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German Pages 163 [182] Year 1901
Entscheidungen des
Ober-Seeamts und der Seeämter des
Deutschen Reichs. Herausgegeben
im
Reichsamt des Innern.
Dreizehnter Band. Ejeft 5.
Hamburg.
Verlag von £. Friederichfen & Co.
1900.
Jnhalt. Seite
51. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 8. April 1899, betreffend den Zusammenstoß der Schraubendampfer „Thekla Bohlen" von Hamburg und „Minneburg" von Bremen auf der Elbe ............................................................................................................................... 317 52. Spruch fccs Seeamts zu Bremerhaven vom 12. April I899, betreffend den Seeunfall des viermastigen Schiffes „Theodor" von Bremen.............................................................. 328
55. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 13. April 1899, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Moravia" von Hamburg...................................................... 334 5§. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 22. April 1899, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Pretoria" von Hamburg..................................................................... 345 55. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 28. April 1899, betreffend den Seeunfall des Dreimastschooners „Christoph Rasten" von Oldersum ....................................................... 354
56. Spruch des Sceamts zu Bremerhaven vom 18. Mai 1899, betreffend den Seeunfall des Vollschiffs „Regulus" von Bremen.................... ...... 558
57. Spruch des Seeamts zu Brake vom 27. Mai 1899, betreffend den Seeunfall der Bark „Callao" von Brake................. ........................................................... 363 58. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 19. Juni 1899, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Trinidad" von Riel................................ 368
59. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom }. März 1899 und Entscheidung des Raiserlichen Ober-Seeamts vom 20. Juni 4399, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Hinrich" von Riel................ 373 60. Spruch des Seeamts zu Flensburg vom 6. März t«99 und Entscheidung des Raiserlichen Ober-Seeamts vom 21. Juni ^399, betreffend den Seeunfall des Schraubendampfers „Titus" von Hamburg............................................................................................................. 382 61. Spruch des Seeamts zu Rostock vom 1. April 1899 und Entscheidung des Raiserlichen Ober-Seeamts vom 4. Juli 1899, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Lydia Millington" von Rostock mit dem britischen Segelfischerfahrzeug „Emblem"... 390
62. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 5. Juli 1899, betreffend den Zusammenstoß des Fischdampfers „wangeroog" von Bremerhaven mit dem russischen Schooner „Garam" im Skagerack...................................... 399 63.
Spruch fccs Seeamts zu Hamburg vom 13. Juli 1399, betreffend den Zusammenstoß des Schraubendampfers „Carl woermann" von Hamburg mit dem dänischen Dreimastschooner „Brünette" auf der Elbe............................ 402
64. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 23. Juli 1899, betreffend den Seeunfall der Bark „Ariadne" von Hamburg............................ 410 (Fortsetzung folgt auf der dritten Seite des Umschlags).
Schraubendampfer Thekla Bohlen und Minneburg.
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5(. Spruch des Seeamts zu Hamburg vom 8. April (899, betreffend den Zusammenstoß der Schraubendampfer „Thekla Bohlen" von Hamburg und „Minneburg" von Bremen auf der Elbe. Der Spruch des Seeamts lautet: Die Tollision zwischen den Schraubendampfern „Thekla Bohlen" und „Minneburg" vor der Mündung der Mste am 2(. März (899 Morgens, wodurch beide Schiffe schwere Beschädigungen erlitten und zwei Schiffsleute der „Thekla Bohlen" ihren Tod fanden, ist durch das unrichtige Steuerbordruder der „Minneburg" herbeigeführt. Mb der kootse Stehr das entscheidende Rudercommando auf der „Minneburg" falsch gegeben, oder ob der Rudersmann dasselbe falsch verstanden hat, hat sich mit Sicherheit nicht auf
