StAS HS 1372) berücksichtigt werden konnten, so kommt man auf 43 Stralsunder Bruderschaften. In diese Zählung wurden nur Vereinigungen aufgenommen, für deren überwiegend religiösen Charakter zumindest Indizien vorliegen; es wurden also diejenigen berufsständischen Vereinigungen ausgeklammert, bei denen es sich ebensogut um eine kaufmännische Gilde oder ein Handwerkeramt handeln könnte, so z. B. die Vereinigungen der Ahusen-, der Schonen- und der Bergenfahrer sowie die von Schildhauer mitgezählte Brauerkompanie. Ohne Frage bestanden im mittelalterlichen 80
2.
Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
95
nahmen seit der Mitte des 14. Jahrhunderts einen immer bedeutsameren Platz im religiösen Leben der Stadt ein. Dennoch erhielten sie im Vergleich zu Kirchen und Klöstern weitaus seltener letztwillige Gaben, deren Wert im Durchschnitt zudem deutlich geringer war.87 Die Gründe hierfür sind zum einen darin zu suchen, daß die Bruderschaften einen geringeren Ressourcenbedarf als die klerikalen Institutionen entwickelten und zudem eine schmalere Palette von Vergabungsformen und Gegenleistungsvarianten boten; zum anderen ist zu bedenken, daß die Bruderschaftsmitglieder ohnedies regelmäßige obligatorische Beiträge zu leisten hatten, für die ihnen bereits bestimmte memoriale Dienste des Priesters oder der übrigen Mitglieder in Aussicht gestellt waren. Dessenungeachtet bestand die Möglichkeit, durch die testamentarische Schenkung an eine Bruderschaft ein gutes Werk zu verrichten, insbesondere indem man die Gabe an den jeweiligen Bruderschaftsaltar adressierte, wodurch sich zugleich die Aussicht auf Fürsprache durch dessen Patron eröffnete.88 Ebenso konnte man natürlich durch die Gabe an den Altar einer Zunft oder Gilde für sein Seelenheil sorgen; während derartige Legate mitunter begegnen89, erfolgten keine testamentarischen Schenkungen an eine Gilde oder ein Amt in pauschaler Weise, offenbar weil solchen keine jenseitige Heilswirkung zugeschrieben wurde. Anzunehmen, anhand der Testamente jedoch nicht nachzuweisen ist, daß bei der Auswahl der Empfänger diejenigen Bruderschaften bevorzugt wurden, deren Mitglied man selbst war. Verstärkt wurde diese Tendenz gegebenenfalls dadurch, daß die Gemeinschaft eine letztwillige Gabe erwartete, mithin die Mißachtung einer solchen geschriebenen oder ungeschriebenen Norm die postume Gruppensolidarität gefährdete.90 Unter solchen
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88 89 90
Stralsund jedoch deutlich mehr als die 43 nachweisbaren Bruderschaften. So dürfte es weitaus öfter als in dem einen belegten Fall der Leineweber (s. StAS Stadt. Urk. Nr. 628) zur Parallelgründung einer Bruderschaft neben einem Handwerkeramt gekommen sein, das nur den Meistern des jeweiligen Handwerks zugänglich war. Folgende Fraternitäten sind der Liste der bei Heyden und Schildhauer genannten Vereinigungen anzufügen: in der Jakobikirche die Bruderschaft St. Mariae compassionis (s. StAS Stadt. Urk. Nr. 1789), die Marien- und Laurentiibruderschaft (StAS HS 1.6, fol. 177r), die Pawelunsbruderschaft (StAS HS 1.7, fol. 88v) und die Trägerbruderschaft (s. StAS Test. Nr. 842; vgl. StAS HS 163 und HS 1673), in der Johanniskirche die Johannisbruderschaft (s. StAS Test. Nr. 734), in der Katharinenkirche die Leineweberbruderschaft (s. StAS Stadt. Urk. Nr. 628) sowie schließlich in der Marienkirche die Pawelunsbruderschaft (StAS HS 1.7, fol. 89r) und vermutlich die Engelbruderschaft (s. StAS Test. Nr. 842). Die letztgenannte Bruderschaft ist in dem sie erwähnenden Testament nicht lokalisiert; ihre Verortung wurde aus dem offensichtlichen Umstand der Marienkirchspielzugehörigkeit des Testators sowie der Tatsache gefolgert, daß direkt im Anschluß an das der Engelbruderschaft bestimmte Legat eines für den Kirchherrn des Testators folgt, eine Herleitung, die nicht als zwingend gelten kann. Die testamentarischen Schenkungen erreichten meist nur eine Höhe von einigen wenigen Mark sund.; kaum einmal lag ihr Wert über 10 M sund. wie beispielsweise bei der Gabe von Taleke Wilde an die Schifferbruderschaft in Höhe von 20 M sund.; StAS Test. Nr. 895. S. u. a. StAS Test. Nr. 774, 829, 902, 947. So z. B. StAS Test. Nr. 902 (Altar des Fuhrleuteamtes), 947 (Altar des Hakenamtes). Wie schon erwähnt, enthalten die Statuten der Stralsunder Schifferbruderschaft einen entsprechenden Passus, der durch einen Artikel des Inhalts ergänzt wurde, daß beim Tod eines Schifferbruders fern der Heimatstadt dessen Ehefrau oder Erben die Bruderschaft gemäß dem Vermögen des Verstorbenen bedenken sollten; Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 1, Art. 21. Daß diese Bestimmungen ihre
96
//. Schenken und Stiften
Umständen diente ein Legat an die eigene Bruderschaft also auch dazu, sich der jeweils üblichen Dienste der Brüder und Schwestern zu versichern, zu denen in den meisten Fällen die Teilnahme am Totengeleit und am jährlichen, mit einem Gottesdienst verbundenen Bruderschaftsfest zählte. Derartige Gaben erfolgten meist in Form eines Geldbetrages, sie konnten aber auch aus einem bestimmten Quantum Bier zum Verzehr am Tag des Begräbnisses oder während des nächstfolgenden Bruderschaftsfestes bestehen.91 Eine über die regulären Memorialleistungen hinausgehende, zeitlich begrenzte Totenfürsorge der Bruderschaft, etwa in Gestalt von separaten Begängnissen der Gemeinschaft oder von Messen des Bruderschaftspriesters, wurde durch testamentarische Schenkungen kaum initiiert. Nur selten sind die Legate mit Fürbittklauseln verknüpft, die zudem zum Teil nur die übliche Totenmemoria der Bruderschaft zu beanspruchen scheinen.92 In anderen Fällen, in denen offenbar durch ein Legat besondere Memorialleistungen erwirkt werden sollten, ist
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Wirkung nicht verfehlten, geht aus dem Boldichregister der Bruderschaft hervor, einem Totenbuch, in das die Namen von verstorbenen Mitgliedern mit den von ihnen oder für sie erbrachten Gaben eingetragen wurden; Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 15. Die Liste umfaßt 98 Todesfälle zwischen 1488 und 1519 bei einer geschätzten durchschnittlichen Mitgliederzahl von 65 bis 70 Schifferbrüdern im selben Zeitraum (Berechnung der Mitgliederzahl durch Brück, Korporationen der Schiffer und Bootsleute [1994], 37 f.). Die nicht genau bezifferbare Relation zwischen der Mitgliederzahl und der Zahl der mit einem Legat an die Bruderschaft verbundenen Todesfälle verschiebt sich etwas, wenn man berücksichtigt, daß unter den 98 Verstorbenen elf Frauen aufgeführt werden, während die Schätzung nur männliche Mitglieder erfaßt; zudem ist nicht auszuschließen, daß in die Liste vereinzelt auch Nichtmitglieder aufgenommen wurden, die der Bruderschaft etwas vermacht hatten, so womöglich der Kaufmann Hans Garwe; vgl. ebd., 38 f. Auch eingedenk dieser Einschränkungen kann konstatiert werden, daß bei einem sicherlich weit überwiegenden Teil der Todesfälle von Bruderschaftsmitgliedern eine Gabe an die Schifferbruderschaft erfolgte. Die Statuten der Schifferbruderschaft schrieben sogar ausdrücklich die Vergabung von einer Tonne Bier aus dem Erbe jedes verstorbenen Mitglieds für die am Begräbnis teilnehmenden Brüder vor; Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 1, Art. 8. Von den knapp hundert Eintragungen im Boldichregister der Schifferbruderschaft bis 1519, die Gaben von oder für verstorbene Mitglieder betrafen, beinhalteten indes lediglich sechs ein Bierlegat, darunter nur in einem Fall mit der ausdrücklichen Zweckbestimmung der Verteilung an die am Totengeleit beteiligten Brüder; Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 15. Daraus zu schließen, die Ausgabe von Bier am Begräbnistag wäre nicht Usus gewesen, erscheint dennoch nicht plausibel; vielmehr dürfte zu den Obliegenheiten der Schaffer gehört haben, von den gespendeten Geldern die gewohnte Bierration zu kaufen. Zwar wurden in dem Erinnerungsbuch der Schaffer, das bald Rechnungsbuchcharakter annahm, keine derartigen Ausgaben notiert; dies dürfte aber daran liegen, daß der jeweilige Umtrunk nicht aus den jährlichen Gesamteinnahmen der Bruderschaft finanziert wurde, über welche hier vorrangig Rechenschaft abgelegt wurde, sondern aus ad-hoc-Legaten; Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 16. Testamentarische Bierlegate finden sich im übrigen auch mehrfach im Rechnungsbuch der Marienbraderschaft an der Marienkirche, ohne daß hier zu klären ist, inwieweit sie obligatorischen oder freiwilligen Charakter trugen, und welche Gegenleistungen der Testator erwarten konnte; StAS Rep. 28 Nr. 838. So beispielsweise bei der Vergabung von einer Tonne Barther Bieres an die Schifferbruderschaft durch Hans Lussow, dat se yo den leven Got vor my bydden; StAS Test. Nr. 947. Ebenso dürfte auch der Wunsch von Hans Leneke zu verstehen sein, der der Antoniusbruderschaft 10 M sund. vermachte, up dat de leven brodere unde sustere alle truweliken vor myne arme sele bidden; StAS Test. Nr. 697.
2.
97
Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
fraglich, ob der Testator tatsächlich Mitglied der jeweiligen Bruderschaft war. Auf einen knappen Nenner gebracht, ist das testamentarische Schenkungsverhalten gegenüber den städtischen Bruderschaften also dadurch gekennzeichnet, daß des öfteren Legate in zumeist kleinerer Höhe ergingen, wobei die Gaben in erster Linie der Sicherung der üblichen Totenes
memoria der Gruppe und nicht der Vermehrung der Fürbitten für die Verstorbenen dienen sollten. Somit bestätigt sich hier eine in den Stralsunder Testamenten allgemein zu beobachtende Tendenz, nämlich die Verteilung der Seelenheilgaben auf zahlreiche Empfänger; hingegen läßt sich die damit für gewöhnlich verbundene Intention, neben der Zahl der guten Werke auch die der Fürbitten für die eigene Seele zu erhöhen, nicht konstatieren. Auf einem anderen Feld der Seelenheilvorsorge kommen die beiden genannten Aspekte sehr wohl zum Tragen, nämlich in der karitativen Betätigung. Die wichtigsten Empfänger milder Gaben waren die beiden großen städtischen Spitäler und deren Insassen. Das älteste und bedeutendste Spital war in Stralsund wie in vielen anderen Städten das Heiliggeistspital, dessen Existenz erstmals 1256, also gut zwei Jahrzehnte nach der Verleihung der Stadtrechte, bezeugt ist.94 Die erste Anlage befand sich innerhalb der Stadtmauern, zwischen dem Heilgeisttor und dem Langentor95; wohl noch vor 1330 wurde das Spital an den bis heute unveränderten Standort extra muros an der Ausfallstraße nach Greifswald verlegt.96 Die wesentlichen sozialen Funktionen des Heiliggeistspitals lagen in der Unterbringung und Versorgung von Armen, Siechen und bedürftigen Fremden sowie in zunehmendem Maße in der Aufnahme von Pfründnern.97 Ob in der Anfangszeit auch Leprose Einlaß fanden, ist unbekannt.98 Jedenfalls stand das spätestens im Jahre 1275 für die Leprakranken ein eigenes Haus zur
Verfügung99,
gilt für ein Legat Mechthild Rotgers für die klerikale Marienbruderschaft, up dat se my began myt vylgen unde zelemyssen; StAS Test. Nr. 852; vgl. F. Fabricius, Der geistliche Kaland (1876), 219. Fraglich ist auch die Mitgliedschaft Everd von der Molens in der Schülerbruderschaft zu St. Jakobi, der er 1 fl. rhein. vermachte, up dat se myner to Gode denken; StAS Test. Nr. 691.
93
Dies
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PUB II, Nr. 625. S. 1. Stb., VI Nr. 303. Der Umzugstermin läßt sich anhand mehrerer Stadtbucheinträge aus den Jahren 1330 und 1331 näher bestimmen, in denen die antiqua domus S. Spiritus bzw. die vormalige Kapelle des Spitals erwähnt wird; s. 2. Stb., Nr. 870, Nr. 920, Nr. 955, Nr. 2639; vgl. Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 31; Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 68. Im Jahre 1310 bestimmte der Stadtrat, daß Einheimische wie Fremde nur gegen die Zahlung von 50 M slaw, in das Heiliggeist- oder das Jürgenspital aufgenommen werden dürften, es sei denn, die Aufnahme geschehe aus besonderer Gnade; 2. Stb., Nr. 3615. Hellmuth Heyden gibt an, daß zwar in Greifswald und Demmin anfangs Leprose in Zusammenhang mit den Heiliggeistspitälern genannt werden, sie in Stralsund hingegen aus der Stadt ausgeschlossen blieben, und verweist als Beleg auf die Erwähnung von Leprosen „bei den Gärten" um das Jahr 1278; Heyden, Die Fürsorgearbeit (1963), 33. Die von ihm angegebenen Belegstellen im ältesten Stadtbuch stimmen mit seiner Angabe inhaltlich jedoch nicht überein, wie sich überhaupt im ältesten Stadtbuch keine dementsprechenden Einträge finden. Genauer ist hier Peter Pooth, der einen Stadtbucheintrag von 1275 zitiert, der von der Verpachtung eines Ackers apud leprosos handelt. Pooth läßt dabei offen, ob damit ein Leprosenhaus oder eine wilde Ansiedlung ausgeschlossener Leprosen bezeichnet ist; s. Pooth, Das Kloster St. Jürgen am Strande (1934), 69. Ein Vergleich mehrerer Stadtbucheinträge
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98
II. Schenken und Stiften
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erstmals 1283 als hospitalium beati Jeorgii bezeichnet wurde100 und sich vor dem Kniepertor in der Nähe des Strandes befand, weswegen es später auch „St. Jürgen am Strande" genannt wurde. Eine bedeutsame Erweiterung erführ das Spital im Jahre 1348, als der Bürgermeister und Spitalprovisor Albert Hovener eine größere Kirche errichten und einen Kirchhof anlegen ließ und zudem das „lange Haus" stiftete, einen für die Unterbringung von vierzig Bedürftigen ausgelegten Spitalbau.101 Der Rückgang der Lepraerkrankungen im Laufe des 14. Jahrhunderts führte dazu, daß sich das Jürgenspital in seinen Funktionen mehr und mehr dem Heiliggeistspital annäherte.102
unten S. 98 Anm. 99) führt jedoch zu dem Ergebnis, daß 1275 ein Leprosenspital existierte, welches hier offenbar gemeint ist. Daraus folgt auch, daß die Ansiedlung von Leprakranken im Stralsunder Stadtfeld zwar durchaus vorstellbar, in der Überlieferung jedoch nicht zu belegen ist. In der Forschung wurde bisher einhellig die Meinung vertreten, die Existenz eines Stralsunder Leprosenspitals lasse sich erst für das Jahr 1278 nachweisen; vgl. Pooth, Das Kloster St. Jürgen am Strande (1934), 69; Heyden, Die Fürsorgearbeit (1963), 34; ders., Die Kirchen Stralsunds (1961), 77; Bettin, Die Gesundheitspflege (1994), 54. Pooth, auf den sich die nachfolgenden Autoren offensichtlich stützten, gibt als Beleg zwei Stadtbucheinträge an, die angeblich aus dem Jahre 1278 stammen. Tatsächlich aber wurde der eine von beiden erst im Dezember 1283 verfaßt; s. 1. Stb., II Nr. 246. Hinsichtlich des zweiten, der die Aufnahme eines gewissen famulus Johannes in die domus leprosorum anbetrifft und im hauptsächlich von drei Schreibern verfaßten ältesten Teil des ersten Stadtbuchs steht, übersah Pooth offenbar die von Ferdinand Fabricius in der Einleitung vorgenommene Zuordnung des Eintrags zu Schreiber II und die Datierung der Einträge von Schreiber II auf den Zeitraum von 1272 bis 1276; s. 1. Stb., S. 3. Berücksichtigt man nun noch, daß der genannte Beleg im 23. der 73 Einträge von Schreiber II erscheint, so läßt sich darüber hinaus folgern, daß das Leprosenhaus mit größter Wahrscheinlichkeit bereits 1275, vermutlich aber noch früher bestanden hat; s. 1. Stb., INr. 59. Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnis erscheinen der bereits erwähnte sowie ein weiterer Stadtbucheintrag in einem klareren Licht. Nur bei einem der beiden ist der Abschluß des dokumentierten Rechtsgeschäfts datiert, nämlich auf den 13. Dezember 1275, aber wahrscheinlich stammt auch der andere, frühere Eintrag aus dem Jahre 1275. In beiden geht es um Äcker, deren Lage mit apud leprosos gekennzeichnet wird. Aufgrund des Vorgenannten, aber auch angesichts des rechtlichen Bedürfnisses nach klaren und dauerhaften Lagebezeichnungen ist anzunehmen, daß hier das Leprosenhaus gemeint war; 1. Stb., I Nr. 342, Nr. 344. Dies wird auch dadurch gestützt, daß noch in den Jahren 1278, 1280 und 1282/83 die Lage verschiedener Gärten mit der Wendung apud bzw. iuxta leprosos angegeben wurde; 1. Stb., I Nr. 347; 1. Stb., II Nr. 188, Nr. 195, Nr. 238. In Anknüpfung daran spricht im übrigen auch vieles dafür, daß die 1277 bzw. 1278 im Stadtbuch eingetragenen, den leprosis bestimmten Vergabungen für die Kranken im Jürgenspital bestimmt waren; 1. Stb., I Nr. 197, Nr. 212, Nr. 243. 1. Stb., II Nr. 246, Nr. 247. Das Auftauchen dieser Namensbezeichnung könnte ein wenn auch unsicheres Indiz dafür sein, daß 1283 bereits eine dem hl. Georg geweihte Kapelle beim Leprosenhaus existierte. Vgl. Baier, Bruchstücke (1900), 67; MohnikelZober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik (1833), 5, 162; vgl. Pooth, Das Kloster St. Jürgen am Strande (1934), 74 f., 77; Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 74 f.; Bettin, Die Gesundheitspflege (1994), 55. Bettin, Die Gesundheitspflege (1994), 54 f.; Pooth, Das Kloster St. Jürgen am Strande (1934), 74. Pooth nimmt an, daß die Stiftung des Langhauses durch Hovener bereits ein Indiz fur den Rückzug der Lepra war. Ein eindeutiger Nachweis für seine Angabe, daß das Haus für kranke und gebrechliche Personen und nicht für Leprose bestimmt gewesen sei, läßt sich indes nicht erbringen; s. unten S. 225.
(s.
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2.
Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
99
Parallelen zwischen beiden Häusern bestanden auch hinsichtlich der Besitzverhältnisse und der Verwaltungsstrukturen. Beide Spitäler wurden von Provisoren geleitet, die vom Rat eingesetzt wurden und meist auch aus dessen Reihen stammten.103 Die Oberaufsicht behielt sich der Rat ebenso vor wie Entscheidungen in zentralen Fragen, so beispielsweise bei der Festsetzung eines Aufhahmegeldes für beide Häuser im Jahre 1310.104 Eine wesentliche Aufgabe der Provisoren lag in der allmählich immer aufwendigeren Besitzverwaltung. Die stärkste Vermehrung erfuhr im Laufe der Zeit das Vermögen des Heiliggeistspitals. Bereits zu Beginn des 14. Jahrhunderts wurden erste Grundbesitz- und Rentenerwerbungen in den Dörfern Ahrendsee, Behnkenhagen und Voigdehagen möglich105, denen im Jahre 1341 der Ankauf der gesamten Insel Ummanz für 2250 Mark sundisch und späterhin weitere
Erwerbungen folgten.106 Nicht ganz so umfangreich waren ausgangs des Mittelalters die Besitzungen von St. Jürgen am Strande. Den Grundstein legte der Kauf von anderthalb Hufen bei Reinkenhagen im Jahre 1337107; zur bedeutendsten Erwerbung kam es bereits vierzehn Jahre später, als das Dorf Benz auf Rügen in den Besitz des Jürgenspitals gelangte.108 Weitere Eigentums- und Pfandrechte kamen hinzu, die jedoch erst in nachreformatorischer Zeit zu abgerundeten Besitzungen führten.109 Voraussetzung für die umfangreiche Besitzbildung der beiden Spitäler war die nachhaltige Spendentätigkeit weiter Kreise der städtischen Bevölkerung. Die Formen dieser religiöskaritativen Betätigung waren wohl so mannigfaltig wie gegenüber keinem anderen Adressaten von Seelenheilgaben, seien es nun Pfarrkirchen, Klöster oder Bruderschaften. Die
103
Als Provisoren des Heiliggeistspitals erscheinen meist zwei, seltener drei oder nur eine Person; sie gehörten fast durchweg dem Rat an und bekleideten z. T. sogar das Amt des Bürgermeisters. Das Jürgenspital wurde im 14. Jh. meist von drei oder vier Provisoren geführt, darunter häufig auch ein oder zwei, die nicht im Rat saßen; im 15. Jh. erscheinen überwiegend nur noch zwei, mitunter auch nur ein Vorsteher. Ein Provisorat ohne Ratsmitglieder begegnet für das Jürgenspital ebensowenig wie für das Heiliggeistspital. Belege finden sich vor allem in den Urkunden des Heiliggeistspitals und des Jürgenspitals sowie in den Stadtbüchern; s. auch eine unvollständige Zusammenstellung von Nachweisen bei Dinnies (StAS HS 160, S. XV f.; HS 167, S. XI f.) und bei Pooth, Das Kloster St. Jürgen am Strande (1934), 86-89. Heyden hingegen gibt an, das Heiliggeistspital habe „durchweg" sechs, das Jürgenspital fünf Provisoren gehabt, ohne dies jedoch zu belegen; Heyden, Die Fürsorgearbeit (1963), 35. Immerhin gilt es zu beachten, daß die Nennung von Provisoren häufig anhand des Vollzugs von Rechtsgeschäften für das Spital erfolgt und insofern unvollständig sein kann, weil keineswegs alle Provisoren daran beteiligt sein mußten. Daraus ergibt sich als weitere Einschränkung, daß in den Quellen die Nicht-Ratsherren vermutlich unterrepräsentiert sind, da auf ihre Mitwirkung bei wichtigen Rechtsgeschäften eher zu verzichten war als auf die Beteiligung ihrer dem Rat angehörigen
Kollegen. 104 105 106 107 108 109
S. oben S. 97 Anm. 97. PUB IV, Nr. 2147, Nr. 2148; PUB V, Nr. 2883. PUB XI, Nr. 5926; s. auch Liebenau, Der Grundbesitz der Stadt Stralsund (1930), 26 f. PUB X, Nr. 5500. StAS Urk. St. Jürgen am Strande Nr. 15, 17. S. zur Besitzentwicklung von St. Jürgen am Strande Pooth, Das Kloster St. Jürgen (1934), 77-86; Liebenau, Der Grundbesitz der Stadt Stralsund (1930), 31.
am
Strande
//. Schenken und Stiften
100
Vielfalt der Vergabungsformen rührte zum einen daher, daß die Wohltäter nicht nur die Spitäler in ihren fürsorgerischen Aufgaben unterstützen konnten, sondern mit der jeweiligen Spitalkapelle beziehungsweise -kirche zudem klerikale Institutionen vorfanden, die sich als Anbieter liturgischer Leistungen und Empfänger diesbezüglicher Gaben von den Pfarrkirchen nur graduell unterschieden; zum anderen besaßen die Möglichkeiten sozial-karitativer Hilfe eine Spannbreite, die vom einfachen Geld- oder Sachlegat für das Spital ohne jegliche Verwendungsauflage bis zu verschiedenen Formen direkter Almosenverteilungen an die Insassen reichte. In den Testamenten, die als einzige Quellengattung diese Vielfalt der Vergabungsformen zum Vorschein bringen, werden schon früh neben den Spitälern deren Insassen als Empfänger der Gaben genannt.110 Bei den Legaten für letztere handelte es sich keineswegs immer um Bargeld; vergabt wurden oft auch Nahrungsmittel1", darunter vor allem Bierrationen112, sowie hin und wieder Bettzeug"3, Brennmaterial"4, Stoffe"5 und Schuhe.116 Zunehmender Beliebtheit erfreute sich im Laufe des 15. Jahrhunderts die Ausrichtung von Seelbädern für die Bedürftigen; des öfteren waren sie verbunden mit der Verteilung von kleineren Nahrungsmittel- oder Geldspenden."7 Wesentlich wurde das Schenkungsverhalten durch die Art und Weise beeinflußt, in der sich der Geber eine Erwiderung seiner Gabe vorstellte. Die entsprechenden Intentionen und Präferenzen der Testatoren kommen in der Wahl des Empfängers, der Gestaltung der Gabenverteilung und insbesondere in der expliziten Formulierung von Fürbittwünschen zum Ausdruck. Sollte eine Gabe dem materiellen Wohl der Spitalinsassen zugute kommen, so konnte dies sowohl durch eine direkte Verteilung an die Spitaliten als auch durch eine Vergabung an das Spital selbst erreicht werden. Legte man indes Wert auf Fürbitten der Begünstigten, dann boten sich direkte Almosen eher an als Legate für das Spital. Zwar lassen sich keine klaren Aufschlüsse darüber gewinnen, ob und in welcher Weise in den Stralsunder Spitälern der Wohltäter gedacht wurde, aber es gibt zumindest Anlaß zu der Vermutung, daß ein Gedenken bei Schenkungen an das Spital selbst, zumal solchen kleineren Umfangs, nicht erfolgte. Denn während Legate an die Spitalinsassen häufig mit dem expliziten Wunsch nach Fürbitte verbunden waren, findet sich in den Stralsunder Stiftertestamenten kein einziges Spitallegat mit einer Fürbittauflage.
110 111 112 113 114 115 116 117
S. u. a. PUB X, Nr. 5719 (1339 Febr. 1), Nr. 5864 (1340 Juni 23); PUB XI, Nr. 5965 (1341 Sept. 2), Nr. 6166 (1343 Aug. 23), Nr. 6251 (1344 März 30), Nr. 6442 (1345 Nov. 1). S. z. B. PUB X, Nr. 5864; StAS Test. Nr. 111, 122, 334, 604, 606, 689, 785, 863a, 965. S. z. B. PUB X, Nr. 5719; PUB XI, Nr. 6442; StAS Test. Nr. 111, 132, 139, 151, 244, 318, 334, 427, 458, 500, 604, 606, 675, 693, 715, 756, 781, 806, 891, 965. S. z. B. PUB XI, Nr. 6442; StAS Test. Nr. 107, 127, 158. S. z. B. PUB X, Nr. 5864; StAS Test. Nr. 158, 604, 606. S. z. B. StAS Test. Nr. 319, 384, 471. S. z. B. StAS Test. Nr. 384, 767. S. z. B. StAS Test. Nr. 334, 427, 436, 485, 555, 556, 584, 604, 606, 614, 619, 633, 651, 653, 659,
693, 697, 713, 752, 753, 770, 818, 820, 839, 859, 864, 866, 879, 884, 891, 902, 908, 941, 942, 947, 951.
2.
Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
101
Schenkungsverhalten gegenüber dem Heiliggeist- und dem Jürgenmehrfacher Weise erkennen, daß dem Moment der Gegengabe große Bedeuläßt in spital wurde. tung beigemessen Signifikant ist zum einen, daß der weit überwiegende Teil der Legate seit der Mitte des 14. Jahrhunderts nicht den Spitälern selbst, sondern ihren Insassen bestimmt wurde.118 Auffällig ist zudem, daß die Testatoren seit dem ausgehenden 14. Jahrhundert immer häufiger betonten, ihre Gabe solle direkt an die Insassen ausgeteilt werden.119 Entsprechende Wendungen wie beispielsweise in ere hende to ghevende120 oder islikem armen sin deel in de hant to dondenx werden im Laufe des 15. Jahrhunderts zur Regel und gewinnen fast stereotypen Charakter. Ihr Auftauchen im letzten Viertel des 14. Jahrhunderts scheint darauf hinzudeuten, daß die Verteilung solcher Legate zuvor nicht immer im Sinne der Testatoren erfolgt war. Eine bessere Gewähr für die Ausführung der testamentarischen Anordnung konnte man sich unter Umständen dadurch verschaffen, daß man die eigenen Testamentsvollstrecker mit der Austeilung der Almosen beauftragte. Entsprechende Bestimmungen finden sich allerdings nur selten122, so daß die Vermutung, die Verteilung durch die Testamentsvollstrecker sei zum Normalfall geworden, durch die Quellen nicht gestützt werden kann. Konstatieren läßt sich immerhin soviel, daß mit der ausdrücklichen testamentarischen Verteilungsauflage die Testamentsvollstrecker in die Pflicht genommen wurden, für die intendierte Verwendung Sorge zu tragen. Die Stralsunder Testatoren waren also zunehmend darum bemüht, daß ihre Almosen den Spitalinsassen direkt ausgehändigt wurden. Auf diese Weise war nicht nur die karitative Wirksamkeit der Spende sichergestellt; auch ermöglichte der Vorgang der direkten Aushändigung des Almosens, auf den Spender zu verweisen und eine Fürbitte für diesen zu bewirken. Daß letzteres für viele Testatoren ein wichtiges Moment ihrer Vergabungen darstellte, wird daran deutlich, daß sie sich seit den dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts mit der Forderung nach der direkten Aushändigung oft nicht mehr begnügten, sondern zudem ausdrücklich die Gegengabe in Form einer Fürbitte einforderten.123 Da den Testatoren also an einer Direktverteilung der Almosen und mehr und mehr an Fürbitten der Empfänger gelegen war, erscheint auch ihre Sorge verständlich, daß ihre Das testamentarische
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Das Material läßt es allerdings nicht zu, von einem kontinuierlichen relativen Anstieg der Insassenlegate und indirekt des Bedürfnisses nach Fürbitten zu sprechen. So ist bei der Interpretation des Befundes vergleichsweise häufigerer Spitallegate in der ersten Hälfte des 14. Jh. zu bedenken, daß die Auf- und Ausbauphase der Spitäler noch nicht abgeschlossen, der Investitionsbedarf somit höher war als späterhin. S. u. a. StAS Test. Nr. 235, 324, 346, 384, 400, 402, 436. StAS Test. Nr. 604. StAS Test. Nr. 489. Vgl. PUB X, Nr. 5626; StAS Test. Nr. 235, 297, 384, 549. Ein frühes Beispiel stellt das Testament von Dietrich von Verden aus dem Jahre 1390 dar, der im Heiliggeistspital den armen luden, de up den bedden ligghen, zusammen 15 M sund. und den halven proveners je 4 Seh. sund. vermachte, dat se vor myne zele bidden; StAS Test. Nr. 448. Die Fürbittklauseln häufen sich, wie erwähnt, seit etwa 1430, um in den letzten fünfzig Jahren vor der Reformation etwa der Hälfte aller Schenkungen beigefügt zu sein; vgl. StAS Test. Nr. 584, 604, 612, 614, 620, 631, 651, 653, 658, 679 usw.
102
//. Schenken und Stiften
Gaben in die .richtigen' Hände gelangten. Immer häufiger unternahmen es die Testatoren, den Kreis der Almosenempfänger innerhalb der Spitäler genauer zu markieren. So bestimmten sie zur Verteilung im Heiliggeistspital vorgesehene Gaben häufig den infirmis124 oder pauperibus in lectis in späterer Zeit den kranken luden elenden seken oder armen luden.m Mitunter wurde durch eine genauere Lageangabe der Empfängerkreis klarer bezeichnet oder noch weiter eingeschränkt.129 Im Jürgenspital sollten die Legate im 14. Jahrhundert häufig den pauperibus exulibus beziehungsweise leprosisno, nach dem fast völligen Verschwinden des Aussatzes den elenden seken ausgeteilt werden.131 Bedacht wurden im 14. Jahrhundert wiederholt auch Aussätzige, die am Wegesrand in der Nähe des Jürgenspitals lagerten132; offensichtlich reichte die Kapazität des Spitals nicht aus, um in den Hochzeiten der Lepra alle Aussätzigen aufzunehmen. Wenn diese testamentarischen Verfügungen auch unterschiedliche Kreise von Spitaliten ansprachen, so war ihnen doch eines gemein: Sie sollten zumindest in den meisten Fällen eine Gruppe von der Almosenverteilung ausschließen, nämlich die Pfründner. Nur selten wurde auch letzteren einmal eine testamentarische Gabe zuteil.133 Die Ausklammerung der ,
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-
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S. u. a. StAS Test. Nr. 111, 122, 151, 232, 245, 298, 318, 346, 384, 400. S. u. a. StAS Test. Nr. 158, 202, 229, 276, 297, 306. S. u. a. StAS Test. Nr. 436, 458, 473, 549, 555, 560, 592, 658, 711, 754. S. u. a. StAS Test. Nr. 506, 615, 619, 653. S. u. a. StAS Test. Nr. 717, 770, 829, 879, 948, 961. So findet einige Male das Elenden- oder Siechenhaus Erwähnung, in dem die Bettlägerigen untergebracht waren, während die Pfründner in einem anderen Gebäude wohnten; vgl. StAS Test. Nr. 902, 941, 947; Heyden, Die Fürsorgearbeit (1963), 39. Zu Beginn des 16. Jh. gingen einige Legate an die armen luden yn deme pockenhuse; StAS Test. Nr. 908, s. auch Nr. 891, 927, 959. Dieses Gebäude war offenbar nicht, wie sonst häufiger der Fall, ein älteres Infektionshaus, in das nun die Opfer der neuen Seuche, nämlich der Syphilis, aufgenommen worden wären, sondern ein neuerer Bau, dessen Errichtung womöglich in Zusammenhang mit der neuen Epidemie zu sehen ist; darauf scheint zumindest ein Legat im Testament Hermann Virows von 1519 hinzudeuten, das den armen pockeden luden in deme nyenhuse tome hilligen geyste bestimmt war; StAS Test. Nr. 959; vgl. Heyden, Die Fürsorgearbeit (1963), 39 f.; Bettin, Die Gesundheitspflege (1994), 37 f., 53, 55. StAS Test. Nr. 107, 114, 124, 151, 229, 276, 302, 346, 384 u. a.; in den Testamenten des 15. Jh. wurden Aussätzige bei St. Jürgen nur noch vereinzelt bedacht; s. StAS Test. Nr. 506, 633. Vgl. StAS Test. Nr. 436, 448, 485, 489, 581 u. v. a. m.; des öfteren präzisierten die Testatoren, die Legate sollten an die Siechen in deme elenden hus bzw. in deme langhen stenhuse verteilt werden; s. u. a. StAS Test. Nr. 473, 526, 554, 555, 559, 560, 581, 612; gemeint war jeweils das durch Albert Hovener gestiftete Spitalgebäude, das nur der Aufnahme bedürftiger Siechen dienen sollte. PUB X, Nr. 5626; StAS Test. Nr. 111, 302, 306, 400. S. StAS Test. Nr. 182, 235, 244. In den angeführten Testamenten wird unterschieden zwischen Pfründnern auf der einen Seite, egenis, infirmis bzw. den armen luden, de up den bedden ligghen, auf der anderen Seite, die beide Almosen erhalten sollen; dies bestätigt die Annahme, bei den obengenannten Gruppen seien die Pfründner in der Regel nicht miteingeschlossen gewesen. In einem Fall sollten den halven proveners im Heiliggeistspital und im Jürgenspital jeweils 4 Seh. sund. ausgeteilt werden; StAS Test. Nr. 448. Bei den Halbpfründnern, über die wir in den Stralsunder Quellen keine genaueren Aufschlüsse erhalten, handelte es sich wahrscheinlich um Spitaliten, die ein vermindertes Eintrittsgeld gezahlt hatten und daher nur reduzierte Leistungen in Anspruch nehmen konnten bzw.
2.
Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
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Präbendare, die einen rechtlichen Anspruch auf die Versorgung mit dem Lebensnotwendigen erworben hatten, verdeutlicht, worauf es den Testatoren bei der Almosenvergabe ankam: Sie waren bestrebt, den wirklich Bedürftigen unter den Spitalinsassen zu helfen und damit
denjenigen, die ob ihrer Not in eine größere Gottesnähe gerückt wurden und von denen zugleich eine gesteigerte Dankbarkeit erwartet werden durfte, die ihren Niederschlag in Fürbitten für die Spender finden sollte. Die gegenüber den Spitaliten geübte caritas umfaßte nicht allein die Sorge für deren leibliches, sondern ebenso für deren seelisches Wohl; sie hatte also neben den Erfordernissen, die sich aus Unterbringung und Verpflegung ergaben, auch die Ausstattung der Spitalkirchen und die liturgische und pastorale Versorgung der Insassen im Auge. Häufigkeit und Umfang von testamentarischen Legaten an die Spitalkirchen lassen sich allerdings nicht genau bestimmen, da aus den Formulierungen oft nicht klar hervorgeht, ob eine Gabe für das Spital zur freien Verwendung oder ausschließlich für die Spitalkirche gedacht war.134 Einige Tendenzen zeichnen sich dennoch ab: Deutlich wird vor allem, daß testamentarische Legate an die Kirchen des Heiliggeist- und des Jürgenspitals nur von untergeordneter Bedeutung waren. Selbst wenn man zu den gesicherten Fällen die zweifelhaften hinzunimmt, bleiben diese immer noch eindeutig in der Minderheit gegenüber den Gaben, die den Spitalinsassen bestimmt wurden. Im Vergleich zu den Schenkungen an die Pfarr- und die Klosterkirchen erscheint die Zahl der Legate an die Spitalkirchen ebenfalls spärlich. Auch
Spital verpflichtet waren. Der Quellenbegriff ist auch aus anderen Orten überliefert, (s. Moritz, Die bürgerlichen Fürsorgeanstalten [1981], 50 f.), und das Phänomen einer Differenzierung von Pfründleistungen und -preisen in spätmittelalterlichen Spitälern weit verbreitet; vgl. Dirlmeier, Untersuchungen zu Einkommensverhältnissen und Lebenshaltungskosten (1978), bes. 462^190; Reicke, Das deutsche Spital. 2. T.: Das deutsche Spitalrecht (1932), 206-212. Daß eine solche zumindest zweistufige Differenzierung auch in Stralsund schon früh praktiziert wurde, läßt ein Stadtbucheintrag von 1292 erkennen, demzufolge die domina Yltud für die von ihr gezahlten 40 M sund. eine prebendam dominorum im Heiliggeistspital erhalten sollte; 1. Stb., IV Nr. zur
Mithilfe im
etwa aus Frankfurt a. M.
134
184. Kein Zweifel ist
lediglich in den Fällen möglich, in denen die Kirche explizit als Empfängerin also beispielsweise ein Legat ecclesie sancti Georgii bestimmt wurde (StAS Test. Nr. 107) oder wenn alle Stralsunder Kirchen eine Gabe erhalten sollten (so z. B. StAS Test. Nr. 89). Wenn hingegen die Gabe sancto Georgio oder sancto spiritu gewidmet war, ist die Annahme, die Gabe sei für Kirchenzwecke bestimmt gewesen, zwar nicht unbegründet, aber ebensowenig gesichert. Denn auch das Spital wurde sehr häufig in einer solcherart verkürzten Form genannt wird,
bezeichnet;
wenn
wurde in einem Testament aus dem Jahre 1405 den kranken armen to dem ein Almosen bestimmt; StAS Test. Nr. 489. In den zahlreichen sprachlich uneindeutigen Fällen liefert mitunter der Kontext einen relativ verläßlichen Hinweis auf die Intention des Testators. So gehen im Text des Testamentes von Dietrich Witte von 1352 dem sancto spiritu bestimmten Legat zwei Legate für die Nikolaikirche und die Jakobikirche voraus und folgen zwei weitere für die Gertrudenkapelle und die Marienkirche; StAS Test. Nr. 192. Bei Testamenten, die eine derartige sachliche Gruppierung der Legate erkennen lassen, erscheint eine entsprechende Interpretation des unklaren Einzellegats hinlänglich begründet. In der Mehrzahl der Fälle fehlen dafür jedoch die Voraussetzungen. so
hilghengheste
//. Schenken und Stiften
104
ihr Wert, der kaum einmal 50 Mark sundisch erreicht ist von der durchschnittlichen Höhe der Gaben an die übrigen Stralsunder Kirchen weit entfernt. Noch seltener waren direkte Schenkungen an die Kleriker in den Spitalkirchen.136 Sie waren zumeist nicht an die Erbringung liturgischer Gegenleistungen geknüpft.137 Offenbar spielten die Heiliggeist- und die Jürgenkirche als zusätzliche sakrale Orte neben den übrigen Gotteshäusern der Stadt, an denen man private Meßopfer erbringen oder sich mit sonstigen Gaben direkt an Gott oder einzelne Heilige wenden konnte, nur eine untergeordnete Rolle. Dieser Eindruck bestätigt sich, wenn man die in den Testamenten verfügten Stiftungen in das Blickfeld miteinbezieht. Faßt man nämlich alle Typen liturgischer Stiftungen zusammen, so begegnen lediglich drei Stiftungsanordnungen für die Heiliggeistkirche138 und drei für die ,
Jürgenkirche.139
Neben den beiden genannten Spitälern gab es noch zahlreiche andere karitative Einrichtungen, die in den Stralsunder Testamenten bedacht wurden. Eine Gruppe bilden weitere Jürgenspitäler in der Umgebung Stralsunds. An erster Stelle ist das Jürgenspital zu Rambin auf Rügen zu nennen, eine Stiftung des Stralsunder Kaufmanns Gottfried von Wickede, auf die noch näher einzugehen sein wird.140 Das Rambiner Spital erhielt zwar weniger Legate als die großen Stralsunder Spitäler, aber deutlich mehr als die anderen Leprosenhäuser in der Umgebung. Letzteres vermag kaum zu überraschen, denn obgleich der Stifter das Haus für die Unterbringung der Leprosen der Insel Rügen vorgesehen hatte141, bestanden doch enge Verbindungen nach Stralsund, die zum einen vom Spitalgründer und dessen Familie herrührten und zum anderen daraus resultierten, daß das Provisorat durch Stralsunder Ratsherren und Bürger ausgeübt wurde.142 Neben dem Rambiner Jürgenspital fanden auch die Leprosenhäuser bei Putte, Garz, Gristow, Ückermünde, Loitz, Grimmen, Richtenberg, Starkow, Barth, Ribnitz und Damgarten in den Stralsunder Testamenten Beachtung. Beschenkt wurden also Häuser, die sich, mit Ausnahme Ückermündes, in einem Umkreis von weniger als fünfzig Kilometern befanden. Dabei fällt auf, daß zumeist mehrere Spitäler gleichzeitig bedacht wurden143, wobei die Legate in der Regel nur eine Höhe von einigen Mark sundisch je Spital erreichten.
Vergabungen in Höhe von 50 M sund. bestimmten Heinrich Robbetzyn to sunte Jurien to hulpe thome buwete (StAS Test. Nr. 535) und Arnold Voet domui sancti Spiritus (StAS Test. Nr. 215). Zu beachten ist, daß im ersten Fall das Geld wohl tatsächlich der Spitalkirche zugute kommen sollte, während im anderen vermutlich das Heiliggeistspital insgesamt als Empfänger vorgesehen war. 136 S. u. a. PUB VI, Nr. 3602; PUB VII, Nr. 4561; StAS Test. Nr. 158, 500, 752. 137 Eine Ausnahme stellt das Legat von Heinrich Westfal für den Pleban von Heiliggeist in Höhe von 12 Seh. sund. dar, für welches seiner und zweier verstorbener Verwandter gedacht werden sollte; PUB XI, Nr. 6251. 138 S. StAS Test. Nr. 500, 526, 864. 139 S. StAS Test. Nr. 192, 664, 737. 135
...
140 141 142 143
S. unten S. 226. S. die entsprechende Bestimmung Wickedes in der Stadtbucheintragung, die tung vornehmen ließ; 2. Stb., Nr. 3680. S. Pooth, Das Kloster St. Jürgen vor Rambin ( 1940), 84 f. S. u. a. PUB XI, Nr. 6166; StAS Test. Nr. 114, 229, 232, 241, 297.
er
1334 über seine Stif-
2.
Schenkungenfür das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
105
In diesen Fällen war die Gabe also nicht durch eine besondere Beziehung des Testators zu einem bestimmten Ort motiviert, sondern es herrschte der Wunsch vor, möglichst viele Almosen an Aussätzige austeilen zu lassen. Er kommt besonders deutlich in dem 1413 abgefaßten Testament von Tobias Gildenhusen zum Ausdruck, der alle den elenden utzedeschen to eneme isliken sunte Yurigen bynnen dem vorstendom to Ruyen'yt 4 Schilling sundisch als direkt auszuteilendes Almosen bestimmte.144 Im Gegensatz dazu wurde sonstigen auswärtigen Spitälern offenbar nur dann ein Legat bestimmt, wenn der Testator dem jeweiligen Ort in besonderer Weise verbunden war, sei es durch seine Abstammung oder infolge von Handelsaktivitäten. Diese Spitäler lagen oft weit von Stralsund entfernt, beispielsweise in Kolberg145, Stettin146, Verden147 oder Warendorf.148 Die vorhandene persönliche Bindung des Testators läßt es im übrigen plausibel erscheinen, daß diese Schenkungen mitunter großzügiger ausfallen konnten als im Fall der nähergelegenen Jürgenspitäler; dennoch stellen die Legate von Konrad Witte an Spitäler seiner Heimatstadt Kolberg, nämlich in Höhe von 100 Mark kolbergisch für das Heiliggeistspital und von 50 Mark kolbergisch für das Jürgenspital, in ihrem Umfang eine Ausnahme dar.149 In der städtischen Gemarkung Stralsunds existierten am Vorabend der Reformation einige weitere karitative Einrichtungen, die ebenfalls die Aufmerksamkeit der Testatoren fanden. Mit Ausnahme des Gertrudenhauses handelt es sich dabei um kleinere Armenhäuser. Das 1322 erstmalig erwähnte, an der Landstraße nach Greifswald gelegene Gertrudenhaus diente in erster Linie der Unterbringung von Reisenden.150 Die testamentarischen Vergabungen waren allerdings nur zu einem geringen Teil darauf ausgerichtet, das Haus in seinen karitativen Funktionen zu unterstützen, und kamen zumeist der zugehörigen Gertrudenkapelle zugute. Aufschlußreich sind insbesondere einige für den Bau der Kapelle bestimmte Legate, die auf eine rege Bautätigkeit in den zwanziger und dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts schließen lassen.151 Diese diente offenbar einer Erweiterung der Kapelle, die wohl im
144
StAS Test. Nr. 506. Bemerkenswerterweise erhielten die Jürgenspitäler auch dann noch des öfteren Legate, als sie nach dem starken Rückgang des Aussatzes in den ersten Jahrzehnten des 15. Jh. mehr und mehr zu Siechenhäusern geworden waren; vgl. StAS Test. Nr. 559, 612, 615, 633, 664, 694, 747, 785, 906, 948.
145 146 147 148 149 150
PUB VII, Nr. 4477. StAS Test. Nr. 89. StAS Test. Nr. 448. StAS Test. Nr. 147. PUB VII, Nr. 4477. PUB VI, Nr. 3602; vgl. Adler, Die St. Gertraudenkirche (1939), 12; Heyden, Die Fürsorgearbeit (1963), 34; ders., Die Kirchen Stralsunds (1961), 80 f.; Bettin, Die Gesundheitspflege (1994), 56. Am Anfang steht die Vergabung von tausend Steinen zum Bau, die der Ratsherr Heinrich Quekel in seinem Testament 1428 festsetzte. 1432 vermachte Gerhard Streze der Gertrudenkapelle testamentarisch 5 M sund. für Steine und Kalk, zwei Jahre später der Ratsherr Hans Kummerow 1 M sund. zur Anschaffung von Dachsteinen, im Jahr darauf Konrad von Orden ene reghe to enem vinster; StAS Test. Nr. 555, 580, 583, 584. Im Jahre 1438 schließlich zahlten die Alterleute der Gewandschneider insgesamt 29 M und 6 Seh. sund. zur Finanzierung eines Glasfensters; StAS Gewandhaus HS 4, fol. 3r. Anhäufungen von Baulegaten, die auf weitere Bauphasen hindeuten, sind auch um die Mitte
151
106
//. Schenken und Stiften
mit einem Anwachsen der Frankenvorstadt stand, für die die Kapelle zunehmend pfarrkirchliche Funktionen erfüllte.152 Darauf deutet auch die Existenz eines Altars der Schiffszimmerleute hin153, deren Bootswerft, auch lastadie genannt, sich hier
Zusammenhang befand.154
Überlieferungslage für die im 15. und beginnenden 16. Jahrhundert errichteten kleiArmenhäuser ist relativ ungünstig, so daß die konkreten Gründe für ihre Entstehung im einzelnen nicht mehr rekonstruierbar sind. Die Häuser dienten vermutlich in erster Linie der Unterbringung armer Siechen und stellten insofern eine Reaktion auf die Verpfründungstendenzen in den beiden großen Spitälern der Stadt dar. Die meisten der neuen Armenhäuser entstanden in einem eng umgrenzten Areal zwischen dem Tribseer Tor und der Marienkirche, insbesondere in einer „Rotes Meer" genannten Gasse, die vom Tribseer Tor parallel zur Stadtmauer hinter die Marienkirche führte. Die älteste und wichtigste dieser Einrichtungen war das Gasthaus, eine aus zwei Gebäuden bestehende Stiftung der Stralsunder Bürger Johann Kuleman und Vicko Timme aus dem Jahre 1408.155 Sie wurde in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts um eine dem hl. Antonius geweihte Kapelle ergänzt.156 In der Folgezeit wurden die bereits in früheren Testamenten unterschiedenen beiden Häuser mit unterschiedlichen Namen gekennzeichnet, indem das zwischen dem Tribseer Tor und der neuen Kapelle gelegene Haus nun zumeist Antoniushaus, das näher bei der Marienkirche gelegene weiterhin Gasthaus genannt wurde.157 Die
neren
152 153 154 155 156
157
des 14. und des 15. Jh. feststellbar; vgl. Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 81; Adler, Die St. Gertraudenkirche (1939), 15. Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 81 f.; Adler, Die St. Gertraudenkirche (1939), 15 f. S. StAS Test. Nr. 902. Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 81 f.; Adler, Die St. Gertraudenkirche (1939), 15 f. StAS HS 1.3, liber de hered. vend, et resig., fol. 113r. Die auf die Existenz der Kapelle verweisende Bezeichnung Antoniushaus erscheint erstmals in einem Testament aus dem Jahre 1479; s. StAS Test. Nr. 708. Peter Pooth datiert die erstmalige Nennung eines Gotteshauses auf das Jahr 1430; die von ihm angeführte Urkunde enthält jedoch keinen sicheren Beleg für eine solch frühe Existenz der Antoniuskapelle, da die dort angesprochene Stiftung Hermann Badyserns nicht für den Bau einer Kapelle, sondern für die armen kranken unde zeken mynschen im Spital upp deme roden mere bestimmt war; auch wirft seine Datierung die Frage auf, warum die Bezeichnung Antoniushaus erstmals knapp fünfzig Jahre nach der angeblichen Entstehungszeit Verwendung gefunden haben sollte; vgl. Pooth, Das Gasthaus (1965), 159; StAS Stadt. Urk. Nr. 1780, Nr. 972. S. StAS Test. Nr. 747, 817, 830, 900, 948. Hellmuth Heyden gibt an, daß ein vom Antonius- und Gasthaus zu unterscheidendes Spital beim Tribseer Tor existiert habe, das 1415 zum ersten Mal bedacht worden sei; Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 83. Hierbei handelt es sich jedoch offenbar um das später Antoniushaus genannte Gebäude, das zur Unterscheidung von dem anderen Haus mit der genannten Lageangabe gekennzeichnet wurde; vgl. Pooth, Das Gasthaus (1965), 158-161. Daß dem Antoniushaus auch ein Haus zur gesonderten Unterbringung von Frauen angeschlossen gewesen sei, wie Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 83, und Schildhauer, Religiöse Vorstellungen (1989), 35, annehmen, läßt sich nicht nachweisen. Die testamentarische Bestimmung, die solches nahezulegen scheint und von Heyden angeführt wird, sieht vor, 1 Pfd. Pf. sund. zu verteilen den armen vruwen, de dar ligghen uppe den bedden in deme ghasthuse uppe deme roden mere, unde den armen vrouwen uppe deme valde vor deme Trybbezesschen dore; StAS Test. Nr. 557. Sie ist aber -
2.
Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
107
Im Jahre 1486 wird erstmals ein Elendenhaus uppe dem mesvalde erwähnt158, auf dessen Existenz allerdings nur einige testamentarische Legate hinweisen.159 Es befand sich allem Anschein nach an der Stadtmauer zwischen dem Tribseer Tor und der Rodemer-Gasse auf einem Areal, auf dem sich schon seit längerem Arme in notdürftigen Behausungen oder unter freiem Himmel aufhielten.160 Am Roten Meer entstanden in den ersten Jahrzehnten des 16. Jahrhunderts weitere kleinere Armenhäuser: das Kannenhaus, das in einem Testament von 1514 zum ersten Mal bedacht wurde161, das St. Brandanienhaus, das Mannenhaus, der Chorhof und der Marienhof.162 In den vorreformatorischen Testamenten wurden die Armenhäuser im Roten Meer ähnlich oft bedacht wie die großen Stralsunder Spitäler. Weitere Parallelen weist das Schenkungsverhalten in zweierlei Hinsicht auf: Auch bei den kleineren Armenhäusern bevorzugten die Testatoren gegenüber pauschalen Legaten an das ganze Haus die direkte Verteilung von Almosen an die einzelnen Insassen.163 Und sie legten häufig ausdrücklich Wert darauf, daß Die sich hier abzeichnende Neigung, eine die Armen die Gabe mit Fürbitten im um Zahl von Almosen verteilen zu lassen, Gegenzug möglichst viele Fürbittgebete große zu erlangen, kommt besonders deutlich in einigen Testamenten zum Vorschein, in denen den Bedürftigen aller oder zumindest mehrerer Stralsunder Spitäler und Armenhäuser gleichermaßen ein Almosen bestimmt wurde.165 Zur Vermehrung der karitativen Vergabungen boten sich natürlich auch Almosen an Bedürftige an, die nicht in einem Spital oder Armenhaus lebten. Ihre Zahl war im Spätmittelalter Schwankungen ausgesetzt, aber ohne Zweifel immer beträchtlich. Das breite Spektrum der Formen von Bedürftigkeit in der spätmittelalterlichen Stadt wird aus Testamenten und ähnlichen Quellenarten, die die gegenüber den Notleidenden geübte caritas
vergolten.164
gerade auch mit Blick auf den zweiten Empfängerkreis
wohl eher so zu verstehen, daß unter den im Gasthaus befindlichen Personen beiderlei Geschlechts eben nur Frauen in den Genuß des Almosens kommen sollten. StAS Test. Nr. 747. StAS Test. Nr. 753, 770, 948, 951. Die ersten testamentarischen Legate für die armen elenden bi dem Tribezeschen dore stammen aus den zwanziger und dreißiger Jahren des 15. Jh.; s. StAS Test. Nr. 556, 560, 583. In der Folgezeit wurden sie von den Testatoren ausnehmend häufig bedacht. Das mesvalt, oft auch nur das valt genannt, befand sich wohl nicht außerhalb der Stadtmauern, auch wenn Angaben wie beispielsweise uppe dem mesfalde vor deme Trybbensesschen dore (StAS Test. Nr. 583) dies nahezulegen scheinen. Es ist nämlich zu beachten, daß auch das Gasthaus im Roten Meer in einem Testament als dat hospital vor deme Tribbeseschen dore bezeichnet wird; StAS Test. Nr. 518. Auch erscheint die Vorstellung plausibler, daß die Armen, die keinen Platz in einem der /Werner-Gasthäuser fanden, sich dennoch in deren Nähe aufhielten, um leichter in den Genuß von Almosen zu gelangen. Zudem weist Peter Pooth darauf hin, daß die Armenansiedlung um die Mitte des 16. Jh. dem „Kromekenhagen" wich, einer mit wohltätigen Mitteln errichteten Ansammlung von Armenwohnungen am Tribseertor innerhalb der Stadtmauern; Pooth, Das Gasthaus (1965), 157 f. StAS Test. Nr. 938. S. die Zusammenstellung bei Pooth, Das Gasthaus (1965), 158. S. StAS Test. Nr. 556, 560, 604, 612, 615, 631, 632, 658, 659, 664, 675, 679 u. a. m. S. StAS Test. Nr. 612, 631, 653, 658, 659, 679 u. a. m. S. StAS Test. Nr. 653, 658, 659, 747, 753, 770, 817, 830, 900, 906, 948 u. a. m. -
158 159 160
...
161 162 163 164 165
108
//. Schenken und Stiften
spiegeln, nur in begrenztem Umfang sichtbar, da diese lediglich ein von den Präferenzen der Wohltäter geformtes Bild erstehen lassen. Zu den Gruppen, die von den Stralsunder Testatoren bevorzugt bedacht wurden, zählten Arme und Aussätzige, die auf dem freien Feld oder in notdürftigen Behausungen vor der Stadt, meist in der Nähe der großen Ausfallstraßen lebten. Im 14. Jahrhundert kamen Aussätzige, die sich in der Nähe des Jürgenspitals an der
nach Rostock führenden Landstraße aufhielten, wiederholt in den Genuß testamentarischer Gaben.166 Ein weiterer außerstädtischer Aufenthaltsort armer Siechen war der Kirchhof von St. Gertrud.167 Im 15. Jahrhundert erhielten zudem die Armen der schon erwähnten Ansiedlung vor dem Tribseer Tor zahlreiche Almosen.168 Dabei handelte es sich im übrigen nicht nur um Geld- und Sachspenden; mitunter ließen die Testatoren für sie auch Seelbäder ausrichten, die in einer beim Tribseer Tor gelegenen Badestube stattfanden.169 Innerhalb der Stadtmauern hielten sich ebenfalls Obdachlose auf, die die Nähe von Gotteshäusern und Kirchhöfen als Bettelplätze bevorzugten. In den Testamenten wird ihr Aufenthaltsort jedoch meist nicht genau bezeichnet, sondern Legate werden pauschal den communibus pauperibus in ecclesiis et cymiteriis sedentibus™, pauperibus in plateis ambulantibusx7[ oder einfach nur pauperibus communibus172 bestimmt. Allgemeine Begriffe wie pauperes oder arme lude bezeichnen jedoch nicht nur die in der Öffentlichkeit bettelnden Nichtseßhaften; solche Ausdrücke konnten auch die sogenannten Hausarmen miteinschließen, die ein Dach über dem Kopf hatten und wohl meist auch arbeiteten, aber dennoch auf Unterstützung durch andere angewiesen blieben. In einigen Testamenten werden sie getrennt nach einzelnen Kirchspielen erwähnt173, was darauf hindeutet, daß Vertreter der Pfarrgemeinden mit der Sorge für die Hausarmen in ihrem Kirchspiel betraut waren und beispielsweise die Verteilung von Almosen für diese vornahmen. Ausschließlich für Hausarme bestimmte Legate begegnen des öfteren in den Stralsunder Testamenten;
166 167 168 169
170 171 172 173
S. oben S. 102. StAS Test. Nr. 555; vgl. Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 82. S. StAS Test. Nr. 556, 560, 592, 604, 612, 615, 631, 653, 658, 659, 675 u. a. m. So bestimmte Matthias Bene in seinem 1459 abgefaßten Testament den armen lüden by deme valde vor deme Tribbesesdore fünf Seelbäder sowie jedem von ihnen 8 Seh. sund.; StAS Test. Nr. 633. Andere Testatoren ordneten an, daß den Armen vor dem Tribseer Tor gemeinsam mit den Insassen eines oder mehrerer der Armenhäuser im Roten Meer Seelbäder ausgerichtet werden sollten; StAS Test. Nr. 753, 879, 902, 947. Auch diese ließ man wohl in der genannten Badestube abhalten, da die kleineren Armenhäuser im Roten Meer zweifellos nicht über eigene Badestuben verfügten. Seelbäder in der Tribseer Badestube für die in der Nähe lebenden Armen waren im übrigen so häufig, daß einzelne Testatoren es bei der Anordnung von Seelbädern in dieser Stube bewenden ließen, ohne den Teilnehmerkreis zu benennen; StAS Test. Nr. 632, 820. S. z.B. StAS Test. Nr. 241. S. z.B. StAS Test. Nr. 114. S. z.B. StAS Test. Nr. 166. Beispielsweise vermachte Gottfried von Wickede, der Stifter des Jürgenspitals vor Rambin, den pauperibus dictis husarmen in parrochia sancti Nicolai ibidem manentibus 20 M sund. sowie den Hausarmen im Jakobikirchspiel 15 M sund. und den Hausarmen in der Pfarrei St. Marien 10 M sund.; PUB X, Nr. 5809. Christian Bekendorp bestimmte in seinem Testament lediglich den Hausarmen im Nikolaikirchspiel 5 M sund.; StAS Test. Nr. 276. Vgl. auch StAS Test. Nr. 158, 232, 266.
2.
Schenkungenfür das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
109
allerdings zeichnet sich im 15. Jahrhundert keine Zunahme solcher Legate, die etwa auf eine vermehrte Bevorzugung der verschämten Armut gegenüber den Bettlern hinweisen könnte, sondern im Gegenteil ein Rückgang ab.174 Dies darf jedoch nicht in der Weise interpretiert werden, daß im 15. Jahrhundert die Zahl der tatsächlich an Hausarme verteilten Almosen deutlich zurückgegangen sei; denn hiermit ließe man außer acht, daß die von den Testatoren pauschal den armen luden bestimmten Gaben nun womöglich in verstärktem Maße den Hausarmen zugute gekommen sein könnten. Einen weiteren Empfängerkreis testamentarischer Schenkungen bildeten arme, heiratswillige Frauen. Mit Hilfe der ihnen zugedachten Legate sollte ein Wittum bereitgestellt und so eine Heirat ermöglicht werden. Dabei wurden mitunter auch dem Testator persönlich bekannte Frauen bedacht.175 Die Almosen waren also als konstruktive Hilfe zur Überwindung einer konkreten Notlage gedacht. Gleichwohl war den Testatoren daran gelegen, mit ihren Gaben zugleich an die christliche Zahlensymbolik anzuknüpfen. Denn meist sollten fünf oder zehn Jungfrauen in den Genuß einer solchen Gabe kommen, die zudem häufig jeweils 5 oder 10 Mark sundisch erhalten sollten.176 Man wollte also auf das Gleichnis von den fünf klugen und den fünf törichten Jungfrauen (Matth. 25, 1-13) verweisen und damit auf die eigene Bereitschaft, sich auf die Wiederkehr Christi und das Jüngste Gericht vorzubereiten. Für manche Testatoren war damit der jenseitigen Zweckrichtung ihrer Gabe noch nicht Genüge getan; sie äußerten daher die Erwartung, daß die Beschenkten den leven God vor my bydden}11 Seltener als heiratswillige Frauen kamen arme Scholaren in den Genuß allgemeiner testamentarischer Schenkungen.178 Zwar konnten die Testatoren auch hier im Sinne des do ut des auf besondere Früchte ihrer Gabe hoffen, wenn der von ihnen bedachte Scholar Priester wurde, aber dennoch bevorzugten sie es, gezielt und nachhaltig einzelne Scholaren zu fördern, die aus der eigenen Familie oder der näheren Bekanntschaft kamen.179 Eine solche Förderung bestand meist nicht in der einmaligen Übereignung einer Geldsumme, sondern in
174 175 176
177
178 179
S. die Zusammenstellung der Armenlegate bei Poeck, Omnes stabimus (1995), 256-263. S. z. B. StAS Test. Nr. 676, 927. Die geläufigste Variante war die Vergabung von je 10 M sund. an 10 Jungfrauen; s. StAS Test. Nr. 614, 615, 633, 657, 717, 817, 850. Es kam auch vor, daß je 10 M sund. an fünfzehn Jungfrauen (StAS Test. Nr. 604) oder zwanzig Jungfrauen (StAS Test. Nr. 747) ausgeteilt werden sollten, oder fünf Jungfrauen je 20 M sund. erhalten sollten (StAS Test. Nr. 895). In doppelter Weise verband Heinrich von Orden die beiden Zahlen aus dem Gleichnis des Matthäus-Evangeliums, indem er 5 Frauen je 10 M sund. und 10 Frauen je 5 M sund. bestimmte; StAS Test. Nr. 651. In anderen Testamenten findet sich die Zahlensymbolik in reduzierter, aber immer noch erkennbarer Form, so wenn einer unbestimmten Zahl von Jungfrauen insgesamt 5 M sund. oder ein Vielfaches davon, häufig 50 oder 100 M sund., gegeben werden sollten; s. StAS Test. Nr. 584, 676, 694, 698, 713, 732, 753, 859, 927. Dagegen waren Legate für heiratswillige Frauen ohne erkennbaren Bezug auf die Zahlen 5 oder 10 selten; s. z. B. StAS Test. Nr. 667, 826. So z. B. Heinrich Hasendorp in seinem 1495 abgefaßten Testament; StAS Test. Nr. 791; vgl. auch StAS Test. Nr. 651,715, 850. S. z. B. StAS Test. Nr. 876, 906. Vgl. Schildhauer, Hansestädtischer Alltag (1992), 38.
110
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regelmäßigen Unterhaltszahlungen, die sich oft aus der Stiftung einer Vikarie oder Meßpriesterstelle speisten. Deren Einkünfte waren zu einem Teil dem Scholar zugedacht, der zudem im Anschluß häufig Inhaber der Priesterstelle werden sollte. Natürlich beinhaltete
eine solche Unterstützung eines Verwandten oder Bekannten nicht den Verzicht auf eine Gegenleistung des späteren Priesters; vielmehr dürfte die bereits bestehende soziale Verbindung sowie die intensive Förderung über mehrere Jahre die Erwartung einer besonders engen Verbundenheit mit dem Wohltäter über dessen Tod hinaus genährt haben. Durchaus häufig sahen Testatoren karitative Legate für Bedürftige vor, ohne den Empfängerkreis genau zu umreißen. Sie beschränkten sich lediglich auf die Vorgabe, die Schenkung solle armen luden zugute kommen.180 Daß die Testatoren oft auf eine Präzisierung verzichteten, lag keineswegs an der Geringfügigkeit der Legate, die eine Höhe von 300 Mark sundisch181 und mehr erreichen konnten. Auch wurden die Armen des öfteren als Erben für den Nachlaßteil eingesetzt, über den nicht ausdrücklich verfügt worden war182, oder sollten eine bestimmte Erbschaft für den Fall erhalten, daß deren eigentlicher Erbe sich aus Unzufriedenheit über seinen Erbteil gegen die Ausführung der testamentarischen Verfügungen stellen sollte.183 Über die Verteilung solcher, mitunter beträchtlichen Legate mußten, wenn keine näheren Anweisungen des Testators vorlagen, die Testamentsvollstrecker entscheiden. Der Verzicht auf präzise Vorgaben war also ohne Zweifel auch ein Ausdruck des Vertrauens in die Testamentsexekutoren, die ihre Entscheidungen im Einklang mit den Vorstellungen des Testators über die Sicherung seines Seelenheils und in Ansehung der konkreten Bedürfhislagen in der Stadt zu treffen hatten. Ihre Entscheidungskompetenz wurde von den Testatoren häufig mit Formulierungen wie der im Testament von Gottfried von Wickede unterstrichen, der seinen übrigen Besitz, über den er nicht verfügt hatte, seinen Testamentaren übertrug, ut... sicut ipsisplacet, pauperibus distribuatur)u Allerdings sollte nicht übersehen werden, daß der Handlungsspielraum der Testamentare in stärkerer Weise eingeengt sein konnte, als es der Wortlaut des Testaments vermuten läßt. Beispielsweise konnte der Testator noch mündliche Anweisungen erteilt haben, oder das gemeinsame Wissen um bestimmte, stark verbreitete Almosenpraktiken konnte die Formulierung einzelner Durchführungsbestimmungen überflüssig werden lassen. Dies läßt sich an einem Beispiel erläutern, das zugleich auf das Problem ,verdeckter' Stiftungen verweist, also tatsächlich ausgeführter Stiftungen, die jedoch anhand des Testamentstextes als solche nicht erkennbar sind. Im Jahre 1382 sah Heinrich von Vreden in seinem Testament 200 Mark sundisch zum Kauf von Kleidern und Schuhen für pauperibus indigentibus vor.185 Die enorme Höhe dieses Betrages wirft die Frage auf, ob der Testator tatsächlich beabsichtigte,
180 181 182 183 184 185
S. z. B. StAS Test. Nr. 158, 298, 965. S. PUB X, Nr. 5626; StAS Test. Nr. 747. S. PUB X, Nr. 5809, Nr. 5864; StAS Test. Nr. 155, 158, 298, 306, 554, 604, 737, 820, 896, 900, 959, 965 u. a. S. StAS Test. Nr. 306, 448, 471, 556, 612, 614, 620, 667, 675, 730, 912, 913, 927, 942, 954, 959, 961 u. a. PUB X, Nr. 5809, S. 442. StAS Test. Nr. 400.
2.
Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
111
die Almosen auf einmal verteilen zu lassen, denn immerhin hätte man mit 100 Mark sundisch bei einem Preis von 2 Schilling pro Schuhpaar186 achthundert Paar Schuhe kaufen können und ad hoc ebensoviele bedürftige Abnehmer finden müssen. Bedenkt man zudem, daß sich Testatoren des öfteren für eine zeitliche Streckung solcher Almosenverteilungen über mehrere Jahre entschieden187 beziehungsweise mit einer solch großen Summe mitunter die Errichtung einer dauerhaften Almosenstiftung finanzierten188, so liegt die Mutmaßung nicht fern, daß auch Heinrich von Vreden derartiges seinen Testamentsvollstreckern mündlich aufgetragen oder stillschweigend von ihnen erwartet haben könnte. Nähme man an, die Realisierung des Almosens sei in Form einer Stiftung geplant gewesen, so hätte man den Fall einer .verdeckten' Stiftung vor sich. Diese Möglichkeit läßt sich bei derartigen Fällen nicht ausschließen; sie kann jedoch ebensowenig methodisch entschärft werden, indem man etwa bei Almosen einer bestimmten Dotationshöhe generell von einer Durchführung in Form einer Stiftung ausginge. Denn es kam auch vor, daß Almosengaben dieses Umfangs innerhalb kurzer Zeit verteilt werden sollten. So war es beispielsweise Gerwin Storkows letzter Wunsch, daß den Armen innerhalb von drei Jahren insgesamt 300 Mark sundisch an Kleidern und Schuhen ausgeteilt würden.189 Der gänzliche Verzicht auf schriftliche Gestaltungsvorgaben bei Armenlegaten findet sich im übrigen nur in einer Minderzahl von Fällen. Meist machten die Testatoren Angaben zu der Art des Almosens, das den Bedürftigen ausgeteilt werden sollte, und, jedoch weniger häufig, zur zeitlichen Aufteilung der Almosenvergabe. Oft waren es Geldbeträge190, Schuhe191 und Kleidungsstücke192, die verteilt werden sollten. Im 15. Jahrhundert sollten die
entsprechende Preisangabe findet sich in zwei Testamenten aus den Jahren 1334 und 1368; PUB VIII, Nr. 5140; StAS Test. Nr. 319. Hingegen sollten die von Hermann Kersebom 1356 zur Almosenverteilung bestimmten Schuhe einen Wert von 3 Seh. sund. pro Paar besitzen; StAS Test. Nr. 221.
186
Eine
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Beispielsweise sollten nach dem letzten Willen von Peter Svenesson den Armen über drei Jahre verteilt insgesamt sechzig Paar Schuhe geschenkt werden; StAS Test. Nr. 319. Und Arnold von Essen bat seine Ehefrau und seinen Sohn, für sein Seelenheil acht Jahre lang jährlich vier graue Tücher und zwanzig Paar Schuhe an die Bedürftigen zu verteilen; StAS Test. Nr. 93. So bestimmten Johann von Hären und Peter Haiesten in ihren Testamenten jeweils 200 M sund. zum Ankauf einer Ewigrente, mit der jedes Jahr Kleider und Schuhe für Almosenverteilungen erworben werden sollten; StAS Test. Nr. 498, 694. Während in diesen Fällen auch bei einer niedrigen Verzinsung mindestens 10 M sund. jährlich zur Verfügung standen, wurden durchaus auch Almosenstiftungen geringeren Umfangs initiiert: Peter und Katharina Nyeman sahen in ihrem gemeinsamen Testament aus dem Jahre 1466 zum jährlichen Ankauf von Schuhen eine Rente von 5 M sund. vor, Heinrich Papenhagen für den gleichen Zweck gar nur 2 M sund.; StAS Test. Nr. 658; PUB XI, Nr. 5965, S. 68. PUB X, Nr. 5626, S. 272: Item mei provisores infrascripti per tres annos CCC dabunt ad calciamenta et vestitus pauperibus. Das auch im Original vorliegende Fehlen einer Währungsangabe ist wohl auf ein Versehen des Schreibers zurückzuführen; zu ergänzen ist aller Wahrscheinlichkeit nach
188
189
marcas.
190 191 192
B. StAS Test. Nr. 114,327,337,651. B. StAS Test. Nr. 436, 485, 740, 791, 852, 906. Überwiegend wurden keine Angaben über die Art der Kleidung gemacht, sondern lediglich ein bestimmter Geldbetrag zum Ankauf von Kleidungsstücken bestimmt; s. z. B. StAS Test. Nr. 42, 139,
S. S.
z. z.
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//. Schenken und Stiften
Armen in zunehmendem Maße auch in den Genuß von Seelbädern kommen193, die des öfteren mit der Austeilung von Bier und Brot verbunden waren.194 Die isolierte Vergabung von Nahrungsmitteln195, insbesondere von Brot196 und Bier197, ist ebenfalls nicht selten anzutreffen. Die Speisung von Armen vollzog sich üblicherweise dergestalt, daß die Lebensmittel den Armen an ihrem Aufenthaltsort ausgehändigt wurden. Daneben existierte eine besondere, eher selten dokumentierte Praxis, die darin bestand, daß eine bestimmte Zahl von Armen im Haus des Wohltäters regelmäßig verköstigt wurde. So trug Johann Hogedorp seinem Sohn Hermann auf, er solle nach dem Tod des Vaters in seinem Haus drei Jahre lang jeden Tag zehn Armen je eine Mahlzeit geben.198 In ähnlicher Weise bestimmte Arnold Voet, seine Ehefrau Mechthild solle holden eynjar umme vif arme lude alle daghe ter tafeln dor myner zelen salicheit.199 Solche häuslichen Armenspeisungen wurden nicht nur nach dem Tod eines Wohltäters, sondern mitunter auch zu dessen Lebzeiten praktiziert. Wobbe Langeneck vermachte den seven armen luden, de ik pleghe tho spisende, 2 Mark sundisch zur Verteilung unter ihnen.200 Ihre Anordnung läßt erkennen, daß die Speisung über einen längeren Zeitraum erfolgt war und einem festen Personenkreis zugute kam. Die postume
436, 948. Führte der Testator seine Vorstellungen näher aus, so handelte es sich häufig um die Vergabung von Tüchern, oft in weißer oder grauer Farbe, aus denen Kleidungsstücke hergestellt werden sollten; vgl. StAS Test. Nr. 93, 221, 297, 319, 341, 436, 458, 697, 713, 740, 753, 838, 852, 951. Im übrigen entschieden sich viele Testatoren für die kombinierte Vergabung von Schuhen und Kleidern; s. StAS Test. Nr. 93, 221, 229, 272, 297, 319, 341, 400, 458, 460, 473/477, 489, 526, 555, 559, 560, 584, 604, 615, 619, 657, 676, 679, 697, 698, 713, 717, 740, 747, 753, 817, 826, 895, 896, 927, 193 194
195 196 197 198 199
200
951 u.a. S. StAS Test. Nr. 458, 555, 668, 676, 679, 717, 838, 859, 876, 906, 927, 941, 948, 951 u. a. Bei der Ausgestaltung der Seelbäder finden sich verschiedene Varianten, darunter vor allem die Vergabung von Bier (s. u. a. StAS Test. Nr. 436, 458, 471, 604), von Bier und Brot (s. z. B. StAS Test. Nr. 852) sowie von Bier, Brot und Eiern (s. u. a. StAS Test. Nr. 619, 633). Im übrigen darf das Fehlen solcher Angaben nicht in der Weise interpretiert werden, daß in keinem dieser Fälle zusätzliche Gaben verteilt worden wären. Vielmehr dürfte die Entscheidung darüber oft im Ermessen der Testamentsvollstrecker gelegen und in Abhängigkeit vom verfügbaren Geldbetrag und den jeweiligen Kosten getroffen worden sein. S. u. a. PUB VI, Nr. 3602; PUB VII, Nr. 4561 ; StAS Test. Nr. 192, 301. S. u. a. PUB VII, Nr. 4477; StAS Test. Nr. 107, 664, 850. S. z.B. StAS Test. Nr. 139,436. StAS Test. Nr. 458. StAS Test. Nr. 473. Neben diesem, am 4. Oktober 1399 abgefaßten Testament existiert ein zweites, undatiertes Testament von Arnold Voet, das kurze Zeit später entstanden sein dürfte, wie einige Texterweiterungen und im übrigen hohe inhaltliche und sprachliche Übereinstimmungen vermuten lassen. In diesem wandelte Voet die zitierte Anordnung ab, indem er nicht mehr seiner Ehefrau die alleinige Verantwortung übertrug, sondern verfügte, in seinem Haus solle men holden vif arme lude, de dar eten scolen en jar umme alle daghe in de ere Godes dor myner seien salicheit; StAS Test. Nr. 477. Bemerkenswerterweise entschloß sich der mutmaßliche Sohn des Testators, der ebenfalls den Namen Arnold Voet trug, knapp fünfzig Jahre später in seinem Testament zu einer ganz ähnlichen Seelenheilgabe; er bestimmte nämlich, man solle en jar umme holden V arme lude alle vrigdaghe to der tafelen unde ok dat iar over alle sondaghe III arme lude to der maltyl, dat se Got vor my bidden; StAS Test. Nr. 613. StAS Test. Nr. 402.
2.
Schenkungen für das Seelenheil in den Stralsunder Testamenten
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Almosenverteilung ermöglichte es der Testatorin, das bestehende Band zu .ihren' Armen über den Tod hinaus zu verlängern und ihnen Fürbitten, die das Testament unerwähnt läßt,
zumindest nahezulegen.201 Fürbitten der Almosenempfänger erwarteten auch Testatoren, die ihre Gabe nicht einem kleinen Kreis ,armer Freunde', sondern allgemein den armen luden bestimmten. Diese Erwartungshaltung schlug sich in entsprechenden testamentarischen Klauseln nieder, die seit also ungefähr während der Mitte des 15. Jahrhunderts in zunehmendem Maße desselben Zeitraums, in dem auch die Spitaliten immer häufiger zum Gebet für das Seelenheil ihrer Wohltäter angehalten werden sollten.
begegnen202,
201
202
Auf eine regelmäßige häusliche Armenspeisung könnte auch eine testamentarische Verfügung Jakob Herders hindeuten, der seine Testamentsvollstrecker anwies, alle übrigbleibenden Güter armen luden in de hand toghevende unde ok minen armen vrunden auszuteilen; StAS Test. Nr. 604. Die Bezeichnung minen armen vrunden, die hier nicht zur Kennzeichnung aller pauperes verwendet wird, deutet eine engere Verbindung zu einem bestimmten Personenkreis an, die von einer häuslichen Speisung der Armen herrühren könnte. S. StAS Test. Nr. 615, 619, 668, 679, 697, 713, 717, 732, 753, 817, 965 u. a.
