Ehegattenzuwendungen im Zugewinnausgleich: Rehabilitation einer gesetzlichen Regelung [1 ed.] 9783428499465, 9783428099467

Die Behandlung von Ehegattenzuwendungen im Zugewinnausgleich ist ein zentraler Punkt der familienrechtlichen Diskussion,

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German Pages 272 Year 2000

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Ehegattenzuwendungen im Zugewinnausgleich: Rehabilitation einer gesetzlichen Regelung [1 ed.]
 9783428499465, 9783428099467

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JENS JEEP

Ehegattenzuwendungen im Zugewinnausgleich

Schriften zum Bürgerlichen Recht Band 231

Ehegattenzuwendungen im Zugewinnausgleich Rehabilitation einer gesetzlichen Regelung

Von Dr. Jens Jeep

Duncker & Humblot . Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme

Jeep,Jens: Eheganenzuwendungen im Zugewinnausgleich : Rehabilitation einer gesetzlichen Regelung I von Jens Jeep. - Berlin : Duncker und Humblot, 2000 (Schriften zum bürgerlichen Recht; Bd. 231) Zugl.: Freiburg (Breisgau), Univ., Diss., 1999 ISBN 3-428-09946-X

Alle Rechte vorbehalten Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübemahme und Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany

© 2000 Duncker &

ISSN 0720-7387 ISBN 3-428-09946-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 97069

Vorwort Diese Arbeit hat der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Albert-LudwigsUniversität Freiburg 1999 als Dissertation vorgelegen. Sie wurde im Rahmen der Landesgraduiertenförderung Baden-Württemberg finanziell unterstützt und befindet sich im wesentlichen auf dem Stand vom Dezember 1998. Zum Teil konnten noch danach erschienene neue Auflagen zitierter Literatur berücksichtigt werden. Ich danke Herrn Prof. Dr. Rainer Frank, an dessen Institut ich fast drei Jahre tätig war und der das Erstgutachten erstellt hat, sowie Herrn Prof. Dr. Gerhard Hohloch, der das Zweitgutachten erstattete. Großen Dank schulde ich all denen, die mich während des Entstehens dieser Arbeit unterstützt haben. Ein wissenschaftliches Projekt ist eine oftmals einsame und manchmal frustrierende Angelegenheit, die ohne aufmunternde Ratschläge und konstruktive Kritik kaum denkbar ist. In der Reihenfolge ihrer Beiträge möchte ich daher Katharina Ahrendts, Jens-Martin Zeppernick, Dr. Tobias Helms, Bernhard Lipp sowie Eckhard Bogs danken. Ihr wart eine große Hilfe! Mein ganz besonderer Dank gilt jedoch Kerstin Schmidt, MA. Deine Unterstützung während der gesamten Bearbeitungszeit und auch noch danach war für mich unverzichtbar! Schließlich möchte ich meinen Eltern danken, die mich während meiner Ausbildung immer unterstützt und nie gedrängt haben. Freiburg, im Juli 1999

Jens Jeep

Inhaltsübersicht Einf'tihrung ...........................................................................

21

1. Kapitel

Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

26

A. Anforderungen an die zeitgemäße Behandlung von Eheganenzuwendungen im Zugewinnausgleich ...................................................................

26

B. Zuwendungen im System des Zugewinnausgleichs .................................

32

C. Unterscheidung innerhalb der Ehegattenzuwendungen .............................

43

2. Kapitel

Die Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen gern. § 1380

62

A. Die Auslegung des § 1380 .........................................................

63

B. Überprüfung der Auslegungsmöglichkeiten anhand von Fallgruppen ...............

91

C. Vergleich der Auslegungsmöglichkeiten anhand der Fallgruppen 1 und 2 ........... 100 D. Die Funktion des § 1380 ........................................................... 107 E. Vergleich der Auslegungsmöglichkeiten anhand der Fallgruppen 3 bis 5 unter Berücksichtigung der Funktion des § 1380 ............................................ 122

F. Bewertung der beiden Auslegungsmöglichkeiten anhand der Funktion des § 1380 .. 130 G. Gibt es eine Rechtfertigung für die vom Halbteilungsgrundsatz abweichenden Ergebnisse der h. M.? ................................................................ 133 H. Ergebnis: Vorzug der vollständigen Anrechnung mit Anspruchsumkehr ............. 141

3. Kapitel

Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 auf Ehegattenzuwendungen

144

A. Der Stand der Rechtsprechung ..................................................... 144 B. Generelle Nichtanwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 auf Zuwendungen des Ehegatten? 149 C. Die Privilegierung anzurechnender Zuwendungen.................................. 151

8

Inhaltsübersicht

D. Die Privilegierung nicht anzurechnender Zuwendungen............................ 165 E. Ergebnis: Das Zusammenspiel von § 1380 und § 1374 Abs. 2 ...................... 177

4. Kapitel

Eine Sonderbehandlung rur Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

180

A. Problemstellung.................................................................... 180 B. Vorfrage: Wann erfolgt eine Zuwendung aus dem Anfangsvermögen? .............. 182 C. Beinhaltet bereits § 1380 eine Sonderbehandlung? ................................. 188 D. Ablehnung einer Sonderbehandlung durch den BGH ............................... 194 E. Stellungnahme ..................................................................... 196

F. Ergebnis ............................................................ .. ............. 204

5. Kapitel

Die Behandlung wechselseitiger Zuwendungen

206

A. Problemstellung.................................................................... 206 B. Saldierung der Zuwendungen ...................................................... 207 C. Anrechnung nur der Zuwendungen des ausgleichspflichtigen Ehegatten ............ 208 D. Stellungnahme und Lösung anhand von Funktion und Systematik des § 1380 ....... 212 E. Ergebnis ........................................................................... 219

6. Kapitel

Die Anrechnung auf Ausgleichsanspruch undl oder Pflichtteil im TodesfaU

220

A. Problemstellung.................................................................... 220 B. Prämisse: Die Unzulässigkeit einer echten doppelten Anrechnung.................. 221 C. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen ............................ 221 D. Die Auslegung der Bestimmungen des Zuwenders ................................. 252 E. Ergebnis ........................................................................... 258 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................... 260 Schlußwort ........................................................................... 263 Literaturverzeichnis .. .. .. . .. . . .. .. . .. . . .. .. . .. . .. .. . . . . .. . .. . . . . .. . . . . . .. .. . .. .. . . . .. 265

Inhaltsverzeichnis Einführung ...........................................................................

21

1. Kapitel

Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

26

A. Anforderungen an die zeitgemäße Behandlung von Ehegattenzuwendungen im Zugewinnausgleich ................................................................

26

I. Die Hausfrauenehe als Grundlage der Zugewinngemeinschaft ................

26

11. Die Tauglichkeit der Hausfrauenehe als Maßstab in der heutigen Zeit .........

28

III. Forderungen an die Behandlung von Ehegattenzuwendungen im gesetzlichen Güterstand ...................................................................

30

B. Zuwendungen im System des Zugewinnausgleichs ...............................

32

I. Prämissen der Beispielsrechnungen ...........................................

32

11. Voraussetzung für die Durchführung des Zugewinnausgleichs .................

33

III. Das Grundprinzip des Zugewinnausgleichs: Die Halbteilung des während der Ehe erzielten Zugewinns .....................................................

34

IV. Unerheblichkeit des Schicksals einzelner Verrnögensgegenstände .......... . ..

35

V. Einfluß von Zuwendungen unter Ehegatten auf den Zugewinnausgleichsmechanismus .................................................................

37

VI. Modifikation durch Sonderregelungen für die Behandlung von Zuwendungen?

40

1. § 1380 - Die Anrechnung von Zuwendungen ..............................

40

2. § 1374 Abs. 2 - Die Privilegierung von Zuwendungen .....................

42

C. Unterscheidung innerhalb der Ehegattenzuwendungen ..........................

43

I. Die Motivation für gegenleistungslose Zuwendungen unter Ehegatten: ehebegründete und nicht ehebegründete Zuwendungen ...........................

43

10

Inhaltsverzeichnis 11. Die Unterscheidung der Rechtsprechung: unbenannte Zuwendungen und Schenkungen .................................................................

46

III. Die Unterscheidung des Gesetzes: anzurechnende Zuwendungen und nicht anzurechnende Zuwendungen ..................... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

52

1. Die Unterscheidung nach § 1380 Abs. 1 S. I ...............................

53

2. Die Unterscheidung nach § 1380 Abs. 1 S. 2 ...............................

53

a) § 1380 Abs. 1 S. 2 als Auslegungsregel .................................

54

b) § 1380 Abs. 1 S. 2 als dispositiver Rechtssatz ...........................

54

3. Stellungnahme: Der Zusammenhang zwischen den Unterscheidungen der Rechtsprechung und des Gesetzes. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

55

IV. Ergebnis: Zwei Arten der Zuwendung unter Ehegatten ........................

60

2. Kapitel

Die Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen gern. § 1380

62

A. Die Auslegung des § 1380 .........................................................

63

I. Vorüberlegung: Die Behandlung des Zuwendungswertes beim Empfanger ....

63

11. Vorhandensein einer Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfangers als Voraussetzung für die Anrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

64

1. Die ..Ausgleichsforderung" in § 1380 Abs. 1 S. 1 ist ohne Absatz 2 zu berechnen.. .... ... ... .... ................ ...... ... ...... ...... ........ .......

65

2. Die ..Ausgleichsforderung" in § 1380 Abs. 1 S. 1 ist unter Berücksichtigung von Absatz 2 zu berechnen ................................................

66

3. Die Position des BGH .....................................................

67

a) Die These von der Sperrwirkung des § 1380 ............................

67

b) Die Ablehnung der Sperrwirkung durch den BGH......... . .............

69

c) Analyse ................................................................

71

4. Stellungnahme.............................................................

75

III. Die Durchführung der Anrechnung ...........................................

78

1. Vollständige Anrechnung mit Anspruchsumkehr ...........................

79

2. Eingeschränkte Anrechnung ...............................................

81

3. Stellungnahme.............................................................

82

Inhaltsverzeichnis

11

IV. Weitere Auslegungsvorschläge ...............................................

84

1. Anrechnung nur bei nicht zu hoher Vorwegleistung ........................

84

2. Zweite Ausgleichsforderung unter Berücksichtigung der Zuvielleistung ....

88

V. Zwischenergebnis: Zwei mögliche Auslegungen des § 1380 ..................

89

B. Überprüfung der Auslegungsmöglichkeiten anhand von Fallgruppen ...........

91

I. Prinzipien der Fallgruppenbildung ............................................

91

1. Unterscheidung nach dem Verhältnis des Zuwendungswerts zur Höhe der hypothetischen Ausgleichspflicht des Zuwenders im Falle nicht erfolgter Zuwendung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

92

2. Unterscheidung nach der Entwicklung des Empfangerzugewinns im Verhältnis zum Zuwendungswert ..............................................

95

3. Unterscheidung nach der Person des. Ausgleichspflichtigen ohne Anrechnung. ... ..... ......... ... ...... .......... .... ... ...... ...... ..... ...... ....

97

11. Zusammenfassung der Fallgruppen ...........................................

98

c. Vergleich der Auslegungsmöglichkeiten anhand der Fallgruppen 1 und 2 .......

100

I. Fallgruppe 1 (Vorwegleistung mit Werterhalt im Empfangerzugewinn) ........ 101 1. Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 101 a) Beispielsfall 1 .......................................................... 101 b) Vergleichsgröße: Ausgleich ohne Anrechnung .......................... 101 c) Ausgleich mit Anrechnung ............................................. 102 2. Analyse ................................................................... 103 11. Fallgruppe 2 (Vorwegleistung mit Wertverlust im Empfangerzugewinn) . . . . . .. 105 1. Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 a) Beispielsfall 2 .......................................................... 105 b) Vergleichsgröße: Ausgleich ohne Anrechnung .......................... 106 c) Ausgleich mit Anrechnung ............................................. 106 2. Analyse ................................................................... 107

D. Die Funktion des § 1380 .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . . . . . . . . . . . .. . .. . . . . .. . . . . . . . . . . . .. 107

I. Neutralisierung der Wirkung des § 1374 Abs. 2? .............................. 107

12

Inhaltsverzeichnis 11. Ausgleich des Wertverlustes des Zuwendungsgegenstandes (Sachgefahrübergang)? ........................................................................ 110 I. Konsequenzen der Theorie vom Sachgefahrübergang ......................

III

2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III 111. Ausgleich des Wertverlustes im Empfangerzugewinn (Wertrisikoübergang) ... 115

1. Wertrisikoübergang / Werterhaltungsfunktion ...... . ... . ... . ........ . ... . .. 116 2. Die paritätische Beteiligung am Nettozuerwerb ............ . ............ . .. 118 IV. Ergebnis .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 120

E. Vergleich der Auslegungsmöglichkeiten anhand der FaIlgruppen 3 bis 5 unter Berücksichtigung der Funktion des § 1380 ....................................... 122 I. Fallgruppe 3 a) (Zuvielleistungen des Ausgleichspflichtigen mit Wertverlust im Empfängerzugewinn) ..................................................... 122

1. Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 a) Beispielsfall 3 a) .................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 122 b) Vergleichsgröße: Ausgleich ohne Anrechnung .................. . ....... 122 c) Ausgleich mit Anrechnung ............................................. 123 (I) Eingeschränkte Anrechnung ........................................ 123

(2) Vollständige Anrechnung ........................................... 123 2. Analyse ................................................................... 124 11. Fallgruppe 3 b) (Zuvielleistungen des nicht Ausgleichspflichtigen mit Wertverlust im Empfangerzugewinn) .............................................. 125

1. Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung ............................. 125 a) Beispielsfall 3 b) .......................................... . ............ 125 b) Ausgleich ohne Anrechnung............................... . ............ 125 c) Ausgleich mit vollständiger Anrechnung................................ 125 2. Analyse ................................................................... 126 III. Fallgruppe 4 (Zuvielleistungen mit Werterhalt im Empfangerzugewinn) ...... 127 I. Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Beispielsfall 4 .......................................................... 127 b) Ausgleich ohne Anrechnung............................................ 127 c) Ausgleich mit vollständiger Anrechnung......................... . ...... 127 2. Analyse ................................................................... 128

Inhaltsverzeichnis

13

IV. Fallgruppe 5 (Fehlleistungen mit Werterhalt im Empfängerzugewinn) . .... . . . . 129 1. Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Beispielsfall 5 .......................................................... 129 b) Ausgleich ohne Anrechnung...... . .......... . ..................... . .... 129 2. Analyse .............. . .................................................... 130 F. Bewertung der beiden Auslegungsmöglichkeiten anhand der Funktion des § 1380 .............................................................................. 130

G. Gibt es eine Rechtfertigung rdr die vom Halbteilungsgrundsatz abweichenden Ergebnisse der h. M.? ............................................................. 133 I. Vom Gesetzgeber bewußt in Kauf genommene Härten? ....................... 134

11. Im Zugewinn angelegtes Risiko? ............................................. 135 III. Stellungnahme ............. ~ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 H. Ergebnis: Vorzug der vollständigen Anrechnung mit Anspruchsumkehr ........ 141

3. Kapitel

Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 auf Ehegattenzuwendungen

144

A. Der Stand der Rechtsprechung .... . ..... ......................................... 144 I. § 1374 Abs. 2 ist auf Ehegauenzuwendungen nicht anwendbar . . . . . . . . . . . . . . . . 144 11. Stellungnahme ............................................................... 146 B. Generelle Nichtanwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 auf Zuwendungen des Ehegatten? ................................................................................ 149 I. Die Systematik der Vorschrift........ . ........................................ 149

11. Der Wille des Gesetzgebers......... .. ........................................ 150 111. Ergebnis...................................................................... 151 C. Die Privilegierung anzurechnender Zuwendungen ............................... 151 I. Ausschluß der Privilegierung, da anzurechnende Zuwendungen keine Schen-

kungen sind? ................................................................. 151 11. Die Privilegierung gern. § 1374 Abs. 2 als Voraussetzung für die Anwendung des § 1380? .................................................................. 152

14

Inhaltsverzeichnis I. Beispiel aus der Fallgruppe I (Vorwegleistung mit Werterhalt)

153

a) Vergleichsgröße: Ausgleich bei unterbliebener Zuwendung ............. 153 b) Ausgleich ohne Privilegierung der Zuwendung................. . ........ 154 c) Ausgleich bei Privilegierung der Zuwendung ........................... 154 2. Zwischenergebnis: § 1374 Abs. 2 ist anwendbar

155

III. Die Folgen der Anwendung des § 1374 Abs. 2 auf anzurechnende Zuwendungen........................................................................... 157 I. Beispiel aus der Fallgruppe 5 (Fehlleistung mit Werterhalt) ................ 158 a) Vergleichsgröße: Ausgleich bei unterbliebener Zuwendung ............. 158 b) Ausgleich bei Privilegierung der Zuwendung .................. . ........ 158 c) Ausgleich ohne Privilegierung der Zuwendung.......................... 159 2. Zwischenergebnis: § 1374 Abs. 2 ist nicht anwendbar...................... 160 IV. Mögliche Lösungswege ...................................................... 160 I. § 1374 Abs. 2 ist immer anwendbar........................................ 160

2. § 1374 Abs. 2 ist nicht anwendbar, § 1380 Abs. 2 ist erweitert auszulegen.. 161 3. § 1374 Abs. 2 ist nur anwendbar, wenn auch § 1380 zur Anwendung kommt ..................................................................... 162 4. Stellungnahme............................................................. 162 V. Ergebnis: Keine Privilegierung anzurechnender Zuwendungen gern. § 1374 Abs.2 ........................................................................ 164 D. Die Privilegierung nicht anzurechnender Zuwendungen ......................... 165 I. Die Folgen der Nichtanwendung des § 1374 Abs. 2 ........................... 166 I. Beispiele aus Fallgruppe I ................................................. 166

a) Ausgleich ohne Anrechnung ............................................ 166 b) Ausgleich mit Anrechnung ............................................. 167 c) Zwischenergebnis ................................................. . .... 167 2. Beispiele aus Fallgruppe 2 ................................................. 168 a) Ausgleich ohne Anrechnung ............................................ 168 b) Ausgleich mit Anrechnung ............................................. 169 c) Zwischenergebnis ...................................................... 169 3. Stellungnahme............................................................. 170

Inhaltsverzeichnis

15

11. Lösungswege .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 172 1. § 1374 Abs. 2 ist anwendbar. . .. .. ... . . . . . ... . . . .. . ... . . . ... . . . .. . . . .. .. . .. 172 2. Herausrechnung der Zuwendung aus dem Endvermögen ................ . .. 173 3. Stellungnahme.. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 174 III. Ergebnis: Nicht anzurechnende Zuwendungen sind gern. § 1374 Abs. 2 zu privilegieren .................................................................... 177

E. Ergebnis: Das Zusammenspiel von § 1380 und § 1374 Abs. 2 .................... 177

4. Kapitel

Eine Sonderbehandlung f"lir Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

180

A. Problemstellung ................................................................... 180 B. Vorfrage: Wann erfolgt eine Zuwendung aus dem Anfangsvermögen? .......... 182 I. Zuwendungen aus dem realen Anfangsvermögen ............................. 183 11. Zuwendungen aus dem rechnerischen Anfangsvermögen ..................... 183 III. Konsequenzen dieser Unterscheidung......................................... 185 IV. Einordnung zum Zuwendungszeitpunkt ....................................... 187

c. Beinhaltet bereits § 1380 eine Sonderbehandlung? ...............................

188

I. Rückgewähr des vollen Zuwendungswertes durch § 1380 ..................... 188 11. Stellungnahme ............................................ . .......... . ....... 189 I. Verstoß gegen Gesetzeswortlaut ........................................... 189 2. Lösung ist nicht umfassend ................................................ 192 111. Ergebnis...................................................................... 193 D. Ablehnung einer Sonderbehandlung durch den BGH ............................ 194

I. Die Rechtsprechung des BGH ................................................ 194 11. Kritik in der Literatur. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 195

Inhaltsverzeichnis

16

E. Stellungnahme

196

I. Wille des Zuwenders ......................................................... 197 11. Risikoverteilung bei Zuwendung aus dem Anfangsvermögen ................. 199

F. Ergebnis ...................................... . .................................... 204

5. Kapitel

Die Behandlung wechselseitiger Zuwendungen

206

A. Problemstellung ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 206 B. Saldierung der Zuwendungen. .. . . . .. . .. . . .. . . . . . .. . . .. . .. .. . .. . .. . . . . .. .. . .. . .. .. 207 C. Anrechnung nur der Zuwendungen des ausgieichspflichtigen Ehegatten ........ 208 I. Die Ansicht Grünenwaids .................................................... 208 11. Kritik ........................................................................ 209

D. Stellungnahme und Lösung anhand von Funktion und Systematik des § 1380 . .. 212 I. Die Systematik des § 1380 .................................................... 212 II. Die Funktion des § 1380 ....................... .. ............................. 214

E. Ergebnis ........................................................................... 219

6. Kapitel

Die Anrechnung auf Ausgieichsanspruch undl oder Pflichtteil im Todesfall

220

A. Problemstellung .... . ................................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 220 B. Prämisse: Die Unzulässigkeit einer echten doppelten Anrechnung. . . . . . . . . . . . . .. 221 C. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen ......................... 221

I. Anrechnung nur auf die Ausgleichsforderung ................................. 222 I. Vorgehensweise ................................................... . ....... 222

Inhaltsverzeichnis

17

2. Beispiel aus der Fallgruppe 3 a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 222 a) Sachverhalt .............. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 222 b) Vergleichsgröße: Ansprüche bei nicht erfolgter Zuwendung............. 223 c) Ansprüche bei alleiniger Anrechnung der Zuwendung auf den Ausgleichsanspruch ........................................................ 223 3. Stellungnahme............................................................. 224

11. Anrechnung primär auf die Ausgleichsforderung und mit einem Rest auf den Pflichtteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 225 1. Vorgehensweise ........................................................... 225

2. Beispiel aus der Fallgruppe 3 a) ............................................ 225 a) Abwandlung des vorigen Beispiels. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 225 b) Vergleichsgröße: Ansprüche bei nicht erfolgter Zuwendung............. 225 c) Ansprüche bei primärer Anrechnung der Zuwendung auf den Ausgleichsanspruch ........................................................ 226 3. Stellungnahme............................................................. 227

III. Anrechnung nur auf den Pflichtteil ........................................... 228 1. Bisherige Vorgehensweise ................................................. 228

2. Beispiel aus der Fallgruppe 1 .............................................. 228 a) Sachverhalt .. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 228 b) Vergleichsgröße: Ansprüche bei nicht erfolgter Zuwendung.. . ... . . . .... 229 c) Ansprüche bei alleiniger Anrechnung auf den Pflichtteil ................ 229 3. Stellungnahme: Faktisch doppelte Anrechnung ............................ 230 4. Lösungsmöglichkeiten ..................................................... 232 a) Anrechnung immer primär auf die Ausgleichsforderung . . . . . . . . . . . . . . . .. 232 b) Vollständige Herausnahme der Zuwendung aus dem Zugewinnausgleich und alleinige Anrechnung beim Pflichtteil .............................. 234 5. Überprüfung anhand des Beispiels aus der Fallgruppe I .................... 235 a) Sachverhalt .................................. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 235 b) Lösung nach der hier vorgeschlagenen Methode ........................ 236 c) Stellungnahme.......................................................... 236 2 Jeep

18

Inhaltsverzeichnis 6. Überprufung anhand einer Abwandlung des obigen Beispiels

237

a) Sachverhalt ........................................ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 237 b) Vergleichsgröße: Anspruche bei unterbliebener Zuwendung. . . . .. . . . . . .. 237 c) Lösung nach der hier vorgeschlagenen Methode ........................ 237 d) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 239 7. Ergebnis................................................................... 239 IV. Anrechnung primär auf den Pflichtteil und mit einem Rest auf die Ausgleichsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 240 1. Bisherige Vorgehensweise ................................................. 240 2. Stellungnahme und Lösungsvorschlag ..................................... 241 V. Vergleich der vorgeschlagenen sukzessiven Anrechnungsmethoden ........... 243

1. Vergleich der Lösungen am Beispiel aus der Fallgruppe 1 .................. 243 a) Vergleichsgröße: Anspruche bei nicht erfolgter Zuwendung ............. 243 b) Anspruche bei primärer Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch ....... 243 c) Anspruche bei primärer Anrechnung auf den Pflichtteil ................. 244 d) Übersicht ............................................................... 245 2. Vergleich der Lösungen am Beispiel aus der Fallgruppe 3 a) ............... 246 a) Vergleichsgröße: Anspruche bei nicht erfolgter Zuwendung ............. 246 b) Anspruche bei primärer Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch ....... 246 c) Anspruche bei primärer Anrechnung auf den Pflichtteil ................. 247 d) Übersicht ............................................................... 248 3. Ergebnis ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 249 VI. Teilweise Anrechnung auf beide Anspruche .................................. 250 VII. Die Lösung Johannsens ....................................................... 251 VIII. Ergebnis ... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 252

D. Die Auslegung der Bestimmungen des Zuwenden ............................... 252 I. Keine Anrechnungsbestimmung .............................................. 253 11. Bestimmung der Anrechnung auf die Ausgleichsforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 253 111. Bestimmung der Anrechnung auf den Pflichtteil .............................. 254

Inhaltsverzeichnis IV. Doppelte Anrechnungsbestimmung ohne Angabe der Reihenfolge

19 255

I. Anteilmäßige Anrechnung nach Iohannsen ................................ 255 2. Anrechnung primär beim Pflichneil ........................................ 256 3. Stellungnahme....................... . ..................................... 256

E. Ergebnis ..... . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. 258 Zusammenfassung der Ergebnisse ................................................... 260 Schlußwort ........................................................................... 263 Literaturverzeicbnis .. .. . .. .. .. .. .. . .. . .. . . . . .. .. . . . . .. . . .. .. . . .. .. . .. . . .. .. . . . .. . .. .. 265

2"

Einführung I. Bei ihrer Heirat ist Andrea Schrnidt Eigentümerin eines bebauten Grundstücks im Wert von 200.000 DM (= 200 TOM), während ihr Mann Thomas kein Vermögen besitzt. Bis zur Geburt der Kinder hat Thomas Schmidt 200 TOM verdient. Von diesem Geld wird nun das Farnilienheim ausgebaut, das jedoch weiterhin im Eigentum seiner Frau bleibt, da Notargebühren gespart werden sollen. In der Folgezeit dient das Einkommen vom Thomas Schmidt allein dem Unterhalt der Familie. Als die Ehe nach 10 Jahren geschieden wird, besitzt er daher kein weiteres Vermögen. Andrea Schrnidt ist noch immer Eigentümerin des Grundstücks. Dessen Wert beträgt jedoch bedingt durch den Bau einer in Hörweite gelegenen Umgehungsstraße trotz des Ausbaus weiterhin nur 200 TOM. Da die Eheleute im gesetzlichen Güterstand gelebt haben, glaubt Thomas Schrnidt einen Anspruch auf Zugewinnausgleich zu haben. Seine Frau bestreitet dies.

Leben Eheleute im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft, erfolgt die Verteilung des ehelichen Vermögens im Scheidungsfall in Form des Zugewinnausgleichs. Dabei wird im Grundsatz der beidseitige Vermögenszuwachs hälftig zwischen den Eheleuten aufgeteilt. Weder Thomas Schmidt noch seine Frau haben jedoch einen Vermögenszuwachs während der Ehe erzielt. Denn Thomas Schmidt hat sein zwischenzeitlich angespartes Einkommen vollständig seiner Frau zugewendet, die jedoch ihrerseits wegen des Wertverlustes ihres Hauses finanziell genauso steht wie zu Beginn ihrer Ehe. Gäbe es nur den eben skizzierten einfachen Zugewinnausgleich, hätte daher keiner der Eheleute einen Anspruch: Thomas Schmidt, der einst im Vertrauen auf den Bestand der Ehe sein ganzes Vermögen seiner Ehefrau zugewendet hat, würde also am Ende der Ehe leer ausgehen. Andrea Schmidt hingegen hätte - allein durch die Zuwendung ihres Mannes - ihr Anfangsvermögen vollständig erhalten. Dies wäre ein wenig überzeugendes Ergebnis, das kaum geeignet erscheint, den verdienenden Ehegatten zu ermutigen, seinen Partner schon während der Ehe am eigenen Vermögen zu beteiligen. Denn hätte Thomas Schmidt den Ausbau des Hauses nicht mit seinem Einkommen finanziert, hätte er einen Zugewinn von 200 TOM erzielt, an dem seine Frau lediglich zur Hälfte im Zugewinnausgleich beteiligt worden wäre. Nun aber hat es den Anschein, als hätte er den Wertverlust des Grundstücks seiner Frau durch seine Zuwendung allein getragen. Für Fälle wie diesen scheint das Gesetz mit der Anrechnung von Vorausempjängen nach § 1380 1 eine Spezialregelung bereitzustellen, die bei ehezeitlichen Zu-

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wendungen an den Partner deren angemessene Berücksichtigung im Zugewinnausgleich sichern soll. Grundgedanke ist, den Zuwender durch die Zuwendung nicht schlechter zu stellen, als er stünde, wenn er darauf verzichtet hätte, seinen Ehegatten bereits während der Ehe arn eigenen Vermögenserwerb zu beteiligen. Die berechtigte Erwartung des Ehemannes, es käme nun auf diese Weise zu einer Beteiligung an dem Vermögen seiner Frau, zu dessen Erhalt er durch seine Zuwendung maßgeblich beigetragen hat, wird jedoch enttäuscht: Eine Anrechnung seiner Zuwendung würde ihm vor Gericht nach ständiger Rechtsprechung mit der Begründung versagt, daß die Anrechnung einen Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempfängers voraussetze, den Andrea Schmidt gerade nicht hat. Damit ändert sich nichts arn oben beschriebenen Ergebnis. Zuwendungen während der Ehe sind also mit einem hohen Risiko verbunden - wenn man der Argumentation der Rechtsprechung folgt. Mit der folgenden Arbeit soll - neben anderem - gezeigt werden, daß es bei sachgerechter Auslegung der Zugewinnausgleichsregelung nicht bei dieser unbefriedigenden Erkenntnis bleiben muß, sondern daß der Zugewinnausgleich in hohem Maße geeignet ist, schon während der Ehe die weitestgehend risikolose Beteiligung des einen Ehegatten arn Zuerwerb des anderen zu fördern.

11. Das Verhalten des Ehemanns im obigen Beispiel ist nicht ungewöhnlich. Im Laufe einer Ehe machen sich die Ehegatten häufig Zuwendungen, 2 denen keine unmittelbare Gegenleistung gegenübersteht. Diese reichen von Geburtstagsgeschenken über die Einräumung eines hälftigen Miteigentumanteils an einem Farniliengrundstück bis hin zur völligen Verlagerung des Vermögens eines Ehegatten auf den anderen. Kommt es dann zur Beendigung des Güterstandes, insbesondere durch Scheidung der Ehe, steht der Wunsch nach einer Rückgewähr dieser Zuwendungen oft im Vordergrund, insbesondere dann, wenn es sich um hohe Vermögenswerte gehandelt hat.

Alle §§ ohne Gesetzesangabe sind solche des BGB. Darunter ist die Verringerung des eigenen und die Erhöhung des Vermögens des Ehegatten durch eine Verfügung zu verstehen. Voraussetzung ist, daß kein Anspruch auf das Zugewendete bestand, es sich also um eine freiwillige Leistung ohne Gegenleistung handelt, siehe BGH FamRZ 1983, 351 (352). Nicht dagegen wird in dieser Arbeit die Frage behandelt, welche Ausgleichsansprüche sich durch unentgeltliche Ehegattenmitarbeit ergeben können. Siehe hierzu jeweils m.w.N. Hausmann ZEV 1995, 129; Lieb Die Ehegattenmitarbeit im Spannungsfeld zwischen Rechtsgeschäft, Bereicherungsausgleich und gesetzlichem Güterstand; Burckhardt Der Ausgleich für Mitarbeit eines Ehegatten im Beruf oder Geschäft des anderen. 1

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Mit der Anrechnung gern. § 1380 stellt der Zugewinnausgleich eine spezielle Vorschrift zur Berücksichtigung derartiger Zuwendungen bereit, indem er sie als Vorwegleistungen auf einen späteren Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempfangers versteht. Nach Auffassung des BGH3 verdrängt dieser Ausgleichsmechanismus aufgrund seiner spezialgesetzlichen Natur alle anderen in Betracht kommenden schuldrechtlichen Vorschriften über die Rückgängigmachung von Leistungen wegen ungerechtfertigter Bereicherung,4 wegen Widerrufs einer SchenkungS und grundsätzlich auch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage. 6 Gerechtfertigt wird dies mit der Erkenntnis, daß der Zugewinnausgleich "in aller Regel" zu angemessenen Ergebnissen führe. 7 Etwas anderes soll ausnahmsweise nur dann gelten, wenn die güterrechtliche Abwicklung zu schlechthin unangemessenen und für den Zuwender unzumutbaren Ergebnissen führt, wenn also besondere Umstände den güterrechtlichen Ausgleich als nicht tragbare Lösung erscheinen lassen. 8 In der vorsichtigen Formulierung des BGH, der Zugewinnausgleich führe "in aller Regel" zu angemessenen Ergebnissen, schwingt die Erkenntnis mit, daß die Ergebnisse des Zugewinnausgleichs zwar zumeist, jedoch nicht immer angemessen sind. Das obige Beispiel hat dies bestätigt. Betroffen sind indes nicht nur besonders gelagerte Einzelfälle. In einer ganzen Reihe von Konstellationen ergeben sich nach der bisherigen Gesetzesinterpretation Schwierigkeiten, die an der Tauglichkeit des Zugewinnausgleichs zur angemessenen Berücksichtigung von Ehegattenzuwendungen zweifeln lassen und immer wieder dazu geführt haben, daß sich die These des BGH vom Vorrang des Zugewinnausgleichs großer Kritik ausgesetzt sah und noch immer sieht. 9 Die Diskussion um die Anrechnung von Zuwendungen unter Ehegatten im Zugewinnausgleich scheint "ein Streit ohne Ende ,,10 zu sein. 3 BGHZ 65, 320; 68, 299; 82, 227; 84, 361; 115, 261 (266); BGH FamRZ 1990, 855; 1991,1169; 1992,293; 1997,933. 4 BGHZ 65,320 (323); 82, 227 (231); BGH FamRZ 1977,459; 1989, 147 (149). 5 BGHZ82,227. 6 BGHZ 65, 320 (324); 82, 227 (231) - Anders ist es im Falle der Gütertrennung. Hier können Zuwendungen unter Ehegatten nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage zu Ausgleichsansprüchen des Zuwendenden führen, wenn ihm die Beibehaltung der Vermögensverhältnisse, die durch die Zuwendung herbeigeführt worden sind, nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist, ständige Rspr. des BGH, vgl. etwa BGHZ 84, 361 (365 ff.) sowie BGH FamRZ 1988,481; 1990,855 (856). 7 BGHZ 82, 227 (237). 8 Ständige Rspr. des BGH, zuletzt BGH FamRZ 1997, 933; siehe auch BGHZ 82, 227 (234 ff.); 115, 132 (135 ff.); BGH FamRZ 1982,778; 1989, 147 (149); 1990,600; 1990,855 (856). 9 Erman-Heckelmann § 1363 Rn. 4 und § 1374 Rn. 7; Holzhauer FuR 1995,268 (272) und Familienrecht S. 119; Joost JZ 1985, 10 (14); Koch FamRZ 1995, 321 (323); Kühne JZ 1976,487, FamRZ 1978,221 sowie JR 1982,237 (238); Ludwig FuR 1992, 1 (6); MüKoGemhuber vor § 1363 Rn. 20 ff.; Rauscher AcP 186 (1986), 529 (544 ff.); Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 3; Soergel-Lange § 1372 Rn. 8; die These des BGH unterstützend dagegen Arend MittRhNotK 1990, 1990,65 (68); Schwab FamRZ 1984,526 (533) und Handbuch Teil VII Rn. 159; Langenfeld Handbuch Rn. 210; Johannsen/Henrich-Jaeger § 1372 Rn. 8; Grünen-

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Namentlich sind es folgende Problembereiche, in denen die bisher erzielten Ergebnisse des Zugewinnausgleichs fragwürdig erscheinen: • Die Behandlung von "überschüssigen" Zuwendungen, also solchen, deren Wert größer ist als die Ausgleichspflicht, welcher der Zuwender ausgesetzt wäre, wenn er die Zuwendung nicht vorgenommen hätte. 11 • Der Umgang mit wirklichen Schenkungen unter Ehegatten, die keine Vorwegleistung auf den Zugewinnausgleich darstellen sollen. • Die Frage, wie mit Zuwendungen zu verfahren ist, die der Zuwender aus dem Anfangsvermögen getätigt hat, einem Vermögensteil also, der gerade nicht im Zugewinnausgleich aufgeteilt wird. • Die angemessene Berücksichtigung wechselseitiger Zuwendungen unter Ehegatten im Zugewinnausgleich. • Die Gefahr der Benachteiligung des überlebenden Ehegatten durch eine doppelte Anrechnung der Zuwendung, wenn dieser - bei Beendigung des Güterstandes durch den Tod des anderen - sowohl den Ausgleichsanspruch als auch den Pflichtteil verlangen kann. Diese Arbeit wird zeigen, daß fast alle der genannten Probleme in der Rechtsprechung keineswegs durchgängig angemessen gelöst werden und eine überzeugende Basis für die Annahme des BGH vom Vorrang des Zugewinnausgleichs somit in der Rechtswirklichkeit bisher nicht vorhanden ist. Dennoch führt dies nicht notwendigerweise zu dem Schluß, die Vorrangthese des BGH sei allein aus diesem Grunde bereits falsch. Denn die Arbeit wird ebenfalls zeigen, daß die vom BGH vorausgesetzten angemessenen Ergebnisse allein auf Basis der vorhandenen Regelungen des Zugewinnausgleichs sehr wohl zu erlangen sind. Ausgehend von der Funktion des § 1380, die es herauszuarbeiten gilt, ist eine nur graduelle Revision der bisherigen Rechtsprechung nötig, um zu schlüssigen, nicht zuletzt aber auch gerechten Ergebnissen zu gelangen. Diese werden die Ausgangsthese des BGH stützen, daß in den allermeisten Fällen allein der Zugewinnausgleich am Ende der Ehe für eine angemessene und ökonomische Verteilung des während der Ehe erwirtschafteten Zugewinns sorgt. In dieser Arbeit soll es daher nicht darum gehen, zum wiederholten Male die Frage der Rückabwicklung ehelicher Zuwendungen mit den schuldrechtlichen Inwald NJW 1988, 109 (110); noch weiter als der BGH gehend und jeden Rückgriff auf schuldrechtliche Ansprüche ablehnend Koch JR 1992,236; Reinickel1iedtke WM 1982,946 (953); 1iedtke JZ 1984,1078 (1082 f.); 1992,334 (337). 10 Grünenwald NJW 1995,505. 11 Im Eingangsbeispiel handelt es sich um einen solchen Fall. Der Ehemann hätte ohne die Zuwendung voraussichtlich einen Zugewinn von 200 TOM erzielt, an dem er seine Frau im Zugewinnausgleich mit 100 TOM hätte beteiligen müssen. Da er ihr aber schon während der Ehe 200 TOM zugewendet hat, handelt es sich dabei um eine überschüssige Zuwendung, die im Hinblick auf die eigentliche Ausgleichsforderung auch als Zuvielleistung bezeichnet werden kann.

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stituten des Bereicherungs-, des Gesellschafts- sowie des Schenkungsrechts und der Ansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu untersuchen, deren Ziel letztlich oft nur die Venneidung oder Korrektur der als unbillig empfundenen Resultate des Zugewinnausgleichs ist. 12 Vielmehr soll ein Schritt zuvor angesetzt und die güterrechtliche Regelung selbst auf ihre Fähigkeit hin untersucht werden, die genannten Probleme adäquat zu lösen. Denn wenn so die Ursache für unbillige Ergebnisse beseitigt werden kann, stellt sich die Frage nach ihrer Korrektur erst gar nicht. 13

12 Siehe dazu beispielsweise die Arbeiten von Grünenwald, Güterrechtlicher und schuldrechtlicher Ausgleich von Zuwendungen unter Ehegatten bei Beendigung des gesetzlichen Güterstandes durch die Ehescheidung, und NetzeT, Zuwendungen zwischen Ehegatten im Spannungsfeld von Schuldrecht und Familienrecht. 13 Ganz zu Recht bemerkt Schwab Brühler Schriften Bd. 9, S. 49, es sei "erstaunlich, wenn das allgemeine bürgerliche Vermögensrecht darüber hinaus Instrumente einer Vermögensauseinandersetzung zu Verfügung stellen soll, um eine gerechte Teilhabe am ehezeitlichen Erwerb zu ermöglichen. Denn das zu regeln, ist doch Sinn und Aufgabe des ehelichen Güterrechts. "

1. Kapitel

Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich A. Anforderungen an die zeitgemäße Behandlung von Ehegattenzuwendungen im Zugewinnausgleich Bevor im folgenden konkret geprüft wird, wie Zuwendungen unter Eheleuten im Zugewinnausgleich zu behandeln sind, ist es zum Verständnis des Zugewinnausgleichs und der damit in der Zeit seit seiner Einführung entstandenen Probleme geboten, sich vor Augen zu führen, vor welchem gesellschaftlichen Hintergrund der gesetzliche Güterstand geschaffen wurde, welche Funktion sich daraus für den Ausgleichsmechanismus ergab und inwiefern sich diese Funktion in der heutigen Zeit geändert hat.

I. Die Hausfrauenehe als Grundlage der Zugewinngemeinschaft Der Einführung der Zugewinngemeinschaft zum I. 7. 1958 1 lag ein recht starres Ehebild zugrunde: Die Einverdienerehe mit dem anderen Ehegatten als Betreuer von Kindern und Familienheim. Die tatsächlichen Verhältnisse der fünfziger Jahre prägten den Begriff der Hausfrauenehe. Der Mann erwirtschaftete das Familieneinkommen, die Frau sorgte sich um die Familie und den Haushalt. In der Zeit des Wirtschaftswunders erwies sich dieser Eheverlauf als ebenso erfolgreich wie statisch: Veränderungen waren regelmäßig nicht zu erwarten, eine Verlagerung der Erwerbstätigkeit auf die Frau in einem Maße, daß sie zur Mehrverdienerin in der Ehe wurde, stellte den Ausnahmefall dar. Innerhalb dieser Rollenverteilung gewährte der seit 1900 geltende gesetzliche Güterstand dem Ehemann am Vermögen der Frau das Recht der Verwaltung und Nutznießung. Diese aus heutiger Sicht unverständliche Bevorzugung des Ehemannes war mit dem Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2 GG) unvereinbar. 2 Die gesetzliche Neuregelung von 1958 versuchte daher, 1 Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiet des bürgerlichen Rechts - GleichberG - vom 21. 6. 1957, BGB\. I 1957,609 ff. 2 Durch BVerfGE 3, 225 wurde das dem Art. 3 Abs. 2 entgegenstehende bürgerliche Recht auf dem Gebiete von Ehe und Familie mit Ablauf des 31. März 1953 für verfassungswidrig erklärt.

A. Anforderungen

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die rechtliche Behandlung der Ehe im Sinne der Gleichberechtigung zu reformieren, ohne dabei jedoch die Hausfrauenehe als zugrundeliegende Eheform für die Zukunft in Frage zu stellen oder sich über mögliche Veränderungen Gedanken zu machen. Erreicht werden sollte diese Besserstellung der Ehefrau durch eine Zugewinngemeinschaft, die zwar während der Ehe grundSätzlich als Gütertrennung ausgestaltet ist (§ 1363 Abs. 2), jedoch für den Fall der Beendigung des Güterstandes die Durchführung eines Zugewinnausgleichs vorsieht. 3 Wird der Güterstand nicht durch den Tod eines der Ehegatten beendet, kommt es zu einem rechnerischen Zugewinnausgleich. 4 Dessen Grundidee ist, "daß an

dem. was in der Ehe erworben wird. beide Ehegatten gleichmäßig beteiligt werden . .. 5 Dies geschieht unabhängig davon, welcher Ehegatte für den Zuerwerb letztlich gesorgt h.at. Die Regelung soll verdeutlichen, "daß die 1ätigkeit beider Ehegatten - welcher Art immer sie sein möge. vor allem auch die 1ätigkeit der Ehefrau als Hausfrau - als gleichberechtigt angesehen wird. ..6 Auch der BGH formulierte noch 1975 und 1981 die Ziele der Zugewinngemeinschaft ausdrücklich im Hinblick auf die Hausfrauenehe: .,Durch diese Regelung soll insbesondere eine gleichmäßige Beteiligung der ausschließlich oder überwiegend im Haushalt tätigen Frau an dem in der Ehe erzielten Vermögenserwerb sichergestellt werden ( ... ) Der Ehemann soll bei der Vermögensauseinandersetzung nicht deshalb besser stehen, weil das in der Ehe erworbene Vermögen vorwiegend durch seiner Hände Tätigkeit oder mittels des Einkommens aus seiner Berufstätigkeit erzielt worden ist, während die Frau den Haushalt geführt und die Kinder erzogen hat oder aus anderen Gründen keine oder geringere Einkünfte hatte und zu dem Vermögenserwerb finanziell nicht in gleichem Maße beigesteuert hat wie der Mann.,,7 ,,Der Gesetzgeber achtet die Hausarbeit der Frau grundsätzlich der auf Geldarbeit gerichteten Tätigkeit des Mannes gleich und gibt, wenn der Mann in der Ehe mehr erwirbt als die Frau, dieser einen Ausgleich. ,,8 Vor diesem Hintergrund muß die Konzeption des Zugewinnausgleichs gesehen werden. Wenn § 1380 beispielsweise anordnet, daß bestimmte Zuwendungen des 3 Weitaus präziser, wenngleich etwas unhandlicher war daher auch der Begriff der "Gütertrennung mit Ausgleich des Zugewinns", wie die Zugewinngemeinschaft nach dem ersten Entwurf noch heißen sollte, BT-Drucks. 1/3802, S. 53. 4 Siehe zur Durchführung des Zugewinnausgleichs die Übersicht ab S. 34. S Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Entwürfe eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, zu BT-Drucks. 11 13409, S. 5; kritisch zu dieser Konzeption Diederichsen FamRZ 1992, I (7). 6 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Entwürfe eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, zu BT-Drucks. 11/3409, S. 5. 7 BGHZ 65, 320 (323). 8 BGHZ 82, 227 (231) - Noch 1995 formuliert Schwab Handbuch Teil VII Rn. 3 in den gleichen Kategorien: "Da auch das Wirken der Hausfrau als Form wirtschaftlicher Zusam-

menarbeit [ ... ] angesehen wird. stellt sich ihre Beteiligung an den während der Ehe erworbenen Vermögenswerten als Problem der Gleichberechtigung dar. ..

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1. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

einen Ehegatten an den anderen auf dessen Ausgleichsforderung anzurechnen sind, dann waren damit Zuwendungen des verdienenden Ehemannes an seine Frau gemeint. Die Ehefrau sollte nicht doppelt vom Einkommen des Mannes profitieren. Und wenn ein Ehegatte die Erfüllung der Ausgleichsforderung gern. § 1381 verweigern kann, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre, sollte damit ebenfalls der Anspruch der Ehefrau gegen den verdienenden Mann in Ausnahmefällen aus Billigkeitsgründen eingeschränkt werden. Der Zugewinnausgleich sollte also primär die Beteiligung der Ehefrau am Vermögen des Ehemannes regeln und diese in bestimmten Fällen einschränken. Aus dieser recht einseitigen Perspektive mußte es hingegen als sehr theoretische Überlegung erscheinen, daß der verdienende Ehemann seine Frau schon während der Ehe freiwillig in höherem Maße am eigenen Vermögen beteiligen könnte, als er dazu im späteren Zugewinnausgleich verpflichtet wäre, oder daß es umgekehrt die Ehefrau ist, die ihrem Mann eine Zuwendung macht. Das Problem der überschüssigen Zuwendungen9 lag somit nicht im Blickfeld des Gesetzgebers. Dies läßt sich an den einzelnen Regelungen des Zugewinnausgleichs ablesen und wird im Verlauf der Untersuchung noch weiter zu belegen sein. lO Gemessen an den tatsächlichen Verhältnissen der damaligen Zeit kann diese Fixierung auf die Hausfrauenehe dem historischen Gesetzgeber kaum vorgeworfen werden. Ihm ging es darum, die Ehefrau wenigstens im Falle der Scheidung an dem Vermögen zu beteiligen, daß der Ehemann letztlich mit ihrer Unterstützung erwirtschaftet hatte. Diese Ausgangssituation muß im folgenden immer bedacht werden, wenn es um die Interpretation der Regelungen des Zugewinnausgleichs geht.

11. Die Tauglichkeit der Hausfrauenehe als Maßstab in der heutigen Zeit Obwohl die Hausfrauenehe auch heute noch den statistischen Regelfall darstellt, wird man sie insbesondere für neu geschlossene Ehen nicht mehr als die gesellschaftlich dominierende Organisationsform des ehelichen Zusammenlebens verstehen können. Dies gilt vor allem dann, wenn man die zeitliche Entwicklung der einzelnen Ehe in die Betrachtung miteinbezieht. Die fortschreitende Emanzipation der Frauen und die mehr und mehr verwirklichte Gleichberechtigung in Ausbildung und Beruf haben zu einer größeren Zahl 9 Auch dann, wenn ein Ehegatte, der niemals ausgleichspflichtig gewesen wäre, eine Zuwendung macht, läßt sich von einer (vollständig) überschüssigen Zuwendung sprechen. Siehe dazu jedoch ausführlich die Einteilung in Fallgruppen ab S. 91. 10 Siehe dazu vor allem die Ausführungen im 3. Kapitel zur Frage der Anwendung des § 1374 Abs. 2 im Verhältnis zu § 1380.

A. Anforderungen

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arbeitender Frauen geführt. 1996 waren 54,1 % der verheiratet zusammenlebenden Frauen im Alter zwischen 15 und 64 Jahren erwerbstätig, immerhin 25,1 % mit einer üblichen Erwerbsarbeitszeit von mindestens 36 Stunden pro Woche. 11 Wahrend 1972 noch in 46,1 % aller Ehen l2 der Mann allein einer Erwerbstätigkeit nachging, war dies 1996 nur noch in 24 ,5% der Ehen der Fall. 13 Frauen mögen ihre Berufstätigkeit zwar wegen der Geburt eines Kindes unterbrechen, diese aber immer seltener freiwillig ganz aufgeben. Umgekehrt gibt es auch zunehmend - wenngleich in geringerem Maße - Männer, die sich um die familiäre Seite des Zusammenlebens kümmern. Weiter ist der Kinderwunsch in vielen Ehen nicht mehr vorhanden oder bleibt unerfüllt. 1996 waren daher bereits 40,1% aller Ehen Doppelverdienerehen. 14 Bezogen auf die Dauer einer Ehe ergeben sich weitere Abweichungen vom früher herrschenden Ehebild. Die strukturellen Umwälzungen in der deutschen Wirtschaft haben die einst auf Lebenszeit sicher scheinenden Berufe unsicher werden lassen. Deutschland leidet zum Ausgang des 20. Jahrhunderts unter einer Rekordarbeitslosigkeit. Wer einmal der Verdiener in der Familie war, muß dies nicht mehr für immer sein. Auch kann sich in der Doppelverdienerehe der Anteil des einzelnen am gemeinsam erwirtschafteten Zugewinn deutlich ändern. All dies ist für die Ehegatten nur sehr beschränkt vorhersehbar. Schließlich muß auch die Frage nach der Dauer der durchschnittlichen Ehe heute anders beantwortet werden als noch vor vierzig Jahren. Standen noch 1957, also im Jahr vor Einführung der Zugewinngemeinschaft, einer Scheidung 9 Eheschließungen gegenüber, waren es bereits 1967 nur noch 6,5 Eheschließungen, 1977 lediglich 4,3, 1987 2,9 und 1996 schließlich ganze 2,43 Eheschließungen. 15 War früher die Scheidung die seltene Ausnahme, ist sie heute eine ernstzunehmende Möglichkeit in der Zukunft jeder geschlossenen Ehe. Unter der Voraussetzung, daß die aktuellen Scheidungsziffern längere Zeit konstant bleiben, ist damit zu rechnen, daß rund 30% der heute geschlossenen Ehen mit einer Scheidung enden. 16 Dennoch werden Ehegatten in den Anfangsmonaten und -jahren ihrer Ehe regelmäßig davon ausgehen, nicht zu diesen 30% zu zählen - hätten sie doch anderenfalls auf die Eheschließung verzichtet. Mag die Scheidung daher auch statiEngstier Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik, S. 118. Hier sind auch die Ehen miterfaßt, in denen die Eheleute bereits das Rentenalter erreicht haben. 13 Lange Reihe L 219 des Statistischen Bundesamtes, S. I - Diese Veränderung ergibt sich jedoch nur unter anderem durch die Zunahme des Anteils arbeitender Ehefrauen. Ein noch größerer Faktor ist die lebensalterbedingte Zunahme von Eheleuten im Rentenalter, die hier ebenfalls berücksichtigt sind. 14 Lange Reihe L 219 des Statistischen Bundesamtes, S. I - auch hier sind die Ehen miterfaßt, in denen die Eheleute bereits das Rentenalter erreicht haben. 15 Grundzahlen des Statistischen Bundesamtes: Eheschließungen, Ehescheidungen, Lebendgeborene und Gestorbene. 16 Engstier Die Familie im Spiegel der amtlichen Statistik, S. 88. 11

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1. Kap.: Ehegauenzuwendungen und Zugewinnausgleich

stisch zu einem kalkulierbaren Risiko jeder Eheschließung geworden sein, wird dies auf die individuellen Ehegatten nur höchst selten zutreffen. Sie rechnen gerade nicht mit einer möglichen Scheidung. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn auf den Abschluß eines Ehevertrages verzichtet wird. Die einst so homogene Hausfrauenehe als Leitbild der Zugewinngemeinschaft ist also einer Partnerschaftsehe gewichen, deren individuelle Fortentwicklung sowohl bezogen auf ihren Bestand als auch auf ihre konkrete Ausgestaltung praktisch nicht prognostizierbar ist. Im Hinblick auf die Problematik der Behandlung von Zuwendungen unter Ehegatten ist diese Beobachtung von einigem Gewicht: Zum Zeitpunkt der Vermögensübertragung ist zunehmend unklarer, wie diese nach 10 oder 20 Jahren bei Scheitern der Ehe zu bewerten sein wird. So kann es sich um eine Vorauszahlung auf einen späteren Zugewinnausgleichsanspruch gegen den Zuwender handeln. Es kann sich aber auch herausstellen, daß es einen solchen Ausgleichsanspruch des Zuwenders nie oder nicht in dieser Höhe gegeben hätte. Die Zahlung kann sich aus Sicht des Zugewinnausgleichs als zu hoch oder gar ganz "verfehlt" erweisen, weil der Zuwender auch ohne Vornahme der Zuwendung nur einen geringen oder gar keinen Zugewinnüberschuß erzielt hätte. Dies wird dann der Fall sein, wenn sich die finanzielle Situation des Zuwenders nach der Zuwendung stark verschlechtert oder aber die des Zuwendungsempfangers so stark verbessert, daß dieser nunmehr zum Mehrverdiener in der Ehe aufgestiegen ist. Die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Zuwendung werden daher zunehmend weniger zwingend denen ähneln, die bei Beendigung des Güterstandes herrschen. Da letztere aber das Verfahren des Zugewinnausgleichs bestimmen, muß die gesetzliche Ausgleichsregelung und ihre zeitgemäße Interpretation diese Entwicklung mit berücksichtigen.

III. Forderungen an die Behandlung von Ehegattenzuwendungen im gesetzlichen Güterstand Die Aufgabe des gesetzlichen Güterstandes ist es seiner Natur nach, in einer möglichst großen Anzahl denkbarer Fallgestaltungen zu angemessenen Ergebnissen zu führen. Dabei kann er sich der Einzelfallgerechtigkeit aufgrund der Vielfalt der Fallgestaltungen zwar nur annähern, dennoch darf diese nicht zu früh mit dem Verweis auf eine nötige oder vollzogene Typisierung preisgegeben werden. Anders als der gesetzliche Güterstand zum Zeitpunkt der Einführung der Zugewinngemeinschaft muß die gesetzliche Regelung heute in der Lage sein, die zunehmend unterschiedlichen und weniger berechenbaren Verläufe einer Ehe zu erfassen und adäquat zu bewerten. Denn sollte sich die Unsicherheit im Eheverlauf in einer Unsicherheit bezüglich der Ergebnisse des Zugewinnausgleichs fortsetzen, dann besteht die Gefahr, daß der gesetzliche Güterstand seine Akzeptanz bei den

A. Anforderungen

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Betroffenen verliert. Erweisen sich die Resultate als zufallsbestimmt und kann einem Ehegatte am Ende der Ehe sogar ein Nachteil daraus erwachsen, daß er während der Ehe den Gatten an seinem Vermögen beteiligt hat, dann hätte dies einen negativen Einfluß auch auf die Zeit der Ehe selbst. Entweder müßte jedem Ehegatten geraten werden, überhaupt keine Zuwendungen an den Partner vorzunehmen, den Ehegatten über den Unterhalt hinaus also nicht an den materiellen Früchten der Ehe zu beteiligen. Oder jede Zuwendung müßte zweckmäßigerweise mit einer ausdrücklichen Regelung für ein eventuelles Scheitern der Ehe verbunden werden. 17 Die erste Konsequenz kann nicht wünschenswert sein, die zweite würde zu einer weiteren Verrechtlichung des ehelichen Lebens führen, die dem Willen der Ehegatten kaum entspräche. Auch würde dies eine größere Beratung der Ehegatten erforderlich machen, für die diese im Zeitpunkt der Eheschließung vermutlich kaum eine Notwendigkeit sehen. In einer funktionierenden Ehe sollte der Gedanke an ein Scheitern durch eine lückenhafte gesetzliche Regelung nicht noch gefOrdert werden. Sinn eines gesetzlichen Güterstandes muß es daher sein, auch und gerade die rechtlich nicht beratenen Ehegatten vor schwerwiegenden Fehlern zu bewahren. Schließlich darf sich die Gestaltung des gesetzlichen Güterstandes nicht darin erschöpfen, erst und nur im Falle seiner Beendigung zu einer angemessenen Beteiligung der Ehegatten am Familienzugewinn zu führen. 18 Wenn eine solche Teilhabe jenseits der Unterhaltspflicht während der Ehe schon nicht gesetzlich vorgeschrieben, sondern dem Willen der Ehegatten überlassen ist, sollte die gesetzliche Regelung des Zugewinnausgleiches diesen Willen zumindest fOrdern, ihn wenigstens aber nicht ins Gegenteil umkehren. Wer während der Ehe dem Partner gegenüber "zu" freigebig bei der Beteiligung am eigenen Verdienst war, darf dafür nicht bei Ende des Güterstandes bestraft werden. Der gesetzliche Güterstand sollte daher die möglichen Änderungen der Vermögensverhältnisse im Hinblick auf die statistisch hohe Wahrscheinlichkeit des Scheiterns einer Ehe angemessen berücksichtigen. Nur die Sicherheit eines in sich schlüssigen und auch aus Sicht der betroffenen Ehegatten "gerechten" Ausgleichs im Falle des vorzeitigen Endes einer Ehe kann eine weitestgehend sorgenfreie Gestaltung der vermögensrechtlichen Verhältnisse während der Ehe gewährleisten. Gerade dies muß aber das Ziel eines gesetzlichen Güterstandes sein, will er sich nicht dem Vorwurf unterstellen, er habe lediglich den pathologischen Fall des Scheiterns der Ehe im Blick,19 ohne auch einen entsprechenden Einfluß auf die funktionierende Ehe auszuüben. 17 Siehe entsprechende Formulierungsbeispiele bei Langen/eid NJW 1986, 2541 (2544) und Arend MittRhNotK 1990,65 (73). 18 Dieser Nachteil der Zugewinngemeinschaft wird u. a. von Schwab Handbuch Teil VII Rn. 3 und Urbach Unzulänglichkeiten S. 37 kritisch hervorgehoben. 19 So der nicht unberechtigte Vorwurf von Urbach Unzulänglichkeiten S. 37, der verlangt, daß die gesunde Ehe Vorbild des gesetzlichen Güterstands sein sollte, und der die jetzige Regelung der bestehenden Ehe als "krasse Ungleichbehandlung" (S. 41) bezeichnet.

32

1. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

B. Zuwendungen im System des Zugewinnausgleichs Bevor die Behandlung von Zuwendungen im Zugewinnausgleich im Detail untersucht wird, ist es zweckmäßig, die Grundprinzipien der §§ 1371 ff. kurz zu erläutern und dabei den grundsätzlichen Einfluß von Ehegattenzuwendungen auf die Ausgleichssystematik zu verdeutlichen.

I. Prämissen der ßeispielsrechnungen In dieser Arbeit werden die jeweiligen Probleme oft durch Beispielsfälle illustriert. Dabei sollen die Rechnungen auf das Wesentliche beschränkt und nicht mit Details belastet werden, denen zwar in der Praxis eine für die konkrete Berechnung der jeweiligen Ansprüche wichtige Bedeutung zukommt, die aber keinen Einfluß auf das Prinzip des Ausgleichs und die jeweils zu untersuchenden Fragen haben. Verzichtet wird daher zum einen auf die Indexierung der jeweiligen Werte von Anfangsvermögen und Zuwendung anhand des Lebenshaltungsindex. 2o Dadurch wird in der Praxis der gesetzlich unerwünschte Ausgleich von unechten, nur durch Veränderungen des Wertmessers "Geld" begründeten Wertzuwächsen als Zugewinn vermieden. 21 In den Beispielen soll dagegen jeweils vom Nominalwert ausgegangen werden. Das erleichtert die Vergleichbarkeit der Beispielsfalle und bietet die Möglichkeit, mit möglichst runden Zahlen zu rechnen. Die Notwendigkeit einer solchen Anpassung der verschiedenen Werte an die Kaufkraft der Währung zum Zeitpunkt der Durchführung des Zugewinnausgleichs soll damit jedoch für die Berechnung eines konkreten Zugewinnausgleichs 22 ebensowenig in Frage gesteilt werden wie bei der im 6. Kapitel vorgenommenen Anrechnung von Zuwendungen auf den Pflichtteil gern. § 2315.

20 Dabei wird der Wert des Anfangsvennögens zum Zeitpunkt des Eintritts in den Güterstand mit dem Lebenshaltungsindex zum Zeitpunkt der Auflösung des Güterstandes multipliziert und durch den Lebenshaltungsindex zum Zeitpunkt des Eintritts in den Güterstand dividiert. Betrug beispielsweise der Lebenshaltungsindex zu Beginn des Güterstandes 100 und bei Ende ISO, würde ein Anfangsvennögen von 100 DM folglich mit 150 DM (100 x 1501 100) in die Ausgleichsberechnung eingehen. 21 BGHZ 61,385 (393); BGHZ 101,65 (67 f.) m.w.N; siehe umfassend Schwab Handbuch Teil VII Rn. 133 ff. und Langen/eid Handbuch Rn. 155. 22 Dabei sind sämtliche fur die Ausgleichsberechnung relevanten Vennögenswerte auf den Stichtag des § 1384 hochzurechnen, also neben dem Anfangsvennögen gern. § 1374 Abs. 1 auch der privilegierte Erwerb nach § 1374 Abs. 2 sowie die jeweiligen (anzurechnenden) Zuwendungen zwischen den Ehegatten. So zutreffend Haussleiter Vennögensauseinandersetzung Rn. 636, a.A. aber Soergel-Lange § 1380 Rn. 13; Börger Güterrecht Rn. 124. Gleiches gilt für Geld und auf Geld gerichtete Rechte, die zum Anfangsvennögen gehören, da die abweichende, den Ausgleich scheinbarer Zugewinne venneidende Ansicht von Gernhuber FamRZ 1984, 1053 (1059) entweder unterstellt, daß Geld während des Güterstandes immer

B. Zuwendungen im System des Zugewinnausgleichs

33

Zum anderen wird eine in der Rechtswirklichkeit regelmäßig zu beobachtende Wertsteigerung von Grundstücken aus Gründen der Übersichtlichkeit außer acht gelassen. Alle Vermögenswerte werden also grundsätzlich zu allen Zeitpunkten mit dem selben Nominalwert angesetzt, wenn nicht die konkrete Fallgestaltung wie im obigen Eingangsbeispiel etwas anderes erfordert. Weiter soll in allen Beispielen davon ausgegangen werden, daß es der Ehemann ist, der seiner Frau etwas zuwendet. Dieser Fall dürfte noch immer der statistischen Regel entsprechen. Selbstverständlich ändert sich an den Prinzipien des Ausgleich nichts, wenn die Zuwendung in der umgekehrten Richtung verläuft. Aus Gründen der Einheitlichkeit der Darstellung wurde jedoch grundsätzlich davon abgesehen, die Stellung des zuwendenden Partners in dieser Arbeit auch der Ehefrau zuzuweisen.

11. Voraussetzung für die Durchführung des Zugewinnausgleichs Nach der gesetzlichen Konzeption ist der güterrechtliche Ausgleich des Zugewinns der Ausnahmefall. Das Gesetz geht davon aus, daß die Ehe regelmäßig durch den Tod der Ehegatten beendet wird, nicht durch die Scheidung. Es steht damit noch immer, wenngleich zunehmend weniger im Einklang mit der Rechtswirklichkeit. Im Todesfall findet gern. § 1371 Abs. 1 ein pauschaler Zugewinnausgleich statt. Unabhängig von den tatsächlichen Zugewinnen wird der Erbteil des überlebenden Ehegatten um ein Viertel erhöht (erbrechtliche Lösung). Eine Ausnahme liegt jedoch vor, wenn der Ehegatte nicht Erbe wird und auch nicht mit einem Vermächtnis bedacht ist, sei es, weil er enterbt wurde, sei es, weil er die Erbschaft ausgeschlagen hat. Dann erhält er gern. § 1371 Abs. 2, 3 den Pflichtteil und zusätzlich den im folgenden skizzierten güterrechtlichen Zugewinnausgleichsanspruch (güterrechtliche Lösung).23 Hauptanwendungsfall für die Durchführung des in dieser Arbeit zu behandelnden rechnerischen Zugewinnausgleichs ist jedoch die Beendigung des Güterstandes durch die Ehescheidung (§ 1384).14 Gern. § 1385 ff. kann ein Ehegatte darüber hinaus unter bestimmten Voraussetzungen auf vorzeitigen Ausgleich des Zugewinns klagen, beispielsweise nach dreijährigem Getrenntleben (§ 1385) oder bei Nichterfüllung der wirtschaftlichen Verpflichtungen eines Ehegatten (§ 1386 "nur" unverzinstes Geld in gleicher Höhe geblieben ist oder aber einen Blick auf die konkrete Entwicklung einzelner Vermögensgegenstände erzwingt, der nicht zulässig ist, siehe Schwab Handbuch Teil VII Rn. 239. 23 In diesen Fällen stellt sich das Problem der Anrechnung einer Zuwendung auf Ausgleichsanspruch und I oder Pflichtteil, das im 6. Kapitel behandelt wird. 24 In den Beispielen dieser Arbeit soll daher auch davon ausgegangen werden, daß die Ehe der Eheleute geschieden wird. Die Ergebnisse sind jedoch ebenso auf die Fälle des vorzeitigen Zugewinnausgleichs übertragbar. 3 Jeep

34

1. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

Abs. 1) oder wenn der gesetzliche Güterstand durch Ehevertrag beendet wird (§ 1408 Abs. 1).

III. Das Grundprinzip des Zugewinnausgleichs: Die Halbteilung des während der Ehe erzielten Zugewinns Die Grundidee des Zugewinnausgleichs ist, wie bereits erwähnt wurde, "daß an dem. was in der Ehe erworben wird. beide Ehegatten gleichmäßig beteiligt werden . .. 25 Der während der Ehe erzielte Zugewinn soll auf diese Weise gerecht unter den Ehegatten verteilt werden. Unter dem Zugewinn eines Ehegatten versteht das Gesetz den Betrag, um den der Wert seines Vermögens bei Beendigung des Güterstandes 26 (Endvermögen gern. § 1375) den Wert seines Vermögens zu Beginn des Güterstandes (Anjangsvermögen gern. § 1374) übersteigt. Ist der Zugewinn des einen Ehegatten höher als der Zugewinn des anderen, so steht letzterem die Hälfte des Überschusses als Ausgleichsforderung zu, wie an folgendem Beispiel zu sehen ist: Bei Eheschließung ist der Ehemann Eigentümer eines Gemäldes im Wert von ! 00 TDM und die Ehefrau Eigentümerin eines bebauten Grundstücks im Wert von 200 TDM. Während der Ehe ist der Ehemann erwerbstätig, seine Frau zieht die Kinder auf. Bei einem Einbruch wird das nicht versicherte Gemälde des Mannes gestohlen. Als die Ehe geschieden wird, besitzt er noch ein Aktiendepot im Wert von 200 TDM, das Grundstück der Frau ist weiterhin 200 TDM wert.

Hier ergibt sich folgende Ausgleichsrechnung: Ehemann

Ehefrau

Anfangsvermögen

100

200

Endvermögen

200

200

Zugewinn

!OO

0

Ausg!eichsanspruch

50lDM

Der Mann hat einen Zugewinn von 100 TDM erzielt, da der Wert seines Endvermögens den Wert seines Anfangsvermögens um 100 TDM übersteigt. Seine Frau hat keinen Zugewinn erzielt, denn der Wert des Grundstücks hat sich nicht verändert. Der Ehemann hat somit einen um 100 TDM höheren Zugewinn erzielt. Seiner 25 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Entwürfe eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, zu BT-Drucks. 11 13409, S. 5. 26 Im Falle der Ehescheidung tritt an die Stelle des Zeitpunkts der Beendigung des Güterstandes gern. § 1384 der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags.

B. Zuwendungen im System des Zugewinnausgleichs

35

Frau steht ein Anspruch in Höhe der Hälfte dieser Zugewinndifferenz zu, also 50 TDM. Das Ergebnis des Zugewinnausgleichs ist ein schuldrechtlicher Anspruch des Ehegatten mit dem kleineren Zugewinn gegen den Ehegatten mit dem größeren Zugewinn (§ 1378). Dieser Anspruch ist auf Zahlung eines Ausgleichsbetrages gerichtet, nicht auf die Übertragung von einzelnen Vermögensgegenständen. Es findet also nur ein rein geldlicher Wertausgleich statt, nicht aber die Verteilung der konkreten Gegenstände, aus denen sich die Zugewinne jeweils zusammensetzen. Im obigen Beispiel kann die Ehefrau also nicht etwa die Übertragung eines Viertels des Aktiendepots ihres Mannes verlangen. Der zu teilende Zugewinn ist dabei grundsätzlich der, der sich tatsächlich am Ende der Ehe noch als echtes Mehrvermögen der Eheleute darstellt, also der Mehrwert der Endvermögen im Vergleich zum Wert der Anfangsvermögen. Im obigen Beispiel werden die vorhandenen 100 TOM Zugewinn durch die Ausgleichsforderung der Ehefrau so auf die Eheleute verteilt, daß jedem von ihnen die Hälfte, also 50 TOM zusteht. Die weitere Untersuchung wird zeigen, daß dieser Grundsatz in Ausnahmefallen vom Gesetz durchbrochen wird. 27

IV. Unerheblichkeit des Schicksals einzelner Vermögensgegenstände Grundbedingung für einen gesetzlichen Güterstand sollte von Anbeginn sein, daß "er klar und praktisch zu handhaben ist".28 Prägendes Charakteristikum des Zugewinnausgleichs ist daher, daß zugunsten einer möglichst einfachen Regelung die Entwicklung des Wertes einzelner Vermögens gegenstände völlig in den Hintergrund tritt. Dies war erklärtes Ziel der Schöpfer der Zugewinngemeinschaft: ,,Es braucht hier nicht das Schicksal jedes einzelnen Vermögensgegenstandes im Laufe der Ehe verfolgt, sondern nur der Wert des Endvermögens (des Vermögens, das ein Ehegatte bei Beendigung des Güterstandes hat) dem Wert des Anfangsvermögens (des Vermögens, das ein Ehegatte beim Eintritt des Güterstandes gehabt hat) gegenübergestellt zu werden.,,29

27 § 1380 sorgt im Falle anzurechnender Zuwendungen daflir, daß nicht der reale Zugewinn zum Endstichtag geteilt wird, sondern der fiktive Zugewinn, wie er sich am Ende der Ehe ergeben hätte, wenn die Zuwendung beim Zuwender verblieben wäre. Siehe dazu ausführlich das 2. Kapitel, insbesondere S. 120 ff. 28 Schriftlicher Bericht des Ausschusses flir Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Entwürfe eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, zu BT-Drucks. 11/3409, S. 5. 29 Begründung des Entwurfs eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des Bürgerlichen Rechts, BT-Drucks. 11/224, Anlage S. 39. 3"

36

I. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

Ebensowenig wie gefragt wird, weIcher Ehegatte wieviel zum Erwerb (oder auch Verlust) eines einzelnen Vermögensgegenstandes beigetragen hat, soll also die wertmäBige Entwicklung einzelner Gegenstände im Verlauf der Ehe beobachtet werden - angesichts der mitunter jahrzehntelangen Dauer des ehelichen Zusammenlebens ein ohnehin problematisches Unterfangen, das nur durch Führung eines Inventars zu bewältigen wäre?O Was zwischen den Stichtagen für Anfangs- und Endvermögen mit den einzelnen Vermögensbestandteilen geschieht, ist für die Berechnung also ohne Bedeutung. 31 Die so erreichte Einfachheit des Zugewinnausgleichs bedingt eine gewisse Ungerechtigkeit im Einzelfall, die der Gesetzgeber aber bewußt in Kauf genommen hat: ..Gehört z. B. dem Mann bei Beginn des Güterstandes ein Haus im Werte von 100 TDM und wird dieses Haus, ohne daß ein Ersatz an seine Stelle tritt, zerstört, so stellt der in der Ehe erzielte Erwerb des Mannes bis zur Höhe von 100 TDM keinen Zugewinn dar. Auch wenn die Frau in erheblichem Umfang zu dem Erwerb des Mannes beigetragen hat, erhält sie insoweit keinen Ausgleichsanspruch".32

Vermögensgegenstände aus dem Anfangsvermögen werden daher auch dann mit ihrem vollen Wert vom Endvermögen abgezogen, wenn sie dieses genau genommen gar nicht mehr erhöhen, weil sie längst wertlos geworden oder untergegangen sind. Sie verringern also auch dann den Zugewinn, wenn dieser in Wirklichkeit vollständig während der Ehe erworben wurde. Die gültige Fassung des Zugewinnausgleichs entfernt sich somit ganz bewußt von der Konzeption des 1. Entwurfs,33 in dem sich Wertschwankungen eines zum Anfangsvermögen gehörenden Gegenstandes nur zu Gunsten und vor allem zu Lasten desjenigen Ehegatten auswirken sollten, dem der Gegenstand gehört. Diese ausdifferenzierte Regelung hätte sehr umständliche Ermittlungen erforderlich gemacht, die durch die jetzige Fassung des Zugewinnausgleichs bewußt vermieden werden.

30 Der hiermit verbundene Aufwand führte bereits bei Schaffung des BGB zur Ablehnung der Errungenschaftsgemeinschaft als gesetzlicher Güterstand, Motive Bd. IV, S. 154. 31 Schwab Handbuch Teil VII Rn. 158; Johannsen WM 1978, 654 (661); Familiengerichtsbarkeit-Baumeister § 1380 Rn. 34; a.A. aber Johannsen/Henrich-Jaeger § 1380 Rn. II ff., siehe dazu ausführlich unten S. III ff. 32 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts, BT-Drucks. 11/224, Anlage S. 44. - Dieses Ergebnis wurde im I. Entwurf noch als ..unbillige Härte" bezeichnet, die es zu vermeiden gelte, BT-Drucks. 1/3802, S. 58. 33 BT-Drucks. 113802 S. 58 - § 1382 Abs. I des 1. Entwurfs lautete: "Soweit zum Anfangsvermögen gehörende Gegenstände untergegangen oder verschlechtert sind oder soweit ihr Wert vermindert oder erhöht ist, sind sie auf Verlangen eines Ehegatten bei der Berechnung des Anfangsvermögens mit dem gleichen Wert anzusetzen, mit dem sie bei der Berechnung des Endvermögens angesetzt werden. ( ... )"

B. Zuwendungen im System des Zugewinnausgleichs

37

Im obigen Beispiel34 kommt es also nicht darauf an, daß das reale Anfangsvermögen des Ehemanns - das Gemälde - während der Ehe ersatzlos untergegangen ist und das Aktiendepot neu hinzuverdient wurde und damit real einen Zugewinn darstellt. Aus Sicht des Zugewinnausgleichs bleibt es bei einem Anfangsvennögen von 100 TDM, so daß der Zugewinn nicht 200 TDM, sondern nur 100 TDM beträgt. Dieses Ergebnis ist notwendige und gewollte Folge des vereinfachenden Regelungsmechanismus des Zugewinnausgleichs und soll in dieser Arbeit nicht weiter in Frage gestellt werden. Statt dessen geht es darum, ob über diese zwar grundlegende, letztlich aber systemimmanente und im Interesse einer einfachen Ausgleichsberechnung zumindest erklärbare Ungerechtigkeit hinaus noch weitere Unbilligkeiten hinzunehmen sind.

V. Einfluß von Zuwendungen unter Ehegatten auf den Zugewinnaugleichsrnechanisrnus Welchen Einfluß haben nun Zuwendungen, die ein Ehegatte dem anderen macht, auf die Ausgleichsforderung? Innerhalb des eben beschriebenen Systems des Zugewinnausgleichs hat die Übertragung von Vennögenswerten von einem Ehegatten auf den anderen grundSätzlich eine doppelte Wirkung. Denn im Gegensatz zu Zuwendungen, die von Dritten vorgenommen werden und so grundsätzlich nur das Vennögen des Empflingers erhöhen, beeinflußt eine Ehegattenzuwendung die Vermögen beider Eheleute gleichzeitig: Das Vennögen (und damit grundsätzlich auch der Zugewinn) des Zuwenders wird durch sie verringert,3S das Vennögen (und damit grundsätzlich auch der Zugewinn) des Empfangers durch sie erhöht. 36 Die Differenz zwischen den beiden Zugewinnen verändert37 sich dadurch um den doppelten Zuwendungswert. Da die halbe Zugewinndifferenz den Ausgleichsanspruch ausmacht, ändert sich dieser exakt um den vollen Zuwendungswert. 38 Siehe S. 34. Voraussetzung für eine Verringerung des Zugewinns des Zuwenders ist allerdings, daß dieser überhaupt einen solchen erzielt hat und die Zuwendung nicht aus seinem Anfangsvermögen stammt. Siehe zu diesem Fall ausführlich das 4. Kapitel. 36 Voraussetzung für eine Erhöhung des Zugewinns des Empfängers ist allerdings, daß dieser keinen Verlust erwirtschaftet hat, sein Vermögen also ohne die Zuwendung noch mindestens den Wert seines Anfangsvermögens hat. Siehe für den FaU, daß dies nicht zutrifft, ausführlich das 2. Kapitel. 37 Von einer Verringerung der Zugewinndifferenz (so im folgenden ersten Beispiel) soU hier bewußt nicht gesprochen werden. Denn faUs der Ehegatte mit dem deutlich kleineren Zugewinn die Zuwendung macht, kommt es im Gegenteil zu einer Erhöhung der Zugewinndifferenz: Sein Zugewinn wird noch kleiner, der des Partners noch größer (so im folgenden zweiten Beispiel). 38 Inwieweit § 1380 und § 1374 Abs. 2 dieses Ergebnis beeinflussen, soU u. a. Thema dieser Arbeit sein, siehe dazu insbesondere das 2. und 3. Kapitel. 34

35

38

I. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

Dies soll an einem einfachen Beispiel deutlich gemacht werden: Beide Eheleute haben kein Anfangsvennögen. Zum Ende der Ehe hat der Mann einen Zugewinn von 100 TOM erzielt. seine Frau einen Zugewinn von 20 TOM.

Hier beträgt die Zugewinndifferenz 80 TOM zugunsten des Ehemannes. Die Ehefrau hat daher einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 40 TOM. Ehemann Anfangsvennögen

Ehefrau

0

0

Endvennögen

100

20

Zugewinn

100

20

Ausgleichsanspruch

40 TOM

Dieser Ausgleichsanspruch verändert sich, wenn der Ehemann seine Frau während der Ehe an seinem Zugewinn beteiligt: Angenommen, der Mann hat seiner Frau im obigen Fall während der Ehe 20 TOM zugewendet.

Sein Vermögen und damit auch sein Zugewinn verringert sich auf 80 TOM, der Zugewinn der Frau erhöht sich auf 40 TOM. Die Zugewinndifferenz beträgt jetzt nur noch 40 TOM. Der Ehefrau steht daher ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 20 TOM zu. Ehemann Anfangsvennögen

Ehefrau

0

Zuwendung

0 20

-+

Endvennögen

80

40

Zugewinn

80

40

Ausgleichsanspruch

20 TOM

Durch die Zuwendung von 20 TOM hat sich die Zugewinndifferenz um 40 TOM verringert. also um den doppelten Wert der Zuwendung. Der Ausgleichsanspruch der Ehefrau beträgt daher nur noch 20 TOM. Der Ausgleichsanspruch der Zuwendungsempfängerin wird durch die Vornahme der Zuwendung somit um genau den Wert der Zuwendung, nämlich 20 TOM, verringert. Insgesamt ist die Vermögensverteilung nach der Ehe also bei Vornahme der Zuwendung identisch mit der Vermögensverteilung, wie sie ohne die Vornahme der Zuwendung bestünde. Am während der Ehe erwirtschafteten Zugewinn von 120 TOM werden beide Ehegatten gleichmäßig beteiligt, sie erhalten jeweils 60 TOM. Insoweit spielt es keine Rolle, ob ein Ehegatte am Zugewinn des anderen bereits während der Ehe oder erst im Rahmen des Zugewinnausgleichs beteiligt wird.

39

B. Zuwendungen im System des Zugewinnausgleichs

Im diesem Beispiel wurde die Zuwendung von dem Ehegatten gemacht, der auch am Ende der Ehe den höheren Zugewinn erzielt hatte. Der beschriebene Automatismus gilt jedoch auch für den umgekehrten Fall, in dem der Ehegatte mit dem kleineren Zugewinn die Zuwendung macht, wie die folgende Abwandlung des obigen Beispiels zeigt: Nicht der Mann wendet seiner Frau 20 TOM zu, sondern er erhält 20 TOM von ihr.

Nun hat die Frau keinen Zugewinn mehr, der Zugewinn des Mann dagegen erhöht sich auf 120 TDM. Der Frau steht eine Ausgleichsforderung in Höhe von 60 TDMzu. Ehemann J\nfangsvermögen Zuwendung

0 +-

Endvermögen

120

Zugewinn

120

J\usg\eichsanspruch

Ehefrau

0 20

0 0 60 TOM

Durch die Zuwendung des Ehegatten mit dem kleineren Zugewinn ist die Zugewinndifferenz um den doppelten Zuwendungswert größer geworden. Der Anspruch der Frau hat sich also durch die Zuwendung um genau den Wert erhöht, den sie vorher ihrem Mann zugewendet hatte. Obwohl die Ehefrau den kleineren Zugewinn erzielt hat, steht sie durch die Zuwendung an ihren Mann nicht schlechter da. Im Ergebnis werden beide Eheleute wieder zur Hälfte mit 60 TDM an dem während der Ehe erzielten Zugewinn von 120 TDM beteiligt. Es lassen sich daher folgende Beobachtungen festhalten: Zum einen ändern Zuwendungen, die sich Ehegatten während der Ehe machen, grundsätzlich nichts an der durch den Zugewinnausgleich erreichten Verteilung des während der Ehe hinzuverdienten Vermögens. Zum anderen ist es für dieses Ergebnis grundsätzlich ohne Bedeutung, von welchem Ehegatten diese Zuwendung gemacht wurde. Wer den höheren Zugewinn in der Ehe erzielt und den anderen Ehegatten daran bereits während der Ehe beteiligt, der muß einen entsprechend kleineren Ausgleich zahlen, wenn die Ehe scheitert. Wer aber den kleineren Zugewinn in der Ehe erzielt und den Partner dennoch daran beteiligt, der erhält am Ende der Ehe einen entsprechend größeren Ausgleichsanspruch. Dieses System erscheint soweit perfekt: Eine Zuwendung unter Ehegatten wirkt allein durch das Grundprinzip der Ausgleichsberechnung wie ein vorweggenommener Zugewinnausgleich. Dieser geschieht automatisch und allein aufgrund des in § 1378 Abs. 1 verankerten Ausgleichsmechanismus. Ob dieses System tatsächlich widerspruchslos funktioniert, wird der weitere Verlauf der Arbeit zeigen. 39

40

I. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

Ein weiteres jedoch wird anhand der bei den Beispiele deutlich: Auf die beschriebene Art läßt der Zugewinnausgleich keine endgültigen, die Ehe wertmäßig überdauernden Zuwendungen unter Ehegatten zu. Angenommen, es hätte sich bei der Zuwendung in dem obigen Beispiel um einen Diamantring (oder im Falle der Zuwendung der Ehefrau um eine seltene Modelleisenbahn) gehandelt, ein echtes Geschenk aus Anlaß der silbernen Hochzeit, bei dem erst und gerade die dauerhafte Übertragung von Vermögen die besondere Anstrengung und die Wichtigkeit des Geschenks für den jeweils schenkenden Ehegatten zum Ausdruck bringen sollte. Aus Sicht des Zugewinnausgleichs führt auch ein solches Geschenk zu einer Verringerung des Ausgleichsanspruchs der "beschenkten", bzw. zu einer Erhöhung des Anspruchs der "schenkenden" Ehefrau. Der zuwendende Mann muß in Höhe des Wertes des Ringes nicht nochmals Ausgleich leisten, die zuwendende Frau erhält in Höhe des Wertes der Modellbahn einen höheren Ausgleichsanspruch. Der Zugewinnausgleich führt rein wertmäßig zu dem selben Ergebnis, wie im Falle der nicht erfolgten Schenkung. Es drängt sich die Frage auf, welchen "Wert" ein Geschenk während der Ehe auf diese Weise noch hat. 40

VI. Modifikation durch Sonderregelungen für die Behandlung von Zuwendungen? Die eben gefundenen Ergebnisse könnten jedoch durch zwei Sondervorschriften verändert werden, die grundsätzlich für Zuwendungen unter Ehegatten in Betracht kommen und die folglich auch im Mittelpunkt der Diskussion und dieser Arbeit stehen: § 1380 und § 1374 Abs. 2.

1. § 1380 - Die Anrechnung von Zuwendungen § 1380 bezieht sich ausdrücklich auf Zuwendungen eines Ehegatten an den anderen. Danach wird auf die Ausgleichsforderung eines Ehegatten angerechnet, was ihm von dem anderen Ehegatten durch Rechtsgeschäft unter Lebenden mit der Bestimmung zugewendet ist, daß es auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden soll. Im Zweifel ist anzunehmen, daß Zuwendungen angerechnet werden sollen, wenn ihr Wert den Wert von Gelegenheitsgeschenken übersteigt, die nach den Le39 Abweichungen ergeben sich zum einen dann, wenn der Empfänger einer Zuwendung am Ende der Ehe keinen Zugewinn erzielt hat, der mindestens den Wert der Zuwendung hat (Fallgruppen 2 und 3 - siehe unten S. 91 ff.), zum anderen dann, wenn es sich bei der Zuwendung um eine solche aus dem rechnerischen Anfangsvermögen des Zuwenders handelt, wenn also sein Endvermögen am Ende des Güterstandes kleiner ist als sein Anfangsvermögen (siehe unten 4. Kapitel). 40 Auf diese Frage wird das 3. Kapitel eingehen.

B. Zuwendungen im System des Zugewinnausgleichs

41

bensverhältnissen der Ehegatten üblich sind. Der Wert der Zuwendung wird bei der Berechnung der Ausgleichsforderung dem Zugewinn des Ehegatten hinzugerechnet, der die Zuwendung gemacht hat. Der Wert bestimmt sich nach dem Zeitpunkt der Zuwendung. Hintergrund der Anrechnungsregelung ist, daß bestimmte Zuwendungen vom Gesetz als vorweggenommene Erfüllung der Ausgleichsforderung verstanden werden. 41 Die Regelung soll verhindern, daß Zuwendungen, die ein Ehegatte dem anderen bereits während der Ehe gemacht hat, bei der Ausgleichsberechnung unberücksichtigt bleiben. 42 Soweit ein Ehegatte auf diese Art bereits während der Ehe am Zugewinn des Partners beteiligt wurde, soll er nicht nochmals einen Zugewinnausgleich fordern können. Anhand der obigen Beispiele wurde jedoch schon gezeigt, daß dies grundSätzlich ohnehin nicht geschieht. Denn die Zuwendung des Ehegatten, der später ausgleichspflichtig gewesen wäre, verringert die Ausgleichsforderung gegen ihn bereits entsprechend, die Zuwendung wird also bereits "automatisch" berücksichtigt. Es stellt sich die Frage, was die zusätzliche Anrechnung nach § 1380 noch bewirkt. Dazu nochmals das folgende Beispiel: Beide Eheleute haben kein Anfangsvermögen. Während der Ehe wendet der Mann seiner Frau 20 TDM zu. Am Ende der Ehe hat er einen Zugewinn von 80 TDM erzielt, sie einen Zugewinn von 40 TDM.

Da die Zuwendung den Wert üblicher Gelegenheitsgeschenke der Ehegatten weit übersteigt, handelt es sich gern. § 1380 Abs. I S. 2 um eine anzurechnende Zuwendung. Da sich ohne Anrechnung ein Ausgleichsanspruch der Ehefrau in Höhe von 20 TDM ergibt, ist die Anrechnung nach h.M. 43 folgendermaßen durchzuführen: Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn fiktiver Zugewinn (gern. § 1380 Abs.2) fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsforderung

Ehefrau 0

Ehemann 0 20 80 80 100

--+

40 40 20 40 .1.20 20TDM

41 Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Entwürfe eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, zu BT-Drucks. 11/3409, S. 12. 42 Schwab Handbuch Teil VII Rn. 150. 43 Zum Vorliegen einer Ausgleichsforderung im Ausgleich ohne Anrechnung als Voraussetzung für die Anrechnung nach § 1380 siehe ausführlich das 2. Kapitel, insbesondere S. 64 ff.

42

1. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

Gern. § 1380 Abs. 2 S. 1 wird der Zuwendungswert dem Zugewinn des Ehemannes zugerechnet und - nach h.M.44 - zugleich vom Zugewinn des Empfangers abgezogen. Dann erfolgt die Anrechnung. Der Ehefrau hat also sowohl mit als auch ohne Anrechnung einen Ausgleichsanspruch von 20 TOM. Dieser ist jeweils genau um den Wert der Zuwendung kleiner, als er ohne die Zuwendung gewesen wäre. Wenn die Berücksichtigung einer Zuwendung im Ausgleich aber bereits automatisch erfolgt, bleibt die Frage, welchen Zweck nunmehr § 1380 innerhalb des Zugewinnausgleichs erfüllt. Diese Frage wird im 2. Kapitel beantwortet.

2. § 1374 Abs. 2 - Die Privilegierung von Zuwendungen Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstandes von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt, wird gern. § 1374 Abs. 2 nach Abzug der Verbindlichkeiten dem Anfangsvermögen hinzugerechnet, soweit es nicht den Umständen nach zu den Einkünften zu rechnen ist. Die Eheleute haben kein Anfangsvennögen. Die Ehefrau erbt ein Grundstück im Wert von 200 TOM, das zugleich ihr Endvennögen ausmacht. Der Ehemann ist zum Ende der Ehe vennögenslos.