klären lassen. Das Verlassen der Brücke seitens des wachhabenden zweiten Steuermanns Marwedel, der in Vertretung des Schiffers zur Zeit die Führung des Schiffes „Minneburg" hatte, und dessen Aufgabe es im Besonderen war, die Anordnungen des kootsen zu übermitteln und deren richtige Ausführung zu überwachen, ist strengstens zu rügen. Die Führung der „Thekla Bohlen" trifft kein verschulden. Thatbestand. Am2(.März (899Morgens3Uhr30Minuten fand vor der Mündung der Mste auf der Unterelbe ein Zusammen stoß zwischen dem elbaufwärts fahrenden Dampfer „Thekla Bohlen" und dem elbabwärts fahrenden Dampfer „Minneburg" statt, durch welchen beide Dampfer schwere Beschädigungen erlitten und zwei Schiffs leute der „Thekla Bohlen" ihren Tod fanden. (. Die „Thekla Bohlen", Unterscheidungs-Signal RABI, ist ein im Jahre (894 in Hamburg aus Stahl erbautes Dampfschiff von 40(( 7 cbm — (4(6,14 britischen Register-Tons der in Hamburg ansässigen IVoermann-Linie. Geführt wird das Schiff vom Schiffer Hermann Thristoph Rieck. LUI. 21
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Die „Thekla Bohlen" traf, von der Westküste Afrikas kommend, mit einer Ladung afrikanischer Products am 20. März U Uhr Abends auf der Elbe ein und steuerte unter Anweisung des Staats» lootsen Ioh. Boje elbaufwärts. Morgens 2 Uhr (0 Minuten am 21. März wurde Cuxhaven pasfirt bei schönein, sternenklarem Wetter und leichtem NNGWinde. Elbaufwärts steuernd wurden mehrere abwärts kommende Dampfer unter Backbordruder passirt. Nachdem das ungefähr quer ab von Mtterndorf mitten im Strome liegende Wrack des englischen Dampfers „Torso" passirt war, steuerte Lootse Boje direct auf das Msteriff-Feuerschiff zu, dasselbe etwas an Back bord haltend. Das Feuer von Vsterende-Groden hielt man etwas südlich des Altenbrucher Blinkfeuers und steuerte damit südlich im Fahrwasser aufwärts. Gesteuert wurde auf der oberen Brücke mittelst Dampfruders von dem Matrosen Glazer. Neben dem Lootsen befand sich der erste Steuermann Busch, auf Ausguck auf der Back Matrose Wendt. Die Maschine bediente der zweite Maschinist Tunz. Als man im Verlaufe der Fahrt Morgens gegen 3 Uhr 30 Minuten ungefähr bis zur Tonne T gekommen war, erblickten die Wachhabenden ziemlich an Backbord voraus das Toplicht und grüne Seitenlicht eines entgegenkommenden Dampfers, welcher in dem festen Sector des Sösmenhusener Feuers elbabwärts kam. Das Gsteriff-Feuerschiff war in diesem Augenblicke recht voraus. Vom Ausguck wurde der Dampfer ebenfalls gemeldet. Nachdem jener Dampfer in die Nähe des Gsteriff-Feuerfchiffs gekommen war, änderte er anscheinend seinen Turs, wie solcher durch den Verlauf des Fahrwassers bedingt wurde, nach Steuerbord, sodaß sein rothes Licht mehrere Strich, nach Angabe des Lootsen 2Ve Strich, an Backbord der „Thekla Bohlen" peilte. Der Schein des grünen Seitenlichts jenes Dampfers war gleichfalls noch schwach zu sehen. Aus der Stellung der farbigen Seitenlichter zu dem Toplicht erkannten die beiden Wachhabenden, daß der Dampfer nur eben frei von der „Thekla Bohlen" zeigte. Steuermann Busch machte den Lootsen auf diesen Umstand besonders aufmerksam und fragte, ob man nicht noch etwas Backbordruder geben könne, da die Schiffe sich reichlich dicht kämen. Lootse Boje bejahte dies; in demselben Augenblick verschwand das rothe Seitenlicht des Gegen dampfers und erschien das grüne Licht allein. Lootse Boje ließ nun das Ruder sofort hart Backbord legen. Steuermann Busch sprang, die Gefahr deutlich erkennend, ans Ruder und half es dem Ruders mann mit überlegen. Da jener Gegendampfer rechtwinkelig auf die „Thekla Bohlen" zukam, rief Boje dem Steuermann zu, zu pfeifen.
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welche Drdre Pusch durch Abgabe mehrmaliger Marmmgsstgnale befolgte. Auf Grdre des Lootsen gab Steuermann Busch auch das Lurssignal mit der Dampfpfeife ab. In diesem Augenblick erschien Schiffer Rieck auf der Brücke, der, durch die Marnungssignale von seinen Arbeiten in dem Kartenzimmer aufgeschreckt, nach oben geeilt war. Von dem anderen Dampfer erfolgten als Antwort auf das Turssignal drei kurze Töne seiner Dampfpfeife. Im nächsten Augen blick stießen die beiden Schiffe aber auch schon mit ungeheurer Gewalt zusammen. Gleich nach dem Zusammenstöße saß die „Thekla Bohlen" an der Südseite des Fahrwassers an Grund. Jener Dampfer, welcher der von Hamburg kommende Bremer Hansadampfer „Minneburg" war, war etwa 20 Fuß vom Vordersteven in die Backbordseite der „Thekla Bohlen" hineingelaufen, dieselbe bis unter die Wasserlinie durchschneidend. Durch den Zusammenstoß wurden zwei zum heizer personal gehörige Leute, die in ihren Kojen auf Backbord schliefen, zermalmt, drei weiteren, dort gleichfalls schlafenden Leuten -es Heizer personals gelang es mit knapper Noth, sich aus dem offengerissenen Schiffe theils über die Back, theils auf die „Minneburg" überkletternd, zu retten. Der auf Ausguck gewesene Matrose