Eigennamen und Definitheit 9783110914870, 9783484304987

The study proposes a theory of proper names that can explain and describe both the distribution of the definite article

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German Pages 252 [256] Year 2005

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Table of contents :
1 Fragestellung
1.1 Der Phänomenbereich
1.2 Die Grundannahmen
1.3 Arbeitshypothesen und Terminologie
1.4 Argumentation und Vorgehensweise
2 Zur Logik der Eigennamen und definiten Kennzeichnungen
2.1 Grundlagen
2.2 Definite Kennzeichnungen als referierende Ausdrücke
2.3 Definite Kennzeichnungen als quantifizierte Ausdrücke
2.4 Logische vs. natürlich-sprachliche Eigennamen
2.5 Eigennamen als starre Kennzeichnungen
3 Das syntaktische Verhalten von Eigennamen
3.1 Belege für Hypothese 1: Eigennamen als beschreibende Ausdrücke
3.2 Belege für Hypothese 2: Eigennamen als referierende Ausdrücke
3.3 Fazit
4 Eigennamen und die DP-Hypothese
4.1 Die DP-Hypothese
4.2 Longobardi (1994; 2003)
4.3 Die Übertragung aufs Deutsche
4.4 Fazit
5 Probleme mit dem semantischen Hintergrund
5.1 Restriktive Modifikation
5.2 Anaphorische Verwendung
5.3 Die These eines expletiven Artikels
5.4 Eigennamen mit nachgestelltem Attribut
5.5 Vererbte Probleme
5.6 Fazit
6 Eigennamen als kontextabhängige Ausdrücke
6.1 Die Gebrauchsarten des definiten Artikels
6.2 Die Salienztheorie
6.3 Eigennamen und Indexikalität
6.4 Eigennamen und Salienz
6.5 Syntax der Eigennamen
6.6 Fazit
7 Ausblick
7.1 Erweiterungen
7.2 Semantischer Wechsel
7.3 Deskriptiver Gehalt
7.4 Zwei Formen des Artikels
7.5 Der expletive Artikel
7.6 Modifikation mit einem attributiven Adjektiv
7.7 Anaphorische Verwendbarkeit
7.8 Zusammenfassung
8 Literatur
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Eigennamen und Definitheit
 9783110914870, 9783484304987

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Linguistische Arbeiten

498

Herausgegeben von Hans Altmann, Peter Blumenthal, Klaus von Heusinger, Ingo Plag, Beatrice Primus und Richard Wiese

Afra Sturm

Eigennamen und Definitheit

Max Niemeyer Verlag Tübingen 2005

Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Wintersemester 2003/04 auf Antrag von Prof. Dr. Horst Sitta und Prof. Dr. Peter Gallmann als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografic; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-484-30498-7

ISSN 0344-6727

© M a x Niemeyer Verlag, Tübingen 2005 Ein Unternehmen der K. G. Saur Verlag G m b H , München http://www.niemeycr.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Druck: L a u p p & Göbel G m b H , Nehren Einband: Nadele Verlags- und Industriebuchbinderei, Nehren

Vorwort

Das vorliegende Buch ist die überarbeitete Fassung meiner Dissertation, die im November 2 0 0 3 von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich angenommen wurde. Zum guten Abschluss der Arbeit haben viele fachlich wie auch persönlich beigetragen: ihnen allen gebührt mein herzlichster Dank. Namentlich erwähnen möchte ich zuerst meinen Lehrer und Doktorvater Prof. Dr. Horst Sitta: Er hat mich zu dieser Arbeit angeregt, mich in jeder Hinsicht gefördert und mir ein äusserst anregendes Umfeld geboten. Danken möchte ich auch meinem zweiten Doktorvater, Prof. Dr. Peter Gallmann, der die Arbeit mit kritischem Auge gelesen und vieles angeregt hat. Prof. Dr. Klaus von Heusinger verdanke ich die entscheidenden semantischen Impulse, die ihren Ausgang in seinem Referenzseminar im W S 1999 in Konstanz nahmen. Auch er hat die Arbeit mit kritischem Auge gelesen. Ihm verdanke ich außerdem die Möglichkeit, diese Dissertation in den Linguistischen Arbeiten zu publizieren. Ganz besonderen Dank schulde ich Prof. Dr. Thomas Lindauer: In ihm hatte ich immer einen Partner für fachliche (und persönliche) Gespräche, die meine linguistische Arbeit in hohem Masse geprägt haben. Nicht zuletzt initiierte er die unvergesslichen Abende im »Schwänli«, an denen neben ihm und Peter Gallmann auch Claudia Schmellentin, Guido Seiler, Jürg Fleischer, Martin Salzmann, Kathrin Würth und Eric G r a f teilnahmen. Widmen möchte ich diese Arbeit zum einen meinen Eltern, die meinen Lebensweg immer mit ihrer ganzen Kraft unterstützt haben, und zum andern Martin und Kaspar Chandra, ohne die diese Arbeit etwas länger gedauert hätte.

Inhalt

1 Fragestellung 1.1 Der Phänomenbereich 1.2 Die Grundannahmen 1.3 Arbeitshypothesen und Terminologie 1.4 Argumentation und Vorgehensweise

1 2 5 7 10

2 Zur Logik der Eigennamen und definiten Kennzeichnungen 2.1 Grundlagen 2.1.1 Sprachliche Intuition und linguistische Bedeutung 2.1.2 Linguistische und logische Struktur 2.1.3 Singulare Terme in der Prädikatenlogik 2.2 Definite Kennzeichnungen als referierende Ausdrücke 2.2.1 Das Problem der leeren Kennzeichnung 2.2.2 Das Problem der negierten Existenzsätze 2.2.3 Das Problem der Idenitätssätze 2.2.4 Das Substitutionsproblem in intensionalen Kontexten 2.2.5 Fazit 2.3 Definite Kennzeichnungen als quantifizierte Ausdrücke 2.3.1 Das Problem der leeren Kennzeichnung 2.3.2 Das Problem der negierten Existenzsätze 2.3.3 Das Problem der Identitätssätze 2.3.4 Das Substitutionsproblem in intensionalen Kontexten 2.3.5 Fazit 2.4 Logische vs. natürlich-sprachliche Eigennamen 2.4.1 Eigennamen und das «principle of acquaintance» 2.4.2 Das Problem der leeren Eigennamen 2.4.3 Das Problem der negierten Existenzsätze 2.4.4 Das Problem der Identitätssätze 2.4.5 Das Substitutionsproblem in intensionalen Kontexten 2.4.6 Sind Eigennamen wirklich Abkürzungen? 2.4.7 Fazit 2.5 Eigennamen als starre Kennzeichnungen 2.5.1 Die Kritik an Russell 2.5.2 Die Kausaltheorie 2.5.3 Fazit

13 14 15 18 20 21 23 25 25 26 27 27 28 33 34 35 35 37 38 42 45 46 48 49 52 53 53 56 62

3 Das syntaktische Verhalten von Eigennamen 3.1 Belege für Hypothese 1: Eigennamen als beschreibende Ausdrücke 3.1.1 Die Distribution des definiten Artikels 3.1.2 Generische Lesart 3.1.3 Neue Objekte einführen 3.2 Belege für Hypothese 2: Eigennamen als referierende Ausdrücke

63 63 64 65 67 69

VIII

3.2.1 Eigennamen mit oder ohne Artikel?

72

3.2.3 Koordination

73

3.2.4 Anaphorische V e r w e n d u n g

75

3.2.5 Semantischer W e c h s e l

75

3.3 Fazit 4

Eigennamen und die D P - H y p o t h e s e

78 78 79

4.1.2 Der Geltungsbereich der D P - H y p o t h e s e

82

4.1.3 D i e funktionale K a t e g o r i e D

85

4.2 L o n g o b a r d i (1994; 2 0 0 3 ) 4.2.1 Der semantische Hintergrund

88 90

4.2.2 Eigennamen als P r o b l e m f ä l l e

92

4.2.3 D i e Syntax

93

4.2.4 W e i t e r e P r o b l e m f ä l l e

96

4.2.5 L o n g o b a r d i ( 2 0 0 3 )

97

4.2.6 Fazit 4.3 D i e Übertragung aufs Deutsche

99 100

4.3.1 Exkurs: D i e Steuerung der F l e x i o n in der D P

100

4.3.2 Gallmann ( 1 9 9 7 )

103

4.4 Fazit

105

P r o b l e m e mit d e m semantischen Hintergrund

107

5.1 Restriktive M o d i f i k a t i o n

107

5.2 Anaphorische V e r w e n d u n g

113

5.3 D i e T h e s e eines expletiven Artikels 5.3.1 Gibt es im Deutschen einen expletiven Artikel?

114 118

5.4 Eigennamen mit nachgestelltem Attribut

120

5.5 Vererbte P r o b l e m e

122

5.5.1 Attributive vs. referenzielle Lesart

122

5.5.2 Unvollständige Kennzeichnungen

126

5.5.3 Unvollständige Eigennamen?

128

5.6 Fazit 6

77

4.1 D i e D P - H y p o t h e s e 4.1.1 E v i d e n z für die D P - H y p o t h e s e

5

69

3.2.2 Restriktive M o d i f i k a t i o n

130

Eigennamen als kontextabhängige Ausdrücke

132

6.1 D i e Gebrauchsarten des definiten Artikels

133

6.1.1 Kommunikativ-pragmatisches Kriterium

134

6.1.2 R e f e r e n z als Kriterium

137

6.1.3 K o n t e x t als Kriterium

139

6.1.4 M e h r e r e Kriterien

140

6.1.5 Definitheit

146

6.1.6 Fazit

149

6.2 D i e Salienztheorie 6.2.1 D i e philologisch-deskriptive Tradition

150 150

IX

6.3

6.4

6.5

6.6

6.2.2 Salienz und Definitheit 6.2.3 Fazit Eigennamen und Indexikalität 6.3.1 Die klassische Kontexttheorie 6.3.2 Haas-Spohn (1995) Eigennamen und Salienz 6.4.1 Bedeutung und Charakter von Eigennamen 6.4.2 Eigennamen und Mehrdeutigkeit 6.4.3 Das Informativitätsproblem 6.4.4 Problembereiche Syntax der Eigennamen 6.5.1 Eigennamen als Pronomen? 6.5.2 Das Merkmal [±DEF] Fazit