Die Erbschaft der Ehefrau ist hier gern. § 1374 Abs. 2 ihrem Anfangsvermögen hinzuzurechnen. Die führt zu folgender Ausgleichsberechnung: Ehemann Anfangsvennögen

0

privilegierter Erwerb (gern. § 1374 Abs. 2)

Ehefrau 0 200

Endvennögen

0

200 TOM

Zugewinn

0

0

Ausgleichsforderung

0

44 BGHZ 82, 227 (234); BGHZ 101,65 (79); HolzluJuer JuS 1983,830 (835); Friedrich JR 1986, 1 (4); lAngen/eid NJW 1986,2541 (2542); Münchener Vertragshandbuch Band 4/ 2-lAngenfeld VII 7 S. 57; Rauscher AcP 186 (1986), 529 (566); Graba NJW 1987, 1721 (1726); Grünenwald NJW 1988, 109 (1l0) und Zuwendungsausgleich S. 56 ff.; Netzer FamRZ 1988,676 (680); Schwab Handbuch Teil VII Rn. 121; Bielefeld S. 150; Johannsen/ Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 12; Hohloch JR 1988, 106 (108 f.); Göppinger Vereinbarungen Rn. 502 a; Joost JZ 1985, 10 (14); MüKo-Kollhosser § 516 Rn. 63; 1iedtke JZ 1996, 201 (202) und JZ 1984, 1078 (1080); Meister Drittwirkung S. 129; v. Heintschel-HeineggIGerIuJrdt Scheidungsrecht Rn. 206 f.; Schröder FamRZ 1997, 1 (7); Diederichsen Vennögensauseinandersetzung Rn. 100, 105; Palandt-Diederichsen § 1374 Rn. 22; Wienands DStZ 1995, 15 (16); Arend MittRhNotK 1990,65 (72); Kollhosser NJW 1994,2313 (2316). - Siehe zur Frage der Berücksichtigung des Zuwendungswertes beim Empfanger ausführlich das 3. Kapitel, insbesondere S. 151 ff.

C. Unterscheidung innerhalb der Ehegattenzuwendungen

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Die Erhöhung des Anfangsvermögens führt zu einer entsprechenden Verringerung des Zugewinns. In Höhe des in dieser Form privilegierten Zuwendungswertes wird also das während der Ehe erworbene Vermögen doch nicht in den Ausgleich miteinbezogen. Die Ehefrau hat somit keinen Zugewinn erzielt. Der Wert einer Zuwendung, die gern. § 1374 Abs. 2 privilegiert wird, verbleibt voll beim Empfänger, er muß nicht als Teil des Zugewinns zur Hälfte ausgeglichen werden. Ob § 1374 Abs. 2 auch auf Schenkungen unter Ehegatten anzuwenden ist, ist umstritten und soll ausführlich im 3. Kapitel behandelt werden. Eines läßt sich jedoch schon hier festhalten: Die Vorschrift begünstigt - im Gegensatz zu § 1380 den Empfänger der Zuwendung. § 1380 und § 1374 Abs. 2 stehen einander also in ihrer Zielrichtung entgegen.

c. Unterscheidung innerhalb der Ehegattenzuwendungen Bevor die Behandlung von Ehegattenzuwendungen innerhalb des soeben skizzierten Zugewinnausgleichs untersucht wird, soll an dieser Stelle die Frage beantwortet werden, ob innerhalb der ehelichen Zuwendungen eine genauere Differenzierung möglich ist und inwieweit sich eine solche auch aus der gesetzlichen Regelung ableiten läßt.

I. Die Motivation für gegenleistungslose Zuwendungen unter Ehegatten: ehebegründete und nicht ehebegründete Zuwendungen Wenn Menschen einander etwas schenken, dann übertragen sie einen Teil ihres Vermögens unentgeltlich auf eine andere Person. Sie geben etwas auf Dauer weg und erwarten nicht, es eines Tages wiederzuerhalten. Diese Schenkungen leben von der Endgültigkeit der gegenleistungslosen Zuwendung, sie werden vor dem Hintergrund echter Freigebigkeit getätigt. 45 Derartige Schenkungen sind auch bei Eheleuten möglich und üblich. Hierzu gehören alle Zuwendungen, die sich nach Art und Motivation auch Nichteheleute ohne Gegenleistung machen könnten und die über den gegenseitig geschuldeten Unterhalt hinausgehen. Dazu zählen vor allem Gelegenheitsgeschenke zu Geburtsund Feiertagen oder anderen besonderen Anlässen wie beruflichen oder privaten Erfolgen. Solchen Zuwendungen liegt auch unter Eheleuten die gleiche Intention 45

So vor allem Langenjeld NJW 1986, 2541 (2542); ebenso Jaeger DNotZ 1991, 431

(440).

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1. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

und das gleiche Ziel zugrunde wie zwischen Nichteheleuten: Sie sollen Großzügigkeit beweisen, Wertschätzung, Opferbereitschaft, sie sollen eine Freude machen, dem anderen persönlich dienen, ihn vielleicht auch zu einem Verhalten veranlassen, sie sollen jedenfalls endgültig sein. Sie werden in der Ehe getätigt, doch sie sind nicht in der Fonn von der Ehe ..abhängig", daß erst die Ehe den Rahmen für die Zuwendung schafft, sondern die persönliche Beziehung zum Partner als solche. Wenn der Ehemann seiner Frau einen wertvollen Ring schenkt, dann geschieht dies nicht, weil er ihn selbst weiterhin nutzen möchte, sondern um seiner Ehefrau eine echte Freude zu machen. Er schenkt ihn nicht unter der unausgesprochenen Erwartung, die Ehe werde niemals zerbrechen, sondern vielmehr in dieser Hoffnung und als ein Beitrag dazu, daß dies nicht geschieht. Der - möglichst lebenslange - Fortbestand der Ehe ist daher zwar Motivation, nicht aber die unausgesprochene Voraussetzung, die wirkliche Grundlage der Zuwendung. Die Besonderheit des gemeinsamen Lebens führt jedoch dazu, daß nicht jede gegenleistungslose Zuwendung unter Eheleuten eine derartige typische Schenkung darstellt. Nicht jede gegenleistungslose Weggabe von Vennögenswerten ist wirklich Ausdruck echter Freigebigkeit und soll eine endgültige Trennung von dem zugewendeten Wert bedeuten. Eheleute betrachten ihre Vennögen vielmehr oft als ein Ganzes. Wer von beiden Eigentümer z. B. des gemeinsam bewohnten Familiengrundstücks ist, spielt keine entscheidende Rolle im Verhältnis der Ehegatten untereinander. 46 Werden Vennögensteile auf den Ehegatten übertragen, hat dies regelmäßig keine Auswirkung auf die tatsächlichen Verhältnisse und auf die praktische Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft. Die Nutzung des Familienheimes wird beispielsweise nicht dadurch eingeschränkt, daß es sich nunmehr im Eigentum des Partners befindet. Gegenleistungslose Vennögensübertragungen stoßen daher auf eine naturgemäß geringe Hemmschwelle bei den Ehegatten. Dies gilt insbesondere für Eheleute, die keinen Ehevertrag zur Regelung der vennögensrechtlichen Fragen geschlossen haben und daher im Güterstand der Zugewinngemeinschaft leben. Sie haben sich im Zweifel am wenigsten Gedanken über die finanzielle Ausgestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft gemacht. Es herrscht die Vorstellung: ..Was Dein ist, ist auch mein!" Das Zusammenleben ist von der Grundvorstellung geprägt, daß es angesichts des Ehebandes letztlich nicht darauf ankommt, welchem Ehegatten ein bestimmter Vennögenswert rechtlich zugeordnet ist. Denn was dem einen gehört, kann der andere ebenso nutzen. Eine echte Weggabe muß daher nicht gewollt sein, wenn ein Vennögenswert auf den Ehegatten übertragen wird, ohne dafür eine Gegenleistung zu erlangen. Solche Zuwendungen lassen sich als ehebegründet kennzeichnen, da sie typischerweise allein deshalb ohne Gegenleistung erfolgen, weil die Eheleute verheiratet sind, sie beide auf ihre Art an der Gestaltung des ehelichen Lebens mitwirken, weil es eine echte Trennung der Vennögenssphären in der Praxis nicht gibt. Sie wäre regelmäßig nicht oder aber nicht in dieser Fonn47 vorgenommen worden, 46

Darauf wies vor fast 30 Jahren bereits Lieb Ehegattenmitarbeit S. 123 hin.

c. Unterscheidung innerhalb der Ehegattenzuwendungen

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wenn die Eheleute das Ende der Ehe ernsthaft in Betracht gezogen hätten. Die oben beschriebenen Schenkungen hingegen lassen sich in Abgrenzung hierzu als nicht ehebegründete Zuwendungen kennzeichnen, die nur mittelbar wegen der Ehe getätigt wurden. Beispiele solcher ehebegründeter Zuwendungen sind: • Übereignung von Miteigentumsanteilen am Familiengrundstück.48 • Kauf eines Grundstücks zu gleichen Teilen, wobei der eine Ehegatte die Finanzierung übernimmt. 49 • Ein Ehegatte stellt dem anderen die Mittel für den Kauf eines Grundstücks zu Alleineigentum zur Verfügung. 50 • Ein Ehegatte gibt dem anderen Geld zur Einzahlung auf dessen Bausparvertrag. 51 • Finanzierung des Ausbaus eines im Eigentum des anderen Ehegatten stehenden Familienheims zur Ausgestaltung des Ehelebens. • Ein Ehegatte gibt dem anderen einen Geldbetrag zur Unterstützung von dessen Erwerbstätigkeit, beispielsweise zum Aufbau einer ärztlichen Praxis. 52 • Schutz des Vermögens vor der Inanspruchnahme durch eigene Gläubiger durch Übertragung an den betrieblich nicht haftenden Ehegatten. 53 • Übertragung von Vermögens gegenständen, um eine Unterhaltsrente wegen erster Ehe nicht mehr zahlen zu müssen. 54 Diese Zuwendungen gründen auf der Ehe, sie werden unter der unausgesprochenen Vorstellung getätigt, die Ehe werde lebenslang Bestand haben. Ausgehend von der Motivation des Zu wenders kann daher zwischen ehebegründeten und nicht ehebegründeten Zuwendungen unterschieden werden.

47 Die Ehegatten hätten vielmehr Rückforderungsklauseln für den Fall der Scheidung vereinbart. Vorschläge dafür finden sich beispielsweise bei Langen/eid NJW 1986, 2541 (2543 f.). 48 BGHZ 82,227; 101,65. 49 BGH FamRZ 1989,599. Diese Konstellation stellt nach Langen/eid Handbuch Rn. 157 den statistischen Regelfall der notariellen Praxis dar. so BGH FamRZ 1988, 482. SI BGH FamRZ 1989, 147. S2 BGH NJW 1974,2045. S3 BGH FamRZ 1990,600 1992,293; OLG München FamRZ 1987,67; ein solcher Fall lag auch schon der Entscheidung RGZ 169,249 zugrunde. 54 BGHZ 115, 132. Die Unterhaltsabänderungsklage hatte jedoch keinen Erfolg.

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1. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

11. Die Unterscheidung der Rechtsprechung: unbenannte Zuwendungen und Schenkungen Die eben getroffene Unterscheidung zwischen ehebegründeten und nicht ehebegründeten Zuwendungen hat die Diskussion über die Behandlung von Zuwendungen unter Eheleuten bei Scheidung der Ehe in den vergangenen fast 30 Jahren geprägt und dabei zu der Unterscheidung zwischen der sogenannten unbenannten Zuwendung und der (echten) Schenkung geführt. 55 Nach der Rechtsprechung56 handelt es sich bei den oben beschriebenen ehebegründeten Zuwendungen um sogenannte ehebedingte, 57 ehebezogene 58 oder unbenannte 59 Zuwendungen. 60 Trotz objektiv fehlender Gegenleistung seien sie nicht wirklich unentgeltlich,61 da es an einer entsprechenden Einigung der Ehegatten über die Unentgeltlichkeit fehle. 62 "Eine Zuwendung unter Ehegatten, der die Vorstellung oder Erwartung zugrunde liegt, daß die eheliche Lebensgemeinschaft Bestand haben werde, oder die sonst um der Ehe willen und als Beitrag zur Verwirklichung oder Ausgestaltung, Erhaltung oder Sicherung der ehelichen Lebensgemeinschaft erbracht wird und die darin ihre Geschäftsgrundlage hat",63 stelle daher keine Schenkung, sondern eine ehebedingte, unbenannte Zuwendung dar. Diese sei ein ehebezogenes Rechtsgeschäft eigener Art zur Gestaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft. 64 Siehe Überblick über die Rechtsprechung bei Heinle FarnRZ 1992, 1256 ff. Seit BGH FarnRZ 1972, 201 in ständiger Rechtsprechung, siehe zuletzt auch BGH FamRZ 1997,933; 1990,600; BGHZ 129, 259 (263); 116, 167 (169 f.); 84, 361 (364); 82, 227 (230 f.). 57 BGHZ 116, 167 (169); 119,329 (395); BGH FarnRZ 1988,482 (485); 1989, 147 (149); 1990,600 (601). Diese Formulierung ist indes ungenau, da so der falsche Eindruck entsteht, derartige Zuwendungen würden etwa unter der auflösenden Bedingung der Ehescheidung getätigt. Dies kann natürlich, muß und wird aber regelmäßig nicht der Fall sein. 58 BGHZ 119, 392 (395); 129,259 (263). 59 BGHZ 82, 227 (230); 84, 361 (364); 116, 167 (170); 129, 259 (263); BGH FarnRZ 1982,778; 1988,482 (485); 1990,600 (601). 60 Schöpfer der Figur der "unbenannten Zuwendung" war Lieb (Ehegattenmitarbeit S. 21 ff.), der so unbillige Ergebnisse, die sich bei der Behandlung ehebegründeter Zuwendungen im Scheidungsfalle ergaben, vermeiden wollte. Konkret ging es um die Fälle der im Hinblick auf die potentielle Ausgleichspflicht zu hohen Zuwendungen und die Frage, ob diese beim Empfänger als Schenkung gern. § 1374 Abs. 2 zu privilegieren sind, so daß der Zuwender im Ausgleich nicht mehr an ihnen beteiligt wird. Siehe dazu die ausführliche Untersuchung im 3. Kapitel. 61 Die lediglich objektive Unentgeltlichkeit genügt nach BGHZ 116, 167 jedoch, um die unbenannten Zuwendungen im Erbrecht grundSätzlich wie eine Schenkung zu behandeln. Zustimmend Draschka DNotZ 1993, 100 (106); Hohloch LM § 2287 BGB Nr. 20; Langenfeld ZEV 1994, 129; mit Einschränkungen Langenfeld NJW 1994,2133; kritisch Klingelhöffer NJW 1993, 1079; Ludwig FuR 1992, I; Kues FamRZ 1992, 924. 62 BGHZ 127,52; 116, 167 (169). 63 BGH FamRZ 1990,600 (601); bestätigt in BGH FamRZ 1992,293 (294); BGHZ 119, 392 (395). 55 56

C. Unterscheidung innerhalb der Ehegattenzuwendungen

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Die Folge (bzw. bei ehrlicher Betrachtung eher der Zweck) dieser Unterscheidung ist, daß unbenannte Zuwendungen weder nach den Vorschriften des Schenkungsrecht widerrufen werden können, noch als Schenkungen im Sinne des § 1374 Abs. 2 zu privilegieren sind. Als Grundlage für eine Rückforderung kommt nach Ansicht der Rechtsprechung daher einzig ein Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht,65 der jedoch bei Ehen im gesetzlichen Güterstand von den Regelungen des Zugewinnausgleichs als leges speciales in aller Regel verdrängt wird. 66 Echte Schenkungen, deren Existenz der BGH auch bei Zuwendungen unter Ehegatten nicht völlig ausschließt, sollen daher nur noch dann anzunehmen sein, "wenn es sich um von beiden Ehegatten akzeptierte echte Freigebigkeit ohne spezifisch ehebedingte Gründe handele. ( ... ) Wahrend bei der unbenannten Zuwendung der Zuwendende davon ausgehe, daß die Ehe Bestand haben werde und ihm daher der zugewendete Gegenstand letztlich doch nicht verloren gehe, fehle ihm diese Vorstellung bei der Ehegattenschenkung und veräußere er seinen Vermögensgegenstand unabhängig vom Fortbestand der Ehe. Dieser sei also bei der Schenkung nicht Geschäftsgrundlage der Zuwendung".67

Gerade der Aspekt der fehlenden Freigebigkeit wird von einigen Autoren zu Recht als der eigentliche Unterschied zu Schenkung verstanden. 68 Zum Teil wird das praktische Vorkommen echter Schenkungen hingegen mit dem Argument bezweifelt, das einzig sinnvolle Motiv für eine solche freigebige Zuwendung sei, "den Ehegatten für den Fall seines Überlebens über das gesetzliche Ehegattenerbrecht hinaus und ohne Belastung mit Pflichtteilen sowie für den Fall der Scheidung vorsorgen zu wollen ". was praktisch kaum geschehe. 69 Dies ist wenig überzeugend, da es sich auch dann um eine echte Schenkung und nicht um eine unbenannte Zuwendung handelt, wenn der Zuwender die Scheidung oder die Vorsorge nach seinem Tod gar nicht vor Augen hat, sondern für den Augenblick der Schenkung selbst freigebig sein möchte. Dies dürfte sogar der weitaus häufigere und mitnichten praxisferne Fall sein. Die Figur der unbenannten Zuwendung erfüllt in der Rechtsprechung des BGH somit zwei Funktionen. Zum einen dient sie als terminologische Abgrenzung bestimmter ehetypischer Zuwendungen im Vergleich zu "normalen" Schenkungen. Allein in dieser Funktion soll die Rechtsfigur der unbenannten Zuwendung auch in BGHZ 116, 167 (169) mit Überblick über die Entwicklung der Rechtsprechung. So bereits RGZ 169, 249 (253); mittlerweile ständige Rechtsprechung, siehe BGH FamRZ 1992, 293 (294); 88.482 (485 f.), NJW 1982. 2236; 1974, 1554 (1555). 66 Ständige Rspr. des BGH, zuletzt BGH FamRZ 1997,933; siehe auch BGHZ 82, 227 (234 ff.); 115, 132 (135 ff.); BGH FamRZ 1982.778; 1989, 147 (149); 1990,600; 1990,855 (856). 67 BGH FamRZ 1990,600 (603). 68 Langen/eid Handbuch Rn. 230; NJW 1986,2541 (2542); Ludwig FuR 1992, I (4) sowie 201 (206). 69 Holzhauer FuR 1995,268 (272). 64

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1. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

dieser Arbeit verstanden werden, denn es ist die gleiche Abgrenzung, wie sie oben bereits auf Basis der unterschiedlichen Motivationen für eine Zuwendung getroffen wurde. Sie berücksichtigt, daß sich Ehegatten im Vergleich zu nicht verheirateten Personen öfter, in größerem Umfang und aus anderen Gründen Zuwendungen machen. Wie noch zu zeigen sein wird, ist diese Abgrenzung für die Frage der Behandlung der Ehegattenzuwendungen im Zugewinnausgleich von entscheidender Bedeutung. 7o Zum anderen hat die Rechtsprechung mit der unbenannten Zuwendung ein eigenes Rechtsinstitut geschaffen, das generell nicht unter das Schenkungsrecht fällt, da es an der Einigkeit über die Unentgeltlichkeit fehle. Inwieweit dies richtig ist, soll jedoch nicht Thema dieser Untersuchung sein,?! denn es kommt darauf für die Frage der Behandlung von Ehegattenzuwendungen im Zugewinnausgleich mit einer einzigen Ausnahme auch nicht an. Diese ist in der Frage zu sehen, ob § 1374 Abs. 2 auf unbenannte Zuwendungen anzuwenden ist. Wenn man davon ausgeht, daß es sich bei derartigen Zuwendungen nicht um Schenkungen handelt, scheitert die Anwendung bereits am Wortlaut. Dem soll hier jedoch nicht gefolgt, sondern wie bei allen Fragen versucht werden, eine Lösung aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift herzuleiten. Der Grund ist, daß bei Konzeption des Zugewinnausgleichs die .. unbenannte Zuwendung" als eigenständiges Rechtsinstitut nicht bekannt war und die Aufgabe der Unterscheidung zwischen Schenkung und unbenannter Zuwendung auf der Ebene des Rechtsgrundes durch die zukünftige Rechtsprechung nicht unwahrscheinlich ist. 72 Allerdings werden die Ergebnisse dieser Untersuchung durchaus die Antwort auf die Frage erleichtern, ob es wirklich der Flucht in die unbenannte Zuwendung bedarf, um beispielsweise die Anwendung des § 1374 Abs. 2 auszuschließen und so inkonsistente Ergebnisse im Zugewinnausgleich zu vermeiden. Bereits an dieser Stelle ist jedoch zu bemerken, daß die Rechtsprechung ihre Abgrenzung mitnichten so stringent vorgenommen hat, wie es in Anbetracht ihrer Definition den Anschein hat. Immer wieder ist festzustellen, daß die Einordnung einer Zuwendung in die Kategorien ..Schenkung" und .. unbenannte Zuwendung" 70 Siehe insbesondere das 2. und 3. Kapitel dieser Arbeit und die Zusammenfassung auf S.177. 71 Siehe zu dieser Frage ausführlich und auch im Falle von unbenannten Zuwendungen mit überzeugenden Argumenten von Schenkungen im Sinne des § 516 ausgehend Schotten NJW 1990,2841 sowie Holzhauer FuR 1995,268 (270), der vorschlägt, "den Holzweg der ,Unbenannten Zuwendungen' zu verlassen." Kritisch auch Olzen JR 1982,495 (496); Holzhauer JuS 1983,830; Kollhosser NJW 1994,2313; Berger Zugewinngemeinschaft S. 72 f.; Meister Drittwirkung S. 125 ff.; Werthmann Privatrechtssystem S. 165 ff.; Erman-Heckelmann § 1363 Rn. 4; Brambring ZEV 1996,248; Dingerdissen JZ 1993,402 (403); Gernhuber NJW 1991, 2238 (2243 f.); Jaeger DNotZ 1991, 431 (436 ff.); Koch FamRZ 1995, 321 (323 ff.); Schotten NJW 1991, 2687 f.; Meincke ZEV 1995, 81. Siehe jetzt auch Conradt "Unbenannte" Zuwendungen unter Ehegatten und Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. 72 Siehe hierzu ausführlich unten S. 151 ff.

c. Unterscheidung innerhalb der Ehegattenzuwendungen

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in hohem Maße von dem Ergebnis abhängt, das der BGH in dem konkreten Fall zu erlangen suchte und weniger davon, um welche Art der Zuwendung es sich tatsächlich handelte. Dabei werden nicht selten die beschriebenen Abgrenzungskriterien ignoriert. Ein Beispiel ist die soeben zitierte Entscheidung des BGH vom 17. l. 1990,73 in der die wesentlichen Kriterien für die Annahme einer unbenannten Zuwendung aufgestellt und zugleich nicht konsequent angewendet wurden: In dem zu entscheidenden Fall übertrug der Ehemann einer Gütertrennungsehe74 seinen Miteigentumsanteil am Familiengrundstück auf die Ehefrau, um ihn dem Zugriff seiner Gläubiger zu entziehen. Die Übertragung war im notariellen Vertrag ausdrücklich als "Schenkung" bezeichnet worden, da die Eheleute venneiden wollten, daß die Übertragung des Grundstücksanteils der Grunderwerbsteuer unterfie1. 7S Nach der Scheidung berief sich der Ehemann u. a. auf den Wegfall der Geschäftsgrundlage des Übertragungsvertrages.

Obwohl der BGH hier selbst feststellt, daß zu unbenannten Zuwendungen auch solche Zuwendungen gehören, "die ein Ehegatte dem anderen im Interesse einer haftungsmäßig günstigen Organisation des Familienvermägens, etwa durch dessen Verlagerung auf den betrieblich nicht haftenden Ehegatten macht",76 und auch der Bezeichnung eines Rechtsgeschäfts in der notariellen Urkunde als Schenkung - zumal wenn diese lange zurück liegt - kein entscheidendes Gewicht zukomme,77 geht der Senat vom Vorliegen einer Schenkung aus. Alleiniger Grund soll sein, daß nur so die Zahlung von Grunderwerbsteuer vermieden werden konnte. 78 Diese Begründung fügt sich jedoch in keiner Weise in die beschriebene Unterscheidung zwischen den Zuwendungen ein. Daß es alleine deshalb von vornherein fern liegen soll, die Vorstellung der Parteien von dem Fortbestand der Ehe sei Geschäftsgrundlage des Schenkungsvertrages gewesen,79 ist eine nicht nachvollziehbare Unterstellung des BGH. 8o Ganz offensichtlich handelte es sich im vorliegenden Fall BGH FamRZ 1990, 600. Auch bei Gütertrennung ist die Unterscheidung wichtig, da im Falle der Scheidung bei unbenannten Zuwendungen Ansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht kommen, die hier auch nicht grundsätzlich durch güterrechtliche Auseinandersetzungsregeln verdrängt sind. Vgl. etwa BGH NJW 1997,2747; BGHZ 84,361 (365 ff.) m.w.N. 7S Als entgeltliche unbenannte Zuwendung hätte die Übertragung des Grundstücksanteils der Grunderwerbsteuer unterlegen. 76 BGH FamRZ 1990,600 (601). 77 So etwa BGH FamRZ 1992,293 (294); OLG Bamberg FamRZ 1996, 1221 (1223); insoweit zustimmend Jaeger DNotZ 1991,431 (441 f.) - Sandweg NJW 1989, 1965 (1969) kritisiert sehr treffend, daß es erstaunlich sei, "welchen Wert der BGH auf die Wortwahl des Notars dort legt, wo sie ihm im Ergebnis willkommen ist". In BGH FamRZ 1993, 1297 (1298) wurde allerdings dem Gebrauch des Schenkungsbegriffes durch einen über die BGH Rechtsprechung aufgeklärten Notar wieder mehr Bedeutung beigemessen. 78 Nach damals geltendem Steuerrecht waren nur Grundstücksschenkungen von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. Seit dem 1. 1. 1983 ist der Grundstückserwerb vom Ehegatten jedoch gern. § 3 Nr. 4 GrEStG generell von der Grunderwerbsteuer ausgenommen. 79 BGH FamRZ 1990,600 (603). 80 Dieses Beispiel zeigt eindringlich, weIche Probleme die Einordnung der unbenannten Zuwendung als Nichtschenkung macht, sobald Fragen des Drittschutzes oder des Steuer73

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4 Jeep

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1. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

nicht um eine freigebige Zuwendung, ganz offensichtlich sollte dem Zuwender sein Grundstücksanteil nicht endgültig verloren gehen, ganz offensichtlich ging es darum, den Zugriff der Gläubiger abzuwehren, um das Grundstück der Familie zu sichern. Die Steuererspamis stellte sich lediglich als zweitrangiges Ziel im Rahmen der Ausgestaltung der Vermögensübertragung dar. 8I Zu deren Zeitpunkt, Anfang der 70er Jahre, war die Rechtsfigur der unbenannten Zuwendung zudem weitestgehend unbekannt. Zuwendungen unter Ehegatten wurden allgemein als Schenkungen behandelt und auch so notariell beurkundet. 82 Der BGH hat hier zu Unrecht seinen eigenen Kriterien widersprochen. Die Zuwendung war eine "klassische" unbenannte Zuwendung,83 ein Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage hätte - da es sich um einen Fall der Gütertrennung handelte - in Betracht gezogen werden müssen. 84 In einem anderen Fall 8s hatte ein Ehegatte, der leitender Angestellter einer in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Baugenossenschaft war, seinen halben Miteigentumsanteil am Familiengrundstück seiner Ehefrau übertragen. Auch hier ging der BGH von einer echten Schenkung aus und berief sich dabei auf die Bezeichnung der Zuwendung im Notarvertrag. Der Grund hierfür wird deutlich, wenn man die näheren Umstände des Falls betrachtet. Der Ehemann hatte auf die Rückübertragung des Miteigentumsanteils wegen Widerrufs einer Schenkung geklagt. Denn nachdem er die Familie verlassen hatte und zu einer Mitarbeiterin gezogen war, rächte sich seine Ehefrau, indem sie ihren Mann vor Dritten bezichtigte, Schwarzgeldgeschäfte zu tätigen, gegen ihn Anzeige wegen falscher eidesstattlicher Versicherung erstattete und bei einer Anzeige wegen Unterschlagung und Untreue mitwirkte. Darin erblickten die Tatrichter einen Fall des groben Undanks. Entgegen der sonstigen Tendenz des BGH, das Vorliegen einer Schenkung gerade deshalb zu verneinen, um einen solchen Anspruch wegen Widerrufs zu vermeiden,86 rechts betroffen sind. Verständlicherweise wollten die Eheleute hier die Grunderwerbsteuer sparen, zumal der Zuwendung keine direkte Gegenleistung gegenüberstand. Hätten sie gewußt, um welchen Preis dies nach Ansicht des BGH geschah, hätten sie diesen Weg nicht gewählt. Indes bleibt völlig offen, wieso allein steuerrechtliche Gesichtspunkte, die mit der Fortdauer der Ehe in keinerlei Zusammenhang stehen, einen Einfluß auf die Geschäftsgrundlage einer Zuwendung unter Ehegatten haben sollten. 81 EbensoJaegerDNotZ 1991,431 (443). 82 Langen/eid NJW 1986. 2541 (2542). 83 EbensoJaegerDNotZ 1991,431 (444). 84 Kritisch zu dieser Entscheidung auch Haussleiter Verrnögensauseinandersetzung Rn. 192. 8S BGHZ 87, 145. 86 Siehe exemplarisch hierfür die grundlegende Entscheidung BGHZ 82, 227: Hier erwarben die Eheleute das Familiengrundstück zu hälftigem Miteigentum, obwohl der Kauf alleine vom Ehemann finanziert wurde. Dieser widerrief später die angebliche Schenkung. Der BGH (S. 230 f.) verneinte hier das Vorliegen einer Schenkung mit den bekannten Argumenten und nahm statt dessen eine unbenannte Zuwendung an, die im Zugewinnausgleich angemessen berücksichtigt würde.

C. Unterscheidung innerhalb der Ehegattenzuwendungen

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lag hier der umgekehrte Fall vor. Der Widerruf schien gerechtfertigt, die Einordnung der Zuwendung als Schenkung wurde gebilligt. Dennoch hat es sich gerade nicht um eine Schenkung im Sinne der oben erläuterten Rechtsprechung gehandelt. Denn dem Ehemann ging es bei der Zuwendung nicht darum, seine Ehefrau unabhängig vom Fortbestand der Ehe zu bereichern, er wollte ganz sicher nicht freigebig sein, ihr nicht endgültig etwas zuwenden. Vielmehr ging es ihm ganz offensichtlich darum, sich angesichts der auf ihn zukommenden Gläubigeransprüche weitestgehend vermögenslos zu stellen, das Grundstück also der Familie zu erhalten und eine drohende Zwangsversteigerung zu vermeiden. All dies sind die typischen Kennzeichen einer unbenannten Zuwendung. Die vom BGH akzeptierte Einordnung als Schenkung mag daher zwar zu einer angemessenen Lösung des Einzelfalles führen, in das eigene System der Ehegattenzu wendungen paßt sie sich jedoch nicht ein. 87 In einem weiteren Fall schließlich erhielt die Ehefrau ein Grundstück von ihren Eltern geschenkt und "schenkte" den halben Miteigentumsanteil ihrem Ehemann. Nach Ansicht des BGH,88 der auf Wortlaut und Inhalt der notariellen Urkunde ("Schenkungsvertrag") aus dem Jahr 1965 abstellte, handelte es sich auch hier um eine Schenkung. Dabei verwies das Gericht in seiner Begründung auf die zuvor genannte Entscheidung. 89 Auch hier wird man anhand der mittlerweile präzisierten Kriterien des BGH nicht von einer Schenkung, sondern nur von einer unbenannten Zuwendung sprechen können. In anderen Fällen schließlich bezeichnete die Rechtsprechung Vermögensübertragungen, die der Sache nach unbenannte Zuwendungen darstellten, ohne genaue Überprüfung als Schenkungen, weil es im Rahmen des zu prüfenden Zugewinnausgleichs auf diese Unterscheidung nicht anzukommen schien. 90 Für die weitere Untersuchung bedeutet dies vor allem, daß innerhalb der Analyse der Rechtsprechung Vorsicht bei der Übernahme der rechtlichen Einordnung der Zuwendung geboten ist. Immer soll überprüft werden, ob es sich tatsächlich um eine Schenkung oder um eine unbenannte Zuwendung handelt, wenn der BGH von einer solchen spricht. Dabei sind allerdings eben die Kriterien heranzuziehen, die der BGH selbst rur diese Unterscheidung entwickelt hat. Festzuhalten bleibt jedoch, daß es auch in der Rechtsprechung anerkanntermaßen zwei Arten von ge-

87 Vielmehr unterstützt dieser Fall exemplarisch die These, daß es sich bei den unbenannten Zuwendungen letztlich nur um eine besondere Art der Schenkung handelt, die den Glauben an den Fortbestand der Ehe als Geschäftsgrundlage hat. Dann wäre nämlich auch für unbenannte Zuwendungen eine Rückabwicklung wegen Widerrufs einer Schenkung möglich, soweit denn - wie hier - die Voraussetzungen vorliegen. Siehe auch Schotten NJW 1990, 2841 und Holzhauer FuR 1995, 268. 88 BGH FamRZ 1985,351. 89 BGHZ 87, 145. 90 Bspw. BGH FamRZ 1988, 373; 1988,481; 1985,351; BGHZ 101,65; OLG Frankfurt FamRZ 1986,576 und 1987,62; OLG München FamRZ 1987, 67. - Inwieweit die Annahme der Unerheblichkeit der Unterscheidung für die Durchführung des Zugewinnausgleichs wirklich zutrifft, wird die weitere Untersuchung zeigen.



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1. Kap.: Ehegauenzuwendungen und Zugewinnausgleich

genleistungslosen Zuwendungen in der Ehe gibt, unbenannte Zuwendungen und Schenkungen.

III. Die Unterscheidung des Gesetzes: anzurechnende Zuwendungen und nicht anzurechnende Zuwendungen Die ausdrückliche Unterscheidung zwischen unbenannten Zuwendungen und echten Schenkungen ist jünger als die Regelungen des Zugewinnausgleichs. Und doch unterscheidet auch der Zugewinnausgleich in § 1380 zwischen zwei Arten der Zuwendungen unter Ehegatten: Solchen, die anzurechnen sind, und solchen, bei denen die Anrechnung nicht erfolgt. Anzurechnen sollen dabei Zuwendungen sein, die sich als vorweggenommene Erfüllung der späteren Ausgleichsforderung des Ehegatten darstellen. Was der Ehegatte bereits während der Ehe im Vorgriff auf die Ausgleichszahlung erhalten hat, soll er nicht noch einmal verlangen können. Es drängt sich die Frage auf, in welchem Verhältnis diese Unterscheidung zu der eben getroffenen Differenzierung zwischen unbenannten Zuwendungen und Schenkungen steht. Die Vermutung liegt nahe, daß es sich um die gleiche Unterscheidung handelt. Erstaunlicherweise wurde diese Frage bisher nicht näher untersucht. Statt dessen wird in Rechtsprechung und Literatur größtenteils davon ausgegangen, Schenkungen und unbenannte Zuwendungen seien im Zugewinnausgleich grundsätzlich gleich zu behandeln. 91 So scheint es anzurechnende Schenkungen ebenso zu geben wie nicht anzurechnende unbenannte Zuwendungen. 92 Wenn dies richtig ist, muß § 1380 eine andere materielle Grundlage haben, als sie oben bei der Unterscheidung zwischen echten Schenkungen und unbenannten Zuwendungen festgestellt wurde.

91 Schwab Brühler Schriften Bd. 9 S. 53 m.w.N. bringt diesen Befund auf den Punkt: "Das Problem der Rückerstattung von Ehegattenzuwendungen wird sonach in aller Regel durch den Mechanismus des Zugewinnausgleichs miterledigt, wobei erstaunlicherweise ,ehebezogene' Zuwendungen" und echte Schenkungen hier völlig gleich behandelt werden, sowohl in der Nichtanwendung des § 1374 Abs. 2 als auch in der Anwendung des § 1380." Ebenso Diederichsen Vermögensauseinandersetzung Rn. 373: "Schenkungen unter Ehegatten und unbenannte Zuwendungen stehen einander gleich; das heißt, es kommt auf ihre Unterscheidung nicht an." So auch die Empfehlungen des 8. Deutschen Familiengerichtstages, FamRZ 1990, 24 (35): "Schenkungen und unbenannte Zuwendungen sind im Rahmen des § 1380 BGB gleich zu behandeln. Beide fallen nicht in das Anfangsvermögen; § 1374 Abs. 2 findet insoweit keine Anwendung"; ebenso Haussleiter Vermögensauseinandersetzung Rn. 624; Kollhosser NJW 1994, 2313 (2316). 92 Siehe beispielsweise Reinickel1iedtke WM 1982, 946 (954); Dörr NJW 1989, 1957 (1960); Seutemann FamRZ 1983, 990 (992); Johannsen I Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 5; Grünenwald NJW 1988, 109; Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 58 f.; Staudinger-Thiele § 1374 Rn. 26.

c. Unterscheidung innerhalb der Ehegauenzuwendungen

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1. Die Unterscheidung nach § 1380 Abs. 1 S. 1 Nach § 1380 Abs. 1 S. 1 wird auf die Ausgleichsforderung eines Ehegatten angerechnet, was ihm von dem anderen Ehegatten mit der Bestimmung zugewendet ist, daß es auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden soll. Liegt jedoch eine ausdrückliche Bestimmung des Zuwenders vor, dann ist klar, daß die Zuwendung nur aufgrund der Ehe und letztlich nur in Erwartung der Fortdauer der Ehe vorgenommen wurde. Sollte es zur Scheidung kommen, macht der Zuwender durch die ausdrückliche Anrechnungsbestimmung deutlich, daß er seine Zuwendung als vorweggenommene Erfüllung seiner Ausgleichspflicht versteht. Eine Anrechnung ist daher durchzuführen. Es handelt sich in diesen Fällen somit immer um einen Fall der ehebegründeten, unbenannten Zuwendung. Wer durch die Anrechnungsbestimmung deutlich macht, daß er die Zuwendung nicht über die Ehe hinaus tätigen will, daß die Zuwendung also nur ein vorweggenommener Teil einer Verpflichtung ist, die ihn als Ehegatten im Zugewinnausgleich ohnehin trifft, der will gerade nicht etwas auf Dauer und unabhängig von der Ehe zuwenden. Die Zuwendung erfüllt also erkennbar nicht die Funktionen, die sonst kennzeichnend für eine echte Schenkung sind. Insoweit decken sich also unbenannte und anzurechnende Zuwendung. Das gleiche gilt für den umgekehrten Fall der (in der Praxis sicher äußerst seltenen) ausdrücklichen Nichtanrechnungsbestimmung. Ein Ehegatte, der die Anrechnung seiner Zuwendung als vorweggenommenen Zugewinnausgleich gerade nicht will, macht zugleich deutlich, daß er die Zuwendung nicht als Teil seiner späteren Ausgleichspflicht sieht, sondern als davon unabhängige, zusätzliche Zuwendung. Dies ist nun aber das prägende Charakteristikum der echten, nicht ehebegründeten Schenkung. Sie ist von der Ehe unabhängig und soll über die Ehe hinaus andauern. Insofern handelt es sich also bei Zuwendungen, die mit einer ausdrücklichen Nichtanrechnungsbestimmung versehen sind, niemals um unbenannte Zuwendungen, sondern immer um echte Schenkungen. Festzuhalten ist daher, daß sich die Unterscheidung zwischen unbenannten Zuwendungen und echten Schenkungen mit derjenigen zwischen anzurechnenden und nicht anzurechnenden Zuwendungen deckt, sofern diese sich im Falle einer ausdrücklichen Bestimmung aus § 1380 Abs. 1 S. 1 ergibt.

2. Die Unterscheidung nach § 1380 Abs. 1 S. 2 Fehlt es an einer ausdrücklichen Anrechnungsbestimmung, ist gern. § 1380 Abs. 1 S. 2 im Zweifel anzunehmen, daß Zuwendungen angerechnet werden sollen, wenn ihr Wert den Wert von Gelegenheitsgeschenken übersteigt, die nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten üblich sind. Ob es sich hierbei um die gleiche Unterscheidung wie oben handelt, muß im Zusammenhang mit der Rechtsnatur der Vorschrift gesehen werden. Diese ist jedoch umstritten.

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1. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

a) § 1380 Abs. 1 S. 2 als Auslegungsregel Nach der einen Auffassung stellt § 1380 Abs. 1 S. 2 eine materielle Auslegungsregel dar. Ansatzpunkt fUr die Anrechnung soll der (mutmaßliche) Wille des Zuwenders sein. Dabei soll eine Zuwendung auch dann anzurechnen sein, wenn es überhaupt an jeglicher Willenserklärung über die Anrechnung fehlt, weil sich der Zuwender keine Gedanken darüber gemacht hat. 93 Die Regel gelte aber nicht, wenn entweder der Zuwendende das Gegenteil bei der Zuwendung bestimmt, die Nichtanrechnung vertraglich festgelegt wird oder sich aus den Umständen des Zuwendungsgeschäfts ergibt, daß der Zuwendende eine Anrechnung nicht gewollt hat. 94 In diesen Fällen sei trotz der Auslegungsregel keine Anrechnung durchzufUhren.

b) § 1380 Abs. 1 S. 2 als dispositiver Rechtssatz Die Gegenmeinung sieht in § 1380 Abs. 1 S. 2 dagegen einen § 1380 Abs. 1 S. 1 ergänzenden Rechtssatz, der allerdings zur Disposition der Partner stehe. 95 Da das Gesetz bei dem zweiten Tatbestand gerade nicht voraussetze, daß die Anrechnungsfrage Gegenstand der die Zuwendung begleitenden rechtsgeschäftlichen Erklärungen gewesen ist, sei der Zusatz "im Zweifel" keine Auslegungsregel, sondern Ausdruck für die gesetzliche Wertung, daß die Anrechnung bei Zuwendungen des genannten Umfangs sachgerecht ist. 96 Es fehle nämlich an zweifelhaften Willenserklärungen, die ausgelegt werden könnten. Vielmehr müsse hier eine Eventualvorschrift eingreifen, wenn die Erklärungen der Eheleute keinen Anhalt bieten fUr eine Rechtsfolge, die als typisch sachrichtig erscheint. Konsequenz dieser Ansicht ist, daß die Anrechnung von Zuwendungen, die unter die Voraussetzung des § 1380 Abs. 1 S. 2 fallen, nur dann nicht stattfindet, wenn eine ausdrückliche Nichtanrechnungsvereinbarung 97 oder Nichtanrechnungsbestimmung vorliegt. 98

Staudinger- Thiele § 1380 Rn. 17. Schwab Handbuch Teil VII Rn. 153; Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 17; Brüning NJW 1971,922; Dölle Familienrecht I § 61 VII, S. 823. 95 Johannsen I Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 1; Jaeger DNotZ 1991,431 (454); MüKo-Gernhuber § 1380 Rn. 8; GernhuberlCoester-Waltjen Familienrecht S. 561; Farniliengerichtsbarkeit-Baumeister § 1380 Rn. 26; Haussleiter Vermögensauseinandersetzung Rn. 627. 96 Johannsen/Henrich-Jaeger § 1380 Rn. I. 97 Johannsen/Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 8; MüKo-Gernhuber § 1380 Rn. 8. 98 Familiengerichtsbarkeit-Baumeister § 1380 Rn. 27; MüKo-Gernhuber § 1380 Rn. 8; GemhuberlCoester-Waltjen Familienrecht S. 561. 93

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c. Unterscheidung innerhalb der Ehegattenzuwendungen

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3. Stellungnahme: Der Zusammenhang zwischen den Unterscheidungen der Rechtsprechung und des Gesetzes Die Annahme, § 1380 Abs. I S. 2 enthalte einen dispositiven Rechtssatz, der nur durch die ausdrückliche Bestimmung der Eheleute geändert werden könnte, würde bedeuten, daß es für die Frage der Anrechnung nicht auf den Charakter der Zuwendung und damit die ihr zugrundeliegende Motivation ankommt, sondern daß jenseits der ausdrücklichen Bestimmung des Zuwenders allein der Wert einer Zuwendung darüber entscheidet, ob die Anrechnung stattfindet oder nicht. Da das Vorliegen einer solchen ausdrücklichen Bestimmung aber den absoluten Ausnahmefall darstellt, würde die Frage der Anrechenbarkeit regelmäßig unwiderleglich vom Wert der Zuwendung abhängig gemacht. Nicht die Frage, ob es sich materiell um eine vorweggenommene Erfüllung der Ausgleichsforderung handelt, wäre das entscheidende Kriterium, sondern allein der relative Wert der Zuwendung. Wenn dies richtig ist, gibt es zwischen der Abgrenzung des § 1380 Abs. I S. 2 und der oben besprochenen Unterscheidung zwischen unbenannten Zuwendungen und Schenkungen (bzw. zwischen ehebegründeten und nicht ehebegründeten Zuwendungen) keinen Zusammenhang. Bereits die Formulierung des Gesetzes (..im Zweifel ist anzunehmen") spricht deutlich gegen eine derartige Auslegung. Denn ein Zweifel muß immer auch widerlegbar sein durch den Nachweis des Vorliegens oder Nichtvorliegens des Merkmals, das hier zweifelhaft ist. Die These vom dispositiven Rechtssatz wäre daher nur dann schlüssig, wenn sich der Zweifel auf das Vorliegen der ausdrücklichen Bestimmung in § 1380 Abs. I S. I bezieht. Eine ausdrückliche Bestimmung gibt es jedoch regelmäßig nicht. Ihr Vorliegen ist daher auch nur selten zweifelhaft, vielmehr liegt zumeist ganz unzweifelhaft eine solche Bestimmung nicht vor. Dennoch ist klar, daß § 1380 Abs. I S. 2 auch bei fehlender Bestimmung zu einer Anrechenbarkeit der Zuwendung führen kann und soll. Die Zweifel müssen sich daher darauf beziehen, ob die Anrechnung in Einklang steht mit dem Willen des Ehegatten zum Zeitpunkt der Zuwendung. Dies wird bestätigt durch die Begründung des 2. Regierungsentwurfs zu einem neuen § 1387, der dem heutigen § 1380 im wesentlichen gleicht: ,,Die Anrechnung entspricht in diesem Fall im allgemeinen dem Willen des Ehegatten. Dem Ehegatten, der die Zuwendung erhalten hat, bleibt aber der Nachweis unbenommen, daß die Anrechnung auf die Ausgleichsforderung dem Willen des anderen Ehegatten widerspricht".99 Einen wirklichen Willen in bezug auf die Behandlung der Zuwendung im Scheidungsfalle wird es aber regelmäßig nicht geben, da die Eheleute das mögliche Scheitern der Ehe typischerweise nicht vor Augen haben. Der zuwendende Ehe99 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts, BT-Drucks. 11 /224, Anlage S. 47.

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1. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

gatte wird grundsätzlich vom Fortbestand seiner Ehe ausgehen oder, wenn er wirklich die Möglichkeit des Scheiterns mit einbezieht, eine ausdrückliche Regelung für diesen Fall treffen. Es kann daher nur um den mutmaßlichen Willen des Ehegatten gehen. Wenn § 1380 die Anrechnung von Zuwendungen regelt, die als vorweggenommene Erfüllung der Ausgleichsforderung betrachtet werden,IOO dann muß der Wille des Zuwenders sich auf das Vorliegen einer solchen Zuwendung beziehen. Die Zweifel müssen sich also darauf beziehen, ob die betreffende Zuwendung den Charakter einer vorweggenommenen Erfüllung der Ausgleichsforderung hat, was sich wiederum nur aus den Umständen der Zuwendung, ihrem Zweck und der Motivation des Ehegatten ergeben kann. Dies sind aber genau diejenigen Kriterien, die bereits oben zur Differenzierung zwischen unbenannten Zuwendungen und Schenkungen herangezogen wurden. Wollte der Ehegatte seinem Partner etwas als echte, freigebige Schenkung dauerhaft zuwenden, dann handelt es sich nicht um eine ehebegründete, anzurechnende Zuwendung. Denn als Vorwegleistung auf den Zugewinnausgleich wäre die Zuwendung gerade nicht dauerhaft, sie flöße in den Zugewinnausgleich mit ein. War die Zuwendung aber umgekehrt ohnehin als Beteiligung des Ehegatten am eigenen Zugewinn gedacht oder diente sie zum Schutz vor einer Haftung für Schulden des Zuwenders, dann handelt es sich gerade nicht um eine echte Schenkung, die die Ehe auch wertmäßig überdauern soll, sondern um eine Zuwendung, die im Zugewinnausgleich als Vorwegleistung berücksichtigt werden muß. Denn gerade dann, wenn der Zuwender die Absicht hat, für die familiären Leistungen des Partners einen Ausgleich zu schaffen oder diesen aus anderen Gründen am eigenen Verdienst zu beteiligen, ist davon auszugehen, daß er im Zweifel die Anrechnung auf eine etwaige künftige Ausgleichsforderung des Partners wünscht, der ja ebenfalls der Beteiligungsgedanke zugrundeliegt.101 § 1380 Abs. 1 S. 2 bringt daher in der Sache nichts anderes zum Ausdruck als die Abhängigkeit von der Geschäftsgrundlage des Fortbestands der Ehe bei den üblichen höherwertigen Zuwendungen unter Ehegatten. 102 Die Vorschrift setzt die Existenz von zwei in sich verschiedenen Arten von Zuwendungen unter Ehegatten daher bereits voraus. Die Unterscheidung zwischen unbenannten Zuwendungen und Schenkungen deckt sich also mit derjenigen zwischen anzurechnenden und nicht anzurechnenden Zuwendungen. 103 Unbenannte Zuwendungen sind anzurechnen, echte Schenkungen hingegen nicht. 100 So ausdrücklich Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts, BT-Drucks. 11 1224, Anlage S.47. 101 Schwab Handbuch Teil VII Rn. 153. 102 So auch Holzhauer FuR 1995, 268 (271). 103 So im Ergebnis teilweise auch Langenjeld Handbuch Rn. 233, der allerdings nur solche Zuwendungen als Ehegattenschenkungen qualifizieren will, "deren Nichtanrechnung i.S. von § 1380 bestimmt oder beiderseits vorausgesetzt wird". Ob er damit wirklich eine Deckungsgleichheit der Begriffe Schenkung und nicht anzurechnende Zuwendung, bzw. unbenannte und anzurechnende Zuwendung befürwortet, bleibt unklar.

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Diese These läßt sich durch eine einfache Kontrollüberlegung belegen: Ginge es nicht um die gleiche Differenzierung, dann müßte es insbesondere "anzurechnende Schenkungen,,!04 geben und möglicherweise auch "nicht anzurechnende unbenannte Zuwendungen". Beide Konstellationen sind jedoch in sich widersprüchlich. Denn was sollte unter einer anzurechnende Schenkung verstanden werden? Ist das Wesen einer Zuwendung gerade, daß sie nicht vom Fortbestand der Ehe abhängen soll, ihr Ziel nicht die Ausgestaltung der Lebensgemeinschaft oder deren Erhalt ist, sie nicht die ausgleichende Beteiligung des Gatten am eigenen Verdienst bezweckt, kurzum: sie wirklich freigebig gemacht wurde, dann wäre es inkonsequent,105 sie dennoch als vorweggenommene Erfüllung des gesetzlich geschuldeten Ausgleichs zu betrachten und daher anzurechnen. !06 Nicht minder widersprüchlich wäre es, eine Zuwendung, die von vornherein auf dem Fortbestand der Ehe aufbaut, die zur Verwirklichung der ehelichen Lebensgemeinschaft gemacht wurde oder den Ehepartner am Zugewinn beteiligen soll, im Zugewinnausgleich außer Acht, sie also in ihren Auswirkungen auf die Ausgleichsforderungen unberührt zu lassen. Genau dies würde die Konsequenz der Annahme einer nicht anzurechnenden unbenannten Zuwendung sein Nur scheinbar steht dieser Aussage ein Teil der Rechtsprechung entgegen, sofern ausdrücklich die Möglichkeit einer anzurechnenden Schenkung angenommen wird. 107 Denn wie bereits oben erläutert wurde, ist bei näherer Betrachtung regelmäßig festzustellen, daß die jeweils in Frage stehende Zuwendung zwar als Schenkung qualifiziert wurde, in Wirklichkeit aber alle Voraussetzungen für die Annahme einer unbenannten Zuwendung erfullt waren. 108 Wird in der Praxis eine Anrechnung vorgenommen, handelt es sich daher der Natur nach regelmäßig um ehebegründete Zuwendungen, die auch angerechnet werden müssen. Gerade diese Ungenauigkeit der Rechtsprechung sorgt immer wieder für Mißverständnisse und Schwierigkeiten bei den in dieser Arbeit zu behandelnden Fragen. Der eben getroffenen Einordnung der Zuwendungen steht sie jedoch nicht entgegen.

104 Diese Kategorie wird von der h.M. für möglich gehalten. Vergleiche Lipp JuS 1993,89 (92); Netzer Zuwendungen S. 166; Soergel-Lange § 1380 Rn. 7; Reinicke 11iedtke WM 1982, 946 (951, 954); Dörr NJW 1989, 1957 (1959); Seutemann FamRZ 1983, 990 (992); Johannsen/Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 5; Grünenwald NJW 1988, 109; Göppiner Rn. 518a, 521; Eckert DStR 1989, 347; Kleinie FamRZ 1997, 1383 (1386); Arend MittRhNotK 1990, 65 (71); Wienands DStZ 1995, 15 (16); Rechtsanwalts-Handbuch B X. Rn. 331. lOS So auch Langen/eid Handbuch Rn. 226, 233: Ehegattenschenkung kann nur bei Nichtanrechnung vorliegen. 106 So aber Lipp JuS 1993, 89 (92 f.). 107 OLG Frankfurt I M FamRZ 1987,62 nahm beispielsweise eine grundsätzlich anzurechnende Schenkung an und begründete dann, wieso hier § 1374 Abs. 2 keine Anwendung finde. BGHZ 101,65 bestätigte diese Einordnung. 108 Darauf wurde bereits oben bei der Besprechung der Kriterien der Rechtsprechung für eine unbenannte Zuwendung eingegangen, siehe oben S. 48 ff. Das Problem taucht bei der Frage nach der Anwendung des § 1374 Abs. 2 nochmals auf, siehe unten S. 144 ff.

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1. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

Hinter § 1380 Abs. 1 S. 2 steht somit der Gedanke, daß geringwertige Zuwendungen im Zweifel Gelegenheitsgeschenke und als solche nicht anzurechnen sind, höherwertige Zuwendungen im Zweifel keine solchen Geschenke darstellen und daher als vorweggenommene Erfüllung der Ausgleichsforderung angerechnet werden sollen. In diesem System hat die Vorschrift tatsächlich die Funktion einer materiellen Auslegungsregel. Sie erleichtert innerhalb des Zugewinnausgleichs die Unterscheidung zwischen den beiden Arten der Zuwendung. Handelt es sich um Zuwendungen, die den Wert der zwischen den Ehegatten üblichen Gelegenheitsgeschenke übersteigen, ist die Anrechnung grundsätzlich vorzunehmen. Diese Zuwendungen werden also im Zweifel als vorweggenommene Erfüllung des Ausgleichsanspruchs angesehen. Ist der Wert der Zuwendung jedoch kleiner, handelt es sich im Zweifel nicht um eine solche vorweggenommene Erfüllung der Ausgleichsforderung, sondern um eine echte Schenkung. Dies bedeutet jedoch zugleich, daß es Aufgabe der Eheleute ist, diesen Zweifel im Einzelfall dadurch zu beseitigen, daß sie das Gegenteil nachweisen. Insoweit regelt § 1380 Abs. 1 S. 2 vor allem die Beweislast im Prozeß. 109 Ist der Wert der Zuwendung höher als der von Gelegenheitsgeschenken unter Ehegatten, dann muß der Empfänger nachweisen, daß es sich dennoch um eine Schenkung handelt. Dies wird nur selten gelingen, ist aber im Einzelfall nicht ausgeschlossen, wie das folgende Beispiel zeigt: Der Wert der Gelegenheitsgeschenke, die sich die Ehegatten üblich erweise machen, liegt bei max. 1.000 DM. Zum 10. Hochzeitstag schenkt der Mann seiner Frau einen Brillantring im Wert von 5.000 DM. Auf einer beiliegenden Karte schreibt er, der Ring solle ein Dankeschön für die jahrelange Treue auch in schwierigen Zeiten darstellen und unabhängig davon geschehen, wie es in der hoffentlich gemeinsamen Zukunft weitergeht. Dennoch wendet sich der Ehemann Jahre später einer jüngeren Frau zu und die Ehe wird geschieden.

Nach § 1380 Abs. 1 S. 2 liegt aufgrund des Wertes der Zuwendung eine anzurechnende Zuwendung vor. Die Umstände der Zuwendung, also der Anlaß ebenso wie die Karte, sprechen jedoch für den Charakter eines Gelegenheitsgeschenks. Der Ring sollte Dankbarkeit für die Ehejahre zeigen, er war Ausdruck echter Freigebigkeit." o Der Wert des Brillantrings ist also entgegen § 1380 Abs. I S. 2 nicht auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen.

Motzke NJW 1971, 182. Anders ist es in dem von Haussleiter Vermögensauseinandersetzung Rn. 196 genannten Grenzfall, in dem ein Ehemann aus Anlaß des Hochzeitsjubiläums seiner Frau den aus seiner Familie stammenden wertvollen Familienschmuck schenkt. Hier wird allein der Anlaß nicht die Annahme rechtfertigen können, der Mann habe den Schmuck im Zweifel auch aus der Familie weggeben wollen. Es bliebe daher bei der Anrechnung. Zudem könnte hier ein Fall vorliegen, in dem über den Zugewinnausgleich hinaus wegen des großen Affektionsinteresses an dem Schmuck selbst auch ausnahmsweise ein dinglicher Rückübertragungsanspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage zu bejahen ist. 109

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Umgekehrt ist es Sache des Zuwenders, die Vermutung zu widerlegen, daß Zuwendungen, deren Wert unter dem von üblichen Gelegenheitsgeschenken liegt, dennoch anzurechnen sind. Wie im obigen Fall kauft der Ehemann seiner Frau einen Ring im Wert von lediglich 500 DM. Er kann jedoch nachweisen, daß dieser nicht ein wirkliches Geschenk darstellte, sondern die Ehefrau diesen Ring selbst kaufen wollte, ihr aber das Geld dafür fehlte, weshalb ihr Mann schließlich eingewilligt hat, den Kauf zu tätigen.

Allein aufgrund des Wertes des Rings wäre hier davon auszugehen, daß er nicht auf die Ausgleichsforderung angerechnet wird. Die Umstände der Zuwendung sprechen aber dafür, daß es sich nicht um ein echtes Geschenk gehandelt hat, sondern vielmehr um eine Beteiligung der Ehefrau am Verdienst des Ehemannes. Die Zuwendung ist daher entgegen § 1380 Abs. 1 S. 2 anzurechnen. Dieser Vorschrift liegt daher die Erkenntnis zugrunde, daß es in der Ehe neben "normalen" Schenkungen Zuwendungen gibt, die für die Ehe allein gedacht sind, die die Ehe nicht überdauern, sondern ihrer Ausgestaltung dienen sollen. Diese (unbenannten) Zuwendungen sollen angerechnet werden. Echte Schenkungen dagegen, Zuwendungen also, die nicht ehebegründet sind, die nicht gleichermaßen vom Fortbestand der Ehe abhängig sind und diesen voraussetzen, vor allem also die Gelegenheitsgeschenke, sind nicht anzurechnen. Die Behauptung Ludwigs, dem historischen Gesetzgeber des Gleichberechtigungsgesetzes sei subjektiv die Problematik der Rückabwicklung ehebedingter Zuwendungen gar nicht bekannt gewesen, 1II ist daher falsch. Sowohl die Existenz dieser besonderen Art der Zuwendung war dem Gesetzgeber offensichtlich bekannt, als auch die Notwendigkeit, diese besonders zu regeln. Damit ist natürlich noch nicht gesagt, daß dem Gesetzgeber gleichermaßen alle in diesem Zusammenhang auftauchenden Probleme und Fallkonstellationen bekannt waren. Es zeigt sich jedoch deutlich, daß in der Vergangenheit an zwei getrennten Schauplätzen um die identische Unterscheidung gefochten wurde: Es handelt sich bei den Abgrenzungen "Schenkung - unbenannte Zuwendung" und "Anrechnung - Nichtanrechnung" im Rahmen des Zugewinnausgleichs nicht um zwei voneinander zu trennende Fragen, sondern um dieselbe Unterteilung." 2 Es gibt nicht etwa vier verschiedene Zuwendungstypen während der Ehe, sondern lediglich zwei: In der Terminologie der Rechtsprechung wären dies die auf einen eventuellen Zugewinnausgleichsanspruch anzurechnenden unbenannten Zuwendungen und die nicht anzurechnenden (echten) Schenkungen.

Ludwig FuR 1992,201 (204). Ganz anders jedoch Morhard NJW 1987, 1734, der eine unbenannte Zuwendung annimmt, soweit die Zuwendung das Maß eines angemessenen güterrechtlichen Ausgleichs nicht übersteigt. Diese Unterscheidung wird jedoch im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 2325 entwickelt und fügt sich nicht ein in das eben beschriebene System des § 1380. 111

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I. Kap.: Ehegattenzuwendungen und Zugewinnausgleich

Die von Lieb l13 und der Rechtsprechung l14 in den vergangenen fast dreißig Jahren mühevoll aufgebaute Unterscheidung zwischen unbenannten Zuwendungen und Schenkungen findet sich also - wenngleich versteckt - bereits im Gesetz. Sie liegt § 1380 Abs. 1 S. 2 zugrunde. 115 Selbst wenn man die Einordnung der unbenannten Zuwendung als entgeltliches Rechtsgeschäft ablehnt,116 kann also auf die Unterscheidung der heiden Zuwendungsarten nicht verzichtet werden, da sie jedenfalls für die Frage der Anwendbarkeit des § 1380 weiterhin von Bedeutung ist. 11 7

IV. Ergebnis: Zwei Arten der Zuwendung unter Ehegatten Es ist im Zugewinnausgleich zwischen anzurechnenden und nicht anzurechnenden Zuwendungen zu unterscheiden. Diese Unterscheidung ist deckungsgleich mit der Trennung zwischen unbenannten Zuwendungen und Schenkungen. Es ist daher auch innerhalb des Zugewinnausgleich wichtig, zwischen den beiden Zuwendungsarten genau zu unterscheiden - anders als es in der Rechtsprechung bisher oft geschehen ist. 118 Dieser Zusammenhang wird in der Übersicht auf S. 61 deutlich. Soweit sich Ehegatten während der Ehe unentgeltliche Zuwendungen machen, die vom Fortbestand der Ehe grundSätzlich unabhängig sind, soll im folgenden von "echten Ehegattenschenkungen" oder synonym von "nicht anzurechnenden Zuwendungen" gesprochen werden. Denn diese echten Schenkungen sind im Zugewinnausgleich nicht nach § 1380 anzurechnen. Im Zweifel handelt es sich dann

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Lieb Ehegattenmitarbeit S. 121 ff.

Siehe insbesondere die materiellen Kriterien in BGH NJW 1990,600. Sicher falsch ist es jedoch, wenn Lipp JuS 1993, 89 die Unterscheidung zwischen Schenkungen und unbenannten Zuwendungen so versteht, daß auf erstere § 1380 und § 1374 Abs. 2 anzuwenden seien, auf letztere jedoch weder die eine noch die andere Vorschrift. Die Unterscheidung, die § 1380 trifft, wird von dieser Interpretation ignoriert. Welche Unstimmigkeiten sich daraus weiter ergeben, soll unten bei der Frage der Anwendung des § 1380 erläutert werden, siehe S. 88 ff. 116 Siehe insbesondere und mit guten Argumenten Schotten NJW 1990,2841; Holzhauer FuR 1995,268 (270) und kritisch auch Olzen JR 1982,495 (496); Holzhauer JuS 1983,830; Kollhosser NJW 1994, 2313; Berger Zugewinngemeinschaft S. 72 f.; Meister Drittwirkung S. 125 ff.; Werthmann Privatrechtssystem S. 165 ff.; Erman-Heckelmann § 1363 Rn. 4; Brambring ZEV 1996,248; Dingerdissen JZ 1993,402 (403); Gemhuber NJW 1991,2238, 2243 f.; Koch FamRZ 1995,321 (323 ff.); Meincke ZEV 1995,81; Jaeger DNotZ 1991,431 (436 ff.). 117 Es wird sich im 3. Kapitel zeigen, daß diese Unterscheidung auf für die Frage nach der Anwendung des § 1374 Abs. 2 entscheidend ist. 118 Siehe die Kritik an der oft fehlerhaften Einordnung einer Zuwendung als unbenannte Zuwendung oder echte Schenkung auf S. 48 ff. 114

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c. Unterscheidung innerhalb der Ehegattenzuwendungen

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EhegaUenzuwendungen

unbenannte Zuwendungen

echte Schenkungen

~ Anrechnung

keine Anrechnung

um echte Schenkungen, wenn der Wert der Zuwendungen den Wert von Gelegenheitsgeschenken nicht übersteigt. Der Zuwender kann das Gegenteil jedoch beweisen. Dabei sind die vom BGH erarbeiteten Kriterien für die Unterscheidung von unbenannten Zuwendungen und Schenkungen heranzuziehen. 119 Kein Zweifel besteht dagegen, wenn der Zuwender ausdrücklich die Anrechnung der Zuwendung bestimmt. Dann handelt es sich um eine anzurechnende Zuwendung, nicht um eine "echte Schenkung". 120 Anzurechnende Zuwendungen liegen im übrigen dann vor, wenn sie von den Ehegatten zur Ausgestaltung des ehelichen Lebens getätigt wurden, nicht aber zur endgültigen Vermögensvermehrung beim Ehegatten. Diese Zuwendungen sollen im folgenden mit dem BGH als "unbenannte Zuwendungen" oder synonym als "anzurechnende Zuwendungen" bezeichnet werden. Im Zweifel handelt es sich dann um eine unbenannte Zuwendung, wenn ihr Wert denjenigen von Gelegenheitsgeschenken übersteigt, die unter Ehegatten üblich sind. Hier kann jedoch der Zuwendungsempfänger das Gegenteil beweisen, daß es sich also trotz des hohen Wertes nicht um eine unbenannte Zuwendung, sondern um eine echte Schenkung gehandelt hat. Kein Zweifel dagegen besteht, wenn der Zuwendende die Nichtanrechnung ausdrücklich angeordnet hat. Dann handelt es sich um eine echte Schenkung. Mischformen existieren dagegen nicht. Weder kann es eine anzurechnende echte Schenkung noch eine nicht anzurechnende unbenannte Zuwendung geben. Ausgehend von dieser Unterscheidung soll die Behandlung von Ehegattenzuwendungen im Zugewinnausgleich im folgenden näher untersucht werden.

119 Siehe insbesondere BGH NJW 1990. 600, wenngleich der BGH - wie bereits auf S. 48 ff. erläutert - ausgerechnet in dieser Entscheidung von seinen eigenen Kriterien unnötig für den Einzelfall abweicht. 120 Inwieweit auf derartige Zuwendungen die Anwendung des § 1374 Abs. 2 in Betracht kommt, wird im 3. Kapitel erläutert.

2. Kapitel

Die Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen gern. § 1380 Wie das 1. Kapitel gezeigt hat, ist die Anrechnung nach § 1380 der vom Gesetz vorgesehene Weg, die ehetypischen unbenannten Zuwendungen im Zugewinnausgleich zu berücksichtigen. Es wurde jedoch ebenfalls festgestellt, daß diese Berücksichtigung im Regelfall bereits automatisch geschieht: Die Zuwendung als solche hat Einfluß auf die Zugewinne der Eheleute und verändert daher allein durch ihre Vornahme bereits die spätere Ausgleichsforderung. Dadurch wird der Zugewinn grundsätzlich weiterhin gleichmäßig auf die Eheleute verteilt. In diesem Kapitel wird nun geklärt, welche Funktion § 1380 im System des Zugewinnausgleichs tatsächlich einnimmt und wie die Anrechnung zu erfolgen hat, um dieser Funktion umfassend Geltung zu verschaffen. Dazu sind zuerst die im folgenden darzustellenden möglichen Auslegungsvarianten der Anrechnungsvorschrift auf ihre systematische Zulässigkeit hin zu überprüfen. Anschließend werden sie anhand von Fallgruppen auf alle denkbaren Konstellationen angewendet und die Resultate miteinander verglichen. Soweit sich diese Ergebnisse gleichen, soll aus ihnen auf die Ratio des § 1380 geschlossen werden. Auf dieser Basis kann schließlich die Frage beantwortet werden, welcher Lösungsweg diesen Zweck am konsequentesten verwirklicht. Dabei wird sich zugleich zeigen, ob der Zugewinnausgleich tatsächlich nicht in der Lage ist, das in der Einleitung bereits kurz umrissene Problem der sogenannten "überschüssigen Zuwendungen") angemessen zu lösen? Um die Untersuchung transparent zu halten, wird in diesem Kapitel nur die Frage beantwortet, wie § 1380 mit Zuwendungen umgeht, die ein Ehegatte während der Ehe aus seinem ausgleichspflichtigen Zugewinn an seinen Partner getätigt hat. 3 Ausdrücklich ausgeklammert bleiben vorerst Zuwendungen, die aus dem - grundI Darunter sind Zuwendungen eines Ehegatten zu verstehen, der nicht in dieser Höhe ausgleichspflichtig gewesen wäre, wenn er die Zuwendung nicht vorgenommen hätte. 2 Diese Lösungsfahigkeit wird der Vorschrift gemeinhin abgesprochen, siehe exemplarisch Lieb Ehegattenmitarbeit S. 129, der feststellt, "wie völlig mißglückt die Regelung der §§ 1374 Abs. 2, 1380 ist", und Kühne JR 1982, 237 (239): "Die Zugewinnausgleichsregelung ist als Instrument zur Bewältigung dieser Probleme weder gedacht noch geeignet. " 3 Aus der Perspektive des Zugewinnausgleichs bedeutet dies. daß er oder sie ein Endvermögen erwirtschaftet hat. das mindestens den Wert des Anfangsvermögens hat, so daß das Anfangsvermögen rein wertmäßig nicht geschmälert ist. Eine Zuwendung aus dem Anfangs-

A. Die Auslegung des § 1380

63

sätzlich nicht ausgleichspflichtigen - Anfangsvennögen getätigt werden. Mit ihnen wird sich das 4. Kapitel beschäftigen.

A. Die Auslegung des § 1380 J. Vorüberlegung: Die Behandlung des Zuwendungswertes beim Empfänger Es wurde bereits eingangs festgestellt, daß neben § 1380 auch § 1374 Abs. 2 Zuwendungen unter Ehegatten betreffen kann. Die Prüfung der beiden Vorschriften wird hier jedoch bewußt getrennt, um den jeweils eigenen Charakter der Nonnen deutlich werden zu lassen. 4 Für die Frage der Auslegung des § 1380 ist es jedoch unvenneidlich, der späteren Prüfung des § 1374 Abs. 2 vorzugreifen. Denn im Rahmen des § 1380 stellt sich unweigerlich die Frage, ob die Zuwendung auf Seiten des Empfängers bereits durch § 1374 Abs. 2 oder aber auf andere Weise zu berücksichtigen ist. Vorläufig zu entscheiden ist daher, ob und wie anzurechnende Zuwendungen noch im Zugewinn des Empfängers zu berücksichtigen sind. Hier hat sich die heute h.M. im Gegensatz zur früheren AnsichtS darauf festgelegt, daß § 1374 Abs. 2 zwar auf Zuwendungen unter Ehegatten keine Anwendung findet,6 der Zuwendungswert im Rahmen der Anrechnung nach § 1380 aber dennoch aus dem Zugewinn des Empfängers zu eliminieren ist? Dies soll jedoch nicht über § 1374 Abs. 2 geschehen. Statt dessen sei der § 1380 Abs. 2 so zu interpretievermögen läge dagegen vor, wenn das Endvermögen kleiner ist als das Anfangsvermögen. Siehe dazu aber ausführlich unten das 4. Kapitel, S. 182 ff. 4 Das Verständnis der richtungsweisenden Entscheidung BGHZ 82, 227 leidet sehr unter der Tatsache, daß die Frage nach der Anwendung der beiden Vorschriften ineinander verwoben behandelt wird. 5 BGHZ 65, 320 (324) mit Verweis auf die im Schrifttum ganz überwiegend vertretene Auffassung, siehe auch RGRK-Finke § 1380 Rn. 10 f.; Lieb Ehegattenmitarbeit S. 128; Palandt-Diederichsen 34. Auflage § 1380 Anm. 1; Staudinger-Felgentraeger 10./11. Auflage § 1380 Rn. 30; so auch später noch OLG München FamRZ 1987,67; Kühne JR 1982,237 (239); MüKo-Gemhuber § 1374 Rn. 22, Staudinger-Thiele § 1374 Rn. 28. 6 BGHZ 82,227 (234); BGHZ 101,65 (79); Holzhauer JuS 1983,830 (835); Friedrich JR 1986, I (4); Langen/eid NJW 1986, 2541 (2542); Rauscher AcP 186 (1986), 529 (566); Graba NJW 1987, 1721 (1726); Grünenwald NJW 1988, 109 (110) und Zuwendungsausgleich S. 56 ff.; Netzer FamRZ 1988,676 (680); Schwab Handbuch Teil VII Rn. 121; Biele/eld S. 150; Johannsen/Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 12; Hohloch JR 1988, 106 (108 f.); Göppinger Vereinbarungen Rn. 502 a; Joost JZ 1985, 10 (14); MüKo-Kolihosser § 516 Rn. 63; Tiedtke JZ 1996, 201 (202) und JZ 1984, 1078 (1080); Meister Drittwirkung S. 129; v. HeintschelHeinegg/Gerhardt Scheidungsrecht Rn. 116,206 f., 255 ff.; Schröder FamRZ 1997, I (7); Diederichsen Vermögensauseinandersetzung Rn. 100, 105; Palandt-Diederichsen § 1374 Rn. 22; Wienands DStZ 1995, 15 (16); Arend MittRhNotK 1990,65 (72); Kollhosser NJW 1994,2313 (2316). 7 Siehe dazu ausführlich m.N. unten S. 161 ff.

64

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

ren, daß die darin vorgeschriebene Hinzurechnung des Zuwendungswertes zum Zugewinn des Zuwenders logisch die Herausrechnung aus dem Zugewinn, bzw. Endvennögen 8 des Empfängers bedinge, da der Zuwendungswert nicht gleichzeitig den Zugewinn von beiden Ehegatten erhöhen könne. 9 Alte und neue Ansicht unterscheiden sich im Ergebnis damit solange nicht voneinander, wie § 1380 tatsächlich zur Anwendung kommt. Im Rahmen der dann durchzuführenden Anrechnung wird das Vennögen des Zuwendungsempfangers nach beiden Ansichten um den Zuwendungswert verringert - nach der früheren Interpretation durch § 1374 Abs. 2, nach der neueren durch die erweiterte Auslegung des § 1380 Abs. 2. Daher kommt es für die Untersuchung des § 1380 im Ergebnis auf diese Frage vorläufig nicht an. An dieser Stelle wird daher von der mittlerweile herrschenden Meinung ausgegangen und die Herausrechnung des ZuwendungswerteS im Rahmen des § 1380 Abs. 2 durchgeführt. Dieser Lösungsweg ist jedoch im weiteren Verlauf der Arbeit seinerseits anhand der gefundenen Ergebnisse einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. 10 Allerdings soll die ehemals herrschende und heute noch immer oder wieder vertretene Gegenmeinung, die § 1374 Abs. 2 für anwendbar hält,l1 insofern Berücksichtigung finden, als ihr Einfluß an den Stellen deutlich gemacht wird, an denen er mögliche Auswirkungen auf die Auslegung des § 1380 hat.

11. Vorhandensein einer Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers als Voraussetzung für die Anrechnung Nicht jede an sich anzurechnende Zuwendung durchläuft im Zugewinnausgleich die Rechenschritte des § 1380. Laut § 1380 Abs. 1 S. 1 wird "auf die Ausgleichsjorderung l2 eines Ehegatten ( ... ) angerechnet, was ihm vom dem anderen Ehegatten ( ... ) zugewendet ist". Eine Anrechnung ist also nur unter der weiteren Voraussetzung durchzuführen, daß eS der Zuwendungsempjänger ist, dem eine Ausgleichsjorderung gegen den Zuwender zusteht, auf die angerechnet werden kann. Diese Vorschrift wird ergänzt durch § 1380 Abs. 2 S. 1. Danach wird "der Wert der H Zu der - im Ergebnis irrelevanten - Frage, von welchem Vermögen der Abzug vorzunehmen ist, siehe ausführlich unten S. 164 ff. 9 Ganz h.M. seit BGHZ 82, 227 (234 f.); Arend MittRhNotK 1990,65 (7\); Langen/eid Handbuch Rn. 191; Reinic/cel1iedtke WM 1982,946 (949); Holz/Uluer JuS 1983,830 (834); Rauscher AcP 186, 529 (564); Grünenwald NJW 1988, \09 (11 0). Einschränkend jedoch Johannsen/Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 15; Soergel-Lange § 1380 Rn. 13: Der Zuwendungswert sei nur dann und nur in der Höhe abzuziehen, in der sich die Zuwendung oder ein Surrogat tatsächlich noch im Vermögen des Empfängers befinde - siehe dazu ausführlich S. 111 ff. 10 Siehe dazu das 3. Kapitel. 11 MüKo-Gernhuber § 1374 Rn. 22, Staudinger-Thiele § 1374 Rn. 28; Kühne JR 1982, 237 (239); OLG München FamRZ 1987,67. 12 Hervorhebungen vom Verfasser.

A. Die Auslegung des § 1380

65

Zuwendung ( ... ) bei der Berechnung der Ausgleichsforderung dem Zugewinn des Ehegatten hinzugerechnet, der die Zuwendung gemacht hat". Die entscheidende Frage ist nun, welche Ausgleichsforderung in § 1380 Abs. I gemeint ist: Ist für die Frage der Anrechnung die Ausgleichsforderung ohne oder unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 zu berechnen? Muß der Zuwendungsempfänger also bereits bei Betrachtung der Zugewinne zum Endstichtag eine Ausgleichsforderung haben? Oder "genügt" es, wenn sich erst unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 S. 1 eine - wenngleich fiktive l3 - Ausgleichsforderung ergibt?

1. Die "Ausgleichsforderung" in § 1380 Abs. 1 S. 1 ist ohne Absatz 2 zu berechnen

Die herrschende Ansicht in der Literatur 14 errechnet die Ausgleichsforderung des § 1380 lohne Anwendung des § 1380 Abs. 2. Die Ausgleichsforderung in Absatz 1 ist danach identisch mit der nach § 1378 Abs. 1 ermittelten Ausgleichsforderung. 15 Für die Frage, wer Ausgleichsgläubiger und -schuldner im Rahmen der Anrechnung ist, werden die Zugewinne ohne Korrektur so berechnet, wie sie sich zum Stichtag darstellen. Ergibt dieser einfache Zugewinnausgleich keine Forderung für den Zuwendungsempfänger, kommt eine Anrechnung wie in folgendem Beispiel nicht in Frage: Beide Ehegatten haben kein Anfangsvennögen. Wahrend der Ehe wendet der Mann seiner Frau 30 TOM zu. Am Ende der Ehe hat er einen Zugewinn von 10 TOM, sie einen Zugewinn von 20 TOM. Ehemann Anfangsvennögen

Ehefrau

0

0

Zuwendung Endvennögen

10

20

Zugewinn

10

20

Ausgleichsforderung

30 -+

5 TOM

13 Es ist insofern von einer fiktiven Ausgleichsforderung zu sprechen, als daß diese nur einen Zwischenschritt in der Berechnung darstellt, also real nicht geltend gemacht werden kann. 14 Schwab Handbuch Teil VII Rn. 156 und Familienrecht Rn. 263; Schröder FamRZ 1997, I (7); Schellhammer Familienrecht Rn. 690; Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 3, 22, 24; MüKoGemhuber § 1380 Rn. 3; Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 52, 69; Johannsen WM 1978,654 (657); Johannsen/Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 16; Kühne FamRZ 1978,221 (223); Friedrich, JR 1986, 1 (4); Ludwig FuR 1992, 201 (204); Tschemitschek Familienrecht Rn. 225; Diederichsen Familienrecht S. 46; Göppinger Vereinbarungen Rn. 518 a; Rauscher AcP 186 (1986), 529 (570 f.); im Prinzip ebenso v. Olshausen FamRZ 1978,755 (757), der allerdings § 1374 Abs. 2 auch auf anzurechnende Zuwendungen anwendet. 15 So ausdrücklich Rauscher AcP 186 (1986), 529 (570).

5 Jeep

66

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

Nicht der Zuwendungsempfängerin, sondern dem Zuwender selbst steht hier eine Ausgleichsforderung zu. Eine Anrechnung findet daher nach h.M. nicht statt.

2. Die "Ausgleichsforderung" in § 1380 Abs. 1 S. 1 ist unter Berücksichtigung von Absatz 2 zu berechnen Anders als die h.M. interpretiert ein Teil der Literatur l6 die Ausgleichsforderung in § 1380 Abs. 1 S. 1 als Ergebnis der fiktiven Zugewinnausgleichsrechnung, wie sie sich unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 S. 1 ergibt. Der Absatz 2 des § 1380 ist danach von Anfang an in Absatz 1 hineinzulesen: Die ,.Ausgleichsforderung" in § 1380 Abs. 1 S. 1 ist immer die gern. § 1380 Abs. 2 S. 1 fiktiv erhöhte Forderung. Die Anrechnung findet danach statt, wenn deljenige Ehegatte die Zuwendung getätigt hat, der ohne sie (fiktiv) ausgleichspflichtig gewesen wäre. 17 Im eben genannten Beispiel würde also erst gern. § 1380 Abs. 2 eine fiktive Ausgleichsforderung errechnet. Es ergäbe sich für den Mann ein fiktiver Zugewinn in Höhe von 40 TDM, die Frau hätte keinen Zugewinn erzielt. 18 Ihr stünde eine fiktive Ausgleichsforderung von 20 TDM zu. Ehefrau

Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen

10

20

Zugewinn fiktiver Zugewinn (§ 1380 Abs. 2)

10 40

20 0(-10)

fiktive Ausgleichsforderung

0

0 30

-+

20 TOM

16 Netzer Zuwendungen S. 211 ff. und FamRZ 1988, 676 (680 f.); Conradt Zuwendungen S. 114; wohl auch Lipp JuS 1993,89 (93); Dölle Familienrecht I § 61 VII 3, der erst nach Anwendung des § 1380 Abs. 2 feststellt, daß der Zuwendungsempfanger "an sich eine Ausgleichsjorderung" hat - allerdings mit einem Fall, in dem auch ohne § 1380 Abs. 2 eine Ausgleichsforderung des Empfangers besteht, so daß nicht klar ist, ob Dölle wirklich das hier erörterte Problem vor Augen hatte; Soergel-Lange 10. Auflage § 1380 Rn. 6, aber aufgegeben in der 11. Auflage § 1380 Rn. 7, da sonst der Zuwender mit dem kleineren Zugewinn um seine Ausgleichsforderung gebracht würde; dann in 12. Auflage § 1380 Rn. 7 doch wieder aufgegriffen, diesmal aber mit der Einschränkung von Schwab Handbuch Teil VII Rn. 170 f. Siehe zu Schwabs Vorschlag ausführlich S. 84 ff. 17 Etwas weiter geht Netzer Zuwendungen S. 229, der bereits dann anrechnen will, wenn § 1380 Abs. 2 keine fiktive Ausgleichsforderung des Zuwenders ergibt. Damit sind auch die Fälle umfaßt, in denen keinem der beiden Ehegatten eine fiktive Ausgleichsforderung zusteht. Die fiktive Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfänger hat hier gewissermaßen eine Höhe von Null. Dies dürfte mit dem Wortlaut nur schwierig zu vereinbaren sein und hat bei Netzer vor allem für die Fälle eine tragende Bedeutung, in denen die Zuwendung aus dem (rechnerischen) Anfangsvermögen erfolgt ist. Siehe dazu ausführlich unten S. 191 ff. 18 Einen - rein rechnerisch vorliegenden - negativen Zugewinn von minus 10 TOM kann es wegen § 1373 (.. übersteigt") nicht geben.

A. Die Auslegung des § 1380

67

Unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 hat also die Zuwendungsempfangerin eine fiktive Ausgleichsforderung. Eine Anrechnung ist daher vorzunehmen. Wie diese zu geschehen hat, wird später gesondert geprüft. 19

3. Die Position des BGH Der BGH vertritt eine Lösung, die auf den ersten Blick keinen der beiden besprochenen Wege beschreitet. Mit der Frage der Anwendbarkeit des § 1380 beschäftigte er sich vor allem in dem Urteil vom 26. 11. 1981. 20 In dem zu entscheidenden Fall hatte der Ehemann seiner Frau eine Grundstückshälfte unentgeltlich zugewendet. Noch vor Abschluß des laufenden Scheidungsverfahrens widerrief der Ehemann die Schenkung und berief sich hilfsweise auf einen Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

Der BGH lehnt die Ansprüche des Mannes auf Rückübereignung der Grundstückshälfte oder Zahlung einer Entschädigung ab und setzt sich in diesem Zusammenhang damit auseinander, ob der Zugewinnausgleich mit derartigen Zuwendungen angemessen umgeht. Zum einen stellt der BGH hier fest, daß § 1374 Abs. 2 bei unbenannten Zuwendungen nicht eingreift. 21 Die Zuwendung erhöht also grundsätzlich den Zugewinn des Empfängers und kann somit zu einem Ausgleichsanspruch des Zuwenders führen. 22 Zum anderen wendet sich der BGH gegen eine angeblich "verbreitete Meinung",23 wonach ,,§ 1380 nicht nur die Anrechnung vorweg geleisteter Zuwendungen" anordne, "sondern darüber hinaus bei zu hohen Vorwegleistungen einen Ausgleichsanspruch des Zuwendenden" ausschließe.

a) Die These von der Sperrwirkung des § 1380 Wie es zu der überraschenden Ansicht kam, § 1380 könne einen eigenen Ausgleichsanspruch des zuviel leistenden Ehegatten verhindern, soll anhand des obigen Beispiels dargestellt werden: Beide Ehegatten haben kein Anfangsvermögen. Während der Ehe wendet der Mann seiner Frau 30 TDM mit der Bestimmung zu, diese seien auf die Ausgleichsforderung anzurechSiehe unten S. 78 ff. BGHZ 82,227. 21 BGHZ 82, 227 (234). 22 Siehe zur Frage der Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 ausführlich das 3. Kapitel. 23 Der BGH bezieht sich dabei auf Staudinger-Felgentraeger 10./11. Auflage § 1380 Rn. 3 f.; Staudinger-Thiele 12. Auflage § 1380 Rn. 3; Lieb Ehegattenmitarbeit S. 126 ff.; MüKo-Gernhuber 1. Aufl. § 1380 Rn. 2 f.; Dölle Familienrecht I § 61 VII, S. 822; Johannsen WM 1978,654 (657); Kühne FamRZ 1978,221 (223). 19

20

5"

68

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

nen. Am Ende der Ehe hat er ein Endvermögen von IO TOM, sie ein Endvermögen von 20 TOM.

Ohne Anrechnung der Zuwendung käme es zu folgender Berechnung des Zugewinnausgleichs:

Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn Ausgleichsforderung

Ehemann 0

Ehefrau 0 30

-+

10

20

IO 5 TOM

20

Dem Ehemann stünde also eine Ausgleichsforderung von 5 TDM gegen seine Frau ZU. 24 Bei diesem Ergebnis bliebe es jedoch nicht, wenn die Zuwendung anzurechnen wäre. Voraussetzung für eine Anrechnung ist, daß der Ehefrau als Zuwendungsempfangerin eine Ausgleichsforderung zusteht. Die vom BGH kritisierten Autoren berechneten diese Ausgleichsforderung in § 1380 Abs. I S. 1 unter Berücksichtigung des Absatz 2, also so wie die oben dargestellte Mindenneinung:

Zugewinn fiktiver Zugewinn gern. § 1380 Abs. 2 fiktiver Ausgleichsanspruch

Ehemann 10 40

Ehefrau 20 0(-10) 20

Der Ehefrau stünde also gern. § 1380 Abs. 2 S. 1 ein fiktiver Ausgleichsanspruch von 20 TDM zu. Die Anrechnung wäre demnach vorzunehmen. Da unter Anrechnung nach ganz h.M. jedoch nur ein Abzug der Zuwendung vom Zu wendungswert bis maximal Null zu verstehen ist,25 führt diese Anrechnung dazu, daß der soeben errechnete fiktive Ausgleichsanspruch der Ehefrau entfällt:

24 Ware hier - wie es bis zu der Entscheidung BGHZ 82, 227 die Ansicht der Rechtsprechung war - zudem § 1374 Abs. 2 zur Anwendung gekommen, hätte der Ehemann hingegen keinen Anspruch gegen seine Frau gehabt, da ihr Zugewinn dann Null betragen hätte. Sie selbst wäre daher in Höhe von 5 TOM ausgleichsberechtigt gewesen. Dieser Anspruch hätte durch § 1380 - nach ganz h.M. - lediglich auf Null gekürzt werden können. Allein der Verzicht auf § 1374 Abs. 2 bringt dem Zuvielzuwender in diesem Beispiel die eigene Ausgleichsforderung, um die es im folgenden geht und die ihm durch § 1380 genommen zu werden scheint. 25 Siehe dazu ausführlich im folgenden S. 81.

69

A. Die Auslegung des § 1380 Ehemann fiktiver Zugewinn gern. § 1380 Abs. 2 fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsanspruch

Ehefrau

o

40

20 ./. 30 0(-10 TOM)

Es ergibt sich somit das offensichtlich paradoxe Ergebnis. daß der Ehemann, dem ohne die Anrechnung immerhin ein Ausgleichsanspruch von 5 IDM zustünde, nunmehr au/grund der Anrechnung leer ausgeht. Die Anrechnung der Zuwendung, die dem Zuwender doch offensichtlich zugute kommen sollte, scheint sich gegen ihn zu wenden. § 1380 scheint dem Zuwender den Weg zu einem eigenen Ausgleichsanspruch zu versperren, der ihm ohne die Zuwendung zugestanden hätte. Es hat den Anschein. als schließe § 1380 "bei zu hohen Vorwegleistungen einen Ausgleichsanspruch des Zuwendenden aus ".26

b) Die Ablehnung der Sperrwirkung durch den BGH

Dieses Ergebnis wollte der BGH - zu Recht - vermeiden. Um die negativen Auswirkungen der Anrechnung für den Zuwender zu verhindern, schien der einzig gangbare Weg zu sein, die Anrechnung als solche auszuschließen,27 so daß es beim Anspruch des Zuwenders im einfachen Ausgleich bleibt. Der BGH stellt deshalb fest. "daß § 1380 überhaupt nur eingreift, wenn eine Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers besteht, auf die ein Vorausempfang angerechnet werden kann. Hat der Zuwendungsempfanger aber schon mehr im voraus erhalten, als ihm als Ausgleichsforderung zustände, so kann er nichts mehr verlangen. § 1380 greift also nicht ein ... 28 "Hat ein Ehegatte im Vorgriff mehr erhalten, als sein Zugewinnausgleichsanspruch ohne die Zuwendung ausmachen würde, so muß er seinen - dank der Zuwendung - höheren Zugewinn nach § 1378 Abs. 1 zur Hälfte an den anderen zurückerstatten ... 29

26 BGHZ 82, 227 (233); dies wird noch heute von Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 3 vertreten, der den Zuwender auf das Bereicherungsrecht und Ansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage verweist. - Siehe auch das Rechenbeispiel bei v. Olshausen FamRZ 1978, 755 (757). Dort handelt es sich um einen Fall, in dem sich - anders als im hier erläuterten Beispiel - auch bei Anwendung des § 1374 Abs. 2 noch ein Ausgleichsanspruch für den Zuwender ergibt, der ihm durch die Anrechnung scheinbar genommen wird. 27 Die andere Möglichkeit, die Anrechnung vollständig vorzunehmen und bei einem negativen Ergebnis - im Beispiel 10 TOM - einen entsprechenden Anspruch des Zuwenders anzuerkennen (siehe dazu ausführlich S. 79 ff.), wurde vom BGH nicht geprüft. 28 BGHZ 82, 227 (234). 29 BGHZ 82, 227 (235).