Mendt war, als er plötzlich das grüne Licht jenes Gegendampfers auf die „Thekla Bohlen" nahezu rechtwinkelig zukommen sah, auf seinem Posten geblieben, hatte das Erscheinen des Dampfers nochmals nach der Brücke ge meldet, war im Moment des Zusammenstoßens auf die Steuerbord seite der Back geeilt und hatte die dort unter der Back schlafenden Matrosen gepurrt, die aber, theilweise schon durch den Stoß auf geschreckt, aus dem Logis herausgesprungen waren. Auf Backbord seite war durch den gewaltigen Zusammenstoß der geheizte eiserne (Dfen umgeworfen und die Petroleumlampe im Heizerlogis herunter gefallen. Der frische Gstwind, welcher durch die int Bug gerissene Meffmmg ungehindert Zutritt fand, fachte die zerstreut umherliegenden glühenden Kohlen, durch das ausgeflossene Petroleum genährt, sofort zu Hellen Flammen an, die an den umher liegenden Kleidungs- und Bettstücken reichliche Nahrung fanden. Da auch das Tollistonsschott durchgestoßen war, drang das Feuer auch in das Zwischendeck, und geriethen die dort lagernden Palmkerne ebenfalls in Brand. Schiffer Rieck und Lootse Boje gingen jetzt auf den noch längsseit liegenden, durch die Ebbe herumgeschwoiten Dampfer „Minneburg" über, um sich von dem Schaden ihres Schiffes zu überzeugen. Inzwischen war an Bord der „Thekla Bohlen" der Ruf ergangen, die Besatzung solle auf den „Minneburg" übergehen, was von den meisten Schiffs-
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leuten auch befolgt wurde, nachdem sie ihre Effecten zusammengepackt hatten. Da das Feuer in der Palmkernladung schnell um sich griff, kehrte ein Theil der Besatzung an Bord zurück, und wurden nun unter Anleitung der Maschinisten die Schläuche angeschroben, um das Feuer zu löschen. Da der Dampf inzwischen sehr herunter gegangen war, war die Wirkung der Dampfspritzen nur eine sehr schwache. Man ersuchte den noch immer längsseit liegenden Dampfer „Minneburg", seine Löschvorrichtung ebenfalls in Thätigkeit zu setzen, was auch versucht wurde. Doch waren die Röhren der Wasserleitung auf dem „Minneburg" gefroren, und konnte daher keine hülfe geleistet werden. Der'Dampfer „Minneburg" mußte dann auch bald von der Seite der „Thekla Bohlen" fortholen, um nicht selbst in Brand zu gerathen. Der „Minneburg" ging in der Nähe im Strom vor Anker. Da die meisten der auf den „Minneburg" übergegangenen Schiffs leute der „Thekla Bohlen" nicht wieder auf ihren Dampfer zurück wollten, sandte der Führer des „Minneburg" Leute seiner Besatzung zur hülfe. Sämmtliche Steuerleute, Maschinisten, Assistenten, Bootsund Zimmerleute der „Thekla Bohlen" waren auf ihrem Schiffe geblieben. Jtt Folge der von der „Thekla Bohlen" gezeigten Noth signale war von Brunsbüttel, wo man jene Nothsignale bemerkt, nach Tuxhaven telegraphirt worden, um Schlepperhülfe zu senden. Diese kam auch um 6 Uhr Morgens bei den in Noth befindlichen Schiffen an. Es gelang den Schleppern, das Feuer auf der „Thekla Bohlen" durch ihre Löschvorrichtungen zu dämpfen und das Schiff dann ab- und rückwärts nach Hamburg aufzuschleppen, wo es am 22. März Nachts anlangte, hier trat nun die Feuerwehr in Action und löschte das Feuer gänzlich. Es zeigte fich, daß die Leichen der beiden bei dem Zusammenstöße verunglückten Heizer völlig verbrannt und nur noch einige stark verkohlte Ueberreste vorhanden waren. Nach dem Berichte der Direction der Feuerwehr ist nach der Lage, in der die verkohlen Ueberreste zwischen den Eisenplatten festgeklemmt vorgefunden worden, mit Sicherheit anzunehmen, daß beide Personen durch die Tollision sofort getödtet und dann deren Leichen verbrannt sind. Nach den Angaben ihrer in demselben Logis schlafenden Lollegen hat nur der Storekeeper haesecke im Augenblick der Tollision zwei Schmerzensrufe ausgestoßen. Auf die Zurufe ihrer Tollegen, schleunigst herauszukommen, hat keiner der beiden Leute mehr geantwortet; auch sind keine weiteren Schmerzens- und Hülferufe vernommen worden.
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2. Der Dampfer „ Minneburg", Heimathshafen Bremen, Unterscheidungs-Signal HGFT, ist im Jahre J896 zu Middle'sborough