7 Ausblick 7.1 Erweiterungen 7.1.1 Massennomen

7.2 7.3

7.4 7.5 7.6 7.7 7.8

152 159 160 161 164 171 172 177 182 186 190 190 193 202 203 203 203

7 . 1 . 2 D a s M e r k m a l [EIGENNAME]

205

7.1.3 Koordination 7.1.4 Prädikativkonstruktionen und weitere Daten Semantischer Wechsel Deskriptiver Gehalt 7.3.1 Mehrteilige Eigennamen 7.3.2 Markennamen Zwei Formen des Artikels Der expletive Artikel 7.5.1 Doppelte Definitheit? Modifikation mit einem attributiven Adjektiv Anaphorische Verwendbarkeit Zusammenfassung

208 210 211 215 217 219 221 223 226 228 231 233

8 Literatur

235

1

Fragestellung

Eigennamen sind aus onomastischer, morphologischer oder auch aus sprachhistorischer Perspektive intensiv erforscht worden. So gesehen scheint die Frage, ob sie einen interessanten bzw. relevanten Untersuchungsgegenstand darstellen, eher überflüssig zu sein, gibt es in diesen Bereichen doch eine reichhaltige Literatur. In der Semantik sind Eigennamen jedoch noch kaum erforscht, in der Syntax finden sie erst seit wenigen Jahren Beachtung: Beim gegenwärtigen Forschungsstand ist unklar, wie man sich hier entscheiden soll und ob überhaupt etwas Interessantes daran hängt. Der bestimmte Artikel vor Eigennamen und sein semantisches und syntaktisches Verhältnis zum bestimmten Artikel vor Gemeinnamen scheinen bisher überhaupt nicht in theoretischem Rahmen thematisiert worden zu sein. (Heim 1991: 511)

Entsprechend finden sich wenig syntaktische Untersuchungen zu Eigennamen. Doch auch in semantischen Definitheitstheorien finden sie kaum Erwähnung - und wenn doch, dann werden Bemerkungen dazu mehrheitlich in die Fußnoten verbannt. A u f f ä l l i g ist, dass Eigennamen üblicherweise im Sinne der philosophischen Semantik zu den prototypischen definiten bzw. referenziellen Ausdrücken gezählt werden, dies in der (linguistischen) Semantik selbst aber nicht weiter problematisiert wird. Dass Eigennamen aus semantischer Sicht oft als uninteressant gelten, hängt letztlich damit zusammen, dass ihnen eine einfache semantische Struktur zugesprochen wird, sei es, dass sie als starre Kennzeichnungen im Sinne Kripkes gelten oder einfach nur als deskriptiv leer. In dieser Arbeit argumentiere ich dafür, dass sie über eine k o m p l e x e semantische Struktur verfügen, indem sie als kontextabhängige Ausdrücke zu analysieren sind. Ziel dieser Arbeit ist es nun, eine syntaktische und semantische Eigennamentheorie herauszuarbeiten, die zum einen die Distribution des definiten Artikels bei Eigennamen sowie dessen Verhältnis zu Gattungsnamen beschreiben und erklären kann. Im Wesentlichen gehe ich dabei von folgenden Leitfragen aus: Leitfragen Α Welches semantische Konzept ist f ü r Eigennamen in Verbindung mit der Datenlage einschlägig, insbesondere im Hinblick auf die Distribution des definiten Artikels bei Eigennamen? Β Welches ist die semantische u n d / o d e r syntaktische Leistung des definiten Artikels? Zeigt er Referenzialität an oder gerade nicht, da dies schon die nominale Komponente, hier im Besonderen der Eigenname, leistet? C Welches ist die semantischc u n d / o d e r syntaktische Leistung der traditionell als nominal angenommenen Komponente? Verfügen Nnamen über deskriptiven Gehalt? D Wie gestaltet sich das Verhältnis von Syntax und Semantik in diesem Bereich? Im Folgenden skizziere ich den Phänomenbereich, der in dieser Arbeit beigezogen wird. Außerdem erläutere ich kurz die Grundannahmen - dort argumentiere ich auch dafür, dass Eigennamen und Definitheit zusammen betrachtet werden müssen - , die Arbeitshypothesen und die Terminologie sowie die Vorgehensweise, die sich z.T. aus den Leitfragen ergibt.

2

1.1 Der Phänomenbereich

In vielen traditionellen Grammatiken zum Standarddeutschen findet sich die Ansicht, dass Eigennamen eine Art Identifizierungsmerkmal in sich tragen bzw. inhärent definit sind. Auffällig ist, dass daraus unterschiedliche Schlüsse gezogen werden: Die eine Gruppe - sie scheint die größere zu sein - nimmt an, dass Eigennamen für gewöhnlich keinen Artikel bei sich haben. Eigennamen mit Artikel sind aus dieser Sicht als Ausnahme zu betrachten (so etwa Duden IV 1998; ähnlich auch Eisenberg 1994, Engel 1991). Daneben gibt es auch solche, die gegenteiliger Auffassung sind (z.B. Helbig/Buscha 1993). Unabhängig davon, was als Normalfall zu betrachten ist: In beiden Fällen müssen eine Reihe von Ausnahmen eingeräumt werden. Im ersteren Fall dann, wenn es sich etwa um Flussnamen wie der Rhein oder Landschaftsnamen wie die Eifel handelt, die zwingend den definiten Artikel verlangen; im zweiten Fall bleibt die Frage unbeantwortet, weshalb Ortsnamen mit Artikel wie in *Das Zürich ist eine schöne Stadt ungrammatisch sind. Hinzu kommt, dass im Standarddeutschen ein Eigenname unter bestimmten Umständen zwingend mit Artikel auftreten muss, und zwar beispielsweise dann, wenn der Name wie in (1) durch ein Adjektivattribut erweitert ist und in Argumentposition steht - ein Umstand, der von vielen traditionellen Grammatiken nicht oder dann nur am Rande erwähnt wird. Auch dies ließe sich aus Sicht der zweiten Gruppe so formulieren, dass Eigennamen in Argumentposition nur dann ohne Artikel stehen, wenn sie nicht weiter modifiziert sind. (1)

a) * Armer Otto kommt, b) Der arme Otto kommt.

Tritt der Eigenname mit Adjektiv dagegen in einer Nicht-Argument-Position auf, wie dies etwa beim Vokativ der Fall ist, darf der Artikel wiederum nicht stehen: (2)

a) Arme Anna, wie gehts dir? b) *Die arme Anna, wie gehts dir?

Besonders uneinheitlich werden Daten in Bezug auf semantischen Wechsel in eine andere semantische Klasse beurteilt: So liegen für die einen in (3) eindeutig nach wie vor Eigennamen vor, während andere davon ausgehen, dass ein semantischer Wechsel hin zu Gattungsnamen stattgefunden hat. Gleiches gilt f ü r die Beispiele in (4), in denen sich ein Gattungsname als Eigenname verhält. (3) (4)

a) b) a) b)

Kennst du vielleicht eine Anna? Eine Mia Hamm findest du auch in Amerika nicht an jeder Straßenecke. Vaters Hut »Nasebohren ist schön«, sagt Elefant.

In Verbindung mit einem allfälligen dination beigezogen: Läge in (5) in des Adjektivs - oder die neue Mia könnte dann eine Nachfolgerin der Wechsel vor, müsste Koordination

semantischen Wechsel werden oft Beispiele mit KoorBezug auf der schöne Roger - mit appositiver Lesart Hamm - hier mit restriktiver Lesart des Adjektivs (es >alten< Mia Hamm gemeint sein) - ein semantischer mit einem anderen Gattungsnamen möglich sein, und

3 zwar so, dass genau ein Referenzobjekt bezeichnet wird. Das scheint jedoch nicht der Fall zu sein, werden doch solche Daten in der Regel als eindeutig ungrammatisch beurteilt: (5)

a) *Der schöne Roger und berühmte Tennisspieler sagte seine Teilnahme zu. b) *Otto traf gestern die neue Mia Hamm und beliebte Fußballspielerin.

Es kommen in dieser Arbeit aber auch Phänomene zur Sprache, die zum einen hauptsächlich aus semantischer Sichtweise eher eine untergeordnete Rolle spielen wie Beispiel (6), das hier aber ein stärkeres Gewicht erhalten wird, insbesondere in Bezug auf das so genannte Ambiguitäts- bzw. Homonymieproblem (Kapitel 6.3). Z u m andern werden Daten, die hauptsächlich in sprachphilosophischen Diskussionen sehr zentral sind - z.B. leere Eigennamen wie in (7 a), die kein Referenzobjekt bezeichnen, negierte Existenzsätze mit leerem Eigennamen in b), Identitätssätze in c) oder intensionale Kontexte in d) - , in Kapitel 2 zwar ausführlich diskutiert, aber nicht in allen Aspekten als linguistisch relevant erachtet, was sich vor allem in Kapitel 6 zeigen wird. (6) (7)

Anna spricht gerade mit Anna. a) Sherlock Holmes ist ein englischer Detektiv. b) Sherlock Holmes existiert nicht. c) Mohammed Moulessehoul ist Yasmin Khadra. d) Otto glaubt, dass Mohammed Moulessehoul Yasmin Khadra ist.