70

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

Im Beispielsfall bliebe es daher bei einem Anspruch des Ehemannes in Höhe von 5 TDM. Ihren infolge der Zuwendung (und aufgrund der Nichtanwendung des § 1374 Abs. 2) höheren Zugewinn muß die Ehefrau zur Hälfte an ihren Mann zurückerstatten. Dieser Ausgleichsanspruch wird dem Ehemann nicht durch die Anrechnung "versperrt". Denn zum einen besteht ohne Anwendung des § 1380 Abs. 2 keine Ausgleichsforderung der Ehefrau, so daß es aus diesem Grund nicht zur Anrechnung kommt. Zum anderen aber handelte es sich bei der Zuwendung um eine Zuvielzuwendung, da der Ehemann - hypothetisch - nicht in dieser Höhe ausgleichspflichtig gewesen wäre, wenn er die Zuwendung nicht vorgenommen hätte. Dies zeigt die folgende Rechnung: 3o Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn Ausgleichsanspruch

Ehefrau

0

0 keine

40 40

0 0 20

Ohne die Zuwendung wäre der Ehemann somit nur in Höhe von 20 TDM ausgleichspflichtig gewesen. Da er seiner Frau aber 30 TDM und damit zuviel zugewendet hat, kommt es nach Ansicht des BGH auch aus diesem Grunde nicht zur Anwendung des § 1380. Die einschränkenden Voraussetzungen, unter denen die Anrechnung durchzuführen ist, hat der BGH schließlich in seinem Urteil vom 10.7. 1991 nochmals folgendermaßen zusammengefaßt: § 1380 "greift nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur ein, soweit ein Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempfängers besteht. Soweit dieser im voraus mehr erhalten hat, als seine Ausgleichsforderung ohne die Zuwendung ausmachen würde, trifft § 1380 keine Regelung ... 31

Der BGH will § 1380 also nur anwenden, wenn • der Zuwendungsempfänger ohne die Anrechnung eine Ausgleichsforderung hat. 32 30 Vorausgesetzt ist hier, daß die Zuwendung beim Zuwender noch in vollem Umfang im Endvermögen vorhanden geblieben wäre. Zu der Grundlage für diese Hypothese siehe ausführlich S. 92 ff. 31 BGHZ 115, 132 (138). 32 So ganz deutlich auch in BGHZ 101,65 (71): "Im vorliegenden Fall greift § 1380 BGB im übrigen deshalb nicht ein, weil ( ... ) nicht der beschenkte Kläger. sondern die schenkende Beklagte ausgleichsberechtigt im Sinne des § 1378 Abs. 1 BGB ist. Deswegen kann sich die Frage einer Anrechnung des Geschenkten auf die Ausgleichsforderung nicht stellen. ..

A. Die Auslegung des § 1380

71

Dagegen soll § 1380 nicht anzuwenden sein, wenn • der Zuwendungsempfänger mehr im voraus erhalten hat, als seine Ausgleichsforderung ohne die Zuwendung ausmachen würde (Zuvielleistung). Der BGH geht offensichtlich davon aus, daß diese beiden Voraussetzungen identisch sind: Immer dann, wenn es sich um eine - gemessen an der ohne die Zuwendung bestehenden hypothetischen Ausgleichspflicht - zu große Zuwendung handelt, soll sich für den Zuwendungsempfänger auch kein Ausgleichsanspruch ergeben, auf den angerechnet werden könnte. Kriterium für eine Anrechnung wäre demnach, daß der Zuwendungsempfänger nicht mehr im voraus erhalten hat, als er ohne die Zuwendung hätte fordern können. Tatsächlich ist der BGH von vielen Autoren so verstanden worden. 33

c)Analyse

Die eben festgestellte Annahme des BGH, daß es im Falle der überschüssigen Zuwendung niemals der Zuwendungsempfänger ist, der noch einen Ausgleichsanspruch hat, bedarf einer genaueren Prüfung. Dazu die folgende Abwandlung des obigen Beispiels: Beide Ehegatten haben kein Anfangsvennögen. Während der Ehe wendet der Mann seiner Frau 30 lDM zu. Am Ende der Ehe hat er ein Endvennögen von 10 lDM, sie hat kein Endvennögen. Der Unterschied zum vorigen Fal1liegt also lediglich darin, daß die Ehefrau nunmehr keinen Zugewinn erzielt hat.

Der Ehefrau steht - ohne Anwendung des § 1374 Abs. 2 - im einfachen Zugewinnausgleich 34 eine Ausgleichsforderung in Höhe von 5 TDM zu: Ehemann Anfangsvennögen Zuwendung Endvennögen

10

Zugewinn

10

Ausgleichsanspruch

Ehefrau

0

0 30

-+

0 5

33 So insbesondere Schwab Handbuch Teil VII Rn. 167 ff. (siehe ausführlich unten S. 84 ff.), ebenso Lipp JuS 1993,89 (91); Seutemann, FamRZ 1989, 1023 (1025); Langen/eid NJW 1986,2541 und Handbuch Rn. 195; Dörr, NJW 1989, 1957 (1960); Rauscher AcP 186 (1986), 529 (570 ff.); Haussieiter Vennögensauseinandersetzung Rn. 642 ff.; Göppinger Vereinbarungen Rn. 518 a; sowie die verwirrenden Ausflihrungen bei Soergel-Lange § 1380 Rn. 7. 34 Mit dem Begriff des "einfachen" Zugewinnausgleichs sol1 im folgenden der Zugewinnausgleich ohne Anrechnung ehelicher Zuwendungen gern. § 1380 bezeichnet werden.

72

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

Nach Ansicht des BGH wäre § 1380 also anzuwenden: Denn § 1380 "greift nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur ein, soweit ein Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempjängers besteht... 35 Andererseits ist es so, daß der Zuwender ohne die Zuwendung - hypothetisch nur in Höhe von 20 TDM ausgleichspflichtig gewesen wäre. Insofern unterscheidet sich die Abwandlung nicht vom Ausgangsbeispiel:

Anfangsvermögen

Ehemann

Ehefrau

0

0

Zuwendung

keine

Endvermögen

40

0

Zugewinn

40

0

Ausgleichsanspruch

20

Der Ehemann hat wiederum zuviel im voraus zugewandt. Ohne die Zuwendung hätte er 20 TDM zahlen müssen, die Zuwendung betrug jedoch 30 TDM. Es handelte sich um eine überschüssige Zuwendung. Nach der zweiten Aussage des BGH dürfte § 1380 nun gerade nicht anzuwenden sein. Denn soweit der Zuwendungsempfanger "im voraus mehr erhalten hat, als seine Ausgleichsforderung ohne die Zuwendung ausmachen würde, trifft § 1380 keine Regelung. " 36 Wie das Beispiel zeigt, widersprechen sich die vom BGH synonym verwandten Kriterien in diesem Fall. Der BGH hat offensichtlich übersehen, daß es sich - wie im zweiten Beispiel - auch dann um eine zu hohe Vorwegleistung auf den Zugewinnausgleich handeln kann, wenn der Zuwender ohne Anrechnung ausgleichspflichtig ist. Der BGH hat die Fälle, in denen der Empfanger ohne Anrechnung einen Ausgleichsanspruch hat, obwohl es sich um eine Zuvielleistung handelt, nicht beachtet. Er hat nicht in Betracht gezogen, daß auch dann, wenn die Zuwendung nicht nach § 1374 Abs. 2 privilegiert wird, der Zugewinn des Empfangers nicht notwendigerweise um den Zuwendungswert erhöht sein muß. So kann die Zuwendung verbraucht worden sein oder sie ist zwar noch vorhanden, doch ein eventuell vorhandenes Anfangsvermögen ist inzwischen weggefallen oder Schulden sind hinzugekommen. 37 In diesen Fällen ist es also möglich, daß es trotz der 8GHZ 115, 132 (138). 8GHZ 115, 132 (138). 37 Ebenso irrt auch Grünenwald, NJW 1988, 109 (110): "Nur wenn der Ehegatte, der eine Zuwendung gemacht hat, am Berechnungsstichtag immer noch ausgleichspflichtig ist, seine Zuwendung also geringer als die potentielle Ausgleichsjorderung war, kommt die Anrechnung nach § 1380 zum Zuge . .. 35

36

A. Die Auslegung des § 1380

73

Zuvielzuwendung nach wie vor der Zuwender ist, der einen größeren Zugewinn erzielt hat. Die Aussage, der Zugewinn des Zuwendenden übersteige dann und nur dann den Zugewinn des Zuwendungsempfängers, wenn die anschließend nach § 1380 Abs. 2 erfolgende Anrechnung den fiktiven Ausgleichsanspruch nicht übersteigt,38 ist daher falsch. Welches der beiden vom BGH synonym genannten, jedoch tatsächlich nicht synonymen Kriterien ist nun für die Anwendbarkeit des § 1380 heranzuziehen? Findet eine Anrechnung nur dann statt, wenn es sich nicht um eine Zuvielleistung gehandelt hat, dann bliebe es im Beispielsfall bei einem Ausgleichsanspruch der Ehefrau: Ehemann Anfangsvermögen

Ehefrau

0

Zuwendung

0 30 -+

Endvermögen

10

Zugewinn

10

0

5

Ausgleichsanspruch

Der BGH hat aber lediglich vermeiden wollen, daß ein im einfachen Ausgleich entstehender Anspruch des Zuwenders durch die Anrechnung vermindert wird oder gar entfällt. Er wollte dagegen nicht erreichen, daß ein bestehender Ausgleichsanspruch des Empfängers nicht mehr durch § 1380 verringert werden kann. Der ohnehin schon Zuvielleistende sollte den Ehegatten gerade nicht nochmals an seinem Zugewinn beteiligen. § 1380 muß daher aus Sicht des BGH auch in Fällen Anwendung finden, in denen es sich bei der Zuwendung um eine Zuvielleistung handelt. Denn kommt es im Beispielsfall zur Anrechnung, reduziert sich der Ausgleichsanspruch der Ehefrau auf Null: Ehemann Anfangsvermögen

10

Zugewinn

10

fiktiver Zugewinn gern. § 1380 Abs. 2

40

Anrechnung Ausgleichsanspruch

38

Rauscher AcP 186 (1986), 529 (571).

o 30 -+

Zuwendung Endvermögen

fiktiver Ausgleichsanspruch

Ehefrau

o

o o o 20 ./.30 0(-10 lDM)

74

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

In diesem Beispiel sorgt also erst und nur die Anrechnung dafür, daß sich der Ausgleichsanspruch des Empfängers wenigstens auf Null reduziert. Der Zuwender kann zwar nichts von seiner Frau verlangen, der er im Vorfeld zuviel zugewandt hat, er muß ihr aber immerhin nicht noch weiter Ausgleich leisten. Voraussetzung für die Anrechnung ist aus Sicht des BGH also entgegen der mißverständlichen Formulierung nicht, daß die Zuwendung kleiner war als der hypothetische Ausgleichsanspruch. Dieses Kriterium erlaubt keine Aussage darüber, wer letztlich ohne die Anrechnung ausgleichspflichtig und wer ausgleichsberechtigt ist. Voraussetzung ist für den BGH vielmehr allein, daß sich ohne § 1380 Abs. 2 BGB und ohne § 1374 Abs. 2 BGB ein Ausgleichsanspruch für den Empfänger ergibt. 39 Der BGH teilt damit die heute auch in der Literatur herrschende Ansicht. Nur wenn sich aufgrund der Zugewinne zum Endstichtag ein Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempfängers ergibt, soll § 1380 BGB anzuwenden sein, eine Anrechnung stattfinden. Sind die Zugewinne gleich groß oder hat der Zuwender selbst den kleineren Zugewinn erzielt, ist der Ausgleich ohne Anrechnung durchzuführen. Obgleich die Ausführungen des BGH überaus mißverständlich sind, überschreitet Kühne in seiner Kritik an dem erstgenannten Urteil vom 26. 11. 81 doch die Grenze jeder Interpretation, wenn er dem Gericht unterstellt, es habe contra legern einen "Zugewinnausgleich mit zwei Ausgleichsforderungen ,,40 entwickelt. Der Senat habe "neben die in § 1380 genannte Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers, auf die die Zuwendung anzurechnen ist. noch eine zweite Ausgleichsforderung nach § 1378 Abs. 1 in umgekehrter Richtung in Höhe der Hälfte des überschießenden Wertes der Zuwendung ,,41 gestellt und damit "ohne den geringsten Anhalt im Gesetz einen güterrechtlichen. einzelgegenstandsbezogenen Wertersatzanspruch in halber Höhe des Überschußwertes aus der Taufe gehoben Diese Kritik, die in der Folge auch von anderen Autoren übernommen wurde,42 trifft den BGH zu Unrecht. Dieser hat lediglich festgestellt, daß der Empfänger "seinen dank der Zuwendung - höheren Zugewinn ( ... ) zur Hälfte an den anderen zurückerstatten ,,43 muß. Damit ist jedoch keine zweite Forderung, kein neuer Ersatzanspruch gemeint, sondern der einfache Ausgleichsanspruch in dem Fall, in dem der Empfänger den höheren Zugewinn erzielt hat und § 1380 daher nicht zur Anwendung kommt. Dieser Anspruch hat auch nicht generell die Höhe der Hälfte der Zuvielleistung, sondern nur dann, wenn der Empfängerzugewinn wenigstens die Höhe der Zuwendung hat. Nicht der BGH, sondern Kühne hat in seiner Kritik einen neuen Ausgleich aus der Taufe gehoben, um ihn an Ort und Stelle abzulehnen. 44 H.

So auch die unmißverständliche Formulierung in BGHZ 101,65 (71). Kühne JR 1982, 237. 41 Kühne JR 1982, 237 (238). 42 Staudinger- Thiele § 1380 Rn. 3; Gemhuber / Coester-Waltjen Familienrecht S. 560; MüKo-Gemhuber § 1380 Rn. 2; Hülsheger Zuwendungen S. 123 f. 43 BGHZ 82, 227 (235). 39

40

75

A. Die Auslegung des § 1380

Angesichts seiner unklaren Fonnulierung ist der BGH für solche Mißverständnisse jedoch zumindest mitverantwortlich. Bei sachgerechter Auslegung der Urteile des BGH gibt es hingegen keinen Fall mit zwei Ausgleichsforderungen, bei dem sowohl die Anrechnung nach § 1380 als auch das Ergebnis des einfachen Ausgleichs von Bedeutung sind. Wenn angerechnet wird, dann hat der Zuwender gerade keinen einfachen Anspruch gegen den EmpHinger. Hat er einen solchen, wird aber nicht angerechnet, sondern es bleibt beim Ergebnis des einfachen Zugewinnausgleichs. Lediglich wenn beide Ehegatten den gleichen Zugewinn erzielt haben, kommt es weder zu einer Anrechnung noch zu einem einfachen Ausgleichsanspruch. Man kann die Ansicht des BGH und die in der Literatur vorherrschende Meinung also in folgender Übersicht zusammenfassen. Ausgleichsanspruch ohne § 1380 Abs. 2/ § 1374 Abs. 2 bei ...

Zuwendung ist ...

Folge: Der Ausgleichsanspruch ...

Empfanger

anzurechnen

wird gekürzt oder entfallt

Zuwender

nicht anzurechnen

bleibt bestehen

kein Ausgleichsanspruch (da gleicher Zugewinn)

nicht anzurechnen

kein Ausgleichsanspruch

4. Stellungnahme

Die Analyse der Rechtsprechung des BGH hat gezeigt, daß § 1380 nicht systematisch ausgelegt, sondern nach einer Lösung gesucht wurde, die für die Fälle der Zuvielleistungen zu angemessenen, jedenfalls aber im Vergleich zur bisherigen Interpretation weniger unangemessenen Ergebnissen führt. Danach ist § 1380 nicht anzuwenden, wenn dem Zuwender bereits ohne Anwendung von § 1374 Abs. 2 und § 1380 Abs. 2 S. 1 eine Ausgleichsforderung zusteht. Der BGH argumentiert hier rein ergebnisorientiert. Es bleibt zu prüfen, ob diese Lösung auch mit der Systematik des § 1380 in Einklang steht. § 1380 nennt in Absatz 1 und 2 jeweils den Begriff der "Ausgleichsforderung" . In Absatz 1 wird geregelt, wann auf die Ausgleichsforderung anzurechnen ist. Gäbe es nur § 1380 Abs. 1, würde es sich bei der ,.Ausgleichsforderung", auf die anzurechnen ist, fraglos um diejenige handeln, die sich aus § 1378 Abs. 1 ergibt. Insoweit wäre dem BGH und der h.L. zuzustimmen.

In § 1380 Abs. 2 S. 1 ist jedoch eine abweichende Regelung vorhanden und auch zwingend nötig. Sie bestimmt, daß "der Wert der Zuwendung bei der Berechnung der Ausgleichsforderung dem Zugewinn des Ehegatten hinzugerechnet wird. der die Zuwendung gemacht hat". Mit der ,.Ausgleichsforderung" in § 1380 Abs. 2 S. 1 wird also Bezug genommen auf die "Ausgleichsforderung" in § 1380 Abs. 1 S. 1. Die Anrechnung soll nicht auf die einfache Ausgleichsforderung erfolgen, wie sie

76

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegauenzuwendungen

sich aus § 1378 Abs. 1 ergibt, sondern auf eine andere, fiktiv ermittelte Forderung. Es ist nicht auf die Forderung anzurechnen, die dem Empfänger ohne Anrechnung tatsächlich zusteht, sondern auf diejenige, die dem Empfänger fiktiv zustünde, wenn die Zuwendung nicht erfolgt wäre. 45 § 1380 Abs. 2 führt in der Sache dazu, daß durch die Hinzurechnung der Zuwendung zum Zugewinn des Zuwenders und durch den - sich nach h.M. daraus ergebenden - Abzug des Zuwendungswertes beim Empfängerzugewinn die Situation simuliert wird, die ohne die Zuwendung bestünde. Anderenfalls würde der im Regelfall ohnehin schon durch die Zuwendung verkürzte Ausgleichsanspruch des Empfängers noch ein zweites Mal um den Zuwendungswert gekürzt. Der Empfänger würde durch die Zuwendung benachteiligt. Es ist somit völlig unstreitig, daß die tatsächliche Anrechnung, also der Abzug des Zuwendungswertes, auf den nach § 1380 Abs. 2 korrigierten, fiktiven Ausgleichsanspruch zu erfolgen hat. 46 Wenn sich nun aus § 1380 Abs. 1 ergibt, daß das Vorliegen einer "Ausgleichsforderung" auf Empfängerseite Voraussetzung für die Anrechnung ist, dann muß es sich konsequenterweise ebenfalls um die nach § 1380 Abs. 2 S. 1 modifizierte Ausgleichsforderung handeln. Die h.M. will aber auf die Ausgleichsforderung abstellen, wie sie sich ohne § 1380 Abs. 2 ergibt. Aus dem "klaren Wortlaut des Gesetzes ..47 soll sich ergeben,

daß die Anrechnung eine - tatsächlich bestehende - Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfänger voraussetzt. § 1380 Abs. 2 hingegen soll nur und erst dann Anwendung finden, wenn es um die Frage geht, ob und inwieweit der Zuwendende noch ausgleichspflichtig ist. Die h.M. versieht das Merkmal der ,,Ausgleichsforderung" in Absatz 1 also je nach Funktion mit zwei verschiedenen Werten. Als eine Art Tatbestandsmerkmal für die Frage der Anwendbarkeit des § 1380 soll die einfache Ausgleichsforderung gemeint sein, wie sie sich ohne die Modifikation des § 1380 Abs. 2 nach § 1378 Abs. 1 ergibt. Als Grundlage für die Durchführung der Anrechnung soll aber die mit Hilfe des Absatz 2 errechnete fiktive (weil erhöhte) Forderung heranzuziehen sein. Eine derartige Doppelbedeutung ist dem Gesetz jedoch nicht zu entnehmen. 48 Wenn aus § 1380 hervorgeht, daß der Zuwendungswert "von dem - unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 - errechneten Zugewinnausgleichsanspruch abgezogen ..49 wird, wie kann dann aus dem identischen" klaren Wortlaut des Gesetzes ..50 Kritik an Kühne auch bei Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 66 ff. Dies ist sogar unabhängig davon, ob man wie hier mit der h.M. davon ausgeht, daß § 1374 Abs. 2 Anwendung findet oder nicht, weil sich bei Durchführung der Anrechnung in beiden Fällen die gleiche fiktive Ausgleichsforderung ergibt. 46 So für viele Schwab Handbuch Teil VII Rn. 151. 47 Schwab Handbuch Teil VII Rn. 156. 48 Ebenso Netzer Zuwendungen S. 215. 49 Schwab Handbuch Teil VII Rn. 151. so Schwab Handbuch Teil VII Rn. 156. 44

4S

A. Die Auslegung des § 1380

77

das Erfordernis gelesen werden, eine Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers müsse sich auch ohne § 1380 Abs. 2 ergeben? Die Vertreter der h.M. widersprechen sich hier selbst, wenn sie mit dem Wortlaut des Gesetzes argumentieren. Richtig ist lediglich, daß das Merkmal der Ausgleichsforderung des Zu wendungsempfangers in § 1380 Abs. 1 im Ergebnis sowohl eine Art Tatbestandsmerkmal darstellt, als auch Grundlage der Berechnung ist: Es kann nur dann auf eine Ausgleichsforderung des Empfängers angerechnet werden, wenn diese existiert. Allerdings ist die Frage, ob dem Empfänger eine Ausgleichsforderung zusteht, nicht Ausgangspunkt der Anrechnung, sondern eine Zwischenfrage innerhalb der Anrechnung. Die Systematik des § 1380 sieht demnach folgende Reihenfolge der Berechnung vor: Handelt es sich um eine anzurechnende Zuwendung, bestimmt § 1380 Abs. 1 grundsätzlich, daß die Anrechnung durchzuführen ist. Zugleich ist in § 1380 Abs. 1 geregelt, wie dies geschieht, nämlich durch Anrechnung der Zuwendung auf die Ausgleichsforderung. § 1380 Abs. 2 bestimmt nun, wie diese Ausgleichsforderung zu berechnen ist, nämlich durch die Hinzurechnung der Zuwendung zum Zugewinn des Zuwenders (und Abzug beim Empfangerzugewinn). Ergibt sich dabei, daß die so errechnete (fiktive) Ausgleichsforderung gar nicht dem Empfanger zusteht, ist klar, daß eine Anrechnung nicht erfolgen kann. Es fehlt ein "Tatbestandsmerkmal" für die Anrechnung. Die Berechnung des Ausgleichs nach § 1380 muß daher abgebrochen werden. Statt dessen ist der einfache Zugewinnausgleich durchzuführen. Die h.M. verselbständigt dagegen das Vorliegen einer Ausgleichsforderung zu einer Einstiegsvoraussetzung in die Anrechnung. Eine solche Aufgabe läßt sich aus dem § 1380 jedoch nicht herauslesen. Die Untersuchung hat zudem gezeigt, daß die Gründe für diesen Schritt auch weniger dogmatischer denn pragmatischer Natur sind. § 1380 sollte nicht anwendbar sein, wenn dem Zuwender selbst bereits im einfachen Ausgleich ein Anspruch zustand, da ihm dieser Anspruch vermeintlich durch die Anrechnung genommen worden wäre. Nicht die angegriffene Alternativlösung führt also zu einer Um interpretation und "Manipulation,,51 des Gesetzeswortlauts, sondern es ist bei ehrlicher Betrachtung die ganz h.M., die sich vom Gesetzestext entfernt. Daß sie dies nicht einmal mit guten Gründen tut, wird sich im Verlauf der Untersuchung erweisen. Vorerst ist festzuhalten, daß es sich in § 1380 Abs. 1 S. 1 nicht um zwei verschiedene "Ausgleichsforderungen" mit unterschiedlichen Werten handelt, sondern um ein und die selbe Ausgleichsforderung, nämlich um die gem. § 1380 Abs. 2 errechnete. Der Mindermeinung ist somit grundsätzlich zuzustimmen, daß bei systematischer Auslegung mit der Ausgleichsforderung in Absatz 1 immer die fiktive

51 So die harsche und im Ergebnis unberechtigte Kritik von Schwab Handbuch Teil VII Rn. 156 an der Alternativlösung.

78

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

Forderung gemeint ist, die sich durch die Einbeziehung des Absatz 2 in die Ausgleichsberechnung ergibt. Über die materielle Richtigkeit der so erlangten Ergebnisse kann an dieser Stelle jedoch noch keine Aussage getroffen werden. Vor allem ist zu klären, wie die Anrechnung nun durchzuführen ist. Immerhin ist das Argument des BGH, einem Zuwender solle sein eigener Ausgleichsanspruch nicht durch § 1380 genommen werden, wie dies nach der überkommenen Ansicht der Fall gewesen zu sein schien, überzeugend. Die Anrechnung soll den Zuwender gerade nicht benachteiligen. Möglicherweise läßt sich eine Abweichung von der Systematik des § 1380 daher teleologisch rechtfertigen. Voraussetzung dafür wäre jedoch, daß die Anwendung des § 1380 wirklich zu den von der h.M. unterstellten unbilligen Ergebnisse führt. Dies hängt indes davon ab, wie die Anrechnung durchzuführen ist.

III. Die Durchführung der Anrechnung ,,Anrechnung" im Sinne des § 1380 Abs. 1 bedeutet, daß der Wert der Zuwendung von dem gern. § 1380 Abs. 2 fiktiv errechneten Ausgleichsanspruch abzuziehen ist. s2 Solange der fiktive Ausgleichsanspruch größer ist als der Wert der Zuwendung, ist ein solcher Abzug unproblematisch. Ist jedoch umgekehrt der Wert der Zuwendung größer als der fiktive Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempfangers (Zuvielleistungen), muß geklärt werden, wie weit der Zuwendungswert nunmehr abzuziehen ist. Dazu das folgende, neu gebildete Beispiel: Die Eheleute haben kein Anfangsvermögen. Während der Ehe wendet der Mann seiner Frau 30 TOM zu. Am Ende der Ehe hat er ein Endvermögen von 20 TDM, ihr Endvermögen beträgt lediglich 10 TOM.

Ohne Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 wäre der Zuwender ausgleichspflichtig in Höhe von 5 TOM: Ehemann

Ehefrau

Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen

20

10

Zugewinn

20

10

Ausgleichsanspruch

0

0 30

--+

5

Dem Zuwendungsempfanger steht also im einfachen Zugewinnausgleich ein Anspruch zu, die Anrechnung ist nach h.M. s3 durchzuführen. 52

Schwab Handbuch Teil VII Rn. 151.

79

A. Die Auslegung des § 1380

Berücksichtigt man dagegen mit der Altemativlösung § 1380 Abs. 2 bei der Berechnung der Ausgleichsforderung, ist folgendermaßen zu rechnen: Ehemann

Ehefrau

Anfangsvennögen Zuwendung Endvennögen

0

0

20

10

Zugewinn fiktiver Zugewinn gern. § 1380 Abs. 2

20 50

10 0

30 -+

fiktiver Ausgleichsanspruch

25

Auch hier ergibt sich eine Ausgleichsforderung für die Ehefrau, nunmehr in Höhe von 25 TDM. Dies zeigt zugleich, daß es sich bei der Zuwendung von 30 TDM um eine Zuvielleistung gehandelt hat, da der Ehemann ohne die Zuwendung nur in Höhe von 25 TDM ausgleichspflichtig gewesen wäre. Auch nach der Alternativlösung ist die Anrechnung also durchzuführen. Zwei Möglichkeiten der Anrechnung stehen sich an dieser Stelle gegenüber: • die vollständige Anrechnung und • die eingeschränkte Anrechnung.

1. Vollständige Anrechnung mit Anspruchsumkehr Versteht man den Begriff ,,Anrechnung" im Sinne eines vollständigen Abzugs, ergibt sich im Beispielsfall folgendes Ergebnis: Ehemann Anfangsvennögen

Ehefrau

0

0

Zuwendung Endvennögen

20

10

Zugewinn fiktiver Zugewinn

20 50

10 0

fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsanspruch

30 -+

25 ./ .30 -5TDM

Die Zuwendung war größer als die fiktive Ausgleichspflicht der Zuwenders für den Fall, daß die Zuwendung nicht erfolgt wäre. Der Abzug des größeren Zuwen53

Siehe oben S. 65 ff.

80

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

dungswertes von der kleineren fiktiven Ausgleichsforderung ergibt folglich ein negatives Ergebnis, einen ,,Anspruch" der Ehefrau in Höhe von minus 5 TDM. Bekommt innerhalb eines Zwei personen verhältnisses ein Anspruch ein negatives Vorzeichen, entspricht dies rechnerisch einer Umkehr der Anspruchsrichtung. In Höhe des negativen Wert handelt es sich hier nicht mehr um einen Anspruch des Zuwendungsempfängers gegen den Zuwender, sondern umgekehrt um einen Anspruch des Zuwenders gegen den Zuwendungsempfänger. Die Situation gleicht dem Fall, in dem von einem Girokonto mit einem Guthaben von 25 TDM (Anspruch des Kontoinhabers gegen die Bank) 30 TDM abgehoben werden. Die Folge wäre ein Soll von 5 TDM, gleichzusetzen mit einem Anspruch der Bank gegen den Kontoinhaber. Im Beispielsfall kann daher der Zuwendungsempfänger keine 5 TDM vom Zuwender verlangen (Ergebnis ohne § 1380), sondern der Zuwender könnte seinerseits 5 TDM vom Zuwendungsempfanger fordern:

Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsanspruch

Ehemann 0

Ehefrau 0 30 -+

20 20 50

10 0

5TDM

25 ./.30 (- 5)

10

Eine solche Form der Anrechnung (bzw. ihr Ergebnis) wurde zwar bereits vom OLG Schleswig54 und von Johannsen 55 erwogen, letztlich jedoch regelmäßig mit der knappen Begründung verworfen, ein so entstehender Anspruch des Zuwenders stehe diesem nach den güterrechtlichen Vorschriften nicht ZU. 56 1986 griff Netzer~7 54

OLG Schleswig FamRZ 1978, 247 (248): Die konsequente Fortführung des in den

§§ 1374 Abs. 2, 1380 zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Gedankens könne auch

bedeuten, daß Zuwendungen des ausgleichsberechtigten an den ausgleichspflichtigen Ehegatten .. mit umgekehrten Vorzeichen auf den Ausgleichsanspruch ,anzurechnen', d. h. diesem zuzurechnen" sind. 55 Johannsen WM 1978, 654 (664) erkannte bereits, daß .. das Ergebnis der Berechnung (.. ) ein negatives" sei und .. der Empfänger (.. ) an den anderen eine Zahlung in Höhe des negativ errechneten Betrags leisten" müßte, .. damit die Zuwendung voll ausgeglichen wäre ". 56 Johannsen WM 1978,654 (664): Es müsse vielmehr nach § 242 geprüft werden, inwieweit noch eine weitere Ausgleichung zu erfolgen habe und ob der negativ ausgewiesene Betrag deswegen ganz oder teilweise an den Zuwendenden zurückzugewähren sei. 57 Netzer, Zuwendungen S. 220 ff., 225 f. sowie FamRZ 1988, 676 (680 ff.). Ohne Netzer zu erwähnen und ohne diesen Rechenschritt näher zu begründen, wird er jetzt auch von Conradt Zuwendungen S. 116 befürwortet.

A. Die Auslegung des § 1380

81

diese an sich naheliegende Interpretation auf und wandte sie in allen Fällen an, in denen sich unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 ein Ausgleichsanspruch des Empfangers ergab, auf den angerechnet werden konnte. 58 Bei der vollständigen Anrechnung ergibt also ein negatives Ergebnis eine Anspruchsumkehr zugunsten des Zuwenders. Anspruchsgrundlage bliebe der durch § 1380 modifizierte § 1378 Abs. 1.

2. Eingeschränkte Anrechnung Ist der Wert der anzurechnenden Zuwendung wie hier größer als die fiktive Forderung, ist nach h.M. hingegen nur ein Abzug bis Null möglich. Ein relevanter Negativsaldo soll dagegen nicht entstehen. 59 Im Beispielsfall ergibt sich folgende Rechnung: Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsanspruch

Ehefrau

0

0 30-

20 20 50

10 10 0(- 20) 25 ./.30 TOM 0(- 5)

Die Anrechnung führt dazu, daß die Ehefrau zumindest keinen weiteren Ausgleich mehr fordern kann, nachdem sie bereits während der Ehe eine (zu) hohe Zuwendung erhalten hat. Der ihr ohne Anrechnung zustehende Ausgleichsanspruch von 5 TDM wird durch die Anrechnung auf Null gekürzt. Obwohl der Ehemann seiner Frau während der Ehe zuviel zugewendet hat, erhält er keinen eigenen Ausgleichsanspruch.

58 Dabei soll es genügen, wenn der Zuwender nicht der Gläubiger der so errechneten Ausgleichsforderung ist, also auch dann, wenn die fiktiv errechneten Zugewinne gleich groB sind, siehe Netzer FamRZ 1988,676 (682). 59 So ausdrücklich Schwab Handbuch Teil VII Rn. 151; Grünenwald NJW 1988, 109 und Zuwendungsausgleich S. 47; Johannsen/Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 16; Wienands DStZ 1995, 15 (\6). Dies ergibt sich im übrigen konkludent aus sämtlichen Rechenbeispielen und Lösungen. Die Rechtsprechung ist auf diese Frage niemals ausdrücklich eingegangen. sondern kommt ohnehin nur dann zur Anwendung des § 1380, wenn es sich nicht um einen Fall der Anspruchsumkehr handeln kann.

6 Jeep

82

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

Der Begriff der "Anrechnung" wird also eingeschränkt verstanden: Auf eine Forderung kann nur soweit angerechnet werden, wie sie noch existiert. Ist der Betrag, auf den angerechnet wird, "aufgebraucht", endet die Anrechnung.

3. Stellungnahme Der Wortlaut des Gesetzes scheint hier bei erster Betrachtung für die Lösung der h.M. zu sprechen. Denn der Begriff der "Anrechnung" umfaßt vom Wortsinn ursprünglich die Reduzierung eines Anspruches, indem ein anderer von ihm abgezogen wird. 60 Dieser Wortsinn setzt jedoch zugleich voraus, daß der anzurechnende Wert kleiner ist als derjenige, auf den angerechnet wird. Indes, dies ist eine aus dem Gesetz zu lesende Erwartung, die - wie im Beispiel zu sehen ist - gerade in den hier problematischen Fällen der überschüssigen Zuwendung nicht zutrifft. Der im Wortlaut der Vorschrift zum Ausdruck kommende historische Wille des Gesetzgebers kann hier somit nicht als Hilfe dienen. Es wurde bereits eingangs festgestellt, daß sich die Möglichkeit der Zuvielleistung bei der Konzeption des Zugewinnausgleichs nicht im Bewußtsein seiner Autoren befand. Eine Veranlassung, von einer "Verrechnung" statt von einer "Anrechnung" zu sprechen, schien es aus damaliger Sicht nicht zu geben. Vielmehr hat man sich bei der Konzeption des § 1380 an der Regelung des § 2315 orientiert,61 in dem ebenfalls von ,,Anrechnung" die Rede ist. Die Anrechnung auf den Pflichtteil unterscheidet sich aber schon insoweit von der Ausgleichsproblematik, als im Pflichtteilsrecht immer nur der Anspruch des Berechtigten gegen die Erbengemeinschaft in Frage steht, während ein umgekehrter Anspruch der Erbengemeinschaft gegen den Pflichtteilsberechtigten selbst dann nicht entstehen kann, wenn die anzurechnende Zuwendung größer war als der Pflichtteil. Während der Pflichtteilsanspruch also immer einseitig ist, kann der Zugewinnausgleichsanspruch je nach den Vermögensverhältnissen dem einen oder dem anderen Ehegatten zustehen. Allein die Wortwahl steht daher einer vollständigen Anrechnung im Sinne einer Verrechnung nicht zwingend entgegen. Bei der Frage der Anwendbarkeit des § 1380 wurde oben festgestellt, daß die h.M. nicht aus dogmatischen Gründen zu ihrer Auslegung gelangt ist, sondern vom nachvollziehbaren Wunsch geleitet wurde, dem Zuvielzuwender wenigstens seine Ausgleichsforderung im einfachen Ausgleich zu erhalten. Steht dem Zuwender also bereits im einfachen Ausgleich ein Anspruch zu, soll die Anrechnung nicht durchgeführt werden. Gerade dieses Ziel erreicht mittels der Anspruchsumkehr aber auch die Alternativlösung: Durch die vollständige Anrechnung wird ebenfalls verhindert, daß ausgerechnet § 1380 dem Zuwender einen Anspruch nimmt, den

60 61

Schwab Handbuch Teil VII Rn. 173. Begründung des 2. Regierungsentwurfs, BT-Drucks. 11/224, S. 47.

83

A. Die Auslegung des § 1380

dieser nach dem Ausgleich ohne Anrechnung hätte. Die Anspruchsumkehr kommt vielmehr ebenfalls zu einem Anspruch für den Zuwender, der allerdings größer sein kann, als der aus dem einfachen Ausgleich. Dies soll anhand des bei der Frage der Sperrwirkung erläuterten Beispiels 62 gezeigt werden. Seide Ehegatten haben kein Anfangsvennögen. Während der Ehe wendet der Mann seiner Frau 30 TOM zu. Am Ende der Ehe hat er ein Endvennögen von 10 TOM, sie ein Endvennögen von 20 TOM.

Kommt es hier zur vollständigen Anrechnung, ergibt sich folgende Ausgleichsberechnung: Ehemann Anfangsvennögen

Ehefrau

0

0 30

Zuwendung Endvennögen

10

Zugewinn

10

fiktiver Zugewinn

40

-+

20 20 0(- 10) 20 ./.30 (- 10)

fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsanspruch

10 TOM

Der Ehemann hat nach dieser Lösung also einen Anspruch gegen seine Frau in Höhe von 10 TOM. Die h.M. hingegen kommt bereits ohne Anrechnung zu einem Anspruch des Zuwenders in Höhe von 5 TOM: Ehemann Anfangsvennögen Zuwendung Endvennögen Zugewinn Ausgleichsanspruch

Ehefrau

0

0 30 10 10

-+

20 20

5 TOM

Mangels Ausgleichsforderung der Ehefrau soll hier die Anrechnung nicht in Betracht kommen. Alleiniger Hintergrund war jedoch wie oben festgestellt, daß die nur teilweise Anrechnung den bestehenden Anspruch des Zuwenders wegfallen läßt:

62

6'

Siehe oben S. 67 f.

84

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen Ehefrau

Ehemann Anfangsvermögen

0

0 30

Zuwendung

-+

Endvermögen

10

20

Zugewinn

10

fiktiver Zugewinn

40

20 0(- 20)

fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsanspruch

20 ./.30 TOM 0(- 10)

Die vollständige Anrechnung vennag somit die Probleme zu überwinden, die oben unter dem Stichwort der "Sperrwirkung" des § 1380 geschildert wurden. Wenn der BGH durch die Nichtanwendung des § 1380 verhindern möchte, daß dem Zuwender ein Anspruch, den er ohne die Anrechnung hat, gerade dadurch genommen wird, daß die Anrechnung durchzuführen ist, so verhindert das Konzept der Anspruchsumkehr, daß die Anrechnung diese Wirkung hat. Wird also die Anrechnung vollständig durchgeführt, entfällt das einzige Argument für die nur eingeschränkte Anrechnung von anzurechnenden Zuwendungen. Zusammenfassend läßt sich also feststellen, daß die Lösung der h.M. gegen die Systematik des § 1380 verstößt, während die Alternativlösung in Konflikt mit dem Begriff der "Anrechnung" gerät. Beide Probleme ließen sich jedoch überwinden, wenn dies aufgrund einer teleologischen Auslegung der Anrechnungsvorschrift geboten erscheint, um dem Zweck der Anrechnung gerecht zu werden. Bevor dieser jedoch geprüft wird, ist auf zwei weitere Auslegungsvorschläge einzugehen, die sich aufgrund ihrer Eigenständigkeit nicht in den unmittelbar aus dem Gesetz herauszulesenden Rechenweg einpassen lassen.

IV. Weitere Auslegungsvorschläge 1. Anrechnung nur bei nicht zu hoher Vorwegleistung Es wurde bereits oben festgestellt, daß die Fonnulierung des BGH, § 1380 sei dann nicht anwendbar, wenn es sich bei der Zuwendung um eine zu hohe Vorwegleistung handelt,63 ungeschickt war und der eigentlichen Aussage widersprach, die der BGH damit machen wollte. Dennoch haben Schwab64 und andere Autoren 65 BGHZ 82, 227 (234 f.). Schwab Handbuch Teil VII Rn. 167. 6S Arend MittRhNotK 1990, 65 (7\); Langenjeld Handbuch Rn. 195; Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 3; Kleinie FamRZ 1997, 1383 (1387); Familiengerichtsbarkeit-Baumeister § 1380 Rn. 38 f. 63

64

A. Die Auslegung des § 1380

85

den BGH beim Wort genommen. Sie wollen die Anrechnung nur dann durchführen, wenn es sich nicht um eine Zuvielleistung handelt, die Anrechnung also vollständig erfolgen kann und folglich kein Rest bleibt, der nicht anzurechnen ist. Welche Schwierigkeiten sich dabei ergeben, zeigen anschaulich die Versuche, unter diesen Voraussetzungen zu schlüssigen Ergebnissen zu gelangen. Schwab66 knüpft an das Verhältnis von Vorwegleistung und potentieller Ausgleichspflicht an und unterscheidet zwischen Normalfallen, in denen offensichtlich ist, daß die Zuwendung überhöht war, und ZweifelsfalIen, in denen dies nicht sofort gesagt werden kann: ,Jst von vornherein erkennbar, daß der Zuwendende mehr vorausgeleistet hat, als sonst seiner Ausgleichspflicht entsprochen hätte, so findet eine ganz gewöhnliche Zugewinnausgleichsrechnung zugunsten des Zuwendenden statt."67 Der Grund dafür liege darin, daß es in diesen Fällen nur noch darum gehen könne, daß der Mann wegen der überhöhten Vorleistung seinerseits einen Zugewinnausgleichsanspruch hat. Sei hingegen nach Lage der Dinge zweifelhaft, ob die Zuwendung überhöht ist oder nicht, müsse folgende doppelte Rechnung aufgemacht werden: 68 I. Zunächst müsse "unter Anwendung des § 1380 geprüft werden, ob der Zuwendungsempfänger darüber hinaus noch einen Zugewinnausgleichsanspruch hat", denn nur

dann war die Vorwegleistung nicht zu hoch. 2. Sei "dies zu verneinen und ergibt sich sogar; daß die Zuwendung überhöht war; so ist umgekehrt, und zwar diesmal ohne Anwendung des § 1380 zu prüfen, ob der Zuwendende 69 einen Zugewinnausgleichsanspruch hat. " 70

Sieht man davon ab, daß die Kriterien der ,,Erkennbarkeit" und des ,,zweifels" bezüglich des Vorliegens einer zu hohen Vorwegleistung wegen ihrer Unschärfe kaum als praktikable Voraussetzungen für die Durchführung der Anrechnung taugen, führen beide Wege zudem zu unüberwindbaren Widersprüchen. Dies sollen folgende Beispiele zeigen: Die Eheleute haben keine Anfangsvermögen. Der Ehemann wendet seiner Frau 1.000 lDM zu. Am Ende der Ehe hat er noch 50 lDM, sie dagegen ist vermögenslos.

Wer wollte hier daran zweifeln, daß der Zuwendende im voraus mehr geleistet hat, als er sonst im Zugewinnausgleich hätte zahlen müssen?11 Nach Schwab ist Schwab Handbuch Teil VII Rn. 168 ff. sowie FamRZ 1984,526 (528). Schwab Handbuch Teil VII Rn. 168. 68 Auch Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 3 meint, die Ansicht des BGH zwinge zu einem Ausgleich mit zwei Forderungen; auch Börger Güterrecht Rn. 122 will eine doppelte Anrech66

67

nung vornehmen. 69 Auf Grund der tatsächlichen Endvermögen, Langenfeld Handbuch Rn. 195. 70 Schwab Handbuch Teil VII Rn. 170. 71 Ohne die Zuwendung wären es bei sonst gleichen Vermögensverhältnissen 525 lDM gewesen.

86

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

nun der ganz gewöhnliche Ausgleich "zugunsten" des Zuwendenden durchzuführen. Ehefrau

Ehemann Anfangsvermögen

o

o 1.000

Zuwendung Endvermögen

50

Zugewinn

50

--+

o o 25TDM

Ausgleichsforderung

Entgegen der Aussage Schwabs begünstigt der Ausgleich jedoch nicht den Ehemann, sondern seine Frau - mit einer Ausgleichsforderung von 25 TDM. Der gewöhnliche Ausgleich findet also gerade nicht "zugunsten" des Zuwenders statt. Dieser Anspruch der Ehefrau könnte nur durch die Anrechnung gern. § 1380 reduziert werden, doch diese Vorschrift soll gerade keine Anwendung finden, weil die Vorwegleistung - erkennbar - zu hoch war. Dies zeigt, daß Schwab hier die unvorsichtigen Formulierung des BGH letztlich ungeprüft übernommen hat. Er übersieht ebenfalls, daß nicht jeder Fall der Zuvielleistung zugleich bedeutet, daß der Zuwendungsempfänger am Ende der Ehe den höheren Zugewinn erzielt hat und damit ausgleichspflichtig geworden ist. 72 Aber auch in den "Zweifelsfällen" kann diese Lösung nicht überzeugen. Schwab bildet hier folgendes Beispiel: Ein Ehemann hat kein Anfangsvermögen und ein Endvermögen von 30 TDM. Seiner Frau wendet er 30 TDM zu. Sie hat ein Anfangsvermögen von 20 TDM und ein Endvermögen von 70 lDM. 73

Da es sich um einen "Zweifelsfall" handelt, bei dem sich die Frage einer überhöhten Zuwendung nicht wie im vorigen Beispiel sofort beantworten lasse, sei erst gern. § 1380 zu prüfen, ob die Frau einen Zugewinnausgleichsanspruch hat. Ehefrau

Ehemann Anfangsvermögen

30

Zuwendung 30

70

Zugewinn

30

50

fiktiver Zugewinn

60

Ergebnis

72

--+

Endvermögen

fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung

73

20

0

Siehe dazu ausführlich oben S. 71 f. Schwab Handbuch Teil VII Rn. 171.

20 20 ./.30 lDM 0(- 10)

A. Die Auslegung des § 1380

87

§ 1380 Abs. 2 ergibt einen fiktiven Ausgleichsanspruch der Frau in Höhe von 20 TDM. Darauf wird der Zuwendungswert von 30 TDM angerechnet, der Anspruch der Ehefrau wird auf Null reduziert. Damit stehe fest, daß "ein Zugewinnausgleichsanspruch der Frau entfällt: der Mann hat vielmehr sogar überhöhte Vorwegleistungen erbracht".74 Im zweiten Schritt sei jetzt zu prüfen, ob der Mann ohne § 1380 seinerseits einen Ausgleichsanspruch hat: Ehemann Anfangsvermögen

Ehefrau 20

0

Zuwendung

30

-+

Endvermögen

30

70

Zugewinn

30

50

Ausgleichsforderung

10

Da die Frau einen um 20 TDM höheren Zugewinn hat, ergibt sich tatsächlich ein solcher Anspruch des Ehemannes in Höhe von 10 TDM. Das Problem dieser Lösung ist jedoch, daß der Ausgleichsanspruch zweimal berechnet wird, einmal mit und einmal ohne Anrechnung. Im ersten Beispiel soll also § 1380 nicht anwendbar sein, das Ergebnis des einfachen Ausgleichs aber ebenfalls nicht gelten, im zweiten Beispiel scheinen Ausgleich mit Anrechnung und einfacher Ausgleich nebeneinander zu stehen. Beides steht mit dem Gesetz nicht in Einklang. Dieses geht in jedem Fall von einem Zugewinnausgleich aus, der nur in bestimmten Fällen durch die Anrechnung modifiziert wird. Entweder es ist anzurechnen, oder der Ausgleich findet ohne die Anrechnung statt. Es kann also weder sein, daß ein sich ergebender Ausgleichsanspruch ohne gesetzliche Grundlage (also ohne Anwendung des § 1380) wegfällt, noch ist es möglich, daß es zwei Ausgleichsansprüche gleichzeitig gibt. Letzteres hat immer wieder dazu geführt, daß die Lösung des BGH in der vermeintlichen Form, in der sie u. a. von Schwab scheinbar weitergegeben wurde, in der Literatur scharf kritisiert wurde. 75 Diese Kritik ist jedenfalls im Hinblick auf Schwabs Lösungsvorschlag berechtigt. Das vorgeschlagene Zwei-Stufen-Modelllöst daher keine Probleme, es verkompliziert den Ausgleichsmechanismus nur noch weiter und findet zudem keine Grundlage im Gesetz. Bei dieser Lösung handelt es sich entgegen Schwab auch nicht um die "vom BGH praktizierte Rechenmethode ".76 Sie basiert lediglich auf der mißverständlichen Äußerung des BGH, § 1380 käme in den Fällen der Zuvielleistung nicht zur Anwendung. Schwab Handbuch Teil VII Rn. 171. SO vor allem Kühnes Kritik in IR 1982, 237 (238), daß es keinen Zugewinnausgleich mit zwei Ausgleichsforderungen geben kann. 76 Schwab Handbuch Teil VII Rn. 172. 74

7S

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

88

Dieser Lösungsweg ist daher abzulehnen. Es ist allerdings zu vennuten, daß auch Schwab und die ihm folgenden Autoren im Ergebnis nicht wirklich vom Rechenweg des BGH abweichen wollen, sondern dessen Ausführungen nur mißverstanden und nicht auf alle denkbaren Fälle hin überprüft haben.

2. Zweite Ausgleichsforderung unter Berücksichtigung der Zuvielleistung Der Lösungsvorschlag von Lipp77 geht bei der Frage, wie bei Zuvielleistungen anzurechnen sei, einen scheinbaren Mittelweg. Lipp trennt auf eine befremdliche Weise zwischen Schenkungen und unbenannten Zuwendungen: Auf Schenkungen seien sowohl § 1374 Abs. 2 als auch § 1380 anzuwenden, auf unbenannte Zuwendungen hingegen weder die eine noch die andere Vorschrift. Diese Trennung hat sich bereits im 1. Kapitel als nicht tragbar erwiesen. 78 Die Anrechnung findet gerade bei unbenannten Zuwendungen statt und nicht bei Schenkungen. Aber auch die vorgeschlagene, darauf aufbauende Anwendung des § 1380 ist schwerlich mit dem Gesetz zu vereinbaren. Lipp79 will in einem ersten Schritt eine Anrechnung so weit durchführen, wie dies möglich ist. Der nicht anzurechnende Rest soll dann in einem zweiten Schritt gern. § 1374 Abs. 2 dem Anfangsvennögen des Empfängers zugerechnet werden, bevor ein neuer, einfacher Ausgleich durchzuführen ist. Dazu nochmals folgendes Beispiel: Die Eheleute haben kein Anfangsvennögen. Während der Ehe wendet der Mann seiner Frau 30 TOM mit der Bestimmung zu, diese seien auf den späteren Ausgleichsanspruch anzurechnen. Am Ende der Ehe hat er einen Zugewinn von 20 TOM, sie hat einen Zugewinn von lediglich 10 TOM.

Lipps Lösung würde bedeuten, daß auf den fiktiven Anspruch von 25 TDM auch nur 25 TDM der Zuwendung angerechnet würden. Die Ausgleichsforderung würde auf Null reduziert: Ehemann Anfangsvennögen Zuwendung Endvennögen Zugewinn fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ergebnis 77

78

79

Lipp JuS 1993,89. Siehe oben S. 60. Lipp JuS 1993, 89 (92).

Ehefrau

o

o 30 -+

20 20 50

10 10 0(- 20)

25 ./.30 0(- 5 TOM)

A. Die Auslegung des § 1380

89

Der nicht anzurechnende Rest, also die "verbleibenden" 5 TDM, soll nun dem Anfangsvermögen des Empfängers nach § 1374 Abs. 2 hinzugerechnet werden. Damit reduziert sich der Zugewinn der Frau auf 5 TDM. Da es für den Mann bei einem Zugewinn von 20 TDM bleibt, ergibt sich nun ein Ausgleichsanspruch für die Frau in Höhe von 7.500 DM: Ehemann Anfangsvermögen

o

Zuwendung

0 30 -+

5

privilegierter Erwerb gern. § 1374 Abs. 2 Endvermögen

20

Zugewinn

20

Ausgleichsanspruch

Ehefrau

10 5 7.5 TDM

Die durch die teilweise Anrechnung eigentlich schon auf Null reduzierte Ausgleichsforderung würde bei dieser Lösung durch den zweiten Schritt wieder ins Leben gerufen und sogar gegenüber der Situation ohne Anrechnung noch erhöht. Je höher die Zuwendung des Mannes während der Ehe, desto höher wäre - paradoxerweise gerade durch die Anrechnung - letztlich seine Ausgleichspflicht. Durch die Bestimmung der Anrechnung stellt sich der Zuwender schlechter, als er ohne Anrechnung stünde. Welche innere Begründung dies haben soll, bleibt im Dunkeln. Der Sinn der Anrechnung würde in ihr Gegenteil verkehrt und damit schlechthin ad absurdum geführt. Auch unter dem Gesichtspunkt, daß diese Lösung nur auf echte Schenkungen anzuwenden sein soll, macht sie keinen Sinn. Denn wenn es sich schon um echte Schenkungen handelt, bleibt völlig offen, wieso überhaupt eine Anrechnung stattfinde sollte. Da diese Lösung zudem keinerlei Anhaltspunkt im Gesetz findet,80 ist sie vollends abzulehnen. 81

v. Zwischenergebnis: Zwei mögliche Auslegungen des § 1380 Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, daß sich letztlich zwei grundsätzlich mögliche, inhaltlich aber verschiedene Interpretationen des § 1380 gegenüberstehen. RO Lipps Rechtfertigung in JuS 1993, 89 (92), seine Methode sei zugleich die von der Rechtspraxis vertretene und enthalte zwei durch das Gesetz gebotene Rechenschritte, erweist sich als unbelegte Behauptung. 81 So im Ergebnis auch Langen/eid Handbuch Rn. 192, der dieser Lösung jedoch breiten Raum einräumt. Hoppenz hingegen hält die Lösung Lipps in MittBayNot 1998, 217 (218) sogar für .. dogmatisch konsequenter".

90

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

Nach der h.M. ist die Anrechnung nur durchzuführen, wenn der Zuwendungsempfänger auch ohne § 1380 einen Anspruch gegen den Zuwender hat. Bei der Anrechnung selbst ist der Zuwendungswert von dem fiktiven Ausgleichsanspruch, wie er sich unter Berücksichtigung von § 1380 Abs. 2 ergibt, abzuziehen. Ist er dabei größer als dieser fiktive Ausgleichsanspruch, wird der vollständige Abzug des Zuwendungswertes normativ bei Null abgebrochen. Ist § 1380 dagegen nicht anwendbar, soll auf den einfachen Zugewinnausgleich zurückgegriffen werden, der möglicherweise einen Anspruch für den Zuwender ergibt. Nach der alternativen Lösung ist § 1380 dagegen immer dann anzuwenden, wenn sich unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 eine Ausgleichsforderung gegen den Zuwender ergibt. Dies sind alle Fälle, in denen derjenige Ehegatte die Zuwendung gemacht hat, der ohne die Zuwendung potentiell ausgleichspflichtig gewesen wäre. Die Anrechnung in Form des Abzugs des Zuwendungswertes vom fiktiven Ausgleichsanspruch des Empfängers bricht jedoch nicht bei Null ab, sondern erfolgt vollständig. Ergibt sich ein negatives Ergebnis, ist dieses als Anspruch des Zuwenders in dieser Höhe gegen den Empfänger zu werten. Systematisch kann die h.M. nicht überzeugen, wenn sie § 1380 nur anwenden will, soweit der Zuwender auch ohne Anrechnung ausgleichspflichtig ist. Richtiger erscheint es, daß der Absatz 2 immer in den Absatz 1 des § 1380 hineinzulesen ist. Dies gebieten Wortlaut und Systematik der Vorschrift. Ist der § 1380 nach dieser Interpretation anwendbar, weil dem Zuwendungsempfänger ein fiktiver Ausgleichsanspruch zusteht, müßte § 1380 grundsätzlich als lex specialis den Zugewinnausgleich ohne Anrechnung ausschließen. Bei der Frage, wie die Anrechnung dann vorzunehmen ist, bewegt sich die h.M. hingegen näher am Wortlaut des § 1380, der von ,,Anrechnung", nicht von "Verrechnung" spricht. Insoweit stellt die Anspruchsumkehr eine eher weite Auslegung des Begriffs der ,,Anrechnung" dar, die jedoch gegebenenfalls durch den Zweck der Vorschrift gerechtfertigt sein kann. Ein Antwort auf die Frage, welche Auslegung im Ergebnis die vorzugswürdigere ist, läßt sich damit nicht finden, ohne Sinn und Zweck der Anrechnungsbestimmung herausgearbeitet zu haben und die beiden Lösungswege daran zu messen. Dazu soll im folgenden der Ausgleich anhand von Fallgruppen nach beiden Anrechnungsmethoden vorgenommen und miteinander verglichen werden. Anhand der Auswirkungen der Anrechnung auf das Ergebnis des Zugewinnausgleichs kann auf die Funktion der Anrechnung geschlossen werden. Im Anschluß daran ist zu fragen, ob diese Funktion durch eine der beiden Anrechnungsmethoden umfassend berücksichtigt wird.

B. Überprüfung der Auslegungsmöglichkeiten

91

B. Überprüfung der Auslegungsmöglicbkeiten anband von Fallgruppen Die wesentliche Problematik bei der Behandlung von Zuwendungen unter Ehegatten im Zugewinnausgleich liegt in der Zeitspanne begründet, die zwischen der Zuwendung und der Berechnung des Zugewinnausgleichs liegt. Wie sich das Vermögen der beteiligten Eheleute in der Zwischenzeit entwickelt, ist nicht vorherzusehen, hat aber einen entscheidenden Einfluß auf die dann bestehenden Ansprüche und auf ihre Höhe. Denn deren Grundlage ist das vorhandene Endvermögen als Ausgangspunkt für die Berechnung des Zugewinns. Ein Ehemann erwirtschaftet einen Zugewinn von 100 TOM und wendet seiner bis dahin vermögenslosen Frau \0 TOM zu. \0 Jahre später reicht er die Scheidung ein. Es kann sein, daß seine Frau wieder vermögenslos geworden ist. Es kann aber auch sein, daß der Mann seinen Beruf verloren hat und seinerseits vermögenslos wurde. Oder aber die Ehefrau ergreift einen Beruf und ist dort erfolgreicher als ihr Mann, so daß sie am Ende der Ehe einen weitaus höheren Zugewinn erwirtschaftet hat. Um diese unterschiedlichen Entwicklungen und ihre gesetzliche Behandlung miteinander vergleichen zu können, geht die folgende Untersuchung nicht von Einzelfällen aus, sondern faßt sie zu Fallgruppen zusammen.

J. Prinzipien der Fallgruppenbildung Damit im weiteren Verlauf der Untersuchung alle in Frage kommenden Lösungsvorschläge gegeneinander abgegrenzt und auf ihre Auswirkungen und Unterschiede hin untersucht werden können, müssen zum einen alle möglichen Fallkonstellationen erfaßt werden. Zum anderen muß zwischen denjenigen Voraussetzungen unterschieden werden, die auch die Grundlage für die beiden möglichen Auslegungen des § 1380 bilden. 82

82 Es bringt daher wenig, wie Reinickel7iedtke in WM 1982,946 (952 ff.) und in gewisser Weise auch der BGH in BGHZ 115, 132 (140 f.) vom Ergebnis der Anrechnung auszugehen und zwischen den Fällen zu unterscheiden, in denen der Zuwender nichts, den halben Zuwendungswert oder den ganzen Zuwendungswert zurückerhält. Zudem ist diese Einteilung lükkenhaft, da der Zuwender auch 1/3 oder 3/4 oder jeden anderen Anteil am Zugewinn zurückerhalten kann.

92

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

1. Unterscheidung nach dem Verhältnis des Zuwendungswerts zur Höhe der hypothetischen Ausgleichspflicht des Zuwenders im Falle nicht erfolgter Zuwendung

Ausgangspunkt für die Bezeichnung der Fallgruppen soll die Begründung der Zugewinnausgleichsregelung durch den Rechtsausschuß des Bundestages sein. Danach handelt es sich bei einem Großteil der Zuwendungen unter Ehegatten im Zweifel um "eine vorweggenommene Erfüllung der Ausgleichsjorderung",83 weshalb diese Zuwendungen anzurechnen seien. Gleichbedeutend soll im folgenden kürzer von Vorwegleistungen auf den späteren Zugewinnausgleich gesprochen werden. Um eine "Vorwegleistung" im eigentlichen Wortsinn kann es sich jedoch nur dann handeln, wenn auch ohne die Zuwendung eine Ausgleichspflicht für den Zuwender bestanden hätte. 84 Dies ist, wie bereits gesehen, nicht immer der Fall. Es soll daher zum einen unterschieden werden nach dem Verhältnis der Höhe der tatsächlichen Zuwendung zur Höhe der hypothetischen Ausgleichspflicht des Zuwenders für den Fall, daß die Zuwendung unterblieben wäre. Drei Konstellationen sind denkbar: Die Zuwendung ist nicht größer als die hypothetische Ausgleichspflicht, sie ist größer als die hypothetische Ausgleichspflicht oder aber der Zuwender wäre niemals ausgleichspflichtig gewesen. 85 Daraus ergeben sich drei Fallgruppen: • Von " Vorwegleistung" soll in den Fällen gesprochen werden, in denen der Zuwender bei Nichtvomahme der Zuwendung mindestens in Höhe des Wertes der gemachten Zuwendung ausgleichspflichtig geworden wäre. Ein Ehemann erwirtschaftet einen Zuerwerb von 100 TDM und wendet seiner Frau, die selbst keinen Zuerwerb erzielt hat, davon 10 TDM zu. Ohne die Zuwendung wäre er in Höhe von 50 TDM ausgleichspflichtig gewesen. 86

83 Schriftlicher Bericht des Ausschusses rür Rechtswesen und Verfassungsrecht über die Entwürfe eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau, zu BT-Drucks. 11/3409, S. 12. 84 Rauscher AcP 168 (1986), 529 (569). 85 So hat auch der BGH in BGHZ 65, 320 zuerst über den Vorrang des Zugewinnausgleichs in den Fällen entschieden, in denen die Zuwendung den sonst zu zahlenden Ausgleichsanspruch nicht übersteigt, und später in BGHZ 82, 778 die Fälle der zu hohen Vorausleistungen behandelt. Ebenso unterscheidet auch Rauscher in AcP 186 (1986), 529 (564) zwischen Zuwendungen unterhalb und oberhalb des potentiellen Ausgleichsanspruchs. Die dritte Gruppe der Fehlleistungen, die sich als Unterfall der Zuvielleistungen darstellt, wird hingegen nicht gesehen. Sie hat rur die Frage der Anwendung des § 1380 jedoch durchaus eine Bedeutung, wie der weitere Verlauf der Untersuchung zeigen wird. 86 Von Zuerwerb soll hier in Abgrenzung zum terminus technicus ,,zugewinn" deshalb gesprochen werden, weil der Mann vor der Zuwendung einen Zuerwerb von 100 TOM erzielt hat und nach der Zuwendung aber einen Zugewinn von 90 TDM hat. Die Frau hat keinen eigenen Zuerwerb erzielt, aber einen Zugewinn von 10 TDM.

B. Überprüfung der Auslegungsmöglichkeiten

93

• Übersteigt die Zuwendung wertmäßig jedoch den Betrag, den der Zuwendungsempfänger ohne die Zuwendung als Zugewinnausgleichsanspruch hätte geltend machen können, kann mit dem BGH von "zu hohen Vorwegleistungen",87 von überschüssigen Zuwendungen oder kürzer: von Zuvielleistungen gesprochen werden. Ein Ehemann erwirtschaftet einen Zuerwerb von 100 TDM und wendet seiner Frau, die sonst keinen Zuerwerb getätigt hat, 90 TOM zu. Ohne die Zuwendung wäre er wieder nur in Höhe von 50 TOM ausgleichspflichtig gewesen ..

• Schließlich kann es sein, daß die Zuwendung von demjenigen Ehegatten gemacht wird, der potentiell überhaupt nicht ausgleichspflichtig, sondern eventuell seinerseits ausgleichsberechtigt gewesen wäre, weil er in der Ehe - bei Nichtvornahme der Zuwendung - den gleichen oder geringeren Zugewinn als sein Ehegatte erzielt hätte. Hier kann man nicht mehr von einer Vorwegleistung oder Zuvielleistung auf die spätere Ausgleichsforderung sprechen, sondern nur von einer Fehlleistung, weil es eine solche Ausgleichsforderung genaugenommen nie gegeben hätte. 88 Ein Ehemann hat einen Zuerwerb von 100 TDM und wendet seiner Frau, die selbst einen Zuerwerb von 200 TOM getätigt hat, 10 TOM zu. Ohne die Zuwendung wäre der Mann nicht ausgleichspflichtig, sondern in Höhe von 50 TOM selbst ausgleichs berechtigt gewesen.

Diese Unterteilung in Vorwegleistung, Zuvielleistung und Fehlleistung genießt den Vorzug einer hohen Anschaulichkeit, ist dabei jedoch nicht unproblematisch: Sie kann nicht ex ante zum Zeitpunkt der Zuwendung getroffen werden, sondern erst ex post aus der Sicht des durchzuführenden Zugewinnausgleichs. Denn nur dann kommt es auf die Zuwendung an und erst dann stehen die für die Berechnung notwendigen Eckdaten 89 fest. Es muß also von der Vermögenslage nach der Zuwendung rückgeschlossen werden auf die hypothetische Situation,90 wie sie ohne die Zuwendung - vermutlich - bestanden hätte. Die Aussage, der Zuwender wäre ohne die Zuwendung in einer bestimmten Höhe ausgleichspflichtig gewesen, ist jedoch nur eine Fiktion. Es gibt keinen Beweis dafür, daß der zugewendete Gegenstand nicht beim Zuwender untergegangen wäre. 91 Auch kann es sein, daß er beim Empfänger untergegangen ist, den EmpfänBGHZ 82, 227 (233). Soll es sich nicht um einen Fall der Zuwendung aus dem Anfangsvermögen handeln (siehe 4. Kapitel), muß hier davon ausgegangen werden, daß der Zugewinn des Empfängers mindestens um den doppelten Zuwendungswert größer sein muß als der Zugewinn des Zuwenders. Denn sonst würde die Nichtberücksichtigung der Zuwendung eine Ausgleichspflicht des ,,zuwenders" ergeben. 89 Dies sind Anfangsvermögen mit eventuellem weiteren privilegierten Erwerb, Endvermögen sowie weitere Zuwendungen. 90 Siehe dazu auch Johannsen WM 1978,654 (664). 91 Weshalb möglicherweise auf eine Hinzurechnung verzichtet werden müßte. 87 88

94

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

gerzugewinn also nicht mehr erhöht. 92 Auf beides ist jedoch keine Rücksicht zu nehmen. Dies ist die logische Konsequenz der Vereinfachungen des Zugewinnausgleichs, der wie geschildert nur auf Werten basiert, nicht auf konkreten Vermögensgegenständen. Der Blick in die konkrete Zusammensetzung des jeweiligen Vermögens ist also - vom Gesetzgeber ganz bewußt - versperrt. 93 Diese Form der Rückrechnung findet ihre Legitimation zudem in § 1380 selbst. Auch im Rahmen der gesetzlich geregelten Anrechnung wird zuerst ein fiktiver Ausgleichsanspruch errechnet,94 von dem anschließend die Zuwendung abzuziehen ist. Dieser fiktive Ausgleichsanspruch wird unter genau den Prämissen errechnet, die eben geschildert wurden: Hinzurechnung des Zuwendungswertes zum Zugewinn des Zuwenders gern. § 1380 Abs. 2 S. 1 und Herausrechnung aus dem Endvermögen des Empfangers, sei es durch Erhöhung des Anfangsvermögens gern. § 1374 Abs. 2 oder durch Auslegung des § 1380 Abs. 2 S. 1, wonach ein Zuwendungswert nicht gleichzeitig das Endvermögen beider Ehegatten erhöhen kann. 95 Auch hier kommt es auf das Schicksal des Gegenstandes nicht an. Die Frage, ob es sich bei einer Zuwendung um eine Vorwegleistung oder eine Zuvielleistung handelt, kann also mit den Mitteln des § 1380 beantwortet werden. Ergibt sich bei der Berechnung unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2, daß die fiktive Ausgleichsforderung größer als oder genau so groß wie der Wert der Zuwendung ist, dann handelt es sich um eine Vorwegleistung, ist sie dagegen kleiner als der Zuwendungswert, um eine Zuvielleistung. 96 Ergibt sich gar keine Ausgleichsforderung ftir den Empfanger, wäre der Zuwender nie ausgleichspflichtig gewesen und die Zuwendung war eine Fehlleistung. Mit der Unterscheidung zwischen Vorwegleistungen, Zuvielleistungen und Fehlleistungen wird jedoch nur die Situation erfaßt, die - hypothetisch - bestanden hätte, wenn die Zuwendung nicht vorgenommen worden wäre. Unberücksichtigt geblieben ist bisher jedoch die Entwicklung des Empfangervermögens in bezug zum Zuwendungswert TUJch der Zuwendung. 97

Weshalb möglicherweise auf einen Abzug verzichtet werden müßte. Siehe oben S. 35 f. 94 Soergel-Lange § 1380 Rn. 7. 95 Siehe dazu ausführlich unten das 3. Kapitel. 96 So auch langen/eid Handbuch Rn. 195. 97 Das Verhältnis des Zuwendervermögens zum Zuwendungswert betrifft dagegen die Frage nach der Behandlung von Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen. Darauf soll im 4. Kapitel gesondert eingegangen werden. 92

93

B. Überprüfung der Auslegungsmöglichkeiten

95

2. Unterscheidung nach der Entwicklung des Emprängerzugewinns im Verhältnis zum Zuwendungswert

Diese zweite Unterscheidung ist notwendig, da es - wie bereits im Einleitungsbeispiel zu sehen war98 - gerade diejenigen Fälle sind, in denen der Empfänger trotz der Zuwendung wider Erwarten nur einen Zugewinn hat, der kleiner ist als der.Wert der Zuwendung, die besondere Schwierigkeiten bereiten. Diese Konstellation hat auch der BGH in seinem Urteil vom 10.7. 1991 bei der Frage nach der Rückabwicklung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage angesprochen. 99 Soweit der Zuwender ausgleichspflichtig gewesen wäre, ist daher weiter zu fragen, ob der Zugewinn des Empfangers noch mindestens den Wert der Zuwendung hat. 100 • Ist der Empfangerzugewinn mindestens so groß wie der Zuwendungswert, kann man plastisch von einem .. Werterhalt" sprechen. Ein Ehemann wendet seiner Frau 10 TOM zu. Am Ende der Ehe hat sie einen Zugewinn von (mindestens) I 0 TOM.

• Ist der Zugewinn jedoch kleiner als der Zuwendungswert, kann dies mit dem Begriff .. Wertverlust" umschrieben werden. Der Wertverlust kann dabei teilweise: Ein Ehemann wendet seiner Frau 10 TDM zu. Am Ende der Ehe hat sie einen Zugewinn von nur 5 TOM.

oder vollständig erfolgen: 101 Ein Ehemann wendet seiner Frau 10 TOM zu. Am Ende der Ehe hat sie dennoch keinen Zugewinn erzielt.

Die Formulierungen "Werterhalt" und "Wertverlust" dürfen jedoch nicht dahingehend mißverstanden werden, daß es um den Erhalt oder Verlust des konkreten Zuwendungswertes, also des Zuwendungsgegenstandes oder eines Surrogates ginge. Denn als Rechnungsposten interessiert nur das Verhältnis von Zugewinn zum Zu wen dungs wert. Ob die Zuwendung selbst sich noch gegenständlich in dem Zugewinn wiederfindet, spielt wegen des bereits erläuterten Abstellens des Zugewinnausgleichs auf den Vermögenswert zu bestimmten Stichtagen und nicht auf die konkreten Vermögensgegenstände keine Rolle. Siehe oben S. 21 f. BGHZ 115, 132 (140); auch Göppinger Vereinbarungen Rn. 519 b differenziert nach der Höhe des Empfängerzugewinns. 100 Dieser Faktor hat bei der Unterscheidung zwischen Vorwegleistung und Zuvielleistung keine Rolle gespielt, weil durch den vollen Abzug des Zuwendungswertes im Rahmen des § 1380 Abs. 2 immer dann kein fiktiver Zugewinn ermittelt wird, wenn der tatsächliche Zugewinn des Zuwendungsempfängers maximal den Wert der Zuwendung hat. 101 Darauf kommt es jedoch für die Frage der Funktion des § 1380 nicht an, so daß keine eigenen Unterfallgruppen zu bilden sind. 98 99

96

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

Die Frage ist also immer nur, ob sich der abstrakte Wert der Zuwendung noch als Zugewinn darstellt, nicht ob die Zuwendung selbst diesen Zugewinn ausmacht. Es ist daher für den Werterhalt unerheblich, ob es der Zuwendungsgegenstand selbst ist, der für den Zugewinn sorgt, oder ein anderweitig erworbenes Vermögen. Ein Ehemann wendet seiner Frau ein Festgeldkonto im Wert von 100 TDM zu. Die Ehefrau gibt das Geld aus. Jahre später gewinnt sie in einer Lotterie 100 TDM, die nun ihren Zugewinn ausmachen.

Hier ist von Werterhalt zu sprechen, obwohl der konkrete Zuwendungsgegenstand zwischenzeitlich vollständig "verloren" wurde. Umgekehrt liegt auch dann ein Wertverlust vor, wenn zwar der konkrete Zuwendungsgegenstand noch vorhanden, aber sonstiges (Anfangs-)Vermögen an Wert verloren hat. Ein Ehemann wendet seiner Frau, die ein Anfangsvermögen von Aktien im Wert von 100 TDM hat, ein Festgeldkonto mit 100 TDM zu. Die Aktien verlieren die Hälfte ihres Wertes. Das Endvermögen der Ehefrau beträgt daher nur ISO TDM, der Zugewinn somit nur 50TDM.

Hier liegt ein Wertverlust vor, obwohl das zugewendete Festgeld noch in vollem Umfang vorhanden ist. Es ergeben sich damit 5 Fallgruppen, die alle möglichen Fälle ohne Überschneidung abdecken: I. Vorwegleistung mit Werterhalt 2. Vorwegleistung mit Wertverlust 3. Zuvielleistung mit Wertverlust 4. Zuvielleistung mit Werterhalt 5. Fehlleistung (mit Werterhalt) In der letzten Gruppe (Fehlleistungen) muß es sich immer um Fälle mit Werterhalt handeln. Denn ohne Werterhalt kann nicht von Zuvielleistung J02 gesprochen werden, da ein Empfänger ohne entsprechenden Zugewinn niemals fiktiv ausgleichspflichtig gewesen sein kann.

102 Es handelt sich um einen Unterfall der Zuvielleistungen, da auch derjenige, der gar keinen Ausgleich hätte zahlen müssen, ,,zuviel" leistet, wenn er eine anzurechnende Zuwendung tätigt. Dennoch ergeben sich im Hinblick auf die Anwendung des § 1380 insofern Unterschiede, als sich in dieser Gruppe auch unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 kein fiktiver Ausgleichsanspruch für den Zuwendungsempfänger ergibt, die Anrechnung daher nach keiner Ansicht vorzunehmen ist. Daher ist die Annahme einer eigenen Fallgruppe hier geboten.

B. Überprüfung der AuslegungsmögJichkeiten

97

3. Unterscheidung nach der Person des Ausgleichspftichtigen ohne Anrechnung

Die h.M. beantwortet - wie oben gesehen 103

-

die F~age der Anwendung des

§ 1380 danach, ob dem Zuwendungsempfänger bereits ohne Durchführung der An-

rechnung eine Ausgleichsforderung zusteht. Nur wenn dies der Fall ist, soll die Anrechnung durchzuführen sein. Um die Auswirkungen der h.M. in diesem Punkt untersuchen zu können, soll weiter danach unterschieden werden, ob der Zuwender am Ende der Ehe ohne Anrechnung ausgleichspflichtig ist oder nicht. Es wurde bereits festgestellt, daß sich diese Unterscheidung entgegen der Ansicht des BGH nicht mit derjenigen zwischen Vorausleistungen und Zuvielleistungen deckt. Vielmehr geht die Trennung mitten durch die Fallgruppe 3. Denn in den Fallgruppen 1 und 2 (Vorwegleistung) ist der Zuwender immer ausgleichspflichtig oder aber es besteht wegen identischer Zugewinne ohne Anrechnung gar keine Ausgleichspflicht. 104 Niemals aber ist der Zuwendungsempfanger im einfachen Ausgleich ausgleichspflichtig, da er zwingend den kleineren oder gleichen Zugewinn erzielt hat. Denn hätte er durch die Zuwendung einen größeren Zugewinn erzielt als der Zuwender, wäre klar, daß dieser eigentlich nicht in der Höhe des Zuwendungswertes ausgleichspflichtig gewesen wäre. Ein Ehemann erwirtschaftet einen Zugewinn von 100 TOM und wendet seiner Frau, die sonst keinen Zugewinn erzielt hat, 10 TOM zu. Ohne die Zuwendung wäre er in Höhe von 50 TOM ausgleichspflichtig gewesen. Ohne Anrechnung hat er einen Zugewinn von 90 TOM, sie einen Zugewinn von 10 TOM. Sie ist also ausgleichsberechtigt. (Fallgruppe I) Dies gilt auch für den Fall, daß ihr Zugewinn 0 beträgt. (Fallgruppe 2)

In den Fallgruppen 4 und 5 hingegen ist der Zuwendungsempfänger niemaLs ausgleichsberechtigt, da er zwingend einen größeren Zugewinn erzielt hat als der Zuwender. Andernfalls kann es sich nicht um eine Zuviel- oder Fehlleistung gehandelt haben. Die Zuwendung wurde also von dem Ehegatten getätigt, dem bereits ohne Anrechnung ein eigener Ausgleichsanspruch zusteht. Ein Ehemann erwirtschaftet einen Zugewinn von 100 TOM und wendet seiner Frau, die sonst keinen Zugewinn erzielt hat, 90 TOM zu. Ohne die Zuwendung wäre er wieder nur Siehe oben S. 65 f. Der letzte Fall - Vorwegleistung und gleicher Zugewinn - ist die einzige Konstellation der Fallgruppe I, in dem die h.M. mangels Ausgleichsforderung des Empfängers nicht zur Anwendung des § 1380 kommt. In diesem Grenzfall entspricht die Zuwendung exakt der hypothetischen Ausgleichspflicht. Da jedoch -wie noch gezeigt wird - in der Fallgruppe I die Anrechnung nach § 1380 ohnehin niemals zu einem anderen Ergebnis führt als der Ausgleich ohne Anrechnung, soll dieser Sonderfall im folgenden nicht weiter Beachtung finden. Soweit aus Gründen der Einfachheit der Darstellung weiter pauschal davon gesprochen wird, daß nach h.M. § 1380 in der Fallgruppe 1 zur Anwendung kommt, stellt dieser Fall die einzige Ausnahme dar. 103

104

7 Jeep

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegauenzuwendungen

98

in Höhe von 50 TOM ausgleichspflichtig gewesen. Nach der Zuwendung hat sie einen Zugewinn von 90 TOM, er einen von 10 TOM. Solange der Zugewinn des Zuwendungsempfängers mindestens den Wert der Zuwendung hat, ist der Zuwender also ausgleichsberechtigt. (Fallgruppe 4). Dies gilt erst recht, wenn die Ehefrau zusätzlich noch 200 TOM erwirtschaftet hat. Dann erhöht sich ihr Zugewinn auf 290 TOM, während der des Ehemannes bei JO TOM bleibt. Die Frau ist ebenfalls nicht ausgleichsberechtigt. (Fallgruppe 5) Es ist also lediglich die Fallgruppe 3 (Zuvielleistung mit Wertverlust), in der es sowohl vorkommen kann, daß der Zuwender als auch daß der Zuwendungsempfanger ausgleichspflichtig wird, je nachdem, wie groß der Wertverlust auf Empflingerseite ist. 105 Ein Ehemann erwirtschaftet einen Zugewinn von 100 TOM und wendet seiner Frau, die sonst keinen Zugewinn erzielt hat, 90 TOM zu. Der Ehemann hat also nur noch einen Zugewinn von 10. Ist der Zugewinn der Ehefrau kleiner als der des Mannes, ist sie ausgleichsberechtigt. Ist der Zugewinn der Ehefrau größer als JO TOM aber kleiner als 90 TOM, ist es trotz des teilweisen Wertverlustes der Ehemann, der ausgleichspflichtig ist. Es ergeben sich daher (nur) für die Fallgruppe 3 zwei Unterfallgruppen: - Fallgruppe 3 a): Zuvielleistungen des Ausgleichspjlichtigen mit Wertverlust. 106 - Fallgruppe 3 b): Zuvielleistungen des nicht Ausgleichspflichtigen mit Wertverlust. 107

11. Zusammenfassung der Fallgruppen Als Grundlage der weiteren Untersuchung wird also zwischen folgenden 6 Fallgruppen unterschieden.

FaUgruppe 1: Vorwegleistung mit Werterhalt im Empfängerzugewinn Der Zuwender wäre bei unterbliebender Zuwendung ausgleichspflichtig gewesen und zwar mindestens in Höhe des Zuwendungswertes. Der Zugewinn des Empfangers hat mindestens die Höhe der Zuwendung. § 1380 ist nach h.M. ebenso anzuwenden lO8 wie nach der Alternativlösung. IO~ 106 107

Siehe dazu oben ausführlich die Besprechung der Ansicht der BGH auf S. 67 ff. Mit der Folge, daß § 1380 hier nach h.M. anzuwenden ist. Mit der Folge, daß § 1380 hier nach h.M. nicht anzuwenden ist.

B. Überprüfung der Auslegungsmöglichkeiten

99

FaUgruppe 2: Vorwegleistung mit Wertverlust im Emprängerzugewinn

Wie in Fallgruppe 1 wäre der Zuwender ohne die Zuwendung mindestens in Höhe der Zuwendung ausgleichspflichtig gewesen, nur ist in dieser Fallgruppe der Empfangerzugewinn kleiner als der Wert der Zuwendung. Auch hier kommen h.M. und Alternativlösung zur Anwendung des § 1380.

Fallgruppe 3 a): Zuvielleistung des Ausgleichspflichtigen mit Wertverlust im Emprängerzugewinn

Bei unterbliebener Zuwendung wäre der Zuwender in dieser Fallgruppe zwar ebenfalls ausgleichspflichtig gewesen, jedoch nicht in Höhe der erfolgten Zuwendung. Der Zugewinn des Empfängers ist wiederum kleiner als der Wert der Zuwendung und auch kleiner als der Zugewinn des Zuwenders. 109 Auch hier kommt § 1380 nach beiden Ansichten zurAnwendung.

FaUgruppe 3 b): Zuvielleistung des nicht Ausgleichspflichtigen mit Wertverlust im Emprängerzugewinn

Wiederum ist die Zuwendung größer als die hypothetische Ausgleichspflicht des Zuwenders. Der Empfängerzugewinn ist zwar noch immer kleiner als der Zuwendungswert, anders als in der Fallgruppe 3 a) jedoch mindestens so groß wie der des Zuwenders. § 1380 ist hier nur nach der Alternativlösung anwendbar, die h.M. lehnt die Anrechung mangels Ausgleichsforderung des Empfängers ab.

108 Einzige Ausnahme ist - wie in FN 236 erläutert - der Sonderfall der Fallgruppe I, in dem sich die Zugewinne der beiden Eheleute decken und mindestens den Wert der Zuwendung haben. Hier fehlt es an einer Ausgleichspflicht, so daß § 1380 nach h.M. nicht zur Anwendung kommt. 109 Die Existenz dieser Konstellation, in der laut Friedrich JR 1986, I, (4 f.) "die Zuwendung den Betrag des Ausgleichsanspruchs übersteigt, der ohne die Zuwendung entstehen würde, und der Zuwendungsempfänger dennoch eine Ausgleichsforderung geltend machen kann ", wird von Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 147 bestritten. Bei seiner Kritik handelt es sich jedoch um ein Mißverständnis, da Friedrich wie hier von der Situation vor der Anrechnung ausgeht, während Grünenwald offensichtlich die Situation nach der Anrechnung im Auge hat. Nach der Anrechnung ist es tatsächlich so, daß, wie noch zu sehen sein wird, der - laut Friedrich bestehende - Anspruch des Empfangers durch die Anrechnung auf Null reduziert wird, der Empfanger also - gemäß GrünenwaIds Aussage - keinen Anspruch mehr hat.



100

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegauenzuwendungen

FaUgruppe 4: ZuvieUeistung mit Werterhalt im Empfängerzugewinn Wiederum ist die Zuwendung größer als die hypothetische Ausgleichspflicht. Entgegen der Fallgruppe 3 b) ist der Empfängerzugewinn nunmehr größer als der Zugewinn des Zu wenders und größer als der Zuwendungswert. Die Differenz zwischen den beiden Zugewinnen ist jedoch kleiner als der doppelte Zuwendungswert. Auch hier kommt nur die Alternativlösung zur Anwendung des § 1380.

FaUgruppe 5: Fehlleistung mit Werterhalt im Empfängerzugewinn Hier wäre der Zuwender bei unterbliebener Zuwendung überhaupt nicht ausgleichspflichtig gewesen. denn der Empfänger einen Zugewinn. der mindestens um den doppelten Zuwendungswert höher ist als der des Zuwenders. lIo Hier ist nach keiner Ansicht die Anrechnung durchzuführen. Zusammenfassend kommt es also nach h.M. in den Fallgruppen 1, 2 und 3 a) zur Anrechnung gern. § 1380. nach der Alternativlösung außerdem in den Fallgruppen 3 b) und 4. In der Fallgruppe 5 findet nach keiner Ansicht die Anrechnung statt.

c. Vergleich der Auslegungsmöglichkeiten anhand der Fallgruppen 1 und 2 Die folgenden Beispielsfälle aus den jeweiligen Fallgruppen unterscheiden sich nur in der Vermögensentwicklung der beteiligten Ehegatten nach der Zuwendung. Das Anfangsvermögen und der Wert der Zuwendung - also die Verhältnisse zum Zeitpunkt der Zuwendung - sind immer gleich. Damit soll verdeutlicht werden. wie sich die Lebensverhältnisse der Ehegatten nach der Zuwendung und damit für die Ehegatten grundsätzlich nicht vorhersehbar verändern können und weIchen Einfluß dies auf die Behandlung im Zugewinnausgleich hat. Dabei wurde bereits oben festgestellt,111 daß der Gesetzgeber bei der Konzeption des Zugewinnausgleichs die Möglichkeit nicht vor Augen hatte, ein Ehegatte könne dem anderen während der Ehe mehr zuwenden. als diesem im Zugewinn110 Hat der Zugewinn des Empfängers nicht mindestens den doppelten Zuwendungswert, würde es sich wieder um eine Fall der Zuvielleistung handeln, weil dann ohne die Zuwendung der Zuwender ausgleichspflichtig gewesen wäre. 111 Siehe oben S. 26 ff.

C. Vergleich der Auslegungsmöglichkeiten: Fallgruppen 1 und 2

101

ausgleich zugestanden hätte. Insofern sollten von § 1380 direkt nur die Fallgruppen 1 und 2 geregelt werden, in denen es sich um Vorwegleistungen, nicht aber um Zuvielleistungen handelt. Daher muß auch allein anhand der Ergebnisse dieser beiden Fallgruppen die Frage nach dem Zweck des § 1380 beantwortet werden können.

I. Fallgruppe 1 (Vorwegleistung mit Werterhalt im Empfängerzugewinn) 1. Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung

a) Beispielsjalll 112 Die Eheleute leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der Ehemann geht mit einem Aktienvermögen von 200 TDM in die Ehe. Seine Frau ist Eigentümerin eines kleinen Grundstücks im Wert von 200 TDM, das mit dem Familienheim bebaut ist. Die unteren Räume werden nach einigen Jahren renoviert und das Dachgeschoß wird wegen der Geburt des Sohnes ausgebaut. Die dafür nötigen 200 TDM stellt ausschließlich der Mann aus seinem Verdienst zur Verftigung. 113 Auf die Übertragung eines Miteigentumanteils an ihn verzichten die Eheleute jedoch, weil sie die Notarkosten sparen wollen 114 und zudem davon ausgehen, daß die Ehe Bestand haben wird. Nach 20 Jahren wird die Ehe geschieden. Im Endvermögen der Ehefrau befindet sich ausschließlich das ausgebaute Haus im Wert von 400 TDM. 11S Das Endvermögen des Mannes besteht aus einem Aktiendepot im Wert von 600 TDM.

b) Vergleichsgröße: Ausgleich ohne Anrechnung

Käme es zum Ausgleich ohne Durchführung der Anrechnung, müßte folgendermaßen gerechnet werden:

112 Dieses Beispiel fungiert als Grundfall. Alle im 2. Kapitel folgenden Fälle sind nur Variationen dieses Beispiels. Dennoch sollen sie jeweils vollständig geschildert werden, um aus sich heraus nachvollziehbar zu sein. 113 Auf den genauen Zeitpunkt kommt es wegen des Verzichts auf die Indexierung der einzelnen Werte nicht an. Siehe zu den Prämissen der Beispielsrechnungen ausführlich oben S. 32 f. 114 Auf die eventuell zu zahlende Schenkungsteuer soll hier noch nicht eingegangen werden. Weitere Gründe können auch die Angst vor einer Verrechtlichung des Ehelebens sein, die Vermeidung eines Zeichens für gegenseitiges Mißtrauen, etc. l1S Die normalerweise zu erwartende Wertsteigerung der Immobilie bleibt hier aus Gründen der Übersichtlichkeit unberücksichtigt, siehe oben S. 32 f.

102

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegauenzuwendungen Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung

200

Endvermögen Zugewinn

600 400

Ehefrau 200 200 -+

Ausgleichsforderung

400 200

100 TOM

Der Mann hat ein Anfangsvermögen in Höhe von 200 TDM (§ 1374 Abs. 1) und ein Endvermögen von 600 TDM (§ 1375 Abs. 1 S. 1). Die Differenz ergibt gemäß § 1373 einen Zugewinn in Höhe von 400 TDM. 116 Die Ehefrau hat nach § 1374 Abs. 1 ein Anfangsvermögen von ebenfalls 200 TDM. Die ihr von ihrem Mann zugewandten 200 TDM werden nach h.M. nicht gern. § 1374 Abs. 2 privilegiert: 117 Das Anfangsvermögen wird insoweit nicht erhöht, der Zuwendungswert fließt voll in den Zugewinn und damit in den Ausgleich. Die Ehefrau hat daher ein Endvermögen von 400 TDM und einen Zugewinn von 200 TDM. Als Ausgleichsforderung steht dem Ehegatten mit dem kleineren Zugewinn gern. § 1378 Abs. 1 die Hälfte dessen zu, was der andere Ehegatte mehr an Zugewinn erwirtschaftet hat. Hier ergibt sich eine Zugewinndifferenz von 200 TDM zugunsten des Ehemannes. Davon steht seiner Frau die Hälfte, also 100 TDM, als Ausgleichsforderung zu.

c) Ausgleich mit Anrechnung

Die Investition des Ehemannes in das Grundstück der Ehefrau ist ein typischer Fall der unbenannten Zuwendung. Sie ist schon gern. § 1380 Abs. 1 S. 2 auf die Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfangers anzurechnen, da sie den Wert von üblichen Gelegenheitsgeschenken weit übersteigt. Die Ehefrau wird diese Einordnung der Zuwendung auch nicht widerlegen können. Da die Ehefrau - wie soeben gezeigt - ohne Anrechnung einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 100 TDM hat, ist nach h.M. § 1380 anwendbar und die Anrechnung durchzuführen. Dabei ergibt sich folgende Rechnung:

116 Auf die Bereinigung von inflationsbedingten Scheinzugewinnen, die keinem realen Wertzuwachs entsprechen, wird hier bewußt und aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet, siehe oben S. 32 f. 117 Siehe oben S. 63 f. und ausführlich unten S. 151 ff.

c. Vergleich der Auslegungsmöglichkeiten: FaJIgruppen I Ehemann 200

Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsforderung

103

Ehefrau 200 200

600 400 600

und 2

-+

400 200 0 300 ./.200 100 lDM

Gern. § 1380 Abs. 2 ist der Zugewinn des Ehemanns um den Zuwendungswert zu erhöhen, so daß dieser einen fiktiven Zugewinn von 600 TOM hat. Umgekehrt ist der Wert bei dem Zugewinn oder dem Endvermögen 118 der Ehefrau abzuziehen, so daß diese keinerlei Zugewinn mehr hat. Nun ergibt sich eine Zugewinndifferenz von 600 TDM. Gern. § 1378 Abs. 1 führt dies zu einer fiktiven Ausgleichsforderung für die Ehefrau von 300 TOM. Deshalb ist die Anrechnung auch nach der alternativen Lösung durchzuführen, die als Voraussetzung das Vorliegen einer gern. § 1380 Abs. 2 S. 1 errechneten Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers verlangt. Auf diesen fiktiven Ausgleichsanspruch ist nun der Zuwendungswert von 200 TOM anzurechnen, so daß die Ausgleichsforderung auf 100 TOM reduziert wird.