114
3.
//. Schenken und Stiften
Vergabungsstrategien und Jenseitsvorstellungen
Wie sollten sich die Beziehungen zu den Lebenden über den eigenen Tod hinaus gestalten? Auf diese unausgesprochene Frage hinter allen Testamenten antworteten die Stralsunder Testatoren in unterschiedlicher Weise. Dies lassen zumal die Bestimmungen erkennen, die sich auf die zeitliche Ausdehnung der Almosenvergabe bezogen. Die Spannbreite der Almosenvarianten reicht von der einmaligen Gabe bald nach dem Tod bis zu dauerhaften Almosenstiftungen. Besondere Bedeutung maßen manche Testatoren der Zeit zwischen Tod und Bestattung bei, weshalb sie auf eine entsprechend frühe Almosenverteilung drängten. So bestimmte die Witwe des Bürgermeisters Matthias Darne den Kranken und Siechen im Heiliggeistspital, im Jürgenspital, im Gasthaus und auf dem Feld vor dem Tribseer Tor insgesamt 50 Mark sundisch; diese sollte man ihnen in de hende delen de wile, dat ik baven der erde sta, up dat se den leven God vor my bidden.1 Sollten die Armenlegate das Wirken und die Präsenz des Testators für einen längeren, aber begrenzten Zeitraum über den Tod hinaus verlängern, so geschah dies meist in der Weise, daß der Testator die Zahl der Jahre angab, innerhalb derer die Verteilung zu erfolgen hatte. So sollten die Armen nach dem Willen von Hermann Kersebom sechzehn Jahre lang jährlich zwei Tücher und zehn Paar Schuhe erhalten. Konrad Witte beauftragte seine Testamentsvollstrecker, in den ersten zwanzig Jahren nach seinem Tod jährlich zwanzig Brote und hundert Paar Schuhe an die Armen zu verteilen3, während Arnold von Essen um eine Almosenausteilung innerhalb von acht Jahren bat.4 Kürzere Zeiträume wählten Peter Svenesson, nach dessen Wunsch sich die Almosenverteilung über drei Jahre erstrecken sollte5, und Hermann von der Widen, dessen Bierlegat innerhalb von zwei Jahren an Aussätzige ausgegeben werden sollte. Mitunter war in derartigen Fällen wohl an eine einmalige Verteilung pro Jahr gedacht, die womöglich am Todestag des Wohltäters oder an einem bestimmten Heiligentag stattfinden sollte. So wählte Johann Hogedorp als Termin, an dem Leprosen im Stralsunder Jürgenspital Bier ausgeteilt werden sollte, den Georgentag und knüpfte damit eine Verbindung zwischen sich, den Empfängern seiner Gabe und deren Schutzpatron in der Hoffnung auf Fürbitten durch beide.7 Daneben finden sich aber auch testamentarische Anordnungen, die eine mehrmalige Gabenausteilung pro Jahr vorsahen.8 Für einen besonders zeitaufwendigen Modus
1 2 3 4 5
6 7 8
StAS Test. Nr. 906. Eine fast gleichlautende Umschreibung des Zeitraums der Almosenverteilung findet sich auch in anderen Testamenten; s. StAS Test. Nr. 632, 767, 959. StAS Test. Nr. 221. PUB VII, Nr. 4477. S. obenS. 111 Anm. 187. S. oben S. 111 Anm. 187; ebenfalls innerhalb von drei Jahren sollten nach dem Willen Gerwin Storkows Schuhe und Kleider im Wert von immerhin 300 M sund. verteilt werden; s. oben S. 111. StAS Test. Nr. 297. StAS Test. Nr. 458. So sollte die bereits genannte Bierspende Hermann von der Widens in einem vierteljährlichen Rhythmus ausgegeben werden; StAS Test. Nr. 297. Jakob Herder ließ den Siechen zu St. Jürgen über einen
3.
Vergabungsstrategien und Jenseitsvorstellungen
115
entschied sich Johann Bolkow, der in seinem Testament bestimmte, man solle vier Jahre lang vor seiner Haustüre jeden Tag Brot im Werte von jeweils 1 Schilling sundisch austeilen.9 Der Ort der Vergabung war zweifelsohne mit Bedacht gewählt, trug er doch in Verbindung mit der täglichen Wiederholung dazu bei, nicht nur die Aufmerksamkeit der städtischen Armen, sondern auch diejenige der Mitbürger Bolkows auf dessen Wohltätigkeit zu lenken. Auch in anderen Bereichen als der caritas lassen Handlungsweisen von Testatoren Rückschlüsse auf Jenseitsvorstellungen zu. Wenn ein Nachlasser beispielsweise einzelne Kleriker zu einer lebenslänglichen Memoria zu verpflichten suchte, sei es mittels einer Leibrente oder einer großzügigen einmaligen Gabe10, so läßt sich zumindest folgern, daß für diese Vorgehensweise die Vorstellung eines auf den Tod rasch folgenden Partikulargerichts nicht maßgeblich gewesen sein konnte. Derselbe Schluß liegt nahe, wenn die Seelenheilgabe erst im Anschluß an den Tod von Familienmitgliedern erfolgen sollte, denen ein lebenslängliches '' Nutzungsrecht am vergabten Gut eingeräumt wurde. Diese Handlungsstrategie, bei der die Gestaltung der diesseitigen und der jenseitigen Belange des Testators in besonders enger Weise verzahnt ist, spielte vor allem bei der Errichtung von Stiftungen eine wichtige Rolle. In ähnlicher Weise kann an vielen Punkten nach Einwirkungen von Jenseitsvorstellungen auf das Testierverhalten gefragt werden. Es gibt jedoch neben den karitativen Vergabungen nur einen Bereich testamentarischer Schenkungen, in dem die Dispositionen hinsichtlich ihrer zeitlichen Gestaltung eine hohe Differenziertheit aufweisen und einen engen Zusammenhang mit den Jenseitsvorstellungen der Testatoren nahelegen, nämlich die Meßstipendien. Die Entwicklung der Messe zum zentralen Heilsmittel des Spätmittelalters hatte bereits im Frühmittelalter ihren Anfang genommen12, als die Kirche, vornehmlich in der Gestalt Gregors des Großen, das Meßopfer für Verstorbene als wirksames Läuterungsmittel propagierte. Mit der Herausbildung der für private Zwecke zu feiernden missa specialis und
Zeitraum von zwei Jahren einmal pro Monat ein Seelbad ausrichten, Hans Kurlebeke denselben in der Hälfte der Zeit ein wöchentliches Seelbad; StAS Test. Nr. 604, 606. 9 StAS Test. Nr. 850. 10 Der Stralsunder Ratsherr Heinrich von Orden vermachte dem Franziskanermönch Christian Snelle eine jährliche Leibrente von 4 M sund., up dat he God vor my bidde; StAS Test. Nr. 651. Dagegen bestimmte Wendel Buckes den beiden Geistlichen Jürgen Suleke und Michael Lilie einmalige Gaben in Gestalt je eines silbernen Löffels, wofür sie sich jedem yn syne ewyghe dechtnysse befahl; StAS Test. Nr. 774. 11 So sollte nach dem Willen von Hermann Virow dessen Haus mit dem dazugehörigen Grundstück in der Heilgeiststraße erst dann der Nikolaikirche vor eyne mylde gave übereignet werden, wenn auch sein Sohn verstorben sei; StAS Test. Nr. 959. In ähnlicher Weise vermachte Peter Swan sein Wohnhaus und die Hälfte seiner Fahrhabe der Marienkirche erst für den Zeitpunkt des Ablebens seiner Ehefrau; StAS Test. Nr. 693. 12 Vgl. zur Messe als zentralem Heilsmittel Angenendt, Missa specialis (1983), 214; ders., Geschichte der Religiosität (1997), 497^199; Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 322 f.; Kamp, Memoria und Selbstdarstellung (1993), 281. 13 Vgl. Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 156-159.
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verschiedener Votivmessen, insbesondere der missa pro defunctis hatte sich allmählich ein Angebot unterschiedlicher Meßformulare, Meßreihen und Meßausgestaltungen entfaltet, aus dem die Testatoren je nach ihren Sühnebedürfnissen, Jenseitsvorstellungen und finanziellen Möglichkeiten auswählen konnten, eine Wahl, die freilich nicht nur von individuellen Faktoren bestimmt, sondern in erheblichem Maße sozial geprägt war. Die Dispositionen der Testatoren konzentrierten sich dabei auf zwei Faktoren, nämlich die Zahl und die zeitliche Anordnung der Messen, während das Formular und sonstige Aspekte der Gestaltung der Feier wie beispielsweise die Teilnahme von Geistlichen oder Armen meist unerwähnt bleiben; dies erklärt sich in erster Linie dadurch, daß die nicht geregelten Fragen sich im Fall von Lesemessen zum Teil gar nicht stellten beziehungsweise angesichts bestehender liturgischer Gewohnheiten nicht unbedingt einer Entscheidung bedurften. Hinsichtlich der Zeitspanne, innerhalb derer die gewünschten Messen zu feiern waren, lassen sich grundsätzlich zwei Alternativen unterscheiden, nämlich die Begrenzung auf einen bestimmten Zeitpunkt oder Zeitraum und die Entscheidung für dauerhaft zu wiederholende Messen, also für eine Ewigmesse. Bei dieser noch eingehender zu behandelnden Variante gab es unterschiedliche Wiederholfrequenzen15: Neben der täglichen Ewigmesse bestand auch die Möglichkeit, eine oder mehrere Messen pro Woche feiern zu lassen; ebenso begegnen Ewigmessen, die an bestimmten Tagen des Jahres gehalten werden sollten, insbesondere als Anniversarstiftung die in der Regel mit einer Vigilie verbundene jährliche Messe am Todestag des Stifters. Sollten die Meßfeiern nicht auf Dauer wiederholt werden, dann konzentrierten sich die Testatoren auf Zeiträume, die ihnen für den Übergang ins Jenseits und das weitere Schicksal ihrer Seele besonders wichtig erschienen. Dies war zum einen die Zeit unmittelbar nach dem Tod, in der des öfteren neben den zum Begräbnis gehörenden Gottesdiensten weitere Messen gefeiert werden sollten. Ferner begegnet häufig der Wunsch nach einem Begängnis mit Vigilie und Seelmesse an einer oder mehreren Kirchen, ohne daß der Termin der Feiern angegeben wäre.16 Hierfür kamen in erster Linie drei Tage in Betracht, die im Testament von Hans Pustow ausnahmsweise genau benannt sind; er bestimmte nämlich den Franziskanern und den Dominikanern zu Stralsund je 5 Mark sundisch, wofür sie ihn begehen sollten met villigen unde selemissen up de tydt, wen Godt de here my van hyr esschet, unde up de IIII weken dar na unde to myner iartydt.11 Mit dem Begängnis vier Wochen beziehungsweise dreißig Tage sowie ein Jahr nach dem Tod sind zugleich die beiden wichtigsten Gedenk- und Bußzeiträume des christlichen Abendlandes markiert, deren Tradition bis in das Frühmittelalter zurückreicht.18 Mitunter wurde die Monatsfrist nicht nur durch eine abschließende ,
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14
Vgl. Angenendt, Missa specialis (1983); Franz, Die Messe (1902), 115-147; Merk, Die meßliturgische Totenehrung (1926), 65 f.
15 16 17 18
S. dazu Kap. V.l. S. u. a. StAS Test. Nr. StAS Test. Nr. 927.
318, 556, 651, 829, 859, 896.
Vgl. Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 172; ders., Missa specialis (1983), 202; Franz, Die Messe (1902), 234 f., 244; Merk, Die meßliturgische Totenehrung (1926), 93-95.
3.
Vergabungsstrategien und Jenseitsvorstellungen
117
begangen, sondern auch mit täglichen Messen ausgefüllt.19 Häufiger als diese auf Gregor den Großen zurückgeführte und daher auch gregorianisches Tricenar genannte Meßreihe20 findet sich in den Stralsunder Testamenten die ansonsten weniger verbreitete Meßreihe von vierzig Messen.21 Keine große Verbreitung erfuhr in Stralsund offenbar das ebenfalls schon von Papst Gregor erwähnte Septenar, das in seiner älteren Form auf den Formularen der Wochenmessen beruhte.22 Neben diesen kürzeren Bußzeiträumen war auch die Jahresfrist von Bedeutung, wie einige testamentarische Dispositionen offenbaren, gemäß denen die jeweiligen Messen innerhalb des ersten Jahres nach dem Tod des Testators gefeiert werden sollten.23 Es gab also zwei Felder testamentarischer Seelenheilschenkungen, in denen häufig eine zeitliche Anordnung der Gaben beziehungsweise der beanspruchten Gegenleistungen erkennbar ist, die sich in einen Zusammenhang mit bestimmten Jenseitsvorstellungen bringen läßt, nämlich karitative Vergabungen und Meßstipendien. In den nächsten beiden Abschnitten soll die quantitative Entwicklung und relative Bedeutung testamentarischer Stiftungen bei der Seelenheilvorsorge untersucht werden. Insofern hierbei auf Jenseitsvorstellungen Bezug genommen wird, bieten sich unter den zeitlich begrenzten Vergabungsarten insbesondere die Meßstipendien als zusätzlicher Vergleichsindikator an. Dies liegt weniger an der bereits angesprochenen zentralen Bedeutung der Messe als Büß- und Läuterungsmittel als vielmehr daran, daß bei der großen Mehrheit der Meßstipendien das zeitliche Konzept der Feier
Testatoren klar formuliert oder erkennbar
ist, während bei den karitativen Gaben der Zeitmitunter zwar ebenfalls angegeben, viel häufiZeitraum der oder Almosenverteilung punkt ger jedoch nicht genannt ist und in diesen Fällen oft als vage gelten muß. Darüber hinaus ermöglicht die serielle Auswertung der testamentarischen Meßstipendien einen direkten Vergleich mit den Ergebnissen Chiffoleaus, in dessen Untersuchung den Meßwünschen eine zentrale Bedeutung für die Thesenbildung zukommt.
19 20 21
22 23
StAS Test. Nr. 486, 700, 863, 917. Franz, Die Messe (1902), 244-246. StAS Test. Nr. 838, 850, 852, 859, 860, 863, 913, 917, 921, 932, 941, 965;
zum vierzigsten Tag als Gedenktag der griechischen Kirche und seiner geringeren Verbreitung im Abendland Franz, Die Messe (1902), 235; Merk, Die meßliturgische Totenehrung (1926), 93-95. StAS Test. Nr. 788; s. zum Septenar Franz, Die Messe (1902), 244 f., 253. StAS Test. Nr. 117, 122, 145, 349, 486, 717.
III. Die Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der
Seelenheilssicherung
Wenn man den Stellenwert von Stiftungen im Vergleich zu anderen, zeitlich begrenzten Formen der Seelenheilvorsorge in quantifizierender Weise zu bestimmen sucht, so stehen hierfür im Falle Stralsunds nur die Testamente als aussagefähige Quellengruppe zur Verfügung. Dies liegt nicht allein an der bereits dargelegten besonderen seriellen Qualität des sondern zuallererst daran, daß die Testamente überhaupt die einzige serielle Quellengattung bilden, in der die beiden Handlungstypen Stiftung und Schenkung in ihren vielfältigen Ausprägungen gemeinsam in Erscheinung treten. Infolge-
Überlieferungskomplexes1,
nur hier Aussagen gewonnen werden über die relative Häufigkeit, mit der Bestandteil der Seelenheilvorsorge wurden. Stiftungen Bevor solcherlei Befunde erhoben werden können, muß aber erst einmal der Kreis der Testamente bestimmt werden, der hierfür überhaupt eine methodisch zulässige Grundlage bietet. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß sich die Stralsunder Testamentsüberlieferung durch ihre serielle Homogenität auszeichnet. Dies gilt jedoch nur für die beim Stralsunder Rat hinterlegten, lübisch-rechtlichen Testamente. Daneben sind aber weitere Testamente überliefert, die von Notaren ausgefertigt oder beglaubigt worden sind. Sie können in die quantifizierende Betrachtung nicht einbezogen werden, weil sie von drei Ausnahmen abgesehen2 aus klerikalen Provenienzen stammen, deren Gesamtüberlieferung vergleichs-
dessen können
zum
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1 S. oben S. 40. 2 Drei notariell beglaubigte Testamente befinden sich in der Stralsunder Ratsüberlieferung (Bestand „StAS Testamente"), darunter zwei Notariatsinstrumente (StAS Test. Nr. 566, 810) und ein Klerikertestament von besonderer formaler Gestalt (StAS Test. Nr. 610): Ausgefertigt auf Papier von einem (ungenannten) Notar, wurde es vermutlich von demselben ohne Zeugennennung und ohne sonstige notarielle Beglaubigungsmittel durch ein anhängendes (nicht mehr vorhandenes) Siegel verschlossen und vom Testator zu einem späteren Zeitpunkt dem Notar Martin Wagendriver übergeben, der auf die Außenseite einen Beglaubigungsvermerk setzte. Für alle drei Testamente ist anzunehmen, daß sie nicht, wie es das lübische Recht vorsah, durch zwei Ratsherren in den Rat gebracht worden waren, sondern auf anderen Wegen in die Ratsüberlieferung gelangten. Recht deutlich ist dies bei dem Testament des Eutiner Stiftsherren Bernhard Langendorp erkennbar; denn Langendorp, der vor der Erlangung des Kanonikats Vikar an der Stralsunder Jakobikirche gewesen war, hatte sein Testament in Eutin nach kanonischem Recht errichtet und den Stralsunder Priester Johann Kremer zu einem seiner Testamentsvollstrecker bestimmt. Offenbar übergab Kremer womöglich nach Erfüllung seines Amtes sein Testamentsexem-
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///. Die
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
weise hohe Verlustraten aufweist. Dieser Umstand kommt auch darin zum Ausdruck, daß überhaupt nur zwölf derartige Testamente erhalten sind.3 Nun blieb zwar die Testamentserrichtung nach lübischem Recht in Stralsund wie in den anderen Städten des lübischen Rechtskreises bis zur Reformation die bevorzugte Variante; gleichwohl ist auch in Anbetracht der bereits seit den zwanziger Jahren des 14. Jahrhunderts in Stralsund nachweisbaren Notare davon auszugehen4, daß die Anzahl der tatsächlich durch Notare ausgefertigten Testamente von Klerikern, aber auch von Laien5, die Zahl der überlieferten um ein Mehrfaches übersteigt. Nicht in die quantifizierende Untersuchung einzubeziehen sind des weiteren Eintragungen von Testamenten respektive letztwilligen Verfügungen in die Stralsunder Stadtbücher, es sei denn, es handele sich erkennbar um die Abschrift eines lübisch-rechtlichen Originaltestaments.6 Ansonsten sind sie deshalb auszuschließen, weil es sich zum einen Teil lediglich um einzelne Verfügungen von Todes wegen handelt, die keinen Aufschluß über eventuelle weitere testamentarische Regelungen bieten7, und zum anderen Teil um Testamente aus der
piar dem Rat.
Auf diesen Zusammenhang deutet zumindest der Dorsualvermerk hin: Dit hört her Johan Kremer. Ein weiterer Exekutor war übrigens der Stralsunder Bürgermeister Konrad Bischop, der womöglich das Zwischenglied in der Überlieferungskette bildete; StAS Test. Nr. 566. Auf weniger festen Beinen steht die analoge Hypothese bei den beiden anderen Testamenten; dafür spricht abgesehen von der minimalen Anzahl notarieller Testamente im Bestand im Fall des Testaments von Wobbeke Ponates immerhin die Tatsache, daß die beiden genannten Zeugen keine Ratsherren waren, mit Christian Simon aber einer der beiden Testamentsvollstrecker; StAS Test. Nr. 812. Auch zwei der drei Testamentsexekutoren von Gottfried Nynow gehörten dem Rat an; StAS Test. Nr. 610. Da diese drei Exemplare also wohl nicht zur Serie der nach lübischem Recht in den Stralsunder Rat gebrachten Testamente zu zählen sind, erscheint es angeraten, sie ebenso wie die übrigen notariellen Testamente bei der quantifizierenden Auswertung nicht zu berücksichtigen. Vgl. zur Testamentserrichtung nach lübischem Recht Ebel, Bürgerliches Rechtsleben (1954), 32 f.; Pauli, Abhandlungen (1841), 202-217. Neben den drei bereits erwähnten Testamenten in der Ratsüberlieferung (StAS Test. Nr. 566, 610, 812) sind drei weitere im Original erhalten: StAS Urk. Marienkrone Nr. 83 (1460 Juli 26); StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. 31 (1504 Febr. 15); ebd., Nr. 32 (1506 Febr. 12). Die übrigen sechs liegen nur noch abschriftlich vor, davon drei in Kopiaren der Jakobikirche: StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 45 f. (1496 Okt. 4); ebd., S. 53 f. (1494 Okt. 13); StAS HS IX.2, Kopiar III, S. 177-180 (o. J.); ein weiteres Testament befindet sich im Urkundenarchiv der Nikolaikirche: StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. 33 (1507 Juli 5); die übrigen beiden sind in Abschriften Dinnies' auf uns gekommen: StAS HS 1672, S. 70-73 (1483 o. T.); ebd., S. 74-77 (1485 April 13). S. die Nachweise bei Schuler, Geschichte des südwestdeutschen Notariats (1976), 44, 51-62; Konow, Zur ältesten Geschichte (1965), 34 Anm. 10. Von den zwölf überlieferten Testamenten wurden acht von Klerikern errichtet und vier von Laien, bemerkenswerterweise allesamt von Frauen; s. StAS Test. Nr. 610; StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. 31, Nr. 32, Nr. 33. Letzteres begegnet jedoch nur in einem Fall, in dem im übrigen die Originalvorlage ebenfalls überliefert ist; vgl. LM 6, Nr. 79; StAS Test. Nr. 705. Die noch nicht systematisch erschlossene, als Grund- und Hypothekenbücher dienende Stadtbuchreihe (StAS HS 1.3 ff.) wurde daraufhin stichprobenartig durchgesehen, jedoch ohne positives Ergebnis. Dieser Befund bestätigt den Eindruck, daß nach der Abspaltung des Liber memorialis im Jahre 1320 die Aufnahme testamentarischer Verfügungen letzterem vorbehalten blieb. So wurde beispielsweise im Jahre 1310 in das zweite Stadtbuch eingetragen, daß Johannes de Godebus in suo testamento dedit domui S. Spiritus nostre civitatis perpetuis temporibus unum last frumenti -
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///. Die
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
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Frühzeit Stralsunds, die auf eine besondere, später nicht mehr praktizierte Weise errichtet wurden: Der Testator erschien dabei vor dem Rat und trug seine Testierabsichten mündlich vor, worauf dann ein entsprechender Eintrag im Stadtbuch vorgenommen wurde. Diese nur im 13. Jahrhundert anzutreffende Form begegnet jedoch relativ selten8, wie man es überhaupt in dieser Zeit noch mit einer recht ungefestigten Testierpraxis zu tun hat, so daß diese Zeugnisse eine serielle Qualität auch nicht annähernd erreichen. Spricht man von .Stralsunder Testamenten', so sind zwei Hinweise zur genaueren Kennzeichnung angebracht: Erstens wurde eine weitere Gruppe von Testamenten ausgeklammert, nämlich die andernorts nach dortigem Recht errichteten Testamente von Stralsunder Bürgern. Zu denken ist hierbei vor allem an Fernhandelskaufleute und Schiffer sowie an Bürger, die im Dienste der Stadt auf Reisen waren. Sofern deren Testamente nach dem vor Ort gültigen Recht abgefaßt wurden, also zur rechtlichen Anerkennung vor Ort und nicht zur Einbringung in den Stralsunder Rat bestimmt waren9, sind sie je nach den lokalen Gege-
quolibet anno
in villa dicta Arnesze, und angefügt, daß dank dieser Stiftung der Testator oder einer seiVerwandten das Anrecht auf eine Präbende im Heiliggeistspital erheben dürfe; über den weiteren Testamentsinhalt erfährt man nichts, so daß hier die Annahme naheliegt, der Eintrag habe weniger der Absicherung des testamentarischen Legats als vielmehr der Vereinbarung über eine eventuelle Gegenleistung dienen sollen; 2. Stb., Nr. 4L In der Mehrzahl der Eintragungen ging es jedoch um die Sicherung der Verfügung selbst, so im Fall Johannas, der Witwe Ludolfs, die nach einem Eintrag im ältesten Stadtbuch aus dem Jahre 1287 die von ihr bewohnte und frei besessene burgam pro remedio anime eius et anime mariti eius defuncti communibus ecclesiis istius ciuitatis libere inperpetuum possidendam bestimmte; 1. Stb., II Nr. 270; vgl. 1. Stb., I Nr. 309; 2. Stb., Nr. 1292, Nr. 3346. Im übrigen ist es bei der Kürze der Einträge nicht immer einfach, einseitige und widerrufliche letztwillige Verfügungen von zweiseitigen, bindenden Vergabungsformen, vor allem der donatio post mortem und der donatio reservato usufructu, zu unterscheiden. Im Fall der Eheleute Nikolaus und Margarete Smit, die se mutuo donaverunt sic, quando alter eorum ex hac vita decesserit, alter supervivens débet omnia eorum bona optinere tamquam varnehave, scheint die Wortwahl (donaverunt) und die Gegenseitigkeit der Vereinbarung auf eine Vergabung von Todes wegen hinzudeuten; LM 2, Nr. 170. Vgl. zur definitorischen Unterscheidung von letztwilligen Verfügungen und Vergabungen von Todes wegen Müller, Die Vergabe von Todes wegen (1911), 76; Hückstädt, Der Testamentsvollstrecker (1971), 1922; Kallmann, Das bürgerliche Recht (1972), 80 f., 87; Ziekow, Recht und Rechtsgang (1986), 64 f.; Ogris, Der mittelalterliche Leibrentenvertrag (1961), 35-37. 8 S. 1. Stb., IV Nr. 38, Nr. 181, Nr. 182, Nr. 370. Eine andere Möglichkeit bestand darin, sein Testament mündlich vor zwei herbeigerufenen Ratsherren, u. U. auch zwei oder mehreren anderen Bürgern, zu errichten, welche das Gehörte dann in den Rat brachten, worauf schließlich der Stadtbucheintrag erfolgte. Auf diese Weise könnte das Testament Ludikes Eingang in das älteste Stadtbuch gefunden haben; s. 1. Stb., III Nr. 219. Unklar ist der Vorgang bei 1. Stb., IV Nr. 113; vgl. zu diesen Testierpraktiken Ebel, Bürgerliches Rechtsleben (1954), 32 f.; Pauli, Abhandlungen (1841), 213. 9 Ein solches nach fremdem Recht errichtetes und anerkanntes Testament hatte beispielsweise der Stralsunder Bürgermeister Henning Mörder 1517 in Stettin abgefaßt, das zum Magdeburger Rechtskreis gehörte. Um seine Rechtmäßigkeit kam es prompt zu einem Rechtsstreit, in dem der Stralsunder Rat das Testament für ungültig, weil fremdrechtlich, erklärte, was von der Lübecker Appellationsinstanz dahingehend revidiert wurde, daß einem solchen Testament dann Rechtsgültigkeit zukommen könne, wenn es gemäß dem fremden Recht in korrekter Weise errichtet worden sei. Der Streit wurde sogar noch bis vor das Reichskammergericht getragen, jedoch vor dessen Urteil von den beteiligten Parteien gütlich beigelegt; s. StAS HS 132, S. 202-220; Ebel, Lübecker Ratsurteile, Bd. 2 (1956), Nr. 627. Ein Gegenner
///. Die
122
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
benheiten von ganz unterschiedlichen Überlieferungsbedingungen und -raten betroffen, so daß auch hier von einer einheitlichen Quellenserie nicht gesprochen werden kann.10 Hingegen wurden in Stralsund errichtete Testamente von Auswärtigen in die Auswertung einbezogen, sofern sie in den Stralsunder Rat gebracht worden und auf diesem Weg zum Bestandteil der städtischen Testamentsüberlieferung geworden waren." Die auf diese Weise eingegrenzte Grundgesamtheit umfaßt 957 Testamente aus dem Zeitraum zwischen dem Beginn des 13. Jahrhunderts und dem Jahre 1520.12 Es erscheint allerdings zweckmäßig, sie um zwei weitere Gruppen zu reduzieren. Zum einen sind in 22 Fällen zwei, zweimal sogar drei zu verschiedenen Zeitpunkten errichtete Testamente desselben Testators überliefert.13 Für eine quantifizierende Auswertung ist jedoch die Verwendung von
beispiel,
10
11 12
13
nämlich ein nach lübischem Recht errichtetes und zur Einbringung in den Stralsunder Rat bestimmtes Testament, liegt im Falle Bernhard Kolers vor, der in Falsterbo in Anwesenheit des Stralsunder Ratsherrn Gregor Zwerting, des Stralsunder Bürgers Johann Plötze sowie weiterer Zeugen testierte. Da das Originaltestament als Teil des beim Stralsunder Rat verwahrten Testamentscorpus überliefert wurde, ist anzunehmen, daß es tatsächlich von Gregor Zwerting in den Rat gebracht worden ist; StAS Test. Nr. 380. Die Frage, welche Variante in einer solchen Lage zu bevorzugen war, läßt sich recht einfach beantworten: Ging es einem Testator vor allem darum, seine Stralsunder Angelegenheiten zu regeln, so war die Einbringung in den Stralsunder Rat sicherlich erstrebenswert, weil, wie der Prozeß um das Testament Henning Mörders zeigt, die Anerkennung fremdrechtlicher Testamente gegebenenfalls problematisch werden konnte. Allerdings mußte ein Testator, um hier den sichereren Weg wählen zu können, vor Ort zwei Stralsunder Ratsherren oder wenigstens zwei Stralsunder Bürger als Zeugen zur Verfügung haben. Wenn ein Testator andererseits nur über seine Güter am Ausstellungsort verfugen wollte, war natürlich die Testamentserrichtung nach dortigem Recht die einzig sinnvolle Entscheidung. Ein Stralsunder Beispiel hierfür ist das Testament des Lübecker Bürgers Heinrich von Vreden; StAS Test. Nr. 400. Es soll nicht verschwiegen werden, daß die andernorts nach dortigem Recht errichteten Testamente von Stralsunder Bürgern auch deshalb nicht systematisch für die Untersuchung erschlossen wurden, weil dies angesichts des weitgespannten Kreises der in Frage kommenden Orte einen nicht mehr zu bewältigenden Arbeitsaufwand zur Folge gehabt hätte. Vgl. hierzu Schroeders Auswertung von Bürgschaftserklärungen im Liber memorialis zwischen etwa 1366 und 1396, wonach Einwohner Stralsunds im entsprechenden Zeitraum an etwa 65 verschiedenen Orten verstorben waren; Schroeder, Stadtbücher der Hansestädte (1970), 11 f. Dies trifft, wie bereits erläutert, nicht auf das Testament von Bernhard Langendorp zu; s. oben S. 119 Anm. 2. Davon befinden sich zwei nicht im gegenwärtigen Bestand „StAS Testamente": StAS Stadt. Urk. Nr. 1810; StAS HS 1672, S. 66-69. Nicht mitgezählt sind vierzehn in doppelter Ausfertigung überlieferte Testamente aus dem genannten Zeitraum: StAS Test. Nr. 84/85, 160/161, 179/180, 196/197, 236/237, 369/370, 414/415, 449/450, 501/502, 557/558, 671/672, 743/744, 877/878, 918/919. Ausgeklammert wurde im übrigen auch StAS Test. Nr. 642, da es sich, wiewohl in den Bestand „StAS Testamente" eingereiht, nicht um ein Testament, sondern um eine Stiftungsurkunde handelt. Je drei Testamente sind überliefert von Heinrich Rubenstorp (PUB X, Nr. 5779; PUB XI, Nr. 6165; StAS Test. Nr. 117) und von Hans Leneke (StAS Test. Nr. 697, 713, 732), je zwei von Gertrud Somerstorp (PUB XI, Nr. 6077, Nr. 6112), Herder von Riga (PUB XI, Nr. 6274, Nr. 6442), Heinrich Stoltevoet (StAS Test. Nr. 125, 177), Johann Lange (StAS Test. Nr. 128, 233), Gottfried von Loten (StAS Test. Nr. 130, 203), Heinrich von Kemnitz (StAS Test. Nr. 208, 248), Johann Sepelin (StAS Test. Nr. 229, 255), Dietrich Koldehove (StAS Test. Nr. 232, 266), Albert Gildenhusen (StAS Test.
///. Die
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
123
mehr als einem Testament pro Person nicht sinnvoll, zumal da die jeweiligen Testamente eines Testators zum Teil erhebliche Übereinstimmungen in den Dispositionen aufweisen.14 In der Regel wurde daher nur das jüngste und, sofern nicht später noch ein weiteres, verlorengegangenes Testament errichtet worden war, also letztgültige Testament herange-
zogen.15
Zum zweiten konnten bei der diachronen Analyse des Testierverhaltens die undatierten Testamente nicht berücksichtigt werden, mit Ausnahme derjenigen, deren potentieller Entstehungszeitraum sich so weit eingrenzen ließ, daß sie je nach gewähltem Intervall einem Zeitabschnitt zumindest mit hoher Wahrscheinlichkeit zugeordnet werden können. Dies trifft für drei der 26 undatierten Testamente des Untersuchungszeitraums zu.16 Somit verbleibt
Nr. 461, 470), Arnold Voet (StAS Test. Nr. 473, 477), Heinrich Koesveld (StAS Test. Nr. 524, 548), Heinrich Vette (StAS Test. Nr. 542, 553), Johann Swarte (StAS Test. Nr. 609, 666), Bernd Hecht (StAS Test. Nr. 623, 641), Matthias Bene (StAS Test. Nr. 633, 657), Hermann Manegold (StAS Test. Nr. 652/667), Heinrich Scharf (StAS Test. Nr. 676, 734), Gerhard Blome (StAS Test. Nr. 689, 736), Hans Hüls (StAS Test. Nr. 707, 711), Hans Wessel (StAS Test. Nr. 738, 750), Dietrich Went (StAS Test. Nr. 759, 831) und Kopke Seger (StAS Test. Nr. 907, 918). Bei der Feststellung der Personenidentität kann mitunter ein letzter Zweifel nicht ausgeräumt werden, insbesondere dann, wenn die jeweiligen Testamente größere inhaltliche Unterschiede aufweisen und zu der betreffenden Person keine weiteren Informationen aus anderen Quellen zur Verfügung stehen; s. StAS Test. Nr. 130/203, 208/248, 609/666, 759/831, 907/918. Es wurden hier nur diejenigen Fälle berücksichtigt, für die eine Identität mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist. Das bedeutet umgekehrt, daß nicht in allen übrigen Fällen namensgleicher Testatoren, bei denen der Vergleich der Testamente nicht genügend Anhaltspunkte für eine Identität ergeben hat, zugleich eine zweifelsfreie Nicht-Identität festgestellt werden konnte; vgl. etwa StAS Test. Nr. 151/335, 299/423, 404/406, 701/703. 14 Im Hinblick auf die Stiftungsthematik sei hier nur angemerkt, daß 16 der 24 Testatoren in keinem ihrer überlieferten Testamente eine Stiftung veranlaßten. Sechs Testatoren sahen jedesmal eine oder mehrere Stiftungen vor; dabei ist in drei Fällen die Zahl und auch weitgehend der Inhalt der Stiftungen identisch; StAS Test. Nr. 232/266, Nr. 473/477, Nr. 676/734. Zwei Testatoren erweiterten in ihren späteren Testamenten die Zahl ihrer Stiftungen um jeweils zwei bei ansonsten weitgehend unveränderten Stiftungsinhalten; StAS Test. Nr. 633/657; Nr. 697/713/732. Dagegen enthält das letzte Testament von Gerhard Blome nur noch eine der vier Memorienstiftungen, die er zuerst vermerkt hatte; StAS Test. Nr. 689/736. Lediglich einmal ergibt sich die Konstellation, daß das erste Testament keine Stiftung, das zweite dann aber eine enthält; PUB XI, Nr. 6274, Nr. 6442. Umgekehrt verhält es sich mit den Testamenten von Johann Sepelin; StAS Test. Nr. 229/255. Hier liegt allerdings insofern ein Sonderfall vor, als das zweite, in Falsterbo aufgesetzte Testament nur als Ergänzung zu dem zuvor in Stralsund abgefaßten gedacht war und im wesentlichen den dortigen Besitz des Stralsunder Kaufmanns betraf. 15 Davon abgewichen wurde im Falle Johann Sepelins, dessen früheres Haupttestament dem Ergänzungstestament aus Falsterbo vorgezogen wurde (StAS Test. Nr. 229/255), und bei den Testamenten von Arnold Voet, da dessen zweites, mutmaßlich jüngeres Testament undatiert ist und daher nur in eingeschränktem Maße in die Auswertung einbezogen werden könnte; angesichts der hohen Übereinstimmung zwischen beiden Versionen ist dieses Vorgehen durchaus unproblematisch; StAS Test. Nr. 473/477. 16 Bei der Zahl 26 sind zwei undatierte Testamente nicht mehr mitgezählt, die infolge des Umstands, daß ein weiteres Testament desselben Testators überliefert ist, ausgeklammert wurden; PUB XI, Nr. 6077; StAS Test. Nr. 477. Die drei aufgrund ihrer zeitlichen Einordnung durch den Bearbeiter des Pommerschen Urkundenbuchs ausweitungsfähigen Testamente sind: PUB VI, Nr. 4105 (1311-1314); PUB X, Nr. 5774a (vor 1339 Aug. 15); PUB XI, Nr. 6138 (1341 Dez. 31 1343 Mai 25). Die folgenden -
///. Die
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Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
eine Zahl von 908 Testamenten, die für die quantifizierende, diachrone Untersuchung herangezogen werden können. Die Aufgabe, den Stellenwert von Stiftungen bei der Seelenheilvorsorge zu erörtern, führt zuallererst zu der Frage, wie viele Testatoren diese Handlungsform zum Bestandteil ihrer Bemühungen um das eigene Seelenheil oder dasjenige nahestehender Personen machten. Unter den 908 zugrunde gelegten Testamenten finden sich 163 mit einer oder mehreren Stiftungen und 29, die lediglich Zustiftungen enthalten. Die Stiftungstestamente bilden also deutlich mehr als ein Sechstel der Gesamtheit, während der Anteil der Testamente, die mindestens eine Stiftung oder eine Zustiftung enthalten, ein Fünftel leicht übersteigt. Es ergibt sicherlich keinen Sinn, aus diesen ersten Zahlen bereits eine umfassendere Deutung entwickeln zu wollen, aber immerhin läßt sich wohl so viel sagen, daß Stiftungen im Rahmen der testamentarischen Seelenheilssicherung zwar keine allgemein geübte, doch zumindest eine etablierte Handlungsform darstellen. -
-
120 -,-
i-csicofm(Dh-coo50-»-cNjco^rmcop*-coo)0-»-cNj
o-i-cMn^j-iotDr^oooiOT-cseo^j-miDh-ooOTOT-
Diagramm
1: Anzahl der Testamente mit einer oder mehreren aller Testamente
Stiftungen und Anzahl
undatierten Testamente wurden bei der diachronen Analyse ausgeklammert: StAS Test. Nr. 1; PUB VI, Nr. 4127; StAS Test. Nr. 12; Nr. 13; PUB X, Nr. 5521; PUB XI, Nr. 5999; StAS Test. Nr. 166; Nr. 167; Nr. 168; Nr. 169; Nr. 170; Nr. 171; Nr. 268; Nr. 269; Nr. 270; Nr. 271; Nr. 331; Nr. 449; Nr. 478; Nr. 535; Nr. 567; Nr. 765; Nr. 920. Darunter sind zwei Testamente, die Stiftungen enthalten: StAS Test. Nr. 169; Nr. 535.
///. Die
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
125
Die zu Beginn des vorigen Kapitels angesprochenen Überlegungen hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen langfristigen Veränderungen in der Seelenheilvorsorge und Wandlungen in den Jenseitsvorstellungen führen über die Ermittlung der genannten absoluten Zahlen hinaus zu der Frage, ob sich diesbezügliche Entwicklungstrends im Testierverhalten ausmachen lassen. In Diagramm 1 sind jeweils für einen Zeitraum von zehn Jahren die Anzahl aller Testamente sowie die Anzahl der Testamente mit einer oder mehreren Stiftungen graphisch dargestellt. Es fällt sofort ins Auge, daß beide Größen über die gesamte Zeit hinweg erheblichen Schwankungen unterworfen sind. Natürlich ist die Entwicklung der Testamentszahlen vielfältigen demographischen, wirtschaftlichen und psychologischen Einflußfaktoren sowie nicht zuletzt auch überlieferungsgeschichtlichen Bedingungen unterworfen, deren genaues Zusammenwirken an jedem einzelnen Punkt der Entwicklung nicht mehr rekonstruiert werden kann.
1520
c\ico-*a-iocor^coa>o-*-cNjcoTi-ir>r*-coo>o
cotocofOcocococo-^-^-'^-Tr-^'i-'^Ti-'fl-Ti-in
Diagramm 2: Anzahl aller Testamente pro Jahr Immerhin verweist bereits eine erste, oberflächliche Bestandsaufnahme auf einen markanten Bedingungsfaktor: In den Zeitraum mit der höchsten Zahl überlieferter Testamente fällt die schwerste Pestepidemie des Mittelalters von 1348 bis 1352, deren verheerende Auswirkun-
///. Die
126
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
gen in Stralsund im Jahre 1350 ihren Höhepunkt erreichten.17 Aus demselben Jahr sind 51 datierte Testamente erhalten18, eine im Mittelalter nicht mehr auch nur annähernd erreichte Zahl. Der Einfluß dieses Seuchenzugs auf das Testierverhalten ist für Stralsund bereits aufgezeigt worden19 und auch für andere Städte belegt.20 Überprüft man den Bedingungszusammenhang für die anderen, durch chronikalische Erwähnungen bekannten Epidemien in Stralsund, die in die Jahre 1359, 1376, 1387, 1394, 1405, 1416, 1433, 1451, 1464, 1474 und 1495 fallen21, so findet man ihn bestätigt, allerdings nur in einigen Fällen und mit unterschiedlicher Signifikanz. Wie aus Diagramm 2 hervorgeht, das die Zahl der jeweils in einem Jahr abgefaßten Testamente darstellt, ist in den Jahren 1359, 1376, 141622 und 1431 ein deutlicher Anstieg feststellbar. Demgegenüber sind die Zahlen für 1464 und 1495 nur in eingeschränktem Maße signifikant. In den Jahren 138723, 1394, 1405, 1451 und 1474 hingegen zeichnet sich keine Erhöhung ab. Andere markante Ausschläge wiederum, insbesondere die der Jahre 1368, 1498, 1509 und 1520, sind durch keine in den Quellen faßbaren Epidemien erklärbar.24 Es bleibt also festzuhalten, daß die großen Mortalitätskrisen einen wichtigen, aber keineswegs erschöpfenden Beitrag zur Erklärung der Schwankungen in der Testamentsüberlieferung leisten. Dabei lassen sich die aus der Konfrontation mit den Seuchen resultierenden Testiermotive ihrerseits nicht auf einen einfachen Nenner bringen. Gewiß erfuhr die Angst vor dem jähen Tod', für die die hohe Mortalität des Spätmittelalters im allgemei-
S. Baier, Zwei Stralsundische Chroniken (1893), 4, 18; Zober, Eine alte Stralsunder Chronik (1842), 6; Bettin, Die Gesundheitspflege (1994), 7-9. 18 Die in der Literatur genannten abweichenden Zahlen von 56 (Schildhauer, Hansestädtischer Alltag
17
[1992], 12) bzw. 57 Testamenten (Bettin, Die Gesundheitspflege [1994], 33) für 1350 kamen offensichtlich durch die Einbeziehung von undatierten, aber von Hermann Hoogeweg bei seiner Regestierung auf „um 1350" datierten Testamenten zustande. 19 Schildhauer, Hansestädtischer Alltag ( 1992), 12 f. 20 S. zu Lübeck und Hamburg Brandt, Mittelalterliche Bürgertestamente (1973), 343; Riethmüller, to tröste miner sele (1994), 14; zu Köln Klosterberg, Zur Ehre Gottes (1995), 37; zu Wien Troy, „Spen21
22
23
24
denfreudigkeit" (1979), 91-93. S. die Zusammenstellung bei Bettin, Die Gesundheitspflege (1994), 8. Ich bin Herrn Dr. Hartmut Bettin zu Dank verpflichtet, der mir seine Aufstellung über die Epidemien in norddeutschen Hansestädten bereits vor Einreichung seiner Dissertation überlassen hatte. Der stärkere Ausschlag ist allerdings für das Jahr 1415 mit zwölf Testamenten zu registrieren, gefolgt von sieben im darauffolgenden Jahr. Dies könnte ein Indiz dafür sein, daß die chronikalische Datierung der Epidemie einer Ergänzung bedarf; vgl. MohnikelZober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik (1833), 177 f. Auffällig ist immerhin der Anstieg in den folgenden drei Jahren mit acht Testamenten im Jahre 1388 und jeweils zehn in den beiden darauffolgenden, da aus dem Jahre 1387 nur drei Testamente erhalten sind. Mit der
Einschränkung, daß für 1367/68 zwar kein Seuchenzug in Stralsund, wohl aber für 1367 in Hamburg, Lübeck und Wismar belegt ist und daher 1368 durchaus auch Stralsund heimgesucht haben könnte; s. Bettin, Die Gesundheitspflege (1994), 8. Aus dem Pestjahr 1367 sind in Lübeck sogar 270 Testamente überliefert, mehr als doppelt so viele wie von 1350; Brandt, Mittelalterliche Bürgertestamente (1973), 343.
///. Die
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
121
und endemische Seuchenverhältnisse im besonderen eine mentale Grunddisposition durch schwere Epidemien Schübe, die in vermehrtem Maße Menschen dazu Testament zu errichten und sich somit noch rechtzeitig auf den eigenen Tod ein bewegten, vorzubereiten. Zu denken ist auch daran, daß Seuchenzeiten Erosionserscheinungen in der sozialen Welt mit sich brachten, und im Gefolge dessen das Bedürfnis wuchs, mittels des eigenen Testamentes für eine Ordnung der diesseitigen wie der jenseitigen Welt Vorsorge zu treffen und dabei insbesondere die eigene Memoria sicherzustellen.26 Daneben dürfen aber auch vergleichsweise simple Gründe für den Anstieg der Testamentszahlen nicht außer acht gelassen werden, so insbesondere das Phänomen, daß Testatoren durch den seuchenbedingten Tod mehrerer im Testament vorgesehener Erben oder Legatempfänger dazu genötigt wurden, ein neues Testament zu errichten.27 nen
schufen25,
Diagramm 3: Anteil
der
Prozent
25 26 27
Stiftungstestamente
an
der Gesamtzahl der Testamente in
Vgl. Schubert, Einführung (1992), 9, 13 f.; Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 97. Vgl. Oexle, Die Gegenwart der Toten (1983), 65-68; Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 204; Wollasch, Hoffnungen der Menschen (1990), 28 f. S. Brandt, Mittelalterliche Bürgertestamente (1973), 343 f.
128
///. Die
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
interessiert hier
nach der
Entwicklung der absoluten Stiftungen, konkret also zuerst einmal nach dem Verhältnis von testamentarischen Stiftungen zu Testamenten im allgemeinen. Die in Diagramm 1 vorgenommene Gegenüberstellung der Zahl aller TestaVorrangig
jedoch
nicht die
Frage
Testamentszahlen, sondern diejenige nach dem Stellenwert
von
und der Anzahl der Testamente mit einer oder mehreren Stiftungen vermittelt den Eindruck, daß die Stiftungstestamente sich eher im Rahmen des allgemeinen Trends als gegen diesen bewegen. Deutlicher geht dies noch aus Diagramm 3 hervor, in dem der Anteil der Stiftungstestamente an der Gesamtzahl je Dezennium in Prozentpunkten wiedergegeben ist. Dieser Anteil bewegt sich mit einer Ausnahme in einer Bandbreite von 8 bis 26 mente
Prozent und weist damit eine bemerkenswerte Stabilität auf. Die Abweichung im Zeitraum 1321-1330, hier beträgt der Anteil genau zwei Drittel, beruht auf einer Gesamtzahl von lediglich sechs Testamenten und kann daher wohl ohne Bedenken als statistischer .Ausreißer' angesehen werden. Das Schaubild ermöglicht noch eine zweite wichtige Beobachtung: Eine kontinuierliche relative Zu- oder Abnahme der Stiftungstestamente über den gesamten Untersuchungszeitraum hinweg ist nicht feststellbar. Allenfalls zeichnet sich seit etwa der Mitte des 15. Jahrhunderts ein durchschnittlicher relativer Anstieg der Stiftungstestamente ab. Diese -
-
erfahrt noch eine gewisse Aufwertung, wenn man bedenkt, daß die Zunahme realiter noch etwas deutlicher ausgefallen sein könnte. Das bereits erörterte methodische Problem ,verdeckter' Stiftungen, das vor allem Objektvergabungen und bestimmte Formen des
Beobachtung
CMco**fmc0r--coo>OT-c\jcO'fl-mcor--coo>o*-
Diagramm 4: Anzahl der Stiftungstestamente Stiftungen
und Anzahl der testamentarischen
///. Die
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
129
namentlichen Gebetsgedenkens betrifft28, legt nämlich die Annahme nahe, daß insbesondere in diesem Zeitraum die Zahl der tatsächlichen testamentarischen Stiftungen höher anzusetzen ist. Denn in derselben Zeit kam es in Stralsund zu einer merklichen Ausbreitung des zweiten, quantitativ wichtigeren Stiftungstyps, also von Formen einfacher Gebetsmemoria, so daß hier auch die Zahl .verdeckter' Stiftungen höher als in der Zeit davor liegen dürfte. Ein weiterer aufschlußreicher Indikator neben der Häufigkeit von Stiftungstestamenten ist die Anzahl der testamentarischen Stiftungen. Beide sind in absoluten Zahlen in Diagramm 4 einander gegenübergestellt. Auch hier entsteht auf den ersten Blick ein ähnliches Bild wie in Diagramm 1 : Das bereits bekannte Auf und Ab in der zahlenmäßigen Entwicklung der Stiftungstestamente scheint von den Stiftungen selbst in einem bestimmten proportionalen Verhältnis mitvollzogen zu werden. Allerdings zeichnen sich dabei gewisse Schwankungen ab, die in Diagramm 5 deutlicher zum Ausdruck kommen.
cococococococo^j-Tj-Tr^-^-^-^j-^-^-^-iomio (Nico^í-mcDh-eocnOT-cMcO'^-vneDr^-eooío-"-
der testamentarischen der Anzahl der Stiftungstestamente je Jahrzehnt
Diagramm 5: Verhältnis zwischen der Anzahl
Stiftungen
und
Das hier in einer Kurve dargestellte Verhältnis zwischen beiden Werten offenbart, daß die durchschnittliche Zahl der Stiftungen pro Testament in den meisten Dezennien zwischen 1,5 und knapp 3,5 liegt. Außerhalb dieser Bandbreite liegen die Daten in vier Fällen. Dabei
28
S. oben S. 57 ff.
///. Die
130
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
kommt den Zahlen für die Jahrzehnte 1321-1330, 1411-1420 und 1451-1460, da sie lediglich auf vier beziehungsweise drei Stiftungstestamenten basieren, keine übermäßige statistische Aussagefähigkeit zu. Der außergewöhnliche Wert von durchschnittlich 5,5 Stiftungen pro Testament zwischen 1461 und 1470 resultiert vor allem aus dem Testament Matthias Benes, das die außerordentlich hohe Zahl von 18 Stiftungen enthält und in dieser Hinsicht im gesamten Zeitraum nur noch zweimal überboten wurde.29 Die Frage nach langfristigen Veränderungen führt zu einem ähnlichen Ergebnis wie bei Diagramm 3: Sieht man von den genannten Ausnahmewerten ab, so läßt sich ein markanter Langzeittrend nicht konstatieren. Auffällig ist allein, daß die relative Zahl der Stiftungen in den letzten Jahrzehnten im Durchschnitt über den Werten der früheren Dezennien liegt. Dabei ist auch hier zu beachten, daß dieser relative Anstieg in Anbetracht des Phänomens der ,verdeckten' Stiftungen aus den bereits erläuterten Gründen in der Realität noch deutlicher ausgefallen sein dürfte. 12
Anzahl der Testamente mit Zustiftungen 10
HAnzahl der testamentarischen Zustiftungen
iufljt: der Testamente mit einer oder mehreren Anzahl der testamentarischen Zustiftungen
Diagramm 6: Anzahl
29
StAS Test. Nr. 657. Je
Zustiftungen
und
zwanzig Stiftungen sahen die Testamente von Matthias Dame und Roloff Möller (1485 Sept. 17); StAS Stadt. Urk. Nr. 1810a (1498 März 24).
vor; StAS Test. Nr. 737
///. Die
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
131
Diese erste Bestandsaufnahme und Analyse der Verbreitung testamentarischer Stiftungen unvollständig ohne einen Blick auf den Handlungstyp ,Zustiftung', also die Vergabung an eine bestehende eigene oder fremde Stiftung, ohne daß dadurch eine eigenständige dauerhafte soziale Beziehung geschaffen würde. In Diagramm 6 sind die eine oder mehrere Zustiftungen enthaltenden Testamente sowie die testamentarischen Zustiftungen zahlenmäßig erfaßt. Dabei wird angesichts der absoluten Zahlen zunächst einmal deutlich, daß dem Phänomen insgesamt in quantitativer Hinsicht bei weitem nicht die Bedeutung wie den Stiftungen selbst zukommt. Fernerhin ist das Bild durch erhebliche Schwankungen geprägt, die mehrere Dezennien ohne eine einzige Zustiftung ebenso einschließen wie die letzten Jahrzehnte des Untersuchungszeitraums, deren Zahlen um ein Mehrfaches über denen des 14. Jahrhunderts liegen. Dies leitet bereits zur dritten Beobachtung über, die darin besteht, daß testamentarische Zustiftungen seit etwa der Mitte des 15. Jahrhunderts eine spürbare Vermehrung erfahren, deren Hintergründe zu einem späteren Zeitpunkt beleuchtet werden wäre
-
-
sollen.30
Bedeutung zu bestimmen, die Stiftungen im Rahmen der testamentarischen Seelenheilvorsorge beigemessen wurde, so erscheint es angebracht, nicht nur die absolute und relative Häufigkeit der Handlungsformen zu ermitteln, sondern auch die finanziellen Aufwendungen der Testatoren für Stiftungen und Schenkungen einander gegenüberzustellen. Damit steht man allerdings vor einem aus mehreren Gründen schwierigen Unterfangen. Vorauszuschicken ist, daß sich eine ohne Zweifel belangvolle Frage überhaupt nicht beantworten läßt, nämlich die nach dem Anteil der Stiftungsaufwendungen am Gesamtvermögen der Testatoren. Die Gründe hierfür ergeben sich aus einem Spezifikum des deutschrechtlichen Testaments, das im Gegensatz zum römischen Testament nicht die Einsetzung eines Generalerben vorsah, sondern die Möglichkeit eröffnete, bestimmte Vermögenswerte durch testamentarische Verfügungen vom rechtlich fixierten Erbgang auszunehmen. Daraus resultiert im Umkehrschluß, daß bestimmte Teile des Vermögens keiner Erwähnung im Testament bedurften. Zum einen sind dies diejenigen Werte, die gemäß dem Erbrecht der freien Verfügungsgewalt des Testators entzogen waren, da sie dessen Erben zustanden. Im übrigen war damit eine anderweitige Verfügung des Testators über die Erbgüter zwar dennoch möglich, sie bedurfte aber der ausdrücklichen Zustimmung der Erben. Das familiäre Erbgut war in den einzelnen Rechtskreisen in unterschiedlicher Weise definiert; im lübischen Recht bestand es aus dem ererbten torfachteigen, also den durch Erbgang an den Testator gefallenen Immobilien.31 Zum zweiten konnten sonstige Vermögensteile im Testament unerwähnt bleiben, wenn der Testator sie seinen nächsten Verwandten nach den Regeln des Erbrechts vermachen wollte.32 Nicht selten tritt eine weitere Unbekannte hinzu, nämlich dann, wenn Sucht man die
30 31 32
S. unten S. 221.
Vgl. Ebel, Bürgerliches Rechtsleben (1954), 32, 37; Pauli, Abhandlungen (1841), 235, 238 f., 287 f.; Hesse, Einfluß des wirtschaftlichen Fortschritts (1980), 99 f. Handelte es sich dabei um Immobilien, so nahm der Erblasser damit die Umwandlung in torfachteigen in Kauf. Pauli verweist darauf, daß der Testator dies verhindern konnte, indem er eine selbsterworbene Immobilie den nächsten Erben mittels eines Zusatzes wie z. B. ut sunderge gunst und toneginge als
HI. Die Bedeutung der Handlungsform
132
Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
Verfügungen über nicht genau spezifizierte Teile seines Besitzes traf, also beispielsweise jemandem seinen gesamten Hausrat vermachte oder, was vergleichsweise häufig vorkam, am Ende der Testamentsdispositio seinen übrigen Besitz seinen Testamentsvollstreckern oder nächsten Angehörigen zur Verwendung nach deren Gutdünken zu seinem der Erblasser
Seelenheil
übertrug.33
läßt sich in der Regel der Gesamtumfang eines Nachlasses nicht da die des Größe bestimmen, Vermögensanteils unbekannt bleibt, über den der Erblasser keine testamentarischen Verfügungen getroffen hat. Demzufolge bleibt nicht allein der Anteil der Stiftungsaufwendungen am Gesamtvermögen unbestimmbar; erheblich erschwert ist auch die Klärung der sozialen Stellung des Erblassers, da für diese Verortung in der spätmittelalterlichen Stadtgesellschaft die Besitzverhältnisse eine wichtige, wenn auch nicht allein maßgebliche Kategorie darstellen.34 Prinzipiell möglich ist es dagegen, die Aufwendungen für testamentarische Stiftungen mit den Ausgaben für die sonstigen in den Testamenten angeführten Seelenheilgaben zu vergleichen, wenngleich auch hier mehrere methodische Schwierigkeiten die Erkenntnismöglichkeiten einschränken. So läßt sich der materielle Aufwand von Legaten nicht fassen, für die der gesamte nach Ausrichtung der anderen Verfügungen übrigbleibende Besitz bestimmt wurde. Aber auch wenn die zu vergebende Sache konkret benannt wird, fällt es oft nicht leicht, deren Wert zu ermitteln. Denn wenn Kerzenwachs, liturgische Geräte und Gewänder für den kirchlichen Bedarf oder Schuhe, Tücher und Lebensmittel als Almosen vergabt werden sollten, so fehlt der Hinweis auf deren Wert ebensooft wie bei Sachgegenständen, mit deren Erlös eine bestimmte Seelenheilgabe finanziert werden sollte, also beispielsweise bei Kleidungs- oder Schmuckstücken, Häusern, Äckern oder Bettzeug. Dieselbe Schwierigkeit ergibt sich, wenn statt der genannten Objektgaben bestimmte Leistungen erbracht werden sollten, ohne daß deren Kosten angegeben werden. Zu denken ist hierbei vor allem an Messen und andere liturgische Dienste, aber auch an die Ausrichtung von Seelbädern für Bedürftige und die Bezahlung von Auftragspilgerreisen. Ein anderes Problem werfen Vergabungen auf, die einen Ewigzins oder eine Leibrente zum Gegenstand haben, ohne deren Kaufpreis zu beziffern. Außerdem lassen sich die Kosten einer Vergabung in denjenigen Fällen nicht direkt ermitteln, in denen die Zahl der Empfänger ungenannt bleibt, also beispielsweise bei Schenkungen an jeden Konvenmalen eines bestimmten Klosters oder an jeden Siechen in einem bestimmten Spital. Ein letztes Problemfeld stellen schließlich Vergabungen von Geldbeträgen in auswärtigen Münzen dar, weil die Berechnung aller
Infolge dieser Umstände
eine testamentarische Gabe vermachte und derart nicht dem Erbfall anheimgab; Pauli, Abhandlungen (1841), 287 f. 33 So steht am Ende der Nachlaßverfügungen im Testament Gerwin Storkows von 1338 die folgende, mit geringfügigen Varianten vielfach begegnende Bestimmung: Que autem bona superfuerint meis elemosinis, meis committo provisoribus in pios usus integraliter convertenda; PUB X, Nr. 5626. Häufig wurde der Verfügungsspielraum auch etwas eingegrenzt, z. B. in der von Hermann Virow vorgesehenen Weise, der in seinem Testament von 1519 seine Testamentsexekutoren anwies, sie sollten die nach Ausrichtung seines Begräbnisses übrigbleibenden Güter keren unde geven in de hende der armen dorch zalicheyt myner unde aller cristen zelen; StAS Test. Nr. 959. 34 S. zum Problem der sozialen Klassifizierung vor allem die maßgebliche Studie von Rüthing, Höxter
(1986).
III. Die
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
133
Aufwendungen selbstredend nur innerhalb einer Währung, hier also sinnvollerweise in sundischen Mark, Schilling und Pfennig, erfolgen kann. Fehlen aus den genannten Gründen genaue Wertangaben für die testamentarischen Vergabungen, so stehen zu deren Erschließung immerhin noch einige methodische Möglichkeiten offen. Einzelne Angaben zu den Umtauschkursen der gängigen auswärtigen Münzen finden sich auch andernorts in den lokalen Quellen und in der entsprechenden Literatur.35 Dasselbe gilt für die anderen Problembereiche, zu denen sich Anhaltspunkte über die jeweiligen Geldwerte insbesondere aus den Testamenten selbst sowie aus dem Liber memorialis gewinnen lassen.36 Allerdings ist die darauf aufbauende Vorgehensweise, nämlich von einer datierten Preis- oder Währungsangabe auf einen Wert zu einem anderen Zeitpunkt zu schließen, mit nicht geringen Unsicherheiten verbunden. Diese rühren abgesehen von der Frage nach der Äquivalenz der Objekte vor allem daher, daß die beiden zu berücksichtigenden Einflußfaktoren, die jeweilige Preisentwicklung sowie die allgemeine Münzwertentwicklung, sich für Stralsund nur mittelbar und in groben Zügen erschließen lassen.37 -
-
35
36
37
Überlieferung sind aufgrund der vergleichsweise zahlreichen Auskünfte die älteren Stralsunder Chroniken hervorzuheben; s. Zober, Eine alte Stralsunder Chronik (1842); Baier, Zwei Stralsundische Chroniken (1893); ders., Bruchstücke (1900); MohnikelZober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik (1833). Ansonsten finden sich verstreute Hinweise in den unterschiedlichsten Quellengruppen. Zur Literatur s. bes. Biederstedt, Münzen, Gewichte und Maße (1994), 44—47; Hauschild, Studien Aus der
(1973), 6; Fengler, Untersuchungen (1936), 118-120. Die beiden Quellencorpora enthalten nicht nur besonders viele derartige Informationen, sie sind in dieser Hinsicht auch besser erschlossen als andere Quellengruppen; vgl. Schildhauer, Hansestädtischer Alltag (1992), 58, 61, 63, 67-69, 72, 93-99; Schroeder, Stadtbücher der Hansestädte (1970), 7 f., sowie die Edition des Liber memorialis durch denselben (LM 1 bis LM 6). Für beide Problembereiche, die Entwicklung der Preise für einzelne Waren und Dienstleistungen sowie die Veränderung des Silbergehaltes der einheimischen Münzen und damit auch ihres Kurswertes, ist gleichermaßen festzustellen, daß ihre systematische Untersuchung für das spätmittelalterliche Stralsund noch aussteht. Daß dem so ist, liegt fraglos an dem Fehlen einer hierfür besonders geeigneten geschlossenen Quellenserie, wie diese beispielsweise städtische Kämmereirechnungen darstellen
können. In dieser Situation bedeutet die Existenz einer entsprechenden Studie von Ursula Hauschild für die benachbarte Hansestadt Rostock immerhin eine beträchtliche Erleichterung. Darin gelangte Hauschild u. a. zu dem Ergebnis, daß der Rostocker Pfennig zwischen ca. 1250 und 1530 einen permanenten Rückgang des Silbergehaltes um über 90 % zu verzeichnen hatte, der seit der Mitte des 15. Jh. immerhin in sehr moderaten Bahnen verlief. Den von ihr erstellten verschiedenen Preis- und Lohnkurven eignet entgegen der aus der Agrarkrisentheorie gefolgerten Preisscherenthese eine allgemein steigende Tendenz, wobei freilich die einzelnen Kurven z. T. erhebliche Binnenschwankungen und Steigerungen unterschiedlichen Ausmaßes aufweisen; s. Hauschild, Studien (1973), bes. 6-10, 185-219. Die allgemeinen Erkenntnisse und die Detailergebnisse Hauschilds lassen sich bei entsprechender Vorsicht durchaus auf Stralsund übertragen, eine Annahme, für die mehrere Indizien angeführt werden können: Hinsichtlich des Silbergehaltes ist eine parallele Entwicklung der sundischen Münzen zumindest seit dem ausgehenden 14. Jh. wahrscheinlich; seit der vorübergehenden Aufnahme beider Städte in den wendischen Münzverein im Jahre 1381 sind nämlich in einer indes wechselvollen Münzgeschichte immer wieder konzertierte Aktionen in der Witten- und Pfennigprägung zu beobachten und wiederholt Währungsrelationen zwischen dem Rostocker und dem Stralsunder Pfennig von 1:1 bezeugt; vgl. ebd., 6; Sprandel, Das mittelalterliche Zahlungssystem (1975), 17 f., 25; Jesse, -
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///. Die Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
134
Den solcherart vorgenommenen
Schätzungen haftet folglich eine bald größere, bald kleiUnscharfe an. Daher läßt sich in der Mehrzahl der Fälle nur eine ungefähre Relation zwischen den Stiftungskosten und den Gesamtaufwendungen für Seelenheilgaben ermitteln. Oftmals ist aber auch dies unmöglich, nämlich immer dann, wenn die Angaben im Testament und die sonstigen Vergleichswerte nicht ausreichen, um die Kostenschätzung innerhalb einer angemessenen Schwankungsbreite anzusiedeln.38 Solches läßt sich beispielsweise nicht bewerkstelligen, wenn die Finanzierung einer einzigen Stiftung durch den Verkauf des Wohnhauses eines Testators erfolgen sollte und keinerlei Anhaltspunkte zur Einschätzung seines Wertes vorliegen.39 Infolge derartiger Hindernisse ist eine einigermaßen genaue Kostenrelation nur bei 76 der 163 quantifizierbaren Stiftungstestamente zu erstellen. Bei der Berechnung wurde nach folgenden Regeln vorgegangen: Gänzlich ausgeklammert wurden testamentarische Anordnungen, die Güter eines bestimmten oder häufiger noch unbestimmten Umfangs den Testamentsvollstreckern oder nächsten Angehörigen anvertrauten, damit diese sie ohne oder mit geringfügigen Einschränkungen nach ihrem Gutdünken für das Seelenheil des Erblassers verwendeten. Solche Verfügungen wurden nicht berücksichtigt, weil und insofern sie die Verwendung der Mittel sowohl in Form von Schenkungen wie von Stiftungen ermöglichten. Ansonsten wurden zur Gesamtheit der Seelenheilgaben auch Aufwendungen für das eigene Begräbnis und für Pilgerreisenaufträge, aber nicht Legate an Verwandte im geistlichen Stand gezählt. In bezug auf letztere hätte sich eine gegenteilige Entscheidung jedoch ebenfalls begründen lassen, da mit solchen Gaben wohl immer auch die nicht selten explizit formulierte Hoffnung auf besondere Fürbitten des Verwandten verbunden war. Daher offenbart sich an diesen Legaten auch in besonderer Weise, wie sehr in dem Bemühen des Testators um die Ordnung seiner Nachwelt deren diesseitige und deren jenseitige Dimension verknüpft sind.40 Zugleich wird daran deutlich, daß die Trennung der Legate in Seelenheilgaben und sonstige Vergabungsformen eine künstliche und grundsätzlich problematische darstellt, die allenfalls mit Blick auf den hier verfolgten Zweck, nämlich den groben Vergleich zweier Handlungsformen, vertretbar erscheint. -
nere
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(1928), 88-104; ders., Die Münzpolitik (1928), 89 f.; Biederstedt, Mün(1994), 47; Fengler, Untersuchungen (1936), 119. Im Hinblick auf die Warenpreise liegt die Überlegung nahe, daß eine längerfristige gravierende Inkongruenz angesichts der Der wendische Münzverein
zen, Gewichte und Maße
38
39 40
räumlichen Nähe der beiden Märkte unwahrscheinlich anmutet, was allerdings kurzzeitige situationsbedingte Diskrepanzen, z. B. im Falle einer Belagerung, ebensowenig ausschließt wie eine unterschiedliche örtliche Besteuerung der Waren. Tatsächlich bestätigt ein stichprobenartiger Vergleich der in den zitierten Stralsunder Chroniken genannten Getreidepreise mit den Rostocker Werten diese Ambivalenz, da für einige Jahrgänge deutliche Abweichungen, für andere hingegen ein annähernd gleiches Niveau zu verzeichnen ist. Als für den vorliegenden Zweck sinnvolles Kriterium wurde es angesehen, daß die Schwankungsbreite der Schätzungen etwa ein Viertel der Gesamtaufwendungen der Stiftungen oder der Schenkungen eines Testaments nicht übersteigt. Dabei ist zu bedenken, daß sich bei der Aufstellung der Relation zwischen Stiftungs- und Schenkungskosten die Schwankungsbreite des Ergebnisses deutlich reduziert. S. z. B. PUB XI, Nr. 6251; StAS Test. Nr. 104. S. dazu auch Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 74.
///. Die
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
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7: Anteil der Ausgaben für Stiftungen und Zustiftungen Seelenheilaufwendungen je Testament in Prozent41
135
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7 ist für die 76 Stiftungstestamente, für die sich die Berechnung durchführen der Anteil der Kosten für Stiftungen und Zustiftungen an den gesamten Seelenheilließ, aufwendungen dargestellt.42 Dies geschieht jeweils in präzisen Prozentwerten, also unter Verzicht auf die Darstellung der unterschiedlichen schätzungsbedingten Schwankungsbreiten, bei denen der jeweilige Mittelwert zugrunde gelegt wurde. Damit soll eine bessere Anschaulichkeit erreicht werden, wobei das Faktum der Scheingenauigkeit bei der Interpretation des Diagramms beachtet werden muß. Das augenfälligste Ergebnis, das das Schaubild vermittelt, ist zugleich ein besonders wichtiges: Über den gesamten Zeitraum hinweg bewegt sich der Stiftungsanteil in einer In
41
42
Diagramm
Datierten mehrere der hier aufgenommenen Testamente in dasselbe Jahr, so wurde es notwendig, sie für die Graphik derart auf die angrenzenden Jahrgänge umzuverteilen', daß pro Jahr nur ein Testament darzustellen war. Die dadurch entstehende Ungenauigkeit ist hier deswegen vertretbar, weil das Diagramm nur die längerfristigen Tendenzen veranschaulichen soll. Die beiden verwandten Handlungsformen wurden bei den folgenden Berechnungen zusammengezogen. Erwähnt sei, daß die Zustiftungen in den meisten Testamenten einen deutlich geringeren finanziellen Umfang erreichten als die Stiftungen; einzelne Ausnahmen bestätigen die Regel: s. PUB XI, Nr. 5965; StAS Test. Nr. 906.
///. Die
136
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
Bandbreite, die von einigen wenigen Prozentpunkten bis zu hundert Prozent der gesamte Raum zwischen den beiden Endpunkten durch einzelne Werte wobei reicht43, Breite des Spektrums findet im übrigen ihre Widerspiegelung, wenn ist. Diese abgedeckt man die absoluten Zahlen in den Blick nimmt: Denn es begegnen sowohl exorbitante Kostensummen bei den Stiftungen44 wie bei den sonstigen Seelenheilgaben45 als auch recht bescheidene Beträge, auch hier bei den Stiftungen46 ebenso wie bei den Schenkungen.47 Immerhin ist hierbei eine gewisse Tendenz feststellbar, nämlich dergestalt, daß große Summen sich etwas häufiger bei den Stiftungsaufwendungen als bei den sonstigen Ausgaben finden48, was allerdings wenig verwunderlich ist, wenn man bedenkt, daß bei manchen Stiftungsformen ein erheblicher finanzieller Einsatz gar nicht zu vermeiden war. Betrachtet man Diagramm 7 im Hinblick auf die Frage nach einer möglichen Dominanz einer der beiden Vergabungsformen, so kann konstatiert werden, daß in 41 der 76 Fälle weit mehr als die Hälfte der Gesamtausgaben eines Testamentes auf Stiftungen entfielen, hingegen nur in siebzehn Fällen deutlich weniger als die Hälfte.49 Auch zeichnet sich dabei ein gewisser Trend ab, nämlich eine leichte Abschwächung des Vorrangs der Stiftungsaufwendungen im 15. und 16. Jahrhundert: Während im 14. Jahrhundert noch bei 25 Testamenten die Stiftungskosten deutlich mehr als die Hälfte der gesamten Seelenheilaufwendungen ausmachten und nur in sechs Fällen deutlich weniger als die Hälfte, ist ersteres im Anschluß nur noch in sechzehn, letzteres hingegen in elf Fällen feststellbar. Allerdings darf dabei nicht übersehen werden, daß diese Entwicklungstendenz zweifelsohne nicht in einem Maße ausgeprägt ist, das es in Anbetracht einer Erhebungsbasis von lediglich 76 von 163 Stiftungs-
enormen
43
Die Extreme bilden die Testamente von Dietrich von Verden (StAS Test. Nr. 448) mit einem Stiftungsanteil von 2 % und von Abele von Hamm (StAS Test. Nr. 140) mit 100 %, also ohne sonstige Seelen-
heilgaben. 44
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46 47
48
49
So erreichten die geplanten Ausgaben für die testamentarischen Stiftungen und Zustiftungen Roloff Möllers die Summe von 3761 M sund., während für sonstige Seelenheilgaben ,nur' rund 660 M sund. vorgesehen waren; StAS Stadt. Urk. Nr. 1810a. Hierfür sah Dietrich von Verden in seinem bereits erwähnten Testament (StAS Test. Nr. 448) mehr als 1560 M sund. vor und Henning Junge die ebenfalls noch außergewöhnlich hohe Summe von 1182 M sund.; StAS Test. Nr. 747. So wollte Peter Lange für die von ihm geplante Stiftung nur 6 V* M sund. aufwenden (StAS Test. Nr. 132) und Matthias Bemdes für zwei Stiftungen gar nur 4 M sund.; StAS Test. Nr. 863. Lediglich 5 M sund. waren im Testament von Heinrich Pomeren für Schenkungen vorgesehen; StAS Test. Nr. 104. Auf das Testament der Abele von Hamm, das ausschließlich Seelenheilgaben in Stiftungsform enthält, wurde bereits hingewiesen; StAS Test. Nr. 140. Unter allen Stiftungstestamenten sah das Testament von Matthias Dame die mit Abstand größten Aufwendungen für Stiftungen und Zustiftungen vor, nämlich mehr als 7700 M sund.; StAS Test. Nr. 737. Es folgen in der Reihenfolge der Ausgabenhöhe: StAS Test. Nr. 817 (3761 M sund.), Nr. 615 (1855 M sund.), Nr. 657 (über 1500 M sund.), Nr. 664 (1147 M sund.), Nr. 651 (über 1050 M sund.); PUB VIII, Nr. 5184 (über 1000 M sund.). Ebenfalls in diese Reihe gehört das Testament von Ilsebe Greverade, die für ihre Stiftungen u. a. zwei Häuser bzw. Hausareale und sechs Buden bestimmte, was eine genauere Schätzung des Gesamtwertes unmöglich macht; StAS Test. Nr. 847. In Anbetracht der partiellen Schätzungsunsicherheiten liegen dieser Zählung ebenso wie der sich anschließenden die Grenzwerte 60 % bzw. 40 % zugrunde.
///. Die
Bedeutung der Handlungsform Stiften im Rahmen der Seelenheilssicherung
testamenten erlauben
137
würde, ihr Signifikanz zuzusprechen. Festzuhalten bleiben daher hinder sichtlich Aufwendungen für die Seelenheilgaben in erster Linie zwei Beobachtungen: zum einen eine breite Streuung der absoluten wie der relativen Zahlenwerte, die starke Schwankungen über den gesamten Zeitraum hinweg aufweisen; zum anderen ein gewisses Überwiegen der für die Stiftungen vorgesehenen Ausgaben. Bevor im nächsten Abschnitt die Zusammenhänge zwischen den Handlungsformen Schenken und Stiften und damit verbundenen Jenseitsvorstellungen näher erörtert werden sollen, seien auch im Hinblick darauf die Ergebnisse der vorstehenden quantifizierenden Analyse kurz zusammengefaßt. Im Spiegel der Stralsunder Testamente erscheinen Stiftungen als ein Phänomen, das im Rahmen der Seelenheilssicherung während des gesamten Spätmittelalters einen zwar deutlich begrenzten, aber festen Platz einnimmt. Es ist gleichwohl Schwankungen unterworfen, insbesondere in bezug auf die finanziellen Aufwendungen für die Seelenheilgaben. Hinsichtlich der relativen Häufigkeit von Stiftungen bewegen sich die Schwankungen jedoch in einem vergleichsweise engen Rahmen, so daß dem Phänomen eine beachtliche Stabilität attestiert werden kann. Diese kommt auch darin zum Ausdruck, daß in den zweihundert Jahren bis zur Reformation keine gravierenden langfristigen Veränderungen beobachtet werden können. Allenfalls läßt sich in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts ein mäßig ausgeprägter Trend erkennen, der durch eine relative Zunahme der Stiftungstestamente wie auch der Zahl der Stiftungen und mehr noch der Zustiftungen gekennzeichnet ist. Zugleich zeichnet sich allerdings auf einer schmalen Quellengrundlage ein leichter relativer Rückgang der Stiftungsaufwendungen im 15. Jahrhundert ab. Diese beiden, scheinbar widersprüchlichen Entwicklungstendenzen könnten ihre gemeinsame Ursache in einer Ausbreitung bestimmter, kostengünstigerer Stiftungsformen im 15. Jahrhundert haben, eine Hypothese, die jedoch der Überprüfung im weiteren Verlauf der Untersuchung bedarf. -
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IV.
