Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung [1 ed.] 9783428511075, 9783428111077

Die gesetzliche Krankenversicherung schließt die Versicherten über die einkommensteuerliche Umverteilung hinaus in ein p

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German Pages 268 Year 2004

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Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung [1 ed.]
 9783428511075, 9783428111077

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Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 226

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung

Von

Rica Werner

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

RICA WERNER

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung

Schriften zum Sozial- und Arbeitsrecht Band 226

Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung

Von

Rica Werner

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Staatswissenschaftliche Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0227 ISBN 3-428-11107-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2001/2002 von der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald als Dissertation angenommen. Berücksichtigt ist der Stand der Gesetzgebung sowie der Rechtsprechung und Literatur bis zum Oktober 2002. Die Arbeit wurde im Jahre 2003 mit dem Promotionspreis der Ernst-Moritz-Arndt-Universität ausgezeichnet. Mein Dank gilt an erster Stelle Herrn Professor Maximilian Wallerath, der die Arbeit als Doktorvater betreut hat. Daneben möchte ich Herrn Professor Claus Dieter Classen für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens und seine konstruktiven Anregungen danken. Der Studienstiftung des Deutschen Volkes danke ich für die großzügige Förderung im Rahmen eines Promotionsstipendiums. Besonderer Dank gilt meinen Eltern Renate und Rudolf Werner und meiner Schwester Anett, die an der Entstehung der Arbeit unverzichtbaren Anteil haben. Danken möchte ich darüber hinaus Susanne Hübner, Dana Vitu und Christian Alexander, die durch ihre freundschaftliche Unterstützung zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. Greifswald, im Herbst 2003

Rica Werner

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17

1. Teil Hintergrund und Gang der Untersuchung A. Begriffsklärungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Abgabenbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Bemessungsmaßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

22 . . . .

22 22 23 24

B. Die Inkongruenz einkommensteuerlicher und krankensozialversicherungsrechtlicher Leistungsfähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Abgabensubjekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Abgabenbemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Krankensozialversicherungsrechtliche Bemessungsgrundlage . . . . . . a) Die Pflichtversicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die freiwillig Versicherten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Abgabentarif . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25 26 26 27 29 29 31 33 34

C. Die Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage im Spektrum sozialpolitischer Finanzierungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 D. Die krankensozialversicherungsrechtliche Bemessungsgrundlage im Lichte finanzwissenschaftlicher Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die allokative Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die distributive Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Stand der verfassungsrechtlichen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Bemessungsmaßstab des Krankensozialversicherungsbeitrags in der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Entscheidung zur Beitragsbemessung für Rentnerpensionäre . . . . . . 2. Die Entscheidung zur Behandlung einmalig gezahlten Arbeitsentgelts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Entscheidung zum Zugang zur Krankenversicherung der Rentner 4. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40 41 42 43 45

46 47 48 49 50

8

Inhaltsverzeichnis II.

Verfassungsrechtliche Problemimplikationen einer Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

F. Gang der verfassungsrechtlichen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

2. Teil Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags im Lichte der Verfassungsnormen

55

A. Existenz positiver verfassungsrechtlicher Vorgaben der sozialversicherungsrechtlichen Abgabenbemessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 B. Die Vorgaben der Finanzverfassung für die Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der Sozialversicherungsbeitrag als nichtsteuerliche Abgabe . . . . . . . . . 1. Ertragskompetenz als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gegenleistung als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Einfluß einer horizontalen und vertikalen Expansion der Beitragserhebung auf die Rechtsnatur des Sozialversicherungsbeitrags . . . . . . II. Die Finanzverfassung als Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips . . III. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Vorgaben des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Interpretation des kompetentiellen Sozialversicherungsbegriffs . . . II. Die Vorgaben des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die historisch-genetische Interpretation als Ausgangspunkt . . . . . . . 2. Methodologische Einordnung des Sozialversicherungsbegriffs . . . . . 3. Die Beitragspflichtigkeit des Nichterwerbseinkommens im Lichte des verfassungsrechtlichen Sozialversicherungsbegriffs . . . . . . . . . . . 4. Die Vorgaben der Versicherungskomponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Risiko des Ausfalls von Nichterwerbseinkommen . . . . . . . . . b) Verdikt der Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen . . c) Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Vorgaben der solidarischen Komponente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der soziale Ausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung b) Der soziale Ausgleich in der Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Zunehmende Risikoheterogenität des Versichertenkreises . . (2) Das Verhältnis von Sach- und Barleistungen . . . . . . . . . . . . . . c) Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Die „Finanzierung durch Sozialversicherungsbeiträge“ . . . . . . . . . . . a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG als Abgabenerhebungskompetenz . . . b) Der „Beteiligte“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG . . . . . .

57 57 58 61 61 65 68 68 70 72 72 75 78 78 78 84 88 88 89 94 94 98 98 99 99 100

Inhaltsverzeichnis c) Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG im Lichte der Sonderabgabenjudikatur (1) Eigenständigkeit des Sozialversicherungsbeitrags gegenüber Sonderabgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Kein Transfer der Sonderabgabenjudikatur auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (a) Der Inhalt des Steuerstaatsprinzips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Sonderabgaben als Beeinträchtigung der Finanzverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (c) Sozialversicherungsbeiträge als Beeinträchtigung der Finanzverfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . D. Institutioneller Schutz des Status quo intraindividueller Äquivalenz in der gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kompetenznormen als Grundlage einer institutionellen Garantie der Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Sozialstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Sozialstaatsprinzip als Grundlage einer institutionellen Garantie . . . 2. Existenz eines verfassungsrechtlichen „Rückschrittsverbots“ . . . . . . III. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . E. Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen im Lichte abwehrender Freiheitsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Pflichtmitgliedschaft als originäre Kategorie grundrechtlicher Beeinträchtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Freiheitsrechtliche Grenzen des krankensozialversicherungsrechtlichen Aufgabenspektrums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Bemessung von Sozialversicherungsabgaben im Lichte der besonderen Freiheitsgrundrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Sozialversicherungsabgaben vor der Eigentumsgarantie . . . . . . . a) Konkrete vermögenswerte Positionen als beeinträchtigtes Schutzgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Abgabenbelastung als Beeinträchtigung des Vermögens . . . . . . . c) Eigentumsrechtlicher Erdrosselungsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Sozialversicherungsabgaben vor der Berufsfreiheit . . . . . . . . . . . a) Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die allgemeine Handlungsfreiheit als Grundlage eines Postulats „verhältnismäßiger Abgabenbelastung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die vertikale Dimension des Verhältnismäßigkeitsmaßstabes . . . . . . 2. Die horizontale Dimension des Verhältnismäßigkeitsprinzips . . . . . . V. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

9 101 102 103 103 106 106 111 111 111 114 114 116 119 120 120 123 126 126 126 129 135 141 142 144 145 145 148 150

F. Die Freiheitsgrundrechte als temporäre Schutzwehr gegenüber der Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

10

Inhaltsverzeichnis

G. Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags im Lichte des allgemeinen Gleichheitssatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. Der allgemeine Gleichheitssatz im Normengefüge . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. Art. 3 Abs. 1 GG als Postulat externer und interner Belastungsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 H. Der Sozialversicherungsbeitrag vor dem Gebot externer Belastungsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Untauglichkeit des Solidarausgleichs als Legitimationsgrundlage des Sozialversicherungsbeitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Verfassungsrechtliche Verortung des Postulats faktischer Gleichheit 2. Die Exklusivität der Steuer für die gesamtgesellschaftliche Umverteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Allgemeine und besondere Staatsaufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Der verfassungsrechtliche Sozialversicherungsbegriff . . . . . . . . . c) Die „Versicherungsfremdheit“ als Schranke des krankensozialversicherungsrechtlichen Ausgleichs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Homogenität als Rechtfertigungsansatz der Redistribution . . . . II. Die relative Vorsorgeschwäche als Legitimation des Sozialversicherungsbeitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Unentbehrlichkeit individueller Vorsorgeschwäche als Legitimationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Solidarausgleich als „Zusatzversicherung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Der Einfluß privater Krankenversicherungen auf die Erforderlichkeit des krankensozialversicherungsrechtlichen Ausgleichs . . . . . . . . III. Die individuelle Vorsorgeschwäche als Gegenstand gesetzgeberischer Typisierungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Außerachtlassung konkreter Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Beschränkung auf die erwerbseinkommenbezogene Vorsorgefähigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Argument der Verwaltungspraktikabilität . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bevorzugende und benachteiligende Typisierungen . . . . . . . . . . . . c) Die Kontrolldichte im Lichte der beitragsrechtlichen Behandlung freiwillig Versicherter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I.

Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen vor dem Gebot interner Belastungsgleichheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Maßstab steuerlicher Abgaben 1. Die „Durchbrechung“ lastenausteilender zugunsten externer Differenzierungsziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Kontrollintensität gegenüber dem Bemessungsmaßstab . . . . . . . 3. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Gebot der Konnexität von Grund und Ausmaß nichtsteuerlicher Abgabenbelastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Bemessung von Vorzugslasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

161 162 163 165 166 168 171 176 180 181 183 185 187 189 190 192 193 194 195 196 196 197 200 201 201 202

Inhaltsverzeichnis

11

2. Die Bemessung von Verbandslasten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags zwischen Vorsorgebedürfnis und Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Gebot der Anknüpfung an die Kriterien relativer Vorsorgeschwäche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Postulat interindividueller Äquivalenz als Verdikt einer Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Das Gebot interindividueller Äquivalenz in der höchstrichterlichen Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Entscheidung zum Ruhen des Krankengeldanspruchs . . (2) Die Einmalzahlungen-Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die interindividuelle Äquivalenz als versicherungszweigübergreifendes Postulat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Der Anteil einkommensbezogener Leistungen in den Sozialversicherungszweigen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Keine Relativierung des Äquivalenzpostulats in der gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (3) Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen vor dem Gebot interindividueller Äquivalenz . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Berücksichtigung externer Komponenten in der Bemessungsgrundlage des Sozialversicherungsbeitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Die Verfassungsmäßigkeit progressiver Sozialversicherungsbeiträge 5. Zwischenresümee . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Verfassungsmäßigkeit der Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen freiwillig Versicherter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Vergleichbarkeit Pflicht- und freiwillig Versicherter . . . . . . . . . . 2. Fälle der Schutzbedürftigkeit freiwillig Versicherter . . . . . . . . . . . . . .

205

J. Die Lohnbezogenheit des Sozialversicherungsbeitrags als Legitimationsgrundlage des Arbeitgeberbeitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Der lohnbezogene Arbeitgeberbeitrag als Strukturmerkmal der Sozialversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Der Arbeitgeberbeitrag vor dem allgemeinen Gleichheitssatz . . . . . . . . 1. Der Vorteilsausgleich als Rechtfertigung des Arbeitgeberbeitrags . . 2. Die Verwertung der Arbeitskraft als Legitimation des Arbeitgeberbeitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Grenzen der Inanspruchnahme von Arbeitgebern . . . . . . . . . . . . a) Die Finanzierung allgemeiner Lebensrisiken durch den Arbeitgeber b) Die Bemessung des Arbeitgeberbeitrags . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

206 206 208 209 209 209 211 211 213 215 216 216 217 218 219 222 223 223 226 227 228 229 229 230

Zusammenfassung der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

Abkürzungsverzeichnis a. A. a. a. O. Abs. a. F. AFG ALG Anl. Anm. AöR Art. ASP Aufl. AuS Az. BAFöG BArbBl. BayVBl. BayVerfGH BB Bbg. Bd. BFH BGB BGBl. BGH BK BKK BR-Drucks. BSG BSHG BT-Drucks. BVerfG BVerwG bzw. CDU DAngVers

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Abkürzungsverzeichnis DAZ DB ders. d. h. dies. DJT DM DOK DÖV DRV DStJG DStR DStZ/A dt. DVBl. E ErsK EStG etc. EuGRZ f. FamRZ FAZ FG Fn. FR FS GewArch GG ggf. GKV GMH GO GRG GS GUV GVBl. HBSVR HdR Hess. Hrsg. hrsg.

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14 Hs. HStR ID i. H. v. i.V. m. JBI JbSozR Jura JurA JuS JZ KAG Kap. KassKomm KritV KSVG KVLG MDR Mio. Mrd. MV m. w. N. Nds. n. F. NJW Nr. NVwZ NW NZS PKV RdA RGBl. RiA Rn. RRG Rspr. RVO Saarl. Sachs. SDSRV SF SGb SGB AT

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Abkürzungsverzeichnis SGB I SGB III SGB IV SGB V SGB VI SGB VII SGB X SGB XI sog. SozR SozSich SozVers Sp. SPD SRH StuW SVR u. u. a. UPR UR u. U. VDR Verf. VersR VerwArch vgl. VO VSSR VVDStRL VVG WRV z. B. ZBR ZfS ZfSH/SGB ZfW ZIP ZRP ZSR

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Sozialgesetzbuch – Allgemeiner Teil (1. Buch) Sozialgesetzbuch – Arbeitsförderung (3. Buch) Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (4. Buch) Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (5. Buch) Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Rentenversicherung (6. Buch) Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung (7. Buch) Sozialgesetzbuch – Verwaltungsverfahren (10. Buch) Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung (11. Buch) sogenannt/e/r Sozialrecht, Entscheidungssammlung, hrsg. von Richtern des Bundessozialgerichts Soziale Sicherheit Die Sozialversicherung Spalte Sozialdemokratische Partei Deutschlands Sozialrechtshandbuch Steuern und Wirtschaft Sachverständigenrat und unter anderem; und andere Umwelt- und Planungsrecht Umsatzsteuer-Rundschau unter Umständen Verband Deutscher Rentenversicherungsträger Verfasser/in Versicherungsrecht Verwaltungsarchiv vergleiche Verordnung Vierteljahresschrift für Sozialrecht Schriftenreihe „Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer“ Versicherungsvertragsgesetz Weimarer Reichsverfassung zum Beispiel Zeitschrift für Beamtenrecht Zentralblatt für Sozialversicherung Zeitschrift für Sozialhilfe und Sozialgesetzbuch Zeitschrift für Wirtschaftspolitik Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Sozialreform

16 z. T. ZTR zugl. ZVersWiss z. Zt.

Abkürzungsverzeichnis zum Teil Zeitschrift für Tarifrecht zugleich Zeitschrift für die gesamte Versicherungswissenschaft zur Zeit

Einleitung Als ältester aller Sozialversicherungszweige reicht die gesetzliche Krankenversicherung in ihren Anfängen bis in die achtziger Jahre des neunzehnten Jahrhunderts zurück. Derzeit steckt sie in einer Phase der Krise und des Umbruchs. Zum einen handelt es sich um eine finanzielle Krise: Die durch den medizinischen Fortschritt und die erhöhte Lebenserwartung der Versicherten bedingte „Kostenexplosion im Gesundheitswesen“1 hat die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung in die Höhe schnellen lassen2. Trotz einschneidender Maßnahmen wie Kürzungen im Leistungsspektrum und Senkungen der Vergütungen3 für die Leistungserbringer konnte der Ausgabenanstieg allenfalls gebremst, aber nicht endgültig gestoppt werden4. Hinzu kommt, daß das Volumen des sozialversicherungspflichtigen Einkommens und damit auch der tatsächlichen Beitragseinnahmen im Vergleich zur gesamten Wirtschaftskraft stetig sinkt. Neben dem Rückgang der Geburten und damit der potentiell versicherungspflichtigen Erwerbspersonen sind hierfür auch arbeitsmarktbezogene Wandelungen verantwortlich. Die struk1 Nach der Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit vom 6. März 2001 sind die Leistungsausgaben der Krankenkassen im Jahr 2000 gegenüber dem Vorjahr bundesdurchschnittlich um rund 2,1 Prozent je Mitglied gestiegen. In den alten Bundesländern lag der Zuwachs bei 1,8 Prozent, in den neuen Bundesländern bei 2,9 Prozent. 2 Modellberechnungen haben ergeben, daß die Pro-Kopf-Ausgaben aufgrund der ausgabentreibenden Wirkung des medizinischen Fortschritts selbst bei konstanter Altersstruktur jährlich um 1 Prozent wachsen, vgl. Breyer, KritV 2001, S. 48. 3 Die bisherigen Ansätze einer Deckelung der Ausgaben lagen darüber hinaus insbesondere in der Erstellung von Wettbewerbskonzepten zwischen den Krankenkassen, der Budgetierung von Leistungsbereichen und Zuzahlungen durch die Patienten, vgl. hierzu Schlenker, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1, § 12 Rn. 118 ff. 4 Im früheren Bundesgebiet stiegen die Leistungsausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung zwischen 1960 und 1999 von 8.965 Mio. auf 200.302 Mio. DM an, vgl. Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Statistisches Taschenbuch, Tabelle 8.2. Dabei blieb der Anteil der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung am Bruttoinlandsprodukt nach einer spürbaren Erhöhung zu Beginn der siebziger Jahre bis Anfang der neunziger Jahre in etwa konstant. Der Anstieg in den neunziger Jahren um einen Anteilspunkt auf nunmehr 7 Prozent liegt insbesondere auch in den seit der Wiedervereinigung zwar annähernd gleich hohen Gesundheitsausgaben in den neuen und alten Bundesländern, aber einem deutlich niedrigeren Bruttoinlandsprodukt in den neuen Bundesländern begründet, vgl. Hof, Auswirkungen und Konsequenzen der demographischen Entwicklung für die GKV, S. 23.

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Einleitung

turelle Zusammensetzung der Arbeitsplätze, insbesondere der Bedeutungszuwachs von Dienstleistungen, führt zu neuen Arbeitszeitmodellen und häufig zu längeren Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit. Mit der „Erosion des Normalarbeitsverhältnisses“ geht eine „Erosion des Normalversicherungsverhältnisses“ einher. In Hinblick auf das steigende Anspruchsniveau und die demographische Entwicklung der Krankensozialversicherten wächst die Befürchtung, der Finanzbedarf der gesetzlichen Krankenversicherung sei langfristig mit den herkömmlichen gesetzlichen Regelungen nicht zu decken. Auch der Blick auf beschäftigungspolitische Aspekte läßt das Beitragsrecht der Gegenwart im kritischen Licht erscheinen: Der lohnbezogene Sozialversicherungsbeitrag belastet über die Lohnnebenkosten die internationale Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Gleichermaßen scheint das verfassungsrechtliche Postulat der Abgabengerechtigkeit für eine Reformierung des krankensozialversicherungsrechtlichen Beitragsrechts zu streiten: Klassisches Mittel der Redistribution von Einkommen durch die Erhebung hoheitlicher Abgaben ist die progressive Einkommensteuer, welche alle Staatsbürger gleichmäßig nach deren wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit belastet5. Die risikonivellierenden Sozialversicherungsbeiträge schließen die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung über die einkommensteuerliche Umverteilung hinaus in ein parafiskalisches Ausgleichssystem6 ein. Der Kreis der durch beide Ausgleichsysteme in Anspruch Genommenen ist nicht kongruent: Das Beitrags5 Eine Umverteilungswirkung einer Abgabe liegt vor, wenn „die Verteilung des Einkommens vor Abzug der Steuer von der Verteilung des Einkommens nach Abzug der Steuer deutlich abweicht“, vgl. Heilmann, Umverteilungswirkungen, S. 4. 6 Die Feststellung gilt zwar dem Grunde nach für alle Sozialversicherungszweige. Die besondere Stellung der gesetzlichen Krankenversicherung ergibt sich aus deren hohem Ausgaben- und potentiellem Umverteilungsvolumen. Das durch die Lohnsteuer erzielte Volumen erreichte im Jahre 1999 insgesamt 319.284 Mio. DM (vgl. Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 2000, S. 450). Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung beliefen sich im gleichen Jahr auf 200.302 Mio. DM. Dabei sind die genaue Höhe und die Wirkrichtungen der Umverteilungen, die zwischen den einzelnen Versicherten stattfinden, trotz ihres Einflusses auf die gesamtgesellschaftliche Einkommensverteilung weitgehend unbekannt (vgl. Wenzel, Finanzierung des Gesundheitswesens, S. 2). Jedenfalls ist die Spannbreite der individuellen Beitragslast und damit des Umverteilungsrahmens gewaltig: Aus den §§ 8 Abs. 1 Nr. 1 SGB IV, 7 S. 1 SGB V ergibt sich als Untergrenze beitragspflichtigen Monatseinkommens der Betrag von 325 EUR. Demgegenüber markiert die Jahresarbeitsentgeltgrenze, §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 223 Abs. 3 SGB V, als Höchstmaß beitragsrelevanten Einkommens den Betrag von 3.350 EUR. Legt man nun den durchschnittlichen Beitragssatz der Kassen von 13,5 Prozent zugrunde, variiert die Höhe des Krankensozialversicherungsbeitrags für die Absicherung vergleichbarer Krankheitsrisiken zwischen 45 EUR bei einem Einkommen von 325 EUR und 452 EUR bei einem Einkommen oberhalb der Bemessungsgrenze.

Einleitung

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recht der gesetzlichen Krankenversicherung beteiligt gerade diejenigen Bevölkerungsgruppen, die über überdurchschnittliche und zusätzliche Einnahmen verfügen, nicht oder nur teilweise an der in der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführten solidarischen Finanzierung7. Darüberhinaus knüpft der Krankensozialversicherungsbeitrag in anderer Weise an die Leistungsfähigkeit der Abgabenpflichtigen an als das Einkommensteuerrecht: Als „Arbeiterversicherung“8 entstanden orientiert sich die gesetzliche Krankenversicherung bei der Bemessung der Beiträge zur Pflichtversicherung bisher in der Regel an dem Arbeitsentgelt, den Renten, den Versorgungsbezügen und gesetzlichen Entgeltersatzleistungen. Der Blick auf die Einkommenssituation der Versicherten begründet Zweifel, ob die gesetzliche Krankenversicherung, welche mittlerweile mehr als 90 Prozent der Gesamtbevölkerung einbezieht, den Finanzierungsmodus der Erwerbstätigenversicherung, wie er in einer mehr als einhundertjährigen Rechtsentwicklung Gestalt gewonnen hat, auch weiter nutzen darf9. Das dem Beitragsrecht der Sozialversicherung zugrundeliegende Leitbild des versicherten abhängig Beschäftigten zerfällt mittlerweile10. Veränderungen zeigen sich insbesondere darin, daß das Einkommen der Versicherten sich seit dem Bestehen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht nur in der Höhe, sondern auch in der Zusammensetzung deutlich verändert hat. Während der typische Arbeitnehmer vor 100 Jahren kaum andere Einkommensquellen aufzuweisen hatte, spielt die „Querverteilung der Einkommen“11 heute eine wichtigere Rolle. Ein nicht unerheblicher Teil der Versicherten verfügt mittlerweile über andere Einkommensquellen. Aus Gleichheitsgesichtspunkten erscheint es deshalb „kaum hinnehmbar, daß ein Versicherter mit niedrigen Arbeits- und Renteneinkommen, aber hohen Wertpapiererträgen Versicherungsschutz zu Minimalbeiträgen erhält und damit in den Genuß von Umverteilungsmaßnahmen zugunsten von Mitgliedern gelangt, welche ein geringeres Gesamteinkommen haben als er“12. 7

Die beitragspflichtigen Einnahmen werden bis zur Beitragsbemessungsgrenze nach § 223 Abs. 3 S. 1 SGB V herangezogen. Diese beträgt für den Kalendertag 1/360 der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, welche 75 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung erreicht, vgl. §§ 159, 160 SGB VI. 8 Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, S. 23 ff., 61 ff. 9 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 341 (Fn. 16). Vgl. zuletzt Schaich-Walch, KritV 2000, S. 191, 192. 10 „Das Standardmodell des deutschen Beitragszahlers – der lebenslang Beschäftigte mit steigendem Einkommen – läuft aus.“, wie Uwe Jean Heuser und Gero von Randow in: Die Zeit vom 20. Mai 1999, S. 1, treffend formulieren. 11 Das private Geldvermögen in Deutschland beläuft sich auf insgesamt 5.200 Mrd. DM (etwa 2.660 EUR). In den kommenden Jahren werden jährlich rund 250 Mrd. DM (etwa 128 EUR) vererbt werden, vgl. BR-Drucks. 752/99; BTDrucks. 14/2977.

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Einleitung

Vor dem Hintergrund dieser drei Kritikpunkte hat sich in Deutschland eine breite Diskussion um die Möglichkeiten und Notwendigkeit eines Umbaus der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelt. Zur Behebung des wachsenden Mißverhältnisses zwischen Beitragseinnahmen und Leistungsverpflichtungen wird vielfach gefordert, die Reichweite der Beitragspflicht auf zusätzliche Einkommensarten auszudehnen. Insbesondere der Vorschlag, die krankensozialversicherungsrechtliche Bemessungsgrundlage an die einkommensteuerlich relevanten Einkünfte anzuknüpfen13, erlangt im politischen Meinungsbild zunehmend Gewicht. Bei der Ausgestaltung der Krankensozialversicherungsbeiträge nach dem Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts würde auch das sog. Nichterwerbseinkommen, insbesondere Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen, von der Beitragspflichtigkeit erfaßt. Die Verbreiterung der „beitragspflichtigen Grundlagen“ erscheint gleich in dreifacher Hinsicht erfolgsversprechend: Zum einen erhofft man sich deutliche Verbesserungungen der Einnahmensituation14. Die mit einer Ausweitung der Bemessungsgrundlage verbundene Abkoppelung der Sozialversicherungsabgaben vom Faktor Arbeit als alleinigem Anknüpfungspunkt soll darüberhinaus Wachstums- und Beschäftigungsimpulse herbeiführen, welche zu einer erhöhten internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands15 und damit auch zu einer Entspannung der Arbeitsmarktsituation füh12

S. Kruse/U. Kruse, SozVers 2000, S. 281, 288. Im Jahre 2000 stellte die damals amtierende Bundesgesundheitsministerin Fischer die Ausdehnung beitragspflichtiger Einnahmen in der gesetzlichen Krankenversicherung zur Diskussion, vgl. SozVers 2000, S. 160; DAZ 2000 S. 1676. Vgl. auch S. Kruse/U. Kruse, SozVers 2000, S. 281, 288; SozVers 1996, S. 225, 227; Bäcker, KritV 2001, S. 48, 54; Huster, JZ 2002, S. 371, 372 (Fn. 7) m. w. N. Der hier aufgegriffene Vorschlag betrifft allein die Arbeitnehmerbeiträge. Er ist zu unterscheiden von Vorschlägen einer an der Wertschöpfung der Unternehmen orientierten Bemessungsgrundlage für Arbeitgeberzahlungen, welche vor allem für die gesetzliche Rentenversicherung diskutiert wurden. Zur Verfassungsmäßigkeit eines sog. „Maschinenbeitrags“ vgl. Sieveking, Der „Maschinenbeitrag“: eine neue Finanzierungsquelle der Rentenversicherung, 1981; Rürup, Alternative Beitragsbemessungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung aus einnahmentheoretischer Sicht, 1983; Krelle, Der „Maschinenbeitrag“, 1985. 14 Da sich die Finanzlage der Sozialversicherungsträger durch die Einbeziehung von Nichterwerbseinkünften dann nicht nachhaltig verbessert würde, wenn höhere Einnahmen vergleichbare Ausgabensteigerungen einschlössen, verspräche eine derartige Ausweitung der Bemessungsgrundlage in der gesetzlichen Rentenversicherung im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung allenfalls eine kurzfristige Entlastung, vgl. hierzu auch Maydell, NZS 1993, S. 425, 426. 15 Andererseits darf nicht übersehen werden, daß die gesetzlichen Lohnnebenkosten nur einen Teil der Arbeitskosten darstellen. Darüber hinaus lassen sich die jeweiligen Faktoren in den Produktionsprozessen nicht ohne weiteres durch andere 13

Einleitung

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ren könnten16. Zugleich scheint eine derartige Modifizierung der Einnahmenbasis die personelle Belastungsstruktur der Versicherten so zu verändern, daß diese dem Kriterium der Verteilungs- und Belastungsgerechtigkeit besser entspräche17. Andererseits würde die Expansion der Bemessungsgrundlage auf Nichterwerbseinkommen zu einer immensen Ausdehnung des krankensozialversicherungsrechtlichen Solidarausgleichs führen. Der Vorteil der höheren Binnengerechtigkeit innerhalb des versicherten Personenkreises schiene um den Preis erhöhter Belastungsdifferenzen gegenüber den Nichtversicherten „erkauft“. Prinzipiell gilt es zu klären, ob und in welchem Ausmaß der Sozialversicherungsgesetzgeber die gesetzliche Krankenversicherung zum „Medium zweiter Einkommens(um)verteilung“18 ausgestalten darf. Konkret soll festgestellt werden, welchen Spielraum der Gesetzgeber bei der beitragsrechtlichen Anknüpfung an bestimmte Einkunftsarten als Indikatoren krankensozialversicherungsrechtlicher Leistungsfähigkeit hat. Diesen beiden Fragestellungen will die Arbeit nachgehen.

substituieren, vgl. Schmähl/Henke/Schellhaaß, DRV 1980, S. 235, 241; Bruche/Reissert, Die Finanzierung der Arbeitsmarktpolitik, S. 188, 196; Schmid, Wirtschaftsdienst 1986, S. 141, 142. Verschiedene Modellberechnungen, die Wachstums- und Beschäftigungseffekte einer Wertschöpfungsabgabe in Deutschland simulierten, kamen zu dem Ergebnis, daß diese langfristig nur geringe Auswirkungen auf die Beschäftigungen hätte, vgl. Köhler, in: Die neue Gesellschaft, 1985, S. 7, welcher die Auswirkungen auf maximal 70.000 bis 120.000 Arbeitsplätze schätzte. Auch Elixmann, hält die „angestrebte Entlastung kleiner und mittlerer Betriebe bei der Wahl anderer (nicht lohnbezogener) Bemessungsgrundlagen“ für „unbestimmt“, vgl. Elixmann, Auswirkungen alternativer Bemessungsgrundlagen, S. 33. Zu wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Konsequenzen einer Arbeitsmarktabgabe vgl. das Prognos-Gutachten, Oktober 1995, S. 74 ff. 16 Zur Standortdebatte siehe u. a. Bäcker/Bispink/Hofemann/Naegele, Sozialpolitik und soziale Lage in Deutschland, Bd. 1, S. 82 ff., S. 88 ff. 17 Kieselbach, Höhere Kassenbeiträge drohen, in: Die Welt vom 4.8.2000; Süddeutsche Zeitung vom 18.10.2000; Seehofer, in: Der gelbe Dienst 2000, Nr. 15, S. 33, 34; dpa-Sozialpolitische Nachrichten Nr. 40 vom 30.10.2000, S. 13; vgl. Seehofer, FAZ vom 11. Januar 1993; Hoffacker, MdB, BT-Plenarprotokoll 12/127, S. 10917; BT-Drucks 12/5620; SVR für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, SG 1995, Rn. 589. Auf die praktischen Schwierigkeiten der Erfassung von Nichterwerbseinkünften bei Pflichtversicherten verweist allerdings Peters, NZS 2002, S. 393, 398. 18 Wallerath, SDSRV 45 (1999), S. 7, 16; in diesem Sinne auch Bogs, Grundfragen des Rechts der sozialen Sicherheit, S. 27 f.; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 15 f.; Jang, Umverteilung im Sozialversicherungsbeitrag, S. 22.

1. Teil

Hintergrund und Gang der Untersuchung Die Arbeit hat die Übertragbarkeit der einkommensteuerlichen Berücksichtigung von Nichterwerbseinkünften auf die Beitragsgestaltung der gesetzlichen Krankenversicherung zum Gegenstand. Im Vorfeld der verfassungsrechtlichen Untersuchung sollen nach terminologischen Erläuterungen die Gemeinsamkeiten und Unterschiede einkommensteuerlicher und krankensozialversicherungsrechtlicher Abgabenbemessung dargelegt werden. Desweiteren ist in diesem Ersten Teil der Untersuchung zu erörtern, inwiefern sich die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen in das Spektrum gegenwärtiger sozialpolitischer Reformvorstellungen einfügt und finanzwissenschaftlichen Wertvorstellungen entspricht.

A. Begriffsklärungen Um einen Vergleich einkommensteuerlicher und krankensozialversicherungsrechtlicher Kriterien für die Ermittlung der Abgabenhöhe zu erleichtern, wählt die Arbeit die im folgenden dargestellten in erster Linie steuerrechtlich geprägten Termini und verwendet sie im Anschluß auch für die Darstellung des sozialversicherungsrechtlichen Beitragsrechts.

I. Die Abgabenbemessung Der Terminus der Abgabenbemessung steht für die Gesamtheit der für die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge relevanten Ausgestaltungskriterien. Im einzelnen läßt sich die Bemessung einer Abgabe durch die Strukturelemente des Abgabensubjekts, des Abgabenobjekts, der Bemessungsgrundlage und des Abgabentarifs beschreiben. Das Abgabensubjekt ist das Rechtssubjekt des Abgabengesetzes, dem das Abgabenobjekt und die damit verbundene Abgabenschuld zugerechnet wird. Die Zurechnung des Abgabenobjekts zu einem bestimmten Abgabenschuldner ergibt sich mit der Bestimmung des Abgabenschuldners selbst; zugleich orientiert sich die Bestimmung des Abgabenschuldners in der Regel am Abgabenobjekt.

A. Begriffsklärungen

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Die sog. Bemessungsgrundlage ist die Summe derjenigen Normen, die das Steuerobjekt als ganzes qualifizieren. Aufgrund des numerischen Charakters des Sozialversicherungsbeitrags drückt die Bemessungsgrundlage das, was der Beitragspflicht unterliegt, in einer Zahl aus. Soweit die Arbeit den Begriff des „Nichterwerbseinkommens“1 verwendet, erfolgt dessen Definition in Abgrenzung zum „Erwerbseinkommen“. Die Zuordnung zu einer der beiden Kategorien richtet sich nach der Quelle der zu beurteilenden Einkünfte. Während die Erzielung von Erwerbseinkünften in erster Linie auf dem Einsatz der persönlichen Arbeitskraft beruht, setzen Nichterwerbseinkünfte den Besitz bestimmter Vermögenspositionen voraus. Zur Gruppe der „Nichterwerbseinkünfte“ gehören insbesondere die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bzw. Einkünfte aus Kapitalvermögen, da sie unabhängig von qualifizierten Nebenleistungen bzw. i.V. m. zeitlich begrenzten Nutzungsüberlassungen von Gegenständen erzielt werden. Der Abgabentarif 2 ist schließlich diejenige Größe, aus der sich der Abgabenbetrag in bezug auf die Abgabenbemessungsgrundlage ergibt, indem er eine funktionelle Beziehung zwischen Abgabenbemessungsgrundlage und Abgabenbetrag herstellt3.

II. Der Bemessungsmaßstab Ein Bemessungsmaßstab hat die Aufgabe, die Gesamtabgabenlast innerhalb der Gruppe der Abgabenpflichtigen zu verteilen, also die relative Abgabenlast im Verhältnis der Zahlungspflichtigen untereinander zu bestimmen. Im Gegensatz zu den dargestellten Strukturmerkmalen beinhaltet das Bemessungsprinzip keine Formel zur Ermittlung konkreter Abgabenbeträge. Seine Bedeutung liegt vielmehr darin, als abstrakte Regel die Vielfalt der abgabenrechtlichen Maßstäbe und Berechnungsvorgänge auf einen einheitlichen Grundgedanken zurückzuführen. Insofern dient das Bemessungsprinzip der systematischen Klarheit; es trägt, ergänzt und begrenzt die jeweilige Berechnung durch die Erhebung von Abgaben4.

1 Vgl. Rasenack, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung, S. 13; Ruppe, DStJG 1977, S. 7, 28 ff. Behrends unterscheidet hingegen „Zustandseinkünfte“ von „Tätigkeitseinkünften“, vgl. Behrends, Die Lehren vom Steuertatbestand, S. 71. 2 Ein Abgabentarif kann proportional, progressiv oder regressiv sein. 3 Für steuerliche Abgaben Tipke/Lang, Steuerrecht, § 7 Rn. 22 ff. 4 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 41.

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

III. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ist nach weit überwiegender Ansicht der herausragende Maßstab zur Bemessung steuerlicher Abgaben; das Leistungsfähigkeitsprinzip wird als das „Fundamentalprinzip“5 unserer Verfassungsordnung angesehen. Es orientiert sich bei der Lastenverteilung nicht am Nutzen oder den Kosten der dem Abgabenpflichtigen zufließenden Leistungen, sondern am Umfang der ökonomisch-finanziellen Mittel, der Dringlichkeit der Bedürfnisse und den individuell-persönlichen Umständen der Abgabenpflichtigen6. Eine an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientierte Abgabe ist demnach nur dann gerechtfertigt, wenn sie die Fähigkeit des einzelnen, Abgaben zu zahlen, ausreichend berücksichtigt. Die finanzwissenschaftliche Grundlage der Rechtfertigung des Leistungsfähigkeitsprinzips als Bemessungsmaßstab findet sich im Gedanken der sog. Opfergleichheit7. Jede Abgabenbelastung verursacht ein Opfer, indem sie dem Abgabenpflichtigen Mittel zur Bedürfnisbefriedigung entzieht. Um die Finanzierungslasten der hoheitlichen Kosten gerecht zu verteilen, soll allen Bürgern ein relativ gleiches Opfer, also eine relativ gleiche Einbuße ökonomisch-finanzieller Dispositionskraft auferlegt werden8. Dementsprechend verlangt die finanzwissenschaftliche Theorie vom gleichen proportionalen Opfer, durch die Abgabenbemessung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit das Vermögen der Abgabenpflichtigen so weit zu senken, „daß auch die Fähigkeit aller zur Befriedigung ihrer persönlichen Bedürfnisse im gleichen Umfang gesenkt wird“9. Dem 1. Gossen’schen Gesetz entsprechend nimmt die Stärke der Nutzempfindung mit zunehmender Bedürfnisbefriedigung ab, so daß der Grenznutzen zusätzlicher Gütereinheiten sinkt. Da infolgedessen zur Erzielung einer gleichen Nutzeneinbuße bei steigendem Einkommen die absoluten Beiträge überproportional zunehmen, dient der opfertheoretische Erklärungsansatz auch der Herleitung des Gebots einer progressiven steuerlichen Abgabenbelastung10. 5 Seine Eigenschaft als sachgerechtes, sinnstiftendes Fundamentalprinzip wird von Rechtsphilosophen, Finanzwissenschaftlern und Steuerrechtlern gleichermaßen anerkannt, vgl. hierzu Ruppe, Das Abgabenrecht als Lenkungsinstrument, S. 55 f.; Papier, Steuern und Abgaben, S. 148 ff.; Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4 Rn. 81 ff.; Vogel, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. IV, § 87, Rn. 90 ff.; grundlegend zum Leistungsfähigkeitsprinzip Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen; Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 97 ff. 6 Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 85 m. w. N. 7 Pohmer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Einkommensverteilung, S. 147; Wittmann, Finanzwissenschaft, Bd. II, S. 82. 8 Zum Prinzip des gleichen Opfers Neumark, Grundsätze gerechter und ökonomischer rationaler Steuerpolitik, S. 135; Haller, Die Steuern, S. 15. 9 Jakob, Steuern vom Einkommen, Bd. I, S. 21.

B. Einkommensteuer und Krankensozialversicherung

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Das zunächst finanzwissenschaftlich hergeleitete Leistungsfähigkeitsprinzip fand später auch in das Steuerrecht Eingang11. Mit der Aufnahme des Leistungsfähigkeitsprinzips in Art. 13412 wurde dieser Bemessungsgrundsatz Gegenstand der Weimarer Reichsverfassung. Eine Rezeption in das Grundgesetz erfolgte zwar nicht. Trotz dessen bildet das Gebot der Besteuerung nach wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nach auch heute weitaus überwiegender Ansicht in Rechtsprechung und Literatur nicht lediglich eine wünschenswerte finanzwissenschaftliche oder finanzpolitisches Idealvorstellung, sondern ein normatives Gebot mit verfassungsrechtlichem Charakter. Zur Herleitung eines Verfassungsgebotes der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit werden die Regelungen der Finanzverfassung, das Sozialstaatsprinzip oder die Grundrechte, insbesondere Art. 14 GG und Art. 3 Abs. 1 GG13, herangezogen. In besonderer Weise soll die Einkommensteuer auf dem Prinzip wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit basieren. Ob und inwieweit sich das Leistungsfähigkeitsprinzip tatsächlich verfassungsrechtlich herleiten läßt und auch für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen Geltung beanspruchen darf, wird im Zweiten Teil der Arbeit zu erörtern sein. Zunächst sollen jedoch die Gemeinsamkeiten und Unterschiede einkommensteuerlicher und krankensozialversicherungsrechtlicher Abgabenbemessung aufgezeigt werden.

B. Die Inkongruenz einkommensteuerlicher und krankensozialversicherungsrechtlicher Leistungsfähigkeit Die Gemeinsamkeiten und Unterschiede einkommensteuerlicher und krankensozialversicherungsrechtlicher Abgabenbemessung werden durch einen Vergleich der Subjekte, der Bemessungsgrundlage und der Tarife beider Abgabenarten deutlich. 10 Die Opfertheorien sehen sich seit geraumer Zeit erheblicher Kritik ausgesetzt. Bezweifelt wird insbesondere die Existenz eines gesetzlichen Zusammenhangs zwischen dem Nutzen bzw. Grenznutzen und der individuell-persönlichen Steuerfähigkeit, welche durch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die Dringlichkeit der Bedürfnisse bestimmt wird. Solange die Nutzenfunktion nur ein theoretisches, nicht empirisch quantifiziertes Konstrukt sei, könne aus der Opfertheorie keine konkrete Belastungsverteilung hergeleitet werden, vgl. hierzu Pohmer, Leistungsfähigkeitsprinzip und Einkommensverteilung, S. 20. 11 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 46 f. 12 Der Artikel 134 WRV hatte folgenden Wortlaut: „Alle Bürger ohne Unterschied tragen im Verhältnis ihrer Mittel zu allen öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze bei“. 13 BVerfGE 43, 108, 118 f.; 47, 1, 29; 61, 319, 343 f.; 66, 214, 222 f.; 67, 290, 297; 68, 143, 152; 82, 60, 86.

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

I. Die Abgabensubjekte Die Einkommensteuer ist als allgemeine Abgabe konzipiert: Alle natürlichen Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, sind unbeschränkt einkommensteuerpflichtig14. Demgegenüber umfaßt die Versicherungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung nur einen – wengleich den weit überwiegenden – Teil der in Deutschland wohnhaften Bevölkerung. Neben den Arbeitnehmern werden mit den Auszubildenden und Rentnern insbesondere diejenigen Personen einbezogen, die typischerweise nach Beendigung ihres Ausbildungsverhältnisses dem Kreis der abhängig Beschäftigten angehören bzw. wegen Erwerbsunfähigkeit oder aus Altersgründen ihre abhängige Beschäftigung aufgegeben haben15. Darüber hinaus integriert die gesetzliche Krankenversicherung mit Studenten, Frühbehinderten, Beziehern von Arbeitslosengeld oder Unterhaltsgeld nach dem AFG auch Personen, deren Verbindung zu einem Beschäftigungsverhältnis deutlich geringer ausgeprägt ist16. Demgegenüber sind hauptberuflich Selbständige, von wenigen ausdrücklich geregelten Ausnahmen abgesehen17, vom originären Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen18. Neben den Versicherungspflichtigen bietet die gesetzlichen Krankenversicherung auch nicht versicherungspflichtigen Personen Zugang19. So können sich in der gesetzlichen Krankenversicherung anders als in der Unfall- und Rentenversicherung neben sonstigen Personen insbesondere auch abhängig Beschäftigte, deren Arbeitseinkommen oberhalb der Pflichtversicherungsgrenze liegt, freiwillig versichern. Eine solche freiwillige Versicherung begründet grundsätzlich die gleichen Rechte und Pflichten wie die Pflichtversicherung20.

II. Die Abgabenbemessungsgrundlage Sowohl das Einkommensteuerrecht als auch das Krankensozialversicherungsrecht bedienen sich bestimmter Indikatoren, welche die wirtschaftliche 14

§ 1 Abs. 1 S. 1 EStG. § 5 Abs. 1 Nr. 1, 11, 12 SGB V. 16 § 5 Abs. 1 Nr. 2, 7–12 SGB V. 17 § 5 Abs. 1 Nr. 3 und 4 SGB V. 18 § 5 V SGB V. Für hauptberuflich Selbständige kommt deshalb nur eine Versicherung über den Weg der Weiterversicherung nach einer früheren Versicherungspflicht, insbesondere aufgrund abhängiger Beschäftigung, in Betracht. 19 § 9 SGB V; § 6 KVLG 1989. 20 Rechtlich sind die freiwillig Versicherten im Gegensatz zu den pflichtversicherten Erwerbstätigen allein zur Beitragstragung verpflichtet, § 250 Abs. 2 SGB V. 15

B. Einkommensteuer und Krankensozialversicherung

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Leistungsfähigkeit der Abgabenpflichtigen widerspiegeln sollen. Diese Indikatoren erfassen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zahlenmäßig und ermöglichen damit erst die Funktionsfähigkeit der Verteilungsgröße. Der deutlichste Ausdruck individueller Zahlungsfähigkeit ist der Zuwachs an Individualvermögen, welcher sich im Einkommen abbildet21. Das Einkommensteuerrecht und das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung definieren den Einkommensbegriff nicht einheitlich. 1. Einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage Das Einkommensteuerrecht geht von einem umfassenden Begriff der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit aus und belastet Erwerbs- und Nichterwerbseinkünfte in gleicher Weise22. Der sog. synthetischen Abgabenerfassung23 entsprechend wird die Bemessungsgrundlage durch die Summe der sieben Einkunftsarten24 gebildet und einem einheitlichen Einkommensteuertarif unterworfen25. Als Ausdruck des in § 11 Abs. 1 S. 1 EStG normierten sog. Zuflußprinzips gelten Einnahmen nur dann als innerhalb des Kalenderjahres bezogen, wenn sie dem Steuerpflichtigen tatsächlich zugeflossen sind26.

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Vgl. P. Kirchhof, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. IV, § 88 Rn. 116. Früher wurde das Nichterwerbseinkommen im Steuerrecht aus Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten heraus stärker belastet: Dem aus dem Vermögen stammenden, „fundierten“ Einkommen wurde in der Finanzwissenschaft eine höhere Steuerkraft beigemessen. Vgl. BVerfGE 13, 331, 348; 43, 1, 7, wonach es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn das in der Regel weitgehend „leistungslos“ aus dem Vermögen fließende Einkommen durch Einkommens- und Vermögenssteuer stärker besteuert wird als das Einkommen, das aus der Verwertung von Arbeitskraft fließt. Die amtliche Begründung zum Kapitalertragssteuergesetz vom 29.3.1920, welche die Kapitalerträge zusätzlich zur Einkommensteuer mit 10 Prozent belastete, führte aus: „Unter dem Gesichtspunkt einer erschöpfenden Würdigung der Leistungsfähigkeit muß das auf Vermögensbesitz beruhende Einkommen, das sog. fundierte Einkommen, stärker belastet werden als das den Zufälligkeiten des Fortbestandes und der Dauer der Arbeitskraft einerseits und der Arbeitsgelegenheit andererseits ausgsetzte unfundierte Einkommen.“ (Quelle: Verfassungsgebende Nationalversammlung 1919, Drucks. Nr. 1625, S. 7). 23 Abzugrenzen hiervon ist die sog. analytische Schedulenbesteuerung, wonach die Einkünfte nach Art ihrer Einkunftsquellen in mehrere Abteilungen aufgeteilt werden und sodann jede Abteilung einem gesonderten Einkommensteuertarif unterliegt. Vgl. zu dieser Unterscheidung Lang, Die Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer, S. 218. 24 § 2 Abs. 1 EStG. Einnahmen, die sich keiner Einkunftsart zuordnen lassen, sind nicht steuerbar und können demnach ohne Steuerzugriff vereinnahmt werden. Hierzu gehören z. B. Lotteriegewinne oder Preise. Des weiteren bilden die Privatveräußerungserlöse eine wesentliche steuerfreie Einnahmequelle. 25 § 2 Abs. 5 S. 1 2. HS. EStG. 22

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

Einkommensteuerliche Berücksichtigung finden die Einnahmen aus Land- und Forstwirtschaft, aus Gewerbebetrieb, aus selbständiger Arbeit, aus nichtselbständiger Arbeit, aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einnahmen27. Dabei umfaßt die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage nicht die Gesamtheit der erzielten Einnahmen, sondern lediglich die Salden zwischen den Erwerbsbezügen und den Erwerbsaufwendungen. Diese Abziehbarkeit der Aufwendungen von den Einnahmen beruht auf der Erwägung, daß der Steuerpflichtige nur aus dem Teil des eingenommenen Vermögens Steuern zahlen kann, das ihm tatsächlich für den eigenen Verbrauch zur Verfügung steht. Solche als Erwerbsaufwendungen einkommensteuerlich irrelevante Teile des erwirtschafteten Einkommens bezeichnet das Einkommensteuerrecht im Rahmen der Gewinneinkünfte als Betriebseinkünfte28 und im Rahmen der Überschußeinkünfte als Werbungskosten29. Während die Gewinneinkünfte30 durch einen Betrieb, zumeist durch den kombinierten Einsatz von „Arbeit“ und „Vermögen“, erwirtschaftet werden, sind Überschußeinkünfte in der Regel entweder nahezu „reine Arbeitseinkünfte“ oder nahezu „reine Vermögenseinkünfte“31. Zu letzteren gehören die Einkünfte aus Kapitalvermögen32 und aus Vermietung und Verpachtung. Neben den Erwerbsaufwendungen mindern die sog. Sonderausgaben33 und außergewöhnlichen Belastungen34 als 26 Lassen sich die Besteuerungsgrundlagen nicht ausreichend feststellen, hat die Finanzbehörde gemäß § 162 Abs. 1 S. 1 AO die Bemessungsgrundlagen zu schätzen. 27 § 2 Abs. 1 Nr. 1–7 EStG. 28 § 4 Abs. 4 EStG. 29 § 9 Abs. 1 EStG. 30 § 2 Abs. 1 Nr. 1–3 EStG. 31 Der in der Unterscheidung von Gewinn- und Überschußeinkünften zum Ausdruck kommende sog. Dualismus der Einkunftsarten trägt unterschiedlichen rechtstheoretischen Ansätzen Rechnung, denen die dogmatische Entscheidung zugrundeliegt, ob Wertveränderungen im Vermögen, das zur Erzielung von Einnahmen eingesetzt wird, bei der Einkünfteerzielung zu berücksichtigen sind. Der auf Schanz zurückgehenden sog. Reinvermögenszugangstheorie entsprechend sind realisierte Wertzuwächse im Betriebsvermögen bei den Gewinneinkunftsarten stets zu berücksichtigen. Demgegenüber erklärt die durch Fuisting begründete sog. Quellentheorie Wertveränderungen des Vermögens, das zur Erzielung von Überschußeinkünften eingesetzt wird, für nicht steuerbar, vgl. hierzu Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 50. 32 Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören das Geldvermögen der in § 20 Abs. 1, 2 EStG genannten Arten, welche insbesondere Gewinnanteile aus Kapitalgesellschaften, Erträge aus Geldforderungen und Grundpfandrechten erfaßt. Den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung werden im wesentlichen die Erträge aus Vermietung und Verpachtung von Grundstücken, Gebäuden, Gebäudeteilen und Schiffen zugeordnet. 33 Bei den Sonderausgaben handelt es sich um Kosten der Lebensführung, die in Ausnahme zu § 12 EStG aus sozial- und wirtschaftspolitischen Gründen abzugsfähig sind, §§ 10–10 i EStG.

B. Einkommensteuer und Krankensozialversicherung

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nicht disponible private Aufwendungen die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage. 2. Krankensozialversicherungsrechtliche Bemessungsgrundlage a) Die Pflichtversicherten Der Krankensozialversicherungsbeitrag der Pflichtversicherten knüpft grundsätzlich an das Erwerbseinkommen an. Seine Bemessungsgrundlage bildet in erster Linie das Arbeitsentgelt. Definiert wird das Arbeitsentgelt als Summe aller laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden35. Eine Konkretisierung des Begriffs des Arbeitsentgelts erfolgt durch die aufgrund der Verordnungsermächtigung des § 17 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IV erlassenen Arbeitsentgeltverordnung. Eine Identität zwischen Arbeitsentgelt im beitragsrechtlichen Sinne und Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit im einkommensteuerrechtlichen Sinne besteht nicht. Anders als das Einkommensteuerrecht kennt das sozialversicherungsrechtliche Beitragsrecht für das Arbeitsentgelt keine Saldierung von Einnahmen und Erwerbsaufwendungen. Für die Ermittlung des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts ist vielmehr das Bruttoprinzip maßgebend. Dies ergibt sich zwar nicht allein aus § 235 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, welcher allein auf das „Arbeitsentgelt“ abstellt. Jedoch zeigt der Umkehrschluß zum Begriff des „Nettoarbeitsentgelts“ in § 14 Abs. 2 SGB IV, daß zum (Brutto-)Arbeitsentgelt die auf die Einnahmen des Beschäftigten fallenden Steuern und die seinem gesetzlichen Anteil entsprechenden Beiträge zur Sozialversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit zu rechnen sind. Überdies ist für die beitragsrechtliche Relevanz des Arbeitsentgeltes nicht wie im Einkommensteuerrecht der tatsächliche Zufluß der Einnahmen erforderlich; vielmehr reicht der Erwerb einer fälligen Forderung gegenüber dem Arbeitgeber aus36. 34 Außergewöhnliche Belastungen sind systematisch ebenfalls als Lebenshaltungskosten einzustufen. Ihre Berücksichtigung ist den Sonderabgaben nachrangig und soll der verminderten Leistungsfähigkeit infolge besonderer Belastungen Rechnung tragen, §§ 33–33c EStG. 35 § 14 Abs. 1 S. 1 SGB IV. 36 Vgl. BSGE 75, 61 ff.; 59, 183, 189; 54, 136 ff; 41, 6, 9 ff. Durch das sog. Entstehungsprinzip soll verhindert werden, daß sich Arbeitgeber beitragsrechtliche Vorteile verschaffen, indem sie das geschuldete Arbeitsentgelt nicht bei Fälligkeit auszahlen, vgl. hierzu Marx, NZS 2002, S. 126.

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

Neben dem Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Tätigkeit liegt der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung und vergleichbare Versorgungsbezüge37 zugrunde. Im Gegensatz zur Einkommensteuer bleiben zusätzlichen Einkünfte eines Arbeitnehmers aus selbständiger Tätigkeit für die Beitragsbemessung ebenso unberücksichtigt wie die Nichterwerbseinnnahmen38. Zusätzliche Einnahmen unterliegen nur dann der krankensozialversicherungsrechtlichen Beitragspflicht, wenn sie neben einer Rente der gesetzlichen Rentenversicherung oder sonstigen Versorgungsbezügen erzielt werden39. Das in diesen Fällen beitragspflichtige Arbeitseinkommen umfaßt den nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit, aus Land- und Forstwirtschaft sowie aus einem Gewerbebetrieb. Einkünfte aus Kapitalvermögen und aus Vermietung und Verpachtung bleiben hingegen auch neben einer Rente oder sonstigen Versorgungsbezügen unberücksichtigt. Gleichermaßen fließen Erträge aus dem Vermögen – insofern zeigen sich Parallelen zu den Überschußeinkünften i. S. d. Einkommensteuerrechts – nicht in die krankensozialversicherungsrechtliche Beitragsbemessungsgrundlage ein. Abweichungen von diesem Grundsatz bestehen nur in einigen wenigen atypischen Fällen, in denen das Produktionsvermögen den Erwerb durch die Arbeitsleistung wesentlich bestimmt40. Ein Beispiel hierfür bildet die Versicherung von Unternehmern, bei denen ein Arbeitsentgelt fehlt und der Erwerb im Unternehmergewinn besteht, oder in Fällen landwirtschaftlichen Unternehmertums, dessen Ertrag meist nicht in Buchführung oder Bilanz exakt festgestellt werden kann, sondern sich aus Einheits- und Durchschnittswerten ergibt, welche anhand des bearbeiteten Grund und Bodens ermittelt werden41.

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Der Rente vergleichbar sind Einnahmen dann, wenn sie zum einen im Katalog des § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 5 SGB V aufgeführt sind und zum anderen wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- und Hinterbliebenenversorgung gezahlt werden, § 229 Abs. 1 S. 1 SGB V. 38 Eine Grenze statuiert hier erst § 5 Abs. 5 SGB V, wonach die Versicherungspflicht und damit die Anwendbarkeit des § 226 Abs.1 SGB dann entfällt, wenn hauptberuflich eine selbständige Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Bezieht dieser Arbeitnehmer daneben noch eine Rente oder eine vergleichbare Versorgung, muß er aus allen drei Einnahmen Pflichtbeiträge entrichten. 39 §§ 226 Abs. 1 Nr. 4 SGB V; 162 Nr. 1; 165 Abs. 1 SGB VI für die Rentenund Krankenversicherung; vgl. auch § 153 SGB VII; 57 SGB XI; 342 SGB III. Die selbständige Tätigkeit i. S. d. § 15 Abs. 1 S. 1 SGB IV ist dabei umfassender als die der selbständigen Arbeit i. S. d. §§ 2 Abs. 1 Nr. 3; 18 EStG, da sie im Gegensatz zu diesem auch die Gewinneinkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, §§ 2 Abs. 1 Nr. 1, 13 EStG und auch Gewerbebetrieb, §§ 2 Abs. 1 Nr. 3, 15 EStG, umfaßt. 40 F. Kirchhof, SDSRV 35 (1992), S. 65, 82. 41 BSGE 53, 280, 285 ff.

B. Einkommensteuer und Krankensozialversicherung

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Mit der sog. Beitragsbemessungsgrenze42 hält das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung einen weiteren Unterschied zum Einkommensteuerrecht bereit: Hiernach wird das Erwerbseinkommen der Krankenversicherten nicht unbeschränkt zur Beitragsbemessung herangezogen, sondern hat nur bis zur Höhe der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze Relevanz. Übersteigt das Einkommen diese Marke, entfällt durch das Erreichen der sog. Jahresarbeitsentgeltgrenze43 zugleich die Versicherungspflicht. Zusätzlich zieht das Krankenversicherungsrecht die Arbeitgeber unter Anwendung des identischen Maßstabes zur Beitragszahlung heran. Auch eine solche Konstruktion kennt das (Einkommen-)Steuerrecht nicht44. b) Die freiwillig Versicherten Bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze besteht in der gesetzlichen Krankenversicherung unter bestimmten Voraussetzungen eine Versicherungsberechtigung als freiwilliges Mitglied fort. Die freiwillig Versicherten erfahren gegenüber den Pflichtversicherten eine abweichende beitragsrechtliche Behandlung. Während die Beitragsbemessung bei Versicherungspflichtigen abschließend durch das Gesetz geregelt ist, andere Einnahmen also nicht berücksichtigt werden dürfen, gelten für freiwillige Mitglieder und ihnen Gleichgestellte die Bestimmungen der durch die jeweilige Krankenkasse erlassene Satzung, welche die Beitragsbemessung nach deren gesamter wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit sicherzustellen hat45. Diese 42

Vgl. § 223 Abs 3 S. 1 SGB V. In der gesetzlichen Krankenversicherung bildet die Jahresarbeitsentgeltgrenze, §§ 6 Abs. 1 Nr. 1, 223 Abs. 3 SGB V, die Obergrenze. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind Arbeitnehmer nur versicherungspflichtig, soweit ihr Arbeitsentgelt die sog. Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht überschreitet. Die Entgeltgrenze knüpft dabei seit 1971 an die dynamisierte Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung an, vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V. 44 Allerdings existiert auch im Steuerrecht die Haftung für fremde Steuerschuld und den gesamtschuldnerischen Verbund mehrerer Steuerschuldner (Schenker und Beschenkter bei der Schenkungssteuer). 45 § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V. Nach § 180 Abs. 4 RVO a. F. war die Bemessungsgrundlage für freiwillige Mitglieder, die keinen Grundlohn im Sinne von Abs. 1 S. 1 der Vorschrift bezogen, durch den Kassenvorstand zu bestimmen. Die Ausübung dieser Ermächtigung war an keine gesetzliche Vorgabe gebunden. Die Kassen behalfen sich lediglich mit einem Rückgriff auf § 313a RVO a. F., welcher unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit eröffnete, für freiwillige Mitglieder die grundsätzlich nach Maßgabe des bisherigen Pflichtbeitrags festgeschriebene Beitragshöhe ausnahmsweise nach den „Einkommensverhältnissen“ herab- und nach dem „Gesamteinkommen“ heraufzusetzen. Das BSG hielt beide Begriffe inhaltlich für deckungsgleich und führte hierfür die Bezeichnung als „gesamte wirtschaftliche Lage“des Versicherten ein. Nach der vom 1. Januar 1989 an geltenden Regelung (§ 180 Abs. 4 RVO in der Fassung des KVKG) waren die Beiträge aller freiwilli43

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

„wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ umfaßt Einnahmen als wiederkehrend zufließende, nicht um gesetzliche Abzüge verminderte geldliche und geldwerte Zuwendungen46. Dabei sind der Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags freiwillig Versicherter nach der amtlichen Begründung alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, zugrunde zu legen47. Hierzu zählen in erster Linie die bei den Pflichtversicherten zu berücksichtigenden Einkunftsarten. Über das Arbeitsentgelt, die Renten, Versorgungsbezüge und das Arbeitseinkommen hinaus sind jedoch auch sonstige Einnahmen wie Kapitalerträge sowie Miet- und Pachteinnahmen beitragspflichtig. Insoweit besteht über die Erheblichkeit von Nichterwerbseinkünften hinaus eine weitere Ähnlichkeit mit dem Einkommensteuerrecht: Die Kassen berücksichtigen bei den freiwillig Versicherten die sonstigen Einnahmen abzüglich der üblichen Steuerabzugsbeträge, wie allgemeine Freibeträge, Werbungskosten48 oder Betriebsausgaben. Sonderabschreibungen, Verlustanrechnungen und andere Vergünstigungen mindern die Bemessungsgrundlage freiwillig Versicherter hingegen nicht49. Der Pflichtversichertenbeitrag bildet die Mindesthöhe der Sozialabgabenlast freiwillig Versicherter50. Über die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und aus Kapitalvermögen hinaus erhöhen auch Sozialleistungen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und unterliegen damit grundsätzlich der Beitragspflicht, wenn und soweit sie zum Bestreiten des Lebensunterhalts dienen51.

gen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Arbeitsentgelt und den sonstigen Einnahmen zum Lebensunterhalt zu bemessen. Seit Inkraftreten des GRG, also des § 240 Abs. 1 S. 1 SGB V ist die Beitragsbemessung für freiwillige Mitglieder wiederum durch Satzung zu regeln. 46 BT-Drucks. 11/2237, S. 225: „Die Regelung bedeutet nicht, daß der Beitragsberechnung automatisch bestimmte Einnahmen unterstellt werden könnten, ohne daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geprüft wird“. 47 Engelhard, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1, § 54 Rn. 183 ff. 48 Nach dem Urteil des BSG vom 23.09.1999 – B 12 KR 12/98 – sind bezüglich der Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung die Schuldzinsen für die Finanzierung des Miet- oder Pacht-objektes zu berücksichtigen. Gleichermaßen gehören nach § 9 Abs. 1 S. 1 EStG „auch Schuldzinsen“ zu den Werbungskosten i. S. d. § 9 Abs. 1 S. 1 EStG, soweit sie mit einer Einkunftsart, hier aus Vermietung und Verpachtung, in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen. 49 W. Kannengießer/C. Kannengießer, in: FS Klein, S. 1119, 1122. 50 Nach Abs. 2 des § 240 SGB IV sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, welche bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrundeliegen. Aus § 240 Abs.2 S.1 SGB V ergibt sich, daß ein horizontaler Verlustausgleich zwischen Arbeitsentgelt und Negativeinkünften aus anderen Einkommensarten unzulässig ist, da diese Möglichkeit versicherungspflichtig Beschäftigten verwehrt ist, vgl. BSG, SozR 2200, § 180 Nr.16.

B. Einkommensteuer und Krankensozialversicherung

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Weniger eindeutig ist die beitragsrechtliche Behandlung von Vermögen freiwillig Versicherter bzw. dessen Umwandlung in Geld52. Für eine Berücksichtigung des Vermögens spricht zwar, daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht nur durch Einnahmen beschrieben werden kann, sondern auch die durch die Vermögensbasis bestimmte potentielle Leistungsfähigkeit umfaßt. Gerade bei Veräußerungsvorgängen besteht der Zweck zumeist darin, den Gesamterlös zur Verwendung zum Lebensunterhalt mit Erhaltung eines bestimmten Lebensstandards auf Lebenszeit zu verwenden. Betrachtet man jedoch § 223 Abs. 2 SGB V, bestimmt dieser ausdrücklich, daß die Beiträge allein nach den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder bemessen werden. Daß zur Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit allein die Einnahmen herangezogen werden dürfen, bestätigt auch der durch das Gesundheitsstruktur-Gesetz eingefügte § 238a SGB V, der von „sonstigen Einnahmen, die die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds bestimmen“, spricht. Eine rein vermögensbezogene Beitragsbemessung kommt daher nicht in Betracht53.

III. Der Abgabentarif Bei dem Vergleich zwischen einkommensteuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Abgabenbemessung stehen sich der progressive Tarif des Einkommensteuerrechts einerseits und der proportionale Tarif des Sozialversicherungsrechts andererseits gegenüber. Der Einkommensteuertarif des § 32a EStG setzt sich aus einer NullZone54, zwei linear-progressiven Zonen55 und der daran anschließenden Proportionalzone56 zusammen. Im Unterschied zum Einkommensteuerrecht liegt der Abgabenbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung ein linearer Abgabentarif zu51 Vgl. hinsichtlich der zu berücksichtigenden Sozialleistungen Engelhard, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1, § 54 Rn 185 f. 52 Für die Einbeziehung des Vermögens sind: Klose, NZS 1992, S. 129, 130; Storr, SGb 1990, S. 479, 481. In Einklang mit der hier vertretenen Ansicht sprechen sich gegen die Einbeziehung von Vermögen aus: Peters, in: Kasseler Kommentar, § 240 SGB V, Rn. 17; Töns, SozVers 1990, S. 123. 53 So auch Engelhard, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1, § 54 Rn. 191. 54 Bis zu einem Betrag von 7.235 EUR werden keine Steuern erhoben. 55 Zu unterscheiden sind eine untere und eine obere Progressionszone: Zwischen 7.236 EUR und 9.251 EUR werden die Einkommenszuwächse mit einem von 19,9 Prozent bis 25 Prozent besteuert. Zwischen 9.252 EUR und 55.007 EUR werden die Einkommenszuwächse mit einem von 25 Prozent bis 48,5 Prozent linear progressiv ansteigenden Steuersatz belastet. 56 Ab 55.008 EUR werden die Einkommenszuwächse proportional mit dem Spitzensteuersatz von 48,5 Prozent belastet.

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

grunde57. Die Krankensozialversicherungsbeiträge werden in Höhe eines gegenüber der Bemessungsgrundlage konstanten Prozentsatzes aus dem beitragspflichtigen Einkommen des Versicherten erhoben58. § 248 SGB V sieht für Versicherungspflichtige hinsichtlich der Versorgungsbezüge und des Arbeitseinkommens den halben allgemeinen Beitragssatz vor. Im Zusammenwirken mit der Beitragsbemessungsgrenze ist der Anteil der Sozialversicherungsabgaben am Einkommen des Versicherten um so geringer, je mehr das Einkommen des Versicherten die Beitragsbemessungsgrenze überragt. Insoweit hat der Beitrag im Gegenstand zur Einkommensteuer keine progressive, sondern eine degressive Struktur. Diese Aussagen gelten zwar grundsätzlich auch für die freiwillig Versicherten. Eine für die freiwillig Versicherten nachteilige Beitragsbelastung folgt jedoch daraus, daß sie auf alle Einkünfte den vollen Beitragssatz zu entrichten haben, § 241 SGB V.

IV. Zwischenresümee Das Einkommensteuerrecht und das Krankensozialversicherungsrecht definieren die Kriterien ihrer Abgabenbemessung grundsätzlich eigenständig und unabhängig voneinander59. Zwar nimmt das sozialversicherungsrechtliche Beitragsrecht durchaus auf die Regelungen des Einkommensteuerrechts 57 Während der Beitragssatz in der gesetzlichen Rentenversicherung, in der knappschaftlichen Rentenversicherung, in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung und in der sozialen Pflegeversicherung vom Gesetzgeber bundeseinheitlich festgelegt wird, erfolgt die Beitragssatzfestsetzung in der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Vertreterversammlung bzw. seit dem 1.11.1996 durch den Verwaltungsrat der jeweiligen Krankenkasse mittels einer Satzungsregelung. Eine Einschränkung des aus der Selbstverwaltung folgenden Rechts zur Festsetzung der Beitragssätze erfolgt durch die §§ 242 ff. SGB V insbesondere für Studenten und Rentner. Die besonderen Beitragssätze für letztere orientieren sich nicht an den kassenindividuellen allgemeinen Beitragssätzen der jeweiligen Krankenkasse, sondern am durchschnittlichen Beitragssatz aller Krankenkasen, Vgl. §§ 245, 247 SGB V. 58 Neben dem allgemeinen Beitragssatz, §§ 242 ff. SGB V, kennt das Krankensozialversicherungsrecht Ermäßigungen und Erhöhungen des allgemeinen Beitragssatzes. Ein ermäßigter Beitragssatz wird erhoben, wenn kein grundsätzlich kein Anspruch auf Krankengeld besteht oder dieser zulässigerweise beschränkt worden ist, § 243 SGB V. Ein gegenüber dem allgemeinen Beitragssatz erhöhter Beitragssatz ist gemäß § 242 SGB V dann zu erheben, wenn ein Mitglied bei Arbeitsunfähigkeit keinen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts oder auf Zahlung einer die Versicherungspflicht begründende Sozialleistung für mindestens sechs Wochen hat. Die ermäßigten und erhöhten Beitragssätze bilden insoweit ein Äquivalent für die Leistungsinanspruchnahme der Krankensozialversicherten. 59 Isensee, in: Zacher (Hrsg.), Die Rolle des Beitrags, S. 461, 470, weist darauf hin, wie „archaisch und roh“ die sozialversicherungsrechtliche gegenüber der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage ist.

B. Einkommensteuer und Krankensozialversicherung

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Bezug. So interpretiert der Sozialversicherungsgesetzgeber für den Bereich der Sozialversicherung das Gesamteinkommen als „Summe der Einkünfte im Sinne des Einkommensteuerrechts“ und das Arbeitseinkommen als den „nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelten Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit“60. An anderer Stelle trägt er dem Verordnungsgeber auf, „eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Regelungen des Steuerrechts“61 sicherzustellen. Wäre jedoch eine inhaltliche Übereinstimmung der krankensozialversicherungsrechtlich relevanten Begriffe des Arbeitsentgelts und des Arbeitseinkommens mit den einkommensteuerlich erheblichen Einkünften aus nichtselbständiger und selbständiger Tätigkeit beabsichtigt gewesen, hätte es dieser nur in Teilbereichen gesetzlich anvisierten Annäherungen an das Einkommensteuerrecht gerade nicht bedurft. Daß weder eine dynamische Verweisung auf das Einkommensteuerrecht noch eine Verwendung der einkommensteuerlichen Begriffe erfolgte, läßt einen inhaltlichen Vorrang des Einkommensteuerrechts gegenüber dem krankensozialversicherungsrechtlichen Beitragsrecht als abwegig erscheinen. Auch der Begriff des für freiwillig Versicherte entscheidenden Bemessungskriteriums der „gesamte(n) wirtschaftliche(n) Leistungsfähigkeit“ stellt sich nicht zwingend als „Brückenschlag“ zum Einkommensteuerrecht dar. Ein diesbezüglicher Verweis auf die Einheit der Rechtsordnung und eine hieraus abzuleitende Forderung nach einheitlichen Begrifflichkeiten innerhalb der Gesamtrechtsordnung62 würde die Verwendung einheitlicher Termini in beiden Teilrechtsordnungen voraussetzen. Dieses ist jedoch nicht der Fall. Zwar knüpft das Einkommensteuerrecht nach allgemeiner Meinung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen an, verwendet den Terminus selbst im Gesetz aber nicht. Soweit sich der Sozialversicherungsgesetzgeber tatsächlich auf die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften bezieht, kommt hierin lediglich die auf eine kostengünstige Verwaltungsvereinfachung gerichtete Intention des Gesetzgebers zum Ausdruck, mittels einer möglichst weitgehenden Verknüpfung von Sozial- und Steuerrecht Abgrenzungs- und Beurteilungsschwierigkeiten vermeiden zu wollen63. Insbesondere die Ermächtigungsnorm des § 17 SGB IV dient dazu, den im Grunde eigenständigen sozial60

§§ 15, 16 SGB IV. § 17 Abs. 1 S. 1 SGB IV. 62 Hierzu umfassend Felix, Einheit der Rechtsordnung, S. 11 ff.; Engisch, Einheit der Rechtsordnung, S. 45; Meincke, StuW 1992, S. 188, 189. Vgl. auch Burger, VSSR 1991, S. 257, 280, welcher einheitliche Begrifflichkeiten innerhalb der Hilfsund Förderungssysteme für geboten hält, das Sozialversicherungsrecht von diesem Gebot aber ausnimmt. 63 Vgl. Lehner/Stellmacher, SGb 1995, S. 100, 102. 61

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

versicherungrechtlichen Begriff des Arbeitsentgelts in Randbereichen einzuschränken, um insbesondere für das Lohn- und Beitragsverfahren für die Sozialversicherung, das sich an dem arbeitsrechtlichen Bruttolohnanspruch orientiert, aus Vereinfachungsgründen eine möglichst einheitliche Berechnungsgrundlage zu erreichen. Nach dem Vergleich der einkommensteuerrechtlichen und sozialversicherungsrechtlichen Abgabenbemessung rückt nun die zentrale Fragestellung dieser Arbeit ins Blickfeld. Der Reformvorschlag einer Ausweitung der krankensozialversicherungsrechtlichen Bemessungsgrundlage auf die Nichterwerbseinkünfte wird aufgegriffen und – zunächst ungeachtet seiner Verfassungskonformität – im sozialpolitischen Meinungsbild dargestellt.

C. Die Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage im Spektrum sozialpolitischer Finanzierungsvorschläge In den vergangenen Jahren kam eine Vielzahl von Reformvorschlägen zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung auf. Soweit diese der Beitragsfinanzierung in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht die grundsätzliche Existenzberechtigung absprechen, richten sich die Reformbemühungen zum Beitragsrecht auf die Maximierung konfligierender Strukturprinzipien der Sozialversicherung64: Zum einen wird die Stärkung des Versicherungscharakters durch die Betonung des Risikoäquivalenzprinzips, zum anderen die Stärkung des Solidarcharakters durch den Ausbau der solidarisch-umverteilenden Elemente angestrebt. Reformperspektiven, welche einen Umbau der gesetzlichen Krankenversicherung in Richtung einer versichertenorientierten Umgestaltung des Gesundheitswesens anvisieren, erwägen insbesondere die partielle Ausgliederung zu versichernder Risiken aus der Sozialversicherung und eine Reduktion des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung auf eine Grundsicherung65. Die Beiträge sollen unter dem Gesichtspunkt versicherungstechnischer Äquivalenz bzw. risikounabhängig als Pro-Kopf-Beiträge66 kalkuliert werden. Hiermit einher ginge die teilweise bzw. vollstän64

Vgl. hierzu Wasem, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1, § 3 Rn. 124 ff. Dieser Ansatz prägt die sozialpolitische Entwicklung insgesamt und wird derzeit mit der Reform der Rentenversicherung umgesetzt, um die Beitragssätze der gesetzlichen Rentenversicherung zu stabilisieren, vgl. hierzu Bäcker, KritV 2001, S. 51, 52. 66 Breyer schlägt vor, insoweit zwischen sach- und einkommensbezogenen Leistungen zu differenzieren. Während erstere durch einheitliche Pro-Kopf-Beiträge finanziert werden sollen, sei für die Einkommensersatzleistung „Krankengeld“ ein geringer einkommensproportionaler Zusatzbeitrag zu erheben, vgl. Breyer, KritV 2001, S. 48, 50. 65

C. Die Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage

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dige Verlagerung der Distribution auf das Steuersystem. Konsequent könnte ein solches Modell sogar auf die parafiskalische Organisationsform des Krankenversicherungsschutzes verzichten und statt dessen eine Versicherungspflicht bei privaten Krankenversicherungsunternehmen vorsehen67. Die Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage auf Nichterwerbseinkünfte als Prüfungsgegenstand dieser Arbeit läßt sich der diametral entgegengesetzten Grundsatzposition zuordnen68. Diese stellt die Verteilungsgerechtigkeit zwischen den Versicherten in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen. Sie spricht sich für eine Stärkung der solidarisch-umverteilenden Elemente aus, um die „Brüche“ der gegenwärtig in der gesetzlichen Krankenversicherung realisierten Umverteilungskonzeption zu reduzieren69. Über eine Ausweitung der Bemessungsgrundlage hinaus strebt diese Ansicht – mehr oder weniger konsequent – die Beitragsbemessung nach einer umfassenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit an. Expansionsbestrebungen existieren sowohl in „horizontaler“ als auch in „vertikaler“ Richtung: So beabsichtigt eine Vielzahl von Reformvorschlägen, im Wege einer horizontalen Ausweitung einzelne Personengruppen in den krankensozialversicherungsrechtlichen Personenkreis zu implementieren. In diesem Sinne verlangten die Mitglieder der Fraktion der SPD und DIE GRÜNEN im Deutschen Bundestag im Jahre bereits 1988 zur „Ausweitung des Solidarausgleichs“ die Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze und die Ausdehnung des Kreises der zur freiwilligen Versicherung Berechtigten auf „Beamte und vergleichbare öffentliche Bedienstete“70. Die Fraktion der SPD wiederholte diese Forderung in einem Antrag an den Deutschen Bundestag im Jahre 1992; beitrittsberechtigt sollten innerhalb einer „Erklärungsfrist“ neben Beamten auch Selbständige sein71. In vertikaler Hinsicht diskutiert 67 Vgl. Beske/Zalewski, Gesetzliche Krankenversicherung, S. 69 ff.; Merklein, Die überfällige Reform, S. 77; Arnold, ErsK 1993, S. 365, 368 ff.; Philipp, Arzneimittellisten und Grundrechte, S. 193; Kronberger Kreis, Mehr Markt im Gesundheitswesen; Henke, in: Hansmeyer (Hrsg.), Finanzierungsprobleme der deutschen Einheit, Bd. 2, S. 118 ff. 68 Wasem, in: Groser/Weber/Leienbach/Feige (Hrsg.), Beiträge zur sozialen Ordnungspolitik, S. 31 ff.; Brümmerhoff, in: Hansmeyer (Hrsg.), Finanzierungsprobleme der sozialen Sicherung, Bd. 2, S. 192 ff.; Speziell die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen befürwortend Wasem, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1, § 3 Rn. 126; Schulin, in: ders. (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1, § 6 Rn. 184. 69 Mit der Einbeziehung von geringfügig beschäftigten Arbeitnehmern in die Sozialversicherungspflicht durch das Gesetz zur Neuregelung der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse vom 24.03.1999 hat sich das Beitragsrecht der Sozialversicherung bereits in diese Richtung bewegt. 70 Zu den Auswirkungen einer Neudefinition der in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversicherten Personenkreise vgl. SVR für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, SG 1997, Bd. II, S. 289 ff. 71 Vgl. BT-Drucks. 11/3480, S. 21 f., 31; 12/3226, S. 6 f.

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

man seit langem zum einen die Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung72. Auch findet sich der Vorschlag der kompletten Abschaffung der Beitragsbemessungsgrenze als sog. „Friedensgrenze“ gegenüber der privaten Krankenversicherung73. Über die Ausweitung der Bemessungsgrundlage auf Nichterwerbseinkünfte hinausgehend wird vereinzelt eine weitergehende Annäherung an das Einkommensteuerrecht dahingehend befürwortet, auch den progressiven Tarif der Einkommensteuer auf das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung zu übertragen74. Die Vielfalt von Reformoptionen zeigt sich auch durch einen Blick auf die europäischen Nachbarstaaten. Die europäischen Staaten weisen kein einheitliches System sozialer Sicherung auf, sondern verfügen traditionell über völlig unterschiedliche Typen von Krankenversicherungssystemen und nationalen Gesundheitsdiensten75. Die Versuche der meisten europäischen Länder, die sozialstaatlichen Leistungen und ihre Finanzierung den veränderten Rahmenbedingungen anzupassen, haben zu teilweise ähnlichen Ver72 Vgl. Schulin, in: ders. (Hrsg.), HBSVR, § 6 Rn. 75, 184 f.; Fuchsloch, NZS 1996, S. 153, 155 f.; Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 263. Zu den Effekten einer Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung vgl. SVR für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, Sondergutachten 1997, Bd. II, S. 284 ff. 73 Rebscher, ErsK 2000, S. 158; PKV-Publik 2000, S. 62, 66 f.; Boetius/Wiesemann, Die Finanzierungsgrundlagen in der Krankenversicherung, 1998. So auch SVR, Sondergutachten 1997, Bd. II, S. 264; Pfaff, in: Busch/Pfaff/Rindsfüßer (Hrsg.), Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 77, 89: Die Ergebnisse von Untersuchungen der Auswirkung einer Anhebung der Beitragsbemessungs- und der Versicherungspflichtgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung zeigen, daß eine solche Maßnahme lediglich eine Beitragssatzsenkung von durchschnittlich 0,67 Prozentpunkten erwarten ließe. Die Finanzlage der gesetzlichen Krankenversicherung ließe sich hierdurch also nicht maßgeblich entschärfen. 74 So Düttmann, Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 93. 75 Eine grundsätzliche Kategorisierung der europäischen Systeme sozialer Sicherung gelingt mittels der Fragestellung, ob bzw. inwieweit eine direkte Beziehung zwischen der Leistungsgewährung und -gestaltung einerseits, der Aufbringung der zu ihrer Finanzierung erforderlichen Mittel andererseits besteht, vgl. Schmähl, in: v. Maydell/Ruland (Hrsg.), SRH, A. 4, Rn. 21. Als Grundtyp gelten zum einen die sog. „Bismarck-Länder“, charakterisiert durch an das Arbeitsverhältnis anknüpfende, überwiegend beitragsfinanzierte Sozialversicherungssysteme, welche die Leistungsbemessung mehr oder weniger an den geleisteten Beitragszahlungen ausrichten (z. B. Deutschland, Italien, Spanien, Belgien, Österreich, Griechenland, Luxemburg, Portugal). Ihnen gegenüber stehen die sog. „Beveridge-Länder“, in denen die sozialen Sicherungssysteme als überwiegend steuerfinanzierte allgemeine Staatsbürgerversorgung konzipiert sind und die Leistungsbemessung mehr oder weniger an standardisierte Bedarfssituationen anknüpft (z. B. Großbritanien, Irland, Dänemark, Niederlande, Schweden, Norwegen, Finnland), vgl. hierzu Döse, in: Döse/Höland/ Schallhöfer/Roethe (Hrsg.), Neue Formen und Bedingungen der Erwerbsarbeit in Europa, S. 1 ff.

C. Die Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage

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änderungstendenzen geführt. So waren kaum radikale Veränderungen der bestehenden Finanzierungssysteme zu erkennen. Generell wuchs jedoch der Anteil der Steuermittel gegenüber den Beitragseinnahmen als Finanzierungsquellen. Zugleich läßt sich eine Abkehr von den Arbeitgeberbeiträgen als Mittel der Finanzierung sozialer Sicherung beobachten76. Als Beispiel einer Trennung von Versicherung und Redistribution läßt sich das Schweizer System der Absicherung gegen soziale Risiken anführen. Die Maximierung der Versicherungskomponente erfolgt hier durch die Erhebung einkommensunabhängiger, aber auf Eintrittsalter und Geschlecht bezogener Pro-Kopf-Beiträge, welche damit wesentlich stärker als das deutsche Krankenversicherungssystem versicherungstechnische Aspekte berücksichtigen77. Anstelle einkommensbezogener Sozialversicherungsbeiträge wurden für Geringverdiener steuerfinanzierte Beitragssubventionen eingeführt. Als ein Exemplar der Stärkung des Solidargedankens durch eine Ausweitung der beitragsrelevanten Einkünfte gelten die Niederlande78. Im Zuge der Oort-Reformen von 1990 wurde dort das beitragspflichtige Einkommen für sämtliche Volksversicherungen der einkommensteuerlichen Bemessungsgrundlage angeglichen. Seither bilden die Volksversicherungsbeiträge einen Aufschlag auf die erste Stufe des niederländischen Einkommensteuertarifs. Bei den Arbeitnehmern wird der Beitrag zusammen mit der Einkommensteuer und auf der gleichen Bemessungsgrundlage wie diese eingezogen. Als Kompensation gewähren die Arbeitgeber den Arbeitnehmern einen auf der Grundlage des modifizierten Bruttolohns berechneten Lohnzuschlag. Kumulativ hat jeder Versicherte einen einkommensunabhängigen jährlichen Beitrag als „nominale Prämie“ zu entrichten79. In die gleiche Richtung tendiert das französische Beitragsrecht80: Im Jahre 1983 hob man für die Ver76 Vgl. hierzu Klammer, in: Döring/Hauser/Schmähl (Hrsg.), Soziale Leistungen und ihre Finanzierung, S. 431. 77 Hierzu Oeter, SozVers 1997, S. 309 ff.; Oberender, in: Siebert (Hrsg.), Sozialpolitik auf dem Prüfstand, S. 105. 78 Die soziale Krankenversicherung in den Niederlanden umfaßt im Gegensatz zur gesetzlichen Krankenversicherung Deutschlands nur 65 Prozent der niederländischen Bevölkerung. 79 Vgl. Winters, ASP 1994, S. 10; Pöhler, Alterssicherung in der Europäischen Union, Bd. V, S. 153; Müller, ID Nr. 237, 1993, S. 1, 2. In ähnlicher Weise wurde im Jahre 1997 auf Grundlage des Art. 17 § 2 des 2. GKV-Neuordnungsgesetzes vom 23. Juni 1997 (BGBl. S. 1520) von den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen Deutschlands ein Pauschalbetrag in Höhe von 20 DM (sog. Krankenhausnotopfer) erhoben. Zur Verfassungsmäßigkeit dieser Abgabe vgl. BVerfG, 1 BvR 1942/99 vom 13.03.2001. 80 Vgl. Berg/Tettmann, ZBR 1983, S. 217, 218; Igl, SDSRV 35 (1992), S. 129, 142; Ohler, Die Arbeitslosenversicherung in Frankreich, S. 110.