Nicht-modifizierte Personennamen können mit oder ohne Artikel verwendet werden. Z w a r wird dies in der Regel als semantisch effektlos beurteilt, dennoch ist die Frage, wie dies in eine semantische und syntaktische Theorie integriert werden kann, f ü r jede dieser Theorien zentral. Konkret muss die Möglichkeit, dass in (8 b) ein expletiver Artikel vorliegen könnte, in Betracht gezogen werden, wobei dies abschließend nicht ohne sprachvergleichende Daten beantwortet werden kann. In diesem Z u s a m m e n h a n g wird in Kapitel 7 aufs Schweizerdeutsche verwiesen, da in den meisten Schweizer Dialekten der Artikel bei Personennamen obligatorisch ist (Beispiel (9)). (8) (9)

a) Luisa hat sich beim Spielen einen Zahn herausgeschlagen. b) Die Luisa hat sich beim Spielen einen Zahn herausgeschlagen. *Luisa/D Luisa hätt sich bim Spile än Zaa usegschlage.

Die Phänomene sind damit keineswegs vollständig aufgezählt (zu einer umfassenderen Darstellung vgl. insbesondere Kapitel 3, aber auch Kapitel 7), sondern sie sollen illustrieren, dass sich in diesem Bereich eine Reihe von Problemen und Fragen stellen, die ganz unterschiedlicher Natur sind. Wie sich insbesondere auch zeigen wird, haben wir es mit (morpho-)syntaktischen wie auch semantischen Fragen zu tun, die nicht unabhängig voneinander betrachtet werden können. Das zeigt sich u.a. daran, dass eine rein semantische Behandlung, insbesondere eine rein lexikalisch-onomastische Zugangsweise problematisch sein kann. Dazu ein Beispiel aus Blanär (2001: 33): (10) a) Ernst Greifzu b) G r e i f z u ! c) Ein Greifzu hat angerufen.

4 Die Frage, ob es sich bei greif zu um einen Eigennamen wie in a) oder um ein Verb wie in b) handelt, kann nach Blanär (2001: 33) nur unter Rückgriff »auf die inhaltliche Seite des Lexems greif zu« beantwortet werden: Ist es ein »Lexem mit Identifikationsfunktion« gemeint ist: ein direkt referenzieller Ausdruck dann handle es sich um einen Familiennamen und kann - so Blanär - in die Wortbildungsreihe der Familiennamen eingereiht werden (Greifzu, Greifer, Greifmann, Greifpaul, Greifschütz •••)• Eine solche Sichtweise verkennt jedoch, dass die morphosyntaktische Umgebung Entscheidendes beiträgt, was z.B. mit c) illustriert ist. Es verwundert denn auch nicht, dass gerade solche Fälle - wie bereits in Bezug auf (3) und (4) erwähnt - kontrovers diskutiert werden: Für die einen liegt in c) semantisch gesehen ohne Zweifel ein Eigenname vor, andere halten dagegen, dass der indefinite Artikel einen semantischen Wechsel anzeigt. Fragen dieser Art lassen sich nur unter Beizug der morpho-syntaktischen wie auch semantischen Eigenschaften der Eigennamen beantworten. Wie mit Daten dieser Art und Leitfrage C, die nach der semantischen und/oder syntaktischen Leistung der nominalen Komponente fragt, angedeutet, beschränke ich mich zum einen auf mehrteilige Eigennamen, zum andern auf bloße Eigennamen oder solche, die mit definitem Artikel verwendet werden. Nach E v a n s / W i m m e r (1990) wird eine Untersuchung auf diese Weise zu sehr eingeschränkt: Z u m einen konzentriere man sich zu sehr auf die referenzielle Funktion von Eigennamen, zum andern werde vernachlässigt, dass Eigennamen eine weitaus komplexere Struktur als nur die einer Nominalphrase aufweisen und zudem auch in völlig anderen Formen auftreten können. Sie führen folgende Beispiele an: (11) a) It's that man again. b) Balkan - » balkanisieren Beispiel (11 a), das der Eigenname eines Radioprogramms sei, zeigt ihrer Auffassung nach, dass Eigennamen sogar die Größe eines Satzes aufweisen können. Demgegenüber zeigt (11 b), dass nicht nur die N P - D o m ä n e in Betracht gezogen werden sollte, sondern auch ganz andere Bereiche, hier die verbale Domäne (Evans/Wimmer 1990: 275 f.). Gegen eine Ausweitung solcher Art lassen sich hauptsächlich zwei Gründe anführen: -

Ausgehend vom Standarddeutschen zeigt ( I I a ) keineswegs, dass Eigennamen von der Größe eines Satzes sein können. Es ist lediglich ein Beleg dafür, dass - wird dies im Deutschen als Eigenname verwendet - Konversion eines größeren Sprachausschnitts zu einer nominalen Einheit vorliegt (vgl. Gallmann 1990). Zeigen lässt sich dies, indem der ganze Ausdruck bei der Verwendung als Eigenname z.B. mit Determinierer gebraucht werden kann: Ich kann [dieses verschärften Spezialfall des ersteren Problems gelten kann, stellen negierte Existenzsätze wie in (18) dar. Dieser Satz scheint intuitiv wahr zu sein, vorausgesetzt wir wissen, dass es im Jahr 2003 keinen König von Frankreich gibt: (18) Der gegenwärtige König von Frankreich existiert nicht. Doch obwohl (18) im Gegensatz zu (17) ohne weiteres ein Wahrheitswert zugewiesen werden kann - zumindest gilt dies aus der natürlich-sprachlichen Perspektive gelten die gleichen grundsätzlichen Schwierigkeiten, da beide Beispielsätze eine leere Kennzeichnung enthalten: Es können nicht gleichzeitig alle drei Grundsätze aufrechterhalten werden. Auch bei diesem negierten Existenzsatz kann es sich nicht um eine Aussage über ein Individuum handeln, da gar kein Individuum wie der gegenwärtige König von Frankreich existiert. Eine Lösung dieses Problems sollte damit verträglich sein, dass solche Sätze zweifellos über einen Wahrheitswert verfügen. Ob Freges Behandlung der leeren Kennzeichnung auf den Spezialfall übertragen werden kann, ist aber zweifelhaft, zumal sein Ansatz voraussagt, dass negierten Existenzsätzen, die eine leere Kennzeichnung enthalten, kein Wert zugewiesen werden kann, außer man beschreitet den »Weg der Sprachkorrektur«. Letztere Lösung ist aber gerade f ü r solche Fälle nicht plausibel, da dieser Ansatz einen falschen Wahrheitswert voraussagt. Deutlich wird dies in nicht-negierten Existenzsätzen: (19) a) Der gegenwärtige König von Frankreich existiert. b) Das runde Quadrat existiert. c) a existiert. Sowohl (19 a) wie auch (19 b) sind wahr, da beide Sätze eine leere Kennzeichnung enthalten und somit aussagen, dass die leere Menge existiert. Intuitiv halten wir j e d o c h solche Sätze für falsch. Was immer man als Subjekt einsetzt: Sätze der Form α existiert sind nach Frege immer wahr, da, wenn der singulare »Term α keine natürliche Referenz hat, er eine konventionelle hat« (Bencivenga 1987: 84). Für negierte Existenzsätze gilt das U m g e kehrte: Sie sind immer falsch. Und auch das widerspricht unserer sprachlichen Intuition.

2.2.3

Das Problem der Identitätssätze

Identitätssätze mit definiten Kennzeichnungen, die tatsächlich referieren, also nicht leer sind, bilden einen weiteren Problemfall, der von einem anderen Typ als die bisherigen ist: (20) Der Autor von Froschnacht

ist der Autor von

Festland.

Wenn man annimmt, dass (20) zwei referierende Ausdrücke enthält, so gilt, dass - da beide Ausdrücke auf Markus Werner referieren - der Satz eine triviale Aussage der Form Markus Werner ist mit sich selbst identisch ist. Eine solche Aussage ist einerseits logisch notwendig (es kann bewiesen werden, dass jede Identität notwendig ist), andererseits ist sie nicht informativ. Letzteres scheint jedoch für (20) intuitiv gesehen nicht zuzutreffen. Eine Lösung dieses Problems sollte die Informativität solcher Sätze erfassen können.

26 Dass Satz (20) informativ ist, kann mit Freges Unterscheidung von Sinn F und Bedeutung F erklärt werden, allerdings nur unter der Annahme, dass der Sinn F die Bedeutungp nicht eindeutig festlegt: Die beiden Ausdrücke haben dann dieselbe Bedeutungp - sie bezeichnen dasselbe Referenzobjekt - , nicht aber denselben Sinn F . Enthält ein Identitätssatz j e d o c h zwei leere Kennzeichnungen wie in Beispiel (21), ergeben sich - analog zu den beiden vorangehenden Problemfeldern - Schwierigkeiten hinsichtlich des Wahrheitswertes: (21) Der gegenwärtige König von Frankreich ist das runde Quadrat. Entweder wir lassen Wahrheitswertlücken zu oder wir arbeiten mit der »Sprachkorrektur«: Im letzteren Fall wäre Satz (21) wahr, da beide leeren Kennzeichnungen die leere Menge bezeichnen, also dasselbe Referenzobjekt haben. Beide Lösungswege stimmen nicht mit unserer Intuition überein, da (21) zweifellos falsch ist. Allerdings war es - wie Bencivenga (1987: 80) betont - »nicht Freges Sorge«, durch sein Mittel der »Sprachkorrektur« »alle unsere einschlägigen Intuitionen« widerzuspiegeln, »so wie es nicht Sorge der Mathematiker ist, durch ihre Entscheidung bezüglich leerer singulärer Terme allen unseren Intuitionen gerecht zu werden«, hatte Frege doch nicht die natürliche Sprache im Blick, sondern eine logisch einwandfreie, eben eine »Begriffsschrift«.