Fegefeuer und Weltengericht über den Zusammenhang von Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen -
Wie sich im vorigen Kapitel gezeigt hat, hielten die Stralsunder Testatoren mit einer erstaunlichen Beständigkeit an der Handlungsform Stiftung fest. Die bis zum Vorabend der Reformation im wesentlichen unverminderte Bedeutung von Stiftungen für die Seelenheilvorsorge steht in einer unübersehbaren Spannung zu den Ergebnissen und Schlußfolgerungen der bereits erwähnten Arbeiten von Jacques Chiffoleau und Jean-Claude Schmitt. Beide stützten sich auf die plausible Überlegung, daß sich bestimmte Strategien der Seelenheilssicherung verschiedenen Jenseitsmodellen, die in den spätmittelalterlichen Glaubensvorstellungen präsent waren, logisch zuordnen lassen und dadurch ihr Verständnis erhellt wird. Sowohl Chiffoleau als auch Schmitt gelangten zu dem Schluß, daß die Zunahme bestimmter stellvertretender Bußformen, die in einem kurzen Zeitraum nach dem Tod zu leisten waren, insbesondere der Anstieg kumulierter Meßfeiern, auf die Ausbreitung der Vorstellung eines Partikulargerichts und des sich daran anschließenden läuternden Fegefeuers hindeute. In der Logik dieses Modells liege es nämlich, durch rasch erbrachte stellvertretende Bußleistungen die Zeit der jenseitigen Leiden zu verkürzen. Stiftungen hingegen als auf Dauerhaftigkeit ausgerichtete Werke widersprechen der inneren Logik der Fegefeuervorstellung. Stattdessen lassen sie sich in einen sinnhaften Zusammenhang mit der Vorstellung von einem Weltengericht stellen, da sich ihre Wirkung und die immer damit verknüpfte Memoria des Stifters bis zum Ende der Zeiten erstrecken soll, mithin bis zu dem Moment des Urteilsspruchs über die Seele des Stifters. Wenn sich also in Stralsund Stiftungen über zweihundert Jahre hinweg einer ungebrochenen Beliebtheit erfreuten, so läßt sich daraus anders als aus den von Chiffoleau für die Region um Avignon erhobenen Befunden keine zunehmende Verbreitung der Fegefeuervorstellung ablesen. Allerdings ist Vorsicht geboten bei dem Versuch, allein aus dieser Feststellung weiterreichende Schlußfolgerungen abzuleiten, etwa dahingehend, die Lehre vom Fegefeuer hätte in Stralsund eine verhältnismäßig schwache Aufnahme gefunden. Denn zum einen darf nicht übersehen werden, daß das Stiftungsverhalten bislang nur summarisch untersucht wurde, also ohne Differenzierung nach verschiedenen Stiftungsarten, mit denen sich jeweils ein in unterschiedlichem Maße ausgeprägter Wunsch nach Dauerhaftigkeit des Stiftungszwecks verbunden haben könnte. So tritt beispielsweise bei einer Ewigmeßstiftung der Gedanke der erst durch das Ende der Welt begrenzten Wiederholung des Stiftungszwecks stärker hervor als bei einer Kelchstiftung, bei der, ungeachtet einer dauerhaften Zweckbindung des Kelchs, das Moment der einmaligen Vergabung und einer damit verbundenen Hoffnung auf unverzügliche himmlische Entlohnung womöglich von erheblicher Bedeutung für den Stifter war. Daraus folgt, daß nicht jedem Stiftungstyp im Hinblick auf die Frage nach den Jenseitsvorstellungen der gleiche Aussagewert zukommt.
140
IV.
Fegefeuer und Weltengericht Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen -
Fernerhin ist zu beachten, daß die Entscheidung eines Testators für Stiftungen oder für als Gestaltungsform seiner guten Werke auch von anderen Überlegungen und allein Motiven als von einer auf seine Jenseitsvorstellungen abgestimmten Strategie beeinflußt sein konnte. Diese Vorbehalte gegen eine überzogene Interpretation des Stiftungsverhaltens lassen nach anderen Faktoren Ausschau halten, die zusätzlichen Aufschluß über die in Stralsund verbreiteten Todes- und Jenseitsvorstellungen gewähren könnten. Aus der Palette der testamentarischen Schenkungsarten bieten sich hierfür, wie bereits erläutert wurde, in erster Linie die Meßstipendien an. Denn zum einen kommen in deren Gestaltung die damit verbundenen Jenseitsvorstellungen deutlicher zum Vorschein als bei anderen Schenkungstypen. Zudem sind es gerade die Meßstipendien, deren enormer Anstieg für Chiffoleau die Ankunft des Fegefeuers in der Grafschaft Venaissin markierte und deren Tendenz zu immer größeren Zahlen von in kurzer Zeit zu feiernden Messen auch andernorts beobachtet worden ist.1
Schenkungen
25
O Anzahl der testamentarischen
Meßstipendien
Diagramm 8: Anzahl der zeitlich befristeten testamentarischen Meßstipendien und Anzahl der Testamente mit zeitlich befristeten Meßstipendien
S.
zu
Wien die
Zusammenstellung aller testamentarischen Stipendien von hundert und mehr Messen bei zu Regensburg s. Kolmer, Spätmittelalterliche Testamente
Lentze, Begräbnis und Jahrtag (1950), 346;
(1989), 489.
IV.
Fegefeuer und Weltengericht Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen
141
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Läßt sich auch in Stralsund eine solche Entwicklung beobachten, die dann im Hinblick auf die Logik der Jenseitsmodelle als eine zu dem Beharrungsvermögen des Stiftungswesens gegenläufige Tendenz anzusehen wäre? Einen ersten Eindruck von der Häufigkeit zeitlich befristeter Meßstipendien vermittelt Diagramm 8, in dem vor der Folie aller quantifizierbaren Testamente die Zahl derjenigen Testamente dargestellt ist, die überhaupt derartige Meßwünsche beinhalten. Ausgeklammert wurden dabei testamentarische Bestimmungen, die sich auf die zur eigentlichen Begräbnisfeier gehörenden Gottesdienste bezogen, also beispielsweise die des öfteren anzutreffenden Legate für alle an der Totenvigil oder der Seelmesse teilnehmenden Geistlichen. Hingegen wurden Legate aufgenommen, die parallel zur Begräbnisfeier weitere Messen an anderen Kirchen oder an der Begräbniskirche Messen an den rituellen Gedenktagen nach der Beerdigung bezweckten. Das Ergebnis ist in seiner Deutlichkeit frappierend. In lediglich 55 von 908 Fällen veranlaßten Testatoren überhaupt einzelne Meßopfer, eine Zahl, angesichts derer es schwerfällt, dem Phänomen einen zentralen Stellenwert in der testamentarischen Seelenheilvorsorge beizumessen. Von größerem Interesse als diese absoluten Werte ist allerdings die Entwicklung, die die Meßstipendien über die gut zweihundert Jahre hinweg genommen haben. Nun ist deren Gesamtzahl freilich so klein, daß sich eine quantifizierende Feinauswertung des Schaubildes verbietet. Man darf aber zumindest festhalten, daß sich- in Relation zur Gesamtzahl der quantifizierbaren Testamente2- im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts ein leichter Anstieg der Testamente mit Meßstipendien abzeichnet, der zu Anfang des 16. Jahrhunderts eine gewisse Verstärkung erfährt.3 Keiner wesentlichen Änderung unterliegt dieses erste, grobkörnige Bild, wenn man in die Betrachtung miteinbezieht, wie viele Meßaufträge jeder Testator in seinem Vermächtnis vorgesehen hat, wobei hier nicht die Zahl der Einzelmessen, sondern der Aufträge an einzelne Kirchen, Klöster oder Priester zur Feier einer bestimmten Anzahl von Messen gemeint ist. Auch die Zahl der Meßaufträge, die sich zwischen eins und sechs je Testament bewegt, erfahrt in den letzten sechzig Jahren vor der Reformation eine absolute und relative Steigerung gegenüber den vorangehenden Dezennien, in denen, von wenigen Ausnahmen abgesehen4, kein Testament mehr als zwei Meßstipendien enthält.5 Detailliertere Aufschlüsse als diese pauschale Betrachtung bietet nun freilich die Erfassung der einzelnen Meßwünsche. Deren Entwicklung läßt sich allerdings aufgrund der Heterogenität der Stipendien und der unterschiedlichen Genauigkeit der Angaben nicht auf einen einheitlichen, graphisch visualisierbaren Nenner bringen, sondern nur deskriptiv nach-
2 Vgl. Diagramm 1, oben S. 124. 3 Die erhöhten Zahlen in der Mitte des 14. Jh. weisen hingegen angesichts der Menge der überlieferten Testamente keine besondere Signifikanz auf. 4 Vier Meßaufträge erteilte Hans Wulf im Jahre 1404; StAS Test. Nr. 486. Gar auf sechs kann man bei dem Testament des Malmöer Bürgers Matthäus Johansson von 1431 kommen, die andererseits eine gewisse Einheit bilden, da nämlich der Testator seinen Ohm beauftragte, je acht Messen an sechs verschiedenen, einzeln aufgeführten Altären lesen zu lassen; StAS Test. Nr. 572. 5 Hingegen finden sich in den Testamenten zwischen 1461 und 1520 des öfteren drei und mehr Meßaufträge, was zu einem Durchschnittswert von knapp zwei führt.
142
IV.
Fegefeuer und Weltengericht Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen -
zeichnen. Vor allem im 14. Jahrhundert fielen die Informationen häufig etwas dürftig aus, sobald nämlich im Testament lediglich verfügt wurde, daß diese oder jene Kirche einen bestimmten Geldbetrag zur Abhaltung von Messen erhalten sollte.6 In derartigen Fällen ist wohl davon auszugehen, daß an eine mehr oder minder regelmäßige Wiederholung der Messe bis zum ,Verbrauch' des Legats gedacht war und nicht an eine möglichst rasche, an mehreren Altären der betreffenden Kirche parallele Abhaltung der durch das Legat finanzierten Messen.7 Das repetitive Verfahren kennzeichnet nämlich im 14. Jahrhundert auch alle diejenigen Meßstipendien, deren Realisierung präziser vorgegeben ist. Wenn dabei ein Zeitraum für die Feier der Messen genannt ist, so handelt es sich meist um ein Jahr, mithin um den im Mittelalter vielleicht am meisten beachteten Gedenkzeitraum überhaupt.8 Ein Bestreben der Testatoren, eine immense Anzahl von Meßopfern zu erzielen, ist im 14. Jahrhundert kaum zu registrieren. Einhundert bis zweihundert Lesemessen waren zwar keine Seltenheit9, aber es begegnet nur ein Fall, in dem die Gesamtzahl darüber weit hinausging: Nach dem testamentarischen Willen von Heimich Symmekendorp sollten die Stralsunder Dominikaner zehn Jahre lang vier Messen pro Woche lesen, also insgesamt mehr als 2000 Messen, wofür er ihnen fast seinen gesamten Besitz vermachte.10 In den ersten sechzig Jahren des 15. Jahrhunderts setzten gewisse Veränderungen ein, die jedoch einen klaren Wandel der Gewohnheiten eher einleiteten als selbst bereits vollzogen. So begegnen nun etwas häufiger als zuvor konkretere Vorgaben über die Durchführung der
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Beispielsweise sollten nach dem Willen von Sander Nienborch die Stralsunder Dominikaner 2 M sund. erhalten, pro quibus ob salutem [anime mee] debent legere missas; PUB XI, Nr. 6078. Mitunter fehlt sogar die Entscheidung für einen bestimmten Empfänger, so bei Margarete von Bremen, die schlicht 2 M sund. für Seelmessen verwendet wissen wollte; StAS Test. Nr. 263. Eine Ausnahme könnte das Testament von Heinrich Westfal darstellen, der ohne nähere Angaben zweihundert Seelmessen in Auftrag gab und dabei womöglich an eine Verteilung auf mehrere Empfänger dachte, um die gewünschte Anzahl von Messen in möglichst kurzer Zeit abhalten zu lassen; StAS Test. Nr. 386. S. StAS Test. Nr. 117, 122, 145, 349. Eine davon abweichende Frist legte lediglich Heinrich Symmekendorp fest, der zehn Jahre lang Messen gelesen haben wollte; StAS Test. Nr. 449/450. S. StAS Test. Nr. 122, 266, 386. Einen ähnlichen Umfang könnten einige Meßstipendien angenommen haben, bei denen nicht die Meßzahl, sondern nur die Legathöhe angegeben ist; s. StAS Test. Nr. 117, 229. Allerdings liegen in Stralsund aus dem 14. Jh. kaum Angaben über den Preis bzw. die Legathöhe für einzelne Messen vor, und im 15. und 16. Jh., wo die Hinweise zahlreicher sind, schwanken die Kosten mit etwa 20 Pf. sund. (s. StAS Test. Nr. 917) bis zu 1 M sund. (s. StAS Test. Nr. 838) für eine Lesemesse doch erheblich. Von einer festen Preisbildung, wie Ahasver von Brandt für den deutschen Raum mutmaßte (Brandt, Mittelalterliche Bürgertestamente [1973], 21), kann in Stralsund also nicht gesprochen werden. Allenfalls lassen sich dezente Ansätze dazu bei den seit etwa der Mitte des 15. Jh. stärker verbreiteten Meßreihen beobachten; s. z. B. das testamentarische Legat von Mechthild Rotger aus dem Jahre 1502: Item noch de verlieh myssen, de kosten 10 M sund.; StAS Test. Nr. 852. Aber auch bei den verschiedenen Meßreihen sind in den Testamenten keine einheitlichen Legathöhen, selbst bei ein und demselben Empfanger, feststellbar. Grundsätzlich muß allerdings beachtet werden, daß die Anbieter von Meßleistungen durchaus festere Vorgaben im Sinne von Mindestpreisen gemacht haben könnten, die gegebenenfalls von manchen Testatoren zugunsten der Empfanger nicht beachtet wurden. StAS Test. Nr. 449.
IV.
Fegefeuer und Weltengericht Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen
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Messen. Sie beziehen sich auch auf den Zeitraum, innerhalb dessen die gewünschten Messen abgehalten werden sollten. Dabei wurde neben der bekannten einjährigen Frist11 zum ersten Mal ein Termin gewählt, der sich eindeutig mit der Vorstellung eines kurz nach dem Tod stattfindenden Partikulargerichts in Verbindung bringen läßt. Heinrich Sasse trug nämlich in seinem Testament von 1420 seiner Frau auf, sie solle myner zelen laten na lezen XXX zelemissen de wyle, dat myn lichman steyt boven erden.n Dabei mußte seine Sorge, die Bußleistung rechtzeitig vor der Entscheidung über seine Seele erbringen zu lassen, ihn unweigerlich dazu bringen, die Verteilung der gewünschten Meßopfer auf mehrere Altäre ins
Auge zu fassen.13
Zum ersten Mal greifbar wird auch eine andere liturgische Praxis, die in der Folgezeit eine deutliche Ausweitung erfahren sollte. Es handelt sich um die Feier von Meßreihen, also die tägliche Wiederholung des Meßopfers innerhalb einer gewissen Frist.14 Solche Meßreihen konnten unter Verwendung eines einheitlichen Meßformulars abgehalten werden oder nach bestimmten Kombinationen verschiedener Messen, welche insbesondere für das gregorianische Tricenar, aber auch für andere Meßreihen Verbreitung gefunden hatten.15 Im Umfang eines Tricenars, jedoch ohne wechselnde Meßformulare bestellte Hans Wulf bei den Dominikanern und den Franziskanern je dreißig Seelmessen.16 Zugleich wollte er noch eine zweite traditionelle Gedenkzeit mit Bußleistungen erfüllt wissen, denn zu St. Jakobi und zu St. Katharinen sollte ein Jahr lang ebenfalls je eine Seelmesse täglich gelesen werden. Zwischen 1460 und 1520 akzentuierten sich mit dem allgemeinen Anstieg der Meßstipendien manche bis dahin erst in Ansätzen erkennbare Entwicklungen stärker. Mehrere Testatoren bemühten sich nun um eine Anhäufung von Meßleistungen in kurzer Zeit, so etwa der
11 12 13
S. StAS Test. Nr. 117, 122, 145, 349. StAS Test. Nr. 534. Von einem ähnlichen Gedanken ist scheinbar die Entscheidung des Malmöer Bürgers Matthäus Johansson getragen, an sechs Altären je acht Messen lesen zu lassen. Mindestens ebenso wahrscheinlich ist allerdings, daß es ihm mehr darum zu tun war, sich der Fürbitten gleich mehrerer Heiliger zu versichern, zumal da er sich die Mühe machte, alle Altäre mit ihren nicht identischen Patronen aufzulisten; StAS Test. Nr. 572. 14 S. zu den Meßreihen auch oben S. 115. 15 S. Franz, Die Messe (1902), 247-267. Daß die Testamente über die bei den Meßreihen zu verwendenden Meßformulare anders als bei manchen Ewigmeßstiftungen in der Regel keine Angaben enthalten, liegt sicherlich nicht an der Indifferenz der Testatoren, sondern wohl an der Möglichkeit, auf bestehende liturgische Gewohnheiten zurückzugreifen. 16 StAS Test. Nr. 486. Meßreihenformulare waren in Stralsund wohl auch schon im 14. Jh. in Gebrauch, wie das Testament von Mechthild von Lippe erkennen läßt, die den Stralsunder Dominikanern 20 M sund. vermachte pro quinqué missis primi anni obitus mei omni die celebrandis; StAS Test. Nr. 122. Daß hier mit den quinqué missis eher eine Meßreihe, gekennzeichnet durch eine bestimmte Verbindung verschiedener Messen, gemeint gewesen sein dürfte als die tägliche Feier von fünf Messen, dafür spricht die Legathöhe, die, gesetzt den Fall von fünf Messen pro Tag, als außergewöhnlich niedrig anzusehen wäre. Erstrebte die Testatorin hier wohl also eine tägliche Meßfeier nach bestimmten Formularen, so unterscheidet sich ihr Wunsch von den in Stralsund seit etwa der Mitte des 15. Jh. häufiger anzutreffenden Meßreihen dadurch, daß die Meßreihe hier nicht ein einziges Mal abgehalten, sondern über einen längeren Zeitraum hinweg wiederholt werden sollte. -
-
144
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Fegefeuer und Weltengericht Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen -
Stralsunder Ratsherr Heinrich von Orden, der nicht nur Legate für fünf Begängnisse bei den Stralsunder Franziskanern und drei bei den Dominikanern vorsah, sondern zudem den Klöstern zu Krummin, Bergen und Verchen je fünf Mark sundisch für weitere Begängnisse vermachte und nochmals fünf Mark sundisch armen Priestern für Vigilien und Messen bestimmte.17 Heinrich von Orden war dabei ohne Zweifel daran gelegen, daß seiner bald nach seinem Tod an mehreren Orten gedacht wurde, ohne jedoch Wert auf eine möglichst hohe Zahl von Meßopfern zu legen, denn sonst hätte er sich nicht für die aufwendigeren Konventsfeiern entschieden, sondern für Lesemessen einzelner Priester. Die Anzahl der Messen hatten hingegen Heinrich Scharf und Otto Voge im Auge; letzterer bestimmte jedem Priester in Stralsund 4 Schilling sundisch für jeweils eine Vigilie und eine Seelmesse18, während Scherff 1 Mark sundisch für sechs Messen und 10 Mark sundisch für Vigilien und Seelmessen vorsah, welche innerhalb von zwei Tagen gehalten werden
sollten.19 Häufiger als
das Bestreben, mehrere Messen an verschiedenen Orten in möglichst kurzer Zeit feiern zu lassen, begegnet nun allerdings das Verlangen nach Meßreihen, die in den letzten fünfzig Jahren vor der Reformation zum dominierenden Element unter den testamentarischen Meßstipendien wurden. Mit Abstand am häufigsten wurden dabei vierzig Messen nachgefragt, nämlich achtzehnmal20, gefolgt von dreißig21, fünf22 und fünfündvierzig23 Messen mit sechs, fünf beziehungsweise vier Nennungen. Dagegen wurden Reihen von sechs, sieben, elf, zweiundvierzig und achtundvierzig Messen jeweils nur einmal verlangt.24 Mit der zunehmenden Verbreitung der Meßreihen ging auch eine Tendenz zu deutlich kürzeren Bußzeiträumen einher. Zwar läßt sich nicht mit Sicherheit sagen, daß in jedem Fall an eine Abhaltung der Messen in einem auf ebensoviele Tage begrenzten Zeitraum gedacht war, da die Testamente bei solchen Legaten dazu keine Angaben enthalten. Doch selbst wenn bei dem Wunsch nach einer der genannten Meßzahlen mitunter lediglich an bestimmte Meßformulare gedacht gewesen sein sollte, so darf man dennoch davon ausgehen, daß die Messen nach dem Tod des Testators in jedem Fall zügig abgehalten werden sollten. Dagegen sind wesentlich längere Bußzeiträume zwar immer noch anzutreffen, befinden sich nun aber deutlich in der Minderheit.25
17 18 19 20 21 22 23 24 25
StAS Test. Nr. 651. StAS Test. Nr. 670. StAS Test. Nr. 676. S. StAS Test. Nr. 788, 838, 850, 852, 859, 860, 863, 913, 917, 921, 932, 941, 965. S. StAS Test. Nr. 700, 788, 863, 917. S. StAS Test. Nr. 788, 829, 852, 863, 972. S. StAS Test. Nr. 728, 866. S. StAS Test. Nr. 676, 734, 788, 829, 884. Während eines Jahres sollten nach dem Willen von Hans Bure und Heinrich und Trutke Eckholt regelmäßig Messen gelesen werden; StAS Test. Nr. 717, 972. Hans Pustow erwartete von den Dominikanern für sein Legat je ein Begängnis nach dem Tod, nach vier Wochen und am Jahrtag und knüpfte damit an altgewohnte Memorialformen an; StAS Test. Nr. 927. Einen ebenfalls begrenzten, aber womöglich weitaus längeren Zeitraum sah eine Regelung von Hermann Virow vor, der der Jakobikirche die beiden Keller in seinem Haus in der Heilgeiststraße übertrug, wovon man seinem Sohn
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Fegefeuer und Weltengericht Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen
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In welcher Weise sind die Beobachtungen über die Meßwünsche in den Stralsunder Testamenten zu interpretieren? Am Ausgangspunkt der Überlegungen hat der überraschende Befund zu stehen, daß zeitlich befristete Meßstipendien keineswegs zu den gängigen Bußmitteln zählten. Daraus darf man jedoch nicht folgern, daß die Messe keinen essentiellen Bestandteil der Übergangsriten bildete. Denn offensichtlich bedurfte die Sicherung der Begräbnisliturgie selbst keiner testamentarischen Vorsorge, und auch über diesen Kern der liturgischen Begleitung der Seele ins Jenseits hinaus stellt sich die Frage, in welchem Maße der Testator auf die Initiierung zusätzlicher Meßopfer durch die Angehörigen oder die Testamentsvollstrecker rechnete, sei es, daß diese durch feste Gewohnheiten geregelt waren oder womöglich auch auf mündliche Absprachen zurückgingen. Viele Testatoren nämlich setzten im Hinblick auf die Sorge für das Seelenheil ein durchaus nicht geringes Vertrauen in die Personen ihrer nächsten Umgebung; dies offenbaren Bitten an Angehörige, etwas für das Seelenheil des Verstorbenen zu tun, oder Vollmachten für Testamentsvollstrecker, bestimmte Güter nach eigenem Gutdünken für das Seelenheil des Testators zu verwenden. Da also auch auf solchen Wegen Messen für die Verstorbenen zustande kommen konnten, sind die expliziten Meßwünsche der Testatoren weniger als Indikator für die tatsächlich erbrachten Meßopfer anzusehen denn für das individuelle Bedürfnis, sich ganz bestimmter Meßleistungen zu versichern. So verstanden, behalten die Testamentsklauseln durchaus einen Aussagewert für überindividuelle, langfristige Wandlungen in der Seelenheilvorsorge und den damit verbundenen Jenseitsvorstellungen. Die Veränderungen in den testamentarischen Meßverfügungen deuten in mehrfacher Hinsicht an, daß ein bestimmtes Bild von dem jenseitigen Schicksal der Seele die Vorbereitungen auf den eigenen Tod zunehmend beeinflußte. Es ist dies die Vorstellung vom Fegefeuer als einem Ort, an dem die Seele für die im irdischen Leben zwar noch bereuten, aber nicht mehr gebüßten läßlichen Sünden Qualen erleiden muß.26 Um davon erlöst zu werden und anschließend Eingang ins Paradies zu finden, bedarf es der vollständigen Genugtuung, die allerdings durch stellvertretende Bußleistungen und Fürbitten unterstützt und damit abgekürzt werden kann. Jeder armen Seele steht also eine individuelle Zeit im Fegefeuer bevor, die sich nach den unverbüßten Sünden und der Bußunterstützung durch Dritte bemißt. Diese auf dem Konzil von Lyon 1274 zur offiziellen Lehre erhobene Anschauung mußte die Aufmerksamkeit des reumütigen Sünders auf drei Termine lenken: erstens auf die Stunde des Todes, denn die jenseitige satisfactio der Sünden setzte ein Sterben in Reue, günstigenfalls von einer priesterlichen Absolution begleitet, voraus; zweitens auf die Zeit unmittelbar nach dem Tod, in der ein individuelles Urteil über das weitere Schicksal der Seele fallen mußte,
eine Leibrente
6 M sund. zahlen und für den Rest Messen halten sollte; nach dem Tod des Sohnes die beiden Keller ohne weitere Bedingungen an die Nikolaikirche fallen; StAS Test. Nr. 959. Aus dieser Regelung wird man allerdings nicht unbedingt den Wunsch nach einem außergewöhnlich langen Bußzeitraum herauslesen dürfen, da fur sie wohl eher die Sicherung der Leibrentenzahlung bestimmend war. Vgl. zur Theologie und Geschichte der Fegefeueridee im Mittelalter Le Goff, Die Geburt des Fegefeuers (1984); Wehrli-Johns, Tuo daz guote (1994); Angenendt, Theologie und Liturgie (1984), 158-160, 185 f.; ders., Geschichte der Religiosität (1997), 705-711; ders., Rez.: Jacques Le Goff (1986); jüngst, mit einer umfassenden Bibliographie zum Thema, Dinzelbacher, Das Fegefeuer (1997).
jedoch sollten
26
von
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das vielleicht durch möglichst rasch erbrachte stellvertretende Bußleistungen und Fürbitten günstig beeinflußt werden konnte die Erwartung eines Partikulargerichts, obschon in den theologischen Erörterungen der Scholastiker und wohl auch in der populären Verkündigung in geringerem Maße als das Fegefeuer selbst thematisiert, ergab sich fast zwangsläufig aus der Fegefeuervorstellung; drittens schließlich auf die Zeit des eigenen Aufenthalts im Fegefeuer, über deren individuelle Dauer man sich bestimmte Vorstellungen machte, nach deren Maßgabe man sinnvollerweise die stellvertretenden Bußleistungen zur Abkürzung der Leiden terminierte. Von diesen drei bedeutsamen Phasen auf dem erhofften Weg in den Himmel ist es vor allem die letzte, deren Konturen sich im Spiegel der testamentarischen Meßstipendien abzeichnen. Erst einmal ist es überhaupt der vermehrte Einsatz von individuell gestalteten und terminierten Messen, der auf das Fegefeuer hindeutet. Dabei ist insbesondere zu beachten, daß mit der Zahl der Meßstipendien auch das Bedürfnis wuchs, immer genauere Bestimmungen zur Durchführung der Messen zu formulieren. Diese zielten, womit man beim zweiten Anhaltspunkt anlangt, vor allem auf den Zeitraum, innerhalb dessen die Messen zu feiern waren. Die Fristen spiegeln in ihrer Vielfalt individuelle Erwartungen über das jenseitige Seelenschicksal, welche ihrerseits wiederum dem Einfluß von traditionellen, sozial geprägten Praktiken und Vorstellungen unterlagen. So wurden häufig die Jahres- und die Monatsfrist gewählt, die als Gedenk- und Bußzeiträume im gesamten Mittelalter eine zentrale Rolle einnahmen. Im Fall der Monatsfrist wirkte allerdings nicht allein der althergebrachte Usus förderlich, sondern auch die auf Gregor den Großen zurückgehenden Erzählungen von der Erlösung armer Seelen nach der Feier einer dreißigtägigen Meßreihe. Die sich seitdem herausbildende liturgische Praxis von Meßreihen liefert den dritten Hinweis auf die Fegefeuererwartungen bei den Stralsunder Testatoren; denn seit den Empfehlungen Papst Gregors standen Meßreihen im Ruf einer besonderen Erlösungskraft, der zunehmend unabhängig von ihrer Länge und der unterschiedlichen Zusammensetzung ihrer Meßformulare wurde. Besondere Wirkungen für die Erlösung der Fegefeuerseelen wurden im übrigen der Reihe von fünf Messen zugesprochen; sie hatte sich aus einer jüngeren, der Verehrung der Leiden Jesu gewidmeten Form des Septenars entwickelt und erinnerte an die fünf Wunden Jesu und damit zugleich an das mit dem Leiden Jesu verbundene Erlösungsversprechen.27 Daß die fünf Messen auch in Stralsund in diesen Zusammenhang gebracht wurden, wird daran deutlich, daß sie in den Testamenten als de vyffpyne myssen2*, als de vyffnoth myssen oder auch als fegefurs myssen30 bezeichnet wurden. Im Unterschied zur imaginierten Frist im Fegefeuer zielten auf die Zeit zwischen Tod und Partikulargericht nur sehr wenige Meßstipendien in deutlicher Weise, indem sie zusätzliche Messen vor Abschluß der Begräbnisfeier ansetzten.31 Zwar ist dabei zu beachten, daß auch -
27 28 29 30 31
Franz, Die Messe (1902), 261-264. StAS Test. Nr. 829. StAS Test. Nr. 863. StAS Test. Nr. 972. StAS Test. Nr. 534, 788. Etwas häufiger findet sich die Zeit zwischen Tod und bei Almosengaben; s. oben S. 114.
Beerdigung als Termin
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bei manchen Legaten für nicht terminierte, aber offenbar bald nach dem Tod abzuhaltende Messen der Gedanke an ein Individualgericht maßgebend gewesen sein könnte; dennoch erweist sich bei der Formulierung von testamentarischen Meßstipendien die Vorstellung vom Fegefeuer im ganzen von größerer Wirkungsmacht als die Idee eines Partikulargerichts. Waren also Partikulargericht und Fegefeuer in unterschiedlicher Intensität Bestandteil der Jenseitsvorstellungen von Stralsunder Testatoren, so erscheint es für eine etwas genauere Einschätzung ihrer Wirkungsmacht doch sinnvoll, die Stralsunder Ergebnisse mit den von Jacques Chiffoleau für die Grafschaft Venaissin gewonnenen Befunden zu vergleichen. Dabei zeichnet sich ab, daß die südfranzösischen Testamente in mehrfacher Hinsicht eine deutlichere Sprache sprechen als die Stralsunder. Vor allem die relative Häufigkeit zeitlich befristeter Meßstipendien überhaupt nimmt sich im Vergleich weit höher aus.32 Auch der Variantenreichtum in der Ausgestaltung der Messen, insbesondere in der Wahl von Meßformularen33, und das Streben nach großen Meßzahlen und nach deren Anhäufung in kurzen Zeiträumen34 erscheint stärker ausgeprägt als in Stralsund, wobei hier einschränkend ein größeres Untersuchungsgebiet respektive eine höhere Gesamtzahl von Testamenten in Rechnung zu stellen ist. Bemerkenswert wirkt nicht zuletzt die zeitliche Verschiebung der Phänomene: Während in Südfrankreich bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts eine starke Verbreitung kumulativer Messen zu registrieren ist, begegnen in dieser Zeit zwar auch in den Stralsunder Testamenten derartige Meßlegate, die jedoch erst rund hundert Jahre später einen spürbaren Anstieg verzeichnen. Durch diesen Vergleich, der sich in Ermangelung ähnlich systematischer Untersuchungen nicht auf deutsche Gebiete ausdehnen läßt, wird unterstrichen, was bereits die isolierte Betrachtung der Stralsunder Testamente nahelegte: Das Verlangen von Stralsunder Testatoren nach bestimmten, auf das Fegefeuer verweisenden Messen nahm auch gegen Ende des 15. Jahrhunderts keineswegs Ausmaße an, die dazu berechtigten, von einer allgemeinen Ausrichtung des Testierverhaltens auf die Erwartung des Fegefeuers zu sprechen. Die Gründe hierfür dürften kaum auf der Ebene der Glaubensvermittlung zu suchen sein. Denn die Dominikaner und Franziskaner, die an der Ausformulierung der Fegefeuerlehre im 13. Jahrhundert und ihrer anschließenden Propagierung wesentlichen Anteil hatten35, waren in Stralsund seit der Mitte des 13. Jahrhunderts durch Konvente vertreten, deren Predigttätigkeit der Fegefeueridee in der Folge sicherlich zu einem hohen Bekanntheitsgrad verholfen hatte. Aus dieser Hypothese ergibt sich eine gewisse in ihren Ausmaßen allerdings unbestimmbare Diskrepanz zwischen den Inhalten der Glaubensverkündigung auf der einen Seite und den aus der untersuchten Testierpraxis hervortretenden religiösen Vorstellungen der Laien auf der anderen Seite. Sie läßt nach weiteren Aspekten der Testierpraxis -
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33 34 35
Chiffoleau gibt nur für zwei Orte konkrete Zahlen an: In Cavaillon sahen seit etwa 1350 65 % bis 70 % der Testatoren kumulative Messen vor, in Valréas sogar zwischen 80 % und 95 %; Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 341. S. ebd., 324 f. S. ebd., 345-347. Vgl. dazu Le Goff, Die Geburt des Fegefeuers (1984), 287-329, 377-389; Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 393-399, 417.
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Ausschau halten, die zusätzlichen Aufschluß über Vorstellungen und Verhaltensweisen im Angesicht des Todes versprechen. Als solche bieten sich vor allem zwei Gegenstände mit deutlich zu unterscheidenden Aussagewerten an, nämlich die Arengen der Testamente und die Klauseln über die Gestaltung des Begräbnisses. Während letztere ebenso wie die Seelenheilgaben neben anderem dem Einfluß der je persönlichen Jenseitsvorstellungen unterliegen, eignet ersteren eine andere Qualität36: Da die Arengen von den Testamentsschreibern abgefaßt wurden, ohne daß die Testatoren in den meisten Fällen darauf in größerem Maße Einfluß nahmen37, besitzen die darin aufgeführten Motive und Vorstellungen topischen Charakter und sind zudem häufig je nach den Gewohnheiten und stilistischen Ambitionen der Schreiber in stereotyper Weise formuliert. Daher geben sie in der Regel weniger Auskunft über individuelle Erwartungen und Empfindungen angesichts des eigenen Todes als vielmehr über langfristige Veränderungen kollektiver Anschauungen. Diese Regel bleibt im Falle Stralsunds allerdings nicht ohne Ausnahme, da manche Testatoren die Möglichkeit, auf die Arengenabfassung Einfluß zu nehmen, offenbar genutzt und eine vom Üblichen deutlich abweichende Gestaltung der Arenga bewirkt haben. Zu beobachten ist dies vor allem bei Klerikern38 und bei hochgestellten Persönlichkeiten der städtischen Gesellschaft.39 Solche Ausnahmen ändern jedoch,
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Vgl. dazu auch Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 105; Baur, Testament und Bürgerschaft (1989), 75. 37 S. zum Vorgang der Testamentsabfassung allgemein oben S. 47. 38 So erscheinen in der Arenga des Testaments des Stralsunder Priesters Petrus Remmeler zwei Bibelzitate, das eine (dispone domui tue, quia morieris tu et non vives; s. Jes. 38, 1) in der Einleitung des Notariatsinstruments, das zweite (vigilate, quia nescitis diem neque horam; s. Matth. 25, 13) in dem von Remmeler selbst verfaßten und in die Notariatsurkunde inserierten Testamentstext; StAS Urk. Marienkrone Nr. 83. Dieses Beispiel verweist auf zwei Faktoren, die den Testamentsarengen von gebildeten Klerikern eine individuellere Note verleihen konnten: zum einen eine überdurchschnittliche theologische Bildung, die die Möglichkeiten der eigenen Auswahl und Ausgestaltung der Arengentopoi ausweitete, zum anderen die Befähigung, das Testament überhaupt selbst abzufassen und lediglich zur rechtlichen Sicherung der notariellen Überarbeitung zu überantworten; vgl. auch die Testamente von Gottfried Gute (StAS HS IX.2, Kopiar III, S. 177-180), Michael Lilie (ebd., Kopiar I, S. 53 f.) und Ludolf von Dorpen (StAS HS 1672, S. 70-73). 39 Eine auffällige Länge und inhaltliche Ausformung weisen die Arengen der beiden überlieferten Testamente des Ratsherrn Matthias Bene auf, während die Arenga im Testament von Bürgermeister Roloff Möller eine unübliche Ausformulierung gängiger Ideen enthält; StAS Test. Nr. 633, 657; StAS Stadt. Urk. Nr. 1810a. Daß sich solche Auffälligkeiten gerade bei Mitgliedern der engeren Führungsschicht offenbaren, steht womöglich in Zusammenhang mit einem besonderen Umstand der Testamentserrichtung nach lübischem Recht, welcher sich beim Procederé einer notariellen Testamentsabfassung nicht ergab; gemeint ist die Einbringung des Testaments in den Rat durch zwei als Zeugen der Testamentserrichtung und Empfänger des Testaments entsandte Ratsherren; dadurch wurde eine gewisse Öffentlichkeit des Testaments hergestellt, die insbesondere Mitglieder des Rates zu einer bestimmten Selbstdarstellung auch mittels der Arenga animiert haben könnte. Zur Testamentserrichtung nach lübischem Recht Ebel, Bürgerliches Rechtsleben (1954), 32 f.; irrtümlicherweise nimmt Pauli offensichtlich an, daß die Einbringung in den Rat für die Rechtsgültigkeit nicht notwendig war; Pauli, Abhandlungen (1841), 202-217. 36
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zumal da
offenbleibt, ob die jeweiligen Besonderheiten auf individuelle Ausformungen von Glaubensüberzeugungen oder auf andere Faktoren zurückzuführen sind, nichts an der Tatsache, daß der Aussagewert der Arengen im wesentlichen auf den Wandlungsprozeß kollektiver Vorstellungen beschränkt ist.40 Unter den Veränderungen, die die Arengen der Stralsunder Testamente über zweihundert Jahre hinweg erfahren haben, fällt zuerst einmal deren allmähliches Anschwellen auf. Während in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Einleitung des Testaments, genauer: der Abschnitt zwischen der Intitulatio und dem ersten dispositiven Legat41, meist auf etwa zehn bis zwanzig Wörter beschränkt war, nimmt ihr Umfang in der Folgezeit kontinuierlich zu und umfaßt seit der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts bei einer durchschnittlichen Länge von nunmehr etwa 100 bis 120 Wörtern mitunter an die 160 bis 180 Wörter.42 Dieser Prozeß Gegensatz zu Testamenten der beiden genannten Personengruppen finden sich ansonsten in der Regel nur punktuelle Auffälligkeiten; beispielsweise wird im Testament des Stralsunder Bürgers Hans vom Rode der Topos von der Gewißheit des Todes und der Ungewißheit der Todesstunde mit dem Verweis auf dessen Urheber, Papst Gregor den Großen, verknüpft; StAS Test. Nr. 664. Bei solch verIm
einzelten Besonderheiten läßt sich nicht klären, ob sie auf den Testator oder den Schreiber zurück-
gehen.
40
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Überlegung heraus, daß für die Erfassung kollektiver Vorstellungen und ihrer langfristigen Veränderungen in den Arengen eine streng quantifizierende Auswertung aller verfügbaren Testamente nicht notwendig sei, wurde die Untersuchung begrenzt auf die Stiftertestamente sowie eine weitere Gruppe von etwa 100 Testamenten, die als ,Gegenprobe' fungierte, mit der also die Möglichkeit ausgeschlossen wurde, daß zwischen den Arengen von Stiftertestamenten und denen von Testamenten ohne Stiftungen signifikante Unterschiede existieren könnten. Da zu diesem Zweck nur knapp ein Drittel aller Testamente ausgewertet wurde, können die Ergebnisse lediglich in Form einer qualitativen Beschreibung und nicht einer quantitativen Analyse dargestellt werden, wodurch aber ihre grundsätzliche Aussagefähigkeit in dem hier interessierenden Rahmen keinen Abbruch erfahrt. Der Aufbau der Stralsunder Testamente weicht vom idealtypischen Aufbau der mittelalterlichen Urkunde in erheblicher Weise ab. Dies gilt insbesondere auch für den Abschnitt nach der Invocatio und Intitulatio, der in wechselnder Abfolge Elemente enthält, die nach der diplomatischen Lehre verschiedenen Formularteilen zuzuordnen wären. So finden sich vor dem Beginn der Dispositio allgemeinere Begründungen für die Testamentserrichtung also die Arenga im engeren Sinn ebenso wie mitunter ein ganz konkreter Anlaß der Abfassung, mithin ein narratives Element, und rechtserhebliche Klauseln, insbesondere die Sana-mente-Formel, welche am ehesten der Dispositio zuzurechnen wäre. Bemerkenswert ist auch, daß die seit der zweiten Hälfte des 14. Jh. anzutreffende commendatio anime innerhalb der Dispositio, nämlich in der Regel vor dem ersten Legat, erscheint. Angesichts dieser Umstände wurde in die Untersuchung der ,Arenga' der gesamte Einleitungsteil bis zum ersten materiellen Legat einbezogen. Vgl. zum Formular der Konstanzer Testamente ausführlich Baur, Testament und Bürgerschaft (1989), 73-106. Eine auffällige Ausnahme stellt das Testament von Hans Pustow von 1512 mit einer Einleitung von deutlich mehr als 300 Wörtern dar, was vor allem auf einen längeren Passus über die Frage des Eigentums an den im Testament verfügten Gütern zurückzuführen ist; es hebt sich im übrigen auch in anderer Hinsicht von den sonstigen in den Rat eingebrachten Testamenten ab, so insbesondere dadurch, daß es zur Beglaubigung nicht nur als Chirograph ausgefertigt wurde, sondern zudem Siegel und Beglaubigungstexte von acht Personen enthält, darunter dem Kleriker und ausfertigenden Notar Lambert Takol; StAS Test. Nr. 927. Doch Pustow begnügte sich nicht damit, seinen letzten Willen durch eine Kombination von Beglaubigungselementen des deutschrechtlichen Testaments und des römischrechtlichen Notariatsinstruments zu sichern und in den Rat einzubringen; darüber hinaus ließ er sein Testament Aus der methodischen
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ist zum einen dadurch bedingt, daß der Auflistung der Legate nun immer häufiger rechtserhebliche Klauseln vorangestellt werden, und zwar vor allem eine Erklärung des Testators darüber, daß er nur über selbsterworbene Güter, also nicht über torfachteigen verfüge.43 Zum anderen erfahren auch die auf den Tod und das Jenseits bezogenen Elemente eine gewisse Ausweitung, da mit der Zeit neue Gedanken hinzukommen und sich zu Topoi verfestigen und zudem die vorhandenen Elemente zum Teil eine sprachliche Ausgestaltung erhalten.44 Ein Wandel in der Sprache der Testamentsarengen wurde auch für andere Testamentscorpora konstatiert und als „Ästhetisierung der Urkundensprache" gewertet.45 Im Hinblick auf eine solche zumal schwierig zu fassende Kategorie wird man bei genauerer Betrachtung fraglos Unterschiede zwischen einzelnen Testamenten festzustellen haben46; gleichwohl läßt ein generalisierender Blick über zweihundert Jahre hinweg eine Tendenz erkennen, die man zumindest als zunehmendes Bemühen um die sprachliche Gestaltung der Arengentopoi charakterisieren kann. Damit spiegelt sich auf der sprachlichen Ebene eine Entwicklung wider, die die Untersuchung der Arengeninhalte deutlicher zum Vorschein kommen läßt; gemeint ist eine zunehmende Thematisierung des eigenen Todes, die zugleich als Ausdruck einer stärkeren Wahrnehmung der eigenen Person verstanden werden kann. Angesprochen wird der eigene Tod vor allem in einem in den meisten Testamenten enthaltenen, promulgativen Hinweis darauf, daß das Testament in der im weiteren bestimmten Weise für den Fall des Todes errichtet sei. Dies geschieht bis in die siebziger Jahre des 14. Jahrhunderts meist mit den Worten si morte preventus/preventa fuero, einer Formulierung, die wahrscheinlich als dezenter Ausdruck des Bewußtseins der Gefahr eines jähen Todes zu interpretieren ist.47 Seit etwa der Jahrhundertmitte kommt daneben ein neues Bild des Todes -
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durch Reymar Hane, den Dompropst von Schwerin und Archidiakon zu Waren, konfirmieren und gab diese Bestätigungsurkunde in kirchliche Obhut; StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. 38. Eine solche Erklärung findet sich statt am Anfang oft auch am Ende der Dispositio, wodurch ein Versuch, die Entwicklung der Testamentseinleitungen exakt zu quantifizieren, ad absurdum geführt würde. Beispielsweise begegnet seit etwa der Mitte des 15. Jh. die commendatio anime immer häufiger mit folgendem Zusatz: 77io deme ersten male so bevele ik myne zeele in de hant Godes, dede se gheschapen hefft; StAS Test. Nr. 612. Baur, Testament und Bürgerschaft (1989), 77; vgl. Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 107 f. Um dies beispielhaft zu illustrieren, seien die parallelen Passagen zweier Testamente aus der Mitte des 15. Jh. gegenübergestellt. Dabei begegnen im Testament von Hans Kurlebeke durchaus gängige Wendungen, die eben deswegen nicht als Indiz eines besonderen stilistischen Bemühens gewertet werden können: na dem male, dat wissers nicht en is wen de dot unde nicht unwissers wen de stunde des dodes, hir umme ofte sik myn jegenwordige titlike lèvent wändeIde in dat ewige lèvent; StAS Test. Nr. 606. Im Vergleich dazu erscheinen die Formulierungen im Testament von Ludolf von Otmersen von einem merklichen Ausdruckswillen geprägt: Na deme, dat ik bekenne, dat hir in desseme vorghenklikeme levende nen blivent en is unde dat nicht wissers en is wen de dot unde nycht unwissers wen de stunde des dodes, hir umme weret zake, dat my de eweghe konink repe van desseme jamérdale unde my dit vorghenklyke lèvent wandelde in dat eweghe lèvent; StAS Test. Nr. 612. Wendungen, die deutlicher in diese Richtung weisen, begegnen selten; s. z. B. si morte subreptusfuero; StAS Test. Nr. 163. Mitunter findet sich bei schwerkranken Testatoren im Zusammenhang mit dem Todesgedanken ein nochmaliger Verweis auf den gegenwärtigen Zustand: in hac infirmitate mortis o. ä.; vgl. StAS Test. Nr. 151, 300.
IV.
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auf, welches die ältere Wendung allmählich ablöst. Der Tod erscheint danach als Verwandlung des irdischen in das ewige Leben.48 Dieses Bild darf, obwohl es vielleicht einen solchen Eindruck erweckt, nicht als untrügliches Indiz einer Heilsgewißheit verstanden werden. Daß der Gedanke
an
den
Übergang
vom
irdischen
zum
jenseitigen
Leben
von
einer
enormen
Spannung begleitet ist, offenbart sich in einem Zusatz, der im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts sehr häufig mit dem Verwandlungstopos verbunden ist, so beispielsweise in dem Testament von Hans Lange von 1500, in dem es heißt: weret sake, dat de allemechtige Ghodt dyt titlike lèvent wandelde yn dat ewyge lèvent, des de stunde yo salich sy.49 In dieser
beschwörenden Formel deutet sich die Tragweite der hora mortis an. Sie ergab sich zum einen aus dem Erfordernis, vor dem Dahinscheiden die noch unverbüßten Sünden zu bereuen und günstigenfalls die priesterliche Absolution zu erhalten, um im Fegefeuer die noch ausstehenden Sündenstrafen abbüßen zu können; diese in der hochscholastischen Bußtheologie begründete Vorstellung zog zugleich die Angst vor einem jähen Tod nach sich, der innere Reue und äußeres Bekenntnis der Sünden vereiteln könnte. Zum zweiten erhält die Todesstunde dadurch Gewicht, daß sie eine kardinale Entscheidungssituation nach sich zieht, nämlich das Partikulargericht, durch dessen Ausgang das weitere Schicksal der Seele bestimmt wird. Als ein weiterer, indirekter Verweis auf die Todesstunde kann die commendatio anime verstanden werden, die um die Mitte des 14. Jahrhunderts aufkam und bald einen festen Platz am Anfang der Testamentsdispositio gewann, indem nämlich der Testator in Form einer ersten testamentarischen Bestimmung seine Seele in die Hände Gottes befahl.50 Sie verweist insofern auf das Sterben, als die Anempfehlung der eigenen Seele bereits im Hochmittelalter, so etwa im Rolandslied, als Teil eines vorbildlichen Todes galt51, noch mehr aber, als die commendatio anime durch den Priester im Spätmittelalter zu einem festen Bestandteil der Sterbeliturgie geworden war.52 Infolge ihrer etwas weitergespannten Wurzeln läßt sich die testamentarische commendatio anime allerdings schwerlich in einen exklusiven Zusammenhang mit einer bestimmten Jenseitsvorstellung bringen. Diese Feststellung bedarf jedoch einer gewissen Einschränkung, sobald man ein Phänomen miteinbezieht, das seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts Raum greift. Immer häufiger ist nun die commendatio anime verbunden mit einer Anempfehlung des toten Körpers. Anfangs werden Seele und Körper noch gemeinsam in die Hände Gottes befohlen, doch etwa seit der Jahrhundertmitte wird die Trennung in doppelter Hinsicht vollzogen, so beispielsweise 1467 durch Heinrich Hofinester
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Einen Wandel erfährt dabei das Subjekt der Verwandlung. Als solches erscheint in der im 14. Jh. üblichen Wendung der Testator selbst: si hanc vitam mutabo in eternam; s. z. B. StAS Test. Nr. 228, 327, 341, 346, 357, 360, 367, 399. Seit den 1420er Jahren wird hingegen immer häufiger Gott als der Urheber der Verwandlung genannt, so beispielsweise im Testament von Curd Bischop: Wen my Got wandelt dit ieghenwardighe lèvent in dat ewighe lèvent; StAS Test. Nr. 549. StAS Test. Nr. 837. Zur Veranschaulichung des dispositiven Charakters sei beispielhaft aus dem Testament von Dietrich Koldehove von 1360 zitiert, in dem es heißt: in hunc modum meum facio et dispono testamentum. Primo omnipotenti Deo commendo animam meam; StAS Test. Nr. 266. Haas, Tod und Jenseits ( 1994), 71 f. Vgl. ///;', Wohin die Toten gingen ( 1992), 84.
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in einer später immer wieder begegnenden Formulierung: Interste so bevele ik myne sele in de hand des almechtigen Godes, de se geschapen heft, unde den lycham der erden, dar he van gekomen is.53 Hinter dieser doppelten commendatio steht offenbar der Gedanke an eine sofortige Trennung von Seele und Körper im Moment des Todes und damit eine Vorstellung, die zumindest nicht im Widerspruch zur Fegefeuerlehre steht und die eine Abkehr von älteren Modellen einer gewissen Zeit des Übergangs vom Diesseits in das Jenseits vollzogen hat.54 In Verbindung mit dem konkreten Gedanken an den eigenen Tod steht in den Testamentseinleitungen oft ein zweites, allgemeineres Thema: die conditio humana. Es wird bestimmt von zwei Motiven, der Sterblichkeit des Menschen und dem Nichtwissen um den Zeitpunkt des Todes, welche sich gegen Ende des 14. Jahrhunderts zu einem eingängigen, in der Folge sehr häufig verwendeten Topos verbinden, nämlich dem, dat nicht wissers is wen de dot unde nicht unwissers wen de stunde} Dieses Motiv begegnet mitunter auch in etwas ausführlicheren und weniger formelhaften wohingegen sich darüber hinausüber die irdische Existenz des Menschen relativ selten finden.57 Ebenso gehende Aussagen selten wird auf ein zentrales Movens bei der Testamentserrichtung ganz explizit hingewiesen, nämlich die Angst vor einem Intestattod, die sich aus den Erfahrungen der Mortalitätskrisen und aus den Gedanken an die Folgen eines unvorbereiteten Todes für das eigene Seelenheil
Wendungen56,
speiste.58
StAS Test. Nr. 659. Statt einfach nur der Erde wird der Leichnam mitunter auch einem christlichen Begräbnis befohlen; s. z. B. StAS Test. Nr. 653, 696, 837. 54 Vgl. Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 113, 116. 55 StAS Test. Nr. 747. 56 Beispielsweise wird der Sterblichkeit des Menschen im Testament des Ratsherrn Arnold Voet mit den Worten Ausdruck verliehen, dat in desseme tytliken levende nen blivent en is; StAS Test. Nr. 613; vgl. auch StAS Test. Nr. 605, 612, 615, 633, 657, 737, 817. 57 Derartige Formulierungen benennen die menschliche Existenz etwa als das arme bedrovede lèvent (StAS Test. Nr. 676, 774) oder das arme kortte lèvent (StAS Test. Nr. 734). Daß diese theologisch geprägte Sicht auf das irdische Leben keineswegs mit Weltverachtung bzw. Todessehnsucht verbunden sein mußte, belegt in prägnanter Weise das Testament des Kaufmanns Johann Ossenbrugge, welches dieser vor Antritt einer Handelsreise für den Fall errichtete, si huius carnis ergastulum resignavero, quod autem Deus avertat; StAS Test. Nr. 285. 58 So bekundete Arnold Voet im Jahre 1355, er mache sein Testament nullatenus volens discedere intestatus; StAS Test. Nr. 215; vgl. auch StAS Urk. Marienkrone Nr. 83. Nicht einen Tod ohne vorheriges Testament hatte der Ratsherr Matthias Bene 1466 vor Augen, aber dafür die damit verwandte Gefahr, daß man im Falle schwerer Krankheit nicht mehr mit dem notwendigen Bedacht Vorsorge für das eigene Seelenheil treffen und noch weniger den weltlichen Besitzangelegenheiten Aufmerksamkeit schenken könnte: na deme dat in deme testen unses levendes des mynschen vornuft unde reddelicheil menliken unde myt swarer krancheid so gantz sere wert vordrucket unde belastet, dat de mynsche uppe de tyd nicht wol kan bedenken syner seien salicheit, also em des behoeffis, wo vele myn mach he sik denne bekümmeren mit werliken bedryve ofte schicken sin tydlike gut nach syme willen, also id em nutte dünket; StAS Test. Nr. 657; fast gleichlautend das erste Testament Benes von 1459; StAS Test. Nr. 633. Die möglichen irdischen Folgen eines Intestattodes nannte Hans Huxer 1458 beim Namen: Ik hebbe van Godes gnaden overtrachtet, dat nicht wissers is wen de dot unde nicht unwissers wan des dodes stunde, ok dat vele werres unde vordretes vaken wert mang den erven derjenne, de sunder 53
...
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Ein letztes, für die Jenseitsvorstellungen aufschlußreiches thematisches Element der Testamentsinitien bildet das aus ihnen hervortretende Gottesbild. Es läßt sich zwar nur mit sehr wenigen Strichen zeichnen, gibt aber wenigstens einen wichtigen Aspekt zu erkennen. Als Attribut Gottes erscheint in den Testamenten am häufigsten und über die ganze Zeit hinweg seine Allmacht.59 Nun liefert diese Zuschreibung noch kernen klaren Aufschluß über die Frage, ob das Gottesbild mehr von der im Frühmittelalter wurzelnden Vorstellung des gerechten, aber unerbittlichen Richters bestimmt war oder von dem durch die Hochscholastik wiederbelebten Gedanken an die im Erlösungstod Christi geoffenbarte Barmherzigkeit Gottes. Diese Frage findet aber insofern eine Antwort, als der richtende Gott in den Testamentseinleitungen keine weitere Thematisierung erfahrt, während im 15. Jahrhundert statt dem Allmächtigen des öfteren deme barmhertigen Gade gehuldigt wird.60 Die Anrufung der Barmherzigkeit Gottes geschieht zumeist in der commendatio anime61, was den Eindruck verstärkt, daß sich eine Verbindungslinie ziehen läßt zwischen den hier greifbaren theologischen Elementen des Erlösergottes und der raschen Trennung von Körper und Seele im Tode auf der einen Seite und dem Partikulargericht und Fegefeuer als einer im Grunde optimistischen, weil das letztendliche Heil aller Fegefeuerseelen beinhaltenden Jenseitskonzeption auf der anderen Seite. Bestätigt wird diese Überlegung durch die Beobachtung, daß nicht nur der Richtergott, sondern auch das enger mit diesem Gottesbild verknüpfte Weltengericht in den Testamentseinleitungen keine Rolle spielt. Kaum gelingen kann der Versuch, die skizzierten Arengeninhalte und ihre Wandlungen auf einen knappen Nenner zu bringen, da sie sich nicht zu einem in sich geschlossenen, detailreichen Bild zusammenfügen. Es läßt sich aber zumindest soviel festhalten, daß die wesentlichen Elemente sich im Einklang mit der von der Kirche verkündeten Büß- und Fegefeuerlehre befinden beziehungsweise ihr zumindest nicht entgegenstehen. Beachtenswert ist dabei freilich, daß die einzelnen Glaubenselemente und Vorstellungstopoi nicht alle von Anfang an präsent sind, sondern erst allmählich und in verschiedenen Phasen in Erscheinung treten. Dies gilt vor allem für die Ausprägung des Bildes von einem barmherzigen Gott, das im 15. Jahrhundert greifbar wird, und für zwei Elemente, die auf eine Dramatisierung der
vorsterven; StAS Test. Nr. 631. Zwietracht unter den Erben also: ein Szenario, an dessen Vermeidung tatsächlich jedem Testator gelegen sein mußte. So vor allem in der formelhaften Wendung Primo omnipotenti Deo commendo animam meam, wie sie sich beispielsweise im Testament Johann Langes von 1359 findet; StAS Test. Nr. 235; vgl. ebenso testament
59
StAS Test. Nr. 232, 266, 297, 306, 324, 341, 346, 360, 399
u. a. m.
Da Gott im 14. Jh. meist
nur
im
Zusammenhang mit der commendatio anime erwähnt wird, die wiederum erst um die Jahrhundertmitte auftritt, ist auch seine Beschreibung als Allmächtiger erst seit dieser Zeit greifbar. Ein vergleichbares, indes weniger häufig anzutreffendes Attribut sieht Gott als omnium creator; s. etwa StAS Test. Nr. 60
61
301, 302, 369. Das Attribut der Barmherzigkeit begegnet über das ganze Jahrhundert hinweg, allerdings mit einer deutlichen Häufung etwa zwischen 1475 und 1495, und wird in den ersten beiden Jahrzehnten des 16. Jh. wieder fast vollständig verdrängt; s. u. a. StAS Test. Nr. 402, 500, 556, 633, 657, 694, 697, 698, 699, 704, 713, 715, 717, 725, 730, 734, 737, 740, 752, 753, 773, 774, 783, 787, 837, 875. So beispielsweise im Testament Johann Sateroks von 1475, in dem er bestimmt: Tome ersten so bevele ik myne sele deme barmhertigen Gode, de se geschapen heft, unde mynen licham der erde, dar he van gekamen is; StAS Test. Nr. 698.
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Todesstunde hinweisen, nämlich die ebenfalls im 15. Jahrhundert begegnende commendatio corporis sowie die erst im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts aufkommende Beschwörung einer seligen Todesstunde. Die Frage, welche Vorstellungen sich mit der Zeit des Todes verbanden, läßt sich noch aus einer anderen Perspektive beleuchten, indem man von den Arengen als in starkem Maße sozialisierten und literalisierten Glaubensmanifestationen wieder zur Ebene der rituellen Praktiken zurückkehrt und die Wünsche der Testatoren hinsichtlich der Gestaltung ihres Begräbnisses in den Blick nimmt.62 Dabei wird man allerdings mit dem methodischen Problem konfrontiert, daß die entsprechenden Erwartungen nur einen begrenzten, häufig auch überhaupt keinen Niederschlag in den Testamenten gefunden haben.63 Dafür lassen sich vor allem zwei Gründe namhaft machen: Zum einen konnten mündliche Anweisungen des Testators oder schriftliche Vereinbarungen mit der jeweiligen Kirche testamentarische Dispositionen überflüssig werden lassen.64 Zum anderen bildeten die Wahl des Grabortes und die Ausgestaltung der Leichenfeier ein Handlungsfeld, das in hohem Maße durch Regeln und Gewohnheiten strukturiert war und somit der besonderen Formung durch den Testator nicht unbedingt bedurfte: Der Begräbnisort ergab sich aus der Mitgliedschaft in der Pfarrgemeinde, wobei man sich diesem Pfarrzwang durch die Wahl einer Kirche gewöhnlich die eines Klosters oder Spitals entziehen konnte, die im Besitz eines Bestattungsprivilegs war.65 Der genaue Grabplatz auf dem Kirchhof oder im Kircheninneren konnte in Ermangelung einer Vorgabe des Testators ebenso in Ansehung seiner sozialen Stellung oder seiner Gaben für die betreffende Kirche bestimmt werden.66 Von diesen beiden Faktoren hing auch die Gestaltung der Bestattungsfeiern ab, wobei deren Ablauf und insbesondere deren Liturgie einigen wenigen, immer wiederkehrenden Grundmustern
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Vgl. zu Begräbnisbestimmungen in Stralsunder Testamenten auch Schildhauer, Hansestädtischer Alltag (1992), 26-29; Poeck, Omnes stabimus (1995), 241 f. 63 Nur in 112 von 194 Stiftertestamenten wird das Begräbnis in irgendeiner Hinsicht erwähnt. In 109 Fällen wird der Ort des Begräbnisses genannt, in 62 Fällen finden sich darüber hinausgehende Angaben zur Ausführung des Begräbnisses, die sich aber nicht selten in der Festsetzung des für das Begräbnis bestimmten Legats erschöpfen. 64 Eine Abmachung über die Bestattung konnte beispielsweise Teil eines Stiftungsaktes sein; hierfür läßt sich aus Stralsund allerdings nur das Beispiel des Priesters Ewald Rellin anführen, der 1514 in der Jakobikirche eine Priesterstelle stiftete und in der darüber von den Kirchprovisoren ausgestellten Urkunde auch einen Grabplatz im Chor mit einem seinen Namen tragenden Grabstein bewilligt erhielt; VpLAG Rep. 1 Stralsund 6. St. Jacobi 23. Die Zusage eines kostenfreien Begräbnisses im Gegenzug für eine Schenkung wurde in seltenen Fällen auch durch einen Eintrag im Liber memorialis abgesichert; s. LM 1, Nr. 237; LM 6, Nr. 37. Die Vereinbarung über bestimmte Bestattungsleistungen 62
konnte, in Stralsund offenbar aber ebenfalls nur ausnahmsweise, auch in Form einer Urkunde rechtsverbindliche Gestalt erhalten, wie ein Eintrag in einem Buch der Nikolaikirche belegt; danach
65 66
hatte der Priester Nikolaus Brisk von den Kirchprovisoren eine Urkunde über die ihm für seine Gabe in Höhe von 10 M sund. zugesagten Dienste erhalten; StAS HS 427, fol. 188v. Vgl. Uli, Wohin die Toten gingen (1992), 37, 49 f.; Baur, Testament und Bürgerschaft (1989), 178. Uli verweist in diesem Zusammenhang auf das Beispiel Biberach, wo die sozialtopographische Strukturierung des Kirchhofs weitgehend rekonstruiert werden konnte; Uli, Wohin die Toten gingen (1992), 43 f.
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folgte. Gleichermaßen bedurfte es keiner testamentarischen Disposition, um die Mitglieder eigenen Korporation zur Teilnahme am Leichenzug und an der Totenmesse zu veranlassen, gesetzt den durchaus häufig zu beobachtenden Fall, daß eine solche Teilnahme bereits durch die jeweilige Satzung zur Pflicht eines jeden Mitglieds erhoben war.68 Da also die Vorstellungen und Wünsche, die ein Testator mit seinem Begräbnis verband, nur in begrenztem und von Fall zu Fall variierendem Maße Eingang in sein Testament fanden, verbietet sich eine quantifizierende Auswertung der diesbezüglichen Dispositionen69 und ist bei der qualitativen Beschreibung und Interpretation der Befunde eine entsprechende Behutder
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samkeit geboten. Zum Scheitern ist insbesondere der Versuch verurteilt, die statistische Verteilung der Begräbnisse auf die einzelnen klerikalen Institutionen anhand der Erwähnungen in den Testamenten zu ermitteln. Die Nennung der jeweiligen Kirche, in knapp der Hälfte aller Testamente anzutreffen °, erfolgte nämlich mehrheitlich aus anderen Gründen als der Bestimmung des Begräbnisorts und ist demzufolge, methodisch betrachtet, in nicht geringem Maße dem Zufall unterworfen. Deutlich wird dies vor allem bei den drei Pfarrkirchen, die nach der Zählung Schildhauers zusammengenommen fast zwei Drittel aller Nennungen ausmachen.71 Denn infolge des Pfarrzwangs hätte es ihrer Erwähnung gar nicht bedurft, wenn das Motiv dafür nicht anderwärts zu suchen wäre. Immerhin kann man festhalten, daß neben den Pfarrkirchen auch die drei Stralsunder Klöster als Begräbnisorte erscheinen,
67
68
69 70 71
Die Stralsunder Überlieferung ermöglicht keine genauen Aufschlüsse über die örtliche Begräbnisliturgie; zum Beleg des allgemeinen und ohne Zweifel auch in Stralsund gegebenen Prozesses der liturgischen Vereinheitlichung lassen sich daher nur anderweitige Beispiele anführen. So zeigt der von Martin Uli ausführlich untersuchte Züricher Fall, daß die am dortigen Großmünster begangenen feierlichen Exequien für verstorbene Chorherren und für wohlhabende Laien, die dort ein Anniversar gestiftet hatten, in hohem Maße normiert waren; bei den einfachen Bestattungen ohne eine Aufbahrung des Leichnams in der Kirche läßt sich eine liturgische Standardisierung erst im ausgehenden 15. Jh. nachweisen, dürfte aber wohl ebenfalls schon früher eingesetzt haben; s. ebd., 78-108. In Stralsund ist die obligatorische Teilnahme am Leichenzug und an der Totenmesse belegt für die Leinewandschneiderkompanie (StAS HS 164, fol. 26v, 27v) und die Schifferbruderschaft (Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 1, Art. 16, 21). Darüber hinaus darfeine derartige Bestimmung für das Schuhmacheramt angenommen werden, wenn man davon ausgeht, daß die einen solchen Passus enthaltende Abschrift der Satzung der Anklamer Schuster von 1381 sich deshalb in der Überlieferung des Stralsunder Rates befindet, weil sie als Vorlage für einen Stralsunder Satzungsentwurf verwendet worden war; s. StAS HS VIII. 1. Daß sich aus Stralsund nicht mehr Beispiele anführen lassen, liegt ohne Zweifel allein an der Überlieferungslage, denn die Teilnahme am Begräbnis von Zunft- oder Bruderschaftsgenossen gehörte zu den üblichen Pflichten eines Korporationsmitglieds; vgl. Uli, Wohin die Toten gingen (1992), 99, 102 f., 105 f. In Anbetracht dieser Umstände wurde aus arbeitsökonomischen Gründen auf eine entsprechende Auswertung aller überlieferten Testamente verzichtet und der Kreis der dazu herangezogenen Testamente in derselben Weise begrenzt wie bei der Untersuchung der Arengen; s. oben S. 149 Anm. 40. So Johannes Schildhauer auf der Basis aller Testamente in der 1525; Schildhauer, Hansestädtischer Alltag (1992), 26. Ebd., 26.
Überlieferung des Stralsunder Rates bis
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wobei die beiden Mendikantenklöster bei weitem die meisten
hatten.72
Bestattungen
zu
verzeichnen
Einer der eben erwähnten Umstände, die zu einer eher zufälligen Erwähnung der Bestattungskirche führten, konnte in dem Bedürfnis liegen, den Begräbnisplatz möglichst genau zu fixieren. In aller Regel ging es in solchen Fällen um einen Platz innerhalb der Kirche. Ausschlaggebend für die Wahl der Grabstelle konnte der Wunsch sein, in der Nähe des Altars eines bestimmten Heiligen73 oder nahe bei anderen kultisch bedeutsamen Orten74 bestattet zu werden. Ein zweiter maßgeblicher Antrieb bestand darin, die Nähe bereits verstorbener Angehöriger zu suchen. Dies lag natürlich besonders nahe, wenn die Familie über eine eigene Kapelle verfügte75; aber auch bei anderen innerkirchlichen Begräbnisplätzen begegnet der Wunsch nach der Vereinigung mit der eigenen Familie.76 Im Zusammenhang mit der Grabstelle trafen manche Testatoren auch Vorkehrungen für eine Grabplatte. Im Testament selbst reduzierten sich diese allerdings meist auf die generelle Anweisung zur Anschaffung einer Platte, zum Teil ergänzt um die Angabe des dafür vorgesehenen Geldbetrags.77 Nur ausnahmsweise wurden weitere Details geregelt, wie etwa im Testament von Johann Grote, der einen bonum lapidem tumbalem de latitudine VIII pedum et in
72
73 74
75 76
77
78
longitudine Xpedum anforderte.78
Schildhauer gibt ihren gemeinsamen Anteil mit knapp einem Viertel aller Nennungen an. Weitere Begräbnisorte nach Ausweis der Testamente waren beim Jürgenspital am Strande und den Kapellen St. Gertrud und St. Maria Magdalena; s. ebd., 26. Das Heiliggeistspital erscheint in den Testamenten nicht als Bestattungsort; gleichwohl hatte es durch ein Privileg Herzog Wartislaws IV. von 1325 das Recht erhalten, die Spitalbewohner auf einem eigenen Kirchhof zu beerdigen; PUB VI, Nr. 3896. Vgl. z. B. StAS Test. Nr. 826, 896, 899. So begehrten Matthias Berndes und Sulge Holsten eine Bestattung bei Taufsteinen in der Jakobikirche bzw. Marienkirche; StAS Test. Nr. 863, 938. Nikolaus Klempe wollte im Kloster Marienkrone in der kercke yegen deme cruce beigesetzt werden; StAS Test. Nr. 806. Vgl. u. a. StAS Test. Nr. 751, 876, 948. S. z. B. StAS Test. Nr. 133, 154, 158, 614. Vermutlich ging ein solches Begehren nicht selten auf eine Vereinbarung mit der betreffenden Kirche über ein ganzes Familiengrab zurück, für das dann womöglich eine gemeinsame Grabplatte vorgesehen wurde; so wollte Adelheid Lutkeman in der Marienkirche begraben werden by mynem wort unde by mynem sone, dar wy unse vryge graft hebben na lude des breves, den uns de vorstendere dar up gegeven hebben, unde des scholen myne testamentara kopen enen groten lyksten, de beyde grave bedecke als des vaders unde des sones, unde ¡eggen den vor unse vorbevorde altar; StAS Test. Nr. 820. Auf eine derartige Lösung deutet auch der testamentarische Wunsch Hans Pustows nach einer Bestattung in der Jakobikirche under den steen, dar myne werdyne, der Godt ghnedich sy, under begraven ys; StAS Test. Nr. 927. Peter Svenesson sah für seinen Grabstein 20 M sund. vor (StAS Test. Nr. 319), Johann Sepelin für sein Begräbnis und seinen Grabstein insgesamt 100 M sund.; StAS Test. Nr. 229. Vgl. auch ohne weitere Angaben: StAS Test. Nr. 614, 820. StAS Test. Nr. 204. Über die Beschriftung und bildmotivische Gestaltung von Grabplatten finden sich zumindest in den hier systematisch erfaßten Testamenten keine Anweisungen. Diese Fragen wurden, falls die Platte nicht schon zu Lebzeiten in Auftrag gegeben worden war, offenbar in der Regel durch mündliche Absprachen zwischen dem Testator und seinen Testamentsvollstreckern oder Angehörigen geregelt oder durch letztere im Alleingang entschieden. Im übrigen lassen die Umschriften der wenigen erhaltenen Grabplatten nicht unbedingt den Willen zu einer ausgefeilten Selbstinszenierung erkennen,
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Über die genaue Ausgestaltung der Begräbnisfeierlichkeiten geben die Testamente verselten Auskunft. Häufig beschränkten sich die Testatoren darauf, für das der betreffenden Kirche bestimmte Legat eine vrige graft19 zu fordern. Derartige Klauseln dienten offensichtlich dem Zweck, die Vergabung an die Erbringung der gewünschten Gegenlei-
gleichsweise
stung zu knüpfen und damit den Nachlaß und seine Begünstigten vor zusätzlichen Forderungen der betreffenden Kirche zu bewahren.80 Daß solche Dispositionen im 15. Jahrhundert einen erheblichen Anstieg verzeichnen, paßt in das allgemeine Bild einer zunehmenden Ausdehnung der Testamentstexte, die aus dem Bemühen um eine genauere Fixierung und rechtliche Absicherung der jeweiligen Anliegen resultierte. Nicht selten wurden bei solchen Testamentsklauseln einzelne Elemente von Bestattungsfeiern genannt, die der Testator als Gegenleistung für seine Gabe im besonderen erwartete. Vor allem das Glockenläuten bei der Beerdigung, ein Mittel, um möglichst viele zur Teilnahme an der Totenfeier oder zumindest zu Fürbitten für den Verstorbenen zu bewegen, war den Testatoren immer wieder der ausdrücklichen Erwähnung wert. Gleichwohl entsteht der Eindruck, daß das Läuten an der Begräbniskirche zumindest seit etwa der Mitte des 15. Jahrhunderts zu einem üblichen Bestandteil der Bestattungszeremonie bei wohlhabenderen
entsprechende präzise Vorgaben nahegelegt hätte. So ist nach der wohl nicht buchstabengetreuen Wiedergabe durch Wilhelm Hagemeister auf der Grabplatte des Ratsherrn Arnold Voet zu lesen: hie jacet arnoldus voet, filius dni conradi voeten de tremonia in westfalia qui obiit feria quinta ante festum st. bartolomei anno dni 1355, orate pro anima ejus. Und auf dem aus der ersten Hälfte des 14. Jh. stammenden Grabstein des Geistlichen Johann Lange: die magdalene obiit vir magister Johannes lange hujus civitatis fldelis secretarius orate pro eo; Hagemeister, Ein Gang durch die St. NikolaiKirche (1900), 15. die
-
-
79 80
StAS Test. Nr. 906. Inwieweit zur rechtlichen Sicherung der Bestattungsleistungen über die testamentarische Disposition hinaus Schriftlichkeit eingesetzt wurde, läßt sich am Beispiel Stralsunds nicht recht erfassen. Es wurde bereits daraufhingewiesen, daß schriftliche Vereinbarungen über Stiftungs- oder Schenkungsakte auch die Festschreibung von Bestattungsleistungen umfassen konnten; s. oben S. 154 Anm. 64. Hingegen existieren keine Hinweise auf schriftliche Abmachungen zwischen Testatoren bzw. Testamentsvollstreckern auf der einen und den Kirchprovisoren auf der anderen Seite, die lediglich die Festlegung der im Gegenzug für ein testamentarisches Legat zu erbringenden Begräbnisleistungen zum Zweck gehabt hätten. Ohne nun e silentio argumentieren zu wollen, ist solches auch für wenig wahrscheinlich zu halten, da die Testamentsvollstrecker wohl allein schon durch einen günstigen Zeitpunkt der Legatübergabe, nämlich im Umfeld der Beerdigung, einen zuverlässigen Konnex zwischen Gabe und Gegenleistung erreichen konnten. Deutlich wird dabei auch, daß die hier angesprochenen testamentarischen Dispositionen nicht unmittelbar der Rechtssicherung dienten, sondern als Handlungsanweisung an die Testamentsvollstrecker zu verstehen sind. Diese Beobachtungen und Überlegungen lassen sich auf anschauliche Weise stützen durch allerdings selten begegnende explizite Anweisungen an Testamentsvollstrecker, den Begräbnisort zu verlegen, falls den Kirchprovisoren das vorgesehene Legat für eine Bestattung nicht ausreichen sollte. So bestimmte Matthias Berndes der Jakobikirche für sein Begräbnis seine beste gefütterte Schaube und fugte hinzu: Wyllen des de vorstendere nicht to vreden wesen, so schal men my graven to sunte Katherinen unde geven en dar den rock; StAS Test. Nr. 863. Eine ähnliche Vorkehrung traf auch Curd Bischop mit Blick auf die der Nikolaikirche vermachten 3 M sund.: Unde is, dat se my nicht dar graven willen umme Godes willen, so seal me dat gelt keren in de ere Godes, wor myne vormundere my graven willen; StAS Test. Nr. 549. -
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gehörte.81 Manche Testatoren begnügten sich indes nicht mit dem Läuten an der eigenen Kirche, sondern sahen Legate vor, um an allen Stralsunder Pfarrkirchen läuten zu lassen.82 Weitere Elemente der Totenfeier, die in den Testamenten des späten 15. Jahrhunderts immer wieder eigens aufgeführt wurden, sind das Sargtuch, Kerzen und Leuchter. Beispielsweise bestimmte Heimich Holsten 1506 in durchaus typischer Weise, die Provisoren der Marienkirche sollten ihm für seine Vergabungen gunnen vryge graft, lichte, luchtere, Indent, boldeke unde allent, wes dar to höret}3 Es wird deutlich, daß mit einer solchen Auflistung keine individuelle Inszenierung des eigenen Todes angestrebt wurde, sondern die Vermeidung der Gebühren, die für die einzelnen Elemente üblicherweise fällig Personen
wurden. Neben derartigen Klauseln finden sich in den Testamenten mitunter freilich auch Dispositionen, die tatsächlich die konkrete Gestaltung einzelner Aspekte der Totenfeier zum Inhalt haben. So sahen manche Testatoren kleinere Geldbeträge für Priester und Scholaren vor, die der Vigil und der Seelmesse beiwohnten84, oder bestimmten einer Zunft oder Bruderschaft ein Legat für die Teilnahme an der Totenfeier und für dabei erbrachte Die Ver-
Meßopfer.85
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82 83 84
Wendungen wie beispielsweise im Testament von Barbara Grape hin, die sich für ihre Vergabungen an die Nikolaikirche eine freie graft myt den docke ludent unde wes dar to höret ausbedingte; StAS Test. Nr. 668. Vgl. ähnliche Formulierungen u. a. in: StAS Test. Nr. 699, 891, 942, 959, 961. Ob in Stralsund, wie etwa in Zürich, das Läuten bestimmter- naheliegenderweise der größtenGlocken den Bestattungen hochgestellter Persönlichkeiten vorbehalten blieb, geht aus den Testamenten Darauf deuten
nicht hervor; in den Stiftertestamenten findet sich nur ein Fall, in dem das Läuten bestimmter Glocken gewünscht wurde: Nach dem Willen von Katharina Westfal sollten die Provisoren der Nikolaikirche pulsare cum magnis campanis; StAS Test. Nr. 346; vgl. zu Zürich Uli, Wohin die Toten gingen (1992), 96. S. u. a. StAS Test. Nr. 606, 737, 900, 970. StAS Test. Nr. 891; vgl. auch StAS Test. Nr. 715, 826, 830, 876, 899, 900, 912, 913, 948, 965. Solche Legate gingen in überwiegendem Maße an die Mendikanten. So sollten gemäß dem 1330 abgefaßten Testament der Adelheid alle Dominikaner, die visitabunt vigilias, je 4 Seh. sund. empfangen; PUB VII, Nr. 4561. Im übrigen läßt sich hier wie auch in anderen Fällen nicht klar entscheiden, ob lediglich die Gottesdienste im Rahmen der Bestattung oder weitere etwa an den folgenden Gedenktagen angesprochen waren; vgl. StAS Test. Nr. 229; StAS Urk. Marienkrone Nr. 83. Unter den Testatoren, die bei ihrer Pfarrkirche bestattet werden wollten, bestimmte Hans Leneke jedem Priester, der an der Vigil und der Totenmesse in der Nikolaikirche teilnahm, 1 Seh. sund. pro Person und Feier, jedem Scholar für 2 Pf. sund. Bier und dem Schulmeister und seinen Lokaten ere del, aise wonlik is. Die letzte Bemerkung könnte darauf hindeuten, daß bei aufwendigeren Totenfeiern die Beteiligung von Scholaren mit ihrem Rektor und den Lokaten üblich war. Unüblich war dagegen womöglich, daß auch die Scholaren eine eigene Gabe erhielten, denn sonst hätte Leneke wohl folgendes nicht ausdrücklich betont: Yslik scholre seal dat syne beholden, he sy arm edder ryke, up dat se alle God vor my bidden; StAS Test. Nr. 697. Vgl. auch das Legat für den Vigilbesuch von Scholaren im Testament von Hans Hüls; StAS Test. Nr. 711. Mechthild Rotger vermachte den Brauerknechten eine Tonne Bier, verbunden mit der Auflage: Hyr vor scholen se my na offeren to mynen zele myssen; StAS Test. Nr. 852. Heinrich Dummans bestimmte der Schifferbruderschaft, deren Mitglied er vermutlich war, 2 Tonnen Bier, to bogande myne bigrafft; StAS Test. Nr. 781. Vor allem das zweite Beispiel ruft in Erinnerung, daß die Teilnahme der Bruderschaftsmitglieder an der Totenfeier häufig ebenso obligatorisch war wie eine dafür zu entrichtende -
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85
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teilung von Almosen
zumindest nach an Bedürftige als Teil der Trauerfeier spielte indes Ausweis der Testamente kaum eine Rolle. Ein Legat wie das des Ratsherrn Heinrich von Orden, der sein Sargtuch nach der Bestattung einem Armen geschenkt wissen wollte86, blieb die Ausnahme. Der Zeitraum zwischen Tod und Bestattung war gleichwohl bedeutsam, denn einige Testatoren wünschten, daß ihre an anderen Orten zu verteilenden Almosen in dieser Zeit in die Hände der Bedürftigen gelangten.87 Versucht man, in einem ersten Fazit das sich aus den Stralsunder Testamenten ergebende Bild zusammenzufügen, so wird man sicherlich zu konstatieren haben, daß der für das eigene Begräbnis betriebene Aufwand im allgemeinen durchaus begrenzt erscheint. Diese Feststellung trifft indes wohl weniger für die tatsächlichen materiellen Aufwendungen zu als für das sich in den Testamenten niederschlagende Streben der Testatoren nach einer umfassenden Gestaltung der Feierlichkeiten. Betrachtet man nämlich die Höhe der meist nur pauschal angegebenen Ausgaben, so ergibt sich ein durchaus weitgespanntes Spektrum, das von Beträgen oder Sachwerten in Höhe von einigen wenigen Mark sundisch bis zu Summen von 100 Mark sundisch und mehr reicht.88 Im Hinblick auf die Interpretation der Bestattungsdispositionen gilt es nun freilich, sich die eingangs angeführten methodischen Überlegungen zu vergegenwärtigen und die Divergenz zwischen den Testamentsbestimmungen und der tatsächlichen Gestalt der Totenfeier zu bedenken. Diese Kluft mit Hilfe anderer Quellen zu ermessen, gelingt im Falle Stralsunds jedoch nur ansatzweise. Auf die Begräbnisklauseln in den erhaltenen Stralsunder Bruderschafts- und Korporationsordnungen wurde bereits hingewiesen; sie geben hinreichenden Grund zu der Mutmaßung, daß in Stralsund wie andernorts auch die Teilnahme an der Beerdigung eines Korporationsmitgliedes durchaus üblich war. Eine weitere Quellengruppe stellen Vereinbarungen mit den Provisoren der jeweiligen Kirche in Form von Urkunden oder Stadtbucheinträgen dar, die allerdings für die angesprochene Frage wenig ergiebig sind, da sie in erster Linie den im Zusammenhang mit einer Stiftung oder Schenkung -
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Spende aus dem Nachlaß des Verstorbenen, so daß eine entsprechende testamentarische Disposition eigentlich nicht vonnöten war und daher häufig unterblieb; s. oben S. 155. 86 StAS Test. Nr. 651; vgl. auch StAS Test. Nr. 319. Was die Sargtücher anbetrifft, kam es im übrigen auch vor, daß ein Testator das seine erwarb bzw. erwerben ließ und es der Begräbniskirche vermachte; er wich damit von dem wohl üblichen Verfahren ab, ein Sargtuch von der Kirche zu mieten; s. StAS 87 88
Test. Nr. 689. S. oben S. 114. Mit Legaten in Höhe von 3 M sund. gehörten Herbord Penesticus und Curd Bischop zu denjenigen Testatoren, die nur kleine Beträge für ihr dann fraglos sehr einfaches Begräbnis aufwendeten; StAS Test. Nr. 137, 549. Am anderen Ende der Skala stehen neben anderen Johann Sepelin und Hans Jakob mit Beträgen von 100 M sund., wobei Sepelin zusätzlich den Franziskanern, bei denen er begraben werden wollte, 10 M sund. für ein Begängnis bestimmte; StAS Test. Nr. 229, 879. Bei der Interpretation der Legate im Zusammenhang mit Bestattungen ist allerdings zu beachten, daß die insbesondere seit dem beginnenden 15. Jh. häufig zu beobachtende Praxis darin bestand, eine testamentarische Schenkung an die betreffende Kirche mit der Bitte oder der Bedingung eines kostenlosen Begräbnisses zu verbinden; in diesen Fällen, zu denen auch der eben genannte Hans Jakob zählt, konnte der Umfang der Schenkung natürlich höher sein als der eigentliche Bestattungsaufwand. Letzterer ist im 14. Jh. oft besser zu fassen, so etwa bei dem oben erwähnten Johann Sepelin, der 100 M sund. vorsah, cum quibus provisores mei sepulturam meam pagent et lapidem supra tumulum meum comparabunt.
