Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung [1 ed.] 9783428522644, 9783428122646

Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung haben kollegiale Funktionsträger seit langem erhebliches Gewicht bei der N

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Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung [1 ed.]
 9783428522644, 9783428122646

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Schriften zum Gesundheitsrecht Band 6

Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung Von Karin Ziermann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

KARIN ZIERMANN

Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung

Schriften zum Gesundheitsrecht Band 6 Herausgegeben von Professor Dr. Helge Sodan, Freie Universität Berlin, Präsident des Verfassungsgerichtshofes des Landes Berlin, Direktor des Deutschen Instituts für Gesundheitsrecht (DIGR)

Inhaltsbestimmung und Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung

Von Karin Ziermann

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2006 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten # 2007 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Werksatz, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1614-1385 ISBN 978-3-428-12264-6 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die Bundesausschüsse bzw. als deren Nachfolger nun der Gemeinsame Bundesausschuss und die Bewertungsausschüsse sind als Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung dazu beauftragt, Art, Umfang und Inhalt der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung näher zu bestimmen. Der Gesetzgeber hat dem Gemeinsamen Bundesausschuss und den Bewertungsausschüssen für die vertragsärztliche und die vertragszahnärztliche Versorgung Handlungsaufträge erteilt, aus deren Sachzusammenhang sich notwendigerweise ein enges Zusammenspiel der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses und des Bewertungsmaßstabes ergibt. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten (§ 92 Abs. 1 SGB V). Gemäß § 87 Abs. 1 SGB V vereinbaren die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse als Bestandteil der Bundesmantelverträge einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen und einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die zahnärztlichen Leistungen. Die Bewertungsmaßstäbe haben den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und deren wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander zu bestimmen. Die Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der (erweiterten) Bewertungsausschüsse können jedoch unter Umständen miteinander kollidieren, wenn beide Gremien durch ihre Beschlüsse Konkretisierungen des Leistungsanspruches des Versicherten vornehmen. Es stellt sich daher die Frage nach der Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen beider Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung. Neben der allgemeinen Bestimmung in § 92 SGB V sind im Gesetz nach dem GKV-Modernisierungsgesetz 1 an verschiedenen Stellen besondere Ermächtigungen des Gemeinsamen Bundesausschusses unverändert geblieben, aber auch neue aufgenommen worden, wonach er in den Richtlinien das Nähere über Art, Umfang und Inhalt bestimmter Leistungen und damit korrespondierend der Leistungsansprüche der Versicherten zu bestimmen hat. Es wird insofern auf die entspre1

BGBl. I, 2190; in Kraft getreten am 01.01.2004.

6

Vorwort

chenden Sonderregelungen in den §§ 22 Abs. 5, 25 Abs. 4 und 5, 26 Abs. 2, 27 a Abs. 4, 29 Abs. 4, 30 Abs. 1 2, 31 Abs. 1,32 Abs. 1, 33 Abs. 1, 3 und 4, 34 Abs. 1, 3 und 4 sowie 35 Abs. 1 SGB V verwiesen. Es stellt sich die Frage, ob dem Gemeinsamen Bundesausschuss auch in allen anderen Fällen eine Kompetenz zur abschließenden Definition des Leistungsanspruchs des Versicherten zukommt. Wäre diese Frage zu bejahen, könnte der Gemeinsame Bundesausschuss die Kompetenz für sich in Anspruch nehmen, in Richtlinien nach § 92 SGB V die abrechnungsfähigen Leistungen bereits so weitgehend zu beschreiben, dass danach dem Bewertungsausschuss praktisch keinerlei Spielraum verbleiben würde, der über die Festlegung der Bewertungszahlen hinausginge. Aufgabe des einheitlichen Bewertungsmaßstabes ist es aber, den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander zu bestimmen (§ 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Ferner sind die Bewertungsmaßstäbe in bestimmten Zeitabständen daraufhin zu überprüfen, ob die Leistungsbeschreibung und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung entsprechen (§ 87 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Eine Konkretisierung der allgemeinen Aussagen in den Richtlinien des Bundesausschusses durch den Inhalt der Leistungsbeschreibung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes liegt daher bereits in der Natur der Sache, da die Bewertungsausschüsse ansonsten ihrem gesetzlichen Auftrag zur Bestimmung des Inhalts der abrechnungsfähigen Leistungen im Sinne von § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V nicht nachkommen könnten. Aus der Festlegung des Inhaltes der abrechnungsfähigen Leistungen ergibt sich bereits auch unmittelbar eine entsprechende Konkretisierung des Leistungsanspruches des Versicherten im Rahmen der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung. Welche Kompetenzen beiden Gremien im Einzelnen zukommen und wie diese voneinander abzugrenzen sind, soll unter Einbeziehung der historischen Entwicklungslinien näher untersucht werden. Beide Gremien haben eine wechselvolle historische Entwicklung sowohl als Schlichtungsinstanz, als Organe der Rechtsetzung und Rechtsanwendung in der kassenärztlichen Selbstverwaltung wie auch als Instrument zur Regelung von Verteilungskonflikten genommen und konnten diese Aufgabenfülle über weite Strecken bewältigen. Angesichts der begrenzten finanziellen Ressourcen im Bereich der GKV werden diese Aufgaben immer schwieriger zu erfüllen sein. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz, welches zum 01.01.2004 in Kraft getreten ist, hat der Gesetzgeber erneut Veränderungen der bestehenden Rechtsgrundlagen vorgenommen.

2

Ab 01.01.2005 § 56 Abs. 1 SGB V.

Vorwort

7

Die Untersuchung soll auch Lösungsmöglichkeiten zur effizienteren Aufgabenerfüllung durch die beiden Gremien aufzeigen, wobei zunächst die Entwicklung im ärztlichen Bereich und anschließend die Entwicklung im zahnärztlichen Bereich dargestellt wird. Königswinter, im Herbst 2006

Karin Ziermann

Inhaltsverzeichnis A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Gesetzes betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter (KVG) vom 15.06.1883 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter . . . . . . . . . III. Rechtslage bis zum Inkrafttreten der RVO 1914 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Reichsversicherungsordnung und das sog. „Berliner Abkommen“ . . V. Die Verordnung von 1923 und die Notverordnung von 1930 . . . . . . . . . . VI. Die Notverordnung von 1931 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Von 1933 bis zur gesetzlichen Neuregelung 1955 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VIII. Das Gesetz über das Kassenarztrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IX. Die wesentlichen Änderungen des GKAR bis zum Inkrafttreten des SGB V 1. Das Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz vom 28.12.1976 2. Das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz vom 27.06.1977 3. Das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz vom 22.12.1981 . . . . . . . . X. Rechtliche Rahmenbedingungen zwischen Ärzten und Krankenkassen nach Inkrafttreten des SGB V bis heute . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988 2. Die Einigung Deutschlands . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Das Gesundheitsstrukturgesetz 1993 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Weitere wesentliche Gesetzesinitiativen bis zur dritten Stufe der Gesundheitsreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22.12.1999 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) . . . 6. Das geltende Recht: Das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14.11.2003 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XI. Die Entwicklung des Vertragszahnarztrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . B. Der Gemeinsame Bundesausschuss gemäß §§ 91 ff. SGB V im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Organisation, Zusammensetzung und Bestellung der Mitglieder . . . . . . . II. Rechtsnatur des Gemeinsamen Bundesausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die Rechtsprechung des BSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Auffassungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Eigene Wertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Inhaltsverzeichnis III.

Demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses und seiner Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Personelle Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Materielle Legitimation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kompetenzen der Aufsicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Aufgaben und Kompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses beim Erlass von Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kompetenzzuweisungen nach dem SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die Rechtsprechung des BSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Entwicklungslinien der Kompetenzzuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses zum Ausschluss von Leistungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Kompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Regelungen mit Auswirkungen auf die ärztliche Berufsfreiheit am Beispiel der Bedarfsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Systemversagen des Bundesausschusses und Übertragung auf den Gemeinsamen Bundesausschuss . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Begrenzungen des Leistungsanspruchs der Versicherten unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit: Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Grenzen exekutiver Rechtsetzung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss und Rückbesinnung auf den Vorrang des Gesetzes 7. Eigene Wertung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Rechtsnatur und Verbindlichkeit der Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Die ältere Auffassung des BSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die neuere Auffassung des BSG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Die Auffassungen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zivil- und europarechtliche Einflüsse auf das Handeln des Gemeinsamen Bundesausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Sozialgerichtliche Überprüfbarkeit der Richtlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . C. Die Bewertungsausschüsse der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen gem. § 87 SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Organisation, Zusammensetzung und Bestellung der Mitglieder . . . . . . II. Rechtsnatur des Bewertungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Eigene Wertung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Demokratische Legitimation der Bewertungsausschüsse . . . . . . . . . . . . IV. Kompetenzen der Aufsicht gegenüber den Bewertungsausschüssen . . . . D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

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. . . . . . . . . . . . . . 162

Inhaltsverzeichnis I. II. III.

IV. V. VI.

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Rechtsnatur des Bewertungsmaßstabes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Bedeutung des Bewertungsmaßstabes im Leistungsrecht der GKV . . . . Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse nach den gesetzlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzliche Vorgabe für den ärztlichen Bereich . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzliche Vorgabe für den zahnärztlichen Bereich . . . . . . . . . . . . a) Steuerungspotenzial des Bewertungsausschusses im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Sachzusammenhang der gesetzlichen Aufträge an den damaligen Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen und an den Bewertungsausschuss für die zahnärztlichen Leistungen . . . . . . . c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Anwendungs- und Abrechnungsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Kompetenz zur Festlegung von Abrechnungsausschlüssen unter Beachtung des Art. 3 GG und des Art. 12 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Konkretisierung von Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse durch die Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Europarechtliche Einflüsse auf das Handeln der Bewertungsausschüsse Sozialgerichtliche Überprüfbarkeit der Entscheidungen des Bewertungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

E. Konkurrenz der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses und Ausübung der Bewertungskompetenz des Bewertungsausschusses bzw. des erweiterten Bewertungsausschusses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Bedeutung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Entscheidungen des Bewertungsausschusses am Beispiel der Umstrukturierung des BEMA für die zahnärztlichen Leistungen gemäß § 87 Abs. 2 b SGB V . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Aufnahme neuer Leistungen in den Bewertungsmaßstab, für die der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Aufnahme in die Richtlinien beschlossen hat? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Verpflichtung zur Aufnahme einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannten Leistung in den Bewertungsmaßstab? . . . . . . . . . . . . . . . . V. Kompetenz des Bewertungsausschusses zur Entscheidung über die Finanzierbarkeit der Leistungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Kompetenz des Bewertungsausschusses zur Konkretisierung der allgemeinen Aussagen in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch Festlegung des Inhalts der Leistungsbeschreibungen . . . . . . . . . . VII. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . F.

Reformvorschlag zur Lösung kompetenzrechtlicher Probleme

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G. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247

A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts I. Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Gesetzes betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter (KVG) vom 15.06.1883 1 Das Arztsystem in der Zeit vor 1883 war von der persönlichen Beziehung zwischen Arzt und Patient geprägt. Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter (KVG) vom 15.06.1883 standen sich Arzt und Patient als gleichberechtigte Vertragspartner gegenüber, um das Honorar für die ärztlichen Leistungen frei untereinander auszuhandeln. Maßgeblich für die Höhe des Honorars war dabei für den Arzt die Vermögenslage des Patienten. Der Patient entschied selbst darüber, welche Leistungen des Arztes er in Anspruch nehmen wollte, da er letztlich die Rechnungen zu begleichen hatte. 2 Die damaligen freien Hilfskassen 3 der Zünfte, Gesellen und Knappschaften waren im Verhältnis zu den Ärzten von eher untergeordneter Bedeutung. Sie arbeiteten nach dem Kostenerstattungsprinzip. Die bei ihnen Versicherten mussten die Kosten für die ärztliche Behandlung vorlegen, die ihnen dann erst später von den Krankenkassen zurückerstattet wurden. Unmittelbare Rechtsbeziehungen bestanden daher zwischen den zu dieser Zeit vorhandenen Kassen und den Ärzten nicht. Insofern konnten auch keine Konflikte entstehen, zumal die Kassen den Versicherten für die ärztliche Behandlung nur bestimmte, oft viel niedrigere Sätze ohne Rücksicht auf die Höhe des ärztlichen Honorars auszahlten. 4 Es gab jedoch auch solche Kassen, die Ärzte vertraglich anstellten oder sie sogar verpflichteten, ihre Versicherten gegen ein geringeres Entgelt zu behandeln. 5 Die Einrichtung der Zwangskassen betraf einerseits nur wenige Berufszweige und erfasste somit nur einen geringen Teil der arbeitenden Bevölkerung. Die Versicherungspflicht 1

RGBl. I, 73; in Kraft getreten am 01.12.1883. Niggemann, S. 1; Schlögell, DÄ 1966, 2497 unter Hinweis auf § 80 der Gewerbeordnung. 3 Vgl. Peters, Die Geschichte der sozialen Versicherung, S. 46; Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, Band 2, S. 14. 4 Born, SozSich 1959, 42 f. 5 Goldammer, S. 11. 2

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

musste zudem von den Gemeinden erst durch Ortsstatut angeordnet werden. Von dieser Möglichkeit der Rechtsetzung im Bereich des Krankenversicherungswesens machten die Gemeinden jedoch nur vereinzelt Gebrauch, so dass nur sehr wenige Pflichtkassen überhaupt existierten und folglich jeder Orts- und auch Berufswechsel ein Ausscheiden des Arbeitnehmers aus der Pflichtkasse zur Folge haben musste. 6 Die Krankenkassen hatten demzufolge auch nur einen sehr geringen Einfluss auf die Ärzte. Rechtsbeziehungen zwischen Ärzten und Patienten, nicht aber zwischen Ärzten und Krankenkassen, waren somit der Regelfall im Arztsystem der Jahre vor 1883. Insofern gab es zwischen diesen Parteien auch keine Spannungen. Die Arzt-Patient-Beziehung war vielmehr ausschließlich gekennzeichnet von den von den Beteiligten getroffenen und deren Interessen wahrenden vertraglichen Vereinbarungen. 7 Die Ärzte hatten ihre Interessen zu diesem Zeitpunkt regelmäßig nur gegenüber den Patienten zu vertreten, wozu sie auch hinreichend in der Lage waren. Eine Notwendigkeit, Ärztevereinigungen zur Durchsetzung ärztlicher Interessen in der Zeit vor 1883 zu gründen, bestand noch nicht. Im Rahmen des Kranken- und Sozialversicherungswerkes wurde die Krankenversicherung dann durch die „Kaiserliche Botschaft“ an den Reichstag vom 17.11.1881, 8 der „Magna Charta“ der deutschen Sozialversicherung auf eine neue Basis gestellt.

II. Das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter 9 Mit der Bildung von Krankenkassen wurde das bis dahin unmittelbare Verhältnis zwischen Arzt und Patient kompliziert. Das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter vom 15.06.1883 brachte die in der Botschaft angekündigte gesetzliche Regelung einer umfassenden Pflichtversicherung, 10 die als Ursprung unseres heutigen Krankenversicherungsrechts gilt. § 6 KVG verpflichtete die gesetzlichen Krankenkassen, ihren Mitgliedern „freie ärztliche Behandlung zu gewähren“. 11 Damit setzte der Gesetzgeber an die Stelle

6

Wannagat, S. 55. Sauerborn, DOK 1953, 293; Schneider, DOK 1981, 866, 867. 8 Reichsanzeiger vom 17.11.1881; Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 39. 9 RGBl. I, 73; in Kraft getreten am 01.12.1883. 10 Haft, gpk Sonder-Nr. 2/2002, S. 34. 11 Haft, ZRP 2002, 457, 458. 7

II. Das Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter

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des natürlichen Auftraggebers des Arztes nun die Krankenkasse als Auftraggeber und „Dienstherrn“ des Arztes. 12 Der Gesetzgeber dehnte nicht nur den Kreis der Pflichtversicherten auf nunmehr einen Großteil der Arbeiterschaft aus (§§ 1 bis 3 KVG), sondern veränderte die bisherige Zweierbeziehung zwischen Arzt und Patient in ein Dreiecksverhältnis. Um einen sozialen Ausgleich zwischen allen Bevölkerungsgruppen zu schaffen, sollte durch Versicherungszwang gewährleistet werden, dass alle Bürger einen Anspruch auf (zahn)ärztliche Versorgung erhielten. 13 Mit dieser, in ihren Grundzügen „solidarischen“ Versichertengemeinschaft sollten soziale Risiken untereinander ausgeglichen werden. Es existierten nebeneinander eine ganze Reihe von Kassen, die entweder auf gesetzlicher oder freiwilliger Mitgliedschaft basierten. Diese Form der Pflichtversicherung hatte jedoch für den Versicherten Nachteile. Oftmals stand er der für ihn zuständigen Kasse als einer anonymen Macht ausgeliefert gegenüber. Er konnte nicht ohne Weiteres den Arzt frei wählen. Sein Anspruch gegenüber seiner Krankenkasse beschränkte sich insoweit auf die ärztliche Behandlung. Der Gesetzgeber überließ damit den Krankenkassen die Entscheidung, die ärztliche Behandlung ihrer Mitglieder zu gewährleisten. 14 Damit waren die Krankenkassen gezwungen, zu den Ärzten in eine unmittelbare Rechtsbeziehung zu treten. Der Patient zahlte fortan die ärztliche Behandlung nicht mehr selbst, sondern besaß wegen seiner Zwangsmitgliedschaft bei der Krankenkasse gegen diese einen gesetzlichen Anspruch auf ärztliche Versorgung. Der Arzt wiederum musste seinen Honoraranspruch nunmehr gegenüber der Kasse und nicht mehr dem Patienten geltend machen. Damit entfiel zugleich das bisher das Arztsystem beherrschende Regulativ der freien Abrede zwischen Arzt und Patient. 15 Nunmehr bezahlten die Kassen die Ärzte und versuchten, alles ihrer Ansicht nach Überflüssige und nicht Notwendige auszugrenzen. Die Patienten mussten ihre Vorstellungen von der ärztlichen Behandlung nun nicht mehr an den Honoraren orientieren, sodass bei ihnen das Inanspruchnahmeverhalten auch nicht mehr aufgrund der eigenen Kostentragung eingeschränkt war. Diese Entwicklung führte in der Folge zu Spannungen im Verhältnis zwischen Arzt und Kasse, die später zur Gründung der ersten Ärztevereinigungen führte. Zwar konnte man aus § 46 Abs. 1 Nr. 2 KVG den Schluss ziehen, dass die Beziehungen der Krankenkassen zu den Ärzten durch schriftliche Verträge zu regeln waren, 16 ohne dass sich

12 13 14 15 16

Hess/Venter, S. 19. Vgl. dazu auch Rosewitz/Webber, S. 15. Hess/Venter, S. 19. Schneider, Kassenarztrecht, Rn 22. Goldammer, S. 12.

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

das Gesetz näher mit der Stellung der Ärzte beschäftigte. Insbesondere enthielt es keine Regelungen zur Frage der Vergütungshöhe oder der Auswahl der Ärzte. Aufgrund des Fehlens derartiger gesetzlicher Regelungen waren die Kassen in der Lage, unter den für sie behandelnden Ärzten frei auszuwählen. Sie bestimmten damit einseitig die Art und Weise der Beteiligung der Ärzte, 17 mithin das gesamte Arztsystem. Die zahlenmäßig geringe Bedeutung des damaligen „Kassenpatienten“ brachte es mit sich, dass die ärztliche Behandlung zunächst auch nur von einer verhältnismäßig kleinen Zahl von Ärzten zu besorgen war. Sie waren von den Kassen ausgesucht, für einen bestimmten Bezirk eingesetzt, nach einem Privatdienstvertrag angestellt und gegen eine feststehende, frei vereinbarte Vergütung tätig. 18 Die Kassen diktierten damit Höhe und Form des ärztlichen Entgeltes einseitig. Aus den bei verschiedenen Ärzten eingeholten Angeboten wählten sie das niedrigste aus. Damit zählte nicht mehr die Qualifikation des einzelnen Arztes, sondern lediglich die Höhe des veranschlagten Honorars. 19 In dem einige Jahre später folgenden Abänderungsgesetz zum Krankenversicherungsgesetz vom 10.04.1892 20 wurden die Krankenkassen sogar ausdrücklich ermächtigt, in ihrem Statut zu bestimmen, „dass die ärztliche Behandlung nur durch bestimmte Ärzte zu gewähren sei“. Damit war es in das Belieben der Krankenkassen gestellt, wie viele Ärzte „beschäftigt“ wurden und welche Vergütung sie dafür erhielten. 21 Für die auf diese Weise den Kassen dienstverpflichteten Ärzte bürgerte sich bald der Begriff „Kassenarzt“ ein. 22 Sofern ein Arzt die gestellten Bedingungen nicht akzeptieren wollte, war dieser von der gesetzlichen Krankenversicherung ausgeschlossen. 23 Aufgrund der ansteigenden Zahl der Kassenmitglieder wurde jedoch der Druck auf die Ärzteschaft größer. Hierzu hatte im wesentlichen auch das Gesetz betreffend die Unfall- und Krankenversicherung der in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen vom 05.05.1886 24 beigetragen, mit dem die Versicherung wiederum auf weitere Personenkreise ausgedehnt worden war. 25 Die zunehmende Konkurrenz unter den Ärzten führte dazu, dass diese sich immer mehr den Kassen ausgeliefert fühlten und deren Bedingungen notgedrungen akzeptieren mussten. 26 Die 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26

Sauerborn, DOK 1953, 293, 294. Jantz/Prange, B Einleitung I a. Schneider, Kassenarztrecht, Rn 26. RGBl. I, 37. Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 72. Schneider, Kassenarztrecht, Rn 25. Sauerborn, DOK 1953, 293, 294, Schneider, Kassenarztrecht, Rn 27. RGBl. I, 132. Jantz/Prange, B Einleitung I a, S. 2; Umlauf, S. 61. Wannagat, S. 132.

III. Rechtslage bis zum Inkrafttreten der RVO 1914

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Honorare wurden unter Ausnutzung der ärztlichen Notlage beständig herabgesetzt und die Kassenarztstellungen in Submission an den Mindestbietenden vergeben. 27 Die Normierung des Arztfixums war allein Sache der Kassen. 28 Die Berufsfreiheit und die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Ärzte geriet angesichts der Sachwidrigkeit und Willkür des Vorgehens der Kassen zunehmend unter Druck. 29 Eine freie Ausübung des Arztberufes war unter diesen Bedingungen nicht mehr gewährleistet. Angesichts dieser Situation formierte sich innerhalb der Ärzteschaft Widerstand gegen diese unerträgliche Einschränkung ihres Berufsstandes. 30 Die Ärzte forderten die Ablösung der Einzelverträge durch Kollektivvereinbarungen. 31

III. Rechtslage bis zum Inkrafttreten der RVO 1914 Um die Jahrhundertwende wurden erste gewerkschaftsähnliche Ärzteorganisationen zum Schutz der ärztlichen Interessen gegründet. 32 In dieser Zeit kam es zur ersten Bildung der ärztlichen Kampfvereinigungen. Im Jahre 1894 wurde erstmalig ein Verein für freie Arztwahl in Stuttgart gegründet, dem die einzelnen Krankenkassen oder deren Verbände gegenüberstanden und der letztlich der Vorreiter für die Gründung weiterer lokaler Ärzteverbände war. 33 Diese bemühten sich, mit den Krankenkassen Kollektivvereinbarungen zu schließen, 34 hatten jedoch mit der Schwierigkeit zu kämpfen, nur lokal wirken zu können. Die Krankenkassen verstanden es, andere, außerhalb des Einflussbereichs dieser Organisationen niedergelassene Ärzte als Vertragspartner zu gewinnen und damit die Forderungen der bis dahin nur lokal wirkenden Ärztevereinigungen zu umgehen. Auch sie schlossen sich zu Spitzenverbänden auf Reichsebene zusammen. Im Jahre 1894 kam es zur Gründung des „Centralverbandes von Ortskrankenkassen im Deutschen Reich“. 1907 konstituierte sich der „Verband Deutscher Betriebskrankenkassen“ in Essen. 35 Seitens der Ärzteschaft wurde daher das Bedürfnis nach Gründung einer überregionalen Organisation gesehen. 36 Am 13.09.1900 wurde in Leipzig der „Ver27

Tennstedt, Vom Proleten zum Industriearbeiter, S. 450. Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 72. 29 Vgl. Hess/Venter, S. 20, Wannagat, S. 132; Goldammer, S. 14; Schneider, Kassenarztrecht, Rn 28. 30 Hess/Venter, S. 20. 31 Wannagat, S. 132. 32 Hess/Venter, S. 20, Niggemann, S. 3; Wannagat, S. 132. 33 Goldammer, S. 15. 34 Hess/Venter, S. 20. 35 Peters, Geschichte der Sozialversicherung, S. 60. 36 Goldammer, S. 15; Schneider, Kassenarztrecht, Rn. 30. 28

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

band für die Ärzte in Deutschland zur Wahrung ihrer wirtschaftlichen Interessen“ gegründet, 37 später nach ihrem Gründer „Hartmann-Bund“ genannt, der der stetig zunehmenden Nachfragemacht der Krankenkassen nach ärztlichen Leistungen mit gewerkschaftlichen Kampfmethoden, vor allem Streik, entgegenzuwirken versuchte. 38 Er hatte den Zweck, die wirtschaftliche Lage der Ärzte im ganzen Reich zu bessern und denselben einen wirksamen Schutz gegen die rücksichtslose Ausbeutung ihrer Arbeitskraft seitens der Krankenkassen und gegen die Übergriffe der Kassenvorstände zu gewähren. Auf den Deutschen Ärztetagen wurde gefordert, dass die ärztliche Behandlung nur noch durch approbierte Ärzte erfolgen sollte. Dem Patienten sollte es freistehen, unter allen Ärzten des Kassenbezirkes, die sich auf die Einhaltung der von den ärztlichen Organisationen mit den Krankenkassen zu vereinbarenden Bedingungen verpflichteten, zu wählen. 39 Bestehende Einzelverträge mit Krankenkassen sollten durch den Kollektivvertrag der ärztlichen Organisation mit den Krankenkassen unter Bildung paritätischer Einigungs- und Schiedskommissionen ersetzt werden. Diese sollten notfalls unter unparteiischem Vorsitz verbindliche Entscheidungen treffen. Darüber hinaus wurde eine angemessene Vergütung der kassenärztlichen Tätigkeit gefordert, sei es in der Form der Einzelleistungsvergütung oder in der Form der Pauschalvergütung auf der Grundlage einer Bewertung der ärztlichen Leistungen. Außerdem forderte die Ärzteschaft, ärztliche Vertrauenskommissionen mit ausreichenden Disziplinarbefugnissen gegenüber den Kassenärzten auszustatten, um im Rahmen der Selbstverwaltung und Selbstverantwortung die kassenärztlichen Pflichten überwachen zu können. 40 Durch die Kündigung bestehender Arztverträge, finanzielle Unterstützung der betroffenen Ärzte, öffentliche Warnung vor der Annahme von Vertragsangeboten (Cavete-Tafeln), Boykott etwaiger Außenseiter und Ablehnung der ärztlichen Behandlung der Kassenmitglieder, außer in besonderen Notfällen, wurden die Krankenkassen ohne Ärzte gestellt und waren damit letztlich gezwungen, den ärztlichen Forderungen zu entsprechen, um ihrer gesetzlichen Verpflichtung der Sicherstellung freier ärztlicher Behandlung ihrer Mitglieder nachkommen zu können. 41 Der Hartmann-Bund dehnte sich innerhalb weniger Jahre auf das gesamte Reichsgebiet sowie den überwiegenden Teil der Ärzteschaft aus 42 und erreichte die Beseitigung der durch das KVG von 1883 und der Novellierung von 1892 geschaffenen Schwachstellung der Ärzteschaft. 43 Somit stand nicht mehr der ein-

37 38 39 40 41 42 43

„Leipziger Verband“, vgl. Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 77. Gerst, DÄ 1997, C-6471. Sog. bedingte oder organisierte freie Arztwahl. Hess/Venter, S. 21. Hess/Venter, S. 21. Schneider, Kassenarztrecht, Rn 31. Schneider, Kassenarztrecht, Rn 34.

IV. Reichsversicherungsordnung und „Berliner Abkommen“

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zelne Arzt einer Krankenkasse gegenüber, sondern die Ärztevereinigung einem Spitzenverband der Krankenkassen. 44 Die zunächst mehr oder weniger lokal geführten Kämpfe – bedeutsam vor allem der Leipziger Ärztestreik 1905 – wurde mehr und mehr zentralisiert, es wurden viele Tarifverträge abgeschlossen; mit dem Verband kaufmännischer Berufskrankenkassen, mit der Eisenbahnbetriebskasse usw. Im Hinblick auf die gesetzlichen Krankenkassen blieb ein solcher jedoch aus. 45

IV. Die Reichsversicherungsordnung und das sog. „Berliner Abkommen“ Im Jahre 1909 legte die Reichsregierung den Entwurf der Reichsversicherungsordnung (RVO) vor, durch welche die bisher getrennten Sozialversicherungszweige zusammengefasst und weiterentwickelt werden sollten. Allerdings erfüllten sich die großen Hoffnungen der Ärzteschaft in die Arbeit des Gesetzgebers nicht. Den Krankenkassen gelang es erneut, unter Hinweis auf ihr gesetzliches Selbstverwaltungsrecht ihre uneingeschränkte Vertragsfreiheit und Dienstherrngewalt gegenüber den Ärzten durchzusetzen. 46 Der Gesetzgeber konnte sich nicht dazu entschließen, in das Gesetz selbst ein bestimmtes Arztsystem – freie Zulassung, organisierte freie Zulassung, beschränkte Zulassung oder Zulassung im Einzelfall – zu übernehmen. Auch über das Honorarsystem kam keine Einigung zustande. 47 Stattdessen beschränkte sich die RVO vom 19.01.1911 48 darauf, die ärztliche Behandlung als Leistung der Krankenversicherung vorzusehen, vorzuschreiben, durch wen die ärztlichen Behandlung zu gewähren war und das Verhältnis der Träger der Krankenversicherung zu Ärzten, Zahnärzten und Dentisten in einigen wenigen Vorschriften zu regeln. Es blieb also bei dem durch die Krankenversicherungsgesetze von 1883 und 1892 geschaffenen Sachleistungssystem, wonach die Kassen die freie ärztliche Behandlung zu gewähren hatten (§ 182 RVO). § 368 RVO sah die Schriftform für den Vertrag zwischen Krankenkassen und Ärzten vor. 49 Die Bezahlung von durch Nichtkassenärzte erbrachte Leistungen konnte seitens der Krankenkassen – von dringenden Fällen abgesehen – abgelehnt werden. Nach § 369 RVO konnten die Versicherten zwischen zwei Ärzten wählen. Dem Oberversicherungsamt wurde die Befugnis gegeben, im Falle von nicht ausreichender ärztlicher Leistung anzuordnen, dass die Kasse die ärztli-

44 45 46 47 48 49

Goldammer, S. 18. Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 79. Hess/Venter, S. 22. Jantz/Prange, B Einleitung I, S. 3. RGBl. I, 509. Schneider, Kassenarztrecht, Rn 35.

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

chen Leistungen noch durch andere Ärzte oder Krankenhäuser zu gewähren habe (§§ 372, 373 RVO). 50 Eine weitere Verschärfung, die die mühsam erlangte Gleichberechtigung der Ärzte wieder beseitigt hätte, hätte zudem der geplante § 370 RVO 1911 gebracht, der den Kassen das Recht verlieh, mit Ermächtigung des Oberversicherungsamtes ihren Versicherten anstelle der ärztlichen Behandlung eine bare Leistungen bis zu 2/3 des Durchschnittsbetrages ihres gesetzlichen Krankengeldes zu gewähren, falls „die ärztliche Versorgung dadurch ernstlich gefährdet werden würde“, dass die Kassen keinen Vertrag zu angemessenen Bedingungen mit einer ausreichenden Zahl von Ärzten schließen könnten oder die Ärzte den Vertrag nicht einhielten. 51 Damit nahm der Gesetzgeber den Ärzten ihr wirksamstes Kampfmittel aus der Hand und provozierte damit neuen Widerstand der Ärzteschaft. Unter diesen Umständen bliebt der Ärzteschaft nichts anderes übrig, als sich für den Zeitpunkt des Inkrafttretens der Bestimmungen der RVO zum 01.01.1914 zum allgemeinen gewerkschaftlichen Kampf zu rüsten, wollten sie nicht ihre Selbständigkeit gegenüber den Krankenkassen erneut verlieren. Durch die Ausdehnung des versicherungspflichtigen Personenkreises und der damit einhergehenden weiteren Einengung der Privatpraxis waren die Krankenkassen zum ausschlaggebenden Auftraggeber ärztlicher Leistungen geworden. 52 Auf einem außerordentlichen Deutschen Ärztetag am 26.10.1913 beschlossen die Ärzte einen allgemeinen Streik ab dem Inkrafttreten der RVO. 53 Letztlich sah sich die Regierung nun in der Pflicht, die Beteiligten an einen Tisch zu rufen und nach Lösungen zu suchen. Nach zahllosen Streikaktionen wurde dann am 23.12.1913 zwischen den Krankenkassenverbänden und den Ärzten das sog. „Berliner Abkommen“ 54 vereinbart, das fast vollständig auf einen Entwurf von Otto Heinemann zurückging. 55 Es kam zwar auf Initiative der Regierung zustande, war aber doch ein freiwillig geschlossener, privatrechtlicher Vertrag. 56 Als wesentliche Änderung brachte das „Berliner Abkommen“ die Beseitigung der Einstellungsautonomie der Krankenkassen in der ärztlichen Versorgung der Versicherten. 57 Stattdessen wirkte nun in einem geregelten Verfahren die Ge-

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Jantz/Prange, B Einleitung I, S. 3. Schneider, Kassenarztrecht, Rn 36; Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 97. 52 Vgl. Hess/Venter, S. 23; Jantz/Prange, B Einleitung I, S. 3. 53 Zum Ärztestreik als Rechtsproblem Zacher, ZSR 1966, 129. 54 Das Abkommen und die Ausführungsbestimmungen sind abgedruckt im PrHMBl 1914 Nr. 5 S. 85 ff. 55 Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 81. 56 Schneider, Kassenarztrecht, Rn 46. 57 Alber/Bernardi-Schenkluhn, S. 48. 51

IV. Reichsversicherungsordnung und „Berliner Abkommen“

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samtheit der Kassenärzte mit. 58 Die Entscheidung darüber, welche Ärzte für die jeweilige Kasse tätig werden konnten oder sollten, traf nun ein paritätisch besetzter Registerausschuss. Die Kasse konnte diesen Arzt als Kassenarzt nur noch ablehnen, wenn ein wichtiger Grund vorlag (Anlage 1 Nr. VII Abs. 3 Berliner Abkommen). Daneben waren sog. Vertragsausschüsse sowie im Falle der Nichteinigung Schiedsämter vorgesehen. Damit hatten die Ärzte Einfluss auf die Form des Arztsystems gewonnen. Mittelbar wurde dadurch die freie personelle Auswahl gefördert und der Druck auf „nichtkassenwillige“ Ärzte beseitigt. Die Verträge über die kassenärztliche Versorgung wurden auch weiterhin zwischen den Kassen und dem einzelnen Arzt geschlossen, jedoch erfolgte ihre Vorbereitung auf kollektivem Wege. Auch diesbezüglich sank der Einfluss der Krankenkassen, denn die Verträge wurden nun einer Überprüfung durch gemeinsame Organe unterzogen. Zur Durchführung des Abkommens und zur Entscheidung von Streitigkeiten, die aus ihm entstanden, wurde ein paritätisch zusammengesetzter „Zentralausschuss“, der Vorgänger des heutigen Gemeinsamen Bundesausschusses, gebildet, dessen Vorsitzender vom Staatssekretär des Inneren und je einem Beisitzer von dem Preußischen Minister des Inneren ernannt wurden. 59 Als Mangel erwies sich, dass dieser nur der Durchführung des Abkommens, nicht aber auch seiner weiteren Ausgestaltung dienen sollte und konnte. 60 Durch die Institution des Vertragsausschusses wurde der kassenärztliche Kollektivvertrag faktisch anerkannt. 61 Das Berliner Abkommen regelte daher keine materiellen Fragen des Arztrechts in der Krankenversicherung, sondern lediglich Verfahrensfragen. Somit war das Berliner Abkommen ein erster, wenn auch bescheidener Versuch einer „Gemeinsamen Selbstverwaltung“. 62 Es leitete eine neue Epoche im Kassenarztrecht ein. Die Kassen gaben ihre beherrschende Stellung in Fragen der Zulassung, der Ausgestaltung der einzelnen Verträge und des Honorars auf, sodass die Ärzte durch die von ihnen ergriffenen Kampfmaßnahmen eine Gleichberechtigung mit den Kassen erlangt hatten. 63 Der Erste Weltkrieg verhinderte jedoch zunächst das Inkrafttreten des Abkommens. Während dieser Zeit blieb es zwischen Ärzten und Krankenkassen zunächst ruhig, bis nach 1918 die Geldentwertung einsetzte. Die Ärzteschaft bemühte sich vergeblich, mit ihren Honoraren der Inflation zu folgen, die ihrerseits den Einnahmen der Krankenkassen davonlief und zu einer ernsthaften Krise der Krankenversicherung führte. 64

58 59 60 61 62 63

Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 82. Vgl. Hess/Venter, S. 24. Heinemann/Liebold/Zalewski, A 6, Überblick Kassenarztrecht. Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 82. Hess/Venter, S. 24; Schneider, Kassenarztrecht, Rn 42. Schneider, Kassenarztrecht, Rn 42.

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

V. Die Verordnung von 1923 65 und die Notverordnung von 1930 66 Da beide Seiten kein Interesse an der Fortführung des am 31.12.1923 auslaufenden Berliner Abkommens hatten, griff die Reichsregierung ein und regelte die Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen erstmals durch Gesetz. Die Ablösung des Berliner Abkommens, dessen Geltungsdauer 1923 ablief, brachte das „Erste Ermächtigungsgesetz“ vom 13.10.1923, 67 aufgrund dessen die Reichsregierung die „Verordnung über Ärzte und Krankenkassen“ vom 30.10.1923 68 erließ. Sie wurde mit der Bekanntmachung vom 05.12.1924 69 in die Reichsversicherungsordnung innerhalb der §§ 368 a – 368 t eingefügt 70 und stellte in vielerlei Hinsicht eine Wiedergabe des Berliner Abkommens dar. 71 Mit ihr wurde als weiterer Vorläufer des Gemeinsamen Bundesausschusses der Reichsausschuss gegründet, der an die Stelle des Zentralausschusses trat. 72 Ihm oblag gem. § 5 Abs. 1 der Verordnung die Aufstellung von Richtlinien „zur Sicherung gleichmäßiger und angemessener Vereinbarungen zwischen Ärzten und Krankenkassen“, so z. B. eine Zulassungsordnung, Vertragsrichtlinien, Richtlinien über die wirtschaftliche Arzneiverordnung, für die Anwendung elektrophysikalischer Heilmethoden usw., Richtlinien zur Sicherung gleichmäßiger und angemessener Vereinbarungen zwischen den Ärzten und Krankenkassen, Nachweise über freie Kassenarztstellen herauszugeben und vor Zuzug an überfüllte Plätze zu warnen. Ferner waren Vertragsausschüsse zu bilden, denen die Zustimmung zum Zustandekommen eines jeden Arztvertrages oblag. 73 Obwohl die Richtlinien des Reichsausschusses keine Rechtsnormen mit unmittelbarer Wirkung allen Ärzten und jeder einzelnen Krankenkasse gegenüber waren, 74 wurde ihnen in weitem Maße Durchschlagskraft verliehen. Durch ihre Verknüpfung mit dem Reichsschiedsamt wurden sie praktisch zu einer „bedingten Mussvorschrift“. 75

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Schneider, Kassenarztrecht, Rn 43. RGBl. I, 1051. 66 RGBl. I, 311. 67 RGBl. I, 943. 68 RGBl. I, 1051. 69 RGBl. I, 779. 70 Schneider, Kassenarztrecht, Rn 44. 71 Heinemann/Liebold/Zalewski, Überblick Kassenarztrecht, A 6. 72 Vgl. Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 128. 73 Siewert, S. 19; Jantz/Prange, B Einleitung I., S. 7; Alber/Bernardi-Schenkluhn, S. 48; Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 129. 74 OLG Hamburg, ÄM 1930, 282. 75 Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 130. 65

V. Die Verordnung von 1923 und die Notverordnung von 1930

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Der Reichsausschuss setzte sich aus dreizehn Mitgliedern zusammen, von denen zehn je zur Hälfte von den Spitzenverbänden der Ärzte und Krankenkassen gewählt wurden, während der Reichsarbeitsminister drei unparteiische Mitglieder ernannte und einem von ihnen den Vorsitz übertrug. Somit war der Staat im Reichsausschuss repräsentiert. Während die neutralen Mitglieder durch den Reichsarbeitsminister weisungsgebunden waren, blieben die Vertreter von Kassen und Ärzteschaft gegenüber den sie wählenden Verbänden weisungsfrei; sie wurden als „interessenfreie Sachverständige“ betrachtet. 76 Die Vertragsrichtlinien ermöglichten erstmals den Abschluss von Kollektivverträgen zwischen den Krankenkassen und den damaligen ärztlichen Organisationen, die mit den Tarifverträgen des Arbeitsrechts (Mantelverträge) vergleichbar waren. Der Reichsausschuss stellte somit eine Weiterentwicklung des Zentralausschusses des Berliner Abkommens dar, 77 der das bestehende Recht fortbilden konnte 78 und rechtsetzendes Organ im Kassenarztrecht der Jahre nach 1923 bis 1933 war, ohne dass eine Definition seiner Rechtsstellung zum Staat vorgenommen worden wäre. Seine Befugnisse gingen praktisch so weit, dass er das gesamte Kassenarztrecht gestalten konnte. 79 In der Folge erarbeitete der Reichsausschuss der Ärzte und Krankenkassen die „Neuordnung des ärztlichen Vertragswesens“. Ein Reichsausschuss der Zahnärzte und Dentisten existierte demgegenüber nicht. 80 Am 12.05.1924 wurde eine „Vertragsordnung“ verabschiedet, am 14.11.1925 „Bestimmungen über die Zulassung zur kassenärztlichen Praxis“ (Zulassungsordnung). Es wurden Richtlinien für wirtschaftliche Arzneiverordnungen und für die Anwendung elektrophysikalischer Heilmethoden sowie Richtlinien für die Tätigkeit der Prüfungsausschüsse erlassen. Diese Richtlinien wurden – einem immer stärker werdenden Bedürfnis nach Kodifikation entsprechend – überarbeitet und am 14.11.1928 zusammen veröffentlicht. 81 Die bedeutendste Neuerung dieser – das Verhältnis zwischen Kassen und Ärzten grundlegend regelnden – Vertragsund Zulassungsordnung bestand in der Festschreibung ihres öffentlich-rechtlichen

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Döhler/Manow-Borgwardt, Gesundheitspolitische Steuerung zwischen Hierarchie und Verhandlung, S. 571, 577. 77 Schneider, Kassenarztrecht, Rn 44. 78 Heinemann/Liebold/Zalewski, Überblick Kassenarztrecht, A 6; Jantz/Prange, B Einleitung I S. 7. 79 Döhler/Manow-Borgwardt, Gesundheitspolitische Steuerung zwischen Hierarchie und Verhandlung, S. 571, 576, 577 unter Hinweis auf §§ 5, 14 der Geschäftsordnung des Reichsausschusses der Ärzte und Krankenkassen; Tennstedt, Soziale Selbstverwaltung, S. 129. 80 Schimmelpfeng-Schütte in: Schnapp, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 6, Rn 7. 81 Veröffentlicht in: Die Ortskrankenkasse 1923, S. 818.

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

Charakters und stellte damit einen ersten Schritt zur Eingliederung des Arztes in die Reichsversicherungsordnung dar. 82 Daneben existierten paritätisch besetzte Vertragsausschüsse 83 und Schiedsämter, 84 die im Streitfall unter Berücksichtigung der vom Reichsausschuss erlassenen Richtlinien 85 über Streitpunkte der Kassenarztverträge zu entscheiden hatten. Gegen Entscheidungen der Schiedsämter war die Berufung an das ebenfalls paritätisch besetzte Reichsschiedsamt zulässig. 86 Die Umwandlung der vertraglichen Einrichtungen und vieler Bestimmungen des Berliner Abkommens zu Behörden und Normen des öffentlichen Rechts war damit vollzogen. 87 Die Ärzte erwarben mit der Kassenzulassung die Anerkennung des öffentlichrechtlichen Anspruches auf Abschluss eines Vertrages über die Ausübung der Kassenpraxis. 88 Die im Berliner Abkommen vorgesehenen Institutionen blieben also nach wie vor bestehen. § 18 der Verordnung und später § 368 s RVO 1924 regelten ausdrücklich die Weitergeltung der Vorschriften des Berliner Abkommens bis zum Erlass neuer Regelungen. Der ehemals privatrechtlich vereinbarte Vertrag wurde so zum öffentlichen Recht umgewandelt 89 und erlangte Gesetzeskraft bis zu einer Neuregelung der Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen. 90 In den Jahren 1927–1928/1929 setzte sich eine stetige wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung fort, an der auch das Einkommen der Ärzte aus der Kassenpraxis teilnahm. Insofern war zunächst ein friedlicher Zustand zwischen Krankenkassen und Ärzten eingetreten. 91 Die Wirtschaftskrise der Jahre 1929/1930 änderte dies erneut und brachte den Kollektivvertrag heutiger Prägung. 92 Die immens steigende Arbeitslosenziffer bei gleichzeitiger Verringerung der Sozialversicherungsbeiträge machte die Verringerung der Ausgaben im Kranken-

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Vgl. Döhler/Manow-Borgwardt, Gesundheitspolitische Steuerung zwischen Hierarchie und Verhandlung, S. 571, 578. 83 Vgl. § 10 der Verordnung. 84 Vgl. § 11 und 12 der Verordnung. 85 Vgl. § 12 Abs. 2 der Verordnung; Heinemann/Liebold/Zalewski, Überblick Kassenarztrecht, A 6. 86 Vgl. § 13 und 14 Abs. 1 der Verordnung. 87 Heinemann/Liebold/Zalewski, Überblick Kassenarztrecht, A 6. 88 Hess/Venter, S. 28. 89 Heinemann/Liebold/Zalewski, Überblick Kassenarztrecht, A 6; Peters, Geschichte der Sozialversicherung, S. 87, Siewert, S. 19. 90 Siewert, S. 19. 91 Jantz/Prange B Einleitung I. S. 9. 92 Siewert, S. 19.

VI. Die Notverordnung von 1931

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versicherungswesen sowie die Absenkung der Krankenkassenbeiträge notwendig, um die Arbeitslosenversicherung finanzieren zu können. 93 Mit der Notverordnung vom 26.07.1930 94 wurden die Versicherungsleistungen in einem erheblichen Umfang gedrosselt. Ferner wurde diese Notzeit zum Anlass genommen, für das auch in normalen Zeiten bestehende Problem der Wirtschaftlichkeit der Krankenversicherung und damit des Schutzes der Versichertengemeinschaft gewisse Lösungen zu versuchen, 95 so etwa durch Beteiligung der Versicherten an Arzt- und Arzneikosten und der Einführung einer Krankenscheingebühr. 96 Die Verordnung brachte nicht nur einen Rückschritt in der ärztlichen Versorgung der Versicherten, sondern zugleich auch einen empfindlichen, von der Ärzteschaft mit Empörung aufgenommenen Rückschlag im Kassenarztrecht. 97 Die wirtschaftliche Verordnungsweise eines Arztes wurde einem Regress unterworfen. Es wurde ein vertrauensärztlicher Dienst eingerichtet, der die Überprüfung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen und der Sachleistungsverordnungen vornahm. Für die Zulassung wurde eine Verhältniszahl von 1000 : 1 vorgeschrieben und die Oberversicherungsämter ermächtigt, einen Abbau der freiwerdenden Arztstellen anzuordnen sowie Zulassungssperren zu verhängen. 98

VI. Die Notverordnung von 1931 Auch der mit der Notverordnung vom 26.07.1930 beschrittene Weg brachte nicht die erhoffte Lösung. Der Reichsausschuss der Ärzte und Krankenkassen passte seine Richtlinien nicht dem neuen Recht an. Die Einnahmen der Krankenkassen fielen infolge von Lohnsenkung, Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit ab. 99 Aufseiten der Ärzteschaft strebten immer mehr Ärzte in die Zulassung. Auf dem Kölner Ärztetag 1931 gaben die Ärzte ihre Forderung nach Bezahlung einer Einzelleistungsvergütung zugunsten eines Systems nach Kopfpauschalen auf. 100 Dafür forderten sie als Ausgleich ein Entgegenkommen der Krankenkassen in der Zulassung von jungen Ärzten, die weitgehende Selbstverwaltung ihrer Organisationen in allen kassenärztlichen Fragen, die selbststän-

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Sauerborn, DOK 1953, 293, 298. „Verordnung zur Behebung finanzieller und wirtschaftlicher und sozialer Notstände“, RGBl. I, 311. 95 Jantz/Prange B Einleitung I, S. 9. 96 Hess/Venter, S. 30. 97 Hess/Venter, S. 30. 98 Jörg, Rn 10. 99 Jantz/Prange B Einleitung I, S. 10. 100 AN 1931, S. 519 ff. 94

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

dige Verteilung der Kassenhonorare und die Beaufsichtigung der kassenärztlichen Dienstleistungen. 101 Als keine Einigung zwischen den Beteiligten möglich war, griff der Reichsarbeitsminister mit der „Vierten Verordnung des Reichspräsidenten zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutze des inneren Friedens“ vom 08.12.1931 102 ein, die jedoch nur Rahmenbestimmungen enthielt. In § 1 sah diese den Abschluss von „Gesamtverträgen zwischen Kassen und Kassenärztlichen Vereinigungen“ vor. Nach § 2 gewährten die Kassen für die Dienste der Ärzte eine Gesamtvergütung, deren Höhe sich nach dem durchschnittlichen Jahresbedarf für ein Kassenmitglied bestimmte (Kopfpauschale). Nach § 3 entrichtete die Kasse „die der durchschnittlichen Mitgliederzahl entsprechende Gesamtvergütung mit befreiender Wirkung an die Kassenärztliche Vereinigung. Die Vereinigung verteilte die Gesamtvergütung unter die Kassenärzte und wendet dabei den Maßstab an, den sie im Benehmen mit der Krankenkasse festgesetzt hat.“ Diese Notverordnung führte zu einer grundlegenden Umgestaltung: Das bisher bestehende Dreiecksverhältnis Arzt-Mitglied-Kasse wurde in ein Vierecksverhältnis umgewandelt, indem zusätzlich die Kassenärztlichen Vereinigungen als Körperschaften des öffentlichen Rechts eingeschaltet wurden. 103 Aufgrund dieser Verordnung wurden durch die „Verordnung über kassenärztliche Versorgung“ vom 14.01.1932 104 die §§ 368 ff. RVO mit dem Ziel des Ausbaus der gemeinsamen Selbstverwaltung neu gefasst. 105 Beide Verordnungen bilden die rechtliche Grundlage des bis heute unveränderten Kassenarztrechts. 106 Die nähere Ausgestaltung sollte der Reichsausschuss der Ärzte und Krankenkassen übernehmen. 107 Der Versuch, eine Lösung herbeizuführen, scheiterte letztlich an der uneinheitlichen Haltung der Spitzenverbände der Krankenkassen. Am 30.12.1931 erließ der Reichsarbeitsminister eine neue Zulassungsordnung und eine Vertragsordnung. 108 Die bisherigen Beschränkungen gemäß der Notverordnung von 1930 in der Zulassung von Ärzten fielen weg. Die Verhältniszahl von 1000 : 1 wurde auf 600 : 1 festgesetzt. Darüber hinaus waren alle Ärzte, die am 01.10.1931 approbiert waren, bis spätestens zum 01.01.1934 zuzulassen. 109

101 102 103 104 105 106

Jantz/Prange B Einleitung I, S. 10. RGBl. I, 699 ff. Haft, ZRP 2002, 457, 459. RGBl. I, 19. Jörg, Rn 11. Tiemann in: 100 Jahre Krankenversicherung, S. 20; Alber/Bernardi-Schenkluhn,

S. 50. 107 108

Jantz/Prange, B Einleitung I, S. 10. Reichsanzeiger 1931, Nr. 303.

VII. Von 1933 bis zur gesetzlichen Neuregelung 1955

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Ein weiteres Kernstück bildete die Vertragsordnung – amtlich als Ausführungsund Überleitungsbestimmung über das kassenärztliche Dienstverhältnis bezeichnet –, die erstmals zwischen Mantel-, Gesamt- und Einzelverträgen unterschied. Eine besondere Bedeutung hatte die Vertragsordnung für die Vergütung, deren Berechnung später dann durch das Honorar- und Sachleistungsabkommen ergänzt wurde. 110 Der bisherige Kollektivvertrag wurde durch die Neuregelung 1931/1932 zu einem Genossenschaftsvertrag, durch den sich die Kassenärztliche Vereinigung als die gesetzliche Genossenschaft aller Kassenärzte den Krankenkassen gegenüber zur Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Versicherten durch ihre Mitglieder (die zugelassenen Kassenärzte) verpflichtete. 111 Hier schaffte die Verordnung über die Kassenärztliche Vereinigung Deutschlands vom 02.08.1933 112 klare Verhältnisse, indem sie die KVD zum „Träger der Beziehungen der Kassenärzte zu den Krankenkassen“ erklärte. Die KVD hatte alle Aufgaben des Hartmannbundes zu übernehmen. Die KVD war rechtsfähig und damit in der RVO und später ausdrücklich in der Satzung vom 31.10.1933 113 als Körperschaft des öffentlichen Rechts errichtet und mit dem Monopol zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung betraut. 114 Sie verteilte die Vergütung nach genossenschaftlichen Grundsätzen an ihre Mitglieder. 115 Es war ein entscheidender Rechtswandel eingetreten, der jedoch in den gesetzlichen Bestimmungen noch keinen Niederschlag gefunden hatte.

VII. Von 1933 bis zur gesetzlichen Neuregelung 1955 Nach 1933 fand der nationalsozialistische Führergrundsatz Eingang im Kassenarztrecht. 116 Dies führte zur völligen Ausschaltung des Reichsausschusses, in den die Ärzte keine Vertreter mehr entsandten. Dessen Funktion übernahm der Reichsarbeitsminister (§ 386 i RVO). Die Schiedsämter verloren ihre Aufgabe als Schlichtungsinstanzen durch die Verordnung vom 19.12.1933 117 über Kassen-

109 110 111 112 113 114 115 116 117

Jantz/Prange, B Einleitung I, S. 11. Jantz/Prange, B Einleitung I, S. 11. Hess/Venter, S. 33. RGBl. I, 567. AN 1933, 450. Alber/Bernardi-Schenkluhn, S. 53. Siewert, S. 20. Jörg, Rn 11. RGBl. I, 1103.

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

ärztliche Vergütung, weil die Spitzenverbände der Krankenkassen und die Ärzte ermächtigt wurden, Gesamtverträge, die bis zum 15.12.1933 nicht zustande gekommen waren, anstelle der Vertragsparteien abzuschließen. 118 Das durch die Vertragsordnung von 1931 geschaffene Vertragsrecht wurde de jure durch den „Vorläufigen Reichsvertrag über die kassenzahnärztliche Versorgung“ vom 15.12.1938 119 abgelöst, der alle Mantel- und Gesamtverträge als selbstständige Verträge mit dem 31.12.1938 außer Kraft setzte und den Spitzenverbänden das alleinige Recht zur Änderung, Kündigung usw. übertrug. 120 Den Reichsverbänden der Krankenkassen und Ärzte war zuvor der Status von Körperschaften des öffentlichen Rechts verliehen worden: Der KVD durch die bereits erwähnte Verordnung vom 02.08.1933, 121 den Reichsverbänden der Krankenkassen durch die 12. Verordnung zur Neuordnung der Krankenversicherung vom 06.09.1937. 122 Durch die Zulassungsordnung vom 17.05.1934 123 waren den Schiedsinstanzen die Befugnisse genommen worden, in Zulassungsangelegenheiten zu entscheiden. Die Zulassung war nun zu einer Aufgabe ärztlicher Selbstverwaltung geworden und die Entscheidung über Beginn, Ende und Ruhen der Zulassung einem bei der KV gebildeten und durch den Reichsführer der KVD besetzten Zulassungsausschuss überlassen, gegen dessen Entscheidungen die KV und die beteiligten Ärzte Berufung bei dem ebenfalls durch den Reichsführer der KVD besetzten „Reichszulassungsausschuss“ einlegen konnten. Hiergegen war nur die Revision der vom Reichsarbeitsminister ernannten juristischen Beisitzer an das Reichsschiedsamt unter besonderen Bedingungen möglich. Diese letzte Zuständigkeit des Reichsschiedsamtes entfiel aber, als mit Kriegsbeginn Neuzulassungen zur Kassenpraxis verboten wurden, die Zulassungsinstanzen ihre Tätigkeit einstellten und der Ausschluss aus der Kassenpraxis nur noch vom Reichsführer der KVD im Disziplinarwege „verfügt“ wurde. 124 Die Honorarverteilung lag nun ausschließlich in den Händen der KVD, nachdem diese vorher noch im Benehmen mit den Verbänden der Krankenkassen hatte geschehen müssen. 125

118 119 120 121 122 123 124 125

Siewert, S. 20. RArBl. 1939 IV, S. 11. Siewert, S. 20. S. A.VI. RGBl. I, 964. RGBl. I, 399. Hess/Venter, S. 37. Siewert, S. 21.

VIII. Das Gesetz über das Kassenarztrecht

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Nach 1945 nahmen die Kassenverbände und Kassenärztlichen Vereinigungen ihre Tätigkeit auf unterer Ebene wieder auf. 126 Das Zulassungswesen entwickelte sich in den einzelnen Besatzungszonen und Ländern unterschiedlich bis zur Schaffung einer bundeseinheitlichen Regelung im Jahre 1957. Mit der Gründung der Sozialgerichtsbarkeit durch das SGG vom 03.09.1953 127 wurde für das gesamte Kassenarztrecht ab dem 01.01.1954 der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet, der den Ärzten einen umfassenden Rechtsschutz gewährleistete. 128 Die Aufgaben der Reichsverbände der Krankenkassen und Ärzte gingen auf die Landesverbände über. Die demokratischen Strukturen hielten wieder Einzug in die Selbstverwaltung. Hinsichtlich der Honorierung blieb es dabei, dass sich die von den Krankenkassen zu zahlende Gesamtvergütung nach einer Kopfpauschale berechnete. 129 Bei Streitigkeiten über höhere Honorarforderungen der Ärzte konnten jedoch keine Schiedsinstanzen angerufen werden, weil diese nicht mehr bestanden und man sich auf eine Neueinrichtung nicht einigen konnte. 130

VIII. Das Gesetz über das Kassenarztrecht 131 Im Oktober 1951 legte das Bundesarbeitsministerium den Entwurf eines Gesetzes über die Regelung der Beziehungen zwischen Ärzten und Krankenkassen der Bundesregierung vor. 132 Da jedoch die Länder verfassungsrechtliche Bedenken erhoben und auch die Ärzte sich gegen diesen Entwurf wandten, gelang es erst im Oktober 1952 im zweiten Bundestag, den durch die Regierungskoalitionsparteien neu gefassten Entwurf des „Gesetzes über Änderungen von Vorschriften des zweiten Buches der Reichsversicherungsordnung und zur Ergänzung des Sozialgerichtsgesetzes“ – kurz „Gesetz über Kassenarztrecht (GKAR)“ 133 – zu verabschieden. Die bedeutsamen Bestimmungen des Kassenarztrechtes wurden am 17.08.1955 im Bundesgesetzblatt verkündet und traten am nächsten Tag in Kraft. 134 Zum ersten Mal nach dem Krieg wurde die Basis für einen geregelten Vertragsmechanismus der Ärzte, Zahnärzte und Krankenkassen geschaffen.

126 127 128 129 130 131 132 133 134

Siewert, S. 21. BGBl. I, 1239. Jörg, Rn 12; Hess/Venter, S. 42; Alber/Bernardi-Schenkluhn, S. 56. Hess/Venter, S. 43. Siewert, S. 21. GKAR vom 17.08.1955. Hess/Venter, S. 44; Siewert, S. 21. BR-Drucks. 434/52. BGBl. I, 513.

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

Das gemeinsame Selbstverwaltungsprinzip wurde wieder eingeführt und die grundsätzlich 1931 und 1932 begonnene Linie im Kassenarztrecht fortgesetzt. Es wurden Vertragsschlichtungs- und Zulassungsorgane sowie Bundes- und Landesausschüsse geschaffen, in denen sowohl Ärzte als auch die Kassenseite Mitwirkungsrechte besaßen. 135 Die Durchführung der gesetzlichen Bestimmungen des GKAR übernahmen für den Bereich der Länder nun die Kassenärztlichen Vereinigungen als Körperschaften des öffentlichen Rechts, denen sämtliche Kassenärzte als Mitglieder angehörten. Die Kassenärztlichen Vereinigungen waren Mitglieder der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen Mitglieder der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung. Mit der Wiedererrichtung dieser bundeseinheitlichen, die Grundbedingungen kassenärztlicher und kassenzahnärztlicher Tätigkeit regelnder Einrichtungen wurden unter Anknüpfung an historisch gewachsene Strukturen und deren Weiterentwicklung die Wesensmerkmale ärztlicher und zahnärztlicher Berufsausübung statuiert: Therapiefreiheit und freie Arztwahl, Sicherstellungsauftrag und Selbstverwaltung und – später auch – die Niederlassungsfreiheit. Aufseiten der Krankenkassen wurden die Landes- und Bundesverbände der Krankenkassen durch das Gesetz über die Verbände der gesetzlichen Krankenkassen und der Ersatzkassen vom 17.08.1955 136 zu öffentlich-rechtlichen Körperschaften erhoben. In Vollzug des GKAR gaben sich die Spitzenverbände der Ärzte und der Krankenkassen neue Satzungen und Organisationsformen. 137 Das neue Kassenarztrecht (§§ 368 o – g RVO) richtete für die Ärzte- und die Zahnärzteschaft jeweils einen Bundesausschuss als oberstes Organ der gemeinsamen Selbstverwaltung ein, dessen Rechte jedoch im Vergleich zu denen des damaligen Reichsausschusses für Ärzte und Krankenkassen wesentlich eingeschränkt waren. Daneben wurden Landesausschüsse gebildet. Alle diese Ausschüsse wurden von den entsprechenden Vereinigungen der Ärzte und den Verbänden der Krankenkassen gebildet. Sie setzten sich zusammen aus einem Vorsitzenden, zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern, sechs Vertretern der Ärzte und sechs Vertretern der Krankenkassen. Von diesen stellten die Ortskrankenkassen drei, die übrigen Kassenarten je einen. Die Ausschüsse bestanden somit in der Regel aus fünfzehn Mitgliedern. Über den Vorsitz sowie die beiden unparteiischen Mitglieder sollten sich die KVen und die Verbände der Krankenkassen einigen. Kam keine Einigung zustande, sollten die Kassenvertreter von der zuständigen obersten Landesbehörde bzw. vom BMA berufen werden. Die Vertreter der Ärzte wurden von den KVen bestellt, wovon ein Vertreter ein in das Arzt- bzw. Zahnarztregister eingetragener Arzt bzw. Zahnarzt, also ein außer-

135 136 137

Schneider, Kassenarztrecht, Rn 123. BGBl. I, 524. Siewert, S. 22.

VIII. Das Gesetz über das Kassenarztrecht

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ordentliches Mitglied sein musste. Die Verbände der betreffenden Kassenarten stellten ihre Vertreter. Die Bundes- und Landesausschüsse hatten sich eine Geschäftsordnung für ihre Geschäftsführung zu geben. Die Geschäftsführung selbst wurde der staatlichen Aufsicht unterstellt. Die Richtlinien des Bundesausschusses zur Sicherung der kassenärztlichen Versorgung mussten dem Bundesarbeitsministerium zur Genehmigung vorgelegt werden, das diese innerhalb von zwei Monaten beanstanden und die erforderlichen Richtlinien im Wege der Ersatzvornahme selbst erlassen konnte, sofern der Bundesausschuss sich weigerte. Die Bundesausschüsse waren vor dem Erlass der Zulassungsordnungen und der Schiedsamtsordnungen zu hören. 138 Sie hatten keine Befugnis zur bindenden Rechtsetzung, 139 sondern nur beratende und empfehlende Funktion. Aufgabe der Landesausschüsse war die Förderung bezirklicher und ärztlicher Zusammenarbeit zwischen der Ärzteschaft und den Krankenkassen und die Ergänzung der Richtlinien des Bundesausschusses durch bezirkliche Besonderheiten. Es wurden Zulassungs-, Prüfungs- und Beschwerdeausschüsse etc. gewählt. Das Bundesarbeitsministerium erließ je eine Zulassungsordnung für Ärzte und Zahnärzte 140 und eine Schiedsamtsordnung. 141 Das GKAR sah Verhältniszahlen bei Kassenärzten von 1 : 500 und bei Kassenzahnärzten von 1 : 900 vor. Mit seinen Entscheidungen vom 23.06.1960 142 und vom 08.02.1961 143 hob das Bundesverfassungsgericht die Beschränkung der Zulassung durch eine Verhältniszahl (§ 368 a Abs. 1 RVO) wegen Verfassungswidrigkeit auf. Nach dem GKAR hatten die Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen Gesamtverträge bzw. mit den Landesverbänden der Krankenkassen Landesmantelverträge und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen Bundesmantelverträge zu schließen. 144 Der Bundesmantelvertrag mit den Kassenärzten kam erst nach langen Verhandlungen am 01.10.1959, mit den Kassenzahnärzten am 02.05.1962 zustande. 145 Die Honorierung der kassenärztlichen Leistungen erfolgte im Rahmen der Zahlung einer Gesamtvergütung von den Krankenkassen an die Kassenärztlichen Vereinigungen, welche die Vergütung nach einem im Benehmen mit den Kassen festgesetzten „Honorarverteilungsmaßstab“ unter den einzelnen Kassenärzten zu verteilen hatten. 146 138

Vgl. Venter, Zulassungsrecht für Kassenzahnärzte, S. 17. Jantz/Prange, B Einleitung III., S. 40. 140 Vom 28.05.1957, BGBl. I, 572 u. 582; die nach 1945 erlassenen Zulassungsordnungen der Länder wurden damit außer Kraft gesetzt. 141 BGBl. I, 570. 142 BVerfGE 11, 30 (Kassenärzte). 143 BVerfGE 12, 147 (Kassenzahnärzte). 144 Jörg, Rn 13. 145 Siewert, S. 22. 139

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

IX. Die wesentlichen Änderungen des GKAR bis zum Inkrafttreten des SGB V Fast 15 Jahre blieb das Kassenarztrecht von gesetzgeberischen Neuregelungen verschont, was zwar für seine Praktikabilität sprach, jedoch realiter dazu führte, dass der Umfang der kassen(zahn)ärztlichen Behandlung infolge der Erweiterung des Leistungsspektrums der sozialen Krankenversicherung zunahm und die Ausgaben der sozialen Krankenversicherung in einem unvertretbaren Ausmaß steigen ließ. 147 Für diesen Umstand war insbesondere die höchstrichterliche Rechtsprechung mitverantwortlich, so etwa durch die Auferlegung stärkerer Leistungsverpflichtungen der Krankenkassen bei den Heil- und Hilfsmitteln nach dem Erlass des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes vom 07.08.1974 148 sowie der Übernahme der vollen Kosten durch die Krankenkassen für kieferorthopädische und zahnprothetische Maßnahmen. 149 Dies führte erneut zu einem Verteilungskampf um die immer knapper werdenden Anteile an dem Ausgabenvolumen der Krankenkassen, bei dem sich die Vergütung der Kassen(zahn)ärzte immer weniger nach den finanziellen Möglichkeiten der Krankenkassen richtete. 150 1. Das Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz vom 28.12.1976 151 Mit dem Gesetz zur Weiterentwicklung des Kassenarztrechts – KVWG – beabsichtigte der Gesetzgeber eine Verbesserung der kassenärztlichen Versorgung der in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Bevölkerung durch kurzund langfristig wirkende Maßnahmen sowie eine Neuordnung und Stabilisierung der finanziellen Grundlagen der Krankenversicherung der Rentner. Weil die Niederlassungs- und Zulassungsfreiheit dazu geführt hatte, dass immer weniger Ärzte und Zahnärzte sich in ländlichen und im Stadtrandgebiet niederließen, regelte das KVWG eine Bedarfsplanung durch die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen sowie Maßnahmen bei drohender oder eingetretener ärztlicher Unterversorgung. 152 Das KVWG trug damit unter anderem den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts 153 Rechnung, die die Verhältniszahl des § 368 a Abs. 1 146 147 148 149 150 151

§ 368 Abs. 1 RVO 1955. Siewert, S. 22. BGBl. I, 1881. BSG, Urteile vom 20.10.1972, USK 72144, USK 72172 und BSGE 37, 74. Siewert, S. 23. BGBl. I, 3871; in Kraft getreten am 01.01.1977; dazu Matzke SGb 1978, 89 ff,

141 ff. 152

Jörg, Rn 14; Schneider, Kassenarztrecht, Rn 31.

IX. Die wesentlichen Änderungen des GKAR

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RVO 1955 als eine nicht gerechtfertigte objektive Zulassungsbeschränkung des Arztberufs und deshalb als einen Verstoß gegen Art. 12 Abs. 1 GG ansahen. Die Bedarfsplanungskompetenz liegt seit dieser Zeit gemeinsam bei den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen. Das Gesetz räumte damit erstmals den Krankenkassen ein Mitspracherecht bei der Gestaltung der ambulanten Versorgung ein, indem es die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtete, „im Einvernehmen mit den Landesverbänden der Krankenkassen“ Bedarfspläne zur Sicherstellung der kassenärztlichen Versorgung aufzustellen und jeweils der Entwicklung anzupassen. Beide Parteien stützten sich dabei auf die Bedarfsplanungsrichtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen. Kam Einvernehmen nicht zustande, konnte jeder der Beteiligten den Landesausschuss der Ärzte und Krankenkassen anrufen, der dann entschied. Das Instrumentarium der Bedarfsplanung erwies sich jedoch als wenig hilfreich. Die Teilnahme als Vertragsarzt an der kassenärztlichen Versorgung der Versicherten der Ersatzkassen wurde an die Ausübung der kassenärztlichen Tätigkeit gebunden. 154 Das KVWG ordnete ferner die Fortbildungspflicht für Kassenärzte an. 155 Das Schiedsamt wurde um zwei unparteiische Mitglieder erweitert. 156 2. Das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz vom 27.06.1977 157 Bereits ein halbes Jahr später trat das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVKG) in Kraft, das erstmalig versuchte, den „Markt der Gesundheitsleistungen“ gezielt im Sinne einer Kostendämpfung zu beeinflussen. Auslösendes Moment war aber die Konsolidierung der Finanzen der Rentenversicherungsträger und das gleichzeitig verkündete 20. Rentenanpassungsgesetz. 158 Das KVKG war wiederum eine Reaktion des Gesetzgebers auf die angespannte Finanzlage. 159 Der Gesetzgeber änderte damit vor allem das Vertragswesen und hier das Kassenarztrecht. Nunmehr waren Gesamtverträge über die kassenärztliche Versorgung auf Landesebene mit Wirkung für alle beteiligten Krankenkassen abzu-

153

BVerfGE 11, 30 (Kassenärzte) und BVerfGE 12, 344 (Kassenzahnärzte). Siewert, S. 23. 155 Jörg, Rn. 14; Peters, Die Geschichte der sozialen Versicherung, S. 176 ff; Schneider, Kassenarztrecht, Rn. 131; Heinemann/Liebold/Zalewski, A 74 ff. 156 Siewert, S. 23. 157 BGBl. I, 1069; in Kraft getreten am 01.07.1977. 158 BGBl. I, 1040, 1744. 159 Peters, Die Geschichte der sozialen Versicherung, S. 220 ff. 154

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

schließen, 160 wobei die Empfehlungen auf Bundesebene angemessen berücksichtigt werden sollten. Bei der Festlegung der Vergütungen war die Einkommensentwicklung der Versicherten (Grundlohnentwicklung) neben der Steigerung der Praxiskosten und der Arbeitszeit der (Zahn-)Ärzte zu berücksichtigen. Zur Begrenzung der Ausgabenentwicklung konnten die Vertragspartner Höchstsätze vereinbaren (sog. Plafondierung). Im Gesamtvertrag war dabei auch die Höhe der Gesamtvergütung sowie ihre Veränderung zu regeln. Zudem sah das KVKG die Bildung neuer Organisationsstrukturen in Form von Bewertungsausschüssen vor. Gemäß § 368 i Abs. 8 RVO wurden die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die Bundesverbände der Krankenkassen verpflichtet, je einen Bewertungsausschuss für die ärztlichen Leistungen und für die zahnärztlichen Leistungen zu bilden. Der Bewertungsausschuss bestand aus sieben von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bestellten Vertretern sowie je einem von den Bundesverbänden der Krankenkassen bestellten Vertreter. Den Vorsitz führte abwechselnd ein Vertreter der Ärzte und ein Vertreter der Krankenkassen. Der Bewertungsausschuss sollte sich eine Geschäftsordnung geben. Nach § 368 i Abs. 9 RVO war dieser Bewertungsausschuss um einen unparteiischen Vorsitzenden und vier weitere unparteiische Mitglieder zu erweitern, wenn durch übereinstimmenden Beschluss aller Mitglieder eine Vereinbarung über den Bewertungsmaßstab ganz oder teilweise nicht zustande kam. Die Bewertungsausschüsse nahmen somit einerseits die Funktion wahr, konkrete Rechtshandlungen in Form der Festsetzung des Bewertungsmaßstabes vorzunehmen, gleichzeitig wurden sie mit eigenen Organisationselementen ausgestattet, ohne jedoch eine eigene Rechtspersönlichkeit zu besitzen. 161 Die Prüfungsausschüsse zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit kassen-(zahn-) ärztlichen Handelns wurden paritätisch mit jährlich wechselndem Vorsitz besetzt. Die Vertragspartner auf Landesebene vereinbarten im Gesamtvertrag einen Arzneimittelhöchstbetrag. Die Bundesausschüsse mussten preisvergleichende Listen von Arzneimitteln gleicher Wirksamkeit (Transparenzlisten) und Listen über nichtverordnungsfähige Bagatellarzneimittel aufstellen. 162 Damit war die Richtlinienkompetenz der Bundesausschüsse erweitert worden. Entsprechend geändert wurden die Schiedsamtsordnung durch Verordnung vom 07.03.1978, 163 die Zulassungsordnung für Ärzte durch Verordnung vom 24.07.1978 164 und die für Zahnärzte durch Verordnung vom 24.07.1978. 165

160 161 162 163 164 165

Artikel 1 Nr. 34 KVKG. Vgl. Tiemann, Kassenarztrecht im Wandel, S. 200. Vgl. zum Ganzen Siewert, S. 24. BGBl. I, 384. BGBl. I, 1085. BGBl. I, 1086.

IX. Die wesentlichen Änderungen des GKAR

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Daneben führte das KVKG beim Bundesarbeitsministerium die „Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen“ im Rahmen des § 405 a RVO ein, die nach dem Gesetzeswortlaut auch für das Kassenarztrecht relevant werdende medizinische und wirtschaftliche Orientierungsdaten entwickeln und Vorschläge zur Rationalisierung, Erhöhung der Effektivität und Effizienz im Gesundheitswesen machen sollte. 166 Sie hatten dazu einmal jährlich jeweils bis zum 31. März Empfehlungen abzugeben. Beteiligt waren die Träger der Krankenversicherung, die Anbieter von Gesundheitsleistungen, die Sozialpartner und die zuständigen Ministerien des Bundes und der Länder, die gemeinsam Vorschläge im vorgenannten Sinne entwickeln und miteinander abstimmen sollten. Ziel war, durch freiwillige Verhaltenssteuerung eine Globalsteuerung des Gesundheitswesens zu entwickeln. 167 3. Das Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz vom 22.12.1981 168 Die mit dem KVKG eingeführten Kostendämpfungsmaßnahmen sollten mit dem KVEG weitergeführt und vervollkommnet werden. 169 Ziel war es, die Leistungen mehr auf das medizinisch Erforderliche zu beschränken und die Ausgaben der Krankenkassen stärker an den Einnahmen auszurichten. So wurden unter anderem die Verordnungsblattgebühr für Arznei- und Verbandsmittel, Heilmittel und Brillen angehoben bzw. eingeführt. Die Festlegung von Arzneiverordnungen bei Bagatellerkrankungen wurde einer Rechtsverordnung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung überlassen. Es wurde ein Preisstopp für Heilund Hilfsmittel und Brillen für 2 Jahre festgelegt. Einschlägig für das Kassenarztrecht war ferner das Gesetz zur Verbesserung der kassenärztlichen Bedarfsplanung vom 19.12.1986, 170 mit dem die Parteien des BundesmantelvertragesÄrzte den bisherigen Bewertungsmaßstab für kassenärztliche Leistungen (BMÄ) ab 01.10.1987 durch den Einheitlichen Bewertungsmaßstab für kassenärztlichen Leistungen (EBM) ablösten. Durch die am 01.10.1987 in Kraft getretenen neuen Bewertungsmaßstäbe waren die rein ärztlichen Leistungen im Vergleich zu den Labor- und sonstigen apparativen Leistungen höher bewertet worden. 171 Die Honorarverteilungsmaßstäbe der KVen versuchten, den Leistungsumfang und die Polypragmasie zu beschränken. 172

166

Schneider, Kassenarztrecht, Rn. 132; Jörg, Rn. 16; Peters, S. 221; Siewert, S. 25; Heinemann/Liebold/Zalewski, Rn. A 56 ff. 167 Vgl. Siewert, S. 25. 168 BGBl. I, 1578, in Kraft getreten am 01.01.1982. 169 Schneider, Rn. 133. 170 BGBl. I, 2593, in Kraft getreten am 01.01.1987. 171 Jörg, Rn. 17. 172 Maaß, NJW 1989, 2926.

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

X. Rechtliche Rahmenbedingungen zwischen Ärzten und Krankenkassen nach Inkrafttreten des SGB V bis heute 1. Das Gesetz zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988 173 Das Gesundheitsreformgesetz (GRG) brachte eine vollständige Neukodifizierung des Kassenarztrechts in den §§ 72 bis 106 SGB V. Seitdem hat die GKV ihren gesetzlichen Standort im SGB V. Damit wurde das Kassenarztrecht in seiner Struktur nicht grundlegend geändert, sondern lediglich die entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen der RVO bereinigt und neu gegliedert. 174 Die Änderungen betrafen unter anderem die Beachtung des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität in den Vergütungsvereinbarungen (§ 71 SGB V), die einjährige Vorbereitungszeit als Zulassungsvoraussetzung für Kassenärzte (§ 95 SGB V), die Konkretisierung der Wirtschaftlichkeitsprüfung und Überprüfung ärztlicher Abrechnungen auf Rechtmäßigkeit (§ 106 SGB V), die Regelung von Zulassung, Beteiligung und Ermächtigung (§ 95 SGB V), das Schiedswesen (§ 89 SGB V), die Einbindung zahntechnischer Leistungen in das Kassenarztrecht (§ 88 SGB V), die Planung bei medizinischen Großgeräten (§ 122 SGB V), die Weiterentwicklung des Systems zweiseitiger und dreiseitiger Rahmenverträge im Krankenhausbereich (§§ 112, 115 SGB V) sowie die Angleichung des Vertragsrechts der Ersatzkassen an das Kassenarztrecht der Primärkassen. 175 Das Primat nach Wahrung der Beitragsstabilität 176 war von da an als der zentrale, nachgerade „magische Begriff“ 177 anzusehen, der dem der Reformgesetzgebung immanenten Steuerungspotenzial eine innere Rechtfertigung geben sollte. 178 2. Die Einigung Deutschlands Der Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion zwischen der BRD und der DDR (Staatsvertrag) vom 18.05.1990 179 und das

173

BGBl. I, 2477; in Kraft getreten am 01.01.1989. Vgl dazu insgesamt Schirmer, MedR 1989, 2067 ff; Wanner, BKK 1989, 190 ff; Rüfner, NJW 1989, 1001 ff.; Tiemann/Muschallik, ZM 1989, 2013. 175 Vgl. zu den Rechtsbeziehungen der Leistungserbringer von Heil- und Hilfsmitteln zu den Krankenkassen Heinze, VSSR 1991, 1 ff. 176 Vgl. §§ 141 Abs. 2 Satz 3 und 71 SGB V. 177 Schirmer, JbSozRecht 1990, 223. 178 Schneider, Kassenarztrecht, Rn. 134; zu Inhalt und Bindungswirkung Muschallik, NZS 1998, 7 ff. 179 BGBl. II, 537. 174

X. Rechtliche Rahmenbedingungen bis heute

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Gesetz vom 25.06.1990 180 waren der Grundstein für ein einheitliches Sozialrecht im gesamten Deutschland. 181 Dieses wurde eingeleitet durch Artikel 22 bis 25 des Gesetzes vom 25.06.1990 zu dem Staatsvertrag vom 18.05.1990 und Artikel 18 bis 23 des Staatsvertrages wie dem in der DDR erlassenen Gesetz über die Sozialversicherung vom 28.06.1990. 182 Die Überleitung vollzog sich schließlich, indem die §§ 308 bis 314 SGB V als zwölftes Kapitel durch den Einigungsvertrag vom 31.08.1990 183 an das SGB V angefügt wurden. Regelungen zum Kassenarztrecht finden sich in § 311 SGB V mit unterschiedlichen zeitlichen Befristungen der Geltungsdauer. 3. Das Gesundheitsstrukturgesetz 1993 184 Die auch nach dem GRG ungebremst weiterschreitende Kostenentwicklung im Gesundheitswesen führte im Laufe der zweiten Jahreshälfte 1992 zu neuen Maßnahmen des Gesetzgebers auf dem Gebiet des Sozialversicherungsrechts. Das GSG sollte die gesetzliche Krankenversicherung um jährlich ca. DM 0,55 Mrd. entlasten. 185 Im Juni 1992 legte Bundesgesundheitsminister Seehofer Eckpunkte zur Sicherung und Strukturverbesserung in der Krankenversicherung vor. 186 Im Oktober 1992 erarbeiteten die Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP unter Mitwirkung der Sozialminister der Länder gemeinsame Eckpunkte für den zweiten Entwurf eines Gesundheits-Strukurgesetzes, 187 die bei Ärzten 188 und Zahnärzten 189 auf massive Kritik stießen. Nachdem der Bundestag am 09.12.1992 den von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten, überarbeiteten Entwurf des GSG 190 angenommen hatte, stimmte der Bundesrat am 19.12.1992 dem Gesetz zu. 191

180

BGBl. II, 518. Jörg, Rn. 19; zum Ganzen auch Schirmer, JbSozR 1991, 247. 182 GBl. I (DDR), 486 vom 04.07.1990. 183 BGBl. II, 889. 184 Im Wesentlichen in Kraft getreten am 01.01.1993, vgl. Art. 35 GSG; BGBl. I, 2266; zu den wichtigsten strukturellen Änderungen Zipperer, NZS 1993, 53 ff. 185 Jörg, Rn. 19 a. 186 Lekon, Leistungen, 1992, 201 ff; Hülsmeier, SozSich. 1992, 166 f. 187 BT-Drucks. 12/3608. 188 Deutsches Ärzteblatt 1989, Heft 43, 3529 ff. 189 Tiemann/Muschallik, Grundrechte dem Geld geopfert, GSG zwischen Staatsmedizin und Verfassungsbruch, ZM 1993, 22. 190 BT-Drucks. 12/3930 und 12/3937. 191 Jörg, Rn 19 b. 181

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

Das GSG brachte wesentliche Änderungen des SGB V, aber auch gravierende Korrekturen in anderen Gesetzen und Verordnungen. 192 Die Regelungen des GSG erstreckten sich im Wesentlichen auf den Krankenhausbereich, die ambulante ärztliche und zahnärztliche Versorgung, die Arzneimittel und Organisationsreform der gesetzlichen Krankenversicherung. Als Sofortmaßnahme zur Vermeidung von Beitragssatzerhöhungen sah das GSG eine Budgetierung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung vor, die alle Leistungsbereiche und die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen erfasste. 193 Von 1993 bis 1995 durften die Ausgaben der GKV nur im Gleichklang mit den beitragspflichtigen Einnahmen der Mitglieder steigen. Diese Ausgabenbudgetierung bezog sich auch auf die Verwaltungsausgaben der Krankenkassen. 194 Ebenso wurde das Volumen der zulasten der Krankenkassen verordneten Arzneimittel begrenzt, wobei die Wirtschaftlichkeitsprüfung in diesem Bereich intensiviert wurde. Durch erweiterte Mitwirkungsrechte der Rechtsaufsicht wurde die Vertragsfreiheit der Bundesmantel- und Gesamtvertragspartner eingeschränkt bis hin zur Ersatzvornahme im Verordnungswege. 195 Vergütungsvereinbarungen waren nun der Aufsichtsbehörde vorzulegen, die zu prüfen hatte, ob das Gebot der Beitragssatzstabilität eingehalten wurde (§ 71 Abs. 2 SGB V i.d.F. des GSG). Für die Leistungserbringer wurde als einer der vermeintlichen Ursachen für mangelnde Steuerungsmöglichkeiten der freie Berufszugang mit Regelung zur Begrenzung der Zahl der zugelassenen Vertrags(zahn)ärzte und dem Festsetzen einer – verfassungsrechtlich höchst bedenklichen 196 – Altersgrenze für Zulassungsbewerber beschränkt (§ 95 SGB V, Art. 31 GSG). Erstmals in der Geschichte des Kassenarztrechtes wurde die Möglichkeit geschaffen, angestellte Ärzte und Zahnärzte in der freien Praxis zu beschäftigen. Bei kollektiver Rückgabe von Zulassungen sollte der Sicherstellungsauftrag der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen ruhen und auf die Krankenkassen übergehen (§ 72 SGB V i.d.F. des GSG). Die unterschiedlichen Formen der Teilhabe kassen(zahn)ärztlichen und der vertragsärztlichen Versorgung wurden vereinheitlicht und nun als vertragsärztliche Versorgung bezeichnet. Der Begriff des „Kassenarztes“ wurde durch den Begriff „Vertragsarzt“ ersetzt. 197 Der Arzt war jetzt durch einen Zulassungsausschuss, in dem auch die Vertreter der Ersatzkassen mitwirkten, einheitlich für alle Kassenarten zugelassen oder ermächtigt (§§ 95, 96, 97 SGB V i.d.F. des GSG).