2. Analyse Sowohl im Falle der Anrechnung - und zwar nach beiden Lösungen - als auch beim Ausgleich ohne Anrechnung ist der Ausgleichsanspruch der Ehefrau gleich groß: er beträgt jeweils 100 TOM. Dieser Befund muß den unbefangenen Rechtsanwender wundem. Es wird mit großem Aufwand (an)gerechnet, doch ändert sich im Ergebnis nichts. 119 Dies überrascht um so mehr, als es sich bei dieser Fallgruppe noch immer um den statistischen Regelfall - jedenfalls in der Einverdienerehe - handeln dürfte. Der erwerbstätige Ehegatte macht die Zuwendung und ist auch am Ende der Ehe derjenige mit dem deutlich höheren Zugewinn.

118 So BGHZ 82, 227 (235). Es macht im Ergebnis jedoch keinen Unterschied, ob beim Endvermögen oder beim Zugewinn abgezogen wird, da der Einfluß auf den Zugewinn in beiden Fällen gleich ist. Siehe hierzu ausführlich S. 164. 119 Um so erstaunlicher ist es, daß viele Autoren sich für die OarsteJIung der Anrechnung typischerweise eines Beispiels der FaJIgruppe I bedienen. So widmet MüKo-Gernhuber § 1380 Rn. 20 der Berechnung eines Beispielsfalls des § 1380 eine gute halbe Seite, ohne darauf einzugehen, daß die ganze Rechnung im Ergebnis überflüssig ist. Gleiches u. a. auch bei Friedrich IR 1986, I (3 f.) und Willemer OB 1985, 1254 (1255).

104

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegauenzuwendungen

Der Grund für diese Ergebnisgleichheit ist im Rechenwerk des Zugewinnausgleichs zu finden. Es wurde bereits eingangs festgestellt,120 daß allein die Vornahme einer Zuwendung, also die Vermögensverschiebung von einern Ehegatten an den anderen, einen erheblichen Einfluß auf das Ergebnis des Ausgleichsberechnung hat. Soweit Ehegattenzuwendungen nicht durch § 1374 Abs. 2 aus dem System des Ausgleichs herausgenommen werden, beeinflußt jede Zuwendung den Zugewinnausgleichs doppelt, nämlich grundsätzlich auf der Zuwenderseite durch eine Verringerung und auf der Empfängerseite durch eine Erhöhung des Zugewinns. Wird daher wie hier der Zugewinn des Zuwenders durch die Zuwendung um 200 TDM verringert und der Zugewinn des Empflingers zugleich um 200 TDM erhöht, führt dies im Ergebnis zu einer Verkleinerung der Zugewinndifferenz zwischen den Eheleuten um 400 TDM. Dadurch verringert sich die Ausgleichsforderung - also die halbe Zugewinndifferenz - genau um 200 TDM, den Wert der Zuwendung. Die Ausgleichsforderung, die der Ehefrau ohne die Zuwendung zugestanden hätte, wird also auch ohne zusätzliche Anrechnungsbestimmung um das gekürzt, was bereits im Vorfeld zugewendet worden ist: Der Rechenmechanismus des Zugewinnausgleichs führt hier zu einer automatischen Anrechnung. 121 Findet eine Anrechnung also von alleine statt, darf folglich die Anrechnung nach § 1380 auch zu keinem anderen Ergebnis führen, als es der normale Zugewinnausgleich bietet. Anderenfalls würde eine Zuwendung doppelt angerechnet. Der § 1380 errechnet durch die Anweisung in Absatz 2 erst die fiktive Ausgleichsforderung, wie sie ohne Zuwendung bestanden hätte. Anschließend wird davon der Zuwendungswert als bereits erfolgte Vorableistung abgezogen. Solange der Zugewinn des Empfängers mindestens die Höhe des Zuwendungswertes hat, dieser also im Rahmen des § 1380 Abs. 2 vollständig abgezogen werden kann, ändert die Anrechnung folgerichtig nichts am Ergebnis. Es ist also nicht etwa so, daß der § 1380 in der Fallgruppe 1 deshalb wirkungslos wäre, weil keine Anrechnung stattfindet, sondern er ist wirkungslos, weil die Anrechnung bereits stattgefunden hat. Dieser Feststellung wird im 6.Teil bei der Frage nach der Anrechnung auf den Pflichtteil gern. § 2315 122 noch eine entscheidende Bedeutung zukommen. Dabei ist allerdings nicht entscheidend, ob es tatsächlich der konkrete Zuwendungsgegenstand ist, der den Zugewinn des Empfängers noch entsprechend erhöht. Es wurde bereits eingangs festgestellt, daß das Schicksal einzelner Vermögensge120 Siehe oben S. 37 ff. 121 Dies wurde bereits oben auf S. 37 ff. kurz skizziert. Ebenso Reinickel1iedtke WM 1982, 946 (949); v. Olshausen FamRZ 1978, 755 (759 ff.). Es kommt jedoch nicht zu einem "automatischen Ausgleich ", wie Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 29 schreibt. Der Ausgleich erfolgt gern. der gesetzlichen Regelung des § 1372 ff., lediglich die Anrechnung der Zuwendung erfolgt innerhalb dieses Ausgleichs automatisch. 122 Siehe unten S. 228 ff.

C. Vergleich der Auslegungsmöglichkeiten: Fallgruppen I und 2

\05

genstände im Zugewinnausgleich gerade nicht von Interesse ist. Da die Zuwendung feststeht und der Blick auf die Entwicklung des Vermögensgegenstandes versperrt ist, muß solange von einer Erhöhung des Zugewinns durch die Zuwendung und damit von einem automatischen Ausgleich ausgegangen werden, wie sich das Gegenteil nicht aus den für den Ausgleich relevanten Daten ergibt. Letzteres ist aber nur dann der Fall, wenn der Zugewinn des Empfangers hinter dem Zuwendungswert zurückbleibt. Solange der Zugewinn aber mindestens die Höhe der Zuwendung hat, wird im Zugewinnausgleich unterstellt, diese Erhöhung beruhe auf der Zuwendung. Daher ändert § 1380 in diesen Fällen auch dann nichts am Ergebnis, wenn der Zuwendungsgegenstand in Wirklichkeit ersatzlos untergegangen ist. Denn dieses Faktum spielt im Rahmen des Zugewinnausgleichs keine Rolle. 123 Damit ist schon an dieser Stelle eines festzustellen: § 1380 wird jedenfalls in der Fallgruppe 1 nicht dafür benötigt, Zuwendungen unter Ehegatten im Zugewinnausgleich überhaupt zu berücksichtigen. Dies geschieht in diesen Fällen im Rahmen der pauschalen Betrachtung des ehelichen Vermögens vielmehr automatisch. Nicht die Anrechnungsbestimmung verhindert hier, daß der Zuwendungsempfanger doppelt am Zugewinn des Ehegatten beteiligt wird,124 sondern dies ist bereits die Folge des Ausgleichssystems.

11. Fallgruppe 2 (Vorwegleistung mit Wertverlust im Empfängerzugewinn) 1. Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung a) Beispielsfall 2 Wie Grundfall haben beide Eheleute ein Anfangsvermögen von 200 TOM. Der Ausbau des Hauses der Ehefrau wird wiederum mit 200 TOM vom Ehemann finanziert. Anders als im Grundfall beginnt jedoch in geringer Entfernung zu dem Grundstück der Eheleute der Bau einer großen Ortsumfahrung. Wegen der zu erwartenden Lärmbelästigung fallen die Grundstückspreise in diesem Ortsteil. Daher hat das Grundstück der Ehefrau trotz des Hausausbaus am Ende der Ehe statt 400 TOM nur noch einen Wert von 250 TOM. Das Endvermögen des Mannes beträgt weiterhin 600 TOM.

123 A.A. jedoch Johannsenl Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 14 f., der im Rahmen des § 1380 Abs. 2 keinen Abzug beim Endvermögen des Empfangers vornehmen will, wenn sich der Zuwendungsgegenstand nachweislich nicht mehr darin befindet. Ebenso Soergel-Lange § 1380 Rn. 13. Dies widerspricht aber dem ausdrücklichen Zweck des Zugewinnausgleichs, der gerade vermeiden soll, daß jenseits der Stichtage von Anfangs- und Endvermögen eine genaue Untersuchung der Vermögensentwicklung der Eheleute vorgenommen wird. Diese Ansicht ist daher abzulehnen. Sie führt auch an anderer Stelle zu widersprüchlichen Ergebnissen, siehe unten S. llO ff. 124 Dies wird oft als Regelungszweck des § 1380 genannt, siehe z. B. Soergel-Lange § 1380 Rn. 2; Schwab Handbuch Teil VII Rn. 150.

106

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

b) Vergleichsgröße: Ausgleich ohne Anrechnung

Wird der Zugewinnausgleich ohne Anrechnung der Zuwendung durchgeführt, kommt es zu folgender Rechnung: Ehemann

Ehefrau

200

Anfangsvennögen Zuwendung Endvennögen Zugewinn Ausgleichsforderung

200 200

-+

600 400

250 50 175 TOM

Im Vergleich zum Grundfall hat sich nur das Endvennögen der Ehefrau verändert. Es beträgt nun lediglich 250 TDM. Daher hat die Ehefrau einen Zugewinn von 50 TDM erzielt, während der Zugewinn des Ehemann weiterhin 400 TDM beträgt. Ohne Anrechnung ergibt dies eine Zugewinndifferenz von 350 TDM und damit einen Ausgleichsanspruch der Frau in Höhe von 175 TDM. c) Ausgleich mit Anrechnung

Da sich ohne die Anrechnung ein Ausgleichsanspruch für den Zuwendungsempfänger ergibt, ist § 1380 nach der h.M. anwendbar. Wird die Anrechnung durchgeführt, erhöht sich der Zugewinn des Ehemanns durch § 1380 Abs. 2 auf 600 TDM. Bei der Ehefrau wird nun das Endvennögen um den Zuwendungswert auf 50 TDM reduziert und liegt so unter dem Anfangsvennögen. Da es aber einen negativen Zugewinn gern. § 1373 125 nicht geben kann, wird dieser lediglich auf Null reduziert. 126 Es ergibt sich eine Zugewinndifferenz von 600 TDM und eine fiktive Ausgleichsforderung von 300 TDM für die Frau. Auch die Alternativlösung kommt daher zur Anrechnung der Zuwendung: Ehemann Anfangsvennögen Zuwendung Endvennögen Zugewinn fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsforderung

Ehefrau

200

200 200

600 400 600

-+

250 50 0(- 150) 300 ./.200 100 TOM

125 Zugewinn ist nur der Betrag, um den das Endvennögen eines Ehegatten das Anfangsvennögen übersteigt. 126 Dies darf nicht verwechselt werden mit der nonnativen Beschränkung der Anrechnung durch die h.M. auf einen Abzug der Zuwendung bis Null. Hier geht es ausschließlich um die Frage nach der Höhe des der Berechnung zugrundezulegenden Zugewinns.

D. Die Funktion des § 1380

107

Von den 300 TDM wird nun der Zuwendungswert abgezogen, so daß sich die Ausgleichsforderung der Ehefrau auf 100 TDM reduziert.

2. Analyse Anders als in der Fallgruppe I ändert sich also in der Fallgruppe 2 durch die Anrechnung das Ergebnis des Zugewinnausgleichs. Die Ausgleichsforderung der Ehefrau wird verkleinert. Hätte sie ohne Anrechnung eine Ausgleichsforderung von 175 TDM gehabt, wird diese durch die Anrechnung um 75 TDM auf 100 TDM reduziert. Dieses Wirkung ist unabhängig davon, welcher Interpretation des § 1380 man folgt. Nach beiden Auslegungen kommt man zum selben Ergebnis. Da insoweit trotz der unterschiedlichen Auslegungen des § 1380 Einigkeit im Ergebnis herrscht, das zudem von der Lösung ohne Anrechnung abweicht, bietet es sich an, anhand eines Vergleichs der Fallgruppen 1 und 2 die Frage nach der Funktion des § 1380 zu beantworten.

D. Die Funktion des § 1380 J. Neutralisierung der Wirkung des § 1374 Abs. 2? Vor allem in der Zeit vor der Entscheidung des BGH,127 § 1374 Abs. 2 auf unbenannte Zuwendungen und Schenkungen unter Ehegatten nicht anzuwenden, wurde häufig die Meinung vertreten, § 1380 bezwecke lediglich die Neutralisierung der Wirkung, die der Zuwendung durch die Privilegierung gern. § 1374 Abs. 2 zukommt. Während § 1374 Abs. 2 jede Schenkung unter Ehegatten aus dem Ausgleich herausnehme, indem ihr Wert dem Anfangsvermögen des Empfängers zugerechnet wird, würde § 1380 sie wieder in den Ausgleich hineinziehen, wenn es sich um eine anzurechnende Zuwendung handelt. In diesem Sinne argumentierte vor allem Lieb: 128 Der § 1374 Abs. 2 sei zu absolut gesetzt, soweit er auch Schenkungen 129 unter Ehegatten erfasse, weshalb der Gesetzgeber zu der "unnötig komplizierten Regelung" des § 1380 gezwungen gewesen sei. Für Lieb hat die Anrechnungsbestimmung also keinen eigenen materiellen Gehalt. Sie korrigiert nur die Auswirkungen des § 1374 Abs. 2 und sei insoweit Produkt rein konstruktiver Überlegungen. BGHZ 82, 227 und BGHZ 101,65. Lieb Ehegattenmitarbeit S. 126. 129 Damit meinte Lieb jedwede gegenleistungslose Zuwendung unter Ehegatten. Der Begriff der "unbenannten Zuwendung" wurde in Abgrenzung zur Schenkung erst von Lieb selbst als Folge der Schwierigkeiten mit § 1380 und § 1374 geschaffen. 127 128

108

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegauenzuwendungen

Wäre dies richtig, dann könnte man heute tatsächlich auf den § 1380 verzichten. Denn durch die mittlerweile ganz herrschende Nichtanwendung des § 1374 Abs. 2 jedenfalls auf anzurechnende Zuwendungen 130 ist das Bedürfnis entfallen, die Privi legierung wieder zu neutralisieren. Das Ergebnis des Beispiels aus der Fallgruppe 1 scheint diese These zu stützen: § 1380 hat keine Auswirkungen auf das Ergebnis, weil die Anrechnung durch Verzicht auf § 1374 Abs. 2 bereits automatisch erfolgt istYI Lipp meint daher auch, dem § 1380 ohne Anwendung des § 1374 Abs. 2 nichts anderes attestieren zu können, als eine obsolete Norm zu sein;132 Joost sieht in der Vorschrift eine "materiell entbehrliche und unangenehm komplizierte technische Konstruktion" als Folge eines "gesetzgeberischen Mißverständnis". Der Gesetzgeber habe "hier übersehen, daß genau dasselbe Ergebnis eintritt, wenn man § 1380 einfach streicht, da das Ausgleichsrecht schon ganz allgemein dieselbe Rechts/olge enthält". 133 Wäre dies richtig, wäre § 1380 also wirklich überflüssig, dann dürfte die Anrechnung allerdings auch in der Fallgruppe 2 keine Auswirkungen haben. Die Ergebnisse müßten die gleichen sein, wie sie sich ohne die Anwendung der §§ 1374 Abs. 2 und 1380 ergeben. Die Beispiele haben jedoch gezeigt, daß das Gegenteil der Fall ist. Der Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempfängers wurde durch die Anrechnung verringert. Dies spricht prima facie bereits gegen die These von der reinen Neutralisierung des § 1374 Abs. 2 als alleinigem Sinn und Zweck des § 1380. Im Ansatz hat dies auch Lieb erkannt: Privilegierung 134 und Anrechnung ergäben in den Fällen ein Unterschied zur Situation ohne § 1374 Abs. 2 und § 1380, in denen der Zuwendungsempfänger einen Teil der Zuwendung bereits verbraucht hat. 135 Dies sind eben die Konstellationen der Fallgruppe 2. Ohne Anrechnung und Privilegierung ist der Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempfängers größer als mit Anrechnung und Privilegierung. 136 Dies wurde in obigem Beispiel bestätigt. Die Anwendung von § 1374 Abs. 2 und § 1380 137 begünstigt also den Zuwender Siehe dazu bereits oben S. 63 f. Zu diesem Ergebnis kommt auch Lieb in einem Beispielsfall aus der Fallgruppe I, in dem er die Fälle mit § 1374 Abs. 2 und 1380 mit der Situation ohne die Anwendung beider Vorschriften vergleicht, siehe Lieb Ehegauenmitarbeit S. 126. 132 Lipp JuS 1993,89 (91). 133 loost JZ 1985, 10 (14). Auch v. Olshausen FamRZ 1978,755 (756) hält § 1380 für überflüssig, wenn § 1374 Abs. 2 nicht auf Ehegauenzuwendungen anwendbar ist. 134 Dem entspricht der Abzug des Zuwendungswertes vom Empfangerzugewinn innerhalb des § 1380, wie er im Falle der Anrechnung von der h.M. vorgenommen wird. 135 Wobei es genauer heißen muß, daß der Wert der Zuwendung nicht mehr im Zugewinn enthalten ist. Dies ist u. a. der Fall, wenn die Zuwendung verbraucht und kein weiterer Zugewinn erzielt wurde. 136 Beziehungsweise mit Abzug der Zuwendungswertes vom Empfangerendvermögen nach der herrschenden Auslegung des § 1380 Abs. 2. 137 Beziehungsweise nur die Anwendung des § 1380 in der Auslegung des BGH. 130 131

D. Die Funktion des § 1380

109

im Vergleich zum Verzicht auf beide Vorschriften. Eine solche SchlechtersteIlung des Zuwenders (damals traditionell des Mannes) bei Verzicht auf den Anrechnungsmechanismus könne laut Lieb jedoch .. nicht schrecken, wenn man bedenkt, daß ja auch der Ehemann eine von § J 375 Abs. 2 nur sehr unzulänglich eingeschränkte Verbrauchsmäglichkeit hat; insofern wäre also allenfalls die Gleichheit zwischen den Gatten hergestellt. ,,138 Weil der Mann also praktisch frei über sein Vermögen verfügen kann, soll er es auch hinnehmen müssen, wenn er seine Frau letztlich mehrfach am eigenen Zugewinn beteiligen muß. Der Abschaffung des § 1380 stünde daher nichts entgegen. Der Zugewinnausgleich ist der Sache nach jedoch eine Gütertrennung. Grundsätzlich darf jeder der Ehegatten also auch - mit Ausnahme der Beschränkungen in §§ 1365, 1369 - frei über sein eigenes, selbst mit in die Ehe eingebrachtes oder während der Ehe verdientes Vermögen verfügen. Hier herrscht tatsächlich Gleichheit zwischen den Ehegatten. Die einzige Einschränkung aus Sicht des Zugewinnausgleichs stellt § 1375 Abs. 2 bezüglich illoyaler Vermögens minderungen dar und diese Einschränkung gilt wiederum für beide Ehegatten. Eine von der freien Verfügbarkeit über das selbst erwirtschaftete Vermögen zu trennende Frage ist aber, ob aus der Perspektive des Zugewinnausgleichs auch gleichermaßen frei über das Vermögen verfügt werden kann, welches als Vorableistung auf den Zugewinnausgleich vom anderen Ehegatten stammt. 139 Wenn sich insoweit durch die Anrechnung nach § 1380 andere Ergebnisse ergeben, muß nach dem Grund dafür gefragt werden. Liebs bereitwillige Hinnahme einer Begünstigung des Zuwendungsempfängers hat ihren Ursprung daher weniger in der gesetzlichen Regelung oder ihrer Wertung, als vielmehr in den tatsächlichen Verhältnissen der 60er Jahre: Als Ausgleich dafür, daß die Frau (typischerweise) weniger verdiente, sollte sie im Zweifel durch die Zuwendung zusätzlich bevorzugt werden. Ein derartiger Gedanke ist dem Gesetz jedoch fremd. Er ist zudem kontraproduktiv: Es wurde bereits eingangs festgestellt, daß nur die weitestgehende Sicherheit des Zuwenders vor Benachteiligungen gerade durch die Zuwendung geeignet ist, eine Zuwendung und damit die ehezeitigen Beteiligung des Partners am Zugewinn überhaupt zu fördern. Wenn Lieb die Benachteiligung des Zuwenders hinnimmt, um den Empfänger zu begünstigen, fordert er geradezu die Benachteiligung des nicht verdienenden Ehegatten heraus, weil es so häufig erst gar nicht zur Zuwendung kommen wird. Entgegen Lieb und der genannten anderen kritischen Stimmen im Schrifttum kann also nicht bereits wegen der Ergebnisgleichheit zwischen Anrechnung und Nichtanrechnung bei Nichtanwendung des § 1374 Abs. 2 in der Fallgruppe J auf den § 1380 verzichtet werden,140 sondern aufgrund der unterschiedlichen ErgebLieb Ehegattenmitarbeit S. 126 in Fn. 81. So auch Reinicke 17iedtke WM 1982, 946 (949). 140 Wobei § 1380 durch die erweiterte Auslegung des Abs. 2 alleine eben die Wirkung hat, die vorher im Verbund mit § 1374 Abs. 2 eingetreten war. l3R

139

110

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

nisse in Fallgruppe 2 ist vielmehr von einer über die Neutralisierung des § 1374 Abs. 2 hinausgehenden Funktion 141 auszugehen, die es ausfindig zu machen gilt. Die weitergehende Funktion des § 1380 muß auch im Interesse des Gesetzgebers gewesen sein. Denn ginge es wirklich nur um die Neutralisierung der Wirkungen des § 1374 Abs. 2, wäre § 1380 also tatsächlich nur die Folge rein konstruktiver Überlegungen, hätte das gleiche Ergebnis weitaus leichter dadurch bewerkstelligt werden können, daß § 1374 Abs. 2 von vornherein einschränkend formuliert worden wäre. Man hätte dieser Vorschrift lediglich hinzufügen müssen, daß die Privilegierung dann nicht zu erfolgen habe, wenn dies vom Zuwender angeordnet worden sei oder die Zuwendung den Wert üblicher Gelegenheitsgeschenke überstiegen habe. Allein die Existenz des § 1380 und die Formulierung, daß eine Zuwendung "anzurechnen" ist, zeigen jedoch, daß § 1380 nicht nur eine andere Funktion jenseits der eventuellen Neutralisierung des § 1374 Abs. 2 hat, sondern diese andere Funktion auch von vornherein haben sollte.

11. Ausgleich des Wertverlustes des Zuwendungsgegenstandes (Sachgefahrübergang)? Anknüpfend an die Auswirkung der Anrechnung auf das Ergebnis in der Fallgruppe 2 kommen einige Autoren zu dem Schluß, daß § 1380 das Sachrisiko für den zugewendeten Gegenstand auf den Empfänger übergehen lasse. Der Wert der Zuwendung werde auf einen etwaigen Ausgleichsanspruch des Empfängers unabhängig davon angerechnet, ob sich der Gegenstand zum Zeitpunkt der Beendigung des Güterstandes noch im Vermögen des Empfängers befinde oder nicht. 142 Auf das Schicksal der Zuwendung 143 komme es nicht an, das Sachrisiko l44 bzw. die Sachgejahr 145 gehe auf den Zuwendungsempfänger über. Diesem würde die Gefahr des Verlustes bzw. der Entwertung der Zuwendung aufgebürdet. 146 Von Bedeutung sei § 1380 somit dann, wenn sich der Wert der Zuwendung bis zur Beendigung des Güterstandes verändere. 147 141 So auch BGHZ 101,65 (71); Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 37; Netzer FamRZ 1988, 676 (680). 142 Langen/eid Handbuch Rn. 143; anders aber in Rn. 191, wonach auch der Fall erfaßt sein soll, daß der Wert der Zuwendung durch Verlust von Anfangsvermögen oder Verbindlichkeiten neutralisiert wird. Dies ist aber kein Fall der Sachgefahr mehr! 143 Netzer FamRZ 1988,676 (680); ebenso Holzhauer Familienrecht S. 103; Familiengerichtsbarkeit-Baumeister § 1380 Rn. 33 spricht vom "Risiko des weiteren Schicksals des zugewendeten Gegenstandes ". 144 Johannsen I Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 3. 145 Langen/eid Handbuch Rn. 143. 146 Netzer FamRZ 1988,676 (682), Lüderitz Familienrecht Rn. 376. 147 Ziegler/Mäuerle Familienrecht Rn. 146; Giesen Familienrecht Rn. 316; Schwab FamRZ 1984, 429 (525).

D. Die Funktion des § 1380

111

Grünenwald l48 spricht in diesem Zusammenhang von der "WerterhaItungsfunktion" des § 1380. Diese beruhe auf § 1380 Abs. 2 S. 2. 149 wonach die Zuwendung mit dem Wert angerechnet wird. den sie im Zeitpunkt der Zuwendung und nicht mit dem. den sie im Zeitpunkt des Zugewinnausgleichs hat. Habe die Zuwendung also ihren Wert vollständig verloren. etwa weil sie untergegangen sei. sei sie noch immer mit dem vollen Wert im Ausgleich anzurechnen. Ihr Wert bleibe für den Zugewinnausgleich erhalten.

1. Konsequenzen der Theorie vom Sachgefahrubergang Ließe § 1380 wirklich nur und immer die Sachgefahr auf den Zuwendungsempranger übergehen. würde dies zweierlei bedeuten: • Die Anrechnung dürfte nur dann zu einem anderen. korrigierenden Ergebnis im Vergleich zur Nichtanrechnung fUhren. wenn der Zuwendungsgegenstand (bzw. ein Surrogat) selbst untergegangen ist oder an Wert verloren hat. Ist er dagegen noch vollständig im Endvermögen vorhanden, dürfte sich durch die Anrechnung auch dann keine Veränderung des Ausgleichsanspruchs ergeben, wenn der Zugewinn kleiner ist als der Zuwendungswert - denn das Sachrisiko hätte sich nun nicht verwirklicht. • Voraussetzung für diese Differenzierung der Ergebnisse nach der Existenz des Zuwendungsgegenstands wäre weiter, daß bei jedem durchzuführenden Zugewinnausgleich das Endvermögen des Zuwendungsempfängers danach untersucht werden müßte. ob sich der Zuwendungsgegenstand oder zumindest ein Surrogat noch darin befinden. 150

2. Stellungnahme Eine unterschiedliche Anwendung des § 1380 in Abhängigkeit davon. ob sich der konkrete Zuwendungsgegenstand noch im Endvermögen des Zuwenders befindet oder nicht. ist mit der Konzeption des Zugewinnausgleichs nicht vereinbar. 151 Wie eingangs l52 erläutert, ist es gerade Voraussetzung für die Praktikabilität des Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 35. Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 35, 37. ISO Dies wird ausdrücklich von Johannsen / Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 11 gefordert: Es muß nach der Risikoverteilung .. danach unterschieden werden, ob die Zuwendung in ihrem ursprünglichen Wert am Endstichtag noch im Endvermögen des Empfängers vorhanden ist oder nicht "; ebenso Soergel-Lange § 1380 Rn. 13; kritisch dazu Haussleiter Vennögensauseinandersetzung Rn. 631; Ennan-Heckelmann § 1380 Rn. 7. 151 Ebenso Familiengerichtsbarkeit-Baumeister § 1380 Rn. 10. 33. 152 Siehe oben S. 35 f. 148 149

112

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegauenzuwendungen

Ausgleichsverfahrens, daß es nicht auf das Schicksal eines konkreten Zuwendungsgegenstandes ankommt, bei der Berechnung also nicht danach zu differenzieren ist, weIcher Teil des Endvermögens noch auf die Zuwendung zurückgeht. So ist auch die Privilegierung eines späteren Erwerbs gern. § 1374 Abs. 2 völlig unstreitig nicht davon abhängig, ob sich die Zuwendung oder ein Surrogat noch tatsächlich im Endvermögen des Empfängers befinden. 153 Dies ist die Konsequenz der Beschränkung des Zugewinnausgleichs auf die Betrachtung der relevanten Vermögen zu wenigen Stichtagen. Aber selbst wenn man die Frage nach der Existenz des Zuwendungsgegenstandes oder seines Surrogates bei jeder Ausgleichsberechnung beantworten wollte, trifft es nicht zu, daß § 1380 immer nur dann zu anderen Ergebnissen führt, wenn sich das Sachrisiko verwirklicht hat. Keine Ergebnisänderung dürfte sich beispielsweise durch die Anrechnung ergeben, wenn der Empfänger trotz Werterhalts des Zuwendungsgegenstandes keinen Zugewinn erzielt hat. Denn die Sachgefahr hätte sich in diesen Fällen nicht verwirklicht. Dazu gehören Konstellationen, in denen der Zuwender ein ehemals vorhandenes Anfangsvermögen wertmäßig verloren oder anderweitig Schulden gemacht hat. Daß § 1380 jedoch auch in diesen Fällen den Ausgleichsanspruch des Empfängers vermindert, macht eine Analyse der Berechnungen Jaegers deutlich, der die These von der Sachgefahr am konsequentesten umsetzen will. Eine Herausrechnung des Zuwendungswertes aus dem Endvermögen des Empfängers soll danach im Rahmen des § 1380 Abs. 2 nur dann vorgenommen werden, wenn sich der konkrete Zuwendungsgegenstand oder ein Surrogat noch darin befinden. 154 Soweit er dagegen tatsächlich im Wert gemindert oder gar untergegangen ist, sei er konsequenterweise nicht mehr im Endvermögen vorhanden und dürfe daher auch nicht mehr aus diesem herausgerechnet werden. Denn" würde man in diesen Fällen den ursprünglichen Wert der Zuwendung voll aus dem Endvermögen (und damit aus dem Zugewinn) des Empfängers herausrechnen, würde entgegen der gebotenen Risikoverteilung nicht der Empfänger; sondern der Zuwendende das Untergangsoder bzw. Verschlechterungsrisiko tragen ".155 Ein Beispiel aus der Fallgruppe 1 scheint diese Funktion des § 1380 zu belegen. Hier ergab die Rechnung Jaegers,156 daß sich die Ergebnisse der Anrechnung unterschieden, je nachdem, ob die Zuwendung aus dem Empfangerendvermögen her153 Siehe expressis verbis die Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts, BT-Drucks. 111 224, Anlage S. 44. 154 Johannsenl Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 11; ebenso Soergel-Lange § 1380 Rn. 13, vorsichtig befürwortend auch Staudinger- Thiele § 1380 Rn. 24. Alle anderen Autoren gehen hingegen von einem Abzug des Zuwendungswertes vom Empfangerendvermögen aus, unabhängig davon, ob sich das Sachrisiko verwirklicht hat oder nicht. Es spricht daher einiges dafür, daß sie die These vom Sachgefahrübergang - zu recht - nicht in aller Konsequenz verfolgen. ISS Johannsenl Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 14. 156 Johannsen 1 Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 14.

113

D. Die Funktion des § 1380

ausgerechnet wurde oder nicht. Im ersten Fall blieb es bei dem Ausgleichsanspruch. wie er ohne Anrechnung bestand (automatische Anrechnung), im zweiten wurde dieser um den halben Zuwendungswert verringert. Doch wird das Beispiel Jaegers 157 aus der Fallgruppe I nur leicht zu einem der Fallgruppe 2 abgewandelt, verschwindet die eben festgestellte Differenzierung nach dem Schicksal des Zuwendungsgegenstandes. Hätte Jaeger aber recht und würde § 1380 tatsächlich konsequent für einen Übergang der Sachgefahr sorgen, so müßte sich auch hier ein unterschiedliches Ergebnis ergeben. je nachdem, ob sich das Sachrisiko verwirklicht hat oder nicht: Die Eheleute haben kein Anfangsvennögen. Der Ehemann wendet seiner Frau während der Ehe ein Auto im Wert von 20 TOM zu und bestimmt die Anrechnung. Als die Ehe geschieden wird, hat er Endvennögen von 60 TOM erzielt. Die Frau besitzt zwar noch das Au~o im Wert von 20 TOM, anders als im Beispiel Jaegers hat sie aber außerdem 20 TOM Schulden bei der Bank.

Ohne Anrechnung ergibt sich folgende Ausgleichsberechnung: Ehemann

Ehefrau

0

Anfangsvennögen Zuwendung Endvennögen

0

60

0

Zugewinn

60

0

20 -+

30 TOM

Ausgleichsforderung

Die Ehefrau kann ohne die Anrechnung der Zuwendung 30 TDM von ihrem Mann verlangen. Wäre die These Jaegers richtig, daß § 1380 nur das Sachrisiko regelt, dann dürfte sich hier durch die Anrechnung nichts an dem obigen Ergebnis ändern, denn der Zuwendungsgegenstand befindet sich ja noch im Vermögen der Ehefrau. Ehemann

60

0

Zugewinn fiktiver Zugewinn

60 80

0 0(- 20)

fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsforderung

157

8 Jeep

Ehefrau

Anfangsvennögen Zuwendung Endvennögen

Johannsen / Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 14.

0

0 20

-+

40 ./.20 20 TOM

114

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegauenzuwendungen

Die Frau hat hier keinen Zugewinn erzielt. Im Rahmen des § 1380 ergibt sich ein fiktiver Zugewinn des Ehemannes von 80 IDM. Da das Auto noch mit ungeschmälertem Wert vorhanden ist, muß dieser Wert vom Endvermögen der Frau abgezogen werden. Da sie jedoch ohnehin keinen Zugewinn erzielt hat und dieser gern. § l373 keinen negativen Wert annehmen kann, bleibt der Abzug ohne Auswirkungen. Die fiktive Ausgleichsforderung von 40 IDM wird durch die Anrechnung auf 20 IDM gekürzt. Statt 30 IDM kann die Frau aufgrund der Anrechnung also nur noch 20 IDM fordern. Dieses Ergebnis ist mit der These vom Sachrisikoübergang nicht vereinbar, denn das Auto ist ja noch vorhanden. Das Risiko hat sich nicht verwirklicht. Die Anrechnung dürfte also den Ausgleichsanspruch der Frau nicht kürzen. Dies geschieht aber doch. Auch ergibt sich kein anderes Ergebnis, wenn das Auto tatsächlich untergegangen ist: Abwandlung: Fall wie oben, doch das Auto ist ersatzlos zerstört worden.

Obwohl nun die Zuwendung untergegangen ist und eine Herausrechnung nach Ansicht Jaegers nicht erfolgen darf, ändert sich nichts an dem Ergebnis, das die Anrechnung bringt: Ehemann Anfangsvermögen

Ehefrau

0

0 20

Zuwendung

-+

Endvermögen

60

Zugewinn

60

0

fiktiver Zugewinn

80

0(- 20)

fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsforderung

- 20

40 ./.20 20TDM

Wieder beträgt der Ausgleichsanspruch der Frau durch die Anrechnung 20 IDM. Da der Zugewinn der Frau bereits Null ist, spielt es keine Rolle, ob der Zuwendungswert innerhalb der Anrechnung noch auf Empfängerseite abgezogen wird oder - der Forderung Jaegers entsprechend - nicht. Das Ergebnis bleibt das gleiche. Die Frau hätte also auch nach Jaegers Berechnung jeweils einen Ausgleichsanspruch, der zum einen völlig unabhängig vom Schicksal des Zuwendungsgegenstandes ist und zum anderen den Ausgleichsanspruch der Frau immer kürzt. § 1380 reduziert den Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempfangers also auch dann, wenn sich der Zuwendungsgegenstand noch in dessen Vermögen befindet. Es kann daher nicht auf dessen Schicksal ankommen.

D. Die Funktion des § 1380

115

Diesen Widerspruch vennag die Theorie vom Sachrisikoübergang nicht zu klären, er wird von ihren Vertretern auch nicht gesehen. 158 Dieser Erklärungsversuch ist daher abzulehnen. Das Beispiel bestätigt vielmehr, daß es auf das Schicksal des konkreten Zuwendungsgegenstandes überhaupt nicht ankommt. 159 § 1380 führt daher nicht zum Übergang der Sachgefahr oder des Sachrisikos.

III. Ausgleich des Wertverlustes im Empfängerzugewinn (Wertrisikoübergang) Der wirkliche Zweck des § 1380 wird deutlich, wenn man den Unterschied zwischen den Fallgruppen I und 2 betrachtet. Dieser liegt allein in der Höhe des Empfängerzugewinns. Im Beispiel 1160 hat der Empfängerzugewinn die Höhe der Zuwendung (200 TDM), im Beispiel 2 161 ist er l62 kleiner (50 TDM) als deren Wert. Dennoch ist der Ausgleichsanspruch des Empfängers in beiden Fällen gleich. Er beträgt nach der Anrechnung 100 TDM. Dies wäre selbst dann das Ergebnis, wenn die Ehefrau keinen Zugewinn erzielt hätte. An der Rechnung ändert sich nämlich insofern nichts, als der Zugewinn der Ehefrau fiktiv wieder mit Null angesetzt werden müßte, da es einen negativen Zugewinn nicht gibt. Damit ist folgende Wirkung des § 1380 festzuhalten: Der Ausgleichsanspruch als Ergebnis der Anrechnung ist unabhängig davon, ob der Wert des Empfängerzugewinns den Wert der Zuwendung erreicht oder dahinter zurückbleibt. 163 Der Ausgleichsanspruch ist immer so groß, als hätte der Zuwendungsempfänger noch einen Zugewinn in Höhe des Zuwendungswertes. Es werden also durch § 1380 die Fälle, in denen der Zugewinn des Empfängers kleiner ist als der Zuwendungswert, genau

158 Hier zeigt sich, daß es nötig ist, Lösungsvorschläge nicht nur anhand eines Beispiels zu überprüfen, sondern die Tauglichkeit für alle denkbaren Fallkonstellationen zu untersuchen. Jaeger hatte lediglich ein Beispiel der Fallgruppe I gewählt und hielt seine Theorie allein aufgrund der dort erzielten Ergebnisse für richtig. 159 Hoppenz MittBayNot 1998,217 (219) beschreibt aus Richtersicht die Konsequenzen der Ansicht Jaegers mit treffenden Worten: .. Wie soll den nach zwanzigjähriger Ehe festgestellt werden, daß das noch in glücklichen Zeiten gemachte Geschenk, ganz oder zum Teil, auch nicht mehr als Surrogat vorhanden ist? Müssen wir dann über Jahre hinweg das Schicksal des Geschenks und seiner Surrogate und wieder deren Surrogate verfolgen? Eine Horrorvision'" 160 Siehe oben S. 101 ff. 161 Siehe oben S. 105 ff. 162 Und nicht etwa das Endvermögen, wie Lipp JuS 1993,89 (91) Fn. 29 irrig behauptet. 163 Irrig hingegen Netzer FamRZ 1988,676 (680), der die Regelungswirkung des § 1380 darin erblickt, daß die Berücksichtigung der Zuwendung unabhängig davon möglich sein soll, ob sich die Zuwendung noch im Endvermögen des Empfängers auswirkt. Denn eine Auswirkung im Endvermögen führt dann nicht zu einem Zugewinn und damit zu einer Beeinflussung des Ausgleichsergebnisses, wenn ein entsprechendes Anfangsvermögen vorhanden war.

s'

116

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegauenzuwendungen

so behandelt wie die Fälle, in denen der Empfängerzugewinn genau so groß ist. Hier ist die Funktion des § 1380 zu finden.

1. Wertrisikoübergang I Werterhaltungsfunktion Es wurde bereits bei der Analyse der Fallgruppe I festgestellt, daß der Zugewinnausgleich solange von einer automatischen Anrechnung der Zuwendung ausgeht, wie diese nicht mit den Mitteln des Ausgleichssystems widerlegt wird. l64 Es zeigt sich daher folgender Zusammenhang: • Hat der Zugewinn des Empfängers mindestens die Höhe des Zuwendungswertes (Fallgruppe I), erfolgt die Anrechnung automatisch, die Anrechnung nach § 1380 führt zu keinem anderen Ergebnis. Dies geschieht unabhängig davon, ob es wirklich die Zuwendung ist, die für den Zugewinn sorgt oder anderes während der Ehe verdientes Vermögen. Anders ist es, wenn sich unzweifelhaft ergibt, daß die Zuwendung - gleich aus welchen Gründen - nicht zu einem entsprechenden Zugewinn geführt hat. Dies ist der Fall, wenn der Zugewinn kleiner ist als der Zuwendungswert. Dann erfolgt die automatische Anrechnung aus Sicht des Gesetzes nicht und § 1380 greift korrigierend ein. • Ist der Empfängerzugewinn also kleiner als der Zuwendungswert (Fall gruppe 2), bewirkt § 1380, daß die Ausgleichspflicht des Zuwenders dadurch nicht größer wird. § 1380 simuliert dabei rechtstechnisch das wertmäßige Vorhandensein der Zuwendung im Zugewinn. Der Empfängerzugewinn hat durch § 1380 Abs. 2 immer fiktiv mindestens die Höhe des Wertes der Zuwendung. Der eventuelle Verlust des Zuwendungswertes beim Empfänger wird so innerhalb der Ausgleichsberechnung "negiert", so daß dem Zuwender "der Wert einer einmal gemachten Zuwendung stets als Anrechnungsposten zur Verfügung steht". 165 Anknüpfend an den Gedanken der Risikotragung läßt sich daher folgendes sagen: Der Zuwendungsempfänger trägt zwar nicht das Risiko, daß sich der konkrete Zuwendungsgegenstand oder ein Surrogat nicht mehr in seinem Endvermögen befindet. Er muß jedoch dafür einstehen, daß die Zuwendung seinen Zugewinn nicht mehr erhöht. Nicht das Sachrisiko, sondern das Wertrisiko geht also auf den Zuwendungsempfänger über. l66 Nicht das Risiko, daß die zugewendete Sache an Siehe oben S. 103 ff. Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 34, der allerdings übersieht, daß es auf das Schicksal der ,,Zuwendung" selbst gerade nicht ankommt. 166 Gegen jede Risikotragungsfunktion des § 1380 Schröder FamRZ 1997, I (7), nach dessen Ansicht "das Verlustrisiko von in der Ehe vorhandenen odererwirtschaJteten Vermögenswenen bis zum Stichtag des Ausgleichs eben beide Ehegatten trifft". Da Schröder auch § 1374 Abs. 2 nicht auf Ehegattenzuwendungen anwenden will, bleibt offen, welche Funktion § 1380 nach seiner Interpretation überhaupt noch haben soll. 164

165

D. Die Funktion des § 1380

117

Wert verliert, muß die Ehefrau im Beispiel tragen, sondern das Risiko, daß ihr Vermögen - gleich warum - so an Wert verliert (oder bei anfänglichen Schulden nicht an Wert gewinnt), daß ihr Zugewinn kleiner als der Wert der Zuwendung ist. Damit ist lediglich insofern der Übergang der Sachgefahr eingeschlossen, als der Grund für den geringeren Zugewinn auf Seiten des Zuwendungsempfängers natürlich auch darin liegen kann, daß die konkrete Sache untergegangen ist. Nur macht es keinen Unterschied, wenn lediglich der Wertverlust des Anfangsvermögens bei gleichbleibendem Sachwert zu dem niedrigeren Zugewinn geführt hat oder hinzugekommene Verbindlichkeiten der Grund dafür sind. 167 Damit wird zugleich dem Empfanger die volle Freiheit darüber belassen, wie er sein Vermögen verwaltet, ohne ihm jedoch im Falle der schlechten Wirtschaft einen weiteren Ausgleichsanspruch zu gewähren, ihn also doppelt am Zugewinn des anderen zu beteiligen. Die Anrechnung findet also unabhängig davon statt, wie der Empfänger sein Vermögen verwaltet. 168 Der materielle Grund für diesen Wertrisikoübergang liegt darin, daß es sich bei dem Zuwendungswert nicht um den von ihm selbst erarbeiteten Zugewinn handelt, an dem der Ehegatte bei Werterhalt zur Hälfte zu beteiligen ist, sondern um den von seinem Ehegatten erarbeiteten Zugewinn, an dem er bereits beteiligt wurde. Gab es während der Ehe keine Zuwendungen, ist nach Durchführung des Zugewinnausgleichs jeder Ehegatte selbst für seinen erlangten oder behaltenen Anteil verantwortlich. Da anzurechnende Zuwendungen während der Ehe als vorweggenommener Zugewinnausgleich verstanden werden, werden sie konsequenterweise auch so behandelt, als sei ihr Wert erst nach dem eigentlichen Ausgleich weggefallen. Daher wird der Zuwendungswert im Ausgleich als noch vorhanden fingiert. Dem Vorteil, schon vor Auflösung des Güterstandes - und damit freiwillig - von seinem Partner an dessen Zugewinn beteiligt zu werden, steht also korrespondierend die Gefahr gegenüber, für diesen Wert auch dann noch einstehen zu müssen, wenn er sich nicht mehr als Zugewinn niederschlägt. So ist der Verlust dieses Wertes im Empfangerzugewinn nicht mehr Sache beider Ehepartner, sondern nur noch desjenigen, der die Zuwendung erhalten hat. Insofern ist der von Grünenwald vorgeschlagene Begriff der "Werterhaltungsfunktion,,169 für § 1380 durchaus zutreffend. Jedoch sollen entgegen Grünenwald nicht nur (aber auch) Wertverluste des konkreten Gegenstandes, sondern Wertverluste des Vermögens als solches kompensiert werden, denn der Wert der Zuwendung wird gewissermaßen als ,,Mindestzugewinn" erhalten. Nicht stimmig ist daher auch die Begründung Grünenwaids. Nach seinem Verständnis beruht die Werterhaltungsfunktion allein auf § 1380 Abs. 2 S. 2, I70 wonach die Zuwendung mit 167 A.A. irrtümlich Ludwig FuR 1992, 201 (204): "Die Eheleute IUlften einander gr.undsätzlich nicht wegen Vennögensminderungen. die dazujühren. daß kein oder nur ein venninderter Überschuß zur Verteilung ansteht. .. 168 Ebenso lAngen/eid Handbuch Rn. 191. 169 Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 34. 170 Grünenwald Zuwendungsausgleich s. 35 ff.

118

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

dem Wert angerechnet wird, den sie im Zeitpunkt der Zuwendung und nicht mit dem, den sie im Zeitpunkt des Zugewinnausgleichs hat. Es wurde aber bereits gezeigt, daß es auf den Wert(erhalt) des konkreten Gegenstandes der Zuwendung gar nicht ankam. Relevant ist nur, ob sich dessen Wert überhaupt noch abstrakt als Zugewinn wiederfindet. § 1380 Abs. 2 S. 2 sorgt nunmehr zusätzlich dafür, daß das Risiko nur für den Wert getragen wird, den die Zuwendung zum Zeitpunkt ihrer Vornahme hatte und nicht etwa für den Wert zum Zeitpunkt der Scheidung. Ware es anders, könnte der geschickte Umgang mit einem zugewendeten Aktiendepot dem Empflinger im Falle anderweitiger Schulden noch zum Nachteil werden, 171 ein Börsencrash hingegen zum Vorteil. 172 Der Begriff "Werterhaltungsfunktion" ist also zutreffend, soweit er zum Ausdruck bringt, daß der Wert der Zuwendung fiktiv im Zugewinn des Empfängers erhalten bleibt. Denn wenn es auf das Endergebnis keinen Einfluß hat, ob der Empfängerzugewinn noch den Wert der Zuwendung hat oder nicht, dann wird der Empfänger offensichtlich vom Gesetz so behandelt, als sei der Zuwendungswert noch im Zugewinn erhalten. Durch § 1380 wird also der Wert der Zuwendung als unveränderlicher Berechnungsfaktor für den Zugewinnausgleich erhalten. 173 Es bleibt abschließend zu verdeutlichen, was dieser Werterhalt in bezug auf den Halbteilungsgrundsatz des Zugewinnausgleichs im Ergebnis bewirkt.

2. Die paritätische Beteiligung am Nettozuerwerb Der Zugewinnausgleich bezweckt grundSätzlich die paritätische Verteilung des während der Ehe erzielten und bei Beendigung des Güterstandes noch vorhandenen Zugewinns auf beide Ehegatten. 174 Wer am Ende der Ehe den höheren Zugewinn erzielt hat, soll die Hälfte des Mehrbetrages seinem Partner geben. Dies trifft im Beispiel der Fallgruppe 1 zu. Vom erhaltenen Zugewinn von 600 TDM erhalten beide Ehegatten 300 TDM. Anders jedoch im Beispiel der Fallgruppe 2. Hier beträgt der Zugewinn am Ende der Ehe lediglich 450 TDM. Von diesem verbleiben dem Ehemann wiederum 300 TDM, die Ehefrau muß sich mit 150 TDM begnügen. Wo liegt der Grund für diese scheinbare Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz? Die heiden Beispiele der Fallgruppen 1 und 2 unterscheiden sich zwar in dem Zugewinn, der am Ende der Ehe vorhanden ist, nicht aber in dem Zuerwerb, den die Ehegatten netto - also originär und nicht durch Zuwendungen des Gatten - erwirtschaftet haben. In beiden Fällen hat der Ehemann 600 TDM hinzuverdient, Er müßte dann das Risiko für einen höheren Wert tragen. Nunmehr würde das Risiko nur noch für einen geringeren Wert getragen. 173 So auch Langen/eid Handbuch Rn. 187, der jedoch an anderer Stelle (Rn. 143) von Sachgefahrübergang als Zweck des § 1380 spricht. 174 So ausdrücklich BGHZ 101,65 (72). Siehe auch oben S. 34 f. 171

172

D. Die Funktion des § 1380

119

während die Ehefrau keinen Zugewinn erzielt hat. Soweit sie einen Zugewinn hat, ist dies nur der Fall, weil sie von ihrem Mann an dessen Zuerwerb beteiligt wurde. Ist ihr Zugewinn kleiner als der Zuwendungswert, dann hat ihr Vermögen nach der Zuwendung an Wert verloren oder war schon zum Zeitpunkt der Zuwendung überschuldet. Man kann daher sagen, daß es in beiden Fällen während der Ehe einen Nettozuerwerb von 600 TDM gegeben hat. Mit Nettozuerwerb der Eheleute soll im folgenden die Summe der Zuerwerbe beschrieben werden, die die Ehegatten selbst. d. h. nicht durch Zuwendungen des Partners erwirtschaftet haben. Es geht um den Erwerb, der von außen insbesondere durch die Erwerbstätigkeit der Ehegatten (jedenfalls aber nicht durch einen nach § 1374 Abs. 2 privilegierten Erwerb) in die eheliche Lebensgemeinschaft geflossen ist. Dieser Nettozuerwerb geht aus von der Summe der Zugewinne am Ende der Ehe, wobei dem Zugewinn des Zuwenders die Zuwendung hinzuzurechnen ist, während man sie vom Zugewinn des Empfängers abzuziehen hat. Es ist die Summe der fiktiven Zugewinne, wie sie sich gern. § 1380 Abs. 2 errechnen. § 1380 bewirkt nun die paritätische Beteiligung der Ehegatten an diesem Nettozuerwerb. Jedem stehen im Beispiel also 300 TDM zu. Soweit ein Ehegatte bereits während des Güterstandes durch eine Zuwendung am Zuerwerb des Partners beteiligt wurde, muß er sich dies konsequenterweise von seiner Forderung abziehen lassen. Im Beispiel betrug die Beteiligung in Form der Zuwendung 200 TDM. Also müssen der Ehefrau in beiden Fällen noch 100 TDM zustehen.

Im Beispiel der Fallgruppe I verringert sich die Ausgleichsforderung jedoch auch ohne Anrechnung um genau diesen vorab zugewandten Betrag, da die Berücksichtigung der Zuwendung bereits dadurch erfolgt, daß der Zugewinn der Ehefrau die Höhe der Zuwendung hat. Im Beispielsfall der Fallgruppe 2 ist dies anders. Der Zugewinn der Ehefrau ist kleiner als der Wert der Zuwendung. Damit wird die automatische Anrechnung gestört, denn die Zuwendung hat nicht zu einer entsprechenden Erhöhung des Empfängerzugewinns geführt. Ohne die Anrechnungsbestimmung könnte die Ehefrau daher weitere 175 TDM fordern. Sie würde vom Nettozuerwerb 375 TDM erhalten im Gegensatz zu nur 225 TDM, die dem Ehemann von seinem Zuerwerb verblieben. Sie würde zwar paritätisch an dem tatsächlich am Ende der Ehe vorhandenen Zugewinn beteiligt, die paritätische Beteiligung am in der Ehe erzielten Zuerwerb würde hingegen verfehlt. Erst durch die Anrechnung nach § 1380 wird die Ausgleichsforderung der Ehefrau im 2. Beispiel auf 100 TDM reduziert - und zwar unabhängig davon, ob man der Auslegung der Rechtsprechung oder der dem Gesetz näheren Alternativlösung folgt! Die paritätische Beteiligung am erzielten Nettozuerwerb ist wiederhergestellt. Die Ehefrau hat bereits 200 TDM erhalten und bekommt nunmehr nur noch 100 TDM. Dem Ehemann verbleiben 300 TDM. Am Nettozuerwerb werden also beide zur Hälfte beteiligt. Dies entspricht dem Halbteilungsgrundsatz des Zugewinnausgleichs. Dazu folgende Übersicht:

120

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen Beispiel 1

Beispiel 2

Nettozuerwerb

600

600

davon jeder Ehegatte l/2

300

300

Zuwendung + Ausgleich ohne Anrechnung

200 100

200 175

zusammen

300

375

Zuwendung +

200

200

Ausgleich mit Anrechnung

100

100

zusammen

300

300

Beteiligung der Ehefrau am Nettozuerwerb durch:

§ 1380 sorgt daher in der Fallgruppe 2 im Ergebnis unstreitig und unabhängig von dem eingeschlagenen Lösungsweg für die paritätische Beteiligung der Ehegatten am Nettozuerwerb. Wenn der BGH das "Prinzip der ZugewinngemeinschaftH darin erblickt, "daß eine Ausgleichsjorderung - vorbehaltlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1375 Abs. 2 BGB - abhängig ist von dem beim Ende des Güterstandes tatsächlich vorhandenen Zugewinn H, 175 so trifft dies nicht immer zu. Nicht nur § 1374 Abs. 2, sondern auch § 1380 durchbricht den Grundsatz der Halbteilung des vorhandenen Zugewinns. Denn gern. § 1380 Abs. 2 wird die Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers auf Basis des Nettozuerwerbs errechnet, bevor gern. § 1380 Abs. 1 S. 1 die Vorwegleistung in Form der Zuwendung davon abgezogen wird.

Die Anrechnung hat also jenseits einer eventuellen Neutralisierung des § 1374 Abs. 2 einen echten materiellen Charakter und führt mitnichten zu "ungereimten Ergebnissen in den Randbereichen H, wie Rauscher!76 behauptet.

IV. Ergebnis Die Analyse der im Ergebnis weitgehend unstreitigen!77 Fälle der nicht überhöhten Vorwegleistungen hat gezeigt, daß § 1380 das Wertrisiko auf den Zuwendungsempfanger übergehen läßt, indem der Wert der Zuwendung praktisch fiktiv im Zugewinn des Empfc:ingers erhalten bleibt. Dadurch wird im Vergleich zur Situation ohne Anrechnung die paritätische Beteiligung am während der Ehe von den einzelnen Ehegatten autark erzielten Nettozuerwerb wiederhergestellt. 175

BGHZ 101,65 (72).

176

Rauscher AcP 186 (1986), 529 (568).

177 Einzig die oben besprochene Lösung von Johannsen I Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 14 f. weicht von der h.M. ab, da dieser sein Ergebnis danach ausrichten will, ob der Zuwendungsgegenstand wirklich noch im Vermögen des Empfängers vorhanden ist.

D. Die Funktion des § 1380

121

§ 1380 korrigiert also den Grundsatz, daß Grundlage der Ausgleichsberechnung der am Ende der Güterstandes tatsächlich noch vorhandene Zugewinn ist, dahingehend, daß Grundlage der Nettozuerwerb sein soH, also der Zugewinn, wie er ohne die Zuwendung bestanden hätte und wie er sich gern. § 1380 Abs. 2 errechnet. Von diesem Nettozuerwerb wird die hälftige Beteiligung der Eheleute errechnet und die Zuwendung darauf angerechnet.

Die so erfolgte Sicherung der paritätischen Teilhabe ist nur nötig in FäHen, in denen der Zugewinn des Empflingers kleiner ist als der Wert der Zuwendung. In aHen anderen KonsteHationen wird die Zuwendung automatisch durch Erhöhung des Empfängerzugewinns und Verringerung des Zuwenderzugewinns berücksichtigt. Insoweit bedürfte es keiner spezieHen Anrechnungsbestimmung, die Anrechnung erfolgt bereits systemimmanent. Soweit § 1380 aber dennoch anwendbar ist (FaHgruppe 1), ändert die Anrechnung folgerichtig nichts an den erzielten Ergebnissen. Da es nur darauf ankommt, daß der Zugewinn mindestens die Höhe der Zuwendung hat, nicht aber, ob es wirklich die Zuwendung ist, die für den Zugewinn sorgt, läßt sich folgende Wertung des Gesetzes feststeHen: Jeder Ehegatte soH grundsätzlich frei über sein Vermögen verfügen können. Ob er selbst erwirtschafteten Zugewinn oder aber eine Zuwendung seines Partners ausgibt, spielt solange keine RoHe, wie sein Zugewinn mindestens den Wert der Zuwendung hat. Jede weitere Ausgabe wird so behandelt, als entstamme sie dem eigenen Anfangsvermögen oder einer Kreditaufnahme. Der Zuwendungswert wird jedoch fiktiv als Zugewinn erhalten. § 1380 ist daher nicht zur Regelung der FäHe mit Werterhalt nötig, sondern er vermag in Fällen mit Wertverlust die paritätische Beteiligung der Ehegatten am Nettozuerwerb herzustellen. Diese Funktion hat § 1380 völlig unabhängig davon, ob man nun § 1374 Abs. 2 auf Zuwendungen unter Ehegatten anwenden möchte oder mit der h.M. von einer erweiterten Auslegung des § 1380 Abs. 2 ausgeht. Soweit eine grundsätzliche Privilegierung von Ehegattenzuwendungen durch Zurechnung zum Anfangsvermögen (§ 1374 Abs. 2) befürwortet wird, sorgt § 1380 lediglich außerdem dafür, daß diese Privilegierung wieder neutralisiert wird.

Diese Funktion hat § 1380 Abs. 2 ganz unabhängig davon, weIchem der oben beschriebenen Rechenwege man folgt. Denn in den Fallgruppen 1 und 2 ergeben sich zwischen beiden keine Unterschiede, eine Anspruchsumkehr kommt ohnehin nicht in Frage, da der Zuwendungswert niemals größer ist als die hypothetische Ausgleichsforderung des Empfangers. Bei der Betrachtung der restlichen FaHgruppen soll nunmehr geprüft werden, ob und nach weIcher Auslegung § 1380 seiner Werterhaltungsfunktion weiterhin gerecht wird und, soHte dies nicht der FaH sein, ob es einen Grund dafür gibt, von der paritätischen Beteiligung der Eheleute am Nettozuerwerb abzuweichen.

122

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

E. Vergleich der Auslegungsmöglichkeiten anhand der Fallgruppen 3 bis 5 unter Berücksichtigung der Funktion des § 1380 I. Fallgruppe 3 a) (Zuvielleistungen des Ausgleichspflichtigen mit Wertverlust im Empfängerzugewinn) 1. Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung a) Beispiels/all 3 a) Die Eheleute leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft. Der Ehemann geht mit einem Aktienvermögen von 200 TOM in die Ehe. Seine Frau ist Eigentümerin eines kleinen Grundstücks im Wert von 200 TOM. das mit dem Familienheim bebaut ist. Die unteren Räume werden nach einigen Jahren renoviert und das Dachgeschoß wird wegen der Geburt des Sohnes ausgebaut. Die dafür nötigen 200 TOM stellt ausschließlich der Mann zur Verfügung. Der Betrieb des Ehemanns muß jedoch 1985 schließen. so daß er seine Arbeit verliert. Das Aktiendepot hat - anders als im Grundfall - nur einen Wert von 300 TDM und stellt das einzige Vermögen des Ehemanns dar. Das Endvermögen der Ehefrau beträgt daher wegen des durch den Bau der Ortsumfahrung bedingten Wertverlustes des Grundstücks 250 TOM.

b) Vergleichsgröße: Ausgleich ohne Anrechnung

Der Ehemmlfl hat einen Zugewinn von 100 TDM erwirtschaftet. seine Frau nur einen Zugewinn von 50 TDM. Daraus ergibt sich ohne Anrechnung ein Ausgleichsanspruch der Ehefrau in Höhe von 25 TDM. Ehemann

Ehefrau

Anfangsvermögen Zuwendung

200

Endvermögen

300

250

Zugewinn

100

50

0

25

Ausgleichsanspruch

200 200

Nach h.M. ist daher eine Anrechnung durchzuführen.

-+

E. Vergleich der Auslegungsmöglichkeiten: Fallgruppen 3 bis 5

123

c) Ausgleich mit Anrechnung

Der Zugewinn des Ehemanns wird bei der Anrechnung gern. § 1380 Abs. 2 fiktiv auf 300 TDM erhöht, der Zugewinn der Ehefrau verringert sich auf Null, weil das fiktive Endvermögen nun mit 100 TDM kleiner ist als das Anfangsvermögen. Daraus ergibt sich ein fiktiver Ausgleichsanspruch für die Frau in Höhe von 150 TDM, weshalb auch nach der Alternativlösung die Anrechnung durchzuführen ist. Hiervon sind nun die 200 TDM der Zuwendung abzuziehen.

(1) Eingeschränkte Anrechnung Die ZuweQdung kann nach h.M. nicht vollständig angerechnet werden, da ein Abzug über Null hinaus nicht möglich ist. Die fiktive Ausgleichsforderung der Ehefrau wird lediglich auf Null reduziert. Dies bedeutet, daß der Ehemann lediglich keinen weiteren Ausgleich leisten muß. Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsforderung

Ehemann 200

Ehefrau 200 200 -+

300 100 300

0

250 50 0(- 150) 150 ./.200 0(- 50 lDM)

(2) Vollständige Anrechnung Versteht man mit der Alternativlösung hingegen unter Anrechnung den vollständigen Abzug der Zuwendung, ergibt sich ein Anspruch der Ehefrau von minus 50 TDM. Dieser ist als Anspruchsumkehr zu interpretieren. Nicht die Ehefrau hat einen Anspruch gegen ihren Mann, sondern umgekehrt kann der Ehemann seinerseits 50 TDM fordern: Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsforderung

Ehemann 200

Ehefrau 200 200 -+

300 100 300

50lDM

250 50 0(- 150) 150 ./.200 (- 50)

124

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

2. Analyse Wird dieses Ergebnis aus der Perspektive der paritätischen Beteiligung der Eheleute am während der Ehe erzielten Nettozuerwerb betrachtet, ergibt sich folgendes: Vom (hier im Vergleich zu den Fallbeispielen 1 und 2 reduzierten) ausschließlich von Ehemann erzielten Nettozuerwerb (sein Zugewinn plus Wert der Zuwendung) in Höhe von 300 TDM würde die Ehefrau ohne Anrechnung 225 TDM erhalten, nämlich die bereits zugewandten 200 TDM plus weitere 25 TDM Zugewinnausgleichsforderung. Dem Ehemann dagegen blieben nur 75 TDM. Von einer Halbteilung der Zugewinne kann nicht gesprochen werden. Die Ehefrau wird mehrfach am Zugewinn ihres Mannes beteiligt. Dieses Ergebnis konnte in der Fallgruppe 2 durch die Anrechnung verhindert werden. Die Anrechnung in der Form der h.M. reduziert hier jedoch lediglich die Ausgleichsforderung der Ehefrau von 25 TDM auf Null. Der Ehemann seinerseits hat jedoch keinen Ausgleichsanspruch gegen seine Frau. Trotz der Anrechnung hat diese vom Nettozuerwerb immer noch 200 TDM und ihr Mann nur 100 TDM erhalten. Nach dem Halbteilungsgruudsatz hätte beiden aber 150 TDM zugestanden. Trotz der Anrechnung steht der Ehegatte, der dem Partner im voraus zuviel zuwendet, also schlechter da, als er stünde, wenn er die Zuwendung nie gemacht hätte. Die Anrechnung in dieser Form kann keine paritätische Beteiligung des Ehegatten am Nettozuerwerb mehr herstellen, der Zuwendungsempfanger wird überproportional bevorzugt. Obwohl der § 1380 auch nach h.M. anwendbar ist, erftillt er also nicht mehr vollständig die Aufgabe, die er noch in den Fällen der Vorwegleistung mit Wertverlust übernommen hat. Er verhindert lediglich eine weitere Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers. Soweit der Zuwender zuviel im voraus geleistet hat, ist das Wertrisiko nicht auf den Empfänger übergegangen, sondern bleibt auf beide verteilt. Ein anderes Bild zeigt sich, wenn man die alternative Lösung betrachtet. Hier kann der Zuwender seinerseits 50 TDM vom Empfänger fordern. Er erhält auf diese Weise gewissermaßen den Teil der Zuwendung zurück, der über den Ausgleich hinausgeht, den er ohne die Zuwendung hätte leisten müssen. Im Ergebnis haben beide Ehegatten nunmehr 150 TDM vom Zugewinn erhalten. Die paritätische Beteiligung am Nettozuerwerb ist also wie in der Fallgruppe 2 gesichert.

E. Vergleich der Auslegungsmöglichkeiten: Fallgruppen 3 bis 5

125

11. Fallgruppe 3 b) (Zuvielleistungen des nicht Ausgleichsptlichtigen mit Wertverlust im Emprängerzugewinn) 1. Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung a) Beispiels/all 3 b) Der Betrieb des Ehemanns geht wie im vorigen Beispiel 1985 in Konkurs. Außerdem erreicht die Börse einen Tiefstand, so daß der Mann am Ende der Ehe einzig das Aktiendepot im Wert von lediglich 200 TDM besitzt. Der Wert des Grundstücks der Ehefrau beträgt wegen der Ortsumfahrung weiterhin 250 TDM.

b) Ausgleich ohne Anrechnung

Der Ehemann hat keinen Zugewinn erwirtschaftet, seine Frau einen Zugewinn von 50 TDM. Ihm steht daher bereits ohne Anrechnung ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 25 TDM zu. Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn Ausgleichsforderung

Ehefrau 200

200 200 -+ 200

250

0

50

25TDM

Nach herrschender Ansicht ist eine Anrechnung gern. § 1380 nunmehr ausgeschlossen, weil nicht der Empfänger der Zuwendung, sondern der Zuwender Inhaber der Ausgleichsforderung ist. Es bleibt daher bei der Ausgleichsforderung für den Ehemann in Höhe von 25 TDM.

c) Ausgleich mit vollständiger Anrechnung

Anders ist das Ergebnis, wenn man - wie oben erläutert - die Ausgleichsforderung in § 1380 Abs. 1 grundsätzlich unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 berechnet.

126

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen Ehemann

Ehefrau

200

Anfangsvermögen

200 200

Zuwendung

200 0 200

Endvermögen Zugewinn fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung

100 TOM

Ausgleichsforderung

-+

250 50 0(- 150) 100 ./.200 (- 1(0)

Wird der Zuwendungswert dem Zugewinn des Ehemanns hinzugerechnet, hat dieser einen fiktiven Zugewinn von 200 TOM. Ein Abzug beim Zugewinn der Ehefrau reduziert ihren Zugewinn auf Null. Die Zugewinndifferenz von 200 TOM führt zu einer fiktiven Ausgleichsforderung von 100 TOM für die Ehefrau. Damit liegen die Voraussetzungen des § 1380 vor, eine Anrechnung ist vorzunehmen. Der Abzug der Zuwendung von dieser fiktiven Ausgleichsforderung der Ehefrau ergibt ein Ergebnis von minus 100 TOM. Dadurch kehrt sich der Anspruch um, der Ehemann kann nunmehr 100 TOM fordern.

2. Analyse Der (wiederum allein vom Ehemann erzielte) Nettozuerwerb der Eheleute beträgt in dieser Variante nur 200 TOM. Ist nach der h.M. eine Anrechnung nicht möglich, hat der Ehemann einen Anspruch gegen seine Frau in Höhe von 25 TOM. Am Nettozuerwerb wird er also nur mit 25 TOM, sie jedoch - durch die Zuwendung - mit 175 TOM beteiligt. Wieder wird der Halbteilungsgrundsatz des Zugewinnausgleichs durchbrochen und mangels Anwendbarkeit des § 1380 auch nicht wiederhergestellt. Mit Hilfe der Anspruchsumkehr kommt man auch hier zu einem anderen Ergebnis. Der Ehemann kann 100 TOM von seiner Frau fordern, nicht nur 25 TOM. Vom Nettozuerwerb in Höhe von 200 TOM bleiben den beiden Ehegatten also jeweils 100 TOM, die die Ehefrau durch die Zuwendung und der Ehemann durch den Ausgleichsanspruch erhält. Damit ist die paritätische Beteiligung am Nettozuerwerb wiederhergestellt. Das Risiko des Wertverlustes liegt voll bei der Ehefrau, sie muß sich wie in der Fallgruppe 2 so behandeln lassen, als hätte ihr Zugewinn noch die Höhe des Zuwendungswertes, also 200 TOM.

E. Vergleich der Auslegungsmöglichkeiten: Fallgruppen 3 bis 5

127

III. Fallgruppe 4 (Zuvielleistungen mit Werterhalt im Empfängerzugewinn) 1. Berechnung der Zugewinnausgleicbsforderung a) Beispiels/all 4 Beide Ehegatten haben wiederum ein Anfangsvermögen von 200 TDM. Der Mann hat zwar seine Arbeit verloren und die Aktien stehen weiter schlecht, aber der Bau der Ortsumfahrung wird gänzlich aufgegeben. Die Ehefrau hat daher wie im Grundfall ein Endvermögen von 400 TDM, das Endvermögen des Mannes beträgt 200 TDM.

b) Ausgleich ohne Anrechnung

Der Ehemann hat weiter keinen Zugewinn erzielt, während der Zugewinn seiner Frau 200 TDM beträgt. Daraus ergibt sich eine Zugewinndifferenz von 200 TDM und ein Ausgleichsanspruch des Mannes in Höhe von 100 TDM:

Anfangsvermögen

Ehemann

Ehefrau

200

200

Zuwendung

200 -+

Endvermögen Zugewinn Ausgleichsforderung

200

400

0

200

100 TDM

Die h.M. kommt hier wie in Fallgruppe 3 b) nicht zu einer Anrechnung, da der einfache Ausgleich bereits einen Anspruch für den Zuwender und nicht für den Empfänger ergibt. Bei diesem Anspruch soll es bleiben.

c) Ausgleich mit vollständiger Anrechnung

Führt man jedoch die Berechnung des Ausgleichs unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 durch, hat der Ehemann einen fiktiven Zugewinn von 200 TDM, während sich das Endvermögen seiner Frau auf 200 TDM und damit ihr Zugewinn auf Null reduziert. Dies ergibt eine fiktive Ausgleichsforderung der Ehefrau in Höhe von 100 TDM. Die Anrechnung ist also durchzuführen. Das Ergebnis ist minus 100 TDM. Der Ehemann hat als Zuwender einen Anspruch in dieser Höhe gegen seine Frau als Zuwendungsempfängerin.

128

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen Ehemann Anfangsvermögen

Ehefrau

200

Zuwendung

200 200 -+

Endvermögen

200

400

Zugewinn

0 200

200

fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch

0 100

Anrechnung

./.200 100 TOM

Ausgleichsforderung

(- 100)

2. Analyse Es fällt auf, daß sich Ergebnisse zwischen den beiden Lösungsansätzen - und damit zwischen Anrechnung und Nichtanrechnung - nicht unterscheiden. Nach beiden Lösungen hat der Zuwender einen Anspruch gegen den Zuwendungsempfänger in Höhe von 100 TOM. Dieser ergibt sich einmal aus dem Zugewinnausgleich ohne Anrechnung, einmal aus dem Ausgleich mit Anrechnung und Anspruchsumkehr. Der Zuwender erhält damit die Hälfte 178 des Wertes seiner Zuwendung im Rahmen des Zugewinnausgleichs "zurück". Am in der Ehe erwirtschafteten Nettozuerwerb von 200 TOM, den weiterhin nur der Ehemann erwirtschaftet (und vollständig seiner Frau zugewendet) hat, werden beide Ehegatten im Ergebnis zur Hälfte beteiligt. Dabei hatte die Frau zwar im voraus mit den 200 TOM "zuviel" erhalten, muß jedoch aufgrund ihres dadurch erhöhten Zugewinns nunmehr 100 TDM an ihren Mann "zurückzahlen". Der Halbteilungsgrundsatz ist also nach beiden Auslegungsmöglichkeiten eingehalten. Der Fall ähnelt insofern der Fallgruppe I, da hier wie dort der Zugewinn des Empfängers mindestens den Wert der Zuwendung hat, weshalb hier auch von Zuwendungen mit Werterhalt gesprochen wird. Eine "Anrechnung" erfolgt durch die Systematik des Zugewinnausgleichs also auch hier automatisch, nämlich durch die Verringerung des Zuwender- und eine entsprechende Erhöhung des Empfängerzugewinns. Daher ergibt sich durch die Anrechnung nach § 1380 auch kein abweichendes Ergebnis.

l7R Dies ist allerdings eher zufällig. Wäre der Zugewinn der Ehefrau größer gewesen, hätte der Ehemann auch mehr als die Hälfte "wieder"bekommen. Dies zeigt, daß mit den Fallgruppen von Reiniclce I Tiedtke WM 1982, 946 (952 f.) nichts ausgesagt und nichts bewiesen werden kann.

E. Vergleich der Auslegungsmöglichkeiten: Fallgruppen 3 bis 5

129

IV. Fallgruppe 5 (Fehlleistungen mit Werterhalt im Empfängerzugewinn) 1. Berechnung der Zugewinnausgleichsforderung a) Beispiels/all 5 Wiederum beträgt das Anfangsvermögen der Eheleute jeweils 200 TOM. Die Straße wird nicht gebaut. der Ehemann behält seine Anstellung und seine Frau macht selbst Karriere in der Bank. Daher beträgt das Endvermögen des Mannes wie im Grundfall 600 TOM. während das Endvermögen der Ehefrau auf 1.200 TOM angewachsen ist.

b) Ausgleich ohne Anrechnung Der Ehemann hat einen Zugewinn in Höhe von 400 TDM erzielt. seine Frau einen Zugewinn von 1.000 TDM. Von der Zugewinndifferenz erhält er die Hälfte. also 300 TDM. Eine Anrechnung scheidet daher nach h.M. aus, da die Ehefrau als Zuwendungsempfangerin nicht Gläubigerin der Ausgleichsforderung ist.

Anfangsvermögen

Ehemann

Ehefrau

200

200 200

Zuwendung

-+

Endvermögen

600

1.200

Zugewinn

400

1.000

Ausgleichsforderung

300 TOM

Auch die Altemativlösung kommt hier nicht zu einer Durchführung der Anrechnung. Denn selbst unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 ergibt sich eine (fiktive) Ausg1eichsforderung für den Zuwender; nunmehr in Höhe von lediglich 100 TDM: Ehemann Anfangsvermögen

200

200 200

Zuwendung

-+

Endvermögen

600

1.200

Zugewinn

400

1.000

fiktiver Zugewinn

600

800

fiktiver Ausgleichsanspruch 9 Jeep

Ehefrau

100 TOM

130

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

Es fehlt also an der (fiktiven) Ausgleichsforderung des Zuwendungsempjängers, auf die angerechnet werden könnte. Die Anrechnung ist abzubrechen, es bleibt auch nach der Alternativlösung beim Anspruch des Ehemanns in Höhe von 300 TDM.

2. Analyse Auch hier entsprechen die Ergebnisse dem Halbteilungsgrundsatz. Insgesamt haben die Ehegatten 1.400 TDM erwirtschaftet, wovon 600 TDM auf den Ehemann und 800 TDM auf die Ehefrau entfielen. Nach Durchführung des Zugewinnausgleichs haben beide davon 700 TDM erhalten, wobei der Ehemann während der Ehe eine aus der Sicht des Zugewinnausgleichs fehlgeleitete Zuwendung in Höhe von 200 TDM gemacht hatte, weshalb er nunmehr 300 TDM von seiner Frau verlangen kann. Wieder erfolgte die ,,Anrechnung" der Zuwendung aber automatisch, weil sie rechnerisch noch im Empfängerzugewinn enthalten ist. Der Fall unterscheidet sich insofern nicht von den Zuvielleistungsfällen. Der Unterschied zur Fallgruppe 4 liegt lediglich darin, daß der Empfänger auch ohne die Zuwendung der ausgleichspflichtige Ehegatte gewesen wäre. Damit scheidet auch schon begrifflich die Anrechnung auf eine (fiktive) Ausgleichsforderung gegen den Zuwender aus, weil dieser immer ausgleichsberechtigt ist bzw. es auch ohne die Zuwendung gewesen wäre. Es läßt sich daher nicht von einer vorweggenommenen Erfüllung des Zugewinnausgleichs sprechen. Dies schlägt sich in der Anwendung des § 1380 nieder, die konsequenterweise nach allen Lösungsvorschlägen abzulehnen ist, weil sich auch unter Einbeziehung der Rechnung des Absatz 2 keine Ausgleichsforderung des Empfangers ergibt. Alle Ansichten kommen hier zum gleichen, richtigen Ergebnis: Der Halbteilung des in der Ehe erzielten Zugewinns.

F. Bewertung der beiden Auslegungsmöglichkeiten anhand der Funktion des § 1380 Die Analyse der unstreitigen 179 Ergebnisse des § 1380 in der FalIgruppe 2 hatte ergeben, daß es der Zuwendungsempfänger ist. der durch die Anrechnung das Risiko trägt. am Ende der Ehe trotz der Zuwendung einen Zugewinn zu haben. der kleiner ist als der Zuwendungswert. Das Wertrisiko geht mit der Zuwendung auf ihn über. Dadurch wird die paritätische Beteiligung beider Ehegatten am während der Ehe erwirtschafteten Nettozuerwerb - in Abweichung von der Halbteilung des 179

A.A. alleine die oben diskutierte Ansicht von Johannsen/Henrich-Jaeger § 1380

Rn. 14 f.

F. Bewertung anhand der Funktion des § 1380

131

am Ende der Ehe noch vorhandenen Zugewinns - sichergestellt. Der Zuwendungsempfänger wird im Zugewinnausgleich so behandelt, als hätte er noch einen Zugewinn in Höhe des Zuwendungswertes. Dieses Ziel wird in der Fallgruppe 3, also den Fällen einer Zuvielleistung mit Wertverlust, von der Lösung der h.M. nicht erreicht. In der Fallgruppe 3 a) soll die Anrechnung zwar durchzuführen sein, sie verhindert aber lediglich einen weiteren Anspruch des Zuwendungsempfängers, der ohnehin schon "zuviel" im voraus erhalten hat. Denn der Anspruch, der dem Empfänger im einfachen Ausgleich zusteht, wird durch die Anrechnung nur auf Null verkürzt, führt jedoch nicht zu einem eigenen Anspruch des Zuwenders. In der Fallgruppen 3 b) soll § 1380 hingegen nicht anwendbar sein. So ergibt sich zwar meist - wenngleich nicht notwendigerweise 180 - wenigstens im einfachen Ausgleich ein Anspruch für den Zuwender. Dieser führt jedoch regelmäßig nicht zu einer paritätischen Beteiligung des Zuwenders am ehelichen Nettozuerwerb. Die Höhe eines eventuellen ,,Rückforderungs"anspruchs 181 ist vielmehr abhängig von der Höhe des noch beim Empfänger vorhandenen Zugewinns. Je weiter dieser unterhalb des Zuwendungswertes liegt, desto größer wird die Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz. Dessen Einhaltung ist daher - anders als in der Fallgruppe 2 - von der zufälligen Entwicklung des Empfängervermögens abhängig. Mehr noch: Die Verschlechterung der Verhältnisse auf Seiten des Empfängers kann sogar selbstverschuldet sein. Das Risiko, dadurch im Vergleich zur Situation ohne Zuwendung benachteiligt zu werden, weist die h.M. dem Zuwender zu. In den Fallgruppen 4 und 5, in denen der Zugewinn des Zuwendungsempfängers mindestens den Wert der Zuwendung hat, kommt die h.M. dagegen auch ohne Anrechnung zu einer paritätischen Aufteilung des Nettozuerwerbs. Es ist also festzuhalten, daß die Lösung der h.M den Halbteilungsgrundsatz in den Fällen der Zuvielleistung mit Wertverlust (Fallgruppe 3) aufgibt. Der Zuwendungsempfänger wird bevorzugt, der Zuwender benachteiligt. Die Altemativlösung hingegen führt in allen Fallgruppen zu konsistenten Ergebnissen. Während sich ihre Resultate in den Fallgruppen 1, 2, 4 und 5 nicht von denen der h.M. unterscheiden, erreicht sie durch die Anrechnung mit Anspruchsumkehr auch in den Varianten der Fallgruppe 3 die Sicherung der paritätischen Beteiligung der Ehegatten am Nettozuerwerb. Soweit der Zugewinn des Zuwendungsempfängers nicht mehr die Höhe des Zuwendungswertes hat, sorgt § 1380 auch hier dafür, daß er sich dennoch so behandeln lassen muß, als wäre dies noch der Fall. Konsequenterweise kann diese Fiktion dazu führen, daß sich nunmehr ein Anspruch für den Zuwender ergibt. Die einzige Grenze zum Schutz 180 Nämlich dann nicht, wenn weder Zuwender und Zuwendungsempfanger den gleichen Zugewinn erzielt haben. 181 Dieser Terminus wird häufig gebraucht, er ist jedoch ungenau. Denn es wird nicht etwa eine konkrete Leistung zurückgefordert, sondern es entsteht ein Zugewinnausgleichsanspruch für den Zuwender, über den er rein wertmäßig am Zugewinn des Gatten beteiligt wird und nur so wieder etwas von dem Wert zurückerhält, den er ursprünglich selbst erwirtschaftet hat.

9'

132

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

des Zuwendungsempfängers stellt § 1378 Abs. 2 dar. Dieser begrenzt die Höhe der Ausgleichsforderung "durch den Wert des Vermögen ( ... ). das nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstandes vorhanden ist". Nur insoweit kann es also sein, daß der Zuwender, der zuviel zugewendet hat, letztlich doch schlechter steht, als er ohne die Zuwendung gestanden hätte. Nur insoweit wird der Grundsatz der paritätischen Beteiligung der Ehegatten am Nettozuerwerb durchbrochen. Die alternative Lösung bietet das homogenere Bild. Sie allein setzt die Funktion des § 1380 konsequent in allen denkbaren Fällen um. Immer dann, wenn der Zugewinn des Empfängers der Zuwendung kleiner ist als deren Wert, sorgt § 1380 für die Wiederherstellung der paritätischen Beteiligung der Ehegatten am Nettozuerwerb in der Ehe. Der Halbteilungsgrundsatz des Zugewinnausgleichs kommt so immer zur Geltung, gleich ob der Zuwender im voraus weniger oder mehr zugewandt hat, als er im Zugewinnausgleich hätte zuwenden müssen; und gleich auch. ob der Zugewinn des Empfängers noch eine entsprechende Höhe hat. Das Wertrisiko eines von ihnen während der Ehe selbst erwirtschafteten Zuerwerbs tragen beide Ehegatten gleichmäßig, das Wertrisiko eines Zuerwerbs, der vom Ehegatten stammt, trägt nur der Empfänger. Daß das Konzept der Anspruchsumkehr, also die Behandlung eines negativen Anspruchs des Empfängers als eigenen Anspruch des Zuwenders, einen zulässigen Rechenschritt darstellt, wird gerade durch den Vergleich der unstreitigen Ergebnisse in der Fallgruppe 4 deutlich. Hier hat der Zugewinn des Empfängers mindestens die Höhe der Zuwendung. Ausgehend von der These, daß § 1380 nur dann korrigierend eingreift, wenn der Zugewinn kleiner ist als der Zuwendungswert, ist es folgerichtig, daß die Anrechnung keine Auswirkung auf das Ergebnis hat. In der Fallgruppe 4 kommen daher beide Ansichten zu den gleichen Resultaten. Die Anrechnung mit Anspruchsumkehr führt also zu dem gleichen Ergebnis. das die h.M. ohne Anrechnung erhält. Wenn aber die Anspruchsumkehr in der Fallgruppe 4 zu allgemein anerkannt richtigen Ergebnissen führt, spricht alles dafür, daß dieser Rechenschritt auch in der Fallgruppe 3 zulässig sein muß. Damit schließt sich der Kreis. Die Fallgruppen 1 und 4 sind insofern parallel, als das Gesetz davon ausgeht, daß die ,.Anrechnung" hier automatisch geschehen ist. § 1380 also wirkungslos bleibt, selbst wenn man die Anrechnung durchführt. 182 Ob es sich bei der Zuwendung um eine reine Vorwegleistung oder aber um eine 182 Haussleiter Vennögensauseinandersetzung Rn. 639 stellt daher im Ergebnis richtig fest. daß "auf die Anwendung von § 1380 BGB von vornherein verzichtet werden kann. wenn feststeht. daß der Zugewinn des Empfängers den hochgerechneten Wert der Zuwendung erreicht. " Dieser eher pragmatischen als dogmatischen Ansicht kann jedenfalls für die Praxis gefolgt werden. - Falsch ist indessen die Auffassung von Lüderitz Familienrecht Rn. 376. wonach man in diesen Fällen "durch Anwendung von § 1374 Abs. 2 auch zu einem Ausgleich gelangen" könnte. Vielmehr käme man alleine durch Verzicht auf § 1380 und § 1374 Abs. 2 zu dem gleichen Ausgleichsergebnis. während die Anwendung des § 1374 Abs. 2 ohne § 1380 ja gerade den Zuwendungswert aus dem Ausgleich eliminieren würde.

G. Gibt es eine Rechtfertigung für abweichende Ergebnisse?

133

Zuvielleistung handelt, spielt daher auch keine Rolle. Insofern war es richtig, die Anwendbarkeit des § 1380 nicht von diesem Kriterium abhängig zu machen, wie es irrtümlich von Schwab gefordert wird. 183 In den Fallgruppen 2 und 3 ist jedoch eine Korrektur erforderlich, weil der Zugewinn des Zuwendungsempfängers kleiner ist als der Zuwendungswert. Diese Korrektur wird durch die Anrechnung erreicht. Es ist kein Grund ersichtlich, wieso nun hier zwischen Vorwegleistung und Zuvielleistung differenziert werden sollte, nachdem dies in den Fallgruppen 1 und 4 ebenfalls keine Rolle gespielt hat. In der Fallgruppe 5 schließlich handelt es sich um eine völlige Fehlleistung, da der Zuwender hypothetisch niemals ausgleichspflichtig gewesen wäre. Insofern ist er aber mindestens in Höhe seiner eigenen Zuwendung selbst ausgleichsberechtigt. Es handelt sich rückblickend bei der Zuwendung nicht um eine vorweggenommene Leistung auf den Zugewinnausgleich, sondern um eine vollständig fehlgerichtete Zuwendung. § 1380 greift daher schon im Ansatz nicht ein. Er muß es auch nicht, da hier niemals ein Wertverlust vorliegen kann. Die umfassende Anwendung des § 1380 entspricht daher gerade der Ratio der Anrechnungsvorschrift. Die Behauptung, diese lasse sich nur solange verwirklichen, als die Zuwendung nicht den Ausgleichsanspruch übersteige, den der Zuwendungsempfänger ohne die Zuwendung hätte,I84 ist daher unzutreffend. Die paritätische Beteiligung der Ehegatten am Nettozuerwerb ist vielmehr dank § 1380 in allen denkbaren Fällen zu erreichen. Diese Lösung fügt sich tatsächlich - ganz im Gegensatz zur Rechnung des BGH I85 - bruchlos in das vom Gesetzgeber zur Durchführung des Zugewinnausgleichsgedankens aus Gründen der Einfachheit und Praktikabilität gewählte schematische, starre Regelungssystem ein.

G. Gibt es eine Rechtfertigung für die vom Halbteilungsgrundsatz abweichenden Ergebnisse der h. M.? Es bleibt zu fragen, ob es überhaupt eine materielle Rechtfertigung dafür gibt, mit der h.M. an einer Auslegung des § 1380 festzuhalten, die das Halbteilungsprinzip des Zugewinnausgleichs scheinbar willkürlich in den Fällen der Zuvielleistung mit Wertverlust durchbricht und zudem der Systematik des § 1380 widerspricht. Gibt es einen Grund, den Zuwender durch eine Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz zu benachteiligen, wenn er im Vorfeld zuviel zugewandt hat und sich die Zuwendung nicht mehr als Zugewinn beim Empfänger bemerkbar macht?

183 184 185

Siehe oben S. 84 ff. Siehe insbesondere Rauscher AcP 186 (1986), 529 (570). Der Johannsen/Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 17 das folgende Lob ausstellt.

134

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

Einige Autoren 186 und auch der BGH 187 gehen davon aus, daß derartige Abweichungen vom Halbteilungsgrundsatz vom Gesetzgeber gewollt, jedenfalls aber hingenommen wurden. Die Mehrzahl der Autoren hält dieses Ergebnis indessen für ungerecht, sucht die Lösung aber außerhalb des Zugewinnausgleichs. 188

I. Vom Gesetzgeber bewußt in Kauf genommene Härten? Reinicke/Tiedtke vertreten die Ansicht, die genannten Abweichungen vom Grundsatz der Halbteilung seien immer hinzunehmen. Auch für einen schuldrechtlichen Ausgleich nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage neben dem Zugewinnausgleich sei in den Fällen der Zuvielleistung mit Wertverlust kein Raum. Begründet wird dies mit der im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit starr und schematisch ausgestalteten güterrechtlichen Regelung. 189 Damit sei es nicht vereinbar, wenn der Ausgleich im Einzelfall aus Billigkeitsgründen abgeändert werden könnte. Der Gesetzgeber habe bewußt Härten in Kauf genommen, weil anderenfalls, wenn es auf eine möglichst sachgerechte Lösung jedes Einzelfalles ankäme, die Richter vor kaum lösbare Aufgaben gestellt würden. Kein Rechtsanwalt könne seiner Partei mehr mit einiger Sicherheit sagen, ob und in welcher Höhe die Gerichte einen Ausgleichsanspruch gewähren würden. Die Folge sei schließlich eine Flut von Rechtsstreitigkeiten. Mit der Rechtssicherheit wäre es vorbei, 190 der Rechtsfrieden wäre gefährdet. 191 Materiell wird dieses Ergebnis damit begründet, daß der Zuwender, wenn die Voraussetzungen hierfür gegeben sind, "die Zuwendung auch dann in vollem Umfang" zurückerhalte, "wenn es im einzelnen Fall billig und gerecht wäre, daß die Frau [als Zuwendungsempjängerin]l92 einen Teil der Zuwendung" zurückbehielte. 193 Genieße der "Mann den guten Tropfen, dann muß er sich damit abfinden, 186 Reinickel1iedtke WM 1982,946, 1iedtke DNotZ 1983, 161 und JZ 1992, 334; ebenso Langen/eid Handbuch Rn. 197. 187 BGHZ 101,65; 115, 132. 188 Siehe nur Kühne FarnRZ 1978, 221 und JR 1982,237 (238); Holzhauer FuR 1995, 268 (272) sowie JuS 1983, 830 (836); Göppinger Vereinbarungen Rn. 520. 189 Reinickel1iedtke WM 1982,946 (953), ebenso 1iedtke DNotZ 1983,161 (164) und JZ 1992,334 (337); Langen/eid Handbuch Rn. 197. 190 Langen/eid Handbuch Rn. 197. 191 1iedtke JZ 1992,334 (337). 192 Einfligung vom Verfasser. 193 1iedtke DNotZ 1983, 161 (163) nennt als eine von drei möglichen Fallgestaltungen die Konstellation, daß sich der Zuwendungswert noch im Zugewinn des Empfängers befindet und dieser zusätzlich einen weiteren Zugewinn in dieser Höhe erzielt hat. Dies ist jedoch keine echte "Fall gruppe", sondern nur ein möglicher Fall von beliebig vielen. Nach der hier benutzten Terminologie handelt es sich vielmehr um ein Beispiel aus der Fallgruppe 5, also der vollständigen Fehlleistung durch einen Ehegatten, der ohne die Zuwendung gar nicht

G. Gibt es eine Rechtfertigung für abweichende Ergebnisse?

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den bösen Tropfen zu schlucken, die Zuwendung also trotz der damit verbundenen Härte ganz im Vermögen seiner Frau belassen zu müssen, wenn diese keinen Zugewinn erzielt hat".194 Der hausarbeitenden Frau ginge es nicht besser, wenn ihre Arbeit nur dazu geführt hat, daß das Endvennögen des Mannes so groß ist wie das Anfangsvennögen. Daher müsse es bei den Ergebnissen bleiben, eine Korrektur sei nicht durchzuführen.