in England erbaut, hat einen Netto-Raumgehalt von 4fr 526,s cbm — l597,77 britischen Register-Tons, ist Eigenthum der Deutschen Dampfschiffahrts-Gesellschaft Hansa und steht unter der Führung des Schiffers Adolf Heinrich Marius Schwartz. Das Schiff kam, von dem preußischen patentlootsen Johann Christoph Stehr aus Blankenese gelootst, die Elbe abwärts. Lootse Stehr giebt an, daß es während der Fahrt klare, mondhelle Luft gewesen, bei frischem nördlichen Winde. Der „Minneburg" hatte Hamburg am 20. März Abends s0 Uhr 30 Minuten verlassen. Bis s Uhr war Schiffer Schwartz an Deck gewesen und ging dann nach Rücksprache mit dem Lootsen nach seiner Kammer. Dem wachhabenden zweiten Steuermann Marwedel gab er den Befehl, die Brücke nicht zu verlassen und, wenn dies nöthig würde, ihn durch die nach seiner Kammer führende Klingel zu rufen, ihn jedenfalls aber zu rufen, sobald es unsichtiger würde oder viele Schiffe entgegenkämen. Um 2 Uhr kam Matrose Tripp ans Ruder, und Matrose Walther auf die Back auf Ausguck. Gesteuert wurde auf der oberen Brücke mittelst Dampfruders. Wie die seeamtliche Inaugenscheinnahme feststellte, functionirt das Dampf ruder ausgezeichnet. Mit WSWV-WTurs näherte man sich unter voller Fahrt mit Atmosphären Dampfdruck und 67 Umdrehungen in der Minute dem Gsteriff-Feuerschiff und sah weiter elbabwärts die Toplichter von zwei elbaufwärts kommenden Dampfern, den einen in weiter Ferne, den anderen eben unterhalb der Gstemündung. Von diesem Dampfer wurde auch das rothe Seitenlicht gesehen. Etwas oberhalb Gsteriff-Feuerschiff ließ Lootse Stehr das Schiff einen Strich nach Steuerbord abdrehen. Beim passiven des Gsteriff-Feuerschiffs erkundigte sich Steuermann Marwedel nach dem Namen des Feuers und ging dann, ohne dem Lootsen Bescheid zu sagen, von der Brücke, um an geblich die Zeit des passirens jenes Feuerschiffs ins Journal einzu tragen. Der Rudersmann sah den Steuermann hinuntergehen; der Lootse, der an der Vorderkante der Brücke stand, bemerkte es nicht. Eben unterhalb des Gsteriff-Feuerschiffs ließ Stehr den Dampfer noch einen Strich abdrehen, damit der aufkommende Dampfer das rothe Seitenlicht des „Minneburg" gut sehen könne. Hierbei legte der Rudersmann, der nach der Aussage des Schiffers Schwartz und seiner Steuerleute sehr gut steuerte, das Ruder anscheinend etwas weit über, so daß Lootse Stehr ihm sagte: „Langsam mit dem
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Ruders Eootfe Stehr giebt zu, daß er das etwas zu viel gelegte Ruder den anderen Weg habe legen und stützen lassen. Als der Gegendampfer nun näher herangekommen, will Stehr das Ruder Backbord beordert und, als das Schiff nicht gleich kam, „etwas mehr" gerufen haben, welches Tommando der Rudersmann beantwortet habe. Als Stehr dann aber wahrzunehmen glaubte, daß das Schiff nicht nur nicht nach Steuerbord abfiel, sondern sogar nach Backbord abdrehte, eilte er nach dem Ruder, befühlte mit der Hand den Zeiger des Ruders und erkannte sofort, daß das Ruder Steuerbord liege. Vorher hatte er schon hart Backbord gerufen, welches Tommando der Rudersmann ebenfalls beantwortete. Als Stehr dann ausrief, das Ruder liegt verkehrt, soll nach Angabe Stehr's der Rudersmann erschrocken zusammengefahren sein und geäußert haben, er müsse das Ruder doch erst überdrehen. Lootse Stehr eilte dann an den Telegraphen und gab das Signal für volle Kraft rückwärts in die Maschine. In diesem Augenblick erschien Schiffer Schwartz, der durch das rasche Ueberdrehen des Ruders aufmerksam geworden war, daß mit dem Ruder manövrirt werde, auf der Brücke und unmittelbar hinter ihm der zweite Steuermann. Schiffer Schwartz gab nochmals das Signal „volle Kraft rückwärts" in die Maschine. Diese schlug dann auch rückwärts an, ehe das Rückwärts arbeiten und ehe das hart Backbord gelegte Ruder zur Wirkung kam, erfolgte der Zusammenstoß, und schwoite der „Minneburg" dann durch den starken Ebbstrom herum längsseit der „Thekla Bohlen". Der Rudersmann Tripp giebt im Wesentlichen eine überein stimmende Darstellung mit den Vorgängen auf der Brücke, bestreitet nur, vor dem hart Backbord, dem letzten Manöver vor der Tollision, bereits schon einmal das Tommando Backbord bekommen zu haben. Der Lootse habe vielmehr vorher das Ruder etwas Steuerbord legen lassen, dann commandirt „etwas mehr" und schließlich, als der andere Dampfer dicht vor dem Bug des „Minneburg" gewesen, das Ruder hart Backbord legen lassen, was für ein Freisteuern ersichtlich zu spät gewesen sei. Die Entfernung der Schiffe von einander, als der „Minneburg" unter Steuerbordruder abfiel, schätzt Rudersmann Tripp auf 500 bis 600 Meter. Der Ausguckmann Walther schätzt die Entfernung der Dampfer von einander, als der aufwärts steuernde Dampfer abdrehte, auf bis 5 Schiffslängen, auch sah Walther zunächst das Toplicht, dann beide Seitenlichter und zuletzt allein das rothe Licht der „Thekla Bohlen". Die weiteren Vorgänge schildert die Besatzung des „Minneburg" übereinstimmend mit der obigen Darstellung, die die Führung der „Thekla Bohlen" giebt.