192 U. a. SGB IV, Zulassungsverordnungen für Ärzte und Zahnärzte, Krankenhausfinanzierungsgesetz, Bundespflegesatzverordnung. 193 Jörg, Rn 19 c. 194 Schneider, Kassenarztrecht, Rn 146; Krauskopf in: Laufs/Uhlenbruck § 23, Rn. 25. 195 § 79 a SGB V i.d.F. des Art. 1 GSG. 196 Vgl. aber BVerfG, NZS 2002, 144; BVerfG, NJW 1998, 1776. 197 §§ 72, 75, 90 SGB V i.d.F. des Art. 1 GSG.

X. Rechtliche Rahmenbedingungen bis heute

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4. Weitere wesentliche Gesetzesinitiativen bis zur dritten Stufe der Gesundheitsreform Drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetz am 01.01.1993 konkretisierten sich zu Beginn des Jahres 1996 die Überlegungen für eine erneute Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung mit dem Ziel einer Begrenzung der Beitragssätze. Die Regierungskoalition CDU/CSU und FDP legte den Entwurf eines Gesetzes zur Weiterentwicklung der Strukturreform in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Weiterentwicklungsgesetz – GKVWG) 198 vor, in dem wesentliche Regelungen für den ärztlichen Bereich vorgesehen waren. Der zahnärztliche Bereich war weitestgehend ausgeklammert worden und sollte im Zusammenhang mit weiteren gesetzgeberischen Maßnahmen im Rahmen der nächsten Stufe einer Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung behandelt werden. Im Entwurf des GKVWG sollte die durch den Risikostrukturausgleich und die Wahlfreiheit der Versicherten begründete Wettbewerbsordnung in der GKV weiterentwickelt werden. Ziel auch dieses Entwurfes war die Sicherungen der Beitragssatzstabilität, die Begrenzung der Lohnnebenkosten und damit die Sicherung des Wirtschaftsstandortes Deutschland. Der Selbstverwaltung sollte ein möglichst großer Gestaltungsspielraum eingeräumt werden („Vorfahrt für die Selbstverwaltung“). Es sollte die Möglichkeit von Erprobungsregelungen und Modellversuchen geschaffen werden (so z. B. Möglichkeit der Kostenerstattung per Satzung, Beitragsrückerstattung und erhöhte Zuzahlung bei Zahnersatz, Dynamisierung gesetzlich geregelter Eigenanteile). Die angedachten Lösungen liefen jedoch nur schleppend an, sodass der GKVWG-Entwurf bald als gescheitert betrachtet werden musste. Zudem wurde er durch parallele Gesetzesinitiativen sowohl der Regierungskoalition als auch der Opposition überholt. Zu nennen sind hier z. B. das Krankenhausausgaben-Stabilisierungsgesetz 1996 199 und das KrankenhausfinanzierungsÄnderungsgesetz. 200 Das Zweite Gesetz zur Neuordnung von Selbstverwaltung und Eigenverantwortung in der gesetzlichen Krankenversicherung (2. GKV-Neuordnungsgesetz – 2. NOG) vom 23.06.1997 201 hatte zum Ziel, die Umverteilung der Finanzmittel von den Versicherten auf die Leistungsanbieter im Gesundheitswesen, insbesondere Zahnärzte, Ärzte, Apotheker, Pharmaindustrie und Krankenhäuser vorzunehmen. Die Selbstbeteiligung der Versicherten bei Arzneimitteln, Heilmitteln und Krankenhauspflege wurde erhöht. 202

198 199 200 201

BT-Drucks. 13/3608. BGBl. I, 654; in Kraft getreten am 01.01.1997. BT-Drucks. 13/2745. BGBl. I, 1520; in Kraft getreten am 01.07.1997.

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

Insgesamt überwogen nun die Elemente der privaten Krankenversicherung. Anstelle der Sachleistung konnte der Versicherte die Kostenerstattung wählen. Als Sachleistung konnte ein erhöhter Selbstbehalt, Zuzahlungsdifferenzierung, Beitragsrückzahlung und erweiterte Leistungen eingeführt werden. Erprobungsund Modellvorhaben wurden erleichtert, wobei im ambulanten ärztlichen Bereich Rahmenvereinbarungen mit den Krankenkassen erforderlich waren. Die Bundesausschüsse wurden ermächtigt, neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu evaluieren sowie die bestehenden Leistungskataloge zu durchforsten. Die Heil- und Hilfsmittellieferanten waren an diesem Verfahren zu beteiligen. Die Selbstverwaltung der Krankenkassen und Krankenhäuser erhielt die Kompetenz, neue Fallpauschalen und Sonderentgelte festzusetzen und bestehende fortzuentwickeln. Instandhaltungskosten wurden in den Jahren 1997 bis 1999 pauschal im Pflegesatz berücksichtigt. Zur Finanzierung dieses Notopfers hatten alle Krankenversicherten einen Betrag von jährlich DM 20,– an ihre Krankenkasse zu zahlen. Insgesamt fehlte allen Spargesetzen die Ausrichtung an zukunftsträchtigen Modellen. Am 18.12.1998 beschloss der Deutsche Bundestag das Gesetz zur Stärkung der Solidarität (GKV-SolG) in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 19.12. 1998. 203 Damit sollte zu einer – so der Gesetzgeber – sozialgerechten Krankenversicherung zurückgekehrt werden, die auf dem Solidar- und Sachleistungssystem beruhte. Das Gesetz diente dazu, dem Solidarprinzip den ihm gebührenden Stellenwert wieder einzuräumen, Finanzgrundlagen zu stabilisieren und die Voraussetzungen für eine grundlegende Strukturreform in der gesetzlichen Krankenversicherung zum Jahr 2000 zu schaffen, mit der für mehr Wettbewerb und Qualität, Wirtschaftlichkeit und effizientere Versorgungsstrukturen gesorgt werden sollte. Zur Erreichung dieser Ziele nahm die nun von SPD/Grünen geführte Bundesregierung alle Elemente der privaten Krankenversicherung (Beitragsrückgewähr, Kostenerstattung für Pflichtversicherte und Selbstbehalt) zurück. Zeitlich befristet wurden die Ausgaben in der gesetzlich Krankenversicherung begrenzt. Bestimmte Zuzahlungen wurden aufgehoben. Die Arzneimittelzuzahlungen für Medikamente, auf die in der Regel chronisch Kranke und ältere Patienten angewiesen sind, wurden gemindert. Das gerade erst mit dem 2. NOG eingeführte Krankenhausnotopfer wurde für die Jahre 1998 und 1999 ausgesetzt. Die zeitliche Befristung im gesamtdeutschen Strukturausgleich wurde gestrichen.

202 Vgl. zum Ganzen Muckel, SGb 1998, 385 ff; Noftz, VSSR 1997, 393; Oldiges, VSSR 1997, 439 ff sowie in DOK 12 (15. Juni 1997), 367 ff.; Schirmer, MedR 1997, 431. 203 BGBl. I, 3858; in Kraft getreten am 01.01.1999; kritisch dazu Tiemann/Muschallik, ZM 1999, 34ff.

X. Rechtliche Rahmenbedingungen bis heute

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5. Das Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 vom 22.12.1999 204 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) Das ursprünglich geplante Gesundheitsreformgesetz konnte auf Grund der Wahlverluste bei den Landtagswahlen im Jahr 1999 und den damit einhergehenden Stimmenverluste im Bundesrat nicht wie ursprünglich vorgesehen vollendet werden. 205 Die Bundesregierung entschloss sich daher, einen neuen Gesetzentwurf in einem sog. unechten Vermittlungsverfahren einzubringen, da die Zustimmung des Bundesrates hierfür nicht erforderlich war. Der am 04.11.1999 vom Bundestag beschlossene Gesetzentwurf 206 wurde in zwei Gesetze aufgeteilt, dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 207 und dem Gesetz zur Rechtsangleichung in der gesetzlichen Krankenversicherung, 208 mit dem der Risikostrukturausgleich ab 2001 neu geregelt wurde. Im Vergleich zu der vom Bundestag am 04.11.1999 verabschiedeten Fassung waren die Regelungen zur Globalbudgetierung, zur monistischen Krankenhausfinanzierung, zur Soforthilfe, zur Entschuldung der Ost-AOKen, zur Datenlieferung der KVen an die Krankenkassen und Verwaltung von Patientendaten, zur Bedarfszulassung für Ärzte und Zahnärzte und zur Organisationsreform der Kassenärztlichen Vereinigungen nicht enthalten. Im Wesentlichen sind durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 folgende Regelungen getroffen worden: Die Krankenkassen wurden verpflichtet, ihre Verwaltungskosten und ihre Leistungsausgaben so zu gestalten, dass Beitragssatzerhöhungen vermieden werden, es sei denn, die notwendige medizinische Versorgung ist auch unter Ausschöpfung von Wirtschaftlichkeitsreserven ohne Beitragssatzerhöhungen nicht zu gewährleisten (§ 4 Abs. 4 SGB V). Die Krankenkassen konnten die sog. „primäre Prävention“, insbesondere den Arbeitsschutz sowie Selbsthilfegruppen in bestimmtem Umfange fördern (§ 20 SGB V). Das Bundesgesundheitsministerium wurde ermächtigt, eine Positivliste einzuführen. Es wurde ein Institut für Arzneimittelverordnung zur Erstellung einer Vorschlagsliste geschaffen. Klagen dagegen waren unzulässig (§ 33 a SGB V). 209 Die Krankenkassen konnten zukünftig auch mit einzelnen Vertrags(zahn)ärzten Verträge über Modellvorhaben schließen, ohne dass die KVen daran beteiligt werden mussten (§ 64 SGB V). Die Verbraucherberatung sollte gefördert werden (§ 65 SGB V).

204

BGBl. I, 2626; in Kraft getreten am 01.01.2000. Heinemann/Liebold/Zalewski, A 234. 206 BT-Drucks 609/99 vom 05.11.1999. 207 BGBl. I, 2626. 208 BGBl. I, 2657 vom 22.12.1999. 209 Aufgehoben durch das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG), BGBl. I, 2190; in Kraft getreten am 01.01.2004. 205

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

Die Vertragspartner, u.a. der Gesamtverträge, sollten die Vergütungsvereinbarungen so schließen, dass Beitragssatzerhöhungen vermieden werden. Gemäß § 71 Abs. 2 SGB V war dabei grundsätzlich von der gem. § 71 Abs. 3 SGB V vom Bundesgesundheitsministerium festzusetzenden durchschnittlichen Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen im gesamten Bundesgebiet auszugehen. Die Vereinbarungen mussten danach grundsätzlich so gestaltet werden, dass die sich daraus ergebenen Vergütungen diejenigen, die sich bei Anwendung der vom BMG festgesetzten Veränderungsrate ergab, nicht überstiegen. § 69 SGB V wurde in der Form neu gefasst, als dessen Satz 1 nunmehr bestimmte, dass die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände zu den Leistungserbringern abschließend durch die Bestimmungen des SGB V geregelt wurde. Satz 3 ordnet ergänzend an, dass das BGB entsprechend herangezogen wird, soweit dessen Vorschriften mit den Vorgaben des SGB V vereinbar sind. Nach Satz 4 gelten Satz 1 und Satz 3 auch, wenn durch die Rechtsbeziehungen Rechte Dritter berührt werden. In § 51 Abs. 2 SGG und §§ 87 Abs. 1, 96 GWB wurde jeweils ein Satz angefügt, mit dem die kartellrechtliche Zuständigkeit der Zivilgerichte für den durch § 69 SGB V erfassten Bereich explizit ausgeschlossen wurde. 210 Die Aufgaben des Bundesausschusses und des Bewertungsausschusses wurden neu gefasst. Nach § 85 Abs. 4 a SGB V hatte der Bewertungsausschuss bis zum 28.02.2000 Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen festzulegen. Diese Bestimmung bezog sich im Wesentlichen auf die Differenzierung der Anteile der hausärztlichen und der fachärztlichen Versorgung im vertragsärztlichen Bereich (§ 85 Abs. 4 SGB V). Hausärzte wurden als eigene Arztgruppe bei der Bedarfsplanung (§ 101 Abs. 5 SGB V) berücksichtigt. Es war weiterhin vorgesehen, eine Bedarfsplanung auf der Grundlage staatlich festgelegter Verhältniszahlen einzuführen. Das Bundesgesundheitsministerium wurde gemäß § 102 SGB V verpflichtet, bis zum 31.12.2001 die erforderlichen Datengrundlagen von einem wissenschaftlichen Institut erstellen zu lassen. Gemäß § 102 Abs. 2 a SGB V wurde die Wirtschaftlichkeitsprüfung bei Stichproben auf Indikation, Effektivität, Qualität der Leistungserbringung und Angemessenheit der Kosten erweitert. Die Prüfung auf Wirtschaftlichkeit konnte von Amts wegen erfolgen (§ 106 Abs. 5 SGB V). Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sollte verpflichtende Maßnahmen der Qualitätssicherung und Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen Leistungen bestimmen (§ 136 a SGB V). 210 Vgl. zu den Auswirkungen der gesetzlichen Neuregelungen Knispel, NZS 2001, 466 ff.; Giesen, GGW 2/2001, 19 ff; Engelmann, NZS 2000, 213 ff.; Peikert/Kroel, MedR 2001, 14 ff.; zu wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen nach der Neufassung durch das GMG Diekmann, NZS 2004, S. 15.

X. Rechtliche Rahmenbedingungen bis heute

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Es wurde ein gemeinsamer Koordinierungsausschuss der Bundesausschüsse, der Spitzenorganisation sowie des neu in § 137 c Abs. 2 SGB V vorgesehenen Ausschusses „Krankenhaus“ 211 gebildet, der die Geschäfte der Bundesausschüsse und des Ausschusses Krankenhaus zu führen und Empfehlungen zu „sektorenübergreifenden Angelegenheiten der Bundesausschüsse und des Ausschusses Krankenhaus“ abzugeben hatte. 212 Darüber hinaus sollte er gemäß § 137 e Abs. 3 SGB V „für mindestens 10 Krankheiten pro Jahr, bei denen Hinweise auf unzureichende, fehlerhafte oder übermäßige Versorgung bestehen und deren Beseitigung die Morbidität und Mortalität der Bevölkerung maßgeblich beeinflussen kann“, auf der Grundlage evidenzbasierter Leitlinien die Kriterien für eine im Hinblick auf das diagnostische und therapeutische Ziel ausgerichtete zweckmäßige und wirtschaftliche Leistungserbringung beschließen. Ferner hatte er Empfehlungen zur Umsetzung dieser Kriterien abzugeben und zur Vorbereitung seiner Entscheidungen eine sachverständige Stabstelle einzurichten. Darüber hinaus wurden integrierte Versorgungsformen (§ 140 a – h SGB V) und eine deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland (§ 219 a – d SGB V) sowie ein bundeseinheitliches Arztverzeichnis (§ 293 Abs. 4 SGB V) geschaffen. Außerdem sah das Gesetz u. a. Änderungen im Krankenhausfinanzierungsgesetz (Einführung eines pauschalierten Entgeltsystems), der Bundespflegesatzverordnung sowie eine Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen, das nun auf Rechtstreitigkeiten des SGB V (§ 69 SGB V) nicht mehr anzuwenden sei, vor. In die Gebührenordnungen für Ärzte (GOÄ) und Zahnärzte (GOZ) wurde ein neuer Paragraf zur Beschränkung des Multiplikators bei Versicherten des Standardtarifs der gesetzlichen Krankenversicherungen eingefügt. 213 Bei Versicherten des PKV-Standardtarifs wurde der Steigerungssatz auf das 1,7fache begrenzt. Die Bemühungen des Gesetzgebers, die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten, fanden ihre Fortsetzung in den nachfolgend dargestellten Gesetzen. Mit der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 16. November 2000 214 wurde die sog. „Negativliste“ erweitert.

211 Dieser ist nach Struktur und Kompetenzen dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen vergleichbar, so auch Hänlein, Rechtsquellen, S. 454. 212 Vgl. zum Ganzen Zipperer/am Orde, KrV Juni 2001, 172 ff. 213 Heinemann/Liebold/Zalewski, Überblick Kassenarztrecht, A 236. 214 BGBl. I, 1593; in Kraft getreten am 30.11.2000.

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

Durch das Festbetrags-Anpassungsgesetz vom 27. Juli 2001 215 wurde die Festbetragsregelung für Arzneimittel durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen nach § 35 SGB V bis 31.12.2003 ausgesetzt und durch eine Rechtsverordnungsermächtigung zu Festbeträgen für Arzneimittel durch das Bundesministerium für Gesundheit ersetzt. Nach Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums wurde ein jährliches Einsparvolumen von ca. 750 Mio. DM erwartet. Bei den nicht preisgebundenen Medikamenten sollte die pharmazeutische Industrie in den Jahren 2002 und 2003 mit einem Preisabschlag von vier Prozent ihren „Solidarbeitrag“ zur Konsolidierung der Finanzen der GKV leisten. Mit dem Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz 216 wurde die Aut-idem Regelung ausgeweitet und der Apothekenrabatt in 2002/2003 aufgehoben. In die Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nach § 92 Abs. 2 SGB V waren zu den einzelnen Indikationsgebieten Hinweise aufzunehmen, aus denen sich für Arzneimittel mit pharmakologisch vergleichbarer Wirkung eine Bewertung des therapeutischen Nutzens auch im Verhältnis zum jeweiligen Apothekenabgabepreis und damit zur Wirtschaftlichkeit der Verordnung ergab. In § 129 Abs. 1a SGB V war nunmehr bestimmt, dass der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V unverzüglich Hinweise zur Austauschbarkeit von Darreichungsformen unter Berücksichtigung ihrer therapeutischen Vergleichbarkeit zu geben hatte. 6. Das geltende Recht: Das GKV-Modernisierungsgesetz (GMG) vom 14.11.2003 217 Nachdem zunächst eine Reihe von Gesetzentwürfen aus dem Bundesgesundheitsministerium kursierten, gelang es der Regierungskoalition in Konsensgesprächen mit der CDU/CSU, 218 weitgehend diejenigen Positionen durchzusetzen, die im Jahre 1999 noch an den Mehrheitsverhältnissen im Deutschen Bundesrat gescheitert waren. Ebenso wie die seinerzeitigen Entwürfe eines GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 219 sieht das GMG u.a. eine erhebliche Ausweitung der

215

BGBl. I, 1948; in Kraft getreten am 03.08.2001. AABG, BGBl. I, 684; in Kraft getreten am 23.02.2002. 217 GMG; BGBl. I, 2190; in Kraft getreten am 01.01.2004; vgl. dazu Sodan, GesR 2004, 205; Hiddemann/Muckel, NJW 2004, 7; Butzer, MedR 2004, 177; Dalichau, MedR 2004, 197; Orlowski, MedR 2004, 202; Zach, MedR 2004, 206; zu wettbewerbsrechtlichen Aspekten Kingreen, MedR 2004, 188. 218 Zu den Eckpunkten der Konsensverhandlungen zur Gesundheitsreform Sodan, NJW 2003, 2581. 216

X. Rechtliche Rahmenbedingungen bis heute

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Kompetenzen der Aufsichtsbehörden vor, die auch Detailregelungen anstelle der jeweiligen Gremien und Körperschaften der gemeinsamen Selbstverwaltung vornehmen können. Die Verfahren der Datensammlung und -auswertung hinsichtlich der GKV-Versicherten, aber auch der sog. „Leistungserbringer“ wird deutlich ausgeweitet und es erfolgen tiefgreifende Eingriffe in die Organisationsstrukturen der KZVen. Demgegenüber haben sich Forderungen nach einer Liberalisierung des GKV-Systems, so insbesondere einer weitgehenden Privatisierung der Zahnbehandlung bzw. zumindest der Versorgung mit Zahnersatz, nicht durchsetzen können. Auch das in den Konsensgesprächen zunächst als erforderlich angesehene Einsparvolumen von 20 Milliarden Euro im Jahre 2004 konnte nach den optimistischen Berechnungen der finanziellen Auswirkungen des Gesetzentwurfes nur zur Hälfte erreicht werden. Hinsichtlich der Bundesausschüsse und der Bewertungsausschüsse wurden folgende Neuregelungen durch das GMG aufgenommen: Zum 01.01.2004 werden die bisherigen Bundesausschüsse der Ärzte bzw. Zahnärzte und Krankenkassen gem. § 91 SGB V, der Ausschuss Krankenhaus gem. § 137 c SGB V 220 und der Koordinierungsausschuss gem. § 137 e SGB V zu einem Gemeinsamen Bundesausschuss zusammengefasst, der die Aufgaben der bisherigen Einzelausschüsse wahrzunehmen und dabei nach näherer Maßgabe des neu gefassten § 91 SGB V je nach der zu behandelnden Thematik in unterschiedlichen Besetzungen zu agieren hat. Der Gemeinsame Bundesausschuss wird sich durch einen Zuschlag für jeden Krankenhausfall und eine zusätzliche Anhebung der Vergütungen für die ambulante vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Versorgung um einen bestimmten vom Hundertsatz finanzieren. Durch die Bildung eines gemeinsamen Ausschusses soll ausweislich der Begründung zum GMG eine einheitliche Bewertung sektorübergreifender Behandlungen sichergestellt werden. Gemäß § 135 a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB V wird zusätzlich zu den bereits bestehenden Regelungen zu Maßnahmen der Qualitätssicherung jeder Vertragszahnarzt verpflichtet, einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln. Die grundsätzlichen Anforderungen hierzu sind gem. § 136 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien zu bestimmen. Gemäß § 139 a SGB V hat der Gemeinsame Bundesausschuss ein fachlich unabhängiges, rechtsfähiges, wissenschaftliches Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zu gründen. Dieses soll auf Gebieten grundsätzlicher Bedeutung für die Qualität und Wirtschaftlichkeit der im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen, insbesondere auf den Gebieten Recherche, Darstellung und Bewertung des aktuellen medizinischen

219 220

BGBl. I, 2626; in Kraft getreten am 01.01.2000. Zu den Kompetenzen BSGE 90, 289.

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

Wissensstandes, zu diagnostischen und therapeutischen Verfahren bei ausgewählten Krankheiten, bei der Erstellung von wissenschaftlichen Ausarbeitungen, Gutachten und Stellungnahmen, der Bewertung evidenzbasierter Leitlinien für die epidemiologisch wichtigsten Krankheiten sowie der Bereitstellung für alle Bürgerinnen und Bürger verständlichen allgemeinen Information zur Qualität und Effizienz in der Gesundheitsversorgung tätig werden. Dieses Institut soll wiederum durch entsprechende Vergütungszuschläge finanziert werden. Dem Bewertungsausschuss 221 wird die Möglichkeit eingeräumt, Regelungen zu treffen, die den besonderen Versorgungsaufwand berücksichtigen, der mit der Betreuung bestimmter Gruppen von Versicherten – zum Beispiel chronisch kranken oder behinderten Versicherten – verbunden ist. 222 Er wird beauftragt, neben der Zusammenfassung von Einzelleistungen zu Leistungskomplexen auch Fallpauschalen zu bestimmen. Dabei sind die Besonderheiten von kooperativen Versorgungsformen zu berücksichtigen. Er soll Regelungen zur Begrenzung veranlasster medizinisch-technischer Leistungen auf den medizinisch notwendigen Umfang treffen. 223 Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung erhält die Möglichkeit, den erweiterten Bewertungsausschuss 224 mit Wirkung für die Vertragsparteien anzurufen 225 oder eine Ersatzvornahme durchzuführen. 226 Es wird darüber hinaus bestimmt, dass die mit einer Ersatzvornahme verbundenen Kosten, so z. B. Kosten für ggfs. erforderliche Datenerhebungen und -auswertungen oder Sachverständigengutachten, von den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung zu tragen sind. 227

XI. Die Entwicklung des Vertragszahnarztrechts Die zahnärztliche Wissenschaft zweigte sich erst verhältnismäßig spät als selbstständige Fachdisziplin von der allgemeinen Medizin ab. 228

221

§ 87 SGB V. § 87 Abs. 2 Satz 3 und 4 SGB V. 223 § 87 Abs. 2c SGB V. 224 § 87 Abs. 4 SGB V. 225 § 87 Abs. 6 Satz 4 SGB V. 226 § 87 Abs. 6 Satz 2 SGB V. 227 § 87 Abs. 6 Satz 3 SGB V. 228 Tiemann/Herber, System der zahnärztlichen Versorgung, S. 11 ff; Tiemann in: 100 Jahre Krankenversicherung, S. 21, ders. auch VSSR 1994, 407; allgemein dazu auch Tiemann/Klingenberger/Weber, S. 11 ff. 222

XI. Die Entwicklung des Vertragszahnarztrechts

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Gehörte die Zahnheilkunde in der Antike noch zur Gesamtmedizin, wurde sie seit dem Mittelalter von Chirurgen ausgeübt. Diese waren aus dem Stand der Barbiere und Bader hervorgegangen und gehörten einer Handwerkerinnung an. Sie wurden nicht wie die Ärzte an Universitäten, sondern von Chirurgen ausgebildet. Ihr Ansehen war weit geringer als das der Ärzte. Die Zahnmedizin des 17. Jahrhunderts bestand noch fast ausschließlich aus chirurgischen Maßnahmen. Hatte man bis dahin mit allen Mitteln versucht, einen kranken Zahn zu lockern, weil eine Extraktion festsitzender Zähne mit den bis dahin zur Verfügung stehenden Zangen unmöglich war, wurde nunmehr, bedingt durch besseres Instrumentarium, das „Zahnreißen“ zur Hauptaufgabe des Zahnarztes. Prothetik und konservierend-chirurgische Zahnheilkunde waren zu dieser Zeit noch stark entwicklungsbedürftig. Im 18. Jahrhundert, in Deutschland sogar bis in das 19. Jahrhundert hinein, blieb der Chirurg ein Mann der Praxis. Der erste Schritt zur Selbstständigkeit der Zahnheilkunde wurde dadurch getan, dass sich Wundärzte, die sich vornehmlich der Zahnarztpraxis zuwandten, den Titel „Zahnarzt“ zulegten. Neben den von der Zunft her ausgewiesenen Zahnärzten spielten bis an die Neuzeit hinein die Zahnbrecher oder Zahnreißer eine große Rolle, „Doktoren der Landstraße“, die wie Steinschneider oder Steinstecher von Ort zu Ort zogen. Zu dieser Kategorie gehörten sowohl Praktiker als auch bloße Marktschreier und Scharlatane, die lediglich Zähne herausbrachen und wertlose, wenn nicht gar gefährliche Wunderarzneien feilboten, nach der „Behandlung“ sofort verschwanden und ihre „Patienten“ ohne jegliche Kontrolle oder Nachbehandlung ihrem weiteren Schicksal überließen. Von einer wissenschaftlich fundierten Zahnheilkunde kann erst nach Pierre Fauchard (1678 bis 1761) gesprochen werden, dessen 1728 erschienenes Buch „Le Chirurgien dentiste“ allgemein als erstes von echtem wissenschaftlichen Geist getragenes zahnheilkundliches Werk angesehen wird. Erst sehr viel später mit der Einführung der Reichsversicherungsordnung hatte die Zahnmedizin einen Stand erreicht, der die zahnärztliche Chirurgie einschließlich der Kieferbehandlung und die konservierende Behandlung umfasste. 229 Durch das Krankenversicherungsgesetz vom 15.06.1883 230 wurden die gesetzlichen Krankenkassen notverpflichtet, ihren Mitgliedern u. a. „freie ärztliche Behandlung“ zu gewähren. Von der zahnärztlichen Behandlung war noch keine Rede. Nähere Bestimmungen dazu, in welcher Form die Behandlung gewährt werden sollte, insbesondere Regelungen zur Vergütungsform und -höhe enthielt das Gesetz nicht. Die nähere Ausgestaltung war vielmehr allein der Regelungskompetenz der Krankenkassen überlassen. Im Abänderungsgesetz zum Krankenversi-

229 Tiemann/Tiemann, S. 24; Tiemann in: 100 Jahre Krankenversicherung; Koch, Das Berufsrecht der Zahnärzte, S. 10. 230 RGBI. I, 73; in Kraft getreten am 01.12.1884.

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

cherungsgesetz vom 10.04.1892 231 wurden die Krankenkassen sogar ausdrücklich ermächtigt, in ihrem Statut zu bestimmen, „dass ärztliche Behandlung nur durch bestimmte Ärzte zu gewährleisten sei“. Eine Kasse, die bei Zahnkrankheiten die ärztliche Behandlung durch approbierte Ärzte gewährte, konnte die Bezahlung approbierter Zahnärzte, von Notfällen abgesehen, ablehnen. Die Reichsversicherungsordnung des Jahres 1914 232 passte sich dann doch in etwa der Entwicklung der Zahnheilkunde an und bestimmte in den §§ 122, 123 RVO, dass die Behandlung von Zahnkrankheiten Bestandteil der ärztlichen Behandlung sei und „auch durch approbierte Zahnärzte“ geleistet werden könne. 233 Der am Anfang der Zahnheilkunde bestehende Dualismus zwischen Zahnärzten und Zahntechnikern gab den Zahnärzten nicht die Monopolstellung gegenüber den Krankenkassen wie den Ärzten. 234 Die von den Krankenkassen gewährten zahnärztlichen Leistungen folgten nur zögernd der Entwicklung in der Zahnmedizin. Es bedurfte 1917 einer Entscheidung des Reichsversicherungsamtes, 235 um bei den Kassen der Anschauung Durchbruch zu verhelfen, Karies sei eine behandlungsbedürftige Krankheit und das Füllen von Zähnen demnach eine Pflichtleistung. 236 Erste vertragliche Vereinbarungen zwischen dem damaligen WVDZ, dem wirtschaftlichen Interessenverband der 5.000 akademisch ausgebildeten Zahnärzten Deutschlands und den Kassen kamen auf zentraler Ebene am 24.01.1921 zustande. Ähnliche Verträge schloss der Reichsversicherungsverband Deutscher Dentisten. Hierbei handelte es sich jedoch nur um Empfehlungsvereinbarungen, 237 sodass die Verträge keine breite Wirkung entfalteten. In diesen Vereinbarungen einigte man sich auf einen Katalog von zahnärztlichen Grundgebühren, der als Teil 4 der Preußischen Gebührenordnung vom 15.05.1896 238 angefügt würde. 1935 wurde dieser Teil wieder herausgelöst und als kassenzahnärztliche Gebührenordnung (KazGo) verselbstständigt. 239 Die Vereinbarung wurde durch das Abkommen vom 10.07.1924 ersetzt, das mit einigen Änderungen und Ergänzungen aus den Jahre 1927, 1931 und 1932, die sich vor allem auf die Honorarregelung bezogen, bis zur „Vertragsordnung für Kassenzahnärzte und Kassendentisten“ vom 27.08.1935 240 in Kraft blieb. 241 Ähnlich wie 231 232 233 234 235 236 237 238 239 240

RGBI. I, 379. Entsch. RVA vom 31.01.1916, AN S. 422. I.d.F. der Bekanntmachung vom 15.12.1924, RGBI. I, S. 779. Tiemann/Tiemann, S. 24; Siewert, S. 31. Jantz/Prange, B. Einleitung I, S. 15. GE 2341 vom 20.02.1917, AN S. 459; Tiemann, VSSR 1994, 407, 408. Tiemann/Tiemann, S. 24. Hess/Venter, S. 54. Vgl. dazu Maretzky/Venter, S. 273. Tiemann in: 100 Jahre Krankenversicherung, S. 22.

XI. Die Entwicklung des Vertragszahnarztrechts

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bei den Kassenärzten sah die Vertragsordnung einen Reichsvertrag, Bezirksverträge und Einzelverträge vor, wobei die Letzteren praktisch nur Beitrittserklärungen zu dem jeweiligen Kollektivvertrag waren. 242 Es galt als Honorarsystem die Bezahlung nach einer Kopfpauschale. Durch den sog. „Verbesserungserlass“ 243 des Reichsarbeitsministers vom 02.11.1943 wurden die Zahnersatzleistungen in Form einer fakultativen Zuschussleistung der Kassen in die kassenzahnärztliche Versorgung einbezogen. 244 Die Vertragsordnung bestimmte auch, dass den Versicherten freie Wahl zwischen den kasseneigenen Zahnkliniken und den frei praktizierenden Zahnärzten zu gewähren sei. 245 Damit war ein gewisser Abschluss der Honorarstreitigkeiten zwischen Krankenkassen, Zahnärzten und Dentisten erreicht. Durch Verordnung vom 27.07.1933 246 entstand nun die Kassenzahnärztliche Vereinigung Deutschlands, durch Verordnung vom 13.12.1940 247 die Kassendentistische Vereinigung Deutschlands, beides juristische Personen des öffentlichen Rechts. Das Bestreben der Kassenzahnärzte und Dentisten, einen einheitlichen Beruf des Zahnmediziners zu schaffen, fand seinen Abschluss im Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde (ZHG) vom 31.03.1952, 248 das eine völlige Neuordnung brachte. Es beseitigte die seit dem Jahre 1896 auf dem Gebiet der Zahnheilkunde bestehende Kurierfreiheit, es nahm dieses Tätigkeitsgebiet aus der Gewerbeordnung heraus und stellte die Zahnheilkunde zum ersten Mal als ein eigenes Gebiet der Gesundheitspflege dar, nachdem sie rechtlich bisher als ein Teil der Heilkunde behandelt wurde. 249 § 1 Abs. 2 des Gesetzes über die Ausübung der Zahnheilkunde von 1952 trug der fortgeschrittenen Ausdehnung zahnärztlicher Tätigkeit in die Bereiche Kieferorthopädie, Prophylaxe, Parodontitisbehandlung und -vorbeugung, Gnathologie, Implantologie sowie neu entwickelte Formen prothetischer Versorgung durch seinen weit gefassten Krankheitsbegriff Rechnung. „Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten“ sind danach „jede von der Norm abweichende Erscheinung im Bereich der Zähne, des Mundes und der Kiefer einschließlich der Anomalien der Zahnstellung und des Fehlens von Zähnen.“ Demgegenüber verstand die RVO z. B. das Fehlen von Zähnen a priori noch nicht als Krankheit. Erst die Rechtsprechung des BSG 250 sowie die Richtlinien der 241 242 243 244 245 246 247 248 249 250

RGBI. I, 1112; in Kraft getreten am 01.10.1935. Siewert, S. 31. HN 1943, S. 485. Tiemann/Tiemann, S. 25. Krauskopf in: Laufs/Uhlenbruck, § 23, Rn 41. RGBI. I, 540. RGBI. I, 1656. BGBI. I, 221. Koch, Das Berufsrecht der Zahnärzte, S. 9. Breith. 1973, 604.

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

Zahnärzte und Krankenkassen ordneten Prothetikleistungen unter zahnärztliche Behandlung ein, soweit sie Funktionsstörungen, die durch das Fehlen von Zähnen verursacht sind, beheben, bessern oder vor Verschlimmerung bewahren. Auch die kieferorthopädische Behandlung unterfiel nach der Rechtsprechung des BSG 251 dem Krankheitsbegriff der RVO, wenn sie notwendig war, um eine normale Funktion des Kauens, Beißens oder Artikulierens zu erreichen. Wichtige Vereinbarungen über Veränderungen der Honorierung der Zahnärzte und Dentisten war die Alsbacher Vereinbarung vom 13./16.06.1949 252 und fünf Jahre später die Kölner-Vereinbarung vom 11.02.1954. Darin kamen Kassen und Zahnärzte überein, die KazGo dem Teil 4 der PreuGo, der inzwischen durch Verordnung des Bundesinnenministers vom 17.04.1953 253 erhöht worden war, stufenweise anzugleichen. 254 Insbesondere in der letzten Vereinbarung wurde deutlich, dass die Vergütung nach Einzelleistungen inzwischen bei den Zahnärzten die Pauschalhonorierung abgelöst hatte. 255 Damit hatten die Kassenzahnärzte rund elf Jahre früher als die Kassenärzte die Honorierung nach Einzelleistungen erreicht. Als „Notgemeinschaft Deutscher Zahnärzte“ wurde 1955 der „Freie Verband Deutscher Zahnärzte“ (FVDZ) gegründet. Er versteht sich bis heute als Interessengruppe, der die Belange der Mitglieder sowohl gegenüber den zahnärztlichen Zwangsorganisationen als auch gegenüber Kassen und Politikern zur Geltung bringt. Die Zahnärzte räumten den Kassen einen größeren Einfluss auf das Prüfwesen ein. Seinen Niederschlag fand dies in den „Richtlinien zur Durchführung der Überwachung der Tätigkeit der Kassenzahnärzte gem. § 23 Vertragsordnung.“ Mit dem Gesetz über Kassenarztrecht von 1955 wurden auch für die Zahnärzteschaft neben der Schiedsamtsordnung 256 die Zulassungsordnung 257 eingeführt. Der Bundesmantelvertrag für die Zahnärzte wurde am 02.05.1962 nach langen Verhandlungen zwischen KZBV und den Bundesverbänden der gesetzlichen Krankenkassen geschlossen. 258 In § 26 war darin die Neuschaffung eines Bewertungsmaßstabes für zahnärztliche Leistungen (BEMA-Z) und eine Verfahrensordnung vorgesehen. Der BEMA-Z löste die bis dahin geltende KazGo sowie 251

Breith. 1973, 177. Gleichzeitig wurde ein Prothetik-Rahmenvertrag, das sog. Alsbacher-Abkommen geschlossen. 253 BA 1953, Nr. 78. 254 Tiemann/Tiemann, S. 25; Siewert, S. 32. 255 Krauskopf in: Lauffs/Uhlenbruck, § 23, Rn 42. 256 GKAR; BGBl. I, 570. 257 BGBl. I, 572 und 582. 258 In Kraft getreten am 01.06.1962. 252

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das System der Pauschalvergütung mit Wirkung vom 01.07.1962 ab. Der mit den Verbänden der Ersatzkassen zum 01. Januar 1962 vereinbarte und mit den RVO-Bundesverbänden ein halbes Jahr später in Kraft gesetzte „Bewertungsmaßstab“ (BEMA) gehört zu den Schlüsselpositionen der KZBV-Vertrags- und Honorarpolitik. Der „BEMA“ führte eine bundeseinheitliche Gebührenordnung und Leistungsbewertung ein, die die Preugo- und KazGO-Systematik mit ihren Restriktionen aus den dreißiger Jahren fast schlagartig beseitigte. Er übertrug den damaligen Stand der Zahnheilkunde in ein praktizierfähiges Leistungssystem, das in seiner differenzierten und flexiblen Aufgliederung Anschluss an die Wissenschaft und ihre Erkenntnisse halten konnte. Ferner enthielt er im Gegensatz zur KazGO und Preugo keine DM-Gebührensätze, sondern war nach Punkten aufgebaut, die die Leistungen in unmittelbare Relation zueinander setzten und war nach dem jahrelang in allen Referaten, Veröffentlichungen, Publikationen und offiziösen KZBV-Verlautbarungen wie ein conditio-sine-qua-non gefordertes Prinzip der Einzelleistungs-Honorierung aufgebaut. Diese Einzelleistungs-Honorierung ersetzte die bis zu diesem Zeitpunkt praktizierte „Mehrleistungs-Honorierung“, die mehrere zahnärztliche Arbeitsgänge in einen völlig veralteten Leistungsansatz presste, der dem wissenschaftlichen Standard längst nicht mehr entsprach und diese Mehrleistung völlig unzureichend honorierte. Neben dem BEMA-Z, der als Anlage a zum BMV-Z für die konservierende und chirurgische Zahnbehandlung galt, wurde später als Anlage b der ab 01.01.1966 geltende Bewertungsmaßstab für die Behandlung von Verletzungen und Erkrankungen des Gesichtsschädels vereinbart. Die Kieferorthopädie wurde mit Wirkung zum 01.01.1972 in den BEMA einbezogen, der danach aus den drei Teilen konservierend-chirurgische Leistungen, Kieferbruchbehandlung und kieferorthopädische Behandlung bestand. Teil 4 folgte zum 01.07.1974 und enthielt die Gebührenpositionen bei systematischer Behandlung von Parodontopathien. In Teil 5 wurden mit Wirkung vom 01.01.1975 Gebühren für Kronen, Brücken sowie herausnehmbare Prothesen und deren Funktionswiederherstellung nach Verhandlungen über Zahnersatzgebühren im Anschluss an das Reha-Angleichungsgesetz vom 07.08.1974 259 in den BEMA aufgenommen. Unterstützung war hier durch das BSG geliefert worden, das mit Urteil vom 24.01.1974 260 die Vertragsfähigkeit von Zahnersatzleistungen bejaht hatte und damit dem politischen Trend der Zeit zur Leistungsausweitung in der gesetzlichen Krankenversicherung folgte.

259 260

RGBI. I, 1881. BSGE 37, 74.

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Obwohl die Entscheidung auf heftige Kritik im Schrifttum 261 stieß, führte sie zur Eingliederung der Prothetikleistungen in den BMV-Z/BEMA durch die Prothetikvereinbarung vom 27.05.1974. Der größte Teil der noch außervertraglich gebliebenen Prothetikleistungen (Verschiebung und Verblockung des Restgebisses, provisorische Brücken, Versorgung mit metallkeramischem Zahnersatz, Verbindung von festsitzendem und herausnehmbarem Zahnersatz) wurde mit dem Spruch des Bundesschiedsamtes vom 02.05.1977 262 in den BMV-Z/BEMA eingefügt. Im BEMA-Z wurden – wie ausgeführt – jedoch keine Gebühren in DM, sondern nur Bewertungszahlen (Punktzahlen) festgesetzt. Ausgangspunkt für die relative Bewertungen der einzelnen kassenzahnärztlichen Leistungen war die einflächige Füllung (Geb.-Pos. 13 a BEMA-Z). Sie wurde mit 20 Punkten angesetzt und auf diesen Wert wurden die Bewertungszahlen aller übrigen zahnärztlichen Leistungen bezogen. Ebenso wie bei der Festsetzung der diesbezüglichen Punktwerte in den Gesamtverträgen wurde auch bei der Bestimmung der Bewertungsrelationen die mit den einzelnen Leistungen für den Zahnarzt verbundenen Aufwendungen sowie die Schwierigkeiten der Leistungserbringung berücksichtigt. Wie sich bereits aus der Bestimmung in § 368 f Abs. 3 RVO a. F. hinsichtlich der Veränderung der Gesamtvergütungen ergab, wurde daneben auch bereits die zu erwartende Entwicklung der durchschnittlichen Grundlohnsumme der beteiligten Krankenkassen, d. h. die jeweiligen Finanzsituationen der Krankenkassen zugrunde gelegt. Dieser Gesichtspunkt wurde in der Folgezeit vom Gesetzgeber zunehmend in den Vordergrund gerückt. Obwohl die Partner des Bundesmantelvertrages selber hierfür keine Notwendigkeit sahen, kam es zunächst zu verschiedenen sog. „Umstrukturierungen“ des BEMA-Z, wobei jeweils eine Reduzierung der Vergütungen für kieferorthopädische und prothetische Leistungen in den Jahren 1981 und 1986 vorgenommen wurden. Die sog. „K-Gesetze“ der Jahre 1976–1981 brachten folgende Änderungen für die Zahnärzteschaft: Mit dem Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz 263 wurden die KZVen verpflichtet, im Einvernehmen mit den Krankenkassen Bedarfspläne für die kassenzahnärztliche Versorgung zu erstellen. Die Ersatzkassenbeteiligung wurde an die RVO-Zulassung gekoppelt. Zudem kam die Pflichtfortbildung für die Kassenzahnärzte. Das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz vom 27.06.1977 264 zentralisierte die Vertragskompetenz und schaffte die Landesmantelverträge ab. 265

261 262 263 264 265

Z. B. Hasselwander, NJW 1974, 1447 ff. Abgedruckt in ZM 1977, 589. KVWG; BGBl. I, 3871; in Kraft getreten am 01.01.1977. KVKG; BGBl. I, 1069; in Kraft getreten am 01.07.1977. Vgl. Kritik von Tiemann, ZM 1979, 1291.

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Neben der Steigerung der Praxiskosten und der Arbeitszeit der (Zahn-)Ärzte wurde die Grundlohnentwicklung wichtigstes Kriterium für die (zahn)ärztliche Vergütung. Die Plafondierung der Gesamtvergütungen wurde mögliche Form der Begrenzung der Ausgabenentwicklung. Die „Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen“ konnte empfehlende Margen für die Gesamtvergütung aussprechen. Es wurden selbstständige Bewertungsausschüsse zur Institutionalisierung einheitlicher Bewertungsmaßstäbe aufgestellt. Die Prüfungsausschüsse wurden nun paritätisch besetzt. Preise für zahntechnische Leistungen mussten durch die Landesverbände der Krankenkassen mit den Zahntechniker-Innungen „im Benehmen“ mit den KZVen festgesetzt werden. Das Krankenversicherungs-Ergänzungsgesetz 266 teilte zahnärztliche und zahntechnische Leistungen, begrenzte den Kassenzuschuss auf 60% der zahntechnischen Leistungen. Das bundeseinheitliche Verzeichnis für abrechnungsfähige zahntechnische Leistungen wurde eingeführt und der Bewertungsausschuss verpflichtet, die Bewertung bei Zahnersatz und kieferorthopädischer Behandlung abzusenken. Die Preise für zahntechnische Leistungen wurden um 5% für die Dauer von 12 Monaten abgesenkt. 267 Insbesondere die Preisabsenkung hatte Auswirkungen auf die nach dem BEMA zu zahlenden Vergütungen für prothetische und kieferorthopädische Leistungen. Die Bewertung der prothetischen zahnärztlichen Leistungen nach dem BEMA wurde zugunsten der konservierend-chirurgischen Leistungen verringert. 268 So wurde der BEMA zum 01.01.1981 und 01.01.1986 umstrukturiert. Der letztgenannten Änderung des Vertragswerkes lag der mit dem KVEG ausgesprochene gesetzliche Auftrag zugrunde, Überbewertungen der zahnärztlichen Leistungen bei Zahnersatz und Zahnkronen sowie Kieferorthopädie zu beseitigen und durch eine neue Bewertung Anreize für zahnerhaltende Maßnahmen zu schaffen. 269 Durch das Gesundheitsreformgesetz vom 20.12.1988 270 traten tiefgreifende Veränderungen der gesetzlichen Regelungen im Bereich des Kassenzahnarztrechts ein. Mit Wirkung zum 01.01.1989 wurden die zahntechnischen Leistungen in das kassenzahnärztliche Vertragssystem einbezogen und auf ein einheitliches Leistungsverzeichnis sowie in der Gebührenhöhe beschränkt. Die Kostenerstattung für

266

KVEG; BGBl. I, 1578; in Kraft getreten am 01.01.1982. Vgl. hierzu BVerfGE 68, 193, 218, wonach diese in Art. 5 Nr. 6 Satz 1 KVEG vorgesehene Absenkung unter dem Gesichtspunkt der Stützung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung als eines überragend wichtigen Gemeinschaftsgutes gerechtfertigt sei; vgl. dazu auch BSG SozR 1500 § 12 Nr. 6. 268 Vgl. Krauskopf in: Laufs/Uhlenbruck, § 23, Rn. 15. 269 Siewert, S. 33; zu Verfassungsproblemen des KVEG Tiemann, ZM 1982, 215 ff, 335 f.; ders., SGb 1982, 275. 270 GRG; BGBI. I, 2477; in Kraft getreten am 01.01.1989. 267

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

zahnprothetische und kieferorthopädische Leistungen 271 und die Kariesprophylaxe (Gruppenprophylaxe und Individualprophylaxe) 272 wurde eingeführt. Die Bereiche blieben Bestandteil der kassenzahnärztlichen Versorgung. Die Regelungen sollten neben Einsparaspekten der Kostentransparenz dienen. Gleichzeitig lösten die Regelungen bei Teilen der Zahnärzteschaft die Tendenz aus, die zahnärztliche Versorgung schrittweise aus dem System der gesetzlichen Krankenversicherung herauszulösen. Dem setzte der Gesetzgeber mit dem Gesundheitsstrukturgesetz 273 § 72 SGB V entgegen, wonach der Sicherstellungsauftrag bei kollektiven Kampfmaßnahmen auf die Krankenkassen übergehen sollte. Dies war die Reaktion des Gesetzgebers auf den von den zahnärztlichen Berufsverbänden geplanten und teilweise schon realisierten Verzicht auf die kassenzahnärztliche Zulassung. 274 Im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung wurde mit dem GSG 1993 der Zahnerhaltung und der Prävention Vorrang eingeräumt durch Absenkung des Punktwertes für Zahnersatzleistungen. Der Leistungskatalog für Zahnersatz wurde zudem eingeschränkt. Der Punktwert für kieferorthopädische und zahntechnische Leistungen wurde ebenfalls abgesenkt. Durch das Beitragsentlastungsgesetz 275 wurde der Anspruch auf Zuschüsse zum Zahnersatz für unter 18-jährige (1997) gestrichen. Stattdessen wurden Maßnahmen der Individualprophylaxe insbesondere bei den bis zu 18-jährigen neu geregelt (§ 22 Abs. 4 SGB V). Durch das 2. GKV-Neuordnungsgesetz 276 wurden die Leistungen bei Zahnersatz reduziert und das Verhältnis Vertragszahnarzt-Patient auf eine privatrechtliche Beziehung gestellt, wie dies bereits vorher im Bereich der Kieferorthopädie der Fall war. Bei der Versorgung mit Zahnersatz wurde der 50- bis 60%-ige Zuschuss der gesetzlichen Krankenkassen um 5% abgesenkt und durch standardisierte Festzuschüsse in bestimmten Versorgungsformen ersetzt, die durch den Bundesausschuss festgelegt wurden. Der Versicherte wurde diesbezüglich wie ein Privatpatient behandelt. Zur Kassenleistung wurde zahnmedizinische Prophylaxe bei Erwachsenen.

271

Vgl. §§ 29, 30 SGB V in der Fassung des GRG; vgl. Tiemann/Muschallik, Kostenerstattung – Die Rechtsgrundlagen haben sich grundlegend verändert. Zum Gesundheitsreformgesetz, ZM 1989, 2013 ff.; dies., NJW 1990, 743. 272 Vgl. §§ 21, 22 SGB V in der Fassung des GRG. 273 GSG; BGBI. I, 2266, in Kraft getreten am 01.01.1993. 274 Vgl. Tiemann/Muschallik, GSG 93 zwischen Staatsmedizin und Verfassungsbruch, ZM 1993, 22 ff. 275 2. NOG; BGBI. I, 1631. 276 BGBI. I, 1520.

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Das GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz 277 nahm alle Elemente der privaten Krankenversicherung im Bereich der zahnärztlichen Versorgung zurück. Zahnersatz wurde wieder zur Sachleistung. Der Ausschluss der Zahnersatzleistung für nach 1978 Geborene wurde rückgängig gemacht. Art. 20 GKV-SolG enthielt u. a. Übergangsbestimmungen für Zahnersatz und Kieferorthopädie. Die Wiedereinführung der Sachleistung für diese Bereiche galt danach ab dem 01.01.1999. Der BEMA, die Gesamtverträge und die vereinbarten Punktwerte für Zahnersatz traten zu diesem Zeitpunkt i. d. F. vom 31.12.1997 wieder in Kraft. Bis zur vertraglichen Vereinbarung neuer, wurden die Punktwerte für Zahnersatz um 10% abgesenkt. Nur für Zahnersatzplanungen vor dem 01.01.1999 galt das bisherige Festzuschusssystem weiter. Die GKV-Gesundheitsreform 2000 278 reglementierte das Verhältnis Vertragszahnarzt-Patient. In einem neu eingefügten § 87 Abs. 2 d SGB V wurde erneut die Umstrukturierung des BEMA vorgesehen, für die zunächst eine Frist bis zum 30.06.2001 gesetzt wurde. Im Rahmen des Anhörungsverfahrens wurde diese Frist auf den 31.12.2001 verlängert, da deutlich wurde, dass der für die gleichgewichtige Umbewertung des einheitlichen Bewertungsmaßstabes vorgegebene Zeitrahmen von 18 Monaten nicht ausreichend sein würde. § 87 a SGB V begrenzte den Zahlungsanspruch des Vertragszahnarztes gegenüber dem Versicherten bei Mehrkostenberechnungen grundsätzlich auf das 2,3fache der GOZ. Die Begrenzung sollte erst entfallen, wenn der Bundesausschuss die Richtlinien neu gefasst und der Bewertungsausschuss den Bewertungsmaßstab umstrukturiert hatte. Ausweislich der hierzu im Entwurf eines GKV-Gesundheitsreformgesetzes gegebenen Begründung 279 sollte dadurch ein „Anreiz für eine zügige Erfüllung des Auftrages an den Bundesausschuss“ geschaffen werden, „die Richtlinien zur zahnärztlichen Versorgung auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte Zahnheilkunde auszurichten.“ Gerade im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung schien der Gesetzgeber von einer „Blockadepolitik“ der Vertragszahnärzteschaft bei der Umsetzung gesetzlicher Aufträge auszugehen. 280 In § 92 Abs. 1 a SGB V war die Umstrukturierung der Richtlinien des Bundesausschusses mit einer Ausrichtung auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung vorgesehen. Obwohl sich sämtliche Trägerorganisationen mehrmals dagegen ausgesprochen hatten, war vorgesehen, dass bei Nichteinhaltung einer vom BMG zu setzenden Frist

277 278 279 280

GKV-SolG; BGBI. I, 3853. BGBI. I, 2626. BT-Drucks. 14/1245 vom 23.06.1999. Vgl. Muschallik, MedR 2003, 139, 140.

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

eine vom Bundesausschuss zu bildende Schiedsstelle die Entscheidung zu treffen hatte. Wegen der ergänzenden Bestimmung von § 30 Abs. 1 Satz 5 SGB V wurde klargestellt, dass die Krankenkassen dann, wenn in bestimmten, vom Bundesausschuss definierten Ausnahmefällen implantologische Leistungen als Sachleistungen zu erbringen waren, dieser Sachleistungsanspruch sich auch auf die darauf aufbauenden Suprakonstruktionen erstrecken sollte. Der Bundesausschuss wurde außerdem beauftragt, die Kieferorthopädie-Richtlinien neu zu fassen und in diesem Zusammenhang eine Definition von Standards zur kieferorthopädischen Befunderhebung und Diagnostik zu liefern. Gemäß § 136 b SGB V hatte der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen nun die Aufgabe, verpflichtende Maßnahmen der Qualitätssicherung nach § 135 a Abs. 2 SGB V und Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität aufwendiger diagnostischer und therapeutischer Leistungen zu bestimmen. Vor der Entscheidung des Bundesausschusses über die Richtlinien war der Bundeszahnärztekammer Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Der Bundesausschuss sollte auch Qualitätskriterien für die Versorgung mit Füllung und Zahnersatz beschließen. Bei der Festlegung von Qualitätskriterien für Zahnersatz war der Verband Deutscher Zahntechniker Innungen (VDZI) zu beteiligen; die Stellungnahmen waren in die Entscheidung einzubeziehen. Ziel dieser Regelung sollte sein, im Interesse der Patienten stets ein gutes Behandlungsergebnis zu gewährleisten. 281 Mit dem GKV-Gesundheitsmodernisierungsgesetz 282 wird erneut ein Festzuschusssystem für Zahnersatz eingeführt. § 55 Abs. 1 SGB V in der ab dem 01.01.2005 geltenden Fassung sieht nunmehr vor, dass die Krankenkasse in ihrer Satzung befundbezogene Festzuschüsse bei einer medizinisch notwendigen Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen für die Fälle vorzusehen hat, in denen eine zahnprothetische Versorgung notwendig ist und die geplante Versorgung einer Methode entspricht, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V anerkannt ist. Der Versicherte hat danach zukünftig keinen Anspruch mehr auf eine bestimmte vertragszahnärztliche Leistung beim Zahnersatz, sondern lediglich auf die Auszahlung des jeweiligen Festzuschusses, der ihm grundsätzlich unabhängig davon zusteht, für welche konkrete Versorgungsform er sich entschieden hat. Die Höhe der Festzuschüsse orientiert sich an den Kosten für die zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen hinsichtlich der gemäß § 56 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien zu bestimmenden Befunden. Der

281 282

BT-Drucks. 14/1245, S. 88. GMG; BGBl. I, 2190; in Kraft getreten am 01.01.2004.

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Gemeinsame Bundesausschuss hat dabei den Befunden jeweils eine zahnprothetische Regelversorgung zuzuordnen, die sich an den zahnmedizinisch notwendigen Leistungen orientiert und eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung mit Zahnersatz gewährleisten soll. Das GMG beinhaltet in § 56 Abs. 2 Satz 5 bis 8 SGB V einschränkende Regelungen für den Gemeinsamen Bundesausschuss, die die bisherigen Leistungsgrenzen des § 30 Abs. 1 SGB V übernehmen und zusätzlich die Festlegung beinhalten, dass zumindest bei kleinen Lücken von festsitzendem Zahnersatz auszugehen ist. Von diesen Vorgaben kann der Gemeinsame Bundesausschuss gem. § 56 Abs. 2 Satz 12 SGB V allerdings abweichen und die Leistungsbeschreibung fortentwickeln. Die vom Gemeinsamen Bundesausschuss zu bestimmenden Regelversorgungen müssen sich auch auf Suprakonstruktionen beziehen, die ebenfalls Gegenstand der Festzuschüsse sein werden. 283 Die bisherige Beschränkung des Leistungsanspruches bei Suprakonstruktionen auf besondere Ausnahmefälle in § 30 Abs. 1 Satz 5 SGB V wird damit entfallen und die Festzuschüsse können sich auf alle Suprakonstruktionen beziehen, sofern diese vom Gemeinsamen Bundesausschuss für bestimmte Befunde als Regelversorgungen anerkannt werden. Soweit sich der Versicherte für eine Regelversorgung entscheidet, ist diese auf solche Versorgungsformen beschränkt, die gemäß § 135 Abs. 1 SGB V vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannt worden sind. 284 Nach der Definition der zahnmedizinischen Befunde und der diesbezüglichen zahnprothetischen Regelversorgung hat der Gemeinsamen Bundesausschuss in einem weiteren Schritt eine Auflistung der hierfür erforderlichen zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen vorzunehmen. Bezüglich dieser aufgelisteten Leistungen haben die Bundesmantelvertragspartner hinsichtlich der zahnärztlichen Leistungen, bzw. die Landesvertragspartner für zahntechnische Leistungen Vergütungen zu vereinbaren, deren Gesamtsumme für die jeweilige Regelversorgung die Grundlage für die Festlegung der Zuschusshöhe bildet. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat diese Festsetzungen sowie die Höhe der gestaffelten Festzuschüsse gemäß § 56 Abs. 4 SGB V jeweils bis zum 30.11. eines Kalenderjahres im Bundesanzeiger bekannt zu machen. 285 Auf der Grundlage der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Festlegung der Befunde und der Regelversorgungen sowie der hierfür erforderlichen Leistungen haben die Bundesmantelvertragspartner gemäß § 57 Abs. 1 SGB V unter Zugrundelegung der Leistungsbeschreibungen und der Punktzahlen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes bundeseinheitliche Vergütungen zu vereinbaren. Hierfür ist von einem bundeseinheitlichen durchschnittlichen Punkt283

§ 56 Abs. 2 Satz 3 SGB V. BT-Drucks. 15/1525, S. 92. 285 Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 14.07.2004 und 03.11.2004 zu den sog. Festzuschussrichtlinien, veröffentlicht in BAnz. Nr. 242 vom 21.12.2004. 284

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A. Historische Entwicklung des Kassenarztrechts

wert für das Jahr 2004, gewichtet nach der Zahl der Versicherten, auszugehen. Dieser durchschnittliche Punktwert des Jahres 2004 wird für das Jahr 2005 von den Bundesmantelvertragspartnern unter Anwendung der durchschnittlichen Veränderungsrate der beitragspflichtigen Einnahmen aller Mitglieder der Krankenkassen gem. § 71 Abs. 3 SGB V für das Jahr 2005 fortgeschrieben. Aus der Multiplikation des so bestimmten bundeseinheitlichen Punktwertes für das Jahr 2005 mit den Punktzahlen derjenigen zahnärztlichen Leistungen, die vom Gemeinsamen Bundesausschuss für die Regelversorgungen aufgelistet worden sind, ergibt sich ein Gesamtbetrag, der zusammen mit den Beträgen für die zahntechnischen Leistungen wiederum unter Anwendung der prozentualen Zuschussbeträge gem. § 55 Abs. 1 SGB V jeweils einen Euro-Betrag ergibt, der den Festbetrag für den entsprechenden Befund bzw. die hierfür festgelegte Regelversorgung bestimmt. Für die für den entsprechenden Befund vom Gemeinsamen Bundesausschuss festgesetzten zahntechnischen Leistungen werden die Vergütungen gemäß § 57 Abs. 2 SGB V demgegenüber weiterhin auf Landesebene vereinbart. Dabei ist zwar auch von bundeseinheitlichen durchschnittlichen Preisen auszugehen, diese können jedoch regional um bis zu 5% unter- bzw. überschritten werden. Ungeachtet dieser unterschiedlichen Vergütungsregelungen ist jedoch davon auszugehen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss auch insofern bundeseinheitliche Festzuschüsse zu bestimmen hat.

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss gemäß §§ 91 ff. SGB V im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung I. Organisation, Zusammensetzung und Bestellung der Mitglieder Nach der bis zum 31.12.2003 geltenden Rechtslage bildeten die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Bundesverbände der Krankenkassen, die Bundesknappschaft und die Verbände der Ersatzkassen einen Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen und einen Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen (§ 91 Abs. 1 SGB V a. F.). Diese beiden Bundesausschüsse existierten seit 1955. 1 Mit dem Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung 2 wurden die bisherigen Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen bzw. Zahnärzte und Krankenkassen gemäß § 91 SGB V a. F., der Ausschuss Krankenhaus gemäß § 137c SGB V a. F. 3 und der Koordinierungsausschuss gemäß § 137 e SGB V a. F. 4 zu einem Gemeinsamen Bundesausschuss zusammengefasst (§ 91 SGB V). Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Rechtsnachfolge der bisherigen Bundesausschüsse sowie der Ausschüsse nach § 137 c SGB V a. F. und § 137 e a. F. SGB V angetreten. 5 Deren Beschlüsse gelten bis zu einem gegebenenfalls anderslautenden Beschlusses des Gemeinsamen Bundesausschusses weiter. Dem Gemeinsamen Bundesausschuss sind im wesentlichen die Aufgaben übertragen worden, die bisher durch die beiden genannten Bundesausschüsse erledigt worden sind. 6 Ferner ist ihm die Aufgabe übertragen, die Anforderungen an die Qualitätssicherung im ambulanten und stationären Bereich vorzugeben. 7 Der Gesetzgeber hat für die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses unterschiedli-

1 Das Gesetz über Änderungen von Vorschriften des Zweiten Buches der RVO und zur Ergänzung des SGG – GKAR, BGBl. I, 513, schuf in §§ 368o und 368p RVO die Rechtsgrundlagen für die beiden Bundesausschüsse. 2 BGBl. I, 2190; in Kraft getreten am 01.01.2004. 3 S. o. A.X.5. 4 S. o. A.X.5. 5 Art. 35 § 6 Abs. 1 GMG. 6 Vgl. Begründung BT-Drucks. 15/1525, S. 106. 7 §§ 136 ff SGB V.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

che Besetzungen vorgesehen. Das Plenum des Gemeinsamen Bundesausschusses entscheidet über die Herausgabe von Empfehlungen für evidenzbasierte Patienteninformationen zur Diagnostik und zur Therapie von Krankheiten, die eine erhebliche epidemiologische Bedeutung haben. Ihm obliegt die Erstellung einer Verfahrensordnung, 8 in der vor allem methodische Anforderungen an die wissenschaftliche sektorenübergreifende Bewertung des Nutzens, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse geregelt werden. Es werden Regelungen für Anforderungen an den Nachweis der fachlichen Unabhängigkeit von Sachverständigen und das Verfahren der Anhörung zu den jeweiligen Richtlinien, insbesondere die Feststellung der anzuhörenden Stellen, die Art und Weise der Anhörung und deren Auswertung getroffen. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt ferner im Plenum eine Geschäftsordnung, 9 die die Arbeitsweise des Gemeinsamen Bundesausschusses festlegt, insbesondere die Einsetzung von Unterausschüssen und deren Geschäftsführung regelt. In der Geschäftsordnung sind Regelungen zu treffen zur Gewährleistungen des Mitberatungsrechts der von den anhörungsberechtigten Organisationen nach § 140 h SGB V entsandten sachkundigen Personen. Die Verfahrensordnung und die Geschäftsordnung bedürfen der Genehmigung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung. Soweit Fragestellungen in den Bereichen der sektorenübergreifenden ärztlichen Angelegenheiten, vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Versorgung, Psychotherapie und Krankenhausbehandlung betroffen sind, entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss in unterschiedlicher Besetzung, je nach dem, welcher Versorgungsbereich betroffen ist. 10 So hat der Gemeinsame Bundesausschuss in der Besetzung nach § 91 Abs. 4 SGB V in ärztlichen Angelegenheiten die Aufgabe, Empfehlungen zu DiseaseManagement-Programmen 11 zu geben. Weiterhin wird er in Richtlinien den Katalog der seltenen Erkrankungen und hochspezialisierten Leistungen ergänzen, die in zugelassenen Krankenhäusern ambulant erbracht werden. Neu hinzugekommen ist auch die Aufgabe, Empfehlungen zur Förderung der Qualitätssicherung in der Medizin abzugeben. 12 Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt zu den §§ 116 b, 137 b und 137 f SGB V. In der Besetzung nach § 91 Abs. 5 SGB V wurden die bisherigen Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses als Rechtsnachfolger des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen um zusätzliche Regelungsbereiche erweitert. In den Arzneimittel-Richtlinien wird der Gemeinsame Bundesausschuss künftig

8

§ 91 Abs. 3 Nr. 1 SGB V. § 91 Abs. 3 Nr. 2 SGB V; Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 13.01.2004; BAnz. Nr. 67 vom 06.04.2004, S. 7246. 10 § 91 Abs. 4 bis 8 SGB V. 11 § 137 f SGB V. 12 § 137 b SGB V. 9

I. Organisation der Mitglieder

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eine Liste über verordnungsfähige nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel erstellen (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V), den Ausschluss von Lifestyle-Produkten beschließen (§ 34 Abs. 1 Satz 5, 7-9 SGB V) und patentgeschützte Wirkstoffe in die Festbetragsgruppen einbeziehen (§ 35 Abs. 1a SGB V). Damit ist die Zuständigkeit für die Festsetzung von Festbeträgen zum 01.01.2004 wieder auf die Selbstverwaltung übergegangen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zukünftig gemäß § 62 SGB V die Aufgabe, diejenigen schwerwiegenden chronischen Krankheiten festzulegen, für die eine Belastungsgrenze von Zuzahlungen maximal in Höhe von einem Prozent des Bruttoeinkommens anzuwenden ist. Ferner ist er beauftragt, in Richtlinien Kriterien zur Qualitätsbeurteilung in der vertragsärztlichen Versorgung und auch zu Auswahl, Umfang und Verfahren der Stichprobenüberprüfungen (§ 136 SGB V) zu entwickeln. Er soll Richtlinien zu Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätssicherungsmanagement (§ 136 a SGB V) beschließen. In der Besetzung nach § 91 Abs. 6 SGB V wird der Gemeinsame Bundesausschuss neben den bisherigen Aufgaben des bislang tätigen Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen insbesondere zahnmedizinische Befunde festlegen, für die Zuschüsse beim Zahnersatz gewährt werden, sowie Kriterien zu Auswahl, Umfang und Verfahren der Stichprobenprüfungen gem. § 136 SGB V. Für Fragen der Krankenhausbehandlung wird der Gemeinsame Bundesausschuss in der Besetzung nach § 91 Abs. 7 SGB V tätig. Er wird neben den bisherigen Aufgaben in der Bewertung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Krankenhaus Maßnahmen der Qualitätssicherung bei zugelassenen Krankenhäusern beschließen (§ 137 SGB V). Nach § 1 Satz 1 der sich auf § 90 Abs. 3 Satz 4 SGB V stützenden Verordnung über die Amtsdauer, Amtsführung und Entschädigung der Mitglieder der Bundesausschüsse und der Landesausschüsse der Ärzte (Zahnärzte) und Krankenkassen vom 10.11.1956 13 beträgt die Amtsdauer der Ausschussmitglieder grundsätzlich vier Jahre. Die Verordnung enthält keine Regelungen über die Bestellung von Ausschussmitgliedern, sondern in §§ 2 und 4 lediglich Bestimmungen über Ende, Abberufung und Niederlegung des Amtes als Ausschussmitglied. Gemäß § 91 Abs. 2 Satz 5 SGB V gilt § 90 Abs. 3 Satz 1 und 2 SGB V entsprechend. Danach führen die Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses ihr Amt als Ehrenamt. Sie sind an Weisungen nicht gebunden. Nach § 91 Abs. 2 Satz 8 SGB V fasst der Gemeinsame Bundesausschuss seine Beschlüsse gemäß § 91 Abs. 2 Satz 8 SGB V mit der Mehrheit seiner Mitglieder, sofern die Geschäftsordnung 14 nichts anderes bestimmt.

13 Ausschussmitgliederverordnung (AMV); BGBl. I, S. 861 i.d.F. der Verordnung vom 12.03.1980 (BGBl. I, S. 282), zuletzt geändert durch Art. 18 GMG, BGBl. I, 2190, 2248.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Die Tragung der Kosten des Gemeinsamen Bundesausschusses richtet sich mit Ausnahme der Kosten der von den Verbänden nach § 91 Abs. 1 SGB V bestellten Mitglieder nach § 139 c Abs. 1 SGB V. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann daher autonom einen Zuschlag für jeden Krankenhausfall und eine zusätzliche Anhebung der Vergütungen für die ambulante und vertragszahnärztliche Versorgung nach den §§ 85 und 85 a SGB V um einen bestimmten Vom-Hundertsatz beschließen, die zur Finanzierung seiner Tätigkeit dienen. Nach der diesbezüglichen Begründung 15 soll der Gemeinsame Bundesausschuss eine Stärkung des sektorenübergreifenden Bezuges bei den Versorgungsentscheidungen der gemeinsamen Selbstverwaltung auf Bundesebene, eine Straffung und Vereinfachung der Entscheidungsabläufe und einen effektiveren Einsatz der personellen und sachlichen Mittel der den bisherigen einzelnen Ausschüssen der gemeinsamen Selbstverwaltung zuarbeitenden Geschäftsführung bewirken. Mit der Bildung des Gemeinsamen Bundesausschusses setzt der Gesetzgeber die bereits mit der Bildung eines Koordinierungsausschusses in § 137 e SGB V a. F. eingeleitete Tendenz fort, im Hinblick auf das Erfordernis einer einheitlichen Bewertung sektorenübergreifender Behandlungen einen einheitlichen Ausschuss als zuständig für die zugrunde liegenden Bewertungen insbesondere im Bereich der Richtlinien gemäß § 92 SGB V zu bilden. Ebenso verdeutlichen die nunmehr in § 91 Abs. 4 bis 8 SGB V vorgesehenen unterschiedlichen Besetzungen des Gemeinsamen Bundesausschusses, dass der Gesetzgeber weiterhin die Tatsache akzeptiert, dass weitgehend separate Fragestellungen existieren, die keinen sektorenübergreifenden Bezug aufweisen und daher nicht in der allgemeinen Besetzung des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 SGB V zu beraten und zu beschließen sind. Dem wird durch die vorgesehene Bildung von Unterausschüssen für Fragen der ärztlichen, zahnärztlichen und stationären Versorgung Rechnung getragen. 16 Die Rechtsaufsicht über den Gemeinsamen Bundesausschuss führt weiterhin das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Die §§ 67, 88 und 89 des Vierten Buches gelten entsprechend. 17 Der Gemeinsame Bundesausschuss ist gemäß § 91 Abs. 1 Satz 2 SGB V rechtsfähig. Hinzu gekommen sind neue Regelungen zur Beteiligung der Patienten. § 140f SGB V sieht die Beteiligung von Interessenvertretungen der Patientinnen und Patienten vor. Diese erhalten ein Mitberatungsrecht, jedoch kein Stimmrecht. Bei Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 91 Abs. 4 bis 7 SGB

14 Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 13.01.2004; BAnz. Nr. 67 vom 06.04.2004, S. 7246. 15 BT-Drucks. 15/1525, S. 106f. 16 § 91 Abs. 3 Nr. 2 SGB V. 17 § 91 Abs. 10 SGB V i. d. F. des GMG.

II. Rechtsnatur des Gemeinsamen Bundesausschusses

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V erhalten die Organisationen das Recht, Anträge zu stellen. Damit soll die Patientensouveränität gestärkt werden. 18 Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Näheres zu den Voraussetzungen der Anerkennung der für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen maßgeblichen Organisationen auf Bundesebene, insbesondere zu den Erfordernissen an die Organisationsform und die Offenlegung der Finanzierung, sowie zum Verfahren der Patientenbeteiligung zu regeln. Benennungsberechtigt sind laut der vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung erlassenen Patientenbeteiligungsverordnung 19 der Deutsche Behindertenrat, die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. und der Verbraucherzentralen Bundesverband e. V. Die Bundesregierung bestellt eine Beauftragte oder einen Beauftragten für die Belange der Patientinnen und Patienten. Dieser erhält konkrete Antrags- und Beteiligungsrechte. 20

II. Rechtsnatur des Gemeinsamen Bundesausschusses Der Gesetzgeber hat sich auch nach dem GKV-Modernisierungsgesetz 21 einer Bestimmung der Rechtsnatur des Gemeinsamen Bundesausschusses enthalten, obwohl sich Literatur und Rechtsprechung schon seit langem mit der Frage nach der organisatorischen Einordnung des bisherigen Bundesausschusses im Recht der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung beschäftigen. Weder wurde den bisherigen Bundesausschüssen gesetzlich ausdrücklich Rechtsfähigkeit eingeräumt noch deren Organisationsform näher bestimmt. Nun hat der Gesetzgeber den Gemeinsamen Bundesausschuss für rechtsfähig erklärt (§ 91 Abs. 1 Satz 2 SGB V). Damit ist der Bundesausschuss eine rechtsfähige Organisation des öffentlichen Rechts, ohne dass sich der Gesetzgeber zur Rechtsform des Ausschusses konkret festgelegt hätte. 22 In der diesbezüglichen Begründung heißt es, der Gemeinsame Bundesausschuss werde als neue sektorenübergreifende Rechtsetzungseinrichtung gebildet zur Stärkung des sektorenübergreifenden Bezuges bei den Versorgungsentscheidungen der gemeinsamen Selbstverwaltung auf Bundesebene, zur Straffung und 18

Begründung zu § 140f, BT-Drucks. 15/1525, S. 132. Verordnung zur Beteiligung von Patientinnen und Patienten in der Gesetzlichen Krankenversicherung (Patientenbeteiligungsverordnung – PatBeteiligungsV) vom 19.12.2003; BGBl. I 2003, 2753. 20 § 140 h; vgl. hierzu die Begründung in BT-Drucks. 15/1525, S. 133. 21 BGBl. I, 2190. 22 Vgl. Jung, gpk Nr. 2 – Februar 2004, S. 9, 13; Kass.-Komm.-Hess, § 91 Rn 4. 19

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Vereinfachung der Entscheidungsabläufe, zum Zwecke des effektiven Einsatzes der personellen und sächlichen Mittel der den bisherigen einzelnen Ausschüssen der gemeinsamen Selbstverwaltung zuarbeitenden Geschäftsführung. 23 In der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses wird dieser als juristische Person des öffentlichen Rechts bezeichnet. 24 Er hat seinen Sitz zunächst in Siegburg. 25 Eine endgültige rechtliche Absicherung des Gemeinsamen Bundesausschusses gegen Interventionen verschiedenster Seiten (Interessenverbände etc.) ist daher noch nicht erfolgt, obwohl dem Gesetzgeber insbesondere im Rahmen der GKV-Gesundheitsreform 2000 von den betroffenen Institutionen konkrete Vorschläge dazu unterbreitet worden sind. 26 Bereits zur Zeit der Geltung der RVO (§ 368 a ff. RVO) wurde die Frage der Rechtsnatur des Bundesausschusses kontrovers diskutiert. Der Rechtsausschuss des Bundesrates beantwortete diese Frage dahingehend, dass die Bundesausschüsse selbst weder Körperschaften des öffentlichen Rechts noch Organe von öffentlich-rechtlichen Körperschaften sind. 27 Die Regierungsvorlage 28 bezeichnete die Bundesausschüsse als „oberste beschließende Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung, da sie im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und zu ihrer Ausführung Bestimmungen über die kassenärztliche Versorgung der Versicherten als autonomes Selbstverwaltungsrecht aufstellen“. Die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen stellten somit keine Organe oder Teilorgane der sie bildenden Kassenärztlichen Bundesvereinigungen oder den Bundesverbänden der Krankenkassen dar. Sie nahmen die ihnen kraft Gesetzes übertragenen Aufgaben als eigene Aufgaben wahr. Davon ist auch nach der Zusammenfassung der Ausschüsse zu einem Gemeinsamen Bundesausschuss auszugehen. 1. Die Rechtsprechung des BSG Die Rechtsprechung hat erst vor einigen Jahren zur Frage der Rechtsnatur der Bundesausschüsse Stellung bezogen. Diese Rechtsprechung kann zur Erörterung der Rechtsnatur des Gemeinsamen Bundesausschusses nutzbar gemacht werden.

23

BT-Drucks. 15/1525, S. 106. § 1 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 13.01.2004, BAnz. Nr. 67, 7246 vom 06.04.2004. 25 § 1 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 13.01.2004, BAnz. Nr. 67, 7246 vom 06.04.2004. 26 Vgl. dazu Jung, Rechtliche Grundlagen, KrV 2000, 52, 57. 27 108. Sitzung vom 14.11.1952, BR-Drucks Nr. R 274/52. 28 BT-Drucks. Nr. 3904. 24

II. Rechtsnatur des Gemeinsamen Bundesausschusses

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In einer Entscheidung aus dem Jahre 1988 hatte sich das BSG zunächst mit der Frage zu befassen, ob der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen im sozialgerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig i.S.d. § 70 Nr. 4 i.V.m. § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG ist. 29 Es hat dabei die Auffassung vertreten, dass es sich bei dem Bundesausschuss nicht um einen unselbstständigen Ausschuss der in § 368 o Abs. 1 Satz 2 RVO genannten Bundesverbände handelt. Durch die gesetzliche Regelung (§ 368 o Abs. 3 und 4 RVO), die Rechtsverordnung des Bundesarbeitsministeriums über die Amtsdauer, Amtsführung und Entschädigung der Mitglieder der Bundesausschüsse und der Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen vom 10.11.1956 30 und die auf § 368 o Abs. 5 RVO beruhende Geschäftsordnung des Bundesausschusses vom 13.01.1956 31 sei auch ein Mindestmaß an Organisation vorhanden, das für die Beteiligtenfähigkeit einer Personenvereinigung gefordert werde. 32 Im Sozialgerichtsgesetz ist die Beteiligtenfähigkeit des Bundesausschusses anerkannt. Gemäß § 70 i.V.m. § 51 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGG kann der Bundesausschuss Beklagter oder Beigeladener im gerichtlichen Streitverfahren sein, denn er ist ein Entscheidungsgremium im Sinne des SGG. 33 Daran ist auch für den Gemeinsamen Bundesausschuss festzuhalten. In seinem Urteil vom 20.03.1996 34 hat das Bundessozialgericht seine Rechtsprechung weiter konkretisiert und den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als Anstalt des öffentlichen Rechts mit begrenzter Rechtsfähigkeit qualifiziert. Das BSG verweist dabei auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, 35 worin dieses es als zulässig angesehen hat, dass die Zusammenfassung gesellschaftlicher Gruppen zur Erledigung öffentlicher Aufgaben über die Organisationsform der Anstalt erfolgt und dieser Rechtsetzungsautonomie verliehen wird. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen erfüllt nach Auffassung des 6. Senats des BSG die Anforderungen an eine Anstalt als eine Verwaltungseinrichtung, die „aktiv gestaltend, insbesondere durch Eingriffe in die Freiheitssphäre der Verwaltungsunterworfenen“ nach außen wirke.

29

BSGE 64, 78. BGBl. I, 861. 31 Bundesarbeitsblatt 1956, S. 235. 32 BSGE 64, 78, 84. 33 Meyer-Ladewig, SGG, § 70 Rn 5. 34 BSGE 78, 70, 81 (Methadon-Richtlinien). 35 BVerfGE 37, 1, 24 ff. – Zum anstaltlich organisierten „Stabilisierungsfond für Wein“; dagegen steht nach Isensee, DB 1985, 2681, 2684f. eine überzeugende dogmatische und verfassungsrechtliche Rechtfertigung für die Satzungskompetenz von Anstalten bislang aus; Luthe, SGb 1992, 580, 581. 30

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

In neueren Entscheidungen enthält sich sowohl der 1. Senat 36 als auch der 6. Senat 37 einer konkreten Festlegung hinsichtlich der Organisationsform des Bundesausschusses. Beide Senate des BSG sprechen insofern nur noch von „gemeinsamen Gremien der (Zahn-)Ärzte und Krankenkassen“, ohne die Frage der rechtlichen Einordnung näher zu thematisieren. Es findet sich lediglich der Hinweis auf die BSG-Entscheidung vom 20.03.1996, 38 so dass davon auszugehen ist, dass das BSG weiterhin an dieser Qualifizierung der Bundesausschüsse als Anstalten des öffentlichen Rechts festhält, ohne dies ausdrücklich auszuführen. 2. Auffassungen in der Literatur In der Literatur wird die Frage nach der eigenen Rechtspersönlichkeit des Bundesausschusses ebenfalls kontrovers diskutiert. Tempel-Kromminga hält die Bundesausschüsse – wie das BSG – für Anstalten des öffentlichen Rechts, wobei sie einen weiten Anstaltsbegriff verwendet. 39 Für den Begriff der Anstalt müsse von einem Residualbegriff, der juristischen Person ohne weitere Eigenschaften ausgegangen werden. 40 Zur Begründung wird ausgeführt, die Bundesausschüsse könnten zwar nicht dem von Otto Mayer 41 begründeten Anstaltsbegriff zugeordnet werden, dennoch seien sie Anstalten, denn diese seien reine Organisationsformen, deren entscheidender Wesenszug die bloße organisatorische Verselbstständigung sei. Der Begriff der Anstalt umfasse alle organisierten Subjekte öffentlicher Verwaltung, die nicht Körperschaften oder Stiftungen seien. Damit sei der weite Anstaltsbegriff der Auffangbegriff für alle organisatorischen Formen geworden, deren Einordnung sonst nicht gelingen wolle. Papier 42 hat gegen die auf Otto Mayer zurückgehende Definition des Anstaltsbegriffs eingewandt, der Anstaltsbegriff habe für Wissenschaft und Praxis nur dann einen Wert, wenn er eine von der Körperschaft und Stiftung abhebende Organisationsform bezeichne; Anstalten seien alle organisierten Subjekte öffentlicher Verwaltung, soweit diese keine Körperschaften oder Stiftungen darstellten.