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

sicherten die Beitragsbemessungsgrenze auf und weitete diese Maßnahme zwischen 1989 und 1991 auf die ausschließlich arbeitgeberfinanzierten Familienleistungen aus. Mit dem Ziel einer einkommensproportionalen Belastung aller Haushaltseinkommen wurde 1991 die „contribution sociale généralisée“ eingeführt, welche seitdem alle Arbeitseinkünfte, aber auch einen Teil der Kapital- und Vermögenseinkünfte in Höhe von zunächst 1,1 und heute 3,4 Prozent zur Finanzierung von Familienausgaben belastet. Auch die im Jahre 1996 eingeführte „remboursement de la dette sociale“ als weitere allgemeine Abgabe auf noch breiterer Einkommensbasis81 zeigt, daß das französische Sozialversicherungsrecht die Expansion der Bemessungsgrundlagen und damit der Finanzierungsbasis als Strategie zur Lösung der Finanzierungsschwierigkeiten bevorzugt.

D. Die krankensozialversicherungsrechtliche Bemessungsgrundlage im Lichte finanzwissenschaftlicher Vorgaben Als hochkomplexes System mit hohem Finanzvolumen steht die Sozialversicherung in mannigfaltigen Wechselwirkungen mit der gesamtwirtschaftlichen Lage. Jede Modifizierung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessung muß daher zugleich die Vielschichtigkeit der Materie in Rechnung stellen. In besonderer Weise wird diese durch ökonomische Fragestellungen geprägt. Insofern ist die Ausgestaltung der krankensozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessung auch auf ihre Vereinbarkeit mit finanzwissenschaftlichen Zielvorgaben zu hinterfragen. Herausragendes Merkmal finanzwissenschaftlicher Beurteilungen ist die Effizienz, welche sich nach dem Verhältnis von Mittelaufwand und Leistung bestimmt82. Das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung ist dann ökonomisch sinnvoll, wenn es einen größtmöglichen Beitrag zur Verwirklichung der Effizienz leistet. Der Vorstellung der sog. Pareto-Effizienz entsprechend ist ein Zustand einem anderen vorzuziehen, wenn zumindest ein Individuum eine Erhöhung seines Nutzens erfährt, ohne daß ein anderes benachteiligt wird83. 81 Diese Bemessungsgrundlage bezieht sogar die meisten Sozialversicherungsleistungen ein. 82 Der Gesichtspunkt der Effektivität beurteilt demgegenüber das Verhältnis von politisch formulierter Zielsetzung des sozialpolitischen Programms und dem tatsächlichen Grad der Zielerreichung, vgl. Wasem, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1 § 3, Rn. 71. Er verweist auf die in der Finanzwissenschaft vertretene These der „Ineffizienz staatlicher Sozialpolitik“. Diese beruht darauf, daß einerseits der Markt als das im allgemeinen effizienteste Steuerungsinstrument angesehen wird, andererseits staatliche Sozialpolitik sich typischerweise nichtstaatlicher Instrumente bedient.

D. Die krankensozialversicherungsrechtliche Bemessungsgrundlage

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I. Die allokative Effizienz Eine der wichtigsten wohlfahrtsökonomischen Zielsetzungen, welche auch für die normative Analyse von Sozialmaßnahmen gilt, stellt das Allokationsoptimum dar. Die allokationsneutrale Finanzierung als Teilbereich der gesamtwirtschaftlichen Allokation führt zu einer Verbesserung der Allokationseffizienz und eröffnet damit potentiell den Weg für eine Steigerung des gesamtgesellschaftlichen Nutzens84. Allokationstheoretisch soll jede hoheitliche Abgabe in erster Linie Verzerrungen relativer Preise zwischen den einzelnen Gütern verhindern85. Steigt nämlich der Preis eines Faktors bei relativer Konstanz aller übrigen Faktorpreise, ist bei einem nutzenmaximierenden Verhalten vernünftiger Zahlungspflichtiger damit zu rechnen, daß diese Verteuerung bei konstanten Grenzwertprodukten zu einer Verschiebung des Faktoreinsatzverhältnisses führt. Entscheidungsneutral erhobene, also allokationseffiziente Abgaben verursachen hingegen keine derartigen Ausweichhandlungen86. Die relative Verteuerung eines Faktors läßt sich unter Allokationsgesichtspunkten nur dann rechtfertigen, wenn sie durch seinen Einsatz in der Produktion oder volkswirtschaftliche Knappheitsverhältnisse begründet ist. Hat eine Abgabenerhebung also die Internalisierung von Kosten hinsichtlich eines bestimmten Faktors zum Ziel, dürfen diesem nur die Ausgaben angelastet werden, welche unmittelbar durch ihn anfallen. Die Sozialversicherungsbeiträge in ihrer gegenwärtigen Ausgestaltung erfüllen diese Anforderungen nicht. Indem sie fast ausschließlich den Faktor Arbeit belasten, beeinflussen sie die relativen Faktor- und Produktpreise sehr viel unmittelbarer als der größte Teil der Steuereinnahmen87 und stehen in ihrer Wirkung einer „Lohnsummensteuer“88 gleich. Da die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausschließlich beschäftigungsverhältnisbezogene Ausfälle kompensieren, ist die einseitige Belastung des Faktors Arbeit auch nicht Ausdruck internalisierter Kosten des Produktionseinsatzes89. Die erwerbsbezogene Beitragsbemessung läßt sich demnach aus Allokationsgesichtspunkten heraus nicht rechtfertigen. Diesen 83 Behrens, Die ökonomischen Grundlagen des Rechts, S. 84 m. w. N.; vgl. auch Heun, Der Staat 31 (1992), S. 205, 209. 84 Hopmann, Finanzierung der Sozialleistungssysteme, S. 52. 85 Die zusätzliche Nutzeneinbuße bei der Belastung einzelner Güter wird als Zusatzlast („exzess burden“) bezeichnet, vgl. Klodt, Volkswirtschaftslehre für Juristen, S. 85. 86 Schneider, Investition, Finanzierung und Besteuerung, S. 169. 87 Hopmann, Finanzierung der Sozialleistungssysteme, S. 51 m. w. N. 88 Sell, ZSR 1997, S. 526. 89 Hopmann, Finanzierung der Sozialleistungssysteme, S. 88.

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

würde vielmehr eine stärkere Orientierung an äquivalenztheoretischen Überlegungen entsprechen90.

II. Die distributive Effizienz Der Marktprozess führt zu einer typischerweise ungleichmäßiger als erwünschten Einkommens- und Vermögensverteilung. Hieran anknüpfend strebt das Distributionsziel eine mehr oder weniger starke Nivellierung der Primärverteilung an91. Der Topos distributiver Effizienz stellt an das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung in zweierlei Hinsicht Anforderungen: Einerseits müssen die Verteilungswirkungen der Normen mit den entsprechenden normativen Zielvorstellungen übereinstimmen. Andererseits gilt auch für distributive Maßnahmen das Gebot einer möglichst allokationsneutralen Ausgestaltung. Hinsichtlich beider Gesichtspunkte enthält das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung Schwachpunkte: Die Einkommensverteilung in der gesetzlichen Krankenversicherung ist weit vom Stadium der „Verteilungseffizienz“ entfernt92. Zwar ergibt sich bei Auswertung durchgeführter Untersuchungen, daß die vertikale Einkommensumverteilung zwischen den Versicherten innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung in die „politisch und gesetzlich erwünschte“ Richtung, nämlich von Beziehern höherer zu Beziehern niedrigerer Einkommen, stattfindet93. Jedoch weist das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung auch zahlreiche Defizite auf: Sowohl die berufsabhängige Statuierung der Versicherungspflicht als auch die Außerachtlassung der über das Erwerbseinkommen hinausgehenden Einnahmen widersprechen dem Kriterium der Leistungsfähigkeit. Die Ergebnisse von Modellrechnungen zeigen allerdings, daß eine Verbreiterung der Beitragsbemessungsgrundlage allein nur im geringen Maße zu einer höheren Leistungsfähigkeitsorientierung der Finanzierung und damit zu einer 90 Zum allokationspolitischen Gebot der Bemessung hoheitlicher Abgaben nach dem Äquivalenzprinzip vgl. Schmidt, in: F. Neumark/N. Andel (Hrsg.), Handbuch der Finanzwissenschaft, Bd. 2, S. 136 ff. 91 Petersen, Finanzwissenschaft, Bd. I, S. 29. Das Distributionsziel selbst ist in der Finanzwissenschaft nicht unumstritten, da es den ausschließlich an der Einnahmenerzielung orientierten Bereich verläßt und mit der interpersonellen Einkommens- und Vermögensumverteilung aufgrund übergeordneter, politisch festgelegter Gründe sozialer Gerechtigkeit außerfiskalische Zielsetzungen berührt, vgl. Haller, Finanzpolitik, S. 213 ff. 92 Das Stadium der Ineffizienz ist immer schon dann erreicht, wenn andere Umverteilungsmaßnahmen, z. B. direkte monetäre Transfers, eine günstigere allokative und distributive Wirkung haben, vgl. Andel, Finanzwissenschaft, S. 435. 93 Vgl. insoweit Adam/Henke, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1, § 4 Rn. 24.

D. Die krankensozialversicherungsrechtliche Bemessungsgrundlage

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höheren Verteilungseffizienz des Einkommensausgleichs führt. Unter Beibehaltung einer Beitragsbemessungsgrenze käme es bei einer derartigen Finanzierung zwar im Bereich der unteren Einkommen zu einer Annäherung an die zum Gesamteinkommen proportionale Beitragserhebung. Gleichzeitig würde aber bei einem niedrigen Beitragssatz die konstante Beitragsbemessungsgrenze verstärkt regressive Wirkungen hervorrufen und damit die mittleren Einkommensgruppen im besonderen Maße belasten. Eine Erhöhung der Verteilungseffizienz durch Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage ließe sich daher erst unter entsprechender Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze erreichen94. Da distributive Maßnahmen das rationelle Funktionieren der Wirtschaft möglichst wenig beeinflussen sollen, müssen auch diese möglichst entscheidungsneutral erhoben werden. Für die Verwirklichung des Distributionsziels wäre die Ausweitung der sozialversicherungsrechtlichen Bemessungsgrundlage daher auch unter folgendem Gesichtspunkt förderlich: Eine verzerrende Beeinflussung der Faktoralloktion durch staatliche Eingriffe wäre um so unwahrscheinlicher, je weiter man die Bemessungsgrundlage ausdehnt95. Auch aus diesem Grunde wäre hinsichtlich der Verwirklichung des Distributionsziels eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage einer ausschließlichen Orientierung am Erwerbseinkommen vorzuziehen.

III. Zwischenresümee Unter allokativen Gesichtspunkten wären versicherungsmathematisch bemessene Abgaben optimal. Dem distributiven Ziel hingegen käme eine an der umfassenden Leistungsfähigkeit der Versicherten orientierte Beitragsgestaltung am ehesten entgegen. Solange die Erhebung der Sozialversicherungsbeiträge kumulativ beide Ziele verfolgt, läßt sich ein unter Effizienzgesichtspunkten als optimal zu bezeichnender Zustand nicht erreichen. Vielmehr müßten die sozialversicherungsrechtlichen Abgaben hierfür an einem der beiden Verteilungsziele ausgerichtet sein. Da insofern auch eine Aufspaltung des Sozialversicherungsbeitrags in verschiedene Bestandteile möglich ist, wäre als Grundform einer verteilungseffizienten Finanzierung die Trennung des gesamten Beitragsvolumens in zwei Teile, einen an der bedarfsgerechten Versorgung ausgerichteten leistungsfähigkeitsorientierten

94 Vgl. hierzu Wenzel, Finanzierung des Gesundheitswesens und interpersonelle Umverteilung, S. 71 ff. 95 Hopmann, Finanzierung der Sozialleistungssysteme, S. 53: „Ferner scheint es allokativ günstiger zu sein, daß das Steuersystem aus mehreren verschiedenen Steuern und nicht nur aus einer oder zwei Steuern besteht, so daß die Grenzsteuersätze auf jede Aktivität relativ gering gehalten werden.“

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

und einen an allokativen Zielsetzungen ausgerichteten äquivalenorientierten Teil, denkbar. Für die nachfolgende verfassungsrechtliche Untersuchung sind diese finanzwissenschaftlichen Erkenntnisse nur von sehr beschränktem Wert. Keinesfalls darf deren pauschale und unreflektierte Übernahme in das Verfassungsrecht erfolgen96. Denn im Gegensatz zur Finanzwissenschaft basiert das Krankensozialversicherungsrecht nicht auf idealen Modellvorstellungen, sondern muß sich an den Bezugsrahmen des geltenden Rechts halten97. Diese Überlegung steht jedoch keiner vollständigen Absage an die Rezeption ökonomischer Erkenntnisse in das Recht gleich. Jedenfalls darf das Recht insoweit mit Hilfe ökonomischer Überlegungen ausgelegt werden, als Tatbestände erkennbar Einfallstore für diese bieten, also spezifisch ökonomische Begriffe verwenden98. Über die insoweit gebotene Heranziehung finanzwissenschaftlicher Erkenntnisse hinaus muß der Gesetzgeber sein Tätigwerden jedoch nicht primär an ökonomischen Gesichtspunkten ausrichten99. Gerade bei dem Erlaß von Gesetzen geht es regelmäßig um die Verwirklichung komplexer Zielvorstellungen, die sich – wie Wallerath darlegt – nicht auf ein „Oberziel der Gewinn- und Vermögensmaximierung“ beschränken lassen, sondern komplementär zum wirtschaftlichen Prozeß der Gütererzeugung und Verteilung von Gütern nicht-ökonomische Ziele, wie z. B. Verständlichkeit und Akzeptanz, beinhalten100. Im übrigen dürfen Anforderungen an die Verfassungsmäßigkeit von Abgabengesetzen nicht so detailliert aus der Verfassung abgeleitet werden, daß dem Gesetzgeber kein angemessener Gestaltungsspielraum mehr verbleibt. Auch aus diesem Blickwinkel fordert das Grundgesetz nicht die unter Effizienzgesichtspunkten „ideale Steuer“, sondern steht lediglich dem evidenten Mißverhältnis zwischen gesetzgeberischer Zwecksetzung und der Wahl der für ihre Verwirklichung eingesetzten Mittel entgegen. Wie Schlaich insoweit zutreffend pointiert formuliert, schuldet „der Gesetzgeber (. . .) ein wirksames, also gültiges und verfassungsmäßiges Gesetz“101, nicht aber ein effizientes Gesetz. Ungeachtet einer (verfassungs-)rechtlichen Verpflichtung zum Erlaß effizienter Gesetze erscheint schon die Vorstellung, ökonomisch optimale wirt96

Vgl. Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 254 ff. zu den Unterschieden von Recht und Finanzwissenschaft in Erkenntnisinteresse und anzuwendenden Methoden. 97 Vogel/Waldhoff, in: Dolzer (Hrsg.), BK, Vorb. Art. 104a Rn. 20. 98 So hat der Verfassungsgesetzgeber beispielsweise in den Art. 104a Abs. 4, 109 Abs. 2, 4; 115 Abs. 1 S. 2 GG den ökonomisch geprägten Begriff des „gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ in die Verfassung aufgenommen. 99 Leisner, Effizienz als Rechtsprinzip, S. 24, 58 ff. 100 Wallerath, VerwArch 88 (1997), S. 1, 17. 101 Schlaich, Das Bundesverfassungsgericht, Rn. 506.

E. Stand der verfassungsrechtlichen Diskussion

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schafts- und sozialpolitische Vorschläge würden von Politikern aufgegriffen und gemeinwohlmaximierend verwirklicht, sicherlich verfehlt. Zum einen läßt sich das absolute Ausmaß effizienter Umverteilung nicht normativ herleiten, sondern ist stets auch eine politische Entscheidung102. Denn die Entscheidung über die Bereitschaft der „Nettozahler“, aus eigenem abzugeben, ohne eine entsprechende Gegenleistung zu erhalten, wird nicht am Markt, sondern im politischen Prozeß und aufgrund von Werturteilen erzeugt103. Nur hier kann der Konflikt zwischen allokativen und distributiven Zielvorstellungen entschieden werden. Darüberhinaus würde die Entscheidung für ein als effizient beurteiltes Gesetz voraussetzen, daß die innerhalb des institutionellen Rahmens zuständigen Entscheidungsträger gemeinwohlmaximierend handeln, ihre eigenen Ziele insoweit also der gesamtwirtschaftlichen Effizienz unterordnen. Auch dieser Vorstellung setzt das „politisch Mögliche“ gerade bei der Umverteilung als politisch brisanter Fragestellung Grenzen. Die Abhängigkeit von den spezifischen Erfolgsparametern des politischen Wettbewerbs läßt die politischen Entscheidungsträgern regelmäßig den „Rationalitätsvorstellungen der (einfachen) Mehrheit“104 folgen.

E. Stand der verfassungsrechtlichen Diskussion Entgegen seiner politischen Präsenz und Brisanz war die Verfassungskonformität der Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen bisher kaum Gegenstand verfassungsrechtlicher Erörterungen. Wie ein Vergleich mit der Dogmatik des Steuerrechts zeigt, besteht generell ein erhebliches Defizit an rechtswissenschaftlichen Untersuchungen zur Erhebung und Ausgestaltung sozialversicherungsrechtlicher Abgaben. Im Gegensatz zu der Flut von Veröffentlichungen über durch das Sozialversicherungssystem zu erbringende Leistungen blieb die Abgabenseite, der Finanzierungsmodus der Sozialversicherungsbeiträge allgemein, geschweige denn des Krankensozialversicherungsbeitrags im besonderen, bisher weitgehend unbeachtet105. Auch die jüngst erschienenen Monographien106 vermochten diese Lücke nicht voll102 Die sog. Neue Politische Ökonomie analysiert die Probleme der Durchsetzung einer normativ zielkonformen Umverteilungspolitik im politischen Wettbewerb und politischinstitutionell verursachte Fehlanreize, die zu Fehlsteuerungen der Umverteilungspolitik führen können, vgl. hierzu Volkert, IAW-Mitteilungen 2/2000, S. 23 ff. 103 Schmölders, Finanzpolitik, S. 252; vgl. auch Korioth, Der Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, S. 217. 104 Zum Problem der Zielkonflikte im Rahmen politischer Entscheidungsprozesse vgl. Wallerath, JZ 2001, S. 209, 214. 105 Isensee, in: Zacher (Hrsg.), Die Rolle des Beitrags, S. 461, 462 spricht von einem „dogmatischen Gefälle zwischen Steuerrecht und Beitragsrecht“. 106 Im vergangenen Jahr erschienen folgende Habilitationsschriften zum Sozialversicherungsrecht: Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung; Butzer, Die

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

ständig zu schließen. Die Fragestellung nach der Geltung des Leistungsfähigkeitsprinzips im Sozialversicherungsrecht greift allein die Arbeit Beckers auf. Dabei nimmt er jedoch nicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts bezug, sondern sucht am Beispiel der gesetzlichen Rentenversicherung nach übergreifenden Prinzipien sowohl für die Abgabenerhebung als auch für das System staatlicher Leistungserbringung. Die vorliegende Untersuchung konzentriert sich demgegenüber auf den Sozialversicherungszweig der gesetzlichen Krankenversicherung, welcher aufgrund seiner spezifischen Leistungsstrukturen in besonderer Weise für eine Expansion der Beitragsbemessungsgrundlage prädestiniert zu sein scheint. Im folgenden sollen die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und des Bundessozialgerichts auf ihren Aussagengehalt über die Verfassungskonformität beitragspflichtigen Nichterwerbseinkommens hin beleuchtet werden.

I. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Bemessungsmaßstab des Krankensozialversicherungsbeitrags in der höchstrichterlichen Rechtsprechung In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts107 und des Bundessozialgerichts108 findet sich bisweilen die Formulierung, die Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge folge der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Indem sich innerhalb des Kreises der Versicherten die Beitragsbemessung an der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten orientiere, sei der Gedanke der Solidarität und des sozialen Ausgleichs gerade im Versicherungsverhältnis der gesetzlichen Krankenversicherung sichtbar. Da sich die Entscheidungen auf die jeweils geltende Ausgestaltung des Krankensozialversicherungsbeitrags beziehen, lassen diese Aussagen nicht ohne weiteres den Standpunkt der Gerichte hinsichtlich der Verfassungskonformität beitragspflichtigen Nichterwerbseinkommens als Ausdruck einer einkommensteuerlich verstandenen Leistungsfähigkeit erkennen. Insoweit beinhaltet die Bezugnahme auf die Bemessung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit lediglich eine Unbedenklichkeitserklärung hinsichtlich der erwerbseinkünftebezogen definierten Leistungsfähigkeit. Fremdlasten in der Sozialversicherung; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich; Hase, Das Versicherungsprinzip. 107 Vgl. BVerfGE 76, 256, 304: „Für die Beitragsbemessung maßgebend ist (. . .) die individuelle Leistungsfähigkeit eines jeden Versicherten, gemessen an seinem Arbeitseinkommen.“ 108 BSG, in: ErsK 1980, S. 555, 556; 1985, S. 350; 1987, S. 435, 437. Für die gesetzliche Krankenversicherung vgl. BSG, in: SozR 3-2500, § 224 Nr. 4, S. 15, 18.

E. Stand der verfassungsrechtlichen Diskussion

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Die nachfolgend dargestellten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts gehen hingegen über die Billigung der gegenwärtigen einkommensbezogenen Beitragsbemessung hinaus und äußern sich explizit zu den verfassunsgrechtlichen Vorgaben der gesetzgeberischen Ausgestaltung der krankensozialversicherungsrechtlichen Leistungsfähigkeit. Aus diesen zum Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung ergangenen höchstrichterlichen Entscheidungen wird deutlich, daß das Bundesverfassungsgericht die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkünften auch für Pflichtversicherte grundsätzlich als verfassungskonforme Option des Gesetzgebers in Betracht zieht. 1. Entscheidung zur Beitragsbemessung für Rentnerpensionäre In seiner Entscheidung zur Bemessung des Beitrags zur Krankenversicherung der Rentner für Rentnerpensionäre vom 6.12.1988109 stellte das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung der sozialversicherungsrechtlichen Bemessungsgrundlage für die Durchführung der verfassungsrechtlich als notwendig angesehenen Verwirklichung des Solidarprinzips heraus. Das Gericht billigte hinsichtlich der Beitragsbemessung in der Krankenversicherung der Rentner die über die Rente hinausgehende zusätzliche Einbeziehung von beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen und bezeichnete die vom Gesetzgeber vorgenommene Ausweitung der Bemessungsgrundlage von der Rente auf die beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge als aufgrund des Solidarprinzips verfassungsrechtlich geboten. Die gesetzliche Krankenversicherung entspreche dem Solidarprinzip dadurch, daß die besserverdienenden Versicherten durch höhere Beiträge für den Versicherungsschutz der weniger gut Verdienenden aufkommen und deshalb der Beitrag für die bedürfnisgerecht gewährten Leistungen im Interesse der sozialen Gerechtigkeit enstprechend der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Versicherten gezahlt werde110. Das Solidarprinzip fordere, Versicherte nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, d. h. mit ihrem gesamten Einkommen mit Beiträgen zu belasten111. Bei der Festlegung der Kriterien zur Ermittlung des gesamten Einkommens haben – so die allgemeine Aussage des Bundesverfassungsgerichts – auch tatsächliche Entwicklungen in der Einkommenssituation der Versicherten Berücksichtigung zu finden. Bezogen auf die Krankenversicherung der Rentner konkretisierte das Gericht, das lange Zeit „ausgewogene System“ – 109 110 111

BVerfGE 79, 223, 236. BVerfGE 79, 223, 236. BVerfGE 79, 223, 237.

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

solange nämlich typischerweise nur Personen von der gesetzlichen Krankenversicherung erfaßt wurden, deren beitragspflichtiges Einkommen regelmäßig deren „Gesamteinkommen“ darstellte – habe eine Veränderung erfahren, als mit der Schaffung der Krankenversicherung der Rentner Personen sehr unterschiedlicher beruflicher Herkunft in die Versicherungspflicht einbezogen wurden. Anders als in früheren Jahren sei eine niedrige Rente nicht ohne weiteres mit einer geringen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gleichzusetzen. Die beamtenrechtlichen Versorgungsbezüge erhöhten in gleicher Weise wie die Rente die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Rentnerpensionäre112. „Wenn das Solidaritätsprinzip unter diesen – neuen – Bedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung seine sinngebende Funktion, insbesondere seine Legitimation für die Abstufung der Beiträge nach der witschaftlichen Leistungsfähigkeit behalten soll, dann dürfen die Beiträge pflichtversicherter Rentner, die neben ihrer Rente noch andere, ebenfalls aus beruflicher Betätigung herrührende und der Sicherstellung der Altersversorgung dienende, also vergleichbare Einnahmen haben, nicht mehr allein nach der Höhe der Rente bemessen werden“113. 2. Die Entscheidung zur Behandlung einmalig gezahlten Arbeitsentgelts Auch in seinem Beschluß vom 11.1.1995 zur Behandlung einmalig gezahlten Arbeitsentgelts114 in der Krankenversicherung, der Rentenversicherung und der Arbeitslosenversicherung knüpfte das Bundesverfassungsgericht an seine bisherigen Entscheidungen mit der Feststellung an, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Versicherten sei als Maßstab für die Beitragsbemessung anerkannt. Im Unterschied zu seinen früheren Entscheidungen zog das Bundesverfassungsgericht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit in diesem Beschluß jedoch nicht allein als solidaritätsbezogenes Kriterium der Abgabenbemessung heran, sondern betonte zugleich dessen Bedeutung für die Bemessung der einkommensbezogenen sozialversicherungsrechtlichen Leistungen. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sei im Sozialversicherungsrecht zwar einerseits Maßstab für die Heranziehung zu den Sozialversicherungsbeiträgen. Andererseits bilde die durch den Versicherungsfall eingetretene Einbuße an wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit aber auch den Maßstab für die Berechnung der Lohnersatzleistungen. Es bedürfe eines rechtfertigenden Grundes, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit innerhalb ein und derselben Versichertengruppe im Beitrags- und 112

BVerfGE 79, 223, 237. BVerfGE 79, 223, 237. 114 BVerfGE 92, 53, 70. Diese Entscheidung wird durch die Entscheidung des Ersten Senats vom 24. Mai 2000 – 1 BvL 1/98 u. a. – bestätigt. 113

E. Stand der verfassungsrechtlichen Diskussion

49

Leistungsrecht unterschiedlich zu definieren115. Bezüglich der beitrags-, nicht aber leistungsrechtlich berücksichtigten Einmalzahlungen sah das Bundesverfassungsgericht einen solchen Rechtfertigungsgrund nicht als gegeben an. 3. Die Entscheidung zum Zugang zur Krankenversicherung der Rentner Den vorläufigen Schlußpunkt der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Bedeutung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung setzt die Entscheidung vom 15.3.2000116 zum Zugang zur Krankenversicherung der Rentner. Das Bundesverfassungsgericht hatte Verschärfungen des Zugangs zur Krankenversicherung der Rentner für solche Versicherte zu beurteilen, deren zweite Hälfte des Erwerbslebens durch Pflichtversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung geprägt war. Es stellte eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegenüber den in der Krankenversicherung der Rentner Versicherten fest. Zur Behebung des Gleichheitsverstoßes zeigte das Gericht dem Gesetzgeber zwei Optionen auf: Zum eine liege es im Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, die Zugangsvoraussetzungen für die betroffenen Rentner zu entschärfen. Zum anderen habe der Gesetzgeber die Möglichkeit, die beitragsrechtlichen Folgen der Zuordnung von Versicherten zur Krankenversicherung für die pflichtversicherten Rentner einerseits und für die freiwillig versicherten Rentner andererseits einander anzunähern117. Hiermit beanstandete das Bundesverfassungsgericht erstmals die durch das Sozialversicherungsrecht vorgenommene Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Über den eigentlichen Gegenstand der Entscheidung hinausgehend nahm das Gericht zu der prinzipiellen Frage Stellung, ob Sozialversicherungsbeiträge nur auf der Grundlage des Arbeitseinkommens oder auch auf der Grundlage anderer Einkünfte, etwa solcher aus Vermietung, Verpachtung oder selbständiger Tätigkeit, zu erheben seien. Der Gesetzgeber habe unter Berücksichtigung sozialer und ökonomischer Veränderungen festzustellen, inwieweit die Annahmen, auf denen die bisherige Regelung aufbaue, noch Gültigkeit besäßen. Es beauftragte den Gesetzgeber mit der Prüfung, ob das Ausmaß der zwischen den freiwillig Versicherten und den Pflichtmitgliedern bestehenden Unterschiede in der Beitragsbemessung noch unter dem Gesichtspunkt der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit gerechtfertigt sei. 115 116 117

BVerfGE 92, 53, 71 f. BVerfG, in: JZ 2001, S. 141 ff. BVerfG, in: JZ 2001, S. 141, 144.

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

4. Zwischenresümee Während das Gericht mit dem bloßen Verweis auf die „wirtschaftliche Leistungsfähigkeit“ als Differenzierungskriterium der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessung noch offenließ, inwieweit dem gesetzgeberischen Spielraum bei deren Ermittlung Grenzen gesetzt sind, trug es in den dargestellten Entscheidungen zur Präzisierung der legislativen Gestaltungsbefugnis bei. Bei Auswertung der Entscheidungen wurden drei Aspekte deutlich: Zum einen haben die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen zur Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts tatsächliche Entwicklungen in der Einkommenstruktur der Versicherten zu beobachten und in die Beitragsbemessung einfließen zu lassen. Erhöht sich die finanzielle Leistungskraft der Versicherten, muß sich – wie aus der Entscheidung zum Beitragsrecht der Rentnerpensionäre und zum Zugang zur Krankenversicherung der Rentner ablesen läßt – auch die Finanzierungsgrundlage der gesetzlichen Krankenversicherung ändern. Unklar bleibt hingegen, ob das Bundesverfassungsgericht in der Konsequenz dieser Feststellung auch die Einbeziehung jeglicher Einnahmen, insbesondere Nichterwerbseinnahmen, in die sozialversicherungsrechtliche, zumindest aber in die krankensozialversicherungsrechtliche Beitragsbemessungsgrundlage billigt bzw. sogar fordert118. Aus der Entscheidung zum Zugang zur Krankenversicherung der Rentner geht nämlich nicht eindeutig hervor, inwiefern die Maßgaben tatsächlich auf die Gesamtheit der (Kranken-)Sozialversicherten Anwendung finden sollen oder ob zwischen der Krankenversicherung der Erwerbstätigen einerseits und der Krankenversicherung der Rentner andererseits zu differenzieren ist119. Jedenfalls für die Gruppe der versicherungspflichtigen Rentner scheint das Bundesverfassungsgericht die Ausrichtung des Beitragsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung an einer alle Einkunftsarten berücksichtigenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als eine verfassungsmäßige Handlungsoption des Gesetzgebers anzusehen. Diesbezüglich kann entgegen einiger Stimmen in der Literatur nicht weiter davon ausgegangen werden, daß das Bundesverfassungsgericht trotz der Verwendung des „hier unglücklichen Begriff der Leistungsfähigkeit“120 eine klare Trennlinie zwischen der erwerbsbezogenen sozialversi118 Nach Ansicht von Huster ist nicht davon auszugehen, daß „das Verfassungsgericht angesichts dieser Ausnahmekonstellation das gesamte Beitragsrecht der Sozialversicherung revolutionieren wollte“, vgl. ders., JZ 2002, S. 371, 374; zurückhaltend insoweit auch U. Becker, NZS 2001, S. 285 f. 119 Ulrich, NZS 2001, S. 281, 285: „Denn bei freiwillig Versicherten liegt das Einkommen typischerweise über der Beitragsbemessungsgrenze und wird insoweit durch Krankenversicherungsbeiträge nicht gemindert.“

E. Stand der verfassungsrechtlichen Diskussion

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cherungsrechtlichen Leistungsfähigkeit und der umfassenden einkommensteuerlichen Leistungsfähigkeit zieht.

II. Verfassungsrechtliche Problemimplikationen einer Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen Nach der überwiegenden Anzahl der Stellungnahmen in der sozialversicherungsrechtlichen Literatur121 läßt sich eine Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen nicht mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben vereinbaren. Der Begriff der Leistungsfähigkeit – so wird argumentiert – beziehe sich im Sozialversicherungsrecht ausschließlich auf die im Arbeitseinkommen beruhende Leistungsfähigkeit122. Damit unterscheide sich die Leistungsfähigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Beitragsrecht gerade vom einkommensteuerlichen Leistungsfähigkeitsbegriff, welcher sich nicht auf das Arbeitsentgelt beschränke123. Eine Ausweitung der beitragspflichtigen Einnahmen sei ebenso unzulässig wie die Einführung progressiver Abgabentarife oder die Aufhebung der Beitragsbemessungsgrenze. Der Rückgriff auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit könne daher im Sozialversicherungsrecht nur insoweit erfolgen, als dieser Terminus vom steuerrechtlichen Terminus unterschieden werde und allein „das Arbeitseinkommen u. ä. in bestimmten Bemessungsgrenzen“124 erfasse. Einerseits befürchtet man bei Einbeziehung von Nichterwerbseinkünften in die sozialversicherungsrechtliche Beitragsbmessungsgrundlage eine „Aushöhlung des Steuerstaates“. Sozialversicherungsbeiträge seien bereits wegen ihres Sonderlastcharakters im Vergleich zur Gemeinlast „Steuer“ nicht nach Maßgabe einer steuerlich verstandenen Leistungsfähigkeit zu erheben. Zum anderen wird auf den Bedeutungsgehalt des verfassungsrechtlichen Begriffs Sozialversicherung im Grundgesetz rekurriert: Allein die Anknüpfung an das Arbeitseinkommen lasse sich mit der „Tradition“ vereinbaren, 120 So F. Kirchhof, NZS 1999, S. 161, 167, welcher den höchstrichterlich verwendeten Terminus der „Leistungsfähigkeit“ zwar als ungenau bezeichnete, diesen aber als in einem anderen als im einkommensteuerlichen Sinne verwendet verstand. 121 F. Kirchhof, SDSRV 35 (1992), S. 65, 81; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 15 f.; W. Kannengießer/U. Kannengießer, in: FS Klein, S. 1119, 1134 ff.; Wallerath, SDSRV 45 (1999), S. 7, 16. Jang, Soziale Umverteilung im Sozialversicherungsbeitrag, S. 84, sieht die Orientierung der Sozialversicherungsbeiträge an der erwerbsbezogenen Leistungsfähigkeit aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität als geboten an. 122 Vgl. Isensee, Referat zum 59. DJT, Bd. 2, Q 33, Q 50 f. 123 W. Kannengießer/U. Kannengießer, in: FS für Klein, S. 1119, 1138. 124 So F. Kirchhof, SDSRV 35 (1992), S. 65, 81.

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

welche das „hundertjährige Bild der Sozialversicherung“ zugrundlege. Die Belastung der Versicherten nach ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit i. S. d. Einkommensteuerrechts stehe dem herkömmlichen System der Sozialversicherung entgegen, welches auf den präsumtiven Ausfall von Arbeitsentgelt abstelle und damit die Abdeckung eines tätigkeitsbezogenen Risikos bezwecke125. Insbesondere lasse sich die Implementierung von Nichterwerbseinkünften in die krankensozialversicherungsrechtliche Bemessungsgrundlage nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbaren: Der Charakter des Sozialversicherungsbeitrags als Sonderlast verhindere ein gesetzgeberisches Tätigwerden, welches zur Verwirklichung des Solidarausgleichs auf die steuerliche Leistungsfähigkeit der Versicherten abstellt. Würden die Termini einkommensteuerlicher und sozialversicherungsrechtlicher Leistungsfähigkeit nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich gleichgesetzt, unterläge das Einkommen der Versicherten anders als das der Nichtversicherten zweifach unter demselben Gesichtspunkt der Belastung durch fremdnützige Abgaben126. Überdies sperre sich insbesondere die Beteiligung der Arbeitgeber an der Finanzierung der Sozialversicherung gegen eine Ausweitung der Bemessungsgrundlage. Denn der Arbeitgeberbeitrag lasse sich nur insoweit legitimieren, als er an das Arbeitsentgelt der Versicherten anknüpfe. Nach Ansicht von Schulin127 hingegen steht der Einführung einer einkommensteuerlich verstandenen Leistungsfähigkeit als Anknüpfungspunkt der Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung im Gegensatz zu den anderen Sozialversicherungszweigen kein verfassungsrechtliches Verdikt entgegen. Vielmehr hält er eine derartige Modifizierung des Beitragsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung für verfassungsrechtlich geboten. Da in diesem Sozialversicherungszweig die Besonderheit bestehe, daß der Beitrag der freiwillig Versicherten128 nicht am Erwerbseinkommen, sondern an deren Gesamteinkommen anknüpft, sei es gleichheitsrechtlich notwendig, auch die Beitragspflichtigkeit Pflichtversicherter auf sonstige Einkünfte zu erstrecken. Neben der Gleichstellung der Beitragsbemessung von Pflicht- und freiwillig Versicherten erscheine die Beitragsbemessung nach dem Gesamteinkommen in der gesetzlichen Krankenversicherung auch deshalb sachgerecht, weil diese im besonderen Maße vom sozialen Ausgleich geprägt sei129. 125

So Wallerath, SDSRV 45 (1999), S. 7, 16. Vgl. F. Kirchhof, in: Isensee/P. Kirchhof, HbStR, Bd. IV, § 93, Rn. 18; ders., in: NZS 1999, S. 161, S. 166. 127 Vgl. Schulin, 59. DJT 1992, S. E 1, 37, 60; ähnlich Labuhn, BKK 1982, S. 429, 430 f.; Kloepfer, VSSR 2 (1974), S. 156, 167. 128 Vgl. § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V, § 57 Abs. 4 SGB XI i.V. m. § 240 Abs. 1 S. 2 SGB V. 126

F. Gang der verfassungsrechtlichen Untersuchung

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F. Gang der verfassungsrechtlichen Untersuchung Die Untersuchung beschränkt sich darauf, im Wege eines „Schrankenund Eingriffsdenkens“ die gesetzgeberische Gestaltungsfreiheit bei der Ausgestaltung der krankensozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessung aufzuzeigen. Es werden keine Entwürfe erarbeitet, die darauf zielen, das verfassungsrechtliche Wertsystem bestmöglich zu beachten. Die zentrale These dieser Arbeit ist, daß sich die beitragsrechtliche Einbeziehung von Nichterwerbseinkünften nicht mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben gegenüber dem Krankensozialversicherungsbeitrag vereinbaren läßt. In folgenden Abschnitten soll diese These verifiziert werden: Ausgangspunkt der Untersuchung ist die Fragestellung, inwiefern das Grundgesetz explizit Vorgaben für die Bemessung von Sozialversicherungsabgaben bzw. für Bemessung hoheitlicher Abgaben allgemein enthält (A). Anschließend sind die Kompetenznormen des Grundgesetzes auf ihren Aussagengehalt zur Ausgestaltung der krankensozialversicherungsrechtlichen Abgabenbemessung hin zu beleuchten. Gegenstand der Erörterung soll zum einen die Finanzverfassung der Art. 104a ff. GG sein (B). Darüberhinaus ist der Bedeutungsinhalt der „Sozialversicherung“ i. S. d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zu bestimmen. Es gilt zu klären, ob sich schon der sozialversicherungsrechtliche Kompetenztitel gegen die Erhebung einer von den erwerbsbezogenen Einnahmen losgelösten Abgabe sperrt (C). Nach der Untersuchung der Kompetenznormen rückt ein institutioneller Ansatz zur Ermittlung verfassungsrechtlicher Maßstäbe für die Bemessung von Sozialversicherungsbeiträgen in das Blickfeld. Es wird zu überlegen sein, inwiefern das Grundgesetz den status quo der Sozialversicherung und deren Beitragsrecht in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung in einer Weise schützt, welche einer Modifizierung der krankensozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessung entgegensteht (D). Nach dem objektiv-rechtlichen Ansatz soll mit Heranziehung der Freiheitsgrundrechte die individuell-rechtliche Betrachtungsweise Grenzen des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums aufzeigen. Konkret ist dieser Abschnitt darauf ausgerichtet herauszufinden, ob und in welchem Umfang die Freiheitsgrundrechte, insbesondere das Eigentumsgrundrecht und die Berufsfreiheit, der Belastung weitergehender Einkommensbestandteile entgegenstehen (E). Darüber hinaus wird zu klären sein, inwiefern das Eigentumsgrundrecht in seiner teilhaberechtlichen Dimension zumindest einen temporären Schutz gegen die Modifizierung des Beitragsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung bietet (F). 129

Vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 365.

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1. Teil: Hintergrund und Gang der Untersuchung

Die gleichheitsrechtliche Betrachtung der Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen markiert schließlich den Schwerpunkt der Arbeit (G). Für das Abstecken der aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abzuleitenden Grenzen der krankensozialversicherungsrechtlichen Beitragsgestaltung dürfen zwei Blickrichtungen nicht aus dem Auge verloren werden: Einerseits bildet der mit der Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen verfolgte Zweck einen Maßstab, an dem sich auch die Ausgestaltung der Beitragsbemessung ausrichten muß. Darüberhinaus muß eine Betrachtung der verfassungsrechtlichen Vorgaben für das (kranken-)sozialversicherungsrechtliche Beitrags-Leistungs-Verhältnis und dessen Rückwirkungen auf die dem Gesetzgeber zur Verfügung stehenden Einkommensbestandteile erfolgen (H, I). Der letzte Teil der verfassungsrechtlichen Untersuchung richtet sich auf die Kompatibilität eines vom Erwerbseinkommen losgelösten Krankensozialversicherungsbeitrags mit den für den Arbeitgeberbeitrag bestehenden verfassungsrechtlichen Legitimationsvoraussetzungen (J).

2. Teil

Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags im Lichte der Verfassungsnormen Das Grundgesetz selbst gibt Grund und Umfang der Rechtfertigungsbedürftigkeit und tatsächlichen Rechtfertigung des Prüfungsgegenstandes vor1, indem es die Legitimation der Beeinträchtigung verfassungsrechtlich geschützter Güter durch hoheitliches Handeln aufgrund gegenläufiger Prinzipien einfordert. Der Gesetzgeber darf Verfassungswerte nur einschränken, wenn und so weit ein legitimer öffentlicher Zweck es verlangt. Die Anforderungen an das Gewicht des öffentlichen Interesses sind dabei um so höher zu stellen, je intensiver der Gesetzgeber in den Grundrechtsbereich des einzelnen eindringt2. Bei der Erörterung der Frage, ob das Grundgesetz für den Umfang des Sozialversicherungsbeitrags positiv Maßstäbe liefert3, geht es nicht darum, die für jegliches Mittel staatlichen Handelns in der Verfassung niedergelegten Vorschriften herauszuarbeiten. Vielmehr soll das Grundgesetz danach untersucht werden, ob es für Sozialversicherungsbeiträge eigenständige Bemessungsregeln enthält oder ob allgemeine, nicht speziell auf das Instrument „Sozialversicherungsbeiträge“ zugeschnittene Verfassungsnormen Rechtsfolgen haben, die im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung positiv zu Maßstäben einer abschließenden Bemessungsregel für Sozialversicherungsbeiträge führen4.

A. Existenz positiver verfassungsrechtlicher Vorgaben der sozialversicherungsrechtlichen Abgabenbemessung Ausdrückliche Angaben zur Bemessung von Sozialversicherungsbeiträgen lassen sich dem Grundgesetz nicht entnehmen. Es enthält keinen eigenstän1

Vgl. Rodi, Rechtfertigung von Steuern, S. 9. Vgl. Rodi, Rechtfertigung von Steuern, S. 11. 3 Zu den Vorgaben europarechtlicher Vorschriften für die Bemessung von Sozialversicherungsbeiträgen vgl. Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 22 ff. 4 Vgl. F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 41. 2

56

2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

digen Begriff des Sozialversicherungsbeitrags, aus dem sich unmittelbar Kriterien für die Verfassungsmäßigkeit von Bemessungsmaßstäben, -sätzen und -höhen ableiten ließen. Die Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG weist dem Bund zwar die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für die Materie der „Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung“ zu und schließt dabei anerkanntermaßen die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen ein5. Aussagen über deren Bemessung trifft sie allerdings nicht. Auch Art. 87 Abs. 2 S. 1, 2 GG regelt lediglich die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenz für die Sozialversicherung im Bund-Länder-Verhältnis, beinhaltet jedoch darüber hinaus keine verfassungsrechtliche Vorgaben für die Ausgestaltung von Sozialversicherungsbeiträgen. Gleiches gilt für Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG, welcher den Bund zum Tragen der Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversicherung und der Arbeitslosenhilfe verpflichtet. Da diese Norm lediglich die Lastenverteilung im Bund-Länder-Verhältnis betrifft, bietet sie keine Grundlage für die Herleitung von Maßstäben für die Bemessung von Sozialversicherungsbeiträgen. Auch für die Bemessung von Abgaben allgemein geltende Maßstäbe lassen sich dem Grundgesetz nicht entnehmen6. Während Art. 134 der Weimarer Reichsverfassung7 noch das Beitragen aller Staatsbürger ohne Unterschied im Verhältnis ihrer Mittel zu den öffentlichen Lasten nach Maßgabe der Gesetze anordnete, fehlt dem Grundgesetz eine entsprechende Regelung. Entgegen vereinzelter Stimmen im Schrifttum8 kann aus der fehlenden Rezeption des Art. 134 WRV oder einer vergleichbaren Regelung jedoch nicht ohne weiteres auf eine grundgesetzliche Entscheidung gegen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Prinzip der Lastentragung geschlossen werden. Insbesondere hält die Entstehungsgeschichte der Verfassung keine Hinweise für die Gründe der fehlenden Rezeption des Art. 134 WRV in das Grundgesetz bereit9. Da das Grundgesetz keine ausdrücklichen Maßstäbe für die Bemessung von Sozialversicherungsbeiträgen aufzeigt, müssen die allgemeinen ver5 BVerfGE 75, 108, 148; 81, 156, 185. Vgl. auch Degenhard, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 74 Rn. 53a. 6 Allein die Bayrische Verfassung (vgl. Verfassung des Freistaates Bayern, vom 2. Dezember 1946, GVBl. 1946, S. 333 ff.) enthält noch einen mit Art. 134 WRV vergleichbaren Artikel. Gemäß Art. 123 Abs. 1 sind alle im Verhältnis ihres Einkommens und Vermögens und unter Berücksichtigung ihrer Unterhaltspflicht zu den öffentlichen Lasten heranzuziehen. 7 Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, RGBl. 1919, S. 1383 ff. 8 Martens, KritV 1987, S. 39, 47. 9 Oechsle, Die steuerlichen Grundrechte, S. 186; Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 37.

B. Vorgaben für die Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags

57

fassungsrechtlichen Regelungen zur Grenzziehung des gesetzgeberischen Spielraums bei der Ausgestaltung des Krankensozialversicherungsbeitrags herangezogen werden.

B. Die Vorgaben der Finanzverfassung für die Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags In den Art. 104a ff. GG regelt das Grundgesetz in erster Linie die steuerliche Abgabenerhebung, -verteilung und -verwendung. Für die Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen der nichtsteuerlichen Abgaben sind hingegen die allgemeinen Vorschriften der Art. 70 ff., 83 ff. GG heranzuziehen. Kompetenzrechtliche Überlegungen mit dem Ziel, verfassungsrechtliche Direktiven zur Beitragsbemessung nach einer umfassend verstandenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu gewinnen, setzen folglich Zweifaches voraus: Da die Art. 104a ff. GG lediglich für Steuern gelten, ist die Heranziehung finanzverfassungsrechtlicher Maßgaben für die Ausgestaltung des Sozialversicherungsbeitrags zum einen an deren Qualifikation als Abgabe i. S. d. Art. 104a ff. GG gebunden. Aussagen zur Übertragbarkeit einer einkommensteuerlich verstandenen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit lassen sich der Finanzverfassung zum anderen nur bei der verfassungsrechtlich-inhaltlichen Verknüpfung der Art. 104a ff. GG mit dem Leistungsfähigkeitspostulat entnehmen.

I. Der Sozialversicherungsbeitrag als nichtsteuerliche Abgabe Nichtsteuerliche Abgaben sind per definitionem solche Abgaben, die keine Steuern sind. Das Grundgesetz enthält keine Legaldefinition der Steuer, setzt jedoch einen eigenständigen Steuerbegriff voraus. Ein verfassungsrechtlicher Steuerbegriff hat nicht nur die Funktion der Eingrenzung für die Feststellung der Anwendbarkeit finanzverfassungsrechtlicher Vorschriften des Grundgesetzes. Er dient auch der Ausgrenzung nichtsteuerlicher Abgaben, die auf diese Weise den Vorschriften des X. Abschnitts des Grundgesetzes entrückt werden. Anerkanntermaßen knüpft der dem Grundgesetz zugrundeliegende Steuerbegriff an die auf Otto Meyer zurückgehende Steuerdefinition der Abgabenordnung an10. Zwar darf die einfachrechtliche Steuerdefinition nicht ohne weiteres auf die Ebene von Verfassungsrecht gehoben werden und an dessen Geltungsvorrang teilhaben11. Dies hindert jedoch nicht daran, die Merk10

Vgl. BVerfGE 67, 256, 282 mit umfassenden Rechtsprechungsnachweisen.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

male der §§ 1 Abs. 1 RAO, 3 Abs. 1 AO als Ausgangspunkt der Ermittlung eines verfassungsrechtlichen Steuerbegriffs heranzuziehen. § 1 RAO definierte Steuern als „einmalige oder laufende Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einkünften auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft“12. Nahezu inhaltsgleich beschreibt der im Jahre 1977 an die Stelle dieser Vorschrift getretene § 3 AO Steuern als „Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft; die Erzielung von Einnahmen kann Nebenzweck sein“. Steuer und Sozialversicherungsbeitrag sind gleichermaßen öffentlich auferlegte Abgaben mit Finanzierungszweck. Ebenso gelten die aus § 3 Abs. 1 AO abzuleitenden Vorgaben der Tatbestandsmäßigkeit und der Gleichmäßigkeit als Konkretisierungen des rechtsstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatzes und des Gleichheitssatzes für alle Abgaben13 und sind daher nicht geeignet, eine Trennlinie zwischen den steuerlichen und nichtsteuerlichen Abgaben zu ziehen. 1. Ertragskompetenz als Abgrenzungskriterium Auch die Ertragskompetenz ist kein geeignetes Abgrenzungskriterium der Steuer gegenüber dem Sozialversicherungsbeitrag. Zwar ordnet die Ansicht des sog. „engeren Steuerbegriffs“14 eine Abgabe nur dann der Kategorie der Steuer zu, wenn ihr Aufkommen einer der in den Art. 105 ff. GG ge11 Selbst wenn man davon ausgeht, daß der Verfassungsgeber ursprünglich von der Definition der Abgabenordnung ausging (vgl. hierzu Wieland, Konzessionsabgaben, S. 261. Vogel/Waldhoff, in: Dolzer (Hrsg.), BK, Art.105 Rn. 24), besteht die Notwendigkeit, verfassungsrechtlich relevante Wandelungen der Funktion der Steuer zu berücksichtigen. Dementsprechend führte das Bundesverfassungsgericht aus, der Steuerbegriff des Grundgesetzes knüpfe an die „seit Jahrzehnten eingebürgerte Begriffsbestimmung des gemeindeutschen Steuerrechts“ an, vgl. BVerfGE 55, 274, 299; 67, 256, 282. Er müsse aber dem „Funktionszusammenhang der bundesstaatlichen Finanzverfassung ebenso Rechnung tragen wie der Notwendigkeit, daß die Steuer in der modernen Industriegesellschaft auch zum zentralen Lenkungsinstrument aktiver staatlicher Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik geworden ist.“, BVerfGE 55, S. 274, 299; 67, S. 256, 282. 12 Puwalla, Qualifikation von Abgaben, S. 38. 13 So Jarass, Nichtsteuerliche Abgaben, S. 9. 14 Den engen Steuerbegriff vertreten Vogel/Waldhoff, in: Dolzer (Hrsg.), BK, Art. 105, Rn. 38 f.; Brodersen, in: FS Wacke, S. 103, 108; Stern, Staatsrecht, Bd. II, S. 1100; Richter, Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, S. 20 ff., 50 f.,

B. Vorgaben für die Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags

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nannten Gebietskörperschaften zufließt. Da das Aufkommen aus Sozialversicherungsbeiträgen nicht in den allgemeinen Staatshaushalt, sondern in Sonderfonds der eigenständigen Haushalte einer Vielzahl von Sozialversicherungsträgern gelangt, wären Sozialversicherungsbeiträge dieser Konstruktion keine Steuern. Begründet wird die restriktive Verwendung des Steuerbegriffs mit der Überlegung, der Bund wie auch die Länder könnten anderenfalls das sorgfältig ausgewogene System des vertikalen Finanzausgleichs durch eine beliebige Vermehrung des Kreises der Steuerträger unterlaufen15. Daher sei der Ertragszufluß konstituierendes Steuermerkmal und nicht nur Zulässigkeitskriterium. Entgegen der Argumentation zum „engeren Steuerbegriff“ geht von einer Trennung der Begriffs- und Zulässigkeitsebene keine besondere Gefahr für die Finanzverfassung aus. Die Befürchtung, die „formale“ Abgrenzung lasse Kompetenzmanipulationen und das Unterlaufen des Ertragsverteilungssystems der Art. 106, 107 GG zu, ist schon deshalb unbegründet, weil die Regeln der Finanzverfassung ebenso wie die materiell-rechtlichen Verfassungsvorgaben einen solchen Mißbrauch zuverlässig verhindern16. Die bloße begriffliche Einordnung einer Abgabe als Steuer allein ist kein „Unbedenklichkeitsattest“ auf der Rechtfertigungsebene. Die Ertragskompetenz kann kein maßgebendes Abgrenzungskriterium des Steuerbegriffs sein17; der Begriff der Steuer und die Besteuerungskompetenz einschließlich der Ertragshoheit sind daher auseinanderzuhalten. Zwar ist es durchaus denkbar, mittels einer restriktiven Abgabendefinition die tatbestandliche Zuordnung und Rechtfertigung der Abgabe auf einer Ebene zusammenzufassen18. Die Begriffsmerkmale der Abgabe würden dann im Wege der teleologischen Reduktion derart verengt, daß bei ihrer tatbestandlichen Verwirklichung eine Gefährdung verfassungsrechtlicher Schutzgüter ausgeschlossen wäre. Die besseren Gründe sprechen aber dafür, die tatbestandliche Einordnung einer Abgabe und die Kontrolle ihrer verfassungsrechtlichen Zulässigkeit als getrennte, aufeinander aufbauende Fragestellungen voneinander abzuschichten19: Daß es sich bei der Trennung von 73; Wegmann, Transverfassungsrechtliche Probleme der Sozialversicherung, S. 71. Dünnwald, DRV 1981, S. 52 f. 15 Mußgnug, in: FS Forsthoff, S. 259, 273. 16 Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 266. 17 Henseler, Legitimation von Sonderabgaben, S. 27 ff., 42 ff.; vgl. zu dieser Streitfrage auch Heun, DVBl. 1990, S. 667. 18 Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 106. In diesem Sinn sieht Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 532, in der Rechtfertigungsfähigkeit der Gebühr zugleich auch deren begriffliche Grenzen konturiert. 19 Vgl. auch Henseler, Legitimation von Sonderabgaben, S. 25; Heun, DVBl. 1990, S. 666, 667; Ehlers/Achelpöhler, NVwZ 1993, S. 1025, 1029.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Begriffs- und Zulässigkeitsebene nicht allein um einen „abgabendogmatischen Kunstgriff“20 handelt, ergibt sich zum einen aus dem Argument der begrifflichen Klarheit. Es entspricht juristisch Gewohntem, daß die Rechtsoder Verfassungswidrigkeit nicht über die begriffliche Einordnung entscheidet. Grundsätzlich ist jeder Typ in rechtmäßiger und rechtswidriger, wirksamer und unwirksamer Form denkbar21. Wer die Form der Steuer und die Besteuerungskompetenz nicht auseinanderhält, „verbaut sich die Möglichkeit, die Usurpation von Steuerzuständigkeit durch parafiskalische Hoheitsträger dogmatisch zu bewältigen, weil er die kompetenzwidrig auferlegte Steuer voreilig zu einer Unmöglichkeit erklärt“22. Die Problematik weist strukturelle Ähnlichkeiten mit der Konstruktion von Freiheitsrechten und deren Begrenzungen auf. Nach der sog. Innentheorie existiert ein Recht nur in seinen ihm von vornherein innewohnenden Grenzen, der Rechtsinhalt wird also in einem Schritt ermittelt 23. Demgegenüber ermittelt die sog. Außentheorie zunächst, ob ein prima-facie-Recht besteht. Soweit dies der Fall ist, bestimmt sich auf der Schrankenebene, ob Rechte anderer oder kollektiver Güter im konkreten Fall das prima-facieRecht beschränken. Die divergierenden Interessen werden dabei geordnet zueinander ins Verhältnis gesetzt. Auch hier erscheint – insofern bestehen Parallelen zur abgabenrechtlichen Fragestellung – die Außentheorie überzeugender: Die Zwei-Schritt-Prüfung der Außentheorie führt zu einer stärkeren Stufung der Argumentation als das Ein-Schritt-Verfahren der Innentheorie und ist somit besser geeignet, die zur Rechtsanwendung erforderlichen empirischen, analytischen und normativen Prämissen offenzulegen24. Für die begriffliche Einordnung muß daher die weite Definition ausreichen. Erfüllt eine Abgabe die materiellen Begriffsmerkmale einer Steuer, wird aber von keiner Gebietskörperschaft erhoben, verliert sie nicht ihren abgabenrechtlichen Charakter, sondern ist lediglich eine kompetenzwidrig erhobene Steuer. Die Anwendbarkeit der Art. 104a ff. GG auf den Sozialversicherungsbeitrag scheidet nicht schon aufgrund dessen parafiskalischen Charakters aus.

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Vgl. Drömann, Nichtsteuerliche Abgaben im Steuerstaat, S. 111. Meyer, Umweltressourcen, S. 64. 22 Heun, DVBl. 1990, S. 666, 668; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 39; Patzig, DÖV 1981, S. 729, 734; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 192. 23 Borowski, Grundrechte als Prinzipien, S. 31. Die Grenze, die scheinbaren und wahren Rechtsinhalt trennt, wird vielfach als immanente Grenze bezeichnet. 24 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 469: „Die entstehende Begründungsstruktur als Spiel von Grund und Gegengrund ist rational“. 21

B. Vorgaben für die Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags

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2. Gegenleistung als Abgrenzungskriterium Das maßgebliche Abgrenzungskriterium des Sozialversicherungsbeitrags gegenüber den steuerlichen Abgaben bietet das Kriterium der Gegenleistung. Für die Qualifikation einer gegenleistungsabhängigen Abgabe ist darauf abzustellen, ob diese nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung darauf angelegt ist, den Zahlungspflichtigen mit einer Gegenleistung für eine erbrachte Leistung zu belasten. Das ist bei der Steuer nicht der Fall. Die mit Steuern finanzierte Erfüllung öffentlicher Aufgaben, welche jeweils auch den einzelnen zugute kommen, sind nicht Ausdruck einer speziellen Entgeltlichkeit der Abgabe. Die Entkoppelung der Einnahmen- von der Ausgabenseite zeigt sich nach verbreiteter Argumentation schon in dem zeitlichen Nachfolgen der Mittelverwendung gegenüber der Abgabenerhebung. Die Steuerverwendung ist also bereits deshalb keine „echte Gegenleistung“, weil sie der Erhebung erst nachfolgt25. Jedenfalls fehlt es hinsichtlich der Steuer an einer dem Individuum des Zahlungspflichtigen zuzuordnenden Gegenleistung. Demgegenüber ist der Sozialversicherungsbeitrag grundsätzlich gegenleistungsabhängig. Der Sozialversicherungsbeitrag vermittelt das Recht auf Sozialversicherungsleistungen, auch wenn keine strenge synallagmatische Verknüpfung der Rechte und Pflichten von Versicherten einerseits und dem Sozialversicherungsträger andererseits besteht26. Insofern läßt sich der Sozialversicherungsbeitrag als Gegenleistung für den Versicherungsschutz begreifen27. 3. Einfluß einer horizontalen und vertikalen Expansion der Beitragserhebung auf die Rechtsnatur des Sozialversicherungsbeitrags Nach Ansicht von Isensee soll der Sozialversicherungsbeitrag bei einer Ausdehnung des Kreises Sozialversicherter auf die Gesamtbevölkerung als Steuer zu qualifizieren sein28. Isensee begründet seine Vorstellung unzulässiger Sozialversicherungsbeiträge als „verkappte“ Steuern mit der prinzipiellen Überlegung, daß eine einmal getroffene Regelung dann nicht mehr 25

Vogel/Waldhoff, in: Dolzer (Hrsg.), BK, Art.105 Rn. 43. Ulrich, NZS 2001, S. 281, 285, welcher darauf verweist, daß die Beitragszahlung weder Leistungsvoraussetzung ist noch aus ihrem Fehlen ein Recht auf Leistungsverweigerung folgt. Einem Synallagma von Beitrag und Leistung steht auch die der gesetzlichen Krankenversicherung immanente Finanzierung im Umlageverfahren entgegen. 27 Das Bundesverfassungsgericht nimmt zumindest eine partielle Kompensation der sozialversicherungsrechtlichen Lasten mit den jeweils entstehenden Vorteilen an, vgl. BVerfGE 29, 221, 237, 343. 28 So aber Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 41. 26

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

wegen etwaiger Mängel rückgängig zu machen sei, wenn sie den Erfordernissen einer anderen rechtmäßigen Maßnahme genüge29. Ein auf die Finanzierung des betreffenden Zweiges der Sozialversicherung begrenzter Beitrag ändert seinen Charakter jedoch nicht dadurch, daß ihn nicht mehr 90 Prozent, sondern 100 Prozent der Bevölkerung entrichten. Würde der Beitrag durch die Einbeziehung aller Bürger zu einer Steuer, hätten die Versicherten die Mittel ohne Anspruch auf eine entsprechende Gegenleistung und nicht beschränkt auf die Absicherung dieses Risikos aufgebracht. Gerade dieses ist aber bei den Sozialversicherungsbeiträgen auch dann nicht der Fall, wenn alle Bürger in diesen Zweig der Sozialversicherung einbezogen sind. Im übrigen würde auch die Umdeutung entsprechender Sozialversicherungsbeiträge in Steuern keine rechtmäßigen Maßnahmen herbeiführen: Als Sozialversicherungsbeiträge erhobene Abgaben genügen die den Steuern gestellten Verfassungsanforderungen nicht. Deren verfassungsrechtliche Zulässigkeit läßt sich lediglich aus Art. 105 GG bzw. aus der speziellen verfassungsrechtlichen Gesetzgebungskompetenz zur Erhebung von Steuern, wie sie beispielsweise Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 6 WRV für Kirchensteuern vorsieht, ableiten. Den Voraussetzungen dieser Kompetenzen genügt der Sozialversicherungsbeitrag nicht. Da Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG keine besondere Steuererhebungskompetenz darstellt, wären entsprechende Abgaben jedenfalls kompetenzwidrig. Gleichermaßen ist solchen Ansätzen im Schrifttum entgegenzutreten, welche dem Verhältnis von Beitrag und Leistung einen Einfluß auf die Rechtsnatur der Abgabe zubilligen. In diesem Sinne wird in der Literatur30 vorgeschlagen, Abgaben nur bis zur Höhe der Gegenleistung als nichtsteuerlich einzuordnen. Der die Gegenleistung übersteigende Anteil soll hingegen „Zwecksteuer“ sein. Solche Erörterungen zur Relevanz des Wertes der Gegenleistung für die Rechtsnatur einer Abgabe finden sich insbesondere in der Diskussion um die Abgrenzung von Steuer und Vorzugslasten. Der materiellen Sichtweise folgend verlieren Abgaben den Charakter als Gegenleistungsabgabe insoweit, als das Aufkommen der Abgabe die Kosten der Staatsleistung übersteigt31. Das für die Vorzugslast konstitutive Kriterium 29 Vgl. Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 55. Demgegenüber hält Papier, AöR 100 (1975), S. 640, 642, die Mutationsthese wegen der Vermengung von Begriffs- und Zulässigkeitskriterien für bedenklich. 30 Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 54 ff.; Kreft, Die begriffliche Abgrenzung von Steuer und Gebühr, S. 46 ff.; Leisner, in: GS Peters, S. 730 ff; Vogel, in: FS Geiger, S. 518, 536. 31 Zwischen den Vertretern des materiellen Gebührenbegriffs besteht allerdings Uneinigkeit, in welchem Zeitpunkt die Gebühr in eine Steuer bzw. Gebührensteuer umschlägt. Während beispielsweise Kreft, Die begriffliche Abgrenzung von Steuer

B. Vorgaben für die Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags

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der Gegenleistung soll allein dann erfüllt sein, wenn die Höhe der Abgabe einen bestimmten, nach der Gegenleistung zu bemessenden Betrag nicht überschreitet. Nur bis zur Höhe der entstandenen Kosten handele es sich um eine Vorzugslast, der andere Teil der Abgabe sei hingegen als Steuer zu qualifizieren. Kreft32 bezeichnet diesen Betrag als Gebührensteuer, um hiermit die Abhängigkeit der Abgabe von der Gebühr, die im kostenabhängigen Teil der Abgabe enthalten ist, zu verdeutlichen. Wie der bereits erörterte enge Steuerbegriff nimmt auch der sog. materielle Gegenleistungsbegriff für sich in Anspruch, die Gefahr des Unterlaufens der Finanzverfassung einzudämmen. Bei kompetentieller Unbeachtlichkeit des Verhältnisses von Abgabenhöhe und Gegenleistung könne der Gesetzgeber die nichtsteuerlichen Abgaben neben der Steuer zu Instrumenten der Finanzierung des allgemeinen Finanzbedarfs ausbauen und so die Regelungen der bundesstaatlichen Finanzverfassung umgehen33. Allein bei kostengebundenen Vorzugslasten sei diese spezifische Gefahr nicht gegeben, da diese trotz des theoretisch geltenden Prinzips der Nonaffektion zumindest faktisch der Deckung der speziellen Gegenleistung dienten. Für die Verfassungsmäßigkeit beitragspflichtiger Nichterwerbseinkünfte erlangt der Ansatz einer materiell gegenleistungsbezogenen Abgabendefinition insoweit Bedeutung, als bei einer dem Einkommensteuerrecht angenäherten Beitragsbemessung noch stärker als bisher die Möglichkeit bestünde, daß die Höhe des Krankensozialversicherungsbeitrags die – wie auch immer zu quantifizierende – Gegenleistung deutlich übertrifft. Die primär im Bereich der Vorzugslasten geführte Argumentation läßt sich jedoch schon deshalb nicht ohne weiteres auf Sozialversicherungsbeiträge übertragen, weil diese im Gegensatz zu Vorzugslasten nicht in den allgemeinen Staatshaushalt einfließen, sondern als parafiskalische Abgaben in die Sonderfonds der Sozialversicherungsträger gelangen. Zum anderen sieht sich die Vorstellung der materiell gegenleistungsabhängigen Rechtsnatur einer Abgabe den bereits zum „engeren Steuerbegriff“ dargelegten Argumenten ausgesetzt: Ein formal verstandener Gegenleistungsbegriff eröffnet dem Gesetzgeber – und das gilt sowohl für Vorzugslasten als auch für Sozialversicherungsbeiträge – keineswegs die Möglichkeit, über die Anwendung der Art.104a ff. GG frei zu disponieren. Den Vertretern des materiellen Gebührenbegriffs ist zwar zuzugeben, daß zum Schutz der Bürger vor gleichheitsund Gebühr, S. 47 ff., dies bei jeder Kostenüberschreitung annimmt, verlangen andere ein offenkundiges und unverhältnismäßiges Überschreiten der Kosten durch die Abgabe, vgl. Oberläuter, DÖV 1961, S. 413, 416; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 74. 32 Kreft, Die begriffliche Abgrenzung von Steuer und Gebühr, S. 46. 33 Leisner, in: GS Peters, S. 730, 732; Wendt, Die Gebühr als Lenkungsmittel, S. 54 ff.; Kreft, Die begriffliche Abgrenzung von Steuer und Gebühr, S. 202 f.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

widriger Inanspruchnahme der Abgaben feste, voraussehbare Gebührensätze bestehen müssen, welche sich auch an den Kosten der Gegenleistung orientieren. Indes können nur verfassungskonforme Abgaben in Konkurrenz zur Steuer treten. Die Prüfung des Verhältnisses von Leistung und Gegenleistung stellt sich also nicht bereits auf der Ebene der begrifflichen, sondern erst auf der Ebene der (materiellen) Rechtmäßigkeit der Gebühr34. Die Berücksichtigung der Höhe der Gegenleistung auf der Ebene der materiellen Rechtmäßigkeit bietet einen ausreichenden Schutz für die Finanzverfassung. Es muß deshalb kompetenzrechtlich unerheblich bleiben, ob die Gegenleistung der Höhe des Sozialversicherungsbeitrags entspricht. Ebensowenig wächst eine überhöhte Gebühr wegen ihres Umfangs unvermittelt in eine andere Abgabenart hinein35. Im Sinne einer formellen Abgrenzung des Sozialversicherungsbeitrags von der steuerlichen Abgabe reicht das tatbestandliche Anknüpfen an die Leistung des Staates für die Annahme einer Gegenleistungsabhängigkeit aus36. Das Verhältnis von Abgabenhöhe und Wert der Gegenleistung findet also erst bei der Erörterung der Abgabenrechtfertigung seinen Platz37. Das Grundgesetz zieht mithin eine klare Trennlinie zwischen dem verfassungsrechtlichen Begriff der Steuer und dem des Sozialversicherungsbeitrags. Dieses Ergebnis findet seine Bestätigung darin, daß der Grundgesetzgeber die Finanzierung der Sozialversicherung in den Vorschriften der Art. 105 ff. GG nicht ausdrücklich erwähnt hat38. Die Regelungen der Finanzverfassung lassen sich damit zumindest nicht unmittelbar auf Sozial34 Des weiteren wird in der Literatur zutreffend darauf hingewiesen, daß es weder in der Betriebswirtschaftslehre noch in der Rechtswissenschaft einen einheitlichen Kostenbegriff gibt. Wenn aber die maßgeblichen Kosten nicht eindeutig bestimmbar sind, müssen sie als verfassungsmäßig angebotenes Abgrenzungskriterium gegenüber der Steuer versagen. Dem materiellen Gebührenbegriff mangelt es insoweit an Aussagekraft, vgl. hierzu Murswiek, Die Entlastung der Innenstädte, S. 23. 35 P. Kirchhof, DVBl. 1987, S. 554, 555. 36 Wilke, Gebührenrecht und Grundgesetz, S. 89; Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 13 ff.; ders. DVBl. 1987, S. 554, 555; Murswiek, Die Entlastung der Innenstädte, S. 23; Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 232, 248. 37 Dieses Problem enthält Parallelen zur Abgrenzung von Inhalts- und Schrankenbestimmungen gegenüber der Enteignung. Bei der Unterscheidung zwischen Inhaltsund Schrankenbestimmungen und Enteignungen folgt das Bundesverfassungsgericht streng formalen Kriterien. Damit steht sie im grundlegenden Gegensatz zu der herkömmlichen Auffassung, welche das Verhältnis von Inhaltsbestimmung als Ausdruck der Sozialbindung und Enteignung abstrakt durch einen fließenden Übergang wesensgleicher Merkmale gekennzeichnet sah. Kriterien des „Umschlagens“ einer Inhaltsbestimmung in eine Enteignung waren mit der Schwere der Beeinträchtigung, des Verstoßes gegen den Gleichheitssatz etc. allein materielle Wertungen, vgl. BVerfGE 45, 297, 326; 52, 1, 27; 56, 249, 260; zur Problematik vgl. auch Lubberger, Eigentumsdogmatik, S. 29. 38 So auch Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 266.

B. Vorgaben für die Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags

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versicherungsabgaben anwenden. Die Frage eines mittelbaren Transfers finanzverfassungsrechtlicher Kriterien einer Abgabenbemessung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit würde voraussetzen, daß solche Vorgaben überhaupt existieren.

II. Die Finanzverfassung als Grundlage des Leistungsfähigkeitsprinzips Ausdrückliche Vorgaben für die Bemessung der steuerlichen Abgaben enthält die Finanzverfassung nicht. Die finanzverfassungsrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes richten sich primär auf die Verteilung von Gesetzgebungs-, Ertrags- und Verwaltungskompetenzen für die Erhebung von Abgaben im Bund-Länder-Verhältnis. Dennoch sehen vereinzelte Stimmen im Schrifttum den Gesetzgeber durch die Art. 104a ff. GG bei der Verteilung von Abgabenlasten auf den Grundsatz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit festgelegt39. Alle in der Finanzverfassung aufgeführten Steuerarten seien an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientiert. Die Bindungswirkung des Gesetzgebers an diese Typisierung folge aus der Gefahr für die finanzverfassungsrechtlich festgeschriebenen Verteilungswirkungen zwischen Bund und Ländern40. Diese Überlegungen können jedoch nicht überzeugen. Selbst wenn sich die Verflechtung des verfassungsrechtlich vorausgesetzten Steuerbegriffs mit dem Merkmal der Leistungsfähigkeit bestätigte, wäre dessen Relevanz auf den Sinn und Zweck der Finanzverfassung – nämlich die bundesstaatliche Zuständigkeits- und Ertragsverteilung – beschränkt. Die Verteilungswirkungen der durch die Art. 104a ff. GG umfaßten Abgaben sind im Zusammenhang mit den finanzverfassungsrechtlichen Regelungen nämlich nur dann von Bedeutung, wenn sie das Gesamtaufkommen der einzelnen durch die finanzverfassungsrechtlichen Regelungen in ihren Erträgen auf Bund und Länder verteilten Steuern berühren. Aus den finanzverfassungsrechtlichen Regelungen über die Ertragsverteilung eine Aussage über die Lastenverteilung auf die einzelnen Abgabenpflichtigen abzuleiten, ist deshalb nicht gerechtfertigt41. Auch das in Art. 105 Abs. 2a GG statuierte sog. Gleichartigkeitsverbot kann nicht als Grundlage einer finanzverfassungsrechtlich gebotenen Abgabenbemessung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dienen. Art. 105 Abs. 2a GG räumt den Ländern die Gesetzgebungsbefugnis über örtliche Aufwands- und Verbrauchssteuern unter der Beschränkung ein, daß diese 39 40 41

Vgl. Vogel, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. IV, § 87, Rn. 93. So Vogel, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. IV, § 87, Rn. 93. So auch Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 38.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern in Steuergegenstand, Steuermaßstab, Art der Erhebung sowie den wirtschaftlichen Auswirkungen gleichartig sind42. Da sich die Gleichartigkeit im wesentlichen durch das Ausschöpfen der gleichen „Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit“ bestimmt43, schließt Art. 105 Abs. 2a GG mit Blick auf die Einkommensteuer eine umfassende Einkommensbesteuerung durch Länder- und Kommunalsteuern zumindest dann aus, wenn diese unmittelbar die Leistungsfähigkeit des Bürgers beanspruchen oder nach bestimmten Einkommensarten oder Einkommenssachverhalten differenzieren. Unabhängig davon, daß eine solche Ableitung des Leistungsfähigkeitsprinzips sich allenfalls als Essentiale der landesgesetzlich geregelten Steuern erschließen dürfte, ist gleichwohl das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht über den Gedanken der Gleichartigkeit zu verankern. Denn mit der „gleichen Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit“ als Ausschnitt des Leistungsfähigkeitsprinzips ist nur die Frage des Steuergegenstandes angesprochen; Art. 105 Abs. 2a GG soll verhindern, daß die einem öffentlichen Verband zugewiesenen Steuerquellen von anderen Verbänden gleichfalls in Anspruch genommen werden und durch die Gefahr des Versiegens von Einnahmequellen die Ausgeglichenheit der öffentlichen Haushalte beeinträchtigt wird44. In diesem Sinn hat Art. 105 Abs. 2a GG in der bundesstaatlichen Finanzverfassung die Funktion einer Kollisionsnorm45. Das Gleichartigkeitsverbot zielt hingegen nicht auf die Leistungsgerechtigkeit der Steuer, richtet sich entgegen anderer Ansicht also gerade nicht darauf, den Staatsbürger gegen die mehrfache und unkoordinierte Belastung desselben Steuerobjekts durch mehrere Steuergläubiger zu schützen46. Auch die Regelung des Art. 106 Abs. 3 S. 4 Nr. 2 GG, welche ausdrücklich das Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern betrifft, bezieht sich lediglich auf die Steuerpflichtigen in ihrer Gesamtheit, enthält also keine Aussage über die Verteilung der Steuerlast zwischen den Bürgern47. Soweit man im Schrifttum vereinzelt zu einem anderen Ergebnis gelangt, wird auf die „Begrenzungs- und Schutzfunktion der bundesstaatlichen Finanzverfassung“, die auch die „Belastungsgleichheit“ des Bürgers um42

BVerfGE 7, 260; 13, 193; 40, 62. Vgl. BVerfGE 13, 181, 193. 44 Vgl. Jüptner, FR 1985, S. 356 ff. 45 Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 105 Rn. 20; Vogel/Waldhoff, in: Dolzer (Hrsg.), BK, Art. 105 Rn. 90. 46 Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 105 Rn. 20; vgl. auch Birk, Alternativkommentar, Art. 106 Rn. 2; auch Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 105 Rn. 22; zustimmend Wendt, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. IV, § 104 Rn. 36; vgl. auch Heimlich, Die Verleihungsgebühr, S. 151; Hendler, AöR 115 (1990), S. 577, 597. 47 Vgl. Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 38. 43

B. Vorgaben für die Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags

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fasse48, rekurriert. Gerade im Abgabenrecht komme der Finanzverfassung aufgrund der relativ begrenzten Wirkung des Grundrechtsschutzes eine besondere, auch individual-rechtlich geprägte Bedeutung zu49. Auch das Bundesverfassungsgericht betonte u. a. in seiner Entscheidung zur Berufsausbildungsabgabe die grundrechtssichernde Funktion von Kompetenznormen: Sonderabgaben müßten aus Gründen des Individualschutzes auf „enge kompetenzrechtliche Grenzen“ stoßen50. Der Abgabenpflichtige sei vor einem ungezügelten Zugriff auf seine keineswegs unerschöpflichen finanziellen Ressourcen zu bewahren51. Soweit hierin die Zielstellung sichtbar wird, den Art. 104a ff. GG einen von dem Inhalt des allgemeinen Gleichheitssatzes unterscheidbaren, originären Gehalt beizumessen, unterliegt diese erheblichen Zweifeln. Zwar besteht zwischen Grundrechten und Kompetenznormen eine enge Verbindung. In diesem Sinne stellte das Bundesverfassungsgericht bereits in seinem sog. Elfes-Urteil52 heraus, daß insbesondere auch kompetenzwidrige Abgabengesetze nicht zur verfassungsmäßigen Ordnung i. S. d. Art. 2 Abs. 1 GG gehören und deshalb die Abgabenpflichtigen in ihrem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit verletzen53. Jedoch stellen die Art. 104a ff. GG keine Verstärkung des Bedeutungsgehalts des Art. 3 Abs. 1 GG dar. Die Belastungsgleichheit ist allein Ausfluß des allgemeinen Gleichheitssatzes; sie fordert, bei der Auferlegung nichtsteuerlicher ebenso wie steuerlicher Abgaben den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG zu entsprechen. Eigenständige, über den allgemeinen Gleichheitssatz hinausgehende Anforderungen an die abgabenrechtliche Lastengleichheit lassen sich der Finanzverfassung nicht entnehmen. Eine Verstärkung des aus den Grundrechten herzuleitenden Individualrechtsschutzes der Verfassung ist auch nicht in den finanzverfassungsrechtlichen Regelungen über die Budgethoheit des Parlaments erkennen54. Zwar trägt die besondere Beteiligung des Parlaments in Haushaltsfragen, welche über dessen Beteiligung im Steuergesetzgebungsverfahren hinausgehen, in48

BVerfGE 93, 319, 342 f. Vgl. Stern, Staatsrecht, Bd II, S. 1110. 50 BVerfGE 55, 274, 303. 51 BVerfGE 55, 274, 302; 67, 256, 285 f.; 78, 249, 266; 93, 319, 342 ff. 52 BVerfGE 6, 32, 37 ff. seitdem st. Rspr. 53 BVerfG, in: NJW 1981, S. 329 ff., 331. 54 BVerfG, in: DÖV 1995, S. 194; BVerfGE 82, 159, 178 f. unter Bezugnahme auf BVerfGE 55, 274, 303 aus, die Vollständigkeit des Haushaltsplans diene nicht nur zur parlamentarischen Regierungskontrolle, sondern aktualisiere auch den „fundamentalen Grundsatz der Bürger bei der Auferlegung öffentlicher Lasten“. Vgl. auch Isensee, in: Hansmeyer (Hrsg.), Finanzierungsprobleme der sozialen Sicherung, S. 435, 436; Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, S. 34 f. 49

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

soweit zur Aktualisierung der Belastungsgleichheit bei, als das Abgabeaufkommen in parlamentarischer Verantwortlichkeit an die Allgemeinheit der Steuerpflichtigen und Inländer zurückgegeben wird. Die Allgemeinheit und die parlamentarische Entscheidungszuständigkeit haben damit durchaus eine gleichheitsstützende Funktion55. Dem Schutz des Einzelnen dient der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans aber nur insoweit, als jede Regelung der checks and balances innerhalb der Staatsorganisation letztlich dem einzelnen zugute kommen soll56. Mit dieser Sichtweise stehen auch die neueren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts im Einklang, welche die demokratische Funktion der Vollständigkeit des Haushaltsplans gegenüber dem Individualrechtsschutz wieder stärker hervorheben. Indem das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung unterstellt wird, sei gewährleistet, daß das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen erhalte57.

III. Zwischenresümee Die Finanzverfassung schränkt die gesetzgeberische Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Bemessung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ein. Zum einen lassen sich Sozialversicherungsbeiträge nicht als Steuern qualifizieren; zum anderen enthält die Finanzverfassung keine originären Maßstäbe für die Verteilung der Abgabenlasten unter den Abgabenpflichtigen.

C. Die Vorgaben des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags Das Grundgesetz regelt die Erhebung von Sozialversicherungsabgaben nicht explizit. Jedoch beinhaltet die in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG dem Bund eingeräumte Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung zugleich deren Finanzierung durch Beiträge, mithin die Erhebung von Sozialversicherungsabgaben. Die Grundlage für die Herleitung von kompetenzrechtlichen Direktiven der Gestaltung der krankensozialversicherungsrechtlichen Bemessungsgrundlage kann daher allein der in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG aufgenommene Begriff der Sozialversicherung sein.

55 56 57

So P. Kirchhof, in: FS Friauf, S. 669, 673. So auch Sacksofsky, Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben, S. 60. BVerfGE 82, 159, 179; vgl. auch BVerfGE 91, S. 186, 202.