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Nach dem Maschinenjournal wurde das Kommando „halt" und „Volle Kraft rückwärts" um 3 Uhr 33 Minuten gegeben; um 3 Uhr 36 Minuten das Tommando „halt". Im Journal wird bei letzterem Tommando angegeben: „Bemerken inzwischen einen starken Stoß". Mann genau zwischen den angegebenen Zeiten der Zusammenstoß erfolgt ist, vermochte der wachhabende Maschinist nicht anzugeben. Der erste Maschinist lag in seiner Kammer auf seinem Sopha, wurde durch das Rückwärtsschlagen der Maschine aufgeschreckt, sprang auf, eilte nach dem dicht bei seiner Kammer befindlichen Maschineneingang, und in demselben Augenblick, als er im Eingänge zur Maschine war, erfolgte der Zusammenstoß. 3. Die Beschädigungen des Dampfers „Thekla Bohlen" sind sehr bedeutende, wie aus den zu den Acten gebrachten photographiern und der von einem technischen Sachverständigen aufgemachten Skizze zu ersehen ist. An der Backbordseite wurden die Außenhautplatten, Stringer, Spanten und Decks durchschnitten, und reicht der Einschnitt bis weit unter die Wasserlinie herunter. Außerdem sind die Schott wände der Backbordseite sowie die Lukensülle der Luke No. \ und die Decks bis zum Fockmast verschoben und verbeult. An der Steuerbord seite ist ein großer Theil der Außenplatten, Spanten, Stringer rc. durch das Glühendwerden im Feuer stark verbogen, außerdem hat das Feuer die ganze Holzeinrichtung im Heizer- und Matrosenlogis, die hölzernen Decks und die Vorrathsräume zerstört; auf der Back wurden die Ankerwinde, Poller, Klüsen, Ankerketten rc. ebenfalls schwer beschädigt. Der Gesammtschaden beläuft sich auf ungefähr lOOOOOÄ Der Schaden des „Minneburg" geht gleichfalls auf beiden Seiten bis weit unter die Wasserlinie, und ist der Vordersteven gebrochen. Der Schaden dieses Schiffes beträgt ungefähr 58000 JH. Der Stoßwinkel, unter welchem der Dampfer „Thekla Bohlen" von dem „Minneburg" getroffen wurde, beträgt nach der technischen Ausmessung ungefähr ^5—50°. Gründe. Das Fahrwasser der Elbe macht gerade bei dem Msteriff-Feuerschiff eine Biegung mehr nach Westen, sodaß auf kommende Schiffe von unterhalb des Feuerschiffs in der Nacht das grüne Seitenlicht von elbabwärts kommenden Schiffen auf Backbordbug sehen müssen, solange diese sich noch oberhalb des Feuerschiffs befinden. Die letzteren sehen dann nur das rothe Licht des aufkommenden Schiffes etwas über Steuerbordbug. Eine solche Lichtererscheinung fand auch in dem vorliegenden Falle thatsächlich statt, indem die
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„Thekla Bohlen", als sie sich nach der Angabe des kootsen ungefähr bei Tonne T befand, das Toplicht und grüne Leitenlicht des „Minneburg" über Backbordbug sichtete, während „Minneburg" noch oberhalb des Feuerschiffs das Toplicht und rothe Leitenlicht der „Thekla Bohlen" sah. Aus diesen Angaben geht zugleich hervor, daß die kootsen der beiden Dampfer gegenseitig die Leitenlichter des Gegendampfers bei der außergewöhnlich klaren Nacht, was dem Leeamt durch einen seiner Beisitzer aus dessen eigener Wahrnehmung bestätigt wird, bereits auf eine Entfernung von mehr als zwei Seemeilen in Licht bekamen und demnach frühzeitig genug ihre Position erkannten, um an sich jede Tollisionsgefahr vermeiden zu können. Daß -er „Minneburg" besonders gute Lichter besitzt, geht aus den eingelieferten Laternenattesten hervor; den. Zahlen des Attestes über die Helligkeit des grünen Seitenlichts ist zu entnehmen, daß die grüne Leitenlaterne etwa 2 Vs Seemeilen sichtbar ist. Die „Thekla Bohlen" hatte die Südseite des Fahrwassers zu halten, während der „Minneburg" gleich nach dem passiren des Gsteriff-Feuerschiffs so weit Backbordruder geben mußte', daß er die „Thekla Bohlen" gut auf seine Backbordseite brachte und dieser nur das rothe Licht zeigte. Das erstere ist auf der „Thekla Bohlen" auch geschehen, da das Feuer von Msterende-Groden etwas südlich vom Blinkfeuer gehalten wurde, was Lootse Stehr vom Dampfer „Minneburg" auch bestätigt. Zudem ist das Aufsteuern der „Thekla Bohlen" in der südlichen Hälfte des Fahrwassers auch dadurch erwiesen, daß die Tollision, obgleich jeder der Dampfer nicht mehr als 2—3 Strich von seinem Turse abgedreht ist (der Tollisionswinkel beträgt nach der technischen Ausmessung ^V« Strich von vorn) noch innerhalb der Vste-Boje stattgefunden hat, wie dies durch das Angrundkommen der „Thekla Bohlen" unmittelbar nach dem Zusammenstoß erwiesen ist. Auf dem „Minneburg" wurde zwar gleich nach dem passiren des Feuerschiffs Backbordruder gegeben, sodaß sein rothes Licht für die „Thekla Bohlen" gut in Sicht kam, indeß doch nicht in genügender Weise, da ein Schein des grünen Lichtes noch immer von der Brücke der „Thekla Bohlen" gesehen wurde und den Steuermann Busch veranlaßte, den Lootsen speciell auf diesen Umstand aufmerksam zu machen. Hierdurch wurde eine Annäherung der Schiffe herbeigeführt, die ein passiren in nächster Nähe zur Folge haben mußte, was bei der großen Fahrgeschwindigkeit beider Schiffe leicht eine Tollisions gefahr nach sich ziehen konnte. Der „Minneburg" hatte sich in der