36

Vgl. BSGE 81, 54, 63 f.; BSGE 81, 73, 84. Vgl. BSG SozR 3-2500 § 101 Nr. 1; BSGE 82, 41. 38 BSGE 78, 70. 39 Tempel-Kromminga, S. 109 ff.; mit Einschränkungen Sodan, NZS 2000, 581, 584. 40 Tempel-Kromminga, S. 112. 41 Otto Mayer, Die juristische Person und ihre Verwertbarkeit im öffentlichen Recht, S. 70 ff. 42 Papier, Die Arten der öffentlichen Sachen, in: H.-U. Erichsen, Allgemeines Verwaltungsrecht, 11. Aufl., § 41 Rn 21. 37

II. Rechtsnatur des Gemeinsamen Bundesausschusses

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Rechtsfähigkeit sei nicht verlangt, so dass unter dem Anstaltsbegriff die rechtlich verselbstständigten Verwaltungseinheiten ohne Rechtspersönlichkeit zusammengefasst seien. Gegen diese Auffassung wendet Sodan 43 ein, dass durch eine damit verbundene Überdehnung des Anwendungsbereichs des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG nicht das Kompetenzgefüge ausgehöhlt werden dürfe. Der Bund könne ansonsten in nahezu beliebiger Art und Weise Verwaltungskompetenzen an sich ziehen. Hällßig 44 hält diese Qualifizierung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen als Anstalt für unmöglich. Die Bezeichnung „Anstalt“ könne durchaus in zweierlei Hinsicht verstanden werden. Einmal könne der Begriff eine verselbstständigte Verwaltungseinheit bezeichnen und ein anderes Mal eine Organisationsform, die durch die Begründung von Anstaltsverhältnissen durch die Verwaltung gekennzeichnet ist. Der Anstalt sei aber immanent, dass sie als Verwaltungsapparat mit eigenen persönlichen und sächlichen Mitteln ausgestattet sei. Der Bundesausschuss indes verfüge jedoch nicht über Personal- und Sachmittel. Ossenbühl 45 lehnt die Einordnung der Bundesausschüsse als Anstalten ebenfalls ab. Die Bundesausschüsse seien Gremien ohne sachliches (Benutzungs-)Substrat und es gebe demzufolge auch keine Benutzer. Die Bundesausschüsse seien Entscheidungsgremien bzw. Sachverständigengremien. Auch nach Wimmer 46 spricht nichts dafür, dass der Gesetzgeber des SGB V selbstständige Anstalten des öffentlichen Rechts hat gründen wollen oder das die Bundesausschüsse die Charakteristika einer solchen Anstalt aufweisen. Der Gesetzgeber habe vielmehr nichts anderes als Kooperationsgremien der in § 91 Abs. 1 SGB V bezeichneten Körperschaften des öffentlichen Rechts geschaffen, die mit ehrenamtlichen Mitgliedern arbeiten. Diese Gremien hätten keine eigene Rechtspersönlichkeit, keine eigene Verwaltung, keinen eigenen Haushalt und erst recht keine Satzungsbefugnis. In § 91 SGB V sei keine bundesgesetzliche Rechtsgrundlage für eine Anstalt des öffentlichen Rechts mit begrenzter Rechtsfähigkeit zu erblicken. Teilweise wurde dem Bundesausschuss die Rechtspersönlichkeit unter Hinweis auf die ihm eingeräumte Zuständigkeit gänzlich abgesprochen und die Ausschüsse als „gemeinsame Einrichtungen der Kassenärztlichen Vereinigungen und Verbände der Krankenkassen“ angesehen. Diese Rechtspersönlichkeit sei auch gar nicht zur Erfüllung der den Ausschüssen übertragenen Aufgaben erforderlich, insbe43

Vgl. insoweit auch zu den verfassungsrechtlichen Bedenken Sodan, NZS 2000, 581,

583. 44

Hällßig, S. 90. NZS 1997, S. 497, 502; so auch Schwerdtfeger, NZS 2000, 67; SchimmelpfengSchütte, NZS 1999, 530. 46 MedR 1997, 225; auch NZS 1999, 113, 118. 45

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

sondere liege wohl eine Schadenshaftung aus Amtspflichtverletzung kaum im Bereich des Möglichen. 47 Andere Auffassungen in der Literatur bejahen dagegen seine Rechtsfähigkeit in vollem Umfang 48 oder aber zumindest zu einem Teil, 49 wobei von „teilrechtsfähigen Körperschaften des öffentlichen Rechts“ gesprochen wird. 3. Eigene Wertung Bei der Beantwortung der Frage, ob dem Gemeinsamen Bundesausschuss eine eigene Rechtspersönlichkeit zukommt, ist zunächst von der Definition der Rechtsfähigkeit auszugehen. Rechtsfähigkeit ist die rechtsordnungsmäßige Fähigkeit eines Menschen oder einer Organisation, in einem System von Rechtssätzen im Verhältnis zu anderen Träger von Rechten und Pflichten zu sein. 50 In § 91 Abs. 1 SGB V ist die Errichtung des Gemeinsamen Bundesausschusses zwingend vorgeschrieben. Das Gesetz selbst verleiht dem Gemeinsamen Bundesausschuss in § 91 Abs. 1 Satz 2 SGB V ausdrücklich die Rechtsfähigkeit in unbeschränktem Sinne. In der Begründung 51 wird hierzu ausgeführt, damit der Gemeinsame Bundesausschuss im Rechtsverkehr Rechte und Pflichten begründen könne, insbesondere zur Wahrnehmung der Aufgaben der Geschäftsführung personelle und sächliche Mittel akquirieren könne, werde ihm die Rechtsfähigkeit verliehen. Der Gemeinsame Bundesausschuss tritt als organisatorisch selbstständige Einheit nach außen in Erscheinung. Er verfügt über eine eigene Geschäftsordnung sowie eine Verfahrensordnung. 52 Gemäß § 1 der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses bedient er sich zur Erledigung seiner Geschäfte einer eigenen Geschäftsstelle. Seine Mitglieder sind nicht an Weisungen gebunden. Er ersetzt die bisherigen Normsetzungsgremien der gemeinsamen Selbstverwaltung (Bundesausschuss, Ausschuss Krankenhaus, Koordinierungsausschuss) und hat deshalb zukünftig alle versorgungsrelevanten Entscheidungen zu treffen, die bisher diesen Ausschüssen oblagen. Ferner erhält er die Aufgabe, die Anforderungen an die Qualitätssicherung im ambulanten und stationären Bereich vorzugeben. Da-

47

Jantz/Prange, C II § 368 o. Goldammer, S. 43f. 49 Andreas, S. 41 f.; Schneider, Kassenarztrecht, Rn 625; so auch Bredehorn, S. 9/10 „öffentlich-rechtliche Einrichtungen“. 50 H. M., vgl. z. B. Palandt-Heinrichs, Vor § 1 Rn 1; Wolff/Bachof/Stober, § 32 III 2, Rn 5. 51 BT-Drucks. 15/1525, S. 106. 52 § 91 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 SGB V. 48

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mit der Gemeinsame Bundesausschuss im Rechtsverkehr Rechte und Pflichten begründen kann, insbesondere zur Wahrnehmung der Geschäftsführung, personelle und sächliche Mittel akquirieren kann, wird ihm die Rechtsfähigkeit verliehen. 53 Der Gemeinsame Bundesausschuss ist damit nicht mehr nur auf bestimmte Rechtsbeziehungen begrenzt. Er hat nicht mehr nur die gesetzlichen Aufgaben zu erfüllen, sondern nimmt nunmehr als eigenständige Institution am Rechtsverkehr teil. Aufsichtsrechtlich untersteht der Gemeinsame Bundesausschuss hinsichtlich seiner Geschäftsführung dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (§ 91 Abs. 4 SGB V). All diese Aufgabenstellungen setzen eine organisatorisch selbstständige Organisationseinheit geradezu voraus. Die organisationsrechtliche Einordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist jedoch weiter zu diskutieren. Die bisherigen Bundesausschüsse konnten keinem klassischen Organisationstyp zugeordnet werden. Anders als in den §§ 4 Abs. 1, 207 Abs. 1 Satz 2, 212 Abs. 4 SGB V, in denen der Gesetzgeber den Kassenärztlichen Vereinigungen, den Krankenkassen und ihren Verbänden eine Rechtsform zuweist, hat er sich in den Vorschriften über den Gemeinsamen Bundesausschuss und den Landesausschüssen einer solchen Bestimmung enthalten. Der Begriff der Stiftung würde dem Wesen des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht gerecht. Stiftungen sind auf einen Stiftungsakt gegründete, aufgrund öffentlichen Rechts errichtete oder anerkannte Verwaltungseinheiten mit eigener Rechtspersönlichkeit, die mit einem Kapital- oder Sachbestand Aufgaben öffentlicher Verwaltung erfüllen. 54 Nach dieser Definition scheitert die Charakterisierung des Gemeinsamen Bundesausschusses als Stiftung bereits an dem zu verwaltenden Vermögenskomplex. Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses ist nicht die Verwaltung von Vermögen, sondern sind die gemäß § 92 Abs. 1 SGB V zu beschließenden Richtlinien. 55 Zu Recht verwarf der 6. Senat des BSG ohne nähere Begründung den körperschaftsrechtlichen Ansatz. 56 Öffentlich-rechtliche Körperschaften sind rechtsfähige, mitgliedschaftlich organisierte Verwaltungseinheiten, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung erfüllen. 57 Der Bundesausschuss setzte sich zwar aus auf der Bundesebene angesiedelten Körperschaften der Krankenkassenseite und der Ärzteseite zusammen. Wesentlich für die Erlangung der Rechtsfähigkeit dieser juristischen Person des öffentlichen Rechts ist aber ein staatlicher Organisationsakt (durch Gesetz, aufgrund eines Gesetzes durch Rechtsverordnung oder

53 54 55 56 57

§ 91 Abs. 1 SGB V; BT-Drucks. 15/1525, S. 106. Stern, Staatsrecht, Band III/1, S. 1334, Fn 71. So auch Hällßig, S. 91 für die bisherigen Bundesausschüsse. So auch Schwerdtfeger, NZS 1998, 49, 51. Stern, Staatsrecht, Band III/1, S. 1333, Fn 69.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Verwaltungsakt) oder sie besitzen diese Kraft vorstaatlicher Herkunft, wie die Großkirchen und in Grenzen auch Gemeinden. 58 Daran fehlte es bei den Bundesausschüssen, denen lediglich für bestimmte definierte Bereiche Aufgaben der öffentlichen Verwaltung zugewiesen worden waren. Nach § 92 Abs. 1 SGB V hatten sie wie jetzt der Gemeinsamen Bundesausschuss die Aufgabe, die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten zu beschließen. In weiteren Bestimmungen des SGB V fanden sich wie im heutigen SGB V teilweise konkrete Aufgabenzuweisungen durch den Gesetzgeber. Hinzu kommt, dass eine Körperschaft in Gestalt ihrer Mitglieder über ein Verbandsvolk verfügt, von dem her ihre Satzungsgewalt über Wahlen zur Vertreterversammlung im Sinne von Art. 20 Abs. 2 GG demokratisch legitimiert wird. Eindeutig fehlte dem Bundesausschuss bisheriger Prägung aber eine mitgliedschaftliche Organisation und damit eine unabdingbare Voraussetzung für eine Körperschaft. 59 Dies gilt auch für den Gemeinsamen Bundesausschuss. Es bleibt zu diskutieren, ob es sich beim Gemeinsamen Bundesausschuss um eine Anstalt handelt. Das BSG hat zu den Bundesausschüssen alter Prägung diese Auffassung vertreten. 60 Die Ausführungen des BSG in seinem Urteil vom 20.03.1996 61 überzeugen jedoch nicht, wenn dort hinsichtlich des Bundesausschusses alter Prägung von einer Anstalt mit „begrenzter“ Rechtsfähigkeit die Rede ist. Zwar hat der Gesetzgeber, wenn er einen Regelungsbereich der autonomen Satzungsgewalt überlassen will, nicht die Voraussetzungen des Art. 80 GG zu beachten. Er darf sich jedoch auch nicht aus seiner Regelungsverantwortung völlig zurückziehen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Satzungsautonomie charakterisiert als Ermächtigung „eines bestimmten Kreises von Bürgern, durch ihre demokratisch gewählten Organe ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln“. 62 Es beruft sich in dieser Hinsicht auf den durch die Verleihung von Autonomie für den Gesetzgeber eintretenden Entlastungseffekt sowie auf die im Wege der Kombination fachbürokratischen Wissens mit der Betroffenenperspektive eintretende Sachnähe des Autonomieträgers als allgemeine Rechtfertigungselemente des Autonomiegedankens. 63 58

BayVGH 29, 105 ff.; Stern, Staatsrecht, Band III/1, S. 1334. BSGE 78, 70, 80; Papier, VSSR 1990, 123, 131; Schwerdtfeger, NZS 1998, 49, 51; Sodan, NZS 2000, 581, 583. 60 S. B. II. 1. 61 BSGE 78, 70. 62 BVerfGE 33, 125, 127 (Facharzt-Entscheidung). 63 BVerfGE 33, 125, 156; vgl. auch Link/de Wall, VSSR 2001, 69, 75. 59

II. Rechtsnatur des Gemeinsamen Bundesausschusses

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Die Satzungsautonomie habe den Sinn, gesellschaftliche Kräfte zu aktivieren und den gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten eigenverantwortlich zu überlassen, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können. Damit sind der Verleihung von Satzungsautonomie Grenzen gesetzt. Zumindest für die Versicherten waren die Richtlinien des Bundesausschusses gerade keine Selbstverwaltung, sondern „Fremdverwaltung“, wie sich aus § 91 Abs. 2 SGB V ergab. 64 Selbst wenn man von einer Anstalt mit begrenzter Rechtsfähigkeit dennoch ausgegangen wäre, so fehlte es jedoch an dem Merkmal der Ausstattung mit eigenen persönlichen und sächlichen Mitteln, um als Verwaltungsapparat ausgestattet zu sein. 65 Zu diesem Typ von Anstalten konnten die Bundesausschüsse nicht gerechnet werden. 66 Insoweit war dem 1. Senat des BSG zuzustimmen, wenn er in seiner Entscheidung vom 16.09.1997 67 ausführt, es handele sich um ein „Regelungsinstrumentarium eigener Art“, welches in der Form, in der es existierte und vom Gesetzgeber legalisiert worden sei, keine Vorbilder oder Parallelen kenne. Der Bundesausschuss war ein Sachverständigengremium, in dem jedoch jede Seite aufgrund des Systems der Budgetierung eigene Interessen verfolgte und damit nicht objektiv und unabhängig nach übergreifenden Maßstäben urteilte. Dieser Interessendurchsetzung entsprach die damalige Zusammensetzung des Bundesausschusses, der eben nicht aus unabhängigen Mitgliedern bestand, sondern für den die jeweiligen Verbände ihre Vertreter bestellten (§ 91 Abs. 2 SGB V). Dies traf auch auf den „unparteiischen“ Vorsitzenden und die beiden weiteren „unparteiischen“ Mitglieder zu, über die sich die Verbände einigen sollen. Die drei Mitglieder standen ebenfalls nicht unparteiisch der Sache gegenüber, sondern nehmen ihre Aufgaben im Rahmen der vorgegebenen Interessen wahr. 68 Hinsichtlich der Besetzung haben sich die Rechtsgrundlagen für den Gemeinsamen Bundesausschuss nicht wesentlich verändert. Im Vergleich zur Rechtslage bis zum 31.12.2004 verfügt der Gemeinsame Bundesausschuss nun über eine Ausstattung mit persönlichen und sächlichen Mitteln. Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 69 kann der Gemeinsame Bundes64

So noch LSG Celle, Urteil vom 23.02.2000, S. 10 des Urteilsumdrucks, aufgehoben durch Urteil des BSG vom 03.04.2001, B 1 KR 17/00 R. 65 So auch Hällßig, S. 90. 66 So auch Ossenbühl, NZS 1997, 497 ff; Wimmer, MedR 1997, 225 ff; ders., NZS 1999, 113, 118; Schimmelpfeng-Schütte, NZS 1999, 530; Schwerdtfeger, NZS 2000, 67; Wenning/Unterhuber, gpk 2002, 28, 30. 67 BSGE 81, 73. 68 Wie hier Hanseatisches OLG, Urteil vom 19.10.2000, Az. 3 U 200/99 und 3 U 199/99. 69 BVerfGE 37, 1, 24f.

72

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

ausschuss dem Organisationstyp der Anstalt 70 am ehesten zugerechnet werden, da er die Anforderungen an eine Anstalt als Verwaltungseinrichtung erfüllt, die aktiv mitgestaltend, insbesondere durch Eingriffe in die Freiheitssphäre der Verwaltungsunterworfenen nach außen wirkt. 4. Ergebnis Der Gemeinsame Bundesausschuss ist historisch aus dem Reichsausschuss der Ärzte und Krankenkassen entstanden und hat in der Entwicklung der kassenärztlichen Selbstverwaltung eine laufende Veränderung hinsichtlich seiner Aufgaben erfahren. Nachdem der Reichsausschuss noch nahezu das gesamte Kassenarztrecht ausgestalten konnte, sind die Befugnisse des Gemeinsamen Bundesausschusses im Wesentlichen auf den Richtlinienerlass beschränkt, ohne dass bisher eine Definition seiner Rechtsstellung zum Staat vorgenommen worden wäre. Er ist ein Regelungsinstrumentarium eigener Art in Form eines Sachverständigengremiums, welches mit Normsetzungsbefugnissen ausgestattet worden ist. Er tritt als organisatorisch selbstständige Einheit nach außen in Erscheinung und nimmt die ihm kraft Gesetzes übertragenen Aufgaben als eigene Aufgaben wahr. Nach dem GKV-Modernisierungsgesetz ist er ausdrücklich vom Gesetzgeber mit voller Rechtsfähigkeit ausgestattet worden. Er verfügt über einen eigenen Verwaltungsapparat und ist mit eigenen persönlichen und sächlichen Mitteln ausgestattet. Somit kann der Gemeinsame Bundesausschuss unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Organisationstyp der Anstalt zugerechnet werden. Die von ihm erlassenen Richtlinien sind weiterhin formal nicht den Parteien der Kollektivverträge zuzuordnen. Sie sind vielmehr Entscheidungen einer gegenüber den entsendenden Körperschaften rechtlich verselbstständigten Stelle. Die Entwicklung des Kassenarztrechts und die sich daran anknüpfenden Rechtsfragen machen jedoch deutlich, dass der Gesetzgeber offensichtlich der politischen Akzeptanz der zahlreichen Gesundheitsreformbemühungen besondere Priorität eingeräumt hat, ohne eine rechtlich saubere dogmatisch-systematische Einordnung der im System vorhandenen und neu geschaffenen Selbstverwaltungseinrichtungen vorzunehmen. Die Historie hat auch gezeigt, dass der Gesetzgeber an der gemeinsamen Selbstverwaltung zwischen Ärzten, Zahnärzten und Krankenkassen ungeachtet der immer wieder geäußerten Kritik 71 an deren angeblich mangelnder Funktionsfähigkeit festhält.

70

A.A. Kass.-Komm.-Hess, § 91 Rn 6: „körperschaftlich strukturierte rechtsfähige Einrichtung“ oder besser „öffentlich-rechtliche Einrichtung sui generis“. 71 Sachverständigenrat-Gutachten, Band III, 2000/2001, Über-, Unter- und Fehlversorgungen, S. 62 ff.

III. Demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses

73

Welche Funktionen dem Gemeinsamen Bundesausschuss im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung zukommen und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben zukommen können, ist im Folgenden zu untersuchen. Dabei wird insbesondere die zunehmende Instrumentalisierung dieses Gremiums zur Verteilung mangelhafter Ressourcen eine Rolle spielen.

III. Demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses und seiner Entscheidungen Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob und inwiefern der Gemeinsame Bundesausschuss über diejenige verfassungsrechtliche Qualität verfügt, die ihm als normsetzendem Organ zukommen muss. 72 Art. 80 GG macht deutlich, dass der Gesetzgeber nicht jede Instanz mit der Normgebung betrauen kann. In Art. 80 GG umschreibt der Verfassungsgeber die Grenzen der Rechtsetzungsbefugnis der Exekutive und fügt diese damit in das Vorstellungsbild des Grundgesetzes vom Rechtsstaat ein. 73 Jedenfalls für den staatlichen Bereich bestimmt Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG abschließend, wer auf Bundesebene Adressat einer primär gesetzlichen Rechtsetzungsermächtigung sein kann. 74 Dies sind die Bundesregierung, ein Bundesminister oder die Landesregierung und damit die Regierungsebene, die dem Parlament gegenüber unmittelbar demokratisch verantwortlich ist. Art. 80 GG schreibt die Rechtsform der Rechtsverordnung vor. Davon ausgehend kann der Bundesgesetzgeber also die Normgebung nicht beliebig in den nichtstaatlichen Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung verlagern. Nichtstaatliche Instanzen wie der Gemeinsame Bundesausschuss können daher nur mit der Normgebung betraut werden, wenn und soweit sich die grundsätzliche Fähigkeit des Gemeinsame Bundesausschusses zur Normgebung aus dem Grundgesetz ableiten lässt. 75 Dem Grundgesetz können jedoch keine Aussagen darüber entnommen werden, inwieweit das Recht des Gemeinsamen Bundesausschusses vom Regelungsbereich des Art. 80 GG überhaupt erfasst werden könnte. Das Gesetz darf den ermächtigten Minister zwar zur Delegation der Rechtsetzungsbefugnis an eine nachgeordnete Behörde ermächtigen. Jedoch garantiert Art. 80 Abs. 1 Satz 4 GG dem Ministerium die Befugnis, von der Delegation kei-

72

Art. 80 GG. Vgl. BVerfGE 8, 321; 10, 221; 18, 52; BGHZ 10, 275. 74 BSG, NZS 1995, 502, 509; vgl. Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG Art. 80 Rz. 40; Clemens, NZS 1994, 337 unter Hinweis auf BVerfGE 8, 155, 163; 11, 77, 86; 56, 298, 311. 75 Schwerdtfeger, SDSRV 38 (1994), 27, 43. 73

74

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

nen Gebrauch zu machen und das Recht, diese jederzeit zu widerrufen, wobei die Delegation und ihr Widerruf in Form einer Rechtsverordnung zu erfolgen hat. 76 § 92 SGB V ermächtigt den Gemeinsamen Bundesausschuss unmittelbar, bestimmte Bereiche in den Richtlinien zu regeln und wird damit den vorgenannten Vorgaben für eine Subdelegation nicht gerecht. Dies gilt auch für die neu aufgenommene Kompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Einschränkung oder zum Ausschluss von Leistungen oder Maßnahmen. 77 Die Rechtsprechung des BSG hat sich in mehreren Entscheidungen mit dieser Fragestellung hinsichtlich der bis zum 31.12.2003 existierenden Bundesausschüsse befasst. Darin hat der 6. Senat des BSG 78 im Ergebnis ebenso wie der 1. Senat des BSG 79 die Auffassung vertreten, dass sich dem Grundgesetz nicht das Verbot entnehmen lässt, für einen begrenzten Sachbereich Satzungsautonomie auch auf eine Einrichtung zu übertragen, die von zwei Körperschaften gebildet und durch diese demokratisch legitimiert ist. Nach den „September-Urteilen“ des BSG 80 ist dem Grundgesetz kein Numerus clausus zulässiger Rechtsetzungsformen in dem Sinne zu entnehmen, dass neben den ausdrücklich genannten Instrumenten des formellen Gesetzes und der Rechtsverordnung sowie dem vom Bundesverfassungsgericht anerkannten Regelungstypen der autonomen Satzung und der Tarifvertragsnormen weitere Formen der Rechtsetzung schlechthin ausgeschlossen wären. 81 Die Allgemeinverbindlichkeitserklärung von Tarifverträgen als Sonderform staatlicher Rechtsetzung auf dem Gebiet des Arbeits- und Wirtschaftslebens finde ihre Rechtfertigung unmittelbar in Art. 9 Abs. 3 GG. Dass für die Normsetzungsverträge des Kassenarztrechts eine vergleichbare Legitimationsgrundlage fehle, schließe nicht aus, dass für diese spezielle Materie eine Rechtsetzung nach dem Tarifvertragsmodell aus anderen Gründen verfassungsrechtlich anzuerkennen sei. 82 Einer solchen Einrichtung wie dem Bundesausschuss könne die Befugnis zur Satzungsgebung eingeräumt werden, wenn von den Mitgliedern beider Körperschaften her eine (verbands-)demokratische Legitimation bestehe. Dann könne die Einrichtung – bezeichnenderweise spricht das BSG auch hier nicht mehr von einer „Anstalt mit begrenzter Rechtsfähigkeit“, sondern von einem „körperschaftlichen Ausschuss“ 83 – verbindliche Regelungen gegenüber den Mitgliedern beider 76 77 78 79 80

Vgl. BSG, NZS 1995, 502, 509. § 92 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz SGB V. BSG USK 98141. BSGE 81, 54, 64; BSGE 81, 73, 84. BSG USK 97108; BSGE 81, 54; auch BSG, 1 RK 30/95 vom 16.09.1997; BSGE 81,

73. 81 82

So auch Rompf , VSSR 2004, 281, 302. BSGE 81, 73 ff.; zustimmend Schirmer, MedR 1996, 404, 410.

III. Demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses

75

Körperschaften treffen und die Bindungswirkung könne auch auf die Mitglieder jeweils nachgeordneter Körperschaften erstreckt werden. Eine derartige Struktur weise der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen auf, dem die Befugnis eingeräumt sei, Regelungen mit normativer Wirkung für die ihn tragenden Körperschaften und für deren Angehörige der weiteren nachgeordneten Körperschaften zu erlassen. Die demokratische Legitimation der Autonomieträger ist damit der entscheidende Grund dafür, dass die Rechtsetzungsdelegation nicht den gleichen, nämlich geringeren Anforderungen unterliegt, als es die Delegationsnorm des Art. 80 Abs. 1 GG vorsieht. 84 Eine weitere Klärung dieser Frage hat die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit der Festsetzung von Festbeträgen für Arzneimittel gebracht. Das BSG 85 hatte dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob die in §§ 35 und 36 SGB V dem Bundesausschuss bzw. den Spitzenverbänden der Krankenkassen eingeräumte Befugnis, für Arzneimittel bzw. gemäß § 36 SGB V für sog. Heil- und Hilfsmittel wie Brillen und Hörgeräte Festbeträge festzusetzen, mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Die Ermächtigung zur Festsetzung von Festbeträgen verstoße gegen die nach dem Grundgesetz für die Normsetzung geltenden Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit und Demokratie (Art. 20 GG), gegen Art. 80 GG und gegen Art. 12 GG. Das BSG hielt die Festbetragsregelung für eine allgemeine Regelung im Sinne einer Rechtsnorm. Die Festbeträge müssten als Rechtsverordnung mit entsprechend konkreten Vorgaben durch den Gesetzgeber erlassen werden. Keinesfalls dürfe es den Spitzenverbänden der Krankenkassen überlassen werden, solche Regelungen zu erlassen, die in die Grundrechte der Arzneimittelhersteller bzw. der Leistungserbringer für Hilfsmittel eingreifen. Dieser Auffassung ist das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 17.12.2002 86 nicht gefolgt. Auch Grundrechte der Pharmaunternehmen, Hörgeräteakustiker und der Optiker würden nicht berührt, Grundrechte der Ärzte und der Versicherten nicht verletzt. Die Berufsfreiheit der Leistungsanbieter sei nicht betroffen, da die Festbeträge und die Gruppeneinteilung lediglich einen bisher infolge des Sachleistungsprinzips und des damit verbundenen Auseinanderfallens von Leistungsberechtigten und Kostenträgern intransparenten Markt mit dem Ziel der Aktivierung von Wirtschaftlichkeitsreserven transparenter gestalte. Damit seien keine wirtschaftslenkenden Kompetenzen der Verbände verbunden, vielmehr

83 84 85

BSG USK 98141. Luthe, SGb 1992, 580. Vorlagebeschluss des BSG, NZS 1995, 502; kritisch dazu Schelp, NZS 1997, 155,

157. 86

BVerfGE 106, 275.

76

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

würden deren und der Krankenkassen allgemeine Verpflichtung zur Sicherstellung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung in einem Teilbereich konkretisiert und die wünschenswerte einheitliche Handhabung gefördert. Der Leistungsanbieter habe lediglich einen Anspruch auf Teilhabe am Markt, nicht aber auf eine Beibehaltung bestimmter Marktverhältnisse. Dies insbesondere dann, wenn diese bisher wegen der bestehenden Intransparenz nur einen eingeschränkten Wettbewerb zugelassen hätten. Auf eventuell veränderte Marktverhältnisse hätten sich alle Wettbewerber stets neu einzustellen. Eingegriffen werde aber in die Therapiefreiheit der Ärzte und die Handlungsfreiheit der Versicherten, die nicht ohne eigene Kostenbelastung alle Arzneimittel in Anspruch nehmen könnten. Insofern enthielten die Normen aber eine verfassungsrechtlich ausreichende Festlegung des einzuhaltenden Verwaltungsverfahrens in den Grundzügen. Es sei dem Gesetzgeber verfassungsrechtlich auch nicht verwehrt, für den Vollzug hinreichend bestimmter gesetzlicher Vorschriften die Form der Allgemeinverfügung zu wählen. Damit werde vorliegend der Gesetzesvollzug auch verbessert. Die ständige medizinische Weiterentwicklung erfordere die Ausfüllung unbestimmter Rechtsbegriffe unter Einbeziehung medizinischen Sachverstandes. Die konkrete Umsetzung sei bei Allgemeinverfügungen der vorliegenden Art im Gegensatz zu Rechtsverordnungen unmittelbar im Rechtsweg überprüfbar. Dadurch sei auch sichergestellt, dass der Versicherte tatsächlich eine ausreichende Versorgung erhalte. Mit dieser Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht für die Festsetzung von Festbeträgen nach den §§ 35, 36 SGB V dem Bundesausschuss und den Spitzenverbänden der Krankenkassen diese Befugnis zuerkannt. Schon seit geraumer Zeit wurde allerdings verstärkt Kritik an der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Normsetzungskompetenz der Bundesausschüsse der Ärzte, Zahnärzte und Krankenkassen zur Konkretisierung des Leistungs- und Leistungserbringungsrechts in der gesetzlichen Krankenversicherung formuliert. Die Kritik richtete sich nicht nur gegen die verfassungsrechtlichen Defizite, sondern betraf auch europarechtliche Fragen hinsichtlich der sozialrechtlichen Ausgestaltung der Regelungskompetenz der Bundesausschüsse. Einzelpunkte der Kritik waren die fehlende demokratische Legitimation des Bundesausschusses, die Verletzung des Wesentlichkeitsgrundsatzes, die fehlende Bindungswirkung der Richtlinien gegenüber den Versicherten aufgrund des Vorranges des Leistungsrechts vor dem Leistungserbringungsrecht sowie die unterschiedliche Rechtswirkung der Richtlinien. Der Gesetzgeber selbst hat mit dem am 01. Januar 2000 in Kraft getretenen „Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000“ den Bundesausschüssen zusätzlich neue Aufgaben insbesondere auch im Rahmen der Qualitätssicherung zugewiesen 87 und damit zum Ausdruck gebracht,

III. Demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses

77

dass er die Normsetzung durch die Bundesausschüsse für verfassungsgemäß und mit den europarechtlichen Vorgaben für vereinbar hält. Damit hat er nicht nur die Kompetenzen des Bundesausschusses erweitert, 88 sondern zusätzlich vergleichbare Verwaltungseinheiten in Form des Ausschusses Krankenhaus und des Koordinierungsausschusses installiert, 89 deren demokratische Legitimation ebenfalls verfassungsrechtlichen Zweifeln unterlag. 90 Darauf soll hier jedoch nicht näher eingegangen werden. Zunächst ist festzuhalten, dass der Gemeinsame Bundesausschuss mit seinen Befugnissen durch parlamentarisches Gesetz errichtet worden ist. Die im Rahmen der Selbstverwaltung geltenden Rechtsetzungsinstrumente sind die für je ein Bundesland geltenden Gesamtverträge, 91 der Bundesmantelvertrag der Ärzte bzw. der Zahnärzte, in dem bundesweit der Inhalt der Gesamtverträge vereinbart wird, die Richtlinien der Bundesausschüsse sowie der einheitliche Bewertungsmaßstab. Nach § 92 Abs. 8 SGB V sind die vom Bundesausschuss erlassenen Richtlinien Bestandteil des BMV-Ä bzw. BMV-Z, nach § 95 Abs. 3 Satz 3 SGB V sind für die Ärzte und Zahnärzte die Gesamtverträge verbindlich. Die Krankenkasse darf eine gegen die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses verstoßende Behandlung nicht vergüten. Im Ergebnis ist daher der einzelne Vertragsarzt bei der Behandlung der Versicherten an die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses gebunden. 92 Zur Rechtslage bis zum 31.12.2003 hat das BSG 93 die Auffassung vertreten, mit den Richtlinien werde außenwirksames Recht gesetzt. Teilweise wurde der Bundesausschuss daher in der Literatur auch als „kleiner Gesetzgeber“ 94 oder auch als „neues Machtzentrum in der GKV“ 95 bezeichnet. Es ist aber im Folgenden der Frage nachzugehen, ob der Gemeinsame Bundesausschuss als Rechtsnachfolger der Bundesausschüsse 96 tatsächlich das not-

87 Vgl. § 136a Nr. 1, § 136b Nr. 1 i.V.m. § 135a Abs. 2 Nr. 1 SGB V; § 136a Nr. 2, § 136b Nr. 2 SGB V; vgl. dazu auch Hermann, MedR 2000, 178 ff.; Wenner, NZS 2002, 1 ff.; Wigge, MedR 2000, 574, 576, 577. 88 Zuletzt durch das Arzneimittelausgaben-Begrenzungsgesetz vom 18.02.2002 (BGBl. I, 684). Danach gibt der Bundesausschuss in Richtlinien Hinweise zu den austauschbaren Arzneimitteln im Rahmen der „aut-idem“-Regelung. 89 Axer, VSSR 2002, 215, 219 ff.; Smigielski, VSSR 2002, 93 ff. 90 Vgl. dazu z. B. Wigge, MedR 2000, 574, 580. 91 Vgl. §§ 82 ff SGB V. 92 Zur Rechtslage bis zum 31.12.2003 Butzer/Kaltenborn, MedR 2001, 333, 334; Axer, Nomsetzung der Exekutive in der Sozialversicherung, S. 118. 93 BSGE 78, 70, 74. 94 Heberlein, RPG 4:4 (1998), S. 143; Butzer/Kaltenborn, MedR 2001, 333; SchneiderDanwitz/Glaeske, MedR 1999, 164. 95 Oldiges, DOK 1997, 367 ff; ablehnend Jung, gpk Nr. 9 – September 1998, S. 3.

78

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

wendige Maß an demokratischer Legitimation besitzt, ob die von ihm erlassenen Richtlinien insoweit verfassungskonform sind und von daher überhaupt Bindungswirkung erlangen können. 97 Dies gilt sowohl für die personelle wie auch für die materielle Legitimation im Sinne des Art. 20 GG. Nach der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG 98 ist verfassungsrechtlich entscheidend nicht die Form der demokratischen Legitimation staatlichen Handelns, sondern deren Effektivität. Notwendig sei ein bestimmtes Legitimationsniveau. Dieses könne bei den verschiedenen Erscheinungsformen von Staatsgewalt im allgemeinen und der vollziehenden Gewalt im besonderen unterschiedlich ausgestaltet sein. Damit hat das BVerfG für die normsetzende Selbstverwaltung ein Legitimationskonzept entwickelt, dass sowohl in personeller wie auch in materieller Hinsicht Vorgaben an ein zu erreichendes Legitimationsniveau gibt. 1. Personelle Legitimation Die personelle Legitimation bezieht sich auf die für den Staat handelnden Personen. Personelle Legitimation verlangt nach einer ununterbrochenen, vom Volk ausgehenden Legitimationskette zu dem mit der Wahrnehmung staatlicher Aufgaben betrauten Amtswalter. 99 Dieser besitzt uneingeschränkte personelle Legitimation, wenn er verfassungsgemäß sein Amt im Wege einer Wahl durch das Volk oder das Parlament oder dadurch erhalten hat, dass er durch einen seinerseits personell legitimierten, unter Verantwortung gegenüber dem Parlament handelnden Amtsträger oder mit dessen Zustimmung bestellt worden ist. 100 Das Demokratieprinzip 101 fordert für die Ausübung von Staatsgewalt eine ununterbrochene Legitimationskette vom Volk zu den mit staatlichen Aufgaben betrauten Organen und Amtswaltern. 102 Der Begriff der „Staatsgewalt“ ist weit zu verstehen und erfasst nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts „jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter“. 103 Personelle Legitimation bedeutet, dass der Entscheidungsträger zur Regelung eigener Angelegenheiten seine Legitimation auf die Betroffenen zurückführen muss.

96

Art. 35 § 6 Abs. 1 GMG. Vgl. dazu ausführlich Hebeler, DÖV 2002, 936, 938 ff. 98 BVerfGE 83, 60, 72; 93, 37, 67; vgl. auch BVerfGE 89, 155, 182. 99 Axer, NZS 2001, 225, 229. 100 BVerfGE 93, 37, 67; vgl. auch BVerwGE 106, 64, 75; Axer, NZS 2001, 225, 229. 101 Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG. 102 BVerfGE 47, 253, 275; BVerfGE 83, 60, 71f.; BVerfGE 93, 37, 66f. 103 BVerfGE 83, 60, 73; BVerfGE 93, 37, 68. 97

III. Demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses

79

Nach diesen vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätzen ist eine personelle Legitimation der Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses zu prüfen. Die Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses bestehen – außer aus den drei unparteiischen Mitgliedern – aus Vertretern der Ärzte, der Krankenkassen und der knappschaftlichen Krankenversicherung. Über den Vorsitzenden und die weiteren unparteiischen Mitglieder sowie über deren Stellvertreter sollen sich die Verbände nach § 92 Abs. 1 SGB V einigen. 104 Damit der Gemeinsame Bundesausschuss seine Tätigkeit aufnehmen kann, bestimmt die Übergangsvorschrift des Art. 35 § 6 Abs. 2 GMG, dass die Träger des Gemeinsamen Bundesausschusses bis zum 31. Januar 2004 die Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses einschließlich des Vorsitzenden und der beiden unparteiischen Vorsitzenden bestellen. Die Vertreter werden also auch weiterhin nicht unmittelbar in demokratischen Verfahren gewählt, sondern von den Bundesvereinigungen und Bundesverbänden der Ärzte, Zahnärzte und Krankenkassen bestellt. In der Praxis bedeutete dies für den Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung, dass die Mitglieder des Bundesausschusses Zahnärzte und Krankenkassen in der konstituierenden Vertreterversammlung der KZBV gewählt wurden. Diese Verfahrensweise wird auch für die Vertreter der Zahnärzteschaft im Gemeinsamen Bundesausschuss beibehalten. Bezogen auf die Vertragsärzte ergibt sich somit ein zumindest mittelbarer Legitimationszusammenhang, da diese ihre Vertreter in die Vertreterversammlung der KV bzw. KZV wählen, die ihrerseits ihre Vertreter in die Vertreterversammlung der Kassenärztlichen bzw. Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung wählt, der wiederum jeweils die Wahl der Vertreter in den Gemeinsamen Bundesausschuss vorbehalten ist. 105 Insoweit hat sich die Rechtslage ab dem 01.01.2004 nicht verändert. Schwerdtfeger 106 formuliert in diesem Zusammenhang, dass eine Legitimationslinie von den Vertragsärzten über die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen bis zum Bundesausschuss als gemeinsamen Organ mit der Krankenkassenseite . . . bereits einen „homöopathischen“ Grad der Verdünnung erreiche. Clemens 107 vertritt einen Zusammenhang zwischen der Länge der Legitimationskette und dem Ausmaß zulässiger Eingriffsintensität: Je länger die Legitimationskette, je mittelbarer also die Legitimation ist, desto schwächer trage die demokratische Legitimation, desto weniger dürfe es sich 104

§ 91 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Vgl. noch zur alten Rechtslage § 5 Abs. 2 der Satzung der KBV; § 7 Abs. 12 i) der Satzung der KZBV. 106 SDSRV 38 (1994), 27, 45; auch Hebeler, DÖV 2002, 936, 941. 107 MedR 1996, 432, 436; zustimmend Sodan, NZS 1998, 305, 309; Taupitz, MedR 2003, 7, 10; a. A. Wimmer, MedR 1996, 425, 426; Plantholz, SGb 1997, 549, 552. 105

80

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

um schwerwiegende Regelungen handeln. Insoweit wird man eine demokratische Legitimation bezogen auf die Vertragsärzte noch bejahen können. Zweifelhaft ist die demokratische Legitimation der Spitzenverbände der Krankenkassen durch Wahlen auch im Verhältnis zu den Versicherten der Krankenkassen. 108 Auf der unteren Ebene werden die Mitglieder des Selbstverwaltungsorgans Verwaltungsrat, welches als Legislativorgan die Satzung des Versicherungsträgers beschließt, in den Sozialversicherungswahlen gewählt (§ 46 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 3a SGB IV). Die Verwaltungsräte setzen sich im Regelfall je zur Hälfte aus den Vertretern der Gruppe der Versicherten und der Gruppe der Arbeitgeber zusammen (§ 44 SGB IV; für die Ersatzkassen § 44 Abs. 1 Nr. 4 SGB IV). Aufgrund von Vorschlagslisten wählen die Arbeitgeber und die Versicherten getrennt die Vertreter ihrer Gruppen in die Vertreterversammlung (Verwaltungsrat). Der Verwaltungsrat wählt wiederum seine Vertreter in den Verwaltungsrat des Landesverbandes (§ 209 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Der Landesverband wiederum bzw. die Krankenkasse mit der Rechtsstellung eines Landesverbandes wählt seine Vertreter in den Verwaltungsrat des jeweiligen Bundesverbandes (§ 215 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 209 SGB V). Insofern kann von einer ununterbrochenen Legitimationskette von den Versicherten einer Krankenkasse zu dem Verwaltungsrat des jeweiligen Bundesverbandes dieser Krankenkasse ausgegangen werden. Dass die Legitimation über mehrere Stufen vermittelt wird, ist dabei unschädlich. 109 Umstritten ist, ob die aus dem Demokratieprinzip folgenden Mindestanforderungen an die Ausgestaltung von Wahlen auch bei denjenigen KrankenkassenVerwaltungsräten zu bejahen sind, die im Wege der sog. Friedenswahl gewählt worden sind. Gemäß § 46 Abs. 3 SGB IV, der auch auf die Wahl der Verwaltungsräte von Krankenkassen Anwendung findet, kann die Sozialversicherungswahl auch als Friedenswahl durchgeführt werden. Die Vorgeschlagenen gelten als gewählt, wenn aus einer Gruppe der jeweils Wahlberechtigten nur eine Vorschlagliste zugelassen oder auf mehreren Vorschlaglisten insgesamt nicht mehr Bewerber benannt werden, als Mitglieder in die Vertreterversammlung bzw. den Verwaltungsrat zu wählen sind.

108 So Castendiek, NZS 2001, 71 ff, der die Versichertenrepräsentanz im Rahmen der Entscheidungsstrukturen der Krankenkassen im Lichte des grundgesetzlichen Demokratieprinzips als mangelhaft bezeichnet. Dieser Mangel setze sich in den Richtlinien des Bundesausschusses fort. 109 Vgl. hierzu Clemens, MedR 1996, 432, 435.

III. Demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses

81

Die Rechtsprechung des BSG 110 hat die Friedenswahl als demokratischen Wahlakt bewertet, weil das Demokratiegebot des Grundgesetzes nur mit Einschränkungen auf Nichtgebietskörperschaften anwendbar sei und sich eine Wahl mit Wahlhandlung in den Fällen, in denen konkurrierende Wahlvorschläge nicht vorliegen oder nicht mehr Bewerber aufweisen, als Sitze zu vergeben sind, als bloße Förmlichkeit erweisen würde. Diese Auffassung ist abzulehnen. Friedenswahlen können als fiktive Wahlen keine demokratische Legitimation vermitteln. Praktische Erwägungen – wie das geringe Interesse an dieser Wahl und Kosteneinsparungen beim Versicherungsträger – können zudem nicht verdecken, dass bei derartigen Wahlen sowohl gegen das Demokratieprinzip im Sinne des Art. 20 Abs. 1 GG als auch die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG verstoßen wird. 111 Bedenken hinsichtlich der demokratischen Legitimation bestehen schließlich auch hinsichtlich der unparteiischen Mitglieder. Der unparteiische Vorsitzende und die unparteiischen Mitglieder sind durch die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Bundesverbände der Krankenkassen, die Bundesknappschaft und die Verbände der Ersatzkassen in einem einvernehmlichen Abstimmungsverfahren zu benennen. Für den Fall, dass sich die Beteiligten nicht einigen können, werden diese durch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung im Benehmen mit den Verbänden nach § 91 Abs. 1 SGB V berufen (§ 91 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Damit soll gewährleistet werden, dass auch bei einer Nichteinigung dennoch die Belange der beteiligten Organisationen im Besetzungsverfahren berücksichtigt werden und keine Vorsitzenden bestimmt werden, die von den übrigen Mitgliedern bzw. deren entsendenden Stellen nicht akzeptiert werden können. 112 Auch hier ist die Rechtslage ab dem 01.01.2004 unverändert geblieben. Es ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum gerade die unparteiischen Mitglieder in besonderem Maße die Sachwalter der Interessen der Versicherten sein sollen, 113 wie dies der 1. Senat des BSG 114 ausführt.

110

BSGE 36, 242, 243; BSGE 39, 244, 248; zustimmend Engelmann in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, Teil III, S. 101, 133; Jung, SDSRV 40 (1995), S. 83, 94; a. A. Hebeler, DÖV 2002, 936, 941. 111 So Schnapp in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Bd. 1 Krankenversicherung, § 49, Rn 174; ebenfalls ablehnend Axer, Die Verwaltung 2002, Heft 3, S. 377, 385; kritisch auch Castendiek, NZS 2001, 71, 73f.; Taupitz, MedR 2003, 7, 11; Wimmer, NJW 2004, 3369. 112 So auch Hinz, Die Leistungen 7/2000, 385, 386. 113 Heberlein, RPG 4:4 1998, 143, 150. 114 BSGE 81, 73, 84; ablehnend Heberlein, VSSR 1999, 123, 149.

82

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Demgegenüber betont der 6. Senat des BSG in seiner Methadon-Entscheidung 115, die Rolle der drei unparteiischen, aber einvernehmlich zu bestellenden Mitglieder fördere die Entscheidungsfähigkeit des Gremiums. An anderer Stelle stellt der Senat ausdrücklich fest, dass die unparteiischen Mitglieder jedenfalls nicht demokratisch legitimiert sind. 116 Dies wird offenkundig, wenn man die Praxis der Bestellung des unparteiischen Vorsitzenden jedenfalls im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung betrachtet. Zum Teil haben sich die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung in der Vergangenheit auf ein Losverfahren geeinigt. Beispielsweise wurde die Entscheidung über den unparteiischen Vorsitzenden von der Endziffer der Samstagsauslosung im Spiel 77 abhängig gemacht. Diesem Verfahren haben sich die Parteien unterworfen und den so ausgelosten Vorsitzenden anerkannt. Auch jetzt erfolgt die Bestellung der unparteiischen Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses lediglich im Wege der Einigung. Von einer demokratischen Legitimation der unparteiischen Mitglieder und insbesondere des Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses kann daher nicht gesprochen werden. In Zweifel gezogen wurde bisher die demokratische Legitimation bezogen auf die Versicherten. Die originären Patienteninteressen seien nur höchst diffus vertreten. In erheblichem Maße finde „Fremdbestimmung“ über die Patienten statt. 117 Das BSG 118 teilt diese Zweifel nicht, da der Verwaltungsrat durch die Versicherten im Rahmen der Sozialversicherungswahlen gewählt worden sei. Dieser wähle – sofern die Krankenkasse nicht ohnehin Rechte und Pflichten des Landesverbandes wahrnimmt – seine Vertreter in den Verwaltungsrat des Landesverbandes der Krankenkassen (§ 209 Abs. 2 Satz 2 i. V. m Abs. 3 SGB V). Dieser wiederum wähle seine Vertreter in den Verwaltungsrat des Bundesverbandes der Krankenkassen (§ 215 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Diesem obliege die Bestimmung seiner Vertreter für die Bundesausschüsse. 119 Die Versicherten selbst sind daher in das Verfahren nicht eingebunden. Das BSG zog als weitere verfassungsrechtliche Rechtfertigung den Vergleich, dass der Gesetzgeber die gleichen Ergebnisse und normativen Wirkungen hätte erreichen können, indem er die Körperschaften ermächtigt, durch Verträge miteinander bindende Normen für ihre jeweiligen Mitglieder und diejenigen der weiteren nachgeordneten Körperschaften zu schaffen. 120 115

BSGE 78, 70, 81. BSGE 78, 70, 84. 117 Z. B. Taupitz, MedR 2003, 7, 11; Wigge, NZS 2001, 578, 579; Castendiek, NZS 2001, 71, 73 ff; Wenning-Unterhuber, gpk 2002, 28; LSG Niedersachsen, NZS 2001, 32, 35f.; Schimmelpfeng-Schütte, NZS 1999, 530, 532f.; Schneider-Danwitz/Glaeske, MedR 1999, 164, 167; Heberlein, VSSR 1999, 123, 149; Ossenbühl, NZS 1997, 497, 502. 118 BSG USK 98141; BSGE 82, 41, 47. 119 So auch Hiddemann, Die BKK 4/2001, 187, 193. 120 Sog. Normsetzungsverträge; vgl. zu deren Zulässigkeit zusammenfassend BSGE 81, 73, 83f. 116

III. Demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses

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Zu Recht wird daher in der Literatur, 121 aber auch vom LSG Niedersachsen 122 die Rechtsprechung des BSG zum Teil heftig kritisiert. Das LSG Niedersachsen 123 hat in seiner Entscheidung zum ICSI-Ausschluss dem Bundesausschuss jegliche demokratische Legitimation abgesprochen. Der Bundesausschuss habe nicht nur seine Kompetenz hinsichtlich des Ausschlusses der ICSI überschritten, da sein Beschluss im Widerspruch zu den gesetzgeberischen Motiven in § 27a SGB V stehe. Auch die Versicherten seien nach den demokratischen Grundsätzen bei den Entscheidungen des Ausschusses nicht hinreichend repräsentiert. Die Richtlinien seien Rechtsnormen eigener Art. Diese Qualifizierung heile demokratische und rechtsstaatliche Defizite nicht. Der Gesetzgeber scheint auf diese Kritik reagiert zu haben, indem er in den §§ 140f bis 140h SGB V die Beteiligung der Patientinnen und Patienten vorgesehen hat. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung hat die Verordnung zur Beteiligung von Patientinnen und Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung 124 erlassen. Dort ist festgelegt, welche Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten und der Selbsthilfe chronisch Kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene gelten. Dies sind der Deutsche Behindertenrat, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Patientenstellen, die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. und der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. Es sind Antrags- und Mitberatungsrechte vorgesehen, ein eigenes Stimmrecht haben die Vertreter jedoch nicht. Damit hat zumindest der Gedanke der Betroffenen-Partizipation bei der Ausgestaltung der Entscheidungsfindung durch Beteiligung relevanter Gruppen seinen Niederschlag gefunden, auf den das BSG im 78. Band 125 abgestellt hat. Erhebliche Zweifel bestehen jedoch, ob die genannten Organisationen die Patienteninteressen wahrnehmen können. So ist der Deutsche Behindertenrat ein Aktionsbündnis rechtlich selbstständiger Verbände. Er weist keine eigene rechtliche Selbstständigkeit auf und ist auch nicht generell für die Wahrnehmung der Interessen der Selbsthilfe chronisch kranker und behinderter Menschen auf Bundesebene zuständig. Weder bei der Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen noch bei der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. noch beim Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. handelt es sich um demokra121

Kritisch Sodan, NZS 1998, 305; Ebsen, VSSR 1990, 57, 67 ff.; Wimmer, NZS 1999, 113 ff; ders., MedR 1996, 425 ff; Ossenbühl, Verfassungsrechtliche Fragen des Regelungsinstrumentariums in der gesetzlichen Krankenversicherung, zusammenfassend S. 104, 105; Neumann, NZS 2001, 515, 516f.; Taupitz, MedR 2003, 7, 12; Hänlein, SGb 2003, 307; Joussen, SGb 2004, 334, 341. 122 So noch LSG Niedersachsen, Breith. 2000, 525 ; aufgehoben durch Urteil des BSGE 88, 51; Schimmelpfeng-Schütte, GesR 2004, 1, 4. 123 LSG Niedersachsen, Breith. 2000, 525. 124 Patientenbeteiligungsverordnung; BGBl. I, 2753. 125 BSGE 78, 70.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

tisch legitimierte Organisationen der Patientinnen und Patienten in Deutschland. Die Deutsche Arbeitsgemeinschaft Selbsthilfegruppen e. V. vertritt lediglich die Interessen von Selbsthilfekontaktstellen und gehört schon aus diesem Grund zu den Vertretern der Selbsthilfe im Sinne des § 20 Abs. 4 SGB V. Diese Vertretung betrifft jedoch nur die Selbsthilfeförderung der Kontaktstellen, nicht jedoch die Vertretung der Betroffenen. Die Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen ist ein Zusammenschluss von Beratungsprojekten, deren Bestand jedoch nicht gesichert ist. Es handelt sich um Modellprojekte im Rahmen des § 65 b SGB V. Der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. ist ebenfalls keine Selbstvertretung der Patienten. Er kann lediglich auf befristete Modellprojekte im Rahmen des § 65 b SGB V zurückgreifen. Unklar bleibt auch, ob es sich bei den von den benannten Organisationen entsandten Vertretern um Sachverständige oder um Interessenvertreter handelt. Die Patientenbeteiligungsverordnung spricht in § 2 von den maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen der Patientinnen und Patienten. Das Verfahren der Beteiligung ist demgegenüber in § 4 der Patientenbeteiligungsverordnung geregelt. Nach § 4 Abs. 1 PatBeteiligungsV benennen die zur Wahrnehmung der in § 140f Abs. 2 und 3 SGB V genannten Mitberatungsrechte einvernehmlich zu spezifischen Themen sachkundige Personen, von denen mindestens die Hälfte selbst Betroffene sein sollen. Insoweit kommen für diese Vertreter beide Funktionen in Betracht. Eine Klarstellung hat der Verordnungsgeber nicht vorgenommen. Hinsichtlich der sachkundigen Personen hat der Gesetzgeber in § 140f Abs. 2 Satz 2 SGB V bestimmt, das deren Zahl höchstens der Zahl der von den Spitzenverbänden der Krankenkassen entsandten Mitglieder in diesen Gremien entsprechen. Die Spitzenverbände der Krankenkassen entsenden nach § 91 SGB V maximal 9 Mitglieder in den Gemeinsamen Bundesausschuss. Die Zahl der Patientenvertreter ist damit auf 9 Personen beschränkt, wobei die Bezugnahme auf den Gemeinsamen Bundesausschuss, nicht auf „spezifische Themen“ erfolgt ist. Eine Aufspaltung der für die zu beteiligenden Patientenorganisationen handelnden Vertreter in „themenbezogene“ Vertreter und Betroffene in einer unbestimmten Anzahl entsprechend den Beschlussgegenständen des Gemeinsamen Bundesausschusses widerspricht jedoch der Grundkonzeption des Gesetzes. § 140f SGB V ordnet das Antrags- und Mitberatungsrecht im Gemeinsamen Bundesausschuss institutionell den Patientenorganisationen zu. Daher können die Patientenorganisationen nur in der nach dem Gesetz bestimmten Höchstzahl und nur auf Dauer gremienbezogen, nicht jedoch themenbezogen handeln. Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Begründung zu § 140f SGB V. 126

126

BT-Drucks. 15/1525, S. 133.

III. Demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses

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Die in § 4 PatBeteiligungsV angestrebte zahlenmäßige Beteiligung von Patientenvertretern ist darüber hinaus auch geeignet, die Handlungsfähigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses in Frage zu stellen. Der neu errichtete Gemeinsame Bundesausschuss soll zeitnahe Entscheidungen zur Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen treffen. Die Mitberatungsrechte der Patientenvertreter sollen das Verfahren der Richtlinienfindung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss den Betroffenen gegenüber transparenter machen und eine Mitspracherecht sichern. Die Effizienz der Entscheidungsfindung des Gemeinsamen Bundesausschusses würde jedoch massiv beeinträchtigt, wenn zu jedem Tagesordnungspunkt verschiedene Vertreter der Patientenorganisationen zu den spezifischen Themen benannt werden müssten und die Patientenvertreter schon aus diesem Grund einem permanenten personellen Wechsel unterlägen. Im Ergebnis kann daher festgestellt werden, dass die Kritik aufrechtzuerhalten ist. Sowohl der Gesetzgeber als auch das BSG verkennen, dass die Versicherten trotz der gesetzlichen Neuregelung hinsichtlich der Beteiligung von Patienten wie auch anderer Leistungserbringer (Heil-, Hilfsmittel- und Arzneimittelhersteller) im Rahmen der Willensbildung im Gemeinsamen Bundesausschuss, die zwischen Krankenkassen und Ärzten/Zahnärzten stattfindet, als nicht ausreichend vertreten angesehen werden müssen. 127 Während im Verhältnis der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen zu ihren Mitgliedern, den Vertrags(zahn)ärzten, die Legitimation unter dem Gesichtspunkt der Repräsentanz gegeben ist und man bei längeren Legitimationsketten über den Grad der Verdünnung streiten kann, 128 fehlt die demokratische Legitimation jedenfalls bei einer Erstreckung der Richtlinien auf sog. „Außenseiter“. Dabei handelt es sich um solche Leistungserbringer, die nicht Mitglieder der im Gemeinsamen Bundesausschuss vertretenen Organisationen sind und damit nicht zu denen gehören, von denen die verbandsdemokratische Legitimation ausgeht. Es fehlt jegliche faktische Möglichkeit der Ausübung einer Kontrollfunktion der potentiell Normunterworfenen. Die zu erlassenden Richtlinien betreffen zum Beispiel auch Pharmahersteller, die jedoch keinerlei Mitentscheidungsrechte im Ausschuss besitzen. Ebenso wie anderen Leistungserbringern ist ihnen lediglich Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese sind in die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses einzubeziehen. 129 Diese Rechte bewirken aber keine Entscheidungsbefugnis im Gemeinsamen Bundesausschuss und führen damit auch zu keiner demokratischen Legitimation. 130 Im Ergebnis ist mit der überwiegenden

127

So im Ergebnis auch Niebuhr/Rothgang/Wasem/Greß, S. 215. Sodan, NZS 1998, 305, 309; Muckel, NZS 2002, 118, 124. 129 Vgl. § 92 Abs. 1 b, 3 a, 5, 6, 7, 7 a SGB V. 130 So auch Sodan, NZS 2000, S. 581, 586 zur Rechtslage bis 31.12.2003; ähnlich Butzer/Kaltenborn, MedR 2001, S. 333, 339f. 128

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Auffassung festzustellen, dass eine durchgängige personelle Legitimation nicht gegeben ist. 2. Materielle Legitimation Fraglich ist ferner, ob der Gemeinsame Bundesausschuss in materieller oder – anders ausgedrückt – „sachlich-inhaltlicher“ Hinsicht hinreichend legitimiert ist. Gemeint ist damit, dass die Staatstätigkeit inhaltlich, d. h. materiell, an den Willen des unmittelbar vom Volk gewählten Parlaments gebunden ist. Das verlangt insbesondere, dass die zu vollziehende staatlich gesetzte Norm hinreichend bestimmt ist. Das BSG hat in mehreren Entscheidungen zur bisherigen Rechtslage betont, die gesetzlichen Vorgaben müssten den Richtlinienauftrag so präzise wie auf abstrakter Ebene möglich umschreiben. Der 6. Senat des BSG führt dazu in seiner Entscheidung vom 01.10.1990 131 aus, eine Legitimierung des Bundesausschusses zur Normierung wäre vorhanden, wenn dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als Organ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesverbände der Krankenkassen, der Bundesknappschaft sowie den Vertragspartnern des Bundesmantelvertrages allein auf Grund ihrer Funktion innerhalb der Selbstverwaltung eine eigenverantwortliche Normsetzungsbefugnis unabhängig von gesetzlicher Ermächtigung zustünde. Dies sei aber nicht der Fall. Das Recht auf eine gänzlich autonome Satzung werde von der Verfassung nur den Gemeindeverbänden gewährt (Art. 28 GG). Der Bundesausschuss aber kann nach Auffassung des 6. Senats des BSG eine Befugnis zur Setzung von Normen nur insoweit haben, als der staatliche Gesetzgeber eine öffentliche Aufgabe formuliert, zu deren Erfüllung die Normsetzung das Mittel ist. Er habe somit nicht das Recht, seine öffentlichen Aufgaben selbst zu bestimmen, sondern ist von der Aufgabenstellung des staatlichen Gesetzgebers abhängig. 132 Während der 6. Senat des BSG die Richtlinien entsprechend seiner organisatorischen Einordnung des Bundesausschusses als anwaltliche Satzung qualifiziert, ordnet der 1. Senat des BSG 133 die Richtlinien als Normsetzungsverträge ein. Sie seien untergesetzliche Normen der zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung gebildeten Körperschaften der Krankenkassen und Ärzte aufgrund gesetzlicher Ermächtigung und hätten eine lange, in die vorkonstitutionelle Zeit zurückreichende Tradition.

131 BSGE 67, 256, 263 (Großgeräte-Richtlinien-Ärzte); vgl. dazu Krause, SGb 1992, 55, 57. 132 BSGE 67, 256, 263. 133 BSGE 81, 54 ff.

III. Demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses

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Zudem beschränkt der 1. Senat des BSG die gerichtliche Kontrolle über den Bundesausschuss und seine Tätigkeit. Unter Auseinandersetzung mit den NUB-Verfahren führt der Senat aus, die Gerichte seien mit der eigenständigen Beurteilung von Qualität und Wirksamkeit streitiger Methoden medizinisch wissenschaftlich überfordert. Es komme daher nur auf die „Verbreitung der Methode“ in der Praxis und der medizinischen Fachdiskussion an. Aus den Vorschriften des § 92 Abs. 2 i.V.m. § 2 Abs. 1 und 4, § 12 Abs. 1, § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1, § 70 Abs. 1, § 72 Abs. 2 SGB V und § 135 Abs. 1 SGB V lasse sich zunächst ein hinreichend dichtes Normprogramm für die Konkretisierung des Anspruchs auf ärztliche Behandlung und die Einbeziehung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden entnehmen. 134 Umso erstaunlicher ist es, dass der Gesetzgeber in der Begründung 135 zur Neufassung des § 92 Abs. 1 letzter Halbsatz SGB V durch das GKV-Modernisierungsgesetz darauf verweist, die Ergänzung präzisiere das den Bundesausschüssen vom Gesetzgeber aufgegebene Normsetzungsprogramm nach Inhalt, Zweck und Ausmaß klarer als bisher. Der Gesetzgeber trage damit der Forderung nach engmaschigeren Gesetzesvorgaben Rechnung. Das BSG hat auch für die Bedarfsplanungsrichtlinien das Normprogramm durch die §§ 101 ff. SGB V sowie die Zulassungsverordnung für Vertragsärzte bzw. Vertragszahnärzte als in ausreichender Weise vorstrukturiert angesehen. 136 Das Handeln des Bundesausschusses und damit seine Rechtsetzung werde durch eine unmittelbare staatliche Aufsicht kontrolliert, wie dies bei der gesetzlichen Übertragung der Rechtsetzungsmacht auf eine juristische Person des öffentlichen Rechts erforderlich sei. 137 § 94 SGB V sieht dementsprechend unverändert ein Beanstandungsrecht des Bundesgesundheitsministeriums für die Richtlinienbeschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses vor. 3. Zwischenergebnis und Lösungsvorschlag Dem Bundesausschuss wurde durch die Rechtsprechung des BSG eine demokratische Legitimation zugesprochen, die unmittelbar nur bezogen auf Vertragsärzte und Krankenkassen besteht. Bei letzteren kann eine solche allerdings nur bejaht werden, wenn die Verwaltungsräte der Krankenkassen nicht im Wege der sog. Friedenswahl gewählt worden sind. Die Zusammenfassung der bisherigen Bundesausschüsse zu einem Gemeinsamen Bundesausschuss hat an diesem Ergebnis nichts geändert.

134

BSGE 78, 70, 83. BT-Drucks. 15/1525, S. 107. 136 Vgl. BSG, Urteil vom 18.03.1998, B 6 KA 35/97 R, S. 15; zustimmend Schnapp/ Kaltenborn, SGb 2001, 101, 105. 137 BVerfGE 93, 37, 72; a. A. Schwerdtfeger, SDSRV 38, (1994) 27, 47. 135

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Bei einer Erstreckung der Richtlinien auf sogenannte „Außenseiter“ fehlt die demokratische Legitimation völlig, da eine faktische Möglichkeit der Ausübung einer Kontrollfunktion der potentiell Normunterworfenen nach wie vor nicht gegeben ist. Während ein „Grad der Verdünnung“ demokratischer Legitimation noch als ausreichend bewertet werden könnte, darf er jedoch nicht auf Null reduziert werden. Von entscheidender Bedeutung ist aber die Tatsache, dass die unparteiischen Mitglieder und insbesondere der Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses auch nach der Rechtsprechung des BSG nicht demokratisch legitimiert sind, obwohl diese mit ganz zentraler Funktion ausgestattet worden sind. 138 Daran scheitert auch der vom BSG 139 vorgenommene Vergleich zum Vertrag, da ein solcher aufgrund des Streits zwischen den Parteien gerade nicht zustande käme. Gerade im Streitfall entscheidet de facto allein der Vorsitzende des Bundesausschusses. Die demokratische Legitimation der unparteiischen Mitglieder könnte bereits dadurch erreicht werden, dass diese entweder direkt von den Mitgliedern des Gemeinsamen Bundesausschusses, die ihrerseits in demokratischen Verfahren bestimmt worden sind, gewählt werden oder deren Bestellung auf Vorschlag der Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses durch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung erfolgt. Die herausgehobene Position der Unparteiischen und insbesondere des Vorsitzenden zeigt sich aber auch noch an einem weiteren Aspekt, der sich aus der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses 140 ergibt. Er betrifft den Fall der Beschlussunfähigkeit durch Ausbleiben von Mitgliedern des Gemeinsamen Bundesausschusses. Anhand der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses soll die Problematik erläutert werden. In § 10 Abs. 5 der Geschäftsordnung ist der Fall geregelt, dass in einer Sitzung des Gemeinsamen Bundesausschusses die Beschlussfähigkeit nicht gegeben ist. In diesem Fall ist eine erneute Sitzung innerhalb von 14 Kalendertagen seit der ersteinberufenen Sitzung mit der gleichen Tagesordnung einzuberufen. Auf dieser erneuten Sitzung ist die Beschlussfähigkeit dann gegeben, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses oder deren stimmberechtigte Stellvertreter anwesend sind. Hierauf ist in der Einladung zu der erneuten Sitzung ausdrücklich hinzuweisen. Insofern bestehen deutliche Parallelen zu den Bestimmungen in der Schiedsamtsverordnung. 141 Unabhängig von der konkreten 138

So auch Schimmelpfeng-Schütte, GesR 2004, 361, 364 und NZS 1999, 530. BSGE 81, 73. 140 Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 13.01.2004, BAnz. Nr. 67, S. 7246 vom 06.04.2004. 141 Verordnung über die Schiedsämter für die vertragsärztliche (vertragszahnärztliche) Versorgung vom 28.05.1957, BGBl. I, 570; zuletzt geändert durch Art. 19 BGBl. I, 2190 vom 14.11.2003; siehe dort § 16 a. 139

III. Demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses

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Besetzung und der Frage, ob es sich um eine erstanberaumte Sitzung im Sinne von § 14 Abs. 1 der Geschäftsordnung oder eine erneute Sitzung im Sinne von § 16 Abs. 5 der Geschäftsordnung handelt, entscheidet der Gemeinsame Bundesausschuss, sofern er beschlussfähig ist, gemäß § 17 Abs. 1 der Geschäftsordnung mit der Mehrheit der anwesenden Stimmberechtigten. Dies hätte zur Folge, dass dann der in reduzierter Besetzung beschlussfähige Gemeinsame Bundesausschuss mehrheitlich einen Beschluss fassen kann, an dem eine im Gemeinsamen Bundesausschuss beteiligte Gruppe überhaupt nicht mitgewirkt hat. Dafür kann die Gruppe, die die Hälfte der Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses stellt, den Beschluss auch gegen die Stimmen der unparteiischen Mitglieder mit der erforderlichen Mehrheit fassen, der jedoch möglicherweise weder von der nicht anwesenden Gruppe noch von den unparteiischen Mitgliedern mitgetragen werden würde. Dieser Umstand spricht für ein Letztentscheidungsrecht der unparteiischen Mitglieder, um der Rolle des Gemeinsamen Bundesausschusses als Konfliktlösungsorgan gerecht zu werden. Dies hatten auch die Mitglieder des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für die Frage der Vertagung bisher so geregelt, indem sie in einer Protokollnotiz zu § 6 der Geschäftsordnung festgelegt hatten: „Die Mitglieder des Bundesausschusses stimmen darin überein, dass der Bundesausschuss dem Wunsch einer Seite (Vertreter der Zahnärzte bzw. Vertreter der Krankenkassen) auf Vertagung nicht widerspricht, wenn eine Seite einen Beratungsgegenstand noch nicht für entscheidungsreif hält und der Vorsitzende der Vertagung zustimmt.“

Damit war festgelegt, dass letztlich der Vorsitzende entscheidet, ob eine Vertagung und damit eine Verzögerung der Entscheidung erfolgt oder nicht. Letztlich entscheidend ist damit aber auch eine große Akzeptanz der Person des Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses durch die Beteiligten. Dies spricht ebenfalls für die Direktwahl des Vorsitzenden bzw. die Bestellung durch das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Weder die unparteiischen Mitglieder noch die Vertreter der Krankenkassen 142 noch die Vertragsärzte können als Vertreter der Interessen der Versicherten oder der sog. Außenseiter angesehen werden. Insofern ist nicht sichergestellt, dass – um mit dem BSG zu sprechen – der „Gedanke der Betroffenen-Partizipation bei der Ausgestaltung der Entscheidungsfindung wenigstens durch Beteiligung der relevanten Gruppen seinen Niederschlag findet.“ 143 Es ist in der Praxis jedoch illusorisch anzunehmen, dass die Vertreter der Krankenversicherung oder die Vertreter der (Zahn-)Ärzteschaft ihre Interessen völlig 142 143

Kritisch auch Castendiek, NZS 2001, 71, 74. BSGE 78, 70, 80.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

zurückstellen und – da weisungsunabhängig – objektiv beraten und entscheiden zum Wohle des Versicherten. Es agieren hier Kassen und Ärzte, die ja durchaus gegenläufige Interessen haben, um ein gesetzliches Rahmenprogramm zu perfizieren. 144 Eine Unparteilichkeit gibt es auf keiner der beiden Seiten, wie letztlich der Umstand zeigt, dass die Stimmen der Unparteiischen, letztlich des Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses in der Praxis oftmals den Ausschlag bei der Entscheidungsfindung gibt. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist daher – wie teilweise unter Bezugnahme auf die Historie für die Bundesausschüsse vertreten wurde 145 – ein besonderes Konfliktlösungsorgan entsprechend den Schiedsämtern nach § 89 SGB V. Nach der Zielsetzung des Gesetzgebers soll der Gemeinsame Bundesausschuss ein Gremium sein, welches gegebenenfalls Streitigkeiten kanalisieren und schlichten soll. Dabei haben die unparteiischen Mitglieder eine zentrale Funktion. Dem Gemeinsamen Bundesausschuss obliegt die Konkretisierung des Leistungskatalogs und damit die Festlegung von Rahmenrechten, teilweise auch konkreten Ansprüchen der Versicherten gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung durch die an diesem System beteiligten Leistungsträger und Leistungserbringer. Der Gemeinsame Bundesausschuss übernimmt damit eine bedeutende Steuerungsfunktion des Leistungsgeschehens in der gesetzlichen Krankenversicherung. Hinzu kommt, dass die Vertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss nicht weisungsgebunden sind (vgl. § 91 Abs. 2 Satz 5 i. V. m. § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB V). Ausgehend von der Rechtsprechung des BVerfG 146 stellt sich daher weiter die verfassungsrechtliche Frage nach dem für die demokratische Legitimation erforderlichen Zurechnungszusammenhangs zwischen Volk und staatlicher Herrschaft vor allem durch die grundsätzliche Weisungsgebundenheit der Verwaltung gegenüber der Regierung, hier in der Form der aufsichtsrechtlichen Regelung in § 94 SGB V. Die Überwachungs- und Einwirkungsmöglichkeiten der dem Parlament gegenüber verantwortlichen staatlichen Exekutive in Gestalt eines Beanstandungsrechts und der Möglichkeit der Ersatzvornahme durch das BMG sind im Vergleich zur Vorgängerregelung in § 368p RVO in § 94 Abs. 1 SGB V nicht wesentlich verändert worden. 147 Diese Rückbindung wird in der Literatur daher zurecht auch als nicht hinreichend bezeichnet, um eine Richtlinienkompetenz des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen gegenüber Externen verfassungsrechtlich zu „adeln“. 148

144 Schnapp, SGb 1996, 621, 624; so auch Schneider, Kassenarztrecht, S. 253; Hebeler, DÖV 2002, 936, 941; Taupitz, MedR 2003, 7, 11. 145 Z. B. Hiddemann, Die BKK 4/2001, 187, 191; Engelmann NZS 2000, 1, 80. 146 BVerfGE 93, 37, 66. 147 Heberlein, RPG 4:4 (1998), 143, 150.

III. Demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses

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In der Literatur wird insoweit von „ministerialfreien Räumen“ gesprochen, deren Zulässigkeit einen nach dem Verfassungssystem beachtlichen Grund voraussetze. Unter „ministerialfreien Räumen“ werden diejenigen Exekutivstellen begriffen, die bei der Wahrnehmung der ihnen übertragenen staatlichen Kompetenzen von der Exekutivspitze teilweise oder vollständig weisungsunabhängig sind. 149 Der Gemeinsame Bundesausschuss wurde geschaffen, um durch fachspezifische Kompetenz und Sachnähe die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung sowie die Leistungsansprüche der Versicherten zu konkretisieren. Es erscheint zumindest sehr zweifelhaft, ob derartige Regelungen auch durch die Ministerialbürokratie und dem anschließenden Erlass ministerieller Rechtsverordnungen mit der gleichen Sachkompetenz in der gleichen Zeit erlassen werden könnten. 150 Es sei in diesem Zusammenhang erinnert an § 30 SGB V in der Fassung des GRG vom 20.12.1988, 151 in dessen Abs. 2 vorgesehen war, dass die Spitzenverbände der Krankenkassen bis zum 31.12.1989 gemeinsam und einheitlich den Zuschuss für Zahnersatz durch Zuschüsse ersetzen sollten, deren Höhe sich nach der Versorgungsform richtete. In Abs. 4 war für den Fall, dass die Spitzenverbände die Zuschüsse nicht bis zum 31.12.1989 festlegen vorgesehen, dass der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates das Nähere über die zahnärztlichen und zahntechnischen Leistungen bestimmt, die den in Abs. 2 genannten Zuschussgruppen zuzuordnen sind. Obwohl die Spitzenverbände nicht tätig wurden, kam es nicht zu der gesetzlich vorgesehenen Rechtsverordnung des Bundesarbeitsministeriums. Bemerkenswerterweise wurde die Vorschrift des § 30 SGB V dann mit dem GSG 1993 so geändert, dass § 30 Abs. 4 SGB V in dieser Fassung ersatzlos entfiel. Dies kann nur in dem Sinne verstanden werden, dass der Gesetzgeber offensichtlich die Schwierigkeiten dieser Verpflichtung erkannt und auf diese Weise beseitigt hat. Gerade diese Erfahrungen verdeutlichen die Überlegenheit einer Normsetzung durch Selbstverwaltungskörperschaften zumindest in solchen Fallgestaltungen, die eine möglichst zeitnahe Entscheidung medizinischer Fachfragen voraussetzen. 152

148

Schwerdtfeger, SDSRV 38 (1994), 27, 47. Sodan, NZS 2000, 581, 585. 150 Vgl. Jung, gpk Nr. 3 – März 2002 – S. 37, 38, der auf die gescheiterten Bemühungen staatlicher Seite um die Steuerung der Arzneimittelversorgung verweist. 151 BGBl. I, 2477; in Kraft getreten am 01.01.1989. 152 Muschallik, Forum für Gesellschaftspolitik Mai 2000, S. 94, 95. 149

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Gleiches gilt für eine Verordnungsgebung nach Beratung durch Sachverständige. 153 Denn der Verordnungsgeber müsste nach der Beratung zu einer hinreichend eigenständigen fachlichen Beurteilung in der Lage sein. 154 Auch das BSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass insbesondere die zeitgerechte Umsetzung neuer Erkenntnisse und Behandlungsmethoden mit den notwendigerweise schwerfälligen Instrumenten des Parlamentsgesetzes bzw. der Rechtsverordnung nicht ausreichend zu gewährleisten ist. 155 Insofern kann ein nach dem Verfassungssystem beachtlicher Grund für die Weisungsunabhängigkeit festgestellt werden. 4. Kompetenzen der Aufsicht Die Aufsicht über den Gemeinsamen Bundesausschuss führt das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (BMGS); die §§ 67, 88 und 89 SGB IV gelten entsprechend. 156 Geschäftsordnung und Verfahrensordnung bedürfen nach § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB V der Genehmigung des BMGS. Gemäß § 94 SGB V kann das BMGS die beschlossenen Richtlinien innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Kommen die für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Beschlüsse der Bundesausschüsse nicht oder nicht innerhalb einer vom BMGS gesetzten Frist zustande oder werden die Beanstandungen des BMGS nicht innerhalb einer von ihm gesetzten Frist behoben, erlässt das BMGS die Richtlinien. Insofern übernimmt die Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung immerhin eine gewisse, wenn auch stark eingeschränkte parlamentarische Verantwortung für die Tätigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses. Streitig war in diesem Zusammenhang nach der Rechtslage bis zum 31.12.2003, ob es sich um ein Beanstandungsrecht nicht nur im Rahmen der Rechtsaufsicht 157 sondern auch einer Fachaufsicht handelt. 158 Die Unterstellung der Bundesausschüsse und als deren Rechtsnachfolger des Gemeinsamen Bundesausschusses

153 Stellungnahme des BMG zum Gutachten des Sachverständigenrates für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen „Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit“, hier Vorschlag einer „öffentliche Institution unabhängiger Sachverständiger“, BR-Drucks. 702/02; vgl. auch zu einem derartigen Vorschlag als zukünftige Lösung SchimmelpfengSchütte, NZS 1999, 536 ff. 154 Sodan, NZS 2000, 581, 586. 155 BSGE 78, 70, 82/83; vgl. auch BSG SozR 3-2200 § 368g Nr. 2, S. 1, 4 für die Leistungspositionen des EBM. 156 § 92 Abs. 10 SGB V. 157 Für Rechtsaufsicht: Hebeler, DÖV 2002, 936, 943; Kaltenborn, VSSR 2000, 249, 267; Neumann, Der Vorrang des Gesetzes im Leistungserbringungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, Teil II, 1999, S. 43, 75; Ossenbühl, NZS 1997, 497, 502; Plantholz, SGb 1997, 549, 553; Hauck/Haines-Vahldiek, K § 94 Rn 4.

III. Demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesausschusses

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unter eine Fachaufsicht würde deren Charakter als Selbstverwaltungsorgan beseitigen. 159 Der Gemeinsame Bundesausschuss soll aufgrund seiner Sachkompetenz innerhalb der gesetzlichen Rahmenbedingungen zu Entscheidungen kommen. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass das Mittel der Rechtsaufsicht auch völlig ausreichend ist. Das Fehlen einschlägiger Rechtsprechung ist darauf zurückzuführen, dass seit 1955 – soweit ersichtlich – kein Fall der Ersatzvornahme vorgekommen ist, der gerichtlich ausgefochten werden musste. Erstmals in der Geschichte des Bundesausschusses hat das BMGS am 5.7.2002 eine Ersatzvornahme hinsichtlich der vom Bundesausschuss nicht entsprechend der Beanstandung erlassenen Richtlinien zur Substitution vorgenommen und die BUB-Richtlinien durch diese Ersatzvornahme geändert. Im Verfahren einstweiligen Rechtsschutzes hat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen vor dem LSG Nordrhein-Westfalen 160 obsiegt. Dem BMGS wurde untersagt, die von ihm im Wege der Ersatzvornahme geänderten Richtlinien über die Bewertung ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gemäß § 135 Abs. 1 SGB V (BUB-Richtlinien) Anlage A Nr. 2 „Richtlinien zur substitutionsgestützten Behandlung Opiatabhängiger“ bis zum Abschluss des Verfahrens L 10 B 12/02 KA ER (LSG NRW) 161 im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Mangels Entscheidung in der Sache bisher ist daher gegenüber § 94 SGB V als Lieferant kompensatorisch parlamentsvermittelter demokratischer Legitimation weiterhin Skepsis angezeigt. 162 Es wird die Auffassung vertreten, auch im Fall der Nichtbeanstandung sei kaum zu erwarten, dass der Bundesminister für Gesundheit und Soziale Sicherung den Inhalt der Richtlinien in seinen Willen aufnehmen und die uneingeschränkte parlamentarische Verantwortung dafür übernehmen wolle. 163 Dies wäre jedoch die einzige Möglichkeit, den Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses und damit den Richtlinien in jedem Falle zumindest eine indirekte demokratische Legitimation zu verleihen. Es wäre daher zu fordern, dass das BMGS für den Inhalt der Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses im Fall der Nichtbeanstandung unabhängig von eigenen Vorstellungen die Verantwortung übernimmt.