C. Vorgaben für die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

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Über die bloße Verwendung des Begriffs der Sozialversicherung hinaus trägt das Grundgesetz kaum zu dessen inhaltlicher Konturierung bei. Während die Weimarer Reichsverfassung in Art. 161 die Aufforderung an das Reich enthielt, zur Erhaltung der Gesundheit und Arbeitsfähigkeit, zum Schutz von Mutterschaft und zur Vorsorge gegen die wirtschaftlichen Folgen von Alter, Schwäche und Wechselfällen des Lebens ein umfassendes Versicherungswesen unter maßgebender Mitwirkung der Versicherten zu schaffen, enthält das Grundgesetz keine Regelung von vergleichbarer Ausführlichkeit. Neben Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG erwähnen auch die Art. 87 Abs. 2 GG und Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG die Sozialversicherung. Diese Bestimmungen sind allesamt dem Staatsorganisationsrecht zuzuordnen: Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG weist die Sozialversicherung dem Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung zu. Art. 87 Abs. 2 GG ordnet die Sozialversicherungsträger als bundes- bzw. landesunmittelbare Körperschaften ein. Gemäß Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG trägt der Bund die Zuschüsse zu den Lasten der Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe. Da letztere Norm – so die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur58 – keinen Anspruch der Sozialversicherungsträger auf die Zahlung von Zuschüssen gegenüber dem Staat statuiert, ist auch diese lediglich Zuständigkeitsnorm. Obwohl Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG und Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG die Termini „Sozialversicherung einschließlich der Sozialversicherung“ bzw. „Sozialversicherung mit Einschluß der Arbeitslosenversicherung und Arbeitslosenhilfe“ verwenden, Art. 87 Abs. 2 GG hingegen von „sozialen Versicherungsträgern“ spricht, ist von einem einheitlichen Verständnis der „Sozialversicherung“ im Grundgesetz auszugehen. Die abweichende Formulierung „soziale Versicherungsträger“ in Art. 87 Abs. 2 GG hat allein die Funktion, den ausdrücklichen Hinweis der beiden anderen Verfassungsnormen, die Arbeitslosenversicherung sei eingeschlossen, entbehrlich zu machen59. Das Bundesverfassungsgericht sieht die „Sozialversicherung“ des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG in ständiger Rechtsprechung als „weitgefaßten Gattungsbegriff“60, welcher alles umfaßt, „was sich dem Wesen nach als Sozialver58 BVerfGE 9, 303, 355 f.; 14, 221, 223; Wallerath, in: VdR/Ruland (Hrsg.), HdR, S. 281, 306; Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, S. 222; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 120 Rn. 24; Siekmann, in: Sachs, Grundgesetz, Art.120 Rn. 28; a. A. Diemer, VSSR 1982, S. 31, 43. 59 BVerfGE 63, 1, 35. 60 Erstmals beschrieb das Bundesverfassungsgericht die Sozialversicherung als „weitgefaßten verfassungsrechtlichen Gattungsbegriff“ in seinem Kindergeld-Urteil, vgl. BVerfGE 11, 105, 112; siehe zuletzt BVerfGE 75, 108, 146 ff.; 88, 203, 313.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

sicherung darstellt“. Die Sozialversicherung soll die „gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“61 umfassen. Im übrigen orientiert sich das Bundesverfassungsgericht bei der Inhaltsbestimmung des verfassungsrechtlichen Terminus „Sozialversicherung“ an den traditionellen Wesenszügen dieser Institution. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG soll „die Einbeziehung neuer Lebenssachverhalte in das Gesamtsystem Sozialversicherung“ dann ermöglichen, „wenn die neuen Sozialleistungen in ihren wesentlichen Strukturelementen, insbesondere in der organisatorischen Bewältigung ihrer Durchführung dem Bild entsprechen, das durch die klassische Sozialversicherung geprägt ist“62. Grundsätzlich verlangt das in Art. 20 GG verankerte Demokratieprinzip, daß dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber bei der Konkretisierung des verfassungsrechtlichen Sozialversicherungsbegriffs ein angemessener Gestaltungsspielraum verbleibt. Im folgenden wird allerdings der Fragestellung nachzugehen sein, inwiefern Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Orientierung des Inhalt der „Sozialversicherung“ an deren traditionellen Wesenszügen gebietet; zum anderen gilt es zu klären, ob die Tradition der Sozialversicherung einem verfassungsrechtlichen Verdikt der Ausweitung der krankensozialversicherungsrechtlichen Abgabenbemessung gleichsteht. Bevor das Maß der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit hinsichtlich der Abgabenerhebung und -bemessung herausgearbeitet wird, stehen zunächst die Auslegungsdirektiven für den verfassungsrechtlichen Kompetenzbegriff der Sozialversicherung im Mittelpunkt.

I. Die Interpretation des kompetentiellen Sozialversicherungsbegriffs Im Gegensatz zum einfachen Recht ist die Verfassung nur in den Grenzen des Art. 79 GG abänderbar. Aufgrund ihrer Vorrangstellung bildet sie das Fundament des staatlichen Normensystems. Aus diesem Unterschied in der Verbindlichkeit von Verfassung und einfachen Gesetzen folgt jedoch kein methodologischer Sonderstatus gegenüber dem einfachen Recht63. Vielmehr gelten auch für die Interpretation der grundgesetzlichen Begriffe die herkömmlichen Auslegungsregeln. Demgegenüber räumt ein Teil der Literatur der Verfassung unter Hinweis auf ihren „politischen Charakter“64 eine Sonderstellung ein. Wegen der 61

BVerfGE 11, 105, 112. BVerfGE 11, 105, 111 ff.; 14, 312, 317 ff.; 62, 354, 366; 63, 1, 35; 75, 108, 146 ff.; 81, 156, 185 f.; 87, 1, 34; 88, 203, 313. 63 So auch Neuner, Privatrecht und Sozialstaat, S. 17. 62

C. Vorgaben für die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

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„Weite und Offenheit“ vieler Bestimmungen dürfe die Verfassung sinnvollerweise nur einen rechtlichen Rahmen vorgeben, innerhalb dessen im politischen Prozeß ein weiter Spielraum eingeräumt sei, um sich so den veränderten politischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten und Verhältnissen anpassen zu können65. Jedoch existieren keine semantischen und die logische Struktur betreffenden Unterschiede dergestalt, daß der Gesetzescharakter der Verfassung „zumindest interpretationsmethodisch“66 aufgehoben ist. Zwar stellt sich das Problem der Präzisierung von Rechtsbegriffen im Verfassungsrecht im besonderen Maße. Aber auch das einfache Recht kennt Generalklauseln, unbestimmte Rechtstermini und wertausfüllungsbedürftige Begriffe67. Erst recht erscheint es nicht einsichtig, hinsichtlich der Auslegungsmethoden zwischen den materiellen und organisatorischen Bestimmungen des Grundgesetzes zu unterscheiden. Zum einen verbietet die enge Bezogenheit von Grundrechten und Kompetenzen, sich bei der interpretatorischen Behandlung von Grundrechts- und Kompetenznormen im Wege einer „gespaltenen Verfassungsauslegung“ unterschiedlicher Auslegungsmethoden zu bedienen68. Zum anderen ist die Weite und Vagheit zumindest mancher Kompetenznormen durchaus mit den materiellen Normen des Grundgesetzes vergleichbar69. Viele kompetentielle Regelungen sind zwar stark sachgebunden, indem sie an das Regelungsobjekt, an den Modus (Art. 74 Abs. 1 Nr. 16: Verhütung des Mißbrauchs der wirtschaftlichen Machtstellung), an rechtstechnische Kategorisierungen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1: Bürgerliches Recht) oder an technische Begriffe (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11a: Kernenergie) anknüpfen. Andererseits zeigen gerade die Normierungen des Art. 74 Abs. 1 GG die Bandbreite von zum Teil sehr weiten (Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG: Recht 64 Zur „Natur des Verfassungsrechts als politisches Recht“ vgl. Müller, Juristische Methodik, S. 98. 65 In diesem Sinne fordert Ehmke eine besonders großzügige, „topische“ Sicht der Verfassungsinterpretation, indem er letztlich auf den „Konsens aller vernünftig und gerecht Denkenden“ zurückgreifen möchte, vgl. Ehmke, VVDStRL 20 (1963), S. 69, 99. Andere Stimmen verlangen im Bereich des Verfassungsrechts hingegen eine besonders formale Rechtsgewinnung. So schlägt Forsthoff vor, der Gefahr der „Auflösung der Verfassung“ durch eine Rückkehr zu den traditionellen Regeln der juristischen Hermeneutik i. S. Savignys entgegenzutreten, vgl. Forsthoff, Zur Problematik der Verfassungsauslegung, S. 39. 66 Böckenförde, NJW 1976, S. 2089, 2090. 67 Hierzu Sauer, Die Verfassungsbindung des Gesetzgebers, S. 176. 68 Stettner, Kompetenzlehre, S. 380. Häberle, Verfassung als öffentlicher Prozeß, S. 403 sieht es als Aufgabe der Verfassungsdogmatik, die Durchdringung der organisatorischen Teile der Verfassung auf das Niveau zu heben, das die Grundrechtskonkretisierung bereits einnimmt. 69 Stettner, Kompetenzlehre, S. 379.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

der Wirtschaft), dann aber auch wieder ganz punktuellen Kompetenztiteln (Art. 74 Abs. 1 Nr. 10a: Recht der Kriegsgräber). Schließlich hält auch ein in Schrifttum70 und Rechtsprechung71 vereinzelt herangezogenes Gebot der besonders strikten Auslegung von Bundeskompetenzen einer näheren Betrachtung nicht stand: Aus den Art. 30, 70, 83 GG leitet das Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung ein Primat der Länderkompetenz her. Diese Regelungen dienen jedoch allein der Abgrenzung von Bundes- und Landeskompetenzen, ohne das Gebot einer besonders restriktiven Auslegung von Bundeskompetenzen zu statuieren. Die durch das Grundgesetz zwischen Bund und Ländern aufgeteilten Gesetzgebungskompetenzen schließen lückenlos aneinander und verlagern das Schwergewicht auf die Interpretation der vorhandenen Kompetenznormen und die kompetentielle Qualifizierung von Sachmaterien. Nicht eine „enge“ oder „weite“ Auslegung der Kompetenznormen kann die Richtschnur einer Interpretation sein; entscheidende Bedeutung kommt allein dem „Gebot sachgemäßer und funktionsgerechter Auslegung“72 zu. Auch insoweit unterliegen die Kompetenzkataloge also den für die Gesetzesinterpretation allgemein geltenden Grundsätzen73.

II. Die Vorgaben des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG für die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags 1. Die historisch-genetische Interpretation als Ausgangspunkt Der historischen Auslegung im Sinne einer Gewinnung von Erkenntnissen über die heutige Rechtslage mittels Schlüssen aus früheren Rechtszuständen wird für die Erschließung von verfassungsrechtlichen Kompetenznormen eine überragende Bedeutung beigemessen74. Gleichwohl stößt gerade der Rückgriff des Bundesverfassungsgerichts auf das „klassische Bild der Sozialversicherung“ durchaus auf Widerspruch in der Literatur75. Verfassungstradition und kompetentielle Kontinuität – so wird argumentiert – 70 v. Einem, DVBl. 1988, S. 12, 13; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 74 Rn. 171. 71 BVerfGE 12, 205, 228: Bei Zweifeln über die Zuständigkeit spreche keine Vermutung für eine Bundeskompetenz. Die Systematik des Grundgesetzes erfordere vielmehr eine strikte Interpretation der Art. 73 ff. GG. 72 BVerfGE 36, 193, 209. 73 So auch Kunig, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 73 Rn. 4. 74 BT-Drucks. 9/25, S. 13; Badura, NJW 1981, S. 1337, 1338 (Begründung Staatshaftungsgesetz). 75 Ruland, in: Bieback (Hrsg.), Die Sozialversicherung und ihre Finanzierung, S. 141, 153.

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seien keine Argumente, die den Geltungsanspruch des Grundgesetzes außer Kraft setzen könnten. Die Betonung dieser Gesichtspunkte bringe dem Grundgesetz vielmehr eine offene Flanke bei. Zutreffenderweise darf das „Traditionsargument“ nicht mit einer umfassenden Rezeption des Bildes der Sozialversicherung vor Inkrafttreten des Grundgesetzes gleichgesetzt werden. Auch wenn das Grundgesetz in der Tradition deutscher Verfassungen steht76, ist es Ausprägung einer nicht wiederholbaren, aber auch nicht vorauszudenkenden Zeitsituation und als solches in seiner Prägung selbständig und mit charakteristischen Strukturen ausgestattet77. Würde man dem Grundgesetz den Bedeutungsgehalt der Sozialversicherung zu Zeiten der Weimarer Reichsverfassung zugrundelegen, blieben die charakteristischen Strukturen des Grundgesetzes außer Betracht. Neben der veränderten Natur der Grundrechte und der Bindung des Gesetzgebers durch das Grundgesetz zählen hierzu insbesondere die im Grundgesetz völlig neu geregelten Gesetzgebungskompetenzen. Andererseits ist das „vorverfassungsrechtliche Gesamtbild“ für die Auslegung grundgesetzlicher Normen insofern von Bedeutung, als der Nachweis gelingt, der Verfassungsgeber habe eine bestimmte vorverfassungsrechtliche Regelung rezipieren oder verändern wollen78. In diesem Sinne zielt die genetisch-historische Interpretation auf die Rekonstruktion der verfassungsgesetzgeberischen Zweckvorstellungen79. Da die Gesetzgebungsmaterialien als Texte selbst auslegungsbedürftig sind, zum anderen in den Materialien auf die vom Verfassungsgeber vorgefundene Normsituation Bezug genommen wird, ist neben der Analyse der Gesetzgebungsmaterialien auch der gesetzgeberische status quo ante mitzuberücksichtigen. Unter Berücksichtung dieser Aspekte hat die „Verfassungstradition“ für die Auslegung der verfassungsrechtlichen Kompetenznormen eine besondere Bedeutung. Zweifellos hatte der Verfassungsgeber im Jahre 1949 das Bild der bereits existierenden Sozialversicherung vor Augen. Nur das Wissen des Parlamentarischen Rates um das zu diesem Zeitpunkt vorhandene, einfachgesetzliche Sozialversicherungsrecht kann die Gegenüberstellung von Privatversicherung und Sozialversicherung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 und 12 GG erklären80. Der Gesetzgebungskatalog des Grundgesetzes ist also – wie das Bun76

Papier/Möller, NZS 1998, S. 353. Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 385. 78 Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze, S. 5 ff.; ders., in: JZ 1964, S. 201 ff. 79 F. Müller, Juristische Methodik, S. 204 ff. 80 Butzer zeigt auf, daß der Parlamentarische Rat mit seiner 1949 „quasi aufschiebend bedingten“ konkurrierenden Kompetenzzuweisung nur eine Modifizierung der schon vorgefundenen Rechtsregelungen im Auge gehabt haben muß, vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 112 f. 77

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desverfassungsgericht feststellt – im steten Rückblick auf die Weimarer Reichsverfassung formuliert worden81: „Für die Erkenntnis des Begriffs ,öffentliche Fürsorge‘ im Sinne der Nr. 7 (des Art. 74 Abs. 1 GG n. F., d. Verf.) bedarf es eines Zurückgehens auf die Weimarer Reichsverfassung; denn üblicherweise baut eine Verfassung auf eine vorhergehende auf“82. Bei der Auslegung darf und muß daher auf diese Verfassung zurückgegriffen werden. Da das Grundgesetz dem Bundesgesetzgeber jedoch auch die Weiterentwicklung der Materie der Sozialversicherung überträgt83, kann der Inhalt des Verfassungsbegriffs „Sozialversicherung“ keineswegs mit dem Gesamtbild der zum „Versteinerungszeitpunkt“84 vorhandenen einfachgesetzlichen Regelungen gleichgesetzt werden. In diesem Sinne verdeutlicht Art. 79 Abs. 2 GG, daß die Interpretation des verfassungsrechtlichen Kompetenzbegriffs den Vorrang der Verfassung nicht aus den Augen verlieren darf, also vermeiden muß, daß „reziprok das einfache Recht direkt auf die Verfassungsebene zurückwirkt“85. Gerade für die Regelung der Materie der Sozialversicherung besteht die besondere Schwierigkeit nun darin, die aufgrund der Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Entwicklungen besondere Dynamik in Rechnung zu stellen. Die Sozialversicherung ist, was den Umfang der Versicherten und den Gegenstand der Versicherung betrifft, durch eine ständige Veränderung gekennzeichnet. Es wäre für die notwendige Anpassung des Sozialversicherungsrechts an die sich verändernden Verhältnisse ein geradezu unüberwindliches Hindernis, wenn sich der Inhalt der Kompetenzbestimmung in der Summe der zum Zeitpunkt des Erlasses des Grundgesetzes geltenden Normen erschöpfte und damit eine Fortentwicklung des betreffenden Rechtsgebietes abgeschnitten würde86. Die dogmatische Bewältigung der Problematik gelingt nur dann, wenn man die „Versteinerung“ erst ab einer gewissen Abstraktionshöhe zuläßt. 81 BVerfGE 3, 407, 414: „Die Aufzählung der einzelnen Gesetzgebungskompetenzen schließt sich auf vielen Gebieten dem Katalog der Weimarer Reichsverfassung an. An einigen Stellen erwies sich die Vermehrung des Katalogs wegen der fortgeschrittenen und fortschreitenden wirtschaftlichen und technischen Entwicklung als nötig. Auch die Formulierungen sind, wo es angängig war, aus der Weimarer Verfassung übernommen worden, zumal Rechtsprechung und Verwaltung mit übernommenen und abgeklärten Fassungen leichter arbeiten als mit völlig neuen.“ 82 BSGE 6, 213, 218 unter Verweis auf BVerfGE 3, 415. 83 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 128. 84 Günther, Verfassung und Sozialversicherung, S. 23; Werner, JBI 1960, 162 f.; Walter-Meyer, Grundriß, S. 55. 85 Vgl. Leisner, Von der Verfassungsmäßigkeit der Gesetze, S. 70. 86 Vgl. Günther, Verfassung und Sozialversicherung, S. 27; Werner, JBI 1960, S. 163.

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Die einfachen Sozialversicherungsgesetze fließen daher nicht im vollen Umfang, sondern allein in ihrem Rechtssatzgehalt und der Tradition ihrer Rechtsnormen in die Verfassung ein. Für die Kompetenzgemäßheit einer Bestimmung sind demnach keine inhaltlich gleichlautenden Regelungen bei Erlaß der Verfassung erforderlich; ausreichend ist vielmehr, daß ein inhaltlich-systematischer Zusammenhang mit der historischen Regelung hergestellt werden kann87. Entscheidend für die Subsumtion einer Regelung unter die sozialversicherungsrechtliche Kompetenznorm muß also sein, ob sie sich in den herkömmlichen Regelungsbereich einfügt und die vorhandenen Grundstrukturen der fraglichen Materie beachtet88. Gleichermaßen stellte sich das Bundesverfassungsgericht89 hinsichtlich der Finanzmonopole einer Globalrezeption der vorkonstitutionellen Monopollage entgegen, indem es lediglich deren Struktur „im großen“ als verfassungsrechtlich vorausgesetzt billigte. Verknüpft man das Element des „Prinzipiellen“ mit dem weiteren Gedanken der Funktionsnotwendigkeit, ergibt sich der Wesensgehalt kompetentieller Verfassungsbegriffe90. Übertragen auf den verfassungsrechtlichen Begriff der Sozialversicherung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG muß unterschieden werden zwischen demjenigen Teilbereich des Gesamt-Normenkomplexes „Sozialversicherung“, der für den Bestand und die Funktion von „Sozialversicherung“ so wesentlich und prägend ist, daß man von „Sozialversicherung“ ansonsten nicht mehr sprechen könnte und den übrigen, für die Sozialversicherung nicht konstitutionellen Teilkomplexen. Nur letztere von der Sozialversicherungskompetenz getragene Regelungen steigen in einen „paraverfassungsrechtlichen Rang“91 auf. 2. Methodologische Einordnung des Sozialversicherungsbegriffs Die durch die höchstrichterliche Rechtsprechung vorgenommene rechtsmethodische Qualifikation der „Sozialversicherung“ als Gattungsbegriff stößt im jüngeren Schrifttum vermehrt auf Widerspruch92. Gerade für den 87 Schäffer, Verfassungsinterpretation, S. 106 ff.; Funk, Das System der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung, S. 77 ff.; Morschner, Die Gewerbekompetenz des Bundes, S. 24 f. 88 Degenhart, Systemgerechtigkeit, Rn. 12. 89 BVerfGE 14, 105, 111. 90 Die Rede ist etwa von einem dem Gesetzgeber „vorgegebenen Begriffskern“, vgl. Pestalozza, Der Staat 11 (1972), S. 161, 183 f., einem „bindenden Normenkern“, vgl. Zacher, Sozialpolitik und Verfassung, S. 676, dem „Bedeutungskern“ einer Verfassungsnorm, vgl. Wiedenbrüg, Einfluß des Sozialstaatsprinzips, S. 230, oder „deren inneren Bereich gewisser Bestimmung“, vgl. Rauschning, Die Sicherung der Beachtung von Verfassungsrecht, S. 42. 91 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 147.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Aspekt der Offenheit des Sozialversicherungsbegriffs sei die Kategorisierung als Typusbegriff gegenüber der Vorstellung des Klassenbegriffs besser geeignet93. Ein Gattungsbegriff ist ein Ordnungsbegriff von höherer Allgemeinheit. Er umfaßt entweder alle seinen Artbegriffen gemeinsame Merkmale oder alle Merkmale seiner Artbegriffe. Die Merkmale des Artbegriffs ergeben sich aus den Merkmalen, die den ihm zugeordneten Individualbegriffen gemeinsam sind94. Den Begriffen „Gattung“ und „Art“ als verschiedene Stufen des Allgemeinen steht auf der untersten Ebene das Einzelding oder Individuum gegenüber. Die Einordnung als Gattungsbegriff steht der Einführung neuer Versicherungszweige etc. insofern nicht entgegen, als er über die Zahl der ihm unterfallenden Artbegriffe nichts aussagt, neue Artbegriffe also „entdeckt“ werden können95. Für die Kompatibilität einfachgesetzlicher Regelungen mit dem verfassungsrechtichen Gattungsbegriff bleibt zwar offen, in welcher Weise das jeweilige Merkmal konkretisierend ausgefüllt wird; ganz entfallen darf es jedoch nicht. In grundlegender Unterscheidung zum abstrakt-allgemeinen Begriff wird das in der Literatur bevorzugte Denkmodell des Typus96 nicht durch eine 92 Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein (Hrsg.), Bonner Grundgesetz, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, Rn. 832, zeichnet das Bild eines zwar historisch geprägten, aber nicht ausgeschöpften Begriffsmaximums, welches im Zusammenhang mit dem Begriffsminimum – als die Sozialversicherung, die der Parlamentarische Rat in der normativen Ausprägung der Weimarer Republik 1948/1949 vorfand – Gestaltungsfreiheit des Sozialversicherungsgesetzgebers begrenzt. Demgegenüber abstrahiere das Begriffsmaximum der Sozialversicherung als obere Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit das Vorgefundene und gehe damit über diese hinaus. 93 Pestalozza, in: v. Mangoldt/Klein (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, Rn. 823 ff.; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art 74 Rn 170; Leisner, Sozialversicherung und Privatversicherung, S. 48 ff.; 68 ff.; Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 200; vgl. auch Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, S. 174; Wertenbruch, in: FS Wannagat, S. 687, 689 ff. 94 Pestalozza, in: Mangoldt/Klein (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, Rn. 832 unter Bezugnahme auf „Der Große Brockhaus, „Art“, 2. Bd., 15. Aufl., 1928, S. 713; „Gattung“, 7. Bd., 15. Aufl. 1930, S. 21. 95 Vgl. Wortlaut des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG: Die Arbeitslosenversicherung wird nicht als außerhalb der Sozialversicherung stehend betrachtet, sondern in sie „eingeschlossen“, um dem bei dieser Versicherung besonders naheliegenden Mißverständnis vorzubeugen, das Wort „Sozialversicherung“ sei in der Verfassung nicht als Gattungsbegriff gemeint und stehe nur für die vier „klassischen“ Versicherungszweige. 96 Innerhalb eines Typus kann daher auch zwischen den einzelnen Erscheinungsformen eine Beziehung oder Abstufung nach den Merkmalen aufgebaut werden, vgl. Engisch, Die Idee der Konkretisierung, S. 244; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, S. 470; Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 63.

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begrenzte Anzahl isolierender Merkmale definiert97. Ausreichend soll vielmehr eine Beschreibung anhand typischer Merkmale sein. Während die Merkmale eines Klassenbegriffs unbeweglich sind, können sie beim Typus mehr oder weniger ausgeprägt vorliegen. Damit ist zwar auch für den Typus das Vorhandensein bestimmter Merkmale entscheidend; die Zuordnung zum Typus richtet sich dann jedoch danach, ob die typischen Merkmale gegenüber den untypischen überwiegen. In bestimmten Grenzen sind die Merkmale austauschbar. Letztlich kommt der rechtsmethodischen Einordnung der Sozialversicherung als Typusbegriff mit dem hohen Grad an Ausfüllungsbedürftigkeit gegenüber dem Gattungsbegriff nur scheinbar besondere Vorteile zu98. Gelingt es nämlich nicht, bestimmte Wesenselemente faßbar herauszuarbeiten, wäre der verfassungsrechtliche Begriff der Sozialversicherung nur „globale Blankettnorm“99. Auch für das Verständnis des rechtlichen „Typus- und Ordnungsbegriffs“ ist deshalb die Existenz eines (Wesens-)Kerns mit einem Grundbestand an Prinzipien notwendig, welche die Identität der Kompetenzmaterie beschreiben. In diesem Sinne sollen auch für den in der Literatur hinsichtlich der Sozialversicherung bevorzugten Typus bestimmte Merkmale konstitutive Bedeutung haben100. Damit aber gleichen sich die Wege der rechtsmethodischen Einordnung des verfassungsrechtlichen Sozialversicherungsbegriffs als Gattungsbegriff bzw. als rechtlicher Typus weitgehend an. Daß das Bundesverfassungsgericht auf Formulierungen wie „der Sache nach“, „dem Wesen nach“ zurückgreift, bestätigt die nur geringen Unterschiede zwischen dem in der Literatur bevorzugten rechtlichen Typusbegriff und dem „weitgefaßten Gattungsbegriff“ der Rechtsprechung. Denn das Denken aus der „Natur der Sache“ ist grundsätzlich typologisches Denken101.

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Leenen, Typus und Rechtsfindung, S. 181. Der Begriff „Sozialversicherung“ ließe sich allenfalls als rechtlicher Typus klassifizieren. Dieser kann aber nicht empirisch bestimmt, sondern müßte wie ein Begriff konstituiert werden. Ein rechtlicher Typus bedürfte statt des äußeren, empirisch erfahrbaren Vergleichsmaßstabes stets eines gemeinsamen Bezuges zu einem sinnhaften Wertungskennzeichen. Der besondere Gewinn von Typusbegriffen liegt gerade in der Realitätsbezogenheit, welche bei Häufigkeits- oder Durchschnittstypen als Realtypen am stärksten gegeben ist. Diese Aspekte gehen demgegenüber bei der Einordnung der Sozialversicherung als Typus wieder verloren, vgl. hierzu Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, S. 178 ff. 99 Leisner, Belastungsgrenze der Unternehmen, S. 84. 100 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 201. 101 Stratenwerth, Das rechtstheoretische Problem der „Natur der Sache“, S. 22. 98

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

3. Die Beitragspflichtigkeit des Nichterwerbseinkommens im Lichte des verfassungsrechtlichen Sozialversicherungsbegriffs Das „klassische Bild der Sozialversicherung“ wird zum einen durch organisatorische Aspekte geprägt. Darüber hinaus ist die Sozialversicherung durch zwei Prinzipien, nämlich das Solidarprinzip und das Versicherungsprinzip, gekennzeichnet. Während das Solidarprinzip verlangt, daß „die bei den verschiedenen Versicherten bestehenden ungleichen Risiken“ ausgeglichen werden, „wobei der Ausgleich der gesamten Solidargemeinschaft obliegt und nach sozialen Gesichtspunkten zu erfolgen hat“102, fordert das Versicherungsprinzip, einen von der Bedürftigkeit des einzelnen unabhängigen Risikoausgleich herbeizuführen103. Im folgenden gilt es herauszuarbeiten, inwiefern beide Prinzipien tatsächlich in den kompetentiellen Begriff der Sozialversicherung eingeflossen und damit imstande sind, die verfassungsrechtlichen Anforderungen an eine krankensozialversicherungsrechtliche Bemessungsgrundlage zu konturieren. 4. Die Vorgaben der Versicherungskomponente Modifizierungen des sozialversicherungsrechtlichen Beitragsrechts müssen die „gemeinsame Deckung eines möglichen, in seiner Gesamtheit schätzbaren Bedarfs durch Verteilung auf eine organisierte Vielheit“ bezwecken und dabei einen „versicherungsmäßigen Risikoausgleich“ gewährleisten104. a) Das Risiko des Ausfalls von Nichterwerbseinkommen Mittels der Sozialversicherung i. S. d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG läßt sich nicht jedes Risiko absichern. Die Mindestvoraussetzung einer Bündelung von Risiken in der gesetzlichen Krankenversicherung ist deren Gleichartigkeit105. Das Merkmal der Gleichartigkeit verlangt eine gewisse Homogenität der innerhalb eines Versicherungszweiges abgesicherten Risikoarten. Es betrifft hingegen nicht die Wahrscheinlichkeit der Realisierung dieser Risiken. Dementsprechend sind divergierende Gefährdungslagen der Kranken102

BSGE 48, 134, 137 f. Knieps, in: v. Maydell/Ruland (Hrsg.), SRH, C. 14, Rn. 79. 104 BVerfGE 17, 1, 9; 28, 324, 348 f.; 40, 121, 136; 67, 231, 237. 105 Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, S. 165: „Die Gleichartigkeit ist auch Mindestvoraussetzung für eine gerechtfertigte Bündelung von Risiken in einer Zwangsgemeinschaft, insbesondere bei typisierender Betrachtung der Gefährdungslage. Die Gleichartigkeit ist daher notwendiges Merkmal der Sozialversicherung.“ 103

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sozialversicherten hinsichtlich des Eintritts von Gesundheitbeeinträchtigungen insoweit unerheblich. Neben dem Erfordernis der Gleichartigkeit bedarf es zur Konturierung der versicherungsrechtlichen Komponente des Sozialversicherungsbegriffs auch einer Einschränkung nach der Art des Risikos. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG erfaßt zwar nicht nur solche Risiken, die die Sozialversicherung seit jeher abgedeckt hat, also Unfall, Berufs- und Erwerbsunfähigkeit, Alter, Arbeitslosigkeit oder Tod desjenigen, der das Familieneinkommen verdient. Jedoch muß das abzudeckende Risiko in seinen wesentlichen Strukturelementen dem Bild der Risiken entsprechen, das durch die klassische Sozialversicherung geprägt ist. Das Bundesverfassungsgericht stellt insofern die Formel des „sozialen Bedürfnisses nach Ausgleich besonderer Lasten“ auf. Die Konkretisierung des „sozialen Bedürfnisses“ bzw. der „besonderen Lasten“ bereitet Schwierigkeiten. Wenig hilfreich ist die Zuordnung neuer Risiken zum Bereich der Sozialversicherung nach dem Kriterium, ob diese den sog. „Wechselfällen des Lebens“ zuzurechnen sind106. Das Merkmal der „Wechselfälle“ kann jedenfalls nicht mit „sozialer Bedürfnisbefriedigung“ in dem Sinne gleichgesetzt werden, daß diese die allgemeine Vorsorgefreiheit der Bürger vollständig ausschließt107. Über diese Feststellung hinaus erlaubt der Maßstab „Schutz gegen die Wechselfälle des Lebens“108 keine Konturierung des sozialversicherungsrechtlichen Risikobegriffs. Eine Annäherung an die verfassungsrechtlichen Vorgaben der Sozialversicherbarkeit von Risiken gelingt mit dem Kriterium eines „sozialen Risikos“. Auch als Erfordernis eines „allgemeines Lebensrisiko“109 erörtert sollen hiernach nur solche Gefahren dem Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG genügen, welche potentiell für alle Bevölkerungsgruppen eintreten können. Voraussetzung ist mithin, daß jedermann von der Verwirklichung dieses (allgemeinen) Risikos betroffen sein könne. Entgegen anderslautender Stellungnahmen in der Literatur richtet sich die Beurteilung eines Risikos als „sozial“ jedoch nicht nach der Wahrscheinlichkeit dessen Eintritts im Bevölkerungsdurchschnitt. Da die Wahrscheinlichkeit einer Realisierung des Pflegerisikos – so argumentiert die Gegenansicht110 – deutlich unter 106 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 193 mit umfangreichen Nachweisen. 107 Vgl. Bogs, in: FG Muthesius, S. 47, 48. 108 Krause, VSSR 1980, S. 115, 123. 109 Behrenz/Brock/Worzalla, Arbeitgeber 1991, S. 381, 383; Grabau, ZRP 1993, S. 142, 143; Maschmann, SGb 1991, S. 300, 305. 110 Ob das durch die soziale Pflegeversicherung abgedeckte Risiko sich noch in das klassische Bild der Sozialversicherung einfügt, war und ist in der Literatur umstritten, vgl. nur Berenz/Brock/Worzalla, Arbeitgeber 1991, S. 381, 383; Grabau,

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den durch die gesetzliche Sozialversicherung seit jeher abgesicherten Risiken liege, könne es nicht als allgemeines Lebensrisiko bezeichnet werden. Aufgrund der geringen Wahrscheinlichkeit, ein Pflegefall zu werden, entspreche es vielmehr einem für die private Vorsorge typischem Risiko111. Eine solche Argumentation findet aber weder im Wortlaut des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG noch in der von Manes übernommenen Versicherungsdefinition eine Stütze. Ob ein allgemeines Lebensrisiko vorliegt, richtet sich nicht nach der Zahl der voraussehbaren Pflegefälle im Verhältnis zu anderen Versicherungsfällen in der Sozialversicherung. Ausreichend ist vielmehr, daß potentiell jeder Versicherte vom Eintritt des Risikos betroffen sein kann112. Auch für die verbreitete Annahme, sozialversicherbare Risiken seien stets „Arbeitsplatzrisiken“, finden sich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Zu einer anderen Auffassung gelangte der Bayrische Verfassungsgerichtshof. Aus der Zusammenfassung des „Arbeitsrechts einschließlich (. . .) des Arbeitsschutzes und der Arbeitsvermittlung“ mit der „Sozialversicherung einschließlich der Arbeitslosenversicherung“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zog das Gericht den Schluß, daß mit Sozialversicherung hier – ebenso wie früher in Art. 7 Nr. 9 der Weimarer Reichsverfassung – die Versicherung (nur) der sozial schwächeren Schichten, nämlich der Arbeitnehmer, gemeint sei113. Indes zeigt die ausdrückliche Einbeziehung des Risikos der Arbeitslosigkeit lediglich, daß sich die Sozialversicherung im Sinne des Grundgesetzes nicht auf die klassischen Risiken beschränkt114. Hierin eine EingrenZRP 1993, S. 142, 143; Hansen, Arbeitgeber 1991, S. 185, 187; Husmann, Arbeitgeber 1991, S. 376, 378. Die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Einbeziehung des Pflegerisikos in die Sozialversicherung ergibt sich nicht bereits aus der zuvor verfassungsrechtlich unbeanstandet gebliebenen Integration von Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit in den Aufgabenbereich der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Gesundheits-Reformgesetz, vgl. Krasney, Rechtsgutachten, S. 9. 111 Das Risiko der Pflegebedürftigkeit liegt weiter unter 10 Prozent. Demgegenüber nimmt jeder Bürger durchschnittlich dreimal im Jahr Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung in Anspruch. Bei der gesetzlichen Unfallversicherung ist im Laufe eines 30jährigen Arbeitslebens im Durchschnitt mit zwei Arbeitsunfällen, die zur Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen führen, zu rechnen. Der überwiegende Anteil der Versicherten nimmt im Rahmen der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung Leistungen auf der Grundlage des Arbeitsförderungsgesetzes in Anspruch, die Hälfte aller versicherten Arbeitnehmer erhalten Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Nahezu die Gesamtheit der Versicherten nimmt Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch, vgl. hierzu Hoffmann, ASP 1991, S. 381, 391. 112 Vgl. Kleemann, Pflegeversicherung und ihre Finanzierung, S. 95. 113 Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 106 m. w. N. 114 BVerfGE 11, 105, 112; 62, 354, 366; 63, 1, 35; Boecken, Die Pflichtaltersversorgung, S. 255; Nipperdey/Säcker, 2. Teil § 2 2. S. 17; Maunz, in: ders./Dürig/

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zung der für alle Sozialversicherungszweige kompatiblen Risiken auf beschäftigungsverhältnisbezogene zu erkennen, würde den Bedeutungsgehalt dieser nachträglichen Einfügung überdehnen. Grund für die explizite Differenzierung im Verfassungstext ist in erster Linie die Stellung der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung als jüngster Zweig der Sozialversicherung. Wie die klassischen Versicherungsrisiken des Alters, der Invalidität und der Krankheit sollte diese in die Sozialversicherung einbezogen sein. Strukturell sah man die Arbeitslosigkeit als der Sozialversicherung zugehörig an115. Auch wenn der Bezug zum Beschäftigungsverhältnis für „soziale Bedarfe“ bislang durchaus typisch war, weist gerade das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung seit langem einen nur lockeren Bezug zum Beschäftigungsverhältnis auf116: Ursprünglich kam die Verbindung zum konkreten Beschäftigungsverhältnis in der Gewährung von Entgeltersatz im Fall der Arbeitsunfähigkeit als Hauptleistung der Krankenversicherung zum Ausdruck. In den Anfängen der gesetzlichen Krankenversicherung wurde hierfür fast 60 Prozent des Beitragsaufkommens eingesetzt. Mittlerweile nehmen die Ausgaben für die vom Beschäftigungsverhältnis unabhängige Vorbeugung und Heilung von Krankheiten jedoch bei weitem den Hauptanteil ein117. Im übrigen werden in der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen auch dann erbracht, wenn der Versicherungsfall auf Umstände zurückzuführen ist, die mit dem Beschäftigungsverhältnis keinerlei Berührungspunkte haben118. Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung differenziert also nicht danach, ob die Belastungen im Arbeitsleben irgendeinen Einfluß auf die Erkrankung hatten; die gesetzliche Krankenversicherung tritt auch dann ein, wenn die Verursachung der Krankheit ausschließlich auf der Privatsphäre zuzuordnenden Faktoren beruht. Im Gegenteil gewährt die gesetzliche Krankenversicherung Leistungen gerade dann nicht, wenn sich ein dem Beschäftigungsverhältnis zuzuordnendes Risiko realisiert hat. So besteht gemäß § 11 Abs. 4 SGB V bei Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten kein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung119. Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 74 Rn. 170; Kamitz, Versicherbarkeit des Arbeitslosigkeitsrisikos, S. 36, Fn. 48. 115 Meinhold, in: Schmähl (Hrsg.), Versicherungsprinzip und soziale Sicherung, S. 13, 23. Dieser spricht von den „fünf klassischen Zweigen“; Schnapp, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 74 Rn. 68. 116 So Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 193. 117 Vgl. hierzu umfassend Fuchs, Zivilrecht und Sozialrecht, S. 67 ff. 118 Krasney, Rechtsgutachten, S. 58 verweist insoweit etwa auf Schwangerschaftsbeschwerden, nicht dem Ausgleich dienenden Spitzenleistungen im Sport, rein private handwerkliche Verrichtungen etc. 119 Kleemann, Verfassungsrechtliche Probleme der Pflegeversicherung, S. 196, jedoch im Zusammenhang mit der Rechtfertigung des Arbeitgeberbeitrags.

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Die Notwendigkeit eines Lohnbezuges ergibt sich zwar möglicherweise als materiell-rechtliche Voraussetzung zumindest der Arbeitgeberbeiträge120, nicht aber bereits als kompetenzrechtliche Voraussetzung jedes Risikos der Sozialversicherung i. S. d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Letztlich müssen sozialversicherungsfähige Risiken nur einer Anforderung genügen: Die Kompatibilität von Risiken mit dem verfassungsrechtlichen Begriff der Sozialversicherung fordert deren Bezug zu Vorgängen im Körper eines Menschen. Nur insofern muß ein Zusammenhang mit der Verwertung der persönlichen Arbeitskraft als Quelle des Familieneinkommens bestehen. Denn die Sozialversicherung sollte seit ihren Anfängen sozialen Schutz gegen die typischen Beeinträchtigungen der Arbeitskraft bereitstellen121. Leistungsauslösender Grund ist also – so schon Rosin122 bei der Einführung der Bismarckschen Arbeiterversicherungsgesetze – ein bestimmter Vorgang oder Zustand im Körper eines Menschen. Seit jeher sind die in der Sozialversicherung erfaßten Risiken von Krankheit, Niederkunft, Unfall, Erwerbsunfähigkeit, Alter und Tod in der Regel mit einer Einbuße an körperlicher Integrität verbunden. Nur hierin liegt die Verbindung zum Beschäftigungsverhältnis. In ihren Anfängen der Sozialversicherung sollte zunächst ausschließlich der Status derjenigen Bevölkerungskreise abgesichert werden, welche durch abhängige Arbeit Einkommen erzielten123. Auch die Expansion der Sozialversicherung auf andere Bevölkerungskreise knüpfte stets an die Abhängigkeit der Existenzsicherung von der Arbeitskraft der Versicherten an. Daher muß auch bei der Integration neuartiger Risiken in den Sozialversicherungsschutz zumindest eine lose Verbindung zwischen der Arbeitskraft bzw. dem Erwerbsleben und dem versicherten Risiko erhalten bleiben. Insofern ist auch das umstrittene Risiko der Pflegebedürftigkeit mit dem verfassungsrechtlichen Begriff der Sozialversicherung vereinbar. Vergleicht man die Gründe für den Eintritt des versicherten Risikos, entsprechen die Leistungen bei Pflegebedürftigkeit in den wesentlichen Strukturmerkmalen dem Bild der „klassischen Sozialversicherung“. So ist die Pflegebedürftigkeit regelmäßig auf eine Krankheit einschließlich der Folgen eines Unfalls oder auf ein Gebrechen oder die Schwäche der körperlichen oder geistigen Kräfte bzw. eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung zurückzuführen. Damit läßt sich die Pflegebedürftigkeit als „Sonderfall der Krank120

Leisner, NZS 1996, S. 97, 100. Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 103: Bismarck wollte durch die Einführung eines sozialen Sicherungssystems die an politischer Bedeutung hinzugewinnende Arbeiterschaft, insbesondere die durch die Arbeiterparteien und Gewerkschaften politisch konfliktfähig gewordene Facharbeiterschaft, politisch und sozial an das Kaiserreich binden. 122 Rosin, Das Recht der Arbeiterversicherung, Bd.1, S. 189, 268. 123 Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 103. 121

C. Vorgaben für die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

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heit oder der Behinderung oder als Extremfall der Erwerbsunfähigkeit oder der Behinderung oder der Auswirkungen des Alters“124 begreifen. Die Legitimation der Beteiligung der Arbeitgeber an der Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung stellt sich nicht als kompetentielles Problem, sondern betrifft die materiell-rechtliche Rechtfertigung dieser Sonderbelastung. Die strukturelle Vereinbarkeit des im Jahre 1927 einbezogenen Risikos der Arbeitslosigkeit mit den körperbezogenen Risiken der Sozialversicherung wird erst bei näherer Betrachtung deutlich: Primär richtet sich die gesetzliche Arbeitslosenversicherung auf das Risiko des zeitweiligen Nichterwerbs trotz persönlicher Erwerbsfähigkeit und -bereitschaft, vgl. 119 SGB III, sekundär auf das Risiko der vorübergehenden Nichtentrichtung von Beiträgen zur Kranken- und Rentenversicherung125. Während die klassischen Sozialversicherungszweige die Leistungsgewährung an die Beeinträchtigung der Arbeitskraft der Versicherten anlehnen, sichert die Arbeitslosenversicherung die Folgen der Nichtverwertbarkeit vorhandener Arbeitskraft, mithin eines von der jeweiligen Wirtschaftskonjunktur, also exogenen Faktoren abhängiges Risiko ab126. Der Unterschied zu den klassischen sozialversicherten Risiken ist jedoch gering, wenn man das Ziel der Sozialversicherung – die Sicherung der arbeitskraftabhängigen Existenz – bedenkt. Die Sozialversicherung will gegenüber Einwirkungen absichern, welche den Einsatz der Arbeitskraft zur Einkünfteerzielung im weiteren Sinne behindern. Ebenso wie innere Faktoren schließt auch der äußere Umstand der Arbeitslosigkeit den Einsatz der Arbeitskraft zur Einkünfteerzielung aus. Insoweit ist das Risiko der Arbeitslosigkeit das soziale Ausgangsrisiko, da mit Eintritt des Risikos der Arbeitslosigkeit nicht nur das Erwerbseinkommen ausfällt, sondern auch die Vorsorgefähigkeit, sich gegen die anderen Wechselfälle des Lebens – wie etwa die Krankheit – abzusichern. Überdies hat der Verfassungsgesetzgeber mit Einbeziehung der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG dieses Risiko für strukturell vereinbar mit sonstigen sozialversicherungsrechtichen Risiken erklärt. Die Kompatibilität des Arbeitslosigkeitsrisikos mit der Sozialversicherungskompetenz steht der Feststellung, daß die Sozialversicherung der Absicherung arbeitskraftbezogener Risiken dient, mithin nicht entgegen. Da die Sozialversicherung also im Grunde eine Personenversicherung ist, müssen versicherbare Risiken ihre Ursache im Körper des Versicherten haben. Die in den siebziger Jahren diskutierte obligatorische Rechtsschutzversicherung in der Form der Sozialversicherung127 wäre daher ebenso kompe124

Krasney, Rechtsgutachten, S. 26. Vgl. hierzu Ruland, in: v. Maydell/Ruland (Hrsg.), SRH, C. 16, Rn. 40. 126 Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, S. 20. 127 André, ZRP 1976, S. 177, 179 ff; Baur, NJW 1976, S. 1380, 1383; Grunsky, Verhandlungen des 51. DJT 1976, A 5 (A 59 ff.). 125

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tenzwidrig wie ein Verständnis des Sozialversicherungsbegriffs als Sachversicherung, etwa als Feuer-, Transport-, Hagel- bzw. Tierversicherung, oder als Vermögensversicherung i. S. einer Haftpflicht- bzw. Rücktrittsversicherung128. Die Sozialversicherung dient nur insoweit der Sicherung des Individualvermögens des Versicherten, als dem einzelnen der Rückgriff auf das eigene Einkommen erspart sowie unterhaltspflichtige Angehörige vor der Inanspruchnahme durch die Sozialhilfe bewahrt werden sollen129. Unter Zugrundelegung dieser Erkenntnis kann ausgefallenes Nichterwerbseinkommen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht sinnvoll ersetzt werden. Denn berücksichtigungsfähig sind nur solche Bedarfe130, die sich aus der Verwirklichung sozialversicherungsfähiger Risiken ergeben. Zwischen dem Krankheitsrisiko als Gegenstand der gesetzlichen Krankenversicherung und dem Ausfall von Nichterwerbseinkommen läßt sich eine derartige Verbindung nicht herstellen. Durch die krankheitsbedingte Erwerbsunfähigkeit ist allein das aus der Beschäftigung erzielte Einkommen gefährdet. Nur für das Risiko dessen Ausbleibens darf die gesetzliche Krankenversicherung also Vorsorge bereithalten131. Im folgenden gilt es zu klären, ob die festgestellte Inkompatibilität vermögensbezogener Risiken mit dem Institut der Sozialversicherung bereits zu einem kompetenzrechtlichen Verdikt der Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen führt. Entscheidende Bedeutung erlangt dabei die Fragestellung, welches Maß an Verknüpfung von beitragspflichtigen Einnahmen und abgesicherten Risiken die dem Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zugrundeliegende Versicherungskomponente verlangt. b) Verdikt der Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen Gradmesser der Verflechtung zwischen Beitrag und Leistung ist die Kategorie der Äquivalenz. Diese hält verschiedene Abstufungen bereit: Für das Kriterium der Globaläquivalenz132 reicht es aus, daß die Summe der Beiträge die schätzungsweise eintretenden Schadensfälle und den Verwaltungsaufwand kompensiert133. Um den Anforderungen der Globaläquivalenz zu 128

Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 193. So für die soziale Pflegeversicherung Kleemann, Die Finanzierung der sozialen Pflegeversicherung, S. 98 unter Bezugnahme auf Coepicus, ZRP 1994, S. 33, 34. 130 Zum „Bedarf“ Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 193. 131 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 442. 132 Zur Globaläquivalenz in Privat- und Sozialversicherung ausführlich Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 78 ff. 133 Die Gesamtheit der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung ist gemäß § 220 Abs. 1 SGB V so zu bemessen, daß sie zusammen mit den sonstigen Einnah129

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genügen, müssen die von den Versicherungsnehmern erhobenen Prämien also auf Dauer so bemessen sein, daß die Summe aller Prämien ausreicht, um den Bedarf zuzüglich der dafür erforderlichen Verwaltungskosten und etwaiger Verkaufskosten zu decken134. Erhöhte Anforderungen an die Intensität der Beziehung zwischen dem Versicherungsbeitrag und der Gegenleistung stellt hingegen die Kategorie der versicherungsmathematisch verstandenen Individualäquivalenz. Hierfür muß die zu beurteilende Relation zwischen Beitrag und Leistung in den zugrundeliegenden Bestimmungen angelegt sein; eine rein zufällige wertmäßige Entsprechung zwischen Beitrag und Leistung reicht nicht aus. Als Anknüpfungspunkt für den Wert der Versicherungsleistung gelten nicht die bei Eintritt des Versicherungsfalls tatsächlich erbrachten Leistungen, sondern allein das versicherte Risiko135. Während das Kriterium der Globaläquivalenz lediglich eine Entsprechung von Gesamteinnahmen und -ausgaben verlangt, einer Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen damit nicht entgegenstünde, würde die versicherungsmathematisch verstandene Individualäquivalenz nur die Beitragspflichtigkeit solcher Einkommensbestandteile billigen, deren Ausfall Gegenstand des zu versichernden Risiko ist. Ein dem Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zu entnehmendes kompetenzrechtliches Gebot einer versicherungsmathematischen Individualäquivalenz stünde deshalb einem Verdikt der Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen gleich. Teile der Literatur136 sehen die „uneingeschränkte Einhaltung einer strengen Individualäquivalenz zwischen den Sozialversicherungsbeiträgen und Sozialversicherungsleistungen“ als verfassungsrechtlich geboten an. Die Institution der Sozialversicherung rechtfertige lediglich den Risikoausgleich zwischen den Versicherten. Eine gesteigerte Verantwortung der Versicherten füreinander, welche fremdnützige Beiträge zugunsten anderer erlaube, lasse sich aus der Gleichheit der Risiken hingegen nicht ableiten. Die Sozialversicherung i. S. d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG beinhalte vielmehr das Gebot, individuelle Unterschiede in den Risiken bei den Versicherten im Sinne

men die im Haushaltsplan vorgesehenen Ausgaben und die vorgeschriebene Rücklage deckt. Erweist sich diese Globalberechnung im laufenden Haushaltsjahr als unzureichend oder als überschießend, so werden sie entsprechend erhöht oder gemindert, § 220 Abs. 2, 3 SGB V. 134 Vgl. Eisen, ZVersWiss. 1980, S. 529, 538 ff.; für die Sozialversicherung Karten, ZVersWiss. 1977, S. 185, 197 ff.; Schlie, ZVersWiss. 1966, S. 53 ff.; Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, S. 2 f. 135 Zur Definition des versicherten Risikos in der Sozialversicherung vgl. Gebler, Das Versicherungsprinzip in der GRV, S. 94 ff. 136 Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 163 m. w. N.

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einer versicherungsmathematischen Kalkulation der Sozialversicherungsbeiträge zu berücksichtigen137. Indes hält das Grundgesetz für ein verfassungsrechtliches Postulat versicherungsmathematisch bemessener Sozialversicherungsbeiträge keine Anhaltspunkte bereit. Im Gegenteil bliebe bei Billigung eines solchen Gebots ungeklärt, welcher eigenständige Bedeutungsgehalt dem „Sozialen“ der Versicherung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gegenüber der Privatversicherung Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG zukommt. Entgegen anderer Ansicht138 kann sich die soziale Zwecksetzung der gesetzlichen Krankenversicherung nicht darin erschöpfen, aufgrund ihres verpflichtenden Charakters einen bestimmten Personenkreis vor den durch die Sozialversicherung abgedeckten Risiken zu bewahren. Jede andere Auslegung des verfassungsrechtlichen Begriffs der Sozialversicherung würde vernachlässigen, daß die Finanzierung der Sozialversicherung in keinem Zeitpunkt ihres Bestehens allein durch das individuelle versicherungstechnische Äquivalenzprinzip, sondern seit jeher auch durch Elemente der sozialen Umverteilung geprägt war139. Im übrigen führt der Blick auf die Privatversicherung zu dem überraschenden Ergebnis, daß diese keineswegs durchgehend an einer einheitlichen Versicherungstechnik ausgerichtet ist. Auch in der vielfach als „echte“140 Versicherung bezeichneten Privatversicherung ist der Grundsatz der individuellen Beitragsäquivalenz nicht zwingend141. Grundsätzlich obliegt die Angemessenheit von Leistung und Gegenleistung der entsprechenden Vereinbarung zwischen Versicherer und Versichertem. Neben „generellen“142 Versicherungsbeiträgen ist die risikogerechte Prämie nur einer von mehreren denkbaren Wegen der privatversicherungsrechtlichen Prämienkalkulation. Eine Rechtspflicht, nach der für gleiche Risiken gleiche Leistungen und gleiche, „risikogerechte“ Prämien festzusetzen wären, existiert 137 Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 407; Ruland, SGb 1987, S. 133, 136 ff.; ders., in: DRV 1995, S. 28, 31; ders., in: ASP 1996, S. 44; Glombik, ZTR 1996, S. 261; Rehfeld/Luckert, DRV 1989, S. 42, 45. 138 Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 245; Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, 267. 139 Rolfs, SGb 1998, S. 551, 555. Vgl. auch Jaeger, ZRP 1998, S. 55, 60, die im Rahmen eines europäischen Vergleichs die Stärkung des Versicherungsprinzips in der deutschen Sozialversicherung für bedenklich hält. 140 Vgl. statt vieler BGHZ 44, S. 166, 168; Jang, Soziale Umverteilung im Sozialversicherungsbeitrag, S. 34 f.; Dinkel, ZVersWiss 1985, S. 345, der ausführt, daß die Sozialversicherung „entsprechend der Versicherung intendiert“ gewesen sei. 141 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 199. 142 Die Kalkulation mit generellen Prämien läßt die individuellen Besonderheiten des einzelnen Versicherten, also persönliche oder spezielle Risiken des Versicherten, außer Betracht. Der Beitrag wird nach der Schadenshäufung und dem Schadensumfang mit Durchschnittswerten eines Kollektivs auf eine einheitliche Prämie festgelegt.

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nicht143. Eine von versicherungsmathematischen Grundsätzen abweichende Beitragsbemessung führt daher nicht zum Verlust des Status einer Privatversicherung. Weitergehend ist für die gesetzliche Krankenversicherung wie für die Sozialversicherung allgemein zu berücksichtigen, daß das Versicherungsverhältnis von Gesetzes wegen eintritt und Beiträge nicht individuell ausgehandelt werden. Da darüber hinaus der Versicherungsschutz auch unabhängig von der Beitragszahlung gewährt wird und es weiterhin eines Verfahrens bedarf, das den Einzug der Beiträge möglichst ökonomisch bewältigt, ist die Sozialversicherung schon aus diesen Gründen noch stärker als die Privatversicherung auf von versicherungsmathematischen Gesichtspunkten abweichende Typisierungen angewiesen. Die versicherungsrechtliche Komponente des verfassungsrechtlichen Sozialversicherungsbegriffs verlangt daher lediglich, daß – wie in § 220 Abs. 1 SGB V festgeschrieben – ein Gleichgewicht zwischen der Summe der Versicherungsleistungen und der Summe der erhobenen Nettoprämien besteht. Daß die Globaläquivalenz in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht allein durch Beiträge der Versicherten, sondern auch durch staatliche Zuschüsse hergestellt wird, ist dabei unerheblich. Gleichermaßen stellt das Bundesverfassungsgericht fest, „der Gesetzgeber ist bei der Ausgestaltung sozialversicherungsrechtlicher Systeme von Verfassungs wegen nicht gehalten, Geldleistungen der Höhe nach in voller Äquivalenz zu den Beiträgen festzusetzen“144, auch wenn – wie das Gericht betont – die Relation zwischen Beitrag und Leistung nicht außer Betracht bleiben darf145. Zwar können sich die verfassungsrechtlichen Anforderungen – entgegen Gössl146 – unter materiell-rechtlichen, insbesondere aus gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten nicht auf die Wahrung einer Globaläquivalenz zwischen dem gesamten Abgabenaufkommen und der an alle Beteiligten gewährten Leistung beschränken. Hierbei würde außer Acht gelassen, daß sich die Lastengleichheit auf das jeweilige Individuum bezieht und damit jeden einzelnen von einer Abgabe betroffenen Bürger individuell schützt, nicht lediglich die Gruppe der Abgabenpflichtigen insgesamt147. Für die Vereinbarkeit der Abgabenbemessung mit der Sozialversicherungskompetenz ist eine solche Fragestellung jedoch ohne Bedeutung. Die Trennung von kompetenzrechtlicher und grundrechtlicher Beurteilung der Beitrags-Leistungs-Relation wird auch in den Urteilen des Bundes143 144 145 146 147

Vgl. Lorenz, Gefahrengemeinschaft und Beitragsgerechtigkeit, S. 15 ff. BVerfGE 48, 227, 235 f. BVerfGE 14, 312, 317; 17, 1, 9; 58, 81, 114. Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, S. 57. So zutreffend Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 102.

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verfassungsgerichts zu den Einmalzahlungen148 deutlich: Das Gericht enthielt sich dort bewußt jeder Äußerung darüber, ob ein Konnex zwischen Beitrag und Leistung im Sinne einer wie auch immer gearteten Äquivalenz kompetenzverfassungsrechtlich gewährleistet sei. Vielmehr beschränkte es seine Argumentation streng auf den allgemeinen Gleichheitssatz. Nur wenn die Lohnersatzleistungen nach dem Äquivalenzprinzip an die vorherige Beitragsleistung gekoppelt sind, soll es – so das Bundesverfassungsgericht – nicht gerechtfertigt sein, ohne sachlichen Grund bestimmte Lohnbestandteile bei der Leistungsberechnung auszunehmen. Auch das Bundesverfassungsgericht verwendet die Äquivalenz also nicht als absoluten, sondern nur als relativen Bezugspunkt im Rahmen der gleichheitsrechtlichen Beurteilung. c) Zwischenresümee Der Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG verlangt nicht, daß das Beitrags-Leistungs-Verhältnis einer besonderen „Versicherungstechnik“ folgt. Insoweit besteht auch kein Ausschließlichkeitsanspruch einkommensproportionaler sozialversicherungsrechtlicher Bemessungskriterien149. Daher führen die versicherungstechnischen Eigenheiten der einzelnen Sozialversicherungszweige ebensowenig zum Verlust der Versicherungsnatur wie die Expansion der Bemessungsgrundlage auf Nichterwerbseinkünfte150. Die – wie auch immer ausgeprägte – Verflechtung zwischen Beitrag und Leistung kann daher aufgrund materiellen Verfassungsrechts bei einer Beitragsfinanzierung geboten sein; sie ist aber kein Element des versicherungsrechtlichen Strukturmerkmals, welches selbst den Grund für eine bestimmte Aufgaben- und Finanzstruktur der Sozialversicherung bildet. 5. Vorgaben der solidarischen Komponente Die Ausdehnung der krankensozialversicherungsrechtlichen Bemessungsgrundlage würde die Umverteilungswirkungen in diesem Sozialversicherungszweig weiter verstärken. Das ergibt sich schon daraus, daß Nichterwerbseinkünfte lediglich auf der Beitragsseite Berücksichtigung fänden, sich aber aufgrund der beschriebenen Verfassungswidrigkeit nicht auf die den Versicherten gewährten Leistungen auswirken dürften. Im folgenden soll auf die Eigenarten des krankensozialversicherungsrechtlichen Ausgleichs eingegangen werden mit dem Ziel, die Beitragspflichtigkeit von 148 149 150

BVerfGE 92, 53, 71 ff. Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 143. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 219.

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Nichterwerbseinkommen an dessen etwaigen horizontalen oder vertikalen Grenzen zu messen. a) Der soziale Ausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung Neben der Versicherung ist der „soziale Ausgleich“ klassisches Wesensmerkmal der Sozialversicherung. Ihm kommt gerade in seiner Antagonie zum Versicherungsgedanken ein großer Stellenwert zu. Welcher Bedeutungsgehalt dem „sozialen Ausgleich“ der Sozialversicherung konkret innewohnt, steht indes nicht fest. Jedenfalls verdeutlicht er, daß die Sozialversicherung neben dem versicherungsmäßigen Risikoausgleich auch auf einen sozialen Lastenausgleich zielt. In diesem Sinne stellte das Bundesverfassungsgericht in seinen Entscheidungen mehrfach heraus, die Sozialversicherung sei nicht nach dem reinen Versicherungsprinzip gestaltet, sondern enthalte „von jeher ein Stück staatlicher Fürsorge“151. Die Aufnahme umverteilender Elemente ermöglicht eine Abgrenzung gegenüber dem Kompetenztitel „privatrechtliches Versicherungswesen“ i. S. d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG und gegenüber der öffentlich-rechtlichen Zwangsversicherung. Die Kompetenz für die Schaffung letztgenannter Versicherungen, die bei Vorliegen eines öffentlichen Interesses zulässig sein kann, haben – wie ein Umkehrschluß aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ergibt – ausschließlich die Länder152. In der gesetzlichen Krankenversicherung kommt es in dreierlei Hinsicht zu interpersoneller Umverteilung153: zwischen Geschädigten und Nichtgeschädigten, zwischen Versicherten als Träger unterschiedlicher Risiken und zwischen Versicherten mit ungleichen beitragspflichtigen Einnahmen154: Zum einen stellt sich die interpersonelle Umverteilung als bloßer Risikoausgleich dar155. Wie die Privatversicherung beruht auch die gesetzliche Krankenversicherung auf dem Prinzip des Risikoausgleichs innerhalb der Versichertengemeinschaft. Diese Umverteilung ergibt sich zwischen denjenigen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung, die von den versi151

BVerfGE 10, 141, 166. BVerfGE 10, 141, 162; 41, 205, 218 ff. 153 Das Verhältnis des versicherungsmathematisch kalkulierten Beitragsanteils zu den Umverteilungsanteilen des Sozialversicherungsbeitrags ist immer nur ex post qualifizierbar, vgl. hierzu Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 227. 154 Außerachtbleiben sollen an dieser Stelle die kassenartübergreifenden Ausgleiche, vgl. hierzu Engelhard, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, § 56 Rn. 1 ff. 155 In der Privatversicherung beschränkt sich solidarisches Verhalten auf einen zwischen allen Mitgliedern stattfindenden Risikoausgleich: Interpersonelle Umverteilung findet in der Privatversicherung nur in dem Maße statt, wie sie durch die intertemporale Umverteilung bedingt ist. 152

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cherten Risiken unterdurchschnittlich und denjenigen, die von den versicherten Risiken überdurchschnittlich stark betroffen sind. Jeder Krankenversicherung ist daher die Umverteilung von Gesunden zu Kranken immanent. Diese Organisation der Umverteilung, welche auf dem Grundgedanken des Eintauschens der Ungewißheit über die Schadensentwicklung gegen die Gewißheit der regelmäßigen Beitragszahlung beruht, stellt gerade das Wesen von Versicherungen dar; sie erst erlaubt die Kalkulierbarkeit des ungewissen Schadenseintritt beim einzelnen Versicherten156. Zwar sind die Umverteilungsströme in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht ausschließlich interpersoneller, sondern teilweise lediglich intertemporaler Natur157. Die Sozialversicherung im allgemeinen wie auch die gesetzliche Krankenversicherung im besonderen streben eine zeitlich umfasssende soziale Sicherung ihrer Versicherten an. Bei der gesetzlichen Krankenversicherung zeigt sich dies insbesondere daran, daß die Kinder bereits über die beitragsfreie Familienversicherung mitversichert sind und der Versicherungsschutz so auch bis ins Rentenalter gewährleistet ist. In diesem Sinne gleichen sich Risikoschwankungen in der auf Dauer angelegten Versicherung im Laufe der Zeit in einem gewissen Maße aus. Bei der Einkommensverlagerung zwischen verschiedenen Lebensphasen tritt bezogen auf ein und dasselbe Wirtschaftssubjekt eine intertemporale Umverteilung ein158. Der gelegentlich vorgetragene Einwand, der interpersonale Ausgleich werde durch den intertemporalen ausgeglichen, vernachlässigt jedoch Versicherte, die Zeit ihres Lebens belastet bleiben, ebenso wie andere stets zu den Nettoempfängern gehören159. Die interpersonellen Umverteilungsvorgänge beruhen desweiteren auf der risikonivellierenden Beitragsbemessung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung: Indem der Sozialversicherungsgesetzgeber Personen gleichen Risikos gegenüber anderen Mitgliedern der Risikogruppe begünstigt oder benachteiligt160, kommt es zu einer über den bloßen Ausgleich realisierter Risiken hinausgehenden interpersonellen Umverteilung. Entsprechende Transferströme lassen sich z. B. von den männlichen zu den weiblichen Versicherten wie auch zwischen den jüngeren und gesünderen zu den älte156

Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 205. Krause, VSSR 1980, S. 115, 146 f. Eine besondere Ausprägung erfährt die intertemporale Umverteilung in der gesetzlichen Renten- und sozialen Pflegeversicherung. In beiden Sozialversicherungszweigen liegen der Zeitpunkt der Beitragsentrichtung und der Zeitpunkt des Leistungserhalts zumeist weit auseinander. 158 Vgl. Sauer, Die Verfassungsbindung des Gesetzgebers, S. 22 f.; Altendorf, Der soziale Ausgleich, S. 119; Karten, ZVersWiss. 1977, S. 185, 199 f. 159 So Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 212. 160 Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 15 f; Schmähl, in: ders. (Hrsg.), Versicherungsprinzip und soziale Sicherung, S. 93; Zacher, in: ders. (Hrsg.), Die Rolle des Beitrags in der sozialen Sicherung, S. 29. 157

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ren und krankheitsanfälligeren Versicherten, welche ein höheres Morbiditätsrisiko haben, feststellen. Ausnahmen von der strikt risikounabhängigen Beitragsbemessung gelten im geringen Maße für die Beitragssatzgestaltung: So können die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung die Beitragssätze entsprechend dem Risiko für Mitglieder mit unmittelbarer Entgeltfortzahlung, mit Entgeltfortzahlungsanspruch nach sechs Wochen und ohne Entgeltfortzahlungsanspruch (dann ermäßigter Beitragssatz) festlegen161. Zudem haben die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung die Möglichkeit, für besondere Fälle, in denen der Leistungsanspruch gegenüber dem Normalanspruch vermindert ist, reduzierte Beitragssätze anzuwenden162. Die Umverteilungseffekte beruhen schließlich auf dem systematischen, durch die einkommensbezogene Abgabenbemessung durchgeführten Ausgleich von Einkommensunterschieden zwischen den Versicherten. Auch als sog. „Solidarausgleich“ bezeichnet bildet dieser Ausgleich neben der Risikoabstraktion das zweite tragende Merkmal der Beitragsbemessung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung. Bei dem Versuch, die Entsprechung von Beiträgen und Leistungen wie auch das Ausmaß der Umverteilungswirkungen in der gesetzlichen Krankenversicherung zu beschreiben, ist zwischen Sach- und Dienstleistungen163 einerseits und Geldzahlungen andererseits zu unterscheiden: Der Umfang der gewährten Sach- und Dienstleistungen, welche vor allem für die Bereiche der medizinisch-gesundheitlichen Versorgung und der beruflichen Rehabilitation typisch sind164, bestimmt sich unabhängig von der Höhe der Beitragszahlungen der Versicherten. Trotz einer nach Arbeitseinkünften gestaffelten Beitragsbelastung erhalten alle Versicherten die gleichen Leistungsanrechte. Damit entfernt sich der Beitrags-Leistungs-Bezug der gesetzlichen Krankenversicherung in zweifacher Weise von der versicherungsmathematischen Beitragsbemessung des privaten Pendants: Eine Durchbrechung liegt schon darin, daß die Versichertenbeiträge Risikounterschiede unberücksichtigt lassen. Darüber hinausgehend vergrößert die Beitragsdifferenzierung nach der Höhe der Arbeitseinkünfte die Distanz zum Prinzip der Tauschgerechtigkeit durch systematische Begünstigung geringer verdienender Versicherter. Da die Inanspruchnahme von Sachleistungen und die Höhe der Ausgaben im Krankheitsfall bei gleichartiger Erkrankung 161

§§ 241 ff. SGB V. Zu den Elementen des Äquivalenzprinzips in der gesetzlichen Krankenversicherung vgl. Smigelski, in: Schmähl (Hrsg.), Versicherungsprinzip und soziale Sicherung, S. 76, 80 ff. 163 Vgl. § 11 S. 1 SGB I: Sozialleistungen sind „die in diesem Gesetzbuch vorgesehenen Dienst-, Sach- und Geldleistungen“. 164 §§ 2 Abs. 2 S. 1, 13, Abs. 1 SGB V. 162

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nicht einkommensabhängig sind, erhält man bei einem gleichartigem Krankheitsfall – verglichen mit den Beitragszahlungen – relativ betrachtet um so weniger an „Gegenwert“, je höher das versicherungspflichtige Arbeitsentgelt ist165. Hinsichtlich der einkommensbezogenen Leistungen besteht demgegenüber eine gewisse Annäherung des Sozialversicherungsrechts an die Grundsätze versicherungsmathematischer Beitragsgestaltung: Indem sich die Höhe der Geldleistungen bei Ausfall oder Verminderung des Arbeitsverdienstes an den vom Versicherten vor dem Eintritt des Versicherungsfalls erzielten Einkünften orientiert166, stellt sich die Bemessung der Beiträge nach dem Arbeitsentgelt in Bezug auf Einkommensersatzleistungen nicht zwingend als Element des sozialen Ausgleichs dar. Die höhere Beitragsleistung besserverdienender Versicherter läßt sich vielmehr als Annäherung an versicherungsmathematische Grundsätze in dem Sinne begreifen, daß die Einkommensersatzleistungen an der Höhe des beitragspflichtigen Arbeitsentgelts orientiert sind, die Einkünfte der Besserverdienenden also wegen der Höhe der ihnen zustehenden Entschädigungsleistungen ein höheres Risiko darstellen167. Die Leistungsseite bleibt indes vor allem insofern Medium interpersoneller Umverteilung, als bei einheitlichen Regelungen auf der Beitragsseite hinsichtlich Höhe und Dauer des Leistungsbezugs Begünstigungen oder Benachteiligungen einzelner Mitglieder vorliegen. Freilich ist – wie Hase darlegt – folgendes zu bedenken: Die Höhe des innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung gewährten Krankengeldes hängt als kurzfristige Entgeltersatzleistung168 nur von der Höhe der Arbeits165 Anderes würde nur dann gelten, wenn sich die „Gegenleistung“ – wie von Schmähl vorgeschlagen – nicht nach den Ausgaben für die Krankenversicherung, sondern nach dessen potentiellen Einkommensausfall bei dem Versicherten orientierte. In diesem Fall stünde die Koppelung der Finanzierung an das Einkommen und die Loslösung der Krankenversicherungsausgaben vom Einkommen nicht notwendig in Widerspruch zur Annahme einer Äquivalenzbeziehung. Indes läßt dieses Modell viele Fragen offen. Ein Problem dieses Modells bildet – wie Schmähl selbst einräumt – die Bewertung von Leistungen, welche an Nichterwerbstätige, also z. T. freiwillig Versicherte und Familienversicherte ergehen, vgl. Schmähl, in: ders. (Hrsg.), Versicherungsprinzip und soziale Sicherung, S. 89, 90. 166 Die danach jeweils festzusetzenden Zahlbeträge sind nach der allgemeinen Lohn- und Gehaltsentwicklung dynamisiert; die Sozialleistung folgt der Veränderung der Durchschnittsentgelte, vgl. insbes. § 68 Abs. 1 S. 2 SGB VI. 167 Platz, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 2, § 58 Rn. 45. Darüber hinaus ist die Beitragssatzgestaltung innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung in Ansätzen leistungsbezogen. So können die Träger der gesetzlichen Krankenkassen in der Beitragssatzgestaltung entsprechend dem Risiko Beiträge für Mitglieder mit unmittelbarer Entgeltfortzahlung und ohne Entgeltfortzahlungsanspruch festlegen. Schließlich haben die Träger der gesetzlichen Krankenkassen die Möglichkeit, für besondere Fälle, in denen der Leistungsanspruch gegenüber dem Normalanspruch vermindert ist, reduzierte Beitragssätze festzulegen, §§ 242 SGB V.

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einkünfte ab, wie sie dem Versicherten „normalerweise“ zur Verfügung stehen: Die Bemessungsgrundlage bildet also nur den Indikator bestehender Einkommensverhältnisse. Befand sich der Versicherte im jeweiligen Leistungsbemessungszeitraum in einer atypischen Verdienstsituation, wird das der Berechnung des Krankengeldes zugrundegelegte Entgelt nach oben oder nach unten hin modifiziert. Fehlt es vollständig, ist es durch Vergleichswerte zu substituieren. Die Leistungsgestaltung erfolgt zudem unabhängig davon, wie lange Einkünfte erzielt und nach ihnen bemessene Beiträge entrichtet worden sind169. Es reicht aus, daß die Arbeitseinkünfte überhaupt mit Beiträgen belastet gewesen sind; Warte- und Vorversicherungszeiten sind nicht erforderlich170. Angesichts dieser Bemessungstechnik ist auch das Verhältnis der eingezahlten Sozialversicherungsabgaben zu den einkommensbezogenen Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung weit davon entfernt, als Komponente eines eigenständigen Leistungsberechtigungselements im Sinne einer an versicherungsmathematischen Grundsätzen orientierten Entsprechung ausgestaltet zu sein. Denn Äquivalenz ist nicht jede Abhängigkeit zweier Größen von einer dritten, sondern nur ein wechselseitiger Bezug, der den Anspruch auf eine wirtschaftliche Gleichsetzung zum Ausdruck bringt171. Die Bewertung einer Leistungs-Gegenleistungs-Beziehung als „äquivalent“ im versicherungsmathematischen Sinne fordert wenigstens auch die Beachtung guter und schlechter Risiken. Da die Individualäquivalenz eine risikobezogene Prämienberechnung beinhaltet, kann die isolierte Betrachtung des (nominalen) Verhältnisses von Beitrag und Leistung nicht ausreichen. Soweit der Terminus der „Äquivalenz“ von Beitrag und Leistung bezüglich der gesetzlichen Sozialversicherung Verwendung findet, ist dieser deshalb klar von einer „versicherungsmathematischen Äquivalenz“ zu unterscheiden. Sozialversicherungsrechtliche Individualäquivalenz läßt sich allein im Sinne einer relativen Äquivalenz begreifen. Für deren Vorliegen kommt es nur darauf an, ob mehrere Vertragspartner eines Anbieters verhältnismäßig den gleichen Preis für eine Dienstleistung bezahlen, d. h. die Prämien ohne Rücksicht auf soziale Momente für alle Versicherten nach der jeweiligen Gefahr abgestuft werden172. Eine so verstandene „gerechte Prämie“ liegt dann vor, wenn die Relation zwischen Leistung und Gegenleistung bei 168 Hierzu zählen insbesondere das Krankengeld, das Übergangs- und Verletztengeld der gesetzlichen Unfallversicherung, das Übergangsgeld der Rentenversicherung, das Arbeitslosengeld und die übrigen Entgeltersatzleistungen der BfA. 169 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 123. 170 Hierzu umfassend Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 124 ff. 171 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 133. 172 Gebler, Das Versicherungsprinzip in der GRV, S. 57; so auch Innami, ZVersWiss. 1966, S. 17, 18.

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allen Versicherten ohne Berücksichtigung individueller Risikodifferenzen gleich ist173. In diesem Sinne gelangt letztlich auch Hase174 zu dem Ergebnis, „die „Dynamik der Einkommensersatzleistungen“ bilde sich offenbar nicht in einer individuellen Wertrelation ab175. Die Individualäquivalenz ist in der Sozialversicherung also – wie Isensee176 formuliert – nicht versicherungsmathematisch zu verstehen, sondern „Gegenstand normativer Wertung“. b) Der soziale Ausgleich in der Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung Der Umfang der interpersonellen Einkommensredistribution unterlag seit Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung einer ständigen Ausweitung. Damals wie heute erfolgt die Beitragsbemessung unter Zugrundelegung eines festen Beitragssatzes nach dem Arbeitseinkommen. Gleichermaßen werden die medizinischen Leistungen seit jeher nach dem Sachleistungsprinzip gewährt. Daß die Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung gleichwohl durch eine starke Verwässerung der wertmäßigen Entsprechung von Beitrag und Leistung und folglich erhebliche Ausweitung des interpersonellen Ausgleichs gekennzeichnet ist, läßt sich vor allem auf zwei Faktoren zurückführen: Bedeutung erlangt in diesem Zusammenhang zum einen die zunehmenden Risikoheterogenität des Versichertenkreises, zum anderen die Verschiebung des Verhältnisses von beitragsbezogenen und beitragsunabhängigen Leistungen. (1) Zunehmende Risikoheterogenität des Versichertenkreises Solange die Mitgliedschaft einer Krankenkasse relativ homogen ist, gilt das Prinzip der Reziprozität: Nettozahler können – vom reinen Schadensausgleich abgesehen – davon ausgehen, mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit selbst einmal zu den Nutznießern der vorwiegend temporären Umverteilungsmechanismen zu gehören. Eine heterogene Struktur der Mitglied173 Vgl. auch Krause, VSSR 1980, S. 155, 134, der für die gesetzliche Rentenversicherung ausdrücklich auf eine relative Äquivalenz abstellt. 174 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 136 ff. 175 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, setzt sich dann mit Schreiber-Argument auseinander: die dynamische Rente sei der Gegenwert der mit den Sozialabgaben belasteten individuellen Arbeitsleistung, der nur in jeweils auf den Zahlungszeitpunkt aktualisierten, nicht in Nominalbeträgen auszuzahlen sei. 176 So Isensee, in: Zacher (Hrsg.), Die Rolle des Beitrags in der sozialen Sicherung, S. 461. Hase schlägt deshalb anstelle der „Äquivalenz“ den Begriff der „Einkommensproportionalität“ vor, um der Eigenständigkeit der sozialversicherungsrechtlichen Regelungszusammenhänge hinreichend Rechnung zu tragen.

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schaft fördert hingegen Entwicklungen, welche nicht durch das Prinzip der Reziprozität gedeckt sind, sondern in höherem Ausmaß Redistributionen beinhalten177. Den Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung wird also ein um so höherer Solidarbeitrag abverlangt, je heterogener der Versichertenkreis einerseits in bezug auf den Risikoausgleich, andererseits in bezug auf die Einkommensverhältnisse ist. Die gesetzlichen Krankenkassen wiesen ursprünglich eine hohe Risikohomogenität auf. Das Krankenversicherungsgesetz aus dem Jahre 1883 führte die Versicherungspflicht für die Mehrzahl der gewerblichen Arbeiter und die Angestellten mit einem Jahresarbeitsverdienst von bis zu 2000 Mark ein. Daneben berechtigte es bestimmte Personengruppen, freiwillig der gesetzlichen Krankenversicherung beizutreten, sofern diese ein gewissen Jahreseinkommen nicht überschritten178. Im ersten Jahr der gesetzlichen Krankenversicherung erfaßte die allgemeine Versicherungspflicht von den 46 Mio. Einwohnern Deutschlands gerade 4,67 Mio. Personen, also nicht mehr als rund 10 Prozent der Gesamtbevölkerung179. Der anschließende Werdegang der gesetzlichen Krankenversicherung ist durch einen fortlaufenden Prozeß der Heterogenisierung der Mitgliedschaft gekennzeichnet. Die Ausweitung des krankensozialversicherten Personenkreises setzte früh ein und vollzog sich in rasch aufeinanderfolgenden Schritten. Neben der Einführung der Versicherungspflicht hatte das Krankenversicherungsgesetz bereits die Gemeinden, den Bundesrat und den Reichskanzler ermächtigt, die Versicherungspflicht auf weitere Personen auszudehnen. Durch Wahrnehmung dieser Ermächtigungen, aber auch durch die zunehmende Zahl der im versicherungspflichtigen Bereich Beschäftigten stieg die Zahl der Mitglieder bereits zwischen 1885 und 1900 auf 9,5 Mio.180. Viele Kassen begannen, Familienangehörige ohne Zusatzbeiträge in die Leistungsberechtigung einzubeziehen. Im Jahre 1911 glich die Reichsversicherungsordnung181 das Mitgliedschaftsrecht von Unfall- und Krankenversicherung einander an und setzte hiermit den Grundstein für eine erneute Expansion des versicherten Personenkreises und des Leistungskatalogs. Sie dehnte die Versicherungspflicht auf in der Land- und Forstwirtschaft Beschäftigte, Dienstboten, unselbstän177 Ulrich, Solidarität, S. 62, der Reziprozität und Redistribution daher nicht als sich ausschließende Verteilungsprinzipien versteht. Beide kämen unweigerlich in allen Versichertenkollektiven nebeneinander vor. Unterschiede seien daher prinzipiell immer nur gradueller Natur, für das Umverteilungsvolumen aber von besonderer Bedeutung. 178 Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, S. 65. 179 Schulin, Sozialrecht, § 6 Rn. 39. 180 Köhler/Zacher, Ein Jahrhundert Sozialversicherung, S. 54. 181 Knieps, in: v. Maydell/Ruland (Hrsg.), SRH, C. 14, Rn. 6.

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dige Arbeiter und das Wandergewerbe aus, so daß die arbeitende Bevölkerung nun umfassend in das Schutzsystem der Krankenversicherung einbezogen war. Die Versicherungspflichtgrenze für Angestellte erhöhte sich auf 2.500 Mark. Die Mitgliederzahl stieg jetzt auf etwa 18 Mio.182 an. Bei Einführung der Krankenversicherung wurden mit den „proletaroiden Selbständigen“ zunächst nur solche Selbständigen in die Pflichtversicherung einbezogen, die wie Arbeitnehmer tätig waren und nur ein bestimmtes Einkommen erzielten183. Man ging davon aus, daß diese Selbständigen184 auf den Schutz vor Personenschäden angewiesen sind, soweit sie – wie der überwiegende Teil dieser Gruppe – ihre Existenzgrundlage eher durch die Verwertung von Arbeitskraft als durch den Besitz an Produktionsmitteln bestreiten185. 1938 weitete sich die gesetzliche Krankenversicherung schließlich auch zu einer Handwerkerversicherung aus. Nach Erlaß des Grundgesetzes setzte sich die Expansion des in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogenen Personenkreises sukzessive fort: So führte das Gesetz über die Krankenversicherung der Rentner vom 12.6.1956186 die Pflichtversicherung der Rentner ein. Erstmals wurden die Rentner hiermit als echte Mitglieder in die Krankenkassen mit gleichem Leistungsanspruch wie die aktiv Versicherten eingegliedert. Sämtliche Kassen waren nun für die Rentner zuständig. Dabei hatten die Pflichtversicherten allerdings selbst keine Beiträge zu leisten, die Finanzierungslast wurde vielmehr den Rentenversicherungsträgern auferlegt187. Mit dem Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte vom 10.8.1972188 wurde eine weitere große Gruppe der Selbständigen in die Versicherungspflicht einbezogen189. Die Integration der Behinderten in die gesetzliche Krankenversicherung erfolgte durch das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter vom 7.5.1975190. Studenten und Praktikanten unterstellte man im Jahre 182

Schlenker, in: Schulin (Hrsg.), HSVR, Bd. 1 § 1 Rn. 50. Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, S. 23. 184 Für Selbständige vgl. Steinmeyer, NZS 1994, S. 103 f.; 108 f.; Möller, SGb 1970, S. 80, 81; Bogs, in: FG Muthesius, S. 47, 51. 185 Eingehend hierzu Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, S. 360 ff. 186 BGBl. I, S. 500. 187 Peters, Geschichte, S. 160 f. 188 BGBl. I, S. 1433. 189 Schlenker, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1 § 1, Rn. 107 f. Er sieht die Ausweitung des Versichertenkreises „begünstigt durch ein kräftiges wirtschaftliches Wachstum, das zunächst Sorgen um eine Überbeanspruchung und den Mißbrauch des sozialen Netzes in den Hintergrund treten ließ, vgl. hierzu Stolleis, Sozialversicherung und Interventionsstaat, S. 73 f.; Michalsky, SF 1984, S. 134, 138 ff.; Vogel, ZRP 1980, S. 1, 3 f.; Zacher, SF 1984, S. 1. 190 BGBl. I, S. 1061. 183

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1975 der gesetzlichen Krankenversicherung191. Durch die mit dem Zweiten Krankenversicherungs-Änderungsgesetz eingeführte Dynamisierung der Beitragsbemessungsgrenze wurde zusätzlich etwa eine Million Angestellter versicherungspflichtig192. Seit der am 1.1.2001 vorgenommenen Angleichung der Beitragsbemessungsgrenze in den neuen Bundesländern besteht erstmals eine einheitliche Kappungsgrenze für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung193. Schließt man die mitversicherten Familienangehörigen ein, umfaßt die gesetzliche Krankenversicherung mittlerweile einen Anteil von ca. 90 Prozent der Gesamtbevölkerung. Jedoch waren in den letzten Jahren auch rückläufige Tendenzen sichtbar: Während sich in der gesetzlichen Krankenversicherung der Kreis der Versicherten im Laufe des ersten Jahrhunderts mehrfach vergrößerte, wurde im Gesundheits-Reformgesetz die Versicherungspflichtgrenze für Angestellte in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht aufgehoben, sondern vielmehr auf die Arbeiter ausgedehnt und so der Kreis der gesetzlich pflichtversicherten Arbeiter eingeengt. Die Expansion des Versichertenkreises bewirkte eine soziale Heterogenisierung. Mit der sozialen Heterogenisierung einher ging die Risikoheterogenisierung der Versicherten194. Da Erkrankungsrisiken deutlich mit sozialen Unterschieden kovariieren (insbesondere Alter, Geschlecht, Schichtzugehörigkeit etc.), ist die Risikoheterogenisierung zu einem nicht unerheblichen Teil eine direkte Folge der sozialen Heterogenisierung. Infolge der gewachsenen sozialen Unterschiede, der Erweiterung des Leistungskatalogs und des verbesserten Wissens über Risikofaktoren kam es zu einer stärkeren Heterogenisierung des Erkrankungsrisikos, welches eine Erhöhung des Umverteilungsvolumens zwischen Versicherten mit unterschiedlichen Lebenslagen einerseits und Versicherten mit unterschiedlichen Bedarfen andererseits impliziert. Solidarische Ausgleichsmechanismen zwingen die Nettozahler also zu einer „Solidarität mit doppelt Ungleichen“195, nämlich sowohl mit den leistungsschwächeren als auch mit den Versicherten, welche einen höheren Verbrauch an Gesundheitsleistungen haben.