160
IV.
Fegefeuer und Weltengericht Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen -
eingeräumten Anspruch auf ein kostenfreies Begräbnis festhalten, ohne viel mehr als den genauen Bestattungsort zu bestimmen.89 Größere Aufmerksamkeit beanspruchen dürfen hingegen die Ausführungen Franz Wessels über die Stralsunder Begräbnisgepflogenheiten in seiner allerdings nicht neutralen, sondern deutlich polemischen Beschreibung des vorreformatorischen Gottesdienstes aus dem Jahre 1550. Demnach habe sich die Totenfeier eines wohlhabenderen Bürgers typischerweise so vollzogen, daß für den Verstorbenen vier Seelmessen gehalten worden seien, wobei der Verstorbene vor dem Chor aufgebahrt worden sei, umgeben von vergoldeten Kerzenleuchtern und von acht Klageweibern. Der Leichenzug habe oft siebenhundert Personen umfaßt, nicht eingerechnet die Bettler, an die man gewöhnlich neun bis zwölf Tonnen Bier ausgeschenkt habe. Ein solches Begräbnis habe kaum unter 100 Mark sundisch gekostet, bei Einbeziehung aller drei Kirchspiele sogar 200 Mark sundisch und mehr, wenn -
-
nämlich alle Stralsunder Geistlichen für ihre Teilnahme entlohnt worden seien. Zusätzlich habe man gegen eine Gabe von einem Gulden die Beteiligung von Kalandsherren am Begängnis erwirken können.90 Bei aller Vorsicht angesichts der Überzeichnungen und Homogenisierungen Wessels darf man seiner Darstellung doch zumindest insofern einen gewissen Aussagewert zusprechen, als hier Elemente von Totenfeiern auftauchen, die zwar in den Testamenten kaum in Erscheinung treten, aber auch aus anderen Orten bekannt sind; gemeint sind die Almosenverteilung am Grab91, die Mitwirkung von Pleurants, insbesondere wohl in Gestalt von Beginen92, und die Beteiligung möglichst vieler Kleriker.93 Demzufolge ist das aus den Testamenten gewonnene Bild dahingehend zu ergänzen, daß die Leichenfeiern zumindest bei wohlhabenden Personen häufig wohl aufwendiger waren, als es die Testamentstexte erkennen lassen.94 Andererseits finden in Stralsund die Ergebnisse keine volle Bestätigung,
89 90
S. oben S. 154 Anm. 64.
Zober, Schilderung des katholischen Gottesdienstes (1837), 16. Bei der Erwähnung des Kalands gönnt
sich Wessel eine besondere polemische Spitze; die Kalandsbrüder nämlich hedden ein groth bock in der handt vpgedhan, brillen vp der nesen, brummeden dar eine collecte, dadt einem daruor walgen mochte, dadt woll ein wolf sick daruor vorferet hedde. 91 S. ///;', Begräbnis, Verdammung und Erlösung (1994), 64; ders., Wohin die Toten gingen (1992), 87. 92 S. Uli, Begräbnis, Verdammung und Erlösung (1994), 65 f.; ders., Wohin die Toten gingen (1992), 69 f.; die Teilnahme von Pleurants findet sich auch in zahlreichen bildlichen Begräbnisdarstellungen wieder; s. dazu: Himmel, Hölle, Fegefeuer (1994), 270-275. 93 Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 124-126. 94 Dieser Befund ist im übrigen in keiner Weise auffällig, wissen wir doch aus anderen Städten, daß manch ein Stadtrat sich angesichts immer aufwendigerer Totenfeiern genötigt sah, der Entwicklung durch eine Begräbnisordnung Schranken zu setzen; s. ////', Wohin die Toten gingen (1992), 96-98; Jaritz, Leben, um zu sterben (1985), 123 f. Eine solche Ordnung ist aus Stralsund nicht überliefert, im Unterschied zu einer Hochzeits- und Taufordnung aus dem beginnenden 14. Jh.; 1. Stb., VI Nr. 356; 2. Stb., Nr. 3616, Nr. 3617. Es erscheint aber nicht angebracht, dies als ein Indiz e silentio dafür zu nehmen, daß der Stralsunder Rat hier keinen Handlungsbedarf sah. Denn während das zweite Stadtbuch neben zwei Grundbuchteilen noch einen Liber de arbitrio consulum et eorum specialibus negociis enthält, fehlt ein solcher Teil in den späteren Grundbüchern und beinhaltet der Liber memorialis kaum städtische Willküren, so daß manches dafür spricht, daß ein vom Rat eigens geführtes Willkürenbuch
IV.
Fegefeuer und Weltengericht Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen
161
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die Jacques Chiffoleau anhand der Avignoneser Testamente gewonnen hat; demnach hätten seit etwa der Mitte des 14. Jahrhunderts Avignoneser Bürger in ihrem Testament immer häufiger Vorkehrungen für eine sorgfältige Inszenierung des eigenen Todes, für ein
„spectacle narcissique, mélancolique" getroffen.95 Aus dieser Divergenz lassen sich zwei Folgerungen ableiten, die
eher in einem kompledie Stralsunder Avignons von dem Bedürfnis
mentären als alternativen Verhältnis zueinander stehen. Erstens
Testatoren offenbar nicht in demselben Maße wie die
waren
Bürger geleitet, die eigene Bestattung zu einer aufsehenerheischenden Selbstinszenierung zu gestalten. Zweitens überließ man in Stralsund die Regelung von Details wohl in größerem Umfang als in Avignon den eigenen Testamentsvollstreckern und Angehörigen, was nicht nur auf ein entsprechendes Vertrauen hindeutet, sondern auch darauf, daß den lokalen Gewohnheiten ein vergleichsweise großes Gewicht bei der Gestaltung der Totenfeiern zukam. Das von Chiffoleau hervorgehobene Moment des narzißtischen und melancholischen Begräbnisspektakels ist nun allerdings ein Aspekt, der mit der hier vorrangig verfolgten Frage nach bestimmten Jenseitsvorstellungen und ihren Auswirkungen auf das Testierverhalten nicht vermengt werden sollte. Denn Chiffoleau führt auf durchaus überzeugende Weise das Bedürfnis nach einer melancholischen Inszenierung des eigenen Todes zurück auf eine psychologische Befindlichkeit, die er als Waisen-Situation kennzeichnet. Diese sieht Chiffoleau hervorgerufen durch eine „perte des ancêtres", die zunehmende Auflösung der vertikalen, die toten Ahnen einschließenden Familienbande infolge der Mobilität und -
-
Mortalität in der städtischen Gesellschaft des Spätmittelalters.96 Will man die Ergebnisse im Hinblick auf die Frage nach den Jenseitsvorstellungen und ihrer Virulenz bei der Begräbnisgestaltung interpretieren, so wird man zuallererst festzustellen haben, daß ein hinreichend klares Bild aus den Testamenten und der sonstigen Stralsunder Überlieferung nicht zu gewinnen ist. Fragt man konkreter danach, ob etwa der Gedanke an ein Partikulargericht und ein jenseitiges Fegefeuer dazu geführt habe, daß die Stralsunder Testatoren die Totenfeier selbst dazu genutzt hätten, um durch die Anhäufung möglichst vieler Almosen, Meßopfer und Fürbitten einen günstigen Urteilsspruch zu bewirken, so erscheint eine Antwort auf den ersten Blick nicht schwierig: Ein solches Bemühen ist aus den testamentarischen Dispositionen allenfalls in schwachen Ansätzen abzulesen. Es fällt weniger leicht, diesen negativen Befund zu deuten, also vor allem der Frage nachzugehen, ob eine derartige Ausgestaltung der Bestattungsfeier gleichwohl das Anliegen vieler Testatoren war und etwa durch mündliche Anweisungen an Testamentsvollstrecker und Angehörige realisiert wurde. Es hat indes nicht den Anschein, daß dies die Regel war. Denn zum einen gilt es zu bedenken, daß solche besonderen Maßnahmen für manche Testatoren durchaus der schriftlichen Fixierung wert waren. Auch findet sich kein Auftrag an die Exekutoren eines
verlorengegangen ist; vgl. dagegen die Ansicht Rehmes, die Willküren hätten zusammen mit anderen städtischen Angelegenheiten Aufnahme im Liber memorialis gefunden; Rehme, Neues (1938), 700;
95
ders., Stadtbücher (1927), 192. Chiffoleau, Sur l'usage obsessionnel (1981), 251; vgl. ders., La comptabilité de l'au-delà (1980), 136-143.
96
Chiffoleau, La comptabilité (1981), 251-253.
de l'au-delà
(1980), 150-152, 180-207; ders., Sur l'usage obsessionnel
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Fegefeuer und Weltengericht Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen -
Testaments, einen bestimmten Betrag zur Ausgestaltung der Totenfeier nach ihrem Gutdünken zu verwenden, so wie sie dies häufig zugunsten von Armen oder überhaupt zum Seelenheil des Testators tun sollten.97 Schließlich ist auffällig, daß in der Phase, in der nach dem Zeugnis der Testamentsarengen und der Meßstipendien die Fegefeuervorstellungen unter den Stralsunder Testatoren eine gewisse Verbreitung erfahren haben, nämlich etwa in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, keine Zunahme von Dispositionen zur konkreten Aus-
gestaltung der Bestattungsfeiern zu verzeichnen ist. In dieser Zeit häufen sich lediglich die stereotypen Klauseln, die der Sicherung von kostenfreien Begräbnisleistungen im Gegenzug für eine bestimmte Gabe an die betreffende Kirche dienen sollten. Demzufolge ist wohl davon auszugehen, daß die Leichenfeiern häufig innerhalb eines relativ festen gestalterischen Rahmens blieben, der aber natürlich nicht einheitlich war, sondern verschiedene
Grundtypen in Abhängigkeit von dem sozialen Rang des Verstorbenen und der Höhe des Begräbnislegats kannte. Dabei umfaßten die Feiern selbstverständlich auch Elemente der stellvertretenden Buße; diese wurden jedoch allem Anschein nach von den Testatoren zumeist nicht in einer Weise kumuliert, die den Rückschluß auf die Vorstellung von einem Partikulargericht respektive Fegefeuer als treibender Kraft bei der Planung der Feier erlaubte. Die von solchen Jenseitserwartungen geleiteten Testatoren suchten sich also eher durch die Kumulierung von Meßstipendien und Almosengaben für verschiedene Empfänger als durch eine entsprechende Gestaltung der Bestattung für ihr jenseitiges Schicksal zu wappnen. Wie nun läßt sich in einer Gesamtschau der untersuchten Aspekte des Testierverhaltens die Frage beantworten, die durch die Erkennmisse über das Stiftungsverhalten der Stralsunder Testatoren aufgeworfen wurde? Die dort zutage geförderte Diskrepanz zwischen der von der Kirche verkündeten Fegefeuerlehre und einer über zweihundert Jahre hinweg weitgehend ungebrochenen Bedeutung der in ihrer inneren Logik auf das Weltengericht bezogenen Handlungsform Stiftung erfährt durch die Ergebnisse dieses Abschnitts keine Auflösung; es entsteht jedoch ein differenzierteres Bild von den religiösen Vorstellungen und Verhaltensweisen, in dem sich die vorhandenen Spannungen etwas genauer lokalisieren und auch relativieren lassen. Unerläßlich für die Interpretation der divergierenden Befunde ist es, zwei Ebenen zu unterscheiden, auf denen die rezipierten Glaubensvorstellungen in unterschiedlichem Maße manifest werden. Dabei sind auf der einen Ebene die Arengen anzusiedeln und auf der anderen die untersuchten Aspekte der Frömmigkeitspraxis. Beide Ebenen unterscheiden sich insofern, als die Arengen aufgrund ihres weitgehend topischen Charakters weniger die individuellen Überzeugungen der Testatoren als vielmehr kollektive Anschauungen innerhalb der Stralsunder Stadtgesellschaft widerspiegeln, wobei der Umstand, daß die Schreiber wohl nicht selten Kleriker waren, eine zusätzliche Bindung zwischen den in den Arengen formulierten Glaubensinhalten und den vor Ort verkündeten theologischen Lehren stiftete. Demgegenüber ist die sich in den testamentarischen Seelenheilmaßnahmen konkretisierende
97
Die Anweisung Hermann Virows an seine Testamentsvollstrecker, sie sollten von allen übrigbleibenden Gutem seine bygrafft entrichten und den Rest an die Armen verteilen, wird man wohl eher im Sinne der Begleichung der üblichen Begräbniskosten zu verstehen haben; StAS Test. Nr. 959.
IV.
Fegefeuer und Weltengericht Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen
163
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praktische Frömmigkeit in stärkerem Maße individuell geprägt; denn hier trafen die Testatoren tatsächlich persönliche Entscheidungen zur Sicherung des eigenen Seelenheils, deren zweckmäßiger Ausgangspunkt nur die eigenen religiösen Überzeugungen sein konnten.
Durch diese Überlegung gewinnt jene Divergenz an Plausibilität, die hinsichtlich der Jenseitsvorstellungen zwischen den Arengen und den Verfügungen für das Seelenheil sichtbar geworden ist. Es hatte sich gezeigt, daß die zentralen Elemente der Arengen sich in Übereinstimmung mit der kirchlichen Fegefeuerlehre oder wenigstens nicht in einem logischen Widerspruch zu ihr befanden, wobei allerdings anzumerken bleibt, daß sie zum Teil erst im 15. Jahrhundert in Erscheinung traten. Im Unterschied dazu hatten die testamentarischen Dispositionen die Existenz und Virulenz verschiedener Jenseitskonzeptionen erkennbar werden lassen. Daß die offizielle Jenseitslehre bis in die Seelenheilvorsorge der Stralsunder Testatoren ausgestrahlt hatte, läßt sich an der Entwicklung der testamentarischen Meßstipendien ablesen. Eine spürbare Zunahme von Meßaufträgen, die auf ein Partikulargericht respektive das Fegefeuer ausgerichtet erscheinen, setzte allerdings erst nach der Mitte des 15. Jahrhunderts ein und damit weit nach den Anfangen der Verkündigung der Fegefeuerlehre und auch später als das erste deutliche Echo auf die neue Lehre in den Arengen. Das Fegefeuer verdrängte dabei keineswegs die ältere Vorstellung vom Weltengericht als dem für das Seelenheil entscheidenden Termin. Denn es ist nicht nur zu konstatieren, daß lediglich eine kleine Minderheit der Testatoren einer auf das Fegefeuer ausgerichteten Logik bei der Anordnung der Messen folgte; stärker noch fällt ins Gewicht, daß die testamentarischen Stiftungen als auf Dauer und damit auf den Jüngsten Tag ausgerichtete Handlungsform auch in den letzten Jahrzehnten vor der Reformation keinen signifikanten Rückgang zu verzeichnen hatten. Vergleicht man die Stralsunder Verhältnisse mit den Ergebnissen, zu denen Jacques Chiffoleau in seiner Untersuchung der Testamente aus Avignon und der Grafschaft Venaissin gelangt ist, so erscheint die Wirkungsmacht des Fegefeuers in Stralsund gegenüber der Situation in der Stadt Avignon98 in dreierlei Hinsicht eingeschränkt: Erstens findet die Rezeption des Fegefeuers in den Stralsunder Testamenten erst rund hundert Jahre später ihren Niederschlag in entsprechenden Meßstipendien. Zweitens ist der Anteil solcher Meßstipendien an der testamentarischen Seelenheilvorsorge in Stralsund deutlich geringer. Drittens schließlich läßt sich bei einer Gegenüberstellung der Meßstipendien- und der Stiftungszahlen beobachten, daß der relative Bedeutungsrückgang testamentarischer Stiftungen in der Phase der Ausbreitung der Fegefeuervorstellung in Stralsund schwächer als in Avignon ausfällt.99
98 99
Als sinnvolle Vergleichsgröße bietet sich nur die Stadt Avignon an, nicht aber das ländliche Gebiet der Gft. Venaissin. Im an die Avignoneser Region angrenzenden Südwesten Frankreichs hat, wie die Untersuchungen von Michelle (Bastard-)Fournié zeigen, die Fegefeuerlehre ebenfalls sehr früh, nämlich bereits in der zweiten Hälfte des 14. Jh., rasche Verbreitung gefunden, ohne allerdings die älteren Vorstellungen eines Weltengerichts auf ganzer Linie zu überwinden; Bastard-Fournié, Le purgatoire (1980), 26-30. Der Erfolg des Fegefeuers gewann dabei vornehmlich Gestalt im Kult der Fegefeuerseelen, welcher zugleich einen neuen Typus klerikaler Spezialisten hervorbrachte: die prêtres du purgatoire, denen die
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Fegefeuer und Weltengericht Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen -
Frage nach den Gründen für die spätere und geringer ausgeprägte Rezeption der läßt sich einkreisen, aber nicht erschöpfend beantworten. Sucht man die Ursachen auf der kerygmatischen Ebene festzumachen100, so ist zum einen anzunehmen, Die
Fegefeuervorstellung
daß die Verkündigung der Lehre im 13. Jahrhundert in Stralsund sicherlich später einsetzte als in Avignon101, aber wohl kaum um einhundert Jahre versetzt, da die Mendikanten als deren wichtigste Propagandisten in Stralsund bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts vertreten waren. Zum anderen ist durchaus vorstellbar, daß im Avignon des 14. Jahrhunderts mit einer vergleichsweise großen Zahl von klerikalen Institutionen die Predigt der neuen Lehre eine größere Intensität erreichte als in Stralsund.102 In Avignon waren die kerygmatischen Voraussetzungen also sicherlich günstiger, ohne daß damit die konstatierte Diskrepanz schon hinreichend erklärt zu sein scheint; denn diese wurde durch den Umstand vergrößert, daß der Kult der Fegefeuerseelen in Avignon ein weithin ausstrahlendes Zentrum besaß103, in der Stralsunder Überlieferung hingegen keine deutlichen Spuren hinterlassen
hat.104
Die Suche nach weiteren Erklärungsfaktoren auf der rezeptiven Ebene, also unter den Voraussetzungen für die Annahme der neuen Lehre, wird allerdings wesentlich durch spekulative Überlegungen getragen. Chiffoleau sah vor allem zwei Elemente des Fegefeuers als entscheidend für dessen Rezeption im urbanen Milieu des 14. Jahrhunderts an: zum einen seine zeitliche Begrenzung, die es ermöglicht habe, das Fegefeuer an traditionelle Vorstellungen von einer bestimmten Zeit des Übergangs vom Diesseits zum Jenseits und an entsprechende Gedenkzeiten gleichsam anzulehnen wie auch dem mit der Verbreitung des kaufmännischen Denkens wachsenden Bedürfnis nach der Vermessung des Jenseits Raum zu
Abhaltung der Fegefeuerseelenmessen oblag, für die mit den bassins des âmes du purgatoire in den Gemeinden gesammelt wurde; Fournie, Les prêtres du purgatoire (1987), 102 f. Peter Dinzelbacher hat jüngst auf die 1997 gedruckte Dissertation von Michelle Fournie (Le ciel peut-il attendre? Le culte du purgatoire dans le midi de la France [vers 1320 vers 1520]. Paris 1997) aufmerksam gemacht, die mir leider nicht mehr zugänglich war. Dinzelbacher kommt im übrigen zu dem Schluß, daß ungeachtet der besonderen Kultformen und der Intensität der Fegefeuerdidaxe im französischen Südwesten, die wohl auch als kirchliche Antwort auf die dortigen häretischen Traditionen zu sehen seien, „die Intensivierung der Fegefeuerdevotionen im 15. Jahrhundert eindeutig ein gesamteuropäisches Phänomen" sei; Dinzelbacher, Das Fegefeuer (1997), 12, 55. Zur kirchlichen Vermittlung der Fegefeuerlehre jetzt grundlegend Dinzelbacher, Das Fegefeuer (1997). S. Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 398 f., 422. Vgl. ebd., 433. -
...
100 101 102 103 104
S. ebd., 408 f. So ist in Stralsund beispielsweise keine Bruderschaft der Fegefeuerseelen nachweisbar. Auch um Belege für Frömmigkeitsformen, die indirekt auf den Fegefeuerglauben verweisen könnten, ist es nicht übermäßig gut bestellt: Der Rosenkranz war, wie wir durch einige testamentarische Legate wissen, als auch den armen Seelen im Fegefeuer zugute kommende Gebetsform (s. Himmel, Hölle, Fegefeuer [1994], 296-298) zwar bekannt, aber eine Rosenkranzbruderschaft existierte offenbar nicht. Die Verehrung des hl. Antonius, der auch als Patron gegen die Qualen im Fegefeuer galt, fand zwar ihren Ausdruck in zwei Antoniuskapellen in der Nikolaikirche und im Gasthaus und womöglich auch in Gestalt einer städtischen Antoniusbruderschaft, nur bleibt hier die Frage, ob der hl. Antonius dort nicht zuvörderst als Patron der Kranken und Armen verehrt wurde.
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Fegefeuer und Weltengericht Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen
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; zum anderen die Möglichkeit für die Entwurzelten der mobilen städtischen Gesellin der Versammlung der armen Seelen im Fegefeuer eine neue „famille imaginaire" und damit einen Ersatz für den Verlust der eigenen Ahnen zu gewinnen oder vielleicht diese selbst im Fegefeuer wiederzufinden.106 Aus der Stralsunder Perspektive ließe sich kaum hinter den ersten, wohl aber hinter den zweiten Aspekt ein Fragezeichen setzen. Zweifellos waren auch in der Stralsunder Gesellschaft die familiären und sonstigen sozialen Bindungen von Mobilität und Mortalität beeinträchtigt. Andererseits hat die bisherige Auswertung der Testamente, vor allem der Arengen und der Begräbnisklauseln erkennen lassen, daß eine Melancholie von entwurzelten, auf sich selbst zurückgeworfenen ,Waisen' in Stralsund bei weitem nicht in dem Maße zum Vorschein kommt wie in den Testamenten von Avignon. Deutlich wurde auch, daß die lokalen Gewohnheiten insbesondere bei der Begräbnisgestaltung einen beachtlichen Einfluß behaupteten und daß die Testatoren gerade in ihrem Verhältnis zu den Testamentsexekutoren nicht selten über soziale Bindungen verfügten, denen sie hinsichtlich der Regelung ihrer Belange ein gewisses Vertrauen entgegenbrachten. Die bisherige Betrachtung der generellen Entwicklungslinien bliebe eine einseitige Angelegenheit, wenn man nicht noch von der allgemeinen auf die Ebene des einzelnen Testators wechselte. Dabei nämlich wird, wie übrigens bereits in Avignon107, deutlich, daß die auf zwei unterschiedliche Jenseitskonzepte bezogenen Handlungslogiken nicht gänzlich unverbunden nebeneinander existierten, sondern mitunter in ein und demselben Testament gemeinsam in Erscheinung treten. So sah der Ratsherr Heinrich von Orden nach seinem Tod Begängnisse in gleich sechs verschiedenen Klöstern vor und verfügte in seinem Testament zugleich sechs Stiftungen, darunter eine Anniversar- und eine Ewigmeßstiftung.108 Bescheidener freien die Vorkehrungen bei Heinrich Scharf aus, aber auch er trug zwei Jenseitsvorstellungen Rechnung, indem er eine Ewigmesse stiftete und zudem 1 Mark sundisch für sechs Einzelmessen vorsah sowie 10 Mark sundisch für Vigilien und Seelmessen, die innerhalb von zwei Tagen gehalten werden sollten.109 Daß in diesen wie in einigen weiteren, ähnlich gelagerten Fällen110 die Testatoren ihre Seelenheilvorsorge sowohl auf das Partikulargericht wie auf den Jüngsten Tag ausrichteten, weist auf einen aktiven Prozeß der Glaubensrezeption hin, in dem die Laien bemüht waren um eine sinnvolle Antwort auf die der theologischen Lehrinhalte und der überkommenen Glaubenslogischen Widersprüche ''' Dabei war in Stralsund, anders als in Avignon, das Fegefeuer am Vorabend vorstellungen. der Reformation noch nicht zu der die testamentarische Jenseitsvorsorge klar dominierenden Vorstellung geworden. Der Fegefeuergedanke hatte aber sicherlich einen Verbreitungsgrad erreicht, der dazu führte, daß ungeachtet der Vorzüge des Fegefeuers, so der scheinbaren
geben schaft,
105 106 107 108 109 110 111
S. Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 392. S. ebd., 418 f. S. ebd., 329, 352. StAS Test. Nr. 651. StAS Test. Nr. 676. Vgl. StAS Test. Nr. 122, 266, 717, 734, 829, 838, 852, 859, 863, Vgl. Chiffoleau, La comptabilité de l'au-delà (1980), 329, 352.
866, 913, 927, 941, 965.
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IV.
Fegefeuer und Weltengericht Handlungsformen und Jenseitsvorstellungen -
Berechenbarkeit des Bußmaßes und der Gewißheit des letztendlichen Heils aller Fegefeuerseelen, nicht wenige Gläubige das Nebeneinander verschiedener Jenseitsvisionen als zutiefst verunsichernd erleben mußten. Auch die Reaktion derjenigen, die in ihrem Testierverhalten beide Modelle zu berücksichtigen suchten, wird man wohl eher als Ausdruck dieser Heilsunsicherheit aufzufassen haben denn als eine Lösung des Problems, die die Testatoren ihrem Ableben in ruhiger Heilsgewißheit entgegenblicken ließ.
V.
Motive, Moden und Funktionen
1.
Eine Typologie der Stiftungszwecke
Nachdem bisher die Handlungsform des Stiftens in ihrer Bedeutung für die Seelenheilssicherung in allgemeiner Weise untersucht worden ist, sollen in den folgenden Abschnitten die verschiedenen Handlungsfelder der Stifter in den Blick genommen werden. Mit der vergleichenden Betrachtung der einzelnen Stiftungsformen ist zugleich eine Ausweitung der Untersuchungsperspektive verbunden, die im vorangegangenen Abschnitt auf die hinter den Handlungsweisen stehenden Jenseitsvorstellungen eingegrenzt war. Dabei wird die Frage nach den Funktionen einzelner Stiftungstypen und den Motiven ihrer Auswahl bald deutlich werden lassen, daß .religiöse' und ,soziale' Dimensionen des Handelns in vielfältiger Weise ineinander verwoben sind. Denn nicht nur sind die langfristigen Entwicklungen im Stiftungswesen bestimmt durch ein Neben- und Ineinander von einmal stärker religiös, einmal eher sozial geprägten Einflußfaktoren; erst recht waren, wechselt man auf die individuelle Ebene, für die einzelnen Handlungsträger das Religiöse und das Soziale nicht zwei klar
getrennte Sphären.
in der spätmittelalterlichen Stadtgesellschaft zeichnet sich durch eine Vielfalt der Zwecke und Funktionsweisen aus. In Anbetracht dessen ist ein aussagekräftiges Bild von den langfristigen Veränderungen im Stiftungsverhalten nur durch einen typologisierenden Zugriff auf die Stiftungsinhalte zu gewinnen. Dies ist für die Zwecke der vorliegenden Untersuchung auf pragmatische und durchaus unsystematische Weise geschehen, indem die einzelnen Typen das eine Mal mehr in Hinsicht auf den Gegenstand der Stiftung, das andere Mal mehr im Hinblick auf ihren Empfänger oder auf die Art der erwarteten Gegenleistung gebildet wurden. Für die serielle, diachrone Auswertung des Stiftungsverhaltens ließen sich insgesamt acht Typen bilden; dabei wurden zum einen manche Stiftungstypen, sofern sie in den Stralsunder Testamenten und Urkunden nur singular in Kloster- und BeginenhausErscheinung traten, ausgeklammert, so zum Beispiel Spital-, fundationen und die Stiftung von Wege- und Pilgerlegaten. ' Zum anderen wurden bestimmte Das
Stiftungswesen
enorme
1
Stiftungen zur Unterstützung der städtischen Bautätigkeit finden sich nur in den Testamenten des Ratsherrn Matthias Bene und des Bürgermeisters Matthias Darne, wobei letzterer die enorme Summe von 100 M sund. jährlich für die Ausbesserung von Brücken und Bollwerken bestimmte, während Bene es bei
168
V.
Motive, Moden und Funktionen
zu Gruppen zusammengefaßt, wenn dies für die Darstellung zweckmäßig erschien. Dabei kam es nur in einem Fall zur Vereinigung recht verschiedener Stiftungsarten: In diese Gruppe, für die sich der Obertitel .kirchliche Objektstiftungen' anbietet, wurden Stiftungen zur Ausstattung des Altar- oder Kirchenraumes, beispielsweise Fensterstiftungen, ebenso einbezogen wie Altargeräte im engeren Sinn und die Stiftung von Meßbedarf und von
Typen
Ewiglichtern.2
In manchen Fällen warf die Typenbildung keine oder nur geringfügige definitorische und methodische Probleme auf, in anderen dagegen durchaus erhebliche. Ohne große Schwierigkeiten ließ sich die Abgrenzung beim Typus der Almosenstiftung vornehmen; hier wurde der Empfänger insofern zum entscheidenden Kriterium erhoben, als Gaben an Kleriker ausgeklammert wurden. Natürlich erhielten auch Geistliche Zuwendungen, bei denen der Almosengedanke eine wichtige Rolle spielen konnte. Jedoch waren diese Gaben in fast allen Fällen an eine Gegenleistung gekoppelt3, weshalb sich hier das Gewicht der Almosenidee
2
3
einer jährlichen Rente von 5 M sund. beließ; StAS Test. Nr. 657, 737. Im Gegensatz zu diesen Vergabungen in Stiftungsform waren einmalige testamentarische Wegelegate seit den zwanziger Jahren des 14. Jh. alles andere als selten: Offenbar sorgte eine entsprechende Auflage des Rates dafür, daß, wie Schildhauer angibt, seit 1428 92 % aller Testamente zumindest Beträge von einigen Schilling oder wenigen Mark sund. fur diesen Zweck vorsahen; Schildhauer, Hansestädtischer Alltag (1992), 41 f. Eine solche Verordnung des Rates gab es wohl auch in Lübeck; Pauli, Abhandlungen (1841), 277 f. Ähnliches gilt auch für die Auftragspilgerfahrten: Einer einzigen Stiftung, die eine jährlich zu wiederholende Pilgerreise zu begründen suchte (StAS Test. Nr. 694), stehen zahlreiche testamentarische Legate für einzelne Pilgerfahrten gegenüber; vgl. Schildhauer, Hansestädtischer Alltag (1992), 32 f., der den Anteil der mittelalterlichen Testamente mit einem solchen Legat auf knapp ein Drittel veranschlagt. Vgl. dagegen die Klassifizierung von Wolfgang Schmid, der die im Mittelpunkt seiner Untersuchung stehenden Gegenstände zur Verwendung im kirchlichen Raum als „Kunststiftungen" bezeichnete. Er sah darin zwar eine „begriffliche Notlösung", da hier Produkte zusammengefaßt würden, die aus heutiger Sicht als Kunstwerke verstanden würden. Dennoch entschied er sich gegen den Begriff der „Objektstiftung", weil mit ihm den Zeitgenossen eine ästhetische Empfindung abgesprochen und zudem die Möglichkeit preisgegeben würde, Kunstwerke von anderen „Gegenständen" abzugrenzen; W. Schmid, Stifter und Auftraggeber (1994), 21. Das gewiß nicht einfache Problem des Ästhetischen braucht an dieser Stelle nicht diskutiert zu werden; denn der Begriff .kirchliche Objektstiftung' erscheint hier schon allein deshalb geeigneter, weil auch konsumptive Dinge wie Kerzen, Wein und Oblaten zu dieser Gruppe gerechnet werden sollen. Almosenstiftungen für einzelne Kleriker ohne die ausdrückliche Bindung an eine Gegenleistung sah lediglich das Testament Heinrich Scheles vor, der dafür zwei Renten von je 5 M sund. jährlich bestimmte; allerdings könnte sich in der Formulierung, daß man nach dem Tod der benannten Erstinhaber die elemosinas an alios duos sacerdotes ydoneos und nicht, wie etwa zu erwarten, an sacerdotes pauperes übertragen solle, ein Hinweis darauf verbergen, daß doch an liturgische Dienste der Empfanger gedacht war; StAS Test. Nr. 369. Einen Klosterkonvent bedachten zwei Stralsunder Testatoren mit einer jährlichen Rente zum Kauf von Kleidungsstücken oder Nahrungsmitteln, ohne hierfür ausdrücklich den tätigen Dank der Empfänger einzufordern; s. StAS Test. Nr. 324, 737. Es sei darauf hingewiesen, daß diese Beobachtungen nur auf Stiftungen bezogen sind. Bei einmaligen Legaten für Geistliche liegen die Verhältnisse völlig anders; solche finden sich in den Testamenten in großer Zahl, wobei die Empfänger sowohl namentlich genannte als auch von den Testamentsvollstreckern auszuwählende Kleriker waren. Eine konkrete Gegenleistung wurde hier häufig nicht zur Bedingung der Gabe gemacht, was nicht bedeutet, daß mit einem solchen Legat nicht die Hoffnung auf
/. Eine
Typologie der Stiftungszwecke
nicht klar fassen läßt und
es
Gegenleistungen einzuordnen.4
näher
169
liegt,
diese
Stiftungen
nach den
jeweils geforderten
Diffizilere Fragen wirft die Klassifizierung der Priesterstellenstiftungen auf. Die damit verbundenen Probleme sollen im folgenden wenigstens kurz skizziert werden, um die Voraussetzung für eine sachgemäße Erfassung der langfristigen Veränderungen zu schaffen. Die Priesterstellenstiftungen wurden in zwei Hauptgruppen eingeteilt: in kirchliche Pfründstiftungen und in nicht nach kanonischem, sondern weltlichem Recht errichtete Meßpriesterstellenstiftungen. Dergestalt lassen sich die Stralsunder Stiftungen bis etwa zur Mitte des 15. Jahrhunderts verhältnismäßig einfach klassifizieren, da bis dahin nur zwei gut voneinander unterscheidbare Typen begegnen: zum einen das Altarbenefrzium, das wegen seiner dem Benefrzialrecht und insbesondere dem Patronatsrecht folgenden Verfaßtheit auch als patronatspfründe' bezeichnet werden kann5; zum anderen die Lohnpriesterstelle, deren Inhaber sich in einem relativ ungesicherten Anstellungsverhältnis befand. Letztere ist in den Stralsunder Quellen nur greifbar in einer ,weltlichen' Form, bei der die jeweiligen Stiftungsbeauftragten das Recht zur Anstellung, Beaufsichtigung und Entlassung innehatten, und nicht wie in Braunschweig in einer innerkirchlichen Variante, bei welcher der Priester vom Pfarrherrn angestellt wurde, um diejenigen Messen zu feiern, deren Stiftungsgut der Pfarrdos übertragen worden war.6 Dank der deutlichen Unterschiede zwischen dem Altar-
-
Fürbitten verbunden war, welche im Laufe des 15. Jh. immer häufiger in allgemeinen Wendungen zum Ausdruck gebracht wurde. 4 Diese Vorgehensweise erfahrt im übrigen keinen Widerspruch dadurch, daß in den Stralsunder Quellen im Zusammenhang mit Priesterstellenstiftungen immer wieder die Begriffe elemosina bzw. almissen Verwendung finden. Denn weder läßt sich feststellen, daß die Termini durchgängig zur Betonung einer karitativen Intention dienen sollten, noch kann überhaupt ein bestimmter, feststehender Begriffsinhalt ausgemacht werden. Vielmehr wurden die Begriffe zur Bezeichnung von Priesterstellenstiftungen ganz unterschiedlicher rechtlicher Gestalt verwendet: Sie begegnen sowohl bei Altarbenefizien (s. StAS Test. Nr. 83; StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 38 f.; ebd., S. 40-43) als auch bei nichtbenefizischen Lohnpriesterstellen (s. StAS Test. Nr. 369; VpLAG Rep. 1 Stralsund 8. St. Marien 18). Bemerkenswerterweise ist daraus nicht eine inhaltsleere Verwendung der Termini abzuleiten, sondern offenbar ein sich wandelnder Sprachgebrauch; ein besonders deutlicher Beleg hierfür ist eine Stiftungsurkunde der Familie Volmershusen von 1444, in der abschließend die Stifter sich und ihre Nachkommen gegen jegliche Rechtsansprüche in Bezug auf die gestiftete Lohnpriesterstelle verwahren, weil sie desse vorscreven almissen gegeven unde mit guden vryen willen dar to gelecht hebbe unde nicht na vicarien wise, men aise almissen, aise vorscreven steit; VpLAG Rep. 1 Stralsund 8. St. Marien 18. 5 Den Begriff „weltliche Patronatspfründe" verwendet Pleimes, um einen Vorgang zu markieren, der seiner Ansicht nach aus zwei Phasen bestand: dem Übergang des bei den „Kollationspfründen" noch vom Bischof oder Pfarrherrn innegehabten Besetzungsrechtes in weltliche Hände sei es des Stadtrats oder der Stifterfamilie und im Gegenzug der Begrenzung des Besetzungsrechtes durch die kirchliche Obrigkeit auf eine einfache Präsentation in Anlehnung an das kanonische Patronatsrecht; Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938), 139, 143; vgl. auch Lentze, Die Rechtsform der Altarpfründen (1951), bes. 234 f.; Kintzinger, Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig (1990), 218; Schlemmer, Gottesdienst und Frömmigkeit (1980), 99. 6 Diese Braunschweiger Sonderentwicklung wurde zuerst von Johannes Heepe eingehend untersucht und von ihm mit dem Begriff „Kaplanei" bezeichnet; Heepe, Die Organisation der Altarpfründen (1913), 6; vgl. auch die Übernahme der Einteilung Heepes durch Frölich, Die Rechtsformen der mittelalterlichen Altarpfründen (1931), 481, 487 f. Dabei differenzierte Heepe allerdings nicht, wie Dieter Pleimes -
-
170
V.
Motive, Moden und Funktionen
benefizium und der weltlichen Lohnpriesterstelle bleiben die methodischen Probleme hier darauf begrenzt, daß in dem einen oder anderen Fall die Knappheit der testamentarischen Bestimmungen die Klassifizierung erschwert.7 Die Schwierigkeiten wachsen allerdings im Gefolge von Veränderungen in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts an. Auf der einen Seite zeichnet sich bei weltlichen Priesterstellenstiftungen ein gewisser Wandel ab; vor allem erfährt die Stellung des Priesters nun häufig eine Aufwertung, indem seine Entlassung an das Vorliegen bestimmter Gründe, insbesondere eines Pflichtversäumnisses, gebunden wird oder ihm das Recht eingeräumt wird, sich vertreten zu lassen. Je nach dem Umfang derartiger Veränderungen kann hier von einer neuen, von der Lohnpriesterstelle zu unterscheidenden Stiftungsform gesprochen werden, die in der Literatur zumeist als „Befehlung" bezeichnet wurde.8 In der Klassifikation wurde die Befehlung allerdings nicht als eigener Stiftungstyp behandelt, da die Übergänge zwischen Lohn- und Befehlungspriesterstelle in den Stralsunder Quellen zu fließend und vielfältig sind, als daß man mit einer Unterscheidung beider Typen zu verwertbaren quantitativen Ergebnissen käme. Der zweite die Klassifikation berührende Wandel betrifft die Pfründstiftungen. Neben die Patronatspfründe tritt nämlich im 15. Jahrhundert eine neue Form, bei der zwar die Stiftung immer noch eine kirchliche Bestätigung mit einer Inkorporation und Inschutznahme ihrer materiellen Ausstattung erfährt; im Vergleich zur Patronatspfründe sind die Rechte der Stiftungsbevollmächtigten nun aber in gravierender Weise erweitert, da diese den Meßpriester nicht mehr zur kirchlichen Institution präsentieren müssen, sondern ihm die Pfründe eigenständig verleihen können und, mehr noch, sie ihm ohne einen kanonischen Prozeß anstrengen zu müssen auch selbst wieder entziehen dürfen. Dieses Absetzungsrecht erfährt in den kirchlichen Konfirmationsurkunden immerhin eine leichte Einschränkung, insofern -
-
7
aufzeigen konnte, zwischen weltlicher Lohnpriesterstelle und kirchlicher Kollationspfründe, womit auch der Begriff Kaplanei, zumal mit Blick auf die Bezeichnung pfarrherrlicher Hilfspriester, eine unglückliche Wahl darstellen dürfte und die vom Pfarrherrn zu besetzende weltliche Meßpriesterstelle mit Pleimes besser als „innerkirchliche Lohnpriesterstelle" bezeichnet werden sollte; vgl. Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938), 154-157; Lentze, Die Rechtsform der Altarpfründen (1951), 231-234; Kintzinger, Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig (1990), 219; Fuhrmann, Kirche und Dorf (1995), 84-86. Beispielsweise ist in dem Testament von Katharina von Marlow lediglich davon die Rede, daß die gestifteten perpetué elemosine in Gestalt einer jährlichen Rente von 10 M sund. auf Dauer jeweils von den Ratsherren einem bedürftigen Priester übertragen werden sollten; ein eindeutiger Hinweis darauf, ob diese Übertragung völlig eigenmächtig oder in Form einer Präsentation und nachfolgender Institution durch die Kirchenoberen erfolgen sollte, fehlt. Daß die Testatorin wohl nicht an die Errichtung eines Benefiziums dachte, läßt sich vor allem aus der Bestimmung schließen, daß bis zur Priesterweihe eines für die Stelle bevorrechtigten Verwandten der Testatorin die Rente gegebenenfalls an mehrere bedürftige
Priester im jährlichen Wechsel übertragen werden sollte; StAS Test. Nr. 139. Das Testament Wulfhards enthält ähnlichlautende allgemeine Bestimmungen, allerdings fehlt hier die klärende Sonderklausel, so daß die Annahme einer Lohnpriesterstelle auf unsicheren Füßen steht; StAS Test. Nr. 202. 8 Vgl. Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938), 166; Lentze, Die Rechtsform der Altarpfründen (1951), 232; Kintzinger, Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig (1990), 219-224; Fuhrmann, Kirche und Dorf (1995), 86 f. Hingegen faßten Heepe und Frölich die „Befehlung" als eine Pfründform auf; Heepe, Die Organisation der Altarpfründen (1913), 6-9; Frölich, Die Rechtsformen der mittelalterlichen Altarpfründen (1931), bes. 481, 487 f., 515.
/. Eine
Typologie der Stiftungszwecke
171
ihm Gebrauch gemacht werden darf totiens quotiens opus foret9, eine Einschrändie mitunter verstärkt wird durch die Forderung nach einer rationabilifsj causa.10 kung, Gleichwohl erlaubt, ja erheischt es die hier vollzogene Koordinatenverschiebung im Verhältnis zwischen Pfründinhaber, Stiftungsbevollmächtigten und kirchlicher Obrigkeit, diese zumeist als „Lehnspfründe" bezeichnete Stiftungsform in der Klassifikation als Subtyp der Altarpfründe gesondert zu erfassen." In methodischer Hinsicht wird dies dadurch möglich, daß Lehnspfründen nur in den Urkunden greifbar werden und sich hier vergleichsweise deutlich von den Patronatspfründen wie den weltlichen Meßpriesterstellen unterscheiden lassen. Neben den verschiedenen Arten von Priesterstellenstiftungen begegnen noch weitere Varianten liturgischer Stiftungen. Unterschieden wurde hier zwischen Meß-, Anniversarund sonstigen Memorienstiftungen. Dabei wurden dem Typus der ,Memorie' diejenigen Stiftungen zugerechnet, die eine dauerhafte Gebetsmemoria im Rahmen gottesdienstlicher Handlungen zu begründen suchten, ohne eine eigenständige Ewigmesse zu fundieren.12 Diese Memorialvariante wurde nicht zuletzt deshalb als gesonderte Kategorie gefaßt, weil sie in Stralsund im Laufe des Spätmittelalters eine enorme Verbreitung erführ, die es darzustellen gilt. Ein erhebliches Klassifikationsproblem wirft die Nahtstelle der Typen ,weltliche Priesterstelle' und ,Meßstiftung' auf. Zwischen beiden verläuft nämlich keine klar konturierte Scheidelinie, sondern liegt ein recht breites Feld von uneindeutigen Fällen. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß an einem Altar durch einen einzelnen Priester eine bestimmte Anzahl von Lese- oder Singmessen pro Woche zu halten war. Nimmt man an, daß diese normalerweise durch ein und denselben Priester gehalten wurden, der mit dem Altarbenefiziaten nicht identisch war, so kann man das derart begründete Auftragsverhältnis ebensogut als weltliche Lohnpriesterstelle ansehen. Jedenfalls besteht dann zwischen beiden kein struktureller Unterschied mehr, wenn die Anzahl der Messen pro Woche über eine bis zwei hinausging und damit auch der ausgelobte Lohn eine gewisse Höhe erreichte. Dementsprechend müssen als
von
9 10 11
StAS Urk. StAS Urk.
12
Depos. Depos.
St. Nicolai Nr. le; StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 45; StAS Stadt. Urk. Nr. 1810. St. Nicolai Nr. le; StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 45. Vgl. Pleimes, Weltliches Stiftungsrecht (1938), 146; Lentze, Die Rechtsform der Altarpfründen (1951), 235, 264-281; Kintzinger, Das Bildungswesen in der Stadt Braunschweig (1990), 218; Schlemmer, Gottesdienst und Frömmigkeit (1980), 99 f. Keine derartige begriffliche Differenzierung der Altarpfriinden nach der Ausgestaltung des Patronatsrechts vollzieht Fuhrmann, Kirche und Dorf (1995), 8792. Bei Heepe und Frölich dienen die Termini „Befehlung" bzw. „Kommende" zur Bezeichnung der beschriebenen Pfründform, während die Benefizien mit einer kanonischen Ausprägung des Patronatsrechts als „Lehen" gefaßt werden, eine sicherlich unglückliche Wahl, zumal da der Begriff leen in den niederdeutschen Quellen in undifferenzierter Weise für Priesterstellen nach kirchlichem und nach weltlichem Recht verwendet wird; Heepe, Die Organisation der Altarpfründen (1913), 5-9; Frölich, Die Rechtsformen der mittelalterlichen Altarpfründen (1931), bes. 481, 487 f., 493, 515. Die Verwendung des Begriffs ,Memorie' zur Bezeichnung eines liturgischen Gebetsgedenkens, beispielsweise im Eucharistie- oder im Stundengebet, stellt im übrigen eine Einengung der in den Stralsunder Quellen begegnenden Begriffsinhalte dar, die auch die Jahrtagsfeier miteinschließen; s. etwa StAS Test. Nr. 747.
V. Motive, Moden und Funktionen
172
beide Typen bei der Interpretation der Stiftungszahlen als eng benachbart gesehen werden. In Anbetracht dieser Verbindung der beiden Typen wurde auf eine Kenntlichmachung der Grenzfälle in der Grobklassifikation verzichtet; stattdessen wurde jeder Fall einer der beiden Kategorien zugeordnet, wobei sich die Entscheidung über die Zweifelsfälle daran orientierte, welche Aufmerksamkeit in den Stiftungsbestimmungen der Auswahl des Meßpriesters und der Gestaltung des Anstellungsverhältnisses gewidmet wurde. Die Entscheidung für diesen freilich nicht völlig befriedigenden Weg wurde durch die Aussicht erleichtert, seine Schwächen durch eine entsprechende Interpretation der Stiftungszahlen zu kompensieren. Das Augenmerk bei der Interpretation der seriellen Zahlen hat vor allem den testamentarischen Stiftungen zu gelten. Abgesehen von ihrer generellen Repräsentativität, zeichnen sich die Testamente gegenüber den Stiftungsurkunden dadurch aus, daß in ihnen alle Arten von
Gesamt 1321-1340 1341-1360
21 20
11
10
14
73
1361-1380
35
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15
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16
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1461-1480
16
1481-1500
13
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12
38
Gesamt
14
51
l : Kapellen- und Altarstiftungen 2: Patronatspfründstiftungen 3: Weltliche Priesterstellenstiftungen 4: Meßstiftungen
14
31
19
63
11
82
42 49
112
73 56
76
419
5: Anniversarstiftungen 6: Memorienstiftungen 7: Kirchliche Objektstiftungen 8: Almosenstiftungen
Tabelle 1: Anzahl der quantifizierbaren testamentarischen Stiftungen nach Stiftungs-
typen je Zwanzig-Jahres-Zeitraum13
13
Spalte „Gesamt" ist nicht die Summe der hier erfaßten Stiftungstypen, sondern aller quantifizierbaren testamentarischen Stiftungen inkl. anderer, in der Klassifikation vernachlässigter Stiftungsarten angegeben; entsprechend bezieht sich die Summe „419" nicht auf die hier klassifizierten,
In der rechten
/. Eine
Typologie der Stiftungszwecke
173
Stiftungen gleichermaßen Erwähnung fanden; die Ausstellung einer Urkunde hingegen man bei bestimmten Stiftungsarten als überflüssig oder verzichtbar ansehen, beispielsweise bei kirchlichen Objektstiftungen14 oder auch bei Memorien und Anniversarien, für die nicht ein bestimmter Besitztitel übertragen, sondern einmalig eine Geldsumme oder ein Sachgegenstand vergabt wurde. Derartige Stiftungen fanden oft nur dann Erwähnung in einer Urkunde, wenn sie in Zusammenhang mit einer anderen Stiftung standen, die den eigentlichen Anlaß der Urkundenausstellung bildete. Wenn den Urkunden daher also nur ein eingeschränkter serieller Aussagewert zukommt, so lohnt sich zumindest für die Urkundenfähigen' Stiftungsarten ein Vergleich zwischen Testamenten und Stiftungsurkunden. In Tabelle 1 sind, gegliedert nach den genannten Klassifikationsgruppen und zusammengefaßt zu Zwanzig-Jahres-Zeiträumen, die Zahlen der testamentarischen Stiftungen aufgelistet. Die sich derart manifestierenden langfristigen Veränderungen der einzelnen Typen sind von durchaus unterschiedlicher Signifikanz. Kein allzu klares Bild vermitteln die Zahlen der kirchlichen Objekt- und der Almosenstiftungen. Bei ersteren zeichnet sich zumindest ein gewisser Anstieg der absoluten Zahlen im 15. Jahrhundert ab, der zwischen 1461 und 1480 seinen Höhepunkt erreicht. Allerdings muß man dabei auch die Gesamtzahl der Stiftungen im Auge haben, die ja in erster Linie von der Anzahl der überlieferten Testamente abhängt. Die in Tabelle 2 (S. 174) verzeichneten relativen Werte, die den prozentualen Anteil des jeweiligen Stiftungstyps an der Gesamtheit der im entsprechenden Zeitraum testamentarisch verfügten Stiftungen angeben, führen prompt zu einer gewissen Korrektur: Die relative Zunahme der kirchlichen Objektstiftungen im 15. Jahrhundert fällt danach, zumindest im Vergleich zur zweiten Hälfte des vorangegangenen Jahrhunderts, um einiges schwächer aus, so daß ein prägnanter langfristiger Entwicklungstrend nicht konstakonnte
tiert werden kann. Sprunghafter vollziehen sich die Veränderungen bei den Almosenstiftungen. Nach einer Periode regen karitativen Engagements in den mittleren Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts folgt ein deutlicher absoluter Rückgang der Stiftungszahlen, der sich erst in der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wieder in einen markanten Anstieg verwandelt. Hier bestätigen die relativen Werte im wesentlichen das von den absoluten Zahlen gezeichnete Bild; nur die Werte für die Zeit zwischen 1401 und 1440 weisen daraufhin, daß der angesprochene Rückgang zum Teil auf eine entsprechende Entwicklung der Gesamtheit der Stiftungen zurückzuführen ist. Zugleich darf aber nicht übersehen werden, daß für diese Phase die Basis wohl doch zu schmal ist, um keine Skepsis gegenüber der Aussagekraft der hohen Prozentwerte zu
hegen.
14
sondern auf alle Stiftungen. Auf die gleiche Weise wurde in Tab. 3 mit den urkundlichen Stiftungen verfahren. Eine bemerkenswerte Ausnahme bildet eine wohl von Heinrich Vogeler initiierte Kelch- und Patenenstiftung für die Kapelle des Amtes der Maler und Glaser; in der darüber ausgestellten Urkunde aus dem Jahre 1503 bestätigten dessen Alterleute den Vormündern der Kinder Vogelers den Empfang der Geräte und verpflichteten sich, diese in ihrer Obhut zu behalten und nicht in geistlichen Besitz gelangen zu lassen; StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 51.
V. Motive, Moden und Funktionen
174
1341-1360
32
27
1361-1380
31
17
1381-1400
29
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33
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1461-1480
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16
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16
10
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Gesamt
12
12
27
13
18
1401-1420
13
1421-1440 1441-1460
14
1 : Kapellen- und Altarstiftungen 2: Patronatspfründstiftungen 3 : Weltliche Priesterstellenstiftungen 4: Meßstiftungen
5: Anniversarstiftungen 6: Memorienstiftungen 7: Kirchliche Objektstiftungen 8: Almosenstiftungen
Tabelle 2: Anteil einzelner Stiftungstypen an allen quantifizierbaren testamentarischen Stiftungen je Zwanzig-Jahres-Zeitraum (in auf ganze Zahlen
gerundeten Prozentpunkten)
'
Wesentlich aufschlußreicher ist ein Vergleich der Veränderungen bei den ersten sechs Stiftungstypen, die man als im weiteren Sinne ,liturgische Stiftungen' zusammenfassen kann. Aus der ersten Spalte geht hervor, daß testamentarische Kapellen- und Altarstiftungen in quantitativer Hinsicht vernachlässigt werden können. Daraus sollte man aber nicht schließen, daß sie überhaupt ein Randphänomen darstellen. Vielmehr dürften gerade solche Stiftungen vergleichsweise häufig schon zu Lebzeiten des Stifters initiiert worden sein; schließlich bedurften sie, besonders bei der Durchführung von Baumaßnahmen oder der Produktion von Altargerät und -schmuck, einer erheblichen Vorbereitungszeit, so daß eine frühzeitige Initia-
ls
Grundgesamtheit aller quantifizierbaren testamentarischen Stiftungen auch andere, hier vernachlässigte Stiftungsarten umfaßt, ergibt die Addition der auf diese Gesamtheit bezogenen Prozentanteile der erfaßten Stiftungstypen nicht immer 100 Prozent. Um der Einheitlichkeit willen wurden für alle Werte der Tab. 1 die Prozentanteile errechnet und angegeben, obwohl deren Aussagefähigkeit bei niedrigen absoluten Zahlen allenfalls als gering einzustufen ist. Selbiges gilt für die Aufbereitung der urkundlichen Stiftungen in Tab. 4. Da die
/. Eine
Typologie der Stiftungszwecke
175
tive insbesondere dann angeraten erschien, wenn der Stifter den naheliegenden Wunsch nach einem Begräbnis bei seinem Altar hegte. Von weitaus größerem Gewicht waren aber in jedem Fall Stiftungen von Altarbenefizien. Die Tabelle 1 macht allerdings deutlich, daß diese Aussage einer Einschränkung bedarf: Nur die Testatoren des 14. Jahrhunderts entschieden sich des öfteren für die Stiftung einer Patronatspfründe, während dies nach 1400 in den überlieferten Testamenten gerade noch zweimal geschieht. Besonders auffällig ist die Zahl von zwanzig Stiftungen zwischen 1341 und 1360, die allerdings der Zeit einer sehr regen Testiertätigkeit entstammt. Ein Blick auf die relativen Zahlen verdeutlicht, daß den Benefrzien nicht nur um die Jahrhundertmitte, sondern vom Einsetzen der testamentarischen Überlieferung bis zur Jahrhundertwende mit einem durchschnittlichen Anteil von etwa 25 Prozent eine recht hohe Bedeutung zukommt. Bei den Priesterstellenstiftungen nach weltlichem Recht ist eine gegenläufige Tendenz zu beobachten: Drei Fällen im 14. Jahrhundert stehen immerhin elf nach 1400 gegenüber. Wirft man einen zusätzlichen Blick auf die relativen Zahlen, so wird man dieser Entwicklung nicht dieselbe Prägnanz wie dem Einbruch bei den Benefizienstiftungen attestieren können; daß die beiden Trends miteinander korrespondieren, ist jedoch unverkennbar: Die bereits im 14. Jahrhundert vereinzelt erscheinenden testamentarischen Priesterstellenstiftungen treten also in der Folgezeit an die Stelle der Altarbenefizien, ohne deren quantitatives Gewicht zu erreichen. Dieses Bild erfahrt noch eine gewisse Verschiebung, wenn man die Meßstiftungen in die Betrachtung miteinbezieht, die ja, wie schon erläutert, mit den Priesterstellenstiftungen eng verwandt sind, sofern sie, was bei einem Gutteil der Fall ist, auf die Übertragung des Meßauftrages an einen einzelnen Priester und nicht etwa an einen Klosterkonvent hinauslaufen. Die Ewigmessen verzeichnen zwar eine sprunghafte Verbreitung in dem durch die Große Pest überschatteten Zeitraum, gehen jedoch ebenso schnell auch wieder stark zurück. Erst etwa hundert Jahre später ist ein nachhaltiger Anstieg der Stiftungszahlen zu registrieren. Diese Beobachtung bestätigt sich bei einem Blick auf die relativen Werte: Abgesehen von dem statistisch zu vernachlässigenden Wert für den Ausgang des 14. Jahrhunderts, ist nur in der Jahrhundertmitte mit 15 Prozent ein relativ hoher Anteil der Ewigmessen am gesamten Stiftungsaufkommen zu konstatieren, während er sich nach 1420 auf etwa demselben Niveau dauerhaft einpendelt. Damit verstärkt sich, wenn man Priesterstellen- und Meßstiftungen zusammennimmt, der Eindruck von der Ablösung der Altarbenefizien: Dominiert im 14. Jahrhundert bei den testamentarischen Stiftungen, die die Übertragung eines Meßauftrages an einen einzelnen Priester zum Inhalt haben, die benefizialrechtliche Form noch deutlich, so wird sie im 15. Jahrhundert fast vollständig durch annähernd ebenso häufige Anstellungsverhältnisse nach weltlichem Recht ersetzt. Bei den letzten beiden zu betrachtenden Stiftungstypen, den Anniversarien und den Memorien, ergibt sich ein nicht ganz so klares Bild. Die Jahrzeitstiftungen weisen bereits im 14. Jahrhundert einen erheblichen Anteil am gesamten Stiftungsaufkommen auf und verzeichnen im 15. Jahrhundert einen deutlichen absoluten und relativen Rückgang, um erst in den letzten vier Jahrzehnten vor der Reformation noch einmal einen spürbaren Anstieg zu erleben. Ganz anders die Memorienstiftungen: Sie begegnen zwar ebenso wie die Anniversarien schon im 14. Jahrhundert, jedoch nicht in gleich großer Zahl. Dafür erfahren sie aber im 15. Jahrhundert eine deutliche Ausbreitung, die in den letzten Jahrzehnten vor der Reforma tion in einer singulären Weise kulminiert. Noch beeindruckender erscheint dieser Anstieg, wenn man sich in Erinnerung ruft, daß aufgrund der methodischen Schwierigkeiten bei der
176
V.
Motive, Moden und Funktionen
Identifikation von testamentarischen Stiftungen gerade bei diesem Typus und insbesondere im 15. Jahrhundert mit einer gewissen Dunkelziffer zu rechnen ist.16
6: Memorienstiftungen Anniversarstiftungen : Meßstiftungen 3: Weltliche Priesterstellenstiftungen Patronatspfründstiftungen 5:
^
o
Diagramm 9: Anzahl der quantifizierbaren testamentarischen Stiftungen für einzelne liturgische Stiftungstypen in Zwanzig-Jahres-Zeiträumen
16
S. oben S. 56 ff.
/. Eine
Typologie der Stiftungszwecke
ill
Zum Abschluß der
Auswertung der Testamente lohnt ein vergleichender Blick auf die liturgischen Stiftungen. Deren Entwicklung ist, unter Ausklammerung der quantitativ bedeutungslosen Kapellen- und Altarstiftungen, in Diagramm 9 graphisch umgesetzt, um die langfristigen Veränderungen besser zu veranschaulichen. Als augenfällig erweisen sich dabei bestimmte Sachverhalte, die bereits angesprochen wurden, so die recht hohe Zahl von Altarbenefizien um die Mitte des 14. Jahrhunderts und vor allem der enorme Anstieg der Memorienstiftungen gegen Ende des 15. Jahrhunderts. Zudem vermittelt das Schaubild einen Eindruck von der Ablösung der Benefizienstiftungen durch die weltlichen Formen der Meßpriesteranstellung im 15. Jahrhundert. Man kann die Graphik jedoch noch auf eine andere Weise betrachten, zumal wenn man bedenkt, daß in der Gruppe der Ewigmessen nicht nur Stiftungen enthalten sind, die mehrere, durch einen einzelnen Priester zu haltende Messen pro Woche zum Gegenstand haben und daher weltlichen Lohnpriesterstellen sehr nahestehen, sondern auch solche, die beispielsweise nur eine Wochenmesse umfassen und an einen Klosterkonvent adressiert sind. Dann nämlich läßt sich
aus
den Einzeltrends auch eine
gewisse Abkehr von Priesterstellenstiftungen ablesen zugunsten einer stärkeren Hinwendung 2a
2b
Gesamt
1301-1320 1321-1340
1341-1360
12
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17
1 : Kapellen- und Altarstiftungen 2a: Patronatspfründstiftungen 2b: Lehnspfründstiftungen 3 : Weltliche Priesterstellenstiftungen 4: Meßstiftungen
Tabelle 3: Anzahl der quantifizierbaren urkundlichen
je Zwanzig-Jahres-Zeitraum
21
18
11
55
17
53
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214
5: Anniversarstiftungen 6: Memorienstiftungen 7: Kirchliche Objektstiftungen 8: Almosenstiftungen
Stiftungen nach Stiftungstypen
V. Motive, Moden und Funktionen
178
weniger aufwendigen Stiftungsformen, mithin zu Memorien, Anniversarien und entsprechenden Ewigmessen. Bevor auf diese Interpretation weiter eingegangen wird, ist zuerst noch danach zu fragen, ob die skizzierte Entwicklung der testamentarischen Stiftungen sich in den Stiftungsurkunden im wesentlichen widerspiegelt oder durch die Auswertung der Urkunden beachtenswerte Korrekturen erfahrt. In Tabelle 3 sind die absoluten Zahlen für die einzelnen Stiftungsarten zu
2a
1301-1320
63
2b
25
1321-1340
67
1341-1360
42
13
25
17
1361-1380
67
1381-1400
33
1401-1420
21
33
33
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1421-1440
21
14
1441-1460
17
17
38
1461-1480
16
24
28
1481-1500
18
1501-1520
13
Gesamt
10
1 : Kapellen- und Altarstiftungen 2a: Patronatspfründstiftungen 2b: Lehnspfründstiftungen 3 : Weltliche Priesterstellenstiftungen 4: Meßstiftungen
15
14
29
21
14
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29
14
15
20
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5: Anniversarstiftungen 6: Memorienstiftungen 7: Kirchliche Objektstiftungen 8: Almosenstiftungen
Stiftungstypen an allen quantifizierbaren urkundlichen Stiftungen je Zwanzig-Jahres-Zeitraum (in auf ganze Zahlen gerundeten Prozentpunkten)
Tabelle 4: Anteil einzelner
/. Eine
Typologie der Stiftungszwecke
179
aufgeführt, in Tabelle 4 deren Relation zur Gesamtzahl der urkundlichen Stiftungen im jeweiligen Zeitabschnitt.17 Der Untersuchungszeitraum beginnt hier schon mit dem Anfang des 14. Jahrhunderts, da bereits aus den ersten beiden Jahrzehnten acht Stiftungsurkunden überliefert sind.18 Im folgenden sollen wegen der bereits angesprochenen eingeschränkten Repräsentativität der Urkunden die Daten der beiden Tabellen nur im Hinblick darauf erörtert werden, inwiefern sie zu Ergänzungen oder Korrekturen des aus den Testamenten gewonnenen Bildes führen. Die Zahl der urkundlichen Kapellen- und Altarstiftungen, die besonders in Relation zur Gesamtzahl der Stiftungen höher ausfallt als bei den Testamenten, bestätigt die Überlegung, daß das verschwindend geringe Aufkommen solcher Stiftungen in den Testamenten nicht allein auf die Marginalität dieses Typus zurückzuführen ist, sondern einen zweiten Grund in der Neigung haben dürfte, solche Fundationen zu Lebzeiten zu errichten. Auch die Ergebnisse für die urkundlichen Pfründstiftungen decken sich nicht mit ihrem testamentarischen Pendant. Bemerkenswert ist zum einen, daß auch im 15. Jahrhundert noch Patronatspfründen gestiftet wurden, wobei die relativ hohe Zahl von fünf Stiftungen in den letzten beiden Jahrzehnten vor der Reformation besonders auffällig erscheint. Zum anderen findet in den Urkunden ein Phänomen seinen Niederschlag, das in den Testamenten nicht sichtbar geworden ist: die Lehnspfründe, die sich von der Patronatspfründe durch wesentlich weiter gefaßte Rechte der Stiftungsbevollmächtigten unterscheidet. Diese Pfründform wird in Stralsund erst im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts greifbar, wartet dann aber mit der hohen Zahl von zehn Fällen innerhalb von zwei Jahrzehnten auf. Bei den weltlichen Priesterstellenstiftungen hingegen unterstreichen die Urkunden das aus den Testamenten gewonnene Bild: Diese Stiftungsform erlebt in Stralsund tatsächlich im 15. Jahrhundert ihre Glanzzeit. Gleiches gilt für die in Zusammenhang mit den Priesterstellen zu betrachtenden Ewigmessen: Auch hier fällt der Trend deutlicher aus als bei den Testamenten, da nämlich mit einer Ausnahme Meßstiftungen nur im 15. Jahrhundert begegnen. Allerdings dürfte dieser Befund in seiner Deutlichkeit weniger auf eine entsprechende Urkundenpraxis als auf spezifische Faktoren der Überlieferungsgeschichte zurückzuführen sein.19 Eine höhere Signifikanz kann wiederum die Beobachtung beanspruchen, daß in den -
17
Materialgrundlage dieser Erhebung bildet nicht wie bei den Testamenten ein einzelner, homoArchivbestand, sondern die gesamte, heute vor allem auf das StAS und das VpLAG verteilte urkundliche Überlieferung; s. zu dieser oben S. 31 f.; vgl. zum Problem ihrer seriellen Qualität oben S. 40 f. und die folgenden Ausführungen. Die beiden ältesten überlieferten Stralsunder Stiftungsurkunden stammen gar aus dem Jahre 1296 und konnten daher in der Statistik keine Berücksichtigung finden. In ihnen bestätigen der Stralsunder Pfarrherr und der Bischof von Schwerin die Gründung einer Vikarie in der Nikolaikirche durch den Stralsunder Bürger Leo Valke; s. PUB III, Nr. 1755, Nr. 1756. Das überlieferungsgeschichtliche Moment wird faßbar durch einen Blick auf die dreizehn testamentarischen Meßstiftungen des 14. Jh., die allesamt an die Franziskaner oder Dominikaner adressiert waren und offenbar von einer uneindeutigen Ausnahme abgesehen (s. StAS Test. Nr. 139) durch eine einmalige Barzahlung an die Empfänger finanziert wurden. Wenn hierfür Reverse ausgestellt wurden, gelangten sie in der Regel in die Hände von Testamentsvollstreckern oder Angehörigen des Stifters und gingen in der Folge unter; erst im 15. Jh. fungierten des öfteren Kompanie- bzw. Zunftalterleute als Die
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V. Motive, Moden und Funktionen
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letzten Jahrzehnten vor der Reformation die Zahl der urkundlichen Meßstiftungen ebenso anstieg wie ihr testamentarisches Pendant. Die Anniversarien und mehr noch die Memorien weisen eine deutlich geringere Zahl auf als in den Testamenten. Der Befund für die Memorien vermag kaum zu überraschen, wurden diese Stiftungen doch sehr häufig durch einmalige Geld- oder Sachspenden vergütet, deren Wert im 15. Jahrhundert zudem rückläufig war, weshalb man hier zumeist auf die Ausstellung eines Reverses verzichtete, zumal die liturgische Gegenleistung in hohem Maße standardisiert, mithin kaum regelungsbedürftig war.20 Bei den Anniversarstiftungen hingegen lag zweifellos häufiger ein Motiv für die Ausfertigung einer Urkunde vor, mochte es sich dabei um die Übertragung eines Besitztitels handeln, um den Wunsch nach einem Revers im Falle einer beträchtlichen Stiftungssumme oder um die Fixierung besonderer Bestimmungen über Daher wird man ebenso wie bei den Ewigmessen die die Abhaltung der maßgeblichen Gründe für die geringere Zahl urkundlicher Stiftungsfälle in der Überlieferungsgeschichte zu suchen haben.22 Dennoch kann der Vermehrung der Anniversarstiftungen im 15. Jahrhundert eher als im Fall der Ewigmessen Aussagekraft attestiert werden, weil hier eben kein markanter Wandel des Empfängerkreises und damit der Überlieferungschancen zu beobachten ist. Es wurde deutlich, daß die Quantifrzierbarkeit des Urkundencorpus im Hinblick auf die diachrone Entwicklung der einzelnen Stiftungstypen erheblichen Einschränkungen unterworfen ist, ein Umstand, der sich auch bei einem Blick auf die Gesamtzahl der der Auswertung
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Stiftungsbeauftragte und damit Reversempfänger, womit den Urkunden eine deutlich bessere Überlieferungschance zuteil wurde. Die etwaige kopiale Überlieferung der angesprochenen Reverse in den Stralsunder Mendikantenklöstern ging in der Reformationszeit gleichfalls verloren. Von den 21 urkundlichen Fürbittstiftungen bildeten nur drei den einzigen Gegenstand der jeweiligen Urkunde. In allen drei Fällen machte die Übertragung von ewigen Pachtzinsen bzw. Renten die Ausstellung einer Urkunde erforderlich; s. StAS HS IX.l [1491 Juli 9]; StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 27; StAS Urk. Marienkrone Nr. 21. In den übrigen achtzehn Fällen stand die Memorie jeweils in Verbindung mit einer aufwendigeren bzw. regelungsintensiveren Stiftung. Acht der insgesamt siebzehn urkundlichen Anniversarstiftungen erscheinen nicht als Annex einer anderen Stiftung. In vier dieser acht Fälle war das entscheidende Moment für die Urkundenausstellung offenbar die Übertragung einer Ewigrente; s. VpLAG Rep. 1 Stralsund 7. Kaland 4; StAS Urk. Marienkrone Nr. 79; StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. 17; StAS Stadt. Urk. Nr. 1800. Drei weitere Urkunden stammen von den Stiftungsempfangern bzw. deren Vertretern und bestätigen den Erhalt des Stiftungsgutes und die damit verknüpften Verpflichtungen; StAS HS IX.4, fol. 65r_v; VpLAG Rep. 1 Kl. Bergen 5; VpLAG Rep. 1 Stralsund 9. St. Nikolai 40. In der letzten der acht Urkunden schließlich verbriefte der Stifter dem Kloster Ribnitz den Anspruch auf die exorbitante Summe von 1000 M sund., die nach seinem Tod von der Stadt Stralsund zu bezahlen war; StAS Test. Nr. 642. Die Urkunde ist im übrigen in den Testamentsbestand des Stadtarchivs Stralsund eingeordnet; tatsächlich handelt es sich nicht um ein lübisch-rechtliches Testament in der in Stralsund üblichen chirographischen Form, sondern um eine Siegelurkunde, die immerhin eine entsprechende Bestimmung im nicht überlieferten Testament des Stifters ausfuhrt und verbrieft. Verglichen mit den Ewigmessen des 14. Jh. ist die Zahl der Empfänger testamentarischer Anniversarstiftungen zwar größer; unter ihnen befinden sich gleichwohl etliche Institutionen, deren Schriftgut gänzlich oder größtenteils untergegangen ist, so die Stralsunder Ordenskonvente, sowie solche, deren Schriftgut nicht in die systematische Quellenaufnahme einbezogen wurde, nämlich entfernter gelegene Klöster und Kirchen. -
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zugrundeliegenden Stiftungsurkunden abzeichnet: Mit 108 Urkunden stammt der weit überwiegende Teil der Materialbasis aus dem 15. Jahrhundert, während auf das 14. Jahrhundert nur 26 Urkunden entfallen und damit sogar noch zehn weniger als auf die Zeit zwischen 1501 und 1520.23 Immerhin ist die Aussagefähigkeit der urkundlichen Befunde im Hinblick auf die beiden für die Testamente konstatierten Tendenzen im Spektrum der liturgischen Stiftungen wohl nicht entscheidend beeinträchtigt. Der eine Trend, die Ablösung der kirchlichen durch weltliche Priesterstellenstiftungen im 15. Jahrhundert, fände sich wohl auch dann in den
Urkunden wieder, wenn sich mehr von ihnen aus dem 14. Jahrhundert erhalten hätten; nicht betroffen davon ist in jedem Fall die bemerkenswerte gegenläufige Tendenz in den letzten vierzig Jahren vor der Reformation. Die zweite Beobachtung, die auf eine gewisse Hinwendung zu Stiftungsformen mit einem geringeren Umfang liturgischer Leistungen abhob, läßt sich an den Urkunden nicht in demselben Maße nachvollziehen. Berücksichtigt man jedoch die Unterrepräsentation von Anniversar- und Gebetsgedenkstiftungen in den Urkunden, so kann das Fazit dennoch lauten, daß der aus den Testamenten herausgefilterte Trend zu diesen Formen liturgischer Stiftungen durch den urkundlichen Befund zwar keine klare Bestätigung, aber auch keine Widerlegung erfahrt. Gerade die letztgenannte Tendenz legt es nahe, die tatsächlichen materiellen Aufwendungen für die einzelnen Stiftungsformen miteinander zu vergleichen und nach dem Einfluß des Kostenfaktors auf die Entwicklung der verschiedenen Stiftungsarten zu fragen. Auf welch schwieriges Terrain man sich dabei begibt, wurde bereits bei der Untersuchung des Verhältnisses von Stiftungs- und Schenkungsaufwendungen in den Testamenten deutlich.24 Ebenso wie dort sind auch hier Schätzungen unvermeidlich, um zu einer möglichst großen Zahl von Stiftungen mit bezifferbaren Kosten zu gelangen. Gleichwohl wurde hier hinsichtlich der Schätzungstoleranz ein strengerer Maßstab angelegt als bei der obigen Analyse25, was dazu führte, daß von 423 testamentarischen Stiftungen 322 und von 214
23
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Daß hierfür spezifische Überlieferungsfaktoren verantwortlich zeichnen und nicht etwa ein genereller Trend zu vermehrter Schriftlichkeit oder eine in entsprechendem Maße zunehmende Stiftungstätigkeit, legt ein Vergleich mit dem Testamentscorpus nahe, dem wesentlich günstigere Überlieferungsbedingungen zuteil wurden: Denn weder ist ein signifikanter Anstieg der insgesamt erhaltenen Testamente im 15. Jh. auszumachen noch verzeichnet die testamentarische Stiftungstätigkeit über die beiden Jahrhunderte hinweg eine solche Steigerung, wie sie in den überlieferten Urkunden zum Ausdruck kommt. S. oben S. 132 ff. Während bei der Kalkulation der gesamten Stiftungs- bzw. Schenkungsausgaben pro Testament eine Schwankungsbreite von etwa 25 % tolerabel erschien, wurde die Toleranz bei der Kostenschätzung der einzelnen Stiftungen nun auf 10 % reduziert. Dafür waren zwei Gründe ausschlaggebend: Erstens verringert sich hier die Unscharfe nicht weiter, wie es bei der Berechnung des Verhältnisses von Stiftungszu Schenkungsaufwendungen der Fall war. Zweitens beansprucht die Frage der Münzwert- und der allgemeinen Preisentwicklung mithin ein Unsicherheitsfaktor ein größeres Gewicht, weil verschiedene Geldwerte nicht nur zu einem identischen Zeitpunkt, sondern über lange Zeiträume hinweg miteinander in Beziehung gesetzt werden. -
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V. Motive, Moden und Funktionen
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urkundlichen Stiftungen 175 in die rund drei Viertel der
Auswertung einbezogen wurden,
also immerhin noch
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1 : Kapellen- und Altarstiftungen 2: Patronatspfründstiftungen 3: Weltl. Priesterstellenstiftungen 4: Meßstiftungen 5: Anniversarstiftungen 6: Memorienstiftungen 7: Kirchl. Objektstiftungen 8: Almosenstiftungen
Diagramm
10: Durchschnittliche Ausgaben für die testamentarischen nach Stiftungstypen (in M sund.)