11. Im Zugewinn angelegtes Risiko? Auch der BGH hat zuletzt in seinem Urteil vom 10. 7. 1991 195 in ähnlicher Weise Stellung zu diesen Problemfällen genommen. Danach gelte im Zugewinnausgleich zwar grundsätzlich das "Prinzip hälftiger Ausgleichung", das "auch der Anrechnungsregelung des § J380" zugrunde liege. Doch auch wenn ein Ausgleichsanspruch dahinter zurückbleibe, sei eine Korrektur nicht ohne weiteres geboten, weil sich in gewissen Abweichungen von der hälftigen Beteiligung ein noch normal zu nennendes Risiko verwirkliche, wie es im Zugewinnausgleich angelegt sei und vor dem auch der Ehegatte, der die Zuwendung gemacht habe, nicht völlig bewahrt bleiben könne. 196 In einem früheren Urteil 197 hatte der BGH die Fälle der Zuvielleistung folgendennaßen beurteilt: "Wenn der Schenker ausgleichsberechtigt wird, weist dies im übrigen darauf hin, daß er sich voreilig freigebig gezeigt hat. Wenn er nichts zurückerhält, wird nicht das Prinzip der Zugewinngemeinschaft durchbrochen, daß eine Ausgleichsforderung - vorbehaltlich des Vorliegens des § 1375 Abs. 2 - abhängig ist von dem beim Ende des Güterstandes tatsächlich vorhandenen Zugewinn." 198

Anders soll es lediglich in extremen Ausnahmefällen sein. So läßt der BGH einen Rückgriff auf Ansprüche wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur in Fällen zu, in denen das sich aus dem Zugewinnausgleich ergebende Ergebnis schlechthin unzumutbar ist. 199

ausgleichspflichtig gewesen wäre. Eben deshalb erhält der Zuwender hier den vollen Wert der Zuwendung zurück. 194 1iedtke DNotZ 1983, 161 (165). 195 BGHZ 115, 132. 196 BGHZ 115, 132 (139). 197 BGHZ 101,65. 198 BGHZ 101,65 (72). 199 BGHZ 115, 132 (138 f.) m.w.N. - Siehe dazu auch unten S. 203 ff. bei der Frage, ob im Falle von Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen ausnahmsweise der Rückgriff auf § 242 zulässig ist.

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2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

Auch in der Literatur wird häufig vorgebracht, der Zuwender sei bewußt ein Risiko eingegangen. Habe ein Ehegatte dem anderen eine anzurechnende Zuwendung gemacht, dann habe er damit zum Ausdruck gebracht, daß die Zuwendung dem allgemeinen Schicksal der Ausgleichung im Güterstand unterliege. Er habe durch die Zuwendung das Risiko auf sich genommen, daß die Zuwendung nur im Rahmen der Zugewinngemeinschaft berücksichtigt wird. Könne er sich hierzu nicht entschließen, müsse er von der Zuwendung absehen oder mit dem Ehegatten einen Ehevertrag schließen, der die Regelung enthalte, die er für sachgerecht erachte. 200

IH. Stellungnahme Reinicke / Tiedtke stellen auf Rechtssicherheit und Rechtsklarheit ab, übersehen dabei aber vor allem, daß es ein Unterschied ist, ob im Einzelfall eine Lösung nicht sachgerecht erscheint, oder ob eine ganze Fallgruppe niemals sachgerecht gelöst wird. Für die Lösung eines konkreten Einzelfalls ist der Verweis auf die bewußt pauschale, typisierte Regelung des Zugewinnausgleichs richtig. Weil dessen Konzeption ausdrücklich außer Acht läßt, wieviel jeder der Ehegatten zum Zugewinn des anderen beigetragen hat, kann der Ausgleich im Einzelfall ungerecht sein. Ein anschauliches Beispiel für eine solche Typisierung ist die Regelung, daß das Anfangsvermögen vom Endvermögen bei der Berechnung des Zugewinns auch dann abgezogen wird, wenn es tatsächlich nicht einmal mehr als Surrogat vorhanden ist. Die bereits eingangs angesprochene 201 Begründung des mit dem heutigen Gesetzeswortlaut insofern identischen zweiten Regierungsentwurfs zeigt, daß der Gesetzgeber dieses Problem nicht nur erkannt, sondern die im Einzelfall unbillig erscheinenden Ergebnisse sogar ganz bewußt in Kauf genommen hat: ,,Diese Regelung entspricht grundsätzlich dem Wesen der Ehe als einer Schicksalsgemeinschaft. Sie kann aber im einzelnen Fall zu Härten fUhren. Gehört z. B. dem Mann bei Beginn des Güterstandes ein Haus im Werte von 100 IDM und wird dieses Haus, ohne daß ein Ersatz an seine Stelle tritt, zerstört, so stellt der in der Ehe erzielte Erwerb des Mannes bis zur Höhe von 100 IDM keinen Zugewinn dar. Auch wenn die Frau in erheblichem Umfang zu dem Erwerb des Mannes beigetragen hat, erhält sie insoweit keinen Ausgleichsanspruch. Ihre Arbeit hat ausschließlich dazu geführt, daß der Mann bei der Beendigung des Güterstandes seinen Vermögensverlust ausgeglichen hat. Sie ist bei Scheidung der Ehe auf einen Unterhaltsanspruch und beim Tode des Mannes auf ihr Erbrecht angewiesen. Diese Regelung kann indes nicht als unbillig bezeichnet werden; wenn die Frau an den Werterhöhungen des Anfangsvermögens des Mannes teilnimmt, muß sie ihren Zugewinn auch insoweit einbüßen, als das Anfangsvermögen an Wert verliert oder wertlos wird." 202 200 ReinickelTIedtke WM 1982, 946 (953); auch Rauscher AcP 186 (1986), 529 (574) spricht von einer .. Risikoverteilung zulasten des Zuwendenden", mit der es sein Bewenden habe. 201 Siehe oben S. 35.

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Auch wenn die Verneinung der Unbilligkeit hier alles andere als überzeugend erscheint,203 ist die gewisse Härte, wie sie sich im Einzelfall ergeben kann (aber nicht muß 204 ), vom Gesetzgeber zweifelsohne beabsichtigt gewesen, weil sonst die Einfachheit der Ausgleichsregelung einer Einzelfallprüfung hätte weichen müssen. Und diese sollte mit all ihren unangenehmen Begleiterscheinungen vermieden werden. Ein ganz anderes Problem stellt sich aber, wenn es bei den Zuvielleistungen mit Wertverlust immer zu einer Benachteiligung des Zuwenders kommt. Dies ist die Konsequenz der h.M. in der Fallgruppe 3. Hier geht es nämlich nicht um die Besonderheiten eines Einzelfalles, sondern um die Regelung einer ganzen Fallgruppe. Anders als bei der eben geschilderten Problematik gibt es jedoch keinen Hinweis darauf, daß generelle Abweichungen vom Halbteilungsgrundsatz im Ausgleich angelegt sind. Weder kann die Tatsache der ,,zuvielleistung" einen tragfähigen Grund darstellen, da dies nach h.M. auch in den Fallgruppen 4 und 5 nicht zu einem Abweichen von der paritätischen Beteiligung am Nettozuerwerb führt. Noch kann die Tatsache des "Wertverlustes" für sich genommen die Basis flir ein Abweichen bilden, weil dieser in der Fallgruppe 2 - auch wenn man der h.M. folgt - von § 1380 gerade aufgefangen wird. Es ist daher kaum denkbar, daß die Härte in der Fallgruppe 3 vergleichbar "bewußt" vom Gesetzgeber in Kauf genommen wurde, wie es im Falle der Einberechnung des gar nicht mehr vorhandenen Anfangsvennögens geschehen ist. Denn im Gegensatz zum eben genannten Beispiel läßt sich bei sachgerechter Auslegung des § 1380 eine billige Lösung finden, die zu keiner Einbuße an Rechtsklarheit und -sicherheit führt, diese im Gegenteil sogar noch verstärkt. Nicht die Lösung von Einzelfällen im Sinne einer Billigkeitsjudikatur steht hier in Frage, sondern die Lösung der Problemfälle mit den Mitteln des Zugewinnausgleichs. Es geht hier nicht darum, die Einzelfallentscheidung für den Richter schwieriger werden zu lassen, sondern im Gegenteil um eine gesetzliche Regelung für eine typisierte Gruppe von Fällen. Daher ist auch die Aussage, der Zuwender selbst habe durch die Zuwendung das Risiko auf sich genommen, daß die Zuwendung nur im Rahmen der Zugewinngemeinschaft berücksichtigt wird, nur ein Scheinargument. 205 Denn es geht ja gerade darum, wie dieser Rahmen durch die gesetzliche Regelung ausgefüllt wird. Und

202 Begründung zum Entwurf eines Gesetzes über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts, BT-Drucks. 11/224 (Anlage) S. 44. 203 Der Mann wird einseitig bevorteilt: Das Anfangsvennögen gibt sich leichter aus, als es an Wert gewinnt. Nur wenn der Mann sich beschränkt, kann die Frau beteiligt werden, fUhrt er ein zügelloses Leben, erhält sie nichts. Von einer gesetzlich geregelten Billigkeit läßt sich hier kaum sprechen. 204 Ist das Haus am Ende der Ehe noch vorhanden, erhält die Ehefrau vom dann als Zugewinn zu behandelnden Erwerb des Mannes die Hälfte. 205 Dagegen auch Friedrich JR 1986, 1 (5).

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2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegauenzuwendungen

wie bei der Analyse der FaIIgruppe 2 gesehen wurde, läßt § 1380 das Wertrisiko tatsächlich auf den Empfanger übergehen. Reinicke / Tiedtke widersprechen sich daher selbst, wenn sie zwar einerseits in § 1380 eine Vorschrift zum Schutz des Zuwendungsempfangers erblicken, die dem Zuwender die Zuwendung dadurch erleichtere, daß er kein Risiko eingehe,206 zum anderen aber kurz darauf im selben Beitrag erklären, der Zuwender müsse im Zweifel von der Zuwendung absehen, wenn er das Risiko der Zuvielzuwendung nicht tragen wolle?07 Entweder der Zuwender trägt ein Risiko, dann wird er von der Zuwendung eher absehen und § 1380 wirkt so mittelbar zum Nachteil des anderen Ehegatten, oder aber der Zuwender trägt kein Risiko, was jedoch nur bei der umfassenden Anwendung des § 1380 der FaII ist. Auch das Argument des BGH ist nur eine unbegründete Behauptung: Wo im Zugewinnausgleich das vermeintlich "normal zu nennende Risiko" zu finden sei, bleibt nämlich im Dunkeln. Nur weil sich diese Ergebnisse nach der bisherigen Gesetzesinterpretation ergeben, müssen sie noch nicht in den Zugewinnausgleichsregelungen angelegt sein. Gäbe es den Zugewinnausgleich lediglich in seiner Reinform - also ohne § 1380 und § 1374 Abs. 2 - wäre dem BGH sicherlich zuzustimmen. Die Abweichung vom Prinzip der hälftigen Ausgleichung wäre im System angelegt, man könnte sie als "normal zu nennendes Risiko" bezeichnen. Doch hat es der Gesetzgeber gerade nicht bei der nackten Ausgleichsregelung belassen. Er hat § 1380 eingefügt, der in der Fallgruppe 2 unstreitig zur Anwendung kommt und die hälftige Beteiligung am Nettozuerwerb in den FäIIen wiederherstellt, in denen sie sich nicht von selbst ergibt. Das Risiko der Abweichung vom Halbteilungsprinzip ist in dieser FaIIgruppe also gerade nicht hinzunehmen, es wird vielmehr von § 1380 ausgeschaltet und kann damit nicht mehr als "normal" bezeichnet werden. Wenn dies in der Fallgruppe 2 gilt, dann muß die Frage gesteIIt werden, wieso es ausgerechnet in den Fällen der ZuvieIIeistung mit Wertverlust anders sein soll, nur weil die bisher h.M. hier zu entsprechenden Ergebnissen gekommen ist. Es muß zumindest in Betracht gewgen werden, daß das Gesetz falsch angewendet wird. In diesem Zusammenhang ist es denn auch wenig hilfreich, wenn der BGH den Ehegatten, der seinen Partner während der Ehe am eigenen Zugewinn beteiligt, als "voreilig freigebig ,,208 bezeichnet, ihm also die Verantwortung für den Vermögensverlust beim anderen zuweist. Denn das Wesen der anzurechnenden Zuwendungen ist im Gegensatz zur echten Schenkung gerade, daß der Zuwender gar nicht "freigebig" sein will. Wird ihm ein eigener Anspruch verweigert, führt dies viel-

Reinickel1iedtke WM 1982,946 (949). Reinickel1iedtke WM 1982,946 (953); kritisch dazu auch Göppinger Vereinbarungen Rn. 520 a, der allerdings einen Anspruch nach § 242 befürwortet. 208 BGHZ 101,65 (72), wobei der BGH hier zwar irrig von einer "Schenkung" ausgeht, jedoch § 1380 nur deshalb nicht eingreifen läßt (S. 71), weil "die schenkende Beklagte ausgleichsberechtigt im Sinne des § 1378 Abs. 1 ist. .. 206

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mehr dazu, daß eine Vorwegleistung auf den Zugewinnausgleich zwangsweise zu einer freigebigen Zuwendung, zu einer Ehegattenschenkung wird. Ein Grund, den Ehegatten gerade deswegen zu benachteiligen, weil er dem anderen etwas während der Ehe zugewendet hat, dürfte hingegen nicht zu finden sein?09 Es ist, wie schon die Analyse der Fallgruppe 2 ergab, im Gegensatz zum Standpunkt des BGH vielmehr so, daß neben § 1375 Abs. 2 auch § 1380 das Prinzip der Zugewinngemeinschaft korrigiert, wonach "eine Ausgleichsforderung abhängig ist von dem beim Ende des Güterstandes tatsächlich vorhandenen Zugewinn".210 In § 1375 Abs. 2 werden illoyale Schenkungen für den Ausgleich "zurückgedacht", indem sie dem Endvermögen zugerechnet werden. Nicht der tatsächlich noch vorhandene Zugewinn entscheidet also über die Ausgleichsforderung, sondern der Zugewinn, wie er ohne die betreffenden Verfügungen hypothetisch bestünde. Genau so liegt es dallk § 1380 in den Fällen des Wertverlustes. 211 In der Fallgruppe 2 ist die Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfangers zweifelsfrei nicht von dem tatsächlich vorhandenen Zugewinn abhängig, sondern von dem Zugewinn, der hypothetisch bestünde, wenn die Zuwendung nicht gemacht worden wäre. Einen Grund, warum das Ergebnis in der Fallgruppe 3 anders sein sollte, gibt es nicht. Wenn aber auch in der Fallgruppe 3 der Nettozuerwerb der Eheleute unter Anrechnung der Vorabzuwendung über die Ausgleichspflicht entscheidet, dann muß es zu der Anspruchsurnkehr kommen. Wenngleich also der Grundsatz richtig ist, daß die Eheleute einander nicht wegen Vermögensminderungen haften, die dazu führen, daß kein oder nur ein verminderter Zugewinn zur Verteilung ansteht,212 so wird dieser Grundsatz eben nicht nur durch § 1375 Abs. 2 korrigiert, sondern ebenso durch § 1380. In beiden Fällen "haftet" der Ehegatte für eine bestimmten Vermögenswert. Bei § 1375 Abs. 2 ist dies der Wert der illoyalen Vermögensminderung, bei § 1380 der Wert der anzurechnenden Zuwendung, die er vom Ehegatten erhalten hat. Der Unterschied zwischen den Vorschriften ist jedoch der, daß eine illoyale Vermögensminderung natürlich nur insoweit eine Haftung nach sich zieht, als sie aus dem aufzuteilenden Zugewinn erfolgte, weshalb die Hinzurechnung zum Endvermögen vorzunehmen ist. Demgegenüber muß eine Zuwendung des Ehegatten gewissermaßen als Mindestzugewinn erhalten bleiben, um diese immer vollständig im Ausgleich berücksichtigen zu können. Tiedtkes Schreckensszenario aus allgemeiner Rechtsunsicherheit, ratlosen Anwälten und einer Sturmflut an Prozessen geht daher letztlich am Problem vorbei. Soweit güterrechtsintern alle Fälle einer prognostizierbaren Lösung zugeführt werden können, bedarf es des Rückgriffes auf das Institut des Wegfalls der GeschäftsSo auch Friedrich JR 1986, I (6); Holzhauer JuS 1983, 830 (836). BGHZ 101, 65 (72). 2ll A.A. Ludwig FuR 1992,201 (204 ff.). 212 So Ludwig FuR 1992, 201 (204), der allerdings jenseits von § 1375 Abs. 2 keine Korrektur erblickt. 209

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2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

grundlage und des damit verbundenen Abgleitens in die unsicheren Gefilde der Billigkeitsjurisprudenz gerade nicht. Anstatt die bisherige Interpretation des § 1380 festzuschreiben und Korrekturen rundweg abzulehnen, hätte der Versuch erfolgen sollen, die vorgefundene Regelung neu zu interpretieren. Wenn Gemhuber 13 formuliert, der Gesetzgeber hätte sich nicht dazu entschließen können, eine vollständige Anrechnung in der hier befürworteten Art einzuführen, dann impliziert diese Aussage, daß darüber nachgedacht worden wäre und man sich aufgrund bestimmter Überlegungen gegen einen solchen Anspruch entschieden hätte. Es wurde jedoch bereits gezeigt, daß aufgrund der Geschichte der Zugewinngemeinschaft vielmehr davon auszugehen ist, daß der Gesetzgeber die Fälle der Zuvielleistung insgesamt nicht vor Augen hatte, weil er sie aufgrund des Leitbildes der Hausfrauenehe nicht für akut gehalten hat. Der Ausschluß derartiger Fallgestaltungen dürfte daher unbewußt erfolgt sein. Es finden sich in keinem der Entwürfe und in keiner der Begründungen Anhaltspunkte dafür, daß dieses Problem überhaupt bedacht worden wäre. Soweit das Gesetz also keine unmittelbare Regelung für die Fallgruppe 3 bereitzustellen scheint, kann kaum von einem beredtem Schweigen in dem Sinne gesprochen werden, daß der Gesetzgeber bewußt irgendwelche Härten in Kauf genommen hätte?14 Vielmehr ist es ein unwissendes Schweigen, das weder für noch gegen die bisher gefundenen Ergebnisse der Fallgruppe 3 spricht. 215 Es ist daher festzuhalten, daß es keinen erkennbaren Grund für die Abweichung vom Halbteilungsgrundsatz in den Fällen der Zuvielleistung mit Wertverlust gibt. Die Anrechnungsregelung des Zugewinnausgleichs ist hier offensichtlich in der bisherigen Auslegung lückenhaft. Insoweit ist es nur konsequent, die Wertungen des Gesetzgebers, die sich aus den Ergebnissen der Fallgruppe 2 eindeutig herauslesen lassen, auch auf die Lösung der nicht bedachten Fälle anzuwenden. Genau dies geschieht durch die vollständige Anrechnung mit Anspruchsumkehr?16 Auf diese Weise wird der Zugewinnausgleich tatsächlich nicht von ungünstigen Gegebenheiten auf Seiten des Empfängers beeinträchtigt. 217 Unzutreffend ist es daher, daß dieses Ziel sich "freilich im Rahmen des Zugewinnausgleichs nicht durch Statuierung einer Zahlungspflicht des Empfängers erreichen" lasse. 218 Auch führt die MüKo-Gernhuber I. Auflage § 1380 Rn. 2. Anders aber ausdrücklich Schröder FamRZ 1997, I (7), der jedoch keinen Grund dafür nennt, wieso das Schweigen des § 1380 zur Frage der Zuvielleistungen "beredt" sein soll. 215 Argumente können sich aber aus den geregelten Fallgruppen ziehen, die dann auf Fallgruppe 3 übertragbar sind. 216 Diese Lösung ablehnend jedoch neben den folgenden Schwab Handbuch Teil VII Rn. 173; Grünenwald NJW 1988, 109; Friedrich JR 1986, 1 (4); Giesen Familienrecht Rn. 317; Henrich Familienrecht § 11 14. 217 So auch die Forderung von Holzhauer FuR 1995, 268 (271). 218 Holzhauer FuR 1995, 268 (272). Siehe auch GernhuberlCoester-Waltjen Familienrecht S. 558 f.: ,,§ 1380 ( ... ) kann also dem Normtext zufolge niemals dem Gläubiger der Ausgleichsforderung zugutekommen, der seinen Schuldner bedachte ". 213

214

H. Ergebnis

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Anspruchsumkehr nicht dazu, daß der Empfänger der Zuwendung wegen seiner Zahlungspflicht in die Lage gebracht wird, sich verschulden zu müssen?19 Denn § 1380 stellt keine eigenständige Anspruchsgrundlage dar,22o sondern die Vorschrift modifiziert lediglich - wie § 1375 Abs. 2 auch - die Ausgleichsberechnung nach § 1378 Abs. 1. § 1378 Abs. 2 setzt daher auch der durch die Anspruchsumkehr begründeten Ausgleichsforderung des Zuwenders die entsprechende Grenze.

H. Ergebnis: Vorzug der vollständigen Anrechnung mit Anspruchsumkehr Der Zugewinnausgleich ist somit in seiner bestehenden Form in der Lage, Zuwendungen unter Ehegatten weitestgehend zu berücksichtigen und auch die Problemfalle der Zuvielleistungen angemessen und konsistent zu lösen. Dazu ist zum einen die Anrechnung immer dann durchzuführen, wenn sich unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 S. 1 ein Ausgleichsanspruch für den Zuwendungsempfänger ergibt. Auf das Vorliegen einer Ausgleichsforderung im einfachen Ausgleich nach § 1378 Abs. 1 kommt es hingegen nicht an. Zum anderen hat diese Anrechnung vollständig im Sinne einer "Verrechnung" zu erfolgen. Ist die anzurechnende Zuwendung größer als der so errechnete Ausgleichsanspruch des Empfängers, kehrt sich die Anspruchsrichtung um. In Höhe des negativen Ergebnisses ist nunmehr der Zuwender ausgleichs berechtigt. Dessen Ausgleichsforderung wird lediglich gern. § 1378 Abs. 2 durch das tatsächlich noch vorhandene Vermögen des Zuwendungsempfängers begrenzt, wodurch dem Zuwendungsempfänger ausreichend Schutz gewährt wird. Auf diese Weise sichert § 1380 die paritätische Beteiligung der Ehegatten am während der Ehe erzielten Nettozuerwerb auch dann, wenn die Zuwendung nicht zu einem entsprechenden Zugewinn beim Empfänger geführt hat. Dies gilt auch für die Fälle, in denen ein Ehegatte dem anderen zudem mehr zugewendet hat, als er im Falle des Zugewinnausgleichs hätte zahlen müssen. Es wurde bereits eingangs festgestellt, daß die heutige Form der Partnerschaftsehe zum Zeitpunkt einer Zuwendung kaum verläßliche Prognosen darüber erlaubt, wie sich die Vermögen der Ehegatten in der Zukunft entwickeln, ob eine Zuwendung sich also im nachhinein als Vorab leistung auf den Ausgleichsanspruch, als Zuvielleistung oder gar als Fehlleistung darstellt. Durch § 1380 in der hier vertretenen Auslegung spielt all dies für das Endergebnis keine Rolle. Alle Fälle werden grundsätzlich gleich behandelt. Soweit ein Ehegatte bereits vorab am Zugewinn des anderen beteiligt wird, kann er sich durch den Mechanismus des § 1380 nicht 219 Dies ist einer der Gründe, weshalb Holzhauer FuR 1995, 268 (271) die Möglichkeit einer Zahlungspflicht ablehnt. 220 Aus diesem Grund ablehnend Johannsen/Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 16; Kühne FamRZ 1978, 221 (223).

142

2. Kap.: Anrechnung von einseitigen Ehegattenzuwendungen

mehr darauf berufen, diese Zuwendung würde seinen Zugewinn nicht mehr erhöhen. Er trägt insoweit das Wertrisiko und wird daher so gestellt, als hätte sein Zugewinn noch mindestens die Höhe der Zuwendung. Soweit dabei der Begriff der "Anrechnung" im Sinne einer "Verrechnung" verstanden wird, ist dies durch Sinn und Zweck der Vorschrift gerechtfertigt. Der Wertrisikoübergang und die dadurch erreichte paritätische Beteiligung der Ehegatten am Nettozuerwerb hat sich als tragendes Prinzip der im Ergebnis weitestgehend unstreitigen Fälle der Vorableistung mit Wertverlust (Fallgruppe 2) herausgestellt. Die vollständige "Anrechnung" der Zuwendung überträgt diese Funktion des § 1380 auch auf die Fälle der Zuvielleistungen mit Wertverlust (Fallgruppe 3). Damit ist Lieb widerlegt, der davon ausging, "daß ein gerechter Vennögensausgleich im Falle von Zuwendungen, die den Zugewinn übersteigen, nur dadurch erreicht werden kann, daß man vor der Durchführung des Zugewinnausgleichs die betreffenden Zuwendungen ( ... ) wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage rückgängig macht." 221 Ein Bedürfnis für derartige systemdurchbrechende Ansprüche entfallt nach der hier vertretenen Ansicht jedenfalls in bezug auf einen wertmäßigen Ausgleich. Die nur sehr eingeschränkte Anrechnung von Ehegattenzuwendungen nach der bisher h.M. steht hingegen in Widerspruch zu Systematik und Ratio des § 1380. Soweit die Anrechnung nur erfolgen soll, wenn sich im einfachen Ausgleichs gern. § 1378 Abs. 1 und damit ohne die Korrektur des § 1380 Abs. 2 ein Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempfangers ergibt, ist dies mit der Systematik der Anrechnungsvorschrift nicht in Einklang zu bringen. Die Ausgleichsforderung in § 1380 Abs. 1 S. 1 hat als Grundlage und Voraussetzung für die Anrechnung nur einen Wert - und dieser ergibt sich über § 1380 Abs. 2 S. 1. Die Lösung der h.M. hat sich zudem als pragmatischer Versuch erwiesen, § 1380 in der Fallgruppe 3 b) nicht anwenden zu müssen, wo er vermeintlich einen ansonsten bestehenden Ausgleichsanspruch des Zuvielzuwenders vereitelt hätte. Diese Gefahr bestand jedoch nur deshalb, weil die h.M. eine Anrechnung über Null strikt abgelehnt, bzw. niemals ernsthaft in Betracht gezogen hat. Läßt man diese jedoch mit der Folge einer Anspruchsumkehr zu, dann wird in den betreffenden Fällen ein Anspruch des Zuwenders nicht etwa vereitelt, sondern vielmehr erhöht. § 1380 kann also bedenkenlos in vollem Umfang angewendet werden. Der einzige überzeugende Grund der h.M. für die eingeschränkte Anwendung des § 1380 ist damit entfallen. In der Auslegung der h.M. ist § 1380 zudem nicht geeignet, Ehegatten zu Zuwendungen an den Partner in der Ehe anzuhalten. Ein Ehegatte läuft wegen der nur beschränkten Anrechnungsmöglichkeit Gefahr, durch eine Zuwendung im Zugewinnausgleich schlechter zu stehen, als er ohne die Zuwendung stünde. Das Risiko, durch die eigene Zuwendung lediglich den Verlust des Anfangsvermögens des Partners zu kompensieren, ohne etwas zurückzuerhalten, ist nicht von der Hand zu 221

Lieb Ehegattenmitarbeit S. 129.

H. Ergebnis

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weisen. Die Lösung der h.M. fördert damit nicht die ehezeitliche Beteiligung des Ehegatten am eigenen Zugewinn, sondern verhindert diese sogar. Die Vertreter der h.M. widersprechen damit genau der Funktion, die § 1380 ihrer Meinung nach haben sol1.222 Eine derart unvollständige Berücksichtigung von Ehegattenzuwendungen untergräbt die Legitimation des gesetzlichen Güterstandes und zwingt die Eheleute, Zuwendungen nur unter Vereinbarung von Rückforderungsrechten vorzunehmen. Umgekehrt entspricht die umfassende Anwendung des § 1380 sowohl der Systematik als auch der Ratio der Anrechnungsvorschrift. Die Beteiligung des Ehegatten am eigenen Zugewinn gerät durch sie deutlich risikoloser und damit attraktiver. Das Konzept des Zugewinnausgleichs wird auf diese Weise erst perfektioniert. Schwab hat zum Zugewinnausgleich in Anlehnung an die oft zitierte Feststellung "Iudex non ca1culat" angemerkt: .. Wehe der Gerechtigkeit, wenn er es trotzdem tut!" 223 Im Hinblick auf die Anspruchsumkehr kann dem also nicht gefolgt werden. Der beschwörende Satz müßte vielmehr lauten: .. Wehe, wenn er es nur halb tut!"

222 Siehe beispielsweise Holzhauer JuS 1983, 830 (836); Langen/eid Handbuch Rn. 143; Johannsen / Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 3; Reinicke I Tiedtke WM 1982, 946 (949 ff.). 223 Schwab Brühler Schriften Bd. 9 S. 33 (40).

3. Kapitel

Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 auf Ehegattenzuwendungen Bei der Erläuterung des Zugewinnausgleichs wurde im 1. Kapitell festgestellt, daß zwei Vorschriften geeignet sind, im Falle von Zuwendungen unter Ehegatten in den Ausgleichsmechanismus einzugreifen: Neben § 1380, dessen Umfang und Anwendungzweck soeben herausgearbeitet wurde, ist dies § 1374 Abs. 2. Danach werden dem Anfangsvermögen eines Ehegatten gewisse Vermögenswerte hinzugerechnet, die diesem während des Güterstandes zugeflossen sind. Dazu gehören insbesondere auch Schenkungen. Durch die Hinzurechnung zum Anfangsvermögen verringern diese Zuerwerbe den Zugewinn des Empfangers, sie fließen nicht in den Zugewinnausgleich ein, der andere Ehegatte wird nicht hälftig an ihnen beteiligt, sie werden also privilegiert. Es stellt sich die Frage, ob damit auch unentgeltliche Zuwendungen des Ehegatten erfaßt sind, und wenn ja, welche. Im 2. Kapitee wurde als Prämisse der Ausgleichsberechnung mit der h.M. davon ausgegangen, daß § 1374 Abs. 2 jedenfalls auf anzurechnende Zuwendungen nicht anzuwenden ist. Auch diese Aussage soll nunmehr einer genaueren Prüfung unterzogen werden.

A. Der Stand der Rechtsprechung I. § 1374 Abs. 2 ist auf Ehegattenzuwendungen nicht anwendbar Nachdem man in den frühen Jahren des Zugewinnausgleichs (und damit vor der "Entdeckung" der unbenannten Zuwendungen) die Anwendung des § 1374 Abs. 2 auf Ehegattenschenkungen durchweg bejaht hat,3 lehnt die Rechtsprechung die Siehe S. 40 ff. Siehe S. 63 ff. 3 BGHZ 65, 320 (323 f.); BGHZ 68, 229 (302); siehe auch Dölle Familienrecht 1 § 59 H, S. 799 ff.; Diederichsen Familienrecht S. 46; Henrich FamRZ 1975,533 (537); lohannsen WM 1978,655 (664); v. Olshausen FamRZ 1978,755 (756); Ramm Familienrecht § 45 1 3 d aa; lohn Familienrecht S. 51; Alternativkommentar-Fieseler § 1380 Rn. I - noch heute für die Anwendung des § 1374 Abs. 2 Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 26; Erman-Heckelmann § 1374 Rn. 7 ff. I

2

A. Der Stand der Rechtsprechung

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Privilegierung von Zuwendungen unter Ehegatten mittlerweile rundum ab, egal ob es sich um unbenannte Zuwendungen4 oder um Schenkungen5 handelt. Demnach ist § 1374 Abs. 2 weder auf anzurechnende noch auf nicht anzurechnende Zuwendungen anwendbar. Diese Position ist auch von der Literatur weitgehend 6 anerkannt worden. Im Rahmen des § 1374 Abs. 2 müsse daher auch nicht mehr zwischen den beiden Zuwendungsarten unterschieden werden. 7 Die Diskussion um die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 scheint somit überholt zu seins - ein Irrtum, wie die folgende nähere Betrachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung zeigen wird. Zuerst entschied sich der BGH9 für die Nichtanwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 auf unbenannte Zuwendungen und ließ die Frage nach der Anwendbarkeit auf echte Schenkungen ausdrücklich offen. In diesem Fall ging es - leicht vereinfacht - um die Übertragung des hälftigen Miteigentums des Familienheims durch Ehemann an die Ehefrau. Der Ehemann berief sich hier auf das Vorliegen einer Schenkung, die er widerrief.

Der BGH nahm hier - zu Recht - keine Schenkung, sondern eine unbenannte (anzurechnende) Zuwendung an, da in dem Erwerb eines Familienwohnheims zu hälftigem Miteigentum regelmäßig die Anerkennung eines gleichwertigen Beitrags beider Ehepartner liege. Eine Schenkungswiderruf sei daher ausgeschlossen. Im Rahmen des Zugewinnausgleichs käme man in diesen Fällen zu richtigen Ergebnissen, wobei § 1374 Abs. 2 auf unbenannte Zuwendungen auch dann keine An-

BGHZ 82, 227 (234). BGHZ 101,65 (70). 6 Holzhauer JuS 1983,830 (835); Friedrich JR 1986, 1 (4); Langen/eld NJW 1986,2541 (2542); Graba NJW 1987, 1721 (1726); Conradt Zuwendungen S. 106; Grünenwald NJW 1988, 109 (110) und Zuwendungsausgleich S. 56 Cf.; Lüderitz Familienrecht Rn. 372, Netzer FamRZ 1988, 676 (680); Schellhammer Familienrecht Rn. 668; Schwab Handbuch Teil VII Rn. 112; Johannsen I Henrich-laeger § 1374 Rn. 25; Hohloch JR 1988, 106 (108 f.); Göppinger Vereinbarungen Rn. 502 a; loost JZ 1985, 10 (14); MüKo-Kollhosser § 516 Rn. 63; Jauernig-Schlechtriem § 1374 Rn. 9; Seidl Familienrecht S. 262; 1iedtke JZ 1996,201 (202) und JZ 1984, 1078 (1080); Meister Drittwirkung S. 129; v. Heintschel-Heinegg/Gerhardt Scheidungsrecht Rn. 206 f.; Schrüder FarnRZ 1997, 1 (7); Diederichsen Vermögensauseinandersetzung Rn. 100, 105; Palandt-Diederichsen § 1374 Rn. 22; Wienands DStZ 1995, 15 (16); ArendMittRhNotK 1990,65 (72); KollhosserNJW 1994,2313 (2316). - Für die Anwendung des § 1374 Abs. 2 jedenfalls auf nicht anzurechnende Zuwendungen aber Brüning NJW 1971,922; Henrich FarnRZ 1975,533 (537); lohannsen WM 1978,654 (664); Lieb Ehegattenmitarbeit S. 128; Seutemann Widerruf S. 122 und FarnRZ 1989, 1023 (1026); Kralemann Ehegauenschenkungen S. 78; Soergel-Lange § 1374 Rn. 14; Rauscher AcP 186 (1986), 529 (568); RGRK-Finke § 1374 Rn. 18; Schwab FarnRZ 1984, 525 (526); MüKo-Gernhuber § 1374 Rn. 22. 7 So Schwab Handbuch Teil VII Rn. 112. S Schwab Handbuch Teil VII Rn. 112, der die Frage dennoch unter Rn. 159 ausführlich diskutiert. 9 BGHZ 82, 227. 4

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146

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

wendung finde, wenn es zur Anrechnung nach § 1380 komme. Denn bei unbenannten Zuwendungen handele es sich nicht um Schenkungen, die Voraussetzungen des § 1374 Abs. 2 seien daher nicht erfüllt. 10 In der Literatur wurde aber weitergehend gefordert, daß § 1374 Abs. 2 auch bei echten Schenkungen nicht anwendbar sein sollte. 11 Begründet wird dies vor allem damit, daß die Vorschrift nicht auf Ehegattenzuwendungen passe und vom Gesetzgeber nicht für diese konzipiert worden sei, was sich auch aus der Systematik und den anderen dort geregelten Tatbeständen ergäbe. Nur wenige Jahre später lag dem BGH I2 ein Fall vor, in dem diese Frage zur Entscheidung zu stehen schien. Die Eltern einer in Zugewinngemeinschaft lebenden Ehefrau schenkten ihrer Tochter 1973 einen Bauplatz. Im gleichen Vertrag schenkte die Ehefrau eine ideelle Miteigentumshälfte an den Ehemann weiter. Das gleiche geschah 1976 mit einem Wiesengrundstück und 1979 mit einem Stück Ackerland. Als die Ehe geschieden wurde, stritten die Eheleute um den Zugewinnausgleich, wobei sich der Ehemann darauf berief, die Schenkung der Grundstükke müsse bei ihm zu einer Erhöhung des Anfangsvermögens gern. § 1374 Abs. 2 führen.

Der BGH urteilte hier, daß auch echte Schenkungen unter Ehegatten nicht von § 1374 Abs. 2 erfaßt werden, da dieser ausweislich der Motive des Gesetzgebers nur Zuwendungen Dritter aus dem Zugewinnausgleich nehmen wolle. 13 Dabei übernahm das Gericht die Rechtsauffassung des OLG Frankfurt/M, 14 das die streitigen Miteigentumsübertragungen als Schenkung qualifiziert hatte, mit der Folge, daß § 1374 Abs. 2 auf Schenkungen zwischen Ehegatten ebensowenig anzuwenden sei wie auf unbenannte Zuwendungen.

11. Stellungnahme An dieser Stelle ist einmal mehr die Tendenz der Rechtsprechung zu beobachten, die Einordnung einer Zuwendung als unbenannte Zuwendung oder als Schenkung nur dann den eigenen Kriterien entsprechend vorzunehmen, wenn es - wie in der ersten Entscheidung - um außergüterrechtliche Ausgleichsansprüche geht,15 BGHZ 82, 227 (234). Siehe insbesondere Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 54 ff.; Reinicke I Ttedtke WM 1982,946 (950); Ttedtke JZ 1984, 1078 (1079); Holzhauer JuS 1983, 830 (835); Langen/eid Sonderheft DNotZ 1985, 167 (177); Schwab FamRZ 1984,525 (526 ff.); loost JZ 1985, 10 (14); Göppinger Vereinbarungen Rn. 502 a. 12 BGHZ 101,65. 13 BGHZ 101,65 (70), bestätigt in BGH FamRZ 1988,373 (374), wo es ebenfalls um die ..Schenkung" einer ideellen Grundstückshälfte ging. 14 OLG Frankfurt / Main FamRZ 1987, 62. IS SO war Grundlage der Entscheidung BGHZ 82, 227 der Widerruf der Zuwendung, der es erforderlich machte, das Vorliegen einer Schenkung gemäß der Differenzierung zwischen Schenkung und unbenannter Zuwendung zu verneinen. 10

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A. Der Stand der Rechtsprechung

147

nicht aber, wenn - wie in der zweiten Entscheidung - innerhalb des Güterrechts der Ausgleichsanspruch zu berechnen ist. In letztgenanntem Urteil hat dies zur Folge, daß die betreffende Zuwendung vom OLG Frankfurt/Main l6 als echte Schenkung eingeordnet und diese Einordnung vom BGH auch übernommen wurde. Das OLG ging jedoch zugleich davon aus, die Zuwendung sei anzurechnen. Es wurde aber bereits oben festgestellt, daß die Annahme einer anzurechnenden Schenkung einen Widerspruch in sich darstellt, daß es sich bei anzurechnenden Zuwendungen vielmehr immer um unbenannte Zuwendungen handelt. 17 Es liegt daher schon deshalb die Vermutung nahe, daß es sich in Wirklichkeit auch hier nicht um eine Schenkung im Sinne der materiellen Abgrenzung der Rechtsprechung handelte, sondern - wiederum - um eine unbenannte Zuwendung. Dies wird durch den Vergleich der Sachverhalte bestätigt, die den beiden Urteilen des BGH zugrunde lagen. Die Frage war in beiden Fällen, ob die unentgeltliche Übertragung eines Miteigentumanteils an einem Grundstück beim Empfänger nach § 1374 Abs. 2 zu privilegieren ist. Es ging also um das gleiche Problem und auch um die gleiche Art der Zuwendung. Hier hätte zuerst sorgfältig geprüft werden müssen, ob es sich um eine anzurechnende unbenannte Zuwendung oder um eine nicht anzurechnende echte Schenkung handelte. Dies haben OLG wie BGH versäumt. Nach allen Kriterien, die der BGH selbst für die Annahme einer unbenannten Zuwendung aufgestellt hat,18 mußte es sich auch im zweiten Fall um eine solche handeln. Zwar war die Übertragung der Grundstücke ausdrücklich als "Schenkung" bezeichnet worden, doch ließ dies in den 70er Jahren gerade keinen Rückschluß darauf zu, um welche Art der Zuwendung unter Ehegatten es sich aus Sicht des Zugewinnausgleichs wirklich handelt. 19 Trotzdem übernahm der BGH kritiklos die rechtliche Einordnung der Zuwendung als Schenkung durch das OLG. Dies ist nur insoweit erklärlich, als der BGH die Identität von anzurechnender und unbenannter Zuwendung bisher nicht gesehen hat. Auf die genaue Einordnung der Zuwendung schien es daher innerhalb des Zugewinnausgleichs nicht anzukommen, sie spielte bis dahin nur bei der Frage eines Schenkungswiderrufs eine Rolle, um die es im zweiten Urteil jedoch nicht ging. Hätte die Ehefrau im zweiten Fall jedoch den Widerruf der drei Grundstückszuwendungen geltend gemacht, so ist zu vermuten, daß der BGH den Schenkungswiderruf mit Verweis auf das Vorliegen von unbenannten Zuwendungen abgelehnt hätte. Die Einordnung der Grundstücksübertragungen im zweiten Fall als unbenannte Zuwendungen wird schließlich durch § 1380 Abs. 1 S. 2 gestützt, der für Zweifelsfälle zwischen anzurechnenden und nicht anzurechnenden Zuwendungen und damit zwischen unbenannten Zuwendungen und echten Schenkungen unterscheiOLG Frankfurt/Main FarnRZ 1987,62. Siehe ausführlich oben S. 60. 18 Siehe oben S. 46 ff. 19 Siehe BGH FarnRZ 1990. 600; 1992, 293 (294); OLG Barnberg FarnRZ 1996, 1221 (1222). 16

17

148

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

det. 20 Der Wert der in Frage stehenden Grundstücksübereignungen überstieg klar den Wert der üblichen Gelegenheitsgeschenke. Da es an weiteren Hinweisen für eine davon abweichende Einordnung der Zuwendung fehlte, muß also in beiden Fällen eigentlich von unbenannten und somit anzurechnenden Zuwendungen ausgegangen werden. 21 Eine vergleichbare Konfusion findet sich auch in den Urteilen weiterer Oberlandesgerichte. So hat das OLG Karlsruhe 22 in einem Fall die Anwendung des § 1374 Abs. 2 auf eine Zuwendung abgelehnt, die nur dazu diente, den Zuwender vor einem eventuellen Anspruch seines nichtehelichen Kindes auf vorzeitigen Erbausgleich zu schützen. Diese Zuwendung, die ganz typischerweise als anzurechnende unbenannte Zuwendung zu qualifizieren ist, wurde jedoch als Schenkung eingeordnet. 23 Auch das OLG München ordnete die "unentgeltliche" Übertragung eines Miteigentumanteils am von der Familie bewohnten Hausgrundstück als Schenkung ein, obwohl es sich nach den Kriterien des BGH wieder um eine anzurechnende unbenannte Zuwendung handelte. Dabei erklärte das Gericht allerdings § 1374 Abs. 2 für anwendbar. 24 Damit läßt sich folgende Feststellung machen: Wenn der BGH in seinem Urteil vom 20. 5. 1987 25 ausdrücklich die Anwendung des § 1374 Abs. 2 auf echte Ehegatten schenkungen verneint, bestätigt er in der Sache nur seine alte Rechtsprechung, wonach § 1374 Abs. 2 auf unbenannte Zuwendungen, also auf anzurechnende Zuwendungen, keine Anwendung findet. Bei den anders lautenden Ausführungen könnte es sich allenfalls um ein obiter dictum handeln. Da diese jedoch als tragende Urteilsgründe mitgeteilt wurden, kann ihnen nicht einmal diese Aussage beigemessen werden. Ein höchstrichterliches Urteil, das die Frage der Anwendung des § 1374 Abs. 2 bei echten Schenkungen unter Ehegatten klärt, steht damit noch aus. Um die Anwendung des § 1374 Abs. 2 vollständig zu klären, soll daher im folgenden zuerst untersucht werden, ob § 1374 Abs. 2 auf Ehegattenzuwendungen geSiehe oben S. 60 f. Ähnlich war der Sachverhalt in BGH FamRZ 1988, 373 gelagert, in dem es ebenfalls um die Übertragung eines Miteigentumanteils an einem Hausgrundstück ging. Auch hier handelte es sich um eine anzurechnende unbenannte Zuwendung, auch hier nahm der BGH jedoch das Vorliegen einer Schenkung an, die nicht zu privilegieren sei. 22 OLG Karlsruhe FamRZ 1981, 556. 23 OLG Karlsruhe FamRZ 1981, 556 (557). Der Senat ging sogar soweit, aus der Nichtanwendung des § 1374 Abs. 2 den Rückschluß zu ziehen, auch § 1380 sei nunmehr nicht anzuwenden. Dies ist jedoch ein Irrtum und spielte im zu entscheidenden Fall nur deshalb keine Rolle, weil der Zuwender keinerlei weiteren Zugewinn erzielt hatte, die Anrechnung der Zuwendung daher nach h.M. ohnehin außer Frage stand. 24 OLG München FamRZ 1987,67. Zugleich erkannte das Gericht, daß es sich um eine anzurechnende Zuwendung handelte. Damit steht das Urteil in der Sache im Widerspruch zu BGHZ 82, 227. 2~ BGHZ 101,65. 20

21

B. Nichtanwendbarkeit auf Zuwendungen des Ehegatten?

149

nerell, also unabhängig von der Frage der Anrechenbarkeit, nicht anzuwenden ist. Sofern diese Frage zu verneinen ist, muß weiter gefragt werden, ob eine Anwendung auf die eine oder andere Art der Zuwendungen oder gar auf beide ausscheidet. Dabei ist von der oben gefundenen Unterscheidung der Ehegattenzuwendungen in anzurechnende und nicht anzurechnende Zuwendungen auszugehen.

B. Generelle Nichtanwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 auf Zuwendungen des Ehegatten? Eine generelle Nichtanwendung kann sich bereits aus dem Gesetzeswortlaut und dem Willen des Gesetzgebers ergeben.

I. Die Systematik der Vorschrift Eine Privilegierung von Zuwendungen unter Ehegatten könnte bereits aufgrund der Systematik des § 1374 Abs. 2 ausgeschlossen sein. Die Vorschrift spricht von " Vermögen, das ein Ehegatte nach Eintritt des Güterstandes von Todes wegen oder mit Rücksicht auf ein künftiges Erbrecht, durch Schenkung oder als Ausstattung erwirbt". Aus dieser Aufzählung schließt die h.M.,26 daß nur Vermögen privilegiert werden soll, das ein Ehegatte von Dritten erwirbt. Indes, nur weil einige der in § 1374 Abs. 2 aufgeführten Erwerbsarten wie der Erwerb von Todes wegen oder als Ausstattung sich schon von ihrer Natur her nur auf Dritte beziehen können, muß dies nicht automatisch bedeuten, daß sich der Erwerb durch Schenkung nur auf Dritte beziehen darf. Das Argument, bereits aus der Aufzählung der Erwerbsarten sei zu schließen, daß Zuwendungen des Ehegatten nicht nach § 1374 Abs. 2 privilegiert werden, ist daher nicht überzeugend. Eine einfache Kontrollfrage macht dies deutlich: Wie müßte ein Gesetzgeber § 1374 Abs. 2 formulieren, wollte er ganz bewußt auch Schenkungen des Ehegatten privilegieren? § 1374 Abs. 2 hätte vermutlich denselben Wortlaut. Jede andere Formulierung würde gestelzt wirken. Reinicke / Tiedtke argumentieren, der Zuwendungsempfänger könne nicht verlangen, so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn die Schenkung statt vom Ehegatten von einem Dritten erfolgt wäre, da er sich den Betrag gern. § 1380 auf die eigene Ausgleichsforderung anrechnen lassen müsse?7 In dieser Aussage liegt be26 Reinicke I Tiedtke WM 1982,946 (950); NetzeT FamRZ 1987,67 (69); Johannsenl Henrich-Jaeger § 1374 Rn. 25; Arend MittRhNotK 1990,65 (72) jeweils m.w.N.; vgl. auch die Angaben in Fn. 361. A.A. aber von Olshausen FamRZ 1978, 755 (765 Cf.); Johannsen WM

1978.654 (657). 27

Reinicke lTiedtke WM 1982, 946 (951).

150

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

reits ein Widerspruch. Wenn es sich um eine Schenkung handelt, kommt § 1380 nach der oben getroffenen Unterscheidung 28 gerade nicht zur Anwendung und fällt damit als Argument gegen die Anwendung des § 1374 Abs. 2 weg. Die Begründung könnte also allenfalls in bezug auf unbenannte Zuwendungen greifen. Eine generelle Aussage über die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 auf beide Arten der Ehegattenzuwendungen läßt sich mit Blick auf § 1380 hingegen nicht treffen.

11. Der Wille des Gesetzgebers Nach der Begründung des 2. Regierungsentwurfs für § 1380, dem späteren § 1374 des verabschiedeten Gesetzes, entspricht "diese Regelung ( ... ) dem § 1521 BGB a.F., der diese Vermögensgegenstände bei der Errungenschaftsgemeinschaft nicht Gesamtgut werden läßt".29 In der Errungenschaftsgemeinschaft war es jedoch völlig klar, daß auch Schenkungen unter Ehegatten von § 1521 a.F. erfaßt wurden. 3o Insoweit müßten Ehegattenschenkungen auch von § 1374 Abs. 2 erfaßt werden. Anders wird hingegen in dem Schriftlichen Bericht des Ausschusses für Rechtswesen und Verfassungsrecht der Zweck des § 1374 Abs. 2 beschrieben: ,,An dem Vermögen, das ein Ehegatte unentgeltlich erwirbt, soll der andere Ehegatte, wie bei der Errungenschaftsgemeinschaft des 8GB, nicht beteiligt werden; es handelt sich insoweit um Vermögen, zu dessen Erwerb der andere Ehegatte weder unmittelbar noch mittelbar beigetragen hat. ..31

In dieser Aussage liegt jedoch ein Widerspruch. Wenn nur Erwerb privilegiert werden soll, zu dessen Erwerb der andere Ehegatte nicht beigetragen hat, dann wäre die Regelung aber gerade nicht "wie bei der Errungenschaftsgemeinschaft". Was ist nun gemeint? Die Tatsache, daß im ersten Jahrzehnt des neuen Gesetzes ohne Widerspruch von der Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 auch auf Ehegattenschenkungen ausgegangen wurde32 und der BGH erst 1987 die Nichtanwendung dieser Vorschrift auf Ehegattenschenkungen festgestellt hat,33 spricht gegen eine Herausnahme von Ehegattenzuwendungen. 34 Auch ist der Hauptzweck des § 1374 Abs. 2 sicherlich die Herausnahme von Zuwendungen Dritter aus dem Zugewinnausgleich. Denn bei Zuwendungen unter Ehegatten handelt es sich in den meisten Fällen um solche, Siehe S. 60 f. BT-Drucks. 11 1224, S. 43. 30 Hohloch JR 1988, 106 (109); Palandt-Lauterbach BGB 15. Auflage 1956, § 1521 Anm. 3; Staudinger-Engelmann BGB IV 11,9. Auflage 1926 § 1521 Anm. 1c. 31 Zu BT-Drucks. 11 13409 S. 9. 32 BGHZ 65,320 (324); Dölle Familienrecht I § 61 VII 3. 33 BGHZ 101,65. 34 So auch Seutemann FamRZ 1989,1023 (1024). 28

29

c. Die Privilegierung anzurechnender Zuwendungen

151

die zugleich nach § 1380 anzurechnen sind. Für diese entfaltet § 1374 Abs. 2 im Ergebnis aber tatsächlich keine privilegierende Wirkung, da § 1380 die Privilegierung wieder neutralisiert und die Zuwendungen wieder vollständig in den Ausgleich einbezieht. 35 Dies könnte erklären, wieso der Gesetzgeber in seiner knappen Begründung des § 1374 Abs. 2 vor allem auf den Erwerb abstellt, an dem der andere Ehegatte weder unmittelbar noch mittelbar beteiligt war.

III. Ergebnis Nach alledem läßt sich keine genaue Aussage darüber treffen, ob § 1374 Abs. 2 nun auf Ehegattenzuwendungen anwendbar ist oder nicht. Weder spricht die systematische Auslegung zwingend für die Nichtanwendung, noch kann diese Konsequenz der Begründung des Gesetzgebers zum Zugewinnausgleich entnommen werden, zumal diese nur ein Indiz für die zeitgemäße Auslegung der Vorschrift ist. Die Frage der Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 muß daher für die einzelnen Zuwendungsarten gesondert und im Zusammenspiel mit der restlichen Ausgleichsregelung beantwortet werden.

C. Die Privilegierung anzurechnender Zuwendungen I. Ausschluß der Privilegierung, da anzurechnende Zuwendungen keine Schenkungen sind? Es wurde eingangs der Arbeit festgestellt, daß die meisten Zuwendungen unter Ehegatten als unbenannte Zuwendungen zu qualifizieren sind, die anzurechnen sind. Soweit die h.M. unbenannte Zuwendungen zwar objektiv, wegen der fehlenden Einigung über die Unentgeltlichkeit aber nicht subjektiv dem Schenkungstatbestand unterwirft,36 scheint die Frage nach der Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 schnell beantwortet. Die Vorschrift umfaßt vom Wortlaut her nur Schenkungen. Sind unbenannte Zuwendungen keine Schenkungen, ist § 1374 Abs. 2 auch nicht einschlägig. 37 Diese Argumentation greift jedoch zu kurz. Zum einen ist die Rechtsfigur der "unbenannten Zuwendung" eine Entdeckung aus der Zeit nach Einführung des § 1374 Abs. 2. Vorher wurde jede gegenleistungslose Zuwendung auch unter Ehegatten als Schenkungen eingeordnet. Der Wortlaut der Vorschrift gibt daher gerade Siehe oben S. 120 f. Siehe oben S. 46 ff. 37 So ausdrücklich BGHZ 82, 227 (234) m.w.N .. ebenso Friedrich JR 1986. I (4); Arend MittRhNotK 1990.65 (71) und die ganz h.M. 3S

36

152

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

keinen wirklichen Hinweis darauf, wie mit unbenannten Zuwendungen umzugehen ist. Vielmehr muß anhand von Systematik und Regelungszweck der Vorschrift gefragt werden, ob diese anwendbar ist oder nicht. Zum anderen wird die Aussage, unbenannte Zuwendungen seien keine Schenkungen im Rechtssinne, jedenfalls außerhalb des Güterrechts zunehmend angegriffen. 38 Mittlerweile werden unbenannte Zuwendungen und Schenkungen von der Rechtsprechung sowohl im Erbschafts-,39 als auch im Steuerrecht40 gleich behandelt. Auf Schenkungen abstellende Vorschriften sind danach auch auf unbenannte Zuwendungen anzuwenden. Es wäre daher wenig überraschend, wenn sich Rechtsprechung und herrschende Lehre in den kommenden Jahren von der außerhalb des Schenkungsrechts stehenden Figur der unbenannten Zuwendungen wieder abwenden würden. Dies führt dazu, daß allein aus der Einordnung einer Zuwendung als unbenannte Zuwendung im Hinblick auf die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 keine Erkenntnis gezogen werden kann.

11. Die Privilegierung gern. § 1374 Abs. 2 als Voraussetzung für die Anwendung des § 1380? Hauptargument für die Anwendung des § 1374 Abs. 2 ist immer wieder gewesen, daß § 1380 ohne § 1374 Abs. 2 zu nicht tolerierharen Ergebnissen führe. 41 38 Schotten NJW 1990, 2841; Holzhauer FuR 1995, 268 (270); Olzen JR 1982, 495 (496); Kollhosser NJW 1994,2313; Berger Zugewinngemeinschaft S. 72 f.; Meister Drittwirkung S. 125 ff.; Werthmann Privatrechtssystem S. 165 ff.; Erman-Heckelmann § 1363 Rn. 4; Brambring ZEV 1996,248; Dingerdissen JZ 1993,402 (403); Gernhuber NJW 1991,2238 (2243 f.); Jaeger DNotZ 1991,431 (436 ff.); Koch FamRZ 1995, 321 (323 ff.); Meincke ZEV 1995,81. 39 BGHZ 116, 167 (170): "Die unbenannte Zuwendung ist in der Regel objektiv unentgeltlich und im Erbrecht (§§ 2287,2288,2325 BGB) grundsätzlich wie eine Schenkung zu behandeln. "; BGHZ 116, 178. Für die Pflichtteilsfestigkeit unbenannter Zuwendungen hingegen Fleichschmann Verfügungsfreiheit S. 97 ff.; beschränkt auf bestimmte Zuwendungen mit ehegemeinschaftlichem Zweck ebenso Apfelbacher Zuwendungen S. 80 ff., 107 ff.; für eine Herausnahme von Zuwendungen, die als angemessene Beteiligung des Ehegatten am Vermögen des Zuwenders angesehen werden können, auch Langenfeld Grundstückszuwendungen Rn. 65 und ZEV 1997,6 f.; gegen eine derartige Pflichtteilsfestigkeit und damit dem BGH folgend aber Brambring ZEV 1997,7 f. sowie Schmidt-Kessel Sonderheft DNotZ 1989, 162, der dies als neuen Schleichweg am Erbrecht vorbei bezeichnet. 40 Der BFH ZEV 1994, 187 hat entschieden, daß unbenannte Zuwendungen nicht deshalb von der Schenkungssteuer ausgenommen sind, weil sie wegen ihres spezifisch ehebezogenen Charakters nach herrschender zivilrechtlicher Auffassung keine Schenkungen iSd. §§ 516 ff. darstellen; siehe dazu Albrecht ZEV 1994, 149 ff. und Dötsch DStR 1994,638. Allerdings sind die das Familieneigenheim betreffenden Ehegattenzuwendungen mittlerweile gern. § 13 Abs. I Nr. 4 a ErbStG von der Steuerpflicht ausgenommen. 41 So noch BGHZ 65, 320 (324) mit einem Überblick über die dem entsprechende damals ganz herrschende Ansicht in der Literatur, siehe insbesondere Lieb Ehegattenmitarbeit S. 128;

C. Die Privilegierung anzurechnender Zuwendungen

153

Umgekehrt fonnuliert: § 1380 setze die Anwendung des § 1374 Abs. 2 voraus, da er anderenfalls den Zuwendungsempfanger über Gebühr benachteilige, indem er ihn schlechter stelle, als er stünde, wenn er die Zuwendung niemals erhalten hätte. Dieser Gedanke soll an folgendem Beispiel aus der Fallgruppe 1 überprüft werden. 42 Dabei ist § 1380 Abs. 2 vorerst wörtlich anzuwenden: Es findet also bei der Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung lediglich eine Hinzurechnung des Zuwendungswertes zum Zugewinn des Zuwenders statt und - anders als im vorigen Kapitel - kein Abzug beim Zugewinn des Empfangers, wie es die heute h.M. befürwortet, auf die weiter unten einzugehen ist.

1. Beispiel aus der Fallgruppe 1 (Vorwegleistung mit Werterhalt) Beide Ehegatten gehen ohne Anfangsvennögen in die Ehe. Der Ehemann wendet seiner Frau während der Ehe 200 TOM mit der Bestimmung zu, diese seien auf die Ausgleichsforderung im Falle der Scheidung anzurechnen. Am Ende der Ehe hat er ein Endvennögen von 400 TOM, seine Frau ein Endvennögen von 200 TOM.

a) Vergleichsgräße: Ausgleich bei unterbliebener Zuwendung

Als Vergleichsgröße soll der Fall dienen, daß die Zuwendung nicht erfolgt ist. Dann hätte der Ehemann ein Endvennögen und damit einen Zugewinn von 600 TDM gehabt, von dem er seiner Frau 300 TDM als Zugewinnausgleich hätte zahlen müssen. Ehemann

Ehefrau

Anfangsvennögen Endvennögen

0 600

0 0

Zugewinn

600

0

Ausgleichsforderung

300 TOM

Beide Ehegatten hätten somit vom Nettozuerwerb die Hälfte, also 300 TDM, erhalten.

und in neuerer Zeit wieder Lipp JuS 1993,89 (90 f.); Seutemann FamRZ 1989, 1023 (1025). Hoppenz MittBayNot spricht von einem Ineinandergreifen der beiden Vorschriften. § 1380 sei die Reaktion auf § 1374 Abs. 2. 42 Ein Beispiel aus dieser Fallgruppe wurde auch deshalb gewählt, da § 1380 hier nach heiden oben diskutierten Ansichten zur Anwendung kommt.

154

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

b) Ausgleich ohne Privilegierung der Zuwendung Im Falle erfolgter Zuwendung ist diese nach § 1380 auf die Ausgleichsforderung anzurechnen. § 1380 bestimmt dabei ausdrücklich lediglich die Hinzurechnung der Zuwendung zum Zugewinn des Zuwenders. Wird hier auf die Privilegierung gern. § 1374 Abs. 2 verzichtet, ergibt sich folgende Rechnung: Ehemann Anfangsvermögen Endvermögen

400

Zugewinn

400 600

fiktiver Zugewinn gern. § 1380 Abs. 2 Anrechnung Ausgleichsforderung

o 200

Zuwendung

fiktiver Ausgleichsanspruch

Ehefrau

o -+

200 200 200 200 .I. 200 OTDM

Die Ehefrau erhält damit bei Anrechnung der Zuwendung ohne Hinzurechnung zum Anfangsvermögen keinen weiteren Ausgleichsanspruch. Vom Nettozuerwerb der Eheleute (600 TOM) hat sie damit durch die Zuwendung nur 200 TDM erhalten. Dies entspricht nicht der Hälfte, sondern lediglich einem Drittel. Ohne § 1374 Abs. 2 und bei wörtlicher Anwendung des § 1380 führt die Anrechnung also zu dem paradoxen Ergebnis, daß der Zuwendungsempfänger durch die Zuwendung schlechter steht, als er ohne sie stünde. Dies widerspricht der Funktion des § 1380. Dieser soll - wie oben herausgearbeitet wurde43 - die paritätische Beteiligung der Ehegatten am Nettozuerwerb in allen denkbaren Fallgestaltungen sichern, also auch dann, wenn sie sich nicht automatisch durch das Prinzip der Zugewinngemeinschaft ergibt. Die Vorschrift will somit lediglich verhindern, daß der Zuwender durch seine Zuwendung schlechter steht, als er - vermutlich - bei Nichtvornahme der Zuwendung stünde. Eine Benachteiligung des Zuwendungsempjängers und damit eine Besserstellung des Zuwendenden im Vergleich zur unterbliebenen Zuwendung steht jedoch in krassem Widerspruch zu diesem Ziel.

c) Ausgleich bei Privilegierung der Zuwendung

Wird hingegen die Zuwendung gern. § 1374 Abs. 2 dem Anfangsvermögen der Ehefrau hinzugerechnet, ergibt sich folgende Ausgleichsberechnung:

43

Siehe S. 141 ff.

c. Die Privilegierung anzurechnender Zuwendungen Ehefrau

Ehemann J\nfangsvermögen

0

Zuwendung

155

0 200 -+

J\nfangsvermögen gern. § 1374 J\bs. 2

200

Endvermögen

400

200

Zugewinn

400

0

fiktiver Zugewinn gern. § 1380 J\bs. 2

600

fiktiver J\usgleichsanspruch J\nrechnung J\usgleichsforderung

0 300 ./.200 100 TOM

Nun wird der Ausgleichsanspruch der Ehefrau durch die Anrechnung auf 100 TDM gekürzt. Sie erhält daher neben der Zuwendung von 200 TDM noch einen Zugewinnausgleich von 100 TDM. Insgesamt steht ihr damit vom Nettozuerwerb genau die Hälfte zu, also 300 TDM. Die paritätische Beteiligung der Ehegatten am Nettozuerwerb wird damit durch die Anrechnung gewahrt.

2. Zwischenergebnis: § 1374 Abs. 2 ist anwendbar Das Beispiel hat gezeigt, daß § 1380 bei wortgetreuer Anwendung die Privilegierung der Zuwendung nach § 1374 Abs. 2 tatsächlich voraussetzt, soll die Anrechnung nicht zu dem absurden Ergebnis führen, daß die Zuwendung den Zuwendungsempfänger benachteiligt. 44 Der Grund liegt auf der Hand: Wenn § 1380 Abs. 2 die Situation simuliert, die bestanden hätte, wenn die Zuwendung nicht erfolgt wäre, dann geschieht dies nur unvollständig, wenn die Zuwendung lediglich dem Zugewinn des Zuwenders hinzugerechnet wird. Denn die fiktive Ausgleichsforderung erhöht sich in diesem Fall nur um den halben Wert der Zuwendung, während der ganze Wert davon abgezogen wird. Kommt hingegen auch § 1374 Abs. 2 zur Anwendung, erhöht sich die fiktive Ausgleichsforderung um den vollen Zuwendungswert, da sich nun auch der (fiktive) Zugewinn der Ehefrau verringert. Dies führt zu den richtigen, mit dem Halbteilungsgrundsatz übereinstimmenden Ergebnissen. Die logische Schlußfolgerung wäre daher, daß § 1374 Abs. 2 auch auf anzurechnende Zuwendungen anzuwenden ist. Dadurch würde zudem § 1380 auch in der Fallgruppe 1 eine "echte" Funktion haben, da sich nun die Ergebnisse von Anrech44 Dies trifft ebenso auf die Fälle der Fallgruppe 2 zu. J\uch hier muß der Wert der Zuwendung aus dem Zugewinn des Empfängers herausgerechnet werden. Der Unterschied zur Fallgruppe I besteht hier nur darin, daß der Zugewinn beim Empfänger ohnehin kleiner ist als der Zuwendungswert, so daß der J\bzug in jedem Fall zu einem fiktiven Zugewinn von Null führt. J\uf eine Beispielsrechnung zu dieser Fallgruppe wurde daher verzichtet.

156

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

nung und Nichtanrechnung unterscheiden. 45 § 1380 neutralisiert die Privilegierung des § 1374 Abs. 2. Alles spricht damit dafür, daß § 1380 in seiner Konzeption von einer Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 ausging. Wer hingegen § 1374 Abs. 2 nicht für anwendbar hält und somit eine große Regelungslücke erblickt, die dadurch zu erklären sei, daß "der Gesetzgeber die ganze Regelung nicht des ,Normalfalls' getroffen hat, sondemfür Fälle, in denen die Zuwendung beim Empfänger keinen Zugewinn bewirkt,,46 und sich in diesen Fällen das Herausrechnen des Zuwendungswertes beim Empfänger erübrige, erhebt einen gewichtigen Vorwurf gegen die gesamte Konzeption der Anrechnung von Zuwendungen. Er unterstellt den Vätern des Zugewinnausgleichs, sie hätten vor lauter Konzentration auf Ausnahmefälle übersehen, daß ihr Rechenwerk im Regelfall zu grob unbilligen Ergebnissen führt und den Zuwendungsempfänger benachteiligt. Dies ist um so unwahrscheinlicher, als es sich bei dem benachteiligten Ehegatten regelmäßig um die (Haus-)Frau gehandelt hätte, deren Position durch die Einführung des neuen gesetzlichen Güterstands gerade verbessert werden sollte. Viel wahrscheinlicher als die Vermutung, der Gesetzgeber hätte die falschen Ergebnisse in den Normalfällen der Vorausleistungen auf den Zugewinnausgleich übersehen, muß daher die Annahme sein, daß lediglich der Ausnahmefall der Zuvielzuwendungen, in dem die Anwendung des § 1374 Abs. 2 zu Problemen führt,47 nicht erkannt und bedacht wurde. Viel wahrscheinlicher als die Vermutung, § 1374 Abs. 2 sei von Anfang an nicht anzuwenden gewesen, damit es in Ausnahmefällen nicht zu unbilligen Ergebnissen kommt, muß die Annahme sein, § 1374 Abs. 2 sei von Anbeginn anzuwenden gewesen, damit es in den Normalfällen nicht zu unbilligen Ergebnissen kommt. Weder ist daher der Einschätzung zuzustimmen, daß in § 1380 von Anfang an " Ungereimtheiten" 48 zu erblicken waren, deren Lösung die früher h.M. in der direkten oder analogen Anwendung des § 1374 Abs. 2 zu finden glaubte. Noch wird es so gewesen sein, daß der Gesetzgeber sich über "ein Verhältnis der §§ 1374 Abs. 2 und 1380 Abs. 2 S 1 ( ... ) keine Gedanken gemacht" hat, wie ihm dies Grünenwald49 vorwirft. Als Zwischenergebnis ist vielmehr festzuhalten, daß der Gesetzgeber bei der Konzeption des § 1380 tatsächlich die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 vorausgesetzt hat und damit von einer Verzahnung der beiden Vorschriften ausging. 50 Denn dann führt § 1380 in den Fällen der Vorwegleistungen zu schlüssigen und mit dem Siehe zur Neutralisation der Zuwendung als Aufgabe des § 1380 oben S. 107 ff. Holzhauer FuR 1995, 268 (272). 47 Siehe dazu S. 157 ff. 48 Grünenwald NJW 1988, 109. 49 Grünenwald NJW 1988, 109 (110). 50 Nach Lipp JuS 1993,89 (90) stehen die Vorschriften "in enger Wechselbeziehung" zueinander; Seutemann FamRZ 1989, 1023 (1025) spricht von einem "gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis", Hoppenz MittBayNot 1998,217 (218) von einem Ineinandergreifen der beiden Vorschriften. 45

46

C. Die Privilegierung anzurechnender Zuwendungen

157

System der hälftigen Partizipation am Nettozuerwerb in Einklang stehenden Ergebnissen.

III. Die Folgen der Anwendung des § 1374 Abs. 2 auf anzurechnende Zuwendungen Mit der eben aufgestellten Schlußfolgerung, daß § 1374 Abs. 2 Voraussetzung für die Anrechnung nach § 1380 ist, ist jedoch noch nicht endgültig geklärt, ob § 1374 Abs. 2 auch aus heutiger Sicht - also im Wissen um die Möglichkeit zu hoher Zuwendungen - tatsächlich auf alle anzurechnenden Zuwendungen anzuwenden ist. Denn obwohl es sich bei einer Zuwendung um eine anzurechnende Zuwendung handelt, kann es sein, daß die Anrechnung nach § 1380 nicht durchzuführen ist. Dies ist der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 1380, namentlich das Vorliegen einer Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfangers, nicht erfüllt sind. Berechnet man diese Ausgleichsforderung in § 1380 Abs. 1 S. 1 mit der bisher vorherrschenden Ansicht 51 ohne Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2, sind diese Fallgestaltungen sogar relativ häufig. Sie umfassen - wie bereits im 2. Kapitel gezeigt - die Fallgruppen 3 b), 4 und 5. Nach der hier vertretenen Ansicht ist § 1380 Abs. 2 hingegen für die Berechnung der Ausgleichsforderung maßgebend. Doch selbst dann findet trotz anzurechnender Zuwendung eine Anrechnung jedenfalls in der Fallgruppe 5 nicht statt. Es sind dies ausnahmslos Fälle, in denen der Zuwender mehr zugewandt hat, als er ohne die Zuwendung im Zugewinnausgleich hätte zahlen müssen (Zuvielleistungen). Oben wurde bereits gezeigt, daß der Gesetzgeber diese Fallgruppen gerade nicht vor Augen hatte, als er den Zugewinnausgleich konzipierte. 52 Es stellt sich daher die Frage, ob es bei der Anwendung des § 1374 Abs. 2 auch in diesen Fällen bleiben kann. Dies soll anhand eines Beispiels aus der Fallgruppe 553 geprüft werden.

SI

BGHZ 101,65 (71), 82; Schwab Handbuch Teil VII Rn. 156; Schröder FamRZ 1997, 1

(7); Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 3,22,24; MüKo-Gernhuber § 1380 Rn. 3; Grünenwald

Zuwendungsausgleich S. 52, 69; Johannsen WM 1978,654 (657); Johannsen/Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 16; Kühne FamRZ 1978,221 (223); Friedrich, JR 1986, 1 (4); Ludwig FuR 1992, 201 (204); Göppinger Vereinbarungen Rn. 518 a; Rauscher AcP 186 (1986), 529 (570 f.). S2 Siehe S. 26 ff. S3 Wiederum wurde eine Fallgruppe für das Beispiel ausgewählt, in der es keinen Einfluß auf das Ergebnis des Ausgleichs hat, welchem der beiden Anrechnungswege man folgt. Denn nach beiden im 2. Kapitel besprochenen Ansichten kommt es hier zur Nichtanwendung des § 1380.

158

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

1. Beispiel aus der Fallgruppe 5 (Fehlleistung mit Werterhalt) Beide Ehegatten gehen ohne Anfangsvennögen in die Ehe. Der Ehemann wendet seiner Frau während der Ehe 200 TOM mit der Bestimmung zu, diese seien auf die Ausgleichsforderung im Falle der Scheidung anzurechnen. Am Ende der Ehe hat er ein Endvennögen von 400 TOM, seine Frau ein Endvennögen von 1.000 TOM.

a) Vergleichsgröße: Ausgleich bei unterbliebener Zuwendung

Ohne die Zuwendung würde folgender Ausgleich durchgeführt werden: Ehemann Anfangsvennögen

Ehefrau

0

0

Endvennögen

600

800

Zugewinn

600

800

Ausgleichsforderung

100

Vom Nettozuerwerb der Eheleute in Höhe von 1.400 ruM steht beiden die Hälfte, also 700 TDM, zu. Der Ehemann kann von seiner Frau daher noch einen Ausgleich von 100 ruM verlangen. b) Ausgleich bei Privilegierung der Zuwendung

Hat es aber eine Zuwendung gegeben und wird diese nach § 1374 Abs. 2 privilegiert, ergibt sich bei der Berechnung der Ausgleichsforderung gern. § 1380 Abs. 2, daß diese nicht der Zuwendungsempfängerin, sondern dem Zuwender zusteht: Ehemann Anfangsvennögen Zuwendung

0 200

Anfangsvennögen gern. § 1374 Abs. 2 Endvennögen

Ehefrau

0 -+

200 400

1.000

Zugewinn

400

fiktiver Zugewinn gern. § 1380 Abs. 2

600

800 800

fiktiver Ausgleichsanspruch

100

Hat aber der Zuwendungsempfänger keinen Ausgleichsanspruch, ist eine Anrechnung nach § 1380 nicht vorzunehmen. 54 Statt dessen ist der einfache Zuge54 Berechnet man die Ausgleichsforderung in § 1380 Abs. 1 S. 1 mit der h.M. ohne § 1380 Abs. 2, kommt man an dieser Stelle zu einem noch größeren Ausgleichsanspruch des Zuwenders in Höhe von 200 TOM.

c. Die Privilegierung anzurechnender Zuwendungen

159

winnausgleich durchzuführen, wobei es bei der Privilegierung der Zuwendung bliebe. Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Anfangsvermögen gern. § 1374 Abs. 2 Endvermögen

Ehefrau

0

0 200

-+

400

200 1.000

Zugewinn

400

800

Ausgleichsforderung

200

Durch die Privilegierung der Zuwendung hat die Ehefrau einen Zugewinn von lediglich 800 TDM erzielt. Dem Ehemann steht daher ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 200 TDM zu. Dennoch verbleiben der Ehefrau vom erzielten Nettozuerwerb von 1.400 TDM immerhin 800 TDM und damit 100 TDM mehr, als ihr eigentlich zustünden. 55 Dem Zuwender verbleiben lediglich 600 TDM, er wird durch seine eigene Zuwendung benachteiligt, die paritätische Beteiligung der Ehegatten ist gestört. Sie konnte auch nicht durch § 1380 wiederhergestellt werden, da dieser nicht zur Anwendung kam.

c) Ausgleich ohne Privilegierung der Zuwendung

Ein anderes Ergebnis ergibt sich, wenn hier auf die Privilegierung verzichtet wird. Da § 1380 wie gesehen nicht anwendbar ist, muß ohne § 1374 Abs. 2 folgendermaßen gerechnet werden: Ehemann

Ehefrau

Anfangsvermögen Zuwendung Endvennögen

0

0

400

1.000

Zugewinn

400

1.000

Ausgleichsforderung

300

200

-+

Ohne § 1374 Abs. 2 führt der Zugewinnausgleich zu einem Anspruch des Zuwenders in Höhe von 300 TDM. Vom Nettozuerwerb verbliebe bei den Ehegatten jeweils 700 TDM und damit die Hälfte. Die paritätische Beteiligung wäre also auch ohne § 1380 erreicht.

55 Dies ist tatsächlich die Konsequenz des Urteils des OLG München FamRZ 1987,67, das von einer Anwendung des § 1374 Abs. 2 ausgegangen war. Kritisch dazu Netzer FamRZ 1978,67 (68).

160

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

2. Zwischenergebnis: § 1374 Abs. 2 ist nicht anwendbar Während also die Privilegierung einer anzurechnenden Zuwendung nach § 1374 Abs. 2 Voraussetzung dafür ist, daß die Anrechnung einer Zuwendung gern. § 1380 zu richtigen Ergebnissen, namentlich zur paritätischen Beteiligung der Ehegatten am Nettozuerwerb, führt, ergeben sich abweichende Resultate, wenn es trotz Vorliegens einer anzurechnenden Zuwendung nicht zur Anrechnung kommt. Dann nämlich verbleibt der Zuwendungswert vollständig beim Empfänger, dieser wird gegenüber dem Zuwender bevorzugt, obwohl es sich um eine anzurechnende Zuwendung handelt. Einen materiellen Grund für diese Abweichungen vom Halbteilungsgrundsatz 56 gibt es hingegen nicht. Wieso sollte eine grundsätzlich anzurechnende Zuwendung dann nicht in den Zugewinnausgleich fallen, wenn sie von demjenigen Ehegatten getätigt wird, der auch ohne sie nicht ausgleichspflichtig geworden wäre? Offensichtlich scheint also weder die konsequente Anwendung des § 1374 Abs. 2 noch seine strikte Nichtanwendung zu zufriedenstelIenden und konsistenten Ergebnissen zu führen. Hier ist die Konzeption des Zugewinnausgleichs tatsächlich lückenhaft. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund verständlich, daß der Gesetzgeber bei der Ausarbeitung des Zugewinnausgleichs die Zuvielleistungen nicht bedacht hat. Denn betrachtet man nur die Fälle der Vorwegleistung,57 wäre das System auch bei Anwendung des § 1374 Abs. 2 in sich schlüssig gewesen. Es stellt sich nunmehr die Frage, wie mit dieser widersprüchlichen Situation umzugehen ist.

IV. Mögliche Lösungswege In bezug auf die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 bei anzurechnenden Zuwendungen kommen grundsätzlich drei Möglichkeiten in Betracht.

1. § 1374 Abs. 2 ist immer anwendbar Die strikte Anwendung des § 1374 Abs. 2 ist bis heute immer wieder vertreten worden. 58 Die Folge ist jedoch, daß der Zuwendungsempfänger in der Fallgruppe 56 Entgegen Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 24, der irrig annimmt, im Falle der Privilegierung der Zuwendung käme es zu einer hälftigen Beteiligung des Zuwenders an der Zuwendung, was der Wertung des § 1380 entspräche. 57 Nach der oben vertretenen Auslegung des § 1380 kommt es sogar auch in den Fällen der Zuvielleistung (Fall gruppen 3 und 4) erst durch die Privilegierung der Zuwendung zu richtigen Ergebnissen. 58 Erman-Heckelmann § 1374 Rn. 7; Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 24; v. Olshausen FamRZ 1978, 755 (756); Bedenken gegen die Berücksichtigung der Zuwendung im Vermögen des Empfängers auch bei Soergel-Lange § 1374 Rn. 14.

c. Die Privilegierung anzurechnender Zuwendungen

161

5 besser gestellt ist, als er ohne die Zuwendung stünde. Hier kann die Wirkung der Privilegierung nicht durch § 1380 neutralisiert werden.

2. § 1374 Abs. 2 ist nicht anwendbar, § 1380 Abs. 2 ist erweitert auszulegen Der BGH59 und ihm folgend ein Großteil der Literatur60 geht - wie bereits im 2. Kapitel kurz skizziert61 - einen anderen Weg. Auch er erkennt, daß eine Herausrechnung des Zuwendungswertes aus dem Vermögen des Empfangers erforderlich ist, damit die Anrechnung nach § 1380 zu richtigen Ergebnissen führt und den Empfänger nicht schlechter stellt, als er ohne die Zuwendung stünde. Diese Herausrechnung soll jedoch nicht durch § 1374 Abs. 2 erfolgen, sondern sich bei verständiger Auslegung aus § 1380 Abs. 2 selbst ergeben. "Wenn Absatz 2 des § 1380 BGB anordnet, daß die Zuwendung mit ihrem damaligen Wert bei der Berechnung der Ausgleichsforderung dem Zugewinn des Ehegatten hinzugerechnet wird, der die Zuwendung gemacht hat, so ist damit zugleich gesagt, daß der damalige Wert der Zuwendung nicht auch beim Endvermögen des Empfängers berücksichtigt werden darf.,,62

Nach Ansicht des BGH ist der Zuwendungswert also vom Endvermögen des Empfängers abzuziehen, was im Ergebnis einer Hinzurechnung zum Anfangsvermögen entspricht. Die Wirkung des § 1374 Abs. 2 wird hier durch eine teleologische Erweiterung des § 1380 Abs. 2 erreicht. Dies bedeutet zugleich, daß der Abzug nur dann vorzunehmen ist, wenn auch die Anrechnung nach § 1380 durchzuführen ist. In der Fallgruppe 5 käme es daher nicht zu einem Abzug des Zuwendungswertes vom Empfängerzugewinn, da diesem hier auch nicht die fiktive Ausgleichsforderung zusteht. 63

BGHZ 82,227. Siehe nur Langen/eid Handbuch Rn. 191; Reinickel1iedtke WM 1982,946 (949); Holzhauer JuS 1983, 830 (834); Rauscher AcP 186, 529 (564); Grünenwald NJW 1988, 109 (110); Familiengerichtsbarkeit-Baumeister § 1380 Rn. 32; Johannsen I Henrich-Jaeger § 1380 Rn. 2; Morhard NJW 1987, 1734; Hoppenz Familiensachen § 1380 Rn. 2. 61 Siehe oben S. 63. 62 BGHZ 82, 227 (234 f.). 63 Nach Ansicht des BGH und der h.M. kommt es bereits in den Fallgruppen 3b) und 4 nicht zur Anwendung des § 1380 und damit nicht zu einer Herausrechnung der Zuwendung aus dem Empfängervermögen. 59 60

11 Jeep

162

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

3. § 1374 Abs. 2 ist nur anwendbar, wenn auch § 1380 zur Anwendung kommt Einen Mittelweg beschreitet schließlich eine Lösung, wonach § 1374 Abs. 2 nur dann anzuwenden ist, wenn auch § 1380 zur Anwendung kommt. 64 Ist eine Anrechnung jedoch nicht durchzuführen, soll auch § 1374 Abs. 2 nicht privilegierend eingreifen. Hintergrund dieser Lösung ist der Gedanke, daß § 1380 und § 1374 grundsätzlich in einem funktionierenden Zusammenspiel stehen. Daraus sei der Umkehrschluß zu ziehen, daß § 1374 Abs. 2 zurückstehen müsse, wenn dieses Zusammenspiel nicht mehr funktioniere, weil § 1380 eine Anrechnung nicht oder nur zum Teil, jedenfalls aber nicht vollständig ermögliche.

4. SteUungnahme Die strikte Anwendung des § 1374 Abs. 2 scheidet von vornherein aus, da sie bei Nichtanwendung65 des § 1380 zu Ergebnissen führt, die mit dem Konzept der paritätischen Beteiligung der Eheleute am Nettozugewinn nicht zu vereinbaren sind, weil sie den Zuwendungsempfanger gegenüber dem Zuwender begünstigen. 66 Sie ist auch nicht durch den Willen des Gesetzgebers gedeckt. 67 Dieser muß zwar bei der Konzeption des § 1380 von der Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 ausgegangen sein, er hatte dabei aber nur die Fallgruppen 1 und 2 vor Augen, in denen sich das Problem der Nichtanwendung des § 1380 trotz anzurechnender Zuwendung schlichtweg nicht stellte. Da sich die beiden anderen Lösungsmöglichkeiten im richtigen Ergebnis nicht unterscheiden, stellt sich die Frage, welche sich am besten in das System des Zugewinnausgleichs einfügt. Aus der Perspektive der Gesetzeskonzeption wird man davon ausgehen können, daß § 1374 Abs. 2 anwendbar sein sollte. Die Zuwendung wird durch diese Vorschrift aus dem Zugewinnausgleich herausgenommen und durch § 1380 wieder einbezogen. Gegen die Anwendung des § 1374 Abs. 2 spricht auch nicht das Argument von Schwab, daß in diesem Falle "der Wert der Zuwendung, der gemäß § 1380 Abs. 2 S. 1 den Zugewinn des Zuwendenden erhöht, sich Seutemann FamRZ 1989, 1023 (1025). Also nach der hier vertretenen Ansicht in den Fällen der Fallgruppe 5. 66 Kühne kommt in IR 1982, 237 (239) deshalb zu einer anderen Bewertung, weil er falschlieh auf das Verhältnis von Zuwendungswert zu Ausgleichsanspruch abstellt und kategorisch behauptet, der Zuwender dürfe immer nur den halben Zuwendungswert zurückerhalten. Dem kann jedoch nicht gefolgt werden, da es auf die absolute Höhe der Ausgleichsforderung gar nicht ankommt. 67 Dies behauptet jedoch v. Olshausen FamRZ 1978, 755 (756), der dies damit begründet, der Gesetzgeber hätte anderenfalls" § 1374 Abs. 2 für Zuwendungen unter Ehegatten - oder jedenfalls für Zuwendungen, deren Verrechnung beim Zugewinnausgleich der zuwendende Ehegatte bestimmt hat - außer Geltung gesetzt". 64

M

c. Die Privilegierung anzurechnender Zuwendungen

163

gleichzeitig auch im Endvermögen des Zuwendungsempjängers auswirkt und somit auch dessen Zugewinn steigert".68 Wenn § 1380 Abs. 2 S. 1 den Zugewinn des Zuwenders um den Zuwendungswert erhöht, verkleinert § 1374 Abs. 2 den Zugewinn des Empfängers entsprechend, indem sein Anfangsvermögen erhöht wird. Der Zuwendungswert taucht also im Rahmen der Berechnung der Ausgleichsforderung, auf die angerechnet werden soll, nur einmal auf, nämlich im Zugewinn des Zuwenders. Daß sich der Wert der Zuwendung auch im Endvermögen des Empfängers auswirkt, spielt dagegen keine Rolle. Relevant ist allein die Auswirkung auf den Zugewinn, während das Endvermögen nur für dessen Berechnung nötig ist. Der Zugewinn des Empfängers aber wird - wegen § 1374 Abs. 2 - gerade nicht durch die Zuwendung gesteigert. Die von Schwab hier gesehenen "Merkwürdigkeiten ,,69 existieren also nicht. Für die Koppelung der Anwendung des § 1374 Abs. 2 an die Anwendbarkeit des § 1380 scheint zu sprechen, daß diese Ansicht nur eine teleologische Reduktion gegenüber dem Wortlaut des § 1374 Abs. 2 vornimmt, während die Lösung des BGR den § 1374 Abs. 2 gegenüber dem Wortlaut wesentlich stärker einschränkt und zudem aus § 1380 Abs. 2 einen zusätzlichen, ungeschriebenen "Abrechnungsschritt" herauslesen muß. 70 Indes läßt sich aus dem Zweck des § 1374 Abs. 2 durchaus ein Argument für dessen eingeschränkte Anwendung finden. Dieser will offensichtlich Zuwendungen privilegieren. An diesen Zuwendungen soll der Ehegatte gerade nicht mehr im Zugewinnausgleich beteiligt werden. Wenn § 1374 Abs. 2 nun im Rahmen der anzurechnenden Zuwendungen teleologisch nur soweit reduziert würde, daß er lediglich in den Fällen zur Anwendung kommt, in denen diese Privilegierung gerade durch § 1380 wieder aufgehoben wird, ist dies von der Zielrichtung des § 1374 Abs. 2 her inkonsequent. Eine - ohnehin nur scheinbare Privilegierung gern. § 1374 Abs. 2 würde nämlich paradoxerweise ausschließlich dann stattfinden, wenn sie im Ergebnis gerade nicht durchgreift, weil § 1380 diese Zuwendungen wieder in den Ausgleich einbezieht. Zu Recht hat der BGR hierzu festgestellt, "es wäre eher widersprüchlich, einen Vermögenserwerb einerseits nach § 1374 Abs. 2 zu privilegieren, ihn andererseits aber der Anrechnungsbestimmung des § 1380 zu unterwerfen." 71 Die Lösung der Rechtsprechung beinhaltet dagegen die klare Aussage, daß § 1374 Abs. 2 auf unbenannte, anzurechnende Zuwendungen nicht anzuwenden ist, weil diese wertmäßig gerade nicht allein dem Empfänger zugute kommen, sondern im Gegenteil in den Zugewinnausgleich miteinbezogen werden sollen. Ist dieser am Normzweck des § 1374 Abs. 2 orientierte Schritt vollzogen, dann ist es wiederum konsequent, § 1380 Abs. 2 teleologisch so zu erweitern, daß die Rinzurechnung zum Zugewinn des Zuwenders den Abzug der Zuwendung vom Zugewinn 68

69

70 71

I'·

Schwab Handbuch Teil VII Rn. 165. Schwab Handbuch Teil VII Rn. 165. Seutemann FarnRZ 1989, 1023 (1025) bezeichnet dies als "Rückrechnung". BGHZ 101,65 (71).