191

BGBl. I, S. 1536. Schlenker, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1 § 1 Rn. 110. 193 Die Beitragsbemessungsgrenze stieg für die neuen Bundesländer von 5.325 DM auf 6.525 DM (seit 1.01.2002: 3.350 EUR). 194 Ulrich, Solidarität im Sozialversicherungsstaat, S. 59 f. 195 Ulrich, Solidarität im Sozialversicherungsstaat, S. 63. 192

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

(2) Das Verhältnis von Sach- und Barleistungen Seit ihren Anfängen umfaßt die gesetzliche Krankenversicherung alle Unterstützungsarten im Krankheitsfall, die auch heute noch als elementare Leistungen der sozialen Krankenversicherung gelten196. Erhebliche Unterschiede treten aber zutage, wenn man das Verhältnis zwischen Sach- und Dienstleistungen einerseits und Barleistungen andererseits betrachtet. Ende des 19. Jahrhunderts lag der Schwerpunkt in der wirtschaftlichen Sicherung der Versicherten durch das Krankengeld. Mit über 55 Prozent entfiel der größte Teil der Ausgaben auf Leistungen dieser Art. Im Vordergrund stand die Intention, Arbeitereinkommen für den Fall zu sichern, daß der Lohn infolge Arbeitsunfähigkeit ausblieb197. Aufgabe der Krankenversicherung war es also, gegen die wirtschaftlichen Folgen der Krankheit – Lohnausfall und Kosten medizinischer Behandlung – zu versichern. Auch über die Sachleistungen fand kaum systematische Umverteilung statt, da die Versicherten wegen ihres gleichen Berufes ähnliche Risiken und Einkommen hatten198. Heute spielen die Geldleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung nur noch eine untergeordnete Rolle. Die Bedeutung der Lohnersatzleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung ist seit dem Ausbau des Lohnfortzahlungsrechts in den Jahren 1957, 1961 und 1969199 so weit zurückgedrängt worden, daß die Aufwendungen hierfür nur noch ca. 6 Prozent der Ausgaben dieses Versicherungszweiges erreichen200. c) Zwischenresümee Für den sozialen Ausgleich der gesetzlichen Krankenversicherung ist der Dualismus von einkommensbezogen erhobenen Beiträgen einerseits und im wesentlichen bedarfsorientierten Leistungen andererseits prägend. Ebensowenig wie ein „klassisches Bild der Versicherungstechnik“ gibt es ein kompetenzrechtlich geschütztes „klassisches Bild des sozialen Ausgleiches“ in der gesetzlichen Krankenversicherung. Gerade der Blick auf den historischen Werdegang des sozialen Ausgleiches setzt einer weiterführenden Konturierung des kompetentiellen Begriffs der Sozialversicherung Grenzen. Daher läßt sich die Frage, inwiefern das Verfassungsrecht die Ausweitung 196 Vgl. hierzu Tennstedt, Sozialgeschichte der Sozialversicherung, S. 387 f. Hierzu zählen die freie ärztliche Behandlung, freie Arznei und sog. kleine Hilfsmittel, Krankengeld, freie „Kur und Verpflegung“, Unterstützung von Wöchnerinnen in Höhe des Krankengeldes, Sterbegeld. 197 Vgl. Tennstedt, in: v. Maydell/Ruland (Hrsg.), SRH, A. 2, Rn. 4. 198 Herder-Dorneich, Ökonomische Theorie des Gesundheitswesens, S. 83. 199 Vgl. Rolfs, SGb 2000, S. 449, 454. 200 Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Übersicht über das Sozialrecht, Kap. 5, Übersichten 4a und 4b nach Rn. 415.

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des krankensozialversicherungsrechtlichen Ausgleichs vom Erwerbseinkommen auch auf das Nichterwerbseinkommen der Pflichtversicherten erlaubt, nicht anhand der sozialen Komponente des kompetentiellen Begriffs der Sozialversicherung beantworten201. 6. Die „Finanzierung durch Sozialversicherungsbeiträge“ Neben den Prinzipien der „Versicherung“ und des „sozialen Ausgleichs“ bietet sich ein weiteres Merkmal für die inhaltliche Präzisierung des kompetentiellen Sozialversicherungsbegriffs an: Zu den für die „Sozialversicherung“ i. S. d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG konstitutiven Elementen gehört es auch, daß die „Träger der Sozialversicherung (. . .) ihre Mittel durch Beiträge der Beteiligten aufbringen“202. a) Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG als Abgabenerhebungskompetenz Die Kompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG ist „aus sich heraus auf die Regelung der Finanzierung der Sozialversicherung, mithin die Erhebung von Sozialversicherungsabgaben, gerichtet“ 203. Diese in weiten Teilen der Literatur204 anerkannte Feststellung des Bundesverfassungsgerichts wird durch die Gesamtschau mit den anderen Kompetenztiteln des Grundgesetzes gestützt: Eine ausdrückliche Kompetenz zur Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen hält das Grundgesetz nicht bereit. Nur die besondere Finanzierung der sozialversicherungsrechtlichen Leistungen durch Beiträge der Versicherten ermöglicht eine Abgrenzung gegenüber den Instituten der Versorgung und Fürsorge, welche durch die Kompetenztitel der Art. 73 Nr. 8; 74 Abs. 1 Nr. 7, 10; 75 Abs. 1 Nr. 1 GG erfaßt werden. Mit Blick auf die Finanzverfassung wird deutlich, daß Sozialversicherungsbeiträge nicht der allgemeinen Mittelbeschaffung des Staates dienen dürfen, sondern ihren Grund und ihre Grenze in der Finanzierung der Sozialversicherung finden müssen. Wie auch das Bundesverfassungsgericht betonte, kann sich der Gesetzgeber also „seiner Regelungskompetenz für die Sozialversicherung nicht bedienen, um dadurch Mittel für die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben aufzubringen“205.

201

So im Ergebnis auch Huster, NZS 2002, S. 371, 378. BVerfGE 75, 108, 146. Vgl. auch BVerfGE 11, 105, 113; 14, 312, 317 f.; 62, 354, 366; 63, 1, 35; 87, 1, 34; 99, 202, 212. 203 BVerfGE 75, 108, 148. 204 Vgl. nur Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 124. 205 BVerfGE 75, 108, 148; vgl. auch BVerfGE 14, 312, 318. 202

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b) Der „Beteiligte“ im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG „Beteiligte“ im Sinne der Sozialversicherungskompetenz sind herkömmlich die Versicherten und ihre Arbeitgeber206. Wie die dargelegte Entwicklung des versicherten Personenkreises in der gesetzlichen Krankenversicherung zeigt, kann es für die Eigenschaft als Versicherter nicht auf den Status eines abhängig beschäftigten Arbeitnehmers ankommen. Die lange vorherrschende typisierende Gleichsetzung von Schutzbedürftigkeit und Zugehörigkeit zu bestimmten sozialen Schichten, insbesondere zur abhängigen Arbeiterschaft und Angestelltenschaft, findet keine Berechtigung207. Die gesetzliche Krankenversicherung war im Zeitpunkt ihrer Entstehung eine Reaktion auf das mit dem freien Arbeits- und Kapitalmarkt208 entstandene Bedürfnis nach der Versicherung gegen Personenschäden und das hiermit zusammenhängende Risiko des Einkommensverlustes209. Da die „Funktionsausfälle“ bei der Bedürfnisdeckung hauptsächlich bei den Industriearbeitern auftraten, knüpfte das Sozialversicherungsverhältnis folgerichtig im Kern an das Lohnarbeitsverhältnis an und diente so der Sicherung und Ergänzung des individuellen Arbeitseinkommens210. Im Gegensatz zur Armenfürsorge war der Versicherte im Bedarfsfall nun nicht mehr auf Wohltätigkeit und den Nachweis seiner individuellen Bedürftigkeit angewiesen, sondern hatte einen an das abhängige Arbeitsverhältnis anknüpfenden Rechtsanspruch211. Der Arbeitnehmerstatus bildete also lediglich den Anknüpfungspunkt für die Feststellung der Schutzbedürftigkeit. Wie dargestellt erfolgte immer dann, wenn eine bestimmte Berufsgruppe dem Risiko des durch Personenschaden verursachten Einkommensausfalls ausgesetzt war, deren Einbeziehung in die gesetzliche Krankenversicherung. Im Ergebnis läuft auch die Judikatur des Bundesverfassungsgerichtes darauf hinaus, bei der kompetenzrechtlichen Beurteilung neuer Gesetzgebung die „folgerichtige Weiterentwicklung sozialer Schutzeinrichtungen“ auf solche Kreise zuzulassen, „die im Wandel der Verhältnisse und Anschauungen nun ebenfalls in gewissem Sinn und Umfang ,sozial schutzwürdig‘ geworden sind“212. Zudem führte das Gericht mehrfach aus, daß „die Beschränkung auf Arbeitnehmer (. . .) nicht zum Wesen der Sozialversicherung“ ge206

BVerfGE 11, 105, 113. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 303. 208 Vgl. Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 5. 209 Vgl. hierzu ausführlich auch Fuchs, Rentenversicherung und Zivilrecht, S. 325 ff.; Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 4 ff.; Steinmeyer, NZS 1994, S. 103, 108. 210 Zacher, in: Kübler (Hrsg.), Verrechtlichung von Wirtschaft, S. 29. 211 Preller, Sozialpolitik: Theoretische Ordnung, S. 258. 212 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 306. 207

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höre213. Betrachtet man die erweiterten Möglichkeiten der freiwilligen Versicherung, so liegt das Hauptaugenmerk der Sozialversicherung zwar auf der abhängigen Erwerbstätigkeit. Gleichwohl hat sich die gesetzliche Krankenversicherung insgesamt – ähnlich wie andere Zweige der Sozialversicherung – von einer ursprünglich auf Arbeiter und Angestellte beschränkten sozialen Sicherung durch die Einbeziehung von Selbständigen und nicht erwerbstätigen Personen zu einer Volksversicherung entwickelt214. c) Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG im Lichte der Sonderabgabenjudikatur Finanzierungssonderabgaben dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur eine „vorgefundene homogene Gruppe in Finanzierungsverantwortung nehmen; diese Gruppe muß durch eine vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit und anderen Gruppen abgrenzbar sein“215. Neben dem Homogenitätserfordernis bedarf die Gruppe der Abgabenpflichtigen einer spezifischen Sachnähe zu der zu finanzierenden Aufgabe216. „Die mit der Abgabe belastete Gruppe muß dem mit der Erhebung verfolgten Zweck evident näher stehen als jede andere Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler. Aus dieser Sachnähe der Abgabenpflichtigen zum Erhebungszweck muß eine besondere Gruppenverantwortung für die Erfüllung der mit der außersteuerlichen Abgabe zu finanzierenden Aufgabe entspringen“217. Die schließlich geforderte Verknüpfung zwischen der Abgabenbelastung und der durch diese finanzierte Aufgabe bestimmt sich danach, ob „das Abgabeaufkommen im Interesse der Gruppe der Abgabenpflichtigen, also gruppennützig, verwendet wird“218. Diese Kriterien sollen nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts219 für Sonderabgaben bereits als Voraussetzungen ihrer kompetenzrechtlichen Verfassungsmäßigkeit gelten. In der Entscheidung zur Berufsausbildungsabgabe wird deutlich, daß das Gericht insofern nicht zwischen Kompetenz und materieller Verfassungsmäßigkeit trennt, sondern die materiell-grundrechtlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen mit der Erörterung der Kompetenz der Abgabe verzahnt220. 213 BVerfGE 11, 105, 113; 75, 108, 146 ff.; siehe auch BVerfGE 18, 38, 46; 25, 314, 321; 29, 221, 242 ff. 214 Bloch, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1, § 15, Rn. 7; Gitter/Schmidt, Sozialrecht, § 4 Rn. 19. 215 BVerfGE 67, 256, 276; 82, 159, 180. 216 Vgl. nur BVerfGE 67, 256, 276. 217 BVerfGE 82, 159, 180; ebenso BVerfGE 67, 256, 276. 218 BVerfGE 82, 159, 180 f. 219 BVerfGE 55, 274, 302 ff.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Ob die Kriterien der sachnahen Aufgabe, der Gruppenhomogenität und der Gruppennützigkeit auch für die Kompetenzgemäßheit von Sozialversicherungsabgaben gelten, läßt sich anhand folgender Ansätze bestimmen: Die Anwendbarkeit der Sonderabgabenjudikatur auf Sozialversicherungsbeiträge wäre zum einen dann geboten, wenn letztere von der Rechtsnatur her zugleich als Sonderabgaben einzuordnen sind. Andererseits wären die Sonderabgaben-Voraussetzungen auf Sozialversicherungsbeiträge zu übertragen, wenn die Gründe, welche die Voraussetzungen für Sonderabgaben begründen, auch auf Sozialversicherungsabgaben zutreffen. (1) Eigenständigkeit des Sozialversicherungsbeitrags gegenüber Sonderabgaben Begriffslogisch erscheint die Befürwortung eines allgemeinen, die Sozialversicherungsbeiträge umfassenden Auffangtatbestandes der „Sonderabgaben“ wenig einleuchtend. Es ist zwar durchaus denkbar, dem Sonderabgabentatbestand als Auffangtatbestand221 all diejenigen Abgaben zuzuordnen, welche sich nicht in das „klassische Abgabentrias“ von Steuern, Gebühren und Beiträgen eingliedern lassen222. Gegen eine solche Konstruktion spricht neben dem durch Sozialversicherungsbeiträge erzielten Einnahmenvolumen aber auch die ausdrückliche Erwähnung der „Sozialversicherung“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Da die Sozialversicherungsbeiträge insoweit weder quantitativ noch qualitativ eine Ausnahme innerhalb der Abgabenkategorien bilden, sind diese – wie auch das Bundesverfassungsgericht anerkennt – gegenüber den Sonderabgaben ein „aliud“223. Im übrigen hält die neuere Sonderabgabenjudikatur verfassungskonforme von Sonderabgaben zu unterscheidende Abgaben außerhalb des Abgabentrias durchaus für denkbar. Dementsprechend ordnete das Bundesverfassungsgericht verschiedene Abgaben als verfassungskonform ein, ohne sie ihrer Rechtsnatur nach als Sonderabgaben zu qualifizieren224. Ein Beispiel hierfür ist die höchstrichterliche Beurteilung der Erstattungspflicht nach 220 Vgl. hierzu Osterloh, NJW 1982, S. 1617, 1620. In der Literatur fand diese Konstruktion Bewertungen wie „merkwürdige Verklammerung von Begriffs- und Zulässigkeitskriterien“ (Selmer, in: Thieme (Hrsg.), Umweltschutz im Recht, S. 25, 38); vgl. auch Henseler, NVwZ 1985, S. 398, 399; Köck, UPR 1991, S. 7, 9; Jacob, in: FS Klein, S. 663, 667. 221 P. Kirchhof, Jura 1983, S. 505, 514; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 183; Mußgnug, in: FS Forsthoff, S. 259, 269 f.; Friauf, in: FS Jahrreiß, S. 45, 56. 222 Henseler, Legitimation von Sonderabgaben, S. 16; Patzig, DÖV 1981, S. 729, 731. 223 BVerfGE 75, 108, 147. 224 Vgl. Sacksofsky, Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben, S. 70.

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§ 128 AFG: Nach einem Hinweis auf die „besonderen Voraussetzungen, die eine nichtsteuerliche Sonderabgabe von Verfassungs wegen erfüllen muß“, heißt es, die Erstattungspflicht nach § 128 AFG stelle keine Sonderabgabe im Sinne der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung dar225. Erkennbar sollten hiernach nur noch gruppennützige Abgaben als „Sonderabgaben“ im Sinne der Rechtsprechung verstanden werden. Bestätigt wurde dieser Standpunkt durch die höchstrichterliche Entscheidung zu der durch das Absatzfondsgesetz eingeführten Abgabe, in welcher das Gericht ausführte, „unter besonderen Voraussetzungen“ seien „neben Steuern, Gebühren und Beiträgen auch andere Abgaben verfassungsrechtlich möglich“. Zum gleichen Ergebnis gelangte das Gericht in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Feuerwehrabgabe226. (2) Kein Transfer der Sonderabgabenjudikatur auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG Eine Übertragung der für Sonderabgaben geltenden Kompetenzanforderungen setzt eine den (Finanzierungs-)Sonderabgaben vergleichbare Gefährdung der bundesstaatlichen Finanzverfassung durch die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen voraus. (a) Der Inhalt des Steuerstaatsprinzips Das mit der Aussage „Der Staat des Grundgesetzes ist ein Steuerstaat“227 beschriebene Primat der Steuerfinanzierung gilt in Rechtsprechung und finanzverfassungsrechtlichem Schrifttum nahezu einhellig als anerkannt228. Soweit der „Vorrang der Steuerfinanzierung“ als deskriptive Kategorie aussagt, der Staat decke „seinen Finanzbedarf im wesentlichen durch Steuern“229 oder die Steuer bilde die „typische Einnahmequelle“230 des Staates231, kann dem nur bedingt zugestimmt werden: Zwar war der Anteil der 225

BVerfG, in: NVwZ 1991, S. 53, 54 f. BVerfGE 92, 91. 227 Das Bundesverfassungsgericht rekurriert in ständiger Rechtsprechung auf das Steuerstaatsprinzip, vgl. z. B. BVerfGE 78, 249, 266 f. 228 Von einigen Autoren wird die Existenz eines Steuerstaatsprinzips dagegen generell bestritten. So wendet Jacob gegen das behauptete Primat der Steuerfinanzierung ein, daß auf der Ebene des kommunalen Finanzrechts der traditionell festgeschriebene Grundsatz der Entgeltfinanzierung Vorrang gegenüber der Steuerfinanzierung zukomme. Vgl. § 3 Abs. 2 BbgKAG, § 3 Abs. 2 KAG MV; § 3 Abs. 4 NdsKAG; § 3 Abs. 2 S. 1 KAG NW; § 3 Abs. 5 SaarlKAG; § 78 Abs. 2 GO BW; Art. 62 Abs. 2 BayGO; § 93 Abs. 2 HessGO; § 73 Abs. 2 SächsGO. 229 Vogel, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. I, § 27, Rn. 51. 230 Isensee, in: FS Ipsen, S. 409. 226

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Steuereinnahmen im Bundeshaushalt mit rund 90 Prozent in den letzten Jahrzehnten gegenüber anderen Einnahmenarten vorherrschend und trägt somit zur Verifizierung eines deskriptiv verstandenen „Steuerstaatsprinzips“ bei232. Bezieht man jedoch alle öffentlichen Haushalte in eine Gesamtbetrachtung ein, stehen dem zu etwa 70 Prozent steuerfinanzierten Bundeshaushalt die Gemeinden und Gemeindeverbände gegenüber, die ihre Einnahmen lediglich zu 26 Prozent aus steuerlichen Abgaben erzielen233. Das „Steuerstaatsprinzip“ muß daher weniger als deskriptive denn als normative Aussage verstanden werden. Freilich zeigt das Grundgesetz auch, daß das „Steuerstaatsprinzip“ jedenfalls nicht der Verfassungswidrigkeit aller nichtsteuerlichen Abgabenarten gleichsteht. Die Art. 104a ff. GG enthalten hinreichende Anhaltspunkte für die grundsätzliche Kompatibilität nichtsteuerlicher Abgaben mit der Finanzverfassung. Eine entsprechende Verfassungsforderung kann deshalb allenfalls auf die Steuer als „Regeltypus der Geldlast“ gerichtet sein234. Nicht eindeutig sind die Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts, wonach die Finanzierung der staatlichen Aufgaben in Bund und Ländern einschließlich der Gemeinden „grundsätzlich“235 bzw. „in erster Linie“236 mittels der Steuern zu erfolgen hat. Während der Begriff „grundsätzlich“ auf ein bei Vorliegen entsprechender Abweichungsvoraussetzungen Ausnahmen zulassendes Regel-Ausnahme-Verhältnis hindeutet, scheint die an anderer Stelle auftauchende Wendung „in erster Linie“ auf ein Gebot hinzudeuten, den Anteil nichtsteuerlicher Abgaben eine bestimmte quantitative Grenze nicht überschreiten zu lassen. Hieran anknüpfend verstehen Teile des Schrifttums237 das Steuerstaatsprinzip tatsächlich als quantitative 231 Hendler, AöR 115 (1990), S. 577, 579, 600. Seiner Herkunft nach wird der Begriff des Steuerstaates allein als Beschreibung eines tatsächlichen Zustandes gewertet, vgl. Sacksofsky, Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben, S. 136. 232 Die bereinigten Einnahmen des Bundes betrugen im Jahre 1999 478.472 Mio. DM, davon erreichten die Einnahmen aus Steuern und steuerähnlichen Abgaben 376.397 Mio. DM. 233 Die Steuereinnahmen der Gemeinden betrugen im Jahre 1999 110.272 Mio. DM, vgl. in Statistisches Bundesamt (Hrsg.), Statistisches Jahrbuch 1999, S. 492, 510. 234 Das Grundgesetz erwähnt die staatlichen Finanzmonopole in den Art. 105 Abs. 1, Art. 106 Abs. 1, 108 Abs. 1 GG, die Gebühren in Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 und 80 Abs. 2 GG. 235 BVerfGE 78, 249, 266 f. 236 BVerfGE 93, 319, 342. 237 In diese Richtung gehen etwa Vogel/Waldhoff, in: Dolzer (Hrsg.), BK, Art. 104a–115, Rn. 333; Vogel, in: FS Martens, S. 266 f.: „Die Finanzierung des Staatsbedarfs beruht zum allergrößten Teil aus Steuern“, andere Einnahmen dürfen nicht „mehr als nur marginale Bedeutung erlangen“; Siekmann, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, vor Art. 104a Rn. 47.

C. Vorgaben für die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

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Schranke der Gesamteinnahmen. Es wird argumentiert, bereits die Ausschöpfung aller denkbaren Möglichkeiten zur Einführung von Gebühren und Beiträgen widerspreche dem Steuerstaatsprinzip. In einem Staat, der sich quantitativ im größeren Umfang aus nichsteuerlichen Einnahmen finanzierte, würde die Steuer ihre „typprägende Kraft“ verlieren. Die Verfassungswidrigkeit sei deshalb schon dann zu bejahen, wenn sich der Staat „quantitativ im größeren Umfang aus nichtsteuerlichen Einnahmen finanziert“238. Die Annahme eines Postulats, wonach die „Partizipation“ der Steuern nicht unter einen gewissen Anteil sinken dürfte, läßt sich indes nicht halten. Zum einen kann das Verhältnis von steuerlichen zu nichsteuerlichen Einnahmen immer nur ex post ermittelt werden und unterliegt unter Umständen erheblichen Schwankungen. Zum anderen bliebe unter anderem die Frage offen, ob es für die Ermittlung des Verhältnisses der Abgabenarten untereinander auf eine Gesamtbetrachtung oder auf die einzelnen Haushalte ankommen soll239. Gleichwohl beschränken sich die ausführlichen grundgesetzlichen Regelungen zur Steuer ihrem normativen Gehalt nach nicht darauf, lediglich die Option der Erhebung steuerlicher Abgaben sichern zu wollen. Die Finanzverfassung fungiert damit entgegen vereinzelt vertretener Ansicht nicht nur als „Auffangsystem für den Fall einer gesetzgeberischen Rückkehr zu einer stärkeren Betonung der Steuer“240. Diese Interpretation ließe nämlich die besondere Schutzfunktion der Finanzverfassung außer Betracht241, die darauf gerichtet ist, die Art. 104a ff. GG vor Aushöhlungen durch eine „apokryphe Finanzverfassung“242 zu sichern. Der objektiv-rechtlichen Ausprägung der bundesstaatlichen Finanzverfassung kommt in besonderer Weise eine Ordnungsfunktion zu. Als „einer der tragenden Eckpfeiler der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes“243 muß sie „eine Finanzordnung sicherstellen, die den Gesamtstaat und die Gliedstaaten am Gesamtertrag der Volkswirtschaft sachgerecht beteiligt“244. Die Finanzverfassung verlöre 238

Hendler, DÖV 1999, S. 749, 755. Gramm, Der Staat 36 (1997), S. 267, 277. 240 Hendler, DÖV 1999, S. 749, 757. 241 Zu der Frage, ob das Grundgesetz (insbesondere die Grundrechte und Art. 109 Abs. 3 GG) eine Entscheidung für die private Wirtschaft enthält, vgl. Fischer-Menshausen, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Art 107 Rn. 4; Maunz, in: ders./ Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.)., Grundgesetz, Art.106 Rn. 6. Soweit man zu dem Ergebnis käme, daß das Grundgesetz mit einer umfassenden staatswirtschaftliche Tätigkeit als Quelle nicht vereinbar wäre, resultierte hieraus allerdings noch nicht die Notwendigkeit der Erhebung steuerlicher Abgaben. 242 Selmer sprach erstmals von einer apokryphen Steuerverfassung, vgl. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 183. 243 BVerfGE 55, 274, 300 f. 244 BVerfGE 55, 274, 300 f. 239

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

diese „objektive Ordnungsfunktion“245, wenn unter Rückgriff auf die Sachgesetzgebungskompetenzen von Bund und Ländern beliebig Abgaben unter Umgehung der bundesstaatlichen Verteilung der Gesetzgebungs- und Ertragskompetenz für das Steuerwesen erhoben werden könnten246. Die Schutzfunktion der Finanzverfassung richtet sich sowohl auf die dort getroffenen Verteilungsregelungen als auch auf die parlamentarische Budgethoheit. Der Grundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplans zielt als elementares Recht des Parlaments darauf ab, das gesamte Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung Parlament und Regierung zu unterstellen. Dadurch soll gewährleistet werden, daß das Parlament in regelmäßigen Abständen den vollen Überblick über das dem Staat verfügbare Finanzvolumen und damit auch über die dem Bürger auferlegte Abgabenlast erhält. Nur wenn grundsätzlich das gesamte staatliche Finanzvolumen der Budgetplanung und -entscheidung von Parlament und Regierung unterstellt ist, können die von der Verfassung vorgesehenen Planungs-, Kontroll- und Rechenschaftsverfahren wirksam bleiben247. (b) Sonderabgaben als Beeinträchtigung der Finanzverfassung Zum einen durchbricht die Sonderabgabe das Prinzip der Lastengleichheit und bürdet dem Abgabenschuldner neben der Steuerpflicht eine zusätzliche Abgabenpflicht auf. Neben dem Gleichheits- entsteht hiermit auch ein Kompetenzproblem: Das Aufkommen der Sonderabgabe steht nicht zur Erfüllung allgemeiner, nach parlamentarischer Bestimmung wechselnder Finanzierungsaufgaben des Staates zur Verfügung, sondern ist der Finanzierung einer bestimmten, die Gruppe der Abgabenschuldner verpflichtende Sachaufgabe vorbehalten. Aufgrund dieser Zweckbindung entzieht sich das gewonnene Aufkommen der periodischen parlamentarischen Haushaltskontrolle und beeinträchtigt das Prinzip der Haushaltsklarheit. Die finanzverfassungsrechtlichen Regelungen zur Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und Ertragshoheit werden umgangen. (c) Sozialversicherungsbeiträge als Beeinträchtigung der Finanzverfassung Eine Übertragung der für Sonderabgaben geltenden kompetentiellen Rechtfertigungsvoraussetzungen auf Sozialversicherungsbeiträge scheidet entgegen einer zumindest mißverständlichen Formulierung des Bundesver245 246 247

BVerfGE 55, 274, 300 f. So BVerfGE 55, 274, 300. BVerfGE 82, 159, 179; 91, 186, 202; 93, 319, 242.

C. Vorgaben für die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

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fassungsgerichts nicht schon deshalb aus, weil Sonderabgaben ein „spezielles gesetzgeberisches Instrument“ bilden, welches – anders als die Sozialversicherungsbeiträge als zweite große Form der Inpflichtnahme durch den Staat – „gegenüber der Steuer die seltene Ausnahme zu sein hat“248. Denn der Einwand, daß Sozialversicherungsbeiträge nicht als außergewöhnliche Belastungen einzelner in Konkurrenz zu den Steuern treten, sondern Teil des die Mehrheit der Steuerpflichtigen erfassenden Abgabensystems sind, läßt nicht den Schluß verminderter Rechtmäßigkeitsanforderungen zu249. Der quantitative Unterschied gegenüber anderen Abgaben ändert nichts daran, daß fremdnützig auferlegte Sonderbelastungen auch dann nur ausnahmsweise und bei Vorliegen eines besonderen Legitimationsgrundes zulässig sein können, wenn sie im Gewand von Sozialversicherungsbeiträgen auftreten250. Eine Rechtsregel, wonach Ausnahmen allein deshalb erhöhten Verfassungsanforderungen unterliegen, weil sie Ausnahmen sind, existiert nicht251. Im Gegenteil verlangt gerade die Größenordnung der sozialversicherungsrechtlichen Abgabenerhebung, daß diese nichtsteuerlichen Abgaben mindestens ebenso kontrollierbar wie andere Abgabenarten sind252. Der prinzipielle Rechtfertigungsbedarf für Sozialversicherungsbeiträge ist daher mit dem der Sonderabgaben identisch, wenn auch die einzelnen konkret in Betracht kommenden Rechtfertigungsgründe andere sein können253. Nur so läßt sich die Gefahr der Entwicklung der Gesetzgebungskompetenz für die Sozialversicherung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zur „offenen Flanke der Finanzverfassung“254 vermeiden. Sozialversicherungsbeiträge sind in Hinblick auf die Finanzverfassung durchaus nicht unbedenklich: Sie stellen eine Ausnahme zur Vollständigkeit des Haushaltsplans dar, in ihrer Erhebung liegt eine Beschneidung des parlamentarischen Budgetrechts255. Da die Sozialversicherungsträger die Ertrags- und Verwaltungshoheit für die Beiträge innehaben, kommen die finanzverfassungsrechtlichen Regelungen auch insoweit nicht zur Anwendung. Als Einnahmen jenseits der steuerlichen Finanzverfassung nehmen

248

BVerfGE 55, S. 274, 304. Vgl. Osterloh, NJW 1982, S. 1617, 1619, 1620. 250 Friauf, DB 1991, S. 1773, 1775. 251 So treffend Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, S. 234. 252 Diemer, VSSR 1982, S. 31, 34. 253 Hiervon gehen mit Recht auch die Autoren aus, die zur Verfassungswidrigkeit des Maschinenbeitrags gelangen, vgl. Ruland, SGb 1981, S. 391, 397; Isensee, DRV 1980, S. 145, 149; ders., DRV 1981, S. 53, 55 f.; Arndt, DRV 1987, S. 282, 285 f. 254 Krause, VSSR 1980, S. 115, 125. 255 Mußgnug, in: FS Forsthoff, S. 259, 298 f.; Isensee, in: Hansmeyer (Hrsg.), Finanzierungsprobleme der sozialen Sicherung, S. 435, 436: „demokratisch-defizitäre Schatten-Haushaltswirtschaft der Parafisci“. 249

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

die Sozialversicherungsbeiträge nicht am Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern teil. Gleichwohl sieht das Bundesverfassungsgericht eine Konkurrenzsituation zwischen dem Sozialversicherungsbeitrag und den steuerlichen Abgaben und damit zugleich eine Gefährdung des Steuerstaatsprinzips nicht als gegeben an256. Die Sozialversicherungsbeiträge hätten zwar keine der Finanzverfassung vergleichbare Beachtung im Grundgesetz gefunden. Dennoch handele es sich um ein eigenständiges, rechtlich und tatsächlich hochdifferenziertes System staatlicher Abgabenerhebung und Leistungserteilung, das als solches auch für die verfassungsrechtliche Würdigung den primären Bezugsrahmen bilden müsse. Im Unterschied zu Sonderabgaben träten die Sozialversicherungsbeiträge nicht als zusätzliche Belastung einzelner in Konkurrenz zur Steuer. Die Sozialversicherungsbeiträge dienten von vornherein nicht der allgemeinen Mittelbeschaffung des Staates, sondern allein der Finanzierung der Sozialversicherung, da die Finanzmasse der Sozialversicherung tatsächlich und rechtlich von den allgemeinen Staatsfinanzen getrennt sei257. Daher sei nur bei Sonderabgaben, nicht aber bei Sozialversicherungsbeiträgen bereits aus kompetenzrechtlichen Gründen eine materielle Begrenzung geboten, um die detaillierten Regelungen des Grundgesetzes zur Besteuerungskompetenz und der bundesstaatlichen Finanzverfassung vor einer Aushöhlung zu bewahren258. Indes vollzieht das Grundgesetz die Trennung der Finanzmassen von Staat und Sozialversicherung nicht so strikt, wie die Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts es vermuten lassen. Wie Gössl259 darlegt, bildet die Finanzierung der Sozialversicherung nicht von vornherein ein derart abgeschlossenes System gegenüber der allgemeinen Mittelbeschaffung des Staates, daß dem Gesetzgeber die Umgehung der Art. 105 ff. GG durch die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben mit Sozialversicherungsbeiträgen verwehrt wäre260. Zwar liegt die Ertragshoheit für die Einnahmen aus den Beiträgen jedenfalls formell bei den Sozialversicherungsträgern. Jedoch verhindert die Parafiskalität des sozialversicherungsrechtlichen Systems nicht ohne weiteres, daß die Beiträge auch für allgemeine Staatszwecke eingesetzt werden261. Vielmehr bieten sich dem Steuergesetzgeber des Bundes verschiedene Möglichkeiten, die Verteilung von Steuer- und Beitragsfinanzierung zu seinem Gunsten zu verschieben: Zum einen läßt sich aus Art. 120 Abs. 1 S. 4 GG keine Verpflichtung des Bundesgesetzgebers her256 257 258 259 260 261

BVerfGE 75, 108, 147. BVerfGE 75, 108, 148. BVerfGE 75, 108, 147. Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, S. 53 f. BVerfGE 75, S. 108, 148. Selmer, GewArch 1981, S. 41, 42.

C. Vorgaben für die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

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leiten, in bestimmter oder zu bestimmender Höhe Zuschüsse zur Sozialversicherung zu leisten262. Also könnte der Bund den eigenen Haushalt auf Kosten der Sozialversicherungshaushalte entlasten, indem er vormals gewährte Zuschüsse zur Sozialversicherung kürzt und somit Minderausgaben erzielt. Eine andere Einflußmöglichkeit des Gesetzgebers liegt in der Ausfüllung des verfassungsrechtlichen Sozialversicherungsbegriffs im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Indem der Bund diese Gesetzgebungskompetenz ausschöpfte, würde er über die Parafisci der Sozialversicherung das ihm disponible Finanzvolumen vergrößern, ohne die allgemeine Mittelbeschaffung durch die Finanzverfassung zu ändern263. In diesem Fall überginge er die grundgesetzlichen Regelungen zum Finanzausgleich ebenso wie die Zustimmungsbedürftigkeit von Steuergesetzen nach Art. 105 Abs. 3 GG264. Die vom Bundesverfassungsgericht getroffene Einschätzung, durch Sozialversicherungsbeiträge sei die Befriedigung des allgemeinen Finanzbedarfs gänzlich ausgeschlossen, erscheint angesichts dieser mittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten auf das Aufkommen der Sozialversicherungsbeiträge angreifbar. Andererseits würde auch die Übertragung der Sonderabgabenjudikatur auf die Sozialversicherungskompetenz die beschriebenen gesetzgeberischen Einflußmöglichkeiten innerhalb eines gewissen Rahmens nicht verhindern. Die entscheidenden Maßstäbe zur Abgrenzung von Steuer- und sozialversicherungsrechtlicher Finanzierung bestimmter Aufgaben bieten nicht die Kompetenznormen, sondern das materielle Verfassungsrecht. Die Entscheidung über die Kompetenzgemäßheit einer Abgabe soll lediglich Störungen des bundesstaatlichen Machtgleichgewichts zwischen Bund, Ländern und Gemeinden ausschließen. An dieser Stelle zeigt sich mit der Sozialversicherungskompetenz jedoch der bedeutsamste Unterschied zwischen Sonderabgaben und Sozialversicherungsbeiträgen. Während die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen auf dem eigenständigen Kompetenztitel des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG beruht, welcher die Finanzierung der Sozialversicherung durch die Erhebung von Beiträgen abdeckt265, nimmt die Erhebung von Sonderabgaben Kompetenzen zur Regelung bestimmter 262 Die Grenze bildet nach Gössl erst der offenkundige Fall des Mißbrauchs der Gesetzgebungskompetenz hinsichtlich der Einwirkung auf das Bundesstaatsprinzip, vgl. Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, S. 56. 263 Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, S. 54; vgl. auch Behrends/Bunkhorst, SGb 1987, S. 226, 227: „Gesetze, die solche Minderausgaben realisieren, ergehen grundsätzlich als Einspruchsgesetze, wenn nicht der Zustimmungsvorbehalt des Art. 84 Abs. 1 GG ausgelöst wird“. 264 Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, S. 227. 265 BVerfGE 75, 108, 147, 148.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Sachmaterien in Anspruch, die ihrer Art nach nicht auf Abgabenerhebung bezogen sind. Auch wenn die sozialversicherungsrechtliche Beitragsfinanzierung nicht in einer mit der Steuererhebung vergleichbaren Ausführlichkeit geregelt ist, wird sie innerhalb des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG zumindest als Finanzierungsquelle bedacht. Diese kompetentielle Zuordnung und die hierin zum Ausdruck kommende grundgesetzliche Billigung der Sozialversicherungsbeiträge ist der Grund, diese hinsichtlich der kompetenzrechtlichen Anforderungen gegenüber den Sonderabgaben zu privilegieren266. Erst wenn wie bei den Sonderabgaben eine „eigene Abgabenkompetenz“ fehlt und auf Sachkompetenzen, die ihrer Art nach nicht auf Abgabenerhebung bezogen sind, zurückgegriffen werden muß, sind schon und auch aus kompetenzrechtlichen Gründen zusätzliche Begrenzungen geboten267. Kollisionen mit der bundesstaatlichen Finanzverfassung treten durch die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen solange nicht auf, wie das Aufkommen aus der Abgabe selbständigen Versicherungsträgern zufließt und dort zur Deckung des Finanzbedarfs eingesetzt wird268. Sind diese Voraussetzungen gegeben, liegt ein von Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG legitimierter Sozialversicherungsbeitrag vor. Die Trennung von Kompetenz- und Grundrechtsebene führt zu erhöhter Transparenz und Nachvollziehbarkeit des verfassungsrechtlichen Prüfungsprozesses; einer „Kopflastigkeit“269 der verfassungsrechtlichen Untersuchung wird vorgebeugt. Auf dieser Linie liegt auch die materielle Ausrichtung der Beteiligtenprüfung durch das Bundesverfassungsgericht: Das Gericht verlagert die Frage, ob die von den „Beteiligten“ formell als Sozialversicherungsbeiträge erhobenen Abgaben materiell verfassungsgemäß sind, allein auf die Ebene der Grundrechte. Mit der Bejahung der Kompetenzgemäßheit trifft das Gericht also noch keine Aussage über die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit der Heranziehung der Abgabenpflichtigen270.

266

Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, S. 238. Schmidt, NVwZ 1991, S. 36, 38; BVerfGE 75, S. 108, 147. 268 Vgl. hierzu Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 290 f. Die Grenze der Einbeziehung von nichtversicherten Zahlungspflichtigen soll aus formeller Sicht des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG erst dann überschritten sein, wenn überhaupt kein „sachorientierter Anknüpfungspunkt“ in den Beziehungen zwischen den Sozialversicherten und den beitragspflichtig gemachten Nichtversicherten ausgemacht werden kann, vgl. BVerfGE 75, 108, 147. 269 Vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 293. 270 BVerfGE 75, 108, 149. 267

D. Institutioneller Schutz des Status quo intraindividueller Äquivalenz

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III. Zwischenresümee Die Sozialversicherungskompetenz erlaubt die Erhebung von Abgaben immer dann, wenn diese selbständigen Versicherungsträgern zufließen und dort zur Deckung des Finanzbedarfs eingesetzt werden. Ob und inwieweit Sozialversicherungsbeiträge erhoben werden und dabei bestimmte Einkommensbestandteile einbeziehen können, ist nach den materiell-rechtlichen Bindungen zu entscheiden. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG jedenfalls vermag die gesetzgeberische Ausgestaltungsfreiheit insofern nicht einzuschränken.

D. Institutioneller Schutz des Status quo intraindividueller Äquivalenz in der gesetzlichen Krankenversicherung Ein objektiv-rechtlich verbürgter Schutz der intraindividuellen Äquivalenz in ihrem gegenwärtigen Umfang würde zur Verfassungswidrigkeit der Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen führen.

I. Kompetenznormen als Grundlage einer institutionellen Garantie der Sozialversicherung Der Verfassungstext enthält keine ausdrückliche Verbürgung zugunsten gegenwärtig bestehender sozialer Institutionen, der Gliederung und Organisation des sozialen Netzes bzw. vorhandener materieller Mindeststandards. Gleichwohl ist es denkbar, in den Kompetenznormen eine Gewährleistung des gegenwärtigen Systems der Sozialversicherung und damit auch der gesetzlichen Krankenversicherung zu erblicken, welche auch eine bestimmte qualitative Ausstattung des Sozialversicherungsschutzes beinhaltet. Institutionelle Garantien sind Gewährleistungen des öffentlichen Rechts von für das Gemeinwesen besonders wichtigen Einrichtungen271. Ihren Gegenstand bilden durch Normenkomplexe und tatsächliches Wirken formierte und abgrenzbar vorgefundene Objektivationen (Institutionen). Die jeweilige Verfassungsnorm muß dabei so ausgestaltet sein, daß die Institutionen gewährleistet sind, d. h. auf Grund ihrer historischen Verwurzelung und ihres Eigenwerts auch für die Zukunft des Gemeinwesens besondere Stabilität und Kontinuität erhalten sollen (Garantie der Institution)272. 271 Die Lehre von den Institutsgarantien und institutionellen Garantien geht auf M. Wolff (vgl. Wolff, in: Festgabe Kahl, S. 5 f.) und C. Schmitt (Schmitt, Verfassungslehre, S. 170 ff.; ders., Grundrechte und Grundpflichten, S. 181 ff.) zurück. 272 Stern, Staatsrecht, Bd. I, § 68 II 4 d; Schmidt-Jortzig, Einrichtungsgarantien, S. 31 f.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Das Bundesverfassungsgericht hat in verschiedenen Fällen aus institutionellen Regelungen materielle Gehalte abgeleitet und sie zur Legitimation von Grundrechtseinschränkungen herangezogen273. Für die Sozialversicherung lehnte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Auflösung der Allgemeinen Ortskrankenkassen274 einen Bestandsschutz einfachgesetzlicher Konturierungen der Sozialversicherung hingegen ab275. Aus den Vorschriften der Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG, 87 Abs. 2 GG und 120 Abs. 1 S. 4 GG ergebe sich weder ein Änderungsverbot noch ein bestimmtes Gestaltungsgebot für die Sozialversicherung. Das Grundgesetz schreibe die Organisation der Sozialversicherung nicht vor und hindere den Gesetzgeber auch nicht daran, sämtliche Versicherungsträger eines Zweiges der Sozialversicherung in einer bundesunmittelbaren Körperschaft zusammenzufassen276. Der Gesetzgeber habe damit grundsätzlich die Möglichkeit, sozialversicherungsrechtliche Sachverhalte, Rechte und Rechtsbeziehungen einer neuen Rechtslage zu unterziehen. Insbesondere sei der Regelung des Art. 87 Abs. 2 GG – so das Bundesverfassungsgericht – keine Garantie des bestehenden sozialversicherungsrechtlichen Systems zu entnehmen. Diese Norm lasse sich nur als Kompetenznorm und nicht etwa als Indiz für eine verfassungsrechtliche Garantie der Sozialversicherung begreifen277. Demgegenüber findet die Idee institutioneller Gewährleistung vorhandener Sozialeinrichtungen in der Literatur durchaus Befürworter278. Deren verfassungsrechtliche Ansatzpunkte und zugrundeliegendes Verfassungsverständnis variieren279. Teile des Schrifttums sehen in Art. 87 Abs. 2 GG 273

BVerfGE 28, 243, 261; 32, 40, 46; 48, 127, 159 ff.; 69, 1, 21 ff. Zustimmend in der Literatur: Ossenbühl, DÖV 1965, 649, 657; Schmitt-Glaeser, in: WissR 7 (1974), S. 177, 184 f.: v. Pollern, JuS 1977, S. 644, 648; Bleckmann, DÖV 1983, S. 129, 130 ff.; Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 59 f.; 331 f.; kritisch: Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, § 81 V 4a.; ablehnend: Dreier, DVBl. 1980, S. 471, 473; Schlink, EuGRZ 1984, S. 457, 464; Herbert, EuGRZ 1985, S. 321, 330 f.; Heyde, in: FS Zeidler, S. 1429, 1441; Lücke, Die Berufsfreiheit, S. 31 ff.; Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 225. 274 BVerfGE 39, 302. 275 BVerfGE 48, 403, 415; 39, 302, 314 f.; 89, 365, 377. 276 Für die gesetzliche Unfallversicherung BVerfGE 36, 383, 393; für die gesetzliche Krankenversicherung BVerfGE 39, 302, 315; allgemein BVerfGE 89, 365, 377. 277 BVerfGE 39, 302, 315. 278 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S.115, m. w. N. Die Diskussion wird auch unter dem Ansatz geführt, ob die Selbstverwaltung der Sozialversicherung institutionell abgesichert ist. 279 Häberle, DÖV 1972, S. 730 in Fn 13; ders. in VVDStRL 30 (1972), S. 111 Fn 292; Pitschas, VSSR 5 (1977), 166; Grabbe, Verfassungsrechtliche Grenzen der Privatisierung, 66; Gromoll, Rechtliche Grenzen der Privatisierung, S. 219; Wege, Positives Recht und sozialer Wandel, S. 201; vgl. auch Rupp – v. Brünneck, BVerfGE 32, 129, 139 f.

D. Institutioneller Schutz des Status quo intraindividueller Äquivalenz

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eine Garantie der sozialen Selbstverwaltung begründet280, oft im Zusammenspiel mit dem Sozialstaatsprinzip und dem Demokratieprinzip. Zacher281 stützt sich sowohl auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, 87 Abs. 2, 120 Abs. 1 S. 4 GG als auch auf das Rechtsstaatsprinzip: Soziale Vorsorge ermögliche eine abstrahierende, subjektiv berechtigende normative Zusage von Leistungen im Falle einer typischen Bedarfssituation. Zumindest dem Grunde nach – jedenfalls hinsichtlich des Einkommensersatzes auch der Höhe nach – werde nach rechtlicher und tatsächlicher Maßgabe der Vorsorge, nicht nach einem konkret festgestellten Bedarf geleistet. Soziale Sicherheit sei so auch Rechtssicherheit und Ausdruck der Verbindung von Rechts- und Sozialstaat282. Letztlich kann das bloße Anknüpfen des Verfassungstextes in den Kompetenznormen der Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, 87 Abs. 2, 120 Abs. 1 S. 4 GG an die Sozialversicherung für eine Ableitung institutioneller Garantien jedoch nicht ausreichen283. Dieses wird insbesondere bei einem Vergleich mit anderen grundgesetzlichen Kompetenznormen deutlich, welche deutlich konkretere Aussagen bezüglich einer Bestandsgarantie treffen: So ist es beispielsweise dem einfachen Gesetzgeber verwehrt, die tragenden hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums, Art. 33 Abs. 5 GG, den gleichfalls durch Tradition bestimmten Kern sowohl von kommunaler Selbstverwaltung, Art. 28 Abs. 2 GG, als auch von kirchlicher Eigenständigkeit, Art. 140 GG i.V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV, und einen Mindestbestand von sozialpartnerschaftlicher Autonomie bei der Ordnung des Arbeitslebens anzutasten. Der Bedeutungsgehalt der bloßen Erwähnung der Sozialversicherung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, 87 Abs. 2, 120 Abs. 1 S. 4 GG relativiert sich auch durch die Überlegung, daß bei Kompetenzvorschriften schon gesetzestechnisch die Notwendigkeit besteht, auf traditionelle Ordnungsstrukturen zurückzugreifen, um den Verfassungstext verständlich zu halten. Zudem vertrauen die Versicherten nicht auf den Bestand der Einrichtungen der Sozialversicherung, sondern auf den sozialen Schutz, welcher durch sie gewährt wird. Es bedarf einer Abschichtung organisationsrechtlicher von den materiellerechtlichen Gesichtspunkten. Diese notwendige Trennung beider Aspekte wird in der Literatur nicht immer hinreichend berücksichtigt. Schlenker hält eine Trennung der organisatorisch-strukturellen und der materiellen Seite der Sozialfunktionen sogar für unmöglich. Aufbau und 280

Mit umfangreichen Literaturnachweisen vgl. Axer, Normsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 271. 281 Zacher, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. I, § 25 Rn. 42. 282 Vgl. Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 122. 283 Bogs, Die Sozialversicherung im Staat der Gegenwart, S. 620; Gebler, Das Versicherungsprinzip in der GRV, S. 178; so bereits BVerfGE 39, 302, 312; vgl. auch BVerfGE 81, 278 ff.; 81, S. 298 ff.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Gliederung der sozialen Einrichtungen zeichnen – so Schlenker284 – Sozialinhalte vor, umgekehrt fordere die Qualität des Sozialstandards bestimmte verfahrensrechtliche Strukturen. Gerade in den zeitbezogenen Detailregelungen zeige sich die Qualität eines sozialen Sicherungssystems und dementsprechend knüpfe die verfassungsrechtliche Wertung an den konkreten Einzelnormierungen an. Eine Ausgestaltungsstufe mit situationsabhängigem, breitem „Erfüllungsermessen“ des Gesetzgebers gebe es nicht. Indes muß es dem Gesetzger erlaubt sein, in wandelnden Situationen passende Lösungen zu entwickeln. Richtigerweise ist deshalb von einem ZweiStufen-Modell sozialstaatlicher Bindung des Gesetzgebers auszugehen. Voranzustellen ist die Entscheidung, ob Sozialleistungen erbracht werden. In diesem Zusammenhang gibt das Grundgesetz bestimmte Mindeststandards vor, welche im folgenden erörtert werden. Erst auf einer zweiten Ebene liegt das Problem der näheren Ausgestaltung einer sozialen Ordnung285.

II. Das Sozialstaatsprinzip 1. Sozialstaatsprinzip als Grundlage einer institutionellen Garantie Als Grundlage einer die Beitrags-Leistungs-Relation umfassenden institutionellen Garantie der Sozialversicherung kann auch das Sozialstaatsprinzip nicht dienen. Es enthält insbesondere keine Verpflichtung zur Bewahrung eines bestimmten Ausmaßes sozialen Ausgleichs in der gesetzlichen Sozialversicherung286. Gemäß Art. 28 Abs. 1 GG muß die verfassungsmäßige Ordnung in den Ländern den Grundsätzen des „sozialen Rechtsstaates“ entsprechen. In Art. 20 Abs. 1 GG wird die Bundesrepublik als „sozialer Bundesstaat“ bezeichnet. Die Bezeichnung der Bundesrepublik als „sozialer Bundesstaat“ in Art. 20 Abs. 1 GG steht dabei keiner Behauptung eines bestehenden Zustandes gleich, sondern ist lediglich ein normativ zielsetzendes Strukturprinzip der Verfassung287. In diesem Sinne enthält das Sozialstaatsprinzip die Verpflichtung zum Ausgleich sozialer Gegensätze und zur Schaffung einer gerechten Sozial284

Schlenker, Soziales Rückschrittsverbot und Grundgesetz, S. 53. BVerfGE 22, 180, 204; 43, 13, 19; 51, 11, 124; 53, 163, 184; 59, 232, 263. 286 Dieser Ausschluß selbstverantwortlicher Eigenvorsorge wird nicht schon vom Sozialstaatsprinzip gefordert. Dieses läßt vielmehr für die Verwirklichung eines Ziels einer gerechten Sozialordnung auch andere Wege offen. Der Gesetzgeber hätte auch die Möglichkeit, die obligatorische Eigenvorsorge vorzusehen, vgl. BVerfGE 29, 221, 236. 287 Bull, Staatsaufgaben, S. 164. 285

D. Institutioneller Schutz des Status quo intraindividueller Äquivalenz

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ordnung, um soziale Gleichheit und soziale Gerechtigkeit zu erreichen288. Der Sozialstaatsgrundsatz zielt auf ein Gemeinwesen, das sich in der Solidarität aller seiner Bürger verpflichtet fühlt, jedem seiner Angehörigen die für ein menschenwürdiges Leben erforderliche materielle Lebensgrundlage gewährleistet und das durch Ausgleich von Unterschieden den wirtschaftlich Schwächeren schützt289. Das Sozialstaatsprinzip290 ist zwar eine rechtlich verbindliche „Grundsatznorm“291, welches als Fundamentalprinzip der staatlichen Ordnung des Grundgesetzes durch Art. 79 Abs. 3 GG gegenüber dem verfassungsändernden Gesetzgeber gesichert ist. Im Vergleich zu den anderen Verfassungsprinzipien im Grundgesetz fällt indes seine geringe Präzision ins Auge. Gerade der starke Konkretisierungsbedarf292 dieses Rechtsprinzips läßt dessen Heranziehung als Begrenzung des gesetzgeberischen Entscheidungsspielraums hinsichtlich des sozialstaatlich Gebotenen kaum als operationabel erscheinen293. Dementsprechend ist der dem Sozialstaatsprinzip zu entnehmende Handlungsauftrag grundsätzlich nicht beschränkt fixierbar, sondern offen für die jeweiligen gesellschaftlichen Bedürfnisse nach sozialem Ausgleich. Insoweit lassen sich dem Sozialstaatsprinzip in der Regel weder subjektiv-individuelle Rechte des einzelnen294 noch ausdrückliche Handlungsgebote für den Gesetzgeber herleiten, sondern nur eine allgemeine Aufgabe zur Sozialgestaltung entnehmen. So enthält es einen Auftrag zur Schaffung sozialer Sicherungssysteme gegen Wechselfälle des Lebens295. Dabei sind die aus dem Sozialstaatsprinzip abzuleitenden Handlungsdirektiven doppelt begrenzt: Zum einen besteht ein Vorbehalt des Finanzierbaren, also ein „Vorbehalt der Möglichkeiten im Sinne dessen, was der einzelne vernünftigerweise von der Gesellschaft beanspruchen kann“296 und ein Vorbehalt des Gewollten, welcher den Entscheidungsspielraum des Gesetzgebers bei der Gestaltung der Sozialordnung definiert297. Für den Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung stellte das Bundesverfassungsgericht heraus, der Schutz in Fällen von Krankheit sei in der 288

Papier, in: v. Maydell/Ruland (Hrsg.), SRH, A. 3, Rn. 9. F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 53. 290 Ausführlich zum Sozialstaatsprinzip Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 119 ff. 291 BSGE 15, 71, 76; Badura, DÖV 1989, S. 492, 493. 292 Butzer, RdA 1994, S. 375, 383 m. w. N. 293 Wallerath, in: VDR/Ruland (Hrsg.), HdR, S. 281, 286 verweist auf die Gefahr einer „politisch-opportunistischen“ oder „ideologisch bestimmten“ Über- bzw. Unterforderung des Sozialstaatsprinzips. 294 Umbach/Clemens, VSSR 1992, S. 265, 274. 295 BVerfGE 28, 324, 348 ff.; 45, 376, 387; 68, 193, 209. 296 BVerfGE 33, 303, 333. 297 BVerfGE 43, 12, 19; 18, 257, 273; 29, 221, 235; 50, 57, 108. 289

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

sozialstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes eine der Grundaufgaben des Staates. Ihr sei der Gesetzgeber nachgekommen, indem er durch Einführung der gesetzlichen Krankenversicherung als öffentlich-rechtlicher Pflichtversicherung für den Krankenschutz eines Großteils der Bevölkerung Sorge getragen und die Art und Weise der Durchführung dieses Schutzes geregelt habe. Der soziale Rechtsstaat enthalte für den Einzelnen aber keinen Anspruch auf soziale Leistungen im Bereich der Krankenversicherung durch ein so und nicht anders aufgebautes Sozialversicherungssystem; dem Grundgesetz lasse sich weder eine Verfassungsgarantie des bestehenden Systems der Sozialversicherung noch seiner tragenden Organisationsprinzipien entnehmen298. Prinzipiell wäre daher allein das ersatzlose Aufgeben jedweder Vorsorgeziele mit dem Sozialstaatsprinzip unvereinbar. Gleichwohl verlangt das Sozialstaatsprinzip ein Minimum an sozialer Sicherung: Ein originärer Grundrechtsanspruch läßt sich dem Sozialstaatsprinzip ausnahmsweise dann entnehmen, wenn der Ermessensspielraum des Gesetzgebers zu einer bestimmten Handlungspflicht eingeengt, also das politische Ermessen auf Null reduziert wird. Ein solcher Anspruch auf Vornahme einer bestimmten Handlung oder Leistung kommt dem Bürger unter anderem bezüglich der Wahrung der „Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein“ zu299. Ebenso wie der Staat verpflichtet ist, mittellosen Bürgern diese Mindestvoraussetzungen erforderlichenfalls durch Sozialhilfeleistungen zu sichern, darf er dem Bürger das erzielte Einkommen bis zu dem Betrag nicht entziehen300. Dieses bei der Bemessung von hoheitlichen Abgaben zu berücksichtigende Gebot der Verschonung des Existenzminimums des Abgabenpflichtigen wird teils auf Art. 1 Abs. 1 GG i.V. m. dem Sozialstaatsprinzip301, teils auf die Freiheitsgrundrechte302 gestützt. 2. Existenz eines verfassungsrechtlichen „Rückschrittsverbots“ Vereinzelt entnimmt man in der Literatur der Sozialstaatsklausel des Art. 20 Abs. 1 GG ein grundsätzliches Verschlechterungs- und Rückschrittsverbot303. Bezogen auf die Ausweitung der Bemessungsgrundlage ließe sich 298

Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 122. Den sozialhilferechtlichen Anspruch auf Wahrung eines menschenwürdigen Daseins wird aus dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 GG i.V. m. dem in Art. 1 GG verbürgten Recht auf Wahrung der menschlichen Würde vergeleitet, vgl. BVerfGE 82, 60, 80; BVerwGE 82, 364, 368; BSG, NJW 1987, S. 463. 300 BVerfGE 82, 60, 85; 87, 153, 169 f. 301 BVerfGE 82, 60, 85. 302 BVerfGE 87, 153, 169. 299

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eine Verschlechterung aufgrund der Verwässerung der Leistungs-Gegenleistungs-Beziehung konstruieren. Die Konstruktion des sog. „Rückschrittsverbotes“ weicht von der Kategorie einer institutionellen Garantie in ihrem klassischen Verständnis insofern ab, als sie die „Verfestigung“ bestimmter Inhalte nicht ausschließlich traditionsbezogen aus überlieferten Strukturen im Sinne einer status-quo-Garantie begreift. Vielmehr wird die Zeitachse dynamisiert, indem der jeweilige Entwicklungsstand der Sozialversicherung die Grenze gesetzgeberischer Umstrukturierungen bildet304. Auch wenn der Begriff des sozialen Rückschrittverbots ein Verständnis als absolute Bestandskategorie nahelegt, räumen auch die Befürworter dieser Kategorie unter Beachtung der gesetzgeberischen Prärogative eine Relativierung aufgrund sozio-ökonomischer Vorbedingungen ein305. Eine Demontage des sozialstaatlich Erreichten soll als „ultima ratio“, also bei Vorliegen dringlicher, unausweichlicher „öffentlicher“ Belange möglich sein306. Dogmatisch versucht man, das soziale Rückschrittsverbot primär im Wechselbezüglichkeitsverhältnis von verfassungsnormativer Zielvorgabe „Sozialstaat“ und dessen unterverfassungsrechtlichen Realisierungen zu fundieren. Dem Sozialstaatsprinzip wachsen – so Schlenker – „von unten her“ Inhalte in Form sozialer Leistungs- und Schutzgesetze zu, die ihrerseits die Normativität der ausfüllungsbedürftigen Staatszielbestimmung konkretisierend prägen307. Aus folgenden Gründen kann jedoch auch die dogmatische Vorstellung eines „sozialen Rückschrittsverbot“ nicht überzeugen: Bereits die mit Anerkennung eines Verschlechterungsverbotes verbundene Rezeption einfachen Rechts in den verfassungsrechtlichen Begriff der Sozialversicherung verursacht Bedenken. Zwar ist zuzugeben, daß die Konkretisierung von Verfassungsnormen notwendig auch die Heranziehung der Verhältnisse der „Wirklichkeit“ beinhaltet, die diese Norm zu ordnen bestimmt ist308. Da 303 Simon, in: FS Benda, S. 337, 348; Suhr, Der Staat 9 (1970), S. 67, 92 m. w. N.; einschränkend Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 231 („Mindestmaß gewisser vorhandener sozialer Institutionen“). 304 Schlenker, Rückschrittsverbot, S. 73. 305 Suhr, Der Staat 9 (1970), S. 68, 92: „(. . .) in jedem Fall muß die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers respektiert werden“. Häberle, JZ 1984, S. 345, 353, Fn. 70 sieht keine organisationsrechtliche oder ziffernmäßige Status-quo-Garantie, dem Gesetzgeber bleibe Gestaltungsfreiheit. Nach Müller-Volbehr, ZRP 1984, S. 262, 266 f. soll es keine Sperrwirkung wegen des Vorbehalts des Möglichen geben. 306 Wege, Positives Recht und sozialer Wandel, S. 201; Schlenker, Rückschrittsverbot, S. 74. 307 Schlenker, Rückschrittsverbot, S. 72; Häberle, Leistungsstaat, S. 111; Pitschas, VSSR 5 (1977), S. 141, 166; Schwerdfeger, in: FS Wannagat, S. 543, 548; Fielitz, DVBl. 1982, S. 328, 333.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Kompetenzvorschriften Aufgaben zwangsläufig aufgrund einer bereits bestehenden Systematisierung zuweisen, sind gerade Kompetenznormen im hohem Maße auf die Rezeption niederrangigen Rechts angewiesen309. Jedoch obliegt die Ausfüllung dieser Verfassungsnormen und damit auch deren Fortentwicklung in erster Linie dem einfachen Gesetzgeber310. Der Vorrang der Verfassung darf nur in engen Grenzen durch die Abhängigkeit des Verfassungsverständnisses von den Begriffsvorstellungen einfacher Gesetze relativiert werden311. Die legislatorische Ausgestaltung von Verfassungsbegriffen ist lediglich insoweit an unterverfassungsrechtliche Normen anzulehnen, als deren grundlegende, systembildende Wertungen dergestalt in den Gewährleistungsbereich der Kompetenznorm erwachsen, daß sie einer kontinuierlichen Fortentwicklung, „systemimmanenten“ Modifizierung, nicht aber einem abrupten Bruch zugänglich sind. Darüberhinaus läßt sich auch die Klassifizierung gesetzlicher Maßnahmen als „Fortschritt“ bzw. als vom „Verschlechterungsverbot“ umfaßter „Rückschritt“ nur schwer vornehmen. Auch Regression oder Revision können durchaus als Fortschritt zu verstehen sein312. Denkbar wäre allenfalls, „Fortschritt“ aus Sicht der Versicherten im Sinne einer „Nutzenvergrößerung“ zu definieren. Unter Zugrundelegung dieses Kriteriums wäre dem Gesetzgeber eine Ausweitung der Beitragsbemessungsgrundlage durch die Einbeziehung von Nichterwerbseinkünften in die krankensozialversicherungsrechtliche Bemessungsgrundlage verwehrt. Diese Effektivierung der Sozialstaatsklausel als individualrechtliche Schutznorm würde aber deren Charakter als offene Grundsatznorm nicht gerecht. Aufgrund ihrer Dynamik und Elastizität ist sie wenig geeignet, eine solche Sperrwirkung gegenüber wachsenden Sozialabgaben auszulösen. Der Gesetzgeber könnte seinem Auftrag zur sozialen Aktivität schwerlich genügen, wenn ihm die Kompetenz abgesprochen würde, „drängende soziale Probleme von heute den sozialen Lösungen von gestern vorzuziehen und partikulare soziale Besitzstände weitergreifenden sozialen Ordnungen zu opfern“313. 308

Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 44. Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 30: „(. . .) zwar kein mechanisches Übernehmen und damit kein unmittelbarer Verfassungsrang, aber eine Anlehnung“. 310 Degenhart, Systemgerechtigkeit, S. 65; Vogel/Waldhoff, in: Dolzer (Hrsg.), BK, Art. 105, Rn. 63 ff.; Starck, in: FS Wacke, S. 193, 194; Vogel, DVBl. 1958, S. 491; BVerfGE 3, 435; 7, 251, 9, 300. Zur Abhängigkeit der verfassungsrechtlichen Kompetenzbegriffe vom einfachen Recht vgl. auch Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 30; Leisner, Verfassungsmäßigkeit der Gesetze, S. 35 f.; ders., in: JZ 1964, S. 201, 204. 311 Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 30, zur Frage, ob eine Abgabenregelung aufgrund der Steuer- oder Sozialversicherungsgesetzgebungskompetenz ergeht. 312 Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, S. 93. 309

D. Institutioneller Schutz des Status quo intraindividueller Äquivalenz

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Angesichts des Art. 14 GG besteht zudem keine „offene Flanke“, welche mittels eines „Rückschrittsverbots“ zu schließen wäre. Im Eigentumsgrundrecht hat das Gebot des Vertrauensschutzes für vermögenswerte Güter eine eigene Ausprägung und verfassungsrechtliche Ordnung erfahren314. Der eigentumsrechtliche Bestands- und Vertrauensschutz sozialversicherungsrechtlicher Anwartschaften trägt Züge, die dem eines „begrenzten“ sozialen Rückschrittsverbots nahekommen. Damit hat Art. 14 GG die Funktionen, welche mittels eines „sozialen Rückschrittsverbotes“ dem Sozialstaatsprinzip zugeordnet werden sollen. Es erscheint daher sachgerecht, die Grenzen einer Umgestaltung der sozialversicherungsrechtlichen Abgabenbemessung allein der individualrechtlichen Dimensionen des Verfassungsrechtes in Verbindung mit dem Vertrauensschutz zu entnehmen. Der allgemeine Sozialstaatsgrundsatz dient mithin nicht als unmittelbarer Maßstab der Verwässerung von sozialversicherungsrechtlicher Beiträge und Leistungen, sondern fließt in die Bewertung primär betroffener Grundrechte ein315.

III. Zwischenresümee Zusammenfassend läßt sich feststellen, daß das Sozialstaatsprinzip lediglich Aussagen dazu trifft, welche finanziellen Leistungen der Staat an seine Bürger erbringen muß. Für die Verteilung der Lasten zur Finanzierung solcher Leistungen gibt das Sozialstaatsprinzip jedoch keinen eigenständigen Maßstab vor316. Es gebietet wie auch die Kompetenznormen keinen bestimmten Abgabenumfang, sondern verbietet lediglich extreme Auswirkungen bei der Erhebung hoheitlicher Abgaben317. Seine Wertungen können aber zur Konkretisierung der Grundrechte, insbesondere der Eigentumsgarantie und des allgemeinen Gleichheitssatzes beitragen. Die Gesetzesvorbehalte der Grundrechte ermöglichen das Tätigwerden gerade auch zur Verwirklichung des Sozialstaatsprinzips als legitimen Eingriffsgrund und stellen sich insofern als Einfallstor für die Konkretisierung des Sozialstaatsprinzips dar. Die schrankenfreien Grundrechtskerne und die Schranken-Schranken begrenzen wiederum die Umsetzung sozialstaatlicher Ziele318. 313 So Zacher, in: FS Ipsen, S. 207, 230. Grundlegend BSGE 15, 71, 76: Ein Verschlechterungsverbot würde „die einfache Gesetzgebung weitgehend blockieren und eine Anpassung des Rechts an die Veränderung der sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse hintanhalten“. 314 Rozek, Die Unterscheidung von Eigentumsbindung und Enteignung, S. 36 f. 315 BVerfGE 72, 200, 242; 76, 256, 346 f.; 78, 249, 284; Jarass, in: Jarass/ Pieroth (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20 Rn. 53; Maurer, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. III, § 60, Rn. 45 m. w. N. 316 Zum Verhältnis von Gleichheitssatz und Staatsstrukturbestimmungen vgl. auch Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 40, 44 f. 317 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 54.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

E. Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen im Lichte abwehrender Freiheitsgrundrechte Die Freiheitsgrundrechte der Art. 14 und 12 GG können nur dann Vorgaben für die sozialversicherungsrechtliche Abgabenbemessung bieten, wenn die Erhebung der hoheitlichen Abgaben deren Gewährleistung tangiert. Die Bewertung sozialversicherungsrechtlicher Abgabenlasten vor den freiheitsgrundrechtlichen Schutzbereichen319 ist seit langem umstritten. In Rechtsprechung und Literatur findet sich ein weites Meinungsspektrum zur freiheitsgrundrechtlichen Erheblichkeit von Sozialversicherungsbeiträgen.

I. Die Pflichtmitgliedschaft als originäre Kategorie grundrechtlicher Beeinträchtigungen Das System der Sozialversicherung beruht im wesentlichen auf dem Grundsatz der Pflichtversicherung. Der überwiegende Teil der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung ist zwangsversichert. Richtigerweise messen die herrschende Ansicht in der Literatur und der überwiegende Teil der Rechtsprechung320 der zwangsweisen Einbindung in die Sozialversicherung bereits als solcher Grundrechtsrelevanz zu. Schon die über einen bloßen Versicherungszwang321 hinausgehende Zwangsversicherung berührt bei den Einrichtungen der Sozialversicherung die Freiheitssphäre der Pflichtversicherten. Als individuelle Entschließungsfreiheit ist die Vorsorgefreiheit Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit“322. Es unterliegt der Vorsorge- und mithin auch der allgemeinen Handlungsfreiheit, den Umfang und den Wert der Versicherung von Gesundheitsrisiken selbst zu bestimmen. Mit Statuierung der Zwangsversicherung hebt das sozialversicherungsrechtliche Regelwerk diese Freiheit des einzelnen auf, selbst darüber zu entscheiden, ob und für welche der ihn betreffenden Gefahren er Vorsorge treffen, in welcher Weise er sich absichern will und welchen Um318

Bieback, EuGRZ 1985, S. 657, 660, 662. Zum Meinungsstand Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art.14 Rn. 165 ff.; Vogel, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. IV, § 87, Rn. 82 ff. 320 Philipp schränkt dies selbst hinsichtlich der Entscheidung in BVerfGE 78, 320 ein, welche für die vom BVerwG (BVerwGE 59, 231; 64, 298) entwickelte sog. Mitgliederklage insofern eine Einschränkung macht, als es die Unterlassungsklage gegen über die gesetzliche Aufgabenbeschreibung hinausgehende Betätigungen nur zuläßt, wenn die Tätigkeit des Verbandes über die Beitragspflicht hinaus in jeweils eigene Grundrechte des klagenden Mitglieds eingreift, vgl. BVerfGE 78, 320, 330 f. 321 Bettermann, Verfassungsmäßigkeit von Versicherungszwang, S. 190 f. 322 So Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 49. 319

E. Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen

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fang die Vorsorge jeweils erreichen soll323. Die dem Versicherten formal verbleibende Freiheit, eigenständig Vorsorge zu betreiben, ist im von der Sozialversicherung erfaßten Bereich ohne Gewicht324. Nach einer im Vordringen befindlichen Ansicht325 soll hingegen die grundrechtliche Beeinträchtigung durch die sozialversicherungsrechtliche Mitgliedschaft gegenüber der völlig dominierenden Beitragspflicht zurücktreten. Die Zugehörigkeit zu einer gesetzlichen Kranken- bzw. Pflegekasse sei im wesentlichen nur Anknüpfungspunkt für die Beitragspflicht und korrespondierende Leistungen. Der Zugriff des Staates durch die Auferlegung der Sozialversicherungspflicht richte sich nicht primär auf das Moment des unfreiwilligen Zusammenschlusses, sondern auf das „Ob“ und „Wie“ der sozialen Sicherung. Da sich die körperschaftliche Organisation der Sozialversicherungsträger ohne weiteres gegen eine anstaltliche austauschen lasse, ohne daß sich die eigentliche sozialversicherungsrechtliche Abgaben- und Leistungsbeziehung in ihrer Substanz ändern würde326, komme dem staatlichen Inkorporationsakt als solchem keine grundrechtsbelastende Wirkung zu327. Durch die demokratische Partizipation erfahre der einzelne sogar eine Rechtskreiserweiterung328. Letztlich dürfe lediglich entscheidend sein, inwiefern die dem Verband zugewiesenen Aufgaben und die den Mitgliedern auferlegten Pflichten einzelne grundrechtlich geschützte Rechtspositionen berühren329.

323

Fuchs, Zivilrecht und Sozialrecht, S. 113 f. Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 50. 325 Maschmann, ZfS 1991, S. 289, 293; Kleemann, Verfassungsrechtliche Fragen der Pflegeversicherung, S. 202. 326 Kleemann, Verfassungsrechtliche Fragen der Pflegeversicherung, S. 202. 327 Hellermann, Die sogenannte negative Seite der Freiheitsrechte, S. 188 ff.; Laubinger, VerwArch 74 (1983), S. 263, 277 f.; Kaltenborn, NZS 2001, S. 300, 304. 328 So Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 298 ff.; ders., in: DVBl. 1986, S. 716, 724. Kluth spricht insoweit von einem „besonderen Teilhabeverhältnis“, denn Erweiterung des status activus knüpft nicht mehr an das allgemeine Bürgerrecht an, sondern an den Status als Mitglied der Körperschaft, vgl. in Funktionale Selbstverwaltung (ders., Funktionale Selbstverwaltung, S. 303). „Mehr noch als beim allgmeinen Bürgerstatus, der immerhin durch Steuerpflicht, Wehrpflicht und Ehrenamt ,belastet‘ ist, steht damit prägend die Begünstigung im Vordergrund, während die einzelnen, die Mitglieder betreffenden Belastungen, nicht direkter Ausdruck der Mitgliedschaft sind, im Verhältnis zu ihr einen akzidentiellen Charakter besitzen“ (ders., Funktionale Selbstverwaltung, S. 304). 329 Kluth, DVBl. 1986, S. 716, 726 f.; Erichsen, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. VI, § 152. Rn. 72; Löwer, in: v. Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 9 Rn. 17. 324

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Entgegen dieser Argumentation darf die Tätigkeit einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft nicht von ihrer Existenz abgekoppelt und so gegenüber den Pflichtmitgliedern als nicht belastend dargestellt werden. Der Zuwachs an demokratischer Partizipation beinhaltet als Minus die Einbuße an Selbstorganisationskompetenz und damit eine Beeinträchtigung der Grundrechtsausübungsfreiheit. Eine Mitgliedschaft ohne grundrechtsrelevante Beeinträchtigungen gibt es daher ebensowenig wie eine Beeinträchtigung ohne Zwangsmitgliedschaft 330. Als Schutzwehr gegenüber der sozialversicherungsrechtlichen Pflichtmitgliedschaft hält die grundgesetzliche Systematik jedoch nicht den grundsätzlich schrankenlos gewährleisteten Art. 9 Abs. 1 GG331, sondern nur die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG bereit. Denn der Schutz der negativen Vereinigungsfreiheit bezieht sich – so auch die Rechtsprechung332 und die herrschende Meinung in der Literatur333 – nur auf privatrechtliche Vereinigungen, nicht aber auf die Pflichtmitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Körperschaften. Soweit vereinzelte Stimmen im Schrifttum auf Art. 9 Abs. 1 GG rekurrieren, wird mit „Sinn und Zweck der grundrechtlichen Gewährleistung“ argumentiert: Bei Nichtberücksichtigung der Pflichtmitgliedschaft in öffentlich-rechtlichen Verbänden im Schutzbereich des Art. 9 Abs. 1 GG bestehe die Gefahr, „daß der Gesetzgeber durch die Errichtung öffentlich-rechtlicher Zwangszusammenschlüsse den ihm durch Art. 9 Abs. 1 GG (für privatrechtliche Zwangszusammenschlüsse, d. A.) gezogenen Grenzen ausweicht“334. Anderes könne sich auch nicht daraus ergeben, daß dem einzelnen nicht das Recht zustehe, eine juristische Person des öffentlichen Rechts zu gründen. Denn bei dem Schutz vor der Pflichtmitgliedschaft in Zwangsvereinigungen des öffentlichen Rechts stehe nicht die unzulässige Inanspruchnahme öffentlich-rechtlicher Handlungsformen durch den einzelnen in Rede335. Vielmehr handele es sich hierbei schlicht um die Realisierung der klassischen grundrechtlichen Abwehrfunktion gegenüber Beschränkungen der Freiheit privatautonomer Selbstorganisation.

330

Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 325. Zu dieser Ansicht mit umfangreichen Nachweisen vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 326. 332 BVerfGE 10, 89, 102; 38, 281, 297 f.; 92, 53, 69; BVerwGE 64, 115, 117; 64, 298, 301; 107, 169, 172 ff.; 107, 169, 172; 108, 169, 171 f.; BSGE 25, 170, 176; 31, 136, 138. 333 Merten, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. VI, § 144, Rn. 58 ff.; Scheuer, in: GS Peters, S. 819; C. Kannengießer, in: Schmidt-Bleibtreu (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 9 Rn. 4; Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, S. 240. 334 Schmidt, Öffentliches Wirtschaftsrecht, S. 150. 335 Vgl. Jung, JA 1984, S. 467, 468; v. Mutius, Jura 1984, S. 193, 196. 331

E. Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen

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Indes läßt sich die Einbeziehung der Versicherten in den grundrechtlichen Schutzbereich nicht der allgemeinen Vereinsfreiheit zuordnen. Art. 9 Abs. 1 GG gilt nur für privatrechtliche Vereinigungen, nicht aber für öffentlich-rechtliche Zusammenschlüsse. Zur Untermauerung dieses Ergebnisses kann formal-logisch argumentiert werden: Die negative Vereinigungsfreiheit bildet grundsätzlich das Spiegelbild der in Art. 9 Abs. 1 GG gewährten positiven Vereinigungsfreiheit. Sie beinhaltet neben der positiven auch die negative Vereinigungsfreiheit, d. h. das Abwehrrecht des einzelnen, einem bestimmten Verband fernbleiben zu können336. Der für die positive Vereinigungsfreiheit geltende verfassungsrechtliche Vereinigungsbegriff setzt u. a. die Freiwilligkeit des Zusammenschlusses voraus337. An dieser Freiwilligkeit einer Mitgliedschaft fehlt es aber immer dann, wenn diese auf staatlichem Zwang beruht. Wenn also ein solcher Zusammenschluß, bei dem die Mitgliedschaft auf staatlichem Zwang beruht, keine „Vereinigung“ i. S. d. Art. 9 Abs. 1 GG darstellt, muß gleiches auch für die Freiheit vor öffentlich-rechtlichen Zwangszusammenschlüssen gelten338. Deshalb verbietet Art. 9 Abs.1 GG lediglich den Zwangszusammenschluß zu privatrechtlichen Vereinigungen339, findet jedoch auf Sozialversicherungsträger als Körperschaften des öffentlichen Rechts keine Anwendung.

II. Freiheitsrechtliche Grenzen des krankensozialversicherungsrechtlichen Aufgabenspektrums Für die Bestimmung der Grenzen der der gesetzlichen Krankenversicherung übertragbaren Aufgaben erlangt das objektiv-rechtliche Verfassungsprinzip der Subsidiarität eine besondere Bedeutung340. Hiernach dürfen 336 BVerfGE 10, 89, 104; 38, 281, 297 f.; 50, 270, 354; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Rn. 411; Jäkel, DVBl. 1983, S. 1133, 1134; Löwer, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 9 Rn. 17; Murswiek, JuS 1992, S. 117 ff.; Papier, Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen in der PKV, S. 11; Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 9 Rn. 42. 337 BVerfGE 10, 89, 102; 38, 281, 297; 85, 360, 370; Bauer, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 9 Rn. 35; Höfling, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 9, Rn. 8, 13. 338 BVerfGE 10, 89, 102; 38, 281, 297 f.; 50, 290, 354; vgl. Merten, NZS 1998, S. 545, 547; Detterbeck, Zum präventiven Rechtsschutz, S. 15; ähnlich Pieroth/ Schlink, Grundrechte, Rn. 819; Rode, DÖV 1976, S. 841, 845; Friauf, in: FS Reinhardt, S. 389, 395. 339 Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 412 begreift das Problem der Zulässigkeit öffentlich-rechtlicher Zusammenschlüsse als eine Frage der Zuordnung des Prinzips freier sozialer Gruppenbildung und damit unabhängig von der Frage der Rechtsform. 340 Hierzu Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 712.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

dem Träger nur solche Aufgaben übertragen werden, die der Zwangsversicherte nicht in Selbstverantwortung oder durch private Versicherung bewältigen kann. Zwar enthält das Grundgesetz kein ausdrückliches Gebot der Subsidiarität341. Jedoch kommt den Freiheitsgrundrechten als Schutzrahmen des individuellen Entfaltungsspielraums ein entsprechender Bedeutungsgehalt zu342. Die grundrechtlichen Leitentscheidungen der Verfassung wie diejenigen für die Berufsfreiheit und die Eigentumsgarantie verpflichten den Gesetzgeber zur Gestaltung einer Rechtsordnung, welche den Bürgern – soweit dadurch anderen kein Schaden zugefügt wird – eine größtmögliche Vielfalt der Persönlichkeitsentfaltung nach eigener Entscheidung ermöglicht343. Den Freiheitsgrundrechten lassen sich insoweit Grenzen für die „Begründung oder Beibehaltung staatlicher Zuständigkeiten im Bereich auch privat bzw. beruflich wahrnehmbarer Angelegenheiten (. . .) nach Maßgabe des Übermaßverbotes“344 entnehmen. Die „Begründung staatlicher Zuständigkeiten oder deren Aufrechterhaltung ist nur solange und soweit gerechtfertigt (. . .), wie der Grundsatz der Erforderlichkeit die Notwendigkeit der staatlichen Aufgabenerledigung begründet“345. Jedenfalls gerät der Sozialstaat dort an seine Grenzen, „wo der staatlich organisierte Freiheitsgewinn die noch verbliebenen Freiheitschancen des einzelnen erdrückt“346. Als Basis eines der Verfassung innewohnenden Subsidiaritätspostulats bietet sich auch Art. 2 Abs. 1 GG in Zusammenschau mit der in Art. 1 Abs. 1 GG geschützten Menschenwürde an. Durch die Gewährleistung der Rechte aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 Abs. 1 GG geht das Grundgesetz „von der Würde der freien, sich selbst bestimmenden menschlichen Persönlich341 Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, S. 285; Isensee, Subsidiaritätsprinzip, S. 269; Bull, Die Staatsaufgaben nach dem Grundgesetz, S. 198; Zuck, Subsidiaritätsprinzip und Grundgesetz, S. 105. 342 Frenz, Das Verursacherprinzip, S. 205. 343 Die Idee der Subsidiarität findet eine Ausprägung in der katholischen Soziallehre, vgl. in Nr. 79 der Enzyklika Quadragesimo anno des Papstes Pius XI. vom 15. Mai 1931 (vgl. die deutsche Übersetzung in: Bundesverband der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung Deutschlands (Hrsg.), Texte zur katholischen Soziallehre, 7. Aufl. 1989, S. 91 ff.): „Wie dasjenige, was der Einzelmensch aus eigener Initiative und mit seinen eigenen Kräften leisten kann, ihm nicht entzogen und der Gesellschaftstätigkeit zugewiesen werden darf, so verstößt es gegen die Gerechtigkeit, das, was die kleineren und untergeordneten Gemeinwesen leisten und zum guten Ende führen können, für die weitere und übergeordnete Gemeinschaft in Anspruch zu nehmen“. 344 Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 12 Rn. 209 ff. 345 Vgl. in bezug auf sog. Verwaltungsmonopole BVerfGE 21, 245, 249 ff.; 21, 261, 267 ff. 346 Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, S. 270.

E. Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen

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keit“ aus347. Zu deren Freiheit gehört die Möglichkeit, „das eigene Leben nach eigenen Entwürfen zu gestalten“348. Indem Art. 11 Abs. 2 GG bei Fehlen einer „ausreichenden Lebensgrundlage“ Einschränkungen der Freizügigkeit zuläßt, macht auch diese Verfassungsbestimmung „deutlich, daß nach dem Willen des Grundgesetzes zunächst dem einzelnen die Sorge für sich und die seinen obliegt, bevor der Staat sorgend, aber auch reglementierend eingreift“349. Insoweit ist staatliches Handeln also grundsätzlich subsidiär. Das so verstandene Postulat der Subsidiarität hoheitlichen Tätigwerdens gebietet dem Staat, Aufgaben nur dann ganz oder teilweise an sich zu ziehen, wenn er dem öffentlichen Interesse besser genügt als Private350. Für den Bereich des Sozialversicherungsrechts würde es dem Grundsatz der Subsidiarität widersprechen, in die Zwangsversicherung Risiken einzubeziehen, die der einzelne in Selbstverantwortung und Eigenhilfe bewältigen kann351. Die Grenze liegt dort, wo durch die Zwangsmitgliedschaft in der Sozialversicherung jede Möglichkeit zur selbstverantwortlichen Eigenvorsorge genommen wird352. Danach dürfen der Sozialversicherung nur diejenigen Bevölkerungsschichten unterstellt werden, die sich erfahrungsgemäß aus eigener Initiative und eigener Kraft gegenüber Wechselfällen des Lebens nicht ausreichend schützen können. Selbst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, kommt neben der Implementierung in die Sozialversicherung auch die gesetzliche Einführung einer Versicherungspflicht in Betracht353. Der Grundsicherung kommt gegenüber einem umfassenden sozialversicherungsrechtlichen Schutz der Vorrang zu354. Das Grundgesetz billigt dem demokratisch legitimierten Gesetzgeber hinsichtlich der Bestimmung der zur Verfolgung seiner Ziele geeigneten und erforderlichen Maßnahmen einen erheblichen Gestaltungsspielraum zu355. Es ist „vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirt347

BVerfGE 48, 127, 163. BVerfGE 60, 253, 268. 349 Pieper, Subsidiarität, S. 106 ff.; Oppermann, JuS 1996, S. 569, 570 f. Nur auf den Grundsatz der Erforderlichkeit abhebend Krieger, Schranken der Zulässigkeit der Privatisierung öffentlicher Einrichtungen der Daseinsvorsorge mit Anschlußund Benutzungszwang, 36; vgl. auch Isensee, Subsidiaritätsprinzip und Verfassungsrecht, S. 270 ff., welcher von einer Zusammenschau von Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten ausgeht. 350 Isensee, in: VVDStRL 54 (1995), S. 303, 305. 351 Vgl. wiederum zu den verfassungsrechtlichen Grenzen der Privatisierung sozialer Risiken Fuchs, SDSRV 45 (1999), S. 79. 352 So auch Benda, SDSRV 14 (1975), S. 32, 47. 353 Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, S. 180 ff. 354 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 502. 355 BVerfGE 53, 135, 145; 77, 84, 106; 81, 156, 193; Hirschberg, Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, S. 62; Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568, 573. 348

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

schafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Gebietes zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Damit verbleibt dem Gesetzgeber auch im Bereich der Sozialversicherung „ein weiter Raum für die Gestaltung“, „innerhalb dessen er Maß und Art der im Interesse der Gemeinwohls notwendigen oder doch vertretbaren Eingriffe in die Freiheit“ bestimmen kann und „das Spannungsverhältnis zwischen der Freiheit des Einzelnen und der sozialstaatlichen Ordnung“ zu lösen hat356. Auch bei der Prognose und Einschätzung gewisser der Allgemeinheit drohenden Gefahren, zu deren Verhütung der Gesetzgeber glaubt tätig werden zu müssen, gesteht ihm die Verfassung einen Beurteilungsspielraum zu, den er nur dann überschreitet, wenn seine Erwägungen so „offensichtlich fehlsam sind, daß sie vernünftigerweise keine Grundlage für gesetzgeberische Maßnahmen abgeben können“357.

III. Die Bemessung von Sozialversicherungsabgaben im Lichte der besonderen Freiheitsgrundrechte 1. Die Sozialversicherungsabgaben vor der Eigentumsgarantie a) Konkrete vermögenswerte Positionen als beeinträchtigtes Schutzgut Die beitragspflichtigen Einnahmen der Sozialversicherung bilden keinen geeigneten Anknüpfungspunkt des Eigentumsschutzes gegenüber der Auferlegung von Sozialversicherungsbeiträgen358. Geldwerte Forderungen haben zwar – so auch die herrschende Ansicht im Schrifttum359 – das Stadium bloßer Interessen, Erwerbsaussichten, Zukunftschancen und Verdienstmöglichkeiten bereits verlassen und sind in Abgrenzung zu Art. 12 GG dem Art. 14 GG zuzuordnen. Soweit das beitragspflichtige Einkommen sich also in Bargeld oder geldwerten Forderungen niederschlägt, können diese grundsätzlich Objekt des eigentumsrechtlichen Abwehrrechts sein360. Jedoch sind hoheitlich erhobene Abgaben Wertsummenschulden, welche es der Wahlfreiheit des Pflichtigen überlassen, für deren Tilgung das als Bemessungsgrundlage dienende beitragspflichtige Einkommen oder andere Vermögens356 BVerfGE 10, 54, 371; 29, 221, 235; vgl. auch BVerfGE 44, 70, 89; 48, 227, 234; 53, 313, 326. 357 Vgl. BVerfGE 77, 84, 106. 358 BVerfGE 28, 119, 142; 30, 292, 334 f. 359 Papier, JuS 1989, S. 630, 631. Wendt, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 14 Rn. 24; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 14 Rn. 38. 360 Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 14 Rn. 49; Bryde, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 14 Rn. 24.

E. Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen

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bestandteile zu belasten. Ein konkreter Bezug zu den lediglich als Bemessungsgrundlage herangezogenen beitragspflichtigen Einnahmen, welche eine Eingriffsqualität des hoheitlichen Tätigwerdens bejahen ließe, besteht damit nicht. Ebenso wenig läßt sich der eigentumsrechtliche Schutz auf die Quellen der beitragspflichtigen Einnahmen stützen. Soweit die Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags lediglich an das Arbeitsentgelt anknüpft, kommt als Quelle des sozialversicherungspflichtigen Einkommens und damit als Anknüpfungspunkt des Eigentumsschutzes allein die Verwertung der Arbeitskraft der Tätigen in Betracht. Nach richtiger Ansicht wird diese „Summe derjenigen ausgebildeten körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Menschen, welche es ihm ermöglichen, sich selbst in seinem subjektiven Wert auszubilden und durch Erzeugung objektiver Werte Geld oder andere Vermögensgegenstände zu erwerben“361, nicht in den Schutzbereich des Art. 14 GG einbezogen. Nur diese Lösung läßt sich mit der anerkannten Prämisse vereinbaren, bloße Chancen und Verdienstmöglichkeiten aus dem verfassungsrechtlichen Begriff des Eigentums auszuklammern362. Im Gegensatz zu den aufgrund einer Erwerbstätigkeit entstandenen Rechtsansprüchen ist die Arbeitskraft selbst als grundlegender Zustand für die Aufnahme und Fortführung einer beruflichen Betätigung deshalb in den von Art. 12 GG geschützten Bereich zu verlagern363. Soweit die sozialversicherungsrechtliche Abgabenerhebung an das Nichterwerbseinkommen anknüpfen würde, kämen als konkrete Vermögenspositionen die Quellen der Einkünfte – etwa das Kapitalvermögen und die Mietobjekte – in Betracht. Indes können auch diese der sozialversicherungsrechtlichen Abgabenbemessung zugrundeliegenden konkreten Eigentumspositionen mangels eines hoheitlichen Eingriffs den Eigentumsschutz gegenüber der Auferlegung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht begründen. Zwar scheitert die Eingriffsqualität der Auferlegung sozialversicherungsrechtlicher Zahlungspflichten nicht bereits daran, daß der Staat die Abgaben nicht aktiv einzieht, sondern dem Bürger lediglich eine Zahlungspflicht 361

Definition bei Lampe, in: FS für Maurach, S. 375, 377. BVerfGE 28, 119, 142; 30, 292, 335; Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 599. 363 BVerfGE 35, 201, 205; Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Bonner Grundgesetz, Art. 2 Abs. 1 Rn. 101, 55; Kunig, in: von Münch/Kunig, Grundgesetz, Art. 2 GG, Rn. 29 unter Hinweis auf BVerfGE 35, 201, 205; Scholz, in: Maunz/ Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 12 GG Rn. 52. Schließlich setzt die Subsumtion unter den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff die Möglichkeit der Verfügung über die Positionen voraus. Da das Anbieten einer Arbeitskraft untrennbar mit der Entscheidung des Tätigen verbunden ist, kann diese von der Person des Rechtsträgers nicht abstrahiert werden. Also ist die Arbeitskraft kein vermögenswertes Gut i. S. d. Art. 14 GG. 362

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

auferlegt. Denn der Grundrechtsschutz erlaubt keine Unterscheidung danach, ob der Bürger durch einen Hoheitsakt „mit dinglicher Wirkung“ sein Eigentum verliert oder ihm die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung aufgetragen wird364. Jedoch kann die tatbestandliche Anknüpfung von Abgaben an konkrete Rechtspositionen keine eigentumsrechtlich relevante Beeinträchtigung begründen. Mit der Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen verfolgt der Gesetzgeber nämlich nicht das Ziel, in Eigentumspositionen einzugreifen, so daß keine final-unmittelbare und imperative Beeinträchtigung i. S. d. klassischen Eingriffsbegriffs vorliegt365. Anerkanntermaßen gebietet die Effektivität des Rechtsschutzes zwar über diese Modalitäten hinausgehend Schutz auch gegenüber der Einbeziehung bestimmter mittelbarer und faktischer Beeinträchtigungen366. Hieran anknüpfend sehen Papier367 und ihm folgend ein Teil des Schrifttums bei Anknüpfung von Abgabenerhebungen an bestimmte, dem Eigentumsschutz unterfallende Gegenstände bereits die Kriterien eines mittelbaren Eingriffs als erfüllt an. Diese Auffassung läßt jedoch unberücksichtigt, daß gemeinhin alle hoheitlich erhobenen Abgaben zu Belastungs- und Gestaltungswirkungen führen368. Ließe man die Gesamtheit dieser z. T. lediglich faktischen Beschränkungen und Belastungen des Eigentumsgebrauchs für die Feststellung eines Eingriffs genügen, liefe dies auf eine Entleerung des Art. 14 GG hinaus. Richtigerweise stellen sich die Eigentumsobjekte als Anknüpfungspunkte der Abgabentatbestände daher grundsätzlich nur als Indikatoren für die Leistungsfähigkeit des Zahlungspflichtigen dar369. Der durch die Abgaben bewirkte Zugriff knüpft lediglich an die so ermittelten Ressourcen an, hat hingegen gerade nicht Rechtsträgerschaft, Nutzung und Gebrauch der einzelnen konkreten Eigentumspositionen im Auge.

364

Papier, Der Staat 11 (1972), S. 483, 488. Dreier, in: ders. (Hrsg.), Grundgesetz, Vor Art. 1 Rn. 82; Eckhoff, Der Grundrechtseingriff, S. 175 ff. 366 Friauf, Steuergesetzgebung und Eigentumsgarantie, S. 299 f.; Faehling, Eigentumsgewährleistung und Besteuerung, S. 69 ff.; Vogel, Steuerrecht und Wirtschaftslenkung, S. 231 ff. 367 Papier, DVBl. 1980, S. 787, 789 f.; 791 ff.; ders., in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art.14, Rn. 160 ff., Rn. 165 ff.; Faehling, Eigentumsgewährleistung und Besteuerung, S. 49 ff., 94 ff.; Schenke, in: FS Armbruster, S. 177, 190 ff.; Wendt, NJW 1980, S. 2111, 2113; ders., in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 14 Rn. 38 f. 368 Die abgabenrechtliche Belastung bestimmter Vorgänge führt mit der Änderung mikro- oder makroökonomischer Rahmenbedingungen für wirtschaftliches und gesellschaftliches Verhalten stets zu Gestaltungswirkungen, vgl. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 234. 369 Wendt, NJW 1980, S. 2111, 2113. 365

E. Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen

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b) Abgabenbelastung als Beeinträchtigung des Vermögens Die Einbeziehung des Vermögens in den eigentumsrechtlichen Schutz würde den Anwendungsbereich des Art. 14 GG auch für hoheitliche Geldleistungspflichten eröffnen, da sich jede Abgabenbelastung hinsichtlich der (Gesamt-)Vermögenslage des betroffenen Rechtsgutinhabers als eine Vermögensminderung oder ein Vermögensentzug darstellt. Nach herkömmlicher Auffassung370 erfaßt die Eigentumsgarantie allein konkrete vermögenswerte Positionen, nicht dagegen das Vermögen des Abgabenpflichtigen als solches. Da die Abgabenpflicht als abstrakte Wertsummenschuld keinen konkreten Bezug zu einer bestimmten Eigentumsposition aufweist, sondern es dem Betroffenen überläßt, das Leistungsgebot mit den ihm verfügbaren Mitteln seiner Wahl zu erfüllen, soll die Eigentumsgarantie gegenüber der Auferlegung hoheitlicher Abgabenpflichten keine Sperrwirkung entfalten. In diesem Sinne lehnt das Bundesverfassungsgericht371 seit seinem sog. Investitionshilfeurteil vom 20. Juli 1954 eine Anwendbarkeit des Art. 14 GG mit der Begründung ab, die Eigentumsgarantie sichere zwar den Bestand der durch die Rechtsordnung anerkannten einzelnen Vermögenswerte, nicht jedoch das Vermögen als solches gegenüber Maßnahmen der öffentlichen Gewalt. Nach einer im Schrifttum vertretenen Ansicht372 umfaßt der Gewährleistungsbereich des Art. 14 GG hingegen auch das Vermögen. Befürworter einer Einbeziehung des Vermögens in den eigentumsrechtlichen Schutzbereich sehen sich indes überzeugenden Argumenten gegenüber: Gegen die eigentumsrechtliche Relevanz des Vermögens spricht bereits die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes. Art. 14 GG rezipiert in seiner Grundstruktur den Eigentumsbegriff des Art. 153 der Weimarer Reichsverfassung. Dieser aber kannte keinen Schutz des Vermögens als eigenständige Rechtsposition373. Auch bei den Beratungen zum Grundgesetz wurde Eigentum noch „als das Ausmaß, in dem ein Individuum über Sachen verfügen kann“374 verstanden. Offenbar sah der Verfassungsgeber den Schutz

370

Vgl. Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 14 Rn. 45 f. m. w. N. BVerfGE 4, 7, 17; ständige Rechtsprechung: BVerfGE 6, 290, 298; 8, 274, 330; 10, 354, 371; 11, 105, 126; zuletzt BVerfGE 95, 267, 300. 372 Vgl. Friauf, JurA 1970, S. 299 ff.; Leisner, Verfassungsrechtliche Grenzen der Erbschaftsbesteuerung, S. 76 ff.; Martens, in: VVDStRL 30 (1972), S. 7, 16; Schenke, in: FS für Armbruster, S. 177, 183 f.; Draschka, Steuergesetzgebende Staatsgewalt und Grundrechtsschutz des Eigentums, S. 88 f. 373 Ausführlich Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 33 ff. 374 Weingarten, Die Beitragspflicht der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, S. 25. 371

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

des Abgabenpflichtigen durch das Bestehen des parlamentarischen Budgetrechts als ausreichend gewährleistet an375. Auch die systematische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis: Art. 14 GG umfaßt nicht nur den Gebrauchswert des Vermögensgegenstandes, sondern auch seinen Tauschwert als „Grundlage menschlicher Existenz und menschlicher Selbstentfaltung“376. Indem die Tauschwertgarantie – so argumentiert Friauf377 – den Wert sämtlicher dem Vermögen des Grundrechtsträgers zuzuordnenden Sachen und Rechte beinhalte, unterfalle das Vermögen selbst als Inbegriff aller in ihm zusammengefaßten Werte dem Schutzbereich der Eigentumsfreiheit378. Daher lege eine Abgabe, die nicht auf konkrete Vermögensgegenstände, wohl aber auf Werteinheiten zugreife, dem Pflichtigen wegen der Minderung des konkreten Bestandes an werthaltigen Vermögensgütern ein eigentumsgrundrechtsrelevantes Opfer auf379. Diese Argumentation berücksichtigt jedoch die Stellung der Vermögenswertgarantie innerhalb der eigentumsrechtlichen Gewährleistung nicht hinreichend. Art. 14 Abs. 3 GG statuiert zwar tatsächlich eine Vermögenswertgarantie und bringt damit die eigentumsrechtliche Relevanz des Tauschwertes konkreter Vermögensgegenstände zum Ausdruck. Insoweit zeigt Art. 14 Abs. 3 GG in der Tat, daß der Tauschwert nicht nur in der Bindung an spezifische Einzelgegenstände verfassungsrechtlich gewährleistet ist, sondern dem Eigentümer eine vom Vermögensobjekt losgelöste Kaufkraft gesichert werden soll380. Gleichwohl darf hieraus aber nicht auf die Gleichwertigkeit der Tauschwertgarantie mit der Bestands- und Nutzungsgarantie geschlossen werden381. Als Rechtsfolge der Enteignung setzt die Wertgarantie nämlich eine zeitlich vorrangige und in ihrem Bestand geschützte Eigentumsposition voraus. Wenn der konkrete Rechtsbestand aufgrund zulässiger Enteignung oder Sozialisierung aufgeopfert werden muß, soll der „Tauschwert“ des entzogenen Gutes den Betroffenen grundsätzlich in die Lage versetzen, ein neues Vermögensobjekt zu erwerben, um eine „personenbehaf375 P. Kirchhof, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. IV, § 88, Rn. 104; Benda, DStZ 1984, S. 159, 160; Birk, StuW 1989, S. 212, 213. 376 Friauf, JurA 1970, S. 299, 307 f. 377 Friauf, DÖV 1980, S. 480, 488; Imboden, Archiv für Schweizerisches Abgabenrecht 29 (1960), S. 2, 6; Wendt, NJW 1980, S. 2111, 2113. 378 Friauf, JurA 1970, S. 299, 307 ff. 379 Friauf, DStJG 12 (1989), S. 3, 23. 380 Bechstein, Die Rechtfertigung von Einzelsteuern, S. 103. 381 Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art.14 Rn. 8. Die Eigentumsgarantie des Grundgesetzes steht damit im Gegensatz zu Art. 153 der Weimarer Reichsverfassung, da der Rechtsschutz der Bürger gegen enteignende Maßnahmen nicht mehr auf die Entschädigungshöhe beschränkt ist, sondern sich auf die enteignende Grundverfügung erstreckt, vgl. BVerfGE 24, 367 ff.; 38, 175, 181 ff.; 56, 249, 260 f.; 58, 300, 323 f.; 78, 58, 75.

E. Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen

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tete Bezogenheit“ als Grundlage individueller Entfaltungsfreiheit zu begründen382. Den „Tauschwert“ aber als grundsätzliche Anerkennung eines Schutzes von Vermögenswerten zu sehen, verkennt die Anknüpfung an den Verlust echter Rechtspositionen, der sowohl bei der Enteignungsentschädigung als auch bei der ausgleichspflichtigen Inhaltsbestimmung Voraussetzung ist383. Da sich jede belastende Inhalts- und Schrankenbestimmung in Ansehung erworbener Rechte als Vermögensminderung bzw. (teilweise) Vermögensentziehung darstellt, stützt letztlich auch Art. 14 Abs. 2 S. 1 GG das Ergebnis, für das Vermögen allgemein keine eigentumsrechtliche Bestands- bzw. Bestandswertgarantie anzuerkennen. Auch teleologische Gesichtspunkte vermögen kein anderes Ergebnis zu begründen: Dem Eigentumsgrundrecht liegt kein starrer, unveränderbarer Eigentumsbegriff, sondern ein primär funktionelles Verständnis zugrunde. Art. 14 GG hat in erster Linie die Aufgabe, „dem Träger des Grundrechts einen Freiheitsraum im vermögensrechtlichen Bereich sicherzustellen und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung seines Lebens zu ermöglichen“384. Entgegen einer im Vordringen befindlichen Literaturansicht wird diese Aufgabe des Eigentumsgrundrechts durch die Auferlegung hoheitlicher Abgaben nicht in einer Weise beeinträchtigt, welche zur Sicherung der Funktion des Eigentumsgrundrechts die Notwendigkeit der Eröffnung des Gewährleistungsbereichs des Art. 14 GG für Abgabenbelastungen erkennen läßt385. Anknüpfungspunkt der Gegenauffassung ist das Argument eines dem Eigentumsgrundrecht zugrundeliegenden „Funktionswandels“. Dieser bezieht sich nicht auf den Wandel der freiheitssichernden und sozialen Funktion als Schutzgrund und notwendiges Merkmal verfassungsrechtlichen Eigentums, sondern hat den Wandel der tatsächlichen Verhältnisse im Blick. Anstelle eines „Funktionswandels der Eigentumsgarantie“ geht es also um einen Wandel der freiheitssichernden und sozialen Bedeutung einzelner Eigentumspositionen386. In diesem Zusammenhang verweist man auf 382

Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 14 Rn. 164. Meyer, Umweltressourcen, S. 169. 384 Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern, S. 88, verweist darauf, daß in der Weimarer Reichsverfassung die Loslösung vom zivilrechtlichen Eigentumsbegriff als Anpassung an die geänderten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umstände erfolgte, vgl. hierzu auch Stein, in: FS Müller, S. 510 ff. 385 Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 14 Rn. 165; von Arnim, VVDStRL 39 (1981), S. 213 ff. 386 Badura, Handbuch des Verfassungsrechts, § 10 Rn. 1 ff.; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 192 f.; Kimminich, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 14 Rn. 13 ff.; Schmidt-Bleibtreu, in: ders./Klein, Grundgesetz, Art. 14 Rn. 3. 383

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

den mit der Zunahme und Austauschbarkeit der Güter einhergehenden Bedeutungszuwachs des Geldes als Tauschmittel387. Die ansteigende Monetarisierung der Bedarfsdeckung habe dazu geführt, daß die wirtschaftliche Existenz für den überwiegenden Teil der Bevölkerung heute nicht mehr durch Sacheigentum oder privates Vermögen, sondern vielmehr durch Geld, Geldforderungen oder leicht in Geld umsetzbare, sonstige vermögenswerte Rechte gewährleistet werde388. Im Vordergrund stehe dabei das aufgrund der Arbeitsleistung zufließende Einkommen sowie die von diesem abgeleiteten arbeits- und sozialrechtlichen Ansprüche389. Hieran anknüpfend wird argumentiert, daß von Abgabenpflichten trotz der rechtlich gewährten Wahlmöglichkeit des Abgabenpflichtigen zwischen den einzelnen vermögenswerten Rechtspositionen eine Belastungswirkung ausgehe, welche bei wirtschaftlicher Betrachtung der Belastung einzelner konkreter Geldmittel gleichstehe390. Da der Handlungsfreiraum des einzelnen in ökonomischer Hinsicht durch die Auferlegung einer Geldleistungspflicht ebenso geschmählert werde wie durch den Entzug einer Geldforderung391, sei die durch hoheitliche Abgaben begründete Schuldnerstellung mit dem Entzug einer Gläubigerstellung vergleichbar392. Wie Geld müsse daher auch das Vermögen in den eigentumsrechtlichen Schutzbereich einbezogen werden393. Steuerlast und Geldpolitik – so Badura weiterführend – seien ein Potential öffentlicher Gewalt, dessen Einwirkung auf die Eigentumsverfassung von der klassischen Eigentumsgarantie nicht in Rechnung gestellt worden sei394. Der Ausbau des modernen Sozialstaates führe weniger zu einer Bedrohung von obligatorischem Forderungsvermögen der Bürger als vielmehr zu der Gefahr übermäßiger Belastung der privaten Vermögenssphäre mit 387 Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern, S. 91; Vogel, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. I, § 27, Rn. 3 ff. 388 In diese Richtung gehen die Ausführungen von Andersen, Wandlungen des Eigentumsbegriffs, S. 108 ff. Das BVerfG, BVerfGE 40, 65, 84, stellt heraus, daß „in der modernen industriellen Dienstleistungsgesellschaft die große Mehrzahl der Staatsbürger ihre wirtschaftliche Existenzsicherung weniger durch privates Sachvermögen, sondern durch den Arbeitsertrag (. . .) erlangt.“ Das BSG (BSGE 9, 127) unterstreicht diese Aussage mit der Feststellung, daß „der auf Verwertung seiner Arbeitskraft angewiesene Einzelne Eigentum typischerweise als Renteneigentum erwirbt.“ 389 Glos, Der Schutz obligatorischer Rechte durch die Eigentumsgarantie, S. 85 ff. 390 Eschenbach, Der verfassungsrechtliche Schutz des Eigentums, S. 406; Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern, S. 89 ff. 391 Roth, Abgaben und Eigentumsgarantie, S. 53; Klein, BayVBl.1980, S. 527, 528. 392 von Arnim, VVDStRL 39 (1981), S. 301. 393 Wendt, NJW 1980, S. 2111, 2113; Kirchhof, VVDStRL 39 (1981), S. 217. 394 So Badura, Eigentum und Verfassungsrecht der Gegenwart, S. 8.

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Abgaben395. Wenn der Abgabenerhebungsgewalt des Staates aus der Eigentumsgarantie keine Schranken gezogen werden, gefährde ein schrankenfreier Abgabengesetzgeber die durch die Eigentumsgarantie gewährleistete persönliche Entfaltungsfreiheit im wirtschaftlichen Bereich und bedrohe die rechtsstaatliche Freiheit im ganzen396. Gleichwohl lassen diese Argumente keine Notwendigkeit dafür erkennen, die Freiheitssicherung gegenüber hoheitlichen Abgabenpflichten im Eigentumsgrundrecht zu verorten. Die Ausgrenzung von Abgabenbelastungen aus dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie führt nämlich nicht zur Ausgrenzung aller Abgaben aus dem Schutz der verfassungsrechtlichen Grundrechte. Vielmehr muß sich jede Abgabe zumindest an Art. 2 Abs. 1 GG messen lassen. Das gezeichnete „Schreckensbild“ einer „offenen Flanke“397 des Grundrechtsschutzes stellt sich damit als unzutreffend dar. Freilich würde die gegenüber Art. 2 Abs. 1 GG besondere Wertigkeit des Art. 14 GG im Rahmen der Abwägung als besonders schutzwürdiger Freiheitsbereich durchaus Bedeutung erlangen. Indes zielt jede Ausweitung des Gewährleistungsgehalts des Art. 14 GG über die subjektiven vermögenswerten Privatrechte des einzelnen zugleich ein Verblassen seiner signifikanten und eigenständigen Garantiewirkungen nach sich. Die Ausweitung der Eigentumsgarantie würde lediglich bewirken, daß die allgemeinen rechtsstaatlichen Eingriffsschranken der Gesetzgebung, wie das Übermaßverbot, das Vertrauensschutzprinzip und der Grundsatz der Lastengleichheit, verstärkt ins Blickfeld rücken398. Der Versuch, die Eigentumsgarantie zu einer Schutzwehr gegen das Auferlegen von Geldleistungspflichten umzubauen, setzt nämlich nicht nur eine Erweiterung ihres Gegenstandes über bestimmte Gegenstände auf das Gesamtvermögen voraus, sondern verlangt auch ein quantitatives Verständnis der Eigentumsbindungen, das notwendig eine Verringerung der Schutzintensität mit sich bringt399. Ist das Vermögen als solches kein Schutzgut im Sinne des Art. 14 GG, müssen auch inflationsbedingte Wertverluste konkreter Vermögenspositionen eigentumsrechtlich unerheblich bleiben. Dementsprechend stellte das Bundesverfassungsgericht bereits im Jahre 1969 fest, die Eigentumsgarantie beinhalte weder „eine staatliche Wertegarantie des Geldes noch das währungs- und wirtschaftspolitische Leitbild, die Vorstellung eines stabilen Geldwertes zu verwirklichen“400. Demgegenüber ist im Schrifttum401 wiederholt nach Ansätzen gesucht worden, aus denen sich ein Schutz der Ver395

Rodi, Die Rechtfertigung von Steuern, S. 93. Friauf, DÖV 1980, S. 488, 493 ff. 397 Erstmals Ballerstedt, Wirtschaftsverfassungsrecht, in: Neumann/Nipperdey/ Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. III/1, S. 39. 398 Papier, Eigentumsgarantie des Grundgesetzes im Wandel, S. 16. 399 So Wieland, Die Konzessionsabgaben, S. 215. 396

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

mögenssphäre des Bürgers gegen staatliche Inflationsverursachung bzw. zumindest gegen die Inflationsfolgen herleiten läßt. Einen Schwerpunkt der Diskussion um die eigentumsrechtliche Erheblichkeit von Inflationsfolgen bildet die einkommensteuerliche Behandlung von Kapitalerträgen. Ungeachtet der Geldentwertung unterliegen Zinsen als Kapitalerträge grundsätzlich in voller Höhe der Einkommensteuer402. Daß sie in Höhe der Inflationsraten nur einen Ausgleich von Vermögenseinbußen darstellen, läßt das Einkommensteuerrecht unberücksichtigt403. Soweit nun die Zinsen die Geldentwertungsrate des Kapitals nicht übersteigen, bleibe dem Kapitalbesitzer – so wird argumentiert404 – keine effektive Nutzung mehr. Insoweit seien die Abgabenpflichtigen durch die Auferlegung der Einkommensteuer in ihrem Grundrecht aus Art. 14 GG verletzt. Diese Auffassung läßt jedoch außer Betracht, daß nicht das Kapital, sondern die dem Darlehensgläubiger zufließenden Zinsen als selbständig neben dem Stammrecht stehende Rechtsfrüchte Gegenstand der Einkommensteuer sind405. Die Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung von Zinserträgen ohne Berücksichtigung der Inflationsrate ist daher von der inflationsbedingten Entwertung des Kapitals getrennt zu beurteilen. In der Regel mindert nicht der hoheitliche Steuereingriff, sondern die auf einer Vielzahl von Triebkräften nichtstaatlichen Ursprungs beruhende Geldentwertung den aus den Forderungsrechten fließenden Ertrag. Insoweit stellt sich die auf Art. 14 GG gestützte Forderung, bei Entwertungsvorgängen auf die Besteuerung von Erträgen zu verzichten, der Sache nach nicht als Eingriffsabwehr, sondern als Kompensation für erfolgte Rechtsbeeinträchtigungen dar406. Dieses kann das Eigentumsgrundrecht als subjektives Abwehrrecht grundsätzlich nur bei inflationsverursachendem, -mitverursachendem oder -intendierendem Staatshandeln leisten. Darüberhinaus kommt eine Verpflichtung des Abgabengesetzgebers zur Durchbrechung des Nominalwertprinzips erst dann in Betracht, wenn die Dauer und Intensität der Inflation 400 BVerfG, in: HFR 1969, S. 347. Zu den Befürwortern dieser Rechtsprechung vgl. nur Hettlage, VVDStRL 14 (1956), S. 2, 9 m. w. N. 401 Vgl. Tipke/Lang, Steuerrecht, § 9 Rn. 564 m. w. N. 402 §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 20 EStG. Seit dem 1.1.1993 unterliegen Zinsen i. S. d. § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG grundsätzlich mit 30 Prozent der Zinsabschlagsteuer, vgl. §§ 43 Abs. 1 Nr. 7, 43a Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 EStG. 403 Das Gebot des Leistungsfähigkeitsprinzips, bei der Einkünfteermittlung nur reale Zuflüsse zu erfassen, wäre durch die Nominalwertrechnung nur bei absoluter Geldwertstabilität erfüllt. Zur Rechtfertigung des Nominalwertprinzips aus steuertechnischen und währungspolitischen Gründen vgl. BVerfGE 50, 57. 404 Vgl. P. Kirchhof, Besteuerungsgewalt und Grundgesetz, S. 32 f.; Spanner, DStR 1975, S. 475, 482; Friauf, StuW 1975, S. 260 f. 405 Vgl. BVerfGE 50, 57, 105. 406 BVerfGE 50, 57, 107.

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ein Ausmaß erreicht, welches die Erhaltung und Nutzung von Geldwerten auf der Basis des Nominalwertprinzips faktisch auf unabsehbare Zeit ausschließt407. Im übrigen kann ein aus dem Eigentumsgrundrecht herzuleitendes Verbot währungsgefährdenden Staatshandelns unabhängig von seiner subjektivrechtlichen408 oder objektiv-rechtlichen Ausprägung409 von vornherein nur beschränkte Geltung beanspruchen. Zwar besteht auch in Hinblick auf Art. 109 Abs. 2 GG die Verpflichtung des Staates, den Geldwert stabil zu halten. Dieses Gebot wird jedoch modifiziert durch die gleichermaßen bestehende verfassungsrangige Verpflichtung des Staates, das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht zu wahren. Dementsprechend erlaubt Art. 109 Abs. 2 GG dann ein Absehen vom Stabilitätsziel, wenn anders einer größeren Gefährdung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts in Hinblick auf die übrigen Teilziele410 nicht begegnet werden kann411. Der durch die Verfassungsgebote zum gesamtwirtschaftlichem Gleichgewicht abgesteckte Ermessensrahmen ist erst dann überschritten, wenn eine wirtschaftsfinanzoder haushaltspolitische Maßnahme keinem der Einzelziele zu dienen geeignet ist. c) Eigentumsrechtlicher Erdrosselungsschutz Letztlich kann allein die Gefährdung der Privatnützigkeit als grundlegendes Prinzip des Instituts Eigentum den eigentumsrechtlichen Schutzbereiches eröffnen412. Da Art. 14 GG die Garantie des Eigentums mit dem Ziel der Sicherung persönlicher Freiheit bezweckt, muß die Zuordnung von Ei407 Vgl. Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 14 Rn. 187. 408 In diesem Sinne Schmidt-Preuß, Verfassungsrechtliche Zentralfragen staatlicher Lohn- und Preisdirigismen, S. 120 f.; Kröger, VersR 1998, S. 1338 ff. 409 In seinem Beschluß zur Einführung des Euro bezeichnete das Bundesverfassungsgericht den Auftrag von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat, nach Art. 88 Abs. 2 GG die Währungsunion als „Stabilitätsgemeinschaft“ mitzugestalten, als Beitrag zur „objektiv-rechtlichen Sicherung des Geldeigentums und insoweit zur Gewährleistung des Art. 14 Abs. 1 GG“, vgl. BVerfGE 97, 350, 376. Subjektive Rechte gegen inflationsfördernde Maßnahmen lehnt das Bundesverfassungsgericht aber mit der Begründung ab, eine nach Art. 121 (ex 109j) IV EGV „zu treffende Entscheidung (könne, d. V.) nicht nach dem individualisierenden Maßstab eines Grundrechts beurteilt werden“, BVerfGE 97, 350, 376. 410 Hierzu gehören ein hoher Beschäftigungsstand, ein stetiges und angemessenes Wirtschaftswachstum und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht. 411 So auch Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 14 Rn. 186; Bryde, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 14 Rn. 24. 412 Hierzu BVerfGE 50, 290, 339; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 26.

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gentum an Private überhaupt gewährleistet werden. Das kann nur durch die rechtliche Sicherung der Existenzmöglichkeit von privaten Einzelwirtschaften, die Eigentum besitzen, geschehen. Abgabenpflichten dürfen deshalb die rechtlich vom Staat ausgeformte Privateigentumsordnung nicht generell obsolet machen, indem sie die einer bestimmten Person zugeordnete private Einzelwirtschaft zerstören413. Die Feststellung, daß Sozialversicherungsbeiträge als hoheitliche Abgaben nicht im unbeschränkten Ausmaß erhoben werden dürfen, reicht indes nicht aus. Vielmehr bedarf es einer näheren Beschreibung dieser Grenze. Der Versuch, die „Schwelle des Umschlagens“ in den grundrechtlichen Eigentumsschutz aufzuzeigen, gestaltet sich als äußerst schwierig. Nach ständiger Rechtsprechung dürfen öffentlich-rechtliche Geldleistungspflichten nicht erdrosselnd wirken. Eine solche Erdrosselungswirkung liegt vor, wenn „die Geldleistungspflichten den Pflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen“414. Art. 14 GG stellt sich der Erhebung hoheitlicher Abgaben immer dann als Schutzwehr gegenüber, wenn diese in ihren Kernbereich eingreifen, also trotz des fehlenden unmittelbaren Eingriffs in konkrete Eigentumspositionen aufgrund der hohen Intensität der Beeinträchtigung zu einem mittelbaren Grundrechtseingriff führen. „Das geschützte Freiheitsrecht darf mithin nur so weit beschränkt werden, daß dem Grundrechtsträger (Steuerpflichtigen) ein Kernbestand des Erfolges eigener Betätigung im wirtschaftlichen Bereich in Gestalt der grundsätzlichen Privatnützigkeit des Erworbenen und der grundsätzlichen Verfügungsbefugnis über die geschaffenen vermögenswerten Rechtspositionen erhalten bleibt“415. In diesem Sinne ist auch die Rechtsprechung zu den konfiskatorischen Abgaben zu verstehen: In seinem Urteil zum Fremdrentengesetz vom 24. Juli 1962 sah der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die Eigentumsgarantie hinsichtlich der Erhebung hoheitlicher Abgaben zwar als „grundsätzlich unberührt“ an, zog einen Verstoß gegen Art. 14 GG jedoch dann in Betracht, wenn die Geldleistungspflichten den Pflichtigen übermäßig belasten und seine Vermögensverhältnisse grundlegend beeinträchtigen, von ihnen also eine „erdrosselnde Wirkung“ ausgehe416. Der in der Literatur gegenüber dieser Rechtsprechung vorgetragene Einwand der Widersprüchlichkeit, einerseits die Eigentumsgarantie von den Geldleistungs413

Forsthoff, BB 1965, S. 381, 388; Friauf, Wirtschaftslenkung, S. 44; Klein, StuW 1966, Sp. 433, 470 f.; Klein, in: FS für Neumark, S. 229, 233. 414 Vgl. BVerfGE 14, 221, 241; 82, 159, 190. 415 BVerfGE 87, 153, 169. 416 30, 250, 272; 14, 221, 241; 19, 119, 129; 19, 253, 268; 23, 288, 315; 27, 111, 131; 29, 402, 413; 38, 61, 102; 63, 312, 327; 70, 219, 230; 72, 200, 248; 81, 108, 122; 82, 159, 190.

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pflichten als nicht berührt, diese dann aber andererseits unter außergewöhnlichen Umständen doch als verletzt anzusehen, ist nicht unbedingt zutreffend417: Da bei konfiskatorischer Abgabenbelastung die Auferlegung der Zahlungspflicht eine Durchgriffswirkung auf die jeweilige Eigentumsposition entfaltet418, führt diese im Unterschied zu nichtkonfiskatorischen Abgaben dazu, daß die Privatnützigkeit des Eigentums beseitigt wird. Nur deshalb kommt in solchen Fällen ein Verstoß gegen Art. 14 GG in Betracht419. Daß die Formel der „erdrosselnden Wirkung“ auch für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen gilt, folgt schon daraus, daß sie anläßlich der Überprüfung sozialversicherungsrechtlicher Belastungen aufgestellt wurde und sich allgemein auf alle öffentlich-rechtlichen Geldleistungspflichten bezog420. Neue Konturen erhielt die Rechtsprechung zur eigentumsrechtlichen Relevanz hoheitlicher Abgaben im Jahre 1995 durch die beiden EinheitswertBeschlüsse, in welchen das Bundesverfassungsgericht einen eigentumsrechtlichen Schutz des „konsolidierten Vermögens“ gegenüber der vermögenssteuerlichen Abgabenbelastung anerkannte421. Das Bundesverfassungsgericht führte zu den verfassungsrechtlichen Schranken der Besteuerung des Vermögens durch die Einkommens- und Vermögenssteuer aus, daß ungeachtet des Bestandsschutzes für den Vermögensstamm auch der Vermögensertrag am Schutz der vermögenswerten Rechtspositionen als Grundlage individueller Freiheit teilnehme. Hieran anknüpfend legte das Bundesverfassungsgericht eine Belastungsobergrenze für die Gesamtabgabenbelastung fest, welche als sog. Halbteilungsgrundsatz422 bezeichnet wurde: Ausgangs417

Friauf, Steuergesetzgebung und Eigentumsgarantie, S. 301 ff.; ders., DÖV 1980, S. 480, 484; Papier, Die finanzrechtlichen Gesetzesvorbehalte, S. 46 f.; ders., in: Der Staat 11 (1972), S. 485; Stober, NVwZ 1982, S. 478, 473. Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 301, hält den Vorwurf für unberechtigt. Die Ausgangsthese des Gerichts betreffe allein die in Art. 14 GG statuierte Rechtsstellungs- und Grundrechtsgarantie. Demgegenüber habe das Gericht, wenn es Art. 14 GG für den Fall einer übermäßigen Belastung und grundlegenden Beeinträchtigung der Vermögensverhältnisse als Prüfungsmaßstab in Betracht ziehe, ganz offensichtlich nicht den Individualrechtsbereich des Eigentumsschutzes im Auge, sondern die Eigenschaft des Art. 14 GG als eine objektive Einrichtungsgarantie und wertentscheidenden Grundsatznorm. 418 Ramsauer, Die faktischen Beeinträchtigungen des Eigentums, S. 141; ähnlich zuvor schon Schenke, in: FS Armbruster, S. 177, 190. 419 BVerfGE 58, 300, 339: „Ebenso wie für die Allgemeinheit lebensnotwendige Güter zur Sicherung überragender Gemeinwohlbelange und zur Abwehr von Gefahren einer öffentlich-rechtlichen Ordnung unterstellt werden können, kann der Gesetzgeber unter entsprechenden Voraussetzungen durch Geldleistungspflichten die Privatnützigkeit von Rechtsgütern beseitigen“. Vgl. auch Rüfner, DVBl. 1970, S. 881, 882; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 313 ff. 420 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 339. 421 BVerfGE 93, 121, 154.

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punkt dessen Herleitung ist der Wortlaut des Art. 14 Abs. 2 GG, welcher bestimmt, daß der Eigentumsgebrauch zugleich dem privaten Nutzen und dem Wohl der Allgemeinheit dient. Hieraus schlußfolgert das Bundesverfassungsgericht, die Gesamtbelastung des Sollertrags von Vermögenspositionen müsse bei typisierender Betrachtung von Einnahmen, abziehbaren Aufwendungen und sonstigen Entlastungen in der Nähe einer hälftigen Teilung423 zwischen privater und öffentlicher Hand verbleiben. „Zugleich“ interpretierte das Bundesverfassungsgericht also inhaltlich mit „zu gleichen Teilen dem Wohle der Allgemeinheit dienen“. Gegen den Halbteilungsgrundsatz bestehen jedoch grundlegende Bedenken. Die höchstrichterliche Interpretation des eigentumgrundrechtlichen Wortlautes überzeugt nicht424. Es leuchtet nicht ein, weshalb statt hälftiger „Aufteilung“ zwischen privater und öffentlicher Hand nicht auch ein Abgabenanteil von z. B. 60 Prozent oder zwei Dritteln zulässig sein soll425. Art. 14 Abs. 2 GG beinhaltet lediglich die Forderung, die Sozialbindung des Eigentums nicht von vornherein außer Acht zu lassen. Insofern ist es naheliegender, „zugleich“ nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eher mit „auch“ als „zu gleichen Teilen“ gleichsetzen. Das „zugleich“ als Schranke der Eigentumsbegrenzung bringt allein zum Ausdruck, daß im Kollisionsfall ein angemessener Ausgleich zwischen Eigentumsgebrauch und Sozialbindung herbeigeführt werden muß426. Zudem macht folgende Kontrollüberlegung die Fragwürdigkeit der höchstrichterlichen Norminterpretation deutlich: Das Wort „zugleich“ im Sinne von „zu gleichen Teilen“ auszulegen hieße grundsätzlich auch, eine geringere Partizipation des Staates nicht zuzulassen427. Selbst bei Anerkennung des Halbteilungsgrundsatzes ließe sich diesem nur ein begrenzter Erkenntnisgewinn für die freiheitsgrundrechtlichen Gren422 Vgl. BVerfGE 93, 121, 138. Zu der in der Literatur kontrovers diskutierten Frage der Bindungswirkung dieses Halbteilungsgrundsatzes vgl. Arndt/Schumacher, NJW 1995, S. 2603; Eschenbach, DStZ 1997, S. 413; Tipke, in: FS für Ritter, S. 587, 597 f. Der BFH deutete in seinem im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Beschlusses vom 17.7.1998, vgl. DStR 1998, S. 1353, an, daß das Gericht den „Halbteilungsgrundsatz“ des BVerfG in seiner Verpflichtungskraft nicht übergewichten möchte. 423 Vgl. in diesem Sinne Rose, StuW 1999, S. 12, 19: Ergibt sich eine 50 Prozent übersteigende Quote, so ist der Halbteilungsgrundsatz verletzt, und es hat eine „Kappung“ zu erfolgen. 424 Arndt/Schuhmacher, NJW 1995, S. 2603, 2604; Bull, NJW 1996, S. 281, 283; Weber-Grellit, BB 1996, S. 281, 283; Leisner, NJW 1995, S. 2591, 2594; Rose, DB 1997, S. 494, 495, 497; Vogel, NJW 1996, S. 1257, 1258. 425 Bull, NJW 1996, S. 281, 283. 426 So auch Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 76. 427 Frenz, Verursacherprinzip, S. 158 ; ebenso Tipke, MDR 1995, S. 1177, 1779.

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zen der Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen entnehmen. Zwar ist eine Beschränkung des Halbteilungsgrundsatzes auf steuerliche Abgaben aus den Formulierungen des Bundesverfassungsgerichts nicht erkennbar. Das konsolidierte Vermögen als Gegenstand der Entscheidung hebt sich von anderen Steuergegenständen dadurch ab, daß es in der Regel aus bereits versteuertem Einkommen gebildet wurde428. Die Entscheidung schließt daher insofern an die bisherige Rechtsprechung an429, als es die Frage einer übermäßigen Steuerlast auf die durch die Nutzung und Verfügung erzielten bzw. erzielbaren Einnahmen aus den konkreten, zur Besteuerung herangezogenen Vermögensbestandteilen, also die einzelnen vermögenswerten Rechte zurückgreift430. Gründe dafür, die Erhebung der verschiedenen Einzelsteuern, die jeden Steuerpflichtigen treffen können, an Art. 14 Abs. 1 GG zu messen, die anderen hoheitlichen Belastungen des Steuerpflichtigen, die zu der Belastung mit den Steuern noch hinzutreten, aber von vornherein aus dem Schutzbereich der Eigentumsgarantie auszuklammern, sind nicht ersichtlich431. Für den Abgabenpflichtigen selbst ist es – zumindest solange keine Kompensation durch die Gegenleistung eintritt – unerheblich, ob seine Abgaben in den allgemeinen Staatshaushalt oder in die Haushalte der Sozialversicherungsträger fließen; in beiden Fällen wird sein Gesamtvermögen und damit sein privater Nutzen gemindert. Das Bundesverfassungsgericht bezieht sich einerseits auf das Zusammenwirken der Vermögenssteuer mit „sonstigen Steuerbelastungen“. Im Ergebnis spricht es andererseits nicht von einer „Gesamtsteuerbelastung“, sondern einer „steuerlichen Gesamtbelastung“432. Für eine Vergleichbarkeit von Ver428

BVerfGE 93, 149, 155. In der Literatur wird die Frage, inwieweit das Bundesverfassungsgericht hiermit eine Kehrtwende vollzogen hat, nicht einheitlich beantwortet. Böckenförde, abw. Meinung in: BVerfGE 93, 149, 153 f.; Eschenbach, DStZ 1997, S. 414; wohl auch Flick/Schauhoff, ZRP 1996, S. 101, 102; Schaumburg, GmbHR 1995, S. 613, 614. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 346, bejahen eine Kehrtwende der Rechtsprechung. 430 Die in der Literatur aus den Entscheidungen gezogenen Schlußfolgerungen reichen von der grundsätzlichen Einbeziehung des Vermögens (vgl. Leisner, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. VI, § 149, Rn. 126) über die Einordnung als Grenze der Anerkennung als mittelbarer Eingriff in konkrete Eigentumspositionen (vgl. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 204) bis zu einem Anhaltspunkt für die Verletzung der Institutsgarantie des Art.14 GG; vgl. Rüfner, Die Eigentumsgarantie als Grenze der Besteuerung, S. 881 ff.; Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 301 f. 431 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 347: „(. . .) dies hieße, die eine (Steuer-)Hand des Gesetzgebers zu fesseln, die andere (Soziallasten-)Hand aber völlig ungebunden zu lassen“. 432 Gaßner/Dürschke, SGb 1998, S. 621, 623 f. 429

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

mögenssteuer und Sozialversicherungsbeiträgen spricht insbesondere, daß die Vermögensteuer im Gegensatz zur Einkommensteuer „an sich“ ertragsunabhängig erhoben wird, indem sie an die Innehabung eines Vermögens, nicht aber an die Ertragserzielung anknüpft. Da das Bundesverfassungsgericht mittels der „Kernbestandsformel“ zur Beachtlichkeit der Vermögenssteuer gelangte, muß gleiches für Sozialversicherungsbeiträge gelten433. Konsequenterweise wäre die im Bereich des Steuerrechts gezogene Grenze schließlich auch auf andere Bereiche extensiver Beschränkungen individueller Gebrauchs- und Verfügungsmöglichkeiten auszudehnen. Bei Einstellung der Sozialversicherungsabgaben in eine Gesamtabgabenbetrachtung darf die Höhe der Abgabenlast jedoch nicht isoliert betrachtet werden, sondern muß die Gegenleistung in die Betrachtung einbeziehen. Während die steuerlichen Abgaben der Zahlungspflichtigen als gegenleistungsfreie Abgaben nicht mit steuerfinanzierten Vergünstigungen saldiert werden müssen, das „Band zwischen Steuerzugriff und etwaiger staatlicher Leistung an den Abgabenpflichtigen“ nämlich „so weit gelockert (ist, d. A.), daß von einer Zuordnung zwischen Vorteil und vorangegangener Belastung keine Rede mehr sein kann“434, können diese Aussagen nicht für die zumindest dem Grunde nach gegenleistungsbezogenen Sozialversicherungsbeiträge gelten. Hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge müssen daher für die Betrachtung der Gesamtabgabenlast immer auch kompensatorische Elemente Berücksichtigung finden. Die Ermittlung eines „wirklichen“ sozialversicherungsrechtlichen Eingriffsgrades gestaltet sich – wie verschiedene Versuche im Schrifttum verdeutlichen – als diffiziles Unterfangen435. Nach Gaßner/Dürschke436 erhöhen Sozialversicherungsabgaben die eigentumsrechtlich relevante Abgabenquote, soweit sie sich als „steuerähnlich“ beschreiben lassen. Als „steuerähnlich“ sollen alle Beitragsbelastungen gelten, die eine den Grundsätzen kommutativer Marktgerechtigkeit entsprechende Gegenleistung – wozu im Bereich der Risikoabsicherung eine auf versicherungsmathematischen Berechnungen beruhende Gegenleistung gehöre – verhindern. Dementsprechend lasse sich der prozentuale Anteil eines einheitlichen Sozialversicherungsbeitrags, der auf die steuerähnliche Komponente entfiele, für den Halbteilungsgrundsatz operationabel errechnen. Ähnlich befürwortet Butzer437 die grundsätzliche Möglichkeit einer Aufspaltung der Sozialversiche433

Leisner, NJW 1995, S. 2659. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 109. 435 Schuppert, Verfassungsrechtliche Prüfungsmaßstäbe, S. 704; Papier, VVDStRL 39 (1981), S. 371, 372. 436 Gaßner/Dürschke, SGb 1998, S. 621, 624. 437 Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 100 f., sieht die Schwierigkeiten speziell für die gesetzliche Rentenversicherung 434

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rungsbeiträge in einen eigennützigen und einen fremdnützigen Beitragsbestandteil, räumt jedoch selbst erhebliche Probleme bei der exakten Quantifizierung beider Anteile ein. Die Sozialversicherungsträger bilden wegen des Umlageverfahrens nicht individuell zurechenbare Rückstellungen für bestimmte Versicherungsgruppen, sondern verwenden hierfür unter Einbeziehung von Schwankungsreserven oder Rücklagen die laufenden Beitragseinnahmen. Anders als in dem für die Privatversicherung typischen Kapitaldekkungsverfahren existiert daher kein dem einzelnen Versicherten individuell zurechenbarer Anteil an einem Kapitalstock. Sichert die Beitragsleistung dem in der gesetzlichen Krankenversicherung Versicherten aber keinen Anspruch auf einen konkreten Betrag oder eine konkrete Sach- oder Dienstleistung, erscheint auch der Vergleich zwischen der eigenen Beitragsleistung und dem erworbenen Versicherungsschutz kaum möglich438. Das Verhältnis zwischen eigennützigem und fremdnützigem Anteil am Sozialversicherungsbeitrag läßt sich zudem allenfalls ex post quantifizieren. Erst dann kann nämlich exakt berechnet werden, in welchem Umfang die Sozialversicherungsbeiträge den nach dem individuellen Risiko kalkulierten Referenzbeitrag unter- bzw. überschritten haben. Jedenfalls sind die vom Arbeitgeber zu tragenden hälftigen Bestandteile des Sozialversicherungsbeitrags im vollen Umfang fremdnützig und damit bei der Feststellung der Gesamtabgabenbelastung zu berücksichtigen439. Letztlich sind Sozialversicherungsabgaben wohl immer dann „saldierungsfähig“, wenn sie nur rechtlich in das Sozialversicherungssystem eingebaut, wirtschaftlich gesehen jedoch äquivalentsunabhängig sind, also „totale“ Entlastungswirkungen entfalten. d) Zwischenresümee Die Eigentumsgarantie bietet nur im geringen Maße Anhaltspunkte für die Bemessung von Sozialversicherungsbeiträgen. In der Regel wird ihr Schutzbereich durch die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen nicht berührt. Sie stellt sich hoheitlichen Abgabenpflichten erst dann entgegen, wenn diese konfiskatorisch wirken. Art. 14 GG bietet daher allenfalls eine Obergrenze für die Höhe von Sozialversicherungsbeiträgen, nicht aber einen Verteilungsmaßstab für die den Versicherten auferlegten Abgabenlasten. vor allem darin, daß die Finanzierung der Sozialversicherung im Umlageverfahren erfolgt. Im Gegensatz zum Kapitaldeckungsverfahren führe dieses nicht zu einer festen Relation von Beitragsleistung und Versicherungsleistung. 438 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 357. 439 Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 107, gibt in diesem Zusammenhang zu bedenken, daß diese Anteile ebenso wie die weiteren gesetzlich veranlaßten Sozialkosten im Regelfall auf die Lieferanten oder Kunden abgewälzt würden.

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2. Die Sozialversicherungsabgaben vor der Berufsfreiheit Das Bundesverfassungsgericht sieht den Schutzbereich der Berufsfreiheit durch die Auferlegung hoheitlicher Abgaben dann als eröffnet an, „wenn sie in engem Zusammenhang zur Ausübung des Berufs stehen und objektiv eine berufsregelnde Tendenz erkennen lassen“440. Die Anwendbarkeit des berufsfreiheitlichen Schutzbereichs für Sozialversicherungsbeiträge scheidet also nicht schon deshalb aus, weil es Sozialversicherungsbeiträgen an der subjektiv berufsregelnden Tendenz fehlt; diese wäre nämlich nur bei Abgaben zu bejahen, die sich final auf die berufliche Betätigung beziehen und diese unmittelbar zum Gegenstand haben441. Im Gegensatz hierzu soll die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen weder den Entschluß zur Berufswahl noch die Berufsausübung steuern442. Für das Kriterium einer objektiv berufsregelnden Tendenz reicht es aus, daß Abgaben eine spürbare tatsächliche Auswirkung auf den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG besitzen443. Voraussetzung für die Anerkennung dieser objektiv berufsregelnden Tendenz als Eingriffsvoraussetzung der Berufsfreiheit ist, daß aufgrund eines engen Zusammenhanges mit der Ausübung des Berufes solche faktischen Beeinträchtigungen deutlich erkennbar sind444. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung und herrschender Meinung in der Literatur soll es Abgabengesetzen dann an einer solchen spürbaren Auswirkung auf die Berufsfreiheit fehlen, wenn sie „als Normen mit einem unspezifischen Adressatenkreis ohne unmittelbare Beziehung zu einem Beruf an generelle Merkmale wie Gewinn, Ertrag, Umsatz oder Vermögen anknüpfen“445. Von der Einkommensteuer, welche – so die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts446 – undifferenziert neben Ein440 Vgl. BVerfGE 47, 1, 21; 81, 108, 121; dem Bundesverfassungsgericht folgend Gubelt, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 12 Rn. 43; Tettinger, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 12 Rn. 73 f.; Wieland, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 12 Rn. 79, jeweils m. w . N. Demgegenüber lehnt eine im Vordringen befindliche Ansicht die „berufsregelnde Tendenz“ als Voraussetzung berufsfreiheitlicher Eingriffe ab, vgl. Manssen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck (Hrsg.), Bonner Grundgesetz, Art. 12 Abs. 1 Rn. 71; Breuer, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HStR Bd. VI, § 148 Rn. 31; Papier, Der Staat 11 (1972), S. 483, 494. 441 BVerfGE 13, 181, 185. 442 Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 41, formuliert treffend, die Sozialversicherten können der Beitragspflicht ohnehin nur durch die Wahl einer nicht abhängigen Tätigkeit „entkommen“. 443 Vgl. BVerfGE 46, 120, 137; 61, 291, 308; 81, 108, 121 f. 444 BVerfGE 95, 267, 302; Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 41, sieht diese Intensitätsgrenze als überschritten an. So schon Simon, Sondervotum, BVerfGE 47, 34, 37 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog/ Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 12, Rn. 415. 445 BVerfGE 47, 1, 21.

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künften aus erwerbswirtschaftlicher Tätigkeit auch sonstige Einkünfte erfasse, sollen deshalb keine berufsfreiheitsrelevanten Wirkungen ausgehen. Bei der Übertragung dieser Grundsätze auf sozialversicherungsrechtliche Abgaben ergibt sich folgendes: Ebenso wie die steuerliche Abgaben bilden auch Sozialversicherungsbeiträge keine rechtlichen Beschränkungen der Berufsausübung, sondern haben allenfalls wirtschaftliche Auswirkungen auf die grundrechtlich geschützte Betätigung447. Konsequent verneinte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Künstlersozialversicherungsabgabe die berufsfreiheitliche Relevanz der Abgaben aufgrund ihrer fehlenden berufsregelnden Tendenz448. Gegen eine einheitliche berufsrechtliche Beurteilung der Einkommensteuern und der Sozialversicherungsabgaben der Gegenwart ließe sich indes einwenden, daß die sozialversicherungsrechtliche Beitragspflicht im Gegensatz zu den einkommensteuerlichen Abgaben in besonderer Weise an das Beschäftigungsverhältnis anknüpft. Der Gesetzgeber legt der sozialversicherungsrechtlichen Abgabenpflicht also Tatbestände zugrunde, die typischerweise im Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes stehen. Indem die Einkünfte aus selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit als unmittelbarer Bestandteil der beruflichen und gewerblichen Tätigkeit das Substrat der Abgabenpflicht bilden, tangiert der sozialversicherungsrechtliche Zugriff auf dieses Einkommen gewissermaßen auch die Berufsfreiheit449. Da Sozialversicherungsbeiträge also in weit stärkerem Ausmaß als Steuern das Arbeitsentgelt als Bemessungsgrundlage zugrundelegen, läßt sich die berufsfreiheitliche Unbeachtlichkeit sozialversicherungsrechtlicher Regelungen nicht unbedingt durch die für die Einkommensteuer angeführten Argumente begründen. Aufgrund der Höhe der hoheitlich auferlegten Sozialversicherungsabgaben gehen von diesen durchaus relevante faktische Beeinträchtigungen aus450.

446 BVerfGE 47, 1, 21; zustimmend Tipke, Die Steuerrechtsordnung I, S. 436 ff. m. w. N. 447 Bachof, in: Bettermann/Nipperday/Scheuner (Hrsg.), Die Grundrechte, Bd. III/1, S. 155, 196 f.; ähnlich Ballerstedt, Wirtschaftsverfassungsrecht, S. 72; vgl. auch BVerfGE 14, 76, 101; ähnlich BVerfGE 42, 374, 384, 385; 47, 1, 22; für die Künstlersozialabgabe BVerfGE 75, 108, 154. 448 BVerfGE 75, 108, 153. 449 Papier/Möller, SGb 1998, 337, 338 f.; speziell für den Arbeitgeberbeitrag Friauf, DB 1991, S. 1773, 1779; allgemein Papier, ZSR 1990, S. 344, 346; Reichhold, Wertschöpfungsbezogene Bemessungsgrundlage, S. 83; Gaßner/Dürschke, SGb 1998, S. 621, 626. 450 Simon, BVerfGE 47, 34, 37 ff.; Scholz, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 12 Rn. 415; vgl. Butzer, Freiheitsrechtliche Grenzen der Steuer- und Sozialabgabenlast, S. 41.

144

2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Allerdings erscheint es kaum sachgerecht, den Schutzbereich auf alle an „gewisse Formen“451 der Betätigung anknüpfende Geldleistungspflichten auszudehnen und Art. 12 GG so zu einem „Allerweltsgrundrecht“452 denaturieren zu lassen. Selbst wenn der Schutzbereich des Art. 12 GG eröffnet wäre, könnte er der Erhebung und Bemessung von Sozialversicherungsbeiträgen jedenfalls keine bemerkenswerten Grenzen setzen. Für die Rechtfertigungsvoraussetzungen unterscheidet die Dogmatik des Art. 12 GG zwischen Berufsausübungsregelungen einerseits und Berufswahlregelungen andererseits. Während sich erstere bereits durch vernünftige Erwägungen des Gemeinwohls legitimieren lassen, müssen gerechtfertigte Berufswahlregelungen Ausdruck zumindest wichtiger Gemeinschaftsgüter sein. Da eine Berufswahlregelung erst dann anzunehmen ist, wenn „die betroffenen Berufsangehörigen in aller Regel und nicht nur in Ausnahmefällen nicht mehr in der Lage sind, den gewählten Beruf ganz oder teilweise zur Grundlage ihrer Lebensführung zu machen“453, können Sozialversicherungsbeiträge allenfalls als Berufsausübungsregelungen eingestuft werden. Für deren Legitimation reicht es also aus, wenn Interessen der Gemeinschaft die jeweilige Gestaltung der Norm als zweckmäßig erscheinen lassen, wenn sie für diesen Zweck geeignet und erforderlich sind und bei der Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht ihrer rechtfertigenden Gründe die Zumutbarkeit noch gewahrt ist454. Weder der Zweck einer Sozialversicherungsabgabe noch deren Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit gegenüber der Zweckerreichung dürften aber grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen. a) Zwischenresümee Art. 12 GG enthält kein Gebot einer erwerbseinkommensbezogenen Beitragsbemessungsgrundlage von Sozialversicherungsbeiträgen. Der berufsfreiheitliche Schutzbereich ist allenfalls bei vorrangiger Anknüpfung der sozialversicherungsrechtlichen Abgaben an die Erwerbstätigkeit tangiert. Die Ausweitung der Bemessungsgrundlage auf das Nichterwerbseinkommen würde die objektiv berufsregelnde Wirkung der Sozialversicherungsabgaben demgegenüber entfallen lassen.

451 452 453

Papier, Der Staat 11 (1972), S. 483, 496. Vgl. Selmer, AöR 101 (1976), S. 425 f. Vgl. BVerfGE 13, 181, 186; 16, 147, 162; 42, 374, 384 f.; 47, 1, 21; 81, 108,

121. 454

BVerfGE 13, 181, 188.

E. Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen

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IV. Die allgemeine Handlungsfreiheit als Grundlage eines Postulats „verhältnismäßiger Abgabenbelastung“ Wie alle hoheitlichen Abgaben beeinträchtigen auch die zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung erhobenen Abgaben zumindest die allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG. Die Auferlegung der Sozialversicherungsbeiträge stellt aus Sicht des Abgabenpflichtigen einen Belastungstatbestand finanzieller Art dar, welcher wie jede andere belastende Staatstätigkeit dem Verhältnismäßigkeitsgebot unterliegt455. Dieses besagt, daß das staatliche Handeln einen legitimen Zweck zu verfolgen hat; desweiteren muß es mit Blick auf diesen Zweck geeignet456, erforderlich und angemessen sein. Hinsichtlich der Effektivierung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gegenüber der Auferlegung und Bemessung von Sozialversicherungsbeiträgen sind dessen vertikale und horizontale Schutzintensität gegenüber den Abgabenwirkungen zu unterscheiden. 1. Die vertikale Dimension des Verhältnismäßigkeitsmaßstabes Im Sinne einer vertikalen, also auf das Verhältnis zwischen Staat und dem einzelnen Bürger beschränkten Sichtweise verpflichtet das Verhältnismäßigkeitsprinzip den Staat, seine Mittel des hoheitlichen Eingreifens in Ausgewogenheit zu dem damit erstrebten Zweck auszuwählen und – soweit Eingriffe verschiedener Belastungsintensität zur Erreichung des Gesetzeszweckes möglich sind – das für den Betroffenen am wenigsten einschneidende Mittel zu ergreifen457. Die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsprinzips verlangt mithin, die durch die Erhebung von Sozialversicherungsabgaben verursachte Beeinträchtigung der allgemeinen Handlungsfreiheit ins Verhältnis mit dem durch das Abgabengesetz verfolgten Ziel zu setzen. Da der Gesetzgeber bei der Wahl seiner Mittel einen weiten Spielraum hat, schreibt ihm der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kein bestimmtes Mittel für ein konkretes Ziel vor, sondern beläßt es bei der Kontrolle eines grundsätz455 Nach der Rechtsprechung des BVerfG folgt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit „im Grunde bereits aus dem Wesen der Grundrechte selbst, die als Ausdruck des allgemeinen Freiheitsanspruchs gegenüber dem Staat von der öffentlichen Gewalt jeweils nur insoweit beschränkt werden darf, als es zum Schutze der öffentlichen Interessen unerläßlich ist“, vgl. BVerfGE 19, 342, 348 ff.; 35, 382, 401. Umfassend zur verfassungsrechtlichen Herleitung des Verhältnismäßigkeitsprinzips vgl. Lerche, Übermaß und Verfassungsrecht, S. 19 ff. 456 Das Mittel muß allerdings nicht das bestmögliche oder geeignetste sein; es genügt ein Beitrag zur Zielerreichung, vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20 Rn. 74. 457 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 54.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

lich frei zu wählenden Mittels durch den gewollten Zweck und gelangt zu einem verfassungsrechtlichen Verdikt erst an der äußersten Grenze der Überschreitung der gewollten Regelungswirkung durch das Mittel der Regelung. Die geringe Wirkungskraft des Verhältnismäßigkeitsprinzips wird insbesondere für steuerliche Abgaben deutlich: Indem diese am indifferenten staatlichen Einnahmenerzielungszweck ausgerichtet sind, ist der steuerliche Geldentzug immer geeignet und erforderlich, um den staatlichen Finanzbedarf zu decken. Damit versagt das Verhältnismäßigkeitsprinzip als möglicher Maßstab für maßstabswidrige steuerliche Belastungen. Anstelle des für Steuern geltenden „allgemeinen Finanzbedarfs“ finden die Sozialversicherungsbeiträge zwar ihren Grund und ihre Grenze in der Finanzierung der Sozialversicherung. Gleichwohl versagt das Verhältnismäßigkeitsprinzip auch als Grundlage sozialversicherungsrechtlicher Bemessungsmaßstäbe: Erst wenn die sozialversicherungsrechtliche Abgabenerhebung das Prinzip der Globaläquivalenz verletzt, ist der in der Beitragserhebung liegende Grundrechtseingriff in der Höhe, welcher zur Kostendeckung nicht erforderlich ist, unverhältnismäßig. Diese Obergrenze bestimmt mittelbar die Höhe der individuell zulässigen, gegenüber beitragspflichtigen Versicherten der Sozialversicherung zu rechtfertigenden Belastung mit Beiträgen458. Letztlich beschränkt sich die Wirkung des Verhältnismäßigkeitsprinzips insofern auf den Schutz gegenüber erdrosselnden Abgaben. In diesem Sinne hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt, die Belastung mit Sozialversicherungsbeiträgen sei so lange nicht unverhältnismäßig, wie dem Betroffenen ein Spielraum verbleibe, sich wirtschaftlich frei zu entfalten459. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist insofern ungeeignet, den gesetzgeberischen Spielraum hinsichtlich der Ausgestaltung des Krankensozialversicherungsbeitrags näher zu konturieren. Als dogmatisches „Einfallstor“ für die freiheitsrechtlichen Grenzen der Inanspruchnahme von Sozialversicherten im vertikalen Sinne bietet sich weiter der Topos der Zumutbarkeit an. Diesem kommt sowohl gegenüber der Gleichheit als auch gegenüber der Verhältnismäßigkeit eine eigenständige Bedeutung zu: Gegenüber der Gleichheit bestehen perspektivische Differenzen. Art. 3 GG vergleicht horizontal die im Prinzip gleichgeordneten Rechtspositionen ungleich Betroffener. Demgegenüber vergleicht der Topos der Zumutbarkeit nicht, sondern beurteilt in individualisierender Betrachtungsweise Belastungshöhe und Belastungsintensität eines Betroffenen460. Auch gegenüber 458 459 460

Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 562. BVerfGE 93, 149, 154. Albrecht, Zumutbarkeit als Verfassungsmaßstab, S. 174 f.

E. Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen

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der Verhältnismäßigkeit hat der Begriff der Zumutbarkeit einen abweichenden Bedeutungsgehalt. Er ist nicht lediglich als Synonym für die Topoi des „Übermaßverbot“ oder der „Verhältnismäßigkeit“ zu begreifen461, sondern bildet im Gegensatz zu ihnen einen rein subjektbezogenen Maßstab, mit dessen Hilfe festgestellt wird, ob eine objektiv mögliche Pflichterfüllung vom Bürger auch im Einzelfall erwartet werden kann. Der Inhalt der Zumutbarkeit läßt sich in zwei Richtungen beschreiben462: Zum einen erfaßt eine Zumutbarkeitsprüfung Fälle indivdueller Überforderung. Andererseits fragt das Merkmal der „Unzumutbarkeit“ hinsichtlich der Auferlegung von Sonderlasten aber auch nach dem Vorliegen besonderer Zurechnungsgründe. Insofern richtet sich dessen Prüfung auf den drohenden Verstoß gegen den Grundsatz relativer Lastengleichheit, der in der nicht speziell legitimierten Auferlegung einer individuellen vermögensmäßigen Sonderlast begründet ist463. Abgaben, bei denen keine Vorteilskongruenz464 besteht, sind nur bei Vorliegen eines besonderen Rechtfertigungsgrundes zumutbar, welcher die Brücke zwischen Zahlungsverpflichteten und Begünstigten schlägt. In Hinblick auf das stets individualbezogene Zumutbarkeitskriterium ist das Erfordernis von Gruppenverantwortungen hingegen irrelevant, weil die Belastung eines einzelnen Abgabenpflichtigen lediglich mit dem Verweis auf eine besondere persönliche Verantwortung gerechtfertigt werden kann465. Im Sozialversicherungsrecht kann der Zumutbarkeitsgedanke prinzipiell durchaus fruchtbar gemacht werden. Die Zumutbarkeit besitzt insofern gegenüber der Verhältnismäßigkeit eine höhere Problemlösungskompetenz, als die Verhältnismäßigkeit wegen des hohen Zielrechtsguts „Leistungsfähigkeit der Sozialversicherung“ kaum unverhältnismäßige Opferrechtsgüter finden würde. Andererseits steht die Entscheidung darüber, ob der Gesetzgeber den betroffenen Rechtsgütern auch zu einer angemessenen oder sogar optimalen Wirksamkeit verholfen hat, nicht dem Gericht zu466. Dieses darf dem Gesetzgeber bei der Prüfung der Angemessenheit nur entgegentreten, wenn die von der Legislative getroffenen Abwägungen offensichtlich fehlsam sind oder der Wertordnung des Grundgesetzes widersprechen. In seinen neueren Entscheidungen stellt auch das Bundesverfassungsgericht darauf 461

BFH in: NVwZ 1989, S. 94, 95; Steinberg, BB 1968, S. 433, 437 f. So Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 264 f. 463 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 264 f. 464 Die zumutbarkeitsorientierte Rechtfertigung von Vorzugslasten liegt in der besonderen Rechtfertigung zwischem dem Betroffenen und der öffentlichen Hand: Die Abgabe kompensiert den Vorzug, den der Betroffene gegenüber anderen Bürgern hat, vgl. Henseler, Legitimation von Sonderabgaben, S. 18. 465 Henseler, Legitimation von Sonderabgaben, S. 124. 466 Vgl. hierzu Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568, 576. 462

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

ab, ob „bei der Gesamtabwägung zwischen der Schere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit“ für den Grundrechtsträger „noch gewahrt“ sei467. 2. Die horizontale Dimension des Verhältnismäßigkeitsprinzips Die Abgabenbelastung eines bestimmten Personenkreises läßt sich dogmatisch als Frage der Erforderlichkeit im Rahmen der Freiheitsgrundrechte begreifen. Erforderlich ist ein von der Legislative eingesetztes Mittel dann, wenn man „nicht ein anderes, gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder doch weniger fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählen können“468. Das vom Gesetzgeber gewählte Mittel darf also – auf den frei gewählten Gesetzeszweck bezogen469 – keine weniger einschneidende, aber ebenso wirksame Alternative erkennen lassen470. Dieser Verfassungssatz kann zwar keine Bemessungsregel für Sozialversicherungsbeiträge statuieren. Jedoch begrenzt der Grundsatz der Erforderlichkeit die den einmal gewählten Abgabenerhebungszweck ausformende Abgabenbemessungsregel. Das Ausmaß der sozialversicherungsrechtlichen Abgabenbelastung darf nur so hoch sein, wie die Erreichung des angestrebten Zweckes es unumgänglich macht471. In diesem Sinne wäre die Frage denkbar, ob das Ziel der Abgabenerhebung auf gänzlich andere Art, nämlich durch die Belastung anderer, verfolgt werden muß. Wenn jedem Bürger mit der Abgabenbelastung der „gleiche“ öffentliche Zweck gegenübertritt, dann ist die Zweck-Mittel-Relation nur ausgewogen, wenn zwischen den Abgabenpflichtigen untereinander Ausgewogenheit herrscht. Insofern erscheint der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durchaus geeignet, unter den Bürgern gleiche Abgabenbelastungen herzustellen. Dieser Ansatz stößt teilweise auf Kritik, weil die auf den betroffenen Grundrechtsträger bezogene Skala verlassen wird472. Dieser Einwand läßt sich aber mit der Überlegung entkräften, daß auch dann, wenn man allein auf den Betroffenen als Bezugspunkt abstellt, die Belastung eines anderen

467

BVerfGE 24, 367, 406; 50, 50, 51; 13, 97, 105, 107. BVerfGE 30, 292, 316. 469 Vgl. hierzu Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568, 573 f. 470 BVerfGE 30, 292, 316; 81, 156, 192. Für die soziale Pflegeversicherung hierzu ausführlich Kleemann, Pflegeversicherung und ihre Finanzierung, S. 206. 471 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 57. 472 Nach anderer Ansicht sind bei der Beurteilung der Erforderlichkeit von Eingriffsmaßnahmen neben den Auswirkungen des Eingriffs auf den Betroffenen auch der Grad der größeren oder geringeren Beeinträchtigung der Allgemeinheit zu berücksichtigen, vgl. Stern, Staatsrecht, Bd. III/2, S. 781 m. w. N. 468

E. Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen

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oder der Allgemeinheit im Wege der Steuerfinanzierung anstelle des Betroffenen für diesen ein milderes Mittel darstellt473. Selbst wenn das Verhältnismäßigkeitsprinzip also grundsätzlich anwendbar ist, wirft dessen Anwendung als Vergleichsmaßstab bei der (sozialversicherungsrechtlichen) Abgabenerhebung gleichwohl Probleme auf: Da der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz durch Abwägung von öffentlichem Interesse und die gleiche Gewichtung des Nachteils einen bestimmten Bemessungsmaßstab ergeben soll, würde sich die Frage stellen, welches das maßgebliche Kriterium ist, nach dem die Gleichheit der Abgabenbelastung beurteilt werden könnte. Diese Frage könnte aber wiederum nur mit Hilfe des allgemeinen Gleichheitssatzes beantwortet werden474. Zudem droht angesichts des Art. 3 Abs. 1 GG auch bei Beschränkung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auf das individuelle Verhältnis von Staat und Bürger keine Verkürzung des Schutzinteresses. Im Bereich der Lastenverteilung weisen Freiheitsgrundrechte gegenüber dem allgemeinen Gleichheitssatz nur dann eine größere Stringenz auf, wenn gesetzlich normierte Abgabenbemessungsregeln dem Übermaßverbot nicht hinreichend Rechnung tragen bzw. in den durch Art. 19 Abs. 2 GG garantierten Kernbereich eines Freiheitsrechts eingreifen. In allen verbleibenden Fällen ist nicht ersichtlich, daß Art. 2 Abs. 1 GG für die Bemessung hoheitlicher Abgaben einen über Art. 3 Abs. 1 GG hinausgehenden Gleichbehandlungsmaßstab aufstellt. Umgekehrt wird der Inhalt des allgemeinen Gleichheitssatzes durch den freiheitsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsmaßstab angereichert: Indem die „neue Formel“ Unterschiede nur dann als gerechtfertigt ansieht, wenn zwischen den zu vergleichenden Sachverhalten Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, entsteht eine „Einbruchstelle“ für freiheitsrechtliche Maßstäbe, die eine Gewichtung zwischen der Ungleichbehandlung sowie der Art und dem Gewicht der Unterschiede ermöglicht. Für die Frage, welche Abgabenpflichtigen verfassungsrechtlich gleichbehandelt werden müssen, läßt sich insoweit auf die Wertungen der Freiheitsgrundrechte zurückgreifen. Grundlage für die Beurteilung des Verhältnisses der Belastungen der Abgabenpflichtigen bleibt aber auch dann der allgemeine Gleichheitssatz475.

473 v. Arnauld, Die Freiheitsrechte und ihre Schranken, S. 240; Albrecht, Zumutbarkeit als Verfassungsmaßstab, S. 67; Ress, in: Kutscher (Hrsg.), Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in europäischen Rechtsordnungen, S. 5, 19 f.; Grabitz, AöR 98 (1973), S. 568, 573. 474 So auch Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 193. 475 Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 42.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

V. Zwischenresümee Die Freiheitsgrundrechte als Abwehrrechte setzen der Ausgestaltung des Krankensozialversicherungsbeitrags nur im geringen Umfang Grenzen. Die Gewährleistungsbereiche der besonderen Freiheitsgrundrechte aus Art. 14 und 12 GG werden in der Regel nicht berührt. Der Begründungsaufwand für die Zulässigkeit z. B. von Umverteilungsbelastungen erhöht sich erst dann, wenn die jeweilige Abgabe im erheblichen Ausmaß auch die „steuerliche Gesamtbelastung“ des sozialversicherten Bürgers tangiert. Soweit die Erhebung von Krankensozialversicherungsbeiträgen die in Art. 2 Abs. 1 statuierte allgemeine Handlungsfreiheit beeinträchtigt, sind diese unter Wahrung der Globaläquivalenz gegenüber dem Verhältnismäßigkeitsprinzip gerechtfertigt. Insgesamt geben die Freiheitsgrundrechte in ihrer Funktion als Abwehrrechte keine konkrete Höhe der Abgaben oder eine konkrete Bemessungstechnik vor. Ihnen läßt sich kein Bemessungsprinzip im Sinne einer durchlaufend erkennbaren Berechnungsregel für die Höhe jedes Sozialversicherungsbeitrags, sondern allenfalls die Festlegung von Höchstgrenzen entnehmen476.

F. Die Freiheitsgrundrechte als temporäre Schutzwehr gegenüber der Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen Die Modifizierung der krankensozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessungsgrundlage muß sich auch an der teilhaberechtlichen Ausprägung der Grundrechte messen lassen477. Als Grundlage eines subjektiven Bestandsschutzes kommt in erster Linie das Eigentumsgrundrecht in Betracht. Demgegenüber gibt der allgemeine Gleichheitsgrundsatz für den Schutz sozialversicherungsrechtlicher Ansprüche nur wenig her. In bezug auf gleichheitswidrig vorgenommene Leistungskürzungen verbliebe dem Gesetzgeber nämlich stets die Wahl, die Gleichheit entweder durch Aufhebung der Entziehung oder durch ihre Ausdehnung auf die gleichheitswidrig verschonte Gruppe wiederherzustellen478. 476

F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 52. Vgl. hierzu Wallerath/Fiedler, SGb 1997, S. 430, 431 zu der Entscheidung des BSG vom 26.6.1996. In der Entscheidung ging es um einen Kläger, welcher erst in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt war und dann in ein Beamtenverhältnis berufen wurde. Das BSG hielt es nicht für verfassungswidrig, daß freiwillig krankenversicherte Ruhestandsbeamte aus ihrem Ruhegehalt Beiträge nach dem vollen Beitragssatz entrichten müssen. 478 Osterloh, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rn. 38. 477

F. Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen

151

Der in Art. 14 GG verankerte Anwartschaftenschutz der Sozialversicherten engt den gesetzgeberischen Spielraum hinsichtlich der Ausgestaltung des Beitragsrechts ein, indem er „das Unterschreiten der Beitragsäquivalenz zum Zwecke sozialpolitischer Umverteilung über das historisch vorgefundene Sozialprinzip hinaus“479 verbietet. Aufgrund der Erkenntnis, daß die Sozialversicherungskompetenz einer leistungsrechtlichen Berücksichtigung beitragspflichtiger Nichterwerbseinkünfte entgegenstünde, wäre die Modifizierung der krankensozialversicherungsrechtlichen Bemessungsgrundlage zwingend mit einer Verwässerung des Beitrags-Leistungs-Verhältnisses verbunden. Jedoch steht die teilhaberechtliche Dimension des Eigentumsgrundrechts nicht jeglicher Modifizierung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessung entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und der herrschenden Meinung in der Literatur werden subjektiv-öffentliche Rechte dann als konkrete Vermögenswerte in den verfassungsrechtlichen Eigentumsbegriff des Art. 14 GG einbezogen, wenn die hierdurch gewonnene Rechtsposition derjenigen des Eigentümers vergleichbar ist480. Damit trägt die eigentumsrechtliche Dogmatik der Tatsache Rechnung, daß in der heutigen Gesellschaft „die große Mehrheit der Staatsbürger ihre wirtschaftliche Existenzsicherung weniger durch privates Sachvermögen“ erlangt „als durch den Arbeitsertrag und die daran anknüpfende solidarisch getragene Daseinsvorsorge“481. Maßgeblich für die Vergleichbarkeit sozialversicherungsrechtlicher Positionen mit dem Sacheigentum sollen die Kriterien der Privatnützigkeit, der Eigenleistung und der existenzsichernden Funktion der sozialrechtlichen Positionen sein482. Dabei besitzt das Kriterium der existenzsichernden Funktion der vermögenswerten Rechtsposition eine relativ geringe Bedeutung. Wie das Bundesverfassungsgericht formuliert, kommt es nämlich für die Feststellung, ob „ihr Fortfall oder ihre Einschränkung die freiheitssichernde Funktion der Eigentumsgarantie wesentlich berühren würde“, nicht auf das Bedürfnis des Einzelnen, sondern auf die Berücksichtigung der großen Mehrzahl der Staatsbürger an483. Demgegenüber wird das Maß des eigentumsrechtlich gewährten Schutzes entscheidend durch die Kriterien der Privatnützigkeit und des Anteils der 479 F. Kirchhof, SDSRV 35 (1992), S. 65, 70. Ähnlich Frohn, SGb 2000, S. 1, 4; Kokemoor, SGb 1996, S. 410, 415; Scholz, Sozialstaat zwischen Wachstums- und Rezessionsgesellschaft, S. 46. 480 Vgl. zusammenfassend zum Meinungsstand in Rechtsprechung und Literatur Depenheuer, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 14 Rn. 69 ff. 481 BVerfGE 53, 257, 290. 482 BVerfGE 53, 257, 290. 483 BVerfGE 69, 272, 303 f.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Eigenleistung des Versicherten bestimmt. Die Privatnützigkeit bezeichnet die Zuordnung zu einem Rechtsträger, in dessen Hand das Eigentum als Grundlage privater Initiative und im eigenverantwortlichen privaten Interesse „von Nutzen“484 sein soll. Indem aus dem Eigentumsschutz einerseits öffentlich-rechtliche Leistungen, die im Ermessen stehen oder frei widerrufen werden können, andererseits die sog. „Erwerbsberechtigungen“ ausgeklammert werden485, knüpft insbesondere dieses Kriterium an die klassische Eingriffsdogmatik an. Die Voraussetzung der der sozialversicherungsrechtlichen Position zugrundeliegenden Eigenleistung des Versicherten bestimmt sich hingegen danach, inwiefern das Recht das Äquivalent eigener Leistung bildet oder aber auf staatlicher Gewährung beruht. Der Eigentumsschutz läßt sich insoweit – wie Wallerath486 formuliert – als Kehrseite der Beitragserhebung beschreiben, welche die sozialversicherungsrechtliche Beitragserhebung trotz des sozialen Ausgleichs zu rechtfertigen vermag. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts steht es der Anerkennung einer nicht unerheblichen Eigenleistung nicht schon entgegen, „wenn die Rechtsposition auch oder überwiegend auf staatlicher Gewährung beruht“487. Gleichwohl muß das Maß der Beitragsleistungen im Vergleich zum erworbenen Anspruch für den Grad des Eigentumsschutzes entscheidend sein. „Je höher der einem Anspruch zugrunde liegende Anteil eigener Leistung ist, desto stärker tritt der verfassungsrechtliche wesentliche Bezug und mit ihm die tragenden Gründe des Eigentumsschutzes der sozialversicherungsrechtlichen Position hervor“488. Die Anerkennung eines eigentumsrechtlichen Schutzes für die gesetzliche Krankenversicherung erscheint vor diesem Hintergrund problematisch: Im Vergleich der Sozialversicherungszweige untereinander weist die gesetzliche Krankenversicherung neben der sozialen Pflegeversicherung die geringsten Verflechtungen von Beitrag und Leistung auf489. Der Eigentumsschutz könnte allenfalls bezüglich des Krankengeldes, nicht aber hinsichtlich des sonstigen Leistungsspektrums eingreifen. Ein weiterer Gesichtspunkt führt dazu, daß sich der eigentumsrechtliche Anwartschaftenschutz einer Modifizierung der Bemessungsgrundlage in der gesetzliche Krankenversicherung kaum entgegenstellen kann: Neben dem Gewicht der Eigenleistung kommt es für den der sozialversicherungsrechtli484

BVerfGE 53, 257, 290; 69, 272, 300 f.; 72, 141, 153; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, S. 182. 485 Vgl. BVerfGE 14, 288, 294. 486 Wallerath, in: VdR/Ruland (Hrsg.), HdR, S. 281, 295. 487 BVerfGE 69, 272, 301. 488 BVerfGE 53, 257, 292. 489 Zum Beitrags-Leistungs-Verhältnis in der gesetzlichen Krankenversicherung siehe 2. Teil C. II. 5. a).

F. Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen

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che Leistung gewährten Schutz auf das Entwicklungsstadium der jeweiligen Rechtsposition an. Erst die Heranziehung dieses Kriteriums macht den für die Ausprägung des Eigentumsschutzes erheblichen Aspekt – die auf der Eigenleistung des Versicherten verfestigte Rechtsposition – hinreichend deutlich. Gerade die im Vergleich zur Privatversicherung höhere Verläßlichkeit und Anpassungsfähigkeit, die nicht nur die Zwangsmitgliedschaft und die Erhebung von Beiträgen, sondern auch die im Vergleich zu kapitalgedeckten Formen der sozialen Sicherung bestehenden Renditennachteile rechtfertigt, reglementiert von vornherein gesetzgeberische Zugriffe auf das Beitrags-Leistungs-Verhältnis490. Demnach würde der Eigentumsschutz jedenfalls bei intertemporären Vorsorgesystemen eine abrupte Modifizierung der Bemessungsgrundlage verhindern491. Gleichwohl bestehen auch bei zeitlich gestreckten Versicherungsverhältnissen keine Ansprüche auf quantifizierbare Leistungen. Der Eigentumsschutz kann lediglich „Teilhabeansprüche“ bzw. „Rangstellen zwischen den Versicherten“ gewährleisten. Der Gesetzgeber ist allerdings – wie Hase492 darlegt – angehalten, dem „verfassungsrechtlichen Gebot der Typenkonsequenz“ entsprechend die für die sozialversicherungsrechtliche Beitrags-Leistungs-Relation bedeutsamen Strukturen zu beachten. Nur solange nämlich das durch die Vorleistungen des Versicherten begründete Eigentum leistungsrechtlich den unverzichtbaren Strukturen der Rechtslage bei Erfüllung der Leistungsvoraussetzungen entspricht, stellt sich die Umgestaltung und Verminderung des Umfangs erworbener Anwartschaften als zulässige Ausgestaltung des nach Art. 14 GG geschützten Eigentums dar493. In diesem Sinne ist im Sozialversicherungsrecht die Einheit des jeweiligen Typus der Sicherung gewährleistet. Prägend für das Recht aller Sozialversicherungszweige erscheint zunächst der beitragsrechtliche Verzicht auf jede Differenzierung zwischen „guten“ und „schlechten“ Risiken494. Typisch ist weiterhin, daß sich Versicherungsverhältnisse und Abgabenpflichten in einer Berechtigung niederschlagen, die nach dem Eintritt des Versicherungsfalls Leistungsansprüche vermittelt495. Konstituierend sind aber auch die verschiedenen Modi der rechtlichen Verknüpfung einkommenspro490

Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 530. Wallerath/Fiedler, SGb 1997, S. 430, 432. Vgl. auch BVerfGE 72, 9, 18, 22; Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 147 ff. 492 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 220. 493 Vgl. hierzu die Rechtsprechung des BVerfG, wonach bei der Regelung von Inhalt und Schranken im Sinne von Art. 14 Abs. 1 GG der Eigenart des jeweiligen Eigentums insofern Rechnung zu tragen sei, als „gesetzliche Eigentumsbindungen (. . .) von dem geregelten Sachverhalt her geboten“ (BVerfGE 21, 73, 86) und „in ihrer Ausgestaltung selbst sachgerecht sein“ (BVerfGE 25, 112, 117) müssen. 494 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 220. 495 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 202. 491

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

portional bemessener Beiträge und Leistungen sowie die Methoden der Ausrichtung beider an die gesamtstaatliche Entwicklung der Löhne und Gehälter496. „Wer Leistungen beanspruchen darf, deren Höhe allein mit der durch die Arbeitsleistung und deren Erträge bestimmten Beitragsleistung korreliert gewesen sind, darf nicht mit Neuregelungen konfrontiert werden, in denen auch andere Gegebenheiten leistungsrechtlich valutiert sind, etwa Tätigkeiten, die ohne Entgelt in der Familie verrichtet werden“497. Bei den Lohn- oder Einkommensersatzleistungen besitzt auch die Ausschließlichkeit, mit der die aufeinander verweisenden Vorschriften des Beitrags- und Leistungsrechts auf den Sachverhalt „Erwerbsarbeit“ und die mit dieser erzielten Einkünfte bezogen sind, typprägenden Charakter498. In diesem Sinne zählt Papier die „Erwerbseinkommensbezogenheit der Renten“ zu den „vom Kontinuitätsgebot umfaßten Strukturelementen“499. Insofern erscheint die gesetzliche Rentenversicherung zumindest in temporärer Hinsicht an die erwerbsbezogene Beitragsbemessung gebunden. Im Gegensatz zu rentenversicherungsrechtlichen Positionen ist der Anspruch auf Gesundheitsleistungen nicht zukunftsorientiert, sondern besteht immer nur solange, wie Beiträge gezahlt werden. Das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung kennt – von Ausnahmen abgesehen500 – keine Warte- oder Vorversicherungszeiten. Es existieren keine auf Dauer angelegten Berechtigungen, die der Gefahr gesetzgeberischer Modifizierung unterliegen. Da die Haftungsdauer in der gesetzlichen Krankenversicherung auf den Zeitraum beschränkt bleibt, in dem der Versicherte der Beitragspflicht unterliegt, werden konkrete Anwartschaften insoweit nicht begründet. Vielmehr kann der Eigentumsschutz erst dann eintreten, wenn sich das Versicherungsrisiko bereits realisiert hat501. Ansprüche der Versicherten bestehen also nur, solange das Versicherungsverhältnis fortbesteht, ein Versicherungsfall eingetreten ist und das jeweils geltende Recht entsprechende Leistungen vorsieht502. Die insbesondere für die gesetzliche Rentenversicherung sichtbare Gefahr, daß der Gesetzgeber den Leistungsumfang modifiziert, obwohl Versicherte im Vertrauen auf diesen die Beiträge schon geleistet haben, gibt es in der gesetzlichen Krankenversicherung in dem Sinne nicht503. 496

Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 221. Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 223. 498 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 223. 499 Papier, DRV 1985, S. 272, 275; Rausch-Gast, Selbstbindung des Gesetzgebers, S. 40 ff. 500 Vgl. §§ 27 Abs. 2, 44 Abs. 2 SGB V. 501 So Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 139; Rüfner, SDSRV 23 (1982), S. 169, 176 f. 502 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 359. 497

F. Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen

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Anderes gilt auch nicht für Modifizierungen der Zugangsvoraussetzungen zur gesetzlichen Krankenversicherung. Aus der Pflicht- oder freiwilligen Mitgliedschaft als Beschäftigter folgt z. B. nicht systematisch eine Fortsetzung des Versicherungsverhältnisses als Rentner oder auch nur ein Anspruch hierauf. Die Verschärfungen der Zugangsvoraussetzungen tangieren keine Anwartschaft auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung, sondern lediglich die Aussicht auf die spätere Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner zu den dort geltenden Beitragskonditionen. Eine „Anwartschaft“ auf Begründung eines Pflichtversicherungsverhältnisses konnte und kann aber erst entstehen, wenn der Betreffende alle in seiner Person liegenden Voraussetzungen für die Begründung des Versicherungsschutzes erfüllt, d. h. also jedenfalls den Rentenantrag als Mindestvoraussetzung der Pflichtmitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner gestellt hat504. In diesem Sinne gewährte § 165 Abs. 1 Nr. 3 RVO a. F. den Versicherten lediglich eine eigentumsrechtlich unerhebliche Aussicht, welche auf eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung gerichtet war. Erst nach Stellung eines Antrags auf Rente konnte der Versicherte ein öffentlich-rechtliches Mitgliedschaftsverhältnis zu einer gesetzlichen Krankenversicherung begründen. Da vorher noch kein Bezug zu konkreten Leistungsrechten erkennbar war, existierte auch keine eigentumsfähige Position505. Auch soweit die Eigentumsgarantie – wie insbesondere in der gesetzlichen Rentenversicherung – anwendbar erscheint, hält sie gegenüber einer Modifizierung der Beitragsbemessungsgrundlage keine unüberwindbaren Hindernisse bereit. Denn der Eigentumsschutz sozialversicherungsrechtlicher Positionen stellt die Begünstigten nicht frei von sozialstaatlichen Beschränkungen und ökonomischen Risiken. Art. 14 GG verlangt lediglich, daß der Gesetzgeber bei der Umgestaltung und Neuregelung der Ansprüche und Anwartschaften die Eingriffsgrenzen des Art. 14 GG beachtet. Dabei erlaubt Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG gesetzgeberische Eingriffe in sozialversicherungsrechtliche Rechtspositionen schon dann, wenn sie „durch Gründe des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gerechtfertigt sind“506. Bereits „Gründe der Systembereini503 Philipp, Arzneimittellisten und Grundrechte, S. 188; auf diesen Gesichtspunkt rekurriert auch Ossenbühl, in: FS für Zeidler, S. 625, 635, der auf den „Sparcharakter“ der Rentenversicherung verweist. 504 Näher hierzu Rolfs, SGb 2000, S. 449, 452. Rolfs leitet dann aber für einen Sonderfall, nämlich für Personen, die ihren Rentenantrag im Jahre 1993 gestellt hatten und von der 1988 erfaßten Übergangsvorschrift des Art. 56 GRG erfaßt waren, eine Verletzung des Vertrauensschutzgrundsatzes her. 505 Rolfs, SGb 2000, S. 449, 451; ders., in: Das Versicherungsprinzip, S. 147 ff., 425 f.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

gung“ und der „finanziellen Entlastung der Krankenversicherung“ sind von solcher Art und solchem Gewicht, daß sie eine Ungleichbehandlung verschiedener Gruppen von Versicherten rechtfertigen. Ähnlich ließ das Bundesverfassungsgericht an anderer Stelle das gesetzgeberische Ziel, „die Funktions- und Leistungsfähigkeit des Systems der gesetzlichen Rentenversicherung im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern oder veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen“507, für Modifizierungen des Rentensozialversicherungsrechts ausreichen508. Keinesfalls lassen sich der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG absolute Größen sozialversicherungsrechtlicher Mindestleistungen entnehmen. Aufgrund des systemimmanenten Umlageverfahrens ist selbst der Rentenanspruch vom Volkseinkommen abhängig und erlangt mit der Rangstelle innerhalb der Versichertengemeinschaft lediglich eine relative Wertigkeit509. Auch in seiner teilhaberechtlichen Ausprägung steht das Eigentumsgrundrecht einer Modifizierung der krankensozialversicherungsrechtlichen Bemessungsgrundlage nicht entgegen. Da sich die Gewährung des Versicherungsschutzes in der Regel auf den Zeitraum der Beitragspflichtigkeit der Versicherten beschränkt, entstehen in diesem Versicherungszweig grundsätzlich keine durch Gesetzesänderungen gefährdeten Anwartschaften auf später eintretende Leistungsansprüche. Einen Schutz vor nachteiligen „legislatorischen Veränderungen bestehender sozialer Standards“510 bieten allein die rechtsstaatlichen Gebote der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes. Auch diese können jedoch nicht so weit gehen, den Betroffenen vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Insbesondere stünden sie einer Expansion der krankensozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessungsgrundlage nicht entgegen.

506 Das BVerfG läßt den Gedanken des Vertrauensschutzes zunehmend in die Prüfung des Art. 14 Abs. 1 GG einfließen, vgl. BVerfGE 58, 81, 121; 64, 87, 104; 71, 1, 11. 507 BVerfGE 53, 257, 293; 58, 81, 110 ff., 120 ff.; 69, 272, 309 ff.; 75, 78, 98. 508 Kritisch Wallerath/Fiedler, SGb 1997, S. 430, 433, die betonen, für die Legitimation der Beeinträchtigung sozialversicherungsrechtlicher Anwartschaften könne nicht bereits jede Systembereinigung oder Konsolidierungsmaßnahme ausreichen. 509 Vgl. Wallerath, in: VDR/Ruland (Hrsg.), HdR, S. 281, 322. 510 Wallerath/Fiedler, SGb 1997, S. 430, 432.

G. Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

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G. Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags im Lichte des allgemeinen Gleichheitssatzes Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln. In diesem Sinne fordert der allgemeine Gleichheitssatz, alle Bürger bei der Auferlegung öffentlicher Abgaben gleich zu belasten. Zwar gewährleistet der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 GG nur die „Gleichheit vor dem Gesetz“ und umfaßt nicht die Bindung des Gesetzgebers. Gleichwohl ist in Anknüpfung an Art. 1 Abs. 3 GG die Bindung aller drei Staatsgewalten, mithin auch des Gesetzgebers, an den allgemeinen Gleichheitssatz einhellig anerkannt511.

I. Der allgemeine Gleichheitssatz im Normengefüge In früheren Jahren fand sich für den Bereich des Steuerrechts vereinzelt die Ansicht, die Geltung der Grundrechte sei durch einen ungeschriebenen Steuervorbehalt begrenzt, welcher den Gesetzgeber zumindest für den Wesenskern der jeweiligen Steuer von der Bindung an die Grundrechte freistelle512. Da die in den Art. 104a ff. GG für die Finanzierung von Steuereinnahmen getroffenen Sonderregelungen Ausgangspunkt solcher Überlegungen sind, wäre deren Übertragung auf Sozialversicherungsbeiträge unter Hinweis auf die Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, 87 Abs. 2, 120 Abs. 1 S. 4 GG konsequent. In diesem Sinne formulierte das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 29.1.1998513, die Bejahung der innerhalb des Art. 2 Abs. 1 GG vorgenommenen Prüfung der Gesetzgebungszuständigkeit ersetze eine weitergehende materiell-rechtliche Prüfung. Wenn der Gesetzgeber die Kompetenz habe, die Sozialversicherung zu regeln und Beiträge zu erheben, sei er auch befugt, die Beitragszahler in der Sozialversicherung anders als die Mitglieder der Gesamtgesellschaft zu behandeln. Soweit sich der Gesetzgeber bei der Aufgabenzuweisung und Finanzierung also innerhalb der ihm durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG gesetzten Grenzen halte, sei die damit verbundene Ungleichbehandlung beider Gruppen auch gemessen an den Grundrechten gerechtfertigt. Indem sich der Gesetzgeber in Hinsicht auf die Aufgabenteilung zwischen Staat und Sozialversicherung für den Weg der Sozialversicherung entscheide, könne er der Institution Sozialversicherung Aufgaben als eigene vorbehaltlich einer Evidenzkontrolle frei zu511 Siehe nur BVerfGE 1, 14, 53; Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 357 ff. m. w. N.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 471; Schoch, DVBl. 1988, S. 863, 873. 512 So die ältere Lehre, vgl. Hettlage, VVDStRL 14 (1956), S. 2, 4 f.; Forsthoff, VVDStRL 12 (1954), S. 8, 32; Huber, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Bd. 1, S. 647; Pestalozza, Der Staat 11 (1972), S. 166, 184 ff. 513 BSG, Urteil vom 29.1.1998, JZ 1999, S. 617, 618 f.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

weisen. Legislatorische Beschränkungen seien unter Hinweis auf die Lastengleichheit der Beitrags- und Steuerzahler nicht zu begründen514. Diesen zumindest mißverständlichen Formulierungen des Bundessozialgerichts ist folgendes entgegenzusetzen: Der bloßen gesetzgeberischen Entscheidung, Aufgaben im Wege der Sozialversicherung bewältigen zu wollen, kommt weder eine kompetentielle, geschweige denn eine grundrechtliche Rechtfertigung der Abgabenbelastung zu. Allein die Tatsache, daß der Bund durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG befugt ist, den Versicherten Beitragspflichten zur Sozialversicherung aufzuerlegen, gestattet ihm nicht, dies in gleichheitswidriger Weise zu tun515. Vielmehr ist bei Bejahung der Kompetenzgemäßheit noch keine Aussage über die Grundrechtskonformität einer Abgabe getroffen. Die durch Art. 1 Abs. 3 GG statuierte umfassende Grundrechtsbindung des Gesetzgebers gilt im vollen Umfang auch für den Sozialversicherungsgesetzgeber. Die grundsätzliche Gestattung der Beitragserhebung durch die Kompetenznorm des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG führt daher nicht automatisch zur Verfassungsmäßigkeit einer Abgabenerhebung für jede der Sozialversicherung vom einfachen Gesetzgeber zugeordneten Aufgabe. Die kompetentielle Legitimation entbindet also nicht von einer weiteren materiellen Rechtfertigung des allgemeinen wie auch des konkreten Abgabentatbestandes516. Insbesondere sind die grundrechtlichen Schranken der Abgabenerhebung unverändert zu beachten, wobei der Grundsatz der Lastengerechtigkeit für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen noch genauer zu konturieren ist als für die Steuererhebung517. Dabei stehen die Freiheitsgrundrechte und der allgemeine Gleichheitssatz zueinander nicht im Ausschließlichkeitsverhältnis; Gleichheits- und Freiheitsgrundrechte können also grundsätzlich nebeneinander betroffen sein. Hat der zu prüfende Sachverhalt zu keinem der Grundrechte einen stärkeren Bezug, sind Freiheits- und Gleichheitsgrundrechte als idealkonkurrierende Normen anwendbar518. Mit der Anerkennung des allgemeinen Gleichheitssatzes als lex specialis wäre sonst die Feststellung der Vereinbarkeit der Abgabenbelastung mit einem Freiheitsrecht verbunden, obwohl der Betroffene von vornherein nicht als Eingriffsadressat ausgewählt werden durfte. Ein Gesetz, dessen Belastungswirkungen gleichheitsgerecht sind, kann aber durchaus freiheitsrechtliche Gestaltungswirkungen hervorrufen, also etwa gegen Art. 2 Abs. 1 GG verstoßen. Ein Eingriff ist nämlich immer dann freiheits-, aber nicht gleichheitswidrig, wenn alle Betroffenen gleichermaßen freiheitsrechtswidrig behandelt werden; andererseits ist es 514 515 516 517 518

So Gössl, Finanzverfassung der Sozialversicherung, S. 57. BVerfGE 92, 53, 71 ff.; Rolfs, NZS 1998, S. 551, 553. So auch Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, S. 235. Vgl. auch Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, S. 235. Gubelt, in: von Münch/Kunig (Hrsg.) Grundgesetz, Art. 3 Rn. 105.

G. Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

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gleichheits-, nicht aber (an sich) freiheitsrechtswidrig, wenn sachwidrige unterschiedliche Behandlungen für sich betrachtet nicht den freiheitsrechtlichen Schutzbereich verletzen519. Eine von den Freiheitsgrundrechten losgelöste Verfassungsrelevanz kann daher unterhalb der absoluten Belastungsgrenze immer schon dann auftreten, wenn sich ein Differenzierungsverbot oder -gebot aus einer anderen Verfassungsnorm als einem Freiheitsrecht ergibt520. Gleiches ergibt die Auswertung der höchstrichterlichen Rechtsprechung, welche in einer Vielzahl von Entscheidungen Untersuchungen des Prüfungsgegenstandes anhand mehrerer als Maßstab nebeneinander herangezogener Verfassungsnormen anstellt521.

II. Art. 3 Abs. 1 GG als Postulat externer und interner Belastungsgleichheit Das Grundgesetz kennt keinen „numerus clausus“ der Abgabenarten. Vielmehr besitzen Bund, Länder und Gemeinden in den Grenzen der Verfassung das Recht zur Erfindung neuer Abgaben. Indes gilt allein für das Rechtsinstitut der Steuer das „Rechtfertigungsprivileg“: Da die Steuer allen Steuerbürgern nach Maßgabe des Steuertatbestandes als Gemeinlast auferlegt wird, kann sich ihr Rechtfertigungsgrund in der bloßen Einnahmeerzielung erschöpfen. Sie legitimiert sich also durch den allgemeinen Finanzbedarf des Staates. Sie ist in dem Umfang gerechtfertigt, in dem das sie erhebende Gemeinwesen berechtigt und seine Tätigkeit gerechtfertigt ist522. Erhebt der Staat nichtsteuerliche Abgaben, so schafft er neben der Gesamtheit der Steuerpflichtigen einen kleineren Kreis von Abgabenpflichtigen. Da diese also nur einen Teil der finanziell leistungsfähigen Bürger betreffen, bedarf die über die steuerliche Inanspruchnahme hinausgehende Heranziehung einzelner zu einer weiteren – und insoweit besonderen – Finanzleistung für ihre Rechtfertigung eines von der Steuer nicht abgedeckten, verfassungsrechtlich ausgewiesenen Grundes523, der sich nicht im allge519

Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 352 f. BVerfGE 21, S. 150, 155. Unbeachtet soll hier bleiben, daß das Bundesverfassungsgericht die materielle Verfassungsmäßigkeit des hoheitlichen Tätigwerdens im Rahmen der Prüfung des Art. 2 Abs.1 GG den Einklang mit „allen übrigen“ bzw. „allen anderen“ materiellen Verfassungsnormen prüft. 521 Andererseits wurden Freiheitsrechte in der höchstrichterlichen Rechtsprechung vielfach trotz Einschlägigkeit nicht herangezogen, wenn – so die Formulierung – „der spezifische Schutzgedanke des allgemeinen Gleichheitssatzes gegenüber der zu prüfenden Norm eine stärkere Affinität aufweist.“ vgl. Schoch, DVBl. 1988, S. 861, 872 mit vielen Rechtsprechungsnachweisen; so BVerfGE 75, S. 348, 357; ähnlich BVerfGE 75, S. 382, 393. 522 Vogel, Der Staat 25 (1986), S. 481, 495. 523 Jestaedt, DVBl. 2000, S. 1820, 1825. 520

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

meinen Finanzbedarf des Staates erschöpft. Mit der Entscheidung des Grundgesetzes, „daß die Finanzierung der staatlichen Aufgaben in Bund und Ländern einschließlich der Gemeinden in erster Linie aus dem Ertrag der in Art. 105 ff. GG geregelten Einnahmenquellen erfolgt“524, gerät jede andere Form der Finanzierung zu einer rechtfertigungsbedürftigen Ausnahme. In diesem Sinne kann es für die Beurteilung von Krankensozialversicherungsabgaben nicht ausreichen, den allgemeinen Gleichheitssatz lediglich innerhalb des versicherten Personenkreises anzuwenden. Vielmehr besteht gleichermaßen das Bedürfnis nach einer Rechtfertigung der Sonderbelastung vor der Gesamtbevölkerung. Hinsichtlich der Auferlegung von nichtsteuerlichen Abgaben fordert der allgemeine Gleichheitssatz daher doppelte Berücksichtigung: Zunächst bedarf es der Rechtfertigung der Belastung der Abgabenpflichtigen im Vergleich zu den außerhalb dieses Kreises Befindlichen, insofern stellt sich das Problem der externen Belastungsgleichheit525. Zum anderen zielt der allgemeine Gleichheitssatz auf die Gleichbehandlung der durch die nichtsteuerliche Abgabe Betroffenen untereinander, also auf die Wahrung der internen Belastungsgleichheit. Durch das Postulat der internen Belastungsgleichheit fordert Art. 3 Abs. 1 GG eine Auseinandersetzung mit den Grenzen gesetzgeberischer Gestaltungsbefugnis hinsichtlich der Bemessung nichtsteuerlicher Abgaben. Beide Maßstäbe stehen der Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben eigenständig gegenüber; die externe Belastungsgleichheit und die interne Belastungsgleichheit können einander also nicht ersetzen. Auf die Steuer bezogen stellte auch das Bundesverfassungsgericht fest: „Eine Durchbrechung der horizontalen Steuergerechtigkeit kann nicht mit dem Gedanken der vertikalen Steuergerechtigkeit legitimiert werden“. Will der Gesetzgeber Bezieher von Nichterwerbseinkünften durch Sozialversicherungsabgaben also höher belasten als Versicherte, welche ausschließlich Erwerbseinkünfte erzielen, so darf er dies nur tun, wenn er „zugleich dem unmittelbar aus Art. 3 Abs. 1 GG fließenden Grundsatz der horizontal gleichmäßigen (Abgabenbelastung, d. A.) Rechnung trägt“526.

524

Jestaedt, DVBl. 2000, S. 1820, 1825. Zu den Termini der externen und internen Belastungsgleichheit vgl. Jestaedt, DVBl. 2000, S. 1820, 1826. 526 BVerfGE 82, 60, 90. 525

H. Sozialversicherungsbeitrag und externe Belastungsgleichheit

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H. Der Sozialversicherungsbeitrag vor dem Gebot externer Belastungsgleichheit Auch wenn die gesetzliche Krankenversicherung mittlerweile über 90 Prozent der Bevölkerung umfaßt527, läßt sich dieser weit überwiegende Anteil nicht mit der Gesamtbevölkerung gleichsetzen. Vielmehr bleiben z. B. Beamte, Soldaten, Selbständige und Nichterwerbstätige von der krankensozialversicherungsrechtlichen Abgabenbelastung verschont. Im Verhältnis der Versicherten zu den außerhalb der Sozialversicherung Stehenden fordert der allgemeine Gleichheitssatz deshalb eine Antwort auf die Frage, warum das Opfer, Beiträge zu entrichten, allein die in die gesetzliche Krankenversicherung Einbezogenen aufbringen müssen. Der allgemeine Gleichheitssatz verlangt mithin einen sachlich einleuchtenden Grund dafür, daß ein Privater im Unterschied zu anderen Privaten über seine Steuerpflicht hinaus als Beteiligter im Sinne des Krankensozialversicherungsrechts zu einer Abgabe herangezogen wird. Es muß eine Legitimation der Belastung des Zahlungspflichtigen mit einer Abgabe erfolgen, deren Ertrag ihm zumindest möglicherweise nicht „zugute kommt, ihm vielmehr als fremdnützige Abgabe auferlegt wird, die sozialen Ausgleich und Umverteilung zum Ziel hat und herstellt“528. Der Einnahmenzweck reicht für die Rechtfertigung des Sozialversicherungsbeitrags jedenfalls nicht aus. Zwar liegt das erste Ziel des Sozialversicherungsbeitrags darin, den Finanzbedarf des Sozialversicherungsträgers zu decken. Dies ist sogar wesensnotwendig: Nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts ist eine Abgabe nämlich dann kein Sozialversicherungsbeitrag, wenn die Absicht, Einnahmen zu erzielen, hinter einem anderen mit der Leistungspflicht verbundenen Zweck völlig zurücktritt529. Gleichwohl kann hierdurch allein eine Rechtfertigung der sozialversicherungsrechtlichen Abgabenbelastung nicht erfolgen. Anders als für Steuern, bei denen der Fiskalzweck für die Rechtfertigung ausreicht, bedarf es hinsichtlich der Legitimation des Sozialversicherungsbeitrags als nichtsteuerlicher Abgabe530 eines besonderen Zweckes seiner Erhebung. Grundsätzlich ist der förmliche Gesetzgeber kraft demokratischer Souveränität berechtigt, selbst die Zwecke seines Handelns zu bestimmen. Jedoch hat die Legislative kein uneingeschränktes Zweckerfindungsrecht. Bei der 527

Bei der prozentualen Angabe handelt es sich um den Kreis der Begünstigten, nicht um den der Zahlungsverpflichteten. Zu den Voraussetzungen der Versicherungspflicht siehe 1. Teil B. II. 2. a). 528 BVerfGE 75, 108, 157. 529 BVerfGE 14, 312, 318. 530 Zum Charakter des Sozialversicherungsbeitrags als nichtsteuerliche Abgabe siehe 2. Teil B.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Entscheidung über Differenzierungsgründe darf sich der Gesetzgeber nicht über die Wertentscheidungen der Verfassung hinwegsetzen. Der normative Gehalt der Gleichheitsbindung erfährt seine Präzisierung jeweils in Hinblick auf die Eigenart des zu regelnden Sachbereichs531. Was in Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes sachlich vertretbar oder sachfremd und deshalb willkürlich ist, kann daher nur in Bezug auf die Eigenart des konkret zu regelnden Sachverhalts festgestellt werden. Hinsichtlich der Erhebung von Sozialversicherungsabgaben müssen daher die Ziele des Sozialstaatsprinzips und der grundgesetzlichen Sozialversicherung ebenso berücksichtigt werden wie die Wesensmerkmale des Sozialversicherungsbeitrags.

I. Die Untauglichkeit des Solidarausgleichs als Legitimationsgrundlage des Sozialversicherungsbeitrags Für die Abgaben der gesetzlichen Krankenversicherung findet das Zweckerfindungsrecht seine Grenzen in den Konturen des verfassungsrechtlichen Sozialversicherungsbegriffs. Einen Ansatzpunkt für die Legitimation der Abgaben in ihrer derzeitigen Ausgestaltung bilden die der Sozialversicherung seit jeher innewohnenden Ausgleichsmechanismen532. Über die Frage hinaus, inwiefern das Grundgesetz die Grundstrukturen des sozialen Ausgleichs gerade auch in der gesetzlichen Krankenversicherung billigt, gilt es im folgenden zu klären, ob die in der Sozialversicherung vollzogene Einkommensredistribution als solche die Erhebung der Sozialversicherungsabgaben rechtfertigen kann. Würde die interpersonelle Umverteilung einen besonderen Rechtfertigungsgrund darstellen, erlaubte sie Einschränkungen anderer Verfassungsgüter im Wege praktischer Konkordanz533. Das Postulat praktischer Konkordanz richtet sich darauf, den „schonendsten Ausgleich“ zwischen den Verfassungsgütern derart zu suchen, daß sich keines der Verfassungsgüter einseitig zuungunsten des anderen durchsetzt, sondern eine Harmonisierung der Regelungsgehalte erfolgt534.

531

BVerfGE 75, 108, 157. F. Kirchhof, SDSRV 35 (1992), S. 65, 80; Papier, ZSR 1990, S. 344, 350; Bieback, BB 1986, S. 1007, 1012. 533 Zum kollidierenden Verfassungsrecht als Schutzbereichsbegrenzung oder Eingriffsrechtfertigung Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422, 442 f. Er räumt unter Verweis auf die mit einer Schutzbereichsbegrenzung einhergehende Entwertung der Gesetzesvorbehalte der dogmatischen Einordnung kollidierenden Verfassungsrechts als Eingriffsrechtfertigung den Vorrang ein. 534 Stettner, Grundfragen einer Kompetenzlehre, S. 376 f. 532

H. Sozialversicherungsbeitrag und externe Belastungsgleichheit

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1. Verfassungsrechtliche Verortung des Postulats faktischer Gleichheit Neben der Einkommensteuer als größtem Umverteilungsinstrument zielt auch die Erhebung der Sozialversicherungsabgaben auf einen interpersonellen Ausgleich der Einkommensverhältnisse der Versicherten535. Sie dienen insofern der Herstellung faktischer materieller Gleichheit. Nach Huster536 bildet der allgemeine Gleichheitssatz die Grundlage des Gebots der Herstellung faktischer Gleichheit. Eine gerechte Güterverteilung als eine „bis zum vernünftigerweise zu fordernden Maße“ verwirklichte Gleichheit sei dadurch gekennzeichnet, daß sie die Freiheit bei der Bestimmung der Gleichheit hinreichend berücksichtige. Insofern bestehe ein Konflikt zwischen (faktischer) Gleichheit und Freiheit. Einer Effektivierung des allgemeinen Gleichheitssatzes als Legitimationsgrundlage für eine Einkommensumverteilung stehen indes grundlegende Bedenken gegenüber: Verstünde man Art. 3 Abs. 1 GG tatsächlich als Gebot faktischer Gleichbehandlung, wäre Gleichheit nicht der Ausgangspunkt staatlichen Handelns, sondern dessen Ziel537. Denn wer faktische Gleichheit herstellen will, muß – wie Alexy feststellt – für dessen Verwirklichung rechtliche Ungleichbehandlungen in Kauf nehmen538. Nur eine als rechtliche Gleichheit ausgelegte Gleichheitsgarantie aber kann die an den Gleichheitssatz gebundenen Staatsfunktionen garantieren539. Zudem läßt sich allein diese Interpretation des allgemeinen Gleichheitssatzes auf die Ergebnisse dessen historischer Auslegung stützen: Der Wortlaut des Art. 3 Abs. 1 GG „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.“ findet sich bereits in Art. 4 S. 1 der Preußischen Verfassung vom 31.1.1850 und Art. 109 Abs. 1 WRV540. Hier aber wurde die gebotene Gleichheit seit jeher im Sinne einer Rechtsanwendungsgleichheit verstanden. Wie die Entstehungsgeschichte des allgemeinen Gleichheitssatzes zeigt541, umfaßt dieser neben der Rechtsanwendungs- auch die Rechtssetzungsgleichheit. „Alle Menschen sind vor 535 536 537

Siehe 2. Teil C. II. 5. a). Huster, Rechte und Ziele, S. 414. Starck, in: Link (Hrsg.), Der Gleichheitssatz im modernen Rechtsstaat, S. 51,

56. 538

Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 378; vgl. auch BVerfGE 12, 354, 367. Starck, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 Rn. 5. 540 Neumann, DVBl. 1997, S. 92, 93; Anschütz, Die Verfassungs-Urkunde für den Preußischen Staat, 1912, S. 108 ff.; ders., Die Verfassung des Deutschen Reiches vom 11. August 1919, 14. Aufl. 1933, Anm. 1 zu Art. 109, S. 522 ff. 541 Im Herrenchiemseer Entwurf war ausdrücklich vermerkt: „Der Grundsatz der Gleichheit bindet auch den Gesetzgeber“. Somit hat das Grundgesetz der übernommenen prozeß- und verwaltungsrechtlichen Formel „Gleichheit vor dem Gesetz“ 539

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

dem Gesetz gleich.“ bedeutet also, daß die verfassungsrechtlich gebotene Gleichheit vor dem Gesetz gilt, welches sich seinerseits nach ihr richten muß542. Auch systematische Gesichtspunkte sprechen gegen die Auslegung des allgemeinen Gleichheitssatzes im Sinne eines Gebotes faktischer Gleichheit. Bei Verortung des Ziels faktischer Gleichheit in Art. 3 Abs. 1 GG ließe sich kaum ein originärer Gehalt des allgemeinen Sozialstaatsgrundsatzes ausmachen. Wäre bereits der allgemeine Gleichheitssatz auf die Herstellung faktischer Gleichheit gerichtet, hätte es also einer zusätzlichen Sozialstaatsgarantie nicht bedurft. Indes war die Herleitung des Gebots des sozialen Ausgleichs aber gerade deshalb notwendig, weil die klassische Rechtsgleichheit im Sinne des allgemeinen Gleichheitssatzes den Gesetzgeber nicht verpflichtet, die Ungleichheit der tatsächlichen Lebensverhältnisse zu kompensieren. Mithin richtet sich Art. 3 Abs. 1 GG (nur) auf eine rechtliche, nicht aber faktische, soziologische oder wirtschaftliche Gleichheit. Der verfassungsrechtliche Hebel sozialer Forderungen auf eine Angleichung der Einkommens- und Lebensverhältnisse ist demgegenüber das Sozialstaatsprinzip543. Das Argument, dem Bürger werde eine verfassungsbeschwerdefähige Position vorenthalten, wenn die sozialstaatliche Pflicht544, „für einen Ausgleich der sozialen Gegensätze und damit für eine gerechte Sozialordnung zu sorgen“, nicht zusätzlich im Gleichheitssatz verankert ist545, verkennt das Verhältnis zwischen dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Sozialstaatsprinzip: Auch wenn das selbst konkretisierungsbedürftige Sozialstaatsprinzip keine eigenständigen Maßstäbe für die Behandlung der Bürger bei der Lastenverteilung bereithält, fließen seine Wertungen in den allgemeinen Gleichheitssatz ein und können so zu dessen Konkretisierung beitragen546. Dementsprechend lassen sich dem Sozialstaatsprinzip die für die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung entscheidenden Differenzierungskriterien entnehmen547. In diese Richtung geht auch das von Alexy entwickelte Modell: eine erweiterte Bedeutung gegeben, vgl. hierzu Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts, Rn. 431. 542 Starck in: v. Mangoldt/Klein/Starck, Bonner Grundgesetz, Art. 3 Abs. 1 Rn. 2. 543 Götz, Recht der Wirtschaftssubventionen, S. 263. 544 BVerfGE 22, 180, 204; 35, 202, 235; 59, 231, 263; 69, 272, 314. Das BVerfG ist inzwischen dazu übergegangen, Art. 3 Abs. 1 GG mit dem Sozialstaatsprinzip zu verbinden, vgl. BVerfGE 51, 295, 302; 52, 264, 272; 54, 251, 273; 55, 100, 111; 56, 139, 143. 545 Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 389. 546 Ebsen, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 3 § 4, Rn. 38 ff. 547 In diesem Sinne wohl auch Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, S. 36; Erichsen, VerwArch 71 (1980), S. 289, 293; Gubelt, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rn 62.

H. Sozialversicherungsbeitrag und externe Belastungsgleichheit

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Dieses räumt der rechtlichen Gleichheit zwar die Präferenz ein. Bei der Frage nach einem zureichenden Grund für die Erlaubtheit der Un- bzw. Gleichbehandlung nimmt das Prinzip der faktischen Gleichheit die „Rolle eines Schrankendenkens für das allgemeine Recht auf rechtliche Gleichheit“ ein bzw. sucht die faktische Gleichheit als Grund für ein „Recht auf eine bestimmte Ungleichbehandlung“ zu gewinnen. Damit anerkennt das Konzept die Asymmetrie zwischen rechtlicher und faktischer Gleichheit, berücksichtigt den Aspekt der faktischen Gleichheit aber als ein mögliches Regulativ zur Begründung insbesondere von rechtlichen Ungleichbehandlungen548. Allerdings stellt sich der soziale Ausgleich des Sozialstaatsprinzips nicht als Gebot vollständiger Nivellierung dar549. Der sozialstaatliche Auftrag einer absoluten Egalisierung ließe sich mit den Wertentscheidungen der Verfassung nicht vereinbaren. Wie das Rechtsstaatsprinzip und die grundrechtlich gewährleisteten Freiheitspositionen zeigen, anerkennt und respektiert die Verfassung eine persönliche und ökonomische Sphäre individueller Lebensgestaltung in einer freiheitlichen Gesellschaft. Auch mit der systematischen Vorrangstellung der Menschenwürde läßt sich allein das Ziel eines auf Chancen-, nicht aber auf Ergebnisgleichheit gerichteten sozialen Ausgleichs vereinbaren. Dementsprechend verlangt das Sozialstaatsprinzip nicht die Zuteilung von Leistungen bis zur Herstellung einer egalitären Gesellschaft, sondern nur die Gleichheit der Entwicklungsmöglichkeiten in der Gesellschaft550.

2. Die Exklusivität der Steuer für die gesamtgesellschaftliche Umverteilung Bei seiner Entscheidung, öffentliche Aufgaben im Wege der Besteuerung oder durch Erhebung nichtsteuerlicher wie z. B. sozialversicherungsrechtlicher Abgaben zu finanzieren, unterliegt der Gesetzgeber den Bindungen des Grundgesetzes551. Neben den verfassungsrechtlichen Kompetenznor548

Alexy, Theorie der Grundrechte, S. 380 ff., 383. Leisner, Sozialversicherung und Privatversicherung, S. 126; Walter, Die sozialethische Definition der Demokratie: „Die radikal-demokratische Vorstellung einer egalitären Gleichheit, nach der alle Menschen auch hinsichtlich ihres Besitzes und ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Stellung gleich sein sollten, weil sie naturhaft als Menschen gleich seien, entspricht nicht (. . .) der menschlichen Natur“. 550 So auch Stern, Staatsrecht, § 21 IV 3, S. 921 ff.; Gröschner, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 20 Rn. 37. 551 BVerfGE 55, 274, 300, formuliert, dem Gesetzgeber sei es verfassungsrechtlich untersagt, eine öffentliche Abgabe nach seiner Wahl im Wege der Besteuerung oder durch Erhebung einer parafiskalischen Sonderabgabe zu finanzieren. 549

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men552 bildet der allgemeine Gleichheitssatz insoweit einen grundlegenden Eckpfeiler des gesetzgeberischen Spielraums. Als besondere Ausprägung des allgemeinen Gleichheitssatzes verlangt das Gebot der externen Belastungsgleichheit einen sachlich einleuchtenden Grund dafür, daß ein Privater im Unterschied zu anderen Privaten über seine Steuerpflicht hinaus zu einer Abgabe herangezogen wird553. Das Primat der Steuerfinanzierung als verfassungsrechtliche Grundentscheidung behält den steuerlichen Abgaben die Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben vor. Dementsprechend steht Art. 3 Abs. 1 GG der Aufbürdung von Gemeinlasten auf einen abgrenzbaren Personenkreis entgegen554. Hingegen dürfen nichtsteuerliche Abgaben nur für besondere Staatsaufgaben eingesetzt werden. Im folgenden gilt es, die Trennlinie für die Unterscheidung der Staatsaufgaben in allgemeine und besondere zu markieren. a) Allgemeine und besondere Staatsaufgaben Überzeugende Konzepte, wonach die allgemeinen, durch Steuern zu finanzierenden, und die besonderen, den nichtsteuerlichen Abgaben vorbehaltenen Aufgaben im Wege einer materiellen Kategorierung unterschieden werden können, sind nicht erkennbar. Zur Wahrung des Steuerstaatsprinzips wird zwar vorgeschlagen, im Wege einer materiellen Sichtweise staatliche Kernaufgaben über die Steuer zu finanzieren. Jellinek555 unterscheidet diesbezüglich exklusive und konkurrierende Staatszwecke. Allerdings kann die hiermit verbundene Vorgabe, jeweils im Einzelfall die Zuordnung von Aufgaben in ein staatliches Kern- oder Pflichtaufgabenkonzept festzustellen556, als Grenze zwischen steuer- und nichtsteuerfinanzierten Aufgaben nicht befriedigen. Gleichermaßen muß ein Ansatz scheitern, der im Wege einer materiellen Kategorisierung solche Aufgaben als besonders und damit als durch nichtsteuerliche Abgaben zu finanzieren bestimmt, die in spezifischer Weise Gruppeninteressen entsprechen557. Während es bisher gerade um die Vermeidung von Sonderlasten ging, stellt dieser Ansatz die Frage, ob bei Vorliegen der Voraussetzungen einer Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben dem Gesetzgeber die Alternative einer Steuerfinanzierung verbleibt. Vereinzelte 552

Hinsichtlich der finanzverfassungsrechtlichen Vorgaben vgl. 2. Teil C. Siehe 2. Teil G. II. 554 Vgl. hierzu BVerfGE 43, 1, 8 ff.; 55, 274, 302; 61, 319, 343; 89, 346, 352; 99, 216, 232. 555 Jellinek verwendet nicht den Begriff der Staatsaufgaben, sondern bezeichnet diese als „Staatszwecke“, vgl. Jellinek, Allgemeine Staatslehre, S. 230 ff. 556 Gramm, Der Staat 36 (1997), S. 267, 279. 557 Sacksofsky, Umweltschutz durch nichtsteuerliche Abgaben, S. 74. 553

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Stimmen558 im Schrifttum argumentieren, die Gleichheit aller Bürger vor den öffentlichen Lasten könne verlangen, daß gruppenbezogene Aufgaben von den an ihnen interessierten Gruppen selbst und nicht von der Allgemeinheit zu tragen seien. Existierten im staatlichen Gemeinwesen finanzielle Verantwortungen, die von ihrem Charakter her über die allgemeine Steuerpflicht hinausgingen, sei es nicht gerecht, deren Verfolgung der Allgemeinheit der Steuerzahler zuzurechnen. Entgegen dieser Ansicht bestehen jedoch keine finanzverfassungsrechtlichen Bedenken, anstelle nichtsteuerlicher Abgaben auch die Steuer als Finanzierungsmittel einzusetzen, soweit deren spezielle Zulässigkeitsvoraussetzungen und verfassungsrechtliche Bindungen beachtet werden. Ein anderes Ergebnis würde der Sache nach auf eine gesetzgeberische Pflicht zur Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben hinauslaufen, welche sich gerade nicht mit dem aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abzuleitenden Vorrang der Steuerfinanzierung vereinbaren läßt559. Soweit die Übertragung einer Aufgabenfinanzierung auf einen begrenzten Personenkreis also rechtlich zulässig ist, darf der Gesetzgeber anstelle der Sonderlast auch die Gemeinlast einsetzen. Wie diese Ausführungen zeigen, kann eine materielle Kategorisierung hoheitlicher Aufgaben in steuerbezogene allgemeine Staatsaufgaben und durch nichtsteuerliche Abgaben zu finanzierende besondere Tätigkeitsfelder kaum gelingen. Die Entscheidung darüber, ob eine besondere Staatsaufgabe vorliegt, ist daher nicht aufgrund einer materiellen Bewertung zu treffen. Sie kann sinnvoll allein aufgrund der Fragestellung erfolgen, ob das Aufkommen allgemein für die Erfüllung von Staatsaufgaben oder nur für eine genau definierte staatliche Aufgabe eingesetzt werden darf560. In diese Richtung geht auch das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Berufsausbildungsabgabe. Hier führt es zwar aus, mit der Steuer würden „allgemeine Staatsaufgaben“ finanziert, der Einsatz von Sonderabgaben sei hingegen auf die Finanzierung besonderer, bestimmter Staatsaufgaben beschränkt561. Entgegen dem ersten Anschein erfaßt jedoch auch die Unterscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht die materielle Kategorisierung von Staatsaufgaben in allgemeine und in besondere. Die Grenzziehung soll vielmehr davon abhängen, wie genau der Verwendungszweck festgelegt wird und ob in dem Gesetz eine gestaltende Einflußnahme auf den Sachbereich zum Ausdruck kommt. Mithin sei es dem Gesetzgeber – so das Gericht – versagt, Sonderabgaben zur Erzielung von Einnahmen für den allge558 559 560 561

Frenz, Das Verursacherprinzip, S. 191 f. Zum Inhalt des „Steuerstaatsprinzips“ siehe 2. Teil C. II. 6. c). Jarass, DÖV 1989, S. 1013, 1023. BVerfGE 55, 274, 309 f.; 67, 256, 275.

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meinen Finanzbedarf eines öffentlichen Gemeinwesens zu erheben und das Aufkommen aus derartigen Abgaben zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben zu verwenden562. In diesem Sinne hat der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten, einen Einkommensausgleich durch Abgabenerhebungen herbeizuführen. Jedoch verlangt das Primat der Steuerfinanzierung das Vorliegen besonderer Voraussetzungen, wenn neben dem steuerlichen Ausgleich parafiskalische Umverteilungssysteme Einkommensumschichtungen übernehmen sollen. Wählt der Gesetzgeber das Instrument des Sozialversicherungsbeitrags, muß er dessen „verfassungsrechtliches Korsett“ beachten. Dieses gilt es im folgenden herauszuarbeiten. b) Der verfassungsrechtliche Sozialversicherungsbegriff Die Sozialversicherungskompetenz des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG hat nicht nur eine kompetenzrechtliche, sondern auch grundrechtseinschränkende Wirkung563. In ihrer primären Funktion dienen die verfassungsrechtlichen Kompetenzvorschriften der Abgrenzung der Aufgabenbereiche von Bund und Ländern. Die abschließende Aufzählung von Regelungsbereichen für die Gesetzgebung des Bundes gewährt Klarheit und sichert die politische Macht der Organe der förderalen Staatlichkeit564. Die Anerkennung eines grundrechtseinschränkenden Gehalts des Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG erweitert den Kreis der angesprochenen Normenadressaten um das Verhältnis Staat-Bürger565. Eine derartige Erweiterung des Kompetenzverständnisses stößt im Schrifttum nicht nur auf Zustimmung. Vor allem nach Inkraftreten des Grundgesetzes fand sich die vereinzelt auch heute noch vertretene Ansicht566, den Kompetenznormen dürfe über die Regelung des entsprechenden Kompetenz- und Zuständigkeitsbereiches und die Festlegung der entsprechenden Organisationsform hinaus keine Auswirkungen auf die Interpretation von Grundrechten und ihre Schranken zukommen567. Ein materielles Kompetenzverständnis laufe Gefahr, die Autorität der Grundrechtsartikel mit ihrer differenzierten Schrankensystematik zu un-

562

BVerfGE 55, 274, 298. Zum Verhältnis von kompetentieller und grundrechtlicher Legitimation vgl. bereits S. 143 f. 564 Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, S. 101. 565 Selk, JuS 1990, S. 895, 897. 566 Vgl. zuletzt Kaltenborn, NZS 2001, S. 300, 302. 567 Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422, 424 m. w. N.; Selk, JuS 1990, S. 895, Fn. 18. 563

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tergraben und lasse sich daher nicht mit Art. 1 Abs. 3 GG vereinbaren568. Hieran anknüpfend deutet Becker569 die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur institutionellen Garantie der Sozialversicherung570 als eine generelle Absage an jede materielle Wirkung dieser Kompetenznormen. Diese Deutung erscheint jedoch überzogen. Die von Becker vorgenommene Interpretation, das Bundesverfassungsgericht lehne insgesamt eine materiell-rechtliche Wirkung des Art. 87 Abs. 2 GG (und zugleich des nicht explizit angesprochenen Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG) ab, würde dem Gericht einen Widerspruch gegenüber seiner ständigen Rechtsprechung zur Wirkung bundesstaatlicher Kompetenznormen unterstellen. Zu einer Anerkennung materieller Wirkungen von Kompetenznormen führt insbesondere deren systematische Interpretation. Diese erfaßt das gesamte Grundgesetz und fordert zur Gesamtschau der Verfassungsnormen auf. Die Kompetenzregelungen des Grundgesetzes spalten die staatliche Macht nicht nur horizontal in die Legislative, Exekutive und Judikative, sondern auch vertikal auf. Insofern erlangen die Kompetenznormen neben der gewaltenteilenden auch eine gewaltenbeschränkende Wirkung. Andererseits kann mit dem bloßen Verweis auf die „Einheit der Verfassung“ noch keine Aussage über den konkreten eingriffslegitimierenden Gehalt bestimmter Kompetenzregelungen getroffen werden. Als Weiterführung der systematischen Auslegung macht die Argumentationsfigur der „Einheit der Verfassung“ neben der herkömmlichen systematischen Stellung der Normen die Interpedenz der gesamten Normenebene der Verfassung zum Gegenstand ihrer Überlegungen. Indem sie das Grundgesetz als systematische Einheit begreift, sieht sie die Aufgabe des Gesetzgebers als Ausdruck eines integrativ-harmonischen Verfassungsverständnisses darin, naturgegebene Spannungsverhältnisse in das richtige Maß zu bringen. Einander widerstreitende Prinzipien und Normen des Grundgesetzes seien in ihrer Bedeutung und ihrem Gewicht anzuerkennen und die sich überlagernden Wirkungsfelder nach beiden Seiten einzuengen. Insofern gelangt die Vorstellung einer „Einheit der Verfassung“ zu dem Ergebnis, daß ungeachtet der systematischen Einordnung der Normen keine Rangunterschiede zwischen Grundrechts- und Kompetenznormen bestehen571. Untereinander abzuwägende Spannungsverhältnisse setzen jedoch voraus, daß überhaupt ein Rechtsgut 568

Kaltenborn, NZS 2001, S. 300, 302; Selk, JuS 1990, S. 895, 897 f. Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 240. 570 Siehe 2. Teil C. II. 6. c) (2)(c). 571 BVerfGE 19, 206, 220: „Vornehmstes Intepretationsprinzip ist die Einheit der Verfassung im Sinne eines logisch-teleologischen Sinnbildes, weil das Wesen der Verfassung darin besteht, eine einheitliche Ordnung des politischen und gesellschaftlichen Lebens der staatlichen Gemeinschaft zu sein“. Vgl. auch Bleckmann, DÖV 1983, S. 129, 130 f.; Lawrence, Grundrechtsschutz, technischer Wandel und Generationenverantwortung, S. 124 ff. und Pieroth, AöR 114 (1989), S. 422, 439, nach 569

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von Verfassungsrang vorliegt, welches zur Grundrechtsbegrenzung geeignet ist572. Anderenfalls würde die Herleitung eines materiellen Kompetenzverständnisses aus der „Einheit der Verfassung“ nicht zur Auflösung bestehender Spannungsverhältnisse führen, sondern diese erst kreieren. Anstelle einer generellen Befürwortung eingriffslegitimierender Wirkungen von Kompetenznormen ist daher für jede grundgesetzliche Regelung einzeln zu untersuchen, ob ihr tatsächlich ein materieller Gehalt zugrundeliegt. Für die Feststellung des Ausmaßes grundrechtsbeschränkender Normgehalte von Kompetenznormen muß es darauf ankommen, ob die jeweilige Norm den Staat zu einem im Staat-Bürger-Verhältnis relevanten Tun oder Unterlassen verpflichtet, ob mit der Kompetenzbestimmung also eine Zieloder Zwecksetzung verbunden ist, die Kompetenzträger zu grundrechtsbeschränkendem Staatshandeln nicht nur berechtigt, sondern zugleich verpflichtet573. Im Sinne des von Ehmke574 entwickelten Modells eines „positiven Kompetenzverständnisses“ weisen die in den Kompetenzen bestimmten Aufgaben dem Gesetzgeber die zur Durchführung dieser Aufgaben erforderliche Gewalt zu. Sind die grundgesetzlichen Kompetenznormen also Grundlage von Staatsaufgaben575, korreliert der Verpflichtungsgrad der Staatsaufgaben als Kehrseite des direktiven Gehalts mit ihrer eingriffslegitimierenden Wirkung. Die Verfassung billigt ihre eigenen Kompetenzvorschriften, denn grundgesetzlich Geregeltes kann – wie Schnapp treffend formuliert – nicht schlichtweg „mißlungenes Experiment“576 des Grundgesetzes sein. Jede Kompetenzzuweisung durch die Verfassung setzt deshalb implizit eine grundsätzliche materielle Legitimation der zugewiesenen Funktion oder Aufgabe voraus577. Soweit die geregelten Staatsfunktionen auf eine Wirdessen Ansicht bei der Auslegung „keine Rangunterschiede zwischen Grundrechtsund Kompetenznormen bestehen“. 572 BVerfGE 69, 649, 655; Selk, JuS 1990, S. 895, 898. 573 Sachs, in: Stern (Hrsg.), Staatsrecht, Bd. III/2, § 81 V 4, S. 585; Wülfing, Grundrechtliche Gesetzgebungsvorbehalte, S. 117, Rn. 67. 574 Ehmke,VVDStRL 20 (1963), S. 53, 89 ff. 575 Als Ausdruck verschiedener Konkretisierungsgrade findet sich im Schrifttum die Differenzierung in Staatszwecke, Staatsziele und Staatsaufgaben, vgl. Murswiek, Umweltschutz als Staatszweck, S. 5; Link, VVDStRL 48 (1990), S. 7, 18. Als höchste Abstraktionsebene enthalten Staatszwecke die Verpflichtung auf das Gemeinwohl, die Friedenssicherung von innen und außen, Wohlfahrt im weitesten Sinn und die Gewährleistung individueller und korporativer Freiheit, vgl. Isensee, in: ders./ P. Kirchhof, HbStR, Bd. III, § 57, Rn. 2. Sie werden in Richtung auf Art und Mittel ihrer Realisierung durch sog. Staatszielbstimmungen konkretisiert, vgl. Ress, VVDStRL 48 (1990), S. 56, 62. Aus den Staatszielbestimmungen lassen sich wiederum die Staatsaufgaben i. e. S. als weitere Konkretisierungsstufe ableiten. 576 Schnapp, JuS 1978, S. 729, 735. 577 Kluth, Funktionale Selbstverwaltung, S. 416.

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kungsentfaltung im Bürger-Staat-Verhältnis ausgerichtet sind, kann ihnen eine materielle Regelungskomponente also nicht grundsätzlich abgesprochen werden. Zu einem gegenläufigen Belang der Grundrechte können sich Staatsaufgaben allerdings nur dann verdichten, wenn die entsprechende Aufgabe hinreichend konkret geregelt ist. Hinsichtlich der Legitimation von Sozialversicherungsbeiträgen zeigt der Wortlaut der Art. 74 Abs. 1 Nr. 12, 87 Abs. 2 und 120 Abs. 1 S. 4 GG, daß die Sozialversicherung durch das Grundgesetz selbst vorgesehen ist. Dementsprechend läßt sich Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG als Grundlage einer an die Legislative gerichteten Pflicht zur Regelung der Materie der Sozialversicherung interpretieren. Für ein gewisses Regelungsinteresse spricht auch, daß die Verfassung die organisatorische Gestaltung der Gewährung sozialer Sicherheit insofern bestimmt, als Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG mit „Versicherung“ eine inhaltliche Ausrichtung zur organisatorischen Erfüllung aufweist. Eine solche Verbindung von Aufgabenbeschreibung und Mittelbenennung in der Kompetenznorm bedeutet eine konkrete und damit überprüfbare Anweisung für die Inanspruchnahme einer Kompetenz578. Anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß das Grundgesetz den Gesetzgeber nicht verpflichtet, eine Sozialversicherung durchzuführen, Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG insofern also keine den Art. 21 Abs. 3 und 98 Abs. 1, Abs. 3 S. 1 GG vergleichbare imperative Funktion zukommt. Da jede rechtsgültige Kompetenz prinzipiell auch ihre Nutzung legitimiert, kann eine Kompetenznorm auch fakultatives kompetentielles Handeln legitimieren579. Allerdings bleibt die Überprüfung der konkreten kompetentiellen Inanspruchnahme an den Grundrechten notwendig, nur die Kompetenznutzung als solche ist grundrechtsunbedenklich. c) Die „Versicherungsfremdheit“ als Schranke des krankensozialversicherungsrechtlichen Ausgleichs Zwar konzentriert sich die umfangreiche Diskussion um „versicherungsfremde Leistungen“ eher auf andere Sozialversicherungszweige. Jedoch kennt auch die gesetzliche Krankenversicherung eine Vielzahl von Leistungen, die als „versicherungsfremd“ bezeichnet werden580.

578

Lerche, AöR 90 (1965), S. 335, 341 f. Pestalozza, Der Staat 11 (1972), S. 161, 169, 185. 580 Zu den Problemen, für die gesetzliche Krankenversicherung brauchbare Kriterien zur Abgrenzung von versicherungsfremden und versicherungsangemessenen Leistungen zu finden, vgl. Frohn, SGb 2000, S. 1, 9; Krause, VSSR 1980, S. 115, 117 ff.; Wegmann, Transferverfassungsrechtliche Probleme der Sozialversicherung, S. 264 ff. Zuletzt listete Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 66 f., die 579

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Da der Terminus „versicherungsfremd“ in verschiedener Weise definiert wird, ist er als solcher nur wenig aussagekräftig. Nach teilweise vorzufindender Verwendung sagt er nichts über die Verfassungsmäßigkeit sozialversicherungsrechtlich wahrgenommener Aufgaben, sondern soll nur Abweichungen vom Idealbild einer Versicherung beschreiben. In diesem Sinne gibt es im rechtswissenschaftlichen Schrifttum581 vereinzelt die Ansicht, in einem umlagefinanzierten Sicherungssystem mit vorgeschriebenem Leistungskatalog könne es Fremdlasten ex definitione nicht geben, weil sich nach dem Grundsatz der Globaläquivalenz in einer Rechnungsperiode Einnahmen und Ausgaben stets decken müßten. Auch das Bundessozialgericht nutzt den Ausdruck „versicherungsfremd“ als Synonym für Elemente des „sozialen Ausgleichs“ zwischen den Versicherten, ohne zugleich Aussagen über deren Verfassungsmäßigkeit zu treffen. In seiner Entscheidung vom 29.1.1998582 hatte es über den Antrag eines in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtversicherten zu entscheiden, seine Beiträge nach demjenigen Beitragssatz neu festzusetzen, der sich ergeben hätte, wenn die gesetzliche Rentenversicherung von versicherungsfremden Leistungen befreit wäre. In diesem Zusammenhang führte das Gericht aus, für die Frage, ob eine als sozialversicherungsrechtlich eingestufte Leistung sozialversicherungsgemäß oder sozialversicherungsfremd sei, halte Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG keinen Maßstab bereit. Gebe es aber keinen Abgrenzungsmaßstab, so obliege die Abgrenzung zwischen versicherungsfremden und versicherungsgemäßen Leistungen allein der politischen Einschätzung des Gesetzgebers. Bei Zugrundelegung der durch das Bundessozialgericht verwendeten Begrifflichkeiten wäre jedoch eine Unterscheidung zwischen versicherungsfremden und versicherungsimmanenten Leistungen kaum denkbar. Sie erlaubt daher keine sachgerechte Grenzziehung zwischen den durch Sozialversicherungsbeiträge und durch Steuern zu finanzierenden Aufgaben583. Soweit man mit der Kategorisierung von Aufgaben als „versicherungsfremd“ zugleich eine verfassungsrechtliche Beurteilung anstrebt, findet diese zum einen hinsichtlich der Fragestellung Anwendung, inwiefern die Mitgliedergemeinschaft eines Sozialversicherungsträgers durch Einbettung neuer Gruppen in personeller Hinsicht ausgeweitet werden darf. Versicherungsfremd im Sinne allgemeiner, nur durch Steuern zu finanzierender Aufgaben sind nach überwiegender Ansicht weiter solche, die nicht dem Kreis Bestandteile des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung auf, welche als „versicherungsfremd“ diskutiert werden. 581 Vgl. van Almsick, SozVers 1990, S. 5, 10 f.; Bergner, SozVers 1997, S. 225, 233. 582 BSGE 81, 276 ff. 583 Vgl. Rolfs, NZS 1998, S. 551, 556.

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der Versicherten zugute kommen. Grundlage dieser These ist vor allem, daß in der Versicherungswirtschaft nicht nur ein individueller, sondern auch ein globaler Äquivalenzbegriff existiert, der auf die Gleichheit von Schadensaufwendungen und Nettoprämien abstellt584. Zu den Fremdlasten sollen in diesem Zusammenhang auch Fallgruppen gehören, in denen der Gesetzgeber das Aufgabenspektrum der Sozialversicherungsträger auf Bedarfslagen erstreckt, welche der Ebene der Gesamtgesellschaft zuzuordnen wären. Innerhalb der letztgenannten Kategorie führt man in Rechtsprechung und Literatur seit langem die Diskussion, ob und inwieweit Elemente des Familienlastenausgleichs585 in die Sozialversicherung verortet werden dürfen. Konkret stellt sich an dieser Stelle die für die soziale Pflegeversicherung bereits höchstrichterlich aufgeworfene Frage, ob generative Faktoren nicht nur auf der Leistungsseite der Sozialversicherung, sondern durch Integration in die Beitragsbemessung auch auf der Einnahmenseite berücksichtigt werden sollen und dürfen, um systembedingte Defizite einer Sicherungseinrichtung zu kompensieren. In seinem Urteil vom 3.4.2001 erklärte das Bundesverfassungsgericht586 es mit Art. 3 Abs. 1 i.V. m. Art. 6 Abs. 1 GG nicht vereinbar, daß Mitglieder der sozialen Pflegeversicherung, die Kinder erziehen, mit einem gleich hohen Pflegeversicherungsbeitrag belastet werden wie Mitglieder ohne Kinder. Da die Pflegeversicherung ein mit dem Alter der Versicherten zunehmendes Risiko abdecke und im Umlageverfahren finanziert werde, müsse die jeweils erwerbstätige Generation die Kosten für die vorangehende Generation mittragen; deshalb sei für das System nicht nur die monetäre Beitragszahlung, sondern auch die Kindererziehung konstitutiv587. Kinderlosen, die lediglich monetäre Beiträge gezahlt, aber keinen „generativen Beitrag“ geleistet hätten, erwachse daher ein Vorteil gegenüber Versicherten mit Kindern. Die hieraus resultierende Benachteiligung von Eltern sei innerhalb des Systems im Beitragsrecht auszugleichen588. 584 Mahr, Einführung in die Versicherungswirtschaft (1951), S. 136 ff.; ihm folgend Krause, VSSR 1980, S. 115, 144. 585 Isensee, in: Zacher (Hrsg.), Die Rolle des Beitrags, S. 461, 476; Niemeyer/ v. Almsick, DRV 1988, S. 41 ff. 586 BVerfG, in: NJW 2001, S. 1707 f. 587 In Deutschland ist seit Mitte der sechziger Jahre die Zahl der Lebendgeborenen je Frau von 2,49 auf mittlerweile 1,3 gesunken. Wollte man die heutige Altersstruktur durch eine Erhöhung der Geburtenrate oder durch Einwanderung stabilisieren, müßten nach Angaben des Sachverständigen Birg rein rechnerisch entweder die Geburtenrate pro Frau im gebärfähigen Alter von 1,3 umgehend auf 3,8 steigen oder es müßten 188 Mio. jüngere Personen zum Jahr 2050 einwandern. 588 Das BVerfG, in: NJW 2001, S. 1707 f. argumentiert weiter, der Gesetzgeber könne die Benachteiligung von Eltern solange vernachlässigen, wie eine deutliche Mehrheit der Versicherten Kinder bekommt und betreut. Jedoch sei schon bei Einführung des SGB XI im Jahre 1994 bekannt gewesen, daß die Zahl der Kinderlosen in der Gesellschaft drastisch ansteigt. Der Gesetzgeber habe daher nicht davon aus-

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Die gesetzliche Krankenversicherung wird in dieser höchstrichterlichen Stellungnahme zum Familienlastenausgleich in der sozialen Pflegeversicherung zwar nicht ausdrücklich benannt. Jedoch gibt das Gericht dem Gesetzgeber auf, die Bedeutung der Entscheidung auch für andere Zweige der Sozialversicherung zu prüfen. Überdies wird aus der Argumentation in der Begründung des Urteils deutlich, daß Auswirkungen des Urteils auf die gesetzliche Krankenversicherung nicht von vornherein auszuschließen sind. Eine Analyse der grundlegenden Strukturen von sozialer Pflegeversicherung und gesetzlicher Krankenversicherung ergibt nämlich, daß die gesetzliche Krankenversicherung ebenso wie die soziale Pflegeversicherung für ihre Finanzierung auf die Beiträge der nachfolgenden Generation angewiesen ist589. Die vom Gericht gezogene Schlußfolgerung, daß Eltern in diesem System spezifisch belastet werden, wenn die Kindererziehung nicht mehr von der großen Mehrheit der Versicherten geleistet werde, ließe sich insofern auf die gesetzliche Krankenversicherung übertragen. Der Gesichtspunkt, daß die gesetzliche Krankenversicherung anders als die gesetzliche Rentenversicherung590 auf der Leistungsseite kaum Einfallstore für familienspezifische Differenzierungen bietet und der Ausgleich etwaiger systembedingter Sonderbelastungen versicherter Eltern daher lediglich über die Beitragsbemessung erfolgen kann, verstärkt diese Vermutung591. Indes unterliegt der durch das Bundesverfassungsgericht geforderte Einfluß generativer Elemente auf die sozialversicherungsrechtliche Beitragsbemessung grundlegenden Bedenken. Da die Versicherten nur eine Teilmenge der Gesamtbevölkerung bilden, bedürfen generative Bemessungskomponenten wie die Differenzierung nach dem Beitragssatz oder die Einführung kindbezogener Freibeträge einer besonderen Rechtfertigung vor dem allgemeinen Gleichheitssatz. Eine Beitragsdifferenzierung nach generativen Faktoren sähe sich der Frage ausgesetzt, weshalb vergleichbare Personenkreise in vergleichbaren Sicherungssystemen von einer solchen Zusatzbelastung gehen dürfen, daß die große Mehrheit der Versicherten sowohl Beiträge zahlen als auch Kinder erziehen würde. Für eine Neuregelung der §§ 54 Abs. 1, 2; 55 Abs. 1 S. 1, 2; 57 SGB XI setzte das Gericht dem Gesetzgeber daher eine Frist bis zum 31.12.2004. 589 Im Gegensatz zur privaten Krankenversicherung (vgl. §§ 12 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4a, 12a VAG) bildet die gesetzliche Krankenversicherung keine Altersrückstellungen für altersabhängige Risikoerhöhungen, sondern wird wie die soziale Pflegeversicherung im reinen Umlageverfahren finanziert, § 220 Abs. 1 SGB V. Die jüngeren Versicherten müssen also höheren Kosten für die älteren Versicherten tragen. 590 Als familienfördernde Elemente auf der Leistungsseite kennt die gesetzliche Rentenversicherung z. B. die Kinderberücksichtigungszeiten, vgl. §§ 56 ff. SGB VI. 591 Die gesetzliche Krankenversicherung sieht bereits in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung auf der Beitragsseite die beitragsfreie Mitversicherung von Ehepartnern und Kindern ohne eigenes bzw. mit lediglich geringfügigem Arbeitsentgelt vor, vgl. § 10 SGB V.

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nicht betroffen sind. Auch die Kinder dieser Eltern tragen potentiell dazu bei, einen hinreichenden Kreis von Beitragszahlern zu erhalten. In der Konsequenz der Grundentscheidung des Verfassungsgebers, zur Finanzierung allgemeiner Staatsaufgaben die Steuer einzusetzen, liegt es, den sozialen Ausgleich, welchem auch der allgemeine Familienlastenausgleich zuzuordnen ist, aus dem Steueraufkommen zu finanzieren. Demgegenüber wäre es inkonsequent und systemwidrig, neben dem steuerlichen Ausgleich nochmals einen allgemeinen zusätzlichen Einzelausgleich über die Institution der Sozialversicherung herzustellen. Zwar steht es dem Gesetzgeber durchaus frei, den staatlichen Familienlastenausgleich auch über die sozialversicherungsrechtliche Beitragsbemessung durchzuführen. Die Finanzierung etwaiger Vergünstigungen muß jedoch durch am Leistungsfähigkeitsprinzip orientierte Steuereinnahmen erfolgen, so daß für entsprechende Subventionierungen nicht der Kreis der Versicherten, sondern die steuerzahlende Gesamtbevölkerung aufkäme. In diese Richtung geht auch eine auf die gesetzliche Rentenversicherung bezogene Entscheidung des Bundesverfassungsgericht592. In dieser hatte das Gericht festgestellt, daß sich aus dem Grundgesetz keine Pflicht des Gesetzgebers ableiten lasse, hinsichtlich der Begründung von Rentenanwartschaften die Kindererziehung der Beitragszahlung gleichzustellen593. Kindererziehung und Beitragszahlung seien nicht gleichartig, und die unterschiedliche Funktion der beiden Leistungen für das Rentensystem rechtfertige auch ihre Ungleichbehandlung bei der Begründung von Rentenanwartschaften594. Auf dieses Urteil nahm das Gericht auch in seiner Entscheidung zur Pflegeversicherung bezug, als es feststellte, daß „sich konkrete Folgerungen für die einzelnen Rechtsgebiete und Teilsysteme (nicht ableiten lassen). Insoweit besteht vielmehr grundsätzlich Gestaltungfreiheit des Gesetzgebers“. Diesem Grundsatz entspricht auch, daß die nicht durch Beiträge gedeckten Leistungen der gesetzlichen Rentenversicherung mit Zahlungen aus dem Bundeshaushalt ausgeglichen werden595. Insgesamt bleibt daher festzustellen, daß der Ausgleich familienspezfischer Sonderbelastungen als zentrale gesamtgesellschaftliche Aufgabe bes592

BVerfGE 87, 1 ff. BVerfGE 87, 1, 39. 594 BVerfGE 87, 1, 39. 595 Gegenwärtig wird mehr als ein Drittel des gesamten Finanzaufkommens der gesetzlichen Rentenversicherung nicht aus Beiträgen der Versicherten, sondern aus Mitteln des Bundeszuschusses oder auf andere Weise aus Steuermitteln finanziert. 1999 floß der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten aus allgemeinen Haushaltsmitteln ein Bundeszuschuß in Höhe von insg. ca. 83,2 Mrd. DM, der knappschaftlichen Rentenversicherung ein Zuschuß von ca. 14,1 Mrd. DM zu, vgl. Bundesministerium der Finanzen, Der Finanzplan des Bundes 1999–2003, 1999, S. 17 f. 593

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ser über das leistungsfähigkeitsbezogene Steuer- und Transfersystem durchgeführt werden sollte. 3. Die Homogenität als Rechtfertigungsansatz der Redistribution Die formal-organisatorische Isolierung des krankensozialversicherungsrechtlichen Einkommensausgleichs bringt die Gefahr mit sich, daß der Grundsatz der Lastengleichheit ohne sachlichen Grund auf mittelbarem Wege ausgehöhlt und durchbrochen wird596. Der Gesetzgeber darf das Fehlen vernünftiger Differenzierungsgesichtspunkte grundsätzlich nicht dadurch überspielen, daß er in korporative und korporationsähnliche Organisationsformen mit einem entsprechend verengten Kreis von Abgabenpflichtigen ausweicht. Allerdings kommt für die Rechtfertigung des krankensozialversicherungsrechtlichen Einkommensausgleichs der Rückgriff auf die Sonderabgabenjudikatur597 in Betracht. Hiernach sind parafiskalische Ausgleichssysteme aus verfassungsrechtlicher Sicht legitim, wenn die Abgabenpflichtigen einen homogenen Personenkreis bilden, eine gewisse Sachnähe zur wahrgenommenen Aufgabe haben und die Gesamtheit des Abgabenaufkommens gruppennützig verwendet wird. Zwar stellen Sozialversicherungsbeiträge gegenüber Sonderabgaben ein „aliud“598 dar. Dennoch können deren Legitimationsvoraussetzungen für die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung von Sozialversicherungsabgaben fruchtbar gemacht werden. Anders als die im Grunde verfassungsrechtlich gebilligten Sozialversicherungsbeiträge599 durchbrechen Sonderabgaben das Prinzip der Lastengleichheit ohne ausdrückliche grundgesetzliche Ermächtigung und unterliegen infolgedessen besonders strengen Legitimationsvorgaben. Erfüllt eine sozialversicherungsrechtliche Abgabe diese Vorgaben, stellt sie sich dem Gedanken des „argumentum a minore ad maius“600 entsprechend gleichermaßen als verfassungsgemäß dar. Lassen die Kriterien der Homogenität, der Sachnähe und der Gruppennützig596

Grundsätzlich Selmer, Steuerinterventionismus und Verfassungsrecht, S. 369. Vgl. Friauf, DB 1991, S. 1773, 1775 unter Verweis auf Maunz, in: ders./Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 74 Rn. 174; Klein, in: Schmidt-Bleibtreu/Klein, (Hrsg.), Grundgesetz, Art.105 GG Rn. 8; Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 18; Klein, DB 1981, S. 370, 371, 373; Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, S. 154 bezeichnet insbesondere Arbeitgeberbeiträge als „lohnbezogenen Sonderabgaben“; Wegmann, Transferverfassungsrechtliche Probleme der Sozialversicherung, S. 316 f. 598 Siehe 2. Teil C. II. 6. c). 599 Siehe 2. Teil C. II. 6. c). 600 Zum „Erst-recht-Schluß“ vgl. Zippelius, Juristische Methodenlehre, S. 69; Koch, Juristische Begründungslehre, S. 259. 597

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keit also bereits einen Ausgleich durch Sonderabgaben als gleichheitskonform erscheinen, muß dieses „erst recht“ für Krankensozialversicherungsbeiträge gelten. Indes fehlt es in der gesetzlichen Krankenversicherung bereits an der Homogenität der durch die Krankensozialversicherungsabgaben Belasteten. Zwar ist nach Ansicht von Kloepfer601 die Zusammenfassung der Versicherten in der Solidargemeinschaft selbst solidaritätsstiftend. Der Gesetzgeber schaffe durch seine Entscheidung eine Rechtskategorie von Personen, die bei effektiver Rechtsanwendung zur Sozialkategorie werde, aus der sich dann kraft Integration durch Selbstverwaltung eine integrierte soziale Gruppe mit Gruppenbewußtsein und mit Solidarität durch Interessengleichheit bilde602. Insoweit stifte der Gesetzgeber selbst – sozialstaatlich legitimiert und in seiner gesetzgeberischen Dispositionsbefugnis lediglich durch das Willkürverbot begrenzt – durch seine Entscheidung Solidarität auch zwischen den verschiedenen Gruppen603. Kloepfer ist zuzugeben, daß jede Versicherung, also auch die gesetzliche Krankenversicherung, insofern solidarisch geprägt ist, als von den Versicherten Leistungen in der Erwartung erbracht werden, daß auch andere das gleiche tun werden604. Diese Solidarität bezieht sich aber allein auf den jeder Versicherung immanenten Risikoausgleich und kann nicht Legitimationsgrundlage darüber hinaus stattfindender systematischer interpersoneller Umverteilungsvorgänge sein. Daher trifft die Vorstellung Kloepfers von einer Grundrechtsbeschränkungen legitimierenden gesetzgeberischen Disposition zur Stiftung von Solidarität nicht zu. Für das Homogenitätserfordernis muß die Gruppenbildung vielmehr auf in der Rechts- und Sozialordnung materiell vorgegebenen Gesichtspunkten beruhen605. Es verlangt eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder sonstige Besonderheiten, mit denen sie sich von anderen Gruppen abhebt606. Für die Feststellung einer Homogenität zwischen den Sozialversicherten kommen – wie Leisner607 herausgearbeitet hat – verschiedene Anknüpfungspunkte in Betracht: Einen Ansatz für die Feststellung der Homogenität von Sozialversicherten bilden soziologisch-ökonomische Zusammenhänge. Die Homogenität 601 602 603 604 605 606 607

Kloepfer, VSSR 1974, S. 156, 160 f. Kloepfer, VSSR 1974, S. 156, 160. Kloepfer, VSSR 1974, S. 156, 160. Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, S. 175. BVerfGE 82, 159, 180. BVerfGE 55, 274, 305. Leisner, Sozialversicherung und Privatversicherung, S. 89.

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würde insofern auf dem Ursprung der Sozialversicherung als Absicherung der Arbeitnehmerschaft beruhen. Die Annahme einer fiktiven Gesamtsolidarität innerhalb der Arbeitnehmerschaft wurzelt in der damals neuartigen Sozialsituation, in der sich alle Arbeitnehmer zum Anfang der Industriegesellschaft befanden608. Eine so verstandene Solidarität zwischen den Arbeitnehmern wird mittlerweile nahezu im gesamten Schrifttum als realitätsfern angesehen609. In der gesetzlichen Krankenversicherung sind die „unterschiedlichsten Personengruppen“610 versichert611. Während sich die Sozialversicherung ehemals am sog. Normalarbeitsverhältnis orientierte, entstehen mittlerweile im großen Umfang individualisierte Erwerbsbiographien, die sich nicht mehr in überkommene Schemata einordnen lassen612. Ausprägungen solcher Abweichungen vom Normalarbeitsverhältnis sind insbesondere befristete Arbeitsverhältnisse, Leiharbeit, Teilzeitarbeit und die Formen der sog. „neuen Selbständigkeit“. Selbst die Arbeitnehmerschaft als „Archetyp“613 der gesetzlichen Krankenversicherung bildet daher insgesamt keine stärkere homogene Gruppe als die bei einer allgemeinen Versicherungspflicht einzubeziehenen Selbständigen. Beide Gruppen weisen erhebliche Unterschiede in sozialer Schichtung und ihren Tätigkeitsfeldern auf614. Auch die Gruppe der Selbständigen ist völlig inhomogen: Das Spektrum der Selbständigen reicht von Inhabern größter Betriebe über Freiberufler und Handwerker bis hin zu Personen im Grenzbereich zwischen Arbeitnehmereigenschaft und Selbständigkeit. Es gibt neue Formen der Selbständigkeit, die sich nicht mehr in bestimmte abgrenzbare Berufsbilder einordnen lassen und innerhalb dieser Gruppe höchst unterschiedliche Ausprägungen der konkreten Schutzbedürftigkeit. Diese Argumentation läßt sich am Risiko der Invalidität verdeutlichen: Wenn bei Selbständigen die Arbeitskraft im Vordergrund steht, hat der Eintritt der Invalidität existentielle Auswirkungen (vgl. z. B. die freien Berufe). Andere Selbständige können ihre Arbeit wiederum so organisieren, daß sie auch bei eingeschränkter Arbeitsfä608

Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, S. 245. Vgl. nur Wallerath, in: FS Krasney, S. 697, 714, der bezweifelt, ob die geforderte Solidaritätsbeziehung eine vom Gesetzgeber in der sozialen Wirklichkeit „vorgefundene“, nicht dagegen „von außen her gestiftete“, also an den Pflichtigen herangetragene, sei. 610 BVerfGE 76, 256, 305. 611 Zur Entwicklung des krankensozialversicherten Personenkreises siehe 2. Teil C. II. 5. b). 612 Die Kommission für Zukunftsfragen der Freistaaten Bayern und Sachsen (1996, Erwerbstätigkeit und Arbeitslosigkeit in Deutschland, Entwicklung, Ursachen und Maßnahmen, Bonn 1997, Bd. 1, S. 64) schätzt, daß der Anteil der Personen im „Normalarbeitsverhältnis“ in Westdeutschland zwischen 1970 und 1995 von fast 84 Prozent auf 68 Prozent aller abhängig Beschäftigten zurückgegangen ist. 613 Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 445. 614 Krasney, Rechtsgutachten, S. 82. 609

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higkeit in der Lage sind, ihren Betrieb weiterzuführen. Betrachtet man die verschiedenen Branchen, Unternehmensformen, Betriebsgrößen und -strukturen, läßt die personelle Zusammensetzung der Sozialversicherten daher heute nur noch eine Unterscheidung von Versicherten und Nichtversicherten zu615. Ebensowenig kann die Gleichartigkeit der versicherten Risiken eine Homogenität der Versicherten begründen. Zwar bejaht Isensee616 die gesellschaftliche Homogenität der Sozialversicherten bereits aufgrund ihres „im wesentlichen gleichgelagerten Bedürfnisses nach sozialer Sicherstellung im Versicherungsfall“. Als „Legitimationsprobe“ für eine festzustellende Homogenität der Versicherten stellt er darauf ab, ob das typische ausgleichsbelastete Mitglied bei normalem Gang seiner Lebensverhältnisse selbst einmal in den Genuß der Ausgleichsleistungen gelangen könnte. Speziell für die gesetzliche Rentenversicherung hat Ruland ausgeführt, die Gemeinsamkeit der Solidargemeinschaften der Angehörigen der Rentenversicherung liege darin, daß die Mitglieder der Solidargemeinschaften ihre Arbeitskraft im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder einer selbständigen Tätigkeit zum Erwerb von Arbeitsentgelt oder -einkommen einsetzen und dabei dem Risiko unterliegen, ihre Erwerbsfähigkeit zu verlieren mit der Folge, daß für die Versicherten oder die Hinterbliebenen für den Fall der Erwerbsminderung, des Alters oder des Todes ein bestimmter Bedarf entstehe617. Durch das Sicherungsinteresse gegenüber einem individuell vorliegenden Risiko wird jedoch lediglich ein homogener Bezug zum Risiko hergestellt. Über das Verhältnis der versicherten Personen untereinander kann es demgegenüber keine Aussagen treffen. Gleiches muß auch für die gesetzliche Krankenversicherung gelten: Die Gemeinsamkeit zwischen den Versicherten, daß sie ihre Arbeitskraft im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder einer selbständigen Tätigkeit zum Erwerb von Arbeitsentgelt oder -einkommen einsetzen und dabei dem Risiko der Krankheit unterliegen, führt nicht zu einer abgabenrechtlich erfaßbaren Homogenität des betroffenen Personenkreises. Aus dem gemeinsamen Interesse aller Versicherten, sich gegen das Risiko der krankheitsbedingten Erwerbsausfälle zu schützen, kann keine gesteigerte Verantwortung der Versicherten untereinander hergeleitet werden. Dieses Ergebnis wird durch die Überlegung gestützt, daß die durch die gesetzliche Krankenversicherung nicht einbezogenen Privatversicherten gleichermaßen dem Krankheitsrisiko unterliegen, die Krankensozialversicherten also auch 615 Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, S. 45: „Eine Unterscheidung homogener Gruppen innerhalb der Sozialversicherung nach anderen Kriterien wäre nicht normativ, sondern fiktiv“. 616 Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 18. 617 Ruland, in: VDR/Ruland (Hrsg.), HdR, Rn. 65.

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insofern keinen abgrenzbaren Personenkreis innerhalb der Gesamtbevölkerung bilden. Die Homogenität der Krankensozialversicherten kann ebensowenig auf die beschränkte finanzielle Leistungsfähigkeit der Krankensozialversicherten, eigenverantwortliche Vorsorge gegenüber dem Krankheitsrisiko zu betreiben, gestützt werden. Denn wie bereits dargelegt bedürfen nichtsteuerliche Abgaben für ihre Rechtfertigung eines besonderen, von der Leistungsfähigkeit abzuschichtenden Grundes ihrer Erhebung618. Kann also schon eine hohe finanzielle Leistungsfähigkeit die Erhebung von Sozialversicherungsabgaben nicht legitimieren, muß dieses erst recht auch für die mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit gelten, welche sich in einer relativen Vorsorgeschwäche niederschlägt. Erst recht nicht befürworten läßt sich die Vorstellung einer die Gesamtheit aller Arbeitnehmer und Arbeitgeber umfassenden homogenen Gruppe, die durch eine gemeinsame, in der Rechtsordnung oder in der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorgegebene Interessenlage oder durch besondere gemeinsame Gegebenheiten von der Allgemeinheit oder von anderen Gruppen abgrenzbar sei619. Im Gegenteil besteht – wie Friauf darlegt – ein „natürlicher Interessengegensatz“620 zwischen den ausschließlich zur Fremdfinanzierung herangezogenen Arbeitgebern auf der einen und den beitragspflichtigen Versicherten auf der anderen Seite. Bei Anwendung der an Sonderabgaben gestellten Anforderungen auf Sozialversicherungsbeiträge gelingt eine Legitimation der sozialversicherungsrechtlichen Abgabenlasten wie gezeigt nicht. Vielmehr muß die Rechtfertigung der sozialversicherungsrechtlichen Abgabenbelastung unabhängig von der Sonderabgabenjudikatur erfolgen.