Stiftungen
Betrachten wir zuerst die in Diagramm 10 visualisierten Ergebnisse für die testamentarischen Stiftungen: Bemerkenswert ist vor allem anderen die freilich nicht unerwartete Abstufung der sechs liturgischen Stiftungsarten, die hier in der gleichen Abfolge wie in den oben präsentierten Tabellen angeführt werden. Dabei sind die Stiftungsformen, die mit der Einrichtung einer festen Priesterstelle verbunden sind, recht klar von den übrigen drei abgesetzt.27 Innerhalb dieser ersten Gruppe ist zudem beachtenswert, daß der durch-
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Anders als bei den quantifizierenden, diachronen Analysen in den Kapiteln III und IV wurden hier undatierte Testamente und Notariatsinstrumente in die Auswertung einbezogen, nicht aber Ersttestamente im Falle der Überlieferung eines späteren Testaments desselben Testators. Anzumerken ist, daß der Wert für die Gruppe der Kapellen- und Altarstiftungen wenig aussagekräftig ist, da er nur auf zwei Fällen basiert, die zudem mit kalkulierten 454 bzw. 215 M sund. einen enorm divergenten Kostenaufwand zu verzeichnen haben; immerhin läßt sich die Ursache für diese Kluft mühelos ausmachen: Während nämlich von den 454 M sund. der ersten Stiftung sowohl die Errichtung und Ausstattung der Kapelle wie auch das Altarbenefizium finanziert werden sollten, ist im zweiten Fall nur von der Errichtung einer Kapelle, nicht aber von einer Benefizienstiftung die Rede; s. StAS
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schnittliche Aufwand der Pfründstiftungen von 244 Mark sundisch die Kosten der Stiftungen weltlicher Priesterstellen um 75 Mark und damit fast um deren Hälfte übersteigt. Die Lohnund Befehlungspriester befanden sich also nicht nur in einer unkomfortableren Rechtsstellung als ihre bepfründeten Kollegen, sie wurden zudem noch schlechter bezahlt. Vor einer weiterführenden Interpretation der Zahlen seien in einem kurzen Vergleich die Resultate für die urkundlichen Stiftungen in den Blick genommen. Sie wurden nicht in das Schaubild integriert, weil eine solche Ergänzung zu einem Bild mit mehrfachen Verzerrungen geführt hätte.28 So lagen die Aufwendungen für die in Stiftungsurkunden genannten Patronatspfründen mit durchschnittlich 339 Mark sundisch um fast 100 Mark über denjenigen für die testamentarischen Benefizienstiftungen. Dabei fällt auf, daß die höchsten Dotationen allesamt aus der Zeit um die Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert stammen, einer Zeit also, in der nur noch eine derartige Stiftung in den Testamenten begegnet. Eine Erklärung für die enorme Differenz ist damit jedoch noch nicht gefunden, und die genauere Betrachtung dieser späten Fälle ergibt denn auch, daß sich die hohen Dotierungen nicht auf eine einheitliche Ursache zurückführen lassen, und dies trotz der bemerkenswerten Tatsache, daß die Stifter ausnahmslos dem geistlichen Stand angehörten.29 Nur in zwei Fällen nämlich verdichtet sich die angesichts dieser Konstellation naheliegende Vermutung, daß die Absicht, den eigenen Standesgenossen eine ansehnlich dotierte Pfründe zukommen zu lassen, ausschlaggebend für die vergleichsweise großzügige Ausstattung gewesen sein könnte.30
Test. Nr. 147, 245. Die vier urkundlichen Altarstiftungen aus dem 14. Jh. mit einem bezifferbaren Kostenaufwand taugen nur bedingt zu einem Kontrollvergleich, da sich hier keine Angaben über die Kosten der Altarerrichtung und -ausstattung finden, sondern nur über die dotatio, die sich in allen Fällen auf jährliche Einkünfte im Wert von 20 M sund. belief; s. PUB IV, Nr. 2317, Nr. 2318; PUB V, Nr. 3402; PUB VII, Nr. 4735. Die einzige zudem erst 1509 ausgestellte Urkunde über eine Kapellenstiftung mit Angabe der Aufwendungen verzeichnet ebenfalls nur die Höhe der hier 24 M sund. betragenden jährlichen Einkünfte; StAS HS 1672, S. 86-90. Nicht eigens eingegangen wird im folgenden auf die Kostendivergenz bei den Stiftungen von Almosen und kirchlichen Objekten, da sich deren Gründe nicht auf einen signifikanten Nenner bringen lassen. Die Aufwendungen für die urkundlichen Almosenstiftungen lagen im Mittel bei 365 M sund. (gegenüber 210 M sund. für die testamentarischen), diejenigen für kirchliche Objekte bei 147 M sund. (gegenüber 108 M sund.). Angesichts dieser Beobachtung ist daran zu erinnern, daß die Notariatsinstrumente von der seriellen Auswertung der Testamente ausgenommen wurden, womit die Gruppe der Kleriker, die diese Form der Testamentserrichtung der deutschrechtlichen Variante zumeist vorzogen, unter den Testatoren des hier zugrundeliegenden Corpus unterrepräsentiert ist; s. oben S. 119 f. In erster Linie gilt dies für eine Stiftung des Priesters Michael Lilie. In der nach dessen Tod ausgestellten archidiakonalen Bestätigungsurkunde ist von einem Stiftungskapital von 600 M sund. und von immerhin 40 M sund. die Rede, die der jeweilige Benefizieninhaber Jahr für Jahr erhalten sollte; StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 50 f. In seinem ebenfalls abschriftlich überlieferten Testament bestimmte Lilie als ersten Inhaber der Pfründe Martin Nyeman und bezeichnete ihn bei der Gelegenheit als amicum meum; StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 53 f. Daß ein persönliches Motiv eine gewisse, jedoch nicht allein maßgebende Rolle gespielt haben dürfte, deutet sich in dem Umstand an, daß in demselben Testament Lilie für eine zweite Pfründstiftung, deren Erstinhaber er nicht benannte, immerhin noch 500 M sund. aussetzte. Bei einer weiteren urkundlichen Benefizienstiftung liegt die Annahme, daß eine klerikale Standesverbundenheit einen Einfluß auf die Dotierung ausgeübt haben könnte, ebenfalls nicht fern, ohne sich aber nachgerade belegen zu lassen: Die ebenfalls durch eine testamentarische Bestimmung -
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Bei der mit Abstand bestdotierten Stiftung hingegen tritt als ein weiteres Motiv die eigene materielle Versorgung hinzu, da nämlich der Stifter sich selbst zum ersten Inhaber des Benefiziums bestimmte.31 Zwei weitere Pfründstiftungen schließlich verfügten zwar über ein Kapital von immerhin je 400 Mark sundisch, das bei einem Zinsfuß von sechs Prozent jedoch nur 24 Mark jährlicher Rente und damit keine außerordentlichen Pfründeinkünfte
erbrachte.32
Anders als die urkundlichen Patronatspfründen weisen die urkundlichen Lehnspfründen ein mit den testamentarischen Benefizienstiftungen fast identisches Kostenniveau auf.33 Auch der Vergleich der Kapellen- und Altarstiftungen führt in dieser Hinsicht zu einem unauffälligen Ergebnis.34 Dagegen liegen die Aufwendungen bei den urkundlichen Meß-,
initiierte Stiftung des Priesters Johann Brandes wurde mit einem Kapital von 450 M sund. ausgestattet, dessen nicht bezifferter Rentenertrag als erstem Benefiziaten dem Magister Johann Havemester und nach dessen Tod eynem armen prestere zugute kommen sollte; StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 35-37. 31 Derart verfuhr Nikolaus Glewinck, Kanoniker am Greifswalder Kollegiatstift St. Nikolai, mit der Benefizienstiftung für seine Kapelle in der Stralsunder Jakobikirche. Dafür stellte er sein Haus in Stralsund mit einer daraus zu erwartenden jährlichen Rente von mindestens 24 M sund. sowie weitere von ihm für 530 M sund. gekaufte Renten und schließlich noch einen Betrag von umgerechnet 50 M sund. zur Verfügung. Nach seinem Tod sollten die Stiftungsbeauftragten zuerst den Priester Richard Hovell, danach den Magister Johann Lutkens und anschließend non alium quam ünüm paîiperem actu presbiterum präsentieren; StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 40—43. 32 Stifter beider Benefizien war der Bützower Domvikar Henning Swarte, dessen nächste Verwandte den Schweriner Bischof 1512 um die Bestätigung der Stiftung ersuchten und zugleich Johann Glevemer, offensichtlich ebenfalls ein Verwandter Swartes, als ersten Inhaber für beide Pfründen präsentierten, verbunden mit dem Hinweis, die twen commenden effte almissen sollten alle tydt twe personen hebben, besundergen dede von unsem negesten blöde syndt; StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 38 f. 33 Bei näherer Betrachtung kommt hinter dem Durchschnittswert von 245 M sund. eine beträchtliche Spannbreite in der Höhe der jährlichen Pfründeinkünfte zum Vorschein, die sich zwischen 10 M sund. (StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 45) und 32 M sund. (VpLAG Rep. 1 Stralsund 9. St. Nikolai 24) bewegen. Bemerkenswert sind dabei vor allem die Niedrigdotierungen, um so mehr, wenn man bedenkt, daß diese Stiftungen gegen Ende des 15. Jh. errichtet wurden, also zu einer Zeit, als beispielsweise die nominalen Ernährungskosten wohl mehr als doppelt so hoch waren wie noch 150 Jahre zuvor; vgl. die entsprechenden Zahlen für Rostock bei Hauschild, Studien (1973), 158-166. Ein jährliches Einkommen von 10 M sund. konnte mithin die Ernährungskosten für eine Person wohl noch annähernd decken, keinesfalls aber mehr die gesamten Lebenshaltungskosten. Dies wirft ein Schlaglicht auf die im Laufe des 15. Jh. immer prekärer werdende Lage des Niederklerus, aber auch auf eine Veränderung in der kirchlichen Praxis der Stiftungskonfirmationen, welche nun auch für die neuartigen Lehnspfründen erteilt wurden, für einen Typus also, der dem Benefiziaten Einbußen in seiner rechtlichen wie auch mitunter in seiner materiellen Stellung einbrachte. 34 Mit durchschnittlich 269 M sund. liegen die Kosten der urkundlichen Kapellen- und Altarstiftungen um rund 65 M unter denjenigen für die beiden einzigen testamentarischen Fälle. Diese Differenz ist auf den Umstand zurückzuführen, daß in den Stiftungsurkunden lediglich das für die Altarpfründe bereitgestellte Kapital beziffert ist, während bei einer der beiden testamentarischen Stiftungen zudem die Ausgaben für den Kapellenbau in Höhe von 84 M sund. und für die innere Ausstattung von Altar und Kapelle in Höhe von 70 M sund. angeführt sind (StAS Test. Nr. 147).
1. Eine
Typologie der Stiftungszwecke
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Anniversar- und Memorienstiftungen im Durchschnitt deutlich über den Zahlen der testamentarischen Stiftungen.35 Die Gründe hierfür sind vor allem in den bereits erläuterten Umständen der Urkundenausstellung beziehungsweise -Überlieferung bei den genannten drei Typen zu suchen. Demnach fällt bei den Meßstiftungen ins Gewicht, daß gerade die weniger aufwendigen Ewigmessen, die nach Ausweis der Testamente ausnehmend häufig bei den Mendikanten errichtet wurden, in besonderem Maße vom Verlust ihrer urkundlichen Zeugnisse betroffen sind.36 Ähnliches ist auch für die Jahrzeitstiftungen anzunehmen, wobei der Vergleich zwischen Urkunden und Testamenten hier ein weniger klar konturiertes Bild ergibt.37 Bei
Das Verhältnis zwischen urkundlichen und testamentarischen Stiftungen beträgt für die Ewigmessen 247 M sund. zu 107 M sund., für die Anniversarien 215 M sund. zu 76 M sund. und für die einfachen liturgischen Memorien 30 M sund. zu 13 M sund. 36 Augenfällig ist der Befund für das 14. Jh.: Die dreizehn testamentarischen Ewigmessen, deren Kosten kalkulierbar sind und im Durchschnitt 60 M sund. betragen, wurden allesamt bei den Stralsunder Mendikanten gestiftet und haben keine Spuren in der urkundlichen Überlieferung hinterlassen. Dennoch ist ein zusätzlicher Blick auf die Entwicklung im 15. Jh. vonnöten, da auch in diesem Zeitraum der durchschnittliche Aufwand der testamentarischen Meßstiftungen mit 127 M sund. immer noch vergleichsweise niedrig ausfällt. Die Meßstiftungen des 15. Jh. bieten ein von verschiedenen Veränderungen geprägtes, differenzierteres Bild, in dem zwei neue, vergleichsweise aufwendige Erscheinungsformen hervorstechen: Zum einen wurden Ewigmessen in ähnlicher Weise wie Lohnpriesterstellen nun des öfteren als Alternative zu einem Altarbenefizium gestiftet, indem ein einzelner Priester für eine täglich oder mehrmals pro Woche abzuhaltende Messe aus der Hand des Stiftungsbeauftragten in kurzen Abständen seinen Meßlohn empfing; s. z. B. StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. le [1498 März 5]. Damit verbunden war eine Erweiterung des Empfängerkreises um Kleriker an den Pfarr- und den Spitalkirchen. Dieselbe Konsequenz ergab sich auch aus der zweiten Neuerung, nämlich der Initiierung von weniger häufigen, dafür jedoch um so aufwendiger und feierlicher gestalteten Singmessen; s. z. B. StAS HS 129, S. 257 f. Diese beiden Typen sind nun nicht mehr nur in testamentarischer, sondern recht oft auch in urkundlicher Form dokumentiert, was zum einen an der pfarr- und spitalkirchlichen Umgebung und deren günstigerer Überlieferungslage liegt, zum anderen an der nun des öfteren greifbaren Beauftragung von Kompanie- bzw. Zunftvorstehern mit dem Stiftungsvollzug, womit ein weiterer Überlieferungsstrang konstituiert ist. Hingegen sind die aus dem 14. Jh. bekannten einfacheren und billigeren Varianten von Ewigmessen, die weiterhin in den Klosterkirchen, aber nun auch an pfarrkirchlichen Altären initiiert wurden, unverändert von einem Verlust ihrer urkundlichen Zeugnisse betroffen. Vergrößert wird die Kostendivergenz im übrigen durch zwei urkundliche Stiftungsfälle, deren Dotierung mit geschätzten 885 M sund. (StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 31) bzw. 675 M sund. (StAS HS IX.3, fase. 9, Nr. 110, fol. 20-33v) die mit 400 M sund. teuerste testamentarische Meßstiftung (StAS Test. Nr. 895) bei weitem übertrifft. 37 Aus dem Rahmen fallen insbesondere die beiden aufwendigsten urkundlichen Anniversarstiftungen, da sie beim Stralsunder Birgitten- bzw. Franziskanerkloster errichtet wurden; StAS Test. Nr. 642; StAS Stadt. Urk. Nr. 1800. Insbesondere im ersten Fall kann die Stiftungssumme in Höhe von 1000 M sund. nicht als entsprechend kalkulierte Entlohnung der ausbedungenen vierteljährlichen Anniversarien und des Predigtstuhlgedächtnisses angesehen werden, sondern als eine sehr großzügige Vergabung to nuttigheit eres klosters unde to erer tafelen in Verbindung mit einer dauerhaften liturgischen Gegenleistung. Des weiteren schlägt hier ein allgemeiner Anstieg der Aufwendungen etwas stärker zu Buche, da von den 47 testamentarischen Stiftungsfällen 22 in das 14. Jh. fallen, von den vierzehn urkundlichen dagegen nur vier. Dieser Trend läßt sich dahingehend beziffern, daß der durchschnittliche Aufwand der
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den einfachen liturgischen Memorien hingegen sind die höherdotierten Stiftungen vor allem deshalb deutlich überrepräsentiert, weil im Falle einmaliger und geringfügiger Vergabungen meist keine Urkunde ausgestellt wurde. Eine Bewertung des Kostenfaktors in der Entwicklung des Stiftungsverhaltens muß sich also in erster Linie auf die testamentarischen Befunde stützen. Betrachtet man die diachrone Entwicklung der Stiftungszahlen und die durchschnittlichen Dotierungen der einzelnen Stiftungstypen im Zusammenhang, so bestätigt sich die Hypothese, daß zwei wesentliche Entwicklungstendenzen innerhalb des Spektrums der liturgischen Stiftungen verbunden sind mit einem Rückgang der materiellen Aufwendungen. Dies gilt für die Abwendung von Benefizienstiftungen zugunsten von weltlichen Priesterstellenstiftungen und ebenso für den relativen Rückgang von Priesterstellenstiftungen jeglicher Art, der mit einer Zunahme von Meß-, Anniversar- und Memorienstiftungen einhergeht. Der Trend zu kostengünstigeren Stiftungsformen wird noch deutlicher, wenn man sich zweierlei vor Augen führt: Zum einen konnten gerade Anniversarien und Memorien mit einem weitaus geringeren Aufwand realisiert werden, als dies die Durchschnittswerte erkennen lassen, in die ja etliche Fälle mit außergewöhnlich großzügigen Dotierungen miteinberechnet sind.38 Zum anderen ist die Ausgabenentwicklung lediglich anhand des Nominalwertes der einheimischen Münzen kalkuliert worden; berücksichtigt man den allgemeinen nominalen Preis- und Lohnanstieg im fraglichen Zeitraum39, so erfährt durch diese Relation die Tendenz sinkender Stiftungsaufwendungen eine zusätzliche Akzentuierung.
testamentarischen Anniversarien im 14. Jh. 42 M sund., im 15. und beginnenden 16. Jh. indes 106 M sund. beträgt. 38 Unter den 22 testamentarischen Anniversarien des 14. Jh. finden sich acht mit einem Aufwand von lediglich 20 bis 25 M sund. (StAS Test. Nr. 16, 151, 192), wohingegen in einem Fall für zwei Feiern pro Jahr 100 M sund. gespendet wurden (StAS Test. Nr. 215). Im 15. und beginnenden 16. Jh. rangieren nur noch zwei Fälle am unteren Limit von 20 bis 25 M sund. (StAS Test. Nr. 614, 959), während immerhin zwölf von insgesamt 25 Stiftungen mit ebenfalls relativ niedrigen Summen von 50 bis 60 M sund. dotiert waren. Die aufwendigsten Anniversarstiftungen in diesem Zeitraum sahen dagegen 20 bis 24 M sund. pro Jahr, also je nach Zinsfuß etwa das Zwölf- bis Sechzehnfache der bescheidensten Dotierungen vor (StAS Test. Nr. 737, 747). Noch bemerkenswerter ist die Entwicklung, die die einfachen liturgischen Memorien nahmen: Während im 14. Jh. nur vier von zwölf Fällen unter 10 M sund. blieben (StAS Test. Nr. 111, 132, 298), darunter zwei mit der Minimaldotierung von 5 M sund., sank die untere Grenze in der Folgezeit auf Vi M sund. (StAS Test. Nr. 689); zugleich stieg die Zahl niedrigdotierter Stiftungen enorm an: 29 von insgesamt 78 Fällen blieben unter 5 M sund., 42 noch unter 10 M sund. Am anderen Ende der Skala ist die Vergabung Heinrich von Harens an die Nikolaikirche in Höhe von 100 M sund. plaziert, die to den buwete dienen und durch ein Predigtstuhlgedächtnis für ihn und seine Ehefrau vergolten werden sollte; StAS Test. Nr. 615. 39 Auf das in der Quellenlage begründete Desiderat einer Studie über die Stralsunder Löhne und Preise wurde bereits hingewiesen. Die zumindest zur vorsichtigen Orientierung tauglichen Rostocker Verhältnisse weisen nach den Untersuchungen von Ursula Hauschild einen nominalen Preisanstieg für Grundnahrungsmittel zwischen der ersten Hälfte des 14. Jh. und der zweiten Hälfte des 15. Jh. um das Dreieinhalbfache auf; die Löhne für Maurer stiegen zwischen der zweiten Hälfte des 14. Jh. und der ersten Hälfte des 16. Jh. um knapp das Doppelte, die Löhne für Handlanger hingegen zwischen der ersten Hälfte des 15. Jh. und der ersten Hälfte des 16. Jh. nur knapp um die Hälfte; s. Hauschild,
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Sind die Veränderungen im Spektrum der liturgischen Stiftungen nun tatsächlich auf ein wachsendes Bedürfnis nach kostengünstigeren Stiftungsformen und -Varianten zurückzuführen? Eine pauschale Antwort würde dem Problem sicherlich nicht gerecht werden. Selbst der zweite der beiden skizzierten Entwicklungstrends, die relative Zunahme von Meß-, Anniversar- und Memorienstiftungen zuungunsten der Priesterstellenstiftungen, kann in seiner Gänze nicht ohne weiteres auf einen solchen Nenner gebracht werden: Bleibt doch bei isolierter Betrachtung der Ewigmessen und der Anniversarien festzustellen, daß weder deren Stiftungszahlen für sich genommen einen kontinuierlichen Aufwärtstrend vollziehen noch deren Dotationen im Verlaufe der zwei Jahrhunderte einen signifikanten relativen oder gar absoluten Rückgang verzeichnen. Ganz anders dagegen die Memorienstiftungen: Die enorme Verbreitung dieses Stiftungstyps überhaupt sowie insbesondere die zunehmende Verminderung der Dotationen im 15. Jahrhundert lassen sich in ihrer Verschränkung nur hinreichend mit einem entsprechendem Bedürfnis nach einer kostengünstigen Form dauerhafter Memoria erklären. Ein derartiges Bedürfnis würde man vornehmlich bei weniger wohlhabenden Stadtbewohnern vermuten, die auf diesem Weg nun ebenfalls Zugang zu einer individuellen und dauerhaften Memoria erlangten. Tatsächlich lassen sich dafür auch Beispiele anführen wie etwa Heinrich Mersman, der dem Johanniskloster für eine ewige Memorie ein Tuchlaken bestimmte und in seinem Testament ansonsten nur noch ein weiteres Legat adpias causas vorsah, das zudem mittlerweile obligatorischen Charakter besaß, nämlich einen halben Gulden für den Wege- und Brückenbau.40 Allein, solche Fälle begegnen erst um die Wende zum 16. Jahrhundert und sind doch recht selten.41 Wesentlich häufiger und früher begegnen Fürbittstiftungen in Testamenten vermögender Stralsunder Bürger.42 In einigen dieser Testamente wird deutlich, warum auch wohlhabende Bürger an einer solch wohlfeilen Stiftungsform interessiert sein konnten: Sie sahen sich dadurch in die Lage versetzt, eine Vielzahl von ewigen Fürbitten in verschiedenen Kirchen und Klöstern zu erlangen und daneben noch genügend Kapital für weitere Seelenheilgaben übrig zu haben. So vermachte Gerhard Kryvitze 1429 den drei Pfarrkirchen und den Klöstern St. Johannis, St. Katharinen und Marienkrone zu Stralsund sowie den Klöstern zu Ribnitz und Bergen insgesamt 75 Mark sundisch, jeweils verbunden mit der Auflage eines Eintrages in ere ewige denkeboek.43 Erheblich weniger, nämlich umgerechnet nur 16 Vi Mark sundisch, sah Hans Rowe im Jahre 1503 für immerhin sechs ewige Memorien vor.44 Solch ein Stiftungsverhalten trägt einen
Studien (1973), bes. 192-194. Zur Frage der Übertragbarkeit der Rostocker Preisentwicklung auf Stralsund s. oben S. 133 Anm. 37. 40 StAS Test. Nr. 954. 41 Das Testament Mersmans stammt aus dem Jahre 1518. Damit vergleichbar sind: StAS Test. Nr. 839 (1500), Nr. 961(1520). 42 Die erste solcher Stiftungen findet sich im 1339 verfaßten Testament Gottfried von Wickedes, des Stifters des Rambiner Jürgenspitals, der den Stralsunder Franziskanern für das ewige Gedenken und eine offenbar einmalige Messe immerhin 50 M sund. bestimmte; PUB X, Nr. 5809. Weitere Gebetsgedenkstiftungen in Testamenten des 14. Jh.: StAS Test. Nr. 111 (1349), Nr. 132 (1350), Nr. 147 (1350), Nr. 215 (1355), Nr. 298 (1366), Nr. 318 (1368), Nr. 427 (1388), Nr. 448 (1390). 43 StAS Test. Nr. 560. 44 StAS Test. Nr. 864. Empfänger der Stiftungen Rowes waren ebenfalls die Stralsunder Konvente der Franziskaner, Dominikaner und Birgittiner sowie das Stralsunder Heiliggeistspital und die Bruder-
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V.
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Motive, Moden und Funktionen
in sich, der auch in anderen Bereichen der testamentarischen Seelenheilvorsorge beobachten ist, so bei karitativen Schenkungen45, zeitlich begrenzten Meßstipendien46 und mit Einschränkungen bei anderen Stiftungsarten, insbesondere bei Jahrzeitstiftungen47: Gemeint ist der Wunsch, seine Wohltaten auf möglichst viele Empfänger zu verteilen, um so auch eine Kumulierung der jeweiligen Gegenleistungen zu erlangen. Der testamentarische Befund läßt also darauf schließen, daß Memorienstiftungen zuerst von wohlhabenderen Stralsunder Bürgern praktiziert wurden, die ja auch mit den aufwendigeren Stiftungsformen besser vertraut waren als ihre ärmeren Mitbürger. Die weitere Verbilligung dieses Stiftungstyps im Laufe des 15. Jahrhunderts führte dann aber zu einer größeren sozialen Verbreitung. Über deren Ausmaße vermitteln die Testamente mitnichten ein adäquates Bild, was zum einen bedingt ist durch die beträchtliche Unterrepräsentation der weniger wohlhabenden Teile der städtischen Einwohnerschaft in den Testamenten, zum anderen durch das besonders die ewigen Memorien berührende, deren tatsächliche Zahl verschleiernde Problem der ,verdeckten' Stiftungen. Dessen eingedenk wird man also eine erhebliche Popularisierung der Handlungsform Stiftung im 15. Jahrhundert konstatieren können. Im Gegensatz dazu dürfte im Falle des zweiten wichtigen Trends im Bereich der liturgischen Stiftungen, also der weitgehenden Abkehr von Benefizienstiftungen zugunsten von weltlichen Priesterstellenstiftungen, dem Kostenfaktor kaum entscheidende Bedeutung zukommen. Zwar war mit diesem Wandel eine deutliche Reduzierung der Stiftungsdotationen verbunden; dennoch wird man die wesentlichen Motive hierfür wohl in den Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen zu suchen haben, mit denen eine Stärkung der Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten von Stiftern beziehungsweise Stiftungsbeauftragten verbunden war. Daneben verdient die Frage Beachtung, ob im 15. Jahrhundert die Altar- und Benefizienstiftungen in den Stralsunder Kirchen und Klöstern einen gewissen Sättigungsgrad erreicht hatten und sich die Wahlmöglichkeiten der Stifter in diesem Bereich immer mehr darauf beschränkten, an den schon fundierten und bepfründeten Altären zusätzliche weltliche Priesterstellen oder Ewigmessen zu stiften. Mit dieser nicht ohne weiteres zu beantwortenden Frage ist das Augenmerk auf eine Thematik gelenkt, die im folgenden Abschnitt näher beleuchtet werden soll. Dabei geht es generell um die Frage, welche Einflüsse der ,Frömmigkeitsmarkt', also der Prozeß der wechselseitigen Anpassung zwischen konkretem kirchlichen Frömmigkeitsangebot und laikaler Frömmigkeitsnachfrage, auf die Entwicklung des Stiftungsverhaltens ausgeübt hat.
Grundzug zu
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Schäften der Johannis- und der Antoniusboten. Drei und mehr Fürbittstiftungen enthalten außerdem die folgenden Testamente: StAS Test. Nr. 584, 664, 689, 737, 791, 817, 837, 838, 859, 913, 927, 959. S. oben S. 104 ff. S. oben S. 143. Eine solche Streuung auch für Anniversarien zu realisieren, blieb nur den sehr Wohlhabenden vorbehalten. Das Stralsunder Paradebeispiel stellt der Bürgermeister Roloff Möller dar, der in seinem Testament von 1498 für sieben ewige Jahrzeiten an unterschiedlichen Orten insgesamt 430 M sund. ausgesetzt hatte und zudem für sechs Fürbittstiftungen 31 M sund.; damit hatte er im übrigen erst über ein Achtel seiner gesamten testamentarischen Stiftungsaufwendungen von über 3700 M sund. verfugt; StAS Stadt. Urk. Nr. 1810a.
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Nachfrage über die Zusammenhänge zwischen Stiftungsverhalten und Frömmigkeitsmarkt Angebot
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Es steht außer Frage, daß Stiftungstätigkeit nicht isoliert betrachtet werden darf, daß ihre Wandlungen mit einem exklusiven Blick auf die Stifter und deren eigene Möglichkeiten, Motive und Präferenzen nicht hinreichend erklärt werden können. Die Entscheidung eines Stifters beruhte immer auf konkreten Vorbedingungen seines Umfeldes: der Zahl der für eine Stiftung in Frage kommenden Gotteshäuser und ihren jeweiligen aktuellen Bedürfhissen; bestimmten Beschränkungen möglicher Empfänger, wie sie sich beispielsweise aus dem Armutsgebot der Bettelorden ergaben; der Palette der jeweils gängigen Stiftungsformen, die sich aus einem Zusammenwirken von Stiftern und Empfängern ergaben und nicht ohne weiteres um neue Varianten ergänzt werden konnten, weil es hierzu einer entsprechenden Kompetenz des Stifters und eines Einverständnisses des Empfängers bedurfte. Sind diese Überlegungen auch einleuchtend, so sieht sich der Versuch einer stringenten Untersuchung dieser Fragen gleichwohl vor erhebliche Schwierigkeiten gestellt, da hierbei sehr komplexe Zusammenhänge thematisiert werden. Noch mehr fällt im vorliegenden Fall freilich ins Gewicht, daß die Stralsunder Quellen die Voraussetzungen für ein solches Unterfangen nicht erfüllen. Denkt man insbesondere an den Zusammenhang zwischen der äußeren Entwicklung der klerikalen Institutionen und der Bevorzugung bestimmter Stiftungsformen, so ist zweierlei zu konstatieren: Weder läßt sich aus dem nur spärlich überlieferten Schriftgut der Kirchen und Klöster in und um Stralsund deren Geschichte in der notwendigen Dichte nachzeichnen noch ist das mit den Stiftungsurkunden und selbst mit der homogeneren Serie der Testamente zu knüpfende Netz so engmaschig, daß damit immer Reaktionen der Stifter auf bestimmte Änderungen im Frömmigkeitsangebot erfaßt werden könnten. Wenn sich hier somit jeder konsequent quantifizierende Zugriff verbietet, so soll dennoch ausgelotet werden, welche Aufschlüsse im einzelnen gewonnen werden können. Das pragmatische Ziel der folgenden Betrachtungen ist demnach, zumindest einige Facetten im Wechselwirkungsverhältnis zwischen Stiftungen und ihrem Umfeld näher zu beleuchten und zugleich den Blick für den Kontext von Stiftungstätigkeit zu schärfen. Das Interesse ist dabei nur auf die Kirchen und Kapellen, nicht aber auf die Spitäler und Armenhäuser gerichtet, also im wesentlichen auf Stiftungen für liturgische Handlungen und zur Ausstattung der Gotteshäuser inklusive der Spitalkirchen -, während karitative Stiftungen im folgenden Abschnitt einer gesonderten Betrachtung unterzogen werden sollen. Einen zentralen Aspekt der Problematik, zugleich die Grundlage für die Behandlung weiterer Fragen, bildet der Zusammenhang zwischen der Stiftungstätigkeit und der baulichen und sonstigen Entwicklung einer jeden Kirche. In welchem Maße waren überhaupt der Entschluß zu einer Stiftung und dann die Entscheidung für einen bestimmten Gegenstand und eine bestimmte Form der Stiftung geprägt durch die aktuelle Situation des betreffenden Gotteshauses? Diese Frage soll zuerst an jede einzelne Kirche gerichtet werden, um anschließend eine zusammenfassende Charakterisierung der Stralsunder Verhältnisse zu versuchen. -
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Karte 3:
V. Motive, Moden und Funktionen
Die Altstadtinsel im 13. Jahrhundert anhand geomorphologischer und historischer Daten (gestrichelte Linie: heutige Grenze der Altstadtinsel; Karte von Gunnar Möller, abgedruckt in: Die Altstadtinsel Stralsund, 86 f.)
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Angebot und Nachfrage Stiftungsverhalten und Frömmigkeitsmarkt
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Die Nikolaikirche bestand als älteste Pfarrkirche Stralsunds ohne Zweifel bereits zum Zeitpunkt der Verleihung der Stadtrechte im Jahre 1234.' Anstelle des ersten Baus entstand seit der Mitte des 13. Jahrhunderts ein neuer Komplex, der neben der Kirche ein Rathaus und Kaufhaus umfaßte und, am Marktplatz gelegen, das Zentrum der jungen Stadt bildete. Die rasante Entwicklung der Stadt und das mit ihr wachsende Selbstbewußtsein ihrer Bürger ließen den als Hallenkirche errichteten Bau schon bald nicht mehr stattlich genug erscheinen, so daß man noch im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts mit dem Umbau zur Basilika begann. Zuerst wurden der Chor und die Querschiffarme der Hallenkirche abgerissen und ein neuer Chor errichtet, ein Werk, das etwa um die Jahrhundertwende abgeschlossen werden konnte.2 Im Jahre 1311 ging man schließlich an den Bau des basilikalen Langhauses und eines Glockenturms, der ein bestehendes Provisorium ersetzen sollte3; diese Arbeit, die, kaum begonnen, durch einen bis 1317 dauernden, alle Kräfte beanspruchenden Krieg der wendischen Hansestädte gegen eine dänisch-norddeutsche Fürstenkoalition unterbrochen wurde, zog sich bis zur Jahrhundertmitte hin.4 Doch auch der neu entstandene, größere Turm stellte noch nicht den Schlußpunkt der Bauentwicklung dar: Man entschloß sich, vermutlich nach einem Teileinsturz des Turms im Jahre 13665, selbigen durch eine Doppelturmanlage nach dem Vorbild der Lübecker Marienkirche zu ersetzen. Dieses Projekt, das die ehrgeizige Umgestaltung der Nikolaikirche zu einer prächtigen Basilika krönen sollte, wurde aber zunächst nur zur Hälfte realisiert, die Vollendung des zweiten Turms erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts in Angriff genommen.6
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Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 42. Vgl. zur Baugeschichte der Nikolaikirche ebd., 40-96; Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 24-26; Schroeder, Bürgerschaft und Pfarrkirchen (1964), 260, 277-282; Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 19-22; Uhsemann, Die Stralsunder St. Nikolaikirche (1924), 5-13; Francke, Die Kirchen St. Nicolai und St. Marien (1877), 13-17; Grüger,
Das Stralsunder Rathaus (1984), 87-89. Neue Erkenntnisse sind von einer in Arbeit befindlichen kunsthistorischen Dissertation von Michael Huyer (Univ. Mainz) über die Nikolaikirche zu erwarten, die erstmals nicht die Auswertung der schriftlichen Quellen, sondern den Baubefund zum Ausgangspunkt der bauhistorischen Rekonstruktion macht. Auf die Fertigstellung des Chores weisen die ersten überlieferten Vikarienstiftungen in der Nikolaikirche aus den Jahren 1296, 1304 und 1305 hin; PUB III, Nr. 1755; PUB IV, Nr. 2179, Nr. 2227. Im Jahre 1314 erfolgte die Abrechnung für den Bau dieses provisorischen campanistrum (2. Stb., Nr. 242), welcher einen bereits 1281 erwähnten Glockenstuhl (campanile) ersetzt hatte; 1. Stb., II Nr. 98; vgl. zum Baubeginn im Jahre 1311, auf den eine Inschrift am Westturm hinweist: Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 86 f.; Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 25. Die Erwähnung einer großen Glocke in einem Testament aus dem Jahre 1350 läßt auf einen vorläufigen Abschluß des Turmbaus schließen; StAS Test. Nr. 154. Die Nachricht über die Turmbeschädigung von 1366 ist lediglich in den „Congesta Hinrici Buschii" überliefert, während die Vorlage der betreffenden Stelle offenbar verloren ist; MohnikelZober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik (1833), 163; s. zu den Congesten oben S. 39. Die Umsetzung des Bauvorhabens in zwei Stufen läßt sich aus der schriftlichen Überlieferung anhand des testamentarischen Legats von Bürgermeister Matthias Darne aus dem Jahre 1485 schlußfolgern; Dame sah 100 M sund. für den Turmbau vor, verfügte aber für den Fall, daß der Turm nicht gebaut würde, die Verteilung der Summe an die Armen; StAS Test. Nr. 737. Einen Hinweis auf den Abschluß des
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Die sich durch drei Jahrhunderte hinziehende Arbeit an der Nikolaikirche mit mehreren intensiven und extrem kostspieligen Bauabschnitten war natürlich nur möglich dank einer nimmermüden materiellen Unterstützung durch die Mitglieder des Nikolaisprengels und auch die übrige Stralsunder Einwohnerschaft. Demgemäß finden sich in den ältesten Stadtbüchern und den Stralsunder Testamenten eine Vielzahl größerer und kleinerer Legate für die Kirchenfabrik. Oft handelte es sich dabei um Geldspenden ohne eine präzise Verwendungsklausel; in den entsprechenden Bauphasen sahen manche Förderer aber auch gezieltere Gaben vor, beispielsweise eine größere Anzahl von Ziegelsteinen oder eine bestimmte Menge an Kupfer für die Turmbedeckung.7 Von Stiftungen an der Nikolaikirche erfahren wir erst um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert. Daß solche schon vorher, also an den beiden Vorgängerinnen der heutigen Nikolaikirche, in nennenswerter Zahl errichtet worden waren, kann bezweifelt werden. Nicht daß man in diesem Fall unbedingt einen schriftlichen Niederschlag im ältesten Stadtbuch zu erwarten hätte, den es eben nicht gibt. Vielmehr ist zu bedenken, daß sich im 13. Jahrhundert nicht nur die ganze Stadt im Aufbau befand, sondern sich ja auch die Nikolaikirche als permanente Baustelle präsentierte: Kaum daß ein Bau halbwegs vollendet war, wurde er zugunsten eines größeren, prächtigeren wieder aufgegeben. Mithin liegt die Vorstellung nahe, daß in dieser Zeit des Nikolaikirchenbaus, in der sich die Bürger einer enormen finanziellen Beanspruchung ausgesetzt sahen und sich die kirchlichen Verhältnisse noch als sehr instabil erwiesen, man sich auf das Bauwerk selbst und seine Ausstattung konzentrierte und noch nicht in größerem Maße nach der Errichtung privater Kapellen und Altäre strebte. Wenn dem so war, dann fiel mit der Fertigstellung des Basilikalchores der mittlerweile Startschuß für eine intensive private Stiftungstätigkeit: Den sicherlich herbeigesehnte Auftakt markieren gleich drei urkundliche Benefizienstiftungen zwischen 1296 und 13058, in einer Zeit also, die sonst nur mit einer kargen städtischen Urkundenüberlieferung aufwarten kann. In den folgenden Jahrzehnten kamen weitere Altäre und Benefizien hinzu.9 Da die Aufriahmekapazität des Chores für Kapellen und Altäre indes recht begrenzt war, sorgte der -
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Turmbaus liefert das Testament von Joachim Frame von 1520, der sechs Metalltöpfe spenden wollte, sobald die Glocke gegossen würde; StAS Test. Nr. 965. 7 So vermachte Greta Westfal 1329 der Nikolaikirche tausend Steine zum Turmbau; PUB VII, Nr. 4531. Eine gewisse Häufung von Kupferlegaten zwischen 1464 und 1483 läßt daraufschließen, daß der erste der Doppeltürme in dieser Zeit neu gedeckt wurde; StAS Test. Nr. 651, 697, 713, 732; anzumerken ist, daß die Testamente Nr. 713 und 732 vom selben Testator, Hans Leneke, stammen. 8 S. oben S. 191 Anm. 2. 9 Im Jahre 1318 stiftete der Priester Johannes eine Vikarie am Bartholomäus-Altar in der Nikolaikirche; PUB V, Nr. 3219. Zwei Jahre später erhielten die Brüder Arnold und Konrad Voet von Fürst Wizlaw III. von Rügen die Zustimmung zur fundalio eines Altars; PUB V, Nr. 3402. Ergebnis dieser Stifterintentionen war schließlich eine große Kapelle im Chorumgang; vgl. dazu Hagemeister, Ein Gang durch die St. Nikolai-Kirche (1900), 14 f.; Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 96. Daß die in einem Stadtbucheintrag von 1322 erwähnte, von Albert von Stargard gegründete Vikarie ebenfalls in der Nikolaikirche angesiedelt war, kann nicht belegt, aber in Anbetracht des frühen Zeitpunkts immerhin vermutet werden; 2. Stb., Nr. 615, Nr. 616. In einem weiteren Stadtbucheintrag aus dem Jahre 1330 wird erstmals eine Annenkapelle erwähnt, die sich wohl nicht mehr im Chor, sondern in dessen unmittelbarer Nähe befand; 2. Stb., Nr. 3707; vgl. dazu Hagemeister, Ein Gang durch die St. Nikolai-Kirche (1900), 7 f.; Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 95, 108.
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Ausbau des Langhauses für eine nochmalige Steigerung der Stiftungsaktivitäten. Hiervon können die vorhandenen Testamente und Stiftungsurkunden keinen ganz adäquaten Eindruck vermitteln; zwar läßt sich auch aus ihnen ein gewisser Anstieg der Stiftungszahlen ablesen, weil sie nämlich Hinweise auf sieben Altar- beziehungsweise Benefizienstiftungen zwischen 1340 und 1370 und auf zwei weitere in den letzten drei Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts beinhalten.10 Das tatsächliche Ausmaß dieses Stiftungseifers wird jedoch erst aus einer anderen Quelle deutlich: Vermutlich im Jahre 1370 wurden in einem Abgabenregister der Diözese Schwerin neben anderem die kirchlichen Pfründen mit Angabe ihres jeweiligen Inhabers, ihrer Einkünfte und ihres Patronatsherrn erfaßt." Für die Stralsunder Nikolaikirche
Aus der Zeit zwischen 1340 und 1370 stammen die Zeugnisse folgender Stiftungen: die Stiftung einer Vikarie durch den Priester Johann von Tribsees im Jahre 1342 (PUB XI, Nr. 6032); eine ebensolche Anordnung im Testament von Arnold von Essen von 1348 (StAS Test. Nr. 93); die Stiftung einer neu zu errichtenden Kapelle mit Altar und Vikarie im nördlichen Teil der Nikolaikirche im Testament Heinrich Warendorps von 1350 (StAS Test. Nr. 147); die Gründung der Marienkapelle in der Nähe des Apostelaltars im Testament von Adelheid Krudener von 1359 (StAS Test. Nr. 245); eine testamentarische Zustiftung zur Kapelle der Familie von Celle im Jahre 1367 (StAS Test. Nr. 301); die Stiftung einer Vikarie am Altar unter der Orgel im Testament von Heinrich Lemhus von 1368 (StAS Test. Nr. 306); schließlich eine testamentarische Vikarienstiftung von 1369 durch Johann Semlow in seiner Marienkapelle (StAS Test. Nr. 324). In den genannten Zeitraum fällt zudem die nur indirekt nachweisbare Gründung einer Kapelle durch den 1357 verstorbenen Bürgermeister Albert Hovener, die später in die Hände der mit ihm verwandten Familie Gildenhusen überging; vgl. dazu StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 248; Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 103, 140; Hagemeister, Ein Gang durch die St. Nikolai-Kirche (1900), 17 f.; Rosen, Die metallene Grabplatte (1871), 91; Struck, Grabstätten alter Geschlechter (1935), 353. Die Testamente und Urkunden der darauffolgenden drei Dezennien warten noch mit zwei Stiftungsbelegen auf: der testamentarischen Vikarienstiftung Johann Gildenhusens am Katharinenaltar von 1382 (StAS Test. Nr. 399) sowie einer Urkunde des Stralsunder Pfarrherrn Matthias Zolwede von 1396 über die Erhöhung der Dotation des von ihm in seiner Chorkapelle gestifteten Benefiziums (VpLAG Rep. 1 Stralsund 9. St. Nikolai 9). Im übrigen finden sich in anderen Quellen und in der Literatur weitere jedoch nicht durchgängig zweifelsfreie Hinweise auf Altar- und Benefizienstiftungen: So geben Dinnies und Hagemeister an, der 1398 verstorbene Bürgermeister Albert Gildenhusen habe eine Vikarie in seiner Grabkapelle gestiftet, ohne daß sich hierfür ein eindeutiger Beleg finden ließ; vgl. Hagemeister, Ein Gang durch die St. Nikolai-Kirche (1900), 21; Dinnies, Nachricht (1786), 271. Ob der in einem Eintrag in den päpstlichen Registern erwähnte Peter-und-Paul-Altar, für den 1398 der Ritter Heinrich Gilhus das Präsentationsrecht wahrnahm, in der eben angesprochenen GildenhusenKapelle stand, muß offenbleiben; RepGerm 2, Sp. 886. Die spätestens 1426 den Altar des Hakenamtes beherbergende Antoniuskapelle existierte einer Angabe Zaskes zufolge bereits im Jahre 1398; vgl. Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 95; LM 4, Nr. 689. Zu guter Letzt sei der Hinweis von Dinnies auf eine nicht datierte Altarstiftung des 1407 verstorbenen Bürgermeisters Nikolaus Siegfried angeführt; Dinnies, Nachricht (1786), 269 f. 11 Dieses Register ist nur in Teilabschriften überliefert. An erster Stelle zu nennen sind zwei Fragmente eines aus dem 16. Jh. stammenden Manuskripts im LHA Schwerin; dabei handelt es sich zum einen um ein Zehntverzeichnis des Archidiakonats Tribsees, zum anderen um ein gemischtes Tribseer Abgabenverzeichnis mit dem Titel Registrum ecclesiarum et vicariarum archidiaconatus terre Tribuses, in dem auch die Stralsunder Altarbenefizien aufgelistet sind; LHAS Rep. 1 Bistum Schwerin C 1. Im StA Stralsund befinden sich drei Handschriften, in denen das Diözesanregister einen Niederschlag gefunden
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weist das Verzeichnis neben der Pfarrpfründe 43 Benefizien aus, mithin eine Anzahl, welche die in den Testamenten und Urkunden nachweisbaren Stiftungsfälle um rund das Dreifache übertrifft. Dieses Zahlenverhältnis wirft im übrigen ein Schlaglicht auf die Lückenhaftigkeit nicht so sehr der testamentarischen als vielmehr der urkundlichen Überlieferung, wenn man bedenkt, daß es bei jedem Stiftungsakt im Normalfall auch zur Ausfertigung einer oder mehrerer Urkunden gekommen sein dürfte.12 Von Interesse ist hier indes ein anderer Aussagewert des Pfründenverzeichnisses: Es ermöglicht einen Aufschluß über den Stand der Raumnutzung im Innern der Nikolaikirche, sobald man die Benefizienzahl mit einer anderen Ziffer in Verbindung bringt, nämlich der Zahl der Altäre am Vorabend der Reformation, die Franz Wessel mit 56 womit die Nikolaikirche sicherlich an die Grenzen ihrer Auslastbarkeit gekommen war.14 Bedenkt man zudem, daß es für das 14. Jahrhundert in Stralsund keine Hinweise auf Doppelbepfründungen von Altären so kann man annehmen,
angibt13,
gibt15,
hat: erstens eine nachträglich zu einem „Kopiar der Jakobikirche" geformte Sammlung von Aufzeichnungen über Stiftungen an den drei Pfarrkirchen, die offenbar im Zuge reformatorischer Kirchenvisitationen des 16. Jh. angefertigt wurden und an mehreren Stellen Auszüge aus dem Diözesanregister enthalten. Diese Auszüge stimmen in weiten Teilen, aber nicht völlig mit dem Manuskript im LHA Schwerin überein, was vor allem auf offensichtliche Überarbeitungen der Vorlage zurückzuführen ist und zudem vielleicht auf eine Nichtidentität der Vorlagen beider Handschriften; s. StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 3 f., 10-13, 17-26. Die anderen beiden Manuskripte im StA Stralsund sind zwei moderne Abschriften, die im Hinblick auf Anzahl und Gegenstand der Stralsunder Benefizien mit der Schweriner Handschrift übereinstimmen, aber zahlreiche Unterschiede in der Schreibung und der Auflösung von Abkürzungen aufweisen; s. StAS HS 113; HS IX.6. Der Vergleich zwischen diesen beiden und der Schweriner Abschrift läßt vermuten, daß keine Handschrift aus einer anderen gearbeitet worden ist, aber dennoch alle drei eine gemeinsame offenbar verlorene Vorlage haben könnten. Einer der beiden Stralsunder Abschriften sind im übrigen einige quellenkundliche und -kritische Bemerkungen vorangestellt, insbesondere zum Zeitpunkt der Anlage des Originalregisters, der mit plausiblen, wenn auch nicht ganz zweifelsfreien Argumenten auf das Jahr 1370 datiert wird; StAS HS 113. Demgegenüber gilt es mit Blick auf die Testamente zum einen zu bedenken, daß Benefizien nicht selten zu Lebzeiten der Stifter gegründet worden sein dürften, ohne eine Spur in deren Testamenten zu hinterlassen; zweitens beinhalten allein die Testamente bis zum Jahre 1370 24 Benefizienstiftungswünsche ohne Angabe eines Ortes, von denen ein Gutteil an der Stralsunder Nikolaikirche realisiert worden sein dürfte; s. PUB VI, Nr. 3536, Nr. 3602; PUB VII, Nr. 4477; PUB X, Nr. 5626, Nr. 5719, Nr. 5886; PUB XI, Nr. 6058, Nr. 6166, Nr. 6189 (2x); StAS Test. Nr. 81, 83, 89, 104, 111, 124, 127, 133, 140, 182, 229, 232/266, 244, 319. Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 486. Vgl. dazu den Grundriß der Nikolaikirche mit Einzeichnung der Kapellen bei Uhsemann, Die Stralsunder St. Nikolaikirche (1924), 60. Ein erster derartiger Fall ist in einem Denkelbok-Eintrag von 1403 oder 1404 überliefert. Er protokollierte die Zustimmung des Rates und der Provisoren der Marienkirche dazu, daß die beiden Vikare von Jakob von Lübeck ihre Vikarien am Heiligkreuzaltar bei der Annenkapelle abhalten sollten. Im Falle eines Widerrufs sollten die Provisoren den Vikaren und Patronen einen anderen Altar ad legendum et officiandum zuweisen; LM 1, Nr. 986. Die Widerrufsklausel verdeutlicht, daß es sich hierbei nicht um fest mit dem Altar verbundene Benefizien, sondern um Kommenden handelte, mit denen sich ein unbepfründeter Altar ad inofficiandum versehen ließ; s. dazu Fuhrmann, Kirche und Dorf (1995), bes. 88 f. Ein weiterer früher Fall einer Doppelpfründe, die Stiftung zweier vicarien am Altar des Schneideramtes in der Nikolaikirche im Jahre 1406, ist nicht ganz so klar; immerhin scheint die Klausel, daß jeder -
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daß bereits im Jahre 1370 zumindest annähernd vierzig Altäre in der Nikolaikirche standen. Bei Einbeziehung der Stiftungen in den darauffolgenden drei Jahrzehnten läßt sich damit für die Stiftungstätigkeit im 14. Jahrhundert und die daraus entstandene Situation folgende Zwischenbilanz ziehen: Der Ausbau zuerst des Basilikalchores und dann des Langhauses löste eine Welle von privaten Kapellen- und Altarstiftungen aus, die bis zur Jahrhundertwende zu einer merklichen Verknappung des verfügbaren Raumes führte. Die dominierende Variante unter den liturgischen Stiftungsarten war in dieser Phase die mit einer Altarfündation verknüpfte oder an einen schon bestehenden Altar gerichtete Benefrzienstiftung, während Lohnpriesterstellen noch nicht begegnen. Der einzige liturgische Stiftungstyp, der neben der Pfründstiftung schon eine gewisse Verbreitung erlangt hatte, war die Jahrzeit.16 Ansonsten kam in dieser Zeit der Ausgestaltung des Kirchenraums
von seinen 12 M sund. jährlicher Einkünfte 8 Seh. sund. für das Altarlicht abzugeben hätte, anzudeuten, daß Altardos und Vikarspfründen getrennt waren; s. StAS Stadt. Urk. Nr. 636, 637. Für die Stiftungen des 14. Jh. läßt sich die Frage der Trennung von Altardos und Meßpfründe als Voraussetzung für die Möglichkeit von Doppelpfründen nicht eindeutig und einheitlich beantworten.
Vikar
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Stiftungsurkunden als hierfür aussagekräftigste Quellengruppe vermitteln bei drei frühen Altarstiftungen den Eindruck einer Einheit von Altardos und Meßpfründe, besonders in einem Fall, in dem von einem ius patronatus dicti altaris gesprochen wird; PUB VII, Nr. 4735 (1309); PUB IV, Nr. 2317 (1306), Nr. 2318 (1306). Bei einer vierten Altarstiftung von 1320 ist diese Einheit fraglich: Zwar gewährt Wizlaw III. auetoritatem et posse altare instaurandi et fundendi cum annuis redditibus, andererseits jedoch erwähnt er das ius patronatus eiusdem altaris et vicarie und spricht auch davon, vicaria et altare a sacerdote possibile humiliter deserviatur; PUB V, Nr. 3402. Die größere Zahl von Urkunden, in denen nur von der Stiftung einer Vikarie die Rede ist, läßt eine Identität mit dem jeweiligen Altar, der oftmals gar nicht genannt wird, nicht deutlich werden; vgl. PUB III, Nr. 1755; PUB IV, Nr. 2179, Nr. 2227; PUB VIII, Nr. 4936, Nr. 5285; VpLAG Rep. 1 Stralsund 9. St. Nikolai 8; StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 6. Weitere Indizien für eine Trennung beider lassen sich anfuhren: So hält eine Urkunde von 1394 zwar eine Vikariengründung in der Kapelle des Stifters fest, führt jedoch auch aus, der jeweilige Vikar solle die Vikarie (und nicht den Altar) belesen unde beoffleieren; VpLAG Rep. 1 Stralsund 8. St. Marien 4. Eine noch deutlichere Sprache sprechen drei Urkunden des Bischofs von Roskilde aus den Jahren 1356 und 1358, in denen er die Stiftung einer Vikarie bestätigt und der Bitte um die Erlaubnis nachkommt, ut dicta vicaria aliubi extra nostram diocesin officiaretur; StAS HS IX.3, fase. 6, Nr. 58, fol. 1 —3V; vgl. ebd., fase. 3, Nr. 22, fol. lr-3v; fase. 3, Nr. 33, fol. 28'-32v. Aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang auch das Phänomen, daß Vikarien bei ihrer Gründung mitunter einem oder mehreren Heiligen gewidmet wurden, ohne daß deren Identität mit den Patronen des jeweiligen Altars feststünde; so erfolgte die Stiftung der Vikarien in den letztgenannten drei Fällen, die alle durch den Stralsunder Bürgermeister Hermann Papenhagen initiiert worden waren, in honorem omnipotentis Dei et beatae Mariae virginis et omnium sanctorum; StAS HS IX.3, fase. 3, Nr. 22, fol. 1-3V. Festzuhalten ist also, daß die Stralsunder Benefizienstiftungen des 14. Jh. wohl überwiegend der Konzeption einer von der Altardos getrennten Meßpfründe folgten. Dies bedeutet zugleich, daß zumindest die formalen Voraussetzungen für die Doppelbepfründung eines Altars oft gegeben waren. Dennoch dürfte eine solche im 14. Jh. die Ausnahme geblieben sein. Denn nicht nur ist, wie bereits erwähnt, kein einziger derartiger Fall bekannt; auch trachteten wohlhabende Stifter, solange entsprechender Raum in der Kirche verfügbar war, sicherlich vorrangig danach, für sich und ihre Familien eine Trias von Die
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eigenem Altar, Meßpfründe und Begräbnisstätte zuwege zu bringen. S. PUB VIII, Nr. 5184 (1334); VpLAG Rep. 1 Stralsund 9. St. Nikolai 8 (1342); (1382).
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V. Motive, Moden und Funktionen
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Stiftungen von Kirchenschmuck, Kultgeräten und Meßbedarf eine nicht geringe Bedeutung zu, die sich in der schriftlichen Überlieferung zweifellos nur in ungenügendem auch den
Maße widerspiegelt.17 Im 15. Jahrhundert wandelt sich das Bild in mehrfacher Hinsicht: Zum einen begegnen nun verstärkt Korporationen als Stifter oder Inhaber von Kapellen und Altären18, während Einzelpersonen und Familien als Neugründer kaum noch in Erscheinung treten.19 Ein Zusammenhang zwischen beiden Entwicklungen ist kaum von der Hand zu weisen, denn die zunehmende Raumbelegung und das gleichzeitige Drängen etlicher Korporationen auf eine gebührende Präsenz in der Nikolaikirche schränkten die Möglichkeiten privater Altarstiftungen immer mehr ein. Eine folgerichtige Reaktion auf diesen Platzmangel bestand darin, sich in den Gebrauch der vorhandenen Altäre zu teilen und deren Nutzung nach Mög-
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Die einzigen überlieferten Objektstiftungen im 14. Jh. außer denjenigen, die in direktem Zusammenhang mit einer Altar- oder Benefizienstiftung standen, sind eine Kelchstiftung von 1345 (StAS Test. Nr. 107) und eine Ewiglichtstiftung von 1361 (StAS Test. Nr. 276). Von einigen Heiligenbildnissen, darunter eine bis heute erhaltene Anna-Selbdritt-Figur, ist nur ihre Existenz bezeugt, ohne Hinweise auf Urheber und Zeitpunkt ihrer Stiftung; s. 1. Stb., VI Nr. 166; 2. Stb., Nr. 345, Nr. 356, Nr. 3707; LM 1, Nr. 339.
Folgende Bruderschaften, Kompanien und Ämter hatten in der Reihenfolge des Erstbelegs einen Altar in der Nikolaikirche: das Schneideramt (1406; s. oben S. 194 Anm. 15), die Gewandschneiderkompanie (1411; StAS Gewandhaus HS 3, S. 15), das Hakenamt (1426; s. oben S. 193 Anm. 10), die Kramerkompanie (1435; s. LM 3, Nr. 581; StAS Stadt. Urk. Nr. 929), das Knochenhaueramt (1442; s. StAS HS 1.4, fol. 170r), das Riemenschneideramt (1451; StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. le [1451 Sept. 7]), die Kalandsbruderschaft (1452; s. StAS HS 1672, S. 60-63), das Schuhmacheramt (1458; s. StAS Test. Nr. 631), die Bruderschaft der Bergenfahrer (1459; s. StAS Test. Nr. 633), die Bruderschaft der Ahusenfahrer (1484; s. StAS Test. Nr. 734), die Annen-(und 01afs-)Bruderschaft der Rigafahrer (1485; vgl. StAS HS 1.5, fol. 193r) und die Marienbruderschaft der Schiffer (1488; s. Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 16). Zaske verweist außerdem auf mittelalterliche Altäre der Ämter der Pelzer, Schützen, Schmiede, Böttcher, Gerber, Maurer und Glaser, für die kein datierter Beleg existiert; s. Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 38. Entgegen der hier angeführten Quellenlage ist sicherlich damit zu rechnen, daß der eine oder andere Korporationsaltar in der Nikolaikirche bereits vor 1400 existierte. Dennoch behält die an den Quellen gewonnene Beobachtung, daß in der Nikolaikirche erst Einzelpersonen bzw. Familien und anschließend Korporationen als Altargründer hervortraten, in der Tendenz zweifellos Gültigkeit. 19 Nach 1400 finden nur noch drei zuvor nicht nachweisbare Privatkapellen bzw. -altäre Erwähnung: die Kapelle des Ratsherrn Tobias Gildenhusen (StAS Test. Nr. 506), diejenige von Hans Kummerow (StAS Test. Nr. 607) und diejenige von Joachim Engelbrecht (StAS Test. Nr. 948). Generell ist dabei zu bedenken, daß, wenn in einem Testament von ,meiner Kapelle' die Rede ist, die Kapelle nicht unbedingt durch den Testator selbst gestiftet worden sein muß, sondern ebensogut durch Vererbung in dessen Verfügung gelangt sein kann. In den beiden letztgenannten Fällen gibt es weder für das eine noch für das andere irgendein Indiz; bei der Kapelle von Tobias Gildenhusen hingegen könnte es sich um eine Stiftung seines Vaters, des 1398 verstorbenen Bürgermeisters Albert Gildenhusen handeln; s. oben S. 193 Anm. 10. Die Familie Gildenhusen verfügte daneben bereits im 14. Jh. über eine zweite Kapelle in der Nikolaikirche, die von Albert Hovener gestiftet worden war; vgl. Hagemeister, Ein Gang durch die St. Nikolai-Kirche (1900), 17 f.; StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 248. 18
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Angebot und Nachfrage-Stiftungsverhalten und Frömmigkeitsmarkt
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lichkeit zu intensivieren. Ein taugliches Mittel stellte dabei die Stiftung einer nicht täglich, sondern in größeren Abständen zu feiernden Ewigmesse dar.21 Aber auch die Abhaltung mehrerer Messen pro Tag an einem Altar im Frühmittelalter noch verboten, später zumindest reglementiert, jedoch von dem auf den Meßpriester bezogenen Binationsverbot in den Hintergrund gedrängt22 war in Stralsund nun offenbar kein Tabu mehr.23 Wollten sich Einzelpersonen darauf beschränken, an einem fremden Altar eine Priesterstelle zu stiften, so wandten sie sich vor allem an Korporationen24, deren Altäre in der Anfangsphase oft keine feste Dotation hatten, sondern durch einen aus dem allgemeinen Etat -
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vor diesem Hintergrund, daß Nutzungsrechten an einem Altar nun wachsende Aufmerksamkeit zuteil wurde. So einigte man sich 1491 in einem Streit, der in der Familie Guleke um die Verfügungsgewalt über den von ihr gestifteten Altar in der Jakobikirche ausgebrochen war, unter anderem darauf, daß die eine Partei zwar das Patronatsrecht an der Altarpfründe erhalten, es der anderen aber dafür offenstehen solle, ebenfalls ein Benefizium an dem Altar zu stiften; StAS Urk. Marienkrone Nr. 107. Vergleichbar ist eine Vereinbarung von 1412, mit der Margarete Butzkow Gottschalk Widenbrugge und seinen Erben ihre Kapelle in der Marienkirche überließ, wofür ihr und ihren Erben im Gegenzug eingeräumt wurde, quod possint stare in dicta capella et faceré legi missas per proprium sacerdotem, qui tarnen polest fungi ad hoc instrumentis in dicta capella habitis et solitis pro missis haberi; LM 2, Nr. 70. Eine wöchentliche Ewigmesse stifteten beispielsweise der Priester Jürgen Suleke und dessen Schwester Adelheid Sume vermutlich auf Wunsch ihres verstorbenen Mannes am Altar der Riemenschneider; StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. le [1498 März 5]. Kurz zuvor hatten die Alterleute der Riemenschneider mit der Stiftung von drei Lehnspfründen den Altardienst neu organisiert und intensiviert; StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. le [1498 Febr. 15]. Eine Priesterstelle an einem bereits bepfründeten Altar stiftete im Jahre 1491 der Bürgermeister Säbel Siegfried; dabei legte er allerdings die Meßpflichten, die an die jeweils einem Horenpriester vorbehaltene Stelle geknüpft waren, nicht genau fest. Eine Messe pro Tag ist jedoch, zumal bei einer Dotierung von 12 M sund. jährlich, auch hier unwahrscheinlich; s. VpLAG Rep. 1 Stralsund 9. St. Nikolai 29; zur Bepfründung dieses Altars vgl. PUB V, Nr. 3219; VpLAG Rep. 1 Stralsund 9. St. Nikolai 10. Vgl. hierzu Angenendt, Missa specialis (1983), 209; Franz, Die Messe (1902), 73 f.; Mayer, Triebkräfte und Grundlinien (1976), 238 f.; Matthaei, Die Vikarienstiftungen der Lüneburger Stadtkirchen (1928), 34. Tatsächlich belegen läßt sich solches indes nur in wenigen Fällen. Dazu gehört der Riemenschneideraltar, bei dem allein die Meßpflichten der drei vom Riemenschneideramt bezahlten Priester an drei Wochentagen zu je zwei Messen führten; s. oben S. 197 Anm. 21. In einem weiteren Fall wurden an einem Altar in der Jakobikirche zwischen 1506 und 1508 insgesamt drei tägliche Ewigmessen gestiftet; StAS HS IX.2, Kopiar III, S. 27; ebd., S. 44; StAS Rep. 28 Nr. 965. Die Stiftung zweier Benefizien am Schneideraltar im Jahre 1406 und die Meßstiftung von 1498 am Riemenschneideraltar wurden bereits erwähnt; s. oben S. 194 Anm. 15 und S. 197 Anm. 21. Ähnliche Stiftungen wurden am Altar der Gewandschneider 1427/28 (StAS Rep. 4 Nr. 102), am Altar der Kramer im Jahre 1437 (StAS Urk. Depos. d. Kramer Nr. 8) und 1452 in der Kapelle des Kalands (StAS HS 1672, S. 60-63) errichtet. Es kam aber auch vor, daß eine Korporation sich ein Nutzungsrecht an einem fremden Altar sicherte: Im Jahre 1435 räumten die Provisoren der mit dem Rat verbundenen, patrizischen Artushof-Gesellschaft den Alterleuten der Goldschmiede ein, daß sie possunt ornare et presbiterum proprium habere ad altare situm retro sedem consulatus; LM 3, Nr. 604.
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Motive, Moden und Funktionen
bezahlten Lohnpriester versehen wurden. Ein solches Vorgehen brachte für beide Seiten Vorteile mit sich: Die Inhaber des Altars konnten bei Bedarf die eigenen Aufwendungen für Meßleistungen reduzieren, ohne deswegen die Kontrolle über den Priester und die Erfüllung seiner Pflichten zu verlieren; denn in der Regel übertrug der Stifter die mit der Stiftung verbundenen Rechte zumindest mittelfristig den Alterleuten.26 Der Stifter seinerseits erhielt auf diese Weise überhaupt erst die Möglichkeit zu einer derartigen Stiftung und durfte sich durch deren Anbindung an die Korporation berechtigte Hoffnungen auf eine lange Lebensdauer seines Werkes machen. Obendrein konnte er selbiges mit einem weit geringeren Aufwand realisieren als seine Vorgänger im 14. Jahrhundert, die ja oft auch für die Altarerrichtung und -ausstattung zu sorgen und zudem für die mit umfangreicheren Pflichten verbundene Altarpffünde eine höhere Dotierung zu finanzieren hatten. Eine weitere markante Veränderung, die die Stiftungen an der Nikolaikirche nach 1400 erkennen lassen, ist das fast völlige Verschwinden der Form der Patronatspfründe zugunsten weltlicher Stiftungsformen, der Lohnpriesterstelle beziehungsweise der Ewigmesse, und zugunsten der in der zweiten Jahrhunderthälfte vermehrt aufkommenden Lehnspffünde.27 Diese Entwicklung konnte, bezogen auf das gesamte Stralsunder Stiftungswesen, bereits im vorangegangenen Abschnitt aufgezeigt werden, was zu der Frage geführt hatte, ob hier ein angebotsbedingter Wandel in dem Sinne vorliegt, daß sich nach einer Phase zahlreicher Altarstiftungen der dafür nötige Raum allmählich erschöpfte und durch die Beschränkung auf die vorhandenen Altäre auch ein Wechsel der Stiftungsformen nahegelegt war. Die Verhältnisse an der Nikolaikirche sind sicherlich geeignet, einer solchen Hypothese Nahrung zu geben. Denn tatsächlich hatte im 15. Jahrhundert eine Verknappung des für Kapellen- und Altarerrichtungen verfügbaren Kirchenraumes dazu geführt, daß Stifter vermehrt bereits bestehende Altäre auswählten und sich nicht selten für Stiftungsformen entschieden, die nicht eine tägliche Belegung des Altars mit sich brachten. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß auch im 15. Jahrhundert noch eine Reihe von Altären gegründet wurde, an denen ihrer Situation als tabulae rasae zum Trotz ebenfalls kaum noch Benefizien in ihrer älteren Form gestiftet wurden. Es bleibt also festzuhalten, daß sich eine -
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So hielten die Alterleute der Gewandschneider in ihrem Oldermennerbok
fest, daß sie nach der Altar-
errichtung in der Nikolaikirche im Jahre 1411 zwei Priester anstellten, denen sie für ihre Meßdienste je 10 M sund. jährlich zahlten; StAS Gewandhaus HS 3, S. 15-18; vgl. zum Altar der Gewandschneider in der Marienkirche: StAS Gewandhaus HS 5, S. 4L Ähnliches gaben auch die Alterleute der Riemenschneider anläßlich der Neudotierung ihres Altars im Jahre 1498 zu Protokoll; StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. le [1498 Febr. 15]. Allerdings übergingen sie dabei die Stiftung zweier Priesterstellen durch Lambert Rand an ihrem Altar im Jahre 1451; StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. le [1451 Sept. 7], S. StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. le [1451 Sept. 7]; StAS Test. Nr. 631; StAS HS 427, fol. 185v186'; StAS Urk. Depos. d. Gewandh. Nr. 13; StAS Rep. 28 Nr. 786 [1474 Okt. 31]; StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 30; StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. le [1498 März 5]. Nach 1413 ist an der Nikolaikirche nur noch eine Patronatspfründstiftung überliefert. Sie wurde im Jahre 1452 auf den testamentarischen Wunsch des Priesters Gerhard Grape in der Kalandskapelle errichtet; StAS HS
1672, S. 60-63.
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Angebot und Nachfrage Stiftungsverhalten und Frömmigkeitsmarkt
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Erklärung für den angesprochenen Wandel nicht in einem Verweis auf die Angebotssituation an der Nikolaikirche erschöpfen kann. Ein abschließender Blick auf die Entwicklung der übrigen Stiftungsarten nach 1400 offenbart zwar keine durchgreifende Veränderung bei den Vergabungen von Altarschmuck und -bedarf28, wohl aber im Bereich sonstiger liturgischer Stiftungen. Denn neben die an der Nikolaikirche bereits geläufigen Anniversarien traten nun gänzlich neue Stiftungstypen: zum hinreichende
einen die einfachen Gebetsmemorien, die in den Pfarrkirchen zumeist als namentlicher Einschluß in die Fürbitte im Anschluß an die Predigt oder während der missa publica ausgeführt wurden29; zum anderen Stiftungen zur Förderung des kanonischen Stundengebets, die darin bestehen konnten, zusätzliche Priesterstellen für bestehende Offizien einzurichten beziehungsweise besser zu dotieren oder überhaupt neue Votivoffizien ins Leben zu rufen.30 Die Frage, in welcher Weise diese neuen Tendenzen durch die Wechselbeziehung von Angebot und Nachfrage auf dem Frömmigkeitsmarkt beeinflußt waren, läßt sich indes besser durch eine Betrachtung der gesamtstädtischen Situation beantworten und soll daher zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen werden. Einen aufschlußreichen Kontrapunkt zur Nikolaikirche bietet hinsichtlich ihrer Baugeschichte und der sich daraus ergebenden Entwicklungen im Stiftungswesen die Marienkirche. Sie wurde gegründet als Pfarrkirche für die „Neustadt", ein aus einem eigenständigen Siedlungskern südwestlich der „Altstadt" hervorgegangenes Stadtgebiet31, und sollte zusammen mit der Jakobikirche die ältere Peterskirche ersetzen, welche als Gotteshaus für die ursprünglich slawisch dominierte Bevölkerung dieser Siedlung gedient hatte.32 Erstmals
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Der überraschende Befund, daß für das 15. Jh. mehr testamentarische und urkundliche Stiftungen zur Ausstattung der Kapellen und Altäre überliefert sind als für die Zeit vor 1400, läßt nicht auf eine entsprechend angewachsene Bedeutung dieses Handlungsfeldes schließen. Denn es gilt zu bedenken, daß im 14. Jh. derartige Gaben oft im Rahmen der Altarfundatio erfolgten und dann nicht eigens genannt bzw. als eigenständige Stiftungen erfaßt wurden. Im 15. Jh. wurden hingegen solche Vergabungen zunehmend an fremde Altäre adressiert und bedurften dann eher der ausdrücklichen Erwähnung. S. für die Zeit nach 1400: StAS Test. Nr. 657, 668, 737, 754, 787; StAS HS 1672, S. 66-69; StAS HS 427, fol. 185v-186r; StAS Urk. Depos. d. Gewandh. Nr. 13; StAS Urk. Depos. d. Kramer Nr. 19. Memorienstiftungen an der Nikolaikirche beinhalten folgende Testamente: StAS Test. Nr. 560, 615, 737, 787, 859, 927, 959, 965; StAS Stadt. Urk. Nr. 1810a. In Stiftungsurkunden, in denen Memorien, wie schon erläutert, deutlich unterrepräsentiert sind, lassen sich immerhin vier Fälle nachweisen: StAS Stadt. Urk. Nr. 1821 (1500); StAS Urk. Depos. d. Gewandh. Nr. 23 (1501); VpLAG Rep. 1 Stralsund 9. St. Nikolai 8 (1509); VpLAG Rep. 1 Stralsund 6. St. Jacobi 21 (1512). S. zur Nikolaikirche vor allem: VpLAG Rep. 1 Stralsund 8. St. Marien 10a (1473); StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. 17 (1484); VpLAG Rep. 1 Stralsund 9. St. Nikolai 28 (1491); StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. 28a (1501); StAS HS IX.4, fol. 65r_v (1502). Vgl. zur Frühgeschichte Stralsunds, in deren Mittelpunkt Fragen der Entwicklung der Neustadt und der Lage der zugunsten Stralsunds aufgegebenen Stadt Schadegard stehen, Fritze, Zur Gründung Stralsunds (1995); ders., Frühphasen (1983), 121-123; Berlekamp, Probleme (1964); Schroeder, Schadegard (1964); Heyden, Zum Schadegard-Problem (1964); Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 15 f.; zusammenfassend Böcker, Die „guten Beziehungen" (1993), 44 f.; Schich, Der Ostseeraum (1997), 69 f. S. zu St. Petri oben S. 78 Anm. 1.
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1298 erwähnt war der älteste Bau der Marienkirche wohl um die Jahrhundertwende im Es dauerte nicht allzu lange, bis auch hier Unzufriedenheit über wesentlichen Größe und Gestalt des Bauwerks einkehrte, denn eine deutliche Häufung testamentarischer Baulegate seit den dreißiger Jahren signalisiert den Ausbau zu einer nun vermutlich dreischiffigen Hallenkirche.35 Dieser ging offenbar zügig voran, denn schon 1352 findet in einem Testament eine Kapelle Erwähnung, die sich wahrscheinlich in Chornähe befand.36 In den fünfziger Jahren konnte man mit der Errichtung des Turms beginnen37 und die Arbeiten wohl spätestens in den siebziger Jahren zum Abschluß bringen. Kaum war die neue Kirche fertig, wurde das Werk vermutlich 1382 durch den Einsturz des Turms schwer Die Beseitigung der Folgen dieses Unglücks weitete sich zu einer extrem langwierigen und kostspieligen Aufgabe aus: Zuerst errichtete man einen provisorischen Glockenturm39 und ging an den Wiederaufbau des Chores, der offenbar noch vor der Jahrhundertwende ,
fertiggestellt.34
beschädigt.38
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l.Stb., IV Nr. 493.
Vgl.
zur Baugeschichte Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 159-173; Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 27-29; Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 15, 24-28; Schroeder, Bürgerschaft und Pfarrkirchen (1964), 263, 274; Francke, Die Kirchen St. Nicolai und St. Marien (1877), 23-28; Jahn, Die Marienkirche (1930), 20-25; Grewolls, Die Organisation des mittelalterlichen Pfarrkirchenbaues (1996), 48. Auch zur Baugeschichte der Marienkirche ist demnächst dank eines kunsthistorischen Dissertationsprojekts von Silke Freier (Univ. Frankfurt) mit neuen Erkenntnissen zu rechnen, die aus der vergleichenden Auswertung von Baubefund und schriftlicher Überlieferung gewonnen werden sollen. Vgl. Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 162 f.; Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 28. Die zeitliche Einordnung der Bauphasen muß teilweise recht vage bleiben, da eine genauere Datierung, die sich lediglich auf die Frequenz testamentarischer Legate ad structuram stützen könnte, sehr problematisch ist; denn auch alle nicht mit einem näheren Zusatz versehenen Legate für eine Pfarrkirche waren für deren Kirchenfabrik und damit gegebenenfalls zur Baufinanzierung bestimmt. Dietrich Witte, der Sohn von Berthold Witte, stiftete in seinem Testament eine Vikarie nove cappelle mee und bestimmte zudem eine jährliche Rente von 3 M sund. ad melioracionem fenestrarum et librorum dicte cappelle; StAS Test. Nr. 192. Die Lokalisierung der Kapelle ergibt sich aus ihrer mutmaßlichen Identität mit der von Franz Wessel als „B a r t o 1 d u s W i 11 e n kappelle" [Hervorh. i. d. Vorl.] beschriebenen; Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 471. Legate für den Turmbau der Marienkirche finden sich in folgenden Testamenten: StAS Test. Nr. 134 (1350), Nr. 192 (1352), Nr. 244 (1359). Zwar bestimmte bereits 1340 Heinrich Hundertmark 10 M sund. ad turrim beate virginis Marie und 5 M sund. ibidem ad campanam, aber diese Vergabungen erfolgten wohl im Vorgriff auf die geplanten Baumaßnahmen; PUB X, Nr. 5864. In den verschiedenen Chroniken ist das Ereignis sowohl auf das Jahr 1382 als auch auf 1384 und 1387 datiert. Den Vorzug verdient wohl die Storchsche Chronik, die den Schaden und seine Behebung am genauesten schildert: Im jähr 1382 des mandages vor pingstenfiel der thurm t ho vns er leuen fruwen nieder, vndschlog dat chor in, beth vv de ersten sbß pyler, de bleuen stan; darup hernamals dat chor wedder gebuwet vnd mit isernen bendern vorsehen ward, wie den noch ogenschinlick is [Hervorh. i. d. Vorl.]; MohnikelZober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik (1833), 164; dasselbe Datum gibt auch Johann Berckmann an; ebd., 5. Die Datierung auf das Jahr 1384 findet sich bei: Baier, Zwei Stralsundische Chroniken (1893), 19; Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 513; vgl. auch die irrtümliche Angabe „1484" in: StAS Rep. 28 Nr. 843a, fol. 346. Das Jahr 1387 schließlich wird genannt in: Zober, Eine alte Stralsunder Chronik (1842), 7. Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 29; Jahn, Die Marienkirche (1930), 22.
2.
Angebot und Nachfrage Stiftungsverhalten und Frömmigkeitsmarkt
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abgeschlossen werden konnte, denn 1394 wurde im nördlichen Querschiff ein von der Gewandschneiderkompanie gestiftetes großes Glasfenster eingebaut.40 Wesentlich länger dauerte hingegen der vermutlich 1416 begonnene Bau der mächtigen Westturmanlage41, der in den dreißiger Jahren durch erhebliche Finanzierungsschwierigkeiten ins Stocken geriet.42 Erst in den sechziger Jahren konnte man ein Gebälk im Turminnern einsetzen und eine Glocke aufhängen43 und im Jahrzehnt darauf den Dachstuhl errichten.44 Noch fehlten aber die Kupferbedachung und die Fensterverglasung des Turms, so daß sich der Abschluß des Werkes bis
zum
Ende des Jahrhunderts
hinzog.45
Vergleicht man die Baugeschichte der Nikolaikirche und der Marienkirche im Hinblick auf die jeweiligen Rahmenbedingungen für Stiftungsaktivitäten, so liegt der wesentliche Unterschied sicherlich in einer ,Verspätung' der Marienkirche: Denn während in der Nikolaikirche der Chor schon zu Anfang und das Langhaus zur Mitte des 14. Jahrhunderts fertiggestellt waren und danach für Altar- und andere Stiftungen zur Verfügung standen, konnte in der Marienkirche im 14. Jahrhundert zuerst infolge des bis in die zweite Jahrhunderthälfte andauernden Ausbaus, dann wegen des Turmeinsturzes eine längere Phase ungehinderter Stiftungstätigkeit noch nicht einsetzen.