158 Für Fachaufsicht: Schwerdtfeger, NZS 1998, 49, 52; in diesem Sinne wohl auch Schneider-Danwitz/Glaeske, MedR 1999, 164, 170. 159 Vgl. Muschallik, Forum für Gesellschaftspolitik Mai 2000, S. 94, 95. 160 LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluß vom 23.08.2002, Az. L 10 B 12/02 KA ER. 161 LSG Nordrhein-Westfalen, GesR 2003, 149. 162 So auch Neumann, Der Vorrang des Gesetzes in der gesetzlichen Krankenversicherung in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, Teil II, 1999, S. 43, 75 , Fn 85; Taupitz, MedR 2003, 7, 11; Wenning-Unterhuber, gpk 2001, 28, 33. 163 Neumann, aaO; Schwerdtfeger, SDSRV 38 (1994), S. 27, 47; anders wohl in NZS 1998, 49, 52f; Schimmelpfeng-Schütte, NZS 1999, 530, 533.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Die dogmatische Trennung zwischen Rechts- und Fachaufsicht sollte aber im Übrigen auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Wirkung beider Aufsichtsarten oft nahe beieinander liegt. Der durch das Gesetz abgesteckte Rahmen kann nämlich derart eng begrenzt sein, dass der Spielraum der Handlungsmöglichkeiten für die Selbstverwaltungskörperschaften gegen Null tendiert. In diesem Fall ist allein durch das Gesetz und das Mittel der Rechtsaufsicht eine hinreichende Lenkung gewährleistet. Eine Kontrolle nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit ist dann weder erforderlich noch überhaupt möglich, da es für den Selbstverwaltungsträger nur die im Gesetz konkret bezeichneten Entscheidungsmöglichkeiten gibt. 164 Dies ist z. B. im Bereich der Bedarfsplanung der Fall, in dem der Gesetzgeber strenge Regelungen und ab 1999 sogar eine strikte Bedarfsplanung vorgesehen hat (§§ 101, 102 SGB V). Darüber hinaus besteht Streit über die rechtliche Einordnung der ministeriellen Richtlinien. Ein Teil der Literatur 165 sieht die vom Ministerium im Wege der Ersatzvornahme erlassenen Richtlinien als Rechtsverordnung an. Die überwiegende Auffassung 166 geht von einer aufsichtsähnlichen Ersatzvornahme aus, so dass sich die Richtlinien in ihrer Rechtsqualität nicht von solchen unterscheiden, die von den Ausschüssen selbst erlassen werden. Dieser Auffassung ist zuzustimmen. Ansonsten wäre der Ausschuss nicht befugt, gegebenenfalls später selbst die fragliche Richtlinien wieder zu ändern. 167 Auch im Rahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes 168 hat der Gesetzgeber keine Regelungen hinsichtlich der Rechtsfolgen einer Beanstandung bzw. einer Ersatzvornahme aufgenommen, so dass insoweit weiterhin Unklarheit besteht. 5. Ergebnis Die Untersuchung hat gezeigt, dass eine durchgängige demokratische Legitimation der Mitglieder der Bundesausschüsse und als deren Rechtsnachfolger des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht gegeben ist. Gegenüber den Versicherten und den nicht-ärztlichen Leistungserbringern, die nicht institutionell vertreten sind, bewirken die Beschlüsse der Gemeinsamen Bundesausschüsse in erheblichem Ausmaß Fremdbestimmung. Es ist festzustel-

164

Vgl. Schnapp, Die Ersatzkasse 1978, 497, 500; auch SGb 1996, 621, 625. Tempel-Kromminga, S. 122 ff; Krauskopf , SozKV, § 94, Rn 5: der Form nach Rechtsverordnung. 166 Kass.-Komm.-Hess, § 94, Rn 4; Heinemann/Liebold/Zalewski, C 94-3; unklar insoweit Hauck/Haines-Vahldiek, K § 94, Rn 5: Ersatzvornahme, aber Richtlinie des Ministeriums. 167 So auch Hänlein, Rechtsquellen, S. 471. 168 BGBl. I, 2190. 165

IV. Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses

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len, dass sich der Gemeinsame Bundesausschuss nur in geringem Maße auf eine demokratische Legitimation stützen kann. Insbesondere hinsichtlich der unparteiischen Mitglieder ist die demokratische Legitimation nicht gegeben. Dieser Mangel könnte durch eine Direktwahl durch die Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses oder aber durch eine Bestellung zumindest des Vorsitzenden des Gemeinsamen Bundesausschusses durch das BMGS beseitigt werden. Um den Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses eine demokratische Legitimation zumindest mittelbar zu verleihen, wäre es erforderlich, dass das BMGS für den Inhalt der Beschlüsse im Fall der Nichtbeanstandung die Verantwortung übernimmt. Aus dem Fehlen einer uneingeschränkten personellen Legitimation für eine nicht unerhebliche Anzahl von Mitgliedern, unter denen sich in der Praxis die oftmals entscheidenden Stimmen der unparteiischen Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses befinden, darf jedoch nicht ohne weiteres geschlossen werden, damit sei dessen Tätigkeit bereits verfassungswidrig. 169 Verfassungsrechtlich entscheidend ist nach der jüngeren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 170 nicht allein die Form demokratischer Legitimation staatlichen Handelns sondern ein bestimmtes Legitimationsniveau. Dieses kann bei den verschiedenen Erscheinungsformen von Staatsgewalt im allgemeinen und der vollziehenden Gewalt im besonderen unterschiedlich ausgestaltet sein. Unmittelbar mit der Problematik der demokratischen Legitimation verbunden ist die Frage der Zulässigkeit des Eingriffs in geschützte Rechtspositionen Dritter durch Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, die im Folgenden untersucht werden soll.

IV. Aufgaben und Kompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses beim Erlass von Richtlinien Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt die zur Sicherung der ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten (§ 92 Abs. 1 SGB V). Insoweit ist die Rechtslage unverändert geblieben.

169 170

So auch Sodan, NZS 2000, 581, 584. BVerfGE 83, 60, 72; 93, 37, 67; vgl. auch BVerfGE 89, 155, 182.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

§ 92 Abs. 1 SGB V regelt aber nun ergänzend, dass der Gemeinsame Bundesausschuss die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen kann, wenn nach dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Ausweislich der diesbezüglichen Begründung 171 soll damit infolge der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts 172 das dem Bundesausschuss vom Gesetzgeber aufgegebene Normsetzungsprogramm nach Inhalt, Zweck und Ausmaß klarer als bisher gefasst werden. Der Gesetzgeber trage damit der Forderung nach engmaschigeren Gesetzesvorgaben Rechnung. Nach den gesetzlichen Vorgaben haben die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses die Aufgabe, einmal das Gebot der Wirtschaftlichkeit für Vertragsärzte und Krankenkassen zu konkretisieren, zum anderen aber auch die Leistungsansprüche der Versicherten näher auszuformen und zu präzisieren. Damit gehen die Entscheidungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses über medizinisch-wissenschaftliche Fragen hinaus. Der dem Gemeinsamen Bundesausschuss eingeräumte Beurteilungsspielraum ist damit aber nicht klar beschrieben. Der Katalog in § 92 SGB V umfasst im wesentlichen den gesamten Bereich der Anbietung öffentlicher Gesundheitsgüter und eröffnet damit einen weiten Spielraum für eigenverantwortliches Handeln der Selbstverwaltung. 173 Bisher fehlte es an einer Aussage des Gesetzgebers zur Rechtsqualität seiner Richtlinien und deren Rechtswirkung gegenüber Dritten. 174 § 91 Abs. 9 SGB V bestimmt nunmehr, dass die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Beschlüsse nach § 137 b SGB V und zu Empfehlungen nach § 137 f SGB V für die Versicherten, die Krankenkassen und für die an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer und die zugelassenen Krankenhäuser verbindlich sind. Die Wertung der Richtlinien als untergesetzliche Rechtsnormen durch die neuere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts 175 wird von der Literatur 176 überwiegend geteilt. 175

171

BT-Drucks. 15/1525, S. 107. BSGE 78, 70 (Methadon); BSG, Breith. 2003, 551 (Bioresonanztherapie). 173 Genzel, NZS 1996, 359, 364. 174 Jung, gpk Nr. 3 – März 2000 – S. 37, 38. 175 6. Senat, BSGE 78, 70, 78 (Methadon); BSGE 81, 54, 63 (immunbiologische Therapie); BSGE 81, 73, 81f. (immuno-augmentative Therapie); BSGE 81, 240, 242 (Arzneimittel-Richtlinien); BSGE 82, 41, 47f. (Bedarfsplanung); 4. Senat, BSGE 73, 271, 287 ff (NUB-Richtlinien); 3. Senat, BSGE 81, 182, 187f. (NUB-Richtlinien); 8. Senat, BSGE 85, 36, 44f. (Arzneimittel-Richtlinien). 172

IV. Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses

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§ 92 Abs. 1 SGB V 176 umschreibt die Richtlinienkompetenz und ordnet in Satz 2 an, über welche Gegenstände der Beziehungen der Krankenkassen zu den Leistungserbringern insbesondere Richtlinien erlassen werden sollen. Dieser Katalog ist jedoch nicht abschließend, wie sich aus dem Wort „insbesondere“ in § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB V entnehmen lässt. 177 Ein Normfindungsrecht folgt hieraus jedoch nach der Rechtsprechung des BSG 178 nicht. Maßgeblicher Grund für die Kompetenz, Richtlinien zu erlassen ist, dass das SGB V selbst hinsichtlich krankenversicherungsrechtlicher Ansprüche der Versicherten mit § 12 SGB V nach Ansicht des BSG nur einen Rahmen vorgibt und die Konkretisierung dieses Anspruchsrahmens vom Gesetzgeber der gemeinsamen Selbstverwaltung der Vertragsärzte und Krankenkassen überantwortet wurde. 179 Bereits hier zeigt sich, dass der Bundesausschuss durch Gesetzgebung und Rechtsprechung einen Machtzuwachs erfahren hat, der im Zuge der Neufassung der Bestimmungen zum Gemeinsamen Bundesausschuss weiter gestärkt worden ist. Daher kann für die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit dem Gemeinsamen Bundesausschuss Normsetzungskompetenzen zukommen, die bisherige Diskussion in Rechtsprechung und Literatur nutzbar gemacht werden. Zunächst ist jedoch der gesetzliche Rahmen zu erörtern. 1. Kompetenzzuweisungen nach dem SGB V Ausgangspunkt ist das Wirtschaftlichkeitsgebot. Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB V stellen die Krankenkassen den Versicherten die Leistungen des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes zur Verfügung.

176 Baader, JZ 1990, 409, 410; Ebsen VSSR 1990, 57, 67 ff.; Papier, VSSR 1990, 123, 128; Tempel-Kromminga, S. 161 ff. (Zusammenfassung); Noftz, VSSR 1997, 393, 424; Plantholz, SGb 1997, 549; Axer, Normsetzung der Exekutive, S. 121f.; Hänlein, Rechtsquellen, S. 468f.; a.A. Schimmelpfeng-Schütte, NZS 1999, 530, 535 „fachkundige Äußerungen“, Di Fabio, NZS 1998, 449, 454 „kooperativ zustande gekommene Normzwischenschichten“; kritisch auch aufgrund fehlender Verbindlichkeitsanordnung im Verhältnis zu den Versicherten Ossenbühl, NZS 1997, 497, 499. 177 Schnapp, SGb 1999, 62, 63. 178 BSG, NZS 1995, 502, 513; in diesem Sinne auch Schnapp, SGb 1999, 62, 63; Heberlein, VSSR 1999, 123, 144; Schwerdtfeger, SDSRV 37(1994), 27, 29 ff. 179 So die sog. Konkretisierungstheorie des BSG, BSGE 73, 271, 280 ff.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V müssen die Leistungen der Leistungserbringer wirtschaftlich sein; Leistungen, die unwirtschaftlich sind, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen. Die Leistungen der Krankenkassen sind gesetzlich nur sehr allgemein beschrieben. Im Einzelfall ist daher eine nähere Bestimmung erforderlich, um zu einer gleichmäßigen und sozial ausgewogenen gesundheitlichen Versorgung zu gelangen. Durch § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V ist dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Aufgabe zugewiesen, die zur ärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten zu beschließen. Auch aus dieser Beschreibung der Aufgabe ergeben sich allerdings Inhalt und Grenzen der dem Gemeinsamen Bundesausschuss zugewiesenen Kompetenzen noch nicht. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist vielmehr zunächst an den Inhalt der ihm im SGB V zugewiesenen Kompetenzen gebunden. Dabei sind die diese Kompetenzen regelnden Vorschriften unter Berücksichtigung des Gesamtzusammenhangs der Vorschriften des SGB V auszulegen. 180 Kompetenzzuweisungen an den Gemeinsamen Bundesausschuss finden sich zum einen im Leistungserbringungsrecht (§§ 69 ff SGB V). Der Gesetzgeber hat dem Bundesausschuss in § 92 SGB V besondere Materien zur Regelung zugewiesen, von denen er angenommen hat, dass sie bei der üblichen Form der Normsetzung durch die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung zu Auseinandersetzungen führen können. 181 Weitere gesetzliche Vorgaben und Aufträge finden sich in § 101 SGB V zur Bedarfsplanung, insbesondere zur Überversorgung, in § 135 SGB V zur Zulassung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und zur Bewertung aller vertragsärztlicher Leistungen, in § 136 SGB V zu den Kriterien der Qualitätsbeurteilung in der vertragsärztlichen Versorgung und schließlich in § 138 SGB V zum therapeutischen Nutzen neuer Heilmittel. Darüber hinaus obliegen dem Gemeinsamen Bundesausschuss besondere, durch Gesetz zugewiesene Aufgaben, wie etwa die nach § 93 SGB V wahrzunehmende Pflicht zur Veröffentlichung der Übersicht über ausgeschlossene Arzneimittel. Neu hinzugekommen durch das GKV-Modernisierungsgesetz sind eine Reihe weiterer gesetzlicher Aufgaben, wie die Errichtung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit gemäß § 139 a SGB V und die Erteilung von Aufträgen an das Institut (§ 139 f SGB V). Ferner obliegt dem Gemeinsamen Bundesausschuss, nähere Bestimmungen zum Begriff der „schwerwiegenden chronischen Krankheiten“ i.S.d. § 61 Abs. 1 SGB V zu treffen, zur Festlegung von besonderen Ausnahmen bei der Übernahme von Fahrtkosten zur ambulanten Behandlung (§ 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V), zur Regelung von Ausnahmen vom Grundsatz des Ausschlusses nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel für Erwachsene (§ 34

180 181

OLG München, NZS 2000, 457; im Ergebnis a. A. Knispel, NZS 2000, 441. Vgl. Engelmann, NZS 2000, 1, 80.

IV. Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses

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(§ 60 Abs. 1 Satz 3 SGB V), zur Regelung von Ausnahmen vom Grundsatz des Ausschlusses nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel für Erwachsene (§ 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V) sowie zur Regelung des näheren Inhalts für den Ausschluss von Lifestyle-Präparaten nach § 34 Abs. 1 SGB V. Ungeregelt geblieben ist jedoch in diesem Zusammenhang, als Konsequenz aus § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB V in der Übersicht nach § 93 SGB V auch die Ausschlüsse in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses anzuordnen. Kompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses ergeben sich aber auch aus Einzelbestimmungen des Leistungsrechts, wie z. B. in § 22 Abs. 5, § 25 Abs. 4 und 5, § 26 Abs. 2, § 27a Abs. 4, § 28 Abs. 2 Satz 8, § 28 Abs. 3 Satz 1, § 33 Abs. 1, 3 und 4, § 35 Abs. 1 SGB V. Insoweit ist der Gemeinsame Bundesausschuss ausdrücklich beauftragt, den Inhalt des Leistungsanspruchs des Versicherten zu präzisieren, wobei die Kriterien hierfür gesetzlich festgelegt sind und nicht nur das Wirtschaftlichkeitsgebot umfassen (vgl. § 25 Abs. 3 SGB V). 182 Insoweit nehmen diese Richtlinien eine Sonderstellung ein. Damit hat der Gesetzgeber dem Gemeinsamen Bundesausschuss eng begrenzte Sachverhalte zur Regelung überlassen, die durch das GMG teilweise geändert wurden. Allerdings wird in den Gesetzesbegründungen jeweils darauf verwiesen, es handele sich um „Klarstellungen“ oder Präzisierungen, nicht jedoch um eine Ausweitung der Kompetenzen. 183 Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 16.12.1993 184 ausgeführt, der Bundesausschuss sei dazu bestellt, durch Richtlinien zur Sicherung der kassen(zahn)ärztlichen Versorgung im Rahmen des Möglichen abstrakt generelle Maßstäbe aufzustellen, vorzuschreiben und u.U. zu korrigieren, nach denen das im Einzelfall medizinisch Notwendige sowie dessen Wirtschaftlichkeit zu beurteilen ist. In einer weiteren Entscheidung weist das BSG 185 den Richtlinien des Bundesausschusses die Aufgabe zu, den allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse näher zu bestimmen. 186 Das Gesetz habe die Konkretisierung (und Erfüllung) des subjektiv-öffentlichen Rechts auf Krankenbehandlung „der kassenärztlichen Versorgung“ übertragen (§§ 72, 73, 75, 92 SGB V). 187

182 183 184 185 186 187

Kass.-Komm.-Hess, § 92 Rn 9. BT-Drucks. 15/1525, S. 107. BSGE 73, 271. BSGE 81, 54. So auch Kern, GesR 2002, 5, 7. BSGE 73, 271, 280.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Allerdings stellen die Richtlinien nur Grundsätze auf. Dem behandelnden Vertrags(zahn)arzt ist es daher nicht versagt, im Einzelfall die Wirtschaftlichkeit einer von den Richtlinien abweichenden Therapie nachzuweisen. 188 2. Die Rechtsprechung des BSG Der 4. Senat des BSG spricht von dem „an der kassenärztlichen (vertragsärztlichen) Versorgung teilnehmenden und dadurch mit der erforderlichen Rechtsmacht beliehenen Arzt“, der als „Kassenarzt“ das Vorliegen einer Krankheit feststelle und eine medizinisch nach Zweck oder Art bestimmte Sach- oder Dienstleistung zu ihrer Behandlung verordne. Innerhalb der Vorgaben, insbesondere der Richtlinien des Bundesausschusses sei dem vom Versicherten frei gewählten Kassenarzt die Kompetenz zugewiesen, das Recht des Versicherten gegenüber der Krankenkasse in medizinischer Hinsicht zu konkretisieren, soweit er sich dabei formell und materiell im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung bewege. 189 Der 1. Senat des BSG hat dies im Grundsatz bestätigt, in der Begründung jedoch einen etwas anderen Weg gewählt. Nach den „September-Urteilen“ 190 des 1. Senats des BSG wird dem Versicherten nur ein ausfüllungsbedürftiges Rahmenrecht auf Behandlung durch einen Arzt oder Zahnarzt oder auf Versorgung mit Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln in Aussicht gestellt. Ein durchsetzbarer Einzelanspruch bestehe erst nach Festlegung durch den Leistungserbringer, welche Sach- oder Dienstleistung zur Wiederherstellung oder Besserung der Gesundheit notwendig seien. 191 Insoweit ist eine Übereinstimmung hinsichtlich der Bewertung der Richtlinien des Bundesausschusses mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den sog. normkonkretisierenden Verwaltungsvorschriften im Umwelt- und Technikrecht zu sehen. 192 3. Entwicklungslinien der Kompetenzzuweisungen Wie seinen Vorgängern, dem Zentral- und dem späteren Reichsausschuss, hat der Gesetzgeber dem Gemeinsamen Bundesausschuss die Funktion der Rechtsetzung im Bereich des Vertragsarztrechts durch den Erlass abstrakt-genereller 188

BSG USK 88172; KG NJW 2004, 691, wonach die Richtlinien einen generellen ärztlichen Standard definieren; zum alten Recht auch BSG USK 72138; 72144; 72172; 7482; 81173; 81182; Siewert, S. 74. 189 BSGE 73, 271, 281. 190 BSG USK 97108; BSGE 81, 54; BSGE 81, 73; s. Schnapp, SGB 1999, 64; Heberlein, VSSR 1999, 123, 124. 191 BSGE 81, 54, 61; 81, 73, 78f.; BSG USK 97114. 192 Vgl. BVerwGE 72, 300, 320f; 107, 338, 340 ff; Koch, SGb 2001, 109, 111.

IV. Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses

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Richtlinien zugewiesen. Die Kompetenz zum Erlass von Rechtsverordnungen wie zur Zeit der RVO besitzt er heute nicht mehr. 193 Der Gesetzgeber hat daher gerade nicht an die vorkonstitutionelle Kompetenz des Reichsausschusses anknüpfen wollen. Dies ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien. Im Gesetzentwurf zum GKAR vom 17. August 1955 war zunächst vorgesehen, dass der Bundesausschuss auch die Befugnis zum Erlass von „Bestimmungen“ haben sollte. 194 Dieser Entwurf wurde jedoch auf Grund von verfassungsrechtlichen Bedenken des Rechtsausschusses des Bundesrates nicht Gesetz. Gesetz wurde stattdessen § 368 p Abs. 1 RVO i.d.F. des GKAR, in dem dem Bundesausschuss die Aufgabe zugewiesen wurde, die zur Sicherung der kassenärztlichen Versorgung erforderlichen Richtlinien über die Gewähr für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Kranken zu beschließen. Der Gesetzgeber hatte den Bundesausschüssen mit dem 2. GKV-NOG unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 20.3.1996 neue Aufgaben übertragen und damit seine Kompetenzen erweitert. Mit dem Psychotherapeutengesetz von 1988 195 sind dem Bundesausschuss in besonderer Besetzung die entsprechenden Aufgaben für den Bereich der psychotherapeutischen Versorgung übertragen worden. Das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 hat den Bundesausschüssen im Rahmen der Qualitätssicherung zusätzliche Aufgaben übertragen. 196 Zusätzlich hatte der Gesetzgeber die Vorschrift des § 92 SGB V hinsichtlich der zahnärztlichen Behandlung erweitert und den Bundesausschuss hinsichtlich der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB V beauftragt, diese auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung auszurichten. Der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen, nun der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinisch-wissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen (§ 92 Abs. 1 a Satz 2 SGB V). Gleichzeitig hatte der Gesetzgeber im Rahmen der GKV-Gesundheitsreform 2000 die diesbezüglichen Kompetenzen des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung dahingehend erweitert, das dieses dem Gemeinsamen Bundesausschuss vorgeben kann, einen Beschluss zu einzelnen, dem Gemeinsamen Bundesausschuss durch Gesetz zugewiesenen Aufgaben zu fassen oder zu über-

193 194 195 196

S. A. V. BT-Drucks. 1/3094, S. 11, 23 und 2/528, S. 9. BGBl. I, 1311. §§ 136a und 136b SGB V.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

prüfen und hierzu eine angemessene Frist zu setzen. Damit sollte ausweislich der Gesetzesbegründung die Möglichkeit der jeweiligen Selbstverwaltungspartner, Entscheidungen zu blockieren, verringert werden. 197 Damit findet die Entscheidungskompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses, ob und wann er sich mit welcher Materie beschäftigt, ihre Grenze an den Zielvorgaben der Aufsichtsbehörde. Kommt innerhalb der Frist keine Einigung zustande, soll § 92 Abs. 1 a Sätze 4 und 5 SGB V die Bildung einer Schiedsstelle aus der Mitte des Gemeinsamen Bundesausschusses heraus ermöglichen, die die Entscheidung kurzfristig zu treffen hat. Diese besteht aus dem unparteiischen Vorsitzenden, den zwei weiteren unparteiischen Mitgliedern des Gemeinsamen Bundesausschusses und je einem der Vertreter der Zahnärzte und Krankenkassen (§ 92 Abs. 1 a Satz 5 SGB V). Der Gesetzgeber hat sich dabei von der Vorstellung leiten lassen, die Schwierigkeiten des Gemeinsamen Bundesausschusses beim Erlass von Richtlinien seien auf eine Blockadehaltung eines der Selbstverwaltungspartner zurückzuführen und glaubt, dieses Problem durch Bildung einer Schiedsstelle lösen zu können. Die Besetzung der Schiedsstelle bei Mehrheit der Unparteiischen gewährleistet jedoch gerade nicht, dass der gesetzgeberische Wille umgesetzt wird, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein solcher Beschluss innerhalb einer Frist von 30 Tagen zu fassen ist. Im Gemeinsamen Bundesausschuss soll sich nach dem gesetzgeberischen Willen das in § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB V zum Ausdruck gebrachte Zusammenwirken von Ärzten und Krankenkassen in der Form der gemeinsamen Selbstverwaltung realisieren. 198 Mit dieser Einrichtung soll den entstehenden, strukturell bedingten Problemen Rechnung getragen werden und zwar vor allem deshalb, da sich der Ausschuss überwiegend aus Vertretern der Sozialpartner paritätisch zusammensetzt. Die von ihm gefassten Beschlüsse stellen regelmäßig das Ergebnis eines intensiven Meinungsaustausches unter Beteiligung der kompetenten Fachleute dar. Der Ausschuss liefert daher eine große Richtigkeitsgewähr aufgrund seines hohen Sachverstandes. 199 In der Praxis werden für jedes Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses jeweils 5 Vertreter bestellt. 200 Damit wird nicht nur die jederzeitige Beschlussfähigkeit des Plenums gewährleistet, sondern auch eine ausreichende Anzahl von Vertretern für die Besetzung der Arbeitsausschüsse bzw. nach dem GMG nach

197

BT-Drucks. 14/1245, 74/75. Andreas, S. 38; Strakeljahn, DOK 1961, 5, 6. 199 Engelmann, NZS 2000, 76, 80; ähnlich Schlenker, NZS 1998, 411, 414. 200 Vgl. § 21 Abs. 3 der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses; BAnz. Nr. 67, S. 7246 vom 06.04.2004. 198

IV. Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses

103

den Unterausschüssen gemäß § 92 Abs. 3 Nr. 2 SGB bereitgehalten. In den Unterausschüssen werden die Vorarbeiten für die Richtlinien geleistet. Für die Aufgabenwahrnehmung in den Unterausschüssen sind auf Kassenseite weitgehend Mitarbeiter der Spitzenverbände der Krankenkassen, auf Ärztebzw. Zahnärzteseite Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter benannt, die – je nach zu beratender Thematik in den einzelnen Ausschüssen – entsprechend der Geschäftsordnung auch personenverschieden sein können. Die Mitglieder des Unterausschusses bestimmen aus ihrer Mitte einen Vorsitzenden und einen stellvertretenden Vorsitzenden. Der Vorsitz des Unterausschusses wechselt alle zwei Jahre zwischen einem Vertreter der Krankenkassen und einem Vertreter der Leistungserbringer. Dem Vorsitzenden obliegt die Vorbereitung und Durchführung der Sitzungen des Unterausschusses (§ 21 Abs. 5 der Geschäftsordnung). Der Vorsitzende und die weiteren unparteiischen Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses sowie deren Stellvertreter können beratend an den Sitzungen der Unterausschüsse teilnehmen (§ 21 Abs. 7 der Geschäftsordnung). Bisher waren die Arbeitsausschüsse bei der Vorbereitung neuer Richtlinien oder bei der Änderung bereits vorhandener Richtlinien weitgehend frei, Inhalte und Verfahren zu bestimmen. 201 Nunmehr bestimmt der Gemeinsame Bundesausschuss die Notwendigkeit für einen Unterausschuss, dessen Aufgabenstellung, die Erteilung von Aufträgen einschließlich dem zeitlichen Rahmen für ihre Erledigung und die Zusammensetzung. Er kann den Unterausschuss insbesondere beauftragen, Beschlussempfehlungen oder -entwürfe, Berichte, Gutachten oder Antworten auf Einzelfragen zu erstellen. 202 Zur Wahrnehmung seiner Aufgaben hat er die Kompetenz des Institutes für Qualität und Wirtschaftlichkeit zu nutzen. 203 Die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses werden im Plenum getroffen, sowie in den besonderen Besetzungen für ärztliche Angelegenheiten (§ 5 der Geschäftsordnung), für die vertragsärztliche Versorgung (§ 6 der Geschäftsordnung), für die vertragszahnärztliche Versorgung (§ 7 der Geschäftsordnung) und für die Krankenhausbehandlung (§ 8 der Geschäftsordnung). Die Besetzungen nach den §§ 4 bis 8 der Geschäftsordnung treffen die Entscheidungen in ihren Aufgabengebieten abschließend als Gemeinsamer Bundesausschuss. Der Gemeinsame Bundesausschuss fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit seiner Mitglieder, sofern die Geschäftsordnung nichts anderes bestimmt. 204

201

Vgl. Jung, gpK Nr. 3 – März 2002, S. 37, 47. Vgl. § 21 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses; BAnz. Nr. 67, S. 7246 vom 06.04.2004. 203 Vgl. § 139 a Abs. 3 Nr. 6 SGB V; BT-Drucks. 15/1525, S. 107. 202

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Die Einrichtung einer Schiedsstelle gem. § 92 Abs. 1a, Sätze 4 und 5 SGB V trägt diesen Grundsätzen nicht mehr Rechnung. Es fehlt an jedem Anhaltspunkt dafür, dass eine derart besetzte Schiedsstelle leichter und schneller zu Entscheidungen gelangen könnte, als das Plenum des Gemeinsamen Bundesausschusses insgesamt. Zudem hat sich die Tätigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses stets an den fachlichen Erfordernissen und nicht an davon unabhängigen Zeitvorgaben des BMG zu orientieren. 205 Auf Grund der Mehrheitsverhältnisse kann von einer Selbstverwaltung nicht mehr gesprochen werden, vielmehr handelt es sich in diesem Fall um eine „Fremdverwaltung“. Dies zeigt umso mehr, dass es nicht nur um den medizinischen Sachverstand, sondern auch um handfeste materielle Interessen geht. 206 Für den Fall, dass der Beschluss nicht innerhalb der vorgesehen Frist von der Schiedsstelle gefasst wird, hat der Gesetzgeber keinerlei Sanktionen vorgesehen. 4. Kompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses zum Ausschluss von Leistungen Die Entscheidungspraxis der bisherigen Bundesausschüsse hat in vielen Fällen zu einer Ausgrenzung von Leistungen geführt. Es fragt sich, ob die Bundesausschüsse dazu überhaupt befugt waren. Der Ausschluss von Leistungen stellt sich nicht nur als Einschränkung des Leistungsanspruchs des Versicherten, sondern gleichzeitig als Rationierungsmaßnahme dar. Jüngste Entscheidungen des Bundessozialgerichts machen zwar deutlich, dass der Bundesausschuss seine Entscheidungen an den Kriterien der Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit ausrichtete, zunehmend spielten aber auch wirtschaftliche Interessen dabei eine Rolle. Das BSG hat daher der Normsetzungsbefugnis des Bundesausschusses zur inhaltlichen Interpretation des Wirtschaftlichkeitsgebots Grenzen gesetzt. Mit Urteil vom 16.11.1999 207 hat das BSG den Ausschluss der Verordnungsfähigkeit medizinischer Fußpflege in den Heilmittel-Richtlinien als rechtswidrig angesehen, denn dies sei dem Gesetz- oder Verordnungsgeber vorbehalten.

204 § 91 Abs. 2 Satz 7 SGB V; § 17 der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses, BAnz. Nr. 67, 7246 vom 06.04.2004. 205 Vgl. Liebold/Raff/Raff/Wissing, BEMA-Z, I/30 135. 206 So auch Neumann, NZS 2001, 515, 518. 207 BSGE 85, 132.

IV. Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses

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Mit Urteil vom 30.11.1999 208 hat das BSG den Ausschluss von Mitteln zur Behandlung der erektilen Dysfunktion durch die Arzneimittel-Richtlinien als rechtswidrig angesehen, denn auch eine erektile Dysfunktion könne im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung eine behandlungsbedürftige Krankheit sein. Soweit die Arzneimittel-Richtlinien dem Anspruch auf Verordnung eines entsprechenden Arzneimittels pauschal entgegenstünden, seien sie unwirksam. Damit fällt die inhaltliche Interpretation des Krankheitsbegriffs als leistungsrechtliche Vorfrage zur Anwendung des Wirtschaftlichkeitsgebots nicht in die Entscheidungskompetenz des Bundesausschusses. 209 Mit Urteilen vom 03.04.2001 210 hat das BSG in drei Fällen die Nichtigkeit des Ausschlusses der intrazytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) bestätigt. Der Bundesausschuss habe mit seinem Beschluss seine Regelungskompetenz überschritten. Zwar habe der Bundesausschuss sich zu Recht mit den qualitativen Aspekten der ICSI befasst und über die Einbeziehung der Methode in der GKV entschieden. Der Beschluss des Bundesausschusses stehe jedoch im Widerspruch zu den in § 27 a SGB V zum Ausdruck gebrachten Wertungen des Gesetzgebers und sei jedenfalls aus diesem Grunde unwirksam. Ab dem Zeitpunkt des Ausschlusses der ICSI liege danach ein Mangel im gesetzlichen Leistungssystem vor, der den Versicherten zum Anspruch auf Kostenerstattung berechtige. Diese Entscheidungen belegen beispielhaft, dass die gesundheitspolitische Zielsetzung zunehmend unter den Druck der Verteilung mangelhafter Ressourcen gerät. Aus Gründen der Praktikabilität und eben nicht der Qualität und Wirtschaftlichkeit wurden Leistungen ausgeschlossen, die grundsätzlich als geeignetes Behandlungsmittel anzusehen sind, bei denen jedoch aus Sicht des Bundesausschusses das Wirtschaftlichkeitsgebot nicht handhabbar war. Jedenfalls machen die Entscheidungen deutlich, dass es nach Auffassung des BSG allein dem Gesetzgeber obliegen kann zu entscheiden, ob die Verordnung eines Arzneimittels deshalb zu untersagen ist, weil dessen Wirtschaftlichkeit nicht zu überprüfen ist. Leistungsausschlüsse können folglich nur dann wirksam vorgenommen werden, wenn eine ausreichende, spezielle Ermächtigungsgrundlage gegeben ist. Das BSG 211 führte hierzu aus, zwar ordne das Gesetz in § 34 SGB V die Leistungsausschlüsse bei Heilmitteln teilweise selbst an, teilweise ermächtige es das BMG, Heilmittel aus unterschiedlichen Gründen durch Rechtsverordnung von der Anwendung in der GKV auszuschließen. Daneben bestehe die allgemeine Ermächtigung des Bundesausschusses zum Erlass von Richtlinien über eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung mit Heilmitteln. 208 209 210 211

BSG, Breith. 2000, 251, vgl. aber LSG NRW, Breith. 2003, 485 (nicht rechtskräftig). Kass.-Komm-Hess, § 92, Rn 4a. BSGE 88, 51; BSGE 88, 62; vgl. auch BSG, Urteil vom 03.04.2001, B 1 KR 17/00 R. BSGE 85, 132.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Aus dem Gesamtzusammenhang der Vorschriften müsse jedoch gefolgert werden, dass die Zuständigkeit zur Anordnung von Leistungsausschlüssen allein dem Gesetz- und Verordnungsgeber vorbehalten sein solle. Ein gleichgerichtetes Tätigwerden des Bundesausschusses sei durch die speziellere und im Rang vorgehende Ermächtigung in § 34 SGB V a. F. ausgeschlossen. Würde man dieser Rechtsprechung folgen, wären die Handlungsoptionen des Bundesausschusses derart eingeschränkt werden, dass er jedenfalls für den Bereich der Arznei-, Heil- und Hilfsmittel keinerlei Leistungsausschlüsse hätte vornehmen dürfen. § 34 SGB V a. F. regelte nicht den Ausschluss von unwirtschaftlichen Heilmitteln. Insoweit konnte die vom BSG angenommene Konkurrenz zu § 92 SGB V nicht bestehen. Das BSG ließ ferner unberücksichtigt, dass § 135 SGB V dem Bundesausschuss durchaus die Befugnis einräumt, auch einzelne Leistungen von der Versorgung in der GKV auszuschließen. Unmittelbar folgt diese Befugnis aber auch bereits aus den § 92 i.V.m. § 12 SGB V, wonach Leistungen, die unwirtschaftlich sind, nicht erbracht werden dürfen. Insoweit waren die Entscheidungen des Bundesausschusses nach § 92 SGB V nicht durch § 34 SGB V a. F. ausgeschlossen. Letztere hatten jedoch Vorrang vor den Entscheidungen des Bundesausschusses. Für diese Auffassung spricht, dass der Gesetzgeber ansonsten das Rangverhältnis beider Vorschriften klarer hätte regeln müssen. Insgesamt war die Rechtsprechung zur Abgrenzung der Zuständigkeiten des Bundesausschusses und der gesetzlichen Ausschlusstatbestände in § 34 SGB V nicht durchdacht und erschwerte die Rechtssicherheit von Entscheidungen des Bundesausschusses. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber § 34 SGB V neu gefasst und bestimmt, dass nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel von der Versorgung nach § 31 SGB V ausgeschlossen sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V erstmals bis zum 31.03.2004 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei dieser Erkrankung mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Ferner sind ausgeschlossen Arzneimittel, bei denen die Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht, wie etwa solche, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung oder Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Züchtigung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Damit hat der Gesetzgeber auf die Kritik der Rechtsprechung des BSG 212 reagiert und in den Absätzen 3 und 4 klargestellt, dass

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die Regelungsbefugnis des Richtliniengebers ergänzend zu der des Verordnungsgebers hinzutritt: Solange und in dem Umfang, in dem der Verordnungsgeber nicht von seiner Regelungskompetenz zum Verordnungsausschluss von Arzneimitteln sowie Heil- und Hilfsmitteln Gebrauch macht, ist der Richtliniengeber zur Regelung bis hin zu Leistungsausschlüssen berechtigt. 213 Der Gesetzgeber hat jedoch wiederum auf eine notwendige Konkurrenzregelung verzichtet. Es bleibt weiterhin unklar, ob der Gesetzgeber eine konkurrierende – parallele oder subsidiäre – Regelungskompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses schaffen wollte. Somit besteht nach wie vor Rechtsunsicherheit beim Ausschluss von Leistungen durch den Richtliniengeber, da nicht klar ist, ob und wann der Verordnungsgeber von seiner Kompetenz Gebrauch macht. Ferner wird nicht deutlich, ob der Verordnungsgeber künftig auch die Einschränkungen durch die Richtlinien der des Gemeinsamen Bundesausschusses einbeziehen muss 214 oder ob er auch völlig andere Richtlinien erlassen kann, die denjenigen des Gemeinsamen Bundesausschusses sogar entgegenstehen könnten. Außerdem wäre in § 93 SGB V eine Regelung notwendig gewesen, wonach in der Übersicht auch Ausschlüsse in die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses aufzunehmen wären. Auch für andere in § 92 SGB V genannte Bereiche muss diese Vorgabe gelten, denn der Bundesausschuss wäre ansonsten nicht in der Lage, seine vom Gesetzgeber ausdrücklich gewollte Steuerungs- und Lenkungsfunktion wahrzunehmen. Allerdings ist diese Kompetenz in einigen Bereichen durchaus in Frage zu stellen. 5. Kompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Regelungen mit Auswirkungen auf die ärztliche Berufsfreiheit am Beispiel der Bedarfsplanung Als zweifelhaft wurde insbesondere die Kompetenz des Bundesausschusses im Hinblick auf die vertragsärztliche Bedarfsplanung gemäß §§ 99 ff. SGB V, insbesondere die Bedarfszulassung nach §§ 101 ff. SGB V gesehen. Der Gesetzgeber hat diese Bestimmungen mit dem GMG nur hinsichtlich des Gemeinsamen Bundesausschusses als Folgeänderung zur Änderung des § 91 SGB V neu gefasst. Dem Gemeinsamen Bundesausschuss kommt die Aufgabe zu, in Richtlinien Bestimmungen über einheitliche Verhältniszahlen für den allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad zu beschließen (§ 101 Satz 1 SGB V). Mit dem Be-

212 BSGE 85, 132 (medizinische Fußpflege); BSGE 85, 36 (SKAT); auch LSG Niedersachsen-Bremen, Breith. 2003, 769 zur Nichtigkeit der Arzneimittel-Richtlinien beim Ausschluss von „Life-Style-Arzneimitteln“ (Viagra). 213 BT-Drucks. 15/1525, S, 87. 214 So Jung, KrV/Juli 2003, 191, 193.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

griff der vertragsärztlichen Bedarfsplanung ist die Steuerung der Zulassung von Ärzten zur vertragsärztlichen Versorgung nach Bedarfsplanungsgesichtspunkten gemeint. Vertragsärztliche Bedarfsplanung ist damit ein Synonym für die rechtliche Regelung von Zulassungsbeschränkungen. 215 Die Bedarfsplanungsrichtlinien treffen Regelungen der Berufswahl. Damit regeln sie ebenso wie die Vorgaben in §§ 99 ff. SGB V den Zugang zum Beruf nach Maßgabe des Ärztebedarfs, also im Rahmen des vom BVerfG 216 entwickelten Stufenschemas auf der sog. dritten Stufe und stellen damit einen besonders schwerwiegenden Eingriff in das Grundrecht der beruflichen Betätigungsfreiheit des Art. 12 Abs. 1 GG dar. Es ist daher zu problematisieren, ob solche Regelungen nicht mindestens auf dem Niveau einer Rechtsverordnung – mit Einhaltung der Vorgaben des Art. 80 Abs. 1 Sätze 1 und 2 GG (Erlasszuständigkeit und Bestimmtheit) – getroffen werden müssten. 217 Zwar sind nach der Rechtsprechung des BVerfG im sog. Apothekenurteil 218 Eingriffe in die Berufswahlfreiheit nicht prinzipiell ausgeschlossen. Allerdings werden an die Zulässigkeit objektiver Berufszulassungsbeschränkungen hohe Anforderungen gestellt. Ein solcher Eingriff kann im allgemeinen nur zur Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlich schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut gerechtfertigt werden. 219 Insoweit ist also zu prüfen, ob ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut gefährdet ist, der Eingriff geeignet ist, die Gefahr für das Gemeinschaftsgut abzuwehren und ob gerade dieser Eingriff zum Schutz des überragenden Gemeinschaftsgutes zwingend geboten ist. 220 Nach dem Kassenarzt-Urteil 221 des BVerfG kommt es im Ergebnis darauf an, ob die Beschränkung der Berufsfreiheit übermäßig ist, weil sie zur Abwehr mit einiger Sicherheit voraussehbarer erheblicher Gefahren nicht notwendig ist. In der Rechtsprechung sowohl des BVerfG 222 als auch des BSG 223 ist anerkannt, dass die Finanzierbarkeit der gesetzlichen Krankenversicherung ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut darstellt. Entgegen der Begründung zum damaligen

215

Boecken, NZS 1999, 417. BVerfGE 7, 377, 405 ff.(Apothekenurteil); auch BVerfGE 13, 97, 104f.; 25, 1, 11f.; 46, 120, 138. 217 Clemens, MedR 1996, 432, 437; a. A. LSG Baden-Württemberg, MedR 1996, 380, 385. 218 BVerfGE 7, 377, 405f. 219 BVerfGE 7, 377, 408. 220 BVerfGE 7, 377, 409. 221 BVerfGE 11, 30, 45. 222 BVerfGE 68, 193, 218; 70, 1, 30; 77, 84, 106. 223 BSGE 82, 41. 216

IV. Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses

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Entwurf des Gesundheitsstrukturgesetzes 224 besteht jedoch der angenommene unmittelbare Zusammenhang zwischen der Entwicklung der Arztzahl bzw. der Zahl der Vertragsärzte und der finanziellen Belastung der gesetzlichen Krankenversicherung jedenfalls im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung nachweislich nicht. 225 Es bestehen daher insoweit erhebliche Zweifel an der These der Verfasser des Gesundheitsstrukturgesetzes, dass ohne eine wirksame Begrenzung der Arztzahlen eine Eindämmung des Ausgabenanstiegs und eine Stabilisierung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht möglich ist und dass insoweit die Einführung der Bedarfsplanung unabdingbar erforderlich sei. 226 Bisher hat der Gesetzgeber die notwendigen Vorarbeiten hierzu nicht geleistet. Die Regelungen zur Bedarfsplanung sind daher nicht – wie gesetzlich vorgesehen – zum 1.1.2003 umgesetzt worden. Der Gesetzgeber hat die Bestimmung des § 102 SGB V ebenfalls unverändert gelassen. Die Einführung der strikten Bedarfszulassung – so denn eine Umsetzung erfolgt – unterliegt nach alledem erheblichen Risiken. 227 Eine Reihe von Rechtsfragen wirft auch die Entsperrung von bislang überversorgten Planungsbezirken auf. 228 In der bisherigen Diskussion wurde in Frage gestellt, ob dem Bundesausschuss für den Erlass der Nr. 23 Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte (BPRL-Ä) mit der dort vorgesehenen „partiellen Aufhebung“ von Zulassungsbeschränkungen eine materielle Regelungskompetenz zukommt oder ob § 103 Abs. 3 SGB V sowie § 16b Abs. 3 Satz 2 Ärzte-ZV als höherrangiges Recht insoweit abschließend sind. Denn dort sind die Folgen des Entfallens der Voraussetzungen für die Anordnung von Zulassungsbeschränkungen abschließend festgelegt. Das BSG 229 hat dem Bundesausschuss diese Kompetenz zur Normkonkretisierung mit Hilfe der Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte zugesprochen. Nr. 23 BPRL-Ä sei daher eine legitime Umsetzung des gesetzlichen Normgebungsauftrages.

224

BT-Drucks. 12/3608, S. 97f. Sog. angebotsinduzierte Nachfrage, wonach Art und Menge der von den GKV-Versicherten nachgefragten ärztlichen Leistungen von den Vertragsärzten selber bestimmt und dabei in zunehmendem Maße auch zumindest unwirtschaftliche, wenn nicht sogar medizinisch nicht indizierte Leistungen erbracht würden; vgl. z. B. Begründung zu § 102 SGB V i. D. F. des GSG, BT-Drucks. 12/3608, 98; für den Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung dieser These widersprechend allerdings Muschallik, MedR 2003, 139; Tadsen, ZM 1997, 24; vgl aber BVerfG, MedR 2001, 639; allgemein zur angebotinduzierten Nachfrage Cassel/Wilke, Z. f. Gesundheitswiss. 2001, H. 4, 331 ff. 226 Boecken, NZS 1999, 417, 420; Hencke in: Peters, Krankenversicherung § 102, Rn 6; Hänlein, VSSR 1993, 169, 183; a. A. Zipperer NZS 1993, 53, 55f. 227 Zum Ganzen Igl, MedR 2000, 157, 162; kritisch auch Hänlein, Rechtsquellen, S. 482. 228 Bonvie, MedR 2002, 338, 343; Reiter, MedR 2001, 624, 625. 229 BSGE 82, 41. 225

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Diese Rechtsprechung ist in der Literatur 230 zu Recht kritisiert worden. Eine Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der Nr. 23 BPRL-Ä existiert nicht, denn weder in § 101 Abs. 1 SGB V noch in § 92 Abs. 1 Nr. 9 SGB V findet sich eine Andeutung, dass der Bundesausschuss in Richtlinien überhaupt darüber zu beschließen hat, welche Folgen mit der Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen einhergehen sollen. 231 Aus § 104 Abs. 2 SGB V wird deutlich, dass der Normgeber der Ärzte-ZV für den Erlass einer Nr. 23 BPRL-Ä entsprechenden Regelung zuständig gewesen wäre. Eine grundsätzlich andere Fallkonstruktion und daher nicht vergleichbar lag der Entscheidung des BSG 232 zur Frage der Kompetenz des Bundesausschusses bzgl. der abschließenden Festlegung von Planungsbereichen zugrunde. Nach § 101 Abs. 1 letzter Satz SGB V sollen die regionalen Planungsbereiche den Stadt- und Landkreisen entsprechen. Damit wird dem Bundesausschuss diesbezüglich eine ausdrückliche Richtlinienkompetenz nach den gesetzlichen Vorgaben zugebilligt. Die Aufhebung von Zulassungsbeschränkungen mit der Maßgabe, dass nur noch eine bestimmte Anzahl von Neuzulassungen zulässig ist, ist daher nicht von der Regelungskompetenz umfasst. 233 Der Gesetzgeber hat vielmehr eine Abgrenzung der Kompetenzen des Normgebers der Ärzte-ZV mit denjenigen des Bundesausschusses vorgenommen. In diesem Zusammenhang ist die weitere Rechtsprechung des BSG zum sog. Systemversagen des Bundesausschusses zu betrachten, die weitere Fragen aufwirft und ihre Aktualität auch nach dem GKV-Modernisierungsgesetz nicht verloren hat. 6. Systemversagen des Bundesausschusses und Übertragung auf den Gemeinsamen Bundesausschuss Das BSG hat erstmals in seinem Urteil vom 16.09.1997 234 den Begriff des „Systemmangels“ oder „Systemversagens“ eingeführt. Durch diese Entscheidung des 1. Senats wurde das Leistungsrecht gegenüber dem Leistungserbringungsrecht stark in den Hintergrund gedrängt. Diese Entwicklung war bereits durch die Entscheidung des 4. Senats 235 aus dem Jahre 1993

230

Z. B. Reiter, MedR 2001, 624, 626, der die Regelung in Nr. 23 BPRL-Ä in Ermangelung einer einschlägigen, hinreichend bestimmten normativen Ermächtigungsgrundlage für verfassungswidrig und damit ipso jure nichtig hält; Kass.-Komm.-Hess, § 103 SGB V, Rn 17; a. A. Kamps, MedR 2004, S. 42. 231 Näher dazu Reiter, MedR 2001, 624, 626. 232 BSG, MedR 2001, 265. 233 Reiter, MedR 2001, 624, 626. 234 BSG, SGb 1999, 30.

IV. Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses

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vorgegeben. Darin hatte das BSG die These vertreten, die Anspruchsnorm des § 27 SGB V enthalte nur Teilelemente einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage und ergebe daher nur einen Anspruch dem Grunde nach, „ein subjektiv – öffentlich – rechtliches Rahmenrecht“. Die Entscheidungen des 1. Senats zur immunbiologischen Therapie 236 und zur immunoaugmentativen Therapie 237 haben diese Auffassung weiter verfestigt. Nach Auffassung des Senats wird durch das Vertragsarztrecht der Umfang der den Versicherten von den Krankenkassen dem Grunde nach geschuldeten Leistungen festgelegt. Eine nicht in den NUB-Richtlinien empfohlene oder ausdrücklich ausgeschlossene Methode gehöre nicht zur Behandlung im Sinne des § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Diesen Vorrang der Entscheidung durch den Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen bei der Konkretisierung der Ansprüche der Versicherten im System der GKV konnte der Senat auf der Grundlage des § 2 Abs. 2 SGB V begründen. § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V beschränke den Anspruch des Versicherten auf solche Leistungen, über die nach dem Leistungserbringungsrecht Verträge abzuschließen sind. Aus der Konkordanz von § 2 Abs. 1 Satz 3 und § 70 Abs. 1 Satz 1 SGB V bei der Festlegung des Versorgungsniveaus auf den Stand der medizinischen Erkenntnisse und aus der Übereinstimmung des § 12 Abs. 1 Satz 1 mit § 70 Abs. 1 Satz 2 folge, dass die Leistungsansprüche der Versicherten durch das Leistungserbringungsrecht konkretisiert werden müssten. Mit diesen Entscheidungen hat das BSG seine frühere Rechtsprechung 238 gegen den Vorrang des Leistungserbringungsrechts ausdrücklich aufgegeben. Damit gewährt das Leistungsrecht selbst den Versicherten nur konkretisierungsbedürftige Rahmenrechte. Den Anspruchsnormen fehlt jedoch ein hinreichend dichtes Konditionalprogramm, so dass die Konkretisierung auf der ersten Stufe durch den Gemeinsamen Bundesausschuss, auf der zweiten Stufe durch den Vertragsarzt bzw. -zahnarzt im Rahmen seiner Therapiefreiheit erfolgt. 239 Es ergeben sich daraus unmittelbare Einschränkungen der Befugnisse zur Leistungserbringung und damit ein Einwirken auf die Diagnose und Therapiefreiheit

235

BSGE 73, 271, 280. BSGE 81, 54; zur Frage, ob die fehlende Anerkennung durch Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen möglicherweise auf einem Systemversagen beruht BVerfG, NZS 2004, 527. 237 BSGE 81, 73. 238 BSGE 63, 102; 70, 24. 239 Vgl. Biehl/Ortwein, SGb 1991, 529, 543. 236

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

des Vertragsarztes. 240 Soweit dieser Rahmen eingehalten ist, ergibt sich daraus auch eine Bindungswirkung der Krankenkassen an die fachliche Entscheidung des Vertragsarztes. a) Begrenzungen des Leistungsanspruchs der Versicherten unter dem Gesichtspunkt der Wirtschaftlichkeit: Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Einbruchstelle für die Annahme, das Leistungserbringungsrecht gestalte das Leistungsrecht unmittelbar aus, ist die Norm des § 135 Abs. 1 SGB V, die die Qualitätssicherung betrifft. 241 Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dürfen zu Lasten der Krankenkassen nur erbracht werden, wenn in den Richtlinien entsprechende Empfehlungen vorliegen (§ 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Diese unterliegen damit einer Art „Verbot mit Erlaubnisvorbehalt“. 242 Als „neue Methoden“ gelten nach den BUB-Richtlinien Leistungen, die noch nicht als abrechnungsfähige ärztliche Leistungen im EBM enthalten sind oder die als ärztliche Leistungen im EBM aufgeführt sind, deren Indikationen aber wesentliche Änderungen oder Erweiterungen erfahren. 243 Seine Ergebnisse veröffentlicht der Bundesausschuss bisher als Beschlüsse in zwei Anlagen, die den BUB-Richtlinien beigefügt sind. In der Anlage A waren die vom Bundesausschuss anerkannten Untersuchungs- und Behandlungsmethoden enthalten, in der Anlage B die Methoden, die nicht als vertragsärztliche Leistungen zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. 244 Aber auch die in der Anlage A anerkannten Methoden darf der Vertragsarzt nur dann bei der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen, wenn er über die in den Richtlinien festgelegte Qualifikation und apparative Ausstattung verfügt sowie die Aufzeichnungspflichten erfüllt hat. 245 Der Anspruch des Versicherten auf Behandlung mit einer bestimmten Methode ist in der Regel also davon abhängig, ob der erforderliche Antrag auf Anerkennung eines Therapieverfahrens gestellt wurde, ob der Bundesausschuss entschieden hat

240 Behnsen, KrV September 1999, S. 264, 265 folgert sogar, der Vertragsarzt könne ansonsten seine Aufgabe als Erfüllungsgehilfe der Krankenkasse gegenüber dem Versicherten nicht wirksam wahrnehmen. 241 Kritisch dazu Schneider, NZS 1997, 267, 269. 242 Herb, S. 213f.; Behnsen, KrV September 1999, 264, 265; vgl. auch BSG SozR 4-2500 § 135 Nr. 1. 243 Vgl. für die vertragsärztliche Versorgung BUB-Richtlinien vom 10.12.1999, BAnz. 2000, Nr. 5, 4602, geändert durch Bek. v. 11.12.2000, BAnz. 2001, Nr. 57, 4770. 244 Vgl. die NUB-Richtlinien Zahnärzte vom 10.12.1999 in der ab dem 01.03.2000 geltenden Fassung. 245 Wachendorf/Wachendorf , GesR 2003, 71, 72.

IV. Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses

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und wie diese Entscheidung ausgefallen ist. 246 Überspitzt betrachtet hängt also der Leistungsanspruch des Versicherten vom Fleiß des Bundesausschusses, jetzt des Gemeinsamen Bundesausschusses, und der Reihenfolge der Überprüfung einzelner Diagnose- und Therapieverfahren ab. Teilweise wird daher befürchtet, dass der medizinische Fortschritt nun einem behördlichen Zulassungsvorbehalt unterliege. Der Fortschritt in der Medizin dürfte sich dadurch verlangsamen. Schon heute entfalte § 135 SGB V eine dahingehende Wirkung. 247 Ein Anspruch des Versicherten auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V kommt für eine neue, noch nicht anerkannte Behandlungsmethode nur in Betracht, wenn die fehlende Anerkennung der neuen Methode wegen eines Systemversagens auf einem Mangel des gesetzlichen Leistungssystems beruht. Bei fehlender Entscheidung des Bundesausschusses ist nach der Rechtsprechung, die nunmehr auch hinsichtlich der Tätigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses zu beachten ist, die Anwendung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden aber grundsätzlich ausgeschlossen. 248 Nur in Ausnahmefällen, in denen es der Bundesausschuss in fehlerhafter Weise unterlassen hat, eine Entscheidung zu treffen, kann das Gericht die Sachentscheidung selbst treffen. Hierzu führt das BSG aus, die Vorschrift lasse für den Anspruch auf Kostenerstattung einer nicht anerkannten Außenseitermethode nur dann Raum, wenn ein Mangel des Beschaffungssystems bestehe, also das Anerkennungsverfahren nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. 249 Neben dem Schutz der Versichertengemeinschaft vor unwirtschaftlichen Behandlungsmethoden ist die deutliche Zielrichtung des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V nicht zu übersehen. In erster Linie geht es um den Schutz des Versicherten vor qualitativ nicht hinreichend gesicherten Methoden. Der Senat hat eine Hintertür zur Öffnung des System für die Fälle gefunden, in denen das Leistungserbringungsrecht seinem Konkretisierungsauftrag nicht gerecht wird.

246

Spoerr, NJW 1999, 1773, 1774; Gitter/Köhler-Fleischmann, SGb 1999, 1, 3. So z. B. Kern, GesR 2002, 5, 9; Wigge, MedR 2000, 574, 576f., 579f. 248 Vgl. zur Unzulässigkeit eines solchen Ausschlusses von Außenseitermethoden in der Privatversicherung BGH, NJW 1993, 2369. Einen Zusatztarif für gesetzlich Versicherte, der Außenseitermethoden abdeckt, gibt es jedoch nicht, vgl. Schulin, VSSR 1994, 357, 366. 249 Z. B. BSG, Urteil vom 08.02.2000, Az. B 1 KR 18/99 B; kritisch zu dieser Rechtsprechung Schwerdtfeger, NZS 1998, 49 ff; Neumann, SGb 1998, 609 ff; Großbölting/ Schnieder, MedR 1999, 405 ff; vgl. aber LSG Neubrandenburg, Urteil vom 15.05.2002, Az. L 4 KR 19/01. 247

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Ein Kostenerstattungsanspruch für noch nicht in das System der GKV einbezogene Behandlungen kommt danach dann in Betracht, wenn die Anerkennung der Behandlungsmethode trotz Erfüllung der notwendigen formalen und inhaltlichen Voraussetzungen nicht oder nicht zeitgerecht durchgeführt wurde. Bedingung ist hier die willkürlich oder durch sachfremde Erwägungen entstandene Blockade oder Verzögerung des Anerkennungsverfahren. Denn in einem solchen Fall diene der Erlaubnisvorbehalt des § 135 Abs. 1 SGB V nicht mehr der Qualitätssicherung und die daraus entstehende Versorgungslücke müsse zugunsten des Versicherten mit Hilfe des § 13 Abs. 3 SGB V geschlossen werden. 250 Zusätzlich erforderlich sei ein Wirksamkeitsnachweis, an den grundsätzlich hohe Anforderungen zu stellen seien. Das BSG nimmt also in diesen Fällen in Kauf, dass die Qualität der selbst beschafften Leistungen nicht die erforderlichen – vom Bundesausschuss bzw. jetzt dem Gemeinsamen Bundesausschuss festzulegenden – Struktur- und Prozessqualitätsanforderungen erfüllt und das Leistungsrecht und Leistungserbringungsrecht auseinander fallen. In der Remedacen-Entscheidung 251 hat der 1. Senat die Leistungspflicht der Krankenkassen davon abhängig gemacht, ob der Erfolg der Ersatzdroge in einer für die sichere Beurteilung ausreichenden Anzahl von Behandlungsfällen aufgrund wissenschaftlich einwandfrei geführter Statistik belegt werden kann. Dabei wird es jedoch nicht als Aufgabe der Gerichte erachtet, die medizinischwissenschaftliche Qualität der umstrittenen Methode zu prüfen. Das Gericht beschränkt sich vielmehr auf die Frage, ob die neue Methode in der Praxis von einer erheblichen Zahl von Ärzten angewandt wird und in der wissenschaftlichen Fachdiskussion entsprechend ihren Niederschlag gefunden hat. Ist dies der Fall, wird eine Verpflichtung zur Leistungserbringung bejaht. Damit soll gewährleistet werden, dass der Versicherte dann neue Behandlungsverfahren beanspruchen kann, soweit sie sich als zweckmäßig und wirtschaftlich erwiesen haben. 252 Diese Rechtsprechung wirft jedoch weiter die Frage auf, ob für den Fall der Befassung des Gemeinsamen Bundesausschusses mit der Materie deren inhaltliche Festlegung in Richtlinien überhaupt noch eine Rolle spielt. Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob der Gemeinsame Bundesausschuss – wie hinsichtlich der Richtlinien zur ICSI – seine Kompetenzen überschreitet, indem er etwa über

250 BSG, Urteil vom 03.04.2001, B 6 Ka 17/00 R, S. 12 des Urteilsumdrucks; BSGE 81, 54, 65f.; BSGE 86, 54, 60f.(Bestätigung von BSGE 82, 233); auch BSG, Breith. 2003, 551 (Bioresonanz-Therapie). 251 BSGE 76, 194, 199; vgl. auch BSG, GesR 2002, 35 zur grundsätzlichen Zulässigkeit des Off-Label-Use; dazu Anmerkung von Schroeder-Printzen/Tadayon, SGb 2002, 664; LSG Niedersachsen NZS 2003, 262; Schimmelpfeng-Schütte, MedR 2004, 655. 252 BSGE 81, 54, 70; kritisch dazu Schlenker, NZS 1998, 411, 415.

IV. Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses

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ethische Fragen entscheidet. Dies ist zu bejahen, denn hierzu hat er kein Mandat des Gesetzgebers. 253 Einwendungsmöglichkeiten der Versicherten bestehen dagegen jedenfalls nicht. 254 Es wurde insoweit bereits auf die fehlenden Mitentscheidungsrechte hingewiesen. 255 Versicherte können lediglich mit einem an den Gemeinsamen Bundesausschuss gerichteten Antrag bei längerfristiger Untätigkeit ein Systemversagen auslösen, 256 was jedoch höchst selten der Fall sein wird. Darüber hinaus können sie die Patientenbeauftragte gemäß § 140 h SGB V einschalten. Auch der Vertragsarzt hat keine Chance, eine Anerkennung aus eigenem Antragsrecht zu bewirken, 257 denn ein solches steht nur der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder einem Spitzenverband der Krankenkassen zu. Gleiches gilt für Arzneimittel- und Medizinproduktehersteller, die weder aus den Richtlinien selbst noch durch sie mittels gesetzlicher Geltungsanordnung berechtigt oder verpflichtet sind. 258 Auf diese Weise entgeht der Senat jedenfalls der Problematik der eigenständigen Beurteilung von Qualität und Wirksamkeit der streitigen Methode und dem Vergleich mit einer anerkannten Methode. Diese vom BSG angenommene Absolutheit der Aussagen des Bundesausschusses in seiner bisherigen Form wirft eine ganze Reihe weiterer Fragen auf, wie etwa, ob der Gemeinsame Bundesausschuss auch ein Systemversagen durch eine entsprechende Entscheidung vermeiden könnte, die von willkürlichen, sachfremden Erwägungen getragen ist oder das Beurteilungsmaterial nicht vollständig ermittelt wurde. Insofern müsste die Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses zumindest einer begrenzten inhaltlichen Überprüfung zugänglich sein. Dies könnte dadurch erreicht werden, dass der Gemeinsame Bundesausschuss verpflichtet würde, neben der Veröffentlichung der Beschlüsse auch eine Begründung zu veröffentlichen. Dies ist jedoch nach den gesetzlichen Bestimmungen weiterhin nicht vorgesehen. § 91 Abs. 3 SGB V bestimmt lediglich, dass der Gemeinsame Bundesausschuss evidenzbasierte Patienteninformationen, auch in allgemein verständlicher Form, zu Diagnostik und Therapie von Krankheiten mit erheblicher epidemiologischer Bedeutung abgibt. Eine Verpflichtung zur Veröffentlichung der Beschlüsse nebst Begründung besteht dagegen nicht. Allerdings bestimmt § 20 der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses, dass die beschlossenen Richtlinien im Bundesanzeiger und im Internet veröffentlicht werden,

253 254 255 256 257 258

So auch Castendiek, NZS 2001, 71, 80 zur Rechtslage bis 31.12.2003. So auch Schneider-Danwitz/Glaeske, MedR 1999, 164, 172. S. B. III. 1. BSGE 81, 54, 70 ff. Schimmelpfeng-Schütte, MedR 2002, 286, 290. Vgl. dazu Buchner, NZS 2002, 65 ff.

116

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

sofern das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung sie nicht beanstandet hat. Entscheidungen nach §§ 137 und 137 b SGB V und Patienteninformationen nach § 91 Abs. 3 SGB V sind in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Die Art der Veröffentlichung ist mit der Entscheidung festzulegen. Damit obliegt es weiterhin dem Gemeinsamen Bundesausschuss, in welcher Form er dieser Verpflichtung nachkommt. Für den Vertragsarzt stellt sich dieser Ausschluss von Leistungen als Eingriff in seine Therapiefreiheit dar. Zwar bleibt es ihm unbenommen zu versuchen, in Bezug auf derartige Leistungen einen privatärztlichen Vertrag abzuschließen. Die Versicherten werden jedoch in vielen Fällen aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus eine solche Möglichkeit ablehnen. Nicht jeder Versicherte wird möglicherweise sehr kostenintensive Maßnahmen vorfinanzieren können und die erforderlichen Vermögensdispositionen können so erheblich sein, dass der Vertragsarzt das Inkassorisiko scheuen könnte. 259 Der Vertragsarzt ist somit auf diejenigen neuen Leistungen beschränkt, die in den BUB-Richtlinien (NUB-Richtlinien) ausdrücklich anerkannt sind. 260 Anderenfalls trägt er das wirtschaftliche Risiko der rechtlichen Zulässigkeit einer Abweichung von den Richtlinien. 261 Nach der Rechtsprechung des BSG 262 dürfen die Richtlinien den Anspruch des Versicherten auf eine notwendige und zweckmäßige, wirtschaftliche, ärztliche Behandlung in den Grenzen des Wirtschaftlichkeitsgebots aber auch nicht einschränken. Sie müssen dem Selbstbestimmungsrecht des Patienten und der Therapiefreiheit des Arztes, soweit sie in höherrangigem Recht gewährleistet werden, Rechnung tragen. Nur in begründeten Fällen darf der Arzt daher von den Richtlinien des Bundesausschusses abweichen. 263 Der 6. Senat des BSG weicht damit ab von dem in der höchstrichterlichen Rechtsprechung immer wieder betonten Zurückhaltungsgebot der Gerichte bei der Kontrolle normsetzender Entscheidungen der gemeinsamen Selbstverwaltung. Bisher hat das BSG die Linie vertreten, es sei zu vermeiden, stellvertretend für Institutionen der gemeinsamen Selbstverwaltung, wie etwa dem Bundesausschuss oder dem Bewertungsausschuss Entscheidungen zu treffen. Die Gerichte seien auf die Prüfung beschränkt, ob die Richtlinien in einem rechtsstaatlichen Verfahren ordnungsgemäß zustande gekommen seien. Die Entscheidungen dieser

259

Neumann, NZS 2001, 515. Schimmelpfeng-Schütte, MedR 2002, 286, 289. 261 So schon Schulin, Öff.-Gesundh.-Wes. 50 (1988), 568, 571. 262 BSG SGb 1994, 527 (Amalgam); dazu Ebsen, SDSRV 38,(1994) 7, 19f.; BSGE 63, 163, 165; zu besonderen Therapiemethoden in der Rechtsprechung des BSG v. Wulffen, SGb 1996, 250. 263 Vgl. Grütters, S. 10. 260

IV. Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses

117

Ausschüsse unterlägen keiner darüber hinausgehenden Inhaltskontrolle durch die Gerichte. 264 Zur gerichtlichen Kontrolle der Entscheidungen des Bewertungsausschusses hält der Senat an seiner Rechtsprechung fest, wonach es nicht Aufgabe der Gerichte sei, mit punktuellen Entscheidungen zu einzelnen Gebührenpositionen in ein umfassendes, als ausgewogen zu unterstellendes Tarifgefüge einzugreifen und dadurch dessen Funktionsfähigkeit in Frage zu stellen. 265 Mit dieser gerichtlichen Zuerkennung einer Leistung aufgrund ihrer Durchsetzung in der medizinischen Praxis gibt der 6. Senat des BSG diese Linie auf und läßt entgegen § 135 SGB V andere Maßstäbe gelten, um den Versicherten zu einem Leistungsanspruch in Form eines Kostenerstattungsanspruchs nach § 13 Abs. 3 SGB V zu verhelfen. b) Grenzen exekutiver Rechtsetzung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss und Rückbesinnung auf den Vorrang des Gesetzes In vielen Entscheidungen des BSG war der Beurteilungsspielraum bzw. die Einschätzungsprärogative des Bundesausschusses Gegenstand der Prüfung. 266 Diese sollen zunächst dargestellt und anschließend im Lichte der neuen gesetzlichen Regelungen beleuchtet werden. Im Beschluss des 1. Senats vom 08.02.2000 267 wurde deutlich, dass eine inhaltliche Überprüfung der Ränder des Gestaltungsspielraumes des Bundesausschusses möglich ist, wenn das BSG ausführt, es sei eine unsachgemäße Behandlung durch den Ausschuss erfolgt, die das Systemversagen ausgelöst habe. 268 In der neueren Rechtsprechung gibt es Tendenzen für eine strengere Kontrolle des untergesetzlichen Vertragsarztrechts am Maßstab der parlamentsgesetzlichen Ermächtigungsnorm und des Leistungsrechts. So hat das BSG in mehreren Entscheidungen den Begriff der „Behandlungsmethode“ im Sinne von § 135 Abs. 1 SGB V definiert als eine auf einem bestimmten Konzept fußende Vorgehensweise bei der Behandlung einer Krankheit. Die Beschränkung auf „neue Methoden“ wird als Abgrenzung zu denjenigen Maßnahmen verstanden, deren Qualität auf Grund der tatsächlichen Anwendungen in der vertragsärztlichen Versorgung bereits feststeht oder unterstellt wird. 269 Dabei hat-

264

BSGE 81, 73, 85. Vgl. BSGE 79, 239. 266 Z. B. BSGE 78, 70, 76 f; BSGE 81, 73, 85; BSG, Breith. 2000, 251. 267 BSG, NJW 2001, 2822. 268 BSG, NZS 2001, 259; BSGE 82, 233, 237; BSGE 84, 247, 250. 269 BSGE 81, 54, 57; zu besonderen Therapiemethoden in der Rechtsprechung des BSG v. Wulffen, SGb 1996, 250. 265

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

te der Bundesausschuss entgegen einem verbreiteten Missverständnis nicht selbst über den diagnostischen oder therapeutischen Nutzen der Methode zu urteilen. Seine Aufgabe war es vielmehr, sich einen Überblick über die veröffentlichte Literatur und die Meinung der einschlägigen Fachkreise zu verschaffen und danach festzustellen, ob ein durch wissenschaftliche Studien hinreichend untermauerter Konsens über die Qualität und Wirksamkeit der Behandlungsweise bestand. Verweigerte er die Anerkennung, hat das zur Folge, dass die betreffende Therapie von den Krankenkassen als Sachleistung nicht gewährt werden durfte und zugleich Freistellungs- und Sachleistungsansprüche für den Fall ausgeschlossen waren, dass der Versicherte sich die Behandlung selbst beschafft. 270 In der Entscheidung des BSG vom 28.03.2000 271 wurde dargelegt, dass die Prüfung und Anerkennung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden nicht nur die ärztlichen Leistungen im engeren Sinne, sondern alle für die vertragsärztliche Versorgung relevanten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen, also auch die therapeutisch benötigten Arzneimittel einschließt. Die Ermächtigung des § 135 Abs. 1 SGB V diene allein der Qualitätssicherung und der Ausschluss ungeprüfter und nicht anerkannter Heilmethoden aus der vertragsärztlichen Versorgung könne nur durch diesen Zweck gerechtfertigt werden. Der Bundesausschuss könne daher weder eine Kompetenz für eugenische Entscheidungen noch für die Anordnung von Rationierungsmaßnahmen haben. 272 Der 8. Senat des BSG 273 sprach dem Bundesausschuss die Befugnis ab, Inhalt und Grenzen des Krankheitsbegriffs zu bestimmen und dadurch Leistungseingrenzungen vorzunehmen, die dem geltenden Recht unbekannt seien. Der 1. Senat des BSG 274 führte daran anknüpfend aus, dass der Erlaubnisvorbehalt in § 135 Abs. 1 SGB V sich auf neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden beziehe, nicht aber auf neuartige Krankheiten und auch nicht ohne Weiteres auf sämtliche Maßnahmen, die zur Erkennung oder Bekämpfung einer neuartigen Krankheit eingesetzt würden. Auch für den Bereich der Arzneimittel hat das BSG 275 diese Grundsätze für anwendbar erklärt: Der Bundesausschuss dürfe in den Arzneimittel-Richtlinien den Umfang und die Modalitäten der Versorgung mit verbindlicher Wirkung auch für die Versicherten regeln, nicht aber den Inhalt und die Grenzen des Arzneimittelbegriffs festlegen.

270 271 272 273 274 275

Vgl. BSG, Breith. 2003, 551. BSG, NZS 2001, 259, 260. BSG, NZS 2001, 259, 261. BSGE 85, 36, 45; BSGE 81, 240, 242. BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 22. Vgl. BSGE 81, 240, 242; BSGE 82, 233.

IV. Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses

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Darüber hinaus finden in der Rechtsprechung Differenzierungen zwischen den einzelnen Ermächtigungen statt. So führte der 8. Senat des BSG aus, dass die Ermächtigungsnorm des § 135 Abs. 1 SGB V dem Ausschuss bei den NUB-Richtlinien einen weitergehenden Gestaltungs- und Entscheidungsspielraum einräume als bei den ArzneimittelRichtlinien. 276 Für die Eingrenzung der Richtlinienkompetenz werden die Systematik des SGB V und damit auch seine Verordnungsermächtigung herangezogen und die Frage aufgeworfen, ob dem Ausschuss für Wirtschaftlichkeitsfragen nur ein stark eingeschränkter Entscheidungsspielraum zukomme, da bereits der Verordnungsgeber gemäß § 34 SGB V legitimiert sei, das Wirtschaftlichkeitsgebot umzusetzen. 277 In einer Entscheidung zur medizinischen Fußpflege hat das BSG 278 ausgeführt, der Bundesausschuss sei nicht zum Erlass von Verordnungsverboten bei Heilmitteln ermächtigt, da die Verordnungsermächtigung des § 34 Abs. 4 und 5 SGB V eine anderweitige und abschließende Regelung sei. Insoweit sind dem Bundesausschuss durch die Rechtsprechung des BSG klare Grenzen des Normsetzungsermessens aufgezeigt. Das SG Köln hat im einstweiligen Rechtsschutzverfahren dem Bundesausschuss vorgehalten, er habe mit dem Ausschluss der hyperbaren Sauerstofftherapie die „Grenzen seines Bewertungsraumes“ überschritten. 279 Insoweit ist zumindest die Tendenz in der Rechtsprechung zu begrüßen, wenn die vollständige Berücksichtigung der Entscheidungsgrundlagen des Bundesausschusses gerichtlich überprüft wird und die Ablehnung hinreichend plausibel dargelegt wird. 280 Der 1. Senat des BSG stellte insoweit zutreffend fest, dass die Krankenkassen und ihre Spitzenverbände nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung an die Richtlinien als untergesetzliche Rechtsnormen gebunden, die Verwerfungskompetenz aber allein den Gerichten vorbehalten sei. 281 Aufgabe der Rechtsprechung ist es also, darüber zu wachen, dass die ermächtigte Instanz sich innerhalb dieser gesetzlichen Umfriedung bewegt und nicht etwa ein neues

276

BSGE 81, 73, 85; BSGE 78, 70, 76f; BSG, MedR 1997, 224 ff. mit Anm. Wimmer. BSG, Breith. 2000, 251, 257; vgl. auch Schwerdtfeger, NZS 1998, 49, 52f; vgl. zur Abgrenzung von § 92 Abs. 7 Satz 1 Nr. 2 SGB V zu § 132a Abs. 1 Satz 4 Nr. 4 SGB V Plantholz, NZS 2001, 177 ff. 278 BSG SozR 3-2500 § 27 Nr. 12, S. 67 ff. 279 SG Köln, Beschluß vom 31.07.2000, S 19 KA 191/00 ER, S. 11 des Urteilsumdrucks; vgl. dazu auch Wigge, MedR 2000, 574, 580. 280 Wigge, NZS 2001, 578, 583. 281 BSG, NZS 2001, 259, 261. 277

120

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Recht schafft, sondern das vorhandene Gesetzesrecht lediglich verdeutlicht und konkretisiert. 282 7. Eigene Wertung und Ergebnis Der Gesetzgeber hat dem Bundesausschuss eng begrenzte Sachverhalte zur Regelung überlassen, dabei aber gerade nicht an die vorkonstitutionelle Kompetenz des Reichsausschusses anknüpfen wollen. Sowohl mit dem 2. GKV-NOG als auch dem Gesundheitsreformgesetz 2000 hat er dem Bundesausschuss weitere Aufgaben übertragen. Die Entscheidungspraxis der Bundesausschüsse führt aufgrund der Begrenzung der finanziellen Ressourcen in vielen Fällen zu einer Ausgrenzung von Leistungen. Leistungsausschlüsse können jedoch nicht nur dann wirksam vorgenommen werden, wenn eine ausreichende spezielle Ermächtigungsgrundlage gegeben ist. Dies belegen § 34 SGB V und § 135 SGB V sowie § 92 i. V. m. § 12 SGB V, wonach Leistungen, die unwirtschaftlich sind, nicht erbracht werden dürfen. Problematisch erscheinen Regelungen in Richtlinien der Bundesausschüsse, die Auswirkungen auf die ärztliche Berufsfreiheit haben. Im Rahmen des GKV-Modernisierungsgesetzes hat der Gesetzgeber dem Gemeinsamen Bundesausschuss neue Kompetenzen übertragen und die Rechtsgrundlagen neu gefasst. Die Aufgaben und Kompetenzen der bisherigen vier Ausschüsse sind auf den Gemeinsamen Bundesausschuss übergegangen. 283 Dem Gemeinsamen Bundesausschuss sind weitere Aufgaben übertragen worden, wie etwa der Erlass einer Geschäftsordnung und einer Verfahrensordnung und die Beschlussfassung über evidenzbasierte Patienteninformationen zur Diagnostik und Therapie von Krankheiten mit erheblicher epidemiologischer Bedeutung 284 sowie die Verfolgung von Anträgen der Behinderten-, Patienten- und Selbsthilfeorganisationen zu den Beschlüssen. 285 Darüber hinaus obliegt ihm die Gründung eines Instituts für Wirtschaftlichkeit und Qualität im Gesundheitswesen 286 und die Erteilung von Aufträgen an dieses Institut. 287 Ausdrücklich ermächtigt ist der Gemeinsame Bundesausschuss nun auch, Leistungseinschränkungen vorzunehmen. 288

282 283 284 285 286 287 288

Schnapp, SGb 1999, 62, 65. S. B. I. § 91 Abs. 3 SGB V. § 91 Abs. 4 bis 7 SGB V. § 139 a SGB V. § 139 b SGB V. §§ 60 Abs. 1 Satz 3, 34 Abs. 1 SGB V.

IV. Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses

121

Diese Klarstellung des Gesetzgebers war notwendig, da vor allem die Bindungswirkung der Richtlinien gegenüber drittbetroffenen Leistungserbringern und Versicherten zweifelhaft war. In den §§ 31 Abs. 1 Satz 1, 32 Abs. 1 Satz 2, 33 Abs. 1 Satz 2 und 34 Abs. 3 und Abs. 4 SGB V ist dieser Gedanke für die Bereiche der Arzneimittel sowie der Heil- und Hilfsmittel nochmals näher ausgestaltet worden. Der Gesetzgeber hat dabei jedoch den Weg gewählt, den Ausschluss von Leistungen ausdrücklich auf den Gemeinsamen Bundesausschuss zu übertragen, ohne aber zu präzisieren, in welchen Fällen der Gemeinsame Bundesausschuss diese Kompetenz ausüben kann. Hierzu heißt es lediglich im Gesetz, dass er die Erbringung und Verordnung von Leistungen oder Maßnahmen einschränken oder ausschließen kann, wenn nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse der diagnostische oder therapeutische Nutzen, die medizinische Notwendigkeit oder die Wirtschaftlichkeit nicht nachgewiesen sind. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist davon auszugehen, dass der Gemeinsame Bundesausschuss damit eine Kompetenzausweitung erfahren hat. Diese gilt jedoch nur solange und in dem Umfang, in dem der Verordnungsgeber nicht von seiner Regelungsbefugnis Gebrauch macht. Letztlich gestattet diese Lösung dem Verordnungsgeber die Möglichkeit, ihm nicht genehme Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses per Verordnung zu „kassieren“. Nimmt der Gemeinsame Bundesausschuss seine Aufgaben nicht fristgerecht war, kann der Verordnungsgeber darauf reagieren und damit unmittelbar in die Selbstverwaltungsangelegenheiten eingreifen. Unverständlich ist ferner in diesem Zusammenhang die Regelung in § 31 Abs. 1 Satz 4 SGB V, wonach der Vertragsarzt Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen darf. Die Regelung stellt nicht nur einen Widerspruch zu der in § 92 Abs. 1 SGB V bestimmten Kompetenz zum Leistungsausschluss, sondern auch zur Bindungswirkung der Richtlinien in § 91 Abs. 9 SGB V dar. Damit werden die Kompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses entwertet. Zwar soll die Ausnahmeregelung nicht für solche Arzneimittel gelten, deren Ausschluss in den Arzneimittel-Richtlinien einer gesetzlichen Vorgabe nach § 34 Abs. 1 Satz 3 SGB V folgt. 289 Dennoch ist die Regelung inkonsequent und ihre Beschränkung allein auf den Bereich der Arzneimittel nicht nachvollziehbar. Ferner führt die Rechtsprechung des BSG zum sog. Systemversagen zu einer nicht kontrollierbaren Öffnung des Systems in den Fällen, in denen das Leistungserbringungsrecht seinem Konkretisierungsauftrag nicht gerecht wird. Inwieweit der Gesetzgeber die Verbindlichkeit der Richtlinien jeweils konkret bestimmt hat, ist Gegenstand der nachfolgenden Erörterung. Dabei soll die grund289

Vgl. Begründung zu § 31, BT-Drucks. 15/1525, S. 84.

122

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

sätzliche Problematik eines Numerus clausus der Rechtsquellen nur kurz angerissen werden. Diesbezüglich neigt die Rechtsinterpretation durch die Rechtsprechung entweder zum Verdikt der Unverbindlichkeit 290 oder sie geht im Gegenteil sogar von einer Gleichordnung mit klassischen Rechtsquellen aus. 291

V. Rechtsnatur und Verbindlichkeit der Richtlinien Zunächst ist die Frage zu stellen, ob und inwieweit die Richtlinien auch in die Rechtspositionen von Personen, die nicht im Gemeinsamen Bundesausschuss vertreten sind, eingreifen, 292 inwieweit die Richtlinien also Grundrechtsrelevanz besitzen. Bereits bisher wurde die Auffassung vertreten, die Richtlinien entfalteten ihre normative Wirkung nicht nur gegenüber den Partnern der Bundesmantelverträge, sondern auch gegenüber den Versicherten, da § 92 Abs. 1 Satz 1 SGB V und die leistungsrechtliche Vorschrift des § 12 Abs. 1 SGB V in einem unmittelbaren Zusammenhang stünden. 293 Die wesentliche Aufgabe der Richtlinien ist die Konkretisierung des Leistungsanspruchs der Versicherten und der Leistungsverpflichtung der Vertragsärzte. Damit regeln die Richtlinien die Rechtspositionen der in der gemeinsamen Selbstverwaltung zusammengeschlossenen Personen und Institutionen (Versicherte, Vertragsärzte und Krankenkassen). Die Rechtsnatur der Richtlinien in der kassenärztlichen Versorgung war lange Zeit umstritten. Auch heute dauern die Diskussionen darüber weiter an. Unter Hinweis auf die Formulierung in § 368p Abs. 3 RVO a. F., wonach die Richtlinien „beachtet werden sollen“, wurde den Richtlinien des Bundesausschusses der Rechtsnormcharakter abgesprochen. 294 Ein Großteil der Literatur 295 hatte den Richtlinien die Rechtsnatur von „Empfehlungen“, „Orientierungshilfen“ etc. zugesprochen.

290

So das BVerfG zu den anwaltliches Standesrichtlinien in BVerfGE 76, 171, 187f.; 82, 18 ff. 291 So das BSG in seiner Methadon-Entscheidung BSGE 78, 70. 292 Vgl. Ossenbühl, NZS 1997, 497 ff. 293 BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 6, S. 29f.; Baader, JZ 1990, 409; Ebsen, VSSR 1990, 57; Papier, VSSR 1990, 123; Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band I § 7 Rn 158; Tempel-Kromminga, S. 48 ff; Kass.Komm.-Hess § 92 Rn 4. 294 Vgl. Bredehorn, S. 2 m. w. N. 295 Hiller, S. 43 m. w. N.