2.2.4

Das Substitutionsproblem in intensionalen Kontexten

Ein weiteres, ganz andersartiges Problem stellt sich, wenn man in intensionalen Kontexten - oft ist auch von »indirekten Kontexten« die Rede - eine definite Kennzeichnung durch eine andere ersetzt, die auf dasselbe Objekt referiert. Bei intensionalen Kontexten handelt es sich im Wesentlichen um ein Satzgefüge, das ein Matrixverb der propositionalen Einstellung enthält, z.B. glauben wie im folgenden Beispiel: (22) a) Otto glaubt, dass der Autor von Froschnacht ein Zyniker ist. b) Der Autor von Froschnacht ist der Autor von Festland. c) #Otto glaubt, dass der Autor von Festland ein Zyniker ist. Wenn zwei referierende Ausdrücke dasselbe Referenzobjekt bezeichnen, wäre zu erwarten, dass die beiden Ausdrücke Autor von >Froschnacht< und Autor von >Festland< in jedem Kontext gegenseitig vertauscht werden können, ohne dass sich die Bedeutung oder der Wahrheitswert des Satzes ändert. Genau dies ist aber in (22 a) nicht der Fall, insbesondere wenn wir annehmen, dass Otto nicht weiß, dass der Autor von Froschnacht und Festland ein und derselbe ist, und er den Autor von Festland nicht für einen Zyniker hält. In diesem Fall könnte Autor von >Froschnacht< nicht durch Autor von >Festland< ersetzt werden, ohne dass sich der Wahrheitswert von (22 a) ändert. Besonders deutlich wird dies, wenn man (22 a) und b) als Prämissen auffasst und daraus den (nicht gültigen) Schluss in c) zieht. Dieser Problemfall lässt sich mit der fregeschen Unterscheidung von Sinn F und Bedeutungp elegant lösen, was hier jedoch nicht näher ausgeführt wird (vgl. dazu vor allem Frege 1892b).

27 2.2.5

Fazit

Definite Kennzeichnungen lassen sich - obwohl sie grundlegende Eigenschaften von referierenden Ausdrücken aufweisen - nicht so ohne weiteres der Klasse der referierenden Ausdrücke zuordnen, wie die Diskussion der vier Problemkreise gezeigt hat. Man könnte versucht sein, dies als ein rein philosophisches bzw. logisches Problem abzutun. Wie sich aber gezeigt hat, spielt die natürlich-sprachliche Intuition eine wichtige Rolle und sollte bei einem Erklärungsversuch mitberücksichtigt werden. Freges Lösungsansatz hat zwar Eingang in linguistische Theorien gefunden, nicht aber in solche, die definite Kennzeichnungen zum Gegenstand haben, obwohl einige - u.a. Heim (1988) oder Löbner (1985) - die definiten Kennzeichnungen wie Frege zu den referierenden Ausdrücken rechnen. Möglicherweise kann als Grund dafür gelten, dass mit seinem Ansatz zumindest teilweise die natürlich-sprachliche Intuition der Logik >geopfert< wird. Wie wir im folgenden Abschnitt sehen werden, beschreitet Russell einen anderen Weg: Wie Frege hält er zwar an Gl fest, nicht aber an G2, sondern an G3. Konsequenterweise muss Russell die definiten Kennzeichnungen zu den quantifizierten Ausdrücken zählen.

2.3

Definite Kennzeichnungen als quantifizierte Ausdrücke

Russell unterteilt nominale Ausdrücke, ähnlich wie Frege, generell in zwei semantische Klassen: solche, die echt referieren (= genuine referring expressions), und solche, die nicht echt referieren, letztere von Russell auch quantifier phrases oder denoting phrases genannt, wobei denoting als Missgriff bezeichnet werden muss, evoziert es doch referieren, was gerade nicht gemeint ist. Die echt referierenden Ausdrücke zeichnen sich dadurch aus, dass sie - werden sie korrekt verwendet bzw. verstanden - selbstständig referieren: Russell spricht auch davon, dass die etwa in Beispiel (1) ausgedrückte Proposition objektabhängig ist,12 und zwar insofern das Referenzobjekt Anna direkt etwas zur Spezifikation der Wahrheitsbedingungen beiträgt (vgl. Neale 1990: 5 f . , Taylor 1998: 54). 13 In dieselbe Richtung verweisen die Tests, die Löbner (1985) anführt (vgl. Abschnitt 2.1.3). (1)

Anna schläft.

Im Gegensatz dazu sind die quantifizierten bzw. denotierenden Ausdrücke gerade nicht objektabhängig. Genauer gesagt: Die Proposition, die in Beispiel (5) oder (6) ausgedrückt wird, ist objektunabhängig, insofern es in Beispiel (5) gar kein bestimmtes Referenzobjekt und in (6) mehrere oder möglicherweise auch keines gibt. In beiden Fällen gilt, dass es kein bestimmtes Objekt gibt, das direkten Einfluss auf die Wahrheitsbedingungen hätte (sichtbar

12

"

Der Begriff Proposition wird sehr unterschiedlich gebraucht und entsprechend kontrovers diskutiert: In Anlehnung an Lyons (1977a: 141 f.) soll mit Proposition nichts weiter gemeint sein, als was durch einen Aussagesatz ausgedrückt wird und wahr oder falsch sein kann. Wie wir in Abschnitt 2.4 sehen werden, rechnet Russell die natürlich-sprachlichen Eigennamen nicht zu den referierenden Ausdrücken, was ich hier der Einfachheit halber noch außer Acht lasse.

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wird dies auch durch die Formalisierung mit einer Individuenvariablen). Denotieren darf dann entsprechend nicht mit referieren gleichgesetzt werden, sondern muss im Sinn von beschreiben verstanden werden (vgl. von Heusinger 1997b: 36). (5) (6)

Niemand schläft. Jeder schläft.

Die Frage, wie weit oder eng Russell die definiten Kennzeichnungen fasst, wird recht unterschiedlich beantwortet, vermutlich hat er jedoch mehr als nur solche der Form the soand-so darunter verstanden, etwa Nomen mit vorangestelltem Genitivattribut oder Possessivpronomen (vgl. Neale 1990: 36). Mit einiger Sicherheit lässt sich sagen, dass Russell Nominalphrasen im Plural sowie solche mit generischer Lesart nicht in Betracht gezogen hat: There are two sorts of descriptions, what one may call >ambiguos descriptions^ when we speak of >a so-and-sodefinite descriptions^ when we speak of >the so-and-so< (in the singular). (Russell 1918: 111)

Auffällig ist, dass Russell fast nur Unika als Beispiele verwendet bzw. dass das Nomen wie Löbner (1985) es formuliert - die Rolle eines funktionalen Konzepts hat (vgl. Kap. 6.1.5). Aus linguistischer Sicht sind die russellschen > Auslassungen häufig kritisiert worden, da eine umfassende Artikel- bzw. Definitheitstheorie alle Umgebungen, in denen der Artikel eine einheitliche Bedeutung aufweist, miteinbeziehen muss, so Heim (1991: 508). Im Folgenden soll aufgezeigt werden, weshalb Russell die definiten Kennzeichnungen nicht zu den referierenden, sondern zu den denotierenden Ausdrücken zählt. Dies diskutiere ich anhand der bereits im vorhergehenden Abschnitt dargestellten Problemkreise.

2.3.1 Das Problem der leeren Kennzeichnung Anders als Frege nimmt Russell an, dass ein Satz mit einer definiten Kennzeichnung keine Bedeutung hätte und ihm kein Wahrheitswert zugewiesen werden könnte, wenn definite Kennzeichnungen referierende Ausdrucke wären. Russell verwirft denn auch Freges Unterscheidung in Sinn F und Bedeutungp (aus logischen Gründen, die hier nicht näher untersucht werden sollen). Eine Lösung bestünde nun darin, in Bezug auf Sätze mit leeren Kennzeichnungen wie in (23) Gl zu verwerfen und stattdessen Gl * zu vertreten: (23) Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig. Gl * Satz (23) hat keine Bedeutung, man versteht ihn nicht. Eine Konsequenz von G1 * wäre aber, dass man (Aussage-)Sätze ohne Wahrheitswert zulassen müsste: Wie Frege möchte Russell jedoch am Postulat der Wahrheitsdefinitheit festhalten, das besagt, dass prinzipiell jedem (Aussage-)Satz ein Wahrheitswert zugewiesen werden kann. Es ließe sich mit G l * einwenden, dass (23) kein >richtiger< (Aussage-)Satz sei, da man ihn nicht verstehe. Doch auch Russell hält an der sprachlichen Intuition und damit an Gl fest, dass (23) Bedeutung hat. Zwischen meaning und understanding gibt es Russell zufolge einen wichtigen Zusammenhang: Einen Ausdruck versteht man genau dann, wenn man dessen Bedeutung