StAS Gewandhaus HS 3, S. 9. Datierung des Baubeginns stimmen die Chronik Berckmanns und die „Congesta Hinrici Buschii" überein, während Franz Wessel das Jahr 1417 angibt; vgl. Mohnike/Zober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik (1833), 9, 177; Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 514. 42 Die Provisoren der Marienkirche hatten zur Deckung des enormen Kapitalbedarfs in einem solchen Umfang Rentenverkäufe getätigt, daß sie 1434 den daraus entstandenen Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen konnten; LM 3, Nr. 574. Immerhin konnten die zwischen 1434 und 1440 tätigen Provisoren bei der Rechnungslegung zum Ende ihrer Amtszeit vermelden, sie hätten von den in den sechs Jahren eingenommenen 9440 M sund. u. a. die Seitenschiffe mit deren Gewölben ausbessern, drei Glocken gießen und ein Viertel des Turmes nach Norden hin bauen lassen; LM 5, Nr. 75; vgl. Grewolls, Die Organisation des mittelalterlichen Pfarrkirchenbaues (1996), 48, 55. 43 Die „Stralsundische Chronik B" (Wiener Handschrift) datiert die Glockeninstallation auf das Jahr 1464, Franz Wessel auf 1460; Baier, Zwei Stralsundische Chroniken (1893), 38; Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 514. 44 Hier bestehen nicht geringe Unterschiede zwischen den „Congesta Hinrici Buschii" bzw. der Chronik Berckmanns auf der einen Seite und der „Stralsundischen Chronik A" (Stralsundische Handschrift) bzw. den Notizen Wessels auf der anderen. Die einander ähnelnden Darstellungen in den beiden letztgenannten Quellen verdienen aufgrund ihrer Ausführlichkeit wohl den Vorzug; danach wurde das Mauerwerk des Turms 1473 fertig, 1475 (oder 1473) mit Johann Rosen ein Vertrag über den Bau des Dachstuhls geschlossen und 1478 schließlich mit dem Anbringen der Eisenstange die Turmspitze vollendet; vgl. Zober, Eine alte Stralsunder Chronik (1842), 12 f.; ders., Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 514 f.; Mohnike/Zober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik (1833), 9, 177.
40 41
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In der
Kupferlegate für den Marienkirchturm sahen zwei Testamente von 1475 und 1485 vor; StAS Test. Nr. 697, 737. Womöglich sollte der Ablaßbrief, den die Provisoren im Jahre 1485 für alle Wohltäter des Marienkirchbaus erwirkten, vor allem der Förderung der Kupferbedachung dienen; StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 34. 1495 und 1498 schließlich wendeten Testatoren ihre Aufmerksamkeit der Verglasung der Turmfenster zu; StAS Test. Nr. 790, 791, 820; s. auch Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 29.
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V. Motive, Moden und Funktionen
Diese Beobachtung findet ihre Bestätigung in den Quellen zum Stiftungswesen an der Marienkirche. Denn nicht nur ist das erste, aus dem Jahre 1352 stammende Zeugnis über eine Altarstiftung an der Marienkirche rund fünfzig Jahre jünger als im Fall der Nikolaikirche46, auch hält sich die Zahl der überlieferten Altar- und Benefizienstiftungen im 14. Jahrhundert noch sehr in Grenzen: In den Testamenten und Urkunden erscheinen lediglich vier derartige Stiftungen.47 Daß es sich hierbei nicht um eine überlieferungsbedingte Verzerrung der Realität handelt, wird aus dem bereits erwähnten bischöflichen Abgabenregister von 1370 deutlich48, in dem für die Marienkirche nur zwölf Benefizien aufgelistet sind, wohingegen zu diesem Zeitpunkt bereits 43 an der Nikolaikirche bestanden. Vergleicht man diese Angaben mit der von Franz Wessel verzeichneten Anzahl der Altäre am Vorabend der Reformation, 44 in der Marienkirche und 56 in der Nikolaikirche49, so ergibt sich folgendes Bild: Während in der Nikolaikirche ein großer Teil der mittelalterlichen Altarstiftungen bereits im 14. Jahrhundert erfolgte und damit zu Beginn des 15. Jahrhunderts eine merkliche Verknappung des verfügbaren Kirchenraumes eingetreten war, füllte sich der Innenraum der Marienkirche erst im 15. Jahrhundert allmählich mit Kapellen und Altären. Dank dieser Ungleichzeitigkeit verspricht eine vergleichende Betrachtung der Veränderungen im Stiftungsverhalten einen wesentlichen Beitrag zur Klärung der Frage, inwieweit die Wandlungen tatsächlich durch die jeweilige Angebotssituation bedingt waren. Ein erster Unterschied in der Stiftungspraxis an beiden Kirchen vermag angesichts der skizzierten Gesamtentwicklung kaum zu überraschen: Anders als an der Nikolaikirche treten an ihrem Neustädter Pendant nach 1400 Einzelpersonen und Familien noch relativ häufig als Stifter von Kapellen und Altären in Erscheinung.50 Dementsprechend erscheint es plausibel, daß der
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Zur Erwähnung einer Kapelle im Testament von Dietrich Witte s. oben S. 200 Anm. 36. Neben der Kapelle Wittes sind dies: eine Heiligkreuzkapelleprope ianuam ecclesie beate Marie virginis, an der Christian Bekendorp in seinem Testament von 1361 ein Ewiglicht stiftet und deren Gründer im übrigen unbekannt ist (StAS Test. Nr. 276); eine Vikarienstiftung von 1394 durch Rychquan Langendorp in dessen eigener Kapelle (VpLAG Rep. 1 Stralsund 8. St. Marien 4); die Kapelle von Wulf Langenfelde, der dieser in seinem Testament von 1393 einige Gaben thome b'uwethe unde betheringhe bestimmt (StAS Test. Nr. 460). S. oben S. 193. Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 470-482, 486. Dabei sind die Gründungsakte keineswegs nur in den ersten Jahrzehnten des 15. Jh. zu finden: Der erste Fall stammt aus den Jahren 1415/16, als Johann Wustehove an der von ihm selbst gegründeten Kapelle ein Benefizium stiftete; vgl. StAS HS 56', S. 1; StAS Rep. 28 Nr. 782; StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 19. 1422 wurde eine Vikarienstiftung von Johann Potlist (senior) in dessen Kapelle in das Stadtbuch eingetragen; StAS HS 1.4, fol. 37r. Im Jahre 1444 stifteten drei Brüder der Familie Volmershusen eine Lohnpriesterstelle in einer Kapelle, die kurze Zeit zuvor von derselben Familie gegründet worden sein muß, da mit der Stiftung offensichtlich der Altardienst überhaupt erst aufgenommen wurde; VpLAG Rep. 1 Stralsund 8. St. Marien 18. An selbigem Altar stiftete Konrad Schutte in seinem 1476 abgefaßten Testament eine Ewigmesse und eine zweite an dem Heiligkreuzaltar der eigenen Familie, der, so läßt zumindest seine Lage im hinteren Teil des Langhauses annehmen, wohl ebenfalls erst im 15. Jh. gegründet worden war; StAS Test. Nr. 699; vgl. zur Lage Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 475 f. Eine späte Kapellenfundation stammt von dem aus Stralsund gebürtigen Archidiakon von Tribsees und Usedom, Gerwin Ronnegarve, aus dem Jahre 1495; StAS
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Rückgriff auf fremde, insbesondere auf Korporationsaltäre, zur Stiftung von Ewigmessen an der Marienkirche später einsetzt als an der Nikolaikirche.51 Dagegen ergibt sich im Hinblick auf den hier besonders interessierenden Aspekt, die Ablösung des Typus der Patronats-
pfründe, an der Marienkirche kein deutlich abweichendes Bild. Nach 1422 sind nämlich nur noch zwei neue Stiftungen diesen Typs zu registrieren52: zum einen die auf Initiative Martin Hoyers 1473 errichtete Pfründstiftung in der Kapelle seines Vorfahren Lubbert Thevin53, zum anderen die materielle Aufwertung einer vorhandenen Lohnpriesterstelle und deren Umwandlung in ein Benefizium im Jahre 1521 auf Wunsch des Priesters Hermann Tagge.54 Es war also offensichtlich im 15. Jahrhundert keineswegs mehr die Regel, daß neu gegründete Altäre mit einer Patronatspfründe ausgestattet wurden. Dies galt vor allem, aber nicht ausschließlich für Korporationsaltäre: Im Fall der Marienkirche lassen sich im Gegensatz zur Nikolaikirche55 auch Beispiele dafür anführen, daß an einem neuen Familienaltar eine Lohnpriesterstelle gestiftet wurde.56 Die Verhältnisse an der Marienkirche bestätigen und -
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Urk. Depos. St. Mariae Nr. 46. Die Kapelle, für die der Bürgermeister Roloff Möller in seinem Testament von 1498 zwei Priesterstellen und eine Ewigrente zur Finanzierung von Altarbedarf vorsah, war aller Wahrscheinlichkeit nach durch ihn selbst gegründet worden; StAS Stadt. Urk. Nr. 1810a; s. auch Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 472. Zu Beginn des 16. Jh. dürfte die von Bürgermeister Henning Wardenberg gestiftete Brandanienkapelle entstanden sein, für die 1506 nach dem Tod Wardenbergs ein Ablaßbrief erwirkt wurde; StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 57. Von einer letzten ,privaten' Kapellenfundation erfahren wir in einer Urkunde von 1521, mit der eine bereits bestehende Priesterstelle in der durch die Brüder Johann und Hermann Tagge errichteten Kapelle in ein Benefizium umgewandelt wurde; StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 53. Die erste derartige Stiftung in der Marienkirche wurde 1474 am Altar des Gerberamtes errichtet; StAS Rep. 28 Nr. 786 (1474 Okt. 31). Das Testament Konrad Schuttes von 1476 beinhaltete neben einer Ewigmeßstiftung für den Altar der eigenen Familie auch eine solche für den Altar der Familie Volmershusen; StAS Test. Nr. 699. Eine Lohnpriesterstelle am Altar der Pferdekäufer stiftete im Jahre 1477 Hermann Schroder; StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 30. Eine Meßstiftung am Altar der Schmiede schließlich sah das Testament Bernd Klensmits von 1498 vor; StAS Test. Nr. 815. Zu ähnlichen, bereits seit 1427/28 bezeugten Stiftungen an der Nikolaikirche s. oben S. 197 Anm. 21 und S. 197 Anm. 24. Unklar ist, ob in der 1495 durch den Archidiakon Gerwin Ronnegarve gegründeten Kapelle ebenfalls ein Benefizium fundiert wurde, was in Anbetracht des geistlichen Standes des Stifters zumindest vermutet werden kann; vgl. StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 46; StAS HS IX.l [1513 Aug. 4]. StAS Stadt. Urk. Nr. 1727. Hermann Tagge hatte zusammen mit seinem Bruder Johann die Kapelle gegründet, in der er selbst die durch Johann gestiftete Priesterstelle bekleidet hatte; nach seinem Tod ließen die Patrone der Kapelle seinem Wunsch gemäß die Zustiftung und die Umwandlung in ein Benefizium vornehmen; VpLAG Rep. 1 Stralsund 8. St. Marien 53. Für die Nikolaikirche existiert kein eindeutiger Beleg, da an den drei Familienkapellen, die nach 1400 zum ersten Mal genannt werden (s. oben S. 196 Anm. 19), im Fall Gildenhusens eine Vikarie gestiftet wurde und es unklar ist, ob die verbleibenden testamentarischen Meßstiftungen von Hans Kummerow und Joachim Engelbrecht tatsächlich an neugegründeten Kapellen fundiert wurden; der Umstand, daß es sich hierbei lediglich um eine bzw. zwei Messen pro Woche und um jährliche Einkünfte von 4 M sund. bzw. etwa 6 M sund. handelte, spricht eher gegen die Hypothese einer Erstdotierung. Dies gilt mit hoher Wahrscheinlichkeit für zwei bereits erwähnte Fälle: zum einen die Stiftung der Brüder Volmershusen von 1444, zum anderen diejenige Roloff Möllers von 1498; s. oben S. 202 Anm. 50. Bei der testamentarischen Stiftung Konrad Schuttes von 1476 für den eigenen Familienaltar -
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akzentuieren somit die für die Nikolaikirche gewonnene Erkenntnis, daß die Abkehr von der Form der Patronatspfründe sich nicht auf einen Rückgang von Altarneugründungen infolge einer Verknappung des Raumangebots zurückführen läßt. Keine gänzlich neuartige Konstellation vermag als dritte der Stralsunder Pfarrkirchen die Jakobikirche zu bieten, deren Stiftungen vielmehr ähnliche Entwicklungslinien wie diejenigen an der Nikolaikirche aufweisen. Die Jakobikirche, 1303 erstmals erwähnt57, war gegründet worden, um das jüngste innerstädtische Siedlungsgebiet zwischen der Altstadt und dem östlichen Teil der Neustadt mit einer Parochialkirche zu versehen.58 Die Baugeschichte der Jakobikirche gibt, ob der Spärlichkeit der schriftlichen Überlieferung, erhebliche, noch nicht gelöste Rätsel auf.59 Sie sind vor allem mit der Frage verbunden, wann der ursprüngliche, schlichte Hallenbau, der wohl in den ersten Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts vollendet werden konnte, zur Basilika um- und ausgebaut wurde. Hellmuth Heyden und Herbert Ewe stimmen in der Annahme überein, der Umbau habe im wesentlichen bereits um die Mitte des 14. Jahrhunderts stattgefunden, und verweisen auf eine Häutung testamentarischer Baulegate in den vierziger und fünfziger Jahren, gefolgt von Vergabungen für den gottesdienstlichen Bedarf. Im Anschluß daran sei der Turmbau in Angriff genommen und zu Beginn des 15. Jahrhunderts abgeschlossen worden, wobei er seine Kupferbedachung erst gegen Ende des Jahrhunderts erhalten habe.60 Nikolaus Zaske hingegen interpretiert die Häufung der Baulegate um die Mitte des 14. Jahrhunderts als Hinweis auf den Abschluß des Hallenbaus, dem erst im 15. Jahrhundert der basilikale Ausbau mit der Errichtung des neuen Turms gefolgt
sei.61
(s. ebd.) und einer entsprechenden Stiftung Säbel Siegfrieds für die Familienkapelle von 1491 (StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 42) kann die Annahme einer Erstbegründung des Altardienstes nicht als
gelten. Allerdings vermerkt Franz Wessel in seiner Bestandsaufnahme von 1564 für die Siegfried-Kapelle lediglich die 1491 gestifteten Einkünfte; Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 471. Womöglich entschloß sich Säbel Siegfried zu dieser Stiftung, weil eine frühere Dotierung der wohl schon seit längerem bestehenden Kapelle hinfällig geworden war. Auszuklammern ist im übrigen die soeben genannte Kapelle der Brüder Tagge, an der zwar anfangs ebenfalls eine nichtbenefiziale Priesterstelle eingerichtet war, die aber in den Augen der Stifter offensichtlich nur eine Übergangslösung darstellte. wahrscheinlich
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IV, Nr. 2104. Vgl. hierzu Berlekamp, Probleme (1964), 35-37, 40; Schroeder, Schadegard (1964), 49-53. Vgl. zur Baugeschichte Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 209-216; Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 28-30; Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 26 f. Vgl. Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 29; Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 26 f. Letzterer geht im übrigen davon aus, daß die Erweiterung des Langhauses nach Westen zur Verbindung mit dem zuerst frei stehenden Turm erst nach dem Umbau zur Basilika erfolgt sei. Nicht nachvollziehbar ist die Angabe Heydens, im Jahre 1342 sei ein eigenes Bauamt der Jakobikirche eingerichtet worden, was er offenbar als weiteres Indiz für den Beginn des Kirchenumbaus verstanden wissen will. Als Beleg dienen lediglich zwei testamentarische Legate ad structuram sancti Jacobi von 1342. Die Einrichtung einer parochialen Kirchenfabrik war indes ein regelmäßiger Bestandteil der pfarrkirchlichen Organisation und dürfte an der Jakobikirche wohl deutlich vor 1342 vorgenommen worden sein; vgl. Grewolls, Die Organisation des mittelalterlichen Pfarrkirchenbaues (1996), 34-37. Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 209 f. PUB
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Da sich die angesprochene Frage vorläufig nicht mit einiger Klarheit beantworten läßt, soll in einer Umkehrung der bisherigen Vorgehensweise im nächsten Schritt die Entwicklung der Stiftungspraxis an der Jakobikirche untersucht werden, um auf der Grundlage der solchermaßen gewonnenen Aufschlüsse der Klärung der bauhistorischen Probleme eventuell etwas näherzukommen. Die Durchsicht der Testamente und Urkunden des 14. Jahrhunderts nach Altar- oder Benefizienstiftungen führt zu einem frappanten Ergebnis: Fündig wird man lediglich in den Testamenten Heimich von Vredens von 1382 und Johann Hogedorps aus dem Jahre 1393.62 Bevor man nun aber schlußfolgern kann, es habe im 14. Jahrhundert an den baulichen und sonstigen Voraussetzungen für eine ausgiebige Stiftungstätigkeit gefehlt, belehrt der Blick in das mehrfach erwähnte bischöfliche Abgabenregister von 1370 eines Besseren63: Darin werden nämlich 23 Vikarien aufgeführt, also fast doppelt so viele wie für die Marienkirche. Die enorme Kluft zwischen dieser Zahl und der Anzahl der in der sonstigen Überlieferung nachweisbaren Benefizien verlangt nach einer Erklärung: Neben den auch bei den anderen beiden Pfarrkirchen zu bedenkenden Faktoren64 schlägt hier zu Buche, daß die urkundliche Überlieferung der Jakobikirche offenbar von überdurchschnittlich hohen Verlusten betroffen ist65, die zudem schon sehr früh einsetzten mit den entsprechenden Konsequenzen für die kopiale Überlieferung.66 Auffällig an dem Pfründenverzeichnis ist, daß bei sechs der 23 Benefizien der Gründungsprozeß noch nicht abgeschlossen war.67 Daraus ist abzulesen, daß gegen Ende der sechziger Jahre ein veritabler Schub von Benefizienstiftungen einsetzte. Mit dieser Welle -
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Heinrich von Vreden sah die Gründung einer Vikarie vor, cuius altare in turri ecclesie sancti Jacobi opidi Sundis est situatum; StAS Test. Nr. 400. Johann Hogedorp wollte in seiner Kapelle eine Lohnpriesterstelle einrichten lassen und dem Altar eine jährliche Rente zu dessen weiterer Ausstattung übertragen; StAS Test. Nr. 458. Auf zwei weitere Fälle stößt man beim Rückgriff auf andere Quellengruppen: Im Liber memorialis wurde 1367 der Kaufeiner Rente durch die Testamentsvollstrecker von Johann Wreden für dessen Vikarie notiert, in deren Besitz Eier Rothe war; LM 1, Nr. 423. Ein Eintrag in den Lateranregistern hielt 1389 die Anordnung fest, dem ordnungsgemäß präsentierten Johann von Soltis die durch den Tod von Nikolaus von Bernis vakante Vikarie am Evangelisten-Altar zu übertragen, was Bischof Potho von Schwerin offenbar zugunsten von Heinrich von Kusel verweigert hatte;
RepGerm 2, Sp. 757. 63 64 65
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S. oben S. 193. S. oben S. 194 Anm. 12. Die Zahl der im StA Stralsund befindlichen Originalurkunden bis zum Jahre 1520 beläuft sich bei der Jakobikirche auf sieben gegenüber 63 bei St. Marien und 47 bei St. Nikolai. Im VpLA Greifswald werden aus demselben Zeitraum in den Pertinenz-Reposituren „St. Jakobi" 32, „St. Marien" 54 und „St. Nikolai" 40 Urkunden verwahrt; vgl. oben S. 35 Anm. 26. Bereits die kopialen Aufzeichnungen im Zuge reformatorischer Visitationen des 16. Jh. und dann das 1614 angelegte Urkundenverzeichnis fuhren nur noch wenige Urkunden aus der Zeit vor 1480 auf; vgl. StAS HS IX.2; StAS Rep. 28 Nr. 1029; StAS HS 562. Als Beispiel sei folgender Eintrag zitiert, dem die anderen fünf in den Formulierungen sehr ähneln: 12. Lubbertus Rybe assignavit 300 marcas ad vicariam ad quam est presentatus Ghese de Bátele. Patroni: heredes dicti Lubberti. Demgegenüber lautet ein Eintrag über eine bestehende Vikarie etwa wie folgender: 14. Godzwinus Kannemaker habet 15 marcas in Ruya. Patroni: heredes Ludekini Kannemaker; LHAS Rep. 1 Bistum Schwerin C 1.
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sicherlich zumeist mit Altargründungen verbundenen Stiftungen war offenbar eine Situation entstanden, in der die Belegung des Kirchenraums ein beträchtliches Ausmaß erreicht hatte. Denn am Vorabend der Reformation befanden sich nur dreißig Altäre in der kleinsten Pfarrkirche Stralsunds68; in den rund 150 Jahren nach der Anlage des Benefizienverzeichnisses konnten also nicht mehr allzu viele neue Altäre dazugekommen sein. Welche Auswirkungen diese Konstellation, die sichtliche Parallelen zu den Verhältnissen an der Nikolaikirche aufweist, auf das weitere Stiftungsverhalten hatte, läßt sich nicht in hinlänglichem Maße nachvollziehen. Zwar finden sich in der Folgezeit Hinweise auf die Realisierung anderer Stiftungsarten, wie sie bereits an der Nikolai- und der Marienkirche begegneten69; ihre Zahl ist jedoch zu gering und die urkundliche Überlieferung zu unregelmäßig, als daß sich daraus fundierte Aussagen ableiten ließen. Bemerkenswert sind immerhin die Hinweise auf sechs Kapellen beziehungsweise Altäre, die etwa in der Zeit zwischen 1480 und 1520 neu gegründet worden sein müssen70, eine von
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Stiftung von Lohnpriesterstellen bzw. in ähnlicher Weise konzipierten Ewigmessen s. StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 83 (1416); StAS Test. Nr. 659 (1467); StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 4648 (1504); ebd., Kopiar III, S. 27 (1506); ebd., Kopiar III, S. 44 (1507); StAS Rep. 28 Nr. 965 (1508); VpLAG Rep. 1 Stralsund 6. St. Jacobi 23 (1514); StAS HS 562, S. 12 (1516). Objekt- und Ewiglichtstiftungen beinhalten: StAS Test. Nr. 232/266 (1358/1360); LM 1, Nr. 1046 (1409/10); StAS Test. Nr. 500 (1411); StAS Rep. 28 Nr. 979 (1421); StAS HS 1672, S. 46-49 (1427) und LM 5, Nr. 42 (1428); VpLAG Rep. 1 Stralsund 6. St. Jacobi 3 (1429); StAS Test. Nr. 850 (1501). Die zahlreichen Memorienstiftungen stammen mit einer Ausnahme erst aus den letzten vierzig Jahren vor der Reformation: StAS Test. Nr. 560 (1429), 737 (1485), 817 (1498), 859 (1502), 900 (1508), 927 (1512), 941 (1515); StAS Stadt. Urk. Nr. 1775 (1487); StAS HS IX.l [1491 Juli 9]; StAS Urk. Depos. St. Jakobi Nr. 4 (1500); VpLAG Rep. 1 Stralsund 9. St. Nikolai 36 (1509); VpLAG Rep. 1 Stralsund 6. St. Jacobi 21 (1512); VpLAG Rep. 1 Stralsund 6. St. Jacobi 23 (1514); StAS Test. Nr. 941 (1515). Etwa aus derselben Zeit datieren die Fälle, in denen besonders feierliche Messen oder Hören gegründet oder gefördert wurden: StAS HS IX.l [1467 Febr. 3]; StAS HS IX.l [1491 Juli 9]; StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 52-54 (1494); StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 51 f. (1495); StAS Stadt. Urk. Nr. 1810a (1498); StAS Urk. Depos. St. Jakobi Nr. 4 (1500); StAS Test. Nr. 959 (1519). 70 Von dem ersten dieser jüngeren Altäre erfahren wir durch einen Streit aus dem Jahre 1491 zwischen den Protagonisten Martin Guleke und der Witwe seines Bruders Johann Guleke um die Rechte an dem von Martin und Johann gestifteten Marienaltar; vgl. StAS Urk. Marienkrone Nr. 107 (1491); StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 46-48 (1504). Ob dieser Johann Guleke identisch ist mit Hans Guleke, dem Stifter des zweiten, an einer anderen Stelle stehenden Altars, für welchen im Jahre 1501 ein Hauszins erworben wurde, ist unklar; StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 48 f. An einem weiteren Altar gründeten die Testamentsvollstrecker des Priesters Johann Brandes im Jahre 1504 eine Vikarie; StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 35-37; auf die enge Verbindung zwischen Altar und Benefizium und damit auf eine mutmaßliche Altarerrichtung durch Brandes selbst weisen die Identität von Altar- und Benefizienpatronen und entsprechende Formulierungen in einer päpstlichen Bestätigungsurkunde von 1513 für den Inhaber des Zur
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Benefiziums hin; StAS Stadt. Urk. Nr. 1910. Im Jahre 1512 baten die Testamentsvollstrecker von HenSwarte um die bischöfliche Bestätigung einer Benefizienstiftung, zu deren Zwecken sie eigens eine Kapelle im Turm der Jakobikirche hatten bauen lassen; StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 38 f. Daß auch der Dreifaltigkeitsaltar, an dem sich Barbara Klementes in ihrem Testament von 1515 ein Gebetsgedenken wünschte, vermutlich noch relativ neu war, kann aus der Identifizierung eines der drei den Altar zierenden Wappen geschlossen werden; vgl. StAS Test. Nr. 941; Zaske, Die gotischen Kirchen
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Häufung, die sich nicht allein mit den Besonderheiten der urkundlichen Überlieferung erklären läßt. Denn wenn man die Zahl von 23 Benefizien um 1370 und von dreißig Altären am Vorabend der Reformation bedenkt, so festigt sich der Eindruck, daß diese späte Welle von Altarstiftungen einer etwa hundert Jahre anhaltenden Flaute ein Ende bereitet hat. Dieses Szenario könnte sehr wohl, womit wir wieder bei den offenen Fragen der Baugeschichte angelangt wären, an widrigen Rahmenbedingungen in Gestalt einer langwierigen Bautätigkeit am Langhaus der Jakobikirche gelegen haben. Somit spricht einiges dafür, daß zwar um die Mitte des 14. Jahrhunderts ein erster basilikaler Umbau durchgeführt worden war, dessen baldiger Abschluß in den sechziger Jahren durch eine größere Zahl von Stiftungen und Schenkungen zu liturgischen Zwecken markiert ist; jedoch handelte es sich dabei wohl nur um eine Etappe auf dem Weg zu der am Ende des Mittelalters realisierten Gestalt. Ihr folg-
seit dem Ausgang des 14. Jahrhunderts nicht nur der Ausbau des Kirchturmes71, sondern sicherlich auch aufwendige Erweiterungen des Kirchenschiffs an seinen Flanken und nach Westen, um den anfangs freistehenden Turm in das Gebäude zu integrieren. Diese Arbeiten kamen ausgangs des 15. Jahrhunderts allmählich zum Ende 2, worauf eine nochmalige kleinere Welle von Altarstiftungen einsetzte. Abschließend bleibt indes festzuhalten, daß die Auswertung der Stiftungstätigkeit ebenfalls nur einen gewissen Beitrag zur Beantwortung der bauhistorischen Fragen zu liefern vermag; entscheidende Fortschritte sind erst von einer ten
archäologischen Untersuchung zu erwarten.
Neben den Pfarrkirchen boten sich in der Stralsunder Gemarkung einige weitere Orte als Empfänger einer Stiftung im liturgischen Bereich an: vor allem die Klosterkirchen, daneben die mit einem Spital oder Armenhaus verbundenen Kirchen und Kapellen und schließlich die sonstigen kleineren Kapellen. Letztere spielten indes auf dem Stiftungsmarkt in quantitativer Hinsicht keine bedeutsame Rolle. Es gab ihrer, abgesehen von reinen Privatkapellen73, nur fünf, von denen zwei eine Sonderstellung einnahmen: die Apollonienkapelle als Sühnekapelle, die daher für weitere Stiftungen nicht in Betracht kam74, und die Kapelle im Hof des Archidiakons von Tribsees.75 Aber auch für die übrigen drei, die Marien-Magdalenen-, die Stralsunds (1964), 222. Auf die Existenz einer weiteren nyen capellen weist das Testament Hermann Virows von 1519 hin, das ein Legat für die dort bestehenden Hören vorsah; StAS Test. Nr. 959. 71 In Bezug auf die Bauphasen des Kirchturms gibt eine testamentarische Benefizienstiftung von 1382 Rätsel auf; StAS Test. Nr. 400. Sie sollte nämlich an einem Altar im Turm der Jakobikirche errichtet werden. Vermutlich handelte es sich dabei um einen älteren, kleineren Turm, der dann durch den anfangs frei stehenden ersetzt wurde; denn daß ein Altar in dem noch nicht mit dem Langhaus verbundenen Turm, falls sein Bau denn überhaupt schon so weit gediehen war, geweiht worden sein könnte, ist doch sehr unwahrscheinlich. 72 Gegen ein vollständiges Ende der Bauarbeiten sprechen zwei sehr großzügige testamentarische Legate für die Kirchenfabrik aus den Jahren 1504 und 1508 in Höhe von jeweils 100 M sund., im zweiten Fall mit einem Elchrock als Dreingabe, und ein Ablaß von Bischof Heinrich von Schwerin für die Förderung des Baus des Jakobikirchturms; StAS Test. Nr. 879, 900; StAS Rep. 28 Nr. 979. 73 Um eine solche handelte es sich womöglich bei der auf dem Marienkirchhof stehenden Erasmuskapelle; s. oben S. 82 Anm. 16. 74 S. oben S. 82 Anm. 16. 75 Franz Wessel erwähnt die Kapelle in doctor Zutfe ¡des [sc. Wardenberg] haue, welck hus steit vp deme Huxser allernegest deme Beginenhuse [Hervorh. i. d. Vorl.]; Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 470; s. auch ebd., S. 486. Gerade die Existenz einer Kapelle läßt vermuten, daß der
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Markus- und die Heiligkreuzkapelle, sind kaum Stiftungen überliefert. Man hat wohl davon auszugehen, daß die Kapellen nach einer von einem entsprechenden Engagement getragenen Gründungsphase77 typischerweise eine recht befriedigende Ausstattung aufweisen konnten und zugleich für weitere Stiftungen nur noch eingeschränkte Möglichkeiten boten.78 Eine insgesamt größere Bedeutung kam demgegenüber den Spital- und Gasthauskapellen zu. Freilich läßt sich für die Kapelle des Antonienhauses, das als einziges der kleineren, nach 1400 entstandenen Armenhäuser eine solche aufzuweisen hatte, ähnliches feststellen wie für die eben behandelten Kapellen, insofern als die Antonienkapelle am Vorabend der Reformation zwar drei Altäre beherbergte79, aber in der testamentarischen und urkundlichen Überlieferung als Empfängerin von Stiftungen nicht weiter in Erscheinung tritt. Anders verhält es sich dagegen mit den größeren Spitalkirchen Stralsunds. So konnte die Heiliggeistkirche mit einem liturgischen Angebot aufwarten, das dem der Pfarrkirchen in seiner Bandbreite sehr nahekam und nur im Hinblick auf sein Volumen deutlich zurückblieb. Voraussetzung für diese Angebotspalette war ein Privileg Herzog Wartislaws IV. von 1325, das der Heiliggeistkirche ebenso wie der Kapelle des Stralsunder Jürgenspitals weitgehende Rechte einräumte, die ihr eine annähernd pfarrkirchliche Stellung verschafften.80 Zu dieser Zeit fand auch die Verlegung des Heiliggeistspitals statt, die mit der zügigen Errichtung einer neuen Spitalkirche verbunden war mit der Folge, daß innerhalb von wenigen Jahren nach Abschluß des Umzuges mindestens vier neue Benefizien in der Heilig-
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Hof sich nicht im Privatbesitz von Zutfeld Wardenberg befand, sondern den Standort der Stralsunder Dienstwohnung' des letzten Tribseer Archidiakons bildete; Berlekamp, Probleme (1964), 35, 38. Die einzigen beiden liturgischen Stiftungen stammen aus den Jahren 1480 bzw. 1483, als Hans Leneke jeweils ein testamentarisches Legat von 100 M sund. für eine Ewigmesse to sunte Marcus tome altare under der kremer vynstere vorsah, und aus dem Jahr 1484, als die Provisoren des Heiliggeistspitals die Übereignung von Renten durch den Priester Johann Danske zur Finanzierung einer Meßpriesterstelle in der Heiligkreuzkapelle bestätigten; StAS Test. Nr. 713 (1480), 732 (1483); StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 137. Sicherlich trifft dies für die Marien-Magdalenen-Kapelle und die Markuskapelle zu, die in Reaktion auf eine Pestepidemie entstanden waren; s. oben S. 83 Anm. 18; genauere Umstände der Entstehung sind indessen bei keiner der drei Kapellen bekannt. Immerhin befanden sich in der 1474/75 gegründeten Markuskapelle zu Beginn der Reformation drei Altäre; Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 486. Auch ist bis 1520 kein klares Ende einer Gründungs- und Ausbauphase erkennbar; zwar wurden der Markuskapelle bereits in zwei Testamenten von 1475 Kupfer- und Fensterlegate zugedacht, des weiteren 1480 50 M sund. für ein Missale und 1485 dieselbe Summe zur Vermehrung der Messen, andererseits riß auch die Reihe der testamentarischen Baulegate bis zum Jahre 1520 nicht ab, in welchem der Kapelle sogar nochmals 100 M sund. bestimmt wurden; StAS Test. Nr. 697 (1475), 698 (1475), 717 (1480), 747 (1486), 970 (1520). Ob in den anderen beiden Kapellen mehr als ein Altar Platz gefunden hatte, ist unbekannt. Zumindest kann für die 1464 erstmals erwähnte Heiligkreuzkapelle festgestellt werden, daß 1484 offenbar nur ein Altar existierte, da es in der Urkunde über die Meßpriesterstellenstiftung von Johann Danske keiner Altarerwähnung bedurfte, um den Ort der zu feiernden Messen zu bestimmen; StAS Urk. Depos. HeiliggeistKloster Nr. 137. Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 486. Dazu gehörten beispielsweise das Begräbnisrecht bezüglich der Spitalbewohner und das Recht, Altarund Vikarienstiftungen anzunehmen, wohingegen u. a. das Taufrecht verwehrt blieb; PUB VI, Nr. 3896. ...
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geistkirche gestiftet wurden.81 Das auffällige Tempo in der Nutzung des neuen Kirchenraums läßt den Gedanken an ein eventuelles gesamtstädtisches Defizit an derartigen Stiftungsmög-
lichkeiten aufkommen. Allein, es bestanden zu dieser Zeit zumindest an der Nikolaikirche ebenfalls entsprechende Voraussetzungen. Man wird also für das Phänomen vor allem eine spezifische Affinität zum Spital und der hier gegebenen beziehungsweise realisierbaren Verbindung von caritas und liturgischer Memoria verantwortlich zu machen haben. Mit diesen ersten, zeitigen Benefizienstiftungen ist im übrigen bereits der Gipfelpunkt der Kurve erreicht: Das bischöfliche Abgabenregister von 1370 führt für die Heiliggeistkirche lediglich drei Vikarien an82; und für die Zeit danach erfahren wir nur noch von einem weiteren Fall.83 Aber auch Lohnpriesterstellen und Ewigmessen, wie sie an den Pfarrkirchen im 15. Jahrhundert an die Stelle der Patronatspfründen traten, sind hier kaum zu registrieren.84 Plausibel wird diese magere Bilanz, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die Heiliggeistkirche am Vorabend der Reformation nur sechs Altäre beherbergte. Der Grund hierfür lag offenbar in einer begrenzten Aufnahmefähigkeit des Gotteshauses; denn der Verdacht, im Laufe der Zeit könnte etwa infolge der zunehmenden Verpfründungstendenz im Spital das Interesse an der Spitalkirche als liturgischem Ort zurückgegangen sein, wird durch das -
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Zur spätestens 1330 abgeschlossenen Verlegung s. oben S. 97; im selben Jahr sah Adelheid in ihrem Testament eine Benefizienstiftung für das Heiliggeisthaus vor; PUB VII, Nr. 4561. Im Jahr darauf stiftete der Priester Rotger von Oldenvlet ebenfalls ein Benefizium; vgl. PUB VIII, Nr. 4936; 2. Stb., Nr. 3683. Ein Stadtbucheintrag von 1331 oder 1332 hielt die durch den verstorbenen Nikolaus Vorkenbeke für seine Vikarie gestifteten Güter fest; dabei ist anzunehmen, daß der Eintrag aus der Gründung des Benefiziums kurz nach dem Tod Vorkenbekes resultierte; 2. Stb., Nr. 2746. Ungewiß, aber womöglich ebenfalls in dieser Phase anzusiedeln ist der Zeitpunkt der Benefizienstiftung Heinrich Brochusens, welche Gegenstand einer im Stadtbuch protokollierten Übereinkunft zwischen der Witwe und einem weiteren Angehörigen Brochusens wurde; 2. Stb., Nr. 3674. Gleiches gilt für die Datierung der Stiftung des zwischen 1329 und 1332 verstorbenen Ratsherrn Konrad Witte; von ihr wissen wir durch eine 1345 ausgestellte Urkunde, in der der Benefizieninhaber, der Kolberger Priester Heinrich (von Lemgo), auf Bitten des Stralsunder Rates das Gnadenjahr von seiner Vikarie in der Heiliggeistkirche dem Spital überließ; PUB XI, Nr. 6394; vgl. PUB VII, Nr. 4477, und Brandenburg, Geschichte des Magistrats (1837), 82 f. Die Diskrepanz zu den eben aufgelisteten fünf Stiftungsfällen könnte ihre Ursache in dem mittelfristigen Scheitern von zwei Stiftungen haben; denkbar ist auch, daß die Ausführung des testamentarischen Stiftungswunsches von Adelheid unterblieben ist; zum Abgabenregister s. oben S. 193. Im Jahre 1411 ließ sich der Kolberger Bürgermeister Vinzenz Holk vom Schweriner Bischof das Patronatsrecht für drei Vikarien, darunter eine in der Stralsunder Heiliggeistkirche, bestätigen; VpLAG Rep. 1 Stralsund 9. St. Nikolai 10. Der Stifter dieses Benefiziums geht aus der Urkunde nicht klar hervor; es könnte sich um einen Stralsunder Vorfahren von Holks Ehefrau Wobbeke handeln; jedenfalls übte sie zusammen mit ihrem Sohn Johann und dem Stralsunder Bürger Johann von Dorpen im Jahre 1423 nach dem Tod ihres Mannes das Präsentationsrecht für selbige Vikarie aus; VpLAG Rep. 1 Stralsund 5. Heiliger Geist 4. Zu Buche stehen nur eine wohl am Hauptaltar zu feiernde, wöchentliche Ewigmesse, die 1412 von den Brüdern Gerhard und Michael Papenhagen gestiftet wurde, und eine Meßpriesterstellenstiftung Hans Klattevales von 1487, die eine Lesemesse pro Woche am Katharinenaltar bezweckte; StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 81 (1412), Nr. 243/244 (1487).
V. Motive, Moden und Funktionen
210
gegen Ende des 15. Jahrhunderts für die Förderung besonderer Marienoffizien und -messen in der Heiliggeistkirche aufgebracht wurde.85 Als Stätte liturgischer Stiftungen wies die Kirche des Jürgenspitals vor Stralsund ähnliche Qualitäten wie die Heiliggeistkirche auf. 1325 mit den gleichen Privilegien ausgestattet, erhielt die St.-Jürgen-Kirche erst etwa zwanzig Jahre später als die Heiliggeistkirche durch die Stiftung Albert Hoveners eine größere und später wohl nicht mehr wesentlich veränderte Gestalt.86 Ob es an diesem Rückstand lag, daß St. Jürgen im Jahre 1370 nur ein Benefizium zu verzeichnen hatte87, ist ungewiß. Denkbar ist auch, daß erst der Rückgang des Aussatzes und die Verwandlung des Jürgenspitals in ein Pfründner- und Armenheim in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts die Anziehungskraft der Spitalkirche auf potentielle Stifter ansteigen ließ. Jedenfalls wuchs die Anzahl der Altäre bis zur Reformation auf immerhin sieben an.88 Wie diese Altäre dotiert waren und versehen wurden, läßt sich allerdings ebensowenig eruieren wie die sonstige Entwicklung liturgischer Stiftungen an der St.-JürgenKirche. Daran mag vor allem eine spärliche urkundliche Überlieferung schuld sein89; daß jedoch auch in den Stralsunder Testamenten nur zwei liturgische Stiftungen für St. Jürgen begegnen90, läßt gleichwohl die Begrenztheit dieses Stiftungsengagements deutlich werden. Eine Sonderstellung unter den Spital- und Gasthauskapellen nahm allmählich St. Gertruden ein, da sich das 1322 erstmals erwähnte Gertrudenhaus im 15. Jahrhundert immer mehr von einer Fremdenherberge zu einem Gotteshaus mit pfarrkirchlichen Funktionen für die anwachsende Frankenvorstadt wandelte.91 Damit ging auch eine Veränderung in der liturgischen Nutzung einher: Im 14. Jahrhundert beschränkte sich die Unterstützung durch die Stralsunder Bevölkerung im wesentlichen auf die Errichtung, Ausstattung und liturgische Grundversorgung der Fremdenkapelle und ließ, nachdem dies erreicht war, merklich nach.92 Dagegen wurde das Gotteshaus nach einem wiederum durch zahlreiche Legate geförderten
Engagement entkräftet, das
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Bereits im Jahre 1415 stiftete der Ratsherr Gottschalk Widenbrugge eine recht aufwendige Marienvon fünf Priestern, darunter dem Kirchherrn von St. Spiritus, gefeiert werden sollte; StAS HS 129, S. 257 f. In den achtziger Jahren folgten dann mehrere Stiftungen, die auf unterschiedliche Weise die Förderung eines neu eingerichteten Marienoffiziums bzw. einer täglichen Marienmesse bezweckten: StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 138 (1486); StAS Test. Nr. 752 (1487); StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 243 (1487); StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 140 (1488). 86 Zur Stiftung Hoveners s. oben S. 98. 87 LHAS Rep. 1 Bistum Schwerin C 1. 88 Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 487. 89 Im Urkundenbestand des StA Stralsund befinden sich lediglich 34 Urkunden von St. Jürgen bis 1520 gegenüber 161 des Heiliggeistspitals. 90 Dietrich Witte sah 1352 eine Anniversarstiftung vor, Hans vom Rode im Jahre 1467 eine ewige Gebetsmemorie nach der Predigt; StAS Test. Nr. 192, 664. 91 S. dazu oben S. 105. 92 Meist gaben die zwischen 1322 und 1350 gehäuft auftretenden Testamentslegate allerdings keinen bestimmten Verwendungszweck vor oder waren nur ad structuram bestimmt. Eine Ausnahme stellt etwa die 1344 verfügte Gabe Herder von Rigas in Höhe von 5 M sund. ad vitreas fenestras dar; PUB XI, Nr. 6274, S. 355. S. zu dem um die Jahrhundertmitte von der Ratsfamilie Schulow gestifteten Hauptaltar Adler, Die St. Gertraudenkirche (1939), 15. messe, die
2.
Angebot und Nachfrage Stiftungsverhalten und Frömmigkeitsmarkt
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Ausbau in den zwanziger und dreißiger Jahren des 15. Jahrhunderts bald auch für zusätzliche liturgische Dienste genutzt. So stifteten die vor allem in der Frankenvorstadt ansässigen und tätigen Schiffszimmerleute einen Altar, der auch von einzelnen Testatoren bedacht wurde.94 Einem damit wohl nicht identischen Margaretenaltar vermachte im Jahre 1501 die Witwe des Bürgermeisters Ludwig Greverade 300 Mark sundisch, eine Summe, deren im Testament unerwähnte Vorhaben schließen läßt, eine Meßprieenorme Größe auf das sterstelle einzurichten.95 Insgesamt brachte es die Gertrudenkirche bis zum Beginn der Reformation auf vier Altäre96, was womöglich einen Hinweis auf die Größe der 1547 abgebrochenen Kapelle liefert, jedoch mehr noch auf die geringe wirtschaftliche Potenz ihrer überwiegend vorstädtischen Klientel. Spielten die Spitalkirchen im ganzen also eine durchaus beachtliche Rolle auf dem Stralsunder Frömmigkeitsmarkt, so wurden sie darin freilich durch die hier ansässigen Klosterkonvente, allen voran die Franziskaner und die Dominikaner, deutlich übertroffen. Das liturgische Angebot der Bettelorden wies gleichwohl spezifische Bedingungen und Konturen auf. Weder bei den Franziskanern noch bei den Dominikanern lagen diese wie etwa bei in der Baugeschichte begründet. Denn der Bau der den Stralsunder Pfarrkirchen Katharinenkirche hatte, nach der 1251 erfolgten Ansiedlung der Predigermönche und einer frühen Verlegung ihres Klosters im Jahre 126197, wohl zu Anfang des 14. Jahrhunderts einen gewissen Abschluß erreicht98, so daß die Kirche seit dem Einsetzen der testamentarischen Überlieferung etwaigen Stiftern insofern uneingeschränkt zur Verfügung stand. Dasselbe gilt auch für die Johanniskirche des 1254 gegründeten Franziskanerklosters99, die allerdings nach dem verheerenden Stadtbrand von 1271 wohl neu errichtet werden mußte, ein Werk, das etwa bis 1320 abgeschlossen werden konnte und dem dann offenbar nur noch kleinere -
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Ausbesserungen folgten.100
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S. dazu oben S. 106 Anm. 151. Gerhard Kremer vermachte dem Altar im Jahre 1487 8 Seh. lüb. und dem dort tätigen Priester 8 Seh. sund.; StAS Test. Nr. 752. Und Hans Schimmelwige bestimmte 1509 10 fl. to der ewigen missen, de de bothmakere dar uppet nyge bestediget hebben; StAS Test. Nr. 902. StAS Test. Nr. 847. Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 486. Zur Klostergründung s. oben S. 83 Anm. 19. Zaske geht indes davon aus, daß im Laufe des 14. Jh. eine Erweiterung des Langhauses nach Westen erfolgte, die etwa um 1400 vollendet war; Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 246 f. Auch wenn man diese Annahme teilt, so folgen daraus keine gravierenden Einschränkungen der für das Katharinenkloster des 14. Jh. spezifischen Stiftungsmöglichkeiten. Vgl. auch Kurtz, Das Katharinenkloster, Bd. 1 (1959), 40-43; Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 718; Fait, Die norddeutsche Bettel-Ordensbaukunst (1954), 69-71; Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 30 f.; Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 58 f. Zur Gründung s. oben S. 83 Anm. 19. Vgl. zur Baugeschichte der Johanniskirche Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 710, 712; Fait, Die norddeutsche Bettel-Ordensbaukunst (1954), 66; Ewe, Zur Baugeschichte Stralsunds (1958), 30 f.; ders., Die Franziskaner (1993), 145, 151 f.; Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 55 f.; Zaske, Die gotischen Kirchen Stralsunds (1964), 251.
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V.
Motive, Moden und Funktionen
Die Spezifika des Stiftungsumfeldes ergaben sich vielmehr zum einen aus der monastischen Qualität und zum anderen aus dem Armutsgebot der Mendikanten. In beiden Klöstern waren die Konsequenzen gleich, die sich aus dem monastischen Bezug ergaben. So konnten beide Konvente sehr früh eine bestimmte Palette liturgischer Memorialformen offerieren, die in den Orden bereits entwickelt waren und praktiziert wurden. Dazu zählten im Falle der Dominikaner101 die kollektive fürbittende Memorie im täglichen capitulum, das Fürbittgebet an bestimmten Gedächtnistagen, so für die Wohltäter des Klosters und für die im Kloster Bestatteten, das individuelle Gedächtnis im capitulum am jeweiligen dies obitus, dann als Zwischenschritt zur missa specialis der Einschub einer entsprechenden oratio in die Konventsmesse und schließlich die individuelle Messe, die ihrerseits in mehreren Formen begangen wurde: als Messe eines einzelnen Priesters am Jahrtag, als missa cantata unter Beteiligung des Konvents und als um ein Totenoffizium des Konvents erweiterte Jahrtagsfeier. Andererseits brachte das Moment der monastischen Gemeinschaft auch bestimmte Einschränkungen des andernorts gegebenen Gestaltungsspielraums der Stifter mit sich. So war es zwar möglich, Lesemessen zu stiften, die durch einen einzelnen Priester zu halten waren, aber der Stifter konnte für den Meßdienst und den Empfang des Meßlohns nicht einen bestimmten Konventualen, geschweige denn einen externen Priester nominieren.102 Die Organisation der Messen verblieb vielmehr letztlich in der Regie des Konvents, womit auch die Aufgabe erschwert wurde, von außen auf die Einhaltung eingegangener Stiftungsverpflichtungen einzuwirken. Für derartige Messen den jeweiligen Nebenaltar zu bestimmen, dürfte für den einzelnen Stifter ebenso nicht selbstverständlich, sondern zumindest eine Frage der Vereinbarung gewesen sein.103 Die Stiftung eines Altars war zwar möglich, aber die eingeschränkte Kontrolle über dessen Versehung schmälerte sicherlich die Attraktivität eines solchen Projekts. So war die Anzahl der Altäre im Johannis- und im Katharinenkloster bis zum Beginn der Reformation zwar auf je achtzehn angestiegen104, aber unter ihnen befanden sich nur zwei nachweisliche Privataltäre.105 Auch wenn dabei eine für beide
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S. die ausfuhrliche Behandlung der Memorialformen im Dominikanerorden bei Frank, Das Totenbuch (1993), bes. 4 f., 59 f. Vgl. ebd., 63. Rätselhaft ist in dieser Hinsicht das Testament Hans Kurlebekes von 1446. Darin bestimmte er nämlich neben zwei anderen Legaten für seine Kapelle zu St. Johannis eine jährliche Rente in Höhe von 12 M sund. enem armen prestere, de schal lesen in miner cappelle to sunte Johanse alle weken dre selemisse unde dre vilge unde de anderen ver dage schal he lesen na der tid, alse sik boret; StAS Test. Nr. 606. Die Formulierung läßt nicht an einen Franziskanerkonventualen als Empfänger denken; womöglich war hier tatsächlich eine besondere Vereinbarung getroffen worden, die dann sicherlich als Indiz für ein Abrücken des Konvents vom Ordensideal zu interpretieren wäre.
So ist bei den 15 testamentarischen Meßstiftungen für die Franziskaner und Dominikaner (ohne am Hauptaltar zu feiernde Jahrtagsmessen) lediglich in drei Fällen der Altar genannt: StAS Test. Nr. 402 (1383), 615(1449), 826(1499). 104 Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch ( 1870), 486 f. 105 Dabei handelt es sich zum einen um eine bischöfliche Kapellenstiftung von 1423 (LM 3, Nr. 66), zum anderen um die schon erwähnte Kapelle Hans Kurlebekes; s. oben S. 212 Anm. 102. Sie ist aller
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Klöster sehr ungünstige Überlieferungslage zu berücksichtigen ist, dürfte der Großteil der Nebenaltäre doch von Bruderschaften und Ämtern stammen, für die die Anbindung an einen Mendikantenkonvent manche Vorteile besaß.106 Gravierende Auswirkungen auf die Handlungsmöglichkeiten der Stifter hatten zum zweiten das Armutsgebot und seine konkrete Handhabung. Nachdem der Gründer des Franziskanerordens sogar die Annahme von Eigentumsrechten und Geldgeschenken untersagt hatte, wurden nach seinem Tod durch einige päpstliche Privilegien des 13. und 14. Jahrhunderts Modifikationen an den strengen Auflagen vorgenommen, um eine Sicherung der Lebensbedürfnisse der Konvenmalen zu erleichtern. Es blieb aber bei dem auch in den Ordenskonstitutionen von 1279, 1292 und 1316 fixierten Verbot, Vergabungen anzunehmen, die eine dauerhafte Übertragung von Liegenschaften oder Zinsrechten bezweckten.107 Unter diesen Voraussetzungen blieb einem Stifter vorderhand nur eine Möglichkeit der Vergeltung einer dauerhaften Memorialleistung: eine einmalige, dementsprechend ansehnliche Geld- oder Sachspende. Da er aber mit einer solchen Gabe zugleich einen entscheidenden Hebel zu einer dauerhaften Durchsetzung der memorialen Gegenleistung einbüßte, lag es nahe, nach Wegen zu suchen, die eine Wiederholung der Gabe und damit im Falle einer Pflichtvergessenheit des Konventes ihren späteren Entzug ermöglichten. Wie aus anderen Städten, insbesondere dank der Forschungen Bernhard Neidigers aus Basel bekannt ist, bestand ein geeignetes, oft angewandtes Handlungsmodell darin, den Besitztitel einem Treuhänder zu übertragen und durch ihn die jeweils fälligen Einkünfte aushändigen zu lassen.108 Aber auch die dem betreffenden Franziskanerkonvent angeschlossenen, von den Verboten nicht betroffenen Beginen wurden häufig als Mittler eingeschaltet.109 Das lebhafte Interesse von Stiftern und Mendikanten an einer Realisierung von Stiftungen mit einer dauerhaften Wiederholung der Gabe führte schließlich vielerorts zu einer zunehmenden Aushöhlung der Ordensvorschriften110, eine Entwicklung, die im 15. Jahrhundert in die bekannten Auseinandersetzungen um das Armutsideal und eine Reform des Ordens mündete.111 Angesichts dieser allgemeinen Bedingungen und Tendenzen des Stiftungsverhaltens ist also im Hinblick auf die Zusammenhänge zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Stralsunder Frömmigkeitsmarkt danach zu fragen, in welcher Weise dem franziskanischen -
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Wahrscheinlichkeit nach identisch mit der Kapelle, die Heinrich Kurlebeke, der mutmaßliche Sohn Hans Kurlebeke, in seinem Testament von 1487 als Begräbnisort wählte; StAS Test. Nr. 751. Nachweisbar ist die Präsenz in einer der beiden Kirchen für achtzehn Bruderschaften bzw. Ämter, wobei die Verfügung über einen eigenen Altar oft nicht zu belegen ist; vgl. dazu oben S. 73 Anm. 26 und S. 94 Anm. 86. S. dazu Neidiger, Mendikanten (1981), 46-61; ders., Armutsbegriff und Wirtschaftsverhalten (1992), 207-209. Vgl. Neidiger, Mendikanten (1981), 54-59; ders., Armutsbegriff und Wirtschaftsverhalten (1992), 209; Herzig, Die Beziehung der Minoriten (1979), 32; Hecker, Bettelorden und Bürgertum (1981), 87. Neidiger, Mendikanten (1981), 101-128, 133 f. Ebd., 66-71, 189-208. Vgl. Mollat, Die Armen im Mittelalter (1984), 230-238; Neidiger, Armutsbegriff und Wirtschaftsverhalten (1992), 210-220; ders., Mendikanten (1981), 135; Hecker, Bettelorden und Bürgertum (1981), 23. von
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Motive, Moden und Funktionen
Armutsgebot in Stralsund Tribut gezollt wurde, und ob sich gegebenenfalls eine deutliche Entfernung vom Armutsideal und eine spätere Reform des Klosters auf das Stiftungsverhalten auswirkten. Der Blick auf die Gaben der testamentarischen Stiftungen fördert eingedenk der andernorts zu beobachtenden Entwicklungen durchaus Überraschendes zutage: Bei immerhin 32 von 42 in Betracht kommenden Stiftungen erhielten die Franziskaner eine einmalige Zuwendung, zumeist in Gestalt einer Geldspende, die im übrigen eine beträchtliche Höhe erreichen konnte."2 Auch in den anderen Fällen ist ein klarer Verstoß gegen das Verbot des dauerhaften Eigentums an Immobilien oder Zinsrechten nicht nachweisbar, denn meist sollte die gestiftete Rente oder Sachspende tatsächlich durch einen Dritten ausgehändigt werden.113 Zieht man weitere Quellen heran, dann büßt das Bild ein wenig an Deutlichkeit ein: Unter den wenigen Urkunden, die eine Stiftung an das Johanniskloster beinhalten"4, sind zwei zu finden, in denen eine Immobilienübereignung festgehalten wird, die in einem Fall ein Stück Ackerland115, im anderen zwei Buden innerhalb der Stadt betraf."6 Da jedoch ansonsten Grundbesitz der Franziskaner kaum nachzuweisen ist"7, wird man letztlich davon ausgehen können, daß sich die Stralsunder Franziskaner in ihrer Erwerbspolitik nicht allzuweit von den Ordensvorschriften entfernten und daß ihr städtisches Umfeld dieses Bemühen durch sein Verhalten eher förderte als behinderte.118 Wenn dem so war, dann ist auch zu erwarten, daß ein deutlicher Rückgang der Stiftungszuwendungen infolge eines gravierenden Ansehensverlustes, wie er andernorts beobachtet wurde119, in Stralsund ausblieb. Und in der Tat führt eine Gegenüberstellung der gesamten -
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In zwei Testamenten aus den Jahren 1361 und 1382 wurden dem Konvent für eine Ewigmesse jeweils 100 M sund. vermacht, 1397 sogar 120 M sund.; für ein Anniversar sollten die Franziskaner nach einem Testament von 1501 100 M sund. und eine Mantelspange erhalten; StAS Test. Nr. 276 (1361), 402 (1382), 471 (1397), 847 (1501). Beispielsweise legte Johann Witte in seinem 1334 abgefaßten Testament fest, daß die 2 M sund. pro Jahr, die er für eine Pitanz zu seinem Jahrtag im Johanniskloster verwendet wissen wollte, durch den jeweiligen Inhaber der von seinem Onkel Konrad Witte gestifteten Vikarie ausgezahlt werden sollten; PUB VIII, Nr. 5184. Nicht immer läßt sich im übrigen der letztlich gewählte Modus aus dem Testament entnehmen, sei es, weil die Anlage des Stiftungskapitals den Testamentsvollstreckern überlassen blieb (StAS Test. Nr. 615) oder weil ein entsprechender Hinweis überhaupt fehlt (StAS Test. Nr. 139). Aufschlußreich erscheint hinsichtlich der Übertragung von Immobilien das Testament von Bürgermeister Matthias Darne aus dem Jahre 1485; Darne nämlich bestimmte jeweils für eine ewige Memorie nach der Predigt den Kirchherren der Stralsunder Pfarrkirchen und dem Kloster Marienkrone je einen Morgen Ackerland, dem Johannis- und dem Katharinenkloster hingegen einen Morgen Acker oder 25 M sund. in bar; StAS Test. Nr. 737. S. zum Verlust der klösterlichen Überlieferung oben S. 35. Die vier Stiftungsurkunden stammen allesamt aus
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Fremdprovenienzen.
StAS Urk. Depos. d. Kramer Nr. 12 (1459). StAS Stadt. Urk. Nr. 1739 (1476). Vgl. Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 714; Liebenau, Der Grundbesitz der Stadt Stralsund (1930), 32. Zu denken ist hierbei zuerst an eine konsequente Amortisationspolitik des Rates, die die Franziskaner wohl auch gezwungen haben dürfte, die beiden genannten Buden binnen kurzem zu veräußern. Neidiger, Mendikanten ( 1981 ), 160, 230; ders., Armutsbegriff und Wirtschaftsverhalten ( 1992), 226.
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testamentarischen Stiftungen und der an das Johanniskloster adressierten zu dem Ergebnis, daß der Anteil letzterer zwar gewisse Schwankungen, aber keine signifikanten Einbrüche oder Steigerungen zu verzeichnen hat.120 Daraus auf ein allgemeines Desinteresse in Stralsund an der Frage der franziskanischen Reform zu schließen, ist sicherlich nicht möglich. Aber daß wir keinerlei Nachrichten über eine Reform in Stralsund besitzen, entbehrt vielleicht nicht einer gewissen Aussagekraft, und man wird annehmen können, daß sich der ebenso wie zahlreiche andere Klöster der franziskanischen Konvent von St. Johannis Saxonia der Reform relativ spät und auch nur ihrer gemäßigten martinianischen Richtung -
angeschlossen hat.121 -
Ähnlich fällt die Antwort auf die Frage nach den Zusammenhängen zwischen Armuts-
gebot und Stiftungsverhalten für die Stralsunder Dominikaner aus. Zwar besaß das Armutsgebot im Dominikanerorden aufgrund des Predigt- und Studienauftrags nicht den gleichen Stellenwert wie für die Minoriten, die Annahme fester Einkünfte fiel anfangs dennoch unter die Verbote. Bald setzte sich indes eine Differenzierung zwischen dauerhaften Zinsrechten im allgemeinen und Einkünften aus Memorialstiftungen durch mit dem Ergebnis, daß letztere spätestens seit 1346 als perpetué elemosine zugelassen waren.122 In Stralsund zeitigte diese Lockerung jedoch keine deutlich sichtbaren Folgen: Unter den 33 liturgischen Memorialstiftungen, die die Stralsunder Testatoren für die Dominikaner bestimmten, befindet sich nur eine, deren Gabe nicht in einer einmaligen Spende bestand.123 Und die einzigen beiden urkundlichen Stiftungen waren zwar mit regelmäßigen Vergabungen verbunden, die aber durch Treuhänder vorgenommen werden sollten.124 Auch in der sonstigen Überlieferung sind die Hinweise auf Immobilienbesitz der Dominikaner außerhalb ihrer eigentlichen Klosteranlage recht dünn gesät.125 Indes wurde im Laufe des 15. Jahrhun-
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Gerechnet in Zehnjahreszeiträumen, pendelt der Anteil der Stiftungen für die Franziskaner zwischen 0 und etwa 30 Prozent. Diese beträchtliche Bandbreite ist jedoch vorwiegend statistisch bedingt. Entscheidend ist, daß sich der Anteil seit den zwanziger Jahren des 15. Jh. fast ausnahmslos zwischen 10 und 20 Prozent bewegt. Zur franziskanischen Ordensreform in der sächsischen Provinz und insbesondere in Mecklenburg zuletzt Ulpts, Die Bettelorden in Mecklenburg (1995), 316-326; vgl. daneben Doelle, Die Observanzbewegung (1914); Neidiger, Armutsbegriff und Wirtschaftsverhalten (1992), 210 f., 214; Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 715. Vgl. Neidiger, Mendikanten (1981), 44-46, 52-54, 57, 62-64; ders., Armutsbegriff und Wirtschaftsverhalten (1992), 207; Hecker, Bettelorden und Bürgertum (1981), 26. Der Ratsherr Matthias Bene hielt in seinem Testament von 1466 die Absicht fest, an die Dominikaner zweimal pro Woche für je 20 Pf. sund. Weißbrot verteilen zu lassen, uppe dat se Gode vor my bidden; die Austeilung des Almosens, das er in gleicher Weise auch für die Franziskaner vorsah, sollten die Alterleute der Bäcker vornehmen; StAS Test. Nr. 657. Im ersten, aus dem Jahre 1465 stammenden Fall sollten die Dominikaner für eine tägliche Ewigmesse pro Woche für jeweils 5 Seh. sund. Wecken und Weißbrot erhalten, womit die Alterleute der Gewandschneider beauftragt wurden; StAS Urk. Depos. d. Gewandh. Nr. 12; StAS Gewandhaus HS 5, fol. 20r. Bei der zweiten, 1471 errichteten Stiftung, ebenfalls einer Ewigmesse, wurde die Rente in Höhe von 24 M sund. jährlich den Alterleuten der Böttcher anvertraut; VpLAG Rep. 1 Stralsund 2. Dominikaner-Kloster 2. Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 721 f.
V. Motive, Moden und Funktionen
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derts dem Armutsgebot zumindest insofern weniger Beachtung geschenkt, als sich nun die Belege über individuellen Besitz oder Renteneinkünfte einzelner Konventualen mehren.126 Dennoch ist nicht erkennbar, daß sich die Handhabung des Almutsgebots durch die Stralsunder Dominikaner auf die Stiftungsbereitschaft in deutlich negativer Weise ausgewirkt hätte. Denn ebenso wie bei den Stiftungen für die Franziskaner sind signifikante Veränderungen der Stiftungszahlen nicht festzustellen.127 Es nimmt aus dieser Perspektive nicht wunder, daß der Stralsunder Konvent dem im letzten Drittel des 15. Jahrhunderts anwachsenden Reformdruck, der etwa zum Anschluß der Dominikanerklöster von Rostock und Wismar an die observante Congregado Hollandiae geführt hatte128, erfolgreich zu trotzen vermochte129, wurde doch offenbar anders als beispielsweise in Wismar den Reformbestrebungen von städtischer Seite kein entscheidender Nachdruck verliehen. Keine etwaigen Implikationen eines Armutsgebotes mußten Stiftungswillige bei dem Birgittenkloster Marienkrone und dem Schwesternhaus St. Annen gewärtigen. Da beide erst im 15. Jahrhundert gegründet wurden, das eine im Jahre 142113°, das andere Anfang der achtziger Jahre131, fanden sie ein Umfeld vor, in dem die verschiedenen liturgischen Stiftungsarten mit Ausnahme der Offizienstiftung bereits allgemein bekannt und bewährt waren. Folglich war mit ihrer Gründung nur eine quantitative Ausweitung der Möglichkeiten zu liturgischen Stiftungen verbunden. Im Fall von St. Annen fiel diese Angebotserweiterung zudem sehr schmal aus, da Messen nur vom Beichtvater des Konvents gehalten werden konnten. Mithin ist erklärlich, daß neben durchaus nicht seltenen Schenkungen an das Annenhaus nur zwei liturgische Stiftungen überliefert sind.132 Die Stiftungen für das aus einem Doppelkonvent von Priestern und Nonnen bestehende Kloster Marienkrone erreichten da schon andere Ausmaße. Die Ansiedlung der Birgittiner war auf Betreiben des Rates und führender städtischer Kreise und dank deren tatkräftiger materieller Unterstützung der Klostergründung zustande gekommen.133 Die Initiatoren waren dabei nicht nur durch das Streben nach Sicherung ihres eigenen Seelenheils oder nach Erhö-
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S. ebd., 724-726. Der Anteil der Stiftungen für das Katharinenkloster am gesamten testamentarischen Stiftungsaufkommen weist, trotz deutlicher Schwankungen zwischen 0 und 25 Prozent, zwischen 1420 und 1520 eine ähnliche Konstanz wie derjenige der minoritischen Stiftungen auf. S. Ulpts, Die Bettelorden in Mecklenburg (1995), 326-334. Vgl. ebd., 332-334; Kurtz, Das Katharinenkloster, Bd. 1 (1959), 14 f.; Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 1 (1924), 622-624. Zur Klostergründung s. oben S. 86. S. oben S. 88. Hans und Adelheid Knake sahen in ihrem gemeinsamen Testament aus dem Jahre 1503 9 M sund. jährlichen Zinses von ihrem Haus für eine Ewigmesse zu St. Annen vor; StAS Test. Nr. 866. Margarete, die Witwe des Bürgermeisters Matthias Darne, führte im Jahre 1510 den Willen ihres 1486 verstorbenen Ehemannes aus und übertrug dem Konvent einige Buden in der Nähe des Annenhauses, wofür die Schwestern zwei Jahresgedächtnisse feiern sollten; StAS Urk. Marienkrone Nr. 126. Zu den nach Klosterstiftung und weiteren Vergabungen ausgedehnten Besitzungen des Klosters vgl. Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 741 f.; Liebenau, Der Grundbesitz der Stadt Stralsund (1930), 22 f. -
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hung der Sakralität ihrer communitas christiana geleitet, sondern ebenso von dem Interesse an einer Versorgungseimichmng vornehmlich für Frauen aus der städtischen Oberschicht.134 Gleichwohl verbanden Stralsunder Bürger von Anfang an ihre Zuwendungen für den Ausbau der materiellen Lebensgrundlagen des Konventes immer wieder mit der Auflage dauerhafter memorialer Gegenleistungen.135 In der Nutzung der neuen Stiftungsmöglichkeiten legten die Testatoren eine Beständigkeit an den Tag, die sich auch nicht durch den Kirchenneubau zwischen 1446 und 1470 irritieren ließ. Doch ebenso wie in den Mendikantenklöstern waren den Stiftungsaktivitäten durch das Prinzip der klösterlichen Gemeinschaft Grenzen gesetzt: Erwartungsgemäß findet sich in den Quellen keine Meßpriesterstellenstiftung, aber auch eine private Altarstiftung, und sei es ohne eine damit verbundene Meßstiftung, ist nicht über-
liefert.136
Mit diesen beiden späten Konventsgründungen schließt sich der Kreis der Gotteshäuser, die sich in Stralsund als Orte liturgischer Stiftungen anboten.137 Keineswegs ist indes mit den Grenzen der städtischen Gemarkung auch der Frömmigkeitsmarkt umfaßt, der den Aktivitäten der Stralsunder Stifter offenstand. In einer Stadt, die ihren Wohlstand dem Fernhandel verdankte und ihr Bevölkerungswachstum einer beträchtlichen Zuwanderung, bestanden naturgemäß vielfältige Kontakte zu nahe gelegenen und weit entfernten Orten. Dadurch weitete sich auch der räumliche Horizont religiöser Handlungsmöglichkeiten, der freilich nicht einheitlich, sondern jeweils individuell gefaßt war. Die Stralsunder Testamente lassen gleichwohl deutlich werden, daß die Handlungsräume von den Stiftern durchaus nicht ausgeschöpft wurden. Dies gilt vor allem für die Säkularkirchen. Zwar treten hier bei der im Wahl des Ortes für eine liturgische Stiftung ebenso wie bei einfachen wesentlichen drei Faktoren hervor: eine Affinität zur eigenen Heimatstadt139; eine aus eige-
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Daß die diesbezüglichen Erwartungen der städtischen Führungsschicht nicht enttäuscht wurden, zeigt allein schon ein Blick auf die Liste der Äbtissinnen: Allein sechs der sechzehn Frauen, die bis zur Reformation dieses Amt bekleideten, kamen offenbar aus den Stralsunder Ratsfamilien Gildenhusen und Holthusen; s. Hoogeweg, Die Stifter und Klöster, Bd. 2 (1925), 756 f. Im übrigen hatte der Rat sich den Zugriff auf die klösterlichen Versorgungsmöglichkeiten auch dadurch abzusichern versucht, daß er in seiner Genehmigung der Klostergründung die Aufnahme neuer Konventualen von seiner Zustimmung abhängig machte; LM 2, Nr. 559. S. StAS Test. Nr. 554 (1428), 556 (1428), 560 (1429), 584 (1435). Wem die dreizehn Altäre, die Franz Wessel für Marienkrone anführt, ihre Existenz verdankten, ist unbekannt; Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 486. Der Vollständigkeit halber ist noch auf die Stralsunder Beginenkonvente zu verweisen, die allerdings nur für einfache Memorienstiftungen in Frage kamen. Und auch diese Möglichkeit wurde kaum genutzt: Neben einigen testamentarischen Schenkungen, die mit einer allgemein gehaltenen Bitte um Fürbittgebete verbunden waren (s. dazu oben S. 90), begegnet in der Stralsunder Überlieferung nur eine einzige Stiftung. Hierbei bestimmte Heinrich von Orden insgesamt 100 M sund. zum Kaufeiner Ewigrente, mit der jeder Begine in den Konventen zu St. Katharinen und St. Johannis jeweils am Mittwoch in der Quatemberwoche mindestens 1 Seh. sund. ausbezahlt werden sollte, uppe dat se alle samende den leven God bidden vor myne seien; StAS Test. Nr. 651. S. dazu oben S. 91. S. PUB VIII, Nr. 5184; StAS Test. Nr. 272, 830, 908.
V. Motive, Moden und Funktionen
218
ländlichem Grundbesitz resultierende Verbindung zu einer Dorfkirche ; schließlich der Kontakt zu einem bestimmten Anders als bei der Plazierung testamentarischer Schenkungen entschieden sich stiftungswillige Testatoren aber nur ausnahmsweise für weiter entfernte Weltkirchen: Jeweils einmal wählten die Stifter Kirchen in Kolberg und Falsterbo142, während Orte auf Rügen und auf dem Festland in der Nähe Stralsunds insgesamt vierzehnmal erscheinen.143 Für testamentarische Stiftungen an auswärtigen Klosterkirchen wurden zwar ebenfalls überwiegend näher gelegene Orte ausgewählt; deren Bevorzugung fällt jedoch nicht so deutlich aus wie bei den Weltkirchen.144 Eine Ursache für diese Differenz könnte darin liegen, daß für die Klöster zumeist Anniversar- und Memorienstiftungen vorgesehen wurden145, mithin Stiftungsarten, die oftmals nach einem einmaligen Vergabungsakt keiner weiteren Durchführungsmaßnahmen von Seiten des Stifters bedurften; sie boten zwar gerade im monastischen Bereich dementsprechend geringe Einwirkungsmöglichkeiten auf den weiteren Stiftungsvollzug, aber offenbar gaben sich die Testatoren hier mit der Erwartung zufrieden, daß die schon über lange Zeiträume geübte klösterliche Memorialpraxis auch ihrer Stiftung zur Dauerhaftigkeit verhelfen werde. An den auswärtigen Weltkirchen wurden hingegen mit Vikarien und Ewigmessen auch Stiftungstypen gewählt146, deren langfristiger Organisations- und Kontrollbedarf größer war als beispielsweise derjenige von Gebetsmemorien. Dieser Umstand ließ die Testatoren wohl häufiger von einer solchen Stiftung an einer weit entfernten Säkularkirche Abstand nehmen, wenn sie kern ausreichendes Zutrauen nem
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S. StAS Test. Nr. 215, 272, 664, 737, 847. S. StAS Test. Nr. 380. S. PUB VIII, Nr. 5184; StAS Test. Nr. 380. Auf Rügen fiel die Wahl auf Altenkirchen, Ummanz (2x), Wiek, Bergen, Rambin, Bessin und Altefähr, in der festländischen Umgebung Stralsunds auf Putte (2x), Prohn, Brandshagen, Eixen und Velgast; StAS Test. Nr. 215, 754, 829, 272, 341, 737, 664, 859, 847, 500, 471. Hinzu kommen zwei Zustiftungen in Fredeland, dem Geburtsort des Testators Jakob Steinhagen; hierbei handelt es sich vermutlich um das südlich von Anklam gelegene Friedland, das etwa 80 km von Stralsund entfernt ist; StAS Test. Nr. 830. An die Klöster Krummin, Anklam, Eldena, Neuenkamp, Bergen, Ribnitz und Marienehe (Rostock), alle im weiteren Umkreis Stralsunds gelegen, waren insgesamt vierzehn testamentarische Stiftungen adressiert; s. StAS Test. Nr. 158, 651, 151, 324, 560, 458, 615, 592, 737, 747, 817. Hingegen entfielen sechs Stiftungen auf weiter entfernte Klöster, nämlich in Buckow, Stettin, Helsingborg, Emmerich und Einsiedeln; s. PUB VII, Nr. 4477; StAS Test. Nr. 737, 817, 229, 606, 604. S. StAS Test. Nr. 151, 158, 560, 592, 606, 615, 651, 737, 747, 817. Daneben begegnen noch zwei Ewiglichtstiftungen (StAS Test. Nr. 229, 485), eine Kleiderstiftung ohne Memorialverpflichtung (StAS Test. Nr. 324), eine Altarbildstiftung (StAS Test. Nr. 604) sowie eine Zustiftung zu einer eigenen Vikarienstiftung (PUB VII, Nr. 4477). An auswärtigen Säkularkirchen wählten die Stralsunder Testatoren folgende Stiftungstypen: den der Vikarienstiftung (StAS Test. Nr. 272, 380), der Meßstiftung (StAS Test. Nr. 737, 754, 829, 859), der Anniversarstiftung (PUB VIII, Nr. 5184; StAS Test. Nr. 737), der Memorienstiftung (StAS Test. Nr. 215, 341, 471, 664), der Ewiglichtstiftung (StAS Test. Nr. 272, 847) sowie der Zustiftung zu einem (von derselben Person) gestifteten Offizium (StAS Test. Nr. 737) bzw. zu bereits etablierten Ewigmessen (StAS Test. Nr. 830).
2.
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Angebot und Nachfrage Stiftungsverhalten und Frömmigkeitsmarkt -
in die Dauerhaftigkeit ihrer sozialen Verbindungen an diesem Ort zu fassen vermochten. Daher wird man auch generell festhalten können, daß die relativ geringe Zahl von testamentarischen Stiftungen an auswärtigen und insbesondere an fernen Orten147 wohl nicht zuletzt auf Probleme des Stiftungsvollzuges zurückzuführen ist. Nimmt man für eine abschließende Betrachtung der Wechselwirkungen zwischen Stiftungsverhalten und städtischem Frömmigkeitsmarkt die Stralsunder Gesamtsituation in den Blick, so bestätigt sich manches bisher Gesagte, während anderes der Differenzierung bedarf. Bei bestimmten Stiftungsarten, vor allem solchen zur Förderung des Baus und der Ausstattung der Kirchen, liegt die Abhängigkeit der Stifteraktivitäten vom kirchlichen Angebot, genauer: von aktuellen Bedürfhissen der Gotteshäuser, derart deutlich auf der Hand, daß sich weitere Darlegungen erübrigen. Andere Stiftungstypen, so alle Formen liturgischer Stiftungen, bedürfen hingegen generell der eingehenderen Betrachtung. Dabei wurde deutlich, daß sich Einschränkungen des Stiftungsangebots in erster Linie aus einer zunehmenden Belegung des Kirchenraums ergaben, also vorderhand Kapellen- und Altarstiftungen betrafen. Dieser Prozeß vollzog sich an den Stralsunder Pfarrkirchen nicht synchron. Daraus kann jedoch nicht gefolgert werden, daß die Raumverknappung in einer Pfarrkirche in Stralsund zu Beginn des 15. Jahrhunderts in St. Nikolai und St. Jakobi lediglich das Stifterinteresse auf das Nachbarkirchspiel lenkte, solange dessen Gotteshaus hier St. Marien noch genügend Platz bot. Denn für einzelne Mitglieder der Pfarrgemeinde mochte ein Ausweichen auf eine andere Pfarrkirche ebensowenig in Frage kommen wie für manche Korporationen, deren sozialtopographische Ausrichtung die Verbundenheit mit einer bestimmten Kirche zur Folge hatte.148 Derartige kirchlich-religiöse Binnenstrukturen tragen im übrigen dazu bei, daß gesamtstädtische Vergleichszahlen, etwa die Relation von Bevölkerungsumfang und -
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Die Repräsentativität des testamentarischen Befundes erfährt eine gewisse, aber sicherlich nicht entscheidende Einschränkung durch die Annahme, daß manch ein Testator einen Aufenthalt an dem betreffenden Ort genutzt haben dürfte, um den Stiftungsplan schon zu Lebzeiten in die Praxis umzusetzen, ohne die Stiftung in seinem Testament nochmals zu erwähnen. Diese Einschränkung wird im übrigen nicht durch die Auswertung der urkundlichen Überlieferung im StA Stralsund und im VpLA Greifswald hinfällig. Jene unterstreicht zwar das sich aus den Testamenten ergebende Bild, da nur auswärtige Stiftungen von Stralsunder Bürgern faßbar werden, die zudem allesamt in der näheren Umgebung angesiedelt waren; dabei ist jedoch zu bedenken, daß Urkunden über Stralsunder Stiftungen an fernen Orten vor allem in den dortigen lokalen Provenienzen zu suchen wären, was im Rahmen dieser Untersuchung nicht in systematischer Weise geleistet werden konnte. Als ein solches Beispiel kann das Amt der in der Frankenvorstadt ansässigen Schiffszimmerleute gelten, das seinen Altar in der Gertrudenkapelle hatte, der allmählich pfarrkirchliche Funktionen für diese Siedlung zugewachsen waren. Zu denken ist auch an in mehreren Pfarrgemeinden parallel existierende Bruderschaften, die sich der Förderung eines bestimmten Kults, so die Fronleichnamsund die Marienbruderschaften, oder anderen Zielen verschrieben hatten, wie etwa die Schülerbruderschaften. Die Mehrzahl der Stralsunder Korporationen dürfte indes wohl nicht auf eine bestimmte Pfarrkirche festgelegt gewesen sein, wie allein schon ein Blick auf die zahlreichen Bruderschaftsaltäre in beiden Mendikantenkirchen nahelegt.