V. Rechtsnatur und Verbindlichkeit der Richtlinien

123

Vor Inkrafttreten des GSG 296 hat die Rechtsprechung des BSG 297 die Richtlinien als Erfahrungssätze eingeordnet, die unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse generalisierende Aussagen über Effektivität und Effizienz einzelner Untersuchungs- und Behandlungsmethoden treffen und den Arzt binden, es sei denn, er kann im Einzelfall nachweisen, dass der den Richtlinien zugrunde liegende Erfahrungssatz nicht dem gegenwärtigen Erkenntnisstand entspricht. Im Gesetz ist die Verbindlichkeit der Richtlinien an verschiedenen Stellen geregelt. Nach der Neufassung des § 91 Abs. 9 SGB V durch das GMG 298 sind die Beschlüsse des Gemeinsamen Bundesausschusses mit Ausnahme der Beschlüsse nach § 137 b SGB V und zu Empfehlungen nach § 137 f SGB V für die Versicherten, die Krankenkassen und für die an der ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmenden Leistungserbringer und die zugelassenen Krankenhäuser verbindlich. Gemäß § 92 Abs. 8 SGB V sind die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses „Bestandteil der Bundesmantelverträge“. Vor Inkrafttreten des GSG erfolgte lediglich ein Hinweis auf die Verbindlichkeit der Richtlinien für die vertragsärztliche Versorgung. Der Inhalt der Bundesmantelverträge einschließlich der vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Richtlinien ist gemäß § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB V „Bestandteil der Gesamtverträge“. Diese wiederum werden zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen sowie den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen „mit Wirkung für die beteiligten Krankenkassen geschlossen“ (§ 83 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Im Verhältnis zu den Krankenkassen sind die Richtlinien nach allgemeiner Ansicht bindendes Recht. 299 Die Verbindlichkeit der Gesamtverträge für den einzelnen Vertragsarzt ergibt sich aus § 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V. Zudem müssen die Satzungen der Kassenärztlichen Vereinigungen Bestimmungen enthalten, nach denen die von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen abzuschließenden Verträge und Richtlinien gemäß § 92 SGB V für die Kassenärztlichen Vereinigungen und ihre Mitglieder verbindlich sind (§ 81 Abs. 3 Nr. 1 und 2 SGB V). 300 Inso-

296

BGBl. I, 2266; im Wesentlichen in Kraft getreten am 01.01.1993. BSGE 63, 163. 298 BGBl. I, 2190; in Kraft getreten am 01.01.2004. 299 BSGE 29, 254; Schimmelpfeng-Schütte in: Schnapp, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 6 Rn 49. 300 Sog. dynamische Verweisung; zum alten Recht noch Hill, NJW 1982, 2104, dazu Schnapp, MedR 1996, 418, 423 und in SGb 1999, 62, 64, der von der „Zulassung“, „Vertrags-„ und „Satzungsschiene“ spricht; Heinze, SGb 1990, 173 ff. 297

124

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

weit wird also die Verbindlichkeit im Gesetz nunmehr für Krankenkassen und Leistungserbringer „doppelt“ angeordnet. Als Teil des Bundesmantelvertrages erlangen die Richtlinien nach der neueren Rechtsprechung des BSG dieselbe Rechtsnormqualität wie der Bundesmantelvertrag. 301 Mit dieser Entscheidung qualifiziert das Gericht die Richtlinien aber als autonomes, von der gemeinsamen Selbstverwaltung gesetztes Recht mit Außenwirkung, das den Vertragsarzt wie den Versicherten rechtlich binde. 302 Daran knüpft der 1. Senat des BSG 303 an und entwickelte diese Auffassung weiter, indem er die Begründung der Außenwirkung auf ein neues Fundament stellte, die auf Effizienz und Notwendigkeit des Regelungssystems sowie auf vorkonstitutionelles Herkommen setzt. 304 Bis zu Entscheidung des 6. Senats vom 28.06.2000 305 vertrat das BSG die Auffassung, Rechte sonstiger Leistungserbringer seien nicht berührt, da die Richtlinien nicht in grundrechtlich geschützte Sphären der Leistungsanbieter, die nicht Adressaten der Richtlinien seien, eingreifen würden. 306 Diese Rechtsprechung des BSG hat sich wie nachfolgend dargestellt entwickelt. 1. Die ältere Auffassung des BSG Das BSG hatte zunächst unmissverständlich den Standpunkt vertreten, dass den Richtlinien zur Sicherung der kassenärztlichen Versorgung „keine normative Bedeutung“ zukomme 307 und sie „aus sich heraus“ insbesondere kein autonomes Recht der gemeinsamen Selbstverwaltung von Kassenärzten und Krankenkassen darstellen. Die Richtlinien seien von den durch die Gesamtverträge erfassten Beteiligten – den Kassenärzten und Krankenkassen – mit dem für jede gesetzesnachrangige Norm geltenden Vorbehalt insoweit zu beachten, als sie nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstoßen. 308 Sie bedürften zur Erlangung von Verbindlichkeit eines recht setzenden Aktes von dritter Seite, wofür in der RVO zwei unterschiedliche Wege 309 gewiesen wurden. Nach der erstgenannten Vorschrift

301

BSGE 78, 70, mit kritischer Anmerkung von Wimmer, MedR 1997, 225. BSGE 78, 70, 76f. 303 BSGE 81, 54. 304 Kritisch zu dieser Entscheidung Francke, SGb 1999, 5, 7 ff.; zustimmend dagegen Noftz, VSSR 1997, 393; Preißler, MedR 1991, 119. 305 BSGE 86, 223 (Diätassistenten-Entscheidung); vgl. dazu Besprechungsaufsatz von Wigge, NZS 2001, 578. 306 Position auch des BMG, vgl. Forum für Gesellschaftspolitik vom 10.4.2000 unter Hinweis auf LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17.3.1999, L 11 B 45/98 KA und insbesondere BSGE 67, 251 ff, die das BSG in BSGE 86, 223, 228 aufgegeben hat; vgl. auch BSG USK 90107. 307 BSGE 35, 10, 14. 308 BSGE 38, 35, 38. 302

V. Rechtsnatur und Verbindlichkeit der Richtlinien

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hatten die KVen in ihren Satzungen die Bestimmung aufzunehmen, dass die Richtlinien von den Mitgliedern „beachtet werden sollen“. Über diese Einbeziehung der Richtlinien in das Satzungsrecht der KVen hinaus hatten die Parteien des BMV-Ä in dessen § 28 festgelegt, dass die Richtlinien „zu beachten“ sind. 310 Bei dieser, durch § 368 g Abs. 1 RVO gedeckten Regelung war klar, dass der Inhalt der Richtlinien für die Mitglieder der den Mantelvertrag schließenden Parteien voll verbindlich war. 311 Das gleiche galt für die kassenzahnärztliche Versorgung. 312 In dieser Entscheidung des BSG ist den Richtlinien nach § 368 p Abs. 1 RVO Verbindlichkeit gleichfalls nur im Hinblick auf die Regelung in § 28 BMV-Ä zugesprochen und hervorgehoben worden, dass die Bindungswirkung auf die von den Gesamtverträgen erfassten Beteiligten, d. h. auf die Kassen(zahn)ärzte und Krankenkassen beschränkt und mit dem für jede gesetzesnachrangige Norm geltenden Vorbehalt insoweit zu beachten sei, als sie nicht gegen zwingendes Gesetzesrecht verstößt. 313 Der 6. Senat hat noch im Urteil vom 05.05.1988 314 ausgesprochen, dass etwa die Arzneimittel-Richtlinien unmittelbar nur für die KVen sowie die Verbände der Krankenkassen verbindlich seien und ausdrücklich offen gelassen, ob die weitergehende Auffassung des 3. Senats, 315 wonach die Bindungswirkung auch Kassenärzte und Krankenkassen erfasst, „aufrecht zu erhalten“ sei. Seit der Entscheidung des BSG vom 23.03.1988 316 fand sich in Urteilen des BSG, die ebenfalls zu den vom Bundesausschuss für Ärzte und Krankenkassen erlassenen ArzneimittelRichtlinien ergangen sind, die Formulierung, dass diese Richtlinien die Grundsätze des Leistungs- sowie des Leistungserbringungsrechts konkretisieren sollten bzw. der Konkretisierung des Wirtschaftlichkeitsgebotes zu dienen hätten. 317 Die Rechtsnatur der konkretisierenden Regelungen blieb dabei unausgesprochen oder wurde mehrdeutig durch den Begriff der „Durchführungsbestimmung“ gekennzeichnet.

309 310 311 312 313 314 315 316 317

§§ 368 p Abs. 3 und 368 g RVO. Vgl. auch BSGE 52, 70, 73. BSGE 52, 70, 73. Vgl. § 368 Abs. 1 Satz 4 RVO sowie § 14 Abs. 1 BMV-Z. BSGE 38, 35, 38. BSGE 63, 163, 165. BSGE 52, 70, 73. BSGE 63, 102, 105. Vgl. BSGE 63, 163, 166; 65, 154, 155.

126

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

2. Die neuere Auffassung des BSG Mit Urteil vom 24.01.1990, 318 welches wiederum die Arzneimittel-Richtlinien betraf, hat das BSG seine frühere Position aufgegeben und ausgesprochen, dass den Bundesausschüssen der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen durch die Richtlinienermächtigung in § 368 p Abs. 1 RVO, seit dem 01.01.1989 in § 92 SGB V, die Befugnis übertragen worden sei, gesetzliche Begriffe durch normkonkretisierende Rechtsvorschriften inhaltlich näher zu bestimmen. Der 6. Senat des BSG hat sich dem mit Urteil vom 10.05.1990 319 angeschlossen, die normative Wirkung der in seinem Fall streitigen Vorschrift allerdings verneint, weil sie inhaltlich über die Konkretisierung des Zweckmäßigkeitsbegriffs hinausgehe. In der Entscheidung vom 01.10.1990, 320 die noch von den Vorschriften der RVO in ihrer bis zum 31.12.1988 geltenden Fassung ausgeht, hat sich das BSG eingehend mit der Gesamtproblematik befasst. Insbesondere werden die Anforderungen entwickelt, die an die Ermächtigung des Gesetzgebers an den Bundesausschuss der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen als Sekundärnormgeber gestellt werden müssen. Neben der lediglich konkretisierenden Ausfüllung eines Ermächtigungsrahmens wird die Regelung nur untergeordneter Bereiche für zulässig erachtet. Der 6. Senat geht davon aus, dass dem Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen als Organ der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Bundesverbände der Krankenkassen und der Bundesknappschaft allein aufgrund ihrer Funktion innerhalb der Selbstverwaltung eine eigenverantwortliche Normsetzungsbefugnis zustehen könne und spricht in diesem Zusammenhang von „autonomer Satzung“. 321 Ausgeschlossen wird, dass Satzungsgewalt – wie etwa bei Gemeindeverbänden 322 – unabhängig von gesetzlichen Ermächtigungen übertragen worden ist. Dementsprechend ist z. B. vom LSG Nordrhein-Westfalen 323 ausgeführt worden, die Richtlinien des Bundesausschusses dienten der Konkretisierung des Auftrages der Krankenkassen, dem Versicherten die Leistungen des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung zur Verfügung zu stellen und dabei insbesondere der Frage, welche Wirtschaftsgüter in diesem Rahmen beschafft werden müssten oder dürften. Diesen Auftrag zur Konkretisierung habe der Gesetzgeber in § 92 SGB V dem Bundesausschuss übertragen, der seinerseits die ihm erforderlich erscheinenden Richtlinien zu erlassen habe. Die Richtlinien stünden insofern unter dem Vorbehalt des Gesetzes, als sie den Anspruch des Versicherten auf ausreichende und zweckmäßige Versorgung nicht verkürzen und die Thera318 319 320 321 322 323

BSGE 66, 163, 164. BSGE 67, 36, 37. BSGE 67, 256. BSGE 67, 256, 263. Art. 28 GG. LSG NRW, NZS 1994, 267.

V. Rechtsnatur und Verbindlichkeit der Richtlinien

127

piefreiheit des Arztes nicht unangemessen beeinträchtigen dürften. Das Netzwerk der Richtlinien diene somit der Gewährleistung einer qualitätsorientierten, ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten, ohne dass sich daraus ein konkreter Anspruch eines Leistungsträgers auf Aufnahme seiner Leistungen in die Richtlinien herleiten lasse. Seine bisherige Rechtsprechung, wonach den Richtlinien als solchen keine normative Wirkung zukomme, hat das BSG zwischenzeitlich aber mit bereits erwähntem Urteil vom 20.03.1996 324 ausdrücklich aufgegeben. Es hat dies im Wesentlichen damit begründet, es seien zwischenzeitlich weitgehende Änderungen der einschlägigen Rechtsgrundlagen im SGB V erfolgt. Nunmehr seien die Richtlinien nämlich unmittelbar in den Bundesmantelvertrag und die Gesamtverträge integriert. So bestimme zunächst § 92 Abs. 7 SGB V, 325 dass die Richtlinien des Bundesausschusses Bestandteil der Bundesmantelverträge seien. Nach § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB V sei der Inhalt der Bundesmantelverträge – damit auch die Richtlinien – Bestandteil der Gesamtverträge. Diese zwischen den KÄVen und den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen zu vereinbarenden Gesamtverträge würden nicht nur mit Wirkung für die beteiligten Krankenkassen geschlossen. 326 Die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung – mithin die Gesamtverträge – seien nach § 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V auch für den einzelnen Vertragsarzt verbindlich. Zusätzlich werde die Verbindlichkeit der Richtlinien für die Vertragsärzte durch § 81 Abs. 3 Nr. 1 SGB V abgesichert. Nach der genannten Vorschrift müsse die Satzung der KÄV Bestimmungen enthalten, nach denen die Richtlinien u.a. nach § 92 SGB V – die Richtlinien des Bundesausschusses also – für die KÄVen und ihre Mitglieder, die Vertragsärzte, verbindlich seien. Durch die Einbeziehung der Richtlinien in den Bundesmantelvertrag und in die Gesamtverträge komme ihnen die gleiche rechtliche Wirkung wie den normativen Teilen der vertragsärztlichen Kollektivverträge zu, deren Rechtsnormqualität unbestritten ist. 327 Wie diese begründeten sie unmittelbar Rechte und Pflichten der Vertragsunterworfenen, setzen also außenwirksames Recht. Nach geltendem Recht ist daher die Rechtsnormqualität der Richtlinien zu bejahen. Die entsprechende Ermächtigung der Bundesausschüsse zur konkretisierenden Normsetzung mit Bindungswirkung auch gegenüber dem Versicherten sei auch mit dem Grundgesetz, insbesondere dem Grundsatz einer ausreichenden Ermächtigung zur Normsetzung gem. Art. 80 GG vereinbar. Die Bundesausschüsse seien

324 325 326 327

BSG SozR 3-2500 § 92 Nr. 6. Jetzt in § 92 Abs. 8 SGB V. § 83 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Hierzu z. B. BSGE 71, 42, 48.

128

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

insofern als Anstalten als Zusammenfassung gesellschaftlicher Gruppen zur Erledigung öffentlicher Aufgaben zu qualifizieren, denen zulässigerweise Rechtsetzungsautonomie verliehen werden könne. Dies sei auch sachgemäß, weil innerhalb dieses Gremiums der gemeinsamen Selbstverwaltung ein Interessenausgleich erfolge und eine wesentlich schnellere Anpassung an den medizinischen Fortschritt erfolgen könne, als dies in einem parlamentarischen Verfahren möglich sei. Aus den Bestimmungen des SGB V zum Regelungsauftrag und zum Verfahren der Bundesausschüsse ergebe sich auch ein ausreichend dichtes Normprogramm des Gesetzgebers, welches die gesetzgeberischen Vorgaben für den Umfang ärztlicher Behandlung und die Einbeziehung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden in die gesetzliche Krankenversicherung so präzise wie möglich beschreibe. Unter Berücksichtigung des medizinischen Fortschritts sei danach eine Behandlung auch im Rahmen der GKV anzubieten, wenn ihre Qualität und Wirksamkeit nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse gesichert sei, sofern das Behandlungsziel nicht auf wirtschaftlichere Weise erreicht werden könne. 328 Damit sei zugleich auch den Erfordernissen des Wesentlichkeitsprinzips, wonach der Gesetzgeber alle wesentlichen, insbesondere grundrechtsrelevanten Entscheidungen selbst zu treffen habe, ausreichend Rechnung getragen. Einem entsprechenden Vorgehen des Gesetzgebers stünden zudem auch Grundrechte der betroffenen Leistungsträger und Versicherten nicht entgegen. Vor diesem Hintergrund wurden auch die konkreten Bestimmungen der vorliegenden in Streit stehenden Methadon-Richtlinien als im Wesentlichen wirksam erachtet. In der Diätassistenten-Entscheidung hat der 6. Senat seine frühere Rechtsprechung, 329 wonach von den Richtlinien auf externe Leistungserbringer immer nur Reflexwirkungen ausgehen, aufgegeben und hat hier angesichts der Besonderheiten des Sachverhalts eine objektiv berufsregelnde Tendenz der Richtlinien bejaht. Damit war die Beschränkung der Antragsbefugnis in den Heil- und Hilfsmittelrichtlinien auf die Kassenärztliche Bundesvereinigung, eine Kassenärztliche Vereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen hinsichtlich der Aufnahme neuer Heilmittel unter dem Blickwinkel des Grundrechts der Klägerin in diesem Verfahren aus Art. 12 Abs. 1 GG unvereinbar. In seinem Urteil vom 11.09.2002 330 bestätigt der 6. Senat dies noch einmal und führt zusammenfassend aus, durch Richtlinien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen so-

328

BSGE 78, 70, 83. BSGE 67, 251 ff.; BSG USK 90107; ebenso LSG NRW, NZS 2000, 245 ff. (Stoßwellentherapie); BVerfG, SGb 1993, 118; Hauck/Haines-Vahldiek, K § 92, RN 14; Kass.Komm.-Hess, § 92, RN 16a; kritisch dazu Sodan, SGb 1992, 200, 201 ff.; Ebsen, SDSRV 38 (1994), 7, 18; Schwerdtfeger, SDSRV 38 (1994), 27, 32f.; Plantholz, SGb 1997, 549, 550f. 330 BSG, GesR 2003, 115. 329

V. Rechtsnatur und Verbindlichkeit der Richtlinien

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wie andere normative Regelungen auf der Grundlage von Vorschriften des SGB V könne immer dann in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG von nicht in das vertragsärztliche Versorgungssystem eingebundenen Leistungserbringern eingegriffen werden, wenn diese tatsächlich daran gehindert würden, ihre Produkte bzw. Dienstleistungen Versicherten der Krankenkassen zugute kommen zu lassen und damit – abgesehen von der Möglichkeit der Selbstzahlung – von der Gesundheitsversorgung von nahezu 90% der Bevölkerung in der Bundesrepublik Deutschland ausgeschlossen seien. Diese Auffassung hat zwar zur Folge, dass im Ergebnis Leistungsrecht und Leistungserbringungsrecht deckungsgleich sind. 331 Der Versicherte wird nur noch in engeren Grenzen als bisher von den Kassen Leistungen verlangen können, die nicht schon besonders geregelt sind. 332 Unabhängig davon, bei welcher Kasse der Versicherte versichert ist, kann er so aufgrund seines Rahmenrechts auf Krankenbehandlung dieselben ärztlichen Leistungen beanspruchen. 333 Das damit angesprochene Problem knüpft an die zuvor erörterte Zusammensetzung des Gemeinsamen Bundesausschusses an. Zwar bestimmt § 92 SGB V, dass vor der Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses über bestimmte Richtlinien näher bezeichnete Organisationen der jeweiligen Leistungserbringer wie etwa Spitzenorganisationen der pharmazeutischen Unternehmer und der Apotheker jeweils „Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben“ ist und abgegebene Stellungnahmen dann in die Entscheidungen „einzubeziehen“ sind. 334 Dabei muss sich der Gemeinsame Bundesausschuss mit den Argumenten der zu beteiligenden Organisationen und Sachverständigen auseinander setzen. Aus seiner Entscheidung muss erkennbar sein, dass dies geschehen ist und warum der Gemeinsame Bundesausschuss ihnen letztlich nicht gefolgt ist. 335 Das Letztentscheidungsrecht bleibt beim Gemeinsamen Bundesausschuss. 336 Für die Einholung von Stellungnahmen der zu beteiligenden Organisationen und Sachverständigen hatte der bisherige Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen am 01.10.1997 eine Verfahrensordnung beschlossen, 337 die die Benachrichtigung der einzubeziehenden Organisationen durch öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger und durch eine umfassende Dokumentation die Berück331 Für den Vorrang des Leistungsrechts vor dem Leistungserbringungsrecht Gitter/ Köhler-Fleischmann, SGb 1999, 1, 3. 332 Hauck/Haines-Vahldiek, K § 92, Rn 1. 333 Behnsen, KrV/September 1999, S. 264, 265. 334 Vgl. § 91 Abs. 8 a SGB V für Beschlüsse, deren Gegenstand die Berufsausübung der Ärzte, Psychotherapeuten oder Zahnärzte berührt; § 92 Abs. 1b, Abs. 3a, Abs. 5, Abs. 6, Abs. 7, Abs. 8a SGB V. 335 Vgl. hierzu bereits AusschBer. BT-Drucks. 13/7264, S. 64, 65. 336 Vgl. Kass.-Komm.-Hess, § 92, Rn 16b. 337 BAnz Nr. 214 v. 15.11.1997, S. 13722; kritisch dazu Wigge, NZS 2001, 578, 581.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

sichtigung fristgerecht eingegangener Stellungnahmen und deren Einbeziehung in die Entscheidungsfindung transparent machen soll. Darin war grundsätzlich die Abgabe schriftlicher Stellungnahmen vorgesehen; mündliche Anhörungen lagen im Ermessen des Bundesausschusses. Ein Rechtsanspruch darauf bestand nicht. 338 Inhaltlich wird die zu treffende Entscheidung wesentlich bestimmt durch das mit den Richtlinien aufgegriffene Evidenzkonzept 339 (evidence based medicine). Eine entsprechende Verfahrensordnung für den Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen existierte bislang nicht. § 91 Abs. 3 Nr. 1 in seiner Neufassung durch das GMG verpflichtet den Gemeinsamen Bundesausschuss, eine Verfahrensordnung zu beschließen, in der er insbesondere methodische Anforderungen an die wissenschaftliche sektorenübergreifende Bewertung des Nutzens, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen als Grundlage für Beschlüsse sowie die Anforderungen an den Nachweis der fachlichen Unabhängigkeit von Sachverständigen und das Verfahren der Anhörung zu den jeweiligen Richtlinien, insbesondere die Feststellung der anzuhörenden Stellen, die Art und Weise der Anhörung und deren Auswertung regelt. § 91 Abs. 3 Nr. 2 SGB V verpflichtet den Gemeinsamen Bundesausschuss, eine Geschäftsordnung 340 zu beschließen, in der er Regelungen zur Arbeitsweise des Gemeinsamen Bundesausschusses, insbesondere zur Geschäftsführung und zur Vorbereitung der Richtlinienbeschlüsse durch Einsetzung von Unterausschüssen, trifft. In der Geschäftsordnung sind Regelungen getroffen zur Gewährleistung des Mitberatungsrechts der von den Organisationen nach § 140 f Abs. 2 SGB V entsandten sachkundigen Personen. Diese Anhörungsrechte führen jedoch nicht zu einer echten Repräsentanz im Gemeinsamen Bundesausschuss, denn die anzuhörenden Leistungserbringer können ihre wirtschaftlichen Interessen und ihren spezifischen Sachverstand bei den Beschlussfassungen des Bundesausschusses keine Geltung verschaffen. Diese Leistungserbringer haben in letzter Konsequenz keinen entscheidenden Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Richtlinien. 341 Es ist nicht gesichert, dass auch nur ein Ärztevertreter dem Fachgebiet angehört, für das eine Richtlinie erstellt werden soll. 342 Noch deutlicher wird dieser Mangel, wenn sich die Tätigkeit des Gemeinsamen Bundesausschusses auf den Bereich der Arzneimittel- oder der Heil-/Hilfsmittelversorgung bezieht, deren Vertreter ebenfalls nicht, auch nicht mittelbar,

338

BSG SozR 3-2500 § 13 Nr. 17. Heberlein, VSSR 1999, 123, 152. 340 Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 13.01.2004, BAnz. Nr. 67, S. 7246 vom 06.04.2004. 341 So auch Sodan, NZS 2000, 581, 586; a. A. Neumann, NZS 2001, 515, 517; Hänlein, Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, S. 61 ff. 342 Kern, GesR 2002, 5, 7. 339

V. Rechtsnatur und Verbindlichkeit der Richtlinien

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am Verfahren beteiligt sind. 343 Ihnen wird nicht einmal ein Recht auf Akteneinsicht eingeräumt. 344 Der Gesetzgeber hat den Spitzenorganisationen der Leistungserbringer von Heilmitteln, Hilfsmitteln, Pflege, pharmazeutischen Unternehmen und Apotheken durch Einfügung bzw. Ergänzung der Absätze 3a, 5, 6 und 7 von § 92 SGB V lediglich ein Recht zur Stellungnahme eingeräumt. Die Gesetzbegründung zur GKV-Gesundheitsreform 2000 sprach insoweit von einem „informellen Initiativrecht“. 345 Das GKV-Modernisierungsgesetz hat diese Bestimmungen unverändert gelassen. Beratungen und Beschlussfassungen im Bundesausschuss sind nicht öffentlich. Der Hergang der Beratungen und das Stimmenverhältnis bei den Beschlussfassungen sind vertraulich zu behandeln. 346 Es stellt sich jedoch nach wie vor die Grundsatzfrage, ob das Grundgesetz erlaubt, dass der Gesetzgeber den Gemeinsamen Bundesausschuss ermächtigt, untergesetzliche Normen mit Drittwirkung zu erlassen oder ob nicht angesichts der vermehrt anzutreffenden Kritik an den Entscheidungen der Gesetzgeber verpflichtet ist, das „Wesentliche“ selbst zu regeln. 347 In der Entscheidung des Bundesverfassungsgericht vom 5. März 1974 348 wurde die fehlende Repräsentanz insbesondere mit dem Hinweis auf die sachverständige Beteiligung sämtlicher Gruppen der Weinwirtschaft gerechtfertigt. Aber auch davon ist bei der derzeitigen nach dem Gesetz vorgesehenen Beteiligung nicht auszugehen. Insofern müssen die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses im Lichte der gesetzlichen Vorgaben betrachtet werden. Unmittelbare Wirkung können die Richtlinien auf Außenseiter nur entfalten, wenn dies ausdrücklich im Gesetz bestimmt ist., d. h. Inhalt, Zweck und Ausmaß der betreffenden Regelung hinreichend deutlich vorgegeben ist. 349 Soweit aber Richtlinien zur inhaltlichen Interpretation des Wirtschaftlichkeitsgebots betroffen sind, ergibt sich die Einschränkung der Marktchancen von Herstellern und Leistungserbringern mit unwirtschaftlichen Produkten oder Leistungen unmittelbar aus dem Gesetz (insbesondere §§ 12 Abs. 1, 27 Abs. 1, 28, 72 Abs. 2 SGB V). 350

343 Vgl. hierzu auch die Kritik von Vorderwühlbecke/Beck, Forum für Gesellschaftpolitik, Oktober 1998; Dahm, MedR 2002, 6, 9. 344 Vgl. für den Bereich der ESWT LSG NRW, Urteil vom 17.03.1999, L 11 B 45/98 KA; dazu Wigge, NZS 2001, 578, 623. 345 BT-Drucks. 13/7264, S. 64; näher zum Ganzen Engelmann, NZS 2000, 76, 82f. m. w. N. 346 § 18 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses. 347 Wigge, MedR 1999, 524, 529. 348 BVerfGE 37, 1, 25. 349 BSG SozR 3-2500 § 101 Nr. 1, 2. 350 Kass.-Komm.-Hess, § 92, Rn 4.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Zur weiteren Beantwortung dieser Frage können die bisherigen Auffassungen in der Literatur herangezogen werden. 3. Die Auffassungen in der Literatur In der Literatur wird die Verfassungsmäßigkeit der Richtlinien und damit deren Bindungswirkung auch nach den angeführten Entscheidungen des BSG kontrovers diskutiert. Bereits die BSG-Entscheidungen vom 24.01.1990 351 und vom 10.05.1990 352 sowie vom 01.10.1990 353 stützten sich auf Überlegungen von Baader. 354 Sehr verkürzt dargestellt wertet Baader diejenigen Teile der Richtlinien, die Tatbestandsmerkmale der übergeordneten Normen auf eine tieferliegende Abstraktionshöhe absenken, deshalb als Rechtsnormen, weil sie präskriptiv, allgemein und durchsetzbar sind. Dabei leitet er die Durchsetzbarkeit aus dem Durchsetzungswillen des Gesetzgebers her, der sich aus der Satzungsermächtigung an eine Institution der Exekutive und den Vorschriften über die Verbindlichkeit der Richtlinien ergibt. Er hält die Verlagerung der Normsetzung auf die Exekutive im Grundsatz auch für gerechtfertigt und daher unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten für zulässig, weil der Sekundärgesetzgeber über den größeren Sachverstand verfüge und dieser Vorteil den Nachteil überwiege, dass das Satzungsgremium der demokratischen Legitimation noch ferner stehe als der Verordnungsgeber nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 GG. Tempel-Kromminga 355 entnimmt den Regeln des SGB V, dass die Richtlinien der Bundesausschüsse rechtsverbindliche Regelungen seien. Ebsen 356 schlägt vor, die „materielle Selbstverwaltung“, die durch die demokratische Partizipation spezifisch Betroffener gekennzeichnet ist, durch eine „formelle Selbstverwaltung“ zu ergänzen, die der Nutzung spezifischer Sachkunde dient und zu Steuerungszwecken gegensätzliche Interessen unter Konsensdruck zusammenspannt. Er tritt dafür ein, auch Gremien dieser Art, zu denen er den Bundesausschuss der Ärzte bzw. Zahnärzte und Krankenkassen rechnet, mit Satzungsautonomie auszustatten. Schmidt 357 spricht sich gegen die Qualifizierung der Richtlinien nach § 92 SGB V als Satzungsrecht aus. Das Zusammenwirken der Leistungserbringer und 351 352 353 354 355 356 357

BSGE 66, 163 ff. BSGE 67, 36 ff. BSGE 67, 256 ff. Baader, JZ 1990, 409 ff. Tempel-Kromminga, S. 161-164 (Zusammenfassung). Ebsen, VSSR 1990, 57 ff; Jung, SDSRV 40 (1995), 83, 93. In Peters, KV (SGB V), vor § 27 SGB V, Rn 232 ff.

V. Rechtsnatur und Verbindlichkeit der Richtlinien

133

der Krankenversicherungsträger im Rahmen der Bundesausschüsse werde zwar häufig als Form der „gemeinsamen Selbstverwaltung“ bezeichnet. Solange der Sinn der Selbstverwaltung darin erblickt werde, „gesellschaftlichen Gruppen die Regelung solcher Angelegenheiten, die sie selbst betreffen und die sie in überschaubaren Bereichen am sachkundigsten beurteilen können, eigenverantwortlich zu überlassen und dadurch den Abstand zwischen Normgeber und Normadressat zu verringern“ und solange dabei auf demokratisch gewählte Organe abgestellt werde, 358 Selbstverwaltung also als demokratische Selbstbestimmung in einem System repräsentativer Demokratie 359 zu interpretieren sei, bilde eine sogenannte „gemeinsame Selbstverwaltung“ einen Widerspruch in sich. Die Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und ihre Verbände auf der einen sowie die kassenärztlichen Zusammenschlüsse auf der anderen Seite seien jeweils selbstständige Verwaltungsträger. Wenn die Kassenverbände an Regelungen über die Berufsausübung der Kassenärzte und die Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen an der Ausgestaltung von Leistungsvorschriften der gesetzlichen Krankenversicherung mitwirken, handele es sich nicht um Selbst- sondern um Fremdverwaltung. Selbst innerhalb des jeweils eigenen Bereichs werde die demokratische Legitimation, die sich vom jeweiligen „Verbandsvolk“ herleite, durch mehrfach gestufte Repräsentation bis auf einen homöopathischen Grad verdünnt. 360 Der Selbstverwaltungscharakter werde schließlich dadurch in Frage gestellt, dass den Bundesausschüssen unparteiische Mitglieder angehörten. 361 Der Vorschlag, die „materielle Selbstverwaltung“ im Sinne der vorstehenden Darlegungen um einen Bereich lediglich „formeller Selbstverwaltung“ zu ergänzen, 362 könne zwar die Beibehaltung eines eingeführten Begriffes sichern, gebe jedoch zugleich dessen Inhalt auf. Unproblematischer erscheine es, die normativen Richtlinien-Teile in Anlehnung an die Begriffsbildung des allgemeinen Verwaltungsrechts als normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften aufzufassen. 363 Die Bezeichnung Verwaltungsvorschriften sei auch zur Kennzeichnung der Richtliniennatur nach altem Recht herangezogen worden. Soweit dem das Fehlen eines Über- und Unterordnungsverhältnisses entgegengehalten werde, lasse sich im vorliegenden Zusammenhang darauf hinweisen, dass die Versicherten den Bundesausschüssen der Ärzte (Zahnärzte) und Krankenkassen nicht als gleichberechtigte Partner gegenüberstehen.

358 359 360 361 362 363

So BVerfGE 31, 125, 156 ff. Schwerdtfeger, SDSRV 34 (1991), 123, 142. So auch Krause und Schwerdtfeger a.a.O. § 91 Abs. 2 Satz 1 SGB V. Ebsen, VSSR 1990, 57, 61. Hierzu BSGE 67, 204, 209.

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B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Krause 364 folgert unmittelbar aus dem Gesetz, insbesondere aus §§ 22 Abs. 2, 29 Abs. 3 und 35 Abs. 1 SGB V, dass den nach diesen Vorschriften erlassenen Richtlinien im Rahmen ihrer anspruchskonkretisierenden Funktion leistungsrechtliche Wirkung zukommt. Er betont aber, dass von Autonomie insoweit nicht die Rede sein könne und spart die verfassungsrechtliche Problematik ausdrücklich aus. Papier 365 knüpft an beim sogenannten Wesentlichkeitsgrundsatz des Bundesverfassungsgerichts, wonach der Gesetzgeber losgelöst vom Merkmal des Eingriffs nur im Bereich der Grundrechtsausübung alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen hat. 366 Zwar liege es in der Konsequenz dieser Wesentlichkeitstheorie, jenseits der „Wesentlichkeit“ eine originäre Normsetzung durch die Exekutive zu akzeptieren, also Verwaltungsvorschriften und Richtlinien insoweit eine rechtsverordnungsgleiche Wirkung beizulegen. Er tritt dem jedoch mit dem Argument entgegen, dass eine exekutivische Rechtsetzung außerhalb der autonomen Satzungsgewalt nur in den Formen der Art. 80, 82 GG zulässig sei und leitet daraus ab, dass Richtlinien im Sinne von § 92 SGB V, die sich in den Grundrechtsbereichen der Art. 2 Abs. 1, 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG bewegen, nur als Rechtsverordnungen Normcharakter erlangen könnten. Die Zuordnung dieser Richtlinien zum Satzungsrecht schließt er aus, weil die Bundesausschüsse der (Zahn-)Ärzte und Krankenkassen weder eine Körperschaft noch ein gemeinsames Organ solcher Körperschaften seien. Schwerdtfeger 367 vertritt den Standpunkt, dass nicht nur die Richtlinien der Bundesausschüsse nach § 92 SGB V, sondern ebenso die Entscheidungen der Spitzenverbände der Krankenkassen nach den §§ 35 Abs. 3 und 53 Abs. 3 SGB V als koordinierende Rechtsakte auch die einzelnen Kassenmitglieder rechtlich binden, die genauere Rechtsnatur dieser Akte aber noch offen ist. Nach Schnapp 368 erlangen die Richtlinien Wirkung infolge der Inkorporation in das Vertragsrecht, das für die jeweiligen Mitglieder verbindlich ist (§ 81 Abs. 3 Nr. 2 und § 210 Abs. 2 SGB V). Sodan 369 ist mit dem 6. Senat des BSG der Auffassung, dass die Bundesausschüsse grundsätzlich als Anstalten des öffentlichen Rechts betrachtet werden können und damit über eine ausreichende institutionelle Legitimation zur Normsetzung verfügen. Dies gelte insbesondere gegenüber den Leistungserbringern jedoch nur insoweit, als die betroffenen Gruppen über eine ausreichende sachverständige Repräsentanz im Bundesausschuss verfügen.

364 365 366 367 368 369

Krause, VSSR 1990, 107 ff. Papier, VSSR 1990, 123 ff. BVerfGE 49, 89, 126 ff. Schwerdtfeger, SDSRV 34 (1991) 123, 128 ff. Schnapp, SGb 1999, 62, 64. Sodan, NZS 1998, 305 ff; NZS 2000, 581, 588.

V. Rechtsnatur und Verbindlichkeit der Richtlinien

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Ossenbühl 370 bestreitet eine Normsetzungskompetenz des Bundesausschusses aus verfassungsrechtlichen Gründen. Anstaltliche Satzungen berechtigten nicht zu einer Rechtsetzung beliebigen Ausmaßes. Sie dürfen nach seiner Auffassung nur Regelungen ohne erhebliches Gewicht, nicht aber wesentliche Lebensbereiche betreffen. Wimmer 371 hält u. a. auch die Bundesausschüsse als Rechtsnormgeber für ungeeignet, da das SGB V keine zulänglichen Vorgaben gebe, die Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung bestimmen. Die Rechtsprechung darf nach seiner Meinung nicht weiter hinnehmen, dass nicht demokratisch verfasste Entscheidungsträger unterhalb der Gesetzgebungs- und Verordnungsebene im Kern von Grundrechten der Versicherten und der Vertragsärzte operieren. Erst recht dürfe sie diesen nicht verfassungskonformen Normgebern keine gerichtlich unüberprüfbaren Entscheidungs- und Gestaltungsspielräume einräumen. 4. Ergebnis Auf der Grundlage der neueren Rechtsprechung des BSG lässt sich somit insgesamt feststellen, dass auch durch die Richtlinien des Bundesausschusses eine unmittelbare Definition des Umfanges und des Inhaltes der vertragszahnärztlichen Versorgung mit Wirkung nicht nur für die beteiligten Krankenkassen und Vertragszahnärzte, sondern auch für die Versicherten selbst vorgenommen werden kann. Je nach der inhaltlichen Ausgestaltung der Richtlinien können diese dabei nicht nur unverbindliche Empfehlungen, sondern auch stringente Leistungsausschlüsse bzw. Definitionen enthalten. Bei der Beurteilung der sich daraus ergebenden Gestaltungsmöglichkeiten ist allerdings zu berücksichtigen, dass für eine Beschlussfassung des Bundesausschusses zumindest die Mehrheit dessen Mitglieder unter Einbeziehung der drei unparteiischen Mitglieder erforderlich ist. Zudem unterliegen die Richtlinien generell dem Erfordernis einer Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung als Aufsichtsbehörde gem. § 94 Abs. 1 SGB V. Da das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung Richtlinien sowohl beanstandet, als auch gem. § 94 Abs. 1 Satz 3 SGB V nach einer Fristsetzung selbst erlassen kann, ist der Gemeinsame Bundesausschuss allenfalls noch theoretisch als ein geeignetes Medium der gemeinsamen Selbstverwaltung zu betrachten, eine inhaltliche Ausgestaltung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung vorzunehmen. Alle derartigen Maßnahmen setzen nämlich zumindest eine grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung als Aufsichtsbehörde voraus. Die Neufassung der Richtlinien, selbst soweit sie rechtlich als zulässig zu qualifi-

370

Ossenbühl, Rechtsgutachten im Auftrag des BAH 1998, S. 60f.; NZS 1997, 497 ff. Wimmer, NJW 1995, 1577 ff.; MedR 1996, 425 ff; MedR 1997, 225 ff; NZS 1999, 113 ff; kritisch auch Di Fabio, NZS 1998, 449, 451. 371

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zieren wären, wird sich daher auch zukünftig nur dann umsetzen lassen, wenn sie im Konsens mit der jeweiligen sozialpolitischen Zielsetzung stehen. Insoweit ist auf die Erörterungen zur Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung zu verweisen. 372 Trotz dieser Bedenken bleibt aber festzuhalten, dass der Gemeinsame Bundesausschuss als ein Sachverständigengremium die einzige Lösung darstellt, um im Bereich der vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Versorgung in einem überschaubaren Zeitrahmen kompetent und mit Sachnähe den Rahmen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten vorzugeben. Darauf wies bereits Jung 373 hin. Der paritätisch mit Ärzten und Kassenvertretern besetzte Bundesausschuss in seinen unterschiedlichen Erscheinungsformen und mit unterschiedlichen Kompetenzen hat seit 1913 seine Aufgaben erfüllt. Gleichermaßen als Verhandlungsarena, als Instanz der Rechtserzeugung und Rechtsanwendung sowie als Instrument zur Regelung von Verteilungskonflikten konnte er als eine vergleichsweise erfolgreiche Mischform eines Steuerungsmodells zwischen Hierarchie und Verhandlung seine Aufgabenfülle über weite Strecken durchaus erfolgreich bewältigen. Unabhängig davon ist der Gemeinsame Bundesausschuss auch an die Vorgaben des SGB V bezüglich des Inhaltes der vertragsärztlichen Versorgung in dem Sinne gebunden, dass er insofern zwar eine Konkretisierung, nicht aber eine völlige Neuorientierung, etwa durch Ausgliederung ganzer Leistungsbereiche vornehmen kann. Ferner ergeben sich Begrenzungen daraus, dass der Bundesausschuss auch nach der neueren Rechtsprechung des BSG, jedenfalls ohne eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigungsgrundlage ebenso wenig wie der Bewertungsausschuss lediglich Berufsausübungsregelungen treffen darf und nicht in statusbestimmende Fragen des Vertragsarztrechts eingreifen kann. 374 Von einer Verbindlichkeit der Richtlinien für die Versicherten kann in den Fällen ausgegangen werden, in denen der Gesetzgeber den Anspruch der Versicherten auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Richtlinien konkret geregelt bzw. die Ausgestaltung des Leistungsrechts der Versicherten der Richtliniengebung übertragen hat. 375 Soweit spezielle Kompetenzzuweisungen an den Gemeinsamen Bundesausschuss erfolgt sind, setzen diese die Verbindlichkeit der von ihm erlassenen Regelungen für die Versicherten voraus. An den Umfang dieser Kompetenzzuweisungen ist der Gemeinsame Bundesausschuss gebunden. Der Auffassung der Rechtsprechung, dass eine Erstreckung der Bindungswirkung auf nicht in eine Legitimationskette einbezogene Dritte dann rechtmäßig

372

Vgl. B.III.4. Jung in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, Teil III, S. 13, 21. 374 BVerfGE 33, 125; 76, 171. 375 Jetzt in § 91 Abs. 9 SGB V gesetzlich verankert; BSGE 78, 70, 76. 373

V. Rechtsnatur und Verbindlichkeit der Richtlinien

137

ist, wenn Inhalt, Zweck und Ausmaß der betreffenden Regelung gesetzlich hinreichend deutlich vorgegeben sind, 376 ist daher zuzustimmen. In der Literatur wird die Frage, welchem Typus verwaltungsrechtlicher Rechtsquellen die das Leistungsrecht konkretisierenden Bestandteile der Richtlinien nach § 92 SGB V zuzuordnen sind, weiterhin offen gelassen. 377 Klärungsbedürftig sei auch, inwieweit die Begriffe Autonomie und Selbstverwaltung voneinander getrennt werden könnten, autonome Rechtsetzung also auch dann in Frage komme, wenn keine demokratisch legitimierte Satzungsgewalt gegeben sei. Nach Schmidt 378 müssen und sollten die fortbestehenden Unsicherheiten es jedoch nicht ausschließen, Richtlinienbestandteile der bezeichneten Art in Übereinstimmung mit den BSG-Entscheidungen vom 24.01.1990 379 und vom 10.05.1990 380 auch im Verhältnis zu den Versicherten als Rechtsvorschriften zu werten, die deren Leistungsansprüche bindend ausgestalten. 381 Auch hier könnte jedoch die aufsichtsvermittelte Legitimation dazu führen, den Richtlinienbestandteilen auch im Verhältnis zu den Versicherten rechtssicher Normqualität zu verschaffen. Gegenüber unbeteiligten Dritten kann weder eine Satzungskompetenz noch das Institut der Normsetzungsverträge eine Rechtswirkung gegenüber am Verfahren Unbeteiligten rechtfertigen. 382 Die Normqualität gilt jedoch nicht automatisch für alle Richtlinien oder jeweils für eine gesamte Richtlinie. Die rechtliche Qualität folgt nicht allein schon aus der Form der Regelung als Richtlinie, sondern aus der Funktion der einzelnen Vorschrift. 383 So ist der einzelne Arzt grundsätzlich an die Richtlinien gebunden. Das hindert ihn nicht einzuwenden, dass die Richtlinien ganz oder teilweise dem Gesetz widersprechen, dem gegenwärtigen Kenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr entsprechen oder ein Ausnahmefall vorgelegen hat, der ein Abweichen von den Richtlinien rechtfertigt. 384 Damit spielen die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses eine herausragende Rolle. Über die Frage, ob, in welchem Ausmaß und unter welchen

376

BSGE 82, 41; 81, 73; 81, 54; BSG SozR 3 – 2500 § 101 Nr. 1. Vgl. Krause, VSSR 1990, 107, 122. 378 In: Peters, KV (SGB V) Rn 235. 379 BSGE 66, 163, 164. 380 BSGE 67, 36, 37. 381 Offengelassen in BSG SozR 3-2500 § 75 Nr. 5. 382 BSG, NZS 1995, 502; vgl. aber BVerfGE 106, 275. 383 Jung in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, Teil III, S. 13, 28. 384 BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 18; BSG SozR 3-2500 § 106 Nr. 12; BSG, SGb 1994, 527 (Amalgam). 377

138

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

Voraussetzungen die Bundesausschüsse alter Prägung und künftig der Gemeinsame Bundesausschuss zur Rechtsetzung legitimiert sind, wird das Bundesverfassungsgericht noch einmal konkreter Stellung nehmen müssen. 385 Mit dieser Entscheidung werden voraussichtlich einige der Argumente und Einwände, die gegen den bisherigen Bundesausschuss und seine Entscheidungspraxis vorgebracht werden, gegenstandslos werden. 386

VI. Zivil- und europarechtliche Einflüsse auf das Handeln des Gemeinsamen Bundesausschusses Zunehmend spielen sowohl die zivil- als auch europarechtliche Einflüsse auf den Bundesausschuss und künftig des Gemeinsamen Bundesausschusses eine Rolle, soweit sein Handeln Reflexwirkung auf Dritte hat. Nicht zuletzt wegen der Macht neutralisierenden Funktion des Wettbewerbs unterliegen grundsätzlich auch wirtschaftliche Aktivitäten der öffentlichen Hand dem Kartellrecht. 387 Insofern sei auf die kartellgerichtlichen Urteile gegen die Arzneimittel-Richtlinien 388 und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Festbetragsfestsetzung bei Hilfsmitteln und Arzneimitteln 389 verwiesen. Europarechtliche Bedenken bestehen zunächst im Hinblick auf die Vereinbarkeit der Normsetzung des Gemeinsamen Bundesausschusses mit den Vorschriften des gemeinschaftlichen Kartellrechts. 390 Mit Blick auf die Rechtsprechung des EuGH 391 ist darauf hinzuweisen, dass das Gemeinschaftsrecht die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten zur Ausgestaltung ihrer Systeme der sozialen Sicherheit unberührt lässt. Gleichwohl müssen die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis das Gemeinschaftsrecht beachten. 392 In Ermangelung einer Harmonisierung auf Gemeinschaftsebene bestimmt somit das Recht eines jeden Mitglied385

BVerfG, Entscheidung vom 6.12.2005, Az.1 BvR 347/98. Vgl. zusammenfassend Schnapp/Kaltenborn, SGb 2001, 101, 105. 387 Gassner, VSSR 2000, 121; zum Verhältnis von Kartellrecht und Sozialrecht Gießen, SDSRV 48 (2001), 123. 388 OLG München, NZS 2000, 457. 389 BVerfGE 106, 275. 390 Vgl. zur bisherigen Rechtslage Axer, Die Verwaltung 2002, 377, 395; vgl. auch Eichenhofer, NZS 2001, 1; Gassner, VSSR 2000, 121, 131f.; Hänlein/Kruse, NZS 2000, 165; Knispel, NZS 2000, 441; ders. auch in NZS 2000, 379. 391 St. Rspr. EuGH, Rs C-385/99 (Müller-Fauré/van Riet); Rs C-158/96 (Kohll) Slg 1998, I-1935; EuGH Rs C-120/95 (Decker) Slg 1998 I-1871; EuGH NZS 2001, 478; dazu Sodan, JZ 1998, 1168; Axer NZS 2002, 57 ff.; Heinze, Rheinisches Zahnärzteblatt 2001, 723; kritisch zur Rechtsprechung des EuGH insgesamt Heinze, SGb 2001, 157 ff.; auch Fuchs, NZS 2002, 337, 340; zu Entwicklung der Rechtsprechung insgesamt Kraus, GesR 2004, S. 37 . 392 EuGH, Slg 1998, I-1935 Rn 19. 386

VI. Zivil- und europarechtliche Einflüsse

139

staates, unter welchen Voraussetzungen zum einen ein Recht auf Anschluss an ein System der sozialen Sicherheit oder eine Verpflichtung hierzu besteht. 393 Unvereinbar mit dem gemeinsamen Markt und verboten sind aber gemäß Art. 81 EGV alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen sowie Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezwecken. Fraglich ist, ob der Gemeinsame Bundesausschuss als Unternehmen im Sinne des EG-Kartellrechts zu qualifizieren ist. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Rechtsprechung mit Blick auf öffentlich-rechtliche Akteure einen „funktionalen Unternehmensbegriff“ entwickelt. 394 Für Sozialversicherungsträger bejaht der EuGH die Unternehmenseigenschaft, wenn die Leistungen mit Gewinnerzielungsabsicht im Wettbewerb mit privaten Versicherungen angeboten werden; dagegen wird sie ausgeschlossen, wenn die Versicherung vom Solidaritätsgedanken geprägt ist, die zu erbringende Leistung gesetzlich festgesetzt und von der Höhe der Beiträge unabhängig ist. 395 Angesichts des weiten gemeinschaftsrechtlichen Unternehmensbegriffs, der jede wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrer Rechtsform und der Art ihrer Finanzierung erfasst, 396 wäre nach der bisherigen Rechtsprechung des EuGH die Unternehmenseigenschaft des Gemeinsamen Bundesausschusses wohl zu bejahen. Es stellt sich dann aber die Frage, ob und inwieweit die aus seinem Handeln resultierenden Wettbewerbsbeschränkungen über Art. 86 Abs. 2 EGV als zur Sicherung der finanziellen Stabilität der Gesetzlichen Krankenversicherung erforderlich bewertet und damit gerechtfertigt werden könnten. Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses stellen sich als untergesetzliche Normierungsakte der gemeinsamen Selbstverwaltung der Kassen und Ärzte dar. 397 Damit treten sie rechtssystematisch an die Stelle der ansonsten möglichen Gesetzgebungsakte. Insoweit fehlt den Richtlinien jedes vertragliche Element. 398 Ihre Aufgabe besteht darin, den Leistungsanspruch des Versicherten zu konkretisieren. Durch Ein- oder Ausschluss von Leistungen schaffen sie lediglich

393

Maaß, ZRP 2002, 462, 465. Hänlein/Kruse, NZS 2000, 165, 167. 395 EuGH, Slg. 1993, I-637 (668f., Rn 10, 13) – Poucet/Pistre; vgl. auch EuGH EuZW 2002, 146 – INAIL (staatl. ital. Unfallversicherungsanstalt); EuGH Slg. 1995, I-4013 (CCMSA). 396 EuGH, Slg 1991, I-1979 (2016, Rn 21) – Höfner und Elsner; Slg. 1999, I-5751 (5886, Rn 77) – Albany. 397 Vgl. BSGE 78, 70. 398 Eichenhofer, GGW 2001, 14, 16. 394

140

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

die Voraussetzungen für den Bewertungsausschuss, die Abrechnungsfähigkeit von ärztlichen Leistungen festzusetzen. 399 Der Gemeinsame Bundesausschuss nimmt damit Aufgaben wahr, die ihm vom Gesetz auferlegt sind. Die Mitglieder des Gemeinsamen Bundesausschusses haben damit kraft staatlicher Ermächtigung an einer grundsätzlich dem Gesetzgeber vorbehaltenen Aufgabe teil. 400 Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Richtlinien des Bundesausschusses in ausreichender Weise der Transparenzrichtlinie (89/106/EWG) Rechnung tragen. Die Transparenzrichtlinie verlangt keine bestimmte materiell-rechtliche Ausgestaltung des nationalen krankenversicherungsrechtlichen Leistungssystems. Es soll lediglich sichergestellt werden, dass Ausschlüsse bestimmter Leistungen auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhen und entsprechend bekannt gemacht werden. Damit soll erreicht werden, dass die Entscheidungen von den Betroffenen nachvollzogen werden können. Die Offenlegungsverpflichtung richtet sich an den Normgeber Gemeinsamer Bundesausschuss, tangiert jedoch nicht dessen Rechtsetzungsbefugnisse. Die Regelungen der Transparenzrichtlinie stellen insofern lediglich eine Ergänzung dar, denn sie setzen erst ein, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss von seiner Regelungskompetenz Gebrauch macht. Es ist aber zu fordern, dass der Gemeinsame Bundesausschuss nicht allein seine Beschlüsse, sondern auch entsprechend nachvollziehbare Begründungen veröffentlicht. Dies wäre durch eine entsprechende Ergänzung in der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses zu erreichen. Bisher ist hier nur vorgesehen, dass die Richtlinien im Internet veröffentlicht werden. Entscheidungen nach § 137 und §137 b SGB V sowie Patienteninformationen nach § 91 Abs. 3 Satz 3 SGB V sind in geeigneter Weise zu veröffentlichen. Die Art der Veröffentlichung ist mit der Entscheidung festzulegen. 401 Dieses Verfahren entspricht damit nicht den Regelungen der Transparenzrichtlinie.

VII. Sozialgerichtliche Überprüfbarkeit der Richtlinien Im sozialgerichtlichen Verfahren ist der Gemeinsame Bundesausschuss als Rechtsnachfolger der bisherigen Bundesausschüsse nach § 70 Nr. 4 i. V. m. § 51

399 Zur EG-wettbewerbsrechtlichen Zulässigkeit der Budgetierung von Laborleistungen Koenig/Engelmann/Steiner, NZS 2002, 288. 400 Vgl. Eichenhofer, NZS 2001, 1 ff.; Gassner, VSSR 2000, 121, 144; vgl. auch die Rechtsprechung des EuGH vom 16.03.2004 zu den Festbeträgen in den Vorabentscheidungsverfahren C-264/01, C-306/01, C-354/01 und C-355/01, NJW 2004, 2723; dazu Schenke, VersR 2004, 1360, 1363. 401 § 20 der Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses vom 13.01.2004.

VII. Sozialgerichtliche Überprüfbarkeit der Richtlinien

141

Abs. 2 Satz 1 SGG beteiligtenfähig. 402 Der Gemeinsame Bundesausschuss kann Beklagter oder Beigeladener sein. Mit Ausnahme der Sonderregelung in § 92 Abs. 3 SGB V ist im Regelfall kein unmittelbarer Rechtschutz gegen die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses im Gesetz vorgesehen. 403 Diese Rechtslage ist auch nach dem GKVModernisierungsgesetz unverändert geblieben. Der in § 92 Abs. 3 SGB V erwähnte Rechtsschutz ist in mehrfacher Richtung eingeschränkt. Zunächst wird die aufschiebende Wirkung einer Klage im öffentlichen Interesse ausgeschlossen, um im Streitfall grundsätzlich die weitere Anwendung der Zusammenstellung von Arzneimittelgruppen bis zur rechtskräftigen Entscheidung zu gewährleisten. Der 11. Ausschuss wies auf den überragenden Grundsatz hin, dass die Arzneimittel-Richtlinien den näheren Bestimmungen des Wirtschaftlichkeitsgebotes bei der Arzneimittelverordnung dienen und damit gleichzeitig der Gewährleistung einer wirtschaftlichen Arzneimitteltherapie. 404 Ebenfalls nicht möglich ist die Klage gegen die Gliederung nach Indikationsgebieten oder nach Arzneimittelgrundstoffen. Dies gilt auch für die Zusammenfassung von Arzneimitteln in Gruppen oder gegen sonstige Bestandteile der Zusammenstellung nach § 92 Abs. 2 SGB V. Vorgesehen ist der Sozialrechtsweg. Durch das Gesundheitsreformgesetz 2000 vom 22.12.1999 405 ist mit Wirkung vom 1.1.2000 die Vorschrift des § 51 Abs. 2 Satz 2 SGG eingefügt worden, wonach die §§ 87 und 96 UWG keine Anwendung finden. Damit ist für Wettbewerbsstreitigkeiten nicht mehr die Sozialgerichtsbarkeit zuständig. Mit der Zuständigkeitsänderung ist die Hoffnung des Gesetzgebers verknüpft, die Position der Bundesausschüsse zu stärken und Entscheidungen wie die des OLG München vom 11.11.1999 406 zu vermeiden. 407 Für den Versicherten ergibt sich der Rechtsschutz gegen Richtlinienrecht im Regelfall durch die Inzidentkontrolle nach Selbstbeschaffung oder in Ausnahmefällen durch eine einstweilige Anordnung, die nunmehr in § 86b SGG konkret geregelt ist. 408 Lehnt die Krankenkasse die Gewährung einer Leistung wegen einer Richtlinie ab, kann der Versicherte den Weg der Selbstbeschaffung gemäß § 13 Abs. 3 SGB V beschreiten und anschließend eine Leistungsklage auf Erstattung

402

BSGE 64, 78. Vgl. Engelmann, NZS 2000, 76, 83; Wigge, NZS 2001, 578, 625. 404 Vgl. BT Drucks. 11/3480, S. 59. 405 BGBl. I, 2626. 406 OLG München, NZS 2000, 457 mit abl. Besprechungsaufsatz von Knispel, NZS 2000, 411. 407 Schimmelpfeng-Schütte in: Schnapp, Handbuch des Vertragsarztrechts, § 6 Rn 54. 408 Vgl. Meyer-Ladewig, SGG, § 86b; vgl. SG Köln, GesR 2002, 30 – nicht rechtskräftig. 403

142

B. Der Gemeinsame Bundesausschuss

der verauslagten Kosten erheben. Sollte dieser Weg nicht gangbar sein, ließe sich dies durch eine einstweilige Anordnung lösen. Klagt ein Leistungserbringer auf Aufhebung oder Änderung einer Richtlinie, ist die Klage gegen den Bundesausschuss zu richten. Richtige Klageart ist die echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG 409 bzw. die Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 SGG. 410 Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 20.09.1988 411 ausgeführt, für die Klage eines Arzneimittelherstellers auf Abänderung der vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen gem. § 368 p Abs. 1 RVO beschlossenen Arzneimittel-Richtlinien sei der Rechtsweg zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit gegeben. Der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen sei im sozialgerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig. Der Rechtsstreit wurde an das LSG zurückverwiesen, da die Bundesrepublik Deutschland notwendig beizuladen war. Dem Bundesarbeitsministerium stehe hinsichtlich der ArzneimittelRichtlinien eine übergeordnete Regelungsbefugnis insoweit zu, als er Beschlüsse des Bundesausschusses beanstanden und durch eine eigene Regelung ersetzen könne. Eine gerichtliche Entscheidung, die zu einer Änderung der ArzneimittelRichtlinien verpflichte, könne deshalb nur einheitlich gegenüber dem Ausschuss und der Bundesrepublik ergehen. Damit hat das BSG im Ergebnis die Anfechtungsklage eines Herstellers gegen die Arzneimittel-Richtlinien als zulässig angesehen, da eine Abweisung der Klage auch ohne Beiladung möglich war. 412 Für Klagen gegen die Zusammenstellung der Arzneimittel in den Arzneimittelrichtlinien gelten nach § 92 Abs. 3 SGB V die Vorschriften über die Anfechtungsklage entsprechend. Auch insoweit kommt nur die Klage eines Herstellers, nicht aber die Klage eines Normunterworfenen in Betracht. 413 Zur Frage der richtigen Klageart hat sich auch das BSG in seiner Entscheidung vom 01.10.1990 414 geäußert. Dabei ging es um die Klage eines staatlich anerkannten Masseurs und medizinischen Bademeisters, der vom beklagten Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen eine Änderung der von diesem erlassenen Richtlinien über die Verordnung von Heil- und Hilfsmitteln in der kassenärztlichen Versorgung verlangte. Das BSG hat ausgeführt, die Klage sei allein als echte Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 5 SGG zulässig. Eine Anfechtungsklage, ggf. kombiniert mit einer Verpflichtungsklage, 415 scheide mangels Vorliegen eines Verwaltungsaktes

409 410 411 412 413 414 415

BSG USK 90107; Buchner/Krane, NZS 2002, 65, 71; Wigge, NZS 2001, 578, 625. Axer, NZS 1997, 10 ff. m. w. N. BSGE 64, 78, 79. BSGE 67, 251, 253; 71, 42, 49. BSGE 71, 42, 49; dazu Axer NZS 1997, 10, 11. BSGE 67, 251, 252. § 54 Abs. 1, 2 und 4 SGG.

VII. Sozialgerichtliche Überprüfbarkeit der Richtlinien

143

aus. Die Richtlinien des Beklagten seien nach § 92 Abs. 7 SGB V Bestandteil der Bundesmantelverträge sowie der Verträge mit den Ersatzkassenverbänden und der Bundesknappschaft, 416 für den Arzt als Satzungsrecht nach § 81 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 SGB V verbindlich und schon von daher keine Verwaltungsakte. 417 Auch vor Inkrafttreten des SGB V hätten die KVen und die Verbände der Krankenkassen in ihren Satzungen Bestimmungen aufnehmen müssen, nach denen die Richtlinien von ihren Mitgliedern beachtet werden sollen. Beim Erlass von Richtlinien werde die gemeinsame Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen tätig. Maßnahmen der Selbstverwaltung, insbesondere der Satzungsgebung, können also Gegenstand der echten Leistungsklage sein. Soweit Verstöße eines behandelnden Vertrags(zahn)arztes gegen Richtlinien geltend gemacht werden, bedarf es einer Entscheidung darüber durch die Prüfungsgremien nach § 106 Abs. 5 SGB V. Bei Verstößen gegen Vertrags- und Planungsrichtlinien durch die beteiligten Körperschaften ist ein Einschreiten der Rechtsaufsicht denkbar. Darüber hinaus sind Klagen derjenigen möglich, die sich durch die Umsetzung der Richtlinien in ihren Rechten verletzt sehen. Der 6. Senat des BSG hat sich in einer Entscheidung vom 09.05.1990 418 mit der Frage der Zulässigkeit und Begründetheit der Klage eines Arztes auf Feststellung befasst, dass die Kassenärztliche Vereinigung die mit einem vor dem 01.01.1989 angeschafften Großgerät erbrachten Leistungen eines anderen Arztes nicht vergüten darf. Die Vorschriften der §§ 368 Abs. 1 und 3, 368 n Abs. 8 Satz 3 und 4 RVO seien dazu bestimmt, auch den Individualinteressen derjenigen Ärzte, die ein bei der Standortplanung zu berücksichtigendes Gerät betreiben, zu dienen. Das BSG hielt die Revision im Sinne der Zurückverweisung für begründet. Hinsichtlich der Verletzung rechtlich geschützter Interessen der Kläger bedurfte es weiterer Ermittlungen. Im Hinblick auf ihre Rechtsnormqualität ist die Rechtmäßigkeit der Richtlinien als Bestandteil der Bundesmantelverträge sozialgerichtlich nur inzident überprüfbar, wenn die Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt auf eine vermeintliche Rechtswidrigkeit von Richtlinienbestimmungen gestützt wird. 419 Damit sind die Anfechtungsmöglichkeit der Richtlinien durch die von ihnen Betroffenen nach wie vor unzureichend ausgestaltet. 420 Eine vom Gesetzgeber selbst angestrebt Transparenz ist diesbezüglich nicht gegeben, da eine Regelung im SGB V – mit Ausnahme der Anfechtung von Entscheidungen des Ausschusses zu Arzneimittelfragen 421 – fehlt. 416 417 418 419 420 421

§ 83 Abs. 3 und 4 SGB V. S. a. BSG, USK 90107 und BSGE 64, 78 ff. BSGE 67, 30. Vgl. BSGE 71, 42. Zur Kontrolldichte für untergesetzliche Rechtsnormen Roters, S. 115 ff. Vg. § 92 Abs. 3 SGB V.

C. Die Bewertungsausschüsse der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen gem. § 87 SGB V I. Organisation, Zusammensetzung und Bestellung der Mitglieder Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbaren mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse als Bestandteil der Bundesmantelverträge einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen und einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die zahnärztlichen Leistungen (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Der einfache Bewertungsausschuss besteht aus insgesamt 14 Mitgliedern, nämlich 7 von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung bestellten Vertretern sowie je einem von den Bundesverbänden der Krankenkassen, der Bundesknappschaft und den Verbänden der Ersatzkassen bestellten Vertreter. Den Vorsitz führt abwechselnd ein Vertreter der Ärzte und ein Vertreter der Krankenkassen (§ 87 Abs. 3 Satz 2 SGB V), wobei der Wechsel von Sitzung zu Sitzung erfolgt. 1 Die Mitglieder des Bewertungsausschusses werden von den Vorständen der beteiligten Organisationen benannt. Die Benennung ist damit ein innerverbandlicher Akt, soweit die Satzungen nichts anderes bestimmen. Bei der KZBV werden die Mitglieder des Bewertungsausschusses in der ersten Sitzung des neugewählten Vorstandes, also zu Beginn der neuen Legislaturperiode benannt. Eine bestimmte Amtsdauer der Mitglieder des Bewertungsausschusses ist im Gegensatz etwa zu den Zulassungsgremien, den Schiedsämtern und den Bundesund Landesausschüssen gesetzlich nicht vorgesehen. Das BSG hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1996 2 zu dieser Frage Stellung genommen und unter Hinweis auf die seinerzeitigen Bestimmungen in § 368 Abs. 9 Satz 2 RVO und die darin enthaltene Verweisung auf § 368 Abs. 2 Sätze 2 – 5 RVO ausgeführt, daraus ergebe sich, dass eine bestimmte Amtsdauer der Mitglieder des Bewertungsausschusses gesetzlich gerade nicht vorgegeben sei. Auch eine nach Ablauf

1

Vgl. § 2 der GO des Bewertungsausschusses; Geschäftsordnung des Bewertungsausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen i. d. F. vom 02.05.2003; Geschäftsordnung des Bewertungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen i. d. F. vom 2.12.1988 (BGBl. I, 2477), geändert am 24.06.1994, BGBl. I, 1416, abgedruckt bei Heinemann/Liebold/Zalewski, F 34 ff. BSGE 78, 191, 194. 2

I. Organisation der Mitglieder

145

einer solchen Amtsdauer immer wieder neu erfolgende Bestellung der bisherigen Mitglieder sei nicht erforderlich. Damit hat das BSG die Handhabung der Benennung der Mitglieder der Bewertungsausschüsse bestätigt, die in dieser Form seit langem von den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der KZBV praktiziert wird. An dieser Rechtslage hat sich auch durch die Überführung der bisherigen Bestimmungen in § 368 i RVO in die §§ 87, 89 SGB V nichts geändert. § 87 Abs. 4 Satz 2 SGB V verweist „für die Benennung des unparteiischen Vorsitzenden“ auf § 89 Abs. 3 SGB V. Die dortigen Bestimmungen gelten nur insofern entsprechend, als sie sich tatsächlich auf die Benennung des unparteiischen Vorsitzenden beziehen. Ebenso wie seinerzeit § 368 i Abs. 2 RVO in den Sätzen 6 und 8 enthält § 89 Abs. 3 SGB V Bestimmungen, die über diesen Bereich hinausgehen. So ist dort z. B. auch die Stellung der Mitglieder und Näheres über ihre Amtsführung geregelt. Angesichts des insofern identischen Wortlauts von § 87 Abs. 4 Satz 2 SGB V und § 368 i Abs. 9 Satz 2 RVO, die einen Bezug jeweils nur hinsichtlich der Regelungen für die Benennung des unparteiischen Vorsitzenden vorsehen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Gesetzgeber bei der Überführung dieser Bestimmungen in das SGB V eine Erweiterung der Bezugnahme auch hinsichtlich der Bestimmungen zur Amtsdauer von vier Jahren in § 89 Abs. 3 Satz 3 SGB V vornehmen wollte. Damit können KBV bzw. KZBV und die Spitzenverbände der Krankenkassen jederzeit die bestellten Vertreter und deren Stellvertreter abberufen und austauschen, denn diese sind – im Gegensatz auch zu den Vertretern im Schiedsamt 3 – keine weisungsfreien Repräsentanten. 4 Sie sind weisungsgebunden und können jederzeit abberufen werden. 5 Das BSG 6 hat eine solche Bestellung der Vertreter des Bewertungsausschusses durch den nach der Satzung für Vertragsabschlüsse zuständigen Vorstand der KBV für rechtmäßig erklärt und eine Bestellung durch die Vertreterversammlung für nicht erforderlich gehalten. Wen die Verbände als Vertreter entsenden, steht daher in ihrem Ermessen. Zulässig ist auch die Entsendung von Nichtärzten, etwa Verbandsfunktionären, als Vertreter der Kassenärztlichen Bundesvereinigung. 7 Es besteht die Möglichkeit gem. § 1 Abs. 2 Satz 2 der Geschäftsordnung für den Bewertungsausschuss, bis zu drei sachverständige Berater hinzuzuziehen. 8

3

Schnapp, Handbuch des sozialrechtlichen Schiedsverfahrens, B 59. BSG, Urteil vom 11.09.2002, Az. B 6 KA 34/01 R, S. 7 des Urteilsumdrucks; BSGE 73, 131, 133; BSGE 78, 191, 194; BSG SozR 3 – 2200 § 368 g Nr. 2 S. 1, 4. 5 A.A. Schellen, Die Bewertungsausschüsse der Ärzte und Krankenkassen, S. 232. 6 BSG USK 94154; a.A. Ossenbühl, Rechtsgutachten zur Rechtmäßigkeit des neuen einheitlichen Bewertungsmaßstabes, S. 67 ff. 7 BSGE 73, 131, 133. 8 BSGE 78, 191, 195. 4

146

C. Die Bewertungsausschüsse der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen

Die notwendigen Vorarbeiten für die Beschlussfassung des Bewertungsausschusses werden – wie bei dem Gemeinsamen Bundesausschuss – durch einen von den Vertragspartnern eingesetzten Arbeitsausschuss aus den Kreisen der Mitglieder, der Stellvertreter und der sachverständigen Berater erledigt, der die Entscheidungsfindung für das Plenum des erweiterten Bewertungsausschusses vorzubereiten hat. Diese Verfahrensweise ist vom BSG ausdrücklich für zulässig erachtet worden. 9 Kommt im Bewertungsausschuss durch übereinstimmenden Beschluss aller Mitglieder eine Vereinbarung über den Bewertungsmaßstab ganz oder teilweise nicht zustande, wird der Bewertungsausschuss auf Verlangen von mindestens zwei Mitgliedern um einen unparteiischen Vorsitzenden und vier weitere unparteiische Mitglieder erweitert (§ 87 Abs. 4 SGB V). Damit besteht der erweiterte Bewertungsausschuss aus insgesamt 19 Mitgliedern. Sollen die Beschlüsse des Bewertungsausschusses also rechtliche Relevanz erlangen, müssen diese einstimmig – also ohne Neinstimmen und ohne Enthaltungen - verabschiedet werden. Dies unterstreicht den Charakter der Bewertungsausschüsse als Vertragsausschüsse und verneint den Charakter eines Schiedsamtes. 10 Für die Benennung des unparteiischen Vorsitzenden gilt § 89 Abs. 3 SGB V entsprechend (§ 87 Abs. 4 Satz 2 SGB V). Kommt keine Einigung zustande, so entscheidet das Los. Von den weiteren unparteiischen Mitgliedern werden zwei Mitglieder von der Kassen(zahn)ärztlichen Bundesvereinigung sowie ein Mitglied gemeinsam von den Bundesverbänden der Krankenkassen und der Bundesknappschaft benannt. Die Benennung eines weiteren unparteiischen Mitglieds erfolgt durch die Verbände der Ersatzkassen. Unparteiisch bedeutet in diesem Zusammenhang, dass diese Mitglieder keiner der den Bewertungsausschüssen bildenden Organisation angehören dürfen, sei es als Mitglied der Selbstverwaltungsorgane, sei es in einem Dienstverhältnis stehend. 11 Die Rechtsstellung des Vorsitzenden wie auch der weiteren unparteiischen Mitglieder unterscheidet sich von der der übrigen Mitglieder des erweiterten Bewertungsausschusses. § 87 Abs. 4 Satz 2 SGB V spricht insoweit von einer „Benennung“ der unparteiischen Mitglieder. Auch wenn das Gesetz nicht ausdrücklich auf die für die Schiedsämter oder für die Gemeinsamen Bundes- bzw. der Landesausschüsse geltenden Regelungen über die Weisungsunabhängigkeit Bezug nimmt, ergibt sich aus dem Vorstehenden wie aus der Funktion als unparteiischem Mitglied, dass diese Mitglieder im Bewertungsausschuss eine Schlichtungsfunktion wahrzunehmen haben und deshalb nicht mit Weisungen über ihr Stimmverhalten von den sie benennenden Organisationen oder von anderer Seite versehen werden dürfen. 12

9

BSGE 78, 191, 193. Vgl. Heinemann/Liebold/Zalewski, C 87 – 51. 11 Hauck/Haines-Engelhard K § 87 Rn 138. 10

II. Rechtsnatur des Bewertungsausschusses

147

Eine bestimmte Amtsdauer ist nicht vorgesehen. Die Amtsdauer des durch Los benannten Vorsitzenden beträgt in entsprechender Anwendung von § 89 Abs. 3 Satz 6 SGB V (vgl. auch § 9 Ziffer 3 Abs. 3 Satz 1 GO) ein Jahr. 13 Ein Widerruf ist möglich, soweit darüber zwischen allen den Bewertungsausschuss bildenden Organisationen Einigkeit besteht.

II. Rechtsnatur des Bewertungsausschusses Während die Literatur und die Rechtsprechung hinsichtlich der Rechtsnatur der bisherigen Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen kaum noch übersehbar ist, ist die Rechtsnatur des Bewertungsausschusses bisher wenig diskutiert worden, obwohl hierzu ebenso Anlass besteht. Der nach § 87 Abs. 3 und Abs. 4 SGB V gebildete Bewertungsausschuss ist – neben dem Gemeinsamen Bundesausschuss gem. § 92 SGB V und den Vertreterversammlungen der KVen nach § 80 Abs. 1 SGB V – der wichtigste untergesetzliche Normgeber der gesetzlichen Krankenversicherung. 14 Mit der durch das KVKG eingeführten Bestimmung des § 368 g Abs. 4 RVO, nach der die Vertragspartner durch die Bewertungsausschüsse (§ 368 i Abs. 8 RVO) als Bestandteil der Bundesmantelverträge einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen vereinbaren, wurde das Vereinheitlichungsgebot durch relative Bewertungsmaßstäbe gesetzlich festgeschrieben. 15 Die Bewertungsmaßstäbe haben den Inhalt der abrechnungsfähigen ärztlichen Leistungen und ihr wertmäßiges in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander zu bestimmen. 1. Auffassungen in Literatur und Rechtsprechung Wie die rechtliche Konstruktion und Aufgabenstellung des Bewertungsausschusses einzustufen sind, wird im Schrifttum unter verschiedenen Blickwinkeln behandelt. Tiemann 16 zieht insofern einen Vergleich zu verselbstständigten Koordinierungsgremien im bundesstaatlichen Bereich in Gestalt von öffentlich-rechtlichen Gemeinschaftseinrichtungen von Bund und Ländern untereinander (Stiftung

12

Hauck/Haines-Engelhard K § 87, Rn 140. So im Ergebnis BSGE 78, 191, 194; a.A. Peters-Hencke, § 87 Rn 20. 14 Vgl. Wimmer, NZS 2001, 287. 15 Tiemann/Tiemann, S. 60. 16 Tiemann, Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern in verfassungsrechtlicher Sicht, 1970, S. 120 ff. 13

148

C. Die Bewertungsausschüsse der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen

„Preußischer Kulturbesitz“ 17 sowie die beiden Rundfunkanstalten „Deutschlandfunk“ und „Deutsche Welle“ oder auch die Kreditanstalt für Wiederaufbau 18). Nach Schnapp 19 sind sowohl der Bewertungsausschuss als auch der erweiterte Bewertungsausschuss Behörden im verwaltungsverfahrensrechtlichen Sinne gem. § 1 Abs. 2 SGB X. Der Bewertungsausschuss übe nach außen wirksame Behördentätigkeit nach § 8 SGB X aus, denn seine Beschlüsse folgten ihrem Rechtscharakter nach den Regeln über den öffentlich-rechtlichen Vertrag gemäß § 53 SGB X. 20 Er könne nur konsensuell entscheiden (§ 87 Abs. 4 Satz 1 SGB V). Dies belege den öffentlich-rechtlichen Vertragscharakter des Beschlusses. 21 Es wird daher die Meinung vertreten, der Bewertungsausschuss stelle ein von den Vertragsparteien völlig losgelöstes, selbstständiges gesetzliches Beschlussorgan dar. 22 Wie die Richtlinien des Bundesausschusses würden die Beschlüsse des Bewertungsausschusses in diesem Fall kraft gesetzlicher Fiktion als „Vereinbarung der Vertragspartner“ in die Bundesmantelverträge integriert, selbst wenn diese den Ansichten der Vertragspartner nicht in allen Punkten entsprechen. Schnapp 23 bezeichnet die Konstruktion daher auch als „Vertragsschluss zu Lasten Dritter durch bloße Mehrheitsentscheidung“, die in gewisser Hinsicht wohl nur mit Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen vergleichbar sei, bei denen auch durch Nichtbeteiligte entschieden werde. Entscheidend sei, dass die Beschlüsse des Bewertungsausschusses als Vereinbarung der Vertragspartner gewertet werden. Sie könnten daher von diesen nicht angefochten werden, anwendbar seien die Regeln über den öffentlich-rechtlichen Vertrag (§ 53 SGB X). 24 Nach der Rechtsprechung des BSG ist der Bewertungsausschuss ein Vertragsorgan 25 bzw. Vertragsausschuss, 26 dessen Mitglieder als Vertreter der Vertragspartner bevollmächtigt sind, durch übereinstimmenden Beschluss mit Wirkung für die Vertragsparteien den Bewertungsmaßstab unmittelbar in Kraft zu setzen.

17

BGBl. I, 841. BGBl. I, 1878. 19 Schnapp in: Schulin, Krankenversicherungsrecht, § 49 Rn. 247; auch Wimmer, NZS 1999, 113, 116. 20 Henke in: Peters, Krankenversicherung, § 87 Rn. 4; a. A. Sodan, NZS 1998, 306; Wimmer, NZS 1999, 113, 116. 21 BSGE 20, 73; Schneider, § 32 Rn. 11. 22 Wekel, DOK 1978, 697; Schellen, S. 147 ff., 149. 23 Schnapp, Die Ersatzkasse 1978, 497, 503. 24 Henke in: Peters, § 87 Rn. 4. 25 BSGE 73, 131, 133; BSGE 78, 191, 194; Engelmann, NZS 2000, 1, 7. 26 BSGE 78, 191,193; BSG, GesR 2003, 115. 18

II. Rechtsnatur des Bewertungsausschusses

149

Diese Betrachtung, der Bewertungsausschuss sei verlängerter Arm der Vertragspartner 27 oder Vertragsausschuss 28 der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, er vereinbare die Bewertungsmaßstäbe in Stellvertretung der Partner der Bundesmantelverträge, 29 folgt mehr der Aufgabenwahrnehmung. 2. Eigene Wertung und Ergebnis Die Bewertung ärztlicher Leistungen ist auf ein verselbstständigtes und zentralisiertes Entscheidungsorgan übertragen worden. Dieses ist mit eigener Geschäftsordnung ausgestattet, damit also auch institutionell verselbstständigt und kann insoweit im Hinblick auf seine eigene Kompetenzausstattung dem Selbstverwaltungsbereich der sozialversicherungsrechtlichen Körperschaften nicht mehr zugeordnet werden. Die Vereinbarung eines Bewertungsmaßstabes als einem zentralen Sektor der Vertragsautonomie ist aus dem Kompetenzbereich der Gesamtvertragspartner auf eine Institution verlagert worden, die zwar von den Selbstverwaltungskörperschaften beschickt wird, jedoch ein eigenständiges, auf einer die Aufbaustrukturen des Selbstverwaltungssystems sprengenden dritten Ebene zwischen den Selbstverwaltungspartnern angesiedeltes Organisationsgebilde darstellt und im Konfliktfall auf schiedsamtsähnliche Entscheidungsfindung durch „Unparteiische“ verwiesen ist. 30 Wenn man bedenkt, dass die Festsetzung der Vergütungshöhe und der Vertragsinhalte durch die Konfliktregelungen des SGB den Schiedsämtern übertragen ist und diese ihr Ermessen in der Weise an die Stelle der autonomen Willensbildung der Parteien setzen können, dass durch den Rechtsakt des Schiedsspruchs völlig neue Leistungskategorien und Vertragsinhalte in den Gesamtvertrag Eingang finden, so wurde durch die zweite Institutionalisierung der Bewertungsausschüsse die zweite Komponente einer synallagmatischen Leistungsbeziehung der Kompetenz der Gesamtvertragspartner entzogen, nämlich die Leistungsdefinition und Bewertung. 31 Die Bewertungsausschüsse sind damit rechtstechnisch nicht als „interne“ Organe der sozialversicherungsrechtlichen Körperschaften aufzufassen, wie etwa Vertreterversammlung oder Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigungen, deren Tätigkeit der Internsphäre der Organe zuzuordnen ist. Vielmehr sind die Bewertungsausschüsse zu konkreten Rechtshandlungen mit Außenwirkung, nämlich der Festsetzung der Bewertungsmaßstäbe, gesetzlich beauftragt.

27 28 29 30 31

So Krauskopf , § 87 Rn. 34; Kass.-Komm.-Hess, § 87 Rn. 18. So auch BSG, GesR 2003, 115: Entscheidungen mit „Doppelcharakter“. Funk in: Schulin, § 32 Rn. 97. Tiemann/Tiemann, S. 61. Tiemann, VSSR 1994, 407, 420.