29 kennt (Neale 1990: 16). In B e z u g auf referierende A u s d r ü c k e heißt das, dass m a n mit d e m Gegenstand, der durch den Ausdruck bezeichnet werde, >bekannt< sein müsse. 1 4 U m eine d e n o t i e r e n d e Phrase verstehen zu k ö n n e n , m u s s m a n nach Russell d a g e g e n nicht mit d e m O b j e k t >bekannt< sein, sondern es g e n ü g e , zu wissen, dass es g e n a u ein O b jekt gebe, w e l c h e s auch immer, das eine b e s t i m m t e E i g e n s c h a f t aufweist: I shall say that an object is »known by description when we know that it is >the so-and-sobekannt< sein. D a g e g e n trifft nach Russell zu, dass der gegenwärtige König von Frankreich einem O b j e k t eine Eigenschaft zuschreibt, n ä m l i c h König zu sein, nur dass in diesem Fall kein Objekt mit dieser Eigenschaft existiert. Im G r u n d e g e n o m m e n f u ß t Russells K e n n z e i c h n u n g s t h e o r i e damit auf d e r U n t e r s c h e i dung zweier erkenntnistheoretischer Z u g ä n g e zu O b j e k t e n , n ä m l i c h zwischen knowing by acquaintance bzw. knowing that und knowing by description b z w . knowing which (von Heusinger 1997b: 36). W ä h r e n d knowing by description typisch f ü r d e f i n i t e K e n n z e i c h nungen ist, ist knowing by acquaintance nach Russell typisch f ü r (logische) E i g e n n a m e n . 1 5 Dieses erkenntnistheoretische F u n d a m e n t ist k e i n e s w e g s u n p r o b l e m a t i s c h u n d w u r d e v.a. in Verbindung mit Russells Realismus kritisiert (vgl. dazu Abschnitt 2.4). Indem Russell (1905) die definiten K e n n z e i c h n u n g e n zu d e n denotierenden A u s d r ü c k e n rechnet, v e r w i r f t er G 2 : G r a m m a t i s c h e und l o g i s c h e F o r m s t i m m e n nicht ü b e r e i n . D a s P r o b l e m d e r leeren K e n n z e i c h n u n g ist so e i n f a c h lösbar (von H e u s i n g e r 1997b: 3 5 - 4 2 ) : A u f g r u n d ihrer Z u o r d n u n g zu den d e n o t i e r e n d e n A u s d r ü c k e n löst Russell ( 1 9 0 5 ) sie entsprechend d e m Kontext, in d e m sie stehen, auf, und z w a r so, dass letztlich die K e n n z e i c h nung eliminiert wird und damit keine eigene Konstituente darstellt: This is the principle of the theory of denoting I wish to advocate: that denoting phrases never have any meaning in themselves, but that every proposition in whose verbal expression they occur has a meaning. (Russell 1905: 36) Dabei geht Russell »von zwei möglichen Kontexten aus: von einem Existenzsatz [ . . . ] und von einer e i n f a c h e n Prädikation« (von Heusinger 1997b: 36). Eine einfache Prädikation ist nach Russell (1905) in drei >Teilsätze< a u f z u l ö s e n : A u f d e n Beispielsatz (23) a n g e w e n d e t können die Teilsätze wie folgt ausformuliert werden: (23) Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig. a) Es gibt mindestens einen gegenwärtigen K ö n i g von Frankreich. b) Es gibt höchstens einen gegenwärtigen K ö n i g von Frankreich. c) Alle Objekte, die gegenwärtige Könige von Frankreich sind, sind auch kahlköpfig.

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Russell (1918) spricht zwar von names, womit logische Eigennamen gemeint sein dürften. Die Frage, ob echt referierende Ausdrücke mit (logischen) Eigennamen zusammenfallen, ist an der Stelle irrelevant (vgl. auch Neale 1990: 50, FN 3). Wie wir noch sehen werden, sind logische Eigennamen und Eigennamen der natürlichen Sprache für Russell nicht dasselbe (Abschnitt 2.4).

30 Teilsatz a) drückt die Existenzbedingung aus, b) die Einzigkeitsbedingung und c) die Prädikation, w o b e i die Prädikation selbst keine E x i s t e n z a n n a h m e enthält: »Alle O b j e k t e , die F sind, sind G « ist w a h r , selbst w e n n es keine O b j e k t e , die F sind, g e b e n sollte (Russell 1918). Generell lassen sich die drei Teilsätze f ü r Sätze dieser F o r m wie in (24) angeben. Die prädikatenlogische Repräsentation ist in (25) wiedergegeben: (24) Das F ist G. a) Es gibt mindestens ein F. b) Es gibt höchstens ein F. c) Alle Objekte, die F sind, sind auch G. (25) a) 3x Fx b) Vx Vy ((Fx Λ Fy) - » χ = y) 16 c) Vx (Fx - » G x ) Die drei Teilsätze (25 a - c ) f a s s t Russell (1905) in einer äquivalenten Formel z u s a m m e n , aus der besser ersichtlich ist, dass der definite Artikel als ein O p e r a t o r a u f z u f a s s e n ist (genauer eine Kombination von Existenz- und Allquantor), der eine Variable bindet: 1 7 (26) 3x Vy ((Fy ** y = χ )

Λ

GX)

An dieser Fassung lässt sich ablesen, dass d e m A u s d r u c k das F d e r O b e r f l ä c h e n f o r m kein einfacher A u s d r u c k in der logischen Form zugeordnet werden kann, woran sich sehr schön zeigen lässt, dass sich g r a m m a t i s c h e und logische Form unterscheiden. 1 8 Russell spricht in diesem Z u s a m m e n h a n g von unvollständigem Symbol und meint damit dasselbe wie synkategorematischer Ausdruck ( B e n c i v e n g a 1987: 47 f.). W ä r e n K e n n z e i c h n u n g e n referierende Ausdrücke, so lägen kategorematische Zeichen vor. Ein Satz, der eine definite Kennzeichn u n g enthält, w e i s t also k e i n e A r g u m e n t - P r ä d i k a t - S t r u k t u r im S i n n e von G 3 auf (vgl. S. 23), was m e h r f a c h kritisiert, von Neale (1990) aber gelöst wurde. W e n d e t m a n diese A n a l y s e auf den Fall an, dass eine definite K e n n z e i c h n u n g leer ist, so zeigt sich, dass d e m Satz o h n e weiteres ein Wahrheitswert zugewiesen werden kann, da die definite K e n n z e i c h n u n g - o b leer oder nicht - im Kontext des Satzes i m m e r Bedeutung hat: W e n n der g e g e n w ä r t i g e K ö n i g von Frankreich nicht existiert, ist die E x i s t e n z b e d i n g u n g Teilsatz a) - verletzt und d e r Satz entsprechend falsch. Russell ist damit nicht g e z w u n g e n , leeren K e n n z e i c h n u n g e n e i n e n k o n v e n t i o n e l l e n W e r t z u z u w e i s e n , u m das Postulat der W a h r h e i t s d e f i n i t h e i t a u f r e c h t e r h a l t e n zu k ö n n e n . D e s W e i t e r e n k a n n Russell ( 1 9 0 5 : 4 9 , FN 10) auf eine Unterscheidung in Sinn F und Bedeutungp verzichten. Man könnte nun Russell v o r w e r f e n , dass er sich mit seiner L ö s u n g ein neues, im W e sentlichen logisches Problem einhandelt, das in d e r K o m b i n a t i o n einer leeren Kennzeichnung mit einer N e g a t i o n d u r c h den Satz des ausgeschlossenen Dritten (tertium non datur) entsteht. Das Problem zeigt sich, wenn man folgendes >Satzpaar< einander gegenüberstellt:

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(25 b) baut auf dem Identitätskalkül auf und kann wie folgt paraphrasiert werden: Für alle χ und für alle y gilt: Wenn χ F ist und y F ist, dann ist χ mit y identisch. Bei der Interpretation werden χ und y dasselbe Objekt zugeordnet, sodass höchstens ein Objekt die Eigenschaft F erfüllt. Das F wird in »Principia Mathematica« mithilfe des Jota-Operators dargestellt: (ix)(Fx) [gelesen: das einzige x, das F erfüllt |. Zum Jota-Operator vgl. Neale (1990) oder von Heusinger (1997b). Gleiches gilt für indefinite Kennzeichnungen (die Einzigkeitsbedingung fällt weg: 5x (Fx Λ Gx)).

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(23) Der gegenwärtige König von Frankreich ist kahlköpfig. (27) Der gegenwärtige König von Frankreich ist nicht kahlköpfig. Wendet man Russells bisherige Analyse auf beide Sätze an, so zeigt sich, dass beide den Wahrheitswert »falsch« erhalten, da die Existenzbedingung nicht erfüllt ist. Zu erwarten wäre aber, dass (27) den Wert »wahr« erhalten müsste, wenn (23) falsch ist (oder umgekehrt). Dies stünde zudem in Einklang mit dem tertium non datur. Außerdem bedeutete dies, dass der Wahrheitswert von (27) abhängig vom Wirkungsbereich der Negation wäre und nicht allein von der definiten Kennzeichnung. 1 9 Dies lässt sich anhand einfacher Sätze, die einen Eigennamen anstatt einer Kennzeichnung enthalten, gut zeigen: (28) Anna schläft. (29) Anna schläft nicht. Paraphrase:

Es ist nicht der Fall, dass Anna schläft.

Vergleicht man Beispiel (28) mit (29), leuchtet unmittelbar ein, dass Satz (29) falsch ist, wenn (28) wahr ist (und umgekehrt): Der Wahrheitswert von (29) ist auch hier abhängig vom Wirkungsbereich der Negation, der in diesem Falle über den ganzen Satz geht. Ersichtlich ist dies an der Paraphrase. Der Beispielsatz (27) ist mit (29) vergleichbar: Auch hier hat die Negation Skopus über den ganzen Satz. Einmal mehr ist eine Paraphrase an der Stelle hilfreich: »Es ist nicht der Fall, dass der gegenwärtige König von Frankreich kahlköpfig ist«. Das entspricht durchaus der natürlich-sprachlichen Intuition. So muss denn Russell die Negation - entgegen Kellerwessel (1995: 80) - nicht »uminterpretieren, so daß sie sich auf den ganzen Satz und nicht nur auf das Prädikat bezieht«. Russell kann unter der Annahme, dass die Negation Skopus über den ganzen Satz hat oder haben kann, die Analyse der definiten Kennzeichnung beibehalten und gleichzeitig den Satz des ausgeschlossenen Dritten beachten: Satz (27) erhält unter dieser Interpretation den Wahrheitswert »wahr« (ausformuliert in Tabelle (31)), im Gegensatz zu Satz (23), Tabelle (30). (30)

Es ist der Fall: Der gegenwärtige a) und b) und c)

König von F. ist

kahlköpfig,

falsch

a)

Es gibt mindestens einen gegenwärtigen König von Frankreich.

falsch

b)

Es gibt höchstens einen gegenwärtigen König von Frankreich.

wahr 20

c)

Alle Objekte, die gegenw. Könige von F sind, sind kahlköpfig.

wahr

a) und b) und c)

falsch

Zu lesen ist die Tabelle wie folgt: Die erste Zeile enthält eine Paraphrase des Ausgangssatzes und den entsprechenden Wahrheitswert. In a) und b) sind die Existenz- bzw. Einzigkeitsbedingung ausformuliert, in c) die Prädikation. In der letzten Zeile wird der Wahr-

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20

Die Abhängigkeit von anderen sprachlichen Ausdrücken wird - so von Heusinger (1997b: 140) meist als Skopus bezeichnet. Wenn es keinen König von Frankreich gibt, dann gibt es auch nicht zwei oder mehr Könige: Teilsatz b) ist damit im Gegensatz zu Teilsatz a) logisch wahr.