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That so weit der Turslinie der „Thekla Bohlen" genähert, daß thatsächlich deren grünes Licht auch für den Ausguckmann des „Ukinneburg" in Ächt kam. Für ein solches Verfahren lag aber an sich kein Grund vor, da das Fahrwasser sich gleich unterhalb des Dsteriff-Feuerschiffs wesentlich verbreitert und kootse Stehr daher, ohne der Mste-Bank $u nahe zu kommen, dem entgegenkommenden, in der Südhälfte des Fahrwassers aufsteuernden Dampfer gleich von vornherein etwas mehr Ramn hätte geben können und müssen. Lootse Stehr hätte daher das Ruder nicht zu frühzeitig stützen und den Rudersmann nicht veranlassen sollen, das Ruder etwas nach Steuer bord zurückzudrehen. Jedenfalls hat das frühzeitige Stützen und Zurückdrehen des Ruders zu dem verhängnißvollen Irrthum des Hartsteuerbordruders, wodurch die Tollision herbeigeführt wurde, beigetragen. €s ist hierbei hervorzuheben, daß das Ruder, wie die seeamtliche Untersuchung an Bord ergeben hat, sich sehr leicht drehen läßt und dadurch den kootsen Stehr veranlaßt haben mag, das Ruder frühzeitig zu stützen. Db Lootse Stehr nach dem Tommando „Stützen" das Ruder wirklich „hart Backbord" beordert hat, als er die zu große Annäherung an die „Thekla Bohlen" bemerkte, oder ob der Rudersmann sich versehen hat, hat sich mit völliger Sicherheit nicht aufklären lassen, da jeder der beiden Zeugen bei seiner Ansicht verbleibt; der Lootse, daß er nach dem Stützen „Backbord" commandirt habe, der Rudersmann, daß ihm nach dem Stützen des Steuerbordruders kein Backbordrudercommando, sondern das Tommando „Bischen mehr" gegeben sei, was er nur auf das vorherige Steuerbordruder habe beziehen können. Das Tommando „Bischen mehr" stellt auch Lootse Stehr nicht in Abrede, nur soll dies nach dem „Backbordruder" erfolgt sein. Daß der Rudersmann das Ruder falsch gedreht, vermag das Seeamt nach dem ganzen Auftreten des Tripp und dem Zeugniß seiner Vorgesetzten, daß er ein gewandter und guter Steurer sei, nicht anzunehmen, ebensowenig aber auch, daß Lootse Stehr dem Seeamt nicht die Wahrheit gesagt habe. Vielleicht finden jene Vorgänge in dem Umstande ihre Erklärung, daß die Vorderkante der Brücke, wo Lootse Stehr gestanden, reichlich weit von dem Standpunkte des Rudersmanns entfernt ist, und daß das von Stehr gegebene Tommando „Backbord" im Winde verklungen ist, ohne daß es der Rudersmann auf seinem Standorte hat hören können. Wie dem immer sein mag, völlig aufzuklären sind die näheren Umstände nicht
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gewesen, thatsächlich lag das Ruder „hart Steuerbord", als kootse Stehr zum Ruder sprang und nachsah, weshalb der „Minneburg" den verkehrten Weg abdrehte. Durch dieses Verfahren wurde die Kollision unvermeidlich. Das Ueberlegen des Ruders, das heißt, das wirklich ausgeführte letzte Backbordruder und das Rückwärtsarbeiten der Maschine konnte bei -er großen Fahrgeschwindigkeit der beiden Dampfer und der großen Nähe derselben ;u einander den Stoß kaum noch abschwächen. In der That zeigt das tiefe Eindringen des Stevens des „Minneburg" in den Backbordbug der „Thekla Bohlen" und die gewaltige Zer störung des ganzen Vorderschiffs fast bis zum Fockmast, daß die Geschwindigkeit des „Minneburg" noch wenig gemindert sein konnte. Der Irrthum mit dem Ruder, der die schwere Aatastrophe herbeiführte, hätte aber nicht vorkommen können, wenn der Steuer mann Marwedel auf seinem Posten geblieben wäre und, wie es seine Pflicht war, den Rudersmann bei Ausführung der ihm gegebenen Tommandos controlirt hätte. Es ist zwar auf engen Revieren allgemeiner Gebrauch, daß der Lootse die Rudercommandos, wenn das Ruder auf der Brücke ist, meistens dem Mann am Ruder direct und nicht erst durch den wachhabenden Offizier ertheilt, doch ist immer im Auge zu behalten, daß der Lootse nur als Wegweiser für das Schiff dient und als solcher die zeitweilige Leitung über die mit dem Schiffe zu machenden Bewegungen und Manöver hat. Die eigentliche Führung des Schiffes und damit auch die ganzeVerantwortung bleibt, wie auch jedem Schiffer bewußt ist, immer in den Händen des Schiffers oder seines Stellvertreters. Der Steuermann Marwedel durfte demnach den Lootfen auch keinen Augenblick mit dem Ruders mann allein auf der Brücke lassen, dies war ihm noch speciell von dem Schiffer Schwartz gesagt und ihm Verhaltungsmaßregeln gegeben, daß er, wenn dies einmal nöthig würde, ihn, den Schiffer, durch die nach seiner Kammer führende Klingel auf die Brücke rufen solle. Dies alles hat aber Steuermann Marwedel nicht befolgt, für das Verlassen der Brücke ist demnach dem Steuermann Marwedel ein schwerer Vorwurf zu machen, und zwar umsomehr, als er gegen den ausdrücklichen Befehl des Schiffers Schwartz handelte und nicht einmal den Lootfen von seiner Entfernung von der Brücke be nachrichtigte. Wenn sonach die Schuld von der Herbeiführung der Tollision lediglich auf Seiten des Dampfers „Minneburg" liegt, so bleibt doch noch die Frage zu erörtern, ob nicht die Führung der „Thekla Bohlen"