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C. Die Bewertungsausschüsse der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen

Zutreffend wäre es daher, von einer „Doppelnatur“ des Bewertungsausschusses zu sprechen. Beim Bewertungsausschuss und auch beim erweiterten Bewertungsausschuss handelt es sich um rechtlich verselbstständigte Stellen der mittelbaren Bundesverwaltung, für deren Errichtung der Bund die Kompetenz aus Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG hat. 32 Der Bewertungsausschuss ist ein Vertragsausschuss, der durch die Vertragspartner beschickt wird. Die Mitglieder werden von dem nach Satzung für Vertragsabschlüsse zuständigen Organ, dem Vorstand, bestellt. Gleichwohl ist der Bewertungsausschuss auch ein Beschlussgremium, das einen Vertrag „durch Beschluss“ herbeiführt. Von seiner organisatorischen Stellung her ist er nicht eindeutig in die überkommene Systematik juristischer Organisationseinheiten einzuordnen. 33 Der Bewertungsausschuss ist eine organisationsrechtlich verselbstständigte Einheit, die mit eigenen Aufgaben versehen ist, ohne eigene Rechtspersönlichkeit zu besitzen. 34 Entscheidend ist dabei, dass der Bewertungsausschuss als Selbstverwaltungseinrichtung Teil der Exekutive ist und öffentliche Aufgaben erfüllt. Insoweit hat der Gesetzgeber eine eigentümliche Konstruktion gewählt, indem er einerseits den Bewertungsmaßstab zum Bestandteil des Bundesmantelvertrages erklärt hat, der als Vertrag zu „vereinbaren“ ist. Für diesen Teil des Bundesmantelvertrages hat er die Abschlusshoheit einem besonderen, von den Vertragsparteien zu besetzenden Gremium zu übertragen und damit den Vertragsparteien des Bundesmantelvertrages die Möglichkeit genommen, Entscheidungen des Bewertungsausschusses formell als Verhandlungsergebnis von den jeweiligen Organen der Vertragspartner (Vorstand) beschließen zu lassen. 35 Insofern spricht viel dafür, dass es sich beim Bewertungsausschuss um einen gesetzlich gebildeten Vertragsausschuss der Vertragspartner mit gesetzlicher Abschlussvollmacht handelt. Die Vertragspartner vereinbaren nach § 87 Abs. 1 SGB V einvernehmlich – also wie bei einem Vertrag – die einheitlichen Bewertungsmaßstäbe „durch Bewertungsausschüsse“. Insofern ist also der Bewertungsausschuss mit den anderen Ausschüssen der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen nicht zu vergleichen. Anders als bei z. B. den Mitgliedern des Gemeinsamen Bundesausschusses sind die Mitglieder des Bewertungsausschusses nicht an Weisungen der sie entsendenden Körperschaften gebunden. 36

32

Ebsen in: Schulin, Krankenversicherungsrecht, § 7 Rn. 167. Tiemann/Tiemann, Kassenarztrecht im Wandel, 1983, S. 200 spricht daher von einem „Zwitterstatus“. 34 Vgl. Tiemann/Tiemann, S. 61; Schellen, Die Bewertungsausschüsse der Ärzte und Krankenkassen, S. 153; Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 87 Rn 4; W. Wekel, DOK 1978, 697, 699. 35 Heinemann/Liebold/Zalewski, C 87-4. 36 Vgl. BSGE 90, 61; a.A. Schellen, Die Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen, S. 232. 33

II. Rechtsnatur des Bewertungsausschusses

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Kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung (§ 87 Abs. 5 Satz 2 SGB V) hat die Festsetzung des erweiterten Bewertungsausschusses die Rechtswirkung einer vertraglichen Vereinbarung im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB V. Kraft Gesetzes sind diese Bestandteil der Bundesmantelverträge und teilen somit dessen Rechtscharakter als Rechtsnormen. 37 Die Beschlussfassung des erweiterten Bewertungsausschusses ist demgegenüber als Verwaltungsakt 38 zu qualifizieren, da der erweiterte Bewertungsausschuss damit außenwirksame Behördentätigkeit entfaltet. 39 Nicht mehr einvernehmliche Vertragsentscheidungen stehen hier im Mittelpunkt der Entscheidungsfindung, sondern echte Schiedsentscheidungen. 40 Es liegt daher nahe, den Bewertungsausschuss als eine organisationsrechtlich verselbstständigte öffentliche Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung der Ärzte und Krankenkassen anzusehen, 41 was u.a. darin Ausdruck findet, dass er nach § 70 Nr. 4 SGG am Verfahren vor den Sozialgerichten beteiligt sein kann. 42 Dies hat das BSG zuletzt in seiner Entscheidung vom 11.09.2002 bestätigt. 43 Sowohl der Bewertungsausschuss als auch der erweiterte Bewertungsausschuss sind danach beteiligungsfähig i.S.v. § 70 Abs. 4 SGG. Für den erweiterten Bewertungsausschuss ergibt sich dies bereits aus der Doppelnatur seiner Beschlüsse als Verwaltungsakte gegenüber den beteiligten Institutionen. Es handelt sich insofern um schiedsamtsähnliche Entscheidungen. Dies gilt auch für den einstimmig entscheidenden Bewertungsausschuss, da dieser und der erweiterte Bewertungsausschuss einen einheitlichen Ausschuss darstellen, der lediglich in verschiedener Zusammensetzung und nach verschiedenen Regeln entscheidet. 44 Dass die Mitglieder im Bewertungsausschuss weisungsabhängig sind, steht einer nach § 70 SGG erforderlichen gewissen Verselbstständigung des Entscheidungsorgans nicht entgegen, da diese keine eigene Rechtsfähigkeit oder eine organisatorische Eigenständigkeit voraussetzt. Die Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen, 45 der Bewertungsausschuss sei nicht beteiligtenfähig, ist aus den oben genannten Gründen abzulehnen. Der Se-

37

Hauck-Haines-Engelhard, K § 87 Rn 4. A. A. Rompf , GesR 2003, 65, 66. 39 Hauck/Haines-Engelhard, K § 87 Rn 148; Schneider, Krankenversicherungsrecht, Rn 721; Schnapp in: Schulin, Krankenversicherungsrecht, Rn 248; Peters-Hencke § 87 Rn 5; Siewert, S. 97; Wekel, DOK 1978, 697, 699; a.A. BSGE 71, 42, 50. 40 Schnapp in: Schulin, Krankenversicherungsrecht, § 49 Rn 248; W. Wekel, DOK 1978, 697, 699. 41 Hauck/Haines-Engelhard, K § 87 Rn 145. 42 BSGE 71, 42; BSGE 78, 191. 43 BSGE 90, 61. 44 Schneider, Kassenarztrecht, Rn 719. 45 Urteil v. 15.04.1997, Az.: L 11 Ka 91/96. 38

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C. Die Bewertungsausschüsse der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen

nat hatte in dieser Entscheidung ausgeführt, der Bewertungsausschuss sei kein Entscheidungsgremium i.S.d. § 51 Abs. 2 Satz 1 SGG. Im Gegensatz z. B. zu den Bundesausschüssen nach § 92 SGB V, die beteiligtenfähig sind, 46 seien die Mitglieder des Bewertungsausschusses nicht an Weisungen der entsendenden Körperschaft gebunden. 47 Die Zuständigkeitsverlagerung von den Vertragspartnern auf einen zentralen Bewertungsausschuss diene der Schaffung bundeseinheitlicher Vergütungsgrundlagen für sämtliche Kassenarten, ändere indes jedoch nichts an der Rechtsnatur des Bewertungsmaßstabes als einer den Partnern der gemeinsamen Selbstverwaltung zuzurechnenden vertraglichen Vereinbarung. Zudem stehe der Wortlaut des § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V der Beteiligtenfähigkeit des Bewertungsausschusses entgegen. Aus den Gesetzesmaterialien zu § 368 i Abs. 8 bis 10 RVO i.d.F. des KVKG vom 27.06.1977 48 ergibt sich, dass der erweiterte Bewertungsausschuss als Schiedsinstanz dem „für die Gesamtverträge und Bundesmantelverträge geltenden Schiedsverfahren“ nachgebildet worden ist. 49 Ziel der Regelung war es, den Bewertungsmaßstab im Nichteinigungsfalle durch eine Schiedsentscheidung festzulegen. 50 Bereits zum Zeitpunkt der Errichtung des erweiterten Bewertungsausschusses durch das Kostendämpfungsergänzungsgesetz vom 27.06.1977 51 wurde im Schrifttum 52 darauf hingewiesen, dass das Verfahren vor dem Bewertungsausschuss sehr fehleranfällig sei, was die Möglichkeit einer unmittelbaren gerichtlichen Überprüfung erforderlich mache. Insoweit ist es konsequent, Schiedsentscheidungen des erweiterten Bewertungsausschusses rechtlich nicht mehr als einvernehmliche Vereinbarungen der Vertragspartner, sondern als Verwaltungsakte zu qualifizieren mit der Folge, dass diese von den Vertragspartnern im Wege der Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) vor dem Sozialgericht angefochten werden können. 53 Die Vereinbarung des Bewertungsmaßstabes ist damit kein echter Vertrag. Es handelt sich vielmehr um einen Beschluss des Bewertungsausschusses und damit um eine Entscheidung einer gegenüber den entsendenden Körperschaften rechtlich verselbstständigten Stelle mit eigenen Kompetenzen im Bereich der Leistungsdefinition und Bewertung. Der einheitliche Bewertungsmaßstab ist daher

46

Jetzt Gemeinsamer Bundesausschuss; BSGE 79, 239; BSGE 64, 78. BSGE 73, 131, 133; Jörg, Rn. 367; a.A. Schellen, Die Bewertungsausschüsse der Ärzte und Krankenkassen, Fn. 326. 48 BGBl. I, 1069. 49 Begr. RegEntw. zu § 368 i RVO, BR-Drucks. 76/77, S. 31. 50 AusschBer., BT-Drucks. 8/338, S. 54. 51 BGBl. I, 1069. 52 Wekel, DOK 1978, 697. 53 BSGE 20, 73; Heinemann/Liebold/Zalewski, C 87-5; Hauck/Haines-Engelhard, K § 87, Rn 149. 47

III. Demokratische Legitimation der Bewertungsausschüsse

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formal nicht den Vertragsparteien der Kollektivverträge zuzuordnen, als deren Inhalt er nach § 87 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 2 SGB V gilt. 54 Dieser Auffassung steht auch nicht § 87 Abs. 5 Satz 2 SGB V entgegen, wonach die Festsetzung des Bewertungsmaßstabes „die Rechtswirkung einer vertraglichen Vereinbarung i.S.v. § 82 Abs. 1 SGB V“ hat, denn auch Schiedssprüche des Schiedsamtes gem. § 89 SGB V haben diese Rechtswirkung.

III. Demokratische Legitimation der Bewertungsausschüsse Ebenso wie bisher beim Bundesausschuss der (Zahn-)Ärzte und Krankenkassen wird die demokratische Legitimation des Bewertungsausschusses in der Literatur 55 angezweifelt. Die Qualifizierung der Beschlüsse der Bewertungsausschüsse als eigenständige Rechtsnormen hängt davon ab, ob die demokratische Legitimation der Bewertungsausschüsse zum Erlass untergesetzlicher Rechtsnormen ausreicht. Dies ist der Fall, wenn die Mitglieder des normgebenden Gremiums ihre Bestellung in einer demokratischen Legitimationskette von den Mitgliedern der betreffenden Selbstverwaltungskörperschaften, also den Versicherten und den Vertragsärzten ableiten könnten. 56 Nur unter diesen Voraussetzungen erreicht das Gremium ein Legitimationsniveau, das – so die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts – der demokratische Rechtsstaat von Rechtsnormen verlangt. 57 Insbesondere bei den Kassenvertretern in den Bewertungsausschüssen wird die demokratische Legitimation nicht erkennbar. 58 Insofern kann auf die Darstellung zur fehlenden personellen Legitimation der Krankenkassenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss verwiesen werden, 59 die für den Bewertungsausschuss zu keinem anderen Ergebnis führt. Schon die Ursprungswahl der Versicherten

54

So auch Sodan, NZS 1998, 305, 306. So vor allem Ossenbühl, Entscheidungskompetenzen im Kassenarztrecht, S. 70 ff.; Wimmer, NJW 1995, 1577, 1580; differenzierter Schwerdtfeger, SDSRV 38 (1994), 27, 45f.; ders. NZS 1998, 49, 51; auch Hänlein, Rechtsquellen, S. 438 ff.; a. A, BSG, SozR 3-2200 § 368g Nr. 2; BSG SozR 2500 § 85 Nr. 4; SG Hannover, Urteil vom 20.03.2003, S 10 KA 1082/98. 56 Wimmer, NZS 1999, 113, 116; a. A. Engelmann in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, Teil III, S. 101, 124. 57 So BVerfGE 21, 54 ff.; 32, 346, 361; 33, 125, 157; 76, 171, 186; 77, 1, 40; 83, 60, 70; 93, 37, 68 f.; s. o. B. III. 1. 58 Wimmer, NZS 1999, 113, 117; zur Unzulässigkeit sog. Friedenswahlen vgl. BSGE 23, 92; zu deren Zulässigkeit BSGE 36, 242, 243 ff; kritisch Castendiek, NZS 2001, 71, 74. 59 Vgl. B.III.1. 55

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C. Die Bewertungsausschüsse der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen

in die Verwaltungsräte der Krankenkassen 60 genügt nicht den demokratischen Anforderungen, da oftmals nur Friedenswahlen durchgeführt werden. Diese Auffassung berücksichtigt allerdings nur unzureichend die Rechtsnatur des Bewertungsausschusses. Anders als der Gemeinsame Bundesausschuss sowie die anderen Ausschüsse der gemeinsamen Selbstverwaltung (Zulassungs-, Beschwerdeausschuss) handelt es sich beim Bewertungsausschuss und auch beim erweiterten Bewertungsausschuss um einen Vertragsausschuss bzw. einen solchen mit schiedsamtsähnlichem Charakter. Insofern sind auch die in diesem Ausschuss von den Körperschaften entsandten weisungsgebundenen Vertreter als deren „Bevollmächtigte“ anzusehen, die Vertragsabschlussvollmacht besitzen. § 87 Abs. 3 Satz 1 SGB V spricht von einer „Bestellung“ der Vertreter des Bewertungsausschusses. Auch § 91 Abs. 2 SGB V spricht von einer Bestellung der Vertreter für den Gemeinsamen Bundesausschuss. Aus dem Verweis in § 91 Abs. 3 Satz 2 SGB V auf § 90 Abs. 3 Satz 2 SGB V ergibt sich ausdrücklich deren Weisungsfreiheit. Eine vergleichbare Vorschrift existiert nicht für die Mitglieder im Bewertungsausschuss. Teilweise wird nun die Auffassung vertreten, auf die demokratische Legitimation der Mitglieder komme es gar nicht an. 61 Denn nach der gesetzlichen Konstruktion sei Normgeber des EBM nicht der Bewertungsausschuss sondern die Partner der Bundesmantelverträge. Die Weisungsgebundenheit der Vertreter der Körperschaften genüge nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, 62 da die mangelnde demokratische Legitimation eines Gremiums dadurch ausgeglichen werden könne, dass ein demokratisch legitimierter Amtsträger – hier die Körperschaft, die einen Vertreter in den Bewertungsausschuss entsendet – ein Weisungsrecht zustehe. Die weitere Argumentation, 63 wonach die Bundesverbände der Krankenkassen untereinander aushandeln könnten, wer für sie als Vertreter in den Bewertungsausschuss bestellt werde, greife ebenfalls nicht durch, da § 87 Abs. 3 Satz 1 SGB V voraussetze, dass die Bestellung eines Vertreters durch die jeweilige Körperschaft erfolge, ohne dass insoweit ein „Aushandeln“ der Bestellung der Vertreter durch die Spitzenverbände der Krankenkassen rechtlich zulässig wäre. Dem wird aber nun zu Recht entgegengehalten, die Mitglieder des Bewertungsausschusses, die mehrheitsentscheidend sein können, seien nicht weisungsgebunden, so dass auch der Rekurs auf die angeblich demokratisch verfassten Partner der Gesamtverträge nicht greife. 64 60

§ 31 Abs. 3 a SGB IV. Engelmann in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, Teil III, S. 101, 126 f.; ders., NZS 2000, 1, 7. 62 BVerfGE 93, 37, 72. 63 Wimmer, NZS 1999, 113, 116. 64 Wimmer, NZS 2001, 287, 291. 61

III. Demokratische Legitimation der Bewertungsausschüsse

155

Das Gesetz bestimmt nicht, nach welchem Verfahren die Vertreter für den Bewertungsausschuss bestellt werden sollen, wer also innerhalb der Selbstverwaltungskörperschaften die jeweiligen Vertreter bestimmt, aus welchem Personenkreis diese stammen müssen und nach welchen Verfahren dies zu geschehen hat. Auch die Satzungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die Geschäftsordnungen 65 schweigen dazu. Besondere Verfahrensordnungen existieren nicht. In der Praxis werden die Vertreter des Bewertungsausschusses für die zahnärztlichen Leistungen durch den Vorstand und damit einem Repräsentanten der von den Vertragszahnärzten gewählten Mitgliedern der Vertreterversammlungen gewählt, so dass lediglich mittelbar von einer im Rahmen der Selbstverwaltung insoweit demokratischen Legitimation ausgegangen werden kann. Hinsichtlich der Unparteiischen ist dies nicht der Fall, da hier in der Praxis zumeist durch Losentscheid eine Bestellung herbeigeführt wird. Eine demokratische Wahl findet nicht statt. Es ist zweifelhaft, ob man mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts 66 eine demokratische Legitimation des Bewertungsausschusses annehmen kann. Die unparteiischen Mitglieder werden – mehr oder weniger – auf Zuruf oder durch Losentscheid bestellt, jedenfalls aber nicht demokratisch gewählt. Das aufsichtsführende Ministerium, das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, hat erst mit der Einführung des § 87 Abs. 2 d SGB V 67 für den danach bis zum 31.12.2001 neu zu vereinbarenden einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen das Recht erhalten, im Falle der Nichteinhaltung der Frist unverzüglich den Erweiterten Bewertungsausschuss für die zahnärztlichen Leistungen nach § 87 Abs. 4 SGB V mit Wirkung für die Vertragsparteien anzurufen. Dieser sollte mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb von 6 Monaten die Vereinbarung festsetzen. Sinn dieser Regelung sollte es offensichtlich sein, die Arbeiten für eine Neustrukturierung des BEMA zu beschleunigen, ohne jedoch eine Ersatzvornahme vornehmen zu müssen. Als zusätzlichen Anreiz für eine zügige Umsetzung der Vorgaben hatte der Gesetzgeber die Begrenzung des Zahlungsanspruches der Vertragszahnärzte im Rahmen der Mehrkostenregelungen (§§ 28 Abs. 2 Satz 2 und 30 Abs. 3 Satz 2 SGB V) auf das 2,3-fache des Gebührensatzes der Gebührenordnung für Zahnärzte zeitlich befristet (§ 87 a Satz 2 SGB V). Die Begrenzung entfällt, wenn der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen und der Bewertungsausschuss ihre Aufträge nach § 92 Abs. 1a SGB V bzw. § 87 Abs. 2d SGB V erfüllt haben (§ 87a Satz 4 SGB V). Hess 68 65

Geschäftsordnung des Bewertungsausschusses Zahnärzte und Krankenkassen i.d.F. vom 17.05.1978; Geschäftsordnung des Bewertungsausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 20.12.1988 (BGBl. I, 2477), zuletzt geändert am 24.6.1994 (BGBl. I 1416) i.d.F. vom 31.08.1995, abgedruckt bei Heinemann/Liebold/Zalewski, F 34 ff. 66 BVerfGE 93, 37, 72. 67 GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000, BGBl. I, 2626. 68 Kass.-Komm.-Hess, § 87 Rn. 17.

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C. Die Bewertungsausschüsse der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen

sieht darin die Befürchtung des Gesetzgebers, dass weder Krankenkassenverbände noch KZV hieran ein Interesse haben. Der Gesetzgeber war sich offensichtlich bewusst, um welch schwierige Aufgabe es sich dabei handelte. Dies hat sich auch im Gesetzgebungsverfahren gezeigt. Zunächst sah die Fassung des § 87 Abs. 2 d SGB V eine Frist bis zum 30.06.2000 vor. Der 14. Ausschuss hat diese Frist auf den 31.12.2001 verlängert, da im Anhörungsverfahren deutlich geworden sei, dass der für die gleichgewichtige Umbewertung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes vorgegebene Zeitrahmen von 18 Monaten nicht ausreichend sei. 69 Damit sollte der erweiterte Bewertungsausschuss, also im Wesentlichen derselbe Personenkreis, erweitert um zwei – bisher unbeteiligte – Unparteiische angesichts der Komplexität der Materie seiner Verpflichtung innerhalb dieser kurzen gesetzlichen Frist nachkommen und erledigen, was bis zu diesem Zeitpunkt dem Bewertungsausschuss nicht gelungen war. Da keine Sanktionen vorgesehen sind, handelt es sich bei der gesetzten Frist um eine reine Ordnungsfrist. Der erweiterte Bewertungsausschuss hat mit Beschlüssen vom 4. Juni und 5. November 2003 mit Ausnahme der implantologischen Leistungen die Modernisierung des BEMA abschließen können. Im ärztlichen Bereich hat der Gesetzgeber ebenfalls Handlungsbedarf gesehen (§ 87 Abs. 2 c SGB V), ohne allerdings dem aufsichtsführenden Ministerium bestimmte Rechte bei Nichtbeachtung der gesetzlichen Vorgaben und Fristen einzuräumen.

IV. Kompetenzen der Aufsicht gegenüber den Bewertungsausschüssen Im Folgenden soll der Frage nachgegangen werden, ob und ggf. in welcher Form Aufsichtsbefugnisse gegenüber dem Bewertungsausschuss bzw. dem erweiterten Bewertungsausschuss bestehen. Erstmalig seit Bestehen der Bewertungsausschüsse ist nunmehr ein unmittelbares Beanstandungsrecht der Aufsicht gegenüber dem Bewertungsausschuss oder dem erweiterten Bewertungsausschuss vorgesehen. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz 70 hat der Gesetzgeber in § 87 Abs. 6 SGB V bestimmt, dass die Beschlüsse der Bewertungsausschüsse und die den Beschlüssen zugrunde liegenden Beratungsunterlagen dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung vorzulegen sind. Es kann die Beschlüsse innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Kommen Beschlüsse der Bewertungsausschüsse ganz oder teilweise nicht oder nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung gesetzten Frist zu Stande oder werden die Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit nicht in-

69 70

BT-Drucks. 14/1245 v. 23.06.1999; BT-Drucks. 14/1977 vom 03.11.1999, S. 30. BGBl. I, 2190; in Kraft getreten am 01.01.2004.

IV. Kompetenzen der Aufsicht

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nerhalb einer von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung die Vereinbarung festsetzen; es kann dazu Datenerhebungen in Auftrag geben oder Sachverständigengutachten einholen. Die mit den Maßnahmen nach Satz 2 verbundenen Kosten sind von den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung jeweils zur Hälfte zu tragen; 71 das Nähere bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung. Abweichend von § 87 Abs. 6 Satz 2 SGB V kann das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung für den Fall, dass Beschlüsse der Bewertungsausschüsse nicht oder nicht innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung gesetzten Frist zustande kommen, den erweiterten Bewertungsausschuss nach § 87 Absatz 4 SGB V mit Wirkung für die Vertragspartner anrufen. Der erweiterte Bewertungsausschuss setzt mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb einer vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung gesetzten Frist die Vereinbarung fest; die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend. Anders als beim Gemeinsamen Bundesausschuss hat der Gesetzgeber nicht explizit im Gesetz bestimmt, dass die Bewertungsausschüsse und der erweiterte Bewertungsausschuss der Aufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung unterstehen. 72 Der Bewertungsausschuss ist eine nicht rechtsfähige, lediglich zum Zwecke der Vereinbarung des EBM rechtliche verselbstständigte Einrichtung der gemeinsamen Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen. 73 Hinsichtlich des Bewertungsausschusses, der nach § 87 Abs. 3 SGB V aus sieben von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen gestellten Vertretern und einer gleichen Anzahl von Vertretern der Bundesverbände der Krankenkassen, der Bundesknappschaft und der Verbände der Ersatzkassen besteht und nur übereinstimmend, also einstimmig entscheidet, bestehen folglich aufsichtsrechtliche Befugnisse nur gegenüber den Bundesmantelvertragspartnern. Der Bewertungsausschuss stellt sich als „verlängerter Arm“ 74 der Vertragspartner dar. Seine Mitglieder, die nach ihrer Aufgabe für die entsendenden Körperschaften und Verbände zu einem Vertragsschluss kommen sollen, unterliegen einem Weisungsrecht. 75 Jedenfalls in diesem Fall, in dem der Vertrag übereinstimmend geschlossen wird, ohne dass es einer Mehrheitsentscheidung durch den erweiterten Bewertungs-

71

Eine Kostentragung der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung ist nicht vorgese-

hen. 72

Vgl. für den Gemeinsamen Bundesausschuss § 91 Abs. 10 SGB V. LSG NRW, Urteil vom 15.04.1997, L 11 Ka 91/96; Frehse in: Handbuch des Vertragsarztrechts, § 21, Rn 27. 74 Kass.-Komm.-Hess § 87 Rn. 18. 75 BSGE 73, 131, 133. 73

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C. Die Bewertungsausschüsse der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen

ausschuss bedarf, verwirklichen die Mitglieder des Ausschusses den Willen der durch sie repräsentierten Stellen. 76 Insofern ist es system- und sachgerecht, der Aufsichtsbehörde auch nach der Neufassung des § 87 SGB V nur diejenigen Befugnisse hinsichtlich der Vertragspartner des Bewertungsausschusses zuzugestehen, die sie auch im Übrigen gegenüber den Beteiligten hat. Gegenüber dem Bewertungsausschuss als Gremium bestehen diese Befugnisse daher nach wie vor mangels gesetzlicher Regelung nicht. Der Bewertungsausschuss besitzt keine eigene Rechtspersönlichkeit. 77 Die Aufsichtsbehörde kann jedoch den erweiterten Bewertungsausschuss anrufen oder eine Ersatzvornahme durchführen. Ausweislich der diesbezüglichen Begründung 78 soll damit ein zügige und vollständige Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur Ausgestaltung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes sichergestellt werden. Die Anrufung des erweiterten Bewertungsausschusses oder auch die Ersatzvornahme sind daher rechtlich als Aufsichtsmaßnahmen nach § 89 Abs. 1 Satz 3 SGB IV in der Form der Ersatzvornahme nach § 10 Verwaltungsvollstreckungsgesetz zu qualifizieren. Für den erweiterten Bewertungsausschuss, der nach der gesetzlichen Ausgestaltung durch Mehrheitsentscheidung zu einer Lösung gelangt, die die Rechtswirkung einer vertraglichen Vereinbarung im Sinne des § 82 Abs. 1 SGB V hat, hat der Gesetzgeber ebenfalls eine entsprechende Regelung vorgesehen. Eine entsprechende Vorlagepflicht der Beschlüsse und der diesen zugrunde liegenden Beratungsunterlagen ist nunmehr im Gesetz enthalten. 79 Zwar sieht das Bundessozialgericht in den Entscheidungen des einfachen und des Erweiterten Bewertungsausschusses ein einheitliches Normsetzungsverfahren. 80 Dabei ist allerdings zu beachten, dass der erweiterte Bewertungsausschuss im Gegensatz zum Bewertungsausschuss nicht mehr nur aus Vertretern der sie entsendenden Körperschaften besteht, sondern um einen unparteiischen Vorsitzenden und vier weitere unparteiische Mitglieder erweitert wurde. Entsprechend der Regelung für das Schiedsamt sind die unparteiischen Mitglieder an Weisungen nicht gebunden (§ 89 Abs. 3 Satz 8 SGB V). Anders als beim Schiedsamt kann die Aufsicht jedoch keinen direkten Einfluss auf die Mitglieder des erweiterten Bewertungsausschusses nehmen, insbesondere nicht die

76 So auch BGH, NJW 2002, 1793, 1795 für die Amtshaftung; dazu Kaltenborn, SGb 2002, 659. 77 S. C. II. 2. 78 BT-Drucks. 15/1525, S. 105. 79 § 87 Abs. 6 Satz 5, 2. Halbsatz SGB V. 80 BSGE 78, 191, 192; BSGE 90, 61.

IV. Kompetenzen der Aufsicht

159

unparteiischen Mitglieder oder den unparteiischen Vorsitzenden aus wichtigem Grund abberufen. 81 Der Aufsichtsbehörde steht grundsätzlich das in § 87 Abs. 6 SGB V enthaltene Informationsrecht zu. Ein Teilnahmerecht an Sitzungen des erweiterten Bewertungsausschusses kommt daraus folgend jedoch nach wie vor nicht in Betracht. 82 Dieses Ergebnis wird gestützt durch die Fassung des § 87 Abs. 2 d SGB V für den vertragszahnärztlichen Bereich, in der der Gesetzgeber der GKV-Gesundheitsreform 2000 83 sich veranlasst gesehen hatte, im Falle der ganz oder teilweisen Nichteinigung im Bewertungsausschuss bis zum 31.12.2001 dem Bundesministerium für Gesundheit die Kompetenz zu übertragen, unverzüglich den erweiterten Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 4 SGB V mit Wirkung für die Vertragsparteien anzurufen. 84 § 87 Abs. 2 d Satz 5 SGB V stellte insofern bereits einen Eingriff in die Rechte der gemeinsamen Selbstverwaltung dar. Die Anrufung durch das Bundesministerium für Gesundheit, jetzt Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, die mit Wirkung für die Vertragsparteien erfolgt, dürfte rechtlich daher ebenfalls als Aufsichtsmaßnahme nach § 89 Abs. 1 Satz 3 SGB IV – in der Form der Ersatzvornahme nach § 10 Verwaltungsvollstreckungsgesetz – zu qualifizieren sein, auch wenn Mittel des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes nach § 89 Abs. 1 Satz 3 SGB IV grundsätzlich nur bei einer Unanfechtbarkeit einer entsprechenden Aufsichtsverfügung bzw. Anordnung der sofortigen Vollziehung zulässig sind. 85 Eine solche ausdrücklich gesetzlich normierte Befugnis des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung wäre nicht erforderlich, würde der Gesetzgeber selbst davon ausgehen, dass dem Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung ohnehin Aufsichtsbefugnisse gegenüber dem erweiterten Bewertungsausschuss zustünden. Teilweise 86 wurde jedoch noch unter Geltung der RVO die Rechtsauffassung vertreten, die Regelungen der Schiedsamtsordnung könnten entsprechend herangezogen werden und damit ein aufsichtsrechtliches Eingreifen für den Fall der Nichtteilnahme an den Sitzungen des erweiterten Bewertungsausschusses für möglich gehalten. Zwar sei in den Regelungen des Kassenarztrechts eine Verpflichtung zur Teilnahme an den Sitzungen des Bewertungsausschusses oder eine

81

Vgl. insoweit für das Schiedsamt die Regelung in § 4 Abs. 1 Schiedsamtsverordnung. Siehe § 1 Abs. 2 der Geschäftsordnung des Bewertungsausschusses in der Fassung vom 02.05.2003, der die Zulassung anderer Personen zu den Sitzungen des Bewertungsausschusses bzw. des erweiterten Bewertungsausschusses regelt. 83 BGBl. I, 2626; in Kraft getreten am 01.01.2000. 84 Kritisch dazu Muschallik, MedR 2003, 139, 140. 85 Hauck/Haines-Engelhard, K § 87, Rn 109n. 86 Lüke, Beiträge zum neuen Kassenarztrecht, S. 21. 82

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C. Die Bewertungsausschüsse der (Zahn)Ärzte und Krankenkassen

Verpflichtung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, gegenüber ihren Vertretern auf eine Sitzungsteilnahme hinzuwirken, nicht ausdrücklich bestimmt. Gleichwohl liege sie in der Konzeption des Gesetzgebers. Die Einführung des erweiterten Bewertungsausschusses und die Möglichkeit der qualifizierten Mehrheitsentscheidung sowie die Schiedsunfähigkeit der Vereinbarung gem. § 368 g Abs. 4 RVO gäben dem erweiterten Bewertungsausschuss die Funktion eines Schiedsamtes. Hierfür spreche auch die Gesetzessystematik, da die Einrichtung und die Funktionen des Bewertungsausschusses in dem selben Paragrafen geregelt seien wie das Schiedsamt (§ 368 i RVO). Nach dieser Auffassung sind Verletzungen der Teilnahmepflicht von Ausschussmitgliedern durch die Aufsichtsbehörde gegenüber den beteiligten Verbänden, denen diese Pflicht verletzenden Ausschussmitglieder angehören, zu ahnden. Maßnahmen gegenüber einzelnen Mitgliedern seien nicht möglich. Für die fünf unparteiischen Mitglieder könne die hierdurch entstehende Lücke durch eine entsprechende Anwendung des § 4 Schiedsamtsordnung (Abberufung aus wichtigem Grund durch die Aufsichtsbehörde) geschlossen werden. Stimmenthaltungen stellen nach dieser Auffassung ebenfalls Pflichtverletzungen dar. Diese Auffassung wäre nach heutiger Rechtslage nicht mehr vertretbar und wird auch – soweit ersichtlich – in der rechtswissenschaftlichen Diskussion von niemandem mehr vertreten. Der Bewertungsausschuss und speziell der erweiterte Bewertungsausschuss heutiger Prägung haben eine schiedsamtsähnliche Funktion und sind – wie das Schiedsamt – bei der Entscheidungsfindung letztlich auf Unparteiische verwiesen. Die Kompetenzen des Bewertungsausschusses sind im SGB V jedoch in eigenen Vorschriften geregelt. Der Gesetzgeber hat sich dabei bewusst dagegen entschieden, aufsichtsrechtliche Kompetenzen zu bestimmen. Eine planwidrige Gesetzeslücke, die Voraussetzung für die analoge Anwendung von weiteren Regelungen der Schiedsamtsordnung wäre, liegt somit nicht vor. Dass der Gesetzgeber durchaus Parallelen zum Schiedsamt und den einschlägigen Bestimmungen des SGB V sieht, zeigt sich an der Regelung zur Bestellung des Vorsitzenden des erweiterten Bewertungsausschusses, die sich nach dem für das Schiedsamt geltenden § 89 Abs. 3 SGB V richtet. Entsprechendes gilt für die übrigen unparteiischen Mitglieder. Dennoch hat der Gesetzgeber die übrigen für das Schiedsamt geltenden Regelungen nicht auf die Bewertungsausschüsse übertragen. Auch eine analoge Heranziehung der Regelungen zum Gemeinsamen Bundesausschuss scheidet aus diesen Gründen aus. Für eine Beschlussfassung des Gemeinsamen Bundesausschusses ist zumindest die Mehrheit dessen Mitglieder unter Einbeziehung der drei unparteiischen Mitglieder erforderlich. Die Richtlinien unterliegen generell dem Erfordernis einer Zustimmung des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung als Aufsichtsbehörde gem. § 94

IV. Kompetenzen der Aufsicht

161

Abs. 1 SGB V. Das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung kann die Richtlinien danach sowohl beanstanden als auch gem. § 94 Abs. 1 Satz 3 SGB V nach einer Fristsetzung selbst erlassen. Alle vom Gemeinsamen Bundesausschuss getroffenen Entscheidungen setzen daher zumindest eine grundsätzliche Übereinstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung als Aufsichtsbehörde voraus. Die vom Gesetzgeber gewählte Konstruktion des Bewertungsausschusses bzw. des erweiterten Bewertungsausschusses ist grundsätzlich anders angelegt. Der Gesetzgeber hat es als alleinige Aufgabe der Selbstverwaltung angesehen, ein in sich stimmiges Vergütungssystem zu schaffen und fortzuentwickeln. Hinzu kommt, dass der erweiterte Bewertungsausschuss seine Beschlüsse durch Mehrheitsentscheidungen trifft. Die Rechtsaufsicht könnte daher, insoweit ist dem BSG zuzustimmen, wiederum allenfalls gegenüber den Partnern der Bundesmantelverträge tätig werden (§§ 87 Abs. 1, 214 Satz 1 SGB V). Schwierig wird dies, wenn die Vertreter der sie entsendenden Körperschaften sich z. B. der Stimme enthalten. Gegenüber den Unparteiischen wäre eine aufsichtsrechtliche Maßnahme ohnehin nicht möglich, obwohl in der Praxis bei entsprechenden Blockbildungen der Ärzteseite und der Kassenseite im Ergebnis der unparteiische Vorsitzende den Bewertungsmaßstab festzulegen hat. Ihm gegenüber stehen der Aufsicht wiederum keinerlei Befugnisse zu. Solche ergeben sich auch nicht aus der Neufassung des § 87 Abs. 2 b SGB V, denn der Gesetzgeber hat sich einer Regelung darüber enthalten, welche Rechtsfolge eintreten soll, wenn der erweiterte Bewertungsausschuss seine Pflicht zur Neufassung des Bewertungsmaßstabes für zahnärztliche Leistungen nicht erfüllt. Daher ist im Ergebnis festzuhalten, dass die Rechtsaufsicht sowohl gegenüber dem Bewertungsausschuss als auch gegenüber dem erweiterten Bewertungsausschuss nicht besteht. Sie kann sich lediglich an die Partner der Bundesmantelverträge richten.

D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse Im Folgenden wird zu untersuchen sein, welche konkreten Normsetzungskompetenzen der Bewertungsausschuss hinsichtlich des Bewertungsmaßstabes hat. Dabei ist zunächst vom gesetzlichen Auftrag auszugehen.

I. Rechtsnatur des Bewertungsmaßstabes Von ihrer Rechtsnatur her sind die Bewertungsmaßstäbe als Rechtsnormen zu qualifizieren, da sie Bestandteil der jeweiligen Rechtsnorm im Bundesmantelvertrag sind. 1 Sie entfalten Bindungswirkung nicht nur für die an ihrer Entstehung und Umgestaltung Beteiligten, sondern legen auch Rechte und Pflichten von Ärzten und Krankenkassen fest. EBM und BEMA sind damit nach den Kategorien des Rechtsquellensystems normsetzende Vereinbarungen. 2 Es gilt das Verkündungsgebot 3 und – von wenigen Ausnahmen abgesehen – das Rückwirkungsverbot. 4 Die erforderliche Information der Normadressaten hat daher in der in den Satzungen der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vorgeschriebenen Form zu erfolgen. 5 Mit dem Bewertungsmaßstab ist sichergestellt, dass keiner der am System unmittelbar Beteiligten den Bewertungsmaßstab aufgrund freier partnerschaftlicher Vereinbarungen außerhalb der Bewertungsausschüsse verändern oder ergänzen kann, indem Leistungen anders bezeichnet, anders relativ bewertet oder indem sie eine weitere Position für eine ärztliche bzw. zahnärztliche Leistung neu in das Gebührenverzeichnis aufnehmen. 6 Grundsätzlich sind daher die Partner der Gesamtverträge nach § 83 SGB V sowie die Partner der Bundesmantelverträge ange1 BSGE, 71, 42, 45 ff.; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 5, S. 22; BSGE 78, 70, 75; BSGE 78, 191, 196; BSGE 81, 86; Ebsen in: Schulin, Krankenversicherungsrecht § 7 Rn. 167; a.A: Wekel, DOK 1978, 697, 699 (öffentlich rechtlicher Vertrag); Schellen, S. 118 (Rechtswirkung eines Vertrages kraft Gesetzes). 2 BSGE 71, 42, 49; BSGE 78, 191, 196; BSGE 79, 239, 245; BSG SozR 3- 2500 § 87 Nr. 5, S. 22; BSGE 81, 86, 89; BSGE 83, 218, 219; BSGE 83, 205, 208; BSGE 84, 247, 25; Kass.-Komm.-Hess § 87 Rn 12; Krauskopf , § 87 SGB V Rn 81. 3 BSGE 81, 86, 90. 4 BSGE 81, 86, 89. 5 Deutsches Ärzteblatt gemäß § 12 der Satzung der KBV; Zahnärztliche Mitteilungen gemäß § 15 der Satzung der KZBV; siehe BSGE 81, 86, 91. 6 Vgl. Heinemann/Liebold/Zalewski, C 87-7.

I. Rechtsnatur des Bewertungsmaßstabes

163

sichts der klaren gesetzlichen Kompetenzzuweisung an den Bewertungsausschuss nicht befugt, das Leistungsverzeichnis zu verändern oder zu ergänzen. Anderenfalls wäre die Schaffung bundeseinheitlicher Vergütungsgrundlagen für sämtliche Kassenarten in Frage gestellt. 7 Vor diesem Hintergrund erscheint die bestehende Praxis, Ausnahmen in Form von vertraglich vereinbarten oder abgestimmten Zuordnungen von neuen Leistungen zu bestehenden Abrechnungspositionen – jedenfalls bis zur Neuaufnahme durch eine Entscheidung des Bewertungsausschusses – zu regeln, problematisch insbesondere dann, wenn diese auf regionaler Ebene oder kassenartenspezifisch erfolgen. Dies wäre allenfalls in Fällen des Systemmangels, in denen der Bewertungsausschuss die Einleitung oder Durchführung des Verfahrens aus willkürlichen oder sachfremden Erwägungen blockiert oder Gründe des höherwertigen Gemeinwohls die Unterlassung oder den Aufschub der Aufnahme der Leistung unvertretbar erscheinen lassen, denkbar. Es ist auf die Ausführungen zum Systemversagen der Bundesausschüsse bzw. jetzt des Gemeinsamen Bundesausschusses zu verweisen. 8 Beide Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung werden insoweit ihrer Kompetenzen enteignet. Dagegen dürfen sich die Vertragspartner zur Auslegung bestehender Leistungspositionen äußern, um eine gleichmäßige Versorgung der Versicherten und eine einheitliche Abrechnung der Ärzte bzw. Zahnärzte zu gewährleisten. Hierzu besteht im ärztlichen Bereich die AG 50 für die Ersatzkassenabrechnung (§ 50 BMV-Ä), im zahnärztlichen Bereich die Arbeitsgemeinschaft nach § 22 BMV-Z. Für die Primärkassenabrechnung ist keine vergleichbare Einrichtung vorhanden. Der Bewertungsmaßstab ist in bestimmten Zeitabständen auch daraufhin zu überprüfen, ob die Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung entsprechen (§ 87 Abs. 2 Satz 2 SGB V). Der Gesetzgeber hat es nicht als seine Aufgabe angesehen, selbst die einzelnen Leistungspositionen eines Leistungsverzeichnisses, das zudem ständig sich ändernden Verhältnissen anzupassen ist, festzulegen, sondern beschränkt sich auf die Bestimmung der für die Fortentwicklung des EBM maßgeblichen Strukturprinzipien. 9

7 Ausnahmen insoweit in § 73 a SGB V (Strukturverträge) und §§ 140 a bis 140 d SGB V (Integrierte Versorgung). 8 S. B. IV. 6. 9 Vgl. BSG USK 94154.

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D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

II. Bedeutung des Bewertungsmaßstabes im Leistungsrecht der GKV Im Leistungsrecht der GKV kommt sowohl dem EBM als auch dem BEMA wegen der punktzahlmäßigen Bewertung der Leistungen besondere Bedeutung zu. Er entfaltet somit rechtliche Relevanz sowohl im Rahmen der Gesamtvergütungsentrichtung als auch bei deren Verteilung unter die einzelnen Ärzte. 10 Durch ihn findet eine relative Leistungsbewertung statt. Das Gesetz schreibt ausdrücklich vor, dass das wertmäßige Verhältnis der Leistungen zueinander, also die relative Bewertung, durch Punkte zu erfolgen hat. Der Bewertungsmaßstab ist also keine Vergütungsordnung, da er keine für den Arzt abrechnungsfähigen Gebührenpositionen enthält, sondern ein in Relation gesetztes Verzeichnis über Inhalt und Abrechnungsfähigkeit der ärztlichen Leistungen. 11 Im Gebührenverzeichnis des Bewertungsmaßstabes muss folglich nach Nr. und Leistungsdefinition eine Punktzahl festgelegt sein, die einheitlich und nicht abdingbar für alle Krankenkassen gilt. Dieses System ist von den zahnärztlichen Vertragsgebührenordnungen übernommen worden, die bereits seit 1962 nur Punktzahlen enthalten. 12 Die Leistungsvergütung ergibt sich durch die Multiplikation von Punktzahl und Punktwert. Die Leistungsbewertung mittels der Punktzahl ist im BEMA bzw. im EBM einheitlich geregelt. Davon kann im Rahmen des Honorarverteilungsmaßstabes nicht abgewichen werden. 13 Eine andere Frage ist, ob im Rahmen des Honorarverteilungsmaßstabes eigenständige Punktbewertungen vorgenommen werden können, die von denen des EBM abweichen. Die Punktwerte sind Ergebnisse der regionalen Verhandlungen der Vertragspartner auf der Ebene der einzelnen Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigung. Jede der 18 KVen und 17 KZVen hat ihre eigenen Punktwerte, die im Einzelfall auch stark voneinander abweichen können. Auch innerhalb einer KZV können die Punktwerte noch einmal kassenartenspezifisch variieren. Die Punktwerte sind von erheblicher gebührenrechtlicher Relevanz, da der einheitliche Bewertungsmaßstab regelmäßig die Grundlage des Honorarverteilungsmaßstabes bildet. Die Höhe des Punktwertes orientiert sich bei einer Budgetierung des Gesamthonorars der Ärzte (budgetierte Gesamtvergütung) nach der von der Gesamtheit der Ärzte erbrachten Leistungen. 14 Die Bewertung einer Leistung hat daher unmittelbare Auswirkungen auf die Höhe des Honorars des Vertrags(zahn)arztes und stellt angesichts schwankender Auszahlungspunktwerte sogar den einzigen verlässlichen Parameter dar, auf den der einzelne Arzt seine Entscheidung über die wirtschaftliche Erbringbarkeit einer 10

Schneider, MedR 1997, 1, 3. BSG SozR 3-2200 § 368g Nr. 2, S. 1, 5; Schneider, MedR 1997, 1, 3. 12 Heinemann/Liebold/Zalewski, C 87-26. 13 A. A. wohl Schneider MedR 1997, 1, 5; Kass.-Komm.-Hess, § 85 Rn 34 ff; Heinemann/Liebold/Zalewski, C 85-78. 14 Grütters, S. 3. 11

II. Bedeutung des Bewertungsmaßstabes

165

ärztlichen Leistung stützen kann. 15 Damit würde es zu einer Denaturierung des Bewertungsmaßstabes kommen, würde die Kassenärztliche Vereinigung eine die Punktwertrelationen des EBM differenzierende Vergütungsverteilung im Rahmen des Honorarverteilungsmaßstabes vornehmen. Die Festlegung der Punktwertrelationen ist originäre Aufgabe des Bewertungsausschusses. Sofern die Gesamtvergütung nach einem Pauschalsystem berechnet wird, sind bei der Vereinbarung des am durchschnittlichen Leistungsbedarf je Fall und Versichertem orientierten Pauschbetrages ausschließlich die im Bewertungsmaßstab verzeichneten Leistungen zu berücksichtigen. 16 EBM und BEMA sind grundsätzlich auf diejenigen Leistungen beschränkt, die im Sinne der GKV als ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich angesehen werden und die das Maß des Notwendigen nicht überschreiten (vgl. § 12 Abs. 1 SGB V). Dies unterscheidet den BEMA und den EBM von GOZ und GOÄ, die darüber hinausgehende Leistungen beschreiben, welche aufgrund der Einschränkungen der GKV nicht zu deren Lasten abgerechnet werden dürfen. Hierzu gehören im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung z. B. die funktionsanalytischen und funktionstherapeutischen Leistungen und auch – außer bestimmten, durch den bisherigen Bundesausschuss festgelegten Ausnahmeindikationen 17 – die implantologischen Leistungen. Ferner gehören dazu einzelne Positionen aus anderen GOZ-Abschnitten, wie etwa die Einlagefüllungen aus dem Bereich der konservierenden Behandlung. Diese Leistungen gelten heute als sog. „außervertragliche Leistungen“. Darüber hinaus ist die Erbringung im BEMA vorgesehener kieferorthopädischer Leistungen zu Lasten der GKV an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen gebunden. Damit umfasst der BEMA nicht das gesamte Spektrum zahnärztlicher Leistungen, 18 sondern lediglich die durch die Bewertungsausschüsse festgelegten Leistungen. Die Inanspruchnahme außervertraglicher Leistungen ist dem gesetzlich versicherten Patienten aber nicht generell verwehrt. Solche Behandlungsleistungen werden nach GOÄ/GOZ liquidiert und sind vom Patienten selbst zu finanzieren. Dies wird vom Gesetzgeber derzeit für den Bereich der zahnmedizinischen Versorgung insoweit auch anerkannt, als in den §§ 28 Abs. 2 und 30 Abs. 3 SGB V 19 für Zahnfüllungen und Zahnersatz die sog. Mehrleistungen in Höhe der Kassenleistung nach dem BEMA von der Krankenkasse bezuschusst werden.

15

BSGE 81, 86, 94; vgl. auch BSG SozR 4-2500 § 87 Nr. 1; BSG SozR 4-2500 § 87 Nr. 3 ; BSG SozR 4 – 2500 § 95 Nr. 5; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 31, S. 232, 239. 16 Hauck/Haines-Engelhard, K § 87, Rn 18. 17 Vgl. Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Vertragszahnärztliche Versorgung vom 4. Juni 2003 in der am 24. September 2003 geänderten und ab 01.01.2004 gültigen Fassung unter B VII. 18 A. A. SG Kiel, Urteil v. 24.11.2000, S 13 KA 366/99. 19 Mit Wirkung ab 01.01.2005 wird § 30 SGB V insgesamt aufgehoben. Die Regelung in § 30 Abs. 3 SGB V wird durch die Regelung in § 55 Abs. 4 und 5 SGB V ersetzt.

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D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

III. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse nach den gesetzlichen Regelungen Umfang und Inhalt des gesetzgeberischen Auftrages sind in einem ersten Schritt auf der Grundlage des einfachen Gesetzesrechts zu erörtern. Umfang und Grenzen der Gestaltungsmöglichkeiten des Bewertungsausschusses bei der Aufstellung des EBM ergeben sich einerseits aus den inhaltlichen Vorgaben und Zielsetzungen in § 87 SGB V und zum anderen aus der Funktion des EBM innerhalb des vertragsärztlichen Vergütungssystems. 20 Der Bewertungsmaßstab bestimmt den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander, soweit möglich sind die Leistungen mit Angaben für den zur Leistungserbringung erforderlichen Zeitaufwand des Vertragsarztes zu versehen (§ 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Es ist ein einheitlicher Bewertungsmaßstab für die ärztlichen und ein einheitlicher Bewertungsmaßstab für die zahnärztlichen Leistungen zu erstellen (§ 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Daraus folgt, dass diese bundesweit und für alle Kassenarten gelten und einen vollständigen Katalog aller vom Vertrags(zahn)arzt abrechenbaren Leistungen enthalten. Der Bewertungsmaßstab ist damit allgemeiner Inhalt der Gesamtverträge und für alle gesetzlichen Krankenkassen und für deren Verbände, die KZVen und die an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte bzw. Zahnärzte (§ 81 Abs. 3 SGB V) verbindlich. Für die Versicherten ergibt sich eine solche Verbindlichkeit zunächst nicht, da sie weder in die Entscheidungsprozesse eingebunden noch Regelungsadressaten sind. 21 Durch § 85 Abs. 4a SGB V sind dem Bewertungsausschuss weitere Aufgaben zugewiesen worden, nämlich die Bestimmung von Kriterien zur Verteilung der Gesamtvergütungen nach § 85 Abs. 4 SGB V, insbesondere zur Festlegung der Vergütungsanteile für die hausärztliche und die fachärztliche Versorgung, sowie des Inhalts der nach § 85 Abs. 4 Satz 4 SGB V zu treffenden Regelungen über eine angemessene Vergütung psychotherapeutischer Leistungen. § 85 Abs. 4, Abs. 4a und Abs. 4 b SGB V stellen damit Rahmenbedingungen hinsichtlich der Verteilung der Gesamtvergütungen unter die Vertragsärzte auf, die in Vereinbarungen gemäß § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Krankenkassen inhaltlich auszufüllen sind. Dem Bewertungsausschuss wird zusätzlich die Kompetenz übertragen, Vorgaben für die Umsetzung von Regelungen zur Verhinderung einer übermäßigen Ausdehnung der Menge der abgerechneten Leistungen der Vertragsärzte und zur Umsetzung der Regelungen zu den Regelleistungsvolumina (§ 85a SGB V) zu beschließen. Die vom Bewertungsausschuss

20 21

Vgl. oben D.II.; BSGE 78, 98, 104 (Laborbudget). A. A. BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 5, S. 22; BSGE 79, 239, 245.

III. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

167

nach § 85 Abs. 4a SGB V getroffenen Regelungen sind Bestandteil der Vereinbarungen nach § 85 Abs. 4 Satz 2 SGB V. Im Folgenden ist der gesetzliche Auftrag aus § 87 SGB V näher zu durchleuchten und zunächst zu untersuchen, welche Ziele der Gesetzgeber mit der Erweiterung des § 87 SGB V nach der GKV-Gesundheitsreform 2000 verfolgte und der unverändert im Gesetz enthalten ist. Erst dann kann beurteilt werden, in welchem Rahmen der Bewertungsausschuss tätig werden darf, ohne Regelungsbefugnisse anderer Gremien oder auch die des parlamentarischen Gesetzgebers zu tangieren. Gemäß dem gesetzlichen Auftrag haben die Bewertungsmaßstäbe den Inhalt der „abrechnungsfähigen Leistungen“ zu bestimmen. Vorausgehen muss daher die Feststellung, welche Leistungen heute unter dem Gesichtspunkt der §§ 12 Abs. 1 und 70 Abs. 1 SGB V als zweckmäßige, ausreichende und wirtschaftliche Leistungen im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung anzusehen sind. Leistungen, die heute nach den sich ständig wandelnden Regeln der ärztlichen Kunst nicht mehr als zweckmäßig anzusehen sind oder die generell unwirtschaftlich sind oder nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zählen (wie z. B. Schönheitsoperationen), können nicht aufgenommen werden, während dagegen eine amtliche Gebührenordnung zumindest die zuletzt genannten Leistungen auch umfassen muss. 22 Analogbewertungen des einzelnen Arztes oder der Krankenversicherung oder auch von den Vertragspartnern gemeinsam sind nicht möglich. Leistungen, die nicht im BEMA enthalten sind, sind folglich so lange nicht abrechenbar, bis der Bewertungsausschuss hierfür eine Leistungsdefinition sowie eine Bewertung in Punkten vorgenommen hat. 23 Eine Abrechnung muss daher zurückgestellt werden, bis der Bewertungsausschuss über die Aufnahme einer entsprechenden Leistungsposition entschieden hat. Da sich der Bewertungsausschuss auch gegen die Aufnahme einer entsprechenden Leistungsposition entscheiden kann, bestimmt er also nicht nur, welche Leistungen in der vertragsärztlichen Versorgung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind, sondern auch darüber, ob eine Leistung überhaupt eine den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechende Maßnahme darstellt. Dies scheint zunächst widersprüchlich, da seit dem GRG 24 für neu in die vertragsärztliche Versorgung einzuführende Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Empfehlungen der Bundesausschüsse der Ärzte und Krankenkasse, 22 23 24

Heinemann/Liebold/Zalewski, C 87 – 19. So schon BSGE 79, 239, 241 f., BSGE 84, 247, 248; BSG, USK 2000-97. BGBl. I, 2477.

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D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

jetzt des Gemeinsamen Bundesausschusses in Form von Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Nr. 5 SGB V vorauszugehen haben. Nach § 135 Abs. 1 SGB V dürfen neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowohl in der vertragsärztlichen wie auch in der vertragszahnärztlichen Versorgung zu Lasten der GKV nur erbracht werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB V Empfehlungen abgegeben hat über 1. die Anerkennung des diagnostischen und therapeutischen Nutzens der neuen Methode sowie deren medizinische Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit – auch im Vergleich zu bereits zu Lasten der Krankenkassen erbrachten Methoden – nach dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse in der jeweiligen Therapierichtung, 2. die notwendige Qualifikation der Ärzte sowie der apparativen Anforderungen an Maßnahmen der Qualitätssicherung, um eine sachgerechte Anwendung der neuen Methode zu sichern, und 3. die erforderlichen Aufzeichnungen über die ärztlichen Behandlung. Die Bewertungsausschüsse sollen die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses insoweit nachvollziehen. Lediglich neue Leistungen und Variationen in der Ausführung bereits im EBM enthaltener Leistungen mit ggf. einem anderen materiellen Einsatz, Schwierigkeitsgrad oder auch Zeitaufwand können im Bewertungsausschuss nach entsprechender Antragstellung zur Anpassung des Bewertungsmaßstabes führen. Mit der Regelung in § 135 SGB V hat der Gesetzgeber hinsichtlich der Aufnahme neuer, bisher nicht abrechenbarer Untersuchungsund Behandlungsmethoden eine Kompetenzregelung zwischen dem Gemeinsamen Bundesausschuss und dem Bewertungsausschuss vorgenommen. Der Bewertungsausschuss hat nicht nur zu prüfen, ob neue Leistungen aufzunehmen oder bisher genannte Leistungen als überholt zu streichen sind. Er muss auch die Leistungsdefinitionen überprüfen, um sie der medizinisch-technischen Entwicklung anzupassen. Gemäß § 87 Abs. 2 c SGB V soll der Bewertungsausschuss Regelungen zur Begrenzung veranlasster medizinisch-technischer Leistungen auf den medizinisch notwendigen Umfang treffen. Darüber hinaus fordert § 87 Abs. 2 Satz 2 SGB V ausdrücklich auch die Überprüfung der bisherigen Wertrelationen. Insbesondere durch neue Verfahren und moderne Technik können sich Zeitaufwand und Kosten bestimmter ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen entscheidend verändern. Damit hat der Bewertungsausschuss zunächst nur ein Mandat zur kontinuierlichen Weiterentwicklung, nicht jedoch zu grundlegenden Strukturveränderungen. Es wird im Folgenden noch darauf einzugehen sein, wie der Bewertungsausschuss damit gleichzeitig dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung und dem Grundsatz der angemessenen Vergütung gerecht werden kann.

III. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

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1. Gesetzliche Vorgabe für den ärztlichen Bereich In § 87 Abs. 2 a SGB V hat der Gesetzgeber für den vertragsärztlichen Bereich dem Bewertungsausschuss den Auftrag erteilt, die nach Abs. 2 Satz 1 bestimmten Leistungen entsprechend der in § 73 Abs. 1 SGB V festgelegten Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung bis zum 31. März 2000 in Leistungen der hausärztlichen und Leistungen der fachärztlichen Versorgung zu gliedern, mit der Maßgabe, dass, unbeschadet gemeinsam abrechenbarer Leistungen, Leistungen der hausärztlichen Versorgung nur von den an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten und Leistungen der fachärztlichen Versorgung nur von den an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten abgerechnet werden dürfen; innerhalb der Gliederung der fachärztlichen Leistungen können weitere Untergliederungen nach Fachgruppen vorgesehen werden. Der Gesetzgeber verfolgt damit das Ziel, den bisherigen Anreiz für die Ärzte, eine möglichst große Zahl von Leistungen aus der Gesamtheit der im EBM enthaltenen Leistungen abzurechnen, zu beseitigen. Durch eine solche Neustrukturierung soll zu einer leistungsgerechten Vergütung beigetragen werden. Nach § 87 Abs. 2 c SGB V soll einer medizinisch nicht begründeten Ausweitung vertragsärztlicher Leistungen mit medizinisch-technischen Großgeräten durch die Einführung einer veranlasserbezogenen Neuordnung der Bewertung entgegengewirkt werden. 25 2. Gesetzliche Vorgabe für den zahnärztlichen Bereich Interessant ist die Regelung des Auftrages für den Bewertungsausschuss für die zahnärztlichen Leistungen, der auch nach der Neufassung durch das GMG zum 01.01.2004 unverändert im Gesetz enthalten ist. § 87 Abs. 2 d Satz 1 SGB V schafft für den Bewertungsausschuss die Möglichkeit, vertragszahnärztliche Leistungen zu Leistungskomplexen zusammenzufassen. Dieser Auftrag bestand auch in der Vergangenheit im Grundsatz schon, 26 wurde mit der GKV-Gesundheitsreform 2000 27 aber um einige konkrete Beispiele erweitert. Ausweislich der Gesetzesbegründung erhielt der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen die Möglichkeit, die Leistungen des Bewertungsmaßstabes für zahnärztliche Leistungen zu Leistungskomplexen zusammenzufassen, soweit dies sachlich geboten ist. Im Zahnersatzbereich sind in der Gesetzesbegründung beispielhaft Komplexhonorare für Kronen, Brücken, Teil- und Totalprothesen genannt. 28 Ziel ist, auch die Abrechnung der Versorgungen mit Zahnersatz für die Vertragspartner zu erleich25 26 27 28

Begr. BT-Drucks. 14/1245, S. 72, 73. § 87 Abs. 2a SGB V. BGBl. I, 2626, in Kraft getreten am 01.01.2000. BT-Drucks. 14/1245, S. 73.

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D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

tern und das Leistungsgeschehen für die Versicherten transparenter zu gestalten. Auch im Bereich Kieferorthopädie erscheinen dem Gesetzgeber weitere Komplexbildungen möglich. Der Gesetzgeber geht ferner davon aus, dass für den Fall der Bildung von zahnärztlichen Leistungskomplexen auch entsprechende zahntechnische Leistungskomplexe im bundeseinheitlichen Verzeichnis abrechnungsfähiger zahntechnischer Leistungen (BEL) von den Vertragspartnern gebildet werden. Die Anreize zu unerwünschten Mengenausweitungen könnten durch die Komplexbildung zusammengehörender Leistungen minimiert werden. 29 § 87 Abs. 2 d Satz 2 bis 5 SGB V verpflichtet den Bewertungsausschuss zu einer Neubewertung der vertragszahnärztlichen Leistungen, weil es notwendig sei, die im Wesentlichen aus dem Jahr 1962 stammende Bewertung an neue wissenschaftliche Gegebenheiten und den allgemeinen zahnmedizinischen Fortschritt, insbesondere eine stärkere Orientierung hin zu präventiven und zahnerhaltenden Maßnahmen vorzunehmen. Es besteht grundsätzlich Konsens darin, dass eine Überarbeitung des BEMA mit der Zielsetzung eine deutlichen Umorientierung zu einer präventionsorientierten Zahnheilkunde erfolgen kann und muss. 30 Als maßgebliches Kriterium für die einzelnen Leistungen wie für die Bewertungsrelationen hat der Gesetzgeber die Arbeitszeit angesehen, da der Zeitfaktor aufgrund der bisherigen Erfahrungen als das mit Abstand wichtigste Kriterium für die Beurteilung der Bewertungsrelationen anzusehen sei. Wissenschaftlicher Sachverstand soll einbezogen werden. Zusätzlich sei zu berücksichtigen, dass bestimmte Leistungen überwiegend von ausgebildetem Praxispersonal erbracht würden. Der Gesetzgeber betont jedoch in der Begründung ausdrücklich, dass die Grundsätze für eine angemessene Vergütung vertragszahnärztlicher Leistungen 31 weiterhin gelten. 32 Für diese Neubewertung hatte der Gesetzgeber dem Bewertungsausschuss zunächst eine Frist bis zum 30.06.2001 gesetzt, diese jedoch angesichts der Komplexität der Materie schließlich bis zum 31.12.2001 verlängert. 33 Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist war das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung gesetzlich verpflichtet, den erweiterten Bewertungsausschuss anzurufen, der tätig geworden ist. Dieser sollte mit der Mehrheit seiner Mitglieder innerhalb von 6 Monaten die Vereinbarung festsetzen. Sinn dieser Regelungen sollte es offensichtlich sein, die Arbeiten für eine Neustrukturierung des BEMA zu beschleunigen, ohne jedoch eine Ersatzvornahme vornehmen zu müssen. Nach

29 30 31 32 33

BT-Drucks. 14/1245, S. 73. Liebold/Raff/Raff/Wissing, BEMA, Stand: März 2000, I/30 131. Vgl. §§ 72 Abs. 2 und 85 Abs. 3 SGB V. BT-Drucks. 14/1245, S. 73. BT-Drucks. 14/1977, S. 30.

III. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

171

den Beratungen im erweiterten Bewertungsausschuss, die auf der Basis zweier zuvor von den Verfahrensbeteiligten veranlassten Zeitmessstudien 34 erfolgten, wurden die Arbeiten am 5. November 2003 abgeschlossen. Die Beschlussfassung berücksichtigt die Punktsummen- und Zeitsummenneutralität. 35 Der Grundsatz der Punktsummenneutralität bedeutet, dass ein Mehr an zahnärztlichen Leistungen nicht zu einer Erhöhung der Gesamtpunktmenge führt. Der Grundsatz der Punktsummenneutralität wird in enger Korrelation zur zahnärztlichen Zeitsummenneutralität gesetzt. Damit soll sichergestellt werden, dass nicht ein Mehr von Leistungen bei gleicher Honorierung erbracht werden kann. Der geänderte Bewertungsmaßstab ist mit Ausnahme der implantologischen Leistungen gemäß § 28 Abs. 2 Satz 9 SGB V zum 01.01.2004 in Kraft getreten. Betrachtet man diese Regelungen, so lässt sich zunächst feststellen, dass sowohl im vertragsärztlichen als auch im vertragszahnärztlichen Bereich eine Anpassung an den medizinischen Fortschritt sowie eine Straffung der Vergütungspositionen bezweckt wird, die die Anwendung durch den Vertrags(zahn)arzt erleichtern soll. Im zahnärztlichen Bereich sollen die Bewertungsrelationen entsprechend einer ursachengerechten, zahnsubstanzschonenden und präventionsorientierten Versorgung in und zwischen den einzelnen Leistungsbereichen neu festgelegt werden. Der Formulierung nach deuten insbesondere die Regelungen im vertragszahnärztlichen Bereich darauf hin, dass der BEMA-Z nicht nur systemimmanent fortgeschrieben werden soll. a) Steuerungspotenzial des Bewertungsausschusses im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung Es stellt sich die Frage, wie weit das inhaltliche Gestaltungsermessen und damit zusammenhängend das gesetzliche Mandat des Bewertungsausschusses bei der Festsetzung des Bewertungsmaßstabes reicht. Ist der Bewertungsausschuss darauf beschränkt, den EBM fortzuschreiben und an den medizinischen Fortschritt anzupassen, oder könnte er auch auf der Grundlage einer neuen Ausrichtung der Krankenversicherungssystems eine „Strukturreform“ der Bewertung zahnärztlicher Leistungen vornehmen? Es ist also der Frage nachzugehen, welches Steuerungspotenzial der Bewertungsausschuss nach heutiger Prägung tatsächlich hat und wie diese Steuerungsfunktion eingesetzt werden kann, um die finanzielle

34 Micheelis/Meyer, Arbeitswissenschaftliche Beanspruchungsmuster zahnärztlicher Dienstleistungen (BAZ II), Köln 2002; Arbeitswissenschaftliche Messung des Zeitbedarfs bei der Erbringung zahnärztlicher Leistungen, Institut für Funktionsanalyse im Gesundheitswesen GmbH im Auftrage der Spitzenverbände der Krankenkassen, Hamburg, Januar 2002. 35 Vgl. dazu Maibach-Nagel, ZM 2003, 24, 25.

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D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

Stabilität der GKV zu sichern und gleichzeitig eine angemessene Vergütung für die Vertrags(zahn)ärzte zu gewährleisten. 36 Grundlage der Bewertung der im Bewertungsmaßstab aufgeführten Leistungen sind neben der Vergütung des zeitlichen Aufwandes des Arztes, also dem Wert seiner persönlichen Dienstleistung, alle bei einem als Vertragsarzt tätigen Arzt anfallenden Kosten. 37 Zu berücksichtigen ist dabei auch, dass die vertragsärztliche Tätigkeit in aller Regel die Haupterwerbsquelle des Vertragsarztes bildet und die aus der Behandlung von Privatpatienten erzielte Vergütung im Vergleich hierzu zu vernachlässigen ist. Zunächst ist an die historische Entwicklung des Bewertungsausschusses anzuknüpfen. Die Einrichtung des Bewertungsausschusses wurde durch das KVKG vom 27.06.1977 38 in das Kassenarztrecht vorgenommen. Damit existierte eine bereits als Bewertungsmaßstab bezeichnete Vereinbarung, ein Abrechnungsmaßstab, der in der Verantwortung einer den heutigen Bewertungsausschüssen ähnlichen Einrichtung stand. 39 Der EBM war ausschließlich Produkt der wachsenden Ausgabenlast der GKV, die den durchschnittlichen Beitragssatz allein in den Jahren von 1970 bis 1975 von 8,20 v. H. auf 10,47 v. H. wachsen ließ. 40 In der Übergangsvorschrift des Art. 2 § 9 des KVKG war für die erstmalige Aufstellung des EBM im ärztlichen Bereich vorgesehen, dass dabei insbesondere von der für die Ersatzkassenpraxis vereinbarten Gebührenordnung (E-Adgo) auszugehen sei. Dabei handelt es sich um eine Vertragsgebührenordnung, die im Jahre 1965 dann als Grundlage für die neu zu erlassende amtliche Gebührenordnung für Ärzte diente. Die Bewertungsmaßstäbe waren bis zum 01. Juli 1978 aufzustellen. Damit blieb dem jeweiligen Bewertungsausschuss nur ein Zeitraum von sechs Monaten, um einen völlig neuen Bewertungsmaßstab nach neuen Kriterien, wie z. B. die stärkere Zusammenfassung zu komplexen Leistungen, zu schaffen. Dies konnte innerhalb des gesetzten Zeitrahmens nur gelingen, weil der Gesetzgeber vorschrieb, dass insbesondere von der für die Ersatzkassenpraxis vereinbarten E-Adgo auszugehen sei. An den zahnärztlichen Bereich hatte der Gesetzgeber dabei nicht gedacht. 41 Da keine Übergangsvorschrift wie in Art. 2, § 9 KVKG für den ärztlichen Bereich existierte, war strittig, ob der umfangreiche Bewertungsmaßstab für die Behandlung der RVO-Patienten, in dem auch Regelungen für

36 Vgl. § 72 Abs. 2 i.V.m. § 85 Abs. 3 SGB V; zur Verfassungsmäßigkeit des § 85 Abs. 3 a- 3 c SGB V Heinze, MedR 1996, 252, 256. 37 BSGE 70, 240, 245. 38 BGBl. I, 1069; s. A IX. 2. 39 Schneider, MedR 1997, 1, 2. 40 Unterrichtung des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung vom 7.1.1992 (BT-Drucks.1901, S. 36). 41 Heinemann/Liebold/Zalewski, C 87 – 8.

III. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

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die Versorgung mit Zahnersatz und Parodontosebehandlungen vorgesehen waren, oder die Ersatzkassen-Gebührentarife die Grundlage bilden sollten. Eine Beschlussfassung im Bewertungsausschuss scheiterte, so dass der erweiterte Bewertungsausschuss angerufen wurde. Dieser setzte am 19.06.1978 auf der Basis des bisherigen BEMA einen einheitlichen Bewertungsmaßstab fest und nahm dort, wo die Ersatzkassentarife weiter gingen, diese Leistungen auf. 42 Zusätzlich wurden Abrechnungs- und Ausschlussbestimmungen vereinbart. 43 Da in der zahnärztlichen Versorgung bis Ende 1992 generell die Gesamtvergütungen rein nach Einzelleistungen berechnet wurden, sind hierzu von Ersatzkassen, Bundesknappschaft und übrigen Bundesgesamtvertragskassen auf Bundesebene, im Übrigen auf Landesebene feste Vertragspunktwerte (vorweg) vereinbart bzw. von den Schiedsämtern festgesetzt worden. 44 Abrechnungsfähige zahntechnische Leistungen sind seit dem KVKG in einem Verzeichnis, dem BEL, festzulegen. Dieses Verzeichnis ist Grundlage für die im BEMA bzw. in daraus abgeleiteten Gebührentarif-Ersatzkassen festgelegten Zahnersatzgebühren. Der Gesetzgeber hatte dem Bewertungsausschuss eine detaillierte Vorgabe zur erstmaligen Ausgestaltung des BEMA gegeben und ihn damit zur Fortentwicklung der schon bestehenden Vertragsgebührenordnung ermächtigt. Eine völlige Neugestaltung nach freiem Gestaltungsermessen war zum damaligen Zeitpunkt vom Gesetzgeber nicht gewollt. Auch in der RVO hatte der Gesetzgeber dem Bewertungsausschuss einen Fortschreibungsauftrag erteilt, in dem er ihn ermächtigt hatte, die Bewertungsmaßstäbe in bestimmten Zeitabschnitten daraufhin zu überprüfen, ob die Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinisch-technischen Entwicklung sowie dem Erfordernis der Rationalisierung und Wirtschaftlichkeit entsprechen (§ 368 g Abs. 4 Satz 3 RVO). Der gesetzliche Auftrag bestand in der Weiterentwicklung des EBM in zeitlichen Abständen, die mit der medizinischen Entwicklung einhergehen sollten. Gemäß § 368 i Abs. 8 RVO war Aufgabe des Bewertungsausschusses die Bewertung „ärztlicher Leistungen“. Betrachtet man die derzeit geltende Gesetzeslage nach dem GKV-Modernisierungsgesetz, so hat der Gesetzgeber auch hier dem Bewertungsausschuss neben dem allgemeinen Fortschreibungsmandat konkrete Vorgaben für seine Tätigkeit gegeben. Auszugehen ist dabei zunächst vom Wortlaut der Norm. So können im vertragszahnärztlichen Bereich die im einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen aufgeführten Leistungen zu Leistungskomplexen zu-

42 43 44

Heinemann/Liebold/Zalewski, C 87 – 15. Heinemann/Liebold/Zalewski, C 87 – 16. Heinemann/Liebold/Zalewski, C 87 – 17.

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D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

sammengefasst werden (§ 87 Abs. 2 d SGB V). Dieser Auftrag bestand auch in der Vergangenheit im Grundsatz schon, 45 wurde jetzt aber um einige konkrete Beispiele erweitert. Ausweislich der Gesetzesbegründung 46 erhält der Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen die Möglichkeit, die Leistung des Bewertungsmaßstabes für zahnärztliche Leistungen zu Leistungskomplexen zusammenzufassen, soweit dies sachlich geboten ist. Im Zahnersatzbereich sind in der Gesetzesbegründung beispielhaft Komplexhonorare für Kronen, Brücken, Teil- und Totalprothesen genannt. Mit dieser Formulierung billigt der Gesetzgeber dem Bewertungsausschuss diesbezüglich ausdrücklich einen gewissen Handlungsspielraum zu. Ziel ist es, auch die Abrechnung der Versorgungen mit Zahnersatz für die Vertragspartner zu erleichtern und das Leistungsgeschehen für die Versicherten transparenter zu gestalten. Auch im Bereich Kieferorthopädie erscheinen dem Gesetzgeber weitere Komplexbildungen möglich. Vermutet wird eine Überbewertung der Kieferorthopädie und eine zu weite Indikationsstellung für die prothetische Behandlung. 47 Der Gesetzgeber geht ferner davon aus, dass für den Fall der Bildung von zahnärztlichen Leistungskomplexen auch entsprechende zahntechnische Leistungskomplexe im Bundeseinheitlichen Verzeichnis abrechnungsfähiger zahntechnischer Leistungen (BEL) von den Vertragspartnern gebildet werden. Die Anreize zu unerwünschten Mengenausweitungen könnten durch die Komplexbildung zusammengehörender Leistungen minimiert werden. 48 Ausgehend vom Wortlaut der Norm ist zunächst festzuhalten, dass dem Bewertungsausschuss ein doppelter Auftrag durch den Gesetzgeber erteilt worden ist. Zum einen sind die Leistungen gleichgewichtig in und zwischen den verschiedenen Leistungsbereichen zu bewerten. Dieser Auftrag entspricht zunächst dem allgemeinen Auftrag des Bewertungsausschusses in § 87 Abs. 2 SGB V, wonach der einheitliche Bewertungsmaßstab den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen und ihr wertmäßiges, in Punkten ausgedrücktes Verhältnis zueinander zu bestimmen hat und die Bewertungsmaßstäbe in bestimmten Zeitabständen auch daraufhin zu überprüfen sind, ob die Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik sowie dem Erfordernis der Rationalisierung im Rahmen wirtschaftlicher Leistungserbringung entsprechen. § 87 Abs. 2 d Satz 2 SGB V konkretisiert diesen Auftrag dahingehend, dass bei der gleichgewichtigen Bewertung insbesondere das Kriterium der erforderlichen Arbeitszeit zu Grunde zu legen ist. Neben diesem allgemeinen Auftrag der gleich-

45 46 47 48

§ 87 Abs. 2a SGB V. BT-Drucks. 14/1245, S. 73. Kass.-Komm.-Hess, § 87 Rn 17d. BT-Drucks. 14/1245, S. 73.

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gewichtigen Leistungserbringung sollen die Leistungen entsprechend einer ursachengerechten, zahnsubstanzschonenden und präventionsorientierten Versorgung insbesondere nach dem Kriterium der erforderlichen Arbeitszeit gleichgewichtig in und zwischen den Leistungsbereichen für Zahnerhaltung und Prävention, Zahnersatz und Kieferorthopädie bewertet werden. Der Gesetzgeber hat damit bereits im Rahmen der GKV-Gesundheitsreform 2000 dem Bewertungsausschuss unabhängig von eventuellen Ungleichgewichten bei der Bewertung einzelner Leistungen oder Leistungsbereiche auch einen Auftrag zur inhaltlichen Umgestaltung der Leistungsbeschreibungen erteilt und dabei eine Verlagerung auf bestimmte Leistungsformen, nämlich solche einer ursachengerechten, zahnsubstanzschonenden und präventionsorientierten Versorgung gefordert und als verpflichtende Aufgabe für den Bewertungsausschuss formuliert. 49 Für diese Auslegung spricht auch die Fassung des § 87 Abs. 2 d Satz 3 SGB V, wonach bei der Festlegung der Bewertungsrelationen wissenschaftlicher Sachverstand einzubeziehen ist. Damit regelt die Vorschrift ausweislich der Begründung, dass der Bewertungsausschuss die Festlegung der Bewertungsrelationen auf der Grundlage von wissenschaftlichem Sachverstand und solchem aus praxisnahen zahnärztlichen Fortbildungsgesellschaften für die gesamte Zahnheilkunde vorzunehmen hat. Dies könne z. B. durch eine wissenschaftliche Zeitmessstudie, die im Auftrag des Bewertungsausschusses erstellt wird, erfolgen. Es sollte sich also bei der Neufestlegung der Bewertungsrelationen nach der Vorstellung des Gesetzgebers nicht um ein bloßes Rechenexempel hinsichtlich der Auswertung der festgestellten Arbeitszeiten handeln, sondern es sollte darüber hinaus eine wissenschaftlich sachverständige Festlegung der Bewertungsrelationen erfolgen. Demzufolge war also keine Umbewertung im Sinne eines „Nullsummenspiels“ geplant. Eine reine Arbeitszeitstudie, wie sie für die Spitzenverbände der Krankenkassen vorgelegt worden ist, kann daher jedenfalls nicht alleine als Entscheidungsgrundlage für den erweiterten Bewertungsausschuss dienen. Angesichts der offenen Fassung der Norm könnte es allerdings zweifelhaft erscheinen, ob es sich bei dem „wissenschaftlichen Sachverstand“ um zahnmedizinischen handeln soll oder ob nicht z. B. auch entsprechender, mathematischer Sachverstand als ausreichend bewertet werden kann. Angesichts der gesetzgeberischen Zielsetzung erscheint jedoch die alleinige Einbeziehung mathematischen Sachverstandes nicht als ausreichend. Der Gesetzgeber sieht Möglichkeiten zur Neubewertung insbesondere darin, Füllungsleistungen aufzuwerten und neue präventive Maßnahmen einzuführen sowie den Einheitlichen Bewertungsmaßstab zu Lasten von prothetischen Leistungspositionen, für die das Indikationsspektrum begrenzt werden sollte, sowie zu Lasten des nach bisherigen Zeitmessstudien deut-

49

Vgl. zur Reform des BEMA auch Kass.-Komm.-Hess, § 87 Rn 17d.

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D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

lich überbewerteten kieferorthopädischen Bereichs, umzustrukturieren. 50 Hierfür ist zahnmedizinischer Sachverstand erforderlich. Dies verdeutlicht, dass die Vorstellung des Gesetzgebers hinsichtlich der Neufestlegung der Bewertungsrelationen nicht ein bloßes Umbewerten nach Feststellung der Arbeitszeiten war, sondern dass darüber hinaus eine wissenschaftliche und sachverständige Festlegung der Bewertungsrelationen durch den Bewertungsausschuss erfolgen sollte. Nach der Gesetzesbegründung sollen unabhängig von gleichgewichtigen Bewertungsrelationen die Grundsätze für eine angemessene Vergütung vertragszahnärztlicher Leistungen gelten (§§ 72 Abs. 2 und 85 Abs. 3 SGB V). 51 Als angemessen ist eine Vergütung anzusehen, die jedenfalls nicht wesentlich unter der üblichen Vergütung vergleichbarer Tätigkeiten liegt. 52 Eine Förderung präventiver und zahnerhaltender Maßnahmen darf somit nicht dazu führen, dass die übrigen zahnärztlichen Leistungen nicht mehr angemessen vergütet werden. 53 Hätte der Gesetzgeber eine reine Zeitmessstudie als ausreichend erachtet, hätte er dies in der Fassung des § 87 Abs. 2 d SGB V unschwer deutlich machen können. Aus der Formulierung zeigt sich jedoch, dass der Gesetzgeber gerade im zahnmedizinischen Bereich eine umfassende Neuorientierung und nicht eine bloße Umbewertung mit der Folge der Punktsummenneutralität beabsichtigte. 54 b) Sachzusammenhang der gesetzlichen Aufträge an den damaligen Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen und an den Bewertungsausschuss für die zahnärztlichen Leistungen Zur Feststellung des gesetzgeberischen Ziels kann außerdem der gleichzeitig eingeführte § 92 Abs. 1 a SGB V hinsichtlich der Neugestaltung der Richtlinien des Bundesausschusses, jetzt dem Gemeinsamen Bundesausschuss herangezogen werden. Das GKV-Modernisierungsgesetz hat die Bestimmung nur in Bezug auf das neue Gremium Gemeinsamer Bundesausschuss geändert. Danach sind die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 a Satz 2 Nr. 2 SGB V auf eine ursachengerechte, zahnsubstanzschonende und präventionsorientierte zahnärztliche

50

Vgl. BT-Drucks. 14/1245, S. 73. Allgemein zum Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung Schmiedl, MedR 2002, 116; Spoerr, MedR 1997, 342; Maaß, NZS 1998, 13; Wimmer, NZS 1999, 480; zur Angemessenheit der vertragszahnärztlichen Vergütung Schneider, SGb 2004, S. 143. 52 BSGE 68, 291, 196. 53 So auch Hauck/Haines-Engelhard K § 87 Rn 109j. 54 So aber im Ergebnis Strippel, KrV/Mai 2002, S. 50; auch Saekel, gpk Nr. 10, S. 32, 34; vgl. zum Ganzen auch Neumann, gpk Sonder-Nr. 5/2002, S. 29. 51

III. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

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Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädische Behandlung auszurichten. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Richtlinien auf der Grundlage auch von externem, umfassendem zahnmedizinischwissenschaftlichem Sachverstand zu beschließen. Aus dem Sachzusammenhang der gesetzlichen Aufträge an den Gemeinsamen Bundesausschuss einerseits und an den Bewertungsausschuss andererseits, ergibt sich ein enges Zusammenspiel des Bewertungsmaßstabes und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Dementsprechend hat der Gesetzgeber den Auftrag zur Neuausrichtung der zahnärztlichen Behandlung sowohl in § 87 SGB V bezüglich des Bewertungsmaßstabes als auch in § 92 SGB V hinsichtlich der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses verankert. Die Normen ergänzen sich wechselseitig und sind weitgehend wortidentisch. Insofern kann auch von einer identischen Zielrichtung des § 87 Abs. 2 d SGB V und des § 92 Abs. 1 a SGB V ausgegangen werden. Der Gesetzgeber lässt dem Gemeinsamen Bundesausschuss zwar einen Spielraum, welchen wissenschaftlichen Sachverstand er bei seiner Entscheidungsfindung heranziehen möchte, verpflichtet ihn aber, „auch“ zahnmedizinisch-wissenschaftlichen Sachverstand einzubeziehen. Die Interpretation nach dem Gesetzeswortlaut führt somit zum Ergebnis, dass der Gesetzgeber offenbar nicht lediglich eine Umbewertung als „Nullsummenspiel“ beabsichtigte, sondern eine darüber hinausgehende, inhaltlich zahnmedizinisch-wissenschaftliche fundierte Neuausrichtung der vertragszahnärztlichen Versorgung mit dem Ziel der Stärkung der Prävention und der zahnsubstanzschonenden Leistungen bewirken wollte. Dieses Ergebnis wird durch eine Gesamtbetrachtung der Gesetzesmaterialien 55 zur Gestaltungsfreiheit des Bewertungsausschusses bestätigt. In der Begründung 56 zur Neufassung des § 87 Abs. 2 d SGB V durch das GKVGesundheitsreformgesetz 2000 heißt es dazu: „Darüber hinaus wird der Bewertungsausschuss verpflichtet, den einheitlichen Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen gleichgewichtig zu bewerten. Der einheitliche Bewertungsmaßstab als Grundlage für die Vergütung des einzelnen Zahnarztes basiert in wesentlichen Teilen nach wie vor auf der Vereinbarung der Selbstverwaltungspartner aus dem Jahre 1962. Vor diesem Hintergrund ist eine Anpassung an neue wissenschaftliche Gegebenheiten und an den allgemeinen zahnmedizinischen Fortschritt, insbesondere eine stärkere Orientierung hin zu präventiven und zahnerhaltenden Maßnahmen, notwendig.

55 56

BT-Drucks. 14/1245 v. 23.06.1999. BT-Drucks. 14/1245, S. 73.

178

D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

Um eine sachlich fundierte Neuordnung des Bewertungsmaßstabes zu ermöglichen, regelt die Vorschrift, dass der Bewertungsausschuss die Festlegung der Bewertungsrelationen auf der Grundlage von wissenschaftlichem Sachverstand und solchem aus praxisnahen zahnärztlichen Fortbildungsgesellschaften für die gesamte Zahnheilkunde vorzunehmen hat. Dies könnte z. B. durch eine neue wissenschaftliche Zeitmessstudie, die im Auftrag des Bewertungsausschusses erstellt wird, erfolgen. Da der Zeitfaktor aufgrund der bisherigen Erfahrungen als das mit Abstand wichtigste Kriterium für die Beurteilung der Bewertungsrelationen anzusehen ist, hat der Bewertungsausschuss die Arbeitszeit als maßgebliches Bewertungskriterium anzusehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass bestimmte Leistungen überwiegend von ausgebildetem Praxispersonal erbracht werden. Unabhängig von gleichwertigen Bewertungsrelationen gelten die Grundsätze für eine angemessene Vergütung vertragszahnärztlicher Leistungen (vgl. § 72 Abs. 2 und § 85 Abs. 3).“ In der Begründung 57 zur Neufassung des § 92 Abs. 1 a SGB V durch das GKVGesundheitsreformgesetz 2000 heißt es dazu: „Die Pflicht, die Konkretisierung des Leistungskatalogs im Rahmen einer präventionsorientierten Zahnheilkunde auf der Basis auch von externem und umfassendem wissenschaftlichen Sachverstand vorzunehmen, gewährleistet, dass die Definition leistungsrechtlicher Ansprüche der Versicherten zielorientiert und vorrangig nach medizinisch fachlichen Gesichtspunkten erfolgt. Nach Ansicht des Gesetzgebers ist eine durchgängig präventionsorientierte Leistungsbeschreibung der Zahnheilkunde erforderlich, um die Prävention zur systematischen Grundlage zahnmedizinischen Handelns zu machen. Dies entspricht dem Stand der wissenschaftlichen Forschung und geht einher mit internationalen Entwicklungen. Hierzu gehört zunächst, dass folgende Aspekte vermehrte Berücksichtigung finden: • Ausbau risikoorientierter Diagnostik und entsprechender Dokumentation • objektivierbare Risikobewertung als Grundlage für Behandlungsentscheidungen • Monitoring bzw. Progressionsbeeinflussung oraler Erkrankungen. Der Bundesausschuss hat alle zahnmedizinischen Therapien daraufhin zu überprüfen, ob die Definition der von der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährenden zahnmedizinischen Leistungen noch dem aktuellen Stand der zahnmedizinischen Wissenschaft entspricht. Hierbei sind auch die neuen Entwicklungen zum Erhalt von Zahnhartsubstanz durch minimal-invasive Behandlungsmethoden und adhäsiv befestigte Füllungsmaterialien insbesondere für die Erstversorgung zu berücksichtigen. Die gegenwärtigen Zahnersatz-Richtlinien sind daraufhin zu untersuchen, ob sie innerhalb einer befundbezogenen, präventionsorientierten Zahnheilkunde die Versorgungsformen enthalten, die zahnsubstanzschonend eine möglichst dauerhafte Sanierung des Gebisses ermöglichen. Ebenfalls ist über die Aufnahme neuer, klinisch bewährter Ver-

57

BT-Drucks. 14/1245, S. 74f.

III. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

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sorgungsverfahren zu entscheiden, die auch kostengünstiger als ältere Versorgungsformen sein können (z. B. Adhäsivbrücken).“

In der detaillierten Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber also relativ konkret einzelne Leistungen und Leistungsbereiche definiert, die nach seiner Vorstellung im Rahmen einer präventionsorientierten Zahnheilkunde innerhalb der vertragszahnärztlichen Versorgung zukünftig auf der Grundlage einer Neubewertung der entsprechenden Leistungen sicherzustellen ist. Hierzu sollen auch die Gesetzesmaterialien zu § 92 SGB V hinsichtlich der Aufgaben des heutigen Gemeinsamen Bundesausschusses herangezogen werden. 58 Insbesondere die in der Begründung in § 92 Abs. 1 a SGB V angesprochene Verpflichtung zur „Konkretisierung des Leistungskatalogs“ lässt den Schluss zu, dass sich diese Begründung nicht nur auf den Bereich der Richtlinien des neuen Gemeinsamen Bundesausschusses beschränken, sondern sich zugleich auch auf den vom (erweiterten) Bewertungsausschuss festzusetzenden Leistungskatalog beziehen. Insofern sind diese Ausführungen nicht nur vom Gemeinsamen Bundesausschuss, sondern auch vom (erweiterten) Bewertungsausschuss nach § 87 Abs. 2 d SGB V zu beachten. Würde der (erweiterte) Bewertungsausschuss seinen Gesetzesauftrag nur auf die Gleichgewichtigkeit der Bewertungsrelationen der zur Zeit im BEMA enthaltenen Leistungspositionen begrenzen, würde er seiner Aufgabe nicht gerecht. Es bestünde für ihn zudem die Gefahr, nach erfolgter Beschlussfassung neugefasster weitergehender Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses erneut tätig werden zu müssen. Für diese Auslegung spricht auch die Verfahrensweise des Gesetzgebers in der Vergangenheit hinsichtlich bestimmter Bereiche innerhalb der vertragszahnärztlichen Versorgung. So hat der Gesetzgeber z. B. bei der Neueinführung von Bestimmungen zur ausnahmsweisen Bezuschussung von Suprakonstruktionen in § 30 Abs. 1 Satz 5 SGB V in seiner Begründung konkrete Fallgestaltungen genannt, bei denen er davon ausgegangen ist, dass vom damaligen Bundesausschuss näher zu konkretisierende Ausnahmeindikationen vorliegen würden. Der Bundesausschuss ist diesen Ausführungen in den Gesetzesmaterialien zu § 30 Abs. 1 Satz 5 SGB V gefolgt und hat entsprechende Änderungen in den Zahnersatzrichtlinien vorgenommen. Diese Verfahrensweise des damaligen Bundesausschusses ist vom BSG ausdrücklich als zulässig angesehen worden. 59 Es wird daher auch für den Bewertungsausschuss als zulässig angesehen werden müssen, wenn dieser die sich für ihn nach der Gesetzesbegründung zumindest mittelbar ergebenden Aufträge in der dargestellten Auslegung erfüllt.

58 59

BT-Drucks. 14/1245, S. 74/75. BSG, MedR 2002, 161; vgl. auch die Parallelentscheidung BSGE 88, 126.

180

D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

Zwar erlangen Gesetzesbegründungen keinen Normcharakter und können daher auch keine inhaltliche Bindung des Erweiterten Bundesausschusses nach sich ziehen, solange die Begründungen nicht selbst Eingang in den Wortlaut der Norm gefunden haben. Der gesetzliche Auftrag ist jedoch konkret dem Wortlaut des § 87 Abs. 2 d SGB V zu entnehmen. Damit ist dem Bewertungsausschuss nicht nur ein Auftrag zur Fortschreibung des BEMA und der Anpassung an den medizinischen Fortschritt, sondern zur Neuausrichtung der Bewertung der zahnärztlichen Leistungen erteilt worden. Entsprechend sollen nach dem Willen des Gesetzgebers auch die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die zahnärztliche Behandlung einschließlich der Versorgung mit Zahnersatz sowie kieferorthopädischer Behandlung ausgerichtet werden. Das Gesetz selbst klärt jedoch nicht die Frage der Kompetenzabgrenzung zwischen dem Gemeinsamen Bundesausschuss und dem Bewertungsausschuss. Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses haben zum einen die Aufgabe, das Gebot der Wirtschaftlichkeit für Vertragszahnärzte und Krankenkassen zu konkretisieren, zum anderen aber auch, die Leistungsansprüche der Versicherten näher auszuformen und zu präzisieren. Die Bewertungsausschüsse haben die gemäß § 72 Abs. 2 SGB V im Rahmen der gesetzlichen Versorgung abrechnungsfähige Leistungen zu definieren. Daraus folgt bereits, dass Leistungen, die in diesem Verzeichnis nicht enthalten sind, grundsätzlich auch nicht zu Lasten der Krankenkassen abgerechnet werden können. 60 Dem durch die Entwicklungsgeschichte und durch den Wortlaut der Norm gefundene Ergebnis stehen auch nicht die institutionellen Grundlagen des Bewertungssystems entgegen. Der Gesetzgeber hat dem Bewertungsausschuss die Kompetenz zu einer grundlegenden Neuausrichtung des Bewertungssystems zumindest im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung erteilt, ohne die institutionellen Grundlagen des Bewertungsausschusses zu verändern. Er geht also offensichtlich davon aus, dass diese Kompetenzausstattung mit der entsprechenden funktionsgerechten Organstruktur des Bewertungsausschusses in Einklang steht. c) Ergebnis Als Ergebnis kann zunächst nach der einfachgesetzlichen Rechtslage festgehalten werden, dass die Aufgabe des Bewertungsausschusses gem. § 87 SGB V darin besteht, ärztliche bzw. zahnärztliche Leistungen zu bewerten. Diese Kompetenz ist nicht mehr wie in der Vergangenheit allein darauf beschränkt, eine permanente Fortentwicklung des EBM im ärztlichen und im zahnärztlichen Bereich zu gewähr-

60

BSGE 71, 42, 47; BSGE 79, 239, 241f.; BSGE 84, 247, 248.

III. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

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leisten. Im zahnärztlichen Bereich hat der Gesetzgeber des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 diesen Auftrag erweitert und erwartet eine Neuorientierung mit der Zielrichtung einer ursachengerechten, zahnsubstanzschonenden und präventionsorientierten Versorgung. Damit hat der Bewertungsausschuss zumindest für den vertragszahnärztlichen Bereich die Kompetenz, Strukturveränderungen in den gesetzlich definierten Leistungsbereichen vorzunehmen. 3. Anwendungs- und Abrechnungsbestimmungen Zur Auslegung und Erläuterung der einzelnen Leistungspositionen kann der Bewertungsausschuss Anwendungs- und Abrechnungsbestimmungen beschließen. Diese sind als Konkretisierung des Inhaltes des Bewertungsmaßstabes zulässig. 61 Den Partnern der Bundesmantelverträge steht es demgegenüber nicht zu, daneben ergänzende Abrechnungsbestimmungen zu bestimmen. 62 Wegen der vom Gesetzgeber vorgesehenen Einheitlichkeit des Bewertungsmaßstabes sind unterschiedliche Anwendungs- und Abrechnungsbestimmungen der jeweiligen Kassenarten unzulässig. 63 Dafür spricht der Umstand, dass es im Konfliktfall zu einer Aufspaltung der Entscheidungskompetenzen kommen würde, wenn über strittige Fragen des Bewertungsmaßstabes der erweiterte Bewertungsausschuss, über die Anwendungsbestimmungen hingegen das Bundesschiedsamt gemäß § 89 Abs. 4 SGB V zu entscheiden hätte. Ebenso sind ergänzende oder interpretierende Anwendungsbestimmungen ausgeschlossen, die die im Bewertungsmaßstab enthaltenen Regelungen abändern oder ihnen zuwiderlaufen. 64 4. Kompetenz zur Festlegung von Abrechnungsausschlüssen unter Beachtung des Art. 3 GG und des Art. 12 GG Streitig ist, ob die Bewertungsausschüsse die Kompetenz besitzen, die Abrechnungsfähigkeit einzelner Leistungen einzuschränken. Zu den Aufgaben der Bewertungsausschüsse gehört es, den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen zu bestimmen (§ 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Mit dieser Kompetenz ist aber untrennbar die Frage verknüpft, von wem diese Leistungen erbracht werden dürfen. Zu berücksichtigen ist ferner, dass dem Bewertungsausschuss eine Steuerungsfunktion zukommt, 65 kraft derer er berechtigt ist, die

61

A. A. Peters-Hencke, § 87 Rn 10. A. A. BSGE 78, 191, 200; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 17, S. 70, 78. 63 Siewert, S. 97. 64 A. A. BSGE 78, 191, 200 für den Fall, dass die Partner der Bundesmantelverträge im Zuge von Neugestaltungen der Bewertungsmaßstäbe Übergangsregelungen treffen. 65 BSGE 78, 98, 105. 62

182

D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

Abrechenbarkeit bestimmter Leistungen auf die Ärzte zu beschränken, bei denen diese Leistungen zum notwendigen Standard des Fachgebietes gehören und die ohne diese Leistungen ihre Tätigkeit in freier Praxis nicht ausüben könnten. 66 § 87 Abs. 2c SGB V bestimmt, der Bewertungsausschuss solle Regelungen zur Begrenzung veranlasster medizinischer Leistungen auf den medizinisch notwendigen Umfang treffen. In der Begründung 67 wird darauf verwiesen, die bisherige Regelungen sei aufgrund von Unklarheiten des Regelungsinhaltes von den Beteiligten nicht umgesetzt worden. Die veränderte Formulierung stelle die Zielsetzung der Regelung klar und erweitere ihre Anwendbarkeit auf die Gesamtheit der medizinisch-technischen Leistungen. Dadurch könnten auch unerwünschte Auswirkungen – z. B. Ausweichreaktionen auf Leistungsbereiche, die der bisherigen Regelung nicht unterlagen – vermieden werden. Insofern muss es dem Bewertungsausschuss möglich sein, die Erbringung bestimmter Leistungen nur Ärzten einzelner Fachgruppen vorzubehalten, insbesondere dann, wenn dies der Sicherung der Qualität der ärztlichen Leistungen dient. Dies hat das BSG für die Erbringung bestimmter Beratungs- und Betreuungsleistungen bejaht. 68 Die Partner der Bundesmantelverträge seien grundsätzlich zur Sicherung der ärztlichen Versorgung berechtigt, Abrechnungsbestimmungen zu vereinbaren, mit denen die Berechnungsfähigkeit bestimmter Leistungen auf einzelne Arztgruppen beschränkt wird. In den gesetzlichen Vorschriften über die Befugnisse der Partner der Bundesmantelverträge 69 wird das Ziel der Sicherung der Qualität der Leistungserbringung indirekt – durch Verweis auf den allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse – angesprochen. Das BSG spricht in diesem Zusammenhang von einem allgemeinen Auftrag der Qualitätssicherung an die Partner der Bundesmantelverträge. 70 Ein solcher Ausschluss der Abrechenbarkeit bestimmter Leistungen und die Beschränkung der Leistungserbringung auf bestimmte Arztgruppen muss allerdings dem Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG entsprechen. Mit Urteil vom 20.01.1999 hat das BSG entschieden, dass der Ausschluss rheumatologisch tätiger Orthopäden von der Berechnungsfähigkeit der Geb.-Nr. 16 des EBM-Ä, die die „kontinuierliche Betreuung . . . eines Patienten mit rheumatoider Arthritis (PCP) einschließlich Sonderformen oder mit Psoriasis-Arthritis oder mit Kollagenosen“ durch einen Internisten mit Schwerpunktbezeichnung „Rheumatologie“ voraus-

66

Vgl. BSGE 70, 285, 303f. BT-Drucks. 15/1525, S. 105. 68 BSG SozR 3-2500 § 72 Nr. 8 zur „Erhebung des vollständigen neurologischen Status“ (Nr. 800 EBM-Ä); fortgeführt mit Urteil vom 31.01.2001, B 6 KA 11/99 für zwei in einer Gemeinschaftspraxis tätige Ärzte (hausärztlicher Internist und praktischer Arzt), Die Leistungen Beilage 2002, 203. 69 § 72 Abs. 2 i.V.m. § 82 Abs. 1 SGB V. 70 Wenner, NZS 2002, 1, 4. 67

IV. Konkretisierung durch die Rechtsprechung

183

setzte, nicht mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes vereinbar ist. 71 Die dem Bewertungsausschuss zukommende Gestaltungsfreiheit findet daher ihre Grenze am Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Abrechnungsausschlüsse bedürfen eines sachlichen Grundes. Eine andere Frage stellt sich im Zusammenhang mit der in § 135 Abs. 2 SGB V normierten Befugnis der Partner der Bundesmantelverträge, auch die Erbringung von Leistungen, die das jeweilige Fachgebiet prägen und in diesem Sinne den Status des Vertragsarztes betreffen, von dem Nachweis einer spezifischen Qualifikation abhängig zu machen (§ 135 Abs. 2 Satz 2 SGB V) bzw. Regelungen zu treffen, nach denen die Erbringung medizinisch-technischer Leistungen den Fachärzten vorbehalten ist (§ 135 Abs. 2 Satz 4 SGB V). § 135 Abs. 2 SGB V stellt insofern eine Durchbrechung des Grundsatzes dar, wonach die Bewertungsausschüsse bundeseinheitlich Inhalt und Abrechnungsfähigkeit ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen vornehmen. Mit der Regelung greift der Gesetzgeber in diese Kompetenz der Bewertungsausschüsse ein, so dass diese jedenfalls für derartige Leistungen keine Steuerungsfunktion übernehmen könnten, soweit die Partner der Bundesmantelverträge berechtigt wären, die Aufgaben der Bewertungsausschüsse für diesen Teilbereich wahrzunehmen. Dies kann vom Gesetzgeber nicht gewollt sein. Die Partner der Bundesmantelverträge können daher lediglich bestimmte Qualifikationsanforderungen festlegen, die am Maßstab des Art. 12 GG zu messen sind. 72

IV. Konkretisierung von Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse durch die Rechtsprechung Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie die Rechtsprechung der Sozialgerichte die Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse bewertet und weiterentwickelt hat. Welche Aufgaben und Kompetenzen den Bewertungsausschüssen und den erweiterten Bewertungsausschüssen nach der Rechtsprechung zukommen, ist Gegenstand zahlreicher Entscheidungen der Sozialgerichte gewesen. Zusammenfassend kann diese Rechtsprechung dahingehend bewertet werden, dass nahezu jegliche Tätigkeit der Bewertungsausschüsse für rechtmäßig erklärt wurde, soweit eine tragfähige Begründung vorlag, die die Entscheidung nicht als willkürlich erscheinen ließ 73 bzw. wenn er seine Bewertungskompetenz nicht gleichheitswidrig

71

BSGE 83, 218. Vgl. insoweit zu den MRT-Leistungen BSG,USK 98123; ebenfalls zur Kernspintomographie BSG USK 99159. 73 Mit dieser Begründung st. Rspr., vgl. BSGE 88, 126, 133; BSGE 83, 205, 208. 72

184

D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

genutzt und nur einer Arztgruppe Vergütungsansprüche zugestanden hat, obgleich die Leistung auch von anderen Arztgruppen erbracht wird bzw. erbracht werden kann. 74 Eine klare Grenzziehung der Kompetenzen des Bewertungsausschusses auch gegenüber denjenigen des Gemeinsamen Bundesausschusses durch die Sozialgerichte ist bisher nicht erfolgt. Die Begründung dafür liefert die Rechtsprechung selbst, in dem sie darauf verweist, dass die Entscheidungen der Bewertungsausschüsse nur in eingeschränktem Maße gerichtlich überprüfbar seien. 75 In ständiger Rechtsprechung betont das BSG, 76 dass den Gerichten bei der Auslegung von Vorschriften über die Bewertung einzelner Leistungen in Bewertungsmaßstäben oder Gebührenordnungen für ärztliche Leistungen Zurückhaltung auferlegt sei. Ausnahmen hiervon seien nur in seltenen Fällen denkbar. Der 6. Senat des BSG geht in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass es den Gerichten nur ausnahmsweise und nur in engen Grenzen gestattet ist, in das Bewertungsgefüge der kassen- und vertragsärztlichen Gebührenordnungen einzugreifen. 77 Eine ausweitende Interpretation der Leistungsbeschreibungen und -bewertungen, etwa im Wege analoger Anwendung auf nicht erfasste Sachverhalte sei daher nicht zulässig. 78 Das vom Bewertungsausschuss erarbeitete System autonomer Leistungsbewertung könne seinen Zweck nur erfüllen, wenn Eingriffe von außen grundsätzlich unterbleiben. Den Gerichten sei es deshalb verwehrt, eine im EBM-Ä vorgenommene Bewertung als rechtswidrig zu beanstanden, weil sie den eigenen, abweichenden Vorstellungen von der Wertigkeit der Leistung und der Angemessenheit der Vergütung nicht entspreche. Der im Bewertungsausschuss herbeizuführende Ausgleich zwischen den Interessen der Ärzte und der Krankenkassen erfordere die Berücksichtigung zahlreicher, nicht nur betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkte. Da sich die Leistungserbringung der Vertrags(zahn)ärzte nicht ausschließlich an der medizinischen Indikation orientiere, sondern – in gewissem Umfang legitimerweise 79 auch durch ökonomische Erwägungen beeinflusst werde, könne durch eine höhere oder niedrigere Bewertung ärztlicher Leistungen erreicht werden, dass diese Leistungen häufiger oder seltener erbracht würden. Als Beispiel seien die wiederholten Änderungen des Bewertungsmaßstabes zur Förderung der „sprechenden Medizin“ und zur Einschränkung der apparativen Leistungen, insbeson-

74

BSGE 88, 126, 133; BSGE 83, 218. BSGE 58, 35, 37f.; 69, 166, 167; BSG USK 91192; BSG USK 9563; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 5, S. 22. 76 BSGE 58, 35, 37f.; BSG USK 9563. 77 BSG SozR 5533 Allg. Nr. 1, S. 4; BSGE 46, 140, 143 f.; BSG SozR 3 – 1500 § 96 Nr. 3 S. 7 f.; BSG SozR 3 – 5533 Nr. 763 Nr. 1, S. 3; BSG USK 9563; BSG SozR 3 – 5533 Nr. 1460 Nr.1. 78 BSG USK 94129. 79 Vgl. BSGE 81, 86, 93. 75

IV. Konkretisierung durch die Rechtsprechung

185

dere der Laborleistungen, genannt. Es könne deshalb, wie der Senat wiederholt bekräftigt hat, nicht Aufgabe der Gerichte sein, mit punktuellen Entscheidungen zu einzelnen Gebührenpositionen in ein umfassendes, als ausgewogen zu unterstellendes Tarifgefüge einzugreifen und dadurch dessen Funktionsfähigkeit in Frage zu stellen. 80 Etwas anderes könne nur in seltenen Ausnahmefällen gelten, in denen sich zweifelsfrei feststellen ließe, dass der Bewertungsausschuss seinen Regelungsspielraum überschritten oder seine Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgeübt hat, indem er etwa eine ärztliche Minderheitsgruppe bei der Honorierung bewusst benachteiligt oder sich sonst erkennbar von sachfremden Erwägungen hat leiten lassen. 81 Enthält der Bewertungsmaßstab allerdings nicht nur Leistungsbeschreibungen und -bewertungen, sondern darüber hinaus Abrechnungsregelungen und -ausschlüsse, kann ein Eingriff in den Zulassungsstatus und damit eine an Art. 12 GG zu messende Einschränkung der Berufsfreiheit vorliegen. 82 Durch die Zusammensetzung des Bewertungsausschusses sei gewährleistet, dass die unterschiedlichen Interessen in diesem Selbstverwaltungsorgan zum Ausgleich kommen. 83 Umso mehr müssten sich die Gerichte an den Wortlaut des Bewertungsmaßstabes halten, den der Ausschuss laufend fortzuentwickeln habe. 84 Sie könnten insbesondere nicht die Angemessenheit der Vergütung selbst bestimmen. Hinzu komme, dass den Gerichten die Gründe, die den Bewertungsausschuss zur Festsetzung des Inhalts der abrechnungsfähigen Leistungen bewogen hätten, nicht bekannt seien. 85 Vergütungstatbestände seien – wie der Senat 86 wiederholt ausgeführt habe – entsprechend ihrem Wortlaut auszulegen und anzuwenden. Der Wortsinn sei maßgebend und könne nur in engen Grenzen durch eine systematische und/oder entstehungsgeschichtliche Interpretation ergänzt werden. 87 Auslegungen und Analogien

80 So z. B. BSGE 79, 239, 245; BSGE 78, 98, 107; BSG SozR 3-5533 Nr. 763 Nr. 1; BSGE 83, 205, 208; BSGE 83, 218, 219 f. sowie BSG, USK 2000-97. 81 BSG SozR 5530 Allg. Nr. 1, S. 1, 4; BSG SozR 3-5533 Nr. 763 Nr. 1 S. 1, 4; BSGE 78, 98, 107; BSGE 79, 239, 245; BSGE 83, 205, 208; BSGE 83, 218, 220; BSG USK 2000-110; BSG, Urteil vom 18.12.2000, B 6 KA 35/00 R; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 30; auch OLG Köln, VersR 2000, 1279. 82 Vgl. BSGE 78, 91, 93. 83 BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 5, S. 20, 22/23; BSG SozR 3-2500 Nr. 763 Nr. 1, S. 1, 3; BSGE 83, 205, 208; BSGE 83, 218, 219/220; BSG, MedR 2000, 201; BSG SozR 3-5533 Nr. 75 Nr. 1, S. 1, 3. 84 BSGE 42, 268, 273. 85 BSGE 58, 35, 38. 86 BSG SozR 3 – 5555, § 10 Nr. 1, S. 4; BSG USK 99151; BSG, MedR 2000, 201; BSG Breith. 2003, 112.

186

D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

sind nach der o.g. Rechtsprechung des BSG unzulässig. 88 Eine historische und teleologische Interpretation ist daher ausgeschlossen, 89 eine systematische Interpretation nur in engen Grenzen zulässig. 90 Diese Grundsätze und die damit einhergehende Einschränkung der gerichtlichen Überprüfbarkeit beruhen nach Auffassung des BSG auf der vertraglichen Struktur der Vergütungsregelungen und der Art ihres Zustandekommens. Bei den Vergütungsregelungen handele es sich nämlich um untergesetzliche Rechtsnormen in Form von Normsetzungsverträgen. 91 Der vertragliche Charakter der Vergütungstatbestände solle gewährleisten, dass die unterschiedlichen Interessen der an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligten Gruppen zum Ausgleich kommen und eine sachgerechte inhaltliche Beschreibung und Bewertung der ärztlichen Leistung erreicht werde. Vorrangig liege es in der Zuständigkeit der Vertragspartner bzw. des Bewertungsausschusses, unklare Regelungen der Gebührenordnungen zu präzisieren und änderungsbedürftige zu korrigieren. 92 Diesem System autonomer Leistungsbewertungen entspreche die Anerkennung eines weiten Regelungsspielraums, der von den Gerichten zu respektieren sei. Das BSG hat in einer Vielzahl von Entscheidungen betont, dem Bewertungsausschuss komme bei der Gestaltung des Bewertungsmaßstabes ein weiter Gestaltungsspielraum zu. 93 Der gewichtige Gemeinwohlbelang der Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung 94 rechtfertige auch Maßnahmen der Mengenbegrenzung und dabei auch Grundrechtseingriffe z. B. durch Budgetierung, Abstaffelungen oder Beschränkung der Zahl der im Behandlungsfall abrechenbaren Leistungen. Bereits der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 1984 95 die „Sicherung

87

BSG SozR 3-5533 Nr. 1460 Nr. 1, S.1, 2; BSG SozR 3-5533 Nr. 2000 Nr. 1, S. 1, 2; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 1, S. 1, 2; BSGE 69, 166, 167; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 5, S. 22. 88 BSGE 69, 166, 168; BSG SozR 3-5533 Nr. 75 Nr. 1 S. 1, 2; BSG Breith. 2003, 112, 113. 89 Vgl. BSGE 69, 166, 168. 90 Im Sinne einer Gesamtschau der im inneren Zusammenhang stehenden vergleichbaren oder ähnlichen Gebührenregelungen BSG SozR 3-5533 Nr. 2449 Nr. 1 S. 1, 3 und BSG MedR 2000, 201; BSGE 84, 247, 251. 91 Vgl. BSGE 84, 247, 251. 92 BSG SozR 3-5533 Nr. 115 Nr. 1, S. 3; BSG SozR 3-5533 Nr. 1460 Nr. 1 S. 2; vgl. auch BSG Breith. 1996, 615; BSG Breith. 2003, 112, 113. 93 BSGE 79, 239, 242; BSGE 88, 126. 94 St. Rspr. des BVerfG und des BSG, vgl. z. B. BVerfGE 103, 172, 184f.; BVerfG, NJW 2001, 1779, 1780; BSG Breith. 1991, 265; BSG USK 99104; BSGE 82, 41, 45, 49; BSG, Urteil vom 19.12.2000, B 6 KA 44/00 B; BSG, Urteil vom 24.08.2001, B 6 KA 28/01 B; BSGE 90, 111; BSG, Urteil vom 28.01.2004, B 6 KA 112/03 B; BSG Breith. 2004, 827, 833; kritisch zuletzt Hufen, NJW 2004, 14. 95 BVerfGE 68, 193, 218.

IV. Konkretisierung durch die Rechtsprechung

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der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung“ als eine „Gemeinwohlaufgabe“ definiert, „welche der Gesetzgeber nicht nur verfolgen darf, sondern der er sich nicht einmal entziehen dürfte.“ Weitere Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts bezeichnen die “Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung“ als einen „Gemeinwohlbelang von hinreichendem Gewicht“. 96 Diese nie näher begründete Formel diente zur Rechtfertigung erheblicher Grundrechtseingriffe zu Lasten von Leistungserbringern und lieferte das entscheidende Argument für die Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Vorschriften. 97 So kommt das Bundessozialgericht zu der Bewertung, es bestehe insofern für den Bewertungsausschuss auch kein Numerus clausus der möglichen Regulierungsformen. 98 Die Aufgabe des Ausschusses sei daher nicht darauf beschränkt, einzelne ärztliche Leistungen nach betriebswirtschaftlichen oder sonstigen kalkulatorischen Gesichtspunkten zu bewerten, sondern sie umfasse die Befugnis, über die Definition und Bewertung ärztlicher Leistungen das Leistungsverhalten der Ärzte steuernd zu beeinflussen. 99 Diese Steuerungsfunktion kann nach Auffassung des 6. Senats über das in § 87 Abs. 2 Satz 2 SGB V niedergelegte Anpassungsgebot, wonach die Bewertungsmaßstäbe in bestimmten Zeitabständen u. a. daraufhin zu überprüfen sind, ob die Leistungsbeschreibungen und ihre Bewertungen noch dem Stand der medizinischen Wissenschaft und Technik entsprechen, hinausgehen. Dem Bewertungsausschuss steht damit die Kompetenz zu, durch seine Bewertung der einzelnen Leistungen verhaltenssteuernd auf die Leistungserbringer einzuwirken. 100 In einer Entscheidung vom 15.05.2002 101 hat das BSG zu den seit dem 1.7.1997 bundeseinheitlich geltenden Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für vertragsärztliche Leistungen über das Praxisbudget Stellung genommen, von denen die Mehrzahl der Arztgruppen erfasst werden. Für wichtige Leistungsbereiche der von der Budgetierung betroffenen Arztgruppen ergibt sich das Honorar aus einer Multiplikation der für die budgetierten Leistungen der jeweiligen Arztgruppe festgesetzten Fallpunktzahl mit der Fallzahl des einzelnen Arztes im Quartal. Einer der Faktoren für die Festlegung der jeweiligen Fallpunktzahlen 96 BVerfGE 103, 172, 184; BVerfG, DVBl 2002, 400, 401; hierzu auch Leisner, Schriftenreihe zum Gesundheitsrecht, Band I, S. 15, 18 ff. 97 Siehe etwa BVerfGE 103, 172, 184 ff; BVerfG, DVBl 2002, 400, 401; Sodan, Schriftenreihe zum Gesundheitsrecht, Band I, S. 11. 98 BSGE 88, 126, 129. 99 Vgl. BSGE 78, 98, 105; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 15 und Nr. 16 sowie 6 RKa 4/96; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 20 und USK 9990, BSG USK 99161(Budgetierung von Basislaborleistungen); BSG, SGb 1999, 698. 100 Peikert/Kroel, SGb 2001, 662, 666. 101 BSG, GesR 2002, 56 m. Anm. v. Meydam; dazu auch Rompf , GesR 2003, 65, vgl. BSG SozR 4-2500 § 87 Nr. 3; BSG SozR 4-2500 § 95 Nr. 5; BSG, SozR 4-2500 § 87 Nr. 1.

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D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

sind die für die Fachgruppen maßgeblichen Praxiskostensätze. Auf der Grundlage der Überprüfung des Praxiskostenansatzes der Hautärzte habe sich ergeben, dass diese zwar in der Vergangenheit und noch für das Jahr 2002 als rechtmäßig zu beurteilen seien. Sie müssten aber bis zum Jahresende 2002 überprüft und ggf. bis zum 30.6.2003 neu festgesetzt werden. Diese Auffassung hat der Senat für den ärztlichen Bereich damit gerechtfertigt, dass Vergütungsgrundsätze, die aus Sachgründen für den gesamten Bereich der vertragsärztlichen Versorgung einheitlich geregelt werden müssten, nur über den EBM-Ä verwirklicht werden könnten und dass auf die Gestaltungsmöglichkeiten des EBM-Ä als für alle Kassenarten und alle KVen bundesweit verbindliche Regelung nicht zuletzt im Hinblick auf die angemessene Vergütung aller ärztlichen Leistungen, auch im Verhältnis der Arztgruppen untereinander, nicht verzichtet werden könne. 102 Dementsprechend hat das BSG dem Bewertungsausschuss auch eine gewisse Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Aufnahme solcher ärztlicher Leistungen zugebilligt, die bisher nicht in der vertragsärztlichen Versorgung abrechenbar waren. Die Verpflichtungen in § 87 Abs. 2 Satz 2 SGB V greifen das bereits im Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung formulierte (§ 12 SGB V) und das vertragsärztliche Leistungserbringungsrecht prägende (§ 72 Abs. 2 SGB V) Wirtschaftlichkeitsgebot im Rahmen der Bestimmung des Kreises der in der vertragsärztlichen Versorgung abrechenbaren Leistungen wieder auf. 103 Die Prüfung des Bewertungsausschusses, ob eine bestimmte zahnärztliche Leistung zukünftig abrechnungsfähig werden solle, habe sich daran auszurichten, ob diese Leistung für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse geboten sei (§ 72 Abs. 2 SGB V). Der Bewertungsausschuss hat also insoweit eine Beobachtungs- und ggf. Anpassungspflicht. 104 Das BSG hält daher den Bewertungsausschuss für verpflichtet, ärztliche Leistungen, die seit Jahrzehnten integraler Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind oder solche, ohne die eine umfassende ambulante Versorgung der Versicherten nicht denkbar ist, in den Bewertungsmaßstab aufzunehmen. Die Befugnis des Bewertungsausschusses sei nicht auf eine quasi notarielle Funktion beschränkt, kraft derer er gehalten wäre, alle dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Leistungen umgehend in den Bewertungsmaßstab aufzunehmen und punktmäßig zu bewerten. Zudem hat das BSG in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass eine Ausweitung des Leistungsspektrums der ambulanten vertragszahnärztlichen Versorgung 102 103 104

BSGE 79, 239, 242. BSGE 79, 239, 243. So auch BSG, SGb 1999, 698.

IV. Konkretisierung durch die Rechtsprechung

189

in jedem Falle im Zusammenhang mit der hierfür von den gesetzlichen Krankenkassen zu leistenden Gesamtvergütung zu sehen ist. Strukturelle Veränderungen des Umfangs der vertragszahnärztlichen Versorgung könnten somit Auswirkungen auf die angemessene Höhe der Gesamtvergütungen haben. Es sei eine abwägende und wertende Entscheidung des Bewertungsausschusses erforderlich. Die Aufnahme einer neuen Leistungsbeschreibung in den Bewertungsmaßstab und deren punktmäßige Bewertung müsse somit eine Prüfung durch den Bewertungsausschuss vorausgehen, ob für die neu aufzunehmenden Leistungen bereits ein ausreichender Vergütungsrahmen zur Verfügung stehe oder ob ein solcher geschaffen werden könne. 105 Dies entspricht auch dem Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses für die zahnärztlichen Leistungen vom 13.11.2002 zum weiteren Vorgehen in diesem Verfahren. In diesem Beschluss hat der erweiterte Bewertungsausschuss einstimmig unter 1. festgelegt, dass für seine weitere Arbeit von einer Ausgabenneutralität, die als Punktsummenneutralität interpretiert wird, auszugehen ist, wobei diese in enger Korrelation zur zahnärztlichen Zeitsummenneutralität gesetzt worden ist. Auch der Erweiterte Bewertungsausschuss ist davon ausgegangen, dass die Gesamtpunktmenge im bisherigen BEMA durch die Neurelationierung nicht verändert werden soll und dadurch nach seiner Bewertung eine Ausgabenneutralität für die Krankenkassen ebenso sichergestellt wird wie eine Zeitsummenneutralität durch eine entsprechende Berücksichtigung der im Einzelfall erforderlichen Zeitaufwendungen in der zahnärztlichen Praxis. Eine Verpflichtung des Bewertungsausschusses zur Aufnahme einer bestimmten Leistung in den BEMA besteht aber auch dann nicht, wenn zu dieser bereits eine positive Aussage in den Richtlinien für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden des Bundesausschusses vorliegt. Die Entscheidungen des Bundesund des Bewertungsausschusses müssten stimmig ineinander greifen und auch die Finanzierungsmöglichkeiten der GKV beachten. Es bestehe keine unmittelbare Bindung des Bewertungsausschusses an die Richtlinien des Bundesausschusses. Grundsätzlich könnten bestimmte Leistungen im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung nur dann erbracht und abgerechnet werden, wenn für diese Leistungsbeschreibungen und Bewertungen in die Bewertungsmaßstäbe aufgenommen worden sind. Lediglich in Einzelfällen hat sich das BSG gezwungen gesehen, Korrekturen am EBM vorzunehmen. So hat es dem Bewertungsausschuss die Einführung einer (höher bewerteten) Leistungsposition für Infusionen bei Säuglingen und Kleinkindern auferlegt. Das BSG hielt nämlich die Abrechnung einer solchen Infusion nach der Gebührenposition für die Infusion bei Erwachsenen nicht für sachgerecht. Dem Bewertungsausschuss sei daher vorzuwerfen, dass er auf eine offenbar lückenhafte Regelung nicht mit einer Ergänzung reagiert habe. 106 Ein weiterer zu entscheidender Fall betraf die unzulässige Begrenzung 105

BSGE 79, 239, 242; BSGE 84, 247, 253.

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D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

einer Leistungsposition auf eine Arztgruppe, die auch andere nach ihrem Weiterbildungsrecht zulässigerweise erbringen können. 107 Die Erweiterung des Leistungsspektrums der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung sowohl in der einen als auch in der anderen dargestellten Hinsicht stelle einen Akt abwägender und wertender Entscheidung des Bewertungsausschusses dar, der auch die Auswirkungen auf die angemessene Höhe der Gesamtvergütung zu beachten habe. Das BSG geht ferner davon aus, dass es zu einem Auseinanderfallen der Anerkennung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden seitens des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, jetzt des Gemeinsamen Bundesausschusses und deren Umsetzung in abrechnungsfähige und punktmäßig bewertete Leistungen durch den Bewertungsausschuss nicht kommen wird, vielmehr die Entscheidungen beider Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung so ineinander greifen, dass eine sachgerechte, in sich stimmige Anpassung des Systems der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung an den medizinisch technischen Fortschritt unter Beachtung der vorgegebenen Finanzierungsmöglichkeiten der gesetzlichen Krankenversicherung gewährleistet ist. Im Urteil vom 20.03.1996 108 hatte das BSG bereits ausgeführt, für Leistungen, die zur Erzielung eines Heilerfolges nicht notwendig oder zweckmäßig seien und/oder dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse nicht entsprächen, stehe dem Kassen- bzw. Vertragsarzt ebenso wenig ein Honoraranspruch zu wie für den Einsatz von neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, für die noch keine Richtlinienempfehlungen des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen nach § 135 Abs. 1 SGB V vorliege. Würden solche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden gleichwohl eingesetzt, so seien die zugehörigen Leistungen auch dann nicht vergütungsfähig, wenn sie für sich genommen Gegenstand des vertragsärztlichen Leistungsspektrums seien und im Zusammenhang mit anderen Untersuchungen und Behandlungen ohne weiteres abgerechnet werden könnten. Allein die Tatsache, dass eine ärztliche Leistung den Inhalt der Leistungslegende einer Ziffer der Gebührenordnung erfülle, habe nicht zur zwingenden Folge, dass dem Vertragsarzt insoweit ein Honoraranspruch zustehe. Die Aufnahme von Leistungspositionen stellt nach der Rechtsprechung des BSG einen Akt der Normsetzung dar. 109 Der EBM hat den Charakter einer vertraglichen Regelung mit normativer Wirkung und Verbindlichkeit auch gegenüber am Vertragsschluss nicht unmittelbar beteiligten Dritten. 110

106

BSGE 46, 140. BSGE 83, 218; BSG, USK 2000-97. 108 BSG SozR 3 – 5533 Nr. 3512 BMÄ Nr. 1, S. 2, 3. 109 BSGE 71, 41; BSGE 78, 191; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 4; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 5, S. 22. 110 BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 5 S. 22. 107

IV. Konkretisierung durch die Rechtsprechung

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Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 01.07.1992 111 ausgeführt, der EBM-Z bestimme den Inhalt sämtlicher im Rahmen der kassenzahnärztlichen Versorgung abrechnungsfähiger Leistungen und regele deren wertmäßiges Verhältnis zueinander. Damit bestimme der EBM-Z generell das System der kassenzahnärztlichen Leistungen. Nach der Entscheidung des BSG 112 hat der Bewertungsausschuss z. B. auch zu bestimmen, welche einzelnen Verrichtungen zueinander in einer abrechnungsfähigen Leistung zusammengefasst werden. Wie das BSG in mehreren Entscheidungen 113 betont, ist damit noch nicht gesagt, dass Art und Umfang der ärztlichen Leistungen stets das alleinige Verteilungskriterium bilden müssen. Vielmehr können die Beteiligten im Rahmen des ihnen vom Gesetz eingeräumten Handlungsspielraums daneben auch andere Gesichtspunkte und Umstände berücksichtigen, auch wenn dadurch im Ergebnis von den Bewertungen des EBM abgewichen wird. Damit hat das BSG 114 die zum Zwecke der Honorarvereinbarung vorgenommene Aufteilung einer durch gesamtvertragliche Vereinbarung begrenzten Gesamtvergütung in leistungsbezogene Teilbudgets für grundsätzlich zulässig, jedoch die Vergütung sämtlicher Laborleistungen mit einem einheitlichen Punktwert dem aus Art. 12 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 GG folgenden Gebot der Verteilungsgerechtigkeit widersprechend bewertet. Nach dem Urteil des 6. Senats vom 20.03.1996 115 müssen die vertraglichen Vereinbarungen über die Gesamtvergütung, der EBM und die Regelungen in den Honorarverteilungsmaßstäben der Kassenärztlichen Vereinigungen so ineinander greifen, dass die Honorierung der vertragsärztlichen Leistungen einerseits eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse ermöglicht und andererseits den Vertragsärzten eine angemessene Vergütung sichert (§ 72 Abs. 2 SGB V). 116 Ein Anspruch des einzelnen Arztes auf höhere Vergütung kann jedoch daraus nicht abgeleitet werden. Die Rentabilität einer Praxis gehört nach der Rechtsprechung des BSG 117 zum Berufsrisiko des freiberuflich tätigen Arztes. Das in § 72 Abs. 2 SGB V geregelte Gebot der Angemessenheit der Vergütung ärztlicher Leistungen ist bei der Erstellung von Bewertungsmaßstäben zu beachten, 118 da der Gesetzgeber dies für alle in der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung 111 BSGE 71, 42, 47; vgl auch BSGE 78, 191; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 4; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 5, S. 22. 112 BSG USK 9563. 113 BSG USK 84269; BSGE 73, 131, 134. 114 BSGE 73, 131 („Honorartöpfe“ für Laborleistungen). 115 BSGE 78, 98, 105. 116 Grundsätzlich zur Angemessenheit der vertragszahnärztlichen Vergütung Wimmer, MedR 1998, 533; Hess, VSSR 1995, 380; Fiedler, VSSR 1995, 355. 117 BSG SozR 5530 Allg. Nr. 1, S. 1, 5, 6; BSGE 75, 187, 189.

192

D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

geschlossenen Verträge anordnet und dem einheitlichen Bewertungsmaßstab die Rechtswirkungen einer vertraglichen Vereinbarung i.S.d. § 82 Abs. 1 SGB V zukommen. 119 Nach der Rechtsprechung des BSG 120 hat die in dieser Vorschrift den Partnern der Verträge über die kassen- bzw. vertragsärztliche Versorgung auferlegte Verpflichtung, Vorsorge dafür zu treffen, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden, rein objektiv-rechtliche Bedeutung und begründet grundsätzlich kein subjektives Recht des einzelnen Kassenarztes auf ein bestimmtes, als angemessen bewertetes Honorar für die einzelne Leistung oder die ärztliche Tätigkeit insgesamt. 121 Der Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung bestimmt somit lediglich die Angemessenheit der Vergütung der einzelnen vertragsärztlichen Leistung. Als angemessen ist eine Vergütung anzusehen, die jedenfalls nicht wesentlich unter der üblichen Vergütung vergleichbarer Tätigkeiten liegt. Über die Gewährung einer angemessenen Vergütung soll insgesamt die im öffentlichen Interesse liegende Sicherstellung der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung erreicht werden. Eine Ausnahme hiervon hat der Senat nur für den Fall diskutiert, dass durch eine zu niedrige Vergütung ärztlicher Leistungen das kassenärztliche Versorgungssystem als Ganzes und als Folge davon auch die berufliche Existenz der an dem Versorgungssystem teilnehmenden ärztlichen Leistungserbringer gefährdet wird. 122 Der einzelne Arzt hat auch kein Klagerecht gegen die Kassenärztliche Bundesvereinigung, damit diese eine Änderung des EBM herbeizuführen hat. 123 Bei seiner Entscheidung, welche diagnostischen und therapeutischen Verfahren er in seiner Praxis anbieten oder ob er die Patienten insoweit an andere Ärzte verweisen (überweisen) will, darf sich der Arzt aber daran orientieren, ob bestimmte Leistungen im Hinblick auf die vorhandene bzw. erreichbare Zusammensetzung der Patientenschaft sowie unter Berücksichtigung der anfallenden Kosten und der erzielbaren Einnahmen wirtschaftlich erbracht werden können. 124 Dabei kann

118

BSGE 20, 73, 77; BSGE 70, 240, 245. So im Ergebnis auch Spoerr MedR 1997, 342, 344; Kass.-Komm.-Hess § 87 Rn 12. 120 BSGE 75, 187, BSG SozR 3 – 5533 Nr. 763 Nr. 1, S. 5. 121 St. Rspr.; BSGE 75, 187, 189; BSGE 76, 6, 11; BSG, USK 2000-97; a. A. Isensee, VSSR 1995, 321, 346f. 122 BSGE 68, 291, 296. 123 LSG Nordrhein-Westfalen, MedR 1988, 209. 124 Vgl. Francke/Schnitzler unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BSG, SGb 2002, 84, 87. 119

IV. Konkretisierung durch die Rechtsprechung

193

auch die punktzahl-mäßige Bewertung einer Leistung von Bedeutung sein, selbst wenn diese Bewertung allein noch nicht die Garantie für einen Honoraranspruch in einer bestimmten Höhe ist. 125 Rückwirkende Eingriffe des Bewertungsausschusses durch Änderung des EBM werden vom BSG 126 nur ausnahmsweise dann als zulässig erachtet, wenn der Rechtsunterworfene mit einer entsprechenden rückwirkenden Neuregelung rechnen musste, weil die Neuregelung eine unklare oder lückenhafte Regelung ersetzt hat oder die ersetzte Regelung so systemwidrig und unbillig war, dass ernsthafte Zweifel an ihrer Verfassungsmäßigkeit bestehen mussten. Gleiches gilt danach, wenn durch die Rückwirkung kein oder nur ganz unerheblicher Schaden verursacht worden ist und wenn zwingende Gründe des allgemeinen Wohls dem Vertrauensschutz der Rechtsnormunterworfenen vorgehen. Das BSG hat daher eine Notwendigkeit gesehen, den Vorschriften des EBM Bestandsfestigkeit zuzuerkennen, da diese steuernd auf die Leistungserbringung, also auf das Leistungsverhalten des Arztes einwirken sollen. 127 Dabei hält das BSG den Aussagewert betriebswirtschaftlicher Analysen – zudem bezogen auf einzelne Praxen für die Beurteilung der Angemessenheit der vertragsärztlichen Vergütung für begrenzt, denn der im Bewertungsausschuss herbeizuführende Ausgleich zwischen den Interessen der Ärzte bzw. Ärztegruppen und den Krankenkassen erfordere die Berücksichtigung zahlreicher, nicht nur betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkte. 128 Allerdings hält das BSG den Bewertungsausschuss nicht nur für berechtigt, sondern geradezu für verpflichtet, bei seinen Normsetzungen die tatsächliche wirtschaftliche Situation in der vertrags(zahn)ärztlichen Praxis objektiv zu ermitteln und seinen Bewertungen zu Grunde zu legen. Auch wenn ihm bei der Feststellung tatsächlicher Gegebenheiten ein Bewertungsspielraum zusteht, ist er darüber hinaus verpflichtet, seine Bewertungsgrundlagen immer dann einer Überprüfung zu unterziehen, wenn ihm Hinweise auf eine wesentliche und nicht nur vorübergehende Änderung der Verhältnisse vorliegen. 129 Der EBM kann nach der Rechtsprechung des BSG die ihm innerhalb des vertragsärztlichen Vergütungssystems zukommende Aufgabe nur erfüllen, wenn der Gestaltungsspielraum des Bewertungsausschusses über die bloße Möglichkeit der Aufnahme neuer bzw. der Abwertung, Höherbewertung oder Streichung vorhandener Einzelleistungspositionen hinausreicht. Durch rein numerische Bewertungskorrekturen könne das Leistungsverhalten der betroffenen Ärzte nur sehr

125

BSGE 81, 86, 93. BSGE 81, 86, 89 ff. 127 BSGE 81, 86, 92. 128 Dazu schon BSG SozR 3 – 5533 Nr. 763 Nr. 1, S 3 f.; BSG, SGb 2000, 256; vgl. Eul, DOK 1-2 (1./15.Januar 1995) S. 49, 51. 129 BSGE 89, 259. 126

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D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

unspezifisch beeinflusst werden; gezielte Strukturveränderungen ließen sich mit diesem Mittel allein nicht bewirken. Das BSG hat es daher im Hinblick auf die Steuerungsfunktion, die dem EBM als bundesweit für alle Kassenarten verbindlicher Vergütungsgrundlage zukommt, für zulässig erklärt, über ergänzende Bewertungsformen wie Komplexgebühren, Gebührenpauschalen, Abstaffelungsregelungen und ähnliche mengen- oder Fallzahl begrenzende Maßnahmen die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung zu fördern und Verteilungseffekte mit dem Ziel einer angemessenen Vergütung der ärztlichen Leistungen, auch im Verhältnis der Arztgruppen zueinander, anzustreben. 130 Der Bewertungsausschuss hat sowohl die Befugnis als auch die Verpflichtung, über die Definition sowie Bewertung der vertragsärztlichen Verrichtung das Leistungsverhalten durch mengen- oder Fallzahl begrenzende Maßnahmen zu steuern. 131 Auf diese Weise könne der Bewertungsausschuss durch die Bewertung ärztlicher Leistungen zu erreichen versuchen, dass die Vertragsärzte bestimmte Leistungen häufiger oder weniger häufig erbringen. 132 Diese Steuerungsfunktion ermögliche es ihm insbesondere, ergänzende Bewertungsformen wie Komplexgebühren, Gebührenpauschalen und Budgetierungen einzuführen, um die Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringung zu fördern oder Verteilungseffekte herbeizuführen, die das Ziel einer angemessenen Vergütung der Leistungen verfolgen. 133 Grundsätzlich können die Gestaltungsmittel des EBM nach dieser Rechtsprechung auch zur Beeinflussung und Veränderung von Leistungsstrukturen eingesetzt werden. Das BSG gesteht dem Bewertungsausschuss hierbei ausdrücklich zu, dass dieser nicht auf bloße Bewertungskorrekturen in Gestalt einer Neu- oder Umbewertung von Einzelleistungen beschränkt ist, hebt aber gleichzeitig hervor, dass die Definition und Bewertung der Leistung im EBM sachbezogen zu erfolgen hat. 134 Geht der Bewertungsausschuss über das in § 87 Abs. 2 Satz 2 SGB V geregelte Anpassungsgebot hinaus, bedarf es einer sachlichen Legitimation. Dabei hat es das BSG für die Legitimationsgrundlage als ausreichend angesehen, wenn das Gesetz selbst ausdrücklich einen entsprechenden Umgestaltungsauftrag erteilt.

130

BSGE 78, 98, 106. So schon BSGE 78, 98, 105; BSGE 79, 239, 242; BSGE 81, 86, 92; Beschlüsse des BSG vom 29.09.1999, B 6 KA 34/99 B und vom 18.12.2000, B 6 KA 35/00 B. 132 BSGE 88, 126, 129. 133 § 72 Abs. 2 SGB V; BSGE 78, 98, 106; BSGE 81, 86, 92; BSGE 86, 16; BSGE 86, 30, 40. 134 BSG SozR 3 – 5533 Nr. 763 Nr. 1, S. 5; LSG NRW, MedR 1997, 472. 131

V. Europarechtliche Einflüsse

195

V. Europarechtliche Einflüsse auf das Handeln der Bewertungsausschüsse Es stellt sich die Frage, ob und inwieweit die europarechtlichen Regelungen – ähnlich wie beim Gemeinsamen Bundesausschuss 135 – Einfluss auf das Handeln der Bewertungsausschüsse nehmen könnten. Der EBM sowie der BEMA bzw. die darin enthaltenen Budgetierungsregelungen könnten insoweit als mit überstaatlichem, europäischem Recht unvereinbar angesehen werden. In Betracht käme ein Verstoß gegen die Wettbewerbsregelungen des Art. 81 EGV. Fraglich ist somit, ob die Bewertungsausschüsse als Unternehmen im Sinne des EG-Kartellrechts zu qualifizieren sind. Unvereinbar mit dem gemeinsamen Markt und verboten sind aber gemäß Art. 81 EGV alle Vereinbarungen zwischen Unternehmen sowie Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen geeignet sind und eine Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs innerhalb des gemeinsamen Marktes bezwecken. Die Bestimmung wendet sich an Unternehmer bzw. Unternehmensvereinigungen, denen ein wettbewerbswidriges Verhalten untersagt wird. Die Bewertungsausschüsse werden gemäß § 87 Abs. 1 SGB V von den Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und den Spitzenverbänden der Krankenkassen als Bestandteil des Bundesmantelvertrages vereinbart. Da der Bewertungsausschuss keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzt, stellt sich die Frage, ob die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen oder die Spitzenverbände der Krankenkassen insoweit als Unternehmer im Sinne des Art. 81 EGV tätig werden. Im Hinblick auf die Auslegung des Art. 81 EGV vertritt der EuGH einen funktionalen oder wirtschaftlichen Unternehmensbegriff, der jede eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübende Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform oder der Art ihrer Finanzierung umfasst. 136 Angesichts dieses weiten gemeinschaftsrechtlichen Unternehmensbegriffs wäre die Unternehmenseigenschaft des Bewertungsausschusses in Trägerschaft der Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und der Spitzenverbände der Krankenkassen wohl zu bejahen. Die weitere Frage ist jedoch, ob und inwieweit überhaupt aus dem Handeln der Bewertungsausschüsse Wettbewerbsbeschränkungen resultieren können. Zu berücksichtigen ist dabei eine Rechtfertigung einer aus dem Handeln möglichen

135

Vgl. B.VI. EuGH, Urteil vom 23.04.1991, Rs. C 41/90 – Höfner und Elsner vs. Macroton GmbH, Slg 1991, I-1979, Rz. 21; vgl. auch Engelmann, NZS 2000, 213, 220. 136

196

D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

Wettbewerbsbeschränkung über Art. 86 Abs. 2 EGV zur Sicherung der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung. Der Bewertungsausschuss wird bei der Festsetzung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes als untergesetzlicher Normgeber tätig. Seine Befugnis zur Rechtsetzung ergibt sich aus dem SGB V und damit aus nationalem Recht. Ein Bezug zum europäischen Wettbewerbsrecht ist somit nicht gegeben. 137 Der EuGH 138 hat entschieden, dass Krankenkassen oder Einrichtungen, die bei der Verwaltung der öffentlichen Aufgabe der sozialen Sicherheit mitwirken, nicht unternehmerisch tätig seien. Dabei stellt er darauf ab, dass die Leistungen von Gesetzes wegen und unabhängig von der Höhe der Beiträge erbracht würden. Diese Erwägungen treffen auch auf die Tätigkeit des Bewertungsausschusses zu. Bei der Vereinbarung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes werden die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen und die Spitzenverbände der Krankenkassen somit nicht unternehmerisch am Markt von Gütern und Dienstleistungen tätig, sondern im Rahmen eines nationalen Gesetzes. Der EuGH hat in mehreren Entscheidungen 139 klargestellt, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung der Befugnis zur Regelung des Sozialsystems frei sind, dieses auszugestalten. Insoweit bestehen keine Bedenken, diese Rechtsprechung auch auf Maßnahmen der Regulierung des ärztlichen Behandlungsverhaltens auszudehnen. Ausdrücklich weist der EuGH in diesem Zusammenhang zwar darauf hin, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung dieser Befugnis, also der Regelung der Sozialsysteme, auch das Gemeinschaftsrecht zu beachten haben. Jedoch berührt die Festsetzung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes nicht den freien Waren- und Dienstleistungsverkehr innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Eine derartige grenzüberschreitende Auswirkung kommt diesem nicht zu, denn er richtet sich nur an Ärzte, die in Deutschland zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen sind und hier ihre Leistungen erbringen. Selbst wenn Art. 81 EGV für einschlägig gehalten und eine Wettbewerbsbeschränkung im Sinne dieser Bestimmung angenommen würde, wäre diese unter dem Gesichtspunkt des Art. 86 Abs. 2 EGV gerechtfertigt. Die Tätigkeit dient der finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung sowie dem Erhalt der

137

Vgl. BSGE 90, 61, 66. EuGH, Urteil vom 17.03.1993, Rs. C 159, 160/91 – Poucet/Pistre, Slg. 1993, I664, Rz. 18; EuGH, Urteil vom 16.03.2004, Rs. C-264/01, 306/01, 354/01, 355/01 zu Festbetragsregelungen bei Arzneimitteln, NJW 2004, 2723; dazu Schenke, VersR 2004, 1360, 1363. 139 EuGH, Urteil v. 07.02.1984, Rs. 35/96 – Duphar, Slg. 1984, 523, Rz. 16; EuGH, Urteil vom 17.03.1993, Rs. C 159, 160/91 – Poucet/Pistre, Slg. 1993, I-664, Rz. 18; EuGH, Rs C-385/99 (Müller-Fauré/van Riet); Rs C-158/96 (Kohll) Slg 1998, I-1935; EuGH Rs C-120/95 (Decker) Slg 1998 I-1871. 138

VI. Sozialgerichtliche Überprüfbarkeit

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Funktion der GKV. Damit liegt ein zwingender Grund des Allgemeininteresses im Sinne des Art. 86 Abs. 2 EGV vor.

VI. Sozialgerichtliche Überprüfbarkeit der Entscheidungen des Bewertungsausschusses Rechtsschutzmöglichkeiten hängen davon ab, in welcher Organisationsform der Träger der öffentlichen Gewalt – und als solcher ist der Bewertungsausschuss anzusehen – tätig wird. Im Sozialgerichtsgesetz ist die Beteiligung des Bewertungsausschusses auch nach der Neufassung des Gesetzes 140 nicht ausdrücklich vorgesehen. Dies bedeutet im Ergebnis, dass seine Festsetzungen – mangels seiner Parteifähigkeit – nicht direkt gerichtlich überprüft werden können. 141 Erst mit Urteil vom 11.09.2002 142 hat das BSG ausgeführt, der einfache und der erweiterte Bewertungsausschuss seien beteiligtenfähig. Bei den Bewertungsmaßstäben i.S.d. § 87 Abs. 2 SGB V handelt es sich nach der Rechtsprechung des BSG um Rechtsnormen in der Form sog. Normsetzungsverträge. Sie kommen als vertragliche Vereinbarung der in § 87 Abs. 1 SGB V aufgeführten Körperschaften durch die Bewertungsausschüsse (§ 87 Abs. 3 SGB V) zustande und entfalten gegenüber am Vertragsschluss beteiligten Dritten (Ärzte, Zahnärzte, Krankenkassen) unmittelbar rechtliche Außenwirkung. 143 Die Verbindlichkeit der Regelungen der Bewertungsmaßstäbe ergibt sich für den einzelnen Vertragsarzt aus § 95 Abs. 3 Satz 2 SGB V, wonach die vertraglichen Bestimmungen über die vertragsärztliche Versorgung für den zugelassenen Vertragsarzt verbindlich sind. Das BSG hatte bisher über die Frage, inwieweit grundrechtseinschränkende Regelungen durch Normsetzungsverträge wie die Bewertungsmaßstäbe und die Bundesmantelverträge (§ 82 Abs. 1 SGB V) getroffen werden können, nicht zu entscheiden. 144 Der Bewertungsausschuss als untergesetzlicher Normgeber ist nur bei grundrechtsintensiven Eingriffen verpflichtet, seine Erwägungen zum Erlass einer Rechtsvorschrift bei deren gerichtlicher Überprüfung offen zu legen. 145 Ansons-

140

BGBl. I, 2144. BSGE 29, 254; BSGE 71, 42, 51; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 4; allgemein dazu auch Wahl, MedR 2003, 569. 142 BSGE 90, 61, 62f. 143 BSGE 84, 247, 259; BSGE 83, 218, 219; BSGE 83, 205, 208; BSGE 81, 86, 89; BSGE 71, 42, 45 ff.; BSG SozR 3 – 2500 § 87 Nr. 5, S. 22; BSGE 78, 70, 75; BSGE 78, 191, 196; Schneider, Kassenarztrecht, Rn. 727; Ebsen in: Schulin, Handbuch des Sozialversicherungsrechts, Band 1, § 7 Rn. 167. 144 Vgl. BSGE 78, 91, 94 ff.; Wimmer, MedR 1996, 425 ff. 141

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D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

ten reicht es nach der Rechtsprechung aus, wenn überhaupt tragende Gründe erkennbar sind, die die Entscheidung nicht als willkürlich erscheinen lassen. Ein Normenkontrollverfahren findet nicht statt. 146 Eine solche Normenkontrolle ist grundsätzlich nur vor dem Bundesverfassungsgericht möglich, ausnahmsweise auch nach § 47 VwGO vor dem Oberverwaltungsgericht, jedoch bezogen auf Landesrecht und beschränkt auf den Rahmen der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts. Eine Erstreckung der Normenkontrolle auf die Sozialgerichte ist damit ausgeschlossen. So hat auch das BSG 147 in seiner Entscheidung betont, der Einheitliche Bewertungsmaßstab habe Rechtsnormcharakter wie der Bundesmantelvertrag und könne daher nicht von einzelnen Ärzten oder Zahnärzten im Wege der Feststellungsklage angegriffen werden. Der Rechtsschutz des vom EBM-Z betroffenen Zahnarztes werde in verfassungsrechtlich zulässiger Weise dadurch gewahrt, dass er in einem konkreten Abrechnungsfall inzidenter die als rechtswidrig angesehene Bestimmung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für zahnärztliche Leistungen gerichtlich überprüfen lassen könne. Das verfassungsrechtliche Gebot eines fairen und wirksamen Rechtsschutzes 148 schließe es nicht aus, dass dem Betroffenen bei gesetzlichen und auch bei untergesetzlichen Normen in der Regel Rechtsschutz nicht schon gegen den Erlass der Norm, sondern erst gegen den Vollzugsakt eingeräumt wird, dass er also verpflichtet wird, den Vollzugsakt abzuwarten. Nur soweit ein Vollzugsakt nicht vorgesehen ist oder soweit ausnahmsweise wegen besonderer Umstände der Rechtsschutz gegen den Vollzugsakt nicht effektiv oder das Abwarten des Vollzugsaktes unzumutbar sei, sei bei gesetzlichen Normen die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen die Norm zulässig. 149 Das BSG vertritt die Auffassung, dass die Wirksamkeit des EBM auch rückwirkend angegriffen werden kann, wobei dies nicht ohne weiteres zu einer Rückabwicklung sämtlicher Honorarabrechnungen führt, wenn der EBM rückwirkend als unwirksam angesehen werden würde. Die Wirksamkeit bindender Honorarbescheide bleibe bestehen. Gerichtliche Überprüfungen der Festsetzungen des Bewertungsausschusses sind somit nur inzidenter möglich, 150 wobei die Erfolgsaussichten einer solchen Klage gering sind. Die Gerichte überprüfen die Rechtmäßigkeit der Handlungen des Bewertungsmaßstabes lediglich daraufhin, ob dieser seinen Gestaltungsspielraum eingehalten und seine Bewertungskompetenz nicht missbräuchlich ausgeübt hat. 151 Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG 152 ist der Bewertungsaus-

145 146 147 148 149 150 151

BSGE 88, 126 (Epikutan-Test). BSGE 28, 224. BSGE 29, 254; BSGE 71, 42, 51. Art. 19 Abs. 4 GG. BSGE 71, 42, 52 mit Hinweis auf BVerfGE 79, 174, 187 ff. Hencke in: Peters, KV, § 87 Rn 14. BSG, Urteil vom 18.12.2000, B 6 KA 35/00 B.

VI. Sozialgerichtliche Überprüfbarkeit

199

schuss als zur strikten Beachtung des Gleichbehandlungsgebots verpflichteter Normgeber berechtigt, im Interesse der Überschaubarkeit und Praktikabilität einer Regelung zu verallgemeinern, zu typisieren und zu pauschalieren. Er verfügt über einen Regelungsspielraum, den die Gerichte nicht daraufhin überprüfen können, ob die zweckmäßigste, vernünftigste und gerechteste Lösung gefunden wurde. 153 Denn wie jeder andere Träger öffentlich-rechtlicher Befugnisse sind die Vertragspartner des § 87 Abs. 1 SGB V im Rahmen des Bewertungsausschusses verpflichtet, die Grundsätze rechtsstaatlichen Handelns zu beachten. Ein Verfassungsverstoß unter dem Blickwinkel des Art. 3 GG liegt aber erst vor, wenn die Ungleichheit in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam ist, dass ihre Berücksichtigung nach einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise geboten erscheint 154 bzw. wenn die Ungleichheit nach Art und Gewicht der vorhandenen Unterschiede sachlich nicht mehr gerechtfertigt ist. 155 Hinzu kommt, dass das BSG dem „Normgeber“ Bewertungsausschuss bei der Neuregelung komplexer Materien unter dem Gesichtspunkt der Anfangs- und Erprobungsregelungen einen besonders weiten Gestaltungsspielraum zubilligt, da sich häufig bei Erlass der maßgeblichen Vorschriften deren Auswirkungen nicht in allen Einzelheiten übersehen lassen und deshalb auch gröbere Typisierungen und geringere Differenzierungen zunächst hingenommen werden müssten. 156 Damit korrespondiere dann aber eine Beobachtungs- und ggf. Nachbesserungspflicht des Normgebers. 157 Maßstab dafür ist allerdings nicht das Gesetz, denn für die Festsetzungen der Bewertungsausschüsse gibt es keine gesetzlichen Maßstäbe, die das Gericht anlegen könnte. § 87 SGB V eröffnet lediglich den gesetzlichen Rahmen, innerhalb dessen der Bewertungsausschuss tätig werden kann. Die Auffassung in der Literatur, die eine gerichtliche Überprüfung der Vereinbarung des Bewertungsausschusses von den Vertragspartnern des Bundesmantelvertrages durch eine Feststellungsklage nach § 55 SGG für möglich hält, 158 verkennt, dass die Partner des Bundesmantelvertrages durch einen Beschluss des

152

Z. B. BSGE 78, 98, 106. Vgl. etwa BSG SozR 3 – 5533 Nr. 763 Nr. 1, S. 2 f.; BSGE 78, 98, 107; BSGE 79, 239, 245; BSG SozR 3 – 2500 § 87 Nr. 16, S. 66; BSG USK 2000-110. 154 BSGE 73, 131, 138. 155 BSGE 83, 205, 212; BSGE 83, 218, 220; BSGE 88, 126, 133. 156 BSG USK 2000-110; LSG Niedersachen, Urteil vom 25.04.2001, L 3/5 KA 65/00, S. 14 des Urteilsumdrucks, BSGE 88, 126. 157 BSGE 88, 126. 158 W. Wekel DOK 1978, 697, 699; Schnapp in: Schulin, § 49 Rn. 249; Schneider, Kassenarztrecht, (Fn. 362) S. 215. 153

200

D. Aufgaben und Kompetenzen der Bewertungsausschüsse

Bewertungsausschusses nicht in ihren eigenen Rechten in diesem Kollegialorgan verletzt sein können. Eine derartige Klage wäre somit bereits unzulässig, 159 da kein Rechtsverhältnis vorliegt, in dem ein Partner des Bundesmantelvertrages selbst betroffen wäre. Nach § 87 Abs. 3 Satz 1 SGB V entsenden sie selbst einen Vertreter zu den Bewertungsausschüssen. Darüber hinaus steht ihnen die Vertragskompetenz nach § 82 Abs. 1 Satz 1 SGB V zu, nämlich in Bundesmantelverträgen den allgemeinen Inhalt der Gesamtverträge zu vereinbaren. Nach § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V sind die Entscheidungen der Bewertungsausschüsse Bestandteile des jeweiligen Bundesmantelvertrages. Schließlich steht den Partnern des Bundesmantelvertrages auch die Mitwirkung im Gemeinsamen Bundesausschuss nach § 91 Abs. 1 SGB V zu. In dem Geflecht innersystematischer Normen des gesetzlichen Krankenversicherungsrechts haben die Partner des Bundesmantelvertrages gleiche Mitwirkungsrechte. Lediglich in einem Fall, in dem diese Mitwirkungsrechte verletzt worden wären, wäre eine gerichtliche Überprüfung der Entscheidungen der Bewertungsausschüsse überhaupt denkbar. Die Festsetzungen des erweiterten Bewertungsausschusses sind demgegenüber als Verwaltungsakt von den Vertragspartnern mit der Anfechtungsklage gem. § 54 SGG sozialgerichtlich angreifbar. 160 Über eine insofern gegebene Klagebefugnis der Partner des Bundesmantelvertrages ist – soweit ersichtlich – bisher höchstrichterlich nicht entschieden worden. Vielmehr ist die Frage, ob eine Anfechtungsklage der an der Normsetzung Beteiligten in Frage kommen kann, ausdrücklich offen gelassen worden. 161 Wiegand 162 führt unter Bezugnahme auf die oben genannte BSG-Entscheidung vom 01.07.1992 aus, klagebefugt seien die Vertragspartner, nicht aber der einzelne Arzt, ohne dass Wiegand sich insoweit zur Klageart äußert. Ob dem gefolgt werden kann, ist jedoch sehr zweifelhaft. Das BSG stellt allgemein und auch bei der Beurteilung der Rechtsnormqualität der Beschlüsse des erweiterten Bewertungsausschusses entscheidend nicht auf den Inhalt, sondern auf die Form der Regelung ab. 163 Es wendet damit ein Beurteilungskriterium an, das auch im Übrigen in Rechtsprechung 164 und Literatur 165 anerkannt ist.

159 Vgl. SG Köln, Urteil vom 11.11.1998, S 19 KA 63/97 für die Festsetzung des Erweiterten Bewertungsausschusses. 160 Hencke in: Peters, KV, § 87 Rn 20; Schnapp, Handbuch des Krankenversicherungsrechts, § 49 Rn 250; S. o. S. 194; a. A. Rompf , GesR 2003, 65, 67. 161 Vgl. BSGE 71, 42, 51. 162 Wiegand, GKV-Kommentar, § 87 SGB V Rn 14. 163 BSGE 71, 42, 46. 164 BVerwGE 18, S. 1. 165 Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, 10. Auflage 1994, § 45 Rn 80.

VI. Sozialgerichtliche Überprüfbarkeit

201

Danach wird auch ausdrücklich nicht zwischen den Beschlüssen des erweiterten Bewertungsausschusses einerseits und des damit festgesetzten Inhalts des Bewertungsmaßstabes andererseits differenziert. Ebenso ist danach anerkannt, dass wegen der Verschiedenheit der Rechtswirksamkeitsvoraussetzungen und des Rechtsschutzes eine Bestimmung nicht zugleich Verwaltungsakt und Rechtssatz sein kann. 166 Wenn somit nach allgemeiner Auffassung die Beschlüsse des Erweiterten Bewertungsausschusses jedenfalls gegenüber dem normunterworfenen Vertragszahnarzt als Rechtsnormen anzusehen sind, muss dies ebenso bezüglich der Krankenkassen und ihrer Verbände gelten. Denn diese sind ebenso wie die Vertragszahnärzte unmittelbar an die Beschlüsse gebunden, da sie den Inhalt des Bewertungsmaßstabes für die zahnärztlichen Leistungen bestimmen und dieser gem. § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V unmittelbar Bestandteil der Bundesmantelverträge ist. Da der Inhalt der Bundesmantelverträge jedoch insgesamt gem. § 82 Abs. 1 Satz 2 SGB V zugleich Bestandteil der Gesamtverträge ist und diese gem. § 83 Abs. 1 Satz 1 SGB V sowohl für die Vertragszahnärzte als Mitglieder der die Gesamtverträge abschließenden Kassenzahnärztlichen Vereinigungen als auch für die beteiligten Krankenkassen als Mitglieder der die Gesamtverträge abschließenden Landesverbände der Krankenkassen und der Verbände der Ersatzkassen verbindlich sind, tritt auch insofern eine generelle Bindungswirkung gegenüber den Krankenkassen und ihren Verbänden ein. Allerdings steht es den K(Z)Ven nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich frei, ob und inwieweit sie den Bewertungsmaßstab als Bestandteil ihrer Honorarverteilungsmaßstäbe beschließen. 167 Im HVM sind daher Ausnahmeregelungen als zulässig angesehen worden, um z. B. bestimmte Leistungsbereiche gezielt zu fördern oder eine für die Versorgung notwendige Praxisausrichtung für den einzelnen Arzt finanzierbar zu machen. 168 Dies gilt auch nach der Neufassung des § 85 Abs. 4 SGB V, wonach der Honorarverteilungsmaßstab nunmehr als Vertrag zwischen K(Z)V und Krankenkassen zu vereinbaren ist. Ebenso wie ein einzelner Vertragszahnarzt dann Beschlüsse des erweiterten Bewertungsausschusses bzw. die Bewertungsmaßstäbe selbst nicht mehr mit einer Anfechtungsklage angreifen kann, sondern insofern auf eine Inzidenterprüfung verwiesen ist, muss dies dann aber auch für die an diese Beschlüsse bzw. den Bewertungsmaßstab in gleicher Weise gebundenen Krankenkassen und deren Verbände gelten. 166

Bay VGH, DÖV 64, S. 850. BSGE 73, 131, 134. 168 Kass.-Komm.-Hess, § 87 Rn 6 und § 85 Rn 56; diese Auffassung ist im Hinblick auf die Steuerungsfunktion des Bewertungsausschusses abzulehnen. Die mit der Normsetzungskompetenz des Bewertungsausschusses verbundenen Steuerungs- ziele können nur erreicht werden, wenn die Kassenärztlichen Vereinigungen an die Vorgaben des Bewertungsmaßstabes gebunden sind. Offengelassen in BSGE 79, 239, 242. 167

E. Konkurrenz der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses und Ausübung der Bewertungskompetenz des Bewertungsausschusses bzw. des erweiterten Bewertungsausschusses Die Rechtsprechung hatte bisher keinen Anlass, eine detaillierte Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen zwischen dem Bundesausschuss der Ärzte (Zahnärzte) und Krankenkassen, bzw. als dessen Rechtsnachfolger dem Gemeinsamen Bundesausschuss und dem (erweiterten) Bewertungsausschuss vorzunehmen. Auch das Gesetz selbst klärt nicht die Frage, ob der Bewertungsausschuss oder der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung verbindlich festlegt. Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind gem. § 92 Abs. 8 SGB V Bestandteil der Bundesmantelverträge. Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind durch § 81 Abs. 3 SGB V verpflichtet, die Verbindlichkeit der Richtlinien gegenüber ihren Mitgliedern in entsprechenden Satzungsbestimmungen nochmals auszusprechen. Auch wenn grundsätzlich von einer Identität zwischen Leistungsrecht und Leistungserbringungsrecht auszugehen ist, 1 wird durch den Inhalt der Richtlinien der Leistungsanspruch der Versicherten im Regelfall nicht abschließend definiert. Dies folgt bereits daraus, dass der Gesetzgeber die Notwendigkeit gesehen hat, neben der allgemeinen Bestimmung des § 92 SGB V an verschiedener Stelle besondere Ermächtigungen des Gemeinsamen Bundesausschusses aufzunehmen, wonach er in den Richtlinien das Nähere über Art, Umfang und Inhalt bestimmter Leistungen und damit korrespondierender Leistungsansprüche der Versicherten zu bestimmen hat. 2 Dadurch hat der Gesetzgeber verdeutlicht, dass in allen anderen Fällen dem Gemeinsamen Bundesausschuss eine derartige Kompetenz zur abschließenden Definition des Leistungsanspruchs des Versicherten gerade nicht zukommt. 3 Der gem. § 87 Abs. 1 SGB V als gesetzlicher Bestandteil des BMV vereinbarte Bewertungsmaßstab bildet zunächst nur die Grundlage für die Leistungsabrech-

1 2 3

So z. B. BSGE 63, 102. S. B. IV. 1. Vgl. Kass.-Komm.-Hess § 92 Rn. 8.

E. Konkurrenz der Richtlinien und Ausübung der Bewertungskompetenz

203

nung der an der kassen- und vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte. Die Bedeutung des EBM beschränkt sich nicht auf die Funktion eines bloßen Leistungs- und Bewertungsverzeichnisses. Der Bewertungsmaßstab ist vielmehr Teil eines aus mehreren Elementen bestehenden komplexen Vergütungssystems, das unterschiedlichen und teilweise gegenläufigen gesetzlichen Zielvorgaben gerecht werden muss. Innerhalb dieses Systems bestimmt er zum einen als Vergütungsmaßstab die Höhe der Gesamtvergütung, sofern diese nach Einzelleistungen berechnet wird (§ 85 Abs. 2 Satz 2 SGB V); zum anderen schafft er die Voraussetzungen für eine leistungsgerechte Verteilung unter die Vertragsärzte, wie sie das Gesetz in § 85 Abs. 4 Satz 3 SGB V vorschreibt. 4 Inwieweit er darüber hinaus als Vergütungs- und/oder Verteilungsmaßstab den konkreten Honoraranspruch des Arztes bestimmt, hängt von der Art des für die Berechnung der Gesamtvergütung einerseits und des für die Verteilung unter die Vertragsärzte andererseits festgelegten Systems ab. 5 Dies ist insoweit problematisch, als die gesetzlichen Vorschriften über die Honorarverteilung eine Bindung an die Bewertungsmaßstäbe in dem Sinne, dass sie als Verteilungsmaßstab übernommen werden müssten, nicht vorsehen. § 87 Abs. 4 SGB V bestimmt diesbezüglich nur, dass bei der Verteilung der Gesamtvergütung Art und Umfang der Leistungen des Vertragsarztes zu Grunde zu legen sind, was für den Regelfall eine Verteilung nach Einzelleistungen auf der Grundlage des Bewertungsmaßstabes nahe legt. Die Gerichte überprüfen die Rechtmäßigkeit der ihrer Kontrolle unterworfenen Maßnahmen anhand des Gesetzes. Für die Festsetzungen des Bewertungsausschusses gibt es jedoch im Gesetz keine Maßstäbe, die ein Gericht anlegen könnte. Den Normunterworfenen selbst ist es verwehrt, sich direkt gegen die Festsetzungen der Bewertungsausschüsse zu wenden. Die Intention des Gesetzgebers dabei war, die Rechtsetzungsautonomie der Träger der Selbstverwaltung zu wahren. Dabei hat er allerdings übersehen, dass den eigentlich Beteiligten und tatsächlich Betroffenen diese Autonomie genommen ist. Es entscheidet der gesetzlich bestimmte Ausschuss darüber, dessen demokratische Legitimation zweifelhaft ist. 6 Dies bedeutet einen Vertragsschluss zu Lasten Dritter durch bloße Mehrheitsentscheidung. Im öffentlichen Recht ist dies wohl eher ungewöhnlich.

4 5 6

BSGE 78, 98, 105. BSGE 73, 131, 134. S. C.III.

204

E. Konkurrenz der Richtlinien und Ausübung der Bewertungskompetenz

Schnapp 7 hat hinsichtlich der damaligen Rechtslage nach dem KVKG einen Vergleich zu den Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen und den Festsetzungen des Heimarbeitsausschusses gezogen, bei denen ebenfalls über Nichtbeteiligte entschieden werde. Das Bundesverfassungsgericht hat die Erstreckung von Tarifverträgen auch auf Außenseiter durch Allgemeinverbindlichkeitserklärung für noch hinreichend demokratisch legitimiert gehalten. 8 Wie die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich des Bewertungsausschuss bzw. des erweiterten Bewertungsausschusses heutiger Prägung ausfallen würde, darüber kann angesichts der Entscheidung des 2. Senats zum Erfordernis demokratischer Legitimation für die Ausübung von Staatsgewalt 9 zwar nur spekuliert werden. Der Senat hat darin jedenfalls aber klar zum Ausdruck gebracht, dass als Ausübung von Staatsgewalt, die demokratischer Legitimation bedarf, sich jedenfalls alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter – und damit auch die Festsetzungen des Bewertungsausschusses bzw. des erweiterten Bewertungsausschusses – darstellt. 10 Uneingeschränkte Legitimation besitzt ein Amtsträger jedoch nur dann, wenn er verfassungsgemäß sein Amt im Wege einer Wahl durch das Volk oder das Parlament oder dadurch erhalten hat, dass er durch einen seinerseits personell legitimierten, unter Verantwortung durch das Volk oder das Parlament handelnden Amtsträger oder mit dessen Zustimmung bestellt worden ist (ununterbrochene Legitimationskette). 11 Dies ist jedoch zumindest bei den unparteiischen Mitgliedern nicht der Fall, die jedoch in der Praxis bei den Festsetzungen des Bewertungsausschusses und des erweiterten Bewertungsausschusses eine erhebliche Rolle spielen. Darauf wurde bereits für den Fall der Blockade der Ärzteschaft bzw. der Krankenkassenverbände hingewiesen. 12 Nun mag man in der Theorie seinen Frieden damit machen, die Vertragspartner würden hier einen Weg finden, der beiden Seiten gerecht wird. Dies ist tatsächlich aber nicht der Fall, soweit der vertragszahnärztliche Bereich betroffen ist.