32 heitswert, der sich aus a), b) und c) ergibt, errechnet. Hat die Negation Skopus über a ) - c ) , verkehrt sich der Wahrheitswert - wie in Tabelle (31) gezeigt - in sein Gegenteil. (31)

Es ist nicht der Fall: Der gegenw. König von F. ist kahlköpfig, a) und b) und c)

wahr

a)

Es gibt mindestens einen gegenwärtigen König von Frankreich.

falsch

b)

Es gibt höchstens einen gegenwärtigen König von Frankreich.

wahr

c)

Alle Objekte, die gegenw. Könige von F sind, sind kahlköpfig.

wahr

a) und b) und c)

falsch

Bestimmte Ausdrücke, z.B. Adverbien wie immer, können im Wirkungsbereich der Negation sein und sind dann auch negierbar. Dies wird aus der Paraphrase zu (32) ersichtlich: (32) Anna schläft nicht immer. Paraphrase: Es ist nicht immer der Fall, dass Anna schläft. Dagegen sind etwa Eigennamen nicht skopussensitiv, da keine Lesart erhältlich ist, in der die Negation auch den Eigennamen erfassen würde - sie erfüllen damit nach Löbner (1985) eine grundlegende Eigenschaft für referierende Ausdrücke (vgl. S. 20). Korrekterweise müsste man damit Satz (29) und (32) wie folgt paraphrasieren: (33) Paraphrase: Für Anna gilt: Es ist nicht (immer) der Fall, dass sie schläft. Russell geht nun davon aus, dass definite Kennzeichnungen wie bestimmte Adverbien skopussensitiv sein können, was sich darin zeigt, dass der Teilsatz a) in Tabelle (31) nach Russell auch negierbar ist. Das wiederum bedeutet, dass definite Kennzeichnungen entgegen Löbner (1985) eine wichtige prädikatenlogische Eigenschaft nicht erfüllen, die nötig wäre, um sie der Klasse der referierenden Ausdrücke zuordnen zu können. Für den Fall, dass in (31) nicht die Existenz-, sondern die Einzigkeitsbedingung verletzt wäre, es also zwei Könige gäbe, muss Russell, um nicht in Widerspruch zum tertium non datur zu geraten, annehmen, dass die Negation Skopus über den ganzen Satz hat und die definite Kennzeichnung skopussensitiv ist. Eine Lesart, in der b) und c), nicht aber a) im Wirkungsbereich der Negation wäre, ist nicht erhältlich. Zudem ist es - wie (32) außerdem zeigt - nicht immer so, dass die Negation Skopus über den Satz hat. Das ist dann der Fall, wenn es sich um eine nicht-leere Kennzeichnung handelt wie im folgenden Beispiel: (34)

Es ist der Fall: Der gegenw. König von Spanien ist nicht blond.

wahr

a)

Es gibt mindestens einen gegenwärtigen König von Spanien.

wahr

b)

Es gibt höchstens einen gegenwärtigen König von Spanien.

wahr

c)

Alle Objekte, die gegenw. Könige von S sind, sind nicht blond.

wahr

a) und b) und c)

wahr

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die definite Kennzeichnung bei engem Skopus der Negation primäres Vorkommen hat und damit nicht skopussensitiv ist, bei weitem

33 Skopus der Negation jedoch sekundäres Vorkommen zeigt und gegenüber dem Wirkungsbereich der Negation sensitiv ist. Gerade Letzteres spricht dafür, die definiten Kennzeichnungen den denotierenden und nicht den referierenden Ausdrücken zuzuordnen.

2.3.2

Das Problem der negierten Existenzsätze

Wie wir gesehen haben, lässt sich Freges Lösung nicht ohne weiteres auf die negierten Existenzsätze übertragen, da sie zu kontraintuitiven Analysen führt. Dies gilt nicht für Russell: Seine Analyse der definiten Kennzeichnungen erfasst auch diesen Spezialfall, allerdings nur unter Beibehaltung der Annahme, dass die Negation im Verbund mit leeren definiten Kennzeichnungen weiten Skopus hat. Im Unterschied zu (27) zwingt ihn nicht das tertium non datur zu dieser Annahme, sondern weil einem negierten Existenzsatz mit leerer Kennzeichnung wie in (35) der Wahrheitswert »falsch« zugewiesen werden müsste, wenn die Negation engen Skopus hätte (vgl. die entsprechende Tabelle in (36)). Dies wäre ein offensichtlicher Widerspruch zu der Tatsache, dass (35) zweifellos als wahr oder zumindest nicht als falsch empfunden wird: (35) Der gegenwärtige König von Frankreich existiert nicht. (36)

Es ist der Fall:

Der gegenwärtige a) und b) und c)

König von F existiert

nicht,

falsch

a)

Es gibt einen gegenwärtigen König von Frankreich.

falsch

b)

Es gibt höchstens einen gegenwärtigen König von Frankreich.

wahr

c)

Alle Objekte, die gegenw. Könige von F sind, existieren nicht.

wahr

a) und b) und c)

falsch

Mimmt man an, dass die Kennzeichnung im Wirkungsbereich der Negation ist, erhält man den zu erwartenden Wahrheitswert, was aus der Tabelle (37) ersichtlich ist: (37)

Es ist nicht der Fall:

Der gegenwärtige a) und b) und c)

König von F existiert,

wahr

a)

Es gibt einen gegenwärtigen König von Frankreich.

falsch

b)

Es gibt höchstens einen gegenwärtigen König von Frankreich.

wahr

c)

Alle Objekte, die Könige von Frankreich sind, existieren.

wahr

a) und b) und c)

falsch

Gemäß Neale (1990: 33) führt Russell in Principia Mathematica für Existenzsätze ein spezielles Symbol ein (»E!«), was dazu führt, dass die Prädikation wegfällt, das heißt, nur noch die beiden Teilsätze Existenz- und Einzigkeitsbedingung gültig sind. Eine (erwünschte) Konsequenz davon ist, dass die Negation tatsächlich nur weiten Skopus haben

34 kann, da enger Skopus, also Skopus nur über das Prädikat, gar nicht erhältlich ist.21 Damit entfällt auch die >Anomalienaive< Sprecherinnen geltend macht. Oder anders gesagt: Möglicherweise lösen Sätze wie (35) ein Unbehagen aus, da die Sprecherund Hörerinnen dazu tendieren, existieren als ein gewöhnliches Prädikat wie schlafen aufzufassen (ähnlich Lycan 2000: 18).

2.3.3

Das Problem der Identitätssätze

Wie erwähnt, vertritt Russell (1905) die Ansicht, dass echt referierende Ausdrücke - Russell (1918) spricht auch von logischen Eigennamen - nichts beschreiben, sondern eine bloße Referenzfunktion haben. Den Unterschied zwischen referierenden und denotierenden Ausdrucken verdeutlicht Russell (1918), indem er logische und natürliche Sprache einander gegenüberstellt. Dass definite Kennzeichnungen keine bloße Referenzfunktion haben, ist u.a. darauf zurückzuführen, dass sie in Identitätssätzen nicht substituierbar sind, im Gegensatz zu den logischen Eigennamen bzw. echt referierenden Ausdrücken: (38) n , = n 2 Bei (38) handelt es sich genauer um eine Tautologie mit logischen Eigennamen und besagt so viel wie: η ist mit sich selbst identisch. Nun sind Tautologien immer wahr und deshalb uninformativ. Für Russell liegt in Bezug auf n, bzw. n 2 extensionale Bedeutung vor, sodass n, und n 2 in jedem Kontext substituierbar sind, und zwar ohne dass sich der Wahrheitswert ändert. Gleiches kann nun nicht von definiten Kennzeichnungen ausgesagt werden, insbesondere hinsichtlich der Informativität von Sätzen dieser Form: 2 2 (39) a) Der Autor von »Festland« ist der Autor von »Froschnacht«, b) Autor FesUand = Autor Froschnacht Wären nun Autor von >Festland< und Autor von >Froschnacht< echt referierende Ausdrücke, würde man mit (39 a) behaupten, Markus Werner sei mit sich selbst identisch. Der Satz wäre tautologisch und damit nicht informativ. Üblicherweise wird er jedoch so interpretiert, dass damit ein Erkenntniswert verbunden ist, er also informativ ist und durchaus falsch sein kann. Entsprechend hat (39 a) unter dieser Interpretation andere Wahrheitsbedingungen, die jedoch in der Repräsentation von (39 b) nicht erfasst sind. Wie Satz (39 a) zu seiner Informativität kommt, kann mithilfe der russellschen Kennzeichnungstheorie leicht gezeigt werden: Jeder Teilsatz in (40) liefert einen gewissen Erkenntniswert. Darüber hinaus erhält der Satz auch eine andere Repräsentation, als wenn es eine Tautologie der Art »n, = n 2 « wäre:

21

Damit ist die Frage, weshalb die Negation nur weiten Skopus haben kann, natürlich noch nicht beantwortet. Letztlich wählt Russell mit dem speziellen Symbol lediglich eine besondere Darstellungsart.

21

Üblicherweise würde der Beispielsatz in der Subjektposition nicht eine definite Kennzeichnung, sondern einen natürlich-sprachlichen Eigennamen enthalten, also etwa: Markus Werner ist der Autor von »Froschnacht«. Um der Frage, welcher Gruppe Russell die Eigennamen zuordnet, nicht vorzugreifen, habe ich eine definite Kennzeichnung verwendet.