V. Motive, Moden und Funktionen
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Anzahl der Altäre oder Geistlichen, die konkrete Dynamik von Angebot und Nachfrage kaum zu erhellen vermögen.149 Doch auch der Rückgriff auf andere Kirchen hatte Grenzen, denn die Kapazität der übrigen Säkularkirchen und -kapeilen in Stralsund konnte sich mit derjenigen der Pfarrkirchen nicht messen.150 Die Klosterkirchen boten zwar beträchtlichen Platz, jedoch nicht die Möglichkeit, an einen eigenen Altar eine Priesterstellenstiftung nach kirchlichem oder weltlichem Recht zu knüpfen, die einen weitreichenden Einfluß auf den Stelleninhaber und dessen Altardienste ermöglicht hätte. Auswärtige Gotteshäuser schließlich übten als etwaige Stätte einer Altar- oder Priesterstellenstiftung nur eine begrenzte Anziehungskraft auf Stralsunder Bürger aus, zumal dann, wenn sie in großer Entfernung von Stralsund lagen und der potentielle Stifter seine Verbindungen in der Ferne nicht für tragfähig genug hielt. In Anbetracht der gesamtstädtischen Angebotslage konnte die fortschreitende Raumbelegung in einer Pfarrkirche Stiftungswillige also durchaus zur Suche nach anderen Lösungen in derselben Kirche bewegen. Das Beispiel der Nikolaikirche läßt entsprechende Reaktionen zuvörderst die Nutzung fremder Altäre für eigene Priesterstellenstiftungen sichtbar werden. Ein weiterer Wandel im Stiftungsverhalten, der damit in engem Zusammenhang zu stehen scheint, nämlich die Abkehr von der Patronatspfründe zugunsten von Lohnpriesterstellen und Ewigmessen seit dem beginnenden 15. Jahrhundert, kann mit dem Verweis auf eine zunehmende Erschwerung eigener Altarstiftungen nicht hinreichend erklärt werden. Denn der vergleichende Blick auf die Verhältnisse an der Marienkirche offenbart, daß die neueren Stiftungsformen sich auch da zu verbreiten begannen, wo die Errichtung eigener Altäre noch wesentlich leichter möglich war. Die Ausbreitung anderer liturgischer Stiftungs arten blieb von diesen Bedingungen des Frömmigkeitsmarktes unbeeinflußt. So begegnen Anniversarstiftungen an der Nikolaikirche bereits in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts151, sie erführen jedoch mit der allmählichen Konsolidierung und Intensivierung des liturgischen Lebens an den Pfarrkirchen keinen entsprechenden Aufschwung. Vielmehr waren sie im weltkirchlichen Bereich vor allem dem Kaland und im späten 15. Jahrhundert auch den dank besonderer Stiftungen tätigen Offizienpriestern vorbehalten152 und blieben insgesamt ein vorrangig in den Klöstern anzutreffender Stiftungstyp.153 Das eingangs Gesagte gilt aus anderen Gründen auch für die Stiftung von speziellen Offizien, denn diese stießen als besondere Frömmigkeitsform erst in der zweiten Hälfte des 15. -
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Vgl. derartige Angaben, die zudem mitunter nur auf groben Schätzungen basieren, bei: Fritze, Stralsunds Bevölkerung (1966), 23 f., 28 Anm. 74; Keyser, Die Kirchen Hamburgs (1970), 17*; Schlemmer, Gottesdienst und Frömmigkeit (1980), 90 f. 150 Dies wird allein schon durch den Umstand deutlich, daß von 157 weltkirchlichen Altären am Vorabend der Reformation 130 in den drei Pfarrkirchen standen; Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 486 f. 149
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PUB VIII, Nr. 5184. S. dazu die folgenden Testamente: PUB X, Nr. 5886; StAS Test. Nr. 182, 192, 215, 306, 360, 369, 506, 737, 817, 879, 912; StAS Urk. Marienkrone Nr. 83. Testamentarische Anniversarstiftungen an Klöstern finden sich in: PUB VIII, Nr. 5184; StAS Test. Nr. 151, 158, 606, 614, 694, 737, 747, 817, 847, 959.
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Angebot und Nachfrage Stiftungsverhalten und Frömmigkeitsmarkt
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Jahrhunderts auf ein gesteigertes Interesse unter den Stralsunder Bürgern. Bestanden hier die ersten testamentarischen Legate seit der Jahrhundertmitte noch in einmaligen Gaben zur Förderung bereits bestehender Marienoffizien, die an allen drei Pfarrkirchen von dort tätigen Priestern gefeiert wurden154, so gingen einzelne vermögende Personen oder Personenkreise bald dazu über, eine bestimmte Anzahl von Priesterstellen zur Zelebrierung eines eigenständigen Offiziums neu zu stiften.155 Der späte, dann aber enorme Erfolg dieser liturgischen Formen verdankte sich offenbar einem weitverbreiteten Wunsch nach intensiver Verehrung namentlich der Gottesmutter und nach einer neuen Feierlichkeit und wohl auch Öffentlichkeit der Gottesdienste.156 Der dritte, quantitativ bedeutsamste Stiftungstyp, dessen Etablierung im religiösen Handlungsfeld der städtischen Gesellschaft nicht auf die bauliche und sonstige Entwicklung der einzelnen Gotteshäuser zurückgeführt werden kann, ist die Gebetsmemorie. Allerdings scheint die Chronologie ihrer Verbreitung auf einen anderen Mechanismus des Frömmigkeitsmarktes hinzudeuten, ist diese Stiftungsart doch bis weit in das 15. Jahrhundert hinein fast ausschließlich auf die Stralsunder Klöster beschränkt.157 Erst in der zweiten Jahrhunderthälfte wurden auch an die Pfarr- und sonstigen Säkularkirchen häufiger Memorienstiftungen adressiert, zumeist für das Fürbittgebet im Anschluß an die Predigt.158 Mit der
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S. etwa StAS Test. Nr. 612, 615, 657, 659, 664, 675, 693. Die zunehmende Resonanz dieser liturgischen Feiern manifestiert sich auch in einem deutlichen Anstieg testamentarischer Zustiftungen in der zweiten Hälfte des 15. Jh. (s. oben S. 130): Von den insgesamt 47 Zustiftungen in den quantifizierbaren Testamenten zwischen 1461 und 1520 kamen 30 derartigen Gottesdiensten zugute. Ein von acht Priestern in der Jakobikirche zu feierndes Marienoffizium wurde 1467 durch eine Gruppe von sechs Geistlichen und fünf Laien gestiftet; StAS HS IX. 1 [1467 Febr. 3]. Insgesamt neun Personen fanden sich im Jahre 1500 zu einer Stiftergemeinschaft zusammen, um eigenständige kanonische Hören an der Marienkirche zu begründen; StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 50. Nur fünf Jahre später wurde an derselben Kirche eine weitere aufwendige Horenstiftung initiiert, diesmal durch eine einzelne Person, den dortigen Vizepleban Peter Badendik; StAS HS IX.3, fase. 7, Nr. 77. Zur 1491 beurkundeten Stiftung eines etwas weniger kostspieligen, wöchentlichen liturgischen Gesangs an der Nikolaikirche s. StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. 23. Eine ähnliche Stiftung an der Johanniskirche stammt aus dem Jahre 1476; StAS Stadt. Urk. Nr. 1739. Vgl. zur Öffentlichkeit und zum Gemeinwohlbezug von Gottesdienststiftungen Staub, Memoria
(1995). Folgende Testamente des 14. Jh. beinhalten Memorienstiftungen für ein oder mehrere Klöster: StAS Test. Nr. 111 (1349), 147 (1350), 298 (1366), 318 (1368), 427 (1388), 448 (1390). Der einzige eindeutige Fall einer solchen Stiftung an einer Weltkirche stammt aus dem Jahre 1355: Arnold Voet vermachte dem Pleban oder Vizepleban von Altenkirchen auf Wittow (Rügen) 2 M sund. jährlicher Rente für die Betreuung einer Almosenstiftung und ut pro animabus parentum meorum perpetuam in
orationibus suis memoriam habeat; StAS Test. Nr. 215. Unklar ist die genaue Form der Memoria bei der testamentarischen Stiftung Peter Langes von 1350, der dem Pfarrherrn der Stralsunder Marienkirche 8 Seh. sund. jährlich bestimmtepropter meam memoriam et uxoris mee; StAS Test. Nr. 132. Vereinzelte Fälle sind bereits in der ersten Hälfte des 15. Jh. anzutreffen: Im Jahre 1405 wurde der Kaland mit einer solchen Stiftung bedacht, 1415 der Kirchherr der Heiliggeistkirche, 1429 schließlich alle drei Pfarrkirchen und 1449 nochmals die Nikolaikirche; StAS Test. Nr. 489, 500, 560, 615. Für die Folgezeit s. StAS Test. Nr. 664, 689, 737, 817, 837, 859, 864, 900, 927, 941, 951, 959, 965. In den Stiftungsurkunden begegnet keine Memorienstiftung an eine Weltkirche vor 1460; danach folgen:
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V.
Motive, Moden und Funktionen
Ausdehnung dieser Memorialform über den monastischen Bereich hinaus war schließlich auch ein Anstieg der Stiftungszahlen verbunden, der die Ewigmemorie zur mit Abstand erfolgreichsten Stiftungsart der letzten vorreformatorischen Jahrzehnte werden ließ. Diese Entwicklung nun legt den Gedanken nahe, daß der Pfarrklerus mit jener recht späten Erweiterung seines liturgischen Angebots auf eine starke Nachfrage in der Bevölkerung nach einer preisgünstigen Form dauerhafter Memoria reagierte, eine Nachfrage, die sich infolge der liturgischen Praxis in den Klöstern überhaupt erst entfaltet hatte. Wenn dem so war, dann wird daran zugleich deutlich, daß die Konkurrenz zwischen Welt- und Ordensklerus in der Stadt nicht nur mit den Mitteln des Kirchenrechts, sondern ebenso in einem Ringen um die Gunst der Laien ausgetragen wurde, mithin dadurch, daß man auf deren religiöse Bedürfnisse einzugehen und sie nach Möglichkeit auch zu formen suchte.
StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 27 (1461); StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 140/Nr. 238 (1482); VpLAG Rep. 1 Stralsund 7. Kaland 20 (1485); StAS Stadt. Urk. Nr. 1775 (1487); StAS HS IX.l [1491 Juli 9]; StAS Urk. Depos. St. Jakobi Nr. 4 (1500); StAS Stadt. Urk. Nr. 1821 (1500); StAS Urk. Depos. d. Gewandh. Nr. 23 (1501); VpLAG Rep. 1 Stralsund 9. St. Nikolai 36 (1509); VpLAG Rep. 1 Stralsund 6. St. Jacobi 21(1512); VpLAG Rep. 1 Stralsund 6. St. Jacobi 23 (1514).
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Spätmittelalterliche Stiftungen zwischen caritas und Sozialfürsorge
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alle vor my bydden spätmittelalterliche Stiftungen zwischen caritas und Sozialfürsorge
3. up dat
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Die Vorstellungen vom Spätmittelalter als einer Zeit des Niedergangs und der Auflösung, als von Johan Huizinga so apostrophiertem „Herbst des Mittelalters"1 dürfen, obschon im Epochenbegriff selbst als scheinbar nicht versiegender Quelle derartiger Assoziationen gegenwärtig, als überwunden gelten. Will man das Spätmittelalter überhaupt noch als Epoche verstehen2, dann ist diese jedenfalls ebenso wie jede andere geprägt durch vielfältige Begegnungen von Altem und Neuem, die historische Phänomene, Konstellationen und Prozesse von besonderer Eigentümlichkeit hervorbrachten.3 Auf einen der Schauplätze dieser Begegnungen führt die Geschichte der Armut und Armenfürsorge hin, die in jüngerer Zeit zu einem vielbeachteten und dank divergenter Deutungen schillernden Gegenstand der historischen Forschung aufgestiegen ist.4 Die ganze Weite des Feldes, innerhalb dessen die spätmittelalterliche Armenfürsorge angesiedelt ist, läßt sich ermessen, wenn man einen weiten Bogen vom Hochmittelalter in die frühe Neuzeit schlägt. Im 12. Jahrhundert war das Bild des Armen noch weitgehend durch eine religiöse Sichtweise bestimmt, die ihn als Verkörperung des lebendigen, armen Christus in eine besondere Nähe zu Gott rückte.5 Zumal die freiwillige Armut wurde als sichtbarer Ausdruck von Entsagung und Demut gedeutet und war daher mit der Idee von moralischer Vollkommenheit und religiöser Auserwähltheit verbunden. Aber auch der unfreiwillige Arme galt als Teil des göttlichen Heilsplanes, konnte der Reiche doch an ihm das Gebot der Barmherzigkeit erfüllen und auf diese Weise Buße leisten. So trug die Verbindung zweier scheinbar widersprüchlicher Ideen, Wertschätzung der Armut und Verpflichtung zur tätigen Nächstenliebe, entscheidend dazu bei, daß sich Laien in immer stärkerem Maße karitativ betätigten. Zweck des Armenalmosens war es, offenbare Not lediglich zu lindern und durch das gute Werk der eigenen Erlösung näherzukommen. Eine Entscheidung für die gichtigen' Bedürftigen als Almosenempfänger erschien daher nicht vonnöten; der Arme galt gemeinhin noch unterschiedslos als geeignetes Instrument im tätigen Streben nach dem eigenen Seelen-
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So der Titel der 1924 erstmals aufgelegten deutschen Übersetzung des großen, 1919 veröffentlichten Werkes des niederländischen Historikers. Dagegen wurde vor allem außerhalb der deutschen Historiographie von verschiedenen Seiten und mit unterschiedlichen Begründungen das Konzept eines vom Hochmittelalter bis zum Ende des 18. Jh. währenden Alt-Europa vertreten; vgl. zur Frage einer Epochengrenze zwischen Mittelalter und Neuzeit W. Schulze, Einführung (1991), 18 f.; Schubert, Einführung (1992), 1-3, jeweils mit weiteren Literaturverweisen. Zu den Interpretationen des Hochmittelalters als einer Umbruchszeit (und als Anfang einer bis zum Beginn der Moderne dauernden Epoche) Borgolte, Einheit (1996). S. dazu Schubert, Einführung (1992), 1-5. Einen Forschungsüberblick bietet Rexroth, Armut und Memoria ( 1994), 337-340. Vgl. zur Geschichte der Armutsperzeption und Armenfürsorge im Hochmittelalter Mollat, Die Armen (1984), 83-105; Geremek, Geschichte der Armut (1988), 28—42; Oexle, Armut und Armenfürsorge (1981), bes. 82-87; ders., Armut, Armutsbegriff und Armenfürsorge (1986), 77-79. -
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V. Motive, Moden und Funktionen
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In der frühen Neuzeit hatte sich die Szenerie grundlegend verändert.6 Das Almosen hatte seinen religiösen Bezug als -je nach konfessionellem Kontext Werkzeug der Seelenheilssicherung oder Ausdruck des Gnade verheißenden Glaubens noch nicht verloren, doch die Formen der tätigen Nächstenliebe standen nun unter neuen Vorzeichen. Mittlerweile hatten sich nämlich die Obrigkeiten zuerst und am intensivsten in den Städten des Feldes der Armenfürsorge bemächtigt. Dazu sahen sie sich durch einen langfristigen Anstieg der Armenzahlen veranlaßt, der gespeist wurde von zwei großen Schüben in der Bevölkerungsentwicklung seit dem 11. und dem ausgehenden 15. Jahrhundert und der infolge einer ausgeprägten Landflucht gerade in den Städten zu einer Verschärfung der Situation geführt hatte. Diese wurde immer mehr auch als Bedrohung der sozialen Ordnung wahrgenommen, worauf die Stadtoberen in zweierlei Weise reagierten: Zum einen bemühten sie sich um eine wirksamere Bekämpfung der Armut mittels eines planvollen und gebündelten Einsatzes der sozialfürsorgerischen Aufwendungen, zum anderen griffen sie verstärkt zu Zwangsmaßnahmen, um die einheimischen Armen zu Arbeitswilligkeit und Wohlverhalten zu erziehen und die .arbeitsscheue' Armut in Gestalt vagabundierender Bettler aus ihrer Stadt buchstäblich zu verbannen. Diese Verhältnisse hatten sich im Spätmittelalter allmählich angebahnt, als die hochmittelalterliche caritas auf ein Armutsproblem neuen Ausmaßes traf; eine Konfrontation, die in den verschiedenen Regionen des christlichen Abendlandes ebensowenig zeitgleich und in derselben Intensität verlief, wie ihre Folgen einförmig waren. Die Untersuchung dieser Konsequenzen, die bisher Gegenstand vor allem lokaler und regionaler Studien, aber noch keiner neueren Synthesen geworden sind7, ist durch zwei Kernfragen bestimmt: In welcher Weise veränderte sich das Bild der Armut? Genauer: Wann und in welchen Varianten fand die bereits bei den Dekretisten des 12. Jahrhunderts in Ansätzen greifbare Unterscheidung zwischen ,wirklichen', da arbeitswilligen Bedürftigen und bettelnden ,Müßiggängern' Verbreitung, entwickelte sich also der folgenreiche Konnex zwischen Armut und Arbeit? Zweitens: Welche Auswirkungen hatten das reale Armutsproblem und das sich verändernde Armutsverständnis auf die private und öffentliche Armenfürsorge? Wann und in welchen Formen bildete sich insbesondere ein tatsächlich fürsorgerischer Charakter des Almosens heraus, der nicht nur auf Linderung, sondern auf Behebung der Not abzielte? Spätmittelalterliche Stiftungen dürfen bei der Untersuchung dieser Fragen sicherlich eine besondere Aufmerksamkeit beanspruchen, war ihnen doch einerseits durchgängig der hergebrachte religiöse Impetus eigen und andererseits infolge der angestrebten Dauerhaftigkeit ein Element der Planung, das hier womöglich früher und deutlicher als bei den einmaligen Almosengaben zu einem überlegten, auf nachhaltige Hilfe bedachten Einsatz der Mittel führte. zwar
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frühen Neuzeit Jütte, Obrigkeitliche Armenfürsorge (1984); ders., Disziplinierungsmechanis(1986); T. Fischer, Städtische Armut und Armenfürsorge (1979); Dinges, Stadtarmut (1988); Rexroth, Recent British and West German Research (1990); Geremek, Geschichte der Armut (1988), 153-223; Battenberg, Obrigkeitliche Sozialpolitik (1991). 7 Vgl. Rexroth, Armut und Memoria (1994), 337-340.
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Spätmittelalterliche Stiftungen zwischen Caritas und Sozialfürsorge
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im richtet sich der Blick fast unwillkürlich zuerst auf die Fundation eigenständiger Spitäler und Armenhäuser. Allerdings türmen sich hier aufgrund erheblicher Überlieferungsverluste Schwierigkeiten auf, die nur einige Mutmaßungen über die Stifterintentionen zulassen. Die Existenz der beiden großen Stralsunder Spitäler, des Heiliggeist- und des Jürgenspitals, ging nicht auf das Werk eines einzelnen Stifters zurück, sondern vermutlich auf von Rat und Bürgerschaft getragene Initiativen.8 Womöglich verdankte sich die Gründungsausstattung vornehmlich dem Engagement einiger weniger Stralsunder Bürger9, die aber dann jedenfalls keine aussagekräftigen Spuren in der Überlieferung hinterlassen haben. Anders verhält es sich mit der Stiftungstätigkeit von Albert Hovener am Jürgenspital, als dessen Provisor er im Jahre 1337 erscheint.10 1341 zum Bürgermeister gewählt, ließ er im Jahre 1348 nicht nur eine größere Spitalkirche errichten und einen Kirchhof anlegen, sondern gründete auch einen neuen Spitalbau. Von dieser Stiftung wissen wir vor allem durch eine knappe chronikalische Notiz, die nach der Erwähnung der neuen Kirche und des Kirchhofs fortfahrt: Dario stiftede he ok dat spital darsulvest to vir stige personen, eine jeweliken 1 stände bedde, alle jar 1 rockswant, 1 par' ' hasen, 2 par hembde, darto alle dage 1 kuarter bers und 1 schonroggen ewich warende. In das in den Testamenten meist als lange hus oder elendenhus bezeichnete Spitalgebäude sollten nur wirklich bedürftige Sieche ohne Erhebung einer Gebühr aufgenommen werden. Diese VorBetrachtet
man
unter diesen
spätmittelalterlichen Stralsund,
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Fragestellungen und Prämissen die karitativen Stiftungen so
Darauf verweist im Fall des Heiliggeistspitals eine Urkunde von 1256, in der cónsules et commune ciuitatis Stralessundensis bekunden, dem hier erstmals genannten Spital quandam insulam siue agrum adiacentem noue ciuitati übertragen zu haben; PUB II, Nr. 625. Die ersten Erwähnungen des Jürgen-
spitals sind nicht mit einem derartigen Beleg verbunden; vgl. oben S. 98 Anm. 99. Für beide Häuser lag jedenfalls die oberste Aufsicht und Leitung in den Händen des Rates, was sich beispielsweise in dem Ratsbeschluß von 1310 manifestierte, der eine einheitliche Aufnahmegebühr in Höhe von 50 M slaw, festsetzte; 2. Stb., Nr. 3615. Auch waren die Provisoren beider Häuser zumeist Mitglieder des Rates; vgl. die von Dinnies erstellten Provisorlisten: StAS HS 160, S. XV f.; StAS HS 167, S. XI f.; s. für das Jürgenspital auch Pooth, Das Kloster St. Jürgen am Strande (1934), 67 f., 86-89. Hellmuth Heyden nimmt an, der „eigentliche Gründer" des Heiliggeistspitals sei „Swetherus v. Dorpen" gewesen; Heyden, Die Fürsorgearbeit (1963), 34. Zur Stützung dieser Hypothese läßt sich allerdings nur anführen, daß ein gewisser Swetherus in der erwähnten Urkunde von 1256 als primus ante dicte domus prouisor bezeichnet wird; PUB II, Nr. 625. Für dessen Zugehörigkeit zur Ratsfamilie von Dorpen existiert im übrigen kein Beleg. Als seine Mitvorsteher werden in der Urkunde über eine Grundstückserwerbung in Reinekenhagen Johann Wren und Lambert Travemünde genannt; PUB X, Nr. 5500. Baier, Bruchstücke (1900), 67. Die Stiftungen Hoveners werden noch in zwei weiteren Chroniken genannt. Johann Berckmann erwähnt allerdings nur die neue Kirche; MohnikelZober, Johann Berckmanns Stralsundische Chronik (1833), 5. Dagegen bieten die „Congesta Hinrici Buschii" einen ähnlichlautenden Bericht: vnd stiftede den spittall tho vier stich personen; einer juwelicken persohnen ein bedde, ein rock wandt, ein paar hosen, twe paar ¡innen kleder und ein quarter beers vnd ein schonroggen alle dage, vnde dat scholde wahren tho ewigen tiden; ebd., 163. Womöglich gehen beide im 16. Jh. entstandenen Chronikbearbeitungen hier auf eine gemeinsame Vorlage zurück, wobei der von Baier abgedruckte Auszug wegen der größeren Ausführlichkeit des (nicht zitierten) Gesamteintrags und der Zeitangabe bei den Kleideralmosen wohl ein höheres Maß an Authentizität beanspruchen darf; vgl. Baier, Bruchstücke (1900), 55-61.
V. Motive, Moden und Funktionen
226
Stellungen Hoveners gehen jedenfalls aus einer 1391 verfaßten Beschwerdeschrift des Stralsunder Rates gegen den Bürgermeister Bertram Wulflam hervor. Darin wurde letzterem vorgeworfen, er habe als Provisor des Jürgenspitals jedem neuen Insassen ein Aufhahmegeld von 5 bis 10 Mark sundisch abverlangt. Nach dem Willen Hoveners hingegen sollten in seinem Haus wesen soestich arme seke lude, de dar yn de ere Godes vrig ene wonynghe scolden hebben; wan dar en afvorstarf, so scolde me enen anderen vrig wedder yn nemen dorch de leve Godes}2 Hoveners Absicht, mittellosen Pflegebedürftigen eine Spitalunterbringung zu ermöglichen, stellte sicherlich eine Reaktion auf zunehmende Verpfründungstendenzen in den beiden Stralsunder Spitälern dar, die durch den Ratsbeschluß von 1310 über ein Aufhahmegeld von 50 Mark slawisch begünstigt worden waren.13 Die feste Zahl von vierzig Insassen läßt die Vermutung zu, daß dem Stifter über die reine Versorgung der Siechen hinaus an der Bildung einer stabilen Gemeinschaft von sorgsam ausgewählten Bedürftigen gelegen war, die womöglich auch zur Stiftermemoria verpflichtet sein sollte. Zwar werden in den Quellen keine derartigen Memorialpflichten erwähnt, aber daß des Stifters und seiner Familie in der Jürgenkirche auf irgendeine Weise gedacht wurde, ist doch mehr als wahrscheinlich, zumal da seine Tochter Anneke zu St. Jürgen ihre letzte Ruhe gefunden hatte und auch seine Ehefrau Hebele daselbst bestattet werden wollte.14 Als zentrales Anliegen des Stiftungswerkes Hoveners kann also die hergebrachte Verbindung von caritas und Memoria angesehen werden, die in der gleichzeitigen Verwirklichung von Kirchen- und Spitalbau ihren sichtbaren Ausdruck fand. Nur wenige Jahre vor Hoveners Stiftung setzte dessen Ratskollege Gottfried von Wickede sein Projekt, die Errichtung eines Leprosenspitals bei Rambin auf Rügen, in die Tat um. Im Jahre 1334 erschien er vor dem Stralsunder Rat, um seine Stiftungsabsichten kundzutun und im Stadtbuch festhalten
zu
lassen. In das
neue
Haus sollten erst einmal zwei dem Stifter deren Schicksal vielleicht den
persönlich bekannte Leprakranke aufgenommen werden,
12
13 14
Hanserecesse 4, S. 4L Eine Abschrift des Rundschreibens an die Hansestädte, in dem diese gebeten wurden, die aus Stralsund geflohenen Bertram Wulflam und Albert Gildenhusen nicht gegen die Stadt Stralsund zu unterstützen, findet sich auch im Liber memorialis; s. LM 1, Nr. 872, hier: S. 156. Eine schlüssige Erklärung für den Widerspruch zu der in den Chroniken genannten Zahl von vierzig Insassen läßt sich nicht finden. 2. Stb., Nr. 3615. S. das Testament Hebele Hoveners von 1350; StAS Test. Nr. 158. Ihr letzter Wille beinhaltet noch einen weiteren Hinweis auf memoriale Intentionen zu St. Jürgen. Hebele äußerte nämlich den Wunsch, si sit de volluntate mei mariti domini Alberti, quod nostri vicarii habitare debent apud sanctum Georrium in domo nostra et uti omnibus utensilibus in eadem existentibus diebus vite eorum. Die Pfründen dieser Vikare befanden sich allem Anschein nach nicht zu St. Jürgen, sondern in der Nikolaikirche, wo Albert (und Hebele?) Hovener eine Kapelle gestiftet hatte; s. dazu oben S. 196 Anm. 19. Das Schweriner Benefizienregister von 1370 weist für die Nikolaikirche drei Pfründen aus, deren Patronat ein dominus Albertus Hovener innehatte, vermutlich ein Neffe des 1357 verstorbenen Bürgermeisters; s. LHAS Rep. 1 Bistum Schwerin C 1. Albert Hovener selbst zog es im übrigen vor, in seiner Kapelle in der Nikolaikirche bestattet zu werden, wo bis heute seine prachtvolle, messingbeschlagene Grabplatte erhalten ist; s. dazu Rosen, Die metallene Grabplatte (1871), bes. 90 f.
3.
Spätmittelalterliche Stiftungen zwischen caritas und Sozialfürsorge
Anstoß
227
Spitalgründung gegeben hatte.15
Doch Wickede, der zu seinen Lebzeiten procurator, provisor et tutor der gestifteten Güter und des Hauses bleiben wollte, dachte bereits weiter: Nach dem Anwachsen der Spitalgründung zu einem
primus
zu
der
et principalis rector,
vel congregacionem personarum aliquarum solle eine Kapelle errichtet und ein angestellt werden, qui in memoriam dicti Godekini in eadem capella divinum officium excerceat et pauperibus in dicta domo degentibus sacramenta et alia divinum ad ojficium spectancia ministrabit. conventum
Priester
Es blieb Wickede vergönnt, diese Pläne selbst noch entscheidend voranzutreiben. 1339, im Jahr vor seinem Tode17, bestätigte Bischof Johannes von Roskilde die fundatio und dotatio des Leprosenhauses und regelte dessen Verhältnis zur Rambiner Pfarrkirche.18 In einer zweiten Urkunde verlieh er dem jeweiligen Priester an der wohl zumindest schon im Bau befindlichen Spitalkapelle das Recht, Totschlägern und Kindsmördern einen Ablaß von
vierzig Tagen zu gewähren.19 Ein Vergleich der Stiftungen Hoveners und Wickedes läßt trotz der ungleichen Ausgangsbedingungen und der unterschiedlichen Quellenlage deutliche Parallelen erkennen: Beide Häuser waren zur Aufnahme bedürftiger Kranker bestimmt20, die hier alles Lebensnotwendige erhalten sollten, ohne dafür bei ihrem Eintritt eine Gebühr entrichten zu müssen.21 -
-
Im Stadtbuch heißt es dazu: Item in dictam domum duo leprosi, pro quibus idem Gotfridus inlercesserit, recipientur; 2. Stb., Nr. 3680, S. 297. 16 2. Stb., Nr. 3680, S. 297. Daß Wickede an einem solchen Fortgang der Dinge nicht zweifelte, wird daran deutlich, daß er dem zukünftigen Spitalpriester im voraus Einkünfte in Höhe von insgesamt 20 M sund. jährlich reservierte und die rechtlichen Modalitäten des Anstellungsverhältnisses festlegte; 15
ebd.; 2. Stb., Nr. 3681. Wickede faßte sein Testament am 19. Dez. 1339 ab; StAS Urk. St. Jürgen vor Rambin Nr. 35. In einem nicht genau datierten Stadtbucheintrag von 1340 wird seine Frau als relicta bezeichnet; 2. Stb., Nr. 3448. 18 PUB X, Nr. 5721. In der Urkunde wurde neben anderem festgehalten, daß Wickede dem Pleban von Rambin als Entschädigung für die absehbaren Einnahmeeinbußen eine Rente von 10 M sund. übertragen hatte. 19 PUB X, Nr. 5727. 20 Ob das Haus Hoveners ebenso wie das Rambiner Spital Leprakranken vorbehalten sein sollte, wird nicht klar. In seiner Beschwerdeschrift von 1391 verwendete der Stralsunder Rat retrospektiv zwar den unbestimmteren Ausdruck arme zekelude; LM 1, Nr. 872. In den Testamenten ist indes bei Legaten für die Insassen des Jürgenspitals, darunter vermutlich vornehmlich die des Hovener-Hauses, bis in die achtziger Jahre hinein von pauperibus exulibus (s. z. B. StAS Test. Nr. 124, 229, 276, 297) und eindeutiger von pauperibus leprosis (u. a. StAS Test. Nr. 114) und leprosis exulibus (s. u. a. StAS Test. Nr. 232, 235, 266, 302, 346, 384, 400) die Rede. 21 In den überlieferten Quellen zur Rambiner Stiftung ist eine solche Gebühr zwar nirgends explizit ausgeschlossen, aber dennoch mehr als unwahrscheinlich, wenn man die religiösen Intentionen Wickedes bedenkt sowie dessen Erklärung, das Haus sei ad usum et commodum pauperum leprosorum bestimmt; 2. Stb., Nr. 3680, S. 297; vgl. auch das Testament Wickedes, in dem er weiteren Besitz ad usum pauperum ibidem [sc. in Rambin] degencium et aliorum pauperum vergabte; StAS Urk. St. Jürgen vor Rambin Nr. 35. Allerdings führte der Rückgang des Aussatzes um die Wende zum 15. Jh. zu einem allmählichen Funktionswandel, der nun auch Pfründnern gegen eine entsprechende finanzielle Leistung die Aufnahme ermöglichte; vgl. das aus der Mitte des 15. Jh. stammende Einnahmen- und s.
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V. Motive, Moden und Funktionen
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Anders als Hovener sah Wickede zwar keine feste Zahl von Insassen vor, aber er erwartete ebenfalls, daß sich nach der Gründungsphase ein conventus oder eine congregatio bilden würde. Ob und in welcher Weise die Spitalgemeinschaft in das Stiftergedenken eingebunden werden sollte, geht in beiden Fällen aus den Quellen nicht klar hervor. Immerhin bekundete Wickede seinen Willen, der Spitalpriester solle Gedenkgottesdienste für ihn abhalten. Selbst wenn er dabei an separate Offizien gedacht haben mochte, so ist doch davon auszugehen, daß auch in für die Spitaliten gehaltenen Gottesdiensten für ihn gebetet werden sollte. Somit hatten sich offensichtlich beide Stifter zum Ziel gesetzt, für die Grundbedürfhisse armer Kranker zu sorgen und dieses gute Werk dauerhaft mit dem eigenen Gedenken zu ver-
knüpfen.
Neben diesen beiden Stiftungen nehmen sich die drei weiteren karitativen Einrichtungen, deren Existenz nachweislich auf eine private Stiftung zurückgeht, eher bescheiden aus. Dies gilt vor allem für eine bereits im 13. Jahrhundert gegründete Leprosenbehausung, die nur in einem einzigen Stadtbucheintrag faßbar wird22, und zwei Buden, die der Stifter, der Ratsherr Gottschalk Widenbrugge, in seinem Testament von 1433 für die Beherbergung von blynden unde lamen bestimmt hatte.23 Nach dessen Willen sollten in jeder Bude drei Personen untergebracht und eine neue erst nach dem Ableben eines Bewohners aufgenommen werden. Auffällig an den insgesamt sehr knappen Ausführungen Widenbrugges ist sein spürbares Interesse an der .richtigen' Auswahl der Begünstigten, denn er weist seine Testamentsvollstrecker und Erben ausdrücklich an, etwa aufgenommene ,unredliche' Personen wieder aus den Wohnungen zu entfernen.24 Etwas größere Ausmaße erreichte mit der Zeit die dritte Stiftung, das Gasthaus, ohne daß indes die Quellen genaue Aufschlüsse über die Intentionen der Stifter Johann Kuleman und Vicko Timme gewährten. Denn lediglich durch einen kurzen Stadtbucheintrag aus dem Jahre 1408 ist deren Ankauf von zwei Buden im Roten Meer überliefert, von denen eine in honorem Dei hospitale pauperum werden sollte.25 In einem Nachtrag übertrugen Kuleman und Timme auch die zweite Bude, die sie ursprünglich erst nach ihrem und ihrer Ehefrauen Tod zur Wohnung der Spitalprovisoren umwidmen wollten, ebenfalls schon ad hospitale et usum pauperum. Welcher Personenkreis sollte nun in den Genuß einer Aufnahme kommen? Die Überlieferung bietet keine Hinweise auf eine sorgfältige Auswahl nach moralischen -
Ausgabenregister (StAS Rep.
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8 Nr. 1143) und Pooth, Das Kloster St. Jürgen vor Rambin (1940), 67 f., 85-87. Der undatierte, 1278 (oder 1277) vorgenommene Eintrag lautet: Gozwinus, frater Everardi, dedit leprosis vnam mrc. den. singulis annis in perpetuum in lútea domo, quam edificauit; 1. Stb., I Nr. 197. Die Zahl der Buden dieser Art, die nur eine sehr notdürftige Unterbringung ermöglichten, ohne existenzsichemde materielle Ausstattung und Organisation blieben und ihre Gründer daher kaum überdauerten, dürfte größer gewesen sein, als die Überlieferung erkennen läßt. StAS Test. Nr. 581. Unde were, dat der armen personen welk unreddelik were, alzo he mynen testamentarien unde erfnamen dar inné tho wonende nicht en ghadede, den moghen se dar uth selten unde enen anderen bedderven wedder in syne stede selten; StAS Test. Nr. 581. StAS HS 1.3, lib. de hered. vend, et resig., fol. 113. Der Eintrag ist auch abgedruckt bei Pooth, Das Gasthaus (1965), 158 f., jedoch ohne Hinweis darauf, daß der letzte Satz von anderer Hand nachgetragen worden ist.
3.
Spätmittelalterliche Stiftungen zwischen caritas und Sozialfürsorge
229
Kriterien und auf eine bestimmte Zahl von etwa zwölf oder dreizehn aufzunehmenden Armen, wie wir dies von anderen Armenhausstiftungen kennen, die einer festen Gemeinschaft von tugendhaften pauperes eine lebenslange Wohnstatt bieten wollten und ihnen dafür umfangreiche Pflichten im Rahmen der Stiftermemoria auferlegten.26 Vielmehr finden sich in den Stralsunder Testamenten, die ein Legat für die Insassen des Gasthauses beinhalten, für die Bewohner nicht nur die Bezeichnungen arme lude oder arme mynschen27, sondern daneben auch kranke (mynschen) oder arme kranke.2* Also dürfte die Einrichtung, zumal wenn man ihre Bezeichnung als hospitale beziehungsweise gasthus bedenkt, am ehesten als Siechenhaus anzusehen sein, das vor allem solchen Personen einen Aufenthalt gewährte, die nicht allein aufgrund ihrer Armut der Hilfe bedurften; ein Aufenthalt, dessen Dauer demzufolge vom Zustand des Spitaliten abhing. Ob die Stifter darüber hinaus Bedingungen hinsichtlich der moralischen Qualität oder der Herkunft der Hilfesuchenden vorgaben, läßt sich nicht eruieren, und auch die Frage, in welcher Weise die Insassen an der Stiftermemoria beteiligt werden sollten, muß offenbleiben.29 Eine Antwort auf diese Fragen sucht man auch bei den kleineren Armenhäusern in der näheren Umgebung des Gasthauses vergebens, für die nicht einmal Hinweise auf die Initiatoren und Umstände ihrer Gründung vorliegen.30 Mehr Erfolg verspricht hingegen die Untersuchung von Stiftungen, die keine eigene karitative Einrichtung, sondern regelmäßige Almosen für die Bedürftigen in den Spitälern, Armen- und Siechenhäusern, aber auch außerhalb zu begründen suchten. Etwas mehr als die Hälfte aller testamentarischen Almosenstiftungen sollten Spitaliten oder karitativen Einrichtungen zugute kommen, der Rest nichtspitalsässigen Bedürftigen, eine Relation, die im 14. Jahrhundert wesentlich ausgeprägter war und sich seit der Mitte des 15. Jahrhunderts zugunsten der zweiten Empfängerim Falle Stralsunds einer gruppe fast völlig umkehrte.31 Diese Entwicklung entzieht -
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S. zu solchen Armenhausstiftungen in London Rexroth, Armut und Memoria (1994). S. StAS Test. Nr. 653, 659, 708, 753, 770, 787, 817, 830, 891, 900, 948. S. StAS Test. Nr. 664, 675, 747, 906, 947; vgl. auch StAS Stadt. Urk. Nr. 972, 1780. Die Errichtung der Antoniuskapelle war vermutlich nicht schon Teil des Stiftungsplans von Kuleman und Timme. Denn zum einen nehmen sich die Anfänge des Gasthauses dafür doch wohl zu bescheiden aus, zum anderen erfolgte der Kapellenbau in großem zeitlichen Abstand zur Stiftung. Der Bau war wohl erst in Angriff genommen worden, nachdem die finanzielle Lage des Gasthauses sich dank der breiten Unterstützung durch die Stralsunder Einwohnerschaft zunehmend günstiger gestaltete; vgl. dazu oben S. 106. Damit ist indes keineswegs gesagt, daß die Gasthausgründer auf ein Stiftergedenken in jeglicher Form verzichtet hätten. 30 S. zu diesen Häusern oben S. 106. 31 Von insgesamt 71 hier in Betracht kommenden Stiftungen waren 35 für Spitaliten bzw. deren Asyle gedacht und zwei für Spitaliten und nichtspitalsässige Bedürftige. Nur an letztere richteten sich insgesamt 31 Stiftungen. In drei Fällen wurde der Empfängerkreis nicht genannt und könnte Angehörige beider Gruppen umfaßt haben. Von den Stiftungen für Spitaliten entfielen neunzehn auf das 14. Jh. und elf auf die Zeit nach 1449, von denjenigen für Nicht-Spitaliten hingegen elf auf den ersten und achtzehn auf den zweiten Zeitraum. Genannt seien auch die entsprechenden Zahlen für die Stiftungsurkunden, denen indes aufgrund der unterschiedlichen Überlieferungsbedingungen der einzelnen Provenienzen nicht dieselbe Aussagekraft zukommt: Hier sind die Stiftungen für Spitaliten mit 28 von insgesamt 53
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V. Motive, Moden und Funktionen
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Interpretation den Boden, die etwa eine Konzentration auf die in Spitälern geleistete Fürsorge anstatt einer Almosenvergabe im ,Gießkannenprinzip' als Ausdruck wachsenden Bemühens um eine effektive Sozialfürsorge verstehen wollte. Der Annahme einer zunehmenden Effizienzorientierung steht auch die Tatsache entgegen, daß nur vier der 37 spitalbezogenen Stiftungen keine Direktverteilung an die Insassen vorsahen, sondern den Provisoren gewisse Entscheidungsfreiheiten ließen.32 Auch wenn man hier die testamentarischen Schenkungen an die Spitäler mitbedenkt, von denen viele nicht mit einer Verwendungsauflage verbunden waren, bleibt doch der Eindruck bestehen, daß die Testatoren ihr vordringliches Anliegen nicht in einer Stärkung der Finanzkraft und Handlungsfähigkeit der karitativen Einrichtungen sahen, sondern in der Austeilung von Almosen an die Bedürftigen. Das lebhafte Interesse der Testatoren an einer Direktverteilung ihrer Almosen kommt auch darin zum Ausdruck, daß sie immer wieder ganz bestimmte Personen für die Aushändigung nominierten und selbige hierdurch auf die getreuliche Erfüllung ihrer Aufgabe verpflichteten. Sofern sie bei Almosen für Spitaliten solchermaßen verfuhren, bestimmten sie meist nicht die Provisoren oder den Meister des jeweiligen Spitals, sondern außenstehende Personen in Gestalt ihrer Erben oder Testamentsvollstrecker.33 Eine solche
32
33
Fällen ebenfalls leicht in der Überzahl, wobei sich keine signifikanten diachronen Verschiebungen ausmachen lassen, da der größte Teil der Urkunden aus dem 15. Jh. stammt. Je eine Ewigrente wurde dem Jürgenspital und dem Heiliggeistspital ohne jeglichen Verwendungshinweis übertragen; PUB X, Nr. 5626. Eine Haushälfte wurde dem Heiliggeistspital lapidar für ein imperpetuam elemosinam vermacht; PUB XI, Nr. 6251. Lediglich eine Ewigrente für das Gasthaus war mit der konkreteren Vorgabe verbunden, davon Erbsen und Öl zu kaufen; StAS Test. Nr. 555. Neben diesen vier Stiftungen sah eine weitere die Halbierung einer Ewigrente zwischen dem Jürgenspital und den dort untergebrachten Siechen vor; StAS Test. Nr. 215. Ähnlich fällt das Bild bei den Urkunden aus: Hier ist in einem Fall lediglich davon die Rede, die Ewigrente solle to behuff den armen elenden kranken im Heiliggeistspital verwendet werden; StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 132. Bei weiteren fünf von insgesamt 29 an ein Spital adressierten Stiftungen ist keine präzise Verwendungsauflage formuliert: StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 82, 83, 221, 223; StAS Stadt. Urk. Nr. 972. S. StAS Test. Nr. 107, 192, 327, 341, 369, 498, 659. Nur bei einer Stiftung, einem Kohlenalmosen für die Insassen des Gasthauses, sollte der Ankauf und wohl auch die Verteilung der Kohlen durch die Vorsteher des Hauses erfolgen; StAS Test. Nr. 657. Wem die Aufgabe der Almosenausteilung in den Fällen zufiel, in denen der Testator in seinem Testament niemanden die Mehrheit bildenden ausdrücklich benannte, bleibt eine offene Frage. Sie wurde sicherlich häufig durch die Testamentsvollstrecker entschieden, und nicht selten wird wohl die Durchführung solcher Stiftungen den Spitalvorstehern anheimgestellt worden sein. Dies läßt ein Blick auf die entsprechenden urkundlichen Stiftungsfalle annehmen, bei denen die Gabenverteilung mehrheitlich in der Verantwortung der Spitalvorsteher lag; s. StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 43, 125, 135, 140, 141, 143, 157; StAS Urk. St. Jürgen am Strande Nr. 23; VpLAG Rep. 1 Stralsund 4. St. Georg vor der Stadt 2; StAS Rep. 28 Nr. 786 [1450 Dez. 10]. Aber auch unter den Stiftungsurkunden finden sich Beispiele für eine Beauftragung externer Personen; in einem Fall handelte es sich um die Testamentsvollstrecker des Stifters (StAS Stadt. Urk. Nr. 972), in drei weiteren um die Alterleute einer Kompanie bzw. eines Amtes: StAS Urk. Depos. d. Gewandh. Nr. 23; StAS Urk. Depos. d. Kramer Nr. 11; StAS HS 167, S. 130 f. Schließlich begegnet noch die Variante, daß die Alterleute der Schuster als Prokuratoren der Stiftung die Provisoren des Jürgenspitals jedesmal ausdrücklich auffordern sollten, die einmal jährlich geplante Verteilung der Almosen auch tatsächlich vorzunehmen; StAS Stadt. Urk. Nr. 1737. -
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Entscheidung für eine Vertrauensperson ist um so verständlicher, wenn man sich vor Augen führt, daß Spitalprovisoren zu einer sehr eigenmächtigen Führung des Hauses neigen konnten34 und insbesondere im Falle finanzieller Engpässe zuweilen wohl versucht waren, zweckgebundene Gelder zum Stopfen von Haushaltslöchern zu mißbrauchen.35 Die Betrauung verläßlicher Personen mit der Almosenverteilung sollte indes nicht nur die Aushändigung der Gaben gewährleisten, sondern diente dem nicht minder wichtigen Zweck, die Vorstellungen des Stifters hinsichtlich der Auswahl der Empfänger zu verwirklichen. Doch welche Voraussetzungen sollten die Bedürftigen erfüllen, um in den Genuß der Almosen zu gelangen? Die Frage nach den Adressaten scheint sich bei den Spitaliten zu erübrigen, doch auch hier lohnt ein genauerer Blick, zumindest im Falle des Heiliggeist- und des Jürgenspitals, deren Insassen von der großen Mehrzahl der Stiftungen begünstigt wurden.36 Von den Testatoren des 14. Jahrhunderts wurden als Empfänger im Jürgenspital meist die exules infirmi genannt37, die bis in die zweite Jahrhunderthälfte hinein wohl überwiegend an der Lepra erkrankt waren.38 Man dachte dabei sicherlich nicht selten an die Kranken im von Albert Hovener gestifteten Siechenhaus, das jedenfalls zweimal zur Präzisierung genannt ist.39 Gleichwie, die Gruppe, die hierbei vom Almosenempfang ausgeschlossen werden sollte, waren die Pfründner, die ihrerseits immerhin in einem Testament aus dem Jahre 1369
zu
Destinatären einer Stiftung bestimmt wurden.40 Im 15. Jahrhundert setzte sich diese Entfort: Die Präbendare sollten nun gar nicht mehr in den Genuß von Stiftungs-
wicklung
34
sicherlich extremes Beispiel stellt der mächtige Bürgermeister Bertram Wulflam dar, der nicht die Stadt in großer Selbstherrlichkeit regierte, sondern als Provisor ebenso das Jürgenspital. Dies ist jedenfalls der bereits erwähnten Beschwerde des Stralsunder Rates zu entnehmen, die ihn nicht nur der unbefugten Erhebung eines Aufnahmegeldes für das Elendenhaus bezichtigte, sondern auch der Verweigerung einer pflichtgemäßen Rechnungslegung vor dem Rat; LM 1, Nr. 872; vgl. oben S. 226. Ein Beleg für eine solche Zweckentfremdung läßt sich nicht erbringen, was allerdings schon deshalb kaum möglich ist, weil die Rechnungsbücher der Spitäler bis auf vereinzelte Fragmente verlorengegangen sind. Wie prekär die finanzielle Lage eines Spitals zumindest vorübergehend werden konnte, hat Peter Pooth an Bilanzen des Rambiner Spitals gezeigt; s. Pooth, Das Kloster St. Jürgen vor Rambin (1940), 85-88; StAS Rep. 8 Nr. 1143. Nicht für die Spitaliten der beiden großen Stralsunder Spitäler waren neun von 37 testamentarischen Stiftungen bestimmt. Davon enthielt das Testament von Gerhard Voet gleich drei, die den Kranken in den Leprosenhäusern zu Damgarten, Gristow und Rackenberg zugute kommen sollten; StAS Test. Nr. 341. Für die Spitaliten zu St. Jürgen bei Rambin war nur eine Stiftung geplant worden (StAS Test. Nr. 817), während armen luden im Gasthaus Almosen aus drei Stiftungen zukommen sollten; StAS Test. Nr. 657, 959; vgl. zum Gasthaus zudem StAS Test. Nr. 555, 632. Bei den Stiftungsurkunden ergibt sich ein ähnliches Bild: Nur in vier von 24 Fällen wurden Bedürftige anderer Häuser begünstigt, hier ausnahmslos diejenigen in den kleineren Siechenhäusern in der Neustadt; StAS Stadt. Urk. Nr. 972; StAS Rep. 28 Nr. 786 [1450 Dez. 10]; VpLAG Rep. 1 Kl. Hiddensee 234; StAS Urk. Depos. d. Gewandh. Nr. 23. S. StAS Test. Nr. 81, 107, 215, 327, 337, 341. S. StAS Test. Nr. 122, 369. StAS Test. Nr. 327,341. StAS Test. Nr. 324. Ein nur
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V. Motive, Moden und Funktionen
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almosen kommen, und es verdichtet sich zudem der Eindruck, daß zumeist die armen seken im Hovenerschen Haus begünstigt wurden.41 Auch die Pfründner des Heiliggeistspitals sollten an den Almosen offenbar nicht teilhaben, welche tunlichst den exulibus infirmis beziehungsweise den armen zeken zugute kommen sollten.42 Da im Heiliggeistspital ein eigenes Siechenhaus wie das von Hovener gestiftete bis zum Ende des 15. Jahrhunderts nicht existierte und damit nicht zur genauen Kennzeichnung der Empfängergruppe benannt werden konnte, wird die Unterscheidung von Pfründnern und Kranken in den Quellen im übrigen nicht in demselben Maße greifbar wie im Falle des Jürgenspitals. Womöglich trug die unterschiedliche Raumsituation dazu bei, daß für die Spitaliten des Heiliggeistspitals eine geringere Zahl von testamentarischen StifEine gewisse räumliche Trennung tungen errichtet wurde als für diejenigen zu St. des vor beider Gruppen wird indes schon der Errichtung Elendenhauses zu Beginn des 16. Jahrhunderts bestanden haben.4 Der dominante, aus den Quellen deutlich hervortretende Grundzug bei der Auswahl der spitalitischen Almosenempfänger war also die Begrenzung auf Hilfsbedürftige unter Ausschluß der Spitalpfründner. Weitaus schwieriger ist es hingegen, die entsprechenden Bestim-
Jürgen.43
41
42 43
44
Vgl. StAS Test. Nr. 498, 506, 556, 651, 664, 692, 698, 732. Hoveners Haus wird hier als menenhuse (StAS Test. Nr. 498) bzw. lange hus (StAS Test. Nr. 506, 664) bezeichnet, an anderer Stelle aber auch als lange sekenhus (StAS Urk. St. Jürgen am Strande Nr. 23) bzw. elendenhus (StAS Test. Nr. 448). Von den acht urkundlichen Stiftungen zugunsten von St.-Jürgen-Spitaliten aus dem 15. Jh. wird in vier Fällen das von Hovener gestiftete Gebäude zur genaueren Beschreibung des Empfängerkreises ausdrücklich genannt; LM 1, Nr. 1040; VpLAG Rep. 1 Stralsund 4. St. Georg vor der Stadt 2; StAS HS 167, S. 130 f.; StAS Urk. St. Jürgen am Strande Nr. 23. Vgl. StAS Test. Nr. 81, 369, 498, 659, 698. Die Kranken und Siechen des Heiliggeistspitals wurden in sechs testamentarischen Stiftungen als Empfänger genannt; PUB XI, Nr. 6442; StAS Test. Nr. 81, 369, 498, 659, 698. Hinzu kommt eine Seelbäderstiftung im Heiliggeistspital ohne Nennung der Begünstigten; StAS Test. Nr. 664. Kranke und Sieche zu St. Jürgen wurden hingegen von sechzehn Testatoren mittels Stiftungen bedacht; StAS Test. Nr. 81, 107, 122, 215, 327, 337, 341, 369, 498, 506, 556, 651, 664, 692, 698, 732. Eine solche räumliche Trennung, die in größeren Spitälern mit der Zeit zum Normalfall wurde, läßt sich auch in der Apposition erahnen, mit der mitunter die Kranken genauer bezeichnet werden als up den bedden liggende, was an einen größeren Krankensaal denken läßt, während man bei den Pfründnern zur Unterbringung in kleineren Zimmern übergegangen sein dürfte; s. StAS Test. Nr. 81, 369, 498; vgl. Heyden, Die Fürsorgearbeit (1963), 39; Bettin, Die Gesundheitspflege (1994), 51. Eine explizite Unterscheidung zwischen den Spitaliten-Gruppen findet sich im übrigen bei einigen testamentarischen Schenkungen, so im Testament von Dietrich von Verden, der den armen luden, de up den bedden ligghen, insgesamt 15 M sund. und den halven proveners je 4 Seh. sund. bestimmte; StAS Test. Nr. 448; vgl. auch StAS Test. Nr. 139, 235, 244. Das elende hus erscheint erstmals nach 1500 in den Testamenten und ist offenbar identisch mit dem pockenhus bzw. nyen hus, diente also sehr bald der Aufnahme der an den Pocken Erkrankten; s. hierzu vor allem die Stiftung von Hermann Hasselholt von 1516, die den armen luden in deme elenden pockeden huse eine Ewigrente bestimmte, die von den Vorstehern dieses Elendenhauses erhoben werden sollte; StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 157; vgl. auch StAS Test. Nr. 902, 908, 941, 947, 959. Dagegen nimmt Heyden an, ein Infektionshaus habe bereits im 14. Jh. bestanden; Heyden, Die Kirchen Stralsunds (1961), 69; ders., Die Fürsorgearbeit (1963), 39 f.
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Spätmittelalterliche Stiftungen zwischen caritas und Sozialfürsorge
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mungen der Stiftungen für nichtspitalsässige Notleidende zu interpretieren. Auffällig ist zunächst, daß relativ klar und eng umgrenzte Zielgruppen kaum angegeben werden. Stiftungen für Hausarme45 bilden ebenso die Ausnahme wie solche für arme Scholaren46, heiratswillige Frauen47 und Bedürftige mit bestimmten Krankheiten und Behinderungen.48 Bei der großen Mehrzahl der Stiftungen für nichtspitalsässige Destinatäre hingegen sind die Konturen weniger scharf gefaßt, wurden die Almosen häufig den pauperibus49, den communibus pauperibus oder auch meis pauperioribus amicis5\ später dann armen luden2 zugedacht. In einigen Fällen finden sich indes Zusätze, die erkennen lassen, an welchen Personenkreis dabei gedacht war. So war das im Testament Gerhard Smoldows von 1339 gestiftete ewige Almosen pauperibus degentibus et mendicantibus in plateis, et ubi videtur expediri, bestimmt53; Heimich von Hären wollte laut seinem Testament von 1449 den armen luden, de dar sitien to sunte Johanse unde to sunte Jurien uppe den kerkhoven, an jedem Freitag je 1 Pfennig sundisch ausgeteilt wissen54 und Roloff Möller gemäß zweier vor de dore täglich je eine 1501 ausgestellter Urkunden dreizehn krancken luden ...
Überliefert ist
nur eine derartige Stiftung, die der Ratsherr Tobias Gildenhusen in seinem Testament 1413 festlegte, indem er eine Gesamtrente von 40 M sund. von dem großen Hof zu Wendorf zur Hälfte armen notroftighen luden für Kleidung und Schuhe sowie anderen husarmen, de notroftich sint, bestimmte und als Stiftungsverwalter die Vorsteher von St. Nikolai und von St. Jürgen nominierte, womöglich ein Hinweis auf eine beabsichtigte Einengung des Empfängerkreises; StAS Test. Nr. 506. Vgl. zu den ebenfalls nicht übermäßig häufigen testamentarischen Schenkungen für Hausarme oben S. 109. 46 Auch für arme Schüler begegnet in den Quellen nur eine Stiftung, deren Urheber der GewandschneiderAltermann Roloff Möller war. Nach seinem 1501 urkundlich fixierten Willen sollten seine Amtskollegen und deren Nachfolger neben einigen anderen Almosen den armen scholren jeden Tag dreizehn Wecken austeilen; StAS Urk. Depos. d. Gewandh. Nr. 23; StAS Urk. St. Jürgen am Strande Nr. 32. Recht selten waren im übrigen auch testamentarische Schenkungen für Schüler; s. dazu oben S. 110. 47 Die einzige Stiftung für diesen Personenkreis findet sich im Testament des Bürgermeisters Matthias Dame von 1485; StAS Test. Nr. 737. Einmalige Vergabungen, die eine Verheiratung armer Frauen ermöglichen sollten, waren dagegen durchaus häufiger; s. oben S. 109. 48 Eine testamentarische Stiftung von 1360 wies nichtspitalitischen Leprakranken ein ewiges Almosen zu, nämlich den leprosis exulibus super semitam sancti Georgii in Sundis, also denjenigen, die im Jürgenspital aufgrund mangelnder Kapazitäten keine Aufnahme fanden, aber sich in der Hoffnung auf Almosen dennoch in seiner Nähe aufhielten; StAS Test. Nr. 266. Außerdem darf in diesem Zusammenhang die für Stralsund außergewöhnliche Stiftung Gottschalk Widenbrugges für Blinde und Lahme nicht vergessen werden; s. oben S. 228. 49 S. PUB VIII, Nr. 5184; PUB X, Nr. 5864. 50 S. PUB XI, Nr. 5965, Nr. 6189; StAS Test. Nr. 215. 51 StAS Test. Nr. 221. 52 S. StAS Test. Nr. 658, 694, 737, 927; StAS HS 427, fol. 185v-186r; StAS Urk. Depos. d. Kramer Nr. 12; StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. 15; VpLAG Rep. 1 Stralsund 7. Kaland 20; StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. 34. 53 PUB X, Nr. 5783. 54 StAS Test. Nr. 615.
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Motive, Moden und Funktionen
Wecke. Es sollten also durchaus Arme und Kranke bedacht werden, die sich in Erwartung der lebensnotwendigen Almosen an den einschlägigen öffentlichen Plätzen und Straßen innerhalb und außerhalb der Stadt aufhielten.56 ,Verschämte' Arme hingegen wurden, wie schon erwähnt, vergleichsweise selten explizit benannt, woraus im übrigen nicht zu folgern ist, daß die jeweiligen Stiftungsverwalter diese nicht doch auch in den Kreis der Empfänger einbezogen hätten. Waren die Stralsunder Stifter also noch bis in das 16. Jahrhundert hinein durchaus willens, ihre milden Gaben den bettelnden Armen auf der Straße zukommen zu lassen, so war es ihnen doch keineswegs egal, in wessen Hände das Almosen im einzelnen gelangte. Im 15. Jahrhundert erführen nämlich die Kriterien des öfteren eine gewisse Präzisierung, indem die Gaben povren, nottroftigen luden1 oder armen luden, de des behuff hebben5*, bestimmt wurden. Das solcherart in verschiedenen Varianten59 formulierte Kriterium der Bedürftigkeit darf freilich nicht als bedeutungsloses Stereotyp interpretiert werden, wie einige Fälle verdeutlichen, in denen diese Klausel noch markanter ausgeprägt erscheint. So hatte Martin Vust testamentarisch bestimmt, daß die mit der Durchführung seiner Almosenstiftung betrauten Gewandschneider-Alterleute die alljährlich ausgesetzten zwei Tuchlaken nicht vergeben sollten dorch fruntschop, gunste edder jenniges vordels willen, men aliene armen, elenden, nakeden, poveren unde nottroftigen luden, den des van rechtem armode und kümmere nodt deyt, lutterliken umme de leve Gades.60 Im 15. Jahrhundert bemühten sich die Stralsunder Stifter also in zunehmendem Maße darum, mit ihren Almosen die in ihren Augen tatsächlich Bedürftigen zu unterstützen. Zum Vorschein kommen mithin die Kategorie der ,rechten Armut' und die von ihr kaum zu trennende Negativfolie des ,bettelnden Müßiggangs', Vorstellungen also, die von dem hochmittelalterlichen Armutsverständnis wegführen hin zu der gedanklichen Verbindung von Arbeit und Armut und die zugleich auf einen Prozeß der Wechselwirkung zwischen dem sich wandelnden Armutsbild und einem entsprechenden ,Wohlverhalten' der bettelnden Armen -
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StAS Urk. Depos. d. Gewandh. Nr. 23; StAS Urk. St. Jürgen am Strande Nr. 32. Ein solcher stadtbekannter Ort war im 15. Jh. beispielsweise die Gegend vor dem Tribseer Tor. Die dort siedelnden Armen wurden in zwei testamentarischen Stiftungen (StAS Test. Nr. 657, 959) und zahlreichen Schenkungen bedacht; s. oben S. 108. 57 StAS Rep. 16 Nr. 884, fol. 14-19'; hier: fol. 16r. 58 StAS Test. Nr. 664. 59 An durchweg ähnlichlautenden Beschreibungen der Empfänger begegnen des weiteren: armen, notroftighen luden (StAS Test. Nr. 506); armen luden, den des not is (StAS Urk. Depos. d. Kramer Nr. 10; StAS Test. Nr. 658); armen luden den des not unde behoff is (StAS Stadt. Urk. Nr. 1827); armen luden, de des behoven (StAS Test. Nr. 757); armen, elenden, kranken mynschen, de des noet hebben unde bedorven (StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. 16); armen notroftigen, bi bolegen sind (StAS Urkunde Depos. d. Gewandh. Nr. 23). 60 StAS Rep. 16 Nr. 884, fol. 14-19r. Eine solche Bestimmung findet sich auch bei einer Reihe von Stiftungen eines bestimmten Typs, auf den im folgenden näher einzugehen ist. Die Ähnlichkeit im Wortlaut der Klausel ist darauf zurückzuführen, daß die älteste Stiftungsurkunde offensichtlich den späteren als Vorlage diente, womit die Klausel indes keineswegs der Belanglosigkeit überführt wäre; vgl. StAS Urk. Depos. d. Kramer Nr. 8, 8a; StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 41; StAS HS 132, S. 123-129; StAS Stadt. Urk. Nr. 1821; StAS Urk. Depos. St. Jakobi Nr. 3, 4; StAS Stadt. Urk. Nr. 1846a (StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 56).
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verweisen. Der allmähliche Vorstellungswandel führte die Stralsunder Stifter aber noch nicht dazu, die ümmelopenden armen61 von der Almosenvergabe auszuschließen und sich gänzlich auf die Unterstützung .verschämter' Armer etwa des eigenen Kirchspiels oder der eigenen Zunft zu verlegen, ebensowenig wie nun die Spitaliten in verstärktem Maße von einer Diskreditierung der vagabundierenden Bettler profitierten. Daran wird auch deutlich, daß das Bemühen um gezielte, auf nachhaltige Verbesserung bedachte Hilfe zwar bei bestimmten karitativen Stiftungen und Schenkungen bereits im Spiel, aber noch kein allgemeiner Grundzug des Stiftungsverhaltens war. Im Mittelpunkt stand vielmehr weiterhin das auf das eigene Seelenheil abzielende gute Werk, das zu diesem nicht selten ausdrücklich betonten62 Zweck auf den gichtigen' Armen angewiesen war, zumal dann, wenn dessen Fürbitten eine interzessorische Wirkung entfalten sollten. Auf die religiösen Dimensionen des Almosens verweist in besonderem Maße eine Reihe von karitativen Stiftungen, die eine regelmäßige Almosenverteilung an eine feste Zahl von Armen vorsahen. Der bei weitem früheste Fall, eine testamentarische Stiftung Gottfried von Wickedes von 1339, stellt zugleich eine gewisse Ausnahme dar. Der Gründer von St. Jürgen zu Rambin hatte bestimmt, daß in seinem Haus an jedem Aposteltag dreizehn Armen ein gemeinsames Mahl bereitet werden solle, verbunden mit einer Gabe von je 3 Pfennig sundisch.63 Mit dem doppelten Verweis des Stifters auf die Gemeinschaft Jesu mit den zwölf Aposteln wird überdies ein Grundgedanke all dieser Stiftungen erkennbar, die Idee nämlich, durch die Wahl einer symbolischen Zahl von Almosenempfängern den religiösen Bezug der Stiftung zu unterstreichen. Die Besonderheit der Stiftung Wickedes hingegen bestand in der Gemeinsamkeit des Armenmahls und dessen Ort, dem Haus des Stifters, einer Konzeption, die im übrigen auch einzelnen zeitlich befristeten Armenspeisungen zugrunde lag.64 Im Gegensatz dazu waren alle anderen Stiftungen mit einer bestimmten Anzahl von Empfängern auf die Almosenausteilung in einer Kirche ausgerichtet. Die ersten Stiftungen dieser Art errichtete der Ratsherr Everd Drulleshagen. Als Orte der offenbar identisch konstruierten Stiftungen wählte er die drei Pfarrkirchen, als Exekutoren die Alterleute der Kramer, der Gerber und der Schuster. Genaue Kenntnisse haben wir indes nur von der Stiftung in der Nikolaikirche durch die den Kramer-Alterleuten 1437 ausgestellte Urkunde.65 -
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So die Bezeichnung der Empfänger eines noch gegen Ende des 16. Jh. durch den Bauherrn der Gewandschneider verteilten Almosens, das durch Roloff Möller gestiftet worden war; s. StAS Rep. 4 Nr. 784. Daß in solchem Zusammenhang Wendungen wie dorch salicheit myner sele, in de ere Godes etc. mitunter in nahezu gebetsmühlenhafter Wiederholung erscheinen, ist gerade kein Zufall; vgl. derartige Motivangaben bei den angesprochenen testamentarischen Almosenstiftungen in: PUB VIII, Nr. 5184; PUB X, Nr. 5783; StAS Test. Nr. 124, 506, 658, 664, 737, 757, 817, 927, 959. PUB X, Nr. 5809. S. oben S. 112. StAS Urk. Depos. d. Kramer Nr. 8. Den wichtigsten Hinweis auf die den Gerber-Alterleuten anvertraute Stiftung in der Marienkirche liefert eine Notiz Franz Wessels von 1564, die zugleich von der Langlebigkeit der Stiftung zeugt; Zober, Dr. Nicolaus Gentzkows Tagebuch (1870), 485. Nur indirekt läßt sich die Stiftung in der Jakobikirche belegen: 1459 wurde im Liber memorialis der Kauf von zwei Morgen Ackerland durch die Alterleute der Schuster ad usum elemosinarum, quas ipsi distribuunt
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Danach sollten diese an jedem Sonntagmorgen im Anschluß an die Predigt aus dem Kramerstuhl in der Nikolaikirche 25 Armen ein Almosen im Wert von je 7 Pfennig sundisch austeilen, das aus Speck oder Hering, Bier und Brot zu bestehen hatte. Jedes Almosen war hierbei und Drulleshagen scheute nicht die Mühe, dies in der Urkunde genau aufführen zu lassen mit einer religiösen Dedikation zu verbinden: Drei Arme sollten ihre Gabe zu Ehren der Heiligen Dreifaltigkeit empfangen, fünf zu Ehren der fünf Wunden Jesu, sieben zu Ehren der sieben Freuden und sieben Betrübnisse Marias, einer zu Ehren aller Erzengel und Engel, ein weiterer zu Ehren aller Patriarchen und Propheten, zwei zu Ehren aller Apostel und Evangelisten, zwei zu Ehren der heiligen Märtyrer, einer zu Ehren aller heiligen Lehrer und Beichtiger, einer zu Ehren von Joachim und Anna, der Eltern Marias, die letzten beiden schließlich zu Ehren aller heiligen Jungfrauen und Frauen. Die unverkennbare Absicht Drulleshagens, am Tag des Gerichts neben den eigenen guten Werken auch noch möglichst viele Heilige für sich sprechen zu lassen, wurde durch eine zweite Stiftung unterstützt, die fünf feierliche Singmessen pro Jahr am Krameraltar vorsah; diese sollten zu Ehren der Gottesmutter und aller Heiligen jeweils am Tag vor Trinitatis, vor Marien Geburt, vor Allerheiligen, vor Marien Engelgruß und vor dem Kreuztag gefeiert werden. Drulleshagens Wohltaten hatten neben den Armen und den Heiligen noch eine dritte Adresse im Auge, denn der Zeitpunkt der Almosenverteilung nach der sonntäglichen Predigt war mit Bedacht gewählt: Auf diese Weise gewann das gute Werk Drulleshagens ein Höchstmaß an Aufmerksamkeit unter seinen Mitbürgern und festigte so sein Ansehen zu Lebzeiten und sein nachmaliges Gedächtnis. Daß die Stiftungsstrategie Drulleshagens zumindest im Diesseits von Erfolg gekrönt war, wird daran deutlich, daß sein Werk in den Bürgermeistern Matthias Darne und Roloff Möller zwei prominente Nachahmer fand. Darne erwähnte in seinem Testament von 1485 ebenfalls drei Stiftungen, denen die Alterleute der Gerber, der Schuster und der Kramer vorstehen sollten.66 Nach seinem Tod setzten seine Witwe und seine Testamentsvollstrecker die Stiftungspläne nach und nach in die Tat um, indem sie den Alterleuten die Stiftungsgüter übertrugen und sie auf Stiftungsmodalitäten verpflichteten, die nur in wenigen Punkten vom Drulleshagenschen Vorbild abwichen: Statt am Sonntag sollten um die öffentliche Aufmerksamkeit für die Stiftung nicht zu schmälern die Almosen jeweils am Dienstagmorgen ausgeteilt werden. Verlegt wurden auch die Termine von zwei der fünf Jahresmessen: Die eine sollte nicht am Tag vor Marien Engelgruß, sondern vor Epiphanias gehalten werden, die andere nicht vor dem Kreuztag, sondern am Dienstag nach Reminiscere, dem Todestag von Matthias Darne.67 Dessen Bürgermeisterkollege Roloff Möller verfügte im Jahre 1498 letzt-
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dominicis diebus in ecclesia s. Jacobi, festgehalten; LM 5, Nr. 536. Daß es sich hierbei um die Almosenstiftung von Everd Drulleshagen gehandelt haben dürfte, lassen entsprechende Bemerkungen in den Testamenten von Matthias Dame und Roloff Möller über eine solche Stiftung vermuten, auf die sie mit ihrem eigenen Stiftungswerk referierten; s. StAS Test. Nr. 737; StAS Stadt. Urk. Nr. 1810a. StAS Test. Nr. 737. Stiftungsurkunden mit den entsprechenden Regelungen existieren im Original oder abschriftlich nur für die Stiftungen an der Nikolai- und der Marienkirche: 1490 stellten die Alterleute der Gerber eine Urkunde über die Stiftung in der Marienkirche aus; StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 41. Die Urkunde der Kramer-Alterleute von 1499 über die Stiftung in der Nikolaikirche ist nur abschriftlich erhalten; -
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willig gleichfalls drei Stiftungen an den Stralsunder Pfarrkirchen, betraute indes die jeweiligen Kirchprovisoren mit deren Durchführung und wählte den Donnerstagmorgen als Termin
der Almosenverteilung.68 Seine Testamentsvollstrecker setzten kurz nach Möllers Tod seine Absichten in einer Weise um, die sich im wesentlichen nur in den Terminen der Jahresmessen von den Stiftungen Drulleshagens und Darnes unterschied.69 In der Widmung der 25 Almosen hingegen folgte man ebenso wie schon Darne ohne jegliche Änderung dem Vorbild Drulleshagens. Almosenstiftungen dieser Art waren zumal in Verbindung mit den feierlichen Ewigso messen extrem kostspielig und nur für wenige Stralsunder Bürger nimmt es nicht wunder, daß sie in dieser Form vor der Reformation keine weiteren Nachahmer fanden. Immerhin wurde das Prinzip der Almosenvergabe an eine feste Zahl von Empfängern noch in einigen weniger aufwendigen Varianten umgesetzt. So beauftragte Martin Speth im Jahre 1501 die Alterleute der Riemenschneider, in der Nikolaikirche an jedem Donnerstag an vier Arme je ein Almosen auszuteilen.71 Eine Widmung der einzelnen Almosen oder ein Verweis auf eine symbolische Bedeutung der Almosenzahl unterblieben dabei ebenso wie bei der Stiftung Hermann Vroboses im Jahr darauf, der wöchentlich sechzehn Almosen austeilen lassen wollte, was ebenfalls jeweils am Donnerstag in der Nikolaikirche durch die Alterleute der Riemenschneider geschehen sollte.72 Für die schon von Gottfried -
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erschwinglich70;
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StAS HS 132, S. 123-129; und ihr von der Witwe Darnes ausgestelltes Gegenstück existiert nur in einer neuhochdeutschen Übertragung; StAS Rep. 30 Nr. 5, fol. 24-30v; StAS HS 131, S. 50-60. Die Stiftung an der Jakobikirche hingegen wird außer in den Testamenten Dames und Möllers nur faßbar in einer Urkunde von 1510, mit der Dames Witwe den Alterleuten der Schuster eine Ewigrente übertrug to nütticheyt den allemissen, de zelighe her Mathies vorbenomet hefft by den olderluden der schomakere funderet, ohne nähere Angaben darüber zu machen; StAS Stadt. Urk. Nr. 1862; vgl. auch StAS Stadt. Urk. Nr. 1852; StAS Rep. 16 Nr. 973. Bei der Stiftung an der Marienkirche ergab sich im übrigen 1505 insofern eine Änderung, als mit der Ausführung nun die Alterleute des Hakenamtes beauftragt wurden; vgl. StAS Stadt. Urk. Nr. 1846a; LM 6, Nr. 439; StAS Stadt. Urk. Nr. 1849a; StAS Rep. 31 Nr. 8. StAS Stadt. Urk. Nr. 1810a. Anders als seine Vorgänger entschied sich Möller im übrigen dafür, die Gabe von Speck oder Hering im Wert von 4 Pf. sund. in ein Bargeldalmosen umzuwandeln. Erhalten sind nur die Urkunden der Testamentsvollstrecker für die Provisoren der Nikolai- und der Jakobikirche aus dem Jahre 1500; StAS Stadt. Urk. Nr. 1821; StAS Urk. Depos. St. Jakobi Nr. 4. Für die fünf Ewigmessen wurde auch hier der Todestag des Stifters, der Sonnabend nach Marien Himmelfahrt, als Termin festgesetzt, daneben in der Nikolaikirche der Montag nach Trinitatis und die Tage vor dem Aposteltag, vor dem Kreuztag und vor dem Michaelistag, in der Jakobikirche ebenfalls der Montag nach Trinitatis sowie die Tage vor Allerheiligen und vor Virginum und der Freitag nach Ostern. Die Stiftungen waren im Durchschnitt jeweils mit etwa 60 M sund. jährlicher Rente dotiert, bei einem eher niedrig angesetzten Zinssatz von 6 % also mit Gutem im Wert von rund 1000 M sund., so daß jeder Stifter für seine drei Stiftungen insgesamt ungefähr 3000 M sund. aufgewendet hatte; vgl. zu den Dotationen vor allem StAS Urk. Depos. d. Kramer Nr. 8; StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 41; StAS HS 132, S. 123-129; StAS Stadt. Urk. Nr. 1810a, 1821; StAS Urk. Depos. St. Jakobi Nr. 4. StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. le [1501 Sept. 17]. StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. le [1502 Aug. 22]. Mit der Entscheidung für sechzehn Arme könnte ein symbolischer Verweis auf die von Paulus im 1. Korinther-Brief (13, 4-8) aufgezählten sechzehn Eigenschaften der caritas intendiert gewesen sein; s. Meyer/Suntrup, Lexikon (1987), Sp. 659-661, sowie dort die jeweiligen Artikel für die anderen Zahlen. -
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Wickede gewählte Zahl von dreizehn Armen entschied sich auch Michael Munter, der in seinem Testament von 1508 eine sonntägliche Austeilung in der Katharinenkirche anordnete.73 Dabei wählte er den Ort derart, daß ihm die Verschränkung von caritas und Stiftermemoria langfristig gesichert erscheinen durfte: Die Almosen sollten vor dem Katharinenaltar ausgeteilt werden und damit an der Stelle, wo er bestattet werden wollte. An einer expliziten Verknüpfung von Armenzahl und Almosendedikation lag dem Greifswalder Kanoniker Nikolaus Glewinck bei seiner Stiftung von 1520, die eine Almosenverteilung an jedem Freitag mit Ausnahme des Karfreitags an fünf Arme in honorem quinqué vülnerüm Christi vorsah.74 Doch nicht genug damit: Die Gaben sollte der Meßpriester austeilen im Anschluß an die von ihm zu singende freitägliche Messe in honorem quinqué vülnerüm Christi, die Glewinck gleichzeitig in seiner Kapelle in der Jakobikirche an dem in honorem sánete erücis et quinqué vülnerüm Christi geweihten Altar stiftete. Derart konsequent waren religiöse Bezüge nicht in jedem Fall konstruiert, doch die Gruppe der Almosenstiftungen für eine bestimmte Anzahl von Armen zeichnet sich auch insgesamt durch eine starke Akzentuierung der religiösen Dimension des Almosens aus, sei es durch den geweihten Ort der Vergabung, eine Empfangerzahl von religiöser Symbolik oder die Anrufung heiliger Fürsprecher. Aufmerksamkeit beansprucht noch ein weiterer Aspekt dieser Stiftungen: War der Kreis der Destinatäre tatsächlich ebenso weit gezogen wie bei den sonstigen Stiftungen für nichtspitalsässige Bedürftige? Das dort gewonnene Bild, daß zwar die Auswahl ,rechter' Armer mit zunehmender Achtsamkeit erfolgen sollte, jedoch noch nicht mit einer markanten Abwendung von den Straßenbettlern zugunsten .verschämter' Armer verbunden war, scheint sich auf den ersten Blick zu bestätigen. Denn die Bezeichnungen der Empfänger gleichen sich durchaus: Auch hier sollten die Almosen armen, elenden, notroftigen mynschen11 oder armen luden, de des van purer armot unde notroft behoff hebben16, gegeben werden. Andererseits jedoch entsteht mehrfach der Eindruck, daß nicht nur an eine feste Anzahl, sondern auch an einen festen Kreis von Empfängern gedacht war. Dies gilt in gewissem Maße für das alljährliche Armenmahl im Haus Gottfried von Wickedes77, noch mehr aber für die Stiftungen Drulleshagens, Darnes und Möllers. Denn Möller erwähnte bei der testamentarischen Regelung der Almosenvergabe, daß den armen mynschen, de mit den allemissen verlent synt, je 4 Pfennig sundisch in bar überreicht werden sollten.78 Die mutmaßliche von
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StAS Test. Nr. 896. StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 40-43. S. StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. le
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[1501 Sept. 17]; StAS Urk. Depos. St. Nicolai
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StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 41; vgl. auch StAS HS 132, S. 123-129; StAS Urk. Depos. d. Kramer Nr. 8; StAS Stadt. Urk. Nr. 1821; StAS Urk. Depos. St. Jakobi Nr. 4. Der Wortlaut der testamentarischen Verfügung Wickedes ist diesbezüglich allerdings vage und läßt die genannte Annahme ebenso zu wie ihr Gegenteil; Wickede bestimmte nämlich, ut tredeeim pauperes homines in domo mea perpetué omnibus et singulis diebus apostolorum habeantur, quibus tali die competenter ministretur eibus et potus et unicuique pauperi dentur tres denarii; StAS Urk. St. Jürgen vor Rambin Nr. 35. StAS Stadt. Urk. Nr. 1810a.