7

Schnapp, ErsK 1978, 497, 503. BVerfGE 44, 320, 350. 9 BVerfGE 93, 37 ff.; BVerfGE BGBl I 2003, 853 zur funktionalen Selbstverwaltung. 10 Vgl. auch BVerfGE 83, 60, 73. 11 BVerfGE 93, 37, 67. 12 S. C.III. 8

I. Umstrukturierung des BEMA für die zahnärztlichen Leistungen

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I. Bedeutung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses für die Entscheidungen des Bewertungsausschusses am Beispiel der Umstrukturierung des BEMA für die zahnärztlichen Leistungen gemäß § 87 Abs. 2 b SGB V Jüngstes Bespiel dafür ist die bereits angesprochene Umstrukturierung des BEMA nach der gesetzlichen Maßgabe des § 87 Abs. 2 b SGB V, bei der die Vertragspartner grundsätzlich unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich der Erfüllung des Auftrages vertraten. Letztlich musste der erweiterte Bewertungsausschuss, dem zwei arbeitswissenschaftliche Zeitmessstudien vorlagen, durch seine Unparteiischen entscheiden, welche der beiden Beratungsvorlagen er zur Grundlage seiner Entscheidungen machen wollte. 13 An den Beratungen im Arbeitsausschuss selbst hatten die Unparteiischen jedenfalls nicht regelmäßig teilgenommen. Ihre Informationen bezogen sie aus den Protokollen der Sitzungen. Dennoch waren sie – nicht zuletzt auch aufgrund der Fristsetzung durch den Gesetzgeber und die Interventionen durch das BMG gezwungen, eine Entscheidung zu treffen, die – wie die Rechsprechung des BSG immer wieder betont – in ihren Einzelheiten gerichtlich nicht zu überprüfen ist. Der Bewertungsausschuss und demzufolge auch der erweiterte Bewertungsausschuss sind nicht einmal verpflichtet, die Gründe für die Entscheidung darzutun. 14 Aufgrund der Fristsetzung konnte der Bewertungsausschuss bzw. der erweiterte Bewertungsausschuss die Vorgaben des damaligen Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen nicht in seine Entscheidung einbeziehen. Insofern wird auf die bereits zitierte Gesetzesbegründung 15 zur Neufassung des § 92 Abs. 1 a SGB V durch das GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000 verwiesen. Diese Begründungen beziehen sich nicht nur auf den Bereich der Richtlinien des damaligen Bundesausschusses, sondern zugleich auch auf den durch den Bewertungsausschuss festzusetzenden Leistungskatalog. 16 Die bisherige Rechtsprechung zur gerichtlichen Überprüfbarkeit der Entscheidungen des Bewertungsausschusses kann nur überzeugen, wenn dem Bewertungsausschuss die Änderungen von Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses bekannt sind. Nur dann kann der Bewertungsausschuss darüber entscheiden, ob

13 14 15 16

S. D.III.2. BSGE 58, 35, 38. S. D.III.2.b). S. D.III.2.b).

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E. Konkurrenz der Richtlinien und Ausübung der Bewertungskompetenz

er bestimmte Leistungen in den BEMA aufnimmt oder nicht, mithin also seine Entscheidungskompetenz tatsächlich umfassend ausüben. Wie ausgeführt, kommt den Bewertungsausschüssen bei der inhaltlichen Ausgestaltung der Bewertungsmaßstäbe ein weiter Gestaltungsspielraum zu. 17 Die Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV, die das BVerfG als gewichtigen Gemeinwohlbelang angesehen hat, 18 kann dabei eine Vielzahl von Maßnahmen, z. B. zur Mengenbegrenzung oder zur Qualitätssicherung, wie z. B. Budgetierungen, Abstaffelungen oder Beschränkungen der Zahl der im Behandlungsfall abrechenbaren Leistungen rechtfertigen. 19 Der Bewertungsausschuss muss dabei zwar betriebswirtschaftliche und medizinisch-fachliche Gesichtspunkte berücksichtigen, eine gerichtliche Kontrolle beschränkt sich aber auf eine Überprüfung darauf, dass keine missbräuchlichen, d. h. von sachfremden Erwägungen getragenen oder gleichheitswidrigen Vergütungen festgesetzt werden. 20 Der Bewertungsausschuss hat also auch die betriebswirtschaftliche Erbringbarkeit der Leistungen in der vertragszahnärztlichen Versorgung zu berücksichtigen und zu bewerten, wobei er zu berücksichtigen hat, dass dem Vertragszahnarzt lediglich ein Anspruch auf eine leistungsgerechte Teilhabe an der Gesamtvergütung zukommt. Die Aufgabe des Ausschusses ist daher nicht darauf beschränkt, einzelne ärztliche Leistungen nach betriebswirtschaftlichen oder sonstigen kalkulatorischen Gesichtspunkten zu bewerten, sondern sie umfasst auch die Befugnis, über die Definition und Bewertung ärztlicher Leistungen das Leistungsverhalten der Ärzte steuernd zu beeinflussen. 21 Dies muss aber nach der Rechtsprechung in aller Regel dazu führen, dass das aus der vertragszahnärztlichen Tätigkeit erzielbare Einkommen der Ärzte hinreichend Anlass zur Mitwirkung an der vertragzahnärztlichen Versorgung bietet. 22 Keinen Anspruch hat der Vertragszahnarzt demgegenüber nach der Rechtsprechung darauf, dass in seiner individuellen Praxis erbrachte Leistungen in jedem Fall im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung Gewinn bringend oder auch nur kostendeckend erbracht werden können. 23 Der Senat hat in diesem Sinne wiederholt entschieden, dass dem Zuschnitt der vertragsärztlichen Vergütung insgesamt eine „Mischkalkulation“ zugrunde liegt. 24

17

BSGE 79, 239, 243; BSGE 88, 126. BVerfG NJW 2001, 1779, 1780. 19 BSGE 78, 98, 106. 20 BSGE 88, 126, 129. 21 So auch Peikert/Kroel, SGb 2001, 662, 666. 22 BSGE 88, 20; BSG SozR 3-2500 § 81 Nr. 7; BSGE 75, 187, 189; BSG SozR 3-5533 Nr. 763 Nr. 1; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr. 30, S. 228; dazu auch Muschallik, MedR 2003, 139, 141. 23 BSGE 88, 20; zustimmend Francke/Schnitzler, SGb 2002, 84; BSG, USK 2000-97; BSGE 75, 187; BSG, Breith. 1997, 108. 18

I. Umstrukturierung des BEMA für die zahnärztlichen Leistungen

207

Insofern ist von den Bewertungsausschüssen nach der ständigen Rechtsprechung des BSG eine Ausgleichsfunktion zwischen verschiedenen Interessen der beteiligten Zahnärzte und Krankenkassen zu erfüllen. 25 Sie müssen im Rahmen der Gesetze und Richtlinien zunächst alle diejenigen Leistungen in den Bewertungsmaßstab aufnehmen und erfüllen, die nach dem jeweiligen Stand der medizinischen Erkenntnisse und unter Geltung des allgemeinen Wirtschaftlichkeitsgebotes zu einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung gehören. 26 Diese Aspekte ändern jedoch nichts an der Verpflichtung der Bewertungsausschüsse, gerade auf dieser Basis bei der Festsetzung der Bewertungsrelationen auch betriebswirtschaftliche Aspekte zu berücksichtigen. Exemplarisch soll aus der diesbezüglichen, ständigen Rechtsprechung des BSG lediglich die Entscheidung BSGE 79, 239 vom 13.11.1996 herausgegriffen werden. In dieser Entscheidung hat das BSG unter anderem wörtlich ausgeführt: „Deshalb stellt die Erweiterung des Leistungsspektrums der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung sowohl durch die Aufnahme neuer ärztlicher Untersuchungs- und Behandlungsmethoden als auch durch die Übernahme von bisher dem stationären Sektor vorbehaltenen Behandlungsmaßnahmen in die ambulante Versorgung einen Akt abwägender und wertender Entscheidungen des Bewertungsausschusses dar. Auch soweit sie sich auf die Regelung von Einzelheiten der Leistungserbringung und der punktmäßigen Bewertung beschränkt, muss ihr eine Prüfung vorausgehen, ob für die neu aufzunehmende Leistung bereits – z. B. durch Streichung oder Abwertung anderer vertragsärztlicher Leistungen – ein ausreichender Vergütungsrahmen zur Verfügung steht oder ein solcher geschaffen werden kann, etwa durch eine vertraglich vereinbarte oder gesetzlich geregelte Erhöhung der Gesamtvergütung.“ Ferner hat das BSG in dieser Entscheidung hervorgehoben, dass nur durch ein stimmiges Ineinandergreifen der Entscheidungen des Bundesausschusses, des Bewertungsausschusses und der Gesamtvertragspartner bei der Vereinbarung der Höhe der Gesamtvergütung die Gewähr für eine sachgerechte, in sich stimmige Anpassung des Systems der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung an den medizinisch-technischen Fortschritt unter Beachtung der vorgegebenen Finanzierungsmöglichkeiten der gesetzlichen Krankenversicherung geboten wird. 27 Es bestehe keine unmittelbare Bindung des Bewertungsausschusses an die Richtlinien des Bundesausschusses. Grundsätzlich könnten bestimmte Leistungen im

24

S. z. B. BSGE 88, 126. So z. B. BSGE 79, 239, 245; BSGE 78, 98,107; BSGE 83, 205, 208; BSGE 83, 218, 219 f.; BSG SozR 3-5533 Nr. 763 Nr. 1. 26 BSGE 79, 239, 243. 27 BSGE 79, 239, 245. 25

208

E. Konkurrenz der Richtlinien und Ausübung der Bewertungskompetenz

Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung nur dann erbracht werden, wenn für diese Leistungsbeschreibungen und Bewertungen in die Bewertungsmaßstäbe aufgenommen worden seien. Zu einem Auseinanderfallen der Anerkennung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden seitens des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen und deren Umsetzung in abrechnungsfähige und punktmäßig bewertete Leistungen durch den Bewertungsausschuss werde es daher „in der Regel“ nicht kommen. Damit ist das BSG der Frage ausgewichen, was passiert, wenn die Anerkennung in Richtlinien einerseits und die Umsetzung in punktmäßig bewertete und damit abrechnungsfähige Leistungen auseinander fällt. Selbstverständlich folgt aber aus dem gesetzlich vorgegebenen Regelungszusammenhang, dass der (erweiterte) Bewertungsausschuss nicht von sich aus die Gesamtvergütungen in ihrer Höhe festlegen oder verändern kann. Dies obliegt weiterhin der ausschließlichen Kompetenz der Gesamtvertragspartner bzw. der jeweiligen Schiedsämter. Sowohl bei der Beschlussfassung hinsichtlich der Leistungsbeschreibungen, als auch hinsichtlich der Punktzahlen hat der erweiterte Bewertungsausschuss aber den durch die Gesamtvergütungen vorgegebenen finanziellen Rahmen zu berücksichtigen und z. B. vor einer Leistungsausweitung zu klären, ob hierfür ein zusätzlicher Finanzierungsrahmen geschaffen werden kann. 28 Insoweit bestehen die Rechtsgrundlagen für die vertragszahnärztliche Versorgung aus einem System abgestufter Normen. Die Befugnis des Bewertungsausschusses ist damit aber nicht auf eine quasi–notarielle Funktion beschränkt, kraft derer er gehalten wäre, alle dem Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechenden Leistungen umgehend in den Bewertungsmaßstab aufzunehmen. 29 Vielmehr hat er bei der Festsetzung des Bewertungsmaßstabes sowohl betriebswirtschaftliche als auch sonstige kalkulatorische Gesichtspunkte zu berücksichtigen, kann darüber hinaus aber auch weitere Steuerungsfunktionen wahrnehmen. 30 Ihm obliegt die Entscheidungsbefugnis über die Ausgestaltung der Leistungsbeschreibung und über die Höhe der diesbezüglichen Punktzahlen. Insofern ist exemplarisch auf eine Entscheidung des BSG vom 16.05.2001 31 zu verweisen. Danach müssen die Bewertungsausschüsse dem wichtigen Gemeinwohlbelang der Sicherung der finanziellen Stabilität der GKV auch bei der Festsetzung der Bewertungsmaßstäbe Rechnung tragen. Es besteht danach für die Bewertungsausschüsse auch kein Numerus clausus der möglichen Regelungsformen. Der weite Gestaltungsspielraum der Bewertungsausschüsse würde allerdings dann überschritten, wenn eine missbräuchliche, d. h. von sachfremden Erwägungen getragene, gleichheitswidrige oder nur bestimmten Arztgruppen

28 29 30 31

BSGE 79, 239, 244. BSGE 79, 239, 243. Hauck/Haines-Engelhard, K § 87 Rn 65. BSGE 88, 126.

I. Umstrukturierung des BEMA für die zahnärztlichen Leistungen

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Vergütungen für Leistungen zuweisende Beschlussfassung erfolgen würde, die auch von anderen Arztgruppen erbracht werden oder erbracht werden können. 32 Der (erweiterte) Bewertungsausschuss befindet sich daher in seiner Funktion als Normgeber in einer ähnlichen Situation wie der Sozialgesetzgeber. Auch insofern ist vom BSG anerkannt, dass nur eine eingeschränkte Kontrolle der gesetzgeberischen Erwägungen bei Grundrechtsrelevanz stattfindet. Insbesondere im Zusammenhang mit der Absenkung der Punktwerte für kieferorthopädische und zahnprothetische Leistungen gemäß § 85 Abs. 2 b SGB V hat das BSG 33 entschieden, der Sozialgesetzgeber könne auch grundrechtsrelevante Eingriffe auf eine Prognoseentscheidung stützen, wobei es ausreichend sei, dass er sich jedenfalls an einer wissenschaftlichen Untersuchung orientiert habe. 34 Solange diese Voraussetzung erfüllt sei, sei es auch unschädlich, wenn die Ergebnisse dieser wissenschaftlichen Studie vom Gesetzgeber eventuell fehlerhaft interpretiert worden seien. Daraus könne eine Verfassungswidrigkeit der darauf gestützten Regelung nur dann folgen, wenn die Grundrechtseingriffe auf offenkundige Fehleinschätzungen gestützt würden oder der Gesetzgeber weitgehend unbestrittene Feststellungen fachkundiger Gremien oder Personen bewusst ignoriert habe. Die Tatsache, dass eine wissenschaftliche Studie oder deren Ergebnisse lediglich fachlich umstritten seien, stehe der Wirksamkeit einer gesetzgeberischen Einschätzungsentscheidung nicht entgegen. Im Rahmen seiner Normsetzungsaufgabe ist der Bewertungsausschuss daher verpflichtet, diese Aspekte im Vorfeld seiner Beschlussfassung zu berücksichtigen und zu bewerten. Sollte er demgegenüber von einer sogenannten „gebundenen Entscheidung“ ausgehen, bei der ihm kein eigener Gestaltungsspielraum zukommen würde, den er daher in seiner Entscheidung auch tatsächlich nicht ausfüllen würde, wäre eine solche Entscheidung wegen eines Ermessensausfalls bzw. -fehlgebrauches rechtswidrig. Diese von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze sind mit der Rechtsprechung des BSG zu den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses in Einklang zu bringen. Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 16.12.1993 35 ausgeführt, der Bundesausschuss sei dazu bestellt, durch Richtlinien zur Sicherung der kassen(zahn)ärztlichen Versorgung im Rahmen des Möglichen abstrakt generelle Maßstäbe aufzustellen, vorzuschreiben und u. U. zu korrigieren, nach denen das im Einzelfall medizinisch Notwendige sowie dessen Wirtschaftlichkeit zu beurteilen ist. In einer weiteren Entscheidung 36 weist das BSG den

32

BSGE 88, 126, 133; BSGE 83, 218. BSGE 78, 185. 34 Im entschiedenen Fall ging es um die sogenannte Dänen-Studie I, vgl. Institut für Funktionsanalyse Hamburg, Sonderuntersuchung zu den Bewertungsrelationen der zahnärztlichen Gebührenordnung nach der BEMA-Umstrukturierung 1986 vom 13.09.1989. 35 BSGE 73, 271. 36 BSGE 81, 54; dazu Kern, GesR 2002, 5, 7. 33

210

E. Konkurrenz der Richtlinien und Ausübung der Bewertungskompetenz

Richtlinien des Bundesausschusses die Aufgabe zu, den allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse näher zu bestimmen. Insofern nehmen die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses eine wichtige Steuerungs- und Lenkungsfunktion wahr. Diese Aufgabe haben die Richtlinien auch hinsichtlich der in § 92 Abs. 1 Nr. 2 SGB V vorgesehenen Umstrukturierung in Richtung einer ursachengerechten, präventionsorientierten und zahnsubstanzschonenden zahnärztlichen Behandlung zu erfüllen. Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses spielen daher für die Entscheidungen des Bewertungsausschusses hinsichtlich des konkreten gesetzgeberischen Auftrages zur Umgestaltung des Bewertungsmaßstabes eine wichtige Rolle, da sie das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 72 Abs. 2 SGB V konkretisieren. Sie geben also den Rahmen vor, der dem Bewertungsausschuss einen Gestaltungsspielraum eröffnet. Insofern hat der Bewertungsausschuss die Umstrukturierung der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses bei seiner Entscheidung über die Aufnahme bestimmter Leistungen in den BEMA angemessen zu berücksichtigen. Dabei muss der Bewertungsausschuss allerdings eine Konkretisierung der allgemeinen Aussagen in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch den Inhalt der Leistungsbeschreibungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes vornehmen. Ansonsten könnte er seinem Auftrag zur Bestimmung des Inhalts der abrechnungsfähigen Leistungen nicht nachkommen. Für dieses Ergebnis spricht auch, dass die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses der Genehmigung durch die Aufsichtsbehörde gemäß § 94 SGB V unterliegen. Gemäß § 94 SGB V kann das Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung die vom Gemeinsamen Bundesausschuss beschlossenen Richtlinien innerhalb von zwei Monaten beanstanden. Notfalls können die Richtlinien im Wege der Ersatzvornahme festgesetzt werden. 37 Würde der Bewertungsausschuss einen Bewertungsmaßstab beschließen, ohne die Vorgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses in dessen Richtlinien zu beachten oder würden sich durch die Beanstandung der Aufsicht oder im Wege der Ersatzvornahme völlig andere Aspekte ergeben, würde der Bewertungsausschuss Gefahr laufen, erneut tätig werden zu müssen. Im Ergebnis kann daher festgehalten werden, dass für den konkreten gesetzgeberischen Auftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss sowie den Bewer-

37

S. B.III.4.; str., ob es sich um ein Beanstandungsrecht nach § 94 SGB V nur im Rahmen der Rechtaufsicht oder auch einer Fachaufsicht handelt; für Rechtsaufsicht: Hebeler, DÖV 2002, 936, 943; Kaltenborn, VSSR 2000, 249, 267; Neumann, Der Vorrang des Gesetzes im Leistungserbringungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung, in: Schnapp, Probleme der Rechtsquellen im Sozialversicherungsrecht, Teil II, Bd. 2, 1999, S. 34, 75; Ossenbühl, NZS 1997, 497, 502; Plantholz, SGb 1997, 549, 553; Hauck/Haines-Vahldiek, K § 94 Rn 4; für Fachaufsicht: Schwerdtfeger, NZS 1998, 49, 52; in diesem Sinne wohl auch Schneider-Danwitz/Glaeske, MedR 1999, 164, 170.

II. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden

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tungsausschuss für zahnärztliche Leistungen die Umstrukturierung der Richtlinien derjenigen des Bewertungsmaßstabes vorzugehen hat. Das BSG ist aber in der Entscheidung vom 13.11.1996 38 bewusst der Frage ausgewichen, was passiert, wenn die Anerkennung in Richtlinien durch den jetzt Gemeinsamen Bundesausschuss einerseits und der Umsetzung in punktmäßig bewertete und damit abrechnungsfähige Leistungen auseinander fällt. Hier begnügt sich das BSG in der genannten Entscheidung mit der Annahme, dies werde „in der Regel“ nicht vorkommen, wie die Entwicklung der Einführung der ESWL in die vertragsärztliche Versorgung zum 01.01.1996 zeige. Nun ist dem BSG zwar für den entschiedenen Fall zuzustimmen. Die Praxis zeigt jedoch, dass die Annahmen des Gerichts nicht allgemein gültig sind.

II. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden Abgrenzungsprobleme können sich bei der Aufnahme neuer Untersuchungsund Behandlungsmethoden zu den in § 135 Abs. 1 SGB V geregelten Kompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses ergeben. § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V bestimmt, dass neue Untersuchungs- und Behandlungsleistungen nur dann zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss auf Antrag einer Kassenärztlichen Bundesvereinigung, einer Kassenärztlichen Vereinigung oder eines Spitzenverbandes der Krankenkassen in Richtlinien nach § 92 Ab. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V Empfehlungen im Sinne einer positiven Anerkennung abgegeben haben. Hiernach hat der Gemeinsame Bundesausschuss im Fall einer neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden vorab über ihre Erbringbarkeit und Abrechenbarkeit in der vertragsärztlichen Versorgung zu entscheiden. Handelt es sich um eine neue Untersuchungsmethode, steht der Abrechenbarkeit das Fehlen der Anerkennung entgegen. 39 „Neu“ ist eine Untersuchungs- und Behandlungsmethode dann, wenn sie nicht bereits Gegenstand des Bewertungsmaßstabes ist. 40 Nach der Rechtsprechung des BSG 41 ist nach Sinn und Zweck der Norm nicht jede einzelne diagnostische oder therapeutische ärztliche Leistung als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode gemeint. Der in § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V und § 135 Abs. 1 SGB V verwendete Begriff der Behandlungsmethode 38 39 40 41

BSGE 79, 239, 244. So auch BSGE 84, 247, 248 (CDT-Bestimmung). BSGE 79, 239, 246. BSGE 84, 247, 249 (CDT-Bestimmung); 82, 233, 238 (Arzneitherapie).

212

E. Konkurrenz der Richtlinien und Ausübung der Bewertungskompetenz

– im Sinne einer auf einem bestimmten theoretisch-wissenschaftlichen Konzept fußenden Vorgehensweise bei der Behandlung einer Krankheit 42 – hat schon vom Wortsinn her eine umfassendere Bedeutung als der Begriff der ärztlichen Leistung in § 87 SGB V. Denn durch das Erfordernis der vorherigen Prüfung und Anerkennung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden soll die Qualität nicht nur der ärztlichen Leistungen im engeren Sinne, sondern aller für die vertragsärztliche Versorgung relevanten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen gewährleistet werden. 43 Wenn dann jedoch ausgeführt wird, dass es ärztliche Leistungen gebe, die vom Bewertungsausschuss im Rahmen seiner Entscheidungsfreiheit als im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung abrechenbare Leistung neu in den EBM-Ä aufgenommen werden können, ohne dass es vorab einer Entscheidung des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen, jetzt des Gemeinsamen Bundesausschusses bedürfe, 44 kann es sich dabei nur um solche bereits eingeführten Leistungen handeln, die also schon Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, aber zum Beispiel eine neue Zielrichtung verfolgen. Dem Bewertungsausschuss steht dabei – so das BSG 45 – auch die Befugnis zu, die Aufnahme bestimmter Leistungen abzulehnen, auch wenn hierzu bereits eine positive Aussage in Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses getroffen worden ist. Zumindest für diesen Fall der Anerkennung neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden hat das BSG die Vorgreiflichkeit der Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses vor denjenigen des Bewertungsausschusses anerkannt.

III. Aufnahme neuer Leistungen in den Bewertungsmaßstab, für die der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Aufnahme in die Richtlinien beschlossen hat? Die nächste Frage ergibt sich zwangsläufig aus der Beantwortung zu II., nämlich, ob der Bewertungsausschuss eine neue Leistung in den Bewertungsmaßstab aufnehmen darf, für die der Gemeinsame Bundesausschuss zuvor noch keine positive Empfehlung abgegeben hat. Aus den dargestellten Gründen im Zusammenhang mit der Umstrukturierung des BEMA im zahnärztlichen Bereich 46 ist nachgewiesen worden, dass die Ent-

42

BSGE 84, 247, 249f. (CDT-Bestimmung); 82, 233, 237 (Arzneitherapie). BSGE 82, 233, 238. 44 BSGE 84, 247, 250; BSGE 79, 239, 242; auch schon BSG SozR 3-5533 BMÄNr. 3512 Nr. 1, S. 4. 45 BSGE 84, 247. 46 S. D.III.2. 43

IV. Verpflichtung zur Aufnahme einer Leistung in den Bewertungsmaßstab?

213

scheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses vorrangig vor den Entscheidungen des Bewertungsausschusses sind. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass der Bewertungsausschuss nach erfolgter Beschlussfassung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss erneut tätig werden müsste. Dies gilt auch für die Aufnahme neuer Leistungen in den Bewertungsmaßstab, für die der Bundesausschuss noch keine Aufnahme in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz Nr. 5 SGB V beschlossen hat. Die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses sind sowohl sachlich als auch rechtlich vorrangig. 47

IV. Verpflichtung zur Aufnahme einer vom Gemeinsamen Bundesausschuss anerkannten Leistung in den Bewertungsmaßstab? Darauf aufbauend stellt sich die weitere Frage, ob der Bewertungsausschuss verpflichtet ist, Leistungen, die zuvor vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs.1 Satz 2 Nr. 5 SGB V anerkannt worden sind, in den Bewertungsmaßstab aufzunehmen. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 13.11.1996 48 dem Bewertungsausschuss bei Vorliegen einer positiven Entscheidung des Bundesausschusses nur einen engen Gestaltungsspielraum zuerkannt. Die Grenze der von den Gerichten zu respektierenden Gestaltungs- und Entscheidungsfreiheit des Bewertungsausschusses könne insoweit allenfalls überschritten sein, wenn er einer Untersuchungs- oder Behandlungsmethode durch die Verweigerung der Aufnahme der für ihre Anwendung unerlässlichen Leistungspositionen in den EBMÄ die Einsetzbarkeit in der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung versagt, obwohl an der medizinisch-fachlichen Eignung der Methode, ihrer Unentbehrlichkeit für eine umfassende ambulante Versorgung der Versicherten, an ihrer Wirtschaftlichkeit sowie der Finanzierbarkeit ihres Einsatzes auch unter Geltung einer begrenzten Gesamtvergütung vernünftige Zweifel nicht bestehen. Diese Grenze könnte erreicht sein, wenn der Bewertungsausschuss trotz einer positiven Richtlinienempfehlung des Gemeinsamen Bundesausschusses gemäß § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB V keine Leistungspositionen für den Einsatz einer bestimmten Untersuchungs- und Behandlungsmethode schafft, wobei dem Bewertungsausschuss im Hinblick auf die nur von ihm zu beurteilende Frage der Finanzierbarkeit der Leistungen im Gesamtvergütungssystem und wegen der Höhe der angemessenen Punktzahl ein gewisser zeitlicher Umsetzungsspielraum zuzubilligen sein dürfte.

47 48

So auch Hauck/Haines-Engelhard, K § 87 Rn 70. BSGE 79, 239, 246.

214

E. Konkurrenz der Richtlinien und Ausübung der Bewertungskompetenz

Dieser Auffassung ist grundsätzlich zuzustimmen. Allerdings stellt sich dann die Frage, ob der Bewertungsausschuss die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit der Leistung, die der Gemeinsame Bundesausschuss bereits geprüft hat, erneut prüfen und gegebenenfalls zu einer abweichenden Beurteilung gelangen darf. Es stellt sich mithin die Frage, ob beiden Gremien, dem Gemeinsamen Bundesausschuss und dem Bewertungsausschuss eine Prüfungskompetenz hinsichtlich der Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit zukommt. Der Gesetzgeber hat im Rahmen des 2. GKV-NOG 49 in § 135 Abs. 1 SGB V klargestellt, dass zu den Kriterien für die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Aufnahme neuer medizinischer Verfahren in die Leistungspflicht der Krankenkassen auch die medizinische Notwendigkeit und die Wirtschaftlichkeit dieser Verfahren gehört. Ferner wurde klargestellt, dass die Aufgaben der Bundesausschüsse auch die regelmäßige Überprüfung der Leistungen umfassen, die bereits in die vertragsärztliche und vertragszahnärztliche Versorgung aufgenommen worden sind: Auf der Grundlage des aktuellen Standes der wissenschaftlichen Erkenntnisse sollte der Bundesausschuss beurteilen, ob diese Leistungen noch den gesetzlich vorgegebenen Kriterien entsprechen, die auch der Entscheidung der Bundesausschüsse über die Aufnahme neuer Leistungen in die Leistungspflicht der Krankenkassen zugrunde zu legen ist. 50 Die Bestimmungen zu den Bewertungsausschüssen hat der Gesetzgeber diesbezüglich nicht geändert. Insofern ist davon auszugehen, dass der Gesetzgeber hier keine klare Kompetenzabgrenzung vorgenommen hat, da er ansonsten dem Bewertungsausschuss die Kompetenz zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Notwendigkeit einer Leistung hätte entziehen müssen. 51 Damit gehört es sowohl zur Prüfungskompetenz des Bundesausschusses als auch des Bewertungsausschusses, über die Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit einer Methode zu befinden. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich eine Angleichung der Kompetenz beider Gremien vorgenommen. Dieses Ergebnis wird auch durch die Fassung des § 135 Abs. 1 SGB V bestätigt, in der der Gesetzgeber mit dem 2. GKV-NOG 52 dem Bundesausschuss und damit dem jetzigen Gemeinsamen Bundesausschuss die Kompetenz übertragen hat, die zu Lasten der Krankenkassen erbrachten vertragsärztlichen und vertragszahnärztlichen Leistungen daraufhin zu überprüfen, ob sie den Kriterien nach § 135 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V entsprechen. Diese Überprüfungspflicht obliegt auch dem Bewertungsausschuss gemäß § 87 Abs. 2 Satz 2 SGB V. Auch insofern ist also eine Übereinstimmung der gesetzgeberischen Aufträge sowohl an den

49

BGBl. I, 1520. BT-Drucks. 13/6087, S. 29. 51 Bejahend Kass.-Komm.-Hess, § 135 Rn 2; a. A. Hauck/Haines-Engelhard K § 87 Rn 71, der von einer abschließenden Beurteilung der Wirtschaftlichkeit durch den Bundesausschuss ausgeht. 52 BGBl. I, 1520. 50

V. Entscheidung über die Finanzierbarkeit der Leistungen?

215

Bewertungsausschuss als auch an den Gemeinsamen Bundesausschuss erfolgt, so dass es zu Kompetenzüberschneidungen kommt. Nicht geklärt ist dabei die Frage, welches Gremium vorrangig die Entscheidung zu treffen hat. § 135 Abs. 1 Satz 3 SGB V bestimmt nur, dass diese Leistungen bei einem negativen Überprüfungsergebnis nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden dürfen. In der Literatur wurde hierzu bisher die Auffassung vertreten, schon aus sachlichen Gründen sei dem Bundesausschuss der Vorrang einzuräumen, sofern dieser einer Leistung die Eignung im Sinne des § 135 Abs. 1 Satz 1 SGB V aberkennt; der Bewertungsausschuss habe einen entsprechenden Beschluss des Bundesausschusses nachzuvollziehen. 53 Sperrwirkung entfalte entsprechend auch ein den Fortbestand einer geprüften Leistung bejahender Beschluss des Bundesausschusses. 54 Hingegen soll der Bewertungsausschuss aber nicht gehindert sein, bei Fehlen einer entsprechenden Beschlussfassung in eigener Kompetenz eine Leistungsposition aus dem Bewertungsmaßstab zu streichen. 55 Diese Auffassung berücksichtigt jedoch nur ungenügend die originäre Kompetenz des Bewertungsausschusses, darüber zu befinden, ob für die Aufnahme einer Leistung ein genügender Vergütungsrahmen zur Verfügung steht oder geschaffen werden kann 56 und der Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung 57 gewahrt ist. Die Entscheidung beider Gremien müssen stimmig ineinander greifen und auch die Finanzierungsmöglichkeiten der GKV beachten. 58 Daher muss es dem Bewertungsausschuss erlaubt sein, die Aufnahme auch solcher Leistungen in den einheitlichen Bewertungsmaßstab zurückzustellen oder zu verweigern, für die ein genügender Finanzierungsrahmen nicht zur Verfügung steht. Anderenfalls kann der Bewertungsausschuss die ihm übertragene Steuerungsfunktion nicht wahrnehmen. 59

V. Kompetenz des Bewertungsausschusses zur Entscheidung über die Finanzierbarkeit der Leistungen? Es schließt sich die Frage an, welches Gremium über die Finanzierbarkeit der Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung zu entscheiden hat.

53 54 55 56 57 58 59

So Schirmer MedR 1997, 431, 437; Hauck/Haines-Engelhard, K § 87 Rn 73. Hauck/Haines-Engelhard, K 87 Rn 73. So Schirmer, MedR 1997, 431, 447; Hauck/Haines-Engelhard, K § 87 Rn 73. BSGE 79, 239, 242; BSGE 84, 247, 253. § 12 Abs. 2 i.V.m. § 72 Abs. 2 SGB V. BSGE 79, 239, 245. Vgl. BSGE 78, 98, 106.

216

E. Konkurrenz der Richtlinien und Ausübung der Bewertungskompetenz

Um eine Steuerungsfunktion wirksam ausüben zu können, muss dem Bewertungsausschuss die originäre Kompetenz zukommen, über die Frage der Finanzierbarkeit bestimmter Leistungen im Vergütungssystem unabhängig von den Richtlinienempfehlungen des Gemeinsamen Bundesausschusses entscheiden zu können. 60 Es kann daher keine unmittelbare Bindung des Bewertungsausschusses an die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses bestehen. Eine diesbezügliche Einschränkung der Entscheidungskompetenzen des Bewertungsausschusses wäre im Hinblick auf die diesem zunehmend übertragenen Steuerungsaufgaben problematisch. 61 Insofern kann die Aufnahme neuer Leistungen nicht zwangsläufig dazu führen, dass der Bewertungsausschuss Abwertungen in anderen Bereichen vornehmen muss, um diese Leistungen finanzierbar zu machen. Insofern obliegt dem Bewertungsausschuss die alleinige Entscheidung darüber, da strukturelle Veränderungen Auswirkungen auf die angemessene Höhe der nach § 85 Abs. 2 SGB V zu vereinbarenden Gesamtvergütung haben können. 62 Insofern hat der Bewertungsausschuss zurecht die sehr kostenintensive extrakorporale Stoßwellenlithotripsie erst zum 1.1.1996 in den EBM aufgenommen, nachdem zusätzliche Mittel zur Finanzierung zu erwarten waren. 63

VI. Kompetenz des Bewertungsausschusses zur Konkretisierung der allgemeinen Aussagen in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch Festlegung des Inhalts der Leistungsbeschreibungen Ferner ist die Frage zu stellen, ob der Bewertungsausschuss die Kompetenz besitzt, eine Konkretisierung der allgemeinen Aussagen in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch eine entsprechende Festlegung des Inhalts der Leistungsbeschreibungen vorzunehmen. Gem. § 87 Abs. 2 Satz 2 SGB V sind die Bewertungsmaßstäbe vom Bewertungsausschuss daraufhin zu überprüfen, ob u.a. ihre Bewertung ärztlicher Leistungen noch den Erfordernissen der Rationalisierung im Rahmen einer wirtschaftlichen Leistungserbringung weiterhin entspricht. 64 Zwar werden die Vergütungsverhandlungen explizit auf Länderebene geführt, jedoch sind die betriebswirtschaftliche Wirklichkeit und die Ausgaben der zahnärztlichen Praxis insgesamt im erweiterten Bewertungsausschuss und im Bewer60 61 62 63 64

So auch Kass.-Komm-Hess, § 87, Rn 10. Kritisch insoweit auch Hauck/Haines-Engelhard, K 87 Rn 74. Vgl. BSGE 79, 239, 243; BSGE 84, 247, 253. Vgl. BSGE 79, 239, 241. Hess. LSG MedR 1995, 122.

VI. Kompetenz zur Konkretisierung der allgemeinen Aussagen

217

tungsausschuss auch nach der Rechtsprechung des BSG zu berücksichtigen. Es besteht insoweit ein untrennbarer Zusammenhang der Bewertung der Leistungsbeschreibung auf die betriebswirtschaftliche Situation und die Vergütung der Ärzte und Zahnärzte insgesamt. Anderenfalls würde der dem erweiterten Bewertungsausschuss zustehende Beurteilungsspielraum und Ermessensspielraum nicht genutzt, so dass dies mit einem Ermessensfehl- und Nichtgebrauch gleichzusetzen wäre. Der erweiterte Bewertungsausschuss besitzt durchaus die Kompetenz, den Leistungsanspruch der Versicherten zu konkretisieren. Kompetenzüberschneidungen zu den Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses sind dabei nicht ausgeschlossen. Das BSG hat in seiner Entscheidung vom 01.07.1992 65 ausgeführt, dass der EBM-Z den Inhalt sämtlicher im Rahmen der kassenzahnärztlichen Versorgung abrechnungsfähigen Leistungen bestimmt und ihr wertmäßiges Verhältnis zueinander regelt. Der Bewertungsausschuss hat gem. § 87 Abs. 2 Satz 1 SGB V den Inhalt der abrechnungsfähigen Leistungen festzulegen. Dies impliziert nach der Rechtsprechung des LSG Celle 66 die Befugnis zu bestimmen, was überhaupt abrechnungsfähig ist. Bei der Bewertung ärztlicher Leistungen hat der Bewertungsausschuss einen weiten Gestaltungsspielraum. 67 Der Gemeinsame Bundesausschuss ist demgegenüber gesetzlich dazu bestellt, durch Richtlinien zur Sicherung der kassenzahnärztlichen Versorgung im Rahmen des Möglichen abstrakt generelle Maßstäbe aufzustellen, vorzuschreiben und u.a. jederzeit zu korrigieren, nach denen das im Einzelfall medizinisch Notwendige sowie dessen Wirtschaftlichkeit und Erforderlichkeit zu beurteilen ist. 68 Als Rechtsfolge dieser differenzierten Kompetenzverteilung ist daher auch in der Rechtsprechung 69 anerkannt, dass zahnärztliche Leistungen, die nicht Bestandteil des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes sind, auch grundsätzlich nicht im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung abgerechnet werden können und dem Versicherten demzufolge auch kein Leistungsanspruch gegenüber seiner Krankenkasse zusteht. Ganz selbstverständlich haben daher die Bewertungsausschüsse in den vergangenen Jahren auch unbeanstandet von den Vertragspartnern und den Aufsichtsbehörden dementsprechende Konkretisierungen des Leistungsanspruches des Versicherten durch die inhaltliche Gestaltung der Leistungsbeschreibungen 65

BSGE 71, 42, 47. So LSG Celle, Urteil vom 12.09.1995, L 5 Ka 62/95 eR. 67 BSGE 79, 239, 242; BSGE 88, 126. 68 BSGE, 73, 271 ff. 69 Vgl. z. B. BSG USK 84252; BSG USK 84256; BSG USK 91192; BSG USK 95136; BSG USK 9591; BSG USK 97149; BSG USK 97149. 66

218

E. Konkurrenz der Richtlinien und Ausübung der Bewertungskompetenz

im vertragszahnärztlichen Bereich vorgenommen. Dabei sind auch in der Vergangenheit verschiedentlich Ausführungen dazu vorgenommen worden, welche Leistungen im Einzelnen durch bestimmte Leistungsbeschreibungen abgegolten sein sollen und ob und unter welchen Voraussetzungen eine Abrechnung verschiedener Gebührenpositionen nebeneinander zulässig ist. Beispielhaft sei dabei auf den Inhalt der Leistungsbeschreibung der Position 100 BEMA 70 verwiesen. Selbst wenn man von einer allgemeinen Kompetenz des Gemeinsamen Bundesausschusses zur abschließenden Definition des Leistungsanspruches des Versicherten ausgehen würde, könnte eine solche nur dann Bedeutung erlangen, wenn sie auch tatsächlich vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Anspruch genommen worden wäre. Dies könnte nur dann der Fall sein, wenn nach dem Wortlaut der Richtlinien eine entsprechende, abschließende Definition des Leistungsinhaltes auch tatsächlich erfolgt wäre, obgleich man von unterschiedlichen Verbindlichkeitsgraden der Richtlinien gegenüber dem Vertrags(zahn)arzt ausgehen muss. Dies ist jedoch nach den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht der Fall. Damit würde der Vertrags(zahn)arzt in seiner Therapiefreiheit derart eingeschränkt, dass es ihm dann im Einzelfall nicht mehr möglich wäre, über die medizinische Notwendigkeit und damit die Indikation zu entscheiden. Insofern hat der Bewertungsausschuss bzw. der erweiterte Bewertungsausschuss durchaus die Kompetenz, Leistungsbeschreibungen vorzunehmen und die diesbezüglichen Bewertungszahlen zu treffen. Von dieser Kompetenz hat der erweiterte Bewertungsausschuss für die zahnärztlichen Leistungen auch bereits in der Vergangenheit Gebrauch gemacht. In seinem Beschluss vom 17.04.1996 zur Nr. 13 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes für die zahnärztlichen Leistungen (Composite-Füllungen im Seitenzahnbereich) hatte der Bewertungsausschuss neben der Leistungsbeschreibung zusätzlich in einer Protokollnotiz niedergelegt, dass Amalgam-Füllungen absolut kontraindiziert seien, wenn der Nachweis einer Allergie gegenüber Amalgam bzw. dessen Bestandteilen gemäß den Kriterien der Kontaktallergiegruppe der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie erbracht wurde bzw. wenn bei Patienten mit schwerer Niereninsuffizienz neue Füllungen gelegt werden müssten. Zu einer Entscheidung der materiell-rechtlichen Fragen kam es in dem sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren nicht, da das LSG Nordrhein-Westfalen 71 die Beschwerde des VdAK zurückwies und sich den zutreffenden Ausführungen des SG Köln 72 mangels Vorliegens der spezifischen Voraussetzungen einstweiligen Rechtsschutzes angeschlossen hat.

70 71 72

Vgl. dazu Liebold/Raff/Raff/Wissing, BEMA Z, Band II/1, III/459. LSG NRW, Beschluss vom 16.12.1996, L 11 Ka 59/96. SG Köln, Beschluss vom 08.07.1996, S. 19 KA 38/96.

VII. Ergebnis

219

Im Hauptsacheverfahren vor dem SG Köln 73 blieb die Frage der Kompetenzgrenzziehung zwischen dem Bewertungsausschuss und dem Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen unentschieden, da sich der Beschluss des erweiterten Bewertungsausschusses nach Auffassung des Gerichts im Ergebnis als rechtmäßig erwies. Durch diesen sei der Beschluss des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen, wonach auch Composites als plastische Füllungsmaterialien gemäß ihrer medizinischen Indikation verwendet werden sollten, nicht geändert sondern lediglich konkretisiert und ergänzt worden. Wenn der erweiterte Bewertungsausschuss dabei aus der unstreitigen Tatsache, dass Composite-Füllungen aufwendiger seien als Amalgam-Füllungen, die Folgerung gezogen habe, dass Amalgam bei Füllungen das Füllmaterial erster Wahl, Composites demgegenüber Füllstoffe der zweiten Wahl seien, sei dies schlüssig. Damit habe der erweiterte Bewertungsausschuss nur im Rahmen der Richtlinien des Bundesausschusses gehandelt und die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung konkretisiert. Der erweiterte Bewertungsausschuss hat sich bei seinem Beschluss vom 17.04. 1996 auch – was das SG Köln nicht in seine Überlegungen einbezogen hat – an den Empfehlungen der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen vom 14.09.1995 orientiert, in der diese ihre Erwartung zum Ausdruck gebracht hatte, dass „die durch Richtlinienänderung in das Sachleistungsprinzip einbezogenen Kunststofffüllungen durch Neubewertungen im Bewertungsmaßstab in einer vertretbaren Größenordnung vereinbart werden.“

VII. Ergebnis Die Beispiele aus der Praxis und die diesbezügliche Rechtsprechung zeigen, dass nicht der Gemeinsame Bundesausschuss endgültig und abschließend über die Aufnahme von Leistungen in die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung entscheidet, sondern lediglich einen Rahmen vorgibt, der dem Bewertungsausschuss einen Gestaltungsspielraum eröffnen soll. Dabei ist der Bewertungsausschuss bzw. der erweiterte Bewertungsausschuss sowohl nach den gesetzlichen Vorgaben als auch nach den in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen relativ frei, welche Kriterien er zur Beurteilung heranzieht für die Entscheidung, ob und welche Leistungen in die einheitlichen Bewertungsmaßstäbe aufgenommen werden sollen. Es findet sich keine klare Abgrenzung der Normsetzungskompetenzen im Gesetz.

73

SG Köln, Urteil vom 11.11.1998, S 19 KA 63/97.

220

E. Konkurrenz der Richtlinien und Ausübung der Bewertungskompetenz

In der Literatur 74 ist die Frage der Abgrenzung von Normsetzungskompetenzen der Bundes- und der Bewertungsausschüsse zwar verschiedentlich aufgeworfen worden. Eine abschließende Befassung mit der Thematik ist indessen – soweit ersichtlich – nicht erfolgt. Die bisher in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zu den Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der Bewertungsausschüsse und die Annahme, die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses und die Beschlüsse der Bewertungsausschüsse müssten „so ineinandergreifen, dass ein in sich stimmiges System“ entstehe, trifft auf die heutige Realität nicht mehr zu. Dem Bewertungsmaßstab sollen Steuerungsmöglichkeiten gemäß § 87 SGB V zukommen. Aufgrund dieser Funktion bilden die Bewertungsausschüsse ein wesentliches Element für das im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung insgesamt abzurechnende Leistungsvolumen und die damit verbundenen Ausgaben für die gesetzlichen Krankenkassen. Durch Umstrukturierung des Bewertungsmaßstabes, insbesondere durch Ausgliederung einzelner Leistungen aus dem BEMA und damit deren Überführung in den außervertraglichen Bereich können somit erhebliche Auswirkungen auf den Umfang der vertragszahnärztlichen Versorgung und die damit für die GKV entstehenden Ausgaben verbunden sein. Dabei ist zu berücksichtigen, dass den Bewertungsausschüssen bei der Ausgestaltung des BEMA zwar ein weiter Gestaltungsspielraum eingeräumt worden ist, diese jedoch an den allgemeinen Auftrag des § 72 Abs. 2 SGB V gebunden sind, wonach die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses so zu regeln ist, dass eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten gewährleistet ist und die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. Soweit Leistungsbereiche oder Einzelleistungen aufgrund einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung 75 in den Bereich der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung einbezogen werden, sind die Bewertungsausschüsse daran ebenso gebunden wie bei der Ausgliederung bestimmter Leistungen aus dem Bereich der vertrags(zahn-) ärztlichen Versorgung. 76 Sofern in Richtlinien somit bestimmte Leistungen, wie z. B. Brückenversorgungen als Bestandteil der vertragszahnärztlichen Versorgung definiert sind, können die Bewertungsausschüsse diese bei der Festsetzung des BEMA nicht gänzlich unberücksichtigt lassen. Eine alleinige Kompetenz der Bewertungsausschüsse besteht jedoch hinsichtlich der Ausgestaltung der Leistungsbeschreibungen und der Höhe der diesbezüglichen Punktzahlen.

74 Z. B. Hauck/Haines-Engelhard, K § 87 Rn 67 ff.; Kass.-Komm.-Hess, § 135 Rn 8; Schnapp, NZS 1997, 152, 154. 75 Vgl. z. B. § 22 SGB V. 76 Vgl. z. B. § 28 SGB V.

VII. Ergebnis

221

Daraus können sich erhebliche Auswirkungen hinsichtlich der Abrechenbarkeit einzelner Leistungen, der hierfür zu zahlenden Vergütungen und der Gesamtaufwendungen der GKV ergeben. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die Bewertungen nicht auf Sach- sondern auf Kostenerstattungsleistungen beziehen sowie dann, wenn die Gesamtvergütungen unter Zugrundelegung eines Einzelleistungsvergütungssystems berechnet werden. In beiden Fällen kommt den Punktzahlen des BEMA in Verbindung mit den hierfür vereinbarten Punktwerten unmittelbar Bedeutung für die Höhe der Vergütung der Ärzte und Zahnärzte und die Gesamtvergütungen der gesetzlichen Krankenkassen zu. Eine gerichtliche Überprüfung ist nur erfolgreich, wenn der Bewertungsausschuss offensichtlich eine unter keinem Gesichtspunkt sachgerechte Regelung getroffen und damit willkürlich gehandelt hat. Eine Rechtswidrigkeit von Beschlüssen der Bewertungsausschüsse ist ergänzend auch dann angenommen worden, wenn sie auf eine notwendige Ergänzung offenbar widersprüchlicher oder lückenhafter Regelungen sachwidrig verzichtet haben. 77 Die Bedeutung des Bewertungsmaßstabes nach § 87 Abs. 2 SGB V beschränkt sich danach nicht auf die Funktion eines bloßen Leistungs- und Bewertungsverzeichnisses. Es ist vielmehr Teil eines aus mehreren Elementen bestehenden komplexen Vergütungssystems, das unterschiedlichen und teilweise gegenläufigen gesetzlichen Zielvorgaben gerecht werden muss. Der Bewertungsmaßstab stellt dabei ein wesentliches und unverzichtbares Steuerungselement dar. 78 In ihm müssen diejenigen Vergütungsgrundsätze geregelt werden, die aus Sachgründen für den gesamten Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung einheitlich gelten müssen oder zweckmäßigerweise einheitlich gelten sollen. 79 Die Kompetenzen der Bewertungsausschüsse beschränken sich danach nicht auf eine reine Leistungsbewertung, sondern schließen auch die Möglichkeit ein, über die Definition und Bewertung ärztlicher Verrichtungen auch eine Steuerung des Leistungsverhaltens zu bewirken. Hierfür genügt aber gerade die bloße Möglichkeit der Aufnahme neuer bzw. der Abwertung, Höherbewertung oder Streichung vorhandener Einzelleistungspositionen entsprechend dem durch die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses vorgegebenen Rahmen nicht.

77

BSGE 46, 140. Vgl. BSG SozR 3-2500 § 83 Nr. 1, S. 1, 15. 79 Vgl. dazu BSGE 78, 98, 106; BSGE 79, 239, 242; BSG SozR 3-2500 § 87 Nr. 23, S. 115, 125. 78

F. Reformvorschlag zur Lösung kompetenzrechtlicher Probleme Der Gemeinsame Bundesausschuss und die Bewertungsausschüsse befinden sich in einem vom Gesetzgeber vorgegebenen Zielkonflikt, die vertragsärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften so zu regeln, dass ein in sich stimmiges System die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet und gleichzeitig die ärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. 1 Beide Ausschüsse haben letztlich die Aufgabe, die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen, bedient sich der Gesetzgeber zweier Organe der gemeinsamen Selbstverwaltung, die bei im Wesentlichen gleicher Besetzung – auch personeller Art – und rechtlich zweifelhafter demokratischer Legitimation sowie nicht klar abgegrenzter, sich teilweise überschneidender Kompetenzen diesen Zielkonflikt – teilweise unter Fristsetzung – im Wege der Normsetzung lösen sollen. Der Gemeinsame Bundesausschuss und der Bewertungsausschuss sind im wesentlichen identisch ausgeformte Gremien, denen in einigen Bereichen auch grundsätzlich identische Aufgabenbereiche übertragen worden sind. Es fehlt andererseits die sektorenübergreifende Regelungskompetenz zwischen der vertragsärztlichen und der vertragszahnärztlichen Versorgung. Die Bildung einer Schiedsstelle ist nur im Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung vorgesehen. Die Untersuchung hat jedoch gezeigt, dass es Bestrebungen des Gesetzgebers gibt, die Kompetenzen beider Gremien einander anzugleichen. Beide Ausschüsse sollen Steuerungs- und Lenkungsfunktion übernehmen, um die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung zu gewährleisten. Dabei hat der Gesetzgeber den beiden Ausschüssen neue, gleichlautende Gesetzesaufträge erteilt, ohne jedoch die Kompetenzen beider Gremien klar zu definieren. 2 Das System zweier nebeneinander bestehender Ausschüsse, die in Zeiten der raschen Fortentwicklung in der Medizin aufeinander abgestimmte Ergebnisse bei gleichzeitiger Kontrolle der finanziellen Auswirkungen zeitnah erzielen sollen, wird heutigen Ansprüchen nicht mehr gerecht. Aufgrund der durch die derzeiti1 2

BSGE 79, 239, 245. S. für den Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung D.III.2.b).

F. Reformvorschlag zur Lösung kompetenzrechtlicher Probleme

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gen Rahmenbedingungen der GKV bestehenden gegensätzlichen Interessen der an diesen Organen Beteiligten können die vom Gesetzgeber aufgestellten Ziele schon aus rein praktischen Gründen nicht wirksam umgesetzt werden. Ein koordiniertes Vorgehen beider Ausschüsse, deren Entstehung historisch bedingt ist, ist aufgrund der Vielzahl der zu bewältigenden Aufgaben kaum mehr möglich. Dies hatte auch bereits der Gesetzgeber der GKV-Gesundheitsreform 2000 erkannt, da er immerhin Bedarf gesehen hat, einen Koordinierungsausschuss gemäß § 137 e SGB V zu errichten, der eine sektorenübergreifende Verzahnung der Bundesausschüsse absichern sollte. 3 Damit hat der Gesetzgeber jedoch einen falschen Weg eingeschlagen, denn dieser übergreifende Ausschuss hat bisher im ärztlichen Bereich kaum messbare Ergebnisse erzielt. Im vertragszahnärztlichen Bereich war von Beginn an keinerlei Bedarf für einen solchen Ausschuss zu erkennen, noch sind entsprechende Aktivitäten des Koordinierungsausschusses seit seiner Errichtung feststellbar gewesen. Insofern ist rein tatsächlich bereits festzustellen, dass ein sektorenübergreifender Bedarf für den Koordinierungsausschuss nicht bestand. Mit dem GKV-Modernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber alle vier Ausschüsse, die beiden Bundesausschüsse, den Koordinierungsausschuss und den Ausschuss Krankenhaus in eine Rechtsetzungseinrichtung, dem Gemeinsamen Bundesausschuss zusammengefasst. Es ist bereits jetzt absehbar, dass das System der gesetzlichen Krankenversicherung ohne wesentliche Reformen an die Grenze seiner Leistungsfähigkeit stoßen wird. Diese Einschätzung teilt offensichtlich auch der Gesetzgeber, der in den letzten Jahren mehrfach Initiativen ergriffen hat, die sich als Rationierung medizinischer Leistungen deuten lassen. 4 Schon heute ist zu prognostizieren, dass das Problem der Kostendämpfung auch zukünftig eine der großen Herausforderungen darstellen wird. Im Lichte des demographischen Trends wird der Gesetzgeber nicht umhinkommen, über Möglichkeiten und Grenzen der Rationierung von Gesundheitsleistungen nachzudenken. 5 Damit zeichnen sich die gleichen Herausforderungen ab, die auch in anderen Ländern konstatiert werden. 6

3

BT-Drucks. 14/1977, S. 171 ff. Leistungsausschluss von Zahnersatz für nach dem 31.12.1978 geborene Versicherte durch das 2. NOG sowie Ausschluss von implantologischen, funktionsanalytischen und funktionstherapeutischen zahnärztlichen Leistungen; § 84 SGB V, Budgetregelung; § 85 SGB V, Deckelung der Gesamtvergütung; § 34 Abs. 1 Satz 2 SGB V, Ausschluss von Bagatellarzneimitteln; § 34 Abs. 4 SGB V, Ausschluss von Heil- und Hilfsmitteln mit niedrigem Abgabepreis durch Verordnung. 5 Vgl. zum Ganzen Nettesheim, Verwaltungsarchiv 3/2002, 315 ff., 322. 6 Brandt, Die BKK 2003, 543 zu Besonderheiten in der Organisation, der Leistungserbringung und Finanzierung der Gesundheitssysteme der EU-Mitgliedstaaten außer Deutschland; Bode, Die BKK 2003, 551 (ländervergleichende Analyse). 4

224

F. Reformvorschlag zur Lösung kompetenzrechtlicher Probleme

Die diversen Kostendämpfungsgesetze seit Mitte der siebziger Jahre und die Strukturreformen des sozialstaatlichen Gesundheitswesens seit Mitte der achtziger Jahre haben keinen nennenswerten Erfolg gebracht. Somit steht nun der Umbau eines planwirtschaftlichen Systems der sozialen Leistungsverwaltung in ein wettbewerblich gesteuertes System des Versorgungsmanagements in öffentlichrechtlicher Verfassung an. 7 Die verfassungsrechtliche Beschränkung staatlicher Gesundheitsvor- und -fürsorge auf das gesundheitliche Mindestniveau („Maß des Notwendigen“) zwingt dazu, den GKV-Leistungskatalog ständig zu überprüfen. Das Wirtschaftlichkeitsprinzip des Grundgesetzes, das nicht von ungefähr aus Art. 14 GG fließt, stützt diese verfassungsrechtliche Maßgabe. 8 Die Aufgaben des Gemeinsamen Bundesausschusses, die sich aus dem Katalog des § 92 SGB V ergeben, umfassen den gesamten Bereich des Angebotes öffentlicher Gesundheitsgüter. Die Problematik liegt jedoch in der gesetzlich vorgegebenen Begrenzung des ökonomischen Rahmens. Dieser stellt die Selbstverwaltung vor kaum lösbare Zielkonflikte. Die Vorgabe der Ausgabenzuwächse mit Koppelung an die Entwicklung eines gesamtwirtschaftlichen Indikators wie die Beitragssatzstabilität bedeutet letztlich eine Rationierung von Leistungen. 9 Demgegenüber soll der Bewertungsausschuss autonom über die Finanzierbarkeit der Leistungen entscheiden. Erinnert sei in diesem Zusammenhang an die Regelungen im 2. NOG zur Erwachsenenprophylaxe, die aufgrund eines Konsenses zwischen der KZBV und den Spitzenverbänden der Krankenkassen aufgrund fehlender finanzieller Mittel sachgerecht nicht zu gewährleisten gewesen wäre. 10 Das vom BSG geforderte Ineinandergreifen der Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses und des Bewertungsausschusses ist nach diesseitiger Bewertung durch die Zusammenführung beider Ausschüsse in einen Ausschuss der gemeinsamen Selbstverwaltung für die vertragsärztlichen und einen weiteren Ausschuss für die vertragszahnärztliche Versorgung zu lösen. Letztlich hat das Bundesverfassungsgericht in seiner Festbetragsentscheidung 11 die Kompetenz der Selbstverwaltung anerkannt, eigene Belange mit entsprechender Verbindlichkeit in Selbstverwaltungsgremien regeln zu können. Die Rechtsprechung des BSG 12 zeigt ebenfalls Ansätze zu einer Vereinheitlichung, wenn in dem Verfahren des 7 Weber, Sozialer Fortschritt 11/2001, 254, der für den Bereich der zahnmedizinischen Versorgung das Vertrags- und Wahlleistungskonzept der Zahnärzteschaft vorschlägt; Muschallik, MedR 2000, 213; vgl auch zu Reformansätzen Schimmelpfeng-Schütte, MedR 2002, 286; einzelne Reformansätze aufzeigend auch Maaß, ZRP 2002, 462. 8 Pitschas, VSSR 1998, 253, 260. 9 Genzel NZS 1996, 359, 364; zu den verfassungsrechtlichen Möglichkeiten und Grenzen der Rationierung in der Gesundheitsversorgung Nettesheim, Verwaltungsarchiv 2002, 315 ff. 10 Vgl. Liebold/Raff/Raff/Wissing, I/30 113. 11 BVerfGE 106, 275. 12 BSGE 78, 191, 192f.

F. Reformvorschlag zur Lösung kompetenzrechtlicher Probleme

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Bewertungsausschusses und des erweiterten Bewertungsausschusses ein einheitliches Normsetzungsverfahren gesehen wird. Es wurde sogar als zulässig angesehen, dass in ein und derselben Sitzung sowohl der Bewertungsausschuss als auch der erweiterte Bewertungsausschuss tagte. Der gesetzgeberische Auftrag in § 87 Abs. 2d SGB V und in § 92 Abs. 1 SGB V an den Bundesausschuss der Zahnärzte und Krankenkassen und an den Bewertungsausschuss für die zahnärztlichen Leistungen, der unter großem zeitlichem Druck umgesetzt werden musste, wurde zeitweise in gemeinsamen Sitzungen des Bewertungs- und des Bundesausschusses bzw. unter Beteiligung jeweils des Vorsitzenden des anderen Ausschusses beraten. Die Praxis wird zeigen, ob das durch die Richtlinien und die Beschlüsse des erweiterten Bewertungsausschusses geschaffene System in sich stimmig ist. Um zu zeitnahen Lösungen zu kommen, wäre daher ein Reformansatz denkbar, einen mit demokratischer Legitimation ausreichend ausgestatteten Ausschuss zeitnah über Art, Inhalt und Umfang der Leistungen und zeitgleich auch über deren Finanzierbarkeit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung entscheiden zu lassen, um eine an objektiven Maßstäben orientierte gleichmäßige Praxis der Leistungsgewährung zu erreichen. Für die demokratische Legitimation ist es wesentlich, auch die Versicherten in die Entscheidungsfindung einzubinden. Hierzu sind bereits von verschiedenster Seite Vorschläge unterbreitet worden. 13 Zu fordern wäre in diesem Zusammenhang die Beteiligung der maßgeblichen Patientenverbände und der von Entscheidungen betroffenen Dritten, die ein Mitentscheidungsrecht erhalten müssten. Die bisher vom Gesetzgeber hierzu getroffenen Maßnahmen sind nicht ausreichend. 14 Ferner wird der Ausschuss wie bisher in Einzelfragen wissenschaftlichen Sachverstand einbeziehen müssen. Durch die Zusammenlegung beider Ausschüsse entstünde ein neues sachverständig besetztes Gremium, welches gesetzlich mit der Abgabe eines fachkundigen Votums hinsichtlich der Einbeziehung und Finanzierbarkeit der Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung betraut ist. Dieses einheitliche Gremium könnte die vertragsärztliche und die vertragszahnärztliche Versorgung im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben regeln. Damit wäre die Basis für ein in sich stimmiges System geschaffen, dass die ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse gewährleistet und dafür Sorge trägt, dass die ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen angemessen vergütet werden. In der Beurteilung wissenschaftlicher Fragen hat auch die Rechtsprechung des BVerwG einen Beurteilungsspielraum dann anerkannt, wenn ein entsprechend fachkundig besetztes Gremium als „Rat der Weisen“ gesetzlich mit der Abgabe fachkundiger Voten beauftragt ist. 15

13 Sachverständigenrat-Gutachten, Bedarfsgerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit, 2000/ 2001, Band 1, S. 305 ff.; Francke/Hart in: Badura/Hart/Schellschmidt, S. 259 ff. 14 S. B. III.

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Gesetzlich sicherzustellen wäre dabei, dass das neu geschaffene Gremium über entsprechenden Fach- und Sachverstand verfügt. Bei Angelegenheiten der vertragsärztlichen Versorgung muss dabei eine Besetzung mit ärztlichen Vertretern, bei Angelegenheiten der vertragszahnärztlichen Versorgung eine Besetzung mit zahnärztlichen Vertretern gewährleistet sein. Dies sollte jedoch nicht ausschließen, dass in einigen Sonderfällen ausdrücklich vorgesehen werden kann, dass z. B. vor Erlass von Richtlinien Sachverständige der medizinischen Wissenschaft anzuhören sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seiner Entscheidung zur Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften zur Einrichtung der für die Entscheidung zuständigen Bundesprüfstelle Stellung genommen. Dabei handelt es sich um ein Gremium, welches kollegial besetzt ist. Der Vorsitzende wird vom Bundesminister für Familie und Jugend ernannt. Hinzu kommen von jeder Landesregierung ernannte Beisitzer und weitere, vom Bundesminister für Familie und Jugend zu ernennende Beisitzer aus den Kreisen der Kunst, Literatur, des Buchhandels, der Verlegerschaft, der Jugendverbände, der Jugendwohlfahrt, der Lehrerschaft und der Kirchen sowie anderer Religionsgemeinschaften. Die Bundesprüfstelle entscheidet mit einer Mehrheit von zwei Dritteln, mindestens aber von sieben der an der Entscheidung mitwirkenden Mitglieder der Bundesprüfstelle. Die Zusammensetzung dieser Einrichtung lässt erkennen, dass vermutete Fachkenntnisse und Elemente gesellschaftlicher Repräsentanz miteinander verbunden werden. Dieses Modell eines „Rates der Weisen“ könnte auf den Bereich der vertrags(zahn)ärztlichen Versorgung übertragen werden. In ihm müssten neben Vertretern der Leistungserbringer und der Krankenkassen Versicherte wie Drittbetroffene vertreten und mitentscheidungsbefugt sein. Die Entscheidungen dieses Gremiums sind in ihren Auswirkungen in regelmäßigen zeitlichen Abständen von diesem zu überprüfen. Selbstverständlich ist dabei den aufgezeigten wettbewerbsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben Rechnung zu tragen 16 und sind Rechtsschutzmöglichkeiten für die von den Entscheidungen Betroffenen vorzusehen im Hinblick darauf, ob die Grenzen der „Einschätzungsprärogative“ eingehalten worden sind. Das Gremium muss seine Entscheidungen in einer die gerichtliche Nachprüfung ermöglichenden Weise begründen und dabei die Beurteilungsmaßstäbe erkennen lassen, die es seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.

15

BVerwGE 12, 20; BVerwGE 39, 197; BVerwG NJW 1987, 1434. S. B.VI. für den Gemeinsamen Bundesausschuss; s. D.V. für die Bewertungsausschüsse. 16

G. Zusammenfassung 1. Ärzte, Zahnärzte und Krankenkassen wirken zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten und damit zur Erfüllung des den Versicherten zustehenden Anspruchs auf ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche ärztliche Behandlung zusammen. Die vertragsärztliche Versorgung ist im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch schriftliche Verträge der Kassenärztlichen Vereinigungen mit den Verbänden der Krankenkassen sicherzustellen. 2. Die Bundes- und die Bewertungsausschüsse sind historisch in unterschiedlichen Entwicklungsphasen des Kassenarztrechtes entstanden. Die Ausschüsse haben primär die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung, das Wirtschaftlichkeitsgebot und den Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung zu beachten. 3. Die Rechtsgrundlagen der vertragsärztlichen Versorgung bestehen aus einem System abgestufter Normen. Innerhalb dieses Rechtsnormensystems nehmen die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses, aber auch die Bewertungsmaßstäbe der Bewertungsausschüsse eine wichtige Steuerungs- und Lenkungsfunktion wahr, sofern sie stimmig ineinander greifen. 4. Nach dem GKV-Modernisierungsgesetz obliegt dem Gemeinsamen Bundesausschuss insbesondere die Konkretisierung des Leistungsangebotes der GKV und als neue Aufgabe auch die Vorgaben von Maßnahmen der Qualitätssicherung in der ambulanten sowie in der stationären medizinischen Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten. 5. Die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses sind Rechtsnormen in Form von Normsetzungsverträgen. Sie regeln abstrakt die Leistungsansprüche der Versicherten. 6. Allerdings bedarf die demokratische Legitimation des Gemeinsamen Bundesauschusses einer breiteren Basis unter dem Blickwinkel der Drittbetroffenheit. Die Beteiligung der Versicherten ist auch nach dem GKV-Modernisierungsgesetz noch immer unzureichend geregelt. Hinsichtlich der unparteiischen Mitglieder ist die demokratische Legitimation nicht gegeben. 7. Eine hinreichende demokratische Legitimation zur Normsetzung besteht nur insoweit, als die Richtlinien nicht in Rechte von an dem Verfahren unbeteiligten Leistungserbringern eingreifen. Weder eine Satzungskompetenz noch das Insti-

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G. Zusammenfassung

tut der Normsetzungsverträge könnte eine solche Rechtswirkung gegenüber am Verfahren Unbeteiligten rechtfertigen. 8. Die gegen die Normsetzungskompetenz der bisherigen Bundesausschüsse gerichtete Kritik in der Literatur und vereinzelt auch in der Rechtsprechung kann ebenso gegen die Normsetzung durch den Gemeinsamen Bundesausschuss erhoben werden, da der Gesetzgeber keine grundlegenden Änderungen der bisherigen Bestimmungen vorgenommen hat. 9. Die Kompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Bestimmung des Leistungskataloges unterscheiden sich im Hinblick auf den Ausschluss von Leistungen zentral von denjenigen der bisherigen Bundesausschüsse. Der Gemeinsame Bundesausschuss kann nicht nur Leistungen in der Verordnungsfähigkeit einschränken, sondern auch explizit aus dem Leistungskatalog ausschließen. Damit sind die Kompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses erheblich ausgeweitet worden. Die Regelungen sind jedoch insgesamt nicht konsequent. 10. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sog. Systemversagen führt zu einer nicht kontrollierbaren Öffnung des Systems in den Fällen, in denen das Leistungserbringungsrecht seinem Konkretisierungsauftrag nicht gerecht wird. 11. Der Gesetzgeber des GKV-Gesundheitsmodernisierungsgesetzes hat die rechtsstaatlichen und demokratischen Defizite nicht anerkannt und damit die Möglichkeit vertan, die Tätigkeit des neuen Gemeinsamen Bundesausschusses rechtssicher zu gestalten, indem er Aussagen zur Rechtsform, zur Rechtsqualität der Richtlinien und ihrer Verbindlichkeit sowie zum Verhältnis der Richtlinien zu Gesetz und Rechtsverordnungen getroffen hätte. 12. Trotz dieser Bedenken bleibt aber festzuhalten, dass der Gemeinsame Bundesausschuss als ein Sachverständigengremium die einzige Lösung darstellt, um im Bereich der vertragsärztlichen und der vertragszahnärztlichen Versorgung in einem überschaubaren Zeitrahmen kompetent und mit Sachnähe den Rahmen für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten vorzugeben. 13. Die Bewertungsausschüsse sind gegenüber den entsendenden Körperschaften rechtlich verselbstständigte Stellen, die mit eigenen Aufgaben versehen sind, ohne eigene Rechtspersönlichkeit zu besitzen. Zutreffend ist es, von einer Doppelnatur der Bewertungsausschüsse zu sprechen, die „Vertragsausschuss“ und „Beschlussgremium“ zugleich sind. 14. Die demokratische Legitimation der Bewertungsausschüsse, insbesondere diejenige der unparteiischen Mitglieder, ist rechtlich zweifelhaft. Die gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss geäußerten Bedenken gelten für die Bewertungsausschüsse gleichermaßen.

G. Zusammenfassung

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15. Im Bereich der Leistungsdefinition und Bewertung stehen den Bewertungsausschüssen eigene Kompetenzen zu. Sie haben autonom über Finanzierungsfragen zu entscheiden. Dadurch kann es zu Kompetenzüberschneidungen mit Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses kommen. 16. Aus diesem Sachzusammenhang der gesetzlichen Aufträge des Bewertungsausschusses einerseits und des Gemeinsamen Bundesausschusses andererseits ergibt sich notwendigerweise ein enges Zusammenspiel des Bewertungsmaßstabes und der Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses. Dies verdeutlicht die identische Zielrichtung der § 92 Abs. 1a Satz 1 SGB V und § 87 Abs. 2d Satz 2 SGB V, mit der der Gesetzgeber der GKV-Gesundheitsreform 2000 für den Bereich der zahnmedizinischen Versorgung eine grundlegende wissenschaftliche Neuausrichtung mit dem Ziel einer Stärkung der präventiven und zahnsubstanzschonenden Leistungen beabsichtigt hat. An diesem Beispiel zeigen sich die Kompetenzabgrenzungsprobleme, die der Gesetzgeber bisher nicht gelöst hat. Die Annahme, dass die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses und die Beschlüsse des Bewertungsausschusses „so ineinander greifen, dass ein in sich stimmiges System entsteht“, wie es das BSG ausgeführt hat, trifft auf die heutige Realität nicht mehr zu. 17. Die Normsetzungskompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses und der (erweiterten) Bewertungsausschüsse können miteinander kollidieren, wenn beide Gremien durch ihre Beschlüsse Konkretisierungen des Leistungsanspruches des Versicherten vornehmen. Abgrenzungsprobleme können sich daher auch z. B. bei der Aufnahme neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden zu den in § 135 Abs. 1 SGB V geregelten Kompetenzen des Gemeinsamen Bundesausschusses ergeben. 18. Bei der Aufnahme neuer Leistungen in den Bewertungsmaßstab, für die der Gemeinsame Bundesausschuss noch keine Aufnahme in Richtlinien beschlossen hat, sind die Entscheidungen des Gemeinsamen Bundesausschusses sowohl sachlich als auch rechtlich vorrangig. 19. Die Bewertungsausschüsse sind berechtigt, die Aufnahme solcher Leistungen in den Bewertungsmaßstab zurückzustellen oder zu verweigern, für die ein genügender Finanzrahmen nicht zur Verfügung steht. Den Bewertungsausschüssen kommt eine Steuerungsfunktion zu. 20. Die Bewertungsausschüsse können Konkretisierungen von allgemeinen Aussagen in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses durch die Festlegung des Inhalts von Leistungsbeschreibungen vornehmen. 21. Der Gemeinsame Bundesausschuss entscheidet nicht endgültig und abschließend über die Aufnahme von Leistungen in die vertrags(zahn)ärztliche Versorgung. Er gibt einen Rahmen vor, der den Bewertungsausschüssen einen Gestaltungsspielraum eröffnen soll.

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G. Zusammenfassung

22. Gleichgültig, wie der Gesetzgeber den abstrakten Leistungsrahmen gestaltet, kann aber auf die notwendige Konkretisierung der Leistungen durch den Gemeinsamen Bundesausschuss und die Bewertungsausschüsse als Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung im Einzelfall nicht verzichtet werden. Politik, Gesetzgeber und Ministerialbürokratie können diese Aufgabe nicht selbst leisten, wie die Erfahrung gezeigt hat. Der anzustrebende Interessenausgleich kann viel eher durch eine von einem Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung der (Zahn-)Ärzte und Krankenkassen zu treffenden Entscheidung herbeigeführt werden, einem fachkundig besetzten Gremium, welches gesetzlich dazu bestellt ist, über die Einbeziehung und Finanzierbarkeit von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung zeitgleich zu beraten. Nur so kann dem medizinisch-technischen Fortschritt und damit den Ansprüchen der Versicherten auf die bestmögliche Versorgung Rechnung getragen werden. 23. Es besteht daher Bedarf, beide historisch entstandenen Ausschüsse zu modernisieren. Aufgrund der engen Verzahnung beider Gremien der gemeinsamen Selbstverwaltung und der weitgehenden Personenidentität wäre eine Zusammenfassung beider gesetzlicher Aufgaben in je einem Organ der gemeinsamen Selbstverwaltung für die vertragsärztliche bzw. für die vertragszahnärztliche Versorgungen denkbar, welches aufgrund der Sach- und Fachkompetenz zeitnah zu Lösungen gelangen könnte. Auf diese Weise kann eine an objektiven Maßstäben orientierte, gleichmäßige Praxis der Leistungsgewährung erreicht werden. Dabei sind die bestehenden verfassungsrechtlichen Defizite anzuerkennen und die europarechtlichen sowie wettbewerbsrechtliche Vorgaben zu beachten und Rechtsschutzmöglichkeiten für die von den Entscheidungen Betroffenen vorzusehen.

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Sachregister Abänderungsgesetz zum Krankenversicherungsgesetz 16 Abstaffelungen 186 Abstaffelungsregelungen 194 Allgemeinverbindlichkeitserklärung 74, 204 Allgemeinverbindlichkeitserklärungen von Tarifverträgen 148 Alsbacher Vereinbarung 50 Amtsdauer 145, 147 Amtsführung 145 Analogbewertungen 167 Anfangs- und Erprobungsregelungen 199 Anfechtungsklage 142 Anhörungsrechte 130 Anpassungsgebot 194 Anstalt des öffentlichen Rechts 65 Anstalten 128 Apothekenurteil 108 Arbeitsausschuss 146 Arbeitszeit 170 Arzneimittel-Richtlinien 60, 105, 121, 125, 138, 142 Arzneimittelbegriff 118 Aufsicht 92 Aufsichtsarten 94 Aufsichtsbefugnisse 156 Aufsichtsbehörde 210 Aufsichtsmaßnahme 159 Außenseiter 88 Außenseitermethode 113 Ausgabenneutralität 189 Ausgrenzung von Leistungen 104 Ausschuss Krankenhaus 45

Aut-idem Regelung 44 Autonome Satzung 126 Beanstandungsrecht 92 Beauftragte für die Belange der Patientinnen und Patienten 63 Bedarfsplanung 32, 107 Bedarfsplanungsrichtlinien 87 Bedarfsplanungsrichtlinien-Ärzte 109 Bedarfszulassung 107 Behinderten-, Patienten- und Selbsthilfeorganisationen 120 Behörden 148 Beitragsentlastungsgesetz 54 Beitragssatzstabilität 224 BEL 170 BEMA 162 BEMA-Z 50 Beobachtungs- und ggf. Anpassungspflicht 188 Berufsausübungsregelungen 136 Berufsfreiheit 120 Berufswahl 108 Berufszulassungsbeschränkungen 108 Beschlussfassung 208 Beschlussgremium 150 Beschlussorgan 148 Beteiligtenfähigkeit 141, 152 Beurteilungsspielraum 96 Bevollmächtigte 154 Bewertungsausschüsse 34, 144, 202 Bewertungskompetenz 183 Bewertungskorrekturen 193 Bewertungsmaßstab 144, 147, 162, 166

248

Sachregister

Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen 50 Bewertungsrelationen 170, 175 Bindungswirkung 121, 132, 162 BUB-Richtlinien 93, 112 Budgetierung 38, 186 Bundes- und Landesausschüsse 144 Bundeseinheitlicher durchschnittlicher Punktwert 58 Bundesmantelvertragspartner 157 Bundesmantelverträge 31, 123, 127 Bundesprüfstelle 226 Bundeszahnärztekammer 56 Cavete-Tafeln 18 Centralverbandes von Ortskrankenkassen im Deutschen Reich 17 Delegation 73 Demokratiegebot 81 Demokratische Legitimation 73, 153, 222, 225 Diätassistentenentscheidung 128 Direktwahl 95 Doppelnatur 150 Durchführungsbestimmung 125 EBM 35, 112, 154, 157, 162-166, 168169, 171-173, 182, 188, 190, 192, 198, 212, 217 EBM-Z 191 EG-Kartellrecht 139, 195 Eingriffsintensität 79 Einheitlicher Bewertungsmaßstab für kassenärztliche Leistungen (EBM) 35 Einschätzungsprärogative 117, 226 Einzelleistungen 173 Einzelleistungsvergütung 18, 25 Einzelleistungsvergütungssystem 221 Erlaubnisvorbehalt 114 Ermessensausfall 209 Ersatzvornahme 31, 158

Erstes Ermächtigungsgesetz 22 Europäischer Gerichtshof 139 Evidenzbasierte Patienteninformationen 120 Evidenzkonzept 130 Exekutive 150 Fachgebiet 183 Festbetragsentscheidung 224 Festbetragsfestsetzung 138 Festbeträge 75 Feststellungsklage 199 Festzuschusssystem 56 Finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung 186 Freie Arztwahl 30 Freie Hilfskasse 13 Freier Verband Deutscher Zahnärzte 50 Friedenswahl 80, 154 Gebührenordnungen 186 Gebührenpauschalen 194 Gebührenpositionen 185 Gebot der Angemessenheit der Vergütung ärztlicher Leistungen 191 Gebot der Verteilungsgerechtigkeit 191 Gemeinsamer Bundesausschuss 45, 59, 202 Gemeinsame Selbstverwaltung 139, 222 Gemeinschaftsgut 108 Gemeinwohlaufgabe 187 Gemeinwohlbelang 208 Gesamtvergütung 191 Gesamtverträge 28, 123, 166 Geschäftsordnung 60, 120, 130, 140, 145 Geschäftsordnung des Gemeinsamen Bundesausschusses 88 Gesetz über die Ausübung der Zahnheilkunde 49 Gesetz über Kassenarztrecht 29 Gesetz, betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter 14

Sachregister Gesetzesbegründungen 180 Gesetzliche Ausschlusstatbestände 106 Gestaltungsermessen 171 Gestaltungsspielraum 186, 193, 198, 206, 219 GKV-Gesundheitsreform 2000 167 GKV-Modernisierungsgesetz 120 GKV-Neuordnungsgesetz 54 Gleichbehandlungsgebot 182, 199 Grundrechte 128 Grundrechtsrelevanz 209 Grundsatz der Angemessenheit der Vergütung 215 Grundsatz der Beitragssatzstabilität 36 Grundsatz der Punktsummenneutralität 171 Heilmittel-Richtlinien 104 Honorarverteilungsmaßstab 31, 164 ICSI 105 ICSI-Ausschluss 83 Inhaltskontrolle 117 Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit 45, 98, 120 Inzidentkontrolle 141 Kaiserliche Botschaft 14 Kartellrecht 138 Kassenarzt 16 Kassendentistische Vereinigung Deutschlands 49 Kassenärztliche Vereinigungen 26 Kassenzahnärztliche Gebührenordnung 48 Kölner-Vereinbarung 50 Kollektivvereinbarungen 17 Kollektivvertrag 27 Kompetenzabgrenzung 214 Kompetenzausweitung 121 Kompetenzverteilung 217 Kompetenzzuweisungen 136

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Komplexgebühren 194 Komplexhonorare 169 Konfliktlösungsorgan 90 Konkretisierung 216 Konkretisierung des Leistungsanspruchs 122 Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen 35 Koordinierungsausschuss 43, 77, 223 Koordinierungsgremien 147 Kopfpauschalen 25 Kostendämpfungsergänzungsgesetz 152 Kostenerstattung 40, 53 Kostenerstattungsprinzip 13 Krankenhausnotopfer 40 Krankenscheingebühr 25 Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz 52 Krankenversicherungs-Ergänzungsgesetz 53 Krankenversicherungs-Weiterentwicklungsgesetz 52 Krankenversicherungsgesetz 47 KVD 27 Landesverbände 29 Legitimationskette 78, 136, 153, 204 Legitimationsniveau 153 Leistungsabrechnung 203 Leistungsausschlüsse 105, 120 Leistungsbeschreibungen 175, 220 Leistungsdefinitionen 168 Leistungserbringungsrecht 98, 129, 202 Leistungskatalog 90, 178 Leistungsklage 142 Leistungskomplexe 169 Leistungsrecht 99, 129, 202 Leistungsverzeichnis 163 Letztentscheidungsrecht 89 Losentscheid 155 Methadon-Entscheidung

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Sachregister

Methadon-Richtlinien 128 Ministerialfreie Räume 91 Mischkalkulation 206 Mitberatungsrecht 62, 85, 130 Mitentscheidungsrecht 225 Mitwirkungsrechte 200 Negativliste 43 Neurelationierung 189 Nichtbeanstandung 93 Niederlassungsfreiheit 30 Normadressat 133 Normenkontrollverfahren 198 Normfindungsrecht 97 Normgeber 133 Normkonkretisierende Verwaltungsvorschriften 100 Normsetzung 86, 132, 190, 222 Normsetzungsermessen 119 Normsetzungskompetenzen 219 Normsetzungsprogramm 96 Normsetzungsverfahren 158 Normsetzungsverträge 86, 186, 197 Notverordnung 25 NUB-Verfahren 87 Ordnungsfrist

156

Patientenbeteiligungsverordnung 63, 84 Patienteninformationen 115, 140 Patienteninteressen 83 Patientenverbände 225 Pauschalvergütung 18 Personelle Legitimation 78 Pflichtversicherung 14 Plafondierung 34 Planungsbereiche 110 Plenum 146 Praxisbudget 187 Preußische Gebührenordnung 48 Präventionsorientierte Zahnheilkunde 170

Prothetikvereinbarung 52 Psychotherapeutengesetz 101 Punktsummenneutralität 189 Punktwerte 164 Qualitätssicherung 56, 114, 206 Quasi-notarielle Funktion 208 Rahmenrecht 90, 100 Rationalisierung 216 Rationierung 223-224 Rückwirkungsverbot 162 Rechtsaufsicht 62, 92, 161 Rechtsetzung 138 Rechtsetzungsautonomie 203 Rechtsetzungsdelegation 75 Rechtsetzungsermächtigung 73 Rechtsfähigkeit 63, 67-68 Rechtsnatur der Richtlinien 122 Rechtsnatur des Bewertungsausschusses 147 Rechtsnatur des Bewertungsmaßstabes 162 Rechtsnatur und Verbindlichkeit der Richtlinien 122 Rechtsnormcharakter 122 Rechtspersönlichkeit 150, 158 Rechtsschutzmöglichkeiten 197 Rechtsverordnung 73, 94 Regelungskompetenz 107 Regelungsspielraum 185 Regelversorgung 57 Registerausschuss 21 Reichsausschuss 22 Reichsschiedsamt 22 Reichsversicherungsordnung 19 Reichsversicherungsverband Deutscher Dentisten 48 Remedacen-Entscheidung 114 Richtlinien 160, 210 Richtlinienempfehlungen 216 Richtlinienkompetenz 34

Sachregister Sachleistung 40 Sachverständigengremium 136 Sachverständiger 145 Satzung 123 Satzungsautonomie 70, 74 Schiedsamt 145, 158 Schiedsamtsordnung 159 Schiedsamtsverordnung 88 Schiedsämter 21, 144 Schiedsstelle 102, 222 Schiedsverfahren 152 Selbstbeschaffung 141 Selbstverwaltung 30 Selbstverwaltungskörperschaften 149 Selbstverwaltungssystem 149 Sicherstellungsauftrag 30 Sozialgerichtsbarkeit 29, 141 Sozialrechtsweg 141 Spitzenverbände der Krankenkassen 26 Steuerungsfunktion 194, 208, 215 Stiftung 69 Streik 20 Strukturveränderungen 168 Subdelegation 74 Suprakonstruktionen 179 Systemmangel 110, 163 Systemversagen 110, 121 Tarifverträge 204 Teilbudgets 191 Teilnahmepflicht 160 Teilnahmerecht 159 Therapiefreiheit 30, 116, 218 Transparenzrichtlinie 140 Umstrukturierung 211 Umstrukturierung des BEMA 212 Unparteiische 95, 149, 155 Unparteiischer Vorsitzender 145 Unparteilichkeit 90 Unterausschüsse 62 Unternehmensbegriff 139, 195

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Unternehmenseigenschaft 139 Untersuchungs- und Behandlungsmethoden 168, 207, 211 Verband Deutscher Betriebskrankenkassen 17 Verbindlichkeit der Richtlinien 121 Verbot mit Erlaubnisvorbehalt 112 Verein für freie Arztwahl 17 Vereinheitlichungsgebot 147 Verfahrensordnung 60, 120 Vergütungsrahmen 215 Vergütungssystem 221 Verhältniszahl 25, 31, 107 Verkündungsgebot 162 Verordnung über Ärzte und Krankenkassen 22 Verordnung über die Amtsdauer, Amtsführung und Entschädigung der Mitglieder der Bundesausschüsse und der Landesausschüsse der Ärzte (Zahnärzte) und Krankenkassen 61 Verordnungsausschluss 107 Verpflichtungsklage 142 Versicherungszwang 15 Verteilungsmaßstab 203 Vertragsabschlussvollmacht 154 Vertragsarzt 38 Vertragsausschuss 148, 154 Vertragsausschüsse 21-22, 146 Vertragsgebührenordnung 173 Vertragsordnung 23, 26 Vertragsordnung für Kassenzahnärzte und Kassendentisten 48 Vertragsorgan 148 Vertrauensärztlicher Dienst 25 Vertrauensschutz 193 Verwaltungsakt 151 Verwaltungsrat 80 Vorbehalt des Gesetzes 126 Vorschlagslisten 80 Vorsitz 144

252 Weisungsfreiheit 154 Weisungsgebundenheit 154 Weisungsrecht 154 Weisungsunabhängigkeit 92, 146 Wesentlichkeitsgrundsatz 76, 134 Wesentlichkeitsprinzip 128 Wirtschaftlichkeitsgebot 97, 188 Wirtschaftlichkeitsprüfung 38 Wirtschaftlichkeitsprinzip 224

Sachregister Zahnersatzrichtlinien 179 Zeitsummenneutralität 171, 189 Zentralausschuss 21 Zulassungsbeschränkungen 110 Zulassungsgremien 144 Zulassungsordnung 23, 26 Zulassungsstatus 185 Zurückhaltungsgebot der Gerichte Zwangskassen 13 Zwangsmitgliedschaft 15

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