II. Die relative Vorsorgeschwäche als Legitimation des Sozialversicherungsbeitrags Die entscheidende Grundlage der Rechtfertigung des Sozialversicherungsbeitrags kann allein in der typisierten Vorsorgebedürftigkeit des einzelnen Versicherten liegen. Es dürfen nur diejenigen in die Sozialversicherung einbezogen werden, die „im Wandel der Verhältnisse und Anschauungen nun ebenfalls im gewissen Sinn und Umfang sozial schutzbedürftig geworden sind“621. Das hiermit beschriebene Prinzip der Schutzbedürftigkeit verweist auf ein Sicherungsbedürfnis der Betroffenen, das anstelle der Eigenvorsorge 618 619 620 621

Siehe 2. Teil G. I. 2. a). BVerfGE 67, 256, 276; 82, 150, 180. Friauf, DB 1991, S. 1773, 1777. BVerfGE 10, 354, 367.

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sozialrechtliche, auf Zwang gegründete Vorsorge nötig macht622. Es bezeichnet das typisierend erfaßte Angewiesensein des einzelnen auf eine in den Grenzen der Privatrechtsordnung nicht verfügbare Absicherung gegenüber elementaren Lebensrisiken623. Nur in solchen Fällen unterliegt der Sozialversicherungsbeitrag zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung einer speziellen Legitimation aus einem „Sozialtatbestand“, welcher „eine ausgleichende Hilfe der Gemeinschaft rechtfertigt“624. 1. Die Unentbehrlichkeit individueller Vorsorgeschwäche als Legitimationsgrundlage Die Vorstellung der herausragenden Bedeutung der relativen Schutzbedürftigkeit für die Rechtfertigung der zwangsweisen Einbeziehung in die gesetzliche Krankenversicherung stößt in der Literatur nicht einhellig auf Zustimmung. Nach Ruland625 darf das Kriterium der Schutzbedürftigkeit einer Einbeziehung weiterer Versicherungsgruppen in die Sozialversicherung grundsätzlich nicht entgegenstehen. Auch nach Ansicht von Wannagat müsse sich die Sozialversicherung nicht auf „bestimmte minderbemittelte Bevölkerungsschichten“ beschränken; Gegenstand soll vielmehr das „berechtigte Sicherungsbedürfnis aller Glieder der Gesellschaft“626 sein. Bei Fehlen eines individuellen Schutzbedürfnisses könne – so Schulin627 – die Ausweitung des Versichertenkreises unter dem Aspekt der Sicherstellung der Leistungsfähigkeit der Soldidargemeinschaft gerechtfertigt werden. Alternativ zur individuellen Schutzbedürftigkeit lasse sich eine Legitimation von Grundrechtseingriffen nämlich auch mit dem Schutz der Allgemeinheit davor, daß der einzelne keine Vorsorge gegen allgemeine Lebensrisiken treffe und das wirtschaftliche Risiko den Steuerzahlern aufgebürdet werde, begründen628. Gegen das Kriterium individueller Schutzbedürftigkeit wendet sich Schulin darüber hinaus mit dem Argument, angesichts der hohen Behandlungskosten sei die Schwelle des finanziell Überschaubaren inzwi622 Jantz, ZVersWiss 1973, S. 213 f. spricht von einem objektiven Schutzbedürfnis, weil seine Festlegung nach objektiven und gleichmäßigen Kriterien, die nicht immer im Einzelfalle mit der subjektiven Situation und dem Willen der Betroffenen übereinstimmen müssen, erfolgt. 623 Vgl. Merten, in: Schulin (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1 § 5 Rn. 113; BVerfGE 18, 257, 270; 25, 314, 322; 40, 65, 76; 44, 70, 89. 624 BVerfGE 11, 105, 113. 625 Ruland, DRV 1985, S. 13, 29; ders., in: Bieback (Hrsg.), Die Sozialversicherung und ihre Finanzierung, S. 141, 149. 626 Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, S. 30; vgl. auch Neumann, NZS 1998, S. 401, 407. 627 Schulin, in: ders. (Hrsg.), HBSVR, Bd. 1, § 6 Rn. 184, 199. 628 Vgl. Neumann, NZS 1998, S. 401, 407.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

schen für jedermann erreicht. Deshalb gerate auch ein Arbeitnehmer mit hohem Einkommen, welcher nicht mehr der Versicherungspflicht unterliege, schnell an die Grenzen seiner wirtschaftlichen Möglichkeiten. Zudem sei durch die Grundsicherung der Sozialhilfe kein Bürger mehr auf eine erzwungene Vorsorge vor existentieller Not angewiesen. Daher erstrebe die Sozialversicherung über die Befriedigung des individuellen Sicherungsrisikos hinaus heute im immer stärkeren Maße den Schutz des weit überwiegenden Teils der Bevölkerung vor mangelnder Eigenvorsorge des Einzelnen. Entgegen dieser Kritik kann die Beschränkung der Vorsorgefreiheit der Versicherten jedoch nicht allein mit dem Zweck des Schutzes der Interessen der Allgemeinheit oder der Interessen Einzelner begründet werden. Das öffentliche Interesse der Allgemeinheit baut vielmehr auf dem Eigeninteresse des Versicherten und dessen Verantwortung für die wirtschaftlichen Grundlagen der eigenen Existenz auf. Das einzige legitime Ziel bei der Grundrechtseinschränkung durch das Sozialversicherungsrecht ist die „Beförderung der Sicherheitsbelange desjenigen, der – als Versicherter – von diesen Einschränkungen betroffen“ ist629. Deshalb bietet auch die Vermeidung der Inanspruchnahme von Sozialhilfe keinen hinreichenden Rechtfertigungsgrund für die Belastung mit Krankensozialversicherungsbeiträgen. Überdies erklärte eine solche Konstruktion nicht, weshalb der Leistungsumfang zumindest der einkommensbezogenen Leistungen der Krankensozialversicherung den der Sozialhilfe deutlich übertrifft630. Ebensowenig überzeugt der Einwand Schulins, das Krankheitsrisiko sei für Einzelpersonen generell unüberschaubar. Die existierenden privaten Krankenversicherungen zeigen gerade, daß ein privater Versicherungsschutz bei einer gewissen finanziellen Vorsorgefähigkeit durchaus sichergestellt werden kann. Liegt das Einkommen von Personen über dieser Bemessungsgrenze, darf deren finanzielle Leistungsfähigkeit vermutet werden, den eigenen Versicherungsschutz mit Hilfe privater Kassen finanzieren zu können.

629

Hase,Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 63. Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 61 f. sieht das Verhältnis zwischen dem Sozialversicherungs- und Sozialhilferecht eher umgekehrt: „Die Entwicklungsdynamik der Sozialversicherung gibt bestimmte Sicherungserwartungen vor, die schließlich in das Sozialhilferecht übernommen werden“. Zur Bezugnahme sozialhilferechtlicher Regelungen auf das Krankensozialversicherungsrecht vgl. §§ 26 Abs. 2 S. 2; 37 Abs. 2 S. 2; 37a; 38 Abs. 2 S. 2 BSHG. 630

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2. Der Solidarausgleich als „Zusatzversicherung“ Der soziale Ausgleich gehört von jeher zum „klassischen Bild der Sozialversicherung“. Gerade auch die gesetzliche Krankenversicherung ist nicht nach dem reinen Versicherungsprinzip gestaltet, sondern enthält „von jeher ein Stück staatlicher Fürsorge“631. Jedoch kann nicht der durch einkommensbezogene Beiträge durchgeführte Solidarausgleich, sondern allein die individuelle Schutzbedürftigkeit der Versicherten die zwangsweise Einbeziehung der Versicherten in die gesetzliche Sozialversicherung und die Auferlegung der Beitragslasten rechtfertigen. Insofern erscheint die Feststellung des Bundesverfassungsgericht bemerkenswert, rechtfertigende Gründe für die sozialversicherungsrechtlichen Regelungen fänden sich einerseits im Prinzip des „sozialen Ausgleichs“, andererseits im „Versicherungsprinzip“632. Die Funktion des Einkommensausgleichs in der gesetzlichen Krankenversicherung wird allerdings deutlich, wenn man mit Blick auf das Steuerstaatsprinzip folgendes bedenkt: Der soziale Ausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung – und nur diese Auslegung wird der grundgesetzlichen Finanzverfassung gerecht – ist nicht mit dem gesamtgesellschaftlichen Einkommensausgleich kongruent. Vielmehr dient die Redistribution der Durchführung der Versicherung. Der „relative Ausgleich“ stellt sich gleichsam – wie Hase633 treffend formuliert – als „Zusatzversicherung“, als Versicherung zweiter Ordnung dar. Er fängt „Einschränkungen der Vorsorgefähigkeit der Versicherten auf“ und trägt „den Sicherungsbelangen der Angehörigen Rechnung“634. Der soziale Ausgleich sichert mithin das Risiko der Minderung der Vorsorgefähigkeit ab, welches sich in dem Entfallen des Arbeitsvermögens der Versicherten bzw. der Vorsorgefähigkeit unterhaltsberechtigter Angehöriger, die aufgrund intrafamiliärer Rollen- und Arbeitseinteilung nicht hinreichend erwerbsfähig sind und in Fällen, in denen die erzielten Einkünfte keine hinreichende Absicherung erlauben, abbildet. Die Subsidiarität der Elemente des sozialen Ausgleichs gegenüber der eigentlichen Versicherungskomponente zeigt sich auch darin, daß sie Leistungsansprüche nur dann vermitteln, wenn und soweit die begünstigten Angehörigen selbst für den eigenen Bedarf und die eigene Sicherheit nicht aufkommen können. Dagegen sollen diejenigen durch den sozialen Ausgleich nicht begünstigt sein, die selbst erwerbstätig sind und aus den Erträ631

Vgl. BVerfGE 10, 141, 166. Vgl. BVerfGE 79, 87, 101. 633 Hase, JZ 2000, S. 591, 595; ders., in: VSSR 1995, S. 25, 36 ff.; ders., in: VSSR 1996, S. 79, 86 ff. 634 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 264. 632

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gen der Arbeit den Lebensunterhalt bestreiten und für die Wechselfälle des Lebens Vorsorge treffen können635. Andererseits darf nicht unberücksichtigt bleiben, daß die Beitragsbemessung in der gesetzlichen Krankenversicherung zu einer Vermischung von interpersoneller Umverteilung zwischen den Versicherten und einer auf den einzelnen Versicherten beschränkten intertemporalen Umverteilung führt636. Denn auch ein zu einem bestimmten Zeitpunkt Höherverdienender, der versicherungsmathematisch betrachtet im Verhältnis zu dem ihm gewährten Krankenversicherungsschutz zuzahlt, hat oft innerhalb seines Berufslebens mit einem geringeren Verdienst angefangen und mußte dementsprechend weniger für seinen Krankenversicherungsschutz aufbringen. Da jedoch auch abweichende Entwicklungen denkbar sind, bewirkt die Sozialversicherung einen Schutz vor Veränderungen der Einkommenssituation des Versicherten, indem sie gegenüber Einkommensschwankungen Sicherheit bietet. Becker637 äußert Zweifel an dieser Einordnung des sozialen Ausgleichs als „Zusatzversicherung“ gegenüber Einkommensausfällen. Er wendet ein, die am Einkommen gemessene Leistungsfähigkeit könne kein durch die Sozialversicherung versicherbares Risiko sein, da es am für den Begriff der Versicherung konstitutiven Merkmal der Zufälligkeit des Risikoeintritts fehle. Dem ist zuzugeben, daß die Höhe des Einkommens maßgeblich von der Qualifikation sowie den Fähigkeiten des einzelnen und von seiner Bereitschaft abhängt, seine eigene Zeit, Kraft und Energie zur Einkommenserzielung zu verwenden. Gleichwohl steht die Höhe des Einkommens – wie Becker selbst einräumt – in Relation zu der individuellen körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit des einzelnen, welche durch ungewisse Ereignisse beeinflußt und beeinträchtigt werden kann638. Außerdem kann das Argument der mangelnden Zufälligkeit des Risikoeintritts auch mit Blick auf andere durch die Sozialversicherung abgesicherte Risiken nicht überzeugen. So steigt das in der gesetzlichen Krankenversicherung primär abgesicherte Krankheitsrisiko temporal betrachtet stetig an. Gleichermaßen tritt das „Rentenrisiko“ mit höchster Vorhersehbarkeit ein. Überdies würden hohe Anforderungen an das Kriterium der Zufälligkeit die gesetzliche Arbeitslosenversicherung in Frage stellen. Der Eintritt der Arbeitslosigkeit hängt stark von äußeren Faktoren wie der volkswirtschaftlichen Gesamtlage ab, wird aber auch von der subjektiven Beurteilung der Wirtschaftsentwicklung und der Personalpolitik der Arbeitgeber wie auch der Lohnpolitik beeinflußt, die durch individuelle Gegebenheiten in der Person des Arbeitnehmers gesteigert oder abgeschwächt werden können639. Effektiv beeinflussen 635 636 637 638

Hase, JZ 2000, S. 591, 595. Rüfner, Einführung in das Sozialrecht, S. 139. Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 162. Becker, Transfergerechtigkeit und Verfassung, S. 167.

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läßt sich die Länge der Bezugsdauer von Leistungen der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung durch Nichtannahme vorhandener, aber als unattraktiv empfundener Arbeit. Auch ein willkürliches Herbeiführen von Arbeitslosigkeit kann die Zufälligkeit des Risikoeintritts in der Arbeitslosenversicherung beseitigen640. 3. Der Einfluß privater Krankenversicherungen auf die Erforderlichkeit des krankensozialversicherungsrechtlichen Ausgleichs Anhand einer Analyse des einfachen Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung gelangt Hase641 zu dem Ergebnis, die medizinische Versorgung lasse sich für eine Vielzahl Versicherter „besser“ durch private Vorsorge gewährleisten. In Hinblick auf die seit langem bestehenden Alternativen im privatwirtschaftlichen Bereich sei der „umfassende soziale Ausgleich“ in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erforderlich. Indem sich alle Normen auf die Absicherung der Vorsorgeschwäche konzentrierten, stelle sich das System der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem „umfassenden Ausgleich“ nicht auf die weithin gegebene Vorsorgefähigkeit der zu Sichernden ein, sondern auf die nicht mehr sehr große Gefahr ihres Fehlens642. Jeder Beteiligte werde zu jedem Zeitpunkt entweder in die Rolle des Ausgleichsbegünstigten oder die des Ausgleichsbelasteten verwiesen. Systematische Begünstigungen erfahre dabei sowohl derjenige, welcher niedrige Arbeitseinkünfte erziele als auch der, wer in einer versicherungsmathematischen Perspektive ein „schlechtes Risiko“ darstelle643. Letztlich muß für die Legitimation des krankensozialversicherungsrechtlichen Ausgleichs jedoch die Möglichkeit der Versicherten genügen, in den Genuß der „spezifischen Vorteile des durch dieses Regelungsmuster geprägten Rechts“644 zu gelangen. Die Einbeziehung Versicherter in den krankensozialversicherungsrechtlichen Ausgleich ist gerechtfertigt, wenn „die Ausgleichsbegünstigungen allen Versicherten bzw. den Angehörigen zugute kommen können“, so daß sich „aus den jeweiligen Vorkehrungen für jeden von ihnen ein nicht zu vernachlässigender Sicherheitszugewinn“ ergibt645. Die in den Versichertenkreis implementierten Personen müssen also konkret von dem abzusichernden Risiko bedroht sein. Die Sozialversicherungen 639 640 641 642 643 644 645

Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, Berne, Die Aufgaben der Arbeitslosenversicherung, Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, Hase, JZ 2000, S. 591, 595.

S. S. S. S. S. S.

166 f. 166 f. 67. 349. 337. 407.

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dürfen keine Risiken in ihr Aufgabenspektrum einbeziehen, die nur für einen Teil der Versicherten relevant sind. Zudem ist bei der Feststellung und Ausgestaltung der Leistungen sicherzustellen, daß alle Versicherten grundsätzlich alle Leistungen des jeweiligen Systems erhalten können646. In diesem Sinne läßt sich auch die durch Isensee für die gesetzliche Krankenversicherung vorgeschlagene „Legitimationsprobe des sozialen Ausgleichs“ aufgreifen, wonach „das typische ausgleichsbelastete Mitglied (. . .) bei normalem Gang seiner Lebensverhältnisse selbst einmal in den Genuß von Ausgleichsleistungen gelangen können“647 muß. Solange die Möglichkeit des im Verlust der Vorsorgefähigkeit bestehenden Risikoeintritts für den Versicherten also nicht vollständig zu vernachlässigen ist, obliegt es dem Ermessen des Gesetzgebers, den umfassenden sozialen Ausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung durchzuführen. In diesem Zusammenhang gilt es für die verfassungsrechtliche Beurteilung des krankensozialversicherungsrechtlichen Ausgleichs zu berücksichtigen, daß diese Institution seit jeher durch die einkommensbezogene Beitragsbemessung und die weitgehend bedarfsbezogene Leistungszuteilung geprägt ist. Überdies wird insbesondere mit Blick auf die soziale Pflegeversicherung deutlich, daß private Versicherungen u. U. schon keine sachlich gleichwertige Alternative zur Zweckerreichung bieten. Eine bloß freiwillige private Pflegeversicherung wäre nicht in der Lage, eine umfassende Absicherung aller Bürger zu bewirken648, da Erfahrungen gezeigt haben, daß das Angebot privater Pflegeversicherungen nicht so genutzt wird, daß eine weitgehend lückenlose Absicherung für alle Bürger auf diesem Weg realistisch erreicht werden kann. Wie das Bundesverfassungsgericht feststellt, bestand keine hinreichende anderweitige Absicherung des Pflegerisikos in der Bevölkerung. Auch waren große Teile der Bevölkerung nicht bereit, sich freiwillig gegen das Pflegerisiko abzusichern649. Das gesetzgeberische Ziel der Absicherung der Gesamtbevölkerung gegenüber dem Pflege- wie auch gegenüber dem Krankheitsrisiko zur Entlastung der Sozialhilfe ließe sich daher ohne Versicherungszwang nicht oder nur schwer realisieren. Diese Erkenntnisse müssen auch zu einer Verringerung der an die Erforderlichkeit der Krankensozialversicherung zu stellenden Anforderungen führen. Überdies würde wie die gesetzliche Sozialversicherung auch die Einführung des Versicherungszwangs in die Grundrechte der Versicherten eingreifen. Dabei erscheint ein Verstoß durch die Versicherungspflicht in einer Pri646 647 648 649

Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 165 f. Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 20. Kleemann, Pflegeversicherung und ihre Finanzierung, S. 205. BVerfG, Urteil vom 3.04.2001, – 1 BvR 2014/95 –, Rn. 89.

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vatversicherung sogar eher möglich, denn für die Versicherungspflicht kann nicht der die Sozialversicherung kennzeichnende Solidarausgleich innerhalb der Versichertengemeinschaft und der soziale Ausgleich zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern angeführt werden650. Der häufig herangezogene Vergleich mit der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung ist nicht ohne weiteres auf die gesetzliche Kranken- und soziale Pflegeversicherung übertragbar. Erstere sichert den Schaden anderer Personen ab, während eine Pflichtunfallversicherung der Kraftfahrer selbst nicht besteht651. Sofern die Beitragsbemessungsgrenze nicht zu hoch angesetzt wird, also Spielraum für anderen Formen der Sicherung gegen das Krankheitsrisiko verbleibt, sowie durch Übergangsregelungen sichergestellt ist, daß bei bereits getroffener ausreichender eigener Vorsorge Versicherungsfreiheit besteht, erscheint der krankensozialversicherungsrechtliche Ausgleich daher durchaus verfassungskonform. Von der Ebene der grundsätzlichen Billigung des krankensozialversicherungsrechtlichen Einkommensausgleiches abzuschichten ist die Fragestellung, welcher Gestaltungsspielraum dem Gesetzgeber hinsichtlich der Definition individueller Vorsorgeschwäche zukommt.

III. Die individuelle Vorsorgeschwäche als Gegenstand gesetzgeberischer Typisierungsbefugnis Die Pflichtversicherung erfaßt Personengruppen, die wegen ihres Einkommensniveaus eines Schutzes für den Fall der Krankheit bedürfen, welcher durch Zwang zur Eigenvorsorge erreicht werden soll. Für die Rechtfertigung der zwangsweisen Einbeziehung in die gesetzliche Krankenversicherung muß die Vorsorgefähigkeit der Versicherten in einem Mindestmaß ausgeprägt sein, darf aber ein bestimmtes Höchstmaß, welches die individuelle Vorsorge erlaubt, nicht überschreiten. Eine Ausweitung des Versichertenkreises darf nur dergestalt erfolgen, daß diejenigen, die „im Wandel der Verhältnisse und Anschauungen nun ebenfalls im gewissen Sinn und Umfang sozial schutzwürdig geworden sind“, in die Sozialversicherung einbezogen werden652. Dementsprechend verlangt das Bundesverfassungsgericht bei jeder „horizontalen Erweiterung auf weitere Berufsgruppen eine vorsichtige Prüfung, den Nachweis konkreter Schutzbedürftigkeit“653. Hinsichtlich der Feststellung der Schutzbedürftigkeit sollen dem Gesetzgeber keine formalistischen Grenzen gesetzt werden654. Der Gleichheits650 651 652 653

Krasney, Rechtsgutachten, S. 91. Krasney, Rechtsgutachten, S. 91 f. BVerfGE 10, 354, 367. Leisner, Sozialversicherung und Privatversicherung, S. 68.

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grundsatz fordert aber vom Abgabengesetzgeber, daß er die Realität wirklichkeitsgetreu aufnimmt und als Belastungsgrundlage würdigt. Er muß die tatsächlich vorgefundenen Verschiedenheiten aufnehmen und als reale Grundlage individueller Vorsorgefähigkeit im Sinne des Krankensozialversicherungsrechts würdigen. Allerdings läßt sich die Leistungsfähigkeit und damit die relative Vorsorgefähigkeit potentiell Versicherungspflichtiger nicht trennscharf bestimmen. Rechtliche Regelungen können sie vielmehr nur näherungsweise erfassen. Grundlage der Tatbestandsmerkmale ist die gesetzgeberische Vorstellung darüber, inwieweit bestimmte Einkommensverhältnisse die individuelle Vorsorgefähigkeit von Personen üblicherweise indizieren. „Die Erwartung des jeweils Normalen wird in die Zukunft projiziert, in der Erwartung, daß sich das Normale weiterhin so ereignen und ständig wiederkehren werde“655. Ihrer Gleichheit, Berechenbarkeit und Sicherheit des Rechts willen müssen die Regelungen allgemein gehalten sein und typisierend verfahren. In diesem Sinne anerkennt das Bundesverfassungsgericht, man habe „dem Gesetzgeber die Freiheit einzuräumen (. . .), um der Praktikabiltität einer Regel willen eine Norm zu schaffen, die generell die von ihr Betroffenen gleichbehandelt, wenn auch ihre Anwendung im Einzelfall ausnahmsweise einmal zu einer Benachteiligung der Betroffenen führt“656. Art. 3 Abs. 1 GG hindert deshalb nicht eine Generalisierung in Abgabennormen, die zu Ungleichmäßigkeiten im Einzelfall führt. Er korrigiert lediglich die generell ungleiche Abgabenbemessung. Selbst die Einkommensteuer als „Prototyp des Leistungsfähigkeitsprinzips“ muß in vergröbernder, typisierender Weise beim individuellen Ist-Einkommen einsetzen und die unterschiedlichen individuellen Erwerbsbedingungen wie die Arbeitskraft, die Kapitalausstattung oder den Marktzugang vernachlässigen657. Auch im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung hat der Gesetzgeber daher für die Grenzziehung gegenüber der absoluten Vorsorgefähigkeit einerseits und der absoluten Vorsorgeunfähigkeit andererseits einen „weiten Gestaltungsspielraum“658.

654

Leisner, Sozialversicherung und Privatversicherung, S. 58. Isensee, Umverteilung durch Sozialversicherungsbeiträge, S. 96. Zur Tatsachenfeststellung und Prognoseerstellung bei der verfassungsgerichtlichen Normenkontrolle vgl. Philippi, Tatsachenfeststellungen des Bundesverfassungsgerichts. 656 Vgl. BVerfGE 17, 337, 354. 657 Jachmann, StuW 1998, S. 193, 204. 658 BVerfG, Urteil vom 3.4.2001, – 1 BvR 2014/95 – Rn. 90. 655

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1. Die Außerachtlassung konkreter Risikofaktoren Für die Feststellung „individueller Vorsorgefähigkeit“ kommen grundsätzlich zwei Wege in Betracht: Eine präzise Erfassung der Schutzbedürftigkeit potentiell Versicherungspflichtiger würde die Risikofaktoren des Versicherten in die Beurteilung einbeziehen. Auch wenn die Feststellung der relativen Schutzbedürftigkeit in der Entwicklung der Sozialversicherung bisher stets unter Außerachtlassung konkreter Risiken der Versicherten erfolgte, stünde die Verfassung einer solchen risikospezifischen Sichtweise nicht entgegen. Wie die Untersuchung zu den kompetentiellen Vorgaben des Sozialversicherungsbegriffs ergeben hat, prägt die einkommensbezogene und damit weitgehend risikounabhängige Beitragsbemessung den Sozialversicherungsbeitrag nicht dergestalt, daß sie für diesen konstitutiv ist. Gerade auch aufgrund der Regelungen in der gesetzlichen Unfallversicherung ist nicht davon auszugehen, daß eine wie auch immer geartete Risikoprüfung sich nicht mit dem verfassungsrechtlichen Begriff der Sozialversicherung vereinbaren läßt. Konsequenterweise wäre dem Gesetzgeber deshalb auch in der gesetzlichen Krankenversicherung eine individuelle Risiken einschließende Beurteilung der Vorsorgefähigkeit potentiell Versicherungspflichtiger nicht verwehrt. Das Krankensozialversicherungsrecht in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung folgt demgegenüber einer abstrakten Sichtweise. Es stellt die Vorsorgefähigkeit des Versicherten grundsätzlich allein erwerbseinkommensbezogen, also unabhängig von seinem konkreten Risiko fest. Bei diesem Vorgehen muß der Kreis der Pflichtversicherten weiter gezogen werden: Da die Absicherung eines schlechtestmöglichen Risikos außerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung als Vergleichsmaßstab dient, darf die Versicherungspflicht bei der Außerachtlassung individueller Risikofaktoren auch Versicherte mit relativ hoher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit als schutzbedürftig erfassen. Gleichwohl ist auch dieses Vorgehen verfassungsgemäß: Die Sozialversicherung – so auch das Bundesverfassungsgericht – muß sich nicht auf Fälle individuell festgestellter „konkreter Schutzbedürftigkeit“ beschränken. Für die Beurteilung der Vorsorgefähigkeit darf durchaus auf gruppentypische Lebenssituationen und nicht ausschließlich auf persönliche Verhältnisse des einzelnen abgestellt werden659. Zum einen sind typisierende Betrachtungen aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität notwendig. Zum anderen muß sich das sozialversicherungsrechtliche Kriterium der Schutzbedürftigkeit an den Sicherungsbelangen des gesamten Lebens, wenigstens aber von Beginn bis Ende der Erwerbstätigkeit orientieren, so daß spezielle Umstände außer Betracht bleiben können660. Deshalb soll z. B. 659 660

BVerfGE 10, 354, 369; so auch Isensee, ZRP 1982, S. 137, 139 f. Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 59.

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auch für die zwangsweise Einbindung in das Vorsorgesystem der Rentenversicherung die prinzipielle, typischerweise gegebene „Unsicherheit“ gegenüber dem Risiko der Minderung der Erwerbsfähigkeit ausreichen661. 2. Die Beschränkung auf die erwerbseinkommenbezogene Vorsorgefähigkeit Die gesetzliche Krankenversicherung beurteilt die relative Vorsorgefähigkeit in der Regel anhand des Erwerbseinkommens. Übersteigt dieses die Jahresarbeitsentgeltgrenze, entfällt die Versicherungspflicht. Vom Versicherten alternativ oder kumulativ erzielte sonstige Einkünfte beeinflussen die krankensozialversicherungsrechtliche Vorsorgefähigkeit hingegen nicht. Also unterliegen Personen, deren individuelle Leistungsfähigkeit auf unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegenden Erwerbs- und Nichterwerbseinkünften beruht, der Versicherungspflicht auch dann, wenn die Gesamtheit ihrer Einnahmen die Versicherungspflichtgrenze übersteigt. Ergibt sich die gleiche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit indes allein aus Erwerbseinkommen, entfällt die Versicherungspflicht662. Wie jede Typisierung muß auch diese ausschließlich erwerbseinkommensbezogen erfaßte Vorsorgefähigkeit für ihre Rechtfertigung vor dem allgemeinen Gleichheitssatz an die Typizität der geregelten Lebensverhältnisse, also an die Wesensmerkmale des geregelten Normalfalls anknüpfen. Sie ist nur dann zulässig, wenn das „Leitbild“ der Regelung der an der Wirklichkeit gemessene, typische Fall ist663. Wenn die Vorsorgefähigkeit grundsätzlich allein aufgrund des Erwerbseinkommens bestimmt wird, so bringt dies zum Ausdruck, daß lediglich diese Einkünfte durch die Krankheit des Mitglieds gefährdet werden können und daß aufgrund deren Erheblichkeit für den Lebensunterhalt nur in bezug auf sie Vorsorge erforderlich ist664. Diese Annahme erscheint heute nicht völlig unproblematisch. Zwar war der ausschließlich Erwerbseinkünfte beziehende Versicherte jedenfalls in den Anfängen der gesetzlichen Krankenversicherung der Regelfall. Damals floß das Einkommen fast aller Mitglieder allein aus unselbständiger Arbeit. Die Einbeziehung anderer Einkunftsarten hätte deshalb zu keiner nennenswerten Belastungsverschiebung zwischen den einzelnen Mitgliedern geführt. Daher war es gerechtfertigt, die Vorsorgefähigkeit allein in Anknüpfung an Erwerbseinkünfte zu definie661

BVerfGE 17, 74, 79; 20, 274, 278; 29, 221, 236. Siehe 1. Teil B. II. 2. a). 663 Vgl. BVerfGE 21, 2, 27; 31, 119, 130 f.; 31, 145, 179; vgl. auch Pernice, Billigkeits- und Härteklauseln im öffentlichen Recht, S. 248. 664 Vgl. Rolfs, Das Versicherungsprinzip, S. 213. 662

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ren665. Im Laufe ihrer Entwicklung öffnete sich die gesetzliche Krankenversicherung für immer breitere Bevölkerungsschichten. Ein nicht unerheblicher Teil der heute Krankenversicherten bezieht neben den Erwerbseinkünften auch sonstige Einnahmen. Da die Kassenmitglieder in sehr unterschiedlicher Weise an den Nichterwerbseinkünften partizipieren, wird im politischen Meinungsbild gefordert, im Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung nicht mehr ausschließlich auf Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit abzustellen666. In seiner Entscheidung vom 15.3.2000 meldete auch das Bundesverfassungsgericht Zweifel an der Typizität der krankenversicherungsrechtlichen Regelungen an. Zwar bezog es seine Ausführungen auf die Beitragsbemessung, also auf eine der Bestimmung der Vorsorgefähigkeit nachfolgende Fragestellung. Gleichwohl kommen seinen Feststellungen auch und gerade an dieser Stelle Gewicht zu: Das Gericht gab dem Gesetzgeber auf zu prüfen, inwieweit die Prämisse einer von den freiwillig Versicherten abweichenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, auf der die bisherige Regelung aufbaue, noch Gültigkeit besitze. „Bei der Prüfung der Frage, ob diese Annahme in Bezug auf die pflichtversicherten Rentner noch in den tatsächlichen Verhältnissen eine Entsprechung findet, wären Veränderungen in der Struktur des Erwerbseinkommens zu berücksichtigen, die möglicherweise auf einen geringer werdenden Anteil der Löhne und Gehälter am individuell verfügbaren Einkommen hindeuten.“ Weiter müsse von Bedeutung sein, „daß die Vermögen der privaten Haushalte durch Erbschaften und Zuwendungen unter Lebenden vermehrt anwachsen“667. Es sei wahrscheinlich, „daß dieser Vermögenszuwachs auch einem Teil der etwa 40 Millionen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung zugute kommt“668. Treffe dies im größeren Umfang zu, lasse es sich nicht mehr rechtfertigten, bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge der Pflichtversicherten – anders als bei den freiwillig Versicherten – bestimmte Einkünfte unberücksichtigt zu lassen669. Unabhängig davon, inwiefern die Vermutungen des Gerichts der Realität entsprechen, wäre eine entsprechende Entwicklung der Einkommensstruktur der Versicherten konsequenterweise jedenfalls vor der Entscheidung über Beitragsbemessung schon für die Erfassung der relativen Vorsorgefähigkeit heranzuziehen.

665 666 667 668 669

Düttmann, Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 90. s. o. Fn. 17. BVerfGE 97, 271, 294; BT-Drucks. 14/2977, S. 4; BR-Drucks. 752/99, S. 1. BArbBl. 1997, S. 150, 152. SVR für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen, SG 1995, Rn. 589.

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a) Das Argument der Verwaltungspraktikabilität Das Bundesverfassungsgericht betont grundsätzlich einen weiten Spielraum des Gesetzgebers, indem es die Typisierung der Beitragserhebung vor allem aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität akzeptiert670. Da die Bedeutung der Vereinfachung insbesondere für Rechtsgebiete deutlich wird, in welchen es um die „Ordnung von Massenerscheinungen“671 geht, anerkennt das Bundesverfassungsgericht die Notwendigkeit praktikabler und typisierender Regelungen insbesondere auch für das Sozialversicherungsrecht672. Das Ziel der Verwaltungsvereinfachung ergibt sich dabei nicht aus einem mit der Sozialversicherung verfolgten Zweck, sondern aus der Tatsache, daß die Erhebung hoheitlicher Abgaben einen erheblichen Ermittlungs- und Berechnungsaufwand verursacht. Die typisierende Norm erreicht zum einen in normativer Hinsicht eine Verwaltungsvereinfachung, indem sie auf die aufwendige und detaillierte Berücksichtigung ungewöhnlicher Einzelfälle verzichtet und dadurch klarer und überschaubarer wird. Zum anderen ersparen „leicht erfaßbare“673 typisierende Tatbestandsmerkmale der Verwaltung die „umfangreiche und zeitraubende Prüfung von Einzelfällen“674. Das Vereinfachungsprinzip gestattet also die abgabenrechtliche Typisierung an sich verschiedener Sachverhalte, eine ungenaue Ermittlung des Sachverhalts des relevanten Geschehens und die nicht im Detail prinzipienkonforme Berechnung des konkreten Abgabenumfangs675. Gleichwohl unterliegt der gesetzgeberische Typisierungsspielraum Schranken. Seine rechtlichen Grenzen findet das Vereinfachungsprinzip im allge670 Vgl. z. B. BVerfGE 44, 283, 288 f.; das Bundesverfassungsgericht spricht insoweit auch von Gründen der Verwaltungsökonomie, vgl. BVerfGE 44, 283, 288; 82, 60, 102; praktischen Erfordernissen der Verwaltung, BVerfGE 9, 20, 31 f.; 44, 283, 288; 82, 60, 101 f.; Bedürfnissen einer effektiven und sparsamen Verwaltung, BVerfGE 31, 145, 179, oder verwaltungstechnischen Gesichtspunkten, BVerfGE 6, 55, 83. 671 BVerfGE 17, 1, 23; 22, 163, 169; 51, 115, 122 f.; 63, 119, 128; 71, 146, 157; 157, 77, 308, 338; 79, 87, 100. 672 BVerfGE 17, 1, 23: „Bei der Ordnung von Massenerscheinungen, wie sie die Sozialrentenversicherung enthält, sind typisierende Regen allgemein als notwendig anerkannt und vom Bundesverfassungsgericht im Grundsatz ständig als verfassungsrechtlich unbedenklich behandelt worden“. BVerfGE 51, 115, 122 f.: „In Einzelfällen kann sie (die Typisierung, d. A.) dazu führen, daß bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes nicht unerhebliche Unterschiede entstehen, wenn – wie im Ausgangsfall – im Bemessungszeitraum Mehrarbeit geleistet worden ist. Insoweit handelt es sich um die Folge einer typisierenden Regelung, die insbesondere auch bei der Ordnung von Massenerscheinungen notwendig und verfassungsrechtlich hinnehmbar ist.“ Vgl. auch BVerfGE 23, 163, 169; 28, 324, 355; 50, 177, 188; 63, 119, 128l. 673 BVerfGE 6, 55, 83. 674 BVerfGE 9, 20, 32; 6, 55, 83. 675 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 153.

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meinen Gleichheitssatz und im Gebot der Verhältnismäßigkeit. Die Abweichung von der Rechtssetzungsgleichheit muß sich daher durch den mit der Typisierung erzielten Vereinfachungserfolg rechtfertigen lassen676; die Folgen der Typisierung dürfen nicht in einem Mißverhältnis zu den daraus resultierenden Vorteilen stehen677. Auf Typisierungen basierende Härten und Ungerechtigkeiten sind nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann hinzunehmen, wenn sie eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist678. Der Gesichtspunkt der Verwaltungsökonomie darf also regelmäßig nur in geringfügigen und besonders liegenden Fällen zu Ungleichheiten führen, während stärkere Belastungen ganzer Gruppen das Maß des verfassungsrechtlich Zulässigen überschreiten können. Sofern die Belastung jedoch gering ist, können Gründe der Praktikabilität demgegenüber auch die Benachteiligung größerer Gruppen rechtfertigen679. b) Bevorzugende und benachteiligende Typisierungen Für die Konturierung des gesetzgeberischen Typisierungsspielraums unterscheidet das Bundesverfassungsgericht680 teilweise zwischen bevorzugenden und benachteiligenden Typisierungen. Bei einer an der Gerechtigkeit im allgemeinen und an den Wertentscheidungen des Grundgesetzes im besonderen orientierten Betrachtung sei es leichter erträglich, wenn gelegentlich auch Personen in den Genuß von Vorteilen kommen, die ihnen nach dem strengen Zweck des Gesetzes nicht gebührten, als wenn Personen davon ausgeschlossen werden, denen die Vorteile nach dem Zweck des Gesetzes zukämen. Die Kategorisierung typisierender Regelungen als „Bevorzugung“ oder „Benachteiligung“ richtet sich nicht auf die Pflichtversicherten mit und ohne sonstigem Einkommen als Vergleichspaare, sondern bestimmt sich anhand eines Vergleiches zwischen dem Zustand der Typisierung durch das Gesetz gegenüber dem Zustand ohne Typisierung. Es geht darum, ob die Typisierung gemessen an der nach dem primären Gesetzeszweck sachgerechten Behandlung zu einer Benachteiligung oder Bevorzugung führt681. Eine bevorzugende Typisierung liegt also vor, wenn die Regelung für die 676

BVerfGE 78, 214, 227 f.; Kirchhof, DStJG 21 (1998), S. 9, 21 ff. BVerfGE 48, 227, 239. 678 BVerfGE 63, 119, 128; 26, 265, 275 f. 679 BVerfGE 82, 60, 102. 680 BVerfGE 17, 1, 24. 681 Huster, Rechte und Ziele, S. 291. Diesen Standpunkt scheint auch das Bundesverfassungsgericht einzunehmen, wenn es die Differenzierung zwischen bevorzugender und benachteiligender Typisierung dann für sinnvoll erklärt, „wenn man sie auf den Normalfall bezieht, das heißt auf den Fall, der nach Sinn und Zweck des Gesetzes in der Regel erfaßt werden soll und erfaßt wird“, vgl. BVerfGE 17, 1, 23. 677

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

von der Typisierung Betroffenen günstiger ist als die eigentlich vom Gesetzeszweck intendierte. Gemessen am Normziel der Statuierung einer Versicherungspflicht bei relativer Vorsorgeschwäche stellt sich die Außerachtlassung von (potentiell befreiendem) Nichterwerbseinkommen gegenüber einer Betrachtung des Gesamteinkommens grundsätzlich als benachteiligende Typisierung dar. Daß sich die typisierende Außerachtlassung des Nichterwerbseinkommens bei der Bestimmung beitragspflichtiger Einkünfte fortsetzt und insofern bevorzugend wirkt, kann deren primär benachteiligenden Charakter zwar nicht aufheben. Angesichts des Aufeinanderfolgens beider Typisierungen erscheint eine das Willkürverbot deutlich übertreffende Verengung des gesetzgeberischen Spielraums allerdings nicht angebracht. c) Die Kontrolldichte im Lichte der beitragsrechtlichen Behandlung freiwillig Versicherter Nichterwerbseinkünfte bleiben in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vollständig unbeachtet; vielmehr knüpft die Beitragsbemessung der freiwillig Versicherten an eine umfassende, also auch durch das Nichterwerbseinkommen geprägte Leistungsfähigkeit an. Gleichwohl kann die beitragsrechtliche Behandlung freiwillig Versicherter den gesetzgeberischen Typisierungsspielraum bei der Feststellung der relativen Vorsorgeschwäche potentiell Pflichtversicherter nicht entscheidend einschränken. Strenge Anforderungen an die gesetzgeberischen Maßstäbe sind mit dem Bundesverfassungsgericht nämlich erst dann zu stellen, wenn „Personengruppen mit gleich hoher Beitragsleistung“ erkennbar sind, von denen nur eine „voll in den Genuß äquivalenter Lohnersatzleistungen“682 gelangt. Erst wenn die Beitrags-Leistungs-Relation der Versicherten berührt ist, kann die Außerachtlassung bestimmter Einkommensbestandteile nicht auf Typisierungsgesichtspunkte zurückgeführt werden683. Die Erfassung des Vorsorgebedürfnisses Pflichtversicherter greift nicht in das Beitrags-Leistungs-Gefüge ein, sondern betrifft die Statuierung der Versicherungspflicht als Vorfrage der Beitragserhebung. Die Behandlung freiwillig Versicherter ist insofern für den gesetzgeberischen Spielraum schon deshalb ohne Bedeutung, weil deren Versichertenstatus nicht auf gesetzgeberischem Zwang, sondern auf eigener Willensentscheidung beruht. Hiervon zu unterscheiden ist die Fragestellung, inwiefern die Beitragspflichtigkeit und leistungsrechtliche Unerheblichkeit des Nichterwerbseinkommens freiwillig Versicherter zu einer gleichheitswidrigen Benachteiligung gegen-

682 683

BVerfG, in: JZ 1996, S. 92, 93. Gitter, JZ 1996, S. 94, 97.

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über Pflichtversicherten führt. Diese betrifft aber nicht die externe, sondern die interne Belastungsgleichheit684. Insgesamt dürfte der gesetzgeberische Spielraum hinsichtlich der Berücksichtigung des Nichterwerbseinkommens bei der Feststellung der relativen Vorsorgeschwäche deshalb auf das Willkürverbot reduziert bleiben. Indem die Versicherungspflicht an bestimmte Berufsgruppen anknüpft und bei Erreichen der Jahresarbeitsentgeltgrenze entfällt, sind die Grenzen des Willkürverbotes nicht überschritten. Dem Gesetzgeber steht gegenüber der Judikative insoweit wohl ein erheblicher Prognose- bzw. Diagnosespielraum zu. Überdies kann dem Gesetzgeber nicht schon Willkür vorgeworfen werden, wenn seine Prognose durch die tatsächliche Entwicklung widerlegt wird. Ein gewisses zeitliches „Nachhinken“ der Gesetzgebung muß schon deshalb in Kauf genommen werden, weil Veränderungen der wirtschaftlichen Lage sich nicht sofort in Rechtsvorschriften niederschlagen können685. Zwar tritt eine gesteigerte Bindung an den allgemeinen Gleichheitssatz dann ein, wenn der Gesetzgeber „den gesamten Bereich der zu regelnden Lebensverhältnisse entsprechend deutlich vor Augen“686 hat. Gerade wenn aber – wie vorliegend der Fall – die tatsächliche Situation, auf die der Gesetzgeber bezug nimmt, „schwer bestimmbar“ ist, ist dem Gesetzgeber ein „beträchtlicher Spielraum“687 zu gewähren. Nicht zuletzt bedarf es – wie Wallerath verdeutlicht – eines „schonenden Ausgleichs zwischen einer legitimen, sich nicht in der Vergangenheit erschöpfenden Realisation der bisherigen Rechtslage und den Erfordernissen ihrer Anpassung an die veränderten Gegebenheiten“ 688. Der Versuch, jede Veränderung der Lebenswelt umgehend in gesetzliche Regelungen aufzunehmen, würde die auf „Kontinuität und Berechenbarkeit angelegte, steuernde Funktion des Gesetzes vernachlässigen“689. Solange die Regelung sich also auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, kann sie von der Verfassung her nicht beanstandet werden690. 3. Zwischenresümee Der Gesetzgeber darf typisierend davon ausgehen, daß nur derjenige erwerbstätig ist und damit als krankenversicherungspflichtig den §§ 226 ff. 684 Zur Unterscheidung zwischen externer und interner Belastungsgleichheit siehe 2. Teil C. II. 5. b). 685 BVerfGE 18, 315, 332. 686 BVerfGE 15, 313, 323. 687 BVerfGE 14, 288, 304. 688 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 390. 689 Wallerath, Öffentliche Bedarfsdeckung und Verfassungsrecht, S. 391. 690 BVerfGE 17, 210, 216.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

SGB V unterliegt, wer für seinen Lebensunterhalt auf das Erwerbseinkommen angewiesen ist und allenfalls im geringen Maße über sonstige Einkünfte verfügt. Die Berücksichtigung sonstiger Einkünfte bei der Beurteilung der individuellen Vorsorgefähigkeit wäre gleichermaßen vom Willkürverbot des allgemeinen Gleichheitssatzes gedeckt.

I. Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen vor dem Gebot interner Belastungsgleichheit Die relative Vorsorgeschwäche der in § 5 Abs. 1 SGB V genannten Personengruppen rechtfertigt deren Versicherungspflicht und die Erhebung der Sozialversicherungsabgaben. Der Legitimationsbedarf einer Abgabe beschränkt sich aber nicht auf das „Ob“ einer Abgabenerhebung, sondern besteht auch hinsichtlich der Art und des Maßes des Grundrechtseingriffs. Denn gerechtfertigt ist eine Abgabe nur, wenn sowohl ihre Erhebung als auch ihre Höhe legitimiert werden kann. Läßt sich der Sozialversicherungsbeitrag also nicht der Höhe nach legitimieren, ist er insgesamt nicht gerechtfertigt691.

I. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als Maßstab steuerlicher Abgaben Es besteht weitestgehend Konsens darüber, daß die Belastungsgleichheit bei der Auferlegung hoheitlicher Abgaben durch die Anknüpfung an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit gewahrt ist692. Vielfach wird das Leistungsfähigkeitsprinzip sogar als „das“ gerechte Bemessungsprinzip angesehen. Eine „gerechte“ Steuer müsse also am Maßstab der Leistungsfähigkeit ausgerichtet sein693. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts findet das Leistungsfähigkeitsprinzip seine verfassungsrechtliche Grundlage im allgemeinen Gleichheitssatz694. Die Vorstellung eines durch das Leistungsfähigkeitsprinzip konkretisierten allgemeinen Gleichheitssatzes steht nicht per se 691

Siehe 2. Teil G. II. Vgl. Vogel/Waldhoff, in: Dolzer (Hrsg.), BK, vor Art. 104a ff., Rn. 516; P. Kirchhof, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. V, § 114, Rn. 114 m. w. N.; Heun, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rn. 6 m. w. N.; Rüfner, in: Dolzer (Hrsg.), BK, Art. 3 Rn. 199 m. w. N.; Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip, S. 147; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, S. 490 m. w. N. 693 Vogel, DStZ/A 1975, S. 409, 410. 694 Vgl. BVerfGE 6, 55, 67; 8, 51, 68 f.; 9, 237, 243; 13, 290, 297; 14, 34, 41; 27, 58, 64; 32, 333, 339; 36, 66, 72; 43, 108, 118 ff.; 47, 1, 29; 55, 274, 302; 61, 319, 343 f. 692

I. Die Beitragspflichtigkeit vor dem Gebot interner Belastungsgleichheit

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im Widerspruch zum Wesen eines Prinzips. Da Prinzipien nicht zwingend „oben“ angesiedelt sind, können sie im Rechtssystem sowohl abstrakten als auch konkretisierenden Charakter haben. Mithin dürfen auch überpositive Prinzipien wie das der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit herangezogen werden, wenn sich auf der Stufe der gesetzlichen Konkretisierungen kein eindeutiges Ergebnis ablesen läßt. In diesem Sinne wäre das Leistungsfähigkeitsprinzip als Bindeglied zwischen dem allgemeinen Gleichheitssatz als Verfassungsnorm und den einfachgesetzlichen Rechtsregeln zu verstehen695. Auch ist das Leistungsfähigkeitsprinzip nicht schon deshalb untauglich, weil es weiterer Konkretisierungsschritte bedarf, um inhaltliche Folgerungen aus ihm ziehen zu können. Die Argumentation, ein normativer Maßstab, der sich als zu unpräzise erweise, um daraus konkrete Schlüsse ziehen zu können, sei ein Widerspruch in sich, geht daher fehl696. Diese Kritik beruht entweder auf einem methodischen Exaktheitsideal, das in normativen Fragen nie zu erfüllen ist, oder verkennt die Funktion von Prinzipien, die zunächst nur eine Perspektive des richtigen Überlegens eröffnen697. Allerdings stellt sich grundsätzlich die Frage, ob nicht mehrere Maßstäbe denkbar sind, an denen der Steuergesetzgeber das Abgabenrecht ausrichten kann. Funktionell im Zusammenhang hiermit steht die Frage, in welchem Ausmaß der Gesetzgeber hinsichtlich der Bemessung steuerlicher Abgaben einer gleichheitsrechtlichen Überprüfung seiner Entscheidungen ausgesetzt ist. Materiellrechtlich geht die Grundfrage dahin, welchen Inhalt das allgemeine verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG für den Abgabengesetzgeber hat698. 1. Die „Durchbrechung“ lastenausteilender zugunsten externer Differenzierungsziele Nach herkömmlichem Gleichheitsverständnis beschränkt sich Art. 3 Abs. 1 GG auf eine Willkürkontrolle. Hiernach gilt der allgemeine Gleichheitssatz erst dann als verletzt, wenn sich „ein vernünftiger, aus der Natur der Sache ergebener oder sonstwie einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden läßt“699. Zwar soll das Merkmal der Willkür nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts nicht 695

Hierzu Buchwald, Prinzipien des Rechtsstaates, S. 28 ff. Bodenheim, Der Staat 17 (1978), S. 481, 489 ff.; Henseler, Legitimation von Sonderabgaben, S. 37 ff. 697 So auch Huster, Rechte und Ziele, S. 272; Vogel, Steuergerechtigkeit, S. 410. 698 Zur Unterscheidung der funktionellen und materiellen Funktion des Prüfungsmaßstabes vgl. Simons, Grundrechte und Gestaltungsspielraum, S. 127 ff.; Hesse, AöR 109 (1984), S. 174, 186 f. 699 BVerfGE 1, 14, 52; 83, 1, 23; 89, 132, 141. 696

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

erst dann erfüllt sein, wenn der Gesetzgeber im Hinblick auf die unsachgemäße Differenzierung eine irgendwie verwerfliche subjektive Haltung erkennen läßt, also eine „tatsächliche und eindeutige Unangemessenheit der Regelung in bezug auf den zu ordnenden Gesetzgebungsgegenstand“700 zu bejahen ist. Generell räumt das Willkürverbot dem Gesetzgeber jedoch einen breiten Entscheidungsspielraum ein. Es gibt dem allgemeinen Gleichheitssatz keinen selbständigen materiellen Inhalt, sondern ist nur die äußere Grenze der gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit701. Versteht man Art. 3 Abs. 1 GG allein als ein Willkürverbot, schützt dieser also von vornherein nur gegen unsachliche Differenzierungen702. Darüber hinaus wird die gesetzgeberische Entscheidungsfreiheit nicht eingeschränkt. Bei einer derart restriktiven Anwendung des allgemeinen Gleichheitssatzes wäre die gerechte Verteilung von Abgabenlasten kein „Wert an sich“, sondern könnte bei Vorliegen jedes beliebigen „externen Ziels“ durchbrochen werden. Anstelle des jeweiligen Maßstabs der Verteilungsgerechtigkeit dürfte sich der Abgabengesetzgeber etwa auch von finanzpolitischen, sozialpolitischen oder steuertechnischen Erwägungen leiten lassen. Da das als Willkürverbot verstandene Gleichheitsgrundrecht seine grundrechtliche Wirkkraft erst bei einer willkürlichen Ungleichbehandlung durch den Gesetzgeber entfaltet, also nicht die für Freiheitsrechte geltende Differenzierung zwischen Schutzbereich und effektivem Garantiebereich kennt, weist es nämlich keinen mit den Freiheitsgrundrechten vergleichbaren Charakter von beschränkungsfähigen prima-facie-Rechten auf. Dieser Kontrast zwischen der Dogmatik des allgemeinen Gleichheitssatzes und der „dynamisch ausdifferenzierten Grundrechtsjudikatur im übrigen“703 sah und sieht sich in der jüngeren Literatur zu Recht Kritik ausgesetzt. Es geht nicht an, daß sich die Willkürprüfung mit dem Vorliegen „vernünftiger Gründe“ für die Durchbrechung des Verteilungsmaßstabes bescheidet, ohne diese „Einbuße des Gleichheitssatzes“ mit „Gewinn“ für die Verwirklichung des verfassungslegitimen Gestaltungsziels abzuwägen. Wenn allein die Existenz verfassungslegitimer Zwecke ausreicht, um den Gleichbehandlungsgrundsatz zu durchbrechen, kommt es zu einem angesichts des Art. 1 Abs. 3 GG untragbaren Leerlaufen des Art. 3 Abs. 1 GG704. Deshalb bedarf es auch im Rahmen des allgemeinen Gleichheitssat700

BVerfGE 4, 144, 155. Vgl. Rüfner, in: Dolzer (Hrsg.), BK, Art. 3 Abs. 1, Rn. 16 f. 702 Gubelt, in: v. Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rn. 12; Huber, Konkurrentenschutz im Verwaltungsrecht, S. 520; Lübbe-Wolff, Die Grundrechte als Eingriffsabwehrrechte, S. 13 ff, 258 ff.; Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 495. 703 So Osterloh in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rn. 12; Herzog, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 3 Rn. 6. 704 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 239. 701

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zes eines Abwägens gegenläufiger verfassungskonformer Interessen. Dementsprechend wird im Wege eines „dogmatischen Brückenschlages“ zwischen verfassungsgerichtlichem Freiheits- und Gleichheitsschutz die Anwendung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes auch für den Schutz des Gleichheitsgrundrechts befürwortet705. Bestätigung fanden diese Überlegungen in der seit Anfang der achtziger Jahre durch das Bundesverfassungsgericht verwendeten sog „neuen Formel“. Diese fragt für die sozialversicherungsrechtliche Grundrechtsprüfung danach, ob „eine Gruppe von Norm-adressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen können“706. Hiermit wird die bundesverfassungsgerichtliche Kontrollintensität gegenüber dem Gesetzgeber begrifflich ausgedehnt. Der Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz ist also nicht mehr als Problem der Evidenz, sondern als Problem verfassungsgerichtlicher Abwägung formuliert. Die Durchbrechung des durch den Gesetzgeber gewählten verfassungsrechtlichen Maßstabs der Abgabenbemessung bedarf mithin einer besonderen verfassungsrechtlichen Rechtfertigung707. Von der verfassungsrechtlich geschützten Gleichheit darf nur zur Verwirklichung eines höherrangigen anderen Verfassungsrechtsgutes abgewichen werden. Für die Bestimmung der gerichtlichen Kontrollintensität bezüglich der verhältnismäßigen Durchbrechung eines Abgabenbemessungsmaßstabs zugunsten externer Ziele sind die Eigenart des Sachverhalts und seine ihn prägenden Grundwertungen zu beachten. Jedoch kann das undifferenzierte Abstellen auf die freiheitsrechtliche Relevanz hoheitlich erhobener Abgaben kein hinreichendes Kriterium für die Differenzierung der Kontrolldichte sein. Überzeugender erscheint demgegenüber eine „Dosierung“ der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers danach, in welchem Maße sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann708. Die Kontrolldichte variiert auf der Grundlage der vom Bundesverfassungsgericht im einzelnen festgelegten Kriterien in erster Linie „nach dem Gewicht des von der gesetzlichen Regelung betroffenen Grundrechts“709. Entscheidende Bedeutung 705 Erstmals wohl Kloepfer, Gleichheit als Verfassungsfrage, S. 56 ff.; seit der Anwendung der „Neuen Formel“: Pieroth/Schlink, Grundrechte, Rn. 484; Maaß, NVwZ 1988, S. 14, 19 f.; Schoch, DVBl. 1988, S. 863, 875 ff.; Robbers, DÖV 1988, S. 749, 751 f.; Wendt, NJW 1988, S. 778, 784; Jarass, AöR 120 (1995), S. 345, 361 ff.; Sachs, JuS 1997, S. 124, 126 f. 706 BVerfGE 55, 72, 88. 707 Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 240. 708 BVerfGE 91, 346, 362 f.

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kommt – so das Bundesverfassungsgericht – neben dem Gewicht des betroffenen Grundrechts „der Eigenart des in Rede stehenden Sachbereichs, den Möglichkeiten, sich ein hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und der Bedeutung der auf dem Spiel stehenden Rechtsgüter“710 zu. 2. Die Kontrollintensität gegenüber dem Bemessungsmaßstab Die bisher angestellten Überlegungen zur gleichheitsrechtlichen Abwägung bezogen sich auf die Durchbrechung des vom Gesetzgeber gewählten Lastenverteilungsmaßstabes durch externe Ziele. Geht es jedoch um die Festlegung des Bemessungsmaßstabes selbst, kann die sog. „neue Formel“ nur wenig zur Konturierung des gesetzgeberischen Spielraums beitragen. Die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung läßt sich nicht in das Schema einer Zweck-Mittel-Relation einordnen, wenn die nominale Ungleichbehandlung – wie bei der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Fall – keinen äußeren Zweck verfolgt, sondern sich an einem „inneren“ (Gerechtigkeits-)Maßstab orientiert711. Denn Art. 3 Abs. 1 GG schützt nicht das Recht, keine oder möglichst wenige Abgaben zu entrichten, sondern allein, im Verhältnis zu anderen gerecht belastet zu werden. Im Gegensatz zu den Freiheitsgrundrechten mißt der allgemeine Gleichheitssatz die rechtliche Behandlung zweier Gegenstände im Verhältnis zueinander an einem gemeinsamen Rechtfertigungsgrund, wägt also nicht ein erbrachtes Opfer als Mittel gegen den Vorteil einer Maßnahme als Ziel ab. Da sich Zweck und Mittel nicht gegenüberstehen, sondern das Mittel gerade den Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG bilden soll, kann eine Beurteilung der Verhältnismäßigkeit zwischen Differenzierungsziel und Differenzierungskriterium insofern nicht stattfinden. Hinsichtlich der Entscheidung über einen Bemessungsmaßstab ist für steuerliche Abgaben daher allein eine Willkürkontrolle denkbar. Die Legitimation der nominal ungleichen Belastung Steuerpflichtiger durch die Orientierung an einem durch den Abgabengesetzgeber gewählten Bemessungsmaßstab findet also erst dort ihre Grenzen, wo sich ein „einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung nicht finden läßt“712. Die Entscheidung, (einkommen-)steuerliche Belastungen nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu differenzieren, ist zwar „vernünftig“ im Sinne der gleichheitsrechtlichen Willkürkontrolle. Allerdings beinhaltet das Willkürverbot nicht die Aussage, daß dieser Maßstab die einzige „vernünftige“ Dif709

Schlaich/Korioth, Bundesverfassungsgericht, Rn. 505. BVerfGE 50, 290, 332 f.; vgl. auch BVerfGE 57, 139, 159; 62, 1, 50; 76, 1, 51. 711 Zur Unterscheidung von „inneren“ und „äußeren“ Zielen vgl. Huster, Rechte und Ziele, S. 468. 712 BVerfGE 12, 341, 348. 710

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ferenzierungsmöglichkeit bildet713. Das als steuerliche Lastenverteilungsregel anerkannte Leistungsfähigkeitsprinzip ist mithin als solches kein aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitendes Verfassungsprinzip714. Erst mit der gesetzgeberischen Entscheidung für eine Orientierung am Leistungsfähigkeitsgedanken kommt diesem Bemessungsprinzip aus gleichheitsrechtlich ein verfassungsrechtlicher Eigenwert zu715. Soweit sich der Gesetzgeber bei der Abgabenerhebung für einen Bemessungsmaßstab entscheidet, fordert der allgemeine Gleichheitssatz also lediglich, daß die (nominale) Ungleichbehandlung der Abgabenpflichtigen dem der Abgabenbemessung zugrundeliegenden Maßstab entspricht. 3. Zwischenresümee Bei nominal ungleichen Abgabenbelastungen, welche sich an einem Lastenverteilungsmaßstab orientieren, unterliegt der Bemessungsmaßstab allein der Willkürkontrolle. Eine den Freiheitsgrundrechten vergleichbare Abwägung zwischen Differenzierungsziel und Differenzierungskriterium ist nicht möglich, weil die Anwendung des Differenzierungsmaßstabes bereits Ungleichbehandlungen „im normativen Sinne“ ausschließt. Erst das Abweichen vom willkürfrei gewählten Bemessungsmaßstab zur Verfolgung äußerer Ziele stellt einen Eingriff in den gleichheitsrechtlichen Schutzbereich dar. In diesem Fall gilt es, die gleichheitsrechtliche Einbuße gegenüber den Gestaltungszielen im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung abzuwägen.

II. Das Gebot der Konnexität von Grund und Ausmaß nichtsteuerlicher Abgabenbelastungen Der Grund für den weiten Spielraum bei der Bemessung steuerlicher Abgaben liegt darin, daß die Steuer weder die Gegenleistung für individuelle Staatsleistungen bildet noch zur Verwirklichung konkreter Vorhaben erhoben wird. Die Anforderungen an die Legitimation der Steuer als Gemeinlast erschöpfen sich im Finanzierungszweck716. Dieses für die Erhebung der Steuer geltende „Rechtfertigungsprivileg“ setzt sich in der allein durch die Willkürgrenze beschränkten gesetzgeberischen Gestaltungsfreiheit bei der Abgabenbemessung fort. Demgegenüber bedarf es für die gleichheitsrechtliche Rechtfertigung der Erhebung nichtsteuerlicher Abgaben eines besonderen, über den bloßen 713 714 715 716

Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 158. Vgl. Arndt, in: FS Mühl, S 17, 29. Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 240. Siehe 2. Teil H. I. 2. a).

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Finanzierungszweck hinausgehenden Zwecks717. Diesbezüglich steht dem Gesetzgeber zwar ein weites Zwecksetzungsermessen zu. Einen geringeren Spielraum hat er hingegen bei seiner Entscheidung über die Ausgestaltung der nichtsteuerlichen Abgaben. Das dem Art. 3 Abs. 1 GG zu entnehmende Postulat interner Belastungsgleichheit718 und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz statuieren für die Ausgestaltung nichtsteuerlicher Abgaben eine Bindung des Gesetzgebers an die von ihm gewählten Abgabenerhebungszwecke. Hat der Gesetzgeber ein verfassungskonformes Regelungsziel – wie z. B. die Absicherung relativ Vorsorgebedürftiger – entwickelt, darf er hinsichtlich der Abgabenbemessung also allein auf zielkonforme Lastenverteilungsmaßstäbe zurückgreifen719. Insofern gibt bei nichtsteuerlichen Abgaben die Rechtfertigung dem Grunde nach zugleich auch ihre Rechtfertigung der Höhe nach vor. Wie die Inanspruchnahme durch die Abgabe überhaupt muß der durch die Abgabe verfolgte Zweck zugleich auch deren Ausgestaltung – insbesondere ihre Bemessung – legitimieren720. Strebt der Gesetzgeber bei der Erhebung von Abgaben die Verwirklichung mehrerer Zwecke an, bleibt es seinem Gestaltungsspielraum überlassen, sich für eines der Prinzipien zu entscheiden und es durch Elemente zu modifizieren, die dem anderen Prinzip zuzurechnen sind721. Erst der Rückgriff auf andere – insofern „zielfremde“ – Unterscheidungskriterien ist dem Gesetzgeber verwehrt. Dementsprechend wäre jedenfalls die Bemessung einer Abgabe unter vollständiger Loslösung vom besonderen Grund ihrer Erhebung mit Art. 3 Abs. 1 GG und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht zu vereinbaren. Resümierend ist festzustellen, daß das Gleichheitsgrundrecht auch für nichtsteuerliche Abgaben keinen konkreten Bemessungsmaßstab bereithält, jedoch zielfremden Bemessungsvorschriften entgegensteht722. Diese Aussage bestätigt sich mit Blick auf die Vorzugslasten. 1. Die Bemessung von Vorzugslasten Das Gebot der Konnexität von Belastungsgrund und Belastungsausmaß hat in besonderer Weise hinsichtlich der Diskussion um die Bemessung von Vorzugslasten Aufmerksamkeit erfahren. Vorzugslasten werden dem Grunde 717

Siehe 2. Teil G. II. Zu den Geboten externer und interner Belastungsgleichheit siehe 2. Teil G. II. 719 Vgl. hierzu P. Kirchhof, in: Isensee/P. Kirchhof, HStR, Bd. IV, § 124 Rn. 33 ff. 720 Vgl. Vogel, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. IV, § 87 Rn. 89. 721 In diesem Sinne Wilke, Gebührenrecht, S. 195; Murswiek, Entlastung der Innenstädte, S. 68; VGH Mannheim, Urteil vom 25.3.1982, NVwZ 1983, S. 489 f. 722 So auch Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 43. 718

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nach durch die den Abgabenpflichtigen gegenüber zu erbringende Gegenleistung legitimiert. Ihre besondere Zweckbestimmung liegt darin, Einnahmen zu erzielen, um die Kosten einer individuell zurechenbaren öffentlichen Leistung ganz oder teilweise zu decken. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung zieht dieser Legitimationsgrund der Vorzugslasten das Gebot einer sachgerechten Verknüpfung von Kosten und Gebührenhöhe nach sich. In diesem Sinne entnimmt das Bundesverfassungsgericht723 dem Art. 3 Abs. 1 GG die Forderung, „daß Gebühren nicht völlig unabhängig von den Kosten der gebührenpflichtigen Staatsleistung festgesetzt werden dürfen und daß die Verknüpfung zwischen den Kosten der Staatsleistung und den dafür auferlegten Gebühren sich nicht in einer Weise gestaltet, die bezogen auf den Zweck der gänzlichen oder teilweisen Kostendeckung, sich unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt als sachgemäß erweist. Darüber hinaus gebietet der Gleichheitsgrundsatz, bei gleichartig beschaffenen Leistungen, die rechnerisch und finanziell in Leistungseinheiten erfaßt werden können, die Gebührenmaßstäbe und Gebührensätze in den Grenzen der Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit so zu wählen und zu staffeln, daß sie unterschiedlichen Ausmaßen in der erbrachten Leistung Rechnung tragen, damit die verhältnismäßige Gleichheit unter den Gebührenschuldnern gewahrt bleibt“. Die Höhe der Vorzugslast richtet sich also nach der durch den Abgabentatbestand erfaßten Finanzierungsverantwortlichkeit. Ergibt sich diese aus dem finanziellen Vorteil einer bestimmten Staatsleistung, so ist die Gebühr oder der Beitrag als Vorteilsausgleich zu bemessen. Hat die Finanzierungsverantwortlichkeit ihren Grund in einer Kostenverantwortlichkeit, ist die Gebührenhöhe an dem Aufwand der öffentlichen Hand zu orientieren724. § 90 Abs. 1 SGB VIII ermächtigt den Landesgesetzgeber zwar dazu, die „Teilnahmebeiträge und Gebühren, die für die Inanspruchnahme der Tageseinrichtungen für Kinder zu entrichten sind“, nach dem Einkommensgruppen festzusetzen. Gleichwohl lassen sich an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit orientierte Vorzugslasten nur in engen Grenzen mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbaren725. Zu diesem Ergebnis gelangte auch das Bundesverfassungsgericht726 in seiner Entscheidung vom 10. 3. 1998 über die Zulässigkeit der sozialen Staffelung von Kindergartengebühren. Das Gericht erklärte die soziale Staffelung der Kindergartengebühren zwar grund723

BVerfGE 97, 332, 345 unter Bezugnahme auf BVerfGE 50, 217, 225 ff.; 85, 337, 346. 724 F. Kirchhof, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. IV, § 88 Rn. 198; BVerfGE 50, 217, 227. 725 So auch die herrschende Ansicht in der Literatur, vgl. nur Jestaedt, DVBl. 2000, S. 1820, 1830; Kempen, NVwZ 1995, S. 1163, 1166. 726 BVerfGE 97, 332 ff.

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sätzlich für zulässig. Gleichwohl dürfe das Rechtsinstitut der Gebühr nicht für die unbeschränkte Redistribution zwischen den Abgabenpflichtigen instrumentalisiert werden. Der allgemeine Gleichheitssatz erlaube die Staffelung von Vorzugslasten nach dem Familieneinkommen nur für den Fall, daß keine der Abgaben die Kostendeckungsgrenze überschreitet. Die Einnahmenausfälle, die durch Gebührenermäßigungen zugunsten bedürftiger Leistungsempfänger entstehen, seien mithin aus allgemeinen Haushaltsmitteln zu decken und damit von der Allgemeinheit zu tragen. In Teilen der Literatur wird der Existenz eines gleichheitsrechtlichen Postulats der gegenleistungsbezogenen Bemessung von Vorzugslasten widersprochen. Es seien – so F. Kirchhof727 – Fälle lenkender Gebühren denkbar, in denen der Wert der staatlichen Leistung einen zu vernachlässigenden Faktor und damit einen unwesentlichen Unterschied i. S. d. Art. 3 Abs. 1 GG bilde. Gleichermaßen sieht Kloepfer728 die Bemessung von Vorzugslasten nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit als sachgerecht im Sinne des gleichheitsrechtlichen Willkürverbots an. Ausgangspunkt dieser Diskussion ist das Problem der Instrumentalisierbarkeit von Vorzugslasten für Lenkungszwecke: Wie F. Kirchhof geht auch Kloepfer von der Verfassungskonformität lenkender Gebühren aus. Aus dem Grundgesetz lasse sich – so wird argumentiert – kein Gebot zweckneutraler Gebühren herleiten. Vielmehr gebe es insbesondere für die Offenheit der Gebühr gegenüber Lenkungszwecken Anhaltspunkte im Grundgesetz729. Schon die Verankerung der Gebühren in der Zuständigkeit zur Regelung des Verwaltungsverfahrens deute auf die Gebundenheit an übergeordnete Zwecke hin. Die Gebührenerhebung sei zudem stets auch den Zielen unterworfen, die von dem jeweils ausführenden Gesetz verfolgt werden. Auch aus den Bestimmungen der Art. 105 ff. GG ergebe sich keine eigenständige oder gar ausschließliche steuerliche Lenkungskompetenz. Unabhängig davon, ob und inwiefern sich die Vorzugslast tatsächlich für Lenkungszwecke instrumentalisieren läßt, darf hiermit jedenfalls keine unbeschränkte Abgabenbemessung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Abgabenpflichtigen einhergehen. Denn wie bei Steuern sind auch hinsichtlich der Vorzugslasten sowohl die Belastungs- als auch die Gestaltungswirkungen zu legitimieren. Unter dem Gesichtspunkt der Verteilungsgerechtigkeit findet die über die allgemeine Steuerlast hinausgehende finanzielle Belastung durch Vorzugslasten ihren sachlichen Grund und damit ihre Rechtfertigung in dem besonderen Vorteil, den sie ausgleichen soll. Wird die Vorzugslast darüber hinaus als Lenkungs- und Gestaltungsmittel einge727 728 729

F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 16, 41. Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 232, 256 ff. Kloepfer, AöR 97 (1972), S. 232, 246 ff.

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setzt, darf der Gesetzgeber die gegenleistungsbezogene Bemessung nur so weit aufgeben, wie es das Gewicht der angestrebten Gestaltungszwecke zuläßt. Insofern ist eine Abwägung zwischen den mit der Abweichung von der Lastengleichheit verbundenen Nachteilen und den mit der Gestaltung angestrebten Vorteilen notwendig730. 2. Die Bemessung von Verbandslasten Für die Bemessung von Verbandslasten erscheint die Orientierung an der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit hingegen legitim731. Der Grund für die Sonderstellung dieser Abgaben liegt in deren Belastungsgrund: Verbandslasten werden gegenüber Mitgliedern öffentlicher Körperschaften zur Finanzierung von deren Aufgaben erhoben732. Ihre Rechtfertigung erfahren sie im Gegensatz zu den Vorzugslasten nicht aus gewährten Vorteilen, sondern vielmehr bereits aus der Zugehörigkeit zum Verband selbst733. In seiner Entscheidung über die finanzielle Belastung der Mitglieder eines niedersächsischen Wasserverbandes führte das Bundesverwaltungsgericht734 aus, der Verband erhebe keine Beiträge in dem Sinne, daß ein Geldbetrag zur Verringerung oder zur Deckung der Kosten einer öffentlichen Einrichtung besondere Vorteile gewähre. Eine solche Verbandslast bedürfe zu ihrer Rechtfertigung voraussetzungsgemäß nicht des Nachweises ihres äquivalenten Vorteils; sie sei vielmehr – wie im Verbandsrecht allgemein – die selbstverständliche Folge einer gesetzlich angeordneten Pflichtmitgliedschaft der davon betroffenen Grundstückseigentümer in einem öffentlichrechtlichen Unternehmensverband735. Dementsprechend dürften die Mitglieder des Verbandes bei der Bemessung der Verbandsbeiträge im Verhältnis ihrer Verpflichtung zur Unterhaltung der Gewässer herangezogen werden. Auch bezüglich der Beitragsbemessung in berufsständischen Kammern betonte das Bundesverwaltungsgericht, es sei mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar, entsprechend dem Gedanken der Solidargemeinschaft wirtschaftlich schwächere Mitglieder auf Kosten der leistungsstärkeren zu entlasten, so daß jeder nach seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit zu den Kosten der Kör730 Zur parallelen Problematik bei Steuern Birk, Das Leistungsfähigkeitsprinzip als Maßstab der Steuernormen, S. 240. 731 Vgl. Richter, Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, S. 47. 732 Vgl. Vogel, in: Isensee/P. Kirchhof (Hrsg.), HbStR, Bd. IV, § 87, Rn. 47. 733 So die h. M., vgl. z. B. Vogel/Waldhoff, in: Dolzer (Hrsg.), BK, Vor Art. 104a ff., Rn. 427; Wolff/Bachhof/Stober, Verwaltungsrecht, Bd. I, § 42 Rn. 42; Richter, Zur Verfassungsmäßigkeit von Sonderabgaben, S. 47. 734 BVerwGE 42, 210, 216 f. 735 BVerfGE 42, 210, 217.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

perschaft beitrage736. Gleichermaßen sah das Gericht durch die Bemessung von Beiträgen in einer Landesärztekammer den sozialen Gedanken verwirklicht, wenn jeder nach seinen Kräften zum Wohl des Ganzen und damit auch des einzelnen Mitglieds beitrage737.

III. Die Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags zwischen Vorsorgebedürfnis und Gegenleistung Legitimationsgrund der voraussetzungslosen, gegenleistungsfreien Steuer ist der komplexe, unspezifizierte Finanzbedarf der öffentlichen Hand, der keiner weiteren juristischen Rechtfertigung bedarf und dem Gesetzgeber die Ausgestaltung der Abgaben bis an die Grenze des Willkürverbots erlaubt. Bei Vorzugslasten bildet die Gegenleistung den Rechtfertigungsgrund der Abgabe, so daß der dem Abgabepflichtigen zufließende Vorteil grundsätzlich die Höchstgrenze der Abgabenbelastung markiert. Der gesetzgeberische Spielraum des Sozialversicherungsgesetzgebers bei der Ausgestaltung der Abgaben wird hingegen durch zwei Größen konturiert: Am Anfang der „sozialversicherungsrechtlichen Legitimationskette“738 steht die Feststellung der relativen Vorsorgeschwäche. Diese ist die Grundlage für das Eintreten der Versicherungspflicht739 und die Entstehung des sozialversicherungsrechtlichen Leistungsanspruchs. Dieser Leistungsanspruch begründet seinerseits die Beitragspflicht. Insofern bildet die Beitragsbemessung also das Bindeglied zwischen der Feststellung der Versicherungspflicht und der Bemessung der dem Sozialversicherten zufließenden Gegenleistung. Beide Seiten begrenzen – wie im folgenden herausgearbeitet wird – den gesetzgeberischen Spielraum bei der Ausgestaltung der Sozialversicherungsabgabe. 1. Das Gebot der Anknüpfung an die Kriterien relativer Vorsorgeschwäche Die relative Vorsorgeschwäche der Sozialversicherten legitimiert sowohl deren Einbeziehung in die Sozialversicherung als auch die Erhebung der hoheitlichen Abgaben. Zwar wird der Argumentationsspielraum für eine vom Vorsorgezweck bestimmte gleichheitsrechtliche Rechtfertigung des Krankensozialversicherungsbeitrags grundsätzlich durch das Umverteilungsziel erweitert. Der Ausgleich zwischen den Versicherten darf jedoch nicht 736 737 738 739

BVerwGE 92, 24, 26. BVerwGE 39, 100, 108. Vgl. Isensee, in: Zacher (Hrsg.), Die Rolle des Beitrags, S. 461, 473. Siehe 2. Teil H. I. 3.

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unbegrenzt erfolgen; er ist – wie bereits dargelegt740 – gegenüber dem Versicherungsgedanken akzessorisch. Hinsichtlich der Feststellungskriterien der „Versicherungsbedürftigkeit“ als Voraussetzung der Versicherungspflicht kommt dem Gesetzgeber zwar eine erhebliche Einschätzungsprärogative zu; nach der Wahl der Kriterien für die Erfassung der relativen Vorsorgefähigkeit wird diese jedoch erheblich eingeengt. Denn der Gesetzgeber unterliegt auf die jeweilige Entscheidungsalternative bezogen einem Gebot der Folgerichtigkeit. Durch die Ausgestaltung der sozialversicherungsrechtlichen Abgabe, insbesondere ihrer Bemessungsgrundlage, muß die sachgerecht konzipierte Belastungsentscheidung den Belastungsgrundgedanken konsequent weiterführen und umsetzen. Insofern läßt sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip die Notwendigkeit einer Kongruenz zwischen den Kriterien der relativen Vorsorgeschwäche als Grund der Versicherungspflichtigkeit und der beitragsrechtlich quantifizierten Beteiligung des Sozialversicherungspflichtigen am sozialversicherungsrechtlichen Ausgleich ableiten. Neben den für die Feststellung der relativen Vorsorgeschwäche herangezogenen Kriterien dürfen prinzipiell auch andere Größen die krankensozialversicherungsrechtliche Beitragsbemessung beeinflussen. Die vollständige Verdrängung der die Vorsorgebedürftigkeit bestimmenden Faktoren ließe sich mit den gleichheitsrechtlichen Anforderungen hingegen nicht vereinbaren. Dem Gesetzgeber muß es untersagt sein, hinsichtlich der die Krankensozialversicherungspflicht auslösenden relativen Leistungsschwäche und der zur internen krankensozialversicherungsrechtlichen Umverteilung befähigenden relativen Leistungsstärke unterschiedliche Maßstäbe anzulegen741. In diesem Sinne widerspräche es Art. 3 Abs. 1 GG und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip, die Beitragsbemessung völlig einkommensunabhängig, also etwa durch Erhebung nominaler Prämien, zu gestalten. Auch eine risikoabhängige Beitragsbemessung würde das Mindestmaß gesetzgeberischer Folgerichtigkeit zumindest solange unterschreiten, wie Risikofaktoren bei der Berücksichtigung der relativen Vorsorgeschwäche keine Berücksichtigung finden. Das Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung knüpft die Feststellung der relativen Vorsorgeschwäche an die erwerbsbezogene Leistungsfähigkeit des Versicherten742. Schon in Anbetracht dieser Regelungen ist es dem Gesetzgeber verwehrt, die krankensozialversicherungsrechtliche Beitragsbemessungsgrundlage auf 740

Siehe 2. Teil H. II. 1. Zum Konnexitätsgebot zwischen Abgabenerhebungsgrund und -ausmaß siehe 2. Teil I. I. 2. Vgl. hierzu auch Huster, NZS 2002, S. 371, 376. 742 Siehe hierzu 1. Teil B. II. 2. a); 2. Teil H. III. 1. 741

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Nichterwerbseinkünfte auszudehnen. Hiermit statuiert der allgemeine Gleichheitssatz allerdings nur ein relatives Hindernis für die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkünften. Entschlösse sich der Gesetzgeber nämlich, die relative Vorsorgefähigkeit der potentiell Sozialversicherungspflichtigen anhand deren umfassender wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, mithin auch unter Berücksichtigung von Nichterwerbseinkünften zu bestimmen, wäre die Beitragspflichtigkeit des gesamten Einkommens zumindest unter dem Blickwinkel des Kongruenzgebotes zwischen Vorsorgefähigkeit und Beitragspflicht nicht zu beanstanden. Gleichwohl setzt die zweite Ebene – die Rückwirkung des erworbenen Versicherungsschutzes auf die Bemessungsgrundlage – einer möglichen Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkünften in der gesetzlichen Krankenversicherung Grenzen. 2. Das Postulat interindividueller Äquivalenz als Verdikt einer Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen In der gesetzlichen Krankenversicherung gilt wie in den anderen Sozialversicherungszweigen das Versicherungsprinzip, welches prinzipiell aus Gründen der sozialen Fürsorge verdrängt werden kann743. Daher bietet der Blickwinkel der intraindividuellen Äquivalenz, das Maß der Verflechtung zwischen Beitrag und Leistung744, gerade in der durch Sachleistungen geprägten gesetzlichen Krankenversicherung kaum Einschränkungen hinsichtlich der Ausgestaltung der Abgabenbemessungsgrundlage. Stärkere Anforderungen an die sozialversicherungsrechtliche Abgabenbemessung stellt hingegen das Postulat der interindividuellen Äquivalenz. Im Gegensatz zur intraindividuellen Äquivalenz beschränkt es sich nicht auf das Verhältnis von Beitrag und Leistung, sondern bezieht die Gesamtheit der Sozialversicherten in seine Beurteilung ein. Als Ausdruck des allgemeinen Gleichheitssatzes fordert die interindividuelle Äquivalenz vom Beitragsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung, Versicherten mit gleich hohen Beitragsleistungen auch gleich hohe Versicherungsleistungen zukommen zu lassen. Anders als bei der intraindividuellen Äquivalenz ist also nicht entscheidend, ob Gründe der sozialen Fürsorge das Versicherungsprinzip verdrängen, sondern ob eine Gruppe von Versicherten gegenüber einer anderen Gruppe von Versicherten benachteiligt wird.

743 Zum Geltungsumfang von Versicherungsprinzip und sozialem Ausgleich siehe 2. Teil C. II. 4., 5. 744 Zur intraindividuellen Äquivalenz von Beitrag und Leistung in der gesetzlichen Krankenversicherung siehe 2. Teil C. II. 5. a).