35 (40) a)

Es gibt mindestens einen Autor von »Festland«.

b) Es gibt höchstens einen Autor von »Festland«. c) Alle Objekte, die Autoren von »Festland« sind, sind Autor von »Froschnacht«. Eine K o n s e q u e n z d a v o n ist, dass es sich bei (39) nach L y c a n (2000: 20) nur o b e r f l ä c h l i c h gesehen um einen Identitätssatz handelt. G e n a u g e n o m m e n m ü s s e n Sätze dieser F o r m als »gewöhnliche« Aussagesätze, also als Prädikationen a n g e s e h e n w e r d e n , w a s in Teilsatz c) der Paraphrase ersichtlich ist. 23 Hier klaffen also g r a m m a t i s c h e und logische F o r m e i n m a l mehr auseinander. Russell (1918: 113) selbst hat diese F o l g e r u n g nicht g e z o g e n : Er betont, dass das ist wie hier in Satz (39) dasjenige d e r Identität und nicht das d e r Prädikation sei, wie z.B. in Der Autor von >Festland< ist blond. Es ist mithin fraglich, o b die Paraphrase in (40) nicht e h e r in W i d e r s p r u c h zu einem n a t ü r l i c h - s p r a c h l i c h e n V e r s t ä n d n i s steht, nicht zuletzt auch zu Russells eigenem Verständnis bzw. sprachlichem E m p f i n d e n . Da definite K e n n z e i c h n u n g e n keine bloße R e f e r e n z f u n k t i o n h a b e n , I d e n t i t ä t s a u s s a g e n mit solchen A u s d r ü c k e n aber informativ sind, sind definite K e n n z e i c h n u n g e n auch nicht in j e d e m Kontext substituierbar. Deutlich wird dies in B e z u g auf intensionale Kontexte.

2.3.4

Das Substitutionsproblem in intensionalen Kontexten

Das S u b s t i t u t i o n s p r o b l e m in intensionalen K o n t e x t e n lässt sich a n a l o g z u m P r o b l e m d e r Identitätssätze behandeln: (41) Otto glaubt, dass d e r Autor von »Festland« der Autor von »Froschnacht« ist. W ä r e der dass-Satz eine Identitätsaussage d e r Form » n , = n 2 « , w ü r d e m a n mit (41) behaupten, Otto glaube, M a r k u s W e r n e r sei mit sich selbst identisch. D a r ü b e r hinaus m ü s s t e z.B. Autor von >Festland< d u r c h einen anderen, r e f e r e n z g l e i c h e n A u s d r u c k substituierbar sein, o h n e dass sich d e r W a h r h e i t s w e r t des Satzes ändert. Ersetzt m a n j e d o c h der Autor von >Festland< durch der Autor von >Zündels Abgang< — in beiden Fällen ist dies M a r k u s W e r ner - , so könnte der neu gebildete Satz durchaus einen anderen Wahrheitswert haben. Beim dass-Satz in Beispiel (41) handelt es sich analog zu (39) nicht um eine Tautologie. Behandelt man definite K e n n z e i c h n u n g e n als d e n o t i e r e n d e und nicht als r e f e r i e r e n d e A u s drücke, so lässt sich mit der A u f l ö s u n g in drei Teilsätze b e g r ü n d e n , w e s h a l b definite K e n n zeichnungen in Kontexten dieser Art nicht substituierbar sind.

2.3.5

Fazit

Indem Russell definite K e n n z e i c h n u n g e n nicht zu den referierenden, sondern zu den d e n o tierenden A u s d r ü c k e n rechnet und Sätze mit definiten K e n n z e i c h n u n g e n in die drei Teilsätze Existenz- und E i n z i g k e i t s b e d i n g u n g s o w i e die Prädikation zergliedert, verliert d e r Grundsatz G 2 , w o n a c h solche Sätze eine e i n f a c h e A r g u m e n t - P r ä d i k a t - S t r u k t u r a u f w e i s e n , seine Gültigkeit. Im G e g e n z u g kann Russell im Falle der leeren K e n n z e i c h n u n g e n an G l

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In der Logik ist das ist der Prädikation vom ist der Identität zu unterscheiden (Bucher 1987: 225).

36 festhalten, d a diese auch in seiner A n a l y s e nach wie vor nicht bedeutungslos sind. W i e wir gesehen h a b e n , ist G 3 f ü r definite K e n n z e i c h n u n g e n nicht einschlägig, d a z u m einen G 2 nicht gilt, z u m a n d e r n e t w a Sätzen mit leeren K e n n z e i c h n u n g e n ein W a h r h e i t s w e r t zugewiesen werden kann. Z u d e m lassen sich die weiteren Problemfälle recht gut lösen. Die russellsche K e n n z e i c h n u n g s t h e o r i e stieß zwar allseitig auf große A n e r k e n n u n g , aber d e n n o c h nicht auf ungeteilte Z u s t i m m u n g . So hat S t r a w s o n (1950), n e b e n anderen, gewichtige E i n w ä n d e g e g e n Russell (1905) formuliert. S t r a w s o n kritisierte vor allem, dass Russells A n a l y s e der definiten K e n n z e i c h n u n g e n h e r a n g e z o g e n werde, u m den G e b r a u c h von referierenden Ausdrücken in der natürlichen Sprache zu erklären: 1 think it is true to say that Russell's theory of descriptions is still widely accepted among logicians as giving a correct account of the use of such expressions in ordinary language. I want to show in the first place, that this theory, so regarded, embodies some fundamental mistakes. (Strawson 1950: 136) G e n a u e r betrachtet richtet sich diese Kritik nicht g e g e n Russell (1905) selbst, da er sich k e i n e s w e g s z u m Ziel gesetzt hatte, die natürliche S p r a c h e zu analysieren (außer im Hinblick auf die E i g e n n a m e n ) . Russell w a r sich d u r c h a u s b e w u s s t , dass d e r G e b r a u c h d e s definiten Artikels in d e r natürlichen S p r a c h e nicht m i t h i l f e seiner T h e o r i e , die er a n h a n d der Logik als einer künstlichen Sprache entwickelte, erklärt oder analysiert werden kann: Now the, when it is strictly used, involves uniqueness; we do, it is true, speak of >the son of Soand-so* even when So-and-so has several sons, but it would be more correct to say >a son of Soand-soThis is whitethis< you see, you are using >this< as a proper name. But if you try to apprehend the proposition that I am expressing when I say >This is whitethis< quite strictly, to stand for an actual object of sense, that it is really a proper name. (Russell 1918: 62) N a c h Kellerwessel (1995: 75) b e d e u t e t dies, dass das R e f e r e n z o b j e k t v o n this eine Geg e n s t a n d s w a h r n e h m u n g sei. 25 Dieser A u s d r u c k scheint mir i r r e f ü h r e n d zu sein, da Russell nicht der Ansicht war, dass d a s R e f e r e n z o b j e k t einen p s y c h i s c h e n Prozess bezeichne. Ein A u s d r u c k wie Sinnesdatum d ü r f t e u n v e r f ä n g l i c h e r sein. E n t s c h e i d e n d ist, dass sich hinter Russells vager A u s d r u c k s w e i s e eine Art >Ambiguitätsproblem< (bezogen auf Sprecher- und H ö r e r i n n e n ) sowie - im S i n n e von H e u s i n g e r s - eine Art >Kontextproblem< verbirgt, da this j e nach Kontext oder Situation auf ein anderes Objekt referieren kann: [>ThisEigenname< - g e m e i n t ist ein logischer E i g e n n a m e - nicht d a s s e l b e bedeuten wie f ü r den S p r e c h e r , da nicht beide dieselbe >Sinneswahrnehmung< bzw. d a s s e l b e >Sinnesdatum< haben können. Selbst f ü r ein und dieselbe Person kann nicht leicht erklärt w e r d e n , wie ein echter >Name< dasselbe bezeichnen kann. W e n n j e m a n d mit e i n e m >Sinnesdatum bekannt< ist, dieses mit e i n e m (logischen) E i g e n n a m e n η b e z e i c h n e t u n d später w i e d e r gebraucht, um auf d a s s e l b e S i n n e s d a t u m zu referieren, dann stellt dies nach Russell (1912: 48) bereits eine E r w e i t e r u n g des principle of acquaintance dar. 2 6 W ü r d e das D e m o n s t r a t i v p r o n o m e n this nicht ein S i n n e s d a t u m , sondern tatsächlich ein physikalisches O b j e k t b e z e i c h n e n , könnte Russell nicht erklären, w e s h a l b das R e f e r e n z o b j e k t i m m e r w i e d e r ein a n d e r e s sein kann, und z w a r nicht nur hinsichtlich des Verhältnisses S p r e c h e r - Hörerin, s o n d e r n auch in B e z u g auf andere Situationen, in denen this beispielsweise einen Tisch bezeichnen würde. Diese S c h w i e r i g k e i t entsteht aber nur, weil Russell Bedeutung mit R e f e r e n z gleichsetzt. 2 7

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Kellerwessel beruft sich allerdings auf Human Knowledge, das einiges später, 1948, erschien. Diese Sichtweise ist nach Pears (1998: 21) vergleichbar mit Kripkes Kausalheorie: Da η aufgrund seiner Bedeutung dasselbe Sinnesdatum bezeichnet, und zwar in jeder möglichen Welt, in der es existiert, ist es eine starre Kennzeichnung eines bestimmten Sinnesdatums (Abschnitt 2.5). Für Strawson (1950) stellt das ständig wechselnde Referenzobjekt kein Problem dar, da er Referenz auf der Ebene der Pragmatik ansiedelt. Das >Kontextproblem> wird v.a. in Kapitel 7 erläutert.