164

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

des Empfängers bedingt. Die Ansicht des BGH ist daher eleganter und erlaubt eine klarere Aussage im Hinblick auf die Anwendung des § 1374 Abs. 2. Außerdem vermeidet sie die dogmatisch etwas irritierende,72 wenngleich im Ergebnis wirkungslose Doppelberücksichtigung der Zuwendung in den beiden Endvermögen, wie sie bei Anwendung des § 1374 Abs. 2 vorgenommen würde. Ob dieser Abzug der Zuwendung nun beim Endvermögen des Empfangers73 oder aber bei seinem Zugewinn 74 vorgenommen wird, ist entgegen der besorgten Feststellung Seutemanns,75 daß in dieser Frage alles andere als Klarheit bestehe, irrelevant. Da nur der Zugewinn als Ergebnis des Abzugs des Anfangsvermögens vom Endvermögen von Interesse ist, wirkt sich der Abzug der Zuwendung in beiden Fällen gleichermaßen aus. Wird der Abzug vom Endvermögen vorgenommen, reduziert dies den Zugewinn um eben diesen Wert, so daß der Abzug gleichermaßen hier vorgenommen werden kann. Ist der Zugewinn kleiner als der Zuwendungswert, dann führt der Abzug in bei den Fällen zu einem Zugewinn von Null. Ob das Endvermögen kleiner ist als das Anfangsvermögen, spielt insoweit keine Rolle. 76 In Anlehnung an den Wortlaut des § 1380 Abs. 2 sollte der Abzug jedoch vom Zugewinn des Empfängers vorgenommen werden. 77

V. Ergebnis: Keine Privilegierung anzurechnender Zuwendungen gern. § 1374 Abs. 2 Es ist im Ergebnis unerheblich, ob man in den Fallgruppen 1-4 § 1374 Abs. 2 anwendet oder aber § 1380 Abs. 2 so versteht, daß die Hinzurechnung der Zuwendung zum Zugewinn des Zuwenders zugleich bedeutet, daß dieser Wert vom Zugewinn des Empfangers abzuziehen ist. Klar muß jedoch sein, daß in den Fällen der Siehe die bereits angesprochenen Bedenken von Schwab Handbuch Teil VII Rn. 165. So BGH FamRZ 1982, 227; Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 42; Schwab FamRZ 1984,526 f.; Holzhauer JuS 1983, 834; Netzer FamRZ 1988,678. 74 Grünenwald NJW 1988, 109 (110); offengelassen von Reinicke 11iedtke WM 1982,946 (950). 75 Seutemann FamRZ 1989,1023 (1025). 76 Anders ist es jedoch bei der Frage, welchem Vennögen der Zuwendungswert im Rahmen des § 1380 beim Zuwender hinzugerechnet wird. Siehe dazu ausführlich unten S. 189 ff. zu dem Problem, ob § 1380 Zuwendungen aus dem Anfangsvennögen anders behandelt als Zuwendungen aus dem Zugewinn. 77 Die Aussage, die Zuwendung dürfe das Endvennögen des Empfängers nicht mehr erhöhen, wenn sie doch dem Zugewinn des Zuwenders zugerechnet würde, führt nur zu dem Mißverständnis, der Abzug beim Empfangerendvennögen sei dann nicht durchzuführen, wenn dieses tatsächlich gar nicht mehr durch die Zuwendung erhöht ist, beispielsweise weil der Zuwendungsgegenstand untergegangen ist. Diese Sicht ist Grundlage der verfehlten Lösung von Jaeger und Lange (siehe oben S. 111 ff.), die entgegen der Konzeption des Zugewinnausgleichs die Durchführung der Anrechnung vom Schicksal der Zuwendung abhängig machen will. 72 73

D. Die Privilegierung nicht anzurechnender Zuwendungen

165

anzurechnenden Zuwendung, in denen die Anwendung des § 1380 an dem fehlenden Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempfängers scheitert (Fallgruppe 5), keine Privilegierung stattfinden darf. Denn wie oben gesehen braucht § 1380 in diesen Fällen gerade deshalb nicht angewendet werden, weil sich die Halbteilung des ehelichen Zugewinns auch ohne Sonderregel automatisch ergibt. Diese Automatik würde durch die Anwendung des § 1374 Abs. 2 aber gerade zugunsten des Zuwendungsempfängers durchbrochen. Dieser würde also trotz der grundsätzlichen Einordnung einer Zuwendung als "anzurechnend" durch die Zuwendung privilegiert. Dies widerspräche im Falle der ausdrücklichen Anrechnungsbestimmung dem geäußerten Willen des Zuwenders, im Falle der durch Auslegung ermittelten Anrechnungspflicht der Wertung des Gesetzes. Die Anrechnung soll den Zuwender gerade nicht schlechter stellen, als er ohne die Zuwendung stünde. 78 Wenn nun aber die Nichtberücksichtigung der Zuwendung im Empfängerzugewinn an die Durchführung einer Anrechnung gekoppelt sein muß, um zu richtigen Ergebnissen zu gelangen, spricht mehr für die Lösung der h.M. § 1374 Abs. 2 zielt auf Zuwendungen ab, an denen der andere Ehegatte nicht beteiligt werden soll. Dies sind anzurechnende Zuwendungen gerade nicht. Sie sind Bestandteil des Zugewinnausgleichs. Es wäre daher widersinnig, sie erst durch § 1374 Abs. 2 aus diesem Ausgleich herauszunehmen und anschließend über § 1380 wieder einzugliedern. § 1374 Abs. 2 ist aus diesem Grund teleologisch zu reduzieren. Er ist nur auf diejenigen Zuwendungen anzuwenden, die nicht anzurechnen sind. Statt dessen ist § 1380 Abs. 2 mit dem BGH so zu verstehen, daß die Hinzurechnung der Zuwendung zum Zugewinn des Zuwenders zugleich die Herausrechnung aus dem Zugewinn des Empfängers bedingt.

D. Die Privilegierung nicht anzurechnender Zuwendungen Handelt es sich nicht um eine unbenannte Zuwendung, sondern um eine echte Schenkung, findet eine Anrechnung gern. § 1380 nicht statt. 79 Es stellt sich die Frage, wie es sich nunmehr mit § 1374 Abs. 2 verhält. Ist dieser ebenfalls unanwendbar, weil es sich nicht um Zuwendungen von Dritten handelt, oder gibt es Gründe, die gerade im Fall der Nichtanrechnung für eine Privilegierung der Zuwendung sprechen?

78 Betroffen sind nach der hier vertretenen Meinung zwar nur die Fälle, in denen die Zuwendung von dem Ehegatten gemacht wurde, der niemals ausgleichspflichtig gewesen wäre (Fallgruppe 5), doch ist auch in dieser Fallgruppe ein Abweichen vom Halbteilungsgrundsatz nicht gerechtfertigt. 79 Siehe oben S. 60 f.

166

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

I. Die Folgen der Nichtanwendung des § 1374 Abs. 2 Nachdem für anzurechnende Zuwendungen die grundsätzliche Nichtanwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 festgestellt wurde und dies zudem der h.M. entspricht, soll auch für die Untersuchung der nicht anzurechnenden Zuwendungen von dieser Prämisse ausgegangen werden, zumal sie der ausdrücklichen, wenngleich in der Sache irrtümlichen Rechtsprechung des BGH entspricht. 80

1. Beispiele aus Fallgruppe 1 a) Ausgleich ohne Anrechnung Die Eheleute haben kein Anfangsvennögen. Anläßlich der silbernen Hochzeit schenkt der Mann seiner Frau einen Brillantring im Wert von 10 lDM. Auf einer beiliegenden Karte schreibt er, der Ring solle ein Dankeschön für die jahrelange Treue auch in schwierigen Zeiten darstellen und unabhängig davon geschehen, wie es in der hoffentlich gemeinsamen Zukunft weitergeht. Dennoch wendet sich der Ehemann Jahre später einer jüngeren Frau zu und die Ehe wird geschieden. Nunmehr hat der Mann ein Endvennögen von 50 lDM, die Ehefrau ein Endvennögen von 10 lDM. Bei dem Brillantring handelt es sich trotz des hohen Wertes um ein echtes Geschenk und nicht um eine unbenannte Zuwendung. Zwar fehlt eS auch hier an einer ausdrücklichen Nichtanrechnungsbestimmung im Sinne des § 1380 Abs. 1 S. 2, doch die Umstände machen deutlich, daß der Ehemann seiner Frau eine echte Freude machen und sich bei ihr bedanken wollte, sie also nicht nur vorzeitig an seinem Zugewinn zu beteiligen gedachte. Die Ehefrau wird daher die Zweifel an der Art der Zuwendung beseitigen können, so daß auch die Auslegungsregel des § 1380 Abs. 1 S. 2 nicht eingreift. Die Zuwendung ist nicht anzurechnen. Kommt § 1374 Abs. 2 hier nicht zur Anwendung, wie es der ganz h.M. entspricht, ergibt sich folgende Ausgleichsberechnung:

Anfangsvennögen Zuwendung Endvennögen Zugewinn Ausgleichsanspruch

Ehemann 0

Ehefrau 0 10-+

50 50

10 10 20lDM

Die Ehefrau kann also weitere 20 TDM als Ausgleichsforderung von ihrem Mann verlangen. Vom Nettozuerwerb in Höhe von 60 TDM erhält sie damit genau die Hälfte. 80

BGHZ 101,65; siehe oben S. 146 ff.

D. Die Privilegierung nicht anzurechnender Zuwendungen

167

b) Ausgleich mit Anrechnung Angenommen, die Ehefrau hätte ihren Mann im vorigen Beispiel unabhängig von einem Feiertag um das Geld für den Ring gebeten, weil sie als Hausfrau nicht in der Lage ist, ihn sich selbst zu kaufen. Einige Jahre später wird die Ehe geschieden.

Nunmehr würde es sich bei den 10 TDM um eine unbenannte Zuwendung handeln, die anzurechnen wäre. Dies ergibt sich schon aus der Auslegungsregel des § 1380 Abs. 1 S. 2 und wird durch die näheren Umstände gestützt. Dies ist ein typischer Fall der Beteiligung des nichtverdienenden Ehegatten am eigenen Zugewinn. Der Zugewinnausgleich berechnet sich daher unter Anrechnung der Zuwendung folgendermaßen: Ehemann

Ehefrau

0

Anfangsvermögen Zuwendung

0 10-+

50 50 60

Endvermögen Zugewinn fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung .

10 10

0 30

./. 10

Ausgleichsanspruch

20TDM

Wieder kann die Ehefrau noch 20 TDM von ihrem Mann verlangen. Wieder wird sie paritätisch am Nettozuerwerb von 60 TDM beteiligt.

c) Zwischenergebnis

In beiden Beispielen führt der Zugewinnausgleich somit zu einem Anspruch der Ehefrau in Höhe von 20 TDM, obwohl es sich im ersten Beispiel um eine nicht anzurechnende echte Schenkung und im zweiten um ein anzurechnende, unbenannte Zuwendungen gehandelt hat. Die Anrechnung nach § 1380 führt zu keinem anderen Ergebnis, als es sich ohne Anrechnung auch ergibt, da sich in den Fällen des Werterhalts (Fallgruppen 1, 4 und 5) die Rechenschritte des § 1380 gegenseitig aufheben. Es wurde im 2. Kapitel gezeigt, daß die Anrechnungsvorschrift nur in den Fällen korrigierend eingreift, in denen die Zuwendung wegen eines kleineren Zugewinns beim Empfänger nicht bereits automatisch angerechnet wurde. 81 Hat der Zugewinn des Empfängers hingegen mindestens die Höhe des Zuwendungswertes, geht § 1380 davon aus, daß die Anrechnung bereits stattgefunden hat.

81

Siehe ausführlich oben S. 141 ff.

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

168

Dies bedeutet, daß auch das echte Geschenk zur Silberhochzeit auf die paritätische Beteiligung der Ehefrau am Nettozuerwerb angerechnet wurde. Dies widerspricht jedoch der Einordnung als nicht anzurechnende Schenkung. Im Ergebnis könnten sich Eheleute nach dieser Lösung insoweit keine Geschenke machen, die die Ehe überdauern, als ihr Zugewinn noch mindestens den Wert der Zuwendung hat. Denn in diesen Fällen ändert auch der Verzicht auf die Anwendung des § 1380 nichts daran, daß die Zuwendung wertmäßig vollständig im Ausgleich berücksichtigt wird. 2. Beispiele aus Fallgruppe 2 a) Ausgleich ohne Anrechnung Die Eheleute haben kein Anfangsvennögen. Anläßlich der silbernen Hochzeit schenkt der Mann seiner Frau einen Brillantring im Wert von 10 TOM. Auf einer beiliegenden Karte schreibt er, der Ring solle ein Dankeschön für die jahrelange Treue auch in schwierigen Zeiten darstellen und unabhängig davon geschehen, wie es in der hoffentlich gemeinsamen Zukunft weitergeht. Dennoch wendet sich der Ehemann Jahre später einer jüngeren Frau zu und die Ehe wird geschieden. Das Endvennögen des Mannes beträgt wieder 50 TOM. Anders als im vorigen Beispiel besitzt die Ehefrau jedoch neben dem Ring Schulden in Höhe von 10 TOM.

Da es sich hier wieder um eine echte Schenkung handelt,82 findet eine Anrechnung nicht statt. Ehemann Anfangsvennögen Zuwendung Endvennögen

50

Zugewinn

50

Ausgleichsanspruch

Ehefrau

0

0 10-+ 0 0 25 TOM

Der Ehefrau steht nunmehr ein Ausgleichsanspruch von 25 TDM zu. Vom Nettozuerwerb erhält sie also ohne die Anrechnung nach § 1380 insgesamt 35 TDM (Zuwendung + Ausgleichsanspruch) und damit mehr als die Hälfte. Der Zuwender steht somit durch die Zuwendung schlechter, als er ohne sie stünde. Die paritätische Beteiligung am Nettozuerwerb findet nicht stau. Vielmehr steht der Ehefrau genau der Wert der Zuwendung mehr zu. Dieser Wert nimmt also im Falle der Nichtanrechenbarkeit nicht am Zugewinnausgleich teil. Dieses Ergebnis ergibt sich ganz unabhängig davon, welcher Ansicht man bezüglich der Auslegung des § 1380 folgt, da sich die h.M. und die im 2. Kapitel 82

Siehe die Ausführungen zum Beispiel aus der Fallgruppe 1 auf S. 166 f.

D. Die Privilegierung nicht anzurechnender Zuwendungen

169

vertretene Ansicht in den Fallgruppen 1 und 2 im Ergebnis decken. In der Fallgruppe 2 führt die Nichtanrechnung damit ganz unstreitig zu einer Bevorzugung des Zuwendungsempfängers.

b) Ausgleich mit Anrechnung Angenommen, die Ehefrau hätte den Mann wiederum um das Geld für den Ring gebeten, weil sie ihn sich selbst gerne kaufen würde, infolge ihrer Hausfrauentätigkeit aber nicht leisten kann. Am Ende hat die Ehefrau wegen ihrer Schulden kein Endvermögen, der Ehemann hat ein Endvermögen von 50 TOM. Hier ist die. Zuwendung anzurechnen, da es sich nicht um eine echte Schenkung, sondern um eine unbenannte Zuwendung handelt. Dies führt zu folgender Rechnung: Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsanspruch

Ehemann 0

Ehefrau 0 10-

50 50 60

0 0 0(- 10) 30 ./. 10 20 TOM

Durch die Anrechnung kann die Ehefrau also nur noch 20 TDM fordern. Damit ist die paritätische Beteiligung am Nettozuerwerb von 60 TDM wiederhergestellt. Beide Ehegatten haben davon 30 TDM erhalten, die Ehefrau 10 TDM durch die Zuwendung und weitere 20 TDM als Ausgleichsanspruch.

c) Zwischenergebnis

In der Fallgruppe 2 ergibt sich also ein Unterschied zwischen anzurechnender und nicht anzurechnender Zuwendung. Sofern es sich um einen Fall mit vollständigem Wertverlust handelt, nimmt der Zuwendungswert solange nicht am Ausgleich teil, wie er nicht durch § 1380 wieder in diesen einbezogen wird. Handelt es sich um einen Fall mit teilweisem Wertverlust, gilt dies in entsprechend eingeschränktem Umfang.

170

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

3. Stellungnahme Die Beispielsrechnungen haben gezeigt, daß die Nichtanwendung von § 1374 Abs. 2 zu inkonsistenten Ergebnissen führt. In der Fallgruppe 1 ergibt sich kein Unterschied zwischen Anrechnung und Nichtanrechnung. Es wurde im 2. Kapitel gezeigt, daß § 1380 nur in den Fällen korrigierend eingreift, in denen der Empfängerzugewinn kleiner ist als der Zuwendungswert, in denen die Berücksichtigung der Zuwendung also nicht automatisch geschieht. In der Fallgruppe 1 ist dies gerade nicht der Fall. Die Anrechnung findet automatisch statt, § 1380 ändert nichts am Ergebnis des Ausgleichs, weshalb auch der Verzicht auf § 1380 daran nichts ändert. Die ,,Nichtanrechnung" der Zuwendung läuft somit ins Leere. 83 Den Ehegatten ist es verwehrt, sich echte Schenkungen zu machen, die auch wertmäßig die Ehe überdauern und daher nicht im Zugewinnausgleich berücksichtigt werden. Selbst im praktisch seltenen Falle einer ausdrücklichen Nichtanrechnungsbestimmung käme es zur (automatischen) Anrechnung der Zuwendung. Dies schränkt die Verfügungsfreiheit der Ehegatten beträchtlich ein. Eine echte Schenkung würde unter diesen Umständen erheblich von ihrem moralischen Wert einbüßen. Vielmehr hinge es allein vom Zufall ab, ob sich die Einordnung einer Zuwendung als anzurechnend oder nicht anzurechnend auf das Ergebnis des Zugewinnausgleichs auswirkt. Denn in der Fallgruppe 2, in der die Anrechnung erst durch § 1380 (vollständig) bewirkt wird, zeigt sich der erwartete Unterschied zwischen anzurechnenden und nicht anzurechnenden Zuwendungen. 84 Auch ohne Anwendung des § 1374 Abs. 2 wird der Zuwendungswert insoweit privilegiert, als er nicht durch § 1380 als noch im Zugewinn des Empfängers vorhanden fingiert wird. § 1374 Abs. 2 hätte hier keine Auswirkungen auf das Ergebnis, weil der Zuwendungswert ohnehin nicht mehr als Zugewinn vorhanden ist. In der Fallgruppe 2 findet also eine Privilegierung statt, in der Fallgruppe 1 hingegen nicht. Besonders augenfällig ist diese ungleiche Behandlung gleicher Zuwendungen im Fall der ausdrücklichen Nichtanrechnungsbestimmung, wenn also der Zuwender bei der Zuwendung ausdrücklich bestimmt, diesen Betrag müsse sich der Empfänger nicht auf einen eventuellen Ausgleichsanspruch anrechnen lassen. Diese Bestimmung muß so verstanden werden, daß die Anrechnung unter keinen Umständen stattzufinden hat, der Wert der Zuwendung also nicht in den Ausgleich einfließen, sondern vollständig beim Ehegatten verbleiben soll. Folgt man hieraus lediglich, daß § 1380 nicht anzuwenden ist, führt dies mitnichten zu einer konsequenten Nichtanrechnung. Vielmehr wird lediglich dann, wenn sich die Anrechnung nicht automatisch aus dem System des Zugewinnausgleichs ergibt (also in Schwab Handbuch Teil VII Rn. 163; Seutemann FamRZ 1989, 1023 (1025 f.). Seutemann FarnRZ 1989, 1023 (1025) hat daher Unrecht, wenn er meint, daß eine ausdrückliche Nichtanrechnungsbestimmung immer ohne Wirkung bleibt und der Geschenkwert nach wie vor in den Zugewinnausgleich fließt. wenn es nicht zur Anwendung des § 1374 Abs. 2 kommt. 83

84

D. Die Privilegierung nicht anzurechnender Zuwendungen

171

den Fallgruppen 2 und 3), die Korrektur durch § 1380 versagt. In allen anderen Fällen bleibt es bei der automatischen Anrechnung der Zuwendung. Auf diese Weise wird das Prinzip des Zugewinnausgleichs durchbrochen, daß Zuwendungen grundsätzlich in allen Konstellationen des Ausgleichs auch gleich behandelt werden. Die Nichtanrechnung muß jedoch auch dann erfolgen, wenn der Zuwendungsempfänger sein Vermögen anständig verwaltet und keinen Wertverlust erzielt hat. 85 Die Nichtanwendung des § 1380 ist daher eine Lösung, die auf halbem Wege stehenbleibt. Grünenwald86 versucht dennoch, die so erlangten Ergebnisse damit zu rechtfertigen, daß die Nichtanrechnung, also der Verzicht auf § 1380, lediglich bedeute, daß dessen Funktion in Form der Werterhaltung ausgeschlossen sei. Er versteht unter einer ausdrücklichen ,,Nichtanrechnungsbestimmung" also lediglich eine ,,Nichtanwendungsbestimmung" im Hinblick auf § 1380. 87 Dieser erfülle die Werterhaltungsfunktion lediglich in den Fällen mit Wertverlust. Daß der Zuwendungsempfänger trotz gewollter Bevorzugung bei Werterhalt keinen Vorteil habe, sei daher ebenso hinzunehmen, wie die Tatsache, daß dem Zuwender in den Fällen der Zuvielleistung mit Wertverlust (also in der Fallgruppe 3) der Werterhaltungsvorteil der Anrechnung entgeht. Der Sinn einer Nichtanrechnung liege somit überwiegend in einer Vereinfachung und Entkrampfung des Zugewinnausgleichs, weil auf die Anrechnung verzichtet werden könne. Es wurde jedoch im 2. Kapitel gezeigt, daß § 1380 auch und gerade in den Zuvielleistungsfällen dem Zuwender zugute kommt, indem auch hier der Zuwendungswert als Zugewinn beim Empfänger erhalten wird. Auch dem Zuvielzuwendenden entgeht daher der Werterhaltungsvorteil nach der hier vertretenen Lösung nicht. Diese Möglichkeit übersieht Grünenwald. Dem Argument, die Nichtanrechnungsbestimmung brauche dem Empfänger in den Normalfällen keinen Vorteil zu bringen, da die Anrechnungsbestimmung dem Zuwender im Falle der Zuvielleistung auch keinen Vorteil brächte, ist daher die Grundlage entzogen. Grünenwald muß zudem davon ausgehen, das § 1374 Abs. 2 bereits von der Grundkonzeption des § 1380 nicht auf Ehegattenzuwendungen anwendbar war. Denn nur dann läßt sich sagen, daß die Nichtanwendbarkeit des § 1380 sich darin erschöpft, daß der Wertrisikoübergang nicht stattfindet. Diese Annahme trifft jedoch nicht zu, wie oben bei der Frage der Privilegierung der anzurechnenden Zuwendungen gezeigt wurde. 88 Der Gesetzgeber ging bei der Konzeption des § 1380 vielmehr von der generellen Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 auf EhegattenzuEbenso Langenjeld Handbuch Rn. 208. Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 78 und NJW 1988, 109 (111); ebenso Meister Drittwirkung S. 129. 8? Ebenso Familiengerichtsbarkeit-Baumeister § 1380 Rn. 48 f.; Meister Drittwirkung S. 129 und Haussleiter Vermögensauseinandersetzung Rn. 646: "Die Frage der Anrechnung oder Nichtanrechnung stellt sich erst, wenn die Zuwendung nicht mehr vorhanden ist. .. 88 Siehe S. 155 ff. 85

86

172

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

wendungen aus. Ursprünglich blieb § 1374 Abs. 2 also auch bei Wegfall des § 1380 bestehen. Daher mußte die Nichtanrechnung ursprünglich zweierlei bedeuten: Nämlich sowohl Verzicht auf Werterhalt (relevant für Fälle des Wertverlustes) als auch Verzicht auf die Neutralisierung des § 1374 Abs. 2 (relevant für Fälle ohne Wertverlust). Die Begründung Grünenwaids ist somit ein Zirkelschluß: Weil § 1374 Abs. 2 nicht anwendbar sein soll, hat § 1380 nur die eine Funktion (Werterhalt); und weil § 1380 nur diese eine Funktion hat, soll § 1374 Abs. 2 (oder ein vergleichbares Ergebnis) nicht anwendbar sein. Schließlich kann auch der Verweis auf die Vereinfachung und Entkrampfung des Ausgleichs als einzige Folge der Nichtanrechnungsbestimmung nicht überzeugen. Die reine Anrechnung nach § 1380 verursacht noch den geringsten Aufwand verglichen mit der nach wie vor nötigen Überprüfung und Einordnung der einzelnen Zuwendungen. Schlüssig kann somit nur eine Lösung sein, die im Falle der Nichtanrechenbarkeit immer zu Ergebnissen kommt, die von denen einer anzurechnenden Zuwendung abweichen - und zwar zugunsten des Empfängers. 89 Aus diesen Gründen ist eine Lösung abzulehnen, die nicht anzurechnende Zuwendungen genauso behandelt wie anzurechnende. 90 Vielmehr muß ein Weg gefunden werden, der bei nicht anzurechnenden Zuwendungen tatsächlich zu einer Nichtanrechnung in allen Fällen führt.

11. Lösungswege Grundsätzlich gibt es nun zwei Wege,91 eine nicht anzurechnende Zuwendung aus dem Zugewinnausgleich zu eliminieren.

1. § 1374 Abs. 2 ist anwendbar

Die eine Möglichkeit ist die Anwendung des § 1374 Abs. 2 auf nicht anzurechnende Zuwendungen, unabhängig davon, ob sich die Nichtanrechnung aus einer So auch Seutemann FarnRZ 1989, 1023 (1026). Ebenso Schwab Handbuch Teil VII Rn. 163; Reinickel1iedtke WM 1982,946 (954). 91 Reinickel1iedtke WM 1982,946 (953) und Arend MittRhNotK 1990,65 (72) nennen als dritte mögliche Lösung eine extrem erhöhte Ausgleichsforderung für den Empfänger, nachdem der Zuwendungswert dem Zugewinn des Zuwenders hinzugerechnet und vom Zugewinn des Empfängers abgezogen wird. Für diesen Weg gibt es jedoch überhaupt keinen Anhaltspunkt im Gesetz. Er führt zudem dazu, daß der Empfänger neben der Zuwendung den vollen Ausgleich erhält, wie er ihm zustünde, wenn die Zuwendung sich noch beim Zuwender befände. Diese massive Besserstellung des Empfängers ist dogmatisch nicht zu rechtfertigen. 89

90

D. Die Privilegierung nicht anzurechnender Zuwendungen

173

ausdrücklichen Bestimmung oder aus dem Charakter der Zuwendung und dem darauf aufbauenden § 1380 Abs. 1 S. 2 ergibt. 92 Im obigen ersten Beispiel aus der Fallgruppe 193 ergibt dies folgende Rechnung: Ehemann Anfangsvennögen Zuwendung

0 10

Anfangsvennögen gern. § 1374 Abs. 2

-+

10

Endvennögen

50

Zugewinn

50

Ausgleichsanspruch

Ehefrau

0

10 0 25TDM

Die Ehefrau kann also die Hälfte des Zugewinn ihres Mannes verlangen, da sich die Zuwendung bei ihr nicht als Zugewinn bemerkbar macht. Der Ring im Wert von 10 TDM fließt nicht in den Zugewinnausgleich ein. Als echte Schenkung kann sie ihn (bzw. seinen Wert) behalten, ohne ihn sich auf die Ausgleichsforderung anrechnen lassen zu müssen. Sie hat daher den gleichen Anspruch, der ihr auch zustünde, wenn sie neben dem Ring am Ende der Ehe Schulden in Höhe von 10 TDM hätte (siehe das erste Beispiel aus der Fallgruppe 294).

2. Herausrechnung der Zuwendung aus dem Endvermögen Zu den gleichen Ergebnissen gelangt man schließlich, wenn man es zwar mit der h.M. bei der Nichtanwendung des § 1374 Abs. 2 auf Ehegattenzuwendungen beläßt, die Nichtanrechnung aber zugleich so interpretiert, daß der Wert der Zuwendung beim Endvermögen des Empfängers abgezogen wird. Der Abzug des Zuwendungswertes beim Empfängerendvermögen oder -zugewinn soll sich nach Ansicht von Reinicke /Tiedtke 95 direkt aus der ausdrücklichen Anrechnungsbestim92 So Seutemann FamRZ 1989, 1023 (1026); Staudinger-Thiele § 1374 Rn. 28; Rauscher AcP 186 (1986), 529 (568); Brüning NJW 1971,922; Henrich FamRZ 1975,533 (537); Johannsen WM 1978,654 (657); Seutemann Widerruf S. 122; Kralemann Ehegattenschenkungen S. 78; Ennan-Heckelmann § 1374 Rn. 7; Soerge1-Lange § 1374 Rn. 14; MüKo-Gernhuber § 1374 Rn. 22. - Lipp JuS 1993,89 (93) will § 1374 Abs. 2 und zugleich § 1380 anwenden, sofern die Zuwendung nicht überschüssig ist. Dies hat zur Konsequenz, daß ein Teil der echten Schenkungen doch wieder in den Ausgleich miteinbezogen wird. Dies macht keinen Sinn, denn wenn die Zuwendung nicht anzurechnen ist, dann kann sie nicht doch mit einem Teil angerechnet werden - siehe dazu ausführlich oben S. 88 ff. 93 Siehe oben S. 166 f. 94 Oben S. 168.

95 Reinicke I Tiedtke WM 1982, 946 (954); zustimmend Langen/eid Handbuch Rn. 208 und Göppinger Vereinbarungen Rn. 521 a.

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

174

mung ergeben. Denn es sei im Gegensatz zu Zuwendungen von Dritten keine ausdrückliche Vorschrift wie § 1374 Abs. 2 erforderlich, wenn der Zuwendende anordnet, daß die Zuwendung nicht angerechnet werden soll. Voraussetzung ist nach dieser Ansicht aber zumindest eine ausdrückliche Nichtanrechnungsanordnung. Diese Lösung führt im Ergebnis zur gleichen Rechnung wie die Anwendung des § 1374 Abs. 2: Ehemann Anfangsvermögen

Ehefrau

0

0

10-+

Zuwendung Endvermögen Abzug der Zuwendung

50

10 ./. 10

neues Endvermögen

0

Zugewinn

50

0 25 TOM

Ausgleichsanspruch

Auch hier ergibt sich wieder ein Anspruch der Ehefrau in Höhe von 25 TDM. Die Zuwendung verbleibt wertmäßig vollständig bei ihr. Schwab hält dies auch fUr die Lösung der Rechtsprechung. Denn folge man dem BGH, der § 1374 Abs. 2 generell nicht anwenden will, sei "allerdings unausweichliche Konsequenz, daß man den Wert der Zuwendung aus dem Endvermögen des Empfängers herausrechnet". 96 Dies ist jedoch nicht richtig. Der BGH will den Abzug beim Empfängervermögen nur dann vornehmen, wenn angerechnet wird, es also zur Anwendung des § 1380 und damit zur Erhöhung des Zugewinns des Zuwenders kommt. 97 Nur dann ist es die logische Konsequenz, daß der Zuwendungswert im Rahmen der Rechnung nicht zugleich den Zugewinn des Zuwenders und des Empfängers erhöht. Für den Fall der Nichtanrechnung ist damit noch nichts gesagt. Ganz sicher ist hier die Herausrechnung beim Empfängerendvermögen nicht die logische Konsequenz des § 1380, da dieser nicht anwendbar ist. Auf den BGH können sich die Vertreter dieser Ansicht also nicht berufen.

3. Stellungnahme Beide Lösungen vermeiden die Widersprüche zum System des Zugewinnausgleichs, die sich nach der h.M. ergeben. Zum einen fUhrt die Anrechnung einer ZuSchwab Handbuch Teil VII Rn. 159. BGHZ 82, 227 (235): "Die Endvermögen der Ehegatten werden im Falle des § 1380 Abs. J vielmehr so berechnet. daß der Wert der Zuwendung statt beim Endvermögen des Empfängers berücksichtigt zu werden, dem Endvermögen des Ehegatten. der zugewendet hat. hinzugerechnet wird. .. 96

97

D. Die Privilegierung nicht anzurechnender Zuwendungen

175

wendung nunmehr immer zu einem anderen und überzeugenderen Ergebnis als die Nichtanrechnung. Zum anderen ist es so möglich, eine echte Schenkung vorzunehmen. Für die erste Lösung spricht jedoch systematisch, daß grundsätzlich von einer Anwendung des § 1374 Abs. 2 auszugehen ist, wie oben gezeigt wurde. 98 Die Frage lautet also, ob diese Anwendung hier aus bestimmten Gründen abzulehnen ist, nicht aber umgekehrt, ob § 1374 Abs. 2 hier (ausnahmsweise) auf Ehegattenschenkungen auszuweiten ist. So wurde die Privilegierung über § 1374 Abs. 2 für anzurechnende Zuwendungen lediglich aus teleologischen Gründen abgelehnt, weil sich sonst im Falle der vom Gesetzgeber übersehenen Fälle der Nichtanwendbarkeit des § 1380 trotz Vorliegens einer anzurechnenden Zuwendung system widrige Resultate ergeben hätten. Bei den nicht anzurechnenden Zuwendungen gibt es einen solchen Grund für die Nichtprivilegierung hingegen nicht. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich nochmals den Zweck des § 1374 Abs. 2 vor Augen führt: Die Vorschrift will bestimmte Zuwendungen privilegieren, so daß der andere Ehegatte im Rahmen des Zugewinnausgleichs nicht mehr an diesem Wert beteiligt wird. Handelt es sich also bei der Zuwendung um eine vorweggenommene Ausgleichszahlung, dann ist dies gerade nicht bezweckt. Die Zuwendung soll vielmehr im Ausgleichssystem verbleiben, der Zuwender soll an ihr beteiligt werden, wegen § 1380 sogar dann, wenn die Zuwendung sich nicht mehr als entsprechender Zugewinn beim Empfänger niederschlägt. § 1374 Abs. 2 ist aus diesem Grund nicht auf anzurechnende Zuwendungen anwendbar. Anders aber, wenn es sich um eine echte Schenkung handelt. Diese stellt ja gerade keine vorweggenommene Erfüllung der Ausgleichsforderung dar und soll daher nicht angerechnet werden. Sie ist also nicht im Ausgleich zu berücksichtigen, sondern soll beim Empfänger verbleiben, ohne daß der Zuwender wieder an ihr beteiligt wird. Diese Zielrichtung entspricht genau der Funktion des § 1374 Abs. 2. Die Zuwendung des Ehegatten unterscheidet sich in diesem speziellen Fall im Charakter und damit in der Behandlung im Zugewinnausgleich nicht von der Zuwendung eines Dritten. An letzterer wird der andere Ehegatte nicht beteiligt, weil er zu diesem Erwerb nichts beigetragen hat, während er an ersterer nicht beteiligt wird, weil er seinen Beteiligungsanspruch freiwillig aufgegeben hat, sei es ausdrücklich, sei es durch die Art und die damit verbundene Motivation der Zuwendung. Eine teleologische Reduktion des § 1374 Abs. 2 ist hier gerade nicht vorzunehmen. 99 Die Idee der Zugewinngemeinschaft verbietet also nicht die Anwendung des § 1374 Abs. 2 auf nicht anzurechnende Zuwendungen,l00 sondern gebietet sie vielmehr.

Siehe oben S. 155 f. So auch Rausclu!r AcP 186 (1986), 529 (568). 100 So aber Netzer FamRZ 1987, 67 (69), der ebenfalls nicht zwischen anzurechnenden und nicht anzurechnenden Zuwendungen trennt. 98

99

176

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

Dem so erreichten Ergebnis entspricht - allerdings nur in den Fällen der ausdrücklichen Anrechnungsbestimmung - der Vorschlag einer von § 1374 Abs. 2 unabhängigen Herausrechnung des Zuwendungswertes aus dem Endvermögen des Empfängers. Dieser Lösungsvorschlag ist jedoch vor dem eben beschriebenen Hintergrund paradox. Er lehnt die Anwendung des § 1374 Abs. 2 ohne überzeugende Argumente generell für Ehegattenzuwendungen ab, nur um anschließend doch wieder zu den gleichen Ergebnissen zu gelangen, diesmal ohne gesetzliche Basis. Auch die Beschränkung auf die (praktisch nicht existente) ausdrückliche Nichtanrechnungsbestimmung vermag nicht zu überzeugen. Denn es kann in der Sache keinen Unterschied machen, ob sich die Nichtanrechenbarkeit der Zuwendung aufgrund einer konkreten Nichtanrechnungsbestimmung des Zuwenders ergibt, 101 aufgrund der Auslegungsregel des § 1380 Abs. 1 S. 2 oder aber aufgrund der Widerlegung dieser Regel im Falle höherwertiger Zuwendungen, wenn diese - wie im obigen Beispiel - nachweislich Schenkungen und nicht unbenannte Zuwendungen sein sollten. Damit wird wieder an den Ausgangspunkt der Untersuchung angeknüpft, wonach es zwei Arten der Zuwendungen unter Ehegatten gibt, die im Verhältnis zueinander immer unterschiedlich, für sich genommen aber immer gleich zu behandeln sind. 102 Die zweite Lösung kommt dabei in Begründungsnot, wenn es sich nicht um einen Fall mit ausdrücklicher Nichtanrechnungsbestimmung handelt, da sie die Herausrechnung der Zuwendung aus dem Empfängerzugewinn allein durch die Auslegung eben dieser Bestimmung legitimiert sieht. Entgegen Schwab gibt es daher sehr wohl einen Unterschied zwischen den beiden Lösungsvorschlägen, 103 weshalb es falsch wäre, die Entscheidung in dieser Frage offen zu lassen. Überzeugend ist allein die Anwendung des § 1374 Abs. 2 für alle Fälle der nicht anzurechnenden, echten Schenkung. Obgleich auch Arend grundsätzlich von der Anwendung des § 1374 Abs. 2 jedenfalls für die Fälle der Nichtanrechnungsbestimmung ausgeht, schlägt er eine weitere Differenzierung vor. 104 Die Privilegierung soll nur dann erfolgen, wenn dem Empfänger ein Ausgleichsanspruch zusteht. Ist dies nicht der Fall, soll es auf den tatsächlichen Stand der Endvermögen ankommen. Denn die Bestimmung des Zuwendenden, daß sich der Empfänger den Wert der Zuwendung nicht auf seine Ausgleichsforderung anrechnen lassen muß, enthalte keine Anordnung für den Fall, daß dem Zuwendungsempfänger überhaupt keine Ausgleichsforderung zustehe. In der Nichtanrechnungsbestimmung liege keinesfalls auch der Verzicht des Zuwendenden auf die Geltendmachung eines eigenen Zugewinnausgleichsan-

101 In der Literatur wird diese Frage fast ausschließlich für den Fall der - praktisch kaum relevanten - ausdrücklichen Nichtanrechnungsbestimmung gestellt, siehe beispielsweise Arend MittRhNotK 1990, 65 (72); Reinicke I Tiedtke WM 1982, 946 (954). 102 Siehe oben S. 60 ff. 103 Schwab Handbuch Teil VII Rn. 160 ff. läßt die Entscheidung zwischen beiden daher auch offen. 104 Arend MittRhNotK 1990, 65 (72).

E. Ergebnis

177

spruchs, der es ihm ermöglicht, an dem Wert der noch im Vermögen des Empfängers befindlichen Zuwendung zu partizipieren. Grundlage dieser Ansicht ist jedoch die bereits ausführlich besprochene verfehlte Annahme, daß § 1380 nur anzuwenden ist, wenn dem Zuwendungsempfänger im einfachen Ausgleich ein Anspruch zusteht. Arend schließt daraus offensichtlich, daß die Wirkung der Nichtanrechnungsbestimmung auch nur soweit gehen kann, wie dadurch zugleich die Anwendung des § 1380 ausgeschlossen wird. Zum einen ist es jedoch so, daß § 1380 nur eine fiktive Ausgleichsforderung des ZuwendungsempHingers gern. Absatz 2 voraussetzt und damit auch Fälle umfaßt, in denen dem Zuwender bereits nach dem einfachen Ausgleich selbst ein Anspruch zusteht (Fallgruppen 3 bund 4). Zum anderen aber ist es unlogisch, nur in den Fällen eine wirkliche Nichtanrechnung vorzunehmen, in denen im Falle der Anrechnung § 1380 anzuwenden gewesen wäre. Denn eine Anrechnung findet wie gesehen auch dann statt, wenn § 1380 gar nicht anzuwenden ist (Fallgruppe 5), nämlich automatisch. Schließlich macht es rein vermögensmäßig keinen Unterschied, ob eine eigene Schuld durch die Nichtanrechnung in Form der Privilegierung nach § 1374 Abs. 2 vergrößert (Fallgruppen 1, 2 und 3 a) oder ein eigener Anspruch (Fallgruppen 3 b, 4, 5) hierdurch verkleinert wird. In beiden Fällen verzichtet der Zuwender auf den gleichen Vermögenswert, einmal muß er ihn zusätzlich weggeben, einmal kann er ihn nicht verlangen. Eine Differenzierung zwischen diesen Fällen ist daher nicht überzeugend.

III. Ergebnis: Nicht anzurechnende Zuwendungen sind gern. § 1374 Abs. 2 zu privilegieren Nicht anzurechnende Zuwendungen sind daher als Schenkungen im Sinne des § 1374 Abs. 2 zu privilegieren, indem sie dem Anfangsvermögen des Empfängers

hinzugerechnet werden. Nur so wird der Schenkungswert in allen Fallgestaltungen endgültig aus dem Zugewinnausgleich herausgenommen und verbleibt beim Empfänger. Nur so kommt es in keinem Fall zu einer (automatischen) Anrechnung der nicht anzurechnenden Schenkung.

E. Ergebnis: Das Zusammenspiel von § 1380 und § 1374 Abs. 2 Die Untersuchung hat gezeigt, daß § 1374 Abs. 2 auf anzurechnende Zuwendungen, also auf unbenannte Zuwendungen, nicht anzuwenden ist. Die Vorschrift muß insoweit teleologisch reduziert werden, weil sich sonst in den Fällen der Nichtanwendbarkeit des § 1380 (nach der hier vertretenen Auffassung zu § 1380 12 Jeep

178

3. Kap.: Die Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2

ist dies allein die Fallgruppe 5) systemwidrige Ergebnisse ergäben. Da § 1380 aber grundsätzlich auf der Anwendbarkeit des § 1374 Abs. 2 und den so erlangten Ergebnissen aufbaut, müssen diese auf einem anderen Wege erzielt werden. Hier ist der Rechtsprechung des BGH zu folgen, der § 1380 Abs. 2 dahingehend auslegt, daß die fiktive Hinzurechnung der Zuwendung zum Zugewinn des Zuwenders logisch die Herausrechnung dieses Wertes aus dem Zugewinn des Empfängers bedingt. Handelt es sich hingegen um eine nicht anzurechnende Zuwendung, also um eine echte Schenkung, ist § 1374 Abs. 2 anzuwenden. Nur so wird die einheitliche Behandlung dieser Zuwendungsgruppe erreicht. Anderenfalls würde in den Fallgruppen 1,4 und 5 trotz der Nichtanrechenbarkeit der Zuwendung eine vollständige automatische Anrechnung stattfinden, in den Fallgruppen 2 und 3 jedoch keine oder nur eine teilweise Anrechnung. Erst die Privilegierung der Ehegattenschenkung nach § 1374 Abs. 2 führt dazu, daß einheitlich keine Anrechnung stattfindet, der Zuwendungswert voll beim Empfänger verbleibt und nicht in den Ausgleich einfließt. Dieses Ergebnis ist auch sachgerecht, da es den Ehegatten anderenfalls praktisch nicht möglich wäre, sich echte Schenkungen zu machen, die die Ehe wertmäßig überdauern. Damit ist eine Feststellung aufzugreifen, die bereits zu Beginn der Arbeit bei der Einführung der §§ 1380 und 1374 Abs. 2 getroffen wurde: 105 Die bei den Vorschriften stehen einander in ihrer Zielrichtung entgegen. Sie sind niemals gleichzeitig anzuwenden. Entweder handelt es sich bei einer Zuwendung um eine anzurechnende Zuwendung, dann findet ausschließlich § 1380 Anwendung. Dies geschieht in den Fallgruppen 1 bis 4 und führt in jeder Konstellation zu einer paritätischen Beteiligung der Ehegatten am Nettozuerwerb. Oder es handelt sich um eine nicht anzurechnende Zuwendung, dann kommt ausschließlich § 1374 Abs. 2 zu Anwendung, der in jeder Konstellation dazu führt, daß der Zuwendungswert auf Seiten des Empfängers aus dem Ausgleich herausgenommen wird. Bezüglich dieses Wertes werden die Ehegatten also nicht paritätisch am Nettozuerwerb beteiligt, er wird aus dem Ausgleichsmechanismus entfernt und verbleibt voll beim Empfänger. Falsch ist daher die Aussage, 106 erst § 1374 Abs. 2 bewirke eine zugewinnorientierte hälftige Beteiligung des Partners am Wert der Zuwendung. Richtig ist vielmehr, daß die hälftige Beteiligung automatisch durch den Zugewinnausgleich bewirkt wird, im Fall der anzurechnenden Zuwendung gegebenenfalls durch Mithilfe des § 1380. Bei der nicht anzurechnenden Ehegattenschenkung hingegen wird durch § 1374 Abs. 2 nicht die hälftige, sondern die vollständige ,,Beteiligung" des Empfängers an diesem Zuwendungswert sichergestellt, indem dieser aus dem Ausgleich herausgehalten wird.

lOS

106

Siehe oben S. 43. Lipp JuS 1993, 89 (92).

E. Ergebnis

179

Diese Lösung steht auch nicht wirklich im Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH. Dieser hat die Anwendung des § 1374 Abs. 2 bisher nur scheinbar auch für echte Schenkungen ausgeschlossen. Materiell hat es sich bei den in Frage stehenden Zuwendungen jedoch regelmäßig um unbenannte und damit anzurechnende Zuwendungen gehandelt, weshalb die Nichtanwendung des § 1374 Abs. 2 inhaltlich der hier vertretenen Ansicht entspricht. In bezug auf die Privilegierung nicht anzurechnender Zuwendungen bedarf es daher noch einer klärenden höchstrichterlichen Entscheidung. Dieses Ergebnis bestätigt zugleich die These des I. Kapitels, daß Zuwendungen unter Ehegatten letztlich in zwei Arten aufzuteilen sind, nämlich in anzurechnende unbenannte Zuwendungen und nicht anzurechnende echte Schenkungen. Innerhalb der Zuwendungen führt die hier vorgeschlagene Behandlung im Zugewinnausgleich zu konstanten, in sich schlüssigen Ergebnissen, gänzlich unabhängig davon, wie sich die Vermögenswerte der Eheleute bei der Zuwendung darstellen und danach entwickeln. Wer eine anzurechnende Zuwendung macht, kann davon ausgehen, deswegen grundsätzlich nicht schlechter zu stehen, als er ohne sie stünde. Die einzige Ausnahme liegt dann vor, wenn der Ehegatte kein die Ausgleichsforderung deckendes Vermögen mehr hat. Wer hingegen eine nicht anzurechnende echte Schenkung vornimmt, wird an diesem Wert nicht mehr beteiligt, er verbleibt vollständig im Vermögen des Ehegatten. Das System der Behandlung von Ehegattenzuwendungen im Zugewinnausgleich, wie es sich anhand der bisherigen Untersuchung ergeben hat, kann in folgender Übersicht zusammengefaßt werden. Es ist ebenso einfach wie praktikabel und in sich schlüssig:

Eheg.U.nzuwendungen

/

anzurechnende Zuwendungen (unbcnannte Zuwendungen)

~ § 1380

12'

nichtanzurcchnende Zuwendungen (echte Schenkungen)

~

§ 1374 Abs.2

4. Kapitel

Eine Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen? Nachdem im bisherigen Teil der Untersuchung die §§ 1380 und 1374 Abs. 2 für die Normalfälle einer Zuwendung aus dem während der Ehe erwirtschafteten Vermögen analysiert und in ein geschlossenes System eingefügt wurden, soll nun auf Basis der gefundenen Ergebnisse eine Lösung für die im Zusammenhang mit Ehegattenzuwendungen auftretenden Sonderfälle gefunden werden. Begonnen wird dabei mit dem Problem der Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen.

A. Problemstellung Es wurde in der bisherigen Darstellung davon ausgegangen, daß die Zuwendung aus der Vermögensmasse erfolgt ist, die der Zuwender nach der Eheschließung erwirtschaftet hat. Es kann jedoch sein, daß die Zuwendung nicht aus diesem, unter den Ehegatten im Zugewinnausgleich aufzuteilenden Zuerwerb erfolgt, sondern aus dem grundsätzlich nicht zu teilenden Anfangsvermögen des Zuwenders. Dazu folgendes Beispiel: Der Ehemann hat ein Anfangsvermögen von 200 TOM, seine Frau ist bei der Heirat Eigentümerin eines bebauten Grundstücks im Werte von ebenfal1s 200 TOM. Unmittelbar nach der Hochzeit überträgt der Mann überträgt sein ganzes Vermögen auf seine Frau, damit diese das Familienheim auf ihrem Grundstück ausbaut. Als die Ehe 15 Jahre später geschieden wird, ist er vermögenslos. sie hat ein Endvermögen von 400 TOM. I

Es ergibt sich hier folgende Ausgleichsberechnung (siehe folgende Seite):

I Hier wurde wieder bewußt die normalerweise zu erwartende Wertsteigerung des Grundstücks außer acht gelassen; siehe im übrigen zu den Prämissen der Beispielrechungen oben S. 32 f.

A. Problemstellung

181

Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn fiktiver Zugewinn

Ehefrau

200

200 200

-+

0

400

0

200

200

0

fiktiver Ausgleichsanspruch

100

Anrechnung Ausgleichsforderung mit Anspruchsurnkehr

./.200 (- 100)

100 TOM

Der Zuwendungswert wird gern. § 1380 Abs. 2 S. 1 dem Zugewinn des Ehemannes (0 TDM) hinzugerechnet, so daß sich ein fiktiver Zugewinn von 200 TDM errechnet. Zugleich wird dieser Wert vom Zugewinn der Ehefrau (200 TDM) abgezogen, so daß diese fiktiv keinen Zugewinn erzielt hat. Auf den sich so ergebenden fiktiven Ausgleichsanspruch der Frau von 100 TDM wird nun die Zuwendung angerechnet, was aufgrund der im 2. Kapitel erläuterten Anspruchsumkehr zu einem Anspruch des Ehemannes in Höhe von 100 TDM führt. 2 Die Besonderheit dieser Fallgruppe zeigt sich jedoch im Vergleich der Vennögensverhältnisse im Fall der unterbliebenen Zuwendung. Dann wäre folgende Rechnung durchzuführen: Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen

Ehefrau

200

200 keine

200

200

Zugewinn

0

0

Ausgleichsforderung

0

0

Beide Ehegatten hätten also bei unterbliebener Zuwendung keinen Zugewinn erzielt, da sich Anfangs- und Endvennögen decken. Ausgleichsansprüche bestünden nicht. Der Mann steht damit durch die Zuwendung im Ergebnis um 100 TDM schlechter, als er stünde, wenn er seiner Frau die 200 TDM nicht zugewendet hätte. Einen Nettozuerwerb hat es während der Ehe nicht gegeben, d. h. ohne die Zuwendung 2 Zum gleichen Ergebnis gelangt in diesem Beispiel aus der Fallgruppe 4 auch die h.M., wenn sie mangels einer Ausgleichsforderung der Ehefrau im einfachen Ausgleich weder § 1374 Abs. 2 noch § 1380 anwendet und es daher beim Ergebnis des einfachen Zugewinnausgleichs beläßt. Wie im 2. Kapitel erläutert wurde, findet die Anrechnung in Fällen des Werterhalts beim Empfanger automatisch statt, so daß § 1380 am Ergebnis nichts ändert.

182

4. Kap.: Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

hätte keiner der Ehegatten einen Zugewinn erzielt. Wenn die Ehefrau am Ende dennoch ein um 100 IDM erhöhtes Vennögen hat, dann alleine deshalb, weil sie in Höhe des halben Zuwendungswertes am Anfangsvermögen des Ehemannes beteiligt wurde - an einem Vennögen, das grundsätzlich dem Zugewinnausgleich gerade nicht unterfällt. Obwohl es sich bei der Zuwendung um eine anzurechnende Zuwendung handelt, ändert auch § 1380 nichts an diesem Ergebnis, wie die Rechnung oben gezeigt hat. Die Anrechnung stellt zwar grundsätzlich die paritätische Beteiligung der Eheleute am Nettozuerwerb wieder her, führt aber offensichtlich nicht zu einem völligen Rückfluß einer Zuwendung aus dem Anfangsvennögen. Soweit die Zuwendung erfolgt ist, scheint § 1380 also davon auszugehen, daß wenigstens in dieser Höhe ein Nettozuerwerb stattgefunden hat. Die Zuwendung aus dem Anfangsvennögen wird behandelt wie eine Zuwendung aus dem Zugewinn. Durch die Zuwendung aus seinem Anfangsvennögen büßt der Zuwender also die Hälfte dieses Wertes ein. Im folgenden soll die Frage beantwortet werden, ob dies gerecht und im Sinne des Zugewinnausgleichs ist. 3

B. Vorfrage: Wann erfolgt eine Zuwendung aus dem Anfangsvermögen ? Das obige Beispiel täuscht darüber hinweg, welche Schwierigkeiten mit der Aussage verbunden sind, eine Zuwendung entstamme dem Anfangsvennögen. Denn auf die scheinbar einfache Frage, wann eine Zuwendung aus dem Anfangsvennögen erfolgt, gibt es zwei Antworten, die sich überschneiden können, aber nicht müssen. Der Zugewinnausgleich geht bei der Bestimmung des Anfangsvennögens zwar von einer konkreten Vermögensmasse aus, die § 1374 Abs. 1 definiert als" Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug der Verbindlichkeiten beim Eintritt des Güterstandes gehört". Innerhalb des Zugewinnausgleichs wird dieses ,,Anfangsvermögen" aber nur als Rechnungsposten, als rechnerische Größe behandelt, die sich durch bestimmte Zuwendungen gern. § 1374 Abs. 2 auch erhöhen kann. Auf die konkrete Zusammensetzung des Anfangsvermögens, auf seinen konkreten Fortbestand bis zur Auflösung des Güterstandes kommt es dabei gar nicht an, wie bereits erläutert wurde.4 3 Das OLG Schleswig FamRZ 1978, 247 (248) stellt hierzu fest: "Dagegen bliebe noch immer rechtlich nicht erklärbar; warum die Entschädigung, die Anfangsvermögen des Klägers gewesen ist, durch die Verwendung zum Hausbau als Zugewinn der Ehefrau zu gelten und ihr auf diese Weise nach dem Zugewinnausgleich die Hälfte des Gegenwertes der Entschädigung zu verbleiben hat, obwohl ein Ehegatte in der Regel gerade nicht am Anfangsvermögen des anderen partizipiert. " 4 Siehe oben S. 35 ff.

B. Wann erfolgt eine Zuwendung aus dem Anfangsvennögen?

183

Es muß daher unterschieden werden zwischen: • Zuwendungen, die aus dem realen Anfangsvermögen stammen, und • Zuwendungen, die aus dem rechnerischen Anfangsvermögen stammen. 5

I. Zuwendungen aus dem realen Anfangsvermögen Eine Zuwendung stammt dann aus dem realen Anfangsvermögen, wenn ein konkreter Gegenstand (oder ein Surrogat) zugewendet wird, der sich bereits zu Beginn des Güterstandes im Vermögen des Zuwenders befunden hat oder der dem Anfangsvermögen als privilegierter Erwerb gern. § 1374 Abs. 2 hinzugerechnet wird. Um eine solche Zuwendung handelt es sich im eben genannten Beispiel: Die 200 TDM befanden sich zu Beginn des Güterstandes im Vermögen des Zuwenders.

11. Zuwendungen aus dem rechnerischen Anfangsvermögen Eine Zuwendung ist dagegen rechnerisch aus dem Anfangsvermögen erfolgt, wenn (und soweit) das Endvermögen kleiner ist als das rechnerische6 Anfangsvermögen. Der Zugewinn als Differenz zwischen Anfangs- und Endvermögen ist in Wirklichkeit also ein Verlust. Wegen § 1373 schlägt sich ein solcher Verlust jedoch nicht in einem negativen Zugewinn nieder, da dieser wenigstens den Wert Null hat. Im obigen Beispiel ist auch dies der Fall: Einem Anfangsvermögen des Mannes in Höhe von 200 TDM steht ein Endvermögen von Null gegenüber, die Zuwendung von 200 TDM entstammte also (auch) rechnerisch vollständig dem Anfangsvermögen. 7 Ehemann Anfangsvennögen Zuwendung Endvennögen Zugewinn

200 200

-+

o 0(- 200)

Eine Zuwendung stammt damit rechnerisch aus dem Anfangsvermögen, soweit das Endvermögen des Zuwenders kleiner ist als sein Anfangsvermögen. Diese Unterscheidung wird in der Diskussion nicht gesehen. Also unter Berücksichtigung von privilegiertem Erwerb nach § 1374 Abs. 2. 7 Bei den folgenden Rechnungen wird die Seite der Ehefrau nicht aufgeführt, da es vorerst nur um die Einordnung einer Zuwendung auf Seiten des Ehemannes geht. 5

6

184

4. Kap.: Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

Es reicht für die Annahme einer Zuwendung aus dem Anfangsvennögen dagegen nicht aus, daß der Zuwender (nach der Zuwendung) lediglich keinen Zugewinn erzielt hat, sich Anfangs- und Endvennögen also decken. 8 Dies zeigt eine Abwandlung des Ausgangsfalles. Beispiel wie oben, der Mann hat zum Ende der Ehe jedoch ein Vermögen von 200 TDM erwirtschaftet.

Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn

200 200 -+ 200 OTDM

Nun hat der Ehemann zwar ebenfalls keinen Zugewinn erzielt, weil sein Endvermögen das Anfangsvennögen nicht übersteigt. Da es jedoch auch nicht kleiner als das Anfangsvennögen ist, wurde die Zuwendung nicht etwa aus dem rechnerischen Anfangsvennögen, sondern - aus Sicht des Zugewinnausgleichs - aus dem Zugewinn getätigt. Dies wird ganz deutlich, wenn man das Beispiel bei unterbliebener Zuwendung betrachtet: Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn

200 keine 400 200 TDM

Hätte der Mann die Zuwendung nicht getätigt, hätte er einen Zugewinn von 200 TDM erzielt. Deshalb ist die Zuwendung im Wert von 200 TDM rechnerisch aus dem Zugewinn erfolgt, während sie tatsächlich aus dem Anfangsvennögen stammte.

8 Dies nimmt jedoch irrtümlich Rauscher AcP 186 (1986), 529 (572) an: ,,( ... ) wenn der Zuwendende keinen Zugewinn erzielt, was gleichbedeutend damit ist, daß er die Zuwendung (teilweise) aus seinem Anjangsvermögen geleistet hat, ( ... )"; der gleiche Fehler unterläuft Kleinie FamRZ 1997, 1384 (1387), der zudem irrtümlich davon ausgeht, bei "überhöhten" Vorwegleistungen handele es sich um solche aus dem Anfangsvermögen. Richtig ist nur, daß es sich bei Zuwendungen aus dem rechnerischen Anfangsvermögen jedenfalls auch um überhöhte Zuwendungen handelt. Der Schluß in die umgekehrte Richtung ist jedoch nicht zulässig.

B. Wann erfolgt eine Zuwendung aus dem Anfangsvermögen?

185

III. Konsequenzen dieser Unterscheidung Die Aussage, eine Zuwendung entstamme dem Anfangsvermögen, kann also ganz unterschiedliche Konstellationen bezeichnen. Dies verdeutlichen die folgenden Beispiele: Der Mann verliert sein ganzes Vermögen am Tag nach der Hochzeit in der Spielbank. Tags darauf gewinnt er 200 TOM in der Lotterie 9 und wendet sie sofort seiner Frau zu, damit er sie nicht auch noch verspielt. Am Ende der Ehe ist er vermögenslos.

Ehemann Anfangsvermögen . Zuwendung Endvermögen Zugewinn

200 200 ->

o o

Hier handelt es sich zwar rechnerisch um 'eine Zuwendung aus dem Anfangsvermögen, denn das Endvermögen ist um den Zuwendungswert kleiner als das Anfangsvermögen, tatsächlich entstammte die Zuwendung jedoch nicht dem realen Anfangsvermögen, sondern dem während der Ehe erzielten Zuerwerb. Daß umgekehrt eine Zuwendung, die zum Zeitpunkt ihrer Vornahme aus dem Zuerwerb erfolgte, auch nachträglich zu einer Zuwendung aus dem Anfangsvermögen werden kann, zeigt schließlich das folgende Beispiel: Der Mann hat ein Anfangsvermögen von 200 TOM. Während der Ehe verdient er weitere 200 TOM hinzu, die er seiner Ehefrau für den Ausbau des Familienheims zuwendet. Danach verspielt er die ihm verbliebenen 200 TOM in der Spielbank.

Ehemann Anfangsvermögen

200

Zuwendung

200 ->

Endvermögen

0

Zugewinn

0

Hier handelt es sich rechnerisch um eine Zuwendung aus dem Anfangsvermögen. Tatsächlich erfolgte sie jedoch aus dem Zuerwerb des Ehemannes. Erst durch

9 Ein Lottogewinn ist gern. BGHZ 68, 43 nicht nach § 1374 Abs. 2 zu privilegieren und führt daher nicht etwa zu einem Anfangsvermögen von zusammen 400 TOM. Dies ist insofern richtig, als der Gewinn auf dem gekauften Los basiert, es also keinen Grund gibt, wieso es der Ehegatte hinnehmen müßte, daß der andere sein Geld für Lotterielose ausgibt, ohne etwas zu gewinnen (was denn auch der wahrscheinlichere Fall ist), wenn ihm nicht im Falle des Gewinnes ein Anteil zustehen soll.

186

4. Kap.: Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

das anschließend erfolgte Verspielen seines restlichen Geldes wurde die Zuwendung zu einer solchen aus dem Anfangsvermögen. Es ist daher festzuhalten: Nur weil eine Zuwendung aus dem rechnerischen Anfangsvermögen stammt, muß sie nicht dem realen Anfangsvermögen entstammen. Und nur weil sie aus dem realen Anfangsvermögen getätigt wurde, muß dies nicht bedeuten, daß sie auch rechnerisch aus dem Anfangsvermögen stammt. Aus Sicht des Zugewinnausgleichs spielt die tatsächliche Zugehörigkeit eines Zuwendungsgegenstandes zu einem bestimmten Vermögen - und damit die Frage, ob eine Zuwendung aus dem tatsächlichen Anfangsvermögen stammt - keine Rolle. Da auch der Begriff des Anfangsvermögens in § 1378 Abs. 1 nur eine Rechengröße dar~ stellt, nicht aber die Bezeichnung für das real bei Eintritt in die Zugewinngemeinschaft vorhandene Vermögen, hat es auf die Ausgleichsberechnung keinerlei Einfluß, ob die Zuwendung tatsächlich dem realen Anfangsvermögen entstammte oder dem während der Ehe (zwischenzeitlich) verdienten Zugewinn. In beiden Fällen wird das Anfangsvermögen im Zugewinnausgleich nicht angetastet, wenn dieses zwar tatsächlich vollständig zugewendet wurde, der Zuwender aber hinterher einen entsprechenden Zugewinn erzielt hat. Entscheidend ist für den Zugewinnausgleich nur die Bilanz zwischen den Werten von Anfangs- und Endvermögen am Endstichtag. Zeigt sich hier ein negativer Saldo, entstammt die Zuwendung insoweit rechnerisch dem Anfangsvermögen. 10 Dies allein hat zur Folge, daß es nicht nur zum hälftigen Ausgleich des während der Ehe erzielten Zugewinns kommt, sondern der Empfänger der Zuwendung zusätzlich zur Hälfte am zugewendeten - rechnerischen - Anfangsvermögen des Ehegatten partizipiert. Soweit eine Zuwendung erfolgt ist, wird ihr Wert im Zugewinnausgleich also immer so behandelt, als wäre sie aus dem Zugewinn erfolgt. Eine Korrektur erfolgt grundsätzlich nicht. 11 Wenn dies in der Literatur kritisiert wird, gehen die Autoren oft stillschweigend davon aus, daß es sich bei Zuwendungen aus dem rechnerischen Anfangsvermögen wie selbstverständlich auch um Zuwendungen aus dem realen Anfangsvermögen handelt. 12 Eine Annahme, die - wie gesehen - nicht immer zutrifft. Vor allem des-

10 Damit ist die berechtigte Frage Seutemanns. FamRZ 1989, 1023 (1025) beantwortet, wie überhaupt sicher festgestellt werden solle, ob eine Zuwendung aus dem Anfangsvermögen oder aus dem Zuerwerb stamme. Woher die Zuwendung tatsächlich stammt, ist aus der Perspektive des Zugewinnausgleich ohne Bedeutung. Woher sie rechnerisch stammt, ergibt ein Vergleich von Anfangs- und Endvermögen. 11 Dies hatte das eingangs vorgestellte Beispiel auf S. 181 ff. gezeigt. 12 Netzer FamRZ 1988,676 (679 f.) spricht ausdrücklich von .. Konstellationen. in denen die Zuwendung wertmäßig aus dem vorehelichen Vermögen des Zu wenders stammt"; siehe auch das Beispiel bei Kühne JR 1982, 237 (239); differenzierend dagegen Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 151 f. Bei Baues EzFamR BGB § 242 Nr. 21 S. 7 f. hingegen handelt es sich ausweislich der Beispielrechnung zwar um eine Zuwendung aus dem tatsächlichen. nicht aber aus dem rechnerischen Anfangsvermögen. da sonst niemals ein entsprechender Ausgleichsanspruch des Empfängers bestehen kann.

B. Wann erfolgt eine Zuwendung aus dem Anfangsvennögen?

187

halb ist die im folgenden zu erläuternde Kritik an der Halbteilung des Zuwendungswertes verhältnismäßig größer, als sie in Fällen zu erwarten wäre, in denen das reale Anfangsvermögen erst ersatzlos ausgegeben und ein anschließend erarbeitetes Vermögen zugewendet wird wie im obigen Beispiel des erst nach der Zuwendung verspielten Anfangsvermögens. Wichtig erscheint daher die Feststellung, daß die Aussage, eine Zuwendung sei aus dem Anfangsvermögen erfolgt, nicht automatisch mit dem Bild eines Zuwenders in Verbindung gebracht wird, der seinen Ehegatten an seinem realen Anfangsvermögen beteiligt hat.

IV. Einordnung zum Zuwendungszeitpunkt Die genannten Beispiele zeigen jedoch bei genauer Betrachtung, daß innerhalb der Zuwendungen aus dem - hier alleine interessierenden - rechnerischen Anfangsvermögen im Hinblick auf die Vorstellung des Zuwenders zwischen folgenden zwei Fällen unterschieden werden muß: • Zum einen kann es sich bereits bei Vornahme der Zuwendung rechnerisch um eine Zuwendung aus dem Anfangsvermögen handeln, d. h. zu diesem Zeitpunkt hat der Zuwender keinen der Zuwendung entsprechenden Zugewinn erzielt. Dies war im ersten Beispiel der Fall: Der Ehemann hat ein Anfangsvennögen von 200 TDM. Unmittelbar nach der Hochzeit überträgt der Mann sein ganzes Vennögen auf seine Frau, damit diese das Familienheim auf ihrem Grundstück ausbaut. Als die Ehe 15 Jahre später geschieden wird, ist er vennögenslos.

Auch das folgende Beispiel fällt in diese Gruppe: Der Mann verliert sein reales Anfangsvennögen von 200 TDM am Tag nach der Hochzeit in der Spielbank. Tags darauf gewinnt er 200 TDM in der Lotterie und wendet sie sofort seiner Frau zu, damit er sie nicht auch noch verspielt. Am Ende der Ehe ist er vennögenslos .

• Zum anderen kann es sich bei Vornahme der Zuwendung rechnerisch (noch) um eine Zuwendung aus dem Zuerwerb handeln, die erst nachträglich durch die Vermögensentwicklung im Anschluß an die Zuwendung zu einer solchen aus dem rechnerischen Anfangsvermögen wird. Dies ist in folgenden Beispiel der Fall: Der Mann hat ein Anfangsvennögen von 200 TDM. Wahrend der Ehe verdient er weitere 200 TDM hinzu, die er seiner Ehefrau für den Ausbau des Familienheims zuwendet. Danach verspielt er die ihm verbliebenen 200 TDM in der Spielbank.

Im ersten Fall weiß der Zuwender also zum Zeitpunkt der Zuwendung, daß er noch keinen Zugewinn erzielt hat. Ihm ist daher vergleichsweise eher bewußt, daß er seinen Partner an einem Teil seines Vermögens beteiligt, den er nicht während der Ehe hinzu verdient hat und an dem er diesen nicht beteiligen müßte. 13

188

4. Kap.: Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

Im zweiten Fall kann der Zuwender davon ausgehen, er würde den Ehegatten an dem bereits erzielten Zugewinn beteiligen, jedoch führt die Vermögensverschlechterung auf seiner Seite nachträglich dazu, daß die Zuwendung sich aus Sicht des Zugewinnausgleichs als solche aus dem Anfangsvermögen darstellt. Diese Unterscheidung wird im folgenden von großer Bedeutung sein, wenn der Wille des Zuwenders für die Frage herangezogen wird, ob eine Zuwendung aus dem Anfangsvermögen wirklich so zu beurteilen ist, wie eine solche aus dem Zugewinn.

c. Beinhaltet bereits § 1380 eine Sonderbehandlung? Eingangs wurde in der Beispielsrechnung festgestellt, daß § 1380 Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen genau so behandelt wie Zuwendungen aus dem Zuerwerb. Es überrascht daher, wenn Netzer 14 anhand des Gesetzes zu einem gegenteiligen Ergebnis kommt. Die Richtigkeit dieser These soll vorab geklärt werden.

I. Rückgewähr des vollen Zuwendungswertes durch § 1380 Ähnlich wie schon bei der Frage nach der Behandlung der Zuvielzuwendungen knüpft Netzer 15 auch bei der Frage der Behandlung von Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen an das Konzept der Anspruchsumkehr an, dessen Praktikabilität und Übereinstimmung mit den Grundsätzen des Zugewinnausgleichs in dieser Arbeit nachgewiesen wurde. Allein durch die umfassende Anrechnung glaubt Netzer, in den Fällen der Zuwendung aus dem Anfangsvermögen zu einer vollen Rückgewähr des Zuwendungswertes zu gelangen - jedenfalls soweit dies das Endvermögen des Empfängers zuläßt. Diese These soll anhand des eingangs bereits erläuterten Beispiels überprüft werden: Der Ehemann hat ein Anfangsvermögen von 200 TDM, seine Frau ist bei der Heirat Eigentümerin eines bebauten Grundstücks im Werte von ebenfalls 200 TDM. Unmittelbar nach der Hochzeit erhält sie von ihrem Mann dessen gesamtes Anfangsvermögen, um damit das Familienheim auf ihrem Grundstück auszubauen. Als die Ehe 15 Jahre später geschieden wird, ist der Ehemann vermögens los, die Frau besitzt das Grundstück im Wert von 400 TDM.

13 Dabei kommt es hier nicht darauf an, daß sich der Ehegatte tatsächlich diese Gedanken macht. Ausreichend ist, daß er sich jedenfalls nicht darauf berufen könnte, er hätte seinen Ehegatten an dem während der Ehe bereits erzielten Zuerwerb beteiligt. 14 Netzer FamRZ 1988, 676 und Zuwendungen S. 233 ff. 15 Netzer FamRZ 1988,676 (683) sowie Zuwendungen S. 233 ff.

c. Beinhaltet bereits § 1380 eine Sonderbehandlung?

189

Nach Netzer käme es hier zu folgender Ausgleichsberechnung: Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen fiktives Endvermögen nach § 1380 Abs. 2

Ehefrau

200

200 200 -+

0 200

400 200

0

0

fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsanspruch

200TDM

0 ./.200 (- 2(0)

Nach Netzers Verständnis des § 1380 Abs. 2 werden die 200 TDM dem Endvermögen des Zuwenders zugerechnet und vom Endvermögen des Empfängers abgezogen. Es ergibt sich auf beiden Seiten kein Zugewinn, beide haben also eine (fiktive) Ausgleichsforderung von Null. Dies soll nach Netzer als Voraussetzung für die Anrechnung genügen. Von dieser Forderung der Frau werden nun die 200 TDM abgezogen. Das negative Ergebnis kehrt sich in einen Anspruch für den Mann um, dieser kann die vollen 200 TDM von der Frau verlangen. 16

11. Stellungnahme Netzer kommt mit seiner Rechnung zwar zu dem von ihm befürworteten Ergebnis der vollständigen "Rückgewähr" des Zuwendungswertes, seine Lösung ist jedoch keinesfalls so unproblematisch, wie es den Anschein hat.

1. Verstoß gegen Gesetzeswortlaut

Soweit Netzer davon ausgeht, daß allein die umfassende Anwendung des § 1380 mitsamt der Möglichkeit einer Anspruchsumkehr zu den von ihm gewünschten Ergebnissen führt, irrt er. Denn § 1380 Abs. 2 S. 1 ordnet ausdrücklich an, der Wert der Zuwendung sei "bei der Berechnung der Ausgleichsforderung dem Zugewinn des Ehegatten" hinzuzurechnen, der die Zuwendung gemacht hat. Netzer hingegen rechnet den Wert nicht dem Zugewinn, sondern dem Endvermögen des Zuwenders hinzu. 16 Hier zeigt sich, warum Netzer eine Ausgleichsforderung des Zuwendungsempfängers von Null genügen läßt. Anderenfalls würde sich in diesem Beispiel keine Anspruch des Zuwenders ergeben.

190

4. Kap.: Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

Er befindet sich mit dieser Abweichung vom Gesetzeswortlaut allerdings in prominenter Gesellschaft. 17 Auch der BGH hat die Begriffe "Endvermögen" und "Zugewinn" bei der Anwendung des § 1380 Abs. 2 S. 1 bereits synonym verwendet. 18 Langenfeld spricht ebenfalls davon, die Anwendung des § 1380 ergebe ein .. korrigiertes Endvennögen" beim Zuwender. 19 Nach Reinicke/Tiedtke 2o schließlich wird .. das Endvennögen oder der Zugewinn des Mannes um den Wert der Zuwendung erhöht". Eine derartige Wortwahl ist zwar nachlässig, jedoch aus Sicht der genannten Autoren und Rechtsprechung im Ergebnis insofern verzeihlich, als diese Differenzierung bei der h.M. keine Rolle spielt: Da sie § 1380 ohnehin nur dann anwenden will, wenn der Zuwendungsempfänger im einfachen Ausgleich einen Anspruch hat, kann es sich in diesen Fällen niemals um eine Zuwendung aus dem (rechnerischen) Anfangsvermögen des Zuwenders handeln. Denn Voraussetzung dafür wäre, daß dessen Endvermögen kleiner ist als das Anfangsvermögen. In diesem Fall gibt es aber keinen Zugewinn auf Seiten des Zuwenders und ohne Zugewinn kann es keinen Ausgleichsanspruch für den Empfänger der Zuwendung und damit keine Anrechnung nach § 1380 geben. Ist nach h.M. § 1380 also nur anwendbar, wenn das Endvermögen das Anfangsvermögen übersteigt, dann ist es tatsächlich gleichgültig, ob der Zuwendungswert nach § 1380 Abs. 2 dem Endvennögen oder dem Zugewinn zugerechnet wird. Denn auch die Zurechnung zum Endvermögen erhöht den (vorhandenen!) Zugewinn genau um den Zuwendungswert. Das Ergebnis ist in bei den Fällen gleich. Sobald man aber den § 1380 - wie im 2. Kapitel erläutert - weiter versteht als die bislang h.M., gewinnt der präzise Wortlaut des Gesetzes an Bedeutung. Da nämlich erst mit Hilfe des § 1380 Abs. 2 geklärt wird, ob der Zuwender auch fiktiv ausgleichspflichtig ist, hat es entscheidenden Einfluß auf das Ergebnis, welchem Rechenposten die Zuwendung zugerechnet wird. Der Unterschied zwischen Hinzurechnung zum Endvennögen oder Hinzurechnung zum Zugewinn ist nun genau der, der bei Netzer zur vollen Rückforderung des Zuwendungswertes führt. Voraussetzung für die Annahme einer Zuwendung aus dem Anfangsvermögen war nämlich, daß das Endvermögen kleiner ist als das Anfangsvermögen. Der Zugewinn 17 Neben den im folgenden genannten auch noch: Soergel-Lange § 1374 Rn. 14; Haussleiter Vermögensauseinandersetzung Rn. 640; Willemer DB 1985, 1254 (1256); SchWter Familienrecht Rn. 132; Lüderitz Familienrecht Rn. 376. 18 BGHZ 82, 227 (235): .. Die Endvermögen der Ehegatten werden im Falle des § 1380 Abs. J vielmehr so berechnet, daß der Wert der Zuwendung statt beim Endvermögen des Empfängers berücksichtigt zu werden, dem Endvermögen des Ehegatten, der zugewendet hat, hinzugerechnet wird." Ebenso OLG Frankfurt FamRZ 1987,62 (64): .. Der Wert der Zuwendung ( ... ) ist dem Zugewinn des Mannes, also seinem Endvermögen hinzuzurechnen (§ J380 Abs. 2 BGB)." 19 Langenfeld Handbuch Rn. 195. Ebenso Kühne FamRZ 1978,221 (223): .. ( ... ) erforderte eine Hinzurechnung des Wertes der Zuwendung zum Endvermögen des Zuwendenden eine Lösung, wie sie in § J380 Abs. 2 verwirklicht ist. " 20 Reinicke I Tiedtke WM 1982, 946 (950).

C. Beinhaltet bereits § 1380 eine Sonderbehandlung?

191

als Ausgangspunkt der Anrechnung ist dagegen wegen § 1373 immer wenigstens Null. Wird der Wert der Zuwendung nun diesem Zugewinn von Null hinzugerechnet, ergibt sich ein fiktiver Zugewinn mindestens in Höhe des Zuwendungswerts. Wird der Wert jedoch dem Endvermögen zugerechnet, das kleiner ist als das Anfangsvermögen, erhöht sich der fiktive Zugewinn insoweit nicht, als es sich um eine Zuwendung aus dem Anfangsvermögen handelt. Denn erst muß die Differenz zwischen End- und Anfangsvermögen ausgeglichen werden, bevor sich die Hinzurechnung in einem Zugewinn auswirkt. Je kleiner aber der fiktive Zugewinn des Zuwenders ist, desto kleiner ist auch die fiktive Ausgleichsforderung des Empfängers und desto größer wird dadurch die Ausgleichsforderung des Zuwenders nach Abzug des Zuwendungswerts und Anspruchsumkehr. Wird § 1380 hingegen im obigen Beispiel wortgetreu angewendet, ergibt sich folgendes Ergebnis:

Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsanspruch

Ehemann 200

Ehefrau 200 200

0 0 200

100 TOM

-+

400 200 0 100 ./.200 (- 100)

Während sich bei wortgetreuer Anwendung des § 1380 ein Anspruch des Zuwenders in Höhe des halben Zuwendungswertes errechnet, also 100 TDM, gewährt ihm die Lösung Netzers einen Anspruch auf den vollen Zuwendungswert, also 200 TDM. Die Lösung Netzers entpuppt sich daher als Rechentrick, der sich eben nicht aus dem begründeten Prinzip der Anspruchsumkehr, sondern aus der völlig umkommentiert gelassenen Abweichung vom Gesetzeswortlaut ergibt. Die Anspruchsumkehr sorgt lediglich dafür, daß der Zuwender den Negativsaldo als eigene Forderung geltend machen kann. Dem Zuwender stünde also auch dann die Hälfte seiner Zuwendung zu, wenn im obigen Beispiel die Frau nur ein Endvermögen von 200 TDM und damit keinen Zugewinn erzielt hätte. Jedoch erst die Hinzurechnung zum Endvermögen bewirkt, daß der Negativsaldo die Zuwendung aus dem Anfangsvermögen voll beinhaltet, der Zuwender also nicht nur den halben, sondern den ganzen Zuwendungswert zurückerhält. 21 21 Dieser Anspruch ergibt sich zudem nur, wenn man mit Netzer einen fiktiven Ausgleichsanspruch von Null als Voraussetzung für die Anrechnung genügen läßt. Anderenfalls käme es in diesem Beispiel nicht zur Anrechnung und es bliebe bei einem Anspruch des Ehemannes von 100 TOM. Dies entspricht dem Ergebnis, das sich bei wörtlicher Anwendung des § 1380 ergibt. Auch dies spricht gegen Netzers Lösung.

192

4. Kap.: Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

Ein derartige Abweichung vom Gesetzeswortlaut darf keineswegs stillschweigend erfolgen,22 sondern kann allenfalls notwendige Konsequenz der Analyse von Gesetzeszweck und -systematik sein. Der Wortlaut ("Zugewinn") alleine darf sicherlich insoweit nicht überbewertet werden. Der Gesetzgeber hatte die Fälle der Zuvielleistungen nicht im Blick, als er § 1380 konzipierte. Soweit aber nur die Fallgruppen 1 und 2, also die Vorwegleistungen in Rede stehen, kommt es tatsächlich nicht darauf an, ob die Zuwendung dem Endvermögen oder dem Zugewinn des Zuwenders hinzugerechnet wird. Bei der Zuwendung aus dem Anfangsvermögen handelt es sich aber um einen Unterfall der Zuvielleistungen, und diese wurden bei der Entwicklung des Zugewinnausgleichs gerade übersehen. Voraussetzung für eine Abweichung vom Wortlaut der Anrechnungsvorschrift wäre aber in jedem Fall, daß die nur hälftige Rückzahlung des Zuwendungswertes wirklich mit den Prinzipien der Zugewinngemeinschaft nicht vereinbar wäre. Darauf wird noch einzugehen sein.

2. Lösung ist nicht umfassend Neben der eben geäußerten Kritik vermag Netzers Lösung zudem nicht alle denkbaren Fälle in der dargestellten Weise zu lösen: Denn immer dann, wenn der Zuwender niemals der Ausgleichspflichtige gewesen wäre, kommt auch der § 1380 nicht zur Anwendung, weil sich trotz Anwendung des § 1380 Abs. 2 und der Abweichung vom Wortlaut (Hinzurechnung zum Endvermägen) keine Ausgleichsforderung für den Empfänger einer Zuwendung ergibt. Dazu muß der obige Beispielsfall nur leicht dahingehend abgewandelt werden, daß die Ehefrau einen eigenen Zuerwerb, sei er auch noch so klein, erzielt hat. Die Eheleute haben ein Anfangsvermögen von jeweils 200 TOM. Der Mann wendet seiner Frau 200 TOM zu und hat am Ende der Ehe kein Vermögen. Sie hingegen hat ein Vermögen von 400.001 DM, also I DM mehr als im vorigen Beispiel.

Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen

Ehemann

Ehefrau

200.000 200.000

200.000

o

Zugewinn Ausgleichsanspruch

-+

400.001 200.001

100.000,50

22 Netzer geht darauf nicht ein. Vielmehr beschreibt er in FamRZ 1988, 676 (682) einen Teil seiner Lösung folgendermaßen: .. Ein Schritt wird durch § 1380 Abs. 2 bestimmt, wonach die Zuwendung nicht dem Zugewinn des Empfängers, sondern dem Zugewinn des Zuwenders zuzurechnen ist. .. Bei den darauf folgenden Beispielsrechnungen erfolgt die Zurechnung dann jedoch zum Endvermögen des Zuwenders mit den oben beschriebenen Konsequenzen.

C. Beinhaltet bereits § 1380 eine Sonderbehandlung? Ehemann

Ehefrau

200.000

200.001

193

bei Anrechnung TUlch Netzer:

fiktives Endvermögen

o

fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch

0,50 DM nicht möglich

Anrechnung

Die Ehefrau hat hier trotz Hinzurechnung des Zuwendungswertes zum Endvermögen des Ehemannes den höheren Zugewinn erzielt, nämlich 1 DM. Es fehlt also an einem Ausgleichsanspruch fUr die Zuwendungsempfängerin, die Anrechnung ist daher abzubrechen. Der Ehemann kann folglich nur 100.000,50 DM als Ergebnis des einfachen Zugewinnausgleichs ohne Anrechnung fordern. Da Netzers Lösung auf der Anwendung des § 1380 basiert, muß sie in derartigen Fällen versagen?3 Im Extremfall scheitert die Rückforderung der gesamten Zuwendung also bereits daran, daß der Zugewinn des Empfängers nur um einen Pfennig höher ist. Ein Grund fUr eine derartige Inkonsistenz der Ergebnisse innerhalb des Zugewinnausgleichs ist aber nicht erkennbar. Soll eine einheitliche Lösung gefunden werden, müßte auch Netzer für diese Fälle auf schuldrechtliche Ansprüche, insbesondere die Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, zurückgreifen. Dies spricht zumindest dagegen, daß allein der Ausgleichsmechanismus selbst bei Abweichen vom Wortlaut des § 1380 Abs. 2 in der Lage ist, in allen Fällen der Zuwendung aus dem Anfangsvermögen zu einer insoweit vollständigen Rückabwicklung zu fUhren.

III. Ergebnis Entgegen der Ansicht von Netzer beinhaltet § 1380 also keineswegs einen Mechanismus, der automatisch und in jeder Fallkonstellation zur wertmäßigen Rückgewähr von Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen fUhrt. Dies wäre zwar in weiten Teilen durch eine teleologische Umdeutung des Begriffes ,.zugewinn" in § 1380 Abs. 2 S. 1 in "Endvermögen" möglich. Doch selbst dann würden nicht alle Fälle der Zuwendung aus dem Anfangsvermögen konsistent gelöst werden können. Es bleibt daher bei dem Problem, ob eine generelle Sonderbehandlung von Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen überhaupt notwendig erscheint. Nur wenn dies zu bejahen ist, stellt sich als zweiter Schritt die Frage, wie diese auszusehen hat.

2J Dies erkennt grundSätzlich auch Netzer Ehegattenzuwendungen S. 236 und verweist für diese FalIgruppe auf die Lehre vom WegfalI der Geschäftsgrundlage.

13 Jeep

194

4. Kap.: Sonderbehandlung rür Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

D. Ablehnung einer Sonderbehandlung durch den BGH I. Die Rechtsprechung des BGH Der BGH lehnt eine Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen ab, ohne sich jedoch mit ihr ausführlich beschäftigt zu haben. Der Zugewinnausgleich ist nach seiner Ansicht so durchzuführen, wie es sich nach den allgemeinen Vorschriften ergibt: "Hat ein Ehegatte dem anderen eine Zuwendung aus seinem Anfangsvermögen gemacht und selbst keinen Zugewinn erzielt, so kann er nach § 1378 Abs. I allerdings nur die Hälfte des Wertes der Zuwendung zurückverlangen. Auch das sieht der Senat nicht von vornherein als unbillig an. ,,24

Diese Rechtsauffassung wurde vom BGH in einem anderen Urteil nochmals bestätigt: ,,Die sich aus § 1378 Abs. I ergebende güterrechtliche Regelung ist nicht von vornherein unbillig. Sie erlaubt mithin auch bei hohen Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen eine angemessene Auseinandersetzung. Für die Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage ist nur ausnahmsweise Raum, nämlich nur dann, wenn anders ein tragbares Ergebnis nicht erreicht werden kann.,,25

Die Ablehnung einer Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen hat in Teilen der Literatur Zustimmung gefunden, näher begründet wird sie jedoch nicht. 26 Lediglich in Ausnahmefällen erkennt die Rechtsprechung einen Anspruch des Zuwenders wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage an. Dieser soll u. a. möglich sein, wenn die Halbteilung einer Zuwendung aus dem Anfangsvermögen zu schlechthin unangemessenen und für den Zuwender unzumutbaren Ergebnissen führt. 27

BGHZ 82, 227 (235). BGH FamRZ 1982, 778 (779). In BGHZ 115, 132, wo es sich ebenfalls um eine Zuwendung aus dem Anfangsvermögen gehandelt hat, wurde die spezielle Problematik vom BGH nicht behandelt. 26 Langen/eid Handbuch Rn. 200; ReinickelTiedtke WM 1982,946 (953); Grünenwald NJW 1988, 109 (110) Fn. 18; 7iedtke DNotZ 1983, 161 (164 f., 169) und JZ 1984, 1078 (1083); Jaeger DNotZ 1991,431 (458 f.). 27 Insbesondere BGH FamRZ 1994,503; generell auch BGHZ 68, 299; 115, 132 (140). Siehe dazu auch die Ausführungen unten S. 203 f. Das OLG München FuR 1999, 34 ff. hat jetzt einer Mutter von drei Kindern, die ihr gesamtes Erbe für den Bau eines Hauses verwendet hat, das dann im Eigentum des Ehemannes stand, einen Anspruch wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage bejaht. Wegen eines hohen Anfangsvermögens und hoher Belastungen des Endvermögens hatte der Ehemann praktisch keinen Zugewinn erzielt, so daß ein Ausgleichsanspruch hier ausschied. 24

25

D. Ablehnung einer Sonderbehandlung durch den BGH

195

11. Kritik in der Literatur Einige Autoren 28 sehen in der gesetzlichen Behandlung von Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen eine ähnlich gravierende Gesetzeslücke, wie sie bei der Frage nach der Rückabwicklung von Zuvielzuwendungen zu bestehen schien. Grundtenor der Kritik an der strikten Auslegung des Gesetzes durch den BGH ist, daß dem Zuwender die Zuwendung aus dem Anfangsvermögen voll zurückzugewähren ist, weil von vornherein keine Verpflichtung bestand, den Ehegatten an diesem Vermögen zu beteiligen. Die Vorstellung einer Halbteilung dieser Zuwendung widerspreche den Wertungen des gesetzlichen Güterstandes,29 der Verweis des BGH auf diesen Anspruch sei "kläglich".3o Denn das Anfangsvermögen sei vor der Ehe und damit gerade unabhängig von der Tätigkeit des späteren Ehegatten erwirtschaftet worden. Durch den Zugewinnausgleich solle aber allein das Vermögen wertmäßig geteilt werden, zu dessen Bildung beide ursächlich beigetragen haben. Der Gedanke hälftiger Partizipation habe nach Sinn und Zweck des Zugewinnausgleichs nur Geltung, soweit es um die Verteilung von während des Güterstandes erwirtschafteten Überschüssen gehe. 31 Daher sei es unbillig, wenn der Ehegatte im Zugewinnausgleich auch am Anfangsvermögen des anderen partizipiere. Dies widerspreche nicht nur der Idee der Zugewinngemeinschaft, es widerspreche auch dem ehebezogenen Charakter der Zuwendung. Dem werde nur eine Lösung gerecht, die zu einer wertmäßig vollen Rückabwicklung der Zuwendung führe. Denn die Grundidee der Zugewinngemeinschaft, daß an dem, was während der Ehe von beiden Eheleuten erworben wird, beide Ehegatten auch gleichmäßig zu beteiligen sind, habe zwei Aussagen: Eine positive dahingehend, daß der eheliche Wertzuwachs halbiert werden soll, aber auch eine negative Abgrenzungsaussage dahingehend, daß dies ausschließlich den während der Ehe erwirtschafteten Wertzuwachs betrifft. 32 Soweit dem Zugewinnausgleich eine angemessene LÖsung nicht zugetraut wird, nehmen die meisten Autoren Rückgriff beim Institut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage. So befürwortet Friedrich einen Anspruch aus § 242 für alle Fälle, in denen das Güterrecht keine Lösungsmöglichkeit für die Rückgewähr der Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen anbietet. 33 Dabei sei der Grundsatz des Wegfalls der Geschäftsgrundlage, der immer mit dem Hinweis auf die Einzelfallgerechtigkeit verbunden sei, nicht so zu verstehen, als könne die Rückforderung im Ein28 Netzer FamRZ 1988,676 (679); Rauscher AcP 186 (1986), 529 (574); Holzhauer JuS 1983,830 (835 f.); Ludwig FuR 1992,201 (203); Friedrich JR 1986, 1 (5); Kühne JR 1982, 237 (238). 29 Friedrich JR 1986, 1 (5). 30 Kühne JR 1982,237 (238). 31 Ludwig FuR 1992,201 (203). 32 Netzer FamRZ 1988, 676 (679). 33 Friedrich JR 1986, 1 (5); so auch Rauscher AcP 186 (1986), 529 (574); Kühne JR 1982,237 (239).

13'

196

4. Kap.: Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

zelfall ebenso versagt wie gewährt werden. Vielmehr müsse .. die für Ehegatten typische unbenannte Zuwendung auch zu einer typischen Rechtsfolge führen, weil ansonsten auf diesem Gebiet die Rechtssicherheit aufgegeben würde. ,,34 Dies ist auch die Ansicht, die bereits 1970 von Lieb vertreten wurde. 35 Andere Autoren befürworten hier einen Anspruch wegen ungerechtfertigter Bereicherung. 36

E. Stellungnahme Die Kritik an der Lösung des BGH macht es sich zu einfach, wenn sie allein aus der Tatsache, daß auch Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen der Halbteilung des Zugewinnausgleichs unterfallen, auf die Unbilligkeit der Lösung schließt. Zwar ist es richtig, daß der Zugewinnausgleich zu einer Halbteilung des ehelichen Zugewinns führen soll und nicht zu einer Halbteilung des Anfangsvermögens. Bei dieser hälftigen Beteiligung des Zugewinns bleibt es sogar dann, wenn sich eine getätigte Zuwendung nicht mehr als Zugewinn beim Empfänger widerspiegelt. Das hat das 2. Kapitel ergeben, wobei die Grundlage dieser Korrektur aus § 1380 herauszulesen ist. Insoweit ist die oben festgestellte positive Aussage der Grundidee des Zugewinnausgleichs verwirklicht. Die negative Aussage aber, daß nämlich das Anfangsvermögen durch den Ausgleich nicht angegriffen wird, findet sich allein in den §§ 1373, 1378 I. Diese verhindern jedoch nur, daß der Ausgleichsanspruch eines Ehegatten dazu führt, daß der andere Teile seines Anfangsvermögens mit diesem teilen muß. Das hier zu behandelnde Problem ist jedoch, ob die Grundidee der Zugewinngemeinschaft auch noch eine weitere Aussage hat, daß nämlich eine Zuwendung, die sich als Zuwendung aus dem Anfangsvermögen darstellt, immer dahingehend zu korrigieren ist, daß dem Zuwender deren Wert vollständig wieder zurückfließt. Denn hier ist es gerade nicht der Zugewinnausgleich (bzw. der Ausgleichsanspruch des Ehegatten), der das Anfangsvermögen angreift, sondern es war der Zuwender selbst, der es durch seine Zuwendung verringert hat. Dem Zuwender wird sein Anfangsvermögen also nicht durch den Ausgleichsanspruch des Ehegatten weggenommen, er hat es vielmehr selbst weggegeben. Es wäre daher voreilig, einen Verstoß gegen die Idee der Zugewinngemeinschaft bereits deshalb zu bejahen, weil der Zugewinnausgleich Zuwendungen aus dem rechnerischen Anfangsvermögen im Ergebnis genau so behandelt wie Zuwendungen aus dem Zugewinn.