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a) Das Gebot interindividueller Äquivalenz in der höchstrichterlichen Rechtsprechung Das Gebot interindividueller Äquivalenz in der gesetzlichen Sozialversicherung ist insbesondere in den folgenden beiden höchstrichterlichen Entscheidungen konturiert worden. (1) Die Entscheidung zum Ruhen des Krankengeldanspruchs In seinem Beschluß zum Ruhen des Krankengeldanspruchs beim Bezug von Verletztengeld aus der gesetzlichen Unfallversicherung und beim Bezug von Übergangsgeld aus der gesetzlichen Rentenversicherung vom 9. November 1988 sah es das Bundesverfassungsgericht745 als mit dem Versicherungsprinzip unvereinbar an, daß die Versicherten trotz gleicher Beitragsleistung und medizinisch gleicher Bedarfssituation unterschiedliche Versicherungsleistungen erhielten. Das Versicherungsprinzip – so das Gericht – sei dadurch gekennzeichnet, daß eine Äquivalenz von Beitrag und Leistung bestehe. Zwar seien rechtfertigende Gründe für die sozialversicherungsrechtliche Abgabenbelastung nicht allein im Versicherungsgedanken, sondern auch im Solidarprinzip zu finden. Im vorliegenden Fall ging es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts jedoch nicht darum, daß Gründe der sozialen Fürsorge das Versicherungsprinzip verdrängten, sondern darum, daß eine Gruppe von Versicherten gegenüber einer anderen benachteiligt werde, um eine sozialpolitisch unerwünschte Kumulierung von Leistungen zu vermeiden und den Grundsatz des einheitlichen Leistungsträgers durchzuführen746. Dieses Vorgehen lasse sich nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbaren. (2) Die Einmalzahlungen-Entscheidung In seiner Entscheidung zu den Einmalzahlungen stellte das Bundesverfassungsgericht die kurzfristigen Lohnersatzleistungen der Beitragserhebung auf einmalig gezahltes Arbeitsentgelt gegenüber und sah deren leistungsrechtiche Irrelevanz als gleichheitswidrig an. Zwar sei es von Verfassungs wegen nicht geboten, bei der Bemessung kurzfristiger Lohnersatzleistungen eine versicherungsmathematische Äquivalenz zwischen den entrichteten Beiträgen und der Höhe der Leistungen zu erzielen747. Bei Versichertengruppen mit gleicher Beitragsleistung dürfe die gleiche hohe Beitragsleistung aber nicht zu unterschiedlich hohen Sozialleistungen führen. Das 745 746 747

BVerfGE 79, 87, 101. BVerfGE 79, 87, 101 f. BVerfGE 92, 53, 71.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

Bundesverfassungsgericht verlangte also eine Gleichbehandlung der Versicherten nicht nur bei der Beitragserhebung und der Leistungsgewährung, sondern auch bei der Verknüpfung beider Komponenten. Hieraus schlußfolgerte das Gericht, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit als zentraler Anknüpfungspunkt der Beitragsbemessung und als einer der in die Leistungsbemessung bei Lohnersatzleistungen einfließenden Faktoren müsse der gleichen Beurteilung unterliegen. Die Beitragspflichtigkeit von Einkommensbestandteilen, welche nicht bei der Berechnung von Leistungen berücksichtigt werden, sei nur unter hohen Anforderungen zu rechtfertigen. Einen hinreichenden sachlichen Grund für „Äquivalenzabweichungen“ bei Versicherten mit gleicher Beitragsleistung vermochte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zu den Einmalzahlungen nicht zu erkennen748. In der zweiten Entscheidung zur Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen aus Einmalzahlungen vom 24.5.2000 bekräftigte das Bundesverfassungsgericht seine vormaligen Aussagen nochmals, indem es feststellte: „Solange die Bemessung der Lohnersatzleistung nicht in einer ganz unbedeutenden Weise durch das bisherige beitragspflichtige Arbeitsentgelt mit bestimmt wird, müssen alle Arbeitsentgeltbestandteile einen grundsätzlich gleichen Erfolgswert haben. Allein dies entspricht Art. 3 Abs. 1 GG“749. Wie diese höchstrichterlichen Entscheidungen verdeutlichen, fordert der allgemeine Gleichheitssatz keinen bestimmten Grad einer versicherungsmathematischen Entsprechung zwischen den Sozialversicherungsbeiträgen und der Leistung an die Versicherten. Bis an die Grenze eines Mindestmaßes der Verflechtung von Belastungsgrund und Belastungsausmaß steht es dem Sozialversicherungsgesetzgeber daher frei, das Versicherungsprinzip zugunsten des Solidargedankens, aber auch zugunsten anderer Gründe zu verdrängen. Die Grenze liegt allerdings dort, wo Versicherte Beitragsleistungen in gleicher Höhe erbringen, aber ungleiche Leistungen beziehen. 748 Im Mai 2000 hat das Bundesverfassungsgericht unter breiter Zustimmung im Schrifttum die Verfassungswidrigkeit der nach der ersten Einmalzahlungen-Entscheidung erlassenen gesetzlichen Regelungen der Materie festgestellt. „Nach den in Prüfung gestellten leistungsrechtlichen Vorschriften des § 112 Abs. 1 S. 2 AFG und § 47 Abs. 2 S. 1 SGB V haben die Beiträge unverändert einen unterschiedlichen Erfolgswert (. . .). Auch in dem Inkrafttreten des Einmalzahlungengesetzes werden deshalb Versicherte mit gleich hoher Beitragsleistung umso stärker bei kurzfristigen Lohnersatzleistungen benachteiligt, je höher der Anteil ihres beitragspflichtigen einmalig gezahlten Arbeitsentgeltes ist (. . .). Für diese Ungleichbehandlung sind hinreichende sachliche Gründe nach wie vor nicht ersichtlich.“ Dem Gesetzgeber wurde vom Bundesverfassungsgericht ein bis zum 30.6.2001 befristeter Zeitraum zur Neuregelung der Materie eingeräumt. 749 BVerfG, 1 BvL 15/99, S. 24 f. Zu dieser Entscheidung ausführlich Waschull, NZS 2001, S. 113.

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b) Die interindividuelle Äquivalenz als versicherungszweigübergreifendes Postulat Anknüpfungspunkt für die Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts in seinen Entscheidungen zu den Einmalzahlungen waren unmittelbar nur die einkommensbezogenen Leistungen. In Anbetracht der erheblichen Unterschiede in den Leistungsstrukturen erscheint ein übergreifend für alle Sozialversicherungszweige und damit auch für die gesetzliche Krankenversicherung geltendes Gebot interindividueller Äquivalenz durchaus begründungsbedürftig. (1) Der Anteil einkommensbezogener Leistungen in den Sozialversicherungszweigen Die krankensozialversicherungsrechtliche Beitragsgestaltung weist für die Pflichtversicherten keine Besonderheiten gegenüber den anderen Sozialversicherungszweigen auf. Die Spezifik der Beitrags-Leistungs-Beziehung in der gesetzlichen Krankenversicherung offenbart sich indes mit Blick auf die gewährten Leistungen: In der gesetzlichen Krankenversicherung haben die Leistungen nur im geringen Umfang die Funktion, ausgefallenen Lohn zu substituieren. Prägend für die gesetzliche Krankenversicherung sind demgegenüber die Sach- und Dienstleistungen750, welche keinen Bezug zur Höhe der Versichertenbeiträge aufweisen. Im Hinblick auf die geringe Bedeutung der lohnbezogenen Leistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung hatte das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß zu den Beitragssatzunterschieden zwischen verschiedenen Krankenkassen ausdrücklich festgestellt, daß in der gesetzlichen Krankenversicherung anders als bei der Arbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Höhe der geleisteten Beiträge und der Höhe der gewährten Leistungen grundsätzlich nicht bestehe, weil sich der Beitrag zur Krankenversicherung nach der Höhe des Arbeitsentgelts richte, aber der ganz überwiegende Teil der Leistungen der Krankenversicherung beitragsunabhängig allein nach dem Maß der notwendigen Krankenbehandlung gewährt werde751. Aufgrund der Dominanz der am Bedarfskriterium orientierten Sach- und Dienstleistungen steht die gesetzliche Krankenversicherung im grundlegenden Gegensatz zur gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung. Die ge750 §§ 2 Abs. 2, 20 ff., 27 ff. SGB V. Infolge der arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingtem Arbeitsausfall wurde die Bedeutung des Krankengeldes erheblich relativiert. Zu den strukturbedingten Umverteilungswirkungen in der gesetzlichen Krankenversicherung siehe 2. Teil C. II. 5. a). 751 BVerfGE 89, 365, 378.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

ringe Beitrags-Leistungs-Bezogenheit der gesetzlichen Krankenversicherung wird allein durch die soziale Pflegeversicherung übertroffen. Denn diese gewährt bzw. finanziert noch ausschließlicher als die gesetzliche Krankenversicherung keine Lohnersatzleistungen, sondern richtet sich vollständig an Sach- und Dienstleistungen aus. Der Umfang der Dienstleistungen wird allein nach Art und Höhe des besonderen Bedarfs bestimmt, dessen Eintritt ein allgemeines, den Bürger betreffendes Risiko ist752. Daß diese Leistungen, anders als in der gesetzlichen Krankenversicherung, der Höhe nach beschränkt sind, rechtfertigt keine abweichende Bewertung753. Den intensivsten Ausdruck der Annäherung an das versicherungsmathematische Äquivalenzprinzip finden die in der gesetzlichen Unfallversicherung berücksichtigten individuellen Risiken durch die Abstufung der Beiträge der Unternehmer nach dem Gefahrtarif754 und das Beitragsausgleichsverfahren mit Zuschlägen, Nachlässen und Prämien755. Auch in der gesetzlichen Rentenversicherung weisen die Leistungen eine vergleichsweise hohe Einkommensorientierung auf756. Da mit den durch Beitragszahlungen erworbenen Entgeltpunkten kein Anspruch auf eine absolute Rentenhöhe verbunden ist, diese vielmehr von der die Entwicklung der Löhne und Gehälter widerspiegelnden allgemeinen Rentenbemessungsgrundlage abhängt, gilt insofern das Prinzip der sog. „Teilhabeäquivalenz“. Auch wenn die gesetzliche Unfall- und Rentenversicherung mit den medizinischen Behandlungs- und beruflichen Reintegrationsmaßnahmen durchaus einkommensunabhängige Leistungen gewähren757, fällt die Kompensation des Arbeitsverdienstes oder von Unterhaltsleistungen der Versicherten in diesen Sozialversicherungszweigen weitaus stärker ins Gewicht758. Indem das Ri752 Unter vollständigem Verzicht auf Einkommensersatzleistungen sieht die soziale Pflegeversicherung Leistungen für Pflegepersonen, vgl. §§ 44 f. SGB XI, in bestimmten Umfang durch Pflegegeld substituierbare Pflegesachleistungen sowie Hilfsmittel, §§ 36 ff. SGB XI, vor. 753 Zur Geltung des Sachleistungsprinzips in der sozialen Pflegeversicherung vgl. Krasney,VSSR 1994, S. 275, 276. 754 § 157 SGB VII. 755 § 162 SGB VII. 756 Ruland, DRV 1995, S. 28 ff.; Kolb, in: Schmähl, Versicherungsprinzip und soziale Sicherung, S. 120 ff. Schätzungsweise dienen 25–30 Prozent der Rentenausgaben dem sozialen Ausgleich, Hierzu zählen insbesondere folgende Elemente: Anrechnungszeiten nach § 58 SGB VI, Ersatzzeiten, §§ 250 ff. SGB VI, „Rente nach Mindesteinkommen“, § 262 SGB VI, Art. 82 RRG, Anrechnung von Kindererziehungszeiten, §§ 56, 249 Abs.1 SGB VI. 757 Vgl. §§ 27 ff. SGB VII, §§ 9 ff. SGB VI. 758 Im Vordergrund stehen also die Renten für die Versicherten, §§ 56 ff. SGB VII, §§ 35 ff. SGB VI, und für die Hinterbliebenen, §§ 63 ff. SGB VII, §§ 46 ff. SGB VI. Auf den Sozialleistungsbereich Arbeitsförderung sind die hier erörterten Fragestellungen nur partiell zu beziehen, weil gerade die von der Arbeitsverwaltung

I. Die Beitragspflichtigkeit vor dem Gebot interner Belastungsgleichheit

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siko der Arbeitslosigkeit mit kurzfristig risikoäquivalenten Beiträgen finanziert wird, weist überdies die gesetzliche Arbeitslosenversicherung759 eine relativ hohe Nähe zu der gesetzlichen Unfall- und Rentenversicherung auf. (2) Keine Relativierung des Äquivalenzpostulats in der gesetzlichen Krankenversicherung Unter Zugrundelegung dieser vergleichenden Betrachtung des Anteils einkommensbezogener Leistungen in den Sozialversicherungszweigen lehnt ein Teil der Literatur für die gesetzliche Krankenversicherung Äquivalenzmaßstäbe generell ab. Stünden nämlich die Leistungen der Versicherung nur noch zu einem ganz geringen Teil in Relation zu dem der Beitragsbemessung zugrundeliegenden Einkommen, sei es – wie Rolfs760 argumentiert – folgerichtig, die Bemessungsgrundlage auch auf Einkünfte wie Kapitalerträge oder solche aus Vermietung und Verpachtung zu erweitern, welche im Krankheitsfalle nicht ruhen und deshalb nicht ersetzt zu werden brauchen. Indes wäre es voreilig, den Geltungsgehalt des Postulats interindividueller Äquivalenz für die gesetzliche Krankenversicherung zu relativieren. Vielmehr wird allein ein versicherungszweigübergreifendes Verständnis des Gebotes interindividueller Äquivalenz dem allgemeinen Gleichheitssatz hinreichend gerecht. Zwar sind Gleichheit und Ungleichheit in einem Zweig der Sozialversicherung als Binnensystem leichter festzustellen als in einer systemübergreifenden Betrachtung. Je größer der Rahmen ist, innerhalb dessen verglichen wird, desto mehr Gesichtspunkte sind zu berücksichtigen und desto schwieriger wird der Vergleich761. Dies gilt grundsätzlich auch für die Beurteilung der interindividuellen Äquivalenz innerhalb des Versichertenkreises. Andererseits ermöglicht allein eine versicherungszweigübergreifende, individuelle Komponente der Äquivalenzbetrachtung, daß der Versicherungsgedanke in allen Untergliederungen der Sozialversicherung seine Bedeutung behält. Nur durch eine versicherungszweigübergreifende Sichtweise erlangt die Verknüpfung von Beitrag und Leistung in der gesetzlichen Krankenversicherung wie auch in der sozialen Pflegeversicherung Gewicht. Zudem spricht die Verzahnung von Risiken und Leistungen der in natura erbrachten Leistungen, wie solche der Arbeitsvermittlung, Berufsberatung, Förderung der beruflichen Bildung oder der beruflichen Rehabilitation, nicht durch das Versicherungsmodell strukturiert sind. 759 Gössl, Finanzverfassung der Sozialversicherung, S. 41. Nach Meinhold, Fiskalpolitik, S. 42 f., könne es in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung eine risikogerechte Prämie nicht geben, da die Arbeitslosigkeit als kollektives Risiko nicht versicherbar sei. 760 Rolfs, SGb 2000, S. 449, 445. 761 Vgl. Rüfner, NZS 1992, S. 81, 85.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

verschiedenen Versicherungszweige für einen versicherungszweigübergreifenden Maßstab interindividueller Äquivalenz. Beispiele hierfür bilden etwa das Verhältnis zwischen gesetzlicher Unfall- und Krankenversicherung nach § 11 Abs. 4 SGB V, die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit nach § 38 SGB VI und die Anrechnungs- und Ruhevorschriften der §§ 49 Abs. 1 Nr. 3, 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, §§ 93, 95 SGB VI, § 34 Abs. 2 S. 1 SGB XI762. Auch die vorgenannten Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bieten für eine restriktive Anwendung des von ihm herangezogenen Äquivalenzmaßstabs keine Anhaltspunkte. Die in der Entscheidung zu den Einmalzahlungen angestellte Betrachtung erfolgte isoliert gegenüber den übrigen Versicherungsleistungen und unabhängig von der Bedeutung der kurzfristigen Lohnersatzleistungen im Gesamtleistungsgefüge innerhalb der Sozialversicherungszweige. Obwohl die Verfassungsbeschwerde nur die Frage der Beitragserhebung zur gesetzlichen Rentenversicherung, Krankenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit betraf, beschränkte das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidungsformel nicht auf diese Versicherungszweige763. Anstelle einer jeweils auf die einzelnen Versicherungszweige begrenzten Überprüfung der Ausprägung der Äquivalenz betrachtete das Bundesverfassungsgericht die Gesamtheit der Versicherten mit beitragsbelastetem Arbeitsentgelt in Hinblick auf alle kurzfristigen Lohnersatzleistungen in allen Sozialversicherungszweigen von vornherein einheitlich. Es erstreckte seine Aussage sogar auf die gesetzliche Unfall- und soziale Pflegeversicherung, obwohl die beanstandeten Äquivalenzabweichungen dort nicht auftreten können764. Insbesondere daraus, daß das Bundesverfassungsgericht die Beitragspflichtigkeit von Einmalzahlungen auch in diesen Sozialversicherungszweigen für grundsätzlich zulässig hält, ergibt sich, daß eine Äquivalenzbetrachtung auch nach höchstrichterlicher Ansicht versicherungszweigübergreifend vorgenommen werden muß.

762

So auch Kokemoor, SGb 1996, S. 410, 416. Allein in der gesetzlichen Arbeitslosenversicherung haben die Einmalzahlungen einen herausragenden Stellenwert. Sie machen rund 76 Prozent der Gesamtleistungen aus. In der gesetzlichen Rentenversicherung liegt der Anteil der Lohnersatzleistungen der Rehabilitation unter 3 Prozent, in der gesetzlichen Krankenversicherung bei 5 Prozent, vgl. Kokemoor, SGb 1996, S. 410, 412. 764 Die Nichtberücksichtigung der Einmalzahlungen bei der Leistungsausgestaltung der gesetzlichen Unfallversicherung erwähnt das Gericht ausdrücklich, vgl. BVerfGE 92, 53, 61. In der gesetzlichen Unfallversicherung orientiert sich zwar das Verletztengeld an den Vorschriften zum Krankengeld, die Beitragserhebung folgt aber eigenen Regeln. Die Höhe der Beiträge richtet sich hier grundsätzlich neben der Unfallgefahr auch nach dem Jahresbetrag des Entgelts des Versicherten. Zudem werden die Beiträge grundsätzlich nur von Unternehmern aufgebracht. Das Recht der sozialen Pflegeversicherung kennt keine Lohnersatzleistungen. 763

I. Die Beitragspflichtigkeit vor dem Gebot interner Belastungsgleichheit

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(3) Die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen vor dem Gebot interindividueller Äquivalenz Mit der Anerkennung eines versicherungszweigübergreifenden Gebots interindividueller Äquivalenz geht ein Verdikt der Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkünften in der gesetzlichen Krankenversicherung der Gegenwart einher. Denn deren Einbeziehung in die Beitragsbemessungsgrundlage käme allenfalls bei entsprechender Berücksichtigung auf der Leistungsseite in Betracht. Nur durch die leistungsrechtliche Relevanz auch dieser Einkommensbestandteile ließe sich nämlich verhindern, daß Pflichtversicherte mit Nichterwerbseinkünften unterhalb der Bemessungsgrenze und Pflichtversicherte mit ausschließlich erwerbsbezogenen Einkünften Beiträge in gleicher Höhe zahlen, ohne im gleichen Umfang in den Genuß sozialversicherungsrechtlicher Leistungen zu gelangen. Allerdings würde die gesetzliche Krankenversicherung bei einer entsprechenden Expansion ihres Leistungskatalogs den in Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG enthaltenen Begriff der Sozialversicherung mit der Folge der Kompetenzwidrigkeit verlassen765, weil der Ersatz ausgefallener Zinsen, Mieten und Pachtzahlungen keine Verbindung zu den durch den Krankensozialversicherungszweig abgedeckten Risiken aufweist. Ist die leistungsrechtliche Relevanz beitragspflichtigen Nichterwerbseinkommens im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung also verfassungswidrig, scheidet aufgrund des gleichheitsrechtlichen Gebots interindividueller Äquivalenz auch die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen aus. Allerdings ist der Gesetzgeber frei, die Entsprechung von Beitrag und Leistung in der gesetzlichen Krankenversicherung z. B. durch die Verlagerung des Krankengeldes als einziger beitragsbezogener Leistungsart in den Bereich der privaten Krankenversicherung vollständig aufzugeben. Würde wie in diesem Fall die Gewährung des gesamten Leistungsspektrums unabhängig von der Beitragsbemessung erfolgen, stünde das Gebot der interindividuellen Äquivalenz einer Ausweitung der Bemessungsgrundlage auf Nichterwerbseinkünfte nicht mehr entgegen766.

765 Zur kompetenzrechtlichen Beschränkung der Sozialversicherung auf personenbezogene Risiken siehe 2. Teil C. II. 4. a). 766 Da bei Ausweitung der krankensozialversicherungsrechtlichen Bemessungsgrundlage Nichterwerbseinkünfte auch hinsichtlich der Versicherungspflicht zu berücksichtigen wären (siehe 2. Teil, I. III. 1.), bestünde allerdings die Gefahr, daß die relativ einkommensstarken GKV-Mitglieder die derzeitige Versicherungspflichtgrenze überschreiten und zur privaten Krankenversicherung abwandern. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, käme lediglich die Anhebung bzw. vollständige Aufhebung der Versicherungspflichtgrenze in Betracht. Zur verfassungsrechtlichen Problematik solcher Maßnahmen vgl. Huster, NZS 2002, S. 371, 376 f. m. w. N.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

3. Berücksichtigung externer Komponenten in der Bemessungsgrundlage des Sozialversicherungsbeitrags Zwar dürfen die Sozialversicherungsträger mit ihrer Beitragsgestaltung ohne gesetzliche Ermächtigung jedenfalls keine sachfremden Zwecke verfolgen767. Gleichwohl ist es dem Sozialversicherungsgesetzgeber nicht verwehrt, mittels der Bemessung der Sozialversicherungsbeiträge auch außerhalb des eigentlichen Sozialversicherungsverhältnisses liegende Ziele zu verwirklichen768. Insbesondere ist auch in der gesetzlichen Krankenversicherung die Instrumentalisierung der Sozialversicherungsbeiträge für Lenkungszwecke durchaus zulässig. Soweit diese „externen Ziele“ das sozialversicherungsrechtliche Bemessungsprinzip der erwerbsbezogenen Leistungsfähigkeit durchbrechen, unterliegt deren Verwirklichung einem über die bloße Willkürgrenze hinausgehenden Rechtfertigungsbedarf. Der nicht (ausschließlich) an der erwerbsbezogenen Leistungsfähigkeit der Versicherten orientierten Beitragsbemessung darf sich der Gesetzgeber nur so weit bedienen, als die mit der Gestaltung angestrebten Zwecke so bedeutsam sind, daß diese die Durchbrechung der Verteilungsgerechtigkeit rechtfertigen769. Insofern verlangt der allgemeine Gleichheitssatz wie bezüglich aller anderen nichtsteuerlichen Abgaben auch bei der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessung eine Abwägung zwischen den mit der Abweichung von der Lastengleichheit verbundenen Nachteilen und den mit der Gestaltung angestrebten Vorteilen. 4. Die Verfassungsmäßigkeit progressiver Sozialversicherungsbeiträge Anstelle der im Ergebnis verfassungswidrigen Ausweitung der krankensozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessungsgrundlage auf Nichterwerbseinkünfte käme eine Annäherung an das Einkommensteuerrecht durch die Einführung progressiver Beitragstarife in Betracht. Entgegen der Ansicht F. Kirchhofs770 sind progressiv erhobene Sozialversicherungsabgaben nicht per se gleichheitswidrig. Dessen Argumentation, einkommensgestaffelte nichtsteuerliche Abgaben führten neben dem Einkommensteuertarif zu 767

Siehe 2. Teil I. I. 3. BVerfGE 14, 312, 319 f. Andererseits stellte der Bayrische Verfassungsgerichtshof fest, daß die Krankenversicherung der Landwirte mit ihren Beiträgen keine „agrar-sozialpolitischen“ Ziele einer Vergrößerung oder Verkleinerung von Betrieben fördern darf, vgl. BayVerfGHE 32, 29, 40. 769 Siehe 2. Teil I. I. 770 Vgl. F. Kirchhof, NZS 1999, S. 161, 167; ders., in: Die Höhe der Gebühr, S. 148. 768

I. Die Beitragspflichtigkeit vor dem Gebot interner Belastungsgleichheit

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einer weiteren und in ihrer Wiederholung unzulässigen Progression771, überzeugt nicht. Allein wegen ihres Wiederholungscharakters kann eine sozialversicherungsrechtliche Progression keinem gleichheitsrechtlichen Verdikt unterliegen. Prinzipiell steht es dem Gesetzgeber frei, die in der gesetzlichen Krankenversicherung ohnehin nur gering ausgeprägte Entsprechung von Beitrag und Leistung772 durch die Aufgabe des linearen Tarifs weiter zu lockern. Begrenzungen erfährt der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum allerdings in zweierlei Hinsicht: Aufgrund des Gebotes interindividueller Äquivalenz müssen Versicherte mit identischen Beitragsbelastungen (zumindest potentiell) im gleichen Umfang in den Genuß sozialversicherungsrechtlicher Leistungen gelangen. Zum anderen erklärt die Verfassung einen Tarif dann für unzulässig, wenn die Progression in das zu verschonende Existenzminimum des Abgabenpflichtigen eingreift773. 5. Zwischenresümee Der gesetzgeberische Spielraum bei der Bemessung von Sozialversicherungsbeiträgen unterliegt auf zwei Ebenen Beschränkungen, welche über ein bloßes Willkürverbot hinausgehen: Zum einen ist der Gesetzgeber gehalten, die von ihm gewählten Kriterien zur Feststellung individueller Vorsorgebedürftigkeit auch bei der Ermittlung der in der Beitragsbemessungsgrundlage zum Ausdruck gelangenden Leistungsfähigkeit der Versicherten einfließen zu lassen. Solange der Gesetzgeber das Maß der Vorsorgefähigkeit aufgrund erwerbsbezogener Kriterien bestimmt, verbietet sich schon insoweit die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen. Demgegenüber würde die Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags ausschließlich an der einkommensteuerlich verstandenen Leistungsfähigkeit des einzelnen dazu führen, daß der Abgabentatbestand gleichheitssatzwidrig nicht an den rechtfertigenden Grund für die Abgabenerhebung anknüpft. Ein jedenfalls auf der Basis des geltenden Systems absolutes Hindernis gegenüber der Erhebung von Sozialversicherungsabgaben aus Nichterwerbseinnahmen stellt überdies das Gebot interindividueller Äquivalenz innerhalb des Pflichtversichertenkreises dar. Da bei einer Einbeziehung von Nichterwerbseinkünften in die Beitragsbemessungsgrundlage Sozialversicherungsbeiträgen gleicher Höhe keine kongruenten Leistungsansprüche gegenüberstünden, verbietet der allgemeine Gleichheitssatz die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkünften.

771 772 773

Vgl. auch Kempen, NVwZ 1995, S. 1163, 1164 ff. Siehe 2. Teil C. II. 5. a); I. III. 1. So auch Jestaedt, DVBl. 2000, S. 1820, 1828.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

IV. Die Verfassungsmäßigkeit der Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen freiwillig Versicherter Angesichts der divergierenden beitragsrechtlichen Behandlung Pflichtund freiwillig Versicherter drängt sich die Frage auf, inwiefern die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkommen freiwillig Versichter mit dem allgemeinen Gleichheitssatz zu vereinbaren ist. Die höhere Beitragsbelastung der freiwillig Versicherten wird jedenfalls nicht durch entsprechend umfangreichere Leistungen legitimiert. Der Heranziehung sonstiger Einkünfte auf der Beitragsseite stehen also grundsätzlich nicht höhere Sozialleistungen gegenüber. Das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung kennt nur in wenigen Fällen Sonderregelungen für freiwillig Versicherte774. Auch der Anteil der Ermessens- und Mehrleistungen, vgl. § 38 Abs. 2 SGB V, die freiwillig Versicherten zugute kommen könnten, war in der gesetzlichen Krankenversicherung schon 1994 gering775 und hat sich seitdem weiter verringert776. Die Unterschiede im Leistungsrecht sind damit nicht geeignet, die an die Art der Mitgliedschaft anknüpfenden Beitragsunterschiede unterhalb der Jahresverdienstgrenze zu rechtfertigen. Gleichwohl führt das gegenüber Pflichtversicherten abweichende Beitrags-Leistungs-Verhältnis freiwillig Versicherter nicht zu einem gleichheitsrechtlichen Verdikt. Da Gleichheit i. S. d. Art. 3 GG nicht Identität ist, darf sie nur als „Vergleichbarkeit“ verschiedener Sachverhalte verstanden werden. Voraussetzung für einen Vergleich zweier unterschiedlicher Sachverhalte ist ein gemeinsamer Bezugspunkt, an dem beide Sachverhalte gemessen werden777. Die gleichheitsrechtliche Beurteilung fordert daher zwei Bewertungsvorgänge: Zum einen bedarf es der Feststellung eines gemeinsamen Bezugspunktes, zum anderen der Bewertung beider Sachverhalte aufgrund des gemeinsamen Maßstabes778. Eine Vergleichbarkeit zweier Sachverhalte ist erst dann gegeben, wenn das tertium comparationis in beiden Vergleichsobjekten als so wesentliches Element der Sachverhalte erkannt werden kann, daß es eine für beide unterschiedlichen Sachverhalte identische Rechtsfolgenanordnung nach einer „am Gerechtigkeitsdenken orientierten Betrachtungsweise“779 rechtfertigt. 774

Vgl. § 13 Abs. 2 SGB V i. d. F. des Gesetzes zur Stärkung der Solidarität in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19.12.1998, BGBl. I 1998, S. 3853. 775 BVerfGE 89, 365, 379 m. w. N. 776 §§ 20 f. SGB V i. d. F. des Gesetzes zur Entlastung der Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 1.11.1996, BGBl. I 1996, S. 1631. 777 Hesse, AöR 77 (1951/52), S. 167, 174. 778 F. Kirchhof, Die Höhe der Gebühr, S. 42. 779 Vgl. BVerfGE 48, S. 281, 288.

I. Die Beitragspflichtigkeit vor dem Gebot interner Belastungsgleichheit

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1. Die Vergleichbarkeit Pflicht- und freiwillig Versicherter Für eine Vergleichbarkeit Pflicht- und freiwillig Versicherter spricht die Überlegung, daß eine Trennung der Gruppen aufgrund der organisatorischen Einheit in der Sozialversicherung künstlich wirkt780. Pflichtversicherung und freiwillige Sozialversicherung stehen in zahlreichen wechselwirksamen Beziehungen. Die Versicherten treten von einer Form in die andere über, ohne daß ihnen der Wechsel als solcher bewußt wäre; sie genießen die Vorteile der freiwilligen Versicherung, die ihnen ohne Pflichtversicherung gar nicht gewährt werden könnten781. Zudem finanzieren grundsätzlich auch freiwillig Versicherte die Umverteilung in der gesetzlichen Krankenversicherung mit. Andererseits kommt der freiwilligen Sozialversicherung in vielerlei Hinsicht eine „Zwitterstellung“782 zu. Im Gegensatz zu den Pflichtversicherten beruht die Mitgliedschaft freiwillig Versicherter nicht auf gesetzgeberischem Zwang, sondern auf deren freier Willensentscheidung. Zwar sind freiwillig Versicherte in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht uneingeschränkt willkommen. Ein subjektives Recht jedes Bürgers, zu jeder beliebigen Zeit den Schutz der gesetzlichen Krankenversicherung zu erhalten, existiert nicht. Andererseits gibt es nur wenige Personen, denen der Zugang zur gesetzlichen Krankenversicherung während ihres gesamten Erwerbslebens generell verwehrt bleibt783. Ein Blick auf die Strukturen des der gesetzlichen Krankenversicherung immanenten sozialen Ausgleichs macht schließlich deutlich, daß zwischen Pflicht- und freiwillig Versicherten keine vollständige beitragsrechtliche Gleichbehandlung erfolgen kann: In der auf Zwang basierenden gesetzlichen Krankenversicherung subventionieren die Besserverdienenden die Schwächeren. Dies geschieht gerade durch Abweichung vom Prinzip der Austauschgerechtigkeit. Die die versicherungsmathematische Äquivalenz übersteigenden Beiträge, welche eine solche Umverteilung erst ermöglichen, können dabei grundsätzlich nur von Pflicht-, nicht aber von freiwillig Versicherten erhoben werden. Unter der Prämisse, daß sich Versicherte nach 780 Leisner, Privatversicherung und Sozialversicherung, S. 131: „Entweder faßt man den Gesamtbereich der Sozialversicherung als eine volle Einheit auf und sieht ihn als vom Einsatz der Hoheitsgewalt geprägt an, daß er im ganzen als öffentlichrechtlich im Sinne eines Hoheitsrechtlichen qualifiziert werden kann oder man sieht in der freiwilligen Sozialversicherung eine Veranstaltung der Leistungsverwaltung, in der sich die Hoheitsverwaltung der Pflichtversicherungsbeziehungen fortsetzt.“ Zum öffentlich-rechtlichen Charakter der Sozialversicherung vgl. Zacher, in: FS Jantz, S. 29 f.; Richter, Sozialversicherungsrecht, S. 8. 781 So Leisner, Sozialversicherung und Privatversicherung, S. 131. 782 Vgl. Ulrich, NZS 2001, S. 281, 287. 783 Siehe 1. Teil B. I.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

dem wirtschaftlichen Kalkül für eine Versicherung in der gesetzlichen oder privaten Versicherung entscheiden, liegt nämlich die Annahme nahe, daß sich vor allem diejenigen Personen für die gesetzliche Krankenversicherung entscheiden, deren voraussichtliche Gesundheitskosten inklusive ihrer mitversicherten Familienangehörigen so hoch sind, daß sie aufgrund der Zahl der abzusichernden Risiken bzw. des schlechten Gesundheitszustandes eines dieser Personen in der privaten Krankenkasse mehr zahlen müßten als in einer gesetzlichen Krankenkasse784. Darüber hinaus können freiwillige Mitglieder anders als Pflichtversicherte jederzeit mit einer kurzen Kündigungsfrist austreten785. Der soziale Ausgleich beruht daher denknotwendig auf der Pflichtmitgliedschaft; er ist nur in einem System der Zwangsversicherung aufrechtzuerhalten786. Um den auf der Pflichtmitgliedschaft basierenden sozialen Ausgleich überhaupt gewährleisten zu können, müssen die freiwillig Versicherten auch künftig weitgehend von dessen Vorteilen ausgeschlossen bleiben. Wenn freiwillig Versicherte trotz des Austrittsrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung geblieben sind, können sie nicht mit Erfolg geltend machen, gegenüber den Pflichtversicherten ungerecht behandelt worden zu sein. Im Ergebnis vergleichbar anerkannte das Bundessozialgericht zwar eine Ungleichbehandlung dahingehend, daß die Mindestbeiträge freiwillig Versicherter höher als die Beiträge mancher Pflichtversicherter sind, wenn deren beitragspflichtige Einnahmen niedriger ausfallen als diejenigen, welche bei freiwillig Versicherten mindestens zugrundegelegt werden787. Die ungleiche 784 So auch Busch/Pfaff/Rindsfüßer, Die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung, S. 47. Demgegenüber gelangte Mühlenkamps zu dem Ergebnis, daß freiwillig versicherte Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung grundsätzlich nicht durch die übrigen Personengruppen alimentiert werden. Vielmehr stellen freiwillig versicherte Männer sogar ein „gutes Ausgabenrisiko“ dar, vgl. Mühlenkamp, Empirische Ergebnisse, S. 14. Er beschränkte seine Untersuchung jedoch auf Ortsund Innungskrankenkassen, traf also zu den anderen großen Trägern der gesetzlichen Krankenkassen, wie die Betriebs- und Ersatzkassen, keine Feststellungen. 785 § 191 Nr. 4 SGB V. 786 Bogs, Die Sozialversicherung im Staat der Gegenwart, S. 506 ff. 787 Dies trifft etwa zu bei versicherungspflichtig Beschäftigten mit niedrigem Arbeitsentgelt, bei versicherungspflichtig Beschäftigten i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 7, 8 SGB V, bei versicherungspflichtigen Studenten und Praktikanten i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 9, 10 SGB V und bei versicherungspflichtigen Rentnern i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 11, 12 SGB V mit niedrigen Bezügen. Bei den Studenten und Praktikanten ist darüber hinaus der Beitragssatz erheblich ermäßigt, vgl. § 245 Abs. 1 S. 1 SGB V, so daß ihr Beitrag insgesamt deutlich unter dem Mindestbeitrag freiwillig Versicherter liegt. Schließlich werden bei manchen der Pflichtversicherten die Beiträge nach Maßgabe der §§ 249 Abs. 1 S. 1 SGB V ganz oder zum Teil vom Arbeitgeber oder von einem Dritten getragen oder bezuschußt, vgl. § 249a SGB V.

I. Die Beitragspflichtigkeit vor dem Gebot interner Belastungsgleichheit

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Behandlung sieht das Gericht aber wegen der Unterschiede zwischen den Normadressaten als mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar an. Sie liege in der „grundsätzlich geringeren Schutzbedürftigkeit der freiwilligen Mitglieder, deren Krankenversicherung von den Pflichtversicherten möglichst nicht mitfinanziert werden soll“788, begründet. Diese Überlegung bestätigte kürzlich auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Beschluß zur Verfassungsmäßigkeit der Mindestbemessungsgrenze für Beiträge hauptberuflich selbständig Erwerbstätiger, die freiwillige Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung sind. Gegenstand der Entscheidung war § 240 Abs. 4 S. 2 HS. 2 SGB V, welcher bewirkt, daß hauptberuflich Selbständige bei Einnahmen unterhalb der in dieser Vorschrift enthaltenen Mindestbemessungsgrenze mit einem höheren Mindestbeitrag herangezogen werden als die sonstigen freiwilligen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung. Diese qualifizierte Mindestbemessungsgrundlage soll – so das Bundesverfassungsgericht – in legitimer Weise verhindern, daß das mit der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit verbundene Unternehmerrisiko über die Beitragsbemessung partiell auf die Solidargemeinschaft überwälzt werden könne. Der Gesetzgeber dürfe also dafür Sorge tragen, daß der Versicherungsschutz der Selbständigen – welchen grundsätzlich die freie Entscheidung über das Ausmaß ihres Arbeitseinsatzes und damit über ihre beitragspflichtigen Einnahmen obliege – die Solidargemeinschaft bei geringem wirtschaftlichen Erfolg nicht über Gebühr belaste789. Das Gebot interindividueller Äquivalenz kann also für Pflicht- und freiwillig Versicherte nicht in gleicher Ausprägung gelten. Denn die gesetzliche Krankenversicherung geht grundsätzlich davon aus, daß freiwillig Versicherte nicht auf die durch den sozialen Ausgleich bewirkte Absicherung ihrer Vorsorgefähigkeit angewiesen sind. Den Schutz der Pflichtversicherten vor Übervorteilung durch die freiwilligen Mitglieder besorgt das Krankensozialversicherungsrecht; die freiwillig Versicherten sind für die Wahrung ihrer Interessen hingegen selbst verantwortlich. Anders als die Pflichtversicherten können sie sich vor den Nachteilen des sozialen Ausgleichs selbst schützen, indem sie sich gegen die gesetzliche Krankenversicherung entscheiden. Daß der Wechsel zur privaten Versicherung wegen etwaiger Risikoausschlüsse oder -zuschüsse ausgeschlossen oder unwirtschaftlich ist, rechtfertigt grundsätzlich keine andere Bewertung790. Daß die Möglichkeiten zu einem späteren Wechsel in die private Krankenversicherung mit steigender Dauer der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung 788 789 790

BSG, SozR 3-2500, § 240 SGB V, Nr. 6, S. 16; Nr. 7, S. 22. BVerfG, Beschluß vom 22.05.2001 – 1 BvL 4/96 – Rn. 33. BSG, SozR 3-2500, § 240 SGB V, Nr. 6, S. 16; Nr. 7, S. 22.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

spürbar schwinden, darf jedoch – wie im folgenden gezeigt wird – nicht völlig unberücksichtigt bleiben. 2. Fälle der Schutzbedürftigkeit freiwillig Versicherter Die obige Argumentation relativiert sich unter Umständen dann, wenn der Verbleib in der gesetzlichen Krankenversicherung im Vertrauen auf einen zumindest gleichbleibenden Leistungsumfang erfolgte bzw. mit dieser Aussicht begründet wurde und im Zeitpunkt der Änderungen des Leistungsumfangs ein Wechsel zur privaten Krankenversicherung für die Betroffenen etwa wegen des erhöhten Eintrittsalters nicht mehr möglich ist791. Da die gesetzliche Krankenversicherung auf Veränderungen im Verlaufe des Lebens der Versicherten insofern eingestellt ist, als die Versicherten in jungen und mittleren Jahren eher benachteiligt, im Alter hingegen typischerweise erheblich begünstigt sind792, erscheint es bedenklich, wenn Versicherte, die in ihren jungen und mittleren Jahren über einen relevanten Zeitraum an den Lasten des Sicherungssystem beteiligt worden sind, durch Rechtsänderungen die Möglichkeit genommen würde, das Versicherungsverhältnis auch dann fortzusetzen, wenn sie die Früchte der früheren Lastentragung ernten. Hieraus läßt sich einerseits das dem Vertrauensschutz zu entnehmende Recht auf eine „Erwerbsberechtigung“ dergestalt abgeleiten, daß das Verbot einer einseitigen Aufhebung des durch bestimmte typenkonstituierte Merkmale geprägten Versicherungsverhältnisses ohne Eröffnung einer adäquaten Anschlußperspektive besteht793. Neben dem Zugang zur Krankenversicherung muß überdies gewährleistet sein, daß eine rechtliche Verknüpfung zwischen der nach den Arbeitseinkünften der Versicherten gestaffelten Beitragsbelastung und den für alle Versicherten nahezu gleichen Leistungen vorliegt794. Dieser Grundsatz darf – wie die kürzlich ergangene höchstrichterliche Entscheidung zum Zugang zur Krankenversicherung der Rentner795 bestätigt – nicht nur für Pflichtversicherte gelten, sondern muß auch auf diejenigen freiwillig Versicherten Anwendung finden, deren Schutzbedürftigkeit mit der der Pflichtversicherten vergleichbar ist. Dies trifft für freiwillig weiterversicherte Arbeitnehmer eher zu als für die sonstigen freiwillig Versicherten, insbesondere die selbständig Tätigen. Letztere bilden Fremdkörper in der prinzipiell an den Arbeitnehmerstatus anknüpfenden 791

Vgl. Philipp, Arzneimittellisten und Grundrechte, S.188. Zur intertemporalen Umverteilung vgl. Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 229. 793 Vgl. Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 227; Papier, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz (Hrsg.), Grundgesetz, Art. 14 Rn. 155 f. 794 Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 362. 795 BVerfG, in: JZ 2001, S. 141 ff. 792

J. Die Lohnbezogenheit des Sozialversicherungsbeitrags

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Sozialversicherung. Demgegenüber entfällt der Bezug zum Arbeitsverhältnis als Anknüpfungspunkt der Pflichtmitgliedschaft auch dann nicht, wenn ein abhängig Beschäftigter das zunächst gesetzlich begründete Versicherungsverhältnis freiwillig fortsetzt. Dieses Verständnis sozialversicherungsrechtlicher Leistungsfähigkeit liegt auch der höchstrichterlich gebilligten Heranziehung solchen Alterseinkommens zur Beitragspflicht zugrunde, die der Versichertenrente insofern vergleichbar sind, als sie ebenfalls auf eine frühere abhängige Erwerbstätigkeit zurückgehen796.

J. Die Lohnbezogenheit des Sozialversicherungsbeitrags als Legitimationsgrundlage des Arbeitgeberbeitrags Die Erwerbseinkommensbezogenheit der sozialversicherungsrechtlichen Abgabenbemessung findet ihren besonderen Ausdruck in der finanziellen Inpflichtnahme der Arbeitgeber für ihre Arbeitnehmer. Soweit der Versicherte Arbeitnehmer ist, tragen Arbeitnehmer und Arbeitgeber in „rechtlicher Symbiose“797 die Beiträge jeweils zur Hälfte. Die Bemessungsgrundlage für den Arbeitgeberbeitrag ist ausschließlich das Arbeitsentgelt des Versicherten798. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmer Beiträge aus anderen Einkünften zu entrichten hat. In Parallele zu den Versichertengrenzen ist das über der Beitragsbemessungsgrenze liegende Arbeitsentgelt auch hinsichtlich der arbeitgeberrechtlichen Beitragspflicht freigestellt. Im folgenden soll dargelegt werden, daß die Berücksichtigung von Nichterwerbseinkünften Versicherter nicht allein für die Bemessung von Versichertenbeiträgen, sondern gerade auch hinsichtlich der finanziellen Inanspruchnahme der Arbeitgeber unzulässig wäre. Wie die Zahlungspflicht der Versicherten muß auch die finanzielle Inanspruchnahme der Arbeitgeber sowohl dem Grunde als auch ihrer Ausgestaltung nach den Verfassungsanforderungen genügen. Als Begrenzungen des gesetzgeberischen Spielraums hinsichtlich der Gestaltung der Arbeitgeberabgabe bieten sich insbesondere die Sozialversicherungskompetenz und die Grundrechte an.

I. Der lohnbezogene Arbeitgeberbeitrag als Strukturmerkmal der Sozialversicherung Die „Finanzierung durch Beiträge“ ist ein die Sozialversicherungskompetenz prägendes Strukturmerkmal799. Über die grundsätzliche Legitimation 796 797 798 799

BVerfGE 79, 223, 237. Isensee, in: Zacher (Hrsg.), Die Rolle des Beitrags, S. 461, 487. Vgl. für die gesetzliche Krankenversicherung § 249 Abs. 1 SGB V. Siehe 2. Teil C. II. 5. b).

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

der sozialversicherungsrechtlichen Abgabenerhebung hinaus kann Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG die Ausgestaltung des Arbeitgeberbeitrags jedoch nicht konturieren. Insbesondere läßt sich aus der Sozialversicherungskompetenz kein Gebot der auf das Erwerbseinkommen beschränkten finanziellen Inanspruchnahme der Arbeitgeber ableiten. Zu diesem Ergebnis gelangte auch das Bundesverfassungsgericht. Zwar stellte es fest, Arbeitgeberbeiträge seien Sozialversicherungsbeiträge, „weil sie auch entsprechend dem Lohnanteil dieser Arbeitnehmer berechnet werden und der Deckung des allgemeinen Finanzbedarfs der Versicherungsträger dienen“800. Hieraus zu schlußfolgern, das Gericht habe den Arbeitgeberbeitrag und dessen Lohnbezogenheit zur wesensbestimmenden Essentialie des Sozialversicherungsbeitrags erheben wollen, ginge jedoch zu weit801. Zum einen legte das Bundesverfassungsgericht in derselben Entscheidung ausdrücklich dar, daß zu den Beiträgen im Sinne des Sozialversicherungsrechts grundsätzlich alle Geldleistungen zählen, die von Versicherten oder Arbeitgebern aufgrund gesetzlicher Vorschriften zur Deckung des Finanzbedarfs der Versicherungsträger aufgebracht werden802. Zum anderen qualifizierte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung eine Arbeitgeberabgabe zur Familienausgleichskasse nach dem Kindergeld als Sozialversicherungsbeitrag, die gerade nicht am Maßstab des Lohnes eines einzelnen Arbeitnehmers berechnet wird803. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG stellt dem Gesetzgeber nicht nur die Ausgestaltung des Arbeitgeberbeitrags frei, sondern überläßt auch das „Ob“ der finanziellen Inanspruchnahme der Arbeitgeber dem gesetzgeberischen Ermessen. Also statuiert die Sozialversicherungskompetenz keineswegs das Gebot einer paritätischen Lastentragung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern804. Zu diesem Ergebnis führt der Gesichtspunkt, daß auch das auf die Weimarer Reichsverfassung zurückgehende „klassische Bild der Sozialversicherung“ nicht durch eine paritätische Lastentragung durch die Arbeitgeber gekennzeichnet ist. Bei Einführung der Krankenversicherung im Jahre 1883 wurde den Arbeitgebern lediglich ein Drittel, den Arbeitnehmern hingegen zwei Drittel der Abgabenlasten auferlegt. Erst im Jahre 1934 führte das sog. „Gesetz über den Aufbau der Sozialversicherung“ die hälftige Beitragszahlung durch die Arbeitgeber ein. Auch heute ist die paritätische, am Lohn des Arbeitnehmers orientierte Beteiligung der Arbeitgeber in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht durchgehend verwirklicht: Abwei800 801 802 803 804

BVerfGE 14, 312, 319. So auch Henseler, Legitimation von Sonderabgaben, S. 147. BVerfGE 14, 312, 318. BVerfGE 14, 312, 318. So auch Huster, JZ 2002, S. 371, 376.

J. Die Lohnbezogenheit des Sozialversicherungsbeitrags

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chungen zuungunsten der Versicherten stellen die Zuzahlungen bei Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln nach §§ 31 ff SGB V, die Kostenbeteiligung bei vollstationärer Krankenhausbehandlung, § 39 Abs. 4 SGB V und die Selbsttragung von Fahrtkosten nach § 60 SGB V dar. Eine „wirtschaftliche Durchbrechung“ zu Lasten des Arbeitgebers ist andererseits die durch die Arbeitgeber für die Dauer von 6 Wochen zu leistende Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG. Gleichermaßen stellte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit der Pflicht der Arbeitgeber zur hälftigen Beitragszahlung in der sozialen Pflegeversicherung ausdrücklich fest, es gehöre nicht zum Wesen der Sozialversicherung, daß sie nicht allein vom Arbeitnehmer bezahlt werde. Für die Verteilung der Beitragslast unter den Beteiligten gebe es keine einheitlichen, das Bild der klassischen Sozialversicherung prägenden Grundsätze von Verfassungsrang805. Schließlich läßt auch das Strukturmerkmal der Selbstverwaltung die finanzielle Inanspruchnahme der Arbeitgeber nicht als zwingend erscheinen806. Zwar wird die Selbstverwaltung nach § 29 Abs. 2 SGB IV in der Regel durch die Versicherten und die Arbeitgeber ausgeübt. Die Beteiligung gerade der Arbeitgeber an der Selbstverwaltung der Krankenkassen ist jedoch keine Essentialie für die Kompetenzgemäßheit des Sozialversicherungsrechts. Vielmehr stellt die Arbeitgeberbeteiligung an der Selbstverwaltung lediglich die Konsequenz aus ihrer finanziellen Betroffenheit dar807. Das Bild der Sozialversicherung fordert also lediglich die soziale Selbstverwaltung durch die in Anspruch genommenen Beteiligten. Nicht notwendig ist hingegen der Fortbestand der Selbstverwaltung in seiner gegenwärtigen Ausgestaltung808. Also kann auch die Mitwirkung der Arbeitgeber in der sozialversicherungsrechtlichen Selbstverwaltung kein verfassungsrechtliches Gebot einer hälftige Inanspruchnahme statuieren. Ob und inwiefern die in der gesetzlichen Krankenversicherung zu treffende Aufteilung der Beitragslast zulässig ist, richtet sich daher allein nach dem materiellen Verfassungsrecht. Soweit die Arbeitgeber an der Finanzierung der Sozialversicherung beteiligt sind, muß die Erhebung der Arbeitgeberbeiträge insbesondere den gleichheitsrechtlichen Anforderungen genügen809.

805 BVerfG, Urteil vom 27.1.2000 – B 12 KR 29/98 R, in: NZS 2000, S. 402, 403; vgl. auch BSG SozR 3-3300 § 55 Nr. 3 S. 19; Bieback, VSSR 1997, S. 117, 130 m. w. N. 806 In der gesetzlichen Krankenversicherung sind die Krankenkassen rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung, vgl. § 4 Abs. 1 SGB V. 807 Hendler, DRV 1986, S. 319, 325 bezeichnet Selbstverwaltung als „Betroffenenschutz durch Betroffenteilhabe“. 808 So auch Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 255.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

II. Der Arbeitgeberbeitrag vor dem allgemeinen Gleichheitssatz Die Verfassungskonformität des Arbeitgeberbeitrags verlangt einen „sachlich einleuchtenden Grund dafür, daß ein Privater im Unterschied zu anderen Privaten über seine Steuerpflicht hinaus als Beteiligter im Sinne des Sozialversicherungsrechts zu einer Abgabe herangezogen wird, die weder ihm selbst noch seiner Gruppe zugute kommt, ihm vielmehr als fremdnützige Abgabe auferlegt wird, die sozialen Ausgleich und Umverteilung zum Ziel hat und herstellt“810. Zwar ließe sich die Fremdnützigkeit des Arbeitgeberbeitrags811 dann umgehen, wenn man die Arbeitgeberzahlungen wirtschaftlich als Lohnbestandteile ansieht. Dementsprechend ordnet ein Teil des Schrifttums812 den hälftigen Arbeitgeberbeitrag als eigene Leistung des Versicherten ein. § 3 Nr. 26 EStG qualifiziere die vom Arbeitgeber erbrachten Sozialleistungen als Lohn, so daß es einer ausdrücklichen Befreiung von der Besteuerung durch diese Vorschrift bedürfe. Auch aus betriebswirtschaftlicher Sicht sei der Arbeitgeberbeitrag der wirtschaftlichen Leistung des Arbeitnehmers zuzurechnen und als eine Art „Soziallohn“ anzusehen. Weiter wird geltend gemacht, die Aufteilung des Sozialversicherungsbeitrags in Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil habe lediglich historische Gründe, sie sei eine technische Entscheidung, die genausogut hätte anders ausfallen können813. Diese Überlegungen können jedoch für eine verfassungsrechtliche Beurteilung nicht ausschlaggebend sein. Die Einordnung des Arbeitgeberanteils als Lohnbestandteil scheidet schon deshalb aus, weil sich diese Zahlungsverpflichtung 809

Der Arbeitgeberbeitrag greift nicht in das „Eigentum am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb“ ein, vgl. Kleemann, Verfassungsrechtliche Probleme der sozialen Pflegeversicherung, S. 113. Denn Art. 14 Abs. 1 GG schützt den Gewerbebetrieb nur in seiner jeweiligen, von den normativen, politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen und den Marktverhältnissen geprägten Situationsgebundenheit. Die sozialversicherungsrechtliche Abgabenpflicht ist eine politische Anpassung an die soziale Bedarfslage, also der Ausfluß der Veränderung von „äußeren“ Gegebenheiten. Die Auferlegung von Sozialabgaben läßt jedoch objektiv eine berufsregelnde Tendenz deutlich erkennen, so daß der Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG tangiert ist. 810 BVerGE 75, 108, 157. 811 Siehe 2. Teil E. III. 1. c). 812 Ruland, DRV 1985, S. 13, 18; Forster-Müller, SozVers 1978, S. 115, 118; Haverkate, ZRP 1984, S. 217, 220; Merten, GK-SGB IV, § 14 Rn. 19; Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1, S. 153 f. 813 Ruland, DRV 1985, S. 13, 18; Hentschel, Geschichte der deutschen Sozialpolitik, 1880–1980, S. 983, S. 16 ff.; allgemein: Uland, in: Mommsen (Hrsg.), Die Entstehung des Wohlfahrtsstaates im Großbritanien und Deutschland, 1850–1950, S. 142 ff.

J. Die Lohnbezogenheit des Sozialversicherungsbeitrags

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für den Arbeitgeber nicht aus dem individuellen schuldrechtlichen Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer, sondern aufgrund öffentlich-rechtlicher Normen ergibt814. Die Sozialversicherungspflicht ist im Gegensatz zur Lohnzahlung kein Ausdruck von Privatautonomie, sondern als hoheitlicher Eingriff vor der Verfassung zu legitimieren 815. Auch eine hypothetische vorausgesetzte höhere Leistungsfähigkeit der Arbeitgeber kann als Belastungsgrund für die Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen als nichtsteuerliche Abgaben nicht ausreichen816. Vielmehr bedarf es auch für die Belastung der Arbeitgeber eines spezifischen Belastungsgrundes817. 1. Der Vorteilsausgleich als Rechtfertigung des Arbeitgeberbeitrags Die Rechtfertigung des Eingriffs in die Grundrechte der Arbeitgeber läßt sich nicht durch den Gesichtspunkt des Vorteilsausgleiches begründen. Zwar profitieren Arbeitgeber indirekt durchaus vom System der sozialen Sicherung. Dieser Nutzen steht aber in keiner Gegenseitigkeitsbeziehung zum Arbeitgeberbeitrag, sondern würde sich auch bei einer Steuer- oder ausschließlichen Arbeitnehmerfinanzierung einstellen. Nur die gesetzliche Unfallversicherung erlaubt eine abweichende Bewertung: Indem die Arbeitgeber in diesem Versicherungszweig die Kosten bestreiten, werden sie im Krankheitsfall bzw. im Falle der Haftpflicht von der zivilrechtlichen Haftung oder Freistellungspflicht gegenüber ihrem Arbeitnehmer frei818. Insoweit entspricht die gesetzliche Unfallversicherung aus Arbeitgebersicht der klassischen Risikoversicherung im Sinne einer Äquivalenz zwischen Beitrag und Leistung819.

814

Bönnemann, Die Rechtsnatur der Arbeitgeberbeiträge, S. 31 ff. So auch Leisner, Privatversicherung und Sozialversicherung, S. 101. 816 Friauf, DB 1991, S. 1773, 1779. 817 Vgl. für nichtsteuerliche Abgaben generell siehe 2. Teil G. II. 818 Vgl. §§ 104 ff. SGB VII. 819 Vgl. Reichhold, Wertschöpfungsbezogene Bemessungsgrundlage, S. 40. In der sozialen Pflegeversicherung steht der Arbeitgeberbelastung mit der Streichung eines Feiertags eine „faktische Kompensation“ gegenüber. Um die mit dem Arbeitgeberbeitrag zur Pflegeversicherung verbundenen Belastungen der Wirtschaft auszugleichen, wurde der Buß- und Bettag als gesetzlicher Feiertag gestrichen, § 58 Abs. 2, 3 SGB XI. Allein in Sachsen haben die Arbeitnehmer den Beitrag zur Pflegeversicherung in voller Höhe zu tragen, vgl. hierzu Kleemann, Verfassungsrechtliche Probleme der sozialen Pflegeversicherung; Pieroth/Störner, Die Feiertagsregelung des Pflegeversicherungsgesetzes; Ulrich, SGb 2001, S. 161, 164 ff. 815

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

2. Die Verwertung der Arbeitskraft als Legitimation des Arbeitgeberbeitrags Die Legitimation der Beitragspflicht der Arbeitgeber liegt in der Verwertung der Arbeitskraft der Versicherten mit Unternehmerrisiko und Unternehmerchance. Der Arbeitgeberbeitrag findet seine Rechtfertigung in dem „auf Dauer ausgerichteten Arbeitszusammenhang“ bzw. – wenn ein reguläres Arbeitsverhältnis vorliegt – in der „Fürsorgepflicht als speziellerer Ausprägung der Obsorgepflicht“820. Indem der Arbeitgeber die Chance erhält, das Produkt der Arbeitskraft seiner Arbeitnehmer zu seinem Gewinn zu verwerten, rechtfertigt diese Verwertung zu eigenen unternehmerischen Zwecken seine Heranziehung zur Finanzierung der Vorsorge seiner Arbeitnehmer unter dem Gesichtspunkt der Lastengleichheit821. Allerdings erscheint die Anknüpfung der Beitragspflicht an das herkömmliche Arbeitsverhältnis sowie die Beschäftigung von „Personen gegen Arbeitsentgelt“ angesichts der ständigen Veränderungen der Organisationsformen auf dem Arbeitsmarkt überholt. Wie Wallerath822 darlegt, übersteigen die neuen Formen der Erwerbstätigkeit die herkömmliche Begrifflichkeit des klassischen Arbeitnehmers bzw. des klassischen Unternehmers. Anstelle eines Festhaltens am „Normalarbeitsverhältnis“ gilt es nach Zurechnungszusammenhängen zu suchen, welche auf einem spezifischen, dem klassischen Arbeitsverhältnis vergleichbaren Angewiesensein der Erwerbspersonen beruhen. In diesem Sinne genügt nach neuerer Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, daß ein sachlicher Anknüpfungspunkt in den Beziehungen zwischen Versicherten und Beitragspflichtigen besteht, der die Heranziehung nicht außerhalb der Vorstellungen erscheinen läßt, die die Sozialversicherung in ihrem sachlichen Gehalt prägen823. Gleichwohl besteht bei der Loslösung vom klassischen Arbeitsverhältnis eine erhebliche Ausuferungsgefahr bei der Inanspruchnahme bisher Nichtversicherter. Jedenfalls würde die generelle Erstreckung der Beitragspflicht auf die Partner von Werkverträgen eine überzogene Fiktion sozialer Verantwortung darstellen. Denn hier treffen die Beteiligten im Gegensatz zu der von der Sozialversicherung traditionell erfaßten allein abhängigen, mit zahlreichen Zusatzpflichten versehenen Beschäftigung in Dauerdienstverhältnissen zeitlich und gegenständlich begrenzt in einer Leistungsbeziehung aufeinander824. 820

Butzer, Fremdlasten in der Sozialversicherung, S. 713. So auch Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, S. 61. 822 Wallerath, SDSRV 45 (1999), S. 7, 13; ders., in: VDR/Ruland (Hrsg.), HdR, S. 11 Rn. 50. 823 BVerfGE 75, 108, 146 f. 824 Vgl. F. Kirchhof, NZS 1999, S. 166 ff. 821

J. Die Lohnbezogenheit des Sozialversicherungsbeitrags

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3. Die Grenzen der Inanspruchnahme von Arbeitgebern Wie für alle nichtsteuerlichen Abgaben gilt auch für den Arbeitgeberbeitrag das Gebot der Konnexität von Belastungsgrund und Belastungsausmaß. Der Grund der finanziellen Inanspruchnahme liegt in der durch ein Arbeitsverhältnis begründeten Verantwortung des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer; diese beschränkt die sozialversicherungsrechtliche Abgabenbelastung des Arbeitgebers sowohl hinsichtlich der absicherbaren Risiken als auch in seiner Ausgestaltung. a) Die Finanzierung allgemeiner Lebensrisiken durch den Arbeitgeber Zwischen dem Arbeitsverhältnis als Belastungsgrund und dem abzusichernden Lebensrisiko des Versicherten muß ein Zusammenhang feststellbar sein. Löst sich die Verflechtung zwischen dem Vorsorgebedürfnis des Versicherten und der spezifischen Verantwortlichkeit des Arbeitgebers, gerät die Rechtfertigungsfähigkeit des Arbeitgeberbeitrags hingegen an seine Grenzen. In diesem Fall fordert der allgemeine Gleichheitssatz, die entsprechende Aufgabe über das steuerliche Abgabensystem, nicht aber über den Sozialversicherungsbeitrag zu bewältigen825. Besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Feststellung eines Bezuges zum Arbeitsverhältnis weist das Pflegerisiko auf. Zwischen dem Pflegerisiko und der Arbeitsleistung besteht keine direkte Korrelation826. Es existiert kein Erfahrungssatz dahingehend, daß Arbeit typischerweise zum Pflegefall führt. Vielmehr ist die Pflegebedürftigkeit ein allgemeines Lebensrisiko, das in besonderer Weise mit dem Alter des Betreffenden, nicht aber mit seiner Arbeitsleistung verbunden ist. Ein Zusammenhang zwischen dem Pflegefall des Arbeitnehmers als das den Sozialversicherungsschutz auslösende Ereignis und dem Arbeitsverhältnis erscheint kaum feststellbar. Aufgrund der fehlenden spezifischen Verbindung des Pflegerisikos mit dem Arbeitsverhältnis gelangt eine Vielzahl von Stimmen im Schrifttum827 zu dem Ergebnis, die Unterstützung Pflegebedürftiger stelle eine allgemeine Aufgabe der Gesellschaft dar und dürfe daher nicht den Arbeitgebern auferlegt werden; das Risiko der Pflegebedürftigkeit entstamme einer „vom Arbeitsverhältnis weit entfernten Risikosphäre“828. Andererseits spricht das seit jeher durch die Arbeitgeber mitfinanzierte und als verfassungskonform 825

Gössl, Die Finanzverfassung der Sozialversicherung, S. 72. Maschmann, SGb 1991, S. 300, 306; Friauf, DB 1991, S. 1773, 1777. 827 So etwa Berenz/Brock/Worzalla, Der Arbeitgeber 1991, S. 381, 382; Friauf, DB 1991, S. 1773, 1777; Maschmann, SGb 19991, S. 300, 306. 828 Leisner, Belastungsgrenze der Unternehmen, S. 96. 826

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

anerkannte allgemeine Krankheitsrisiko für die Grundrechtskonformität einer Inanspruchnahme der Arbeitgeber. Die Vergleichbarkeit beider Risiken wird in Hinblick auf die Schwierigkeiten deutlich, überhaupt zwischen den Kategorien der Krankheit und der Pflegebedürftigkeit zu unterscheiden829. Die enge Verwobenheit zwischen dem Krankheits- und Pflegerisiko wird auch dadurch bestätigt, daß die Vorläufer der sozialen Pflegeversicherung gerade in das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung integriert waren830. b) Die Bemessung des Arbeitgeberbeitrags Neben der Art des abzusichernden Risikos muß sich auch das Maß der finanziellen Inanspruchnahme am Legitimationsgrund der Abgabe orientieren. Die Zugrundelegung der beschäftigungsbezogenen Verantwortung als Rechtfertigung des Arbeitgeberbeitrags bindet den Gesetzgeber dementsprechend bei der Wahl der Bemessungsgrundlage. Wie für die Versichertenbeiträge gilt auch hier das dem allgemeinen Gleichheitssatz und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu entnehmende Konnexitätsgebot zwischen Grund und Ausgestaltung der Abgabe831. Insoweit gibt die dem Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer obliegende Fürsorgepflicht die Schranken der Bemessung des Arbeitgeberbeitrags vor. Der Belastungsgrund fordert nicht zwingend die Orientierung am Individualarbeitsverhältnis in dem Sinne, daß das Individualarbeitsentgelt des Versicherten die Bemessungsgrundlage des Arbeitgeberbeitrags bildet. Der vor allem in den sechziger Jahren diskutierte Vorschlag, eine sog. Wert829 Krasney, Sitzungsbericht Deutscher Juristentag 1978, S. 36 Fn. 3. Zum Teil wird die Pflegebedürftigkeit auch als ein Annexrisiko zu dem der Krankheit angesehen, vgl. v. Einem, SGb 1991, S. 53, 54; Schulin, SDSRV 29 (1987), S. 8, 35. 830 Bis 1989 gewährte das Sozialversicherungsrecht im Fall der Pflegebedürftigkeit keine Leistungen. Die entstandenen Kosten mußten die Betroffenen – wenn es sich nicht um die Folgen einer Schädigung im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes ( vgl. § 35 BVG) oder einen Arbeitsunfalls (vgl. §§ 557 Abs. 1 Nr. 6, 558 RVO) handelte – selbst tragen bzw. Leistungen nach §§ 68, 69 BSHG in Anspruch nehmen. Mit Erlaß des GRG vom 20.12.1988 (BGBl. I, S. 2477) wurden durch die §§ 53–57 SGB V Leistungen bei Pflegebedürftigkeit unabhängig von deren Ursache eingeführt. Jedoch blieb der Leistungsumfang der durch das PflegeVG vom 26.5.1994 (BGBl. I, S. 1014) aufgehobenen Regelungen sehr beschränkt: Als Sachleistungen waren monatlich höchstens 25 Pflegesätze vorgesehen, wobei die Aufwendungen insgesamt den Wert von 750 DM nicht übersteigen durften. Wahlweise konnte ein Pflegegeld von monatlich 400 DM in Anspruch genommen werden. Leistungen bei stationärer Pflege gewährten die §§ 53–57 SGB V nicht. Umfassend zur Absicherung des Pflegerisikos bis zur Einführung der sozialen Pflegeversicherung vgl. Schulin, in: ders. (Hrsg.), HBSVR, Bd. 4, § 1, Rn. 19 ff. 831 Zum Postulat der zielkonformen Abgabenbemessung siehe 2. Teil I. I. 3.

J. Die Lohnbezogenheit des Sozialversicherungsbeitrags

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schöpfungsabgabe einzuführen, welche sich im Gegensatz zur gegenwärtigen Regelung nicht nach dem Maßstab des an die eigenen Arbeitnehmer ausgezahlten Arbeitsentgelts berechnet, sondern die Wertschöpfung des Unternehmens zugrundelegt832, wäre daher prinzipiell noch verfassungsgemäß. Zwar ist die arbeitsrechtliche Fürsorgepflicht an den Individualvertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gebunden und kann daher grundsätzlich keine vertragsunabhängige Globalsicherung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber legitimieren 833. Eine Abkoppelung der Bemessung der Arbeitgeberbeiträge vom Individualarbeitsverhältnis ließe sich aber mit der Überlegung begründen, daß ein Arbeitgeber über seine eigenen Beschäftigten hinaus aufgrund von Investitionsgütern oder Zulieferungen typischerweise genauso wie auf seine Arbeitnehmer auch auf Arbeitnehmer fremder Betriebe angewiesen ist. Diese Abhängigkeit bildet die Grundlage einer „sozialen Verantwortlichkeit“, welche eine entsprechende Beitragspflicht rechtfertigen würde834. Auch das Bundesverfassungsgericht835 vertrat bereits im Jahre 1962 den Standpunkt, die Pflicht der Arbeitgeber zur Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen beruhe nicht auf ihren individuellen Rechtsbeziehungen zu den Arbeitnehmern. Die Auffassung, die Verpflichtung der Arbeitgeber Sozialversicherungsbeiträge zu leisten, lasse sich auf das einzelne Arbeitsverhältnis und eine ihm entspringende Vertragspflicht gegenüber dem Arbeitgeber zurückführen, sei mit dem System des Sozialversicherungsrechts nicht zu vereinbaren836. Unabhängig von der Zulässigkeit eines vom Individualarbeitsverhältnis losgelösten Arbeitgeberbeitrags darf dieser jedenfalls nicht nach Nichterwerbseinkünften der Versicherten bemessen werden. Denn die Verantwortung der Arbeitgeber beschränkt sich auf die Erwerbstätigkeit der Arbeitnehmer. Allein diese spiegelt sich in den finanziellen Zuwendungen an den Arbeitnehmer wider. Nur für die Absicherung der Erwerbseinkünfte besteht daher der für die Abgabenlegitimation notwendige Zusammenhang zwi832

Ende der fünfziger Jahre wurde erstmals diskutiert, das Beitragsaufkommen im Sinne einer horizontalen Ausweitung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragserhebung vom Lohn- und Gehaltsaufkommen abzukoppeln. Anlaß hierfür waren die in den Gesetzesreformen von 1957 mit den eingeführten Erhöhungen der Rentenversicherungsleistungen verbundenen stärkeren Beitragsbelastungen, welche zu einem Wettbewerbsnachteil lohnintensiver Branchen gegenüber kapitalintensiven Betrieben führten, vgl. Müller, in: SDSRV 20 (1979), S. 1425 ff.; BT-Drucks. III/2723, S. 2. Umstritten sind im übrigen die Grenzen, welche sich für eine Wertschöpfungsabgabe nach EU-Recht ergeben, vgl. hierzu EuGH, Urteil vom 31. März 1992, C-200/90, zur dänischen Arbeitsmarktabgabe UR 1992, S. 232. 833 Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, S. 818. 834 So auch v. Brünneck, ZRP 1990, S. 375. 835 BVerfGE 14, 312, 317, 318. 836 BVerfGE 14, 312, 317, 318. A. A. Hase, Versicherungsprinzip und sozialer Ausgleich, S. 178 f.

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2. Teil: Die Bemessung des Krankensozialversicherungsbeitrags

schen Vorsorgebedürfnis der Versicherten und Vorsorgeverantwortung der Arbeitgeber, welcher sich auch in der Quantifizierung der Vorsorgepflichten abbildet. Bei Entkoppelung der krankenversicherungsrechtlichen Bemessungsgrundlage vom Arbeitsentgelt wäre der hälftige Beitragsanteil der Arbeitgeber daher nicht zu rechtfertigen837.

837 So auch F. Kirchhof, NZS 1999, S. 161, 167; W. Kannengießer/C. Kannengießer, in: FS Klein, S. 1119, 1135.

Zusammenfassung der Ergebnisse I.

Ausdrückliche Maßstäbe für die Bemessung von Sozialversicherungsbeiträgen lassen sich dem Grundgesetz nicht entnehmen.

II.

Der Sozialversicherungsbeitrag ist keine Steuer i. S. d. Art. 104a ff. GG, sondern eine Abgabe eigener Art. Die horizontale bzw. vertikale Expansion der Bemessungsgrundlage modifiziert die Rechtsnatur des Sozialversicherungsbeitrags nicht. Die Finanzverfassung kann daher den gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum bei der Verteilung sozialversicherungsrechtlicher Lasten nicht begrenzen.

III. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG räumt dem Bund die Kompetenz zur Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen ein. Direktiven für die Verteilung der Sozialversicherungslasten innerhalb des Versichertenkreises gibt die Sozialversicherungskompetenz jedoch nicht vor. Sie erlaubt die Erhebung von Abgaben immer dann, wenn diese selbständigen Versicherungsträgern zufließen und dort zur Deckung des Finanzbedarfs eingesetzt werden. Insbesondere statuiert Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG keinen Ausschließlichkeitsanspruch erwerbseinkommensbezogener Bemessungskriterien des Sozialversicherungsbeitrags. IV.

Der Gegenstand der Sozialversicherung i. S. d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG beschränkt sich auf die Absicherung personenbezogener Risiken. Die leistungsrechtliche Berücksichtigung ausgefallenen Nichterwerbseinkommens würde den kompetentiellen Begriff der Sozialversicherung überdehnen.

V.

Weder in ihrer abwehr- noch in ihrer teilhaberechtlichen Ausprägung sind die Freiheitsgrundrechte der Art. 14, 12 GG Grundlage einer Bemessungsregel für Sozialversicherungsbeiträge. Ihr Schutzbereich wird durch die Erhebung hoheitlicher Abgaben in der Regel nicht berührt. Sie stellen sich allenfalls konfiskatorisch wirkenden Zahlungslasten entgegen.

VI. Der Sozialversicherungsbeitrag ist wie jede nichtsteuerliche Abgabe an den gleichheitsrechtlichen Vorgaben der externen und internen Belastungsgleichheit zu messen. Für die externe Belastungsgleichheit muß die Auferlegung des Sozialversicherungsbeitrags „dem Grunde nach“ gerechtfertigt werden. Die interne Belastungsgleichheit verlangt eine gleichheitskonforme Verteilung sozialversicherungsrechtlicher Lasten innerhalb des Versichertenkreises.

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Zusammenfassung der Ergebnisse

VII. Der Legitimationsgrund für die Erhebung des Sozialversicherungsbeitrags „dem Grunde nach“ besteht in der relativen individuellen Vorsorgeschwäche der Versicherungspflichtigen bezüglich der Absicherung personenbezogener Risiken. Für die Feststellung der Vorsorgeschwäche potentiell Versicherungspflichtiger sind die Erwerbseinkünfte, deren Ausfall bei der Realisierung von Personenschäden in erster Linie bedroht ist, zu berücksichtigen. Es obliegt dem gesetzgeberischen Entscheidungsspielraum, neben den Erwerbseinkünften auch Nichterwerbseinkünfte in die Beurteilung der individuellen Vorsorgefähigkeit einzubeziehen. Die dem Krankensozialversicherungsrecht zugrundeliegende typisierende Annahme, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Pflichtversicherten erschöpfe sich im Gegensatz zu den freiwillig Versicherten in erwerbsbezogenen Einnahmen, genügt den gleichheitsrechtlichen Anforderungen. VIII. Die interne Belastungsgleichheit gebietet, die Bemessungskriterien nichtsteuerlicher Abgaben am Rechtfertigungsgrund ihrer Erhebung auszurichten. Insofern untersagt sie dem Gesetzgeber, die relative Vorsorgeschwäche als Legitimationsvoraussetzung der Versicherungspflicht anhand anderer Kriterien zu beurteilen als die der Beitragsbemessung Versicherungspflichtiger zugrundeliegende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Dementsprechend schließt die erwerbseinkommensbezogene Versicherungspflicht die Beitragspflichtigkeit des Nichterwerbseinkommens Versicherungspflichtiger in der gesetzlichen Krankenversicherung aus. IX. Solange die gesetzliche Krankenversicherung zumindest teilweise einkommensbezogene Leistungen gewährt, läßt sich die Beitragspflichtigkeit von Nichterwerbseinkünften mit dem Postulat interindividueller Äquivalenz nicht vereinbaren. Das Gebot interindividueller Äquivalenz bildet eine versicherungszweigübergreifende Konkretisierung der internen Belastungsgleichheit. Es verlangt, daß Versichertengruppen mit gleich hohen Beitragsleistungen Sozialleistungen gleichen Umfangs erhalten. Aufgrund des kompetentiellen Verdikts einer leistungsrechtlichen Berücksichtigung des Nichterwerbseinkommens würde dessen Beitragspflichtigkeit in Hinblick auf die Gewährung einkommensbezogener Leistungen eine gleichheitswidrige Benachteiligung von Versicherungspflichtigen mit teilweise nichterwerbsbezogenen gegenüber Versicherungspflichtigen mit ausschließlich erwerbsbezogenen Einkünften herbeiführen. X.

Das Gebot interindividueller Äquivalenz gilt nicht im gleichen Maße für das Verhältnis zwischen Pflicht- und freiwillig Versicherten. Das Recht der gesetzlichen Krankenversicherung geht zulässigerweise davon aus, daß freiwillig Versicherte nicht auf die durch den sozialen

Zusammenfassung der Ergebnisse

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Ausgleich bewirkte Absicherung ihrer Vorsorgefähigkeit angewiesen sind. Im Gegensatz zu den Pflichtversicherten beruht die Mitgliedschaft freiwillig Versicherter demzufolge nicht auf gesetzgeberischem Zwang, sondern auf deren freier Willensentscheidung. Hieraus resultiert in der Regel eine verminderte Schutzbedürftigkeit freiwillig Versicherter, die auch deren abweichende beitragsrechtliche Behandlung rechtfertigt. XI. Der Arbeitgeberbeitrag ist kein Strukturmerkmal der gesetzlichen Sozialversicherung i. S. d. Art. 74 Abs. 1 Nr. 12 GG. Kompetenzrechtliche Beschränkungen der finanziellen Inanspruchnahme von Arbeitgebern existieren daher nicht. Seine gleichheitsrechtliche Legitimation erfährt der Arbeitgeberbeitrag durch die aus dem Beschäftigungsverhältnis resultierende spezifische Verantwortung des Arbeitgebers gegenüber seinen Arbeitnehmern. Dieser Erhebungsgrund muß sich in der Bemessung der Abgabe abbilden. Er verbietet die beitragsrechtliche Anknüpfung des Arbeitgeberbeitrags an das Nichterwerbseinkommen der Arbeitnehmer.

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Sachwortverzeichnis Abgabenbemessung 22 Abgabenerhebungskompetenz 99 Abgabengerechtigkeit 18 Abgabenobjekt 22 Abgabensubjekt 22, 26 Abgabentarif 22 f., 33 f., 51 Allgemeine Handlungsfreiheit – als Grundlage Postulats verhältnismäßiger Abgabenerhebung 145 ff. – Beeinträchtigung durch Pflichtmitgliedschaft 120 ff. Allgemeiner Gleichheitssatz 149, 157 ff., 190, 193, 195 ff., 226 ff. – externe Belastungsgleichheit 159 ff., 195 ff. – faktische Gleichheit 163 ff. – interne Belastungsgleichheit 159 ff., 195 ff., 202, 207 – Rechtsanwendungsgleichheit 163 – Rechtssetzungsgleichheit 164 Allokationsoptimum 41 f. Äquivalenz – im versicherungsmathematischen Sinne 36, 85 f., 93 – interindividuelle 208 ff. – intraindividuelle 111 ff., 208 Arbeiterversicherung 19, 82 Arbeitgeberbeitrag – Bemessung 230 ff. – Vorteilsausgleich als Rechtfertigung 227 ff. Arbeitsentgelt 29 ff., 35 f., 46, 48, 51, 92, 127, 143, 179, 190, 195, 209 ff., 214, 223, 228 ff. Aufgabenspektrum der gesetzlichen Krankenversicherung 123 ff., 173, 186 Außentheorie 60 Außergewöhnliche Belastungen 107

Behinderte 26, 96 Beitragsbemessungsgrenze 31, 34, 40, 43, 51 Beitrags-Leistungs-Verhältnis 54, 87 f., 91, 114, 151, 153, 194, 211, 212 Beitragssatz 91, 94, 172, 211 Beitragstarif – progressiver 216 f. Bemessungsmaßstab – Definition 23 ff. – Kontrollintensität der Judikative 200 f. Berufsfreiheit 142 ff. Bruttoprinzip 29 Budgethoheit des Parlaments 67, 106 Eigentumsgarantie 126 ff. – Erdrosselungsschutz 135 ff. – Funktionswandel 131 – Halbteilungsgrundsatz 137 ff. – sozialversicherungsrechtliche Anwartschaft 119, 151 ff., 175 – Vermögen als Schutzgut 129 Einkommensbezogene Leistungen 92 f., 182, 211 ff. Einkommensteuer 18 ff., 22 ff., 25 ff., 216 f. Einmalzahlungen 49, 88, 209 ff., 214 Entwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung 117 ff., 153 ff., 195 – des sozialen Ausgleichs 94 ff. – des versicherungspflichtigen Personenkreises 100 ff. Ertragskompetenz 58 ff., 106 Existenzminimum 116, 217 Externe Komponenten i.V. m. der Bemessung des Sozialversicherungsbeitrags 216 ff.

266

Sachwortverzeichnis

Familienlastenausgleich 173 ff. Finanzverfassung 25, 53, 57 ff., 65 ff., 99, 103 ff., 106 ff., 158, 167, 183 Finanzwissenschaftliche Vorgaben 40 ff. Französisches Beitragsrecht 39 f. Freiwilliges Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung 49, 52, 95, 101, 155, 191, 194, 218 ff. Gattungsbegriff der Sozialversicherung 69, 75 ff. Gegenleistungsbegriff – formeller und materieller 63 Gesamtgesellschaftliche Umverteilung 165 ff. Gesetzliche Rentenversicherung 26, 30, 38, 46, 83, 154 ff., 172, 174 ff., 179, 190, 209, 211 ff. Gesetzliche Unfallversicherung 26, 79, 95, 189, 209, 211 ff., 227 Gleichartigkeitsverbot 65 f. Globaläquivalenz 84 ff., 146, 150, 172 f. Gossen’sches Gesetz 24 Homogenität der Risiken 78, 95 Homogenität des Versichertenkreises 94, 101 f., 176 ff. Innentheorie 60 Institutionelle Garantie der Sozialversicherung 111 ff. Klassisches Bild der Sozialversicherung 70, 72, 78 ff., 98, 183, 224 ff. Konnexitätsgebot 201 ff. Krankengeld 92 f., 98, 152, 209 ff. Krankenversicherung der Rentner 47 ff., 49 f., 96, 155, 191, 222 Künstlersozialversicherungsabgabe 143 Lastengleichheit 67, 87, 106, 133, 147, 158, 176, 205, 216, 228 Lohnbezogenheit des Sozialversicherungsbeitrags 18, 82, 211

– als Legitimationsgrundlage des Arbeitgeberbeitrags 223 ff. Lohnsummensteuer 41

Menschenwürde 116, 124, 165

Nichterwerbseinkommen – Beitragspflichtigkeit 51 ff. – Definition 19 – Risiko des Ausfalls 78 ff. – verfassungsrechtliches Verdikt der Beitragspflichtigkeit 84 ff., 120, 150, 196, 208 ff., 215, 218 ff. Nichtsteuerliche Abgaben 57, 62 f., 67, 103 ff., 107, 159 ff., 165 ff., 180, 201 f., 216, 227, 229 Niederlande 39

Opfergleichheit 24

Personenversicherung 87 Pflichtmitgliedschaft 120 ff., 152, 205, 220, 223 Prinzip der Reziprozität 94 f. Privatversicherung 73, 86, 89, 141, 153

Rechtsnatur des Sozialversicherungsbeitrags – Abgrenzung zu Sonderabgaben 102 ff. – Abgrenzung zur Steuer 61 ff. Risiko – der Arbeitslosigkeit 79 – der Krankheit 84, 91 ff., 182, 186 f., 230 – der Pflegebedürftigkeit 173, 21 – des Unternehmers 221, 227 Risikoausgleich 85, 89, 95, 178 Risikoheterogenität des Versichertenkreises 94 ff.

Sachwortverzeichnis Sach- und Dienstleistungen in der gesetzlichen Krankenversicherung 91, 98, 141, 211 f. Schutzbedürftigkeit 100, 187, 180 ff., 189, 221 Schweiz 39 Selbständige 26, 28, 30, 35, 39, 96, 101, 143, 161, 178 f., 221 Selbstverwaltung 113, 177 – als Strukturmerkmal der Sozialversicherung 180 ff. Sonderabgaben 67, 101 ff., 167, 176 f., 180 Sonderausgaben 28 Soziale Pflegeversicherung 83, 97, 152, 173 ff., 186 f., 212 ff., 225, 230 Sozialer Ausgleich 88 ff. – als Legitimation des Sozialversicherungsbeitrags 162 ff. – als Zusatzversicherung 183 ff. Sozialstaatsprinzip 114 ff., 25, 113 Staatsaufgaben 99, 108 – allgemeine und besondere 166 ff., 175 Steuern 58, 61, 104 ff., 139, 143, 146, 161, 166, 172 f., 204 Steuerstaatsprinzip 103 ff. Studenten 26, 96 Subsidiarität als Verfassungsprinzip 123 ff. Synthetische Abgabenerfassung 27

267

Umverteilung in der gesetzlichen Krankenversicherung – interpersonelle 89 ff., 162 f., 177, 184 – intertemporale 90, 153, 184, 205 ff. Verbandslasten 205 ff. Verhältnismäßigkeitsprinzip 155, 193, 199 ff., 207, 230 – horizontale Dimension 145 ff. – vertikale Dimension 148 ff. Versicherungsfremde Leistungen 171 ff., 195 Vorbehalt des Finanzierbaren und Gewollten 115 Vorsorgefreiheit 79, 120, 182 Vorsorgeschwäche 180 ff. – abstrakte Sichtweise 190 – risikospezifische Sichtweise 189 Vorzugslasten 62, 63, 202 ff.

Tradition der Sozialversicherung 38, 52, 70, 72 ff., 113, 228 Typisierungen 187 ff. Typus der Sozialversicherung 76 f., 153

Wechselfälle des Lebens 69, 79, 83, 115, 125, 184 Weimarer Reichsverfassung 56, 69, 73, 74, 129 Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit 18, 20, 24 ff., 35, 37, 46, 56 f., 65 f., 189 ff., 208, 210 – als Bemessungsmaßstab des Krankensozialversicherungsbeitrags in der höchstrichterlichen Rechtsprechung 46 ff. – als Bemessungsmaßstab steuerlicher Normen 196 ff. – als Bemessungsmaßstab von Verbandslasten 205, 208

Umdeutung von Sozialversicherungsbeiträgen in Steuern 62

Zufälligkeit des Risikoeintritts 184 f. Zuflußprinzip 27