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statt unter, „hart Backbordruder" unter Beibehaltung der Fahrt viel mehr durch Rückwärtsarbeiten der Schraube die Tollision, wenn nicht vermeiden, so doch hätte abschwächen können. „Thekla Bohlen" steuerte in richtiger Weife auf, dem „Minneburg" immer ihr rothes Seitenlicht zeigend. Da die Nacht besonders klar war, und die Lichter entgegenkommender Schiffe auf große Entfernung gesichtet werden konnten, so lag auch keine Veranlassung vor, zumal als bald das rothe Licht des „Minneburg" in Sicht kam und das grüne Licht beinahe verschwand, die Fahrt zu mindern. Man konnte mit Recht erwarten, daß „Minneburg" bei größerer Annäherung noch mehr Backbordruder geben würde, um frei an Backbord zu passiren. Der Vorsicht halber wurde indeß auf der „Thekla Bohlen" etwas Backbordruder gegeben, um dem entgegenkommenden Dampfer noch etwas mehr Platz zu machen. Eine Tollisionsgefahr war bis soweit, wenn der Dampfer „Minneburg" ebenfalls etwas Backbord ruder gab, noch nicht vorhanden und weitere Maßregeln daher nicht zu treffen. Erst als man an dem Verschwinden des rothen Lichtes bemerkte, daß der „Minneburg" sich in scharfer Drehung nach Backbord befand, also entgegengesetzt des erwarteten Backbordruders Steuerbord gegeben haben mußte, trat die Gefahr der Tollision ein. Bei der großen Nähe der Schiffe sah man auf der „Thekla Bohlen" sofort, daß die Tollision bereits unvermeidlich geworden war, und es konnte sich jetzt erst um die Frage handeln, ob nicht durch sofortiges Rückwärtsarbeiten der Schraube der Zusammenstoß noch abgeschwächt werden könnte. Die Führung der „Thekla Bohlen" hielt es indeß für richtiger, statt die Maschine auf rückwärts zu stellen, unter Beibehaltung der Fahrt „hart Backbordruder" zu geben, um den Bug, wo voraus sichtlich der Stoß erfolgen mußte, noch möglichst weit von dem Steven des „Minneburg" abzudrehen. Das Seeamt kann dieses Verfahren nicht tadeln, hält es sogar in dem vorliegenden Falle für mindestens ebenso richtig, als ein Rückwärtsarbeiten der Schraube. Da diese Maßregel überhaupt erst ergriffen werden konnte, als man an dem Verschwinden des rothen Lichtes des „Minneburg" die verkehrte Ruderlage dieses Dampfers bemerkte, also erst später als auf dem „Minneburg", so konnte auch wegen gar zu kurzer Zeit ein nennenswerther Erfolg mit dem Rückwärtsgehen nicht mehr erzielt werden, der auch, wie die Thatsachen bewiesen haben, bei dem „Minneburg" ausgeblieben war. Nach den von den Zeugen geschilderten Vorgängen, insbesondere nach den
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Viermastschiff Theodor.
Angaben des Maschinisten Sterners von dem „Minneburg" über das Rückwärtsgehen der Maschine, konnte von dem Augenblick cm; wo Lootse Stehr die verkehrte Ruderlage des „Minneburg" bemerkte und er das Tommando ;um Rückwärtsarbeiten gab, bis zum Zusammenstöße noch nicht einmal eine Minute verflossen fein. Würde man also auf der „Thekla Bohlen" die Maschine auf rückwärts beordert haben, so hätte die Schraube bis zum Eintritt des Zusammen stoßes nur wenige Umdrehungen machen können, da sicher nicht mehr als eine halbe Minute zur Verfügung stand. Das Rückwärtsarbeiten hätte höchstens dazu führen sönnen., daß „Thekla Bohlen" mit derselben Gewalt in den Steuerbordbug des „Minneburg" hinein gelaufen wäre, wie letztere in die „Thekla Bohlen", und die Tollision hätte dann in tieferem Wasser stattgefunden, was sicher nicht vortheilhafter gewesen wäre, namentlich wenn der „Minneburg" bei seiner Lage vielleicht zum Sinken gebracht worden wäre. Durch hart Backbordruder, das Ruder lag bereits vorher etwas Backbord, drehte die „Thekla Bohlen" mehr dem Lande zu und von dem „Minneburg" ab. Man konnte durch das Backbordruder möglicher Weise den Stoßwinkel bis über einen rechten Winkel vergrößern und dadurch die schlimmeren Folgen des Stoßes etwas verringern. Im Falle des Rückwärtsarbeitens aber mit Backbord gelegtem Ruder, wie dies die tage vor der Tollision ergab, würde übrigens die „Thekla Bohlen" nach den bekannten Regeln der Steuerfreist der Schraube und des Ruders nicht weiter nach Steuerbord gedreht, sondern nur wenig vom geraden Turse abgewichen sein. Das Rückwärtsarbeiten der Maschine würde also feinenfalls den Erfolg gehabt haben, den im glücklichsten Falle das Hartbackbordruder haben mußte. KetnenfaUs kann man der „Thekla Bohlen" aus dem Unterlassen des Rückwärtsgehens einen Vorwurf machen, und die Führung des Schiffes trifft daher auch in dieser Beziehung kein Verschulden an dem Unfälle.
52. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 12. April 1899, betreffend den Seeunfall des Viermastschiffs „Theodor" von Bremen. Der Spruch des Seeamts lautet: Am 8. Januar 1899 etwa 5 Uhr Morgens auf der Reise von San Francisco nach London auf 0 f5' Nord-
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Viermastschiff Theodor.
Angaben des Maschinisten Sterners von dem „Minneburg" über das Rückwärtsgehen der Maschine, konnte von dem Augenblick cm; wo Lootse Stehr die verkehrte Ruderlage des „Minneburg" bemerkte und er das Tommando ;um Rückwärtsarbeiten gab, bis zum Zusammenstöße noch nicht einmal eine Minute verflossen fein. Würde man also auf der „Thekla Bohlen" die Maschine auf rückwärts beordert haben, so hätte die Schraube bis zum Eintritt des Zusammen stoßes nur wenige Umdrehungen machen können, da sicher nicht mehr als eine halbe Minute zur Verfügung stand. Das Rückwärtsarbeiten hätte höchstens dazu führen sönnen., daß „Thekla Bohlen" mit derselben Gewalt in den Steuerbordbug des „Minneburg" hinein gelaufen wäre, wie letztere in die „Thekla Bohlen", und die Tollision hätte dann in tieferem Wasser stattgefunden, was sicher nicht vortheilhafter gewesen wäre, namentlich wenn der „Minneburg" bei seiner Lage vielleicht zum Sinken gebracht worden wäre. Durch hart Backbordruder, das Ruder lag bereits vorher etwas Backbord, drehte die „Thekla Bohlen" mehr dem Lande zu und von dem „Minneburg" ab. Man konnte durch das Backbordruder möglicher Weise den Stoßwinkel bis über einen rechten Winkel vergrößern und dadurch die schlimmeren Folgen des Stoßes etwas verringern. Im Falle des Rückwärtsarbeitens aber mit Backbord gelegtem Ruder, wie dies die tage vor der Tollision ergab, würde übrigens die „Thekla Bohlen" nach den bekannten Regeln der Steuerfreist der Schraube und des Ruders nicht weiter nach Steuerbord gedreht, sondern nur wenig vom geraden Turse abgewichen sein. Das Rückwärtsarbeiten der Maschine würde also feinenfalls den Erfolg gehabt haben, den im glücklichsten Falle das Hartbackbordruder haben mußte. KetnenfaUs kann man der „Thekla Bohlen" aus dem Unterlassen des Rückwärtsgehens einen Vorwurf machen, und die Führung des Schiffes trifft daher auch in dieser Beziehung kein Verschulden an dem Unfälle.
52. Spruch des Seeamts zu Bremerhaven vom 12. April 1899, betreffend den Seeunfall des Viermastschiffs „Theodor" von Bremen. Der Spruch des Seeamts lautet: Am 8. Januar 1899 etwa 5 Uhr Morgens auf der Reise von San Francisco nach London auf 0 f5' Nord-
Viermastschiff Theodor.
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breite und 28 0 35 ' Mestlänge hat das Viermastschiff „Theodor" durch eine von hinten überkommende furchtbare Sturzsee schwere-Beschädigungen erlitten, indem auf Deck von achtern bis mittschiffs alle Aufbauten völlig zertrümmert oder schwer beschädigt wurden. Von der Besatzung wurde der Matrose Rathjen tod unter den Trümmern hervorgezogen; der Schiffer ferner war am ganzen Körper stark geschunden und hatte innere Verletzungen davon getragen; der zweite Steuer mann Uschmann hatte den rechten Mberschenkel gebrochen und eine Munde über dem linken Auge; der Matrose Gerwin hatte außer einer Munde am Kopfe den Mberschenkel und Knöchel des rechten Beines gebrochen und Segelmacher Bellmer fühlte in der Brust und in den Knien heftige Schmerzen. Die Schiffsleitung trifft an dem Unfälle, welcher lediglich auf höhere Gewalt zurückzuführen ist, ein Verschulden nicht. Das besonnene, umsichtige und sachgemäße Verhalten des Schiffers Warner nach dem Unfälle sowohl hinsichtlich der Navigirung des Schiffes als auch der Behandlung der Verletzten verdient umsomehr Anerkennung, als er selbst derartige Verletzungen davongetragen hatte, daß er mit Vhnmachtsanfällen kämpfen mußte und sich kaum auf den Beinen halten konnte. Gründe. Die viermastige Bark „Theodor" führt das Unterscheidungs-Signal TFHN>, ist in Bremen beheimathet und gehört zur Torrespondentrhederei von I. D. Bischoff daselbst. Das Schiff ist im Jahre (862 aus Eisen erbaut worden und hat einen Netto-Raumgehalt von 6 5^5,s cbm = 23(0,5» britischen Register-Tons.