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Praxis, jede Woche denselben 25 Personen ein Almosen zu verleihen, läßt auch die nachdrückliche Betonung noch plausibler erscheinen, mit der die Prokuratoren aller drei Stifter darauf verpflichtet wurden, daß die Almosen nicht ausgerichtet werden dürften dorch
edder yenighes vordeeles willen, men alienen vifundetwintich armen, elenden luden, den des van rechtem armbde unde kümmere nod deyt lutterken umme de leve Gades.79 Denn die Wahrscheinlichkeit des Mißbrauchs erhöhte sich durch eine Konsequenz, die aus der ,Verlehnung' der Almosen fast unweigerlich erwuchs: die Auswahl von Personen, die den Prokuratoren persönlich bekannt und damit leichter zu identifizieren waren, also in erster Linie von Hausarmen etwa aus dem eigenen Kirchspiel oder dem eigenen Amt. Ein einheitliches Bild jedoch will sich auch hier nicht einstellen: Denn die entsprechenden durchaus präzisen Anweisungen von Nikolaus Glewinck für seinen Meßpriester sahen vor, dieser solle nach der Beendigung der freitäglichen Messe die Meßgewänder ablegen und circuiré ecclesiam sancti Jacobi predietam et quinqué bonis et honestis pauperibus hominibüs, quos inter obambîtlandum sive circùendum [!] exqùirere aut reperire poterit, ctiilibet dare denarium ad manumi0; eine Prozedur, die auf eine stets neue und -je nach der Gewissenhaftigkeit des Priesters nicht mühelose Auswahl von Armen hinauslief. Jenseits dieser inhomogenen Tendenzen bei der Auswahl der nichtspitalitischen Almosenempfänger kann man gleichwohl konstatieren, daß sich im 15. Jahrhundert das Bedürfnis und die Bemühungen intensivierten, die gichtigen' Armen in den Genuß der Almosen kommen zu lassen. Wenn dies mehr vor dem Hintergrund religiöser als sozialfürsorgerischer Intentionen geschah, so stellt sich die Frage, ob womöglich den Almosenempfängern als Fürbittenden eine zunehmend aktivere Rolle im persönlichen Heilsplan der Stifter zugedacht wurde, wofür entsprechende Eigenschaften der Bedürftigen erforderlich erscheinen mochten. Eine Fürbittklausel begegnet im Zusammenhang mit einer testamentarischen Almosenstiftung erstmals 1464.81 In der Folgezeit mehren sich die Fälle mit einer Fürbittauflage, bleiben aber eindeutig in der Minderheit.82 Dieser Befund ist vor allem deshalb auffällig, weil im Vergleich dazu die testamentarischen Almosenschenkungen etwa für Spitaliten weit früher und häufiger mit dem expliziten Wunsch nach Fürbitten der Empfänger verbunden waren.83 Er darf indes nicht überinterpretiert werden, wie ein Blick auf die Gruppe der Stiftungsurkunden zeigt: Auch hier erscheinen Fürbittklauseln nicht vor der Mitte des 15. Jahrhunderts84, sind dann jedoch häufiger anzutreffen als bei den testamentarischen Stif-
vruntschop, ghunste
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StAS Urk. Depos. d. Kramer Nr. 8; vgl. StAS Urk. Depos. St. Mariae Nr. 41; StAS HS 132, S. 123129; StAS Stadt. Urk. Nr. 1821; StAS Urk. Depos. St. Jakobi Nr. 4. 80 StAS HS IX.2, Kopiar I, S. 40-43. 81 StAS Test. Nr. 651. 82 Von den insgesamt 32 testamentarischen Almosenstiftungen seit 1464 sind sieben mit einer Fürbittklausel verbunden; betrachtet man ausschließlich die Stiftungen für Spitaliten, ist das Verhältnis mit drei von fünfzehn Fällen fast identisch. Die sieben Stiftungen finden sich in: StAS Test. Nr. 651, 658, 79
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Vgl. dazu oben S. 101. Zum ersten Mal äußerte im Jahre 1450 ein Stifter in einer Urkunde seinen Wunsch, daß die krancken, elenden unde armen, den desse vorschreven almissen gegeven werden, ehre innige gebedt senden tho
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Der Vergleich zwischen Testamenten und Urkunden führt vor Augen, daß deren Funktionen und damit das Maß an Schriftlichkeit im Prozeß der Umsetzung einer Stiftungsabsicht nicht identisch waren. Das Testament konnte, insoweit es als Handlungsanweisung für die Testamentsvollstrecker diente, gegebenenfalls durch mündliche Aufträge ergänzt oder von Ausführungen entlastet werden, die den Beteiligten selbstverständlich erschienen. Dagegen bestand bei der Abfassung einer Urkunde, die dauerhaft und rechtsverbindlich bestimmte Pflichten von Stiftungsbeauftragten, beispielsweise die Ermahnung der Empfänger zum Gebet, regeln sollte, eine weit größere Veranlassung, ebensolche möglichst
tungen.
vollständig aufzuführen.86
Im Hinblick auf die Fürbittwünsche der Stifter ist den Urkunden mithin ein größerer Ausfür die Testamente schwieriger auszulotende Grauzone der Nicht-Schriftlichkeit begrenzt ist. Daß die Stiftungsurkunden hier ein einigermaßen adäquates Bild vermitteln, verdeutlicht deren genauere Betrachtung. Sie fördert nämlich für die einzelnen Empfangergruppen unterschiedliche Ergebnisse zutage: Während die Stiftungen für Spitaliten in ihrer überwiegenden Mehrheit mit einer Fürbittklausel verbunden sind8 ist bei denjenigen für nichtspitalsässige Bedürftige das genaue Gegenteil der Fall.88 Durchaus plausibel erscheint dieser Befund mit Blick auf die Stiftungen
sagewert beizumessen und zugleich festzuhalten, daß die
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88
begrenzte
Zahl
von
Armen, die lediglich in zwei Fällen
zu
Fürbitten
angehalten
Gade vor mine seek unnde derjennen, dar ick des vor begerde bin; StAS Rep. 28 Nr. 786 [1450 Dez. 10]. Nach 1467 sind zwölf von 31 urkundlichen Almosenstiftungen mit einer Fürbittklausel verbunden. Diese zwölf Fälle finden sich in: StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 125, 135, 140, 141, 143, 157; StAS Urk. Depos. d. Kramer Nr. 12, 20; StAS Stadt. Urk. Nr. 1737; StAS Urk. Depos. St. Nicolai Nr. le [1501 Sept. 17], 16; VpLAG Rep. 1 Stralsund 7. Kaland 20. Ein Beispiel, welches das Problem der Aussagefähigkeit von Testamenten und Urkunden in puncto Fürbittklauseln anzudeuten vermag, ist die Almosenstiftung von Heinrich Hofmester. Der Stralsunder Ratsherr hatte 1467 in seinem Testament 100 M sund. für eine Ewigrente zum Ankauf von Kohlen bestimmt, die den armen luden im Heiliggeistspital verteilt werden sollten, ohne eine Fürbittpflicht der Empfänger zu erwähnen; StAS Test. Nr. 659. Als schließlich im Jahre 1490 die Spitalprovisoren eine Urkunde ausstellten, mit der sie die Übertragung eines Kohlgartens und des Betrages von 100 M sund. durch die Witwe Hofmesters bestätigten, hielten sie u. a. fest, sie sollten den Kranken allen unde eneme jewelken besundergen vormanen, dat se den almechtigen God vor den erscreven her Hinrick Hoffmester, de de sulven kalen in sineme testamente bestedyget heft, unde vor alle syn siechte truwelyn bydden scholen; StAS Urk. Depos. Heiliggeist-Kloster Nr. 141. Im Hinblick auf die quellenkritischen Überlegungen ist zu bedenken, daß die Schlußfolgerung, Hofmesters Witwe habe bei der Stiftungserrichtung einen ihr bekannten, aber im Testament nicht fixierten Stifterwunsch befolgt, nicht die einzig mögliche ist; ebensogut könnte sich Kyneke Hofmester zu einer wohlmeinenden ,Eigenmächtigkeit' entschlossen haben. In sechs von vierzehn Fällen fehlt eine solche Bestimmung. Das Ergebnis fallt deutlicher aus, wenn man in Betracht zieht, daß drei der sechs Stiftungen Gegenstand einer Urkunde und das Werk eines Stifters sind. Denn dies bedeutet, daß nach 1450 nur vier von zwölf Initiatoren von Almosenstiftungen für Spitaliten auf eine Fürbittklausel verzichteten; alle Stiftungen mit einer derartigen Klausel sind aufgelistet auf S. 240 Anm. 85. Von insgesamt 23 urkundlichen Stiftungen für nichtspitalitische Bedürftige beinhalten nur fünf den expliziten Wunsch nach Fürbitten der Empfänger.
3.
Spätmittelalterliche Stiftungen zwischen caritas und Sozialfürsorge
241
werden sollten. Offensichtlich lag den Stiftern hier vor allem daran, durch inszenatorische Mittel wie den kirchlichen Ort und einen günstigen Zeitpunkt der Verteilung, die religiöse Widmung der Almosen, die Kombination mit entsprechenden Messen und eine symbolische Armenzahl andere Adressaten als die Almosenempfänger anzusprechen: zum einen die Heiligen in der Hoffnung auf deren Fürsprache, zum anderen die städtische Öffentlichkeit zur Festigung der eigenen Memoria. Diese Intentionen, die in den Stiftungswerken von Drulleshagen, Dame und Möller besonders deutlich hervortreten, schließen den Gedanken an eventuelle Fürbitten der Almosenempfänger keineswegs aus; im Zentrum der Überlegungen und Bestrebungen stand er indes offenkundig nicht. Das Fazit fällt demnach differenziert aus: Almosenempfänger in der Rolle als Fürbittleistende diese Idee, die im 15. Jahrhundert in Stralsund merklich an Virulenz gewann, fand in den Stiftungsquellen erst seit der Jahrhundertmitte einen signifikanten Niederschlag. In der Folge erlangte sie insbesondere bei den Almosenstiftungen für Spitaliten zunehmende Bedeutung, ohne jedoch zum beherrschenden Element in der Strategie der Stifter zu werden. Vielmehr blieb sie im Bemühen um eine möglichst große jenseitige Wirkung der karitativen Stiftungen ein Mittel neben anderen. Betrachtet man die Stiftungstätigkeit in Stralsund über die gesamten zwei Jahrhunderte bis zur Reformation hinweg, so erscheint der religiöse Impetus der Stifter nicht nur von ungebrochener, sondern sogar von gesteigerter Vitalität. Der hergebrachte Gedanke einer Verknüpfung von caritas und Memoria gewann im 15. Jahrhundert weiteren Raum und fand neue Ausdrucksformen. Vom Blickwinkel einer modernen Sozialfürsorge aus mutet all dies, muten Ideenwelt und praktische Umsetzung jedoch durchaus .mittelalterlich' an. Ein Moment der Planung, der Handlungsform Stiftung per se eigen, wird immer noch eher in der Seelenheilvorsorge als in der sozialen Fürsorge sichtbar. Die Stiftungen stellten, denkt man beispielsweise an die Armenhausgründungen des 15. Jahrhunderts, durchaus Reaktionen auf soziale Mißstände dar. Daß sie auch als Antworten darauf, sprich: als Lösungsversuche gemeint waren, ist nicht erkennbar. Das Almosen blieb vielmehr als gutes Werk darauf ausgerichtet, dem Seelenheil des Gebers förderlich zu sein. Doch gerade im Zusammenhang mit den alten Intentionen werden auch die Zeichen einer neuen Zeit sichtbar: Denn der Arme war nun, wollte er eines Almosens teilhaftig werden, immer häufiger einem kritischen Blick ausgesetzt. Die Kriterien dieser Begutachtung sind in den Quellen noch nicht einheitlich und präzise formuliert. Ihr Kern, eine wirkliche, .aufrechte' Bedürftigkeit, enthält indes deutlich genug den Hinweis auf die arbeitswillige Armut und läßt so bereits die obrigkeitliche Wende in der Armenfürsorge erahnen. Inwiefern der Konnex von Arbeit und Armut in Stralsund bereits zu repressiven Maßnahmen der städtischen Obrigkeit gegen das Bettlertum geführt hat, geht aus den Quellen nicht hervor.90 Den Stiftern jedenfalls war bis auf weiteres zuallererst daran gelegen, die jenseitige Wirkkraft ihrer Almosen zu sichern, indem sie die ,rechten' Empfänger dafür fanden, und sei es auf der Straße. -
89 90
Depos. St. Nicolai Nr. le [1501 Sept. 17]; StAS Urk. Depos. d. Kramer Nr. 20. Vgl. Schildhauer, Soziale, politische und religiöse Auseinandersetzungen (1959), 44 f., 178 f. StAS Urk.
S chlußbetrachtung
Sucht man die Funktionsweise mittelalterlicher Stiftungen zu erfassen, so stößt man auf einen ihnen allen gemeinsamen Kern: die sozialen Beziehungen zwischen dem Stifter und den Begünstigten und Beauftragten seines Stiftungswerkes. Von der Bindekraft dieser Beziehungen hingen der Erfolg einer Stiftung und damit die beständige Vergegenwärtigung des Stifters im Gedächtnis der Nachgeborenen wesentlich ab. In der sozialen Interaktion zwischen Stifter, Destinatären und Prokuratoren den Lebensnerv der mittelalterlichen Stiftung zu erblicken, führt fast unweigerlich zu einer entsprechenden Definition von .Stiftung', die nicht die intendierte Dauerhaftigkeit des Stiftungsgutes, sondern die durch die Vergabung geschaffenen sozialen Beziehungen zum entscheidenden Kriterium erhebt. Ein solcherart gefaßter Stiftungsbegriff versammelt unter seinem Dach Phänomene, denen in mehrfacher Hinsicht eine beträchtliche Vielfalt eignet. So geraten auf diese Weise Stiftungsarten in das Blickfeld, deren rechtliche Rahmenbedingungen große Unterschiede aufweisen. Der stiftungswillige Bürger im spätmittelalterlichen Stralsund wie auch anderswo konnte aus einem breiten Stiftungsangebot auswählen und gekoppelt an seine Entscheidung für einen bestimmten Typus rechtliche Sicherungsmöglichkeiten unterschiedlicher Art nutzen. Deren Umfang hing nicht zuletzt davon ab, in welchem Maße die betreffende Stiftung als rechtlich selbständig aufgefaßt wurde. Dabei blieb indes den mittelalterlichen Stiftungen gemein, daß ihre jeweilige rechtliche Behandlung nicht auf der Grundlage eines -
-
eigenständigen Stiftungsbegriffs erfolgte. Vielfältig sind auch die bewußten und unbewußten Beweggründe des Stifterhandelns. Die Aktivitäten der Stralsunder Stifter lassen zum einen vordergründige Absichten erkennen, die sich aus den verschiedenen Betätigungsfeldern ergeben, also etwa die Errichtung und Ausschmückung von Gotteshäusern, die Förderung des Gottesdienstes oder die Linderung materieller Not. Auf einer anderen, von den Stiftungsinhalten abstrahierbaren Ebene sind weitere Motive angesiedelt: die ostentative Zurschaustellung neuerworbenen Reichtums und der damit verbundene Anspruch auf eine entsprechende soziale Anerkennung; die dauerhafte Verankerung der eigenen Person oder Familie im kollektiven Gedächtnis der städtischen Gesellschaft; oder auch die soziale Absicherung der Angehörigen, etwa bei der Nomination von Familienmitgliedern für gestiftete Meßpriesterstellen. -
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Welche konkrete Konstellation von Bedürfhissen und Absichten das Vorhaben des einzelnen Stifters tatsächlich prägte, ist freilich nur selten faßbar; zu stereotyp sind in den
Schlußbetrachtung
244
Stiftungsquellen in der Regel die Motive formuliert, zu dürftig fällt meist die Überlieferung einer bestimmten Stifterperson und deren Aktivitäten aus.1 Daß die vorliegende Untersuchung nicht den Einzelfall in den Mittelpunkt des Interesses gestellt hat, ist jedoch nicht nur in solchen Hindernissen begründet. Vielmehr resultierte die Entscheidung für eine Thematisierung langfristiger Veränderungen in der Stiftungspraxis auch aus der Erkenntnis, daß das Stiftungsverhalten mannigfaltigen sozialen Einflüssen unterworfen war, darunter nicht zuletzt Faktoren einer longue durée wie beispielsweise sozial vermittelten Glaubensvorstellungen oder durch den Frömmigkeitsmarkt vorgegebenen Rahmenbedingungen, die zu
ihrerseits von nachdrücklich artikulierten Bedürfhissen des ,Kundenkreises' durchaus zu beeinflussen waren. Einen zentralen Komplex im Ensemble dieser langfristig wirksamen Kräfte bilden ohne Zweifel die religiösen Vorstellungen. Mittelalterlichen Stiftungen ist gemeinsam, daß sie, um ein Diktum Karl Schmids zu zitieren, „Stiftungen für das Seelenheil" waren.2 Demzufolge wirkten auf das Stiftungsverhalten ebenso wie auf andere Formen frommer Praktiken eine Vielzahl religiöser Anschauungen und Bedürfhisse ein. So fanden die seit dem Hochmittelalter stetig zunehmende Wertschätzung des Meßopfers als wirksames Bußmittel und die damit verbundene Bevorzugung der missa specialis in Stralsund ihren unübersehbaren Niederschlag in der Dominanz von Stiftungen, die in erster Linie auf die Abhaltung von Messen abzielten. Die Begünstigung derartiger Stiftungsarten erhielt dadurch weiteren Auftrieb, daß die Laien im Spätmittelalter ein ausgeprägtes Verlangen nach Anschauung der Gnadenmittel, insbesondere der geweihten Hostie in der Eucharistiefeier, entwickelten. Nicht ohne Auswirkungen auf das Stiftungsverhalten blieb auch, um ein weiteres Beispiel zu nennen, das Pilgerwesen. Zuerst eine Unternehmung, die der Bußfertige durchweg selbst auf sich nahm, wurde die Pilgerfahrt im Spätmittelalter darüber hinaus zu einem Instrument der stellvertretenden Buße, indem andere Personen gegen eine Entlohnung auf die Reise geschickt wurden. Solches konnte auch in Form von Stiftungen geschehen, die in Stralsund jedoch nur sehr selten errichtet wurden.3 Für die beiden genannten Aspekte spätmittelalterlicher Religiosität und es ließen sich noch etliche weitere anfügen gilt indes, daß die entsprechenden Vorstellungen und Bedürfnisse auf das Stiftungsverhalten ebenso einwirkten wie auf andere, zeitlich begrenzte Frömmigkeitspraktiken. Wenn also, um bei den angeführten Beispielen zu bleiben, die Stralsunder Testatoren zahlreiche Meß- und ähnliche Stiftungen, aber vergleichsweise wenige befristete Meßstipendien vorsahen und andererseits kaum Pilgerfahrtenstiftungen, jedoch etliche einmalige Pilgerlegate, so gibt dieser Befund in seiner Divergenz nicht Auskunft über die Virulenz des Interesses an Messen und Pilgerfahrten als solchen. Für einen anderen Bereich religiöser Überzeugungen hingegen besitzen Stiftungen gerade durch ihr Spezifikum der Dauerhaftigkeit genuine Aussagekraft, nämlich für die Vorstellungen vom Jenseits. Zu welchem Zeitpunkt ein Testator mit dem entscheidenden Urteilsspruch -
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Selbstverständlich gibt es nicht wenige Ausnahmen, wie beispielsweise die Studien von und Selbstdarstellung (1993), und W. Schmid, Stifter und Auftraggeber (1994), belegen. 2 K. Schmid, Stiftungen (1985). 3 Überliefert ist lediglich eine derartige testamentarische Stiftung; StAS Test. Nr. 694. 1
Kamp, Memoria
Schlußbetrachtung
245
über sein Seelenschicksal rechnete, hatte maßgeblichen Einfluß auf seine Seelenheilstrategie. Glaubte er an ein Partikulargericht kurz nach seinem Tod und an ein sich anschließendes Fegefeuer zur Tilgung seiner noch unverbüßten Sünden, so mußte er sinnvollerweise danach trachten, die aus seinem Nachlaß finanzierten guten Werke möglichst bald nach seinem Tod Realität werden zu lassen. Blieb er jedoch dem älteren Glauben an ein allgemeines Weltengericht verhaftet, dann lag es nahe, anstelle einer kumulativen Strategie auf eine Wiederholung oder Beständigkeit des guten Werks bis zum Jüngsten Tag zu setzen. Freilich darf nicht jede einzelne Stiftung als Beleg für eine entsprechende Überzeugung ihres Urhebers genommen werden, da die Entscheidung für eine Seelenheilgabe in Form einer Stiftung nicht in jedem Fall durch das Moment der Dauerhaftigkeit motiviert sein mußte. Die langfristige Entwicklung des Stiftungsverhaltens eines größeren Personenkreises indes läßt durchaus Rückschlüsse auf die Verbreitung von Jenseitsvorstellungen zu, dann jedenfalls, wenn bei der Interpretation des Befundes auch andere relevante Indikatoren Berücksichtigung finden. In der Seelenheilvorsorge der Stralsunder Testatoren nahmen Stiftungen keineswegs eine dominante Position ein, denn nur etwa jeder fünfte Erblasser wollte sich dieser Handlungsform bedienen. Noch aufschlußreicher ist gleichwohl, daß der Anteil der Stiftungen in den Stralsunder Testamenten über zweihundert Jahre hinweg relativ konstant blieb. Offensichtlich behauptete also das Jüngste Gericht seinen Platz in der religiösen Vorstellungswelt der Stralsunder Einwohnerschaft. Dabei war das imaginierte Jenseits in den Stralsunder Köpfen durchaus in Bewegung. Denn die Fegefeuerlehre, in Stralsund spätestens seit Beginn des 14. Jahrhunderts verkündet, hinterließ im 15. Jahrhundert immer deutlichere Spuren in der testamentarischen Seelenheilvorsorge: Die Arengen der Stralsunder Testamente führten nun mit dem Bild eines barmherzigen Gottes, mit der commendatio corporis und der Beschwörung einer seligen Todesstunde in wachsendem Maße Glaubenselemente an, die sich im Einklang mit der neuen Lehre befanden. Später als in den Arengen, die durch ihre soziale Genese und sprachliche Topik als eine Quelle kollektiver Vorstellungen, kaum aber individueller Glaubensüberzeugungen anzusehen sind, wird der Widerschein des Fegefeuers auch in den praktischen Vorkehrungen der Testatoren sichtbar: Zwar ist den Bestimmungen über die Begräbnisgestaltung eine gesteigerte Aufmerksamkeit für den Zeitraum zwischen Tod und Partikulargericht kaum abzulesen; die Terminierung der Almosengaben und mehr noch der Meßstipendien hingegen läßt seit der Mitte des 15. Jahrhunderts eine zunehmende Konzentration auf die Zeit des Fegefeuers erkennen. Von einem wahren Siegeszug des Fegefeuers in der Stadt am Sund kann dennoch nicht gesprochen werden; zu wenig verbreitet waren die klar darauf bezogenen Seelenheilmaßnahmen, zu beharrlich das Festhalten an der auf das Weltengericht weisenden Handlungsform der Stiftung. Die Grenzen der Rezeption der neuen Lehre werden auch durch einen vergleichenden Blick auf die Verhältnisse in Avignon deutlich. In den Testamenten der Avignoneser Bürger machte sich das Fegefeuer nicht nur weitaus früher bemerkbar, die neue Angst rief bei den Testatoren in der Papststadt auch viel intensivere Reaktionen hervor und ließ zugleich die ältere Vorstellung eines Weltengerichts merklich verblassen. Der Umstand, daß sich in Stralsund die neuen Glaubensvorstellungen mehr neben den überkommenen ansiedelten als diese ablösten, lenkt die Überlegungen auf das Ereignis der Reformation. Die Zusammenhänge zwischen ,Stiftung' und Reformation liegen in einer Hinsicht auf der Hand: Die reformatorische Lehre insbesondere in ihrer lutherischen Variante entzog mit der radikalen Ablehnung der Werkgerechtigkeit den Seelenheilstiftungen den theologischen Boden und provozierte dadurch einen tiefen Einschnitt in der Stiftungs-
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Schlußbetrachtung
246
Die Frage dagegen, inwiefern sich im Stiftungsverhalten am Vorabend der Reformation das bevorstehende Ereignis ankündigte, ist so leicht nicht zu beantworten. Denn mit den Stiftern gerät nicht die gesamte städtische Gesellschaft in den Blick, da die Handlungsform Stiftung auch nach der Verbreitung kostengünstigerer Stiftungsarten doch weitgehend den wohlhabenderen städtischen Schichten vorbehalten blieb. Ist damit also gerade der sozial schwache, dafür um so zahlreichere Teil der reformatorischen Gefolgschaft ausgeklammert, so verweist das Stiftungs- und Schenkungsverhalten der Stralsunder Testatoren gleichwohl auf ein gesamtgesellschaftliches Phänomen: eine um sich greifende Heilsunsicherheit und dies trotz des eigentlich tröstlichen tariflichen Grundgedankens der Buße. Das Nebeneinander verschiedener Jenseitsmodelle konnte ein tiefes Gefühl des Ungenügens selbst bei denjenigen hervorrufen, die über die finanziellen Mittel verfugten, um eine mehrgleisige Seelenheilstrategie zu verfolgen. Die besitzschwachen Sünder mußten an den in sich widersprüchlichen Aussichten auf ihr jenseitiges Schicksal erst recht verzweifeln oder auf einen anderen Weg zur Seligkeit hoffen.
geschichte.
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Vorbemerkung: An ungedruckten Quellen werden nur die in den Anmerkungen zitierten Archivalien bzw. Archivreposituren aufgelistet. Bei den in den Anmerkungen zitierten gedruckten Werken wird der dort verwendete Kurztitel im folgenden in kursiver Schrift oder in eckigen Klammem wiedergegeben.
1.
Ungedruckte Quellen
Stadtarchiv Stralsund Testamente Städtische Urkunden Urkunden Marienkrone
Jürgen am Strande Urkunden St. Jürgen vor Rambin Urkunden Depos. St. Nicolai Urkunden Depos. St. Mariae Urkunden Depos. St. Jakobi Urkunden Depos. Heiliggeist-Kloster Urkunden Depos. des Gewandhauses Urkunden Depos. der Kramer Urkunden St.
HS 1.17:
Stadtbuch, 1385-1418 Stadtbuch, 1419-1455 Stadtbuch, 1455-1492 Stadtbuch, 1493-1522 Stadtbuch, 1522-1533 Kämmereibuch, 1394-1434 Schuldbuch, 1376-1511
HS 1.23:
Bruchstück eines alten Katasters
HS III. 1 a:
Bürgerbuch, 1349-1571 Satzung der Schuhwerker von Anklam von 1381
HS 1.3: HS 1.4: HS 1.5: HS 1.6: HS 1.7: HS 1.16:
HS VIII. 1 :
248
Quellen- und Literaturverzeichnis HSIX.l
Abschriften der Urkunden der Marienbruderschaft in St. Jakobi
HS IX.2
3
HS IX.3
Kopiare der Jakobikirche Kopiar der Marienkirche von
HS IX.4
Matrikel der Marienbruderschaft in der Marienkirche
HS IX.5
HS XV.8
Catalogus beneficiorum von 1531 Registrum ecclesiarum et vicariarum archidiaconatus Tribusses Manuscript ausgelöst aus dem alten Nicolai-Kirchenrechnungsbuch
HS 56:
Urkundenverzeichnis St. Nikolai
von
1614
56': HS 562:
Urkundenverzeichnis St. Marien
von
1614
HS 59:
HS 168:
Diplomatarium Domus Spiritus Sancti Stralsundensis Diplomatarium Domus S. Georgii Rambinensis Diplomatarium Domus S. Georgii Extra Muros Civitatis Stralsundensis Diplomatarium Coenobii Mariae Coronae Ordinis S. Brigittae Diplomatarium Coenobii Mariae Coronae Ordinis S. Brigittae Kirchenregister des Archidiakonats Tribsees Nachrichten die Rathspersonen der Stadt Stralsund betreffend, 1. Bd. Nachrichten die Rathspersonen der Stadt Stralsund betreffend, 2. Bd. Nachrichten die Rathspersonen der Stadt Stralsund betreffend, 3. Bd. Nachrichten die Rathspersonen der Stadt Stralsund betreffend, 4. Bd. Nachrichten die Rathspersonen der Stadt Stralsund betreffend, 5. Bd. Nachrichten die Rathspersonen der Stadt Stralsund betreffend, 6. Bd. Nachrichten die Rathspersonen der Stadt Stralsund betreffend, 7. Bd. Nachrichten die Rathspersonen der Stadt Stralsund betreffend, 8. Bd. Diplomatarium Coenobii Mariae Coronae Ordinis S. Brigittae Diplomatarium Civitatis Stralsundensis Diplomatarium Civitatis Stralsundensis Diplomatarium Domus Spiritus Sancti Stralsundensis Buch der Bruderschaft der Träger zu Stralsund Buch der Leinewandschneider-Kompanie Diplomatarium Domus S. Georgii Extra Muros Civitatis Stralsundensis Diplomatarium Domus S. Georgii Rambinensis Diplomatarium Fratemitatum Stralsundensium Kalendarum, Sacrosancti Corporis Christi, Beatae Mariae Virginis, Pauperum Scholarium Et Sancti Iohannis Evangelistae Diplomatarium Domus S. Georgii Extra Muros Civitatis Stralsundensis
HS 427:
Nikolaikirchenbuch
HS IX.6
HS
HS591: HS 592: HS 85: HS 102 HS 113 HS 129 HS 130 HS 131 HS 132 HS 133 HS 134 HS 135 HS 136 HS 151 HS 153 HS 154 HS 160 HS 163
HS 164 HS 167 HS
HS
167' 1672
1614
Urkundenverzeichnis St. Jakobi
von
von
1614
1516
Gewandhaus HS 3: Oldermennerbok des Gewandhauses Gewandhaus HS 4: Denkbuch D des Gewandhauses
/.
249
Ungedruckte Quellen Gewandhaus HS 5: Denkbuch F 1412-1541
Rep. 3 Nr.
150:
Ratsprotokolle in Gerichtssachen
Rep. 3 Nr. Rep. 3 Nr. Rep. 4 Nr. Rep. 4 Nr.
6027
Ältestes Pfandgerichtsbuch
6028 102:
Gerichtsbuch der Altstadt
784:
Acta des Gewandhauses in Stralsund, betrifft: Das Kochen-Büchlein
Rep. 8 Nr. 1143 Rep. 9 Nr. 186: Rep. 11 Nr. 67: Rep. 16 Nr. 884 Rep. 16 Nr. 973 Rep. 28 Nr. 175 Rep. 28 Nr. 782 Rep. 28 Nr. 786 Rep. 28 Nr. 838 Rep. 28 Nr. 843a Rep. 28 Nr. 965: Rep. 28 Nr. 979: Rep. 28 Nr. 1029 Rep. 30 Nr. 5: Rep. 31 Nr. 8: Archiv der
Stiftung von Evert Brandenborch Ausgaben und Einnahmen des Jürgenspitals vor Rambin Kirchengeräte in der Heiliggeistkirche Geldverleihungen (1497-1508) Schneider-Armenstiftung Schuster-Armenstiftung Urkundenabschriften betr. das Kirchenwesen St. Marien. Gesammelte Notizen
Dr.
z.
Z. der Reformation
Brandenburg und C. F. Fabricius
Stiftung von Trude Gyldenhusen Rechnungsbuch der Marienbruderschaft an der Marienkirche Nachrichten über die Marienkirche
Stiftung von Peter und Arndt Pertonen Notizen
zur
Jakobikirche
Spitäler Stiftungsurkunde der Kramerkompanie Rechnungen der Haken-Armenstiftung Matrikel der Stralsunder Kirchen und
Schifferkompanie Stralsund
Schifferkompanie Stralsund Nr. Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. Archiv der
1:
Erstes Statutenbuch
15
Boddichregister
Schifferkompanie Stralsund Nr. 16 Archiv der Schifferkompanie Stralsund Nr. 17 Archiv der
Vorpommersches Landesarchiv Greifswald Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep. Rep.
von
1 Kl.
Bergen
1 Kl. Hiddensee 1 Kl. Marienkron bei Stralsund
1 Stralsund 2. Dominikaner-Kloster
Georg vor der Stadt Heiliger Geist
1 Stralsund 4. St. 1 Stralsund 5.
1 Stralsund 6. St. Jacobi 1 Stralsund 7. Kaland
Inventarbuch Brüderbuch
1501-1566
Quellen- und Literaturverzeichnis
250
Rep. Rep.
1 Stralsund 8. St. Marien 1 Stralsund 9. St. Nikolai
Rep. 40 I 39a: Ausgaberegister der Heiliggeistkirche in Stralsund (1524-1526)
Revisionsprotokoll Rep. 2
Weltliche Urkunden Stadt Stralsund -
Mecklenburgisches Landeshauptarchiv Schwerin Rep. 1 Bistum Schwerin C
2. Gedruckte
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Episcopatus Suerinensis
Quellen
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Ebel, Ebel, Ebel, Ebel, Ebel,
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2. Gedruckte
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251
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Sigmaringen
Balther 1997. von
von
Säckingen,
Bischof
von
Speyer.
von
Übersetzung
Texte -
Säckingen.
Kommentar. -
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Repertorium
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päpstlichen Registern und
Kameralakten vorkommenden
Personen, Kirchen und Orte des Deutschen Reiches, seiner Diözesen und Territorien
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zu mittelalterlichen Testamenten aus der Diözese Sitten. (Vallesia, Beih. 2.) Sitten 1992. Ziekow, Jan, Recht und Rechtsgang. Studien zu Problemen mittelalterlichen Rechts anhand von Magdeburger Schöppensprüchen des 15. Jahrhunderts. (Reihe Rechtswissenschaft, Bd. 39.) Pfaffenweiler 1986. Zielinski, Herbert, Die Kloster- und Kirchengründungen der Karolinger, in: Beiträge zu Geschichte und Struktur der mittelalterlichen Germania sacra. Hrsg. v. Irene Crusius. (VMPIG, Bd. 93; SGS, Bd. 17.)
Göttingen 1989,95-134. Zmyslony, Monika, Die Bruderschaften schaftsgeschichte, Bd. 6.) Kiel 1977.
in Lübeck bis
zur
Reformation.
(Beiträge
zur
Sozial- und Wirt-
Zoellner, Klaus-Peter, Der Stralsunder Seehandel am Ausgang des Mittelalters, in: Greifswald-Stralsunder Jahrbuch 9, 1970/71,41-72. Zoellner, Klaus-Peter, Vom Strelasund zum Oslofjord. Untersuchungen zur Geschichte der Hanse und der Stadt Stralsund in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts. (Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte, Bd. 14.) Weimar 1974. Zoellner, Klaus-Peter, Zur gewerblichen Produktion der Hansestadt Stralsund am Ausgang des Mittelalters, in: Neue Hansische Studien. Hrsg. v. Konrad Fritze/Eckhard Müller-Mertens/Johannes Schildhauer/Erhard Voigt. (Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte, Bd. 17.) Berlin 1970, 141-155.
Verzeichnis der Karten, Tabellen
Karte 1 :
Plan der Stralsunder Altstadt
Karte 2:
Das mittelalterliche Stralsund
Karte 3:
Die Altstadtinsel im 13. Jahrhundert
Diagramme und
79
(Merian-Kupferstich)
Diagramm 1 : Anzahl der Stiftlingstestamente und Anzahl aller Testamente Diagramm 2: Anzahl aller Testamente pro Jahr Diagramm 3: Anteil der Stiftungstestamente an der Gesamtzahl der Testamente Diagramm 4: Anzahl der Stiftungstestamente und Anzahl der testamentarischen Stiftungen Diagramm 5: Verhältnis zwischen der Stiftungsanzahl und der Anzahl der Stiftungstestamente Diagramm 6: Anzahl der Testamente mit Zustiftungen und Anzahl der Zustiftungen Diagramm 7: Anteil der Stiftungsausgaben an den gesamten Seelenheilaufwendungen je Testament Diagramm 8: Anzahl befristeter Meßstipendien und Anzahl der Testamente mit Meßstipendien Diagramm 9: Anzahl der testamentarischen Stiftungen für einzelne liturgische Stiftungstypen Diagramm 10: Ausgaben für testamentarische Stiftungen nach Stiftungstypen Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3:
Tabelle 4:
Stiftungen nach Stiftungstypen Anteil einzelner Stiftungstypen an allen testamentarischen Stiftungen Anzahl der urkundlichen Stiftungen nach Stiftungstypen Anteil einzelner Stiftungstypen an allen urkundlichen Stiftungen Anzahl der testamentarischen
81 190
124 125 127
128 129 130
135 140 176 182
172
174 177
178
Abkürzungs- und Siglenverzeichnis
AKG
Abhandlung(en) Abteilung Archiv für Diplomatik Archiv für Kulturgeschichte
Archivwiss. ArchMrhKiG
Archivwissenschaft Archiv für mittelrheinische
Art. Aufl. BaslerZ
Artikel
Abh. Abt. AfD
Kirchengeschichte Auflage
Bd./Bde.
Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde Band/Bände
bearb. Beih. BlldtLG
bearbeitet Beiheft Blätter für deutsche
BraunJb
Landesgeschichte Braunschweigisches Jahrbuch
BremJb
Bremisches Jahrbuch
Gft. H.
HansGBll HessJbLG hist. HJb
HRG
Hrsg. Htm. Hz. HZ JbGFeud
Handwörterbuch
zur
deutschen
Rechtsgeschichte Herausgeber, herausgegeben Herzogtum Herzog
Journal of Ecclesiastical
Jahrgang juristisch(e)
JbRegG
Wirtschaftsgeschichte
Deutsches Archiv für
Ig-
Depos.
Erforschung des Mittelalters Depositum
Diss.
Dissertation
Kl.
kolberg.
erg.
durchgearbeitet(e) English Historical Review ergänzt(e)
km
fase.
Faszikel
fl.
florenus
KurtrierJb KZSS
FMSt
Frühmittelalterliche Studien
fol. franz.
Folio
Fschr.
Festschrift Fürstentum
Ftm.
Historisches Jahrbuch der GörresGesellschaft
JbWG
DA
EHR
Landesgeschichte historisch(e)
Historische Zeitschrift Jahrbuch für Geschichte des Feudalismus Jahrbuch für Regionalgeschichte Jahrbuch für
JEcclH
durchgearb.
Grafschaft Heft Hansische Geschichtsblätter Hessisches Jahrbuch für
jur.
Ks.
LHAS LM
französisch lüb. M
History
Klasse bzw. Kloster Kilometer
kolbergisch Kaiser(in) Kurtrierisches Jahrbuch Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie Landeshauptarchiv Schwerin (Der Stralsunder) Liber memorialis lübisch Mark
Abkürzungs- und Siglenverzeichnis
288 mag. MedAev MGH Necr.
magister
so.
südöstlich
Medium Aevum Monumenta Germaniae Histórica.
Sp. staatswiss.
Spalte staatswissenschaftlich(e)
Antiquitates. Necrología Germaniae
MIÖG
Mitteilungen des Instituts für
StAS Stb.
Österreichische
StM
Stadtarchiv Stralsund Stadtbuch Studi Medievali südlich sundisch südwestlich Teil/Teile
Geschichtsforschung
sü.
Manuskript bzw. Maschinenschrift Mecklenburgisches Urkundenbuch
sund.
n.
nördlich
ND
Nachdruck, Neudruck
NF.
Neue
T./Tle. theol. ÜB
niederld.
umgearb.
nö.
niederländisch nordöstlich
Univ.
Universität
nw.
nordwestlich
verb.
verbessert(e)
Pf. Pfd.
Pfennig
v.
Pfund
VMPIG
phil.
philosophisch(e) bzw. philologisch(e) polnisch
Veröffentlichungen des MaxPlanck-Instituts für Geschichte
VpLAG
Vorpommersches Landesarchiv
Past and Present
VSWG
Ms.
MUB
poln. P&P PUB o. J. o. T.
Folge
sw.
J.
Urkundenbuch
umgearbeitet(e)
vom
Jahre
Greifswald
Pommersches Urkundenbuch ohne Jahr
theologisch(e)
VuF
Vierteljahrschrift für Sozial- und Wirtschaftsgeschichte Vorträge und Forschungen
ohne Tag
w.
westlich
Quellen und Forschungen aus
ZBLG
Zeitschrift für bayerische
Bibliotheken
ZfG
Rep. RepGerm
Repositur Repertorium Germanicum
Zeitschrift für Geschichtswissenschaft
ZfO
Zeitschrift für Ostforschung
Rh.
Reihe
ZHambG
rhein. RottJbKiG
rheinisch
Zeitschrift des Vereins für Hamburgische Geschichte
Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte Römische Quartalschrift für
ZHF
Zeitschrift fur historische
Zit.
Zitat, zitiert
christliche Altertumskunde und für
ZLübG
Zeitschrift des Vereins für Lübeckische Geschichte und Altertumskunde
ZRG GA
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte,
ZRG KA
Zeitschrift der Savigny-Stiftung für Rechtsgeschichte, Kanonistische Abteilung
QuFiAB
RQA
Landesgeschichte
italienischen Archiven und
Forschung
Kirchengeschichte s.
Saec
Seh. Ser. SGS slaw.
sanctus/-i Saeculum
Schilling Serie (u. ä.) Studien zur Germania Sacra slawisch
Germanistische Abteilung
Personen- und Ortsindex
Die kursivierten Seitenangaben verweisen auf den Anmerkungsapparat. Sofern Personen einen Bei- oder Familiennamen trugen, wurden sie nach diesem eingeordnet. Nicht eigens als Lemma aufgenommen wurden pauschale Erwähnungen von Stralsund.
Adelheid (Alheydis), in Stralsund 57, 158, 209 Ahrendsee (Arnesze; ca. 15 km so. v. Stralsund) 92, 98, 121 Ahrensbök (Arndesboke; ca. 20 km nö. v. Schwerin), Kartause 93 Albus s. Witte Alheydis s. Adelheid Altefähr (Rügen; ca. 2 km nö. v. Stralsund) 92, 218 Altenkirchen (Wittow/Rügen) 92, 218, 221 Anklam 755 -Kl. 218 Anna, hl. 89 Antonius, hl. 83, 106, 164 Augsburg 21 Avignon 47, 67, 75, 139, 161, 163-165, 245
Badendik, Peter, Vizepleban an St. Marien in Stralsund 221
Badysern (Badiseren, Badeysem), Hennann, Ratsherr in Stralsund 106
Bamberg
24
Barth 96
Bartholomäus, hl. 57 Basel 9 -,
Franziskanerkloster 213
Bátele, Ghese v., Vikar an St. Jakobi in Stralsund 205
Beaune, Spital (Hôtel-Dieu) 52
15 km so. v. Stralsund) 92, 98 -, Jakobikirche 92 Beke, Johann v., Bürger in Stralsund 45, 92 Bekendorp, Christian (Kerstianus), Bürger in Stralsund 108,202 Bene, Matthias, Ratsherr in Stralsund 62, 91, 108, 123, 130, 148, 152, 167 Benz (Rügen; ca. 10 km ö. v. Stralsund) 99 Berckmann, Johann, Prediger an St. Marien in Stralsund 39, 82, 200, 201, 225 Bergen (Norwegen) 91 Bergen (Rügen) 218 -Kl. 62,144,187,218 Bemdes, Johann, Priester 45 -, Matthias, Bürger in Stralsund 136, 156, 157 Bemis, Nikolaus v., Vikar an St. Jakobi in Stralsund 205 Bessin (Rügen; ca. 7 km nö. v. Stralsund) 218 Biberach 154 Bischop (Bisschop), Curd, Bürger in Stralsund 151, 157, 159 -, Konrad (Cord), Bürgermeister in Stralsund 87, 120 Blome, Gerhard, Ratsherr in Stralsund 123 Bolhagen, Hans, in Stralsund 92, 93 Bolkow, Johann, Ratsherr in Stralsund 55, 115 Bonow, Konrad, Archidiakon v. Tribsees 82 Brandenburg (Brandenborges), Gobbeke, in Stralsund 88
Behnkenhagen (ca.
Personen- und Ortsindex
290
Brandes, Johann, Priester 184, 206
Brandshagen (ca.
17 km so.
v.
Stralsund) 92,
Emmerich, Kl. 218 Engelbrecht, Joachim, Bürger in Stralsund 196, 203
218
Braunschweig 31,
169
Bremen, Dombaumeister, s. Hemeling, Johann Margarete v., in Stralsund 142 Brisk (Brisck), Nikolaus, Priester 154
-,
Bristol 42 Brochusen (Bruchusen, Brochhusen), Heinrich, Ratsherr in Stralsund 209 Brockmöller (Brockmoire), Gerhard, in Stralsund 57 Buchhorn (Buchorn), Wenemar, Bürger in Stralsund 94 Buckes, Wendel, in Stralsund 115 Buckow (poln. Bukowo; ca. 8 km sw. v. Rügenwalde), Kl. 218
Bützow, Domvikar, s. Swarte, Henning Bure, Hans, Bürger in Stralsund 64, 84, 89, 144
Butzkow, Margarete, in Stralsund 197
(Gft. Venaissin) 147 Celle, v., Familie in Stralsund 193 Cyppeken s. Zipke
Erfurt, Univ. 20 Essen, Arnold v., Ratsherr (?) in Stralsund ///, 114,795 Euphemia, Fürstin v. Rügen 39, 83 Eutin 119 Everhard (Everardus), in Stralsund 228
Faber, Asmus, Bürger in Stralsund 94 Katharina, in Stralsund 94 Fabianus, hl. 83 Falsterbo (Schonen, Schweden) 122, 123, 218 Forchheim 79,24,48 Forez, Gft. 56 Frame, Joachim (Jachym), in Stralsund 84, 192
-,
Frankfurt a. M. 103 Franz v. Assisi, hl. 213
Freiburg, Heiliggeistspital
18
Fridolin, hl. 9 Friedland (ca. 25 km sw. v. Anklam [?]) 218
Cavaillon
Damgarten, Leprosenspital 104, 231 Danske, Johann, Priester 82, 208 Dame, Margarete, in Stralsund 30, 216, 236, 237
Matthias, Bürgermeister in Stralsund 30, 55, 80, 114, 130, 136,167,191, 214, 216, 233, 236-238, 241 Demmin, Heiliggeistspital 97 Dorpen, v., Ratsfamilie in Stralsund 225 -, Johann v., Bürger in Stralsund 209 -,
Ludolf v., Priester in Stralsund 148 Dortmund (Tremonia) 157 Drulleshagen (Drulshagen), Everd, Ratsherr in Stralsund 235-238, 241 Dummans, Heinrich, in Stralsund 158
-,
Eckholt, Heinrich, in Stralsund 144 Trutke, in Stralsund 144
-,
Eichstätt 54 Einsiedeln, Kl. 218 Eixen (ca. 33 km sw. v. Stralsund) 218 Eldena (ca. 3 km ö. v. Greifswald), Kl. 218
Garwe, Hans, Bürger in Stralsund 96 Garz (Rügen; ca. 17 km ö. v. Stralsund) 92 -, Leprosenspital 104
(Hiddensee) 92 Georg, hl. 98,103 Gildenhusen (Gyldenhusen, Ghildehusen), Gellen
Ratsfamilie in Stralsund 193, 203, 217 Albert (Albrecht), Bürgermeister in Stralsund 122, 193, 196, 226 -, Johann, Ratsherr in Stralsund 193 -, Tobias, Ratsherr in Stralsund 93, 105, 196, 233 Gilhus (Ghilhusz), Heinrich, Ritter 193 Glevemer, Johann, Priester 184 Glewinck, Nikolaus, Kanoniker an St. Nikolai in Greifswald 184, 238, 239 Godebus, Johann v., Ratsherr in Stralsund 120, 121 Goswin (Gozwinus), in Stralsund 228 Gotland (Schweden) 91 Grape (Grapen, Gropen), Barbara, in Stralsund 54, 158 -, Gerhard, Priester 57, 198 -, Ludolf 57 Gregor I., Papst 115, 117, 146, 149 -,
Personen- und Ortsindex
291
Heyde (Heyda), Johann v. d., Kirchherr in
Greifswald 91,92, 93, 97, 105, 238 Heiliggeistspital 97 -, Kollegiatstift St. Nikolai 184 -, Univ. 19
Stralsund 87
-,
Hiddingen, Jakob v., Altermann der
Greverade, Ilsebe, in Stralsund 136, 211 -,
Ludwig (Ladewych), Bürgermeister in Stralsund 211
Grimmen, Leprosenspital 104
Gripeswold, Tybbe, in Stralsund 60 Gristow (ca. 25 km so. v. Stralsund), Leprosenspital 104, 231 Gropen s. Grape Grote, Johann, in Stralsund 156 Guleke
(Ghuleke), Familie in Stralsund
197
Hans, in Stralsund 206 -, Johann, Bürger in Stralsund 206 -, Martin, Priester 206 Gute (Ghute), Gottfried, Pfarrherr in Saal (ca. 6
Gewandschneider in Stralsund 44, 87 Hofmester, Heinrich, Ratsherr in Stralsund 82, 151,240 -, Kyneke, in Stralsund 240 Hogedorp (Hoghedorp), Hermann, Bürger in Stralsund 112,114 -, Johann, Bürger in Stralsund 84, 112, 205 Holk, Johann, Ratsherr in Kolberg 209 -, Vinzenz, Bürgermeister in Kolberg 209 -, Wobbeke, in Kolberg 209 Hülsten (Holste), Heinrich, Bürger in Stralsund 158
-,
km
n. v.
Damgarten)
148
Hagedom (Haghedorn), Heinrich, Ratsherr in Stralsund 63
Franziskanerkloster 58 Hamm (Hamme), Abele v., in Stralsund 136
-,
v.
Schwerin,
Archidiakon v. Warnen und Kirchherr v. Stralsund 150 Hären, Arnold v., Kleriker in Stralsund 93 -, Elisabeth, Nonne in Krummin 62 -, Heinrich v., Ratsherr in Stralsund 186, 233 -, Johann v., Ratsherr in Stralsund /// -, Sybrand v., Bürger in Stralsund 62 Hasendorp, Heinrich, Bürger in Stralsund 63, 109 Hasselholt, Hermann, in Stralsund 232 Havemester, Johann, Priester in Stralsund 184 Hecht, Bernd, Bürger in Stralsund 123 Heinrich II., Ks. 54 -, Bf. v. Schwerin 207 Helmstedt 91, 93 Helsingborg (Schonen, Schweden), Kl. 218 Hemeling, Johann, Dombaumeister in Bremen 58 Herder, Jakob, Bürger in Stralsund 78, 84, 88,
113, 114
Sulge, Bürgerin in Stralsund
756"
Hovell, Richard, Priester 184 Hovener, Albert [1], Bürgermeister in Stralsund 90, 98, 102, 193, 196, 210, 225-227, 231, 232 -Albert
[2] 226 Anneke, in Stralsund 226 -, Hebele, in Stralsund 90, 226 Hoyer, Martin, Bürger in Stralsund 203 Hüls (Hultz), Hans, Bürger in Stralsund 123, -,
Haiesten, Peter, Bürger in Stralsund 53, 54,111 Hamburg 58, 126 Hane, Reymar, Dompropst
-,
158
Hundertmark, Heinrich, Bürger in Stralsund 80, 200 Huxer, Hans, Bürger in Stralsund 152 Institor s. a. Kremer Adelheid (Thaïe), in Stralsund 57 -, Bernhard, in Stralsund 57 -,
Jakob (Yacob), Hans, in Stralsund 159 Jaromar II., Fürst v. Rügen 83 Johanna, in Stralsund 121 Johannes, Bf. v. Roskilde 227 -, famulus in Stralsund 98 -hl. 86 -, Priester in Stralsund (?) 192 Johansson, Matthäus, Bürger in Malmö 141, 143 Junge (Junghe), Henning, Ratsherr in Stralsund 63, 136
Kannemaker, Goswin (Godzwinus), Vikar an St. Jakobi in Stralsund 205 -,
Ludeke, Ratsherr in Stralsund 205
292
Personen- und Ortsindex
Kedinck, Hans, Bürger in Stralsund 84, 85 Kemnitz, Heinrich v., Bürger in Stralsund 122 Kersebom, Hermann, Bürger in Stralsund ///, 114
Klattevale, Hans, Bürger in Stralsund 209 Klementes, Barbara, in Stralsund 206 Klempe (Clempe), Nikolaus (Clawes), Bürger in Stralsund 156 Klensmit (Clensmit), Bernd, Bürger in Stralsund 203 Knake, Adelheid (Taleke), in Stralsund 216 -, Hans, Bürger in Stralsund 216 Knut (Knüth, Knud), Michael, in Stralsund 91 Köln 31, 33, 57, 126 -Univ. 19 Koesfeld (Kußveld, Kursveit), Heinrich, Bürger in Stralsund 123 Kolberg (poln. Kolobrzeg) 91, 209, 218 -Heiliggeistspital 105 -, Jürgenspital 105 -, Marienkirche 91, 92 Koldehove (Colde[n]hove), Dietrich (Thidemannus), Bürger in Stralsund 122, 151 Koler, Bernhard, Bürger in Stralsund 122 Konstanz, Heiliggeistspital 18, 149 Krakow, Nikolaus, Ratsherr in Stralsund 87 Kremer s. a. Institor -, Gerhard, Bürger in Stralsund 82, 211 -, Johann, Priester in Stralsund 119, 120 -, Wolter, Ratsdiener in Stralsund 57 Krudener (Crudener), Adelheid (Alheydis), in Stralsund 193 Krummin (ca. 4 km ö. v. Wolgast), Kl. 62, 92,
144,2/5 (Krusen), Kunneke, in Stralsund 86 Kryvitze, Gerhard, Bürger in Stralsund 94, 187 Kuleman, Johann, Bürger in Stralsund 106, 228, 229 Kummerow (Cummerowe), Hans [1], Ratsherr Kruse
in Stralsund 105 -, Hans [2], Bürger in Stralsund 92, 196, 203 Kunigunde, Ks. 54 Kurlebeke, Hans, Bürger in Stralsund 115, 150, 212, 213 -, Heinrich, Bürger in Stralsund 213 Kursveit s. Koesfeld Kusel, Heinrich v., Kleriker 205 Kußveld s. Koesfeld
Landolf, Herr in Glarus 9,10 Lange (Langhe, Longus), Hans, Bürger in Stralsund 151
[1], Stadtschreiber in Stralsund 157 [2], Bürger in Stralsund 153 -, [3], [in Stralsund] 122 -, Jürgen, Bürger in Stralsund 62, 85, 88, 91 -, Peter, in Stralsund 136, 221 Langendorp (Langhedorp), Bernhard, Kanoniker in Eutin 119,122 -, Rychquan, Bürger in Stralsund 202 Langeneck (Langheneeck, Langhenekes), Heinrich, Bürger in Stralsund 90 -, Wobbe, in Stralsund 112, 113 Langenfelde (Langhevelt, Langhevelde), Wulf, Bürger in Stralsund 202 Langeside (Langheside), Marquard 58 -,
-,
Johann Johann Johann
Laurentius, hl. 54
Lemgo (Lemegowe), Heinrich v., Vikar an der Heiliggeistkirche in Stralsund 209 Lemhus, Heinrich, Bürger in Stralsund 193 Leneke, Hans, Bürger in Stralsund 94, 96, 122, 158, 192, 208 (Lylyen), Michael, Priester 115, 148, 183
Lilie
Lippe (Lyppe), Mechthild v., Bürgerin in Stralsund 143 (ca. 20 km sw.
v.
Leprosenspital
104
Loitz
Stralsund),
London 19, 5/, 229
Longus s. Lange Los, Dietrich (Thidemannus), 94 Loten (Lothen, Lotten), Gottfried (Godeke) v., Bürger in Stralsund 122 Louwes, Agathe, in Stralsund 53 Ludike, in Stralsund 121 Ludolf, in Stralsund 121 Lübeck (Lubek, Lubeke) 27,31,33, 58, 86, 91, 92, 122,126,168 Antoniusbruderschaft 74 Dominikanerkloster 74 -, Hl. Leichnamsbruderschaft 74 -, Marienkirche 58, 191 -, Schwesternhaus (Segebergkonvent) 88 -, Stadtrat 27, 121 -, Bernhard v., Vizerektor v. St. Jakobi in Stralsund 60 -, Jakob v. 194 -, -,
Lüdershagen (ca. 4 km sw. v. Stralsund)
92
Personen- und Ortsindex Lüssow (ca. 5 km sw. Lund (Schweden) 91 -, drottenskerke 91
v.
293
Stralsund)
92
Lussow, Hans, Bürger in Stralsund 55, 96 Lutkeman, Adelheid (Taleke), in Stralsund 156 Lutkens, Johann, Priester 184
-,
141, 143 Manegold, Hermann, Ratsherr in Stralsund 123 Maria, hl. 80,52 Malmö
Magdalena, hl.
87
Markus, hl. 83 Marlow (Marlowe), Katharina v., in Stralsund 170 Maskenholt (bei Boldevitz, ca. 7 km w. v. Bergen, Rügen), Johanniterkomturei 74 Mecklenburg 28, 215 Mersman, Heinrich, Bürger in Stralsund 187 Möller (Moire), Roloff [1], Bürgermeister in Stralsund 90, 130, 136, 148, 188, 203,
236-238,241 -,
92,105 Simon v., Bürgermeister in Stralsund 87 Osnabrück 58
Lyon 145
Maria
Orden (Urden), Heinrich v., Ratsherr in Stralsund 62,109, 115, 144, 159, 165, 217 -, Katharina v., Nonne in Lübeck 92 -, Konrad (Curd) v., Bürger in Stralsund 64,
Roloff [2], Altermann der Gewandschneider
in Stralsund, Sohn von [1] 233, 235 Mölln, Kl. Marienwold 86 Mörder, Henning, Bürgermeister in Stralsund 121, 122 Molen, Everd v. d., Ratsherr in Stralsund 97 Munter, Gerhard, Ratsherr in Stralsund 91 -, Michael, Bürger in Stralsund 91, 238
Neuenkamp (Franzburg; ca. 21 Stralsund), Kl. 37,2/«
km
Ossenbrugge (Ozenbrugge), Johann, in Stralsund 152
Osten, Borchard v. d., Ritter 83 -, Johann v. d., Ritter 83 -, Lippold v. d., Ritter 83 Otmersen, Ludolf (Ludeke) v., Bürger in Stralsund 150
Papenhagen (Papenhaghen), Gerhard, Bürgermeister in Stralsund 209 [1], Tochter von Konrad Papenhagen, Nonne in Krummin 92 -, Gertrud [2], Tochter von Hermann Papenhagen, Nonne in Krummin 92 -, Heinrich, Bürger in Stralsund 92, 111 -, Hermann, Bürgermeister in Stralsund 92, -,
195
Katharina, Nonne in Krummin 92 -, Konrad, Bürger in Stralsund 92 -, Michael, Bürger in Stralsund 209 Parow (ca. 4 km n. v. Stralsund) 92 Penesticus, Herbord, Bürger in Stralsund 159 Plötze (Plottzen), Borchard, Vikar in Stralsund -,
45
sw. v.
Nienborch, Sander, in Stralsund 142 Nigebur, Heinrich, Offizial v. Tribsees 45
Norwegen 91 Nürnberg 21,33
Gertrud
Johann, Bürger in Stralsund 122 Poleman, Arnold, Ratsherr in Stralsund 87
-,
-,
Reimborgis, in Stralsund
87
-,
Pomeren, Heinrich, in Stralsund 136 Pommern 27,28,30,9/ -, Hz., s. Wartislaw IX.
-,
-Htm. 28
Franziskanerkloster 22 Heiliggeistspital 18 -, Mendelsches Armenhaus 18 Nyeman, Katharina, in Stralsund / / / -, Peter, Bürger in Stralsund ///, 183 Nynow (Nynouwe), Gottfried, Vikar an St. Nikolai und der Heiliggeistkirche in Stralsund 120 Oldenvlet (Oldenvlete), Rotger v., Priester 209
Pommern-Wolgast, Hz., s. Wartislaw IV. Ponates, Wobbeke, in Stralsund 120 Potho, Bf. v. Schwerin 205 Potlist, Johann (senior), in Stralsund 202 Prohn (ca. 6 km nw. v. Stralsund) 218 Putte (ca. 7 km w. v. Stralsund) 218 -, Leprosenspital 104
Personen- und Ortsindex
294
Puschinger, Dorothea 86 Pustow, Hans, Bürger in Stralsund 116, 144, 149, 156 Putbus, Borante v. 83 -,
Bürger in Stralsund
187
Greifswald 44
Quekel (Qwekel), Heinrich, Ratsherr in Stralsund 105
Rackenberg (Ragghenberghe; bei Bergen, Rügen [?]), Leprosenspital 231 Stralsund) 92 Stralsund) 218 -, Jürgenspital 33, 35, 104, 70«, 187, 226,
Rubenstorp, Heinrich, Bürger in Stralsund 122 Rügen 104,205,218 -, Fürsten, s. Euphemia; Jaromar II.; Wizlaw II.; Wizlaw III. -,Ftm. 105 Rybe, Lubbert, Bürger in Stralsund 205
v.
v.
227, 231, 237 Rand, Lambert, in Stralsund 198 Rave, Heinrich, Bürger in Stralsund 91 Reinkenhagen (ca. 15 km so. v. Stralsund) 99 Rellin (Relyn), Ewald, Vikar an St. Nikolai in Stralsund 45, 154 Remmeler, Peter, Priester 94, 148 Rethen (Rethem), Borchard v., Priester 94 Ribnitz, Kl. 28, 37, 92, 180, 187, 218
Leprosenspital 104 Richtenberg (ca. 18 km sw. v. Stralsund), Leprosenspital 104 Richtestich (Rychtstych), Michael, Bürger in
-,
Stralsund 61 78 -, Herder v., Bürger in Stralsund 122, 210 Robbetzyn, Heinrich (Heyne) v., Ratsherr in Stralsund 104 Röbel, Dominikanerkloster 83 Rode (Rade), Hans vom, Bürger in Stralsund 60, 149, 210 Rolin, Nicolas, burgundischer Kanzler 52 Ronnegarve, Gerwin, Archidiakon v. Tribsees und Usedom 202, 203 Rosen, Johann 201 Roskilde, Bf. 195 -, Bfe., s. Johannes Rostock 27, 91, 93, 108,133,134, 184, 186, 187 -, Kartause Marienehe 93, 218 -Univ. 19 Rotger (Rotgers), Mechthild (Metteke), in Stralsund 97, 142, 158
Riga
Stralsund 205 Rowe (Rouwe), Hans,
Rubenow, Heinrich, Bürgermeister in
Margarete v. 83
Rade s. Rode Ralow (Rügen; ca. 15 km nö. Rambin (Rügen; ca. 9 km nö.
Rothe, Eier (Eylerus), Vikar an St. Jakobi in
Sachtelevent, Bedekin, in Stralsund 53, 57 Säckingen, Kl. 9 -,
Balther v. 9
Sasse, Heinrich, Bürger in Stralsund 143 Saterok, Johann, Ratsherr in Stralsund 54, 153 Saxonia, franziskanische Ordensprovinz 215 Schadegard (bei Stralsund) 199 Scharf (Scharff, Scherff), Heinrich, in Stralsund 88, 123, 144, 165 Schele, Heinrich, Bürger in Stralsund 168 Scherff s. Scharf
Schimmelwige (Schymmelwyge), Hans, Bürger in Stralsund 211 Schonen (Südschweden) 91 Schriver, Arnold 83 -, Helmer 83
Schroder, Hermann, Bürger in Stralsund 203 Schulow, Ratsfamilie in Stralsund 210 Schutte, Konrad (Cort), Bürger in Stralsund 202 Schwerin 225 -,
Administrator, s. Wardenberg, Zutfeld v.
-Bf. 179,184,209 -, Bfe., s. Heinrich; Potho -, Diözese 193
Dompropst, s. Hane, Reymar Sebastianus, hl. 83 Segeberg, Everd, Bürger in Stralsund 92
-,
Seger (Segher, Zeger), Kopke, Bürger in Stralsund 123 Semlow (Zemelow), Johann, Bürger in Stralsund 193 Sepelin (Sepelyn), Johann, Bürger in Stralsund 122, 123,156, 159
Personen- und Ortsindex
Siegfried (Seghefrid, Zeghevrit), Nikolaus, Bürgermeister in Stralsund 193 -, Säbel, Bürgermeister in Stralsund 197, 204 Simon (Syme), Christian (Kersten) 120 Smit (Smyt), Margarete, in Stralsund 121 Nikolaus, in Stralsund 121 Smoldow, Gerhard, in Stralsund 233 Snelle, Christian (Kersten), Franziskaner in
-,
Stralsund 115 Solkendorf (ca. 15 km n. v. Stralsund), Pfarrkirche 92 Soltis, Johann v., Vikar an St. Nikolai in Stralsund 205 Somerstorp, Gertrud, in Stralsund 122 Speth, Martin, Bürger in Stralsund 237 Stargard, Albert v., Vikar in Stralsund 192 Starkow (ca. 25 km w. v. Stralsund), Leprosenspital 104 Steinhagen (Steynhagen), Jakob, in Stralsund 218 Stendal 90 Stettin 91, 93, 121 -, Jürgenspital 105 -, Kartause Gottesgnade 93, 218 Stoltevoet (Stoltewoth), Heinrich, Bürger in Stralsund 122 Storkow (Storcow), Gerwin, in Stralsund 111, 114, 132 Stralsund -, Stadtrat 37, 44, 48, 78, 86, 87, 90, 99, 119,
120, 121, 122, 155, 160,168, 194, 209, 214, 216, 217,225-221', 231 -,
Pfarrkirchen/-kirchspiele
St. Jakobi 32, 33, 36, 44, 45, 55, 60, 78, 80, 103, 108, 119, 120, 143, 144, 154, 156, 157, 184, 194, 197, 199, 204-207, 219, 221, 235, 237, 238, 239 -, -, St. Marien 29, 33, 36, 39, 40, 53, 76, 78, 80, 81, 86,103, 106,108,115,156, 158, 194, 197, 198, 199-203, 205, 206, 219, 220,221,235-237 -, -, St. Nikolai 29, 32, 33, 36, 39, 44, 53, 54, 57, 60, 76, 78, 80, 81, 91,103,108,115, 120,145, 154, 157, 158, 164, 179, 186, 191-196, 198, 199, 201-204, 205, 206, 209, 219, 220, 221, 226, 233, 235-237 -, -, St. Petri (et Pauli) 78, 199 -, -,
295
,
,
Kapellen Apollonienkapelle 82, 207 -, Erasmuskapelle 82, 207 Heiligkreuzkapelle 82, 208 Kapelle im Archidiakonshof 207 -, Marien-Magdalenenkapelle 82, 83, 87, -,
,
,
156, 207, 208
Markuskapelle 82, 83, 208 Klöster, Schwestern- und Beginenhäuser Schwesternhaus St. Annen 28, 29, 35, 61, ,
,
,
,
,
88,89,216 Beginenhaus Mühlenstraße 90 Beginenhaus bei St. Johannis 61, 62, 90, 217
,
Beginenhaus bei St.
Katharinen
61, 62,
90,207,217 Franziskanerkloster St. Johannis 29, 35, 39, 54, 61, 62, 63, 73, 74, 83-85, 88, 116, 143, 144, 147,159,179,185, 187, 211, 212,214-216,227,233 -, -, Dominikanerkloster St. Katharinen 28, 35, 39, 54, 61, 62, 73, 74, 83-85, 88, 116, 142-144, 147, 157, 158, 179, 187,211, 212,2/4,215,216,238 -, -, Birgittenkloster Marienkrone 29, 33, 35, 53, 54,61, 62, 83, 86-89,156,185, 187, 2/4,216,217 ,
-,
-,
Spitäler, Gast- und Armenhäuser Antoniushaus/-kapelle 106, 164, 208, 229
-, -,
St. Brandanienhaus 107 Chorhof 107 -, -, Elendenhaus uppe dem mesvalde 107 -, -, Gasthaus 106, 707, 114,164, 228, 229, 230, 231 -, -,
-,-,
-, -,
Gertrudenhaus/-kapelle 103, 105, 108,
-, -,
HeiliggeistspitalAkirche 33, 35, 36, 82,
756,210,211, 2/9 97-99, 101-104, 114, 120, 121,156, 187, 208-210, 221, 225, 230, 231, 232, 240 -, -, JürgenspitalAkirche 33, 35, 80, 97, 98, 99, 101-104, 108, 114, 156, 208, 210, 225,250,231-233 -,-,
Kannenhaus 107
-, -,
Kromekenhagen
-, -, -,-,
Mannenhaus 107 Marienhof 107
107
Personen- und Ortsindex
296
Korporationen
-,
-, Ahusenfahrerbruderschaft 94 -, Antoniusbruderschaft 164 -, Artushof-Gesellschaft 797 -, Bäckeramt 215
-,
Bergenfahrerbruderschaft 91, 94,
-Böttcheramt -,
211,2/9 -,
-, -,
196
196,215
Brauerkompanie
94 Bruderschaft S. Mariae
compassionis 95 Engelbruderschaft 63, 95 -, Fronleichnamsbruderschaft (Jakobikirche) -, -,
-,
-,
Fuhrleuteamt 95 Gerberamt 196, 203,
-,
Gewandschneiderkompanie 37, 38, 39,
-,
,
-,
,
,
235, 236
53, 76, 105, 196-198, 201, 215, 234 Goldschmiedeamt 76, 797 -, Hakenamt 95, 193, 196, 237 -,
-,
Jakobibruderschaft (Katharinenkirche) 57 Johannisbruderschaft 95 Kaland 38, 57, 63, 65, 160,196,197,
-,
Knochenhaueramt 196
-,
Kramerkompanie 196, 197, 235, 236
-,
Laurentiibruderschaft 95
-, -,
198,220,221
Leinewandschneiderkompanie 37,
¡55 LeineweberamtAbruderschaft 73, 74, 95 -, Maler- und Glaseramt 173, 196 -, Maria-Magdalena-Bruderschaft 63 -, Marienbruderschaft (Jakobikirche) 95, 219 -, Marienbruderschaft (Marienkirche) 32, 37, 65, 96, 97, 219 -, Maureramt 196 -, -,
Müllerkompanie 73, 74 Paulusbruderschaft (Johanniskirche) 57 -, Pawelunsbruderschaft (Jakobikirche) 95 -, Pawelunsbruderschaft (Marienkirche) 95 -, Pelzeramt (Kürschneramt) 196 -, -,
-,
-,
Pfarrschülerbruderschaft zu St. Jakobi 61, 97, 219 Pfarrschülerbruderschaft zu St. Nikolai
61,219 -, -,
Pferdekäuferamt 203 Riemenschneideramt
196-198, 237
Rigafahrerbruderschaft 196 -, Schifferbruderschaft/-kompanie 37, 38, -,
73. 95, 96, 155. 158, 196
Schmiedeamt 196,203 Schneideramt 794, 796 Schonenfahrerbruderschaft 94 Schützenamt 196
Schuhmacheramt 155, 196, 230, 235-237 Trägerbruderschaft 37, 75, 95 ZimmerleuteamtZ-bruderschaft 73, 74 Straßen, Plätze u. ä.
,
44, 219 -,
Schiffszimmerleuteamt/-bruderschaft 106,
,
-Alter Markt 191 -, Altstadt 75,199,204 -, Fischerstraße 88 -, Frankendamm 82 -, Frankenstraße 75 -, Frankenvorstadt 106, 210, 211, 219 -, Heilgeiststraße 115, 144 -, Heilgeisttor 97 -, Katharinenberg 75 -, Kütertor 87 -, Langenstraße 75 -, Langentor 97 -, Marienkirchhof 207 -, Meßfeld (mesvalt) 107 , Mühlenstraße 90 Neuer Markt 82 ,
.Neustadt 199,204,23/
Marienstraße) 106,107,705,228 -, -, Tribseer Tor 106-108, 114, 234 Streze, Gerhard, Bürger in Stralsund 105 Struncken, Wilhelm (Wilken) v., Ratsherr in ,
Rotes Meer (Rodemer;
Stralsund 84 Suleke (Szuleke), Jürgen, Priester in Stralsund 115, 197 Sume (Szume, Süem), Adelheid (Taleke), in Stralsund 197 -, Hans, Bürger in Stralsund 86 Svenesson, Peter, in Stralsund 91,111, 114, 156 Swan, Peter, Bürger in Stralsund 75, 115 Swarte (Zwarte), Henning, Domvikar in Bützow 184,206 -, Johann, Bürgermeister in Stralsund 123 -, Timmo (Tymme), Bürger in Stralsund 53 Swetherus (v. Dorpen?) 225 Symmekendorp, Heinrich, in Stralsund 142
Personen- und Ortsindex
297
Vuth), Arnold [1], Bürgermeister in Stralsund 104, 152, 157,
Tagge, Hermann, Altarist an St. Marien in Stralsund 203,204
Voet (Voot, Vot,
Johann, in Stralsund 203, 204 Takol, Lambert, Notar 149 Thevin, Lubbert, Ratsherr in Stralsund 203 Timme, Vicko, Bürger in Stralsund 106, 228 Travemünde (Travenemunde), Lambert, Bürger
192, 221 Arnold (Arnd) [2], Ratsherr in Stralsund, Neffe v. Arnold [1] 92, 112, 123 -, Arnold (Arnd) [3], Ratsherr in Stralsund, Sohn v. Arnold [2] 112,152 -, Gerhard, Bürger in Stralsund 231 -, Konrad [1], Vater v. Arnold [1] und Konrad [2] 157 -, Konrad [2], Ratsherr in Stralsund 192 -, Mechthild (Metteke) 112 -, Telseke, Nonne in Ribnitz 92 Voge, Otto, Bürgermeister in Stralsund 88, 89, 144 Vogeler, Heinrich, in Stralsund / 73 Voigdehagen (ca. 4 km sü. v. Stralsund) 92, 98 Volmershusen (Vulmershusen), Familie in Stralsund 169,202,203 Vorkenbeke, Nikolaus 209 Vreden, Heinrich v., Bürger in Lübeck 110, 111, 722, 205 Vrobose, Hermann, Bürger in Stralsund, Mönch im Kl. Marienkrone 237 Vryberg (Vryberghes), Mechthild (Metteke), Nonne in Bergen (Rügen) 62 Vust, Martin, Ratsherr in Stralsund 234 Vyrouw s. Virow Vysevase, Geseke, in Osnabrück 58, 59 Vysscher s. Vischer
-,
in Stralsund 225 Tribsees (Trebuzes; ca 35 km sw. Archidiakonat 36, 193, 207 -,
v.
Stralsund),
Archidiakone, s. Bonow, Konrad; Ronnegarve, Gerwin; Wardenberg, Zutfeld
Johann v., Vikar an St. Nikolai in Stralsund 193 Trier, Univ. 20
-,
Ückermünde (ca. 25 km n.
v. Pasewalk), Leprosenspital 104 Ummanz (Rügen) 92,99,218
Unrowe
(Unrouwe), Hebele 74
Henning
74 Orden Urso, Herr in Glarus Usedom 92
-,
Urden
-,
s.
9, 10
Archidiakon, s. Ronnegarve, Gerwin
Valke, Leo, Bürger in Stralsund / 79 Valréas (Gft. Venaissin) 147 Velgast (ca. 20 km w. v. Stralsund) 53, 92, 218 Venaissin, Gft. 47, 67, 140, 147, 163 Venedig 71 Verchen (ca. 10 km sw. v. Demmin), Kl. 144 Verden, Gasthaus 91 -, Jürgenspital 105 -Pfarrkirche 91 -, Dietrich (Tydeman) v., Bürger in Stralsund 91, 93, 101, 136, 232 Verman, Heinrich, Priester in Stralsund 94 Vestfal s. Westfal Vette, Heinrich, Bürger in Stralsund 123 Virow (Vyrouw), Hermann, Bürger in Stralsund 60, 102, 115, 132, ¡44, 162, 207 Visby (auf Gotland) 91 -, Franziskanerkloster 91 -, Johanniskirche 91 -, Marienkirche 91 Vischer (Vysscher), Thomas, Bürger in Stralsund 57
-,
Wachenscede, Konrad v., Ratsherr in Stralsund 78
Wagendriver (Waghendriver), Martin, Notar 119
Wardenberg, Henning, Bürgermeister in Stralsund 203
Zutfeld, Administrator v. Schwerin und Archidiakon v. Tribsees 207, 208 Waren (ca. 40 km w. v. Neubrandenburg), Archidiakon, s. Hane, Reymar Warendorf, Heiliggeistspital 91 -, Jürgenspital 105 -
-,
Marienkirche 91
Warendorp, Heinrich, Bürger in Stralsund 91, 193 Wartislaw IV., Hz. 208
v.
Pommern-Wolgast 156,
IX., Hz. v. Pommern 87 -
Personen- und Ortsindex
298 Weismain (ca. 30 km nw. v. Bayreuth) 20, 24, 48 Wendorf (Rügen; ca. 17 km ö. v. Stralsund) 233 Went, Dietrich (Tytke), Bürger in Stralsund 123 Wessel, Franz, Bürgermeister in Stralsund 36,
40, 64, 160, 194, 200, 201, 202,204, 207, 217,235 -, Hans, Bürger in Stralsund 123 Westfal (Westval, Vestfal), Greta, in Stralsund 792
Heinrich, in Stralsund 104, 142 -, Katharina, in Stralsund 755
-,
Westfalen 157 Wickede, Gottfried v., Ratsherr in Stralsund
104, 705, 110, 757, 226-228, 235, 238, Widen, Hermann v. d., Bürger in Stralsund 114 Widenbrugge (Wydenbrugghe), Gottschalk (Goswin), Ratsherr in Stralsund 197, 210, 228, 233 Wiek (Wittow/Rügen) 92, 218 Wien 31, 126, 140 -,
Schottenkloster 56
Wilde, Adelheid (Taleke), in Stralsund 95 Wismar 91, 126 Dominikanerkloster 216 Witte (Albus), Berthold Ratsherr in Stralsund 91, 200 -, Dietrich (Tidericus), Ratsherr in Stralsund 43, 93, 103, 200, 202, 210 -,
,
Johann, Ratsherr in Stralsund 97, 93, 214 Katharina, in Stralsund 62, 94 -, Konrad, Ratsherr in Stralsund 97, 93, 114, 209, 214 Wittenburg (ca. 30 km sw. v. Schwerin) 57 Wizlaw II., Fürst v. Rügen 83 III., Fürst v. Rügen 192, 195 Wren (Wreen), Johann, Bürgermeister in -, -,
-
Stralsund 225
Wreden, Johann, Bürger in Stralsund 44 Wulf (Wlf), Hans, in Stralsund 141, 143 Wulflam, Bertram, Bürgermeister in Stralsund 226, 231 Wulfhard (Wlfardus), in Stralsund / 70 Wustehove (Wostehove), Johann, Bürger in Stralsund 202 Yacob
s.
Jakob
Yltud, domina 103
Zeger s. Seger Zeghevrit s. Siegfried Zemelow s. Semlow
Zipke (Cyppeken, de), Heinrich v., Ratsherr in Stralsund 57
Zolwede, Matthias, Kirchherr in Stralsund 193 Zürich 155, 158 Zwarte
s.
Swarte
Zwerting, Gregor, Ratsherr in Stralsund
122