40 N a c h Russell kann nun this als ein echt referierender A u s d r u c k nicht anders als referieren, sodass in B e z u g auf Sätze wie This is white der Grundsatz G 1 trivialerweise erfüllt ist und dann auch G 3 keinerlei Schwierigkeiten bereitet, da d e m Satz o f f e n k u n d i g ein W a h r heitswert zugewiesen werden kann. Auch G 2 ist erfüllt: G1 Der Satz hat Bedeutung, m a n versteht ihn. G 2 Die g r a m m a t i s c h e und logische Form stimmen überein. G3 Ein Subjekt-Prädikat- bzw. A r g u m e n t - P r ä d i k a t - S a t z hat (nur) B e d e u t u n g , wenn er ein I n d i v i d u u m / e i n e n Gegenstand herausgreift und diesem eine Eigenschaft zuschreibt. Sobald der G e g e n s t a n d j e d o c h nicht m e h r sinnlich w a h r n e h m b a r ist - wenn m a n beispielsweise a m nächsten T a g über diesen Punkt reden m ö c h t e und die W a n d t a f e l längst w i e d e r gereinigt ist - , dann braucht es ein anderes sprachliches Mittel - einen >NamenJohnTaufakt< dabei war, Satz c), John is white, versteht. U m ihn verstehen zu k ö n n e n , m u s s m a n wissen, auf w e l c h e n G e g e n s t a n d und welche Art von Gegenstand sich John bezieht. G e n a u dies ist f ü r Satz a), The dot that is on the right-hand side of the blackboard is white, der Fall: Wie wir gesehen haben, sind Kennz e i c h n u n g e n s p r a c h l i c h e A u s d r ü c k e , die ihr R e f e r e n z o b j e k t d u r c h N e n n u n g von Eigens c h a f t e n b e s t i m m e n . Damit gelten f ü r a) und c) hinsichtlich des principle of acquaintance die gleichen B e d i n g u n g e n , nicht aber f ü r b). N a c h dieser Charakterisierung sind the dot that [ . . . ] und John als definite K e n n z e i c h n u n g e n zu b e s t i m m e n . N u r this wäre ein echt referierender A u s d r u c k , d a this sein Referenzobjekt nicht durch Eigenschaften bestimmt. Die einzigen W ö r t e r , die zu d e n logischen E i g e n n a m e n g e h ö r e n sind nach Russell also D e m o n s t r a t i v p r o n o m e n wie dies oder jenes. Z w a r hätten die N a m e n der natürlichen Sprache wie John oder Sokrates ursprünglich die Funktion gehabt, im Sinne eines logischen E i g e n n a m e n s f ü r ein Einzelding zu stehen, doch mittlerweile sind sie nichts a n d e r e s als A b k ü r z u n g e n f ü r definite K e n n z e i c h n u n g e n , da m a n z.B. mit Sokrates selbst nicht m e h r bekannt sein k ö n n e (Russell 1912: 54). Russell gesteht allerdings zu, dass natürlich-sprachliche E i g e n n a m e n doch wie >echtebekannt< sein könne. Russell ( 1 9 1 8 ) benennt noch einen weiteren Unterschied zwischen (echten) E i g e n n a m e n und definiten K e n n z e i c h n u n g e n , der als eine Art K o n s e q u e n z des principle of acquaintance gesehen w e r d e n kann: you would understand the meaning of the phrase >The author of Waverly< if you had never heard it before, whereas you would not understand the meaning of >Scott< if you had never heard the word before because to know the meaning of a name is to know who it is applied to. (Russell 1918: 112)

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Russell begründet dies damit, dass ein Name ein einfaches Symbol sei, das nicht weitere Symbole als Elemente enthalte. Definite Kennzeichnungen hingegen sind komplexe Symbole: Um sie zu verstehen, muss man die Bedeutung der einzelnen Elemente kennen. 2 8 In diesem Sinne spricht er auch davon, dass die Bedeutung einer definiten Kennzeichnung »determiniert«, das heißt nicht arbiträr oder konventionell sei. Es irritiert jedoch, dass er zur Illustration natürlich-sprachliche Eigennamen verwendet, die seiner Ansicht nach gerade nicht zu den >echten< logischen Eigennamen zu zählen sind. Dazu ein Beispiel: (45) a) Die Müller haben einen Aufstand angezettelt, b) (Die) Müllers haben einen Aufstand angezettelt. Satz b) dürfte ohne weiteres verständlich sein, auch wenn man nicht weiß, wer genau mit Müllers gemeint ist. Selbst wenn man diesen Ausdruck noch nie gehört hat, kann man ihn aufgrund der Pluralkennzeichnung den Familiennamen zuordnen. Damit wäre die Bedeutung von (Familien-)Namen morphologisch >determiniert< und im russellschen Sinne nicht arbiträr. 29 Sie können dann auch keine einfachen Symbole sein, da >Einfachheit< - zumindest was Eigennamen im Plural betrifft - nach Russell äquivalent zu fehlender interner Struktur sei (Pears 1998: 18). 30 Natürlich-sprachliche E i g e n n a m e n scheinen sich d a m i t gleich oder besser gesagt sehr ähnlich wie definite Kennzeichnungen zu verhalten. Zieht man Russells Erklärung heran, müsste es sich bei Scott um ein einfaches Symbol handeln, zumindest wenn nicht die Kennzeichnung, f ü r die der Eigenname stehen soll, die dafür entscheidende Ebene ist. Akzeptiert man Letzteres, bleibt die Frage o f f e n , ob man Scott verstehen kann, wenn man diesen >Namen< noch nie gehört hat und dann wohl auch nicht weiß, f ü r welche Kennzeichnung er steht. Hinzu kommt, dass die Unterscheidung in einfache und komplexe Symbole keine ist, die nur Namen und Kennzeichnungen betrifft. Wer noch nie das Wort Autor gehört oder gelesen hat, kann ein komplexes Symbol, das dieses einfache Symbol enthält, ebenfalls nicht verstehen. Umgekehrt gilt, dass man Peter Schmid verstehen kann, wenn man unabhängig davon den Vor- und Nachnamen kennt. Eine ähnlich mehrdeutige oder unklare Stelle hinsichtlich der Frage, o b natürlichsprachliche Eigennamen echte logische Eigennamen sind, betrifft den Hinweis, dass (logische) Eigennamen nicht, wie dies f ü r denotierende A u s d r ü c k e gilt, entsprechend dem Kontext, in dem sie stehen, aufgelöst werden: when 1 say >The author of Waverly is humanthe author of Waverly< is not the subject of that proposition, in the sort of way that Scott would be if I said >Scott is humanScott< as a name. I cannot e m p h a s i z e sufficiently h o w important this point is, and h o w much error you get into metaphysics if you d o not realize that when I say >The author of Waverly is human< that is not a proposition of the s a m e f o r m as >Scott is humanthe author of WaverlyScott< as a n a m e « . V e r m u t l i c h muss dies als ein G e d a n k e n e x p e r i m e n t in d e m Sinne gelesen w e r d e n , dass Scott eine Konstituente wäre, wenn es ein echter logischer Eigenname wäre, w a s aber nicht der Fall ist. Von Heusinger ( 1 9 9 7 b : 116, FN 6) weist darauf hin, dass diese Stelle als eine V o r w e g nahme der U n t e r s c h e i d u n g von attributiver und referenzieller Lesart nach Donnellan (1966) interpretiert worden ist (vgl. Kap. 5.5.1). 31 Dann fragt es sich aber, w e s h a l b Russell nur f ü r E i g e n n a m e n und nicht auch f ü r definite K e n n z e i c h n u n g e n beide Lesarten f ü r möglich hält. Stellen dieser Art zeigen v i e l m e h r , dass auch Russell nicht i m m e r k o n s e q u e n t zwischen natürlich-sprachlichen und logischen Eigennamen unterscheiden kann. Fasst m a n das bisher G e s a g t e zu den logischen E i g e n n a m e n bzw. den echt referierenden Ausdrücken z u s a m m e n , zeichnen sie sich hauptsächlich durch zwei Eigenschaften aus: -

Logische E i g e n n a m e n sind nicht weiter analysierbar, da sie ein Sinnesdatum bezeichnen, das selbst nicht weiter zerlegbar ist. Sie gehören zu den einfachen Symbolen. A u f g r u n d d e s principle of acquaintance b e z e i c h n e n E i g e n n a m e n direkt ein Sinnesdatum, ohne diesem irgendwelche Eigenschaften zuzuschreiben.

Da die natürlich-sprachlichen E i g e n n a m e n nach Russell in d e r Regel beide Eigenschaften nicht erfüllen, rechnet er sie zu den denotierenden Phrasen. Es wäre damit zu erwarten, dass sie sich hinsichtlich d e r vier P r o b l e m k r e i s e , die im Z u s a m m e n h a n g mit den d e f i n i t e n Kennzeichnungen diskutiert wurden, gleich verhalten, was j e d o c h nur teilweise der Fall ist.

2.4.2

D a s Problem der leeren Eigennamen

Es ist offensichtlich, dass E i g e n n a m e n in der natürlichen Sprache nicht z w i n g e n d auf einen »realen« G e g e n s t a n d r e f e r i e r e n m ü s s e n , z.B. Sherlock Holmes. W ü r d e es sich um einen >echten< N a m e n handeln, d ü r f t e sich die Frage der Existenz g e m ä ß Russell nicht stellen. I n d e m Russell die E i g e n n a m e n der n a t ü r l i c h e n S p r a c h e als A b k ü r z u n g e n f ü r d e f i n i t e K e n n z e i c h n u n g e n behandelt, sind sie auch wie solche zu analysieren. Russell gibt f ü r den Ausdruck Apollo, der einen griechischen Gott bezeichnet, folgende Handlungsanleitung: A proposition about Apollo means what we get by substituting what the classical dictionary tells us is meant by Apollo, say >the sun-godWahrheitstabellenSocratesScott is human< there is no possibility of a double denial. T h e only way you can deny >Scott is human< is by saying >Scott is not humanWiderspruchSprachgefühls