Friedrich JR 1986, 1 (6). Lieb Ehegattenmitarbeit S. 129. 36 Ludwig FuR 1992.201 (206); ebenso OLG Schleswig FamRZ 1978.247; generell für die Abwicklung unbenannter Zuwendungen auf das Bereicherungsrecht verweisend: GemhuberlCoester-Waltjen § 36 VII 2; Joost JZ 85.10 (14). 34

35

E. Stellungnahme

197

Dem Verweis auf Ansprüche außerhalb des Güterrechts begegnen vor allem die Bedenken, die dem Nebeneinander von Güterrecht und schuldrechtlichen Ansprüchen insgesamt entgegenstehen, also die Aufteilung der vermögensmäßigen Abwicklung der Ehe auf (wenigstens) zwei Prozesse vor verschiedenen Gerichten. Wahrend der Zugewinnausgleich als Ehesache vor dem Familiengericht geltend zu machen ist (§ 23 b Abs. 1 S. 2 Nr. 9 GVG, § 621 Abs. 1 ZPO), gehören Ansprüche wegen ungerechtfertigter Bereicherung oder wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage vor das Gericht für allgemeine Zivilsachen. 37 Es ist daher die Frage zu beantworten, ob die Halbteilung der Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen wirklich so unbillig ist, daß eine Korrektur des Ausgleichsergebnisses erforderlich wird. Es ist zu fragen, ob in konsequenter Fortführung des in den §§ 1374 Abs. 2, 1380 zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Gedankens wirklich die volle Rückgewähr der Zuwendung aus dem Anfangsvermögen geboten ist. Als Kriterien für die Beantwortung dieser Frage können zum einen das auszulegende Verhalten des Zuwenders und zum anderen der in § 1380 inkorporierte Gedanke der Risikoverteilung dienen.

I. Wille des Zuwenders Es wurde bereits erläutert,38 daß es für die Qualifikation einer Zuwendung aus dem Anfangsvermögen allein auf die Situation bei Beendigung des Güterstandes ankommt. Ob es sich auch tatsächlich oder "nur" rechnerisch um eine Zuwendung aus dem Anfangsvermögen gehandelt hat, spielt hingegen keine Rolle. Aus Sicht des Zuwenders wurde jedoch weiter zwischen zwei Situationen unterschieden: Zum einen kann es sich zum Zeitpunkt der Zuwendung um eine Zuwendung aus dem (tatsächlichen oder rechnerischen) Anfangsvermögen handeln, zum anderen um eine Zuwendung aus dem Zuerwerb, die sich erst durch späteren Vermögensverlust als Zuwendung aus dem Anfangsvermögen entpuppt. Im zweiten Fall können aus der Tatsache der Zuwendung selbst wenig Rückschlüsse über die Motivation und den Willen des Zuwenders in bezug auf den späteren Zugewinnausgleich gezogen werden. Anders verhält es sich jedoch, wenn dem Zuwender bereits zum Zeitpunkt der Zuwendung bewußt war, daß er seinen Ehegatten hier an seinem Vermögen beteiligt, obwohl dieser darauf im Rahmen des Zugewinnausgleichs keinen Anspruch haben würde. Denn wendet ein Ehegatte seinem Partner Vermögen zu, obwohl er noch keinen Zuerwerb erzielt hat, dann beteiligt er diesen bewußt an dem Teil seines Vermögens, den er im Falle der Scheidung nicht ausgleichen müßte. Ordnet er zugleich an, daß diese Zuwendung im Scheidungsfalle anzurechnen ist, dann si37 38

BGHZ 115,132 (137); BGH FamRZ 1981, 19 (21); Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 3. Siehe S. 185 ff.

198

4. Kap.: Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

gnalisiert er damit ausdrücklich, daß sie wie eine Zuwendung aus dem auszugleichenden Zugewinn zu behandeln ist. Denn es wäre widersprüchlich, etwas als auf den Zugewinnausgleichsanspruch anzurechnend zuzuwenden und es hinterher mit dem Verweis auf die Nichtzugehörigkeit zum Zugewinnausgleich vollständig zurückzufordern. Wenn im 2. Kapitel § 1380 mit dem Argument weit ausgelegt wurde, der Zuwender würde anderenfalls durch die Zuwendung schlechter stehen, als er ohne sie stünde, so stand dahinter auch der Gedanke, die frühzeitige Beteiligung des Ehegatten am eigenen Zuerwerb zu fOrdern. Dieses Argument kann zwingend nur die paritätische Teilung des Nettozuerwerbs betreffen, nicht aber den Fall der Zuwendung aus dem Anfangsvermögen. Diese müssen nicht gefördert werden, weil sie aus Sicht des Zugewinnausgleichs nicht geboten sind. Wer sie bewußt vornimmt, geht ein Risiko ein. Er verzichtet konkludent auf die Privilegierung seines Anfangsvermögens. §§ 1373, 1378 I verhindern nur, daß das Anfangsvermögen im Ausgleich angetastet wird. Wurde es bereits zuvor freiwillig vom Zuwender angetastet, dann vermag auch § 1380 dies von seinem Regelungsgehalt nicht auszugleichen. Eine ausdrückliche Anrechnungsbestimmung kann also grundsätzlich so interpretiert werden, daß das eigentlich privilegierte Anfangsvermögen jetzt doch dem Zugewinnausgleich unterfallen soll, soweit nicht später tatsächlich ein Zugewinn erwirtschaftet wird, so daß sich die Zuwendung gar nicht mehr als eine solche aus dem rechnerischen Anfangsvermögen darstellt. Gleiches muß schließlich für den Fall gelten, daß der Zuwender keine Anrechnungsbestimmung getroffen hat, also erst die Auslegung nach § 1380 Abs. 1 S. 2 BGB oder der Nachweis des Vorliegens einer unbenannten Zuwendung zur Anrechnung führt. Wenn bei ausdrücklicher Anrechnungsbestimmung, die schon von gewissem Mißtrauen (oder einem ausgeprägten Sinn für die statistische Realität) hinsichtlich der möglichen Dauer der Ehe zeugt, der Zuwender also die Gefahr des Scheiterns vor Augen hatte, keine Sonderbehandlung geboten ist, dann gilt dies auch, wenn sich der Zuwender nicht einmal Gedanken darüber macht, daß die Ehe scheitern könnte. Hier gibt er etwas weg, ohne an eine eventuelle Benachteiligung zu denken. § 1380 Abs. 2 hilft ihm hier für den Fall der Zuvielzuwendung dennoch. Darüber hinaus ist aber eine volle Rückabwicklung mit den gleichen Argumenten wie oben nicht geboten. Auch hier ist die Zuwendung aus dem Anfangsvermögen, wenn sie als anzurechnende Zuwendung anzusehen ist, so zu behandeln wie eine Zuwendung aus dem Zugewinn. Stellte sich die Zuwendung zum Zeitpunkt ihrer Vornahme für den Zuwender als Zuwendung aus dem (rechnerischen) Anfangsvermögen dar, gibt es also grundsätzlich keinen Anlaß, das Ergebnis der existierenden gesetzlichen Regelung in Frage zu stellen. Diese Argumentation greift indes nicht ein, wenn der Ehegatte zwar "bewußt" aus seinem Anfangsvermögen zuwendet, aber dabei fest daran glaubte, er werde einen entsprechenden Betrag in den kommenden Jahren wieder hinzuverdienen. Trifft dies zu, handelt es sich schon nicht um eine Zuwendung aus dem rechneri-

E. Stellungnahme

199

sehen Zugewinn. Trifft dies jedoch nicht zu, so kann man nicht davon sprechen, der Ehegatte habe den Partner vergleichsweise bewußt an seinem Anfangsvermögen beteiligen wollen. 39 Gleiches gilt für den umgekehrten Fall, in dem sich erst im nachhinein herausstellt, daß die Zuwendung, die tatsächlich aus dem Zugewinn erfolgte, nunmehr doch eine solche aus dem rechnerischen Anfangsvermögen war. Auch hier kann der Wille des Zuwenders sicher nicht dahingehend ausgelegt werden, er habe hinreichend bewußt sein Anfangsvermögen dem Zugewinnausgleich unterworfen, denn zum Zeitpunkt der Zuwendung handelte es sich aus seiner Sicht um eine Zuwendung aus dem Zuerwerb, der im Zugewinnausgleich aufzuteilen ist.

11. Risikoverteilung bei Zuwendung aus dem Anfangsvermögen Neben dem Abstellen auf den durch die Zuwendung zum Ausdruck gebrachten Willen des Zuwenders kann - insbesondere für die bei den letztgenannten Fälle die in § 1380 erkannte Risikoverteilung als Ansatzpunkt für die Frage nach der güterrechtlich "richtigen" Lösung dienen. Es wurde bereits festgestellt, daß der automatische Ausgleichsmechanismus in bezug auf Zuwendungen unter Ehegatten gestört sein kann. Auf Seiten des Zuwendungsempfängers war dies der Fall, wenn der Wert seines Zugewinns letztlich kleiner war als derjenige der Zuwendung. Die Störung liegt darin, daß die Zuwendung den Zugewinn nicht wie erwartet um ihren Wert erhöht hat. Eine automatische Anrechnung der Zuwendung findet nicht statt, erst § 1380 führt zu einem angemessenen Ergebnis. Bei den Zuwendungen aus dem Zugewinn, die sich erst nachträglich als Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen herausstellen, handelt es sich um die entgegengesetzte Störung der angesprochenen Automatik. Hier ist es nämlich der Zugewinn des Zuwenders, der durch die Zuwendung nicht wirklich um deren vollen Wert verringert wurde. Denn die Zuwendung erfolgte aus dem Anfangsvermögens und der Zugewinn als Rechengröße kann wegen § 1373 nicht kleiner als Null sein. Der fehlenden Erhöhung des Empfängerzugewinns um den Zuwendungswert steht also das Risiko der fehlenden Verringerung des Zuwenderzugewinns gegenüber. Mit dem Risiko des Vermögensverlusts auf Seiten des Empfängers korrespondiert das Risiko des Vermögensverlusts (oder des fehlgeschlagenen Vermögensaufbaus, falls der Zuwender davon ausging, er würde später einen entsprechenden Zuerwerb erzielen) auf Seiten des Zuwenders. Die Frage ist nun, wer diese Risiken zu tragen hat.

39 Diese Unterscheidung führt jedoch nicht dazu, daß nun tatsächlich die Vorstellung des Zuwenders im Einzelfall geklärt werden müßte. Diese Überlegung dient allein der Rechtfertigung der Ergebnisse des Zugewinnausgleichs. Ging der Zuwender daher davon aus, er würde später den entsprechenden Zugewinn erwirtschaften, ist lediglich eine andere Begründung erforderlich, die im folgenden beschrieben wird.

200

4. Kap.: Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

Bezüglich des Risikos, daß der Zuwendungsempfänger einen Zugewinn hat, der hinter dem Zuwendungswert zurückbleibt, hat das 2. Kapitel eine Antwort gegeben. Dieses Risiko trägt gern. § 1380 vollständig der Zuwendungsempfänger. Er muß sich im Zugewinnausgleich immer so behandeln lassen, als hätte sein Zugewinn wenigstens die Höhe des Zuwendungswertes. Ab dem Zeitpunkt der Zuwendung trägt er also in dieser Höhe das Wertrisiko. Wer nun die wertmäßig volle Rückgewähr einer Zuwendung aus dem rechnerischen Anfangsvermögen fordert, weist dem Zuwendungsempfänger zudem das zweite Risiko zu: Er soll das Risiko für den Wertverlust des Vermögens tragen, das sich noch beim Zuwender befindet. Oder - dies entspricht dem zweiten oben angesprochenen Fall - er trägt das Risiko, daß sich das Vermögen des Zuwenders nicht so vermehrt, wie dieser sich dies bei der Zuwendung vorgestellt hat. Dies soll anhand einer Abwandlung des bereits aus der Einleitung bekannten Beispiels verdeutlicht werden, wobei eine Zuwendung aus dem rechnerischen Anfangsvermögen mit einem Wertverlust auf Seiten des Zuwendungsempfängers zusammentrifft. Der Ehemann hat ein Anfangsvermögen von 200 TDM, seine Frau ist Eigentümerin eines bebauten Grundstücks im Werte von ebenfalls 200 TDM. Wahrend der Ehe wendet ihr der Mann von seinem in den ersten Ehejahren im eigenen Betrieb hinzuerwirtschafteten Vermögen 200 TDM zu, um damit das Familienhaus weiter auszubauen. Als die Ehe 10 Jahre später geschieden wird, ist der Ehemann aufgrund des Konkurses seines Unternehmens vermögenslos geworden. Seine Frau besitzt das Grundstück, das jedoch aufgrund des Baus einer Ortsumfahrung nur noch einen Wert von 200 TDM hat.

Nach der bisher h.M. ist es in diesem Fall so, daß sich für den Zuwender kein Ausgleichsanspruch ergibt. Beide Ehegatten haben keinen Zugewinn erzielt, ein Ausgleichsanspruch für die Ehefrau besteht nicht, weshalb auch eine Anrechnung nicht durchzuführen ist. Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen

Ehefrau

200

200 200 -+

0

200 TDM

Zugewinn

0

0

Ausgleichsanspruch

0

0

Das 2. Kapitel hat jedoch gezeigt, daß § 1380 in dieser Variante der Fallgruppe 3 sehr wohl zur Anwendung kommt und der Ehefrau das Wertrisiko für die Zuwendung zuweist. § 1380 Abs. 2 ergibt einen fiktiven Ausgleichsanspruch der Frau in Höhe von 100 TDM, auf den 200 TDM anzurechnen sind. Durch die Anspruchsumkehr führt dies zu einem Ausgleichsanspruch des Mannes in Höhe von 100 TDM. Die Ehefrau muß sich so behandeln lassen, als würde sie noch über einen Zugewinn in Höhe des Zuwendungswertes verfügen.

E. Stellungnahme

201

Ehemann Anfangsvermögen

Ehefrau

200

200

Zuwendung

200 -

Endvermögen

0

Zugewinn

0

fiktiver Zugewinn

200 0

200

o (- 2(0)

100 TOM

./ . 200 (- 1(0)

fiktiver Ausgleichsanspruch

100

Anrechnung Ausgleichsanspruch

Folgt man hingegen der Lösung Netzers,4o die in den meisten Fällen zur vollständigen Rückgewähr der Zuwendung aus dem Anfangsvermögen führt, erhält der Ehemann sogar einen Anspruch in Höhe von 200 TDM. Denn die Zurechnung der Zuwendung zum Endvermögen des Zuwenders ergibt wegen des gleich hohen Anfangsvermögens keinen fiktiven Zugewinn. Auf die Ausgleichsforderung der Frau in Höhe von Null werden die 200 TDM angerechnet, was aufgrund der Anspruchs umkehr einen Anspruch des Mannes in gleicher Höhe ergibt:

Anfangsvermögen

Ehemann

Ehefrau

200

200

Zuwendung Endvermögen fiktives Endvermögen fiktiver Zugewinn

200 0

0

0

0

fiktiver Ausgleichsanspruch

0

Anrechnung Ausgleichsanspruch

200

200

200 TOM

./ . 200 (- 2(0)

Zum gleichen materiellen Ergebnis kommen auch alle Befürworter eines weitreichenden oder gar regelmäßigen Anspruchs wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder ungerechtfertigter Bereicherung. 41 Der Mann könnte seine Zuwendung im Extremfall also vollständig zurückfordern, ohne dadurch im Zugewinnausgleich ausgleichspflichtig zu werden. Betrachtet man dieses Ergebnis im Hinblick auf die Verteilung der oben angesprochenen Risiken, dann würde die Ehefrau beide Risiken tragen. Sie trüge das Risiko, daß ihr eigener Zugewinn nicht mehr die Höhe der Zuwendung hat, und sie trüge das Risiko, daß die Zuwendung, obwohl sie anfangs aus dem Zugewinn erfolgte, sich aufgrund der nachträglich eingetretenen Umstände letztlich nur als Zu40 41

Netzer FamRZ 1988, 676 (683) und Zuwendungen S. 233 ff. Vergleiche die Nachweise auf S. 196 oben.

202

4. Kap.: Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

wendung aus dem Anfangsvennögen darstellt. Sie müßte ihr ganzes Vennögen dem Ehemann zurückgewähren. Einen Grund für diese Risikokumulation auf Seiten des Zuwendungsempfangers gibt es jedoch nicht. Denn die Argumente, die für den Wertrisikoübergang auf den Empfanger sprechen, greifen insoweit nicht, als es sich um das Risiko handelt, eine Zuwendung entstamme entgegen der Erwartung nicht dem Zugewinn, sondern dem - rechnerischen - Anfangsvennögen. Bezogen auf das eigene Vennögen kann dem Zuwendungsempfänger zum Vorwurf gemacht werden, daß sein Zugewinn kleiner ist als der Zuwendungswert. Dem Risiko des zufalligen Untergangs des Zuwendungsgegenstandes oder des anderweitigen Verlustes steht dabei zumindest der Vorteil der vorzeitigen Nutzungsmöglichkeit gegenüber. Keinen unmittelbaren Einfluß hat der Zuwendungsempfänger jedoch auf die Vennögensverhältnisse des Zuwenders. Ob eine Zuwendung letztlich aus dem rechnerischen Anfangsvennögen oder aber aus dem Zugewinn erfolgt, hängt weitestgehend vom Zuwender selbst ab. Sammelt er weiteres Vennögen an oder erhält er zumindest den Wert seines Anfangsvennögens, bleibt es bei einer Zuwendung aus dem Zugewinn. Vernachlässigt er jedoch seine finanziellen Angelegenheiten, verspekuliert er sich an der Börse, verliert er seinen Beruf oder erwirtschaftet er aus anderen Gründen nicht den erwarteten weiteren Zuerwerb, dann sind dies Faktoren, die in seiner Sphäre liegen, auf die allenfalls er, jedenfalls aber nicht der Zuwendungsempfänger Einfluß hat. Dennoch soll dieser das Risiko des Vennögensverlustes auf Seiten des Zuwenders tragen. Dies vennag nicht zu überzeugen. Es kann nicht sein, daß ein Ehegatte das volle Risiko für einen Zuwendungswert tragen soll, der ihm gar nicht zusteht, ohne daß ihm dies bewußt ist. Er weiß zum Zeitpunkt der Zuwendung im Zweifel nichts von etwaigen Rückforderungsansprüchen. Er kann möglicherweise nicht einmal wissen, daß es sich um eine Zuwendung aus dem rechnerischen Anfangsvennögen handelt, wenn sich dies erst im nachhinein ergibt. Es sollte vielmehr jeder Ehegatte das Risiko tragen, das er selber beeinflussen kann: Der Zuwender das Risiko, daß sich seine Zuwendung im nachhinein als Zuwendung aus dem Anfangsvennögen darstellt, der Empfänger das Risiko, daß er letztlich keinen Zugewinn in Höhe des Zuwendungswertes (mehr) hat. Diese Wertung entspricht genau den Ergebnissen, wie sie sich nach der hier vertretenen, wortgetreuen Anwendung des § 1380 ergeben. Ein Bedürfnis, § 1380 Abs. 2 S. 1 anders zu lesen und die Hinzurechnung der Zuwendung zum Endvennögen statt zum Zugewinn vorzunehmen, besteht daher ebensowenig, wie dem Zuwender regelmäßig über schuldrechtliche Ansprüche zum gleichen Ergebnis zu verhelfen. Beides würde in vielen Fällen zu unbilligen Ergebnissen führen. Es ist auch nicht so, daß es rechtspolitisch notwendig erscheint, Zuwendungen aus dem Anfangsvennögen vollständig dem Zuwender rückfließen zu lassen, da die empfängerfreundliche Halbteilungslösung zuwenderfeindlich sei und dazu führe, Zuwendungen während der Ehe zu venneiden. 42 Denn es wäre widersinnig, den 42

So aber Netzer FamRZ 1988,676 (679).

E. Stellungnahme

203

Zuwender dazu anzuspornen, seinen Ehegatten an einem Vermögen zu beteiligen, das er im Scheidungsfalle jedenfalls wertmäßig wieder vollständig zurückfordern könnte. An einer derartigen Zuwendung kann kein Ehegatte ein echtes Interesse haben. Auch ist es kein rechtspolitisch erwünschtes Ziel, einem Ehegatten die Möglichkeit zu geben, das Verlustrisiko seines Anfangsvermögens durch die Zuwendung seinem Partner zuzuweisen, so daß dieser mit seinem eigenen Anfangsvermögen und Zugewinn für einen eventuellen ersatzlosen Untergang des Zuwendungsgegenstandes haftet. Anders als im Fall der überschüssigen Zuwendungen, bei denen die neue Auslegung des § 1380 tatsächlich auch rechtspolitisch erforderlich ist, um den Zuwender schon während der Ehe zu Zuwendungen aus dem Zugewinn anzuhalten, gilt dies für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen gerade nicht. Eine Regelung, die in Fällen der Zuwendung aus dem rechnerischen Anfangsvermögen immer zu einer vollen Rückgewähr des Zuwendungswertes führt, ist daher abzulehnen. Eine ganz andere Frage ist es, ob die güterrechtliche Lösung in allen Einzelfallen zu angemessenen Ergebnissen führt. Insoweit hat bereits der BGH festgestellt, daß trotz des generellen Vorrangs der güterrechtlichen Ausgleichsregelung der Rückgriff auf die Grundsätze nach Treu und Glauben, insbesondere die Regeln über einen Wegfall der Geschäftsgrundlage, möglich bleibt: ,,Die Anwendung des § 242 BGB ist in keinem Rechtsbereich ausgeschlossen und muß daher, soweit die gesetzlichen Vorschriften einen im Einzelfall bestehenden Interessenkonflikt nicht hinreichend zu erfassen vermögen und für einen der Beteiligten ein unzumutbar unbilliges Ergebnis zur Folge haben würden, immer in Betracht gezogen werden. Doch muß die Anwendung des § 242 BGB, soweit sie von der gesetzlichen Regelung abweicht, auf Ausnahmefalle beschränkt werden." 43

1993 hatte der BGH44 einen Fall zu entscheiden, in dem die Halbteilung einer Zuwendung aus dem Anfangsvermögen wegen des Scheiterns einer vom Versorgungsgedanken geprägten Altersehe unbillig erschien: Die beiden im hohen Alter stehenden Eheleute heiraten, um den Lebensabend miteinander zu verbringen. Kurz nach der Eheschließung überträgt der Ehemann seiner Frau ein Wertpapierdepot, das den während seines Erwerbslebens und seiner langjährigen ersten Ehe geschaffenen Ersparnissen entstammt. Nach nur wenigen Monaten scheitert die Ehe.

Hier liegen nach Ansicht des BGH die Voraussetzungen für einen extremen Ausnahmefall vor, denn die Depotübertragung sei unstreitig auf der Grundlage des Fortbestands der Altersehe erfolgt. Deren Scheitern nach nur wenigen Monaten lasse die mit der güterrechtlichen Lösung verbundene weitere Teilhabe der Ehefrau an den Ersparnissen des Mannes als schlechthin unzureichend und unerträglich er43 BGHZ 68,299 (304), siehe auch BGH FamRZ 1982,778 (779). A.A. und generell gegen einen Rückgriff auf die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage Reinicke /Ttedtke WM 1982,946 (953); Grünenwald NJW 1988, \09 (110); Ttedtke JZ 1984, 1078 (1082 f.) und JZ 1992, 334 (337); Koch JR 1992,236. 44 BGH FamRZ 1994,503.

204

4. Kap.: Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen?

scheinen. Daher sei die Depotübertragung ausnahmsweise nicht güterrechtlich, sondern nach den Regeln über den Wegfall der Geschäftsgrundlage auszugleichen.45 Dem ist grundsätzlich zuzustimmen, ohne daß im Rahmen dieser Arbeit auf die außergüterrechtlichen Ansprüche näher eingegangen werden kann. Die Rechtsprechung des BGH sorgt dafür, daß die Härte, die der im Zugewinnausgleich angelegten und grundsätzlich auch dogmatisch gerechtfertigten Halbteilung einer Zuwendung aus dem Anfangsvermögen im Einzelfall innewohnen kann, gemildert wird. 46 Dies kann jedoch per se nicht mit den Instrumenten des Zugewinnausgleichs geschehen, da dieser notwendigerweise eine typisierende Regelung enthält, die auf derartige Ausnahmefälle nicht zu reagieren vermag.

F. Ergebnis Eine generelle Rückgewähr von Zuwendungen, die aus dem rechnerischen Anfangsvermögen erfolgten, ist weder güterrechtsintern durch eine korrigierende Auslegung des § 1380, noch güterrechtsextern durch die regelmäßige Gewährung eines Anspruchs wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage oder wegen ungerechtfertigter Bereicherung zu befürworten. Sie würde der im Zugewinnausgleich geregelten Risikoverteilung widersprechen. Danach stehen sich folgende Risiken gegenüber, die die Möglichkeiten der negativen Vermögensentwicklung beider Vermögen nach der Zuwendung abdecken: 1. Das Risiko, daß der Wert der Zuwendung den Zugewinn des Zuwendungsempfängers nicht mehr erhöht. Dieses Risiko trägt der Zuwendungsempfänger, denn es liegt in seiner Sphäre. Es manifestiert sich, wenn das Empfängervermögen nach der Zuwendung an Wert verliert oder bereits vorher kleiner war als das Anfangsvermögen. § 1380 sorgt dafür, daß der Empfänger so behandelt wird, als hätte sein Zugewinn noch die Höhe der Zuwendung. 2. Das Risiko, daß die Zuwendung rechnerisch aus dem Anfangsvermögen getätigt wurde. Dieses Risiko trägt der Zuwender, denn es liegt in seiner Sphäre. Entweder, die Zuwendung erfolgte schon zum Zeitpunkt ihrer Vornahme aus dem zumindest rechnerischen Anfangsvermögen, dann gibt es kein schützens45 BGH FamRZ 1994,503. Nach BGH FamRZ 1991, 1169 (\ 171) soll eine Rückforderung gern. § 242 außerdem möglich sein, wenn einerseits der Zuwendungsempfanger bei Ehezeitende keinen Zugewinn aufzuweisen hat, weil die Zuwendung ihm zur Erhaltung des Anfangsvermögens gedient hat und damit keine Zugewinnausgleichsverpflichtung auslöst, obwohl sie wertmäßig im Endvermögen noch vorhanden ist, und wenn andererseits der Zuwendende in seinem Auskommen beeinträchtigt ist, weil er mit den ihm verbleibenden Mitteln seinen angemessenen Unterhalt nicht bestreiten kann. 46 Siehe für ein weiteres Beispiel Kühne JR 1982, 237 (239).

F. Ergebnis

205

wertes Interesse des Zuwenders, die ganze Zuwendung zurückzuerhalten, da er freiwillig sein Anfangsvennögen zum aufzuteilenden Zugewinn gemacht hat. Oder aber es stellt sich erst durch die negative Vennögensentwicklung des Zuwenders nach der Zuwendung heraus, daß es sich um eine Zuwendung aus dem - rechnerischen - Anfangsvennögen gehandelt hat. In diesem Fall hat der Partner jedoch keinen Einfluß auf die negative Vennögensentwicklung. Dieses Risiko manifestiert sich, wenn und soweit der Zuwender ein Endvennögen hat, das geringer ist als sein Anfangsvennögen. Er wird dann durch § 1380 so behandelt, als hätte er ohne die Zuwendung einen Zugewinn mindestens in Höhe des Zuwendungswertes gehabt. Zuwendungen, die aus dem rechnerischen Anfangsvennögen getätigt werden, werden daher zu Recht im Rahmen des Zugewinnausgleichs gen au so behandelt wie Zuwendungen, die dem Zugewinn entstammen. Rechtstechnisch erfolgt dies durch die in § 1380 Abs. 2 S. 1 angeordnete Zurechnung der Zuwendung zum Zugewinn des Zuwenders und nicht zum Endvennögen. Obwohl diese Lösung vom Gesetzgeber vennutlich nicht bedacht wurde, entspricht sie in der Mehrzahl der denkbaren Fallgestaltungen den dem Zugewinnausgleich zugrundeliegenden Wertungen. Jeder Ehegatte trägt das Risiko, daß sich sein eigenes Vennögen nach der Zuwendung verschlechtert. Nur soweit dies in bestimmten Einzelfällen ausnahmsweise zu schlechthin unangemessenen und für den Zuwender unzumutbaren Ergebnissen führt, kann ein Rückgriff auf die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage erfolgen. Denn der Zugewinnausgleich ist als pauschalierte Regelung nicht geeignet, auch atypische Sonderfalle immer sachgerecht zu erfassen. Eine generelle Sonderbehandlung für Zuwendungen aus dem Anfangsvennögen ist damit grundsätzlich nicht geboten.

5. Kapitel

Die Behandlung wechselseitiger Zuwendungen A. Problemstellung Bisher wurden lediglich Konstellationen betrachtet, in denen es nur ein Ehegatte war, der dem anderen eine oder mehrere Zuwendungen gemacht hat. Gerade in der modemen Ehe, die Schwankungen auch der jeweiligen Vermögen ausgesetzt ist, kommt es jedoch vor, daß Zuwendungen nicht nur in eine Richtung, sondern möglicherweise mit einigem zeitlichen Abstand - in beide Richtungen fließen: Ein Ehemann hat kein Anfangsvermögen und ein Endvermögen von 60 TOM. Seine Frau hat weder Anfangs- noch Endvermögen. Während der Ehe hat der Mann hat seiner Frau eine Zuwendung von 20 TOM gemacht und einige Jahre später von ihr eine Zuwendung im Wert von 10 TOM erhalten.

Wie ist mit einer solchen Situation im Zugewinnausgleich umzugehen? Grundsätzlich kommen zwei Lösungen in Betracht: • Die Zuwendungen werden zuerst gegeneinander aufgerechnet (also saldiert), so daß nur eine, lediglich rechnerische Zuwendung verbleibt, die dann nach den allgemeinen Vorschriften anzurechnen ist. Die Saldierung der Zuwendungen führt im Beispiel zu "einer" Zuwendung des Mannes in Höhe von 10 TOM. Nur diese ist nach den allgemeinen Regeln anzurechnen .

• Nur die Zuwendungen des ausgleichspflichtigen Ehegatten werden angerechnet. 1 Ist der Ehemann am Ende wie im Beispiel ohne Anrechnung ausgleichspflichtig, sind 20 TOM nach § 1380 auf die Ausgleichsforderung der Ehefrau anzurechnen. Hätte umgekehrt die Ehefrau den größeren Zugewinn erzielt, wären auf die Ausg\eichsforderung des Mannes die von ihr zugewendeten 10 TOM anzurechnen.

Diese bei den Lösungen sollen im folgenden näher erläutert und dann an Funktion und Systematik der Anrechnungsvorschrift gemessen werden.

I Diese Lösungsmöglichkeit basiert, wie noch zu zeigen sein wird, notwendigerweise auf der bisher h.M., wonach die Ausgleichsforderung in § 1380 Abs. I S. I sich nach dem Ergebnis des einfachen Zugewinnausgleichs richtet.

B. Saldierung der Zuwendungen

207

B. Saldierung der Zuwendungen Die Frage nach der Behandlung von wechselseitigen Zuwendungen ist bisher nur in der Literatur erörtert worden. Die h.M. hat sich dabei für eine Saldierung der Zuwendungen ausgesprochen. 2 Die gegenseitigen Zuwendungen sind danach erst miteinander zu verrechnen, bevor auf Grundlage der so erlangten einen, rechnerischen Zuwendung die Anrechnung durchgeführt wird. Diese Anrechnung findet nach der bisher herrschenden Auffassung allerdings nur dann statt, wenn die als Ergebnis der Saldierung errechnete fiktive Zuwendung von dem Ehegatten stammt, der am Ende der Ehe den höheren Zugewinn erzielt hat. Dies soll anhand des obigen Beispiels verdeutlicht werden: Der Mann hat kein Anfangsvermögen und ein Endvermögen von 60 TOM. Seine Frau weder Anfangs- noch Endvermögen. Der Mann hat seiner Frau eine Zuwendung von 20 TOM gemacht und von ihr eine Zuwendung im Wert von 10 TOM erhalten.

Hier ergibt die Saldierung der Zuwendung "eine" Zuwendung des Mannes an seine Frau in Höhe von 10 TDM. Die weitere Rechnung erfolgt wie gewohnt: Ehemann Anfangsvermögen

Ehefrau

0

Zuwendung 1 Zuwendung 2

0 20 -+ +- 10

saldierte Zuwendung

10-+

Endvermögen

60

0

Zugewinn

60

fiktiver Zugewinn

70

0 0(- 10)

fiktiver Ausgleichsanspruch

35

Anrechnung Ausgleichsforderung

./. 10 0

25 TOM

Der Ehefrau steht also eine Ausgleichsforderung in Höhe von 25 TDM zu. Systematisch begründet wird die Entscheidung für die Saldierung in der Literatur allerdings kaum. 3 Vor allem wird nicht der Versuch unternommen, sie aus dem geltenden Recht und dem Zugewinnausgleich herzuleiten. 2 Schwab Handbuch Teil VII Rn. 174 ff.; Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 21; Göppinger Vereinbarungen Rn. 521; Arend MittRhNotK 1990, 65 (72); Börger Güterrecht Rn. 123; Haussleiter Vermögensauseinandersetzung Rn. 645; v. Olshausen FamRZ 1978,755 (757 f.); gegen eine Saldierung Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 73 und NJW 1988, 109 (112); Langenfeld Handbuch Rn. 204; Seutemann FamRZ 1989, 1023 (1026). 3 Typisch sind etwas vorsichtige Formulierungen wie die von Göppinger Vereinbarungen Rn. 521: .. ( ... ) so dÜrfte es angemessen sein und als sachgerechtes Verfahren angesehen werden können, aus den Werten der Zuwendungen einen Saldo zu ziehen und sodann ggf. die erforderliche Anrechnung vorzunehmen ".

5. Kap.: Behandlung wechselseitiger Zuwendungen

208

C. Anrechnung nur der Zuwendungen des ausgleichspflichtigen Ehegatten Am ausführlichsten hat sich mit dem Problem der wechselseitigen Zuwendungen Grünenwald auseinandergesetzt. Er kommt dabei zu einem anderen Ergebnis als die h.M.

I. Die Ansicht Grünenwaids Grünenwald4 lehnt die Saldierung der Zuwendungen ab. Er schlägt vor, nur die Zuwendungen des - der h.M. entsprechend ohne § 1380 Abs. 2 zu ermittelnden ausgleichspflichtigen Ehegatten anzurechnen. Wer ausgleichspflichtig ist, soll seine Zuwendung also ungeschmälert zur Anrechnung bringen können. Gegenseitige Zuwendungen hätten danach auf die Berechnung der Ausgleichsforderung keinen Einfluß. Die Zuwendung des ausgleichsberechtigten Ehegatten würde ignoriert. Im Beispielsfall führt dies zu folgender Ausgleichsberechnung: Ehefrau

Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung 1 Zuwendung 2

0

0 20 -+ +-10

Endvermögen

60

Zugewinn

60

0 0 30

einfacher Ausgleichsanspruch Anrechnung nach Grünenwald:

fiktiver Zugewinn (auf Basis nur der Zuwendung des ausgleichspflichtigen Mannes)

80

40 ./.20

fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung der Zuwendung des Mannes Ausgleichsforderung

0(- 20)

o

20TDM

Da hier die Ehefrau im einfachen Zugewinnausgleich (also ohne Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2) ausgleichsberechtigt ist, wird die Zuwendung des Mannes 4 Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 73 f. und NJW 1988, 109 (112); unterstützt von Seutemann NJW 1989, 1023 (1026); Familiengerichtsbarkeit-Baumeister § 1380 Rn. 40 ff. und - allerdings mit der irrigen Begründung, es würde sich im Ergebnis kein Unterschied ergeben - Langen/eid Handbuch Rn. 204. Siehe auch im Ergebnis die Berechnung bei Börger Güterrecht Rn. 123.

c. Anrechnung nur des ausgleichspflichtigen Ehegatten

209

in voller Höhe angerechnet. Im Ergebnis erhält die Ehefrau also 5 TDM weniger als im Falle der Saldierung. Grund für die Ablehnung der Saldierung seien die widerstreitenden Interessenlagen beider Ehegatten,5 denn "jeder der Zuwendenden [kann] je nach der gegebenen Situation einmal durch die Saldierung begünstigt, 6 ein anderes Mal benachteiligt7 werden ". Im Beispielsfall würde der Ehemann durch die Saldierung im Vergleich zur Nichtsaldierung benachteiligt, da die Ehefrau im ersten Fall 25 TDM fordern kann, im zweiten nur 20 TDM.

11. Kritik Der Verweis auf die entgegenstehenden Interessen der Eheleute überzeugt nicht als Begründung für die Nichtsaldierung der Zuwendungen. Bereits der Zugewinnausgleich selbst stößt bei den Ehegatten ganz grundsätzlich auf widerstreitende Interessen. Der Ehegatte mit dem höheren Zugewinn würde lieber auf den Ausgleich des Zugewinns verzichten, sein Partner selbstverständlich nicht. Nicht anders ist es bei der Frage der Saldierung. Die Ergebnisse zwischen Saldierung und Nichtsaldierung können verschieden seinS und das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung im Gesetz entbindet allein wegen der widerstreitenden Interessen der Ehegatten nicht von der Suche nach einer dem Gesetzeszweck entsprechenden Lösung, sondern fordert diese geradezu heraus. Grünenwald ergreift mit seiner Lösung Partei für den Ehegatten, der ausgleichspflichtig ist. Diesem kommt es zugute, wenn er seine ganze Zuwendung anrechnen kann, ohne daß diese vorher durch die Saldierung mit der Zuwendung des Gatten verkleinert wird oder gar ganz wegfallt, falls sie kleiner war als das vom Gatten erlangte. Die Frage ist nun aber, wieso der Ausgleichspflichtige derart bevorzugt werden sollte. 9 Grünenwald vergleicht bei der Antwort auf diese Frage, was die Ehegatten aufgrund ihrer Zuwendung erwarten können. Wer als letztlich Ausgleichspflichtiger eine Zuwendung macht, könne als "einzig möglichen Vorteil aus Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 74 und NJW 1988, 109 (112). Immer dann, wenn er ausgleichsberechtigt ist, da durch die Saldierung ein kleinerer Betrag angerechnet wird. 7 Immer dann, wenn der Zuwendende ausgleichspflichtig ist und zwar spiegelbildlich in dem Maße, in dem die Saldierung für den Ausgleichsberechtigten von Vorteil ist. 8 Nämlich immer dann, wenn sich die Zuwendungen nicht mehr im Zugewinn widerspiegeln, weil dieser auf mindestens einer der Seiten kleiner ist als der Wert der erlangten Zuwendung. So richtig Grünenwald Zuwendungsausgleich s. 71; a.A. Langen/eId Handbuch Rn. 203, der jedoch den Fehler begeht, ein Beispiel zu wählen, bei dem der Wert des Zugewinns zwar um den Wert der Zuwendung kleiner geworden ist, aber immer noch größer ist als der Zuwendungswert. 9 Keinen Grund dafür sieht ausdrücklich Schwab Handbuch Teil VII Rn. 177. 5

6

14 Jeep

210

5. Kap.: Behandlung wechselseitiger Zuwendungen

seiner Zuwendung erwarten, daß bei einem Vermögensverlust [auf Seiten des Zuwendungsempfongers] die Werterhaltungsfunktion der Anrechnung in voller Höhe [des Zuwendungswertes] zum Tragen kommt. ,,10 Umgekehrt könne der Ausgleichsberechtigte nur "mit einer Erhöhung [seiner] Ausgleichsforderung wegen [seiner] Zuwendung rechnen, im Fall eigener Vermögenslosigkeit bzw. Fehlen eines eigenen Zugewinns also maximal mit einer Erhöhung um den halben Wert [der] Zuwendung". 11 Diese Prognose fußt auf der h.M., wonach eine Zuwendung des letztlich ausgleichberechtigten Ehegatten nicht zur Anwendung des § 1380 führt, sondern diesem nur und nur soweit zugute kommt, wie sie den Zugewinn des Empfängers letztlich tatsächlich erhöht. § 1380 kommt danach nur dem Ehegatten zugute, der bereits nach dem einfachen Zugewinnausgleich ausgleichspflichtig ist. Der andere Ehegatte kann dagegen nicht von § 1380 profitieren. Daraus wird der Schluß gezogen, daß auch eine Saldierung nicht erfolgen darf: Weil der Ausgleichsberechtigte ohnehin weniger erwarten darf, soll er auch weniger erhalten. Selbst auf Basis der hier kritisierten h.M. zu § 1380 ist diese Begründung nicht schlüssig. Jedenfalls im Normalfall der Zuwendung aus dem Zugewinn ist die zweite Aussage falsch, wonach der Ausgleichsberechtigte, der selbst eine Zuwendung gemacht habe, nur erwarten könne, den halben Zuwendungswert zurückzuerhalten. Denn auch wenn der letztlich Ausgleichsberechtigte keinen weiteren Zugewinn erzielt hat, kann er erwarten, den vollen, nicht nur den halben Zuwendungswert über den Ausgleich "zurückzuerhalten". Dies ist - wie im 2. Kapitel 12 bei den Fallgruppen 4 und 5 bereits beschrieben - die Folge des automatischen Ausgleichs. Ohne die Zuwendung wäre der eigene Zugewinn größer, der des Ehegatten kleiner gewesen. Durch die Zuwendung wird umgekehrt der Zugewinn des Ehegatten erhöht, der eigene aber verringert. Die Höhe der Ausgleichsforderung ändert sich um den vollen Wert der Zuwendung, wie das folgende Beispiel zeigt. 13 Beide Ehegatten haben kein Anfangsvermögen. Die Ehefrau wendet ihrem Mann 20 TOM zu und ist am Ende der Ehe vermögenslos, der Ehemann hat ein Endvermögen von 120 TOM. 14

10 Dies ist korrekt, wird jedoch von Grünenwald jedenfalls in der Fallgruppe 3 a nicht konsequent durchgeführt, da er in diesen Fällen mit der h.M. gerade keine volle Anrechnung durchführt, sondern lediglich durch die teilweise Anrechnung den Ausgleichsanspruch auf Null reduziert. Wird dagegen - wie hier vertreten - voll angerechnet, ergibt sich ein Ausgleichsanspruch rür den sonst Ausgleichspflichtigen. 11 Grünenwald NJW 1988, 109 (1l2). 12 Siehe oben S. 127 ff. 13 Anders ist es nur, wenn die Zuwendung aus dem Anfangsvermögen des Zuwenders stammt, so daß ein ohnehin nicht vorhandener Zugewinn wegen § 1373 durch die Zuwendung nicht weiter verringert wird. 14 Entgegen der sonstigen Darstellung in dieser Arbeit ist es hier ausnahmsweise die Frau, die die Zuwendung macht, da dies auch den Konstellationen entspricht, mit denen Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 71 ff. argumentiert.

C. Anrechnung nur des ausgleichspflichtigen Ehegatten

211

Hier ergeben sich folgende Ausgleichsberechnungen: Ehemann Ohne Zuwendung: Anfangsvermögen

Zuwendung Endvermögen Zugewinn

Ehefrau

0

0 keine

100 100

20 20 40

Ausgleichsanspruch Mit Zuwendung: Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen

Zugewinn Ausgleichsforderung

0

0 +-

120 120

20 0 0 60

Die Vergleichsrechnung zeigt, daß der ausgleichsberechtigte Zuwender den Wert seiner Zuvielzuwendung vollständig in Fonn eines entsprechend erhöhten Ausgleichsanspruchs zurückerhält. Wenn Grünenwald in seinen eigenen Vergleichsrechnungen zu einem anderen Ergebnis kommt, so liegt dies daran, daß er im Falle der unterlassenen Zuwendung des Ausgleichsberechtigten davon ausgeht, dieser hätte das Geld anderweitig ausgegeben, er wäre "so oder so" vennögenslos geworden. 15 Im obigen Beispiel hätte der Mann bei Grünenwald ohne die Zuwendung nur einen Zugewinn von 100 TOM, die Frau hätte aber ebenfalls keinen ~ugewinn. Sie könnte 50 TOM fordern. Ihr Ausgleichsanspruch würde daher durch die Zuwendung scheinbar nur um 10 TOM, den halben Zuwendungswert, erhöht. Damit beschreibt Grünenwald aber nicht die Situation, die ohne die Zuwendung bestünde. 16 Denn wenn die Frau die Zuwendung nicht gemacht hätte, wäre sie nicht vennögenslos, sondern hätte einen Zugewinn in Höhe des Zuwendungswertes. Die Vergleichsrechnung ist daher fruchtlos 17 und der Rechtfertigung für die Bevorzugung des Ausgleichspflichtigen ist die Grundlage entzogen. 15 Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 72: " Wenn sie [die Frau] ihr gesamtes Vermögen - so oder so - verliert, kann sich ihr Ausgleichsanspruch nur durch die Erhöhung des Empfängerzugewinns. nicht aber durch die Verringerung ihres eigenen Zugewinns ( ... ) erhöhen". 16 Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 72: "Hätte aber die Frau keine Zuwendung gemacht und wäre sie am Stichtag des § 1384 wieder vermögenslos, ( ... )". 17 Lediglich im Falle einer Zuwendung aus dem Anfangsvermögen - und nur hier - ist es so, daß nicht der volle, sondern bestenfalls der halbe Zuwendungswert zurückgewährt wird. Dies ist jedoch ein Sonderfall, der oben im 4. Kapitel bereits erläutert und begründet wurde.

14·

212

5. Kap.: Behandlung wechselseitiger Zuwendungen

Auf Basis der hier vertretenen Ansicht zu § 1380 ist die Aussage, der Zuvielleistende könne nicht verlangen, von der Werterhaltungsfunktion des § 1380 zu profitieren, ohnehin falsch. Wie im 2. Kapitel l8 gesehen, führt § 1380 gerade auch in der Fallgruppe 3 dazu, daß sich der Zuwendungsempfänger so behandeln lassen muß, als hätte er noch einen Zugewinn in Höhe der Zuwendung. Hier kann sich folglich ein Ausgleichsanspruch des Zuwenders ergeben. Ein Grund für die Besserstellung desjenigen Ehegatten, der am Ende der Ehe den größeren Zugewinn erzielt hat, ist daher nicht festzustellen.

D. Stellungnahme und Lösung anhand von Funktion und Systematik des § 1380 Nachdem im 2. Kapitel die Funktionsweise des § 1380 erörtert wurde, können Gesetzessystematik und Funktion des § 1380 auch für die Frage nach der Behandlung von wechselseitigen Zuwendungen herangezogen werden.

J. Die Systematik des § 1380 Eine Lösung ohne Saldierung ist systematisch überhaupt nur dann möglich, wenn man die Person des Ausgleichspflichtigen ohne § 1380 Abs. 2 bestimmt. Denn nur in diesem Fall läßt sich vor Einstieg in die Rechnungen nach § 1380 sagen, wessen Zuwendungen nun angerechnet werden dürfen - nämlich diejenigen des Ehegatten mit dem größeren Zugewinn. Dieses Wissen ist aber erforderlich, um bei der Anrechnung gern. § 1380 Abs. 2 die "richtige" der bei den Zuwendungen dem Zugewinn des Zuwenders hinzuzurechnen und vom Zugewinn des Empfängers abzuziehen. Dazu ein neues Beispiel: Die Eheleute haben kein Anfangsvennögen. Der Ehemann wendet seiner Frau 10 TOM zu, fünf Jahre später wendet sie ihm 10 TOM zu. Am Ende der Zugewinngemeinschaft hat der Mann ein Endvennögen von 10 TOM, seine Frau ist vennögenslos.

Hier ist folgende Rechnung durchzuführen:

18

Siehe oben S. 141 ff.

D. Stellungnahme

213

Ehemann Anfangsvennögen

Ehefrau 0

0

Zuwendung 1

10 -+ +-10

Zuwendung 2 Endvennögen

10

0

Zugewinn

10

0

20

0(- 10)

Anrechnung nach Grünenwald: fiktiver Zugewinn (auf Basis nur der Zuwendung des Ehemannes) fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsforderung

10 ./. 10

OTDM

Ohne Anrechnung ist hier der Mann der Ausgleichspflichtige, er hat den größeren Zugewinn erzielt. Nur seine Zuwendung wäre demnach bei Verzicht auf die Saldierung anzurechnen. Dabei ergäbe sich eine fiktive Ausgleichspflicht der Frau von 10 TDM, von der 10 TDM abzuziehen wären. Die Frau hätte damit keine weitere Ausgleichsforderung. Die beschriebene Interpretation des § 1380 durch die h.M. hat sich jedoch als unzutreffend erwiesen. 19 Folgt man dagegen der hier vertretenen Auffassung, daß erst die Anwendung des § 1380 Abs. 2 darüber Auskunft gibt, weIcher Ehegatte derjenige ist, der als Ausgleichspflichtiger die Anrechnung seiner Zuwendung vornehmen könnte, dann ist eine Anrechnung ohne Saldierung systematisch gar nicht denkbar. Wenn zu Beginn der Anrechnung noch nicht klar ist, weIcher Ehegatte seine Zuwendungen anrechnen lassen kann, kann auch noch nicht entschieden werden, wessen Zuwendungen nun nach § 1380 Abs. 2 zu behandeln sind. Daher müssen an dieser Stelle alle Zuwendungen berücksichtigen werden. Im Beispiel müßten also beide Zuwendungen jeweils den Zugewinnen des Zuwenders zugerechnet und von den Zugewinnen des Empfängers abgezogen werden, um die Person des Ausgleichsberechtigten zu ermitteln. Wenn aber schon im Rahmen des § 1380 Abs. 2 auf alle Zuwendungen zurückgegriffen werden muß, wäre es falsch, von der so errechneten fiktiven Ausgleichsforderung nur diejenigen Zuwendungen abzuziehen, die von dem - nunmehr feststehenden - fiktiv ausgleichspflichtigen Ehegatten stammen. Der andere Ehegatte würde in diesem Fall sogar dadurch benachteiligt, daß er selbst Zuwendungen gemacht hat. Denn insofern wäre seine fiktive Ausgleichsforderung durch die Berücksichtigung der eigenen Zuwendungen in § 1380 Abs. 2 kleiner geworden, weshalb sich auch eine kleinere eigene oder gar eine größere Ausgleichsforderung des Zuwenders ergibt. 19

Siehe oben S. 130 ff.

214

5. Kap.: Behandlung wechselseitiger Zuwendungen

So ändert sich im Beispiel bei der Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung unter Berücksichtigung beider Zuwendungen gern. § 1380 Abs. 2 nichts an dem Ergebnis, daß der Mann einen Zugewinn von 10 TDM erzielt hat - die Zuwendungen heben sich jeweils gegenseitig auf. Würde man nun von der (fiktiven wie tatsächlichen) Ausgleichsforderung der Frau in Höhe von 5 TDM nur den Wert der Zuwendung des Mannes abziehen, ergäbe sich ein Ergebnis von minus 5 TDM und damit ein Ausgleichsanspruch des Mannes in Höhe von 5 TDM. Die Frau stünde noch schlechter, als wenn von Anbeginn nur die Zuwendung des Mannes in § 1380 Abs. 2 berücksichtigt worden wäre: Ehemann Anfangsvermögen

Ehefrau

0

0 10-+

Zuwendung 1 Zuwendung 2 Endvermögen

10

Zugewinn

10

0

fiktiver Zugewinn (auf Basis beider Zuwendungen)

10

0

+-

fiktiver Ausgleichsanspruch

0

5

Anrechnung (nur der Zuwendung des Ehemannes) Ausgleichsforderung

10

./. 10 5 TOM

(- 5)

Wenn also bei der Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung beide Zuwendungen zu berücksichtigen sind, dann müssen auch beide angerechnet werden. Dann aber ist es nur konsequent, gleich zu Beginn die Saldierung vorzunehmen,20 so daß sich nur "eine,,21 Zuwendung ergibt, mit der die Anrechnung gern. § 1380 durchgeführt wird. Die Systematik des § 1380 spricht also für die Saldierung der Zuwendungen.

11. Die Funktion des § 1380 Die Ergebnisse der heiden Rechnungsmöglichkeiten sollen nun am Zweck des § 1380, der Wahrung der paritätischen Beteiligung der Eheleute am ehelichen Net20 Dabei ist allerdings - im Gegensatz zu den vereinfachten Beispielen - immer zuerst eine Umrechnung der Zuwendungen anhand des Lebenshaltungsindex vorzunehmen. Diese sind vor der Saldierung auf den Wert des Endstichtages umzurechnen. Anderenfalls würde der Ehegatte benachteiligt, der die Zuwendung zu einem früheren Zeitpunkt macht. Es ist natürlich nicht das gleiche, ob im Jabr 1960 10 TOM zugewendet werden oder im Jabr 1990. Eine Saldierung ohne Umrechnung würde aber beide Zuwendungen gleich behandeln. 21 Oder natürlich keine, wenn die beidseitigen Zuwendungen gleich hoch waren.

D. Stellungnahme

215

tozuerwerb, gemessen werden. Dazu noch einmal das zuletzt besprochene Beispiel, in dem der Zugewinn des ausgleichspflichtigen Ehegatten ausschließlich aus der Zuwendung besteht, die er von seinem Ehegatten erhalten hat: Die Eheleute haben kein Anfangsvennögen. Der Ehemann wendet seiner Frau 10 TOM zu, fünf Jahre später wendet sie ihm 10 TOM zu. Am Ende der Zugewinngemeinschaft hat der Mann ein Endvennögen von 10 TOM, seine Frau ist vennögenslos.

Verzichtet man mit Grünenwald 22 auf die Saldierung, erhält die Frau keinen Ausgleichsanspruch: Ehemann

Ehefrau

o

Anfangsvennögen Zuwendung 1 Zuwendung 2 Endvennögen

10

Zugewinn

10

o 10 -+ +-10

o o

Anrechnung nach Grünenwald:

fiktiver Zugewinn (auf Basis nur der Zuwendung des Ehemannes) fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung (nur der Zuwendung des Ehemannes) Ausgleichsforderung

20

0(- 10)

10 ./. 10

o TOM

Der Mann ist ohne § 1380 Abs. 2 ausgleichspflichtig, nur seine Zuwendung wird angerechnet und so wie ein vorweggenommener Ausgleich behandelt. Es ergibt sich ein fiktiver Ausgleichsanspruch der Frau von 10 TDM, von dem 10 TDM abgezogen werden. Die Frau hat also keinen weiteren Anspruch. Vom in der Ehe erzielten Nettozuerwerb in Höhe von 10 TDM23 erhielte sie nichts, dem Mann bliebe alles. Das Risiko, daß ihr Zugewinn nicht mehr den Wert der Zuwendung hat, trüge sie allein, obwohl sie den Zuwendungswert nicht verbraucht, sondern dem Mann zugewendet hat. Der Wert der Zuwendung an die Ehefrau ist also gerade nicht aus dem Zugewinnausgleich herausgefallen, er ist dem Zugewinnausgleich durch die Zuwendung an den Ehemann erhalten geblieben. Diese Berechnungsmethode führt im übrigen zu einem fiktiven Ausgleichsanspruch, der so sicher niemals bestanden hätte. Denn ohne die erfolgten ZuwendunGrünenwald Zuwendungsausgleich S. 73 f. und NJW 1988, 109 (112). Nur auf Seiten des Ehemannes sind 10 TOM tatsächlich von außen in die eheliche Gemeinschaft geflossen, die Ehefrau hingegen hat ihre 10 TOM von ihrem Mann erhalten und diesem schließlich wieder zugewendet. Daher kann von einem Nettozuerwerb von 10 TOM gesprochen werden. 22

23

216

5. Kap.: Behandlung wechselseitiger Zuwendungen

gen hätte der Mann nicht etwa einen Zugewinn von 20 TDM gehabt, sondern lediglich in Höhe von 10 TDM. Zwischenschritt des § 1380 Abs. 2 ist es aber gerade, die Situation zu simulieren, die hypothetisch ohne die Zuwendung bestanden hätte. Dieses Ziel wird jedoch verfehlt, wenn nur die Zuwendung des letztlich ausgleichspflichtigen Ehegatten angerechnet wird. Ein anderes Resultat ergibt sich, wenn man die Zuwendungen gegeneinander aufrechnet. Eine Anrechnung findet dann im Beispielsfall nicht statt, da sich die Zuwendungen gegeneinander aufheben. Im Saldo hat es also keine Vermögensverschiebung gegeben. Der Zugewinnausgleich ist ohne Anrechnung folgendermaßen durchzuführen: Ehemann Anfangsvermögen

Endvermögen Zugewinn Ausgleichsforderung

0

10-+ +-10

Zuwendung I Zuwendung 2 saldierte Zuwendung

Ehefrau

0

0 \0 10

0 0 5 TDM

Am während der Ehe erzielten Nettozuerwerb von 10 TDM werden beide Ehegatten im Ergebnis zur Hälfte beteiligt. Die Halbteilung des Zugewinns ist erreicht. § 1380 muß hier nicht eingreifen, da eine Korrektur nicht nötig ist. Die Versagung eines Ausgleichsanspruchs der Frau wäre lediglich dann zutreffend, wenn - wie in GrünenwaIds Vergleichsfallen 24 - die Frau den Zuwendungswert voll (an Dritte) ausgegeben und der Ehemann seine 10 TDM Zugewinn anderweitig erwirtschaftet hätte. Die Ehefrau müßte sich wegen § 1380 so behandeln lassen, als hätte sie noch einen Zugewinn in der Höhe der Zuwendung. Hier hat die Frau den Zuwendungswert aber nicht an Dritte verloren, sondern an den Mann "zurück" zugewendet. Das Wertrisiko, also das Risiko, daß ein Wert nicht mehr als Zugewinn im Ausgleich berücksichtigt wird, hat sich hier gerade nicht realisiert. Der Zugewinn ist der Ehe erhalten geblieben und befindet sich nun beim Mann. Hier läßt sich sagen: Das Wertrisiko ist für die 10 TDM mit der Zuwendung des Mannes an die Frau auf diese übergegangen und mit der Zuwendung der Frau an den Mann wieder erloschen. Realisiert hat es sich jedoch nicht. Es gibt also keinen Grund, warum die Anrechnung dem Mann einen "Vorteil" bringen sollte gegenüber der Situation, wie sie ohne seine und damit auch ohne die Zuwendung seiner Frau bestanden hätte. 25 Grünenwald Zuwendungsausgleich S. 72 f. und NJW 1988, 109 (112). Dies wird aber von Grünenwald NJW 1988, 109 (112) gefordert, wenn er feststeHt, daß der ausgleichspflichtige Ehegatte "nur ohne Saldierung in den Genuß der Werterhaltungsfunktion der Anrechnung" komme. 24

25

D. Stellungnahme

217

Dies zeigt auch der Vergleich mit folgender Fallabwandlung, bei der es nicht zu der zweiten Zuwendung kommt: Die Eheleute haben kein Anfangsvermögen. Der Ehemann wendet seiner Frau 10 TOM, die sie behält. Am Ende der Ehe hat sie ein Endvermögen von 10 TOM, der Mann ist vermögenslos. 26

Nunmehr hat der Mann einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 5 TDM. Dieser ergibt sich sowohl, wenn man der bisher h.M. zu § 1380 folgt, die die Anrechnung nicht durchführt, als auch dann, wenn man nach der hier vertretenen Lösung eine Anrechnung mit Anspruchsumkehr durchführt: Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen

0

10

10

10 0

5

5 ./. 10 0(- 5)

fiktive Ausgleichsforderung Anrechnung Ausgleichsanspruch

0

10-+

Zugewinn fiktiver Zugewinn

Ehefrau

0

Wird die Anrechnung ohne Saldierung durchgeführt wird, ergibt sich im Vergleich der Fälle mit und ohne Zuwendung der Ehefrau folgendes Ergebnis: Behält die Ehefrau die Zuwendung des Mannes, bleiben ihr 5 TDM. Der Nettozuerwerb der Ehegatten wird paritätisch geteilt, es ergibt sich nicht nur eine" etwas gleichmäßigere Verteilung des verbliebenen Zugewinns", wie Grünenwald abwertend feststellt. 27 Wendet nun aber die Ehefrau die 10 TDM wieder ihrem Mann zu, soll sie nach Auffassung Grünenwalds nichts erhalten. Denn nur die Zuwendung des Mannes wird angerechnet, da dieser am Ende ausgleichspflichtig ist. Dieses Ergebnis ist grotesk. Die Ehefrau wird - durch Reduzierung ihres Ausgleichsanspruchs auf Null - dafür "bestraft", daß sie ihrem Mann eine Zuwendung gemacht hat. Von einer paritätischen Aufteilung des während der Ehe erzielten Nettozuerwerbs kann hier nicht die Rede sein. Die Anrechnung ohne Saldierung sorgt für das genaue Gegenteil. Davon einmal abgesehen, daß die Bevorzugung des Ausgleichspflichtigen nicht gerechtfertigt ist, wäre es auch vom Zufall abhängig, wen diese Bevorzugung trifft. 26 Es handelt sich um einen Fall der Fallgruppe 4 - Zuvielzuwendung mit Werterhalt. § 1380 ist nach h.M. nicht anzuwenden, führt aber bei Anwendung mit Anspruchsumkehr zu dem gleichen Ergebnis. 27 So aber Grünenwald NIW 1988, 109 (112).

218

5. Kap.: Behandlung wechselseitiger Zuwendungen

Der Beispielsfall läßt sich einfach umdrehen, wie die die folgende Abwandlung zeigt: Die Eheleute haben kein Anfangsvermögen. Die Frau wendet ihrem Mann 10 TOM zu, fünf Jahre später wendet er ihr 10 TOM zu. Am Ende der Zugewinngemeinschaft hat sie ein Endvermögen von 10 TOM, er ist vermögenslos. Ohne Saldierung der Zuwendung wäre es nun die Frau, die ihrem Mann keinen Ausgleich leisten bräuchte:

Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn fiktiver Zugewinn (auf Basis nur der Zuwendung der ausgleichspflichtigen Frau) fiktive Ausgleichsforderung Anrechnung Ausgleichsanspruch

Ehemann 0

Ehefrau 0 ...-10 10-

0 0

10 10 20

10 ./. 10 0

0

Da nur die Zuwendung der Ehefrau angerechnet würde, stünde ihrem Mann kein Ausgleichsanspruch zu. Nur insofern wäre Grünenwaids Feststellung richtig: " Wie

sich letztlich die Zuwendung bei der Berechnung der Ausgleichsforderung auswirkt, ist Chance und Risiko jedes Ehegatten zugleich Der Zugewinnausgleich H.

ist jedoch kein Spiel, das von Chancen und Risiken lebt, sondern diese sollen durch § 1380 gerade auf ein kalkulierbares Mindestmaß reduziert werden. Eben dies geschieht hier durch die Saldierung der gegenseitigen Zuwendungen. Im Beispielsfall heben sich diese gegeneinander auf, eine Anrechnung findet nicht statt, die Frau hat einen Ausgleichsanspruch in Höhe von 5 TDM. In der Abwandlung, in der die Zuwendungen in umgekehrter Reihenfolge erfolgten, stünde dieser Anspruch dem Mann zu. In der Ehe wurde jeweils ein Nettozuerwerb von 10 TDM erwirtschaftet, an dem auf diese Weise beide Ehegatten paritätisch beteiligt werden. Es ist also nicht so, daß "die Saldierung der Zuwendungswerte ( ... ) dem Grundgedanken des § 1380" widerspräche,28 sondern umgekehrt wird der Grundgedanken des § 1380 nur durch die vorherige Saldierung der Zuwendungen verwirklicht. § 1380 sorgt so dafür, daß ein Ehegatte durch eine gemachte Zuwendung nicht schlechter steht, als er ohne sie stünde, ganz gleich, ob er letztlich ausgleichspflichtig oder -berechtigt ist.

28

Grünenwald NJW 1988, 109 (112).

E. Ergebnis

219

E. Ergebnis Es hat sich gezeigt, daß sowohl Systematik als auch Funktion des § 1380 für ein zwei stufiges Vorgehen beim Vorliegen gegenseitiger Zuwendungen sprechen: 1. Die in Frage stehenden Zuwendungen der Ehegatten sind zu saldieren. 29 2. Das Ausgleichsverfahren ist auf Basis der gefundenen "einen" (fiktiven) Zuwendung nach den allgemeinen Regeln durchzuführen. Die Gegenmeinung, die nur die Zuwendung des letztlich Ausgleichsberechtigten anrechnen will, überzeugt nicht. Ihr kann rein rechnerisch nach der hier vertretenen Meinung schon deshalb nicht gefolgt werden, weil zum Zeitpunkt der Berechnung der fiktiven Ausgleichsforderung des § 1380 Abs. 1 gern. § 1380 Abs. 2 noch gar nicht feststeht, wer letztlich der (fiktiv) Ausgleichspflichtige ist. Zum anderen stört sie - auch auf Basis der h.M. zur Anwendung des § 1380 - die paritätische Beteiligung der Eheleute am Nettozuerwerb zugunsten desjenigen Zuwenders, der am Ende ohne Anrechnung - möglicherweise allein aufgrund einer hohen Zuwendung des Partners - den größeren Zugewinn erzielt hat. Der Verzicht auf die Saldierung bevorzugt denjenigen Ehegatten, der ohne Anrechnung ausgleichspflichtig ist. Dieses Ergebnis ist vom Zufall abhängig und widerspricht dem Halbteilungsgrundsatz des Zugewinnausgleichs. Allein die Saldierung führt zu Ergebnissen, die mit dem Ziel des § 1380 in Einklang stehen.

29 Hier muß natürlich - anders als in den vereinfachten Beispielsfälleri - die Anpassung der Zuwendungswerte an die Inflation vorgenommen werden. Siehe oben S. 32 ff.

6. Kapitel

Die Anrechnung auf Ausgleichsanspruch und I oder Pflichtteil im Todesfall A. Problemstellung Stirbt ein Ehegatte einer Zugewinngemeinschaftsehe, können sich güterrechtlicher Ausgleich und Erbrecht überschneiden. Denn wird der überlebende Ehegatte nicht Erbe - sei es, weil er enterbt wurde, sei es, weil er die Erbschaft ausgeschlagen hat! -, so kann er sowohl den güterrechtlichen Zugewinnausgleich als auch den sogenannten kleinen 2 Pflichtteil verlangen (§ 1371 Abs. 2, 3). Hat er vom Erblasser zu Lebzeiten eine Zuwendung erhalten, ist neben der Anrechnung auf den Zugewinnausgleich auch eine Anrechnung auf den Pflichtteil gern. § 2315 denkbar, sofern der Zuwender dies bei der Vornahme der Zuwendung bestimmt hat. Für den zuwendenden Ehegatten scheint sich die Bestimmung einer doppelten Anrechnung anzubieten, da er zum Zeitpunkt der Zuwendung noch nicht wissen kann, ob dem Ehegatten eine Ausgleichsforderung zustehen wird, auf die eine Anrechnung erfolgen kann, oder ob der Pflichtteil die Größe der Zuwendung je erreichen wird. Ein wertmäßiges ,,Rückforderungsrecht" für eventuell überschüssige Zuwendungen, wie es oben beim Zugewinnausgleich unter Lebenden festgestellt wurde, gibt es für die Erben des Zuwenders beim Zugewinnausgleich anläßlich seines Todes jedenfalls nicht. Anders als beim Zugewinnausgleich unter Lebenden 3 verbliebe eine Zuvielzuwendung also beim Ehegatten. Eine Anspruchsumkehr im Rahmen der Anrechnung von Zuwendungen auf den Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempfängers scheidet schon deshalb aus, da es einen originären Ausgleichsanspruch des verstorbenen Ehegatte (bzw. seiner Erben) ebenfalls nicht gibt; nur der überlebende Ehegatte kann gern. § 1371 Abs. 2 einen Ausgleichsanspruch haben. 4 Will der Zuwender daher eine weitestgehende Anrechnung erreichen, bleibt ihm nur die doppelte Anrechnungsbestimmung. Ob und unter weIchen I Eine Besonderheit der Zugewinngemeinschaft stellt § 1371 Abs. 3 Hs. 1 dar, wonach der die Erbschaft ausschlagende Ehegatte entgegen dem normalen erbrechtlichen Grundsatz des § 2303 dennoch den Pflichtteil verlangen kann. 2 Dieser Pflichtteil ist "klein". da er sich nach dem nicht erhöhten gesetzlichen Erbteil richtet. 3 Siehe oben S. 141 ff. 4 Siehe dazu ausführlich unten S. 226 f.

C. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen

221

Voraussetzungen diese zulässig ist, soll im folgenden ebenso geprüft werden wie die scheinbar problemlosen Anrechnungen auf Ausgleichsforderung oder Pflichtteil.

B. Prämisse: Die Unzulässigkeit einer echten doppelten Anrechnung Zweck der Anrechnungsbestimmung in § 1380 und § 2315 ist jeweils, daß der Empfänger einer Zuwendung durch diese Zuwendung in der Summe seiner Ansprüche nicht besser steht, als er ohne sie stünde. Soweit dieser schon im voraus etwas erhalten hat, soll er nicht nochmals über den Zugewinnausgleich oder den Pflichtteil am Vermögen des Ehegatten beteiligt werden. Dies darf jedoch nicht dazu fUhren, daß der Ehegatte schlechter steht, als er ohne die Zuwendung stünde. 5 Zugewinnausgleichs- und Pflichueilsanspruch sind gesetzlich garantierte Mindestansprüche eines Ehegatten. Die Anrechnungsvorschriften sollen dem zuwendenden Ehegatten nicht die Möglichkeit geben, durch eine Zuwendung die Gesamthöhe der gegen ihn (beziehungsweise seine Erben) bestehenden gesetzlichen Ausgleichs- und Pflichtteilsansprüche doppelt zu mindern. Diese Prämisse muß bei der Untersuchung der verschiedenen Anrechnungsmöglichkeit immer beachtet werden. Daraus ergibt sich bereits, daß die vollständige doppelte Anrechnung einer einzelnen Zuwendung ausgeschlossen sein muß. 6 Auch systematisch kann eine Vermögensverschiebung nicht zweimal in voller Höhe zur Verkürzung grundlegend verschiedener Ansprüche herangezogen werden. In Frage kommen daher nur die Anrechnung auf eine der beiden Forderungen oder nur insofern auf beide Ansprüche, als der Wert der Zuwendung durch Anrechnung auf einen der Ansprüche noch nicht verbraucht ist. 7

C. Die Zu lässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen In dem eben abgesteckten Rahmen entscheidet grundsätzlich der Wille des Zuwenders über die Art der Anrechnung. 8 Er kann dabei die Anrechnung nur auf den S MüKo-Frank § 2315 Rn. 22; v. Olshausen FamRZ 1978,755 (758); Thubauville MittRhNotK 1992, 289 (300). 6 MüKo-Frank § 2315 Rn. 23; Soergel-Dieckmann § 2315 Rn. 21; Staudinger-Feridl Cieslar § 2315 Rn. 96; Thubauville MittRhNotK 1992,289 (300); RGRK-Johannsen § 2315 Rn. 26; nach Staudinger-Felgentraeger 10./11. Auflage § 1380 Rn. 34 soll bereits eine entsprechende Anordnung unwirksam sein. 1 Staudinger-FeridlCieslar § 2315 Rn. 96; RGRK-Johannsen § 2315 Rn. 26; Johannsen FamRZ 1961, 17 (20).

222

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

Ausgleichsanspruch oder nur auf den Pflichtteil anordnen. Er kann aber auch bestimmen, daß primär auf den einen Anspruch und mit einem eventuell nicht anzurechnenden Rest auf den anderen Anspruch anzurechnen ist. Eine weitere Möglichkeit ist die Bestimmung einer teilweisen (beispielsweise hälftigen oder anders gequotelten) Anrechnung auf beide Ansprüche. Diese fünf Varianten sollen nun auf ihre Zulässigkeit untersucht werden. Dabei wird sich herausstellen, daß einzelne Lösungswege weitaus problematischer sind, als bisher angenommen. Ob es in der Praxis tatsächlich bei diesen runf Varianten bleibt oder ob nicht durch Auslegung der Anordnung einige der Möglichkeiten ausscheiden, soll im Anschluß daran ebenso geprüft werden wie die Frage, wie mit einer doppelten Anrechnungsbestimmung umzugehen ist.

I. Anrechnung nur auf die Ausgleichsforderung 1. Vorgehensweise Ist nur die Anrechnung auf die Ausgleichsforderung bestimmt oder ergibt sich diese allein aus der Natur der Zuwendung, findet grundsätzlich eine Anrechnung auf den Pflichtteil nicht statt, da es hier keine dem § 1380 Abs. I S. 2 vergleichbare Regelung gibt. 9 Die Probleme einer doppelten Anrechnung scheiden daher von vornherein aus. Daß eine solche Vorgehensweise jedoch nicht unbedingt in Einklang mit dem Wunsch eines Zuwenders / Erblassers steht, soll folgendes Beispiel verdeutlichen.

2. Beispiel aus der Fallgruppe 3 a) a) Sachverhalt Als die Eheleute heiraten, sind beide vermögenslos. Während der Ehe wendet der Ehemann seiner Frau 200 TDM mit der Bestimmung zu, diese seien im Falle seines Todes auf die Zugewinnausgleichsforderung anzurechnen. Als der Mann stirbt, hinterläßt er ein Vermögen von 100 TDM. Seine Frau ist vermögenslos. In seinem Testament hat der Erblasser seine Kinder als Alleinerben eingesetzt.

8 MüKo-Frank § 2315 Rn. 23; MüKo-Gemhuber § 1371 Rn. 48; Soergel-Dieckmann § 2315 Rn. 21; Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 28; v. Olshausen, FamRZ 1978, 755 (758); GemhuberlCoester-Waltjen Familienrecht § 37 IV 5. 9 Siehe aber zur Frage, ob nicht die ausdrückliche Bestimmung der Anrechnung auf den Zugewinnausgleich so auszulegen ist, daß "auch" auf den Pflichtteil anzurechnen ist, unten S. 253 ff.

c. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen

223

b) Vergleichsgröße: Ansprüche bei nicht erfolgter Zuwendung

Wäre die Zuwendung nicht erfolgt, hätte der Ehemann einen Zugewinn von 300 TDM erzielt, während seine Frau ohne Zugewinn geblieben wäre. Gemäß § 1371 Abs. 2 könnte sie sowohl den Ausgleich des Zugewinns als auch den Pflichtteil verlangen, da sie nicht Erbin geworden ist. Aus § 1378 Abs. 1 stünde ihr ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 150 TDM zu, da der Mann den größeren Zugewinn erzielt hat. Vom verbleibenden Nachlaß in Höhe von 150 TDM erhielte sie neben den Abkömmlingen einen ,,kleinen" Pflichtteil von 1/8 (§§ 2303, 1371 Abs. 2, 1931 Abs. I), also 18.750 DM: Ehemann

Ehefrau

0

Anfangsvermögen

0 keine

Zuwendung Endvermögen

300

0

Zugewinn

300

0

150 10

Ausgleichsanspruch Nachlaßwert POicbUeilsanspruch (1/8)

150 TDM

18.750 168.750 DM (150.000 + 18.750)

Gesamterhalt (Ausgleichsanspruch + Pflichtteil)

Ohne die Zuwendung würde die Ehefrau also insgesamt 168.750 DM erhalten. c) Ansprüche bei alleiniger Anrechnung der Zuwendung

auf den Ausgleichsanspruch

Ist die Zuwendung hingegen erfolgt und wurde die Anrechnung auf die Ausgleichsforderung bestimmt, ist folgendermaßen zu rechnen: Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung

Ehefrau

o

o 200

Endvermögen

100

Zugewinn

100

fiktiver Zugewinn

300

-+

0 0 (- 200)

ISO

fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung

Ausgleichsanspruch nicht angerechneter Rest

0

./.200 keine Anspruchsumkehr!

0 (- 50) 50TDM

10 Im folgenden werden aus Gründen der Übersichtlichkeit in den Rechnungen diejenigen Beträge feU markiert, die dem überlebenden Ehegatten tatsächlich zustehen.

224

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfal1

Nach § 1380 Abs. 2 ergibt sich ein fiktiver Ausgleichsanspruch für die Ehefrau in Höhe von 150 TDM. Davon ist die Zuwendung von 200 TDM abzuziehen. Der Ausgleichsanspruch sinkt auf Null. Entgegen dem Zugewinnausgleich unter Lebenden in der oben im 2. Kapitel dargestellten Form ergibt sich nun jedoch keine Rückforderung für die Erben in Höhe eventueller Zuvielleistungen des Verstorbenen, da der Zugewinnausgleich im Todesfalle erkennbar nur den Ehegatten begünstigen soll (§ 1371 Abs. 2) - nur dieser kann den Ausgleich des Zugewinns verlangen. Eine Anspruchsumkehr findet nicht statt. Es wäre widersinnig, wenn dieses Verlangen des überlebenden Ehegatten (sei es aus Unkenntnis der Gefahren, sei es aus mangelhaftem Überblick über die finanzielle Situation) seinerseits zu einem Anspruch der Erben gegen ihn führen könnte. Der überlebende Ehegatte ist also nicht verpflichtet, den "zuviel" zugewandten Teil seinerseits als Ausgleichszahlung zurückzugewähren. 11 Vom Nachlaß in Höhe von 100 TDM steht der Ehefrau vielmehr zusätzlich 1 /8 als Pflichtteil zu. Sie kann somit noch weitere 12,5 TDM fordern. Insgesamt hat sie damit 212,5 TDM erhalten, also wesentlich mehr als die 168.750 DM, die ihr ohne die Zuwendung zugestanden hätten. Ehemann

Ehefrau

100

Nachlaßwert

PDichttellsanspruch (1/ 8)

12,5

Gesamterhalt (Zuwendung + Pflichtteil)

212,5 TDM (200 + 12,5)

3. Stellungnahme Die alleinige Anrechnung auf die Ausgleichsforderung ist zwar problemlos möglich, sie führt jedoch anders als beim Zugewinnausgleich unter Lebenden niemals zu einer Rückforderung des zuviel im voraus Geleisteten. Statt dessen kann der Zuwendungsempfänger außerdem noch den kleinen Pflichtteil fordern. Er steht damit deutlich besser, als er ohne die Zuwendung gestanden hätte. Ohne die Zuwendung hätte die Ehefrau im Beispiel insgesamt 168.750 DM erhalten, mit Zuwendung und Anrechnung nur auf die Ausgleichsforderung sind es 212.500 DM Dies bedeutet, daß der Wunsch des Zuwenders, den Ehegatten trotz der Zuwendung nicht mehr als gesetzlich vorgeschrieben am eigenen Vermögen zu beteiligen, durch die Anordnung der ausschließlichen Anrechnung beim Zugewinnausgleich

11 So auch RGRK-Johannsen § 2315 Rn. 27. - Der Zuwendungsempfänger könnte lediglich einem Anspruch anderer Pflichtteilsberechtigter gern. § 2325, 2329 ausgesetzt sein, da auch anzurechnende unbenannte Zuwendungen unter Eheleuten einen Pflichtteilsergänzungsanspruch auslösen können; siehe BGHZ 116, 167. 12 Siehe zur Fal1gruppenbildung oben S. 91 ff.

C. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestirnrnungen

225

nur unvollständig erfüllt wird. Immer dann, wenn zuviel im voraus zugewandt wurde, also in den im 2. Kapitel definierten Fallgruppen 3 bis 5,12 findet weiterhin eine zu große Beteiligung am Vermögen des Erblassers statt, zumal der überlebende Ehegatte zusätzlich noch den Pflichtteil verlangen kann.

11. Anrechnung primär auf die Ausgleichsforderung und mit einem Rest auf den Pflichtteil 1. Vorgehensweise Das eben dargestellte Problem der unvollständigen Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch könnte dadurch gelöst werden, daß eine Anrechnung in der Reihenfolge Zugewinnausgleich - Pflichtteil angeordnet wird: Soweit die Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch nicht vollständig erfolgen kann, weil die hypothetische, nach § 1380 Abs. 2 berechnete Ausgleichsforderung kleiner ist als die Zuwendung, bleibt mangels Rückforderungsanspruch für die Erben ein nicht angerechneter Rest. Dieser sollte nunmehr für eine Anrechnung beim Pflichtteil zur Verfügung stehen, ohne gegen das Verbot der doppelten Anrechnung desselben Zuwendungswertes zu verstoßen. 13

2. Beispiel aus der Fallgruppe 3 a) a) Abwandlung des vorigen Beispiels Fall wie oben,14 nur daß der Zuwender neben der Anrechnung auf die Zugewinnausgleichsforderung zusätzlich die Anrechnung eines eventuelf verbleibenden Restes auf den Pflichtteil angeordnet hat.

b) Vergleichsgröße: Ansprüche bei nicht erfolgter Zuwendung

Wäre die Zuwendung nicht erfolgt, würde die Ehefrau insgesamt 168.750 DM erhalten: 15

13 Zeigt sich nach Anwendung des § 1380 Abs. 2, daß nicht einmal ein fiktiver Anspruch für den Zuwender existiert (Fallgruppe 5), käme es nicht zur Anrechnung auf die Ausgleichsforderung und es könnte sogar der komplette Zuwendungswert auf den Pflichtteil angerechnet werden. 14 Siehe S. 222. 15 Siehe S. 223 f. 15 Jeep

226

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn Ausgleichsanspruch Nachlaßwert PDichtteilsanspruch (1/8) Gesamterhalt (Ausgleichsanspruch + Pflichtteil)

Ehemann 0

Ehefrau 0 keine

300 300

0 0 150

150 TOM 18.750 168.750 DM (150.000 + 18.750)

c) Ansprüche bei primärer Anrechnung der Zuwendung auf den Ausgleichsanspruch

Wird die Zuwendung nun zuerst beim Ausgleichsanspruch angerechnet, sinkt dieser wie oben gesehen auf Null. 16 Es verbleibt dn nicht angerechneter Rest in Höhe von 50 TDM, der nun auf den Pflichtteil anzurechnen ist. Die Anrechnung auf den Pflichtteil erfolgt in zwei Schritten. Zuerst ist der Nachlaß gern. § 2315 Abs. 2 um den anzurechnenden Wert zu erhöhen. Dabei ist im vorliegenden Fall zu beachten, daß bei der Berechnung dieses fiktiven Nachlaßwerts nur von der nicht bereits auf den Ausgleichsanspruch angerechneten Restzuwendung auszugehen ist. Hingegen darf nicht etwa erst die ganze oder halbe 17 Zuwendung dem Nachlaß zugerechnet und anschließend nur der beim Ausgleich verbliebene Rest abgezogen werden. Denn soweit die Anrechnung beim Ausgleichsanspruch bereits vollzogen wurde, kann die Zuwendung nicht erneut zur Anrechnung gelangen. Anschließend wird gern. § 2315 Abs. I in einem zweiten Schritt von dem auf Basis dieses fiktiven Nachlasses errechneten fiktiven Pflichtteilsanspruch der (restliche) Zuwendungswert abgezogen. Dies führt zu folgender Rechnung: Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen Zugewinn fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsanspruch

Ehefrau

o

0 200

100 100 300

keine Anspruchs umkehr!

-+

0

o 0(- 200) ISO ./.200

o (- 50)

Siehe oben S. 223 f. Dies wird von RGRK-JoluJnnsen § 2315 Rn. 29 vorgeschlagen, der allerdings von der Anwendung des § 1374 Abs. 2 ausgeht. 16

17

c. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen Ehemann

Ehefrau

50

nicht angerechneter Rest Nachlaßwert fiktiver Nachlaßwert

227

100

ISO TOM 18.750 ./.50.000

fiktiver Pflichtteilsanspruch Anrechnung

o

PDichtteilsanspruch

(- 31.250)

Gesamterhalt

200.000 DM

(nur Zuwendung)

31.250

nicht angerechneter Rest

Dem Nachlaß (100 TDM) wird gern. § 2315 Abs. 2 der noch anzurechnende Rest der Zuwendung (50 TDM) hinzugerechnet. Der daraus errechnete fiktive Pflichtteil beträgt 18.750 DM. Davon sind nun die verbleibenden 50 TDM der Zuwendung abzuziehen. Auch der Pflichtteil sinkt somit auf Null. Die Ehefrau erhielte im Todesfalle also weder einen Ausgleichsanspruch noch einen Pflichtteil.

3. Stellungnahme Der Ehefrau stehen im Beispiel keine weiteren Ansprüche anläßlich des Todes ihres Mannes zu. Da sie jedoch die Zuwendung von 200 TDM erhalten hat, steht sie nicht schlechter, sondern um 31.250 DM besser, als wenn die Zuwendung nicht gemacht worden wäre. Der Grund dafür ist, daß die vollständige Anrechnung nicht möglich ist. Der Ehemann hat seiner Frau während der Ehe mehr zugewandt, als ihr an Zugewinnausgleich und Pflichtteil (hypothetisch) für den Fall zugestanden hätten, daß die Zuwendung nicht erfolgt wäre. Rechtlich ist die primäre Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch und die Anrechnung eines Restes auf den Pflichtteil problemlos. Sie sorgt dafür, daß eine Zuwendung zumindest soweit wie möglich angerechnet wird. In den Fallgruppen 3 b) bis 5 wird auf diese Weise die im Vergleich zum Zugewinnausgleich unter Lebenden fehlende Möglichkeit der Erben, eine Zuvielleistung vom Empfänger wertmäßig zurückverlangen zu können, durch den Abzug beim Pflichtteil weitestgehenden aufgefangen. Soweit jedoch auch die Anrechnung beim Pflichtteil nicht vollständig möglich ist, bleibt es bei der Zuvielzuwendung. Kurz gefaßt: Soweit der überlebende Ehegatte bereits während der Ehe am Vermögen des Partners beteiligt wurde, kann er durch diese Art der "doppelten" Anrechnungsanordnung nicht nochmals etwas fordern, sei es in Form des Ausgleichsoder Pflichtteilsanspruchs. Was er jedoch mehr erhalten hat, als ihm ohne die Zuwendung hypothetisch an Ausgleichsforderung und Pflichtteil zugestanden hätte, muß er nicht zurückgewähren. 15"

228

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

111. Anrechnung nur auf den Pflichtteil Fraglich ist, wie die Berechnung von Ausgleichsanspruch und Pflichtteil erfolgt, wenn nur die Anrechnung auf den Pflichtteil angeordnet ist.

1. Bisherige Vorgehensweise So problemlos wie die alleinige Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch scheint auf den ersten Blick auch die alleinige Anrechnung auf den Pflichtteil zu sein. Diese Art der Gestaltung wird in der aktuellen Literatur folglich ausnahmslos für möglich gehalten: Der Zugewinnausgleich sei ohne § 1380 durchzuführen, bei der Berechnung des Pflichtteils sei nach § 2315 vorzugehen. 18 Eine genauere Betrachtung dieser Anrechnungsmöglichkeit wird zeigen, ob auf diese Weise wirklich eine doppelte Anrechnung vermieden wird.

2. Beispiel aus der Fallgruppe 1 Dazu nun folgendes Beispiel aus der Fallgruppe 1, also der Vorwegleistung des ausgleichspflichtigen Ehegatten. Diese Fallgruppe dürfte nach wie vor den Regelfall der Zuwendungen unter Ehegatten darstellen.

a) Sachverhalt Die Eheleute heiraten vennögenslos. Während der Ehe erwirtschaftet der Ehemann 3.200 TOM. Kurz vor seinem Tod wendet er seiner Frau 200 TOM mit der Bestimmung zu, diese seien im Falle seines Todes auf den Pflichtteil anzurechnen. Als er stirbt, beträgt sein Vermögen 3.000 TOM, das seiner Frau 200 TOM. In seinem Testament hat der Ehemann seine Kinder als Alleinerben eingesetzt. 19

18 Ennan-Heckelmann § 1380 Rn. 4; Staudinger-Ferid/Cieslar § 2315 Rn. 100; Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 29; Gernhuber/Coester-Waltjen Familienrecht § 37 IV 5; RGRK-Johannsen § 2315 Rn. 28; zu letzterem kritisch v. Olshausen FamRZ 1978,755 (759 ff.), wobei jedoch beide davon ausgehen, daß § 1374 Abs. 2 auf Ehegattenzuwendungen anwendbar ist. v. Olshausen schlägt daher vor, nur noch den halben Zuwendungswert beim Pflichtteil anzurechnen. 19 Es wurde hier ein Beispiel mit verhältnismäßig hohen Vennögenswerten gewählt, um konstant mit glatten Tausendmark-Beträgen rechnen zu können.

c. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen

229

b) Vergleichsgröße: Ansprüche bei nicht erfolgter Zuwendung

Zuerst sollen die Ansprüche der Ehefrau für den Fall errechnet werden, daß die Zuwendung nicht erfolgt ist: Anfangsvennögen Zuwendung Endvennögen Zugewinn Ausgleichsanspruch Nachlaßwert Pruchtteilsanspruch (I/S) Gesamterbalt (Ausgleichsanspruch + Pflichtteil)

Ehefrau 0

Ehemann 0 keine 3.200 3.200

0 0 1.600

1.600 200

1.800TDM (1.600 + 2(0)

Wäre die Zuwendung nicht erfolgt, hätte der Ehemann einen Zugewinn von 3.200 TOM, seine Frau hingegen keinen Zugewinn erzielt. Gemäß § 1371 Abs. 2 könnte sie sowohl den Ausgleich des Zugewinns als auch den Pflichtteil verlangen, da sie nicht Erbin geworden ist. Aus § 1378 Abs. I stünden ihr 1.600 TOM als Ausgleich zu. Vom verbleibenden Nachlaß in Höhe von 1.600 TOM erhielte sie neben den Abkömmlingen einen Pflichtteil von 1/8 (§§ 2303, 1371 Abs. 2,1931 Abs. 1), also 200 TOM. Insgesamt stünden ihr damit 1.800 TOM zu.

c) Ansprüche bei alleiniger Anrechnung auf den Pflichtteil

Soll die erfolgte Zuwendung jedoch ausschließlich auf den Pflichtteil angerechnet werden, ist nach bisheriger Auffassung folgendermaßen zu rechnen: Anfangsvennögen Zuwendung Endvennögen Zugewinn Ausgleicbsansprucb Nachlaßwert fiktiver Nachlaßwert fiktiver Pflichtteilsanspruch Anrechnung POichtteilsansprucb Gesamterhalt (Zuwendung + Ausgleichsanspruch)

Ehemann 0

Ehefrau 0 200

3000 3000

->

200 200 1400

1600 ISOO 225 ./ . 200 2S 162STDM (200 + 1400 + 25)

230

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

Zuerst ist der Ausgleichsanspruch zu ermitteln. Der einfache Zugewinnausgleich ergibt für den überlebenden Ehegatten eine Ausgleichsforderung von 1.400 TDM (Endvermögen 3.000 TDM, Zugewinnüberschuß 2.800 TDM), die vom Nachlaß abzuziehen ist. Auf Basis der verbleibenden 1.600 TDM wird nun der Pflichtteil gern. § 2315 berechnet. Der Zuwendungswert wird dem Nachlaß hinzugerechnet (1.800 TDM). Davon beträgt der fiktive Pflichtteil (1/8) 225 TDM, auf den die Zuwendung angerechnet wird. Der Pflichtteil reduziert sich auf 25 TDM. Insgesamt erhält die überlebende Ehefrau also neben den 200 TDM (Zuwendung) noch den Ausgleichsanspruch von 1.400 TDM (Ausgleichsforderung) sowie einen Pflichtteil in Höhe von 25 TDM, zusammen 1.625 TDM.

3. Stellungnahme: Faktisch doppelte Anrechnung

Der Vergleich der beiden Ergebnisse zeigt, daß die Ehefrau durch die Zuwendung und die alleinige Anrechnung auf den Pflichtteil schlechter steht, als sie ohne die Zuwendung im Falle der Enterbung stünde. Sie erhält insgesamt nur 1.625 TDM im Vergleich zu 1.800 TDM, die sie erhalten hätte, wenn die Zuwendung kurz vor dem Tod des Ehemannes nicht erfolgt wäre. Nach dieser allgemein vertretenen Berechnungsmethode könnte also ein Erblasser die dem überlebenden Ehegatten gesetzlichen zustehenden Mindestansprüche durch eine nur scheinbar großzügige Zuwendung zu Lebzeiten kürzen, im Beispiel um 175 TDM. Es wurde bereits einleitend festgestellt,20 daß eine solche tatsächliche doppelte Anrechnung einer Zuwendung mit dem Gesetz nicht vereinbar ist. Der Zuwendungsempfänger soll durch die Zuwendung nicht besser gestellt werden, als er ohne sie stünde, er soll durch sie aber auch nicht schlechter stehen. In Höhe von 175 TDM wurde die Zuwendung des Erblassers offensichtlich zweimal von den ohne sie bestehenden Ansprüchen des überlebenden Ehegatten abgezogen, obwohl scheinbar nur eine Anrechnung erfolgt ist. Das hier errechnete Ergebnis widerspricht daher auch den Grundprinzipien von Zugewinnausgleich und Pflichtteil und ist aus diesem Grund abzulehnen. Die Ursache für diese faktisch doppelte Anrechnung trotz bloß einfacher Anrechnungsbestimmung liegt in der Systematik des Ausgleichsverfahrens begründet. Es wurde bereits im 1. Kapitel gezeigt,21 daß die Anrechnung einer Zuwendung auf den Ausgleichsanspruch im Regelfall automatisch erfolgt, ohne daß es der Anrechnungsvorschrift des § 1380 bedürfte. Dies ist in den Fallgruppe I, 4 und 5 der Fall. Lediglich in den Fällen, in denen die automatische Anrechnung gestört ist, weil der Zugewinn des Zuwendungsempfängers hinter dem Zuwendungswert zurückbleibt (Fallgruppen 2 und 3), sorgt § 1380 dafür, daß die hälftige Beteiligung

20 21

Siehe oben S. 221 f. Siehe oben S. 37 Cf.

C. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen

231

der Ehegatten wiederhergestellt, eine doppelte Inanspruchnahme des Zuwenders vermieden wird. 22 § 1380 ist also keine Anrechnungsbestimmung an sich, sondern er stellt die paritätische Beteiligung der Ehegatten am Gesamtzugewinn auch in den Fällen her, in denen die automatische Anrechnung versagt. Die Folge dieses Prinzips ist, daß in der Fallgruppe 1, also dann, wenn der Zugewinn des überlebenden Ehegatten mindestens den Wert der empfangenen Zuwendung hat, eine vollständige Anrechnung auch im einfachen Ausgleich bereits erfolgt ist. Die Anwendung des § 1380 bleibt hier konsequenterweise ohne Auswirkungen auf das Ergebnis. Dies wiederum bedeutet, daß der Verzicht auf § 1380 bei der ausschließlichen Anrechnung auf den Pflichtteil mitnichten die Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch unterbindet. Sie hat vielmehr nach wie vor automatisch stattgefunden - und zwar im Beispielsfall in voller Höhe der Zuwendung. Wird nun ohne Korrekturen beim Ausgleichsanspruch auch noch auf den Pflichtteil angerechnet, findet in Höhe dieser Anrechnung eine doppelte Anrechnung der Zuwendung statt. Der Ausgleichsanspruch wurde automatisch um die volle Höhe der Zuwendung gekürzt. Der Pflichtteil wird nun zusätzlich um bis zu 7/823 der Zuwendung verringert, wie es im Beispiel geschah. In der Fallgruppe 2 wirkt sich die doppelte Anrechnung lediglich weniger stark aus, da hier die automatische Anrechnung durch den im Verhältnis zur Zuwendung kleineren Zugewinn des Empfängers nicht vollständig erfolgt und durch den Verzicht auf § 1380 auch unvollständig bleibt. 24 Dieses Problem wird mit einer Ausnahme in der Literatur nicht gesehen. Lediglich v. Olshausen, der aber noch von der Anwendung des § 1374 Abs. 2 auch auf anzurechnende Zuwendungen ausging, erkannte, daß wegen des automatischen Ausgleichs nur noch der halbe Zuwendungswert für eine Anrechnung beim Pflichtteil zur Verfügung steht. 25 Ansonsten wird die Anrechnung auf den Pflichtteil beim Tod des Ehegatten einer Zugewinngemeinschaftsehe bedenkenlos für möglich gehalten,26 wobei man davon ausgeht, daß lediglich § 1380 nicht anzuwenden sei. Siehe ausführlich oben S. 130 ff. Beziehungsweise 3/4, wenn der Pflichtteil des Ehegatten bei fehlenden Abkömmlingen des Erblassers 1/4 beträgt (§§ 2301 Abs. I, 1931 Abs. 1 S. 12. Hs.), oder 1/2, wenn weder Verwandte der ersten oder zweiten Ordnung noch Großeltern des Erblassers vorhanden sind (§§ 2301 Abs. I, 1931 Abs.2). 24 Hätte die Ehefrau im Beispiel keinen Zugewinn erzielt, wäre die Ausgleichsforderung um 100 TDM höher ausgefallen, ihr Pflichtteil um 12,5 TDM niedriger, so daß sie im Vergleich zur nicht erfolgten Zuwendung lediglich um 62,S TDM schlechter gestanden hätte. 2S Denn wenn § 1374 Abs. 2 auch dann Anwendung findet, wenn § 1380 nicht einschlägig ist, erfolgt die automatische Anrechnung nur zur Hälfte (nämlich wegen der Verringerung des Zuwenderzugewinns), während es bezüglich der anderen Hälfte nicht zu einer Anrechnung kommt (da sich der Zugewinn des Empfängers nicht erhöht), weshalb nur diese andere Hälfte für die Anrechnung auf den Pflichtteil zur Verfügung stünde. Wendet man aber § 1374 Abs. 2 mit der h.M. nicht an, steht auch diese Hälfte nicht mehr zur Verfügung, da die automatische Anrechnung nunmehr vollständig erfolgt. 26 Vergleiche die Nachweise in Fn. 18,6. Kapitel. 22 23

232

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

Der Grund hierfür liegt in der verbreiteten Verkennung der Automatik des Zugewinnausgleichs und der Funktion des § 1380 innerhalb dieser Automatik?? Nur wer davon ausgeht, daß erst die Anwendung des § 1380 zu einer Anrechnung der Zuwendung führt, kann zu dem Schluß kommen, daß bereits bei Verzicht auf § 1380 eine Anrechnung auf die Ausgleichsforderung nicht stattfindet und daher eine vollständige Anrechnung auf den Pflichtteil erfolgen kann. Die Frage ist nun, welche Konsequenzen dieser Befund für die Bestimmung der Anrechnung auf den Pflichtteil hat.

4. Lösungsmöglichkeiten

Ziel einer Lösung muß es auch im Hinblick auf die Anrechnung nach § 2315 sein, eine echte doppelte Berücksichtigung derselben Zuwendung zu verhindern. Es bieten sich zwei Möglichkeiten an, wie die Anrechnungsbestimmung auf den Pflichtteil in gesetzeskonformer Weise ausgelegt werden könnte: • Die Anrechnung hat trotz entgegenstehender Anordnung primär auf den Ausgleichsanspruch zu erfolgen. • Die Anrechnung auf den Pflichtteil erfordert zuvor eine vollständige Nichtanrechnung auf den Ausgleichsanspruch.

a) Anrechnung immer primär auf die Ausgleichsforderung

Da wie eben gesehen eine Anrechnung "nur" auf den Pflichtteil in vielen Fällen zu einer doppelten Anrechnung führen würde, könnte die Bestimmung der ausschließlichen Anrechnung auf den Pflichtteil unter Eheleuten der Zugewinngemeinschaft generell unzulässig sein. Um eine möglichst vollständige Anrechnung zu erreichen, wäre die Zuwendung immer erst auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen. Die Grundlage der Anrechnung ließe sich insoweit in der Auslegungsregel des § 1380 Abs. I S. 2 finden. Nur soweit noch ein Rest verbleibt, könnte dieser auf den Pflichtteil angerechnet werden. Diesem Lösungsweg entspricht im Grundsatz auch der Vorschlag v. Olshausens?S Dieser ging jedoch von der obligatorischen Anwendung des § 1374 Abs. 2 Siehe dazu die ab S. 107 ff. aufgeführten Ansichten zur Funktion des § 1380. v. Olshausen FamRZ 1978, 755 (761) schlägt vor, man müsse zuerst "die Ausgleichsforderung, die dem Empfänger flßch der Zuwendung noch verblieben ist, vergleichen mit der Ausgleichsforderung, die ihm bei Unterbleiben der Zuwendung zugestanden hätte . .. In Höhe der Differenz stehe der Zuwendungswert nicht mehr zur Anrechnung auf den Pflichtteil zur Verfügung, da er bereits automatisch ausgeglichen sei. Wegen der Anwendung des § 1374 Abs. 2 unterscheiden sich dabei die aktuelle und die hypothetische Ausgleichsforderung maximal um den halben Wert der Zuwendung. 27

28

c. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen

233

auf Ehegattenzuwendungen aus. Die Folge war, daß - mangels Erhöhung des Empfängerzugewinns - nur der halbe Zuwendungswert automatisch im Rahmen des Zugewinnausgleichs angerechnet wurde. Daraus zieht v. Olshausen die Konsequenz, daß nur die verbleibende andere Hälfte des Zuwendungswerts zur Anrechnung auf den Pflichtteil zur Verfügung steht. 29 Nun ist jedoch - wie die Untersuchung gezeigt hat - § 1374 Abs. 2 nicht auf anzurechnende Ehegattenzuwendungen anzuwenden, da der Zuwender ansonsten in den Fällen der Nichtanwendbarkeit des § 1380 (fehlende fiktive Ausgleichsforderung des Empfängers) benachteiligt würde?O Die automatische Anrechnung erfolgt daher mangels Privilegierung nicht nur zur Hälfte, sondern grundsätzlich vollständig. Wenn aber nicht einmal der halbe Zuwendungswert (durch § 1374 Abs. 2) aus der automatischen Anrechnung herausgenommen wird, kann es auch für diese Hälfte nicht zu einer Anrechnung auf den Pflichtteil kommen. Die Konsequenz wäre, daß die alleinige Anrechnung wenigstens eines Teils der Zuwendung auf den Pflichtteil nicht möglich ist. Zulässig wäre hier allenfalls die oben beschriebene primäre Anrechnung der Zuwendung auf die Ausgleichsforderung mit der Anrechnung eines verbleibenden Restes ·auf den Pflichtteil. Gegen die obligatorische primäre Anrechnung nach § 1380 spricht jedoch, daß die automatische Anrechnung nicht in allen Fällen stattfindet. Namentlich in den Konstellationen, in denen der Empfängerzugewinn hinter dem Zuwendungswert zurückbleibt, wird die Anrechnung erst durch § 1380 bewirkt. Soweit die automatische Anrechnung hier nicht stattgefunden hat und durch Verzicht auf die Anwendung des § 1380 auch nicht mehr nachgeholt wird, steht der Anrechnung auf den Pflichtteil nichts entgegen. Der generelle Verzicht auf die alleinige Anrechnung gern. § 2315 wäre in diesen Fällen nicht gerechtfertigt. Diese Lösung hat einen weiteren, entscheidenden Nachteil: Indem sie nur den nicht bereits automatisch auf die Ausgleichsforderung angerechneten Teil der Zuwendung auf den Pflichtteil anrechnen will, ignoriert sie den entgegenstehenden Willen des Zuwenders und Erblassers vollkommen, der durch die Bestimmung der Anrechnung auf den Pflichtteil zum Ausdruck kommt. Der Erblasser hat möglicherweise gute Gründe für eine derartige Wahl der Anrechnung. 3 ! Diesen Gründen würde eine solche Lösung nicht gerecht. Vorzuziehen wäre daher ein Rechenweg, der tatsächlich zu einer Anrechnung beim Pflichtteil führt und zugleich eine doppelte Berücksichtigung der Zuwendung verhindert.

29

30 31

v. Olshausen FamRZ 1978,755 (761). Siehe die Ergebnisse des 3. Kapitels auf S. 177 ff. Siehe dazu unten S. 256 ff.

234

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

b) Vollständige Herausnahme der Zuwendung aus dem Zugewinnausgleich und alleinige Anrechnung beim Pflichtteil

Da die Anrechnung einer Zuwendung nur insoweit noch beim Pflichtteil vorgenommen werden kann, wie sie noch nicht (sei es automatisch oder durch § 1380 bewirkt) beim Ausgleichsanspruch stattgefunden hat, muß folglich Voraussetzung für die vollständige Anrechnung auf den Pflichtteil sein, daß keine automatische Anrechnung im Zugewinnausgleich stattfindet. Die anspruchsmindernden Auswirkungen der Zuwendung auf den Zugewinnausgleich müssen also eliminiert werden,32 um die Zuwendung dann ohne die Gefahr einer Benachteiligung des Empfängers auf den Pflichtteil anrechnen zu können. Dazu genügt es wie gesehen nicht, lediglich auf die Anwendung des § 1380 zu verzichten. Vielmehr muß nach einem Weg gesucht werden, der auch die automatische Anrechnung unterbindet. Ein solcher Weg läßt sich aus den Anrechnungsbestimmungen § 1380 und § 2315 herleiten. Auszugehen ist von der Anrechnungsbestimmung auf den Pflichtteil. Die Systematik der Anrechnung auf den Pflichtteil stellt sich folgendermaßen dar: § 2315 Abs. 2 S. 1 simuliert durch die Hinzurechnung des Zuwendungswertes zum Nachlaß die Situation, die hypothetisch bestanden hätte, wenn die Zuwendung nicht erfolgt wäre. Die Anrechnung geht also von demjenigen Nachlaß aus, den der Zuwender ohne die Zuwendung fiktiv gehabt hätte. Daraus wird ein hypothetischer Pflichtteil errechnet, von dem der Zuwendungswert schließlich abzuziehen ist. Handelt es sich bei dem Pflichtteilsberechtigten nicht um den Ehegatten, genügt dieser Rechenschritt. Die Hinzurechnung des Zuwendungswertes stellt den Nachlaß wertmäßig so wieder her, wie er ohne die Zuwendung hypothetisch bestanden hätte. Handelt es sich bei dem Pflichtteilsberechtigten aber um den Ehegatten einer Ehe im gesetzlichen Güterstand, ist allein durch die Hinzurechnung des Zuwendungswertes zum Nachlaß mitnichten die Situation hergestellt, wie sie ohne die Zuwendung bestanden hätte. Denn vom Nachlaß ist bereits zuvor die Ausgleichsforderung als Nachlaßverbindlichkeit abgezogen worden. Und diese Ausgleichsforderung wurde durch die Zuwendung bereits verringert. Im Vergleich zur Situation, wie sie wirklich ohne die Zuwendung bestanden hätte, ist daher der Nachlaß zu groß, weil die abgezogene Ausgleichsforderung (durch die automatische Anrechnung der Zuwendung) zu klein war. Wenn also für die alleinige Anrechnung auf den Pflichtteil der Nachlaß zu simulieren ist, wie er ohne die Zuwendung hypothetisch bestanden hätte, muß vom Nachlaß vorher diejenige Ausgleichsforderung abgezogen werden, die ihm ohne die Zuwendung zugestanden hätte. Nur dann ergibt der Rechenschritt des § 2315 Abs. 2 S. 1 wirklich den Nachlaßwert, wie er ohne die Zuwendung nach Abzug des Ausgleichsanspruchs (hypothetisch) bestanden hätte?3 Anders formuliert: Soll 32 So grundsätzlich auch v. Olshausen FamRZ 1978,755 (759 ff.), der diesen Lösungsweg jedoch im Ergebnis ablehnt.

C. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen

235

nur auf den Pflichtteil angerechnet werden, darf nicht bereits zuvor eine Anrechnung auf den Zugewinnausgleichsanspruch erfolgt sein. Die dem Ehegatten zustehende und somit vom Nachlaß abzuziehende Ausgleichsforderung muß also tatsächlich die Höhe haben, die sie ohne die Zuwendung hypothetisch gehabt hätte! Wie hoch diese Ausgleichsforderung ist, ergibt sich wiederum aus dem Gesetz: § 1380 nimmt die Anrechnung ja ebenfalls erst vor, nachdem über § 1380 Abs. 2 der Zustand hergestellt ist, der hypothetisch ohne die Zuwendung bestanden hätte. Dem überlebenden Ehegatten muß also die vom Zugewinn unbeeinflußte Ausgleichsforderung tatsächlich zustehen, wie sie sich aus § 1380 Abs. 2 (und ohne die normalerweise anschließend erfolgende Anrechnung!) ergibt und wie er ihn hypothetisch - hätte verlangen können, wenn die Zuwendung nicht erfolgt wäre. Vor der Anrechnung auf den Pflichtteil wird die Zuwendung daher vollständig rechnerisch rÜckgängig gemacht und zwar sowohl im Zugewinnausgleich als auch bei der Berechnung des hypothetischen Pflichtteils. Nunmehr kann der Zuwendungswert vollständig auf den so errechneten hypothetischen Pflichtteil angerechnet werden. Der Verzicht auf die Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch bedeutet also nicht, daß § 1380 in seiner Gesamtheit nicht angewendet wird. Vielmehr ist lediglich der letzte Schritt, der Abzug der Zuwendung vom erhöhten Ausgleichsanspruch, nicht vorzunehmen. Im Gesetz ist daher bereits die Rechnung vorgegeben, mit deren Hilfe die Auswirkungen der Zuwendung vollständig aus dem Zugewinnausgleich eliminiert werden können, so daß die Zuwendung für die Anrechnung beim Pflichtteil zur Verfügung steht. 34 Diese Rechnung erfolgt in drei Schritten: 1. Berechnung einer erhöhten Ausgleichsforderung gern. § 1380 Abs. 2, die dem Empfänger tatsächlich zusteht. 2. Abzug dieser Ausgleichsforderung vom Nachlaß. 3. Anrechnung der Zuwendung auf den Nachlaß gern. § 2315. Diese Lösung soll anhand des obigen Beispiels illustriert und auf ihre Praktikabilität überprüft werden.

5. Überprüfung anhand des Beispiels aus der Fallgruppe 1 a) Sachverhalt Die Eheleute heiraten vermögenslos. Während der Ehe erwirtschaftet der Ehemann 3.200 TOM. Kurz vor seinem Tod wendet er seiner Frau 200 TOM mit der Bestimmung zu, diese 33 Sie muß also nicht nur "fiktiv entsprecMnd erhöht werden ", wie v. Olshausen FamRZ 1978. 755 (759) es formuliert. 34 Es handelt sich also nicht um eine rein pragrnatische Lösung, wie es bei v. Olshausen FamRZ 1978,755 (759) und RGRK-Johannsen § 2315 Rn. 32 den Anschein hat.

236

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

seien im Falle seines Todes auf den Pflichtteil anzurechnen. Als er stirbt, beträgt sein Vermögen 3.000 TDM, das seiner Frau 200 TDM. In seinem Testament hat der Ehemann seine Kinder als Alleinerben eingesetzt.

b) Lösung nach der hier vorgeschlagenen Methode

Hier muß folgendennaßen gerechnet werden: Ehefrau

Ehemann

0

Anfangsvermögen

Zuwendung Endvermögen

0 200

Zugewinn fiktiver Zugewinn

erböbter (!) Ausgleicbsansprucb Nachlaßwert fiktiver Nachlaßwert fiktiver Pflichtteil

-+

3.000

200

3.000 3.200

200 0 1.600

1.400 1.600 200

Anrechnung

./.200

o

POicbtteUsansprucb Gesamterbalt

1.800 TDM

(Zuwendung + erhöhter Ausgleichsanspruch)

(200 + 1.600)

Zuerst ist der Zugewinnausgleichsanspruch ohne die automatische Anrechnung der Zuwendung zu errechnen, also unter Berücksichtigung nur des § 1380 Abs. 2 ohne anschließenden Abzug des Zuwendungswertes. Es ergibt sich ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 1.600 TDM, der der Ehefrau auch tatsächlich zusteht und vom Nachlaß abzuziehen ist. Bei der Anrechnung auf den Pflichtteil ist nun vom verbleibenden Nachlaß in Höhe von 1.400 TDM auszugehen. Dieser wird um den Zuwendungswert auf 1.600 TDM erhöht. Der fiktive Pflichtteil beträgt somit 200 TDM. Darauf ist die Zuwendung anzurechnen. Der Pflichtteil wird auf Null gekürzt. Der Gesamterhalt des Zuwendungsempfangers setzt sich aus der Zuwendung und dem Ausgleichsanspruch zusammen und beträgt 1.800 TDM.

c) Stellungnahme

Gegen diese Lösung bestehen keine Bedenken. Mit ihr wird sowohl der Anrechnungsbestimmung auf den Pflichtteil als auch der Vorgabe genüge getan, eine Zuwendung nur einmal anzurechnen. Der Zuwendungsempfänger wird im Vergleich zur Situation ohne die Zuwendung nicht benachteiligt, er wird vielmehr genau so

C. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestirnrnungen

237

gestellt, wie er ohne die Zuwendung stehen würde. In beiden Fällen erhält die Ehefrau insgesamt 1.800 TOM, einmal als Summe von Ausgleichsforderung und Pflichtteil, im anderen Fall als Summe von Zuwendung und Ausgleichsforderung. Dieser Lösungsweg ist zudem mit dem Gesetz vereinbar, da er sich logisch aus diesem ergibt und sich nur der Rechenschritte bedient, die bereits in § 1380 und § 2315 angelegt sind. Dennoch lehnt v. Olshausen diese Lösung ab?S Dies ist nur erklärlich mit Blick auf die Ergebnisse, die sich auf diese Weise errechnen, wenn die Zuwendung größer war als der hypothetische Pflichtteilsanspruch des Ehegatten bei unterbliebener Zuwendung. Dies soll das folgende Beispiel zeigen.

6. Überprüfung anhand einer Abwandlung des obigen Beispiels In dem folgenden Beispiel beträgt lediglich die Zuwendung nicht nur 200 TOM, sondern 400 TOM. Die übrigen Werte bleiben gleich.

a) Sachverhalt Fall grundSätzlich wie oben: Die Eheleute heiraten vennögenslos. Während der Ehe erwirtschaftet der Ehemann 3.200 TOM. Kurz vor seinem Tod wendet er seiner Frau jedoch 400 TOM mit der Bestimmung zu, diese seien im Falle seines Todes auf den Pflichtteil anzurechnen. Als er stirbt, beträgt sein Vennögen daher nur 2.800 TOM, das seiner Frau 400 TOM. In seinem Testament hat der Ehemann seine Kinder als Alleinerben eingesetzt.

b) Vergleichsgröße: Ansprüche bei unterbliebener Zuwendung

Da sich insoweit nichts an der Fallgestaltung geändert hat, kann auf die obige Rechnung verwiesen werden. 36 Bei unterbliebener Zuwendung hätten der Ehefrau daher ein Ausgleichsanspruch von 1.600 TOM und ein Pflichtteil von 200 TOM, zusammen 1.800 TOM, zugestanden.

c) Lösung nach der hier vorgeschlagenen Methode

Bei erfolgter Zuwendung ist folgendermaßen zu rechen:

3' v. Olshausen FamRZ 1978, 755 (761). 36 Siehe oben S. 229 ff.

238

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen

Ehefrau

0

0 400

Zugewinn fiktiver Zugewinn

-+

2.800

400

2.800

400

3.200

0

erhöhter (!) AusgIeichsanspruch

1.600

Nachlaßwert

1.200 1.600

fiktiver Nachlaßwert fiktiver Pflichtteil Anrechnung

200 ./.200 0(- 200)

PDichtteilsanspruch Gesamterhalt (Zuwendung + erhöhter Ausgleichsanspruch)

2.000 TDM (400 + 1.600)

nicht angerechneter Rest

200

Nach der hier vorgeschlagenen Berechnungsmethode steht der Ehefrau also wiederum ein Ausgleichsanspruch von 1.600 TDM zu, einen Pflichtteilsanspruch hat sich jedoch nicht. Zusammen mit der Zuwendung von 400 TDM hat sie insgesamt 2.000 TDM erhalten. Das Ergebnis überrascht: Die Ehefrau steht durch diese Art der Berechnung deutlich, nämlich um 200 TDM, besser, als sie stünde, wenn sie die Zuwendung nie erhalten hätte. Dann hätten ihr wie oben errechnet lediglich 1.800 TDM zugestanden. Der Empfänger der Zuwendung steht bei dieser Anrechnungsmethode sogar besser, als er stünde, wenn zwar die Zuwendung erfolgt, aber keinerlei Anrechnungsbestimmung getroffen worden wäre. Denn ohne jede Anrechnung käme es zu folgender Rechnung: 37 Ehemann Anfangsvermögen Zuwendung Endvermögen

2.800

Zugewinn

2.800

AusgIeichsanspruch Nachlaßwert

Ehefrau

0

0 400

-+

400 400 1.200

1.600

PDichtteilsanspruch (1/8) Gesamterhalt (Zuwendung + Ausgleichsanspruch + Pflichtteil)

200 1.800 TDM (400 + 1.200 + 200)

37 Dabei soll vorerst außer acht gelassen werden, daß sich auch ohne ausdrückliche Anrechnungsbestimmung jedenfalls gern. § 1380 Abs. I S. 2 eine Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch ergeben kann. Siehe dazu weiter unten S. 254 ff.

C. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen

239

In diesem Fall hätte - wiederum wegen der automatischen Anrechnung auf die Ausgleichsforderung - die Ehefrau neben der Zuwendung einen Ausgleichsanspruch von 1.200 TDM sowie einen Pflichtteil von 200 TDM erhalten, zusammen 1.800 TDM, also genau soviel, wie ihr ohne die Zuwendung zugestanden hätte.

d) Stellungnahme

Der Grund für dieses paradoxe Ergebnis, daß die Anrechnung den Zuwender schlechter stellt als die Nichtanrechnung, liegt darin, daß von dem Zuwendungswert wegen der geringen Höhe des Pflichtteils nur 200 TDM angerechnet werden konnten. In Höhe von 200 TDM wurde die Zuwendung also nicht angerechnet weder beim Ausgleichsanspruch, da dort die automatische Anrechnung unterbunden wurde, noch beim Pflichtteil, da dieser zu klein war. Es ist daher nur folgerichtig, wenn der Empfanger bei einer vollständigen (automatischen) Anrechnung auf die Ausgleichsforderung um eben diesen, nicht angerechneten Wert besser steht, als im Falle einer nur unvollständige Anrechnung auf den Pflichtteil. Hier liegt, wie bereits angedeutet, zugleich der Grund, weshalb v. Olshausen diese Lösung ablehnt. 38 Er will vermeiden, daß der Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempfängers durch die Anrechnung auf den Pflichtteil größer wird, als er ohne sie wäre. Diese Bedenken können jedoch aus rechtlicher Perspektive nicht überzeugen. Denn es gibt keine Regel, wonach der Ehegatte durch eine Zuwendung nicht mehr erhalten darf, als er ohne sie erhalten würde. Zwar wird das Ergebnis ganz offensichtlich dem Zuwenderwillen nicht gerecht, doch steht - anders als dem Unterschreiten der Mindestansprüche - ihrem Überschreiten durch die ungeschickte Gestaltung von Verfügungen durch den Zuwender nichts entgegen. 39 Es stellt sich natürlich die Frage, durch welche Art der Anrechnungsanordnung dieses Ergebnis vermieden werden kann. 40

7. Ergebnis Soweit bisher davon ausgegangen wird, daß die Anrechnung auf den Pflichtteil bereits dadurch möglich ist, daß lediglich auf die Anwendung des § 1380 verzichtet wird, kann dies zu einer echten doppelten Anrechnung der Zuwendung führen. Der Zuwendungsempfänger würde durch die Zuwendung schlechter gestellt als er stünde, wenn die Zuwendung nicht erfolgt wäre. Diese SchlechtersteIlung beträgt 38

v. Olshausen FamRZ 1978, 755 (761).

Hinzu kommt, daß es bei sachgerechter Auslegung des Zuwenderwillens selbst nach der hier vertretenen Lösung nicht bei diesem Ergebnis bleibt. Siehe dazu unten S. 254 ff. 40 Siehe dazu die im Anschluß folgende primäre Anrechnung auf den Pflichtteil auf S. 240 ff. 39

240

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

im Extremfall 7/8 des Zuwendungswertes. Dies ist mit dem Sinn der gesetzlich als Mindestansprüche fixierten Ausgleichs- und Pflichtteilsansprüche nicht vereinbar. Soll ausschließlich beim Pflichtteil angerechnet werden, darf eine Anrechnung auf den Zugewinnausgleichsanspruch daher nicht stattfinden. Dem Zuwendungsempfänger muß ein Ausgleichsanspruch in der Höhe zustehen, wie er ihn auch ohne die Zuwendung gehabt hätte. Dieser errechnet sich gern. § 1380 Abs. 2 durch Abzug des Zuwendungswertes vom Endvermögen des Empfängers und Hinzurechnung zum Endvermögen des Zuwenders. Der überlebende Ehegatte hat also einen Anspruch auf einen erhöhten Zugewinnausgleich, ohne daß die Zuwendung darauf angerechnet würde. Die Anrechnung findet vielmehr ausschließlich beim Pflichtteil und nach Maßgabe des § 2315 statt. Die alleinige Anrechnung auf den Pflichtteil kann jedoch zu einer - vom Erblasser regelmäßig nicht gewünschten - zusätzlichen Begünstigung des Ehegatten fUhren. Denn oft wird es so sein, daß der (fiktiv zu errechnende) Pflichtteil kleiner ist als der anzurechnende Zuwendungswert. Dann aber kann dieser nicht vollständig angerechnet werden und der enterbte Ehegatte bekommt durch die vorher erhöhte Ausgleichsforderung sogar mehr; als er ohne die Anrechnungsbestimmung erhalten hätte. Ein solches Ergebnis sollte in der Praxis daher verhindert werden.

IV. Anrechnung primär auf den Pflichtteil und mit einem Rest auf die Ausgleichsforderung Der eben beschriebenen Gefahr, daß bei alleiniger Anrechnung auf den Pflichtteil eine vollständige Anrechnung gar nicht möglich ist und das vom Erblasser erwünschte Ergebnis nicht nur verfehlt, sondern sogar durch die Anrechnungsbestimmung in das genaue Gegenteil verkehrt wird, soll nun in Anlehnung an das Parallelproblern der nicht vollständig möglichen Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch begegnet werden: Der Erblasser könnte anordnen, ein bei der Anrechnung auf den Pflichtteil verbleibender Rest sei nunmehr auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen.

1. Bisherige Vorgehensweise Die sukzessive Anrechnung beim Pflichtteil würde bedeuten, daß erst die Anrechnung auf den Pflichtteil vorgenommen werden müßte. Bliebe dort ein Rest, wäre dieser auf die Ausgleichsforderung anzurechnen. Nach der bisherigen Interpretation würde § 1380 erst beim zweiten Schritt, also der Anrechnung des Restes auf den Ausgleichsanspruch, eingreifen. Dieses Vorgehen wird bisher zwar grund-

c. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen

241

sätzlich für möglich gehalten,41 stößt aber vor allem auf das logische Problem einer drohenden Endlosrechnung. Hintergrund ist, daß die Bestimmung des Ausgleichsanspruchs systematisch vor der Anrechnung auf den Pflichtteil erfolgt. Die Ausgleichsforderung ist daher zuerst vom Nachlaß abzuziehen, bevor auf Grundlage des so verkleinerten Nachlasses der Pflichtteil errechnet werden kann.42 Denn sie stellt eine Nachlaßverbindlichkeit in der Form einer Erblasserschuld dar, die zwar den Erblasser selbst zu Lebzeiten nie traf, die jedoch aus einem Dauerrechtsverhältnis stammt, in dem dieser zu Lebzeiten stand. Ihre Bevorzugung rechtfertigt sich auch dadurch, daß der Zugewinn nach der Idee der Zugewinngemeinschaft als vom Ehegatten miterarbeitet gilt. 43 Dies hat Auswirkungen auf die Berechnung von Pflichtteil und Ausgleichsforderung, denn die Höhe der Ausgleichsforderung bestimmt ihrerseits die Höhe des Pflichtteils. Soll nach Anrechnung auf den Pflichtteil ein verbleibender Rest auf den Ausgleichsanspruch angerechnet werden, müßte sich dieser im Ergebnis verkleinem. 44 Ein kleinerer Ausgleichsanspruch würde dann jedoch seinerseits zu einem größeren verbleibenden Nachlaß und damit wiederum zu einem größeren Pflichtteil führen. Auf einen größeren Pflichtteil könnte aber nunmehr ein größerer Teil der Zuwendung angerechnet werden, weshalb wieder ein kleinerer Rest für die Anrechnung auf die Ausgleichsforderung verbliebe. Die Ausgleichsforderung würde dadurch vergrößert und der Nachlaß wieder verkleinert, usw. Die Rechenschleife erscheint endlos und unauflösbar. Dieser Rechenweg ist daher bisher von Kritik oder zumindest Bedenken45 nicht verschont geblieben, ohne daß die Frage jedoch näher untersucht und eine Lösung gefunden worden wäre.

2. Stellungnahme und Lösungsvorschlag Nach der hier begründeten Vorgehensweise zur Anrechnung einer Zuwendung auf den Pflichtteil besteht die Gefahr einer Endlosrechnung jedoch nicht. Wie oben gesehen,46 muß für die Anrechnung auf den Pflichtteil zuerst der Ausgleichsan41 Staudinger-Ferid/Cieslar § 2315 Rn. 98; Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 29; RGRK-Johannsen § 2315 Rn. 38 mit eigener Formel. 42 MüKo-Gernhuber § 1371 Rn. 45 sowie § 1375 Rn. 15; Reiniclce OB 1960, 1267 (1268); Niederländer NJW 1960, 1737 (1742) Fn. 23; Dittmann DNotZ 1962, 173 (187); Dölle Familienrecht I § 56 11, S. 791; Staudinger-Thiele § 1375 Rn. 3; RGRK-Finke § 1375 Rn. 5; Erman-Heckelmann § 1375 Rn. 4; Lange-Kuchinke Erbrecht § 39 VI 2 d. 43 Soergel-Lange § 1371 Rn. 25. 44 Jedenfalls dann, wenn der Wert des Empfangerzugewinns hinter dem Wert des noch anzurechnenden Zuwendungsrestes zurückbleibt. 4S MüKo-Frank § 2315 Rn. 24; Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 29. 46 Siehe S. 234 ff.

16 Jeep

242

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im TodesfalI

spruch berechnet werden und dem Ehegatten auch tatsächlich in der Höhe zustehen, wie er ohne die Zuwendung bestünde. Dieser Ausgleichsanspruch errechnet sich gern. § 1380 Abs. 2. Der erste Schritt einer Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch wurde also bereits als notwendige Voraussetzung für die Anrechnung auf den Pflichtteil durchgeführt. Lediglich der Abzug der Zuwendung von diesem erhöhten Ausgleichsanspruch wurde unterlassen. Soll daher ein bei der Anrechnung auf den Pflichtteil verbleibender Rest nun auf die Ausgleichsforderung angerechnet werden, so muß nur noch dieser zweite Schritt der Anrechnung, also der Abzug des Zuwendungswertes von der Ausgleichsforderung, erfolgen. Da diese bereits errechnet wurde, ist der Rest unmittelbar von der erhöhten Ausgleichsforderung abzuziehen. Dies führt zu folgendem Vorgehen für die primäre Anrechnung einer Zuwendung auf den Pflichtteil: 1. Berechnung einer vorläufigen, erhöhten Ausgleichsforderung gern. § 1380 Abs.2. 47 2. Abzug dieser Ausgleichsforderung vom Nachlaß. 3. Anrechnung der Zuwendung auf den Pflichtteil gern. § 2315. 4. Direkter Abzug eines noch verbleibenden, nicht auf den Pflichtteil angerechneten Restes von der vorläufigen, erhöhten Ausgleichsforderung. Der letzte Schritt hat nunmehr keinen Einfluß auf die Berechnung des Pflichtteils. Denn dieser wurde bereits auf Basis des hypothetischen Nachlasses errechnet. Da der hypothetische Nachlaß einen festen Wert darstellt, der nicht mehr von der nunmehr verkürzten Ausgleichsforderung betroffen wird, ergibt sich auch keine Endlosrechnung. Wenn diese Rechnung richtig ist, dürfte der überlebende Ehegatte durch keine der beiden Anrechnungsarten schlechter gestellt sein, als er ohne die Zuwendung stünde. Zugleich müßten beide Rechenwege zu den gleichen Gesamtansprüchen des Ehegatten führen, da er jeweils weitestgehend so gestellt werden soll, wie er ohne die Zuwendung stünde. Diese Thesen soll anhand der folgenden Vergleichsrechnungen überprüft werden. Es handelt sich dabei um die bei den Fallgestaltungen, in denen oben bei der Anrechnung auf Ausgleichsanspruch bzw. Pflichtteil jeweils ein nicht angerechneter Rest verblieben ist.

47 Diese steht dem Zuwendungsempfanger in dieser Höhe nur zu, wenn sie nicht später durch die Anrechnung eines Zuwendungsrestes noch weiter verringert wird.

C. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen

243

V. Vergleich der vorgeschlagenen sukzessiven Anrechnungsmethoden I.Vergleich der Lösungen am Beispiel aus der Fallgruppe I a) Vergleichsgröße: Ansprüche bei nicht eifolgter Zuwendung Die Eheleute heiraten vennögenslos. Während der Ehe erwirtschaftet der Ehemann 3.200 TOM, seine Ehefrau bleibt vennögenslos. In seinem Testament hat der Ehemann seine Kinder als Alleinerben eingesetzt.

Wie oben berechnet, stehen der Ehefrau bei unterlassener Zuwendung ein Ausgleichsanspruch von 1.600 TDM und ein Pflichtteil in Höhe von 200 TDM, zusammen 1.800 TDM, ZU. 48

b) Ansprüche bei primärer Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch Die Eheleute heiraten vennögenslos. Während der Ehe erwirtschaftet der Ehemann 3.200 TOM. Kurz vor seinem Tod wendet er seiner Frau jedoch 400 TOM mit der Bestimmung zu, diese seien im Falle seines Todes auf den Ausgleichsanspruch und mit einem eventuell verbleibenden Rest auf den Pflichtteil anzurechnen. Als er stirbt, beträgt sein Vennögen daher nur 2.800 TOM, das seiner Frau 400 TOM. In seinem Testament hat der Ehemann seine Kinder als Alleinerben eingesetzt.

Hier kommt es zu folgender Ausgleichs- und Pflichtteilsberechnung: Ehemann Anfangsvennögen

Zuwendung Endvennögen Zugewinn fiktiver Zugewinn fiktiver Ausgleichsanspruch Anrechnung Ausgleichsanspruch Nachlaßwert PDichtteiisanspruch

Ehefrau

o

0 400

-+

2.800

400

2.800

400 0

3.200

1.600 ./.400

1.200 1.600

Gesamterhalt (Zuwendung + Ausgleichsanspruch + Pflichtteil)

200 1.800TDM (= 400 + 1.200 + 200)

Hier errechnet sich ein fiktiver Ausgleichsanspruch der Ehefrau in Höhe von 1.600 TDM, auf den die Zuwendung anzurechnen ist. Dies ergibt einen Anspruch 48

16·

Siehe die ausführliche Rechnung auf S. 229 f.

244

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

von 1.200 TDM. Da die Anrechnung vollständig erfolgt ist, bleibt kein Rest für eine eventuelle Anrechnung beim Pflichtteil. Dieser errechnet sich ganz nonnal ausgehend vom nach Abzug der Ausgleichsforderung verbleibenden Nachlaß im Wert von 1.600 TDM und beträgt 200 TDM. Insgesamt hat die Ehefrau daher 400 TDM (Zuwendung) plus 1.200 TDM (Ausgleichsforderung) plus 20 TDM (pflichtteil), zusammen 1.800 TDM, erhalten. Die Anrechnung ist vollständig erfolgt. Die Ehefrau steht genau so, wie sie stünde, wenn die Zuwendung nie erfolgt wäre.

c) Ansprüche bei primärer Anrechnung auf den Pflichtteil Die Eheleute heiraten vermögenslos. Wahrend der Ehe erwirtschaftet der Ehemann 3.200 TOM. Kurz vor seinem Tod wendet er seiner Frau jedoch 400 TOM mit der Bestimmung zu, diese seien im Falle seines Todes auf den Pflichtteil und mit einem eventuell verbleibenden Rest auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen. Als er stirbt, beträgt sein Vermögen daher nur 2.800 TOM, das seiner Frau 400 TOM. In seinem Testament hat der Ehemann seine Kinder als Alleinerben eingesetzt.

Ist umgekehrt die primäre Anrechnung auf den Pflichtteil durchzuführen, kommt es zu folgender, bereits bekannter Rechnung: Ehemann Anfangsvermögen

Ehefrau

o

Zuwendung

0 400

--+

Endvermögen

2.800

400

Zugewinn

2.800

400

fiktiver Zugewinn

3.200

0

vorläufig (!) erhöhter Ausgleichsanspruch gern. § 1380 Abs. 2

1.600

Nachlaßwert

1.200

fiktiver Nachlaßwert (§ 2315 Abs. 2)

1.600

fiktiver Pflichtteil Anrechnung

PflicbtteUsansprucb nicht angerechneter Rest

200 ./.400

o 200

vorläufig erhöhter Ausgleichsanspruch (von oben)

1.600

Anrechnung des Restes

./. 200

endgültiger Ausgleicbsansprucb Gesamterbalt (Zuwendung + Ausgleichsanspruch)

1.400 1.800 TDM (400 + 1.400)

C. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen

245

Hier ist zuerst der - nur vorläufige - Ausgleichsanspruch zu errechnen, wie er sich unter Eliminierung der Zuwendung gern. § 1380 Abs. 2 ergibt. Dies führt konsequenterweise zum gleichen Anspruch der Ehefrau, wie er ohne die Zuwendung bestanden hätte, also 1.600 TOM. Es verbleibt ein Nachlaß von 1.200 TOM. Die Zuwendung ist bisher nicht angerechnet worden. Nun wird zur Anrechnung der Zuwendung auf den Pflichtteil der Zuwendungswert dem verbleibenden Nachlaß gern. § 2315 Abs. 2 S. 1 hinzugerechnet. Dies ergibt einen fiktiven Nachlaß von 1.600 TOM. Daraus errechnet sich der fiktive Pflichtteil von 200 TOM. Die Anrechnung der Zuwendung, also der Abzug von 400 TOM, läßt den Pflichtteil vollständig wegfallen. Der verbleibende Rest von 200 TOM wird nun von dem bereits oben errechneten vorläufigen Ausgleichsanspruch abgezogen: Es verbleiben 1.400 TOM, die der Ehefrau auch zustehen. Insgesamt erhält sie also 400 TOM (Zuwendung) plus 1.400 TOM (Ausgleichsforderung), zusammen wiederum 1.800 TOM. Damit steht sie genau so, wie sie ohne die Zuwendung stünde, und genau so, wie sie stünde, wenn zuerst auf den Ausgleichsanspruch und erst mit dem dabei verbleibenden Rest auf den Pflichtteil angerechnet worden wäre.

d) Übersicht

In der folgenden Übersicht ist aufgeführt, wieviel der überlebende Ehegatte in den unterschiedlichen Konstellationen nach der hier vertretenen Lösung als Zuwendung, Zugewinnausgleichsanspruch und Pflichtteil erhält: Zuwendung ist unterblieben Zuwendung Ausgleichsanspruch

Anrechnung erst auf Ausgleichsanspruch

0

400

1.600

+ 1.200

Anrechnung erst auf Pflichtteil

400 nur vorläufig (1.600)

Pflichtteil

+200

+200

Gesamterhalt des überlebenden Ehegatten

0 + 1.400

Ausgleichsanspruch

=1.800 lDM

= 1.800 lDM

=1.800 lDM

Unabhängig davon, bei weIchem Anspruch zuerst angerechnet wird, beträgt der Gesamterhalt der Ehefrau 1.800 TOM. Dies ist auch der Betrag, der ihr als Summe von Ausgleichsanspruch und Pflichtteil zugestanden hätte, wenn die Zuwendung nicht erfolgt wäre.

246

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

2. Vergleich der Lösungen am Beispiel aus der Fallgruppe 3 a) a) Vergleichsgröße: Ansprüche bei nicht erfolgter Zuwendung Als die Eheleute heiraten, sind beide vermögenslos. Als der Mann stirbt, hinterläßt er ein Vermögen von 300 TOM. Seine Frau ist vermögenslos. In seinem Testament hat der Erblasser seine Kinder als Alleinerben eingesetzt.

Wie bereits oben errechnet, stünde der Ehefrau ohne die Zuwendung ein Ausgleichsanspruch in Höhe von 150 TDM und ein Pflichtteil von 18.750 DM zu. Zusammen erhielte sie 168.750 DM: Ehemann Anfangsvermögen

keine

Endvermögen

300

Zugewinn

300

Ausgleichsanspruch Nachlaßwert

Gesamterhalt (Ausgleichsanspruch + Pflichtteil)

o

o

Zuwendung

Pflichtteilsanspruch (1/ 8)

Ehefrau

o o 150

150 TOM 18.750 168.750 DM (150.000 + 18.750)

b) Ansprüche bei primärer Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch Als die Eheleute heiraten, sind beide vermögenslos. Während der Ehe wendet der Ehemann seiner Frau 200 TOM mit der Bestimmung zu, diese seien im Falle seines Todes erst auf die Ausgleichsforderung und mit einem eventuell verbleibenden Rest auf den Pflichtteil anzurechnen. Als der Mann stirbt, hinterläßt er ein Vermögen von 100 TOM. Seine Frau ist vermögenslos. In seinem Testament hat der Erblasser seine Kinder als Alleinerben eingesetzt.

Wie bereits errechnet, erhält die Ehefrau im Todesfalle durch die Anrechnungen weder einen Ausgleichsanspruch noch einen Pflichtteil. Es verbleibt zugunsten der Ehefrau ein nicht angerechneter Rest von 31.250 DM (siehe folgende Seite):

C. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestirnrnungen Ehefrau

Ehemann Anfangsvennögen

o

o

Zuwendung

200

Endvennögen

100

Zugewinn

100

fiktiver Zugewinn

300

-+

o o o 150

fiktiver Ausgleichsanspruch

./.200

Anrechnung

Ausgleichsanspruch

247

keine Anspruchsumkehr!

o (- 50) 50

nicht angerechneter Rest Nachlaßwert fiktiver Nachlaßwert

100 150 TOM

fiktiver Pflichtteilsanspruch

18.750

Anrechnung

./.50.000

Pflichtteilsanspruch

o (- 31.250)

Gesamterhalt (nur Zuwendung) nicht angerechneter Rest

200.000 DM 31.250

c) Ansprüche bei primärer Anrechnung auf den Pflichneil Als die Eheleute heiraten, sind heide vennögenslos. Während der Ehe wendet der Ehemann seiner Frau 200 TOM mit der Bestimmung zu, diese seien im Falle seines Todes erst auf den Pflichtteil und mit einem eventuell verbleibenden Rest auf die Ausgleichsforderung anzurechnen. Als der Mann stirbt, hinterläßt er ein Vennögen von 100 TOM. Seine Frau ist vennögens1os. In seinem Testament hat der Erblasser seine Kinder als Alleinerben eingesetzt.

Nach der hier vorgeschlagenen Lösung ist die auf Seite 247 folgende Rechnung durchzuführen Zuerst ist gern. § 1380 Abs. 2 die fiktive Ausgleichsforderung der Ehefrau zu berechnen. Ausgehend von einem hypothetischen Zugewinn des Ehemannes von 300 TDM beträgt diese 150 TDM. 49 Der Nachlaß ist daher überschuldet und hat einen Wert von minus 50 TDM.

49 Wäre dies bereits das Endergebnis, könnte die Ehefrau wegen der Begrenzung des Ausgleichs auf das vorhandene Endvennögen (§ 1378 Abs. 2) nur 100 TOM verlangen. Da hier aber die Ausgleichsforderung nur ein Zwischenschritt ist, muß mit 150 TOM gerechnet werden, weshalb sich auch ein überschuldeter Nachlaß ergibt.

248

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall Ehemann Anfangsvermögen

Ehefrau 0

0

Zuwendung

200 -+

Endvermögen

100

Zugewinn

100

fiktiver Zugewinn

300

vorläufig erhöhter Ausgleichsanspruch

0 0 0(- 200) 150

(§ 1380 Abs. 2)

Nachlaßwert

- 50 (100 - 150)

fiktiver Nachlaßwert (§ 2315 Abs. 2) fiktiver Pflichtteil

ISO TOM 18.750 . /. 200.000

Anrechnung

PDidlttellsansprucb

0 (- 181.250)

vorläufig erhöhter Ausgleichsanspruch

150.000

(§ 1380 Abs. 2)

. /. 181.250

Anrechnung des Restes

endgültiger Ausgleicbsansprucb

0 (- 31.250)

Gesamterbalt (nur Zuwendung) nicht angerechneter Rest

200.000 DM 31.250

Dieser Nachlaß ist nun gern. § 2315 Abs. 2 um den Zuwendungswert zu erhöhen. Dies ergibt einen fiktiven Nachlaß von 150 TDM, aus dem sich ein Pflichtteil von 18.750 DM errechnet. Bei Abzug des Zuwendungswerts wird dieser Pflichtteil auf Null reduziert, es bleibt ein Rest von 181.250 DM. Dieser Rest ist nun von der Ausgleichsforderung abzuziehen: Auch die Ausgleichsforderung wird so auf Null reduziert. Es bleibt ein nicht anzurechnender Rest von 31.250 DM. Auch hier hat die Ehefrau also keine weiteren Ansprüche.

d) Übersicht

In der folgenden Übersicht auf S. 249 ist wieder aufgeführt, was der überlebende Ehegatte in den unterschiedlichen Konstellationen erhält:

249

C. Die Zulässigkeit denkbarer Anrechnungsbestirnrnungen

Zuwendung Ausgleichsanspruch

Zuwendung ist unterblieben

Anrechnung erst auf Ausgleichsanspruch

Anrechnung erst auf Pflichtteil

0

200.000

200.000

150.000

0

nur vorläufig (150.000)

Pflichtteil Ausgleichsanspruch Gesamterhalt des überlebenden Ehegatten

+ 18.750

0 (Rest 31.250)

0

-

-

0 (Rest 31.250)

168.750 DM

200.000 DM

200.000 DM

Wiederum ist der Gesamterhalt der Ehefrau unabhängig davon, auf welche Ausgleichsforderung die Zuwendung primär angerechnet wird. In beiden Fällen erhält die Ehefrau jedoch durch die Zuwendung mehr, als ihr ohne sie an Ausgleichsanspruch und Pflichtteil zugestanden hätten.

3. Ergebnis Die beiden Vergleichsrechnungen haben gezeigt, daß sowohl die primäre Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch als auch die primäre Anrechnung auf den Pflichtteil in der hier vorgeschlagenen Weise im Ergebnis zu den gleichen Gesamtansprüchen des überlebenden Ehegatten führen, die sich lediglich in der Verteilung auf Pflichtteil und Ausgleichsforderung unterscheiden können. Soweit die Zuwendung - wie im zweiten Beispiel - nicht vollständig angerechnet werden kann, weil sie größer war, als es Ausgleichsanspruch und Pflichtteil ohne die Zuwendung gewesen wären, stehen dem Ehegatten unabhängig von der Anrechnungsreihenfolge keine weiteren Ansprüche zu. Soweit die Anrechnung hingegen - wie im ersten Beispiel - vollständig erfolgt, hängt es von der Anrechnungsreihenfolge ab, ob dem Ehegatten noch ein Ausgleichsanspruch und I oder ein Pflichtteil zusteht. Im ersten Beispiel führte die primäre Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch dazu, daß die Ehefrau neben einem reduzierten Ausgleichsanspruch auch noch einen Pflichtteil verlangen konnte. Wurde primär auf den Pflichtteil angerechnet, konnte sie zwar keinen Pflichtteil verlangen, es blieb ihr jedoch ein entsprechend höherer Ausgleichsanspruch. Dies zeigt auch, daß (nur) der hier vorgeschlagene Rechenmechanismus bei der primären Anrechnung auf den Pflichtteil zu den richtigen Ergebnissen führt. Die Anrechnung kann in beiden Fällen weitestgehend erfolgen, ohne den Zuwendungsempfänger durch die Zuwendung zu benachteiligen, wie dies nach der bisher ganz h.M. bei der Anrechnung auf den Pflichtteil noch der Fall ist.

250

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

VI. Teilweise Anrechnung auf beide Ansprüche Denkbar ist schließlich eine teilweise Anrechnung auf Ausgleichsanspruch und Pflichtteil. Die Anrechnung kann nach Quoten (beispielsweise 50/50) oder auch nach Summen bestimmt sein (l0 TDM auf den Ausgleichsanspruch, 20 TDM auf den Pflichtteil). Dabei sind jedoch die für die vollständige Anrechnung erarbeiteten Grundsätze zu beachten. Daher ist auch bei der teilweisen Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch zuerst der vollständige fiktive Anspruch gern. § 1380 Abs. 2 unter Berücksichtigung des ganzen Zuwendungswertes zu errechnen, von dem dann jedoch nur der Teil der Zuwendung abzuziehen ist, der angerechnet werden soll. Erst dann kann der andere Teil auf den Pflichtteil angerechnet werden. Dazu folgende Fallabwandlung zum obigen Beispiel aus der Fallgruppe 3a): Die Eheleute heiraten vermögenslos. Wahrend der Ehe wendet der Ehemann seiner Frau 200 TOM mit der Bestimmung zu, diese seien im Falle seines Todes zu 50% auf die Ausgleichsforderung und zu 50% auf den Pflichtteil anzurechnen. Als er nach einigen Jahren stirbt, beträgt sein Vermögen 100 TOM, seine Frau ist vermögenslos. In seinem Testament hat der Erblasser seine Kinder als Alleinerben eingesetzt.

Hier ist folgende Rechnung durchzuführen: Ehefrau

Ehemann Anfangsvermögen

Zuwendung

200

Endvermögen

100

Zugewinn

100

fiktiver Zugewinn

300

fiktiver Ausgleichsanspruch

PDichtteilsanspruch Gesamterhalt (Zuwendung + Ausgleichsanspruch) nicht angerechneter Rest

0 0

o (- 200) ./. 100

Ausgleichsanspruch

fiktiver Pflichtteil Anrechnung der andem 50%

-+

150

Anrechnung von 50% der Zuwendung Nachlaßwert fiktiver Nachlaßwert (§ 2315 Abs. 2)

0

0

50 50 150 TOM 18.750 ./. 100.000

o 250.000 DM (200.000 + 50.000) 81.250

Hier ist erst der erhöhte Ausgleichsanspruch gern. § 1380 Abs. 2 zu errechnen, also 150 TDM. Davon werden nun 50% der Zuwendung, also 100 TDM abgezogen. Die Ehefrau erhält einen Ausgleichsanspruch von 50 TDM. Dadurch verrin-

C. Die Zu1ässigkeit denkbarer Anrechnungsbestimmungen

251

gert sich der Nachlaß um 50 TDM auf 50 TDM. Zur Anrechnung der verbleibenden 50% auf den Pflichtteil ist erst der hypothetische Nachlaß zu berechnen, wobei nur der noch nicht angerechnete Teil der Zuwendung dem Nachlaß hinzugerechnet wird, also 100 TDM. Der Pflichtteil vom so errechneten fiktiven Nachlaß beträgt 18.750 DM. Werden darauf die 100 TDM angerechnet, verbleibt ein nicht anzurechnender Rest von 81.250 TDM. Im Zweifel führt diese Anrechnungsreihenfolge anders als die beiden oben besprochenen sukzessiven Anrechnungen somit nicht zu einer vollständigen Anrechnung der Zuwendung. Im Beispiel werden 81.250 DM nicht angerechnet, dafür erhält die Ehefrau noch einen Ausgleichsanspruch von 50 TDM. Die vollständige Anrechnung hätte zumindest auch diesen Ausgleichsanspruch noch auf Null gekürzt und den nicht anrechenbaren Rest auf 31.250 DM verringert. Die gequotelte Anrechnung fst daher zwar rechtlich zulässig, ein nachvollziehbares Interesse des Erblassers für eine solche Gestaltung ist jedoch nicht zu erkennen.

VII. Die LösungJohannsens Abschließend soll ein nur kurzer Blick auf den zwar umfassendsten, jedoch mit großem Abstand kompliziertesten Lösungsweg erfolgen, der sich in der Literatur zu dieser Problematik findet. Johannsen50 schlägt vor, zuerst Ausgleichsforderung und Pflichtteil für den Fall auszurechnen, daß die Zuwendung noch als auszugleichender Zugewinn im Nachlaß verblieben wäre. Ist die Zuwendung gleich oder größer als die Summe dieser Beträge, dann sei der Ehegatte durch die Zuwendung bereits voll abgefunden. Ihm stehe keine Ausgleichsforderung und kein Pflichtteil zu. Dies entspricht dem zweiten der soeben durchgerechneten Beispiele. 51 Ist die Zuwendung jedoch kleiner als die Summe der ursprünglichen Ansprüche (so wie im ersten Beispiel),52 müsse der Betrag errechnet werden, den der Ehegatte noch als Ausgleichsforderung und Pflichtteil zu beanspruchen habe. Dies erfolgt durch Abzug der Zuwendung von der Summe der Ansprüche. Dieses Ergebnis wird von Johannsen in komplizierte Formeln und Gleichungen gesetzt, auf deren Wiedergabe hier jedoch verzichtet werden kann. Diese Lösung führt zu dem gleichen Gesamterhalt des Zuwendungsempfangers wie die beiden sukzessiven Anrechnungen in der oben beschriebenen Form. Die Rechnung selbst ist jedoch eher pragmatischer Natur und hat ihre Grundlage nur sehr indirekt im Gesetz. Sie greift zwar die Ratio der gesetzlichen Regelung auf, "den Ehegatten, soweit es die Größe der Zuwendung erlaubt, wirtschaftlich nicht besser zu stellen, als er stehen würde, wenn die Zuwendung nicht gemacht, sondern 50

SI S2

RGRK-Johannsen § 2315 Rn. 32. Siehe Übersicht S. 249. Siehe Übersicht S. 245.

252

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

als auszugleichender Zugewinn im Nachlaß verblieben wäre ", S3 beschreitet bei der tatsächlichen Berechnung von Ausgleichsforderung und Pflichtteil jedoch nicht mehr den im Gesetz vorgesehenen Weg. Aus diesem Grund und wegen seiner Kompliziertheit ist der Vorschlag Johannsens abzulehnen.

VIII. Ergebnis Zusammenfassend gibt es damit fünf grundsätzlich zulässige Möglichkeiten, eine Zuwendung im Todesfall innerhalb des Zugewinnausgleichs und bei der Berechnung des Pflichtteils anzurechnen. Die Anrechnung kann alleine auf den Ausgleichsanspruch erfolgen sowie mit einem verbleibenden Rest auch auf den Pflichtteil. Dabei ist bei der Pflichtteilsanrechnung gern. § 2315 nur noch mit dem Rest der Zuwendung zu rechnen. Die Anrechnung kann aber auch ausschließlich beim Pflichtteil erfolgen. Dann aber ist entgegen der bisherigen Praxis darauf zu achten, daß die Auswirkungen der Zuwendung auf den Ausgleichsanspruch zuerst gern. § 1380 Abs. 2 rückgängig gemacht werden. Dem überlebenden Ehegatten steht dieser normalerweise nur fiktive Ausgleichsanspruch nunmehr tatsächlich zu. Erst jetzt kann die Anrechnung auf den Pflichtteil vorgenommen werden. Verbleibt dabei ein Rest, ist dieser direkt von der bereits gern. § 1380 Abs. 2 erhöhten Ausgleichsforderung abzuziehen, wenn die Anrechnung eines Restes auf die Ausgleichsforderung angeordnet ist. Die fünfte Möglichkeit ist schließlich eine teilweise Anrechnung der Zuwendung auf Ausgleichs- und Pflichtteilsanspruch. Dabei ist aber wieder zuerst der fiktive Ausgleichsanspruch auf Basis des ganzen Zuwendungswertes zu errechnen, bevor ein Teil der Zuwendung abgezogen wird. Bei der anschließenden Anrechnung auf den Pflichtteil ist nur noch mit dem anderen Teil der Zuwendung zu rechnen.

D. Die Auslegung der Bestimmungen des Zuwenders Nachdem soeben alle zulässigen Anrechnungsmöglichkeiten dargestellt wurden, ist weiter zu fragen, zu weIchen Anrechnungen die möglichen Bestimmungen des Zuwenders bei sachgerechter Auslegung führen.

S3

RGRK-Johannsen § 2315 Rn. 30.

D. Die Auslegung der Bestimmungen des Zuwenders

253

I. Keine Anrechnungsbestimmung Hat der Zuwender keine Anrechnungsbestimmung getroffen, kann sich lediglich eine Anrechnung auf die Ausgleichsforderung gern. § 1380 Abs. 1 S. 2 ergeben, wenn der Wert der Zuwendung entsprechend hoch war oder die Erben des Zuwenders beweisen können, daß es sich materiell um eine anzurechnende Zuwendung gehandelt hat. Hingegen läßt sich aus § 1380 Abs. 1 S. 2 nicht herauslesen, daß auch die Anrechnung auf den Pflichtteil durchgeführt werden soll, zumal eine vergleichbare Regelung in § 2315 fehlt.

11. Bestimmung der Anrechnung auf die Ausgleichsforderung Hat der Zuwender hingegen ausdrücklich angeordnet, die Zuwendung sei auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen, stellt sich die Frage, ob darin zugleich eine konkludente Anrechnungsanordnung gern. § 2315 bezüglich des Pflichtteils enthalten ist. Kommt es zum Zugewinnausgleich unter Lebenden, führt die Anrechnungsbestimmung nach der hier vertretenen Ansicht zu einer weitestgehenden Anrechnung der Zuwendung. Dies gilt - wie das 2. Kapitel gezeigt hat54 - auch für die Fälle, in denen die Zuwendung den eigentlich geschuldeten Ausgleichsanspruch überstiegen hat. Die ausdrückliche Anrechnungsbestimmung macht dem Zuwendungsempfanger also deutlich, daß seine späteren Ansprüche insoweit abgegolten sind, er gegebenenfalls sogar selber ausgleichspflichtig wird. Wird die Zugewinngemeinschaft aber durch den Tod des Zu wenders beendet, kommt die Anrechnung nur dann in Frage, wenn der Ehegatte entweder enterbt wurde oder er die Erbschaft ausgeschlagen hat. Dann aber entstehen immer sowohl Ausgleichs- als auch Pflichtteilsanspruch. Die Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch erfolgt im Vergleich zum Zugewinnausgleich unter Lebenden jedoch nur unvollständig. In den Fallgruppen 3a) bis 5 entsteht gerade kein Anspruch für die Erben des Zuwenders. Es wurde gezeigt, daß insoweit nur die zusätzliche Anrechnung des verbleibenden Restes auf den Pflichtteil dazu führt, daß der Ehegatte, der bereits zu Lebzeiten "zuviel" erhalten hat, nicht noch mehr verlangen kann. Nun verlangt § 2315 für diese Anrechnung auf den Pflichtteil grundsätzlich eine ausdrückliche Bestimmung der Anrechnung zum Zeitpunkt der Zuwendung. Der Zuwendungsempfanger soll wissen, daß er mit Annahme der Zuwendung in gleichem Maße seinen späteren Pflichtteil einbüßt, er also im Todesfall in dieser Höhe keinen Pflichtteil mehr verlangen kann. Ihm wird damit die Gelegenheit gegeben, die Zuwendung abzulehnen, wenn ihm dies opportun erscheint. Handelt es sich bei

54

Siehe oben S. 141 ff.

254

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

dem Zuwender nicht um den Ehegatten, ist eine ausdrückliche Anrechnungsbestimmung auf den Pflichtteil daher in jedem Fall unverzichtbar. Die gleiche Warnfunktion erfüllt jedoch im Falle der Zuwendung durch den Ehegatten bereits die Bestimmung der Anrechnung auf die Ausgleichsforderung. Auch damit bringt der Zuwender unmißverständlich zum Ausdruck, daß der Ehegatte diesen Wert nicht ein weiteres Mal soll verlangen können. Dieser ausdrückliche Wunsch des Zuwenders wäre im Todesfall gestört, wenn nicht auch die Anrechnung auf den Pflichtteil zulässig wäre. Denn die Rückforderung einer zuviel geleisteten Ausgleichszahlung ist im Todesfall nicht möglich. Insofern ist die Bestimmung der Anrechnung auf den Pflichtteil offensichtlich vom Willen des Zuwenders gedeckt. Umgekehrt ist kein schützenswertes Interesse des Zuwendungsempfängers erkennbar, das im Todesfalle eine nur unvollständige Anrechnung und damit eine Besserstellung des überlebenden Ehegatten gegenüber dem Zugewinnausgleich zu Lebzeiten rechtfertigen würde. Der Ehegatte hat die Zuwendung mit der Bestimmung empfangen, daß eine Anrechnung zu erfolgen hat. Er konnte sich darauf einstellen. Allein die Frage, ob der Güterstand durch den Tod der Eheleute beendet oder zu Lebzeiten aufgelöst wird, kann hier keinen relevanten Unterschied machen. Es ist also sachgerecht, in der ausdrücklichen Anordnung der Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch zugleich die Bestimmung der Anrechnung auf den Pflichtteil gern. § 2315 Abs. I zu sehen. Dies bedeutet, daß es eine alleinige (und damit im Falle einer Zuvielleistung nur unvollständige 55 ) Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch bei sachgerechter Auslegung der Anrechnungsbestimmung regelmäßig nicht gibt. Es ist vielmehr primär eine Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch vorzunehmen und ein verbleibender Rest danach auf den Pflichtteil anzurechnen.

111. Bestimmung der Anrechnung auf den Pflichtteil Das Parallelproblern ist die alleinige Bestimmung der Anrechnung auf den Pflichtteil. Auch hier stellt sich die Frage, ob ein bei der Anrechnung verbleibender Rest nun auch noch auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen ist. Diese Frage ist vor allem deshalb von erheblicher Bedeutung, weil die Anrechnung auf den Pflichtteil dazu führt, daß sich zuerst der Ausgleichsanspruch des Ehegatten erheblich erhöht. Wie bereits festgestellt wurde,56 bedeutet dies bei einem fiktiven Pflichtteil, der kleiner ist als die Zuwendung, daß der überlebende Ehegatte durch die Anrechnungsbestimmung sogar deutlich besser gestellt wird, als er ohne Anrechnung stünde. Der Sinn der Anrechnungsbestimmung würde sich so in sein Gegenteil verkehren. 55

56

Siehe das Beispiel auf S. 222 ff. Siehe oben S. 239 f.

D. Die Auslegung der Bestimmungen des Zuwenders

255

Eine sachgerechte Lösung ergibt sich hier unmittelbar aus dem Gesetz. Es wird sich bei Zuwendungen, deren Anrechnung auf den Pflichtteil angeordnet wird, regelmäßig auch um solche handeln, die den Wert von Gelegenheitsgeschenken übersteigen. Damit greift § 1380 Abs. 1 S. 2 ein. Die Zuwendung ist im Zweifel auch auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen. Der "Zweifel" wird angesichts der beschriebenen negativen Auswirkungen für den Zuwender kaum durch die alleinige Anordnung der Anrechnung auf den Pflichtteil mit der Folge beseitigt werden, daß nur auf den Pflichtteil anzurechnen ist. 57 Vielmehr ist in dieser Situation von einer doppelten Anrechnung auszugehen, bei der die ausdrückliche Anordnung des Zuwender lediglich so zu verstehen ist, daß primär auf den Pflichtteil anzurechnen ist. Aber auch dann, wenn nicht schon § 1380 Abs. 1 S. 2 zu einer Anrechnung führt, wird man die Anrechnungsbestimmung des Zuwenders auf den Pflichtteil so auslegen können, daß er den Empfänger in Höhe der Zuwendung für den Fall seines Todes als bereits ausgezahlt betrachtet. Darin sind etwaige Ansprüche aus dem Zugewinnausgleich mit eingeschlossen, zumal diese durch die Anrechnung auf den Pflichtteil nach der hier vertretenen Lösung sogar noch ansteigen können. Wurde also nur die Anrechnung auf den Pflichtteil bestimmt, ist die Zuwendung primär auf den Pflichtteil und außerdem mit einem verbleibenden Rest auf den Ausgleichsanspruch anzurechnen. Die Konsequenz dieser Auslegung ist, daß es auch die alleinige Anrechnung auf den Pflichtteil in der Praxis nicht gibt. Von den oben erläuterten ersten vier Anrechnungsmöglichkeiten verbleiben daher bei sachgerechter Auslegung der Anordnung nur die beiden sukzessiven Anrechnungen.

IV. Doppelte Anrechnungsbestimmung ohne Angabe der Reihenfolge Bestimmt der Zuwender ohne nähere Weisung die Anrechnung auf beide Ansprüche, bleibt offen, in welcher Reihenfolge nun anzurechnen ist.

1. Anteilmäßige Anrechnung nach Johannsen Mangels genauer Anordnungen des Zuwenders schlägt Johannsen 58 eine verhältnismäßige Anrechnung vor. Zuerst sei auszurechnen, welche Gesamtansprüche der Zuwendungsempfcinger hätte, wenn die Zuwendung nicht erfolgt wäre. War die Zuwendung bereits größer als diese Ansprüche, könne eine Anrechnung ohnehin nicht vollständig erfolgen. Die Reihenfolge der Anrechnung wäre also gleichgültig, dem Ehegatten stünden keine weiteren Ansprüche zu. Sei die Zuwendung 57 58

A.A. Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 28. RGRK-Johannsen § 2315 Rn. 39; Johannsen FamRZ 1961, 17 (20).

256

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

aber kleiner als der dem Ehegatten ohne sie zustehende Gesamtbetrag, solle die Anrechnung auf beide Anspruche verteilt werden und zwar im Verhältnis der Anspruche zueinander. Eine solche Gewichtung in Abhängigkeit von der Höhe der fiktiven Ausgleichsund Pflichtteilsanspruche erscheint zwar rechtlich möglich. Es bleibt allerdings zu fragen, ob nicht die sachgerechte Auslegung des Zuwenderwillens, die dieser Lösung vorzugehen hat, zu einer anderen Lösung führt.

2. Anrechnung primär beim Pflichtteil

Es hat sich in dieser Frage eine durchaus h.M. gebildet, die eine Anrechnung erst auf den Pflichtteil und dann mit einem eventuellen Rest auf den Ausgleichsanspruch befürwortet. s9 Dabei wird der Gedanke des § 366 Abs. 2 herangezogen. Dieser bestimmt, daß ein Schuldner, der einem Gläubiger gegenüber zu mehreren gleichartigen Leistungen verpflichtet ist, mit einer nicht zur Tilgung aller Schulden ausreichenden Leistung nur die Schuld tilgt, die er bei der Leistung bestimmt hat. Trifft der Schuldner keine derartige Bestimmung, soll unter mehreren fälligen Schulden diejenige getilgt werden, welche dem Gläubiger geringere Sicherheit bietet. Die geringere Sicherheit für die Ehefrau als Gläubigerin bietet hier die Pflichtteilsforderung. Sie ist im Verhältnis zur Ausgleichsforderung (§ 325 InsO iVm § 38 Ins060) das rangschlechtere Recht (§ 1991 Abs. 4; § 327 Abs. 1 Nr. Ilns061 ). Außerdem unterliegt sie (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG iVm § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) im Gegensatz zur Ausgleichsforderung (§ 5 Abs. 2 2.Alt. ErbStG) der Erbschaftssteuer.

3. Stellungnahme

Diese wohl allgemeine Meinung will den Ehegatten im Zweifel begünstigen. Bisher basiert sie jedoch auf der alleinigen Anrechnung beim Pflichtteil ohne Korrektur im Zugewinnausgleich. Sie führt - wie eben gesehen - zu einer doppelten Anrechnung und verringert die Anspruche des Ehegatten zweimal. Das wird von fast allen Autoren übersehen. 62 Unter dieser Prämisse verkehrt sich das Argument 59 MüKo-Frank § 2315 Rn. 24; Soergel-Dieckmann § 2315 Rn. 21; Soergel-Lange § 1371 Rn. 24; Staudinger-Ferid-Cieslar § 2315 Rn. 100; Staudinger-Thiele § 1380 Rn. 29; MüKoGemhuber § 1371 Rn. 48; v. Olshausen FamRZ 1978,755 (761); GemhuberICoester-Waltjen Familienrecht § 37 IV 5. 60 Bis 31. /2. 1998: § 226 Abs. I KO iVm § 61 Abs. I Nr. 6 KO. 61 Bis 3/. 12. 1998: § 1991 Abs. 4 iVm § 226 Abs. 2 KO. 62 Lediglich v. Olshausen FamRZ 1978, 755 (761) will grundsätzlich nur die Hälfte der Zuwendung beim Pflichtteil anrechnen, wobei er allerdings von der Anwendung des § 1374

D. Die Auslegung der Bestimmungen des Zuwenders

257

für die primäre Anrechnung beim Pflichtteil - nämlich die Begünstigung des Überlebenden - in ihr Gegenteil. Der Überlebende wird benachteiligt. Wird allerdings bei der Anrechnung auf den Pflichtteil zuerst die Zuwendung bei der Berechnung der Ausgleichsforderung eliminiert, ist die Anrechnung primär auf den Pflichtteil möglich. Da weiter festgestellt wurde, daß bei dieser Rechenweise beide Anrechnungsreihenfolgen dazu führen, daß der Ehegatte in der Gesamtschau gleichmäßig am Vermögen des verstorbenen Gatten beteiligt wird, steht der Weg offen für die wertende Betrachtung, wie sie von der h.M. vorgenommen wird. Hier ist es tatsächlich richtig, daß mangels anderer Kriterien zuerst eine Anrechnung auf den Pflichtteil vorgenommen werden sollte. Wichtiger erscheint jedoch bei sachgerechter Auslegung des mutmaßlichen Zuwenderwillens der Effekt, daß diese Art der Anrechnung im Zweifel die Erben und nicht andere Pflichtteils berechtigte begünstigt. Die Pflichtteile Dritter werden erst nach endgültiger Feststellung und Abzug der Ausgleichsansprüche des überlebenden Ehegatten berechnet. Grundlage ist also der Nachlaß abzüglich der Ausgleichsforderung. War die Zuwendung so hoch, daß sowohl Pflichtteil als auch Ausgleichsforderung auf Null gekürzt werden, spielt die Reihenfolge der Anrechnung auch hier keine Rolle. Kommt es aber zu einern vollständigen Abzug der Zuwendung, dann ist entscheidend, wo der größere Rest verbleibt. Je höher die verbleibende Ausgleichsforderung für den überlebenden Ehegatten ist, desto niedriger wird der Nachlaß, der als Grundlage für die Berechnung der Pflichtteile Dritter dient. Je niedriger umgekehrt der Ausgleichsanspruch ist, desto größer wird die Belastung der Erben durch die Pflichtteilsansprüche Dritter. Dies wird auf Basis der bereits bekannten Übersicht zu einern der obigen Beispiele63 deutlich: Anrechnung primär auf Aus- . gleichsanspruch Nachlaß vor Ausgleich Zuwendung Ausgleichsanspruch

2.800

Anrechnung primär auf Pflichtteil 2.800

400

400

+ 1.200

(nur vorläufig) 1.600

Pflichtteil Ausgleichsanspruch Gesamterhalt des überlebenden Ehegatten Nachlaß nach Ausgleich

0

+200

+ 1.400

= 1.800 1.600 TOM

= 1.800 1.400 TOM

Abs. 2 ausgeht. die hier jedoch abgelehnt wird. weshalb nicht einmal der halbe Zuwendungsbetrag beim Pflichtteil angerechnet werden dürfte. 63 Siehe S. 245. 17 Jeep

258

6. Kap.: Anrechnung auf Ausgleichsanspruch im Todesfall

Der Nachlaß betrug hier jeweils 2.800 TDM. Bei der primären Anrechnung auf die Ausgleichsforderung wird diese auf 1.200 TDM reduziert. Die Pflichtteile (darunter der des Ehegatten) berechnen sich also ausgehend von einem Nachlaßwert von 1.600 TDM. Anders bei der primären Anrechnung auf den Pflichtteil: Hier erhöht sich die Ausgleichspflicht des Ehegatten auf 1.400 TDM und sein Pflichtteilsanspruch entfällt. Der Nachlaß als Grundlage für die Berechnung der übrigen Pflichtteile verringert sich daher auf 1.400 TDM, die Pflichtteile eventuell vorhandener weiterer Pflichtteilsberechtigter fallen entsprechend kleiner aus. Während also die Gesamtforderung des Ehegatten gegen die Erben in bei den Fällen gleich bleibt, führt die primäre Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch dazu, daß die Belastung der Erben durch weitere Pflichtteilsansprüche größer ist als im Falle der primären Anrechnung auf den Pflichtteil. Es ist nun davon auszugehen, daß der Zuwender seine Erben vor den nur Pflichtteilsberechtigten bevonugen wollte, weshalb er dementsprechend testiert hat. Dann aber entspricht auch und ganz besonders aus diesem Grund die primäre Anrechnung auf den Pflichtteil dem mutmaßlichen Zuwenderwillen. Richtig ausgelegt ist also die doppelte Anrechnungsbestimmung ohne Angabe der Anrechnungsreihenfolge immer als primäre Anrechnung auf den Pflichtteil zu verstehen - vorausgesetzt, diese Anrechnung wird in der oben beschriebenen Weise durchgeführt.

E. Ergebnis Endet der Güterstand durch den Tod eines Ehegatten und wird der Überlebende nicht Erbe oder Vermächtnisnehmer, ist bei der Anrechnung einer lebzeitigen Zuwendung auf Ausgleichsforderung und Pflichtteil darauf zu achten, daß der Zuwendungswert die gesetzlichen Mindestansprüche des Ehegatten nicht doppelt mindert. Erfolgt die Anrechnung primär auf den Ausgleichsanspruch, kann ein eventuell verbleibender, nicht angerechneter Rest problemlos gern. § 2315 auf den Pflichtteil angerechnet werden. Umgekehrt ist vor der primären Anrechnung auf den Pflichtteil jedoch entgegen der h.M. zuerst die im Ausgleichsmechanismus verankerte automatische Anrechnung der Zuwendung rückgängig zu machen. Dies geschieht, indem gern. § 1380 Abs. 2 ein erhöhter Ausgleichsanspruch des Zuwendungsempfängers errechnet wird, ohne daß es - vorerst - zum Abzug des Zuwendungswertes kommt. Erst jetzt kann die Anrechnung auf den Pflichtteil nach den allgemeinen Regeln und auf Basis des um die erhöhte Ausgleichsforderung gekürzten Nachlasses erfolgen. Ein eventuell verbleibender Rest kann anschließend unmittelbar von der zuerst errechneten erhöhten Ausgleichsforderung abgezogen werden. Die Gesamtbeteiligung des überlebenden Ehegatten am Zugewinn des Partners ist in bei den Fällen der sukzessiven Anrechnung gleich groß und unterschreitet - im Gegensatz zu den Er-

E. Ergebnis

259

gebnissen der h.M. - in keinem Fall die Summe von Ausgleichsforderung und Pflichtteil, die dem Ehegatten ohne die Zuwendung zugestanden hätte. Hat der Zuwender keinerlei Anrechnungsbestimmungen getroffen, so ist zumeist gern. § 1380 Abs. 1 S. 2 die Anrechnung auf die Ausgleichsforderung durchzuführen. Ist hingegen die Anrechnung auf die Ausgleichsforderung ausdrücklich bestimmt worden, so liegt in dieser Bestimmung zugleich die Anordnung der Anrechnung auf den Pflichtteil. Umgekehrt ist bei ausdrücklicher Anrechnungsanordnung auf den Pflichtteil zugleich mit einem eventuell verbleibenden Rest die Anrechnung auf den Ausgleichsanspruch durchzuführen. Hat der Zuwender die doppelte Anrechnung ohne eine bestimmte Reihenfolge angeordnet, so entspricht die primäre Anrechnung auf den Pflichtteil regelmäßig seinem mutmaßlichen Willen, da auf diese Weise die Erben gegenüber den anderen Pflichtteilsberechtigten bevorzugt werden.

17"

Zusammenfassung der Ergebnisse 1. Die Unterscheidung der Rechtsprechung zwischen unbenannten Zuwendungen und echten Schenkungen entspricht im Zugewinnausgleich der Unterscheidung zwischen anzurechnenden und nicht anzurechnenden Zuwendungen. Auf anzurechnende Zuwendungen findet § 1380 Anwendung, auf nicht anzurechnende Zuwendungen § 1374 Abs. 2. Beide Vorschriften schließen einander aus. (1. Kapitel) 2. Voraussetzung für die Anrechnung ist, daß sich unter Berücksichtigung des § 1380 Abs. 2 eine - fiktive - Ausgleichsforderung für den Zuwendungsempfänger ergibt. Bei der Berechnung dieser erhöhten Ausgleichsforderung ist § 1374 Abs. 2 nicht anzuwenden. Jedoch bedeutet die Hinzurechnung des Zuwendungswertes zum Zugewinn des Zuwenders gern. § 1380 Abs. 2 S. 1, daß dieser Wert zugleich vom Zugewinn des Empfängers abzuziehen ist. Dabei kommt es - wie generell im Zugewinnausgleich - nicht darauf an, ob sich der konkrete Zuwendungsgegenstand überhaupt noch im Vermögen des Empfängers befindet. (2. Kapitel) 3. Unter der Anrechnung ist der vollständige Abzug des Zuwendungswertes von der gern. § 1380 Abs. 2 errechneten fiktiven Ausgleichsforderung zu verstehen. Ist der Zuwendungswert größer als diese Forderung, handelt es sich bei der Zuwendung um eine Zuvielleistung, die Anrechnung führt zu einem negativen Ergebnis. Dieses bewirkt eine Anspruchsumkehr. Nicht der Zuwendungsempfanger hat einen Anspruch gegen den Zuwender, sondern dem Zuwender steht in Höhe des negativen Betrages seinerseits eine eigene Ausgleichsforderung gegen den Ehegatten zu, dem er während der Ehe im Hinblick auf den späteren Zugewinnausgleich zuviel zugewendet hat. Die so entstandene Ausgleichspflicht des Empfängers wird lediglich gern. § 1378 Abs. 2 durch die Höhe seines tatsächlich noch vorhandenen Endvermögens begrenzt. (2. Kapitel) 4. Auf diese Weise garantiert § 1380 die paritätische Beteiligung der Ehegatten am während der Ehe originär und nicht durch Zuwendungen des Partners erzielten Zugewinn auch dann, wenn der Zuwender seinem Partner mehr hat zukommen lassen, als dieser im Zugewinnausgleich hätte fordern können. Der Zuwendungsempfänger wird durch den Regelungsmechanismus des § 1380 so behandelt, als hätte er noch einen Zugewinn in Höhe des Zuwendungswertes. (2. Kapitel) 5. Nicht anzurechnende Zuwendungen (echte Schenkungen) sind gern. § 1374 Abs. 2 dem Anfangsvermögen des Empfangers zuzurechnen. Sie werden so aus

Zusammenfassung der Ergebnisse

261

dem Zugewinnausgleich herausgenommen und nicht halbgeteilt. Anderenfalls wäre es Ehegatten nicht möglich, einander Geschenke zu machen, die die Ehe wertmäßig überdauern. (3. Kapitel) 6. Soweit das Endvermögen des Zuwenders kleiner ist als sein Anfangsvermögen, handelt es sich rechnerisch um eine Zuwendung aus dem Anfangsvermägen. Diese wird jedoch im Zugewinnausgleich genauso behandelt wie eine Zuwendung aus dem Zugewinn. § 1380 Abs. 2 bestimmt, daß der Wert der Zuwendung dem Zugewinn des Zu wenders hinzuzurechnen ist, nicht aber dem Endvermögen. Die so erlangten Ergebnisse entsprechen regelmäßig auch den Wertungen des Zugewinnausgleichs. (4. Kapitel) 7. Haben sich die Ehegatten gegenseitige Zuwendungen gemacht, sind diese zuerst zu saldieren. Es ergibt sich eine fiktive Zuwendung, die dann nach den allgemeinen Regeln anzurechnen ist. Würden nur die Zuwendungen desjenigen Ehegatten angerechnet, der im einfachen Zugewinnausgleich den größeren Zugewinn erzielt hat, stünde der Zuwendungsempfänger schlechter, als wenn die Zuwendungen unterblieben wären. (5. Kapitel) 8. Wird der Güterstand durch den Tod des Zuwenders beendet und erhält der überlebende Ehegatte statt des erhöhten Erbteils neben dem Ausgleichsanspruch auch den Pflichtteil, kann eine Anrechnung der Zuwendung auf den Pflichtteil gern. § 2315 nur erfolgen, wenn die Zuwendung im Rahmen des zuvor gern. § 1372 ff. durchzuführenden Zugewinnausgleichs rückgängig gemacht wurde. Dies geschieht mittels der Rechenschritte des § 1380 Abs. 2 ohne nachfolgende Anrechnung der Zuwendung. Es ergibt sich somit eine erhöhte Ausgleichsforderung, die den Nachlaß und den daraus zu errechnenden Pflichtteil mindert. Bleibt bei der anschließenden Anrechnung auf den Pflichtteil ein Rest, kann dieser unmittelbar auf den erhöhten Ausgleichsanspruch angerechnet werden, indem er direkt von diesem abgezogen wird. (6. Kapitel) 9. Die ausdrückliche Anordnung der Anrechnung auf die Ausgleichsforderung ist sachgerecht dahingehend auszulegen, daß sie die Anrechnung eines verbleibenden Restes auf den Pflichtteil mit einschließt. Ist nur die Anrechnung auf den Pflichtteil angeordnet, ergibt sich die Anrechnung eines verbleibenden Restes auf den Ausgleichsanspruch regelmäßig aus § 1380 Abs. 1 S. 2. Die Gesamtansprüche des Ehegatten sind in beiden Fällen der sukzessiven Anrechnung gleich. Wurde die Anrechnung auf beide Ansprüche ohne Angabe einer Reihenfolge bestimmt, entspricht die primäre Anrechnung auf den Pflichtteil dem mutmaßlichen Willen des Erblassers. Insbesondere führt sie nach Abzug der höheren Ausgleichsforderung zu einem kleineren Nachlaß, was den Erben im Verhältnis zu anderen Pflichtteilsberechtigten zugute kommt. (6. Kapitel) 10. Bei Beachtung der genannten Regeln ist der Zugewinnausgleich allein auf Basis des geltenden Rechts in der Lage, alle Zuwendungen unter Ehegatten inter-

262

Zusammenfassung der Ergebnisse

essengerecht zu berücksichtigen - unabhängig davon, wie sich die Vennögen der Eheleute in der Zeit zwischen den Zuwendungen und der Beendigung des gesetzlichen Güterstandes entwickeln. Die wertmäßige Halbteilung des während der Ehe von den Ehegatten originär erzielten Zugewinns wird so weitestgehend erreicht.

Schlußwort Die Rechtsprechung zur Behandlung von Ehegattenzuwendungen im Zugewinnausgleich hat im Hinblick auf die Anwendung von § 1380 und § 1374 Abs. 2 beim Gang in die richtige Richtung - grundsätzlicher Vorrang des Zugewinnausgleichs - den falschen Weg eingeschlagen. Sie hat den Anwendungsbereich der beiden Vorschriften eingeschränkt, statt sie ihrem Regelungspotential entsprechend zur Anwendung kommen zu lassen. Der Zugewinnausgleich ist so zu einer inkonsistenten und komplizierten Regelung geworden. 1 Die eigentliche Funktion des § 1380 wurde dabei in vielen Fällen zugunsten von mehr oder weniger unbilligen Lösungen aufgegeben. Diese Arbeit hat hingegen gezeigt, daß sich die Rechtsprechung letztlich nur wenig ändern müßte, um das auch von ihr selbst angestrebte Ziel, die angemessene Beteiligung der Ehegatten am ehelichen Erwerb auch im Falle überhöhter Zuwendungen, zu erreichen. Vor allem sollte sich der BGH von dem Erfordernis lösen, eine Anrechnung sei nur dann durchzuführen, wenn dem Zuwendungsempfanger bereits ohne § 1380 Abs. 2 eine Ausgleichsforderung zusteht. Kriterium kann vielmehr wortlautgetreu nur sein, ob dem Empfänger nach Anwendung des § 1380 Abs. 2 eine Ausgleichsforderung zusteht. Ist dies der Fall, hat die Anrechnung VOllständig zu erfolgen. Soweit sich dabei ein negatives Ergebnis ergibt, ist dies als Anspruch des Zuwenders gegen den Empfänger zu lesen. Soweit § 1374 Abs. 2 bezüglich echter Schenkungen (also nicht anzurechnender Zuwendungen) unter Ehegatten für nicht anwendbar erklärt wurde, handelte es sich seitens des BGH ohnehin um eine ungerechtfertigte Abweichung von den eigenen Kriterien, da in dem zu entscheidenden Fall in Wirklichkeit eine anzurechnende Zuwendung vorlag. Insoweit bedarf die Rechtsprechung also lediglich einer formalen, nicht einer wirklich materiellen Korrektur. Allein auf diese Weise wird die paritätische Beteiligung des Eheleute am Nettozuerwerb in der Ehe gesichert. Nur so wird die Beteiligung des nichtverdienenden Ehegatten am Erwerb des Partners wirksam gefördert, weil sich das Risiko des Zuwenders auf die Fälle der Zuvielzuwendung reduziert, in denen der Empfanger mangels eigenen Endvermögens keine Ausgleichszahlung leisten muß. Damit würde die vom BGH immer wieder bekräftigte Ansicht untermauert, daß der güterrechtliche Ausgleich als lex specialis die außergüterrechtliche Rückabwicklung von Ehegattenzuwendungen grundsätzlich ausschließt und dabei tatsächlich zu anI Hoppenz. Vorsitzender Richter am OLG Karlsruhe, zählt § 1380 in MittBayNot 1998, 217 (218) gar .. zum Kompliziertesten, was das Güterrecht, ja das BGB aufzubieten hat."

264

Schlußwort

gemessenen Ergebnissen kommt. Dies würde die Behandlung des Zugewinnausgleichs in der Praxis erheblich erleichtern und helfen, unbillige Ergebnisse zu vermeiden, wie sie in der Vergangenheit nicht selten aufgetreten sind. Auch die Auffassung des BGH, Zuwendungen aus dem Anfangsvermögen seien nicht anders zu beurteilen als Zuwendungen aus dem Zugewinn, wird auf diese Weise bestätigt. Weiter stellt die hier vorgeschlagene Lösung klar, daß gegenseitige Zuwendungen zwischen den Ehegatten zuerst miteinander zu verrechnen sind, bevor die so erlangte "eine" Ausgleichsforderung nach den allgemeinen Regeln angerechnet werden kann. Schließlich wird erst durch das Verständnis der Wirkung und Funktion des § 1380 deutlich, daß im Fall der doppelten Anrechnungsbestimmung auf Zugewinn und Pflichtteil allein die Nichtanwendung des § 1380 mitnichten dazu führt, eine doppelte Anrechnung der Zuwendung zu vermeiden. Insgesamt ergibt der Zugewinnausgleich auf diese Weise eine in sich schlüssige und weitestmöglich interessengerechte Behandlung von Ehegattenzuwendungen. Nur in wenigen Ausnahmefällen wird es nötig sein, in dieses System korrigierend durch die Gewährung eines Anspruchs wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage einzugreifen. Hätte Lieb vor 30 Jahren nicht nur die unbilligen Ergebnisse, die sich nach der damaligen Interpretation der §§ 1374, 1380 in den Fällen der Zuvielleistung ergaben, erkannt und kritisiert, sondern die Lösung innerhalb des Zugewinnausgleichs gesucht, so wäre der Rechtsprechung die Odyssee der folgenden Jahrzehnte vermutlich erspart geblieben. Auch Lieb wäre vor dem Hintergrund der hier vertretenen Lösung wohl nicht zu der vernichtenden Erkenntnis gekommen, "wie völlig mißglückt die Regelung der §§ 1374 Abs. 2, 1380 ist. .,2 Bei Anwendung der hier erarbeiteten Grundsätze bliebe es auch im Eingangsbeispiel nicht bei dem unbefriedigenden Ergebnis, daß der Ehemann durch seine Zuwendung den Wertverlust des Grundstücks seiner Frau allein trägt, er mithin alles und sie nichts verloren hat. Vielmehr könnte er 100 TDM als Ausgleich für sich beanspruchen, obwohl die Ehefrau rechnerisch keinen Zugewinn erzielt hat. Beide stehen damit nicht besser, jedoch auch nicht schlechter, als sie stünden, wenn die Zuwendung nicht vorgenommen worden wäre. Ein solches Ergebnis entspräche den Wertungen des Zugewinnausgleichs und dürfte auch vor dem Gerechtigkeitsgefühl der geschiedenen Eheleute Bestand haben. Dies wäre kein geringer Erfolg der Auflösung des gesetzlichen Güterstandes. Der Zugewinnausgleich ist somit tatsächlich besser als sein Ruf. Er ist in der Lage, alle genannten Problemfälle angemessen und vor allem konsistent zu lösen. Erforderlich ist eine Rückbesinnung zur gesetzlichen Regelung und eine Abkehr von dem Versuch, diese zugunsten allgemeiner schuldrechtlicher Rückforderungsansprüche zurückzudrängen. Nach fast 30jähriger Rechtsunsicherheit ist es an der Zeit, die gesetzliche Regelung des Zugewinnausgleichs jedenfalls im Hinblick auf die Behandlung von Ehegattenzuwendungen zu rehabilitieren. 2

Lieb Ehegattenmitarbeit S. 129.

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